Tobias Raffel Unternehmensberater in der Politikberatung
GABLER EDITION WISSENSCHAFT Schriften zum europaisehen Manag...
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Tobias Raffel Unternehmensberater in der Politikberatung
GABLER EDITION WISSENSCHAFT Schriften zum europaisehen Management Herausgegeben von Roland Berger Strategy Consultants - Academic Network
Herausgeberrat: Prof. Dr. Thomas Bieger, Universitat St. Gallen; Prof. Dr. Rolf Caspers, European Business School, Oestrich-Winkel; Prof. Dr. Guido Eilenberger, Universitat Rostock; Prof. Dr. Dr. Werner Gocht, RWTH Aachen; Prof. Dr. Karl-Werner Hansmann, Universitat Hamburg; Prof. Dr. Alfred Kotzle. Europa Universitat Viadrina, Frankfurt/Oder; Prof. Dr. Kurt Reding, Univsrsitat Kassel; Prof. Dr. Dr. Karl-Ulrich Rudolph, Universitat Witten-Herdecke; Prof. Dr. Johannes Ruegg-Sturm, Universitat St. Gallen; Prof. Dr. Leo Schuster, Katholische Universitat Eichstatt-lnqolstadt: Prof. Dr. Klaus Spremann, Universitat St. Gallen; Prof. Dr. Dodo zu Knyphausen-AufseB, Universitat Bamberg; Dr. Burkhard Schwenker, Roland BergerStrategy Consultants
Die Reihe wendet sich an Studenten sowie Praktiker und leistet wissenschaftliche Bsitraqe zur okonornischen Forschung im europaischen Kontext.
Tobias Raffel
Unternehmensberater in der Politikberatung Eine empirische Untersuchung zu Aktivitatan, Grunden und Foigen
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Werner Jann
Deutscher Universitats-Verlaq
Bibliografische Information DerDeutschen Nationalbibliothek DieDeutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sindim Internetiiber abrufbar.
Dissertation Universitlit Potsdam, 2006
1. Auflage Oktober 2006
Aile Rechte vorbehalten © Deutscher Universitlits-Verlag I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Brigitte Siegel/Sabine Scholler DerDeutsche Universitlits-Verlag ist ein Unternehmen vonSpringer Science-Business Media. www.duv.de Das Werk einschlieBlich aller seinerTeile ist urheberrechtlich qeschiitzt, JedeVerwertung auBerhalb derengen Grenzen desUrheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verla.9s unzullissig und strafbar. Das gilt insbesondere fUrVervielfliltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. DieWiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wliren unddahervon jedermann benutzt werden durften, Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druckund Buchbinder: Rosch-Buch, ScheBlitz Gedruckt auf sliurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8350-0580-4 ISBN-13 978-3-8350-0580-8
v Geleitwort Politikberatung, ihre Vor- und Nachteile, Moglichkeiten und Unmoqllchkeit sind inzwischen ein beinahe klassisches Thema der Politik- und Verwaltungsforschung. Allerdings gilt wie so oft, dass die wissenschaftliche Diskussion nicht immer ganz auf der Hohe der Zeit ist. Ein Grofsteil der Literatur beschaftigt sich ausschlieBlich mit der wissenschaftlichen Politikberatung und verortet diese vor allem an Universitaten und Forschungsinstituten, wahrend tatsachlich inzwischen ganz andere Akteure auf dem Feld der Politikberatung aktiv sind, z.B. mehr oder weniger unabhangige Think Tanks, Stiftungen oder Unternehmensberater. Gerade die Aktivitaten der Unternehmensberater sind, vor allem im Gefolge der Vorschlaqe der sog. Hartz-Kommission und ihrer Umsetzung, dabei in die offentliche Aufmerksamkeit geraten. Die vorliegende Arbeit von Tobias Raffel behandelt daher ein sowohl praktisch wie wissenschaftlich aktuelles und relevantes Thema: Welche Rolle spielen Unternehmensberater in der aktuellen Politik und damit der Politikberatung, und wie ist diese Rolle zu bewerten? Die praktische Relevanz ergibt sich aus der umfangreichen und kontroversen offentllchen Diskussion der letzten Jahre, in der immer wieder eine quantitative und qualitative Zunahme der Bedeutung von Unternehmensberatern postuliert wurde und dieser Bedeutungszuwachs wiederum von einigen Beobachtern heftig kritisiert wurde. Sowohl politische wie administrative Akteure und nicht zuletzt auch die Beraterzunft und die allgemeine Offentlichkeit haben daher ein ganz aktuelles und pragmatisches Interesse, mehr uber diese Aktivitaten zu erfahren. Aber nicht nur die politische und administrative Praxis benotiqt umfangreichere und verlasslichere Informationen, sondern auch die wissenschaftliche Diskussion krankt an einer unzureichenden empirischen, konzeptionellen und theoretischen Durchdringung des Phanomens der neuartigen Politikberatung durch Beratungsfirmen. Die Arbeit richtet sich als Grundlagenarbeit zunachst an die scientific community, indem sie versucht, eine ForschungslLicke durch neue empirische Erkenntnisse zu schlieBen. Dabei werden sehr hilfreiche prazisere Definitionen, Abgrenzungen, Kategorisierungen und Systematisierungen entwickelt und umfangreiches Material systematisch aufgearbeitet. Dem Autor geht es aber nicht nur urn den internen wissenschaftlichen Diskurs, denn seine Arbeit richtet sich ausdrLicklich auch an interessierte Beobachter und Kommentatoren, also an die allgemeine Offentlichkeit, und an die in diesem Bereich Beteiligten. Die Arbeit soli nicht zuletzt den Anbietern und
VI Nachfragern von Politikberatung helfen, ihre eigenen Aktivitaten, deren Motive und Foigen besser elnzuschatzen, Dies geschieht in zwei aufeinander aufbauenden Teilen. 1m ersten Teil geht es urn die wissenschaftlichen, analytischen und methodischen Grundlagen, im zweiten Teil dann urn die eigentlichen empirischen Ergebnisse. Zunachst wird der Stand der Forschung pointiert, anschaulich und prazise zusammengefasst. Besonders hervorzuheben ist, dass hier zum ersten Mal die vorhandenen Befunde sowohl aus dem Bereich der Politikberatung wie dem Bereich der Unternehmensberatung, an deren Schnittstelle die Arbeit ja angesiedelt ist, berticksichtigt werden. Der zweite Tei! enthalt dann den eigentlichen empirischen Teil der Untersuchung. Hier geht es, vor allem auf der Grundlage umfangreicher Interviews des Autors, zum einen urn die inhaltlichen Wege der Unternehmensberater in die Policy-Beratung, wie urn deren zeitliche Einordnung, aber vor allem auch urn die verschiedenen Typen von Beratung, urn den Umfang und die beobachtbaren Veranderungen. Man erfahrt sehr vieI tiber die Entwicklung dieser Art der Politikberatung und deren - davon durchaus abweichender - Wahrnehmung in der Offentlichkeit. Oberraschend ist vor allem die Aussage, dass die den Autor interessierende Art von inhaltlicher PolicyBeratung nur einen sehr begrenzten Raum einnimmt und eigentlich nur von zwei der gro[l,en Beratungsfirmen systematisch betrieben wird. Weiter wird nach dem Warum der veranderten und verstarkten Aktivitaten gefragt, und auch hier gibt es wiederum viele relevante empirische Hinweise, warum Politiker nicht mehr ausschliefslich auf die Ministerialbtirokratie oder auch die klassische wissenschaftliche Politikberatung vertrauen. Schliefslich geht es im letzten Tei urn die Foigen der Politikberatung durch Unternehmensberater. Hier zeigen sich sehr gegensatzliche EinscMtzungen der quantitativen und qualitativen Entwicklungen. Herr Raffel hat eine extrem lesbare, sehr grtindliche, informative Studie vorgelegt, die ihren Platz in der ja nicht gerade unbetrachtlichen Literatur tiber Politikberatung finden wird. Wer in Zukunft die aktuelle Rolle von Unternehmensberatern vor allem in der Ara Schroder interpretieren und erklaren will, wird diese Arbeit sicherlich mit Gewinn zu Rate ziehen. Prof. Dr. Werner Jann Universitat Potsdam Lehrstuhl fOrPolitikwissenschaft, Verwaltung und Organisation
VII
Vorwort Gerade zwei Jahre ist es her, dass die Beratung von Politik und Verwaltung durch Unternehmensberatem offentlich am Pranger stand. Kontrovers wurde darGber diskutiert, ob die vergleichsweise teuren Beratungsleistungen dieser Akteure okonomisch , moralisch und demokratietheoret isch vertretbar sind, ob sie echten Nutzen stiften und ob die Vergabe von Auftraqen immer rechtrnafslq erfolgt. Antworten auf diese und viele weitere ahnlich geartete Fragen ist die politisch Gberhitzte Debatte weitgehend schuldig geblieben . Zu diesem Zeitpunkt war ich als Redenschreiber von Prof. Roland Berger selbst in einer Unternehmensberatung tatig. So konnte ich die Aufregung, die die offentllchen Anschu ldigungen in der gesamten Branche auslosten, aber auch einige der Politikberatunqsaktivitaten dieses Beratungsunternehmens aus nachster Nahe miterleben. Ais eine Foige der offentlichen Debatte sind Politiker und Unternehmensberater vorsichtiger geworden. Sie Gberlegen sich genau, welche Vor- und Nachteile , welche Chancen und Risiken ihnen eine Zusammenarbeit bringt. Nach dem Abflachen der offentl lchen Debatte sind beide Seiten jedoch relativ bald wieder zum business as usual Gbergegangen. Aber worin besteht eigentl ich dieses "normaIe" Geschaft der Politikberatung durch Unternehmensberater? Diese Frage bewegte mich weiterhin und war Ausgangspunkt der vorliegenden Forschungsarbeit. Ais Doktorand von Prof. Dr. Werner Jann , Professor fOr Politikwissenschaft, Verwaltung und Organisation an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultat der Universitat Potsdam und selbst als Mitglied der Hartz-Kommission und anderer Expertengremien beratungserfahren , konnte ich der Frage wissenschaftlich nachgehen . Voraussetzung der Forschungsarbeit war natGrlich, von der unmittelbaren und subjektiv gepragten Erfahrung bei Roland Berger zu abstrahieren, um sich dem Phanomen der Politikberatung durch Unternehmensberater insgesamt nahern zu konnen, Geholfen hat mir in dem Bestreben, den Forschungsgegenstand so unvoreingenommen wie rnoqlich zu betrachten , nicht nur eine Reflexion der wissenschaftlichen Herangehensweise, sondern insbesondere auch die Bereitschaft von Interviewpartnern aus allen groBen Beratunqshausern, mir ihre Politikberatungstatigkeiten zu erlautern. Die Tatsache, dass ich bei einem konkurrierenden Unternehmen gearbeitet hatte, wurde in den allermeisten Fallen nicht als Problem empfunden, geschweige
VIII denn als Grund, mein Interviewgesuch abzulehnen. Auf diese Weise war es moglich, die wahrend meiner vorherigen Tatigkeit unmittelbar gemachten Erfahrungen in den Gesamtkontext einzuordnen. Eine Forschungsarbeit ist ohne die Unterstutzunq Vieler nicht rnoqllch. Besonders danken mochte ich meinem Doktorvater Prof. Dr. Werner Jann fOr seine Betreuung und die Freiheit, die er mir bei der Themensetzung und DurchfOhrung des Forschungsvorhabens gewahrt hat. Autserdem hat er mich tatkraftiq bei der Ansprache hochrangiger Interviewpartner aus Politik und Verwaltung unterstotzt. In Doktorandenkolloquien der Universitat Potsdam, namentlich des interdisziplinaren Graduiertenkollegs Modern Governance (GKMG) sowie in Veranstaltungen und Diskussionen mit Doktoranden und Kollegen des Unternehmens Roland Berger Strategy Consultants habe ich viele hilfreiche Anregungen bekommen. Danken rnochte ich auch dem Zweitkorrektor der Arbeit, Prof. Dr. Christoph Reichard, der mir ebenfalls hilfreiche Anregungen gegeben und Kontakte vermittelt hat. Dank fOr intelligente Fragen, gute Ideen, organisatorische Mithilfe, moralische Unterstutzunq und anderes mehr schulde ich aufserdem Frau Janke im Sekretariat von Prof. Jann, Markus Broich, Thomas Schleicher, Sebastian Wienges, Carolin Berschauer, Dr. Svenja Falk, Dr. Susanne Cassel, Kai Engelmann, Dr. Christoph Kleppel, Dr. Nils Bickhoff, Dr. Christian Krys, meinen Eltern und Silke Johannsen. Tobias Raffel
IX
InhaltsObersicht 1. Einleitung GRUNDLAGEN
2. Stand der Forschung
10
2.1 Literatur zur Politikberatung
10
2.2 Literatur zur Unternehmensberatung
23
2.3 ForschungslOcke
33
2.4 Zusammenfassung
37
3. Analytischer Bezugsrahmen
39
3.1 Das Politik- und Beratungsverstandnis der Arbeit
39
3.2 Definitionen
43
3.3 Analyseebenen
50
3.4 Zusammenfassung
56
4. Vorgehensweise der Arbeit
59
4.1 Forschungsdesign
59
4.2 Forschungsfragen
61
4.3 Methodik
62
4.4 Zusammenfassung
67
EMPIRIE
5. Aktivitaten der Unternehmensberater in der Politikberatung
69
5.1 Der Weg der Unternehmensberater in die Politikberatung
69
5.2 Vier Typen von Politikberatungsaktivitaten
76
5.3 Der Umfang von Politikberatung durch Unternehmensberater
92
5.4 Veranderungen bei den Politikberatungsaktivitaten
105
5.5 Zusammenfassung
113
6. GrOnde fOr Politikberatung durch Unternehmensberater
115
6.1 Voraussetzungen fOr das Zustandekommen von Politikberatung durch Unternehmensberater
116
6.2 Motive der Politik bei der Beauftragung von Unternehmensberatern
123
6.3 Motive der Unternehmensberater bei der Politikberatung
134
x 6.4 Exkurs: Die Vorgehensweise der Unternehrnensberater
141
6.5 Zusarnrnenfassung
154
7. Foigen von Politikberatung durch Unternehmensberater
156
7.1 Die Debatte urn professionelle Beratung der offentlichen Hand irn Winter 2003/2004 und ihre Foigen
157
7.2 Auswirkungen von Politikberatung durch Unternehrnensberater
165
7.3 Die Zukunft von Politikberatung durch Unternehrnensberater
182
7.4 Zusarnrnenfassung
202
8. Zusammenfassung und Schluss
204
Literaturverzeichnis
215
Anhang
243
XI
Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung GRUNDLAGEN
2. Stand der Forschung
10
2.1 Literatur zur Politikberatung
10
2.1.1 Theoretisch-konzeptionelle Erkenntnisse 2.1.2 Empirische Erkenntnisse 2.2 Literatur zur Unternehmensberatung
11 15 23
2.2.1 Theoretisch-konzeptionelle Erkenntnisse
23
2.2.2 Empirische Erkenntn isse
25
2.3 ForschungslOcke
33
2.4 Zusammenfassung
37
3. Analytischer Bezugsrahmen
39 39
3.1 Das Politik- und Beratungsverstandnis der Arbeit 3.2 Definitionen
43
3.2.1 Politikberatung
43
3.2.2 Unternehmensberater
47
3.2.3 Politikberatung durch Unternehmensberater
50
3.3 Analyseebenen
50
3.4 Zusammenfassung
56
4. Vorgehensweise der Arbeit
59 59
4.1 Forschungsdesign 4.2 Forschungsfragen
61
4.3 Methodik
62 67
4.4 Zusammenfassung
EMPIR IE
5. AktiviUiten der Unternehmensberater in der Politikberatung 5.1 Der Weg der Unternehmensberater in die Politikberatung
69 69
5.1.1 In drei Schritten zur Politikberatung
70
5.1.2 Vordringen in frOhe Phasen des policy cycle
75
XII 5.2 Vier Typen von Politikberatungsaktivitaten
76
5.2.1 Mitarbeit in politischen Expertengremien
77
5.2.2 1:1-Gesprache zu politischen Inhalten
82
5.2.3 Projektarbeit zu politischen Inhalten
85
5.2.4 Besetzung politischer Themenfelder
88
5.3 Der Umfang von Politikberatung durch Unternehmensberater 5.3.1 Angebotsbreite 5.3.2 Leistungstiefe 5.4 Veranderungen bei den Politikberatungsaktivitaten
92 93 98 105
5.4.1 Starker in der Offentlichkeit
106
5.4.2 Erweitertes Themenspektrum
107
5.4.3 Veranderung der Politikebene?
109
5.4.4 Quantitative Zunahme?
111
5.5 Zusammenfassung
113
6. Grunde fUr Politikberatung durch Unternehmensberater
115
6.1 Voraussetzungen fur das Zustandekommen von Politikberatung durch Unternehmensberater
116
6.1.1 Unzufriedenheit der Politik mit bestehendem Beratungsangebot
116
6.1.2 Wachstumsgrenzen im Kerngeschaft der Unternehmensberater
120
6.1.3 Gemeinsame Erfahrungen in Public-Sector-Beratungsprojekten 6.2 Motive der Politik bei der Beauftragung von Unternehmensberatern
121 123
6.2.1 Wissenstransfer
124
6.2.2 Problembearbeitung und -losunq
126
6.2.3 Beschleunigung von Veranderungsprozessen
129
6.2.4 Akzeptanz fOrpolitisches Handeln erhOhen
130
6.2.5 Befriedigung individueller taktischer Motive
132
6.3 Motive der Unternehmensberater bei der Politikberatung
134
6.3.1 Kontakte auf- und ausbauen
134
6.3.2 Image, Bekanntheit und Positionierung verbessern
135
6.3.3 Mittelbar Gewinn erzielen
137
6.3.4 Auf politische Entscheidungen Einfluss nehmen
139
6.3.5 Der gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden
140
6.4 Exkurs: Die Vorgehensweise der Unternehmensberater
141
6.4.1 Strategische Oberlegungen als Ausgangspunkt: Politikberatung ja oder nein?
141
6.4.2 Kompetenzaufbau
145
XIII
6.4.3 Themen-/Politikfeldauswahl
149
6.4.4 Stimulierung der Nachfrage
151
6.5 Zusammenfassung
154
7. Foigen von Politikberatung durch Unternehmensberater
156
7.1 Die Debatte um professionelle Beratung der offentlichen Hand im Winter 2003/2004 und ihre Foigen
157
7.1.1 Daten und Fakten zur Debatte
157
7.1.2 Foigen der Debatte
162
7.2 Auswirkungen von Politikberatung durch Unternehmensberater
165
7.2.1 Mogliche Auswirkungen der Politikberatung durch Unternehmensberater
166
7.2.2 Der Einfluss von Unternehmensberatern auf politische Inhalte
169
7.2.3 ProblematisierungdemokratietheoretischerAspekte
176
7.3 Die Zukunft von Politikberatung durch Unternehmensberater
182
7.3.1 Mogliche quantitative Entwicklungen 7.3.2 Mogliche qualitative Entwicklungen
184 193
7.4 Zusammenfassung
202
8. Zusammenfassung und Schluss
204
Literaturverzeichnis
215
Anhang
243
xv Abbildungsverzeichnis Abbildung 1:
Politikberatung vs. Verwaltungsberatung
Abb ildung 2:
Klassif ikationskriterien fur Politikberatungsanbieter
16
Abbildung 3:
Klassifikationskriterien fOr Politikberatungsnachfrager
18
Abbildung 4:
Der idealtypische policy cycle
53
Abbildung 5:
Die vier Analyseebenen der Untersuchung
56
Abbildung 6:
Der Weg der Unternehmensberater in die Politikberatung
71
Abbildung 7:
Das Vordringen von Unternehmensberatern in frOhe Phasen des policy cycle
76
Typologie der Politikberatungsaktivitaten von Unternehmensberatern
77
Abbildung 9:
Geld verdienen mit Politikberatung
95
Abbildung 10:
Politikbera tung als Phanomen einzelner Personen
97
Abbildung 8:
Abbildung 11: Beratungsziel, Reichweite der Beratungsleistung und Bedeutung von polity/politics
4
99
Abbildu ng 12: Unternehmensberater als Unterstotzer bei der Durchsetzung politischer Positionen
102
Abbildung 13: Berichterstattung Ober Politikberatung durch Unternehmensberater
106
Abbildung 14: Themenspektrum der Politikberatung durch Unternehmensberater
108
Abbildung 15:
Mitgliedschaften in ausqewahlten politischen Expertenkommissionen auf Landes- und Bundesebene
110
Abbildung 16: Motiv Geld verdienen
138
Abbildung 17: Einfluss von Unternehmensberatern auf politische Inhalte
172
Abbildung 18:
173
Starke des Einflusses von Unternehmensberatern
Abbildung 19: KOnftige Entwicklungen - Anst ieg, Gleichble iben, ROckgang
184
Abbildung 20 : Politikberatung durch Unternehmensberater
205
Kapitel 1 - Einleitung Keine andere Berufsgruppe erhalt tagtaglich so viele Ratschlaqe wie Polltiker.' Egal ob von den Mitarbeitern der Grundsatz- und Planungsabteilungen in Ministerien und Behorden, von Wissenschaftlern im Rahmen von AnhOrungen oder der Kommissionsarbeit, von Journalisten, Verbandsvertretern und Unternehmern, von Taxifahrern und streikenden BOrgern auf der StraBe, von Parteifreunden oder der eigenen Familie - die Liste derer, die sich berufen und imstande fOhlen, Politikern in Deutschland Rat zu erteilen, ist lang und liefse sich fast beliebig fortfOhren (vgl. Wewer 2003: 361). Nicht Oberaile diese Ratschlaqe sind Politiker glOcklich. Auch kommt Ihnen bisweilen der Zeitpunkt und die Art und Weise, in der der Rat erteilt wird, ungelegen. Unbestritten ist jedoch, dass sich die Politik beraten lassen muss, um kompetent Entscheidungen treffen zu konnen. Denn: "Die Notwendigkeit zu entscheiden reicht weiter, als die Moglichkeit zu erkennen" (Immanuel Kant). Politische Entscheidungstrager brauchen unter anderem inhaltliche, operative und kommunikative UnterstOtzung bei der Bewaltlqunq ihrer Aufgaben. Das gilt nicht zuletzt angesichts der Herausforderungen, vor denen die handelnden Akteure in Politik und Verwaltung heute stehen. Zum einen sehen sie sich gestiegenen Anforderungen gegenOber: Entscheidungsgegenstande und -prozesse werden in Zeiten fortschreitender internationaler Verflechtung immer komplexer. Die Veranderungsgeschwindigkeit - und damit die Notwendigkeit, Entscheidungen zu treffen nimmt bei sinkender Halbwertszeit von Wissen permanent zu. Die BOrger fordern heute autserdern verstarkt vom Staat effizientes, effektives, transparentes und kundenorientiertes Handeln ein. Zum anderen sind die Spielraurne staatlichen Handelns begrenzter denn je: Hohe Arbeitslosigkeit und andere strukturelle Verwerfungen verscharfen die ohnehin bestehenden budqetaren Restriktionen der offentlichen Hand. Die Akzeptanz der Bevolkerunq fOr umfassende politisch gesteuerte Anderungen des Status quo ist gering. In vielen Politikfeldern wurden und werden zudem Entscheidungs- und PolitikformuIierungskompetenzen auf andere politische Ebenen verlagert oder externalisiert, was
Der grof),eren Einfachheil und besseren Lesbarkeil halber wird in der vorliegenden Arbeil ausschliefslich die kOrzere rnannliche Form benutzt. Polilikerinnen, Beralerinnen, Wissenschaftlerinnen etc. seien damil ausdrOcklich eingeschlossen.
2 in einigen Fallen das Handeln (national)staatlicher Akteure einschrankt bzw. die Steuerung erschwert. In einer solchen Situation steigender Anforderungen bei gleichzeitig begrenzter staatlicher Steuerunqsfahlqkeit und gesellschaftlicher Steuerbarkeit befindet sich die Politik nicht erst seit kurzer Zeit. Genauso wenig ist auch Politikberatung ein neues Phanornen. Schon Sokrates galt als Berater, die FOrsten des Mittelalters lieBen sich beraten und spatestens seit Ende des Zweiten Weltkriegs existieren in Deutschland zahlreiche fest institutionalisierte wissenschaftliche Beratungsgremien, die die Politik regelmaBig unterstOtzen (siehe Kapitel 2). Wie jOngste AuBerungen jedoch vermuten lassen, haben der Umfang bzw. die Bedeutung von Politikberatungsleistungen in den vergangenen Jahren signifikant zugenommen. Wissenschaftler sprechen von einer "aktuellen Konjunktur" (Saretzki et. al. 1999: 2) oder "gegenwartigen Hausse der Politikberatung" (Rudloff 2004: 14). In den Medien wird Ober einen "Beraterboom" (Berg et. al., 2004) berichtet oder darOber, dass sich Deutschland zur "Berater-Republik" (Bittner! Niejahr 2004) gewandelt habe. Gemeint ist mit Aussagen dieser Art in der Regel nicht, dass traditionelle Politikberatungsanbieter wie verwaltungsinterne Abteilungen von Ministerien oder auch verwaltungsexterne wissenschaftliche Forschungseinrichtungen heute signifikant mehr beraten wOrden als frOher. Vielmehr beschreiben sie die Zunahme professioneller Politikberatung, also von Dienstleistungen, die marktwirtschaftlich arbeitende und auf Beratung spezialisierte Unternehmen fOr Politik und Verwaltung erbringen. 1m Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit steht eine Gruppe dieser professionellen Anbieter: die Unternehmensberater. Bekannt vor allem fOr ihre Beratungsleistungen im privaten Sektor, haben Unternehmen wie McKinsey & Company, Roland Berger Strategy Consultants, Booz Allen Hamilton oder Arthur D. Little in den vergangenen Jahren spezielle interne Organisationseinheiten und externe Kontakte zur Politik aufgebaut, um zusatzlich auch den offentlichen Sektor beraten zu konnen, Wie Zahlen des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater (BDU) belegen, konnten sie dabei in den vergangenen Jahren hohe Zuwachse erzielen. So stieg der Umsatz auf dem Feld der so genannten Public-Sector-Beratunq'' seit 1997 um insgesamt 52% auf 1,14 Mrd. Euro im Jahr 2004 (BDU 1998, 2005a). Autoren wie Stobe (1998) 2
Die Begriffe PUblic-Sector-Beratung und Beratung des 6ffentlichen Sektors meinen den gleichen Sachverhalt und werden in der vorliegenden Arbeit synonym verwendet.
3 vermuten deshalb auch, dass von der Beratungskonjunktur "in erster Linie Unternehmensberatungen" profitieren (ebd.: 14). Fast jeden zehnten Euro verdienen Unternehmensberater heute mit dem Auftraggeber Staat (BDU 2005b: 12). Ore; Tatigkeitsfelder von Unternehmensberatern im offentlichen Sektor lassen sich unterscheiden: •
Erstens , die Beratung ottentlicner Untemehmen. Unternehmensberater helfen
staatlichen Betrieben in betriebswirtschaftlichen Fragen, also etwa bei der strategischen Ausrichtung , Organisation oder Finanzierung ihrer Tatigkeiten. Sie restrukturieren kommunale Infrastrukturbetriebe wie den offentlichen Personennahverkehr oder unterstOtzen offentliche Ver- und Entsorgungsunternehmen dabei, ihre Aufgaben effizienter und effektiver zu erfOlien. Auch bei der Privatisierung ehemals staatlicher Unternehmen wie der Lufthansa, Post oder Telekom waren und sind Unternehmensberater mit umfangreichen Beratungsleistungen aktiv. •
Zweitens, die Beratung tier offentliehen Verwa/tung. Unternehmensberater un-
terstOtzen Ministerien und BehOrden bei der EinfOhrung betriebswirtschaftlicher Steuerungselemente im Rahmen des so genannten New Public Managements . Sie helfen offentlichen Verwaltungen dabei, unternehmensahnliche FOhrungs- und Organisationsstrukturen zu konzipieren, Steuerungsinstrumente wie Kosten- und Leistungsrechnungssysteme zu implementieren sowie mehr Wettbewerb bei der Leistungserstellung einzufOhren. Das Spektrum ihrer Beratungskunden reicht dabei von den Ministerien auf Bundesebene Ober die Bundeswehr und Bundesagentur fOr Arbeit bis hin zu Landes- und Kommunalverwaltungen. •
Drittens , die Beratung von Politik bzw. Politikem. Unternehmensberater bera-
ten das politische und administrative Top-Persona l in politischen Fragestellungen. So lassen sich Politiker von Unternehmensberatern beispielsweise bei der Konzeption einer modernen Wirtschaftsforderpolitik unterstOtzen, die vorhandene finanzielle Mittel starker auf zukunftsgerichtete Branchen alloziert. Oder sie berufen Unternehmensberater in politische Expertengremien wie die Hartz-, ROrup- oder Herzog-Kommiss ion, in denen diese dann gemeinsam mit anderen Vorschlaqe fOr den deutschen Arbeitsmarkt oder die sozialen Sicherungssysteme erarbeiten. Meistens sind Unternehmensberater dabei als oko-
4 nomische Experten gefragt, mitunter gelten sie jedoch auch als Experten in ausqewahlten Politikfeldern. Haufig werden insbesondere die beiden letztgenannten Tatigkeitsfelder, die hier als Verwaltungsberatung und Politikberatung betitelt werden, undifferenziert betrachtet. Das ist insofern nachvollziehbar, als sich beide in der Praxis teilweise tiberschneiden. So bieten etwa einige der Unternehmensberater, die Verwaltungsberatung durchfOhren, mit gleichem Personal auch Politikberatung an. Manchmal stellen sich Verwaltungs- und Politikberatungstatigkeiten zudem als zwei Module eines einzigen Beratungsauftrags dar. Wie eine Gegentiberstellung von Politikberatung und Verwaltungsberatung jedoch zeigt, lohnt sich eine differenzierte Betrachtung, da sich beide hinsichtlich einiger wesentlicher Kriterien unterscheiden (siehe Abbildung 1):
Klassifikationskriterium
Politikberatung
Verwaltungsberatung
Beratungsgegenstand
Inhalte
Prozesse, Instrumente
Beratungszeitpunkt
Vor Entscheidungen tiber Nach Entscheidung tiber politische Ma~nahmen politische Mafsnahrnen
Beratungsziel
Konzeption von Politik
Umsetzung von Politik
Beratungsleistung
Bereitstellung von Wissen, Abwagung zwischen Politikalternativen u.a.
Detaillierung politischer Programme, Implementierungshilfe u.a.
Beratungsform
Verschiedene, z.B. Beratungsgesprache, Mitarbeit in Kommissionen
Vorwiegend Projektarbeit
Bezahlung
Viele Aktivltaten erfolgen pro bono
Beratung wird verqutet
Abbildung 1: Politikberatung
VS.
Verwaltungsberatung
Politikberatung befasst sich vorwiegend mit politischen Inhalten, nicht mit (organisatorischen) Prozessen oder (betriebswirtschaftlichen) Instrumenten. Sie richtet sich an politische Entscheidunqstraqer, wenn diese Rat bei der Vorbereitung politischer Entscheidungen suchen, aber nicht, wenn Malsnahrnen bereits beschlossen sind und "nur noch" rnoqlichst effizient und effektiv implementiert werden sollen. Politikbera-
5 tung zielt also auf die Konzeption politischer Programme ab, nicht auf deren Umsetzung. Unternehmensberater stellen fOr Politik und Verwaltung im Rahmen ihrer Politikberatungsaktivitaten unter anderem politikfeldrelevantes Wissen bereit und unterstOtzen sie bei der Abwagung zwischen politischen Alternativen. Die Detaillierung politischer Programme und Implementierung der Mafsnahrnen erfolgt dagegen durch die Verwaltung und kann von Verwaltungsberatung unterstOtzt werden. Politikberatung findet - wie spater zu zeigen sein wird - auf unterschiedliche Art und Weise statt, beispielsweise im Rahmen politischer Expertengremien, in personlichen Beratungsgesprachen oder auch in Projektarbeit. Verwaltungsberatung dagegen erfolgt in der Regel allein im Projektformat. Politikberatung wird haufig nicht bezahlt, Verwaltungsberatung dagegen schon. Auch im Hinblick auf den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis unterscheiden sich Politikberatung und Verwaltungsberatung. Letztere ist mehrfach Gegenstand systematischer Analysen gewesen (siehe Stand der Literatur in Kapitel 2). Zur Politikberatung durch Unternehmensberater existieren dagegen bislang kaum gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse.
Forschungsfokus
Untersucht werden sollen in der vorliegenden empirischen Arbeit deshalb die Grundlagen von Politikberatung durch Unternehmensberater, genauer gesagt die Aktivitaten, GrOnde und Foigen dieses Phanomens. Drei erkenntnisleitende Forschungsfragen gilt es zu beantworten: Was machen Unternehmensberater auf dem Feld der Politikberatung? Warum findet Politikberatung durch Unternehmensberater statt? Welche Foigen hat Politikberatung durch Unternehmensberater? Erganzend zu diesem Dreiklang von Fragen, der auch andere Arbeiten der Politikfeldforschung anleitet, wird die Vorgehensweise von Unternehmensberatern bei der Politikberatung naher betrachtet. Ais Politikberatung werden gemaB der obigen Dreiteilung der Tatigkeitsfelder von Unternehmensberatern im offentlichen Sektor ausschliefsllch die letztgenannten Tatiqkeiten verstanden. Denn im Gegensatz zur Beratung offentlicher Unternehmen, welche sich nur geringfOgig von der Beratung privater Unternehmen unterscheidet,
6 sowie der Verwaltungsberatung , bei der meistens betriebswirtschaftliche Instrumente ohne gror..e Modifikationen vom privaten in den offentllchen Sektor transferiert werden, geht es bei der so abgegrenzten Politikberatung tatsachlich um Politik . Genauer gesagt befasst sich Politikberatung mit politischen Inhalten (policies , vgl. Definition in Kapitel 3.2.1). Entsprechend mehr Wissen Ober einzelne Politikfelder, aber auch Ober politische Strukturen, Akteure, Prozesse , Rational itaten und lntentlonalitaten ist auf Seiten der Berater erforderlich . Ais Unternehmensberater werden in der vorliegenden Arbeit Beratungsakteure verstanden, die haufig als Management- oder Strategieberater bezeichnet werden. Ihr Kernqeschaft ist die strategische, organisatorische oder die so genannte ChangeManagement-Beratung, ihr zentraler Ansprechpartner die FOhrungsebene und ihr
Hauptgeschaftsfeld der private Sektor (vgl. Definition in Kapitel 3.2.2). Mit dieser vergle ichsweise engen Definition des Akteurs Unternehmensberater ruckt nur ein Teil der Anbieter, die im offentllchen Sektor tatig sind, ins Blickfeld der Betrachtung. Insbesondere IT-Berater, welche in zunehmend enger Kooperation mit dem Adressaten Verwaltungsberatungsleistungen erbringen und dabei sicherlich auch politische Fragestellungen bearbeiten , werden hier bewusst ausgeklammert. Gleiches gilt fOr weitere unternehmens- oder politikbezogene Dienstleister, zu denen etwa Personal-, Steuer- oder Finanzberater sowie Public-Affairs-Agenturen gezahlt werden konnen, Von letzteren ist haufig die Rede, wenn derzeit Ober die Zunahme professioneller Politikberatung gesprochen wird . Aus forschungspraktischen und inhaltlichen Erwagungen heraus wurde der Untersuchungsgegenstand zudem weiter eingegrenzt (siehe auch Kapitel 4.3). So beschreibt und analysiert die vorliegende Arbeit das Phanomen der Politikberatung durch Unternehmensberater ausschliefsllch in der Bundesrepublik Deutschland und konzentriert sich dabe i auf die Bundesebene. Beratungsleistungen, die es auf Landes-, Kommunal- oder auch europapolitischer Ebene geben mag , werden also ebenso wenig betrachtet wie internationale Entwicklungen. 1m Fokus der Betrachtung steht darOber hinaus auch nur die Beratung der Exekutive. Die Beratung der Legislative oder auch der Offentlichkeit als kollektivem politischen Akteur und Nachfrager von Politikberatungsleistungen wird nachrangig betrachtet. Schliefsllch finden in der vorIiegenden Arbeit ausschliefslich die gror..en, in Deutschland tatiqen Unternehmensberatungen Beachtung. Kleinere Unternehmensberatungen oder Einzelberater mit moglichen Aktivitaten auf dem Feld der Politikberatung werden nicht untersucht.
7 Methodik
Wei! systematische Erkenntnisse zum Untersuchungsgegenstand bisher weitgehend fehlen. geht die Arbeit explorativ vor und stotzt sich im Wesentlichen auf die Aussagen von Experten. Zwischen Mai und September 2005 wurden leitfadengestotzte Interviews mit 36 Experten aus Politik bzw. Verwaltung. Unternehmensberatung und Wissenschaft in Deutschland durchgefOhrt (siehe Liste der Interviewpartner in Anhang 1). Die auf diese Weise gewonnenen qualitativen Aussagen bilden die Grundlage des empirischen Teils der Arbeit. Ais reprasentativ im forschungsmethodischen Sinne konnen sie unter anderem aufgrund der geringen Fallzahl nicht gelten. Da die Stichprobe jedoch einen gewichtigen Tei! der zum Untersuchungsgegenstand aussagetahigen deutschen Experten abdeckt, zeichnet sie insgesamt ein breites Bild der Aktivitaten, GrOnde und Foigen von Politikberatung durch Unternehmensberater in Deutschland. 1m Anschluss an die Auswertung der Experteninterviews wurden die Experten erneut kontaktiert und gebeten. einen Fragebogen mit Statements zu beantworten. Auf diese Weise konnten ausqewshlte Aspekte plausibilisiert und quantifiziert werden. Die Ergebnisse dieser schriftlichen Befragung werden in Schaubildern darqestellt, die - nach Expertengruppen differenziert - die EinscMtzungen der Interviewpartner wiedergeben. DarOber hinaus hat die Arbeit mittels einer quantitativen Inhaltsanalyse der Presseberichterstattung zu Unternehmensberatern in den vergangenen acht Jahren analysiert, ob eine quantitative Zunahme der Aktivitaten von Unternehmensberatern auf dem Feld der Politikberatung auf der Verlautbarungsebene zu konstatieren ist. Archive ausqewahlter deutschsprachiger Tageszeitungen sowie Pressedatenbanken wurden zu diesem Zweck nach SchlOsselbegriffen durchsucht.
Motivation der Arbeit
Politikberatung durch Unternehmensberater ist ein in der Praxis beobachtbares und in mehrfacher Hinsicht forschungsrelevantes Phanornen: Es wird viel und kontrovers diskutiert. es ist aktuell und - glaubt man Aussagen in Medien und Popularllteratur (siehe Kapitel 7.2) - potentiell sehr einflussreich. DarOber hinaus werden Unternehmensberater in der politik- und verwaltungswissenschaftlichen Forschung als Akteure
8 benannt, die im Zuge einer Veranderung von Politikberatungs- und -formulierungsprozessen an Bedeutung gewinnen (vgl. Jann et. al. 2005: 20). Trotzdem blieb die Politikberatung durch Unternehmensberater bislang weitgehend unerforscht. Diese Arbeit rnochte deshalb dreierlei: Erstens mochte sie als Grundlagenarbeit dazu beitragen. eine LOcke zu schliefsen, die an der Schnittstelle zweier Forschungsfelder - Politikberatung und Unternehmensberatung - existiert. Die im Rahmen dieser Arbeit gewonnenen empirischen Erkenntnisse. aber auch die Definitionen. Abgrenzunqen, Kategorisierungen und Systematisierungen. die zu ihrer Analyse entwickelt wurden, sollen also dem wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt und darOber hinaus auch weiteren Arbeiten als mogliches AnalysegerOst dienen. Insofern richtet sich die Arbeit an die scientific community. Zweitens mochte die Arbeit zu einer informierten Debatte um Politikberatung durch Unternehmensberater beitragen. Insbesondere wahrend der kontrovers gefOhrten offentlichen Dlskussion um Beratungsvertrage bei der Bundesagentur fOr Arbeit im FrOhjahr 2004 (siehe Kapitel 7.1) ist namlich deutlich geworden. wie wenig systematische Erkenntnisse zum besagten Thema vorhanden sind. Insofern richtet sich die Arbeit an den interessierten Beobachter und Kommentator aktueller Entwicklungen und Phanomene. SchlieBlich ist es drittens die Absicht dieser Arbeit, den in der Praxis tatiqen Akteuren Anhaltspunkte zur Einordnung und Ausrichtung ihrer Tatigkeiten zu geben. Verfolgt wird also ferner ein praxisbezogenes Erkenntnisinteresse. etwa wenn die Vorgehensweise der auf dem Feld der Politikberatung tatiqen Unternehmensberater erlautert wird. Die Arbeit richtet sich also auch an Politiker und Unternehmensberater.
Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in zwei Hauptteile von je drei Kapiteln, die von einem Einleitungs- und einem Schlusskapitel eingerahmt werden. Am Ende jedes Kapitels der Hauptteile sind die wichtigsten Aussagen kurz zusammengefasst. Der erste Hauptteil ("Grundlagen") umfasst die Kapitel 2 bis 4 und widmet sich den Grundlagen der empirischen Untersuchung zur Politikberatung durch Unternehmensberater. Kapitel 2 beschreibt den Stand der Forschung. In ihm werden die zent-
9 ralen theoretisch-konzeptionellen wie empirischen Erkenntnisse der Literatur zur Politikberatung sowie zur Unternehmensberatung erlautert und an der Schnittstelle der beiden Literaturbereiche die ForschungslOcke herausgearbeitet. Kapitel 3 entwickelt den analytischen Bezugsrahmen der Arbeit. Nach der Klarunq einiger Grundlagen zum Verstandnis von Politik und Beratung sowie der Definition zentraler Begriffe wird erlautert, auf welchen Analyseebenen der Untersuchungsgegenstand betrachtet werden soil. Kapitel 4 erlautert die Vorgehensweise der Arbeit. Dazu werden zunachst das Forschungsdesign der empirischen Untersuchung und im Anschluss die oben bereits genannten Forschungsfragen der Arbeit detaillierter dargestellt. Methodische Erlauterunqen beschliefsen das Kapitel und damit auch den Grundlagenteil der Arbeit. Der zweite Hauptteil ("Empirie") umfasst die Kapitel 5 bis 7 und widmet sich der empirischen Untersuchung der Politikberatung durch Unternehmensberater in Deutschland. Er basiert in groBen Teilen auf den Aussagen der Experten in den Interviews. Kapitel 5 beschreibt die Aktivitaten von Unternehmensberatern. Dazu wird zunachst der Weg von Unternehmensberatern in die Politikberatung nachgezeichnet und beschrieben, welche Beratungsleistungen Unternehmensberater dort anbieten. AnschlieBend werden Umfang und Veranderungen der Politikberatungstatigkeiten hinterfragt. Kapitel 6 analysiert die GrOndefOr das Zustandekommen von Politikberatung durch Unternehmensberater. An dieser Stelle werden fOr beide Seiten - Politik(er) und Unternehmensberater - die Motive fOr ein entsprechendes Engagement untersucht. Ein Exkurs verdeutlicht im Anschluss daran, wie Unternehmensberater vorgehen, wenn sie Politikberatung betreiben (wollen). Kapitel 7 versucht schliefsllch eine erste Beschreibung der Foigen von Politikberatung durch Unternehmensberater. Dazu werden zunachst die offentliche Debatte Ober Beratungsauftrage im FrOhjahr 2004 sowie deren Foigen nachvollzogen, urn im Anschluss insbesondere den moglichen Einfluss von Unternehmensberatern auf politische Inhalte thematisieren zu konnen. AbschlieBend werden rnoqliche zukOnftige Entwicklungslinien der Politikberatung durch Unternehmensberater aufgezeigt. Das Schlusskapitel fasst noch einmal die wichtigsten Erkenntnisse der Arbeit zusammen, ordnet sie in die bestehende Literatur sowie in den internationalen Kontext ein und skizziert weitergehende Fragestellungen. Eine Liste der interviewten Experten, der Interviewleitfaden sowie der Fragebogen finden sich im Anhang zur Arbeit.
10
Kapitel 2 - Stand der Forschung Aus zwei Forschungsfeldern lassen sich Erkenntnisse fOrdie Analyse der Politikberatung durch Unternehmensberater ziehen: Zum einen aus der Literatur zur Politikberatung (2.1) und zum anderen aus den Arbeiten zur Unternehmensberatung (2.2). Beide werden im Foigenden dargestelit, wobei jeweils zunachst theoretischkonzeptionelle und dann empirische Erkenntnisse thematisiert werden. Anschlielsend kann an der Schnittstelle der beiden Felder die ForschungslOcke bestimmt werden (2.3). Abschnitt 2.4 fasst die zentralen Aussagen des Kapitels zusammen.
2.1 Literatur zur Politikberatung
Wer sich auf die Suche nach wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Thema Politikberatung macht, stofst heute auf eine FOlie theoretischer Reflexionen und empirischer Analysen. Insbesondere die Polltik- und Verwaltungswissenschaften, die Soziologie und die Wirtschaftswissenschaften haben vielfaltlqe Erkenntnisse zum Thema Politikberatung hervorgebracht. Dies gilt fOr die deutsche wie die anqelsachsische Literatur gleichermar.,en. Theoretisch-konzeptionelle und empirische Beitraqe halten sich dabei in etwa die Waage. Politikberatung wurde allerdings lange Zeit wenig differenziert betrachtet und de facto mit wissenschaftlicher Politikberatung gleichgesetzt. Erst in der jOngeren Vergangenheit widmete man sich auch Beratungsanbietern, die nicht der Wissenschaft zugerechnet werden k6nnen. Zeitlich lassen sich die Beltraqe wie folgt einordnen (vgl. Wingens 1988):3 •
Bis in die frOhen 1960er Jahre hatte es von Seiten der Politik kein gror.,es Interesse an (wissenschaftlicher) Beratung gegeben - die Politik verliefs sich bei der Bewaltigung ihrer Aufgaben "fast ausschliefslich auf die administrativprofessionelle Kompetenz der Beamtenschaft" (Wollmann 2003: 385). Auch die Wissenschaft zeigte wenig Interesse, sich mit Praxisfragen zu beschafti-
Vgl. zu den Veranderungen beim Forschungsfokus auch Ritter (1982: 459), Murswieck (1994: 9), Sarelzki et. al. (1999: 2), Wollmann (2003: 385).
11 gen und gab sich stattdessen in erster Linie dem Streben nach Wahrheit hin. Entsprechend wenig einschlaqiqe Literatur gibt es aus dieser Zeit. •
In den 1960er Jahren wandelte sich das beidseitige Desinteresse. Man ging nun davon aus, dass wissenschaftliche Erkenntnis unmittelbar zur Handlung durch die Politik anleiten konnte (Planungseuphorie) und untersuchte in meist normativ-theoretischen Arbeiten insbesondere das Verhaltnis von Wissenschaft und Politik.
•
In den 1970er und 80er Jahren folgte angesichts fehlender Erfolge bei der wissenschaftlichen Politikberatung eine Phase der ErnOchterung. 1m Mittelpunkt vorwiegend empirischer Beitraqe standen nun die Fragen, warum der Austausch nicht funktionierte und wie wissenschaftliches Wissen in der politisch-administrativen Praxis verwendet werden konnte.
•
In den 1990er Jahren dann ruckten praxisorientierte Anbieter wie Think Tanks in das Interesse der Forschung. Bestreben der Forschung war es nun, in empirischen Untersuchungen der Heteroqenitat von Politikberatung gerecht zu werden und auch theoretisch nach neuen Erklarunqsmodellen fOr den zunehmend komplexer gewordenen Untersuchungsgegenstand Politikberatung zu suchen.
1m Foigenden werden die Erkenntnisse dieser Phasen zusammenfassend dargestellt, wobei zunachst die theoretisch-konzeptionellen Erkenntnisse betrachtet werden.
2.1.1 Theoretisch-konzeptionelle Erkenntnisse
Die wohl am haufiqsten artikulierte Erkenntnis der Literatur zur Politikberatung ist, dass Politik und Wissenschaft nur schwer zusammenpassen. Denn - so der Tenor vieler theoretisch interessierter Arbeiten zum Verhaltnis von Politik und Wissenschaft - beide folgen sehr unterschiedlichen Rationalltaten (vgl. Heinrichs 2002: 48f.):4
4
Die Problematik unterschiedlicher Rationalitaten von Wissenschaft und Politik diskutieren u.a. Lompe (1966), Habermas (1968), Friedrich (1970), Ritter (1982), Collingridgel Reeve (1986), Wildavsky (1987), Stavenhagen (1990), Herzog (1996), Pohl (1999), von Weizsacker (1999), Franz (2000), Lambsdorff (2003), Apoltel Kirschbaum (2005).
12 Die Politik (bzw. der Politiker) strebt nach Macht, folgt einer Handlungslogik, denkt konkret und mit kurzfristigem Zeithorizont und verwendet eine vereinfachende Sprache. Die Wissenschaft (bzw. der Wissenschaftler) dagegen strebt nach Wahrheit, folgt einer Erkenntnislogik, denkt abstrahierend und langfristig und verwendet eine komplexe Sprache. An der Schnittstelle von Wissenschaft und Politik kommt es aufgrund derart unterschiedlicher Denk- und Sprachmuster, Zielsysteme und Anreizstrukturen haufig zu Friktionen
und schwer Oberwindbaren Kommunikations-
hemmnissen. Wie Wissenschaft und Politik bei der Politikberatung Oberhaupt zusammenkommen konnen, hat Habermas (1968) mit seinen Modellen der Politikberatung auf normativer Grundlage und als Idealtypen im Sinne Max Webers beschrieben: •
Beim technokratischen Modell gibt der Wissenschaftler mit seinem Expertenwissen den one best way vor, der Politiker legitimiert diesen nur noch. Politikberatung ist in dieser Sichtweise der Vollzug von Sachgesetzlichkeit durch die Politik. Das Modell geht davon aus, dass die Experten aufgrund ihres Wissens in der Lage sind, werturteilsfrei Empfehlungen geben zu konnen und beruht auf der Annahme Iinearen Fortschrittsdenkens.
•
Beim
dezisionistischen Modell
stellt der
Berater als Sachverstandiger
Informationen zur VerfOgung, der Politiker entscheidet alleine und setzt dabei seinen dezidierten Willen durch. Politikberatung ist in dieser Sichtweise eine blofse Dienstleistung. Das Modell geht davon aus, dass sich rationale Sachproblematik (Faktenwissen des Sachverstandigen) und irrationale Wertproblematik (Entscheidung des Politikers Ober Werte, Ziele und BedOrfnisse) logisch und praktisch trennen lassen - man spricht in diesem Zusammenhang auch von der dezisionistischen Trennung. •
1m pragmatistischen Modell schlieBlich treten Wissenschaftler und Politiker in ein "kritisches Wechselverhaltnis, das eine ideologisch gestotzte AusObung von Herrschaft nicht etwa nur einer unzuvertassiqen Legitimationsbasis entkleidet, sondern im ganzen der wissenschaftlich angeleiteten Diskussion zuganglich macht und dadurch substanziell verandert" (Habermas 1968: 126f.). Mit anderen Worten: Die Trennung von Berater- und Gestalterfunktion wird partiell aufgehoben und es herrscht kein Dberordnunqsverhaltnls mehr zwischen Sachverstandigem und Politiker. Gemeinsam bringen Berater und Be-
13 ratener Sachzusarnrnenhanqe und Wertungen mit ein: "Entscheidungen entstammen der Kooperation von fragendem Politiker und antwortendem Wissenschaftler" (Bc5hret 1997: 90).5 In Ermangelung einer "Theorie der Politikberatung" haben die Habermas'schen Modelle der Politikberatung vielen wissenschaftlichen Untersuchungen als Analysegerust gedient (vgl. Lompe 1966, Dietzel 1978). Gleichzeitig bleibt ihre Erklarunqskraft jedoch beschrankt, denn "Politikberatung bewegt sich vielfach in einem Zwischenreich zwischen dezisionistischer Instrumentalisierung der Wissenschaft und technokratischer Indienstnahme der Politik, ohne dass deshalb dem pragmatistischen Modell schon GenOge getan wOrde" (Rudloff 2004: 19). VieI grundsatzlichere Kritik setzt an der oben skizzierten und den drei Beratungsmodellen zugrunde Iiegenden Vorstellung einer simplen Dualitat von Wissenschaft und Politik an - denn diese Vorstellung ist in der Realitat schlicht nicht haltbar. Am Beispiel der Technikfolqenabschatzunq zeigt Mayntz (1994) beispielsweise, dass die Wissenschaft nicht die Politik beraten, sondern sich eigentlich an die Offentlichkeit bzw. die Gesellschaft richten mOsste. Denn Ober die Nutzung neuer Techniken wurden in erster Linie die Wirtschaft oder die privaten Haushalte und nicht staatliche Politik entscheiden. Auch in Feldern, in denen die Politik Kompetenzen zur sektoralen Selbststeuerung nach aulsen delegiert hat, kc5nne man nicht von Beratung durch die Wissenschaft und Entscheidung durch die Politik sprechen. Aufserdern finde Politikentwicklung heute zunehmend in komplexen Netzwerken statt, die sich ebenfalls schlecht als einfaches Wissenschaft-Politik-Verhaltnis mit Iinearem Wissenstransfer konzeptualisieren lier..en (ebd.: 18ff., vgl. auch Mayntz 1997). In "Netzwerken von Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft wird nicht beraten (Wissenschaft) und entschieden (Staat), sondern verhandelt" (Wewer 2003: 369). In der jOngeren Vergangenheit wurden angesichts der genannten Mangel theoretische Arbeiten verc5ffentlicht, die das Verhaltnis von Wissenschaft und Politik neu konzipieren bzw. die vorhandenen Konzeptionen von Politikberatung erweitern. Anstelle der bis dato weit verbreiteten Idealvorstellung von (wissenschaftlicher) Politikberatung als "speaking truth to power" (Wildavsky 1979) traten integrative Ansatze
5
Habermas aufsert sich hinsichtlich der Pramissen aller Modelle sowie der Realisierungschancen des von ihm praterterten pragmatistischen Modells skeptisch (ebd. 1968: 56f.). Siehe auch Lompe (1966), Heinrichs (2002: 45), Wewer (2003: 366).
14 dialogischer Politik- und Offentlichkeitsberatung, deren Ziel das "making sense together" (Hoppe 1999) ist. Auf Basis konstitutlonenokonomischer Oberlegungen und bezogen auf wirtschaftswissenschaftliche Politikberatung schlaqt Cassel (2001) etwa vor, die auf Politiker ausgerichtete Beratung (Politikerberatung) um eine Beratungskonzeption zu erweitern, die die Offentlichkeit adressiert (Politikberatung): "Unter Politikberatung sollen solche Empfehlungen verstanden werden, die Auskunft darOber geben, wie die konsensfahigen (...) Interessen der BOrger am besten gefordert werden konnen. Ais Letztadressaten solcher Ratschlaqe konnen sinnvoller Weise nur die BOrgerselbst in Frage kommen" (Cassel 2001: 78). Damit lose man zum einen das Rationalitatsproblem, das die traditionelle Theorie der Wirtschaftspolitik mit politischen Akteuren hat, und zum anderen werde man der Tatsache gerecht, dass kein eindeutiges theoretisches Wissen zur Losunq der meisten wirtschaftlichen Probleme vorhanden lst." Heinrichs (2002) konzipiert auf der Basis wissenssoziologischer Erkenntnisse Politikberatung als vernetzte, politikorientierte Wissenskommunikation neu," Kriterien fur sein Frage- und Einordnungsschema sind "politische Distanz" (Ausrnafsder Einflussnahme von Politik auf Beratung), "politische Funktion" (Verwendung des Wissens zur Entscheidungsvorbereitung, als Argumentationshilfe, fOr den Ideenpool oder als Hintergrundwissen), "Umgang mit Wissens-, Werte- und Interessenpluralismus" sowie "Kommunikation, Interaktion, Inklusion". In einer pluralen Wissensgesellschaft sollten - so sein institutioneller Reformvorschlag - wissenschaftliche Experten in getrennten Gremien systematisches Wissen zur Orientierung aufbereiten (erste Ebene: Orientierungsberatung). Dieses sollte dann unter Hinzunahme von professionellem Praxiswissen und kulturellem Alltagswissen in Problemlosungsstrategien und Politikempfehlungen munden (zweite Ebene: Strategieberatung) und schliefslich sollte die Umsetzung gefundener Problemlosungen wiederum von einem Expertengremium geprOftwerden (dritte Ebene: Evaluierungsberatung). Auch andere Sozialwissenschaftler haben Beratunqsansatze entwickelt, die wissenschaftliche Unsicherheit adressieren, Transparenz und Offenheit einfordern und auf 6
Ais weilere wlrtschaftswissenschaftliche Arbeilen zur Cffentlichkeilsberalung bzw. diskursiven Polilikberalung siehe bspw. Pies (2000, 2003), vgl. zur Krilik Mause/ Heine (2003). Einen normativ-institutionenokonornischen Ansatz entwickell von Wulffen (1996).
15 diese Weise versuchen, Politikberatung demokratischer und gleichzeitig effizienter zu gestalten (vgl. Renn 1999, Meister 2003, Brown et. al. 2006). Nur mit solchen Beratungskonzeptionen werde man , so Krevert (1993), dem Funktionswandel (wissenschaftlicher) Experten und Expert isen gerecht (ebd.: 23) . Gemeinsam bilden die skizz ierten theoretisch-konzeptionellen Erke nntnisse zur Politikbe ratung eine Grundlage, auf der nicht nur wissenschaftliche, sondern auch "nichtwissenschaftliche" Politikberatung analysiert werden kann . Denn im Kern geht es stets um die Interaktion zwischen dem Berater als Sachverstandiger - und zwar egal ob W issenschaftler, techn ischer Fachmann oder sonstiger Experte - und dem Adressaten von Polit ikberatung , seien es der Politiker, Barger oder andere.
2.1.2 Empirische Erkenntnisse Beg innt man bei der Beschreibung der empirischen Arbeiten zur Politikberatung ebenfalls mit der wichtigsten Erkenntnis, so lautet sie : Es gibt eine FOlie von Anbietern , die sehr unterschiedliche Politikberatungsleistungen erbringen und diese an verschiedene Adressaten richten. Und : Da praktisch jeder Beitrag die Grenzen von Politikberatung anders zieht (siehe Definitionen in Kapitel 3.2) und der Markt sehr un Obersichtlich und kaum organ isiert lst", existieren keine belastbaren Aussagen zur Anza hl der Berater oder dem Umfang von Polit ikberatungsaktivitaten . Typ ischerweise trifft man bei den Analysen der Politikberatungsanbieter in Deutschland auf eine Aufzahlung so unterschiedlicher Akteure wie Planunqsstabe in Ministerien ,
parlamentarische
Enquete-Kommissionen,
wissenschaftliche
Forschungs-
inst itute , ad hoc eingesetzte Expertengremien der Regierung, Parteienstiftungen, Meinungsforschungsinstitute, Th ink Tanks und Public-Affairs-Agenturen (vgl. bspw. Oppenlander 2003, Wewer 2003, Wol/mann 2003).
7
Zu einer Diskussion um neue Formen der Wissenserzeugung (Mode II), die jenseits der akademischen Wissenschaft an Bedeutung gewonnen haben, siehe Gibbons et. al. (1994), Bender (2001), vgl. auch Willke (2005). Einen ersten Versuch der Professionalisierung hat es durch die GrGndung der Deutschen Gesellschaft fOr Politikberatung (de'ge'pol) im Jahr 2002 gegeben (vgl. Degepol , Website "Degepol"). In ihr ist allerdings nur ein kleiner Teil der Anbieter organisiert.
16 Die Anbieter werden dabei meist anhand verschiedener Kriterien geordnet. Eine Obersicht zu rnoqlichen Klassifikationskriterien und Beispielen fOr die einzelnen Anbietertypen bietet die folgende Abbildung: Klassifikationskriterium
Auspragungen
Beispiele fOrAnbieter
ZugehOrigkeit zu politischem Apparat
Verwaltungsintern vs. verwaltungsextern
Ministerielle Stabsteilung
Dominierende Arbeitsweise
Wissenschaftlich vs. "nicht-wissenschaftlich"
Sachverstandigenrat vs. Public Affairs-Agentur
Finanzierung der Leistungen
gefOrdert vs. privati kommerziell erbracht
Sog. Blaue Liste-Institut vs. Meinungsforschungsinstitut
Grad der Institutionalisierung
Dauerhaftl permanent vs. Wissenschaftlicher Beirat ad hoc einberufenl zeitvs. Expertenkommission lich befristet
Inhaltliche Ausrichtung
Unabhangigkeit vs. interessengeleitetl parteipolitischl weltanschaulich gepragt
Wissenschaftliches Forschungsinstitut vs. Parteienstiftung
Grad der Spezialisierung
Enges vs. breites Themenspektrum
Enquete-Kommission vs. Grundsatzabteilung im Kanzleramt
Abbildung 2: Klassifikationskriterien fOr Politikberatungsanbieter
An verschiedener Stelle der Literatur wird betont, dass die MinisterialbOrokratie - das "institutionalisierte Gedachtnis der Regierung" (Murswieck 1994: 11) - insgesamt als Politikberatungsgremium gelten kann. Es sei "offenkundig, dass professionelle Burokratien die wichtigsten Berater der Politik und unserer Politiker sind" (Bogumill Jann 2005: 149, vgl. auch Althaus 2004: 44). Detaillierter untersucht werden dagegen meist einzelne Anbieter oder Anbietertypen." Die meiste Aufmerksamkeit hat Ober die Jahre hinweg der "Sachverstandiqenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung" als wichtigstes wirtschaftswissenschaftliches Beratungsgremium der Bundesregierung erhalten (vgl. z.B. Moli9
Zu Expertenkommissionen siehe Lompe et. al. (1980), Unkelbach (2001), Heinze (2002), Siefken (2003), Farber (2005), zur Parlamentsberatung Quick (1976), Backhaus-Maul (1990, Wissenschaftlicher Dienst), Altenhof (2002, Enquete-Kommissionen), Brown et. al. (2006) und zu Beiraten von Ministerien Grossekettler (2005). FOr Arbeiten zu US-amerikanischen Beratungsanbietern siehe Smith (1992), Weaver (2001), Braml (2005).
17 tor 1973, SchlechU van Suntum 1995, ROrup/ Bizer 2002). Am Beispiel dieses Beratungsanbieters wird auch gezeigt, dass Beratung durchaus Einfluss auf politische Entscheidungen haben kann - allerdings sind Wirkung und Nutzen nur schwer messbar und entfalten sich meist langfristig und inkremental (siehe hierzu genauer KapiteI7.2.2). Ein weiterer vie I beachteter Politikberatungsanbieter, der erst in den vergangenen fOnfzehn Jahren in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses in Deutschland gerOckt ist, ist der so genannte "Think Tank",10 also praxisorientierte "Forschungseinrichtungen auf gemeinnotziger Non-Profit-Basis zu Themen staatlicher Politik" (Reinicke 1996: 33). Ausgehend von angelsachsischen Publikationen, in denen Think Tanks wie der Brookings Institution, der Heritage Foundation und dem American Enterprise Institute ein starker und wachsender Einfluss "bei der Bestimmung und ideologischen Strukturierung der politischen Tagesordnung" (Saretzki et. al. 1999: 3) attestiert wird, sind deutsche Beitraqe entstanden, die Struktur, Arbeitsweise, Finanzierung, Beziehungsmanagement und andere Aspekte dieses Beratungsanbieters in Deutschland untersuchen und seinen Einfluss auf politische Entscheidungsprozesse zu bestim11 men versuchen. Der Anbieter Think Tank kann heute als gut erforscht gelten. Zu den Verdiensten dieser Arbeiten gehOrt es, dass Politikberatung heute nicht mehr nur als wissenschaftliche Aktivltat gedacht wird, sondern dass Anbieter Eingang in die Analyse gefunden haben, die nicht mit wissenschaftlichen Erkenntnismethoden arbeiten. Und das zu Recht: "Die meisten Ratschlaqe, die Politiker bekommen, dOrften - jedenfalls im strengen Sinne - 'unwissenschaftlich' sein" (Wewer 2003: 367). Angesichts der Vielzahl von Beratungsangeboten brauche der Politiker heute - so die Ansicht von Bohret (1997) - auch einen personllchen Ratgeber bzw. Coach, der unter anderem in der Lage sei, zwischen den einzelnen Angeboten sinnvoll auszuwahlen. Deutlich seltener als die Anbieter werden die Nachfrager von Politikberatung differenziert. Haufig ist schlicht von "der Politik" als Adressat von Politikberatung die Rede. Dabei zeigen diverse Beltraqe, dass es notig ist, beispielsweise zwischen 10
Der Terminus "Think Tank" stammt aus den 1950er Jahren und beschrieb ursprunqtich einen abhOrsicheren Raum des Militars (tank) im Zweiten Weltkrieg, in dem man Plane und Strategien besprechen konnte (think).
18
Politikern und Mitarbeitern der Verwaltung, dem Politiker als individueller und der Politik als kollektiver Akteur oder auch zwischen Amts- und Mandatstraqern (Wewer 2003: 367) zu unterscheiden. Analog zum vorangegangenen Schaubild zeigt auch das folgende unterschiedliche Klassifikationskriterien - diesmal jedoch fur die Nachfragerseite: Klassifikationskriterium
Auspragungen
Beispiele fOr Nachfrager
Teil des PolitischAdministrativen Systems (PAS)
Politik vs. Verwaltung
Partei vs. obere Bundesbehorde
Art des Nachfragers
Individuell vs. kollektiv
Einzelner Politiker vs. Partei/ Medien/ Offentlichkeit
Funktionstraqerschaft
Arntstraqer vs. Mandatstrager
Minister vs. Bundestagsabgeordneter
Beteiligung an der Regierung
Regierung vs. Opposition
Regierungs- vs. Oppositionsfraktion
Staatsgewalt
Exekutive vs. Legislative
Abteilung im Ministerium vs. parlamentarischer Ausschuss
Ebene von Politik
Kommunen vs. Lander vs. Bund vs. Europa
Landesministerium vs. Bundeskanzieramt
Abbildung 3: Klassifikationskriterien fur Politikberatungsnachfrager
Mitilerweile gibt es eine Vielzahl empirischer Untersuchungen, die sich einem bestimmten Beratungsnachfrager, einem bestimmten Politikbereich oder einer bestimmten politischen Ebene widmen." Politikberatung erfullt verschiedene Funktionen bzw. wird von der Politik aus unterschiedlichen Grunden in Anspruch genommen: Sie fUlIt zum Beispiel vorhandene Wissenslucken auf, verbessert die Orientierung in komplexen Sachverhalten, ermoqIicht eine (zusatzliche) Legitimation politischen Handelns ex ante und ex post, hilft
11 12
Wichtige deutsche Arbeiten stammen von Gellner (1994), Reinicke (1996), Thunert (1999.2001. 2003), und Braml (2005). wichtige anqelsachsische Arbeiten von Weiss (1992). Abelson (1996. 2002), Stone et. al. (1998), Cassel (2001) und Weaver! Stares (2001). Siehe diverse Beitrage in Murswieck (1994). aulserdem Spahn (1999. Entwicklungspolitikberatung), Kreft (2002, Aul>en- und Sicherheitspolitikberatung), Heinrichs (2002. Umweltpolitikberatung). TheurI (2005. Politikberatung in der EU).
19 beim Oberwinden interner und externer Widerstande und eignet sich fOr anderes mehr (siehe hierzu Kapitel 6.2). Oftmals werden Funktionen von Beratung auch als Beraterrollen oder Motive konzipiert (vgl. Ritter 1982, Spahn 1993, Wewer 2003). In jOngster leit sind Versuche unternommen worden, Typen bzw. Felder der Politikberatung zu beschreiben. In Anlehnung an Wewer (2003) und Bogumill Jann (2005) lassen sich vier Beratungstypen unterscheiden: •
Technisch-fach/iche Po/itikberatung: liel dieses Beratungstyps ist der technische
bzw. fachliche Wissenstransfer. Das ist beispielsweise der Fall, wenn die Politik das Wissen eines Statikers oder Architekten bei der staatlichen Bauplanung heranzieht, wenn ein Biologe die Umweltvertraglichkeit unterschiedlicher Gewasserschutzrnafsnahmen analysieren soli oder wenn ein Jurist seine Expertise zu Vertragsausgestaltung oder Schadensersatzforderungen zur VerfOgung stellt. Mit anderen Worten: Haufig handelt es sich urn naturwissenschaftliche, ingenieurwissenschaftliche oder rechtliche Fragen, die entsprechend ausgebildete Experten meist in Form (wissenschaftlicher) Gutachten - beantworten. •
Organisatorisch-betriebswirtschaft/iche Po/itikberatung: liel dieses Beratungstyps
ist das Management von Prozessen und Strukturen in offentlichen Organisationen. Es geht also urn die Umsetzung gefundener Losunqen: Ablaufe sollen effizienter und effektiver gestaltet, Faktoren wie Personal und Finanzen zielgerichteter alloziert oder auch Einstellungen der Mitarbeiter verandert werden. In der Vergangenheit waren vor allem professionelle Unternehmens- und Organisationsberater auf dem Feld der organisatorisch-betriebswirtschaftlichen Politikberatung tatig. Nicht nur betriebswirtschaftliches Management-Know-how wird in Politik und Verwaltung transferiert, sondern beispielsweise auch IT-Expertise oder organisationspsychologisches Wissen. Typischerweise erfolgt diese Art von Beratung als Projektarbeit. •
Programmatisch-konzeptionelle Po/itikberatung: liel dieses Beratungstyps ist die
Konzeption von politischen Programmen (policies). Es geht also urn materielle Beratung in den einzelnen Politikfeldern - etwa in der Arbeitsmarkt-, Sozial-, Wirtschafts-, Forschungs-, Umwelt-, Entwicklungs- oder in der Kulturpolitik. Eine Vielzahl verwaltungsinterner Politikberatungsgremien
wie Grundsatzabteilungen,
Planungsabteilungen und fachpolitische Beirate agieren auf diesem Feld ebenso wie externe Berater in akademischen Forschungseinrichtungen, Think Tanks oder
20 Stiftungen. Programmatisch-konzeptionelle Politikberatung unterstGtzt politisch Handelnde und Entscheidende bei der Themensetzung, Planung und Formulierung von politischen Programmen sowie bei deren Evaluation und eventueller Neukonzeption. •
Strategisch-kompetitive Politikberatung: liel des vierten und letzten Politik-
beratungstyps ist die Erlangung politischer Wettbewerbsvorteile (politics). Entsprechend gehOren zu dieser Politikberatungskategorie die Felder der politischen Kampagnenberatung, Meinungs- und Wahlforschung, politische Wettbewerberanalysen sowie nicht zuletzt auch das in Deutschland noch relativ junge und diffuse Feld von Public-Affairs-Agenturen. Es reicht von Beziehungsmanagement tiber die Interessensartikulation (Lobbying) bis hin zu personllchern Coaching, also der auf die Person des Politikers zugeschnittenen Beratung wie beispielsweise Trainings fOr TV-Auftritte oder die Entwicklung und Pflege von Images einzelner Politiker. Strategisch-kompetitiv arbeitenden Politikberatern geht es in erster Linie darum, die Chancen des Beratungskunden auf dem politischen Markt der Meinungen, Deutungsmuster, Programme und Mehrheiten zu erhohen." lu Beginn des Kapitels war von empirischen Beitraqen der 1980er Jahre die Rede, welche insbesondere die Interaktions- und Vermittlungsprobleme zwischen Berater und Politiker adressieren und Moglichkeiten analysieren, wie die Erkenntnisse der Wissenschaft in der politisch-administrativen Praxis genutzt werden konnen. Bruder (1980) beispielsweise untersucht die Nutzung sozialwissenschaftlichen Wissens durch die Ministerialbtirokratie und stellt fest, dass das Informationsverhalten von Verwaltungsmitarbeitern stark selektiv ist - gepragt von Abteilungsdenken und dem individuellen Studienhintergrund, determiniert von juristischen Denk- und Sprachmustern aufgrund des Juristenmonopols insbesondere im hoheren Dienst und ausgerichtet auf das Machbare bzw. einer "Strategie der KonfIiktminimierung" folgend (ebd.: 152). Dass die Wissenschaft ebenfalls zu den Verstandigungsproblemen beitraqt, indem sie Sprach- und Denkmuster verwendet, die sich von denen der Politik gravierend unterscheiden, wird nicht nur in der Analyse von Hillmann (1986) deutlich, sondern 13
In der Praxis lassen sich die vier idealtypisch konstruierten Felder oder Typen der Politikberatung nicht immer eindeutig voneinander trennen. Vgl. hierzu Wewer (2003: 370f.) und Bogumill Jann (2005: 150).
21 insbesondere in der Replik von Bohret (1986) auf den genannten Beitrag. Darin verweist er - durchaus selbstkritisch - auf die Vorliebe vieler Wissenschaftler, ihre Fachsprache als "sorgsam gehOtete Barriere" (ebd.: 362) beizubehalten, wohlwissentlich, dass sie den fruchtbaren Austausch zwischen Wissenschaft und Politik behindert. Ritter (1982) widmet sich den Wirksamkeitsbedingungen wissenschaftlicher Beratung und argumentiert, dass die Wissenschaft in ihrer Funktion als Wissenslieferant und "kritischer Gegenpol zur administrativen Alltaqlichkeit" (ebd.: 460) nur dann erfolgreich beraten kann, wenn sie lugang zu allen relevanten Informationen und Akteuren im politisch-administrativen System hat, wenn sie die aktive Rolle eines Initiators einnehmen kann und nicht nur passiv als stiller lulieferer tatig ist, und wenn Berater und Beratende auf der Basis gemeinsamer Grundannahmen und lielvorstellungen zusammenarbeiten. Auch in jOngeren Beitraqen werden Austauschprobleme behandelt - so zum Beispiel von Dahrendorf (1997), der davon spricht, dass Wissenschaft und Politik in "verschiedenen leitdimensionen" stattfinden, "Politik im hastigen Prasens und Wissenschaft im Futurum lwei" (ebd.: 34). Saretzki et. al. (1999) sehen als GrOnde fOr die haufige Nicht-Nutzung (externer) Politikberatungskonzepte Widerstande der Obergangenen internen Experten sowie mangelnde Umsetzungsplanung vieler Politikberater und vermuten aulserdem eine Beratungsresistenz der Spitzenpolitiker (ebd.: 6, vgl. auch Theurl 2006: 14). Und Jann (1994) argumentiert, dass im Regierungsapparat verankerte Wissenschaftler als "Transmissionsriemen" bzw. "modernes 'Interface'" in besonderem Mal1e geeignet seien, zwischen Wissenschaft und Politik zu vermitteln (ebd.: 170). Neu ist Politikberatung nicht, und auch der Staat befindet sich nicht zum ersten Mal in einer Situation, die externe Expertise und Unterstotzung beim Wandel erfordert. Politikwissenschaftler sehen wie bereits erwahnt den Ursprung von Politikberatung denn auch wahlweise bei Sokrates, den Hofnarren des Mittelalters oder in den wissenschaftlichen Deputationen des preufsischen Staates (vgl. Krevert 1993, Bohret 1997, Fischl Rudloff 2004). Institutionalisiert hat sich Politikberatung in Deutschland jedoch erst nach dem zweiten Weltkrieg und erfuhr eine erste Boomphase wahrend
22 der sozial- und interventionsstaatlichen Reformpolitiken der 1960er Jahre. Foigende Entwicklungsphasen lassen sich unterscheiden (vgl. Krevert 1993):14 •
1945-1970: Zunachst richtete sich (wissenschaftliche) Politikberatung fast ausschllefslich an die Exekutive. Die Bundesregierung besats mit Gremien wie den wissenschaftlichen Beiraten der einzelnen Ressorts oder dem 1968 eingerichteten Planungsstab im Kanzleramt das "Monopol im Bereich der Politikberatung" (Reinicke 1996: 20). Das dezisionistische Modell der Politikberatung Oberwog in der Phase traditioneller Regierungsberatung.
•
1970er Jahre: Spater begann das Parlament, sich mit eigener Expertise fOr den politischen
Machtkampf
zu
rOsten.
Offentliche
Anhorunqsn,
Enquete-
Kommissionen und der Ausbau interner Hilfssysteme wie des Wissenschaftlichen Dienstes unterstOtzen seitdem die Entscheidungsfindung der Legislative. Dem wechselseitigen Austausch von Wissenschaft und Politik in dieser Phase der regierungsunabhangigen Parlamentsberatung kommt das pragmatistische Beratungsmodell am nachsten. •
1980er Jahre: Mit dem Bedeutungsgewinn von Think Tanks wandte sich Politikberatung verstarkt an die Offentlichkeit. "Ein grol!er und zunehmend wichtiger Teil der Politikberatung" gelte jetzt nicht mehr ausschliefslich der Politik und Verwaltung, sondern habe zum Zlel, "die offsntliche Diskussion und Konsensbildung (zu) beeinflussen" (Bogumill Jann 2005: 154).
•
1990er Jahre: In der vergangenen Dekade schliel!lich entstanden urn die Person des Politikers herum diverse neue Beratungsdienstleistungen, zum Beispiel zur Selektion der Vielzahl von Informations- und Beratungsangeboten. Aktuell lasst sich ein Bedeutungszuwachs von personlichen und kooperativen Beratungsformen diagnostizieren (Bohret 1997: 87f., Konzendorf 2002: 331).
Festzuhalten bleibt zunachst, dass die miUlerweile recht zahlreichen wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Studien zur Politikberatung in Deutschland versuchen, sowohl theoretisch-konzeptionell dem komplizierten lusammenspiel von Sachver-
14
Die Aussagen beziehen sich auf Westdeutschland. Zur Entwicklung der Politikberatung in der ehemaligen DDR siehe Hamacher (1991), Konzendorf (2002: 331), Steiner (2004).
23 stand bzw. Wissenschaft und Politik gerecht zu werden als auch die Heteroqenitat von Politikberatung empirisch abzubilden.
2.2 Literatur zur Unternehmensberatung Nicht nur zum Gegenstand der Politikberatung, sondern auch zu dem der Unternehmensberatung gibt es eine FOlie von Veroffentlichungen. Sie entstammen insbesondere der praxisorientierten Managementlehre und der Betriebswirtschaft. Vereinzelt sind auch organisationstheoretische und soziologische Analysen anzutreffen. Verglichen mit dem vorher besprochenen Literaturfeld unterscheidet sich die Literatur zur Unternehmensberatung mindestens in zweierlei Hinsicht: Erstens ist sie deutlich jOnger. Das gilt insbesondere fOr die deutschsprachige Literatur, die mit wenigen Ausnahmen in den vergangenen zwanzig Jahren entstanden ist. Grund fOr die (zeitliche) Vorreiterrolle der angelsachsischen Literatur dOrfte schlicht sein, dass das Phanomen Unternehmensberatung aus den USA stammt und erst mit deutlicher Zeitversetzung nach Deutschland gekommen ist. Zweitens existieren im Gegensatz zur Politikberatung zum Untersuchungsgegenstand der Unternehmensberatung kaum theoretisch-konzeptionelle Arbeiten. Wesentlicher Grund hierfOr dOrfte sein, dass die meisten Autoren an praxeologischen Erkenntnissen interessiert sind und ihre Publikationen haufig gezielt an Praktiker richten. Der Fokus der Literatur zur Unternehmensberatung Iiegt eindeutig auf der privatwirtschaftlichen Beratung, etwa wenn Erfolgsfaktoren, Problemfelder, Beratungsphasen oder Beraterkonzepte analysiert werden. Untersuchungen, die sich explizit mit der Beratung des offentlichen Sektors beschaftlqen, sind weitaus seltener und arbeiten das Feld bisher wenig systematisch abo
2.2.1 Theoretisch-konzeptionelle Erkenntnisse
Angesichts der
FOlie
von Publikationen zur
Unternehmensberatung ist es
erstaunlich, dass theoretische Erkenntnisse bisher weitgehend fehlen: "Von einer schlOssigen Theorie der (Unternehmens)Beratung ist man noch weit entfernt" (Mohe et. aJ. 2002: 14). "Die Beratungsforschung steckt noch in den Kinderschuhen" (Wimmer/ Kolbeck 2002: 2, vgJ. auch Kohr 2000: 9).
24 Allerdings folgen Unternehmensberater beim Beratungsgeschaft explizit oder implizit bestimmten GrundOberzeugungen darOber, wie Beratung funktionieren und was sie erreichen sollte. Vier Beratungsansatze, die theoretische Anleihen in anderen Disziplinen machen und auch Beratungsphilosophien oder Beratungsschulen genannt werden, lassen sich unterscheiden (vgl. Fink! Knoblach 2003: 33ft.): •
Klassischer Beratungsansatz: Unternehmensberatung wird hier als reine Vermittlung von Expertenwissen an den Klienten aufgefasst. liel der Beratung ist, dem Unternehmen bei der Anpassung an veranderte Umfeldbedingungen zu helfen. Urn das zu erreichen, verfasst der meist als homo oeconomicus gedachte Berater entweder Gutachten, die der Entscheidungsvorbereitung dienen (gutachterliche Beratung), oder aber er entwickelt gemeinsam mit den Klienten Losunqskonzepte und hilft gegebenenfalls dabei, sie im Unternehmen umzusetzen (Expertenberatung). In der Praxis dominiert klar die klassische Beratungsschule (vgl. Mohe et. al. 2002).
•
Organisationsentwicklung: Dieser Ansatz stellt den Menschen als Individuum in einer Organisation und nicht die Vermittlung von Expertenwissen in den Mittelpunkt der Beratung. liel der Beratung ist, die Lelstunqsfahiqkeit der Organisation zu erhOhen, was nicht zuletzt voraussetzt, dass sich die Mitarbeiter besser individuell entfalten konnen. Entsprechend besteht die Rolle des Beraters darin, den Klienten mit Hilfe seiner Erfahrung und seines Methodenwissens zu einer selbstandiqen Problemlosunq anzuleiten bzw. den gesamten Organisationsentwicklungsprozess mit seinem Fachwissen zu beschleunigen. Die Implementierung der entwickelten t.osunqsansatze gehort in jedem Fall mit zur Beratung.
•
Systemische Unternehmensberatung: Gemar.. dieser Schule sind Unternehmen autopoietische, also selbstreferentielle Systeme, die vorn Berater zwar nicht direkt beeinflusst, aber "in zweiter Ordnung" beobachtet werden konnen. lie I der Beratung ist, das System zu irritieren und somit zu einer Selbstreflexion anzuregen. Mit anderen Worten: Berater beobachten, wie sich eine Organisation selbst beobachtet, ihre Beobachtungen zu Informationen verarbeitet und schliefsllch Entscheidungen
trifft.
Auf
diese
Weise
konnen
Berater
Impulse
fOr die
Weiterentwicklung des Klientensystems geben (vgl. Kolbeck 2002). •
lnstttutionenokonornischer Beratungsansatz: Unternehmensberater werden in dieser Betrachtungsweise als "Agenten" verstanden, an die der Klient ("Prinzipal")
25 Aufgaben delegiert. Ziel der Beratung ist, ein untemehmerisches Problem zu 10sen . Dabei trifft der Berater Entscheidungen und tohrt Handlungen aus , die sowohl seinen eigenen als auch den Nutzen seines Klienten zu maximieren versuchen. Beratung lasst sich aus institutionenokonomischer Sicht nicht als Austauschgut, also als Verkauf eines "fertigen" Produkts, sondern als Kontraktgut verstehen , welches erst durch die Kooperation von Anbieter und Nachfrager bzw. Agent und Prinzipal geformt wird (vgl. Sperlingllttermann 1998: 63). Aufgrund der von Vertretern der institutionenokonornik beschriebenen Probleme wie asymmetrische Information, opportun istisches Verhalten und hidden agenda kommt es bei der Beratung nicht zuletzt darauf an, durch vertragliche Regelungen die Verhaltensunsicherheiten so weit wie rnoqlich zu reduzieren .
2.2.2 Empirische Erkenntnisse Anders als zu theoretischen Aspekten gibt es mittlerweile eine fast unOberschaubar groBe Zahl von praxisorientierten Beitragen zum Gegenstand der Unternehmensberatung . Standardwerke wie das zwei Bande umfassende Lehrbuch von Niedereichholz (2004) liegen mittlerweile in vierter Ausgabe vor, verschiedene Fachzeit schriften 15 haben sich in Deutschland etabl iert, die groBen Unternehmensberater veroffentlichen in eigenen Publikationsreihen neueste Erkenntn isse zu Beraterkonzepten - meist in Form von Fallstud ien - und auf den Beratermarkt spezialis ierte Marktforschungsinstitute liefern zusammen mit den nationa len und internationalen Branchenverbanden permanent Analysen sowie Daten und Fakten zum Berater-
rnarkt." 1m Foigenden werden zunachst die allgemeinen Erkenntnisse der Literatur zur Unternehmensberatung zusammengefasst, bevor in einem zweiten Abschn itt spezielle Erkenntnisse zu den Aktivitaten der Unternehmensberater im offentl ichen Sektor dargestellt werden.
15 16
Zu den deutschsprachigen Fachzeitschriften gehOren "Unternehmensberater", "Magazin fur Consulting und UnternehmensfOhrung" und "Consulting News". In der Beraterbranche bekannt sind insbesondere die sog. "Fink-Studie" von Prof. Dietmar Fink, welche Marktdaten zusammentriigt und analysiert, die "LOnendonk-Liste" der grol1ten Beratungsunternehmen (LOnendonk, Website) sowie die Hoselbarth-Lay-Indizes zur Markenstii rke von Untemehmensberatungen (Hoselbarthl Lay, Website).
26
Allgemeine Erkenntnisse der Literatur Unternehmensberatung ist eine Dienstle istungsbranche mit fast 150 Mrd. US-Dollar Umsatz weltweit und annahernd einer Million Beschaftigten (Greiner 2005 : 3f.). FOr Deutschland zahlt der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) 67.000 Unternehmensberater in etwa 14.300 Beratungsunternehmen, die im Jahr 2004 einen Umsatz von 12,3 Mrd. Euro erwirtschaftet haben (ebd . 2005b : 4). 17 Die bekanntesten Namen sind - nach Umsatzvolumen in Deutschland sortiert - McKinsey, Roland Berger, Boston Consulting Group, Booz Allen Hamilton , Deloitte, Mercer, A.T. Kearney, Mummert, Bain und Droege (LOnendonk 2005). Wie immer wieder betont wird, hat die Unternehmensberaterbranche eine aufserqewohnl iche Entwicklung genommen: Nach der GrOndung des amerikanischen Beratungsunternehmens Arthur D. Little (1886) - in den Publikationen Obereinstimmend als "Geburtsstunde" der Unternehmensberatung bezeichnet - entstanden erst in den USA namhafte Unternehmen wie Booz Allen Hamilton (1914), McKinsey &. Co. (1926), A.T . Kearney (1926), The Boston Consulting Group (1963) sowie deutlich spate r in Deutschland die Beratunqshauser Kienbaum (1945) , Mummert Consulting (1960), Roland Berger Strategy Consultants (1967) und andere." Ober Jahrzehnte hinweg ist die Branche dann mit Wachstumsraten von 15 bis 20 Prozent im Jahr rasant gewachsen (Greiner 2005 : 3). Ernst! Kieser (2002) sprechen anges ichts dieses Wachstums von einer "consulting explosion", welche auf einer zunehmenden "thematischen und konzeptionellen Ausdifferenzierung" und der "Ausdehnung auf immer neue , bislang als beratungsresistent geltende Gebiete" beruht (Faust 2000: 59) . Heute ist die Beratung durch Unternehmensberater entsprechend we it verbreitet: "Es gibt kaum ein Unternehmen, das keine Erfahrung mit Unternehmensberatern gemacht hat" (Walger 1995: 1). In den vergangenen Jahren hat es in der Branche allerdings erstmals negative Wachstumsraten gegeben, weshalb nun darOber diskutiert wird, ob der Beraterboom systematisch an Grenzen qestofsen ist (vgl. Wimmer! Kolbeck 2002).
17
18
Da im BDU nur ein kleiner Teil der Beratungsunternehmen organisiert ist, kann nicht von der Reprasentativitat der Daten ausgegangen werden (vgl. Ittermannl Sperling 1998). Zur geschichtlichen Entwicklung der Unternehmensberaterbranche vgl. die AusfOhrungen von Neuberger (2002), Fink! Knoblach (2003), Berger (2004).
27 Auch in Deutschland ist die Unternehmensberatung mittlerweile ein reifer, ausdifferenzierter Markt mit einer qrofsen Heteroqenitat von Anbietern geworden. Es gibt lokal tatiqe Einpersonen-Unternehmen und global agierende Berater mit Tausenden von Mitarbeitern, Generalisten und auf Branchen oder Beratungsthemen - sog. Funktionen - spezialisierte Berater, externe Berater und organisatorisch in Unternehmen eingebundene inhouse consultants. Es gibt selbstandiqe, in Partnerschaften organisierte und sogar borsennotierte Unternehmensberatungen (vgl. Mirowl Niedereichholz 2004: 1310ff.). Diese Angebotsvielfalt hanqt auch mit der fehlenden Regulierung und Formalisierung des Marktes zusammen: Oualltatsstandards, Marktzugangsregeln, institutionalisierte Ausbildungswege und -voraussetzungen sowie bindende berufsethische Standards existieren praktisch noch nicht bzw. hochstens ansatzweise. "Unternehmensberater" ist keine geschOtzte Berufsbezeichnung. Entsprechend kann die Tatigkeit im berufssoziologischen Sinne auch nicht als Profession gelten (vgl. Pekruhl 1998, Mohe et. al. 2002: 26).19 Nachfrager von Leistungen der Unternehmensberater ist in erster Linie der private Sektor, wobei das verarbeitende Gewerbe (Automobilbranche, KonsumgOterbranche, Pharmabranche) sowie die Finanzdienstleistungsbranche fOr mehr als die Halfte des Beratungsvolumens stehen (BDU 2005b: 12f.). Der offentliche Sektor macht mit 9,3% vom Umsatz knapp ein Zehntel der Nachfrage aus (ebd.: 12). Manchmal werden Beratungsdienstleistungen auch fOr Wohlfahrtsorganisationen, Verbande und andere Organisationen des so genannten Dritten Sektors erbracht - bezahlt oder unentgeltlich (sog. Pro-bono-Beratung). Unternehmensberater sind - so eine der Oblicherweise verwendeten Klassifizierungen (Fink! Knoblach 2003, Fritzi Effenberger 1998) - auf drei Feldern aktiv:
•
Managementberatung: Die Managementberatung adressiert "die zentralen Problemfelder der UnternehmensfOhrung" (Fink! Knoblach 2003: 7) und unterstotzt die obere Leitungsebene eines Unternehmens in Fragen von Planung, Organisation
19
Allerdings gibt es auf nationaler und europaischer Ebene berufsverbandliche Organisationen wie die European Federation of Management Consultancies Association (FEACO) oder den Bundesverband Deutscher Untemehmensberater (SOU), die sich diesen Themen widmen und u.a. Verhaltenskodizes entwickelt haben (vgl. Althaus! Meier 2005). Auch sind erste Ausbildungsgange fOr Unternehmensberater in Deutschland entstanden (FH Ludwigshafen. ab Wintersemester 2006/2007 Universitat Oldenburg).
28 und FOhrung. Unternehmen engagieren Managementberater beispielsweise, wenn sie Hilfe bei der strategischen Ausrichtung ihrer Aktivitaten benotigen (Strategieberatung), ihre internen Strukturen analysieren und verandern wollen (Organisationsberatung) oder Unterstotzung beim Management von Veranderunqsprozessen brauchen (Prozessberatung). In Deutschland macht das Segment Managementberatung 60% des Gesamtmarktes aus (BDU 2005b: 10). •
IT-Beratung: Die IT-Beratung unterstOtzt Unternehmen bei der Planung, Entwick-
lung und Implementierung von IT-Systemen sowie bei deren Betrieb. Insbesondere in der vergangenen Dekade wurden diese Beratungsleistungen stark nachgefragt und haben zu entsprechend starkem Wachstum auf Anbieterseite gefOhrt: Von den zehn gro~ten Unternehmensberatungen der Welt operieren heute acht im Segment der IT-Beratung (Greiner 2005: 9). Immer Mufiger gehen ITBeratungsunternehmen dabei langfristige Kooperationen mit den Kundenunternehmen ein, um beispielsweise deren Software zu betreiben und weiterzuentwickeln. In Deutschland macht das Segment der IT-Beratung laut BDU 28,5% des gesamten Beratungsmarktes aus (ebd. 2005b: 10). •
Human Resource-Beratung: Die HR- oder Personalberatung unterstotzt Unter-
nehmen bei der Personalakquisition, Personalentwicklung, dem so genannten
outpiecement" sowie bei der Gehalts- und Vertragsgestaltung. Oblicherweise wird bei der Vermittlung von Top-Fuhrunqskraften ein Drittel des Jahresgehalts als Beratungshonorar gezahlt (Sperling! Ittermann 1998: 32). 11,5% des deutschen Unternehmensberatungsmarktes entfallen auf dieses Beratungssegment (BDU 2005b: 10). Wie in der Literatur Ober Politikberatung finden sich auch in den Publikationen zur Unternehmensberatung diverse Rollen- und Funktionsbeschreibungen (vgl. Merz 1996, Neuberger 2002, von den Eichenl Stahl 2004). Neuberger (2002) beispielsweise dokumentiert Ober 120 verschiedene Beraterrollen (ebd.: 136) und macht damit deutlich, dass Unternehmensberater auch aufgrund anderer Ziele beauftragt werden als dem Transfer von Fakten-, Methoden- und Erfahrungswissen.
20
Unter outplacement versteht man die meist durch Externe erfolgende Beratung von Arbeitnehmern, die ihre Arbeitsstelle verlassen und sich auf die Suche nach neuen BeschaftiqunqsrnoqIichkeiten begeben.
29 Weiterhin werden die untersehiedliehen Phasen eines Beratungsprojekts differenziert und besehrieben, Erfolgsfaktoren aus Sieht der Berater abgeleitet und dargestellt , wie Unternehmensberater Fragen naeh ihrer strategisehen Ausrichtung, ihrem Geschaftsrnodell, naeh Marketing, Organisation, Personal, Wissensmanagement usw. beantworten ktinnen bzw. sollten (vgl. Fritzi Effenberger 1998, Niedereichholz 2004, Sommerlatte 2004). Inzwischen ist aueh eine kritisehe Literatur entstanden , die das hoeh standardisierte Vorgehen vieler Berater bemanqelt, vermeintliehe Beratungserfolge hinterfragt und von "biased problem definition" spricht, also der Definition von Problemen durch Berater, die dabei vor aI/em im Auge haben, ob ihre Ltisungsangebote auf die ProbIerne passen (vgl. Staute 1996, Wimmer/ Kolbeck 2002: 12f., Pohlmann 2002). 1m Mittelpunkt der wissenschaftliehen Kritik steht jedoch insbesondere die Vorgehensweise von Unternehmensberatern: Kieser (1998, 2001) argumentiert etwa, dass Unternehmensberatungen Managementmoden kreieren und diese dann beratungsintensiv in den Unternehmen umsetzen. Mit anderen Worten: Berater generieren ihre Nachfrage selbst, indem sie Probleme nicht losen, sondern permanent neue schaffen. Diese kontinuierliche "Reproduktion von Knappheit" gelange auch deshalb, weil Berater das Management immer wieder erfolgreich verunsichern , urn ihm dann durch (vermeintliche) Komplexitatsredukt ion und Sinnstiftung wieder Sieherheit anzubieten (vgl. auch Deutschmann 1993, Nicolai 2000). Unternehmensberatem kame dabei zugute, dass sich ihre Leistungen einer Evaluation weitgehend entziehen: Beratungsleistungen sind nicht einfach greifbar (Immaterialitat), lassen sieh nieht identisch reproduzieren (Slnqularitat), der Beratungsoutput hangt nieht unwesentlieh aueh vorn Klienten ab (Interaktion) und auBerdem lassen sich externe Faktoren, die das Beratungsergebnis beeinflussen , nicht kontrollieren (Indeterminierbarkeit) (Kieser 1998: 194f., vgl. auch Kienbauml Meissner 1979). Thematisiert wird autserdem - und zwar nicht nur in der popularwlssenschaftlichen Literatur - das Auftreten von Unternehmensberatern: Durch gepflegte Kleidung, metaphernreiche und simplifizierende Beratersprache, geschiekte Rhetorik und "Pseudosophistication" (Neuberger 2002: 141) gelange es ihnen, die Informationsasymmetrien im Beratungsprozess zu den eigenen Gunsten zu nutzen und den Klienten mit (vermeintlieher) Kompetenz zu beeindrueken. In diesem Zusammenhang wird auch von "Impression Management" (Kieser 1998: 212) gesprochen.
30 Neben der Kritik am Vorgehen der Beratungsanbieter finden sich allerdings auch Beltraqe, die die Nachfrageseite fOr Probleme in der Beratungspraxis verantwortlich macht: Mohel Pfriem (2002) beispielsweise bemangeln eine fehlende Klientenprofessionalisierung - haufig werde der Beratungsbedarf falsch eingeschatzt und ungenOgend definiert, bei der Beraterauswahl fehlten sinnvolle und nachvo llziehbare Kriterien, Beratung werde manchmal verfrOht abgebrochen und meist nicht evaluiert, und immer wieder komme es auch vor, dass Beratem beratungsunerfahrene interne Mitarbeiter als Ansprechpartner zur VerfOgung gestellt wOrden (vgl. auch Hock! Keuper 2001) .
Spezielle Erkenntnisse zur Beratung des offentlichen Sektors Einige neuere Publikationen widmen sich explizit der Beratungstatigkeit im offentlichen Sektor - die angelsachsischen recht systematisch (Kubr 1996, Kennedy 2004a, 2004b , Greiner 2005) , die deutschen bislang fragmentarisch und meist explorativ (StObe 1998, Stobe-Blossey 1999, BrOggemeier 2003). Das hangt auch mit der Entwicklung dieses Beratungssegments zusammen: Erst Anfang der 1990er Jahre wurden die ersten staatlichen Beratungsauftrage an Unternehmensberater vergeben (vgl. BrOggemeier 2003: 4)21, wahrend in den USA der offentliche Sektor seit Jahrzehnten einen hohen Anteil am gesamten Beratungsmarkt ausmacht. Zum 6ffentlichen Sektor werden Oblicherweise Polil ik und Verwaltung - also beisp ielsweise Ministerien, Behorden und Parlamente - sowie staatliche Infrastrukturbetriebe , Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen gezahlt (Kubr 1996: 413). Mit Blick auf die USA unterscheidet Kubr (1996) fOnf Arten von Dienstleistungen von Unternehmensberatern im offentlichen Sektor : •
Strateg ie- und Politikfeldberatung: Unternehmensberater identifizieren gesellschaftl iche und administrative Probleme, meist fOr die oberste FOhrungsebene in Politik und Verwaltung. Auf diesem Feld sind vorwiegend Unternehmensberater aktiv, die in der Offentlichkeit bekannt sind und denen Expertenwissen auf dem jeweiligen Handlungsfeld nachgesagt wird .
21
Beralungsunlemehmen wie Battelle, die insbesondere in den 1970er/80er Jahren Minislerien u.a. bel der Technologiefolgenabschalzung unterstutzt haben, werden hier nichl als Unlemehmensberaler gesehen (siehe Definilion, Kapile l 3, vgl. auch Lieske 2000).
31 •
UnterstOtzung bei Konzeption und DurchfOhrung von politischen Program men: Unternehmensberater entwickeln und begleiten politische oder administrative MaBnahmen , beispielsweise, urn deren Effizienz zu steigern . Haufig sind Evaluationen oder offenkundige Mlssstande Ausloser fOr die Beauftragung von Unternehmensberatern durch die Politik . Biswe ilen kommt sie jedoch auch durch erfolgreiches Marketing der Berater zustande.
•
UnterstOtzung bei der Entwicklung von Organisationsstrukturen und Systemen: Unternehmensberater konzipieren neue Strukturen , Prozesse und Hilfssysteme (z.B. Finanzierung, Einkauf , Personal) fOr die offentllche Verwaltung, urn die Produktivitat staatlicher Leistungserbringung zu verbessern.
•
Training und personliche Beratung : Unternehmensberater unterstGtzen offentliche Institutionen zudem im Veranderungsprozess, etwa durch Management-, Kommunikations- und sonstige Trainings, die die Mitarbeiter zu ihrem veranderten Arbeitseinsatz befahiqen sollen .
•
Meinungsumfragen: Unternehmensberater fOhren im Auftrag von Politik und Verwaltung Umfragen durch , beispielsweise, urn mogliche Auswirkungen politischer Initiativen bewerten zu konnen ,
Bekannteste Unternehmensberater im deutschen offentlichen Sektor sind laut einer Befragung von leitenden Beamten und Politikern in Bund, l.andern und Kommunen im Jahr 2004 Roland Berger, McKinsey, Mummert, Kienbaum und Boston Consulting Group (Hoselbarth/ Lay 2004 ). Mit diesen und anderen Beratungsunternehmen zum Beisp iel Booz Allen Hamilton , Bearing Point, Cap Gemini Ernst & Young , IBM Global , Droege , CSC Ploenzke und Accenture - haben politische Entscheider in der Vergangenheit zu tun gehabt, und zwar insbesondere im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung. Aber auch bei der Privatisierung von Staatsbetrieben - in Westdeutschland und dem von der Treuhandanstalt geleiteten Transformationsprozess in Ostdeutschland gleichermaBen - sowie bei der Modernisierung offentlicher Dienstleister in den Bereichen Infrastruktur (Offentlicher Personennahverkehr, Energie, Wasser, Entsorgung), Bildung (Schulen, Universitaten) und Gesundheit (Krankenhauser) sind Unternehmensberater herangezogen worden. Die meisten deutschsprachigen Beitraqe befassen sich mit der Beratung im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung, welche mit den Stichworten New Public Manage-
32 ment (NPM) bzw. Neues Steuerungsmodell (NSM) verbunden iSt. 22 Vor allem bei der EinfOhrung betriebswirtschaftlicher Instrumente im Bereich Rechnungswesen und Controlling sowie der Organisationsgestaltung fOhren Unternehmensberater Projekte durch, wie die erste umfangreiche empirische Untersuchung zur Verwaltungsberatung durch Unternehmensberater aus dem Jahr 2003 bestatiqt hat (BrOggemeier 2003).23 Die Befragung von BrOggemeier bietet ferner eine FOlie von empirischen Erkenntnissen zur Verwaltungsberatung. So erfolgte in 16,9% der untersuchten Faile die Projektvergabe
durch offentliche
Ausschreibungen,
in 23,9% der Faile durch
beschrankte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb, in 16,9% der Faile durch beschrankte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb und in 22% der Faile freihandig.24 Die Projektdauer offentlicher Beratungsprojekte schwankt zwischen einem Monat und fOnf Jahren und Iiegt im Durchschnitt bei 12 Monaten. Vergotet werden die Leistungen in den meisten Fallen Ober Festpreishonorare (77%). Nur selten ist die Bezahlung an den Beratungserfolg geknOpft(3%) (BrOggemeier2003). Zur Zufriedenheit mit den Beratungsleistungen im offentlichen Sektor gibt es sehr unterschiedliche Aussagen. Wahrend sich in der genannten Studie 80% der Auftraggeber aus Ministerien und BehOrden mit dem Ergebnis zufrieden oder sehr zufrieden erklaren, zeigt sich auf Anbieter- wie Nachfragerseite bisweilen tiefe Skepsis bezOglich der erreichten und erreichbaren Veranderungen (vgl. Fiedler 2001). Ein zentraler Grund fur Probleme bei der Beratung von Politik und Verwaltung sind die Unterschiede zwischen der Beratung privater und offentlicher Auftraggeber - ein weiterer Aspekt, der in fast allen Publikationen zur Beratung des offentlichen Sektors diskutiert wird (vgl. z.B. Kubr 1996, Stobe 1998, Greiner 2005). Beratung von Politik und Verwaltung sei, so die haufig artikulierte Erkenntnis, aufgrund anderer Denk-, Sprach- und Handlungsmuster als in der Wirtschaft deutlich komplexer und zeitaufwandiqer, Deshalb gelte: "The worst error a consultant can make in entering the public sector is to believe that solid private sector experience
22
23 24
Siehe als Obersicht bspw. Budaus (1994), Jann (1998b), Schreter! Wollmann (1998), Schedler! Proeller (2000), Reichard! Reber (2001). Zum Stand der Umsetzung von NPM siehe Banner (2001), Jann! Bogumil et. at. (2004), Engelniederhammer et. al. (2000). FOr eine Obersicht zu unterschiedlichen Beratungsansiitzen der im Bereich Verwaltungsmodernisierung tiitigen Unternehmensberater siehe Sperling!lttermann (1998: 45). Differenz zu 100%: keine hinreichenden Informationen.
33 provides all the answers" (Kubr 1996: 427). An Unternehmensberater, die den effentlichen Sektor beraten wollten, wOrden zusatzliche Erwartungen gestellt: "In essence, public sector consultants must propose solutions that not only deliver results, but votes as well" (Glassmannl Winograd 2004: 192). Problematisch aus Sicht der Berater ist ferner, dass umfangreiche arbeits- und vergaberechtliche Regulierungen nicht nur das Zustandekommen von Beratungsprojekten
erschweren,
sondern
auch
strukturellen,
rechtlichen
und
personellen
Veranderungen als Foige der Beratung im Wege stehen (vgl. Lewis 2004). Grundsatzlich seien die Margen, die Unternehmensberatungen im effentlichen Sektor erzielen konnten, deutlich geringer als in der Privatwirtschaft (Kennedy 2004a: 141). Andere Autoren zeigen dem gegenOber auf, warum der offentliche Sektor als Beratungsmarkt attraktiv geworden ist: Die Wachstumsraten seien honer als im privaten Sektor, auch in Konjunkturschwachen frage der Staat im Gegensatz zur Privatwirtschaft relativ konstant Beratungsleistungen nach, und nicht zuletzt llefsen sich mit dem Staat gute Geschafte machen: "Federal governments typically do not enjoy reputations as 'first movers'. However, when they decide to spend money, they usually spend big" (Kennedy 2004a: 139). Dass Unternehmensberater mit ihren Public-Sector-Aktivitaten eine bedeutende Rolle beim Agenda Setting spielen konnen, erlautert Saint-Martin (1998): "The interests of management consultants from the private sector drive the diffusion of managerialist ideas" (ebd.: 194). Gleichzeitig schrankt er jedoch ein: "The consultantcentred view of managerialism tends to overestimate the rationality of consultants and their capacity to have their preferences translated into policy" (ebd.: 194). Die Tatsache, dass diese Ideen und Wertvorstellungen in den untersuchten l.andern GroBbritannien, Frankreich und Kanada mal starker und mal weniger stark fruchteten, zeige, dass die Meglichkeiten des Agenda Setting durch Unternehmensberatungen von institutionellen Rahmenbedingungen in den einzelnen tandem abhanqen und deshalb auch stark einqeschrankt werden konnen,
2.3 ForschungslUcke Wie die vorangegangenen Abschnitte gezeigt haben, existiert eine umfangreiche Literatur sowohl zum Gegenstand der Politik- als auch zu dem der Unternehmensbe-
34 ratung. An der Schnittstelle der beiden Forschungsfelder sind wissenschaftliche Erkenntnisse dagegen rar. Mit anderen Worten: Genau hier liegt die ForschungslOeke. Die wenigen Publikationen, in denen sich Aussagen zum Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit finden, erwahnen Politikberatung durch Unternehmensberater am Rande. So heiBt es etwa in neueren Oberblicksartikeln zur Politikberatung schlicht: "Ins Geschaft der Politikberatung dranqen seit einiger Zeit auch die groBen Firmen fOr Unternehmungsberatung" (Neumann 2002: 139, vgl. auch B6hret 2004: 375, Stegherr/ Beck 2005: 42). Unternehmensberater werden als ein vergleichsweise neuer, verwaltungsexterner und professioneller Akteur auf dem Feld der Politikberatung vorgestellt. Genauere Aussagen finden slch jedoch selten, auch nicht in der Literatur zur Unternehmensberatung. 1st dort von Politikberatung die Rede, handeln die Beitraqe meist von Public-Sector-Beratung im Allgemeinen und nicht von Politikberatung im Speziellen. Erste hilfreiche Aussagen finden sich in der anqelsachsischen Literatur. Kubr (1996) beispielsweise hat, wie oben skizziert, zwischen fOnf verschiedenen Aktivitaten von Unternehmensberatern im 6ffentlichen Sektor unterschieden. Eine davon ist Strategie- und Politikberatung: "The strategy and policy advice type of management consulting work is generally related to the identification of societal or administrative problems facing the public sector" (ebd.: 414). Politikberatung durch Unternehmensberater, wie sie hier untersucht werden soli, ist also in der angelsachsischen Literatur als Tatigkeitsfeld von Unternehmensberatungen benannt. Allerdings ist die Tatigkeit wenig konkret mit "identification of societal or administrative problems facing the public sector" beschrieben (ebd.). Kennedy (2004) sieht ebenfalls inhaltliche und strategische Politikberatungsleistungen im Tatigkeitsspektrum von Unternehmensberatern, wenn er ohne nahere Erlauterunq "Developing Programs and Strategies for Nascent Homeland Security Issues" (ebd.: 2) als eines der Wachstumsfelder der Public-Sector-Beratung in den USA nennt. Stone (1996) konstatiert fOr Grofsbritannlen, dass Unternehmensberatungen dort seit langem Po/icy-relevante Forschung betreiben und bisweilen auch von der Regierung mit der Evaluierung politischer Programme betraut werden (ebd.: 95f.). Angesichts extensiver Analysen externer Beratungsleistungen wie beispielsweise durch eine von 10 Downing Street eingesetzte Untersuchungseinheit (Efficien-
35 cy Unit 1994) ist dort mehr Wissen Ober den Umfang der Aktivitaten und konkrete Projekte auch von Unternehmensberatern vorhanden als hierzulande (vgl. auch Henkel 1991, Greer 2001). FOr Deutschland nennt Thunert (2001) konkrete Politikfelder, auf denen Unternehmensberater politikberatend tatig sind. In seinem Beitrag Oberso genannte "alternative policy advisory organisations" (APAOs, vgl. Weaver! Stares 2001), also Politikberatungsanbieter wie Think Tanks, Nichtregierungsorganisationen, internationale Organisationen, Zentralbanken, Verbande und auch Unternehmensberatungen konstatiert er: "A more recent phenomenon is the presence of management consultants in government and public sector agencies - especially in the areas of health and social services as well as in education" (ebd.: 185). Und zur Vorgehensweise von Unternehmensberatern heiBt es dann: "Some for-profit organisations have stepped beyond a purely passive approach. A number of them have begun producing unsolicited policy evaluations and proposals" (ebd.: 191). Mit anderen Worten: Hier wird also zum ersten Mal explizit erwahnt, dass einige Unternehmensberater in Deutschland politische Problemlosunqen erarbeiten, und zwar (auch) unaufgefordert, also nicht nur als Reaktion auf die konkrete Nachfrage seitens der Politik. Thunert (2001) macht auch einen ersten Versuch, den Einfluss von Unternehmensberatungen in Deutschland zu quantifizieren. Er unterscheidet verschiedene Phasen des politischen Problembearbeitungsprozesses und stellt fest, dass der Einfluss in der Phase der "implementation and evaluation" vergleichsweise groB, in der Phase der "policy selection and enactment" miUelmaBig und bei "agenda setting and problem definition" gering sei (ebd.: 190). Kritisch ist hier jedoch die Datengrundlage zu sehen: Zum einen basiert die Einordnung auf Interviews, bei denen Think Tanks im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit standen, zum anderen auf einer Befragung des Bundesrechnungshofs im Jahr 1996 unter Ministerialbeamten zu externer Beratung im Bereich der AuBenpolitik. Die Unternehmensberater starker in den Mittelpunkt der Analyse ruckt Sundmacher (2005). Er argumentiert, dass kommerzielle Beratungsunternehmen in Deutschland "die groBer werdende LOcke zwischen Beratungsnachfrage und wissenschaftlichem Beratungsangebot Wilen" (ebd.: 162, vgl. auch Meier 2005). Drei verschiedene Beratungsanbieter werden von ihm analysiert: "Consulting-Unternehmen" (Unternehmensberater), "Staatsberatungsunternehmen" (kommerzielle Berater, die, wie die
36 Prognos AG, ihr Geld hauptsachlich mit der Beratung von Politik und Verwaltung verdienen) und "politische Staatsberatungsunternehmen" (auf den politischen Prozess ausgerichtete Beratungsakteure wie Public-Affairs-Agenturen). ConsultingUnternehmen, so Sundmacher, wOrden insbesondere die Nachfrage der Politik nach Wissen und Managementieistungen befriedigen, wobei er dann die Frage aufwirft, "welchen Einfluss diese Form der Beratung, die in ihrem Kern immer noch vor allem Optimierungsberatung ist, auf die Politikgestaltung (LS. 'echter' Politikinhalte) hat" (ebd.: 172, Klammer L 0.). Seine generische Antwort lautet, dass "Optimierungsberatung" entweder mithilft, den Status quo zu konservieren - also Veranderungsdruck reduziert und deshalb Politikgestaltung weniger dringlich macht - oder aber zu "erheblichen Anderungen in Koordinationsverfahren" (ebd.) fOhrt, was etwa auch das Selbstverstandnis der Verwaltung verandern konne, Dass Medientauglichkeit fOr die Politikberatung von Relevanz sein kann, erlautert Althaus (2004) und nennt beispielhaft die "allseits prasenten Allround-Berater" (ebd.:
47) Roland Berger und McKinsey-Chef JOrgen Kluge. Gleichzeitig weist er darauf hin, dass Politikberatung haufig unentgeltlich erfolgt: "Wenn sich Politiker ganz personlich durch Unternehmensberater beraten lassen, ist das in 9 von 10 Fallen pro
bono" (Althaus 2005: 3). Mit anderen Worten: Einzelne Aspekte der Aktivitaten und Vorgehensweise von Unternehmensberatern in der Politikberatung werden in der bestehenden Literatur bereits angedeutet - aber eben nicht ausgefOhrt. Zwei im Erscheinen befindliche Publikationen von Bill/ Falk und Falk/ Rornrnele dagegen machen den Versuch, Politikberatung durch Unternehmensberater detaillierter zu beschreiben. Auf ahnliche Weise wie im Einleitungsteil der vorliegenden Arbeit geschehen wird dabei zunachst zwischen Verwaltungsberatung und Politikberatung unterschieden. Letztere finde "vor oder wahrend einer politischen Entscheidungsfindung mit dem Ziel statt, Politikziele zu entwickeln, Entscheidunqstraqer und Interessengruppen
einzubinden
sowie
Politikformulierung
zu
straffen
und
zu
professionalisieren" (Bill/ Falk LE.: 3). Sechs Tatiqkeitsfelder von Unternehmensberatern im affentiichen Sektor werden benannt: Verwaltungsmodernisierung, strategische
Neuausrichtung
offentlicher
Einrichtungen,
Gutachten,
politische
Kommissionsarbeit, Pro-bono-Aktivitaten sowie personliche Beratung (Falk/ RornrneIe LE.: 29).
37 Anschliel1end argumentieren die Autoren, die selbst in einer Beratungsfirma arbeiten, dass sowohl das Volumen dieser Hitigkeiten wie auch deren Einfluss auf die Politik in der offentlichen Diskussion stets uberschatzt werden. Politikberatung durch Unternehmensberater mache nur einen "verschwindend geringen Anteil am Markt fOr Po Iitikberatung" aus (Bill/ Falk i.E.: 1). Aus der Sicht der Beratungsunternehmen hatte die Bedeutung dieser Aktivitaten jedoch in letzter Zeit zugenommen. Ais GrOnde fOr den Bedeutungszuwachs vermuten die Autoren dreierlei: Erstens batten sich "Geschaftsanbahnunq, Kundenakquise und -pflege" (ebd.: 2) bei Unternehmensberatungen allgemein verandert. Zweitens seien vor allem bOrsennotierte Unternehmen als zunehmend offentliche Akteure verstarkt auf gute Beziehungen zu politischen Entscheidungstragern angewiesen - Unternehmensberater mit guten Kontakten zur Politik konnten in diesem Zusammenhang gebraucht werden. Drittens schliel1lich wOrden die Unternehmensberater selbst ihre Interessenvertretung zunehmend in die eigenen Hands nehmen, also versuchen, bei anstehenden und sie betreffenden politischen Entscheidungen GehOr zu finden. Unter anderem deshalb wOrden sie kostenlose Beratungsleistungen fOr die Politik erbringen. Festhalten lasst sich, dass an der Schnittstelle der beiden Forschungsfelder Politikberatung und Unternehmensberatung bisher kaum fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse existieren. Deutlich geworden ist jedoch auch, dass sich in jOngster Zeit mehrere Autoren des Themas Politikberatung durch Unternehmensberater angenommen haben.
2.4 Zusammenfassung Das vorangegangene zweite Kapitel hat den Stand der Forschung zur Politik- und zur Unternehmensberatung dargestellt und herausgearbeitet, welche theoretischkonzeptionellen und empirischen Erkenntnisse die Literatur bereit halt. Bei der Analyse der Literatur zur Politikberatung wurde deutlich, dass die lange Zeit vorherrschende Konzeption von Wissenschaft und Politik als zwei unterschiedliche Welten heute angesichts der komplexen Realitat von Politikberatung unangemessen erscheint. Politikberatung wird heute von einer Vielzahl wissenschaftlicher und praxisorientierter Anbieter erbracht. Diese unterstOtzen Nachfrager wie Politiker, die Verwaltung oder auch die Offentlichkeit mit Wissens- und anderen Dienstleistungen.
38 Der Politiker rezipiert dabei nicht einfach nur die Beratungsleistungen. Beratung ist vielmehr ein komplexer Kommunikationsprozess, der haufig nicht unproblematisch ablauft. Analysiert wurde ferner die Literatur zur Unternehmensberatung. Sie ist vorwiegend auf Praktiker ausgerichtet und geht bei der Beschreibung von Beratungsphasen, Problemen, Erfolgsfaktoren usw. meist davon aus, dass Unternehmensberater ausschllefslich private Unternehmen beraten. In den vergangenen Jahren sind allerdings auch Beitraqe entstanden, welche - noch recht unsystematisch - die Leistungen von Unternehmensberatern im offentlichen Sektor beschreiben. Insbesondere die Beratungsleistungen im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung wurden untersucht. An der Schnittstelle der beiden Forschungsfelder - der Politikberatung durch Unternehmensberater - befindet sich die ForschungslOcke. Hier fehlen Erkenntnisse zur inhaltlichen Beratung der Politik durch Unternehmensberater bisher weitgehend. In einigen wenigen Beitraqen lassen sich jedoch erste Anhaltspunkte finden, auf denen die vorliegende Arbeit aufbauen kann. So wird beispielsweise in der anqelsachsischen Literatur die inhaltliche Beratung der Politik als Tatigkeitsfeld von Unternehmensberatern
benannt.
Auch
gibt
es
erste
Versuche,
den
Einfluss
von
Unternehmensberatern in einzelnen Phasen des politischen Prozesses zu bestimmen. Zwei im Erscheinen befindliche Beitrage thematisieren erstmals explizit die Aktivitaten der Unternehmensberater auf dem Feld der Politik- und Verwaltungsberatung.
39
Kapitel 3 - Analytischer Bezugsrahmen 1m nun folgenden Kapitel soli der Rahmen fOr die Beschreibung und Analyse des weitgehend unerforschten Realphanomens entwickelt werden. Zunachst werden einige grundlegende Oberlegungen zum Verstandnis von Politik und Beratung angestellt (3.1). Auf Basis dieser Oberlegungen konnen anschlieBend die zentralen Begriffe der Arbeit, narnlich "Politikberatung", "Unternehmensberater" sowie in ihrer Verbindung "Politikberatung durch Unternehmensberater" definiert werden (3.2). In einem dritten Teil wird erlautert, wie der auf diese Weise eingegrenzte Untersuchungsgegenstand analytisch betrachtet werden soli (3.3). Eine Zusammenfassung der wichtigsten Aussagen beschliefst das Kapitel (3.4).
3.1 Das Politik- und Beratungsverstandnis der Arbeit
Politik wird in der vorliegenden Arbeit prozessual verstanden, genauer gesagt als Prozess, "in dem losunqsbedurftiqe Probleme artikuliert, politische Ziele formuliert, alternative Handlungsmoglichkeiten entwickelt und schllelslich als verbindliche Festlegung gewahlt werden" (Scharpf 1973: 15). Der Versuch der Bearbeitung gesellschaftlicher Probleme wird haufig auch als policy-making bezeichnet. Klassischerweise wird angenommen, dass die Verwaltung politische Entscheidungen vorbereitet, die Politik (Regierung und Parlament) diese dann trifft und anschliefsend wiederum die Verwaltung die beschlossenen MaBnahmen umsetzt. In der Praxis gibt es jedoch vielfaltiqe institutionelle und prozessuale Verschrankunqen, und zwar sowohl zwischen Exekutive und Legislative als auch zwischen Politik und Verwaltung. AuBerdem ist eine Vielzahl weiterer Akteure am policy-making beteiligt: Neben dem Regierungschef und seinen Ministern, den Abgeordneten sowie den Mitarbeitern der offentlichen Verwaltung als staatlichen Entscheidungstragern wirken beispielsweise Interessenvertreter, Parteien, Verbande, Nichtregierungsorganisationen und Berater an der Herstellung und Durchsetzung von Politik mit. Sie aile beeinflussen, welche Politikinhalte zustande kommen. 1m Zuge zunehmender politisch-gesellschaftlicher Verflechtung und der bewussten Auslagerung von Politikformulierungskompetenzen (Jann et. al. 2005) haben in letz-
40 ter Zeit nicht-staatliche Akteure an Bedeutung gewonnen. 25 Sogar privatwirtschaftliche Akteure wie Unternehmensberater wirken, wie seater zu zeigen sein wird, unmittelbar am politischen Problembearbeitungsprozess mit. Staatliche wie nicht-staatliche Akteure agieren dabei haufig nicht einzeln, sondern in Interessenskoalitionen (advo-
cacy coalitions) und Politiknetzwerken (vgl. z.B. Mayntz 1993, Sabatier/ JenkinsSmith 1993, Schneider 2003). Ziel ist es dabei, meist Ober den Verhandlungsweg einen Ausgleich zwischen unterschiedlichen Interessen herzustellen oder eine mogIichst gute AufgabenerfOllung zu gewahrleisten (vgl. Mayntz 1980: 238). Ergebnis des politischen Problembearbeitungsprozesses ist der output des so genannten Politisch-Administrativen Systems (PAS), also staatliche Interventionen oder Leistungen, mit denen Politik und Verwaltung das Verhalten von Akteuren vsrandern wollen. Ob es zu der beabsichtigten Wirkung (impact) kommt, hanqt dabei rnafsqebIich von der Reaktion der Adressaten abo Die tatsachlichen Auswirkungen (outcome) in der gesellschaftlichen Praxis sind also nur bedingt die, die von der Politik ursprOnglich beabsichtigt waren. Welche Phasen im Problembearbeitungsprozess im Einzelnen durchlaufen werden, wird an spaterer Stelle erlautert (siehe Kapitel 3.3). Bei der Politikberatung treffen grundsatzlich zwei Typen von Akteuren zusammen: Erstens politische Akteure, also beispielsweise Politiker, Behordenchefs, Staatssekretare, Abteilungsleiter und Abgeordnete (individuelle Akteure) oder auch Regierung, Verwaltung, Parlament und Partei (kollektive Akteure), und zweitens beratende Akteure, also Mitarbeiter der MinisterialbOrokratie, Wissenschaftler und professionelle Politikberater wie Public-Affairs-Agenturen und Unternehmensberater. Zwischen Berater und Beratenem kommt es wahrend des Beratungsprozesses zu einem wechselseitigem Austausch von Informationen, Meinungen und Ansichten. Der Berater stellt dem Beratenen Fakten- und Orientierungswissen zur VerfOgung. Hierbei kann es sich um wissenschaftlich generiertes, aus der Praxis entstandenes, dem Erkenntnisfortschritt dienendes, die Umsetzung anleitendes, sachbezogenes oder auch explizit werthaltiges Wissen handeln. Aber auch der Beratene bringt seine Ideen und Fragen mit in die Beratungssituation ein. Beratung ist eine Handlung zweier Akteure, die wechselseitig aufeinander angewiesen sind. 25
Vgl. zu der in diesem Kontext unter dem Stichwort der Governance breit gefOhrten Debatte um das Aufgabenverstandnis von Staat und Verwaltung sowie die Steuerungsmechanismen an den Schnittstellen von Staat, Markt und Zivilgesellschaft u.a.: Heinelt (1998), Schuppert (2001), Jann (2002), Braun (2003), Benz (2004), Jann et. al. (2005).
41 Man muss bei der Beratung grundsatzlich davon ausgehen, dass beide Seiten bestimmte Inleressen verfolgen, die sie auch weitgehend befriedigl bekommen sonten, damit Beratung nicht ein einmaliges Ereignis bleibt. 1m Verstandnis der PolicyForschung sind politische Akleure insbesondere auf inhaltlich-sachliche Informationen angewiesen und fragen diese nach, denn qrundsatzhch erhohen sich die Chancen der erfolgreichen Problembearbeitung, je mehr Kenntnisse und Informationen vorhanden sind (Schubert! Bandelow 2003 : 3). Wie im Kapitel 6 jedoch erlautert wird, verfolgen Politiker mit Beratung noch eine Vielzahl weiterer Ziele. Beralung isl ein komplexes Unlerfangen. Dieses kann - folgt man den Modellen von Habermas - sehr unlerschiedlich ausgestaltet sein, insbesondere hinsichtlich der Frage, welche Seite "dominiert". Schon allein semantische Oberlegungen zur Verwendung des Wortes "beraten" verdeutlichen, dass es mehrere Moglichkeiten des Zusammenkommens von Berater und Beratenem gibt: Man kann "jemanden beraten" (aktlv), "sich beraten lassen" bzw. "beraten werden" (passiv) oder aber "sich mit jemandem beraten" (reflexiv). Ein Berater richtet seine Beratungsleistung in der Regel unmittelbar an seinen Adressaten - im Fall von Politikberatung sind das die politischen Akteure. Wie Cassel
(2001) mit ihrer Differenzierung zwischen Politik-' und Politikerberalung jedoch deutIich gemacht hat, konnen auch solche Leistungen als Politikberatung verstanden werden, die an die Offentlichkeit gerichtet sind und tiber eine veranderte offentliche Meinung dann mittelbar auch auf politische Entscheidunqstraqer einwirken. Eine Verwendung der Begriffe nach Cassel ist in dieser Arbeit nicht vorgesehen. Allerdings soli der dahinter stehende Gedanke aufgegriffen und deshalb zwischen zwei Arten von Politikberatung unterschieden werden: Beralung, die slch direkt und unmittelbar an den Adressaten Politik wendet, wird hier als Politikberalung im engeren Sinne (Le.S.) bezeichnet. Politikberatungsaktivitaten dagegen, die sich an die Offentlichkeit wenden und nur mittelbar auf den Adressaten Politik einwirken, zum Beispiel tiber die Diskussion politischer Themen in den Medien, werden hier als Politikberatung im weiteren Sinne (Lw.S.) bezeichnet. Um das Handeln von Akteuren zu erklaren, existieren in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften eine ganze Reihe theoretischer Ansatze, die auch auf die Akteure Politiker und Berater anwendbar sind. Entsprechend des Rational-ChoiceAnsatzes konnte man etwa davon ausgehen, dass die an der Politikberatung beteilig-
42 ten Akteure rational handeln und bestrebt sind, ihren individuellen Nutzen zu maximieren. Die Public-Choice-Theorie, welche darauf abzielt, politisches und administratives Handeln ebenfalls mit Hilfe wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse zu verstehen, bietet darOber hinaus die Moglichkeit, auch politischen Akteuren individuelles, rationales und Nutzen maximierendes Verhalten zuzugestehen. Angesicht der umfangreichen Kritik am Modell des homo oeconomicus kann der Erklarungsgehalt dieser Ansatze jedoch als beschrankt gelten. Vielmehr wird hier die Auffassung vertreten, dass individuelles Handeln der Akteure in vielfacher Weise vom jeweiligen Umfeld gepragt ist. Deshalb basiert die Analyse von Politikberatung durch Unternehmensberater in der vorliegenden Arbeit auf einem institutionalistischen Grundverstandnls, In dieser Sichtweise vollzieht sich das Verhalten von Akteuren in einem institutionellen Rahmen. Anders gesagt: Die Wahlmoglichkeiten der Akteure sind durch Institutionen begrenzt. Ihre Entscheidungen hangen wesentlich ab von Werten, Interessen, Regeln, Meinungen, Erwartungen, Ressourcen, Strukturen usw.: "Political institutions define the framework within which politics takes place" (Marchi Olsen 1989: 18, vgl. auch Scott 2001). FOr das Verstandnis des Problembearbeitungsprozesses bedeutet das beispielsweise, dass politische Akteure unter anderem nach einer logic of appropriateness handeln: Routinen und Regeln beeinflussen in hohem Marse, wie entschieden wird. Ziel des Handelns ist es darOber hinaus nicht (allein), Entscheidungen Ober relevante Themen, Ziele, Handlungsalternativen oder politische Programme zu treffen, sondern insbesondere auch die Interpretationsmuster der Beteiligten zu verandern, also "construction of meaning" (Brunssen/Olsen 1993: 21) zu betreiben. Denn neben rationalen Erwagungen leiten Ideen und Oberzeugungssysteme die Handlungen von Individuen (Braun 1998, Jann 2002). Wie Brunssen (1989) mit Blick auf die Entscheldunqsrationalitaten politischer Organisationen erlautert, muss der Output eines politischen Entscheidungsprozesses nicht zwanqslaufiq eine Handlung (action) sein. Vielmehr ist eine Entscheidung (de-
cision) Ober Handeln oder auch Nicht-Handeln ebenso rational und stellt als solche bereits einen Output dar. Entsprechendes gilt fOr die AnkOndigung (talk) einer Handlung oder einer Entscheidung. Weil politische Organisationen aus LegitimationsgrOnden auf die Befriedigung von Umweltanforderungen angewiesen sind und die Umwelt
43 haufig inkonsistente Anforderungen an sie stellt, mOssen politische Organisationen "Heuchelei" (hypocrisy) betreiben: "to talk in a way that satisfies one demand, to decide in a way that satisfies another, and supply products in a way that satisfies a third" (ebd.: 27).
3.2 Definitionen Nach diesen grundlegenden Oberlegungen zur Politik und Beratung geht es im Folgenden darum, Politikberatung (3.2.1), Unternehmensberatung (3.2.2) sowie den eigentlichen Untersuchungsgegenstand, die Politikberatung durch Unternehmensberater (3.2.3), einzugrenzen und zu definieren. Dazu werden jeweils zunachst existierende Definitionen vorgestellt, sie sodann als unzureichend fOr die vorliegende Untersuchung kritisiert, Kriterien aus den vorangegangenen Oberlegungen entwickelt und in der Foige Definitionen fOr diese Arbeit formuliert. Terminologische Bemerkungen stehen am Ende jedes Abschnitts.
3.2.1 Politikberatung
In der Literatur findet sich keine einheitliche Definition von Politikberatung. So definiert beispielsweise Konzendorf (2002) Politikberatung als "Beziehunqsverhaltnis zwischen dem politisch-administrativen System (PAS) als Adressaten [...] und dem wissenschaftlichen System [...] als Trager der Beratung" (ebd.: 330) und dokumentiert damit, dass Politikberatung haufig mit wissenschaftlicher Politikberatung gleichgesetzt
wurde
und manchmal
noch wird.
Die
Deutsche Gesellschaft
fOr
Politikberatung (de'ge'pol) dagegen wahlt eine ganz andere Sicht und definiert Politikberatung als ein "breites [...] Spektrum an professionellen Dienstleistungen im politischen Feld", welches von politischer Kampagnenberatung Ober die strategische Beratung politischer Organisationen und Entscheidungstrager bis hin zum klassischen Lobbying reicht (DegepoI2003: 9f.). Interessanterweise haben die genannten Definitionen von Politikberatung praktisch keine Schnittmenge: In der ersten Version bleiben nicht-wissenschaftliche Anbieter ausgeklammert, in der zweiten wird insbesondere auf die vergleichsweise junge Branche kommerziell operierender, verwaltungsexterner Public-Affairs- und Kommu-
44 nikationsagenturen abgestellt, welche in aller Regel nicht nach wissenschaftlichen Erkenntnismethoden arbeiten. Beide Definitionen greifen also zu kurz, weil sie jeweils nur einen Teil der rnoqllchen Politikberatungsaktivitaten einbeziehen. Statt zu definieren, welche Aktivitaten Politikberatung einschliefst, gehen andere Autoren nach der Ausschlussmethode vor: Sie beschreiben, welche Aktivitaten nicht als Politikberatung gelten konnen. Wewer (2003) argumentiert beispielsweise, dass man Ratschlaqe ausschliefsen konnte, die ungefragt, unwissenschaftlich und/oder unentgeltlich erfolgen. Eine solche Abgrenzung ist jedoch ebenfalls problematisch: "Legt man diese Kriterien an, scheiden die weitaus meisten Ratschlaqe, die Politiker, Parteien, Fraktionen oder Ministerien bekommen, von vornherein aus". Entsprechend wOrde man nur "von relativ wenigen Ausnahmen" sprechen (ebd.: 377). In aktuelleren Obersichtspublikationen zur Politikberatung wird daher meist eine sehr breite Definition gewahlt: "Unter Politikberatung ist das VerfOgbarmachen von Informationen und Handlungsempfehlungen fOr politisch Handelnde und Entscheidende durch Wissenschaftler (...) sowie durch Fachleute aus Wirtschaft und Gesellschaft zu verstehen" (Wollmann 2003: 384f.). Richtigerweise wird hier auf zentrale Aspekte fOr das Verstandnis von Politikberatung hingewiesen - beispielsweise auf die Tatsache, dass die Anbieter aus Wissenschaft und Praxis gleichermal1en stammen konnen oder dass es sich bei der Beratungsleistung urn sachliches wie normatives Wissen handeln kann. FOr die vorliegende Arbeit ist jedoch auch diese Definition unbrauchbar, da sie zu allgemein bleibt. 1m Foigenden soli deshalb eine eigene Definition von Politikberatung entwickelt werden. Dazu zunachst eine semantische Vorbemerkung: Der Begriff "Politikberatung" wird meist im dem Sinne verwendet, dass mit dem Wortteil "Politik" der Adressat gemeint ist. Man stellt also die Frage "Wer wird beraten?" und erhalt als Antwort "die Politik". Entsprechend gilt in diesem Verstandnls, dass bei der Unternehmensberatung Unternehmen beraten werden und bei der Schuldnerberatung Schuldner. Denkbar ist jedoch auch, Politik als Gegenstand der Beratung und nicht als deren Adressat zu begreifen. Die Frage wOrde dann lauten: "Worum geht es bei der Beratung?" und die Antwort ware "urn Politik". Entsprechend gilt in diesem Verstandnis: Rechtsberatung befasst sich mit rechtlichen Fragen, Anlageberatung mit Fragen der (Geld)anlage usw.
45 Beide Betrachtungsweisen eignen sich zur Konkretisierung der obigen allgemeinen Definition. Insbesondere die zweite scheint hier fruchtbar zu sein, da sie den Fokus auf Politik als Beratungsgegenstand legt und es so erlaubt, herauszuarbeiten, ob sich ein Beratungsanbieter in der Politikberatung tatsachlich mit politischen Fragen beschaftigt. Auf Unternehmensberater gemOnzt: Dass Unternehmensberater heute neben Unternehmen auch die Politik zu den Adressaten ihrer Beratungsleistungen zahlen konnen, ist bekannt und bedarf als solch allgemeiner Feststellung keiner weiteren Analyse. Wie sie jedoch die Politik beraten, also ob sie Politik in inhaltlichen, strategischen, konzeptionellen, Umsetzungs-, Organisations- oder Managementfragen beraten, ist bisher kaum untersucht und soli deshalb hier beleuchtet werden. Bezieht man die Oberlegungen des vorangegangenen Abschnitts mit ein und betrachtet Politik wie eben erlautert auch als Gegenstand von Politikberatung, so gelangt man in vier Schritten zu einer neuen und deutlich engeren Definition der Aktlvltat Politikberatung: •
Kriterium 1: Ausrichtung auf politische Abnehmer. Politikberatung muss zunachst einmal an die Politik adressiert sein. 1st das nicht der Fall, so handelt es sich schlicht um Expertenwissen auf Seiten eines potentiellen Beratungsakteurs (vgl. von Alemann 1996). Beispielsweise ist eine wissenschaftliche Arbeit, die fur die Fachwelt geschrieben wurde, keine Beratung der Politik. Anders dagegen verhalt es sich mit den in der Literatur beschriebenen Beratungstypen wie Fachberatung, Organisationsberatung oder auch Image- und Kommunikationsberatung. Sie richten sich teils explizit an Politik bzw. sind fOr Politik und Verwaltung bestimmt.
•
Kriterium 2: Rezeption seitens der Politik. Der Abnehmer Politik muss die an ihn gerichtete Leistung (mindestens) rezipieren. Haufiq ist die Politik auch selbst an der Erstellung der Beratungsleistung unmittelbar beteiligt. Zumindest aber muss der politische Entscheidunqstraqer die Beratung zur Kenntnis und damit in seine Oberlegungen hineinnehmen. 1st das nicht der Fall, so handelt es sich nicht um Beratung, sondern um Ratschlape, die ungeh6rt "verpuffen". Beispielsweise gelingt es an die Politik gerichteter wissenschaftlicher Expertise haufig nicht, gelesen oder gehOrt zu werden, was bisweilen daran Iiegt, dass die Aufbereitung der Erkenntnisse den zeitlichen und anderen Restriktionen des politischen Alltags nicht gerecht wird. Anders herum werden auch Leitartikel in Zeitungen oder Kon-
46 junkturprognosen von Forschungsinstituten von der Politik zur Kenntnis genommen und erfOllen damit das zweite Kriterium. Das erste erfOlien sie jedoch nicht und konnen daher ebenfalls nicht als Beratungsleistung zahlen. Werden beide Kriterien erfOllt, so konnte man von "Beratung der Politik" sprechen. •
Kriterium 3: Politik als Gegenstand der Beratung. Die Beratung muss sich nicht
nur an den Adressaten Politik wenden und von ihr rezipiert werden, sondern sich (hauptsachlich) mit politischen Fragen beschaftigen. An dieser Stelle fallen die in der Literatur genannten Typen wie die Fach- oder Organisationsberatung heraus. Die Kriterien eins bis drei erfOlien dagegen beispielsweise solche Beratungsaktivitaten, die politische Akteure bei der Entscheidungsvorbereitung, aber auch bei politischen Kampagnen oder dem Kontaktmanagement unterstOtzen. 1st Politik Gegenstand der Beratung, so konnte man von "politischer Beratung" (political consulting) sprechen. •
Kriterium 4: Politische Inhalte als Hauptgegenstand der Beratung. Die Beratung
muss sich hauptsachlich mit politischen Inhalten beschaftiqen, In der Politikwissenschaft wird an dieser Stelle von Policy-Beratung gesprochen, also der Beratung, die sich an die inhaltliche Dimension von Politik, die policy, wendet (siehe zu den verschiedenen Dimensionen von Politik Kapitel 3.3). Definiert werden kann nun also wie folgt: Politikberatung ist eine Aktivitat, die sich an die Politik als Abnehmer richtet, von dieser rezipiert wird, politische Fragestellungen zum Gegenstand hat und sich dabei hauptsachlich mit politischen Inhalten, den policies, befasst.
Abschliefsend noch eine terminologische Festlegung: In der Literatur finden sich unterschiedliche Bezeichnungen fOr die soeben definierte Tatiqkelt. Anstelle des Begriffs Politikberatung werden beispielsweise verwendet: Policy-Beratung, Politikfeldberatung, Politik- und Verwaltungsberatung, Staatsberatung oder auch englische Bezeichnungen wie policy consulting oder policy advice. Die vorliegende Untersuchung verwendet den deutschen Terminus "Politikberatung", wei! sie den deutschen Leser anspricht, weil der Begriff der in Wissenschaft und Offentlichkeit am haufiqsten verwendete ist und wei! der Untersuchungsgegenstand nicht unzulassiqerweise begrifflich eingeengt werden soli. Verwendet man namlich die starker fokussierte Bezeichnung "Policy-Beratung", so wird man unter Urnstanden der Tatsache nicht gerecht, dass die hier untersuchten Beratunqstatiqkelten zwar im Kern die Policy-
47 Dimension zum Gegenstand haben, jedoch mitunter auch die BerOcksichtigung anderer Dimensionen des Politikbegriffes voraussetzen.
3.2.2 Unternehmensberater
Der Begriff "Unternehmensberater" bzw. "Unternehmensberatung" wird genauso wie auch der Term Politikberatung sehr uneinheitlich verwendet - was nicht zuletzt daran liegt, dass die Bezeichnung keinen standesrechtlichen Schutz genieBt (vgl. Kapitel 2.2). Entsprechend viele Akteure nennen sich Unternehmensberater. 1m Lehrbuch von Niedereichholz (2004) heiBt es: "Unternehmensberatung wird definiert als Dienstleistung, die durch eine oder mehrere unabhangige und qualifizierte Person(en) erbracht wird. Sie hat zum Inhalt, Probleme zu identifizieren, definieren und analysieren, welche die Kultur, Strategien, Organisation, Verfahren und Methoden des Unternehmens des Auftraggebers betreffen. Es sind Problernlosunqen zu erarbeiten, zu planen und im Unternehmen zu realisieren" (ebd.: 1). Neben dieser funktionalen Definition - die Bereitstellung einer Dienstleistung durch Qualifizierte - finden sich in der Literatur auch andere: So lasst sich Unternehmensberatung zum Beispiel auch als interaktiver, strukturierter Problemlosunqsprozess zwischen Beratern und Klienten beschreiben. Oder aber man wahlt eine nicht auf die Funktion oder den Prozess, sondern auf den Akteur ausgerichtete Definition: "Unternehmensberater sind externe natorliche und juristische Personen, die fOr den Auftraggeber eigenverantwortlich auf Basis eines Beratungsvertrages gegen Entgelt tatig werden" (SchOtte 1996: 4). GemaB der Akteursperspektive der vorliegenden Arbeit bildet die letztgenannte Definition, welche nicht die Tatigkeit "Unternehmensberatung" sondern den Akteur "Unternehmensberater"
in den
Mittelpunkt
rOckt,
den Ausgangspunkt
der
hier
vorgenommenen Oberlegungen. Allerdings erscheint es wiederum notwendig, den Begriff des Unternehmensberaters enger zu definieren. Geschieht das nicht, konnten so unterschiedliche Anbieter kommerzieller Beratungsleistungen wie Steuerberater, Rechtsberater oder Anlageberater, welche in der Statistik Oblicherweise als "unternehmensnahe Dienstleistungen" gefOhrt werden, unter dem Begriff Unternehmensberater subsumiert werden (vgl. Fink! Knoblach 2003: 5).
48 Vier Kriterien muss der Beratungsakteur erfQllen, damit er hier als Unternehmensberater bezeichnet wird: •
Kriterium 1: Kompetenzen bei der Prob/em/asung in affgemeinen unternehmerischen Fragesteffungen. Unternehmensberater sind in der Lage, Problernlosunqen
zu erarbeiten, die zentrale unternehmerische Fragestellungen wie die von "Kultur, Strategien, Organisation, Verfahren und Methoden des Unternehmens" (vgl. Niedereichholz 2004: 1) betreffen. Das unterscheidet sie von Beratern, die ihre Beratungsleistungen zwar unter anderem auch an Unternehmen richten, sich jedoch im Kern mit anderen (spezielleren) Fragestellungen beschaftigen: Steuerberater mit steuerlichen, Rechtsberater mit rechtlichen und WirtschaftsprQfer mit Fragen der PrQfung insbesondere von betrieblichen JahresabschlQssen. •
Kriterium 2: Kerngeschaft im privaten Sektor. Unternehmensberater erwirtschaf-
ten den Gror.,teil ihres Umsatzes im privaten Sektor, also mit der Beratung von Unternehmen. Entsprechend lassen sich kommerziell arbeitende Berater wie Prognos AG, RAND Corporation und andere ausschliefsen, die zwar durchaus Qber Kompetenzen in unternehmerischen Fragestellungen verfOgen, ihre Beratungsleistungen jedoch hauptsachlich an staatliche Auftraggeber und nicht an Unternehmen richten. •
Kriterium 3: Kapazitaten zur Konzeption und Umsetzung von Prob/emfOsungen.
Unternehmensberater sind hinsichtlich ihrer Personal- und anderen Ressourcen so aufgestellt, dass sie den Adressaten sowohl bei der Konzeption einer Problemlosunq als auch bei deren Umsetzung unterstQtzen konnen. Damit unterscheiden sie sich beispielsweise von den meisten beratenden Wissenschaftlern, die zwar uber Kapazitaten der Konzeption, meist aber nicht der Implementierung ihrer Vorschlaqe verfQgen. •
Kriterium 4: Ausrichtung der Beratung auf die FOhrungsebene. Unternehmensbe-
rater, wie sie hier verstanden werden, richten ihre Leistungen an die obersten Leitungsebenen der zu beratenden Organisation und adressieren dabei Fragen, welche auf entsprechenden Hierarchieebenen von zentraler Bedeutung sind (etwa Fragen der FQhrung und strategischen Planung, vgl. Definition von Managementberatung,
Finkf Knoblach
2003: 7). Dieses vierte
Kriterium
grenzt
Unternehmensberater insbesondere von Beratungsanbietern ab, welche sich vor allem auf der operativen Ebene mit technischen, Personalentwicklungs- oder an-
49 deren Fragen beschattiqen, also etwa IT- oder Personalberater. Die letzten beiden werden haufig als Unternehmensberater bezeichnet - in dieser Arbeit jedoch nicht. Entsprechend kann der Unternehmensberater definiert werden als Beratungsakteur, der Kompetenzen bei der Problernlosunq in allgemeinen unternehmerischen Fragestellungen besitzt, hauptsachlich auf dem privaten Sektor operiert, Kapazitaten fOr die Konzeption und Realisierung von Problernlosunqen beretthalt und seine Beratungsleistungen auf die FOhrungsebene von Organisationen ausrichtet. Neben anderen potentiellen Eingrenzungskriterien wurde hier - etwa im Gegensatz zur oben genannten Definition von SchOtte (1996) - bewusst auf das Kriterium "entgeltliche Bezahlung" verzichtet. Ein Unternehmensberater ist nicht nur dann Unternehmensberater, wenn er sich jeden Auftrag bezahlen lasst. Gleiches gilt fOr das Kriterium der vertraglichen Vereinbarung, die gemaB mancher Definitionen einem Beratungsverhaltnis zugrunde liegen muss. Wie an spaterer Stelle erlautert wird, kommt Beratung durch Unternehmensberater durchaus auch ohne vertragliche Regelungen zustande (siehe Kapitel 5). AbschlieBend wiederum einige terminologische Bemerkungen: Auch hier stent sich die Frage nach der passenden Bezeichnung des Akteurs, der die Beratungsleistung erbringt. Denn in der Literatur und offentlichen Diskussion existieren viele unterschiedliche Begriffe, die geeignet waren, den hier gemeinten Akteur zu beschreiben: Managementberater, Strategieberater, Berater, Consulting-Unternehmen, management consultant, consultant etc.
Aus den folgenden Oberlegungen heraus wird in dieser Arbeit der Begriff "Unternehmensberater" verwendet: Er ist von den genannten Alternativen der in der offentlichen Diskussion am hauflqsten gebrauchte und am treffendsten assoziierte Begriff. Wer etwa nach Beispielen fOr Unternehmensberater fragt, erhalt meist die Namen McKinsey, Roland Berger oder Boston Consulting Group genannt - genau die Unternehmen also, die hier gemeint sind. DarOberhinaus ist der Begriff "Unternehmensberater" am besten geeignet, den Hauptadressaten und damit das Kernqeschaft dieses Beratungsanbieters zu verdeutlichen. Das ist hilfreich, wenn man - wie in dieser Arbeit - auch die Herkunft des Akteurs und den Weg in ein neues Aktivitatsfeld nachzeichnen will. Und schllefslich soli hier wiederum ein deutschsprachiger Begriff Verwendung finden. Denn auch wenn Unternehmensberater sich selbst gerne con-
50 sultants nennen oder manche Autoren englisch-deutsche Begriffskombinationen wie
"Consulting-Unternehmen" bevorzugen (vgl. Sundmacher 2005) - diese Begriffe definieren weder den Begriff scharfer, noch ist sonst ein Grund zu erkennen, warum man sie anstelle ihres deutschen Pendants verwenden sollte. Unternehmensberater werden wie gesagt als Akteure verstanden. Analog zur Verwendung des Begriffs "Politik" - er umfasst sowohl individuelle als auch kollektive, institutionelle Akteure - kann auch mit dem Begriff "Unternehmensberater" sowohl die Einzelperson als auch das Beratungsunternehmen gemeint sein. Wenn im Folgenden bewusst hervorgehoben werden 5011, dass von der Organisation bzw. Institution die Rede ist, wird von "Unternehmensberatung" gesprochen.
3.2.3 Politikberatung durch Unternehmensberater
Nachdem Politikberatung als Aktivitat und der Unternehmensberater als Akteur definiert worden sind, kann nun der Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit - narnlich Politikberatung durch Unternehmensberater - zusammenfassend definiert werden: Politikberatung durch Unternehmensberater ist eine Aktivltat, die sich an die Politik als Abnehmer richtet, vor dieser rezipiert wird, politische Fragestellungen zum Gegenstand hat, sich dabei hauptsachlich mit politischen Inhalten, den policies, befasst. Sie wird durchgefOhrt vom Unternehmensberater, also einem Beratungsakteur, der Kompetenzen bei der Problernlosunq in allgemeinen unternehmerischen Fragestellungen besitzt. hauptsachlich auf dem privaten Sektor operiert, Kapazitaten fOr die Konzeption und Realisierung von Problernlosunqen bereithalt und seine Beratungsleistungen auf die FOhrungsebene von Organisationen ausrichtet.
3.3 Analyseebenen
Nachdem nun grundlegende Aspekte des Verstandnisses von Politik und Beratung erlautert und der Untersuchungsgegenstand definiert sind, soli im Foigenden beschrieben werden, welche Analyseinstrumente in der vorliegenden Arbeit Verwendung finden. Da es sich urn eine grundlegende Arbeit zur Politikberatung durch Unternehmensberater handelt, bieten sich zunachst zwei in der Politik- und Verwaltungswissenschaft haufig verwendete und etablierte analytische Unterscheidungen
51 und Modelle als Bausteine des analytischen Rahmens an. Aus den empirischen Erkenntnissen selbst sowie aus der Struktur der erhobenen Daten ergeben sich weitere Unterscheidungsmerkmale, die die Analyse signifikanter Unterschiede und Veranderungen in Bezug auf den Untersuchungsgegenstand errnoqllchen , Vier Analyseebenen ziehen sich durch den empirischen Hauptteil der Arbeit. Untersucht wird Politikberatung durch Untemehmensberater erstens anhand der Unterscheidung zwischen polity, policy und politics (Analyseebene Politikdimensionen). Zweitens dienen die Phasen des politischen Problemverarbeitungsprozesses der Analyse des Realphanornens (Analyseebene policy cycle) . Die in Kapitel 5 zu entwickelnde Typologie von Politikberatungsaktivitaten der Unternehmensberater bildet die dritte Ebene, auf der das Realphanornen untersucht wird (Analyseebene Politikberatungstypen). Viertens schllefsllch wird auf Basis der Interviewaussagen von Politikern,
Unternehmensberatern
und
Wissenschaftlern
nach
systematischen
Unterschieden zwischen diesen drei Expertengruppen geforscht (Analyseebene Expertengruppen).
Analyseebene Politikdimensionen
Die erste Ebene, auf der das Phanornen Politikberatung durch Untemehmensberater analysiert wird, ist die der Politikdimensionen. In der Politikwissenschaft werden Oblicherweise und in Anlehnung an die Ausdifferenzierung des Politikbegriffs in der englischen Sprache drei Dimensionen von Politik unterschieden: •
Erstens, polity: Die formale Dimension von Politik kennzeichnet die Bedingungen, unter denen politisches Handeln stattfindet, also den Ordnungs- und Handlungsrahmen. Gemeint sind hier Normen, Institutionen und die politische Kultur, die ats "Konstanten der Politik" (Bellers/ Robert 1988: 7) zwar nicht unvsranderbar sind, aber auch nicht standiq und beliebig neu gestaltet werden konnen,
•
Zweitens, policy: Die inhaltliche Dimension von Politik stellt Ursachen, Inhalte und Foigen staatlicher Handlungsprogramme in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Es geht also urn die Ergebnisse von Politikformulierung (Programme, Gesetze, Verordnungen) sowie die DurchfOhrung politischer Vorhaben.
52 •
Drittens, politics: Die prozedurale Dimension von Politik setzt sich mit den politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen auseinander. Sie untersucht, wie politische Interessen durchgesetzt, Konflikte ausgetragen und Macht ausgeObt wird.
Die Unterscheidung nach Politikdimensionen dient zunaehst - wie geschehen - der Eingrenzung und Definition des Untersuchungsgegenstands. Politikberatung wird in dieser Arbeit als Beratung zu politischen Inhalten konzipiert. DarOberhinaus kann mit Hilfe der Unterscheidung nach Politikdimensionen das Tatigkeitsspektrum von Unternehmensberatern bei der Politikberatung naher betrachtet werden. So wird an spaterer Stelle gefragt, ob Unternehmensberater in Policy-Fragen als kompetent gelten konnen und auch in Fragen von politics, welche fOr eine erfolgreiche PolicyBeratung von Bedeutung zu sein scheinen. Der Fokus auf Politikberatung als Policy-Beratung erschliefst der Arbeit darOber hinaus auch den Zugang zu Erkenntnissen der politikwissenschaftlichen PolicyForschung oder Politikfeldforschung. So entspricht der Dreiklang der Forschungsfragen, die dieser Untersuchung zugrunde liegen, der Oblichen Vorgehensweise politikfeldanalytischer Studien. Auch der policy cycle, der im folgenden Abschnitt beschrieben wird, entstammt dieser Tradition.
Analyseebene Politikphasen bzw. policy cycle
Zweitens dient das politikwissenschaftliche Modell des policy cycle der Analyse von Politikberatung durch Unternehmensberater. Ais Kreislaufmodell des politischen Problembearbeitungsprozesses veranschaulicht der policy cycle, in welchen Phasen politisches Handeln gedacht werden kann. Das folgende Schaubild zeigt die einzelnen idealtypischen Phasen des politischen Prozesses, narnlich Problem(re)definition, Agenda Setting, Politikformulierung, PoIitikimplementierung, Politikevaluierung und gegebenenfalls Politikterminierung:
53
Polilikterm inierung
Problem(re)definition
~ Polilikimplementalion
~
Aqenda Se';09
Politikformulierung
Abbildung 4: Der idealtypische policy cycle (nach Jannl Wegrich 2003)
Ein Problem wird also zunachst erkannt bzw. erneut als relevant betrachtet und dann auf die politische Agenda gesetzt. Anschllefsend wird nach Problernlosunqen gesucht, tiber diese entschieden und werden politische Matsnahrnen umgesetzt. Spater konnen die Foigen politischen Handelns evaluiert werden und das Problem kann gegebenenfalls als gelost gelten - oder aber der Kreislauf beginnt von neuem. 1m Gegensatz zu anderen Phasenmodellen des politischen Prozesses visualisiert die Kreisdarstellung des policy cycle, dass politische Inhalte nicht im luftleeren Raum entstehen, sondern mit bereits bestehenden policies interagieren und deshalb keinen eindeutigen Anfangs- und Endpunkt haben. Die Vorstellung sequentiell aufeinander folgender Phasen der politischen Problembearbeitung ist an verschiedener Stelle als simplifizierend und analytisch unsauber kritisiert worden (vgl. Sabatierl Jenkins-Smith 1993, vgl. hier und im Foigenden auch JannlWegrich 2003: 97ff.). Ais Idealtypus mit heuristischer Funktion kann der policy
cycle dennoch hilfreich sein. In der vorliegenden Arbeit finden insbesondere drei Phasen Beachtung: •
Erstens, die Phase des Agenda Setting: Ein als Problem wahrgenommener Sachverhalt muss zunachst auf die offentliche und/oder politische Agenda gesetzt werden, damit er bearbeitet werden kann. Dazu ist meist eine Themen- bzw. Problemauswahl notlq, wobei die Auswahl haufig wenig damit zu tun hat, ob ein "objektiver Problemdruck" herrscht (ebd.: 84), sondern eher darnit, welche Interessen die beteiligten Akteure verfolgen, ob die staatlichen Institutionen in der Lage sind, diese zu behandeln, ob das Thema auch in der Offentlichkeit als Problem wahrgenommen wird und ob Ideen zu deren l.osunq existieren. Mit anderen
54 Worten: Agenda Setting funktioniert haufig nur dann, wenn ein window of opportunity fOrdas jeweilige Thema offen steht.
•
Zweitens, die Phase der Politikformulierung: In dieser Phase werden aus artikulierten Problemen staatliche Programme. Das geschieht. indem politische Ziele definiert, Handlungsalternativen entwickelt und schlielsllch eine Entscheidung darOber getroffen wird, welche Alternative umgesetzt werden soli. Idealtypisch lasst sich diese Phase nochrnals unterteilen, und zwar in die Generierung von AIternativen (formulation) und die formelle Entscheidung Ober eine bestimmte Politik (adoption): Wahrend letztere - wenn sie denn erfolgt - meist durch die Legislative getroffen wird, nehmen an der Entwicklung von Handlungsalternativen viele Akteure teil. Politikformulierung ist haufig durch Verhandlungsprozesse gekennzeichnel.
•
Drittens, die Phase der Politikimplementierung: Die beschlossenen Programme mOssen nun durch die zustandiqen Institutionen und Organisationen umgesetzt werden. In dieser Phase werden Programme konkretisiert, Ressourcen fOr die Umsetzung bereitgestellt und meist eine Vielzahl von Detailentscheidungen getroffen. Weil sich viele Gesetze, Verordnungen usw. nicht wie geplant umsetzen lassen bzw. eher allgemein formuliert sind und deshalb zwangslaufig einer Konkretisierung bedOrfen, liegt in der Phase der Implementierung viel Veranderunqsund Einflusspotential.
FOrdie vorliegende Untersuchung der Politikberatung durch Unternehmensberater ist der policy cycle in zweierlei Hinsicht von analytischem Wert. Zum einen kann mit seiner Hilfe analysiert werden, an welchen Stellen des Politikbearbeitungsprozesses Politiker die Leistungen der Unternehmensberater und anderer Politikberater in Anspruch nehmen. Zum anderen lassen sich Veranderungen der Aktlvltaten von Unternehmensberatern auf dem Feld der Public-Sector-Beratung aufzeigen.
Analyseebene Po/itikberatungsaktivitaten
Drittens dient auch eine Typologie der Politikberatungsaktivitaten von Unternehmensberatern der Analyse des Untersuchungsgegenstands. Unternehmensberater sind, wie in Kapitel 5.2 erarbeitet und beschrieben wird, mit vier unterschiedlichen Tatiqkeiten auf dem Feld der Politikberatung aktiv: Sie arbeiten erstens in politischen
55 Expertengremien mit, dienen zweitens Politikern als personliche Gesprachspartner zu Policy-Fragen, fOhren drittens im Auftrag der Politik Beratungsprojekte durch und betreiben darOber hinaus viertens politische Themensetzung in der Offentlichkeit. Genauer soli auf die einzelnen Tatigkeiten an dieser Stelle noch nicht eingegangen werden . Ais Analyseebene . das lasst sich bereits sagen, dient die Kategorisierung von Politikberatungsaktivitaten der Unternehmensberater dazu, in Kapitel 6 untersuchte Aspekte des Phanornens wie die Motive von Politikem und Untemehmensberatern sowie die Vorgehensweise der Berater genauer zu bestimmen . In Kapitel 7 wird darOber hinaus analysiert, mit welchen Politikberatungsaktiv itaten Unternehmensberater moglicherweise Einfluss auf die Politik ausOben und welche kOnftigen Entwicklungen bei den einzelnen Aktivltaten zu erwarten sind.
Analyseebene Experlengruppen
Viertens schllefshch kann die Politikberatung durch Unternehmensberater auf der Ebene der Expertengruppen analysiert werden. Wie im folgenden Kapitel genauer erlautert wird, wurden drei Gruppen von Personen zum Untersuchungsgegenstand befragt: Politiker bzw. Spitzenkrafte der Verwaltung , Unternehmensberater und Wissenschaftler. Systematische Unterschiede der Aussagen nach Expertengruppen dienen im gesamten empirischen Tei! der Arbeit dazu, die einzelnen Aspekte des Untersuchungsgegenstands aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. So kann beispielsweise aufgedeckt werden, ob Unternehmensberater, Politiker und Wissenschaftler Obereinstimmende Vorstellungen von der kOnftigen Entwicklung von Politikberatung durch Unternehmensberater besitzen oder nicht. Die folgende Abbildung fasst die benannten vier Analyseebenen der Arbeit zusammen:
56
Analyseebene
Auspragungen
1) Politikdimension
- polity (strukturelle Dimension) - policy (inhaltliche Dimension) - politics (prozessuale Dimension)
...........................................
2) Politikphase
- Agenda Setting - Politikformulierung - Politikimplementierung
3) Politikberatungstyp
-
4) Expertengruppe
- Politiker/leitender Mitarbeiter der Verwaltung - Unternehmensberater - Wissenschaftler
Mitarbeit in politischen Expertengremien 1:1-Gesprache Projektarbeit Besetzung politischer Themenfelder
Abbildung 5: Die vier Analyseebenen der Untersuchung
An einzelnen Stellen der Arbeit dienen weitere Unterscheidungen wie etwa nach Politikfeldern. Politikebenen oder auch nach Zeitpunkten der Beschreibung und Analyse der empirischen Erkenntnisse. Die vier Analyseebenen ziehen sich jedoch mit ihren entsprechenden Begrifflichkeiten durch die gesamte Arbeit hindurch und konnen deshalb als AnalysegerOst der Arbeit betrachtet werden. Wie erwahnt verfolgt die vorliegende Untersuchung eine Akteursperspektive. Da bei der Politikberatung durch Unternehmensberater zwei Akteure zusammenkommen. narnlich Politiker bzw. Top-Verwaltungskrafte auf der einen Seite und Unternehmensberater auf der anderen, wird das Phanomen auch von beiden Seiten betrachtet. Der Blickwinkel wechselt mehrmals wahrend der Arbelt, um etwa in Kapitel 6 sowohl die Motive der Politiker bei der Beauftragung von Unternehmensberatern als auch die Motive der Unternehmensberater bei der Politikberatung betrachten zu
konnen.
3.4 Zusammenfassung
Das vorangegangene Kapitel hat den analytischen Rahmen fur die Untersuchung des Phanomens Politikberatung durch Unternehmensberater erarbeitet. Dabei wurden zunachst einige Bemerkungen zum Politik- und Beratungsverstandnis der Arbeit
57 gemacht, um auf dieser Grundlage die zentralen Begriffe der Arbeit zu definieren und anschliefsend Analyseebenen vorzustellen, auf denen im Foigenden die empirischen Erkenntnisse untersucht werden sollen. Politik wird in dieser Arbeit verstanden als Prozess der politischen Problembearbeitung, an dem in erster Linie staatliche Akteure, aber daruber hinaus auch Verbande, Berater und andere nicht-staatliche Akteure beteiligt sind. Hauptakteur bei der Beratung ist der sachverstandige Berater, der die Beratungsleistung in der Regel in einem interaktiven Prozess mit dem Adressaten der Beratung erstellt. Beide Seiten, also der Berater und der Politiker, handeln dabei ihren jeweiligen Rationalitaten entsprechend rational, werden dabei jedoch von einem institutionellen Rahmen von Werten, Interessen, Regeln, Ressourcen, Strukturen usw. begrenzt. Untersucht wird der Untersuchungsgegenstand aus einer Akteursperspektive. Da existierende Definitionen von Politikberatung und Unternehmensberatung, den beiden zentralen Begriffen dieser Arbeit, entweder zu breit gefasst oder aus anderen Grunden fOr die vorliegende Untersuchung ungeeignet sind, wird der Untersuchungsgegenstand anhand verschiedener Kriterien neu definiert. Politikberatung durch Unternehmensberater ist eine Aktivitat, die sich an die Politik als Abnehmer richtet, vor dieser rezipiert wird, politische Fragestellungen zum Gegenstand hat, sich dabei hauptsachllch mit politischen Inhalten, den policies, befasst. Sie wird durchgefOhrt vom Unternehmensberater, also einem Beratungsakteur, der Kompetenzen bei der Problernlosunq in allgemeinen unternehmerischen Fragestellungen besitzt, hauptsachltch auf dem privaten Sektor operiert, Kapazltaten fur die Konzeption und Realisierung von Prob'emlosunqen bereithalt und seine Beratungsleistungen auf die Fuhrunqsebene von Organisationen ausrichtet. Analysiert wird Politikberatung durch Unternehmensberater auf vier Ebenen. Die erste Ebene ist die der Politikdimensionen polity, policy und politics. Zweitens kann das Phanornen mit Hilfe des heuristischen Modells des policy cycle betrachtet werden, welches den politischen Prozess in sequentiell aufeinander folgende Phasen einteilt. Beachtung finden dabei insbesondere die Phasen Agenda Setting, Politikformulierung und Politikimplementierung. Drittens werden die empirischen Erkenntnisse entlang der in Kapitel 5 zu bildenden Politikberatungstypen untersucht. SchlieBlich dient viertens die Ebene der Expertengruppen Politiker, Berater und Wis-
58 senschaftler dazu, systematische Unterschiede aufzudecken und den Untersuchungsgegenstand besser zu beschreiben und zu analysieren.
59
Kapitel 4 - Vorgehensweise der Arbeit Die vorliegende Arbeit geht empirisch-analytisch vor. Sie versucht also, in der Realitat vorfindbare Sachverhalte zu beschreiben und zu analysieren und klammert dabei normative Erwagungen als Bestimmungsfaktoren fOr die Analyse aus. Gernafs dem Weber'schen Postulat der Wertfreiheit empirisch-analytischer Forschung gilt, dass die Untersuchung so wenig wie rnoqlich einem vorgefassten bias des Forschers unterliegen sollte. 1m Foigenden wird dargestellt, welches Forschungsdesign zur Untersuchung des Realphanomens gewahlt wurde und warum (4.1), welche Forschungsfragen die Untersuchung anleiten (4.2) und wie methodisch vorgegangen wird (4.3). Am Ende des Kapitels steht wiederum eine kurze Zusammenfassung (4.4).
4.1 Forschungsdesign
Um das bislang nur unzureichend wissenschaftlich untersuchte Realphanomen Politikberatung durch Unternehmensberater zu erforschen, wird in dieser Arbeit ein exploratives Forschungsdesign gewahlt. Ein solches Design ermoglicht die Erkundung von in der Realitat vorfindbaren Strukturen, Ober die bisher wenig bekannt ist. Geht man explorativ vor, so stellt man sicher, dass Teilaspekte des Untersuchungsgegenstands nicht voreilig isoliert oder Erkenntnisse in vorab gefertigte Konstrukte eingegliedert werden. Gleichzeitig jedoch schrankt ein exploratives Forschungsdesign die Moglichkeiten zur Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse ein. Das OberprOfen theoretisch abgeleiteter Zusamrnenhanqe zwischen zwei Variablen in der Empirie - anders gesagt: das Verfeinern und Testen von Hypothesen - ist bei diesem Design nicht moglich. Entsprechend kann es in der vorliegenden Arbeit auch "nur" um die Deskription und Analyse von Politikberatung durch Unternehmensberater gehen. Kausalzusammenhange aufzudecken oder gar eine "Theorie der Politikberatung durch Unternehmensberater" zu entwickeln kann die vorliegende Arbeit nicht leisten und beabsichtigt es auch nicht. Wie die Literaturanalyse gezeigt hat, fehlt es bezogen auf den Untersuchungsgegenstand der Politikberatung durch Unternehmensberater mindestens an dreierlei:
60 •
Erstens, an einer Deskription und Analyse der Aktivitaten von Unternehmensberatern auf dem Feld der Politikberatung. Hierzu gibt es in der Literatur wie auch in der Tagespresse einzelne Aussagen, die zusammengefasst, systematisiert und um die Erkenntnisse der eigenen Erhebung erqanzt werden sollen.
•
Zweitens, an einer Deskription und Analyse der GrOnde fOr das Phanornen Politikberatung durch Unternehmensberater. Die Erkenntnisse zu den Ursachen entstammen im Wesentlichen der eigenen Datenerhebung, weil hierzu bisher praktisch keine Aussagen vorhanden sind.
•
Drittens, an einer Deskription und Analyse moglicher Foigen der beschriebenen Aktivitaten. Hierzu finden sich wiederum einige Aussagen insbesondere in der Tagespresse, die sich jedoch meist auf die gesamten Aktivitaten von Unternehmensberatern im offentlichen Sektor beziehen und daher erneut von eigens erhobenen Daten erqanzt werden.
Die Beschrankunq des Erkenntnisinteresses auf die genannten drei Felder - Aktivitaten, GrOnde, Foigen - erfolgt zu einem gewissen Grad willkOrlich. Es wird jedoch angenommen, dass die Erforschung dieser Felder zu einem ersten Oberblick Ober den Untersuchungsgegenstand beitragen kann (siehe auch den folgenden Abschnitt zu Forschungsfragen) und dass an diesen Stellen Erkenntnisse gewonnen werden konnen, die sich vermutlich von Politikberatung durch andere Akteure bzw. von anderen Aktivltaten der Unternehmensberater signifikant unterscheiden. Die Aussagen, die im Rahmen der Untersuchung gemacht werden, sind vor allem deskriptiver Natur. Mit anderen Worten: Es werden empirisch beobachtbare Zusammenhange beschrieben und analysiert, aber (noch) nicht erklart. Explikative oder kausale Aussagen lassen sich mit einer explorativen Vorgehensweise nicht erzielen. Auch geht es in der vorliegenden Arbeit nicht um die Quantifizierung von Parametern, also etwa darum, genaue Aussagen zur Anzahl von Politikberatungsprojekten in den vergangenen Jahren, zu Honorarvolumina oder ahnlichern zu erheben. Entsprechende Zahlen existieren weder auf der Angebots- noch auf der Nachfrageseite. Aufserdem erscheint es unwahrscheinlich, dass einzelne miteinander im Wettbewerb stehende Akteure Zahlen oder Schatzungen offen zu legen bereit waren. Insofern handelt es sich bei der vorliegenden Untersuchung um eine qualitative Studie mit explorativ-deskriptivem Forschungsdesign.
61 4.2 Forschungsfragen
Wie im Vorkapitel erwahnt, bedient sich die vorliegende Arbeit einiger Analyseinstrumente der Policy-Forschung. Auch bei der Ableitung der Forschungsfragen ist dieser Ansatz hilfreich, denn: "Policy analysis is finding out what governments do, why they do it, and what difference it makes" (Dye 1976: 1). Mit anderen Worten: Der fOr Policy-Forschungsarbeiten Obliche Fragendreiklang - die Fragen also nach dem "Was?" (Aktivitaten), dem "Warum?" (GrOnde) und dem "Was folgt daraus?" (Foigen) - eignet sich ideal, um auch die oben beschriebenen ErkenntnislOcken aufzuzeigen und so das Ziel dieser Arbeit zu erreichen. Bezogen auf den Untersuchungsgegenstand lauten die drei erkenntnisleitenden Forschungsfragen folglich (und zunachst sehr allgemein): Was machen Unternehmensberater auf dem Feld der Politikberatung? Warum findet Politikberatung durch Unternehmensberater statt? Welche Foigen hat Politikberatung durch Unternehmensberater? 1m Foigenden werden diese Fragen konkretisiert: Die erste Forschungsfrage - Was machen Unternehmensberater auf dem Feld der Politikberatung? - zielt auf die Aktivitaten des Akteurs Unternehmensberater. Dabei erscheint zunachst interessant, welche Auspraqunqen und Formen die Politikberatung durch Unternehmensberater annimmt. Die zu beantwortende erste Unterfrage lautet entsprechend: Welche Typen von Aktivitaten lassen sich voneinander unterscheiden? Weiterhin erscheint lohnenswert zu untersuchen, ob die Aktivltaten (zeitlich wie inhaltlich) neu sind, sich also von bisherigen an die Politik gerichteten Beratungsleistungen der Unternehmensberater unterscheiden. Entsprechend soil gefragt werden: Hat sich etwas (und, wenn ja, was hat sich) bei den Aktivltaten von Unternehmensberatungen verandert? Und schlieBlich muss hier auch noch die Frage nach dem Wer, also dem Akteur gestellt werden, denn vermutlich betreiben nicht aile Unternehmen, die entsprechend der vorgenommenen Eingrenzung als Unternehmensberater gelten konnen, auch Politikberatung. Beantwortet werden soli also die Frage: Welche Unternehmensberater sind auf dem Feld der Politikberatung aktiv? Die zweite Forschungsfrage - Warum findet Politikberatung durch Unternehmensberater statt? - zielt auf die GrOnde fOr das Vorhandensein des Phanornens der Politikberatung durch Unternehmensberater. Genauer gesagt sollen die Motive bzw. Interessen der beiden Akteure Unternehmensberater und Politiker beleuchtet werden. Betrachtet man die Motive beider Akteure gleichermaBen, stellen sich entspre-
62 chend zwei verschiedene Unterfragen: Warum fragen Politiker Politikberatungsleistungen von Unternehmensberatern nach? Und: Warum bieten Unternehmensberater Politikberatungsleistungen an? Aufserdem soli in einem Exkurs etwas genauer nach der Vorgehensweise von Unternehmensberatern gefragt werden, wenn sie Politikberatung anbieten. Die Frage lautet entsprechend: Wie gehen Unternehmensberater bei der Politikberatung vor? Schllefsllch bedarf auch die dritte Forschungsfrage - Welche Foigen hat Politikberatung durch Unternehmensberater? - einer Konkretisierung. lum einen wird nach dem Einfluss von Unternehmensberatern gefragt, also: Haben Unternehmensberater Einfluss auf politische Inhalte und wenn ja, wie stark ist dieser? lum anderen sollen die Foigen in zeitlicher Hinsicht analysiert werden. Deshalb lautet die letzte Forschungsfrage: Welche Entwicklungen sind bei der Politikberatung durch Unternehmensberater in lukunft zu erwarten bzw. moqlich? Wie in der Einleitung bereits erlautert wurde, wird sich jedes der folgenden drei Kapitel einem dieser Fraqeblocke widmen. Zunachst gilt es jedoch, die Methodik der vorliegenden Arbeit zu erlautern.
4.3 Methodik der Arbeit
Die Daten der vorliegenden Arbeit wurden mit Hilfe unterschiedlicher Methoden erhoben:
Erstens
mittels
Experteninterviews,
zweitens
mittels
eines
kurzen
Fragebogens, der nach den Interviews an die Interviewpartner verschickt wurde und drittens mittels einer Inhaltsanalyse deutschsprachiger Printmedien. Aile drei Verfahren eignen sich als Datenquellen im Rahmen der vorliegenden explorativen Untersuchung. liel ihrer VerknOpfung (methodische Triangulation) war es, die GOte der empirischen Daten zu erhohen, Zunachst zu den leitfadengestotzten Experteninterviews: Dieser Typ von Erhebungsmethode war im vorliegenden Fall deshalb geeignet, weil mehrere unterschiedIiche Aspekte eines Themenkomplexes behandelt werden sollten, die durch das liel der Untersuchung bestimmt wurden. Autserdern konnte bei nicht-standardisierten Interviews auf die Aussagen des Interviewpartners eingegangen, also etwa Nachfragen zu einzelnen Details gestellt werden, was in diesem Fall ebenfalls als notwendig erachtet wurde.
63 Interviews mit Experten durchzufOhren lag aber darOber hinaus auch schon deshalb nahe , weil es schlicht an alternativen Datenquellen zum Untersuchungsgegenstand der Politikberatung durch Unternehmensberater mangelt: Dass eine Analyse der Literatur nicht genGgend Erkenntn isse hervorbringt, wurde bereits erlautert. Aber auch Zeitungsartikel , Drucksachen des Bundestages oder beispielsweise Kommissionsberichte bieten nicht ausreiche nd Material (Fall
(sog.
Halo-
oder
Fragekontexteffekt).
Insbesondere
bei
nicht-
standardisierten Interviewverfahren wie dem in der vorliegenden Arbe it angewandten leitfadengestGtzten Experteninterview, welches mit offenen Fragen operiert und beiden Gesprachspartnem viel Freiraum lasst, ist die ErfGllung zentraler GGtekriterien der empirischen Sozialforschung wie der Objekf ivltat, Reliabil itat und Validitat problematisch. Urn den genannten forschungsmethodischen Problemen Rechnung zu tragen, wurde bei der Datenerhebung unter anderem auf neutrale und eindeutige Frageformulierung, auf die Wiederholung einzelner Fragen zu ErMhung der Rellabilitat sowle auf einen soweit wie moqllch ahnlichen Gesprachsverlauf in allen Interviews geachtet. AuBerdem wurden sowohl der Interviewleitfaden als auch der Fragebogen in Pretests mit Personen , die mit dem Untersuchungsgegenstand vertraut sind, auf Frageverstandlichkelt sowie auf Fraqequalitat gestestet (Expertenvalidierung). Bei der
64 Darstellung und Auswertung der Interviewaussagen wurde darOber hinaus versucht, die Aussagen der Experten moglichst unverfalscht wiederzugeben . Meinungen und Fakten, die den Interviews entstammen , wurden in der vorliegenden Arbeit deshalb haufig als wortwortliche Zitate dargestellt, meist zurOckhaltend interpretiert und in einigen Fallen auch bewusst unkomment iert gelassen . Auf diese Weise kann sich der Leser sein eigenes Urteil bilden. Insgesamt wurden zwischen April und September 2005 36 Experteninterviews durchgefOhrt. Sie dauerten zwischen 30 Minuten und 3 Stunden, im Durchschnitt betrug die Interviewdauer 68 Minuten. Mit 28 Interviews fand die groBe Mehrheit der Interviews face to face statt - und zwar in Berlin, Potsdam, Hamburg, Essen, Frankfurt und MOnchen. Der Rest der Interviews erfolgte telefonisch. Die Auswahl der Interviewpartner erfolgte nach einer bewussten Stichprobe. Das heiBt, es wurden Kriterien gebildet , anhand derer potentielle Interviewpartner identifiziert werden konnten. Die Auswahlkriterien waren: •
Aussaqefahiqkelt in Bezug auf den Untersuchungsgegenstand - also: VerfOgt die Person Oberdie relevanten Informationen?
•
Ausgewogenheit in der Stichprobe - also: Streuen die Experten hinsichtlich Kriterien wie (partei)politische Zuqehor iqkeit (bei Politikern), Flrmenzuqehoriqkeit (bei Unternehmensberatem), Zeitpunkt der Verantwortlichke it bzw. Erfahrungen mit dem Untersuchungsgegenstand (heute vs. gestern), aufgrund frOherer Aussagen bzw. Publikationen erwartete grundsatzliche Einstellung gegenOber Unternehmensberatern (kritisch vs. unterstOtzend) sowie Alter Uung vs. alt)?
•
VerfOgbarkeit der Informanten - also: Zu welchen Personen sind Kontakte vorhanden bzw. aktivierbar?
•
Vermutete Aussagebereitschaft - also: Welche Personen sind wahrscheinlich bereit, Auskunft zu geben?
Da die genaue Grundgesamthe it an Experten - in diesem Fall also die Personen, die als auskunftsfahlq zum Thema Politikberatung durch Unternehmensberater gelten konnen - unbekannt und vermutlich auch nicht allzu groB ist, konnte keine zutalliqe Stichprobenauswahl erfolgen. Eine Zufallsstichprobe harte allerdings auch wenig Sinn ergeben , weil diese Arbeit als explorative Untersuchung keinen Reprasentativi-
65 tatsanspruch besitzt und bestimmte Personen unbedingt befragt werden sollten, da sie aufgrund der Zeitungslektore und eigener Einblicke zum Untersuchungsgegenstand als besonders relevant und auskunftsfahiq eingeschatzt wurden. Von den 43 kontaktierten Experten waren 39 zu einem Interview bereit - das entspricht einer ROcklauf- bzw. Kontakterfolgsquote von 90,7 Prozent. Beabsichtigt war, fOr die vorliegende Untersuchung eine moglichst groBe Bandbreite von Erfahrungen und Meinungen zum Untersuchungsgegenstand zu bekommen. Entsprechend breit solite deshalb das Spektrum der Interviewpartner sein: Akteure auf Seiten der Politik, Akteure auf Seiten der Berater sowie zusatzlich professionelle Beobachter des Phanomens. Die folgenden drei Personengruppen fanden deshalb Beachtung: •
Erstens, Politiker bzw. leitende Mitarbeiter in Politik und Verwaltung: Geachtet wurde bei deren Auswahl insbesondere darauf, dass die Interviewpartner unmittelbare Erfahrungen mit Politikberatung bzw. mit den Aktivltaten von Unternehmensberatern auf diesem Feld vorweisen konnten sowie selbst gewisse Entscheidungsbefugnisse hinsichtlich der externen Beratung ihrer Organisationen besaisen. Aus GrOnden von Relevanz und Praktikabilltat sind gemaB der Fokussierung dieser Arbeit auf Politikberatung durch Unternehmensberater auf der Bundesebene insbesondere Personen ausqewahlt worden, die im Bundeskanzleramt (BKA) bzw. zentralen Bundesministerien wie dem Bundesministerium fOr Inneres (BMI) und dem Bundesministerium fOrWirtschaft und Arbeit (BMWA, heute BMWi bzw. BMA) tatig sind bzw. zum Zeitpunkt des Interviews waren.
•
Zweitens, Unternehmensberater: Hier handelt es sich um fOhrende Mitarbeiter der graBen deutschen Unternehmensberatungen, vor allem die Leiter der Beratungseinheiten Offentlicher Sektor. 1m Sinne einer Ausgewogenheit der Stichprobe war es insbesondere wichtig, Interviewpartner aus allen wichtigen auf diesem Feld tatigen Beratungsunternehmen zu gewinnen. Entsprechend der Eingrenzung dieser Arbeit auf groBe Unternehmensberatungen blieben kleine Anbieter, die moqllcherweise in Spezialgebieten oder auf kommunaler und Landesebene ebenfalls Politikberatung im hier gemeinten Sinne anbieten, unberOcksichtigt. Die GrOnde fOr ihre NichtberOcksichtigung sind vor allem forschungspraktischer Natur (Beschrankunq auf die zentralen Akteure des zu erforschenden Untersuchungsgegenstands aus Zeit- und MachbarkeitsgrOnden, Absicht einer weitgehenden
66
Homoqenitat der Untersuchungsobjekte aus VergleichbarkeitsgrGnden und zum Herausarbeiten von Strukturen). •
Drittens, Wissenschaftler: Bei der Auswahl von Interviewpartnern aus dieser Personengruppe wurde insbesondere darauf geachtet, dass diese selbst zum Thema Politikberatung oder Unternehmensberatung geforscht hatten. Manche Wissenschaftler waren oder sind ferner selbst als Politikberater tatig. Um auch hier einer gewissen (interdisziplinaren) Streuung gerecht zu werden, kamen Politologen ebenso zu Wort wie Betriebswirtschaftler und Volkswirte.
Bis auf drei Interviews konnten mit der Zustimmung der Interviewpartner samtliche Gesprache auf Tonband aufgezeichnet werden. Die wichtigsten Aussagen bzw. einzelne Zitate aus den einzelnen Interviews wurden im Nachhinein transkribiert und im Faile der beabsichtigten Verwendung im Text den jeweiligen Interviewpartnern zur Autorisierung vorgelegt. In manchen Fallen wurden Aussagen auch anonymisiert wiedergegeben, wobei dann kenntlich gemacht ist, ob es sich dabei um Interviewpartner der Expertengruppe der Politiker, Unternehmensberater oder Wissenschaftler handelt. Geachtet wurde darauf, dass sich die Zitate nicht im Nachhinein zuordnen lassen. 1m Anhang findet sich die Liste der Experten inklusive deren Funktionsbezeichnung zum Zeitpunkt des Interviews, dem Datum und Ort des Interviews (Anhang 1) sowie der Interviewleitfaden, welcher in etwa der Haffte der Faile den Interviewpartnern auf Wunsch vorab zuging und in den restlichen Fallen als Gesprachsgrundlage diente (Anhang 2). Um ausqewahlte Aspekte, die in den Interviews aufgetaucht waren, plausibilisieren und insbesondere auch quantifizieren zu konnen, wurde als zweite Methode ein kurzer Fragebogen verwendet. Er besteht aus Statements, denen die Ansprechpartner zustimmen, nicht zustimmen oder sich einer Bewertung enthalten konnten. Adressaten des im Oktober 2005 per Email verschickten Fragebogens waren wiederum die Experten, die auch schon als Interviewpartner gedient hatten. Angesichts der fOr quantitative Aussagen ohnehin eher geringen Stichprobe von 36 Personen wurde darauf geachtet, dass die Bearbeitungszeit auf Seiten des Befragten rnoqlichst gering war. Deshalb ist der Fragebogen sehr kurz und einfach gehalten. Mit 67 Prozent war die RGcklaufquote denn auch vergleichsweise hoch. Der Fragebogen und eine tabellarische Obersicht der Antworten finden sich ebenfalls im Anhang zur Arbeit (Anhang 3).
67 SchlieBlich wurde in ausqewahlten Medien der deutschsprachigen Tagespresse nach Stichworten zum Untersuchungsgegenstand der Politikberatung durch Unternehmensberater gesucht. Ziel dieser Inhaltsanalyse war es, Anhaltspunkte Ober die Veranderunq in der Berichterstattung Ober einen Zeitraum von acht Jahren zu bekommen. Mit Hilfe der Pressedatenbank Factiva sowie den Archivseiten auf den Websites von Frankfurter Allgemeine Zeitung, SOddeutsche Zeitung, Frankfurter Rundschau, Die Welt und taz wurde bestimmt, wie haufig einzelne Suchbegriffe wie "Unternebmensberatv' " oder die Namen groBer Beratungsfirmen in der Berichterstattung auftauchen.
Um sicherzustellen, dass es sich dabei um Artikel zu politischen Themen handelt und nicht etwa um die Berichterstattung im Zusammenhang mit Beratungsprojekten in der privaten Wirtschaft, wurde die Suche verfeinert: Es wurden ausschliefslich jene Artikel gezahlt, die entweder im Politikteil der jeweiligen Zeitung erschienen waren oder in denen der Suchbegriff in direkter Verbindung mit einem oder mehreren Politikfeldern genannt wurde.
4.4 Zusammenfassung
Das vorangegangene Kapitel hat die Vorgehensweise der Untersuchung erlautert. Dazu wurde zunachst das Forschungsdesign beschrieben, anschlier..end die in der Einleitung bereits genannten Forschungsfragen weiter detailliert sowie schhefslich die Methodik der Arbeit vorgestellt. Das Forschungsdesign der empirisch-analytisch ausgerichteten Arbeit lasst sich als explorativ-deskriptiv kennzeichnen: Die Untersuchung zielt auf die Entdeckung von Strukturen ab (exploratives Untersuchungsziel) und versucht, bestimmte Merkmale dieser Strukturen zu beschreiben (deskriptive Aussagenart) und zu analysieren. Auf diese Weise soli die ForschungslOcke zum genannten Untersuchungsgegenstand geschlossen werden. Wei! insbesondere bei der Untersuchung von Aktivitaten, GrOnden und Foigen des RealpMnomens Politikberatung durch Unternehmensberater neue Erkenntnisse
26
Die Trunk ierung ("''') des Suchbegr iffs "Unternehmensberat" hat zur Folge, dass sowohl nach "Unterneh mensberater" als auch nach "Unternehmensberatung" gesucht wird.
68 vermutet werden, folgt die Arbeit drei erkenntnisleitenden Forschungsfragen, welche denen anderer Untersuchungen der Policy-Forschung ahneln: Was machen Unternehmensberater auf dem Feld der Politikberatung? Warum findet Politikberatung durch Unternehmensberater statt? Welche Foigen hat Politikberatung durch Unternehmensberater? Die fOr die Deskription und Analyse notigen Daten wurden in erster Linie Ober leitfadengestotze Experteninterviews erhoben. 1m Sommer 2005 wurden deshalb 36 Interviews mit Experten aus Politik und Verwaltung, Unternehmensberatung sowie der Wissenschaft durchgefOhrt. Ihre Auswahl erfolgte nach den Kriterien "Aussagefahigkeit in Bezug auf den Untersuchungsgegenstand", "Ausgewogenheit der Stichprobe", "VerfOgbarkeit der Informanten" sowie "Vermutete Aussagebereitschaft". Erganzend wurde nach einer Analyse der Interviewaussagen ein kurzer Fragebogen an die Interviewpartner geschickt, dessen Ziel es war, ausqewahlte Aspekte zu quantifiziereno Eine Inhaltsanalyse in ausqewahlten deutschen Printmedien errnoqlicht es darOber hinaus, Veranderungen in der Berichterstattung Ober Politikberatung durch Unternehmensberater aufzuzeigen.
69 Kapitel 5 - AktiviUiten von Unternehmensberatern auf dem Feld der Politikberatung Der nun beginnende empirische Teil der Arbeit basiert im Wesentlichen auf den Aussagen der Interviewpartner und teilt sich in die Kapitel Aktlvltaten (5), GrOnde (6) und Foigen (7). Er beschreibt und analysiert, was Untemehmensberater auf dem Feld der Politikberatung in Deutschland machen, warum Politikberatung durch Unternehmensberater zustande kommt und welche Foigen dieses Realphanomen hat. Das fOnfte Kapitel beantwortet zunachst die Frage nach dem Was?'. Erlautert wird, mit welchen Aktivitaten Unternehmensberater auf dem Feld der Politikberatung in Deutschland prasent sind. Um zu zeigen, wie sich die Beratungsaktivitaten von Unternehmensberatern im offentlichen Sektor insgesamt verandert haben, wird in einem ersten Schritt der Weg von Unternehmensberatern hin zur Politikberatung nachgezeichnet (5.1). 1m Anschluss an die Typologisierung und Beschreibung der Aktivitaten von Unternehmensberatern auf dem Feld der Politikberatung (5.2) wird gefragt, wie umfangreich diese Beratungstatigkeiten in Deutschland sind (5.3). Es folgen AusfOhrungen zu moglichen Veranderungen bei der Politikberatung durch Unternehmensberater in den vergangenen Jahren (5.4). Eine Zusammenfassung der wichtigsten Aussagen beschllefst das Kapitel (5.5).
5.1 Der Weg der Unternehmensberater in die Politikberatung Jahrzehntelang waren private Unternehmen die einzigen Auftraggeber von Unternehmensberatungen. Und auch heute noch gilt, dass Unternehmensberater in erster Linie Unternehmen beraten. Egal ob McKinsey, Roland Berger, Boston Consulting Group, Booz Allen Hamilton oder Arthur D. Little, all diese Unternehmen machen zumindest in Deutschland Ober 90% ihrer Urnsatze im privaten Sektor. Hinzugekommen ist jedoch spatestens Anfang der 1990er Jahre ein neues Tatigkeitsfeld: der offentliche Sektor".
27
Ein weiteres Tatigkeitsfeld, das jedoch in dieser Arbeit keine Betrachtung findet, ist die so genannte Dritter-Sektor- oder Non-Profit-Be ratung : Wohlfahrtsverbande, Vereine. Hilfsorganisationen und andere Organisationen des Dritten Sektors waren in der Vergangenheit immer wieder Adressat von (kostenloser) Beratung durch Untemehmensberater. Siehe als Beispiel die Beschreibung eines Beratungsprojekts von McKinsey bei den "Deutschen Tafeln" (Schafer 1999).
70 Oblicherweise werden sarntliche Organisationen mit staatlichem Bezug zum Beratungsmarkt Offentlicher Sektor gezahlt, also die Regierungsinstitutionen, die offentliche
Verwaltung,
staatliche
Bildungs-
und
Gesundheitseinrichtungen
sowie
Unternehmen in staatlichem Besitz oder mit staatlicher Beteiligung. Entsprechend breit ist auch das Spektrum moqlicher offentlicher Auftraggeber, fOr die Unternehmensberater Beratungsleistungen erbringen konnen (siehe KapiteI2).
1m Foigenden soli nachgezeichnet werden, wie die in dieser Arbeit betrachteten groBen Unternehmensberatungen auf das Feld der Politikberatung in Deutschland gelangten. Dazu wird angenommen, dass sich einzelne Schritte dieses Weges nicht nur voneinander unterscheiden, sondern dass sie sich auch zeitlich abgrenzen lassen. Unproblematisch ist eine entsprechende Annahme nicht, denn nicht aile hier betrachteten Unternehmensberatungen sind die jeweiligen Schritte zur gleichen Zeit gegangen. Auch kam es vor, dass Akteure wieder einen Schritt zurOckgegangen sind, sich also von einem neuen Tatiqkeltsfeld wieder zurOckgezogen, oder zwei Schritte auf einmal gemacht haben. SchlieBlich muss man auch die Moglichkeit im Auge behalten, dass Unternehmensberater als Einzelpersonen einen Schritt vollziehen konnen, ohne dass das dazugehorige Beratungsunternehmen als Institution diesem zwanqslaufiq folgen muss. Trotz dieser Bedenken sollen die wesentlichen Entwicklungsschritte als sequentielle Abfolge dargestellt werden. Nach der Beschreibung der einzelnen Schritte (5.1.1) wird diese Entwicklung als Veranderunq im policy cycle interpretiert (5.1.2).
5.1.1 In drei Schritten zur Politikberatung
Unternehmensberater sind in drei Schritten vom Ausgangspunkt - der Beratung des privaten Sektors, ihres Kerngeschafts gestern wie heute - zum Feld der Politikberatung vorgedrungen. Der erste fOhrte sie von der Beratung privater Unternehmen zur Beratung staatlicher Unternehmen, der zweite von dort zur Beratung der offentlichen Verwaltung und der dritte schlieBlich hin zur Politikberatung. Die Abbildung 6 visualisiert diese drei Schritte und zeigt dabei gleichzeitig noch einmal ihr Aktlvitatsspektrurn (ohne Dritter-Sektor-Beratung) auf. Denn ein Schritt hin zu einem neuen Feld bedeutet nicht, dass das ursprOngliche Feld verlassen wurde. Vielmehr werden bestehende Tatigkeitsfelder um neue erqanzt,
71
Erster Schritt
Beratung privater Unternehmen
L
_
j
Privater Sekior
lweiter Schritt
Beratung offentlicher Unternehmen
L
._.
_
.
Dritter Schritt
Verwaltungsberatung
.
_
.
Politikberatung
J
Offentlicher Sekior
Abbildung 6: Der Weg der Unternehrnensberater in die Politikberatung
Jeder dieser Schritte bedeutet nicht nur eine Erweiterung ihrer Tatlqkeit, sondern auch, dass sich Unternehmensberater zunehmend von ihrem Kernqeschaft und der dort herrschenden okonomischen Handlungslogik wegbewegen. Mit jedem Schritt setzen sich Unternehmensberater also verstarkt einer politischen Rationalitat aus. Die folgenden AusfOhrungen erlautern die einzelnen Schritte.
Von der Beratung privater zur Beratung offentlicher Unternehmen
Erste Erfahrungen mit dem Beratungskunden Offentlicher Sektor haben Unternehmensberater gemacht, als sie beauftragt wurden, bei der Transformation ost- und westdeutscher Staatsunternehmen mitzuwirken: "Der groBe Einstieg [ins PublicSector-Geschaft, TR] in Deutschland gelang den Beratern Oberdie Treuhandanstalt" (ROgemer 2003: 88). McKinsey und Roland Berger fOhrten in der ehemaligen DDR zahlreiche Beratungsprojekte durch, deren lieI die Evaluation staatseigener Betriebe sowie deren Restrukturierung und spatere Privatisierung im Rahmen der Treuhandaktivitaten war (vgl. McKinsey: Website "A history of McKinsey"). Vertreter beider Firmen waren zudem im Leitungsausschuss der BehOrde vertreten. In Westdeutschland unterstOtzten Unternehmensberater greBe Staatsunternehmen bei deren Weg in die Privatwirtschaft. Dieser erste Schritt von der Beratung privater zur Beratung offentlicher Unternehmen lasst sich auf Anfang der 1990er Jahre datieren, als die Privatisierung greBer deutscher Staatsunternehmen wie der Telekorn, der Lufthansa und der Post begonnen wurden und als die Restrukturierungs- und Veraulserunqsaktivitaten der im Jahr 1990 gegrOndeten Treuhand-Anstalt ihren Hohepunkt erreichten. Anfangs konnten Unternehmensberater in diesem Bereich hohe - und damit annahernd die im privaten
72 Sektor Oblichen - Taqessatze erzielen. Nach dem Abebben der Treuhandprajekte Mitte der 1990er Jahre allerdings sanken (zumindest vorObergehend) sowohl die Projektvolumina als auch die Hohe der Tagessatze und damit die Margen der Unternehmensberater in diesem Bereich. Bis heute sind Unternehmensberater bei offentlichen Unternehmen beratend tatig. Sie unterstOtzen zum Beispiel kommunale Infrastrukturanbieter wie Energieversorger, Unternehmen des offentlichen Personennahverkehrs oder MOlientsorger dabei, effizienter und effektiver zu wirtschaften bzw. auf neuerdings deregulierten und liberalisierten Markten zurechtzukommen . Ehemalige Staatsbetriebe wie beispielsweise die Post oder die Telekom stellen heute zudem wichtige Kunden im privaten Sektor dar und werden meist von den gleichen Beraterteams weiterbetreut. Denn "es hat inhaltlich keinen qrofsen Unterschied gemacht, die Telekom zu beraten, als sie noch eine BehOrdewar und jetzt, wo sie privatisiert ist" (Berger, Interview). Wie von einigen Interviewpartnern konstatiert wird, sind fOr die Beratung offenthcher Unternehmen nur wenige Kenntnisse erforderlich , die Oberjene hinausgehen, welche Unternehmensberater bei der Beratung privater Auftraggeber anwenden. Zwar bestimmt der Staat als Anteilseigner mit Ober die strategische Ausrichtung des Unternehmens und verfolgt dabei mitunter andere Interessen, als es privatwirtschaftliche stakeholder tun. Auch herrschen im offentlichen Dienst andere - etwa arbeitsrechtli-
che - Rahmenbedingungen , die es zu beachten gilt. Detaillierte Kenntnisse des politischen Prozesses sind jedoch nicht Voraussetzung einer Beratung offentlicher Unternehmen. Denn im Kern geht es bei der Beratung offentlicher Unternehmen um betriebswirtschaftliche Fragen wie die strategische Ausrichtung der Unternehmen zur Behauptung im Wettbewerb oder die effektive und effiziente Leistungserstellung fOr den Kunden .
Von der Beratung offentlicher Unternehmen zur Verwaltungsberatung
In einem zweiten Schritt sind Unternehmensberater dazu Obergegangen, nicht nur staatliche Unternehmen, sondern auch Ministerien, Behorden und andere Institutionen der offentlichen Verwaltung zu beraten . 1m Wesentlichen ging es dabei um die EinfOhrung privatwirtschaftlicher Steuerungsinstrumente im Kontext von New Public Management (NPM) bzw. dem Neuen Steuerungsmodell (NSM). Anfang der 1990er
73 Jahre von der Kommunalen Gemeinschaftsstelle fOr Verwaltungsvereinfachung (KGSt) propagiert, nahmen sich Unternehmensberater des Themas Verwaltungsmodernisierung an und halfen insbesondere bei der Implementierung neuer Prozesse und Strukturen. Die Verwaltungsberatung durch Unternehmensberater im Rahmen von New Public Management begann nur geringfOgig spater als die Beratung offentllcher Unternehmen, also immer noch in den frOhen 1990er Jahren. Da die Kommunen Vorreiter dieser Reformbestrebungen waren, sammelten auch Unternehmensberater zunachst auf der Kommunalebene Projekterfahrungen, bevor sie in der Folgezeit bei vielen Ministerien und BehOrden auf Bundes- und Landesebene beratend tatig wurden. Auch hier ging es wiederum vor allem darum, durch optimierte Prozesse und Strukturen Effizienzgewinne zu realisieren und sie besser auf den Kunden - in diesem Fall den BOrger- auszurichten. In dem
Ma~e,
in dem die Verwaltung eigene Kompetenzen bei der DurchfOhrung von
Modernisierungsprojekten aufbaute, ging spater die (vermeintliche oder tatsachliche) Notwendigkeit einer professionellen Unterstotzung durch Unternehmensberater zurOck. Auch machte sich auf Seiten der Politik wie auch auf Seiten der Berater ErnOchterung breit, weil sich die DurchfOhrung schwieriger als erhofft darstellte und so die meist hochgesteckten Ziele teilweise nicht oder nicht schnell genug erreicht wurden. Wie von Seiten einiger Beobachter bemerkt wird, verlagerte sich gegen Ende der 1990er Jahre die politische Verantwortlichkeit fOr operative Elemente der Verwaltungsmodernisierung zunehmend von der Spitze auf die zweite oder dritte Hierarchieebene der beratenen Institution, was zur Foige hatte, dass bei dem einen oder anderen Berater das Interesse an entsprechenden Beratungsprojekten nachllefs (siehe Kapitel 5.3.1). Kleinere und damit haufig auch kostengOnstigere Unternehmens- oder Organisationsberater Obernahmen zunehmend die Beratungstatigkeiten, aus denen sich einige der
gro~en
Beraterfirmen zum Teil bewusst zurOckgezogen
hatten. Auch heute jedoch gibt es umfangreiche Tatiqkeiten auf dem Feld der Verwaltungsmodernisierung. Der Offentlichkeit bekannt sind vor allem die gro~volumigen Beratungsprojekte bei der Bundesagentur fOr Arbeit oder der Bundeswehr. Aber es gibt auch viele kleinere Projekte. Bei den meisten Beratungsprojekten im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung spielen neben der UnterstOtzung bei der Implementie-
74 rung politischer MaBnahmen in Verwaltung und Praxis auch konzeptionelle bzw. strategische Beratungsmodule eine wichtige Rolle. In der Mehrzahl handelt es sich bei der Beratung der offentlichen Verwaltung jedoch gestern wie heute um die Umsetzung der durch die Politik getroffenen Entscheidungen. Verglichen mit der Beratung offentlicher Unternehmen mOssen Unternehmensberater, so wird argumentiert, bei der Verwaltungsberatung in weit hoherern MaBe die Rationalitaten und Handlungsziele politischer Akteure verinnerlicht haben, wenn sie erfolgreich agieren wollen. Was allerdings die konkrete Arbeitsleistung des Unternehmensberaters sowohl bei der Beratung offentlicher Verwaltungen wie auch offentIicher Unternehmen angeht, so unterscheidet sie sich wenig von der auf dem privaten Sektor: "Die Methoden und Tools der Berater sind die gleichen" (Niedereichholz, Interview).
Von der Verwaltungs- zur Politikberatung In einem dritten Schritt nun sind Unternehmensberater auf das Feld der Politikberatung vorgedrungen. Jobst Fiedler, damals verantwortlich fOr den Beratungsbereich Offentlicher Sektor bei Roland Berger, argumentiert, dass die Politikberatungstatigkeiten in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verwaltungsberatung stehen und sich aus ihr heraus entwickelten. Unternehmensberater seien "nicht (mehr nur) auf der Prozess- und Instrumentenseite, sondern (ietzt auch) auf der inhaltlichen Seite aktiv geworden" (ebd., Interview, siehe hierzu auch Vorgehensweise der Unternehmensberater, Kapitel 6.4). Mit anderen Worten: Die Umsetzungsprojekte fOr die offentliche Hand wurden um solche Projekte bzw. Projektmodule erqanzt, die policies zum Gegenstand hatten. Zeitlich lasst sich dieser Schritt am schwierigsten determinieren. Nach Meinung der meisten Experten erfolgte er Mitte bis Ende der 1990er Jahre und knOpfie damit an die Erfahrungen in der Beratung der offentlichen Verwaltung an: "Umsetzungsprojekte in der Verwaltung sind das Hauptbetatigungsfeld und die Kernkompetenz von Unternehmensberatungen auf dem offentlichen Sektor. Sie haben die Legitimitat fOr Policy-Beratung erst geschaffen" (Althaus, Interview). McKinsey hat beispielsweise im Jahr 2001 seine bis dato kaum nennenswerten Public-Sector-Beratungsaktivitaten verstarkt und bearbeitet heute unter der Leitung von Markus Klimmer, der zu diesem
75 Zeitpunkt mit weiteren Beratern vom Konkurrenten Booz Allen Hamilton zu McKinsey gekommen war, organisatorische und inhaltliche Fragestellungen gleicherma~en. Allerd ings gibt es auch deutlich frOhere Aktlvitaten einiger Berater , was die Interpretation zulasst, dass sich Politikberatung durch Unternehmensberater in manchen Fallen weitgehend losqelost von den anderen Beratunqsaktivltaten im offentlichen Sektor entwickelt hat. So erzahlt Roland Berger: "Ich bin ab 1985 emsthaft von Politikern gefragt worden . Ich war der erste , der als Unternehmensberater Politikberatung gemacht hat." Andere Unternehmensberater sehen eine Vorreiterrolle der Beratungsfirma Arthur D. Little , die bereits Anfang der 1990er Jahre mit dem ehemaligen Regierenden BOrgermeister von Berlin Dietrich Stobbe
Verwaltungs- und auch
Politikberatung betrieben hat. Beme rkenswert ist, dass die befragten Unternehmensberater den Beginn ihrer Politikberatungsaktivitaten in der Regel deutlich frOher ansetzen als die inteNiewten Experten aus Politik und Wissenschaft. Ais Politikberater im Sinne von PolicyBeratern wahrgenommen werden Unternehmensberater, so scheint es, erst seit wenigen Jahren.
5.1.2 Vordringen in frOhe Phasen des policy cycle Der soeben beschriebene dritte Schr itl von der Verwalt ungs- zur Politikberatung kann auch als Ausweitung der Beratungstatigkeiten von Unternehmensberatern in andere Phasen des politischen Problembearbeitungsprozesses interpretiert werden . Wie in Kapitel 3 ertautert , lasst sich letzterer als Kreislauf oder policy cycle modellieren und idealtypisch in Phasen einteilen, in denen zunachst ein Problem erkannt und artikuliert (Agenda Setting) , anschfiefsend eine Problernlosunq entw ickelt und verabschiedet (Politikformulierung), sodann beschlossene politische Mafsnahrnen umgesetzt (Pofitikimplementierung) und schliefslich moglicherweise evaluiert werden . Unternehmensberater sind mit ihren Beratungsleistungen im offentlichen Sektor in allen diesen Phasen aktiv. So unterstOtzen sie wie beschrieben die offentliche Verwaltung bei der Umsetzung pofitischer Mafsnahrnen. In diesem Fall erfolgt die Beratung in der Phase der Politikimplementierung . Bisweilen werden Unternehmensberater auch mit der Evaluierung politischer Programme beauftragt. 1m Fokus dieser
76 Arbeit steht jedoch die Politikberatung im Sinne von Policy-Beratung, welche vor allem in der Phase der Politikformulierung ben6tigt wird. Wie die folgende Abbildung verdeutlicht, sind Unternehmensberater ausgehend von der Verwaltungsberatung, welche klassischerweise Implementierungsfunktionen unterstotzt, nun in die frOhen Phasen der Politikformulierung sowie des Agenda Setting und der Problem(re)definition vorgedrungen.
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I Problem(re)definition
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Politikterminierung
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II Politikimplementierung
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I Politikformulierung I
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Verwaltungsberatung
Politikberatung
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Abbildung 7: Das Vordringen von Unternehmensberatern in frOhe Phasen des policy cycle
Zusammenfassend lasst sich sagen, dass Unternehmensberater nach Erfahrungen im privaten Sektor, bei der Beratung 6ffentlicher Unternehmen und 6ffentlicher Verwaltungen nun auch auf dem Feld der Politikberatung tatig geworden sind. Sie unterstotzen also politische Entscheider in jenen Phasen des politischen Problembearbeitungsprozesses, welche vor der politischen Entscheidung Ober policies angesiedelt sind bzw. mit dieser enden.
5.2 Vier Typen von Politikberatungsaktivitaten Nachdem nun der Weg der Unternehmensberater in die Politikberatung nachvollzogen wurde, geht es im folgenden Abschnitl darum, mit welchen Aktlvitaten genau Unternehmensberater auf dem Feld der Politikberatung tatig sind. Wie die Abbildung 8 zeigt, lassen sich vier Typen von Politikberatungsaktivitaten der Unternehmensberater voneinander unterscheiden: Unternehmensberater arbeiten in politischen Expertengremien mit, sie fOhren mit politischen Entscheidunqstraqern
77 1:1-Gesprache zu politischen Inhalten, bearbeiten Projekte zu politischen Inhalten und besetzen politische Themenfelder. Typ
Beschreibung
Beispiele
1) Mitarbeit in politischen Expertengremien
Formale Mitgliedschaft und Mitarbeit in Kommissionenl anderen Expertengremien
- Herzog-Kommission - Initiative Partner fOr Innovation
2) 1:1-Gesprache zu politischen Inhalten
Vertrauliche Gesprache zwischen Berater und Politiker Ober politische Inhalte
- Berger-SchrOder - Kluge-Merkel
3) Projektarbeit zu politischen Inhalten
Beratungsprojekte oder Projektmodule zu Fragen inhaltlicher Politikgestaltung
- Forderstrateqien - Arbeitsmarktpolitik
4) Besetzung politischer Themenfelder
Ideengenerierung, Agenda Setting und Kommunikation in ausqewahlten Politikfeldern
- "McKinsey bildet" - Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Abbildung 8: Typologie der Polltikberatunqsaktlvitaten von Unlernehmensberalern
Die folgenden Abschnitte beschreiben die einzelnen Aktivitaten genauer, nennen Beispiele fOr jeden der Typen und geben exemplarisch einige Aussagen der befragten Experten wieder. Ausqewahlt wurden Beispiele, anhand derer sich die Aktivitaten oder einzelne Aspekte davon besonders gut erlautem lassen bzw. Ober die Informationen verfOgbar sind. Bei den ersten drei Aktlvitaten handelt es sich urn solche, die als Politikberatung im engeren Sinne bezeichnet werden konnen und vor allem der Politikformulierung dienen. Die vierte Aktivitat dagegen ist vorwiegend den Phasen der Problemidentifikation und des Agenda Setting zuzuordnen. Sie richtet sich im Gegensatz zu den anderen drei Tatigkeiten zuvorderst an die Offentlichkeit und wird deshalb hier als Politikberatung im weiteren Sinne bezeichnet.
5.2.1 Mitarbeit in po/itischen Expertengremien Der erste Typ von Politikberatungsaktivitaten der Unternehmensberater ist die Mitarbeit in politischen Expertengremien. Unternehmensberater werden von Politikern als formale Mitglieder in politikberatende Expertengremien berufen und arbeiten dort an
78 Reformvorschlaqen zu einzelnen Politikfeldern mit. Das heiBt, sie nehmen an Sitzungen teil und auBern dort ihre Meinung, sie bringen in Arbeitsgruppen ihre fachliche Expertise zu ausqewahlten Themenfeldern ein, sie formulieren Texte und entwickeln Handlungsoptionen. Expertengremien konnen Kommissionen sein, die aufgrund offenkundigen politischen Handlungsdrucks meist ad hoc initiiert und fOr eine mehrmonatige Dauer institutionalisiert werden, aber auch Sachverstandiqenrate, die grundsatzlich auf einen lanqeren Zeitraum angelegt sind und sich nicht zwanqslaufiq nach einem (Abschluss-)Bericht und rnoqlichen Handlungsempfehlungen an die Politik wieder auflosen (vgl. Farber 2004). Unternehmensberater arbeiten sowohl in Expertengremien der Regierung wie der Opposition mit. Expertengremien dienen zum einen der Entscheidungsvorbereitung politischer Akteure, wobei inhaltliche Konzepte meist nicht in den gemeinsamen, selten Ober drei Stunden dauernden und bisweilen sogar intensiv von den Medien verfolgten Sitzungen der Kommissionsmitglieder erarbeitet, sondern vielmehr in den Arbeitsgruppen entworfen werden, die mehrmals zwischen den einzelnen Sitzungen tagen. Zum anderen geht es politischen Entscheidungstragern bei der Einsetzung von Kommissionen und Sachverstandiqenraten auch darum, ihr Handeln zu legitimieren und das Zustandekommen einer Einigung Ober politische Matsnahmen zu erleichtern bzw. erst zu errnoqlichen. In diesem Fall zielen die Aktivltaten also vor allem auf die Politics-Dimension abo Die Mitarbeit von Unternehmensberatern in politischen Experten-
gremien
als
Politikberatungsaktivitaten
dient
also
sowohl
der
inhaltlichen
Vorbereitung von Entscheidungen als auch der Durchsetzung politischer Ziele im Wettbewerb mit anderen Politikvorstellungen und der Legitimation politischen Handelns (oder Nicht-Handelns) nach aufsen, Haufig sind Expertengremien, in denen Unternehmensberater mitwirken, plural besetzt, das heiBt ihre Mitglieder sind ein Abbild der organisierten Interessen der Gesellschaft. WeiI exponierte Vertreter aller fOr das jeweilige Politikfeld relevanten Akteursgruppen vertreten sind, konnen Konflikte antizipiert und Kompromisslinien im Kleinen ausgehandelt werden. Von den dort getroffenen Vereinbarungen nimmt man an, dass sie auch im Grofsen - also in der gesamten Gesellschaft - auf Akzeptanz stofsen und entsprechend Bestand haben konnen. Denn Kommissionsergebnisse zu
79 diskreditieren ist nur schwer moglich. wenn man selbst an der Erarbeitung der Vorschlaqe beteiligt war.28 Unternehmensberater. die meist als Vertreter der Wirtschaft bzw. als Gegenpol zu den Gewerkschaften in die Gremien berufen werden, sind in der Regel einfache Mitglieder mit entsprechend begrenzten Entscheidungsbefugn issen und Einflussmoglichkeiten . Es gibt jedoch auch Beispiele, wo Unternehmensberater eine Kommission geleitet haben und deshalb grol1eren Einfluss auf die Ergebnisse der Gremienarbeit ausOben konnten. Wie jedes andere Mitglied auch werden Unternehmensberate r grundsatzlich von den politischen Auftraggebern in das Expertengremium berufen. also etwa vom Bundesprasldenten, dem Bundeskanzler , einem Minister, einem Behordenchef oder aber von einer durch die Politik beauftragten Personlichkeit des offentllchen Lebens, die als Vorsitzende des Expertengremiums fungiert. Es kommt jedoch auch vor, dass die Berater selbst die Initiative ergreifen und sich - zum Beispiel hinter den Kulissen mit einem Telefonanruf im Bundeskanzleramt oder mit Hilfe einer Stellungnahme zum Themengebiet des zu grOndenden Gremiums in der (Fach-)Qffentlichkeit - ins Gesprach bringen. um in einem Expertengremium dabei sein zu konnen. Die Mitarbeit in politischen Expertengremien erfolgt grundsatzlich unentgeltlich. Unternehmensberater erhalten wie andere Mitglieder auch in der Regel nur eine Aufwandsentschadigung in Form von Reisekostenerstattung und Obernachtungskosten am Sitzungsort . Oblicherweise handelt es sich um zwei Gruppen von Personen, die von Seiten der Beratungsunternehmen in Expertengremien mitarbeiten: Entweder die Chefs der Beratungsfirma oder die Verantwortlichen der Beratungseinheiten . welche sich mit dem Thema des Expertengremiums beschaftlgen . Meistens ist das der Leiter des Beratungsbereichs Public Sector, es kann aber auch ein anerkannter Experte auf dem Fachgebiet des Expertengremiums seln. beispielsweise bei gesundheitspolitischen Fragen auch der Leiter der Beratungseinheit. die ihr Geld normalerweise mit der Beratung von Pharmaunternehmen, Krankenkassen usw. verdient. Bei ihrer Mitarbeit in politischen Expertengremien lassen sich die im Expertengremium tatigen Unternehmensberater von ihren Beratunqshausern unterstotzen. Haufig 28
Verschiedene Interviewpartner haben auf die Bedeutung von Minderheitenvoten in den Kommissionen hingewiesen. Sie seien ein wichtiges Instrument , um zu einem gemeinsamen Abschlussdokument zu gelangen, das allen Beteiligten gerecht wird.
80 sind mehrere Mitarbeiter dazu abgestellt, Ideen zu generieren, Daten aufzubereiten, Empfehlungen zu entwickeln und Texte auszuformulieren, die das Gremiumsmitglied dann in die Arbeitssitzungen der Untergruppen bzw. koordinierenden Treffen aller Experten einbringen kann. Eine vollstandige Liste von Kommissionen und Sachverstandiqenraten bzw. anderen Expertengremien, an denen Unternehmensberater in Deutschland mitgewirkt haben oder mitwirken, ware lang. Denn nicht nur auf bundespolitischer Ebene, sondern auch in der Landespolitik sowie im kommunalen Bereich stellen Unternehmensberater bisweilen ihre Expertise zur VerfOgung. lu den prominentesten Expertengremien mit Beteiligung von Unternehmensberatern in der jOngeren Vergangenheit zahlen die Kommission "Moderne Dienstieistungen am Arbeitsmarkt" (sog. Hartz-Kommission, 2002), die "Kommission fOrdie Nachhaltigkeit in der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme" (sog. ROrup-Kommission, 2002/03), die Kommission "Soziale Sicherheit" (sog. Herzog-Kommission, 2003), ferner die von Gerhard Schroder ins Leben gerufene Initiative "Partner fOr Innovation" (seit 2004) sowie die "Kommission zu lukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen" (1995-97). Aufserdern sitzen oder safsen Unternehmensberater in Wirtschafts- oder Innovationsbeiraten einzelner Ministerprasidenten (z.B. Roland Berger im "Innovationsforum Baden-WOrttemberg" und "Wirtschaftsbeirat beim Ministerprasidenten des Landes Sachsen-Anhalt", JOrgen Kluge im "lukunftsrat NRW") oder nehmen an reqelrnafsigen Unternehmerrunden im Kanzleramt tei!. Der FirmengrOnder und jetzige Chairman des Beratungsunternehmens Roland Berger Strategy Consultants, Roland Berger, war einmal Vorsitzender eines Expertengremiums, und zwar bei der "Kommission zur Neuordnung der BezOge von Mitgliedern der Landesregierungen in Bayern und Nordrhein-Westfalen" (1999/2000), der so genannten Berger-Kommission. Der ehemalige Deutschland-Chef von McKinsey, Herbert Henzler, hat ebenfalls eine Kommission geleitet, namlich die von Edmund Stoiber einberufene Bayerische Deregulierungskommission (2002/03), auch Henzler-Kommission genannt. Meistens sitzen in Expertengremien nicht Mitglieder von mehreren Unternehmensberatungen gleichzeitig. Eine Ausnahme bildet die Hartz-Kommission, in der sowohl Jobst Fiedler, ehemaliger Leiter der Public-Sector-Beratungseinheit bei Roland Berger, als auch Peter Kraljic, Direktor bei McKinsey, mitgewirkt haben. lwei der ge-
81 nannten Expertengremien und insbesondere die Mitarbeit von Unternehmensberatern in den Gremien sollen hier etwas genauer beleuchtet werden: zunachst die Herzog-Kommission und anschliel1end die Initiative Partner fOr Innovation. Die von der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel im Februar 2003 einberufene und unter dem Vorsitz von Alt-Bundesprasident Roman Herzog arbeitende Kommission "Soziale Sicherheit" hatte sich - als Gegenveranstaltung zur so genannten ROrupKommission der Bundesregierung - zum liel gesetzt, sozialpolitische Reformvorschlaqe fOr die CDU zu entwerfen. Konkrete Mal1nahmen zur Arbeitslosen-, Krankeno, Pflege- und Rentenversicherung wurden erarbeitet. Das 30-kopfige Gremium bestand aus CDU-Mitgliedern und externen Sozialexperten. Einer der externen Experten war Heino Fal1bender, ehemaliger Direktor bei McKinsey und heute Mitglied des McKinsey Advisory Council. Er nahm regelmal1ig an den Kommissionssitzungen teil und brachte inhaltliche Vorschlaqe ein. DarOber hinaus stellte McKinsey der Kommission die Datenbasis zur VerfOgung, das heil1t die Unternehmensberatung Iieferte die Berechnungen und Prognosen, auf deren Basis die Experten dann politische Handlungsoptionen beispielsweise fOr eine Reform der Rentenversicherung entwarfen. Auf der letzten Seite des Abschlussberichts heir..t es entsprechend: "FOr die bei den Beratungen der Kommission anfallenden Berechnungen sind die Dienste der Unternehmensberatung McKinsey & Company, Inc. in Anspruch genommen worden" (CDU: Website "Bericht der Kommission 'Soziale Sicherheit' zur Reform der sozialen Sicherungssysteme"). Autserdern war McKinsey an der Koordination der Kommission beteiligt. Die in der CDU-Bundeszentrale eingerichtete Geschaftsstelle der Herzog-Kommission wurde zur Halfte mit Mitarbeitern von McKinsey und zur anderen Haltte mit Mitarbeitern des Konrad-Adenauer-Hauses besetzt. In der Beratungsbranche wird in diesem Zusarnmenhang auch von body leasing gesprochen, also der (in diesem Fall entgeltlichen) Bereitstellung von Personalkapazitaten, die hier der Berechnung von Daten, der Koordination und der Textformulierung dienten. Dass Unternehmensberater nicht nur mit inhaltlichen Vorschlaqen zur Kommissionsarbeit beitragen, sondern wie in der Herzog-Kommission weitere zentrale Funktionen erfOllen, ist eher unqewohnlich. Nicht aile Kommissionsmitglieder waren denn auch mit dieser Arbeitsteilung einverstanden. Der CSU-Sozialexperte Horst Seehofer verliefs sogar vorzeitig die Kommission und protestierte: OWer Ober die lahlen be-
82 stimmt, bestimmt auch die Inhalte" (ebd., zitiert in Bittner! Niejahr, 2004). McKinsey hatte zu viel Einfluss auf "zutiefst politische Gestaltungsaufgaben" (ebd.) genommen. 1m Gegensatz zu den meisten anderen politischen Kommissionen hat die HerzogKommission ihre Datengrundlage nicht veroffentlicht , Ein weiteres Expertengremium, an dem Untemehmensberater mitwirken, ist die Initiative "Partner fOr Innovation". Sie wurde zu Beginn des Jahres 2004 vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schroder ins Leben gerufen und soli eine "Innovationsagenda mit Losunqsansatzen und Handlungsempfehlungen fOr Wirtschaft, Politik, Wissenschafl und Gesellschaft" (Partner fOr Innovation: Website "Ziele und Partner") erarbeiten. Beteiligt waren zu Beginn der Initiative fOnfzehn prominente Vertreter von Unternehmen , Verbanden und Forschungseinrichtungen, die mit der Bundesregierung tiber Chancen fOr mehr Innovation in Deutschland beraten haben. Mittlerweile haben sich tiber 200 weitere Institutionen der Initiative angeschlossen, so dass der Fokus heute stark auf der Entwicklung innovativer Losunqen Iiegt und die Bedeutung des Expertengremiums als Politik vorbereitende Einrichtung zurOckgegangen ist. Roland Berger ist einer der so genannten Partner der Initiative, welche in unregelmaBigen Abstanden zusammenkommen und bislang mit Bundeskanzler Schroder diskutierten . Er verantwortet zusammen mit dem IBM-Deutschland-Chef Johann Weihen die "Impulsgruppe Dienstleistungen" , einen Arbeitskreis, welcher konkrete Projekte im Bereich der Dienstleistungsinnovationen koordiniert, so genannte "Plonleraktlvitaten" inhaltlich entwickelt und Handlungsempfehlungen fOr die Politik formuliert. Die Leitung der regelmaBigen Treffen des "Impulskreises" haben Vertreter aus den Hausern Roland Berger und IBM Obernommen, die auch fOr die Projektsteuerung der einzelnen Aktivitaten verantwortlich sind. Gemeinsam entwickeln sie unter dem Titel "Service Science" ein Modell, wie Berater und Wissenschafl kOnftig zusammenarbeiten konnten. Diese Aktivltaten wurden auf einer Konferenz im April 2006 mit Experten diskutiert und der Offentlichkeit vorgestellt.
5.2.2 1:1-Gesprache zu politischen Inhalten
Eine zweite Aktivitat von Unternehmensberatern auf dem Feld der Politikberatung sind Gesprache zu politischen Inhalten, die personlich und vertraulich , d.h. unter vier Augen stattfinden - man konnte auch von Ad-personam-Beratung oder personllcher
83 Politikberatung sprechen. Politiker und Unternehmensberater treffen sich im Kanzleramt, in Ministerien, der Parteizentrale, am Rande von Veranstaltungen, im Restaurant oder an beliebigen anderen Orten und tauschen sich zu Policy-Fragestellungen aus. Aufgrund der Diskretion, die per definitionem diese Beratungssituationen kennzeichnen und der Tatsache, dass diese Gespraehe selten einem formalisierten Prozess folgen, ist die detaillierte Beschreibung und Analyse von 1:t-Gesprachen zwischen Politikern und Unternehmensberatern schwierig. Zunachst gilt jedoch: Nicht bei jedem Zusammenkommen beider Akteure kann von Politikberatung gesprochen werden. So genannte "Rotweinrunden" sind meist nicht systematisch und zielorientiert genug, um als Politikberatung gelten zu konnen. Kurze Telefonate zu tagespolitischen Entwicklungen, Posten und Personen zahlen genauso wenig dazu. Vielmehr findet bei 1.t-Gesprachen zu politischen Inhalten eine intensive Gesprachsvorbereitung mindestens auf Seiten desjenigen statt, der das Treffen initiiert hat. Insgesamt fallt es jedoch schwer, die Aktlvltat klar einzugrenzen, da in entsprechenden Gesprachen vermutlich immer auch Themen zur Sprache kommen, in denen weder der Berater berat noch der Beratene eine Beratung einfordert. Sowohl der Politiker als auch der Unternehmensberater, die haufig in
regelma~igem
Kontakt stehen, kann ein Treffen organisieren bzw. von seinen Mitarbeitern organisieren lassen. 1:1-Gesprache erfolgen in den allermeisten Fallen ohne Bezahlung des Beraters und finden auf verschiedenen Ebenen statt - der Regierungschef redet beispielsweise mit dem Chef des Beratungsunternehmens, der Leiter eines Beratungsbereichs der Unternehmensberatung mit dem Staatssekretar oder mit dem fOr das Politikfeld inhaltlich zustandiqen Referatsleiter und so weiter. Personliche Kontakte zwischen Unternehmensberatern und Mitarbeitern aus Politik und Verwaltung existieren auf allen politischen Ebenen. Ohne Vertrauen auf beiden Seiten ist 1:1-Beratung nicht rnoqllch. Manchmal, so Markus Klimmer von McKinsey, entsteht ein Beratungs- und Vertrauensverhaltnis ganz automatisch, wenn man beispielsweise auf Projektebene miteinander zu tun hat oder sich anderswo kennen und schatzen gelernt hat: "Ein Berater tritt quasi automatisch mit politischen Entscheidern in eine Art counseling relationship. Er kann sich dem nicht entziehen." (ebd., Interview). Mathias Bucksteeg, Direktor bei der Prognos AG, spricht vom Berater als einem "trusted advisor" (ebd., Interview) fOr den politi-
84 schen Entscheider. Bekannteste Beispiele fOr solche Vertrauens- und Beratungsverhaltnisse sind die zwischen Roland Berger und Gerhard Schroder sowie JOrgen Kluge, dem Deutschland-Chef von McKinsey, und Angela Merkel. Gerhard Schroder und Roland Berger haben sich Anfang der 1990er Jahre, zu Beginn von SchrOders Zeit als niedersachsischer Ministerprasident, kennen gelernt. Bereits vorher hatte das Unternehmen Roland Berger fOr die Vorgangerregierung Projekte bei staatlichen Unternehmen in Niedersachsen durchgefOhrt. Nun begann jedoch zusatzlich zu den Projekten auch ein personiiches Beratungsverhaltnis. 1m Vordergrund standen dabei zunachst unternehmerische Fragestellungen, beispielsweise 1993, als die Flugzeugwerft in Lemwerder bei Bremen von der Schlielsunq bedroht war. Spater haben sich Berger und Schroder zunehmend und vertraulich Ober Politikfelder, Personen in Wirtschaft und Politik sowie rnoqllche politische Mar.,nahmen unterhalten. 1m Jahr 1998 wollte Schroder Berger als Wirtschaftsminister fOr die Mitarbeit in seinem Kabinett gewinnen (vgl. auch Fischermann/ Hanke 1998). Zwischen JOrgen Kluge und Angela Merkel herrscht ebenfalls ein freundschaftliches Verhaltnls, welches nicht zuletzt auch vertrauliche Beratungsgesprache zu politischen Themen erlaubt. Kluge hatte im Jahr 2001 mitgeholfen, ein CDU-Positionspapier mit dem Titel "Neue Soziale Marktwirtschaft" zu formulieren, welches sich mit der Frage beschaftigt, ob die von Ludwig Erhard ausgerufene Soziale Marktwirtschaft mit der Globalisierung vereinbar ist. Aile zentralen Politikfelder, von der ArbeitsmarktOber die Bildungs- und Steuer- bis hin zur Sozialpolitik, werden in dem fast 100seitigen Dokument behandelt. Das Papier diente der CDU-Vorsitzenden unter anderem dazu, Wirtschaftskompetenz zu demonstrieren. Nach Medienberichten erhielt McKinsey fOr diese Unterstotzungsleistung ein Honorar von 60.000 Euro (Leersch 2001). Seit dieser Zeit gibt es einen regelmar.,igen Austausch zwischen Merkel und Kluge. Die beiden promovierten Physiker verbringen wohl zusammen mit ihren Ehepartnern immer wieder auch Wochenenden miteinander (Niejahr 2005). Vermutlich finden zwischen einigen weiteren Politikern bzw. Fuhrunqskraften der offentlichen Verwaltung sowie Unternehmensberatern 1:t-Gesprache zu politischen Inhalten statt, ohne dass dies der Offentlichkeit bekannt ist. Denn haufig halten die beteiligten Akteure bewusst die Inhalte ihrer Gesprache geheim oder reden erst gar nicht darOber, mit wem sie sich treffen. "Diskretion ist bei dieser Art von Politikbera-
85 tung wichtig" (Biedenkopf, Interview). Ein Vorpreschen des Beraters in der OffentIichkeit bedeute, dass es fOrden Politiker schwieriger werde, den Rat anzunehmen. Nach Meinung einiger der befragten Berater finden 1:1-Gesprache auch deshalb im Verborgenen statt, weil man auf diese Weise strategische Handlungsalternativen in Politikfeldern entwerfen und gegebenenfalls auch komplett wieder verwerfen kann, ohne dass Informationen nach aulsen dringen oder allein die Tatsache, dass eine Option Gegenstand von Oberlegungen ist, bereits Reaktionen auslost, Ob dazu allerdings Unternehmensberater notig sind, wird von einigen der befragten Politiker bezweifelt. Ihrer Meinung nach konnten verwaltungsinterne Stabsabteilungen, in denen ein politischer Entscheidungstrager mit engen Mitarbeitern Handlungsalternativen durchdenkt, genauso vertraulich und diskret arbeiten. Will man die 1:1-Beratungsgesprache zu politischen Inhalten mit den Habermas'schen Kategorien beschreiben, so trifft wohl am ehesten das pragmatistische Beratungsmodell zu. Unternehmensberater bringen okonomischen Sachverstand ein und Politiker den politischen, dann wird gemeinsam Oberlegt und diskutiert.
5.2.3 Projektarbeit zu politischen Inhalten
Eine dritte Aktivitat von Unternehmensberatern auf dem Feld der Politikberatung ist die Projektarbeit zu politischen Inhalten. Analog zu den Verwaltungsberatungsprojekten mit Umsetzungsfokus vergibt die Politik Beratungsauftrage fOr einen meist mehrwochigen oder -monatigen Zeitraum an einen Unternehmensberater. Ziel der Projekte, die in der Regel in Teamarbeit und unter Einbezug des Kunden durch das Beratungsuntemehmen durchgefOhrt werden, ist in diesem Fall jedoch nicht die Umsetzung von Politik, sondern deren Konzeption. Unternehmensberater erarbeiten Expertisen, Vorschlaqe bzw. Darstellungen zu einzelnen Politikfeldern, die der Entscheidungsvorbereitung dienen und somit der Phase der Politikformulierung zuzuordnen sind. Politische Entscheider vergeben solche Projekte entweder formell in einem offentlichen und je nach HonorarhOhe deutschland- oder europaweit ausgeschriebenen Prozess. Oder aber Unternehmensberater werden informell und freihandig mit der Bearbeitung einer Policy-Frage beauftragt. Haufig sind freihandig vergebene und unter den vergaberechtlichen Ausschreibungsgrenzen (siehe hierzu auch 7.1.1)
86 bleibende Projekte der Offentllchkeit nicht bekannt. Sie verstecken sich dann in globalen Haushaltstiteln mit Bezeichnungen wie "Sachverstandige einladen" oder "externe Gutachten" : "In den Ministerien gibt es Topfe bzw. Gutachtentitel , die zur Bezahlung von Unternehmensberatern genutzt werden . Das ist Oberhaupt kein Problem" (Politiker, Interview).29 Auf diese Weise wenden sich Ministerien oder auch das Bundeskanzleramt immer mal wieder an Unternehmensberater mit der Bitte, sich ein paar Wochen lang Gedanken zu einem Politikfeld zu machen, diese dann mit politischen Entscheidern zu diskutieren und gegebenenfalls gemeinsam weiterzuentw ickeln. In den meisten Fallen wird Projektarbeit zu politischen Inhalten entgeltlich erbracht. Doch es gibt auch Politikberatungsprojekte, die von Unternehmensberatern unbezahlt oder "unterbezahlt" durchgefOhrt werden. Letzteres ist dann der Fall, wenn die Honorare deutlich unter denen vergleichbarer Projekte zurOckbleiben und evtl. nur den Aufwand deckend entlohnt werden. Pro-bono-Projekte zu politischen Inhalten durchzufOhren sind Unternehmensberater besonders dann bereit, wenn sie sich davon einen hohen Wissens- bzw. Erkenntnisfortschritt versprechen oder aber wenn sie erwarten , dass sie in der Folge bezahlte Projekte akquirieren konnen. Ein Instrument, das in inhaltlichen Politikberatungsprojekten durch Unternehmensberater haufig zum Einsatz kommt, ist das so genannte Benchmarking: Unternehmensberater suchen we/tweit nach Landern oder Regionen, die in einem Politikfeld Beispielhaftes geleistet haben. Analysiert wird dann, ob ahnliche Matsnahrnen auch hierzulande sinnvoll und durchfOhrbar erscheinen . Bekannte Beispiele fOr diese Methode , einzelne Lander selektiv auszuwahlen und dann als Vorbilder zu prasentieren , sind Finnland in der Bildungspolitik und vor einigen Jahren der US-Bundesstaat Wisconsin fOr Mafsnahrnen auf dem Feld der Sozialhilfepolitik in Hessen und anderswo. Ein Beispiel fOr die Projektarbeit zu politischen Inhalten durch Unternehmensberater ist die Wirtschaftsforderpolitik. Mehrere der groBen Beratungsunternehmen haben in den vergangenen Jahren Projekte fOr die Wirtschafts- bzw. Forschungsministerien auf Bundes- und Landesebene durchgefOhrt, deren Ziel es war, die verfOgbaren Mittel besser auf zukunftgerichtete Wirtschaftsfelder zu konzentrieren , statt sie mit 29
In den Bundesdrucksachen 15/2458 und 15/2762 sind fOr die Zeit der Regierung Schroder die bezahlten Beratungsprojekte auf Bundesebene aufgelistet - allerdings ohne Angabe des Auftragnehmers. Falk/ Romrnele (LE.) haben nachtraqlich eine Zuordnung zu einzelnen Projektbzw. Anbieterkategorien versuchl.
87 der GieBkanne auf aile Regionen gleich zu verteilen. Die Wissenschaft spricht in diesem Zusammenhang von Clusterforderunq, also der finanziellen und organisatorischen Unterstotzung von Regionen, in denen sich produktive Netzwerke aus Produzenten, Zulieferem, Forschungseinrichtungen und sonstigen unternehmensnahen Dienstleistern gebildet haben oder noch bilden sollen. In einem Cluster-Projekt mit dem Titel "Zukunftsinvestitionen Baden-WOrttemberg" beispielsweise hat das Unternehmen Roland Berger im Jahr 2000 gemeinsam mit der baden-wOrttembergischen Staatskanzlei ein Konzept zur Investitions- und Forderpolitik entwickelt. Hintergrund war, dass das Bundesland durch die Privatisierung von Staatsbeteiligungen hohe Erlose erzielen konnte, die zukunftgerichtet und private Investitionen stimulierend eingesetzt werden sollten. In der Projektarbeit ging es nun neben der Identifizierung forderungswOrdiger Branchen und Regionen insbesondere auch darum, die politischen Implikationen der geplanten Veranderungen auszuarbeiten. Die Empfehlungen sind dann in den Gesetzgebungsprozess eingeflossen. Ahnliche Projekte zur Forderpoiitlk haben Beratungsunternehmen wie McKinsey, Booz Allen Hamilton oder die Boston Consulting Group durchgefOhrt. Auch in anderen Politikfeldern finden sich Politikberatungsprojekte von Unternehmensberatern. Zusammen mit den verantwortlichen Stellen in Ministerien machen sie sich beispielsweise Gedanken darOber, wie staatliche Versicherungssysteme neu ausgerichtet werden und damit effektiver und effizienter arbeiten konnen. Unternehmensberater leiten Handlungsoptionen ab, wie als Foige dieser Veranoerunqen die zustandiqen Sozialversicherungstrager institutionell neu ausgestaltet werden mussten. Oder sie evaluieren beispielsweise auf dem Feld der Arbeitsmarktpolitik die Umsetzung von Reformschritten und entwickeln auf Basis der so gefundenen Erkenntnisse VerbesserungsmaBnahmen, die wiederum in den Politikformulierungsprozess einflieBen. Wie das letztgenannte Beispiel zeigt, sind die Grenzen zwischen Umsetzung und Inhalt, also zwischen Politikimplementierung auf der einen Seite und Agenda Setting und Problemformulierung auf der anderen in der Praxis oft nur schwer zu ziehen. So geht es in den Beratungsprojekten bei der Bundesagentur fOrArbeit, an denen unter anderem McKinsey und Roland Berger beteiligt sind, nicht nur um die Umsetzung der von der Politik beschlossenen so genannten Hartz-Gesetze, sondern auch um grundsatzliche politisch-institutionelle Fragen, etwa nach der langfristigen Ausrich-
88 tung und Finanzierbarkeit arbeitsmarktpolitischer Mar1nahmen oder ihrer Steuerungseinheiten. Ein Teil der Beratungsleistungen richtet sich denn auch an politische und administrative Akteure, die nicht mit der reinen Umsetzung betraut sind, sondern vielmehr kOnftige politische Entscheidungen mit vorbereiten. Der Politikbearbeitungsprozess als Kreislauf oder policy cycle wird an dieser Stelle deutlich. Aufgrund der genannten Tatsache, dass Beratungsprojekte im offentlichen Sektor Mufig sowohl Elemente von Umsetzung als auch von Konzeption enthalten, konstatieren manche Interviewpartner einen Konnex von Umsetzung und Inhalt und sprechen bevorzugt von Policy-Modulen statt von eigenstandigen Policy-P rojekten. Die groBe Mehrheit von Projekten zu politischen Inhalten ist vermutlich mit Umsetzungsprojekten verbunden und beinhaltet sowohl politische als auch okonornische Fragestellungen. 1m Vergleich mit den anderen genannten Politikberatungstypen wird die Leistung, die Unternehmensberater erbringen sollen, bei der Projektarbeit am klarsten vorab definiert. Honorar, Bearbeitungsdauer, Eingrenzung des zu bearbeitenden Themenfelds, Form der Ergebnisse und anderes mehr werden in der Regel ex ante schriftlich festgelegt. Das Ergebnis dieser Beratungsleistung kann zum Beispiel ein ausformuliertes Gutachten bzw. eine Stellungnahme sein, welche am Ende dem Auftraggeber Obergeben wird, es kann eine Prasentation der Unternehmensberater vor politischen Entscheidern sein und/oder auch eine gemeinsame Diskussion von auftraggebendem Politiker und auftragnehmendem Berater. Stellt der Projektleiter des Beratungsunternehmens die Projektergebnisse in einem Treffen mit dem Politiker unter vier Augen zur Diskussion, so ahnelt dieses einem 1.t -Gesprach zu politischen Inhalten.
5.2.4 Besetzung po/itischer Themenfelder
Die vierte Aktivitat von Unternehmensberatern, die sich zwar nicht unmiUelbar an politische Entscheider richtet, aber dennoch politische Inhalte zum Gegenstand hat und deshalb als Politikberatung bezeichnet wird, ist die Besetzung politischer Themenfelder. Unternehmensberater nehmen mit strategisch geplanten Beitraqen am offentlichen politischen Diskurs teil. Sie bearbeiten ausqewahlte Politikfelder und lancieren dann ihre Erkenntnisse und Ansichten durch Buchpublikationen, Zeitungs-
89 und Zeitschriftenartikel oder auch mittels Vortraqen auf Konferenzen und Podiumsdiskussionen in der Offentlichkeit bzw. Fachoffentlichkeit. Meist stammen die Themen bzw. Ideen, die Untemehmensberater besetzen und kommunizieren, nicht oriqinar von ihnen. Vielmehr setzen Untemehmensberater auf einen bestehenden Diskurs auf und fOgen sich in ein Ensemble Themen setzender Akteure ein. Dabei nutzen sie sowohl Erkenntnisse der Wissenschaft als auch Erfahrungen aus der Beratungspraxis. Mit anderen Worten: Unternehmensberater verstarken bestehende Diskurse, sie konkretisieren abstrakte Diskurse und fokussieren Diskurse auf Aspekte, die sie fOr besonders relevant erachten. Ais Transmissionsriemen vermitteln sie so Ideen zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. WeiI sie die Themensetzung meist auf gesellschaftliche Eliten richten, sprechen manche Betrachter von "Eliten-Agenda Setting" (Thunert, Interview). Wenn Unternehmensberater Themen generieren oder Obernehmen und dann fokussieren, konkretisieren, portionieren und neu verknOpfen, dann tun sie das haufig aus dem Blickwinkel der wirtschaftlichen Praxis. Sie applizieren ihre okonomischanalytische Kompetenz auf politische Sachverhalte, betrachten also politische Sachverhalte mit der Brille des Okonomen. Wie verschiedentlich betont wird, argumentieren Unternehmensberater haufig auch im Sinne der Unternehmen, etwa wenn sie von den Anforderungen der Wirtschaft her ableiten, wie ein Politikfeld ausgestaltet werden konnte oder sollte. Unternehmensberater autsern sich zu einer Vielzahl von Themen im offentlichen politischen Diskurs. Dazu gehoren zunachst einmal solche, die unmittelbar aus dem privaten und offentlichen Beratunqsqeschaft entstehen: Globalisierung und deren Auswirkungen auf deutsche Unternehmen, Innovation, Deregulierung, Privatisierung staatlicher Aktlvitaten, Liberalisierung von Markten, Verwaltungsmodernisierung und andere mehr. DarOber hinaus sind Unternehmensberater jedoch in der jOngeren Vergangenheit auch vergleichsweise stark zu horen gewesen in Themenfeldern, die zwar auch mit Wirtschaft und Unternehmertatigkeit zu tun haben, aber vor allem als Themen wahrgenommen werden, bel denen staatliche Steuerung gefragt ist. Dazu gehOren Felder wie Bildung, Gesundheit, Demografie, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und andere (siehe Abbildung 14 weiter unten). In den Beratungsunternehmen werden die Aktivitaten auf dem Feld der politischen Themensetzung haufig nicht als Politikberatung verstanden, sondern sind in erster
90 Linie als Marketingaktivitaten konzipiert. Wie im nachsten Kapitel jedoch gezeigt wird (Kapitel 6.4), dienen die auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse insbesondere auch der Beratung politischer Entscheider. Bei den folgenden beiden Beispielen fOr die Besetzung politischer Themen durch Unternehmensberater wird die Politikberatungskomponente ebenfalls deutlich. McKinsey besetzt seit einigen Jahren erfolgreich das Thema Bildung. 1m Juni 2001 von Deutschland-Chef JOrgen Kluge ins Leben gerufen, verfolgt die Initiative "McKinsey bildet" das liel, "eine umfassende Reform des Bildungssystems in Deutschland anzustofsen und zu unterstOtzen" (McKinsey, Website "McKinsey bildet"). Urn das zu erreichen. arbeiten die Unternehmensberater mit Experten aus Wissenschaft und Praxis zusammen. Zunachst formulieren renommierte Wissenschaftler in so genannten "Werkstattgesprachen" Anforderungen an ein zeitqernatses Bildungssystem in Deutschland. Auf Kongressen zum Thema Bildung wird dann mit Vertretern aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur Ober konkrete Forderungen und Finanzierunqsansatze diskutiert. McKinsey entwickelt darOber hinaus selbst Reforrnvorschlage und stellt diese auf Konferenzen und bei anderen Gelegenheiten der Offentlichkeit vor. luletzt lag der Fokus der Initiative auf dem Thema frOhkindliche Bildung. Eine pragnante These zu diesem Thema - von dem man eigentlich nicht ohne Weiteres erwar-
tet, dass Unternehmensberater sich ihm wid men - lautet: Es ist sinnvoller, in Kindergarten zu investieren als in universitare Bildung, da die Menschen davon langer etwas haben. In einem bundesweiten Wettbewerb, an dem sich mehr als 300 Kindergarten und Krippen beteiligt haben, wurde deshalb nach Einrichtungen gesucht, die sich besonders gut urn Chancengleichheit bei der Betreuung von Kindern im Vorschulalter bemOhen und dabei innovative Wege gehen. Auf dem von McKinsey durchgefOhrten zweitagigen Bildungskongress Ende Oktober 2005 in Berlin haben die Unternehmensberater dann vier vorbildliche Einrichtungen pramiert. McKinsey nutzt seine Bildungsinitiative, urn in der Offentlichkeit nicht nur als Akteur wahrgenommen zu werden, der Unternehmen in betriebswirtschaftlichen Fragen berat, Ein in zeitlicher und finanzieller Hinsicht grol1er Teil des Engagements richtet sich deshalb auch auf die Kommunikation dieser Themen in der Offentlichkeit. Mehrere BOcher zum Thema Bildung wurden publiziert, Interviews gegeben. BroschOren gedruckt und auch politische Entscheidungstrager direkt adressiert: Anfang 2004
91
hielt Kluge zum Beispiel auf der Klausurtagung des SPD-Bundesvorstands eine Rede zum Thema Innovation und Bildung. Das Unternehmen Roland Berger hat sich ebenfalls die Besetzung gesellschaftspolitisch relevanter Themen auf die Fahnen geschrieben, zuletzt mit dem Thema "Vereinbarkeit von Familie und Beruf' . Entstanden wahrend der Projektarbeit bei einem Kunden, der sich angesichts der Veranderunq in der Altersstruktur seiner Mitarbeiter und Bewerber gezwungen san, neu Ober das Thema nachzudenken, baut das Beratungsunternehmen jetzt intern Wissen zu der Frage auf, wie Wirtschaft und Gesellschaft mit den demografischen Verschiebungen umgehen konnen. Dieses soli nicht nur an derzeitige und potentielle Beratungskunden direkt kommuniziert, sondern darOberhinaus auch in die Offentllchkelt getragen werden. FOr Ende 2006 ist ein Kongress geplant, auf dem Moglichkeiten erortert werden sollen, mit welchen familienpolitischen Matsnahrnen auf die demografische Entwicklung der deutschen Bevolkerunq und damit auch ihrer Arbeitskrafte reagiert werden kann. Roland Berger unterstotzte als Person schon seit langerem die BemOhungen der bisherigen Familienministerin Renate Schmidt in diesem Zusammenhang. AuBerdern soli das allgemeine Thema "Vereinbarkeit von Familie und Beruf' konkretisiert werden: Herausgearbeitet wird, vor welchen personalpolitischen Herausforderungen die deutschen Unternehmen stehen und wie diese gelost werden konnen, 1m Gegensatz zu den erstgenannten drei Politikberatungsaktivitaten steht bei der Besetzung politischer Themenfelder per definitionem das Agenda Setting und nicht die Politikformulierung im Vordergrund.
Au~erdem,
so einige der befragten Politiker,
gelange es Unternehmensberatern manchmal, ein gesellschaftlich relevantes Thema zu erspOren , das dann von ihnen oder anderen auf die Agenda gesetzt wird. Man konnte also argumentieren, dass sich die Aktivitaten von Unternehmensberatern auch bis in die Phase der Problemidentifikation, welche noch vor der Phase des Agenda Setting angesiedelt ist, hinein erstrecken. Herbert Henzler, ehemaliger Deutschland-Chef von McKinsey, hat beispielsweise frOher als viele andere die rnoqlichen Auswirkungen der Globalisierung auf die deutsche Wirtschaft thematisiert und zusammen mit dem damaligen Ministerprasidenten Lothar Spath auch an politische Entscheidungstrager herangetragen. Neben den genannten, auf langere Zeit angelegten und systematisch geplanten Initiativen von Unternehmensberatern, bei denen die Besetzung politischer Themen-
92 felder entweder explizites Ziel ist oder als Nebenprodukt bei der Verfolgung von Marketing-, Akquisitions- oder anderen Zielen gelten kann (siehe Kapitel 6.3), aufsern sich einige Unternehmensberater auch zu tagespolitischen Entwicklungen . Das gilt insbesondere fOr Roland Berger, der in Interviews, Zeitungsartikeln und Kolumnen regelma~ig aktuelle politische Fragen komrnentiert."
Festzuhalten bleibt, dass Unternehmensberater heute mit vier Tatigkeiten auf dem Feld der Politikberatung in Deutschland tatig sind: Sie arbeiten in politischen Expertengremien mit, beraten in 1.t -Gesprachen politische Entscheidungstrager, fOhren Projektarbeit
zu
politischen
Inhalten
durch
und
besetzen
politische
Themenfelder.
5.3 Dar Umfang von Politikberatung durch Unternehmensberater In den folgenden Abschnitlen wird diskutiert, wie umfangreich die Politikberatungsaktlvltaten von Unternehmensberatern in Deutschland sind. Quantitative Daten konnen hier nicht prasentiert werden, da sie - anders als fOr die Public-Sector-Beratung insgesamt - nicht existieren oder im Rahmen der vorliegenden Studie erfasst werden konnten (siehe zur Datenlage Kapitel 4.3). Aus diesem Grund beruhen die AusfOhrungen auf den Aussagen der befragten Experten und geben eher Anhaltspunkte als exakte Aussagen zum Umfang der Aktlvitaten. Zunachst wird untersucht, wie umfangreich das Politikberatungsangebot der Unternehmensbe rater in der Breite ist (5.3.1). Gefragt wird auf dieser horizontalen Dimension des Umfangs zum Beispiel danach, wie viele Unternehmensberater Oberhaupt Politikberatung anbieten und ob es sich urn ein Phanornen einzelner Personen oder ganzer Institutionen handelt. Anschllersend werden einige Aspekte zum Umfang von Politikberatung durch Unternehmensberater beleuchtet, die Aussagen Ober die Leistungstiefe oder vertikale Dimension des Umfangs erlauben (5.3.2). Gefragt wird an dieser Stelle unter anderem, ob sich die Beratungsleistung mit dem zur VerfOgung Stellen von Expertenwissen erschopft , oder ob Politikberatung durch Unternehmensberater in der Regel mehr beinhaltet.
30
Vgl. hierzu auch die AusfOhrungen von Brosziewski (2004) zur Prominenz und Bekanntheit der Person Roland Berger.
93 5.3.1 Angebotsbreite
Anders als von der Offentlichkeit bisweilen vermutet, deutet vieles darauf hin, dass es sich bei der Politikberatung durch Unternehmensberater - wenn sie so wie in dieser Arbeit verstanden und damit losqelost von Verwaltungsberatung betrachtet wird - urn ein vom Umfang her relativ kleines Phanomen handelt. Denn erstens betreiben nur wenige Unternehmensberatungen Oberhaupt Politikberatung. Zweitens ist Politikberatung fur die, die sie anbieten, nur eine Randaktivitat. Drittens sind die Verdienstmoglichkeiten mit Politikberatung gering. Schliefslich ist viertens davon auszugehen, dass Politikberatung von wenigen Unternehmensberatern als Einzelpersonen gepragt und teilweise auch durchgefOhrt wird, was wiederum eher dafOr spricht, dass der Umfang von Politikberatung durch Unternehmensberater nicht allzu gro~
sein kann.
Wenige Politikberatungsanbieter
Nur sehr wenige
gro~e
Unternehmensberatungen, so der erste Anhaltspunkt fOr die
Vermutung eines geringen Umfangs, betreiben heute Politikberatung. Genau genommen handelt es sich urn zwei Unternehmen, narnlich Roland Berger und McKinsey, die mit gut vernetzten und politisch interessierten Beraterpersonlichkeiten an ihrer Spitze, erfahrenen Leitern der Public-Sector-Beratungseinheiten und den dazu gehorigen Beraterteams Politikberatungsleistungen erbringen und zusammen fOr den Grofstell aller Politikberatungsaktivitaten von Unternehmensberatern auf der Bundesebene in Deutschland stehen. Sowohl Roland Berger als auch McKinsey sind mit allen vier genannten Typen von Politikberatungsaktivitaten in Deutschland aktiv. DarOber hinaus gibt es zwei Unternehmen, die Politikberatung sporadisch betreiben. Booz Allen Hamilton, das im offentllchen Sektor langjahrige Erfahrung besitzt und ein hohes Renommee
genie~t,
hatte Anfang der 2000er Jahre versucht, die Politikbera-
tung systematisch aufzubauen. Nach wenigen Jahren und einer geringen Zahl von Engagements haben sich die Berater dann jedoch wieder auf die Verwaltungsberatung und die Beratung offentlicher Unternehmen zurOckgezogen. Ahnliches gilt auch fOr das Beratungsunternehmen Arthur D. Little, welches etwa ab Mitte der 1990er Jahre Politikberatung durchgefOhrt hat, in letzter Zeit das Geschaft mit der Politikberatung "auf Sparflamme und opportunistisch" (Baron, Interview) betreibt.
94 Andere Unternehmensberatungen wie BearingPoint (ehemals KPMG Consulting), A.T. Kearney, Kienbaum Consultants International und Mummert Consulting fOhren teils umfangreiche Projekte im offentlichen Sektor durch , beschranken sich jedoch auf die Beratung offentlicher Verwaltungen und offentlicher Unternehmen. Politikberatung im hier verstandenen Sinne mach en sie in der Regel nicht. Die Boston Consultinq Group, derze it die drittgror..te Unternehmensberatung in Deutschland, ist vor einigen Jahren in das Beratungssegment Offentlicher Sektor eingestiegen , hat es jedoch kurz darauf wieder verlassen.
Politikberatung als Randaktivitat der Untemehmensberater Bei den Unternehmensberatungen, die Politikberatung betreiben, haben diese Tatiqkeiten vom Volumen her nur eine marginale Bedeutung. Politikberatung. so der zweite Anhaltspunkt fOr die Vermutung eines eher geringen Umfangs des Untersuchungsgegenstands, ist fOr die Unternehmensberater ein "gut vernehmbares Grundrauschen, aber eben nur Grundrauschen" (Klimmer, Interv iew). Entsprechend existiert auch in keinem der Unternehmen eine eigene organ isato rische Einheit, die auf Politikberatung spezialisiert lst. Vielmehr handelt es sich entweder urn die Aktivitat von Einzelpersonen (siehe unten) oder urn einen integrativen Teil des Public-
Sector-Beratunqsqeschafts. Der Anteil
der
Politikberatungsprojekte macht den
Aussagen
der
befragten
Unternehmensberater zufolge hOchstens zehn Prozent der Beratungstat igkeiten im offentllchen Sektor aus . Dieser ist wiederum nur ein Bruchteil der gesamten Beratungstatigkeit. Das Beratungsunternehmen Roland Berger beispielsweise erwirtschaftet insgesamt gerade einmal sechs Prozent seines Umsatzes im offentlichen Sektor (vgl. Meek 2003). Waren aile Politikberatungstatigkeiten bezahlter Natur , so mOsste man also bereits von einem "Marktvolumen" ausqehen, das deutlich unter einem Prozent des gesamten Beratungsumsatzes von Unternehmensberatern liegt.
Kaum Verdienstmoglichkeiten Vermutlich ist der Anteil jedoch nochmals deutlich geringer. Denn ein gewichtiger Teil der Polit ikberatungsleistungen durch Unternehmensberater, das haben die vorange-
95 gangenen AusfOhrungen deutlich gemacht, wird unentgeltlich erbracht: Die Mitarbeit in politischen Expertengremien erfolgt ohne Bezahlung, gleiches gilt fOr die meisten 1:1-Beratungsgesprache. "Ich habe fOr Ad-personam-Beratung nie Geld verlangt und bekommen" (Berger, Interview). Auch die Politikberatungsprojekte sind haufig wenig lukrativ. "Die Ausschreibungen der Ministerien sind kostenorientiert und an BATSalars ausgerichtet, nicht an den Taqessatzen privater Strategieberater" (Meran, Interview). In der Regierungszentrale steht Aussagen einiger Interviewpartner zufolge ebenfalls nicht viel Geld fOr die Politikberatung durch Unternehmensberater bereit: "Das Kanzleramt hat fur freie Projektvergabe jeglicher Art pro Jahr weniger als eine Million Euro zur Verfogung" (Politiker, Interview). Bisweilen, so wird elnqeraumt, wOrden allerdings auch andere Topfe genutzt, um Politikberatungsprojekte zu bezahlen. Die Aktivltaten der Unternehmensberater im Rahmen der Besetzung politischer Themenfelder, der vierten Politikberatungsaktivitat von Unternehmensberatern, werden ohnehin nicht verqutet. Ob angesichts dieser Aussagen und Einschatzungen Unternehmensberater mit ihren Politikberatungsaktivitaten in Summe uberhaupt Geld verdienen, ist unter den befragten Experten umstritten. Wie die folgende Abbildung zeigt, stimmen die Halfte der per Fragebogen befragten Expertenstichprobe dem Statement "Mit Politikberatung verdienen Unternehmensberater Geld" zu, knapp die Haltte ist gegenteiliger Ansicht. "Mit Politikberatung verdienen Unternehmensberater Geld." Nach Expertengruppen
Insgesamt
Stimme nicht zu
Stimme zu Stimme zu
50,0%
Stimme nicht zu
47,1%
Politiker
75,0% 14,3% 55,6%
n=24; fehlende Prozente: "WeiB nicht" Abbildung 9: Geld verdienen mil Politikberalung
Berater Wissenschaftler
12,5% 71,4% 44,5%
96 Differenziert man nach den einzelnen Expertengruppen, so zeigt sich, dass Politiker und Wissenschaftler mehrheitlich von einem Verdienst der Unternehmensberater ausgehen, knapp drei Viertel der befragten Berater dagegen angeben, dass sich ihre Aktivitaten auf dem Feld der Politikberatung nicht rnonetar auszahlen. Eine moqliche Erklarunq fOr diese Differenzen konnte sein, dass Unternehmensberater zwar mit Politikberatung unmittelbar kein oder kaum Geld verdienen, diese jedoch unter anderem der Akquisition bezahlter Projekte in der offentllchen Verwaltung dienen (siehe auch Kapitel 6.4). Per saldo also wOrden sich die Aktivitaten dann doch finanziell lohnen. Allerdings gebe es, so betonen Unternehmensberater, "immer noch eine Iimitierte Zahl von Themen", mit denen man Oberhaupt Geld verdienen konne - entsprechend schwer sei es deshalb, "kontinuierlich Umsatz zu machen" (Unternehmensberater, Interview).
Bedeutung einzelner Personen
Viertens schliefsllch deutet auch die Tatsache, dass einzelne Unternehmensberater als Personen eine wichtige Rolle bei der Politikberatung spielen, auf einen eher begrenzten Umfang des Phanomens hin. "Politikberatung hat viel mit personlichen Netzwerken zu tun und mit Menschenkenntnis" (Mirow, Interview). 1:1-Beratungsgesprache und auch die Mitarbeit in Expertengremien hangen naturqemars stark mit einzelnen Personlichkeiten zusammen, die an ihr beteiligt sind. Aber auch bei der Besetzung politischer Themenfelder sind die Hauptakteure wichtig: "Dass McKinsey die Themen in der offentlichen Diskussion besetzt, die sie besetzen, liegt wohl nicht so sehr an McKinsey, sondern eher an Herrn Kluge, der hier das Agenda Setting dominiert" (Deraed, Interview). Hinter den einzelnen Personen stehen jedoch immer auch die Beratungsunternehmen, welche sie tragen und bei der Beratung unterstotzen. Die folgende Abbildung deutet auf diesen Sachverhalt hin:
97 "Politikberatung durch Unternehmensberater ist vor allem ein Phanomen einzelner Personen wie Roland Berger oder JOrgenKluge." Insgesamt Nach Expertengruppen Stimmezu Stimme zu
33,3%
Stimme nicht zu
62,5%
25,0% 57,1% 22,2%
Stimme nicht zu Politiker Berater Wissenschaftler
75,0% 28,6% 77,8%
n=24; fehlende Prozente: "Weir.. nlcht' Abbildung 10: Politikberatung als Phanomen einzelner Personen
Bei der quantitativen Auswertung der Experteneinschatzungen zeigt sich einmal mehr, dass Politiker und Wissenschaftler auf der einen und Berater auf der anderen Seite unterschiedlicher Auffassung sind. Dies kann jedoch in diesem Fall auch als Frage der Gewichtung interpretiert werden. Prof. Martin BrOggemeier bringt den Sachverhalt auf den Punkt, wenn er Politikberatung durch Unternehmensberater beschreibt als "eine grundsatzliche Entwicklung, die sich kristallisiert an Einzelpersonen wie Berger und Kluge" (ebd., Interview). Insgesamt wird die Bedeutung der Person Roland Bergers fOr das Beratungsunternehmen Roland Berger hOher elnqeschatzt als die Bedeutung des McKinseyDeutschlandchefs JOrgen Kluge fOr die Politikberatungsaktivitaten von McKinsey. Beide bOrgen nicht zuletzt auch mit ihrem Namen fOr die Politikberatungsleistungen, die sie erbringen: "Ich glaube, dass es bisher noch keine Unternehmensberatung geschaftt hat, im Public-Sector-Bereich ein Wertversprechen jenseits der Personen abzugeben" (Unternehmensberater, Interview). Nicht nur Unternehmensberater, sondern auch Personlichkeiten wie Gerhard Schroder, Angela Merkel, Wolfgang Clement, Michael Glos oder der Ex-Staatssekretar Alfred Tacke auf Seiten der Politik sowie die Professoren Bert ROrup, Karl Lauterbach, ifo-Chef Hans-Werner Sinn, DIW-Chef Klaus Zimmermann oder Stefan Homburg von der Universitat Hannover auf Seiten der Wissenschaft sind als
98 Einzelpersonen relevant und hatten oder haben Einfluss darauf, wie umfangreich Politikberatung durch Unternehmensberater ausfallt bzw. ausfallen kann.
5.3.2 Leistungstiefe
Dass es in der Breite nur wenige - und bezahlter Natur noch weniger - Politikberatungsaktivitaten der Unternehmensberater gibt, bedeutet nicht zwangslaufig, dass man von Politikberatung durch Unternehmensberater als einem unbedeutenden Phanomen sprechen muss. Vielmehr k6nnen auch wenige Beratungsaktivitaten Relevanz haben und einflussreich sein (siehe zum Einfluss der Unternehmensberater auf politische Inhalte Kapitel 7.2.2). 1m Foigenden geht es deshalb darum, einen weiteren Aspekt des Politikberatungsumfangs von Unternehmensberatern zu beleuchten, und zwar die Leistungstiefe. Untersucht wird zunachst, ob Unternehmensberater bei der Politikberatung mehr tun als "nur" Sachwissen bereitzustellen - es wird also nach der Reichweite ihrer Beratungsleistungen in der Phase der Politikformulierung gefragt. Anschliefsend wird diskutiert, inwiefern Untemehmensberater in der Lage sind, nicht nur 6konomisch rationale Vorschlaqe zu entwickeln, sondem auch politisch rationale Beratung durchzufOhren . Mit anderen Worten: Es wird hinterfragt, inwieweit Unternehmensberater Kompetenzen im Bereich von policies und politics besitzen.
Die Reichweite von Politikberatungsleistungen
Wie andere Politikberater auch k6nnen Unternehmensberater einem politischen Entscheidungstrager prinzipiell unterschiedlich weit reichende Beratungsleistungen anbieten. Sie k6nnen ihn erstens mit Sachwissen zu dem Politikfeld versorgen, in dem eine Entscheidung ansteht. Zweitens k6nnen sie darOber hinaus auch politische Handlungsoptionen aufzeigen und Bewertungskriterien liefern, die eine nachvollziehbare Entscheidung zwischen den einzelnen Handlungsalternativen meglich machen. Drittens schliefslich konnen Politikberater zusatzlich zu den bisher genannten Leistungen den politischen Entscheidungstrager auch dahingehend beraten, wie er seine Position im politischen Wetlbewerb um Meinungen und Macht durchsetzen kann (vgl. hierzu auch Friedrich 1970: 77ft ., Frey 1988: 225).
99 Die nachfolgende Grafik veranschaulicht diese unterschiedlich weit reichenden Politikberatungsleistungen und ordnet sie drei idealtypischen Schritten zu, die ein politischer Entscheider in der Phase der Politikforrnulierung durchlautt. Beratungsziel/ Beratungsschritte
Reichweite der Beratungsleistung
Anforderungen an Berater/Bedeutung von polity und politics
Kompetenz fOr die anstehende Entscheidung erlangen
Bereitstellung von Wissen zum jeweiligen Politikfeld, Generieren von Ideen
Gering: (Zeitliche u.a.) Restriktionen der politischen Akteure bedenken
Eine eigene Position zur anstehenden Entscheidung entwickeln
Zusatzlich Entwicklung von Handlungsalternativen sowie Kriterien zur Abwagung zwischen diesen
Mittel: Politische Praferenzen und Ziele in Oberlegungen mit einbeziehen
Wahrscheinlichkeit erhohen, dass die praferierte Alternative eine Mehrheit findet
Zusatzlich Erarbeitung der Vorgehensweise zur Durchsetzung im politischen Wettbewerb
Hoch: Politischen Entscheidungsprozess, institutionelles Umfeld, Mehrheiten, Argumente der Gegner usw. kennen
Abbildung 11: Beralungsziel, Reichweile der Beralungsleislung und Bedeulung von polity/politics
Zunachst muss der politische Entscheidungstrager bzw. mOssen seine Mitarbeiter Kompetenzen fOr die anstehende Entscheidung erlangen, also den Sachverhalt ausreichend kennen. Anschliefsend solite er eine eigene Position zu dem Sachverhalt entwickeln, also wissen, was er erreichen will und welche Mafsnahrnen er dafOr fOr geeignet erachtet. Schiiefslich wird er sich dafOr einsetzen, dass die von ihm bevorzugte politische Alternative auch Unterstotzung erfahrt, urn als politisches Programm Eingang in das Gesetz zu finden. Aulserdern macht die Abbildung deutlich, dass die Voraussetzungen an den Politikberater steigen, je weiter reichende Beratungsleistungen er anbietet (rechte Spalte). Stellt der Politikberater lediglich Sachwissen zur VerfOgung, dann muss er sich nicht unbedingt mit den Besonderheiten des politischen Prozesses, mit politischen Rationalitaten und lntentionalitaten, mit institutionellen Feinheiten des politischen Systems und anderen Spezifika auskennen. Je starker der Politikberater jedoch vordringt und weiter reichende Beratungsleistungen anbietet, desto mehr ist ein politisches Verstandnis Voraussetzung. Ais Politikberater stehen auch Unternehmensberater vor
100 der Oberlegung, wie weit reichende Beratungsleistungen sie anbieten wollen und konnen, Nach Obereinstimmender Meinung des Expertenpanels stellen Unternehmensberater politischen Entscheidungstragern Sachwissen zur VerfOgung - und zwar bei allen vier genannten Politikberatungstatigkeiten. Dabei handelt es sich sowohl urn Wissen zu einzelnen Politikfeldern, welches einige Unternehmensberater bereithalten, als auch urn okonomisches Wissen, welches fOr das entsprechende Politikfeld in Bezug auf die anstehende Entscheidung relevant ist. Uber dieses Wissen verfOgen Unternehmensberater entweder bereits zu Beginn der Beratungstatigkeit, oder sie mOssen es neu generieren. Vorhanden sind in der Regel umfangreiche Erkenntnisse Ober okonomische Zusammenhange, Policy-Wissen einzelner Personen, Erfahrungen aus der Beratungspraxis, Implementierungs-Know-how und anderes mehr. Neues Wissen generieren Unternehmensberater, indem sie die Erkenntnisse der Wissenschaft fOr sich nutzbar machen oder eigene Studien zur Wissensgenerierung durchfOhren, etwa in Form von benchmarks. Das vorhandene oder neu gewonnene Sachwissen bereiten Unternehmensberater in der Regel so auf, dass Politiker es schnell auffassen und sich zu Eigen machen konnen. Klassischerweise handelt es sich urn ein Gutachten zum vereinbarten Beratungsgegenstand, also beispielsweise eine Bestandsaufnahme in einem Politikfeld oder in Teilen davon. Netig ist dazu, Informationen zu komprimieren, die Kornplexltat von Sachverhalten zu reduzieren, das Wissen systematisch aufzubereiten und anderes mehr (siehe hierzu genauer KapiteI6.3). Weitgehender Konsens unter den befragten Experten besteht auch hinsichtlich der zweiten Kategorie an Beratungsleistungen. Unternehmensberater, so die nahezu einstimmige Ansicht in der Stichprobe, entwickeln im Rahmen von Beratunqstatiqkeiten Handlungsoptionen und schlagen Bewertungskriterien vor, die die Bewertung der einzelnen Handlungsoptionen und damit die Positionierung des politischen Entscheiders zum entsprechenden Sachverhalt ermoqllchen sollen. UnterstOtzen Unternehmensberater die Politik bei der Abwaqunq von Handlungsalternativen, so tun sie das meistens auf Basis okonornischer Erfolgskriterien wie Effizienz
oder
Effektivitat
der
Zielerreichung.
Unternehmensberater
"kleben
Preisschilder" (Klimmer, Interview) auf die einzelnen politischen Optionen, konnen also nach Meinung der meisten Experten gut in Zahlen ausdrOcken, wie vieI Geld die
101 eine oder die andere Alternative kosten wOrde. Ob Unternehmensberater allerdings auch in der Lage sind, politische Kriterien als BewertungsmaBstab sinnvoll anzulegen, ist umstritten (siehe dazu weiter unten). Auch bei dieser Beratungsleistung hilft Unternehmensberatern neben ihrem okonomischen Sachverstand insbesondere die Tatsache, dass sie in zahlreichen Umsetzungsprojekten
im
privaten
und
offentlichen
Sektor
Erfahrung
bei
der
Implementierung beschlossener Mafsnahrnen gesammelt haben. Unternehmensberater, so Prof. ROrup, konnten besser als Wissenschaftler "die Umsetzung mitdenken" (ebd., Interview). Anders gesagt: Sie verbinden das Sachwissen mit einer Handlungsperspektive und zeigen auf Basis ihres Transformationswissens Handlungsoptionen auf. Ob die Politikberatungsleistungen jedoch Ober die Bereitstellung von Sachwissen und die Entwicklung von Handlungsoptionen und Bewertungskriterien hinaus geht, ist umstritten. Wie die folgende Grafik (Abbildung 12) zeigt, stimmt nur eine knappe Mehrheit der befragten Experten der Aussage zu, dass Unternehmensberater politische Entscheidungstrager bei der Durchsetzung ihrer Positionen im politischen Wettbewerb beraten. Die hochste Zustimmung ist bei den Beratern zu verzeichnen, die Wissenschaftler dagegen sind mehrheitlich skeptisch, was die Beratung im politischen Machtspiel durch Unternehmensberater angeht. Ihre Skepsis hangt unmittelbar mit der Frage zusammen, ob Unternehmensberater die Fahigkeit besitzen, politisch zu denken und die Bereitschaft zeigen, sich politischen Rationalitaten auszusetzen. Zudem wird auch immer wieder bestritten, dass die in okonornischen Fragestellungen sicherlich kompetenten Unternehmensberater auch in Politikfeldern genOgend Sachverstand vorhalten.
102
"Unternehmensberater beraten politische Entscheider bei der Durchsetzung ihrer Position im politischen Machtspiel."
Insgesamt
Nach Expertengruppen Stimme nicht zu
Stimmezu Stimme zu
54,2%
Stimme nicht zu
45,8%
50,0% 71,4% 44,4%
Politiker Berater Wissenschaftler
50,0% 28,6% 55,6%
n=24; fehlende Prozente: "Wei(l, nicht" Abbildung 12: Unternehmensberater als UnterstOtzer bei der Durchsetzung politischer Position en
Da beide - das Policy-Wissen und die Po/itics-Kompetenzen - fOr die Politlkberatung, welche Ober das reine VerfOgbarmachen von Sachwissen hinausgeht, von entscheidender Bedeutung sind, wird darauf im Foigenden naher eingegangen. Festzuhalten bleibt jedoch zunachst, dass Unternehmensberater mit Blick auf die Reichweite ihrer Beratungsleistungen im politischen Prozess durchaus umfangreich zu beraten scheinen.
Kompetenzen der Unternehmensberater im Bereich von policies und politics Wie steht es also zunachst um das Wissen der Unternehmensberater in einzelnen Politikfeldern? Unternehmensberater besitzen, so die Oberwiegende Meinung, haufig nicht ausreichend Policy-Wissen, um Politikberatung durchfOhren zu konnen, Manche Interviewpartner au(l,ern sich sehr kritisch: "Ein Unternehmensberater hat Tools, aber keine Inhalte" (ROrup, Interview). Er konne Wissen gut aufbereiten, sei dabei aber stets auf die im Wissenschaftssystem generierten Erkenntnisse als Grundlage angewiesen. Unternehmensberater, so Jochen Homann, verantwortlich im BMWA fOr die externe Auftragsvergabe, arbeiteten meist oberflachlicher und mOssten sich,
103 "wenn man tiefer bohrt, bei klassischen wirtschaftlichen Forschungsinstituten refinanzieren" (ebd., lnterview)." Dass sich Wissenschaftler, die sich Ober Jahre hinweg mit einem Politikfeld auseinandersetzen, profundere Kenntnis der entsprechenden Materie besitzen als Unternehmensberater, scheint einleuchtend: "Experten wie Prof. ROrup sind nicht zu schlagen auf ihrem Gebiet" (Politiker, Interview). Gleiches gelte fOr die MinisterialbOrokratie: "Inhaltlich k6nnen die meisten nicht annahernd den Kollegen in den Ministerien das Wasser reichen" (Wewer, Interview). Je
wichtiger
6konomische
Sachkenntnis
fOr die
Bearbeitung
von
Policy-
Fragestellungen sei, desto mehr k6nnten Unternehmensberater bei der PolitikformuIierung mitwirken. "In 6konomienahen Bereichen sind Unternehmensberater oft sehr stark" (Gellner, Interview). "Wenn Unternehmensberater ihren 6konomischen Sachverstand in einem Team einsetzen, dann kann er sehr hilfreich sein. Wenn sie sich jedoch zur Kulturpolitik oder jedem anderen Thema dieser Welt aufsern, dann fange ich an zu zweifeln" (Wewer, Interview). Wirtschaftspolitik, Technologiepolitik, Innovation und Regionalentwicklung sind die Politikfelder, auf denen Unternehmensberatern eher inhaltliche Expertise nachgesagt wird als auf den Feldern Arbeitsmarkt, Gesundheit, Bildung und Soziales. Betont wird jedoch auch, und zwar nicht nur von Seiten der Unternehmensberater, dass einzelne Personen in den Beratungsunternehmen sehr wohl umfangreiches Policy-Wissen vorhalten. Teilweise haben sie dieses aus frOheren Tatigkeiten in
Wissenschaft oder Praxis mitgebracht oder sich in Beratungsprojekten im 6ffentlichen Sektor angeeignet. DarOber hinaus wird argumentiert, dass nicht in jeder PoIitikberatungssituation die Detailkenntnis von Oberragender Bedeutung sel, Vielmehr k6nnten Unternehmensberater, die das Politikfeld Oberblicken und intelligente Fragen stellen wOrden, vier zur L6sung von Policy-Problemen beitragen. Auch bei der Frage nach den Kompetenzen im Bereich von politics Oberwiegt bei den befragten Experten die Skepsis. "Unterhalb der Top-Ebene fehlt es auf Beraterseite haufig an FingerspitzengefOhl, es fehlt an politischem Sensorium. Berater werden 31
Die Wirtschaftswissenschaftler Gert Wagner und Woifgang Wiegard aufsern sich ahnlich krilisch und bemangeln, dass die Polilik bisweilen "die von wissenschaftlichen Skrupeln ungelrOblen, dafijr aber leichl verdaulichen" Expertisen von Unlernehmensberalungen bevorzuge (ebd., 2004) .
104 nicht fOr Politikberatung ausgebildet oder rekrutiert. Entsprechend k6nnen sie im Bereich des genuin Politischen sehr sehr wenig" (Althaus, Interview). Politik zu machen Ierne man in jahrzehntelanger politischer Arbeit. Unternehmensberater wOrden, so die mehrfach geaur.,erte Kritik, haufig nicht so weit gehen, die Sachverhalte fOr Politiker, die auf Mehrheiten und Macht angewiesen sind, wirklich nutzbar zu machen. "Consulter machen keine Obersetzungsleistung von Kontexten fur die Politik - sie addieren Wissen aus Wissenschaft, benchmarks, eigener Projekterfahrung im privaten Sektor und so weiter, aber sie Obersetzen das nicht fur die Politik" (Bucksteeg, Interview). N6tig sei etwa, dass der Berater dem Politiker verschiedene Policy-Optionen nicht nur aufzeigt, sondern diese auch mit einer Bewertung hinsichtlich ihrer politischen Durchsetzbarkeit und der Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung verbindet. Der Ratschlag mOsste dann etwa lauten: "A ist die beste Option, die k6nnen Sie aber nicht machen, weil Ihr Ministerium das nicht mitmacht. C ist die Variante, bei der Sie in der Offentlichkeit gut dastehen, es passiert aber nichts. B ist die Kompromissvariante, bei der Sie zwar nicht ganz so viel Offentlichkeitserfolg erwarten konnen, aber etwas verandern" (ebd., Interview). Viele Unternehmensberater k6nnten in Fragen von politics noch vieI dazu lernen, zum Beispiel: "Sie k6nnen ein Projekt politisch immer nur verkaufen, wenn Sie gleichzeitig dem Politiker mitverkaufen k6nnen, dass er in der Legislaturperiode, in der er das Projekt anpackt, auch ersten Erfolg hat" (Wissenschaftler, Interview). Allerdings wird bei aller Skepsis, was die Politics-Kompetenzen von Unternehmensberatern insgesamt angeht, stets hervorgehoben, dass es Einzelpersonen gibt, die sehr wohl die "institutionellen Feinheiten, Verwobenheiten und Falltoren" (ROrup, Interview) kennen. Manche Personen batten das n6tige politisches GespOr, ein GefOhl fOr das richtige Timing, fur die notiqe Tonlage, ein passendes Auftreten - und sie wOrden Politik und Verwaltung insgesamt schatzen, was wiederum eine wichtige Voraussetzung dafOr sei, als Berater Anerkennung zu finden. Die Zahl dieser Personen sei jedoch sehr gering. Festzuhalten bleibt, dass nur wenigen Unternehmensberatern als Einzelpersonen das n6tige Policy-Wissen und die Po/itics-Kompetenzen zugetraut werden, die nach Obereinstimmender Meinung Grundvoraussetzung fOr eine erfolgreiche Politikberatung sind, welche Ober die reine Generierung und Aufbereitung von Sachwissen hinausgeht. Diese Erkenntnis passt zu den Aussagen im vorigen Abschnitt zum hori-
105 zontalen Umfang der Politikberatungsleistungen: Ein Grund dafOr, dass nur wenige Unternehmensberater Politikberatung anbieten, konnte genau in diesem Mangel an dafOr kompetenten Personen liegen. Insgesamt muss der Umfang von Politikberatung durch Unternehmensberater also als begrenzt gelten. Nur einigen wenigen Unternehmensberatern gelingt es, wirklich politisch zu beraten.
5.4 Veranderungen bei den Politikberatungsaktivitaten
Wie im ersten Abschnitt dieses Kapitels dargestellt, sind Unternehmensberater in den letzten Jahren zusatzlich zu ihren Beratunqsaktivitaten bei offentlichen Unternehmen und Verwaltungen auf dem Feld der Politikberatung aktiv geworden. Auf der Ebene der Public-Sector-Beratung insgesamt hat also eine Ausweitung des Tatigkeitsfeldes in frOhere Policy-Phasen hinein stattgefunden. 1m folgenden Abschnitt nun soli untersucht werden, ob es auch auf der Ebene der Politikberatungsaktivltaten selbst Veranderungen gegeben hat. Wie bereits erlautert, Iasst sich der Beginn der Politikberatungsaktivitaten durch Unternehmensberater nicht eindeutig datieren. Auf Basis der Interviewaussagen wird hier davon ausgegangen, dass Politikberatung an die Erfahrungen von Unternehmensberatern bei der Beratung offentiicher Unternehmen und Verwaltungen anknOpft und sich infolgedessen in der zweiten Halfte der 1990er Jahre zu manifestieren begann. Betrachtungszeitraum fur mogliche Veranderungen bei den Politikberatungsaktivitaten von Unternehmensberatern sind also die zehn Jahre seit 1995. Denkbar sind sowohl quantitative Veranderungen, also etwa eine Zunahme bzw. ein ROckgang der Aktivitaten, als auch qualitative Verschiebungen bei der Politikberatung durch Unternehmensberater. Relativ unumstritten sind zwei qualitative Veranderungen bei den Aktivitaten: Erstens wird Politikberatung durch Unternehmensberater heute starker als noch vor fOnfoder zehn Jahren von der Offentlichkeit wahrgenommen und zweitens befassen sich Unternehmensberater heute mit einer
gro~eren
Zahl politischer Themenfelder. Autser-
dem gibt es einige Anzeichen dafOr, dass die Bundesebene vsrstarkt zum Adressaten von Politikberatungsleistungen durch Unternehmensberater geworden ist. Allerdings ist letztere Veranderunq nicht als eindeutiger Trend erkennbar.
106 Unter den Experten umstritten ist dagegen die Frage, ob Politikberatung durch Unternehmensberater - insbesondere in den vergangenen fOnf Jahren - quantitativ zugenommen hat. Belastbare Daten, die eine entsprechende Vermutung stotzen, gibt es nicht. 1m Foigenden werden die genannten Veranderungen einzeln erlautert und GrOnde fOr die Verschiebungen innerhalb der Politikberatungsaktivitaten von Unternehmensberatern genannt.
5.4.1 Starker in der Offentlichkeit Unternehmensberater, so die erste beobachtbare Veranderung bei der Politikberatung durch Unternehmensberater in den vergangenen zehn Jahren, standen mit ihren Politikberatungstatigkeiten zuletzt verstarkt im Blickfeld der Offentlichkeit, Eindeutiger Indikator dafOr ist die deutlich gestiegene Zahl von Zeitungsberichten zu den Aktivitaten von Unternehmensberatern auf diesem Feld (siehe Abbildung 13). Indikator: Anzahl der Zeitungsartikel im Mediensample nach Suchbegriffen
"Unternehmens-
"McKinsey"
"Roland Berger"
beret" 625 462 378
,.----
-
195
~ 96-98
99-01
02-04
96-98
99-01
02-04
190
U
0
Q
96-98
99-01
02-04
68
69
Abbildung 13: Berichlerslaltung Ober Polilikberalung durch Unlernehmensberaler
Wie die obige Abbildung zeigt, hat sich die Berichterstattung im ausqewahlten Sample von Oberregional erscheinenden deutschsprachigen Tageszeitungen (Frankfurter Allgemeine Zeitung, SOddeutsche Zeitung, Frankfurter Rundschau, Die Welt, taz) gegenOber Mitte der 1990er Jahre je nach Such beg riff verdoppelt bis verdreifacht. Bei der Suche wurden nur Artikel erfasst, die Aussagen zu den Politikberatungsaktivitaten der Unternehmensberater enthalten (siehe zur Methodik Kapitel 4.3).
107 Besonders hoch war die Berichterstattung erwartungsgemal1 urn den Jahreswechsel
2003/2004, als im Zuge der 6ffentlichen Debatte urn Beratungsleistungen der Unternehmensberater fOr Politik und Verwaltung der Beraterbranche insgesamt eine bis dato ungekannte offentliche Aufmerksamkeit zuteil wurde (siehe Kapitel 7.1). Aber auch ohne diesen Ausreifser der Daten ist der Anstieg der Berichterstattung mehr als deutlich. Db eine Zunahme der Berichterstattung Ober Politikberatung durch Unternehmensberater auch eine tatsachliche quantitative Zunahme der Politikberatungsaktivitaten in der Praxis impliziert, muss zumindest hinterfragt werden (siehe Kapitel 5.4.4). Denn die hier gemessene quantitative Veranderunq auf der Vertautbarungsebene bedeutet zunachst einmal nur, dass das Interesse der Medien und damit auch das offentllche Interesse an dem Thema zugenommen hat. So lautet entsprechend die Interpretation einiger der befragten Experten: Verglichen mit Mitte der 1990er Jahre war in den vergangenen fOnf Jahren deshalb mehr Ober Unternehmensberater zu lesen, weil sie in jenen Kommissionen mitgewirkt und darOber hinaus auch zu Themen gearbeitet haben, welche hohe mediate Aufmerksamkeit genossen. Eine andere Erklarunq ist, dass Politikberatung insgesamt starker offentlich stattfindet und sornit auch die Aktivltaten von Untemehmensberatern auf diesem Gebiet zunehmend beobachtet werden. Aus der Perspektive der Unternehmensberater betrachtet wird argumentiert, dass diese mit dem Versuch relativ erfolgreich waren, politisches Agenda Setting zu betreiben.
5.4.2 Erweitertes Themenspektrum
Eine zweite Veranderung bei den Aktivitaten von Unternehmensberatern auf dem Feld der Politikberatung lst, dass diese heute in einem gror..eren Themenspektrum bzw. in einer gestiegenen Zahl von Politikfeldern tatig sind. Mitte der 1990er Jahre beschaftigten sich Unternehmensberater in erster Linie mit Fragen der Verwaltungsmodernisierung, der Regional- und WirtschaftsfOrderung sowie der Wirtschaftspolitik allgemein. Heute dagegen wirken sie in Kommissionen zu arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Fragestellungen mit, sie aur..ern sich dezidiert zur Bildungspolitik oder zur demografischen Entwicklung, bearbeiten Projekte in Politikfeldern wie Gesundheit,
108
innere Sicherheit, Finanzierung kommunaler Infrastruktur - Stichwort Public Private Partnership - und so weiter. Die folgende Abbildung benennt die Themenfelder, zu denen sich Unternehmensberater vor zehn Jahren geauP..ert bzw. auf denen sie gearbeitet haben und jene, die heute ihr Themenspektrum ausmachen:
1995
2005
- Verwaltungsmodernisierung - Standort-/Regionalentwicklung - Wirtschaftspolitik
-
Verwaltungsmodernisierung Standort-/Regionalentwicklung Wirtschaftspolitik Arbeitsmarkt Gesundheit Soziales Bildung Demografie Vereinbarkeit von Familie und Beruf Innere Sicherheit etc.
Abbildung 14: Themenspektrum der Politikberatung durch Unternehmensberater
In welchem Jahr genau sich Unternehmensberater erstmals nennenswert zu einem Politikfeld geauP..ert haben, lasst sich nur schwer rekonstruieren. Natorlich haben einige Berater auch vor zehn Jahren beispielsweise in Vortraqen unter anderem Ober bildungspolitische Reformnotwendigkeiten oder demografische Entwicklungen gesprochen. Insofern muss die obige Abbildung mit Vorsicht interpretiert werden. Sie zeigt jedoch in der Tendenz deutlich, dass sich Unternehmensberater heute zu einer Vielzahl von Themen aufsern bzw. in einer Vielzahl von Politikfeldern Beratung anbieten und durchfOhren. Dass Unternehmensberater auf dem Feld der Politikberatung in neue Felder vordringen, ist nach Meinung von Prof. Alfred Kieser nicht verwunderlich. Vielmehr k6nne man in Analogie zum privaten Beratungsmarkt, wo Unternehmensberater in einer zunehmenden Zahl von Branchen aktiv wurden, auch Oberdie Politikberatung sagen: "Unternehmensberater grasen Felder ab, von denen sie glauben, dass sie noch nicht beratungsresistent sind. Auf diesen versuchen sie dann, die Nachfrage nach ihren Leistungen zu wecken" (ebd., Interview). Entsprechendes gilt nicht nur fOr die Politikberatungsaktivitaten, sondern auch fOr die Umsetzungs- bzw. Organisationsprojekte im 6ffentlichen Sektor: Wahrend Unternehmensberater vor zehn Jahren vor allem Projekte im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung durchgefOhrt haben, umfassen
109 die Tatigkeiten der Beratungseinheiten Public Sector heute deutlich mehr Themenfelder.
5.4.3 Veranderung der Politikebene?
Von einigen Interviewpartnern wird drittens argumentiert, dass Unternehmensberater sich in letzter Zeit zunehmend auf der Bundesebene engagieren. Das sei eine qualitative Veranderunq, da Unternehmensberater Anfang und Mitte der 1990er Jahre noch vorwiegend auf der Landes- und Kommunalebene beratend tatig waren. FOrdie Tatlqkeiten im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung trifft diese Ebenenverschiebung vermutlich zu. Ob jedoch auch die Politikberatungsaktivitaten der Unternehmensberater heute starker als vor fOnf oder zehn Jahren auf der Bundesebene stattfinden, ist dagegen nicht eindeutig zu belegen. FOr eine entsprechende Verschiebung spricht die Tatsache, dass einige wichtige Kontakte zwischen Unternehmensberatern und Politikern - beispielsweise zwischen Roland Berger und Gerhard Schroder - auf der landespolitischen Ebene zustande gekommen waren und dann zum Zeitpunkt des Regierungswechsels 1998 auf die Bundesebene mitgenommen wurden. 1:1-Beratungsgesprache und auch Politikberatungsprojekte finden heute, so wird argumentiert, verstarkt auf der bundespolitischen Ebene statt. Wie jedoch eine Zusammenstellung wesentlicher Mitgliedschaften von Unternehmensberatern in politischen Expertengremien zeigt, ist ein Trend von der Landes- zur Bundesebene nicht eindeutig auszumachen (siehe Abbildung 15). Zwar kam in den vergangenen Jahren kaum eine der medienwirksam inszenierten bundespolitischen Reformkommissionen ohne Unternehmensberater aus. Allerdings hat es auch vor zehn Jahren bereits bedeutende Expertengremien unter Beteiligung von Unternehmensberatern gegeben.
110
Jahr
Expertengremien mit Unternehmensberater(n)
Politikebene
1995
Kommission zu Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen
Land
1996
Kommission Fortentwicklung der Rentenversicherung (BlOm-Kommission)
Bund
1999
Kommission zur Neuordnung der Bezuqe von Mitgliedern der Landesregierungen in Bayern und NRW (BergerKommission)
Land
2000 2001 2002
Expertenkommission Unternehmensubernahmen
Bund
Zukunftsrat NRW
Land
Kommission Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz-Kommission)
Bund
2002
Kommission fur die Nachhaltigkeit in der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme (Rurup-Kornmlsslon)
Bund
2002
Deregulierungskommission Bayern (Henzler-Kommission)
Land
2003 2004
Kommission Soziale Sicherung (Herzog-Kommission)
Bund
Partner fur Innovation
Bund
Abbildung 15: Mitgliedschaflen in ausqewahlten polilischen Expertenkommissionen auf Landes- und Bundesebene
Zum gleichen Ergebnis gelangt man, wenn man untersucht, in welche politischen Expertengremien der in diesem Feld aktivste Unternehmensberater, Roland Berger, bisher berufen wurde. Von den insgesamt elf formellen Engagements sind funf der Landes- und sechs der Bundesebene zuzuordnen. Dass eine Verschiebung der Politikberatungsaktivitaten von der landes- zur bundespolitischen Ebene stattgefunden hat, kann also vermutlich nicht als allgemeiner Trend gelten. Vielmehr ist an dieser Stelle notig, zwischen den einzelnen Politikberatungstypen zu unterscheiden.
5.4.4 Quantitative Zunahme?
Nachdem nun drei qualitative Veranderungen bei den Politikberatungsaktivitaten der Unternehmensberater in den letzten zehn Jahren diskutiert wurden, stellt sich die Frage, ob die verstarkte Berichterstattung, die thematische Verbreiterung und die
111 rnoqliche Verschiebung der Ebene auch zu quantitativen Veranderungen gefUhrt hat. Anders gesagt: Hat Politikberatung durch Unternehmensberater in den vergangenen Jahren zugenommen? Anders als bei der Analyse der gesamten Beratungsaktiv itaten von Unternehmensberatem im offentlichen Sektor, fUr den sich dank verfOgbarer Branchenzahlen eine Zunahme der Aktivitaten in den vergangenen zehn Jahren klar nachweisen lasst (vgl. Einleitungskapitel) , ist die Messung auf der Ebene der Politikberatungsaktiv itaten problematisch. Adaquate Daten, die eine quantitative Veranderunq stOtzen konnten, fehlen (siehe oben): Finanzielle Indikatoren wie Umsatz oder Honorarvolumen sind weder vorhanden noch waren sie aussaqekraft iq, da ein qrofser Teil der Politikberatung wie erwahnt pro bono, also unbezahlt erfolgt. Personenbezogene Indikatoren wie beispielsweise die Anzahl der Unternehmensberater, die politikberatend tatig ist, waren neben Erhebungsproblemen schon allein deshalb kaum quantifizierbar, weil kaum ein Berater ausschiiefslich Politikberatung und nicht auch Verwaltungsberatung betreibt. Daher kann es an dieser Stelle nur um die Plausibilisierung einer moqlichen Zunahme (oder auch Abnahme) gehen. Auf den ersten Blick scheinen die bisher prasentierten Daten - insbesondere die der Presseanalyse - nahe zu legen, dass Politikberatung durch Unternehmensberater heute haufiqer zustande kommt als vor zehn oder auch noch vor fOnf Jahren. Manche Interviewpartner autsern auch die Vermutung, dass es heute deutlich mehr personllche Kontakte zwischen Unternehmensberatern und Politikern gibt als frOher. GOnter Horzetzky, zum Zeitpunkt des Interviews Abteilungs leiter im Bundeskanzleramt, meint Ober die Politikberatungsnachfrage seines Hauses: "Ja, der Rat von Unternehmensberatern wird heute mehr in Anspruch genommen" (ebd., Interview). Andere Stimmen - quer durch aile Expertengruppen - sind skeptischer und vermuten, dass die aur..ergewohnlich starke Beachtung der Expertenkommissionen unter Vorsitz von Peter Hartz, Prof. ROrup und Prof. Herzog in den Medien das Bild verfalschen. Man dOrfe die Zunahme der Berichterstattung nicht mit der Zunahme der tatsachllchen Aktlvitaten verwechseln . Entgegen der offentlichen Wahrnehmung lag beispielsweise auch die Zahl von Kommissionen - egal ob mit oder ohne Unternehmensberater - in den vergangenen Jahren nicht h5her als in den 1970er Jahren (Siefken 2003). Insofern konne es sein, dass weder eine Zunahme noch eine Abnahme des Aktlvitatsniveaus stattgefunden hat.
112 SchlieBlich gibt es zahlreiche Experten, die argumentieren, dass die Politikberatungstatigkeiten ihren Zenit bereits Oberschritten haben (siehe dazu Kapitel 7.4). In der Tat lasst sich beobachten, dass einige Unternehmen mit dem Versuch, auf dem Markt fOr Politikberatung Fur.. zu fassen , erfolglos geblieben sind. Zudem haben einige Unternehmensberater, die im PUblic-Sector-Beratungsbereich auch Politikberatung betrieben hatten, in der jOngeren Vergangenheit die Beratungsunternehmen verlassen. Auch eine Abnahme der Aktlvitaten in der jOngsten Vergangenheit ist also nicht auszuschliefsen. Den bislang einzigen Versuch, quantitative Veranderunqen bei der Politikberatung durch Unternehmensberater auf Basis "offizieller" Daten zu untersuchen, machen Falkl Rornrnele (LE.): Sie vergleichen Anzahl und Volumina von Auftraqen des Bundes an so genannte Beratungsunternehmen (zur Definition siehe ebd.: 56), wie sie in den Antworten der Bundesregierung auf zwei Anfragen des Parlaments aus den Jahren 1977 und 2004 ausgewiesen sind. Dabei zeigt sich, dass die Zahl der von der Bundesregierung vergebenen Beratungsauftn3geim Zeitraum 1998 bis 2003 pro Jahr deutlich niedriger lag als im Vergleichsjahr 1977, der Umfang der Projekte dagegen angestiegen ist. Letzteres wird insbesondere mit der Tatsache erklart, dass in den vergangenen Jahren viele gror..volumige IT-Beratungsprojekte an Unternehmensberater vergeben wurden. Fraglich erscheint allerdings, ob eine GegenObersteliung der genannten Daten, die nach Angaben der Autorinnen "nicht vollstandiq, ja teilweise sogar verzerrt" (ebd.: 54) sind, Oberhauptzu belastbaren Aussagen fOhren kann. Auch Falkl Rornrnele sind diesbezOglich skeptisch: "Es wird wohl niemals gelingen, ein empirisch vollstandiges Bild der Beratungsleistungen zu prasentleren" (ebd.: 54). Aus diesem Grund und wegen der im Rahmen der vorliegenden Arbeit erhobenen Daten millels Interviews, welche wie oben dokumentiert keine Entwicklungsrichtung eindeutig nahe legen, muss die Frage nach einer quantitativen Veranderung bei den Politikberatungsaktivitaten der Unternehmensberater in den vergangenen zehn Jahren unbeantwortet bleiben.
113
5.5 Zusammenfassung Das vorangegangene Kapitel hat die Aktivitaten von Unternehmensberatem auf dem Feld der Politikberatung beschrieben und Veranderungen analysiert. Zu Beginn wurde dargestellt, dass Unternehmensberater in drei Schritten von ihrem Kerngeschaft, der Beratung privater Unternehmen, zum Feld der Politikberatung vorgedrungen sind. Anfang der 1990er Jahre machten sie erste Erfahrungen im 5ffentlichen Sektor, als sie beauftragt wurden, staatliche Untemehmen bei der Restrukturierung und Privatisierung zu beraten - Telekom, Lufthansa, Post und nicht zuletzt viele Treuhandprojekte in Ostdeutschland sind hier die Stichworte. In einem zweiten Schritt, der sich auf Mitte der 1990er Jahre datieren lasst, begannen Unternehmensberater dann, zusatzlich auch die 5ffentliche Verwaltung bei ihren Modernisierungsbestrebungen zu unterstotzen. 1m Mittelpunkt der Beratung stand dabei die Umsetzung betriebswirtschaftlicher Steuerungsinstrumente, die unter dem Stichwort Neues Steuerungsmodell (NSM) entwickelt worden waren. Schliefslich gelangten Unternehmensberater dann Mitte bis Ende der 1990er Jahre auch auf das Feld der Politikberatung. In Kategorien des policy cycle gesprochen sind Unternehmensberater ausgehend von ihren Erfahrungen bei der Politikimplementierung damit auch in die fruhen Phasen des Agenda Setting und der Politikformulierung vorgedrungen. Vier Politikberatungsaktivitaten der Unternehmensberater, so die Typologie, welche im zweiten Unterkapitel erlautert wurde, lassen sich unterscheiden. Erstens arbeiten sie als formale Mitglieder in politischen Expertengremien wie der sog. Hartz-, ROrupoder Herzog-Kommission mit. Zweitens fOhren Unternehmensberater mit Politikern vertrauliche 1.t -Gesprache zu politischen Inhalten. Der Offentlichkeit bekannt sind vor allem die Beratungs- und Vertrauensverhaltnisse von Gerhard Schroder und Roland Berger sowie Angela Merkel und JOrgen Kluge. Drittens fOhren Unternehmensberater Projekte zu politischen Inhalten durch, etwa wenn sie Wirtschaftsf5rderkonzepte entwerfen. Viertens schflersllch betreiben Unternehmensberater Agenda Setting, indem sie bewusst und strategisch (gesellschafts)politische Themen wie Bildung oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im politischen und 5ffentlichen Diskurs besetzen. Diese Aktivitaten dienen mittelbar auch der Beratung politischer Entscheider. Der Umfang der Politikberatungsaktivitaten durch Unternehmensberater ist aufgrund fehlender Daten nicht eindeutig quantitativ zu bestimmen. Aussagen der Interview-
114 partner und Recherchen deuten jedoch darauf hin, dass nur sehr wenige Unternehmensberater Oberhaupt Politikberatung betreiben, dass Politikberatung fOr diese Unternehmen eher einen Randaktivitat ist, mit der sie kaum Einnahmen erzielen und dass die Politikberatung zudem stark von Einzelpersonen gepragt wird. Untersucht wurde darOber hinaus auch, ob Unternehmensberater der Politik lediglich Sachwissen zur VerfOgung stellen oder ob sie weitergehende Beratungsleistungen anbieten. Die Interviewpartner sind hier mehrheitlich der Meinung, dass Unternehmensberater politischen Entscheidungstragern zusatzlich auch bei der Entwicklung politischer Handlungsoptionen helfen und sie bisweilen sogar bei der Durchsetzung ihrer Position im politischen Machtspiel unterstOtzen. Nur wenige Unternehmensberater wiesen jedoch das dafOr notige Policy-Wissen sowie die Politics-Kompetenzen auf. Datiert man die Politikberatungsaktivitaten von Unternehmensberatern auf den Zeitraum der vergangenen zehn Jahre, so lassen sich Oberdiese Zeitperiode zwei qualitative Veranderungen bei den Aktivitaten feststellen: Sie werden heute starker von der Offentlichkeit wahrgenommen als noch vor fOnf oder zehn Jahren und sie umfassen eine gestiegene Zahl von Themen- bzw. Politikfeldern. DarOber hinaus fanden in der jOngsten Vergangenheit viele Beratungsengagements auf Bundesebene statt, was jedoch nur bedingt als Indiz dafOr gewertet werden kann, dass die Politikberatunqsaktivitaten der Unternehmensberater heute verstarkt dieser Politikebene gelten. Ob sich Politikberatung durch Unternehmensberater in den vergangenen Jahren nicht nur qualitativ verandert, sondern auch quantitativ zugenommen hat, lasst sich aufgrund fehlender Daten nicht eindeutig feststellen.
115
Kapitel 6 - Grunde fur Politikberatung durch Unternehmensberater Dieses Kapitel stellt die Frage nach dem "Warum?". Untersucht wird wiederum basierend auf den Interviewaussagen, aus welchen Grunden Politikberatung durch Unternehmensberater zustande kommt. Der Fokus der Betrachtung liegt dabei auf den Motiven der handelnden Akteure. Es wird also gefragt, warum sich Politiker von Unternehmensberatern beraten lassen und warum Unternehmensberater ihr Beratungsangebot auch in die fruhen Policy-Phasen hinein erweitert haben. In der Beratungsliteratur findet sich eine Vielzahl von Grunden, die das Phanornen Politikberatung im Aligemeinen zu erklaren versuchen. So wird wie einleitend erwahnt argumentiert, dass die zunehmende Komplexitat von Problemen, die zunehmende Geschwindigkeit, mit der politische Akteure auf das sich verandernde Umfeld reagieren rnussen oder auch die Tatsache, dass Fachwissen fur viele Politikfelder heute erforderlich ist, den politischen Entscheider dazu veranlassen, sich bei der Bewaltigung seiner Aufgaben von Experten beraten zu lassen. Wahrend die genannten Aspekte sicherlich auch Einfluss haben auf die Nachfrage nach Beratungsleistungen der Unternehmensberater, erklaren sie jedoch nicht hinreichend, warum gerade dieser Anbieter zum Zuge kommt. Um die Grunde fur das Zustandekommen von Politikberatung insbesondere durch Unternehmensberater soli es jedoch im Foigenden gehen. Zunachst wird beschrieben, warum Politiker und Unternehmensberater uberhaupt auf dem Feld der Politikberatung zusammengetroffen sind (6.1). Danach werden die wichtigsten Motive erlautert, die politische Entscheidungstrager dazu veranlassen, Unternehmensberater fOr Policy-Fragestellungen heranzuziehen (6.2). 1m Anschluss an diese nachfrageseitige Betrachtung folgt die Beschreibung der Motive von Unternehmensberatern, Politikberatung anzubieten (6.3). Ein Exkurs zur Vorgehensweise der Unternehmensberater auf dem Feld der Politikberatung bietet zudem die Moglichkeit, den Anbieter Unternehmensberater etwas genauer zu beleuchten und ansatzweise
auch
die Frage nach dem "Wie?"
zu beantworten
(6.4.).
Zusammenfassung der wichtigsten Aussagen beschlieBt das Kapitel (6.5).
Eine
116
6.1 Voraussetzungen fur das Zustandekommen von Politikberatung durch Unternehmensberater Beide Seiten, die Politiker wie auch die Unternehmensberater, beschreiten bei der Politikberatung durch Unternehmensberater Neuland. Politiker wenden sich an einen neuen Beratungsanbieter und Unternehmensberater bearbeiten ein neues Feld. Fur diese Veranderung konnen prinzipiell zwei Arten von Grunden verantwortlich gemacht werden: Zum einen solche, die die Akteure von ihren angestammten Positionen wegtreiben (Push-Faktoren), zum anderen solche, die sie zu einer neuen Position hinziehen (Pull-Faktoren) . In diesem Abschnitl geht es im Wesentlichen um den erstgenannten Typ von Grunden. Politiker wenden sich unter anderem an Unternehmensberater, weil die etablierten Politikberatungsanbieter ihre Nachfrage nicht - bzw. nicht mehr oder nicht in der gewunschten Form - befriedigen (6.1.1). Auch Unternehmensberater verlassen ihr Terrain der Unternehmens- {und Verwaltungs-)beratung unter anderem deshalb, weil sie dort gewisse Wachstumsgrenzen erfahren (6.1.2). Voraussetzung fOr das Zustandekommen fOr Politikberatung durch Untemehmensberater ist schllefsllch. dass sich beide Akteure in anderem Kontext kennen gelernt haben (6.1.3).
6.1.1 Unzufriedenheit der Politik mit bestehendem Beratungsangebot
In zahllosen Beitraqen ist uber die Probleme wissenschaftlicher Politikberatung geschrieben worden (vgl. Stand der Literatur, Kapitel 2). Immer wieder wurde und wird in diesem Zusammenhang auch von der "Krise der wissenschaftlichen Politikberatung" (Althaus, Interview) gesprochen. Aber nicht nur externe wissenschaftliche Beratungsanbieter stehen in der Kritik. Auch wird beispielsweise immer wieder bezweifelt, dass die Ministerialverwaltungen als wohl wichtigster Beratungsakteur von innen heraus den politischen Entscheidern stets die gewunschten Beratungsleistungen zur VerfOgung stellen konnen. Die folgenden AusfOhrungen beleuchten deshalb die Unzufriedenheit des Beratungsnachfragers Politik mit den Beratungsangeboten
der
etablierten
Politikberatungsakteure
Ministerialverwaltung
und
Wissenschaft. Konstatiert und kritisiert wird von einer Reihe von Interviewpartnern zunachst einmal, dass die Ministerialverwaltung bisweilen nicht die okonornische Expertise vorhalte,
117 auf die politische Entscheidunqstraqer bei der Bewaltiqunq ihrer Aufgaben angewiesen sind. Wirtschaftswissenschaftler oder in betriebswirtschaftlichen Praxisfragen bewanderte Experten wie Unternehmensberater seien notig, um den fehlenden Sachverstand zu kompensieren. Nicht nur in okonornischen Sachfragen, sondern auch bei der Beratung zu PoJicy-Fragesteliungen allgemein sehen die befragten Experten Grenzen der Ministerialverwaltung. So gelange es haufig nur bedingt, einen internationalen Blickwinkel auf die Probleme zu erzielen: "Das kriegen wir mit unseren Botschaften und Aufsenstellen so nicht hin [wie kommerzielle Beratungsgesellschaften, TR]" (Adamowitsch, Interview). In eine ahnliche Richtung argumentieren auch die befragten Unternehmensberater. Sie meinen, dass der Verwaltung per se ein externer Blick fehle, weshalb Oberlegungen zu politischen Mafsnahmen, die ihren Status quo verandern wurden, ausgeklammert bzw. von vornherein bekarnpft warden. Um einen einiqerrnafsen unabhangigen Blick auf strukturelle, prozessuale, aber auch inhaltliche Fragen staatlicher Leistungserstellung zu gewahrleisten, mOssten sich politische Entscheidunqstraqer regelma[l,ig auch verwaltungsexterne Expertise holen. Unzufrieden aulsern sich einige der befragten Politiker und Verwaltungsexperten darOber hinaus uber die Zusammenarbeit zwischen der politischen bzw. administratiyen Spitze und ihren Apparaten. Sie konstatieren beispielsweise, dass sich Politik und Verwaltung immer wieder misstrauen. Haufig arbeiteten beide Seiten sogar gegeneinander, etwa wenn die Verwaltung "Implementationsterrorismus" (Bucksteeg, Interview) betreibe, also Vorgaben der politischen und administrativen Spitze bekarnpft und bisweilen ganzlich ins Gegenteil umkehrt. Insgesamt, so wird von einigen Interviewpartnern beklagt, verhindere die juristisch gepragte und meist inkrementelle Vorgehensweise vieler Verwaltungsmitarbeiter den notwendigen Freiraum, um politische Inhalte auch mal grundlegend neu zu denken und zeitnah entsprechende Konzepte auszuarbeiten. Einen wesentlichen Grund fur das unzureichende verwaltungsinterne Beratungsangebot sehen die befragten Unternehmensberater in Personalproblemen der Ministerialverwaltung. Arbeitsplatze in der Verwaltung seien verglichen mit der privaten Wirtschaft haufig rnonetar unattraktiv, weshalb es schwer sei, Top-Absolventen fur entsprechende Tatiqkeiten zu gewinnen. Jann (1998b) spricht im Zusammenhang mit Modernisierungsnotwendigkeiten in der offentlichen Verwaltung auch von einer
118 "Attraktivitatslucke" (ebd.: 71) des 6ffentlichen Sektors, also einer geringen bzw. sogar sinkenden Anziehungskraft der Ministerialverwaltung auf engagierte derzeitige und potentielle Mitarbeiter. Durch den in den letzten Jahren forcierten Personalabbau in der Verwaltung, so wird von Interviewpartnern argumentiert, wOrden zudem vorhandene Kompetenzen wegfallen, weshalb die Beratungsnachfrage immer seltener adaquat befriedigt werden k6nne. In der Literatur werden darOber hinaus grundsatzliche Veranderungen bei der Vorbereitung von Politik diskutiert, welche Konsequenzen fOr die Bedeutung der Ministerialverwaltung und ihre Rolle als Beratungsanbieter haben. Jann et. al. (2005) vermuten etwa, dass die Bedeutung der klassischen MinisterialbOrokratie fOr die Politikformulierung in den vergangenen Jahren immer weiter abgenommen hat. GrOnde fOrdiese Vermutung sind, dass sich die Politikformulierungskompetenzen bei einzelnen zentralen Akteuren der Regierungsorganisation konzentrieren (Konzentrationsthese), dass unabhangige Beh6rden zu eigenstandigen Akteuren in der Regierungsorganisation aufsteigen und als solche an Prozessen der Politikformulierung teilnehmen (Fragmentierungsthese) und dass Politikberatungs- und -formulierungskompetenzen auf Gremien verlagert werden, die autserhalb der Exekutive angesiedelt sind (Externalisierungsthese). 1m Zusammenhang mit der Ausdifferenzierung der externen Kontaktstrukturen sprechen die Autoren auch von einer "Kompetenzdiversifikation" (ebd.: 21), also der Verteilung von Politikberatungs- und Politikformulierungskompetenzen auf mehrere Schultern, was zulasten der Ministerialverwaltung geht. Unternehmensberater, aber auch Think Tanks, Sachverstandlqenrate und fOr einzelne Gesetzgebungsverfahren ins Leben gerufene Expertenkommissionen werden an dieser Stelle explizit genannt. Hautiq, so einige der befragten Verwaltungsexperten, sei die Kritik an den Beratungsleistungen der Ministerialverwaltung aber auch Obertrieben. Die sprichw6rtliche organisierte Unverantwortlichkeit der Verwaltung tausche: "Man unterschatzt die Leute in den Ministerien, die sind sehr kompetent" (Gellner, Interview). Nicht umsonst gelte die Ministerialverwaltung nach wie vor als wichtigster Politikberatungsanbieter. Unter den verwaltungsexternen Beratungsanbietern sind es wissenschaftliche Forschungsinstitute, die seit langem fOr die Politikformulierung Bedeutung besitzen und Ober deren Beratungsleistungen auch immer wieder Unzufriedenheit zum Ausdruck gebracht wird. Wissenschaftliche Politikberatung, so die auch in den Experteninter-
119 views haufig
geau~erte
Kritik, orientiere sich nicht ausreichend an den zeitlichen und
inhaltlichen Erfordernissen der Politik. So seien die Ratschlaqe der Wissenschaft oftmals zu theoretisch und abstrakt, um die Umsetzung in der Praxis anleiten zu konnen. Die Empfehlungen seien haufig auch wenig kreativ und man wisse bereits im Vorhinein, welcher Ratschlag einem erteilt wird, wenn man etwa die ordnungspolitische Orientierung von wissenschaftlichen Institutionen oder Personen kenne. Wissenschaftliche Politikberatung wOrde haufig vor allem problematisieren und mehrere rnoqliche Losunqen als gleichwertig nebeneinander stellen, statt der Politik - wie oftmals gewOnscht -
konkrete Handlungsschritte anzubieten. Wissenschaftliche
Gutachten seien zu kompliziert geschrieben und zu dick, um angemessen rezipiert werden zu konnen, Und schliefsllch dauere es haufig zu lange, bis die Wissenschaft eine Expertise fertig gestellt habe: "Die Wissenschaft wird der Geschwindigkeit von Veranderungsprozessen nicht mehr gerecht" (Politiker, Interview). Die befragten Wissenschaftler bestatiqen selbstkritisch, dass die Wissenschaft haufig nicht in der Lage sei zu Iiefern, was die Politik von ihr erwartet. Zu unterschiedlich seien zum Beispiel die peer group und damit Anreizstrukturen und Reputationssysteme: "Es ist karriereschadlich, als Wissenschaftler zu beraten. Sie konnen als Wissenschaftler eigentlich nur dann dauerhaft erfolgreich Politikberatung machen, wenn Sie ihre akademischen Meriten bereits erworben haben" (ROrup, Interview). Wissenschaftler wOrden haufig als Spezialisten ihre Forschung in einer Teildisziplin durchfOhren und dabei methodisch reduktionistisch vorgehen. In der politischen Praxis jedoch seien "die meisten Probleme Querschnittsthemen, auch wenn sie in einem Politikfeld angesiedelt sind" (Thunert, Interview). FOr die Wissenschaftler, aber auch fOr die sie stotzenden Forschungsinstitute wie das DIW in Berlin oder andere, sei die Politikberatung "oftmals ein schwieriger Balanceakt zwischen wirtschaftspolitischer Relevanz und wissenschaftlicher Stringenz und Methodik" (Meran, Interview). Das unprofessionelle Auftreten und Marketing vieler Wissenschaftler wOrde darOber hinaus oftmals verhindern, dass sich Wissenschaftler in der Welt der Politik(beratung) zurechtfanden: "Die meisten Professoren, die ich kenne, sind kaum in der Lage, sich ihre Krawatte richtig zu binden" (Gellner, Interview). Allerdings gibt es auch genOgend Beispiele von Wissenschaftlern, die sehr erfolgreich Politikberatung betreiben und denen der Spagat zwischen Wissenschaft und
120 Politik nicht zu schaden scheint. Zu den prominentesten gehoren sicherlich die Professoren ROrup, Lauterbach, Sinn und Zimmermann. Ihnen gelingt, komplexe Zusammenhange zusammenzufassen und die Politik und Offentlichkeit gleichermar..en zu erreichen: "Sie sind grandiose Vereinfacher und haben deshalb einen hohen kommunikativen Wert" (Politiker, Interview). Wichtig fUr ein erfolgreiches Agieren von Wissenschaftlem in der Politikberatung, so Bert Rurup, sei nicht nur die Fahigkeit, Wissen "zu portionieren, zu kanalisieren und zu kommunizieren", sondern die beratenden Wissenschaftler mOssten auch die "Skrupellosigkeit" (ebd., Interview) besitzen, Sachverhalte einfach darzustellen. Festzuhalten bleibt trotz der genannten Beispiele von erfolgreichen wissenschaftlichen Beratungsakteuren und der Feststellung, dass die Ministerialverwaltung trotz aller Kritik nach wie vor als der wichtigste Politikberatungsanbieter gelten kann: Sie kann heute die vielschichtige Nachfrage der politischen Entscheider nach Beratungsleistungen ebenso wenig allein befriedigen wie die Wissenschaft als etablierter verwaltungsexterner Anbieter von Politikberatungsleistungen. Nimmt man Ministerialburokratie, Wissenschaft und andere Beratungsakteure wie die Parteienstiftungen oder auch die Think Tanks hinzu, dann bleibt immer noch eine Differenz zwischen Beratungsnachfrage und -angebot: "Da ist eine LOcke im Markt" (Meran, Interview). Diese AngebotslOcke treibt Politiker dazu, sich nach neuen Anbietern oder alternativen Beratungs- und Problernlosunqsrnoqlichkeiten umzusehen.
6.1.2 Wachstumsgrenzen im Kemgeschaft der Untemehmensberater
Unternehmensberater werden in gewisser Weise auch von ihrem Kernmarkt, dem privaten Sektor, weggetrieben (Push-Faktor). Zwar erwirtschaften sie wie bereits erwahnt mehr als 90 Prozent ihres Umsatzes im privaten Sektor und werden auch kOnftig ihre Kernaktivitaten in diesem Feld haben. Ais wachsturnsstarkste Segmente gelten indes der staatliche Sektor sowie die Gesundheitswirtschaft, welche in Deutschland ebenfalls stark von staatlichen Akteuren gepragt ist (vgl. Kubr 1996: 433, BDU 2005b: 12). Deshalb sind Unternehmensberater in den vergangenen funfzehn Jahren in den genannten drei Schritten in den offentllchen Sektor und letztlich auch auf das Feld der Politikberatung vorgedrungen (siehe Kapitel 4.1), wo sie ihre Auftraggeber heute nicht nur in Fragen der Umsetzung, sondern auch bei der Konzeption von Politik unterstutzen.
121 Ais privatwirtschaftliche Organisationen sind Unternehmensberater grundsatzlich auf Gewinnerzielung ausgerichtet. Wenn das in den Tatigkeitsfeldern aufgrund von Marktsattigung, verstarktern Wettbewerb oder anderen markt- oder angebotsseitigen Entwicklungen nicht mehr rnoqfich ist, versuchen sie, in neue und potentiell Gewinn versprechende Felder vorzudringen. Da das Gescheftsmodetl von Unternehmensberatern wie kaum ein anderes auf starkem, kontinuierlichem Wachstum beruht, ist das Erobern neuer Marktsegmente umso wichtiger. Ein besonders anschauliches Beispiel an dieser Stelle stellt McKinsey dar. Das Unternehmen ist vor dem Hintergrund erstmaliger deutlicher EinbrQche im Geschaft mit der Beratung groP..er Unternehmen - seinen traditionellen Adressaten - in den vergangenen Jahren verstarkt und systematisch sowohl in die Beratung des Mittelstands als auch in die Beratung offentlicher Institutionen vorgedrungen. Langfristig betrachtet sei die Beratung der Politik, so ein Interviewpartner aus der Expertengruppe der Politiker, sogar eine existentielle Frage fur die Unternehmensberater: Es liege im "Oberlebensinteresse" (Politiker, Interview) der Beratungen, zur positiven Entwicklung ihres Umfelds beizutragen, um auch in Jahrzehnten noch Geschaft mit einem funktionierenden Staat und einer funktionierenden Wirtschaft rnachen zu konnen. Das impliziere, so der Unternehmensberater Ralf Baron, dass "Wachstum nicht nur in den mechanischen Reorganisationsthemen, sondern auch in den Policy-Themen" erzielt werden kann (ebd., Interview). Insofern kann man durchaus davon sprechen, dass Unternehmensberater nicht nur in das Feld der Public-Sector-Beratung im Allgemeinen, sondern langfristig auch in das Feld der Politikberatung im Speziellen getrieben werden bzw. werden konnten,
6.1.3 Gemeinsame Erfahrungen in Public-Sector-Beratungsprojekten
Neben den beiden genannten Push-Faktoren, die den Politiker zur Suche nach neuen Beratungsanbietern und den Unternehmensberater zur Suche nach neuen Tatiqkeitsfeldern antreiben, gibt es einen weiteren Grund, der als Voraussetzung fur das Zusammenkommen von Politikberatung und Unternehmensberatern in der Politikberatung gelten kann. Gemeint ist hier schlicht die Tatsache, dass sich beide Akteure bei der Projektarbeit im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung oder Beratung offentlicher Unternehmen kennen gelernt haben und deshalb heute besser einschat-
122 zen konnen, ob und wenn ja, bei welchen Fragestellungen und Problemen der jeweils andere von Nutzen sein kann. Dieser Wissensgewinn ist zunachst unabhangig davon, ob die Erfahrungen beider Seiten in Projekten zur Restrukturierung und Privatisierung staatlicher Unternehmen sowie im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung positiv oder negativ waren. Beides hat zur Konsequenz, dass die Politik die Herangehensweisen, Methoden und Problemlosunqskapazitaten der Unternehmensberater heute einiqermalsen gut einschatzen kann - gleiches gilt auch vice versa. DarOberhinaus dienen auch die Aur..erungen von Unternehmensberatern in der Offentlichkeit oder in personlichen Gesprachen den politischen Entscheidungstragern dazu, die potentielle Beratungsleistung von Unternehmensberatern im Bereich der Policy-Konzeption abzuschatzen. Unternehmensberater sprechen gerne davon, dass die Politiker durch die Projektarbeit im offentlichen Sektor die "BerOhrungsangste verloren" haben (Redley, Interview). Umgekehrt registrieren auch die Politiker Veranderungen in der Beziehung zwischen Politik und Unternehmensberatung. Sie sprechen beispielsweise von einem "entdramatisierten Auftritt" (Tiemann, Interview) der Berater, da diese nicht mehr anqaben, gleich fOr jedes Problem eine radikale Losunq bereitzuhalten, sondern realistischer und besser mit der Materie vertraut agierten. "Berater haben gelernt, dass der Offentliche Sektor anders tickt" (Oltmanns, Interview). Sie batten schmerzhaft erfahren mOssen, dass nicht das "Beste, Effizienteste, qualitativ Hochwertigste als Beratungsziel" gesetzt werden masse, sondern vielmehr die Frage zu beantworten sei: "Was kann ich unter gegebenen Restriktionen eigentlich leisten?" (Bernnat, Interview). Festzuhalten bleibt an dieser Stelle, dass sich Unternehmensberater und Politiker vor allem Oberdie Projektarbeit im offentlichen Sektor kennen und teilweise auch schatzen gelernt haben, dass beide Seiten an Souveranitat im Umgang miteinander gewonnen haben und dass dadurch auch die Voraussetzung geschaffen wurde, in anderen (z.B. Policy-)Fragestellungen ebenfalls gewinnbringend zusammenzuarbeiten.
123
6.2 Motiveder Politik bei der Beauftragung von Unternehmensberatern Nachdem nun drei GrOnde erlautert wurden, die man als Voraussetzungen fOr das Zusammentreffen von Politik und Unternehmensberater interpretieren kann, geht es im Foigenden urn die unmittelbaren Handlungsmotive der beteiligten Akteure. Genauer gesagt geht es urn Aspekte, die die Politik hin zum Anbieter Unternehmensberater und die Berater hin zum Feld der Politikberatung ziehen (Pull-Faktoren). Politische Entscheidunqstraqer erwarten von der Beauftragung von Unternehmensberatern einen konkreten Nutzen - "sonst wOrden sie es nicht machen" (BrOggemeier, Interview). Gleiches gilt im umgekehrten Fall. In diesem Unterkapitel werden zunachst die Motive der Politiker behandelt - GrOnde also, die sie veranlassen, gerade Unternehmensberater mit Politikberatungsleistungen zu betrauen. Da die Bearbeitung politischer Themenfelder als Politikberatungsaktivitat im weiteren Sinne von den Unternehmensberatern selbst ausgeht, sich nur mittelbar an die Politik richtet und deshalb auch nicht explizit von ihr nachgefragt wird, konzentrieren sich die AusfOhrungen auf die Handlungsmotive der Politik, wenn es darum geht, Unternehmensberater als Mitglieder in Kommissionen, fur 1:1Gesprache sowie fur die Projektarbeit zu politischen Inhalten einzusetzen. In den Expertengesprachen sind immer wieder fOnf Motive aufgetaucht und diskutiert worden, welche Politiker antreiben, Unternehmensberater in der Politikberatung zu engagieren. Politiker wollen erstens auf das Wissen der Unternehmensberater insbesondere im Bereich der Managementlehre und betrieblichen Praxis zugreifen, sich zweitens bei der Bearbeitung von Policy-Problemen von Unternehmensberatern zum Beispiel in methodischer Hinsicht professionell unterstQtzen lassen, sie wollen drittens die Geschwindigkeit von Veranderungsprozessen mit der Hilfe von Unternehmensberatern erhohen, viertens politisches Handeln oder Nicht-Handeln durch den Einsatz von Unternehmensberatern legitimieren und schliefslich fQnftens auch ganz individuelle und vor allem taktische Motive befriedigt wissen. Teilweise Oberschneiden sich diese Motive mit denen, die man nennen wurde, wenn man nach den Motiven fOr die Beauftragung von Unternehmensberatern bei anderen als Politikberatungsprojekten im offentlichen Sektor suchte. Auch wenn Politiker Wissenschaftler als Berater engagieren. dominieren teilweise ahnliche Motive. Wie die folgenden AusfOhrungen deutlich machen, spricht allerdings eine Reihe von Aspekten dafur, dass Unternehmensberater aufgrund ihrer Denk- und Arbeitsweise,
124 ihrer Kapazitaten, ihrer Qualifikationen und ihrer Erfahrungen in besonderem MaBe geeignet sind, der Politik die gewOnschte Hilfestellung zu geben. Ob die Unternehmensberater die BedOrfnisse der Politiker befriedigen, lasst sich an ihrer (erstmaligen) Beauftragung zunachst noch nicht ablesen. Da Politiker jedoch immer wieder die Hilfe von gerade diesem Anbieter in Anspruch nehmen, lasst sich vermuten, dass Unternehmensberater ihnen tatsachlich von Nutzen sind. "Politiker sind extrem rationale Akteure mit einem ext rem funktionalen Zugang zu Personen. Sie treffen sich nicht drei Mal mit jemandem, der ihnen nichts bringt" (Oltmanns, Interview). Mit anderen Worten: Hinter den fOnf Motiven oder GrOnden fOr die Beauftragung von Unternehmensberatern stehen Kompetenzen dieses Anbieters, die als komparative Vorteile gegenOber anderen Politikberatungsanbietern gelten konnen, "Unternehmensberater haben beim hochgradigen Marktcharakter, den Politik insbesondere in Berlin gewonnen hat, Alleinstellungsmerkmale" (Gellner, Interview). Da in Kapitel 6.1 insbesondere von der Krise der wissenschaftlichen Politikberatung die Rede war, werden im nachsten Abschnit1 die Kompetenzen der Unternehmensberater insbesondere im Vergleich zum Beratungsanbieter Wissenschaft erlautert,
6.2.1 Wissenstransfer Politiker wenden sich zunachst einmal an Unternehmensberater, weil sie sich deren Wissen fur die Politikformulierung zunutze machen wollen. Anders als vielleicht vermutet geht es dabei nach Aussagen der meisten Experten jedoch nicht in erster Linie um die Expertise in dem jeweils zu behandelnden Politikfeld, sondern vielmehr um deren okonornischen Sachverstand. Denn viele politische Entscheidungen haben Auswirkungen auf die Wirtschaft, betreffen sie unmittelbar, setzen einen Rahmen fur wirtschaftliches Handeln. Okonornlsches Wissen ist also fur eine informierte politische Entscheidungsfindung in einer Vielzahl von Politikfeldern notig. Unternehmensberater tragen dazu in zweierlei Weise bei: Zum einen bringen sie aktuelles betriebswirtschaftliches Praxis- bzw. Managementwissen mit. Wahrend viele Wirtschaftswissenschaftler und insbesondere Volkswirte - beispielsweise die so genannten "FOnf Weisen" des Sachverstandigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung - ein viel breiteres und tieferes theoretisches Wissen
125 vorhalten als Unternehmensberater, sind letztere haufig besser vertraut mit anwendungsorientierten Fragestellungen . Mit Fragen von Effizienz und Effektivltat kennen sich Unternehmensberater aus. Sie konnen deshalb "den Politikern die mlkrookonomischen Oberlegungen klar machen" (Berger, Interview), welche Unternehmer tagtaqllch anstellen . Ais Experten in okonornischen Sachfragen der betrieblichen Praxis wissen sie, wie in der Wirtschaft strategisch geplant wird und wie Unternehmen ProbIerne bearbeiten bzw. auch losen. Dieses Wissen tragen sie in die Politik. Zum anderen verfOgen Unternehmensberater haufig Ober intime Kenntnisse der aktuellen Entwicklungen in den Unternehmen. Diese konnen fOr Politiker Oberaus wichtig sein, wenn sie politische Mafsnahrnen beschllefsen wollen, welche direkt oder indirekt Auswirkungen auf Branchen und Unternehmen haben. Unternehmensberater sind Ober ihre internationale Vernetzung meist nicht nur mit der nationalen Unternehmensszene vertraut, sondern verfolgen auch die Entwicklungen im Ausland. Wenn ein Politiker beispielsweise wissen rnochte, wie franzoslsche, japanische oder US-Banken agieren und was sie eventuell im Gegensatz zu den deutschen Banken planen, sind Unternehmensberater beliebte Ansprechpartner der Politik, weil sie als relativ objektiv und gut informiert gelten. Besitzt ein Unternehmensberater aufgrund seiner Beratungstatigkeit im privaten Sektor Insiderwissen , so muss auch bei der Auskunft an die Politik die Vertraulichkeit und Diskretion gewahrt bleiben, welche die Unternehmensberater ihrem Auftraggeber in der privaten Wirtschaft zugesichert haben. Urn aber ein GefOhl fOr Vorgange in den Unternehmen und der Wirtschaft zu bekommen , gelten Unternehmensberater in jedem Fall als hilfreich. Teilweise werden Unternehmensberater auch aufgrund ihres Wissens in einzelnen Politikfeldern von der Politik herangezogen . So wurde Jobst Fiedler, ehemaliger Leiter der Beratungseinheit "Public Sector" bei Roland Berger, nicht zuletzt deshalb in die Harlz-Kommission berufen, weil er als Oberstadtd irektor in Hannover Erfahrungen mit der Arbeitsmarktpol itik und mit Verwaltungsprozessen insgesamt gemacht hatte. Auch JOrgen Kluge kann heute sicherlich als Experte mindestens in dem Politikfeld Bildung gelten. Meistens jedoch sind die Kenntnisse der wirtschaftlichen Praxis Anlass fOr die Beauftragung von Unternehmensberatern durch die Politik - in Umsetzungs- wie in Konzeptionsfragen gleichermaf1en. Die meisten Befragten sind der Meinung, dass das Motiv des Wissenstransfers eine ganz zentrale Rolle bel der Beauftragung von Unternehmensberatern durch die Poll-
126 tik spielt. Denn der Wissenstransfer diene Politikern in vielerlei Hinsicht: Sie konnten zum Beispiel neue Stichworte und Ideen in ihre Oberlegungen aufnehmen, Losunqsansatze aus der okonornlschen Praxis auf ihre Tauglichkeit im politischen Kontext hin OberprOfen oder davon profitieren, dass Unternehmensberater in der Lage sind, politische Mafsnahmen mit quantitativen okonomischen Parametern wie etwa den erwarteten Kosten oder dem erwarteten Nutzen einer Mafsnahrne zu versehen. All das dient politischen Entscheidungstragern letztlich dazu, die Entscheidungsgrundlage zu verbessern. Anders als bei der Wissenschaft, die aufgrund ihres okonornischen Verstands ebenfalls zum Wissenstransfer in der Politikberatung eingesetzt wird, ist es nicht das prirnare Ziel des Unternehmensberaters, neues Wissen zu schaffen. "Vom Typ her ist der Unternehmensberater nicht der, der ganz neue Ideen generiert - dazu ist er normalerweise zu sehr auf die Verwertbarkeit seines Handelns und Denkens hin orientiert" (Politiker, Interview). Er eigne sich vielmehr als Transmissionsriemen dazu, vorhandenes Wissen fOr die Nutzung aufzubereiten. Die AusfOhrungen zum folgenden Motiv fOhren diesen Gedanken fort.
6.2.2 Problembearbeitung bzw. -lOsung
Politiker wenden sich zweitens an Unternehmensberater, weil diese ihnen bei der Bearbeitung und im Idealfall auch der Losunq von Policy-Problemen behilflich sein konnen. Unternehmensberater definieren tagtaglich Probleme und bearbeiten sie mit Hilfe eines methodischen Werkzeugkastens sowie einer global vernetzten Wissensmanagement-Infrastruktur. "Unternehmensberater haben ein ROstzeug an Methoden und eine Wissensdatenbank, aus denen sie schOpfen. Beides ermoqlicht es ihnen, anders als andere an Beratungsprojekte heranzugehen" (Althaus, Interview). Eine
ganze
Reihe von
methodischen
Fahigkeiten
der Problembearbeitung
werden Unternehmensberatern bzw. den Beratungsunternehmen durch aile drei in den Interviews beteiligten Expertengruppen zugesprochen. Sie seien in Planungs-, Prasentations- und Interviewtechniken geschult, besafsen Zahlen- und Moderationskompetenzen, konnten
gleicherma~en
lokale Workshops wie internationale bench-
marks durchfOhren und wOssten nicht zuletzt auch, wie man das Wissen in einzelnen
Organisationen, beispielsweise in der Verwaltung, abgreift und fOr die Politik nutzbar
127 macht: "Unternehmensberater saugen Ober Interviews das Wissen in der Verwaltung geschickt ab, verdichten es und verbinden es mit den Erfahrungen aus anderen Projekten - und dann hat man einen halbwegs plausiblen Vorschlag" ryvewer, Interview). Ob es Unternehmensberatern allerdings immer gelingt, Vertrauen zu den Wissenstragern und Mitwirkenden im Beratungsprozess aufzubauen oder ob ihnen eine manchmal wenig sensible Vorgehensweise mitunter den Zugang auch zu vertraulichen Informationen verwehrt, ist unter den befragten Experten umstritten. Bei der Aufbereitung und Strukturierung von Wissen hilft Unternehmensberatern ihre professionelle und global vernetzte Wissensinfrastruktur. Ober Datenbanksysteme und den Austausch mit Kollegen in allen Teilen der Welt k5nnen Unternehmensberater schnell auf umfangreiche Erkenntnisse, Erfahrungen und Empfehlungen anderer in
ahnlichen
Situationen
zurOckgreifen.
Der
ehemalige
Chef
der
baden-
wOrttembergischen Staatskanzlei, Christoph Palmer, erinnert sich an die Wissensinfrastruktur eines Unternehmensberaters bei einem Beratungsprojekt im Jahr 2000: "Die Datenbanken und Researchsysteme waren den Mitteln der Staatskanzlei bzw. des Ministeriums weit Oberlegen" (ebd., Interview). Unternehmensberater seien durch ihre gute Vernetzung und ihre interdisziplinare Mitarbeiterschaft in der Lage, "nicht immer mit der notwendigen Tiefe, dafOr aber mit einem Blick Ober den Tellerrand von Disziplinen hinweg" (Meran, Interview) Wissensfelder zusammenzufOhren . Ein zentraler Unterschied zu vielen, aber nicht allen wissenschaftlichen Politikberatern ist sicherlich die Fahigkeit der Unternehmensberater, die Komplexitat von Problemen und Sachverhalten zu reduzieren. "Unternehmensberater machen Probleme handhabbar, sie reduzieren Komplexitat. Das macht sie begehrt, auch in der Politik" (Kieser, Interview). Indem sie Fakten und Zahlen so aufbereiten, dass sie "mundgerecht und verdaulich" (Thunert, Interview) weitergegeben werden k5nnen, leisteten sie "eine zunehmend wichtige Funktion fOr die Politik" (BrOggemeier, Interview). Ohne die Aussage zwangslaufig mit einer negativen Wertung verbinden zu wollen, meint Prof. Georg Meran, Vizeprasident des DIW Berlin: "In einer Zeit, in der der Problemdruck sehr grol1 ist, neigt man dazu, auf grobe, aber suggestive Faustformeln zu hOren" (ebd., Interview). Angesichts der Multikausalitat und Komplexitat vieler gesellschaftlicher Problemlagen seien Experten n5tig, die in der Lage sind, diese - fOrden Adressaten nachvollziehbar - zu reduzieren.
128 Gesehatzt wird neben der Fahigkeit zur Komplexitatsreduktion aueh die Kompetenz der Unternehmensberater, Probleme und Themen neu - die Berater wOrden sagen greenfield - zu denken. "Das grundsatzliehe Hinterfragen gehOrt zum Standard eines
jeden Projektmanagers" (Fiedler, Interview). Auf diese Weise konntsn Unternehmensberater Handlungsoptionen aufdeeken, die jenseits der allgemeinen Diskussion und jenseits dessen Iiegen, was an rnoqllchen Losungswegen bislang anerkannt wird. Prof. Kurt Biedenkopf erzahlt etwa Oberdie Kreativitat von Unternehmensberatem im Kontext von Kommissionen: "Aueh ieh hole gerne Leute in von mir geleitete Kommissionen, die von den Dingen, die beraten werden sollen, wenig verstehen, aber in der Lage sind, gute Fragen zu stellen" (ebd., Interview). Mathias Bueksteeg, ehemals Mitarbeiter in der Planungsabteilung des Bundeskanzleramts und jetzt Direktor der Prognos AG, sprieht davon, dass Unternehmensberater politisehen Entseheidern erlauben, "to think outside the box" und so zum Beispiel dem Minister dabei helfen, einen "konzeptionellen Ausfallsehritl zu machen, damit er seinem Haus einen Schritt, aber auch nicht vier Sehritte voraus ist" (ebd., Interview). Problernlosunqen zu suchen, in dem man Ober das eigentliehe Politikfeld und die vorliegenden Herangehensweisen hinweg blickt, gehi:irt also sieherlich zu den Starken von Unternehmensberatern. Wichtig dabei ist jedoeh stets der Bezug zum Maehbaren. Denn, urn in der Metapher zu bleiben: Vier Schritte vorauszuschreiten hilft in der Praxis wenig. Deshalb achten Unternehmensberater in der Beratunqstatigkeit stets darauf, nicht nur zu problematisieren und Visionen zu entwickeln, sondern auch konkrete Losunqsvorschlaqe zu entwerfen. "Sie bereiten Themen so auf, dass l.osunqen herauskommen" (Kieser, Interview). Mit dieser Ergebnisorientierung, die verbunden ist mit Pragmatismus in der Herangehensweise, unterscheiden sie sich erneut von vielen wissenschaftlichen Beratungsleistungen. Festzuhalten
bleibt, dass
Politiker
Unternehmensberater
aueh deshalb
mit
Fragen der inhaltliehen Bearbeitung von Politikfeldern und der Konzeption politiseher Mal1nahmen beauftragen, weil sie Probleme kompetent zu bearbeiten in der Lage sind. Die Fahigkeiten der Unternehmensberater zur Komplexitatsreduktion, zum Neudenken von Losungswegen und zur Ergebnisorientierung maehen sie naeh Ansieht vieler Experten fur Politiker attraktiv. Sie kommen deshalb auch bei allen drei Politikberatungsformen im engeren Sinne -
der Kommissionsarbeit, in 1:1-
129 Beratungsgesprachen und auch in der Projektarbeit zu politischen Inhalten - zum Einsatz.
6.2.3 Beschleunigung von Veranderungsprozessen Drittens wenden sich politische Entscheidungstrager an Unternehmensberater, weil sie mit deren Hilfe Veranderungsprozesse beschleunigen konnen . Diese Beschleunigung kann auf zweierlei Weise erfolgen : Zum einen dadurch , dass in den gesamten politischen Problembearbeitungsprozess und damit auch in die Phase der Politikformulierung verstarkt Transformations- und Umsetzungswissen einfliel1t, welches die Wahrscheinlichkeit erhoht , dass beschlossene Mal1nahmen wie geplant und erfolgreich umgesetzt werden konnen, Zum anderen kann der Beratungsprozess selbst besc hleunigt werden, weil Unternehmensberater in der Regel schneller zu Ergebnissen kommen als etwa wissenschaftliche Forschungsinstitute. Unternehmensberater sind in der Lage, sehr f1exibel und schnell auf die Beratungsnachfrage seitens der Politik zu reagieren . Zunachst zur Beschleunigung von Umsetzungsprozessen: Gemeint ist hier nicht, dass Unternehmensberater selbst die Administration oder andere Akteure in der Phase der Politikimplementierung unterstotzen. Denn ob sich die Politik bei der Umsetzung - eventuell sogar vom gleichen Unternehmensberater, der auch an der Politikformulierung mitgewirkt hat - beraten lasst, ist zum Zeitpunkt der Entscheidungsvorbereitung nachrangig. An dieser Stelle geht es vielmehr darum , das Wissen um Umsetzungsprobleme und -moqllchkeiten in die Konzept ion politischer MaBnahmen einflieBen zu lassen und so die spateren Umsetzungschancen zu verbessern. Dass Unternehmensberater langjahrige Erfahrung bei der Beratung privater und effentlicher Unternehmen sowie in der Verwaltung gesammelt haben , machen sie slch hierbei zunutze. Besser als viele ande re konnen sie abschatzen , wo Umsetzungsprobleme entstehen konnen und wie man diesen rechtzeitig vorbeugt. Auch der Beratungsprozess selbst kann durch die Beteiligung von Unternehmensberatern schneller ablaufen. Unternehmensberater sind meist in der Lage , ohne lange Vorlaufzeit Beraterteams zusammenzustellen, weil sie umfangreiche Kapazitaten vorhalten und diese flexibel einsetzen konnen . Ober ihr internes Netzwerk von Experten konnen sie zudem auf eine groBe Zahl von Mitarbeitern zurOckgreifen, die sich
130 moglicherweise bereits mit ahnlichen Fragestellungen beschaftigt haben. "Unternehmensberater haben den gror..en Vorteil, das sie schnell Ressourcen allozieren, bOndeln, zusammenpacken konnen" (Wissenschaftler, Interview). Anders sei das etwa bei Einzelwissenschaftlern, die sich ihr Netzwerk und ihre Infrastruktur erst schaffen mOssten. Unternehmensberater sind autserdem gewohnt, dort zu arbeiten, wo der Auftraggeber es will und deshalb auch raurnlich sehr flexibel. DarOber hinaus kommen Unternehmensberater haufig schneller als Wissenschaftler zu Ergebnissen, was zunachst ihrem Pragmatismus und ihrer Ergebnisorientierung geschuldet ist. Weitere GrOnde fOr ein hohes Arbeitstempo sind die starke Arbeitsteilung in den Beratungsunternehmen - es gibt eigene Experten fOr die Erstellung von Grafiken, das Editing, die Obersetzung von Texten und so weiter - sowie die umfangreichen Zuarbeiten der so genanten researcher. "Grofse Unternehmensberatungen beschaftigen ganze Researcher-Truppen, die Daten erheben und benchmarks machen" (Niedereichholz, Interview). Schliefslich sind auch lange Arbeitszeiten und die hohe Einsatzbereitschaft der Unternehmensberater Voraussetzungen dafOr, dass Unternehmensberater vergleichsweise schnell zu Resultaten gelangen konnen. 1m Ergebnis sind sich die Experten einig: "Unternehmensberater k6nnen den Wandel beschleunigen" (Politiker, Interview). "Man bekommt vergleichsweise professionellen Sachverstand in vergleichsweise kurzer Zeit" (Gellner, Interview). "In der operativen Politik herrscht die Auffassung vor, dass die Herangehensweise der Unternehmensberater viel besser kompatibel mit dem Alltagsgeschaft der Politik sei als der Zeithorizont und die Arbeitsweise der Wissenschaft" (Thunert, Interview). Nachdem nun drei Motive von Politikern genannt wurden, die vor allem auf policy abzielen, geht es im Foigenden urn Politics-Motive, die bei der Politikberatung ebenfalls eine wichtige Rolle spielen.
6.2.4 Akzeptanz fOr po/itischesHandeln erhOhen Viertens beauftragen Politiker Unternehmensberater, weil sie dadurch die Akzeptanz fOr politisches Handeln bzw. auch fOr Nicht-Handeln erh6hen k6nnen. In der Beratungsliteratur wird an dieser Stelle haufig von der Legitimationsfunktion von Beratung gesprochen.
131 Akzeptanz fur politisches Handeln zu erhOhen, bedeutet zunachst einmal, dass sich Politiker das Image des Unternehmensberaters als okonornischer Experte zunutze machen, um vor allem die Offentlichkeit davon zu Oberzeugen, dass sie effektive und effiziente Politik betreiben. Das verbessert im Idealfall das Ansehen der politischen Akteure und schafft Akzeptanz fOr die gewahlten Problernlosunqen, was wiederum die Umsetzung politischer MaBnahmen erleichtern kann. Ais Kenner wirtschaftlicher Zusammenhange und als Akteur, der die l.osunq von Problemen immer wieder unter Beweis gestellt hat, bieten sich Unternehmensberater fOr das genannte Motiv ideal an: "In einer Gesellschaft, die das wirtschaftliche Effizienzdenken hoch schatzt, ist das ein gutes Argument" (Herz, Interview). "Berater sind in der Offentlichkeit als Legitimierer breit akzeptiert. Sie laufen den Wissenschaftlern den Rang ab, wenn es um die Rolle der Legitimation geht" (Kieser, Interview). Ob Unternehmensberater einen inhaltlichen Beitrag liefern, ist dabei nicht so entscheidend. Bei der ROrup-Kommission beispielsweise "war Berger mit dabei, wegen der Legitimation nach aufsen" (Wissenschaftler, Interview). "Berger in einer Kommission zu haben ist immer eine Auszeichnung fur die Kommission - unabhangig davon, ob er eine aktive Rolle spielt" (Tiemann, Interview). "Berater gelten oftmals eins zu eins als Experten, insbesondere wenn sie einen Doktor- oder Professorentitel tragen" (Karp, Interview). Neben dem Image des Experten konnen sich Politiker auch die Fahigkeit des Umgangs mit den Medien zunutze machen, die vor allem die bekannten Unternehmensberater wie Roland Berger oder JOrgen Kluge auszeichnet. Am Rande der Kommissionsarbeit beispielsweise konnen sie der Presse als Interviewpartner zur VerfOgung stehen. Geschatzt wird auch, dass Unternehmensberater in der Regel Vertraulichkeit wahren und dass sie im Vergleich zu Wissenschaftlern als moderner und im Vergleich zu verbandlichen Wirtschaftsvertretern oder Managern groBer Unternehmen als unabhanqiqer gelten. Weiterhin dienen Unternehmensberater der Politik dazu, die Akzeptanz fOr politische Entscheidungen beispielsweise seitens der Wirtschaft zu erhohen, weil sie als eine Art Vertreter der Wirtschaft die Ansichten dieses stakeholder in pluralistisch zusammengesetzte Expertengremien mit einbringen. Auf diese Weise tragen sie dazu bei, sowohl die Durchsetzungschancen im politischen Prozess als auch die Umsetzungs-
132 chancen der politischen Losunqen in der Praxis zu erhohen. Die Logik hier lautet: Wer bei der Problembestimmung und Losunqssuche mit beteiligt war und eventuell sogar de facto mit Ober politische
Ma~nahmen
entschieden hat, wird spater auch fOr
diese werben und sie akzeptieren. In pluralistisch besetzten Expertenkommissionen "wird neutralisiert, man kommt aus dem politischen Konflikt heraus. Es ist danach schwieriger, Kommissionsempfehlungen zu diskreditieren" (Politiker, Interview). Durch den Einsatz von Unternehmensberatern - wie auch durch andere Experten, etwa aus der Wissenschaft - konnen Politiker auch besser politisches Nicht-Handeln verkaufen. So nimmt ihre Beauftragung zunachst einmal den Handlungsdruck von den politischen Entscheidungstragern: "Wenn man eine Kommission einsetzt, muss man erst mal ein Jahr lang nichts machen" (Unternehmensberater, Interview). Wolfgang Nowak, ehemals Abteilungsleiter im Bundeskanzleramt, spricht deshalb auch davon, dass externe Beratung der "Flucht aus der Verantwortung, der Flucht vor der Entscheidung" (ebd., Interview) dient und den Akteuren ermoqlicht, netigem politischen Handeln auszuweichen. Mitunter eignet sich die Beauftragung von Unternehmensberatern schliefslich auch dazu, einen SOndenbock fOr Entscheidungen und Umsetzungsprobleme zu bekommen, auf den man die Verantwortung fOr politische Harten sowie Fehler abwalzen kann. Das sei ganz ahnlich wie in der Privatwirtschaft: "Das Management beauftragt Unternehmensberater und bezahlt sie als SOndenbock" (Zerfass, Interview; zu der Frage, wie das demokratietheoretisch zu bewerten ist, siehe KapiteI7.2.3). Festzuhalten bleibt, dass die Politik das Image von Unternehmensberatern auch instrumentell dazu einsetzt, die Akzeptanz politischen Handelns bzw. konkreter einer Problerrilosunq und damit auch ihre Durchsetzung im politischen Prozess sowie ihre Umsetzung in der Praxis zu erhOhen.
6.2.5 Befriedigung individueller taktischer Motive
FOnftens schliefsllch beauftragen Politiker Unternehmensberater auch, weil diese ihnen bei der Befriedigung individueller taktischer Motive dienen. Die Ziele, die ein Politiker als Einzelperson verfolgt, konnen natorlich auch auf der inhaltlichen Ebene (policy) angesiedelt sein und durch die gleichen Kompetenzen der Unternehmensbe-
rater befriedigt werden wie oben beschrieben. Immer wieder zielt die Beauftragung
133 von Untemehmensberatem durch Politiker jedoch auch auf die prozessuale Ebene von Politik, also auf die politics ab und dient dazu, ein ganzes Sammelsurium von individuellen taktischen Motiven zu befriedigen. Mit anderen Worten: Untemehmensberater sind Munition im politischen Machtspiel zwischen einzelnen Personen. Die Beauftragung von Untemehmensberatem kann das Image eines Politikers verbessem und ihn oder sie als modem und kompetent erscheinen lassen. Sich mit neuen Ideen oder Formulierungen zu versorgen kann etwa dazu genutzt werden, vor Untergebenen zu glanzen, die Durchsetzungskraft im Konkurrenzkampf mit anderen Ministerien zu erhohen oder auch gegen das eigene Haus zu arbeiten. "Politiker umgeben sich geme mit Untemehmensberatem und vice versa. Beiden verschafft die Zusammenarbeit Reputation und fOr beide Seiten bedeutet sie Imagegewinne" (Althaus, Interview). Der Austausch mit Untemehmensberatem kann auch dazu dienen, sich raumlich von der Partei oder dem eigenen Haus zu losen, um unabhangig davon Themen vorantreiben zu konnen. Untemehmensberater dienen Politikem weiterhin dazu, ein Kontaktnetzwerk zu knOpfen , was wiederum der inhaltlichen Politikvorbereitung dienen, jedoch auch taktisch motiviert sein kann, etwa um VerbOndete in kOnftigen Auseinandersetzungen zu haben. "FOr Landes- wie fOrBundespolitiker ist die Netzwerkfunktion wichtig: Man ist nicht selbstverstandlich mit dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank oder DaimlerChrysler vemetzt . Das ist nicht die wichtigste Funktion, aber man darf sie nicht unterschatzen" (Politiker, Interview). Eher selten nutzen Politiker Untemehmensberater auch dazu, eigene Ideen in die Wirtschaft zu tragen. Der Untemehmensberater wOrde hier die Funktion des Multiplikators Obernehmen. Bisweilen eignen sich Unternehmensberater auch schlicht dazu, die Eitelkeiten von Politikern zu befriedigen: "Politiker lassen sich Berger kommen, um ihre Eitelkeit zu befriedigen, so nach dem Motto: Der kennt sie aile und kommt auch zu mir" (Politiker, Interview). Zusammenfassend lasst sich sagen, dass Politiker eine Reihe von inhaltlichen und prozessual-taktischen Motiven verfolgen, wenn sie Untemehmensberater mit Politikberatungsleistungen beauftragen. Da Unternehmensberater Ihnen eine Reihe von Kompetenzen bieten, die andere Politikberatungsanbieter so nicht aufweisen, erscheint es verstandnch, warum Politiker auch auf Untemehmensberater zurOckgreifen.
134
6.3 Motive der Unternehmensberater bei der Politikberatung Nach der Betrachtung der Nachfrageseite geht es im Foigenden darum, die Angebotsseite zu beleuchten. Unternehmensberater verfolgen ebenfalls gewisse Absich ten, wenn sie jetzt auch Politikberatung anbieten. FOnf Motive haben sich in den Expertengesprachen als bedeutsam herauskristallisiert: Zunachst wollen Unternehmensberater auf dem Feld der Politikberatung tatig werden , weil sie dort Kontakte knOpfen und Netzwerke erweitern konnen . Zweitens konnen sie Ober diese Aktivltaten auch ihre Bekannthe it steigern bzw. ihr Image verbessern . Drittens kann man Unternehmensberatern mindestens bei einem Teil der Politikberatungsaktivitaten die Verfolgung von Gewinnerz ielung als Handlungsmotiv unterstellen , wobei dieses meist nicht unmittelbar sondern hochstens mittelbar relevant ist. Viertens betreiben Unternehmensberater Politikberatung, weil sie Einf1uss auf politische Entscheidungen nehmen konnen, FOnftens schliefslich eignen sich die Aktivitaten auf dem Feld der Politikberatung dazu , altruistische Motive einzeiner Berater wie auch ihrer Beratungshauser zu bedienen. 1m Foigenden werden die einzelnen Motive im Detail betrachtet, wobei hier wieder aile vier im Vorkapitel typisierten Politikberatungsaktivitaten von Unternehmensberatern gemeint sind.
6.3.1 Kontakte auf- und ausbauen
Unternehmensberater verfolgen mit ihren Politikberatungsaktivitaten zunachst einmal das Ziel, neue Kontakte und Netzwerke zu knOpfen bzw. bestehende Kontakte in die Politik und Gesellschaft zu vertiefen. Die Unternehmensberater selbst, aber auch die anderen beiden befragten Expertengruppen sind Obereinstimmend und ausnahmslos der Ansicht , dass dieses Motiv bei dem Gang von Unternehmensberatungen auf den Politikberatungsmarkt eine Rolle spielt. Die Mitarbeit von Unternehmensberatern in politischen Expertengremien oder auch ihre Aktiv itaten im Bereich der Besetzung politischer Themenfelder lassen sich gut dazu nutzen , neue Kontakte in die Politik, aber auch in die Wissenschaft und Gesellschaft zu knOpfen. Unternehmensberater bekommen auf diese Weise Zugang zu politischen Entscheidungstragern und anderen gesellschaftlichen Eliten. Haufig ist es
135 jedoch Voraussetzung, beispielsweise fur die Berufung in Expertenkommissionen , dass bereits enge Kontakte zur Polilik bestehen. Gleiches gilt insbesondere fUr die 1:t-Gesprache zu politischen Inhalten, welche wie beschrieben im Wesentlichen auf Vertrauen und Diskretion beruhen und daher meist erst zustande kommen, wenn sich beide Seiten bereits gut kennen. Deshalb kann man hier auch nicht von Kontakte knOpfen, sondern von Ausbau, Pflege oder Vertiefung bereits existierender Kontakte sprechen. Werden Politikberatungsprojekte Ober offene Ausschreibungen vergeben , sind bestehende Kontakte nicht zwanqslaufiq auch ein Vorteil. Wichtig sei es dennoch , gute Kontakte zu pflegen, urn beispielsweise vorab in Oberlegungen eingebunden zu sein oder selbst Projektideen aufsern zu konnen. Rainer Bernnat, Leiter des Beratungsbereichs Offentlicher Sektor bei Booz Allen Hamilton, weist auf die Bedeutung hin, auch mit den politisch Verantwortlichen im Austausch zu stehen: "Weil Auftragsvergabe ein Problem darstellt, hat man gelernt, dass Kontaktaufbau und -pflege sowohl zu Politikern als auch zu Verwaltungsbeamten sehr wichtig sind" (ebd., Interview). Manche Beratungen hatten den Fehler gemacht, sich vor allem um die Verwaltungsse ite zu kOmmern und die politische Seite zu vernachlassigen . Besonders zu den Haushattern und Berichterstattern mOsse man auf der politischen Seite enge Kontakte aufbauen . In der Projektarbeit selbst lassen sich wiederum gut Kontakte knOpfen, insbesondere auch unterhalb der obersten Hierarchieebene in Beratung bzw. Politik und Verwaltung. Kontakte in die Politik zu knOpfen ist haufig kein Selbstzweck , sondern dient vielmehr auch dazu, andere Motive wie etwa die Gewinnerzielung zu unterstOtzen oder dem Image der Firma zu dienen (siehe hierzu weiter unten).
6.3.2 Image, Bekanntheit und Positionierung verbessern
Ein zweites Motiv beim Gang von Unternehmensberatern auf das Feld der Politikberatung ist, den Bekanntheitsgrad insgesamt zu erhohen sowie das Image und die Positionierung der Firma zu verbessern oder zu verandern. Auch Oberdie Bedeutung dieses Motivs besteht breite Obereinstimmung zwischen den befragten Expertengruppen.
136 Adressaten bei dem Ziel, Image und Bekanntheit zu verbessern, konnen mehrere Personengruppen sein. Verrnutlich an erster Stelle steht die Offentlichkeit als Adressat, bei der Ober Politikberatung Imageveranderungen erzielt werden sollen. Der breiten Offentlichkeit sind die Tatigkeiten der Unternehmensberater weitgehend unbekannt. Das kann sich Ober wichtige Politikberatungsengagements schnell andern. "Politikberatung bringt Unternehmensberatern eine unglaubliche Medienprasenz. Urn diese Prasenz mit Anzeigen, Fernsehspots usw. zu erreichen , waren sie viele Millionen Euro losgeworden" (Althaus, Interview). Unternehmensberater selbst bestatlqen, dass man sich intern bei einer Berufung in eine Kommission stets die Frage stellt, welche Offentlichkeitswirkung dieses Engagement haben konnte. Nicht jedoch allein die Prasenz in den Medien und Bekanntheit in der Offentlichkeit, sondern vor allem das Bild von Unternehmensberatern kann und soli unter anderem durch die Politikberatungsaktivitaten verandert werden. Unternehmensberater werden jense its der Wirtschaft haufig als Akteure gesehen, die in Unternehmen Rationallslerunqsmalsnahrnen empfehlen und deshalb Arbeitsplatzverluste zu verantworten haben. Entsprechend negativ ist das Image vielerorts, was nicht zuletzt auch die Diskussion um offentliche Beratungsauftrage im Winter 2003/2004 gezeigt hat. Ein gutes Beispiel sind hier die Aktivitaten von Unternehmensberatern bei der Besetzung politischer Themenfelder, etwa im Bereich der frOhkindlichen Bildung durch McKinsey. FOr viele Beobachter unerwartet, bearbeiten Unternehmensberater hier ein Thema, dass scheinbar oder tatsachllch keine Relevanz fOr ihr entgeltliches Beratungsgeschaft hat, sondern stattdessen hilft, auf ein Problemfeld hinzuweisen, das viele Menschen emotional und nicht nur rational anspricht. Aktivltaten aus dem Bereich der corporate social responsibility sind ahnlich gelagert. Weiterhin dienen die Politikberatungsaktivitaten dazu, aktuelle und potentielle Kunden in Wirtschaft, Verwaltung und Politik zu erreichen. Ihnen kann auf diese Weise kommuniziert werden, dass man als kompetente Problemloser jetzt auch von der Politik in inhaltlichen und strategischen Fragestellungen zu Rate gezogen wird. FOr viele Kunden klinge es gut zu horen: "Der berat sogar den Kanzler" (Unternehmensberater , Interview). Eine solche Meinung Obertrage sich dann auch schnell auf andere. SpOre etwa die Verwaltung, dass die politischen Spitzen Unternehmensberater im Aligemeinen oder einen Berater im Speziellen positiv sehen, dann finge sie auch an,
137 diesen Typ von Beratungsleistung haufiger zu nutzen. "Aus Unternehmenssicht holt man sich grundsatzlich auch in der Politik Reputation" (Bucksteeg, Interview). Dartiber hinaus sind die Politikberatungsaktivitaten, welche offentlich bekannt gemacht werden und so dem Image dienen, auch an Wettbewerber gerichtet. Unternehmensberater konnen
sich
tiber
offentlich
oder branchenintern
bekannte
Engagements in wichtigen Politikfeldern oder bei zentralen politischen Ansprechpartnern von ihren Wettbewerbern abheben. Politikberatung eignet sich also auch zur Positionierung des Unternehmens. SchlieP..lich dienen die Politikberatungsaktivitaten dazu, die Positionierung als Arbeitgeber (extern) oder als Beratungseinheit (intern) fOr aktuelle oder potentielle Mitarbeiter zu verbessern. "Ich kriege nur die besten Leute, wenn sie das GefOhl haben, an den wesentlichen Themen mitzuarbeiten, wenn ich sie begeistern kann" (Unternehmensberater, Interview). Ein spannendes Politikberatungsprojekt zu relevanten Themen bei interessanten Kunden erhohe letztlich auch die Zufriedenheit der Berater selbst. Wer allein Umsetzungsprojekte in der offentlichen Verwaltung durchfOhre, bekomme im Beratungsbereich 6ffentlicher Sektor mittelfristig ein Problem. Nicht immer gelingt es den Unternehmensberatern, ihr eigenes Image oder das der Beraterbranchen tiber die Tatiqkeiten im 6ffentlichen Sektor positiv zu beeinflussen. Vielmehr hat die kontrovers gefOhrte offentliche Diskussion urn Beratungsauftrage bei der Bundesagentur fOr Arbeit zum Jahreswechsel 2003/2004 dazu gefOhrt, dass die Leistungen von Unternehmensberatungen von vielen infrage gestellt wurden.
6.3.3 Mittelbar Gewinn erzielen Ais weiteres Motiv der Unternehmensberater, auf dem Feld der Politikberatung tatig zu werden, gilt die Erzielung von Gewinnen. Unternehmensberater sind privatwirtschaftliche Unternehmungen, das bedeutet, sie operieren prinzipiell, urn Gewinn zu machen. Auf die Frage, warum Unternehmensberater beispielsweise in Kommissionen mitarbeiten, hart man denn auch: "Nicht, weil sie Gutmenschen sind. Unternehmensberatung ist keine karitative Veranstaltung" (Unternehmensberater, Interview). Interessanterweise gibt es an dieser Stelle deutliche Unterschiede in den Ansichten der befragten Experten. Wahrend die befragten Politiker und Wissenschaftler mehr-
138 heitlich der Meinung sind, dass Unternehmensberater in der Politikberatung Geld verdienen wollen, sehen Unternehmensberater Politikberatung eher als Aktivitat, die nicht der Gewinnerzielung dient. Die folgende Abbildung verdeutlicht die Zustimmung der Experten zu der genannten Thematik : "Unternehmensberater betreiben Politikberatung , weil sie damit Geld verdienen wollen." Insgesamt
Nach Expertengruppen
Stimmezu Stimme zu
54,2%
Stimme nicht zu
29,2%
75,0% 28,6% 62,5%
Stimme nicht zu Politiker Berater Wissenschaftler
0% 57,1% 37,5%
n=24; fehlende Prozente: "WeiB nicht" Abb ildung 16: Motiv Geld verdienen
Prinzipiell kann die Gewinnerzielung als Handlungsmotiv unmittelbar - also durch direkte Bezahlung beispielsweise der Projektarbeit zu politischen Inhalten - oder mittelbar befriedigt werden. Letzteres ware der Fall, wenn Unternehmensberater durch Politikberatung keine Einnahmen erzielen, diese Aktivitaten jedoch dazu fOhren, dass sie zu einem spateren Zeitpunkt bezahlte Projekte beispielsweise bei der Umsetzung der Konzepte akquirieren und durchfOhren konnen. Oder aber die Kosten sind zunachst hOher als die Einnahmen, die Unternehmensberater bei den bezahlten Aktivitaten auf dem Feld der Politikberatung realisieren konnen. In diesem Fall konnte die Gewinnerzielung jedoch ebenfalls zu einem spateren Zeitpunkt erfolgen. Unternehmensberater betonen stets, dass es keinen Automatismus gebe, der aus einem unentgeltlichen Politikberatungsengagement bezahlte Projekte werden Iie~e. DarOber hinaus seien derzeit viele der Aktivitaten unbezahlt oder unterbezahlt: Von den vier Politikberatungsaktivitaten flieBe eigentlich nur bei der Projektarbeit Geld. Die Besetzung politischer Themenfelder, also die Aktivitaten im Bereich des Agenda Setting, richten sich ohnehin nur mittelbar an die Politik und werden in keinem Fall bezahlt. Insofern ist - wenn Oberhaupt - davon auszugehen , dass Unternehmensbe-
139 rater mit ihren Politikberatungsaktivitaten mittel- und langfristige sowie indirekte Gewinnerzielung anstreben.
6.3.4 Auf politische Entscheidungen Einfluss nehmen
Ein vierter Grund, warum Unternehmensberater Politikberatung betreiben, ist die Meglichkeit oder der Wunsch, Einfluss auf politische Entscheidungen und damit auf politische Inhalte zu nehmen. Unternehmensberater verfolgen wie jeder rationale Akteur immer auch Interessen. Diese unmittelbar zu artikulieren kann der Anlass fur Unternehmensberater sein, sich in der Politikberatung zu betatigen. Alternativ konnen Unternehmensberater auch deshalb die Nahe zu politischen Entscheidern suchen, weil sie damit ihre Chancen erhOhen, zu einem Zeitpunkt gehert zu werden, zu dem politische Entscheidungen anstehen, die ihr Umfeld verandern oder ihre Interessen auf eine andere Art und Weise betreffen. Nicht notwendigerweise vertreten Unternehmensberater bei der Politikberatung im Sinne eines lobbyistischen Verhaltens die Interessen ihres eigenen Unternehmens. Das ware etwa der Fall, wenn sie politische Matsnahmen vorschlagen oder unterstotzen wOrden, die dem eigenen Unternehmen Beratungsauftrage verschaffen sollen. Ob dieses Verhalten in der Praxis vorkommt, ist unter den Experten umstritten. Ziel kann es ferner auch sein, Einfluss dahingehend auszuOben, dass das Umfeld fur die Beratungsbranche, die Dienstleistungsindustrie oder die gesamte Wirtschaft verbessert oder zumindest nicht verschlechtert wird. Unternehmensberater sind in diesem Fall Lobbyisten der Wirtschaft bzw. Lobbyisten ihrer Branche. Unternehmensberater, so einige Interviewpartner, batten grundsatzlich ein Interesse daran, dass es der Wirtschaft gut gehe. Aus diesem Grund artikulierten sie immer wieder Handlungsfelder, von denen sie meinen, dass die Politik hier etwas andern mOsse. Je besser der Unternehmensberater den politischen Entscheldunqstraqer kennt und je starker er in die Politikformulierung eingebunden ist, desto mehr kann er potentiell Einfluss ausOben. Ob Unternehmensberater Einfluss auf politische Entscheidungen ausOben, wird in Kapitel 7.1 untersucht. An dieser Stelle bleibt nur festzuhalten, dass die Einfluss-
140 nahme ein weiteres Motiv ist, warum Unternehmensberater sich auf dem Feld der Politikberatung betatiqen.
6.3.5 Der gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden
Ein fOnftes Motiv von Unternehmensberatern ist es, Ober ein Engagement in der Politikberatung ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden. Unternehmensberater. so argumentierten einige der befragten Experten, arbeiten in Kornmissionen mit, fOhren Beratungsgesprache und stellen in anderer Form ihr Wissen zur VerfOgung, urn dem Land bzw. der Politik bei der Bewaltigung ihrer Aufgaben zu helfen und so einen Beitrag zum Wohlergehen des Landes zu leisten. "Mein Anspruch als Berater ist es nicht, dass ich an der Spitze von Politik oder Verwaltung bestimme, was passiert - ich m6chte aber mit darOber nachdenken, was sinnvoll sein k6nnte. Aus der Erfahrung, wie Umsetzungs- bzw. Transformationsprojekte wirken und wie Organisationen aussehen , muss ich auch sagen, was machbar ist und was nicht' (Kllmrner, Interview). Es gibt zweifelnde Stimmen. die hinter diesen idealistischen BegrOndungen letztlich wiederum die Befriedigung anderer Motive hervortreten sehen, beispielsweise das der Imageverbesserung und letztlich auch der Gewinnerzielung . Allerdings akzeptieren die meisten der befragten Wissenschaftler und Politiker, dass ein altruistisches Verhalten von Unternehmensberatern durchaus eines ihrer Handlungsmotive sein kann und haufig auch ist: "Sie wollen auch einen Beitrag zur gesellschaft lichen Debatte leisten. Das wOrde ich durchaus respektieren und ernst nehmen" (Polltiker, Interview). Unternehmensberater. die sich an prominenter Stelle in der Politik engagieren. sehen sich selbst als political animals , die mit qrofsern Interesse und Engagement Ober politische Fragen nachdenken wollen. Einige fOhlen sich auch verpflichtet, bei der Politikgestaltung mitzuwirken . "Ich bin mir sicher, dass Berger, Kluge, Henzler und Co. sich dazu auch berufen fOhlen", denn "wenn man sich nicht dazu berufen fOhlt, kann man Politiker auch nicht Oberzeugen" (Unternehmensberater, Interview). Neben den genannten fOnf Motiven, die Unternehmensberater mit der Politikberatung verfolgen, kamen einige weitere GrOnde in den Experteninterviews zur Sprache. So
141 wOrden Untemehmensberater beispielsweise bei Politikberatungsprojekten selbst mehr lernen konnen als bei reinen Umsetzungsprojekten, die die meisten Beratungsunternehmen sehon sehr haufig durehgefOhrt haben - der interne Wissensaufbau sei also ein rnoqliches Motiv. Ein weiteres ziele darauf ab, Freundsehaften zu bedienen: Wenn einen ein befreundeter Politiker urn ein Beratungsgespraeh oder die Mitarbeit in Kommissionen bittet, wOrde man ihm den Freundsehafisdienst aueh gerne erweisen wollen. Schliefsllch kann Unternehmensberater aueh die Tatsaehe in das Feld der Politikberatung treiben, dass Konkurrenten dort tatig sind und man dem nieht naehstehen und so rnoqlicherwelse langfristige Entwieklungsehaneen versehlafen
rnochte. Die fOnf detaillierter besehriebenen Motive der Unternehmensberater bei der Politikberatung konnen jedoeh als die wiehtigsten gelten. Sie zeigen analog zu den Motiven der Politiker bei der Beauftragung der Unternehmensberater, dass es ein BOndel an GrOnden gibt, warum es sieh in der Sieht der Akteure lohnt, ihr bisheriges Verhalten zu verandern und ein neues Feld bzw. einen neuen Akteur zu berOeksiehtigen. Der folgende Absehnitt untersucht als Exkurs zur Vorgehenswe ise der Unternehmensberater etwas genauer, wie Unternehmensberater auf dem Feld der Politikberatung tatig werden.
6.4 Exkurs: Die Vorgehensweise der Unternehmensberater bei der Politikberatung In diesem Abschnitt soli erortert werden, wie Unternehmensberater vorgehen, wenn sie Politikberatung betreiben. Dazu wird zunachst beleuchtet, welche strategischen Oberlegungen Ausgangspunkt eines moqtiehen Engagements auf dem Feld der Politikberatung sind (6.4.1). Anschllefsend wird untersucht, wie sie die fUr die Politikberatungstatigkeit notiqen Kompetenzen aufbauen (6.4.2) sowie die Themen auswahlen, zu denen sie Beratung anbieten wollen (6.4.3). Zum Schluss stehen einige Erlauterunqen zu der Frage, wie Unternehmensberater die Nachfrage naeh ihren Politikberatungsleistungen zu stimulieren versuchen.
142 6.4.1 Strategische Oberlegungen a/s Ausgangspunkt: Politikberatung ja oder nein? Nicht immer haben Unternehmensberater bereits eine strategische Entscheidung darObergetroffen, ob sie auf dem Feld der Politikberatung tatig werden wollen, bevor sie genau dies tun. Nach Aussagen einiger Unternehmensberater kommt es namllch vor, dass sie im Rahmen von Verwaltungsberatungsprojekten von Politikern gebeten werden, auch in Policy-Fragestellungen behilflich zu sein. Auch werden sie als Personen des offentlichen Lebens in Kommissionen berufen und wirken dort an der Politikformulierung mit. Mit anderen Worten: Die ersten Aktivitaten konnen durch die Nachfrageseite initiiert sein bzw. eingefordert werden und deshalb Unternehmensberater vergleichsweise unvorbereitet treffen. In der Regel stellen sich Unternehmensberater jedoch die grundsatzliche Frage, ob Politikberatung ein Betatigungsfeld fOr sie sein kann und sollte und welche Ziele sie damit verfolgen wollen, bevor sie auf diesem Feld tatig werden. 1st die Politikberatung in erster Linie eine altruistische Aktivitat einzelner Personen, die sich als political
animals auch zu Politikfeldern Gedanken machen wollen, so muss zumindest Oberlegt werden, welche positiven und negativen Auswirkungen diese Tatlqkeiten auf die sonstigen Aktivitaten des Beratungsunternehmens haben konnten. Begreifen Unternehmensberater das Feld der Politikberatung dagegen als (kOnftigen) Markt und streben an, dort (gewinnbringend) tatig zu werden, so mOssen sie sich strategische Fragen zur ErschlieBung dieses Tatiqkeitsfeldes stellen. Wie an frOherer Stelle erwahnt sind Unternehmensberater aufgrund ihres Geschaftsmodells, welches in besonderem MaBe auf der Annahme kontinuierlichen Wachstums beruht, darauf angewiesen, ihr Geschaft standig auszuweiten. Das kann Oberdie Erschlier..ung neuer Kundenschichten gelingen, wie es McKinsey seit einiger Zeit versucht, indem es sich auch mlttelstandischen Unternehmen offnet. Das Wachstumsziel kann ebenfalls Ober fortgesetzte Expansion ins Ausland, also durch die Er6ffnung neuer BOros, erreicht werden. Oder aber Unternehmensberater sehen sich nach Moglichkeiten um, existierenden Auftraggebern neue Beratungsleistungen anzubieten. Letzteres ist der Fall, wenn Unternehmensberater ihren Kunden aus Politik und Verwaltung nun auch inhaltliche Politikberatungsleistungen im Sinne von
Policy-Beratung offerieren. Dass Unternehmensberater ohne Erfahrungen bei der Verwaltungsberatung Politikberatung betreiben wollen, ist sehr unwahrscheinlich. Genauso unrealistisch ist es
143 bei der derzeitigen Aufstellung und dem heutigen Geschaftsmodell von Unternehmensberatern, Politikberatung zu betreiben, ohne gleichzeitig andere bezahlte Projekte im offentlichen Sektor durchzufOhren. So besteht denn auch ein enger Konnex zwischen der Verwaltungs- und Politikberatung. Kostenlose Politikberatung wird von einigen Interviewpartnern auch als "vorgelagerte Stufe" (Fink, Interview) bezeichnet, die die bezahlten Beratungsprojekte in der 5ffentlichen Verwaltung sowie in staatlichen Unternehmen erqanzt, "Politikberatung ist fOr mich entweder der Anfang oder der Schluss, und dazwischen wird das Geld verdient" (Ant, Interview). Insofern rnussen auch die strategischen Gedanken zur Erschliefsunq des Tatigkeitsfelds Politikberatung eng an Oberlegungen gekoppelt sein, wie man den 5ffentlichen Sektor insgesamt bearbeiten will. Wie bei jedem neuen Engagement ist zunachst eine fundierte Analyse notig: Unternehmensberater Oberlegen sich, welche Chancen und Risiken die Aktivitaten mit sich bringen wOrden und welche Starken bzw. Schwachen sie als potentieller Anbieter besitzen. Sie beobachten ihre Wettbewerber, schatzen die Marktentwicklung ab und treffen dann eine Entscheidung darOber, ob es sich lohnt, auf dem neuen Feld tatig zu werden. Eines der gror.,ten Risiken eines Engagements auf dem Feld der Politikberatung ist es nach Meinung vieler Interviewpartner aus allen drei Expertengruppen fOr Unternehmensberater, Spielball der 5ffentlichen Meinung und politischen Interessen zu werden. "Politikberatung ist ein vermintes Gelande" (Kieser, Interview). Die Beratung des offentlichen Sektors und insbesondere die Politikberatung erfordere ein erhohtes FingerspitzengefOhl und ein fundiertes Verstandnis von policy und politics. Dass die offentliche Meinung ein Risiko darstellt, hat die Debatte um offentliche Beratungsauftraqe im Winter 2003/2004 eindrucksvoll gezeigt. "Die Aktivitaten in der Politik konnen auch nach hinten losgehen" (Fink, Interview). Rufschadigung sei eine qrofse Gefahr, die im schlimmsten Fall auch negative Auswirkungen auf das restliche Beratungsgeschaft haben konne, Aulserdern seien die Auswirkungen von Fehlverhalten der Unternehmensberater drastischer als im privatwirtschaftlichen Kontext. Nicht nur angesichts der schwer einzuschatzenden offentlichen Meinung, sondern auch aus betriebswirtschaftlichen Oberlegungen heraus ist ein Engagement auf dem Feld der Politikberatung mit vielen Risiken behaftet. Dazu geh5rt zunachst einmal, dass nicht unerhebliche Anfangsinvestitionen bei sehr unsicheren ROckflOssen notig
144 sind. So muss die Unternehmensberatung intern Wissen zu Politikfeldern aufbauen oder Experten einkaufen, sofern sie die Expertise noch nicht selbst vorhalt. Aufserdem sind vermutlich umfangreiche Vorleistungen in der Form von Gutachten oder Pro-bono-Beratungsprojekten notig, urn dem Anbieter zu zeigen, dass man auch in Policy-Fragestellungen kompetent ist und hilfreich sein kann. In der Vergangenheit war die Politik als Auftraggeber nur selten bereit, Polltikberatunqsauftraqe an kommerzielle Anbieter zu vergeben. Bei der Politikberatung lassen sich zudem nur deutlich niedrigere Taqessatze und damit auch Margen realisieren als im Kernqeschaft von Unternehmensberatern. Allerdings gibt es auch Chancen wie etwa die Erschliefsunq neuer Umsatzpotentiale, Imagegewinne, neue Kontakte, ein tieferes Verstandnis des offentlichen Beratungsmarktes, eine Starkunq der Akquisitionskraft, Synergieeffekte mit anderen Aktivitaten und anderes mehr. Ein Blick in andere Lander zeigt zudem, dass sich die Politik in Landern wie Grofsbritannien, den Niederlanden oder Luxemburg teilweise deutlich umfangreicher als hierzulande von professionellen und kommerziell arbeitenden Beratungsanbietern wie Unternehmensberatern beraten lasst, Langfristig betrachtet konnte sich auch in Deutschland das Klima verandern und Politikberatung durch Unternehmensberater selbstverstandllch werden. Eine entgegengesetzte Entwicklung, bei der die Bereitschaft der Politik, in inhaltlichen Fragestellungen auch auf Unternehmensberater zurOckzugreifen, von niedrigem Niveau ausgehend bereits wieder abnehmen wOrde, ist jedoch ebenfalls nicht auszuschliefsen (siehe hierzu die AusfOhrungen zur Zukunft der Politikberatung durch Unternehmensberater, Kapitel
7.3). Welche Starken mOssen Unternehmensberater haben, wenn sie erfolgreich Politikberatung betreiben wollen? Auf diese Frage hin nennen die befragten Experten eine ganze FOlie von Aspekten. Eine Kombination aus "aufgebauter Reputation und interner Kompetenz" (Fiedler, Interview) sei notig. Man brauche neben der Beratungskompetenz und dem Wissen Ober Problernlosunqen im privaten Sektor zunachst einmal eine Expertise inhaltlicher Art in den zu bearbeitenden Politikfeldern (policy). Weiterhin sei eine detaillierte Kenntnis des offentlichen Sektors, der politischen Strukturen (polity) und politischer Prozesse (politics) unabdingbar. Urn standiqen Austausch zwischen den einzelnen Beratungsbereichen im Unternehmen zu gewahrleisten, sei eine hohe Permeabllitat notig, und zwar inhaltlicher wie personeller Art.
145 Manche Experten halten Mitarbeiter mit Verwaltungs- und Politikerfahrung fOr unbedingt erforderlich, andere verweisen darauf, dass man Ober langjahrige Projekterfahrungen als Berater im offentlichen Sektor ebenfalls die notigen Einblicke gewinnen konne. Manche glauben, dass man als Politikberater Generalist sein sollte, andere sehen dagegen den Spezialisten in einem Politikfeld als den richtigen Berater an, weil nur dieser bei der Politikformulierung auch in die Tiefe gehen konne. Die projektbezogene Zusammenarbeit von Generalisten und Spezialisten in dem jeweiligen Politikfeld ist vermutlich kein schlechtes Modell. Weitgehende Einigkeit besteht dahingehend, dass Politikberater mit den Medien umgehen konnen mOssen. Bekanntheit in den Medien sei rnoqlicherweise auch ein Vorteil: "Ich glaube, man braucht Medienprasenz fOr das Geschaft mit der Politik" (Wissenschaftler, Interview). "Wer Top-Managementberatung in der Politik machen will, muss auch agenda setting und agenda shaping machen konnen - und zwar ohne dass dies mit parteipolitischen Praferenzen versehen ist" (Unternehmensberater, Interview). Vor allem aber sei es fOr samtliche Beratungsleistungen im offentlichen
Sektor
unabdingbar,
dass
die
Unternehmensberater
Sympathie
und
Wertschatzung fOr den offentlichen Sektor aufbringen, seine Besonderheiten kennen und verstehen wollen und in der Lage sind, sich mit integrem und sozial kompetentern Verhalten in diesem fOr sle zunachst einmal ungewohnten Umfeld auch Vertrauen zu schaffen. Hat sich eine Unternehmensberatung dazu entschieden, Politikberatung zu betreiben, dann stellt sich die Frage, mit welchem Personal und zu welchen Inhalten bzw. Themen die Beratungsleistungen angeboten werden sollen. 1m folgenden Abschnitt geht es zunachst darum, wie Unternehmensberater die Kompetenzen fOr die Politikberatung aufbauen.
6.4.2 Kompetenzaufbau
Urn Politikberatung betreiben zu konnen, mOssen Unternehmensberater Ober Kenntnisse verfOgen, die Ober jene hinausgehen, die in der Unternehmens- und Verwaltungsberatung Anwendung finden. Unter anderem, so die befragten Experten, benotiqen sie Wissen in Politikfeldern (policies), Kenntnisse der politischen Struktu-
146 ren (polity) sowie des politischen Prozesses (politics) mit den Ratlonalitaten und lntentionalitaten der sie tragenden Akteure. In den allermeisten Fallen waren diese Kompetenzen nicht oder nur sehr begrenzt bereits intern vorhanden, als Unternehmensberater erste Erfahrungen im offentlichen Sektor gesammelt haben. Mit dem zunehmenden Vordringen von der Beratung staatIicher Unternehmen zur Verwaltungsberatung und schlielsltch zur Politikberatung wurden wie im vorangegangenen Kapitel erlautert diese Kompetenzen immer relevanter. Anders gesagt: Bei der Beratung staatlicher Unternehmen waren die Kenntnisse politischer Strukturen, Inhalte und Prozesse noch weitgehend entbehrlich, bei der Verwaltungsberatung bisweilen hilfreich bzw. teilweise auch zwingend notig und bei der Politikberatung dann absolut erforderlich. Prinzipiell gibt es zwei Moglichkeiten, diese Kompetenzen zu erlangen: Intern, also beim bestehenden Personal neues Wissen beispielsweise durch Projekterfahrung, Fortbildung und eigene Forschungsaktivitaten in Politikfeldern erlangen, und extern, also Ober die Rekrutierung von Policy-Experten und Kennern politischer Strukturen und Prozesse. Die meisten Unternehmensberatungen, die in die Felder Verwaltungsberatung und spater auch Politikberatung vorgedrungen sind, haben beide Wege gleichzeitig beschritten. Zum Aufbau der Kompetenzen fOr die Verwaltungs- und Politikberatung wurden haufig Experten von aufsen in die Beratungshauser geholt.32 Unter anderem haben Unternehmensberater in den vergangenen zehn Jahren die folgenden Personlichkeiten aus Politik bzw. offentlicher Verwaltung anwerben konnen: •
Dietrich Stobbe, ehemals Regierender BOrgermeister in Berlin, hat nach Ende seiner politischen Tatlqkeit von 1991 bis 1996 beim Beratungsunternehmen Arthur D. Little gearbeitet.
•
Volker Hauff, frOher Bundesminister fOr Forschung und Technologie sowie Verkehr und OberbOrgermeister in Frankfurt am Main, arbeitet seit 1995 bei der Unternehmensberatung BearingPoint, frOher KPMG Consulting.
32
FOr weitere Beispiele siehe Staute (1996: 93ff.). Auch WirtschaftsprOfer, Personalberatungen, Public-Affairs-Agenturen, Banken, Beteiligungsgesellschaften und Kanzleien beschiiftigen ehemalige Politiker bzw. Verwaltungsexperten.
147 •
Jobst Fiedler, frOher Oberstadtdirektor in Hannover, ist im Jahr 1996 zu Roland Berger Strategy Consultants gestoBen und hat dort bis 2004 das Public-SectorGeschaft verantwortet.
•
Andreas von Schoeler, ehemals Staatssekretar im Bundesinnenministerium und OberbOrgermeister in Frankfurt am Main, arbeitete als Berater erst bei Andersen Consulting (heute Accenture) und gehOrt seit 2000 der Beratungsfirma CSC Ploenzke an.
•
Matthias Machnig, ehemals SPD-BundesgeschaftsfOhrer und Leiter des SPDBundestagswahlkampfs im Jahr 2002, ist danach vorObergehend in die Beratungsbranche gewechselt und hat bei Booz Allen Hamilton versucht, einen Bereich Politikberatung aufzubauen.
•
Torsten Oltmanns ist nach Tatigkeiten als Berater bei McKinsey und im Bundesverteidigungsministerium im Jahr 2001 zur Beratungsfirma Booz Allen Hamilton gekommen, urn dort den Geschaftsbereich Offentlicher Sektor voranzutreiben und gemeinsam mit Matthias Machnig den Bereich der Politikberatung aufzubauen. Seit 2004 arbeitet er fOr das Unternehmen Roland Berger Strategy Consultants.
Politiker und Verwaltungsexperten in Unternehmensberatungen zu holen und sie dort zu integrieren, ist nach Obereinstimmenden Aussagen der Unternehmensberater nicht einfach. Denn, so die haufig geauBerte Einschatzung, Politik-Aussteiger und Beratungs-Einsteiger verstOnden zwar vier von politischen Inhalten und Prozessen, aber haufig nur wenig davon, wie Beratung funktioniere und wie man Beratungsprojekte verkaufe. AuBerdem seien sie anders sozialisiert als Berater: "Politiker in die Beratungshauser zu holen ist sehr schwierig. Je kleiner das Beratungsteam, desto schwieriger ist es, den Einsteiger zu integrieren" (Bernnat, Interview). Hilfreich sei, wenn der Politikexperte vor seiner Tatigkeit in der Politik in einem beratenden Beruf tatig war oder zumindest in seinen politischen Funktionen als Auftraggeber von Beratungsprojekten unmittelbar mit Unternehmensberatern zusammengearbeitet hat. Ein weiteres Problem bei der Einstellung von Politik-Aussteigern ist, dass Unternehmensberater in der Regel zu vermeiden versuchen, einem politischen Lager zugeordnet zu werden, aber dass die Politik-Aussteiger meistens einer politischen Partei oder zumindest einer bestimmten Regierung angehOren oder anqehorten. Auch fOr
148 die Kommunikation nach autsen sind solche Neueinstellungen deshalb eine Herausforderung . Insgesamt , so die kritische Bilanz von Jobst Fiedler zur Integration von politischen Personlichkeiten nach ihrem Ausst ieg aus der Politik, haben Unternehmensberater bisher "mit Ex-Politikern, autser als rainmakef33 und Mit-UnterstOtzer, kaum Erfolg gehabt" (ebd., Interview). Andere Berater dagegen betonen, dass Politik-Aussteiger signifikant zum Wissensaufbau haben beitragen konnen , Vor allem aber seien sie als "Akquise-Lokomotiven" (Niedereichholz, Interview) fOr die Beratungsunternehmen in ihrem Streben danach, Verwaltungs- und Politikberatung zu betreiben, sehr nOtzlich gewesen - und seien es bis heute. Unternehmensberatungen haben nicht nur prominente Ex-Politiker mit dem Ziel des Wissensaufbaus eingestellt, sondern auch Hochschulabsolventen und andere hoch qualifizierte Bewerber im Rahmen des normalen Rekrutierungsprozesses. Starker als bisher wurde bei manchen Unternehmen darauf geachtet. auch solche Nachwuchsberater elnzustellen, die fOr Beratungstatigkeiten im offentlichen Sektor besonders geeignet erscheinen . Nicht zwangslaufig mOssen das Politologen , Juristen oder Soziologen sein. Aber allein die Tatsache, dass die eingestellten Politik-Aussteiger oder mit dem Publlc-Sector-Geschatt betrauten Experten an den Rekrutierungsveranstaltungen teilgenommen und die Bewerber mit ausqewahlt haben, hat dazu gefOhrt, dass heute mehr politik- und verwaltungsaffine Berater in den Unternehmensberatungen arbeiten als frO her. Neben den genannten Vorgehensweisen beim Wissensaufbau durch den externen Zukauf von Experten gibt es verschiedene Moglichkeiten, die Unternehmensberater genutzt haben, urn unternehmensintern insbesondere das notige Policy- und Po/iticsWissen aufzubauen . Zunachst einmal haben Unternehmensberater wahrend ihrer Projektarbeit im offentlichen Sektor - also via training on the job - Erfahrungen und Wissen gesammelt. das ihnen bei der Politikberatung helfen kann. Nach Meinung einiger Berater sei das ohnehin die am besten geeignete Art, Wissen in Politikfeldern aufzubauen, denn
33
Als rainmaker oder Regenmac her wird hier ein Akteur verstande n, der nicht unbedingt die ihm zugeda chle Funktion erfOIlt (Polilikberalung durchfOhren, Regenmacher: Regen machen) , dafOr jedoch auf andere Weise von Nutzen ist.
149 praxisrelevantes Wissen gebe es nun mal am ehesten in der Praxis, "also muss ich rausgehen und es mir dort aneignen" (Untemehmensberater, Interview). DarOber hinaus haben die Politik-Aussteiger sowie andere Berater mit politischem Wissen und Verstandnls ihr Know-how intern weitergeben konnen. So hatten andere Berater zum Beispiel wahrend der Projektarbeit , im Rahmen von Workshops oder bei sonstigen gemeinsamen Diskussionen und Veranstaltungen das Wissen vermittelt bekommen . Versucht wurde aufserdern, im Rahmen eines so genannten fellowship program, also durch einen mehrmonatigen Austausch zwischen Beratern und Ver-
waltungspersonal eines Bundesministeriums, das notige Wissen in die Beratung zu transferieren. Eine weitere Form des Wissensaufbaus in Unternehmensberatungen war und ist der systematische Austausch mit der Wissenschaft und Praxis. So wurden - beispielsweise von McKinsey zum Politikfeld Bildung oder von Roland Berger zum Politikfeld Gesundheit - Fachforen organisiert, Konferenzen veranstaltet und Vortraqe und Publikationen erarbeitet. Sie aile dienen darOber hinaus auch dazu, offentlichkeitswirksam auf die eigenen Kompetenzen aufmerksam zu machen. Schllelslich unterhalten einige Unternehmensberatungen Forschungseinheiten oder -institute, die wie beispielsweise das McKinsey Global Institute auch zu politischen Themen und Fragen des offentlichen Sektors forschen und publizieren (McKinsey: Website "McKinsey Global Institute"). Zusammen genommen lasst sich festhalten, dass Unternehmensberater meist recht systematisch Wissen fOr die Politikberatung aufbauen und dabei sowohl extern wie auch intern
Ma~nahmen
ergreifen.
6.4.3 Themen-IPolitikfeldauswahl
Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Frage, wie Unternehmensberater auf dem Feld der Politikberatung vorgehen, ist der Aspekt der Themenauswahl. Unternehmensberater Oberlegen sich in der Regel genau, zu welchen Politikfeldern sie sich aufsern und ihre Beratungsdienstieistungen anbieten wollen. Abhangig sind diese Oberlegungen natorlich zunachst einmal von den Kompetenzen, Kontakten und Interessen der eigenen Mitarbeiter. DarOber hinaus sind jedoch verschiedene Kriterien bei der
150 Auswahl entscheidend. Sie werden im Foigenden erlautert, bevor einige Aspekte der Vorgehensweise beschrieben werden. Ein erstes wesentliches Kriterium bei der Auswahl ist das BedGrfnis der Politik an Beratung. "Der Berater sucht das Feld danach ab, wo Teilsysteme in eine besondere strategische Klemme kommen" (Fiedler, Interview), also etwa veranderte Spielregeln den Status quo verandern werden, neue Konkurrenten hinzukommen, Kostenstrukturen nicht mehr haltbar sein werden und so weiter. Doch nicht nur Diskontinuitaten und damit eine objektive Notwendigkeit von Veranderungen seien entscheidend bei der Beurteilung des BeratungsbedGrfnisses, sondern vielmehr auch die Bereitschaft der politischen Entscheider, wirklich etwas zu verandern. Die Politik konne bisweilen dranqende Probleme Gber viele Jahre lang unbearbeitet lassen, weil sie sich von der Bearbeitung anderer Probleme einen
gro~eren
politischen Nutzen erwarte.
Weiterhin verfolgen Unternehmensberater bei ihren Politikberatungsaktivitaten unmittelbar oder mittelbar Gber andere Projekte (siehe oben) - die Absicht, Geld zu verdienen. Deshalb stellt sich bei der Themenauswahl zusatzlich die Frage, fOr welche Beratungsleistungen von Unternehmensberatern die Politik bereit sein konnte zu bezahlen: "Beratungen suchen systematisch nach Themen, die Nachfragepotential beinhalten" (Kieser, Interview). Wichtig sei dabei, dass es eine "natorliche ownership" gebe: "Jemand muss nachher die Auftraqe erteilen" (Unternehmensberater, Interview). Aufserdern mOssten sich die Themen fOr mehr als nur ein Projekt eignen. Ein nachstes wichtiges Auswahlkriterium fOr Politikfelder bzw. Themen sind die Politikberatungsangebote anderer Unternehmensberater oder sonstiger Beratungsdienstleister, von denen man sich rnoqlichst absetzen mochte. "Man sucht Themen, die auf Beraterseite noch nicht klar gelabelt sind" (Unternehmensberater, Interview). Das Thema Bildung ist beispielsweise in den vergangenen Jahren recht erfolgreich von JGrgen Kluge, dem Deutschland-Chef von McKinsey, besetzt worden, so dass es eher unwahrscheinlich sein dGrfte, dass andere Unternehmensberater ebenfalls dieses Thema zur Profilierung nutzen. Aufserdern Gberlegen sich Unternehmensberater, bei welchen Themen und in welchen Politikfeldern sie Oberhaupt gegen andere Wettbewerber eine Chance haben: "Beim Thema Rente waren wir lanqst nicht so gut. Das ist ein so kompliziertes Gebiet, das haben wir dem Rurup Gberlassen" (Fiedler, Interview).
151 Weiterhin entscheidet Ober die Themenauswahl auch die Frage, ob es einen Konnex zu den anderen Beratungsaktivitaten gibt. Also: Kennen andere Beratungssegmente oder Kunden davon profitieren, dass man das eine oder andere Politikfeld bearbeitet und Politiker in diesem inhaltlich berat? Haufig eignen sich deshalb die Politikfelder, mit denen man im Rahmen von anderen Projekten bereits zu tun hatte. Um die richtigen Themen auszuwahlen , beobachten Unternehmensberater kontinuierlich eine Vielzahl von Politikfeldern und fragen sich, welches Thema aus dem Bereich des Offentlichen Sektors akut werden konnte. 1st ein solches identifiziert, Oberlegt man, wie es sich fOr die Beratungsnachfrage konkretisieren lasst, Mit Blick auf die Kernkompetenz von Unternehmensberatungen, narnllch die Bearbeitung wirtschaftlicher Fragen, liegt es nahe, politische Fragestellungen okonomisch zu betrachten. Deshalb wird aus dem Thema Gesundheit nicht etwa eine forschungsethische Analyse durch Unternehmensberater, sondern vielmehr die konzeptionelle und organisatorische UnterstOtzung bei der EinfOhrung der so genannten Gesundheitskarte und aus dem Thema Demografie nicht eine allgemeine Studie zu den Foigen fur die Gesellschaft, sondern konkreter eine Analyse der unmittelbaren Folgen fOr die Unternehmen und damit auch fOr wirtschafts- und ordnungspolitische We ichenstellungen durch die Politik. Unternehmensberater testen auch Themen und Markte, indem sie immer wieder mal "einen Testballon steigen" lassen (Politiker , Interview) . Das kann mittels einer Veroffentlichung zu einem bestimmten Thema geschehen , aber auch durch ein Treffen mit einem Politiker , dem der Unternehmensberater erzahlt, worOber er gerade nachdenkt. Aus der Reaktion seines GegenObers kann er dann rnoqlicherwelse Anhaltspunkte dafOr gewinnen, ob sich ein weiteres Nachdenken Ober das Thema lohnt. Auch aus Beratungsprojekten entstehen Themen , die man testen kann. In der Regel beginnen Unternehmensberater mit der Bearbeitung einzelner Themenmodule oder Problemaspekte, bevor Expertise und Beratungsleistungen sukzessive ausgedehnt werden.
6.4.4 Stimulierung der Nachfrage
Um die aufgebauten Kompetenzen in ausqewahlten Themenfeldern tatsachlich auf dem Feld der Politikberatung einsetzen zu konnen, warten Unternehmensberater in
152 der Regel nicht einfach ab, bis Politiker sie mit Politikberatungstatigkeiten beauftragen oder ein passendes Projekt ausgeschrieben wird. Vielmehr versuchen sie, die Nachfrage nach ihren Leistungen zu stimulieren. Ziel dabei ist es, die im vorigen Abschnitt eriauterten fOnf Motive, die Unternehmensberater beim Gang auf das Feld der Politikberatung verfolgen, zu befriedigen. Die Stimulierung der Nachfrage geschieht mindestens auf dreierlei Weise: Unternehmensberater versuchen erstens, wahrend der Projektarbeit in der Verwaltung ihren Projektpartnern aus Politik und Verwaltung zusatzllche Projektmodule schmackhaft zu machen, die sie in das Feld der Politikberatung bringen wOrden . Sie versuchen zweitens, Ober ihre Kontakte zu politischen Entscheidungstragern Themen und Ideen zu platzieren, die sie fOr politische Auftraggeber interessant werden lassen. SchlieBlich versuchen Unternehmensberater drittens, in der Offentlichkeit als kompetente Akteure auch in Policy-F ragestellungen anerkannt zu werden, was wiederum das Interesse von politischen Akteuren steigern soli und kann. Zunachst zu dem Versuch, die Nachfrage nach Politikberatungsleistungen Obereine Erweiterung laufender Verwaltungsprojekte zu erzielen: Unternehmensberater haben viele Jahre lang Verwaltungsprojekte im Rahmen von New Public Management durchgefOhrt. Unter anderem aus der dabei gewonnenen Erkenntnis heraus, dass beispielsweise Produktdefinitionen oder auch die Implementierung von Kosten- und Leistungsrechnungssystemen nicht ausreichen, hohe Kosten und Ineffizienzen in der Verwaltung zu beseitigen, haben einige Unternehmensberater dann verstarkt darauf hingewiesen, dass Veranderungen auf der Aufgabenseite notig seien. So entstanden Projekte, in denen unter dem Stichwort der Aufgabenkritik das Spektrum von Verwaltungsaufgaben hinterfragt und Konzepte entwickelt wurden, wie man bestimmte Aufgaben weglassen, ausgliedern oder beispielsweise in public private partnerships OberfOhren kann. Das strategische Hinterfragen der Aufgabenseite hat Unternehmensberater dann zu Policy-Fragestellungen in der Schulverwaltung, bei Sozialamtern, bei Finanzarntern
und in anderen Verwaltungsorganisationen gefOhrt. Jobst Fiedler erinnert sich: "Wir hatten nicht gleich fur die einzelnen Policy-Felder Losungen, wir konnten aber ganz intelligent Fragen stellen" (ebd., Interview). Und ein anderer Unternehmensberater erqanzt: "Man erkennt haufig erst nach Wochen der Auseinandersetzung mit dem Beratungsthema, dass das eigentliche Problem tiefer liegt" (Unternehmensberater,
153 Interview) . Insofern kame es auch heute immer wieder vor, dass aus Beratungsprojekten mit Umsetzungsfokus im offentlichen Sektor Politikberatungsprojekte oder -module generiert werden konnen . Auch Ober personliche Kontakte zu politischen Entscheidern und die Pflege von Netzwerken versuchen Unternehmensberater, die Nachfrage nach ihren Politikberatungsleistungen zu stimulieren. Dazu nutzen sie Kontakte auf allen Ebenen der Polltik. "Ein guter Draht ist ganz wichtiger Bestandteil des Positionierungsprozesses und spater auch des Verkaufsprozesses" (Bernnat, Interview), wobei die Projekte dann letztlich ausgeschrieben wOrden. 'P ersonhche Kontakte konnen dazu beitragen , Themen zu identifizieren . Manchmal werden daraus spater konkrete Projekte" (Oltmanns , Interview). Immer wieder machen Unternehmensberater in Gesprachen mit politischen Entscheldunqstraqern auch konkrete Projektvorschlaqe - wobei sie "sich mit Aktivismus keinen Gefallen tun" (Adamowitsch , Interview). In einigen Beratungsunternehmen versucht man deshalb , den Kontaktaufbau wie auch die Kontaktpflege verstarkt zu systematisieren und zu professionalisieren, urn beispielswe ise den Zeitpunkt der Ansprache eines Politikers zu optimieren und sich im Sinne eines key account ma-
nagements urn die wichtigsten Ansprechpartner verstarkt kOmmern zu konnen. Aur.,erdem: "Kein Berater macht heute mehr den Fehler, sich nicht urn die Opposition zu kOmmern" (Bucksteeg , Interview). Schllefslich versuchen Unternehmensberater drittens, Ober die Offentlichkeit indirekt die Nachfrage nach ihren Politikberatungsleistungen zu stimulieren. Wie in Kapitel 5.2 beschrieben , besetzen sie politische Themenfelder, indem sie zu einem Politikfeld eigene Expertise erarbeiten und diese dann Ober Konferenzen , Publikationen , Interviews und haufig auch kostenlose Beratungsengagements in dem jeweiligen Politikfeld kommunizieren. Prasenz in der Offentlichkeit zeigen vor allem Roland Berger, der sich zu einer Vielzahl von Politikfeldern aulsert, sowie, wenn auch deutIich weniger, JOrgen Kluge von McKinsey. Jede der drei Vorgehensweisen zur Stimulierung der Nachfrage nach Politikberatungsieistungen lassen sich Unternehmensberater Zeit und Geld kosten. So werden haufig kostenlose Expertisen als Vorleistungen erstellt. EndgOitig zustande kommen die Politikberatungsaktivitaten dann aber in den meisten Fallen Ober die Teilnahme
154 an offentlichen Ausschre ibungsverfahren (Projekte bezahlter Art), durch Berufungen (Kommissionsarbeit) und Ober personliche Vereinbarungen (1.t-Gesprache). Festhalten lasst sich, dass Unternehmensberater in der Regel sehr systematisch Oberlegen, ob und wenn ja mit welchen Themen und welchem Personal sie Politikberatung betreiben wollen . Auf unterschiedl ichen Wegen versuchen sie zudem , die Nachfrage nach ihren Leistungen zu stimulieren .
6.5 Zusammenfassung
1m vorangegangenen Kapitel wurde dargestellt, warum Politikberatung durch Unternehmensberater Oberhaupt zustande kommt, welche Motive Politiker und Unternehmensberater dabei antreiben und wie Unternehmensberater vorgehen, wenn sie Politikberatung betreiben bzw. betreiben wollen . Dass sich Politiker Oberhaupt offen fOr neue Beratungsanbieter wie etwa Unternehmensberater zeigen , hangt zunachst einmal damit zusammen, dass sie ihre Nachfrage nach Politikberatungs leistungen von etablierten und insbesondere wissenschaftlichen
Anbietem
nicht ausreichend
befriedigt
sehen. Wissenschaftliche
Politikberatung , so wird haufig argumentiert, erfolge zu langsam und sei zu wenig praxisnah und damit nicht unmittelbar umsetzbar. Auch einige Unternehmensberater zeigen sich offen dafOr, vertrautes Terrain zu verlassen, da sie insbesondere in den vergangenen Jahren Wachstumsg renzen im privaten Sektor erfahren mussten und neue Betatigungsfelder unter anderem auf dem offentllchen Beratungsmarkt sehen. Aus umfangreichen Beratungsprojekten im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung kennen sich Politiker und Unternehmensberater zudem , so dass beide Seiten heute elniqerrnalsen gut abschatzen konnen, welcher Nutzen ihnen eine lusammenarbeit auch bei Policy-Fragestellungen, also in der Politikberatung, bringt. Politiker verfolgen vor allem fOnf l iele, wenn sie Unternehmensberater beauftragen: Erstens wollen sie von dem Wissen , das Unternehmensberater zu okonornischen Sachverhalten, zu Entwicklungen in der Wirtschaft, zu Transfo rmationsfragen und auch zu einzelnen Politikfeldern vorhalten, profitieren . lweitens beabs ichtigen sie, deren methodische Kompetenzen der Problembearbeitung zu nutzen. Drittens ist ihr liel, mit dem Einsatz von Unternehmensberatern den Beratungs- und Entscheidungsprozess selbst wie auch spater die Umsetzung politischer Mar.,nahmen zu
155 beschleunigen. Viertens soli Politikberatung die Akzeptanz fur politisches Handeln oder Nicht-Handeln erhohen, FOnftens schliel1lich kann es die Absicht von Politikern sein, Unternehmensberater als Munition im politischen Machtspiel einzusetzen. Unternehmensberatern dient die Politikberatung ebenfalls der Befriedigung einer Reihe von Motiven, von denen die folgenden fOnf die wichtigsten sind: Erstens kennen sie Kontakte zu potentiellen Auftraggebern auf- und ausbauen. Zweitens eignen sich Politikberatungsaktivitaten dazu, Image, Bekanntheit und die Positionierung des Unternehmens positiv zu beeinflussen. Drittens wollen Unternehmensberater, so lassen sich die teils widersprOchlichen Aussagen zu diesem Aspekt zusammenfassen, mit manchen ihrer Tatigkeiten zumindest mittelfristig Geld verdienen. Viertens konnen Unternehmensberater Ober die Beratung der Politik Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen. FOnftens schliefslich folgt Politikberatung auch altruistischen Motiven, dient also dazu, dass Berater ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden konnen. Abschlielsend wurde in einem Exkurs dargestellt, wie Unternehmensberater vorgehen, wenn sie Politikberatung betreiben. In der Regel machen sie sich ex ante strategische Gedanken daruber, welche Chancen und Risiken ihnen ein Engagement auf dem Feld der Politikberatung bringt und welche Starken und Schwachen sie selbst aufweisen. Urn die insbesondere fur die Politikberatung notiqen Policy-Kompetenzen aufzubauen, aber auch urn politische Strukturen und Prozesse besser zu verstehen, haben Unternehmensberater haufig ehemalige Politiker engagiert, deren Aufgabe es war, das Beratungssegment offentlicher Sektor insgesamt oder in einigen Fallen auch den Bereich der Politikberatung aufzubauen. Bei der Selektion von Themen bzw. Politikfeldern, in denen sie Beratung anzubieten planen, achten Unternehmensberater unter anderem darauf, dass dort ein hoher objektiver Problemdruck herrscht, aber dass gleichzeitig auch die Bereitschaft der Politik zu Veranderung besteht, dass sie sich von Wettbewerbern absetzen konnen und dass sie beispielsweise mit ihrer okonomischen Expertise auch einen echten Mehrwert liefern konnen, der mindestens mittelfristig vergotet werden konnte. Schliefslich versuchen Unternehmensberater, die Nachfrage nach ihren Politikberatungsleistungen zu stimulieren, indem sie mit potentiellen Auftraggebern sprechen, Themen platzieren und teils umfangreiche unbezahlte Vorleistungen in Form von Studien oder Beratungsengagements erbringen.
156
Kapitel 7 - Folgen von Politikberatung durch Unternehmensberater Nachdem in den beiden vorangegangenen Kapiteln die Aktivitaten und Grande fOr Politikberatung durch Unternehmensberater behandelt wurden, geht es nun im letzten der drei Hauptkapitel um die Foigen des untersuchten Phanornens. Empirische Grundlage der AusfOhrungen bilden wie in den Vorkapiteln die Aussagen der Interviewpartner. lwei Arten von Foigen werden in diesem Kapitel diskutiert: lum einen Foigen inhaltlicher Art, also Auswirkungen der Politikberatungstatigkeiten durch Unternehmensberater in der Praxis, und zum anderen Foigen zeitlicher Art, also kOnftige Entwicklungen auf dem Feld der Politikberatung durch Unternehmensberater. liel kann es dabei nur sein, mogliche zeitliche und inhaltliche Foigen zu benennen und zu diskutieren. Denn definitive Aussagen zu inhaltlichen Foigen, also im forschungsmethodischen Sinne fOr valide und reliabel befundene Erkenntnisse Ober Kausalzusammenhange, sind bei einem explorativen Forschungsdesign weder gewollt noch angesichts des geringen Kenntnisstands zum vorliegenden Untersuchungsgegenstand moglich. Auch ein Blick in die lukunft kann per se nur mogliche Entwicklungen aufzeigen. In einem ersten Abschnitt soli zunachst ein Blick auf die kontrovers gefOhrte Debatte um Beratungsauftrage der offentlichen Hand geworfen werden, welche im Winter
2003/2004 die Beratungsbranche insgesamt in Aufruhr versetzt hat und auf die bereits mehrfach in dieser Arbeit verwiesen wurde (7.1). Dabei wird zum einen die Debatte in ihrem Verlauf und mit ihren Argumenten nachvollzogen. lum anderen liegt das Ende der offentlichen Diskussion zeitlich schon lange genug zuruck, um einige konkrete Foigen der Debatte zu benennen, welche Auswirkung auf den institutionellen Rahmen haben, in dem auch Politikberatung durch Unternehmensberater stattfindet. Anschlier..end geht es nicht mehr um die Public-Sector-Beratung im Allgemeinen bzw. Foigen der Debatte um sie, sondern wieder speziell um Politikberatung von Unternehmensberatern, genauer gesagt um die inhaltlichen Foigen dieses Phanomens (7.2). Skizziert wird, welche Auswirkungen prinzipiell denkbar sind, bevor am Beispiel des Einflusses von Politikberatungsaktivitaten auf politische Inhalte die Auswirkungen naher spezifiziert werden sollen. Diskutiert wird ferner, welche demokratie-
157 theoretische Problematik die Politikberatung durch Unternehmensberater mit sich bringt bzw. bringen kann. Schliel1lich geht es in einem dritten Teil um die Zukunft von Politikberatung durch Unternehmensberater, also um Foigen in zeitlicher Hinsicht (7.3). Untersucht wird dabe i zunachst, ob eine Zunahme, ein RQckgang oder aber ein in etwa gleich bleibender Umfang der Politikberatungstatigkeiten wahrscheinlich erscheint. Anschliel1end an diese Entwicklungen quantitativer Art werden qualitative Veranderungen, die die Interviewpartner fur plausibel halten , ertautert. Eine Zusammenfassung beendet wiederum das Kapitel (7.4) und damit auch den empirischen Hauplleil der Arbeit.
7.1 Die Debatte um professionelle Beratung der offentlichen Hand im Winter 2003/2004 und ihre Foigen Zwischen Dezember 2003 und Februar 2004 standen Unternehmensberater zusammen mit anderen professionellen, verwaltungsexternen Beratern der offentlichen Hand in der Kritik . Starker als jemals zuvor wurde in der Offentlichkeit uber deren Beratungstatigkeiten berichtet und auch in der politischen Diskussion fand die Debatte Ober Wochen und Monate hinweg ihren Niederschlag. 1m Foigenden werden zunachst der Verlauf, wesentliche Inhalte sowie Ansatze zur Interpretation der offentlichen Diskussion genannt (7.1.1). Anschliel1end widmet sich der Abschnitt der Frage, welche konkreten Foigen die Deballe (und nicht die Aktivltaten selbst) um Public-Sector-Beratung (und nicht Politikberatung im Speziellen) hatte und bis heute hat (7.1.2).
7.1.1 Verlauf, Inhalte und Interpretation der Beraterdebatte 200312004 In der Kritik stand Ende November 2003, als die Deballe um Beratervertraqe der offentilchen Hand mit professionellen Beratungsanbietern begann , zunachst ein PRBeratungsauftrag im Wert von 1,3 Millionen Euro, den der damalige Chef der Bundesanstalt fUr Arbeit (BA) , Florian Gerster, freihandiq an die Public-Affairs-Agentur WMP-Eurocom vergeben halle. Mit der BegrQndung besonderer EilbedQrftigkeit war dieser im Marz 2004 geschlossene Vertrag nicht offentlich ausgeschrieben worden, obwohl dies die Verdingungsordnung fUr freiberufliche Leistungen (VOF) bei dem
158 genannten Honorarumfang vorsieht. Nach einer PrOfung monierte der Bundesrechnungshof erhebliche Mangel bei der Vertragsvergabe. Gerster raurnte daraufhin vor dem Wirtschaftsausschuss des Bundestages Fehler ein, die Bundesregierung erklarte die Affare in der Foige fOr erledigt. Seitens der Opposition sah sich Gerster jedoch weiterhin Kritik und ROcktrittsforderungen ausgesetzt. 1m Januar 2004 sorgten weitere Vertraqe der BA mit externen Beratern fOr Arger. In der Kritik standen zum einen weiterhin Florian Gerster, zum anderen aber auch Beraterfirmen wie Roland Berger, IBM und andere, denen Fehlverhalten rechtlicher und moralisch-ethischer Art vorgeworfen wurde (siehe unten). Interne PrOfungen der BA, Ober deren Ergebnisse hochst widersprOchlich berichtet wurde sowie weitere Anschuldigungen an die Person Gersters gerichtet erhohten den Druck so weit, dass Bundeswirtschaftsminister Clement sich schliefslich am 24. Januar 2004 genotigt sah, Gerster als BA-Chef zu entlassen. Eine neue Dimension erreichte die Debatte ein paar Tage seater in der Fernsehsendung "Sabine Christiansen". Der niedersachsische Ministerprasident Christian Wulff griff den in der Diskussionsrunde sitzenden Berater Roland Berger direkt an und warf ihm und der Beratungsbranche insgesamt Seilschaften und Gefalligkeitsgutachten vor. Spatestens von diesem Zeitpunkt an handelte es sich nicht mehr nur um eine Debatte um das rnoqliche Fehlverhalten einzelner Akteure, sondern um die Aktivitaten eines gesamten Berufszweigs, narnlich der professionellen Beratung von Verwaltung und Politik. Spekulationen Oberden Umfang externer Beratung der Bundesregierung und einzelner Landesregierungen fOliten noch Ober Wochen die Medien. Die parlamentarische Opposition richtete zwei kleine Anfragen an die Bundesregierung , um Ober Hohe und Inhalte externer Beratung aufgeklart zu werden. Auf Seiten der Berater lagen die Nerven teilweise blank, einige autserten sich sogar in der Offentlichkeit kritisch und anschuldigend gegenOber ihren Wettbewerbern. 1m Februar 2004 ebbte die offentliche Debatte schllefslich abo Inzwischen hatte sich auch der Bundesrechnungshof eingeschaltet und eine OberprOfung sarntlicher Beratervertraqe der Bundesregierung angekOndigt. Nach diesem kurzen Oberblick des Verlaufs konnen nur die wesentlichen Inhalte der Debatte benannt werden. Auf drei Hauptaspekte lasst sich die vielschichtige und teils sehr emotional gefOhrte Diskussion komprimieren: Erstens drehte sie sich um rechtli-
159 ches und moralisches Fehlverhalten einiger Politiker und Berater, insbesondere bei der Vergabe von Beratunqsauftraqen. Zweitens ging es um die Kosten externer Beratungsleistungen. Drittens schliefslich wurde die Notwendigkeit bzw. der Sinn externer Beratung infrage gestellt, wobei an dieser Stelle die Debatte sehr allgemein gefOhrt wurde und viele Argumente einflossen, die auch jenseits des offentlichen Sektors immer wieder als Kritikpunkte am Vorgehen der Unternehmensberater auftauchen. Zunachst zum Fehlverhalten von Politikern sowie Unternehmens- und anderen Beratern: Berichtet wurde Ober eine Reihe von Beratunqsauftraqen der ehemaligen Bundesanstalt fOr Arbeit, aber auch vieler anderer offentlicher Einrichtungen, die trotz ihrer Hohe nicht europaweit ausgeschrieben geworden sein sollen. Der Schwellenwert, ab dem freiberufliche Leistungen wie Vertraqe mit Unternehmensberatern europaweit ausgeschrieben werden mOssen, betraqt laut der Verdingungsordnung fOr freiberufliche Leistungen (VOF) in der Regel 200.000 Euro (Weyrather 2003). Immer wieder, so die Kritik, seien groBvolumige Projekte bei der Ausschreibung gestockelt oder in kurzen Zeltabstanden mehrfach mit dem Ziel verlanqert worden, unter dem genannten Schwellenwert zu bleiben. DarOber hinaus fanden bisweilen auch fragwOrdige Absprachen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer statt, bevor ein Vertrag ausgeschrieben oder vergeben werde. In manchen Fallen wOrden Berater sogar selbst die Ausschreibung formulieren, um sich dann darauf passgenau zu bewerben und den Zuschlag zu bekommen. Rechtliches Fehlverhalten im Sinne eines Oberschreitens vergaberechtlicher Bestimmungen bei den genannten Punkten hat es vermutlich in mehr als dem einen genannten Fall des WMP-Auftrags gegeben. Zeitnah geprOft, durch eine unabhanqige Instanz wie den Bundesrechnungshof dokumentiert und der Offentlichkelt bekannt gemacht worden sind diese jedoch nicht, weshalb es wahrend der Debatte zu vielen Anschuldigungen kam, die sich zu diesem Zeitpunkt weder untermauern noch glaubhaft abstreiten lieBen. Problematisch ist in diesem Kontext insbesondere, dass die Regelungen der Verdingungsordnung fOr Leistungen (VOL) bzw. der Verdingungsordnung fOr freiberufliche Leistungen (VOF), welche bei der Vergabe offentlicher Auftrage anzuwenden sind, viel Ermessensspielraum lassen, der in der Regel auch von beiden Seiten ausgenutzt wurde.
160 Unter anderem deshalb verband sich die Kritik um rechtliches Fehlverhalten auch mit VorwOrfen, die Beraterbranche wOrde nicht moralisch vertretbar und gema~ berufsethischen Standards handeln. Gefalligkeitsgutachten , weiche Korruption, Beratung als Ablasshandel und Seilschaften sind nur einige der Stichworte, die in diesem Zusammenhang genannt wurden. Ais berufsethisch nicht akzeptabel wurde vor allem gesehen , dass Unternehmensberatungen wie Roland Berger und McKinsey in der Hartz-Kommission erst pro bono mitgearbeitet und im Anschluss daran grol1volumige Beratervertraqe abgeschlossen hatten, bei denen es darum ging, die von Ihnen mit entwickelten Reformempfehlungen umzusetzen. Zweitens ging es bei der Debatte Ober offentllche Beratervertraqe ums Geld. Der Staat, so die Kritik, gebe zu vieI Geld fOr Beratungsleistungen aus. Viele unterschiedliche Zahlen waren im Umlauf. So hat die Bundesregierung ihre Aufwendungen fOr externe Beratungsleistungen der Jahre 1999 bis 2003 beispielsweise mit 169 Mio. Euro angegeben, der CDU-Haushaltexperte Dietrich Austermann dagegen sprach von mehr als 1,4 Milliarden Euro (vgl. Bundesregierung 2004a, 2004b, Berg et. al. 2004) . Die Zahlen zu verifizieren ist schwierig: Jede der Zahlen stammt aus unterschiedlichen Quellen, viele basieren auf ScMtzungen, sie umfassen meist unterschiedliche Zeitraume und es werden sehr unterschiedliche Definitionen des Begriffs Berater verwendet. Auch die offentlich zuganglichen Antworten der Bundesregierung auf konkrete Anfragen der Opposition zu diesem Thema tragen nur bedingt zur Klarung der tatsachlichen Hohe der Aufwendungen bel. Die PrGfberichte des Bundesrechnungshofs sind nicht offentlich zugangig. Unternehmensberater rechnen in der Regel Honorartaqessatze ab, die deutlich Gber denen anderer Berater liegen. Sie seien, so die Kritik, jedoch nicht nur teuer, sondern haufig auch ihr Geld nicht wert: "Hauflq stimmt das Verhaltnis von Preis und Leistung der Berater nicht" (Politiker, Interview). Drittens schliel1lich drehte sich die offentliche Debatte um die Frage, ob Beratung und insbesondere die durch Unternehmensberater im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung , aber auch durch andere Akteure wie Public-Affairs-Agenturen, PR- und Medienberater sowie sonstige kommerziell arbeitende Beratungsdienstle ister - uberhaupt notig sei und ob diese nicht von der offentlichen Hand starker als angemessen in Anspruch genommen wOrde. Argumentiert wurde von Seiten der Kritiker, dass die Verwaltung selbst genGgend Personal und Kompetenzen vorhalte, um ihre Aufgaben
161 zu erledigen. Von Seiten der Berater und anderer BefOrworter dagegen hieB es stets, der Umbau des Staates sei ohne einen externen Blick und professionelles Transformationswissen nicht moglich (vgl. z.B. Weyrather 2004). Man konne "ein Auto nicht von innen anschieben". so Roland Berger in der Frankfurter Allgemeinen leitung (ebd.. 22.01.2004). Die durch Beratung erzielbaren Einsparungen wOrden die Kosten fOr die Beratungsleistungen urn ein Vielfaches Obersteigen. In den Medien beschrieben wurden zudem einzelne Beispiele von Beratungsprojekten. die nicht das gewOnschte Ergebnis brachten." In die Berichterstattung mischte sich dabei immer wieder grundsatzliche Kritik an der Vorgehensweise. welche Unternehmensberater auch Ober ihre Aktlvitaten im privaten Sektor zu horen bekommen: So wOrden Unternehmensberater eher Probleme schaffen als losen (vgl. Kieser 1998) und seien bisweilen wenig sensibel bzw. arrogant im Auftreten. Ihre Projektakquisition bestritten sie haufig mit erfahrenem Personal. die eigentliche Projektarbeit fOhrten dann jedoch haufig junge Hochschulabsolventen ohne Praxiserfahrung durch. Unternehmensberater gingen zu haufig bei der Problembearbeitung schematisch vor, statt die Vorgehensweise der individuellen Problemsituation anzupassen. Sie seien nicht unabhangig und am Wohle des Beratungsadressaten interessiert. sondern agierten stets und bisweilen offenkundig mit dem Ziel, Geld zu verdienen. Auf die Beratung des offentlichen Sektors gemOnzt hie~ es immer wieder, viele Unternehmensberater wOrden den Obersetzungsschritt vom privaten zum offentlichen Sektor nicht hinbekommen. Diskutiert wurde zudem Ober die Frage. ob Berater Einfluss auf die Politik haben und ob eine Beteiligung am politischen Entscheidungsprozess akzeptabel sel, Auf die demokratietheoretische Problematik. die hier anklingt. wird in Abschnitt 7.2.3 naher eingegangen. Interpretationen der Debatte gibt es verschiedene. Da der ehemalige BA-Chef Florian Gerster im luge der Debatte zum ROcktritt gedrangt und die Debatte wesentlich von Seiten der damaligen Oppositionspartei CDU forciert wurde, autsern einige der Interviewten die Vermutung. es handele sich in erster Linie urn eine politisch motivierte Kampagne. die der damaligen Bundesregierung Schaden zufOgen sollte. "Die
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Besonders haufig kritisch kommentiert werden u.a. die Beratung bei der Expo 2000, die EinfOhrung eines neuen Preissystems bei der Deutschen Bahn, die Gesellschaft fOr Enlwicklung, Beschaffung und Betrieb (g.e.b.b.) der Bundeswehr sowie die Beratungsleistungen bei Enron und Swissair (vgl. z.B. von Petersdorfl Heeg 2004, Leif 2005).
162 Debatte um Beratung vor anderthalb Jahren war eine Kampagne der Opposition, um die amtierende Regierung in Misskredit zu bringen" (Redley, Interview). Eine andere Erklarunq lautet, dass die Beraterbranche mit ihren teils schillernden Machenschaften und ihrer Intransparenz eine gute Projektionsflache fOr Neider sei und sich neben anderen als SOndenbock fOr existierende Probleme geradezu anbieteo Dass Berater gerade zu diesem Zeitpunkt in den Mittelpunkt der Kritik ruckten, sei zwar auch auf aktuelles Fehlverhalten einiger Akteure zurOckzufOhren, aber eigentlich viel qrundsatztlcher, namlich zyklisch zu erklaren: "Ich glaube. dass es Wellen kritischer offentlicher Aufmerksamkeit gibt. Heute sind es die Berater, morgen die Investoren. dann die Rechtsanwalte, die RechnungsprOfer usw. Jeder ist mal dran" (Mirow, Interview). Schliefslich kann man die Debatte auch als "Geburtsschmerzen" der Professionalisierung von Politikberatung in Deutschland betrachten, wie es beispielsweise der Deutschlandchef von McKinsey, JOrgen Kluge, in einem Interview mit der SOddeutschen Zeitung getan hat (ebd. in Roll, 2004). Die Akzeptanz in Politik und Offentllchkelt, auf professionelle Politikberatungsdienstleistungen zurOckzugreifen. und auch die Bereitschaft, dafOr zu bezahlen, wOrden sich erst langsam entwickeln. Nachdem bisher Verlauf, Inhalte und Interpretationsansatze fOr die Diskussion um Beratungsleistungen fOr die offentliche Hand skizziert wurden, soli es nun um die Foigen der Debatte gehen.
7.1.2 Folgen der Debatte FOnf konkrete Foigen der Debatte um die Beratung der offentllchen Hand sind in den Experteninterviews zur Sprache gekommen: Erstens hat die Debatte zu einer erhohten Transparenz der Public-Sector-Beratung gefOhrt. zweitens kam es zu UmsatzeinbrOchen bei den Beratern. das Image der Unternehmensberater hat sich drittens verschlechtert, viertens sind Politiker vorsichtiger bei der Auftragsvergabe geworden und fOnftens lasst sich auch bei Unternehmensberatern selbst erhohte Vorsicht beobachten. Zunachst also hat die offentliche Diskussion um Beratungsleistungen nach Meinung einiger Befragten zu einer erhOhten Transparenz von Umfang, Aktivltaten und Ablauf
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der Beratung durch professionelle Anbieter im offentlichen Sektor insgesamt gefUhrt. Die Offentlichkeit konne sich heute ebenso besser ein Bild von den Tatigkeiten der Berater machen wie auch die Konkurrenz der Unternehmensberater, welche nicht im offentllchen Sektor tatig seien: "Es war Oberraschend festzustellen, welche Honorare mit der offentlichen Hand zu machen sind" (Deraed, Interview), heilst es etwa von der Unternehmensberatung Mercer, die selbst nicht auf dem Feld der Public-SectorBeratung tatig ist. FOr die Beraterbranche insgesamt und fOr die Unternehmensberater im Speziellen waren zweitens teilweise schmerzhafte Auftragsruckgange eine vorObergehende Foige der offentlichen Debatte. Gemal1 den Schatzunqen eines der befragten Unternehmensberater ist das Volumen von Neuauftraqen im offentlichen Sektor im Jahr 2004 um bis zu einem Drittel eingebrochen und erreichte im Jahr 2005 in etwa wie-
der das Niveau von 2003. Burkhard Schwenker, Chef der Unternehmensberatung Roland Berger, antwortete ein halbes Jahr nach dem Hohepunkt der Debatte auf die Frage nach Umsatzeinbul1en im Handelsblatt: "Wir haben [...] gemerkt, dass sich offentliche Auftraggeber fOr einige Zeit bei der Vergabe von Auftraqen eher zuruckgehalten haben" (ebd., 16 .08.2004). Dass die Debatte jedoch auch negative Ausund ROckwirkungen auf das Geschaft mit privaten Kunden gehabt hatte, wird von Unternehmensberatern verneint. Drittens sind Imageprobleme fOr Berater im Aligemeinen und Unternehmensberater im Speziellen die Foige der offentlichen Debatte. 1m Mittelpunkt der Kritik stand das Beratungsunternehmen und die Person Roland Berger, aber auch andere Unternehmensberatungen haben nach eigener Auskunft unter der Debatte gelitten. Wie eine zur Zeit der Beratungsdiskussion durchgefOhrte Studie zur Reputation von Beratungsunternehmen jedoch erkennen lasst, beschrankt sich der Imageverlust auf die Offentlichkeit und den Auftraggeber Staat (vgl. Hosslbarth und Lay 2003).35 Wie fOr den Auftragseinbruch gilt also auch in Bezug auf das Image: Das Geschaft mit den Beratungskunden im privaten Sektor blieb von der Debatte weitgehend unberOhrt. Weiterhin beklagen Unternehmensberater und Politiker gleichermaBen, dass das Zustandekommen von Beratung als Foige der offentllchen Diskussion schwieriger
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Vgl. auch Ehren (2004 ). Eine meh~lihrige Analyse positiver und negativer Kommentare zu Unternehmensberatem und WirtschaftprGfem in deutschen Medien zeigt, dass das Image dieser Akteure Anfang 2004 so schlecht war wie nie zuvor (Reischauer 2004 ).
164 geworden sel, Politiker, so die vierte Folge, wagen heute genauer ab, ob sie einen Auftrag Gberhaupt vergeben, weil sie unter verstarkter offentlicher Beobachtung und damit unter hoherern Rechtfertigungsdruck als bisher stehen. "Steht der Mehrwert in einem angemessenen Vernaltms zu den hohen Honoraren der Unternehmensberater?" (Palmer, Interview), sei die Frage, die sich ein Politiker als Auftraggeber heute mehr denn je stellen musse, Neben der Kosten-Nutzen-Betrachtung achteten Politiker zudem penibler als bisher darauf, dass die Vergaberichtlinien eingehalten werden. Aussagen zufolge gibt es in Parteien oder Ministerien sogar so genannte schwarze Listen, auf denen Beratungsunternehmen verzeichnet sind, welche in der Vergangenheit gegen die Vergabeverordnung verstofsen haben und deshalb nicht mehr mit Beratungsprojekten betraut werden sollen. Risikominimierung und Absicherung des eigenen Handelns seien bisweilen die vorherrschenden Handlungsmotive der Politiker bei der Auftragsvergabe. Deshalb karnen immer wieder Beratungsvertrage nicht zustande, obwohl beide Seiten daran interessiert seien. FGnftens schliefsllch sind auch die (Unternehmens-)Berater selbst vorsichtiger geworden und prGfen ihr Engagement im offentlichen Sektor heute genauer als vorher: "Mit der Beraterdiskussion vor anderthalb Jahren ist man sich des Risikos eines Engagements auf diesem Feld bewusster geworden" (Heuskel, Interview). Unternehmensberater fragen sich beispielsweise, ob sich die Bewerbung um Auftraqe sowie deren DurchfGhrung lohnen, wenn sich die Rahmenbedingungen, etwa durch eine strengere Auslegung der Vergaberichtlinien, verschlechtern. Die Vergaberichtlinien werden von Beratern vielfach als sowieso schon behindernd angesehen: Kritisiert wird unter anderem, dass sich die Aufgabe haufig am Preis und nicht der Oualitat orientiere, dass hohe kostenlose Vorleistungen bei geringer Wahrscheinlichkeit, angesichts vieler Wetlbewerber das Projekt im Wetlbewerb zu gewinnen, erforderlich seien, und dass Beratervertraqe haufig bis ins Detail ausgearbeitet werden sollten, obwohl eine Detailplanung selbst bei vergleichsweise gut planbaren Projekten wie einer Systemimplementierung sehr schwierig set. Die Leiter der Public-Sector-Einheiten, so eine weitere Vermutung, konnten es heute angesichts der offenkundig gewordenen Risiken in ihrem Geschaftsbereich kOnftig schwerer haben, andere FGhrungskrafte und Teilhaber der jeweiligen Beratungsunternehmen von Investitionen in dieses Beratungssegment zu Gberzeugen. Manche Unternehmensberater konnten sich deshalb aus dem Geschaftsfeld Offentlicher Sektor ganz fern halten oder gezwungen sein, sich wieder ausschlielslich im privaten
165 Sektor zu betatiqen: "Man muss vieI strampeln, lange und schnell laufen - das werden vor allem die kleinen Unternehmensberatungen nicht lange durchhalten" (Bernnat, Interview). Rechtliche Foigen der Debatte sind dagegen bisher nicht erkennbar. Zwar wurde verschiedentlich gefordert, die Vergaberichtlinien zu verandern und vor allem eindeutiger zu formulieren, damit die heute vorhandene Grauzone, in der ein Tell der Projekte verge ben wird, nicht mehr existiert. Allerdings ist es bislang nicht zu einer Neuformulierung gekommen. Zusammenfassend lasst sich sagen, dass Public-Sector-Beratung durch die Debatte tiber offentliche Beratungsauftrage schwieriger geworden ist. Das gilt sowohl fOr die Nachfrager Politik und Verwaltung wie auch fOr den Anbieter Unternehmensberater. Das Image der Unternehmensberater hat vermutlich nachhaltig gelitten, was nicht zuletzt ktinftige Entwicklungen auf dem Feld der Politikberatung durch Unternehmensberater beeinflussen konnte,
7.2 Auswirkungen von Politikberatung durch Unternehmensberater Nachdem in diesem Kapitel bislang von Public-Sector-Beratung im Allgemeinen die Rede war, geht es nun wieder ausschliefslich um Politikberatung durch Unternehmensberater. Diskutiert werden soli nun, ob das in dieser Arbeit untersuchte Realphanornen inhaltliche Foigen hat. Zunachst geht es dabei um die Frage, welche Auswirkungen von Politikberatung durch Unternehmensberater prinzipiell denkbar sind und wen oder was sie betreffen konnten (7.2.1). Anschliefsend wird nach einigen Oberlegungen zu Messproblemen auf Basis der Expertenaussagen ertautert, ob Unternehmensberater politische Inhalte beeinflussen und wenn ja, wie stark und bei welchen Aktivitaten welche Art von Einfluss ausgetibt wird (7.2.2). Zum Schluss des Unterkapitels wird diskutiert, welche demokratietheoretische Problematik besteht, wenn Unternehmensberater Einfluss auf politische Inhalte bzw. konkret auf politische Entscheidungen nehmen (7.2.3).
166 7.2.1 Mogliche Auswirkungen der Politikberatung durch Untemehmensberater
Viele unterschiedliche Arten von Auswirkungen der Politikberatung durch Untemehmensberater sind denkbar. Sie konnen beispielsweise langfristiger Natur sein oder sich unmittelbar niederschlagen . Sie konnen offensichtlich oder unbemerkt Veranderungen auslosen, umfangreich oder marginal ausfallen. Sie konnen als positive Auswirkungen
angesehen oder negativ beurteilt werden.
Denkbar sind zudem
Auswirkungen beispielsweise auf die Politik, auf die Beratung oder auch auf die Offentlichkeit. In den folgenden AusfOhrungen wird weniger nach normativen oder zeitlichen Aspekten von Auswirkungen gefragt, sondern vielmehr danach, welche Auswirkungen von den Experten fOrwahrscheinlich gehalten werden und wen sie betreffen. In manchen Fallen lasst sich sogar bereits beobachten, dass die von tatsachllchen oder vermeintlichen Auswirkungen Betroffenen bereits Matsnahmen ergriffen haben, urn diesen zu begegnen . Zunachst einmal kann Politikberatung durch Unternehmensberater Auswirkungen auf die Politik haben - hierauf liegt auch der Hauptfokus der Betrachtung, wenn im nachsten Unterkapitel auf den Einfluss auf politische Inhalte naher eingegangen wird. Genauer gesagt ist denkbar, dass die Politikberatung durch Unternehmensberater politische Inhalte beeinflusst, politische Prozesse verandert oder gar Auswirkungen auf politische Strukturen feststellbar sind. Letzteres gilt als unwahrscheinlich . Auf policies und politics dagegen haben Unternehmensberater mit ihren Politikberatungs-
leistungen nach Auffassung der Oberwiegenden Zahl der Interviewpartner Einfluss. Hervorgehoben wird zunachst , dass Unternehmensberater ihr okonomisches Wissen und ihre Problemsichten aus der betrieblichen Praxis in konkrete politische Ma(1,nahmen einbringen. Dieser Einfluss, der haufig als Trend einer Okonomisierung der Politik (vgl. Harms! Reichard 2003, siehe auch Bosch 2003) beschrieben wird und an dem nicht nur Unternehmensberater, sondern auch viele andere Faktoren und Akteure beteiligt sind, wird von Experten wie auch in der offentlichen Diskussion sehr unterschiedlich bewertet. Mal ist die Orientierung an okonomischen Zielkriterien wie der Effizienz oder Effektivitat Verheilsunq, mal wird sie sehr kritisch betrachtet. Auf die Arbeitsweise von Politik und Verwaltung wird Unternehmensberatern ebenfalls Einfluss nachgesagt. So batten sie beispielsweise mit dazu beigetragen , dass
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heute in Politik und Verwaltung auch mit Werkzeugen gearbeitet werde, die in der Beratung und Wirtschaft gang und gabe sind, etwa mit PowerPoint-Prasentationen, executive summaries oder benchmarks . In einigen Fallen komme auch die eine oder
andere strategische Idee zur Vorgehensweise im politischen Machtspiel von Unternehmensberatern, so mehrere der befragten Experten. Weiterhin ist denkbar, dass Politikberatung durch Unternehmensberater Auswirkungen auf die Vorgehensweise und gar auf die Organisationsstruktur des Beratungsunternehmens selbst hat. Es konnte beispielsweise sein, dass Unternehmensberater als Foige ihrer Politikberatungsaktivitaten die Art der Projektakquisition verandern, weil die neuen Tatiqkeiten dies erfordern bzw. ermoqlichen. Wie an anderer Stelle argumentiert wurde, wird Politikberatung in der Regel im Verbund mit anderen Beratungstatigkeiten im offentlichen Sektor angeboten. Ais unbezahlte Vorstufe von Verwaltungsberatungsprojekten erweitert die Politikberatung also nach Expertenmeinungen in der Tat die Art und Weise, wie potentielle Kunden angesprochen werden konnen und Projekte akquiriert werden. Organisatorische Anderungen, etwa die Schaffung einer eigenen Abteilung fOr Politikberatung oder auch ein neues Geschaftsmodell innerhalb der Unternehmensberatung hat es bislang nicht gegeben. Da mit Politikberatung nach Angaben der Unternehmensberater selbst kein oder kaum Geld zu verdienen ist, sind Auswirkungen auf die Einnahmesituation ebenfalls eher als marginal zu betrachten. Auf das Image dagegen, so die Auffassung einiger der Befragten, haben die Politikberatunqsaktivitaten durchaus Auswirkungen gehabt - und zwar positiv wie negativ. Auswirkungen konnte Politikberatung durch Unternehmensberater aulserdern auf andere Politikberatungsanbieter wie etwa wissenschaftliche Forschungsinstitute haben. Denn nach Auffassung der meisten Interviewpartner stehen Unternehmensberater mindestens mit einem Teil ihrer Politikberatungsleistung in unmittelbarer Konkurrenz zu anderen Anbietern wie beispielsweise den etablierten wissenschaftlichen Porschunqsinstituten." Vorgehensweise und Strukturen der Forschungsinstitute konnten somit einem Veranderungsdruck ausgesetzt sein. Nach Auffassung
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Allerdings besteht bei einigen Beralungsleistungen auch ein kornplementares Verhaltnis zwischen Unlernehmensberatern und Wissenschaft, da beide unlerschiedliche Starken, Arbeitsweisen, Kompetenzfelder usw. besitzen. "Beratung und Wissenschaft sind unterschiedliche soziale Systeme" (Kieser, Interview), es bestehe bei den konkrelen Leistungen meist keine "inhailliche Konkurrenz" (Horzetzky, Interview).
168 einiger der befragten Wissenschaftler nehmen Unternehmensberater "wissenschaftlichen Forschungsinstituten einen Teil vom Kuchen weg" (Meran, Interview), indem sie in einen Markt eindringen, der vorher der Wissenschaft vorbehalten war. Wie mehrfach berichtet wird, versuchen einige wissenschaftliche Forschungsinstitute als Reaktion auf die professionellen Beratungsleistungen der Unternehmensberater, sowohl den Verkauf ihrer Expertise besser zu organisieren wie auch Prasentationsformate und bisher nicht verwendete Arbeitstechn iken bei der internen und externen Kommunikation ihres Wissens einzusetzen. "Wir mOssen executive summaries anfertigen und in der Lage sein, professionell zu kommunizieren" (Meran, Interview). Die Zeit des einsamen Wissenschaftlers aus Humboldt'schen Tagen sei vorbei. Bei der Kommunikation ihrer Ergebnisse gegenOber Politikern oder anderen aufserhalb der scientific community, so wird kritisch konstatiert, "fallen manche Wissenschaftler auch in den Beratermodus" (Kieser, Interview) und "eifern Beraterverhalten nach" (BrOggemeier, Interview). Db das jedoch vor allem auf die Politikberatung durch Unternehmensberater zurOckzufOhren ist, muss wohl eher bezweifelt werden. Vielmehr haben sie mit anderen Wettbewerbsbedingungen, veranderten NachfragewOnschen und anderen anbieterunabhangigen Entwicklungen auf dem Feld der Politikberatung zu tun. Eine "Vulgarisierung" (Wissenschaftler, Interview), also eine Oberspitzung, Zuspitzung und Vereinfachung von komplexen Sachverhalten , sei in der heutigen Mediendemokratie schlicht Voraussetzung dafOr, dass man gehort wird. Neben Auswirkungen auf Politik, Unternehmensberater und andere Politikberatungsanbieter ist schlieBlich auch denkbar, dass die Beratungsaktivitaten Auswirkungen auf die offentliche Meinung haben. Sie wOrden, so die in der Literatur Ober Think Tanks ebenfalls geaul1erte Ansicht, das Verstandnis von Problemen bzw. Sichtweisen Obereinen langen Zeitraum beeinflussen und vsrandern . Oberzeugende BeispieIe sind in den Interviews jedoch kaum genannt worden, was darauf hinweist, wie schwierig die Bestimmung von Auswirkungen - vor allem langfristiger Art - und deren kausale ROckfOhrung auf singulare Akteure zu sein scheint.
169 7.2.2 Der Einfluss von Unternehmensberatem auf po/itische Inhalte Ob
Politikberatung
durch
Unternehmensberater nach
Ansicht
der
Experten
tatsachlich Auswirkungen hat, wird im Foigenden am Beispiel des Einflusses von Unternehmensberatern erortert, Zunachst jedoch werden einige Probleme der Einflussmessung angesprochen. Es ist schwierig, den Einfluss von Unternehmensberatern auf politische Inhalte zu bestimmen. Wie bei anderen komplexen sozialwissenschaftlichen Phanomenen existiert zunachst einmal auch beim Untersuchungsgegenstand zwischen der unabhangigen Variable Politikberatung durch Unternehmensberater und der abhanqiqen Variable Auswirkungen bzw. Einfluss eine unbekannte Zahl intervenierender Variablen. Die eindeutige Zuordnung von Kausalbeziehungen zwischen den einzelnen Parametern ist deshalb meist nur schwer moqlich. Denkbar ware noch am ehesten, den output von politischen Inhalten, also die verabschiedeten Gesetzestexte, auf den Beitrag von Unternehmensberatern hin zu untersuchen. Welcher outcome dagegen in der Praxis eintritt, dOrfte einem sinqularen Akteur kaum zugerechnet werden konnen. Foigen bzw. Einfluss sind darOber hinaus haufig erst langfristig erkenn- und messbar und die Veranderungen inkrementell. So ist beispielsweise wie erwahnt die Veranderung von Problemsichtweisen eine Entwicklung, bei der der potentielle Einfluss von Unternehmensberatern eher Ober Jahrzehnte und nicht Jahre oder gar Monate beobachtet werden mOsste. Der Untersuchungsgegenstand der Politikberatung durch Unternehmensberater ist jedoch noch vergleichsweise neu. Problematisch ist darOber hinaus auch die Tatsache, dass im Detail nur wenig Ober die inhaltlichen vorschlaqe und Ideen von Unternehmensberatern bekannt ist. Denn beide Seiten, Politiker wie Unternehmensberater, haben ein Interesse daran, dass bei der Beratung Diskretion gewahrt bleibt. Anders als etwa bei wissenschaftlichen Gutachten, die in der Regel veroffentlicht werden, bleiben die Politikberatungsleistungen der Unternehmensberater unter Verschluss vor der Offentlichkeit. Ob und wenn ja wie der Einfluss von Unternehmensberatern auf politische Inhalte gemessen werden kann, ist also fraglich. Vor diesem Problem steht die vorliegende Arbeit jedoch nicht allein, denn auch die Literatur zu einem anderen, vergleichbaren Politikberatungsakteur, hat sich mit den Moglichkeiten der Einflussmessung beschaf-
170 tigt - die Studien Ober Think Tanks . Oblicherweise wird dort versucht , den Einfluss auf politische Inhalte entweder am Einzelfall nachzuvollziehen, indem OberprOft wird, welche Formulierungen der Think-Tank-Mitarbeiter tatsachlich in Gesetzestexte oder Verordnungen Obernommen wurden . Oder aber der Einfluss wird dahingehend operationalisiert, dass man untersucht, wie haufig sich Mitarbeiter der Think Tanks mit Kongressabgeordneten treffen , wie haufig sie in den Printmedien zitiert werden oder wie viele Minuten einer ihrer Mitarbeiter im Fernsehen zu sehen ist (vgl. Abelson 2002 , Cassel 2005, Gehlen 2005). Wahrend sich insbesondere die US-amer ikanischen Think Tanks haufig geradezu damit brOsten, Ober welche hochrangigen und weit verzweigten Kontakte sie verfOgen und wie haufig sie zitiert werden ." kann man das von Unternehmensberatern nicht sagen. Ober sehr allgemeine Beschreibungen und die Nennung ausqewahlter bisheriger Kunden als Referenz hinaus sind keine Daten offentllch verfOgbar. Deshalb mOsste man vermutlich im Rahmen von Fallstudien Zugang zu Sitzungsprotokollen, Gutachten und ProgrammentwOrfen erhalten und dann den Einfluss im Einzelfall untersuchen. Wie bereits mehrfach erwahnt ist das im Rahmen der explorativen Studie nicht zu leisten . Deshalb soli im Foigenden wiederum auf die Expertenaussagen rekurriert werden , urn zu bestimmen , ob und wenn ja wie stark der Einfluss von Unternehmensberatern auf politische Inhalte sein konnte, Der (potentielle) Einfluss von Unternehmensberatern auf politische Inhalte lasst sich nur begrenzt von ihnen selbst steuern . Natorlich konnen Untemehmensberater mit Vorschlaqen und Ideen, die originell und sachdienlich sind, der politischen Zielerreichung der handelnden politischen Akteure dienen, mit dem passenden Timing an die richtigen politischen Entsche ldunqstraqer sowie in professioneller Weise kompetent Obermittelt werden, die Wahrscheinlichkeit erhohen , dass sie kOnftige policies beeinflussen . Der tatsachllche Einfluss hanqt jedoch von einer Vielzahl weiterer Parameter ab und Iiegt vermutlich haufig eher in dem Zusammenwirken mehrerer Akteure begrOndet als in dem Handeln Einzelner .
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Von solchen Auflistungen hanqt im Obrigen auch ab, wie viele Spendengelder ein Think Tank bekommt.
171 Damit Politikberatung durch Unternehmensberater Einfluss nehmen kann, muss zunachst einmal ein so genanntes window of opportunity offen stehen, also ein gemeinsames Problemverstandnis existieren und die Handlungsnotwendigkeit erkannt sein. Ein "politischer Vorkonsensprozess muss stattgefunden haben" (Fiedler, Interview). DarOber hinaus muss es auf Seiten der Politik Akteure geben, die bereit sind, sich der Bearbeitung des Problems anzunehmen. Dem Politiker, an den sich die Beratung richtet, mOssen die Vorschlaqe des Unternehmensberaters in seine individuelle Agenda passen. Sonst wird er sie nicht aufgreifen und auch nicht zur weiteren Bearbeitung an sein Haus weiterleiten. Externe Schocks konnen die politische Agenda kurzfristig verandern. Auch der Zufall spielt dabei eine gewichtige Rolle, ob Vorschlaqe ihren Weg in den Gesetzestext finden. Der Einfluss, den Unternehmensberater auf politische Inhalte haben konnen, sei, so Christiane Zerfass, Leiterin der Abteilung Strategische Planung beim DGB, ein "vom Auftraggeber gesteuerter Einfluss. Unternehmensberater haben den Einfluss, den die Person, die sie beauftragt, ihnen elnraurnt" (ebd., Interview). Der Einfluss sei umso honer, je mehr der Politiker Entscheidungen ausweichen oder diese delegieren rnochte. Einfluss habe ein Unternehmensberater auf politische Inhalte eigentlich nur, wenn er einen politischen Akteur Oberzeugt und mit ihm zusammenarbeitet. In den Worten von Jobst Fiedler befindet sich der Berater in einer "Schicksalsgemeinschaft" (ebd., Interview) mit dem Politiker. Beide wOssten auch, dass haufig selbst gute Vorschlaqe an den umfangreichen Abwehrmechanismen in Staat und Gesellschaft scheitern konnten. Deshalb mOsse man eher von "Beteiligung, aber nicht wirklich von Ergebniseinfluss" (ebd., Interview) der Unternehmensberater bei der Politikberatung sprechen. 1m Foigenden soli zunachst quantitativ beschrieben werden, ob nach Meinung der befragten Experten Unternehmensberater Einfluss auf politische Inhalte ausOben und ob diejenigen, die die Frage nach dem Einfluss bejahen, diesen als eher gering, mittel oder hoch einschatzen. AnschlieBend werden die Expertenaussagen zum Einfluss mit Hilfe der in Kapitel 3 vorgestellten Analyseebenen betrachtet. "Haben
Unternehmensberater
Einfluss
auf
politische
Inhalte?"
lautete
die
geschlossene Frage, die den Experten in den Interviews zunachst gestellt wurde (siehe Abbildung 17). Die Antworten dazu sind vergleichsweise eindeutig: 89,7% der
172 Experten sind der Meinung, dass Unternehmensberater Einfluss auf politische Inhalte ausOben. Es gibt keine grol1en Unterschiede zwischen Politikern, Unternehmensberatern und Wissenschaft lern, allerdings ist bemerkenswert , dass die Wissenschaftler ausnahmslos von wie auch immer geartetem Einfluss ausgehen. "Haben Unternehmensberater Einfluss auf politische Inhalte?" Insgesamt
Nach Expertengruppen
Ja Ja, sie haben Einfluss
89,7%
Nein, sie haben keinen Einfluss
10,3%
Nein
I
Politiker
81,8% 1
Berater
87,5%
100%
I
Wissenschaftler
12,5% 22,2% 0%
n=29 Abbildung 17: Einfluss von Unterneh mensberatern auf politische Inhalte
Etwas differenzierter wird das Bild, wenn man nach der Starke des Einflusses von Unternehme nsberatern auf politische Inhalte fragt. Abbildung 18 gibt die Ansicht der Experten in diesem Zusammenhang wider. Die Mehrheit der Befragten zeigt sich unsicher, wie stark der Einfluss von Unternehmensberatern ist, nach dem zu diesem Zeitpunkt nur ganz allgemein gefragt wurde. Insbesondere die Unternehmensberater geben sich bedeckt. Von denen jedoch, die sich in die eine oder andere Richtung geaul1ert haben, ist die grol1e Mehrheit der Ansicht, dass der Einfluss von Unternehmensberatern auf politische Inhalte eher stark ausfallt, Insbesondere die befragten Wissenschaftler in der Stichprobe sind dieser Ansicht.
173
"1st der Einfluss von Unternehmensberatern auf politische Inhalte eher stark oder eher schwach?"
Insgesamt
Nach Expertengruppen Eher stark
Eher stark Eher schwach WeiB nicht
Eher schwach
42,9%
20,0%
Politiker
0%
9,5%
16,7%
Berater
0%
47,6%
60,0%
Wissenschaftler
20,0%
n=21; fehlende Prozente: "WeiB nicht" Abbildung 18: Starke des Einflusses von Unternehmensberatern
Interessanterweise lasst sich auch feststellen, dass die in der Verwaltungs- und/oder Politikberatung aktiven Unternehmensberater ihren Einfluss tendenziell fOr geringer halten als ehemalige Unternehmensberater oder Personen, die sich als Branchenvertreter oder in Studien zum Beratungsmarkt mit dem Phanomen auseinandersetzen. Wahrend Unternehmensberater ihren Einfluss durchweg positiv elnschatzen, also davon ausgehen, dass ihre Tatiqkelten den Beratungsadressaten weiterbringen, aufsern sich einige Politiker Ober den Einfluss der Unternehmensberater auf die Po Iitik insgesamt deutlich kritischer. So wOrde beispielsweise "das arrogante Auftreten der Berater mit ihren Insignien, die die Unternehmensberatungen ihnen bezahlen und die man jeden Morgen auf dem Flughafen sehen kann, ein bisschen auf die Politik abfarben" (Gellner, Interview). Aufserdern hatte durch die Berater eine "Machbarkeitsphilosophie in die Politik Einzug gehalten, die dort nichts zu suchen" habe (ebd., Interview). Fragt man die Experten nach dem Einfluss(potential) der Unternehmensberater in den einzelnen Politikberatungsaktivitaten, so ergibt sich folgendes Bild: Den groBten und unmittelbarsten Einfluss konnen Unternehmensberater in vertraulichen 1:1Gesprachen mit Politikern ausOben. "Bei der Ad-personam-Beratung kommen die meisten Ideen rOber. Da ist die Moglichkeit der Einflussnahme am hOchsten" (Berger,
174 Interview). Es gebe kaum Situationen, in denen Unternehmensberatern ahnllch viel Zeit gegeben und zugehOrt werde. Bei politischen Expertengremien sei der potentielle Einfluss dagegen geringer. 1st der Unternehmensberater Kommissionsvorsitzender, so besitzt er deutlich mehr Einflusspotential als als einfaches Mitglied. Denn in der Regel beruft der Kommissionsvorsitzende auch einen Teil der Mitglieder selbst. Damit ein Unternehmensberater die Meinungsbildung als einfaches Mitglied in einem Expertengremium dominiert, mussten die anderen Mitglieder inklusive des Vorsitzenden vergleichsweise schwach sein. Eine entsprechende Konstellation, so einer der Befragten, sei eher unwahrscheinlich. Aus der Erfahrung von Staatssekretar Heinrich Tiemann und anderen lassen sich abhangig
vom
Kommissionsvors itzenden,
der Aufgabe
und
Besetzung
des
Gremiums sowie dem zu behandelnden Politikfeld deutliche Unterschiede ausmachen: "Bei Hartz war der Beratereinfluss massiv, bei Rurup war er marginal" (ebd., Interview). Ais Mitglied der Rurup-Komrnlssion habe Roland Berger eine existierende Diskussionslinie lediglich verstarkt. Dagegen batten die beiden Unternehmensberater in der Hartz-Kommission mit Ideen, Konzeptpapieren und Mafsnahrnenvorschlaqen in hohem MaBe Einfluss auf die Politikformulierung genommen. Dass Unternehmensberater bei der Herzog-Kommission Einfluss auf die Empfehlungen genommen haben, wurde bereits in Kapitel 5.2.1 dargestellt. Ober die Projektarbeit zu politischen Inhalten sind keine eindeutigen Aussagen bezuqlich des Einflusses oder auch des Einflusspotentials moglich. Es variiert je nach Projekt und hangt wiederum letztlich stark von der Bereitschaft des Gesetzgebers ab, die Vorschlaqe und MaBnahmen der Unternehmensberater zu ubernehmen. Politiker berichten jedoch davon, dass der Versuch der Einflussnahme durch den Unternehmensberater bei dieser Aktlvitat besonders ausqspraqt ist: "Wenn man einem Unternehmensberater viel vom Projekt gibt, dann hat man kaum noch Moglichkeiten, das zu steuern" (Politiker, Interview). Besetzen Unternehmensberater allerdings politische Themenfelder , so lasst sich mit Gewissheit sagen, das ihr Einfluss auf politische Inhalte - wenn uberhaupt - nur sehr langfristig und mittelbar erfolgt. So habe beispielsweise der ehemalige DeutschlandChef von McKinsey, Herbert Henzler, uber viele Jahre hinweg mit Lothar Spath zusammen die Bedeutung der Globalisierung fUr die deutsche Industrie thematisiert
175 sowie ein Bewusstsein fur die damit verbundenen Auswirkungen geschaffen. Ob die Themensetzung im Bereich der Bildung durch die jOngste Initiative McKinsey bildet bereits Auswirkungen auf die offentliche Problemwahrnehmung gezeitigt hat, wird von den Experten bezweifelt und lasst sich ohnehin noch nicht abschlieBend sagen. Erweitert man den Blick und betrachtet neben der Politikberatung auch die Verwaltungsberatung durch Unternehmensberater. so lasst sich in Anlehnung an entsprechende
AuBerungen von
Experten
argumentieren. dass
der
Einfluss
der
Unternehmensberater auf die Politikimplementierung am hOchsten, auf die Politikformulierung geringer und auf die Phase des Agenda Setting am geringsten ist. Zum gleichen Ergebnis kommt auch Thunert (2001). Wichtig sei es ohnehin, so einige der Befragten, die Phase der Politikformulierung nicht isoliert zu betrachten. Denn auch mit Urteilen Ober den Ist-Zustand, die sie im Rahmen von Evaluierungsprojekten fallen. konnten Unternehmensberater Einfluss wiederum auf die Problemdefinition und das Agenda Setting nehmen. "Man sollte den Einfluss. der rim policy cycle, TR) erst ganz hinten erfolgt. auch auf den Anfang nicht gering schatzen" (Thunert, Interview). Zudem wisse man aus der Literatur zur Umsetzung politischer Programme. dass in der Phase der Politikimplementierung "Gesetze und Verordnungen noch in der Essenz und nicht nur in Nuancen verandert werden kennan - insofem ware der Einfluss von Unternehmensberatern auf die Politik schon sehr groB, wenn sie nur dort eine wichtige Rolle spielen wOrden" (ebd., Interview). Auf die Frage. welche Unternehmensberater den starksten Einfluss auf politische Inhalte haben, heiBt es meistens: Roland Berger und McKinsey. Bei beiden Unternehmen geht der Einfluss im Wesentlichen auf einzelne kompetente und politisch versierte Personen und nur bedingt auf die dahinter stehenden Institutionen zurOck. AbschlieBend sei jedoch noch einmal betont: Will man die Starke des Einflusses von Unternehmensberater tatsachlich beurteilen, muss man fur den Einzelfall nachvollziehen, welcher Akteur welche Vorschlaqe gemacht bzw. Ideen in die Diskussion gebracht hat und was daraus im Prozess der Gesetzgebung konkret geworden ist. Sinnvoll ware zudern, den Einfluss von Unternehmensberatern zu operationalisieren oder mit dem anderer Akteure zu vergleichen. Wissenschaftlern wie Prof. Rurup oder Prof. Lauterbach wird in der Regel groBerer Einfluss auf politische Inhalte nachgesagt als Untemehmensberatern. Und auch die Aussagen von Top-Managern groBer
176 deutscher Konzerne besitzen mitunter mehr Gewicht als die der Unternehmensberater, denn "hinter ihnen stehen die Wahlerstimmen von vielen Tausend Beschaftigten" (Althaus, Interview).
7.2.3 Problematisierung demokratietheoretischer Aspekte
Wie die vorangegangenen Analyse gezeigt hat, kann als wahrscheinlich gelten, dass Unternehmensberater bei der Politikberatung Einfluss auf politische Inhalte ausOben. In diesem Abschnitt soli der Frage nachgegangen werden, ob die Einflussnahme unter demokratietheoretischen Gesichtspunkten problematisch ist. Dazu werden drei Aspekte betrachtet, die in diesem Zusammenhang immer wieder angesprochen werden: Legitimation, Transparenz und Unabhangigkeit der Unternehmensberater bei der Politikberatung. 1m Mittelpunkt demokratietheoretischer Betrachtungen steht in der Regel nicht allgemein die Frage nach einer Einflussnahme auf politische Inhalte, sondern es geht konkret darum, wer Entscheidungen Ober politische Programme trifft und wie diese getroffen werden. Deshalb sollen die demokratietheoretischen Fragen im Foigenden auch als Entscheidungsfragen diskutiert werden. Auf diese Weise rucken insbesondere die Politikberatungsleistungen der Unternehmensberater in der Phase der PoIitikformulierung in das Zentrum der Aufmerksamkeit. In dieser Phase werden bekanntermafsen politische Entscheidungen vorbereitet und getroffen. Gema~
der normativen Demokratietheorie sollten politische Entscheidungen von
Akteuren getroffen werden, die fOr diese Funktion vom Volk legitimiert sind. In einer reprasentativen Demokratie wie der Bundesrepublik Deutschland erfolgt diese Legitimierung durch Wahlen, welche den BOrgern die Moglichkeit gibt, Politiker als Volksvertreter fOr einen begrenzten Zeitraum mit Macht auszustatten und sie ihnen gegebenenfalls auch wieder zu entziehen. Politische Entscheidungen, so wird weiterhin postuliert, sollten transparent erfolgen, damit der BOrger nachvollziehen und OberprOfen kann, was durch wen und auf welche Art und Weise entschieden wird. Schllefslich sollten politische Entscheidungen unabhangig sein, also dem Gemeinwohl dienen und nicht von den Interessen einzelner oder bestimmter Gruppen geleitet sein.
177 Zunachst zum Aspekt der Legitimation: Unternehmensberater zahlen bekanntermaBen nicht zu den im demokratischen Sinne legitimierten Akteuren, denn sie werden vom BOrgerweder gewahlt noch sind sie abwahlbar. Sie sind jedoch nicht die einzigen Akteure, die keine demokratische Legitimation genieBen und dennoch an politischen Entscheidungsprozessen mitwirken - Mitarbeiter der Verwaltung, Wissenschaftler, Verbandsvertreter oder andere Berater tun das ebenfalls. Auch ist die Diskussion urn externe Akteure, die unmittelbar Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen, keineswegs neu: In der Wissenschaft werden seit einiger Zeit unter dem Stichwort Externalisierung von Politikformulierungskompetenzen Entwicklungen diskutiert, wie etwa, dass heute immer mehr Entscheidungen de facto im vorparlamentarischen Raum, beispielsweise in Kommissionen, und nicht wie im Grundgesetz vorgesehen durch die Legislative getroffen werden. Manche Interviewpartner halten diese Entwicklung fOr grundlegend falsch: Die Verlagerung der Legitimation von Politik auf Gremien, die selbst keine Legitimation besitzen, sel "eine Fehlentwicklung in Deutschland" (Politiker, Interview). Andere betrachten sie schlicht als Charakteristika einer "postdemokratischen Ordnung mit sehr starken Verhandlungsstrukturen" (Herz, Interview). Wieder andere weisen darauf hin, dass weitere Elemente der deutschen parlamentarischen Demokratie - etwa der Fraktionszwang - ebenfalls als demokratietheoretisch problematisch gelten und man insofern das Phanomen nicht auf externe Politikformulierung oder gar auf den Akteur Unternehmensberater beschrankt betrachten dOrfe. Eine grundsatzliche Diskussion des Phanomens kann an dieser Stelle jedoch nicht geleistet werden. Stattdessen soli erortert werden, worin die demokratietheoretische Problematik der Legitimation Iiegt, wenn Untemehmensberater Politikberatung betreiben. Nicht aile Tatigkeiten von Unternehmensberatern werfen narnlich legitimatorische Fragen auf. So konnen und sollten sie beispielsweise wie jede andere Person auch Vorschlaqe und Ideen in den offentllchen Diskurs einbringen - zum Beispiel im Rahmen der Besetzung politischer Themenfelder. Der Wissenstransfer im Rahmen von Beratungsprojekten sowie die Bereitstellung sonstiger Expertise, beispielsweise methodischer Art, wird ebenso als unkritisch betrachtet. 1m Gegenteil sogar sollte dem politischen Entscheidungsprozess moglichst viel W issen zugeliefert werden "nach dem Motto 'vieI hilft viel'" (Wissenschaftler, Interview). Solange die Politik alleine und unbeeinflusst die Entscheidungen Oberpolitische MaBnahmen treffe, solange
178 bestehe kein Anlass fOr demokratietheoretische Bedenken bei der Politikberatung durch Unternehmensberater. Davon ist jedoch nicht immer auszugehen. Und genau an dieser Stelle wird die Frage demokratischer Legitimation zum Problem. Denn als Kommissionsmitglieder treffen Unternehmensberater Entscheidungen Oberpolitische Malsnahrnen, wenn es wie beispielsweise nach der Hartz-Kommission seitens der Politik heilst, die Kommissionsempfehlungen wOrden eins zu eins urnqesetzt". Auch in der Projektarbeit kommt es vor, dass Formulierungen und Stichworte von Unternehmensberatern unmiUelbar in politische Programme Eingang finden: "Ein Papier, was wir mal geschrieben haben, ist fast eins zu eins in eine Koalitionsvereinbarung eingegangen" (Unternehmensberater, Interview), wird Ober eine zwar seltene Situation berichtet, bei der jedoch der Einfluss kaum direkter hatte ausfallen konnen. De facto werden Unternehmensberater hier ebenfalls zu Entscheidern Oberpolitische Programme. Ober die Inhalte von 1:1-Beratungsgesprachen ist zu wenig bekannt, aber auch hier ware denkbar, dass Unternehmensberater de facto nicht nur die Rolle des unabMngigen Sachverstandigen einnehmen, sondern mitunter selbst zum politischen Akteur werden. Die Grenze vom sachverstandigem Berater zum Mitentscheider Oberpolitische Inhalte zu Oberschreiten ist hochst problematisch - fOr den Unternehmensberater, der sich in der Regel als politisch unabhangig positioniert, und auch fOr den Politiker: "Die Politik solite nie den Versuch machen, ihre Entscheidungen dadurch zu legitimieren, dass sie sich hat beraten lassen" (Biedenkopf, Interview). Denn der BOrger wOrde nicht akzeptieren, dass er eine Person wahlt, diese dann jedoch nur Entscheidungen anderer Obernimmt. "Ich habe als Ministerprasident immer die Auffassung vertreten: Wenn ich einen Rat brauche, brauch ich ihn nicht fOr mich, sondern fur die mir gestellte Aufgabe. Wenn ich diese Aufgabe angemessen erfOlien soli, muss mir auch die Moglichkeit der Beratung zuqanqlich sein. Deshalb bin ich auch bereit, fOr diesen Rat zu zahlen. Aber ich habe immer Wert darauf gelegt, dass die Ergebnisse der Beratung, deren Inhalte in meine Entscheidung eingehen, meine Ergebnisse sind" (ebd., Interview).
38
Eine Zwischenbilanz zu der Frage, wie viel von den Hartz-Vorschlaqen tatsachlich umgesetzt wurde, siehe Jannf Schmid (2003). Vgl. auch Trubef Wohlfahrl (2002).
179 Dass Unternehmensberater immer wieder genutzt wurden und bis heute genutzt werden, urn Politikern bei der Legitimation von Entscheidungen zu helfen, ist ein weiteres Element der Legitimationsproblematik, das nicht von der Hand zu weisen ist. Allerdings, so betonen mehrere Interviewpartner, eigneten sich Unternehmensberater seit der offentlichen Debatte heute weniger als zuvor fOr diese Funktion. Man dOrfe als Politiker nicht in den Verdacht geraten, von Unternehmensberatern abhangig zu sein: "Die Aussage Wir machen diese Politik, weil es uns von Unternehmensberatern empfohlen wurde' wird es wohl so nicht mehr geben, sondern Wir haben diese Idee, und die Firma XY hilft uns bei der Umsetzung'" (Wissenschaftler, Interview). Ein Politiker solie stets nach den folgenden Grundsatzen vorgehen: "Nutze Beratung, aber entscheide und beurteile selbst. Hole dir nie nur eine Expertise, sondern immer mehrere Beratungsangebote. Und mache dir klar, welche Interessen der Berater verfolgt und welche Denkweise hinter seiner Beratung steht" (Politiker, Interview). Ein zweiter Aspekt bei der demokratietheoretischen Diskussion urn Politikberatung durch Unternehmensberater ist der der Transparenz. Das Handeln staatlicher Akteure bzw. der an der politischen Entscheidungsfindung beteiligten Akteure, so das Postulat, sollte fOr den BOrger nachvollziehbar sein. Voraussetzung dafOr ist unter anderem, dass offen gelegt wird, wer Entscheidungen trifft und auf welcher inhaltlichen Grundlage diese zustande kommen. Bei Politikberatung durch Unternehmensberater kann nicht von Transparenz ausgegangen werden: Wer wen berat, welche Inhalte die Beratungen haben, welche Empfehlungen gegeben werden, ob fur die Beratung Geld bezahlt wird und wenn ja wie viel, wer letztlich die Entscheidung trifft - diese und viele weitere Fragen zur Politikberatung durch Unternehmensberater bleiben in der Regel im Dunkeln. Wie wenig Informationen existieren, hat auch die von Mutmal1ungen, Schatzungen, haufig nicht belegbaren VorwOrfen und ebensolchen Reaktionen dominierte Debatte urn Beratunqsvertraqe gezeigt (siehe oben). Auch im Nachhinein ist nur wenig an die Offentlichkeit gelangt. In der Antwort der Bundesregierung auf die kleinen Anfragen der Opposition zum Thema "Vergabepraxis und Kosten externer Beratung der Bundesregierung" im FrOhjahr 2004 wird argumentiert, dass die Namen der Berater aus datenschutzrechtlichen GrOnden nicht genannt werden konnen (Bundesregierung 2004a, 2004b). Der Bundesrechnungshof
180 hat die Ergebnisse seiner Untersuchungen nicht ver6ffentlicht. Auch von den Beratern selbst ist wenig daruber zu erfahren, was genau sie empfohlen haben. Anders ist das zum Beispiel bei externer Politikberatung durch wissenschaftliche Forschungsinstitute. Diese ver6ffentlichen regelmaBig ihre Gutachten und Empfehlungen und machen die Inhalte ihrer Beratungsleistungen so fUr jeden einseh- und uberprutbar. Geschuldet ist die Tatsache, dass Politikberatung durch Unternehmensberater haufig intransparent bleibt, dem Wunsch nach Diskretion, der BeratungsverMltnisse mit Unternehmensberatern in der Regel beidseitig auszeichnet. So sei etwa bei der 1:1Beratung die Diskretion von entscheidender Bedeutung tur den Politiker: "Wenn Berater die Tatsache, dass sie als Berater herangezogen werden, vermarkten, um ihre Bedeutung nach autsen zu demonstrieren, sind sie als politische Ratgeber wertlos" (Biedenkopf, Interview). Denn wahrt ein Berater die Diskretion nicht, "bedeutet dies, dass es fur den Politiker schwieriger wird, den Rat anzunehmen" (ebd., Interview). Aus demokratietheoretischen Erwagungen heraus ist die Intransparenz von Politikberatung durch Unternehmensberater allerdings problematisch. Wie steht es nun drittens um die Unabhangigkeit von Unternehmensberatern bei der Politikberatung? GemaB den demokratietheoretischen Prarnissen sollten Akteure, die an der Politikformulierung beteiligt sind, ihrem Gewissen und der Vernunft verpflichtet sein und dem Wohlergehen des Volkes dienen. Sie sollten keine individuellen oder Partikularinteressen verfolgen. Unternehmensberater selbst positionieren sich im privaten wie auch im 6ffentlichen Sektor als sachkundige Experten, die mit einem externen und weitgehend objektiven Blick auf Probleme L6sungen fUr Sachfragen entwickeln k6nnen. Bei der Politikberatung achten sie insbesondere auf parteipolitische Unabhangigkeit: "Wir unterstotzen keine Partei, machen keine Politik, schlagen uns nicht mit irgendweichen AuBerungen auf eine politische Seite. Wir bereiten hOchstens Entscheidungen fur die 6ffentiiche Hand vor, was dann der Regierung m6glicherweise nutzt, ein politisches Programm zu bilden" (Bernnat, Interview). Die meisten der befragten Wissenschaftler sehen die Strategie einer unbedingten UnabMngigkeit von parteipolitischen Positionen und Personen als richtig und notwendig an. Ein "Anstands-Abstand muss gewahrt bleiben" (Bruggemeier, Interview). Wer zu nah an einer Partei dran sei, werde nicht mehr als unabhanqiqer Berater
181 ernst genommen und verliere dadurch zum einen rnoqliche Kunden bei der politischen Konkurrenz und zum anderen an GlaubwOrdigkeit, welche in bedeutenden Teilen auf der Vorstellung eines unabhangigen, sachkundigen Experten beruhe. "Unternehmensberater rnussen sich als ideologiefrei, unabhanqiq und nur der Rationalitat verpflichtet aufstellen und darstellen" (Kieser, Interview). In diesem Zusammenhang ist es interessant zu verfolgen, wie zum Beispiel Roland Berger in der Offentlichkeit Aussagen Ober einzelne Politiker oder Parteien abwaqt und ausbalanciert, um nicht einer politischen Seite zugeordnet zu werden. Von parteipolitischen Positionen unabhanqiq wahrgenommen zu werden, bedeutet jedoch nicht automatisch, dass Unternehmensberater keine Interessen verfolgen. Die meisten Unternehmensberater verneinen zwar die Aussage, dass sie Lobbyarbeit fOr einzelne Branchen, die Wirtschaft oder Arbeitgeber betreiben. Die Mehrzahl der befragten Wissenschaftler und Politiker sieht das allerdings anders: "Mit Politikberatung machen Unternehmensberater Lobbying fOr Unternehmer. Die Expertise, die sie bringen, entstammt zu 99 Prozent dem Blickwinkel der Unternehmen" (Althaus, Interview). "Lobbyismus und Unternehmensberatung - das ist das Gleiche" (Politiker, Interview).
1m Vergleich zu klassischen Interessenvertretern wie etwa Verbanden, Gewerkschaften oder Lobbyisten einzelner Unternehmen wird Unternehmensberatern in der Regel ein hoheres Mar.. an Oberparteilichkeit und Unabhangigkeit attestiert. Verglichen mit wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen dagegen, die eine staatliche Grundfinanzierung genier..en und deshalb nicht aile Aufwendungen durch den Verkauf ihrer Beratungsleistungen - oder uber eine unternehmensinterne Querfinanzierung auf andere Weise - erwirtschaften musssn , gelten Unternehmensberater meistens als starker von okonornischen Interessen geleitet. Unternehmensberater erfOllen - anders als beispielsweise Anwaltssozietaten - fOr den Auftraggeber keine advokatorische Funktion. Sie fOhlen sich in erster Linie der okonornlschen Rationalitat mit ihren Effizienz- und Effektivitatszielen sowie einer sachdienlichen l.osunq verpflichtet. Werden diese Ziele vernachlasslqt und wird stattdessen den WOnschen des Auftraggebers inhaltlich entsprochen, wird schnell Kritik wie die an so genannten Gefalligkeitsgutachten laut. Zusammenfassend lasst sich sagen, dass Politikberatung durch Unternehmensberater unter demokratietheoretischen Gesichtspunkten teilweise als problematisch zu
182 bezeichnen ist, Dass Aspekte wie Legitimation, Transparenz und Unabhangigkeit Oberhaupl immer wieder diskutiert werden, zeige. so der Beraler Ralf Baron, dass die politische Kullur in Deutschland und die Offentlichkeil "noch nicht reif' sei fOr eine professionelle Dienstleistung, die sich der Politiker "auf seinem ureigenen Feld" (ebd., Interview), narnlich der Vorbereitung von und Entscheidung tiber policies, einkauft. Dass sich Politiker professionelle UnterstOtzung fOr Medienauftritte, fOr das KnOpfen von Netzwerken oder bei anderen Fragen der Public Relations holen, werde dagegen weniger kritisch betrachtel.
7.3 Die Zukunft von Politikberatung durch Unternehmensberater Politikberatung durch Unternehmensberater ist, wie in Kapitel 5 argumentiert wurde, quantitativ betrachtet ein (noch) recht unbedeutendes Phanomen - anders als die Verwaltungsberatung, welche seit Jahren etabliert und fOr Unternehmensberater zu einem bedeutenden Einnahmefeld geworden ist. Begreift man Politikberatung durch Unternehmensberater als Markt, so wOrde man von einem frO hen Entwicklungsstand bzw. einer frOhen Entwicklungsphase sprechen. In den folgenden Abschnitlen soli beschrieben werden , welche Entwicklungen die befragten Experten in der Zukunft fOr wahrscheinlich halten. Ob Politikberatung durch Untemehmensberater in Zukunft in quantitativer wie qualitativer Hinsicht anders ausgestaltet sein wird als heute, hangt im Wesentlichen von drei Faktoren abo Der erste davon ist die Bereitschaft der Politik, gerade Untemehmensberater zur Bearbeitung von Policy-Fragen heranzuziehen. Dass prinzipiell ein Beratungsbedarf auf dem Public Sector insgesaml und auch fOr Politikberatung im Speziellen existiert, daran besteht in der Expertenstichprobe kein Zweifel. Die Frage ist nur, ob und wenn ja wie genau der Bedarf auch artikuliert, also zu einem BedOrfnis wird, und ob die Politik sich mit diesem an Unternehmensberater wendel. Denkbar ware narnlich genauso , dass die Nachfrageseite Beratern keine oder weniger Zeit widmet, nicht bereit ist, fOr professionelle Politikberatung zu zahlen, oder dass andere Beratungsanbieter bei der Politikformulierung als Unterstotzer den Unternehmensberatern vorgezogen werden . Nicht nur von der Nachfrageseite, sondern zweitens auch von der Oualitat des Angebots hangen kOnftige Entwicklungen bei der Politikberatung durch Unternehmens-
183 berater abo Wie im vorigen Kapitel argumentiert, konnen die Beratungsleistungen der Unternehmensberater - in mancher Hinsicht vielleicht sogar besser als andere Beratungsanbieter - zentrale BedOrfnisse oder Motive der Politik erfOlien. Was die Policyund Po/itics-Kompetenz angeht, werden Unternehmensberater in der Summe dagegen haufig als nicht besonders stark eingeschatzt. Wie sich Politikberatung durch Unternehmensberater also entwickeln wird, hangt deshalb auch davon ab, ob Unternehmensberater fOr die Politik von echtem Nutzen und selbst willens sind, Politikberatung zu betreiben. Einfluss auf letztere hat natOrlich auch, wie sich ihre anderen Beratungsaktivitaten entwickeln und wie sich andere Politikberatungsanbieter positionieren. Schliefslich hat drittens auch die offentliche Meinung nicht unbedeutenden Einfluss auf kOnftige Entwicklungen im Bereich der Politikberatung durch Unternehmensberater. Wendet sie sich - wie es wahrend der Debatte um Beratervertraqe vor zwei Jahren den Anschein hatte - gegen die Politikberatung allgemein, gegen eine Bezahlung dieser Tatigkeiten oder speziell gegen Unternehmensberater, so hat das entscheidende Auswirkungen auf das Handeln der Akteure auf Angebots- wie Nachfrageseite. Genauso ist jedoch denkbar, dass Politikberatung insgesamt und die Leistungen der Unternehmensberater im Speziellen mehr Akzeptanz finden und positiv betrachtet werden. Politiker wie Unternehmensberater beobachten gut, ob die Risiken einer Zusammenarbeit groBer oder kleiner sind als deren Chancen bzw. Nutzen und handeln dementsprechend. 1m Foigenden soli skizziert werden, wie sich Politikberatung durch Unternehmensberater in Zukunft entwickeln konnte. Dazu werden zunachst quantitative Entwicklungen betrachtet, also beschrieben, ob und aus welchen GrOnden Politikberatung durch Unternehmensberater zunehmen, abnehmen oder mit gleichbleibender Intensitat fortgefOhrt werden konnte (7.4.1). 1m Anschluss daran werden qualitative Veranderungen dargestellt, also nicht-quantitative Veranderungen am Markt, die - einzeln oder in ihrer Kombination - Politikberatung durch Unternehmensberater kOnftig signifikant verandern konnten (7.4.2).
184 7.3.1 Mogliche quantitative Entwicklungen Wie eine quantitative Auswertung der Interviewaussagen zeigt (siehe Abbildung 19),
geht gut die Haltte der Befragten in der Expertenstichprobe davon aus, dass Unternehmensberater kOnftig starker als bisher die Politik bei der Problembearbeitung und Politikformulierung unterstotzen werden. Nur jeder neunte Befragte ist der Meinung, dass sich Politiker morgen starker oder gar ausschliefslich an andere Beratungsanbieter wenden bzw. Unternehmensberater dieses Feld gar nicht mehr bedienen. Der Rest halt ein in etwa gleich bleibendes Aktivitatsniveau fOr wahrscheinlich. "Wird Politikberatung durch Unternehmensberater kOnftigeher zunehmen, eher abnehmen oder in etwa auf dem jetzigen Niveau bleiben?" Insgesamt
Nach Expertengruppen
Eher zunehmen Eher zunehmen
54,2%
In etwa gleich bleiben
33,3%
Eher abnehmen
12,5%
20,0% [ 62,5% 70,0%
I I
Eher abnehmen Politiker
]
Berater
] 12,5%
Wissenschaftler
] 10,0%
20,0%
n=24; fehlende Prozente: "In etwa gleich bleiben" Abbildung 19: Unterscheidungskriterien fOr Politikberatungsanbieter
Interessant ist wiederum, die Aussagen nach Expertengruppen differenziert zu betrachten. Die befragten Wissenschaftler sind groBtenteils der Meinung, dass das Phanornen in Zukunft quantitativ bedeutsamer wird. Auch die Unternehmensberater sind mehrheitlich dieser Auffassung. Die AuBerungen der meisten Politiker tendieren dagegen in keine der beiden Richtungen. Nur ein FOnftel der befragten Politiker und Verwaltungsexperten glaubt an eine Zunahme, ein weiteres FOnftel an eine Abnahme von Politikberatung durch Unternehmensberater in der Zukunft. 1m Foigenden werden die drei Moglichkeiten Zunahme, ROckgang oder Gleichbleiben der Aktivitaten einzeln beschrieben und GrOnde genannt, die fOr die eine oder andere Richtung sprechen konnten. Letztere werden in der Reihenfolge ihrer Bedeutung gemaB den Aussagen der Interviewpartner behandelt.
185 Zunahme der Aktivitaten Dass Unternehmensberater die Politik in Zukunft starker in Policy-Fragen beraten werden, davon gehen zunachst einmal mehrheitlich diejenigen aus, die diese Beratung selbst anbieten: "Das Marktsegment fOrPolitikberatung wird massiv anwachsen" (Unternehmensberater, Interview). Aber auch einige Wissenschaftler sehen Politikberatung durch Unternehmensberater mit "definitiv ansteigender Tendenz" (Karp, Interview) und vermuten, dass Politikberatung fOr Unternehmensberater kOnftig an Attraktivitat gewinnen wird: "Wenn ich Berater ware, wOrde ich verstarkt in den Bereich gehen, denn da kann man Weichen steUen" (Kieser, Interview). Derzeit seien noch die Nachwirkungen der offentlichen Debatte Ober Beratervertraqe zu spOren. Bald jedoch werde die Public-Sector-Beratung und in diesem Zuge auch die Politikberatung wieder zu einer Wachstumsdynamik zurOckfinden. Ais Grund fOr die Vermutung, dass Unternehmensberater kOnftig haufiger als bisher die Politik in Policy-FragesteUungen beraten konnten, dominiert die Aussage, dass der Bedarf an ihren Leistungen aufgrund aufgestauter Probleme und kontinuierlich steigender Anforderungen an politisches Handeln insgesamt zunehmen wird. "Angesichts einer Staatsquote von knapp 50% sind in Deutschland noch Unmengen an Transformation von Behorden zu privaten Leistungstragern, aber auch innerhalb von Behorden, die hoheitliche Aufgaben Obernehmen, notiq." (Berger, Interview). Dies erfordere okonornische Expertise bei Konzeption wie Umsetzung politischer Mal1nahmen. Mit anderen Worten: Der Bedarf sowohl an Verwaltungs- wie auch an Politikberatungsleistungen sollte in den kommenden Jahren weiter steigen. Angesichts der Tatsache, dass Unternehmensberater in der Lage zu sein scheinen, zentrale Motive der Politiker zu befriedigen und teilweise auch besser als etwa wissenschaftliche Beratungsanbieter (siehe Kapitel 6), sollte der Bedarf auch in konkreter Nachfrage nach Leistungen der Unternehmensberater zum Ausdruck kommen. Gesprochen wird ferner davon, dass die Akquisitionsversuche der Unternehmensberater kOnftig erfolgreicher als bisher sein konnten mit der Konsequenz, dass die Politik "nachgiebiger" (Wissenschaftler, Interview) gegenOber Unternehmensberatern und ihren PolitikberatungswOnschen werden wOrde als bisher. Die Nachfrage nach Verwaltungsberatungsleistungen sei nach wie vor dominierend und werde weiter ansteigen,
186
aber auch die nach Politikberatung durch Unternehmensberater konne in diesem Zusammenhang weiter wachsen. Die Notwendigkeit, sich von externen Experten wie beispielsweise von Unternehmensberatern bei der Politikformulierung unterstotzen zu lassen, geht jedoch nicht allein auf den allgemein genannten Problemstau zuruck, sondern ist auch hausgemacht: Da Ministerien - bei nicht signifikant reduziertem Aufgabenspektrum - vermutlich weiter Personal abbauen werden, sei die Hinzunahme externer Kapazitaten kOnftig in groBerem Umfang nOtig. Dies betreffe nicht nur Tatigkeiten bei der Umsetzung politischer Programme, sondern auch bei der Politikformulierung. "Die meisten Ministerien leiden unter einer personellen und intellektuellen Auszehrung" (Wissenschaftler, Interview). 1m Kontext zunehmender Problemkomplexitat sprechen insbesondere Unternehmensberater
darOber hinaus
auch
davon,
dass
der
Politik
strategische
Kompetenzen fehlten und dass diese kOnftig verstarkt vonnoten seien. Viele Prebleme in den einzelnen Politikfeldern wOrden sich krisenhaft zuspitzen mit der Folge, dass sich die Notwendigkeit ihrer strategischen Bearbeitung nicht mehr wie bisher verdecken lasse. Konkret heiBt das, dass Ober eine Legislaturperiode hinausgehende und konkurrierende politische Akteure explizit mit in Betracht ziehende Problembearbeitungsansatze notig seien und Auswirkungen von einem auf andere Politikfelder zunehmend beachtet werden mOssten. Unternehmensberater, die gut vernetzt auf eine groBe Breite von Kapazitaten und Kompetenzen zugreifen konnen und im privaten Sektor Erfahrungen mit strategischen Fragestellungen besitzen, sollten in diesem Zusammenhang starker als bisher gebraucht werden. Ein weiterer wichtiger Grund, den diejenigen nennen, welche eine Zunahme der Politikberatungsaktivitaten durch Unternehmensberater erwarten, ist das Interesse der Anbieter, mehr Politikfelder als bisher zu bearbeiten. Unternehmensberater sind wie in Kapitel 5 erlautert bereits heute in einer Reihe von Politikfeldern mit PolicyBeratungsleistungen aktiv. FOr wahrscheinlich halten viele Befragte, dass die auf dem Feld der Politikberatung tatlqen Unternehmensberater diese Politikfelder weiter vertiefen bzw. neue Betatigungsfelder erschliefsen. Ein Beispiel fOr ein aus der Sicht von Unternehmensberatern als attraktiv bezeichnetes Polilikfeld ist die Bildungspolitik, in der manche, aber langst nicht aile in Zukunft entgeltliche Beratungsnachfrage vermuten. Mittelfristig lasse sich etwa mit Beratung
187 zur Studentenauswahl, fundraising, Alumni-Arbeit, ForschungsmiUelakquisition, Aufbau von Kooperationen mit der Wissenschaft sowie mit anderen Themen Geld verdienen.
Bei
dem
Aufbau
von
so
genannten
corporate
universities
sind
Unternehmensberater bereits heute beratend tatig. Das Thema Demografie bzw. Vereinbarkeit von Familie und Beruf gilt als Beratungsfeld, in dem Unternehmensberater kOnftig starker tatig werden konnten, So ist denkbar, dass sie aufgrund ihrer Erfahrungen im privaten Sektor auch fOr die Politik hilfreiche Expertise aufbauen, wie Unternehmen mit alteren Mitarbeitern sowie mit vor allem, aber nicht nur weiblichen - Mitarbeitern umgehen. die Beruf und Familie gleichzeitig bewaltiqen mOssen. Die Schaffung familienfreundlicher Arbeitszeitmuster, die berufstatiqen Eltern die notiqe Flexibilitat geben und gleichzeitig den Anforderungen des Unternehmens entsprechen, ist einer von vielen moqllchen Ansatzpunkten. Auch das Politikfeld Gesundheit wird von Unternehmensberatern als attraktiv fOr kOnftige Politikberatungstatigkeiten gesehen. Hier ginge es wiederum weniger urn die Erarbeitung gesamtgesellschaftlicher Konzepte, sondern vielmehr urn von den Unternehmensberatern aufgebaute Policy-Expertise, die in Verbindung mit den Erfahrungen aus der betrieblichen Praxis fOr Politiker hilfreich sein kann. Ais moqlicherweise attraktive weitere Politikfelder werden genannt: Beratung bei der Finanzierung offentlicher Aufgaben (Public Private Partnership), Beratung in Sicherheitsfragen, Politikberatung im Umweltbereich (Zertifikatsmarkte, Emissionsrechtehandel) sowie weiterhin die Politikfelder Wirtschafts- und Innovationspoiitik, soziale Sicherungssysteme und Arbeitsmarkt. Unternehmensberater verfolgen zudem heute - anders als beispielsweise Anwaltskanzleien, Public-Affairs-Agenturen und RechnungsprOfer - eher unsystematisch, was sich auf der europapolitischen Ebene tut. Auch in europapolitischen Fragen halten einige der Interviewpartner kOnftige verstarkte Politikberatungsaktivitaten der Unternehmensberater fOr moglich. Politikberatung konnte fOr Unternehmensberater aber nicht nur deshalb von Relevanz sein und zunehmend forciert werden, weil sich darOber neue Tatigkeitsfelder erschllelsen lassen. Vielmehr wird auch die Vermutung geauBert, dass Public-SectorBeratung kOnftig ohne Politikberatung gar nicht mehr moglich ist. "Ich kann nicht nur sagen: Ich mache den organisatorischen Rattenschwanz hinten dran" (Klimmer, Interview). Urn ein Politikfeld bearbeiten und insbesondere urn Projekte im offentli-
188
chen Sektor verkaufen zu konnen, seien Policy-Oberlegungen oftmals zwingend erforderlich. Die politischen Auftraggeber wOrden zunehmend verlangen, dass Unternehmensberater nicht nur methodisch geschult die Umsetzung von Effizienzmafsnahmen begleiten, sondern sich auch inhaltlich mit dem Politikfeld und seinen spezifischen Problemen intensiv vertraut machen. Mit Blick auf das Ausland argumentieren einige der Befragten, dass sich Politikberatung durch Unternehmensberater in Deutschland mittelfristig signifikant verandern konnte - und zwar in Richtung von l.andern wie den Niederlanden, Luxemburg oder Grol1britannien. Dort seien Unternehmensberater bereits heute starker an der Politikformulierung beteiligt als hierzulande (siehe Schlusskapitel). Weiterhin konnten moqllche Veranderungen bei der Auftragsvergabe der Ministerien den Unternehmensberatern, die Politikberatung betreiben, zugute kommen. Beratervertraqe mit einer Dauer von zwolf Monaten oder lanqer wird es nach Expertenaussagen kOnftig weniger geben. Stattdessen wOrden kOrzere und in der Tendenz auch pragmatischer ausgerichtete Ausschreibungen zunehmen. Schliefsllch halten einige der Interviewpartner fOr nicht ausgeschlossen, dass ein Top-Unternehmensberater einmal in die Politik wechseln und Ober erfolgreiches Management von Politikveranderungen im Regierungssystem der gesamten Unternehmensberaterbranche "wieder ein Stock neue Legitimationskraft" (Fiedler, Interview) und darOber hinaus auch neue Politikberatungsauftrage verschaffen konnte. Zum Zeitpunkt der Interviews im Sommer 2005 mehrfach geaul1ert worden - aber nach dem letzten Stand der Entwicklungen wohl nicht eingetreten - ist die Vermutung, dass die (damals bereits von den Interviewpartnern erwartete) neue Bundesregierung unter Angela Merkel den derzeitigen McKinsey-Chef JOrgen Kluge in eine fest institutionalisierte, herausgehobene Beraterposition ins Kanzleramt holen konnte (siehe hierzu genauer KapiteI7.3.2).
Weder Zunahme noch RDckgang der Aktivitaten
Die Experten, welche ein Gleichbleiben des Umfangs von Politikberatung durch Unternehmensberater in der Zukunft erwarten, sehen insgesamt wenig Bewegung: "Ich sehe gar nicht so viele Entwicklungen in diesem Bereich - ich glaube, da ist eine gewisse Sattigung erreicht" (Herz, Interview). Nach der ZurOckhaltung bei der Auf-
189 tragsvergabe und den Imageproblemen im Zusammenhang mit der Diskussion um Beratungsleistungen im Winter 2004 sei das Volumen der Politikberatungstatigkeiten zwar mittlerweile wieder auf dem Niveau von 2003 angekommen. Weiter ansteigen werde es jedoch nicht: "Der bezahlte Markt fOr Policy-Beratung wird begrenzt bleiben" (Thunert, Interview). "Ich glaube, dass die Beratung auch systematisch an Grenzen stofst" (Politiker, Interview). Wie fOr eine moqliche Zunahme gibt es auch fOr die Annahme, dass die Politikberatungsaktivitaten der Unternehmensberater auf dem derzeitigen Niveau verharren werden, einige plausibel klingende Argumente. Der am haufigsten genannte Grund auf der Nachfrageseite ist, dass die Beratungsleistungen zwar in mancherlei Hinsicht notiq, aber auch nicht problemlos erweiterbar seien. "Die Politik ist genauso wie Unternehmen auf Berater angewiesen" (Kieser, Interview), zeigen sich Beobachter der Verwaltungs- und Politikberatungsaktivitaten Oberzeugt. Allerdings erscheine es unwahrscheinlich, dass die Nachfrageseite verstarkt Unternehmensberater bei der Politikformulierung heranziehen wird. Denn entweder seien zusatzliche Aktivitaten kaum vorstellbar - so zum Beispiel bei der Mitarbeit in Kommissionen, die in der Vergangenheit bereits als sehr umfassend bewertet wurde. Manche fragen also bei dieser Tatiqkeit oder auch mit Blick auf die 1:t-Gesprache der Top-Berater mit den Top-Politikern, wie eine Zunahme dort Oberhaupt aussehen wOrde. Oder aber die Politik fOrchtet Rechtfertigungsprobleme und Kosten und will deshalb keine Zunahme von Politikberatung durch Unternehmensberater. Die Erfahrungen vorn Winter 2004 hatten gezeigl, wie vorsichtig Politiker mit dem Thema Beratung umgehen mOssten. Bezahlte Politikberatungsaktivitaten der Unternehmensberater seien angesichts der offentlicben Aufmerksamkeit sowie der angespannten Haushaltslage nicht problemlos rnoqlich. Aufserdem haben Politiker mit Unternehmensberatern in der Politikberatung nicht nur gute Erfahrungen gemacht. Auch aus diesem Grund konne man davon ausgehen, dass nicht signifikant mehr Beratung nachgefragt wOrde. Der Nutzen von Unternehmensberatern in der Politikberatung sei nicht immer erkennbar, so die Erfahrung mancher. Ein zentraler angebotsseitiger Grund, der fOr eine FortfOhrung der Aktivitaten auf etwa gleichem Niveau spricht, ist die als gering bewertete Wahrscheinlichkeit, mit Politikberatung unmittelbar Geld verdienen zu konnen, Unternehmensberater wOrden deshalb nur sehr vereinzelt und selektiv in ihre Politikberatungsaktivitaten investieren. Nicht zuletzt seien Investitionen ja auch intern zu rechtfertigen, was nicht leicht
190 faile, wenn die Renditeerwartungen weit unterdurchschnittlich ausfielen. "PolicyBeratung durch Untemehmensberater wird es immer geben" (Unternehmensberater, Interview), sind sich die auf diesem Feld tatigen Berater allerdings sicher. Denn wie im vorangegangenen Kapitel erlautert, verfolgen Unternehmensberater nicht nur unmittelbar rnonetar bewertbare Interessen bei ihren Politikberatungsaktivitaten. Auf die Meglichkeiten, Kontakte zu knOpfen und Bekanntheitsgrad und Image zu verbessern, wollen Unternehmensberater auch nicht verzichten. Deswegen wOrden sie vermutlich wo rnoqlich die Aktivitaten weiterfOhren. Ein weiterer Grund fOr die Annahme einiger Befragten, dass Politikberatung durch Unternehmensberater in Zukunft nicht zunehmen werde, sind tief sitzende Vorbehalte in Politik und Gesellschaft gegenOber einer Okonomisierung von Politik. Man kenne nicht sarntliche Politikfelder mit dem Blick des Okonornen betrachten. Eine "Ubernahrne sarntlicher Themengebiete durch Unternehmensberater" (Politiker, Interview) fande schlicht und ergreifend keine Akzeptanz. Die Wachstumsmeglichkeiten von Unternehmensberatern sind also begrenzt. Ais weitere Grenze fur eine rnoqliche Zunahme von Politikberatung durch Unternehmensberater gelten ferner die Ausschreibungsregeln. Sie seien im Hinblick auf Tagessatze, Projektinhalte und Form der Arbeitsergebnisse meistens so konzipiert, dass sie vor allem wissenschaftliche Anbieter ansprechen. Von Unternehmensberatern werden Ausschreibungsregeln und -verfahren als hinderlich empfunden. SchlieBlich argumentieren einige der befragten Experten, dass einer Zunahme von Politikberatung durch Unternehmensberater schon allein die Tatsache entgegenstonde, dass es nicht viele Unternehmensberater gebe, die fOr Politikberatung geeignet seien. Man rnusse ein "politisches Alphatier" (Redley, Interview) sein, urn erfolgreich Politikberatung betreiben zu konnen. Unternehmensberater, die als solche erfolgreich Politikberatung betreiben konnen, mOssten political animals sein, vertrauenswOrdig und kompetent, eloquent und mediengewandt, anregend und personlichkeitsstark. Von solchen Personen gebe es nicht allzu viele.
Rilckgang der Aktivitaten
Die Anzahl derjenigen, die einen ROckgang der Politikberatungsaktivitaten von Unternehmensberatern erwarten, ist in der Expertenstichprobe in der Minderheit. "Es
191 wird einen Roll-back geben, unabhangig davon, wie die Bundestagswahl ausgeht" (Wissenschaftler, Interview). "Ich konnte mir eine Gegenbewegung wahrscheinlicher vorstellen als die Entwicklung eines
gro~en
Beratungsmarkts mit den
gro~en
Bera-
tungshausern" (Fink, Interview). Foigende GrOnde wurden von denjenigen Experten genannt, die einen ROckgang der Politikberatung durch Unternehmensberater erwarten: Die Tatsache, dass Unternehmensberater in vielen Reformkommissionen der Bundesregierung mitgewirkt haben, personlich einige die wichtigsten politischen Entscheidunqstraqer vertraulich beraten und darOber hinaus auch mit der Umsetzung wichtiger politischer Vorhaben - zum Beispiel beim Umbau der Bundesagentur fOr Arbeit, bei der Wehrstrukturreform, bei der EinfOhrung der Lkw-Maut usw. - die PoIitik unterstotzt haben, sei im Wesentlichen der Vorliebe der Regierung Schroder fOr externe Beratungsgremien wie Kommissionen sowie professionelle Dienstleister wie Unternehmensberatern geschuldet gewesen. Nachdem Gerhard Schroder und andere politische Entscheldunqstraqer, welche diesen Beratungsformen ebenfalls offen gegenObergestanden hatten, nun die Regierung verlassen haben, sei nicht mehr mit einem derartigen Volumen der Politikberatung durch Unternehmensberater zu rechnen. Ein ROckgangzeichne sich deshalb abo "Es ist ein Spezifikum der SchrOder-Ara, dass sie Unternehmensberater sehr viel starker genutzt hat und der Beratung durch Unternehmensberater auch sehr positiv gegenOberstand" (Politiker, Interview). Die umfangreiche Mitarbeit von Unternehmensberatern in Kommissionen beispielsweise sei eine "Sonderentwicklung" gewesen, die mit Schroder zu tun habe: "Das hat es bei Kohl nicht gegeben und ich bezweifele, dass es das bei Merkel so geben wird" (Gellner, Interview). Einige Mitglieder der Regierung Schroder batten aus Niedersachsen eine starke Affinitat zu externer Beratung mitgebracht: "Es gab [...] eine
gro~e
Offenheit, mit Unterneh-
mensberatern zusammenzuarbeiten" und gleichzeitig eine "tiefe Distanz zu wissenschaftlichen Beratern" (Politiker, Interview). Prof. Dietmar Herz von der Universltat Erfurt erganzt: "Hinter Unternehmensberatungen steht eine bestimmte Perzeption von Effizienz, Modernitat, Objektivitat [...] - das war etwas, was eigentlich ganz gut zur Regierung Schroder passte" (ebd., Interview). Schon allein aus kosmetischen GrOnden mOsse die neue Bundesregierung unter Bundeskanzlerin Merkel jetzt etwas anders machen. "Es wird optisch anders sein"
192 (Politiker, Interview). Das Instrument der Expertenkommission sei in den letzten Jahren Oberdehnt worden und werde vermutlich weniger genutzt oder zumindest weniger stark in die Offentlichkeit gestellt werden. "Die Leute haben die Partei gewahlt, und wen bekommen sie? - Hartz und Rurup" (Wissenschaftler, Interview). Darauf liefsen sich die BOrgernicht mehr ein. Politikberatung durch Unternehmensberater hat also nach Meinung einiger der befragten Experten wahrend der SchroderAra ihren Zenit erreicht und werde nun wieder abflachen. Ein weiterer, haufig genannter Grund fOr die Annahme, dass Politikberatung durch Unternehmensberater abnehmen werde, ist die oben beschriebene DebaUe Ober offentliche Beratervertrage im Winter 2003/2004. Sie habe auch langfristig negative Foigen fOr die Bereitschaft beider Seiten, sich auf dem Feld zu engagieren bzw. sich durch Unternehmensberater beraten zu lassen. FOr Unternehmensberater hatten sich die Risiken von Politikberatung erhoht bzw. die Chancen verringert, auf diesem Feld erfolgreich agieren zu konnen. "Der Wind wird harter fOr die Beratungen" (Kieser, Interview). Vor allem die offentliche Meinung sei schwer einzuschatzen bzw. stehe Unternehmensberatern im Zweifelsfall negativ gegenOber. Aulserdem mOssten sie erkennen , dass "die Taqessatze von Unternehmensberatern angesichts knapper Kassen nicht vermittelbar' seien (Gellner, Interview). Auf der Nachfrageseite kame die Beraterdiskussion ebenfalls negativ zum Tragen: "Die ZurOckhaltung, Beratern in politischen Expertengremien eine Rolle zu geben, wird spOrbar
gro~er"
(Bernnat,
Interview). Politiker fOrchteten das Image, "in der Offentlichkeit als Gefangener der Berater dazustehen, gerade nach der offentllchen Diskussion im Winter 2003/2004" (Thunert, Interview). Argumentiert wird ferner, dass Politikberatung durch Unternehmensberater eine Modeerscheinung sei, eine Modewelle, die bald wieder abflachen werde. 1m Zuge der "Beratereuphorie" (Gellner, Interview) der 1990er und frOhen 2000er Jahre hatte nicht nur der Glaube an die Planbarkeit von Politik eine erstaunliche Renaissance erlebt, sondern man harte Unternehmensberatern auch Kompetenzen zugetraut, die diese nur tei/weise vorhalten. Genauer gesagt: Politik und Offentlichkeit batten von den Fahigkeiten der Unternehmensberater in Umsetzungsprojekten darauf geschlossen, dass sie auch in Policy-Fragestellungen kompetent Auskunft geben konnten. Da letzteres nur bedingt der Fall sei, wOrden Unternehmensberater in diesem Feld auch kOnftig weniger tatig sein und sich stattdessen auf Umsetzungsberatung konzentrierenoAufserdern sei der Neuigkeitswert, Unternehmensberater als Autoritat heranzu-
193 ziehen und damit aus Politics-Motiven heraus einzusetzen , verbraucht: "Die Frische, mit der Henzler, Berger und Kluge durch die Politik gingen, ist nicht mehr da" (Fiedler, Interview). Politikberatung durch Unternehmensberater konnte nach Meinung einiger Experten auch deshalb zurOckgehen, weil die Konkurrenten auf diesem Feld starker wOrden. Einige wissenschaftliche Institute beispielsweise hatten in den vergangenen Jahren vieI dafOr getan, wettbewerbsfahiqer zu werden , um Konkurrenten wie Unternehmensberatungen "wieder etwas vorn heftig urnkarnpften Kuchen wegnehmen" zu konnen (Gellner, Interview). Das verstaubte Image des Forschers im Elfenbeinturm trate auf viele Einzelwissenschaftler und auf die sie tragenden Institute heute vielfach nicht mehr zu. Vielmehr seien einige Wissenschaftler Unternehmensberatern in Fragen von Professionalitat und Vermarktung oftmals ebenbOrtig. Manche Beobachter sprechen gar von der Moglichkeit einer "Renaissance der Wirtschaftsforschungsinstitute" (Wissenschaftler, Interview). Festzuhalten bleibt, dass es fOr aile drei moqllchen Entwicklungsrichtungen der PoIitikberatung durch Unternehmensberater plausible Erklarunqsansatze gibt. Eine knappe Mehrheit der Interviewpartner geht davon aus, dass Politikberatung durch Unternehmensberater kOnftig zunehmen wird.
7.3.2 Mogliche qualitative Entwicklungen
Ob und wenn ja wie sich Politikberatung durch Unternehmensberater in den nachsten Jahren quantitativ und qualitativ verandert , hangt wie bereits erwahnt davon ab, ob die Politik diese Leistungen nachzufragen bereit und in der Lage ist, ob Unternehmensberater bieten, was Politiker brauchen sowie von der offentlichen Meinung. Wie sich die offentlichen Meinung in Zukunft entwickeln konnte, darOber soli hier nicht spekuliert werden. Vielmehr soli aufgezeigt werden, welche qualitativen Entwicklungen die befragten Experten bei der Politikberatungsaktiv itaten durch Unternehmensberater fOr vorstellbar halten. Grofse Veranderungen sind nach Ansicht vieler zumindest kurzfristiq nicht zu erwarten: "Ich glaube nicht, dass goldene Zeiten fOr Berater anbrechen werden" (Oltmanns, Interview). FOnf Entwicklungen werden jedoch von den Interviewpartnern fOr rnoqlich und nicht unwahrscheinlich erachtet: Erstens konnte Politikberatung durch
194 Untemehmensberater kOnftig starker diskret und informell ablaufen . Es konnte zweitens durch den Eintritt neuer Wettbewerber groBere Konkurrenz auf dem Feld der Politikberatung herrschen . Drittens ist denkbar, dass Untemehmensberater ihre Anstrengungen verstarken , eigenes Policy-Wissen aufzubauen. Viertens wird fOr mogIich gehalten , dass Untemehmensberater mit der Politik engere vertragliche oder gar personelle Bindungen eingehen. FOnftens schllefslich konnten sich Untemehmensberater zusammentun , um losqelost von ihren bisherigen Unternehmen Politikberatung als Geschaft aufzubauen. Wie wahrscheinlich die Entwicklungen sind, kann hier nicht beurteilt werden . Jede einzelne von ihnen wurde jedoch von jeweils mindestens drei Interviewpartnern fOr plausibel erachtet. Zudem gibt es erste Anzeichen fOr jede der fOnf rnoqllchen Entwicklungen , die im Foigenden vorgestellt werden.
Mehr Diskretion und fnformalitat Politikberatung durch Untemehmensberater, so die erste der fOnf hier diskutierten qualitativen Veranderungen, konnte kOnftig diskreter und informeller erfolgen als bisher . Anders gesagt: Beide Seiten, also Politiker und Unternehmensberater, werden nach Ansicht einiger Experten kOnftig verstarkt darauf achten , dass ihre Beratungsbeziehungen, -inhalte und -ergebn isse nicht dadurch Schaden nehmen, dass Ober sie (zu) viel in der Offentlichkeit bekannt und diskutiert wird. DarOber hinaus warden groBe , fest institutionalisierte Beraterkreise vermutlich zugunsten kleinerer, ad hoc einberufener und informell ausgestalteter Beratungssituationen an Bedeutung verlieren . Offentlichkeitswirksam eingesetzte Expertengremien wie insbesondere die Regierungskommissionen unter der Leitung von Hartz und ROrup, bei denen auch Unternehmensberater mitgewirkt haben, werde es in der Form kOnftig nicht mehr geben . Ais Treiber dieser rnoqlichen Entwicklung gilt erstens, dass mit dem Regierungswechsel ein anderer Regierungsstil - und damit evtl. auch andere Vorlieben fOr Beratung - auf der bundespolitischen Ebene Einzug halten konnte , Eine Bundeskanzlerin Merkel werde vermutlich "kleinere Beratungskreise bevorzugen und weniger institutionalisieren" (Gellner, Interview). Allein schon aufgrund der Tatsache, dass die CDU zu Zeiten der Opposition gegen die so genannten Kommissionitis der Regierung
195 Schroder aufbegehrt habe, masse sie jetzt etwas anders machen. "Die Art der medialen Kommunikation, der Darstellung wird sich andern" (Karp, Interview). Angela Merkel habe genauso wie Gerhard Schroder Berater aus Wissenschaft und Unternehmensberatung, denen sie vertraue. Jedoch werde sie mit diesen eher das personllche Gesprach suchen und sich auch in der Offentlichkeit weniger mit ihnen zeigen als ihr Vorganger. Zweitens habe die Beraterdiskussion im Winter 2004 ihre Spuren bei Politikem und Unternehmensberatern hinterlassen. Ausschreibungsregeln wOrden kOnftig vermutIich "viel ernster" genommen (Politiker, Interview). Beide Seiten seien vorsichtiger geworden, weil sie vor Augen gefOhrt bekommen batten, welche Image- und sonstige Schaden Politikberatung durch Unternehmensberater anrichten konne. In manchen Unternehmensberatungen haben die Beratungstatigkeiten im offentlichen Sektor, insbesondere aber die Politikberatung und die Offentlichkeit der Beratunqsverhaltnisse auch intern Kritik hervorgerufen. Die Versuchung, mit Hilfe von Beratern politischen Entscheidungen auszuweichen oder diese zu delegieren, sei nach der offentlichen Debatte geringer geworden. Politikberatung werde deshalb vermutlich kOnftig "nicht mehr so exponiert in der Offentlichkeit" stattfinden wie bisher (Wissenschaftler, Interview). Drittens schlief1lich konnte Politikberatung durch Unternehmensberater deshalb diskreter und informeller ausgestaltet werden, weil die Bedeutung vertraulicher 1:1Gesprache zwischen Politikern und Beratern jeglicher Art zunehmen werde. FOr Politiker, so die Argumentation, sei es angesichts der Kornplexltat von Problemen und der von vielen Seiten an politische Entscheidungstrager herangetragene Interessen immer wichtiger, einen vertraulichen und unbedingt verschwiegenen Gesprachspartner zu haben (vgl. Bohret 1997. 2004). Die genannte Entwicklung ist vermutlich bereits im Gange. DafOr sprechen erste Anzeichen, wie etwa, dass die neue Bundesregierung unter Angela Merkel bislang keine neuen Kommissionen mit Beteiligung von Unternehmensberatern eingesetzt hat (vgl. Sosallal Karweil 2005). Ausgeschlossen ist natorlich nicht, dass Unternehmensberater auch kOnftig auf Bundesebene in Expertenkommissionen formalisiert mitarbeiten und beispielsweise am Rande auch offentllch uber Policy-Opt ionen sprechen. Davon, dass Unternehmensberater bei einer geringeren Zahl von formalisierten Beratungsmandaten weniger Einfluss(moglichkeiten)
besitzen, wird nicht
196 ausgegangen: "Unternehmensberater passen sich gut an. Bei Frau Merkel werden sie halt nicht mehr in Kommissionen sitzen, sondern auf andere Art und Weise beraten" und darOber auch Einfluss nehmen (Politiker, Interview). Findet Politikberatung durch Unternehmensberater kOnftig (noch) diskreter und informeller statt, wird sicherlich auch die demokratietheoretische Problematik politischer Entscheidungsfindung durch dafOr vom Volk legitimierte Akteure an Bedeutung gewinnen. Denn Diskretion bedeutet haufig auch Intransparenz.
Zunehmende Konkurrenz fOr Unternehmensberater be; der Politikberatung
Ais weitere mogliche qualitative Veranderunq auf dem Feld der Politikberatung durch Unternehmensberater wird eine Zunahme des Wettbewerbs durch den Eintritt neuer Unternehmensberater sowie anderer Politikberatungsanbieter genannt. Bislang sind wie in Kapitel 5.3 beschrieben von den gror.,en Unternehmensberatungen auf Bundesebene im Wesentlichen Roland Berger und McKinsey auf dem Feld der Politikberatung tatig. Andere haben sich bewusst dagegen entschieden oder waren mit ihren Versuchen der Verwaltungs- und/oder Politikberatung in Deutschland erfolglos. FOr denkbar und nicht unwahrscheinlich halten jedoch einige Experten, dass sich kOnftig mehr Unternehmensberater als bisher auf diesem Feld engagieren konnten, Zudem konne der Wettbewerb durch das Vordringen von Wisse nschaftlern und anderen Politikberatungsanbietern starker werden. Wenn Unternehmensberate r in das Feld der Politikberatung vordringen wollen , konnen sie heute von den Erfahrungen, welche die Vorreiter auf dem neuen Betatigungsfeld haben sammeln konnen, profitieren. Deshalb lasse sich, so einige der Interviewpartner, fOr Neueinsteiger besser abschatzen , was sich dort erreichen liefse und was nicht. Die Markteintrittsbarrieren werden meistens als hoch einqeschatzt . Man brauche Kompetenz, Kontakte, langes Stehvermogen und anderes mehr, die Chancen von sich finanziell selbst tragenden Aktivitaten seien zumindest auf kurze Sicht eher gering. Mit Blick auf die nlcht-monetaren Motive, die bei Politikberatung durch Unternehmensberater eine Rolle spielen (siehe Kapitel 6.3), konnte der Einstieg in die Politikberatung dennoch einigen weiteren Unternehmensberatungen als attraktiv erscheinen .
197 Einige der befragten Experten erwarten den Versuch vor allem kleinerer Unternehmensberatungen, in den Bereich der Politikberatung vorzudringen. Sie batten eine Chance , wenn sie als Spezialisten in einem Politikfeld auftreten wOrden. Auch im privaten Beratungsmarkt gebe es Beispiele fOr kleinere Unternehmen, die nicht als Generalisten, sondern als Berater in einem kleinen Teilbereich des Marktes Erfolge verbuchen konnten, Die auf dem Feld der Politikberatung tatiqen Untemehmensberater konnten auch von anderer Seite Konkurrenz bekommen . Ais Einzelpersonen konkurrieren Berger, Kluge und Co. bereits heute mit Wissenschaftlern oder auch Top-Managern wie dem ehernaligen Siemens-Chef von Pierer um die Aufmerksamkeit und Zeit politischer Entscheidungstrager. Ais Beratungsunternehmen treten sie biswe ilen gegen wissenschaft liche Forschungsinstitute an, etwa bei Projektausschreibungen der Bundesministerien. Gerade die Projektarbeit konnte zunehmend urnkarnpft sein, denn in diesem Bereich flieBen in der Regel auch Gelder. Wann eine Zunahme des Weltbewerbs durch den Eintritt neuer oder durch zusatzliche Anstrengungen existierender Wettbewerber spOrbar wird, lasst sich nicht zeitlich bestimmen . Es gibt jedoch GerOchte in der Unternehmensberaterbranche, die fOr einen Eintritt neuer Wettbewerber in nachster Zeit sprechen konnten,
Verstarkte Aktivitaten der Wissensgenerierung in den Untemehmensberatungen Unternehmensberater werden nach Aussage einiger Gesprachspartner drittens kOnftig ihre Anstrengungen verstarken , um Wissen in einzelnen Politikfeldern auf- und auszubauen und auf diese Weise dem von vielen Beratungsnachfragern konstatierten Mangel an Policy-Expertise zu begegnen. Neben dem Erwerb von Wissen on the job , also wahrend der Beratungsprojekte selbst, werden hierzu zwei Moglichkeiten gesehen. Zum einen konnten Untemehmensberater Wissen intern entwickeln, etwa Ober eine Art Think-Tank-Einheit, die in Politikfeldern forscht. Zum anderen konnten sie Kooperationen mit der Wissenschaft eingehen, urn so besser an externer Wissensproduktion und wissenschaftlichen Erkenntnissen teilzuhaben . Profundes Policy-Wissen wird von vielen der befragten Unternehmensberater als erfolgskritisch bei der Politikberatung angesehen . FOr die Akquisition neuer Politikberatungsprojekte sei es zwingend erforderlich. Ais Aufgabe fOr die nachste Zeit wird
198 dabei nicht nur betrachtet, existierende WissenslOcken zu schliefsen und vorhandenes Wissen zu vertiefen, sondern auch sicherzustellen, dass das Wissen nicht auf wenige Personen konzentriert bleibt. Letzteres sei bisher meist der Fall. Wahrend Kooperationen mit betriebswirtschaftlichen Lehrstohlen und Kontakte zu wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstituten seit langem existieren, unterhalten Unternehmensberater bislang kaum Kontakte zu politikwissenschaftlichen LehrstOhlen oder zu Think Tanks, welche sich mit Policy-Fragen auseinander setzen. Dass sich Letzteres in naher Zukunft andern konnte, wird eher bezweifelt. Allerdings gibt es in einigen Unternehmensberatungen Bestrebungen, eigene Forschungen zu betreiben, die nicht nur das private Beratunqsqeschaft betreffen, sondern auch politische Fragestellungen zum Inhalt haben. Das Forschungsinstitut von McKinsey, das McKinsey Global Institute, beschaftlqt sich heute beispielsweise unter anderem mit Politikfeldfragestellungen. Bei anderen Unternehmensberatern wird ebenfalls versucht, die eigene Wissensproduktion zu verbessern bzw. auszuweiten, nicht zuletzt auch, um Wissen und Ideen fOr die Besetzung politischer Themenfelder zu bekommen.
Langfristige Kooperationen zwischen Po/itik und Unternehmensberatem
Es konnte viertens in Zukunft langfristige und relativ feste Kooperationen zwischen Politik und Unternehmensberatern geben. Gemeint sind hier nicht lanqiahrige personllche Beratungsbeziehungen, die auf Vertrauen und bisweilen auch Freundschaft basieren. Vielmehr sei nach Auffassung einiger Experten denkbar, dass Unternehmensberater fOr Ministerien in bestimmten Teilbereichen von Politikfeldern als langfristige externe Ansprech- und Vertragspartner dienen. DarOber hinaus
existieren
Spekulationen
Ober
eine
moqliche
Mitarbeit
von
Top-
Unternehmensberatern in der Regierungsorganisation selbst. Zunachst zu rnoqlichen Vertragsbeziehungen in Teilbereichen von Politikfeldern: Ais Foige des Personalabbaus in Ministerien seien, so wird argumentiert, zunehmend externe Dienstleister notig, die diejenigen Aufgaben erfOllten, zu denen das eigene Personal dann nicht mehr in der Lage sei oder die vor dem Hintergrund von Einsparungs- oder Optimierungspotentialen externalisiert werden sollen. Bereits heute wOrden diverse Aufgaben ausgegliedert, die jedoch meist nur wenig mit der Konzeption
199 politischer Inhalte sowie der unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung zu tun habe. "Bezahlte und langfristig angelegte Kooperationen" (Politiker, Interview), die genau diese Funktionen erfOlIten, seien in der Zukunft zwischen einzelnen Ministerien und Unternehmensberatungen durchaus vorstellbar. Eine andere Art langfristig angelegter Zusammenarbeit kame zustande, wenn ein Top-Unternehmensberater in der Regierungsorganisation selbst eine Aufgabe erfOllen und dazu von seinem Beratungsunternehmen beurtaubt wOrde. Spekuliert wurde in einigen Expertengesprachen darOber, ob JOrgen Kluge, dem gute Kontakte zu Angela Merkel und ein Interesse an politischen Fragestellungen nachgesagt werden , fOr einige Zeit ins Kanzleramt wechseln und dort eine Art Planungsabteilung leiten konnte, Aufgabe so einer Abteilung konnte es sein, Modernislerunqsvorschlaqe aus den Ministerien aufzubereiten, zu filtern und mit Blick auf die langfristige ErfOllung strategischer Politikziele zu bewerten. Zudem konnte sie durch Vernetzung mit den policy
units auslandlscher Regierungsorganisationen und mit der Erfahrung der Problembearbe itung in der W irtschaft der Kanzler in Anregungen geben, wie Themen anders als Oblich angegangen werden konnten , Zusammen mit Mitarbeitern aus dem Kanzleramt sowie aus einzelnen Ministerien, die beispielsweise auf Zeit in einer entsprechenden Abteilung mitarbeiten wOrden, wOrde ein Unternehmensberater so eine zentrale Funkt ion im Prozess der Entsche idungsf indung fOr die Bundeskanzlerin erfOllen . Wie realistisch insbesondere die Oberlegungen zu einer fest institutionalisierten Mitarbeit eines Unternehmensberaters in der Regierung sind , kann an dieser Stelle nicht bewertet werden . Bekannt ist nur, dass es bereits mehrfach Oberlegungen und konkrete Anfragen seitens der Politik gegeben hat, Roland Berger als Wirtschaftsminister in eine Regierung zu holen. In diesem Fall ware der Unternehmensberater jedoch kein Berater mehr, sondern politischer Akteur und Entscheider. Ein Indiz dafOr, dass Unternehmensberater bei der Politikberatung langfristige Bindungen zu ihren Vertragspartnern auf Seiten der Politik anstreben, ist unter anderem die Tatsache, dass sie Ober ein so genanntes key account management wichtigen Kunden besondere Aufmerksamkeit schenken und bereit sind , fOr sie umfang reiche Vorleistungen zu erbringen. Rahrnenvertraqe uber Beratungsleistungen und -beziehungen im privaten Sektor konnten Vorbild auch fOr den offentlichen Sektor sein.
200 NeugrDndung eines reinen Politikberatungsanbieters durch Unternehmensberater
FOnftens schllefslich konnte ein neues Beratungsunternehmen entstehen, welches ausschlieBlich Politikberatung anbietet. Zu diesem Zweck konnten sich einige derjenigen Unternehmensberater zusammentun, die bisher als Leiter der Public-SectorBeratungseinheiten Politikberatung durchfOhren. In einem neuen Beratungsunternehmen waren sie rechtlich und finanziell unabhangig und konnten so anders vorgehen, als dies unter dem Dach einer Unternehmensberatung rnoqlich ist. Gleichzeitig konnten sie jedoch enge Kontakte zu ihren bisherigen Unternehmen pflegen und auf diese Weise wechselseitig Leistungen vermitteln. Wollen Unternehmensberater Politikberatung losqelost von anderen Beratungsleistungen im offentllchen Sektor anbieten, mOssen sie mit Politikberatung Geld verdienen konnen. Bisher jedoch finden wie bereits erlautert die meisten Politikberatungsaktivltaten
entweder
pro
bono
statt
oder
mOssen
in
Verbindung
mit
Umsetzungsprojekten im offentlichen Sektor verkauft werden, um kostendeckend erbracht werden zu konnen. In den Unternehmensberatungen gelten fOr die PublicSector-Aktivitaten in der Regel die gleichen Margen- und Gewinnziele, die auch aile Geschaftsbereiche erzielen mOssen. Deshalb sei es den Angaben mehrerer Interviewpartner zufolge zunachst einmal notiq, ein anderes Geschaftsmodell mit geringeren Taqessatzen und Margen zu entwickeln. Mit heutigen Taqessatzen konne man schlicht nicht mit anderen Politikberatungsanbietern konkurrieren. Aber auch dann sei es schwierig, in finanzieller Hinsicht erfolgreich Politikberatung betreiben zu konnen. Die Politik sei noch nicht bereit, sich in strategischen Fragen ernsthaft beraten zu lassen und dafOr Geld auszugeben. Insgesamt stunden heute wenig Mittel fOr Politikberatung zur VerfOgung. Unternehmensberater, die dennoch mit Politikberatung - und nicht mit Umsetzungsprojekten, fOr die mehr Mittel zur VerfOgung stehen - Geld verdienen wollten, mussten deshalb neue "Einfallstore" (Unternehmensberater, Interview) fOr bezahlte Politikberatungsleistungen finden. Ober normale Ausschreibungen der Ministerien wOrden in der Regel nur wenig konzeptionelle Beratungstatigkeiten vergeben. Ein Moglichkeit sei deshalb, Politikberatungsleistungen so anzubieten, dass sie Oberden IT- oder Presseetat der Ministerien abgerechnet werden konnten. Diejenigen, die Politikberatung in einem eigenstandigen Beratungsunternehmen anbieten wollen, zielen darauf ab, Politikern nicht nur Beratung in politischen Sach-
201 fragen (policies), sondern explizit auch in politischen Machtfragen (politics) anbieten zu konnen. Genau diese Kombination von policy und politics sei es, die gute Politikberatung ausmache und deshalb nach Auffassung einiger Unternehmensberater zusammen mit einer Beratung zur strategischen Herangehensweise an politische Themen - auch auf Nachfrage seitens der Politik stofse. Ein Berater mOsse fahig und bereit sein, sich den politischen Rationalitaten zu stellen, politisch-opportunistische Ziele mit dem Politiker zu definieren und ihn bei der Durchsetzung seiner Ziele zu unterstOtzen. Berater ubernahmen als Politics-Be rater unter Umstanden sogar eine advokatorische Funktion fOrden Beratungskunden. Konkrete Oberlegungen zu einem neu gegrOndeten Politikberatungsanbieter gibt es bereits. So haben sich Ende 2004 die Public-Sector-Leiter verschiedener Beratungshauser mit wissenschaftlichen Politikberatern getroffen, um Ober Meglichkeiten einer NeugrOndung zu sprechen. Die Diskussion lauft dabei auch unter der Bezeichnung "strategische Politikberatung" oder "politikstrategische Beratung". Wahrend des Treffens, so wird von Teilnehmern berichtet, seien viele der Beteiligten begeistert gewesen von der Idee, gemeinsam etwas Entsprechendes aufzubauen. Spater jedoch hatte die Skepsis Oberwogen, weil die Erfolgschancen politikstrategischer Beratung schwer einzuschatzen und die Akteure nicht ohne weiteres bereit gewesen seien, ihre Positionen in namhaften Unternehmensberatungen aufzugeben. Ob es zu einer Zusammenarbeit mehrerer Politikexperten in einem neuen Beratungsunternehmen kommt, wird kurzfristig fOr eher unwahrscheinlich, langfristig jedoch fOr durchaus vorstellbar gehalten. "Wir werden bestimmt noch fOnf bis zehn Jahre brauchen, bis dieser Markt ein nennenswert etabliertes Feld ist - so wie die Strategieberatung in der Industrie" (Baron, Interview). Ein neues Beratungsunternehmen der oben genannten Art konnte die Nachfrage jedoch bis zu einem gewissen Grad stimulieren. Zusammenfassend lasst sich sagen, dass viele unterschiedliche - und teils auch gegenlaufige - Entwicklungen auf dem Feld der Politikberatung durch Unternehmensberater denkbar sind. Zudem ist unklar, ob Politikberatung zu einer Dienstleistung wird, mit der Unternehmensberater unmittelbar Geld verdienen konnen.
202
7.4 Zusammenfassung 1m vorangegangenen letzten der drei empirischen Kapitel ging es um die Foigen von Politikberatung durch Unternehmensberater, genauer gesagt um inhaltliche Foigen, also Auswirkungen, und um zeitliche Foigen, also magliche kUnftige Entwicklungen auf dem Feld von Politikberatung durch Unternehmensberater. Zunachst wurde die kontrovers gefOhrte Debatte um professionelle Beratungsleistungen fOr die offentliche Hand, welche zum Jahreswechsel 2003/2004 in Deutschland stattfand und vermutlich bis heute Foigen fur die Verwaltungs- und Politikberatung hat, skizziert. 1m Rahmen der offentlichen Diskussion wurde erstens (vermeintlich) unrechtmalsiqes oder moralisch verwerfliches Verhalten einzelner Akteure bei der Vergabe von Beratunqsauftraqen, insbesondere durch die damalige Bundesanstalt fOr Arbeit, kritisiert. Zweitens standen die als zu hoch angesehenen Kosten von Beratungsleistungen der Unternehmensberater in der Kritik. Drittens wurde hinterfragt, ob Public-Sector-Beratung durch Unternehmensberater Oberhaupt sinnvoll und notwendig sei oder ob nicht die Verwaltung ihre Aufgaben alleine losen konne. Nach vorObergehendem Einbruch des Public-Sector-Geschafts und Imageproblemen der Unternehmensberater hat die Beratungstatigkeit heute in etwa wieder das Niveau von 2003 erreicht. Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass auch die Politikberatungsaktivitaten durch Unternehmensberater schwerer zustande kommen, da Politiker und Berater gleicherma~en vorsichtig geworden sind. 1m Anschluss wurde dargestellt, welche Foigen inhaltlicher Art von Politikberatung durch Unternehmensberater die befragten Experten als wahrscheinlich erachten. Genannt wurden moqliche Auswirkungen auf politische Inhalte und Prozesse, auf das Vorgehen von Unternehmensberatern und anderer konkurrierender Beratungsakteure wie etwa wissenschaftlicher Forschungsinstitute sowie auf die offentliche Meinung. Einige Wissenschaftler, so eine der Erkenntnisse, nahern sich als Konsequenz aus dem Vordringen der Unternehmensberater teilweise an deren Arbeits- und Kommunikationsweisen an. Am Beispiel des Einflusses von Unternehmensberatern auf politische Inhalte wurde erlautert, wie schwer messbar der impact von Unternehmensberatern ist und dass ihre Mitwirkung an Entscheidungsprozessen demokratietheoretische
Probleme aufwirft, da Unternehmensberater keine demokratisch
legitimierten Akteure sind.
203 Schlie~lich
wurden m6gliche kOnftige Entwicklungen bei der Politikberatung durch
Unternehmensberater aufgezeigt. Die Mehrheit der Befragten geht zunachst einmal davon aus, dass die Politikberatungsaktivitaten der Unternehmensberater kOnftig
zunehmen werden. Allerdings existieren auch plausible Argumente fOr die Annahme, dass sich das Volumen der Politikberatungsaktivitaten nicht nennbar verandern oder aber zurOckgehen k6nnte. Ais wahrscheinlich wird von einigen Experten erachtet, dass Politikberatung durch Unternehmensberater kOnftig informeller und diskreter ablaufen wird, was unter anderem mit dem Regierungswechsel und der besagten Beraterdebatte zu tun hat. DarOber hinaus k6nnten neue Anbieter in den Markt fOr Politikberatung eindringen, die Unternehmensberater ihre Aktivitaten zum Aufbau von Policy-Wissen intensivieren oder ein prominenter Unternehmensberater sogar
formal in die Regierung eingebunden werden. Ferner gibt es in der Beraterbranche Oberlegungen, gemeinsam einen neuen Typus von Politikberatungsanbietern zu schaffen, der politische Entscheider strategisch berat und dabei auf umfassendes Policy- und Politics-Wissen zurOckgreifen kann.
204
Kapitel 8 - Zusammenfassung und Schluss Ais explorative Untersuchung hat die vorliegende Arbeit versucht, ein erstes Bild von einem Phanornen zu zeichnen, uber das immer wieder spekuliert und berichtet, das jedoch bislang nicht wissenschaftlich untersucht wurde: die Politikberatung durch Unternehmensberater in Deutschland. Mit Hilfe von Leitfadeninterviews, welche im Sommer 2005 mit insgesamt 36 Experten aus Politik und Verwaltung, Unternehmensberatung und Wissenschaft durchgefOhrt wurden, konnten Erfahrungen und Meinungen beteiligter Akteure zusammengetragen werden. Sie dienen als Grundlage fOr die Beschreibung und Analyse von Aktivitaten, Grunden und Foigen der Politikberatung durch Unternehmensberater. Politikberatung wurde zu Beginn der Untersuchung definiert als Handlung, die sich an die Politik als Abnehmer richtet, von dieser rezipiert wird, und Fragen politischer Inhalte (policies) zum Gegenstand hat. Ais Unternehmensberater wurden Firmen wie McKinsey, Roland Berger oder Booz Allen Hamilton betrachtet, die in ihrem Kerngeschaft als Strategieberater fOr Unternehmen tatig sind. Der Analyse des Untersuchungsgegenstands dienten in dieser Arbeit der policy cycle als Phasenmodell des politischen Problembearbeitungsprozesses, die Unterscheidung von polity als struktureller, policy als inhaltlicher und politics als prozessualer Politikdimension, die in dieser Arbeit entwickelten unterschiedlichen Typen von Politikberatung sowie die Unterscheidung nach den Expertengruppen der Stichprobe. Auf den folgenden Seiten werden die wesentlichen Erkenntnisse der empirischen Untersuchung zusammengefasst, die Ergebnisse der Studie reflektiert, das Phanomen in einen internationalen Kontext eingeordnet und schliefslich weiterfuhrender Forschungsbedarf skizziert.
Zusammenfassung wesentlicher Erkenntnisse
Beschrieben wurde zunachst, dass sich Unternehmensberater in mehreren Schritten der Politikberatung genahert haben. Seit etwa Anfang der 1990er Jahre hatten sie bei der vorwiegend betriebswirtschaftlich-okonomischen Beratung staatlicher Unternehmen und der offentlichen Verwaltung erste Erfahrungen im offentllchen Sektor gesammelt. Darauf aufbauend begannen sie ab Mitte der 1990er Jahre, in Einzelfallen auch fruher, politische Entscheidunqstraqer zusatzlich in politisch-inhaltlichen
205 Fragen zu beraten, also Politikberatung im hier verstandenen Sinne zu betreiben (vgl. zu wesentlichen Charakteristiken von Politikberatung durch Unternehmensberater und zentralen Ergebnissen der Arbeit Abbildung 20). Beratungsgegenstand
Politische Inhalte (policies), Voraussetzung dafOr ist Polity- und Politics-Wissen Themenfelder: WirtschafisfOrderung, Bildung, Arbeitsmarkt, Gesundheit, Demografie u.a.
Beratungszeitpunkt
Vor Entscheidung Oberpolitische Mafsnahrnen "FrOhe" Policy-Cycle-Phasen: Politikformulierung, teilweise auch Problemdefinition, Agenda Setting
Beratungsziel
Konzeption von Politik Motive der Politiker: Wissenstransfer, Problernlosunq, Beschleunigung von Veranderungsprozessen, Akzeptanz fOr politisches Handeln u.a. Motive der Berater: Auf-/Ausbau von Kontakten, Verbesserung von Image und Positionierung, (mittelbare) Gewinnerzielung, Einflussnahme u.a.
Beratungsleistung
Vor allem Bereitstellung von Sachwissen, Ideengenerierung DarOberhinaus Entwicklung von Handlungsoptionen und Bewertungskriterien Teilweise auch UnterstOtzung bei der Durchsetzung von Positionen im politischen Machtspiel
Beratungsform
1. Mitarbeit in politischen Expertengremien 2. 1:t-Gesprache zu politischen Inhalten 3. Projektarbeit zu politischen Inhalten 4. Besetzung politischer Themenfelder
Bezahlung
Oberwiegend pro bono, Bezahlung der Berater praktisch ausschliefslich bei Projektarbeit Haufig Konnex zwischen Politikberatung und (bezahlter) Verwaltungsberatung
Abbildung 20: PoIitikberatung durch Unternehmensberater
Vier Typen dieser Politikberatungsleistungen von Unternehmensberatern lassen sich unterscheiden: Erstens die Mitarbeit von Unternehmensberatern in politischen Expertengremien wie der Hartz-, ROrup- oder Herzog-Kommission, zweitens die 1:1-
206 Beratung, etwa zwischen Roland Berger und Gerhard Schroder oder McKinsey-Chef JOrgen Kluge und Angela Merkel, drittens Projektarbeit zu Politikfeldern wie der WirtschaftsfOrderung oder der Arbeitsmarktpolitik, und viertens schlieBlich die Besetzung politischer Themenfelder durch Unternehmensberater. Da sich die letztgenannte Aktivitat nicht wie in der zu Beginn entwickelten Definition von Politikberatung unmittelbar an politische Entscheidunqstraqer wendet, sondern vielmehr an die Offentlichkeit gerichtet ist, wird sie als Politikberatung im weiteren Sinne bezeichnet. Anders als bisweilen vermutet handell es sich bei Politikberatung durch Untemehmensberater bislang um ein Phanomen von eher Oberschaubarem Umfang. Genau genommen fOhren nur zwei Beratungsunternehmen, McKinsey und Roland Berger, syslematisch Politikberatung durch. FOr beide ist Politikberatung eine Randaktivitat, die die deutlich umfangreicheren und unmittelbar der Gewinnerzielung dienlichen Verwaltungsberatungsaklivitaten erqanzen. Einzelne Unternehmensberater spielen als Personen bei der Politikberatung eine praqende Rolle, nicht zulelzt bei der Kommissionsarbeil und bei 1:1-Beratungsgesprachen, die auf personllcher Wertschatzung und Vertrauen beruhen. Was die Leistungstiefe angeht, so zeigt sich, dass Unternehmensberater bisweilen Ober die Rolle des Experten, der ausschlieBlich Sachwissen zur VerfOgung stellt, hinausgehen. Vielmehr entwickeln sie auch politische Handlungsoptionen, liefern Bewertungskriterien und sind sogar teilweise in Beratungsaktivitaten eingebunden, die der Durchsetzung von Positionen im politischen Machtspiel dienen. PolicyWissen und Po/itics- (sowie prinzipiell auch Polity-)Kenntnisse scheinen sich bei der Politikberatung durch Unternehmensberater haufig zu bedingen, wobei nur wenigen Unternehmensberatern nachgesagt wird, dass sie sich in der politischen Welt zurechtfanden,
Ob Unternehmensberater heute mehr Politikberatung betreiben als noch vor fOnf oder zehn Jahren, lasst sich mangels quantitativer Daten nicht abschlieBend beurteilen. Deutlich geworden sind jedoch verschiedene qualitative Veranderunqen bei den Aktivltaten: Politikberatung durch Unternehmensberater fand zuletzt verstarkt in der Offentlichkeit statt bzw. wurde mit zunehmendem Interesse von den Medien verfolgt. Weiterhin hat sich das Spektrum an Politikfeldern verbreilert, auf denen Unternehmensberater die Politik unterstOtzen: Vor zehn Jahren berielen sie politische und administrative Entscheider vor allem in Fragen der Verwaltungs- und Wirtschaftspoli-
207 tik, heute engagieren sie sich zusatzlich in Politikfeldern wie der Arbeitsmarkt-, Sozial- oder Bildungspolitik. Dass sich Politikberatung durch Unternehmensberater teilweise von der Landes- auf die Bundesebene verschoben hat, wurde ebenfalls als plausibel angenommen. Ais Voraussetzung dafOr, dass Politikberatung durch Unternehmensberater uberhaupt stattfindet, kann zunachst gelten, dass sich beide Seiten nach neuen Losungen oder Betatigungsfeldern umsehen: Viele Politiker aufsern sich unzufrieden mit etablierten wissenschaftlichen Politikberatern und Unternehmensberater erfahren auf dem privaten Beratungsmarkt Wachstumsgrenzen, was einige von ihnen veranlasst, autserhalb ihres Kerngeschafts nach weiteren Aktivitatsfeldern zu suchen. Politiker und Unternehmensberater haben einander zudem im Rahmen von Verwaltungsmodernisierungsprojekten kennen und elnzuschatzen gelernt - eine weitere Voraussetzung fOrdas Zustandekommen von Politikberatung durch Unternehmensberater. Politiker und Unternehmensberater verfolgen bei der Politikberatung verschiedene Motive: Politiker beauftragen Unternehmensberater, weil sie in erster Linie deren okonomisch-praktisches Wissen nutzen wollen, ihre Problemlosungsfahigkeiten gebrauchen konnen, weil Unternehmensberater ihnen bei der Beschleunigung von Veranderungsprozessen helfen, weil diese die Akzeptanz politischen Handelns bzw. Nicht-Handelns erhohen und darOber hinaus auch bei der Befriedigung taktischstrategischer Motive einzelner Politiker hilfreich sein konnen. Unternehmensberater dagegen dringen auf das Feld der Politikberatung vor, urn Kontakte auf- und auszubauen, urn ihr Image in der Offentlichkeit und bei Kunden zu verbessern, urn (eher mittelbar) Geld zu verdienen, urn Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen oder weil sie altruistische Motive verfolgen wie etwa den Wunsch, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden. Ein Exkurs zur Vorgehensweise der Unternehmensberater bei der Politikberatung hat zeigen konnen, dass die Politikberatungstatigkeiten in engem Konnex mit der Verwaltungsberatung geplant und durchgefOhrt werden. Urn die nOtigen Kompetenzen aufzubauen, haben einige Unternehmensberatungen ehemalige Politiker und FOhrunqskrafte aus der Verwaltung fOr ihre Public-Sector-Beratungseinheiten rekrutiert, wobei sich die Integration dieser Personen in den meisten Fallen als problematisch herausgestellt hat. Bei der Auswahl von Themen bzw. Politikfeldern, bei denen sich ihre Politikberatungsleistungen finanziell wie anderweitig lohnen konnten, gehen
208 Unternehmensberater systematisch vor. SchlieBlich versuchen sie auch, mit Probono-Vorleistungen, Ober die Netzwerkpflege und externe Kommunikation auf ihre
Kompetenzen aufmerksam zu machen und so letztlich fOr Beratungstatigkeiten bezahlter und unbezahlter Natur engagiert zu werden. 1m Winter 2003/2004 standen Unternehmensberater zusammen mit anderen Anbietern professioneller Beratungsleistungen fOr Politik und Verwaltung in der Kritik. Folge dieser kontrovers gefOhrten Debatte, in deren Zentrum die Vergabe von Beratungsauftragen durch die heutige Bundesagentur fOr Arbeit stand, waren unter anderem Imageverluste und UmsatzeinbrOche im Public-Sector-Geschatt der Unternehmensberater. Die Vorsicht von Politikern wie Unternehmensberatern bei Verwaltungs- und Politikberatungsengagements ist heute hoher als vor der Debatte. Auswirkungen hat Politikberatung potentiell auf politische Inhalte und Prozesse, auf die Vorgehensweise der Unternehmensberater in anderen Beratungsfeldern, auf andere Politikberatungsanbieter wie wissenschaftliche Forschungsinstitute sowie auf die offentliche Meinung. Genauer betrachtet wurde in diesem Zusammenhang der Einfluss, den Unternehmensberater auf politische Inhalte ausOben. Die meisten Experten gehen davon aus, dass Unternehmensberater insbesondere in personlichen Beratungsgesprachen, aber auch im Rahmen anderer Politikberatungstatigkeiten Einfluss nehmen. Wie anschliefsend argumentiert wurde, ist Politikberatung durch Unternehmensberater vor allem dann demokratietheoretisch problematisch, wenn die Berater unmittelbar an politischen Entscheidungsprozessen beteiligt sind. Denn dazu sind sie nicht durch den Wahler legitimiert. SchlieBlich konnte im Rahmen der Untersuchung skizziert werden, wie sich Politikberatung durch Unternehmensberater in der Zukunft entwickeln konnte. Von einer Zunahme der Aktivitaten geht eine knappe Mehrheit der Befragten aus, einen ROckgang erwartet nur jeder neunte Experte in der Stichprobe. Politikberatung durch Unternehmensberater konnte in Zukunft diskreter stattfinden, der Wettbewerb insbesondere urn bezahlte Politikberatung konnte durch den Einstieg neuer Wettbewerber zunehmen. DarOber hinaus erscheint es mehreren Befragten wahrscheinlich, dass Unternehmensberater verstarkt in ihre Policy-Kompetenzen investieren und interne Think-Tank-Einheiten aufbauen. FOr denkbar wird auch gehalten, dass eine Unternehmensberaterpersonlichkeit fOr einige Zeit eine formale Funktion in der Regierung Obernimmt und auf diese Weise dazu beitraqt, die haufig konstatierte Kluft zwischen
209 Politik und Beratung zu Oberwinden. SchlieBlich existieren bei einigen Unternehmensberatern Oberlegungen , durch den lusammenschluss von Unternehmensberatern mehrerer Hauser einen Politikberatungsanbieter mit neuem Geschaftsrnodell zu schaffen , der Politiker auch politikstrategisch beraten soli. liel ware es dabei , die Politikberatung der Unternehmensberater zu einem echten Markt zu machen , auf dem sich wie in einigen anderen l.andern auch entsprechend Geld verdienen lasst,
Bewertung der Ergebnisse Da die wesentlichen Akteure fur die vorliegende Untersuchung als Interviewpartner gewonnen werden konnten , zeichnet die Studie insgesamt ein breites Bild von Politikberatung durch Unternehmensberater in Deutschland. Einem Reprasentativitatsanspruch genOgt sie dabei aufgrund ihrer explorativen Ausrichtung und der geringen Fallzah len, welche auch fUr das Phanornen selbst kennzeichnend sind , nicht. Bemerkenswert an den Aussagen der Interviewpartner ist unter anderem, wie vie1schicht ig und heterogen das Phanomen Politikberatung durch Unternehmensberater betrachtet wird. Das zeigt sich nicht nur an der Tatsache, dass bei den Experten ahnl ich wie in der Literatur auch - viele unterschiedliche Vorstellungen darOber herrschen , wie Politikberatung verstanden werden sollte und einzugrenzen seL Vielmehr war zu beobachten, dass es auch innerhalb der einzelnen Experte ngruppen Ansichten gab , die einander entweder komplett widersprachen oder zumindest mit komplernentaren norrnativen Konnotationen unterlegt waren. Ein Unternehmensberater bewertet Politikberatung also nicht per se als Feld, in dem sich aus seiner Sicht Positives erzielen lasst. Ein Politiker fUhlt sich ebenso wenig
per se von Unternehmensberatern genervt oder sinnvoll unterstotzt. Ein Wissenschaftler kommt bei der Betrachtung von Politikberatung durch Unternehmensberater nicht per se zu ahnlichen Aussagen Ober das Phanornen selbst , seinen Umfang, seine Bedeutung oder auch seine lukunftsperspektiven. Diese Heterogenitat in den Aussagen reflektiert auch die hier vorgetragenen empirischen Erkenntnisse, nach denen es sich bei der Politikberatung durch Unternehmensberater bislang um ein "unfert iges" , also wenig etabliertes, in seiner Anzahl und in seinem Umfang Oberschaubares und von einzelnen Personen gepragtes Phanomen handelt. Die Einstellungen der Beteiligten (Politiker, Unternehmensberater) und
210 der Beobachter (Wissenschaftler) haben sich vielfach noch nicht gefestigt. PersonIiche Erfahrungen der Interviewpartner scheinen in hOherem MaBe als die Zugehorigkeit zu einzelnen Personengruppen oder Institutionen zu beeinflussen, wie Ober das Phanomen gedacht und wie es beurteilt wird. Ais empirische Studie eines ausqewahlten Akteurs - des Unternehmensberaters Iiefert die vorliegende Arbeit einen empirischen Beleg fOr die Veranderungen im policy-making, also der Herstellung (und teilweise auch der Durchsetzung) von PoIi-
tik, wie sie auch unter dem Stichwort der Externalisierung von Politikformulierungskompetenzen an nicht-staatliche Einheiten im Rahmen der Governance-Diskussion thematisiert wird. Unternehmensberater stellen heute eines von vielen Elementen komplexer Netzwerkstrukturen dar, in denen politisch-gesellschaftliche Probleme bearbeitet werden.
Politikberatung durch Unternehmensberater im internationalen Kontext
Setzt man die Entwicklungen in einen intemationalen Kontext, so erscheinen die Politikberatungsaktivitaten der Unternehmensberater hierzulande als (noch) nicht sehr weitgehend : "Politikberatung durch Unternehmensberater steckt in Deutschland noch weitgehend in den Kinderschuhen" (Redley, Interview). Es gebe hierzulande "keine Politikberatungstradition auBerhalb der Ministerien, Parteien, Stiftungen und Wissenschaft" (Herz, Interview), also kaum Anerkennung fOr politikberatende Akteure jenseits des offentlichen bzw. halbOffentlichen Bereichs. Politikberatung durch Unternehmensberater sei ein "zartes Pflanzchen" (Baron, Interview), das langsam wachse und durch die offentliche Debatte um Beratervertrage erst einmal stark gelitten habe. 1m Ausland ist das teilweise anders. In einigen l.andern wird die Expertise von Unternehmensberatern in der Politikformulierung deutlich starker genutzt und dabei weniger in die Offentlichkeit getragen. Zudem ist sie im Zweifelsfall auch weniger stark kritischen Fragen ausgesetzt. Es gibt allerdings auch Lander, in denen andere Akteure die externe Politikberatung dominieren und wenig Platz fOr andere Anbieter, etwa fOrUnternehmensberater, lassen. In den USA sind es in der Tat in erster Linie Think Tanks, die politische Entscheidunqstraqer in Policy-Fragen beraten. "Die haben den Politikberatungsmarkt abgesteckt - da ist fOr Unternehmensberatungen eigentlich kein Platz mehr" (Herz,
211 Interview). Unternehmensberater wie Booz Allen Hamilton sind dort vor allem bei der Politikimplementierung stark, arbeiten seit vielen Jahrzehnten im offentlichen Sektor und machen bis zur Haltte ihres gesamten Beratungsumsatzes mit dem Auftraggeber Staat. In Grofsbrltannien dagegen arbeiten Unternehmensberater seit Jahren teils an prominenter Stelle, etwa in den policy units der Regierungszentrale, an Politikformulierung und Politikimplementierung mit. Auch gibt es Beispiele von Unternehmensberatern, die als Staatssekretare formal in die Regierung eingetreten sind. In den Niederlanden gibt es ebenfalls eine teils sehr enge Zusammenarbeit zwischen Unternehmensberatung und der Politik. Aus Luxemburg wird sogar berichtet, dass Unternehmensberater im Auftrag der Regierung und nach Taqessatzen bezahlt ein komplettes Gesetz geschrieben haben. Dem
vorausgegangen
war
eine
umfangreiche
Studie,
die
von
der
Unternehmensberatung zu dem Politikfeld verfasst wurde, in dem gesetzliche Neuregelungen anstanden. FOr die Anfertigung des Gesetzes hat das Ministerium dann eigens einen Rechtsexperten abgestellt, der den Unternehmensberater bei der Formulierung unterstotzte. Eine solch enge Zusammenarbeit zwischen Regierung und Unternehmensberatern ist in Deutschland derzeit nicht denkbar.
Weiterer Forschungsbedarf
Wie die Analyse der Literatur zu Beginn der Arbeit deutlich gemacht hat, kann das Phanomen der Politikberatung durch Unternehmensberater bislang als noch kaum wissenschaftlich erforscht gelten. Die vorliegende Arbeit hat nun einen Anfang gemacht, indem sie einen ersten Oberblick zur Empirie sowie einige Oberlegungen zur Kategorisierung und Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands erarbeitet hat. An diese Erkenntnisse kann und sollte angeknOpftwerden: Zunachst einmal ware lohnenswert, Fallstudien durchzufOhren, die einzelne Aspekte der vorliegenden Arbeit vertiefen konnten. Mit einem solchen Forschungsdesign konnten einzelne Aktivitaten der Unternehmensberater praziser als in dieser Arbeit rnoqlich beschrieben und analysiert werden. Man konnte den Ablauf von Politikberatung durch Unternehmensberater im Einzelfall detailliert nachzeichnen oder beispielsweise auch der Frage nach dem konkreten Beitrag von Unternehmensberatern,
212 ihrem Einfluss auf die Politik sowie sonstigen Auswirkungen ihrer Tatigkeiten exemplarisch nachgehen. Nicht nur in der Tiefe, sondern auch in der Breite besteht weiterer Forschungsbedarf. So hat die vorliegende Arbe it ihr Erkenntnisinteresse auf gror..e Unternehmensberatungen , die bundespolitische Ebene und auf Deutschland beschrankt. Wie im Rahmen der Interviews jedoch deutlich wurde , erfOllen kleine und teils nur regional tatiqe Unternehmensberatungen ahnllche Funkt ionen fOr Kommunal- und Landespolitiker. Von der Offentlichkeit wurden diese Aktivitaten bisher genauso wenig wahrgenommen wie von der Wissenschaft untersucht. Auch die Tatigkeiten von Unternehmensberatern
fur Akteure
auf der europapolitischen
Ebene ersche inen
manchen
Beobachtern als lohnenswertes Forschungsfeld . Ein Vergleich mit anderen Anb ietern und Landern ist in dieser Arbeit ebenfalls zu kurz gekommen. Lohnenswert konnte neben einem systematischen Vergleich der Politikberatungsaktivitaten von Unternehmensberatern in unterschiedlichen Landern der Versuch sein, zu erforschen, was Unternehmensberater im Vergleich zu Think Tanks , die in Deutsch land als Politikberater im internationalen Vergle ich eher unterreprasentiert sind , leisten. "In den USA werde ich als Politiker von Think Tanks professionell bedient - in Deutsch land sitzen da halt die Unternehmensberater" (Gellner , Interv iew), lautet eine im Rahmen der Experten interviews mehrfach geaur..erte Vermutung , die man als These prOfen konnte, 1m Mittelpunkt kOnftiger Forschungen konnte weiterhin ein Vergleich mit den Aktivitaten von Public-Affairs-Agenturen oder anderen Politics-Beratern, aber auch mit professionellen Beratungsanbieten wie Anwaltskanzleien , RechnungsprOfem, Steuerberatern
oder
Investmentbanken
stehen,
die
ihre
Dienste
genauso
wie
Unternehmensberater vorwiegend an private Kunden richten , aber eben auch staatlichen Nachfragern zukommen lassen . Zum einen ware es interessant, die Schnittmengen bei den Aktivitaten der unterschiedlichen Anbieter herauszuarbeiten. Zum anderen konnte man die Rolle anderer professioneller Beratungsanbieter bei der Politikformulierung untersuchen. Wie von mehreren Interviewpartnern konstatiert, arbe iten neben Verbanden beispielsweise auch Anwaltskanzleien und Steuerberater an der Politikformulierung in Deutschland mit, und zwar ganz konkret als Zulieferer von Textbausteinen fOr Gesetze. Schlielslich ware es lohnenswert, die verwaltungspolitischen Konsequenzen einer bereits vorhandenen und moglicherweise kOnftig
213
noch intensiveren Zusammenarbeit mit Unternehmensberatern als externe Dienstleister in Policy-Fragen zu thematisieren. Politiker, so wurde zu Beginn der Arbeit festgestellt, bekommen vermutlich mehr Ratschlaqe als jede andere Berufgruppe. Unternehmensberater, so hat die vorliegende Arbeit gezeigt, reihen sich mittlerweile in die lange Liste der politischen Ratgeber ein. Ob sich das "zarte Pflanzchen" (Baron, Interview) Politikberatung durch Unternehmensberater jedoch in Deutschland langfristig etablieren kann, bleibt abzuwarten.
215
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243
Anhang Anhang 1: Liste der Interviewpartner a) Expertengruppe PolitikIVerwaltung Name
Funktiorr"
Interview am/in
Adamowitsch, Georg Wilhelm
Staatssekretar im Bundesministerium fOr Wirtschaft und Arbeit (BMWA)
14. Juli 2005, Berlin
Biedenkopf, Prof. Dr. Kurt
Ehem. Ministerprasident von Sachsen, Vorsitzender von Kommissionen
18. August 2005, Berlin
Homann, Jochen
Referat VA1 im Bundesministerium fOr Wirtschaft und Arbeit (BMWA)
23. Mai 2005, Berlin
Horzetzky, Dr. GOnther
Leiter der Abteilung 3 im Bundeskanzleramt
24. Mai 2005, Berlin
Karp, Prof. Dr. Markus
Staatssekretar im Ministerium fOr Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg
28. Juli 2005, telefonisch
Mirow, Dr. Thomas
Leiter der Abteilung 4 im Bundeskanzleramt
19. Juli 2005, Berlin
Nowak, Wolfgang
Ehem. Abteilungsleiter im Bundeskanzleramt, heute Chef der Alfred Herrhausen Gesellschaft
19. Juli 2005, Berlin
Palmer, Dr. Christoph
Ehemals Staatsminister in BadenWOrttemberg, heute Berater bei Roland Berger
16. Mai 2005, Berlin
SOssmuth, Prof. Dr. Rita
Ehem. Bundestagsprasidentin, Vorsitzende von Kommissionen
14. September 2005, Berlin
Tacke, Dr. Alfred
Ehem. Staatssekretar im Bundesministerium fur Wirtschaft und Arbeit (BMWA), heute Vorstandsvorsitzender der Steag AG
27. Juli 2005, Essen
Tiemann, Heinrich
Staatssekretar im Bundesministerium fOr Gesundheit und Soziales (BMGS)
25. Mai 2005, Berlin
Wewer, Dr. Gottrik
Staatssekretar im Bundesministerium des Inneren (BMI)
23. Juni 2005, Berlin
39
Die Funktionsbezeichnung bezieht sich auf den Zeitpunkt des Interviews. Berichteten die Interviewpartner im Wesentlichen Ober ihre Erfahrungen aus einer vorher ausgeObten Tatiqkeit, so ist diese zuerst genannt und fOr die Gruppeneinteiiung ausschlaggebend.
244 b) Expertengruppe Unternehmensberatung Name
Funktion
Interview am/in
Ant, Prof. Dr. Marc
GeschaftsfUhrer des Beratungsunternehmens Etudes et Formation SA, Luxemburg
04. Juli 2005, telefonisch
Baron, Ralf
Leiter des Geschaftsbereichs Travel & Transportation bei Arthur D. Little
04. August 2005, Berlin
Berger, Prof. Dr. h.c. Roland
Chairman von Roland Berger Strategy Consultants
14. Juli 2005, Berlin
Bernnat, Dr. Rainer
Partner und Leiter der Public-SectorAktivitaten bei Booz Allen Hamilton
30. Juni 2005, Frankfurt
Bucksteeg, Mathias
Direktor Deutschland der Prognos AG, vorher Referatsleiter im Bundeskanzleramt
20. Juni 2005, Berlin
Deraed, Pierre
Leiter Corporate Communication bei Mercer Management Consulting
28. Juli 2005, MOnchen
Fiedler, Dr. Jobst
Ehem. Leiter des Geschaftsbereichs Public Sector bei Roland Berger, heute Associate Dean der Hertie School of Governance
12. Juli 2005, Berlin
Heuskel, Dr. Dieter
Deutschland-Chef der Boston Consulting Group
29. Juni 2005, telefonisch
Klimmer, Dr. Markus
Partner und Leiter der Public-SectorAktivitaten bei McKinsey
11. Juni 2005, Berlin
Oltmanns, Torsten
Ehem. Public-Sector-Beratung bei Booz Allen Hamilton, heute bei Roland Berger
16. Juni 2005, Berlin
Redley, Remi
Prasident des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater (BDU)
13. Juli 2005, Berlin
Schaible, Stefan
Partner und Leiter der Public-SectorAktivitaten bei Roland Berger
19. Mai 2005, Berlin
Wegener, Hartmut
Ehem. Public-Sector-Berater bei Roland Berger, heute Geschaftsfuhrer der ReGe Hamburg
27. Juni 2005, Hamburg
245 c) Expertengruppe Wissenschaft Funktion
Interview amlin
GeschaftsfOhrer des Deutschen Instituts fOr Public Affairs (DIPA)
29. April 2005, Potsdam
BrOggemeier, Prof. Dr. Martin
Professor an der Fachhochschule fOr Technik und Wirtschaft (FHTW) Berlin
15. Juni 2005, Berlin
Fink, Prof. Dr. Dietmar
Professor fOr Unternehmensberatung an der FH BonnRheinSieg und Direktor des Instituts fOr Management und Beratung
27. Mai 2005, telefonisch
Gellner, Prof. Dr. Winand
Professor an der Universitat Passau
27. Juni 2005, telefonisch
Herz, Prof. Dr. Dietmar
Professor an der Universitat Erfurt und Direktor der Erfurt School of Public Policy
26. Juli 2005, telefonisch
Kieser, Prof. Dr. Dr. h.c. Alfred
Professor an der Universltat Mannheim
08. Juni 2005, telefonisch
Meran, Prof. Dr. Georg
Vizeprasident des Deutschen Instituts fur Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin
04. Juli 2005, Berlin
Niedereichholz, Prof. Dr. Christel
Professorin an der FH Ludwigshafen und GrOnderin des Institute for International Management Consulting
29. Juni 2005, telefonisch
ROrup, Prof. Dr. Dr. h.c. Bert
Professor an der Technischen Universitat Darmstadt, Vorsitzender der so genannten "ROrup-Kommission"
10. Juni 2005, Berlin
Thunert, Prof. Dr. Martin
Visiting Associate Professor an der University of Michigan
16. Juni 2005, Berlin
Zerfass, Dr. Christiane"
Leiterin der Abteilung Strategische Planung beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB)
01. August 2005, Berlin
Name Althaus, Dr. Marc0
40 41
40
An der zweiten Halfte des Interviews hat auch Sven Rawe, Co-GeschaftsfOhrer des DIPA und selbststandiqer Berater, teilgenommen. Aufgrund ihrer Aussagen als Beobachterin des untersuchten Phanomens wird Frau Dr. Zerfass hier zur Expertengruppe der Wissenschaftler qezahlt.
246 Anhang 2: Interviewleitfaden >
>
>
>
Einleitung: Forschungsvorhaben und Interviewpartner •
Forschungsinteresse, Untersuchungsfokus, Rolle der Experteninterviews, AnonymitaUAutorisierung von Aussagen (Tonbandaufzeichnung)
•
BerOhrungspunkte des Interviewpartners mit dem Untersuchungsgegenstand
Erster Teil: Aktivitaten von Unternehmensberatern in der Politikberatung •
Aktivitatsspektrum: Was genau machen Unternehmensberater auf dem Feld der Politikberatung? Wie sehen Projekte aus, wie laufen sie ab (Beispiele)? 1st Politikberatung durch Unternehmensberater ein Phanomen einzelner Personen oder ganzer Beratunqshauser?
•
Politikfelder: Beraten Unternehmensberater die Politik ausschliefsllch in Fragen der Verwaltungsmodernisierung? Oder sind sie auf weiteren Politikfeldern aktiv?
•
Politikphasen: UnterstOtzen Unternehmensberater die Politik nur bei der Urnsetzung beschlossener Mafsnahrnen (Implementierung)? Oder setzten sie selbst Themen auf die politische Agenda (Agenda Setting) und entscheiden mit Oberpolitische Programme (Politikformulierung)?
•
MarkUWettbewerb: Welche Unternehmensberater bieten in Deutschland Politikberatung an? Stehen Unternehmensberater in Konkurrenz zu anderen Anbietern (Think Tanks, Wissenschaft) oder erqanzen sie diese?
•
Rollen/Funktionen: Welche Rollen nehmen Unternehmensberater bei der Politikberatung ein? Welche Funktionen erfOllen sie?
Zweiter Teil: Mogliche Veranderungen und GrOnde •
Veranderungen: Haben sich die Aktivitaten von Unternehmensberatern (im offentlichen Sektor) in den vergangenen Jahren verandert? Haben sie zugenommen? In welchen Bereichen? Seit wann etwa?
•
GrOnde auf der Angebotsseite: Warum engagieren sich Unternehmensberater (verstarkt) in der Politikberatung?
•
GrOnde auf der Nachfrageseite: Warum beauftragen Politiker Unternehmensberater (verstarkt) mit "politischen" Fragestellungen?
Dritter Teil: Auswirkungen, Bewertung und Ausblick •
Auswirkungen/Bewertung: Welche Auswirkungen haben die (veranderten) Aktivitaten von Unternehmensberatungen - etwa auf Politikinhalte, politische Entscheidungsprozesse, die Vorgehensweise der Berater usw.? Haben Unternehmensberater (zunehmend) Einfluss auf die Politik?
•
Ausblick: Welche Entwicklungen sehen Sie in der Zukunft? Welche Rolle werden Unternehmensberater mittelfristig in der Politik spielen?
247
Anhang 3: Fragebogen a) Per Email versandter Fragebogen Vorbemerkung: Mit Politikberatung sind ausschliefslich inhaltliche Beratungsleistungen (Policy-Beratung) von Unternehmensberatern gemeint. also deren Arbeit in politischen Expertengremien. bei der personlichen Beratung politischer Entscheider (1:1-Gesprache). in Projekten zu politischen Inhalten oder bei der Besetzung politischer Themenfelder (Agenda Setting). Nicht gemeint sind Umsetzungsprojekte z.B. in der Verwaltung (vgl. Zusammenfassung der Ergebnisse). Statements: 1. "Mit Politikberatung verdienen Unternehmensberater Geld." ( ) stimme zu ( ) stimme nicht zu ( ) weir., nicht 2. "Unternehmensberater erarbeiten in Politikfeldern Handlungsoptionen fOr politlsche Entscheider." ( ) stimme zu ( ) stimme nicht zu ( ) weir., nicht 3. "Unternehmensberater beraten politische Entscheider bei der Durchsetzung ihrer Positionen im politischen Machtspiel." ( ) stimme zu ( ) stimme nicht zu ( ) weir., nicht 4. "Unternehmensberater betreiben Politikberatung. weil sie damit Geld verdienen wollen." ( ) stimme zu ( ) stimme nicht zu ( ) weir., nicht 5. "Unternehmensberater betreiben Politikberatung. weil es der Positionierung ihres Unternehmens dient." ( ) stimme zu ( ) stimme nicht zu ( ) weir., nicht 6. "Unternehmensberater betreiben Politikberatung. weil sie dort Kontakte knOpfen konnen." ( ) stimme zu ( ) stimme nicht zu ( ) weir., nicht 7. "Politikberatung durch Unternehmensberater ist vor allem ein Phanomen einzelner Personen wie Roland Berger oder JOrgen Kluge." ( ) stimme zu ( ) stimme nicht zu ( ) weir., nicht 8. "Unternehmensberater stehen bei der Politikberatung in Konkurrenz zu wissenschaftlichen Politikberatungsanbietern." ( ) stimme zu ( ) stimme nicht zu ( ) weir., nicht Platz fur eventuelle Anmerkungen:
248 b) Tabellarische Obersicht der Antworten 1. "Mit Politikberatung verdienen Unternehmensberater Geld ." Insgesamt
Nach Expertengruppen Anzahl (n)
12 10 2
Stimmezu Stimme nicht zu We i~ nicht
Ante il
Stimme zu
(% )
50 41,7 8,3
Politiker Berater Wissenschaftler
6 1 5
Stimme nicht zu
Wei~
nicht
1 5 4
1 1 0
2. "Unternehmensberater erarbeiten in Politikfeldern Handlungsoptionen fOr politische Entscheider." Insgesamt
Stimme zu Stimme nicht zu Wei~ nicht
Nach Expertengruppen Anzah l
Ante ll
(n)
(%)
18 5 1
75 20,8 4,2
Stimme zu Politiker Berater Wissenschaftler
5 5 8
Stimme nicht zu
3 1 1
Wei~
nicht
0 1 0
3. "Unternehmensberater beraten politische Entscheider bei der Durchsetzung ihrer Positionen im politischen Machtsp iel." Insgesamt
Nach Expertengruppen Anzahl (n)
Stimme zu Stimme nicht zu Wei~ nicht
13 11 0
Stimme zu
Ante il (%)
54,2 45,8 0
Politiker Berater Wissenschaftler
4 5 4
Stimme nicht zu
4 2 5
Wei~
nicht
0 0 0
4. "Unternehmensberater betreiben Politikberatung, wei! sie damit Geld verdienen wollen." Insgesamt
Nach Expertengruppen Anzahl (n)
Stimmezu Stimme nicht zu Weil1 nicht
13 7 4
Anteil
Stimme zu
(%)
54,2 29,2 16,7
Politiker Berater Wissenschaftler
6 2 5
Stimme nicht zu 0
4 4
Weil1 nicht
2 1 0
249 5. "Unternehmensberater betreiben Politikberalung, weil es der Positionierung ihres Unternehmens dient." Nach Expertengruppen
Insgesamt
Stimmezu Stimme nicht zu Wei~ nicht
Anzahl (n) 21 2 1
Anteil (%) 87 ,5 8,3 4,2
Stimme Stimme zu nicht zu Politiker 8 0 Berater 5 1 Wissenschaftler 8 1
Wei~
nicht
0 1
0
6. "Unternehmensberater betreiben Politikberatung , weil sie dort Kontakte knOpfen konnen." Insgesamt
Stimme zu Stimme nicht zu Wei~ nicht
Nach Expertengruppen Anzahl (n) 22 2
0
Stimme Stimme zu nicht zu
Ante il (%)
91 ,7 8,3
0
Politiker Berater Wissenschaftler
8 6 8
0 1 1
Wei~
nicht
0 0 0
7. "Pol itikberatung durch Unternehmensberater ist vor allem ein Phanomen einzelner Personen wie Roland Berger oder JOrgen Kluge ." Insgesamt
Stimme zu Stimme nicht zu Wei~ nicht
Nach Expertengruppen Anzahl (n) 8 15 1
Anteil (%) 33,3 62 ,5 4,2
Stimme Stimme zu nicht zu Politiker 2 6 4 Berater 2 Wissenschaftler 2 7
Wei~
nicht 0 1 0
8. "Unternehmensberater stehen bei der Politikberatung in Konkurrenz zu wissenschaftlichen Politikberatungsanbietern ." Insgesamt
Stimme zu Stimme nicht zu Wei~ nicht
Nach Expertengruppen Anzahl Ante il (n) (%) 18 75 6 25
0
0
Stimme Stimme zu nicht zu Politiker Berater Wissenschaftler
6
2
4 8
3
1
Wei~
nicht
0 0 0