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Horst Czichos
Was ist falsch am falschen Rembrandt?
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Oliver Hahn
Horst Czichos
Was ist falsch am falschen Rembrandt?
Mit High-Tech den Rätseln der Kunstgeschichte auf der Spur
Oliver Hahn
Horst Czichos
Was ist falsch am falschen Rembrandt?
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Oliver Hahn Horst Czichos
Was ist falsch am falschen Rembrandt? Mit High-Tech den Rätseln der Kunstgeschichte auf der Spur
PD Dr. Oliver Hahn leitet die Arbeitsgruppe „Kunst- und Kulturgutanalyse“ in der BAM. Neben restauratorischen und konservatorischen Studien liegt der Schwerpunkt seiner archäometrischen Forschungstätigkeit in der zerstörungsfreien Charakterisierung von Schreib- und Zeichenmaterialien. Zudem steht er dem Netzwerk zur interdisziplinären Kulturerhaltung (N. i. Ke.) in Deutschland vor. Prof. Dr. Dr. Horst Czichos war über zehn Jahre lang Präsident der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) in Berlin, die die Bundesregierung in Fragen der Materialtechnik und Chemie berät. Er lehrt Mechatronik an der Beuth-Hochschule für Technik Berlin und ist Träger des ChristianPeter-Beuth-Preises für herausragende Leistungen zur Förderung der Ingenieurausbildung.
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN: 978-3-446-42636-8 E-Book-ISBN: 978-3-446-42908-6
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdruckes und der Vervielfältigung des Buches oder von Teilen daraus, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren), auch nicht für Zwecke der Unterrichtsgestaltung – mit Ausnahme der in den §§ 53, 54 URG genannten Sonderfälle –, reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
© 2011 Carl Hanser Verlag München http:// www.hanser-literaturverlage.de Lektorat: Dipl.-Ing. Volker Herzberg Herstellung: Der Buchmacher, Arthur Lenner, München Umschlaggestaltung: Brecherspitz Kommunikation GmbH, München, www.brecherspitz.com Satz: Manuela Treindl, Fürth Gesamtherstellung: Kösel, Krugzell Printed in Germany
Vorwort
Werke der Kunst und Kultur, ein Gemälde Rembrandts ebenso wie ein histori‑ scher Museumsbau, besitzen nicht nur eine ideelle, ästhetische oder funktio‑ nelle Seite. Vielmehr haben Kunstwerke und Kulturgüter auch eine materielle, stoffliche Grundlage, die oftmals nur wenig Beachtung findet. Solange ein Rembrandt fraglos als Werk des großen Meisters im Museum be‑ staunt wird, der Glanz mittelalterlicher Glasmalereien über die Jahrhunderte nicht verblichen ist und die Zuschreibung eines Kunstwerks nur über den rein kunsthistorischen Ansatz erfolgt, solange verbirgt sich die Materialität hinter der ästhetischen oder funktionellen Wirkung eines Werkes. Aber gerade die Materialität oder die stofflichen Eigenschaften eines Objektes können Hinweise auf die Herstellungsgeschichte und ‑techniken von Kunstwerken geben, sie zeichnen die Provenienz der Rohstoffe nach oder sie erlauben es, Fälschun‑ gen zu entlarven. Für den Erhalt des kulturellen Erbes ist es insbesondere bedeutsam, die chemische Zusammensetzung des Objektes zu kennen, denn auf diesen Erkenntnissen basieren Konservierungs- oder Restaurierungs‑ konzepte. Das vorliegende Buch stellt einige ausgewählte Beispiele aus dem Bereich der Materialanalyse von Kunst- und Kulturgut vor, die in fünf Kapiteln thematisch zusammengefasst sind. Das erste Kapitel widmet sich den historischen Herstellungstechniken von Kunstwerken und geht der Frage nach, warum für ein bestimmtes Kunstwerk ein bestimmtes Material oder eine Kombination von Materialien verwendet wurde. Ein zweites Kapitel begibt sich auf die materielle Spurensuche in der Kul‑ turgeschichte. Diese Spuren können Hinweise geben auf den Entstehungsort eines Objekts oder die Herkunft der Materialien, aus denen es gefertigt wurde. Sie erzählen die Geschichte von Veränderungen, Ergänzungen oder vielleicht Reparaturen, denen die Objekte unterworfen wurden; in einigen Fällen geben sie auch Anhaltspunkte für das Alter eines Kunstwerks. Für die Rekonstruktion, d. h. die Wiedererschaffung verlorener Teile eines Kunstwerks oder kulturell bedeutsamen Objekts, ist die Materialanalyse grundlegend und wird im dritten Kapitel dieses Buches zum Thema.
6 Vorwort
Eine ganz besondere Rolle besitzt die naturwissenschaftliche Analyse für den Erhalt historischer Materialien. Die genaue Kenntnis der chemischen Zusam‑ mensetzung ist für die Konzeption und Anwendung von Restaurierungs- und Konservierungsmethoden von zentraler Bedeutung und wird im vierten Ka‑ pitel ausführlich beleuchtet. Das fünfte und letzte Kapitel schließlich widmet sich der Entlarvung von Fälschungen. Das Buch wird ergänzt durch ein technisches Glossar. Dieses erhebt selbst‑ verständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Hier ist eine Auswahl von Methoden zusammengestellt, die von der BAM Bundesanstalt für Ma‑ terialforschung und ‑prüfung für die Analyse der beschriebenen Kunst- und Kulturgüter verwendet wurden. Doch wie kommt die BAM dazu, sich speziell mit der naturwissenschaftlichen Analyse von Kunst- und Kulturgut zu beschäftigen? Schließlich ist der generelle Auftrag der BAM, den Einsatz von Technik sicher und umweltverträglich zu gestalten. Die in der Bundesanstalt durchgeführte Forschung, Prüfung, Zu‑ lassung und Regelsetzung dienen der Sicherheit in Technik und Chemie. Als Bundesoberbehörde und Ressortforschungseinrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) hat die BAM nationale und internationale Aufgaben, kooperiert mit der universitären und außeruniversitären Forschung und fördert den wissenschaftlichen Nachwuchs. Es sind jedoch schon immer zahlreiche Institutionen an die BAM heran‑ getreten, um mithilfe materialwissenschaftlicher Analysen Antwort auf kulturhistorische Fragestellungen zu bekommen. Aufgrund der großen allgemeinen Bedeutung von Kunstwerken und Kulturgütern hat das BMWi der BAM ermöglicht, in Erweiterung ihrer originären Aufgaben auch in einem vertretbaren Rahmen eigene Forschung im Bereich der Kunst- und Kulturgutanalyse durchzuführen und geeignete Untersuchung- und Analy‑ severfahren für externe Auftraggeber bereitzustellen. Dies führte 2006 zur Einrichtung der Arbeitsgruppe „Kunst- und Kulturgutanalyse“ in der BAM. Diese Arbeitsgruppe beschäftigt sich ausschließlich mit der Materialanalyse kulturhistorisch bedeutsamer Objekte. Im gleichen Jahr erfolgte die Gründung des „Netzwerks zur interdisziplinären Kulturguterhaltung in Deutschland“, N.i.Ke. (www.nike.bam.de). In diesem Buch sind Forschungstätigkeiten der BAM auf dem Gebiet der Kunst- und Kulturgutanalyse aus den letzten fünf Jahrzehnten dargestellt.
Vorwort 7
Die vorliegende Publikation ist eine überarbeitete und erweiterte Auflage des Buches „Was ist falsch am falschen Rembrandt und wie hart ist Damaszener Stahl?“ von Horst Czichos, das 2002 im Nicolai Verlag Berlin erschienen ist. Unser Dank gilt den Institutionen, die mit überaus interessanten Aufträgen an die BAM herantraten, er gilt den Kollegen der Kultur- und Geisteswissenschaf‑ ten für ihre Interpretationen und nicht zuletzt den Naturwissenschaftlern, Ingenieuren und Technologen der BAM für ihre Forschungen, Prüfungen und Analysen. Ohne sie wäre dieses Buch nicht denkbar. Berlin, Mai 2011 Oliver Hahn und Horst Czichos
Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .5 Gewusst, wie gemacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Historische Herstellungstechniken von Kunstwerken Griechische und römische Bronzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Damaszener Stahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Chinesische Seidengewebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Farbmittel – von der Antike bis zur Gegenwart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Spurensuche in der Kulturgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Materialforschung historischer Artefakte und Dokumente Die Himmelsscheibe von Nebra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Die Schriftrollen vom Toten Meer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Mittelalterliche Silberstiftzeichnungen von Albrecht Dürer . . . . . . . . . . 63 Mittelalterliche Hinterglasmalerei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Historische Eisengallustinten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Von der virtuellen zur materiellen Rekonstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Wiederherstellung von Kulturgütern und Architekturdenkmalen Neandertaler-Schädel von Le Moustier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Ebenholz-Kopf der ägyptischen Königin Teje . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Wiederherstellung bedeutender Architekturdenkmale . . . . . . . . . . . . . . 97 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
10 Inhalt
Das Alte über die Zeit retten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Erhalt von Kulturgütern durch Restaurierung und Konservierung Baudenkmalpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Mittelalterliche Glasmalerei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 Juwelierplastiken aus dem Barock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Museumsluft – gutes Klima für die Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Tintenfraß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Echt oder unecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Materialwissenschaften als Detektiv Bronzezeitliche Beile und fernöstliche Bronzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Meissner Porzellan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Rembrandts Selbstbildnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Schuberts Sinfonie-Partitur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Technisches Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Computertomografie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 Endoskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Infrarotspektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Mikrowellenmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 Porosimetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Rasterelektronenmikroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .202 Röntgenfluoreszenzanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 Thermografie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 VIS-Spektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Bildquellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
Gewusst, wie gemacht
Historische Herstellungstechniken von Kunstwerken Kunstwerke bestechen durch ihre Schönheit, ihre Eigenart und Indi‑ vidualität. Betrachtet man sich die Objekte genauer, so drängt sich die Frage auf, wodurch sie ihre Wirkung erzielen. Damit verknüpft sind die Herstellungstechnik und die Auswahl des Materials, mit dem eine Skulptur, ein textiles Gewebe oder ein Bild geschaffen wurde. Warum wurde für ein bestimmtes Kunstwerk ein bestimmtes Material oder eine Kombination von Materialien verwendet? Die Frage lässt sich für ein Bild leicht beantworten – um einen speziellen Farbeffekt zu erzielen, verwendete der Künstler ein bestimmtes Pigment. Doch wie verhält es sich bei der Entstehung einer Bronzeskulptur? Diente das Material Bronze hier einem ästhetischen Zweck, gab es Alternativen, oder sind es pragmatische Gründe, die den Künstler veranlassten, ein Material zu verwenden, das beispielsweise einen besonders dünnwan‑ digen Guss erlaubte? Es sind nicht nur kulturhistorische Fragestellungen nach Werkstatt, Alter und Künstler, die durch die Rekonstruktion der Herstellungstech‑ nik beantwortet werden könnten, auch für den konservatorischen Erhalt eines Kunstwerks ist es bedeutsam, dessen Entstehung zu kennen. Die Rekonstruktion historischer Herstellungstechniken beginnt zu‑ nächst mit der Analyse des Materials, aus dem ein Kunstwerk besteht. An die Materialanalyse schließen sich Untersuchungen an, die veran‑ schaulichen, wie dieses Material verwendet wurde. Die nachfolgenden Ausführungen zu griechischen und römischen Bronzen, zu Damaszener Stahl, zu chinesischem Seidengewebe und zur Produktion von Farb‑ mitteln verdeutlichen, dass die Kenntnis über die Herstellungstechnik nicht nur Auskunft über den künstlerischen Schaffungsprozess gibt, sondern vieles über Alter und Herkunft eines Objektes verrät.
12 Gewusst, wie gemacht
Griechische und römische Bronzen Im Jahre 2000 fand in der Schinkel’schen Rotunde im Alten Museum in Berlin eine denkwürdige Zusammenkunft statt. Neben dem „Jüngling von Salamis“, einer wertvollen antiken Bronzefigur aus der Berliner Antikensammlung, konnten auch zwei seiner berühmtesten Pendants aus dem Ausland bestaunt werden: der „Idolino“ aus dem Archäologischen Museum in Florenz und die sogenannte „Getty-Bronze“ aus dem J. Paul Getty Museum in Malibu bei Los Angeles. Beide bronzenen Jünglinge waren Anfang 2000 nach Berlin gekom‑ men, um sich einer computertomografischen Durchleuchtung zu unterziehen. Die italienischen und amerikanischen Kollegen erhofften sich Aufschluss über den inneren Aufbau der Statuen, um damit weitere Erkenntnisse über den frühhellenistischen und klassizistischen Bronzeguss sowie über spätere Ergänzungen zu gewinnen. Das Gießen lebensgroßer Bronzefiguren war in Europa von den Griechen erfunden worden. Den Bronzehohlguss, das bis heute übliche Gussverfahren, scheinen in großem Format erstmals Künstler von den griechischen Inseln, vor allem Theodoros von Samos, Mitte des 6. vorchristlichen Jahrhunderts, ausgeführt zu haben. Ab Anfang des 5. Jahrhunderts gelang es dann, das Modell negativ abzuformen, aus den Formen einzelne Stücke in Bronze zu gießen und diese zusammenzulöten. In der römischen Antike, die die griechische Kunst zum Vorbild nahm, wur‑ de die Bronzekunst durch den häufig nur millimeterstarken Dünnwandguss technisch perfektioniert. Da die bewunderten griechischen Meisterwerke aus Bronze über die Jahrhunderte dunkel geworden waren, wurden die römischen Bronzen – sofern man sie nicht vergoldete – gleich mit einer schwarzen Patina überzogen.
Griechische und römische Bronzen 13
Die drei Bronzen in der Rotunde des Alten Museums: die „Getty-Bronze“ (links), der „Idolino“ (Mitte) und der „Jüngling von Salamis“ (rechts); im Hintergrund römische Kopien griechischer Götterfiguren
Auch in der Renaissance war der Bronzeguss sehr verbreitet. Im Rückbezug auf die Antike schuf man Statuen in griechisch-römischem Stil. Allerdings fand der Dünnwandguss in dieser Zeit eher weniger Anwendung – schließlich war man gewohnt, Kanonen zu gießen!
14 Gewusst, wie gemacht
Die Jünglinge aus Malibu und Florenz in einer Seitenansicht
Griechische und römische Bronzen 15
Wandstärkenberechnung beim „Jüngling von Salamis“. CT-Schattenbild und drei CT‑Querschnittsbilder aus den Bereichen der Brust, der Hüfte und der Oberschenkel. Auf dem Schattenbild sind die Stellen gekennzeichnet, an denen CT-Querschnittsbilder aufgenommen wurden.
Die Epochenzugehörigkeit der Bronzefiguren und ihre Herstellungsweise lassen sich oft mit bloßem Auge nicht erkennen. Bereits im Jahr 1987 hat‑ te die BAM im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Ausstellung von Großbronzen zur 750-Jahr-Feier Berlins den „Jüngling von Salamis“ compu‑ tertomografisch umfassend untersucht und dabei die Wanddicke des antiken Bronzegusses und seine durch historische Löttechniken verbundene Struktur bestimmt. Die Auswertung ergab, dass die Wandstärken des Gusses zwischen 3,9 und 5,1 Millimeter liegen, mit niedrigeren Werten an Einlagestellen und höheren an Lot- und Fügestellen. Der „Jüngling von Salamis“ war also mit der Technik des Dünnwandgusses geschaffen worden und lässt sich damit zweifelsfrei der römischen Zeit zuordnen.
16 Gewusst, wie gemacht
Verbindungs technischer Aufbau des Jünglings von Salamis. Die Bronze besteht aus zusammen gelöteten, separat gegossenen Teilen.
Mithilfe der Radio- und Computertomografie konnte auch der verbindungs‑ technische Aufbau der gesamten Statue rekonstruiert werden. Sie war aus elf separat gegossenen Teilen hergestellt worden: Kopf und Locken (nicht mehr erhalten), rechter und linker Arm, Torso mit linkem Bein, rechtes Bein, Vorderteile der Füße, Zeigefinger, Penis und Hoden. Analoge Untersuchungen wurden dann an dem bedeutenden, heute in den Uffizien in Florenz aufbewahrten „Idolino“ vorgenommen. Die antike Kna‑ benstatue, eine der meist verehrten Bronzefiguren in der Renaissance und im Barock, war 1530 in zerbrochenem Zustand im mittelitalienischen Pesaro gefunden worden. Schon bald wurde sie mit den damaligen Techniken res‑ tauriert und erhielt ein prächtiges Renaissance-Fundament. Als die Statue 1630 nach Florenz kam, wurde sie dort bereits als „Idol“ bezeichnet. Man sah in ihr ein grandioses Beispiel griechischer Kunst; Körperbau, Kopf und Haar schienen gar auf den klassischen Bildhauer Polyklet zu verweisen. Für den berühmten Archäologen und Kunsthistoriker Johann Joachim Winckelmann war der „Idolino“ im 18. Jahrhundert eine der schönsten aus der griechischen Antike erhaltenen Statuen.
Griechische und römische Bronzen 17
Der „Idolino“. Die Antik-Renaissance-Verbundstruktur wurde durch radiografische Verfahren sichtbar gemacht. Die schwarzen Teile stellen den ursprüng lichen antiken Bronzeguss dar. Die in der Renaissance ersetzten Elemente sind braun, die unter Verwendung anderer Materialien ausgebesserten Bereiche grün, und die Lötverbindungen rot markiert.
18 Gewusst, wie gemacht
Zwei Jahrhunderte später ergaben allerdings detaillierte Formanalysen, dass die Bronzefigur dem römischen Klassizismus des 1. Jahrhunderts v. Chr. zu‑ zuordnen ist. Es stellte sich heraus, dass der „Idolino“ ursprünglich in einer römischen Villa gestanden hatte – einen Serviertisch balancierend und mit bronzenen Weinranken in der Hand, die inzwischen auch wiederentdeckt worden waren. Zudem zeigten neue radiografische Untersuchungen in Florenz, dass der schöne Jüngling nach seiner Entdeckung 1530 nicht nur restauriert und zusammengesetzt, sondern auch ergänzt worden war. Beide Füße, der linke Schenkel und die linke Hand schienen massive Renaissancegüsse zu sein. Die Statue würde demzufolge nicht nur der griechischen Antike (im Vorbild der Gestalt) und der römischen Antike (in der Ausführung von Kopf und Körper), sondern in der Zusammensetzung und Ergänzung auch der Renaissance zuzurechnen sein. Die computertomografischen Untersuchungen dienten nun der Überprüfung dieser Hypothese. Und wirklich bestätigte die Bestimmung der Wandstärke und der Löt-Aufbaustruktur, dass die antiken Bronzegussteile des „Idolino“ in einer hervorragenden Dünngusstechnik und somit in der römischen Zeit ausgeführt wurden, während die erheblich massiveren Gussteile in der Re‑ naissance entstanden waren. Wie der „Idolino“ war auch die „Getty-Bronze“ in Italien gefunden worden, allerdings mehr als drei Jahrhunderte später. Sie wurde 1972 aus der Adria gezogen. Über den deutschen Kunsthandel gelangte die Statue ins J. Paul Getty Museum nach Malibu bei Los Angeles und trägt seitdem den Namen „GettyBronze“. Bald nach der Bergung aus den italienischen Gewässern begann man mit der Restaurierung und den üblichen ikonologischen Untersuchungen. Der Jüngling konnte, im Unterschied zu seinen römischen Kollegen, der griechischen Zeit um 300 v. Chr. zugeordnet werden. Die Bronze stellt einen Athleten der Olympischen Spiele dar, der sich den Siegerkranz aufsetzt – da‑ her die amerikanische Bezeichnung „The Victorious Youth“. Weil der rechte Arm des Knaben abgebrochen war und ihm zudem beide Füße fehlten, wurde eine Metallstangen-Stützstruktur eingezogen. Radiografische Untersuchun‑ gen machten nicht nur das Metall sichtbar, sondern zeigten auch, dass die Wanddicke des Bronzegusses ziemlich ungleichmäßig ist.
Griechische und römische Bronzen 19
Der „Idolino“ auf dem Computertomografen messplatz der BAM
20 Gewusst, wie gemacht
Die „Getty-Bronze“ auf dem Computer tomografenmessplatz der BAM
Griechische und römische Bronzen 21
Dies deutet darauf hin, dass der Künstler vor dem Abguss mit der Hand noch punktuell besondere Akzentuierungen auf dem Wachsmodell vorgenommen hat. Vor allem im Kopfbereich sind diese Akzentuierungen sichtbar. Die Nase, Ohren und das Haar besitzen offenbar eine erheblich größere Wandstärke als der Rest des Kopfes. Wahrscheinlich ist, dass der Künstler durch die Hand‑ modellierung das individuelle Erscheinungsbild des Athleten herausarbeiten wollte.
Das Radiografiebild macht die Stützstruktur sicht bar, die in die „Getty-Bronze“ eingezogen wurde. Farbig umrandet sind die Stellen, die eine größere Wanddicke aufweisen.
22 Gewusst, wie gemacht
Detail der Getty‑Bronze „Statue of a Victorious Youth“, 300–100 v. Chr. (The J. Paul Getty Museum, Villa Collection, Malibu, California)
Mit diesen Ergebnissen konnten einige frühere Aussagen über das Erschei‑ nungsbild der Bronze revidiert werden. So wurde fälschlicherweise behauptet, dass der Hals des Athleten zu lang und die Haltung des rechten Armes „selt‑ sam“ sei. Dies sei darauf zurückzufüh‑ ren, dass die gesamte Bronze aus einem Guss ohne weitere Korrekturen gefertigt wurde. Tatsächlich wurden aber Ände‑ rungen vom Künstler vorgenommen, eine übliche Praxis bei der Herstellung einer solchen Bronze. Weiterhin offenbarten die Untersuchungen, dass der „Victorious Youth“ zu den typischen, antiken griechischen Bronzen zählt, in denen sowohl der Kopf bis zum Hals als auch die beiden Arme von den Schultern abwärts in separaten Arbeitsschritten gegossen und erst später der gesamten Statue hinzugefügt wurden. Bei genauerer Betrachtung der Schweißnähte darf man freilich darü‑ ber streiten, ob die Anfügung der separaten Teile immer perfekt gelungen ist.
Damaszener Stahl In den 1920er-Jahren fand ein englischer Offizier am Ufer des Rheins zwei alte Breitschwerter. Sie wurden auf das 10. bis 11. Jahrhundert datiert und nach England verkauft. Sofort hatte man sie als wertvolle Stücke der berühmten Damaszener Stahlkunst identifiziert. Erst in jüngster Zeit aber wurden die Schwerter einer genauen Untersuchung unterzogen, und dank der Techniken der wissenschaftlichen Materialanalyse lässt sich die Frage beantworten, was eigentlich genau den berühmten Damaszener Stahl kennzeichnet. Stähle bildeten seit jeher die stoffliche Basis für Kriegswerkzeuge. Sie sind schmiedbare Eisen-Kohlenstoff-Legierungen und in der Technik die mengen‑ mäßig bedeutendsten, da außerordentlich vielfältig einsetzbare Konstruktions‑ werkstoffe. In der historischen Entwicklung hatte Eisen im Vergleich zu Bronze verschiedene Vorteile: Eisenerze, die mit einfachen Mitteln gewonnen werden konnten, waren viel leichter zugänglich als Kupfer- und Zinnvorkommen.
Damaszener Stahl 23
Zudem bedurfte es keiner speziellen Legierungen, die weitere Verarbeitung erfolgte durch Schmieden. Ein Schwert aus einfachem Eisen war allerdings dem aus Bronze zunächst nicht überlegen, denn es war zu weich und konn‑ te sich bei Waffengängen leicht verbiegen. Auf der Suche nach geeigneten Materialien für Schwerter kamen Schmiede aus Vorderasien bereits etwa 500 v. Chr. auf die Idee, harte und weiche Stähle miteinander zu verbinden. Die so hergestellten Klingen waren sowohl hart als auch geschmeidig. Sie er‑ hielten erst sehr viel später durch die kunstvoll geschmiedeten orientalischen Säbel des 18. Jahrhunderts den Namen Damaszener Stahlklingen – Damaskus war damals ein wichtiger Umschlagplatz für Waffen. Heute sind zwei unterschiedliche Arten von Damaszener Stahl bekannt: Wootzdamast und Schweißdamast. Wootzdamast ist ein durch langwieriges, Seigerung genanntes Schmelzverfahren erzeugter Damaszener Stahl mit ört‑ lich unterschiedlicher Verteilung härterer und weicherer Gefügebestandteile. Schweißdamast entsteht dagegen durch sogenanntes Damaszieren. Es ist ein durch Feuerschweißen unterschiedlich harter Lagen von Stahl erzeugter Verbundstahl, bei dem durch Verwinden der verschweißten Stahllagen, durch schleifenden Abtrag und Beizen ein je nach Materialart und Schmiedetechnik charakteristisches Oberflächenmuster (Damaszierung) hervortritt.
Damaszener Breitschwerter aus dem 10. und 11. Jahrhundert. Ein englischer Offizier hatte 1920 die Schwerter am Ufer des Rheins gefunden.
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Damaststruktur der beiden Damaszener Stahlklingen
Die Detailaufnahme offenbart das charakteristische Oberflächenmuster.
Durch optische Nahaufnahmen konnte man die Damaszierung der beiden mittelalterlichen Breitschwerter sichtbar machen und daraufhin den Stahl als Schweißdamast identifizieren. Die nähere Struktur und die Eigenschaften der Damaszener Stahlklingen wur‑ den anschließend mit dem Instrumentarium der heutigen Materialforschung untersucht. Die Ergebnisse der Computertomografie deuten auf eine homo‑ gene Struktur des Klingenkerns hin. Durch Röntgendiffraktometrie konnte weiter nachgewiesen werden, dass die hohe Festigkeit und Geschmeidigkeit der Klingenoberfläche – besonders wichtig für die harten mittelalterlichen Waffengänge – den eingeprägten oberflächennahen Druckeigenspannungen zu verdanken sind, die durch den komplexen Schmiedevorgang und die
Damaszener Stahl 25
Gefüge eines etwa 4 Millimeter breiten Spans einer damaszierten Klinge. Die hellen Bereiche sind stärker phosphorhaltig und härter als die dunklen. So nimmt die Härte des Bereiches 5 (Breite ca. 200 µm) zum Bereich 4 um den Faktor 1,4 und zum Bereich 6 um den Faktor 2,0 zu.
mechanische Oberflächenbehandlung erzeugt wurden. Die Zusammensetzung der Oberflächen wurde durch die energiedispersive Röntgenanalyse (EDX) er‑ mittelt. Es zeigte sich, dass die Damaszierung auf miteinander verschweißten phosphorreichen und ärmeren Stählen beruht. Dabei ließ das Diffusionsprofil erkennen, dass die Zeit- und Temperaturführung des gesamten Schmiedepro‑ zesses äußerst sorgfältig erfolgt sein muss. Schließlich ergaben die Messungen der Mikrohärte, dass die Oberflächenhärte in eng benachbarten Bereichen um bis zu 200 Prozent variiert – ein ausgeprägtes Kennzeichen von Verbundstahl. Die historischen Damaszener Stähle – so lassen sich die einzelnen Untersu‑ chungen zusammenfassen – können gemäß der neueren Terminologie als Hochleistungs-Verbundstahle bezeichnet werden. Es ist bemerkenswert, wie die Schmiede schon vor über 2000 Jahren auf die Idee kamen, gegensätzliche Materialeigenschaften wie „hart“ und „weich“ in einem Stück zu vereinen! Schon für die Abstimmung einer Eigenschaft braucht man viel Wissen und
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Erfahrung. Heutige Stahlhersteller beschäftigen hoch bezahlte Spezialisten, um die Rezepturen auf ganz bestimmte Kundenwünsche abzustimmen. Eine geringfügige Abweichung in der Zusammensetzung der Legierungsbestand‑ teile kann einen gravierenden Einfluss auf Härte, Elastizität und Streckgrenze haben. Die Schmiede des Damaszener Stahls wussten das bereits und haben ihr Können bis zum 18. Jahrhundert in den berühmten Klingen zur Meister‑ schaft gebracht. Das dabei praktizierte Konstruktionsprinzip – Grundfestigkeit durch ausreichend hartes Material an der richtigen Stelle und die kurzzeitige Belastbarkeit durch beste Oberflächengüte – ist noch heute Stand der Technik. Den damaligen Kunden der Damaszener Schmiede war das viel wert. Ein Damaszener Schwert kostete so viel wie zehn Pferde. Vergleichbare heutige aufwendig produzierte Stahlsorten werden nur bei hoch belasteten und teuren Bauteilen wie beispielsweise bei Triebwerkskomponen‑ ten oder im Werkzeugbau eingesetzt.
Chinesische Seidengewebe In China sind in einer über 4000-jährigen Geschichte in zahlreichen Gebieten der Kunst Werke von hohem Rang entstanden. Hier stellen besonders die chinesischen Seidengewebe eine einzigartige kulturelle Besonderheit dar. Die Herstellung von Seide und die Zucht von Seidenraupen wurden in China über Jahrtausende als Geheimnis gehütet. Die Weitergabe des Wissens war unter Androhung der Todesstrafe verboten. Erst um 550 n. Chr. ließ Kaiser Justinian die wesentlichen Elemente der Sei‑ denraupenzucht durch Mönche aus Indien nach Konstantinopel bringen. Zum einen waren dies die Eier von Schmetterlingen der Seidenspinner-Familie, aus denen die Seidenraupen schlüpfen, zum anderen wurde der Maulbeerbaum als Nahrungsquelle in das römische Reich gebracht. Das Wissen über die Seiden‑ raupenzucht und die Gewinnung von Seide gelangte weiter von Griechenland und Sizilien (Mitte des 12. Jahrhunderts) über Italien, Frankreich (Anfang des 16. Jahrhunderts) und Spanien bis nach Preußen. Friedrich II. hatte sogar eine Belohnung für diejenigen ausgesetzt, die ihm Informationen über die Seiden‑ herstellung beschaffen würden. Im Jahre 1774 wurden in Sachsen, Pommern und Brandenburg 6849 Pfund reine Seide gewonnen. Trotz aller Bemühungen blieb die Seidengewinnung in Preußen wirtschaftlich jedoch wenig erfolgreich.
Chinesische Seidengewebe 27
Chinesisches Seiden gewebe mit VerbundMaterialstruktur (Ethnologisches Museum, SMB)
28 Gewusst, wie gemacht
Das Conversations-Lexikon von Brockhaus vermittelt einen Eindruck, welche Kenntnisse Anfang des 19. Jahrhunderts über die Seide und ihre Herstellung vorlagen. „Das Insekt, welches die Seide liefert, ist die Seidenraupe. Die kleine Raupe sieht anfangs schwarz aus, häutet sich während ihres sechs bis sieben Wo‑ chen langen Lebens mehrmals, und fängt nach der letzten Häutung an, ihren Cocon zu spinnen. Sie produziert dabei zwei sehr dünne Fäden, die aus zwei Öffnungen ihres Mauls heraustreten. Die Arbeit an der Coconbildung dauert sieben bis acht Tage. Hat sich die Seidenraupe eingesponnen, tötet man sie durch Terpentinöl oder in einem Backofen und wickelt in heißem Wasser die rohen seidenen Fäden auf einen Seidenhaspel ab. Der Cocon, welcher die feine Seide gibt, besteht aus einem einzigen ununterbrochenen Faden von bis zu 4000 m Länge. Er ist 0,013 bis 0,026 mm dick, abgeplattet 1/3 der Festigkeit der besten Eisendrähte.“ Heute ist bekannt, dass Seidenfasern bis zu 75 % aus dem Eiweißstoff Fibroin bestehen und zu etwa 25 % aus dem kautschukähnlichen Eiweißstoff Sericin, der die sehr feinen, etwa 20 Nanometer dicken Fibroinfibrillen umhüllt. Seide besitzt eine niedrige Wärmeleitfähigkeit und ist säureunempfindlich. Aufgrund ihrer besonderen mechanischen, chemischen und physikalischen Eigenschaften ist Seide ein hervorragendes Bekleidungsmaterial. Doch zurück nach China, wo die Seidenherstellung ihren Anfang nahm. Mitte der 80er-Jahre wurde die BAM vom Museum für Völkerkunde in Berlin um die materialwissenschaftliche Analyse eines chinesischen Seidengewebes gebeten. Der wertvolle Stoff war in einer Technik hergestellt worden, die auf das 16. bzw. 17. Jahrhundert zurückgeht. Das Gewebe bestand offenbar aus einer eher seltenen Mischung unterschiedlicher Materialien. Zunächst brachte die fasertechnische Analyse die Erkenntnis, dass es sich bei dem Grundgewebe tatsächlich um Seide handelt. Die lichtmikroskopi‑ sche Strukturuntersuchung förderte jedoch eine Besonderheit zutage – die prachtvollen Vogelmotive waren mit 0,4 Millimeter breiten Papierstreifen in das Seidengewebe eingearbeitet worden. Sie umhüllen die Seidenfäden spi‑ ralförmig und bestehen, das zeigte die Faserstoffanalyse, aus Bambuszellstoff. Doch die Analysen brachten noch Weiteres zutage. Das Gefieder der Vögel erscheint nicht nur golden, die Papierstreifen wurden tatsächlich mit Gold beschichtet. Der elektronenmikroskopische Vergleich mit Blattgold-Referenzen zeigte, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit Blattgold verwendet worden war.
Chinesische Seidengewebe 29
Chinesisches Seiden gewebe, Vogelmotiv
Als Anlegemittel wurde Kaolin identifiziert. Bei den silbrig erscheinenden Partien wurden in der Beschichtung der Papiere neben Silber auch Spuren von Eisen, Kupfer, Aluminium und Silizium nachgewiesen. Aufgrund der Al‑ terung der Silberschicht ließ sich nicht mehr nachweisen, ob hier Blattsilber oder Silberpulver für die Dekoration Verwendung fand. Insgesamt handelt es sich um ein aufwendig und kostbar gearbeitetes Ge webe, das im europäischen Kulturkreis keine Entsprechung findet. Neben der Entdeckung einer meisterhaften Technik ließen sich aus den naturwissen‑ schaftlichen Untersuchungen wesentliche Erkenntnisse für die Restaurierung dieses einzigartigen Stückes gewinnen.
30 Gewusst, wie gemacht
Seidenfadenbündel, von Papierstreifen mit Goldauflage spiralförmig umhüllt und durch bläuliche Fasern miteinander verbunden
Chinesische Seidengewebe 31
Von Papierstreifen mit Silberauflage (rötlich braun angelaufen) spiralförmig umhüllte Seiden fasern. An den schräg verlaufenden Rändern des Papiers sind die umwickelten rot-gelblichen Seidenfäden zu erkennen.
32 Gewusst, wie gemacht
Farbmittel – von der Antike bis zur Gegenwart Viele Kunstwerke beeindrucken durch ihre Farbigkeit. Die Erstellung eines Gemäldes, einer illuminierten Handschrift oder einer gefassten Skulptur wäre ohne den Einsatz von „Farbe“ nicht denkbar. Farben bestimmen unsere Umwelt, sei es zur Dekoration, zur Färbung eines Textils oder eben zur Her‑ stellung eines Kunstwerks.
Farbkreis Johann Wolfgang von Goethes (Goethe Nationalmuseum, Weimar)
Seit Menschengedenken benutzen die Menschen farbige Substanzen, um Bil‑ der entstehen zu lassen. So denke man nur an die Höhlen von Lascaux, Pech Merle und Altamira, die mit farbigen Wandmalereien geschmückt wurden. Die Palette der Farbmittel umfasst eine große Anzahl verschiedener Substanzen. Neben künstlich hergestellten Pigmenten sowie pflanzlichen und tierischen Farbstoffen finden sich zahlreiche Mineralien, die nach einem Reinigungs‑ prozess als Pigment verwendet wurden.
Farbmittel – von der Antike bis zur Gegenwart 33
Wandmalerei aus der Höhle von Lascaux
Zahlreiche Quellen berichten über die Gewinnung und Herstellung von Farben. Bereits seit der Antike gibt es eine lange Tradition, Zubereitungs- und Verar‑ beitungsrezepturen zu sammeln. So berichtet Theophrast im 4. Jahrhundert n. Chr. über mineralische Farbmittel, zahlreiche Informationen lassen sich auch aus dem 25 v. Chr. entstandenen Architekturtraktat des Vitruv und der etwa achtzig Jahre jüngeren Naturgeschichte des Plinius gewinnen. Aus dem 3. Jahrhundert sind dann erstmals auf drei griechischen Papyri echte Rezepturen zur Farbherstellung überliefert. Die außerordentliche Rezept‑ sammlung der Mappae Clavicula, deren ältestes erhaltenes Manuskript die im 8. Jahrhundert geschriebene Handschrift in der Kapitelbibliothek in Lucca ist, ist vermutlich ebenso antiken Ursprungs. Bis ins 14. Jahrhundert wurde die Rezeptsammlung der Mappae Clavicula vielfach kopiert und exzerpiert. Auch der kunsttechnologische Traktat des Theophilus Presbyter, der vermut‑ lich Anfang des 12. Jahrhunderts in Nordwestdeutschland entstand, wurde kopiert. Sind die früh- und hochmittelalterlichen Rezeptsammlungen noch in Latein verfasst, wurden ab dem 14. Jahrhundert immer mehr technologische Traktate in den Volkssprachen geschrieben.
34 Gewusst, wie gemacht
Anreiben von Farberden (Hortus Sanitatis, Mainz 1517)
Auskratzen von Weinfässern zur Gewinnung von Weinstein, Kaliumhydrogentartrat, einer wichtigen Substanz für die Gewinnung von natürlichen Farbstoffen (Hortus Sanitatis, Mainz 1517)
Zu den wichtigsten deutschsprachigen Texten zählen das sogenannte Straß‑ burger Manuskript aus dem 15. Jahrhundert, das Trierer Malerbuch aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, das Colmarer Kunstbuch von 1478, das um 1477 verfasste Prager Malerbuch sowie einige im Kloster Tegernsee ange‑ legte Rezeptsammlungen, die zwischen 1460 und 1530 datiert werden können. Das große Interesse an solchen Sammlungen spiegelt sich in der raschen Übernahme der Traktate in den Buchdruck. Das 1549 erstmalig erschienene Illuminierbuch des Valentin Boltz von Ruffach war sicherlich das bekannteste der ab dem 16. Jahrhundert entstandenen Rezeptbücher.
Farbmittel – von der Antike bis zur Gegenwart 35
Titelbild des ersten Illuminierbuchs von Valentin Boltz von Ruffach (Basel 1549)
Wie schon eingangs erwähnt, lassen sich die Farbmittel in zwei verschiedene Gruppen einteilen. Da sind zunächst die Pigmente zu nennen, schwer lösliche Salze und Mineralien, die üblicherweise in einem Bindemittel angerührt bzw. dispergiert werden, um als Farbe dann vom Künstler verwendet zu werden. Von ihnen soll anhand einiger besonderer Beispiele zunächst die Rede sein.
36 Gewusst, wie gemacht
Azurit (Naturkundemuseum Wien)
Malachit (Naturkundemuseum Wien)
Farbmittel – von der Antike bis zur Gegenwart 37
Hämatit (Naturkundemuseum Wien)
Mennige (Naturkundemuseum Wien)
38 Gewusst, wie gemacht
Mineralische Ocker, deren Farben von Gelb über Rot bis Braun variieren, zählen zu den ältesten Pigmenten überhaupt. In Europa wurden sie bereits in vorgeschichtlicher Zeit in den schon erwähnten Höhlen von Lascaux, Pech Merle und Altamira verwendet. Aber auch in Ägypten, in Kleinasien, in Palästina und Mesopotamien finden sich viele Beispiele für den Gebrauch dieser Farberden, deren färbende Bestandteile verschiedene Eisenoxide sind. Zinnober zählt neben Eisenoxiden zu den am häufigsten verwendeten Rot‑ pigmenten. Die Bildung des Quecksilbersulfids ist noch heute zu beobachten, nämlich innerhalb der ca. 80 °C warmen Thermen absterbender Vulkane. Natürlicher Zinnober wird in den Texten von Vitruv und Plinius unter dem Namen „minium“ beschrieben. Seit dem 8. Jahrhundert kannte man jedoch auch Verfahren, den Zinnober künstlich herzustellen. Dies dokumentiert sich in zahlreichen Rezepten, die vom 8. bis zum 16. Jahrhundert überliefert sind. Die Unterscheidung, ob der Zinnober mineralischen Ursprungs ist oder ob es sich um ein künstliches Pigment handelt, erfolgt über die Spurenelemen‑ tanalyse. Je reiner das Pigment, desto eher kann davon ausgegangen werden, dass es sich um ein synthetisches Produkt handelt. In die Reihe der roten Pigmente darf Bleimennige nicht fehlen. Das künstlich hergestellte Bleioxidpigment war bereits in der Antike bekannt. Daneben existiert es aber auch als Mineral. Plinius nannte es „minium secundarium“, im Unterschied zu dem als „minium“ bezeichneten Zinnober. Es wird durch längeres Erhitzen von Bleiweiß oder gelbem Bleioxid auf ca. 480 °C hergestellt. Da es wie andere Bleipigmente giftig ist, wird es heute nicht mehr verwendet. Bleiweiß war das wichtigste Weißpigment der Antike, des Mittelalters und der Neuzeit. Auch hier stammt die früheste Beschreibung einer Herstellung von Bleiweiß aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. Außerdem sind zahlreiche Quellen aus der Antike und dem Mittelalter bekannt. Im Mittelalter wurden Bleiplatten mit starkem Essig oder Harn übergossen. Durch die Korrosion entstand aus dem Blei zunächst Bleiacetat, dieses wandelt sich durch Reaktion mit CO2 in der Luft zu dem weißen, sogenannten basischen Blei‑ carbonat um. Schon bald suchte man aber nach effizienteren Methoden der Bleiweißerzeugung. Beim sogenannten holländischen Verfahren werden zu Spiralen aufgerollte Bleibänder in Steinzeugtöpfen, deren Boden mit Essig bedeckt wird, aufgehängt. 6000 bis 8000 solcher Töpfe wurden dann in Oxidationsräumen, den sogenannten Logen, untergebracht. Anschließend bedeckte man die Töpfe mit Pferdemist. Die durch die Fäulnis verursachte
Farbmittel – von der Antike bis zur Gegenwart 39
Wärme und das dabei entstehende Kohlendioxid beschleunigten den Blei‑ weißentstehungsprozess. Viele Kupferverbindungen wurden über Jahrhunderte als Grün- bzw. Blau‑ pigmente verwendet. Natürliche Minerale wie Malachit oder Azurit finden sich ebenso in Kunstwerken wie künstlich hergestellte Pigmente, wie bei‑ spielsweise Grünspan. Neben diesen häufig verwendeten Pigmenten ist auch eine Vielzahl anderer Kupferverbindungen als Farbmittel, Beimischung oder Umsetzungsprodukt mit dem Bindemittel bekannt bzw. aufgrund der Quellen in Betracht zu ziehen. In diesen Quellentexten – angefangen bei der bereits erwähnten Naturalis Historiae des Plinius über mittelalterliche Traktate bis hin zu technischer Literatur des 19. Jahrhunderts – sind viele Rezepturen und Zubereitungsvorschriften überliefert. Ihre Rekonstruktion führt zu einer Vielzahl von chemischen Verbindungen.
Die Palette unterschiedlicher Kupferverbindungen
40 Gewusst, wie gemacht
Hinterglasbild, 18. Jahrhundert. Verschiedene Kupfergrünpigmente bestimmen neben dem leuchtenden Rot den Farbeindruck des Bildes. (Sammlung Steiner, HGS 366)
Berliner Blau wurde Anfang des 18. Jahrhunderts in Berlin erstmals herge‑ stellt. Es stellte einen willkommenen Ersatz für die teuren Mineralpigmente Azurit oder Ultramarin dar und läutet damit die Herstellung zahlreicher neuer Pigmente ein, die günstiger und weniger aufwendig in der Herstellung waren. So waren beispielsweise chromhaltige Pigmente aufgrund ihrer Farbintensität als Malfarben im 19. Jahrhundert sehr verbreitet. Voraussetzung dafür war die Entdeckung des Elements Chrom im Jahre 1797. Gelbes Bleichromat zählte zu den wichtigsten modernen Pigmenten und zierte bis in die 1970er-Jahre den Fuhrpark der Deutschen Post. Schon 1803/04 als Pigment vorgeschlagen, wur‑ de erst 1809 mit der Optimierung der Herstellung begonnen. In den Handel kam Chromgelb erst ab 1820. Chromgrün wurde erstmals 1809 hergestellt; in Malfarben findet man das Pigment erst ab dem zweiten Viertel des 19. Jahr‑ hunderts. Eine Variante ist das Chromoxidhydratgrün, welches 1838 in Paris entdeckt wurde. In größeren Mengen wurde es jedoch erst ab den 60er-Jahren des 19. Jahrhunderts hergestellt. Aufgrund seiner reinen, kühlen Farbe wurde das Pigment auch als „Chromoxidgrün feurig“ bezeichnet.
Farbmittel – von der Antike bis zur Gegenwart 41
Als letztes Pigment soll hier Titanweiß Erwähnung finden. Es handelt sich um das wichtigste Weißpigment, dass heutzutage überall eingesetzt wird. Es wurde zwar schon 1821 erstmalig synthetisiert, jedoch gelang die fabrikmäßi‑ ge Herstellung erst zwischen 1916 und 1918 in den USA. In den 1930er-Jahren wurde das Pigment in Europa in der kristallografischen Form des Anatas her‑ gestellt; erst nach dem 2. Weltkrieg kam das Pigment in der qualitätvolleren Form des Rutils auf den Markt. Natürlich wurden hier exemplarisch nur einzelne Pigmente beschrieben. Die nachfolgende Auswahl fasst daher die gebräuchlichsten Künstlerpigmente zusammen. In den beiden linken Spalten sind die Pigmente aufgelistet, deren Verwendung sich teilweise bis in die Ur- und Frühgeschichte zurückverfolgen lassen. Moderne Pigmente sind in den beiden rechten Spalten aufgeführt, die Jahreszahl gibt den frühesten Gebrauch an. Rote Pigmente Mennige
Pb3O4
Cadmiumrot (1910)
CdS + CdSe
Roter Ocker
e.g., Fe2O3 (Hämatit)
Chromrot (1809)
PbCrO4 × Pb(OH)2
Realgar
As2S2 (AsS)
Zinnober
HgS
Weiße Pigmente Kreide
CaCO3
Anatas (1920)
TiO2
Gips
CaSO4 × 2 H2O
Antimonweiß (1920)
Sb2O3
Bleiweiß
2PbCO3 × Pb(OH)2
Lithopone (1853)
ZnS+BaSO4
Permanentweiß (1830)
BaSO4
Rutil (1938)
TiO2
Zinkweiß (1835)
ZnO
Blaue Pigmente Azurit
2CuCO3 × Cu(OH)2
Kobaltviolett (1775)
CoO × Al2O3
Ägyptisch Blau
CaCuSi4O10
Manganblau (1907)
BaSO4 × Ba(MnO4)2
Lapis Lazuli
Na8-10Al6Si6O24S2-4
Berliner Blau (1704)
Fe4[Fe(CN)6]3
Smalte
Kobaltglas
Schwarze Pigmente Antimonschwarz
Sb2S3
Eisenoxidschwarz (1920)
Fe3O4
Elfenbeinschwarz
C + Ca3(PO4)2
Manganoxid (1920)
MnO2 + Mn2O3
42 Gewusst, wie gemacht
Gelbe Pigmente Auripigment
As2S3
Cadmiumgelb (1825)
CdS
Bleizinngelb
Pb2SnO4 (Typ I) PbSnO3 (Typ II)
Chromgelb (1797)
2 PbSO4 × PbCrO4
Malachit
CuCO3 × Cu(OH)2
Chromgrün (1809)
Cr2O3
Posnjakit
Cu4[(OH)6(SO4)] × H2O
Kobaltgrün (1780)
CoO × 5 ZnO
Verdigris
Cu(CH3COO)2 × n Cu(OH)2 × m H2O Schweinfurter Grün (1814) Cu(CH3COO)2 × 3 Cu(AsO2)2
Grüne Pigmente
Ein Beispiel soll an dieser Stelle verdeutlichen, inwieweit die Kenntnis über die Herstellungsgeschichte von Pigmenten wichtige Erkenntnisse zur Datierung von Kunstwerken liefert. Angesichts der vielen bedeutenden Zeichnungen, die in den grafischen Sammlungen existieren, erscheint es zunächst merkwürdig, dass Grafiken in der Renaissance auch koloriert wurden – hatte sich die Zeichnung in dieser Zeit doch gerade erst als eigenständige Kunstgattung etabliert. Als Beispiele Albrecht Dürers seien hierfür zahlreiche Blätter aus seiner Kupferstichpassion genannt. Aufgrund der meisterlichen Linienschraffur wurde eine derart male‑ rische Wirkung erzielt, sodass auf eine Kolorierung verzichtet werden konnte. Dies gilt auch für die sogenannte Große Passion Dürers, die als Holzschnitt überliefert ist. Bereits Erasmus von Rotterdam pries in seinen „Dialogen“ (1528) die künstlerische Kraft des grafischen Werks Albrecht Dürers, das ganz ohne farbliche Gestaltung auskäme. Und dennoch existieren farbig gestaltete Blätter, deren Kolorierung so zart ausgeführt wurde, dass die originale Zeichnung sichtbar hindurchscheint. Das Beispiel, welches hier diskutiert werden soll, beinhaltet zwei Blätter zu „St. Peter und St. Johannes heilen einen Lahmen an der Türe des Tempels“. Beide Blätter unterscheiden sich deutlich in der Kolorierung. Neben der schwarz gehaltenen Signatur Albrecht Dürers findet sich im ersten Blatt zu‑ sätzlich das goldene Monogramm GM über der Jahreszahl 1508. Die naturwissenschaftliche Analyse ergab, dass dieses Blatt im 16. Jahrhundert koloriert wurde. Die Palette der Farbmittel umfasst künstliche und minera‑ lische Pigmente, deren Verwendung zu dieser Zeit eben üblich war. Zu den künstlich hergestellten Pigmenten zählen Bleiweiß, Zinnober und Mennige.
Farbmittel – von der Antike bis zur Gegenwart 43
Albrecht Dürer, Peter und Johannes heilen einen Lahmen (Kupferstichkabinett, SMB)
Die mithilfe der Röntgenfluoreszenzanalyse detektierten Spurenelemente, wie Silizium, Titan oder Barium, verweisen auf die mineralische Herkunft der weiteren Pigmente, wie Azurit und Malachit, und schließlich roter und gelber Ocker. Tatsächlich steht das Monogramm GM für den Koloristen Georg Mack der Ältere, dessen Tätigkeit in Nürnberg zwischen 1556 und 1601 überliefert ist. Das zweite Blatt wurde erst im 19. Jahrhundert koloriert. Dies dokumentiert sich an der Verwendung von Zinkweiß und insbesondere Chromgrün, beides Pigmente, die erst ab dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts hergestellt wurden.
44 Gewusst, wie gemacht
Cornelis Cort (1533–78), Das Jüngste Gericht (Kupferstichkabinett, SMB). Die Kolorierung des Stiches stammt aus dem 16. oder 17. Jahrhundert.
Die historischen Rezepturen beschreiben jedoch nicht nur die Gewinnung und Herstellung von Pigmenten. Seit der Antike wurden auch aus Pflanzen und Tieren Farbstoffe hergestellt, die nicht nur in der Textilfärberei, sondern auch als Farblacke zur Dekoration von Kunstwerken Verwendung fanden. Historische Farbstoffe sind weniger alterungsbeständig als Pigmente; dies ist sicherlich der Hauptgrund dafür, dass über deren Verwendung in der Antike oder im Mittelalter weniger bekannt ist. Insbesondere in der Buchmalerei haben sich zahllose Beispiele für prachtvol‑ le Kolorierungen erhalten; daher sollen auch hier einige Beispiele deutlich machen, wie vielfältig die Palette der Farbstoffe war – und ist. Indigo ist sicherlich das wichtigste, bereits seit der Antike bekannte, orga‑ nische, tiefblaue Pigment. Das farblose Vorprodukt kommt in verschiedenen Pflanzenarten, insbesondere der ostindischen Indigofera tinctoria L. vor. Die Gewinnung des Blaupigments erfolgte durch Fermentation. Bis zum 16. Jahr‑ hundert verwendete man in Europa den blauen Farbstoff aus dem Färberwaid (Isatis tinctoria L.). Heute wird das Farbmittel synthetisch hergestellt, nachdem es 1880 erstmalig synthetisiert wurde.
Farbmittel – von der Antike bis zur Gegenwart 45
Verschiedene rote Farbmittel aus den Rohstoffen
Aus dem Holz der Caesalpinia brasiliensis L. und verwandten Rotholzarten wird ein Farbstoff gewonnen, indem aus dem tiefrot gefärbten Holz und der Rinde der Farbstoff mit Lauge, Essig, Alkohol oder Urin extrahiert wird. Durch Beizen mit Alaun erhält man einen rotvioletten Farblack. Je nach Extraktions‑ mittel und dauer variiert der Farbton zwischen Rosa, Purpur und Braunrot. Im Mittelalter wurde Brasilholz hauptsächlich aus Ceylon und Indien importiert. Unterschiedliche rote bzw. violette Farbstoffe lassen sich aus verschiedenen Flechten (Rocella- oder Ochrolechia-Arten) durch Fermentation gewinnen. Zur Herstellung wurden zerkleinerte Flechten mit verdünntem Ammoniak oder Urin versetzt und gärten dann einige Tage bis Monate, wodurch der rote Farbstoff entstand. Orseille ist ein Vertreter dieses Farbstoffes. Der Herstellung dieser Farbstoffe kam im Mittelalter eine besondere Bedeutung zu, da hier preisgünstiger Ersatz für den kostbaren Purpur geschaffen wurde. Aus verschiedenen Schildlausarten, z. B. Kermes vermilio L., Cochenille, Dactylopius coccus oder Keria lacca L., wurden Rotfarbstoffe durch Extrak‑ tion gewonnen. Die seit der Antike in Europa bekannten Farbstoffe wurden sowohl zum Färben von Textilien und Leder als auch als Farblacke verwendet.
46 Gewusst, wie gemacht
Cochenille, Dactylopius coccus, aus dem durch Extraktion intensive rote bis purpur farbene Farbmittel hergestellt werden
Aus der Rinde des Gelbholz, Chlorophora tinctoria L., wird ein Gelbfarbstoff gewonnen, mit dem Textilien gefärbt wurden.
Farbmittel – von der Antike bis zur Gegenwart 47
Je nach Extraktionsverfahren erhält man mehr rote oder mehr purpurfarbene Farbstoffe. Für die Malerei wurden die sehr teuren Farbstoffe teilweise aus alten Textilien recycelt. Die Färbepflanze Krapp, Rubia tinctoria L., wurde bereits in der Antike vor allem in der Tuchfärberei verwendet. Im Mittelalter ist Krapp in ganz Europa weitverbreitet und findet sich in der Buch- und Tafelmalerei. Die färbenden Inhaltsstoffe werden aus den getrockneten Wurzeln mit Lauge, Essig oder Urin extrahiert, mit einem Beizmittel verlackt oder auf ein Substrat, z. B. Kreide, gefällt. Je nach Extraktionsverfahren erhält man unterschiedliche Farbtöne von Rotbraun über Rot bis Orange. Über die Jahrhunderte änderten sich die Rezepturen für die Gewinnung dieser Naturfarbstoffe nur wenig. Erst das 19. Jahrhundert markiert den Beginn der synthetischen Farbstoffentwicklung. Friedlieb Ferdinand Runge gelang es 1834, Substanzen wie Phenol und Anilin aus Teer zu isolieren. August Wilhelm Hofmann entdeckte die Umwandlung von Nitrobenzol zu Anilin mit Zink und Salzsäure. Und schließlich erfolgte im Jahre 1865 durch Kekulé von Stradonitz die Strukturaufklärung von Benzol. Die Grundsteine für die Entwicklung der sogenannten Teerfarbstoffe waren gelegt. Mit der Entdeckung des MauveinFarbstoffs im Jahre 1856, gefolgt von Fuchsin 1858 und Phenolphthalein 1871, begann die industrielle Produktion von Farbmitteln, die bis heute unsere Umwelt bestimmen. Die Beständigkeit von Farbmitteln ist ganz unterschiedlich. In der Regel gelten mineralische Pigmente als stabilere Komponenten. Jedoch gibt es hier Ausnahmen. Zahlreiche Kupfergrünpigmente verbräunen mit der Zeit, weil sich die Kupfercarbonate, ‑acetate und ‑hydroxide in braunes Kupferoxid ver‑ wandeln. Im Bereich der Wandmalerei findet man vielfach eine Vergrünung des blauen Pigments. Die Beobachtung ist darauf zurückzuführen, dass sich das Mineral Azurit in das thermodynamisch stabilere Malachit verwandelt. Darüber hinaus verblassen Smalte und Ultramarin in ungeeigneten Binde‑ mitteln oder aufgrund von Umwelteinflüssen. Bleihaltige Pigmente sind besonders anfällig gegenüber sulfidhaltigen Verbin‑ dungen, wie z. B. Schwefelwasserstoff. Die ehemals roten und weißen Substan‑ zen wandeln sich in das schwarze Bleisulfid um. Besonders dramatisch wirkt sich dies im Falle der Bleiweißverschwärzung aus, da ein Farbumschlag von Weiß nach Schwarz erfolgt und sich damit der ursprüngliche Bildeindruck völlig verliert.
48 Gewusst, wie gemacht
Organische Farbstoffe, insbesondere natürlich gewonnene Substanzen, verblassen durch Oxidation sehr schnell. Dies kann insbesondere bei illu‑ minierten mittelalterlichen Prachtcodices studiert werden. Die schönste, bzw. bedeutsamste Miniatur ist immer am schlechtesten erhalten, da diese viel häufiger aufgeschlagen und ausgestellt wurde. Besonders gelbe Pflan‑ zenfarbstoffe verlieren so viel von ihrer ursprünglichen Farbigkeit, dass sie völlig verschwinden. Sind die heutigen, synthetisch hergestellten Farbstoffe weitaus lichtstabiler, haben auch sie jedoch nur eine begrenzte Lebensdauer, wenn sie UV- oder Sonnenlicht ausgesetzt werden. Wenn sich die Farben in einem Kunstwerk im Laufe der Jahrhunderte durch Alterung, Lagerung und Umwelteinflüsse verändert haben, ist es nur sehr schwer, den ursprünglichen Farbeindruck wiederzugewinnen. In wenigen Ausnahmefällen ist dies vielleicht sogar möglich, in der restauratorischen Praxis verzichtet man jedoch üblicherweise darauf, um den überlieferten Zustand des Objektes und seine Geschichte zu bewahren. Was am Original zu vermeiden ist, kann jedoch in einer Kopie bzw. virtuellen Darstellung durchgeführt werden, um eine Vorstellung der ursprünglich intendierten Farbigkeit zu gewinnen.
Literatur Jürgen Göbbels: Wandstärkemessung durch Computertomographie. In: WolfDieter Heilmeyer (Hrsg.): Der Jüngling von Salamis. Verlag Philip von Zabern, Mainz 1996. Carol C. Mattusch: The Victorious Youth. Getty Museum Studies on Art. Los Angeles 1997. Manfred Sachse: Damaszener Stahl – Mythos, Geschichte, Technik, Anwen‑ dung. Verlag Stahleisen, Düsseldorf 1993. Joachim Kinder: Damaszierte Schwertklingen: wie lange und bei welchen Temperaturen wurde geschmiedet? Ferrum: Nachrichten aus der Eisenbib‑ liothek. Stiftung der Georg Fischer AG, Schlatt: Eisenbibl., 2005, 77, S. 99–112, ISSN 1422–9137. Wolfgang Beitz: Entwicklung und Konstruktion. In: Horst Czichos (Hrsg.): Hütte. Die Grundlagen der Ingenieurwissenschaften. Springer Verlag, Berlin 2000.
Literatur 49
Conversations-Lexikon, Stichwort: Seidenraupe. Brockhaus, Leipzig 1830. Werner Franke und Werner Griebenow: Untersuchung eines alten chinesischen Gewebes. In: BAM-Jahresbericht 1986. Doris Oltrogge und Oliver Hahn: Über die Verwendung mineralischer Pig‑ mente in der mittelalterlichen Buchmalerei. Aufschluss 50, Heidelberg 1999, S. 383–390. Robert Fuchs und Doris Oltrogge: Farbenherstellung. In: Uta Lindgren (Hrsg.): Europäische Technik im Mittelalter – 800 bis 1400 – Tradition und Innovation, ein Handbuch. Gebr. Mann Verlag, Berlin 1998, S. 435–450. Oliver Hahn, Doris Oltrogge, and Holm Bevers: Coloured prints of the 16th cen‑ tury – non destructive analyses on coloured engravings from Albrecht Dürer and contemporary artists. Archaeometry 46, 1, 2004, S. 273–282.
Spurensuche in der Kulturgeschichte
Materialforschung historischer Artefakte und Dokumente Wie bereits im ersten Kapitel dargestellt, dokumentiert die Auswahl der Materialen die Herstellungstechnik eines Kunstwerks. Der tiefere Blick in die chemische Zusammensetzung offenbart jedoch noch Erkenntnis‑ se, die über die Herstellungstechnik weit hinausgehen. Diese Spuren, von denen in diesem Kapitel die Rede sein soll, können Hinweise geben auf die Provenienz, d. h. den Entstehungsort eines Objekts, oder die Provenienz der Rohstoffe, die zur Fertigung eines Kunstwerks verwendet wurden. Weiterhin erzählen sie die Geschichte von Veränderungen, Ergänzungen oder vielleicht Reparaturen, denen die Objekte unterworfen wurden; in einigen Fällen können sie auch Anhaltspunkte für das Alter eines Kunstwerks vermitteln. Bei diesen Spuren handelt es sich zumeist um Verunreinigungen, die dem Herstellungsprozess nicht primär zuzuordnen sind, jedoch eng mit ihm verknüpft sind. Die folgenden Aufsätze widmen sich dieser Fährtensuche. Anhand einiger Beispiele wird dokumentiert, wie Spuren, seien es die Legie‑ rungszusammensetzung der Goldapplikationen auf der Himmelsscheibe von Nebra, der Salzgehalt des Toten Meeres, Spurenelemente in den Silberstiften Albrecht Dürers oder Verunreinigungen in den Eisengallus tinten Johann Sebastian Bachs, kulturgeschichtliche Fragestellungen zu beantworten oder gar erst aufzurollen vermögen!
52 Spurensuche in der Kulturgeschichte
Die Himmelsscheibe von Nebra Die Spurensuche beginnt mit der Himmelsscheibe von Nebra. Es handelt sich um ein etwa 3600 Jahre altes Bronzeobjekt mit Goldapplikationen. Die Scheibe gilt als die weltweit älteste konkrete Himmelsdarstellung und als einer der wichtigsten archäologischen Funde aus der Bronzezeit. Einzigartig werden Elemente des Tag- und des Nachthimmels dargestellt, die sich vor einem abs‑ trakten Sternennetz vermischen. Die Sonne und der Mond werden aber nicht nur in ihrem Himmelslauf abgebildet, sondern auch erklärt. Zwischen den Horizonten erscheint ein Schiff in nächtlicher Fahrt über den Himmelsozean. Es ist hier zum ersten Mal als ein zentrales mythisches Symbol in Europa überliefert.
Die Himmelsscheibe von Nebra (Landesmuseum für Vorgeschichte Halle)
Die Himmelsscheibe von Nebra 53
Die außergewöhnliche Scheibe wurde im Sommer 1999 in einer Steinkammer auf dem Mittelberg nahe der Stadt Nebra (Unstrut) in Sachsen-Anhalt gefun‑ den. Sondengänger hatten die Scheibe zusammen mit anderen Bronzeobjek‑ ten illegal ausgegraben. Im Laufe der folgenden Jahre gelangte das Stück in die Hände verschiedener Hehler und Händler. Im Februar 2002 stellte die Basler Polizei in enger Zusammenarbeit mit dem Landeskriminalamt, dem Kultusministerium und dem Landesamt für Archäologie Sachsen-Anhalt den Fund endgültig sicher, der nun seit 2002 zum Bestand des Landesmuseums für Vorgeschichte in Sachsen-Anhalt in Halle gehört. Die Untersuchung der Scheibe führte zunächst einmal zu der Erkenntnis, dass die goldenen Himmelskörper mit einer besonderen Technik auf der Bronzescheibe befestigt wurden, die Bronzescheibe wurde tauschiert. Bei dieser Technik wurden Metallauflagen ohne ein Binde- oder Lötmittel auf eine Unterlage aufgebracht, indem ihre Ränder tief in das Scheibenmaterial eingelassen und darin verklemmt wurden. Die weitere Betrachtung legte den Schluss nahe, dass die Himmelsscheibe offenbar mehrere Veränderungen erfahren hatte. Den Nachweis, dass die Himmelsscheibe mehrere Entwicklungsstadien durchlaufen hat, konnte nur durch die Materialanalyse erbracht werden. Neben weiteren Forschungsinsti‑ tuten beteiligte sich auch die BAM an den Untersuchungen. So wurde an der BAMline mit synchrotronbasierter Röntgenfluoreszenzanalyse (SyRFA) die Zusammensetzung des Goldes bestimmt. Die Analyse verfolgte zwei Ziele. Zum einen sollte geklärt werden, ob alle Goldauflagen eine ähnliche chemische Zusammensetzung aufweisen. Dies würde für eine zeitgleiche oder zumindest zeitnahe Fertigung der Metallauflagen sprechen. Zum anderen sollte mit einer Datenbank der Technischen Universität Bergakademie Freiberg versucht werden, die Herkunft des Goldes aufzuklären. Für die Charakterisierung des Goldes auf der Himmelsscheibe war insbeson dere die Bestimmung des Silber- und des Zinngehalts wichtig. Das Ergebnis der SyRFA-Untersuchungen ist in der nachstehenden Abbildung wiedergegeben. Es zeigt eine signifikante Variation der Zusammensetzung des Goldes über die Scheibe und führte zu einer Unterteilung in drei Gruppen. Der untere Randbogen, der im Allgemeinen als Sonnenbarke bezeichnete wird, weist mit Abstand den geringsten Silberanteil auf. Die übrigen Goldobjekte können aufgrund ihres unterschiedlichen Zinngehaltes (bei gleichem Silbergehalt) in zwei Gruppen unterteilt werden. Der als Horizontbogen betrachtete rechte
54 Spurensuche in der Kulturgeschichte
Die synchrotron basierte Röntgenfluo reszenzanalyse führte zur Unterscheidung unterschiedlicher Goldlegierungen
Randbogen und der „Stern 23“ bilden eine Gruppe. Sonne, Mond und die übrigen Sterne bilden die zweite Gruppe. Nach den Materialanalysen und weiteren Untersuchungen wird von vier Entstehungs- bzw. Veränderungsphasen ausgegangen. Zunächst wurden die Sterne, die Sonne und der Mond aufgebracht. In der zweiten Phase wurden die beiden Randbögen angebracht, dazu wurde ein Stern – die Nummer 23 – „verschoben“. Im nächsten Schritt wurde die Sonnenbarke befestigt. Wieder später wurde die Scheibe gelocht. Irgendwann, noch vor der Niederlegung des Hortfundes um 1600 v. Chr., ging der linke Randbogen verloren. Bislang ergab der Vergleich mit den Materialdaten aus Universität in Freiberg die rumänischen Karpaten als wahrscheinlichsten Herkunftsort des Goldes an. Nach neuesten Erkenntnissen scheint das Gold jedoch aus Cornwall zu stammen. Hier zeigen sich signifikante geochemische Übereinstimmungen zwischen den Spurenelementmustern.
Die Schriftrollen vom Toten Meer Die Schriftrollen vom Toten Meer gehören sicherlich zu den bedeutendsten Kulturgütern der Menschheit. Die ersten sieben Pergamentrollen, die heute als Qumran-Rollen oder als Rollen vom Toten Meer bezeichnet werden, wurden vor ungefähr 60 Jahren von Beduinen vom Stamm der Ta’amireh entdeckt.
Die Schriftrollen vom Toten Meer 55
Es handelte sich um die Bücher Jesaja 1, Jesaja 2, den Kommentar des Habakuk, die Schriftrolle der Danksagung, den Kodex der Gemeinde (das so bezeichnete Handbuch der Disziplin), die Kriegsregel sowie die Apokryphen der Genesis. Innerhalb kurzer Zeit wurden das hohe Alter und die potenzielle Wichtigkeit der Schriften erkannt. In den darauffolgenden zehn Jahren setzte eine rege Grabungstätigkeit ein. Zum einen von den Beduinen, die in den Funden eine gute Einnahmequelle sahen, zum anderen von Archäologen, die neben der Bergung der Textfragmente auch archäologische Ausgrabungen an Fundorten durchführten, die mit den Manuskripten verbunden waren. In einem zum Teil kühnen Wettlauf zwischen den einheimischen Beduinen und den Archäologen wurden in insgesamt elf Höhlen in der Gegend um Qumran die Reste von etwa 900 Manuskripten entdeckt, darunter eine außergewöhnliche Schriftrolle, die aus purem Kupfer hergestellt war.
Die Siedlung Khirbet Qumran
56 Spurensuche in der Kulturgeschichte
Bei der Sammlung handelt es sich meistens um biblische und biblisch be‑ zogene Texte in hebräischer Sprache, die in der Zeitspanne zwischen dem 3. Jahrhundert v. Chr. und dem Jahr 68 n. Chr. hergestellt wurden, d. h. sie beinhalten Texte, die sich auf die sogenannte „späte, zweite Tempelperiode“ beziehen. Darüber hinaus gibt es Texte in Aramäisch und Griechisch. Die bi‑ blischen Manuskripte umfassen die wahrscheinlich frühesten uns bekannten Abschriften und sind daher auch so spektakulär – ermöglichen oder erleich‑ tern sie doch die Rekonstruktion der Textgeschichte des Alten Testaments! Nicht alle gefundenen Manuskripte weisen jedoch Ähnlichkeiten mit dem traditionellen, sogenannten „massoretischen“ Text der Bibel auf. Eine der originellsten Entdeckungen in den Höhlen von Qumran sind beispielsweise die „sektirischen“ Texte, die bis zu ihrer Entdeckung 1947 bis auf eine Ausnahme praktisch unbekannt waren. Insgesamt enthüllen die zahlreichen Manuskripte und Textfragmente die Reli‑ gion, den Verhaltenskodex und die Bräuche einer Gemeinschaft von Menschen, die in der Nähe der Höhlen von Qumran lebten. Doch sind diese Texte alle in Qumran entstanden? Wurden sie von einer abgeschlossenen Gemeinschaft verfasst oder spiegeln sie eher einen kulturellen Austausch wider, der erst durch die römische Besatzung im Jahre 68 n. Chr. jäh zum Erliegen kam? Da die Siedlung „Khirbet Qumran“ der Höhle 4, wo die meisten Fragmente gefunden wurden, am nächsten liegt, geht man davon aus, dass zumindest die spätesten Teile der als „Qumran-Rollen“ bezeichneten Texte in dieser Siedlung geschrieben wurden. Bislang war jedoch nicht geklärt, ob und welche Texte in Qumran neu verfasst oder kopiert wurden. Da keine direkten archäologi‑ schen Befunde existieren, die auf den Zusammenhang zwischen Siedlung und Höhlen hindeuten, ist jede Zuordnung hypothetisch. Darüber hinaus hat die zuweilen „abenteuerliche“ Grabungsgeschichte dafür gesorgt, dass viele der 17 000 Einzelfragmente weder zu einzelnen Höhlen, die offenbar unterschied‑ lichen Zwecken dienten, noch zu einzelnen Dokumenten eindeutig zugeordnet werden können. Dies sollte durch die zerstörungsfreie Materialanalyse der Manuskripte ermöglicht werden. Betrachtet man die Textfragmente von Qumran unter materialtechnologischen Aspekten, so muss davon ausgegangen werden, dass die 2000 Jahre alten Schriftstücke eine recht komplexe Alterungs- und Lagerungsgeschichte aufwei‑ sen, sodass das ursprüngliche Material stark verändert wurde und vielleicht gar nicht mehr die originale Zusammensetzung aufweist. Zunächst spiegeln
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sich die Herstellungsbedingungen der Manuskripte, d. h. die Rezepturen, die Rohstoffe und die Bearbeitungstechniken zur Herstellung der Pergamente und Schreibtuschen wider. Die atmosphärischen Einflüsse während des Gebrauchs der Manuskripte in Qumran – über einen Zeitraum von bis zu 250 Jahren – hin‑ terließen weitere charakteristische Spuren. Die Lagerung (und die Alterung) in den Höhlen, die teilweise durch sehr unterschiedliche klimatische Bedin‑ gungen charakterisiert waren, kann anhand der mineralischen Ablagerungen auf den Manuskripten nachvollzogen werden. Nach ihrer Entdeckung in den späten 40er-Jahren des 20. Jahrhunderts haben die Manuskripte verschiedene restauratorische oder konservatorische Behandlungen erfahren, auch dies veränderte unter Umständen die originale Zusammensetzung. Natürlich kann im Rahmen dieses Aufsatzes die Spurensuche nicht an nahezu 900 Manuskripten dargestellt werden. Anhand einiger ausgewählter Beispiele soll jedoch demonstriert werden, inwieweit die Analyse der materiellen „Spu‑ ren“ unterschiedlichste Fragestellungen beantwortet kann.
Unterschiedliche Fragmente aus den Höhlen von Qumran. Oben: Der Kommentar des Habakuk, Qumran, 1. Jh. v. Chr., Kol. 34–37; unten: Die Tempelrolle, Qumran, 1. Jh. v. Chr. – 1. Jh. n. Chr., Kol. 8–13 (Israel Museum, Jerusalem)
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Das Manuskriptfragment „1QHodayota“, ein Teil der „Danksagung“, bildet das erste Beispiel. Das Fragment zählt zu den ersten sieben Rollen, die in der sogenannten Höhle 1 gefunden wurden. Da es in einem Tonkrug ent‑ deckt wurde, kann davon ausgegangen werden, dass nur wenig mineralische Ablagerungen die chemische Zusammensetzung, den chemischen „Finger abdruck“ beeinflussten. Weiterhin wurde das ausgewählte Fragment aufgrund des guten Erhaltungszustandes keinen wesentlichen restauratorischen oder konservatorischen Maßnahmen unterzogen. Diese Aspekt ist, wie sich später herausstellen wird, von besonderer Wichtigkeit. Der Text wurde aufgrund seiner Schreibweise zu den sektirischen Texten innerhalb des Konvolutes der Qumran-Rollen zugeordnet, deren Entstehen in Verbindung mit der Siedlung Khirbet Qumran gebracht wird. Während die älteste Abschrift des „Hodayot“ (4Q428) möglicherweise einer früheren Periode zuzuordnen ist, wurde das „1QHodayota“-Manuskript auch ohne ar‑ chäologischen Hinweis immer Khirbet Qumran zugeordnet. Bei der Herstellung von Leder bzw. Pergament und der Zubereitung der Tu‑ schen spielt Wasser eine zentrale Rolle. Das Wasser im Toten Meer und in den Quellen der Küstenregion weist einen besonderen Mineraliengehalt auf. Nirgendwo sonst ist die Konzentration der Bromidionen (cBr) im Wasser so hoch und kann daher als Marker für die Provenienz der Fragmente gewertet werden, cCl /cBr = 30–100! Untersuchungen zufolge hat sich diese spezielle Zusammensetzung in den Jahrhunderten nicht geändert, sodass davon aus‑ zugehen ist, dass das Wasser der Region um Qumran auch in der Antike diese einzigartige Spurenelement-Zusammensetzung aufwies. Die nachfolgende Abbildung zeigt das Ergebnis eines Scans mittels Röntgen‑ fluoreszenzanalyse über Pergament und Schrift; die Länge des Scans beträgt 7,7 mm. Aus der Abbildung wird deutlich, dass die Verringerung des Chlorzu-Brom-Verhältnisses klar mit der Schrift, d. h. mit der Rußtusche korreliert. Seit der Erstellung des Textes unterlagen Tusche und Pergament den gleichen Umwelt- und damit Alterungsbedingungen. Aus diesem Grunde spiegelt diese unterschiedliche chemische Zusammensetzung verschiedene Herstellungsbe‑ dingungen wider. Geht man davon aus, dass Wasser im Herstellungsprozess von Tusche und Pergament eine wesentliche Rolle spielt, wurden hier offenbar unterschiedliche Wasserquellen benutzt. Das niedrige Chlor-zu-Brom-Verhält‑ nis der Tusche von etwa cCl /cBr = 60 verweist eindeutig auf die Umgebung des Toten Meers als Herstellungsort. Es ist jedoch bemerkenswert, dass das
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Röntgenfluoreszenz scan über Pergament und Schrift
ebenfalls etwas höher liegende Chlor-zu-Brom-Verhältnis des Pergamentes von etwa cCl /cBr = 100 auch eine Produktion des Beschreibstoffes in Qumran zulässt! Zusätzlich sind die Konzentrationsverläufe von Kalium und Calcium dar‑ gestellt. Die höhere Konzentration von Kalium in den Tuschen verweist auf den Gebrauch von Pflanzengummen als Bindemittel. Rußtusche, eine feine Verteilung von Kohlenstoffpigmenten in einem wasserlöslichen Bindemittel, gehört zu den ältesten Schreibflüssigkeiten der Menschheit. Die Ursprünge dieses tiefschwarzen Zeichenmaterials lagen in Ägypten, Indien und China. Die Ortsabhängigkeit der Calcium-Konzentration zeigt keine Korrelation mit Tusche oder Pergament. Die Streuung ist daher wohl eher auf Verunreinigun‑ gen zurückzuführen. Die Abwesenheit von Calciumphosphat in der Tusche deutet darauf hin, dass das schwarze Pigment aus vegetabilen Rohstoffen (d. h. Holz) gewonnen wurde und nicht aus Knochen (z. B. Beinschwarz).
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Die naturwissenschaftlichen Untersuchungen des Pergaments erbrachten jedoch noch weitere Erkenntnisse. Bisher wurde angenommen, dass jüdische Pergamente einer Bearbeitung unterlagen, wie sie später aus dem Talmud bekannt wurde. Bei dieser Bearbeitung war vorgeschrieben, die Pergamente vor der Beschriftung mit „heiligen“ Texten mit einem pflanzlichen Gerbstoff zu bestreichen. Die infrarotspektroskopische Untersuchung des Pergaments ergab eindeutige Befunde bezüglich des Kollagens innerhalb des Beschreib‑ stoffes. Nachweise für Gerbstoffe wurden jedoch nicht gefunden. Damit konnte zumindest für dieses Fragment die These widerlegt werden, dass allgemein zur Herstellung von Pergamenten in Qumran Gerbstoffe verwendet wurden. Die Untersuchung der Rußtuschen erbrachte jedoch eine Überraschung. Zu‑ nächst einmal wurde die Annahme eines Pflanzengummis als Bindemittel bestätigt. Allerdings ließ der detaillierte Vergleich der Infrarotspektren den Schluss zu, dass auch Gerbstoffe im Bindemittel anwesend sind. Wie ist dies zu erklären? Weitere Analysen verdeutlichten, dass es sich bei dem hier ver‑ wendeten Bindemittel nicht nur um lokale Pflanzengummen aus der Schirm akazie (z. B. Acacia raddiana Savi) handelt, die bereits einen hohen Anteil kondensierter Gerbstoffe enthalten. Vielmehr wurde zusätzlich ein löslicher Gerbstoff hinzugefügt. Die Lösung liegt vielleicht in der Existenz einer Rezep‑ tur von Maimonides aus dem 12. Jahrhundert: Diese schreibt den Zusatz von Galläpfelextrakten vor, die üblicherweise bei der Herstellung von Eisengallus‑ tinten verwendet werden. Die Bedeutung der Zutat ist inzwischen vergessen und bislang nicht geklärt. Sie könnte aber einen Einfluss auf den guten Erhal‑ tungszustand, d. h. die gute Haftung der Tusche auf dem Pergament ausüben. Die Erkenntnisse lassen sich auf ein weiteres Manuskript übertragen: die sogenannte „Tempelrolle“ (11Q1a), die auch als das 6. Buch Moses bezeichnet wird. Das Stück ist insofern einzigartig, als dass der Text auf sehr dünnem und hellem Pergament geschrieben wurde. Paleografische Studien verdeutlichten, dass der erste Teil der Rolle etwa 50 bis 100 Jahre später an den Hauptteil ange‑ fügt wurde, offenbar eine antike Reparatur. Während sich der ältere Hauptteil in einem vergleichsweise guten Zustand befindet, ist der erste, jüngere Teil stark geschädigt und wurde unterschiedlichsten Restaurierungsmaßnahmen unterzogen. Mit der Hilfe der naturwissenschaftlichen Analyse konnte nachge‑ wiesen werden, dass die Ziegenhäute des älteren Teils der „Tempelrolle“ mit Alaun [KAl(SO4)2 × 12 H2O] gegerbt und anschließend mit Gips nachbearbeitet wurden. Der angefügte Teil wurde nur mit Gips behandelt.
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Detailaufnahmen von der Tempelrolle; links: der Originaltext, rechts: die antike Reparatur
Da auch bei der Herstellung dieser Rolle keine pflanzlichen Gerbmittel benutzt wurden, wissen wir heute, dass die seit dem frühen Mittelalter überlieferten Vorschriften für die Herstellung von Pergament von der Qumran-Sekte noch nicht befolgt wurden. Offenbar war die oberflächliche Bearbeitung der Perga‑ mente mit pflanzlichen Gerbmitteln in der jüdischen Spätantike zwar bekannt, wurde aber allgemein nicht angewandt. Abschließend soll hier noch die Analyse der Tusche der „Apokryphen der Genesis“ (1QGenAp) Erwähnung finden. Die Schrift weist starke Korrosi‑ onserscheinungen auf; dieses Schadensphänomen wurde bislang eigentlich nur bei Eisengallustinten als Tintenfraß beobachtet und ist völlig untypisch für eine Rußtusche. Die Röntgenfluoreszenzanalyse zeigt hier eindeutig das Vorhandensein des Elementes Kupfer an. Es ist das Element Kupfer, das den chemischen Zerfall des Schriftträgers katalysiert. Der Befund von Kupfer ruft ein Rezept des Dioskurides für Ruß‑ tuschen ins Gedächtnis: Neben Ruß („verdichtetem Rauch“) und Gummi wird hier χαλκαντωσ (chalkantos) erwähnt. Es handelt sich dabei um Kupfer- bzw. Eisenvitriol. Als färbende Komponente kann es der schwarzen, wasserver‑ dünnbaren Tusche kaum beigemischt worden sein. Wurde es vielleicht als ein Fungizid verwendet? Bei der Tusche, mit der der Text zu Genesis Apocryphon geschrieben wurde, handelt es sich offenbar um eine eher seltene Rezeptur, die bislang in der
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Röntgenfluoreszenz scan über den Text: Die Tusche enthält eindeutig Kupfer!
„Palette“ der Schreibmaterialien der Siedlung Khirbet Qumran nicht auf‑ tauchte. Auch weitere Anhaltspunkte lassen vermuten, dass der Text nicht in Qumran, sondern an einer anderen Stelle geschrieben worden ist. Die Erkenntnis wird zukünftig eine essenzielle Rolle bei der Konservierung der Genesis-Apocryphon-Fragmente spielen. Das Beispiel dokumentiert zudem eindrücklich die enge Verzahnung zwischen Archäometrie und Restaurierungsforschung. Die wenigen ausgewählten Beispiele verdeutlichen, dass die zusammenfassend als Qumran-Rollen angesprochenen Manuskripte materialanalytisch nicht „einheitlich“ sind! Bis auf die eingangs erwähnte Kupferrolle handelt es sich zwar um Pergamente, oder Lederfragmente, die mit Rußtuschen beschrieben wurden; diese wurden aber mit unterschiedlichen Zutaten und nach verschie‑ denen Rezepturen hergestellt. Die ausgewählten Beispiele verdeutlichen, dass die Schriftrollen vom Toten Meer verschiedene Produktionsweisen und Technologien zur Herstellung von Pergament und Tuschen aufweisen. Durch die naturwissenschaftliche Analyse konnte hier erstmals für einige Stücke ein gesicherter Bezug zu Qumran als
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Entstehungsort hergestellt werden, teilweise konnte nachgewiesen werden, dass einzelne Objekte nicht in Qumran entstanden sind. Insgesamt dokumentiert diese einzigartige Sammlung eine bis zu diesem Fund nicht vermutete vielfältige literarische Landschaft im jüdischen Raum, die durch die römische Besatzung im Jahre 68 nach Christus abrupt endete!
Mittelalterliche Silberstiftzeichnungen von Albrecht Dürer Im Gegensatz zu heute standen zur Zeit des Mittelalters und der Renaissance nur eine begrenzte Anzahl von Zeichenmaterialien zur Verfügung. Fast in Vergessenheit geraten sind Metallstifte und Bleigriffel. Zu Unrecht, gehören Metallstiftzeichnungen heute doch zu den bedeutsamen Schätzen grafischer Sammlungen. Seit der Antike wurden Metallstifte zum Gravieren und Beschreiben von weichen Materialien, wie z. B. von Tonen oder Wachsen, verwendet. Im Mit‑ telalter wurden sie für Vorzeichnungen eingesetzt, bis sie dann während des 14. Jahrhunderts zu einem eigenständigen Zeichenmittel wurden. Den Höhe‑ punkt ihrer Anwendung stellt das 15. und die Mitte des 16. Jahrhunderts dar. Zum Zeichnen sind verschiedene Metalle oder Metalllegierungen verwendet worden. Der bekannteste Metallstift ist der Silberstift, der aus verschiede‑ nen, meist kupferhaltigen Silberlegierungen bestehen kann. Der Silberstift benötigt für sein Haften auf dem Papier eine spezielle Papierpräparierung, eine abreibende Oberfläche, sodass der Stift eine Spur, den Strich, hinterlas‑ sen kann. Aufgrund seiner sehr feinen Linienführung und der praktischen Handhabbarkeit war insbesondere der Silberstift ein beliebtes Zeichenmittel. Neben den härteren Metallstiften fanden auch Bleigriffel, d. h. Stifte, die aus Bleizinnlegierungen bestehen, Anwendung. Aufgrund der Weichheit des Materials ist keine spezielle Vorbereitung des Zeichengrundes erforderlich; außerdem lässt er sich im Unterschied zu anderen Metallstiften wieder ent‑ fernen, sodass er eher für Vorzeichnungen verwendet wurde. Bislang war nur wenig über die chemische Zusammensetzung insbesondere der Silberstiftzeichnungen bekannt, da zum Zeichnen nur hauchdünne Me‑ tallspuren auf dem entsprechend vorbereiteten Papier aufgebracht wurden und infolge der Empfindlichkeit der Zeichnungen Analysen nur schwer
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schadensfrei durchführbar sind. Mobile Röntgenfluoreszenzgeräte zur Ele‑ mentanalyse verfügen nicht über die notwendige Empfindlichkeit, um neben der Hauptkomponente Silber charakteristische Neben- oder Spurenelemente wie eben Kupfer oder andere Legierungsbestandteile nachzuweisen. Nur die hohe Sensitivität und der zerstörungsfreie Charakter der synchrotron basierten Röntgenfluoreszenzanalyse (SyRFA) ermöglichte den Nachweis der chemischen Zusammensetzung der Metallstifte bzw. die Identifizierung der Zeichentechnik, die bei der Anfertigung der Zeichnungen verwendet wurde. Im Rahmen eines Gemeinschaftsprojektes mit dem Centre de recherche et de restauration des musées de France (C2RMF) wurden 15 Silberstiftzeichnungen aus dem Skizzenbuch Albrecht Dürers von seiner Reise in die Niederlande (1520/1521) untersucht. Das ursprünglich zusammengehörige Konvolut wur‑ de im 19. Jahrhundert aufgelöst; die einzelnen Blätter befinden sich heute in unterschiedlichen Sammlungen – so z. B. im Kupferstichkabinett der Staatli‑ chen Museen zu Berlin, im Museée Condé in Chantilly und in der grafischen Sammlung des Städelschen Kunstinstituts in Frankfurt. Die Analysen der heute im französischen Besitz befindlichen Zeichnungen wurden in Paris am Mikro-PIXE-Messplatz des Beschleunigers AGLAE, die deutschen Blätter am SyRFA-Messplatz an der BAMline untersucht. Insgesamt folgte aus den zerstörungsfreien Analysen, dass der von Dürer in diesem Skizzenbuch verwendete Silberstift neben der Hauptkomponente Silber einen gewissen Anteil von Kupfer (10,6 ± 3,5 %) sowie Spuren von Zink enthält. Lediglich eine Zeichnung fällt gewissermaßen „aus dem Rahmen“. Es handelt sich um das „Brustbild eines Mannes aus Antwerpen“. Der verwendete Sil‑ berstift weist eine deutlich andere Zusammensetzung auf. Die biografischen Aufzeichnungen Albrecht Dürers liefern hier eine Erklärung. Im Gegensatz zu seinen anderen Zeichnungen erwähnt Dürer diese Zeichnung nicht in seinem gleichzeitig entstandenen Tagebuch. Ein enger zeitlicher Kontext zwischen dieser und anderen Zeichnungen darf daher zu Recht in Zweifel gezogen werden! Eine weitere Silberstiftzeichnung Albrecht Dürers, die den Humanisten und Freund des Künstlers Willibald Pirckheimer darstellt, hat in der Kunst geschichte für kontroverse Diskussionen gesorgt. Eine schwach erkennbare griechischen Inschrift „Αρσενοζ τη Ψωλη εζ τον πρωκτον“ am oberen Bildrand der auf das Jahr 1503 datierten Zeichnung gibt Anlass zu Spekulationen über die sexuelle Neigung Dürers.
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Albrecht Dürer, Brustbild eines Mannes aus Antwerpen; Der Krahnenberg bei Andernach (Skizzenbuch niederländische Reise 1520/1521, 1521, Silberstift, Kupferstichkabinett SMB, Berlin, Inv. Nr. KdZ 33r)
Es war bisher mit keiner für Kunstwerke verträglichen zerstörungsfreien Methode möglich festzustellen, ob die Inschrift mit demselben Stift wie das Porträt gefertigt wurde und ob sich dieser Stift von dem unterscheidet, den Dürer auf seiner niederländischen Reise benutzte. Die Auswertung der an der BAMline durchgeführten Untersuchungen lieferten hier jedoch eindeutige Ergebnisse. Das Porträt wurde mit einem Silberstift mit (24,2 ± 8,8) Gewichtsprozent Kupfer, die Inschrift mit einem Silberstift mit (23,9 ± 9,7) Gewichtsprozent Kupfer angefertigt. Trotz der relativ großen Messunsicherheit zeigt die vergleichende Analyse, dass für das Porträt sowie für die Inschrift ein Silberstift gleicher Art verwendet wurde. Daher ist zu vermuten, dass die Inschrift und das Porträt zeitnah entstanden sind und die
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Röntgenfluoreszenz analyse der Porträt zeichnung und der Beischrift
Inschrift mit Dürers Wissen produziert wurde. Offenbar schrieb Pirckheimer den anzüglichen Text, der zu direktem sexuellen Verkehr zwischen Männern auffordert, auf das gerade fertiggestellte Porträt. Sicherlich sollte man anhand dieses elegant verpackten, derben Scherzes keine generelle Aussage über die Sexualität Albrecht Dürers formulieren. Dennoch sei es erlaubt, anhand dieses Beleges und auch aufgrund weiterer Begeben‑ heiten in Dürers Biografie darüber zu spekulieren, dass es sich bei Albrecht Dürer um eine vielfältigere Persönlichkeit handelte, als es die idealisierende Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts glauben lassen möchte!
Mittelalterliche Hinterglasmalerei Mit Glasmalerei assoziiert man zumeist die großartigen Kirchenfenster, die mittelalterliche Kirchen in ein mystisches Licht tauchen. Sie sind aus zahlrei‑ chen kleinen durchgefärbten oder farbig bemalten Gläsern zusammengesetzt. Doch davon soll in einem späteren Kapitel (Erhalt von Kulturgütern durch Restaurierung und Konservierung) die Rede sein.
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Eine ganz andere Form der Verzierung von Glas ist die sogenannte Hinterglas‑ malerei. Auch hier stellt Glas das Trägermaterial dar, jedoch wird in der Hinter‑ glasmalerei die Rückseite der Glastafel mit organisch gebundenen Malfarben – ähnlich einem Tafelbild – verziert. Der wesentliche Unterschied offenbart sich in der Lichtführung: Während Glasmalereien durch ihre Transparenz ihre besondere Wirkung entfalten, werden Hinterglasbilder ausschließlich bei auffallendem Licht durch das Glas betrachtet. Der Malvorgang bei hintermalten Gläsern kann auch als „Rückwärtsmalerei“ bezeichnet werden – der Maler musste zunächst die Lichter setzen, dann folgte die eigentliche Darstellung, erst zum Schluss wurde der Hintergrund gemalt. Zudem sind Hinterglasbilder mit einem dunklen, zumeist schwarzen Karton unterlegt, um eine Vertiefung der Farben zu erzielen. Die Technik, Glas „von hinten“ zu dekorieren, ist seit der Antike bekannt. Früheste Werke lassen sich bis in die minoische (1500 v. Chr.) und späthelle‑ nistische Zeit zurückverfolgen. Schalen, Becher und Schmuckstücke wurden mit Gold, das zwischen zwei Glasschichten gelegt wurde, bis in das 4. Jahr‑ hundert n. Chr. verziert. Im 13. Jahrhundert war diese Technik, die in Byzanz seit der Spätantike überlebt hatte, in Italien nachweisbar und entfaltete sich auch nördlich der Alpen bis in die nordeuropäischen Länder. Zunächst wurden kleinformatige, hintermalte, zum Teil mit Gold hinterlegte Tafeln als Einlagen an Architekturteilen in der Pariser Sainte Chapelle (1243–1248) und am alten Hochaltar im Westminster Abbey, London (ca. 1270/80) einge‑ arbeitet sowie an liturgischen Geräten wie Reliquiaren, kleinen Truhen und anderen kirchlichen Behältnissen appliziert. Seit dem 15. Jahrhundert und weit in das 16. Jahrhundert hinein entstanden in Nord- und Mittelitalien, in Deutschland, in Burgund und Flandern religiöse Bilder für Hausaltäre, Kuss tafeln, aber auch profane Werke für Herrscherhäuser und den Hochadel. In den Hofhaltungen der Herzöge von Burgund hatte sich seit 1400 das intime Andachtsbild zum Schmuck- und Prunkstück gewandelt. Dies spiegelt sich in immer aufwendigeren Maltechniken wider: anstelle von opaken Malfar‑ ben verstärkten transparente Lüsterfarben mit hinterklebten Metallfolien aus Gold, Silber oder Zinn die „Strahlkraft“ der Hinterglasbilder. Diese als Eglomisé bezeichnete Technik erweist sich in vielen Objekten als das ge‑ stalterische Element. Da die gerahmten Bilder nur in Aufsicht betrachtet werden können, wurde hier aufgrund der Reflektion – vergleichbar einer Glasmalerei in Durchlicht – „buntes“ Licht erzeugt. Neben transparenten
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Die Meditationstafel (1330/40, Staatliches Museum Schwerin)
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roten und grünen Lüstrierungen wurde mit gelbem Lüster Blattgold imitiert. Die Korrosion von Silber und Zinn, die zu einer Verschwärzung der Metall‑ folien führte, hat die Strahlkraft der Hinterglasbilder jedoch teilweise sehr eingeschränkt. Ab dem 17. Jahrhundert haben sich die Hinterglasmaler immer stärker profa‑ nen Themen zugewendet, wozu auch die vielen Porträtdarstellungen zählen. Im 18. bis in das 19. Jahrhundert hinein gab es vor allem in Deutschland und in der deutschsprachigen Schweiz eine von Malerhandwerkern auf hohem Niveau ausgeübte Hinterglaskunst. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts nahm das Interesse an den volkstümlichen hinter Glas gemalten Bildern ab, um dann im Expressionismus durch die Mitglieder der Münchner Künstlervereinigung „Der Blaue Reiter“ kurzzeitig wiederbelebt zu werden. Trotz der qualitätvollen Ausführung vieler Werke führte die Hinterglasmalerei eher ein Nischendasein zwischen den beiden großen Kunstgattungen Glasund Tafelmalerei. Zuweilen wurde sie sogar als eine Unterart der Glasmalerei bezeichnet. Dieses Schattendasein ist sicherlich auf die – im Vergleich zur Tafelmalerei – eher geringe Anzahl von erhaltenen Objekten und deren Er‑ haltungszustand zurückzuführen. Zudem wird die Hinterglasmalerei eher mit den weniger qualitätvollen, volkstümlichen Stücken des 19. Jahrhunderts identifiziert. Um einen fundierten Überblick über die früh- bis spätmittelal‑ terliche Hinterglasmalerei zu gewinnen, wurden in einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Vorhaben deutsche, niederländische und burgundische Hinterglasmalereien des Mittelalters kunsthistorisch und materialwissenschaftlich untersucht. Das Vorhaben widmete sich der Frage, in welcher Form und wie weit sich die Hinterglasmalerei Technologien der beiden verwandten Kunstgattungen Glas- und Tafelmalerei bediente bzw. eine eigenständige Entwicklung nahm. Die untersuchten spätmittelalterlichen Hinterglasmalereien weisen deutliche schwarze Konturierungen auf, wie sie auch in der Glasmalerei zu beobachten sind. Mittels Röntgenfluoreszenzanalyse wurde Schwarzlot in den Kontu‑ rierungen nachgewiesen. Üblicherweise besteht die schwarze bzw. braune Malfarbe aus färbenden Eisen- oder Kupferoxiden und einem Schmelzmittel, Bleiglas, das bereits bei niedrigen Temperaturen zu schmelzen beginnt, so‑ dass sich die Schmelze unlösbar mit dem in der Muffel erweichten Grundglas verbinden kann. Die Malfarbe wurde in Europa nördlich der Alpen bereits seit dem 9. Jahrhundert verwendet.
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Mikroskopische Aufnahmen der Schwarzlotmalerei
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Im Unterschied zur Glasmalerei konnten jedoch mittels Farbspektroskopie weitere Farbmittel nachgewiesen werden, die zu dieser Zeit in der Tafelmale‑ rei breite Verwendung fanden. Das Spektrum umfasst sowohl mineralische Pigmente wie verschiedene Ocker und Azurit, als auch künstliche Pigmente wie Blei- oder Bleizinngelb sowie zahlreiche organische Farblacke. Die mikroskopische Analyse der Schwarzlotkonturen erbrachte jedoch noch ein weiteres, aufschlussreiches Ergebnis: Aufgrund der Schadensbilder ist davon auszugehen, dass die Schwarzlotmalerei nicht – wie in der Glasmale‑ rei – eingebrannt wurde! Die Detailabbildung aus der „Verspottung Christi“ aus dem Bayerischen Nationalmuseum in München (siehe Abb. S. 70, oben) verdeutlicht, wie die schwarze Malschicht restlos von der Glasoberfläche abgeplatzt ist. Noch eindrucksvoller stellen sich die Alterungsphänomene unter polarisiertem Licht dar. Die Newton’schen Ringe (siehe Abb. S. 70, unten) dokumentieren die Ablöseerscheinungen zwischen Glas und schwar‑ zer Malfarbe, die bei eingebranntem Schwarzlot so nicht zu beobachten sind. Weiterführende Analysen bestätigten die These, dass die nicht eingebrannten Schwarzlotproben und die schwarzen Konturen der entsprechenden Objekte ein Bindemittel zur Bindung der Schwarzlotfarbe auf dem Glas enthalten. Nach dem eher unerwarteten Ergebnis der „kalten“, nicht eingebrannten Schwarzlotmalerei auf den untersuchten mittelalterlichen Hinterglasobjekten stellt sich die Frage, warum ein Malmaterial aus der Glasmalerei Eingang in die Farbpalette der Hinterglasmalerei gefunden hat, die bei den anderen Materialien auf die Farbmittel der Tafelmalerei zurückgreift? Bei dem frühesten untersuchten Stück, der „Meditationstafel“ (1330/40) aus dem Staatlichen Museum Schwerin wurde die schwarze Farbe nur für die Kontur verwendet. Bei den Farbflächen handelt es sich um eine reine Kon‑ turenmalerei. Betrachtet man jedoch zu späterer Zeit entstandene Stücke, so scheint der schwarzen Malfarbe eine größere Bedeutung zuzukommen als nur die der Konturierung. Der Malvorgang wird zunehmend komplexer: Zunächst wurde eine schwarze Kontur aus Schwarzlot aufgetragen, gefolgt von einer schwarzen Lasur desselben Materials. Die weitere Modellierung wurde durch unterschiedliche Arten der Radierung ausgeführt, die Kontur teilweise mit weiterem Schwarzlotauftrag nachgezogen. Eine derartige Mal- bzw. Radiertechnik ist nur mit einem schnell trocknen‑ den und leicht radierbaren Malmittel auszuführen. Schwarzlot, gebunden in einem Bindemittel wie Gummi arabicum, erfüllt diese Anforderungen.
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Detail der Meditationstafel
Detail der Heiligen Magdalena, 1. Hälfte 16. Jh. (Kunstgewerbemuseum, SMB)
Mit einer Tusche, bestehend aus einem organischen Schwarzpigment und hohem Bindemittelanteil, sind diese Umsetzungen nur schwer möglich. Eine ähnliche schwarze Konturmalerei existiert auch in der Tafelmalerei. Hier haben sich zahlreiche mittelalterliche Beispiele erhalten, bei denen die vergoldeten Partien mit feinem Pinsel in tiefschwarzer Farbe eher zeichne‑ risch gestaltet werden. Bisherige naturwissenschaftliche Untersuchungen erbrachten jedoch nie einen Nachweis für Schwarzlot, sondern immer den Beleg für ein Rußpigment (Bein- oder Pflanzenschwarz). Abschließend lässt sich also Folgendes festhalten: In der Glasmalerei existie‑ ren zahlreiche Varianten von Mal- und Zeichentechniken mit Schwarzlot, wie z. B. die bereits bei Theophilus Presbyter beschriebene Dreitontechnik in der „Schedula diversarum artium“ (1100–1120). Auch die Hinterglasmalerei des Mittelalters ist wie die Glasmalerei eine Konturenmalerei in Schwarzlot. Der Beginn des Malprozesses ähnelt stilistisch und maltechnisch der Glasmalerei. Die Konturierung wird mit Schwarzlot angelegt, die Modellierung erfolgt durch Schraffuren oder Lasuren. Nun erfolgt jedoch der Sprung von der Glas- zur
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Tafelmalerei: Das Schwarzlot wird nicht eingebrannt, sondern stattdessen mit weiteren opaken Malfarben und mit transparenten Lüstrierungen vor Blattmetallen hinterlegt. Die Hinterglasmalerei stellt – materialtechnologisch betrachtet – eine Mi‑ schung aus Glas- und Tafelmalerei dar, die sich jedoch zu einer eigenstän‑ digen Kunstgattung entwickelt hat. Es lässt sich eine Entwicklung von der reinen Konturmalerei der frühen Stücke (um 1330) über die Konturmalerei in Verbindung mit der Radiertechnik (ca. 1400–1550) feststellen. Erst am Ende der untersuchten Periode nimmt die Hinterglasmalerei Abstand von der Konturmalerei in Schwarzlot und geht in eine rein malerische Arbeitsweise mit Ölfarben über. Die Kontur dient Ende des 16. Jahrhunderts nur noch der angerissenen Binnenzeichnung als „Hilfslinie“.
Historische Eisengallustinten Neben den verschiedenen Stiften und Kreiden sind es die Eisengallustinten, welche die schwarze bis bräunliche Farbpalette vieler Zeichnungen und his‑ torischer Manuskripte dominieren. Die Ursprünge für den Gebrauch eines Gemischs von Eisensalzen mit Gerbstoffen zur Herstellung einer Schreib- oder Zeichenflüssigkeit lassen sich bis in die Antike zurückverfolgen. Auch wenn fast ausschließlich die seit dem 3. Jahrtausend v. Chr. bekannten Rußtuschen verwendet wurden, wie beispielsweise bei der Niederschrift der Texte aus Qumran, scheint die färbende Wirkung des Eisengallatkomplexes schon lange bekannt gewesen zu sein. Eisengallustinten werden durch Mischen von natürlichem Eisenvitriol mit Gallapfelextrakten hergestellt. Eisen(II)sulfat (aufgrund seiner Farbigkeit und seines glasartigen Aussehens als „Grüner Vitriol“ bezeichnet) ist die am häufigsten genannte eisenliefernde Zutat in Tintenrezepturen. In mittelalter‑ lichen Schriften werden jedoch auch andere, aus antiken Quellen abgeleitete Namen wie „atramentum“ und „chalcantum“ verwendet. Die krankhaften Bil‑ dungen an Blattknospen, Blättern und Früchten verschiedener Eichenarten, hervorgerufen durch die Eiablage von Schlupfwespen, werden als Galläpfel (Gallusäpfel) bezeichnet. Sie enthalten Gallussäure und weitere verschiedene Gerbstoffe in unterschiedlichen Mengen. Um den Gehalt an Gallussäure für die Tintenherstellung zu erhöhen, wurden die Galläpfel gebrannt.
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Herstellung einer Eisengallustinte
Bei der Mischung von Eisen(II)sulfat mit Gallussäure entsteht zunächst ein löslicher, farbloser Komplex. Durch Oxidation mit dem Luftsauerstoff entsteht daraus die schwarze, schwer lösliche Eisengallatverbindung. Üblicherweise enthalten die Tinten neben weiteren organischen Materialien wie Gerbstoffen ein wasserlösliches Bindemittel, z. B. Gummi arabicum. Zur Extraktion der Galläpfel werden Lösemittel wie Wasser, Wein oder Essig verwendet. Aus dem Mittelalter und der Neuzeit hat sich eine Vielzahl von Rezepten zur Herstellung von Eisengallustinten erhalten, da es sich zweifelsohne um das gebräuchlichste Schreib- und Zeichenmittel in Europa handelt. So sind beispielsweise im „Liber illuministarum“, einer bedeutenden Sammlung kunsttechnologischer Rezepturen aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, allein 32 Zubereitungen überliefert. Weiterhin sind die mittelalterlichen Re‑ zeptsammlungen des Theophilus aus dem 11. Jahrhundert, das Illuminierbuch des Valentin Boltz von Ruffach von 1549 oder ein Rezept von Canneparius, der es als Professor der Medizin in Venedig in seiner Schrift „De Atramentis“ im Jahre 1660 veröffentlichte, zu nennen. Da es sich bei den Ausgangsmaterialien bis zur Industrialisierung über‑ wiegend um natürlich vorkommende Rohstoffe handelt, weisen die Tin‑ ten materialtechnologisch eine sehr heterogene Zusammensetzung auf.
Historische Eisengallustinten 75
Einerseits enthalten die Galläpfel unterschiedliche Mengen an Gallussäure, andererseits werden neben den Galläpfeln auch andere gerbstoffliefernde Komponenten verwendet. Das eingesetzte Vitriol besteht nicht nur aus Eisen‑ sulfat, sondern enthält meist Kupfer, Mangan, Aluminium- und Zinksulfat.
Natürlicher Vitriol: Die verschiedenen Farben weisen auf unterschiedliche Metallsulfate hin.
Reinigung von Vitriol: Die eingekochte verdickte Lösung kristallisiert an hängenden Ruten aus (Agricola 1556).
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Durch die naturwissenschaftliche Analyse wird aus einem universellen Schreib- und Zeichenmaterial ein individuelles Utensil, welches es ermöglicht, die Herstellungsgeschichte von Schriftgut oder Grafik zu rekonstruieren. Im Folgenden dokumentieren einige prominente Beispiele, inwieweit die material technologische Charakterisierung historischer Eisengallustinten zur Lösung editionsphilologischer Probleme beitragen kann. In der Musikabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin wird unter der Signatur „Mus. ms. Bach P 180“ eines der bedeutendsten Zeugnisse der Musikgeschich‑ te aufbewahrt: das Autograf der Messe h-Moll von Johann Sebastian Bach (BWV 232). Es entstand wohl zwischen August 1748 und Oktober 1749 als letztes großes Vokalwerk Bachs in Erweiterung der Missa von 1733 zur „Missa tota“ durch Anfügen eines Credos, des Sanctus von 1724 sowie der Sätze Osanna bis Dona nobis pacem. Nach Bachs Tod gelangte die Handschrift in den Besitz seines zweitältesten Sohnes Carl Philipp Emanuel Bach, der sich intensiv mit dem Werk seines Vaters auseinandersetzte. Bereits in den 1950er-Jahren machte der Musikhistoriker Friedrich Smend darauf aufmerksam, dass die Partitur zahlreiche Korrekturen und Änderungen enthält, die anhand der Schriftmerkmale teils sicher Johann Sebastian Bach, teils aber auch ebenso sicher Carl Philipp Emanuel Bach zuzuschreiben sind. Darüber hinaus gibt es jedoch noch weitere Änderungen, deren Zuordnung bislang nicht möglich bzw. nach heutiger Erkenntnis falsch war. Die Eintragungen von Carl Philipp Emanuel Bach erfolgten über einen län‑ geren Zeitraum. Davon zeugen nicht nur unterschiedliche Schriftstadien des Sohnes, sondern vor allem eine Anzahl von zu unterschiedlichen Zeiten ge‑ nommenen Abschriften, die jeweils ein anderes Stadium der Überarbeitung repräsentieren. Die erste dieser Kopien ist eine dreibändige Abschrift der gesamten h-MollMesse aus der Feder Johann Friedrich Herings (der Vokaltext stammt von einer anderen Hand). In der musikhistorischen Forschung wurde die An‑ nahme vertreten, dass diese erste Abschrift vor den ersten Eingriffen Carl Philip Emanuel Bachs verfasst wurde und damit sozusagen die originalen Lesarten aus der Feder Johann Sebastian Bachs repräsentiere. Bei kritischer Betrachtung erweist sich diese Annahme jedoch als eine bislang ungeprüfte Arbeitshypothese. Vor allem die Erkenntnis, dass Carl Philip Emanuel Bach die Überarbeitung in mehreren Schritten durchführte, hätte zu einer Über‑ prüfung dieser Hypothese führen müssen. Dies ist aber bislang unterblieben.
Historische Eisengallustinten 77
Die Untersuchung der h-Moll-Messe mittels Röntgenfluoreszenzanalyse
Der Ansatz, diese Händescheidung durch bloße visuelle Analyse durchzufüh‑ ren, ist aus verschiedenen Gründen nicht Erfolg versprechend. Versuche, an den stark korrigierten Stellen, die schon der Kopist Johann Friedrich Hering nicht zu entziffern wagte, auf dem Wege des Betrachtens Schreiberhände zu differenzieren, sind zum Scheitern verurteilt: Wenn einem Schreiber wenig Raum zur Verfügung steht, zwingt ihm oft der vorhandene Platz schon eine für ihn nicht typische Zeichenform auf. Papier, dessen Oberfläche möglicher‑ weise durch Rasur verändert wurde, trägt ein Weiteres zur Veränderung des typischen Schriftbildes bei. Charakteristische Schriftmerkmale, wie sie beim flüssigen geschriebenen Text vorhanden sind, finden sich daher nicht. Auch die Unterscheidung von Tinten aufgrund ihrer Farben ist nur bedingt möglich.
78 Spurensuche in der Kulturgeschichte
Bei ihrer Herstellung sind die verwendeten Eisengallustinten grundsätzlich schwarz. Aufgrund von Korrosion und Alterungsphänomenen können die Tin‑ ten aber verbräunen, eher selten treten auch gelbe, grünliche oder grau-weiß‑ liche Beläge auf. Dies hat jedoch ganz unterschiedliche Ursachen. Natürlich hat die Zusammensetzung der Tinte einen Einfluss auf den Alterungsprozess. Darüber hinaus spielt die Art und die Beschaffenheit des Schreibgrundes, im Falle der h-Moll-Messe also des Papiers, eine Rolle. Ein wesentlicher Beitrag resultiert aus den Lagerungsbedingungen, d. h. Feuchtigkeit und Temperatur des Autografs. Schließlich können auch restauratorische oder konservatorische Eingriffe das Erscheinungsbild verändern. Die Menge des verschriebenen Materials, d. h. die Schichtdicke der jeweiligen Eisengallustinte, hat ebenso einen Einfluss auf das optische Erscheinungsbild. Um also nicht allein nur eine neue, möglicherweise abweichende Annahme den bisherigen geisteswissenschaftlichen Meinungen an die Seite zu stellen, sondern die Lesartenbefunde mit objektivierbaren Aussagen zur Tinte (und damit möglicherweise auch zum Schreiber) zu untermauern, wurde nach einer naturwissenschaftlichen, zerstörungsfreien Möglichkeit der Tintenanalyse gesucht. Diese wurde in der Röntgenfluoreszenzanalyse gefunden. Hier sollte die zerstörungsfreie Materialanalyse der Tinten eine Zuschreibung über den „chemischen Fingerabdruck“ des Materials ermöglichen. Wie bereits ausgeführt, wurden die Eisengallustinten, wie sie im Autograf der h-Moll-Messe Verwendung fanden, durch Mischen von natürlichem Eisenvitri‑ ol (Eisensulfat) mit Gallapfelextrakten hergestellt. Für die elementare Charak‑ terisierung des universellen Schreibmaterials ist der wechselnde Gehalt wei‑ terer Metallvitriole (neben Eisen- auch Kupfer, Mangan- oder Zinksulfat) oder weiterer herstellungsbedingter Verunreinigungen (wie z. B. bleihaltige Kompo‑ nenten) bedeutsam. Die Analyse dieser Bestandteile führt zu einer chemischen Charakterisierung und damit Unterscheidung verschiedener Eisengallustinten. Die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse führten trotz der wechselvollen Geschichte der Partitur zu einer gesicherten Differenzierung von Eisengal‑ lustinten aus der Feder Johann Sebastian Bachs von denen seines Sohnes. Zunächst war es Carl Philipp Emanuels Absicht, das schwer lesbare, teilweise auch unvollständige Autograf des Vaters zu verdeutlichen und in einen Zu‑ stand zu bringen, der es dann ermöglichen sollte, Kopien nach der Handschrift herzustellen. In einigen Fällen hatte der Sohn die Textunterlegung des Vaters nicht nur vervollständigt, sondern dabei sowohl tatsächliche als auch wahr‑
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scheinlich vermeintliche Versehen korrigiert; an mindestens einer weiteren Stelle nahm er zudem einen ändernden Eingriff an dem Melodieverlauf vor. Eine gründliche Vervollständigung der Bogensetzung durch den Sohn gehört zwar überwiegend einer späteren Überarbeitungsphase an (in Vorbereitung einer Aufführung 1786), doch wohl mindestens knapp 20 Bögen in verschie‑ denen Sätzen der Partitur hatte der Sohn – nicht selten zur Verdeutlichung der Textunterlegung – ebenfalls bereits in dieser ersten Überarbeitungsphase nachgetragen. Hinzu kommen zahlreiche ergänzte Textworte bzw. silben. Es sind dies Änderungen, die nach Ausweis der Abschrift Herings schon vor‑ genommen waren, als dieser ans Werk ging, und die somit bisher J. S. Bach zugeschrieben wurden. Nach heutiger, durch die naturwissenschaftliche
Detail aus der h-Moll-Messe mit Korrekturen und Ergänzungen (Staatsbibliothek Berlin, SPK)
80 Spurensuche in der Kulturgeschichte
Die zugehörige Umschrift
Untersuchung gestützter Erkenntnis nahm jedoch C. P. E. Bach diese bereits vor, noch ehe er das Autograf seinem Kopisten Hering zum Herstellen einer Abschrift anvertraute. Nachdem diese Kopie fertiggestellt war, nahm Carl Philipp Emanuel das Autograf des Vaters zusammen mit der Abschrift Herings erneut zur Hand, vervollständigte die Abschrift dort, wo Hering gescheitert war, und verdeutlichte an diesen Stellen wiederum das Autograf. Herings Abschrift enthält also, wie wir jetzt wissen, nicht die ursprüngliche Fassung, sondern einen bereits revidierten Zustand des Autografs. Nicht immer aber führt die naturwissenschaftliche Methode zum Erfolg. Oft liegen Eintragungen dicht übereinander und lassen sich nicht mehr mit Sicherheit trennen, vor allem aber entziehen sich all jene Stellen der Untersu‑ chung, bei denen durch Alterung und Korrosion das originale Material nicht mehr vorhanden ist. Derartige Schäden treten vermehrt an Korrekturen auf – und bei allen herausgebrochenen Stellen besteht keine Möglichkeit mehr, den Urheber, Art und Umfang einer mutmaßlichen Korrektur zu ermitteln!
Historische Eisengallustinten 81
Johann Joseph Schmeller: Goethe im Arbeitszimmer, seinem Schreiber John diktierend, 1834 (Herzogin Anna Amalia Bibliothek, Weimar)
Nicht nur Johann Sebastian Bach schrieb mit Eisengallustinte, sondern auch Johann Wolfgang von Goethe oder Georg Büchner. Für die Ausgabe einer neuen historisch-kritischen Gesamtausgabe der GoetheBriefe wurden zahlreiche Briefe Johann Wolfgang von Goethes untersucht. Eine erste Anwendung widmet sich einem Brief Goethes an seinen Verleger Johann Christian Kestner, datiert auf den 14. April 1773. Einige Zeilen wurden durch großflächige Streichungen unkenntlich gemacht. Auch hier wurde mit der Röntgenfluoreszenzanalyse die Originaltinte von 1773 im Vergleich zu der Streichungstinte untersucht. Die qualitativen Untersuchungen lassen darauf schließen, dass es sich nicht um die gleiche Tinte handelt. Da die Tinte, mit der die Streichung ausgeführt wurde, große Mengen an Chrom enthält, ist davon auszugehen, dass es sich hierbei um eine Zubereitung des 19. Jahrhun‑ derts handelt. Wie bereits in einem vorangehenden Kapitel zu historischen Farbmitteln (Farbmittel – von der Antike bis zur Gegenwart) diskutiert, wurde Chrom erst ab dem frühen 19. Jahrhundert als Rohstoff verwendet.
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Ein Brief Johann Wolfgang von Goethes an seinen Verleger Johann Christian Kestner (Goethe- und SchillerArchiv, Weimar)
Die Streichung ist also nicht nur mit einer anderen Tinte, sondern zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt vorgenommen worden. Sie kann demnach nicht von Goethe selbst stammen! Von Johann Wolfgang von Goethe sind weiterhin einige frühe Briefe an seine Schwester Cornelia erhalten. Die Existenz dieser, in französischer Sprache verfassten Briefe ist Goethes Vater, Johann Caspar Goethe zu verdanken, der die Briefe nicht nur sammelte, sondern offensichtlich auch nachträglich korrigierte. So enthalten die Texte Streichungen und Korrekturen, die sowohl von Johann Wolfgang von Goethe selbst als auch von seinem Vater oder von seinem Hauslehrer stammen könnten. Die rein grafologische Analyse der Korrekturen führte zu jedoch keinem befriedigenden Ergebnis. Sie konnten keinem Schreiber direkt zugeordnet werden. Erst die naturwissenschaftliche Untersuchung ermöglichte die Unterschei‑ dung von zwei Tintentypen anhand unterschiedlicher Kupferquantitäten. Goethe nutzte im Wesentlichen eine Tinte für die Niederschrift seiner Briefe.
Historische Eisengallustinten 83
Differenzierung unterschiedlicher Korrekturtinten
Einige Korrekturen wurden mit einer Tinte identischer Zusammensetzung ausgeführt und sind daher dem Schreibprozess und damit der Hand Johann Wolfgang von Goethes direkt zuzuordnen. Weitere Korrekturen erfolgten mit einer zweiten Tinte und sind somit nicht in den unmittelbaren Schreibprozess mit einzubeziehen. Es besteht daher durchaus die Möglichkeit, dass diese Korrekturen zu einem späteren Zeitpunkt von Goethes Vater oder seinem Hauslehrer eingefügt wurden. Ein Text, der mit Eisengallustinten sehr unterschiedlicher Zusammensetzun‑ gen verfasst wurde, ist das Manuskript „Woyzeck“ von Georg Büchner. Für eine Edition der Marburger Büchner Ausgabe sollte die Entstehungsgeschichte rekonstruiert werden. Es war bekannt, dass Büchner mit der Niederschrift seines „Woyzeck“ in Straßburg begann. Aufgrund der politischen Verhältnisse emigrierte er in die Schweiz und vollendete das Manuskript dort. Waren diese Eckdaten bekannt, so sollte doch geklärt werden, welche der Teile in Straßburg und welche in Zürich entstanden.
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Woyzeck, Detail aus der Foliohandschrift (Goethe- und Schiller-Archiv, Weimar)
Woyzeck, das Quartblatt (Goethe- und Schiller-Archiv, Weimar)
Das Manuskript, das heute im Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar aufbe‑ wahrt wird, ist in drei Teilen erhalten: Es existiert eine Foliohandschrift, ein Quartblatt und eine Quarthandschrift. Durch den Vergleich der Tinten des Manuskriptes mit Vergleichsstücken, deren Provenienz gesichert ist, konnte die Entstehungsgeschichte des literarischen Dramas aufgeklärt werden: Der erste Teil des „Woyzeck“, die sogenannte Foliohandschrift, entstand in Straßburg, während die beiden darauffolgenden Teile aus der Schweizer Zeit Büchners stammen. Die Analyse der Tinten offenbarte jedoch noch weitere Details. Die Folio‑ handschrift, die (wie die Spinoza-Vorlesung) nachweislich in Straßburg verfasst wurde, weist mehrere horizontale und vertikale Streichungen auf. Die Analysen ergaben, dass einige Streichungstinten „französischen“, andere „schweizerischen“ Ursprungs sind. Die französischen Tinten finden sich nur
Literatur 85
bei horizontalen Streichungen, die offenbar dem direkten Schreibprozess während der Entstehung der Foliohandschrift zugeordnet werden können. Die Schweizer Tinten finden sich nur bei Vertikalstreichungen. Die Erklärung für das unterschiedliche Auftreten der Tinten liegt in der Ar‑ beitsweise Büchners. Er markierte Textteile durch waagerechte Streichung als direkt getilgt und durch senkrechte Streichung als „erledigt“. Die zweite verti‑ kale Markierung nahm er in der Regel dann vor, wenn er bei der Weiterarbeit in Zürich eine ganze Szene oder doch eine größere Zahl von Textelementen der Foliohandschrift in die Quarthandschrift so übernahm, dass die frühere Szene für die Weiterarbeit erledigt war.
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86 Spurensuche in der Kulturgeschichte
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Von der virtuellen zur materiellen Rekonstruktion
Wiederherstellung von Kulturgütern und Architekturdenkmalen Rekonstruktion meint – im Unterschied zu Restaurierung – die Wie‑ dererschaffung verlorener Teile eines Kunstwerks oder kulturell be‑ deutsamen Objekts. Die beiden ersten Aufsätze in diesem Kapitel widmen sich der virtu‑ ellen Rekonstruktion verlorener Teile des sogenannten NeandertalerSchädels von Le Moustier und der Sichtbarmachung des ursprünglichen Kopfschmuckes einer Statue der Königin Teje. In beiden Fällen hatte man beschlossen, den ursprünglichen, überkommenen Zustand zu erhalten und nicht zu verändern. Dies bedeutet, dass zusätzlich zum originalen, physisch erhaltenen Objekt Metadaten gewonnen wurden, die das ursprüngliche Erscheinungsbild wieder sichtbar machen. Handelt es sich bei den verlorenen Teilen des Neandertaler-Schädels um einen Kriegsverlust, so spiegelt sich in der veränderten Skulptur der Teje der kulturelle Wandel wider, den die Königin und damit ihre Porträtbüste erfuhren. Der letzte Aufsatz dieses Kapitels thematisiert den Wiederaufbau des Deutschen Doms und des Charlottenburger Tores sowie die Wieder‑ herstellung des Magnus-Hauses. Alle drei Bauwerke befinden sich in Berlin und haben eine herausragende Bedeutung für das Stadtbild der ehemals preußischen Metropole. Die materielle Rekonstruktion, die besonders im Bereich der Baudenk‑ malpflege Anwendung findet, wird allgemein kontrovers diskutiert – wie die Wiedererstehung der Frauenkirche und des Neumarktes in Dresden oder der Wiederaufbau einiger Schlösser in Potsdam, Herrenhausen oder Braunschweig zeigen. Insbesondere bei den zuletzt genannten Beispielen handelt es sich eher um einen kompletten Neubau zur
88 Von der virtuellen zur materiellen Rekonstruktion
Wiedergewinnung des ursprünglichen Erscheinungsbildes unter Ver‑ zicht historischer Unzulänglichkeiten. In den Beispielen, die in diesem Kapitel vorgestellt werden, ist die Rekonstruktion eher als „Reparatur“ bestehender Bauwerke zu verste‑ hen und vermittelt eine Überleitung zum nächsten Kapitel „Erhalt von Kulturgütern durch Restaurierung und Konservierung“.
Neandertaler-Schädel von Le Moustier 89
Neandertaler-Schädel von Le Moustier Ende Mai 1994 erhielt die BAM einen Brief des damaligen Generaldirektors der Staatlichen Museen zu Berlin, Wolf-Dieter Dube. Er bat um die virtuelle Rekonstruktion des Neandertaler-Schädels von Le Moustier, einem bedeuten‑ den Zeugnis aus der frühen Vergangenheit der Menschengattung, das sich im Besitz des Museums für Vor- und Frühgeschichte befindet. Erstmals waren 1856 im Neandertal bei Düsseldorf Sklettteile des bis dahin unbekannten eiszeitlichen Menschentyps entdeckt worden. Fossilien des Homo sapiens neanderthalensis (Altmensch), die in der Folgezeit auch in anderen Teilen Europas sowie in Afrika und Asien gefunden wurden, sind von so großer archäologischer und kulturhistorischer Bedeutung, weil der vor etwa 70 000 Jahren in Erscheinung getretene Neandertaler eine wichtige Stufe in der Entwicklung des Menschen markiert. Den Schädel aus dem Museum für Vor- und Frühgeschichte hatte der Schwei‑ zer Archäologe Otto Hauser (1874–1932) im März 1908 zusammen mit Bein‑ knochen sowie einem Rundschaber und einem Faustkeil aus Feuerstein im französischen Le Moustier (Dordogne) gefunden. Die Skelettreste stammten von einem 15 bis 16 Jahre alten Jungen vom Typ des späten oder „klassischen“ Neandertalers, der vor etwa 43 000 Jahren in der frühen bis mittleren Würm eiszeit (Mittelpaläolithikum) lebte. Noch am Fundort begann die lange Rekonstruktionsgeschichte des Schädels. Gleich nach der Entdeckung setzte der Breslauer Anthropologe Hermann Klaatsch die einzelnen Teile zusammen, zunächst in einer provisorischen Fassung, die er später nochmals nachbesserte. Im Jahr 1900 verkaufte Otto Hauser die Skelettfragmente des Homo mouste‑ riensis Hauseri für 110 000 Goldmark an das Berliner Völkerkundemuseum, wo der Schädel erneut rekonstruiert wurde. Nach der Gründung eines selbstständigen Museums für Vor- und Frühgeschich‑ te 1922 war das Neandertaler-Skelett fortan im Gropiusbau zu bestaunen. Die zahnmedizinische Abteilung der Berliner Universität erhielt nun den Auftrag, erstmals eine Rekonstruktion des Neandertaler-Gebisses vorzunehmen. Dann kam der Zweite Weltkrieg und im Februar 1945 verbrannten Teile des Le-Moustier-Skeletts. Mit vielen anderen Kulturschätzen wurde der Schädel in die ehemalige Sowjetunion verbracht. Als diese 1958 einen Teil der Museums bestände an die Regierung der DDR zurückgab, fanden sich darunter auch
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Teile des Neander taler-Schädels von Le Moustier, die für die Rekonstruktion zur Verfügung standen
Objekte der prähistorischen Sammlung. Sie bildeten 1963 das Fundament des auf der Museumsinsel gegründeten Museums für Ur- und Frühgeschichte. Im Oktober 1965 entdeckte eine Museumsmitarbeiterin im Magazin den stark beschädigten Neandertaler-Schädel von Le Moustier. Zwar wurde er sofort nach der Wiederauffindung provisorisch zusammengesetzt, doch war klar, dass noch eine seriöse wissenschaftliche Rekonstruktion erfolgen musste. Zu diesem Zweck wurde der Schädel im Juni 1974 dem Institut für Anthropologie und Humangenetik der medizinischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität in Jena anvertraut. Bis zum Fall der Mauer, 1989, und der daraus folgenden Neuordnung der Berliner Museumslandschaft geschah dort allerdings nichts weiter, als dass die 1965 zusammengefügten Schädelteile wieder separiert wurden. Das Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin stand nun nach 1989 vor der Frage, wie der Neandertaler-Schädel aus den vorhandenen Fragmenten möglichst genau rekonstruiert werden könnte. Man entschied sich 1994 für eine virtuelle und gegen eine rein mechanische Rekonstruktion, weil inzwischen mithilfe der Computertomografie eine sehr hohe Prägnanz in der Darstellung zu erreichen ist.
Neandertaler-Schädel von Le Moustier 91
Seitenansicht der rekonstruierten Neandertaler‑Schädels
Oberfläche des rekonstruierten Hirns
Zur virtuellen Rekonstruktion des Schädels von Le Moustier wendete man das Verfahren der dreidimensionalen Mikro-Computertomografie (3D-µCT) an. Damit gelang eine vollständige virtuelle Darstellung des Schädels. Über die virtuelle Zusammensetzung der real vorliegenden Schädelfragmente hinaus sind außerdem Rekonstruktionen der Bestandteile des Schädelinneren möglich. So konnte eine Darstellung vom Gehirn des Neandertalers vorge‑ nommen werden, aus der sich das Volumen der Gehirnmasse abschätzen und in seiner Oberflächenstruktur wiedergeben ließ. Hieraus können wertvolle neue Informationen über die Entwicklungsstufe des Neandertalers sowie die Evolutionsgeschichte des Menschen allgemein abgeleitet werden. Die Bedeutung computertechnischer Verfahren in den Human- und Kul‑ turwissenschaften ist nicht zu überschätzen. Zunächst soll an dieser Stelle auf eine bemerkenswerte zeitliche Koinzidenz bei der Forschung über den Menschen hingewiesen werden: die Rekonstruktion des Gehirnaufbaus des mehr als 40 000 Jahre alten Neandertalers mithilfe der Computertomografie gelang zur gleichen Zeit wie die computerunterstützte Entschlüsselung des menschlichen Genoms.
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Nachbildung eines Neandertalers (Neanderthal Museum, Mettmann)
Ebenholz-Kopf der ägyptischen Königin Teje Ägypten gehört zu den am frühesten von Menschen bewohnten Gebieten der Erde und entwickelte die erste Hochkultur der Menschheitsgeschichte. Ihre Kulturgüter – Bauten, Skulpturen, Reliefs, Malereien, Kunsthandwerk – fertigten die alten Ägypter vor allem aus Kalk- oder Sandstein, aus farbigen Gesteinen wie Diorit, Granit oder Alabaster, aus Edelsteinen und Edelmetallen – besonders aus Gold – sowie aus Holz. Unter diesen Materialien ist Holz der einzige organische Naturstoff. Es ist im Gegensatz zu anorganischen Stoffen leicht vergänglich, dennoch haben Holzgegenstände aus dem alten Ägypten dank des trockenen Wüstenklimas über Jahrtausende hinweg bis in unsere Zeit überdauert. So sind aus allen
Ebenholz-Kopf der ägyptischen Königin Teje 93
Jahrhunderten der ägyptischen Kunst wertvolle Stücke der handwerklichen Holzkunst erhalten: Stühle, Tragsessel, Betten mit aufwendig geschnitzten Füßen, reich verzierte Baldachine, bunte Särge, Kampfwagen, kunstvolle Schmuckkästchen und vieles mehr. Zahlreiche dieser Kunstwerke sind mit Gold, Silber oder Kupfer überzogen oder mit Edelsteinen verziert. Das Ägyptische Museum der Staatlichen Museen zu Berlin besitzt einige aus Holz gefertigte Schätze der ägyptischen Kultur. Ein herausragendes Kunstwerk aus Holz ist der Porträtkopf der Königin Teje. Teje stammte aus bürgerlichem Geschlecht und hatte den ägyptischen König Amenophis III. (1402–1364 v. Chr.) aus der 18. Dynastie geheiratet, den Erbauer des Tempels von Luxor. Als Große Königliche Gemahlin des Pharaos, unter dessen Regierung das Land eine Pe‑ riode größten Wohlstands erlebte, spielte Teje eine politisch außergewöhnlich aktive Rolle. Sie überlebte Amenophis III. um etwa zehn Jahre. Zwar verlor sie mit dem Tod ihres Gemahls offiziell ihre politische Stellung, doch übte sie am Hof ihres Sohnes Amenophis IV. (Echnaton, 1364–1347 v. Chr.) und dessen Gemahlin Nofretete großen Einfluss aus. Dass der 1905 in Kairo erworbene Porträtkopf aus dem Berliner Ägyptischen Museum die Königin Teje darstellt, belegen inschriftlich gesicherte Paralle‑ len sowie die archäologischen Fundumstände eindeutig. Der Kopf ist etwa 9 Zentime‑ ter hoch und besteht aus be‑ maltem, mit Gold, Silber und Edelsteineinlagen verziertem Ebenholz. Bedeckt ist er von einer kugeligen Haube aus dün‑ nen Leinenschichten. Aus der Kopfmitte ragt ein abgebroche‑ ner Holzzapfen hervor. Unter der Leinenhaube wird an der Stirn ein korrodiertes Metallteil sichtbar. Im Bereich des linken Ohrs zeigt sich an einer offenen Stelle der Leinenabdeckung ein scheibenförmiger Ohrring aus Gold und blauem Glas.
Porträtkopf der ägyptischen Königin Teje. Ursprüngliche Präsentation im Stülerbau in Berlin. Auf dem Kopf ist der abgebrochene Holzzapfen zu sehen, auf dem die Götterkrone befestigt war.
94 Von der virtuellen zur materiellen Rekonstruktion
Computertomo gramme des Porträt kopfs im Bereich der Stirn und Augen, die weißen Stellen markieren den Gold schmuck.
Senkrechter computertomo grafischer Schnitt durch den Kopf der Teje. Zu erkennen ist die senkrecht ver laufende Maserung des Ebenholzes.
Ebenholz-Kopf der ägyptischen Königin Teje 95
Natürlich stellte sich schon bald nach dem Erwerb des Kopfes die Frage, welche ursprüngliche Kopfbedeckung sich unter der Leinenhaube verbarg. Teilweise ließ sich die Frage bereits 1932 beantworten: durch Röntgenaufnahmen konnte ein zweiter Ohrring nachgewiesen werden. Anfang der 90er-Jahre veranlasste das Ägyptische Museum computertomo‑ grafische Untersuchungen, von denen es sich weiteren Aufschluss über den Porträtkopf erwartete. Und tatsächlich erbrachten die CT-Schnitte durch den Ebenholz-Kopf der ägyptischen Königin Klärung. Sie machten nicht nur die ursprüngliche Kopfbedeckung der Teje sichtbar, sondern zeigten darüber hinaus, dass ihr Kopf aus zwei Teilen unterschiedlichen Holzes hergestellt worden war. Deutlich sind sowohl die Maserung zu erkennen als auch – zwi‑ schen den beiden Holzhälften, am Rand des aufgesetzten Haarteils – eine Zone größerer Dichte im Holz, die wahrscheinlich durch den verwendeten organischen Klebstoff entstanden ist. Unter der dicht aufliegenden, in pharaonischer Zeit nachträglich aufgebrachten Haube aus netzartigem Gewebe und Klebematerial ist auf den Computertomo‑ grammen eine in Form einer Haartracht gestaltete Haube aus Silber zu sehen. Ob das blauschwarz angelaufene Silber anfänglich blank war und erst allmäh‑ lich oxidierte, ist computertomografisch nicht zu erklären. Weiterhin gehören zu der ursprünglichen Kopfbedeckung der Teje der goldene Ohrschmuck und zwei seitliche, ebenfalls goldene Uräus-Schlangen, die genau am Knick der Silberhaube entlang bis über den Schädel fortgesetzt sind. Die Ergebnisse der computertomografischen Untersuchungen erlaubten ent‑ scheidende Rückschlüsse auf historische und religionsgeschichtliche Vorgänge in der Teje-Zeit. Die ursprüngliche Kopfbedeckung der Königin zeigt mit der Silberhaube und den beiden Schlangenpaaren Machtinsignien, die auf die bedeutende politische Stellung der Königin an der Seite von Amenophis III. hinweisen. Nachdem Teje diese Position nach dem Tod ihres Gemahls verlo‑ ren hatte, wurden die Machtinsignien offensichtlich unter der Leinenhaube verborgen. Auf die mit kleinen blauen Glasperlen bedeckte Haube – Reste der Perlen sind auf der Rückseite des Kopfes erhalten – wurde nun eine Götter krone gesetzt – gehalten von dem heute abgebrochenen Holzzapfen am Kopf. Sie befand sich ebenfalls im Ägyptischen Museum von Berlin und konnte nach dem Nachweis der identischen Kittmasse an Holzzapfen und Krone eindeutig dem Porträtkopf zugeordnet werden. In der jetzigen Präsentation im Neuen Museum in Berlin sind Porträtkopf und Götterkrone wieder vereint!
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Der verborgene Goldschmuck ist durch Subtraktion der Bestandteile niedriger Dichte (Holz, Leinwand) von denen höherer Dichte (Gold) dargestellt.
Computermodell der heutigen Ansicht des Kopfes aus den CT-Daten (links) sowie zwei mögliche computertomografische Rekonstruktionen des Kopfs der Teje
Wiederherstellung bedeutender Architekturdenkmale 97
Porträtkopf der ägyp tischen Königin Teje. Aktuelle Präsentation im Neuen Museum in Berlin. Inzwischen sind der Porträtkopf und die Götterkrone wieder vereint.
Die ikonografischen Veränderungen an dem Ebenholz-Kopf sind also Ausdruck des Wandels von der politischen Bedeutung Tejes als Gemahlin des Königs Amenophis III. zu der religiösen Funktion als vergöttlichte Königin, der als Witwe des Königs und als Mutter des Thronfolgers eine religionspolitisch relevante Stellung zuerkannt wurde.
Wiederherstellung bedeutender Architekturdenkmale Im Jahr 1700 erging durch Kurfürst Friedrich III., dem späteren König Friedrich I., ein Erlass zum Bau einer Deutschen Kirche und zugleich einer Französischen Kirche. Nach einem Plan von Martin Grünberg führte Johann Simonetti 1701 bis 1708 den Bau durch. Auf Veranlassung von König Friedrich Wilhelm I. wurden 1735 Stallungen für das Regiment „Gens d’armes“ errichtet, die die Deutsche Kirche bis 1773 umgaben.
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Der im Jahre 1781 eingestürzte Turm der „Deutschen Kirche“ auf dem Gendarmen markt (kolorierter Kupferstich von Johann Georg Rosenberg, Schloss Charlottenburg)
Der Sohn des Soldatenkönigs, Friedrich II., ließ zwischen 1781 und 1785 den Gendarmenmarkt nach dem Vorbild der Piazza del Popolo in Rom neu gestal‑ ten. Dabei war bei der Deutschen wie bei ihrem Zwilling, der Französischen Kirsche, ein 70 Meter hoher Turmaufbau vorgesehen. Während der Bauarbeiten stürzte am 28. Juli 1781 die Deutsche Kirche zusam‑ men. Daraufhin wurde das Bauwerk bis auf die Grundmauern abgetragen und über dem ursprünglichen fünfeckigen, an den Seiten durch halbkreisförmige Konchen (Nischenwölbungen) erweiterten Grundriss neu erbaut. Statt der schmucklosen Wandgliederung des Ursprungsbaus verwendete man nun au‑ ßen und innen reichere Formen einschließlich figürlich-plastischen Schmucks (Attikafiguren, Reliefs) im Stil des Neubarocks. Der Turmaufbau wurde nach dem ursprünglichen Entwurf von Carl Friedrich von Gontard durchgeführt, jedoch wurde als Konsequenz aus dem Einsturz das Mauerwerk in den unteren Teilen verstärkt. Um das Kirchenschiff dem Kuppelturm architektonisch bes‑ ser anzupassen, ersetzte man das zuvor flache Dach auch durch eine Kuppel. In der Gestalt schmückte der seit dem Bau des Kuppelturms sogenannte Deutsche Dom den Gendarmenmarkt, bis er im Zweiten Weltkrieg durch Bombardements und Brände stark zerstört wurde. Die kriegszerstörte Ruine
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Der Gendarmenmarkt mit dem Deutschen Dom im Vordergrund und dem Französi schen Dom im Hinter grund (historische Postkarte)
blieb dann, teils nur notdürftig gesichert, stehen und fristete ein trauriges Da‑ sein. Erst nach der Vereinigung konnte der Wiederaufbau, der zu DDR-Zeiten nicht über die Anfänge hinausgenommen war, in Angriff genommen werden. Dabei zeigte sich, dass neben den Kriegszerstörungen große Schäden durch die in das Mauerwerk eingedrungene Feuchtigkeit entstanden waren. Das lag natürlich zum einen daran, dass die Ruine jahrzehntelang ungeschützt der Witterung ausgesetzt gewesen war, hatte aber auch bautechnische Gründe. Die Kirchenhalle war Anfang des 18. Jahrhunderts ohne Horizontalsperre im Mauerwerk – die ursprüngliche Bausubstanz bildet auch heute noch das Tragwerk der Außenwände im wesentlichen Gebäudeteil – gegründet worden, sodass Feuchtigkeit kapillar aufsteigen konnte. Weiterhin hatten die Pferde ställe der Gens d’armes im 19. Jahrhundert zu einer Durchfeuchtung und Stickstoffbelastung der Mauern gesorgt. Zudem fehlte dem Turm von Anfang an eine Entwässerung für das Niederschlagswasser von der Kuppel, der Ba‑ lustrade und den Gesimsen, sodass die Bauteile ständig Wasser aufnahmen. Und schließlich waren die oberen Naturwerksteinlagen durchfeuchtet, weil für die Bedeckung der Säulenvorhallen teilweise nicht geeignete Materialien verwendet worden waren.
100 Von der virtuellen zur materiellen Rekonstruktion
Die Ruine des Deutschen Doms. 40 Jahre lang war das im Zweiten Weltkrieg stark zerstörte Bauwerk der Witterung ausgesetzt. Im Hintergrund erkennt man den Französischen Dom, dessen Wiederherstellung schon weiter fortgeschritten ist.
Im Vorfeld der Anfang der 90er-Jahre begonnenen Sanierungsarbeiten am Deutschen Dom war nun die Mauerwerksfeuchte genau zu analysieren. Dazu wurden neben labormäßigen Bohrprobeuntersuchungen neue physikalische Verfahren der Feuchtemessungen direkt am Bauwerk eingesetzt, die zusam‑ men mit einer Computersimulation die Ausgangsbasis für Trockenlegungs‑ konzepte liefern. Das Verfahren der Infrarot-Strahlungs-Thermografie diente dazu, einen Überblick über die flächenhafte Ausbreitung der Mauerwerksfeuchtigkeit zu erlangen: Auf die Wandoberfläche wurde Infrarot-Strahlung projiziert. Aus den dabei aufgenommenen Thermogrammen ließen sich mithilfe der digitalen Bild‑ verteilung Indikatoren der Wandoberfläche-Feuchteverteilungen gewinnen.
Wiederherstellung bedeutender Architekturdenkmale 101
Die Feuchteverteilung konnte anschließend mittels computerberechneter, synthetischer Differenzbilder der Thermogramme dargestellt werden. Die Bestimmung der Verteilung der Feuchtigkeit senkrecht zur Oberfläche in das Mauerwerk hinein erfolgte mit der Mikrowellenmesstechnik. Hierzu wur‑ den an ausgewählten Stellen zwei parallele Löcher mit einem Durchmesser von 12 Millimeter in das Mauerwerk gebohrt und Sonden mit Mikrowellensendern und empfängern eingeführt. Die Dämpfung der Signale zwischen Sender und Empfänger ist ein Maß für die Mauerwerksfeuchte. Die gemessenen Daten ließen sich im Anschluss mittels Feuchtemessungen an entnommenen Bohr‑ proben des Mauerwerks kalibrieren.
Grundriss des Deutschen Doms (Westseite) in der zweiten Geschossebene mit Kennzeichnung der Messstelle für die Infrarot-Thermografie (Mst. 2.1)
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a) b)
c) d) a) So sah die feuchte Wand am Ausschnitt 1, Messstelle 2.1, real aus. b) Mithilfe von computerberechneten, synthetischen Differenzbildern der Infrarot-Thermogramme kann die Feuchteverteilung in der Wand dargestellt werden (hier: Messstelle 2,1, Ausschnitt 1); rot markiert sind die trockenen Bereiche, blau die Stellen mit erhöhter Oberflächenfeuchte. c) In den rot markierten Bereichen der Außenwände wurden Feuchtigkeitsmessungen mithilfe der Mikrowellentechnik vorgenommen. Die Lage der Messstellen ist durch schwarze Striche in unterschiedlicher Höhe gekennzeichnet. d) Feuchtefeld im Querschnitt eines Mauerwerksbereichs des Deutschen Doms, Messung im März 1993. Feuchtigkeitsmessung in Abhängigkeit von Höhe und Bohrlochtiefe; an der Mauerwerksoberfläche liegen Feuchtegehalte von 10 bis 20 % vor, ab einer Bohrlochtiefe von etwa 200 Millimeter unterhalb einer lichten Höhe von ca. 1,5 Meter steigen die Werte auf 60 % an.
Wiederherstellung bedeutender Architekturdenkmale 103 Der sanierte Deutsche Dom nach der Wiedereröffnung 1996: a) Längsschnitt durch Kirche und Turm, b) Übergangsbereich zwischen Kirchenraum und Turm, c) Turmeingang, d) Turmkuppel
a) b)
c) d)
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Auf diesem Weg gelang es, die Verteilung der Feuchtigkeit genau zu ermitteln. An allen Messstellen war eine Austrocknung des zu Beginn der Untersuchun‑ gen sehr feuchten Mauerwerks nachweisbar. Die massiven Mauerbereiche, besonders im Bereich der Konchenscheitel, bildeten jedoch einen großen Feuchtigkeitsspeicher. Ausgehend von diesem Befund entwickelte man ein Austrocknungskonzept: Zwischen der Gebäudeinnenwand und einer textilen Schale sollte eine Belüftung bzw. Trocknung der Luft erfolgen, während zur Filtration des Salzes ein poröser Opferputz aufgebaut wurde. Damit wurde sichergestellt, dass keine neue Feuchtigkeit eindringen und sich der Austrock‑ nungsprozess fortsetzen kann. 1996 war die Sanierung des Deutschen Doms erfolgreich abgeschlossen und er wurde in seiner neuen alten Pracht einer zukunftsorientierten Nutzung als Ort für die Dauerausstellung „Fragen an die Deutsche Geschichte“ über‑ geben.
Ansicht des Deutschen Doms 2011
Wiederherstellung bedeutender Architekturdenkmale 105
Auch das Magnus-Haus stammt aus der Zeit Friedrichs II. In dem barocken Palais hat heute das wissenschaftliche Begegnungszentrum der Deutschen Physikalischen Gesellschaft seinen Sitz. Als die Deutsche Physikalische Gesell‑ schaft, nach der Wende wiedervereinigt, im November 1990 die Rechtsträger‑ schaft und alle damit verbundenen Verpflichtungen für das denkmalgeschützte Gebäude übernahm, sah das einstige Bürgerpalais aus dem 18. Jahrhundert nicht so aus wie heute. Das nach einem Entwurf Knobelsdorffs um 1753 er‑ baute Magnus-Haus, das vermutlich einzige in Berlin erhaltene Bürgerhaus aus der Zeit Friedrichs II., befand sich in einem sanierungsbedürftigen Zu‑ stand. 1993/94 fand in enger Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutz die Wiederherstellung des Barockbaus in seiner historischen Gestalt statt. Die BAM wurde für materialanalytische Untersuchungen hinzugezogen. Was die architektonische Bedeutung und damit die Sanierungswürdigkeit des Magnus-Hauses angeht, so geben die Ausführungen der Leiterin der damals durchgeführten bauhistorischen Untersuchungen, Christine Becker, einen Eindruck davon: „Das Magnus-Haus entstand im Spannungsfeld der höfischen Architektur: Ein für das Berliner Wohnhaus des 18. Jahrhunderts typischer Grundriss wurde mit Elementen der barocken Schlossbaukunst kombiniert. Die balkentragende Mittelwand in der Längsachse des Hauses sowie die Platzierung von Entrée
Die Eingangsfront des Hauses, 2001
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Das Magnus-Haus vor der Sanierung, 1985
und Treppenhaus als zentrales Erschließungselement in der Mittelachse des Hauses ist kennzeichnend für das Wohnhaus der friderizianischen Zeit, wäh‑ rend die in beiden Geschossen des Magnus-Hauses vorhandene Einfilade der Schlossbaukunst entlehnt ist. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts fand dieses aus Frankreich stammende Raumsystem Eingang im gehobenen, bürgerlichen Wohnungsbau. Auch die Anlage der Korridore, insbesondere der Schlupfkor‑ ridore zu den Heiznischen, weisen auf französische Vorbilder. Die Einführung eines hofseitig angelegten Versorgungsganges dagegen zeigt eine aus Italien stammende Grundrisslösung. Das Haupttreppenhaus bleibt dem Berliner Bautypus verbunden. Seit etwa Mitte des 18. Jahrhunderts wurde den vertikalen Erschließungen auch im Wohnungsbau eine größere Eigenständigkeit gegeben. Vor allem gewundene Treppen im elliptischen Grundriss erfreuten sich als Repräsentationselemente in bürgerlichen Bauten großer Beliebtheit. Treppenhäuser waren, wie Korri‑ dore und Flure, jedoch nicht nur gestalterisch von Bedeutung, sondern trugen gleichzeitig dem Wunsch nach einer größeren Intimität im Hause und einem zunehmend nach innen gerichteten Lebensstil Rechnung. Das Eisengeländer der Treppen aus den sechziger Jahren des 18. Jahrhunderts, das mit floralen
Wiederherstellung bedeutender Architekturdenkmale 107
Motiven verziert ist, wird als besonders treffliches Beispiel für die hoch ent‑ wickelte Berliner Schmiedekunst hervorgehoben.“ Das Barockpalais war Mitte des 18. Jahrhunderts für Johann Friedrich West‑ phal auf den zuvor planierten Berlin-Cöllner Befestigungsanlagen mit einem unterkellerten, zweigeschossigen Hauptgebäude, zwei Seitenflügeln, einer Remise und einer Gartenanlage errichtet worden. Von 1774 bis 1782 wohnte auch der französische Mathematiker und theoretische Physiker Joseph Louis Lagrange in dem Gebäude. Die Erben Westphals verkauften das Haus 1822 an August Adolf Günther, den späteren Amtsnachfolger Schinkels. Gleichzeitig mit ihm bewohnten auch Karl Graf von Brühl, der Generalintendant der Kö‑ niglichen Museen, Räume im Palais. 1840 erwarb der Physiker Gustav Magnus das später nach ihm benannte Wohnhaus und richtete in ihm das erste phy‑ sikalische Laboratorium Deutschlands ein. Auf einem der dort abgehaltenen Kolloquien – bis 1870 hatte das sogenannte Physik-Kabinett im Magnus-Haus seinen Sitz – begegneten sich Werner Siemens und Johann Georg Halske und gründeten 1847 die Firma Siemens und Halske.
Grundriss des Hauses vor 1772
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Anfang des 20. Jahrhunderts ging das Magnus-Haus mit dem Ankauf durch die Krongutverwaltung in staatlichen Besitz über. 1911 mietete der Theater regisseur Max Reinhardt das Gebäude für sich und seine Familie und bewohnte es vor seiner Emigration zehn Jahre lang. Schon 1928 wurde ein Teil des Gebäudes für das Ungarische Institut der Ber‑ liner Universität umgebaut; das Ende der privaten Nutzung als Wohnhaus kündigte sich an. Ab 1933 beherbergte der Barockbau auch das Institut für Islamkunde. Aus Anlass des 100. Geburtstags des Physikers und Nobelpreis‑ trägers Max Planck wurde das Magnus-Haus 1958 der Physikalischen Gesell‑ schaft der DDR zur Nutzung übergeben. Die Psychologische Gesellschaft und die Biophysikalische Gesellschaft hatten Räume untergemietet. Als das Barockpalais nun 1990 in die Hände der vereinigten Deutschen Phy‑ sikalischen Gesellschaft überging, sah sie sich einem Bauwerk gegenüber, das in seiner über 200-jährigen Geschichte nicht nur sichtbar gealtert war, sondern auch einige sowohl nutzungsbedingte architektonische Veränderun‑ gen als auch bautechnisch erforderliche Renovierungsmaßnahmen erfahren hatte. Allein nach dem Zweiten Weltkrieg, in den 50er- und 60er-Jahren, war das Äußere des Gebäudes dreimal renoviert und dabei auch teilweise neu verputzt worden. So musste, bevor eine historisch getreue Sanierung des Magnus-Hauses vorgenommen werden konnte, erst einmal seine Baugeschichte mittels Ma‑ terialanalysen rekonstruiert werden. Zu diesem Zweck wurden Mörtelproben der Außenfassade untersucht. Die chemische Zusammensetzung des Mörtels, seine Porengröße sowie die Siebkennlinie des Mörtelsandes gaben Auskunft über das Alter der Wandputze an verschiedenen Stellen des Gebäudes. Dabei erwies sich als Alterskriterium, dass bei dem Außenputzmörtel von etwa 1770 die Poren kleiner waren als beim neuen von 1960 und im Porenradius auch nicht so stark variierten. Im Hinblick auf die zukünftige Farbgestaltung der Außenfassade waren an einzelnen Fassadengliederungselementen noch Reste des zartrosa-lachs‑ farbenen Erstanstrichs aus dem 18. Jahrhundert feststellbar. Für das frühe 19. Jahrhundert konnte ein kräftiger Ockerton nachgewiesen werden. Bei der Sanierung entschied man sich schließlich, die Außenfassade wieder in diesem Ton zu streichen. Im Inneren schafften bautechnische Untersuchungen die Grundlagen für den architektonischen Rückbau der Raumstrukturen auf die Grundrissgestaltung
Wiederherstellung bedeutender Architekturdenkmale 109
Porengrößenverteilung in der Fassade des Magnus-Hauses als Kriterium zur Unterscheidung von Materialien aus dem 18. und 20. Jahrhundert. Die stark vereinfachte Darstellung zeigt, dass bei den alten Mörteln von 1770 etwa 20 bis 80 % der Porenradien im Bereich von 0,4 bis 2 µm liegen, während bei neueren Mörteln von etwa 1960 die Porenradien zwischen 0,2 und 20 µm variieren.
Das renovierte Treppenhaus, 1994
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des 18. Jahrhunderts. Zu den prägenden baulichen Elementen des Hausinneren gehört das Treppenhaus mit seiner gewundenen elliptischen Treppe. Auf dem Treppengeländer konnten Spuren des vermutlich ursprünglichen Anstrichs in Berliner Blau nachgewiesen werden, der sodann reproduziert wurde. Die Eichenstufen der Treppen wurden restauriert, die stark zerstörten Podeste mit neuen Eichendielen belegt. Aufgrund technologischer Merkmale ließ sich zeigen, dass für die Fußböden im 19. Jahrhundert massive Kieferndielen verlegt und mit viereckigen langen Nägeln montiert worden waren. Im Ver‑ lauf der Restaurierung stellte sich jedoch heraus, dass die alten Dielen mit toxisch wirkenden Mitteln (Lindan, Chlornaphthalin) behandelt worden waren und nicht wieder eingebaut werden konnten. Stattdessen verlegte man neue Eichendielen und im Westflügel Parkett. Das Magnus-Haus in seiner heutigen Gestalt ist ein Beispiel für die gelungene Verbindung von historischer Rekonstruktion und modernem Nutzungskon‑ zept. Bei einer solchen Sanierung, das zeigt sich hier aufs Neue, kommt die Architektur nicht ohne die Technologie der Materialanalyse aus. Das Charlottenburger Tor wurde zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt errich‑ tet. Es entstand in den Jahren 1907 und 1908 im Zuge der Verlängerung der ehemaligen Charlottenburger Chaussee in Richtung Westen. Die Stadt Char‑ lottenburg gehörte damals noch nicht zu Berlin und zählte zu den reichsten Städten in Preußen. Entsprechend repräsentativ sollte das Eingangstor der
Das Charlottenburger Tor kurz nach der Fertigstellung 1909
Wiederherstellung bedeutender Architekturdenkmale 111
Stadt ausfallen, um das Selbstbewusstsein und den Reichtum gegenüber der Reichshauptstadt Berlin zu demonstrieren. Es entstand ein „kaiserliches“ Bau‑ werk – Wilhelm II. behielt sich die Genehmigung zum Bau des Tores vor. Nach erfolglosen Wettbewerben wurde schließlich der Charlottenburger Architekt Professor Bernhard Schaede ausgewählt, um das repräsentative neobarocke Bauwerk zu errichten. Vermutlich orientierte sich dieser an den sogenannten Königskolonnaden, die im späten 18. Jahrhundert als Eingangsbauwerk in die Königstraße in der königlichen Residenzstadt Berlin errichtet worden waren. Die Anlage, die mit Ettringer Tuffstein ausgeführt wurde, besteht aus zwei Torflügeln. Diese tragen auf der Berliner Seite mächtige Bronzeskulpturen des Bildhauers Heinrich Baucke mit den Standbildern der Stadtgründer Kö‑ nig Friedrich I. an der Süd- und Königin Sophie Charlotte an der Nordseite.
König Friedrich I.
Königin Sophie Charlotte
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Königin Sophie Charlotte hält ein Modell des Charlottenburger Schlosses in der Hand. Auf der Charlottenburger Seite ergänzten über 20 Meter hohe Kandelaber, die mithilfe elektrischer Bogenlampen die Fahrbahnen und Geh‑ wege auf der Brücke beleuchteten, die Anlage. Die Kandelaber markierten die Charlottenburger Uferlinie, während die beiden Torpfeiler entlang des Land‑ wehrkanals die Berliner Uferlinie nachzeichneten. Dazwischen überspannte eine Brücke den Landwehrkanal. Ein großes Architekturmodell wurde 1910 auf der Brüsseler Weltausstellung präsentiert, welches noch heute im Berliner Technikmuseum fasziniert. Im Zuge der Umgestaltung Berlins zur Welthauptstadt Germania wurde der Straßenquerschnitt der Charlottenburger Chaussee verbreitert. Dafür wurden die Torflügel und die Kandelaber abgetragen und wieder neu aufgebaut. Nur die Brücke wurde in neuer Gestalt errichtet.
Panzersperren zwischen den Torpfeilern und den beiden Kandelabern 1945
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Verwitterung der Tuffsteinoberflächen
In den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs wurde das Tor schwer beschädigt. Die schmückenden Plastiken auf den Torflügeln wurden zwischen Februar und Mai 1945 demontiert und gelten seitdem als verschollen. Nach proviso‑ rischen Instandsetzungsmaßnahmen nach Kriegsende wurden die Schäden erst 1970 beseitigt. Die steinernen Kandelaber wurden aufgrund der starken Zerstörung ersatzlos abgetragen. Anlässlich der 750-Jahr-Feier Berlins wur‑ den die Torflügel 1986 erneut restauriert. Dabei wurden die Oberflächen mit einem Hochdruckwasserstrahl gereinigt und anschließend hydrophobisiert, also mit einer Wasser abweisenden Schicht überzogen. Die Behandlung des weichen Tuffsteins mit einem Silikonharz sollte die Wasseraufnahmefähigkeit des Steines herabsetzen – leider erwies sich diese Maßnahme als falsche Behandlungsmethode. Der Stein verwitterte besonders stark, die Oberfläche platzte schalenförmig ab. Die Grundlage für eine erneut notwendige grundlegende Restaurierung waren ein Bauaufmaß und eine Kartierung der Bauschäden. Hierfür bediente man sich wieder der analytischen Verfahren der BAM. Anhand von Bohrmehl und Bohrkernuntersuchungen wurden die Eindringtiefe des Hydrophobierungsmit‑ tels, die Anreicherung von Gips hinter der hydrophobierten Randzone und die veränderte Wasseraufnahme des Steins analysiert. Die Hauptschadensursache wurde eindeutig identifiziert: Durch die Behandlung des Tuffsteins mit dem
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Silikonharz wurde der natürliche Wasseraustausch durch die Poren stark be‑ hindert. Stattdessen lagerte sich Wasser hinter der hydrophobierten Randzone ein, dies führte zur Kristallisation von Salzen während der Austrocknung in wärmeren Perioden oder zur Bildung von Eis bei Frost und Frost-Tau-Wechsel. Basierend auf diesen Befunden erfolgte eine umfassende Reinigung der Stein‑ oberflächen, d. h. das Silikonharz wurde entfernt. Darüber hinaus wurden zahlreiche, im Jahre 1986 unsachgemäß ausgeführte Verfugungen erneuert, die Gesimse und die wasseranfälligen waagerechten Flächen mit Verblechungen versehen. Die Vasenaufsätze waren leider so stark zerstört, dass sie durch Kopien ersetzt werden mussten. Seit 2007 wurden von der Stiftung Denkmalpflege auch die beiden Kandela‑ ber wieder rekonstruiert. Damit sollte nicht nur das ursprüngliche Erschei‑ nungsbild wiederhergestellt werden; verkörperten die Kandelaber doch – im Gegensatz zu den geläufigen Gusseisenleuchten – mit ihren modernsten elektrischen und außergewöhnlich hellen Bogenlampen den Aufbruch in eine neue Zeit. Das zugehörige Figuren-Programm nahm sowohl auf das Thema „Licht“ als auch auf den Landwehrkanal Bezug und setzte zu dem des Tores einen Kontrapunkt. In der Stilistik und im Erfindungsreichtum mischte sich eine neobarocke Grundhaltung mit Elementen des Jugendstils.
Ein rekonstruiertes Teilstück vor dem Einpassen in einen Kandelaber des Charlottenburger Tors
Wiederherstellung bedeutender Architekturdenkmale 115
Baugerüst
Rekonstruierte Teilstücke nach der Fertigstellung
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Detail eines der beiden wieder aufgebauten Kandelaber
Detail eines der beiden wieder aufgebauten Kandelaber
Wiederherstellung bedeutender Architekturdenkmale 117
Die Rekonstruktion erwies sich aufgrund der Quellenlage jedoch als schwieri‑ ge baukünstlerische Herausforderung. Entwurf und Planung basierten allein auf einigen noch vorhandenen Fotografien, veröffentlicht auf Postkarten, sowie auf dem Modell aus dem Berliner Technikmuseum. Für die bauliche Rekonstruktion wurden das klassisches Mauerwerk des Sockels mit Granit und die Säulenschäfte wieder mit Ettringer Tuffstein verkleidet. Das Ver‑ fahren wurde so gewählt, dass die Luft hinter der Fassade zirkulieren kann. Für die Wiederherstellung des figürlichen Schmuckes wurde ein neuartiger „Bildhauerbeton“ verwendet, der eigens für die Rekonstruktion historischer Bauplastik in der BAM entwickelt wurde. Die Arbeiten wurden im April 2010 beendet, das Charlottenburger Tor erstrahlt fast wieder in seiner alten Pracht und die Stadt Berlin ist wieder um eine Attraktion reicher!
Aufnahme des Tores aus dem Jahre 2011
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Lediglich die monumentalen Bronze skulpturen auf den Torflügeln konnten nicht wiederhergestellt werden (vgl. Abb. auf S. 110).
Literatur Bernhard Illerhaus: The principle of computerized tomography and its applica‑ tion in the reconstruction of hidden surfaces in objects of art. Proc. 4th Int. Conf. on Non-Destructive Testing of Works of Art. In: Deutsche Gesellschaft für zerstörungsfreie Prüfung, Berlin 1994. Jennifer L. Thompson and Bernhard Illerhaus: A new reconstruction of the Moustier 1 skull and investigation of internal structures using 3D-µCT data. In: Journal of Human Evolution, 35/1998. Bernhard Illerhaus and Jennifer L. Thompson: Calculating CT data from matches geometries. Proceeding conference on computerized tomography. In: Deutsche Gesellschaft für zerstörungsfreie Prüfung, Berlin 1999. Julian Henderson: The science and archaeology of materials. Routledge, Lon‑ don 2000. Dietrich Wildung: Ägyptische Kunst in Berlin. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1999. Bernhard Illerhaus: Fortschritte in der Computertomographie – Neueste Technik zur Untersuchung kulturhistorischer Objekte. In: Restauro 5/1995.
Literatur 119
Dietrich Wildung: Königsideologie und Computertomographie. Untersuchungen am Portraitkopf der Königin Teje. Proc. 4th Int. Conf. On Non-Destructive Test‑ ing of Works of Art. In: Deutsche Gesellschaft für zerstörungsfreie Prüfung, Berlin 1994. Detlef Arndt und Herbert Wiggenhauser: Anwendung und Kombination zer‑ störungsfreier Prüfverfahren zur Bestimmung der Mauerwerksfeuchte im Deutschen Dom. BAM Forschungsbericht 200. Wirtschaftsverlag NW, Bremer haven 1994. Dieter Hoffmann: Gustav Magnus und sein Haus. Verlag für Geschichte und Naturwissenschaften und der Technik, Stuttgart 1995. Christine Becker und Brigitte Jacob: Das Magnus-Haus in Berlin Mitte. Ge‑ schichte, Wandel und Wiederherstellung eines barocken Palais. Hrsg. von der Bruckmann KG und der Siemens AG, München 1994. Frank Weise und Urs Müller: Baustoffliche Untersuchungen am Tuffstein des Charlottenburger Tors. Institut für Steinkonservierung, IFS-Bericht Nr. 22, 2006, S. 59–64. Helmut Engel: Das Charlottenburger Tor. Stiftung Denkmalschutz Berlin, Berlin 2005 (ISBN 3000169938).
Das Alte über die Zeit retten
Erhalt von Kulturgütern durch Restaurierung und Konservierung Dieses Kapitel beschäftigt sich mit dem Erhalt unseres kulturellen Erbes und der Rolle der Naturwissenschaften bei der Konservierung von Bau‑ denkmalen, Kunstwerken in unseren Museen oder auch historischen Manuskripten in Archiven und Bibliotheken. Anhand einiger bedeutender Berliner Bauwerke – Jagdschloss Grune‑ wald, Zeughaus, Altes Museum auf der Museumsinsel, Brandenburger Tor, Mausoleum der Königin Luise im Charlottenburger Schlosspark – wird dargestellt, wie mittels naturwissenschaftlicher Methodik Um‑ weltbelastungen und Schäden dokumentiert werden, um notwendige Sicherungs- bzw. Restaurierungsmaßnahmen durchzuführen. Aber nicht nur historische Gebäude, sondern auch Kunstwerke, die in Museen aufbewahrt werden, können Schädigungen erleiden. Ein interdisziplinä‑ res Forschungsprojekt mehrerer naturwissenschaftlicher Institutionen in Zusammenarbeit mit den Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden ermöglichte die Aufklärung der Schadensmechanismen, die Auffindung der Ursachen und die dauerhafte Beseitigung von Schäden an den Emailpretiosen des Grünen Gewölbes. Aus den Ergebnissen dieses Forschungsprojektes resultierte die Erkenntnis, dass ein definiertes Klima mit gleichbleibender Temperatur und Luftfeuchtigkeit wichtig für den Erhalt unseres kulturellen Erbes ist. Für den Erhalt unseres Schriftgutes spielt die naturwissenschaftliche Analyse von Restaurierungs- und Konservierungsmethoden eine ganz besondere Rolle. Dabei ist die genaue Kenntnis der chemischen Zusammensetzung historischer Materialien von zentraler Bedeutung. Zahlreiche historische Dokumente weisen ein Schadensbild auf, das mit dem Begriff „Tintenfraß“ bezeichnet wird. Die damals verwendete Eisengallustinte „frisst“ sich regelrecht durch das Papier, wobei archäo‑
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metrische Spuren vernichtet werden können, die für die Beantwortung kulturhistorischer Fragestellungen nach Provenienz, Autorenschaft oder Entstehungsgeschichte wichtig sind. Es entsteht somit ein Span‑ nungsfeld zwischen den notwendigen Maßnahmen zum Erhalt eines kulturell wertvollen Objekts und der archäometrischen Forschung, die wissenschaftliche Informationen ja in besonderem Maße aus dem Vorhandensein historisch entstandener Spuren bzw. Verunreinigungen gewinnt.
Baudenkmalpflege 123
Baudenkmalpflege Im Jahre 1542 ließ sich Kurfürst Joachim II. von Brandenburg am See der Tel‑ towschen Heide, dem heutigen Grunewaldsee, das Jagdschloss „Zum Grünen Wald“ errichten. Der Baumeister war Caspar Theiß, der zwischen 1538 und 1540 auch das Stadtschloss in Berlin als Renaissancebau neu gestaltet hatte. Zwischen dem Jagdschloss im Grunewald und dem etwa zwanzig Kilometer entfernten Berliner Stadtschloss wurde durch das teilweise sumpfige Gelände ein Knüppeldamm, der Kurfürstendamm, angelegt.
Joachim II. Hektor, Kurfürst von Brandenburg, Gemälde von Lukas Cranach, d. J. (Jagdschloss Grunewald)
Heute besitzt das Jagdschloss nicht mehr seine ursprüngliche Form. Theiß hatte es als ritterliche Befestigungsanlage errichtet. Der burgähnliche Re‑ naissancebau besaß Schießscharten, war von einem Wassergraben umgeben
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Luftaufnahme des Jagdschlosses Grunewald
und konnte nur über eine Zugbrücke betreten werden. 1669 wurde die Anlage unter Kurfürst Friedrich III., dem späteren König Friedrich I. von Preußen, von den Architekten Johann Arnold Nering und Martin Grünberg grundlegend im barocken Stil umgestaltet. Das rechteckige Schlossgebäude in seiner heutigen Form besitzt auf der Hofseite einen zweigeschossigen, noch mit Renaissance-Schmuckformen verzierten Portalvorbau, an den sich ein barocker Treppenturm anlehnt. Zur Seeseite hin ragen zwei turmartige Anbauten über die seitliche Fassaden‑ flucht hinaus, die nach Verfüllen des Wassergrabens um 1770 entstanden sind. Der Hauptbau wird hufeisenförmig von Wirtschaftsgebäuden umfasst. Ihm direkt gegenüber liegt das 1770 errichtete Magazin für Jagdgeräte, der Jagdzeugschuppen, in dem heute eine Waffensammlung, Jagdtrophäen, Ge‑ mälde und Kunstgewerbe untergebracht sind. Im östlichen Wirtschaftstrakt befindet sich ein Waldmuseum. Im Jagdschloss Grunewald wurde im Jahre 1932 eine Gemäldegalerie mit 200 Werken altdeutscher und niederländischer Maler eingerichtet; 1949 war das Jagdschloss das erste Museum, das nach dem Zweiten Weltkrieg wieder eröffnet wurde.
Baudenkmalpflege 125
Jagdschloss Grunewald, Übersichtsdarstellung
Das Schlossgebäude wurde als Mauerwerksbau mit einer Dachkonstruktion aus Holz sowie hölzernen Geschossdecken errichtet. Es besitzt drei Vollge‑ schosse und einen begehbaren Dachraum. Teilweise ist es unterkellert. Die Kellerdecken sind Tonnengewölbe aus Ziegelsteinen, die Treppen sind als gewendelte Steinkonstruktionen ausgeführt. Die Gründung des Baus erfolgte bis zu vier Meter tief über Natursteinfundamenten, auf Böden einer geologi‑ schen Formation aus Feinsanden mit organischen Anteilen in unregelmäßiger Schichtenfolge. 1963 wurde das Jagdschloss von außen und 1973 von innen renoviert. Die Außenansicht ist durch die erneuerte weiße Verputzung, die Bänderung im Erdgeschoss und das Mansardendach wesentlich durch den barocken Umbau
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bestimmt. Die Renovierung der Innenräume brachte den einzig erhaltenen Renaissancesaal Berlins und die barocken, zurückhaltend ornamentierten weißen Stuckdecken zum Vorschein. Darüber hinaus wurden bei den Instand‑ setzungsarbeiten auch Risse, die in Dicke der Putzschichten an Wänden und Decken aufgetreten waren, geschlossen bzw. überbrückt. Umso erstaunlicher war es, dass in den 80er-Jahren erneut Risse an verschie‑ denen Stellen des Gebäudes entdeckt wurden, und zwar Risse, die nicht nur im Putz waren, sondern bis ins Mauerwerk hineinreichten. Wie war das möglich, nachdem das Schloss bisher vier Jahrhunderte ohne Mauerwerksschäden überstanden hatte? Für die Schadensanalyse führte man chemisch-technologische und mecha‑ nisch-technologische Untersuchungen an dem Jagdschloss durch: Die che‑ mischen Analysen von Mörtelproben ergaben, dass für die Herstellung des außenseitigen Ober- und Unterputzes Bindemittel mit nicht hydraulischen und hydraulischen Komponenten, vermutlich Luftkalk und Zement bzw. Kalk, verwendet worden waren. Eine Verbindung aber zwischen der chemi‑ schen Zusammensetzung des Mörtels und den tiefen, durch Anstrich und Putz hindurchgehenden Rissen im Mauerwerk konnte nicht nachgewiesen werden. Daraufhin wurden mechanisch-technologische Untersuchungen durchgeführt, um zu klären, ob die Schäden vielleicht in einem Zusammen‑ hang mit den Bodenverhältnissen standen. Und tatsächlich zeigten die Un‑ tersuchungen, dass die Risse durch Veränderungen der Bodenbeschaffenheit verursacht worden waren. Im Zeitraum von 1955 bis 1975 war nämlich das Grundwasser um etwa viereinhalb Meter gesunken. Dabei hatte zwischen 1970 und 1974 eine besonders gravierende Absenkung des Grundwasser‑ niveaus um zweieinhalb Meter stattgefunden, die sich in den Folgejahren jedoch wieder ausglich. Die Variation des Grundwasserstandes war natür‑ lich mit einer temporären Veränderung der Bodendruckverhältnisse im Gründungsbereich des Schlossbaus verbunden. So ließ sich schlussfolgern, dass in der Hauptsache ungleichmäßige Gebäudesenkungen, vor allem in Beziehung zu den organisch-humosen Bodenschichten, zu den Rissbildungen geführt hatten. Die Veränderung des Grundwasserspiegels ist zum Stillstand gekommen. Da die rissauslösenden Setzungen dadurch weitgehend abge‑ klungen sind, ist die architektonische Integrität nicht mehr beeinträchtigt, und die schlichte Schönheit des nunmehr 460 Jahre alten historischen Bau‑ werks besteht weiter.
Baudenkmalpflege 127
Grundwasserspiegel in der Nähe des Jagdschlosses Grunewald
In Berlin befindet sich ein beeindruckender profaner Barockbau Norddeutsch‑ lands, das sogenannte Zeughaus. Es ist das älteste Gebäude in der historischen Prachtstraße Berlins „Unter den Linden“ und weist mit seiner repräsentati‑ ven Bauweise weit über die ursprüngliche Nutzungsfunktion als einfaches Waffendepot hinaus. Der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg hatte 1667 in seinem politischen Testament den Bau eines „großen Magazins und schönen Zeug‑ hauses“ bestimmt. Am 28. Mai 1695 fand unter Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg, der sechs Jahre später König Friedrich I. von Preußen wurde, die Grundsteinlegung statt. An der Planung war vermutlich der Pariser Baumeister und Diplomat Francois Blondel beteiligt. Den prächtigen Barockbau gestalteten aber auch jene beiden Architekten maßgeblich mit, die bereits für die barocke Umgestaltung des Jagdschlosses Grunewald 1669 verantwortlich waren: Johann Arnold Nering leitete zunächst den Aufbau des Zeughauses. Nach seinem Tod noch im Jahr der Grundsteinlegung führte Martin Grünberg den Rohbau bis zur Attika weiter. In den Jahren 1698 und 99 übernahm dann der Bau‑ meister und Bildhauer Andreas Schlüter die Gesamtleitung der Bauarbeiten.
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Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg, Detail an der Fassade des Berliner Zeug hauses
Wegen des Einsturzes eines Teils der Gebäuderückfront musste Schlüter jedoch die Leitung an Jean de Bodt abgeben, der schließlich den Außenbau im Jahr 1706 fertigstellte. Das entstandene zweigeschossige Gebäude umgreift mit vier Flügeln von je 90 Metern Seitenlänge einen quadratischen Innenhof. Der Bau ist aus Backstein gemauert, der Sockel bildet Felsgestein nach. Das Erdgeschoss besitzt eine Nutenquaderung mit eingeschnittenen, tief heruntergezogenen Rundfenstern in den je 19 Fensterachsen. Das Obergeschoss ist durch Pilaster, Fensterbrüstungen und üppige Figurengruppen über den Fenstern gestaltet. Die langen Außenfassaden sind durch vor- und zurückspringende Wandfelder sowie alternierende Fensterverdachungen gegliedert. Die Fassadenmitten werden jeweils durch Risalite mit vier toskanischen Säulen betont. Das Hauptportal „Unter den Linden“ flankieren vier allegorische Frauengestalten, die die Geometrie, die Arithmetik, die Ingenieur- und die Feuerwerkskunst darstellen. Die Attika ist mit zahlreichen Einzelfiguren sowie mit zwölf großen Figurengruppen besetzt.
Baudenkmalpflege 129
Das Berliner Zeughaus
Figurengruppe über dem Gesims des Zeughauses
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Den großartigen bildhauerischen Arbeiten verdankt das Zeughaus seinen besonderen kunsthistorischen Rang. Geschaffen wurden sie von Guillaume Hulot, Georg Gottfried Weihenmeyer und natürlich von Andreas Schlüter. Sein Werk sind auch die zweifellos eindrucksvollsten Schöpfungen der Bildhauerei am Zeughaus, die 22 Köpfe sterbender Krieger über den Fenstern im Innenhof.
Für den Innenhof des Zeughauses schuf Andreas Schlüter um 1700 die berühmten Masken sterbender Krieger.
Baudenkmalpflege 131
Innenhof des Zeug hauses mit Bronze schützrohren (1974)
Über den ursprünglichen Zweck des Gebäudes gibt eine lateinische Inschrift am Hauptportal Auskunft: „Bergung aller Kriegswerkzeuge sowie von Kriegs‑ beute und Trophäen“. Im Jahr 1732 befanden sich im Zeughaus 604 preußische Kanonen, 119 erbeutete Geschütze und 76 230 Infanteriegewehre. 1760 wurde das Zeughaus von russischen, 1806 von französischen Truppen geplündert. Nach den Befreiungskriegen 1813 bis 1815 füllte es sich erneut mit Beute‑ stücken. König Friedrich Wilhelm III. beauftragte Karl Friedrich Schinkel, zwei Säle als Museum einzurichten. 1831 wurde die Königliche Waffen- und Modellsammlung für die Öffentlichkeit geöffnet. Auf Wunsch Kaiser Wilhelms I. wurde das Zeughaus 1877 bis 1880 nach Plä‑ nen von Friedrich Hitzig zur Ruhmeshalle der brandenburgisch-preußischen Armee umgebaut. Seit 1883 war im Erdgeschoss die Artillerie- und Ingenieur wesenabteilung und im Obergeschoss die Waffensammlung öffentlich zu‑ gänglich. Das Zeughaus wurde das am meisten besuchte Museum Berlins. Die militärhistorischen Sammlungen zählten am Ende des 19. Jahrhunderts zu den namhaftesten in ganz Europa. 1920 wurde das Zeughaus den Preußischen Kunstsammlungen angegliedert und dem Kriegsministerium unterstellt. Hitler ordnete 1939 eine Übernahme des Museums seitens der Wehrmacht an. Am Ende des Zweiten Weltkriegs
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Das Innere des Zeughauses, Gemälde von Michael Karl Gregorovius, 1835. Links ist das Blücher-Denkmal von Christian Daniel Rauch zu sehen, rechts das Giebelrelief von Schinkels Neuer Wache.
trafen Spreng- und Brandbomben auf das nunmehr zur Stätte der Kriegspro‑ paganda gewordene Gebäude und beschädigten es schwer. Auf einen Beschluss der Alliierten Kommandantur hin wurde das „Kriegsmu seum Zeughaus“ am 18. Oktober 1945 aufgelöst. Trotz der großen Kriegsschä‑ den nutzte man das Gebäude aber anschließend noch für Ausstellungen. 1948 bis 1965 erfolgte der Wiederaufbau der Kriegsruine. Das Äußere wurde origi‑ nalgetreu rekonstruiert, das Innere bekam ein Stahlskelett, das die gesamte Eigen- und Nutzlast aufnehmen sollte. In das so wiederhergestellte Zeughaus zog das 1952 von der SED neu gegründete Museum für Deutsche Geschichte ein.
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Nach der Wiedervereinigung erhielt das bereits 1987 von der Bundesrepu‑ blik Deutschland und dem Land Berlin beschlossene Deutsche Historische Museum im Berliner Zeughaus seine prominente Adresse. Gleich zu An‑ fang der 90er-Jahre begannen umfängliche Sanierungsarbeiten, denn eine Bauwerksdiagnostik zeigte, dass beim Wiederaufbau des Bauwerks 1949 bis 1965 gravierende Fehler begangen worden waren. Unter anderem lag eine mangelhafte konstruktive Ausbildung der Dachentwässerungsanlage vor. Die Abführung des Regenwassers erfolgte von der Dachfläche zum Teil direkt über das mehrteilige Hauptgesims aus Sandstein. Aufgrund undichter Anschlüsse konnte so in größerem Umfang Feuchtigkeit in das Mauerwerk eindringen, was wiederum zu Salzausblühungen und Gefügezerstörungen auf den Sand‑ steinoberflächen führte. Nachdem die Sanierungsmaßnahmen zunächst das Ziel verfolgten, die Ursachen für den Feuch‑ teeintrag in das Mauerwerk zu beseitigen, ging es 1994 in einem nächsten Schritt darum, den Austrocknungsprozess im Hauptgesims mess‑ technisch zu erfassen und prognostisch abzu‑ schätzen. Dazu wurden verschiedene Verfahren der naturwissenschaftlichen Prüfung eingesetzt: Zuerst bestimmte man die Feuchtigkeit durch Messung der wassergehaltsabhängigen Mik‑ rowellenabsorption in Mauerwerksbohrungen (Mikrowellenverfahren). Weiter wurde durch En‑ doskopie, d. h. durch Einführen einer optischen Sonde, der konstruktive Aufbau der Zeughaus‑ wände untersucht und die Probenahme für La‑ boruntersuchungen lokalisiert. Mit Hohlbohrern wurde Mauerwerk in Form von zylindrischen Bohrkernproben entnommen und zu Bohrmehl zerkleinert. Im Labor erfolgten dann die Bestim‑ mung der Feuchtigkeit in den Bohrmehlproben und der Vergleich dieser Werte mit denen der Bauwerksuntersuchungen vor Ort. Mittels Poro‑ simetrie wurde anschließend die Materialdichte Detail des Erweiterungsbaus des Zeughauses und porosität der Bohrkernproben gemessen. von Ieon Ming Pei
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Und schließlich war es wichtig, den pH-Wert der Bohrmehlproben sowie die Anwesenheit und die Konzentration bauschädlicher Salze chemisch zu bestimmen. Basierend auf diesen Kenndaten konnte dann durch Computer simulation, d. h. durch mathematische Modellierung, das örtliche und zeitliche Austrocknungsverhalten des Ziegelmauerwerks abgeschätzt werden. Die umfangreichen Untersuchungen ergaben, dass sowohl im mehrteiligen Hauptgesims aus Sandstein als auch im anschließenden Ziegelmauerwerk erhöhte Feuchtigkeitswerte vorlagen. Die Computersimulation des nicht linearen Austrocknungsprozesses ließ eine Verringerung des mittleren Feuchtegehaltes von 14,2 Volumenprozent im Jahre 1994 auf 8,9 Volumen‑ prozent im Laufe der folgenden 13 Jahre prognostisch erwarten. Aus diesem Befund leitet sich für die Sanierung des Zeughauses die Empfehlung ab, den Austrocknungsprozess nicht durch sperrende Beschichtungen des Sandsteins und des Ziegelmauerwerks – wie seinerzeit beim Charlottenburger Tor – zu beeinträchtigen. Insgesamt bilden die Ergebnisse der modernen Bauwerksdiagnostik eine fundierte Basis für die Instandsetzungsarbeiten des barocken Bauwerks. Aber auch für die Realisierung des Erweiterungsbaus wurden die Analysen der Bauwerksuntersuchung genutzt. Durch die Verbindung von Technologie, Kunst und Architektur erhielt das mehr als 300 Jahre alte Zeughaus zu Be‑ ginn des 21. Jahrhunderts eine neue Gestalt für seine Funktion als Deutsches Historisches Museum. Das Brandenburger Tor ist sicherlich eines der symbolträchtigsten Bauwerke in Deutschland. Im Jahre 1791 war es nach Plänen von Carl Gotthard Langhans als repräsentatives Stadttor erbaut worden. Der architektonische Entwurf bezog sich explizit auf die griechische Antike. „Die Lage des Brandenburger Thores ist in ihrer Art ohnstreitig die schönste von der ganzen Welt; ich habe bey dem Bau des Neuen Thores das Stadt-Thor von Athen zum Modelle! genommen“, erläuterte der Baumeister 1788 in einem Promemona; so war der Entwurf den Propyläen entlehnt, dem Eingangstor der Akropolis von Athen. Das Branden‑ burger Tor, Langhans’ wichtigstes Werk, ist einer der letzten großen Bauten des 18. Jahrhunderts und zugleich der erste des Klassizismus in Preußen.
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Propyläen in Athen (oben) und das Brandenburger Tor in Berlin, kolorierte Kupferstiche von Johann Carl Richter, um 1800 (Stadtmuseum Berlin)
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Das Brandenburger Tor zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Zwei Jahre nach seiner Eröffnung wurde am 16. August 1793 die Quadriga auf dem Stadttor angebracht: ein Streitwagen mit vier Pferden und einer Friedens‑ bringerin mit Lorbeerkranz, entworfen von Schadow und von Jury in Bronze getrieben. Im Jahre 1806 wurde die Quadriga von Napoleon als Kriegsbeute nach Paris gebracht, nach den Befreiungskriegen kehrte sie auf das Tor zurück. Nun war die Lorbeerkranztrophäe der Schadow’schen Wagenlenkerin durch ein eichenlaubumkränztes und von einem Adler bekröntes Eisernes Kreuz ersetzt – aus der Friedensbringerin wurde so die Siegesgöttin Viktoria, um den Sieg über die napoleonischen Truppen zu feiern. Zusammen mit der Quadriga besitzt das imposante Stadttor eine Höhe von 26 Metern. Es misst 65,5 Meter in der Breite und 11 Meter in der Tiefe. Das Bauwerk wird aus sechs, durch Mauern verbundenen Säulenpaaren gebil‑ det, die fünf Durchfahrten ergeben. Die mittlere ist 5,5 Meter breit und war bis 1918 ausschließlich der königlichen Familie vorbehalten, während die vier seitlichen, 3,8 Meter breiten Durchfahrten für den öffentlichen Verkehr bestimmt waren. Auf der Attika direkt unter der Quadriga befindet sich das Sandsteinrelief „Der Zug des Friedens“, unterhalb der Attika sind 32 Relief‑ platten angebracht, die Kampfszenen zeigen und an ähnliche Darstellungen im Pantheon-Tempel der Athener Akropolis erinnern sollen.
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Seit dem 13. August 1961 war das Brandenburger Tor im Grenzbereich der geteil‑ ten Stadt Berlin Symbol des Ost-West-Konfliktes. Seit dem 22. Dezember 1989 ist es die erneute Verbindung zwischen Ost und West; gleichzeitig markiert es wieder den eigentlichen Eingang zur Berliner Stadtmitte. 1991, zu seinem 200. Geburtstag, erstrahlte das Brandenburger Tor nach einer Grundsanierung im neuen alten Glanz. Nachdem es im August 1961 geschlossen worden war, durften seit dem 22. Dezember 1989 wieder Fußgänger von Ost nach West und von West nach Ost hindurchgehen. Aber eben nur Fußgänger. Für den motorisierten Verkehr blieb das Brandenbur‑ ger Tor geschlossen, denn es galt als erschütterungsgefährdet. Risse zeigten sich im Mauerwerk. Als nun durch die Baumaßnahmen für das Reichstagsgebäude und das Dorotheenviertel die bisherigen Umgehungsstraßen blockiert waren, wurde das Brandenburger Tor am 17. März 1998 probeweise für den Verkehr in Ost-West-Richtung freigegeben. Um die Folgen der Öffnung für das Bauwerk beurteilen zu können, wurden für den Zeitraum Mai bis Oktober 1998 die durch den Verkehr verursachten Erschütterungen des Tors gemessen und bewertet.
Der rekonstruierte Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor in einer Aufnahme von 2011
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Dazu wendete man ein Monitoringsystem zur automatischen Bauwerksüberwachung an, das für den Einsatz an hoch belasteten Brückenbau‑ werken konzipiert worden und in der Lage war, alle wesentlichen Veränderungen in der Struktur des Tragwerks sowie Auswirkungen infolge von Belastungen und Umgebungseinflüssen fortlau‑ fend zu messen. Das System enthielt 16 gleich‑ zeitig aktive Messkanäle, über die mithilfe von Schwinggeschwindigkeitssensoren die Erschüt‑ terungen in den am stärksten beanspruchten Be‑ reichen des Brandenburger Tors bestimmt wur‑ den. Zusätzlich waren noch Riss, Dehnungs- und Temperatursensoren installiert. Durch die syn‑ chrone Messung all dieser Größen ergab sich ein umfassendes Bild über das Verformungsverhal‑ ten und damit über den Zustand des Bauwerks. Da das System fortlaufend Daten aufzeichnete, wurde jedes einwirkende Ereignis registriert. Zur Bewertung der Überwachungsergebnisse wur‑ den Belastungsgrenzwerte für das denkmalge‑ Anbringung der Sensoren zum Messen der Erschütterungen in einem Raum unterhalb der Quadriga schützte Stadttor zugrunde gelegt. Die Untersuchungen ergaben eindeutig, dass die Standfestigkeit des Bauwerks nicht gefährdet war. Offenbar beruhten die bis zu einem halben Zentimeter breiten Risse vor allem auf unsachgemäßen Sanierungen zu DDR-Zeiten. Lediglich der Lastwagenverkehr sollte wegen der deutlich stärkeren Vibrationen wie bisher um das Tor herumgeführt werden. Von Oktober 2000 bis Oktober 2002 war das Wahrzeichen Berlins wieder für eine grundlegende Sanierung für den Verkehr gesperrt. Inzwischen erstrahlt es erneut in seinem alten Glanz und man hat sich entschieden, das Tor nur für den Fußgängerverkehr zu öffnen. Das Alte Museum ist ein zentrales Werk des späten Klassizismus. Als erster eigenständiger Museumsbau in Berlin wurde es 1825 bis 1830 nach den Plänen von Karl Friedrich Schinkel auf der ursprünglich sumpfigen, im Mittelalter unbebauten Nordspitze der Cöllner Spreeinsel errichtet und markiert damit den Anfang der Geschichte der Berliner Museumsinsel.
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Schinkel bezeichnete den Bau als seine „beste Arbeit“ und erläuterte seine Architektur wie folgt: „Was den Stil der Architektur betrifft, welcher sowohl im Äußeren als auch im ganzen Inneren herrscht, so war die Einfachheit der Hauptformen dabei der vorzüglichste Gesichtspunkt. Die Ausdehnung des Platzes, auf welchem das Gebäude steht, die Nachbarschaft des Königlichen Schlosses und des prächtigen Zeughauses verlangten großartige Verhältnisse. Deshalb habe ich vorgezogen, anstatt die beiden Hauptgeschosse durch zwei übereinander stehende Ordnungen zu charakterisieren, eine einzige Ordnung durchzuführen, die aus der vorderen großen Säulenhalle mit seinen 18 ioni‑ schen Säulen hervorgeht.“ Das Alte Museum war für den Museumsbau bis ins 20. Jahrhundert wegwei‑ send. Sowohl Ludwig Mies van der Rohes Neue Nationalgalerie in Berlin (1968) als auch James Stirlings Staatsgalerie in Stuttgart (1982) oder die Pinakothek der Moderne in München (2002) von Stefan Braunfels beziehen sich strukturell und in Einzelformen auf den Schinkel-Bau.
Das Alte Museum, kolorierte Radierung von Carl Friedrich Thiele nach Karl-Friedrich Schinkel (Gemäldegalerie, SMB)
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Während das Äußere des Alten Museums durch eine Betonung der Vertika‑ lität und ein rechtwinkliges Gleichmaß der Proportionen gekennzeichnet ist, verbirgt sich im Zentrum des Inneren die berühmte Rotundenkuppel. Von außen ist sie nicht zu erkennen; Schinkel versteckte sie unter einem quadrati‑ schen Block mit geradem Dachabschluss. Er hielt es für unredlich, stilistische Merkmale bestimmter Baugattungen auf andere zu übertragen: „Kuppeln als Blickfang kommen für mich nur für Kirchen in Frage.“
Abendstimmung am Alten Museum
Schinkel wollte, dass sich der Besucher in der zweigeschossigen, harmonisch proportionierten Rotunde, deren Höhe und Durchmesser 23 Meter betragen, zur vertieften Betrachtung der Kunstwerke sammelt. Vorbild für die Rotunde war das Pantheon in Rom. Zwischen den korinthischen Säulen, die eine Galerie tragen, stehen 18 antike Statuen. Auch in den Nischen im Obergeschoss sind griechischrömische Skulpturen aufgestellt. Der Bestand an antiken Skulptu‑ ren im Alten Museum stammt größtenteils aus den Schlössern in Berlin und Potsdam. Friedrich II. und Friedrich Wilhelm II. hatten sie im 18. Jahrhundert in Italien für ihre Schlösser und Gärten erworben. Bevor sie ihren Platz im 1830 eröffneten Alten Museum einnahmen, waren sie in der Werkstatt von Christian Daniel Rauch und Friedrich Tieck restauriert worden.
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Rotunde des Alten Museums in einem Aquarell von Carl Emanuel Conrad, 1834 (Gemäldegalerie, SMB)
Die Zusammenstellung der Statuen in der Rotunde ist seitdem wiederholt verändert worden. Bis zum Zweiten Weltkrieg aber blieb die inhaltliche Ver‑ bindung des Kuppelraumes zu den anliegenden Sälen mit antiken Skulpturen erhalten. Dann wurde das Alte Museum durch Bomben schwer beschädigt und brannte am 30. April 1945 fast vollständig aus. Beim Wiederaufbau ab 1958 stellte man außen die originale Erscheinungsform wieder her. Auch die Ausstellungsräume im Inneren wurden wieder in ihren alten Proportionen gestaltet, doch ersetzte man nicht die vielen zerstörten Säulen und im Nordsaal wurde anstelle der Stüler’schen eine neue Treppe eingezogen.
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Die Rotunde war der einzige Raum, der bei der Wiedereröffnung des Alten Mu‑ seums 1966 originalgetreu restauriert worden war. 1981, zum 200. Geburtstag Karl Friedrich Schinkels, befanden sich die Statuen weitgehend wieder auf ihrem ursprünglichen Platz zwischen den Säulen. 1987 wurden auch in den Nischen auf der Galerie wieder antike Skulpturen aufgestellt. Seit im Mai 1998 eine neue Dauerausstellung der Antikensammlung eröffnet wurde, sind auch die ursprünglichen Rundgänge durch den Schinkel-Bau wieder möglich – der Gang über die wiederhergestellte Stüler’sche Treppe inklusive. In der Folge des europäischen Architekturwettbewerbs von 1998 stand aber auch fest, dass das Alte Museum in den kommenden Jahren als Teil des „Welt‑ kulturerbes Museumsinsel Berlin“ nach einem entsprechenden Masterplan umgebaut werden soll. Die Entwürfe sehen vor, das Alte Museum durch den westlichen Hof und das Kellergeschoss über die „Archäologische Promenade“ mit dem Bode-Museum zu verbinden. Im Vorfeld einer Generalinstandsetzung des Alten Museums war es notwendig, die innere Struktur der Mauerwerkskörper um die Rotunde zu untersuchen. Das Ziel war, die Mauerwerksstrukturen zu dokumentieren, die durch Um‑ baumaßnahmen nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen worden waren, um dadurch Anhaltspunkte für die bautechnische Nutzbarkeit eventueller Hohl‑ räume zu erhalten. Dabei sollten auf zerstörungsfreiem Weg Informationen aus Messtiefen bis zu drei Metern Mauerwerksdicke gewonnen werden.
Hyperbel im Radar gramm, gebildet aus Reflexionssignalen einer Hohlstelle in verschiedenen Antennenpositionen
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Die Untersuchungen erfolgten Anfang 1999 mit einem Radarverfahren im Obergeschoss der Rotunde. Bei dem Verfahren wird eine Antenne über die Oberfläche des zu untersuchenden Bauteils geführt, diese sendet dabei kur‑ ze elektromagnetische Impulse von ca. 1 · 10–9 s aus. Die Impulse dringen in das Bauteil ein und werden dort an Grenzflächen mit unterschiedlicher Dielektrizitätszahl, wie z. B. Mauerwerk/Luft reflektiert. Die reflektierten Impulse werden dann von der Antenne wieder empfangen. Daher wird dieses Verfahren auch als Impuls-Echo-Methode bezeichnet. Die nachfolgende Abbildung zeigt ein sogenanntes Radargramm mit unter‑ schiedlichen Reflexionsereignissen a bis e. Den Reflexionen a und b in Tiefen von beispielsweise 1,75 Metern und 2,28 Metern lassen sich (in Kombination mit weiteren Messungen) zwei relativ große Hohlräume zuordnen. Die Refle xion c in einer Tiefe von 1,60 Metern ist auf die Existenz eines Fahrstuhl‑ schachtes zurückzuführen. Die Reflexion d deutet aufgrund der Form der Hyperbel auf eine kleinere Hohlstelle oder eine senkrechte Leitung hin. Die letzte Reflexion e zeigt das Vorhandensein einer Nische an.
Messspur 1 im Innen bereich der Rotunde
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Insgesamt ließen sich durch das Verfahren neben den bereits bekannten Hohlstellen im Mauerwerk drei weitere Kammern finden. Außerdem wurden eine Vielzahl kleiner Hohlstellen bzw. Leitungen detektiert und an einigen Bereichen Mauerwerksdicken ermittelt. Diese Ergebnisse bilden die Grundlage für zukünftige bautechnische Maßnahmen in der Rotunde des Schinkel’schen Alten Museums. Grundriss der Rotunde mit bekannten (weiß) und neu georteten (gelb) Hohlstellen
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Das letzte Beispiel bedeutender Berliner Bauten widmet sich der Begräbnisstätte der preußischen Königin Luise. Nach dem plötzli‑ chen Tod seiner erst 34-jährigen, vom Volk glühend verehrten Ge‑ mahlin am 19. August 1810 ließ Kö‑ nig Friedrich Wilhelm III. das klas‑ sizistische Mausoleum im Park des Charlottenburger Schlosses errich‑ ten. Es ist neben dem SchinkelPavillon, einem Sommerhaus für Friedrich Wilhelm III. und dem Belvedere, dem 1788 von Langhans entworfenen dreigeschossigen Tee‑ haus, das einzige Bauwerk in dem mit einer Barockanlage à la française beginnenden und in einen weiten englischen Landschaftsgar‑ ten übergehenden Schlosspark. Schinkel hatte das Mausoleum – nach einer Idee von Friedrich Wil‑ helm III. – in Form eines kleinen dorischen Tempels mit Portikus und Säulenfront entworfen. Hein‑ rich Gentz gestaltete das Innere. Den Sarkophag der Königin schuf Christian Daniel Rauch in Italien Mausoleum der Königin Luise im Schlosspark Charlottenburg aus Carraramarmor. Er wurde 1814 vollendet und gilt als eine der schönsten deutschen Bildhauerarbeiten des 19. Jahrhunderts. Der Sandstein, ein poröses und weiches Material, aus dem die dorische Vorhalle ursprünglich gestaltet war, wurde 1828 durch roten „vaterländischen“ Granit ersetzt. Die nicht mehr benötigten Reste des Steins wurden für den Luisentempel auf der Pfaueninsel im Wannsee verwendet.
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Innenraum des Mausoleums, Farblithografie von Carl Graeb
Nach dem Tod Friedrich Wilhelms III. im Jahr 1840 entwarf Schinkel auf Ver‑ anlassung Friedrich Wilhelms IV. eine Erweiterung der Grabstätte, die für die Bevölkerung den Rang eines Heiligtums erreicht hatte. Dem kleinen Tempel wurde an der Rückseite ein quer gelagerter Bau mit einer Apsis angefügt, der die Sarkophage von Königin Luise und König Friedrich Wilhelm III. aufnahm. Der ursprüngliche Bau diente fortan nur noch als Vorhalle eines kirchenähnli‑ chen Raumes mit einem Altar, zu dem hin beide Sarkophage ausgerichtet wur‑ den. Damit Kaiser Wilhelm I. und seine Gemahlin Kaiserin Augusta ebenfalls ihre letzte Ruhestätte in dem Mausoleum im Charlottenburger Schlosspark finden konnten, wurde es 1890 abermals vergrößert. Dabei wurde Schinkels heute nicht mehr erhaltener Entwurf für die erste Erweiterung mit Verände‑ rungen ausgeführt. Wie die gesamte Anlage des Charlottenburger Schlosses, das 1943 nach Bombardements fast völlig ausgebrannt war, wurde auch das Mausoleum nach dem Zweiten Weltkrieg saniert.
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Dachlaterne (Süd-Ost-Ecke) der Mausoleumserweiterung von 1840 (Schadensbild von 1987)
Pilzschaden an der Süd-Ost-Ecke der Dachlaterne im Innenraum des Mausoleums (Schadensbild von 1987)
1987 entdeckte man jedoch, dass Teile der Dachkonstruktion von 1840 auf der Ostseite der Dachlaterne herabgefallen waren. Nach Abnahme der his‑ torischen Dachdeckung und schalung wurden an den Schalungsbrettern und den Konstruktionsteilen von 1840 gravierende Fäulnisschäden sichtbar. Bautechnische, materialanalytische und biologische Untersuchungen zeigten, dass die Fäulnisschäden durch eine Festigkeitsreduzierung gekennzeich‑ net waren, die stellenweise bis zur völligen Zerstörung des Holzes ging.
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Verursacht waren die Schäden im Wesentlichen durch einen dem Weißen Porenschwamm verwandten Pilz. Außerdem fand man an tragenden Konstruk‑ tionsteilen aus Eichenholz Pilzgebilde des Schwefelporlings. Die historische Dachdeckung musste undicht geworden sein, denn nur so konnte die sehr hohe Feuchtigkeit im Holz erreicht werden, die für die Entwicklung und Zer‑ störungstätigkeit der Pilze notwendig war. Aus dieser Schadensanalyse leitete sich das Konzept zur Dachsanierung ab. Die geschädigten Hölzer wurden durch neue Konstruktionsteile aus splintreichem, kesseldruckimprägniertem Kiefernholz ersetzt. Die unbeschädigten Konstruktionsteile behandelte man mit einem Holzschutzmittel gegen Pilz- und Insektenbefall. Zuletzt wurde durch geeignete Belüftungsmaßnahmen dafür gesorgt, dass die Feuchtigkeit der Dachkonstruktion 30 % nicht überstieg, damit die Nassfäule-Pilze sich nicht mehr entwickeln konnten.
Mittelalterliche Glasmalerei Glas gehört so sehr zu unserem Alltag, dass wir uns seiner kulturellen und technischen Bedeutung gar nicht mehr bewusst werden. Nicht nur unzählige Gebrauchsgegenstände sind aus ihm gefertigt, sondern es spielt auch als anorganisches Trägermaterial in Kunst und Kunsthandwerk sowie in der modernen Technik eine wichtige Rolle. Nach dem Historiker Plinius soll Glas im Altertum durch Zufall entstanden sein. Phönizische Kaufleute, die mit Salpeter handelten, hätten bei einem Landgang ihre Kochkessel auf Salpeterunterlagen gestellt. Unter Feuerein‑ wirkung sei dann das Salpeter mit dem Sand des Bodens zu einer neuartigen, damals noch undurchsichtigen Glasmasse zusammengeschmolzen. Das erste durchsichtige Glas findet sich als große Seltenheit in der Zeit Tutanchamuns, im Ägypten des 14. Jahrhunderts v. Chr. Üblicherweise wird Normalglas aus Quarz, Kalk und Soda bzw. Pottasche hergestellt. Mischungen dieser drei Stoffe werden gesintert und dann zusammengeschmolzen. Quarz stellt hier das Netzwerk als Grundmatrix dar (Quarz ist Netzwerkbildner). Die Alkaliund Erdalkaliverbindungen brechen das Gitter vollkommen ungeregelt auf (sie sind Netzwerkwandler). Dabei bilden sich nicht kristalline Silikate. Jeder Baustein hat nun Umgebungen mit unterschiedlichen Bindungsbedingungen aufzuweisen.
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Die noch heute ausgeübte Technik des Glasblasens wurde bereits im 1. Jahrhun‑ dert v. Chr. beherrscht. Sie verbreitete sich im gesamten Mittelmeerraum und gelangte über Gallien im 6./7. Jahrhundert bis nach England. Im alten Europa besaß die Insel Murano bei Venedig die größte Ansammlung von Glashütten. Sie war auch das Zentrum der Brillengläserherstellung. Im 17. Jahrhundert wurde in England das geschliffene Bleikristallglas erfunden, zeitgleich mit der Ofen-Technik der Glasherstellung in Nürnberg. Die Grundlagen für die wissenschaftliche Glastechnik wurden im 19. Jahr‑ hundert durch Fraunhofer, Schott und Abbe gelegt. Heutzutage ist neben den Glasfasertechnologien, die im Maschinen- und Gerätebau sowie in der Informationstechnik eine zentrale Rolle spielen, das in der Architektur ver‑ wendete Floatglas die bedeutendste Glasinnovation: Indem eine geschmolzene Glasmasse auf einem Metallbad erstarrt, entsteht ein großflächiges ebenes Spiegelglas hoher Oberflächenqualität, das anschließend nicht mehr extra geschliffen und poliert werden muss.
Musizierende Engel, Detail einer mittelalterlichen Glasmalerei (14. Jahrhundert, Musée Cluny, Paris)
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Die Heilige Barbara, Glasmalerei aus der Klosterkirche Marienstern in Panschwitz-Kuckau, Oberlausitz, 1390. Das Glas war durch Korrosionsbildung völlig schwarz geworden und wurde 1985/86 restauriert.
Die großartigsten Beispiele der Glaskunst sind jedoch die Glasmalereien des Mittelalters. Wem hätte es vor den wundervollen bunten Fenstern in mit‑ telalterlichen Kirchenbauten nicht schon einmal vor Ehrfurcht die Sprache verschlagen? Den wenigsten aber wird bewusst sein, dass diese Fenster die Jahrhunderte in dieser Pracht nicht überdauert haben, sondern dass vielfäl‑ tige Umwelteinflüsse sie natürlich mit der Zeit beschädigt hatten, sie durch Korrosion schwarz geworden waren und ihre verborgene Schönheit erst in jüngster Zeit durch chemische Restaurierungsverfahren wieder aufgedeckt werden konnte. Bereits um 1100 hat der Benediktinermönch Theophilus in seiner Schrift „Schedula diversarum artium“ die mittelalterliche Technik der Glasmalerei beschrieben: Das Trägerglas wurde mittels Metalloxiden entweder in der
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Chemische Zusammensetzung von Glas im Mittelalter (links) sowie im 18. und 19. Jahrhundert
Masse durchgefärbt oder nur mit dünnen Farbschichten überzogen (Über‑ fangglas). Von den verschiedenfarbigen Tafeln des Trägerglases wurden einzelne Stücke – gemäß einer maßstabgetreuen Kartonvorlage des gesamten Bildes – abgesprengt und mit einer Art Kneifzange in die gewünschte Form gebracht. Mit Schwarz- oder Braunlot, einem bleihaltigen Glas mit färbenden Metalloxiden, das als Malfarbe diente, wurden Konturen und Detailzeichnun‑ gen auf das Trägerglas aufgetragen. Hierfür wurde das schwarze oder braune, niedrig schmelzende Glas zerstoßen, mit einem Bindemittel vermengt und nach dem Farbauftrag in das Trägerglas bei etwa 600 °C eingebrannt. Zu der ursprünglichen Malfarben Schwarz- und Braunlot traten um 1300 Silbergelb und um 1500 Eisenrot sowie andere Metallfarben hinzu. Die bemalten und gebrannten Glasscheiben wurden dann in Bleistangen mit doppeltem U-Profil eingebettet und so zu einem gesamten Glasfenster aufgebaut. Doch im Laufe der Zeit verdunkelten die leuchtenden oder wurden undurch‑ sichtig. Um eine wissenschaftliche Technik zur Restaurierung mittelalterlicher Glasmalereien zu entwickeln, wurde zunächst die chemische Zusammenset‑ zung von mehr als 600 Proben aus schwarz und undurchsichtig gewordenen Glasmalereien des 12. bis 16. Jahrhunderts analysiert. Es zeigte sich, dass die Gläser des Mittelalters überwiegend über einen hohen Kaliumoxidanteil verfügen. Dieses Glas ist – nicht zuletzt wegen seines eher geringeren Sili‑ ziumdioxidanteils von maximal 50 % – chemisch gesehen nicht sonderlich stabil. Daher kann es leichter zu einer hydrolytischen Zersetzung und der Bildung von Gelschichten und Korrosionsprodukten kommen, wodurch die
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Gläser korrodieren und auch undurchsichtig werden. Neuzeitliche Gläser, die generell einen Siliziomdioxidgehalt von mehr als 70 % besitzen, bilden dagegen eine Schutzschicht gegen Wasserangriff aus und sind damit stabiler gegen Alterung und Korrosion. Die chemische Analyse ergab außerdem, dass der Transparenzverlust und die zuweilen auftretende Verschwärzung oder Verbräunung der mittelalterlichen Gläser durch eine sogenannte Manganver‑ bräunung verursacht wurde. Manganverbindungen in Form von Braunstein (Mangandioxid) hatten sich in den feinen Rissen der Gelschichten, die sich an der Glasoberfläche gebildet hatten, abgelagert und waren für die Verbräunung verantwortlich.
Glasmalerei des 14. Jahrhunderts, Hussitenfenster der Klosterkirche in Panschwitz-Kuckau, Oberlausitz. Durch Verbräunung hatte sich auf dem Glas eine lichtabsorbierende Schicht weiterentwickelt. Zunächst wurde das Glas nur im oberen Teil ausgebleit und in einem Bad mit einer 25%igen Hydrazinlösung aufgehellt (links). Das Bild rechts zeigt die mittelalterliche Glasmalerei nach der vollständigen Restaurierung.
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Mitte der 1980er-Jahre entwickelten Stefan Fitz (heute Umweltbundesamt) und Wolfgang Müller (ehemals BAM) ein weltweit neuartiges Verfahren zur Aufhellung stark verbräunter mittelalterlicher Gläser. Sie fanden heraus, dass undurchsichtige Manganoxidverbindungen durch eine Behandlung mit einer 25%igen Lösung von Hydrazin (N2H4) in Wasser zu farblosem Manganhydro‑ xid reagieren. Eine Wiederverbräunung lässt sich vermeiden, wenn das Glas anschließend mit einer 1%igen Ameisensäurelösung nachbehandelt und so das säurelösliche Manganhydroxid entfernt wird. Das Verfahren wurde an mittelalterlichen Glasmalereien aus Dorfkirchen in Sachsen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sowie an Beständen in der Schweiz erfolgreich angewendet. Die Glasmalereien wurden wieder völlig transparent. In den Jahren 2000 und 2001 unterzog man die restaurier‑ ten Glasmalereien nochmals einer wissenschaftlichen Untersuchung, und sie zeigten auch zehn bis fünfzehn Jahre nach der chemischen Behandlung weder Spuren einer erneuten Verbräunung noch andere negative Spätfolgen an den Materialien.
Juwelierplastiken aus dem Barock Eine in Pracht erstrahlende Palastfassade – ununterscheidbar, ob innen oder außen. Es herrscht emsiges Treiben. Viele Menschen sind versammelt, 132 an der Zahl, dunkelhäutig, oft mit einem Turban auf dem Kopf und in exotische Stoffe gehüllt. Elefanten in kostbaren, mit Gold und Edelsteinen verzierten Schabracken tragen Geschenke, darunter Affen und Leoparden. Goldene Stufen führen zum Thron, auf dem der indische Großmogul Aureng-Zeb Platz genommen hat. Es ist sein Geburtstag, und wir sind zu Gast bei ihm und seinem Hofstaat zu Delhi. Nein, zu Gast sind wir eigentlich im Neuen Grünen Gewölbe in Dresden – als Zuschauer eines imposanten Illusionstheaters en miniature. Im Auftrag des sächsischen Kurfürsten und Königs von Polen, August des Starken, erschuf dessen Hofjuwelier Johann Melchior Dinglinger zusammen mit seinem Bruder, dem Emailleur Georg Friedrich Dinglinger, zwischen 1701 und 1708 eine der bedeutendsten Juwelierplastiken des Barock. Als Vorlage für das vielteilige Kunstwerk diente den Brüdern ein Bericht europäischer Reisender, der auch Stiche vom Hof des Großmoguls Aureng-Zeb enthielt. Die Illustrationen erlaub‑
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ten den Künstlern, den gesamten Hof‑ staat des indischen Herrschers, der damals als der reichste Fürst der Welt galt und 1707 starb, nachzubilden: den Palast, die Fürsten des Reiches, die Delegationen aus China und Afri‑ ka, die gekommen waren, dem Mogul ihre Geschenke zu überreichen. Aus künstlerischen Gründen integrier‑ ten die Brüder auch japanische und chinesische Motive. Die silberne Pa‑ lastarchitektur ist zum Thron hin vergoldet. Die durchschnittlich um 5 Zentimeter hohen Figuren stehen frei in der bühnenartigen Anlage. Sie sind größtenteils in Gold gegossen oder getrieben, emailliert und häufig mit Edelsteinen und Perlen verziert. Allgemein bekannt ist, dass ein Edel‑ metall, wie etwa das in der Natur nur gediegen vorkommende Gold, gegen‑ über den meisten metallangreifenden Agenzien chemisch inert, d. h. korro‑ sionsbeständig ist. Auch die meisten Edelsteine besitzen nicht nur einen Hofstaat zu Dehli am Geburtstag des Großmoguls Aureng-Zeb (1701–1708, Neues Grünes Gewölbe, Dresden) optischen Reiz, sondern zeichnen sich durch eine große Härte und Re‑ sistenz aus. Das außerdem für den „Hofstaat des Großmoguls“ und andere barocke Juwelierplastiken umfänglich verwendete farbige Email galt ebenso als chemisch sehr beständig. Daher war es erstaunlich und besorgniserre‑ gend zugleich, dass an dem „Hofstaat des Großmoguls“ sowie an anderen kostbaren Gläsern und emaillierten Edelmetall-Kunstwerken aus dem Ba‑ rock seit etwa 20 Jahren Schäden beobachtet wurden, nachdem sie zuvor die Jahrhunderte spurlos überdauert hatten. Und nicht nur im Grünen Gewölbe in Dresden machte man diese Beobachtung, sondern in zahlreichen Museen weltweit. Im Rahmen eines interdisziplinären Projekts zur Rettung dieser ein‑
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zigartigen Kunstwerke wurden daraufhin die neuartigen Schä‑ digungsmechanismen erforscht und Gegenmaßnahmen entwi‑ ckelt. Das Projekt wurde von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gefördert und mit dem Ziel, ein modellhaftes Konzept zur Konservierung und Siche‑ rung von Juwelierplastiken zu erstellen, von den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, dem Fraunhofer Institut für Si‑ likatforschung in Würzburg und der BAM bearbeitet. Zunächst wurde an dem „Hof‑ staat des Großmoguls“ und den anderen Juwelierplastiken aus dem Grünen Gewölbe eine Scha‑ denscharakteristik erstellt. Es zeigte sich, dass ein Emailver‑ lust in unterschiedlichen Er‑ scheinungsformen vorlag. Da‑ bei ließen sich insgesamt drei Grauer Jagdelefant, Detail aus dem Hofstaat des Großmoguls. Beschädigungsarten unter‑ Die Figur besteht aus Gold, Email, Silber und Diamanten. An der scheiden. So war zunächst eine unteren Schabracke sind Schadstellen am Emailüberzug zu erkennen. chemische Zersetzung des che‑ misch instabilen Emails zu beobachten. Es handelte sich hierbei um eine klas‑ sische Emailkorrosion, wie sie für europäische durchsichtige Emails des 14. bis 16. Jahrhunderts schon mehrfach beschrieben worden war. Des Weiteren kam es an manchen Stellen zum Abspringen des Emails durch ein Zusam‑ menspiel von chemischer Zersetzung, ungünstigem bruchmechanischen Ver‑ halten des Emails und seinen inhärenten Spannungen. Und schließlich hing der Emailverlust auch mit einer überwiegend mechanischen Beschädigung zusammen, die primär abhängig von gewaltsamen äußeren Einwirkungen und der Trägergeometrie war.
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Mikrorisse in einem blaugrünen Transluzidemail (Aufnahme mit polarisiertem Licht, 50-fache Vergrößerung)
Querschnitt durch einen Emailsplitter, alkali-verarmte Gel schichten korrelieren größtenteils mit Rissbildungen (REM‑Aufnahme).
Juwelierplastiken aus dem Barock 157
Warum aber, so stellte sich die Frage, hatte sich das Email nach Jahrhunderten mit einem Mal von den Juwelierplastiken gelöst? Die chemische Analyse der winzigen abgefallenen Emailsplitter lieferte die Erklärung. Die mit einer Elek‑ tronenstrahlmikrosonde durchgeführte Elementbestimmung zeigte, dass die am stärksten von den Schäden betroffenen grünen und blauen transparenten Emailschichten fast reine Alkalisilikatgläser mit sehr geringen Erdalkaligehal‑ ten waren. Wie aber bereits im vorhergehenden Kapitel beschrieben, werden Alkalisilikatgläser durch Feuchtigkeit in Anwesenheit von Säuren chemisch angegriffen. Die chemische Zersetzung beginnt mit dem Austausch von Alkali‑ ionen (Natrium, Kalium) gegen Protonen in der Glasmatrix. Der Vorgang wird auch als Hydrolyse (hydro – mit Wasser, lyse – lösen) bezeichnet. Das Email, oder besser gesagt, das Glas ändert seine physikochemischen Eigenschaften; durch den Austausch der Metallionen durch Protonen nimmt es verstärkt Wasser auf – es kommt zu einer sogenannten Gelbildung. Dies verursacht innerhalb des Emails Spannungen, die zunächst Risse entstehen lassen und schließlich ein Abplatzen zur Folge haben. Doch woher stammte die Säure, die erst in den letzten 20 Jahren diese Korro‑ sion verursachte? In nicht klimatisierten Museen kann die Luftfeuchtigkeit jahreszeitlich bedingt stark ansteigen. Liegt sie über 70 %, sind empfindliche Gläser selbst in einer ansonsten neutralen Atmosphäre gefährdet. Im Grünen Gewölbe in Dresden allerdings wurde die relative Luftfeuchtigkeit konstant auf 55 % gehalten – und trotzdem waren die Schäden entstanden. Als ent‑ scheidende Schadensursache erwies sich hier im Zusammenhang mit der Luftfeuchtigkeit die Anwesenheit von Essigsäure, weiteren organischen Säuren sowie Formaldehyd in der Vitrinenluft. Als Quelle für diese Schadstoffe konnte in der Vitrine mit dem „Hofstaat des Großmoguls“ eindeutig der historische Holztisch identifiziert werden, auf dem das Exponat stand. Dieser war seit der Neueinrichtung der Ausstellung im Grünen Gewölbe im Jahre 1974 verwendet worden. Neben anderen flüchtigen Verbindungen emittiert Holz üblicherweise organische Säuren! Im historischen Grünen Gewölbe, wo der „Hofstaat des Großmoguls“ ursprüng‑ lich präsentiert wurde, wäre es niemals zu einer derartigen Schädigung ge‑ kommen. Das Objekt stand früher frei im Raum, erst durch die gleichzeitige Abdeckung von empfindlichen Emailpretiosen und dem Säure emittierenden Tisch mit einer luftdichten Vitrine konnte sich im Laufe der Jahre ein „flüch‑ tiger Schadstoffcocktail“ ausbilden, der das Email schädigte!
158 Das Alte über die Zeit retten
Ähnliche Schadensauslöser wie bei dem „Hofstaat des Großmoguls“ und den übrigen Juwelierplastiken aus dem Grünen Gewölbe sind auch bei den be‑ schädigten Exponaten aus anderen Museen zu vermuten. Der Gebrauch von schadstoffemittierenden Materialien für den Vitrinenbau sowie das Bestreben, die Vitrinen und Depotschränke staub- und damit luftdicht zu machen, können zu hohen Schadstoffkonzentrationen in den Vitrinen führen. Im Zusammen‑ wirken von Luftfeuchtigkeit und Schadgasen sind die Ursachen der korrosiven Veränderungen des Emails zu sehen. Wie lassen sich aber nun solcherart beschädigte Juwelierplastiken sanieren und für die Zukunft konservieren? Das innerhalb des Projektes entwickelte Konzept baute auf den Erkenntnissen der Schadensanalyse auf. Eine Festi‑ gung der von den Goldoberflächen abgesprungenen Emailschichten oder der Risse, an denen ein Abplatzen des Materials zu erwarten ist, mit Techniken der Goldschmiedekunst scheidet wegen des labilen Zustands der Exponate aus. Die Wanddicke beträgt nur 0,55 Millimeter: 0,3 Millimeter Gold und 0,25 Millimeter Emailüberzug. Die Emails vertragen infolge der Material‑ umwandlungen, die an den Oberflächen und Risskanten eingetreten sind, keine Erwärmung mehr. Die dabei entstehenden Spannungen würden die Kunstwerke vollends zerstören. Es bleibt daher nur die Fixierung mithilfe von sogenannten Adhäsiven, d. h. Klebemitteln auf der Basis organischer oder gemischt organisch-anorganischer Verbindungen, die zur Anwendung keine Temperaturerhöhung erfordern. Natürlich wurde dieses Konzept nicht sofort an den originalen Kunstwerken, sondern zunächst an verschiedenartig geformten Modell-Emailproben durch‑ geführt. Die verwendeten Emaillegierungen wie auch die aufgeschmolzenen Emails entsprachen aber exakt den analytisch bestimmten Zusammenset‑ zungen der Originale. Durch Thermoschock und mechanische Belastung wurden Rissstrukturen erzeugt, die denen der Kunstwerke ähnlich waren. Umfangreiche Versuchsreihen wurden durchgeführt, und man fand schließlich geeignete Materialkombinationen, die nicht nur sehr gute Hafteigenschaften zeigten, sondern auch ein Eindringen in kaum sichtbare Risse und bei mäßiger Schadstoffbelastung zugleich eine konservierende Wirkung gewährleisteten. Sie basieren auf Mischungen von Silikonverbindungen mit einem Methacrylat harz, das speziell für Restaurierungszwecke entwickelt wurde und den Forde‑ rungen hinsichtlich UV-Beständigkeit und Reversibilität genügt. Da auch die ausgewählten Silikonverbindungen in einigen organischen Lösungsmitteln
Museumsluft – gutes Klima für die Kunst 159
löslich bleiben, kann bei eventuellen späteren Restaurierungen die Festi‑ gung rückgängig gemacht und durch eine andere Maßnahme ersetzt werden. Allerdings dürfte das in absehbarer Zeit nicht erforderlich sein, wenn die empfohlenen Bedingungen in den Vitrinen eingehalten werden: Erschütte‑ rungsfreiheit, Temperatur- und Feuchtigkeitskonstanz und möglichst geringe Schadstoffkonzentrationen in der Vitrinenluft. Unter diesen Voraussetzungen ist zu hoffen, dass der großartige „Hofstaat zu Delhi am Geburtstag des Groß‑ moguls Aureng-Zeb“ und die anderen wertvollen Juwelierplastiken weitere Jahrhunderte überdauern.
Museumsluft – gutes Klima für die Kunst Wie das Beispiel des „Hofstaates zu Delhi“ zeigt, sind Kunstwerke nicht nur außerhalb, sondern auch innerhalb von Museen, Archiven etc. zuweilen un‑ günstigen Umwelteinflüssen ausgesetzt. So können Einbauten bzw. Dekora‑ tionen in Ausstellungsräumen, Aufbewahrungsbehältnisse in Depoträumen oder Ausstellungsvitrinen flüchtige Substanzen (sogenannte VOCs, abgeleitet von Volatile Organic Compounds, also flüchtige organische Verbindungen) freisetzen, die zu irreversiblen Veränderungen an den aufbewahrten oder ausgestellten Objekten führen und diese unter Umständen sogar schädigen.
Historische Ausstellungsvitrinen aus dem Naturkunde museum in Wien
160 Das Alte über die Zeit retten
Als Reaktion darauf werden von Museen und Archiven bei der Neukonzeption von Ausstellungen immer häufiger sogenannte schadstoff- bzw. emissionsfreie Vitrinen bzw. Konstruktions- und Baumaterialien gefordert. Um entsprechende Kenntnisse über das Schädigungspotenzial unterschiedli‑ cher Materialien zu gewinnen, ist es daher notwendig, mögliche Schadstoffe sowohl qualitativ wie auch quantitativ zu erfassen. Derartige Materialcha‑ rakterisierungen werden üblicherweise mit Emissionsprüfkammern oder Emissionsprüfzellen durchgeführt. Diese dienen dazu, unter standardisier‑ baren, weitgehend konstanten Versuchsbedingungen, die durch ein Material in die Luft abgegebenen Substanzen zu bestimmen und Emissionsraten zu ermitteln. Maßgebliche Grundlagen für die Durchführung von Messungen und die Ausgestaltung derartiger Prüfkammern sind in mehreren europäischen Berichten und Normen beschrieben, diese werden nicht nur im musealen Bereich verwendet, sondern auch zur Charakterisierung von Gütern des
Emissionsprüfkammer und Emissionsprüfzelle aus den Beständen der BAM
Museumsluft – gutes Klima für die Kunst 161
alltäglichen Bedarfs, wie beispielsweise von Möbeln, Fußböden, Farben, Druckern und Computern. Die BAM besitzt eine lange Tradition bei der Analyse flüchtiger organischer Verbindungen und ist daher federführend an der Umsetzung bestehender und der Entwicklung neuer analytischer Verfahren beteiligt. Die klimatisierten Kammern und Zellen werden dynamisch betrieben. Dies bedeutet, dass sie mit einer Zu- und Abluftführung zur Gewährleistung einer definierten Luftaustauschrate ausgestattet sind und über mehrere Probenent‑ nahmestutzen für die Luftprobenentnahme verfügen. Für die Luftprobenent‑ nahme – bei dem ersten Schritt der Emissionsmessung – werden verschiedene Probenentnahmerohre an einen dafür vorgesehenen Stutzen angeschlossen. Die Kammern und Zellen sind mit einem Reinstluftversorgungssystem ausgestattet. Aufgrund der unterschiedlichen physikalisch-chemischen Eigen‑ schaften der Verbindungen (man unterscheidet je nach Flüchtigkeitsklasse zwischen leicht flüchtigen, flüchtigen und schwer flüchtigen Verbindungen) werden die zu analysierenden Emittenten über einen konstanten Luftstrom durch Adsorption an verschiedene Adsorbermaterialien angereichert. Neben der Probenentnahme im Labor besteht jedoch auch die Möglichkeit, diese aktive Luftprobenentnahme direkt in den Museen und Archiven durchzu‑ führen oder – im Rahmen eines Monitorings – sogenannte Passivsammler zu verwenden. Diese werden dann an dem zu untersuchenden Ort (eine Vitrine, ein Depotraum) für eine bestimmte Zeit aufgestellt und anschließend analysiert. Einordnung chemischer Verbindungen nach Flüchtigkeit
Kategorie
Beschreibung
Abkürzung
Siedebereich, in °C
Retentionszeit (unpolare GC‑Säule)
1
Sehr flüchtige organische Verbindungen (Very Volatile Organic Compounds)
VVOC
<0 bis < 50–100
< n-Hexan
2
Flüchtige organische Verbindungen (Volatile Organic Compounds)
VOC
50–100 bis 240–260
n-Hexan bis n-Hexadekan
3
Schwer flüchtige organische Verbindungen (Semi Volatile Organic Compounds)
SVOC
240–260 bis 380–400
> n-Hexadekan
4
Überwiegend staubgebunden (particulate organic matter)
POM
> 380
zu SVOC gerechnet
162 Das Alte über die Zeit retten
Verschiedene Probenentnahmesysteme
Luftprobenentnahme vor Ort
Der zweite Schritt der Emissionsmessungen besteht in der Aufarbeitung der Adsorbermaterialien. Eine Möglichkeit stellt die sogenannte thermische De‑ sorption dar, bei der die mit den Analyten angereicherten Adsorber erhitzt, die adsorbierten flüchtigen Verbindungen thermisch desorbiert und in einen Gaschromatografen überführt werden. Die Gaschromatografie (GC) „fraktio niert“ die zu analysierende Mischung in Einzelkomponenten. Die gängige Kenngröße ist die sogenannte Retentionszeit, d. h. die Zeit, die ein bestimm‑ ter Stoff braucht, um nach Aufbringung auf die Gaschromatografiesäule am
Museumsluft – gutes Klima für die Kunst 163
Ende mit einem Detektor erfasst zu werden. Die Substanz taucht dann als „Peak“ nach einer bestimmten Zeit in einem sogenannten Chromatogramm auf. Üblicherweise sind Gaschromatografen in diesem analytischen Bereich mit einem Massenspektrometer (MS) als Detektor ausgestattet, der den Stoff anhand seines charakteristischen Massenspektrums qualitativ analysiert. Hier spricht man dann von einer GC/MS-Kopplung. Es gibt aber auch andere Möglichkeiten der Detektion. Mittels GC/MS erfolgt zunächst die qualitative Bestimmung der flüchtigen organischen Verbindungen. Wie in der Toxikologie ist aber nicht nur die Anwesenheit, sondern auch die Bestimmung der Menge erforderlich, um das Schädigungspotenzial einer Substanz abschätzen zu können. Dafür ist dann im dritten Schritt die quantitative Analyse notwendig. Diese erfolgt mittels sogenannter Referenz- oder Standardmaterialien, die unter exakt definierten Parametern einem ähnlichen Prozedere unterzogen werden wie die unbe‑ kannten Luftproben. Im Chromatogramm ist dann nicht nur die Lage der Peaks, sondern auch deren Fläche, das Integral, entscheidend. Die Fläche erlaubt Rückschlüsse über die Menge der analysierten Substanz; mithilfe von Referenzmessungen kann dieser Menge dann eine exakte Konzentration zugeordnet werden. Wie bereits beschrieben, erfordern unterschiedliche flüchtige organische Ver‑ bindungen speziell abgestimmte Verfahren der Probenentnahme und deren Aufarbeitung. So müssen beispielsweise einige chemische Verbindungen – dazu gehören auch wieder die bereits genannten Säuren oder Formaldehyd – zunächst chemisch derivatisiert, d. h. verändert werden, um dann einem gasoder auch flüssigchromatografischen Verfahren zugeführt werden zu können. Die Interpretation der Daten ist zuweilen noch schwierig. Sind in den Be‑ reichen der Toxikologie oder der Bewertung gesundheitlich schädigender Substanzen der Umwelt klare Richtlinien und Grenzwerte vorgegeben, die nicht überschritten werden dürfen, ist im Falle von Museumsobjekten, die aus einer Fülle verschiedener Materialkombinationen bestehen können und die unterschiedliche Korrosions- oder Alterungsprozesse im Laufe der Zeit erleiden mussten, nicht unbedingt eindeutig abzuschätzen, ob und welche flüchtige Verbindung in welcher Konzentration ein Kunstwerk schädigen kann. Allerdings sind organischen Säuren, wie Ameisen- und Essigsäure, sowie Formaldehyd als eindeutig schädlich identifiziert. Diese sollten im Vitrinen- und Museumsbau zukünftig vermieden werden.
164 Das Alte über die Zeit retten
Tintenfraß Eisengallustinten weisen je nach Herstellungsmethode oder Auswahl der Roh‑ stoffe chemisch variierende Zusammensetzungen auf. Dies bewirkt, je nach entsprechender Aufbewahrung, unterschiedliche Alterungsmechanismen. Diese können von der Verbräunung oder Verfärbung der ehemals schwarzen Tinte bis zu dem stark schädigenden „Tintenfraß“ reichen. Im Besonderen sei auf das Gefährdungspotenzial löslicher Eisen- und Kupferionen als Katalysator für den Zerfall des Schreibträgers (Papier oder Pergament) hingewiesen. Zum Erhalt von einzigartigen Zeichnungen sowie Text- und Notenhandschriften werden umfangreiche Restaurierungsmaßnahmen durchgeführt, deren Wirksamkeit auch mit entsprechenden naturwissenschaftlichen Methoden dokumentiert werden kann.
Achim von Arnim, Studien zu Naturwissenschaften (1798–1800, Goethe- und Schiller-Archiv Weimar). Die Eisengallustinten zeigen unterschiedliche Erhaltungszustände.
Tintenfraß 165
Ein Manuskript, bei dem sich die Veränderung der Tinten meisterlich studieren lässt, sind die „Studien zu Naturwissenschaften“ von Achim von Arnim aus dem Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar. Bei diesem Werk, entstanden zwischen 1798 und 1800, handelt es sich um ein gebundenes Konvolut einer Vorlesungsmitschrift. Da die Niederschrift innerhalb eines vergleichsweise kurzen Zeitraumes entstanden ist und das Autograf immer in dieser ge‑ bundenen Form vorgelegen hat, muss davon ausgegangen werden, dass der unterschiedliche Alterungszustand der Tinten, d. h. deren Farbigkeit, nicht auf differierende Lagerungs- und Alterungsbedingungen, sondern allein auf die unterschiedliche Zusammensetzung der Tinten zurückzuführen ist. Die Messungen mittels Röntgenfluoreszenzanalyse scheinen dies zu bestätigen. So ist es auffällig, dass eher braune Tinten einen hohen Anteil von Kupfer aufweisen. Der negative Einfluss von Kupferverbindungen auf die Haltbarkeit organischer Materialien, d. h. auf Papier oder Pergament, ist in der Restau‑ rierung allgemein bekannt. Man spricht hier auch von Kupferfraß. Auch der offenbar inhibierende Effekt von Zinksalzen lässt sich an den Untersuchungen ablesen. Eisengallustinten mit einem hohen relativen Zinkgehalt erscheinen schwarz und sind in einem guten Zustand. Natürlich lassen sich die Ergebnisse nicht verallgemeinern, sie geben jedoch wichtige Hinweise für die Erstellung von Restaurierungskonzepten.
Repräsentative Röntgenfluoreszenzspektren einer braunen und einer schwarzen Eisengallustinte aus dem Manuskript „Studien zu Naturwissenschaften“. Die braune Tinte enthält deutlich mehr Kupfer, während die schwarze Tinte mehr Zink enthält.
166 Das Alte über die Zeit retten
Jedoch sind es nicht nur die Kupferionen allein, die den Tintenfraß kataly‑ sieren. Viele Eisengallustinten enthalten gar kein Kupfer und dennoch „zer‑ fressen“ sie das Papier. Es sind nicht nur Kupferionen, sondern auch lösliche Eisen(II)ionen (Fe2+-Ionen), die bei der Herstellung zur Tinte nicht „abreagier‑ ten“ und den sogenannten oxidativen Zerfall, d. h. eine Zersetzung, bei dem auch Peroxide als Zwischenprodukte entstehen, verursachen. Im Gegensatz dazu üben Eisen(III)ionen (Fe3+-Ionen) keinen schädigenden Einfluss aus. Weitaus schlimmer ist jedoch die Bildung von Schwefelsäure aus den Rohstof‑ fen der Tinten, die den Schriftträger, d. h. Papier oder Pergament, schädigt. Da Pergament aufgrund seiner Herstellung leicht alkalisch ist, ist Pergament etwas stabiler gegenüber dem säurekatalysierten Zerfall. Allen Restaurierungsmaßnahmen gemein ist somit die Verringerung von schädlichen Metallionen und Schwefelsäure. Es gibt – wie bei vielen anderen restauratorischen Problemen – keine einheitliche Lösung, wie die teils recht kontrovers geführten Diskussionen um das „beste“ Verfahren widerspiegeln. Eine der vielversprechendsten Methoden zur Bekämpfung des Tintenfraßes scheint in der Behandlung der geschädigten Objekte mit einer wässerigen, alkalisch gepufferten Lösung zu liegen, die Calciumhydrogencarbonat und Calciumphytat enthält. Bei diesem Verfahren, dem sogenannten Phytatver‑ fahren, werden wasserlösliche Bestandteile, wie eben die stark schädigende Schwefelsäure, ausgespült und die katalytisch wirksamen Bestandteile, d. h. lösliche Fe2+-Ionen, durch die Phytinsäure inhibiert. Im Rahmen einer Studie wurden unterschiedliche Proben mit einer Calcium‑ hydrogencarbonat/Calciumphytatlösung behandelt. Erste Ergebnisse verdeut‑ lichen, dass sich die chemische Zusammensetzung der Schreibmaterialien in unterschiedlicher Weise ändert. Die wässerige Behandlung der Eisengallus‑ tinten führt zu einer Veränderung der chemischen Zusammensetzung der Materialien. Im Extremfall führt dies zu einer fast völligen Auswaschung von Neben- oder Spurenkomponenten, womit wichtigste Informationen verloren gehen. Aus den Ergebnissen lässt sich zweifelsohne ableiten, dass eine naturwissen‑ schaftliche Analyse zur chemischen Zusammensetzung der Tinten vor einer entsprechenden Restaurierung durchgeführt werden sollte, um den bereits angesprochenen Konflikt zu lösen. Aufgrund der heute existierenden mobilen Gerätetechnik kann das Verfahren vor Ort durchgeführt werden, sodass ein Transport des womöglich sehr fragilen Objekts ausgeschlossen werden kann.
Tintenfraß 167
Relative Änderung des Fingerprint-Wertes und Einfluss der wässerigen Calciumhydrogencarbonat/ Calciumphytatbehandlung
Weiterhin konnte in dieser Studie gezeigt werden, dass nach Behandlung die Verteilung der Restaurierungsreagenzien eng mit der räumlichen Verteilung der Eisengallustinten korreliert. Da Phytinsäure als Komplexierungsmittel für lösliche Fe2+-Ionen Anwendung findet, ist zu erwarten, dass das Element Phosphor bevorzugt im Bereich der Eisengallustinten angereichert wird. Ähnliches gilt für das Element Calcium. Da vor der Entsäuerung im Bereich der Eisengallustinten der niedrigste pH-Wert vorliegt, wird sich hier verstärkt Calciumhydrogencarbonat mit Sulfationen unter Säureeinfluss zu unlöslichem Calciumsulfatdihydrat, d. h. Gips, umsetzen. Doch wie sieht es mit der Konzentration der schädigenden Fe2+-Ionen aus? Hier musste auf eine recht aufwendige Untersuchungsmethode, die sogenannte Röntgenabsorptionsspektroskopie, zurückgegriffen werden, um in situ und zerstörungsfrei das Verhältnis von „guten“ Fe3+- und „schlechten“ Fe2+-Ionen vor und nach der Restaurierung zu ermitteln. Die Tendenz, dass der Fe3+-Anteil zugunsten des Fe2+-Anteils durch die Behand‑ lung erhöht zu sein scheint, lässt sich aus den Untersuchungen zweifelsohne ablesen. Der Effekt ist jedoch nicht auf chemische Umwandlungsprozesse zurückzuführen, die durch die Konservierungsmaßnahme bewirkt werden, sondern durch die Auswaschung löslicher Fe2+-Ionen durch die wässerige Behandlung. Dies konnte wiederum mittels Röntgenfluoreszenzanalyse ge‑ zeigt werden.
168 Das Alte über die Zeit retten
Messungen mittels Röntgenabsorptionsspektroskopie an der Fe-K-Kante. Das Diagramm stellt die durch Analyse der Vorkante gewonnen Anteile der Fe3+-Ionen an der Gesamtmenge des Eisens dar. Vier Messungen wurden an einer unbehandelten Probe, weitere vier Messungen an einer behandelten Probe durchgeführt. Es wird deutlich, dass das Fe+3/FegesVerhältnis durch die Behandlung offenbar zu höheren Werten verschoben wird.
Neben der Behandlung mit wässerigen Medien, mit denen schädigende Ionen ausgewaschen oder komplexiert werden sollen, werden auch andere Methoden eingesetzt, um tintenfraßgeschädigte Manuskripte zusätzlich zu stabilisieren. Bei dem eindrucksvollsten und zugleich umstrittensten Verfahren handelt es sich um das sogenannte „Papierspaltverfahren“, das in den 1960er-Jahren an der Universität Jena entwickelt wurde. Die ursprüngliche Idee dazu geht jedoch auf das Jahr 1901 zurück. Das zu restaurierende Blatt Papier wird in ein spezielles Bad gelegt, damit es aufquillt und Schadstoffe aus dem Papier ausgewaschen werden. Dann werden Vorder- und Rückseite jeweils auf der Basis eines gelatinehaltigen Klebers mit Trägerpapieren beklebt. Das Aufquel‑ len des Papiers erleichtert das Auseinanderziehen und das Blatt wird in zwei Teile gespalten. Nun wird dazwischen ein weiteres, säurefreies und gepuffertes Papier geleimt. Zugesetztes Calciumcarbonat soll als Puffer gegen zukünftig
Tintenfraß 169
entstehende Säuren wirken. Im letzten Schritt werden die Kaschierpapiere in einem Enzymbad samt Gelatinekleber wieder abgelöst. Um den Einfluss dieser Restaurierungsmaßnahme auf die chemische Zu‑ sammensetzung eines Autografs zu untersuchen, wurde ein Objekt mittels Röntgenfluoreszenzanalyse untersucht, welches teilweise gespalten wurde: Es handelt sich um eine Kantate von Johann Sebastian Bach aus den Beständen des Bach-Archivs in Leipzig (BWV 1). Wie zu erwarten, werden die Elemente durch die zunächst wässerige Behandlung unterschiedlich stark ausgewaschen. Die Fingerprint-Werte, d. h. die relativen Konzentrationen der Spuren- und Nebenelemente (in Relation zu Eisen), bleiben jedoch in etwa erhalten. Die Messungen bestätigen den bereits im vorherigen Abschnitt diskutierten Effekt der Restaurierung auf die chemische Zusammensetzung der Eisengallustinten.
Chemische Zusammensetzung der Papiermatrices der Bach-Kantate (BWV 1). 1. Satz, Seite 2 sowie 3. Satz, Seite 3 „gespalten“; 6. Satz, Seite 3 „ungespalten“
170 Das Alte über die Zeit retten
Zusätzlich lässt sich jedoch der Effekt der restauratorischen Behandlung auf das Papier deutlich ablesen. Durch das Wasser wird der Schwefel, d. h. die schädigende Schwefelsäure, ausgewaschen, der Zusatz von Calciumcarbonat als Puffer erhöht deutlich den Calciumanteil. Die beiden hier dargestellten Verfahren zur Bekämpfung des Tintenfraßes stellen nur einige von vielen Möglichkeiten zum Erhalt zahlreicher schriftlicher Erzeugnisse dar. Gerade hier wird jedoch deutlich, wie die naturwissenschaft‑ liche Analyse die Entwicklung neuer restauratorischer Verfahren begleiten und unterstützen muss.
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Literatur 171
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172 Das Alte über die Zeit retten
Oliver Hahn, Olaf Wilke, and Oliver Jann: Characterisation of air quality in museum show cases. Indoor Air, Proceedings, 2005, S. 2269–2272. Oliver Hahn, Olaf Wilke, and Oliver Jann: Indoor air quality in show cases – an attempt to standardise emission measurements. Zeitschrift für Kunsttechno‑ logie und Konservierung, 21. Jahrgang, Heft 2, 2007, S. 275–279. Oliver Hahn, Max Wilke, and Timo Wolff: Influence of aqueous Ca-phytate/ Ca‑hydrogen carbonate treatment on the chemical composition of iron gall inks. Restaurator 29, 2008, S. 155–162.
Echt oder unecht?
Materialwissenschaften als Detektiv Eine wichtige Frage bei der Untersuchung von Kunst- und Kulturgut ist die Frage nach der Authentizität von Kunstwerken. Handelt es sich um einzigartige, bedeutende Originale oder sind es wertlose Fälschungen? Ein spektakuläres Beispiel für die „Materialwissenschaften als De‑ tektiv“ war die Aufdeckung der Fälschung der sogenannten „HitlerTagebücher“. Sie waren in 60 Bänden von der Zeitschrift STERN für 9,34 Millionen DM erworben und am 28. April 1983 mit der Schlagzeile „Hitlers Tagebücher entdeckt“ von dem Hamburger Wochenmagazin zur Veröffentlichung angekündigt worden. Auf Hinweis des Bundes‑ kriminalamtes und im Auftrag des Bundesarchivs hatte die BAM die auf die Jahr 1934, 1941 und 1943 datierten Bände untersucht. Material wissenschaftliche Analysen ergaben, dass Papier und Einband aus „Nachkriegsmaterial“ bestanden, womit der zweifelsfreie materielle Beweis eines Entstehungsdatums der Bücher lange nach Hitlers Tod erbracht war. Die Materialanalysen zeigten nämlich, dass in den „HitlerTagebüchern“ als Heftfäden Polyamidfasern (auch Perlon genannt) ver‑ wendet worden waren, diese Kunststofffasern konnten aber überhaupt erst ab 1953 produziert werden. Die in diesem Kapitel vorgestellten Beispiele zur Frage „Echt oder un‑ echt?“ dokumentieren die Vielfalt der dabei anfallenden Fragestellun‑ gen. Handelt es sich bei den bronzezeitlichen Beilen und fernöstlichen Bronzen wirklich um authentische Objekte? Stammt das Meissner Porzellan tatsächlich aus dem 18. Jahrhundert? Wurde das prominente Selbstporträt Rembrandts von 1643 vom Künstler selbst gemalt? Hat Schubert die 1971 entdeckte Sinfonie wirklich selbst komponiert? Eine chemische Analyse kann eine Fälschung entlarven, wenn der Fälscher auf Materialien zurückgreift, die erst nach dem Entstehungs‑ datum des vermeintlichen Originals Verwendung fanden. Werden für
174 Echt oder unecht?
die Fälschung jedoch Substanzen verwendet, deren zeitgenössischer Gebrauch überliefert ist, oder wird für die Fälschung eines Gemäldes gar eine historische Leinwand übermalt, so ist der Beweis für eine Fäl‑ schung aus materialwissenschaftlicher Sicht praktisch nicht möglich. Zusammenfassend gilt, dass durch „Falsifikation“, d. h. den Nachweis nicht zeitgenössischer Materialien in Kunstwerken, Fälschungen ein‑ deutig erkannt werden können. Eine „Verifikation“ der Echtheit von Kunstwerken ist allein durch Materialanalysen nicht möglich, da auch Fälscher zeitgenössische Materialien verwendet haben können.
Bronzezeitliche Beile und fernöstliche Bronzen 175
Bronzezeitliche Beile und fernöstliche Bronzen Den Auftakt der Aufsätze über die naturwissenschaftliche Entlarvung von Fälschungen bildet die aufsehenerregende Geschichte von Karl Sioli. Dieser besaß gegen Ende des 19. bzw. zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Halle eine Maschinenfabrik, zudem war er Kunstschlosser und ein leidenschaftlicher Altertumssammler. Seine Sammelleidenschaft verführte ihn schließlich zu Fälschungen. Er entlieh von Privatsammlern, aber auch von Museen, echte Stücke, z. B. Bronzebeile, die aus der Bronzezeit datierten. Er fälschte diese, indem er in seiner Werkstatt davon Nachgüsse herstellte. Die gefälschten Stücke gab er gegenüber Museen und Sammlern als echte Stücke aus. Er verlor schließlich sein gesamtes Vermögen und starb 1913. Erst Jahrzehnte nach seinem Tode wurden die Fälschungen entdeckt. Die Bronzen konnten als Fälschungen erkannt werden, weil man inzwischen Kenntnisse über die alten wie auch die neuzeitlichen Materialtechnologien besaß und so in der Lage war, die chemische Zusammensetzung der unter‑ schiedlichen Kupferlegierungen der Objekte einer bestimmten Entstehungszeit zuzuordnen. Das Roh- und Reinkupfer, das zwischen der Stein- und der Kupferzeit in der Natur vorkam und aus reinen Kupfererzen gewonnen werden kann, war wegen seiner niedrigen Härte technisch wenig bedeutend. Um 4000 v. Chr. wurde eine größere Festigkeit und gleichzeitig eine bessere Gießbarkeit erreicht, indem man den Kupferschmelzen arsenhaltige Erze zufügte. Die klassischen Bronzen der Antike sind Kupfer-Zinn-Legierungen, die in größerem Umfang etwa ab 3000 v. Chr. (Bronzezeit) in Erscheinung treten. Kupfer-Zink-Legierungen (Messing) gab es damals noch nicht, denn das me‑ tallische Zink blieb bis zum Mittelalter unbekannt. Ab dem ersten nachchrist‑ lichen Jahrhundert konnte Messing durch die von Plinius und Dioskurides beschriebene Zementation hergestellt werden. Hierbei wird Zinkerz zusam‑ men mit Kupfer und Kohle bei weitgehendem Luftabschluss auf etwa 1000 °C erhitzt. Dadurch entsteht in der Kupferlegierung ein Zinkgehalt von bis zu 30 %. Auch das ähnliche, bereits um 500 v. Chr. zur Herstellung von Messing im südlichen Schwarzmeergebiet erfundene Galmei-Verfahren führt in den Kupfer-Zink-Legierungen zu Zinkgehalten von 15 bis 28 %.
176 Echt oder unecht?
Chemische Zusammensetzung von echten (links) und gefälschten Beilen (rechts) aus der Bronzezeit. Die Beile, die Zink enthalten, können nicht in der Bronzezeit entstanden sein.
Mit dem Wissen über die Kupfer-Legierungen in antiken Bronzen und mithilfe der entsprechenden modernen Analysemethoden, mit denen diese chemisch nachzuweisen sind, gelang es, die Fälschungen von Karl Sioli aufzudecken: Im Gegensatz zu originalen antiken Bronzen enthielten die Stücke Siolis einen erheblichen Anteil von Zink. Damit waren sie eindeutig nicht in der Bronzezeit entstanden.
Datierung fernöstlicher Kunstwerke aus Kupferlegierungen anhand ihres Zink- und Zinngehaltes
Bronzezeitliche Beile und fernöstliche Bronzen 177
Otto Werner von der BAM ging es im Folgenden darum, eine Methode zur Altersbestimmung fernöstlicher Bronzen zu entwickeln. Zu diesem Zweck hatte er 250 bereits datierte Objekte aus Thailand (früher Siam), Indonesien (Java), Myanmar (früher Birma) und Nordindien chemisch analysiert. Die Untersuchungen ergaben, dass bis zum 14./15. Jahrhundert die Bronzen aus Kupfer-Zinn-Legierungen bestanden. In einer Übergangszeit vom 15. bis 17. Jahrhundert ist eine Zunahme des Zinkgehaltes in den Legierungen, ver‑ bunden mit einer drastischen Verminderung der Zinngehaltes, feststellbar. Ab dem 18. Jahrhundert dann ist Messing die vorherrschende Legierung, d. h. Zink hatte Zinn als Legierungsmaterial weitgehend ersetzt.
Buddhakopf aus Thailand (12. Jahrhundert)
178 Echt oder unecht?
Der Bodhisattva-Torso wurde in Berlin zum Verkauf angeboten. Mittels naturwissenschaftlicher Analyse konnte das Stück als Fälschung entlarvt werden.
Torso eines Bodhisattvas aus dem Museum in Bangkok (8. Jahrhundert)
Erreicht der Anteil des Zinks mehr als 30 %, so ist davon auszugehen, dass für die Kupfer-Zink-Legierung metallisches Zink verwendet wurde, das in Indien und China erst im 14. und 15. Jahrhundert gewonnen werden konnte. Denn bei den Kupfer-Zink-Legierungen, die durch die älteren Methoden, die Zementation oder das Galmei-Verfahren, hergestellt wurden, kann ja, wie bereits oben erwähnt, der Zinkgehalt höchstens 30 % betragen. Zink spielt also in kulturhistorischer Hinsicht eine wichtige Rolle und ist der entscheidende Altersindikator für Kupferlegierungen. Durch Grafiken mit Zeitskalen zum Zinn- und Zinkgehalt, wie sie Otto Werner für fernöstli‑ che Bronzen auf der Basis materialwissenschaftlicher chemischer Analysen erstellt hat, lassen sich sowohl Fälschungen als auch der kulturhistorische Wert von Kunstwerken aus Bronze erkennen. Das gilt übrigens auch für die
Meissner Porzellan 179
griechischen und römischen Bronzen aus dem ersten Kapitel. Der „Jüngling von Salamis“ besteht beispielsweise aus nahezu homogener Bronze mit rund 83,5 % Kupfer, 9,4 % Zinn und 6,8 % Blei.
Meissner Porzellan Der Beginn der europäischen Porzellanherstellung ist auf den Alchemisten Johann Friedrich Böttger zurückzuführen. Dieser behauptete zu Beginn des 18. Jahrhunderts, dass er Gold herstellen könne. Als die Kunde zum sächsi‑ schen Kurfürsten August dem Starken drang, ließ dieser Böttger in der Jung‑ fernbastei in Dresden einsperren, damit dieser seine Tätigkeit unter Aufsicht des sächsischen Hofs fortsetzte. Selbstverständlich führten die Experimente Böttgers nicht zum Erfolg, und so war es eine glückliche Fügung, dass sich der erfolglose Goldmacher schließlich von Ehrenfried Walther von Tschirnhaus, einem vielseitigen Wissenschaftler am sächsischen Hof, überzeugen ließ, sich an dessen Versuchen zur Herstel‑ lung von Porzellan zu beteiligen. Tschirnhaus oblag in dieser Zeit zusammen mit dem Freiberger Hüttenspezialisten Gottfried Pabst von Ohain, dem Arzt Dr. Jacob Bartolomäi und dem Kammerrat Dr. Michael Nehmitz die wissen‑ schaftliche und organisatorische Betreuung des Vorhabens. Darüber hinaus arbeiteten auch die Freiberger Hüttenleute Samuel Köhler, David Stöltzel, Johann Georg Schubert und Andreas Hoppe an der Entwicklung des Porzel‑ lans. Es war Gottfried Pabst von Ohain, der Kaolin, ein weißes Tonmineral, als wesentlichen Bestandteil für die Herstellung von weißem Porzellan einführte. Die Experimente führten 1708 zur Erfindung des europäischen Porzellans. Vorausgegangen war 1707 die Erfindung von marmorierten Fliesen und des roten Böttgersteinzeugs, das noch einige Jahrzehnte neben dem Porzellan hergestellt wurde. 1710 patentierte August der Starke als Auftraggeber die Herstellung und versuchte, das Verfahren als Geheimnis zu hüten. So kam es zur Gründung der „Königlich-Polnischen und Kurfürstlich-Sächsischen Porzellan-Manufaktur“ in Meißen auf der Albrechtsburg. Zum Symbol des Porzellans etablierten sich ab 1731 die berühmten gekreuzten blauen Schwerter. Letztendlich bleibt es jedoch ungeklärt, wem die Erfindung des europäischen Porzellans zu verdanken ist – Johann Friedrich Böttger oder Ehrenfried Walther von Tschirnhaus.
180 Echt oder unecht?
Unterschale, Porzellanmanufaktur Meissen, 18. Jahrhundert, goldgefasste Chinoiserie (Privatbesitz)
Detail der Unterschale
Meissner Porzellan 181
Eng verbunden mit der Porzellanmalerei des 18. Jahrhunderts ist Johann Gregorius Höroldt, der mit den von ihm entwickelten Aufglasurfarben den Ruhm des Meissner Porzellans fortführte. Waren es im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts noch Chinoiserien, daneben Landschaften sowie gerahmtes Laub- und Bandelwerk, welche das weiße Gold verzierten, wurden die Motive ab den 1740er-Jahren durch Deutsche Blumen abgelöst. Auch die Erfindung des prominenten Zwiebelmusters datiert aus dieser Zeit. Doch wie kann man Stücke aus der Blüte der Meissner Porzellanmanufaktur, also dem 18. Jahrhundert, von denen des 19. oder 20. Jahrhunderts unterschei‑ den? Der Handel mit originalem Meissner Porzellan aus dem 18. Jahrhundert ist ein gewinnträchtiger Markt, daher kam es schon frühzeitig zu der Anferti‑ gung von Fälschungen. Eine Analyse des Scherbens, also der Porzellanmasse, ist nicht immer möglich, zumal vielen Stücken keine Probe entnommen werden darf. Eine Antwort liefert hier die Zusammensetzung der Porzellanfarben. Da es sich um Aufglasurfarben handelt, die Farben also auf der Glasur liegen und für die Röntgenfluoreszenzanalyse frei zugänglich sind, kann die Un‑ tersuchung der Zusammensetzung problemlos erfolgen. Insbesondere das „Grün“ und das „Gold“ geben Hinweise auf das Entstehungsdatum der Ma‑ lerei. Anhand der beiden beschriebenen Objekte sollen die Möglichkeit der Da‑ tierung anhand der Elementanalyse dargestellt werden. Im 18. Jahrhundert wurden kupferhaltige Komponenten für grüne Färbungen verwendet. Erst seit dem 19. Jahrhundert sind Chrompigmente Bestandteil grüner Aufglasur malereien. Der Vergleich der Untersuchungen an der Unterschale und der Ta‑ batiere verdeutlicht das unterschiedliche Herstellungsdatum. Während für die Unterschale eine Entstehung im 18. Jahrhundert aufgrund der kupferhaltigen Malerei durchaus möglich erscheint, kann die Tabatiere erst im 19. Jahrhundert entstanden sein, sie enthält Chromgrün als Pigment. Die Ergebnisse finden ihre Bestätigung durch die Analyse der Goldauflagen. Hier ist es das Flussmittel für die Goldmalerei, welches das Herstellungsdatum verrät. Handelte es sich im 18. Jahrhundert um bleioxidhaltige Substanzen, wurden ab dem 19. Jahrhundert wismuthaltige Komponenten verwendet. Auch hier war das Ergebnis der Röntgenfluoreszenzanalyse eindeutig – während der Teller das Element Blei in der Goldmalerei offenbarte, wurde im Gold der Tabatiere das Element Wismut bestimmt.
182 Echt oder unecht?
Röntgenfluoreszenz analyse einer Tabatiere, Porzellan manufaktur Meissen
Rembrandts Selbstbildnis 183
Cadmiumgelb und Chromgrün
Dies Beispiel dokumentiert, wie mit einer schnellen Elementanalyse Origi‑ nale des 18. Jahrhunderts von Kopien oder Fälschungen des 19. Jahrhunderts unterschieden werden.
Rembrandts Selbstbildnis Im späten 18. Jahrhundert werden die Bilder Rembrandts zu den hervorragen‑ den Werken der Kunstgeschichte gezählt. So urteilt die „Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie für die gebildeten Stände“ von Brockhaus: „(Sein) Pinsel ist meisterhaft und einzig, von einer Kraft und Wirkung, die kein anderer Maler erreicht hat. Seine Färbung ist eine wahre Magie; er unterschied am besten die zusammenstimmenden und die unverträglichen Farben. Jeden Ton setzte er sofort an seine Stelle mit so viel Richtigkeit und Harmonie, dass er die Farben nicht erst mit Einbuße ihrer frischen Blüte zu mischen brauchte. Daher ist Alles in seinen Bildern von Wärme und sein Hell-Dunkel von un‑ vergleichbarer Wahrheit.“
184 Echt oder unecht?
Rembrandt Harmensz van Rijn (1606–1669), Selbstbildnis im Samtbarett und einem Mantel mit Pelzkragen, 1634 (Gemäldegalerie, SMB)
Rembrandts Selbstbildnis 185
Bei aller Betonung aber des Genies und der Einzigartigkeit des holländischen Meisters weist der Artikel auch auf eine Problematik hin, die bereits im 17. Jahrhundert, u. a. durch Rembrandt selbst, einsetzte und bis heute fortbe‑ steht: die Frage, welches Werk ein Original ist und welches eine Fälschung. „Rembrandts Gemälde wurden bald außerordentlich gesucht. Er zog eine Menge Schüler an, deren Unterricht er sich teuer bezahlen ließ, ihre Werke aber, von ihm nachgebessert, für seine eigenen verkaufte.“ Ist ein Bild, das von einem Schüler des Künstlers gemalt wurde und das der Meister selbst signiert und vielleicht auch korrigiert hat, ein „echter Rembrandt“ oder nicht? Was heißt überhaupt „echt“? Wann ist ein Gemälde eine Fälschung? Und wie lässt sich eine Fälschung nachweisen? Mitte der 1970er-Jahre betrat ein Mann mit einem großen Stahlkoffer das La‑ boratorium „Mikroanalyse von Oberflächen“ der BAM. Aus dem mit grünem Samt ausgeschlagenen Koffer holte er das berühmte Selbstbildnis Rembrandts aus dem Jahr 1634 hervor. Der Mann behauptete, bei dem Bild handele es sich um das tatsächliche Original. Das angeblich echte Selbstporträt, das in der Gemäldegalerie – damals noch in Berlin-Dahlem – hänge, sei eine Fälschung. Als Erklärung für diese Behauptung diente der Umstand, dass Hermann Göring als vermeintlicher Kunstexperte im Zweiten Weltkrieg auf Anordnung Hitlers Kopien von bedeutenden Gemälden hatte anfertigen lassen. Um die Originale vor Bombenangriffen in Sicherheit zu bringen, seien sie heimlich in die Wolfsschanze, die Kommandozentrale Hitlers in Ostpreußen, transportiert worden. Bei Kriegsende, als das Gebiet in polnische Hand überging, hätten sie dann nicht mehr rechtzeitig zurückgebracht werden können. Er selbst sei jetzt auf Wegen, über die er leider Stillschweigen bewahren müsse, in den Besitz jenes berühmten Selbstporträts gekommen. Daraufhin zog er die Expertise eines Kunstsachverständigen aus der Tasche: Es sei davon auszugehen, dass es sich bei dem Gemälde um das Original handele! Nun wollte der Mann mit dem Stahlkoffer in der BAM eine Materialanalyse durchführen lassen, damit der Echtheitsbefund des Kunstexperten naturwissenschaftlich und objektiv bestätigt würde. Doch welchen Beweis konnte eine Materialprüfung in diesem Fall überhaupt erbringen? Eine Altersbestimmung des Bildes war nicht möglich und wäre auch ohne Aussage geblieben. Denn selbst wenn man hätte nachweisen können, dass das Gemälde aus der Zeit Rembrandts stammte, wäre daraus noch lange nicht die zweifelsfreie Schlussfolgerung zu ziehen gewesen, dass
186 Echt oder unecht?
es auch tatsächlich ein Werk Rembrandts war. Immer deutlicher zeichnete sich ab, dass die Echtheit des vorliegenden Bildes nicht zu beweisen war. So stellte sich die Frage, ob man nicht andersherum an das Problem herangehen müsste. Wenn schon nicht eindeutig zu zeigen war, dass es sich bei dem Bild um einen echten Rembrandt handelte, konnte ja vielleicht der Beweis des Gegenteils geführt werden? Also wurde zunächst einmal geklärt, welche Farben und Farbmaterialien die Maler zu Rembrandts Zeiten überhaupt benutzten. Die Farbpalette des 17. Jahrhunderts umfasste im Wesentlichen Eisenoxidpigmente für die Ocker, Braun- und Rottöne. Da es sich um mineralische Vorkommen handelte, sind die Eisenoxidpigmente mit silikathaltigen Verbindungen verunreinigt. Daneben wurde Mangandioxid, Braunstein verwendet. Bei dem vermalten Schwarzpigment handelte es sich um kohlenstoffhaltige Pigmente wie Bein‑ schwarz und Lampenruß; hier geben Verunreinigungen von magnesium, phosphor- und calciumhaltigen Komponenten Hinweise auf den Herstellungs‑ prozess. Bleizinngelb – oder das inzwischen in der Farbpalette Rembrandts nachgewiesene Neapelgelb – wurde für gelbe Farbpartien verwendet. Übliche Blaupigmente waren Azurit oder Lapislazuli, wobei der aus Afghanistan zu importierende Halbedelstein Lapislazuli das deutlich teurere Pigment war und nur für besondere Farbpartien Verwendung fand. Als Weißpigment wurde seit der Antike Bleiweiß benutzt. Neben künstlichen Zubereitungen, wie z. B. Grünspan, wurde das kupferhaltige Mineral Malachit verwendet. Für die Bestimmung der Farben und Farbmaterialien, die für das vorliegen‑ de, vermeintlich echte Selbstbildnis Rembrandts verwendet worden waren, entnahm man von verschiedenen Stellen des Gemäldes mikroskopisch kleine Partikel und führte eine Elementanalyse mittels energiedispersiver Mikro analyse im Rasterelektronenmikroskop durch. Die Untersuchung ergab beim Gelb, Weiß- und wieder einmal Grünpigment Abweichungen zu den für die Rembrandt-Zeit typischen Farbmaterialien. In diesem Zusammenhang sei noch einmal auf die Tabelle zur Pigmenther‑ stellung und gewinnung im Kapitel „Historische Herstellungstechniken von Kunstwerken“ verwiesen. So wurden im Gelb des Gemäldes die Elemente Cadmium und Schwefel analysiert. Dies sprach für die Verwendung von Cadmiumgelb, das in der Malerei allerdings erst ab etwa 1825 benutzt wurde. Das Weiß enthielt neben Calcium und Schwefel, was auf den bereits seit dem Altertum üblichen Gebrauch von Kreide und Gips hindeutete, auch Zink.
Rembrandts Selbstbildnis 187
Zinkweiß aber ist erst auf Bildern des europäischen Raums feststellbar, die ab ca. 1835 entstanden. Ähnlich verhielt es sich mit dem verwendeten Grün. Wieder einmal wurde das Element Chrom nachgewiesen, das in Chromoxid oxid und Chromoxidhydratgrün vorkommt. Doch diese Farben fanden erst seit etwa 1809 bzw. 1850 Verwendung in der Malerei. Mit diesen Ergebnissen konnte eindeutig bewiesen werden, dass es sich nicht um einen originalen Rembrandt, sondern vielmehr um eine Fälschung – oder eine Kopie – handeln musste, die nicht vor dem 19. Jahrhundert entstanden sein konnte. Die Frage „Rembrandt oder nicht?“ stellte sich längst nicht nur im beschriebe‑ nen Fall – nicht immer jedoch konnte sie so wissenschaftlich zweifelsfrei ge‑ klärt werden wie hier. Die Hamburger Kunsthalle und die Kunsthalle Bremen veranstalteten zwischen Oktober 2000 und Januar 2001 zu ebendieser Frage eine gemeinsame Ausstellung mit Gemälden (Hamburg) und Zeichnungen (Bremen) von Rembrandt und seiner Schule. Deutlich wurde dabei, wie sehr
Ausstellungskatalog, Hamburger Kunsthalle
Ausstellungskatalog, Kunsthalle Bremen
188 Echt oder unecht?
die Einschätzung, welche und wie viele der ursprünglich Rembrandt zuge‑ schriebenen Werke tatsächlich von ihm stammen, im Laufe der Geschichte und abhängig von den Untersuchungsmethoden variierte. Während das von Bode zwischen 1897 und 1905 erstellte Werkverzeichnis 595 Gemälde Remb‑ randts erfasste, verzeichnete Rosenberg 1906 nur noch 558, Valentiner 1909 dagegen 606 und Bredius sogar 630 Werke. Im Jahr 1969 hielten 56 Gemälde einer Authentizitätsprüfung von Horst Gerson nicht mehr stand, und seit über zehn Jahren wird auch „Der Mann mit dem Goldhelm“, der in der Gemäldega‑ lerie von Berlin hängt und stets als eines des wichtigsten Werke Rembrandts galt, einem unbekannten Nachfolger zugeschrieben.
Schuberts Sinfonie-Partitur Franz Schubert gehört nicht nur wegen seiner Liedschöpfungen, seiner Klavier- und Kam‑ mermusik zu den bedeutendsten Kompo‑ nisten überhaupt, sondern auch wegen seiner Sinfonien. Die 1816 entstandene „Tragische“ in cMoll und die 1822 komponierte, zweisätzig gebliebe‑ ne „Unvollendete“ in hMoll, die erst posthum 1865 veröffentlicht wurde, sind wohl die beiden be‑ kanntesten. Acht Sinfonien hat Schubert insgesamt geschaffen. (Man spricht zwar von der 9. Sin‑ fonie in CDur, aber die ist eigent‑ lich die 7.) Sie markieren, wie das gesamte Werk des österreichischen Komponisten, trotz ihrer zeitlichen und stilistischen Nähe zur Wiener Klas‑ sik den ersten Höhepunkt romantischer Musik. Franz Schubert (1797–1828), Zeichnung von Leopold Kuppelwieser, 1821
Schuberts Sinfonie-Partitur 189
Die Aufregung in der Musikwelt war daher groß, als 1971, d. h. mehr als 140 Jah‑ re nach Schuberts Tod, in Berlin Notenabschriften von zwölf Orchesterstimmen zu einer bisher unbekannten Sinfonie von Franz Schubert auftauchten. Die Partituren für erste und zweite Geige, für Bratsche, Violoncello, Kontrabass, Klarinette, Flöte, Oboe, Fagott, Horn, Posaune und Pauke waren mit dem Titel „Sinfonia in E di Franz Schubert 1825“ überschrieben. Hatte Schubert also noch eine weitere Sinfonie komponiert? Musikwissenschaftliche Gutachten, die der Finder erstellen ließ, stützten diese Annahme und sahen in den Noten eine auf die Zeit um 1880 bzw. 1890 zu datierende Abschrift des verschollenen Originals. Aus den vorhandenen Orchesterstimmen wurde eine Sinfonie in E-Dur rekonstruiert und im Dezem‑ ber 1982 in Hannover aufgeführt. Dem Tübinger Musikwissenschaftler und Schubert-Experten Walther Dürr allerdings kamen Zweifel an der Urheber‑ schaft. Die Stimmen hätten etwas collagenhaftes, als seien sie aus anderen Werken Schuberts zusammengesetzt. Stilkritische Analysen verstärkten die Zweifel an der Echtheit der Sinfonie. Um in der musikwissenschaftlichen Auseinandersetzung zumindest die Frage zu klären, ob die Stimmpartitu‑ ren überhaupt aus der genannten Zeit vor der Jahrhundertwende stammen konnten, wurde das Papier der gefundenen Notenhefte materialanalytisch untersucht. Obwohl es keine zerstörungsfreie Methode zur Altersbestimmung von Papier gibt, lassen sich aus einer Materialanalyse Rückschlüsse ziehen, wenn das erstmalige Auftreten einzelner Komponenten – z. B. Faserstoffe des Papiers oder Schreibmittel – datierbar ist. Die Untersuchung der Faserstoff‑ zusammensetzung blieb für die Datierung der Notenblätter allerdings ohne Aussage. Es zeigte sich nämlich, dass das zur Abschrift benutzte Papier aus Zellstofffasern bestand, die seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis heute für die Papierherstellung verwendet werden. Die Notenblätter wiesen aber andere interessante Merkmale auf, die sich sehr wohl für eine Datierung eigneten. Die ersten beiden Seiten der Partituren für Klarinette, Horn, Fagott, Oboe, Posaune und Pauke zeigten Charakteristika einer elektrofotografischen Reproduktion. Auf diesen Seiten hatte man die Noten mit einer anderen Tinte nachgezogen. Die übrigen Noten waren mit einer schwarzen Tusche gemalt worden, offenbar von einem Kalligrafen. Auf sämtlichen Blättern ließ sich zudem eine weiße Korrekturmasse erkennen, mit deren Hilfe Nachbesserungen vorgenommen worden waren, die unter UV-Licht fluoreszierten.
190 Echt oder unecht?
Erste Seite der Orchesterstimme für Bratsche
Die Detailuntersuchung dieser Merkmale gab nun Aufschluss über die Datie‑ rung der gefundenen Notenblätter: Aus der Tonerablagerungscharakteristik der reproduzierten Seiten ging hervor, dass ein indirektes elektrofotografisches Kopierverfahren, Xerografie genannt, unter Verwendung eines Trockentoners mit Wärmefixierung angewandt worden war. Das erste xerografische Kopier‑ gerät wurde hierzulande aber nicht vor etwa 1961 in Betrieb genommen. Weiterhin konnte materialanalytisch festgestellt werden, dass die Noten auf den reproduzierten Seiten mit einer Tinte nachgebessert worden waren, die erstmals um 1964 hergestellt wurde. Die ansonsten für die Partituren verwen‑ dete Tusche datierte ein Schriftsachverständiger auf die Zeit ab 1960.
Literatur 191
Bei der Analyse der weißen Korrekturmasse wurden Pigmente und Bindemittel gefunden, die ab etwa Mitte der 1930er-Jahre verfügbar und in dieser Zusam‑ menstellung als Korrekturmasse seit 1970 handelsüblich waren. Zuletzt erwies sich noch die Fluoreszenz der Papiere unter UV-Licht als aussagekräftig. Sie zeigte nämlich, dass optische Aufheller benutzt worden waren, die wiederum erst in den 1950er-Jahren verbreitete Anwendung fanden. Die Materialanalyse der Notenblätter erbrachte also den Beweis, dass die Ab‑ schriften der angeblichen Schubert-Sinfonie nicht, wie behauptet, Ende des 19., sondern frühestens in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts entstanden sein können. Die Verwendung der weißen Korrekturmasse legt sogar eine Datierung ab etwa 1970 nahe. Angesichts der Ergebnisse der Papieranalysen sowie weiterer musikwissenschaftlicher Untersuchungen des Notenmaterials hat inzwischen auch der Finder der Partituren seine Einschätzung über die EDur-Sinfonie revidiert: Offensichtlich handelt es sich um ein Potpourri aus bekannten Schubert-Werken.
Literatur Otto Werner: Über das Vorkommen von Zink in antiken und mittelalterlichen Kupferlegierungen. In: Baessler-Archiv, Neue Folge, Bd. XVI, 1968. Julian Henderson: The science and archaeology of materials. Routledge, Lon‑ don 2000. Otto Werner: Spektralanalytische und metallurgische Untersuchungen an indischen Bronzen. E. J. Brill Verlag, Leiden 1972. Harald Hantsche: Fälschung oder Original? Ungewöhnliche Prüfaktivitäten in der BAM. In: BAM-Information, Nr. 10/1985. Otto Walcha: Meissner Porzellan. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Dres‑ den: Verlag der Kunst, 1986, 8. Aufl. Meißener Porzellan. http://de.wikipedia.org/wiki/Mei%C3%9Fener_Porzellan. Diethard Lübke: Meißener Goldmalerei zur Zeit von Höroldt. Keramos, 189/190, 2005, S. 95–110. Josef Riederer: Kunstwerke chemisch betrachtet. Materialien, Analysen, Alters bestimmung. Springer Verlag, Berlin 1981.
192 Echt oder unecht?
Ausstellungskataloge: Rembrandt, oder nicht? Hamburger Kunsthalle. Die Gemälde und Rembrandt, oder nicht? Kunsthalle Bremen. Die Zeichnungen. Beide: Hatje Cautz Verlag, Ostfildern-Ruit 2000. Werner Franke und Werner Griebenow: Schuberts 10. Sinfonie. Untersuchung auf Echtheit. In: BAM-Jahresbericht 1985.
Technisches Glossar
Die naturwissenschaftlichen Methoden, die zur Materialanalyse von kulturhistorischen Objekten eingesetzt werden, sind vielfältig. All‑ gemein gilt, dass Objekt und Fragestellung die Auswahl der Methode bestimmen. Das mag trivial klingen, ist aber unter Umständen nicht einfach. Gene‑ rell gibt man bei der Untersuchung von fragilen und kostbaren Objekten zerstörungsfreien und mobilen Methoden den Vorzug. Allerdings muss konstatiert werden, dass mit zerstörungsfreien Methoden nicht alle Fragen beantwortet werden können. Manchmal ist es daher erfolgreicher, dem Objekt eine kleine repräsen‑ tative Probe zu entnehmen, welche dann unterschiedlichen Untersu‑ chungsverfahren unterworfen wird. Bei manchen Objekten verbietet sich jedoch generell eine Probenentnahme. Das Glossar erhebt selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollstän‑ digkeit. Hier sind nicht alle Methoden aufgeführt, die bei der Unter‑ suchung von Kunst- und Kulturgut eingesetzt werden. Vielmehr ist hier eine Auswahl wiedergegeben, die in der BAM Bundesanstalt für Materialforschung und prüfung grundsätzlich vorhanden ist und in den Studien, die in den vorangegangenen Essays beschriebenen wurden, zur Anwendung kam.
194 Technisches Glossar
Computertomografie Da Röntgenstrahlen im Allgemeinen Materie zu durchdringen vermögen, wird die Röntgentomo‑ grafie nicht nur für den medizinischen Bereich, sondern auch für die Untersuchung von Kunstund Kulturgut verwendet. Das Prinzip der Rönt‑ gentomografie, das bereits von Wilhelm Conrad Röntgen im Jahre 1895 entdeckt wurde, beruht darauf, dass Materialien die Röntgenstrahlen in unterschiedlicher Weise abschwächen. Da Röntgenstrahlen fotografische Filme schwärzen, kann der Effekt zu einer Bilderzeugung genutzt werden. Die Absorption der Röntgenstrahlung ist abhän‑ gig von der Schichtdicke des zu untersuchenden Materials, sie ändert sich linear mit der Dichte und sie steigt proportional zur dritten Potenz der Ordnungszahl des durchstrahlten Elements. Durchstrahlte Bereiche mit hoher Dichte und Ordnungszahl erscheinen in der Aufnahme da‑ her hell, andere Bereiche eher dunkel. Das entstehende Röntgenbild ist jedoch ein sogenanntes Summationsbild. Alle Strukturen, die in irgendeiner Weise die Röntgenstrahlen absorbieren bzw. abschwächen, werden auf ei‑ ner Ebene abgebildet. Dadurch entsteht unter Umständen eine Verzerrung der untersuchten Struktur, filmferne Partien werden vergrößert dargestellt. Weiterhin ist die Unterscheidung, ob die im Röntgenbild sichtbare Schwächung durch ein Material höherer Absorption oder durch eine größere Schichtdicke hervorgerufen wurde, gegebenenfalls nicht möglich. Um eine röntgentomografische Untersuchung von drei‑ dimensionalen Objekten korrekt zu bewerten,
Prinzip der Computertomografie
sollten derartige Summationsbilder aus zwei verschiedenen Aufnahmerichtungen aufgenom‑ men werden. Die Weiterentwicklung dieses Verfahrens ist die Computertomografie. Dieses Verfahren stützt sich auf die computerbasierte Auswertung einer Vielzahl von Röntgenaufnahmen eines Objekts,
Messaufbau für die Computertomografie, links ist der Strahler, rechts ist der Detektor zu erkennen.
Endoskopie 195
die aus verschiedenen Richtungen aufgenom‑ men werden. Während der Durchstrahlung wird das Untersuchungsobjekt gedreht. Anstelle von röntgenempfindlichen Filmen misst ein Detektor die vom Objekt geschwächte Röntgenstrahlung für jeden Winkelbereich. Aus diesen Messwerten wird die Dichte für jeden durchstrahlten Punkt des Körpers errechnet. Aus den Daten wird dann die dreidimensionale Struktur des Objektes rekonstruiert, dieser Vor‑ gang wird auch als Rückprojektion bezeichnet.
entwickelt, dementsprechend wird sie heute auch im Wesentlichen für minimal-invasive operative Eingriffe an Mensch und Tier einge‑ setzt. Eine weitere Anwendung besteht jedoch in der Untersuchung von schwer zugänglichen Hohlräumen bei industriellen Anwendungen und im Bereich der Baudenkmalpflege und Bau‑ werkserhaltung.
Prinzipskizze zur Endoskopie Tomografisches Schnittbild durch eine Bronzestatue
Aus dem dreidimensionalen Datensatz kann das Objekt anhand von Schnittbildern für den Betrachter dargestellt werden.
Endoskopie Mit einem Endoskop ist es möglich, innere Hohl‑ räume zu betrachten. Dies bezieht sich sowohl auf das Innere von lebenden Organismen als auch auf Hohlräume in unterschiedlichen Werk‑ stoffen. Ursprünglich wurde die Technologie für die Diagnosen im humanmedizinischen Bereich
Ein Endoskopsystem besteht generell aus drei Bauteilen: einer Lichtquelle, einer Abbildungs‑ optik zur Bilderfassung und einer Darstellungs‑ einheit. Diese wird in neueren Systemen mit Videokameras bzw. einem hochauflösenden CCD-Chip realisiert. Als Lichtquellen werden Xenonlampen, Halogenlampen und immer häufi‑ ger Leuchtdioden (sogenannte LEDs) verwendet. Die Xenonlampen sind zwar leistungsstärker, die Leuchtdioden eröffnen jedoch einen mobileren Einsatz. Dies ist im Bereich der Baudenkmal pflege mehr und mehr von Interesse. Bei Fiberskopen wird das Bild über Faserbündel zur Darstellungseinheit übertragen, daher sind diese flexibel und können in vielen Anwen‑
196 Technisches Glossar
dungsbereichen eingesetzt werden. Ein separa‑ tes Faserbündel (Glasfaser) überträgt das Licht von der Lichtquelle zur Inspektionsstelle. Im Gegensatz dazu sind Boreskope starr, da hier ein optisches Linsensystem die Bildinformationen des zu untersuchenden Objektes bzw. Raumes durch das Innere des Endoskopschaftes an das Okular weiterleitet. Vorteile sind die einfache Handhabung und die sehr gute Bildqualität. Durch die Miniaturisierung der entsprechenden Bauteile ist auch im Bereich der Endoskopie die Entwicklung stark vorangeschritten. Inzwi‑ schen sind kleine Durchmesser bis 0,64 mm einsetzbar.
Messaufbau für die Endoskopie
Infrarotspektroskopie Die Infrarotspektroskopie ist ein übliches Verfah‑ ren für die chemische Analyse von organischen Materialien. Im Unterschied zu Untersuchungs‑ methoden zur elementspezifischen Charakteri‑ sierung nutzt man bei der Infrarotspektroskopie die Wirkung der elektromagnetischen Strahlung
auf Atombindungen aus. Durchstrahlt Infrarot‑ licht eine Probe, so kann diese durch Absorption in spezifischer Weise abgeschwächt werden. Diese Absorption beruht auf der Übertragung der Strahlungsenergie auf Atombindungen, die dann in Schwingungs- bzw. Rotationsenergie umgesetzt wird. Da die dazu notwendigen Ener‑ gien bzw. Frequenzen charakteristisch für die jeweiligen Bindungen sind, können damit Ma‑ terialien identifiziert werden. In diesem Glossar soll lediglich auf die Grund‑ lagen der Infrarotspektroskopie eingegangen werden. Für die Erklärung spezieller Techniken, wie die der sogenannten Fouriertransform-Infra rotspektroskopie, sei auf die entsprechende Literatur am Ende des Buches verwiesen. Eine entsprechende Wechselwirkung zwischen der elektromagnetischen Strahlung und dem Molekül kann nur dann auftreten, wenn im Molekül bewegte elektrische Ladung zur Verfü‑ gung steht. Das ist immer dann der Fall, wenn das Molekül entweder ein veränderbares oder ein induzierbares Dipolmoment aufweist. Die Verbindung wird dann als IR-aktiv bezeichnet. Die Vorgänge, die bei der Infrarotspektrosko‑ pie eine Rolle spielen, lassen sich am besten durch ein einfaches Modell aus der Mechanik beschreiben. Es wird zunächst ein einfaches lineares Molekül, ein permanenter elektrischer Dipol, beispiels‑ weise Chlorwasserstoff (HCl), betrachtet. Der Dipol besteht aus zwei Atomen, einem positiv geladenen Teil Wasserstoff und einem negativ geladenen Teil Chlor. Die Bindung zwischen den beiden Atomen kann als Feder aufgefasst werden.
Infrarotspektroskopie 197
Zwischen den Atomen und ihren Nachbarn be‑ stehen sowohl anziehende wie abstoßende Wech‑ selwirkungen. Im Ruhezustand nehmen die beiden Atome daher einen bestimmten Gleich‑ gewichtsabstand ein. Wird die Bindung zwi‑ schen den beiden Atomen gedehnt, entsteht eine rücktreibende Kraft K, die durch das Hooke’sche Federgesetz beschrieben wird: K = −k ⋅ ∆x k ist sogenannte Federkonstante, ∆x beschreibt die Auslenkung. Da die Kraft der Ausdehnung entgegengesetzt ist, tritt ein negatives Vorzei‑ chen auf. Bringt man nun ein solches Molekül in ein gerichtetes elektrisches Feld, wird sich das Mo‑ lekül mit seinem Dipolmoment entlang des elek‑ trischen Feldes ausrichten und seinen Bindungs‑ abstand vergrößern. Ändert sich das elektrische Feld durch Anlegen einer Wechselspannung, fangen die am Ende der Bindung hängenden Atome an zu schwingen. Die potentielle Energie Epot des Systems lässt sich durch das Modell des sogenannten harmo‑ nischen Oszillator beschreiben: Epot=
1 2
k ⋅ (∆x )
2
Durch den quadratischen Term (∆x)2 hat diese Potentialfunktion die Form einer Parabel. Das einfache mechanische Modell erläutert je‑ doch nicht, warum nur bei bestimmten Energien eine Anregung zur Schwingung oder Rotation eintritt, warum auch Moleküle ohne ein perma‑ nentes Dipolmoment Infrarotlicht absorbieren bzw. angeregt werden können und warum Mole
Quantenmechanische Beschreibung der Infrarot spektroskopie durch das Modells des anharmonischen Oszillators. Durch Anregung des Moleküls mit der passenden elektromagnetischen Strahlung wird das Molekül aus seinem Grundzustand in den ersten angeregten Schwingungszustand angehoben.
küle bei Einstrahlung genügend hoher Energie dissoziieren. Ein weiterführendes Modell zur Beschreibung der Vorgänge ist daher das sogenannte quan‑ tenmechanische Modell. Hier basiert die Be‑ schreibung auf der Grundlage des anharmoni‑ schen Oszillators, dessen Potentialkurve einen asymmetrischen Verlauf aufweist. Quantenme‑ chanisch betrachtet besitzt jede Atombindung spezifische Energieniveaus der Schwingung bzw. Rotation, sodass zur Anregung dieser Atom‑ bindung eine charakteristische Energieportion, ein „Energiequant“ notwendig ist. Wird jetzt das Molekül mit elektromagnetischer Strah‑ lung angeregt, kann das Molekül anfangen zu schwingen, wenn die Energie ausreicht, es aus seinem Grundzustand in den sogenannten ers‑ ten angeregten Schwingungszustand zu heben.
198 Technisches Glossar
Als Ergebnis einer Messung erhält man ein sogenanntes IR-Spektrum, in dem sogenannte Peaks bei diskreten Energien die Absorption des eingestrahlten Lichtes und damit die Anwesen‑ heit von bestimmten Atombindungen aufzeigen. In anorganischen und organischen Substanzen treten bei Absorption von Strahlung aus dem infraroten Bereich mechanische Schwingungen auf. Diese können in drei Gruppen unterteilt werden. Es handelt sich um Schwingungen ent‑ lang der Bindungsachse zweier Atome oder Mo‑ lekülteile durch eine Dehnung oder Stauchung der Bindung, diese werden als Valenzschwin‑ gungen bezeichnet. Schwingungen unter der Deformation des Bindungswinkels sind Biegeoder Beugeschwingungen. Darüber hinaus tre‑ ten Deformationsschwingungen außerhalb der Ebene auf, sogenannte Dreh- oder Kippschwin‑ gungen. Diese Schwingungen erfolgen unter der Deformation des Bindungswinkels senkrecht zur Bindungsebene.
Typisches Infrarotspektrum eines Bindemittels – dargestellt ist der Fingerprintbereich von Mohnöl.
Für die Analyse organischer und anorganischer Substanzen nutzt man üblicherweise den Be‑ reich des mittleren Infrarotlichts. Die erhaltenen Spektren umfassen den Bereich von 4000 cm–1 bis 400 cm–1. Oftmals ist es nicht mehr möglich, bei der Vielzahl unterschiedlicher Schwingun‑ gen einzelne Peaks bestimmten funktionellen Gruppen zuzuordnen. Stattdessen entsteht ein charakteristisches Muster, anhand dessen eine Molekülsorte durch Vergleich mit einem Refe‑ renzspektrum identifiziert werden kann. Ver‑ einfacht spricht man hier vom sogenannten Fingerprintbereich. Zur Bestimmung eines Infrarotspektrums wird dem Objekt in der Regel eine Probe entnommen; diese wird in ein geeignetes Trägermaterial ein‑ gebettet. Für Messungen im Bereich des mittle‑ ren Infrarotlichts ist dies Kaliumbromid, da das Salz hier keinen Einfluss auf die Infrarotspek‑ tren zeigt. Das trockene Kaliumbromid-Pulver wird mit einem kleinen Anteil der zermahlenen Probensubstanz vermengt und anschließend unter hohem Druck gepresst. Der entstandene Pressling wird dann im Strahlengang platziert und in Transmission gemessen. Der Gebrauch von Diamantzellen, zwischen denen die Probe eingespannt wird, führt zu einer minimal inva‑ siven Probenentnahme. Eine andere Methode, die ohne Probenentnah‑ me auskommt, ist die externe Reflexion der IR-Strahlung an einer glatten Oberfläche. Dazu wird beispielsweise ein Lichtleiter direkt auf das Objekt aufgesetzt. Ein Nachteil der Methode ist, dass sich die Refle‑ xionsspektren stark von Transmissionsspektren unterscheiden. Diese müssen aufwendig mittels
Mikrowellenmessung 199
Mikrowellenmessung
Infrarotspektrometer am Synchrotron. Aufgrund der hohen Intensität des Strahls wird in Reflexion gemessen und nicht in Transmission.
entsprechender Transformationen ineinander umgerechnet werden, was nicht immer möglich ist. Soll berührungsfrei, d. h. ohne direkt aufzuset‑ zende Lichtleiter gearbeitet werden, sind die Strahlungsquellen der handelsüblichen Spektro‑ meter nicht immer ausreichend, sodass bei Pro‑ ben mit rauen Oberflächen ein Großteil der infra roten Strahlung durch diffuse Reflexion nicht detektiert werden kann. Als Anregungsquelle für infrarote Strahlung mit hoher Intensität und Brillianz kann daher besser Synchrotronlicht genutzt werden.
Die Bestimmung der Feuchtigkeitsverteilung im Inneren von nur einseitig zugänglichen Bau‑ teilen mit zerstörungsfreien oder zerstörungs armen Messmethoden ist noch immer eine He‑ rausforderung. Üblicherweise entnimmt man dem Mauerwerk eine Probe durch eine Bohrkernentnahme, die dann im Labor untersucht werden kann. Durch die Bohrkernentnahme kommt es jedoch zu größeren Störungen im Gefüge des Bauwerks. Außerdem ist es nicht möglich, die zeitliche Veränderung der Feuchtigkeitsentwicklung in‑ nerhalb einer Wand zu beobachten, da eine derartige Probenentnahme nicht beliebig häufig wiederholt werden kann. Neben weiteren Verfahren wurde an der BAM daher ein Mikrowellenverfahren entwickelt, mit dem der Feuchtigkeitsgehalt in einem Mauer werk zwischen zwei Bohrlöchern bis in 1,2 m Tiefe gemessen werden kann. An einer einmal eingerichteten Messstelle sind Wiederholungs‑ messungen problemlos möglich. Mikrowellen sind elektromagnetische Wellen, im Frequenzbe‑ reich zwischen etwa 300 MHz und 300 GHz, zur Feuchtemessung werden Frequenzen zwischen 1 und 10 GHz eingesetzt. Das Prinzip der Mikrowellenmessung beruht auf der Wechselwirkung des Wassermoleküls mit einem elektromagnetischen Wechselfeld. Durch die Anregung der Wassermoleküle bei einer bestimmten Frequenz entziehen die Was‑ sermoleküle dem umgebenden Strahlungsfeld Energie und wandeln sie in Wärmeenergie um. Das Phänomen macht man sich auch bei Mikro‑
200 Technisches Glossar
wellenherden zunutze. Aufgrund der sogenann‑ ten spektralen Breite dieses Übergangs tritt bei einer Frequenz zwischen 1 und 10 GHz bereits eine hohe Absorption der Mikrowellenenergie ein. Diese Absorption ist proportional zum Vo‑ lumenanteil des eingelagerten Wassers, welches sich im Strahlengang befindet.
Sie müssen klein im Querschnitt sein und senk‑ recht zur Bewegungsrichtung der Sonde ab‑ strahlen. Während der Messung werden die Antennen gleichmäßig in das zu untersuchende Mauer‑ werk bewegt. An vorher festgelegten Haltepunk‑ ten wird eine Absorptions- bzw. Dämpfungsmes‑ sung bei geeigneten Frequenzen vorgenommen. Die Erfassung der Daten und die Auswertung erfolgt rechnergesteuert. Vor einer Messung muss der gesamte Messaufbau mit einem ge‑ eigneten Dämpfungsglied, dessen Absorptions‑ eigenschaften bekannt sind, kalibriert werden. Zusätzlich muss bei der Versuchsdurchführung die jeweilige Temperatur der Messposition be‑ stimmt werden, da die Dielektrizitätszahl und
Anordnung der Antennen im zu untersuchenden Bauteil
Aus verschiedenen physikalischen Gründen hat es sich als günstig erwiesen, die Feuchtig‑ keitsmessung im sogenannten Transmissions verfahren durchzuführen. Dazu werden zwei Antennen, eine Sendeantenne und eine Emp‑ fangsantenne, in das Volumen, in dem die Feuch‑ tigkeit bestimmt werden soll, parallel zueinander in das Mauerwerk eingebracht. Aufgrund der Forderung nach einer möglichst zerstörungs‑ armen Prüfung des Bauteils und der Messung der Transmission in ca. 1 m Tiefe ergeben sich spezielle Auswahlkriterien an die Antennen.
Sogenanntes „Feuchtefeld“, Abhängigkeit der Feuchtigkeit von der Bohrlochtiefe und der Höhe
Porosimetrie 201
damit das Absorptionsverhalten des Wassers temperaturabhängig sind.
Porosimetrie Die Porengrößenverteilung ist ein wichtiger Pa‑ rameter, der insbesondere bei der Konservierung von Stein von Bedeutung ist. Die gebräuchlichste Methode zur Bestimmung der Porenverteilung in Festkörpern ist die soge‑ nannte Quecksilber-Porosimetrie. Die Methode erlaubt die Bestimmung von Mesoporen und Makroporen, d. h. einen Porengrößenbereich von etwa 0,4 mm bis zu 4 nm. Die Verteilung wird bestimmt durch Messung des Volumens an Quecksilber, das unter Druck in die Poren gelangt. Für die Messung der Porengrößenverteilung wird unter zunehmendem Druck (bis max. 4000 bar) Quecksilber in immer kleinere Poren der Probe gepresst. Das Messprinzip beruht darauf, dass das nicht benetzende Quecksilber nicht freiwillig in die Poren fließt, sondern nur die Porenräume füllt, für die der anliegende Druck größer als die Zugkraft des Oberflächenmeniskus ist (siehe nachfolgende Gleichung). P=
2 s cos Θ r
s = Oberflächenspannung des Quecksilbers (0,48 N m–1), Q = Randwinkel (140°) Aus der Gleichung folgt die physikalische Be‑ ziehung zwischen dem Porenradius r und dem Druck P, der notwendig ist, um den Porenraum mit Quecksilber zu füllen. Je kleiner die Poren
Prinzip des Quecksilberporosimeters. Zu Beginn der Messung wird die Probe evakuiert. Danach wird die Apparatur mit Quecksilber gefüllt. Dieses benetzt die Poren zunächst nicht; erst wenn der Druck schrittweise erhöht wird, werden zunächst die größeren Poren, dann die kleineren Poren benetzt. (Fraunhofer IBP)
sind, umso stärker ist die Quecksilberoberfläche gekrümmt und umso mehr Druck ist nötig. Der aufgewendete Druck ist demnach umge‑ kehrt proportional zu der Größe (dem Radius) der entsprechenden Poren. Aus der Menge des eingebrachten Quecksilbers kann auf die Menge der entsprechenden Poren zurück geschlossen werden.
202 Technisches Glossar
Porenradienverteilung in einem Sandstein. Abszisse: Porenradius in logarithmischer Form; Ordinate links: integrales Quecksilbervolumen bezogen auf die Probenmasse (durchgehende Linie); Ordinate rechts: in die Probe eingebrachtes Quecksilbervolumen bezogen auf das insgesamt eingebrachte Quecksilbervolumen (Balkendiagramm) [Machill et al., S. 316]
Rasterelektronenmikroskopie Rasterelektronenmikroskopische Verfahren (REM) erlauben die Untersuchung von Proben bei hoher Vergrößerung. Mit der Rasterelektro‑ nenmikroskopie können morphologische und elementspezifische Besonderheiten unterschied‑ lichster Probenmaterialien in Phasengrößen vom Millimeter- bis Mikrometerbereich charakteri‑ siert werden. Neben der Abbildung von Ober‑ flächen kann auch deren elementspezifische Zusammensetzung durch die Ausrüstung mit einem energiedispersiven Röntgenspektrometer bestimmt werden. Bei der Untersuchung wird ein Elektronenstrahl in einem bestimmten Muster über das vergrö‑
Probenkammer im Rasterelektronenmikroskop
ßert abzubildende Objekt geführt – gerastert –, daher der Name Rasterelektronenmikroskopie. Die Wechselwirkungen der Elektronen mit dem Objekt werden dazu genutzt, ein Bild des Objekts zu erzeugen. Die mit einem Rasterelektronenmi‑ kroskop erzeugten Bilder sind Abbildungen der Objektoberflächen und weisen eine hohe Schär‑ fentiefe auf. Der maximale theoretische Vergrö‑ ßerungsfaktor liegt etwa bei ca. 1 000 000 : 1. Bei der Rasterelektronenmikroskopie macht man sich im Wesentlichen zwei Effekte zunutze. Der erste Effekt umfasst die von den Primärelektro‑ nen des Strahls in Wechselwirkung mit den Ato‑ men des zu untersuchenden Objekts erzeugten Sekundärelektronen. Aufgrund ihrer niedrigen Energie stammen sie aus den obersten Schichten der Oberfläche und bilden somit die Topografie des Objektes ab. Die Flächen, die zum Detektor geneigt sind, erscheinen heller als Flächen, die vom Detektor abgewandt sind. Daneben gibt es weitere Kontrastmechanismen, wie Kanten kontrast, Aufladungskontrast, Abschattungs‑ kontrast etc. Allgemein entsteht der Eindruck,
Rasterelektronenmikroskopie 203
als würde man das Objekt von oben betrachten, während es aus der Richtung des Detektors beleuchtet wird. Das Volumen, in dem Sekundär‑ elektronen entstehen, ist vergleichsweise klein – daher erlauben Sekundärelektronen-Bilder eine sehr hohe Auflösung von wenigen nm. Ein weiteres häufig genutztes Abbildungsver‑ fahren ist die Detektion von zurückgestreuten Elektronen. Diese vom Objekt reflektierten Pri‑ märelektronen haben eine typische Energie von einigen keV. Die Intensität des Signals ist in erster Linie von der Ordnungszahl des Materials abhängig. Schwere Elemente sorgen für eine starke Rückstreuung, sodass entsprechende Bereiche hell erscheinen. Bereiche mit leichte‑ ren Elementen erscheinen hingegen dunkler. Das Bild der zurückgestreuten Elektronen wird daher auch als Materialkontrastbild bezeichnet und ermöglicht Rückschlüsse auf die chemische Natur des Objektmaterials bzw. die Verteilung verschiedener Materialien im Bild. Bei der In‑ terpretation von Materialkontrastbildern ist zu beachten, dass beide Effekte sich beeinflussen können.
Schematische Darstellung der Vorgänge, die durch Einstrahlung von Elektronen auf ein Material ablaufen
Wie bei einer Röntgenröhre entsteht beim Auf‑ treffen von Elektronen auf Atome charakteristi‑ sche Röntgenstrahlung. Diese Röntgenstrahlung entsteht, wenn ein Elektron des Elektronen‑ strahls im Atom der Probe ein kernnahes Elek‑ tron aus seiner Position schlägt (vergl. hierzu den Abschnitt „Röntgenfluoreszenzanalyse“ in diesem Kapitel). Die Lücke wird sofort von einem energiereicheren Elektron aus einem höheren Orbital aufgefüllt. Die Energiedifferenz wird in Form eines Röntgenquants frei. Die dadurch entstandene Röntgenstrahlung ist charakte‑ ristisch für den Übergang und das Atom, also das Element. Mit geeigneten Detektoren wird die entstehende Röntgenstrahlung detektiert. Üblicherweise sind Rasterelektronenmikrosko‑ pe mit „energiedispersiven“ Röntgenstrahlde‑ tektoren („Energy Dispersive X-ray Analysis“, EDX) ausgestattet. Mittels EDX kann somit auf die Elementzusammensetzung von kleinsten Probenbereichen geschlossen werden. Im klassischen Rasterelektronenmikroskop (REM) erfolgen die Untersuchungen im Hoch‑ vakuum. Bei wasserhaltigen Phasenzusammen‑ setzungen oder feuchtem Probenmaterial verur‑ sacht die dafür erforderliche Druckabsenkung im Mikroskop daher durch den Feuchtigkeitsent‑ zug häufig Veränderungen im Probenmaterial bereits vor dem eigentlichen Untersuchungs‑ programm. Diese werden oft als solche nicht erkannt und die beobachteten Effekte falsch interpretiert. Zudem muss für die Probenpräpa‑ ration die Probenoberfläche mit einem leitenden Material bedampft werden, damit sich diese durch den Elektronenbeschuss nicht zu sehr auflädt. Üblicherweise verwendet man dafür
204 Technisches Glossar
Aufnahme eines historischen Pergaments mittels Environmental Scanning Electron Microscopy. Während im rechten Bereich einzelne Kollagenfasern des Pergaments sichtbar werden, zeigt der linke Teil der Abbildung einen mineralischen Belag. Die zusätzliche EDX-Analyse bestätigt die Befunde: Während im rechten Bereich praktisch nur organische Materialien nachgewie sen wurden, enthält der mineralische Belag offensicht lich Calcit (CaCO3) und Quarz (SiO2) [Rabin et al., S. 129].
Kohlestoff (Grafit) oder Gold. Die Probenoberflä‑ che wird dadurch irreversibel verändert. Mit der ESEM- (Environmental Scanning Elec‑ tron Microscopy) Methode werden derartige Ef‑ fekte weitestgehend vermieden. Mehrere Druck‑ ventile im Mikroskop ermöglichen das für die Elektronenstrahlerzeugung notwendige Hoch‑ vakuum im oberen Teil des Mikroskops neben deutlich höheren Drücken, d. h. Restfeuchtigkei‑ ten in der Probenkammer. Die Druckregulierung in der Probenkammer kann durch inerte Gase oder auch durch Wasserdampf vorgenommen werden. Eine Austrocknung von feuchten Proben oder eine Phasenumwandlung unter Wasser‑ abspaltung kann somit verhindert werden. Da die Messungen nicht im Hochvakuum erfolgen,
müssen die Proben auch nicht leitfähig sein. Eine Bedampfung mit Kohlenstoff oder anderen leitfähigen Elementen entfällt somit. Diese Gegebenheiten machen die ESEM-Me‑ thode für Untersuchungen von Kulturgut sowie die Begleitung von restaurativen und denkmal‑ pflegerischen Arbeiten besonders interessant. Empfindliches Probenmaterial kann im submi‑ kroskopischen Bereich ohne eine Veränderung des Untersuchungsgegenstandes untersucht werden. Wiederholte Untersuchungen während eines Restaurierungsprozesses an gleichen Ma‑ terialstellen können die Wirksamkeit der vorge‑ nommen Maßnahmen belegen. Veränderungen in der morphologischen Beschaffenheit des Ma‑ terials können somit deutlich gemacht werden. Ein Nachteil ist die etwas schlechtere Auflösung im Vergleich zur „klassischen“ Rasterelektro‑ nenmikroskopie.
Röntgenfluoreszenzanalyse Die Röntgenfluoreszenzanalyse (RFA) zählt zu den klassischen physikalischen Methoden der zerstörungsfreien Elementanalytik. Die Vor‑ aussetzung zur Entwicklung dieser Analyse‑ technik war die Entdeckung der „XStrahlen“ durch Wilhelm Conrad Röntgen im Jahre 1895. Erste analytische Anwendungen wurden bereits in den 1920er-Jahren von Georg von Hevesey in Freiburg durchgeführt. Durch die Entwicklung geeigneter Röntgenquellen und detektoren in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg besetzt die Methode heute einen zentralen Platz in der anorganischen Analytik.
Röntgenfluoreszenzanalyse 205
Zur Untersuchung von Kunst- und Kulturgut hat die Bedeutung der Methode in den letzten Jahren stark zugenommen, da bedeutende Objekte in der Regel nur zerstörungsfrei, ohne Probenah‑ me und ohne Schädigung untersucht werden dürfen. Zu den Anwendungsgebieten gehören die Bestimmung der chemischen Zusammen‑ setzung von Metallen oder Legierungen, von Glas oder Email, von Keramik und Mineralen, von Pigmenten oder Farbmitteln, die anorgani‑ sche Bestandteile enthalten. Der Methode sind allerdings Grenzen gesetzt. So ist die Charakte‑ risierung von rein organischen Materialien nicht möglich, sofern keine detektierbaren Leitele‑ mente enthalten sind; es sei denn, sie enthalten Markerelemente (z. B. Chlor in Polyvinylchlorid oder Phosphor und Calcium in Knochenasche aus Beinschwarz), die der RFA zugänglich sind. Als Röntgenfluoreszenz wird ein atomarer Pro‑ zess bezeichnet, bei dem ein angeregtes Atom unter Abgabe von Strahlung wieder in den Grundzustand zurückkehrt. Die Anregung des Atoms und die Fluoreszenzemission erfolgen im Bereich der Röntgenstrahlung. Als Anregungs‑ quelle können z. B. Röntgenröhren, radioaktive Strahler oder ein Synchrotron dienen. Zu Beginn des Röntgenfluoreszenzprozesses wechselwirkt die Anregungs- oder Primärstrah‑ lung mit der Elektronenhülle des Atoms. Dabei wird ein kernnahes Elektron aus der Elektronen‑ hülle des Atoms herausgeschlagen und das Atom dadurch vom Grundzustand in einen energetisch höheren, einen angeregten Zustand überführt. Aus diesem Anregungszustand kehrt das Atom wieder sehr schnell in den Grundzustand zu‑ rück, indem ein Elektron aus einem höheren
Prinzip der Röntgenfluoreszenzanalyse: a) Die anregende Strahlung entfernt ein Elektron aus einer der inneren Schalen. b) Die so entstandene Lücke wird durch ein Elektron einer äußeren Schale aufgefüllt, wobei die Energie differenz als Fluoreszenzquant abgegeben wird.
Energieniveau (einer äußeren Schale) der Elek‑ tronenhülle den Platz des herausgeschlagenen Elektrons einnimmt. Die Energiedifferenz zwi‑ schen beiden Zuständen wird bei diesem Prozess in Form eines Röntgenquants abgestrahlt. Da für jedes Element nur ganz spezifische Energieübergänge möglich sind, kann aus der Energieverteilung der abgestrahlten Röntgen‑ fluoreszenzstrahlung das angeregte Element identifiziert werden.
206 Technisches Glossar
Charakteristisches Röntgenfluoreszenzspektrum einer Probe
In der Röntgenfluoreszenzspektroskopie wird mit einem geeigneten Detektionssystem die Energieverteilung der Röntgenfluoreszenzstrah‑ lung in Form eines Spektrums sichtbar gemacht. Neben der qualitativen Elementanalyse ist auch eine quantitative Analyse möglich, da die Sig‑ nalintensität Rückschlüsse auf die vorhandene Menge erlaubt. Die quantitative Analyse ist je‑ doch nicht trivial, da sie von vielen Parametern wie Probenmatrix, Eindringtiefe der Strahlung in die Probe und Absorption der Primär- wie Fluoreszenzstrahlung durch die Probe abhängig ist. Bei der RFA ist die Schwächung der Anre‑ gungs- und der Fluoreszenzstrahlung innerhalb der untersuchten Probe der Grund dafür, dass nur oberflächennahe Bereiche untersucht wer‑ den können, d. h. im Bereich von bis zu einigen 100 μm. Insbesondere niederenergetische Strahlung wird auf dem Weg von der Probe zum Detektor durch die vorhandene Luft und das Probenmaterial selbst geschwächt, sodass die Detektion leichter
Elemente wie beispielsweise Kohlenstoff oder Phosphor schwierig ist. Üblicherweise wird die Röntgenfluoreszenzanalyse daher im Vakuum durchgeführt. Dies ist bei der Untersuchung von Kunst- und Kulturgut nur bedingt möglich, da die Arbeit im Vakuum eine Probenentnahme erfordert. Durch die Miniaturisierung der notwendigen Bauteile ist es heutzutage möglich, auch mobile Röntgenfluoreszenzspektrometer zu konstru‑ ieren, mit denen vor Ort in den Bibliotheken, Archiven und Museen Untersuchungen durch‑ geführt werden können. Spezielle Röntgenop‑ tiken sorgen zudem für eine Fokussierung des Anregungsstrahls, sodass auch hoch ortsauf‑ lösende Messungen möglich sind. Das Spülen des Bereiches zwischen Probe und Detektor mit Helium oder das Messen in einer Heliumkam‑
Untersuchung einer Handschrift vor Ort mittels mobiler Röntgenfluoreszenzanalyse
Thermografie 207
mer reduziert die Absorption an Luft, sodass eine Detektion der leichten Elemente bis hin zu Natrium ohne eine Probenentnahme möglich ist.
Thermografie Die Infrarot-Thermografie (IR-Thermografie) erlaubt die Ermittlung der Oberflächentempe‑ ratur eines Objektes mit einer IR-Kamera und die Darstellung der Temperaturverteilung als Falschfarben- oder Grauwertbild. Dieses Bild wird als Thermogramm bezeichnet. Das bildge‑ bende Verfahren ist absolut berührungs- und zerstörungsfrei. Ziel der Anwendung des Ver‑ fahrens ist der qualitative Nachweis und die
Spektrale Strahlungsdichte eines Infrarotstrahlers als Funktion von Temperatur und Wellenlänge [Heraeus Quarzglas GmbH]
quantitative Charakterisierung von Fehlstellen und Inhomogenitäten, die sich aufgrund unter‑ schiedlicher thermischer Eigenschaften vom umgebenden Material unterscheiden. Neben der zerstörungsfreien Prüfung der inne‑ ren Struktur metallischer und nicht metallischer Bauteile besteht unter günstigen Bedingungen eine weitere Anwendung in der Ermittlung der flächenhaften Ausbreitung von Mauerwerks‑ feuchtigkeit in Gebäuden. Das Verfahren wird zur Lokalisation von Stellen mit erhöhter Ober‑ flächenfeuchte eingesetzt, die dann gezielt mit weiteren analytischen Verfahren untersucht werden können. Das Prinzip der Thermografie beruht darauf, dass jeder Körper mit einer Temperatur oberhalb des absoluten Nullpunktes Wärmestrahlung aus‑ sendet. Im Idealfall entspricht das Spektrum der ausgesandten Strahlung dem eines Schwarzen Strahlers. Mit steigender Temperatur verschiebt sich das ausgesandte Spektrum zu kürzeren Wellenlängen, d. h. zu höheren Energien. Bei einigen Hundert Grad Celsius beginnt der Kör‑ per schließlich zu glühen, sodass die erzeugte Strahlung auch im für den Menschen sichtbaren Bereich des elektromagnetischen Spektrums liegt. Die Thermografie wird bevorzugt im infra roten Bereich eingesetzt, also bei Objekttem‑ peraturen, die im Bereich der gewöhnlichen Umgebungstemperaturen liegen. Bei dem Verfahren wird zwischen der passiven und der aktiven Thermografie unterschieden. Die passive Thermografie weist Unterschiede der optischen Eigenschaften der Oberfläche und, bei vorhandenen Temperaturgradienten, auch Temperaturunterschiede auf Oberflächen nach.
208 Technisches Glossar
genbereichen, in denen die Atmosphäre wenig Eigenstrahlung emittiert (und absorbiert). Ein solches „Fenster“ liegt beispielsweise im Bereich von etwa 8 bis 14 μm.
VIS-Spektroskopie
Messaufbau zur Thermografie
Wird mit zusätzlichem Energieeintrag aktiv erwärmt oder gekühlt, so wird dieser Vorgang als aktive Thermografie bezeichnet. Die zur bildlichen Darstellung der Wärmestrah‑ lung verwendeten Kameras gleichen prinzipiell den normalen elektronischen Kameras für sicht‑ bares Licht. Durch ein Objektiv mit Linse wird ein Bild auf einen elektronischen Bildsensor projiziert. Die Sensoren unterscheiden sich in Aufbau und Funktionsweise auch je nach zu detektierender Wellenlänge. Damit bei Messungen an weiter entfernt liegen‑ den Objekten die Wärmestrahlung der zwischen Objekt und Kamera liegenden Atmosphäre die Messung nicht verfälscht, arbeiten die Kameras in der Regel in eingeschränkten Wellenlän‑
Links: Realbild einer Mauerwerksoberfläche aus Hochlochziegeln, rechts: zugehöriges Thermogramm
Mithilfe eines Spektralphotometers kann der Farbwert farbiger Substanzen anhand des Re‑ flexionsspektrums im Bereich des sichtbaren Lichts (380–730 nm) quantitativ erfasst werden. Hierfür wird die zu untersuchende Probe mit sichtbarem Licht beleuchtet. Das Probenmaterial tritt in Wechselwirkung mit der Bestrahlung und absorbiert bzw. reflektiert in spezifischer Weise das sichtbare Licht und erscheint dadurch farbig. Das reflektierte Licht, welches charakteristisch für ein bestimmtes Farbmittel ist, wird mithilfe des Photometers (Gitterspektrometer) spekt‑ ral zerlegt und in Form einer Reflexionskurve abgespeichert. Diese Reflexionskurve stellt die Abhängigkeit der Intensität des reflektierten Lichtes von der Wellenlänge dar. Der Vergleich
Prinzip der VIS-Spektroskopie. Jedes Material absorbiert bzw. reflektiert in spezifischer Weise das sichtbare Licht und erscheint dadurch farbig.
Literatur 209
mit einer Datenbank ermöglicht die Zuordnung zum jeweiligen Farbmittel. Da schwarze und weiße Pigmente im Bereich des sichtbaren Spektrums keine charakteristische Abhängigkeit aufweisen, sind diese mit dieser Methode nicht zu bestimmen. Mittels Farbspektroskopie können farbige Pig‑ mente oder Farbstoffe zerstörungsfrei qualitativ identifiziert und unterschieden werden. Die eingestrahlte Lichtintensität ist so gering, dass keine Schädigungen am Objekt auftreten. Am Beispiel der Untersuchung der beiden Farbmit‑ tel Azurit und Indigo wird das Prinzip deutlich: Obwohl es sich bei beiden Farbmitteln um blaue Substanzen handelt, reflektieren bzw. absorbie‑ ren sie das farbige Licht in unterschiedlicher Weise. Azurit reflektiert im Wesentlichen blaues Licht, absorbiert Licht anderer Wellenlänge und erscheint daher blau. Indigo dagegen reflektiert nur wenig im kurzwelligen blauen und im nahen Infrarotbereich.
Messung der Farbmittel in einer aquarellierten Zeichnung
Dieses Verfahren eignet sich insbesondere bei der Unterscheidung von purpurfarbenen bzw. roten Farbmitteln; die Differenzierung verschie‑ dener Grünpigmente, die aus Kupfersalzen be‑ stehen, ist hingegen sehr begrenzt.
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Normierte Farbspektren von Azurit und Indigo
Endoskopie Jörg Reling: Technical endoscopy. Verlag moder‑ ne industrie, 1997.
210 Technisches Glossar
Infrarotspektroskopie Helmut Günzler und Hans-Ulrich Gremlich: IRSpektroskopie: Eine Einführung. 4. Aufl., WileyVCH, Weinheim 2003. M. Hesse, H. Meier und B. Zeeh: Spektroskopische Methoden in der organischen Chemie. 6. Aufl., Thieme Verlag, Stuttgart 2002. Bernhard Schrader: Infrared and raman spectro‑ scopy. VCH, 1995. Mikrowellenmessung F. Thompson: Moisture measurements using microwaves. Measurement and Control, 22, 1989. K. Kupfer: Feuchtemessung an Zuschlagstoffen für die Betonherstellung unter Verwendung der Mikrowellenmeßtechnik. Diss. A, Hoch‑ schule für Architektur und Bauwesen Weimar, 1990. M. A. Berliner: Feuchtemeßtechnik. Verlag Tech‑ nik Berlin, 1980. Porosimetrie S. D. Gregg and K. S. W. Sing: Adsorption surface area and porosimetry. Academic Press, New York 1978. S. Machill, K. Althaus und W. E. Steger: Zur Ver‑ witterung der Kulturbauten aus Elbsandstein. Zeitschrift für Kunsttechnologie und Konservie‑ rung 14, Nr. 2, 2000, S. 267–350. Rasterelektronenmikroskopie S. J. B. Reed: Electron microprobe analysis. 2. Aufl., Cambridge University Press, 1993. I. Rabin, O. Hahn, T. Wolff, E. Kindzorra, A. Masic, U. Schade, and G. Weinberg: Characterisation of the writing material of the Dead Sea Scrolls.
Qumran – Holistic Qumran – Trans-disciplinary research of Qumran and the Dead Sea scrolls. Kap. 9, Brill, 2010, S. 123–134. Röntgenfluoreszenzanalyse N. Langhoff, R. Wedell, B. Beckhoff, and B. Kanngießer (Hrsg.): Handbook of practical x-ray fluo‑ rescence analysis. Springer Verlag, Berlin 2006. P. Hahn-Weinheimer, A. Hirner, K. Weber-Diefenbach: Röntgenfluoreszenzanalytische Methoden: Grundlagen und praktische Anwendungen in den Geo, Material- und Umweltwissenschaften. Vieweg-Verlag, 1995. K. Janssens, G. Vittiglio, I. Dereadt, A. Aerts, B. Vekemans, L. Vincze, F. Wei, I. Deryck, O. Schalm, F. Adams, A. Rindby, A. Knöchel, A. Simionovici, and A. Snigirev: Use of micro‑ scopic XRF for non-destructive analysis in art and archeometry. X-Ray Spectrometry, 29, Nr. 1, 2000, S. 73–91. M. Mantler and M. Schreiner: XRay fluorescence spectrometry in art and archaeology. XRay Spec‑ trometry, 29, Nr. 1, 2000, S. 3–17. Thermografie B. Pettersson and B. Axen: Thermography – Testing of thermal insulation and airtightness of buildings. Swedish Council for Buildings Research, Stockholm 1980. Merkblatt über thermographische Untersuchungen an Bauteilen und Bauwerken (B5). Deutsche Gesellschaft für Zerstörungsfreie Prüfung e. V. (DGZfP), Berlin 1993. Schnelle mittelwellige IR-Strahler. Firmenschrift der Firma Heraeus Quarzglas GmbH, Produk tionsbereich Infrarot, Kleinostheim, 11.89/N T & D.
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Bildquellenverzeichnis
Bild
Seite
Quelle
Die drei Bronzen in der Rotunde des Alten Museums: die „Getty-Bronze“ (links), der „Idolino“ (Mitte) und der „Jüngling von Salamis“ (rechts); im Hintergrund römische Kopien griechischer Götterfiguren
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© bpk, SMB
Die Jünglinge aus Malibu und Florenz in einer Seitenansicht
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© bpk, SMB
Wandstärkenberechnung beim „Jüngling von Salamis“. CT-Schattenbild und drei CTQuerschnittsbilder aus den Bereichen der Brust, der Hüfte und der Oberschenkel. Auf dem Schattenbild sind die Stellen gekennzeichnet, an denen CT-Querschnittsbilder aufgenommen wurden.
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BAM
Verbindungstechnischer Aufbau des Jünglings von Salamis. Die Bronze besteht aus zusammengelöteten, separat gegossenen Teilen.
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Wolf-Dieter Heilmeyer, Der Jüngling von Salamis, Mainz 1996, Zeichnung: Marina Heilmeyer
Der „Idolino“. Die Antik-Renaissance-Verbundstruktur wurde durch radiografische Verfahren sichtbar gemacht. Die schwarzen Teile stellen den ursprünglichen antiken Bronzeguss dar. Die in der Renaissance ersetzten Elemente sind braun, die unter Verwendung anderer Materialien ausgebesserten Bereiche grün, und die Lötverbindungen rot markiert.
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Mario Iozzo, Qual era tutto rotto – L’enigma dell’Idolino di Pesaro, Museo Archaeologico Nazionale di Firenze, 1999
Der „Idolino“ auf dem Computertomografenmessplatz der BAM
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BAM
Die „Getty-Bronze“ auf dem Computertomografenmessplatz der BAM
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BAM
Das Radiografiebild macht die Stützstruktur sichtbar, die in die „GettyBronze“ eingezogen wurde. Farbig umrandet sind die Stellen, die eine größere Wanddicke aufweisen.
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The J. Paul Getty Museum, Los Angeles, © The J. Paul Getty Museum
Detail der Getty-Bronze „Statue of a Victorious Youth“, 300–100 v. Chr. (The J. Paul Getty Museum, Villa Collection, Malibu, California)
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The J. Paul Getty Museum, Villa Collection, Malibu, California
Damaszener Breitschwerter aus dem 10. und 11. Jahrhundert. Ein englischer Offizier hatte 1920 die Schwerter am Ufer des Rheins gefunden.
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BAM
Damaststruktur der beiden Damaszener Stahlklingen
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BAM
Die Detailaufnahme offenbart das charakteristische Oberflächenmuster.
24
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Gefüge eines etwa 4 Millimeter breiten Spans einer damaszierten Klinge. 25 Die hellen Bereiche sind stärker phosphorhaltig und härter als die dunklen. So nimmt die Härte des Bereiches 5 (Breite ca. 200 µm) zum Bereich 4 um den Faktor 1,4 und zum Bereich 6 um den Faktor 2,0 zu.
BAM
Chinesisches Seidengewebe mit Verbund-Materialstruktur (Ethnologisches Museum, SMB)
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© bpk, SMB
Chinesisches Seidengewebe, Vogelmotiv
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© bpk, SMB
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Bild
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Quelle
Seidenfadenbündel, von Papierstreifen mit Goldauflage spiralförmig umhüllt und durch bläuliche Fasern miteinander verbunden
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Von Papierstreifen mit Silberauflage (rötlich braun angelaufen) spiralförmig umhüllte Seidenfasern. An den schräg verlaufenden Rändern des Papiers sind die umwickelten rot-gelblichen Seidenfäden zu erkennen.
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Farbkreis Johann Wolfgang von Goethes (Goethe Nationalmuseum, Weimar)
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Herzogin Anna Amalia Bibliothek, Inv. Nr. KFz 138, Foto: Klassik Stiftung Weimar
Wandmalerei aus der Höhle von Lascaux
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Die Zeit – Das Lexikon, Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG Verlag
Anreiben von Farberden (Hortus Sanitatis, Mainz 1517)
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Hortus Sanitatis, Mainz 1517
Auskratzen von Weinfässern zur Gewinnung von Weinstein, Kaliumhydro- 34 gentartrat, einer wichtigen Substanz für die Gewinnung von natürlichen Farbstoffen (Hortus Sanitatis, Mainz 1517)
Hortus Sanitatis, Mainz 1517
Titelbild des ersten Illuminierbuchs von Valentin Boltz von Ruffach (Basel 1549)
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Illuminierbuch, Valentin Boltz von Ruffach, Basel, 1549
Azurit (Naturkundemuseum Wien)
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OH
Malachit (Naturkundemuseum Wien)
36
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Hämatit (Naturkundemuseum Wien)
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Mennige (Naturkundemuseum Wien)
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Die Palette unterschiedlicher Kupferverbindungen
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OH
Hinterglasbild, 18. Jahrhundert. Verschiedene Kupfergrünpigmente bestimmen neben dem leuchtenden Rot den Farbeindruck des Bildes. (Sammlung Steiner, HGS 366)
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Sammlung Steiner, HGS 366, Foto: Reproline, München
Albrecht Dürer, Peter und Johannes heilen einen Lahmen (Kupferstichkabinett, SMB, links)
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© bpk, Kupferstichkabinett, SMB, Foto: Christa Begall
Albrecht Dürer, Peter und Johannes heilen einen Lahmen (Kupferstichkabinett, SMB, rechts)
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© bpk, Kupferstichkabinett, SMB, Foto: Volker-H. Schneider
Cornelis Cort (1533–78), Das Jüngste Gericht (Kupferstichkabinett, SMB). 44 Die Kolorierung des Stiches stammt aus dem 16. oder 17. Jahrhundert.
© bpk, Kupferstichkabinett, SMB, Foto: Volker-H. Schneider
Verschiedene rote Farbmittel aus den Rohstoffen
45
OH
Cochenille, Dactylopius coccus, aus dem durch Extraktion intensive rote bis purpurfarbene Farbmittel hergestellt werden
46
OH
Aus der Rinde des Gelbholz, Chlorophora tinctoria L., wird ein Gelbfarbstoff gewonnen, mit dem Textilien gefärbt wurden.
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Bildquellenverzeichnis 215
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Seite
Quelle
Die Himmelsscheibe von Nebra (Landesmuseum für Vorgeschichte Halle) 52
Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Foto: Juraj Lipták
Die synchrotronbasierte Röntgenfluoreszenzanalyse führte zur Unterscheidung unterschiedlicher Goldlegierungen
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Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Foto: Juraj Lipták/BAM
Die Siedlung Khirbet Qumran
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The Archaeology of Qumran and the Dead Sea Scrolls, Series: Studies in the Dead Sea Srolls and Related Literature, Jodi Magness, Eerdmans.com, Grand Rapids, 2003
Unterschiedliche Fragmente aus den Höhlen von Qumran. Oben: Der Kommentar des Habakuk, Qumran, 1. Jh. v. Chr., Kol. 34–37; unten: Die Tempelrolle, Qumran, 1. Jh. v. Chr. – 1. Jh. n. Chr., Kol. 8–13 (Israel Museum, Jerusalem)
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The Israel Museum, Jerusalem
Röntgenfluoreszenzscan über Pergament und Schrift
59
BAM
Detailaufnahmen von der Tempelrolle; links: der Originaltext, rechts: die antike Reparatur
61
The Israel Museum, Jerusalem
Röntgenfluoreszenzscan über den Text: Die Tusche enthält eindeutig Kupfer!
62
BAM
Albrecht Dürer, Brustbild eines Mannes aus Antwerpen; Der Krahnenberg bei Andernach (Skizzenbuch niederländische Reise 1520/1521, 1521, Silberstift, 122 ´ 171 mm, Kupferstichkabinett SMB, Berlin, Inv. Nr. KdZ 33r)
65
© bpk, Kupferstichkabinett, SMB, Foto: Jörg P. Anders
Röntgenfluoreszenzanalyse der Porträtzeichnung und der Beischrift
66
© bpk, Kupferstichkabinett, SMB, Foto: Jörg P. Anders
Die Meditationstafel (1330/40, Staatliches Museum Schwerin)
68
Staatliches Mueum Schwerin, Foto: Hans-Jörg Ranz
Mikroskopische Aufnahmen der Schwarzlotmalerei
70
BAM, Foto: Hans-Jörg Ranz
Detail der Meditationstafel
72
Staatliches Mueum Schwerin, Foto: Hans-Jörg Ranz
Detail der Heiligen Magdalena, 1. Hälfte 16. Jh. (Kunstgewerbemuseum, SMB)
72
© bpk, Kunstgewerbemuseum, SMB, Foto: Hans-Jörg Ranz
Herstellung einer Eisengallustinte
74
OH
Natürlicher Vitriol: Die verschiedenen Farben weisen auf unterschied liche Metallsulfate hin.
75
OH
Reinigung von Vitriol: Die eingekochte verdickte Lösung kristallisiert an hängenden Ruten aus (Agricola 1556).
75
De re metallica, Georgius Agricola 1556
216 Bildquellenverzeichnis
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Quelle
Die Untersuchung der h-Moll-Messe mittels Röntgenfluoreszenzanalyse
77
Staatsbibliothek Berlin, SPK, Foto: Restaurierungswerkstatt
Detail aus der h-Moll-Messe mit Korrekturen und Ergänzungen (Staatsbibliothek Berlin, SPK)
79
Wolf et al., S. 124
Die zugehörige Umschrift
80
Wolf et al., S. 125
Johann Joseph Schmeller: Goethe im Arbeitszimmer, seinem Schreiber John diktierend, 1834 (Herzogin Anna Amalia Bibliothek, Weimar)
81
Herzogin Anna Amalia Bibliothek, Inv. Nr. Kge/00742, Foto: Klassik Stiftung Weimar
Ein Brief Johann Wolfgang von Goethes an seinen Verleger Johann Christian Kestner (Goethe- und Schiller-Archiv, Weimar)
82
GSA 29/264, I, 2, Foto: Klassik Stiftung Weimar
Differenzierung unterschiedlicher Korrekturtinten
83
BAM
Woyzeck, Detail aus der Foliohandschrift (Goethe- und Schiller-Archiv, Weimar)
84
GSA 10/3,1, p. 14, Foto: Klassik Stiftung Weimar
Woyzeck, das Quartblatt (Goethe- und Schiller-Archiv, Weimar)
84
GSA 10/3,1, H 3,2, Foto: Klassik Stiftung Weimar
Teile des Neandertaler-Schädels von Le Moustier, die für die Rekonstruk- 90 tion zur Verfügung standen
BAM
Seitenansicht der rekonstruierten NeandertalerSchädels
91
BAM
Oberfläche des rekonstruierten Hirns
91
BAM
Nachbildung eines Neandertalers (Neanderthal Museum, Mettmann)
92
Stiftung Neanderthal Museum
Porträtkopf der ägyptischen Königin Teje. Ursprüngliche Präsentation im Stülerbau in Berlin. Auf dem Kopf ist der abgebrochene Holzzapfen zu sehen, auf dem die Götterkrone befestigt war.
93
© bpk, SMB, Foto: Margarete Büsing
Computertomogramme des Porträtkopfs im Bereich der Stirn und Augen, die weißen Stellen markieren den Goldschmuck.
94
BAM
Senkrechter computertomografischer Schnitt durch den Kopf der Teje. Zu erkennen ist die senkrecht verlaufende Maserung des Ebenholzes.
94
BAM
Der verborgene Goldschmuck ist durch Subtraktion der Bestandteile niedriger Dichte (Holz, Leinwand) von denen höherer Dichte (Gold) dargestellt.
96
BAM
Computermodell der heutigen Ansicht des Kopfes aus den CT-Daten (links) sowie zwei mögliche computertomografische Rekonstruktionen des Kopfs der Teje
96
BAM
Porträtkopf der ägyptischen Königin Teje. Aktuelle Präsentation im Neuen Museum in Berlin. Inzwischen sind der Porträtkopf und die Götterkrone wieder vereint.
97
© bpk – Bildagentur für Kunst, Kultur und Geschichte, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung, SMB, Foto: Sandra Steiß
Bildquellenverzeichnis 217
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Quelle
Der im Jahre 1781 eingestürzte Turm der „Deutschen Kirche“ auf dem Gendarmenmarkt (kolorierter Kupferstich von Johann Georg Rosenberg, Schloss Charlottenburg)
98
Eigentum des Hauses Hohenzollern, SKH Georg Friedrich Prinz von Preußen
Der Gendarmenmarkt mit dem Deutschen Dom im Vordergrund und dem Französischen Dom im Hintergrund (historische Postkarte)
99
Staatlicher Kunsthandel der DDR
Die Ruine des Deutschen Doms. 40 Jahre lang war das im Zweiten Weltkrieg stark zerstörte Bauwerk der Witterung ausgesetzt. Im Hintergrund erkennt man den Französischen Dom, dessen Wiederherstellung schon weiter fortgeschritten ist.
100
BAM
Grundriss des Deutschen Doms (Westseite) in der zweiten Geschoss ebene mit Kennzeichnung der Messstelle für die Infrarot-Thermografie (Mst. 2.1)
101
BAM
a) So sah die feuchte Wand am Ausschnitt 1, Messstelle 2.1, real aus. b) Mithilfe von computerberechneten, synthetischen Differenzbildern der Infrarot-Thermogramme kann die Feuchteverteilung in der Wand dargestellt werden (hier: Messstelle 2,1, Ausschnitt 1); rot markiert sind die trockenen Bereiche, blau die Stellen mit erhöhter Oberflächenfeuchte. c) In den rot markierten Bereichen der Außenwände wurden Feuchtigkeitsmessungen mithilfe der Mikrowellentechnik vorgenommen. Die Lage der Messstellen ist durch schwarze Striche in unterschiedlicher Höhe gekennzeichnet. d) Feuchtefeld im Querschnitt eines Mauerwerksbereichs des Deutschen Doms, Messung im März 1993. Feuchtigkeitsmessung in Abhängigkeit von Höhe und Bohrlochtiefe; an der Mauerwerksoberfläche liegen Feuchtegehalte von 10 bis 20 % vor, ab einer Bohrlochtiefe von etwa 200 Millimeter unterhalb einer lichten Höhe von ca. 1,5 Meter steigen die Werte auf 60 % an.
102
BAM
Der sanierte Deutsche Dom nach der Wiedereröffnung 1996: a) Längsschnitt durch Kirche und Turm, b) Übergangsbereich zwischen Kirchenraum und Turm, c) Turmeingang, d) Turmkuppel
103
© Ivan Nemec
Ansicht des Deutschen Doms 2011
104
OH
Die Eingangsfront des Hauses, 2001
105
HC
Das Magnus-Haus vor der Sanierung, 1985
106
HC
Grundriss des Hauses vor 1772
107
Das Magnus-Haus in Berlin-Mitte: Geschichte, Wandel und Wiederherstellung eines barocken Palais (Hg. Siemens AG Berlin und München), München 1994
218 Bildquellenverzeichnis
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Quelle
Porengrößenverteilung in der Fassade des Magnus-Hauses als Kriterium zur Unterscheidung von Materialien aus dem 18. und 20. Jahrhundert. Die stark vereinfachte Darstellung zeigt, dass bei den alten Mörteln von 1770 etwa 20 bis 80 % der Porenradien im Bereich von 0,4 bis 2 µm liegen, während bei neueren Mörteln von etwa 1960 die Porenradien zwischen 0,2 und 20 µm variieren.
109
BAM
Das renovierte Treppenhaus, 1994
109
Das Magnus-Haus in Berlin-Mitte: Geschichte, Wandel und Wiederherstellung eines barocken Palais (Hg. Siemens AG Berlin und München), München 1994
Das Charlottenburger Tor kurz nach der Fertigstellung 1909
110
Waldemar Titzenthaler (1909)
König Friedrich I.
111
OH
Königin Sophie Charlotte
111
OH
Panzersperren zwischen den Torpfeilern und den beiden Kandelabern 1945
112
http://www.stiftungdenkmalschutz-berlin.de/ projekte/charlottenburger-tor/ schaeden/
Verwitterung der Tuffsteinoberflächen
113
http://www.stiftungdenkmalschutz-berlin.de/ projekte/charlottenburger-tor/ schaeden/
Ein rekonstruiertes Teilstück vor dem Einpassen in einen Kandelaber des 114 Charlottenburger Tors
BAM
Baugerüst
115
BAM
Rekonstruierte Teilstücke nach der Fertigstellung
115
BAM
Detail eines der beiden wieder aufgebauen Kandelaber
116
OH
Detail eines der beiden wieder aufgebauen Kandelaber
116
OH
Aufnahme des Tores aus dem Jahre 2011
117
OH
Lediglich die monumentalen Bronzeskulpturen auf den Torflügeln konnten nicht wiederhergestellt werden (vgl. Abb. auf S. 110).
118
OH
Joachim II. Hektor, Kurfürst von Brandenburg, Gemälde von Lukas Cranach, d. J. (Jagdschloss Grunewald)
123
© bpk – Stiftung Preussische Schlösser und Gärten BerlinBrandenburg, Foto: Jörg P. Anders
Luftaufnahme des Jagdschlosses Grunewald
124
ullstein Bild
Jagdschloss Grunewald, Übersichtsdarstellung
125
Der große Bädecker Berlin 1990
Grundwasserspiegel in der Nähe des Jagdschlosses Grunewald
127
BAM
Bildquellenverzeichnis 219
Bild
Seite
Quelle
Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg, Detail an der Fassade des Berliner Zeughauses
128
OH
Das Berliner Zeughaus
129
OH
Figurengruppe über dem Gesims des Zeughauses
129
OH
Für den Innenhof des Zeughauses schuf Andreas Schlüter um 1700 die berühmten Masken sterbender Krieger.
130
Deutsches Historisches Museum, Berlin
Innenhof des Zeughauses mit Bronzeschützrohren (1974)
131
Deutsches Historisches Museum, Berlin
Das Innere des Zeughauses, Gemälde von Michael Karl Gregorovius, 1835. Links ist das Blücher-Denkmal von Christian Daniel Rauch zu sehen, rechts das Giebelrelief von Schinkels Neuer Wache.
132
Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg
Detail des Erweiterungsbaus des Zeughauses von Ieon Ming Pei
133
OH
Propyläen in Athen (oben) und das Brandenburger Tor in Berlin, kolorierte Kupferstiche von Johann Carl Richter, um 1800 (Stadtmuseum Berlin)
135
Stiftung Stadtmuseum Berlin
Das Brandenburger Tor zu Beginn des 20. Jahrhunderts
136
Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege
Der rekonstruierte Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor in einer Aufnahme von 2011
137
OH
Anbringung der Sensoren zum Messen der Erschütterungen in einem Raum unterhalb der Quadriga
138
BAM
Das Alte Museum, kolorierte Radierung von Carl Friedrich Thiele nach Karl-Friedrich Schinkel (Gemäldegalerie, SMB)
139
© bpk – Bildagentur für Kunst, Kultur und Geschichte, Gemäldegalerie, SMB, Foto: Jörg P. Anders
Abendstimmung am Alten Museum
140
OH
Rotunde des Alten Museums in einem Aquarell von Carl Emanuel Conrad, 1834 (Gemäldegalerie, SMB)
141
© bpk – Bildagentur für Kunst, Kultur und Geschichte, Gemäldegalerie, SMB, Foto: Jörg P. Anders
Hyperbel im Radargramm, gebildet aus Reflexionssignalen einer Hohlstelle in verschiedenen Antennenpositionen
142
BAM
Messspur 1 im Innenbereich der Rotunde
143
BAM
Grundriss der Rotunde mit bekannten (weiß) und neu georteten (gelb) Hohlstellen
144
BAM
Mausoleum der Königin Luise im Schlosspark Charlottenburg
145
HC
Innenraum des Mausoleums, Farblithografie von Carl Graeb
146
© bpk, SMB
Dachlaterne (Süd-Ost-Ecke) der Mausoleumserweiterung von 1840 (Schadensbild von 1987)
147
BAM
220 Bildquellenverzeichnis
Bild
Seite
Quelle
Pilzschaden an der Süd-Ost-Ecke der Dachlaterne im Innenraum des Mausoleums (Schadensbild von 1987)
147
BAM
Musizierende Engel, Detail einer mittelalterlichen Glasmalerei (14. Jahrhundert, Musée Cluny, Paris)
149
OH
Die Heilige Barbara, Glasmalerei aus der Klosterkirche Marienstern in Panschwitz-Kuckau, Oberlausitz, 1390. Das Glas war durch Korrosions bildung völlig schwarz geworden und wurde 1985/86 restauriert.
150
© CVMA Deutschland Potsdam/ Berlin – Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Foto: Dieter Möller
Chemische Zusammensetzung von Glas im Mittelalter (links) sowie im 18. und 19. Jahrhundert
151
BAM
Glasmalerei des 14. Jahrhunderts, Hussitenfenster der Klosterkirche in Panschwitz-Kuckau, Oberlausitz. Durch Verbräunung hatte sich auf dem Glas eine lichtabsorbierende Schicht weiterentwickelt. Zunächst wurde das Glas nur im oberen Teil ausgebleit und in einem Bad mit einer 25%igen Hydrazinlösung aufgehellt (links). Das Bild rechts zeigt die mittelalterliche Glasmalerei nach der vollständigen Restaurierung.
152
BAM
Hofstaat zu Dehli am Geburtstag des Großmoguls Aureng-Zeb (1701–1708, Neues Grünes Gewölbe, Dresden)
154
Grünes Gewölbe, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Jürgen Karpinski
Grauer Jagdelefant, Detail aus dem Hofstaat des Großmoguls. Die Figur besteht aus Gold, Email, Silber und Diamanten. An der unteren Schabracke sind Schadstellen am Emailüberzug zu erkennen.
155
Grünes Gewölbe, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Jürgen Karpinski
Mikrorisse in einem blaugrünen Transluzidemail (Aufnahme mit polarisiertem Licht, 50-fache Vergrößerung)
156
BAM
Querschnitt durch einen Emailsplitter, alkali-verarmte Gelschichten korrelieren größtenteils mit Rissbildungen (REMAufnahme).
156
BAM
Historische Ausstellungsvitrinen aus dem Naturkundemuseum in Wien
159
OH
Emissionsprüfkammer und Emissionsprüfzelle aus den Beständen der BAM
160
BAM
Verschiedene Probenentnahmesysteme
162
BAM
Luftprobenentnahme vor Ort
162
Jüdisches Museum Berlin, Foto: Barbara Decker
Achim von Arnim, Studien zu Naturwissenschaften (1798–1800, Goetheund Schiller-Archiv Weimar). Die Eisengallustinten zeigen unterschiedliche Erhaltungszustände.
164
GSA 03/354, f. 132, Foto: Klassik Stiftung Weimar
Repräsentative Röntgenfluoreszenzspektren einer braunen und einer schwarzen Eisengallustinte aus dem Manuskript „Studien zu Naturwissenschaften“. Die braune Tinte enthält deutlich mehr Kupfer, während die schwarze Tinte mehr Zink enthält.
165
BAM
Bildquellenverzeichnis 221
Bild
Seite
Quelle
Relative Änderung des Fingerprint-Wertes und Einfluss der wässerigen Calciumhydrogencarbonat/Calciumphytatbehandlung
167
BAM
Messungen mittels Röntgenabsorptionsspektroskopie an der Fe-KKante. Das Diagramm stellt die durch Analyse der Vorkante gewonnen Anteile der Fe3+-Ionen an der Gesamtmenge des Eisens dar. Vier Messungen wurden an einer unbehandelten Probe, weitere vier Messungen an einer behandelten Probe durchgeführt. Es wird deutlich, dass das Fe+3/Feges-Verhältnis durch die Behandlung offenbar zu höheren Werten verschoben wird.
168
BAM
Chemische Zusammensetzung der Papiermatrices der Bach-Kantate (BWV 1). 1. Satz, Seite 2 sowie 3. Satz, Seite 3 „gespalten“; 6. Satz, Seite 3 „ungespalten“
169
BAM
Chemische Zusammensetzung von echten (links) und gefälschten Beilen 176 (rechts) aus der Bronzezeit. Die Beile, die Zink enthalten, können nicht in der Bronzezeit entstanden sein.
OH
Datierung fernöstlicher Kunstwerke aus Kupferlegierungen anhand ihres Zink- und Zinngehaltes
176
OH
Buddhakopf aus Thailand (12. Jahrhundert)
177
© bpk, SMB
Der Bodhisattva-Torso wurde in Berlin zum Verkauf angeboten. Mittels 178 naturwissenschaftlicher Analyse konnte das Stück als Fälschung entlarvt werden.
© bpk, SMB
178
© bpk, SMB
Torso eines Bodhisattvas aus dem Museum in Bangkok (8. Jahrhundert)
Unterschale, Porzellanmanufaktur Meissen, 18. Jahrhundert, goldgefasste 180 Chinoiserie (Privatbesitz)
BAM
Detail der Unterschale
180
BAM
Röntgenfluoreszenzanalyse einer Tabatiere, Porzellanmanufaktur Meissen
182
BAM
Cadmiumgelb und Chromgrün
183
OH
Rembrandt Harmensz van Rijn (1606–1669), Selbstbildnis im Samtbarett und einem Mantel mit Pelzkragen, 1634 (Gemäldegalerie, SMB)
184
© bpk, Gemäldegalerie, SMB, Foto: Jörg P. Anders
Ausstellungskatalog, Hamburger Kunsthalle
187
Rembrandt, oder nicht. Hamburger Kunsthalle – Die Gemälde, Katalog zur Ausstellung 2000
Ausstellungskatalog, Kunsthalle Bremen
187
Rembrandt, oder nicht. Kunsthalle Bremen – Die Zeichnungen, Katalog zur Ausstellung 2000
Franz Schubert (1797–1828), Zeichnung von Leopold Kuppelwieser, 1821
188
BAM
Erste Seite der Orchesterstimme für Bratsche
190
BAM
222 Bildquellenverzeichnis
Bild
Seite
Quelle
Prinzip der Computertomografie
194
BAM
Messaufbau für die Computertomografie, links ist der Strahler, rechts ist der Detektor zu erkennen.
194
BAM
Tomografisches Schnittbild durch eine Bronzestatue
195
BAM
Prinzipskizze zur Endoskopie
195
BAM
Messaufbau für die Endoskopie
196
BAM
Quantenmechanische Beschreibung der Infrarotspektroskopie durch das 197 Modells des anharmonischen Oszillators. Durch Anregung des Moleküls mit der passenden elektromagnetischen Strahlung wird das Molekül aus seinem Grundzustand in den ersten angeregten Schwingungszustand angehoben.
BAM
Typisches Infrarotspektrum eines Bindemittels – dargestellt ist der Fingerprintbereich von Mohnöl.
198
BAM
Infrarotspektrometer am Synchrotron. Aufgrund der hohen Intensität des Strahls wird in Reflexion gemessen und nicht in Transmission.
199
HZB, Foto Ulrich Schade
Sogenanntes „Feuchtefeld“, Abhängigkeit der Feuchtigkeit von der Bohrlochtiefe und der Höhe
200
BAM
Anordnung der Antennen im zu untersuchenden Bauteil
200
BAM
Prinzip des Quecksilberporosimeters. Zu Beginn der Messung wird die Probe evakuiert. Danach wird die Apparatur mit Quecksilber gefüllt. Dieses benetzt die Poren zunächst nicht; erst wenn der Druck schrittweise erhöht wird, werden zunächst die größeren Poren, dann die kleineren Poren benetzt.
201
© Fraunhofer IBP
Probenkammer im Rasterelektronenmikroskop
202
Machil et al., S. 316
Porenradienverteilung in einem Sandstein. Abszisse: Porenradius in logarithmischer Form; Ordinate links: integrales Quecksilbervolumen bezogen auf die Probenmasse (durchgehende Linie); Ordinate rechts: in die Probe eingebrachtes Quecksilbervolumen bezogen auf das insgesamt eingebrachte Quecksilbervolumen (Balkendiagramm) [Machill et al., S. 316]
202
BAM
Schematische Darstellung der Vorgänge, die durch Einstrahlung von Elektronen auf ein Material ablaufen
203
BAM
204 Aufnahme eines historischen Pergaments mittels Environmental Scanning Electron Microscopy. Während im rechten Bereich einzelne Kollagenfasern des Pergaments sichtbar werden, zeigt der linke Teil der Abbildung einen mineralischen Belag. Die zusätzliche EDX-Analyse bestätigt die Befunde: Während im rechten Bereich praktisch nur organische Materialien nachgewiesen wurden, enthält der mineralische Belag offensichtlich Calcit (CaCO 3) und Quarz (SiO2) [Rabin et al., S. 129].
Rabin et al., S. 129
Bildquellenverzeichnis 223
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Quelle
Prinzip der Röntgenfluoreszenzanalyse: a) Die anregende Strahlung entfernt ein Elektron aus einer der inneren Schalen. b) Die so entstandene Lücke wird durch ein Elektron einer äußeren Schale aufgefüllt, wobei die Energiedifferenz als Fluoreszenzquant abgegeben wird.
205
BAM
Charakteristisches Röntgenfluoreszenzspektrum einer Probe
206
BAM
Untersuchung einer Handschrift vor Ort mittels mobiler Röntgenfluoreszenzanalyse
206
Staatsbibliothek Berlin, SPK, Foto: Restaurierungswerkstatt
Spektrale Strahlungsdichte eines Infrarotstrahlers als Funktion von Temperatur und Wellenlänge [Heraeus Quarzglas GmbH]
207
Heraeus Quarzglas GmbH
Messaufbau zur Thermografie
208
BAM
Links: Realbild einer Mauerwerksoberfläche aus Hochlochziegeln, rechts: zugehöriges Thermogramm
208
BAM
Prinzip der VIS-Spektroskopie. Jedes Material absorbiert bzw. reflektiert in spezifischer Weise das sichtbare Licht und erscheint dadurch farbig.
208
BAM
Normierte Farbspektren von Azurit und Indigo
209
BAM
Messung der Farbmittel in einer aquarellierten Zeichnung
209
BAM
SMB Staatliche Museen zu Berlin BAM Bundesanstalt für Materialforschung und ‑prüfung OH Oliver Hahn HC Horst Czichos
Die BAM Bundesanstalt für Materialforschung und ‑prüfung Die BAM Bundesanstalt für Materialforschung und prüfung ist eine wissen‑ schaftlich-technische Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundes‑ ministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi). Die technologische Leistungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland basiert in hohem Maße auf wettbewerbsfähigen Produkten hoher Qualität, die durch eine innovative Mess- und Prüftechnik zu sichern ist. Die BAM ist gemäß ihres Gründungserlasses zuständig für die Weiterentwicklung von Sicherheit in Technik und Chemie Durchführung und Auswertung physikalischer und chemischer Prüfungen von Stoffen und Anlagen einschließlich der Bereitstellung von Referenzver‑ fahren und Referenzmaterialien Förderung des Wissens- und Technologietransfers in den Arbeitsgebieten der BAM Mitarbeit bei der Entwicklung gesetzlicher Regelungen, z. B. bei der Fest‑ legung von Sicherheitsstandards und Grenzwerten Beratung der Bundesregierung, der Wirtschaft sowie der nationalen und internationalen Organisationen im Bereich der Materialtechnik und Chemie. Sie ist die Nachfolgeorganisation des 1871 gegründeten Staatlichen Materialprü‑ fungsamts sowie der 1920 gegründeten Chemisch-Technischen Reichsanstalt. Unser Auftrag Sicherheit in Technik und Chemie Mit unserem Auftrag gewährleisten wir als material-technische und chemischtechnische Bundesanstalt Sicherheit in Technik und Chemie durch Forschung und Entwicklung Prüfung, Analyse, Zulassung Beratung und Information mit dem Ziel, die Entwicklung der deutschen Wirtschaft zu fördern. Unsere Arbeitsschwerpunkte Analytische Chemie Sicherer Umgang mit Gefahrstoffen und Gefahrgütern Sichere und umweltverträgliche Verwendung von Materialien Sicherer Betrieb von technischen Systemen und Prozessen Schädigungsmechanismen und Schadensanalyse
Römische Bronzen, Silberstiftzeichnungen von Dürer oder die Metalle der Himmelsscheibe von Nebra – die Materialien, aus denen Kulturgüter bestehen, geben ungeahnte Geheimnisse preis: über Alter, Entstehung und Echtheit. Oliver Hahn und Horst Czichos sind High-Tech-Detektive der Bundesanstalt für Materialforschung. Mithilfe modernster Methoden lassen sie uns Kunstwerke aus einem völlig neuen Blickwinkel betrachten. Sie erklären uns, wie sich die Echtheit von Meissner Porzellan beweisen lässt, entlarven eine Schubert-Partitur als Fälschung und rekonstruieren, wie der berühmte Porträtkopf der ägyptischen Königin Teje wirklich aussah. Hahn und Czichos lüften Geheimnisse über Albrecht Dürers private Vorlieben und beweisen, dass Rembrandts bekanntestes Selbstporträt nicht von ihm selbst stammt.
Prof. Dr. Dr. Horst Czichos war über zehn Jahre lang Präsident der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) in Berlin, die die Bundesregierung in Fragen der Materialtechnik und Chemie berät. Er lehrt Mechatronik an der Beuth-Hochschule für Technik Berlin und ist Träger des Christian-Peter-Beuth-Preises für herausragende Leistungen zur Förderung der Ingenieurausbildung.
Dr. Oliver Hahn leitet die Arbeitsgruppe Kunst- und Kulturgutanalyse in der BAM. Neben restauratorischen und konservatorischen Studien liegt der Schwerpunkt seiner Forschungstätigkeit in der zerstörungsfreien Charakterisierung von Schreib- und Zeichenmaterialien. Zudem steht er dem Netzwerk zur interdisziplinären Kulturerhaltung in Deutschland vor.
ISBN 978-3-446-42636-8 24,90 € [D] 25,60 € [A] WG 986
9 783446 426368
www.hanser-literaturverlage.de
Umschlaggestaltung: Brecherspitz Kommunikation GmbH, München
Ein Buch über den Stoff, aus dem die Künste sind – und Physiker und Ingenieure, die Kunstfälschern das Handwerk legen.