Ulf Liebe Zahlungsbereitschaft für kollektive Umweltgüter
Ulf Liebe
Zahlungsbereitschaft für kollektive Umweltgüter ...
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Ulf Liebe Zahlungsbereitschaft für kollektive Umweltgüter
Ulf Liebe
Zahlungsbereitschaft für kollektive Umweltgüter Soziologische und ökonomische Analysen
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage April 2007 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Monika Mülhausen Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Satz: Anke Vogel Druck und buchbinderische Verarbeitung: Krips b.v., Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-15201-1
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1.1 Warum überhaupt Zahlungsbereitschaften für kollektive Umweltgüter ermitteln?
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„Ein Übelstand bei allen abstrakten Überlegungen besteht darin, daß man den Gegner durch sie zum Schweigen bringen kann, ohne ihn zu überzeugen, und daß man, um sich ihrer Überzeugungskraft bewußt zu werden, dasselbe eingehende Studium braucht, das zuerst zu ihrer Auffindung nötig war. Wenn wir unsere Studierstube verlassen und uns in die allgemeinen Angelegenheiten des Lebens mischen, so scheinen die Ergebnisse jener Überlegungen dahin zu schwinden, wie nächtliche Gespenster beim Anbrechen des Morgens, und es wird uns schwer, auch nur den Grad der Überzeugung festzuhalten, den wir mit Mühe erlangt hatten“ (Hume 1978 [17391740]: 195).
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1.1 Warum überhaupt Zahlungsbereitschaften für kollektive Umweltgüter ermitteln?
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Vorwort
Das vorliegende Buch beschäftigt sich – aus der disziplinären Perspektive der Soziologie – mit individuellen Zahlungsbereitschaften für kollektive Umweltgüter, die in Umfragen erhoben werden. Die monetäre Bewertung von kollektiven Umweltgütern ist ein Forschungsfeld, das in der Ökonomik verankert ist. Auf den ersten Blick könnte gefragt werden, warum es einer soziologischen Arbeit auf diesem Gebiet bedarf. Auf den zweiten Blick, d.h. bei der Lektüre des vorliegenden Buches, sollte deutlich werden, welche theoretischen und methodischen Beiträge die Soziologie zur Zahlungsbereitschaftsanalyse leisten kann. Meine Beschäftigung mit der Zahlungsbereitschaftsanalyse und die empirische Datenbasis der vorliegenden Arbeit ermöglichte das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Forschungsprojekt „Biologische Vielfalt und deren Bewertung am Beispiel des ökologischen Waldumbaus“ (Laufzeit 2003 bis 2006; Förderkennzeichen 01 LM 0207). Dieses Projekt war interdisziplinär angelegt und eröffnete damit, vielleicht stärker als andere Projekte, die Möglichkeit, über den rein soziologischen Tellerrand hinauszuschauen. Interdisziplinarität ist gewiss nicht immer einfach umzusetzen. Dennoch, sobald sie gelingt – eine gemeinsame Verständigungsebene gefunden wurde – ist sie trotz aller Widrigkeiten ebenso anregend wie lehrreich. Daher möchte ich mich für die gelungene Zusammenarbeit bei den beteiligten Personen im genannten Forschungsprojekt bedanken. Namentlich und gemäß der fachfremden Disziplinen sind zu nennen: Prof. Dr. Volkmar Hartje und Dr. Jürgen Meyerhoff (Vergleichende Landschaftsökonomie, TU Berlin), Prof. Dr. Stefan Zerbe (Botanik und Landschaftsökologie, Universität Greifswald), Prof. Dr. Bernhard Möhring (Forstökonomie, Universität Göttingen) und Prof. Dr. Hermann Spellmann, Prof. Dr. Jürgen Nagel, Dr. Swen Hentschel sowie Dr. Henriette Duda (Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt, Göttingen). Mein besonderer Dank mit Blick auf das vorliegende Buch gilt Dr. Jürgen Meyerhoff und Prof. Dr. Peter Preisendörfer. Mit Jürgen Meyerhoff habe ich in den letzten drei Jahren eng zusammengearbeitet und Interdisziplinarität besonders intensiv erproben dürfen. Er hat mir nicht nur einen schnellen Zugang zum Feld der Zahlungsbereitschaftsanalyse gewährleistet, sondern wir haben auch eine gemeinsame Sprache gefunden, die sich keineswegs auf den Wissenschaftsbetrieb beschränkt. Peter Preisendörfer hat einerseits als Leiter des soziologischen Teilprojekts einen Beitrag für den Fortgang des Gesamtprojekts geleistet und sich andererseits stets hilfreich mit meiner Arbeit auseinandergesetzt. Für Unzulänglichkeiten und Mängel des vorliegenden Buches ist, wie sollte es anders sein, allein der Autor verantwortlich.
Leipzig, Januar 2007
Ulf Liebe
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Inhaltsverzeichnis
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Inhaltsverzeichnis
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis ............................................................................... 13 1
Einleitung ................................................................................................................... 17 1.1 Warum überhaupt Zahlungsbereitschaften für kollektive Umweltgüter ermitteln? ........................................................................................................... 17 1.2 Warum bedarf es einer soziologischen Analyse von Zahlungsbereitschaften? .................................................................................... 20 1.3 Ziele und Aufbau der Arbeit.............................................................................. 22
2
Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften für kollektive Umweltgüter....................................................................................... 25 2.1 Definition kollektiver Umweltgüter im Kontext individueller Wertschätzungen................................................................................................ 26 2.2 Einschlägige Theorieansätze im Überblick ....................................................... 33 2.3 Wohlfahrtstheoretische Grundlagen der Zahlungsbereitschaft ......................... 38 2.4 Theorien kollektiver (Umwelt)Güter und kollektiven Handelns....................... 45 2.5 Zahlungsbereitschaft im Kontext von allgemeinen Einstellungen/Umweltbewusstsein .................................................................... 53 2.5.1 Umweltbewusstsein: Konzept und Reichweite...................................... 53 2.5.2 Spezifikation der Low-Cost-Hypothese................................................. 57 2.6 Neuere sozialpsychologische Erklärungsansätze .............................................. 61 2.6.1 Zahlungsbereitschaft als spezifische Einstellung bei Kahneman et al................................................................................. 62 2.6.2 Die Theorie geplanten Handelns von Ajzen .......................................... 67 2.6.3 Das Normaktivierungsmodell von Schwartz und einige Erweiterungen ........................................................................................ 72 2.7 Zahlungsbereitschaft als altruistisches moralisches Handeln............................ 80 2.8 Evaluation und Synthese der behandelten Theorieansätze................................ 95 2.8.1 Einschätzung der theoretischen Erklärungskraft der behandelten Ansätze .............................................................................. 96 2.8.2 Synthese der behandelten Ansätze....................................................... 102
3
Methoden zur Messung der Zahlungsbereitschaft............................................... 105 3.1 Indirekte versus direkte Bewertungsmethoden................................................ 106 3.2 Die Errichtung hypothetischer Märkte ............................................................ 109 3.3 Der Kontingente Bewertungsansatz (Contingent Valuation Method)....................................................................... 113
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Inhaltsverzeichnis
3.4 3.5 3.6
3.7
Choice Experimente (Choice Experiments) .................................................... 118 Vor- und Nachteile der Kontingenten Bewertung und der Choice Experimente......................................................................................... 125 Reliabilität, Validität und Probleme bei der Anwendung direkter Messmethoden.................................................................................... 128 3.6.1 Kriterien zur Beurteilung der Reliabilität und Validität ...................... 128 3.6.2 Überblick zu methodischen Problemen und Verzerrungseffekten............................................................................. 133 3.6.3 Einbettungseffekt ................................................................................. 135 3.6.4 Protestantworten .................................................................................. 139 Zusammenführung von Theorieansätzen und methodischen Problemstellungen ........................................................................................... 143
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Untersuchungsgegenstand und empirische Datenbasis ....................................... 147 4.1 Monetäre Bewertung biologischer Vielfalt im Wald....................................... 147 4.2 Entwicklung und Ausgestaltung des Erhebungsinstruments........................... 151 4.2.1 Auswahl der wichtigsten Attribute biologischer Vielfalt und Bestimmung des Status quo ................................................................. 152 4.2.2 Charakterisierung des hypothetischen Marktes ................................... 156 4.3 Ablauf der Erhebung und Gewichtung der Daten ........................................... 162
5
Deskriptive und bivariate Analysen....................................................................... 167 5.1 Charakterisierung der Stichproben .................................................................. 167 5.2 Grundsätzliche Zahlungsbereitschaft............................................................... 169 5.3 Höhe und Dauer der Zahlungsbereitschaft ...................................................... 174 5.4 Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz des hypothetischen Marktes ............................................................................................................ 179
6
Theorieorientierte multivariate Analysen............................................................. 185 6.1 Ökonomisches Grundmodell ........................................................................... 185 6.2 Kollektives Handeln und Dilemmabewusstsein .............................................. 195 6.3 Umweltbewusstsein und Low-Cost-Hypothese............................................... 199 6.4 Theorie geplanten Handelns ............................................................................ 207 6.5 Erweitertes Normaktivierungsmodell .............................................................. 214 6.6 Moralisches Handeln ....................................................................................... 223 6.7 Zusammenschau der multivariaten Ergebnisse, Diskussion und Schlussfolgerungen .......................................................................................... 229
7
Ergänzende Analysen: Protestantworten und Choice Experiment .................... 243 7.1 Messung und Umgang mit Protestantworten................................................... 243 7.2 Multivariate Analysen zum Choice Experiment.............................................. 249
Inhaltsverzeichnis
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Schluss....................................................................................................................... 269 8.1 Die Untersuchung auf den Punkt gebracht – die wichtigsten Befunde ............................................................................................................ 269 8.2 Beschränkungen der Untersuchung ................................................................. 275 8.3 Anregungen für künftige Untersuchungen ...................................................... 276
Literaturverzeichnis.......................................................................................................... 279
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Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
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Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis Tabelle 2.1: Tabelle 2.2: Tabelle 2.3: Tabelle 2.4: Tabelle 2.5: Tabelle 2.6: Tabelle 2.7: Tabelle 2.8: Tabelle 3.1: Tabelle 3.2: Tabelle 3.3: Tabelle 3.4: Tabelle 4.1: Tabelle 4.2: Tabelle 4.3: Tabelle 4.4: Tabelle 5.1: Tabelle 5.2: Tabelle 5.3: Tabelle 5.4: Tabelle 5.5: Tabelle 5.6: Tabelle 5.7: Tabelle 5.8:
Klassifikation von Kollektivgütern........................................................... 26 Nutzungsunabhängige Werte kollektiver Umweltgüter in Anlehnung an Pruckner (1995)................................................................. 30 Nutzer und Nicht-Nutzer im Lichte der Wertschätzung von Umweltgütern .................................................................................... 31 Konzeptionelle Einordnung der zu behandelnden Theorieansätze .......... 36 Kompensierende und Äquivalente Variation im Falle einer Umweltverbesserung ................................................................................ 41 Kompensierende und Äquivalente Variation in Abhängigkeit von der Änderung der Umweltqualität .............................. 42 Grundannahmen und Hypothesen des Normaktivierungsmodells von Schwartz............................................................................................. 73 Zahlungsmotivationen und Handlungstypen .......................................... 103 Instrumente zur Ermittlung der Zahlungsbereitschaft nach Bateman et al. (2002: 137)...................................................................... 117 Beispiele für eine KB-Frage und ein Choice-Set (aus Bennett und Adamowicz 2001) ...................................................... 125 Beispiele zur Messung von Protestantworten......................................... 140 Beitrag einzelner Theorieansätze zur Klärung methodischer Probleme .......................................................................... 145 Ranking der Attribute biologischer Vielfalt in den Focus Groups (N=23) ............................................................................. 154 Charakterisierung des Status quo biologischer Vielfalt in der Lüneburger Heide......................................................................... 155 Informationen zur Beschreibung des Waldumbaus für die Befragten........................................................................................... 157 Ausschöpfung und Ausfallgründe in der Hauptumfrage........................ 164 Charakterisierung der Stichproben ......................................................... 168 Deskriptive Ergebnisse zur grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft........ 170 Wichtigste Attribute für die Zahlungsentscheidung............................... 172 Bivariate Zusammenhänge zur grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft (nein/ja) ................................................................ 173 Kenngrößen der Höhe der Zahlungsbereitschaft in der Kontingenten Bewertung ........................................................................ 175 Zahlungsbereitschaft in Jahren ............................................................... 178 Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz des hypothetischen Marktes......... 180 Protestaussagen in Abhängigkeit von der grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft (WTP)................................................................... 182
14 Tabelle 6.1: Tabelle 6.2: Tabelle 6.3: Tabelle 6.4: Tabelle 6.5: Tabelle 6.6: Tabelle 6.7: Tabelle 6.8: Tabelle 6.9: Tabelle 6.10: Tabelle 6.11: Tabelle 6.12: Tabelle 6.13: Tabelle 6.14: Tabelle 6.15: Tabelle 6.16: Tabelle 6.17: Tabelle 6.18: Tabelle 6.19: Tabelle 6.20: Tabelle 6.21: Tabelle 7.1: Tabelle 7.2: Tabelle 7.3: Tabelle 7.4:
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Ergebnisse multivariater Analysen zum ökonomischen Grundmodell ........................................................................................... 190 Einheitseffekte im ökonomischen Grundmodell zur grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft .................................................... 193 Weiterführende multivariate Analysen zum ökonomischen Grundmodell................................................................... 194 Skala zur Messung des allgemeinen Dilemmabewusstseins............................................................................. 197 Multivariate Analysen zum Dilemmabewusstsein ................................. 198 Aussagen zur Messung des allgemeinen Umweltbewusstseins............................................................................... 202 Korrelationen und kontrollierte Probit-Effekte hinsichtlich des Umweltbewusstseins und der grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft .................................................... 204 Haupt- und Interaktionseffekte hinsichtlich des Umweltbewusstseins und der grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft .... 205 Multivariate Ergebnisse zur Low-Cost-Hypothese und Höhe der Zahlungsbereitschaft ............................................................... 206 Multivariate Analysen zur Theorie geplanten Handelns (grundsätzliche Zahlungsbereitschaft).................................................... 210 Multivariate Analysen zur Theorie geplanten Handelns (Höhe der Zahlungsbereitschaft) ............................................................ 212 Korrelationen und kontrollierte Probit-Effekte mit Blick auf die Einstellung zur Zahlung und die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft in Abhängigkeit von der Waldnutzung ................ 213 Multivariate Analysen zur Normaktivierung (grundsätzliche Zahlungsbereitschaft).................................................... 220 Skala zur Messung des allgemeinen Warm Glow .................................. 225 Multivariate Analysen zu moralischem Handeln (grundsätzliche Zahlungsbereitschaft) ............................................................................. 227 Multivariate Analysen zu moralischem Handeln (Höhe der Zahlungsbereitschaft) ............................................................ 228 Zusammenschau der multivariaten Ergebnisse ...................................... 230 Pearsonsche Korrelationen zwischen Einstellung, Moral und Zahlungsbereitschaft........................................................................ 234 Multivariate Analysen zu Faktorenblöcken und grundsätzlicher Zahlungsbereitschaft ..................................................... 236 Multivariate Analysen zu Faktorenblöcken und grundsätzlicher Zahlungsbereitschaft ..................................................... 237 Modell zur Höhe der Zahlungsbereitschaft in der Kontingenten Bewertung ........................................................................ 238 Häufigkeit der Protestaussagen in Prozent ............................................. 244 Höhe der Zahlungsbereitschaft in Abhängigkeit von Protestantworten (Kontingente Bewertung) ........................................... 245 Multivariate Analysen zu Protestüberzeugungen ................................... 247 Attribute und Variablen im Choice Experiment..................................... 259
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Tabelle 7.5: Tabelle 7.6:
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Ergebnisse des Choice Experiments unter Anwendung verschiedener Logit-Modelle.................................................................. 261 Implizite Preise der Attribute biologischer Vielfalt und Wohlfahrtsmaße verschiedener Szenarien.............................................. 265
Abbildungsverzeichnis Abbildung 2.1: Abbildung 2.2: Abbildung 2.3:
Ökonomischer Gesamtwert eines Umweltgutes....................................... 32 WTP und WTA für kollektive Umweltgüter............................................ 43 Gefangenendilemma und die Bereitstellung kollektiver Güter ......................................................................................................... 50 Abbildung 2.4: Umweltbewusstsein: eng bis weit gefasste Bedeutungszusammenhänge nach Spada (1996) und Erweiterung um Einstellungskomponenten................................................................... 54 Abbildung 2.5: Das mehrdimensionale Konstrukt Umweltbewusstsein nach Urban (1986) .................................................................................... 56 Abbildung 2.6: Low-Cost-Hypothese für die Zahlungsbereitschaft für Umweltgüter ............................................................................................. 60 Abbildung 2.7: Austauschbare Maße für Einstellungen gegenüber einem Umweltgut ................................................................................................ 64 Abbildung 2.8: Theorie des geplanten Handelns nach Ajzen (1991) ................................ 68 Abbildung 2.9: Verhaltenssequenzen im Normaktivierungsmodell von Schwartz (1977: 241)................................................................................ 75 Abbildung 2.10: Erweitertes Normaktivierungsmodell von Blamey (1998a: 689)............................................................................................... 79 Abbildung 2.11: Straße der Zahlungsbereitschaft ............................................................... 92 Abbildung 2.12: Einordnung der Erklärungsansätze zwischen Kauf und Beitrag .............. 96 Abbildung 3: Bewertungsmethoden zur Messung der Zahlungsbereitschaft ............... 108 Abbildung 4.1: Beschreibung des Umweltgutes und Geldleiter in der Kontingenten Bewertung ........................................................................ 159 Abbildung 4.2: Beispiel für eine Choice-Karte für Maßnahmen zum Waldumbau ........ 161 Abbildung 5.1: Häufigkeit der Waldnutzung im letzten Jahr.......................................... 169 Abbildung 5.2: Verteilung der Zahlungsbereitschaft in der Gruppe der Zahlungsbereiten (N=86)........................................................................ 177 Abbildung 5.3: Zahlungsbereitschaft in Jahren bei den beiden Bewertungsmethoden ............................................................................. 178 Abbildung 7.1: Konditionales Logit-Modell und Verletzung der IIA-Annahme............ 253 Abbildung 7.2: Sequenzielle Modellstruktur (nested Logit-Modell) .............................. 254
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1.1 Warum überhaupt Zahlungsbereitschaften für kollektive Umweltgüter ermitteln?
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1 Einleitung
Die vorliegende Arbeit befasst sich damit, individuelle Zahlungsbereitschaften für kollektive Umweltgüter theoretisch zu erörtern, Methoden zur Messung von Zahlungsbereitschaften zu diskutieren sowie eine empirische Untersuchung zu theoretischen und methodischen Problemstellungen der Zahlungsbereitschaftsanalyse vorzustellen. Dieses Einleitungskapitel behandelt zunächst zwei Fragen, die den Kontext der Arbeit aufspannen. Der erste Abschnitt verdeutlicht, warum überhaupt Zahlungsbereitschaften für kollektive Umweltgüter ermittelt werden sollten. Im zweiten Abschnitt wird näher darauf eingegangen, warum es speziell einer sozialwissenschaftlichen und damit soziologischen Analyse von Zahlungsbereitschaften bedarf. Der dritte Abschnitt gibt einen Überblick über die Ziele und den Aufbau der Arbeit mit dem Schwerpunkt der Abgrenzung zu anderen Untersuchungen im Bereich der monetären Bewertung von Umweltgütern. 1.1 Warum überhaupt Zahlungsbereitschaften für kollektive Umweltgüter ermitteln? Niemand würde wohl die Aussage anzweifeln, dass Menschen in einer intakten Umwelt leben möchten. Besonders im Verlauf der letzten Jahrzehnte ist der Umweltschutz lokal und global zu einem der bedeutendsten Anliegen aufgestiegen, wobei die Lösung der Umweltprobleme im politischen Diskurs – je nach nationalen Interessen – als unterschiedlich dringlich eingestuft wird. Immerhin findet man heutzutage kaum mehr Stimmen, die Umweltprobleme völlig negieren. Die internationale Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (United Nations Conference on Environment and Development) im Jahre 1992 in Rio de Janeiro markiert den Beginn eines politischen Handlungspfades, auf dem einerseits die Wichtigkeit von Umweltfragen betont wird und andererseits die Schwierigkeiten bei der Durchsetzung umweltgerechten Handelns deutlich werden. Eine nachhaltige Entwicklung im Spannungsfeld sozialer, ökologischer und wirtschaftlicher Anforderungen ist nur zu gewährleisten, wenn der Nutzen bzw. potenzielle Schäden, die mit dem Erhalt bzw. dem Verlust an Umweltqualität verbunden sind, hinreichend bekannt sind. Im Zuge dessen bleibt erstens festzuhalten, dass Umweltressourcen – ökonomisch gesprochen – in sehr vielen Fällen kollektive Güter sind. Im Prinzip sind sie meist frei zugänglich, d.h. keiner kann von ihrer Nutzung ausgeschlossen werden oder aber der Nutzungsausschluss ist prohibitiv teuer, und es liegt keine Rivalität im Konsum vor, d.h. wenn eine Person die Ressourcen nutzt, können es trotzdem andere uneingeschränkt tun (man denke an eine saubere Luft). Zweitens ist hinlänglich bekannt, dass die meisten Umweltressourcen begrenzt und knapp sind. Aufgrund einer Fülle von Problemen, die Gesellschaften zu lösen haben, und einer Vielzahl an Möglichkeiten im Umgang mit knappen Umweltressourcen stellt sich zwangsläufig die Frage, welche Ressourcen in welcher Form und in welchem Umfang geschützt und erhalten werden sollen.
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1 Einleitung
In unserer Welt, in der sich die meisten Länder als wettbewerbsorientierte Marktgesellschaften positioniert haben, sind die Kriterien zur Beantwortung solcher Fragen zentral in der Wirtschaftlichkeit von Umweltschutzmaßnahmen zu suchen. Das trifft auch auf Länder wie China zu, die sich zwar selbst als kommunistisch bezeichnen, in denen aber „real herrschende Marktprinzipien“ unverkennbar sind. Allerdings sind es gerade Marktmechanismen, die bei der Bereitstellung von kollektiven Umweltgütern wie dem Klimaschutz, dem Erhalt von einzigartigen Ökosystemen oder dem Schutz seltener Tier- und Pflanzenarten versagen: „Wie die wachsende Umweltkrise zeigt, ist eine liberale Wirtschaftsordnung, deren Hauptkriterien Rentabilität und Kapitalrendite sind, nicht fähig, mit der ökologischen Herausforderung fertig zu werden. Der heutige Markt ignoriert, was in hundert Jahren unschätzbar wertvoll für die Menschen sein wird. Wie soll man auch die Schönheit eines Sees oder eines schneebedeckten Gipfels an Marktmaßstäben messen? Wie ist die Rettung ‚nutzloser’ Tiere oder Insekten mit Rentabilitätskriterien zu rechtfertigen? Aber nichtsdestotrotz errechneten Biologen und Wirtschaftswissenschaftler 1997, dass die Dienste, welche die Natur uns leistet – saubere Luft, sauberes Wasser, fruchtbare Böden –, auf 33 000 Milliarden Dollar pro Jahr zu veranschlagen seien. Wir müssen der Natur nichts bezahlen, doch werden unsere Nachfahren nicht mindestens diese Summen aufbringen müssen, um die von uns verschmutzte Umwelt wieder in Ordnung zu bringen?“ (Gorbatschow 2003: 44).
Gorbatschow stellt in seinem „Manifest für die Erde“ fest, dass Umweltprobleme mit den Maßstäben der vorherrschenden Wirtschaftsordnung nicht ohne weiteres beurteilt werden können. Das ist keine neue Erkenntnis und liegt vor allem an fehlenden Marktpreisen, beispielsweise für den Schutz der biologischen Vielfalt oder den Schutz vor Bodenerosionen, den Wälder leisten. Zudem verweist er darauf, dass Wissenschaftler dennoch den Wert der Umwelt in Geldeinheiten berechnet haben. Was Gorbatschow nicht erwähnt oder nicht weiß, ist die Tatsache, dass die monetäre Messung des Nutzens, den Umweltressourcen stiften, bereits seit den 1950er Jahren (überwiegend von UmweltökonomInnen) praktiziert wird. Die monetäre Bewertung von Umweltgütern hat ihren Ursprung in den USA, und sie ist dort seit langem institutionell verankert. Nationale und lokale staatliche Behörden geben regelmäßig Studien in Auftrag, die beispielsweise den Erholungswert von Naturparks ermitteln sollen. Ein gemeinsames Merkmal solcher Untersuchungen ist, dass Personen in Umfragen direkt nach ihrer Zahlungsbereitschaft für Umweltveränderungen gefragt werden (z.B. Wie viel würden Sie maximal pro Jahr bezahlen, damit x realisiert wird?). Es werden so genannte hypothetische Märkte errichtet, auf denen Preise – im Prinzip wie bei privaten Gütern – ermittelt werden. Einerseits kann auf hypothetischen Märkten erhoben werden, welche Präferenzen Personen mit Blick auf alternative Nutzungsmöglichkeiten von Umweltressourcen haben. So kann auch „der Wert eines schönen Sees und eines schneebedeckten Gipfels“ an Marktmaßstäben (dem Preis) gemessen werden. Andererseits können die Nutzen in Geldeinheiten den Kosten für Umweltveränderungen gegenübergestellt werden, die bei vielen Maßnahmen betriebswirtschaftlich und damit „im Wirtschaftssystem“ berechenbar sind. Um Missverständnissen vorzubeugen: Grundsätzlich gibt es Werte von Umweltressourcen, die sich unmittelbar durch Marktpreise kennzeichnen lassen. Man denke an monetäre Ausgaben, die aufgewendet werden, um eine Naturlandschaft zu besuchen (z.B. die Reisekosten für den Besuch des Wattenmeers an der Nordsee). Bei dem Schutz gefährdeter Tier- und Pflanzenarten und einer Vielzahl anderer Umweltressourcen ist dies jedoch nicht ohne weiteres möglich.
1.1 Warum überhaupt Zahlungsbereitschaften für kollektive Umweltgüter ermitteln?
19
Zwei Entwicklungen sind anzuführen, warum in den USA der monetären Bewertung von Umweltgütern eine entscheidende Bedeutung beigemessen worden ist und wird. Erstens hatte die „Reagan-Regierung“ vorgeschrieben, wichtige Rechtsvorschriften (regulations) einer Kosten-Nutzen-Analyse zu unterziehen (Executive Order 12291, vgl. Loomis 1999: 616). Dadurch wurde durch die amerikanische Umweltschutzbehörde eine Vielzahl an Studien zur Zahlungsbereitschaft für Umweltgüter/-programme gefördert. Zweitens erging durch den US-Kongress der „Comprehensive Environmental Response, Compensation and Liability Act of 1980“ (CERCLA), der es u.a. ermöglichte, Zahlungsbereitschaftsanalysen zur Bewertung von Umweltschäden heranzuziehen, auch bei Entschädigungsfällen vor Gericht (Loomis 1999: 620). Der bis heute prominenteste Fall ist die Öl-TankerKatastrophe 1989 in Alaska, als der Öltanker Exxon Valdez im Prince William Sound auf das Bligh Riff auflief. Das Schiff verlor rund 40.000 Tonnen Rohöl und zerstörte eine nahezu unberührte Küstenlandschaft. Der Staat Alaska gab daraufhin eine Zahlungsbereitschaftsstudie in Auftrag. In einer landesweiten Umfrage wurden Bürger der USA nach ihre Zahlungsbereitschaft für Programme gefragt, die künftige Katastrophen ähnlich der von Exxon Valdez verhindern. Die Summe belief sich auf 2,8 Milliarden Dollar (Carson et al. 2003) und wurde gegenüber der Firma Exxon vor Gericht geltend gemacht. Der Punkt ist, dass Exxon für Schäden aufkommen sollte, die weit über die „üblichen Forderungen“ hinausgehen (z.B. für die Säuberung der Landschaft oder entgangene Gewinne der Fischer vor Ort). Grundlage dieser Forderung war eine Messung individueller Präferenzen für den Schutz und Erhalt der Naturlandschaft Alaskas, Präferenzen also, die nicht auf realen Märkten beobachtet werden können. In Europa findet die Zahlungsbereitschaftsanalyse erst in jüngster Zeit zunehmend Anklang. Der Hauptgrund für die „lange Zurückhaltung“ wird darin gesehen, dass hier die grundsätzliche Idee einer monetären Bewertung von Umwelt stärker abgelehnt wird (Bonnieux und Rainelli 1999). Doch in einer Welt anhaltender Umweltprobleme und zunehmender Geldknappheit wächst auch der Druck auf Regierungen in Europa (und natürlich andernorts), Prioritäten im Rahmen umweltpolitischer Maßnahmen zu setzen. Ein Beleg dafür ist u.a. die zunehmende Anzahl an Bewertungsstudien insbesondere in Großbritannien und Skandinavien. Auch wenn einige Menschen Vorbehalte gegenüber einer „Monetarisierung der Natur“ hegen, stellen sich in der Welt, wie sie heute beschaffen ist, viele praktische Probleme, zu deren Lösung Zahlungsbereitschaftsanalysen beitragen können. Die Lösung dieser Probleme und Entscheidungen zu Umweltmaßnahmen orientieren sich in demokratischen Gesellschaften vom Grundsatz her an den Dringlichkeiten der Wählerschaft. Dabei kann eine Überprüfung der Wirtschaftlichkeit am Maßstab bewährter Marktmechanismen und deren Wirkung nur erreicht werden, wenn die individuellen Präferenzen von Bürgern bekannt sind (Garrod und Willis 1999: 4). Dieser Abschnitt schließt mit einem Zitat von Niklas Luhmann, einem Soziologen, dessen theoretischer Zugang zur Erklärung gesellschaftlicher Tatbestände von der Erklärung und Untersuchung individuellen Handelns und daher der Messung von Zahlungsbereitschaften weit entfernt ist. Allerdings vermag er es, das „System Wirtschaft“ in Relation zu ökologischen Fragestellungen treffend zu beschreiben und gibt, wenn auch unwillentlich, eine Antwort auf die Fragestellung, warum die Ermittlung individueller Zahlungsbereitschaften für kollektive Umweltgüter sinnvoll ist:
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1 Einleitung „Der Schlüssel des ökologischen Problems liegt, was Wirtschaft betrifft, in der Sprache der Preise. Durch diese Sprache wird vorweg alles gefiltert, was in der Wirtschaft geschieht, wenn die Preise sich ändern bzw. nicht ändern. Auf Störungen, die sich nicht in dieser Sprache ausdrücken lassen, kann die Wirtschaft nicht reagieren – jedenfalls nicht mit der intakten Struktur eines ausdifferenzierten Funktionssystems der Gesellschaft. Diese strukturelle Beschränkung auf Preise ist aber nicht nur ein Nachteil, nicht nur ein Verzicht auf andere Möglichkeiten; sie garantiert zugleich, daß das Problem, wenn es in Preisen ausgedrückt werden kann, im System auch bearbeitet werden muss“ (Luhmann 2004: 122/123).
1.2 Warum bedarf es einer soziologischen Analyse von Zahlungsbereitschaften? Im weitesten Sinne fallen die Messung von Präferenzen und Erklärungen basierend auf individuellen Präferenzen seit längerem nicht mehr ausschließlich in den Bereich der Ökonomik. Im Spektrum der Theorien rationalen Handelns haben vor allem auch SoziologInnen grundlagenorientierte und anwendungsbezogene Erklärungsbeiträge geleistet. Für den deutschsprachigen Raum wären hier u.a. Siegwart Lindenberg, Karl-Dieter Opp, Rolf Ziegler, Viktor Vanberg, Hartmut Esser, Werner Raub und Thomas Voss zu nennen. Nicht nur, aber auch im Bereich der Umweltsoziologie sind z.B. Andreas Diekmann und Peter Preisendörfer anzuführen.1 Zudem kann man in jedem Lehrbuch zur Soziologie mittlerweile Abschnitte und Kapitel zu Rational-Choice-Theorien finden, was als ein Indiz dafür zu sehen ist, dass dieser theoretische Zugang zur Erklärung gesellschaftlicher Tatbestände aus seinem „Schattendasein“ in der Soziologie herausgetreten ist. Dennoch bräuchte man keine soziologischen Analysen zur Erklärung und Messung monetärer Werte von kollektiven Umweltgütern, wenn ökonomische Analysen nicht problembehaftet wären. Problembehaftet heißt zunächst allgemein, dass in empirischen Untersuchungen zur Zahlungsbereitschaft immer wieder Abweichungen von den (neoklassischen) nutzen- und wohlfahrtstheoretischen Grundannahmen zu individuellem Handeln zu beobachten sind. Die Messung desjenigen Geldbetrages (Zahlungsbereitschaft), der bei Individuen eine Indifferenz zwischen den Situationen vor und nach dem Eintritt einer Umweltveränderung gewährleistet, ist nicht so einfach, wie viele auf den ersten Blick vermuten würden. Das liegt vor allem an einem Umstand: In Umfragen werden auf hypothetischen Märkten folgerichtig auch hypothetische Zahlungsbereitschaften geäußert. Dabei ist beispielsweise festgestellt worden, dass Zahlungsbereitschaften zum Teil nicht bzw. kaum mit dem Umfang eines Gutes variieren, ein Ergebnis, das ÖkonomInnen gemeinhin mehr Erklärungsprobleme schafft, als ihnen lieb ist. Zudem leistet das Einkommen, die zentrale Variable aus ökonomischer Sicht, oftmals einen geringen Beitrag zur Erklärung der Zahlungsentscheidung. Solche Befunde weisen darauf hin, dass es bei der monetären Bewertung von Umweltgütern angebracht ist, über den „ökonomischen Tellerrand“ hinauszuschauen. Im Zuge dessen lassen sich generell zwei Fragestellungen formulieren, die Anschlussmöglichkeiten an die soziologische Umweltforschung bieten und auf die im Folgenden kurz eingegangen wird. Welche Determinanten beeinflussen die Zahlungsentscheidung von Individuen? Möchte man bei der Erklärung von Zahlungsbereitschaften über die mikroökonomische Theorie 1
Für einen aktuellen Übersichtsband zu Anwendungen und Problemen der Rational-Choice-Theorie in den Sozialwissenschaften vgl. Diekmann und Voss (2004). Darin ist auch ein Beitrag von Peter Preisendörfer zu Anwendungen der Rational-Choice-Theorie im Umweltbereich enthalten.
1.2 Warum bedarf es einer soziologischen Analyse von Zahlungsbereitschaften?
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und deren zentrale erklärende Variable des Einkommens hinausgehen, lassen sich mehrere sozialwissenschaftliche Theorien bzw. Theoriebereiche finden, deren Anwendung lohnenswert erscheint. Im Mittelpunkt dieser Erklärungsansätze stehen kollektives Handeln, Einstellungen und Normen. Theorien kollektiven Handelns können klären, wie sich Handeln äußert, wenn Individuen die Zahlung nicht als Kauf, sondern als einen Beitrag zur Produktion eines kollektiven Umweltgutes wahrnehmen. Eine wichtige Frage aus umweltsoziologischer Sicht dürfte diejenige nach der Rolle des Umweltbewusstseins für Zahlungsentscheidungen sein. Einen nahe liegenden Anknüpfungspunkt hierfür bietet im Spektrum von Rational-Choice-Theorien die Low-Cost-Hypothese von Diekmann und Preisendörfer (2003). Neuere sozialpsychologische Modelle wie die Theorie des geplanten Handelns von Ajzen (1991) geben Bedingungen an, unter denen eine Verhaltensintention (Zahlungsabsicht) vorliegt, die in eine tatsächliche Zahlung mündet. Die Einstellung gegenüber dem Zahlungsverhalten und eine wahrgenommene subjektive Norm zur Zahlung sind dabei zentrale Variablen. Mithilfe des Normaktivierungsmodells von Schwartz (1977) kann versucht werden, die Frage zu beantworten, wie Individuen eine Zahlungsentscheidung treffen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf einer persönlichen Norm zur Zahlung, die mit einer moralischen Verpflichtung einhergeht und deren Aktivierung erklärt werden soll. Darüber hinaus können Zahlungsbereitschaften als altruistisches moralisches Handeln gedeutet werden, zu dessen Erklärung eine Anknüpfung an verschiedene präferenzgeleitete Ansätze geeignet scheint (u.a. Margolis 1982). Insgesamt sollte mit dieser Auflistung potenziell einschlägiger Theorien deutlich geworden sein, welch weites sozialwissenschaftliches und soziologisches Erklärungsfeld sich bei Zahlungsbereitschaftsanalysen auftut. Wie kann die Validität von Messungen der Zahlungsbereitschaft beurteilt und verbessert werden? Da in Umfragen hypothetische Zahlungsbereitschaften geäußert werden, ist eine sich förmlich aufdrängende Frage: Inwieweit korrespondieren hypothetische Zahlungsbeträge mit realen Zahlungen? Solche und ähnliche Fragen zielen auf die Reliabilität und Validität der Methoden zur Messung der Zahlungsbereitschaft. ÖkonomInnen fehlt ein bewährtes und anerkanntes Instrumentarium zur Beurteilung beider Bereiche. Infolgedessen haben sie sich der gängigen Kriterien aus der empirischen Sozialforschung bzw. aus der klassischen Testtheorie bedient und knüpfen vor allem an einstellungsorientierte Arbeiten an. Ein beliebtes Modell zur Beurteilung der Konstruktvalidität ist z.B. die bereits erwähnte Theorie geplanten Handelns von Ajzen (vgl. u.a. Meyerhoff 2004). Liegt nach den Maßstäben dieser Theorie eine Verhaltensintention bei den umfragebasierten Zahlungsbereitschaften vor, werden positive Rückschlüsse auf eine potenzielle reale Zahlung gezogen. An dieser Stelle wird auch deutlich, dass es eine Verbindung der theoretischen Erklärungsansätze und der methodischen Problemstellungen zur Validität und zu Verzerrungseffekten gibt (z.B. dass Zahlungsbereitschaften nicht mit dem Umfang des Gutes variieren). Darüber hinaus treten eine Reihe weiterer methodischer Probleme auf, z.B. der Umgang mit so genannten Protestantworten. „Protestler“ äußern, dass sie nicht zahlungsbereit sind, weil sie es z.B. ablehnen, Natur und Landschaft mit Geld zu bewerten. Diese Antworten müssen von „echten Nullantworten“, die einem ökonomischen Kalkül unterliegen, getrennt behandelt werden. Allerdings werden in der bisherigen Forschung die Kriterien zur Festlegung von Protestantworten überwiegend ad hoc bestimmt, und es bleibt strittig, ob nicht auch Zahlungsbereite Protestüberzeugungen hegen. Umso wichtiger scheint die erste Fragestellung zu sein, die eine stringente Theoriediskussion im Kontext von Zahlungsbereitschaftsanalysen einfordert. Bis heute werden Studien zur Messung der Zahlungsbereit-
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1 Einleitung
schaft für Umweltgüter überwiegend von UmweltökonomInnen durchgeführt, denen es nicht selten an Erfahrungen mit der Entwicklung von Messinstrumenten und mit der Durchführung von Umfragen mangelt. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass SozialwissenschaftlerInnen und insbesondere SoziologInnen mit einem breiten Theoriekanon und ihren Erfahrungen im Bereich der empirischen Sozialforschung zur Lösung theoretischer und methodischer Probleme der monetären Bewertung kollektiver Umweltgüter beitragen können und sollten. 1.3 Ziele und Aufbau der Arbeit Die Zielsetzungen der vorliegenden Arbeit lassen sich in die drei Bereiche Theorie, Methoden und empirische Analysen einordnen. In einem ersten Schritt wird die Zahlungsbereitschaftsanalyse bzw. die ökonomische Bewertung kollektiver Umweltgüter theoretisch beleuchtet. Eine Darstellung und Diskussion der einschlägigen Methoden bilden den zweiten Schritt. Im Anschluss daran erfolgt im dritten Schritt eine empirische Untersuchung am Beispiel der monetären Bewertung der biologischen Vielfalt im Wald. Im Rahmen dieser Zieleinordnung wird versucht, soziologische Akzente in einem überwiegend von UmweltökonomInnen dominierten Forschungsfeld zu setzen. Die Dreiteilung in Theorie, Methoden und empirische Überprüfung unterscheidet sich von anderen Arbeiten zur monetären Bewertung kollektiver Umweltgüter. Diese Behauptung mag auf den ersten Blick überraschen, weil die vorgenommene Dreiteilung (nicht nur) für SoziologInnen selbstverständlich ist. Tatsächlich findet sich die Aufteilung in Theorie, Methoden und Empirie auch in der Literatur zur ökonomischen Bewertung von Umweltgütern. In der Regel werden zu Beginn in einem kurzen Kapitel die theoretischen Grundlagen der Zahlungsbereitschaftsanalyse dargestellt. Der Schwerpunkt liegt dabei zum einen auf dem ökonomischen Gesamtwert von Umweltgütern und zum anderen auf den nutzen- und wohlfahrtstheoretischen Grundlagen. Danach werden die Bewertungsmethoden vorgestellt. Hierbei ergibt sich erneut eine Theoriediskussion, bei der theoretische Konzepte, meist aus der Sozialpsychologie, mit Blick auf die Validität der Bewertungsmethoden thematisiert werden. Anschließend erfolgt die empirische Überprüfung. Insgesamt steht daher nicht eine theoriegeleitete Erklärung von Zahlungsbereitschaften im Vordergrund, sondern eher ein methodenbasiertes Vorgehen mit Blick auf die Evaluation der Methoden, u.a. mithilfe theoretischer Konzepte. Im Unterschied dazu wird in der vorliegenden Arbeit stärker theorieorientiert vorgegangen. Ausgehend von der Definition kollektiver Umweltgüter und ihrer Werte sowie der mikroökonomischen Fundierung werden im zweiten Kapitel verschiedene Theorieansätze diskutiert, aus denen auch jeweils Hypothesen hergeleitet werden. Diese Herangehensweise bringt mehrere Vorteile mit sich. Erstens rücken eine Reihe von Erklärungsansätzen ins Blickfeld, die sonst, wenn überhaupt, nur vereinzelt mit Blick auf die Evaluation der Methoden in der Bewertungsliteratur zu finden sind. Zweitens erfordert die Herleitung von Hypothesen eine klare theoretische Argumentation, die von einem Ad-hoc-Vorgehen entfernt ist, das einem oftmals bei der Lektüre von Texten zur ökonomischen Bewertung begegnet. Drittens werden vor allem auch die theorieimmanenten Schwächen aufgegriffen, die bei einer methodenbasierten Begründung für die Verwendung von Theorien ausgeblendet werden. Was nützt es beispielsweise, wenn Einstellungs-Verhaltens-Modelle wie die
1.3 Ziele und Aufbau der Arbeit
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Theorie geplanten Handelns von Ajzen (1991) eine hohe empirische Erklärungskraft haben, aber ihr Aussagegehalt möglicherweise gering ist? Viertens schafft die vorliegende Arbeit die Möglichkeit, die unterschiedlichen Erklärungsansätze einem empirischen Vergleich zu unterziehen. Gerade der letzte Aspekt fehlt weitgehend in der gängigen Literatur. Fünftens verliert die stärker theoriegeleitete Analyse von Zahlungsbereitschaften nichts in Bezug auf die methodenbasierten Problemstellungen, da schließlich die meisten der in der vorliegenden Arbeit behandelten Theorieansätze auch „methodische Probleme“ klären können, z.B. im Spannungsfeld der Theorien kollektiven Handelns, ob Zahlungen, wie in der Ökonomik angenommen, einem Kauf entsprechen oder als Beitrag zur Bereitstellung eines kollektiven Gutes aufgefasst werden. Insgesamt nimmt die Arbeit eine Reihe von recht unterschiedlichen Erklärungsansätzen ins Blickfeld. Das hat die Einschränkung zur Folge, dass mögliche Erweiterungen der einzelnen theoretischen Zugänge, die über die grundlegenden Bausteine hinausgehen, zum Teil nicht weiter verfolgt werden. Das dritte Kapitel widmet sich den Methoden zur Messung der Zahlungsbereitschaft mit einem Hauptaugenmerk auf zwei so genannten direkten Methoden, die Kontingente Bewertung und die Choice Experimente. Diesen Methoden ist gemeinsam, dass Personen in Umfragen (auf hypothetischen Märkten) direkt nach ihrer Zahlungsbereitschaft für Veränderungen der Umweltqualität gefragt werden. Insbesondere für Leser, die keinen umweltökonomischen Hintergrund haben, dürften diese Methoden weitgehend unbekannt sein. Deshalb wird auf die Darstellung der Bewertungsmethoden und damit verbundene methodische Probleme besonders wert gelegt. Immerhin sind neben der mikroökonomischen Grundlage die Messmethoden der zweite Schlüssel zum Verständnis dessen, was aus ökonomischer Sicht die monetäre Bewertung von kollektiven Umweltgütern ausmacht. Das dritte Kapitel schließt u.a. mit einer Zusammenführung von Theorieansätzen und methodischen Problemstellungen, deren Verbindung bereits oben angemahnt wurde. Eine solche Verknüpfung stellt ein Stück weit ein Novum dar. Die theoretischen Überlegungen und methodischen Darlegungen müssten für sich stehen und behielten den Charakter von Vorarbeiten, wenn nicht auch eine empirische Analyse postulierter Zusammenhänge erfolgte. Dies leisten das vierte bis siebte Kapitel. Darin wird eine empirische Untersuchung zur Zahlungsbereitschaft für eine Erhöhung der biologischen Vielfalt im Wald am Beispiel der Lüneburger Heide vorgenommen. In der Konvention über biologische Vielfalt aus dem Jahre 1992, die dem Rio-Prozess entstammt, haben sich über hundert Staaten, u.a. auch Deutschland, dazu verpflichtet, die Vielfalt von Tierund Pflanzenarten, Ökosystemen und die genetische Vielfalt zu erhalten und zu schützen. In der Lüneburger Heide wird seit einigen Jahren ein so genannter Waldumbau hin zu einem Mehr an Biodiversität, z.B. durch eine Erhöhung des Laubwaldanteils, betrieben. Dieser Waldumbau wird im Wesentlichen von staatlichen Institutionen getragen. Die empirische Analyse untersucht die Frage, wie Personen aus der Region diese Veränderungen im Wald anhand der Zahlungsbereitschaft bewerten. Dafür wurden eine Kontingente Bewertung und ein Choice Experiment durchgeführt. Die für die Analysen verwendeten Daten resultieren aus dem Forschungsprojekt „Biologische Vielfalt und deren Bewertung am Beispiel des ökologischen Waldumbaus“, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziell gefördert wurde (Fkz. 01 LM 0207). Die Daten wurden im Herbst 2004 in Niedersachsen erhoben. Das vierte Kapitel gibt einen Überblick über den Untersuchungsgegenstand und die empirische Datenbasis. Deskriptive und bivariate Analysen enthält das fünfte Kapitel. Die
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1 Einleitung
Ergebnisse der theorieorientierten multivariaten Analysen, d.h. die Überprüfung der im zweiten Kapitel hergeleiteten Hypothesen, werden im sechsten Kapitel vorgestellt und diskutiert. Ergänzende Analysen zu den so genannten Protestantworten und speziell zum Choice Experiment liefert das siebte Kapitel. Im Mittelpunkt der Datenauswertung stehen damit vor allem zwei Aspekte: Erstens werden die im theoretischen Teil hergeleiteten Hypothesen überprüft, und zweitens auch Antworten auf methodische Problemstellungen gesucht, z.B. welche Auswirkungen verschiedene Strategien im Umgang mit Protestantworten auf die mittlere Zahlungsbereitschaft haben. Die Arbeit schließt mit dem achten Kapitel, in dem die wesentlichen theoretischen und empirischen Ergebnisse zusammengefasst werden. Darüber hinaus wird auf die Beschränkungen der vorliegenden Studie eingegangen, und es werden Anregungen für künftige Untersuchungen gegeben.
1.3 Ziele und Aufbau der Arbeit
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2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften für kollektive Umweltgüter 2
Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
In diesem Kapitel werden verschiedene theoretische Zugänge zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften für kollektive Umweltgüter besprochen und Hypothesen hergeleitet, die im Kapitel 6 der vorliegenden Arbeit empirisch getestet werden. Dabei wird oft von der Zahlungsbereitschaftsanalyse oder der ökonomischen/monetären Bewertung von Umweltgütern die Rede sein. Diese Begriffe sind als Synonyme aufzufassen und beziehen sich im Wesentlichen auf die Methoden zur Messung der Zahlungsbereitschaft, die im Kapitel 3 behandelt werden. Es sollte zunächst lediglich berücksichtigt werden, dass sich die theoretischen Erklärungen und vermuteten Wirkungszusammenhänge auf Zahlungsbereitschaften beziehen, die Personen auf hypothetischen Märkten in Umfragestudien äußern („stated preferences“). Für Umweltgüter wie den Schutz bedrohter und gefährdeter Tierarten gibt es gemeinhin keine realen Märkte, auf denen durch Preise der ökonomische Wert eines Gutes ermittelt werden kann. Um herauszufinden, was Menschen die Umwelt wert ist, wird im Rahmen von Umfragen ein hypothetischer Markt errichtet, also das Umweltgut beschrieben (z.B. Maßnahmen zum Tierartenschutz), und Personen werden direkt nach ihrer Zahlungsbereitschaft in Geldeinheiten gefragt (z.B. in Form von Steuern oder Fondbeiträgen). Zunächst werden in Abschnitt 2.1 kollektive Umweltgüter in einen Begriffsrahmen eingeordnet, und es wird definiert, was unter dem ökonomischen Gesamtwert eines Umweltgutes zu verstehen ist. Darüber hinaus gibt der Abschnitt 2.2 – noch als Vorspann – einen Überblick über einschlägige Theorieansätze. Im Anschluss daran wird in Abschnitt 2.3 das nutzen- bzw. wohlfahrtstheoretische Grundmodell der Zahlungsbereitschaft dargestellt und in Abschnitt 2.4 im Zusammenhang mit der Theorie kollektiver Güter und Theorien kollektiven Handelns kritisch beleuchtet. Dem Zusammenhang zwischen allgemeinen Einstellungen – speziell zwischen Umweltbewusstsein – und der Zahlungsbereitschaft widmet sich der Abschnitt 2.5. Nach einem definitorischen Abriss mit Blick auf das Umweltbewusstsein gilt es, insbesondere die „Low-Cost-Hypothese“ von Diekmann und Preisendörfer (1998) zu spezifizieren. Einen Einblick in neuere sozialpsychologische Erklärungsansätze u.a. hinsichtlich der Relevanz spezifischer Einstellungen gibt der Abschnitt 2.6. In diesem wird erstens diskutiert, inwieweit Zahlungsbereitschaften Einstellungen oder Präferenzen widerspiegeln, wobei beide Konzepte voneinander konzeptionell unterschieden werden. Zweitens wird die Theorie geplanten Handelns von Ajzen (1991) aufgegriffen. Drittens wird das Normaktivierungsmodell von Schwartz (1977) als Erklärungsansatz vorgestellt. Neben der Frage, unter welchen Bedingungen Einstellungen für die Zahlung relevant werden, wird damit behandelt, wie Personen eine Zahlungsentscheidung treffen. Der Abschnitt 2.7 beschäftigt sich mit theoretischen Überlegungen zur Zahlungsbereitschaft als altruistisches moralisches Handeln. Zum Schluss werden die verschiedenen theoretischen Zugänge in Abschnitt 2.8 hinsichtlich ihrer theoretischen Erklärungskraft evaluiert, und es wird eine Synthese der behandelten Theoriezugänge angestrebt.
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2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
2.1 Definition kollektiver Umweltgüter im Kontext individueller Wertschätzungen Kollektivgüter zeichnen sich durch eine Nicht-Rivalität im Konsum und eine NichtAusschließbarkeit von der Nutzung aus.1 Konsumiert eine Person ein Kollektivgut, führt dies nicht zu einer Beeinträchtigung des Konsums dieses Gutes für irgendeine andere Person. Darin unterscheiden sich Kollektivgüter nach Samuelson (1954) von privaten Gütern. Sugden (1999a: 132) merkt an, dass diese Unterscheidung weniger eine Klassifikation von Gütern darstellt, als vielmehr eine Klassifikation von verschiedenen Modellierungsmöglichkeiten von Gütern. Bezogen auf die Umwelt lassen sich beispielsweise saubere Luft, Flüsse oder „gesunde Wälder“ als Kollektivgüter benennen. Ein kostenfrei zugängliches Waldgebiet stiftet vielen Personen gleichzeitig Nutzen (Nicht-Rivalität). Der Kauf von privaten Gütern wie Kleidung oder Möbelstücke hingegen bringt zwangsläufig mit sich, dass diese Güter nicht von anderen konsumiert werden können. Auch ein Vollkornbrot kann nur einmal gegessen werden. Waldgebiete können in der Regel von allen Personen besucht und damit genutzt werden (Nicht-Ausschließbarkeit). Die Hersteller von privaten Gütern werden jedoch nicht alle Personen am Konsum teilhaben lassen. Einen neuen Mantel kann nur derjenige erwerben, der auch dafür bezahlt. Trifft die Nicht-Ausschließbarkeit und die Nicht-Rivalität zu, handelt es sich um ein reines Kollektivgut. Allerdings wird schnell deutlich, dass eine strikte Trennung von Kollektivgütern und privaten Gütern nicht in jedem Falle haltbar ist. Sugden (1999a) folgend ergibt sich bei der Betrachtung eines Waldgebietes der Umstand, dass sich mit einer zunehmenden Besucheranzahl der Erlebniswert für jeden Besucher verringern kann. Vielen Personen mag ein ruhiger Waldspaziergang wichtig sein. In diesem Sinne würde Rivalität im Konsum zwischen den Waldbesuchern entstehen. Und mithin kann der Waldbesuch auch als ein privates Gut betrachtet werden. Eine „Vergrößerung“ des Waldgebietes und damit der Qualität des Kollektivgutes würde dann zu einer Erhöhung der Nachfrage nach Waldbesuchen führen. Tabelle 2.1:
Klassifikation von Kollektivgütern Rivalität im Konsum
Nicht-Rivalität im Konsum
Ausschlussmöglichkeit von der Nutzung
Reine Privatgüter: z.B. Lebensmittel, Kleidungsstücke
Club Goods/Zollgüter: z.B. Nationalparks mit Eintrittspreisen
Keine Ausschlussmöglichkeit von der Nutzung
Common Goods: z.B. Wälder, Fisch- und Wildbestände
Reine Kollektivgüter: z.B. Luft, Wasser, Sonnenlicht
Generell lassen sich in einer Klassifikation „imperfekte“ Kollektivgüter (impure public goods) von reinen Kollektivgütern und Privatgütern unterscheiden (vgl. Tabelle 2.1). Kollektivgüter sind immer dann imperfekt, wenn ihr Nutzen teilweise der Rivalität und/oder teilweise der Ausschließbarkeit unterliegt (Cornes und Sandler 1986: 9). Können Personen nicht von der Nutzung einer Umweltressource ausgeschlossen werden, liegt aber eine Riva1
In der Literatur wird oft auch der Ausdruck öffentliche Güter zur Charakterisierung der hier zu beschreibenden Güter verwendet. Kollektivgüter sind als ein Synonym anzusehen.
2.1 Definition kollektiver Umweltgüter im Kontext individueller Wertschätzungen
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lität im Konsum vor, dann handelt es sich um so genannte „common goods“ (Allmendegüter, vgl. z.B. Ostrom 1999). Man stelle sich beispielsweise einen See vor, der für die anliegenden Fischer frei zugänglich ist (kein Nutzungsausschluss). Da aber der Fischbestand begrenzt ist, liegt eine gewisse Rivalität im Konsum vor. Diejenigen Fische, die ein Fischer fängt, können von anderen nicht mehr gefangen werden. Später wird gezeigt, dass solche Ressourcen Gefahr laufen, übernutzt zu werden. Es gibt kollektive Güter, deren Konsum nicht von Rivalität gekennzeichnet ist, bei denen aber Personen von der Nutzung ausgeschlossen sind. Hier können beispielsweise Nationalparks eingeordnet werden, in denen ein Eintrittsgeld verlangt wird. Andere Beispiele aus dem Alltag wären gebührenpflichtige Autobahnen oder das Kabelfernsehen (so genannte Zollgüter, vgl. Braun 1999: 55).2 Aber auch bei dieser Klassifikation wird deutlich, wie schwierig es ist, einzelne Güter in der Spannbreite zwischen „rein kollektiv“ und „rein privat“ einzuordnen. Bei der Bereitstellung kollektiver Güter liegt meist ein Marktversagen vor. Der Hauptgrund ist darin zu sehen, dass der Nutzen von Kollektivgütern allen zukommt und nicht auf bestimmte Konsumenten beschränkt werden kann (Musgrave et al. 1987: 6). Während bei privaten Gütern der Markt ein Signalsystem bereitstellt, das zu einer effizienten Allokation führt, gilt dies nicht bei kollektiven Gütern. Am nahe liegendsten wäre es, nur diejenigen am Kollektivgut teilhaben zu lassen, die etwas dafür bezahlen (Ausschlussprinzip). Das aber ist unrealistisch. Zum einen wäre es ineffizient und nicht wünschenswert, jemanden von der Nutzung auszuschließen, wenn sein Konsum nicht den Konsum anderer beeinträchtigt. Zum anderen ist in sehr vielen Fällen ein Ausschluss schlicht nicht möglich oder prohibitiv teuer (Musgrave et al. 1987: 7). Wie sollte beispielsweise jemand von der „Inanspruchnahme einer verbesserten Luftqualität“ ausgeschlossen werden? Ein weiterer Punkt ist: „Die Konsumenten werden auch nicht bereit sein, den Anbietern der öffentlichen Güter freiwillig Zahlungen zu leisten; jeder wird sowohl von seinem als vom Konsum der anderen profitieren, und beim Vorhandensein von tausenden oder von Millionen von Konsumenten stellt die Zahlung des einzelnen nur einen unbedeutenden Teil des insgesamt aufzubringenden Betrages dar. Das ist der Grund dafür, daß keine freiwilligen Zahlungen geleistet werden. Die Verbindung zwischen Produzent und Konsument ist gestört und die öffentliche Hand muß einschreiten, um Güter dieser Art bereitzustellen“ (Musgrave et al. 1987: 7).
Das alles wäre gänzlich unproblematisch, wenn uns Menschen Umweltressourcen unbegrenzt zur Verfügung stünden. Dies ist aber nicht der Fall. Daher müssen Entscheidungen getroffen werden, wie mit der Umwelt umgegangen wird. Sobald ein Marktversagen vorliegt, ist unklar und fraglich, welches Angebot an kollektiven Umweltgütern geschaffen werden soll oder bei alternativen Maßnahmen zum Schutz der Umwelt – welche Alternative gewählt werden soll und gewünscht wird. Wie und in welchem Umfang soll beispielsweise die biologische Vielfalt in deutschen Wäldern geschützt und verbessert werden? Natürlich könnte man einwenden: „Wo ist das Problem? Solche Entscheidungen können doch im politischen Diskurs getroffen werden“. Dieser Einwand kann nicht gänzlich entkräftet werden. Allerdings ist zu bedenken, dass gemeinhin in demokratischen Gesellschaften den Bedürfnissen der Wählerschaft Rechnung getragen werden sollte und dies auch im Umweltbereich (Garrod und Willis 1999: 4, Preisendörfer 2004: 277). 2
In diese Kategorie gehören auch die so genannten „club goods“ (Cornes und Sandler 1986). Man denke an zunächst frei zugängliche Wassergebiete. Hier könnte es eine private Personengruppe (club) geben, die unter bestimmten Kosten das Wassergebiet für die Nutzung durch andere sperren (z.B. einen Segelclub gründen).
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2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
Nicht nur, aber auch deshalb wurden Methoden entwickelt, die es ermöglichen, den Nutzen der Erhaltung und Verbesserung der Umwelt mit den Opportunitätskosten (bzw. Nutzen) alternativer Nutzungsmöglichkeiten zu vergleichen (Bateman und Willis 1999). Diese Methoden werden explizit im Kapitel 3 der vorliegenden Arbeit behandelt. Zunächst ist hier lediglich relevant, dass im Rahmen solcher Methoden (speziell der Kontingenten Bewertung) Personen auf einem hypothetischen Markt in Befragungen ihren individuellen Nutzen, den sie aus einem kollektiven Umweltgut ziehen, in Geldbeträgen (der Zahlungsbereitschaft) zum Ausdruck bringen. Personen werden Maßnahmen zum Erhalt oder zur Verbesserung eines „Umweltgutes“ (z.B. Schutz des Wattenmeers) detailliert vorgestellt, und sie werden dann direkt nach ihrer Zahlungsbereitschaft gefragt, entweder offen („Wie viel sind sie maximal zu zahlen bereit?“) oder geschlossen („Würden sie einen Betrag x für diese Maßnahme zahlen?“). Kasten 1 gibt ein Beispiel für eine solche umfragebasierte Messung der Zahlungsbereitschaft für einen verbesserten Naturschutz an der Elbe. In diesem und den folgenden Abschnitten soll geklärt werden, auf welche theoretischen Grundlagen sich solche empirischen Messungen stützen können. Wenn Ökonomen den Wert eines Gutes ermitteln wollen, steht stets die Frage im Vordergrund, wie viel und was Personen aufzugeben bereit sind, um das Gut zu erhalten. Gemeinhin wird diese „Aufgabebereitschaft“ in Geldeinheiten gemessen. Wie viel sind Personen z.B. in Form von erhöhten Steuern bereit, für Maßnahmen zur Verbesserung der biologischen Vielfalt im Wald zu bezahlen? Hier wird auch ersichtlich, dass der ökonomische Wert nur Sinn macht, wenn eine Veränderung der Qualität eines Gutes betrachtet wird. Oder wie Hanley et al. (2001a: 34) es ausdrücken: „Economic value really only has any meaning when it is defined over such a change: that is, when it is measured with regard to more or less of a good being provided. This means we need a full description of what the world looks like without such a change, which in turn implies that economic value is context dependent”.
Der Wert eines Gutes für eine Person ist aus der Sicht von Ökonomen einerseits von den Präferenzen der Person abhängig und andererseits von ihrem Einkommen. Letzteres bedeutet auch, dass bei identischen Präferenzen reichere Haushalte mehr für ein Umweltgut zu zahlen bereit sind als ärmere. Es gibt nutzungsabhängige Werte („use values“) von Umweltgütern, die direkt oder indirekt mit der Nutzung eines Umweltgutes verbunden sind. Es sei hier auf die bereits erwähnten Waldbesuche oder das Fischen, das Beobachten von Vögeln oder das Bergwandern verwiesen.
2.1 Definition kollektiver Umweltgüter im Kontext individueller Wertschätzungen
Kasten 1:
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Beispiel für eine umfragenbasierte Messung der Zahlungsbereitschaft für einen verbesserten Naturschutz an der Elbe (aus Meyerhoff 2004: 224/225)
Ich möchte Ihnen nun die ökologische Situation an der heutigen Elbe näher vorstellen: An der Elbe sind im Gegensatz zu vielen anderen Flüssen in Europa noch zahlreiche Abschnitte in einem weitgehend naturnahen Zustand. So finden sich entlang der Elbe einige wertvolle Feuchtgebiete und der Fluss sowie die angrenzenden Elbtalauen bieten vielen bedrohten Tierund Pflanzenarten einen einmaligen Lebensraum. Als Rast-, Ruhe- und Durchzugsraum besitzen die Elbe und ihre Flussauen darüber hinaus für viele Vogelarten eine überregionale Bedeutung. Insgesamt ist die Elbe mit ihrer Landschaft nicht nur für den Naturschutz innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch innerhalb Europas sehr bedeutend. Die folgende Karte zeigt einige gefährdete Lebensraumtypen und Tier- und Pflanzenarten, die an der Elbe noch vorzufinden sind. (Befragte erhalten hier eine Karte mit Informationen). Die Ergebnisse des Forschungsprogramms „Elbe-Ökologie“ zeigen, dass es für den Schutz der an der Elbe vorkommenden Lebensräume mit ihren Tier- und Pflanzenarten wichtig ist, die gesamte Flusslandschaft zu erhalten und ihren ökologischen Zustand möglichst weiter zu verbessern. Nur dann kann weitgehend sichergestellt werden, dass die gefährdeten Arten hier geschützt werden können. Geeignete Maßnahmen sind zum Beispiel die Verlegung einiger Hochwasserdeiche und die Änderung der landwirtschaftlichen Praxis in den Flussauen. Die folgende Karte beschreibt diese Maßnahmen. (Befragte erhalten hier eine Karte zur Beschreibung der Maßnahmen an der Elbe.) Ob die vorgestellten Maßnahmen in Zukunft durchgeführt werden, muss noch entschieden werden. Eine offene Frage ist, wie die dafür notwendigen Mittel aufgebracht werden. Die Maßnahmen können nicht vollständig aus dem heutigen Steueraufkommen finanziert werden. Eine Überlegung ist daher, die zusätzlich benötigten Mittel auf anderem Wege aufzubringen. Eine Möglichkeit wäre, hierfür beim Biosphärenreservat „Flusslandschaft Elbe“ ein extra Programm einzurichten. Das Biosphärenreservat wäre dann auch für die Umsetzung der Maßnahmen verantwortlich. Einige Menschen finden, dass es sich nicht lohnt, dafür extra etwas zu zahlen. Andere wieder betrachten die Maßnahmen als so wertvoll, dass sie dafür extra etwas zahlen würden. Wären Sie grundsätzlich bereit, sich finanziell an der Durchführung der Maßnahmen in Form einer Abgabe direkt an das Biosphärenreservat zu beteiligen? … (Befragte, die Ja geantwortet haben, gehen zu der nächsten Frage über.) Ich möchte Sie nun fragen, wie viel Sie gerade noch bereit wären, pro Monat für die Durchführung der Maßnahmen zu zahlen. Bitte berücksichtigen Sie vorher folgende Punkte: Dieses Programm könnte nur durchgeführt werden, wenn genügend Geld für die Finanzierung zusammenkäme. Sollte nicht genügend Geld zusammenkommen, würden Sie Ihren Beitrag komplett zurückbekommen. Je höher der Betrag ist, den Sie nennen, desto eher könnten die Maßnahmen finanziert werden. Allerdings müssten Sie dann auch eher damit rechnen, dass Sie später um diesen Beitrag gebeten werden. Sollte mehr Geld als erforderlich zusammenkommen, dann würde jeder anteilsmäßig einen Teil zurückbekommen. Bedenken Sie bitte auch, dass Ihnen dieses Geld nicht mehr für andere Ausgaben zur Verfügung stehen würde. Wie hoch wäre dann Ihre maximale Zahlungsbereitschaft pro Monat? … EURO* (Befragter erhält eine Zahlkarte mit verschiedenen Beträgen zwischen 0€ und 150€. Er/Sie wählt den für ihn/sie zutreffenden Betrag aus. Alternativen sind u.a. offene Fragen oder die Vorgabe von bestimmten Zahlungsbeträgen, die in der Stichprobe variieren, z.B.: Sind Sie bereit, monatlich 5€ zu zahlen?). * Die Befragung wurde 2001 mit DM-Beträgen durchgeführt.
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2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
Demgegenüber lassen sich Nutzenkomponenten benennen, die sich nicht auf eine direkte Inanspruchnahme des Umweltgutes beziehen. Darunter fallen der Existenz-, Options- und Vererbungsnutzen (vgl. Freeman III 2003: 137ff.). Krutilla (1967) hat in einem nunmehr klassischen Aufsatz darauf hingewiesen, dass Umweltgüter bzw. Naturphänomene für Personen eine Art „Existenzwert“ haben können. Dieser Wert ergibt sich allein aus dem Wissen heraus, dass eine bestimmte Tier- oder Pflanzenart, eine Landschaft oder andere Umweltressourcen existieren. Ein solcher Wert ist völlig unabhängig von einer möglichen Nutzung der Güter. Man denke beispielsweise an Umweltschutzorganisationen, die in Einkaufsstraßen um finanzielle Beiträge zur Rettung der Wale oder Pandas werben. Personen, die hier Geld entrichten, ist es scheinbar wichtig zu wissen, dass Wale und Pandas geschützt werden, obwohl sie unter Umständen nicht vorhaben, diese Tiere je in natura zu betrachten (Existenznutzen). Andere Personen möchten sich vielleicht durch eine Zahlung die Möglichkeit offen halten, die Wale und Pandas in ihrem Lebensraum zu beobachten (Optionsnutzen). Wiederum anderen mag es wichtig sein, diese Tiere auch für zukünftige Generationen oder ihre eigenen Kinder und Enkelkinder zu schützen (Vererbungsnutzen). All diese Komponenten werden häufig zur Beschreibung individueller nutzungsunabhängiger Werte („non-use“ oder „passive-use values“) für kollektive Umweltgüter herangezogen. Tabelle 2.2 gibt einen zusammenfassenden Überblick. Tabelle 2.2:
Nutzungsunabhängige Werte kollektiver Umweltgüter in Anlehnung an Pruckner (1995)
Existenznutzen Zahlungsbereitschaft für das Wissen, dass eine bestimmte natürliche Umwelt geschützt wird und existiert, ohne der Absicht einer zukünftigen Nutzung
Optionsnutzen
Vererbungsnutzen
Individueller Zahlungsbetrag, der die Möglichkeit einräumt, ein Gut zu einem vorgegebenen Preis zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft zu kaufen bzw. zu nutzen
Zahlungsbereitschaft für die Weitergabe und den Erhalt einer Ressource an/für zukünftige Generationen, die eigenen Kinder und Enkelkinder
Die Differenzierung von nutzungsabhängigen und nutzungsunabhängigen Werten kann in Anlehnung an Freeman III (2003: 143ff.) auch wie folgt erfasst werden: Nutzungsabhängige Werte stehen im Zusammenhang mit dem Kauf von zum Umweltgut komplementären Marktgütern. Solche komplementären Marktgüter sind beispielsweise die Busfahrt zu einem Nationalpark, das Mieten eines Bootes zum Fischen oder die Teilnahme an Landschaftsführungen. Dabei würde eine erhöhte Nachfrage nach dem Umweltgut zu einer gesteigerten Nachfrage nach dem Marktgut führen. Eine Person, die häufiger als sonst im Ostseeraum Hochseefischen ausüben möchte, mietet sich auch öfter auf einem Hochseekutter ein. Die Wertschätzung dieser Person für das Umweltgut „Ostsee“ lässt sich hier am Marktverhalten beobachten. Die Zahlungsbereitschaft entspricht dabei den Geldausgaben der fraglichen Person für das Hochseefischen (Kosten der Anreise, Preis für den Platz auf dem Kutter usw.). Dieselbe Person (aber auch andere) könnte nun jeden Tag durch eine einzigartige Naturlandschaft zur Arbeit fahren. Ob die Naturlandschaft existiert oder nicht, spielt für das „Marktverhalten“ (Kauf komplementärer Güter) keine Rolle. Trotzdem ist diese Person unter Umständen bereit, etwas für den Erhalt der Landschaft zu bezahlen.
2.1 Definition kollektiver Umweltgüter im Kontext individueller Wertschätzungen
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Dieser Zahlungsbetrag ist Ausdruck der nutzungsunabhängigen Wertschätzungen der Person für die Naturlandschaft und lässt sich nicht über beobachtetes Marktverhalten ermitteln.3 Selbiges trifft zu, wenn beispielsweise ein Bayer etwas für den Erhalt und Schutz bedrohter Tierarten im Ostseeraum bezahlen möchte, obwohl er niemals daran denkt, die Ostsee mit seiner Familie aufzusuchen. In Zahlungsbereitschaftsanalysen ist demnach eine Unterscheidung von Nutzern und Nicht-Nutzern einer Umweltressource möglich. Diese Differenzierung scheint zweckmäßig, obwohl einige Forscher eher eine ausschließliche Abgrenzung der Werte (aber nicht von Nutzern und Nicht-Nutzern) befürworten. Dazu merkt Freeman III (2003: 142) an: „I prefer the use-versus-nonuse distinction because it focuses on the presence or absence of activities involving the resource directly, rather than on the characteristics of the individuals holding the values. There is no logical reason why a user of a resource could not also hold values that are independent of that use and related to preservation, existence, or bequest motivations. Nonusers of a resource by definition can hold only nonuse values (if any), but users may hold both use and nonuse values for a resource”.
Fasst man nun beide Perspektiven zusammen, ergibt sich eine einfache Klassifikation von Nutzern und Nicht-Nutzern im Zusammenhang mit nutzungsabhängigen und nutzungsunabhängigen Werten, wie sie Tabelle 2.3 wiedergibt. Will man z.B. ermitteln, wie viel Europäern der Schutz der Wale vor Japan wert ist, muss man sie direkt nach ihrer Zahlungsbereitschaft fragen. In der Regel sind Europäer keine Nutzer dieses Umweltgutes in Anbetracht komplementärer Marktgüter. Demnach sind hier lediglich nutzungsunabhängige Werte wie der Existenz-, Options- und Vererbungsnutzen relevant. Betrachtet man hingegen den ökologischen Waldumbau in deutschen Wäldern, gäbe es mit ziemlicher Sicherheit eine Unterscheidbarkeit in Nutzer und Nicht-Nutzer der Wälder. Bei ersteren müssten auch die nutzungsabhängigen Werte für das Gut berücksichtigt werden. Tabelle 2.3:
Nutzer und Nicht-Nutzer im Lichte der Wertschätzung von Umweltgütern
Nutzer-Typen
Nutzer Nicht-Nutzer
Werte eines Umweltgutes nutzungsabhängig
nutzungsunabhängig
X
X X
Der ökonomische Gesamtwert eines Umweltgutes („Total Economic Value“) ist die Summe aus nutzungsabhängigen und nutzungsunabhängigen Werten (Bateman et al. 2002: 28).4 Abbildung 2.1 gibt eine Veranschaulichung. 3
4
Auch Carson et al. (1999: 100) sehen nutzungsunabhängige Wertschätzungen als jenen Teil der Zahlungsbereitschaft für ein Umweltgut, der nicht anhand des Marktverhaltens beobachtbar ist. Dabei vermeiden sie aber jegliche Aussagen über Motivationen (einzelne Nutzenkomponenten), weil: „… using motivations as a means of defining passive-use values results in an ad hoc taxonomy since motivations in any economic decision are generally multifold, inseperable, and unavailable to the researcher“. In der Regel ist es besonders für Nutzer einer Umweltressource schwierig, bei Zahlungsbereitschaften empirisch den Anteil an nutzungsabhängigen und -unabhängigen Werten klar voneinander zu unterscheiden. Dies
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2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
Abbildung 2.1:
Ökonomischer Gesamtwert eines Umweltgutes
Ökonomischer Gesamtwert (Total Economic Value)
=
Nutzungsabhängige Werte (Use Values)
z.B. Fischen, Wandern, Vögel beobachten
+
Nutzungsunabhängige Werte (Non-Use Values)
Existenznutzen
Optionsnutzen
Vererbungsnutzen
Strittig ist die Einordnung des Optionsnutzens. Während die einen den Wert einer potenziellen Nutzung des Umweltgutes in der Zukunft nutzungsabhängigen Werten zuordnen, findet er bei anderen im Rahmen der nutzungsunabhängigen Werte seinen Platz. In der vorliegenden Arbeit wird sich eher der letztgenannten Perspektive angeschlossen, da keine aktuelle Nutzung des Umweltgutes vorliegt. Des Weiteren bleibt anzumerken, dass es eine Vielzahl an weiteren Klassifikationen zu Werten von Umweltgütern gibt, die einerseits detaillierter als die vorliegende sind, andererseits aber im Kern die wesentlichen hier vorgestellten Aspekte enthalten.5 Das Ziel der ökonomischen Bewertung ist schließlich, den ökonomischen Gesamtwert eines Umweltgutes empirisch zu erfassen. Dafür wurde im Kasten 1 ein Beispiel gegeben. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei – auch in der vorliegenden Arbeit – auf den nutzungsunabhängigen Werten, die nur durch eine direkte Befragung von Bürgern ermittelt werden können. Die folgenden Abschnitte gehen der Frage nach, wie individuelle Wertschätzungen für Umweltgüter erklärt werden können, die auf hypothetischen Märkten in Umfragen geäußert werden.
5
stellt jedoch kein wesentliches Problem dar, weil es bei umweltökonomischen Entscheidungen primär darauf ankommt, den ökonomischen Gesamtwert eines Umweltgutes nicht zu unterschätzen (Meyerhoff 2004: 12). Es ist also ausschlaggebend, dass nutzungsunabhängige Werte überhaupt betrachtet werden. Beispielhaft sei hier die Klassifikation von Turner (1999) angeführt. Er unterscheidet anthropozentrische und nicht-anthropozentrische instrumentelle und intrinsische Werte. Zudem ermittelt er direkte und indirekte nutzungsabhängige Werte, einen Options- und Quasi-Optionsnutzen usw. Diese Detaillierung ermöglicht ihm die Diskussion spezieller Problembereiche in der Auseinandersetzung mit dem ökonomischen Gesamtwert von Umweltgütern. Allerdings ist bei solch umfangreichen Ausdifferenzierungen problematisch, dass sie die zentralen Aspekte einer Grundklassifikation zunehmend „vernebeln“.
2.2 Einschlägige Theorieansätze im Überblick
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2.2 Einschlägige Theorieansätze im Überblick In der Einleitung ist bereits deutlich geworden, dass es einer breiten sozialwissenschaftlichen Sicht auf Zahlungsbereitschaftsanalysen bedarf. Auf Basis der Definition des ökonomischen Gesamtwertes eines Umweltgutes, die im vorhergehenden Abschnitt geleistet wurde, gilt es nach geeigneten theoretischen Zugängen für die Erklärung von Zahlungsbereitschaften zu suchen, die in Umfragen geäußert werden. In diesem Abschnitt wird dahin gehend zum einen das Spektrum möglicher Theorien aufgespannt, und zum anderen werden die Theoriebereiche herausgestellt, die in den nachstehenden Abschnitten eingehender behandelt werden. Neben den ökonomisch-theoretischen Grundlagen der Zahlungsbereitschaft beschränkt sich die Betrachtung im Wesentlichen auf Theorien kollektiver Güter und kollektiven Handelns sowie auf sozialpsychologische Erklärungsansätze. Die ausgewählten und näher zu behandelnden Theoriezugänge sollen im Endergebnis brauchbare empirische Einblicke in die Erklärung individueller nutzungsabhängiger und -unabhängiger Wertschätzungen für kollektive Umweltgüter geben. Zunächst ist nochmals zu verdeutlichen, dass Theoriediskussionen im Kontext der monetären Bewertung von Umweltgütern vor allem dazu gedient haben und wohl auch künftig dazu dienen, die Methoden und damit die Ausgestaltung hypothetischer Märkte in Umfragen zu evaluieren. Wie können die von Personen geäußerten Zahlungsbereitschaften gedeutet werden? Dabei stehen Erklärungen im Mittelpunkt, die über die wohlfahrtstheoretischen Grundlagen der Zahlungsbereitschaft und somit die Idee, dass befragte Personen auf hypothetischen Märkten wie Käufer privater Güter auftreten, hinausgehen. Trotz dieses Erkenntnisinteresses lässt sich neben Arbeiten von (Umwelt)ÖkonomInnen noch eine verhältnismäßig überschaubare Anzahl an Arbeiten von PsychologInnen und SoziologInnen finden. Folgt man zunächst der ökonomischen Fachtradition, können individuelle Zahlungsentscheidungen in Erweiterungen der Theorie kollektiver Güter und im Spektrum von Theorien kollektiven Handelns untersucht werden (Sugden 1999a). Damit ist die Vermutung verknüpft, dass Personen ihre Zahlungsentscheidung als einen Beitrag zur (freiwilligen) Produktion kollektiver Güter auffassen und weniger als „Kauf“. An das dahinter liegende Erklärungsproblem – Bereitstellung kollektiver Güter – schließen eine Reihe von Arbeiten an, die allgemein in der Ökonomik diskutiert werden und die auch für die Zahlungsbereitschaftsanalyse von Nutzen sein können. Zwei Zugänge lassen sich hierbei identifizieren: Zum einen ist die Betrachtung von Problemen kollektiven Handelns in unterschiedlich großen Gemeinschaften/Gruppen zu nennen, wobei Mitglieder dieser Gemeinschaften ein gemeinsames Ziel verfolgen. Man denke an die einschlägige Arbeit „Die Logik des kollektiven Handelns“ von Mancur Olson (1968). Zum anderen gibt es eine Reihe von Arbeiten, die sich auch mit freiwilligen individuellen Beiträgen zu Kollektivgütern (z.B. Spenden an Wohlfahrtsorganisationen) und mit altruistischem und moralgeleitetem Handeln beschäftigen. Die Bindung an Verhaltensregeln, Reziprozität, altruistisches Handeln und der „Warm Glow of Giving“ – das Gefühl, etwas Gutes getan zu haben – müssten hiernach stärker bei der Erklärung von Zahlungsentscheidungen berücksichtigt werden. Vertreter dieser „allgemeinen Denktradition“ sind u.a. Amartya Sen (1977), John Harsanyi (1982), Howard Margolis (1982) und James Andreoni (1990). Aus einer soziologischen und sozialpsychologischen Perspektive wird der Einfluss von Einstellungen auf individuelle Zahlungsbereitschaften untersucht. Dabei stehen allgemeine Einstellungen – im vorliegenden Fall zumeist das allgemeine Umweltbewusstsein – und
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2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
spezifische Einstellungen – insbesondere Einstellungen gegenüber dem Umweltgut und gegenüber dem Verhalten einer Zahlung – im Fokus der Betrachtung. Es finden sich in der Literatur eine Reihe an Studien, die sich mit der Rolle des Umweltbewusstseins für die Zahlungsentscheidung befassen (vgl. Kotchen und Reiling 2000, Meyerhoff 2004, Wronka 2004). Die Konzeptualisierung und Messung des Umweltbewusstseins ist an sich kein eigenständiger theoretischer Zugang zur Erklärung von Zahlungsbereitschaften. Von einem theoretischen Standpunkt gesehen wird es erst interessant, wenn man sich fragt, unter welchen Bedingungen – wenn nicht immer – Umweltbewusstsein auf das Verhalten wirkt. Eine potenzielle Antwort auf diese Fragestellung liefert die Unterscheidung in Hoch- und Niedrigkostensituationen, in denen Personen ihre Handlungsentscheidungen treffen. Diese Sichtweise wird in den Sozialwissenschaften im Rahmen von Rational Choice-Theorien seit längerem diskutiert und hat in die Umweltsoziologie mit der Low-Cost-Hypothese von Diekmann und Preisendörfer (2003) Einzug gehalten. Die Rolle spezifischer Einstellungen wird meist im Zusammenhang mit der Theorie geplanten Handelns von Ajzen (1991) untersucht. Gelangt man zu Informationen über Einstellungen gegenüber dem Verhalten (Zahlung für Umweltgüter), können Anhaltspunkte gewonnen werden, ob der hypothetischen Zahlungsentscheidung eine Verhaltensintention unterliegt (vgl. u.a. Meyerhoff 2004). Demgegenüber behandeln die Arbeiten der Forschungsgruppe um den Ökonomie-Nobelpreisträger Daniel Kahneman die Frage, ob in Umfragen ermittelte Zahlungsbereitschaften Präferenzen oder Einstellungen entsprechen. Sie versuchen in mehreren Studien zu belegen, dass Zahlungsbereitschaften eher als Einstellung zu einem Umweltgut/-problem aufgefasst werden sollten und konzipieren das so genannte Beitragsmodell, das davon ausgeht, dass Personen etwas zu einer guten Sache beitragen wollen (vgl. u.a. Kahneman et al. 1999). Dies bedeutet, dass Befragte in Zahlungsbereitschaftsstudien nicht ihre nutzungsabhängigen und -unabhängigen Wertschätzungen für ein Umweltgut äußern. Eine weitere sozialpsychologische Fragestellung ist diejenige nach der Art und Weise, wie Personen eine Zahlungsentscheidung treffen. In der Literatur zur monetären Bewertung von Umweltgütern wird dabei im Zusammenhang mit der Wirkung von persönlichen Normen (personal norms) vor allem das Normaktivierungsmodell von Schwartz (1977) diskutiert (Blamey 1998a, 1998b). Seinem Ursprung nach dient dieses Modell der Erklärung altruistischer Hilfehandlungen. Gemäß der Frage nach dem „Wie“ wird im Kontext der Zahlungsbereitschaft eine Reihe an Entscheidungsschritten betrachtet, die eine Person durchläuft, bis letztendlich eine Norm zur Zahlung tatsächlich handlungsrelevant wird. Die bislang genannten theoretischen Zugänge und Fragestellungen werden in den folgenden Abschnitten eingehender behandelt. Es würden sich noch weitere Erklärungsansätze anbieten, deren Diskussion zum Teil nur im Zusammenhang mit geeigneten Experimenten bzw. empirischen Studien sinnvoll ist. Diese Ansätze werden nachfolgend keinesfalls vollständig, sondern kurz und damit exemplarisch angesprochen. Mit einem (sozial)psychologischen Blickwinkel auf die monetäre Bewertung von Umweltgütern ließen sich weitere theoretische Anknüpfungspunkte finden (für einen ausführlichen Einblick siehe Green und Tunstall 19996). Zum einen können Studien mit einer stärkeren Betonung der Rolle von 6
Der Beitrag von Green und Tunstall zu einer psychologischen Perspektive auf die ökonomische Bewertung von Umweltgütern ist übrigens ein gutes Beispiel für die methodenbasierte theoretische Diskussion. Anhand der Ausgestaltung und der Probleme bei der Errichtung hypothetischer Märkte wird eine Vielzahl an psychologischen Aspekten diskutiert.
2.2 Einschlägige Theorieansätze im Überblick
35
Kognitionen und Motivationen genannt werden. Zum anderen gibt es Arbeiten, die beispielsweise die Theorie geplanten Handelns um Einflussgrößen wie allgemeine Werthaltungen oder „Bewusstseinsdimensionen“ erweitern. Darüber hinaus sind generell die Arbeiten von Spash (1997, 2000a, 2000b, 2002) zu nennen, die sich vorrangig mit ethischen Motiven bei Zahlungsbereitschaftsentscheidungen beschäftigen. Allerdings handelt es sich nicht um einen ausgearbeiteten theoretischen Erklärungszugang. Grundidee der (auch empirisch fundierten) Arbeiten ist, dass Personen unterschiedliche ethische Überzeugungen haben, die Zahlungsbereitschaften wesentlich beeinflussen können und zum Teil der „ökonomisch-theoretischen Käuferidee“ entgegenwirken. Das trifft beispielsweise zu, wenn Personen es ablehnen, Trade-offs zwischen Geld und Umwelt zu vollziehen (Problem lexikographischer Präferenzen). Beispielhaft kann die folgende Kategorisierung von ethischen Positionen angeführt werden: „animal rights-based positions“, „consequentialist positions“ und „human priority position“ (Spash 2000b: 1436). Diese Positionierungen wären aber eher im Zusammenhang mit dem Problem der so genannten Protestantworten zu diskutieren (vgl. Kapitel 3). Eine unmittelbare Auseinandersetzung mit den wohlfahrtstheoretischen Grundlagen der Zahlungsbereitschaft in einer engen Anbindung an die methodischen Grundlagen bieten u.a. Diskussionen zu verschiedenen anreizkompatiblen Mechanismen zur Ermittlung der Zahlungsbereitschaft (z.B. verschiedene Formen von Auktionen), zur Konstruktion von Präferenzen in Umfragen und zur „prospect theory“ bzw. „reference-dependent theory“ von Kahneman und Tversky (siehe dazu ausführlich Sugden 1999b). Mit der „prospect und reference-dependent theory“ könnte beispielsweise der empirische Befund erklärt werden, warum Personen für eine Umweltverbesserung weniger zu zahlen bereit sind, im Vergleich zum finanziellen Ausgleich, den sie verlangen, wenn eine Umweltverbesserung im selben Umfang ausbleibt. Die soeben genannten Theoriebereiche werden in der vorliegenden Arbeit nicht weiter verfolgt. Zum einen handelt es sich um Vertiefungs- und Erweiterungsmöglichkeiten. Zum anderen wären Diskussionen beispielsweise zur „prospect theory“ nur dann wirklich gewinnbringend, wenn dahin gehend auch empirische Untersuchungen folgten. Dies aber wird hier nicht angestrebt. Im Folgenden sei nochmals der Weg aufgezeigt, der in den nachstehenden Abschnitten genommen wird. Dazu gibt Tabelle 2.4 zunächst eine schematische Einordnung der zu behandelnden Theorieansätze. In dem Schema wird eine Einstufung der Erklärungsansätze in drei Kategorien vorgenommen. Dabei handelt es sich erstens um das Käufermodell, zweitens um zum Käufermodell komplementäre Ansätze und drittens um das Beitragsmodell.
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2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
Tabelle 2.4:
Konzeptionelle Einordnung der zu behandelnden Theorieansätze
Käufermodell (purchase model)
Zum Käufermodell komplementäre Ansätze
Wohlfahrtstheoretische Grundlagen der Zahlungsbereitschaft (ökonomisches Grundmodell) 2.3
Beitragsmodell (contribution model) Theorien kollektiven Handelns (Dilemmabewusstsein) 2.4
Allgemeines Umweltbewusstsein (Low-Cost-Hypothese) 2.5
Hypothese vom Kauf moralischer Befriedigung (Zahlungsbereitschaft als Einstellung) 2.6.1
Theorie geplanten Handelns 2.6.2
Erweitertes Normaktivierungsmodell 2.6.3
Zahlungsbereitschaft als altruistisches moralisches Handeln 2.7 Bemerkung: Die Abschnitte, in denen die einzelnen theoretischen Zugänge behandelt werden, sind kursiv gedruckt angegeben.
(1) Das Käufermodell subsumiert lediglich die ökonomisch-theoretischen Grundlagen der Zahlungsbereitschaft in Verbindung mit der Annahme, dass sich Befragte auf hypothetischen Märkten in Umfragen einen Teil des Umweltgutes entsprechend ihrer Wertschätzung kaufen. Im Prinzip wird von einer Analogie zu privaten Märkten und zum Kauf privater Güter ausgegangen. Das Käufermodell wird bisweilen empirisch nur schwach bzw. ungenügend gestützt, was sich vor allem in ausbleibenden oder geringen Effekten des Einkommens in Zahlungsbereitschaftsanalysen zeigt. (2) Nicht nur deshalb werden in der Bewertungsliteratur Erklärungsdeterminanten und theoretische Konzepte diskutiert, die zum Käufermodell komplementäre bzw. zusätzliche Informationen liefern. Diese Informationen, so die gängige Argumentation, stützen die Zahlungsbereitschaftsanalyse. Hierbei rücken allgemeine und spezifische Einstellungen in den Mittelpunkt. Zum einen lässt sich die Rolle des allgemeinen Umweltbewusstseins für individuelle Zahlungsbereitschaften benennen. Umweltbewusstsein ist allerdings, wie weiter oben angesprochen, streng genommen kein theoretischer Erklärungsansatz. In der vorliegenden Arbeit wird die Wirkung dieser allgemeinen Umwelteinstellung im Zusammenhang mit der Low-Cost-Hypothese diskutiert. Damit erfolgt eine theoretische Anknüpfung an Rational Choice-Theorien. Im Wesentlichen wird die Hypothese auf die Zahlungsbereitschaftsanalyse angewendet bzw. in diesem Rahmen spezifiziert. Diese Anwendung ist neu und ein erster Versuch. Insgesamt liefert die Low-Cost-Hypothese dennoch eher zusätzliche Informationen, d.h. sie sollte nicht als Gegenpol zur ökonomisch-theoretischen Fundierung der monetären Bewertung von Umweltgütern aufgefasst werden. Dasselbe gilt für die Anwendung der Theorie geplanten Handelns (vgl. u.a. Meyerhoff 2004). Dieses sozialpsychologische Einstellungs-Verhaltens-Modell soll klären, ob und inwieweit die hypothetische Zahlungsbereitschaft eine Verhaltensintention ist, die in ein tatsächliches Verhalten mündet.
2.2 Einschlägige Theorieansätze im Überblick
37
(3) Am anderen Spektrum der theoretischen Zugänge lassen sich Erklärungsansätze finden, die eher eine Kritik an der monetären Bewertung darstellen. Sie können unter dem Stichwort Beitragsmodell eingeordnet werden, das einen Gegenentwurf zum Käufermodell bildet. In einer allgemeinen Auslegung des Beitragsmodells wird angenommen, dass befragte Personen auf hypothetischen Märkten mit ihrer Zahlungsbereitschaft lediglich (irgend)eine gute Sache unterstützen wollen, zu der auch andere etwas beitragen. Dies beinhaltet zwei zentrale Aspekte: Zum einen werden mit der Zahlungsbereitschaft als Beitrag zu einem kollektiven Gut Anreizprobleme bei der Bereitstellung kollektiver Güter und beim kollektiven Handeln angesprochen. Zum anderen wird der Behauptung nachgegangen, dass Befragte keine Präferenzen bzw. Wertschätzungen für ein Umweltgut zum Ausdruck bringen, sondern „anderen Handlungsmotivationen“ folgen, sich beispielsweise moralische Befriedigung kaufen. Aspekte kollektiven Handelns werden zwar immer wieder in der Bewertungsliteratur explizit angeführt (u.a. bei Sugden 1999a), es gibt dazu aber kaum umfragebasierte empirische Untersuchungen. Die Aspekte kollektiven Handelns werden im Folgenden u.a. im Zusammenhang mit dem Dilemmabewusstsein von Personen diskutiert, d.h. mit der individuellen Wahrnehmung sozialer Dilemmata im (kollektiven) Umweltschutz. Das Dilemmabewusstsein ist ein Konzept, das in die Bewertungsliteratur eingeführt werden soll. Es wird in der sozialwissenschaftlichen Umweltforschung bereits angewendet (u.a. von Franzen 1995). Im Rahmen eines eng gefassten Beitragsmodells sind die Arbeiten von Kahneman et al. (1992, 1999) einzuordnen (Hypothese vom Kauf moralischer Befriedigung). Kahneman et al. sehen die Zahlungsbereitschaft auf hypothetischen Märkten als Ausdruck einer Einstellung und nicht als Ausdruck einer Präferenz. Diese Einstellungs-versus-PräferenzenDiskussion wird im Rahmen der sozialpsychologischen Erklärungsansätze beleuchtet. Unter das Stichwort Beitragsmodell fällt auch das erweiterte Normaktivierungsmodell von Schwartz (1977). In der Literatur wird dieses Modell unter Erweiterungen um kollektives Handeln – z.B. mit Blick auf Vertrauen in andere Personen – diskutiert (Blamey 1998a, 1998b). Bisher liegen aber keine quantitativen Studien zum Normaktivierungsmodell vor, die explizit die gängigen Methoden zur Messung der Zahlungsbereitschaft verwenden. Die zuletzt genannten theoretischen Zugänge erklären normative Zahlungsmotivationen einstellungsbedingt. In der vorliegenden Arbeit werden darüber hinaus altruistische und moralische Handlungsmotivationen explizit im Zusammenhang mit präferenzgeleiteten Ansätzen diskutiert, und es wird eine Unterscheidung von moralischen Zahlungsmotivationen vorgenommen, die verschiedene Argumentationen in der Bewertungsliteratur zusammenführt. Diese Herangehensweise ist teils als Komplement und teils als Gegenpol zum Käufermodell einzuordnen. Sie setzt sich kritisch mit den bereits angesprochenen Erklärungsansätzen im Kontext des Beitragsmodells auseinander. In den nachstehenden Abschnitten werden neben der Darstellung der ökonomischtheoretischen Grundlagen der monetären Bewertung die einzelnen Theoriebereiche so ausgearbeitet, dass empirisch testbare Hypothesen hergeleitet werden. Die theoretischen Zugänge werden aber nicht anhand der in Tabelle 2.4 getroffenen Abgrenzung von Käufermodell, komplementäre Ansätze und Beitragsmodell abgehandelt, sondern so, als ob man die Tabelle zeilenweise lesen würde. Ausgangspunkt bildet das ökonomische Grundmodell der Zahlungsbereitschaft, gefolgt von Theorien kollektiver Güter und kollektiven Handelns, dem Umweltbewusstsein, den neueren sozialpsychologischen Erklärungsansätzen sowie der Zahlungsbereitschaft als altruistisches moralisches Handeln. Der Grund für dieses Vorge-
38
2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
hen liegt in der Anschlussfähigkeit der einzelnen Ansätze und Forschungstraditionen bzw. ihrem Gegenstandsbereich mit Blick auf kollektives Handeln, Einstellungen und normgeleitetes Handeln. Bei der Evaluation und Synthese der Erklärungsansätze (Abschnitt 2.8) wird schließlich wieder an die konzeptionelle Einordnung in Tabelle 2.4 angeknüpft. 2.3 Wohlfahrtstheoretische Grundlagen der Zahlungsbereitschaft „Economic theory does not tell us what people care about, or how they are“ (Hanemann 1999: 42).
In diesem Abschnitt wird das wohlfahrtstheoretische Grundmodell der Zahlungsbereitschaft in seiner einfachsten Form dargestellt.7 Damit wird die Messung des ökonomischen Gesamtwertes eines Umweltgutes, also nutzungsabhängiger und -unabhängiger Werte, in ihr theoretisches Fundament eingebettet. Annahmen über die Akteure, wie sie in diesem Zusammenhang in der ökonomischen Theorie getroffen werden, bedürfen mitunter einer empirischen Überprüfung. Ob Personen bestimmte Präferenzen wirklich haben, bleibt eine Frage, die nur anhand von Feldforschungen beantwortet werden kann (Hanemann 1999). Selbiges gilt auch für die Handlungsmotivationen hinsichtlich der in Abschnitt 2.1 beschriebenen Wertkomponenten eines Umweltgutes. Um Änderungen des Wohlbefindens von Individuen zu messen, werden in der ökonomischen Theorie standardmäßig Preis- und Mengenänderungen von Marktgütern herangezogen und interpretiert. Diese Vorgehensweise wird in einer Erweiterung seit längerem auch auf kollektive Güter und nichtmarktfähige Services, z.B. im Bereich der Gesundheitsleistungen, angewandt (Freeman III 2003: 8). Neben der Annahme wohlgeordneter Präferenzen für Güterbündel, bestehend aus marktfähigen und nichtmarktfähigen Gütern, sind zwei weitere Annahmen besonders relevant: Zum einen kennen Individuen ihre Präferenzen, und zum anderen besteht eine Substituierbarkeit zwischen marktfähigen und nichtmarktfähigen Gütern. Substituierbarkeit bedeutet, dass die Verringerung der Menge eines Elementes im Güterbündel eine Mengenerhöhung eines anderen Gutes im Bündel ermöglicht und sich daher ein Individuum nicht schlechter stellt als vorher. Die Mengenerhöhung eines kollektiven Umweltgutes substituiert beispielsweise eine Mengenverringerung privater Güter. Hierin sind Trade-offs zwischen Güterpaaren begründet, die etwas über individuelle Wertschätzungen aussagen: „The trade-offs that people make as they choose less of one good and substitute more of some other good reveal something about the values people place on these goods. If one of the goods has a monetary value, the revealed values are monetary values. […] However, even when money prices are not available, the trade-off ratios can be interpreted as expressions of economic values“ (Freeman III 2003: 8/9).
Trade-offs sind demnach nicht notwendigerweise mit monetären Werten verbunden. Man kann sich beispielsweise fragen, wie viel Personen bereit sind, auf Waldbesuche zu verzichten, damit eine bestimmte Anzahl gefährdeter Tierarten zusätzlich geschützt wird. Sind 7
Die Darstellung der allgemeinen Grundlagen orientiert sich hauptsächlich an Pruckner (1995), Hanemann (1999) und Flores (2003).
2.3 Wohlfahrtstheoretische Grundlagen der Zahlungsbereitschaft
39
jedoch Geldbeträge der so genannte numéraire, d.h. die Einheit, in der Preise gemessen werden, können Trade-offs u.a. in der Zahlungsbereitschaft für positive Umweltveränderungen erfasst werden, also jener Geldbetrag, der bei Individuen eine Indifferenz zwischen der Handlungsalternative der Zahlung für eine Umweltverbesserung und der Handlungsalternative der Nicht-Zahlung bei ausbleibender Umweltveränderung erzeugt. Geld als Nutzenmaß und Mengenveränderungen der Umweltqualität sind hierbei gegeneinander substituierbar. Mit diesen Vorüberlegungen und dem Wissen um die besondere Relevanz der Annahme der Substituierbarkeit für die Messung ökonomischer Werte werden im Folgenden die Wohlfahrtsmaße hergeleitet, denen die Zahlungsbereitschaft und die Ermittlung individueller Wertschätzungen für kollektive Umweltgüter zugrunde liegen. Der Ausgangspunkt für das nutzen-/wohlfahrtstheoretische Grundmodell ist ein Individuum, das seinen Nutzen aus dem Konsum von privaten Gütern ( x1 , ! , xn ) und unterschiedlichen nichtmarktfähigen Umweltgütern ( q1 ,! , qm ) zieht. Während das Individuum den Konsum der privaten Güter frei variieren kann, ist die Menge der Umweltgüter exogen gegeben. Damit lassen sich die Umweltressourcen als Kollektivgüter charakterisieren. Die Nutzenfunktion u ( x, q) bildet die individuellen Präferenzen ab. Sie ist stetig, in ihren Argumenten steigend und strikt quasi-konkav in x . Jedes Individuum ( i 1,! , n ) maximiert seine Nutzenfunktion in Abhängigkeit von der Budgetrestriktion:
max u ( x1 ,! , xn ; q1 ,! , qm ) unter Berücksichtigung von ¦ pi xi d y. x
Die Budgetrestriktion lässt sich wie folgt kennzeichnen: Das Haushaltseinkommen y entspricht dem Produkt aus dem Preisvektor der privaten Güter p und dem „Gütervektor“ x . Daraus ergibt sich für jedes private Gut eine Marshallsche Nachfragefunktion:
xi
hi ( p, q, y ) i 1,! , n.
Durch Einsetzen dieser Nachfragefunktion in die direkte Nutzenfunktion erhält man die indirekte Nutzenfunktion als eine Funktion der privaten Güterpreise, des Einkommens und der Umweltgüter:
v( p, q, y ) u[ h( p, q, y ), q]. Die indirekte Nutzenfunktion ist steigend bzw. nicht fallend in q (vgl. „envelope theorem“, die erste Ableitung von v( p, q, y ) nach q ist größer gleich null, Hanemann 1999: 44). Analog zu einer Nutzenmaximierung kann die damit korrespondierende Ausgabenminimierung betrachtet werden. Für die Nutzenmaximierung besteht die notwendige Bedingung, dass Individuen ihr Einkommen kostenminimierend ausgeben. Flores (2003: 31) gibt hierfür ein gutes Beispiel: Man nehme an, der Kauf privater Güter steht für Individuum A mit den Preisen p und der Menge des Kollektivgutes q im Zusammenhang. Weiterhin gelte, dass A das Nutzenniveau u erreicht. Wenn A hierbei seine Ausgaben nicht minimiert, könnte er u für weniger Geld realisieren. A würde demnach nicht seinen Nutzen
40
2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
maximieren. Er könnte weniger Geld für u ausgeben und sich dafür andere Güter kaufen. Neben der Nutzenmaximierung in Anbetracht der Budgetrestriktion stellt sich das „duale“ Problem der Ausgabenminimierung in Anbetracht der Erreichung eines bestimmten Nutzenniveaus. Das Problem der Ausgabenminimierung lässt sich wie folgt charakterisieren:
min ¦ pi xi unter Berücksichtigung von u ( x, q) t u. x
Daraus ergibt sich ein Set an Hicksschen (kompensierenden) Nachfragefunktionen als eine Funktion der Güterpreise, der Menge des Kollektivgutes und des Nutzenniveaus:
xi
g i ( p, q, u ), i 1,! , n
und eine Ausgabenfunktion mit den gängigen Eigenschaften bezüglich (
m( p, q , u )
p, u ):
i
¦ p g ( p, q, u ). i
Zwischen der Marshallschen und Hicksschen Nachfragefunktion besteht also eine Dualität v ( p, q, y ) m( p, q, u ) , sodass gilt: u v( p, q, y ) im Ausgabenminimierungsproblem und y m( p, q, u ) im Nutzenmaximierungsproblem. Im Falle einer Ausgabenminimierung tritt demnach die Ausgabenfunktion an die Stelle der indirekten Nutzenfunktion. Dabei werden die minimalen Ausgaben zur Erreichung eines Nutzenniveaus betrachtet. Die Änderung der Wohlfahrt im Zusammenhang mit einer Änderung der Qualität eines Umweltgutes (Umweltverbesserung), z.B. einer verbesserten Luftqualität oder einer Verbesserung der biologischen Vielfalt in Wäldern, kann mit zwei Konzepten ausgedrückt werden: der Kompensierenden und der Äquivalenten Variation. Die folgenden Ausführungen behandeln lediglich Mengenänderungen des Umweltgutes, aber nicht Preisänderungen (vgl. hierzu u.a. Flores 2003).8 Die Kompensierende Variation entspricht jenem Einkommensbetrag, den ein Individuum für eine verbesserte Qualität eines Umweltgutes bezahlen würde, sodass sein ursprüngliches Nutzenniveau erhalten bleibt. Das kann mit der maximalen Zahlungsbereitschaft identifiziert werden („Willingness to Pay“). Die Äquivalente Kompensation wiederum beinhaltet jenen Einkommensbetrag, den ein Individuum verlangt, um das neue Wohlfahrtsniveau zu erreichen, wenn eine Änderung des Umweltgutes ausbleibt („Willingness to Accept“). Sie entspricht einer minimalen Kompensations-/Entschädigungsforderung. Wird eine positive Änderung eines Elementes des q -Vektors betrachtet, z.B. wenn sich die biologische Vielfalt vom Zustand 0 zum Zustand 1 erhöht, dann lassen sich die beiden Variationen anhand der indirekten Nutzenfunktionen und der Ausgabenfunktion, wie in Tabelle 2.5 angeführt, erfassen. Dabei wird unterstellt, dass alle anderen 8
Die Wohlfahrtsmaße für Mengenänderungen gehen auf Mäler zurück und sind als eine Erweiterung der Maße für Preisänderungen (nach Hicks) zu sehen (Hanemann 1999: 44). Die englischen Ausdrücke für diese Maße lauten für Preisänderungen oftmals compensating/equivalent variation und für Mengenänderungen compensating/equivalent surplus (Flores 2003: 32). In der vorliegenden Arbeit wird diese Unterscheidung, die ohnehin in der Literatur nicht immer zu finden ist, nicht vorgenommen. „Variation“ und „surplus“ sind als Synonyme aufzufassen und beziehen sich auf Mengenänderungen.
41
2.3 Wohlfahrtstheoretische Grundlagen der Zahlungsbereitschaft
Argumente in den Nutzenfunktionen außer q unverändert bleiben. Die Notationen 0 und 1 geben die Bedingungen vor und nach der Änderung der Umweltqualität wieder.9 Tabelle 2.5:
Kompensierende und Äquivalente Variation im Falle einer Umweltverbesserung
Kompensierende Variation maximale Zahlungsbereitschaft (Willingness to Pay/WTP)
Äquivalente Variation minimale Entschädigungsforderung (Willingness to Accept/WTA)
Was sind Individuen maximal bereit, für eine Änderung der Qualität des Umweltgutes zu bezahlen?
Was verlangen Individuen mindestens, wenn eine Änderung der Qualität des Umweltgutes ausbleibt?
Nutzenmaximierung:
v ( p , q1 , y K )
v ( p, q 0 , y )
Nutzenmaximierung:
u0
v ( p , q1 , y )
Ausgabenminimierung: K
0
1
K (q , q , p, y)
wobei
0
0
K entspricht der maximalen Zahlungsbereitschaft.
u1
Ausgabenminimierung: 1
0
m( p, q , u ) m( p, q , u ) E
q1 ! q 0
v( p, q 0 , y E )
0
1
E (q , q , p, y )
0
1
1
1
m( p, q , u ) m( p, q , u )
wobei
q1 ! q 0
E entspricht der minimalen Entschädigungsforderung.
Bisher wurde lediglich eine positive Mengenveränderung eines Umweltgutes und damit annahmegemäß eine Erhöhung des Nutzenniveaus betrachtet. Je nachdem, ob eine Verbesserung der Umweltqualität herbeigeführt oder eine Verschlechterung verhindert werden soll, lassen sich jedoch vier Fälle unterscheiden, die in Tabelle 2.6 in Anlehnung an Rommel (2001) dargestellt sind. In Abhängigkeit von der zu betrachtenden Situation sind die Wohlfahrtsmaße jeweils als Zahlungsbereitschaft oder Entschädigungsforderung zu konzipieren.
9
Die Variationsmaße lassen sich nach Wiese (1999: 272) auch wie folgt veranschaulichen: Die Kompensierende Variation ist „als eine Einkommensänderung als Ausgleich für eine Änderung der Umwelt definiert“. Die Äquivalente Variation hingegen ist „eine Einkommensänderung anstelle einer Umweltveränderung“, wobei die Variation gleichwertig erfolgt.
42
2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
Tabelle 2.6:
Kompensierende und Äquivalente Variation in Abhängigkeit von der Änderung der Umweltqualität
Wohlfahrtsmaß
Umweltverbesserung (Erhöhung des Nutzenniveaus)
Umweltverschlechterung (Verringerung des Nutzenniveaus)
Kompensierende Variation
Zahlungsbereitschaft
Entschädigungsforderung
Was sind Individuen maximal bereit, für eine Verbesserung zu bezahlen?
Was verlangen Individuen mindestens, wenn eine Verschlechterung eintritt?
Entschädigungsforderung
Zahlungsbereitschaft
Was verlangen Individuen mindestens, wenn eine Verbesserung ausbleibt?
Was sind Individuen maximal bereit, für die Verhinderung einer Verschlechterung zu bezahlen?
Äquivalente Variation
Wenn eine Umweltverbesserung vorliegt, sind die bisherigen Ausführungen zutreffend (vgl. die zweite Spalte in Tabelle 2.6). Wird aber eine Umweltverschlechterung betrachtet, kann mit der Kompensierenden Variation der Geldbetrag ermittelt werden, der das Individuum für die Veränderung kompensiert, bei einer Gewährleistung des ursprünglichen Nutzenniveaus (minimale Entschädigungsforderung). Die Äquivalente Variation bemisst sich in diesem Fall anhand des Geldbetrages, den ein Individuum maximal zu zahlen bereit ist, damit die Verschlechterung verhindert und das ursprüngliche Nutzenniveau erreicht wird (maximale Zahlungsbereitschaft). In der vorliegenden Arbeit wird zumeist die Zahlungsbereitschaft (also die Kompensierende Variation) für eine Umweltverbesserung behandelt.10 Die Ausführungen werden folgend noch einmal für den Fall einer Erhöhung der Umweltqualität in Abbildung 2.2 veranschaulicht.11
10
11
Die Wahl des geeigneten Wohlfahrtsmaßes, Kompensierende oder Äquivalente Variation, ist generell von den zugeschriebenen Eigentumsrechten abhängig. Sie muss in Abhängigkeit vom jeweiligen Untersuchungsgegenstand getroffen werden (Flores 2003: 30). In der vorliegenden Arbeit wird auch mit Blick auf die empirische Untersuchung der Status quo – das Ausgangsniveau – als Referenz betrachtet und damit die Zahlungsbereitschaft für Maßnahmen zur Verbesserung der Umweltqualität (Umweltgut), d.h. die „gesetzlich definierten Eigentumsrechte“ liegen im Status quo. Wäre beispielsweise die Umweltqualität unter das Niveau des Status quo gesunken, und es soll eine Maßnahme erfolgen, um den Status quo wieder herzustellen, dann müsste die Äquivalente Variation als Wohlfahrtsmaß gewählt werden. Das folgende Beispiel und die Abbildung sind an die Ausführungen von Hanley et al. (2001a: 39) angelehnt.
43
2.3 Wohlfahrtstheoretische Grundlagen der Zahlungsbereitschaft
Abbildung 2.2:
WTP und WTA für kollektive Umweltgüter
Einkommen (Y)
D WTA (E)
Y
A
WTP (K)
B C
q0
q1
U1 U0
Menge des Umweltgutes (Q)
Entlang der beiden Indifferenzkurven U0 und U1 ist jeweils der Nutzen für Individuen konstant, d.h. hier stiften die Einkommens-Güter-Kombinationen denselben Nutzen. Da die Indifferenzkurve U1 weiter vom Koordinatenursprung entfernt liegt als die Kurve U0, wird dort ein höheres Nutzenniveau erreicht. Die Budgetrestriktion wird durch das konstante Einkommen Y gekennzeichnet. Erfolgt nun eine positive Veränderung des Umweltgutes von der Menge q0 (Status quo) zu q1 (z.B. eine Verbesserung der biologischen Vielfalt in einem Waldgebiet), so erreicht die Person bei konstantem Einkommen ein höheres Nutzenniveau (Übergang von Punkt A zu B). Die maximale Zahlungsbereitschaft (WTP/K) für diese Umweltverbesserung findet sich in der Einkommensdifferenz zwischen den Punkten B und C. Sie entspricht jenem Einkommensbetrag, den die Person ausgehend von Punkt A maximal bereit ist aufzugeben und bei dem trotzdem das Nutzenniveau U0 gewährleistet ist. Die Äquivalente Kompensation (WTA/E) bemisst sich analog ausgehend von Punkt B beim Übergang zu Punkt A. Die minimale Kompensationsforderung für einen Verzicht auf eine Umweltverbesserung ist dann die Differenz des Einkommens zwischen den Punkten D und A. Hier erreicht die Person trotz ausbleibender Umweltverbesserung (q0) das höhere Nutzenniveau in Punkt D auf der Indifferenzkurve U1. In diesem Beispiel ist die WTA größer als die WTP, was sich auch tatsächlich in einer Vielzahl empirischer Untersuchungen bestätigt und der ökonomischen Theorie ein viel diskutiertes Erklärungsproblem liefert (vgl. u.a. Hanemann 1999). Diese WTP/WTA-Diskrepanz wird jedoch in der vorliegenden Arbeit nicht weiter ausgeführt. Das bislang vorgestellte wohlfahrtstheoretische Grundmodell berücksichtigt keine Aspekte der Unsicherheit oder Zeitaspekte. Letztere sind relevant, insbesondere im Zusammenhang mit dem Optionsnutzen, also der möglichen zukünftigen Nutzung eines Umweltgutes. Allerdings vermittelt das Grundmodell die wichtigsten Trade-offs (zwischen privaten Gütern und dem Kollektivgut), wenn auch auf einem sehr einfachen Niveau (Carson et al.
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2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
1999: 101). Das Modell trifft aber nur auf nutzungsabhängige Werte der Umweltgüter zu. Um zusätzlich auch die nutzungsunabhängigen Werte abzubilden, muss die Form der Nutzenfunktion verändert werden (vgl. Pruckner 1995, Carson et al. 1999, Flores 2003):
u ( x, q )
w[ g ( x, q ), q ].
Dabei wird unterstellt, dass w in beiden Argumenten positiv ist. Im ersten Term g von w ist die Wahl privater Güter – der Konsum von zu q komplementären Marktgütern – von der Umweltqualität q abhängig. Hierbei kann der Nutzen, den ein Umweltgut stiftet, indirekt am Marktverhalten beobachtet werden (z.B. an den Fahrtkosten zu einer Naturlandschaft), was auf Nutzer eines Umweltgutes zutrifft. Das zweite Argument q in der Nutzenfunktion entspricht lediglich den nutzungsunabhängigen Werten. Es ist also nicht an den Konsum privater Güter gebunden, kann daher auch nicht von der Beobachtung individuellen Marktverhaltens abgeleitet werden. Selbst wenn sich die Umweltqualität erhöht und der Konsum komplementärer Marktgüter nicht zunimmt, erhöht sich der Nutzen einer Person, was für Nutzer und Nicht-Nutzer eines Umweltgutes der Fall sein kann. Hierin spiegeln sich damit jene Werte wider, die nicht in die Nachfragefunktion eingehen. Es kann gezeigt werden, dass sich die Kompensierende Variation (WTP) sowohl aus nutzungsabhängigen als auch aus nutzungsunabhängigen Werten zusammensetzt (vgl. u.a. Carson et al. 199912):
WTP
K use K non use .
Für die beiden Komponenten gilt mit einer sequenziellen Vorgehensweise die Lösung fol1 0 gender Gleichungen, wobei q ! q :
K non use erfüllt w{g[v( p, q 0 , y K non use ), q1 ]} w{g[v( p, q 0 , y ), q0 ]} und
K use erfüllt g[v( p, q1 , y K non use K use ), q1 ]
g[v( p, q 0 , y ), q 0 ].
Hierin wird nochmals deutlich, dass nutzungsabhängige Werte im Zusammenhang mit Marktgütern gesehen werden können (vgl. [v(!)] in der zweiten Gleichung). Nutzungsunabhängige Werte hingegen ergeben sich völlig losgelöst von Marktgütern. Erstere ließen sich über Mengen und Preise zum Umweltgut komplementärer Güter erfassen. Letztere können allerdings nicht am Marktverhalten beobachtet werden. Hierfür werden, wie mehrmals angesprochen, in Umfragen hypothetische Märkte konstruiert, auf denen die Befragten ihre Zahlungsbereitschaft für ein Umweltgut (z.B. spezifizierte Schutzprogramme für gefährdete Tierarten) zum Ausdruck bringen (mehr dazu im Kapitel 3). Dabei wird angenommen, dass befragte Personen wie Käufer von privaten Gütern auftreten. In empirischen Untersuchungen lassen sich jedoch für Nutzer eines Umweltgutes beide Bereiche, d.h. die 12
Die folgende Konzeptionalisierung der Zerlegung des ökonomischen Gesamtwertes in seine Teilkomponenten geht auf Hanemann (1995) zurück und wird in Anlehnung an Carson et al. (1999: 106/107) dargestellt.
2.4 Theorien kollektiver (Umwelt)Güter und kollektiven Handelns
45
Anteile an nutzungsabhängigen und nutzungsunabhängigen Werten an der Zahlungsbereitschaft, kaum voneinander getrennt quantifizieren (vgl. Meyerhoff 2001). Allerdings ist lediglich entscheidend, dass generell nutzungsunabhängige Werte und damit auch NichtNutzer einer Ressource in Untersuchungen berücksichtigt werden, um eine Unterschätzung des ökonomischen Gesamtwertes zu vermeiden. 2.4 Theorien kollektiver (Umwelt)Güter und kollektiven Handelns Wie in Abschnitt 2.1 bereits erläutert, zeichnen sich reine kollektive Umweltgüter durch die Nicht-Rivalität im Konsum und durch Nicht-Ausschließbarkeit von der Nutzung aus. In Zahlungsbereitschaftsanalysen wird gemeinhin der Konsum kollektiver Güter mit dem Konsum privater Güter gleichgesetzt (vgl. vorhergehenden Abschnitt). Freilich wird berücksichtigt, dass die individuelle Wertschätzung von Umweltgütern im Gegensatz zu privaten Gütern meist nicht direkt am Marktverhalten beobachtbar ist. Nichtsdestotrotz besteht die Auffassung, dass die ermittelten Zahlungsbereitschaften auf einem hypothetischen Markt (in Befragungen) im Grunde mit denjenigen eines „realen Kaufs“ privater Güter identisch sind. Problematisiert werden dahin gehend überwiegend Aspekte der Konstruktion eines solchen hypothetischen Marktes (strategisches Antwortverhalten, Aspekte der Zahlungsform usw. vgl. Bateman et al. 2002: 296ff.). Meist finden aber die Anreizprobleme im Zusammenhang mit der Bereitstellung kollektiver Güter im theoretischen Diskurs und in empirischen Untersuchungen keine oder nur wenig Beachtung. Das liegt vor allem daran, dass man im Vorhinein – bei der Ausgestaltung der Befragungssituation – ein Framing der Zahlungsentscheidung als Beitrag zur Produktion eines Kollektivgutes verhindern möchte und sollte (Sugden 1999a). Da sich aber diese Anforderung nicht so einfach erfüllen lässt, wie man es auf den ersten Blick vermuten könnte, bedarf es einer Auseinandersetzung mit und eines empirischen Tests der Relevanz von individuellen Handlungsentscheidungen im Spektrum kollektiven Handelns. Das Hauptproblem in Bezug auf kollektive Umweltgüter und individuelle Zahlungsbereitschaften lässt sich beispielhaft aus der Sicht eines potenziell Zahlungswilligen wie folgt umschreiben: „Natürlich habe ich ein Interesse daran, dass unsere Umwelt (z.B. eine bestimmte Tierart) erhalten wird. Aber wenn ich alleine finanziell etwas dazu beitrage, dann hat das keinen merklichen Effekt. Außerdem, wenn andere genug zahlen, dann profitiere ich ohnehin davon; warum also selbst etwas zahlen?“ Personen, die in irgendeiner Form solche Gedanken hegen, mögen zwar eine Wertschätzung für das Umweltgut haben, bringen diese aber nicht zum Ausdruck (auch auf einem hypothetischen Markt nicht). Entweder glauben sie nicht an eine Wirkung individueller Zahlungen, oder sie ziehen es vor, auf den Zahlungen anderer „frei zu fahren“ (Trittbrettfahrer). Solche Aspekte müssen in Zahlungsbereitschaftsanalysen ein Gegenstand sein, um die Methoden selbst evaluieren zu können und eine angemessene Verwendung der Ergebnisse mit Blick auf politische Entscheidungen zu gewährleisten. Sobald die Bereitstellung kollektiver Güter dem Markt überlassen wird, kommt es, wenn überhaupt, zu einem Unterangebot dieser Güter. Dies wird auch als Marktversagen bezeichnet und lässt sich gemäß der ökonomischen Theorie kollektiver Güter anhand der
46
2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
folgenden Erläuterungen nochmals verdeutlichen:13 Wie im nutzentheoretischen Grundmodell der Zahlungsbereitschaft wird von einem Modell ausgegangen, in dem es ein privates Gut x und ein kollektives Gut Q gibt. Die Individuen n (i 1,! , n) konsumieren jeweils die Menge xi des privaten Gutes. Das kollektive Gut Q wird unter der Bedingung konstanter Kosten p für jede Einheit bereitgestellt, und der Konsum oder die Nutzung ist für jedes Individuum möglich. Die individuellen Präferenzen entsprechen den folgenden Nutzenfunktionen:
ui
ui (Q, xi )
i 1,! , n .
Die Präferenzen über Gütermengenkombinationen können mit wohlgeformten, strikt konvexen, abnehmenden Indifferenzkurven abgebildet werden. Zudem sei angenommen, dass es sich bei dem privaten Gut um ein normales Gut handelt. Die Grenzrate der Substitution für das Kollektivgut wird für Individuum i definiert als:
[wui / Q ] [wui / xi ]
v(Q, xi )
i 1,! , n .
Damit lässt sich darstellen, auf wie viel Einheiten des privaten Gutes ein Individuum verzichtet, um eine zusätzliche Einheit des Kollektivgutes konsumieren zu können. v (Q, xi ) kann als die individuelle Zahlungsbereitschaft für eine marginale Mengenerhöhung des Kollektivgutes aufgefasst werden, sobald das private Gut in Geldeinheiten bemessen wird (als so genannter numéraire). Die Grenzrate der Substitution nimmt mit Q ab und ist für alle xi und Q positiv. Eine Gleichgewichtssituation, in der sich kein Individuum besser stellen kann, ohne ein anderes schlechter zu stellen (Pareto-Optimum), ist erreicht, wenn die Summe der individuellen Grenzraten der Substitution den Grenzkosten p der Bereitstellung des Kollektivgutes entspricht:
¦ v(Q, x ) i
p.
i
Sollte dies nicht der Fall sein, gibt es jeweils Anreize, etwas an der Situation zu ändern. Ist beispielsweise die Summe der Grenzraten der Substitution größer als die Grenzkosten, dann kann jedes Individuum besser gestellt werden, indem die Menge des Kollektivgutes erhöht wird, wobei die zusätzlich entstehenden Kosten entsprechend der individuellen Grenzraten aufgeteilt werden. Auf Wettbewerbsmärkten gibt es aber keine Mechanismen, die eine Pareto-Effizienz sicherstellen würden. Zudem wird das Kollektivgut auf einem Markt nur in jenem Umfang bereitgestellt, in dem es von den individuellen Akteuren „gekauft“ wird. p kann als 13
Die folgenden Formalisierungen und Ausführungen werden im Wesentlichen von Sugden (1999a) übernommen. Für weiter gehende Analysen im Hinblick auf die Theorie kollektiver Güter siehe u.a. Musgrave et al. (1987) sowie Cornes und Sandler (1986).
2.4 Theorien kollektiver (Umwelt)Güter und kollektiven Handelns
47
Marktpreis für die Einheiten des Kollektivgutes verstanden werden. Das gilt unter der Annahme konstanter Kosten, wobei jede Firma ein Gut zu einem Preis anbietet, der den Grenzkosten dieses Gutes entspricht. Die entscheidende Frage ist schließlich: Wie viel wird von dem Gut zum Preis p konsumiert? Gemeinhin gilt die Annahme, dass die Individuen ihren Nutzen bei einem gegebenen Preis des Kollektivgutes und der konsumierten Menge aller anderen Individuen maximieren. Sei nun wi die individuelle Anfangsausstattung und Qi die Menge des gekauften Kollektivgutes aller anderen außer i (z.B. Qi [ w j x j ] / p ). Jedes Individuum handelt unter zwei Budgetrestriktionen:
¦
j zi
p(Q Qi ) xi
wi
und
Q t Qi . Ein (marktbereinigendes) Gleichgewicht – analog zum Fall privater Güter – kommt zu Stande, wenn jedes Individuum seinen Nutzen in Anbetracht dieser Restriktionen maximiert. Das ist in den folgenden zwei Fällen erfüllt: entweder oder
v (Q, xi ) p und Q t Q i v (Q, xi ) p und Q Q i .
Entweder i kauft gerade so viel vom Kollektivgut, sodass die Grenzrate der Substitution dem Preis entspricht, oder die Grenzrate ist kleiner als der Preis, wobei hier i nichts kaufen wird (individuelle Nutzenmaximierung). Die beiden Bedingungen können aber nicht, wie verlangt, für alle Individuen erfüllt sein, damit sich ein Pareto-Optimum einstellt. Da v (Q, xi ) p für jedes Individuum gelten muss, das irgendeine Menge des Kollektivgutes konsumiert und zudem für alle Individuen v(Q, xi ) ! 0 zutrifft, ist die Summe über die Grenzraten der Substitution größer als p , was wiederum die oben genannte Bedingung zur Pareto-Optimalität verletzt. In diesem Falle ist die Summe der Grenzraten bzw. Zahlungsbereitschaften größer als die Grenzkosten. Wird die Bereitstellung von Kollektivgütern dem Markt überlassen, dann stellt sich demnach ein Unterangebot ein. Der entscheidende Punkt ist, dass jedes Individuum seinen Nutzen in Anbetracht der eigenen „Gewinne“ maximiert, während aber der Kauf von Umweltgütern immer auch Gewinne für alle Individuen nach sich zieht. Dieser Umstand bringt bestimmte Anreizprobleme mit sich. Das Suboptimum ist u.a. der Grund für die Empfehlung, dass man die Bereitstellung kollektiver Güter der öffentlichen Hand überlassen soll. Hier stellt sich jedoch das Problem, wie das gesellschaftlich optimale Angebot beschaffen sein muss. Die Zahlungsbereitschaftsanalyse ist schließlich ein nahe liegendes Instrumentarium, um dahin gehend individuelle Präferenzen bzw. den ökonomischen Gesamtwert eines Umweltgutes zu ermitteln. Nichtsdestotrotz dürfen vor allem auch die Anreizprobleme im Zusammenhang mit der Bereitstellung kollektiver Güter nicht vernachlässigt werden. Diese können sich unmittelbar auf die Zahlungsbereitschaft insofern auswirken, als dass sie eine Diskrepanz zwischen den theoretisch angenom-
48
2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
menen (vgl. vorhergehenden Abschnitt) und den empirisch gemessenen Präferenzen befördern. Trifft dies zu, dann ergeben sich wiederum Probleme bei der Festlegung eines optimalen Angebotes an Umweltgütern. Das bekannteste und am häufigsten diskutierte Anreizproblem bei der Bereitstellung kollektiver Güter ist das so genannte „Trittbrettfahrerproblem“. Es ist sowohl der Tragik der Allmende (Hardin 1968, Ostrom 1999) als auch der Logik des kollektiven Handelns (Olson 1968) gemein und lässt sich am einfachsten anhand des Gefangenendilemmas aus der Spieltheorie darstellen. Aber zunächst zur Tragik der Allmende: Die Konzeptualisierung von Hardin (1968) ist so einfach wie einleuchtend. Man nehme zunächst an, das Vieh mehrerer Bauern habe freien Zugang zu einem Weideland (Allmende). Es ist nun im Interesse eines jeden Bauern, soviel Vieh wie möglich dort grasen zu lassen. Wenn sich aber jeder Bauer so verhält, kommt es irgendwann zu einer Übernutzung der Weide.14 Das liegt natürlich nicht im kollektiven Interesse der Bauern. Hierin besteht die Tragik. Ohne weiteres kann man sich diese Dilemmastruktur auch für den Erhalt der Umwelt veranschaulichen (so u.a. auch Hardin 1968). Durch alltägliches Handeln fügen wir Menschen unserer Umwelt Schaden zu (z.B. durch Autoabgase). Es liegt allerdings nicht im Interesse jedes einzelnen Menschen für sich genommen (unter der Annahme rationaler Akteure), umweltschädigendes Handeln zu unterlassen. Handeln viele oder alle so, dann „sägen die Menschen insgesamt den Ast ab, auf dem sie sitzen“. Man kann sich nun fragen, warum sich in diesem Gedankenspiel Personen nicht umweltgerecht verhalten. Das Problem ist, wenn andere umweltfreundlich handeln, dann profitieren auch diejenigen davon, die das Gegenteil tun. Im Gegenzug möchte man gemeinhin nicht derjenige sein, der auf eigene Kosten für andere die Umwelt „mitschützt“ und möglicherweise der einzige „Dumme“ ist. Eine etwas andere, aber zu den bisherigen Ausführungen nicht widersprüchliche Sicht auf kollektive Interessen bietet die einschlägige Arbeit „Die Logik des kollektiven Handelns“ von Mancur Olson (1968). Olson thematisiert vor allem die Rolle der Gruppengröße bei der Bereitstellung kollektiver Güter, wobei seiner Einschätzung nach insbesondere große Gruppen Anreizproblemen unterliegen bzw. diese schwieriger überwinden können: „Selbst wenn also alle Individuen in einer großen Gruppe rational und im Eigeninteresse handelten und Vorteil daraus zögen, wenn sie sich als Gruppe für das gemeinsame Interesse oder Ziel einsetzten, werden sie doch nicht freiwillig tätig werden, um jenes gemeinsame oder Gruppeninteresse zu verwirklichen“ (Olson 1968: 2).
Zwei wesentliche Punkte aus Olsons (1968) Argumentation, warum kleinere Gruppen eher in der Lage sind, ein Kollektivgut zu realisieren und damit Anreizprobleme zu überwinden, sollen folgend angeführt werden:15 (1) Mit zunehmender Gruppengröße sinkt der Einfluss/Effekt eines Beitrags jedes Einzelnen. (2) Mitglieder kleinerer Gruppen können sich nicht in eine Anonymität flüchten. Trittbrettfahrer sind eher identifizierbar, unterliegen 14 15
„Commons“ oder Allmende-Güter unterscheiden sich von reinen Kollektivgütern darin, dass hier eine Rivalität im Konsum besteht (vgl. Abschnitt 2.1). Die Theorie von Olson wird hier nicht ausführlich dargestellt. Ganz reduktionistisch werden lediglich zwei Argumente aufgegriffen, die so isoliert der Arbeit von Olson nicht entsprechen mögen, aber trotzdem zentrale Aspekte erfassen. Um einem Missverständnis entgegenzuwirken, Olson ist nicht so skeptisch, wie man denken könnte (Ostrom 1999: 7). Er räumt Möglichkeiten ein, die zu einer Überwindung von Anreizproblemen auch in mittelgroßen Gruppen führen können. Für seine weitreichende Argumentation und Theoriebildung sei auf das Originalwerk Olson (1968) verwiesen.
2.4 Theorien kollektiver (Umwelt)Güter und kollektiven Handelns
49
daher sozialer Kontrolle, und das gemeinsame Ziel ist durch Sanktionen (sozialen Druck) erreichbar. Soziale Anreize können in großen Gruppen ihre Wirkung nicht entfalten. Der erste Punkt lässt sich auch aus dem Alltagsverständnis heraus nachvollziehen. Viele Personen neigen z.B. dazu, ihr Stimmrecht bei Wahlen nicht wahrzunehmen und begründen dies damit, dass ihre Stimme sowieso keinen Einfluss auf die Entscheidung hat.16 Ähnliches kann, muss aber nicht, auch auf den Schutz der Umwelt zutreffen. Um die Luftverschmutzung zu reduzieren, könnten u.a. die Autoabgase gesenkt werden. Obwohl sich viele dessen bewusst sind und es auch in ihrem Interesse liegt, vertreten sie die Meinung, dass es ohnehin nichts nütze, wenn sie alleine ihre Autonutzung einschränken. Wenn viele so denken, kommt es zu einer „kollektiven Lähmung im Umweltschutz“. Auch der zweite Punkt ist auf den ersten Blick recht einsichtig. Wenn in einer kleinen Gemeinde eine Auenlandschaft durch die aktive Beteiligung der Bürger geschützt und gepflegt werden soll, dann weiß im Prinzip jeder, was der andere für Anstrengungen unternimmt oder nicht. Bürger, die sich nicht beteiligen, können ohne Probleme mit sozialer Missbilligung bestraft werden. Wollte die Bundesrepublik aber „Umweltschutz im großen Maßstab“ betreiben, und zur Umsetzung dieses Ziels werden die Bürger aufgefordert, im Alltag umweltgerechter zu handeln (z.B. Einschränkung der Autonutzung, Reduzierung der Heiztätigkeit usw.), dann kann jeder im Grunde wie immer handeln, ohne dass er irgendwelche Konsequenzen befürchten müsste. Umwelthandeln ist meist schlecht beobachtbar (vgl. auch Franzen 1995: 143). Da dies wiederum jeder weiß, schließt sich der Kreis. In solchen Konstellationen erscheint der eigene Beitrag mit Blick auf das kollektive Ziel mitunter zwecklos. Diese Problemstrukturen münden in das so genannte Gefangenendilemma, welches oftmals zur Analyse „des Umweltproblems“ – Tragik der Allmende und Probleme kollektiver Güter – herangezogen wird. Abbildung 2.3 zeigt das Spiel in Matrixform. Zur Illustration sei ein Beispiel herangezogen: Zwei Personen A und B haben ein Interesse daran, ein kleines frei zugängliches Biotop unweit ihrer Grundstücke zu erhalten. Um dies zu erreichen, müsste eine spezielle Firma beauftragt werden, die das Biotop ökologisch gerecht „bearbeitet“. Jede der beiden Personen hat nun zwei Handlungsalternativen: einen finanziellen Beitrag zur Beauftragung der Firma leisten oder keinen Beitrag leisten. Für beide wäre es nun das Beste, wenn der jeweils andere die Kosten für den Erhalt des Biotops trägt. Sowohl A als auch B unterliegen der Versuchung (Temptation), auf dem Beitrag des anderen „frei zu fahren“. Derjenige, der hier einen Beitrag leistet, wird im Grunde von dem anderen ausgebeutet (Sucker’s Loss). Weil sich beide dieser Situation bewusst sind, werden sie unter der Annahme rationaler Akteure keinen Beitrag leisten. Diese Strategie ist für jeden besser, egal was der andere tut. Keinen Beitrag leisten ist demnach eine so genannte dominante Strategie. Wenn beide so handeln, ergibt sich ein (Nash)Gleichgewicht, in dem das Biotop nicht erhalten wird (Punishment). Keiner hat hier einen Anreiz, einseitig abzuweichen, weil er dann von dem jeweils anderen ausgebeutet wird (P>S). Auf Grundlage der individuellen Rationalität von Akteuren und dem Anreiz zum Freifahren wird das Gut letztendlich nicht 16
Tatsächlich ist eine solche Aussage durchaus diskussionswürdig. In der Rational Choice-Forschung gibt es eine Vielzahl an Arbeiten, die sich mit dem so genannten Wahl-Paradoxon beschäftigen, der Beobachtung, dass trotz einer sehr geringen Chance der Beeinflussung des Wahlausgangs viele Menschen wählen gehen. Für eine Diskussion und einen Überblick zu verschiedenen Erklärungen mit Blick auf das Wahl-Paradoxon im Spektrum von Rational-Choice-Theorien sei auf Green und Shapiro (1999: 62-90) verwiesen.
50
2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
bereitgestellt. Das widerspricht aber dem kollektiven Interesse beider Akteure am Erhalt des Biotops (Reward). Beide würden sich besser stellen, wenn sie einen Beitrag leisteten (Pareto-Verbesserung bzw. -Optimum, R>P). Das Auseinanderfallen von individueller und kollektiver Rationalität führt zu einem sozialen Dilemma. Abbildung 2.3:
Gefangenendilemma und die Bereitstellung kollektiver Güter GEFANGENENDILEMMA17 B
Beitrag
Beitrag
Kein Beitrag
R,R
S,T
A
T := Temptation R := Reward P := Punishment
Kein Beitrag
T,S
P,P
S := Sucker
T > R > P > S und R > (T+S)/2 Gemäß dieser Dilemmastruktur könnte man erwarten, dass sich keiner an der Bereitstellung des Kollektivgutes beteiligt.18 Es wird aber in einer Fülle von Experimenten zu Kollektivgutproblemen nahe gelegt, dass Personen entgegen der spieltheoretischen Annahme eine zum Teil hohe Kooperationsbereitschaft haben (vgl. u.a. Marwell und Ames 1981, Fehr und Gächter 2000, eine Übersicht über Studien gibt Ledyard 1995). Im hier beschriebenen Beispiel bedeutet dies, es würde oft ein Beitrag zum Erhalt des Biotops geleistet werden. Das ist nicht erstaunlich, wenn z.B. die Argumentation zu kleinen Gruppen von Olson berücksichtigt wird. Insgesamt kann man nach Frey und Bohnet (1996: 295ff.) anhand dreier Fragestellungen die Analyse von Umweltproblemen mithilfe des Gefangenendilemmas19 kritisch beleuchten:
17
18 19
Die Auszahlungen T, R, P und S entsprechen ordinalen Nutzenwerten. R>(T+S)/2 muss deshalb erfüllt sein, weil sonst die Akteure sich einfach die Gewinne (T+S) aufteilen könnten, sobald einer das Gut bereitstellt und sich immer noch besser stellen würden als in der Situation beidseitiger Kooperation (2R). Diese Bedingung wird erst in wiederholten Spielen relevant, wenn für die Spieler die Möglichkeit bestünde, sich abwechselnd gegenseitig auszubeuten. Für Diskussionen zum Gefangenendilemma siehe stellvertretend für viele Axelrod (2000). Diese Feststellung bezieht sich auf das einmalige Spiel. In wiederholten Spielen, wenn also die Akteure mehrmals aufeinander treffen, kann Kooperation unter bestimmten Bedingungen endogen und nicht länger „theoriekonträr“ entstehen (vgl. Raub und Voss 1986, für eine einschlägige Arbeit siehe Axelrod 2000). Auf theoretischer Ebene zeigt beispielsweise Hardin (1971), dass Olsons Logik kollektiven Handelns auch in einem n-Personen Gefangenendilemma systematisiert werden kann. Große und kleine Gruppen unterschieden sich demnach nicht in ihrer strategischen Anreizstruktur. Für eine ausführliche Diskussion „des Umweltproblems“ u.a. im Zusammenhang mit dem Gefangenendilemma siehe auch Weimann (1991).
2.4 Theorien kollektiver (Umwelt)Güter und kollektiven Handelns
1.
2.
3.
51
„Werden typische Umweltprobleme durch das Gefangenendilemma erfasst?“ Eine mögliche Antwort: Nein, weil nicht der (als gering wahrgenommene) Einfluss des einzelnen Beitrages auf das kollektive Ergebnis im Vordergrund steht, sondern vielmehr die strategische Interaktion. „Ist das Gefangenendilemma einsichtig?“ Eine mögliche Antwort: Nein, die einmalige Situation korrespondiert nicht mit der Realität. Oftmals interagieren Personen häufiger miteinander, was sie bei Entscheidungen antizipieren. Man denke an Reputations- und Bestrafungseffekte. Sind einzelne Handlungsentscheidungen zurechenbar, ist die gängige Auszahlungsstruktur des Spiels nicht mehr zweckmäßig. „Bestätigt die Empirie die spieltheoretischen Annahmen?“ Die Antwort findet sich bereits in den vorhergehenden Ausführungen.
Wenn diese drei Fragen mit Nein zu beantworten sind, warum sollten dann überhaupt Anreizprobleme wie Trittbrettfahren im Zusammenhang mit der Bereitstellung kollektiver Umweltgüter betrachtet werden? Dafür spricht zumindest ein sehr guter Grund: Selbst wenn das Gefangenendilemma Situationen in der Wirklichkeit nicht immer adäquat erfasst und darüber hinaus eine mangelnde Relevanz von z.B. Trittbrettfahren festgestellt werden kann, sind solche Strukturen und Anreize nicht von vornherein gänzlich auszuschließen. Am ehesten wäre die Schlussfolgerung zulässig, dass die „Rationalitätsfalle des Gefangenendilemmas“ nicht nur, aber auch in der Umweltforschung überbetont wird (vgl. dazu Preisendörfer 2004). Der entscheidende Punkt im Kontext der vorliegenden Arbeit ist, inwieweit Personen eine soziale Dilemmastruktur wahrnehmen bzw. zu bedingter Kooperation neigen. Damit wird auch der Kritik Rechnung getragen (ähnlich wie beim Gefangenendilemma), dass der Ansatz von Olson nicht unmittelbar stichhaltig ist (vgl. für einen ausführlichen Überblick Udehn 1993). Zum einen gibt es eine Vielzahl an Beispielen in der Realität, in denen „größere“ Gruppen Anreizprobleme überwinden (vgl. u.a. Ostrom 1999). Zum anderen sind dynamische Ansätze kollektiven Handelns und Aspekte der Sozialstruktur (z.B. Schwellenwertmodelle) zu nennen, die Olsons Argumentation relativieren. Vor allem aber wird für eine theoretische Betrachtung plädiert, die von verschiedenen individuellen Motivationen bei der Bereitstellung von Kollektivgütern ausgeht (z.B. Altruismus, Reziprozität, Fairness, soziale Normen und Moral).20 Einige dieser Motivationsstrukturen werden explizit im Abschnitt 2.7 aufgegriffen. Unabhängig davon ist an dieser Stelle wichtig, dass per se nicht alle Personen den individuellen Anreizproblemen unterliegen mögen. So wenig wie die Welt lediglich „schwarz und weiß“ gesehen werden kann, bedeutet dies im Umkehrschluss auch, dass die individuelle Wahrnehmung sozialer Dilemmata unmöglich auszuschließen ist. Was aber heißt das für die Zahlungsbereitschaft für kollektive Umweltgüter? Die bis hierhin angeführten Probleme im Zusammenhang mit kollektiven Umweltgütern können, müssen aber nicht notwendigerweise, auch bei der Betrachtung individueller Zahlungsbereitschaften auftreten. In empirischen Untersuchungen wird zum Teil explizit erwähnt, oder es wird mitunter implizit deutlich, dass die Umsetzung von Maßnahmen zur Veränderung der Umweltqualität auch davon abhängig ist, wie viele Personen sich finanziell beteiligen. Im Hinblick auf die geäußerten Zahlungsbereitschaften können sodann zwei Fälle voneinander unterschieden werden: Im ersten Fall spielt es für Personen keine Rolle, dass andere 20
Für einen allgemeinen Überblick über soziale Dilemmata, Lösungsmöglichkeiten (motivationsbedingt, strategisch, strukturell) und Forschungsrichtungen sei auf Kollock (1998) hingewiesen.
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2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
auch von dem Umweltgut und der eigenen Zahlung profitieren. Die maximale Zahlungsbereitschaft entspricht dann ihren Wertschätzungen für das Umweltgut. Im zweiten Fall sind sich aber Personen der Probleme kollektiven Handelns bewusst (Dilemmabewusstsein) bzw. sie zeigen sich nicht unter allen Umständen zahlungsbereit (bedingte Kooperation). Sie vergegenwärtigen sich beispielsweise das Trittbrettfahren oder haben Zweifel, dass ihre eigene Zahlung etwas bringt, oder nur dann Folgen hat, wenn viele zahlen. Solche „Dilemmabewussten“ erfassen die Zahlung für Umweltgüter eher als einen Beitrag zur Produktion von Umweltgütern, zum Erreichen eines gemeinsamen Zieles, was wiederum in das hinreichend beschriebene soziale Dilemma münden kann. Daraus ergeben sich zwei Schlussfolgerungen: Im ersten Fall „kaufen“ sich Personen im Einklang mit der Grundidee der ökonomischen Bewertung „einen Teil des Umweltgutes“ und bringen darin ihre Wertschätzung zum Ausdruck. Dieses Käufermodell muss aber nicht unbedingt für alle zutreffen. Die Zahlungsbereitschaft könnte in einem zweiten Fall von anderen Faktoren – gebündelt im „Dilemmabewusstsein“ – abhängig sein. Dabei würden individuelle Wertschätzungen für das Umweltgut eher im Kontext der Bereitstellung kollektiver Umweltgüter geäußert, und bei der Wahrnehmung einer Dilemmastruktur bzw. Situation bedingter Kooperation sind geringere Zahlungsbereitschaften anzunehmen. Diese Argumentation soll an einem Beispiel verdeutlicht werden: Man nehme an, die Bürger der BRD würden gefragt, ob sie den Schutz seltener Tier- und Pflanzenarten in deutschen Wäldern so belassen wollen, wie er heute ist (erste Option), oder wie viel sie in einen staatlich verwalteten Fond zu zahlen bereit sind, damit bestimmte Programme für einen besseren Artenschutz umgesetzt werden können (zweite Option). Die Grundidee besagt nun, dass sich in den Zahlungsbeträgen (Fondbeiträgen) die individuellen Wertschätzungen für den Schutz seltener Tier- und Pflanzenarten ausdrücken. Das mag für jene Personen stimmen, die mit dem Zahlungsbetrag lediglich ihren „Nutzen“ verbinden, dass z.B. die Arten existieren und für zukünftige Generationen geschützt werden. Aber andere Personen können ihre Zahlungsbereitschaft als Beitrag zum kollektiven Gut – Schutz seltener Tier- und Pflanzenarten – wahrnehmen. Dabei besteht die Möglichkeit, dass sie die oben genannten generellen Dilemmastrukturen im kollektiven Umweltschutz in ihre Zahlungsbereitschaftsentscheidung einfließen lassen, z.B. die Notwendigkeit kollektiven Handelns sehen und der Meinung sind, dass ihr einzelner Beitrag ohnehin nichts bewirkt.21 Bei der Betrachtung von Zahlungsbereitschaften für kollektive Umweltgüter können zusammenfassend Anreizprobleme kollektiven Handelns entscheidungsrelevant werden. Die Wahrnehmung von sozialen Dilemmata in Anbetracht bedingter Kooperation im Zusammenhang mit kollektiven Umweltgütern würde zu einer geringeren oder ausbleibenden Zahlungsbereitschaft führen.22 Generell kann mit der Dilemma-Hypothese angenommen werden:
21
22
Diese Effekte des Dilemmabewusstseins auf die Zahlungsbereitschaft sind im engsten Sinne nicht unmittelbar mit der Analyse von strategischem Antwortverhalten von Respondenten gleichzusetzen, weil lediglich behauptet wird, dass Personen Dilemmastrukturen wahrnehmen können. Es unterstützt aber im Umkehrschluss die Überzeugung, dass strategisches Antwortverhalten und Anreize, falsche Signale zu geben, im Rahmen ökonomischer Bewertungen nicht überschätzt werden sollten (Sugden 1999a). Diese Argumentation wäre hinfällig, wenn Befragte auf hypothetischen Märkten ihre Zahlungsbereitschaft für das Umweltgut mit einer Kaufentscheidung – wie im Falle privater Güter – verbinden. Die empirische Evidenz des Dilemmabewussteins ist damit auch ein Indiz für die Validität der Bewertungsmethode (dazu mehr in Abschnitt 3.7).
2.5 Zahlungsbereichtschaft im Kontext von allgemeinen Einstellungen/Umweltbewusstsein
53
Je stärker eine Person die Bereitstellung kollektiver Umweltgüter als ein soziales Dilemma wahrnimmt, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit einer Zahlungsbereitschaft und desto niedriger die Höhe der Zahlungsbereitschaft.
2.5 Zahlungsbereitschaft im Kontext von allgemeinen Einstellungen/ Umweltbewusstsein 2.5 Zahlungsbereichtschaft im Kontext von allgemeinen Einstellungen/Umweltbewusstsein
Die meisten Menschen würden wohl der Annahme zustimmen, dass Personen mit einem hohen Umweltbewusstsein sich im Vergleich zu anderen umweltgerechter verhalten, sich eher für den Umweltschutz öffentlich engagieren und auch eher bereit sind, etwas für die Umwelt zu bezahlen. Es ist nahe liegend, den Einfluss von Umweltbewusstsein auf individuelle Zahlungsentscheidungen für kollektive Umweltgüter zu untersuchen. Doch was ist eigentlich Umweltbewusstsein? Und unter welchen Bedingungen, wenn nicht immer, ist es verhaltensrelevant? Im Folgenden gilt es, den Begriff des Umweltbewusstseins mit Inhalt zu füllen (Abschnitt 2.5.1) und die Verhaltensrelevanz von Umweltbewusstsein mit Blick auf die Zahlungsbereitschaft zu diskutieren (Abschnitt 2.5.2). Wenn in diesem Rahmen von Umweltverhalten die Rede sein wird, dann sollte die Zahlungsbereitschaft mitunter der Verhaltensintention/Handlungsabsicht zugeordnet werden.23 2.5.1 Umweltbewusstsein: Konzept und Reichweite Mit der Wahrnehmung von Umweltproblemen wie der Luftverschmutzung oder der Bodenversiegelung hat insbesondere in den 1970er und 1980er Jahren die Auseinandersetzung mit dem Umweltbewusstsein in den öffentlichen Diskurs Einzug gehalten. Den öffentlichen Diskussionen entsprechend sind Definitionen dort meist sehr allgemein gehalten. So umschreibt der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (1978: 445) Umweltbewusstsein als „die Einsicht in die Gefährdung der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen durch diesen selbst, verbunden mit der Bereitschaft zur Abhilfe“. In der wissenschaftlichen Begriffsbestimmung lassen sich zunächst in einem weiter gefassten Kontext generell folgende Komponenten des Umweltbewusstseins benennen: Umweltwissen, Umwelterleben und -betroffenheit, umweltbezogene Wertorientierungen und umweltrelevante Verhaltensintentionen und -weisen. Mithilfe dieser Terminologie lassen sich nach Spada (1996: 623) je nach Verwendungszusammenhang verschiedene Bedeutungszusammenhänge von Umweltbewusstsein identifizieren (vgl. Abbildung 2.4). Eng gefasst werden unter Umweltbewusstsein die Betroffenheit und Befürchtungen von Personen infolge der Wahrnehmung von Umweltproblemen verstanden. Dies entspricht zudem am ehesten dem alltagssprachlichen Verständnis. Die unterschiedlichen Bedeutungszusammenhänge können in Verbindung gängiger Lehrmeinungen mit den Überlegungen von Spada auch als Einstellungen bezüglich der Umwelt begriffen werden. Hierbei lassen sich drei verschiedene Komponenten voneinander abgrenzen: die kognitive, die 23
Dieser Hinweis bezieht sich auf Einstellungs-Verhaltens-Modelle, die u.a. in diesem Abschnitt angesprochen werden. Aufgrund der Bewertungsmethoden zur Zahlungsbereitschaft, die hypothetische Wertschätzungen ermitteln (vgl. Kapitel 3), ist es zweckmäßig, die gemessenen Zahlungsbereitschaften als Handlungsabsichten anzusehen. Somit sollten sie bereits in den theoretischen Modellen als solche ihren Platz finden.
54
2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
affektive und die konative Komponente (Spada 1996: 624, Diekmann und Preisendörfer 2001: 102). Erstere beinhaltet das Umweltwissen, rationale Bewertungen bzw. die Einsicht in Umweltgefährdungen. Die affektive Komponente subsumiert Gefühlsäußerungen in Reaktion auf Umweltprobleme bzw. die Umweltbetroffenheit. Im Kontext von Einstellungen sind daher Wertorientierungen mit Blick auf rationale Bewertungen der kognitiven Ebene und evaluative Gefühlsäußerungen der affektiven Komponente zuzuordnen (Hirsch 1993: 146).24 Je nachdem, ob bei der konativen Komponente manifestes Umweltverhalten mit einbezogen wird oder nicht, ergibt sich eine Differenzierung zwischen einem mittleren und weit gefassten Bedeutungszusammenhang. Abbildung 2.4:
Umweltbewusstsein: eng bis weit gefasste Bedeutungszusammenhänge nach Spada (1996) und Erweiterung um Einstellungskomponenten Umweltbewusstsein
Einstellungskomponenten Umweltwissen kognitiv
Umwelterleben und -betroffenheit
affektiv
umweltbezogene Wertorientierungen
konativ
umweltrelevante Verhaltensintentionen
eng gefasst
mittlerer Bedeutungszusammenhang
weit gefasst
umweltrelevantes manifestes Verhalten
Darüber hinaus können noch umweltbezogene gesellschaftliche Wertorientierungen betrachtet werden. Diese beziehen sich in der Regel auf jene Grundwerte, die von Mitgliedern in einer Gesellschaft geteilt werden und deren Gültigkeit weder erfahrungs- noch situationsspezifisch ist (McFarlane und Boxall 2003: 80). Sie spiegeln die grundlegende Orientierung von Personen hinsichtlich der Umwelt als Ganzes wider. In Anbetracht der „MenschNatur-Beziehungen“ können zwei verschiedene Kategorien an Wertorientierungen unterschieden werden: (1) Anthropozentrische Wertorientierungen entsprechen jenen Werten, die sich unmittelbar auf die Nützlichkeit der Natur für den Menschen beziehen. Im Mittelpunkt steht daher der Nutzen natürlicher Ressourcen für die Bedürfnisbefriedigung des Menschen (McFarlane und Boxall 2003: 80). In Bezug auf Wälder können beispielhaft die Holzproduktion oder der Erholungswert angeführt werden. (2) Biozentrische Wertorientierungen beinhalten jene Werte, die der Natur unabhängig vom direkten Nutzen für den Men24
Hirsch (1993: 147) nimmt zudem eine ähnliche Zusammenführung der Komponenten von Umweltbewusstsein und Einstellungen vor, wie sie Abbildung 2.4 zeigt.
2.5 Zahlungsbereichtschaft im Kontext von allgemeinen Einstellungen/Umweltbewusstsein
55
schen eine ihr inhärente Wertigkeit zusprechen. Darüber hinaus kann biozentrisches Verhalten als jenes Verhalten identifiziert werden, das auf den Schutz der natürlichen Umwelt ausgerichtet ist (Tanner und Foppa 1996).25 Urban (1986) fasst das Umweltbewusstsein als ein kognitives Konstrukt. Hierbei ergibt sich eine große Schnittmenge mit den bisher angeführten Einstellungskomponenten. Denn auch Urban sieht umweltrelevante Wertorientierungen, umweltbezogene Einstellungen und umweltorientierte Handlungsbereitschaften als Dimensionen des Umweltbewusstseins an. Die Kognitionen erfüllen evaluative, affektive und konative Funktionen. Nach Urban (1986: 366) können diese Kognitionen als eine Art Aktivitätsbereitschaft verstanden werden, die einer Verhaltensrelevanz der Einstellungen förderlich ist. Die Handlungsbereitschaft stellt dabei eine eigenständige kognitive Dimension dar. Somit kann abgebildet werden, dass es Personen zum Teil trotz stark ausgeprägter umweltbezogener Einstellungen an einer Handlungsbereitschaft mangelt und damit eine tatsächliche Handlungsausführung ausbleibt. Zudem unterliegen die Kognitionen einer personalen und sozial institutionalisierten Verankerung. Erstere betrifft die Beziehung zwischen über- und untergeordneten Wertund Einstellungsmustern. Eine starke personale Verankerung tritt auch dann auf, wenn Personen die Verantwortung für die Umwelt betreffende Missstände bei sich selbst suchen und nicht bei „externen“ Faktoren. Solche Personen weisen bei Urban ein hoch entwickeltes Umweltbewusstsein auf. Die Auffassung von Umweltbewusstsein als sozial institutionalisiert kann wie folgt verstanden werden: „Es ist in dem Maße sozial verankert, wie die symbolischen und organisationellen Strukturen einer Gesellschaft ebenfalls umweltbezogene Ausrichtungen enthalten. Wenn umweltbewußte Kognitionen zu kulturellen Selbstverständlichkeiten geworden sind, können Personen von Rechtfertigungszwängen entlastet werden, unter denen sie in aller Regel stehen, wenn sich ihre Wert- und Einstellungshaltungen im Widerspruch zu den dominanten Kulturmustern einer Gesellschaft befinden. […] Personale und soziale Institutionalisierungsmuster sind in der Entstehung von Umweltkognitionen nicht unabhängig voneinander. Geringe Ausmaße sozialer Normativität können sicherlich durch hohe Grade individueller Stabilität und Konsistenz von umweltbezogenen Kognitionen kompensiert werden“ (Urban 1986: 366).
Auf der Grundlage dieser Überlegungen spezifiziert Urban ein Modell des Konstruktes Umweltbewusstsein mit vier Analyseebenen. Die erste rein kognitive Ebene umfasst die Beziehung zwischen umweltrelevanten Wertorientierungen, umweltbezogenen Einstellun25
An dieser Stelle soll ein kleiner Exkurs zur Umweltbewusstseinsforschung, insbesondere mit Bezug auf Amerika, folgen. Dort wurde in den 1970er Jahren ein Paradigmenwechsel konstatiert. Infolge der Umweltbewegungen der späten 1960er Jahre ist eine „Umorientierung“ der Bevölkerung von dem „Dominant Social Paradigm“ (DSP) hin zu dem so genannten „New Environmental Paradigm“ (NEP) empirisch nachzuvollziehen (vgl. u.a. Dunlap und Van Liere 1978, 1984; Albrecht et al. 1982, Geller und Lasley 1985). Das DSP entspricht einer anthropozentrischen Weltsicht, die (etwas überspitzt formuliert) den Menschen über die Natur stellt. Personen mit solchen Überzeugungen vertrauen insbesondere der Wissenschaft und Technik, Umweltprobleme lösen zu können. Demgegenüber sehen sich Menschen im NEP eher als Bestandteil der Natur, erkennen Grenzen und Gefahren in Bezug auf Umweltressourcen und betonen die Balance von Ökosystemen. Die Geltung des NEP wurde nicht nur in der Feldforschung für die USA bestätigt, sondern kann mittlerweile auch über die westlichen Industriegesellschaften hinaus für „ärmere Länder“ berichtet werden (vgl. Dunlap und Mertig 1996). Die Messung von Umweltbewusstsein wird im empirischen Teil der vorliegenden Arbeit aber nicht mit der „NEP-Skala“ erfolgen, sondern unter Verwendung einer von Diekmann und Preisendörfer (2001) entwickelten Skala. Für eine international vergleichende Analyse des Umweltbewusstseins sei u.a. auf Franzen und Meyer (2004) verwiesen.
56
2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
gen und der Handlungsbereitschaft. Die unmittelbaren Wirkungszusammenhänge werden genau in dieser Reihenfolge angenommen. Die zweite Ebene beinhaltet die kognitive Institutionalisierung. Erstens wird die Einstellung zur Lösbarkeit von Umweltproblemen durch externe Institutionen herangezogen, und zweitens werden die Einstellungen zu kollektiven Formen gesellschaftlichen Handelns betrachtet. Beide Faktoren werden durch die soziodemographische Analyseebene und durch die allgemeine kognitive Analyseebene determiniert. Darüber hinaus führt Urban auch die Einstellungen zur problemlösenden Relevanz von Technik und Wissenschaft an, die wiederum durch soziodemographische Variablen wie Bildungsstand, Alter und Beruf beeinflusst werden. Letztere bilden eine Art „Kontrollanalyseebene“ und haben einen Effekt auf alle kognitiven Komponenten und das Umwelthandeln. Die vierte (Kontroll-)Ebene beinhaltet Variablen der Wahrnehmung ökologischer Belastungen und „spezifische Merkmale“ wie die Wohndauer. Zudem werden auch die wahrgenommene Normativität (auf gesellschaftlicher Basis) und die Bekanntheit gesellschaftlich organisierter Umweltangebote in die Analyse einbezogen. Abbildung 2.5 gibt eine vereinfachte Darstellung der Ausführungen von Urban (1986: 368ff.). Abbildung 2.5:
Das mehrdimensionale Konstrukt Umweltbewusstsein nach Urban (1986) soziodemographische Faktoren kognitive Institutionalisierung
Wertorientierungen
ökologische Belastung
Einstellungen
Wohndauer
Handlungsbereitschaft
Norm
Handlung
Umweltangebote
Trifft nicht auf alle Faktoren zu
Erfasst man, wie es in der gängigen Lehrmeinung der Fall ist, Umweltbewusstsein als ein mehrdimensionales Konstrukt26, kann überspitzt festgehalten werden, dass so ziemlich alle Einstellungs-Verhaltens-Modelle, zum Teil die Normaktivierungsmodelle (vgl. Abschnitt 2.6.3) und auch die kognitiven Entscheidungsmodelle den Einfluss von Umweltbewusstsein auf das Verhalten erklären, ohne dies explizit zu machen. Das liegt anscheinend daran, dass – wie auch in der vorliegenden Arbeit – Umweltbewusstsein überwiegend als eine allgemeine Einstellung zum „Schutz der Umwelt“ gesehen wird. In neueren sozialpsychologi26
Tanner und Foppa (1996: 259) machen einerseits deutlich, dass weithin Einigkeit über die Mehrdimensionalität des Umweltbewusstseins besteht. Andererseits kann aber von einer einheitlichen Begriffsdefinition keine Rede sein. Insofern wird ein theoretischer Diskurs erschwert.
2.5 Zahlungsbereichtschaft im Kontext von allgemeinen Einstellungen/Umweltbewusstsein
57
schen Erklärungsmodellen hingegen wird der Einfluss von spezifischen Einstellungen auf das Verhalten betrachtet (vgl. Abschnitt 2.6.2). Diese Vorgehensweise ist aber auch problembehaftet. Während mit einem allgemeinen Einstellungskonzept Umweltverhalten in verschiedenen Situationen erklärt werden soll und kann, sind spezifische Einstellungen stets an ein Verhalten gebunden, was die Aussagekraft solcher Modelle wesentlich reduziert (Bamberg 2003). Darüber hinaus stellt die Handlungsintention, z.B. die Bereitschaft zur Zahlung für Umweltgüter, selbst eine Form von Umweltbewusstsein dar. Interessant ist, dass diese Tatsache in der ökonomischen Bewertung von Umweltgütern kaum zur Kenntnis genommen wird. Sobald in Modellen Effekte der Handlungsabsicht empirisch nachgewiesen werden, was ja gemeinhin der Fall ist, könnte zunächst immer ein teilweiser Einfluss des Umweltbewusstseins (in der mittleren Bedeutungsebene) auf Umwelthandeln festgestellt werden. Diese Allgemeingültigkeit reduziert jedoch die Erklärungskraft von Verhaltensmodellen. Allerdings kann ebenfalls festgestellt werden, dass das allgemeine Umweltbewusstsein zumeist nur ca. 10-15 Prozent der Verhaltensvarianz erklärt (Diekmann und Preisendörfer 1992, Preisendörfer und Franzen 1996), sobald letzteres von auf die Umwelt bezogenen Einstellungen losgelöst betrachtet wird. Die Diskrepanz zwischen Einstellung und Verhalten/Verhaltensintention kann somit auch als eine Diskrepanz innerhalb der mehr oder weniger ausgeprägten Dimensionen des Umweltbewusstseins konzeptualisiert werden. Eine weitreichende Konzeptualisierung führt aber zu einer eher schwachen theoretischen Erklärungskraft. Deshalb wird sie wahrscheinlich in dieser Form auch nicht genutzt. Nichtsdestotrotz bleibt eine Diskrepanz zwischen der Begriffsfassung von Umweltbewusstsein und dessen Operationalisierung in der sozialwissenschaftlichen Umweltforschung. Dies sollte kritisch zur Kenntnis genommen werden. 2.5.2 Spezifikation der Low-Cost-Hypothese Die Divergenz zwischen Umwelteinstellungen und Umweltverhalten lässt sich anhand folgender Frage veranschaulichen: Warum wird in manchen Situationen kein umweltgerechtes Verhalten vollzogen, obwohl eine positive Einstellung zum Verhaltensobjekt oder ein hohes allgemeines Umweltbewusstsein gegeben ist? Erklärungsfaktoren wie eine zu geringe Ausprägung von Einstellungen sind hier nicht ausschlaggebend. Mit ihnen lässt sich lediglich situationsspezifisch begründen, dass ein Verhalten nicht einstellungsbedingt ist, weil eine positive oder negative Einstellung nicht stark genug ausgebildet ist. Wird unter solchen Bedingungen umweltgerecht gehandelt, gibt es scheinbar andere Erklärungsdeterminanten wie z.B. ökonomische Anreize. Während vor einiger Zeit Personen in Deutschland Bierdosen z.T. in Parkanlagen oder an Seeufern haben liegen lassen, ist dies heute unwahrscheinlicher, einfach deshalb, weil die Höhe des Dosenpfandes jene Personen dazu veranlasst, leere Dosen wieder im Geschäft abzugeben. Hier muss es keinen Einfluss von positiven allgemeinen und/oder spezifischen Einstellungen zum Recycling auf die umweltgerechte „Entsorgung“ von Bierdosen geben. Im Gegensatz dazu nehme man folgende Situation an: Herr Schmidt ist seit seinen Jugendjahren in einer Umweltschutzorganisation engagiert und auch dem zunehmenden Autoverkehr in Deutschland gegenüber negativ eingestellt, trotzdem fährt er jeden Tag mit seinem Auto zur Arbeit und dann und wann auch in den Urlaub. Hierin wird eine Divergenz zwischen Einstellung und Verhalten deutlicher sichtbar. Derartige Divergenzen gilt es zu erklären.
58
2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
Die meisten Studien legen einen geringen direkten Einfluss von Umweltbewusstsein auf das Umweltverhalten nahe (vgl. vorhergehenden Abschnitt). Die fehlende Verhaltenswirksamkeit von allgemeinen Einstellungen kann einem methodischen Mangel unterliegen, wenn das so genannte Korrespondenzprinzip in empirischen Untersuchungen nicht eingehalten wird (Ajzen 1988, Tanner und Foppa 1996: 260). Dabei sollen wie bei der Theorie geplanten Handelns Einstellungen und das betreffende Verhalten auf einem gleichen Generalisierbarkeitsniveau liegen und nicht allgemeine Einstellungen mit spezifischen Verhaltensweisen in Beziehung gesetzt werden (vgl. Abschnitt 2.6.2). Letzteres führt eher zur Einstellungs-Verhaltens-Divergenz. Hierbei wird aber, wie im vorigen Abschnitt diskutiert, das allgemeine Umweltbewusstsein durch spezifische (Verhaltens)Einstellungen substituiert (Bamberg 2003). Tanner und Foppa (1996: 260) sprechen einen weiteren Punkt an: Die Konzeption des Umweltbewusstseins ist handlungsfern, d.h. die Bewertung von Umweltproblemen umfasst nicht konkretes Verhalten, und somit ließe sich die fehlende Verhaltensrelevanz von allgemeinen Umwelteinstellungen begründen. Um trotzdem den Zusammenhang und die Diskrepanz zwischen allgemeinen Umwelteinstellungen und Umweltverhalten abzubilden und zu testen, bieten sich zunächst Erklärungsansätze auf der Grundlage der kaum bestrittenen Annahme an, dass das allgemeine Umweltbewusstsein das Umweltverhalten nicht direkt beeinflusst. Vielmehr entfaltet es indirekt über spezifische Einstellungen und/oder die Verhaltensintention seine Wirkung. Hier sind auch Modelle kognitiver Hierarchien einzuordnen (vgl. u.a. McFarlane und Boxall 2003). Hauptbestandteile solcher Modelle sind Grundwerte („basic values“), generelle Überzeugungen („general beliefs“), spezifische Einstellungen („specific attitudes“) und schließlich Verhalten („behavior“). Allgemeine biozentrische und anthropozentrische Wertorientierungen gehen in einem kognitiv hierarchischen Ansatz den spezifischen Einstellungen voraus. Spezifische Einstellungen beeinflussen das Verhalten direkt, während Wertorientierungen einen indirekten Einfluss über die spezifischen Einstellungen ausüben. Diese Wirkungsweise von allgemeinen Umwelteinstellungen ist prinzipiell auch im Rahmen der Theorien des überlegten und geplanten Handelns darstellbar und zu vermuten (Bamberg 2003), die in Abschnitt 2.6.2 behandelt werden. Die in solchen Modellen zwischen das allgemeine Umweltbewusstsein und das Umweltverhalten „geschalteten“ Determinanten ermöglichen eine Erklärung der Diskrepanz zwischen Einstellung und Verhalten. Somit bliebe hier unter Einbezug allgemeiner Einstellungen das Korrespondenzprinzip gewährleistet. Eine weitere Erklärungsmöglichkeit für den Wirkungszusammenhang zwischen (allgemeinen) Umweltbewusstsein und Umweltverhalten auf Basis situationspezifischer Faktoren bietet die Low-Cost-Hypothese von Diekmann und Preisendörfer (1992, 1998, 2003), die besagt: „Je geringer der Kostendruck in einer Situation, umso leichter fällt es den Akteuren, ihre Umwelteinstellungen auch in ein entsprechendes Verhalten umzusetzen. Umgekehrt sinkt die Bedeutung von Einstellungen, wenn eine Situation größere Verhaltenszumutungen in sich birgt“. Es wird also ein Interaktionseffekt postuliert, bei dem die Verhaltensrelevanz von Einstellungen von der Kostenintensität der Situation abhängig ist. Diekmann und Preisendörfer (2003) verstehen unter Kosten nicht nur den finanziellen Aufwand, sondern berücksichtigen auch Normen. Sie weisen zudem daraufhin, dass die Hypothese nicht ausschließlich für den Umweltbereich von Bedeutung ist. Vielmehr kann sie auch mögliche Grenzen des Rational Choice-Ansatzes erklären (die meisten Anomalien treten dort in Low-Cost-Situationen auf) oder generell Grenzen der Einstellungs-
2.5 Zahlungsbereichtschaft im Kontext von allgemeinen Einstellungen/Umweltbewusstsein
59
Verhaltens-Forschung handhaben (in High-Cost-Situationen).27 In der Umweltforschung wird die Hypothese u.a. für das Energiesparverhalten, Recycling und Verkehrsverhalten bestätigt (vgl. für eine Übersicht zu Studien und eigenen Ergebnissen Diekmann und Preisendörfer 1998, 2003). Für die Zahlungsbereitschaftsanalyse ist, so wird an dieser Stelle argumentiert, die Low-Cost-Hypothese in folgender Weise zu spezifizieren: Eine Person kann sich dafür entscheiden, etwas für ein Umweltgut zu zahlen (erste Handlungsalternative x1 ) oder den Status quo vorzuziehen und damit keinen finanziellen Beitrag zu leisten (zweite Handlungsalternative x2 ). Beide Handlungsalternativen sind mit (subjektiven) Kosten k ( x1 ) und k ( x2 ) verbunden. Dabei wird angenommen, dass eine Zahlung für ein Umweltgut (erste Handlungsalternative) höhere Kosten in sich birgt als die Nicht-Zahlung. Damit ergibt sich die Kostendifferenz: d k ( x1 ) k ( x2 ) ! 0 bzw. k ( x1 ) ! k ( x2 ) . Es werden nur Akteure betrachtet, für die diese Kostenungleichung gilt, d.h. eine Zahlung tatsächlich kostenträchtiger ist. Zudem sind vereinfachend lediglich zwei mögliche Situationen/Bedingungen zu unterscheiden: (1) „Low-Cost-Situationen“ mit einer niedrigen Kostendifferenz d und (2) „High-Cost-Situationen“ mit einer großen Kostendifferenz d . Diekmann und Preisendörfer (2003) definieren die jeweilige Kostensituation anhand der Verteilung der Kosten in einer Population. So nehmen sie an, dass z.B. die Kostendifferenz für die Mehrheit der Bevölkerung im Falle von Recycling niedrig ist (Low-Cost-Situation) und im Falle der Verkehrsmittelwahl (öffentlicher Nahverkehr versus Autonutzung) hoch, d.h. sich nur eine Minderheit in einer Niedrigkostensituation befindet (High-Cost-Situation). Bei der Zahlungsbereitschaftsanalyse hingegen ist diese Herangehensweise nicht unmittelbar zweckmäßig. Sich zahlungsbereit zu äußern kann „per se“ nicht plausibel als Niedrig- oder Hochkostensituation angesehen werden. Hier erscheint es sinnvoll, anhand der Verhaltenskosten eine Unterscheidung in Low- und High-Cost-Gruppen vorzunehmen.28 Wenn das Umweltbewusstsein insgesamt keine Rolle für die Zahlungsentscheidung spielt, so ist eine Differenzierung in Niedrig- und Hochkostensituationen/-bedingungen in diesem Kontext zwecklos. Dann haben lediglich die Verhaltenskosten unter Umständen einen direkten Einfluss auf die Handlungsentscheidung. Sobald jedoch Umweltbewusstsein von Bedeutung ist, wird angenommen, dass die Kostendifferenz d die Verhaltensrelevanz moderiert. Abbildung 2.6 zeigt den Zusammenhang. Die High- und Low-Cost-Situation gibt jeweils an, 27
28
Vgl. Diekmann und Preisendörfer (1998) zu einem kleinen Überblick, der wiedergibt, dass sich der Grundgedanke der Low-Cost-Hypothese insbesondere auch außerhalb der Umweltforschung in einer langen Tradition wiederfinden lässt. Die Hypothese selbst ist explizit in den Rahmen der Rational Choice-Theorien einzuordnen, die rationale Akteure annimmt, die unter bestimmten Handlungsrestriktionen (z.B. Einkommen, Zeit) ihren Nutzen maximieren. Aber auch in der Einstellungs-Verhaltens-Forschung stößt man auf die Hypothese, wenngleich in einer etwas anderen Form. Dass in Situationen mit geringer Anstrengung für eine Person („low effort“) das Verhalten direkt von Einstellungen unabhängig von der Verhaltensintention beeinflusst und in Situationen mit einer hohen Anstrengungsnotwendigkeit („high effort“) das Verhalten durch die Intention determiniert wird, haben Bagozzi et al. (1990) in einer Studie empirisch nachgewiesen. Hierbei steht der Zusammenhang zwischen Einstellung und Verhalten in Bezug auf die Verhaltensintention im Mittelpunkt. Allerdings bezieht sich die empirische Untersuchung auf das freiwillige Leseverhalten von Studenten in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit des Lesestoffs. Diese Ergebnisse bedürfen weiterer Untersuchungen, auch in anderen Bereichen, um deren Robustheit zu bestätigen. Zu bedenken ist, dass „low effort“ und „low cost“ nicht unmittelbar gleichzusetzen sind, da sich der Aufwand meist präziser als die Kosten bestimmen lässt (Tanner und Foppa 1996: 261). Handelt es sich aber um monetäre Kosten, trifft dies nicht länger zu. Tatsächlich wählen Diekmann und Preisendörfer (2003) diese Vorgehensweise als eine zweite Testprozedur ihrer Hypothese.
60
2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
dass hier für eine Personengruppe eher Niedrigkostenbedingungen herrschen (kleine Differenz d ) und für eine andere eher Hochkostenbedingungen (große Differenz d ). Der primäre Faktor für die Kostenträchtigkeit der Zahlungsentscheidung ist das Einkommen. Neben dem in der Ökonomie standardmäßig erwarteten direkten Einfluss auf die Zahlungsbereitschaft ist ebenfalls zu vermuten: Für Personen mit einem hohen Einkommen (Low-Cost-Bedingung) ist das Umweltbewusstsein für die Zahlungsbereitschaft eher relevant als für Personen mit einem niedrigen Einkommen (High-Cost-Bedingung). In Bezug auf das Einkommen können die Kosten der zweiten Handlungsalternative „Nicht-Zahlen“ gleich null gesetzt werden. Somit reduziert sich d zu k ( x1 ) . Die Kostenträchtigkeit verhält sich invers zum Einkommen einer Person, d.h. bei höherem Einkommen wird d kleiner und weist in Richtung einer Low-Cost-Bedingung. Abbildung 2.6:
Low-Cost-Hypothese für die Zahlungsbereitschaft für Umweltgüter
Effektstärke von Umwelteinstellungen auf die Zahlungsbereitschaft
Low-CostSituation
High-CostSituation
Kosten der Zahlungsbereitschaft für Umweltgüter
d
k ( x1 ) k ( x2 )
In einem weiter gefassten Sinne können Verhaltenskosten auch über die Geltung normativer Erwartungen konzeptualisiert werden. Darunter sind beispielsweise die Stärke der empfundenen moralischen Verpflichtung zur Zahlung („persönliche Norm“) oder eine (subjektiv wahrgenommene) soziale Norm zur Zahlung zu verstehen. Je stärker diese ausgeprägt sind, desto eher können Personen einem schlechten Gewissen, „Selbstverachtung“ oder sozialem Druck unterliegen, wenn die Handlung ausbleibt. Andererseits sind positive Sanktionen bei der Erfüllung einer (subjektiven) Norm zu erwarten. Der Nutzen einer
2.6 Neuere sozialpsychologische Erklärungsansätze
61
Normbefolgung (respektive die Kosten einer Normverletzung) kann in Abhängigkeit vom Umweltbewusstsein mitunter die direkten Kosten einer Zahlung kompensieren. Die Geltung einer Norm vermindert die Kosten der Zahlungsbereitschaft und erhöht insbesondere infolge negativer Sanktionen die Kosten der Nicht-Zahlung, sodass insgesamt d kleiner wird. Daher gilt: Umweltbewusstsein sollte auf die Zahlungsbereitschaft stärker wirken, falls Personen eine subjektive „persönliche“ oder soziale Norm zur Zahlung wahrnehmen (Low-Cost-Bedingung). Generell bleibt zu beachten, dass Zahlungen für ein Umweltgut nicht unmittelbar mit routinemäßigem Verhalten wie Autofahren oder Recycling, auf das sich die Low-CostHypothese oftmals bezieht, gleichgesetzt werden können. Es ist daher interessant zu verfolgen, ob sich die Hypothese auch im Kontext der monetären Bewertung kollektiver Umweltgüter bewährt. Bei der Zahlungsbereitschaftsanalyse wird zudem standardmäßig das Einkommen als Erklärungsfaktor aufgenommen bzw. generell materielle Anreize in ökonomischen Modellen. Bedarf es dann überhaupt speziell einer Verbindung von objektiven Handlungsrestriktionen wie dem Einkommen mit Einstellungen zur Erklärung der Zahlungsbereitschaft? Ja, lässt sich argumentieren, denn einerseits wird ein Einfluss von Umwelteinstellungen gemeinhin nicht bestritten, andererseits mangelt es letztendlich an robusten Erklärungen für die Einstellungs-Verhaltens-Divergenz bzw. zu den Bedingungen, die zu einem Wirkungszusammenhang führen. Schließlich wird neben der ökonomischtheoretisch postulierten direkten Relevanz der Kosten ein indirekter Einfluss mit Bezug auf das Umweltbewusstsein geltend gemacht. Es bleibt daher eine empirische Frage, inwieweit die vermutete indirekte Relevanz (monetärer und nicht-monetärer Kosten) wirklich ausschlaggebend ist. Daher bietet sich ein empirischer Vergleich zu „rein ökonomischen“ Modellen an. Die Überlegungen zum Umweltbewusstsein und zur Low-Cost-Hypothese münden in drei Hypothesen: Je höher das Einkommen, desto stärker wird das Umweltbewusstsein für die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft und die Höhe der Zahlungsbereitschaft handlungsrelevant. Je stärker eine moralische Verpflichtung zur Zahlung für ein Umweltgut ausgeprägt ist, desto eher wird das Umweltbewusstsein für die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft und die Höhe der Zahlungsbereitschaft handlungsrelevant. Je stärker die Geltung einer sozialen Norm zur Zahlung für ein Umweltgut wahrgenommen wird, desto stärker wird das Umweltbewusstsein für die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft und die Höhe der Zahlungsbereitschaft handlungsrelevant. 2.6 Neuere sozialpsychologische Erklärungsansätze In diesem Abschnitt stehen Fragestellungen und theoretische Anbindungen der Zahlungsbereitschaftsanalyse im Mittelpunkt, die ihrem Ursprung nach in der Sozialpsychologie zu verankern sind. Es wird u.a. der Frage nachgegangen, inwieweit individuelle Zahlungsbereitschaften eher einstellungsorientiert oder präferenzgeleitet erklärbar sind. Im Gegensatz zu allgemeinen Einstellungen, wie das im vorhergehenden Abschnitt behandelte Umweltbe-
62
2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
wusstsein, stehen spezifische Einstellungen im Fokus. Dabei wird in einem ersten Schritt – vor allem im Zusammenhang mit den Arbeiten von Kahneman et al. (1993, 1999) – diskutiert, was Respondenten in Untersuchungen zur Zahlungsbereitschaft zum Ausdruck bringen, ob Einstellungen und/oder Präferenzen (Abschnitt 2.6.1). Beide Konzepte werden erstens voneinander abgegrenzt und zweitens werden aus dieser Abgrenzung Schlussfolgerungen für theoretische Erklärungen gezogen. In einem zweiten Schritt wird die Theorie geplanten Handelns von Ajzen (1988, 1991) dargestellt (Abschnitt 2.6.2). Dieses Einstellungs-Verhaltens-Modell leistet eine theoretische Erklärung des Wirkungszusammenhangs von Einstellungen gegenüber einem Verhalten (hier der Zahlung für ein Umweltgut), der Verhaltensintention und der Verhaltensausführung. Das Modell wird theoretisch beleuchtet und zum Teil einem eher integrativen Einstellungs-Verhaltens-Modell von Fazio (1990) kritisch gegenübergestellt. Ein Ansatz zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften auf der Basis des Normaktivierungsmodells von Schwartz (1977) wird in einem dritten Schritt vorgestellt (Abschnitt 2.6.3). Die Fragestellung ist hierbei, wie Akteure eine Entscheidung zur Zahlung treffen, genauer unter welchen Bedingungen eine „persönliche Norm“ zur Zahlung handlungsrelevant wird. Der letztgenannte Ansatz, darauf sei hingewiesen, ist wie die Theorie geplanten Handelns in der Sozialpsychologie zu verankern; er ist aber strikt von einstellungsorientierten Erklärungen und damit von den Abschnitten 2.6.1 und 2.6.2 zu trennen. 2.6.1 Zahlungsbereitschaft als spezifische Einstellung bei Kahneman et al. Bei der ökonomischen Bewertung von Umweltgütern hat sich eine bis heute andauernde Diskussion daran entzündet, ob Personen wirklich Präferenzen äußern oder vielmehr Einstellungen gegenüber einem Objekt/Gut zum Ausdruck bringen (vgl. z.B. Diamond und Hausman 1994). Der Preis einer Ware entspricht in der Ökonomie gemeinhin dem Wert eines Gutes. In der Psychologie hingegen kann der „Wert eines Gutes“ als Einstellungen zu diesem Gut erfasst werden. Beide Konzepte unterscheiden sich aber, wie folgend diskutiert, grundlegend voneinander. Die Perspektive zugunsten von Einstellungen zieht ihren Rückhalt auch aus zahlreichen Anomalien bzw. theoriekonträren Effekten, die in Untersuchungen zur Zahlungsbereitschaft für Umweltgüter immer wieder auftreten. Zu diesen Effekten zählen z.B. Einbettungseffekte oder Framing-Effekte. Ein Einbettungseffekt liegt vor, wenn die Zahlungsbereitschaften nicht mit dem Umfang eines Gutes variieren (Kahneman und Knetsch 1992). Personen sind beispielsweise bereit, für den Schutz gefährdeter Tierarten im Ost-Harz genauso viel zu bezahlen wie für den Artenschutz im gesamten Harz. Das verletzt aus Sicht der Kritiker der ökonomischen Bewertungen Grundannahmen der ökonomischen Theorie. Demgegenüber sehen die Vertreter eines präferenzgeleiteten Ansatzes diese Anomalien als Folge der ungenügenden Erhebungstechnik oder versuchen sie mit ökonomischen Standardkonzepten wie Substitutions- und Einkommenseffekten zu erklären (Hanemann 1994). Hinter solchen Diskussionen verbirgt sich aber eine zentrale theoretische Frage: Inwiefern sind präferenzgeleitete Ansätze zur Erklärung der Zahlungsbereitschaft überhaupt geeignet? Im Folgenden werden die divergierenden Sichtweisen näher beleuchtet und Einstellungen definitorisch von Präferenzen abgegrenzt. Eine Einstellung entspricht einer inneren Disposition einer Person in Bezug auf ein Objekt. Sie ist nicht im Vorhinein gegeben. Vielmehr wird sie erst herausgebildet, wenn eine Person auf ein Objekt in einer affektiven, kognitiven oder konativen Weise bewertend reagiert:
2.6 Neuere sozialpsychologische Erklärungsansätze
63
„Attitude is a psychological tendency that is expressed by evaluating a particular entity with some degree of favor or disfavor” (Eagly und Chaiken 1993: 1).
Ist somit eine psychologische Tendenz geformt, kann von einer Einstellung die Rede sein. Diese psychische Repräsentation ist mitunter im Gedächtnis gespeichert und wird möglicherweise abgerufen, falls das Einstellungsobjekt erneut vorliegt. Damit sind Einstellungen hypothetische Konstrukte, die nicht direkt beobachtet werden können (Eagly und Chaiken 1993: 2). Im Gegensatz zu ökonomischen Präferenzen, die sich auf Güterbündel beziehen, haben Einstellungen eine größere Reichweite. Sie beinhalten all diejenigen Dinge, die Personen mögen oder nicht mögen, schützen möchten oder schädigen wollen, besitzen möchten oder ablehnen (Kahneman et al. 1999). Einstellungen können sich z.B. auf Personen, soziale Gruppen, Ereignisse und Güter beziehen. Sie drücken sich in unterschiedlicher Weise aus. Man denke an Mimiken, verbale Statements oder unter Umständen Zahlungsbeträge für ein Umweltgut. Zudem ist die Einstellung von Personen gegenüber einem Objekt in der Regel konsistent. Wenn Personen eine positive Einstellung in Bezug auf eine gefährdete Tierart hegen, sollten sie auch positive Einstellungen zu Maßnahmen zum Schutz dieser Art haben. Da Einstellungen keine objektiven Tatsachen sind, unterliegen sie FramingEffekten und verletzen die „Logik der Erweiterbarkeit“ (logic of extensionality). Kahneman et al. (1999) geben ein gutes Beispiel für einen Framing-Effekt: Personen können unterschiedliche Einstellungen gegenüber einer Menge an Fleisch haben, je nachdem, ob es mit einem Fettanteil von fünf Prozent oder einem fettfreien Anteil von fünfundneunzig Prozent beschrieben wird. Obwohl hier im Grunde ein gleicher Zustand vorliegt, ergeben sich unterschiedliche Bewertungen. Nachstehend sind einige Eigenschaften von Einstellungen in Abgrenzung zu Präferenzen angeführt, die Kahneman et al. (1999: 206) entnommen sind: a. b. c.
d. e.
Einstellungen lassen sich als affektive Bewertungen einzelner Objekte definieren und nicht durch Wahlhandlungen. Einstellungen verletzen die Logik der Erweiterbarkeit (extensionality). In Abhängigkeit vom Bewertungskontext und von der Beschreibung des Objektes können denselben Objekten unterschiedliche Bewertungen zukommen. Separate Einstellungen gegenüber zwei Objekten geben nicht notwendigerweise das Ergebnis einer Wahl zwischen oder eines direkten Vergleiches beider Objekte wieder. Vielmehr können Vergleiche die Wahrnehmung von Objektmerkmalen ändern, und Umkehrungen in Bezug auf die Einstellung sind möglich. Die Einstellung gegenüber einem Set an gleichen Objekten resultiert oftmals aus der affektiven Bewertung eines Prototyps dieses Sets. Dann wird die Größe eines Sets bei der Bewertung nicht berücksichtigt, was die Logik von Präferenzen verletzt. Alternative Messungen von Einstellungen unterscheiden sich in ihrer Präzision, statistischen Effizienz und Empfindlichkeit gegenüber Verzerrungseffekten. Gerade monetäre Bewertungen unterliegen diesen drei Aspekten.
Der Hauptunterschied zwischen Einstellungen und ökonomischen Präferenzen liegt allgemein darin, dass letztere sich auf die Wahlentscheidungen zwischen verschiedenen Alternativen beziehen, während erstere die Erwünschtheit einer einzelnen Handlung oder eines einzelnen Objektes zum Ausdruck bringen (Green und Tunstall 1999: 222). Das bedeutet auch: Trotz positiver Einstellungen gegenüber einem Objekt können Personen andere Objekte/Handlungen bevorzugen. Des Weiteren machen Green und Tunstall (1999) deutlich,
64
2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
dass ökonomische Präferenzen entgegen Einstellungen notwendigerweise Restriktionen unterliegen (z.B. Budgetrestriktionen). Entscheiden sich Personen zwischen verschiedenen Maßnahmen zur Verbesserung der Umweltqualität, setzen sie Prioritäten im Rahmen beschränkter Ressourcen. Einstellungen hingegen sind nicht zwangsläufig in Verbindung mit solchen Restriktionen zu sehen. Unter den bisher genannten Gesichtspunkten wäre es grundsätzlich ratsam, sowohl Einstellungen als auch Präferenzen im Hinblick auf die verschiedenen Optionen/Umweltgüter zu erfassen. Sodann könnten die Geltung der Unterschiede und die Frage, „was gemessen wird“, untersucht werden. Kahneman et al. (1999) gehen noch einen Schritt weiter und argumentieren, dass Zahlungsbereitschaftsanalysen allein Einstellungen gegenüber dem Umweltgut messen, die hier lediglich auf einer monetären Skala, in Form eines Geldbetrages, zum Ausdruck gebracht werden. In verschiedenen Studien haben Kahneman et al. (1993, 1994, 1999) unter anderem eine Tendenz dahin gehend festgestellt, dass Geldbeiträge, die individuelle Unterstützung politischer Handlungsmaßnahmen, die persönliche/moralische Befriedigung durch eine Zahlung und die Bewertung der Wichtigkeit verschiedener Probleme (auch Umweltprobleme) im Prinzip austauschbare Maße für Einstellungen sind (vgl. Abbildung 2.7). Abbildung 2.7:
Austauschbare Maße für Einstellungen gegenüber einem Umweltgut
Einstellung gegenüber einem Umweltgut (Maßnahme zur Veränderung der Umweltqualität)
Wichtigkeit des Umweltgutes
Zahlungsbereitschaft
Moralische Befriedigung durch eine Zahlung
Sie verwendeten allerdings die so genannte „Headline-Methode“. Befragten werden hierbei Zeitungsüberschriften zu verschiedenen (Umwelt-)Problemen vorgelegt und mögliche (Interventions-)Maßnahmen genannt. Dann gilt es, beispielsweise die Zahlungsbereitschaft zur Behebung der Probleme zu äußern (Beitrag zu einem Fond) oder die Wichtigkeit des Problems auf einer Skala einzuschätzen (Kahneman und Ritov 1994). Damit werden jedoch prinzipielle Anforderungen an gängige Messmethoden zur Ermittlung der Zahlungsbereitschaft nicht erfüllt (vgl. Kapitel 3). Den Respondenten wurden z.B. die zu bewertenden Güter nicht ausreichend beschrieben, und zudem ist es ungewöhnlich, innerhalb einer Umfrage mehrere Güter von Befragten bewerten zu lassen (Spash 2000a: 458). Nichtsdestotrotz muss in Zahlungsbereitschaftsanalysen geklärt werden, inwieweit ein der ökonomischen Theorie entsprechendes „purchase model“ oder ein „contribution model“ im Einklang mit der psychologischen Theorie zum Tragen kommt (Kahneman und Ritov 1994). Im Rahmen der Ökonomik wird angenommen, dass Personen wie Käufer auf einem
2.6 Neuere sozialpsychologische Erklärungsansätze
65
Markt ihre Wertschätzung für ein bestimmtes Umweltgut zum Ausdruck bringen („purchase model“, vgl. Kahneman et al. 1993). Empirische Untersuchungen korrespondieren hierbei mit dem nutzentheoretischen Grundmodell der Zahlungsbereitschaft. Problematisch ist allerdings besonders in Bezug auf nutzungsunabhängige Werte, dass dabei die Bewertung von privaten und kollektiven Gütern im Prinzip „identisch“ wäre. Diese Sachverhalte wurden bereits in Abschnitt 2.4 diskutiert. Es bleibt nochmals anzumerken: Bewertungen privater und kollektiver Güter können, müssen aber nicht notwendigerweise auseinander fallen (Kahneman und Ritov 1994: 7). Bei dem von Kahneman et al. (1992, 1993, 1994) vorgeschlagenen „contribution model“ sehen Personen den Schutz der Umwelt als eine „gute Sache (a good cause)“ an, deren Unterstützung notwendig ist. Kahneman und Ritov (1994: 7) schreiben dazu: „This interpretation is particularly applicable to goods that have only existence or passive-use value, such as the pristine beauty of sites one never expects to visit. A stated willingness to support a new tax or to make a voluntary monetary contribution to the solution of a public problem is one of many possible indications of the respondent’s attitude to the problem and its solution (Ajzen, 1988; Eagly and Chaiken, 1993). […] In the context of a contribution model, we interpret stated WTP as an expression of attitude to a public good, using a (possibly arbitrary) dollar scale. Note that by labeling stated WTP a measure of attitude we do not imply that this response is irrelevant to actual behavior in the real world.”
Es stellt sich demnach für die Forschungsgruppe um Kahneman die Frage, ob in Zahlungsbereitschaftsanalysen ökonomische Präferenzen zum Ausdruck gebracht oder ob Präferenzen in einem spezifischen Kontext jeweils neu konstruiert werden, was mit stabilen Einstellungen einhergehen mag, jedoch situationsbedingt Annahmen über stabile und geordnete Präferenzen verletzt. Auch Diamond und Hausman (1994) unterstützen in abgeschwächter Form eine solche Sichtweise, indem sie anführen, dass Zahlungsbereitschaftsanalysen zumindest nicht diejenigen Präferenzen messen, die sie vorgeben zu messen. Vielmehr werden keine „wahren Präferenzen“ geäußert. Diamond und Hausman (1994) gelangen zu der Überzeugung, dass der weiterhin von Kahneman und Knetsch (1992) in die Diskussion gebrachte „Warm Glow of Giving“ in Bezug auf Umweltgüter bei Fragen zur Zahlungsbereitschaft zum Tragen kommt. Respondenten bringen demnach allein ihren Wunsch nach Unterstützung für eine verbesserte Umwelt zum Ausdruck (Kauf moralischer Befriedigung im Rahmen des „contribution model“; ausführliche Erläuterungen finden sich im Abschnitt 2.7). Hier spielt die bereitgestellte Menge eines Umweltgutes eine untergeordnete Rolle. Somit ließe sich erklären, dass die kumulierte Zahlungsbereitschaft für mehrere gleichzeitig erfragte Umweltprojekte geringer ausfällt, als wenn nach jedem Projekt einzeln gefragt würde. Diamond und Hausman (1994) schließen daraus, dass Personen lediglich den Wunsch haben, irgendein Projekt zu unterstützen. Werden sie aber nach mehreren Projekten gefragt, sind sie natürlich auch bereit, für diese etwas zu entrichten. „Verteidiger“ von Zahlungsbereitschaftsanalysen wie Hanemann (1994: 28) halten jedoch dagegen: „But, what are ‚true economic preferences?’ If a subject responds thoughtfully to a question about voting to raise taxes for a public good, by what criterion is that not a valid preference?”
Für Hanemann (1994: 28/29) steht im Vordergrund, ob individuelle Präferenzen stabile Konstrukte darstellen, und er verweist darauf, dass eine Vielzahl an Untersuchungen dies nahe legen. Darüber hinaus hält er den Einbettungseffekt im Zuge geäußerter Zahlungsbe-
66
2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
reitschaften ein Stück weit für einen Mythos.29 Auch Hanemann sieht methodische Mängel in der Studie von Kahneman (1986), die oft als Bekräftigung für den Einbettungseffekt herangezogen wird. Darin wird ein offenes Frageformat verwendet (Angabe der maximalen Zahlungsbereitschaft), und die Erhebung hatte lediglich die Form eines kurzen Telefoninterviews. Des Weiteren erfolgte keine detaillierte Beschreibung des Gutes (Maßnahme zur Säuberung von Seen zum Fischen in Ontario, USA). Deshalb, so meint Hanemann (1994: 34), könnten die Respondenten die Säuberung aller Seen in Ontario gegenüber einiger dieser Seen in einer Teilregion Ontarios für unrealistisch gehalten haben. Zudem ergibt sich für beide Güter ein Unterschied in der Zahlungsbereitschaft von bis zu 50 Prozent. Hanemann räumt durchaus die Gültigkeit der kritisierten Problembereiche in Zahlungsbereitschaftsanalysen ein, spricht sich aber nicht grundlegend gegen solche Analysen aus, auch weil die angesprochenen Probleme nicht notwendigerweise auftreten, also keine Allgemeingültigkeit haben. Vor allem aber unterstützt er die Position, dass Präferenzen abgebildet werden können. Die Frage, was in Zahlungsbereitschaftsanalysen gemessen wird, ob ökonomische Präferenzen oder Einstellungen, kann bis dato nicht eindeutig beantwortet werden. Diskussionen dahin gehend beziehen sich vor allem auf die methodische Herangehensweise. Den Vertretern eines einstellungsorientierten Ansatzes wird zumeist die Kritik entgegengebracht, dass sie methodische Anforderungen der Kontingenten Bewertung (hypothetischer Markt) systematisch verletzen. Diese wiederum gilt als Standardinstrumentarium zur Messung der Zahlungsbereitschaft in der Umweltökonomie (vgl. Kapitel 3). In empirischen Untersuchungen sollten allerdings möglichst beide Bereiche berücksichtigt werden. Soweit keine Anomalien auftreten, spricht vieles für die Interpretation, dass Zahlungsbereitschaften ökonomischen Präferenzen unterliegen. Ist dies nicht der Fall, werden Einstellungen relevant, oder wie Diamond und Hausman (1994) es vielleicht ausdrücken würden: Es wird irgendetwas gemessen, in jedem Falle nicht das, was beabsichtigt war. Für die theoretische Erklärung der Zahlungsbereitschaft für Umweltgüter ergeben sich damit zwei zentrale Schlussfolgerungen: (1) Man muss sich aufgrund der angesprochenen empirischen Befunde damit auseinander setzen, inwieweit präferenzorientierte („purchase model“) oder eher einstellungsorientierte („contribution model“) Ansätze es vermögen, die Zahlungsbereitschaft für kollektive Umweltgüter adäquat zu erfassen. (2) Wären Einstellungen wirklich der ausschlaggebende Faktor für die Zahlungsbereitschaft, würde strittig, ob empirische Ergebnisse wirklich in Kosten-Nutzen-Kalkulationen münden sollten. Unter diesen Umständen wäre zumindest eine partielle Verletzung der Annahmen des nutzentheoretischen Grundmodells der Zahlungsbereitschaft gegeben. Es gibt aber Perspektiven, die davon ausgehen, dass präferenzgeleitete (ökonomische) Ansätze ein Komplement zu einstellungsorientierten Ansätzen darstellen und vice versa. Insbesondere Ajzen und Peterson (1988: 72) argumentieren, dass geäußerte Zahlungsbereitschaften für ein Gut nicht unmittelbar mit dem psychologischen Wert dieses Gutes gleichgesetzt werden sollten. Den psychologischen Wert sehen sie ebenfalls in den positiven und negativen Eigenschaften eines Gutes aus Sicht einer Person. Im Gegensatz zu Kahneman et al. stellt für Ajzen und Peterson die Zahlungsbereitschaft an sich kein Maß für den psychologischen Wert dar. Vielmehr bedarf es umfangreicherer Messungen, um „stabile Einstellungen“/psychologische Wertschätzungen zu messen. Ohne notwendigerweise das nutzen29
Der Einbettungseffekt wird im Methodenkapitel der vorliegenden Arbeit (Abschnitt 3.6.3) eingehender abgehandelt.
2.6 Neuere sozialpsychologische Erklärungsansätze
67
theoretische Konzept der Zahlungsbereitschaft verwerfen zu müssen, lenken „traditionelle Einstellungsmessungen“ das Augenmerk auf psychologische Aspekte der Wertschätzung kollektiver Güter: „When properly applied, however, the contingent value method and attitudinal assessments of value complement each other by examining different aspects of a public good’s costs and benefits” (Ajzen und Peterson 1988: 75).
Die Forschungsgruppe um Kahneman (1992, 1993, 1994) hingegen und andere Kritiker der Kontingenten Bewertung (z.B. Diamond und Hausmann 1994) argumentieren, dass in Zahlungsbereitschaftsanalysen in jedem Fall keine ökonomischen Präferenzen, sondern vielmehr Einstellungen oder „etwas anderes“ zum Ausdruck gebracht werden. Damit wird jedoch die Zahlungsbereitschaft mit Einstellungen gleichgesetzt und die Legitimation von ökonomischen Kosten-Nutzen-Analysen bestritten. Ajzen und Peterson (1988) hingegen stellen solche Analysen nicht unmittelbar in Frage. Dieser Unterschied muss berücksichtigt werden. Schließlich bieten Ajzen und Peterson (1988) ein eigenes Erklärungskonzept mit Blick auf individuelle Zahlungsbereitschaften an, das auf den Theorien des absichtsvollen und geplanten Handelns fußt und damit auf Einstellungen gegenüber einem Verhalten. Diesem theoretischen Zugang widmet sich der folgende Abschnitt. 2.6.2 Die Theorie geplanten Handelns von Ajzen Bei der Erklärung umweltgerechten Handelns werden oftmals die Einstellungs-VerhaltensModelle von Ajzen/Fishbein bzw. Ajzen (1991) als Ausgangspunkt für die Modellentwicklung genutzt. Im Gegensatz zu ökonomischen Modellen, die mit wenig Erklärungsvariablen ausgestattet sind, wirken die einstellungsorientierten Ansätze eher komplex. Im Kontext der Zahlungsbereitschaftsanalyse für kollektive Umweltgüter können nach Ajzen und Peterson (1988: 74) Einstellungs-Verhaltens-Modelle wie die „Theorie des absichtsvollen Handelns“ und deren Erweiterung, „die Theorie geplanten Handelns“, so genannte psychologische und soziale Kosten und Nutzen, den „Wert eines Verhaltens“ ermitteln, die über das ihrer Meinung nach eng gefasste ökonomische Theoriekonzept hinausgehen. In Bezug auf die Methode der Kontingenten Bewertung („contingent valuation“) führen sie an: „Contingent valuation is usually viewed as a method for establishing the (economic) value of a public good. In point of fact, however, by focusing on personal action (i.e., willingness to pay or to accept compensation for a specified change), it is best viewed as placing a value on a behavior with respect to the good in question. Of course, nothing is wrong with such an approach as long as we realize what the method does and does not provide” (Ajzen und Peterson 1988: 71).
Im Folgenden wird die „Theorie des geplanten Handelns“ – aufbauend auf der „Theorie des absichtsvollen Handelns“ – dargestellt und im Zusammenhang mit der Wertschätzung von Umweltgütern diskutiert. Diese Theorien versuchen aber nicht, wie im vorhergehenden Abschnitt verdeutlicht, den psychologischen Wert eines Gutes zu erfassen. Vielmehr steht die Frage im Vordergrund, unter welchen Bedingungen Einstellungen gegenüber einem Verhalten handlungsrelevant werden. In der ökonomischen Bewertung von Umweltgütern wird oft angezweifelt, ob den geäußerten Zahlungsbereitschaften auf hypothetischen Märkten auch tatsächlich eine reale Zahlung folgen würde. Die hier behandelten Einstellungs-
68
2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
Verhaltens-Modelle sollen u.a. klären, inwieweit Zahlungsbereitschaften einer Zahlungsintention unterliegen und wie diese Intention erklärt werden kann. Liegt eine Handlungsabsicht vor, dann kann eher davon ausgegangen werden, dass hypothetischen Zahlungen eine tatsächliche Handlungsausführung folgen würde, was für die Konstruktvalidität der ökonomischen Bewertung spräche (dazu ausführlicher in Abschnitt 3.6.1). Das Ajzen-Fishbein-Modell („Theory of Reasond Action“) besteht in seiner Grundformulierung aus folgenden Hauptkomponenten: Verhaltensbezogene Überzeugungen determinieren Einstellungen und subjektive Normen, die wiederum die Handlungsabsicht beeinflussen, d.h. die Intention in einer bestimmten Weise zu handeln. Demzufolge ist die Zahlungsbereitschaft für ein Kollektivgut eine solche Handlungsabsicht (Ajzen und Peterson 1988, Ajzen und Driver 1992).30 Einstellungen beeinflussen ein Verhalten somit nicht direkt, sondern wirken über die Handlungsintention. Die Hauptaussage des Grundmodells lautet wie folgt: Je stärker eine Handlungsabsicht ausgeprägt ist, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit der Handlungsausführung. Im Kern werden Determinanten der Handlungsabsicht herausgearbeitet (Einstellung, subjektive Norm), und diese Intention erklärt dann fast vollständig die Handlungsausführung. Ajzen (1991) selbst hat das Grundmodell erweitert und die Theorie des geplanten Handelns („Theory of Planned Behavior“) entwickelt, die zusätzlich die Rolle der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle berücksichtigt. Die Abbildung 2.8 gibt einen Überblick. Abbildung 2.8:
Theorie des geplanten Handelns nach Ajzen (1991)
Einstellung gegenüber dem Verhalten
Subjektive Norm
Verhaltensintention
Verhalten
Wahrgenommene Verhaltenskontrolle
Die drei Kerndeterminanten Einstellung, subjektive Norm und Verhaltenskontrolle erklären die Absicht, ein Verhalten auszuführen. Einstellungen geben nach Ajzen (1991: 188) an, wie ein Akteur das fragliche Verhalten bewertet bzw. befürwortet. Die Geltung einer sub30
Diese Festlegung ist durchaus strittig. Sie bezieht sich jedoch auf die geäußerten Zahlungsbereitschaften in Umfragen, die einen hypothetischen Charakter aufweisen. Es wird ja selbstredend kein Geld entrichtet. Würde man hierbei die Handlungsabsicht eigenständig messen, z.B.: „Wie sicher sind Sie sich, dass Sie auch tatsächlich zahlen?“, dann könnte dies wiederum im Schatten „hypothetischer Handlungen“ stehen (vgl. Kapitel 3 zu den Bewertungsmethoden).
69
2.6 Neuere sozialpsychologische Erklärungsansätze
jektiven Norm charakterisiert, inwieweit Akteure einen sozialen Druck verspüren, das fragliche Verhalten auszuführen oder zu unterlassen. Die wahrgenommene Verhaltenskontrolle spiegelt aus Sicht des Akteurs die Hindernisse der Verhaltensausführung wider, d.h. als wie schwierig oder leicht sich die Ausführung des Verhaltens darstellt. Hierin sind sowohl vergangene Erfahrungen als auch antizipierte Schwierigkeiten in Bezug auf das fragliche Verhalten enthalten. Nach Ajzen (1991) bildet die Verhaltenskontrolle nichtmotivationale Faktoren wie die Möglichkeiten der Verhaltensausführung oder Verfügbarkeit an Ressourcen ab (z.B. Zeit, Geld, Fähigkeiten). Da bei der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle auch Ressourcen wie Geld angesprochen werden, liegt es nahe, diesen Faktor partiell mit den Handlungsrestriktionen in ökonomischen Modellen gleichzusetzen. Die drei Determinanten können bei der Vorhersage der Verhaltensintention zwischen verschiedenen Arten des Verhaltens und in unterschiedlichen Situationen variieren (Ajzen 1991: 188). Im Einzelfall sind unter Umständen lediglich Einstellungen oder die subjektive Norm oder aber die wahrgenommene Verhaltenskontrolle für die Handlungsabsicht relevant. In anderen Fällen sind Kombinationen aus den drei Erklärungselementen oder aber alle Elemente ausschlaggebend. Die drei Hauptkomponenten der Erklärung der Verhaltensintention werden nun nach Ajzen wiederum durch verhaltensrelevante Informationen und Überzeugungen determiniert. Dabei werden drei Formen an Überzeugungen unterschieden (Ajzen 1988: 120ff.): i.
Verhaltensrelevante Überzeugungen beeinflussen die Einstellung gegenüber dem Verhalten. Sie verbinden das Verhalten mit seinen Konsequenzen. ii. Normative Überzeugungen erklären die Geltung einer subjektiven Norm: Inwiefern befürworten relevante Akteure/das soziale Umfeld ein Verhalten oder lehnen es ab? iii. Kontrollüberzeugungen bilden die Grundlage für die wahrgenommene Verhaltenskontrolle (Überzeugungen zu Möglichkeiten und Ressourcen der Verhaltensausführung). Im Rahmen eines Erwartungs-mal-Wert-Ansatzes31 postuliert Ajzen (1991), dass Einstellungen direkt von der Stärke der Überzeugungen abhängig sind. Einstellungen („attitudes“) können in Form eines Produktsummenmodells geschätzt werden und sind proportional zu dem Produkt aus der Überzeugungsstärke (b) und der subjektiven Bewertung der Attribute (e) , die dem Verhalten durch Überzeugungen zugeschrieben werden: A v bi ei . Analoges gilt für die subjektive Norm und die Verhaltenskontrolle. Die subjektive Norm („subjective norm“) ist direkt proportional zur Summe über den Produkten aus der Stärke jeder normativen Überzeugung ( n) und der Einwilligungsbereitschaft des Akteurs gegenüber den normrelevanten Bezugsakteuren ( m) : SN v ni mi . Die Summe über die Produkte aus den kontrollbezogenen Überzeugungsstärken ( p ) und den wahrgenommenen „Möglichkeiten“ durch einen bestimmten Kontrollfaktor, das Verhalten leichter oder schwieriger ausführen zu können (c) , ist wiederum proportional zur wahrgenommenen Verhaltenskontrolle („perceived behavioral control”): PBC v pi ci .
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31
Die Theorie des geplanten Handelns kann programmatisch Theorieentwicklungen zugeordnet werden, die rationale Akteure als Ausgangspunkt wählen (Kunz 1997: 179). Sie ist eine Variante der Subjektiven-Erwartungsnutzen-Theorie (SEU). Der subjektiv erwartete Nutzen einer Handlung resultiert aus der Summe über die Produkte aus dem Nutzen und der Wahrscheinlichkeit jeder Handlungskonsequenz. Personen wählen diejenige Handlungsalternative mit dem höchsten subjektiv erwarteten Nutzen (Maximierungspostulat). Auch beim Einstellungsmodell von Ajzen werden schließlich subjektive Wahrscheinlichkeiten (beliefs) und Bewertungen der Handlungskonsequenzen miteinander multipliziert und aufaddiert.
70
2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
Das Einstellungsmodell von Ajzen (1991) bezieht sich explizit auf bewusste, rationale Entscheidungen, d.h. es stehen eigentlich keine Routinehandlungen wie z.B. die Verkehrsmittelwahl im Fokus der Betrachtung.32 Unter diesem Gesichtspunkt scheint es für die Analyse von Zahlungsbereitschaften ideal zu sein. Es ist plausibel anzunehmen, dass Akteure mit Fragen zu ihrer Zahlungsbereitschaft für z.B. biologische Vielfalt im Wald nicht regelmäßig konfrontiert sind. Deshalb ist hier „überlegtes/geplantes Handeln“ durchaus zu vermuten. Weiter unten wird anhand der Arbeiten von Fazio (1986, 1990) gezeigt, dass dieser Vermutung nicht in allen Situationen Rechnung getragen wird. Die Wirkungszusammenhänge zwischen Einstellungen gegenüber dem Verhalten und Zahlungsbereitschaft für Umweltgüter sind nach einem Literaturüberblick von Meyerhoff (2004: 46ff.) bisher recht wenig empirisch untersucht. Zudem werden zum Teil allgemeine anstatt verhaltensnaher Einstellungen in den Theorien überlegten und geplanten Handelns verwendet, was der Grundidee von Ajzen (1991) widerspricht.33 Nichtsdestotrotz zeigen die überschaubaren empirischen Anwendungen, auch wenn sie unterschiedliche Typen von Einstellungen heranziehen, eine deutliche Erklärungskraft bzw. Bestätigung theoretischer Annahmen der Modelle (Meyerhoff 2004: 53).34 Beispielhaft wird folgend eine Studie von Ajzen und Driver (1992) angeführt. Sie haben 150 Studenten (undergraduates) der University of Massachusetts u.a. nach ihrer Zahlungsbereitschaft für fünf Freizeitaktivitäten gefragt: Aktivitäten am Strand (z.B. Surfen), Jogging, Bergwandern/Klettern, Wassersport (u.a. Segeln) und Radfahren. Für diese Tätigkeiten in Verbindung mit der Natur (kollektiven Umweltgütern) gibt es keinen Markt, sodass die Wertschätzungen hypothetisch ermittelt werden müssen. Hierbei wurde neben dem Einfluss der Einstellung gegenüber den Freizeitaktivitäten auch die Theorie des geplanten Handelns getestet. Die Handlungsabsicht war die Bereitschaft, eine Nutzungsgebühr für die Freizeitaktivitäten zu bezahlen, zum einen grundsätzlich (nein/ja) und zum anderen wurde nach der Höhe der Gebühr gefragt. Die Einstellung gegenüber dem Verhalten wurde mit verschiedenen Gegensatzpaaren gemessen (z.B. Eine Zahlung wäre für mich „nicht wünschenswert – wünschenswert“, „schlecht – gut“ oder „unattraktiv – attraktiv“). Bei der subjektiven Norm war u.a. die Frage, ob die meisten Personen, die dem Befragten wichtig sind, eine Zahlung des Befragten befürworten oder ablehnen würden. Die wahrgenommene Verhaltenskontrolle zielte darauf ab, inwieweit eine Zahlung als leicht/schwierig bzw. erschwinglich empfunden wird. Darüber hinaus wurde die moralische Wertschätzung („moral value“) der Zahlung erfasst, um zusätzlich die Hypothese vom „Kauf moralischer Befriedigung“ (Kahneman und Knetsch 1992) zu testen (vgl. vorhergehenden Abschnitt). So wurde z.B. gefragt, als wie gerecht man eine Zahlung empfindet oder wie viel persönliche Befriedigung man mit einer Zahlung verbindet. Im Endergebnis konnte gezeigt werden, dass bei der grundsätzlichen Zahlungsentscheidung u.a. die moralische Wertschätzung alle signifikanten Einflüsse des Einstellungs-Verhaltens-Modells verdrängt und dass bei der Höhe der Zahlungsbereitschaft (für alle Zahlungsbereiten) die subjektive Norm und die wahrgenom32 33
34
Trotzdem wird es auch auf Routinehandlungen angewendet. Meyerhoff (2004: 46ff.) führt neun Studien an, die explizit einen Zusammenhang zwischen Einstellungen gegenüber dem Verhalten und der Zahlungsbereitschaft untersuchen und macht deutlich, dass es dabei wesentliche Unterschiede in der Herangehensweise gibt (z.B. die Einordnung der von Befragten geäußerten Geldbeträge als Verhaltensintention oder Verhalten). Auch und vor allem in empirischen Untersuchungen zu anderen Anwendungsbereichen wie der Verkehrsmittelwahl erweist sich das Einstellungsmodell von Ajzen als aussagekräftig (vgl. u.a. Bamberg und Schmidt 1993, für einen Überblick Armitage und Conner 2001).
2.6 Neuere sozialpsychologische Erklärungsansätze
71
mene Verhaltenskontrolle neben der moralischen Wertschätzung die Verhaltensintention determinieren. Die Einstellung gegenüber dem Verhalten war also nicht handlungsrelevant. Ajzen und Driver (1992: 313) gelangen zu der Schlussfolgerung, dass bei der grundsätzlichen Zahlungsentscheidung Respondenten eine intuitive Entscheidungsheuristik anwenden, während bei der Zahlungshöhe die theoretisch postulierten Faktoren des EinstellungsVerhaltens-Modells und somit „geplantes Handeln“ zum Tragen kommt. Diese von Ajzen selbst durchgeführte Studie gelangt daher nicht zu einer eindeutigen Bestätigung der Theorie. Ferner werden die Relevanz und die Bedeutung des „moral value“ (im Sinne des Kaufs moralischer Befriedigung) nur ungenügend diskutiert (mehr dazu im Abschnitt 2.7). Im Hinblick auf die Zahlungsbereitschaft lassen sich aus der Theorie geplanten Handelns insgesamt folgende Hypothesen herleiten: Je stärker eine positive Einstellung gegenüber der Zahlung für ein kollektives Umweltgut ausgeprägt ist, desto eher haben Personen die Absicht, etwas für dieses Gut zu bezahlen und desto höher ist die Zahlungsbereitschaft. Je stärker die Geltung einer subjektiven Norm zur Zahlung für ein kollektives Umweltgut wahrgenommen wird, desto eher haben Personen die Absicht, etwas für dieses Gut zu bezahlen und desto höher ist die Zahlungsbereitschaft. Je stärker die wahrgenommene Verhaltenskontrolle bei der Zahlung für ein kollektives Umweltgut, desto eher haben Personen die Absicht, etwas für dieses Gut zu bezahlen und desto höher ist die Zahlungsbereitschaft. Wie bereits angesprochen, basiert das Einstellungs-Verhaltens-Modell von Ajzen (1991) auf überlegtem bzw. geplantem Handeln. Allerdings ist fraglich, ob in jedem Fall Verhaltensäußerungen auf rationalen Entscheidungsprozessen beruhen (vgl. Fazio 1986, 1990). Besonders bei Alltagsentscheidungen ist anzunehmen, dass eher automatische Prozesse das Handeln leiten. Unter diesen Bedingungen (vor allem bei Routinehandlungen) muss der Geltungsbereich von Wert-Erwartungs-Modellen eingeschränkt werden (Fazio 1990, Tanner und Foppa 1996: 262). Hier knüpft Fazio (1986, 1990) an und beschäftigt sich mit der Frage, wie Einstellungen das Verhalten beeinflussen, entgegen der Frage, wann, also unter welchen Bedingungen, Einstellungen verhaltensrelevant sind. Dabei betrachtet er sowohl automatische Prozesse als auch überlegte Prozesse wie im Modell von Ajzen (1991): „An individual may analyze the costs and benefits of a particular behavior and, in so doing, deliberately reflect on the attitudes relevant to the behavioral decision. […] Alternatively, attitudes may guide an individual’s behavior in a more spontaneous manner, without the individual having actively considered the relevant attitudes and without the individual’s necessary awareness of the influence of the attitude. Instead, the attitude may influence how the person interprets the event that is occurring and, in that way, affect the person’s behavior“ (Fazio 1990: 78).
Der theoretische Zugang von Fazio soll nicht ausführlich erläutert werden (vgl. dazu Fazio 1986, 1990).35 Vielmehr wird sich besonders auf eine Annahme des Modells konzentriert 35
Individuen durchlaufen im Modell von Fazio (1990) eine Vielzahl an Schritten. Sie bedürfen der Motivation und der Möglichkeit zu überlegtem Handeln (MODE-Modell). Den überlegten Prozess sieht Fazio als „datengeleitet“ in dem Sinne, dass spezifische Einstellungen zu einem Objekt und die möglichen Konsequenzen des Verhaltens eine Rolle spielen. Der spontane Prozess hingegen wird als „theoriegeleitet“ aufgefasst, da sich hier vor allem die Aktivierung einer Einstellung aus dem Gedächtnis ergibt. Die Kernfrage ist, unter
72
2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
werden: Direkte Erfahrungen mit dem Einstellungsobjekt in der Vergangenheit (durch das Gedächtnis aktiviert) führen zu einer höheren Einstellungsintensität und Verhaltensrelevanz im Vergleich zu Einstellungen, die indirekt und nicht erfahrungsbezogen gebildet wurden (Fazio 1986: 218, Fazio 1990: 104). Zudem sind automatische Prozesse, beispielsweise die Aktivierung einer Einstellung aus dem Gedächtnis heraus, nur in Situationen von Bedeutung, in denen eine enge Beziehung zu dem Einstellungsobjekt, z.B. einem Umweltgut, vorliegt. Des Weiteren werden überlegte Prozesse lediglich wirksam, wenn Personen in einer bestimmten Situation genug Zeit und die Motivation dazu haben, Einstellungen auszuformen. Besonders bei der Zahlungsbereitschaftsanalyse bleibt fraglich, ob bei Befragungen (auf hypothetischen Märkten) den Respondenten diese Zeit eingeräumt werden kann. Hier könnten also durchaus automatische Prozesse bei der Einstellungs-Verhaltens-Beziehung eine Rolle spielen. Damit kann zumindest eine hilfreiche Hypothese generiert werden: Personen, die bereits Erfahrungen mit einem zu bewertenden Umweltgut oder mit Zahlungen für Umweltgüter haben, weisen eine stärkere Einstellungs-Verhaltens-Beziehung auf als Personen, die eine solche Erfahrung nicht haben. Wird z.B. die Zahlungsbereitschaft für eine verbesserte biologische Vielfalt in Wäldern betrachtet, ist anzunehmen, dass bei Personen, die diese Wälder nutzen, positive Einstellungen für eine Zahlungsabsicht eher von Bedeutung sind als bei Nicht-Nutzern. Dasselbe gilt für Personen, die bereits auf Erfahrungen mit Zahlungen für Umweltgüter zurückgreifen können. Generell tritt dies aber nur ein, sofern eine Einstellung zu einem Verhaltensobjekt hinreichend ausgeprägt ist. Insgesamt lautet die Hypothese: Einstellungen zur Zahlung für ein kollektives Umweltgut beeinflussen stärker die Absicht, eine Zahlung zu leisten, falls eine Person bereits Erfahrungen mit der Zahlung für Umweltgüter gemacht hat oder Erfahrungen mit dem Umweltgut vorliegen. 2.6.3 Das Normaktivierungsmodell von Schwartz und einige Erweiterungen Das Normaktivierungsmodell von Schwartz (1977) ist ein Theorieansatz aus der Sozialpsychologie, der herangezogen werden kann, um umweltgerechtes Verhalten zu erklären. Es wurde auch auf Zahlungsbereitschaften für kollektive Umweltgüter angewendet (Guagnano et al. 1994, Guagnano et al. 1995, Blamey 1998a, 1998b und Guagnano 2001). Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie Respondenten eine Zahlungsbereitschaftsentscheidung in Umfragen – auf hypothetischen Märkten – fällen. Demnach steht der Entscheidungsprozess im Fokus der Betrachtung. Eine persönliche Norm – eine empfundene moralische Zahlungsverpflichtung – wird erst aktiviert, wenn bestimmte andere Bedingungen erfüllt sind.
welchen Bedingungen spontane oder überlegte Einstellungs-Verhaltensprozesse in Gang gesetzt werden. Die Aktivierung einer Einstellung beeinflusst u.a. durch mehrere Zwischenschritte die Definition eines Ereignisses (event), die wiederum dem Verhalten vorangestellt ist. Dieser Komplexität wird hier nicht Rechnung getragen. Vereinfachend werden nur einige Aspekte angesprochen.
73
2.6 Neuere sozialpsychologische Erklärungsansätze
Tabelle 2.7:
Grundannahmen und Hypothesen des Normaktivierungsmodells von Schwartz (zusammenfassende Darstellung aus Schwartz 1977: 227) Grundannahmen
Korollare
i.
Altruistisches Verhalten wird von der Intensität einer moralischen Verpflichtung beeinflusst, die eine Person hinsichtlich des Verhaltens wahrnimmt.
i.
Individuelle Unterschiede in der Wahrnehmung einer moralischen Verpflichtung führen zu individuell unterschiedlichen Handlungsoffenbarungen.
ii.
Die Wahrnehmung einer moralischen Verpflichtung wird in spezifischen Situationen im Zusammenhang mit der Aktivierung kognitiver Norm- und Wertestrukturen generiert.
ii.
Die Verhaltensrelevanz von moralischen Verpflichtungen ist eine Funktion jener Bedingungen, die eine Initialaktivierung der individuellen kognitiven Norm- und Wertestruktur beeinflussen.
iii.
Die Wahrnehmung einer moralischen Verpflichtung kann durch die Ablehnung (defense) oder Rechtfertigung von Handlungen entgegen der Relevanz der Verpflichtung neutralisiert werden.
iii.
Die Verhaltensrelevanz von moralischen Verpflichtungen ist ebenso eine Funktion jener Bedingungen, die eine Ablehnung der Relevanz moralischer Verpflichtungen beeinflussen.
Dem Ursprung nach dient das Normaktivierungsmodell der Erklärung altruistischen „Hilfe“-Verhaltens von Personen, aber nicht notwendigerweise in einem Kontext von Umwelthandeln.36 Den Ausgangspunkt bildet die Aktivierung von (internalisierten) Normen der „Hilfsbereitschaft“. Genauer gesagt geht es um eine situations-/wahrnehmungsspezifische Herausbildung von persönlichen Normen, Gefühlen der moralischen Verpflichtung, eine bestimmte Handlung auszuführen oder zu unterlassen (Schwartz und Howard 1982: 330). Altruistische Verhaltensmotivationen beziehen sich auf Intentionen, andere Personen oder soziale Gruppen zu unterstützen. Die Intention selbst ist ein Ausdruck internalisierter Werte (Normen) und damit unabhängig von sozialen und materiellen Erwägungen oder „Verhaltensverstärkern“. Das Modell von Schwartz wird in seiner Heuristik zur Erklärung umweltgerechten Verhaltens genutzt, weil es auch hier nahe liegt, dass internalisierte Normen die Verhaltensintention und das Verhalten beeinflussen.37 Eine Person, die eine moralische Verpflichtung verspürt, sich für die Umwelt einzusetzen, weist unter Umständen eine höhere Zahlungsbereitschaft für Umweltgüter auf als andere, denen eine solche personenspezifische Verpflichtung fremd ist. Schwartz (1977: 226) macht deutlich, dass die Verbindung zwischen spezifischen internalisierten Normen und altruistischem Verhalten sehr komplex ist und von verschiedenen Determinanten beeinflusst wird. Es lassen sich drei Grundannahmen identifizieren, aus denen sich wiederum drei Korollare herleiten lassen. Letztere bilden 36
37
Schwartz und Howard (1982: 329) nehmen eine Unterscheidung von Hilfehandlungen und altruistischen (Hilfe-)Handlungen anhand der Kosten und Gewinne der jeweiligen Handlungsausführung vor: „Helping is motivated by social norms, that is, group expectations backed by externally defined imposed rewards and punishment. Altruism differs from helping in its self-based locus of normative motivation. Altruism is motivated by personal norms, situation-specific behavioral expectations generated from one’s own internalized values, backed by self-administered sanctions and rewards”. Während sich altruistische Handlungen in Schwartzs Modell auf (hilfsbedürftige) Personen beziehen, wird im Umweltbereich des Öfteren argumentiert, dass Altruismus auch auf Tier- und Pflanzenarten oder die Biosphäre als solche gerichtet ist (Guagnano 2001: 426).
74
2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
die Grundlage für die Ableitung testbarer Hypothesen. Tabelle 2.7 gibt eine Zusammenfassung dieser Aussagen. Grundsätzlich kann die spezifische internalisierte/herausgebildete Norm („personal norm“ bei Schwartz) mit einer Selbsterwartung von Personen, bezogen auf ein Verhalten in bestimmten Situationen, gleichgesetzt werden. Die mit Normen verbundenen Sanktionen drücken sich dann z.B. in Schuldgefühlen oder aber negativen Selbsteinschätzungen aus (Schwartz 1977). Die Aktivierung internalisierter Normen ist eine Folge der Wahrnehmung einer moralischen Verpflichtung, entspricht aber nicht einer Verhaltensintention (Schwartz 1977: 227). Nach Schwartz hat jede Person eine einzigartige Kognitionsstruktur an Überzeugungen und Handlungsplänen. Diese Struktur führt in Verbindung mit externen situationalen und internen emotionalen Faktoren zu der Wahrnehmung situationsspezifischer moralischer Verpflichtungen. Daher sind spezifische internalisierte Normen nur selten stabile Kognitionsstrukturen. Allerdings werden sie zumeist im Zusammenhang mit bereits in der Vergangenheit internalisierten Normen herausgebildet.38 Folgendes Zitat von Schwartz (1977: 233) erfasst den Zusammenhang zwischen internalisierten Normen, moralischen Verpflichtungen und der Handlung selbst: „Feelings of moral obligation regarding each specific action are generated by weighting the action’s impact on the norms and values to which it is related. The more important the relevant action norms and values are to one’s self-evaluation, the stronger are the feelings of obligation which are experienced. The size and direction of the discrepancy anticipated between the state of affairs likely to ensue from action and the ideal state defined by an internalized norm or value also contribute to the intensity and nature of feeling. Alternative actions, evaluated simultaneously, yield different degrees of obligation because they differ in their implications for the person’s structure of norms and values”.
Letztendlich gelangt Schwartz (1977: 241) zu einem kognitiven Entscheidungsmodell, das den Prozess von der Aktivierung einer moralischen Verpflichtung bis hin zum altruistischen Verhalten abbildet. Die einzelnen Verhaltenssequenzen werden in der Abbildung 2.9 kurz dargestellt und sind weitestgehend selbsterklärend. Dabei ist zu beachten, dass Entscheidungen, die unter dem Einfluss internalisierter Normen getroffen werden, nicht notwendigerweise rational erscheinen mögen. Vielmehr haben sie oftmals einen „irrationalen Charakter“, weil sie nicht in erster Linie die Anpassung an externe Verhaltenseinflüsse zu optimieren suchen.
38
Die Verbindung zwischen Normen und Werten (nicht nur in Bezug auf internalisierte Normen) kann nach Schwartz (1977: 232) sowohl vertikaler als auch horizontaler Natur hinsichtlich ihrer Wichtigkeit für das Selbst sein. Zum einen unterstützen Werte die Herausbildung von generellen Normen und die Artikulation von spezifischen Normen. Zum anderen sind Normen und Werte der Artikulation gleicher unter- oder übergeordneter Normen und Werte förderlich. Es sei nochmals herausgestellt, dass diese Verbindungen interpersonell verschieden sind.
2.6 Neuere sozialpsychologische Erklärungsansätze
Abbildung 2.9:
75
Verhaltenssequenzen im Normaktivierungsmodell von Schwartz (1977: 241)
Aktivierung: Wahrnehmung der Notwendigkeit und Verantwortlichkeit 1. 2. 3. 4.
Bewusstsein, dass eine Person Hilfe braucht (auch soziale Gruppe usw.) bzw. in Not ist (oder ein kollektives Gut gefährdet ist) Wahrnehmung von Handlungen, die die Not erleichtern Erkennen der eignen Fähigkeit, diese Erleichterung zu ermöglichen „Apprehension“ von Verantwortlichkeit
Verpflichtung: Normkonstruktion und Generierung von Gefühlen einer moralischen Verpflichtung 5.
Aktivierung bereits existierender oder situationsbedingt herausgebildeter internalisierter Normen
Rechtfertigung: Bewertung, Evaluation und Neubewertung potenzieller Entscheidungen (responses) 6. 7.
8.
Bewertung der Kosten und Evaluierung möglicher Konsequenzen (outcomes)/Wenn es hier zu einer Art Gleichgewicht kommt, sind die nächsten beiden Schritte irrelevant. Wenn nicht, können die Schritte 7 und 8 möglicherweise mehrmals durchlaufen werden. Neubewertung und Neudefinition der Situation durch Leugnen: a. der Notsituation (Ernsthaftigkeit) b. Verantwortlichkeit zum Handeln c. Zweckmäßigkeit der bisher aktivierten Normen und anderer (Normen treffen auf eine Person nicht zu.) d. der Fähigkeit, eine Handlung auszuführen Wiederholung vorangehender Schritte unter der Perspektive einer Neubewertung
Entscheidung: Verhaltensausführung oder -unterlassung
In empirischen Untersuchungen muss nicht das gesamte Modell getestet werden. Wenn die Herausbildung einer internalisierten Norm (auch über Einstellungen und Werte) nicht untersucht werden soll, reicht es allein aus, zu testen, inwiefern moralische Verpflichtungen verhaltensrelevant sind. So kann unter Verwendung der Grundüberlegungen von Schwartz (und den Erweiterungen) sehr leicht der Einfluss moralischer Verpflichtungen auf die Zahlungsbereitschaft für kollektive Umweltgüter getestet werden. Das Modell basiert auf einem sequenziellen Entscheidungsprozess (Schwartz und Howard 1982: 331), der von der Wahrnehmung ausgelöst wird, dass eine bestimmte Handlung als notwendig erachtet wird (perception of need). Diese wahrgenommene Notwendigkeit
76
2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
kann werteorientierte Selbsterwartungen und Gefühle einer moralischen Verpflichtung aktivieren oder erzeugen (obligation step). Im Laufe des Entscheidungsprozesses werden die moralischen (psychologischen) und nicht-moralischen (materiellen) Kosten der fraglichen Handlung abgewogen, was entweder in die Handlung oder in eine Art inneren Konflikt mündet (defense steps). Bei einem Konflikt werden beispielsweise Reaktionen/Ablehnungsstrategien hervorgerufen, die eine wahrgenommene Verantwortung für das fragliche Verhalten leugnen und das Gefühl einer moralischen Verpflichtung abschwächen. So könnte eine Person angeben, dass sie gern die Umwelt für zukünftige Generationen erhalten würde, allerdings fehle ihr das Geld (Fähigkeit) für eine Zahlung zu diesem Zwecke. Je nach Ausgang der Bewertung, Evaluation und Neubewertung potenzieller Handlungsentscheidungen wird schließlich ein Verhalten ausgeführt oder unterlassen. Die Ergebnisse des Entscheidungsprozesses können individuell sehr verschieden sein. Während eine Person eine moralische Verpflichtung empfindet, eine Handlung auszuführen – z.B. Geld für Umweltgüter zu bezahlen – ist dies bei einer anderen Person nicht der Fall. Selbst wenn zwei Personen eine moralische Verpflichtung empfinden, heißt das noch lange nicht, dass beide die Handlung auch ausführen. So könnte eine der beiden Personen zu dem Entschluss kommen, dass sie aus ihrer Sicht zu viel Zeit oder Geld in das fragliche Verhalten investieren muss. Insgesamt findet das sequenzielle Entscheidungsmodell von Schwartz (1977) in vielen Anwendungsbereichen eine weitgehende empirische Bestätigung.39 Eine Anwendung des Normaktivierungsmodells im Kontext der Zahlungsbereitschaft für kollektive Umweltgüter haben beispielsweise Guagnano et al. (1994) vorgenommen. Sie untersuchen insbesondere die Gültigkeit des Beitragsmodells, d.h. Personen sehen eine Zahlung nicht als Kauf, sondern als einen Beitrag zu einem kollektiven Gut/einer guten Sache, zu der auch andere beitragen (vgl. Abschnitt 2.6.1). Die Zahlungsbereitschaft für Umweltgüter betrachten Guagnano et al. als altruistisches Verhalten, da die Zahlung Nutzen für Dritte stiftet und schließlich einem Kollektivgut förderlich ist. Datenbasis der Studie sind 367 Telefoninterviews, die 1992 in Fairfax County, Virginia (USA) durchgeführt wurden. Es wurde nach der Zahlungsbereitschaft für vier verschiedene Umweltgüter gefragt: (1) höhere Benzinpreise zur Reduzierung der Erderwärmung, (2) höhere Preise für Handtücher aus recyceltem Papier, (3) einmaliger Fondbeitrag für den Erhalt des Regenwaldes und (4) einmaliger Fondbeitrag für die Säuberung des Trinkwassers von giftigen Chemikalien. Um den Einfluss des Zahlungsvehikels zu erfassen, haben zudem einige Respondenten Fragen zu (5) einer Steuererhöhung für den Erhalt des Regenwaldes und (6) einer Steuererhöhung zur Säuberung des Trinkwassers von giftigen Chemikalien erhalten (Split-Sample). Insgesamt ergeben sich daher sechs Zahlungsbereitschaftsmessungen.40 Aus dem Normaktivierungsmodell wurden zwei zentrale Variablen berücksichtigt: das Bewusstsein, dass ausbleibendes umweltfreundliches Handeln negative Konsequenzen für andere hat (awareness of consequences) und die persönliche Zuschreibung von Verantwortung für umweltgerechtes Handeln und Umweltschutz (awareness of responsibility). Beide Aspekte 39
40
Umfassende Aussagen zur empirischen Gültigkeit mit einer überwiegenden Bestätigung der einzelnen Teilaspekte des Modells lassen sich bei Schwartz und Howard (1982) finden. Im Umweltbereich haben beispielsweise Stern et al. (1995), Guagnano et al. (1995) und Dietz et al. (1998) u.a. Erweiterungen des Modells, den Zusammenhang einzelner Aspekte des Modells mit Umweltbewusstsein, Umwelthandeln (Recycling) und anderen sozialpsychologischen Aspekten untersucht. Die methodische Vorgehensweise von Guagnano et al. (1994) entspricht allerdings nicht den gängigen Methoden in der monetären Bewertung von Umweltgütern (vgl. Kapitel 3). Beispielsweise werden Umweltveränderungen (die Umweltgüter) nur ungenau/unpräzise beschrieben.
2.6 Neuere sozialpsychologische Erklärungsansätze
77
wurden mit allgemeinen Aussagen getestet (z.B. „It is my responsibility to ensure the wellbeing of other species on earth“). Parallel zur Bewusstseinskomponente haben Guagnano et al. auch die persönlichen Kosten für Umwelthandeln aufgenommen (z.B. mit der Aussage „Protecting the environment will threaten jobs for people like me“). Die persönliche Norm wurde wie in den meisten Studien nicht direkt gemessen. Annahmegemäß sollte die Bewusstseinskomponente neben der Kostenkomponente die Zuschreibung von Verantwortung beeinflussen und diese wiederum direkt die Zahlungsbereitschaft. Wenn nach einem Fondbeitrag für die Umweltgüter gefragt wird, bestätigen sich die erwarteten direkten Effekte der wahrgenommenen Verantwortung auf die Zahlungsbereitschaft. Die Bewusstseinskomponente hat teilweise ebenfalls einen direkten Einfluss auf die Zahlungsbereitschaft. Auch die indirekten Effekte der Bewussteins- und Kostenkomponente (sequenzielles Modell) finden eine Bestätigung. Außer im Falle von Steuererhöhungen sehen die Autoren in ihren Ergebnissen einen Beleg für das Normaktivierungsmodell und daher für das Beitragsmodell als Gegenentwurf zum Käufermodell. Zudem wird argumentiert, dass sich altruistische Handlungsmotivationen auch bei privaten Umweltgütern finden lassen (green consumerism). Dieses Argument wird mit Blick auf den Kauf von Handtüchern aus recyceltem Papier (selbstberichtete Zahlungsbereitschaft) von Guagnano (2001) an anderer Stelle ausgebaut.41 Blamey (1998a, 1998b) macht deutlich, dass bei empirischen Untersuchungen, die sich auf das Normaktivierungsmodell von Schwartz beziehen, die kooperative Natur menschlichen Handelns außer Acht gelassen wird. Zumeist werden die Verantwortlichkeit oder die Konsequenzen von Handlungen lediglich im Zusammenhang mit „atomisierten Akteuren“ betrachtet. Generell sollte jedoch auch umweltrelevantes Verhalten eher im Kontext kollektiven Handelns und damit z.B. unter Einbezug des Trittbrettfahrerproblems analysiert werden. So können Personen unter Umständen eher internalisierte Normen aktivieren oder sich für den Schutz eines Kollektivgutes verantwortlich fühlen, wenn aus ihrer Sicht auch die Regierung oder andere Bürger ihren Beitrag dazu leisten. Dieser Tatsache liegt das klassische Kollektivgutproblem zu Grunde, wie es in Kapitel 2.4 dargestellt wurde. Im Hinblick auf die Zahlungsbereitschaft für Kollektivgüter steht demnach nicht nur die Frage im Vordergrund, ob jemand bereit ist etwas zu zahlen, sondern auch ob genug Personen etwas bezahlen, damit das Gut hergestellt oder geschützt werden kann. Blamey erweitert das sequenzielle Modell von Schwartz um Aspekte der Bereitstellung kollektiver Güter. Diese Modellerweiterung beinhaltet im Wesentlichen folgende drei Komponenten: die Rolle von Organisationen, politische Initiativen und den Aspekt der Gerechtigkeit. Akteure werden nicht als isoliert, sondern als sozial eingebettet betrachtet. Über das Grundmodell von Schwartz hinausgehend, werden daher auch Probleme kollektiven Handelns berücksichtigt. Bei der Betrachtung kollektiven Handelns werden seit Olsons (1968) Arbeit auch immer selektive Anreize betrachtet. In Bezug auf die Zahlungsbereit41
Eine dezidierte Kritik an der oben besprochenen Studie von Guagnano et al. (1994) findet sich bei Spash (2000a). Ein Hauptargument von Spash ist, dass das Beitragsmodell nicht anhand der methodischen Ausgestaltung einer Studie definiert werden sollte (Steuerzahlung versus Fondbeitrag), sondern anhand der individuellen Zahlungsmotivationen. Dieser Aspekt wird im nächsten Abschnitt zu altruistischem und moralischem Handeln nochmals aufgegriffen. Für eine weitere Studie hinsichtlich der Normaktivierung und der Zahlungsbereitschaft sei auf Stern et al. (1993) verwiesen. Darin wird eine Erweiterung des Schwartz-Modells um egoistische, sozial-altruistische und biospherische (biospheric) Überzeugungen innerhalb der Bewusstseinskomponente entwickelt und empirisch getestet. Zahlungsbereitschaft bezieht sich auf höhere Einkommenssteuern und Benzinpreise für den allgemeinen Umweltschutz. Es zeigt sich, dass selbstbezogene Verhaltenskonsequenzen (egoistische Überzeugungen) maßgeblich die Zahlungsbereitschaft determinieren.
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2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
schaft für Umweltgüter sind – neben materiellen Anreizen – insbesondere auch psychologische Anreize bzw. die intrinsische Motivation relevant. Es kann z.B. individuell nutzbringend sein, allein sein Umweltengagement zum Ausdruck zu bringen („expressive value“), unabhängig von den eigentlichen Konsequenzen (Blamey 1998a: 684). Die intrinsische Motivation sollte im Kontext von Wertvorstellungen und der Geltung von Gerechtigkeitsund Fairnessnormen betrachtet werden. Es mag nicht ausreichen, dass Personen gewillt sind, etwas für ein Kollektivgut zu entrichten, und der Überzeugung sind, dass auch andere einen Beitrag leisten. Vielmehr spielt auch die Wahrnehmung eine Rolle, ob Organisationen, die sich mit der Bereitstellung eines Gutes befassen, dies zweckmäßig tun und beispielsweise Gelder effizient einsetzen. Hier sind vor allem Regierungsorganisationen relevant. Nach Blamey (1998a: 685) können sie in viererlei Hinsicht in die Bereitstellung eines Gutes involviert sein: (1) Sie können das Problem verursacht haben. (2) Sie haben das Problem und die zur Behebung notwendigen Handlungen erkannt. (3) Sie koordinieren individuelle Handlungen einer Gemeinschaft in Bezug auf das fragliche Gut (z.B. durch Informationskampagnen). (4) Sie koordinieren die aus der kollektiven Handlung resultierenden Maßnahmen. Sind beispielsweise genug Gelder für Schutzmaßnahmen im Umweltbereich gesammelt, dann sind es im weitesten Sinne Regierungsorganisationen, die diese Maßnahmen begleiten. Das Vertrauen in (Regierungs)Organisationen ist somit ein weiterer zentraler Aspekt. Es kann handlungsentscheidend sein, was Personen darüber denken, wie mit ihren monetären Beiträgen (z.B. Steuern) umgegangen und wem für bestimmte Umweltprobleme die Verantwortung zugesprochen wird. So können beispielsweise Personen weniger bereit sein, etwas für die Verbesserung der biologischen Vielfalt in Privatwäldern zu bezahlen, weil sie den Verantwortungsbereich dafür bei den privaten Waldbesitzern sehen. Eine Zahlung würde hier als ungerecht/unfair empfunden. Ein weiterer Gesichtspunkt ist die Verteilungsgerechtigkeit (Blamey 1998a: 688). Entscheidungen darüber, etwas zu einem Kollektivgut beizutragen, können daher davon abhängig sein, inwieweit Personen soziale Fairnessnormen oder Normen der Verteilungsgerechtigkeit als verletzt oder wirksam wahrnehmen. Die Akzeptanz von politischen Initiativen in Bezug auf ein Kollektivgut ist von dem Vertrauen in die relevante Organisation und in die Wirksamkeit eben benannter Normen abhängig. Damit ergibt sich bei Blamey ein erweitertes Normaktivierungsmodell, wie es Abbildung 2.10 darstellt. Die Aspekte des erweiterten Schwartz-Modells wurden von Blamey (1998b) in Focus Groups qualitativ getestet. Dabei wurde Befragten in Australien ein Projekt zum Schutz der Salzlagune bzw. des Feuchtgebiets „Coorong“ (Weltkulturerbe in Südaustralien) vorgestellt, das durch eine steigende Wasserzufuhr aus einem Grundwasserabflusssystem gefährdet ist. Personen wurden gefragt, ob sie eine einmalige Zahlung von 50 australischen Dollar leisten würden, um eine Rohrleitung zu bauen, die das Wasser in den Ozean ableitet und das Feuchtland schützt. Es wurden neun Focus Groups mit durchschnittlich acht Teilnehmern durchgeführt. Im Endergebnis wird das Normaktivierungsmodell unterstützt und eine erhebliche Komplexität der Zahlungsentscheidung bekräftigt. Einzelne Punkte wie die wahrgenommene Notwendigkeit der Maßnahme variieren z.B. mit der regionalen Nähe zum „Coorong“. Auch Entscheidungsfaktoren wie Vertrauen und die Wahrnehmung einer persönlichen Verantwortung für eine Zahlung haben eine Bestätigung gefunden. Insgesamt wurde zudem deutlich, dass die Befragten zum Teil eine Zahlung als einen Beitrag zu einer „guten Sache“ ansehen (Beitragsmodell), was wiederum kritische Rückschlüsse auf die
79
2.6 Neuere sozialpsychologische Erklärungsansätze
Grundlagen der ökonomischen Bewertung zulässt und die Verwendung von Ergebnissen in Kosten-Nutzen-Analysen anzweifelt. Allerdings bleibt zu bedenken, dass umfassende quantitative Untersuchungen zur Erweiterung des Normaktivierungsmodells um kollektives Handeln bisher noch ausstehen. Abbildung 2.10:
Erweitertes Normaktivierungsmodell von Blamey (1998a: 689)
Persönliche Norm
Bewusstsein: Notwendigkeit
Verhalten
Zuschreibung von Verantwortung (ZV) (eigene Person)
Vertrauen (Regierung usw.)
Bewusstsein: Konsequenzen (BK)
Vertrauen (in andere Bürger)
Akzeptanz der Politikinitiativen
ZV (Regierung usw.) ZV (andere Bürger) --------------------------BK (Regierung usw.) BK (andere Bürger)
Obwohl das Normaktivierungsmodell in seiner Grundformulierung und Erweiterung einen spezifischen sequenziellen Entscheidungsablauf nahe legt, ist die genaue Abfolge der Entscheidungsschritte durchaus strittig. Mit Blick auf die Zahlungsbereitschaft wird die Beziehung der Modellkomponenten untereinander mitunter unterschiedlich spezifiziert. Blamey (1998b: 689) räumt z.B. ein, dass einzelne Aspekte der Normaktivierung und die Vertrauenskomponenten „verschiedenartig“ auf die Aktivierung einer persönlichen Norm im Kontext der Zahlungsbereitschaft für Umweltgüter wirken können, d.h. sie können in einem sequenziellen Modell an unterschiedlichen Stellen verankert/eingeordnet werden. Insgesamt zeigen empirische Studien überwiegend direkte Effekte der einzelnen Modellkomponenten auf das fragliche Verhalten und insofern implizit auf die Normaktivierung (vgl. u.a. Guagnano et al. 1994, Guagnano et al. 1995 und Guagnano 2001). Aus dem erweiterten Normaktivierungsmodell lassen sich abschließend u.a. folgende Einzelhypothesen herleiten, wobei die persönliche Norm einer empfundenen moralischen Verpflichtung zur Zahlung für kollektive Umweltgüter entspricht: Eine moralische Verpflichtung zur Zahlung für ein kollektives Umweltgut wird eher herausgebildet/handlungsrelevant, wenn die Bereitstellung des Umweltgutes als notwendig erachtet wird. Eine moralische Verpflichtung zur Zahlung für ein kollektives Umweltgut wird eher herausgebildet/handlungsrelevant, wenn sich Personen für die Bereitstellung des Umweltgutes verantwortlich sehen.
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2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
Eine moralische Verpflichtung zur Zahlung für ein kollektives Umweltgut wird eher herausgebildet/handlungsrelevant, wenn Personen ihrer Handlung Konsequenzen zuschreiben. Eine moralische Verpflichtung zur Zahlung für ein kollektives Umweltgut wird eher herausgebildet/handlungsrelevant, wenn Personen Vertrauen in die Zahlungen anderer haben und in die Institution, die das Umweltgut bereitstellen soll.42 2.7 Zahlungsbereitschaft als altruistisches moralisches Handeln „You can frustrate the revealed-preference theorist through more sophisticated inconsistencies as well. But if you are consistent, then no matter whether you are a single-minded egoist or a raving altruist or a class conscious militant, you will appear to be maximizing your own utility in this enchanted world of definitions” (Sen 1977: 323). „The analysis assumes that individuals maximize welfare as they conceive it, whether they be selfish, altruistic, loyal, spiteful, or masochistic” (Becker 1993: 386).
Die bis hierhin vorgestellten Erklärungsansätze konterkarieren teils die Idee der Ermittlung individueller Wertschätzungen für Umweltgüter und sind teils als Komplement oder Korrektiv aufzufassen. Allerdings wurde insbesondere ein Konzept angesprochen, das als eine Fundamentalkritik an der Umweltbewertung zu bezeichnen ist. Es handelt sich um die Arbeiten der Forschungsgruppe um Kahneman (1992, 1993, 1994). Im Rahmen dieser Arbeiten wird erstens postuliert, dass die individuelle Zahlungsbereitschaft einer Einstellung entspricht, was die Logik von Präferenzen verletzt. Zweitens wird angenommen, dass Individuen sich „moralische Befriedigung“ mit einem Beitrag zu einem kollektiven Umweltgut kaufen (vgl. Abschnitt 2.6.1). Einerseits sei diese Befriedigung unabhängig von der Menge des Gutes, was nicht mit der ökonomisch-theoretischen Fundierung der Zahlungsbereitschaftsanalyse korrespondiert. Andererseits, so das Argument, bewegen sich die Individuen in einem „Beitragsmodell“.43 Die Zahlungsbereitschaft wird als ein Beitrag zu einer guten Sache aufgefasst (zu der auch andere beitragen) und steht nicht im Einklang mit dem Käufermodell, der Idee, dass Individuen – ähnlich wie auf Märkten für private Güter – sich einen Teil des Umweltgutes entsprechend ihrer Wertschätzung kaufen. In der Zahlungsbereitschaftsanalyse werden hypothetische Szenarien zu kollektiven Umweltgütern vorgelegt, anhand derer Befragte eine Zahlungsentscheidung treffen sollen. Die befragten Personen haben meist keine Erfahrung mit der Bewertung/dem Kauf von kollektiven Gütern im Vergleich zum Kauf/Verkauf von privaten Gütern. Unter Ausblendung methodischer Diskussionen, inwieweit Zahlungsbereitschaften vor allem in Umfragen anreizkompatibel ermittelt werden können,44 ist es nahe liegend zu untersuchen, inwieweit Handlungsmotivationen im Zusammenhang mit einem freiwilligen Beitrag zu kollektiven 42 43 44
Diese vier Hypothesen werden im empirischen Teil getestet. Das Normaktivierungsmodell wird demzufolge nicht in seinem vollen Umfang untersucht. Richtigerweise muss hinzugefügt werden, dass in einem weiter gefassten Sinne auch das Konzept des Dilemmabewusstseins und das Normaktivierungsmodell unter das Beitragsmodell subsumiert werden können. Es sei daran erinnert, dass das Hauptaugenmerk in der vorliegenden Arbeit auf der Erklärung hypothetisch geäußerter Zahlungsbereitschaften in Umfragen liegt. Hierbei ist es insbesondere im Vergleich zu Laborexperimenten methodisch weitaus schwieriger, eine Anreizkompatibilität zu gewährleisten.
2.7 Zahlungsbereitschaft als altruistisches moralisches Handeln
81
Umweltgütern entscheidungsrelevant sind. Im Gegensatz zum Konzept des Dilemmabewusstseins aus Abschnitt 2.4, bei dem die Wahrnehmung einer sozialen Dilemmastruktur bzw. das Ausmaß bedingter Kooperation im Mittelpunkt steht, rücken an dieser Stelle Motivationen wie Altruismus, Moral und Reziprozität stärker in den Blickpunkt. Im Rahmen des Normaktivierungsmodells wurde bereits mit der persönlichen Norm – die empfundene moralische Zahlungsverpflichtung – eine solche Handlungsmotivation betrachtet. Während dabei der Prozess der Normaktivierung im Mittelpunkt stand, also eine sozialpsychologische Perspektive eingenommen wurde, lässt sich altruistisches und moralisches Handeln auch durch (verschiedene) präferenzgeleitete Ansätze erklären.45 Damit wird eine viel diskutierte Fragestellung – die Erklärung altruistischen Handelns – angeschnitten, auf die Theorien rationalen Handelns bis heute keine befriedigende Antwort gefunden haben (vgl. für einen Überblick zu Erklärungsansätzen u.a. Rose-Ackerman 1996 und Khalil 2004). Folgend werden in einem ersten Schritt Theorieansätze angeführt, die eine Erklärung freiwilliger Beiträge zu kollektiven Gütern – meist im Bereich von Wohlfahrtszahlungen – zum Ziel haben. Hierbei wird vor allem das Spektrum möglicher theoretischer Zugangswege aufgezeigt. In einem zweiten Schritt ist schließlich der „Warm Glow of Giving“ bzw. der Kauf moralischer Befriedigung Gegenstand. Daran anknüpfend werden in einem dritten Schritt zwei Formen moralisch motivierter Zahlungsbereitschaften vorgestellt und ihre potenzielle Relevanz begründet. Die Erklärung freiwilliger Beiträge zu kollektiven Gütern Es ist unbestritten, dass in der Realität viele kollektive Güter durch freiwillige Beiträge einer Vielzahl an Individuen bereitgestellt werden. Man denke an verschiedene Bereiche des Umweltschutzes, an humanitäre Hilfen oder an die medizinische Forschung. Personen, die hier Geld „spenden“ (zumeist an Organisationen), sind bereit, auf Teile ihres privaten Konsums zu verzichten, um das Angebot eines kollektiven Gutes zu erhöhen (vgl. Sugden 1999a: 140). Es existieren unterschiedliche Erklärungsansätze, auf die folgend noch eingegangen wird, aber kein Konsens, wie solche freiwilligen Beiträge zu einem Kollektivgut mit Präferenzen zu verbinden sind. Daher gibt Sugden (1999a: 145) die Empfehlung, auf hypothetischen Märkten für Umweltgüter in Umfragen Szenarien zu vermeiden, die Respondenten dazu veranlassen, Zahlungen als freiwillige Beiträge mit Spendencharakter aufzufassen. Eine solche methodenbasierte Sichtweise ist jedoch in einer gewissen Hinsicht recht einseitig. Selbst wenn das zu bewertende Umweltgut genau beschrieben wird, z.B. wie viele Hektar eines Waldes geschützt werden, wie viele gefährdete Arten erhalten werden sollen, und nach Steuererhöhungen pro Monat gefragt wird sowie zudem bekannt ist, wie viele andere Personen von den potenziellen Steuern betroffen sind, kann dennoch nicht ausgeschlossen werden, dass Respondenten von freiwilligen spendenähnlichen Beiträgen ausgehen, eine gute Sache unterstützen wollen und über die Einführung einer Steuer entscheiden oder Misstrauen gegenüber der Verwendung der Steuermittel hegen.46 Vielmehr 45
46
Altruistisches und moralisches Handeln wird im Folgenden weit gefasst. Es beinhaltet sowohl die Orientierung an bestimmten, für die Gesellschaft vorteilhaften Regeln und Normen, deren Einhaltung nicht durch Sanktionen erzwungen wird (Kirchgässner 1991: 50) als auch wohltätige Handlungen (z.B. charity, siehe Khalil 2004). Die Begründung für ein Beitragsmodell in Abgrenzung zu einem Käufermodell ist die Frage, warum Personen bereit sind, Geld zu zahlen und nicht unmittelbar die Ausgestaltung des hypothetischen Marktes, z.B.
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2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
sollte man sich der Herausforderung stellen, zumindest eine Unterscheidung und Überprüfung dahin gehend zu ermöglichen, inwieweit Käufer- bzw. Beitragsmotivationen die Zahlungsbereitschaft determinieren. Um freiwillige Beiträge/Zahlungen zu erklären, stützen sich einige Ökonomen auf Abwandlungen der Theorie kollektiver Güter, aus der sich eine Pareto-Suboptimalität herleitet und die beinhaltet (vgl. auch Abschnitt 2.4): „Each individual is assumed to have preferences over combinations of private and public goods; each individual chooses how much to contribute to public goods, maximizing her utility while taking prices and other individuals’ contribution as given“ (Sugden 1999a: 140).
Dabei werden gemeinhin atomisierte Akteure betrachtet. Sowohl Schwartz (1970) als auch Becker (1974) haben hingegen Theorien entwickelt, die Akteure als nicht länger sozial isoliert ansehen. Bei Schwartz (1970: 1265) stehen philanthropisch bzw. altruistisch motivierte Zahlungen an andere Personen im Lichte wechselseitig zusammenhängender Nutzenfunktionen. Becker (1974: 1084ff.) bemängelt u.a., dass in der traditionellen Konsumtheorie, „Wohlfahrtszahlungen“ (charity) neben privaten Gütern als eigenständiges Gut in die Nutzenfunktion eingehen. Damit werde jedoch ignoriert, dass Einkommenserhöhungen in höhere „Spendenzahlungen“ münden bzw. dass eine Einkommenserhöhung des „Empfängers“ zu reduzierten Zahlungen des „Spenders“ führt. Dieser Tatsache kann durch den Einbezug sozialer Interaktionen in Form des „sozialen Einkommens“ (social income) Rechnung getragen werden, wobei das soziale Einkommen einer Person der Summe der eigenen Einkünfte und dem (monetären) Wert des sozialen Umfeldes (der relevanten Eigenschaften anderer) entspricht. Bei solchen Erklärungsversuchen ist prinzipiell problematisch, dass jedes Individuum die Beiträge anderer als perfekte Substitute für seinen eigenen Beitrag ansieht.47 Eine Erhöhung der Beiträge anderer um x Geldeinheiten führt annahmegemäß zu einer Reduktion des eigenen Beitrages eines fraglichen Individuums um x Einheiten. Diese Modellannahme widerspricht aber dem Verhalten in der Realität (vgl. Sugden 1984: 773, Roberts 1984: 141ff.). Wenn zudem Individuen sich der gegenseitigen Abhängigkeiten ihrer Beiträge bewusst sind, haben eigeninteressierte Akteure einen Anreiz, auf den Beiträgen anderer „frei zu fahren“, was die freiwillige Bereitstellung eines Kollektivgutes erheblich erschwert (Sugden 1984: 773). Die Frage, wie Individuen das Trittbrettfahrerproblem überwinden und in vielen Fällen „Beiträge zu kollektiven Gütern“ leisten, bleibt also weiterhin erklärungsbedürftig. Ein etwas anderer und weit verbreiteter Erklärungsversuch ist der Theorieentwurf von Margolis (1982). Er modelliert jedes Individuum (bei ihm Smith genannt) mit zwei Nutzenfunktionen: „S-utility“ repräsentiert den perfekt eigeninteressierten Teil von Smith und „G-
47
Fondbeiträge versus Steuerzahlungen (Spash 2000a). Sonst könnte in methodischer Hinsicht ein Framing als Beitrag vermieden werden. Die Vertreter eines Beitragsmodells sehen in dem Modell eine gewisse methodenunabhängige Allgemeingültigkeit, wobei Personen ein Umweltgut – vor allem die Behebung des damit verbundenen Umweltproblems – als „gute Sache“ bewerten. Dennoch unterliegt auch das Beitragsmodell unterschiedlichen Konnotationen (z.B. mit oder ohne einer expliziten Anbindung an kollektives Handeln). Sugden (1984) ordnet sowohl die Arbeit von Schwartz (1970) als auch Becker (1974) dahin gehend ein, dass hier Wohlfahrtszahlungen („charity activity“) im Prinzip einem kollektiven Gut entsprechen, weil sich der „Spender“/Beitragende, altruistisch motiviert, für die Wohlfahrt des Empfängers „interessiert“. Beide Autoren selbst knüpfen aber nicht explizit an die Theorie kollektiver Güter an. Trotzdem gelten dabei im weitesten Sinne die oben benannten Substitutionseffekte. Dazu gehört auch die Neutralitätsthese bzw. das „Crowding out“, d.h. öffentliche finanzielle Mittel verdrängen individuelle, z.B. altruistisch motivierte, Beiträge zu Kollektivgütern.
2.7 Zahlungsbereitschaft als altruistisches moralisches Handeln
83
utility“ den perfekt gruppeninteressierten Teil von Smith. Letzteres entspricht der altruistischen Komponente von Smiths Selbst. G-Smith zieht einen Nutzen daraus, wenn sich das Angebot von Gütern für Dritte erhöht: „his utility function incorporates a taste for having other people better off“ (Margolis 1982: 21).48 Dritte bedeutet in diesem Zusammenhang (irgend)eine Gruppe, zu der sich Smith zugehörig fühlt. Eine Allokationsregel der „fairen Aufteilung“ (fair-share) gibt an, wie Smith seine Ressourcen zwischen S- und G-Smith aufteilt. Unter dieser Bedingung maximiert S-Smith seinen S-Nutzen und G-Smith seinen G-Nutzen. Sugden (1984: 782) merkt dazu kritisch an, dass sobald eine Person einen Beitrag zu einem Kollektivgut leistet, aus dem sie selbst einen Nutzen zieht, sollten eher Theorien betrachtet werden, die den Schwerpunkt auf Kooperation anstatt Altruismus legen. Über solche Bereiche gibt der Ansatz von Margolis nur ungenügend Aufschluss. Andere Lösungsmöglichkeiten für das Erklärungsproblem „freiwilliger Beiträge zu Kollektivgütern“ werden darin gesehen, dass „moralgeleitete“ Normen der Fairness und Reziprozität handlungsrelevant werden oder, wie in der Kantianischen Ökonomik dargelegt, Handlungsprinzipien in Anlehnung an den kategorischen Imperativ ihre Wirkung entfalten. Hierbei steht eher kooperatives Handeln im Mittelpunkt (Sugden 1984: 774). Laffont (1975) stellt sich beispielsweise die Frage, wie erklärt werden kann, dass entgegen ausschließlich eigeninteressierten Handelns Akteure in sehr großen Gemeinschaften ohne Kommunikationsmöglichkeiten untereinander in der Lage sind, kollektives Handeln zu vollziehen. Dabei nimmt er in Anlehnung an Kants Moralauffassung und in Abgrenzung zum Modell des homo oeconomicus an, dass jedes Individuum nicht nur eigeninteressiert handelt, sondern davon ausgeht, dass andere Personen so handeln, wie sie es selbst tun. Vereinfacht ausgedrückt maximieren Akteure unter dieser Bedingung oder aber „Restriktion“ ihren Nutzen, und es wird theoretisch gezeigt, dass sich somit das Pareto-Optimum einstellt. Nicht nutzenmaximierendes Verhalten, auch im Kontext von Kollektivgütern, behandelt Sen (1977: 326) mit dem Konzept des „Commitment“: „If the knowledge of torture of others makes you sick, it is a case of sympathy; if it does not make you feel personally worse off, but you think it is wrong and you are ready to do something to stop it, it is a case of commitment“.
Commitment im Sinne von Sen bezieht sich in enger Verbindung mit Moralität auf Wahlhandlungen hinsichtlich erwarteter/antizipierter Wohlfahrtsniveaus einer Person, wobei eine Handlung gewählt wird, die eine geringere persönliche Wohlfahrt aus Sicht der Person beinhaltet als alternative Handlungen (so eine mögliche Definition bei Sen 1977: 327). Während es bei der Betrachtung privater Güter nicht unmittelbar relevant sein muss, wird dem Commitment eine mögliche Bedeutung explizit bei kollektiven Gütern zugesprochen. Wenn die Nutzen solcher Güter ermittelt werden sollen, so wie bei der hier behandelten Zahlungsbereitschaftsanalyse, spricht auch Sen (1977: 331) das Trittbrettfahrerproblem an, d.h. den individuellen Anreiz, seinen antizipierten Nutzen nicht wahrheitsgetreu (unterre-präsentiert) anzugeben, mit der Folge, dass das Gut nicht bereitgestellt wird. Generell wird von Sen (1977: 332) die gängige Annahme kritisiert, dass Personen „nutzenmaximierende“ Antworten ohne Berücksichtigung handlungsrelevanter Verhaltensnormen oder -regeln geben. 48
Margolis (1982: 21) nimmt noch eine weitere zentrale Unterscheidung bezüglich Altruismus vor, die in der vorliegenden Arbeit aber erst an anderer Stelle aufgegriffen wird. Dabei handelt es sich um den Nutzen aus einer Ressourcenabgabe an Dritte per se („participation altruism“).
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2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
Eine etwas andere Herangehensweise wählt Harsanyi (1982). Er plädiert für einen regelbasierten Utilitarismus („rule utilitarianism“). Hierbei bezieht sich das utilitaristische Entscheidungskriterium nicht auf individuelle Handlungen im üblichen Sinne, sondern vielmehr auf die „Grundregeln“, die diese Handlungen leiten. Moralisch gesehen „richtige“ bzw. gerechtfertigte Handlungen in bestimmten Situationen zeichnen sich dann durch die Wahl einer Verhaltensregel aus, die den sozialen Nutzen maximiert, sobald alle Individuen in diesen Situationen der Regel folgen. Sugden (1984: 774) gibt zu bedenken, dass solche Prinzipien einem unbedingten Commitment entsprechen. Individuen wählen denjenigen Beitrag, den aus ihrer Sicht auch andere wählen sollten, aber unabhängig davon, ob dieser Beitrag von anderen tatsächlich geleistet wird. Damit wären Situationen denkbar, in denen beispielsweise ein Akteur i in einer Gruppe I überzeugt ist, dass kein anderer in der Gruppe einen Beitrag leistet. Trägt nun i etwas zum Kollektivgut bei, dann profitieren auch alle anderen davon. Berechtigterweise stellt Sugden (1984: 774) die Frage, warum sich hier i verpflichtet fühlen sollte, etwas für andere zu leisten, wenn diese das umgekehrt ablehnen. Deshalb sucht er nach einem abgeschwächten Prinzip eines bedingungslosen Commitments, das lediglich vorschreibt, nicht auf den Beiträgen anderer „frei zu fahren“, sofern jene anderen etwas beitragen. Er begründet darin das Prinzip der Reziprozität. Im Gegensatz zu anderen Theorien besagt der Ansatz von Sugden (1984: 781) lediglich, dass das Trittbrettfahrerproblem überwunden werden kann, aber nicht notwendigerweise muss. Solche und ähnliche Erklärungsversuche gehen insgesamt davon aus, dass die Beiträge zu einem Kollektivgut durch individuelle „moralgeleitete“ Bindungen an Regeln determiniert sind, die von den betroffenen Akteuren als fair wahrgenommen werden. Somit werden Entscheidungen betrachtet, die nicht unmittelbar dem Kauf privater Güter gleichkommen bzw. damit verglichen werden können. Vielmehr können Kombinationen aus den Präferenzen eines Spenders/Zahlungswilligen, seinen Überzeugungen hinsichtlich gerechter Kostenverteilungen und unter Umständen Einflüssen der Beiträge anderer ermittelt werden (Sugden 1999a: 142). Das Spektrum der Erklärungsansätze mit dem Schwerpunkt u.a. auf Fairness und Moral, oftmals im Kontext von altruistisch motivierten Zahlungen an Dritte, verdeutlicht verschiedene Zugangswege bei der Erklärung der freiwilligen Bereitstellung kollektiver Umweltgüter (vor allem auch Spendenzahlungen). In den nachstehenden Erläuterungen werden die engen Zugangswege insofern aufgebrochen, als dass die beiden Aspekte Moral und Altruismus als Handlungsmotivation etwas allgemeiner diskutiert werden. Allgemeiner heißt an dieser Stelle u.a. unter Vernachlässigung der Frage, ob und inwieweit Individuen ihren Nutzen maximieren (z.B. eine wichtige Frage bei Sen 1977). Der Fokus wird hauptsächlich auf eine weitere Erklärungskomponente gelegt, die oftmals geäußerte Überlegung, dass eine Zahlungs-/Spendenhandlung selbst Nutzen stiften kann. Der „Warm Glow of Giving“ und Kauf moralischer Befriedigung Der Kerngedanke des so genannten „Warm Glow“ ist, dass eine altruistisch motivierte Handlung selbst Nutzen stiftet und nicht (notwendigerweise) allein die Tatsache, dass sich andere besser stellen (perfekter Altruismus). Viele von uns kennen wohl das Gefühl, etwas Gutes getan zu haben, das mitunter schwerer wiegt als das Wissen, einer bestimmten Person geholfen zu haben; so auch der Schriftsteller Franz Kafka. Er teilte Melina Jesenskaҁ 1920 in einem Brief folgende Anekdote aus seiner Jugend mit, die er in Prag verbracht hatte:
2.7 Zahlungsbereitschaft als altruistisches moralisches Handeln
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„Ich hatte einmal als ganz kleiner Junge ein Sechserl bekommen und hatte große Lust es einer alten Bettlerin zu geben, die zwischen dem großen und dem kleinen Ring saß. Nun schien mir aber die Summe ungeheuer, eine Summe die wahrscheinlich noch niemals einem Bettler gegeben worden ist, ich schämte mich deshalb vor der Bettlerin etwas so Ungeheuerliches zu tun. Geben aber mußte ich es ihr doch, ich wechselte deshalb den Sechserl, gab der Bettlerin einen Kreuzer, umlief den ganzen Komplex des Rathauses und des Laubenganges am kleinen Ring, kam als ein ganz neuer Wohltäter links heraus, gab der Bettlerin wieder einen Kreuzer, fing wieder zu laufen an und machte das glücklich zehnmal (Oder auch etwas weniger, denn, ich glaube die Bettlerin verlor dann später die Geduld und verschwand mir). Jedenfalls war ich zum Schluß, auch moralisch, so erschöpft, daß ich gleich nach Hause lief und so lange weinte, bis mir die Mutter das Sechserl wieder ersetzte“ (Kafka 2004: 127).
Obwohl der „ganz junge“ Kafka sich gegenüber der Bettlerin verpflichtet fühlte, dennoch seine Wohltat bereute, so schien er sich in einen „Spendenrausch zu laufen“, der ihm ein glückliches Gefühl bescherte, das aus seinem Handeln – der wiederholten Weitergabe eines Kreuzers an die Bettlerin – resultierte.49 Wenn nun Personen, die etwas für ein Umweltgut bezahlen wollen, sich ebenfalls „ein gutes Gefühl“ kaufen würden, dann stellt sich berechtigterweise die Frage nach der Stimmigkeit dieser Handlungsmotivation mit den ökonomisch-theoretischen Wertschätzungen für das fragliche Gut. In der Zahlungsbereitschaftsanalyse wird im Zusammenhang mit „Warm Glow“ meist auf die Theorie des imperfekten Altruismus von Andreoni (1989, 1990) verwiesen. Es ist zu zeigen, dass unter „Warm Glow“ implizit oder explizit nicht unbedingt widerspruchsfreie Konzepte subsumiert werden, die unterschiedliche Schlussfolgerungen für den Umgang mit ermittelten Zahlungsbereitschaften zulassen und eine stringente theoretische Fundierung erschweren. Zunächst muss also der Nebel „Warm Glow“ erst einmal gelichtet werden. Generell ist die „Idee des Warm Glow“ bei weitem keine neue. Ähnlich bezeichnete Beitragsmotivationen lassen sich z.B. in einer Reihe von Arbeiten finden, die bereits angesprochen wurden: (1) Schwartz (1970: 1264) : „a donor might be more interested in the goodwill a charitable act can gain for himself than the benefits it might bring to others.“ (2) Margolis (1982: 21): „[...], which I will label “participation altruism“, our sample individual (Smith) gains utility from giving resources away for the benefit of others. He has a taste for participation in social acts.“ (3) Roberts (1984: 147): „If altruists receive utility from the act of transferring as well […].“ Insbesondere Margolis (1982: 22) stellt schließlich fest, dass es bis dahin (also 1982) kein Modell gibt, das sowohl den herkömmlichen Altruismus (bei ihm „goods altruism“) als auch den „participation altruism“ erfasst. Man müsste lediglich beide Komponenten und den Vektor privater Güter in eine Nutzenfunktion schreiben. Dann ergeben sich Präferenzen nicht ausschließlich aus dem privaten Konsum und der Gesamtmenge des Kollektivgutes, sondern auch aus einem individuellen Beitrag schlechthin. Diese Herangehensweise
49
Amartya Sen würde vielleicht argumentieren, dass die Handlung des jungen Kafkas auf einem „commitment“, aber nicht auf „sympathy“ beruht. Das wird vor allem dadurch bestärkt, dass Kafka seinen Sechserl wieder haben wollte (siehe für ein ähnlich gelagertes Beispiel Sen 1977: 328/329).
86
2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
wählt Andreoni (1989, 1990) in seiner Theorie des imperfekten Altruismus mit dem Erklärungsziel der (privaten) Bereitstellung von kollektiven Gütern (hier charity):
Ui
U i ( xi , G, gi ) , i 1,! , n .
In dieser strikt quasi-konkaven Nutzenfunktion entspricht G der Gesamtmenge des Kollektivgutes. Akteure sind mit einem Wohlstand wi ausgestattet, der zwischen dem Konsum des privaten Gutes xi und einem Beitrag zum Kollektivgut gi aufgeteilt wird. Der individuelle Beitrag gi stellt einerseits unabhängig von G ein privates Gut dar und hat andererseits Auswirkungen auf G . Damit ergibt sich unter anderem der Fall U i U i ( xi , g i ) . Hierbei ist allein die Motivation des „Warm Glow“ – als eigenständig privates Gut – für einen Beitrag zum Kollektivgut ausschlaggebend. Akteure handeln dann nach Andreoni vollständig egoistisch (purely egoistic).50 Unmittelbar im Zusammenhang mit der Bewertung kollektiver Umweltgüter greifen schließlich Kahneman und Knetsch (1992) in einem viel zitierten und in der vorliegenden Arbeit bereits mehrmals angesprochenen Aufsatz den Grundgedanken von Andreoni auf und behaupten, dass sich die Befragten auf hypothetischen Märkten in der Zahlungsbereitschaftsanalyse „moralische Befriedigung kaufen“ (Warm Glow of Giving). Dieses Gefühl der moralischen Befriedung ist selbst wiederum ein privates Gut, das mit der Höhe des Beitrages/Zahlungsbetrages zunimmt. Auch Kahneman und Knetsch sehen im Warm Glow ein egoistisches Handlungsmotiv. Zudem nehmen sie an, dass die moralische Befriedigung durch eine Zahlung mit verschiedenen Kollektivgütern variiert: „Public goods differ in the degree of moral satisfaction that they provide to the individual making a contribution. Saving the panda may well be more satisfying for most people than saving an endangered insect and cancer research may be a better cause than research on gum disease. The quality of cause as sources of moral satisfaction will reflect individual tastes and community values. Our first hypothesis is that differences in WTP for various causes can be predicted from independent assessments of the moral satisfaction associated with these causes” (Kahneman und Knetsch 1992: 64).
Mithilfe von „Experimenten“ ist es Kahneman und Knetsch (1992) gelungen, ihre Hypothese zu bestätigen. Im Rahmen einer Telefonumfrage haben sie Respondenten mit verschiedenen Kollektivgütern, meist im Umweltbereich, konfrontiert (z.B. Reduzierung des sauren Regens, Schutz von Kleintieren oder Einrichtung von Habitaten für Bisamratten). Die Güter waren paarweise „eingebettet“, zum einen geographisch, z.B. Artenschutz in British Columbia oder in ganz Kanada, und zum anderen kategorial, z.B. Forschung zu 50
Das Grundmodell von Andreoni wird hier nicht ausführlich dargestellt. Für die vollständige Darstellung und Diskussion der Theorie und für „erfolgreiche“ empirische Überprüfungen sei auf Andreoni (1989, 1990) verwiesen. Dennoch, er unterscheidet drei Fälle/Handlungsmotive: (1) wie oben beschrieben vollständig egoistisch, (2) „imperfekt altruistisch“ (impurely altruistic) und (3) „perfekt altruistisch“ (purely altruistic). Im Endergebnis ermittelt Andreoni (1990: 467) einen Altruismuskoeffizienten, der den Grad an Altruismus zwischen rein egoistischen und rein altruistischen Handlungsmotiven abbildet. Einige wichtige Implikationen seines Modells gegenüber dem Standardmodell (perfekter Altruismus) sind: (1) Trittbrettfahren ist nicht überall vorhanden und (2) der „Crowding-Out-Effekt“ zwischen Beiträgen zum Kollektivgut und staatlichen Maßnahmen ist nicht vollständig. Aufgrund des „Warm Glow of Giving“ sind z.B. Steuerzahlungen keine perfekten Substitute für freiwillige Beiträge. Zu diesen Ergebnissen gelangen auch die in diesem Abschnitt vorgestellten Theorien zu norm- bzw. moralgeleitetem Handeln.
2.7 Zahlungsbereitschaft als altruistisches moralisches Handeln
87
Brustkrebs oder zu allen Formen von Krebs. In der Studie wurden 242 Befragte in vier Gruppen unterteilt. Allen Gruppen wurden unterschiedliche Ursachen/Gründe (Güter) präsentiert, die entweder eingebettet (z.B. Artenschutz in British Columbia) oder nicht eingebettet (z.B. Artenschutz in ganz Kanada) waren, aber nie jedes Einbettungspaar zusammen. Personen in den ersten beiden Gruppen wurden direkt nach ihrer Befriedigung gefragt, die sie von einem Beitrag zu diesen Gütern erhalten. Personen in den letzten beiden Gruppen wurden hingegen gefragt, wie viel sie maximal bereit sind zu zahlen, damit das Gut bereitgestellt wird. Die Zahlungsbereitschaft wurde mit einem offenen Frageformat ermittelt.51 Die geäußerten Zahlungsbereitschaften für verschiedene (Umwelt-)Güter korrespondierten in hohem Maße mit Einschätzungen der moralischen Befriedigung aus einer Beitragsleistung für diese Güter. Zudem variierten sowohl die moralische Befriedigung als auch die Zahlungsbereitschaft kaum mit dem Grad der Einbettung. Laut ökonomischer Theorie jedoch müssten Personen für ein umfangreicheres Gut mehr zu zahlen bereit sein als für einen Teil dieses Gutes. Somit sehen Kahneman und Knetsch (1992) ihre Hypothese bestätigt, dass die Zahlungsbereitschaft dem Kauf moralischer Befriedigung entspricht (Warm Glow).52 Die Zahlung selbst stiftet einen Nutzen unabhängig vom Umfang des Gutes. Diese Ergebnisse sprechen insgesamt, wie eingangs erwähnt, für ein „Beitragsmodell“ (Spash 2000a). Im Gegensatz zu Andreonis theoretischen Überlegungen, in denen Personen vor allem neben dem kollektiven Gut ein „Warm Glow of Giving“ realisieren möchten (impure altruism), wird bei Kahneman und Knetsch die moralische Befriedigung vollständig mit der Zahlungsbereitschaft gleichgesetzt. Nunes und Schokkaert (2003) verfolgen eine Strategie zur Messung des Warm-GlowEffektes, die (heuristisch) eher mit Andreonis Ansatz korrespondiert. Sie messen eine „cold WTP“ (willingness to pay)/bereinigte Zahlungsbereitschaft, indem sie – neben Nutzungsund Existenzwerten – Warm-Glow-Motivationen quantifizieren, die schließlich nicht in das Zahlungsbereitschaftsmaß eingehen. Sie können damit (in einem ersten Versuch) zeigen, dass dann – wie ökonomisch-theoretisch angenommen – Zahlungsbereitschaften mit dem Umfang eines Gutes variieren (siehe auch Abschnitt 3.6.3). Ferner sehen sie ihre Studie im („theoretischen“) Einklang mit den Arbeiten von Kahneman und Knetsch. Das ist aber nicht einsichtig. Schließlich argumentieren Kahneman et al. an mehreren Stellen, dass die empfundene moralische Befriedigung einer Einstellung und nicht Präferenz entspricht, die zudem als ein „äquivalentes“ Maß für die Zahlungsbereitschaft zu sehen ist (vgl. Abschnitt 2.6.1). Deshalb macht auch der Verweis von Kahneman und Knetsch (1992: 64) auf Andreoni – ohne weitere Erläuterungen – wenig Sinn, da sie in anderen Studien für eine einstellungs- und nicht präferenzgeleitete Erklärung von Zahlungsbereitschaften plädieren. Darüber hinaus betrachten Kahneman und Knetsch bei einer Ausblendung der Einstellungsdiskussion einen Spezialfall in Andreonis Modell, in dem der Nutzen allein durch den Warm Glow bestimmt wird. Nunes und Schokkaert (2003: 236) wiederum messen die empfundene Befriedigung aus einem Beitrag für einen guten Zweck auf einer allgemeinen Ebene, z.B.: „My family and I like to contribute to good causes such as the protection of the environment and whenever we can afford it, we do not decline our help to such fund raising 51 52
Die gesamte Vorgehensweise ist umstritten, weil sie nicht den Standardmethoden zur Bewertung von Umweltgütern entspricht (vgl. Kapitel 3). Eine empirische Untersuchung moralischer Handlungsmotive – lexikographische moralische Präferenzen – hinsichtlich der Diskrepanz zwischen Kompensierender und Äquivalenter Variation findet sich bei Boyce et al. (1992).
88
2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
campaigns“. Das ist völlig legitim, sogar gut so, wie sich später zeigt. Es ist dennoch von einer Frage nach einer empfundenen Befriedigung aus der Zahlung für ein bestimmtes Gut zu unterscheiden, die beispielsweise in den Studien von Kahneman und Knetsch (1992) verwendet wird. Nachstehend soll u.a. verdeutlicht werden, dass genau diese – wenn auch ungewollte – Unterscheidung in verschiedene Warm-Glow-Ebenen fruchtbar sein kann. Ein Punkt sei nochmals hervorgehoben. Während Warm Glow bei Andreoni (1989, 1990) sowie Nunes und Schokkaert (2003) implizit als allgemeine Befriedigung im Sinne eines (allgemeinen) „participation altruism“ von Margolis (1982) zu bezeichnen ist, der eine Zahlungshandlung/Beitragshandlung neben dem Nutzen aus einem kollektiven Gut beeinflusst, wird er bei Kahneman und Knetsch (1992) explizit mit einer spezifischen moralischen Befriedigung in Verbindung gebracht, die vollständig die Zahlungs-/Beitragshandlung repräsentiert. Zahlungsbereitschaft als umweltgutspezifisches und unspezifisches moralisches Handeln „Social Scientists may well trace the origins of one’s moral commitments to one’s parents, culture, and peer or reference groups; but whatever their source, once internalized they become an integral part of the self. Thus, those who feel they ought to serve their country, God, or a cause, feel strongly–sometimes despite strong protestations from spouses, friends, and peers–that such actions are in line with their values, are their duty” (Etzioni 1988: 46).
Im Rahmen eines Beitragsmodells bzw. von Spendenzahlungen wurden bisher überwiegend Theorien angeführt, die auf altruistische Handlungen zielen und in einem weiter gefassten Sinne einen gemeinsamen Kern haben, eine indirekte oder direkte Anbindung an moralgeleitetes, als Verpflichtung empfundenes Handeln. Folgend werden zwei Fragen abgehandelt, die sich erstens mit der Bedeutung von Altruismus in Zahlungsbereitschaftsanalysen beschäftigen und zweitens mit der Rolle von Moral und dem Gefühl, etwas Gutes getan zu haben. Was heißt Altruismus im Kontext der Zahlung für Umweltgüter? Eine Spende an das Rote Kreuz, an die Suppenküche in einem Stadtviertel, an Flutopfer oder an Wohlfahrtsorganisationen im Allgemeinen sind Zahlungen, die andere Personen besser stellen, und allein deshalb stiften sie dem Zahlenden einen Nutzen (neben dem Umstand, dass die Zahlung selbst Nutzen stiften möge). Hier kann ohne weiteres von Altruismus ausgegangen werden. Im Umweltbereich hingegen ist dies nicht unmittelbar einsichtig. Wer profitiert von Zahlungen für die Rettung der Wale, den Erhalt des Regenwaldes, die Reduzierung von Luftverschmutzung oder den Tier- und Pflanzenartenschutz in deutschen Wäldern? Bei einer Vielzahl an Umweltgütern/-ressourcen würde man intuitiv antworten: „natürlich vor allem die zukünftigen Generationen“. Die Umwelt für zukünftige Generationen erhalten zu wollen (Vererbungsnutzen), ist jedoch ein akzeptierter Bestandteil nutzungsunabhängiger Werte von Umweltgütern und damit des ökonomischen Gesamtwertes. Selbst wenn angenommen wird, der Zahlungswillige möchte, dass anderen in seiner Generation das Umweltgut zur Verfügung steht, so ist das zwangsläufig kein Widerspruch zur ökonomischen Bewertung. Bateman et al. (2002: 28/29) weisen immerhin in ihrem Handbuch zur ökonomischen Bewertung einen solchen „altruistic value“ bei nutzungsunabhängigen Werten aus (vgl. auch Freeman III 2003: 151). Einerseits ist problematisch, dass sich dann Zahlungen zum Teil eher direkt auf Personen beziehen und nicht unmittelbar auf das Umweltgut. Andererseits ist die Zahlung in jedem Falle mit dem Umweltgut verbunden. Man möchte z.B.
2.7 Zahlungsbereitschaft als altruistisches moralisches Handeln
89
den Regenwald und die Lebensgrundlage dort beheimateter Menschen erhalten. Die Akzeptanz (rein) altruistischer Werte von Umweltgütern ist eine Frage des Standpunktes. Ob altruistische Zahlungen mit Blick auf die jeweils gegenwärtige Generation überhaupt plausibel sind, hängt stark vom zu bewertenden Umweltgut ab.53 Im Zusammenhang mit Altruismus ist auch die Studie von Guagnano et al. (1994) interessant (vgl. vorhergehenden Abschnitt). Sie erheben den Anspruch, mit dem Normaktivierungsmodell zu testen, ob Zahlungsbereitschaften (WTP) einem Beitragsmodell unterliegen: „The study presented here tests the proposition that WTP follows a contribution model by examining whether measures of stated WTP can be predicted from a theory of altruistic behavior. […] Willingness to pay higher prices for environmental goods is viewed as altruistic behavior because the extra money people pay provides environmental benefits that are public goods. Some writers hold that WTP is ultimately egoistically motivated, taking this view either a priori from utility theory in economics or from concepts such as the “purchase of moral satisfaction” (Kahneman & Knetsch 1992), which acts to place social concern within an intrapsychic decision process. These views appear to assume away the possibility of altruism” (Guagnano et al. 1994: 411/412).
Hier ergeben sich mindestens zwei Probleme. Erstens wird eine weitreichende Begriffsfassung von Altruismus verwendet, in der sich altruistisches Verhalten neben anderen Menschen auf jegliche Tier- und Pflanzenarten sowie die Umwelt (Biosphäre) an sich bezieht (Stern et al. 1993, Guagnano et al. 1994). Worin liegt hierbei der Unterschied bzw. die Abgrenzung zu Existenz- und Vererbungswerten (bzw. altruistischen Werten) von kollektiven Umweltgütern in der ökonomischen Bewertung? Zweitens wird die Aktivierung einer moralischen Norm (moral norm) im Sinne einer empfundenen moralischen Verpflichtung zur Zahlung für ein Umweltgut unterstellt. Die Norm als solche korrespondiert durchaus mit moralgeleitetem Handeln, das im Zusammenhang mit der freiwilligen Bereitstellung kollektiver Güter diskutiert wurde. Die Bedingungen einer Normaktivierung mit Blick auf Altruismus, der sich beispielsweise auf die Umwelt als Ganzes bezieht, sind aber, wie oben angesprochen, kein zwingender Widerspruch zum Kanon nutzungsunabhängiger Wertschätzungen im Rahmen der Bewertung kollektiver Umweltgüter. Hier fehlt eine überzeugende Argumentation. 53
Wenn in Deutschland Personen nach ihrer Zahlungsbereitschaft für den Erhalt des Urwaldes in Äthiopien gefragt werden, der von Kaffeeplantagen verdrängt wird, ist eher zu erwarten, dass sie auch eine verbesserte Lebenssituation der Kaffeebauern wünschen. Würden jedoch Personen nach dem Erhalt bzw. der Einrichtung von Biotopen für gefährdete Tier- und Pflanzenarten im Harz gefragt, bleibt anzuzweifeln, dass mit einer Zahlungsbereitschaft primär auch andere Personen besser gestellt werden sollen. Insgesamt legen Kritiker der ökonomischen Bewertung nahe, dass altruistische Motivationen (andere Personen besser zu stellen) zu einem „double counting“ führen: „Consider what happens if society adds up everyone’s willingness-to-pay and compares the sum with the cost of some action. As a matter of social welfare evaluation we might conclude that such altruistic externalities are double counting, since a utility benefit shows up in the willingness-to-pay of both the person enjoying the public good and the people who care about that person” (Diamond und Hausman 1994: 55). Dieser Einwand erscheint jedoch nur in bestimmten Bewertungssituationen stichhaltig. Generell lassen sich gegen den Vorwurf eines „double counting“ nach Hanemann (1996: 54) zwei Punkte hervorbringen: „The first point, applicable to something like the Exxon Valdez spill, is that there can be no double counting in that case because the objects of the altruism, sea otters, whales, etc, are not themselves going to be surveyed. The second is that the double counting arises only if the people being surveyed are under the mistaken impression that the other people, for whom they feel altruism, are not paying for the program when they in fact will. […] It should be noted, moreover, that the possibility of double counting arises only if the altruistic argument in my utility function is your utility level. If the argument is your consumption of some commodity, the issue of double counting does not arise”.
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2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
Ob und inwieweit sind eine empfundene moralische Befriedigung durch eine Zahlungshandlung, eine empfundene Verpflichtung bzw. moralgeleitetes Handeln in Einklang zu bringen? Die folgend zu begründende Antwort lautet: Die empfundene Befriedigung ist das Nebenprodukt einer wahrgenommenen Verpflichtung, die in zweierlei Formen auftreten kann: umweltgutspezifisch und allgemein. Diese Unterscheidung hat weitreichende Konsequenzen. Aus theoretischer Perspektive müssen sich Emotionen wie das Gefühl, etwas Gutes zu tun, und Rationalität nicht notwendigerweise ausschließen (vgl. Schnabel 2005). Zum einen können Emotionen selbst Ziele sein, die durch rationale Handlungen erreichbar sind. Zum anderen können sie als Nutzen- bzw. Kostenfaktor in Form von selektiven Anreizen auch bei der Beitragsentscheidung für kollektive Güter relevant werden. Eine Norm – etwa eine empfundene moralische Zahlungsverpflichtung – würde hierbei als Begründung für die Zahlungsentscheidung dienen. Das normkonforme Verhalten wiederum erfolgt, um das Gefühl zu erhalten, etwas Gutes getan zu haben.54 Der entscheidende Punkt ist, wie die moralische Zahlungsverpflichtung „aufgeladen ist“. Sie kann durchaus mit einer Wertschätzung des Umweltgutes einhergehen, z.B. die empfundene Verpflichtung, die biologische Vielfalt in einem Waldgebiet für zukünftige Generationen zu erhalten, oder eher einem allgemeinen/unspezifischen „Taste of Giving“ entsprechen. Wäre nur das Gefühl der Befriedigung, etwas Gutes getan oder unterstützt zu haben, für Personen handlungsmotivierend, dann würde unterstellt werden, dass eine Zahlung/Geldspende ohne eine wahrgenommene (moralische) Verpflichtung geleistet wird. Akzeptiert man den Befund von Kahneman und Knetsch (1992), dass Zahlungen für unterschiedliche (Umwelt)Güter mit verschiedenen Graden an empfundener Befriedigung verbunden sind, woher resultieren dann diese Abstufungen? Ein nahe liegendes Argument ist anzunehmen, dass mögliche Unterschiede in der gefühlten Befriedigung ein Nebenprodukt der individuell variierenden moralischen Verpflichtung zur Beitragsleistung sind, die Zahlungswillige wahrnehmen. Der Grad der empfundenen Verpflichtung gibt implizit wieder, wie wichtig oder wertvoll Personen ein Umweltgut einschätzen. Der so genannte Kauf moralischer Befriedigung – in der Terminologie von Kahneman und Knetsch – variiert nicht nur mit dem (Umwelt)Gut, sondern vor allem mit der wahrgenommenen moralischen Verpflichtung zu einer Zahlung für dieses bestimmte Gut. Das ist der erste Punkt, der festgehalten werden soll. Im Gegensatz zu einer solchen umweltgutspezifischen moralischen Verpflichtung können Personen auch eine allgemeine/unspezifische moralische Verpflichtung wahrnehmen. Dies resultiert aus der Überlegung, dass man infolge einer allgemeinen moralischen Verpflichtung für „irgendeine gute Sache“ (z.B. irgendein Umweltgut) etwas geben möchte. Es scheint, dass insbesondere ein solcher allgemeiner Warm Glow – ein moralisch aufgeladener „Taste of Giving“ – implizit beim Beitragsmodell angenommen wird und für die ökonomische Bewertung ein Problem darstellt:
54
Die Perspektive, dass das gute Gefühl nicht die entscheidende Handlungsmotivation ist, wird u.a. auch von Khalil (2004: 107) gestützt: „Andreoni uses the notion of ‘warm glow’ to explain the puzzle of why altruists do not greatly ‘free ride,’ i.e., totally withhold contribution in light of the contribution of others. He argues that the impure altruist must be motivated by ‘warm glow’. But, this explanation cannot show what is the right thing to do because ‘warm glow’ is a by-product of doing the right thing“.
2.7 Zahlungsbereitschaft als altruistisches moralisches Handeln
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„If respondents get pleasure from thinking of themselves as supportive of the environment, the willingness-to-pay for this warm glow is not part of the gain from a particular environmental project–unless there are no cheaper ways of generating the warm glow. That is, if an individual wants to see the government do at least one environmental project (or n projects) a year in order to feel „environmental supportive,“ the person would support one project, but not any particular project“ (Diamond und Hausmann 1994: 56).55
Schließlich findet sich ein solcher allgemeiner Warm Glow auch in den eingangs behandelten Arbeiten von Schwartz (1970), Margolis (1982), Roberts (1984) und nicht zuletzt bei Nunes und Schokkaert (2003). Besonders offensichtlich ist die Parallelität von allgemeinem Warm Glow und „participation altruism“ bei Margolis (1982: 21/22): „In the participation conception, giving resources away is another of Smith’s tastes, not necessarily different in the character from taste for fancy motor cars or dollar cigars“.
In der vorliegenden Arbeit wird – wie bereits angedeutet – die Annahme getroffen, dass ein „Taste of Giving“ moralisch aufgeladen ist. Menschen neigen dazu und haben Lust (man denke an den jungen Kafka), anderen Personen zu helfen oder eine gute Sache zu unterstützen, weil sie einer wahrgenommenen Verpflichtung folgen, irgendetwas Gutes zu tun oder beispielsweise etwas von ihrem Wohlstand zurückgeben zu müssen (ein Argument, das vor allem sozial engagierte Prominente äußern). Dieser allgemeine „Taste of Giving“ ist aber nicht unmittelbar an einen bestimmten Zweck gebunden. Er stiftet im Zusammenhang mit den unterschiedlichsten Zwecken ein Gefühl moralischer Befriedigung. Das vermeintliche Ziel der Handlung – der Warm Glow – mag egoistisch erscheinen. Die Handlung selbst ist aber durchaus normativ (moralisch) begründbar.56 Die unterschiedliche Wirkungsweise einer spezifischen und allgemeinen moralischen Verpflichtung soll an einem Beispiel verdeutlicht werden. Gerade in der Weihnachtszeit gibt es eine Vielzahl an Spendensendungen im Fernsehen. Hierbei ist nun denkbar, dass eine Person bei der ersten ausgestrahlten Sendung angerufen hat, um Geld zu spenden. Eine Woche später sieht sich diese Person die zweite Sendung an und wird gefragt, warum sie denn nicht etwas spendet. Ihre Antwort: „Nun, ich würde ja gern, aber ich habe doch schon letzte Woche gespendet, bei dieser Kindersache“.57 Es wird hier davon ausgegangen, dass es eine Art generelle moralische Verpflichtung gibt, sich für das Wohl der Gemeinschaft bzw. für etwas Gutes einzusetzen (z.B. für den Schutz der Umwelt). Dabei spielt es weitaus 55
56
57
Diamond und Hausman (1994: 56) verbinden Warm Glow mit „pleasure from thinking of themselves as supportive of the environment”. Hier wird wiederum exemplarisch deutlich, welche unterschiedlichen Konnotationen Warm Glow unterliegt. In jedem Falle kann dennoch angenommen werden, dass auch hier das „Gefühl, ein Umweltschützer zu sein“, eher ein Nebenprodukt einer Handlung ist, die normativ/moralisch begründet ist. Dasselbe gilt auch für die Äußerung von Spash (2000a: 465), der ebenfalls aus Sicht der vorliegenden Arbeit implizit eine unspezifische moralische Verpflichtung als Zahlungsmotivation anspricht: „Egoistic attitudes may also be relevant where individuals gain moral satisfaction from giving to a good cause without regard to the specifics of what happens to the money afterwards, i.e., as long as they believe some unspecific general good will result.“ So steht beispielsweise der „participation altruism“ bei Margolis (1982) im Zusammenhang mit der Weitergabe von Ressourcen an Dritte. Er ist an altruistische Handlungen gebunden. Auch die moralische Befriedigung durch eine Zahlung für ein Umweltgut resultiert aus einer Handlung, zu der sich eine Person verpflichtet fühlt. Tatsächlich handelt es sich um ein reale Begebenheit, und es steht außer Zweifel, dass die fragliche Person genug Geld gehabt hätte, um eine weitere Spende zu leisten.
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2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
weniger eine Rolle, welches konkrete Projekt oder Umweltgut finanziell unterstützt werden soll. Im Grunde macht es in diesem Fall auch keinen Unterschied, welches Gut auf einem hypothetischen Markt im Rahmen der ökonomischen Bewertung präsentiert wird. Es könnte eingewendet werden, dass die oben genannte umweltgutspezifische moralische Verpflichtung doch nur eine Folge einer allgemeinen moralischen Verpflichtung sein kann. Kann, muss aber nicht. Es ist nicht unplausibel anzunehmen, dass es Personen gibt, die sich nur für spezifische Dinge verpflichtet fühlen, während andere eine generelle Verpflichtung empfinden. Erstgenannte werden sich nicht für jeden „beliebigen“ guten Zweck (natürlich unter Berücksichtigung ihrer Budgetrestriktion) engagieren. Zweitgenannte hingegen legen im Prinzip keinen so großen Wert darauf, was genau sie unterstützen. Man stelle sich zur Veranschaulichung eine Einkaufsstraße vor, wie sie Abbildung 2.11 vereinfacht darstellt. Am Anfang und am Ende der Straße steht ein Stand, an dem um Geld für den Schutz der Wale (Anfang) und für den Schutz des Regenwaldes (Ende) gebeten wird. Personen mit einer umweltgutspezifischen moralischen Verpflichtung für eines der beiden Umweltgüter werden entweder für die Wale oder den Regenwald Geld geben. Personen hingegen, die eine allgemeine Verpflichtung wahrnehmen, werden ausschließlich für den Schutz der Wale zahlen (Zeitpunkt t1), vorausgesetzt sie möchten nur irgendeine Sache unterstützen. Würde aber am Anfang der Einkaufsstraße nach einer Zahlung für den Regenwald gefragt, hätte sie dafür ihr Geld gegeben. Hierin liegt der Unterschied begründet.58 Abbildung 2.11:
Straße der Zahlungsbereitschaft
Zahlungsbereit für den Schutz der Wale?
Zahlungsbereit für den Schutz des Regenwaldes?
t1
t2
ANFANG
ENDE
Neben der Frage, ob moralgeleitete Zahlungsmotivationen stabilen ökonomischen Präferenzen bzw. einer Nutzenmaximierung folgen, ist grundlegend wichtig, inwieweit diese Motivationen mit dem zu bewertenden Umweltgut verknüpft sind. Ließe man die Einstellungsversus-Präferenzen-Diskussion einmal außen vor,59 so steht eine umweltgutspezifische 58
59
Es wird der Fall ausgeblendet, in dem beides – eine umweltgutspezifische und eine allgemeine Verpflichtung – vorliegt. Hierbei wird die Situation komplexer, so müsste die allgemeine Verpflichtung zum Zeitpunkt t1 greifen, auch wenn eine spezifische Verpflichtung für den Regenwald wahrgenommen wird. Die Frage ist dann, ob für den Regenwald unter allen Umständen auch Geld gegeben werden würde. Implizit ist bereits deutlich geworden, dass in der hier verfolgten Argumentation die Ableitung von Warm Glow als Nebenprodukt einer moralischen Handlung/Verpflichtung aus Präferenzüberlegungen sinnvoll erscheint. Dabei ist auch ersichtlich, dass die Gleichsetzung von Zahlungsbereitschaft und moralischer Befrie-
2.7 Zahlungsbereitschaft als altruistisches moralisches Handeln
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moralische Verpflichtung nicht zwangsläufig im Widerspruch zum Kanon nutzungsunabhängiger Werte von Umweltgütern. Die Frage ist schließlich, ob eine moralische Befriedigung in Verbindung mit einer empfundenen Verpflichtung ein Interesse am Umweltgut und eine Wertschätzung des Umweltgutes zum Ausdruck bringt. Es dürfte klar sein, dass eine Trennung von einer spezifischen moralischen Befriedigung durch eine Zahlung und insbesondere von nutzungsunabhängigen Wertschätzungen für Umweltgüter nicht stichhaltig ist. Ein allgemeines Verpflichtungsgefühl, zu (irgend)etwas beizutragen, ist hingegen nicht passfähig, weil die Zahlungsmotivation völlig losgelöst vom Umweltgut begründet ist. Beide Motivationen, umweltgutspezifisch und allgemein, können – müssen aber nicht – auf hypothetischen Märkten auftreten.60 Das Gleiche gilt aber auch für private Güter und reale Märkte. Eine Studie von Guagnano (2001) zum Normaktivierungsmodell legt nahe, dass die Zahlungsbereitschaft für Papierhandtücher aus recyceltem Papier (privates Gut) wesentlich von der wahrgenommenen Verantwortung für den Umweltschutz beeinflusst wird. Guagnano zeigt die mögliche Handlungsrelevanz normativ-altruistischer Motivationen auch in Situationen kalkulierenden/rationalen Handelns – wie beim Kauf von umweltfreundlichen Produkten.61 Er argumentiert weiterhin, dass Modelle eigeninteressierten Handelns solche Ergebnisse kaum erklären können, wenn sie nicht Konzepte wie den Kauf moralischer Befriedigung heranziehen. Aber insbesondere die plausible Verbindung von normativen Motiven (z.B. ein moralisch aufgeladener „Taste of Giving“) mit dem Befriedigungsgefühl als Nebenprodukt können analytisch sehr ergiebig sein. Sie reduzieren zudem die Komplexität des Normaktivierungsmodells. Ohnehin wäre es ein Fehler, davon auszugehen, dass individuelle Handlungen auf hypothetischen Märkten in Umfragen nicht von moralischen Motiven geprägt sein müssen, wenn bereits auf realen Märkten so etwas wie eine moralische Einbettung existiert (für verschiedene Formen der moralischen Einbettung von Märkten siehe Beckert 2005). Zudem kann nicht ernsthaft bezweifelt werden, dass beispielsweise der Kauf von Bio-Produkten – umweltbezogene private Güter – durchaus moralisch aufgeladen ist. Die Relevanz von allgemeinen und spezifischen Verpflichtungsgefühlen kann auch mithilfe des Konzepts des Koppelverkaufs bzw. Koppelkaufs erfasst werden. Die Idee eines „Koppelverkaufs“ („tied sale“) geht auf Mancur Olson (1968: 132) zurück. Der „Koppelverkauf“ bezieht sich auf den Umstand, dass Organisationen mitunter Mitglieder gewinnen, wenn sie neben einem kollektiven Gut ein nicht-kollektives (privates) Gut anbieten, also ein „kombiniertes Angebot“ machen. Dadurch werden aus Sicht rationaler Akteure eine Mitgliedschaft und der Beitrag zu einem Kollektivgut auch in großen/latenten Gruppen attraktiv. Beispiele hierfür sind die Gewährleistungen spezieller Leistungen wie die Beschaffung von Informationen, der Rechtsbeistand oder Versicherungen, die nur Mitgliedern einer Organisation zur Verfügung stehen. Ein weiteres Beispiel (in Abwandlung von Ol-
60
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digung als ein und dieselbe Einstellung zumindest nicht unmittelbar überzeugend wirkt. Gerade in einem Beitragsmodell sind Kombinationen verschiedener Handlungsmotive im Spektrum eigeninteressierter und altruistischer/normativer Motivationen denkbar und nach unserem Alltagsverständnis auch zu vermuten. Für eine Diskussion dieser Motive für freiwillige Spenden siehe u.a. Frank (2004). Es sei daran erinnert: Im Prinzip gibt es bereits heute schon eine Unterscheidung im empirischen Bereich. Kahneman und Knetsch (1992) haben die moralische Befriedigung direkt in Bezug auf ein spezifisches Umweltgut gemessen, während Nunes und Schokkaert (2003) ein allgemeines Warm Glow mit allgemeinen Aussagen zum Spendenverhalten messen. Natürlich ist Guagnano bewusst, dass selbstberichtetes Verhalten zur Zahlungsbereitschaft nicht unmittelbar mit realem Verhalten korrespondieren muss und zudem das fragliche private Gut ebenfalls eine Rolle für die Handlungsentscheidung spielt.
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2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
sons Argument) für einen Koppelverkauf im Zusammenhang mit karitativen Projekten lässt sich in der ARD-Fernsehlotterie „Ein Platz an der Sonne“ finden. Mit den Reinerlösen der Lotterie werden karitative Zwecke/Projekte gefördert. Mit dem Slogan: „Mit 5 Euro sind Sie dabei“ schlägt die Stiftung Deutsches Hilfswerk im Prinzip „zwei Fliegen mit einer Klappe“. Um karitative Projekte zu unterstützen, kaufen Personen ein Los und haben gleichzeitig eine Gewinnchance (u.a. Geldgewinne oder eine lebenslange Rente). Für einige Teilnehmer an der Lotterie kann angenommen werden, dass ihnen im Prinzip egal ist, welche Projekte mit dem Geld unterstützt werden. Es reicht aus, dass sie Vertrauen in die sachgemäße Verwendung des Geldes haben und sie vor allem eine Gewinnchance sehen (selektiver Anreiz beim Koppelverkauf). Es gibt aber auch eine andere Sichtweise. Manche Personen möchten vielleicht ohnehin Lotto spielen. Der Anreiz, dies jedoch im Rahmen der ARD-Fernsehlotterie zu tun, ist eine wahrgenommene moralische Verpflichtung mit dem Gefühl als Nebenprodukt, etwas Gutes unterstützt zu haben. Dies wäre dann die relevante/aktivierende Handlungsmotivation – der selektive Anreiz – beim Loskauf. Darüber hinaus mag es natürlich Personen geben, die allein aus altruistischen Erwägungen heraus ein Los erwerben. Derselbe Mechanismus greift auch in anderen Beispielen. Große deutsche Bierbrauereien scheinen ebenfalls „moralisch gute Projekte“ für sich zu erschließen. Die Firma Krombacher zum Beispiel unterstützte u.a. mit der Aktion/Motto „Sie genießen – wir spenden“ (30.04. bis 30.06.2004) und Slogans in der Fernsehwerbung wie „Für jeden getrunkenen Kasten Krombacher Bier werden Sie 1m² Urwald retten“ den Schutz von Regenwäldern in Zentralafrika. Auch die Firma Bitburger startete im Zeitraum Mai/Juni 2005 eine Aktion mit dem Namen: „Bolzplätze für Deutschland“ mit dem werbewirksamen Gesicht von Oliver Bierhoff. Der Kauf eines Aktionsbierkastens unterstützt die Renovierung von Fußballbolzplätzen (z.B. 20 mal 0,5 Mehrwegflaschen = 30 mal 22 cm Bolzplatzrenovierung). Für Verbraucher ist das jeweils ein raffiniert kombiniertes Angebot bzw. Koppelkauf von Bier und der Möglichkeit, einer allgemein oder spezifisch empfundenen moralischen Verpflichtung zu folgen, etwas Gutes zu tun.62 Dieser Koppelkauf ist in seiner allgemeinen Form wiederum auch beim Kauf der oben erwähnten privaten Produkte, z.B. Bio-Produkte, nicht auszuschließen. Mit Blick auf die monetäre Bewertung von Umweltgütern ergeben sich schließlich zwei mögliche Perspektiven. Einerseits kann eher methodenorientiert angenommen werden: Je eher der hypothetische Markt in einer Umfrage beitragsorientiert ausgestaltet ist, desto eher wird Personen ein Koppelkauf des Umweltgutes und eines umweltgutspezifischen/allgemeinen Warm Glows als Nebenprodukt einer moralischen Handlung ermöglicht.63 Allerdings ist in einer Beitragsperspektive nicht das Framing der Zahlungsbereitschaftsentscheidung primär, sondern die Zahlungsmotivation. Andererseits ist daher 62
63
Diese Brauereibeispiele sind auch ein Beleg für die moralische Einbettung von Märkten mit Blick auf Firmen. Allerdings kann nicht notwendigerweise von moralischen/altruistischen Handlungsmotiven der Firmen ausgegangen werden. Es könnte sich auch schlicht um eine Marketing-Strategie handeln, die ein Image wahrgenommener sozialer Verantwortung erzeugen soll und damit eher von einer Profitmotivation als Altruismus geprägt ist (vgl. allgemein Beckert 2005: 14). Dennoch wählen diese Brauereien eine Handlung (Unterstützung sozialer Zwecke), die einen Nutzen für andere mit sich bringt, zu Lasten der eigenen Gewinne. Das gilt aber nur, wenn der Absatz an Bierkästen durch die Aktion nicht steigt. Dann erzielt jede der Brauereien pro Kasten einen geringeren Gewinn im Vergleich zu einem Angebot ohne die Unterstützung sozialer Projekte. Diese methodenbasierte Perspektive wird nochmals im Methodenteil der Arbeit in Abschnitt 3.7 aufgegriffen.
2.8 Evaluation und Synthese der behandelten Theorieansätze
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methodenunabhängig nicht auszuschließen, dass Personen einer spezifisch oder allgemein empfundenen Verpflichtung folgen, die mit einer moralischen Befriedigung durch eine Zahlung einhergeht. Selbst die Befürwortung einer Steuer- oder Gebührenerhöhung zum Erhalt/Schutz einer Umweltressource kann der Motivation unterliegen, bindend etwas Gutes zu unterstützen.64 Diese Argumentation geht insgesamt von der Möglichkeit eines Sowohl-als-auch und nicht nur eines Entweder-oder aus. Zentral ist die bis hierhin begründete Vermutung, dass Zahlungsbereitschaften (neben Käufermotivationen) durch zwei verschiedene Formen einer wahrgenommenen moralischen Verpflichtung motiviert sind, die in der Literatur bisher nicht klar getrennt wurden. Während eine auf das spezifische Umweltgut bezogene Zahlungsverpflichtung nicht unmittelbar im Widerspruch zum Kanon nutzungsunabhängiger Werte von Umweltgütern stehen muss, ist eine unspezifische/allgemeine moralische Verpflichtung – ein moralisch aufgeladener Taste of Giving – problematisch, weil sie keine Verbindung zum Umweltgut aufweist. Wäre sie die alleinige Motivation der Zahlungsbereitschaft, würden sich Befragte auf hypothetischen Märkten in Umfragen lediglich moralische Befriedigung als Nebenprodukt einer moralischen Handlung kaufen, die darüber hinaus ein selektiver Anreiz zum Beitrag zur Bereitstellung eines kollektiven Umweltgutes wäre. Allerdings kann angenommen werden, dass auf (hypothetischen) Märkten eher ein Mix verschiedener Motivationen anzutreffen ist. Insgesamt lassen sich folgende Hypothesen benennen: Die Zahlungsbereitschaft für ein Umweltgut wird sowohl von einer umweltgutspezifischen moralischen Verpflichtung als auch von einer allgemeinen/unspezifischen moralischen Verpflichtung beeinflusst. Je stärker eine umweltgutspezifische oder allgemeine/unspezifische moralische Verpflichtung zur Zahlung ausgeprägt ist, desto wahrscheinlicher ist eine Zahlungsbereitschaft und desto höher sind die Zahlungsbeträge für ein Umweltgut. 2.8 Evaluation und Synthese der behandelten Theorieansätze Im weiteren Verlauf werden die behandelten theoretischen Zugänge zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften in einem ersten Schritt kritisch beleuchtet (Abschnitt 2.8.1). Dabei wird vor allem die theoretische Erklärungskraft der verschiedenen Modelle diskutiert, evaluiert und zueinander in Beziehung gesetzt. Ausgehend von dieser kritischen Auseinandersetzung wird in einem zweiten Schritt (Abschnitt 2.8.2) eine Synthese der behandelten Erklärungsansätze angestrebt.
64
Aus individueller Perspektive gesehen ist eine lebenslange bzw. mehrjährige freiwillige Verpflichtung zur Einzahlung in einen Fond ebenso bindend wie eine Steuererhöhung zum Zwecke der Förderung einer Umweltmaßnahme. Der Unterschied ist lediglich, dass bei Ersterem Personen eher die Notwendigkeit kollektiven Handelns – eines Beitrages vieler – in ihre Zahlungsentscheidung einbeziehen könnten, während bei Letzterem klar ist, dass alle eine erhöhte Steuer tragen müssten.
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2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
2.8.1 Einschätzung der theoretischen Erklärungskraft der behandelten Ansätze Die in den vorangegangenen Abschnitten behandelten theoretischen Zugänge haben unterschiedliche Fragestellungen zur Grundlage. Das liegt vor allem daran, dass sie nicht unmittelbar für Zahlungsbereitschaftsanalysen, sondern in erster Linie zur Erklärung anderer Tatbestände konzipiert wurden. Ihre potenzielle Verwendung zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften resultiert aus der empirischen „Erklärungsschwäche“ des ökonomischen Grundmodells. Von ÖkonomInnen wird überwiegend lediglich die Methode zur Messung von Zahlungsbereitschaften als ungenügend wahrgenommen, nicht aber die theoretische Basis angezweifelt. Die Schlussfolgerung daraus würde überspitzt formuliert lauten: In Umfragen muss sichergestellt werden, dass für kollektive Umweltgüter ein hypothetischer Markt konstruiert wird, der mit einem realen Markt für private Güter identisch ist. Dieses Ziel wird man jedoch nie ganz erfüllen können („naturgemäße Grenzen“ der Umfrageforschung, mehr dazu in Kapitel 3). Eine Evaluation der theoretischen Erklärungszugänge ist ein schwieriges Unterfangen. Das liegt nicht zuletzt an der zum Teil widersprüchlichen und uneinheitlichen Verwendung folgender Termini im Kontext individueller Zahlungsbereitschaften für kollektive Umweltgüter: Beitragsmodell, persönliche Norm, moralische Befriedigung und Altruismus. Auf diese Uneinheitlichkeiten wird noch einzugehen sein. Zunächst wird die in Abschnitt 2.2 vollzogene Einordnung der theoretischen Erklärungszugänge in Käufermodell, zum Käufermodell komplementäre Ansätze und Beitragsmodell wieder aufgegriffen. Abbildung 2.12 gibt einen Überblick. Die Einordnung dient als roter Faden für die theoretische Evaluation. Abbildung 2.12: Käufermodell
x Wohlfahrtstheoretische Grundlagen
Einordnung der Erklärungsansätze zwischen Kauf und Beitrag zum Käufermodell komplementär
Beitragsmodell
x Allgemeines Umweltbewusstsein (Low-Cost-Hypothese)
x Theorien kollektiven Handelns (Dilemmabewusstsein)
x Theorie geplanten Handelns
x Zahlungsbereitschaft als Einstellung (Hypothese vom Kauf moralischer Befriedigung) x Erweitertes Normaktivierungsmodell
x Zahlungsbereitschaft als moralisches Handeln (umweltgutspezifische und unspezifische moralische Verpflichtung)
Das wohlfahrtstheoretische Grundmodell der Zahlungsbereitschaft ist im Zusammenhang mit der Herleitung der Wohlfahrtsmaße ein in der Ökonomik bewährtes theoretisches Konzept, das auf präzisen Annahmen beruht. Im Kontext der Ermittlung individueller Zah-
2.8 Evaluation und Synthese der behandelten Theorieansätze
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lungsbereitschaften für kollektive Umweltgüter sind insbesondere mit Blick auf hypothetische Märkte in Umfragen zwei Aspekte kritisch: Zum einen ist eine empirische Erklärungsschwäche anzuführen, d.h. die zentrale Variable des Einkommens hat eine vergleichsweise geringe Erklärungskraft. Zum anderen wird mitunter angezweifelt, dass Personen in Umfragen ihre Präferenzen für Umweltgüter äußern und einer Nutzenmaximierung folgen. Dieser Aspekt wird vor allem in Verbindung mit Handlungsmotivationen diskutiert. Der Ausgangspunkt des ökonomischen Grundmodells ist implizit, dass Personen sich ein Umweltgut ihrer Wertschätzung entsprechend kaufen. Trifft dies zu, können darüber hinaus mit theoretischen Konzepten wie der Theorie geplanten Handelns und der Low-Cost-Hypothese zusätzliche Informationen über diese Kaufentscheidung gewonnen werden. Mit der Theorie geplanten Handelns von Ajzen (1991) wird der Anspruch erhoben, soziale und psychologische Kosten/Nutzen der Verhaltensausführung einer Zahlung für Umweltgüter zu erklären (u.a. in Folge einer Einstellung gegenüber dem Verhalten „Zahlungsbereitschaft“). Diese Kosten und Nutzen können dann als Komplement zum ökonomischen Wert eines Gutes gesehen werden, sind aber strikt von Letzterem zu trennen.65 In erster Linie kann mit dem Modell ermittelt werden, inwieweit der Zahlungsbereitschaft auf hypothetischen Märkten eine Verhaltensintention unterliegt. Ließe sich das Modell empirisch bestätigen, spräche dies für die Konstrukt-Validität der ökonomischen Bewertung (Meyerhoff 2004: 58/59). Auf einer allgemeinen Ebene lassen sich nach Diekmann (1996: 96) für die subjektive Wert-Erwartungs-Theorie (SEU), der auch die Theorie geplanten Handelns zugeordnet werden kann, mindestens zwei Problembereiche benennen:66 (1) Handlungsrestriktionen: Veränderungen der Handlungsrestriktionen und ihre Auswirkung auf das Handeln können nicht „systematisch prognostiziert werden“. Zwar werden Handlungsrestriktionen oftmals indirekt ermittelt (vgl. z.B. die wahrgenommene Verhaltenskontrolle bei Ajzen), sie erlangen aber längst keine Aussagekraft wie in gängigen ökonomischen Modellen. Man denke beispielsweise an die Rolle von Einkommensänderungen für die Handlungsausführung. (2) Geringes Deduktionspotenzial: Eine zentrale Anforderung an theoretische Modelle ist, dass neue Hypothesen ableitbar sind. Bei einer direkten Anwendung der SEU-Theorie wird dem nicht Rechnung getragen. Eine Schwäche ist beispielsweise, dass „keine Hypothesen zu den Effekten von Restriktionsänderungen auf das Verhalten ableitbar sind“ (vgl. dazu den ersten Punkt). Es muss auch die grundsätzliche Frage gestellt werden, welchen Erkenntnisgewinn die Theorie geplanten Handelns liefert. Was bedeutet es, wenn ich weiß, dass z.B. die subjektive Norm und die wahrgenommene Verhaltenskontrolle die Zahlungsbereitschaft beeinflussen, wenn zudem argumentiert wird, diese Ergebnisse als Komplement zumindest nicht konkurrierend zur ökonomischen Bewertung zu sehen. Unter diesen Bedingungen liegt ein im Vergleich zu ökonomischen Modellen, die situationale Erklärungsfaktoren wie den Grad der Nutzung des Gutes oder das Einkommen in den Vordergrund stellen, recht komplexes Erklärungsmodell vor, das auch eine Komplexität politischer Entscheidungen nahe legt, sofern, wie bei der Zahlungsbereitschaftsanalyse zutreffend, politische Empfehlungen gegeben werden sollen (vgl. allgemein Preisendörfer 2000). Zudem werden in den Modellen jeweils spezifische Einstellungen (hier zur Zahlung) im Zusammenhang mit einem spezifischen 65 66
Es bleibt nochmals darauf hinzuweisen, dass Ajzen und Peterson (1988) darüber hinaus vor allem traditionelle Einstellungsmaße (Einstellungen gegenüber dem Umweltgut) und somit den psychologischen Wert eines Gutes als Komplement zur ökonomischen Bewertung (der Zahlungsbereitschaft) ansehen. Diekmann diskutiert auch messtheoretische Probleme, die aber an dieser Stelle ausgespart werden.
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2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
Verhalten betrachtet. Die Aussagekraft ist damit eher als gering einzustufen, denn Ziel von Theoriebildung ist es, mit wenigen allgemeinen Annahmen unterschiedliche Tatbestände erklären zu können (vgl. Bamberg 2003). Es wären daher allgemeine Einstellungskonzepte von Vorteil, die Verhalten in verschiedenen Situationen erklären können – z.B. die Wirkung des allgemeinen Umweltbewusstseins auf unterschiedliches Umwelthandeln. Mit Blick auf das allgemeine Umweltbewusstsein gibt es Ansätze, die von einem indirekten Einfluss auf Umwelthandeln ausgehen und in denen beispielsweise die Determinanten der Theorie geplanten Handelns diesen Einfluss moderieren (vgl. eine Studie von Bamberg 2003). Damit sind aber die oben genannten theoretischen Schwächen nicht aus der Welt geschafft (z.B. eine geringe Aussagekraft). Aus theoretischer Sicht scheinen Erklärungsansätze wie die Low-Cost-Hypothese von Diekmann und Preisendörfer (1998, 2003) fruchtbarer, obwohl auch sie Problemen unterliegt. Hierbei kennzeichnen/moderieren (strukturelle) Verhaltenskosten die Effekte des Umweltbewusstseins auf Umwelthandeln und damit auf die Zahlungsbereitschaft für Umweltgüter. Dabei wird beispielsweise angenommen, dass Verhaltenskosten, etwa die zentrale Einkommensvariable, nicht nur einen direkten, sondern auch einen indirekten Effekt – als moderierende Variable – auf die Zahlungsbereitschaft haben. Problematisch ist die „relativ ungenaue Bestimmung“, ab wann eigentlich von Niedrigkostensituationen in Abgrenzung zu Hochkostensituationen die Rede sein kann. Diese Abgrenzung muss analytisch ex ante vollzogen werden und nicht nur ex post, was eine Tautologiegefahr in sich birgt. Kritische Überlegungen zu Niedrigkostensituationen bzw. deren Handhabung in Rational Choice-Modellierungen normkonformen Verhaltens finden sich beispielsweise bei Quandt und Ohr (2004). Sie vermissen unter anderem den theoretischen Kern der Low-CostHypothese von Diekmann und Preisendörfer, der über die (vermutlich aus ihrer Sicht recht triviale) Aussage hinausgeht, dass die „Anreizstärke“ von Umwelteinstellungen geringer ist als diejenige ökonomischer Anreize, und Umwelteinstellungen in Abhängigkeit von den Verhaltenskosten wirken. Quandt und Ohr gehen einen Schritt weiter und entwickeln ein Modell von Entscheidungsverhalten/-modi (rational-kalkulierend versus automatischspontan) in Anlehnung an Essers Konzept von Habits und Frames. Unter Berücksichtigung von Informations- und Entscheidungskosten werden in dem Modell Niedrigkostensituationen in den Rational Choice-Rahmen „zurückgeholt“ und vor allem analytische Grenzen für das Entscheidungsverhalten bestimmbar. Allerdings räumen die Autoren selbst ein, dass sich empirische Überprüfungen ihrer theoretischen Bemühungen als schwierig erweisen werden (Quandt und Ohr 2004: 702). Die kritischen Einwände gegenüber der Low-Cost-Hypothese und der Modellierung von Niedrigkostensituationen in Rational Choice-Ansätzen sind in jedem Fall gewichtig. In der vorliegenden Studie wurden Niedrigkostensituationen direkt anhand der materiellen (Einkommen) und nicht-materiellen Verhaltenskosten (Normen) definiert. Allerdings kann Umweltbewusstsein selbst als eine Norm/Werthaltung begriffen werden, sodass spezifische Normen den Einfluss allgemeiner Werthaltungen moderieren würden. Dies korrespondiert heuristisch mit der oben angesprochenen Vorgehensweise, in der das Umweltbewusstsein über die Determinanten der Theorie geplanten Handelns wirkt. Trotz der theoretischen Defizite lässt sich argumentieren, dass die Low-Cost-Hypothese von ihrer theoretischen Anlage her der Theorie geplanten Handelns vorzuziehen ist, sofern die Bedeutung von Einstellungen für die Zahlungsbereitschaft ermittelt werden soll. Mit ihr kann die Wirkung von allgemeinem Umweltbewusstsein über strukturelle Verhaltenskosten erklärt werden,
2.8 Evaluation und Synthese der behandelten Theorieansätze
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was insbesondere mit Blick auf die zentrale Einkommensvariable die Komplexität anderer Einstellungs-Verhaltens-Modelle wesentlich reduziert und eine höhere Aussagekraft gewährleistet. Die Low-Cost-Hypothese stellt ein Komplement zur Idee des Kaufs kollektiver Umweltgüter dar, weil sie im engeren Sinne unter Ausblendung der normativen Verhaltenskosten besagt, dass das Einkommen neben einem direkten Effekt auf die Zahlungsbereitschaft auch die Wirkung des allgemeinen Umweltbewusstseins moderiert. Die Überlegungen zu den Theorien kollektiven Handelns (zum Dilemmabewusstsein), zur Hypothese vom Kauf moralischer Befriedigung und zum erweiterten Normaktivierungsmodell lassen sich unter dem Stichwort Beitragsmodell einordnen. Hierzu zählen partiell auch die Ausarbeitungen zur Zahlungsbereitschaft als altruistisches moralisches Handeln. Im Rahmen eines Beitragmodells wird angenommen, dass sich Personen nicht ein – auf einem hypothetischen Markt angebotenes – Umweltgut kaufen, sondern Zahlungsbereitschaften eher als spendenähnliche Beiträge aufzufassen sind (Spash 2000a). Diese könnten mit (stabilen) Einstellungen, aber nicht mit stabilen Präferenzen einhergehen. Personen möchten etwas zu einer guten Sache beitragen, an der sich auch andere beteiligen. Der letzte Punkt wird nicht immer explizit gemacht. Er fokussiert aber die Notwendigkeit kollektiven Handelns bei der Bereitstellung eines Umweltgutes (Blamey 1998b: 51ff.), d.h. Personen sehen mitunter ihre Zahlungsbereitschaft als Beitrag zu einem Kollektivgut. Damit werden die gängigen Probleme kollektiven Handelns angesprochen (v.a. das Trittbrettfahrerproblem). In den theoretischen Ausarbeitungen wurde dieser Aspekt primär mit dem Konzept des Dilemmabewusstseins behandelt. Die Dilemma-Hypothese besagt, dass Personen, die den Umweltschutz als ein soziales Dilemma wahrnehmen, sich eher nicht zahlungsbereit äußern als Personen, die keine Dilemmastruktur wahrnehmen. Die Hypothese soll vor allem den empirischen Befunden Rechnung tragen, dass sich einige Personen in Kollektivgutsituationen kooperativ zeigen, während man eigentlich theoretisch nichtkooperatives Handeln erwarten würde. Die Plausibilität der Dilemma-Hypothese, die in der Zahlungsbereitschaftsanalyse ein Novum darstellt, ist sicherlich ihre Stärke. Die vergleichsweise unpräzise theoretische Fundierung ist zugegebenermaßen ihre Schwäche. Die Hypothese hat eher einen empirisch ausgerichteten, forschungspragmatischen Charakter. Sie soll in diesem Sinne individuelle Zahlungsbereitschaftsentscheidungen im Kontext kollektiven Handelns aufhellen. Das Beitragsmodell hat seinen Ursprung in den Arbeiten der Forschungsgruppe um Kahneman (u.a. Kahneman und Ritov 1994). Sie interpretieren die Zahlungsbereitschaft für Umweltgüter – insbesondere mit Bezug auf nutzungsunabhängige Wertschätzungen – als Einstellung gegenüber einem Umweltgut bzw. dem dahinter liegenden Umweltproblem. Hiernach ist ein monetärer Wert nur ein Maß unter vielen für ein und dieselbe Einstellung. Äquivalente Maße sind beispielsweise die empfundene moralische Befriedigung durch eine Zahlung, die Unterstützung von Maßnahmen zur Veränderung der Umweltqualität oder die wahrgenommene Wichtigkeit des Umweltgutes(/-problems). Solche Einstellungen folgen nicht zwingend der Logik von Präferenzen. Man denke an Framing-Effekte. Die Forschungsgruppe um Kahneman hat eine Reihe von empirischen Studien vorgelegt, um ihre Behauptungen zu stützen. Diese Studien erfüllen allerdings nicht die methodischen Anforderungen der ökonomischen Bewertung (genaue Beschreibung der Umweltveränderung usw., dazu mehr im Kapitel 3). Insgesamt bleibt die Einstellung-versus-Präferenzen-Frage nicht zuletzt eine empirische Frage.
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2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
Die Ausführungen von Kahneman und Knetsch (1992) zur Hypothese vom Kauf moralischer Befriedigung sind etwas uneinheitlich. Diese Schwäche wurde bereits im Abschnitt 2.7 diskutiert. Kahneman und Knetsch verweisen etwa auf die Arbeiten von Andreoni (1989, 1990) zum „Warm Glow of Giving“, die aber von präferenzgeleitetem Handeln ausgehen. Würde man dennoch eine Konsistenz der beiden Überlegungen unterstellen, so betrachten Kahneman und Knetsch lediglich einen Spezialfall in Andreonis Modell, in dem der Beitrag zu einem Kollektivgut (hier „charity“) allein mit dem Ziel des Gefühls erfolgt, etwas Gutes getan zu haben. Der Verweis von Kahneman und Knetsch auf Andreoni soll an dieser Stelle nicht überbewertet werden. Er zeigt jedoch exemplarisch die Uneinheitlichkeit in der Bewertungsliteratur mit Blick auf den „Warm Glow“, moralische Befriedigung und persönliche Normen. Es hat den Anschein, dass Begriffe wie „personal norm“, „moral obligation“, „moral satisfaction“ und „warm glow“ als Synonyme für ein und dasselbe verwendet werden. Zumindest fehlt in der Regel eine Definition dieser Begriffe. Das ist auch der entscheidende Kritikpunkt an der Verwendung des Normaktivierungsmodells in Zahlungsbereitschaftsanalysen. Daneben hat das Normaktivierungsmodell die Schwäche, dass der sequenzielle Charakter der Normaktivierung unterschiedlich ausgelegt wird bzw. keine Einheitlichkeit bei der Spezifizierung individueller Entscheidungsschritte vorliegt. Der Schwerpunkt der Kritik ist jedoch die Frage: Was ist eigentlich die zu aktivierende Norm? Blamey (1998a: 679, 1998b: 50) verbindet die persönliche Norm u.a. mit moralischer Befriedigung und mit dem Gefühl, etwas Gutes zu tun. Guagnano et al. (1994: 412) spezifizieren die Norm überhaupt nicht, sondern sprechen unreflektiert von einer „moral norm“. Sie kritisieren ferner Kahneman und Knetsch darin, dass diese Zahlungsbereitschaften mit der Hypothese vom Kauf moralischer Befriedigung egoistisch motiviert erklären. Um dieses Wirrwarr der Begrifflichkeiten aufzulösen, bietet sich ein Blick in die Originalarbeit von Schwartz an. Darin wird in Verbindung mit übergeordneten Werthaltungen primär „the feeling of moral obligation“ angesprochen (Schwartz 1977, Schwartz und Howard 1982). Diese moralische Verpflichtung bezieht sich auf ein bestimmtes Verhalten – hier der Zahlungsbereitschaft für ein bestimmtes Umweltgut. Die persönliche (übergeordnete) Norm selbst ist schwerlich zu bestimmen und zu definieren bzw. zu operationalisieren. Dennoch kommt die moralische Verpflichtung der angesprochenen Norm – auch hinsichtlich der empirischen Messbarkeit – am nächsten. Sie ist Hauptbestandteil des „motivation step“ in der Normaktivierung (Schwartz und Howard 1982: 333). Diese moralische Verpflichtung kann mit Bezug auf ein Verhalten stabil sein oder in Situationen konstruiert werden. Es ist aber anzunehmen, dass sie generell einer Anbindung an allgemeine Werthaltungen, normativen Überzeugungen von Akteuren unterliegt. Die begrifflichen Uneinheitlichkeiten könnten überwunden werden, wenn man sich auf den Standpunkt einigte, dass moralische Befriedigung und „Warm Glow“ nur ein Nebenprodukt einer moralisch „richtig empfundenen“ Handlung sein können, d.h. die unterschiedlichen Begriffe meinen ein und dasselbe mit einem gemeinsamen normativen Kern (vgl. zur Nebenprodukt-These Khalil 2004: 107). Freilich bleibt die persönliche (übergeordnete) Norm etwas vage. Sie und die angesprochenen Gefühle können aber in der wahrgenommenen moralischen Verpflichtung gebündelt werden. Das gilt für die Arbeiten von Kahneman, Andreoni und die Vertreter des Normaktivierungsmodells. Auf der Basis dieser Grundannahme wurden in den theoretischen Überlegungen zwei moralische Handlungsmotivationen mit Blick auf die Zahlungsbereitschaft herausgestellt. Diese zwei Motivationen sollen auch eine zweite Uneinheitlichkeit in der Literatur überwinden. Dabei handelt es sich
2.8 Evaluation und Synthese der behandelten Theorieansätze
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um den Umstand, dass „Warm Glow“ zum einen spezifisch und zum anderen allgemein erfasst wird. Dieser empirische Unterschied in den Arbeiten von Kahneman und Knetsch (1992) sowie Nunes und Schokkaert (2003) knüpft aber auch an theoretische Überlegungen an. In diesem Zusammenhang wurden präferenzgeleitete Arbeiten zur freiwilligen Bereitstellung kollektiver Güter und altruistischen Handelns diskutiert. Die Diskussion mündete in die (analytische) Unterscheidung einer auf das Umweltgut gerichteten moralischen Zahlungsverpflichtung und einer unspezifischen moralischen Zahlungsverpflichtung, irgendetwas Gutes zu tun. Dabei wurde angenommen, dass eine spezifische Zahlungsverpflichtung, die durchaus mit der moralischen Befriedigung (als Nebenprodukt) bei Kahneman und Knetsch (1992) korrespondiert, nicht überzeugend von nutzungsunabhängigen Wertschätzungen von Umweltgütern wie dem Existenz- und Vererbungsnutzen zu trennen ist. Die unspezifische moralische Verpflichtung bezieht sich hingegen tatsächlich eher auf einen „Taste of Giving“, der moralisch aufgeladen ist und bei dem es keinen Unterschied macht, für welches Umweltgut Befragte etwas zahlen sollen. Es wurde postuliert, dass im Zusammenhang mit Käufermotivationen diese beiden moralischen Handlungsmotivationen auf hypothetischen, aber auch realen Märkten vorliegen. Dabei handelt es sich insgesamt um theoretische Vermutungen, die nicht aus einem ausgearbeiteten Modell hergeleitet werden können. Zudem ist eine Schwäche unverkennbar. Das Postulat verschiedener moralischer (und weiter gefasst: altruistischer) Handlungsmotivationen beinhaltet für sich genommen im Rahmen eines Rational Choice-Ansatzes die Gefahr einer Immunisierung, die in eine empirische Gehaltlosigkeit mündet (vgl. allgemein Kirchgässner 1991: 59ff.). Dann wäre jede Handlung in einem gewissen Sinne rational. Das trifft insbesondere im Zusammenhang mit psychischen Kosten einer Normabweichung zu. Eine Vielzahl an Arbeiten geht von multiplen Präferenzen und Nutzen aus (u.a. auch Sen 1977, Margolis 1982), die im Endergebnis in irgendeiner Form in einer übergeordneten „Nutzenbetrachtung“ eingebunden sind (Etzioni 1986: 166), d.h. wiederum an gängige Modellierungen anknüpfen. Ein konsensfähiges theoretisches Modell zur Rolle moralischen Handelns gibt es bisher nicht und bleibt eine Aufgabe für künftige Arbeiten. Es handelt sich um ein zentrales Erklärungsproblem von Rational Choice-Theorien (siehe auch Elster 1989a, 1989b). Die hier behandelte spezifische und unspezifische moralische Verpflichtung sind mit Blick auf Zahlungsbereitschaften für Umweltgüter als technische Termini anzusehen, die es erleichtern sollen, zwei Motivationen voneinander abzugrenzen. Dabei ist die spezifische Verpflichtung, im Sinne eines Commitments, das Richtige zu tun, nicht zwingend von nutzungsunabhängigen Wertschätzungen für ein Umweltgut zu trennen. Sie besagt lediglich, dass der Nutzen aus einer Zahlung, z.B. um biologische Vielfalt für zukünftige Generationen zu erhalten, moralisch aufgeladen ist. Demgegenüber entspricht die unspezifische moralische Verpflichtung einem moralisch aufgeladenen „Taste of Giving“. Der Nutzen aus einer Zahlung ist hierbei lediglich das Gefühl/Wissen, irgendetwas Gutes getan zu haben. Eine wichtige Frage ist sicherlich, welchen Logiken beide Motivationen/Verpflichtungen folgen, d.h. inwieweit sie mit der Axiomatik von Rational Choice-Entscheidungen in Einklang stehen. In der Zahlungsbereitschaftsanalyse müssten hierzu geeignete Experimente durchgeführt werden, die auf die grundlegenden Eigenschaften von Präferenzen abzielen. Zusammenfassend kann, wenig überraschend, festgehalten werden, dass jeder der behandelten theoretischen Erklärungszugänge mit Schwächen behaftet ist. Neben den wohlfahrtstheoretischen Grundlagen der Zahlungsbereitschaft erscheinen dennoch aus einer theoretischen Sicht das Konzept des Dilemmabewusstseins, die Low-Cost-Hypothese und die Überlegungen zur Zahlungsbereitschaft als moralisches Handeln eher zielführend als
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die Theorie geplanten Handelns und das Normaktivierungsmodell. Im nächsten Abschnitt wird eine Synthese der behandelten Erklärungsansätze angestrebt. 2.8.2 Synthese der behandelten Ansätze Die Betrachtung verschiedener Theorieansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften für kollektive Umweltgüter wird an dieser Stelle mit einer Zusammenführung der einzelnen Theorien abgeschlossen. Dabei stehen die Erklärungsdeterminanten im Mittelpunkt. Zum einen wird die im vorhergehenden Abschnitt geführte Diskussion zu (moralischen/normativen) Handlungsmotivationen nochmals verdichtet. Zum anderen werden die einzelnen Erklärungsdeterminanten der theoretischen Ansätze „inhaltlich übergeordneten Faktorenblöcken“ zugeordnet. Trotz der spezifischen Fragestellungen der jeweiligen Fachdisziplinen Ökonomie, Soziologie und Sozialpsychologie gibt es doch eine Schnittmenge, sodass in den verschiedenen Erklärungsansätzen zum Teil dieselben erklärenden Variablen behandelt werden. Interessant, insbesondere mit Bezug auf die zu erwartenden empirischen Ergebnisse, ist die angenommene Wirkung der einzelnen Determinanten. Am auffälligsten ist hierbei die Rolle einer persönlichen Norm zur Zahlung, die sich gemäß den theoretischen Überlegungen in einer moralischen Verpflichtung zur Zahlung (z.B. im Normaktivierungsmodell) ausdrückt. Im Prinzip gibt es zwei Erklärungsansätze, in denen diese Norm direkt auf die Zahlungsentscheidung wirkt: Zum einen in der These vom Kauf moralischer Befriedigung, wobei eine nicht-kausale Wirkung postuliert wird, da sowohl die Norm – hier mit der moralischen Befriedigung als Nebenprodukt – als auch die Zahlungsbereitschaft als ein Maß für ein und dieselbe Einstellung angesehen werden; zum anderen in den Überlegungen zur Zahlungsbereitschaft als moralisches Handeln, wobei eine Kausalität angenommen wird. Im Rahmen der Low-Cost-Hypothese hingegen moderiert u.a. die moralische Verpflichtung den Effekt des Umweltbewusstseins auf die Zahlungsbereitschaft. Im Normaktivierungsmodell wiederum entfaltet die persönliche Norm ihre Wirkung, wenn eine Reihe an Nebenbedingungen erfüllt ist. Neben dieser spezifischen Norm wurde eine unspezifische moralische Verpflichtung, (irgend)etwas Gutes zu tun, herausgearbeitet. Sie korrespondiert mit einem moralisch aufgeladenen „Taste of Giving“ und einem Warm Glow, das Gefühl, etwas Gutes zu tun, das an mehreren Stellen in der Literatur zu finden ist. Unter Vernachlässigung der moderierenden Effekte persönlicher Normen ergibt sich mit Bezug auf die zentralen Handlungsmotivationen eine übergeordnete, zusammenführende Sicht, wie sie in Tabelle 2.8 wiedergegeben ist. Ausgangspunkt für die Zusammenführung ist das ökonomische Grundmodell und die Annahme, dass sich Personen in Verbindung mit ihren nutzungsabhängigen und nutzungsunabhängigen Wertschätzungen ein Umweltgut kaufen. Das kann als Käufermotivation bezeichnet werden. Ist darüber hinaus eine spezifische moralische Verpflichtung für die Zahlungsbereitschaft relevant, könnte von einem beitragenden Kauf I gesprochen werden. Das gilt in dieser Form aber nur für die theoretischen Überlegungen zur Zahlungsbereitschaft als moralisches Handeln, da hierin implizit ein Sowohl-als-auch von Käufer- und Beitragsmotivation und nicht ein Entweder-oder angesprochen wird. Grundüberlegung war, dass Handlungsmotivationen vielfältig sind. Die spezifische moralische Handlungsmotivation gibt dann komplementäre, zusätzliche Informationen zur Kaufentscheidung. Im Norm-
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2.8 Evaluation und Synthese der behandelten Theorieansätze
aktivierungsmodell und in der Hypothese vom Kauf moralischer Befriedigung würde die spezifische moralische Befriedigung eine Zahlungsbereitschaft vollständig determinieren bzw. könnte mit ihr gleich gesetzt werden. Es wurden einige Gründe angeführt, warum das nicht zwingend der Fall sein muss. Tabelle 2.8:
Zahlungsmotivationen und Handlungstypen Zahlungsmotivationen
Käufermotivation
Spezifische moralische Verpflichtung
Unspezifische/allgemeine moralische Verpflichtung
X
Handlungstyp
Kauf
(X)
X
(X)
X
Beitragender Kauf I X
Beitragender Kauf II
X
Beitrag
Betrachtet man ferner die unspezifische moralische Verpflichtung, (irgend)etwas Gutes zu tun, ergibt sich ein weiterer Handlungstyp eines beitragenden Kaufs II. Wäre allein die unspezifische Zahlungsmotivation handlungsrelevant, handelt es sich um einen reinen Beitrag. Personen möchten hier lediglich zu einer guten Sache beitragen, wobei es kein Unterschied macht, welches Umweltgut bewertet werden soll. In den theoretischen Ausführungen wurde gezeigt, dass bei einigen theoretischen Konzepten unklar bleibt, ob dieser reine Beitrag gemeint ist, obwohl er nicht expliziert wird (z.B. in der Hypothese vom Kauf moralischer Befriedigung). Bei einem Blick auf die Zahlungsmotivationen und Handlungstypen ist die Vermutung nahe liegend und plausibel, dass auf hypothetischen Märkten am ehesten der Handlungstyp „beitragender Kauf II“ anzutreffen sein sollte. Zudem gehen verschiedene theoretische Überlegungen in diesem Handlungstyp auf. In einer weiter gefassten Beitragsperspektive könnte im Anschluss an die Theorien kollektiven Handelns das Konzept des Dilemmabewusstseins allen Handlungstypen, außer dem Kauf, zugeordnet werden. Das hieße, es wären jeweils zusätzlich Aspekte kollektiven Handelns zu berücksichtigen (auch im erweiterten Normaktivierungsmodell). Insgesamt wird deutlich, dass die beiden moralischen Zahlungsmotivationen für sich genommen bereits eine (grobe) Syntheseleistung erbringen. Ähnlich wie bei der persönlichen Norm gibt es auch zwei verschiedene Annahmen über die Wirkungsweise der subjektiven Norm. Die subjektive Norm korrespondiert mit einer sozialen Norm. Dennoch wird hier eher zum Gegenstand, ob sich Individuen ihrer subjektiven Einschätzung nach in einem sozialen Umfeld bewegen, das Zahlungen für Umweltgüter positiv oder negativ sanktioniert. In der Theorie geplanten Handelns wirkt die subjektive Norm unmittelbar auf die Zahlungsentscheidung. Im Rahmen der Low-Cost-Hypothese hingegen beeinflusst sie den Effekt von Umweltbewusstsein auf die Zahlungsbereitschaft. Grundsätzlich ist anzumerken, dass angenommene direkte und moderierende Effekte von Erklärungsdeterminanten sich nicht gegenseitig ausschließen. Es ist nicht zuletzt eine empirische Frage,
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2 Theoretische Ansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften
welche Erklärungskraft die einzelnen Modelle haben und inwieweit es unterschiedliche Einflüsse ein und derselben Variable gibt. Es kann neben einem Vergleich der Modelle auch eine übergeordnete Perspektive angestrebt werden, die die einzelnen Erklärungsdeterminanten aufnimmt. Diese Determinanten lassen sich in „Faktorenblöcke“ zusammenführen, die jeweils einen inhaltlichen Aspekt aufgreifen. Dafür bietet sich die folgende Einordnung in vier Faktorenblöcke an: a. b. c. d.
Ökonomische Faktoren: Einkommen, Nutzung des Umweltgutes, wahrgenommene Verhaltenskontrolle, Faktoren kollektiven Handelns: Dilemmabewusstsein, Vertrauen in Institutionen und in andere Personen, Einstellungsbezogene Faktoren: Einstellung gegenüber dem Umweltgut und Einstellung gegenüber der Zahlungshandlung, Umweltbewusstsein, Normative Faktoren: spezifische und unspezifische moralische Verpflichtung, subjektive Norm.
Der erste Block umspannt ökonomische Faktoren. Zentrale Variablen sind hier das Einkommen und die Nutzung eines Umweltgutes mit Blick auf nutzungsabhängige Wertschätzungen. Da in der Theorie geplanten Handelns mit der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle auch monetäre Möglichkeiten einer Verhaltensausführung gemeint sind, kann diese Determinante (etwas salopp) zu den ökonomischen Faktoren gezählt werden. Der zweite Block beinhaltet mit dem Dilemmabewusstsein, dem Vertrauen in Institutionen und dem Vertrauen in andere Personen Faktoren kollektiven Handelns. Die Vertrauensaspekte resultieren dabei aus dem erweiterten Normaktivierungsmodell. Der dritte Block umfasst die einstellungsbezogenen Faktoren, zum einen spezifische Einstellungen – Einstellungen gegenüber dem Umweltgut/der Umweltmaßnahme – und zum anderen allgemeine Einstellungen – hier das allgemeine Umweltbewusstsein. Der vierte Block schließlich fasst die normativen Faktoren zusammen, d.h. die spezifische und unspezifische moralische Verpflichtung sowie die subjektive Norm.
2.8 Evaluation und Synthese der behandelten Theorieansätze
105
3 Methoden zur Messung der Zahlungsbereitschaft
Das Ziel dieses Kapitels besteht darin, die Methoden zur Ermittlung individueller Zahlungsbereitschaften bzw. der ökonomischen Bewertung kollektiver Umweltgüter vorzustellen, ausgewählte methodische Probleme zu diskutieren und einen Methodenvergleich vorzunehmen. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf den so genannten direkten Bewertungsmethoden, die in einem ersten Schritt von indirekten Methoden wie der Reisekostenanalyse abgegrenzt werden und sich durch die Errichtung hypothetischer Märkte in Umfragen kennzeichnen (Abschnitt 3.1). Direkte Methoden stehen im Mittelpunkt der Betrachtung, weil nur mit ihnen der ökonomische Gesamtwert eines nichtmarktfähigen Umweltgutes messbar ist, d.h. nutzungsabhängige und nutzungsunabhängige Werte (vgl. Abschnitt 2.1). In einem zweiten Schritt wird die Errichtung hypothetischer Märkte in Umfragen beleuchtet, d.h. die Ausgestaltung des Bewertungsszenarios mit Blick auf die Beschreibung des Umweltgutes, die Bereitstellung des Umweltgutes und die Beschreibung der Zahlungsmethode (Abschnitt 3.2). Zwei zentrale Methoden werden in einem dritten Schritt eingehender abgehandelt: die Kontingente Bewertung und Choice Experimente (Abschnitte 3.3 und 3.4). Dabei gilt es, insbesondere den historischen Entstehungshintergrund und jeweils die methodischen Grundlagen darzulegen. Nachdem die Methoden der Kontingenten Bewertung und Choice Experimente schließlich anhand ihrer Vor- und Nachteile einander gegenübergestellt worden sind (Abschnitt 3.5), werden ausführlich die Reliabilität, Validität und Probleme bei der Anwendung dieser Methoden diskutiert (Abschnitt 3.6). Die Reliabilität und Validität werden in Abschnitt 3.6.1 behandelt. Einen Überblick zu methodischen Problemen/Verzerrungseffekten gibt der Abschnitt 3.6.2. Diese Probleme haben mitunter ihren Ursprung in Anomalien der ökonomisch-theoretischen Grundlagen von Zahlungsbereitschaftsanalysen und bestärken die Kritik an den Bewertungsmethoden. Zwei zentrale Problembereiche direkter Messungen der Zahlungsbereitschaft werden detaillierter aufgegriffen. Einerseits wird der so genannte Einbettungseffekt näher betrachtet, d.h. Zahlungsbereitschaften variieren kaum mit dem Umfang eines Gutes (Abschnitt 3.6.3). Andererseits wird auf das Problem der Protestantworten aufmerksam gemacht, und es werden verschiedene Herangehensweisen im Umgang mit solchen Antworten vorgestellt (Abschnitt 3.6.4). Protestantworten treten u.a. dann auf, wenn Befragte eine Zahlungsbereitschaft von null äußern, weil sie beispielsweise gegen die Ausgestaltung des hypothetischen Marktes protestieren, z.B. die Art, wie eine Zahlung geleistet werden soll (Fondbeitrag oder Steuern). Das Kapitel 3 schließt mit einer konzeptionellen Zusammenführung von Theorieansätzen zur Erklärung von Zahlungsbereitschaften und methodischen Problemen (Abschnitt 3.7). Neben der theoriegeleiteten Erklärung von Zahlungsbereitschaften (Kapitel 2) soll deutlich werden, welche methodischen Fragestellungen die in der vorliegenden Arbeit behandelten Theorieansätze „beantworten können“. Insgesamt bleibt vorweg anzumerken, dass sowohl die Methode der Kontingenten Bewertung als auch der Choice Experimente im empirischen Teil zur Bewertung der biologischen Vielfalt im Wald angewendet wird.
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3 Methoden zur Messung der Zahlungsbereitschaft
3.1 Indirekte versus direkte Bewertungsmethoden Im Kapitel 2 wurde dargestellt, dass Personen für Umweltgüter nutzungsabhängige und nutzungsunabhängige Wertschätzungen haben können. Unter der Annahme, dass sich Präferenzen für ein Umweltgut im Kauf von dazu komplementären Marktgütern ausdrücken, sind nutzungsabhängige Wertschätzungen indirekt am Marktverhalten von Personen beobachtbar (Freeman III 2003: 24). Beispielhaft seien zwei methodische Herangehensweisen dieser so genannten „Revealed Preference Methods“ (RP) kurz dargestellt: die Marktpreismethode/„Hedonic Pricing Method“ und die Reisekostenanalyse/„Travel Cost Method“.1 Bei der Marktpreismethode wird davon ausgegangen, dass der Gesamtpreis und somit die Wertschätzung eines Gutes in Einzelpreise für bestimmte Attribute dieses Gutes zerlegt werden kann (vgl. Pruckner 1995). Damit wird es möglich, Marktdaten von privaten Gütern zu untersuchen, die mit spezifischen Charakteristika eines Umweltgutes verbunden sind. Man stelle sich eine Person vor, die ein Haus erwerben möchte. Dieses Haus besitzt verschiedene Eigenschaften. Erstens lassen sich Attribute wie die Anzahl der Zimmer, das Baujahr und die Größe des Gartens benennen. Zweitens mag bei der Kaufentscheidung wichtig sein, in welcher Lage sich das Haus zur Arbeitsstätte, zu Einkaufsmöglichkeiten, zu Schuleinrichtungen befindet und inwieweit eine Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel gewährleistet ist. Drittens können auch Umwelteigenschaften relevant sein, so zum Beispiel die Lärmbelastung, die Luftqualität oder der landschaftliche Ausblick, den die Umgebung bietet. Nun könnte – unter sonst gleichen Umständen – der Kaufpreis für ein Haus höher liegen, wenn es sich in einer ruhigen Wohngegend befindet. Sollte einem Käufer eine ruhige Wohnlage wichtig sein, wird er wohl den erhöhten Kaufpreis zahlen. Die Differenz zum Kaufpreis eines Hauses mit stärkerer Lärmbelastung entspricht dann seiner Wertschätzung für diese Umwelteigenschaft. Mit einer solchen Vorgehensweise lässt sich die Zahlungsbereitschaft für eine Vielzahl an Umwelteigenschaften messen. In zwei Schritten wird zunächst ein hedonischer Preis für die Umweltqualität ermittelt: Die Häuserpreisfunktion wird nach der Umweltqualität „partiell abgeleitet“. Sodann werden die individuellen Zahlungsbereitschaften für Veränderungen der Umweltqualität untersucht (Pruckner 1995). Wertschätzungen für Umweltgüter werden in diesem Beispiel an Wohnungspreise (oder Mieten) gekoppelt.2 Kollektive Umweltgüter wie Wälder oder Naturparks sind mit Erholungsleistungen wie Wandern, Angeln, Berg-Klettern oder Skifahren verbunden. Um die Wertschätzung von Personen für solche Leistungen zu ermitteln, wurde insbesondere in den USA die Reisekostenmethode entwickelt. Dieser liegt die Idee zu Grunde, dass die „Reise zu Erholungsgebieten“ mit Aufwendungen wie Zeit und Geld verbunden ist, an denen sich individuelle nutzungsabhängige Wertschätzungen für Umweltgüter ermitteln lassen. Man nehme an, der Nutzen von Erholungsaktivitäten im Berchtesgadener Land soll geschätzt werden. Dabei wird vorausgesetzt, dass Personen nicht mehr für ihren Erholungsausflug ausgeben werden als den Nutzen, den sie daraus ziehen. Zunächst ist einsichtig, dass in der Regel die aktuellen Ausgaben der Besucher niedriger sind als jene, die sie maximal bereit sind zu zahlen. Jeder Besuch beinhaltet demnach eine Konsumentenrente, die sich in der maxima1 2
Die folgenden Erläuterungen und einige Beispiele zu den zwei Methoden basieren auf Hanley et al. (2001a: 53ff.). Eingehende Beschreibungen und Analysen finden sich auch bei Garrod und Willis (1999), Parsons (2003) sowie Taylor (2003). Hanley et al. (2001a: 54) machen deutlich, dass die Marktpreismethode weitestgehend methodisch gesichert lediglich für den Wohnungsmarkt angewendet werden kann/soll.
3.1 Indirekte versus direkte Bewertungsmethoden
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len Zahlungsbereitschaft im Vergleich zu den tatsächlichen Ausgaben ausdrückt. Anhand der Beziehung zwischen der Anzahl an Besuchen und den Reisekosten lassen sich die nutzungsabhängigen Wertschätzungen der Erholungssuchenden für das Umweltgut „Berchtesgadener Land“ erfassen. Hier würde man die Besucher beispielsweise nach der Länge ihres Anreiseweges, der Anzahl der Besuche in den letzten zwölf Monaten, ihrem Einkommen, den Erholungsaktivitäten und der Familiengröße fragen. Mithilfe dieser Informationen von allen Befragten kann eine Nachfragekurve in Abhängigkeit von der Anzahl der Besuche und den Kosten pro Besuch geschätzt werden. Die Reisekosten ergeben sich z.B. aus der Umrechnung der Anfahrtsdistanz in Euro. Dies kann unter Verwendung der Autokosten oder der Bahnpreise vorgenommen werden. Zusammenfassend lassen die privaten Kosten letztendlich einen Rückschluss auf die Zahlungsbereitschaft für das kollektive Umweltgut zu (Pruckner 1995). Sowohl die Marktpreis- als auch die Reisekostenmethode sind allerdings nur für die Ermittlung solcher Nutzen von Umweltgütern geeignet, die in einen direkten Zusammenhang mit Marktgütern gebracht werden können. Darüber hinaus ergeben sich zwei weitere zentrale Punkte: Zum einen ziehen die Besucher des Berchtesgadener Landes vielleicht zusätzlich einen Nutzen daraus, dass dieses Naturgebiet überhaupt existiert und für zukünftige Generationen erhalten werden soll (Existenz- und Vererbungsnutzen). Dieser Nutzen ließe sich mit der Reisekostenmethode nicht erfassen. Zum anderen hegen unter Umständen auch andere Personen, die das Gebiet nicht besuchen, solche nutzungsunabhängigen Wertschätzungen. Die Einsatzmöglichkeiten indirekter Bewertungsmethoden sind demnach eher begrenzt (vgl. Bennett und Blamey 2001a: 3, Boyle 2003: 266). Nutzungsunabhängige Werte und Werte für nichtmarktfähige Umweltgüter bei fehlenden komplementären Marktgütern können lediglich durch hypothetische Fragen ermittelt werden. Um dahin gehend den Gesamtnutzen bzw. den ökonomischen Gesamtwert eines Umweltgutes zu schätzen, bedarf es direkter Bewertungsmethoden wie den „Stated Preference Methods“ (SP). Im Gegensatz zu indirekten Bewertungsmethoden wird hierbei allerdings nicht tatsächliches Verhalten von Personen betrachtet, sondern vielmehr die Verhaltensintention (Hanley 2001a: 53). Bei Verwendung der SP wird in Umfragen ein hypothetischer Markt konstruiert. Personen werden direkt nach ihrer Verhaltensabsicht auf diesem Markt gefragt. Sie sollen z.B., sehr vereinfachend ausgedrückt, ihre Zahlungsbereitschaft in Euro für eine Verbesserung der Wasserqualität der Elbe angeben (Kontingente Bewertung). Der Zahlungsbetrag entspräche dann unmittelbar ihrer Wertschätzung für das Umweltgut (Hoevenagel 1994b: 254). Solche direkten Bewertungsmethoden unterliegen einer Vielzahl an Kritikpunkten, auf die noch eingegangen wird. In der vorliegenden Arbeit werden sie deshalb eingehender diskutiert, weil nur mit diesen Methoden nutzungsunabhängige Werte wie der Existenzund Vererbungsnutzen eines Umweltgutes ermittelt werden können. Zudem sind, wie bereits angeführt, die meisten Umweltgüter nicht mit komplementären Marktgütern in Verbindung zu bringen, und daher ist die Anwendung direkter Methoden auch für die Umweltpolitik von besonderem Interesse. Bevor zwei zentrale Methoden, die Kontingente Bewertung/„Contingent Valuation Method“ (KB) und „Choice Experimente“ (CE) im Rahmen der „Stated Preference Techniques“ näher vorgestellt werden, gibt Abbildung 3 einen Überblick zu einigen der grundsätzlich einsetzbaren Methoden zur Messung der Zahlungsbereitschaft.3 3
Für eine ausführliche Diskussion verschiedener Messmethoden siehe Mitchell und Carson (1989). Sie unterscheiden 16 Methoden. Darüber hinaus differenzieren sie, ob Präferenzen am Marktverhalten oder auf
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3 Methoden zur Messung der Zahlungsbereitschaft
Abbildung 3: Bewertungsmethoden zur Messung der Zahlungsbereitschaft
Ökonomischer Gesamtwert eines Umweltgutes (TEV)
nutzungsabhängig (use values)
nutzungsunabhängig (nonuse values)
Beobachtung am Marktverhalten
Hypothetischer Markt
Revealed Preference Methods (RP)
Stated Preference Methods (SP)
x Reisekostenmethode
x Kontingente Bewertung
x Marktpreismethode u.a.
x Choice Experimente u.a.
Gemeinhin könnte angenommen werden, dass Ergebnisse indirekter Methoden eher valide sind als Resultate direkter Verfahren, weil bei letzteren die individuelle Zahlungsbereitschaft hypothetisch erfasst wird.4 Allerdings lenken Bateman et al. (2002: 313f) das Augenmerk auf einige interessante Aspekte. Auch die Reisekostenmethode ist nicht vor systematischen Verzerrungen gefeit. Denn die hierin ermittelten Nutzen unterliegen einer ökonomischen Interpretation von tatsächlichem Verhalten. Man bedenke, dass oftmals eben der Forscher die Ausgaben (Zeit, Geld) für Reiseaktivitäten berechnet und es fraglich scheint, ob jene Kosten auch der unmittelbaren Wahrnehmung der Befragten entsprechen. Es bleibt problematisch, inwieweit somit „wahre Werte“ ermittelt werden. Zudem erfassen direkte Methoden sowohl tatsächliches als auch bewertendes Verhalten („Wie viel sind sie maximal bereit zu zahlen?“ usw.), während sich indirekte Methoden nur auf Ersteres beru-
4
hypothetischen Märkten beobachtet werden und ob jeweils eine direkte oder indirekte Verbindung der Methode mit der Zahlungsbereitschaft besteht, d.h. ob Zahlungsbereitschaften am Marktverhalten und in Umfragen direkt oder indirekt ermittelt werden. Nach diesem Schema sind die Kontingente Bewertung als hypothetisch und direkt einzustufen und die Choice Experimente als hypothetisch und indirekt, was in den nachfolgenden Ausführungen noch deutlich wird. Die Marktpreismethode und Reisekostenmethode werden dem beobachteten Marktverhalten zugeordnet und entsprechen direkter Methoden. Zudem werden – wie sich noch zeigen wird – direkten Methoden, allen voran der Kontingenten Bewertung (Contingent Valuation/CV), Inkonsistenzen mit der ökonomisch-theoretischen Fundierung angelastet. Dazu bemerkt Hanemann (1996: 38) etwas überspitzt: „Economists, someone once said, are people who spend their time pondering whether things that are observed to happen in practice could possibly happen in theory. That is to say, we tend to take consistency with accepted economic theory, rather than consistency with observed data, as the touchstone for assessing validity. [...] At a fundamental level, it has been argued that CV violates economists’ longstanding commitment to the methodology of revealed preference – anything other than revealed preference is suspect. Beyond this, arguments have been made that particular empirical findings from CV studies are inconsistent with particular predictions of economic theory, and therefore the method is suspect. [...] With regard to revealed preference, one should recognize that while it is an extremely valuable tool, economics did exist before revealed preference and could exist without it“.
3.2 Die Errichtung hypothetischer Märkte
109
fen können. Nicht zuletzt ist in Untersuchungen deutlich geworden, dass beide Methoden für ein und dasselbe Umweltgut tendenziell gleiche Ergebnisse liefern (vgl. Bateman et al. 2002: 314). Darüber hinaus haben direkte Messmethoden (ex-ante Analyse) den Vorteil, dass Validitäts- und Reliabilitätstests durchführbar sind, während bei indirekten Verfahren (ex-post Analyse) unüberprüfbar angenommen werden muss, dass die theoretische Grundlage der ökonomischen Bewertung zutrifft (vgl. Hoevenagel 1994b: 254). Obwohl sich durch die Konstruktion hypothetischer Märkte viele Probleme ergeben (vgl. Abschnitt 3.6), ist den direkten Methoden also nicht von Anfang an ein Nachteil gegenüber den indirekten Methoden zuzusprechen. Im folgenden Abschnitt wird die Errichtung hypothetischer Märkte in Umfragen im Rahmen direkter Bewertungsmethoden näher betrachtet. 3.2 Die Errichtung hypothetischer Märkte Ausgangspunkt für die Errichtung eines hypothetischen Marktes ist die möglichst genaue Definition der Umweltveränderung, die bewertet werden soll. Hier ist oft die Zusammenarbeit mit Naturwissenschaftlern erforderlich. Im nächsten Schritt ist die für das Problem geeignete Methode, Kontingente Bewertung oder Choice Experimente, zu wählen und die Grundgesamtheit für die Stichprobenziehung zu bestimmen. Dabei ist insbesondere die Bestimmung der Grundgesamtheit, ökonomisch gesprochen die Festlegung der Marktgröße, ein Problem (vgl. Rommel 2001). Die Ökonomik selbst liefert keine unmittelbaren Kriterien für die Festlegung der Marktgröße. Einzige Leitlinie ist aus ihrer Sicht die räumliche Streuung der Nutzen. Diese kann aber nicht theoretisch abgeleitet, sondern nur empirisch ermittelt werden. Da die für die Stichproben ermittelten Zahlungsbereitschaften – Mittelwert oder Median – letztlich auf die Grundgesamtheit hochgerechnet werden, hat die Marktgröße einen starken Einfluss auf den ökonomischen Gesamtwert eines Umweltgutes. Ist die Marktgröße festgelegt worden, wird im nächsten Schritt der Fragebogen entworfen und entsprechend vorgetestet (Focus Groups, Pre-Tests). Nach Durchführung der Hauptumfrage werden dann mithilfe statistischer und ökonometrischer Methoden Kennwerte für die Zahlungsbereitschaft, die Reliabilität und Validität der Ergebnisse berechnet. Schließlich wird im letzten Schritt die Hochrechnung der Zahlungsbereitschaft auf die Grundgesamtheit vorgenommen. Obwohl es keine „verbindlichen“ Richtlinien für das Design einer „guten“ Kontingenten Bewertungsstudie gibt, lassen sich doch einige Regeln für die Gestaltung benennen. Diese sind weitgehend auf Choice Experimente übertragbar. Ein früher Beitrag zur Ausgestaltung von hypothetischen Märkten geht auf Fischhoff und Furby (1988) zurück. Sie haben u.a. eine Checkliste mit den Informationen über den hypothetischen Markt aufgestellt, die den befragten Personen zu vermitteln sind, um diese in die Lage zu versetzen, ihre Präferenzen analog zu realen Märkten äußern zu können. Weiterhin sind die Richtlinien des NOAA-Panels zu nennen (Arrow et al. 1993). Die Orientierung an diesen Richtlinien soll gewährleisten, dass mit der Kontingenten Bewertung auch nutzungsunabhängige Werte für die Festlegung von Umweltschäden z.B. in Gerichtsverfahren verwendet werden können (vgl. auch Abschnitt 3.3). In den Richtlinien wird u.a. empfohlen, dass Zufallsstichproben gezogen werden, Pre-Tests der Fragebögen nicht fehlen dürfen, persönliche Interviews (face-to-face) durchzuführen sind, als konservatives Wohlfahrtsmaß die Willingness to Pay
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3 Methoden zur Messung der Zahlungsbereitschaft
ermittelt wird und in Befragungen eine Art Referendum verwendet werden soll.5 Damit enthalten die Richtlinien neben Punkten, die direkt die ökonomische Seite der Bewertung betreffen, auch Empfehlungen, die für die empirische Sozialforschung Standard bei der Durchführung von Umfragen sind, für viele Ökonomen aber durchaus als Neuland bezeichnet werden können. Studien zur monetären Bewertung sollten so konzipiert sein, dass eine möglichst „zufrieden stellende“ Transaktion gewährleistet ist, d.h. Personen müssen im Idealfall vollständig informiert sein und freie Entscheidungen treffen können, die ihre Interessen bestmöglich realisieren (Hoevenagel 1994a: 196). Nachstehend werden zunächst einige inhaltliche Punkte angeführt, die nach Carson (2000: 1415) eine „gute“ Kontingente Bewertung umfassen sollte: (1) einen Einleitungsabschnitt, der den generellen Kontext der zu treffenden Zahlungsentscheidung skizziert, (2) eine detaillierte Beschreibung des Gutes, das den Befragten präsentiert wird, (3) den institutionellen Rahmen, in dem das Gut bereitgestellt wird, (4) die Art und Weise, wie für das Gut bezahlt werden soll, (5) eine Methode, mit der die Präferenzen der Befragten für das Gut ermittelt werden, (6) Anschlussfragen, die klären sollen, warum Respondenten Fragen in einer bestimmten Weise beantwortet haben, (7) ein Set an personenspezifischen Fragen, das auch Einstellungen und soziodemographische Informationen enthält. Insgesamt bedarf es somit einer Beschreibung der Umweltveränderung (das Gut), der Bereitstellung des Gutes und der Zahlungsmethode. Vor allem sind ungenau beschriebene Umweltgüter und unplausibel erscheinende Zahlungsmöglichkeiten/-modalitäten zu vermeiden. Die einzelnen Elemente eines hypothetischen Marktes werden nachstehend eingehender betrachtet. Die Ausführungen beziehen sich, sofern nicht anders kenntlich gemacht, auf Bateman et al. (2002: 112ff.). Beschreibung der Umweltveränderung (Umweltgut) Die Eigenschaften eines Umweltgutes müssen so beschrieben werden, dass Befragte sie verstehen. Zudem ist das Gut geographisch einzuordnen, der gewünschte Zielzustand zu benennen, und die existierenden Eigentumsrechte sind darzulegen. Im Wesentlichen gibt es drei Möglichkeiten, um die Eigenschaften eines Gutes darzustellen: (1) Alle Eigenschaften werden detailliert beschrieben, (2) nur die wichtigsten und den Befragten vertrauten Eigenschaften werden angeführt, (3) das Gut wird mehr oder weniger allgemein dargestellt, und die einzelnen Attribute werden außen vor gelassen. Hier gilt es ein Gleichgewicht zu schaffen, sodass nicht zu wenige, aber auf der anderen Seite auch nicht zu viele Informationen gegeben werden. Focus Groups (Gruppeninterviews/-diskussionen) und Pre-Tests können helfen, um das 5
Diese Richtlinien werden nach wie vor als Referenzpunkt für das Design vieler Kontingenter Bewertungen herangezogen. Sie haben sich jedoch nicht als allgemein akzeptierte Regeln durchsetzen können und sind selbst zum Gegenstand der wissenschaftlichen Auseinandersetzung geworden (vgl. hierzu Willis 1995 sowie Harrison 2002).
3.2 Die Errichtung hypothetischer Märkte
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richtige Maß an Informationen festzulegen und die relevanten Attribute festzustellen. Zumeist müssen komplexe ökologische Zusammenhänge in eine (alltags-)verständliche Sprache übersetzt werden. Darüber hinaus sollten Befragte auf mögliche Substitute für das Umweltgut hingewiesen werden und auf alternative Ausgabemöglichkeiten, z.B. sollte Befragten verdeutlicht werden, dass gezahlte Geldbeträge nicht länger für andere Ausgaben zur Verfügung stehen. Weiterhin ist wichtig, den Umfang einer Umweltveränderung nachvollziehbar darzustellen. Gerade hier ergibt sich ein wesentlicher Kritikpunkt an Bewertungsstudien (vgl. u.a. Kahneman und Knetsch 1992, Diamond und Hausman 1994), nämlich der Umstand, dass mitunter Zahlungsbereitschaften kaum mit der Größe bzw. dem Umfang eines Gutes variieren (dazu mehr im Abschnitt 3.6.3). Bereitstellung des Umweltgutes Erstens muss die Institution, die das Umweltgut bereit stellt bzw. für Maßnahmen zur Veränderung verantwortlich ist, benannt werden. Hierbei kommen sowohl staatliche als auch nichtstaatliche Organisationen in Frage (z.B. Umweltorganisationen, Unternehmen usw.). Die zugeschriebene Verantwortlichkeit und das Vertrauen in die Institutionen können zwischen den Befragten variieren. Dies bleibt zu beachten. Die Umsetzung der Umweltveränderung/Maßnahmen muss für Respondenten glaubwürdig sein und als tatsächlich durchführbar gelten. Zweitens sind die Bedingungen aufzuzeigen, die zur Bereitstellung des Gutes führen. Dabei wird nahe gelegt, glaubhaft zu vermitteln, dass die Bereitstellung von den genannten Zahlungsbereitschaften abhängt. Sonst haben Befragte einen Anreiz, ihre Zahlungsbereitschaft nicht wahrheitsgemäß zu äußern, wenn sie beispielsweise davon ausgehen, dass Maßnahmen ohnehin umgesetzt werden, und sie den von ihnen benannten Betrag zahlen sollen (Anreiz zum Freifahren bzw. Unterschätzen des Betrages). Umgekehrt gibt es Anreize, „zu hohe Beträge“ zu äußern, wenn sie glauben, ihre Zahlungsentscheidung hat ohnehin keinen Einfluss. Verzerrungen ergeben sich somit, falls die hypothetische Zahlungssituation nicht hinreichend mit der „realen“ Situation korrespondiert, z.B. wenn Befragte die Ernsthaftigkeit einer Zahlung anzweifeln (Hoevenagel 1994a: 199). Drittens sollte den Befragten kenntlich gemacht werden, ab wann und vor allem wie lange Maßnahmen durchgeführt werden. Viertens ist darzulegen, wer für das Gut bezahlen soll und wer von Maßnahmen profitiert oder Verluste erleidet. Oftmals werden Personen zu Steuererhöhungen befragt (Zahlungsvehikel), die alle leisten müssten (auch Nicht-Zahlungsbereite) und sich mitunter auf Maßnahmen beziehen, von denen lediglich eine Minderheit der Nutznießer ist (z.B. kleine Bevölkerungsgruppen, für die der Erhalt einer spezifischen Naturlandschaft wünschenswert ist, während die Mehrheit dem indifferent gegenübersteht). Auch hierin können Probleme begründet sein. Beschreibung der Zahlungsmethode/Zahlungsvehikel Grundsätzlich gibt es zwei Gruppen an Zahlungsvehikeln: freiwillige oder verbindliche Zahlungen. Erstere können z.B. Beiträge zu einem Fond auf freiwilliger Basis sein. Letztere sind z.B. Steuern, Gebühren, Abgaben oder Preise. Zahlungsvehikel wie Einkommenssteuern oder Wassergebühren sind problematisch, weil Befragte unter Umständen lediglich die
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3 Methoden zur Messung der Zahlungsbereitschaft
Erhöhung der Abgaben sehen, aber nicht den Wohlfahrtsgewinn durch die Bereitstellung des Umweltgutes. Zudem würde man bei Steuerzahlungen diejenigen aus der potenziellen Untersuchungspopulation ausschließen, die ohnehin keine (spezifischen) Steuern zahlen. Andererseits gibt es bei freiwilligen Zahlungen z.B. Anreize, auf den Beiträgen anderer „frei zu fahren“. Oftmals wird angeraten, keine freiwilligen Zahlungen in Umfragen zu verwenden (u.a. Sugden 1999a, Carson 2000). Demgegenüber steht jedoch die Forderung, dass hypothetische Märkte glaubwürdig sein sollen. In den USA sind beispielsweise Abstimmungen über Steuern eher geläufig: „If the payment vehicle is a tax, the discrete choice question simulates a referendum of the sort found everywhere from small New England town meetings to statewide votes on highway bond issues“ (Freeman III 2003: 167).
Außerhalb der USA sind jedoch „Erhöhungen der Einkommenssteuer“ oder Referenda zur Abstimmung über bestimmte Projekte unüblich. In Deutschland erscheint es z.B. ungewöhnlich, Steuererhöhungen infolge einer Umweltmaßnahme (z.B. Artenschutz in einem Waldgebiet) bundesweit bzw. lokal zu beziffern. Kulturelle und institutionelle Unterschiede zwischen Ländern sind bei der Wahl des Zahlungsvehikels zu beachten (vgl. Morrison et al. 2000). Befragten sollte bewusst sein, dass sich ihre Zahlungsbeträge auf das verfügbare Einkommen abzüglich aller Ausgaben beziehen (Budgetrestriktion). Sofern sie schon in irgendeiner Form etwas für das fragliche Umweltgut bezahlen, muss deutlich sein, dass nach der zusätzlichen maximalen Zahlungsbereitschaft gefragt wird. Weiterhin ist zu klären, ob sich die Zahlung auf den Haushalt des Befragten oder den Befragten selbst bezieht. Ein wichtiger Punkt ist zudem, über welchen Zeitraum sich die Zahlung erstreckt. Möglichkeiten sind hierbei Pauschalbeträge, jährliche, monatliche Zahlungen oder Zahlungen pro Besuch (einer Naturlandschaft). In Abhängigkeit von dem Umweltgut ist ein geeigneter zeitlicher Rahmen der Zahlung zu wählen. Beispielsweise sind für Maßnahmen zur Säuberung von Flüssen wohl jährliche Zahlungen eher geeignet als einmalige, weil solche Maßnahmen nicht „auf einmal“ zu realisieren sind. Die Erläuterungen zur Ausgestaltung hypothetischer Märkte gelten generell für alle direkten Bewertungsmethoden. Mit dem Wissen um die verschiedenen Möglichkeiten der Konstruktion solcher Märkte sollte bislang ein Punkt deutlich geworden sein, den Freeman III sehr treffend in seiner persönlichen Schlussfolgerung zu direkten Bewertungsmethoden (Stated Preference Methods/SP) aufgreift: „My own assessment of SP methods is cautiously optimistic. Some people seem to be attracted to the methodology because of a perception that it represents a relatively easy and inexpensive way to get usable values for environmental resources. However, I think it is hard to do an SP study well“ (Freeman III 2003: 183).
Nach der Darstellung der allgemeinen Eigenschaften eines hypothetischen Marktes, die sowohl der Kontingenten Bewertung als auch den Choice Experimenten gemeinsam sind, widmen sich die nächsten beiden Abschnitte jeweils dem historischen Hintergrund und den spezifischen Charakteristika beider Methoden.
3.3 Der Kontingente Bewertungsansatz (Contingent Valuation Method)
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3.3 Der Kontingente Bewertungsansatz (Contingent Valuation Method) Die Grundidee des Kontingenten Bewertungsansatzes (KB) ist einfach. Personen werden direkt nach ihrer Wertschätzung für eine Umweltveränderung gefragt. Die Wertschätzung bemisst sich meistens anhand der maximalen Zahlungsbereitschaft, d.h. am maximalen Geldbetrag, den Personen für die Erhaltung, die Verbesserung oder die Bereitstellung des betreffenden Umweltgutes bereit sind zu zahlen. Zu Auswertungen werden dann der Mittelwert und der Median der Zahlungsbereitschaften herangezogen, wobei ersterer eher für Kosten-Nutzen-Analysen relevant ist und letzterer für „öffentliche Entscheidungen“/Public Choice (Carson 2000: 1416). Konkret sollen sich die Befragten zwischen dem Status quo, der keine zusätzlichen Kosten beinhaltet, und einer alternativen Maßnahme/Umweltveränderung, die mit Kosten verbunden ist, entscheiden. Der Begriff des Kontingenten Bewertungsansatzes hat seinen Ursprung darin, dass die bekundeten Zahlungsbereitschaften in einem kontingenten Zusammenhang mit den alternativen Umweltzuständen/dem konstruierten Markt in einer Befragung stehen (Hoevenagel 1994a). In erster Linie wird die Methode eingesetzt, um politische Entscheidungsprozesse zu unterstützen. Seit über 35 Jahren wird sie international verwendet, was sich in über 2000 empirischen Studien niederschlägt, die sich unter anderem mit folgenden Themen befassen: Verbesserung der Luftund Wasserqualität, Erholung (outdoor), Schutz von Feuchtgebieten, gefährdeten Arten oder Naturlandschaften und der Bereitstellung von Trinkwasser in Entwicklungsländern (vgl. Carson 2000: 1413). Ihren Ursprung und einen Großteil an Weiterentwicklungen findet die Methode in den USA. Die Kontingente Bewertung steht, historisch gesehen, in einem engen Zusammenhang mit der Anwendung von Kosten-Nutzen-Analysen (Pruckner 1995). Infolge eines Paradigmenwechsels in den 1940er Jahren galten in ökonomischen Analysen nicht länger ausschließlich Marktpreise als Bewertungsmaßstab. Vielmehr gewannen Angebots- und Nachfragekurven als Wertmaßstäbe zunehmend an Bedeutung. Zur Bewertung kollektiver Güter wurde/wird die vertikale Aggregation individueller Nachfragekurven herangezogen (moderne Wohlfahrtsökonomie). Ciriacy-Wantrup machte 1947 als erster den Vorschlag, die Methode der Kontingenten Bewertung einzusetzen (vgl. Hanemann 1994: 19/29). Er erkannte, dass Teile der sozialen Erträge eines Umweltgutes nicht aus Marktgütern resultieren (Pruckner 1995). Personen sollen in Interviews direkt gefragt werden, wie viel Geld sie zu zahlen bereit sind, um aufeinander folgend zusätzliche Mengen eines Kollektivgutes (collective extra-market good) zu erhalten. Die individuellen Werte für nichtmarktfähige Güter entsprechen somit aggregiert dem Schema der Marktnachfrage. Zu Beginn wurde die Kontingente Bewertung vor allem zur Ermittlung des Erholungswertes von Umweltressourcen eingesetzt und von der amerikanischen Bundesregierung auch dahin gehend verwendet. Im Jahr 1979 wurde die Methode vom „US Water Resources Council“ in ihren „cost-benefit regulations for water-related Federal agencies“ offiziell anerkannt und ebenfalls zur Messung von Erholungswerten neben der Reisekostenanalyse empfohlen (Loomis 1999: 614). Anfang der 1980er Jahre wurden sogar Ökonomen verschiedener Behörden in den Bewertungstechniken geschult. Zunehmend haben auch andere staatliche Institutionen in den USA die Methoden angewendet (u.a. US Bureau of Reclamation, US Forest Service, US Fish and Wildlife Service, The National Park Service und auf bundesstaatlicher Ebene vgl. Loomis 1999). Die Ergebnisse wurden beispielsweise genutzt, um sich in bestimmten Regionen zwischen verschiedenen Managementprogrammen zur Waldentwicklung zu entscheiden.
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3 Methoden zur Messung der Zahlungsbereitschaft
Der wohl bedeutendste Sprung in der Verwendung von Kosten-Nutzen-Analysen und daher der Kontingenten Bewertung lässt sich durch zwei Entwicklungen beschreiben. Zum einen hatte die „Reagan Regierung“ vorgeschrieben, wichtige staatliche Maßnahmen bzw. Programme einer Kosten-Nutzen-Analyse zu unterziehen (Executive Order 12291 vgl. Loomis 1999: 616). Dadurch wurden durch die amerikanische Umweltschutzbehörde eine Vielzahl an Studien zur Zahlungsbereitschaft für Umweltgüter/-programme initiiert. Im Gegensatz zu Erholungswerten wurden nun auch Options- und Existenzwerte von Umweltressourcen betrachtet, und die Studien beinhalteten methodische Weiterentwicklungen. Zum anderen erging durch den US-Kongress der „Comprehensive Environmental Response, Compensation and Liability Act of 1980“ (CERCLA), der es u.a. ermöglichte, sofern keine nutzungsabhängigen Werte vorliegen, nutzungsunabhängige Werte zur Bewertung von Umweltschäden heranzuziehen, auch bei Entschädigungsfällen vor Gericht (Loomis 1999: 620). Daraufhin wurde die Kontingente Bewertung nicht nur von staatlichen Institutionen, sondern auch von Unternehmen eingesetzt, und es kam eine bis heute andauernde Debatte über den „Sinn und Unsinn“ der Bewertung von Umweltgütern/-schäden in Bezug auf nutzungsunabhängige Werte in Gang. Den Ausgangspunkt für eine nachhaltige wissenschaftliche Debatte bildete vor allem das Tankerunglück „Exxon Valdez“ 1989 und dessen Folgen (siehe ausführlicher den nachstehenden Exkurs). Exkurs: Der Fall Exxon Valdez – Existenzwerte und die politisch-juristische Praxis in den USA6 Am 24. März 1989 lief der Öl-Tanker Exxon Valdez im Prince William Sound, Alaska auf das Bligh Riff auf. Das Schiff verlor dabei rund 40.000 Tonnen Rohöl. Eine nahezu unberührte Küstenlandschaft wurde verschmutzt. Hunderttausende Vögel, Fische und tausende Säugetiere fielen den Ölteppichen zum Opfer. Für viele Fischer bedeutete das Tankerunglück nicht nur eine Gefährdung, sondern zum Teil auch den Zusammenbruch ihrer Existenz- und Lebensgrundlage. Bereits 1980 erging in den USA das so genannte „Superfund Law“ (genauer: the Comprehensive Environmental Response, Compensation and Liability Act, CERCLA). Es sollte ermöglichen, dass die Verursacher umfangreicher Umweltschäden identifiziert und zur Verantwortung gezogen werden können. Das „Superfund Law“ hatte aber auch für Regierungsorganisationen die Möglichkeit geschaffen, Verursacher für Umweltschäden auf Schadensersatz zu verklagen. Das trifft für jene Bereiche zu, in denen öffentliche Träger die Treuhänder für Umweltressourcen sind (Wälder, Seen, Küsten usw.). Das Innenministerium war beauftragt, Richtlinien zu erlassen, die regeln, welche Schäden kompensierbar sind und unter die Reichweite des Entschädigungsfonds fallen. In den daraus resultierenden Richtlinien von 1986 sollten nutzungsunabhängige Werte bzw. Existenzwerte nur entschädigt werden, wenn die nutzungsabhängigen Werte nicht messbar sind. Jedoch hatte im Jahre 1989 der Bundesgerichtshof das Innenministerium in Folge rechtlicher Änderungen angewiesen, bei der Bewertung von Umweltschäden nutzungsabhängige und nutzungsunabhängige Werte gleichrangig zu behandeln und die Kontingente Bewertung ernsthafter als Bewertungsinstrument ins Auge zu fassen. Im selben Jahr ereignete 6
Die Informationen zu politischen und rechtlichen Entwicklungen sind Portney (1994) entnommen, die zur Kontingenten Bewertung und dem Tankerunglück Bateman und Willis (1999). Hintergrundinformationen über das Tankerunglück finden sich auch auf den Internetseiten von Greenpeace.
3.3 Der Kontingente Bewertungsansatz (Contingent Valuation Method)
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sich nun das Tankerunglück. Würde man der Forderung des Bundesgerichtshofes gerecht werden, müsste die Firma Exxon auch für „zerstörte“ Existenzwerte aufkommen, was die Entschädigungssumme um ein Vielfaches erhöht hätte. Eine Tatsache, die nicht nur bei Exxon, sondern auch bei anderen Unternehmen viel Aufmerksamkeit erregt hatte. Das Tankerunglück war zudem Gegenstand im amerikanischen Kongress, und 1990 wurde der „Oil Pollution Act“ erlassen. Damit sollten künftig ähnliche Unglücke verhindert werden (z.B. mit der Auflage, dass Tanker eine Doppelhülle ausweisen müssen). Durch dieses neue Gesetz war auch das Handelsministerium der USA – handlungsausführend durch die National Oceanic and Atmospheric Administration, NOAA – veranlasst, eigene Richtlinien zur Bewertung von Umweltschäden zu erlassen. Wieder waren Existenzwerte und der Kontingente Bewertungsansatz von Interesse. Die Öl-Konzerne standen diesen Entwicklungen ablehnend gegenüber. Die NOAA hatte Expertenausschüsse eingesetzt und ist schließlich mit Einschränkungen zu dem Entschluss gekommen, dass der Kontingente Bewertungsansatz zur Schadensbewertung für nutzungsunabhängige Werte einsetzbar ist und einen Ausgangspunkt für gerichtliche Verfahren darstellen kann. Der Staat Alaska hatte eine Studie in Auftrag gegeben, die den Verlust an nutzungsunabhängigen Werten durch das Tankerunglück ermitteln sollte (Messung der Zahlungsbereitschaft zur Verhinderung ähnlicher Katastrophen in der Zukunft). Die Schäden wurden mit 2,8 Milliarden Dollar bewertet (landesweite Umfrage in den USA, Carson et al. 2003). Allerdings einigten sich die Firma Exxon und der Staat Alaska in einem Vergleich (out of court), sodass ungewiss ist, welchen Einfluss die Studie auf die Entschädigungssumme von 1,1 Milliarden Dollar für nutzungsunabhängige neben nutzungsabhängigen Schäden hatte. Nichtsdestotrotz beauftragte, ähnlich wie die NOAA, auch Exxon renommierte Ökonomen, um die Validität der Kontingenten Bewertung zu untersuchen, die sich gegenüber der Methode letztendlich sehr kritisch äußerten. Die einschlägige wissenschaftliche Debatte dauert bis heute an. Die „National Oceanic and Atmospheric Administration“ (NOAA) der USA hatte 1992 u.a. einen Ausschuss ins Leben gerufen, der ermitteln sollte, ob der Kontingente Bewertungsansatz dazu geeignet ist, Verluste an nutzungsunabhängigen Werten zu schätzen, die für eine Bewertung von Umweltschäden verlässlich genug sind (Portney 1994: 8).7 Der NOAA hatte keine geringeren als die beiden Ökonomen und Nobelpreisträger Kenneth Arrow und Robert Solow gebeten, den Expertenausschuss zu leiten. Der Ausschuss gelangte zu der Überzeugung, dass der Kontingente Bewertungsansatz einen Ausgangspunkt für juristische Prozesse zur Bewertung von Umweltschäden, die auch nutzungsunabhängige Werte beinhalten, darstellen kann (NOAA-Panel, vgl. Arrow et al. 1993). Er hat mit Hinweisen auf methodische Probleme auch einige aus seiner Sicht „unerlässliche“ Empfehlungen für die Durchführung von Kontingenten Bewertungsstudien gegeben, auf die bis heute verwiesen wird (vgl. vorhergehenden Abschnitt). Im Folgenden steht die unmittelbare Erhebung der Zahlungsbereitschaft im Mittelpunkt.
7
In der Europäischen Union gibt es keine solch enge Verbindung zwischen politischen Entscheidungen und Kontingenten Bewertungen (vgl. Bonnieux und Rainelli 1999). Allerdings ist es durchaus wahrscheinlich, dass Kosten-Nutzen-Analysen und damit die ökonomische Bewertung von Umweltgütern „zu gegebenen Zeitpunkten“ eine Relevanz erlangen. Bereits seit den 1980ern gibt es eine zunehmende Zahl an Studien, besonders in Großbritannien und Skandinavien, aber auch anderen EU-Staaten wie Frankreich. Für einen Überblick zum Stand der Diskussion und Entwicklungen im deutschsprachigen Raum sei auf Elsasser und Meyerhoff (2001) verwiesen.
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3 Methoden zur Messung der Zahlungsbereitschaft
Ansätze zur Ermittlung monetärer Werte – Frageformate8 Für die Frage nach der Zahlungsbereitschaft stehen im Rahmen Kontingenter Bewertungen verschiedene Alternativen zur Auswahl, die in Tabelle 3.1 aufgeführt sind. Zu Beginn wurde bei der Durchführung von KB-Studien meistens das offene Frageformat eingesetzt. Hierbei müssen die Befragten von sich aus einen Betrag finden, der ihre Präferenzen widerspiegelt. Allerdings ist das offene Frageformat zunehmend in Kritik geraten, da es oft für fehlende Angaben, für einen hohen Anteil von Zahlungsbereitschaften von null und für Ausreißer verantwortlich gemacht wird. Besonders in den 1990ern ist man zu der Überzeugung gelangt, dass Referendumsformate (dichotomous choice) geeigneter sind als offene Fragen. Insbesondere der Expertenausschuss der NOAA um Arrow und Solow hat Referenda empfohlen (Arrow et al. 1993). Dabei wird davon ausgegangen, dass Befragte im Alltag mit solchen Wahlhandlungen eher konfrontiert sind (z.B. beim Einkaufen) und hier eine gewisse Vertrautheit vorausgesetzt werden kann (Freeman III 2003: 164). Oder wie Hanemann (1994: 23) es ausdrückt: „In market transactions people usually face discret choices: here is an item, it costs $x, will you take it?”
Respondenten sind mit einer einfachen Entscheidung konfrontiert (Ja/Nein), was geringere Ausfallraten zur Folge hat (Freeman III 2003: 167). Allerdings wird in fast allen Studien nahe gelegt, dass bei geschlossenen Frageformaten die (vergleichbaren) Zahlungsbereitschaften signifikant höher sind als bei offenen (Bateman et al. 2002: 139). Des Weiteren geben Referendumsformate weniger Informationen für jeden Befragten, da lediglich bekannt ist, ob die Zahlungsbereitschaft über oder unter dem präsentierten Betrag liegt (single bounded). Daher muss eine entsprechend größere Stichprobe gezogen werden als z.B. beim offenen Frageformat (Schulze et al. 1996: 108). Um mehr Informationen zu bekommen, wurde das doppelte Frageformat (double bounded) entwickelt, bei dem abhängig von der ersten Antwort der befragten Personen anschließend ein höherer oder niedrigerer Geldbetrag präsentiert wird. Insgesamt erfordert das Referendumsformat auch eine anspruchsvollere ökonometrische Auswertung, da bei diesem Format nur noch nominale oder ordinale Daten über die Zahlungsbereitschaft vorliegen (Hanemann und Kanninen 1999, McFadden 2001). Dabei kann die Spezifikation des ökonometrischen Modells einen deutlichen Einfluss auf das Ergebnis haben.
8
Die Erläuterungen zum Zahlungsformat orientieren sich – wenn nicht anderes angegeben – an den Ausführungen von Bateman et al. (2002: 135ff.).
3.3 Der Kontingente Bewertungsansatz (Contingent Valuation Method)
Tabelle 3.1:
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Instrumente zur Ermittlung der Zahlungsbereitschaft nach Bateman et al. (2002: 137)
Instrument
Beschreibendes Beispiel
Offene Frage (open ended)
Was sind Sie maximal pro Jahr an erhöhten Steuern bereit zu zahlen, damit die Naturlandschaft x wie beschrieben besser geschützt wird?
Bidding Game
Würden Sie pro Jahr 10 € mehr Steuern bezahlen, damit die Naturlandschaft x wie beschrieben besser geschützt wird? 1. Fall Ja: Der Interviewer erhöht den Geldbetrag, bis der Befragte mit Nein antwortet. 2. Fall Nein: Der Interviewer nennt niedrigere Beträge, bis der Befragte mit Ja antwortet.
Payment Card
Welcher der unten aufgelisteten Geldbeträge beschreibt am besten ihre maximale Zahlungsbereitschaft in erhöhten Steuern pro Jahr für den verbesserten Schutz der Naturlandschaft x (wie beschrieben)? 0 0,50 € 1€ 2€ … 10 € 12,5 € … 50 € 75 € 100 € >100 €
Payment Ladder
Ähnlich wie bei der Payment Card werden verschiedene Geldbeträge aufgelistet. Der Befragte geht die Liste nun von unten schrittweise durch und setzt einen Haken hinter die Beträge, die er definitiv zahlen würde. Danach setzt er von oben beginnend ein Kreuz hinter diejenigen Geldbeträge, bei denen er unsicher ist oder die er definitiv nicht zahlen würde.
Single-bounded Dichotomous Choice (Referendum)
Würden Sie pro Jahr 10 € mehr Steuern bezahlen, damit die Naturlandschaft x wie beschrieben besser geschützt wird? (die Geldbeträge variieren im Sample)
Double-bounded Dichotomous Choice (Referendum)
Würden Sie pro Jahr 10 € mehr Steuern bezahlen, damit die Naturlandschaft x wie beschrieben besser geschützt wird? (die Geldbeträge variieren im Sample) 1. Fall Ja: Würden Sie 15 € zahlen? 2. Fall Nein: Würden Sie 5 € zahlen?
Das „Bidding Game“ wurde vor allem in den 1970er und 1980er Jahren eingesetzt. Diese Auktion, die mit einer offenen Frage abschließt, soll Befragte dazu bringen, ihre Präferenzen reiflich überlegt zum Ausdruck zu bringen. Problematisch ist allerdings die Startpunktverzer-
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3 Methoden zur Messung der Zahlungsbereitschaft
rung (starting point bias). Die Ergebnisse unterscheiden sich in Abhängigkeit vom Startwert (erstgenannter Geldbetrag). Zudem treten häufiger Ausreißer auf, und es werden unter Umständen eher Zustimmungstendenzen erzeugt. Die Zahlkarte (payment card) und Geldleiter (payment ladder) umgehen einige dieser Problembereiche. Dennoch können hier Verzerrungen durch die gewählte Spannweite der Geldbeträge und den Endpunkt auftreten. Zusammenfassend gibt es bei den meisten Formaten Vor- und Nachteile, wobei heute offene Fragen nach der Zahlungsbereitschaft weitestgehend unüblich sind, obwohl sie derzeit eine gewisse Renaissance zu erleben scheinen. Bateman et al. (2002: 142) z.B. empfehlen schließlich die Zahlkarte/-leiter oder das Referendumsformat zur Messung der Zahlungsbereitschaft.9 In jedem Fall sollten Befragte vor der Zahlungsentscheidung daran erinnert werden, dass ihnen das Geld nicht länger für andere Ausgaben zur Verfügung steht, sobald sie zahlungsbereit sind (Erinnerung an die Budgetrestriktion). 3.4 Choice Experimente (Choice Experiments) Im Unterschied zur Kontingenten Bewertung sind Choice Experimente (CE) eine relativ neue Methode, um Umweltgüter zu bewerten. Ihren Ursprung haben sie im Marketing und der Transportwirtschaft, wobei Marktanteile für neue oder veränderte etablierte Produkte vorhergesagt werden sollten. In ihrer theoretischen Grundlage sind Choice Experimente als eine Anwendung der „Characteristics Theory of Value“, die im Wesentlichen auf Lancaster (1966) zurückgeht, in Verbindung mit der „Random Utility Theory“ zu sehen (Hanley et al. 1998). Die Grundidee dahinter ist, dass Umweltgüter (wie private Güter) in ihren einzelnen Eigenschaften beschrieben werden können (Bateman et al. 2002: 249). Ein Wald lässt sich z.B. anhand der Altersstruktur, der Baumzusammensetzung, der Artenvielfalt und der Erholungsmöglichkeiten charakterisieren. Je nachdem, wie diese einzelnen Eigenschaften ausgeprägt sind (z.B. niedrige oder hohe Artenvielfalt), ergeben sich unterschiedliche Güter. Diese Änderungen sollen bewertet werden. Choice Experimente enthalten auch ein monetäres Attribut, das die Kosten/den Zahlungsbetrag zur Realisierung der Umweltgüter wiedergibt. Befragte wählen also zwischen verschiedenen Alternativen/Umweltgütern, die mit ihren Attributen und deren Ausprägungen beschrieben werden (Hanley et al. 1998).10 Die 9
10
Ready et al. (2001) haben eine der wenigen Studien vorgelegt, in denen das Referendumsformat und die Zahlkarte miteinander verglichen werden und die explizit eine Erklärung liefern, warum dahin gehend Zahlungsbereitschaften differieren. Ihre Resultate zeigen, dass bei dichotomen Formaten – im Gegensatz zur Zahlkarte – sich die Befragten weitaus unsicherer sind, ob sie den Geldbetrag auch tatsächlich zahlen würden. Deshalb lässt sich bei einem Referendum vermuten, dass den vorgegebenen Zahlungsbereitschaften eher zugestimmt wird. Insgesamt können unter Umständen so auch die zahlreichen Ergebnisse gedeutet werden, die höhere Zahlungsbereitschaften bei dichotomen Fragen im Vergleich zu offenen Fragen nahe legen (siehe für einen Überblick zu elf vergleichenden Studien Brown et al. 1996). Dennoch und trotz einiger Probleme ist das Referendumsformat wahrscheinlich auch so beliebt, weil es vom NOAA-Panel um Arrow und Solow empfohlen wurde (vgl. Arrow et al. 1993). Obwohl Mitglieder des Panels eine wissenschaftliche/methodische Auseinandersetzung mit der Kontingenten Bewertung anregen wollten, wurde mitunter ein unintendierter Nebeneffekt erzeugt, denn in den USA wurden von Bundesbehörden meist nur jene Studien gefördert, in denen die erarbeiteten Richtlinien und Empfehlungen eingehalten werden (Schulze et al. 1996: 111). Schließlich ist die Verwendung des Referendumsformats eine solche Empfehlung, die Gefahr lief und z.T. Gefahr läuft, nicht hinterfragt zu werden. Im Rahmen der Sated Preference Methods (SP) gibt es noch weitere Choice Modelling Methoden wie das „Contingent Ranking“ und „Contingent Rating“ (vgl. Bateman et al. 2002: 249ff.). Dabei kommt es zum Beispiel darauf an, verschiedene Wahloptionen in eine Rangfolge (nach Präferenz) zu bringen, oder jede
3.4 Choice Experimente (Choice Experiments)
119
Wahrscheinlichkeit, dass eine Alternative gewählt wird, kann mithilfe der Attribute, die die Alternativen beschreiben, modelliert werden. Hierbei wird angenommen – alles andere konstant bleibend – je höher die Ausprägung (das Level) einer wünschenswerten Eigenschaft einer Alternative ist, desto größer ist der Nutzen dieser Alternative und desto eher wird diese von Personen gewählt und umgekehrt (Bennett und Blamey 2001a: 6). Auch hier wird demnach ein hypothetisches Bewertungsszenario konstruiert. Die Zahlungsbereitschaft wird aber nicht wie bei der Kontingenten Bewertung direkt, sondern indirekt ermittelt, denn das monetäre Attribut ist lediglich eines neben anderen. Choice Experimente enthalten eine Vielzahl an Informationen, inwieweit Trade-offs zwischen den einzelnen Eigenschaften eines Umweltgutes bestehen. Ein Trade-off liegt vor, wenn Personen bereit sind, etwas von einem Attribut aufzugeben, um mehr von einem anderen zu erhalten. Personen können beispielsweise gewillt sein, Einschränkungen in der Erholungsnutzung eines Waldgebietes in Kauf zu nehmen, wenn dafür mehr Tierarten geschützt werden. Im Gegensatz zur Kontingenten Bewertung kann daher festgestellt werden, welche Eigenschaften eines Umweltgutes die individuelle Wertschätzung dieses Gutes signifikant beeinflussen. Choice Experimente gehen nicht nur über die Kontingente Bewertung hinaus, sondern versuchen zudem einige Problembereiche zu umgehen. Empirische Anwendungen der Methode im Kontext der Bewertung kollektiver Umweltgüter lassen sich u.a. für Präferenzen für Flusslandschaften (von Erholungssuchenden) finden, für die Elchjagd (als Freizeitaktivität), den Schutz von „Ur-Wäldern“ und Karibu-Populationen (alle drei Beispiele beziehen sich auf Alberta, Kanada); für den Landschafts- und Artenschutz in Schottland; für Veränderungen landwirtschaftlich genutzter Gebiete in Norwegen und für verschiedene Waldlandschaften in Großbritannien (für eine Übersicht vgl. Hanley et al. 1998 und Hanley et al. 2001b). Ausgestaltung von Choice Experimenten Ein Choice Experiment (CE) setzt sich aus Choice-Sets bzw. Choice-Szenarien zusammen, die aus der Menge aller möglichen Choice-Sets nach geeigneten statistischen Prinzipien generiert werden.11 Choice Experimente enthalten nach Louviere (2001: 14) folgende Elemente: (1) ein Set an fixen Wahlmöglichkeiten (1,..., A) oder einer Untermenge aus A , die einen expliziten Namen oder Labels erhalten oder auch allgemein bezeichnet werden können, z.B. als Option I und II, (2) ein Set an Attributen (1,..., K ) , die Unterschiede in den Wahlmöglichkeiten beschreiben, wobei davon ausgegangen wird, dass diese Eigenschaften Entscheidungen von Personen beeinflussen,
11
einzelne Alternative (unter Vorlage mehrerer) wird auf einer Skala bewertet. Diese Methoden werden hier nicht weiter betrachtet, weil sie in der einschlägigen Diskussion randständig sind. Choice Experimente entsprechen in ihren grundlegenden Charakteristika bzw. haben Ähnlichkeiten mit der – dennoch nicht identischen – Methode des faktoriellen Survey (Vignettenanalyse), die in der Soziologie zunehmend eingesetzt wird (vgl. u.a. Buskens und Weesie 2000, Beck und Opp 2001 und Mäs et al. 2005). Einen Einblick in die weiter gefasste Conjoint-Analyse, die im Prinzip Choice Experimente subsumiert, gibt Klein (2002). Dort wird auch ein Ausblick auf mögliche sozialwissenschaftliche Anwendungen gegeben.
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3 Methoden zur Messung der Zahlungsbereitschaft
(3) ein Set an Levels oder Ausprägungen, die jeder Eigenschaft einer Wahloption zugeordnet werden, um die Bandbreite an Variationen der Eigenschaften in Bezug auf das Untersuchungsobjekt abzubilden; Attribute können dichotome, ordinale oder numerische Ausprägungen aufweisen, (4) eine Stichprobe an Personen bewertet alle Sets oder ein Subset der Wahlmöglichkeiten und entscheidet sich für eine Option in jedem Set. Meist sind marginale Veränderungen der Umweltqualität mit dem Ausgangszustand als Referenz der Untersuchungsgegenstand. Bei der Ermittlung nutzungsabhängiger und/oder nutzungsunabhängiger Werte von Umweltgütern müssen ohnehin stets Änderungen des Umweltgutes betrachtet werden. In Entscheidungsmodellen hingegen können sich beispielsweise Befragte zwischen Alternativen/Umweltgütern entscheiden mit der Möglichkeit, keines der Güter zu wählen (Bennett und Adamowicz 2001: 46). Hierbei werden direkt potenzielle, aber nicht marginale Umweltveränderungen bewertet. Wichtig ist in jedem Fall, die relevanten Nutzenkomponenten eines Gutes im Vorfeld zu spezifizieren, also die Nutzenaspekte, die der Befragte bei Entscheidungen berücksichtigt. Zum einen sind in der Regel jene Attribute eines Gutes aufzunehmen, die mit politischen Instrumenten bzw. Maßnahmen korrespondieren und daher für politische Entscheidungsträger von Interesse sind. Zum anderen gilt es, Attribute auszuwählen, die für die Befragten auch tatsächlich von Bedeutung sind, um möglichst valide Antworten zu erhalten. Experteninterviews (auch mit politischen Entscheidungsträgern) und Focus Groups können helfen, diese Fragen zu klären. Einerseits sollten Attribute vermieden werden, die sich gegenseitig bedingen und von Befragten so auch wahrgenommen werden. Würde beispielsweise ein Flussgebiet betrachtet, so könnten sowohl die Verschmutzung des Wassers als auch der Fischbestand relevante Attribute sein. Eine Erhöhung des Fischbestandes setzt aber zunächst eine Reduzierung der Wasserverschmutzung voraus (Beispiel aus Bennett und Adamowicz 2001: 47). Andererseits dürfen wichtige Eigenschaften von Umweltgütern nicht ausgeklammert werden. Die einzelnen Ausprägungen (Levels) der Attribute können qualitativer Natur sein, z.B. ob ein Waldgebiet für Besucher offen steht oder nicht, oder quantitativer Natur, z.B. wie viele gefährdete Arten in einem Wald geschützt werden (5, 25, 45 usw.). Vor allem aber sollten die Ausprägungen, die Unterschiede in einzelnen Attributen kennzeichnen, realistisch sein. Dem monetären Attribut kommt eine besondere Bedeutung zu, wobei hier die Obergrenzen der Zahlungsbeträge angemessen festgesetzt werden müssen (z.B. mithilfe von Focus Groups). Den Choice Experimenten liegt ein experimentelles Design zugrunde (vgl. Louviere et al. 2000). Es sollen (Choice-)Szenarien erstellt werden, die Parameterschätzungen gewährleisten, die auf Effekte einzelner Faktoren (Attribute) abzielen und nicht mit anderen Faktoren korrelieren (Hanley et al. 1998: 415). Mit einem solchen so genannten orthogonalen Design können Effekte von einzelnen Attributen auf die Entscheidung der Befragten hinsichtlich der präsentierten Alternativen isoliert betrachtet werden. Die „Mother Logit“Designstrategie (ML) wird oftmals genutzt, weil sie verschiedene Modellformen miteinander vereinbaren kann (Louviere 2001: 19). Dieses Design beinhaltet die allgemeine Spezifikation einer logistischen Regression. Im Grunde werden alle möglichen Kombinationen an Ausprägungen der einzelnen Attribute betrachtet (collective factorial), aus denen ein so
3.4 Choice Experimente (Choice Experiments)
121
genannter orthogonaler Haupteffekt-Plan (orthogonal main effect plan) konstruiert wird.12 Ein einfaches und zugleich erläuterndes Beispiel für ein ML-Design sieht wie folgt aus: Es gibt zwei Alternativen/Optionen, wie durch Waldumbaumaßnahmen eine Verbesserung der biologischen Vielfalt im Wald erreicht werden kann. Diese beiden Optionen (M) werden mit drei Attributen in Richtung von Verbesserungen der biologischen Vielfalt und dem Zahlungsvehikel (dem monetären Attribut) beschrieben. Drei auf das Umweltgut bezogene Attribute und das Zahlungsvehikel ergeben insgesamt vier Attribute (A). Jedes Attribut hat nun wiederum drei Ausprägungen (L), um mögliche Variationen in den zwei Optionen zu erfassen. ML erfasst die vier Attribute, die die zwei Optionen beschreiben, als ein „collective factorial“ (LMA), d.h. jede Option kann mit 34 Kombinationen beschrieben werden, zusammen (als Kollektiv) ergibt das 34*2 bzw. 38 gleich 6561 mögliche Kombinationen. Die einzelnen Attribute haben je zwei Freiheitsgrade (da drei Ausprägungen), sodass sich 2 mal 8 und somit 16 Freiheitsgrade für die Haupteffekte ergeben. Jedes orthogonale Design dieser Haupteffekte mit mehr als 16 Kombinationen an Eigenschaftsausprägungen ist ausreichend, um alle Haupteffekte orthogonal zu schätzen.13 In neuerer Zeit werden allerdings zunehmend nicht mehr rein orthogonale Designs verwendet, sondern computerbasiert solche, die weitere Kriterien heranziehen, mitunter dadurch insgesamt effizienter sind und einen größeren Gestaltungsspielraum eröffnen (Carlsson und Martinsson 2003). Bei der „Gestaltung“ der Choice-Sets können generell zwei Techniken unterschieden werden. Entweder man entscheidet sich für „labelled“/„alternative specific“ Sets oder „generic“ Sets (vgl. ausführlich Louviere et al. 2000). Bei Ersterem werden die einzelnen Alternativen mit „Namen/Labels“ versehen, die meist die implizierte politische Maßnahme zur Veränderung der Umwelt umreißt. Würde man die Erhöhung des Laubwaldanteils in Nadelwäldern betrachten und damit die Veränderungen für die biologische Vielfalt (einzelne Attribute wie Artenzahl), so könnte der Status Quo mit „ohne Waldumbau“ und die Alternativen mit „Laubwaldanteil 50 %“ und „Laubwaldanteil 70 %“ benannt werden. Bei einem „generic“ Set würde man lediglich Alternative 1 und 2 schreiben.14
12
13
14
Ein Haupteffekt kann nach Louviere et al. (2000: 86) wie folgt definiert werden: „A ’main effect’ is the difference in the means of each level of a particular attribute and the overall or ’grand mean’, such that the differences sum to zero. Because of this constraint, one of the differences is exactly defined once the remaining L – 1 are calculated for an L level attribute. The latter constraint gives rise to the concept of degrees of freedom, and leads naturally to the conclusion that there are L – 1 degrees of freedom in each main effect because one difference is exactly determined”. Darüber hinaus gibt es noch Interaktionseffekte, die aber oftmals ignoriert werden: „Simply put, an interaction between two attributes will occur if consumer preferences for levels of one attribute depend on the levels of a second. For example, if preferences for levels of product quality depend on levels of price, there will be an interaction” (Louviere et al. 2000: 87). Die Anzahl an Choice-Sets, die Befragten letztendlich vorgelegt werden, liegt im Ermessen des Forschers, sobald die statistischen Anforderungen erfüllt sind. Ergibt sich beispielsweise ein optimales Design mit 32 Sets, dann können diese wiederum in Blöcke unterteilt werden, was oftmals bei der Konstruktion des Designs direkt berücksichtigt wird. Werden vier Blöcke gebildet, so bewertet jeder Respondent acht Sets. Obwohl es keine eindeutige Regel zur Stichprobengröße gibt, sollte aber sicher gestellt sein, dass jedes Set ungefähr von 50 Personen bewertet wird (Bennett und Adamowicz 2001: 59). Für eine ausführliche Darstellung der Unterschiede und Auswirkungen auf das Design der Experimente sei auf Louviere (2000: 119ff.) verwiesen.
122
3 Methoden zur Messung der Zahlungsbereitschaft
Auswertung von Choice Experimenten Choice Experimente stehen im Einklang mit der „Random Utility Theory“ (RUT).15 Bei der RUT wird angenommen, dass der Nutzen ein latentes Konstrukt ist, das in den Köpfen von Personen (Konsumenten) existiert, aber vom Forscher nicht direkt beobachtet werden kann (McFadden 1974, Louviere 2001: 14). Werden demnach Präferenzen in Befragungen erfasst, so kann ein signifikanter Anteil des nichtbeobachtbaren Nutzens erklärt werden, wobei stets ein gewisser Anteil unerklärt bleibt, der aus Sicht des Forschers stochastisch bzw. willkürlich ist (vgl. für folgende Aussagen und Gleichungen Louviere 2001: 15f):
U an
Van H an
U an entspricht dem latenten nicht beobachteten Nutzen von Person n für die Wahloption a . Van ist die systematische bzw. beobachtbare Komponente des latenten Nutzens (von Person n für die Option a ) und H an ist der willkürliche Anteil am latenten Nutzen. Präferenzen können demnach nie vollständig erklärt werden. Man gelangt schnell zu einer Formalisierung der Wahrscheinlichkeit der Wahl einer Option, die sich für alle j Optionen in einem Choice-Set Cn wie folgt ausdrücken lässt:
P ( a | Cn )
P[(Van H an ) ! (V jn H jn )]
Die Wahrscheinlichkeit von Person n , die Option a aus dem Choice-Set Cn zu wählen, ist gleich der Wahrscheinlichkeit, dass die systematische und willkürliche Komponente der Option a für Person n größer ist als die systematische und willkürliche Komponente der Option j aus dem Set Cn . Um die Wahrscheinlichkeiten zu berechnen, müssen Annahmen über die Verteilung der willkürlichen Komponenten H getroffen werden. Dabei lassen sich in der Regel zwei verschiedene Formen unterscheiden (Louviere 2001: 16): (1) Die H sind unabhängig und identisch verteilte Gumbel-Zufalls-Variablen, die sich in binären oder multinomialen bzw. konditionalen Logit-Modellen (MNL) erfassen lassen. Dies spiegelt die Unabhängigkeit von irrelevanten Alternativen wider. (2) Sie sind nicht unabhängige und nicht identisch verteilte normale Zufallsvariablen, was zu komplexen binären oder multinomialen Probit-Modellen (MNP) führt. Mithilfe der Daten aus Choice Experimenten können in Abhängigkeit von den Verteilungsannahmen und von anderen generellen Annahmen eine Vielzahl an Parametern geschätzt werden. Louviere (2001: 16) gibt dafür ein anschauliches Beispiel für die erklärte Komponente des Nutzens:
Van wobei 15
E a ¦ k E k X kn ¦ p T p Z pn ¦ kp Ikp X kn Z pn ¦ pa M pa E a Z pn
E a , E k , T p , Ikp
und
M pa
bedingte Parametervektoren darstellen, mit
Das gilt insbesondere auch für das Referendumsformat in der Kontingenten Bewertung (dichotomous choice), das generell als ein Spezialfall des Choice Experimentes bezeichnet werden kann.
123
3.4 Choice Experimente (Choice Experiments)
einen Vektor aus (alternativenspezifischen) Konstanten von A 1 aus den a 1,..., A Wahloptionen, ii. eine Matrix mit k 1,..., K die Wahl der Optionen X kn betreffenden Attribute, iii. eine Matrix mit p 1,..., P die Personen Z pn betreffenden Charakteristika, iv. eine Matrix mit möglichen Interaktionen der Attribute von Wahloptionen und individuellen Charakteristika X kn Z pn ,und v. ein Vektor mit möglichen Interaktionen individueller Charakteristika und alternativenspezifischen Konstanten der Optionen. i.
In der Regel werden Choice Experimente a priori so konstruiert, dass die Möglichkeit besteht, Sets an Modellparametern in Abhängigkeit von der Annahme über die zu Grunde liegende Modellform zu identifizieren. Allerdings kann auch eine allgemeiner gehaltene „modellfreie“ Analysestrategie wie diejenige mit Kreuztabellen aussagekräftig sein. Im Weiteren werden speziell die bereits erwähnten Auswertungsmöglichkeiten dargestellt und dabei Informationen erläutert, die durch Choice Experimente gewonnen werden können. Um Teilwertschätzungen (part-worth) und implizite Preise (implicit prices) von bestimmten Attributen einer Wahloption zu schätzen, können die E -Koeffizienten von linearen multinomialen Logit-Modellen (MNL) herangezogen werden (vgl. Bennett und Adamowicz 2001: 63).16 Wenn beispielsweise ermittelt werden soll, wie viele Erholungstage eine Person für den zusätzlichen Schutz einer gefährdeten Art aufzugeben bereit ist, dann muss der E -Koeffizient der gefährdeten Art durch den E -Koeffizienten der Erholungstage geteilt und mit -1 multipliziert werden. Implizite Preise können ermittelt werden, wenn ein Attribut ein monetäres ist. Dann ergibt sich die Teilwertschätzung bzw. der implizite Preis für ein nichtmarktfähiges Attribut nach der Formel: Impliziter Preis = -( E
nichtmarktfähiges Attribut/
E monetäres Attribut).
Unter der „ceteris paribus”-Klausel erhält man beispielsweise bei einem E -Koeffizienten des monetären Attributes von –0,012 und einem E -Koeffizienten von 0,05 für das Attribut, das gefährdete Arten beschreibt, einen impliziten Preis von $4,16 für eine zusätzlich zu schützende Art (Beispiel aus Bennett und Adamowicz 2001: 63). Dies entspricht der Grenzrate der Substitution, also auf wie viele Einheiten von einem Attribut man bereit ist zu verzichten, um eine zusätzliche Einheit von einem anderen Attribut zu erlangen. Zu beachten ist, in welchen Einheiten die Ausprägungen der Attribute gemessen werden. Aber auch Wohlfahrtsmaße lassen sich ermitteln. Sie messen den Geldbetrag, der einer Personen gegeben werden oder den sie entbehren muss, um das gleiche Nutzenniveau vor oder nach einer Änderung des Gutes zu erreichen. Die Kompensierende Variation (Compensating Surplus/CS) lässt sich wie folgt ausdrücken (Bennett und Adamowicz 2001: 65):
V ( M , 0) V ( M CS ,1) . 16
Solche Auswertungen sind auch mit anderen Modellen möglich, die aber zum Teil komplexer sind. Zur Vereinfachung und Verdeutlichung wesentlicher Aspekte wird auf MNL-Modelle Bezug genommen. Mit multinominalen Logit-Modellen sind hier konditionale Logit-Modelle gemeint (auch logistische Zufallsnutzenmodelle genannt).
124
3 Methoden zur Messung der Zahlungsbereitschaft
V entspricht dem Nutzen, M dem Einkommen und CS der kompensierenden Variation. Bei einer Verbesserung der Umweltsituation entspricht der Nutzen in der Ausgangssituation (Status quo) gerade dem Nutzen in der Situation nach einer Umweltverbesserung, wobei CS den Geldbetrag angibt, der vom Einkommen abgezogen werden muss (Zahlungsbereitschaft), damit dieser Ausgleich der Nutzenniveaus gewährleistet wird (vgl. Abschnitt 2.3). Nach Bennett und Adamowicz (2001: 65) lassen sich zwei Wohlfahrtsmaße unterscheiden, die für Choice Experimente von besonderem Interesse sind: „State of the World Models“ und „Modelle mit multiplen Alternativen“. Ersteres zeichnet sich dadurch aus, dass die Nutzenniveaus der Status-quo-Alternative und einer Alternative veränderter Umweltbedingungen betrachtet werden. Dabei wird der Grenznutzen einer Änderung zum verbesserten Umweltzustand erfasst. Es gilt, die Werte der Attribute im Ausgangszustand und diejenigen des veränderten Zustandes jeweils in die „indirekten Nutzengleichungen“ dieser Alternativen einzusetzen. Beim Ausgangszustand erhält das monetäre Attribut den Wert Null. Sodann werden die Werte im veränderten Zustand von den Werten im Ausgangszustand subtrahiert. Im linearen Modell wird diese Differenz durch den negativen Wert des monetären Attributes dividiert, sodass Wohlfahrtsmaß = -(1/ E
monetär)(
V0 V1 ).
Ein negativer Wert dieses Zugewinns bildet ab, dass Personen bereit sind, den kompensierenden Betrag zu bezahlen, um eine Verbesserung ihrer Wohlfahrt aufgrund der Umweltänderung zu erzielen. Eine Vielzahl an Szenarien kann geschätzt werden, wenn diese Prozedur für verschiedene Werte der Attribute wiederholt wird. Daher können zum Beispiel im politischen Entscheidungsprozess unterschiedliche Optionen geprüft werden, ohne jede einzeln einer separaten Bewertung zu unterziehen (wie bei der Kontingenten Bewertung). Umweltveränderungen mit multiplen Alternativen beinhalten verschiedene Auswahlalternativen. Hier spielen neben den Nutzenvergleichen auch die Wahrscheinlichkeiten der Wahl einer Alternative eine entscheidende Rolle. Das Wohlfahrtsmaß umfasst den Erwartungswert des Nutzens der multiplen Alternativen (Nutzen jeder Alternative im Zusammenhang mit der Wahrscheinlichkeit, dass diese gewählt wird). Die Grundidee ist dieselbe wie beim ersten Wohlfahrtsmaß, gestaltet sich jedoch für MNL-Modelle wie folgt: Wohlfahrtsmaß = -(1/ E
monetär)
ln ¦ exp V ln ¦ exp V . 0
i
1 i
Es wird also über alle Alternativen summiert (ln entspricht dem natürlichen Logarithmus, exp der mathematischen Konstante e), wobei Vi den bedingten indirekten Nutzen der Alternative i wiedergibt. Eine weitere Auswertungsmöglichkeit ist die Berechnung so genannter Marktanteile (market shares). Es werden die Alternativen unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Levels der Attribute betrachtet (Bennett und Adamowicz 2001: 67). Im Vergleich zum Status quo kann der (Nutzen-)Anteil ermittelt werden, den jede („labeled“) Alternative, gemessen an den Gesamtentscheidungen, hat. Das entspricht im Prinzip dem Ergebnis einer Abstimmung. Dabei wird die Anzahl der Personen berechnet, die jede Alternative unter verschiedenen Bedingungen (Ausprägungen der Attribute) wählt.
125
3.5 Vor- und Nachteile der Kontingenten Bewertung und der Choice Experimente
3.5 Vor- und Nachteile der Kontingenten Bewertung und der Choice Experimente In diesem Abschnitt werden die Methoden der Kontingenten Bewertung (KB) und der Choice Experimente (CE) unter Berücksichtigung ihrer Vor- und Nachteile einander gegenübergestellt. Der Unterschied zwischen der Kontingenten Bewertung und Choice Experimenten wird in Tabelle 3.2 an zwei verschiedenen Fragegestaltungen zum selben Umweltgut illustriert, die aus Bennett und Adamowicz (2001: 39/41) entnommen sind. Tabelle 3.2:
Beispiele für eine KB-Frage und ein Choice-Set (aus Bennett und Adamowicz 2001) KB-Frage
Question X: Do you support the proposal to protect the environment that will ensure: - an increase in the number of endangered species present from 5 to 10 - an increase in the area of healthy native vegetation from 1500 ha to 1800 ha - an increase in the number of visitors from 2000 pa to 3000 pa to be funded by a one-off levy of $20 on your income tax, or do you oppose it? Please circle the option that most closely represents your view: I support the proposal with a $20 levy………. 1 I oppose the proposal and the $20 levy……… 2
Choice-Set Question Y: Consider carefully each of the following three options. Suppose the options were the only ones available, which one would you choose? Alternative Attributes Number of endangered species Hectares of healthy native vegetation Visitor days per annum Cost to you ($)
‘Status Quo’ alternative
Proposed alternative 1
Proposed alternative 2
5
15
15
1500
1800
2100
2000
3000
2000
0
20
10
Please circle your preferred option. I would choose the status quo at no cost to me……... I would choose alternative 1 at a $20 cost to me….... I would choose alternative 2 at a $10 cost to me……
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In dem Beispiel würde bei der KB-Frage in einer Befragung nur der Zahlungsbetrag zwischen Personen variiert werden (z.B. von $10, $20, $50, $100 und $200). Zudem wird das Referendumsformat (single bounded) zur Ermittlung der Zahlungsbereitschaft verwendet. Das Beispiel für ein CE benennt lediglich ein Choice-Set, d.h. es gibt noch eine Reihe anderer Sets, die in den Dollarbeträgen variieren, der Anzahl an gefährdeten Arten usw. Es wird auch deutlich, dass die Zahlungsbereitschaft in Choice Experimenten im Vergleich zur Kontingenten Bewertung indirekt ermittelt wird, da das monetäre Attribut neben anderen unmittelbar im Choice-Set enthalten und somit weniger direkt Gegenstand der Entscheidung von Respondenten ist. Nach Hanley et al. (1998: 416) lassen sich zunächst folgende Vorteile der Choice Experimente gegenüber der Kontingenten Bewertungsmethode benennen:
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3 Methoden zur Messung der Zahlungsbereitschaft
(1) Spezifische Werte von Attributen des Umweltgutes können besser erfasst werden. Das ist deshalb von Vorteil, weil eine Vielzahl an Managemententscheidungen (z.B. beim Waldumbau) sich auf die Änderung verschiedener Levels von Eigenschaften beziehen und nicht auf die Entscheidung, ein Umweltgut als Ganzes bereitzustellen oder nicht. (2) Der Grenznutzen der einzelnen Attribute eines Umweltgutes kann ermittelt werden. (3) Das Problem des „yea saying“ bzw. Antworten sozialer Erwünschtheit werden eher vermieden, da Befragte nicht vor einer „Alles oder Nichts Entscheidung“ stehen, sondern zwischen Alternativen wiederholt wählen können. Durch wiederholte Entscheidungen werden zudem Anreize zu strategischem Antwortverhalten gemindert (vgl. auch Louviere et al. 2000: 351/352). (4) CE tragen unter Umständen auch zur Vermeidung des „Einbettungseffekts“ bei, da Umweltgüter in ihrer Größenordnung variieren. Aber auch Nachteile von Choice-Experimenten und daher Vorteile der Kontingenten Bewertung lassen sich feststellen. Nachstehend sind einige anhand der Ausführungen von Hanley et al. (2001b: 448f) aufgelistet, die im Anschluss daran zum Teil eingehender diskutiert werden: (1) Für Befragte sind die Entscheidungssituationen mitunter zu komplex. Personen unterliegen begrenzten kognitiven Fähigkeiten, im Rahmen derer sie Informationen angemessen verarbeiten können. Eine steigende Komplexität der Entscheidungen kann zu einer Erhöhung der „Zufallsfehler“ führen. Zudem können sich bei einer Bewertung mehrerer Choice-Sets Lerneffekte einstellen, die unter Umständen „vermeintlich irrationale“ Entscheidungen hervorrufen. Um die Komplexität von Entscheidungen zu reduzieren, verwenden Respondenten mitunter einfache Entscheidungsheuristiken, die im Widerspruch zum theoretisch angenommenen Nutzenmaximierungskalkül stehen und mit Problemen wie lexikographischen Präferenzen einhergehen (vgl. auch Rosenberger et al. 2003). (2) Um den Gesamtwert eines Gutes zu ermitteln, muss bei Choice Experimenten unterstellt werden, dass der Wert des Ganzen dem Wert der Summe seiner Bestandteile entspricht (Wertschätzungen der einzelnen Attribute). Diese Annahme ist jedoch nicht unumstritten. Deshalb sind hier Vergleiche der Ergebnisse Kontingenter Bewertungen und von Choice Experimenten zum selben Gut sinnvoll. (3) Mit CE ist es weitaus schwieriger, eine sequenzielle Bereitstellung eines Umweltgutes zu bewerten. Wenn im Rahmen von Maßnahmen zur Veränderung der Umweltqualität aufeinander folgende Schritte unternommen werden, ist die Kontingente Bewertung besser geeignet, um dahin gehend individuelle Wertschätzungen zu messen. Genauso wie bei der Kontingenten Bewertung ergeben sich bei Choice Experimenten Probleme dadurch, dass das Untersuchungsdesign die Entscheidungen der Respondenten maßgeblich beeinflusst. Das betrifft insbesondere die Auswahl der Attribute, die Ausprägungen der Attribute, das Zahlungsvehikel (monetäres Attribut), die Anzahl der Choice-Sets (Entscheidungen, die zu treffen sind) und daher allgemein die Ausgestaltung des hypothetischen
3.5 Vor- und Nachteile der Kontingenten Bewertung und der Choice Experimente
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Marktes (vgl. Abschnitt 3.2). Bei der KB besteht eine gewisse Unsicherheit darin, ob die Beschreibung des Umweltgutes auch jene Elemente enthält, die für Befragte wichtig sind. Dieses Problem ergibt sich allerdings auch in CE. Jedoch kann hier zumindest der Einfluss einzelner Elemente auf Entscheidungen des Respondenten klar ermittelt werden, d.h. beispielsweise inwieweit sich die Wertschätzung eines Umweltgutes verändert, wenn spezifische Attribute in Analysen einbezogen oder ausgeschlossen werden (Bennett und Blamey 2001b: 229). Im Gegensatz zur KB, bei der Respondenten zumeist aufgefordert sind, den Übergang von dem derzeitigen Zustand eines Umweltgutes zu einer Alternative zu bewerten, sind die (kognitiven) Anforderungen an Befragte in CE als höher einzustufen (Bennett und Blamey 2001b: 235). Sie müssen jeweils die einzelnen Eigenschaften eines Gutes nachvollziehen, verstehen, wie diese in ihren Ausprägungen variieren, und sich darüber hinaus zwischen zahlreichen Kombinationen an Ausprägungen entscheiden. Die Komplexität der Entscheidungen ist primär abhängig von der Anzahl der Alternativen in jedem Choice-Set, der Anzahl der Attribute und der Anzahl der Bewertungen, die vorgenommen werden. Naturgemäß ist wenig gewonnen, wenn einerseits die Umweltgüter detailliert beschrieben werden, aber andererseits eine hohe Komplexität der Entscheidungen dazu führt, dass Befragte sich auf „einfache Heuristiken“ bei ihren Antworten stützen oder aus einer „Überforderung“ heraus eher den Staus quo wählen und somit insgesamt das Ziel der Ermittlung individueller Werte für Umweltgüter verfehlt wird. Während es in diesem Bereich noch an eingehenden Untersuchungen mangelt, geben Bennett und Blamey (2001b: 236) die Empfehlung, Beschreibungen von Umweltgütern visuell zu unterstützen. Bilder, Graphiken oder Symbole, die beispielsweise Ausprägungen an Umwelteigenschaften visualisieren, können zum einen zu einem besseren Verständnis beitragen, zum anderen werden die Choice-Sets für Befragte unter Umständen „attraktiver“. Allerdings bedarf es auch hier Studien, die darüber Aufschluss geben, wie solche zusätzlichen Visualisierungen auf das Entscheidungsverhalten von Befragten wirken. Im Hinblick auf die Divergenz zwischen hypothetischen Zahlungsentscheidungen und tatsächlichem Verhalten (hypothetical bias) können CE per se keine Vorteile gegenüber der KB zugesprochen werden (Hanley et al. 2001b: 450). Bei beiden Methoden sind die Respondenten aufgefordert, diskrete Entscheidungen zu treffen, sobald bei der KB ein dichotomes Frageformat eingesetzt wird. Es bedarf eingehender Untersuchungen, inwieweit bei CE hypothetische Entscheidungen mit tatsächlichem Verhalten korrespondieren. Dass die Zahlungsbereitschaft für Umweltgüter zum Teil ungenügend mit dem Umfang des Gutes variiert (embedding effect), ist ein viel diskutiertes Problem bei der ökonomischen Bewertung (ausführlicher in Abschnitt 3.6.3). Ein diesbezüglicher Test kann intern oder extern erfolgen (Hanley et al. 2001b: 450). Bei einem internen Test würde man Befragten im Rahmen der KB Umweltgüter/-maßnahmen bewerten lassen, die sich im Umfang unterscheiden. Ein externer Test hieße, Sub-Samples an Personen Güter mit einem jeweils unterschiedlichen Umfang vorzulegen. In CE liegt ohnehin ein interner Test vor, da Attribute mit ihren Ausprägungen, einem „veränderten Umfang“ betrachtet werden. Dies ist sicherlich als ein Vorteil zu sehen. Allerdings weisen Hanley et al. (2001b: 451) darauf hin, dass Ergebnisse, die für die CE gegenüber der KB eine bessere Güte in Bezug auf diese Tests nahe legen, nicht unbedingt überraschend sind, weil der externe Test, der gewöhnlich bzw. öfter in der KB durchgeführt wird, als viel aussagekräftiger gilt.
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3 Methoden zur Messung der Zahlungsbereitschaft
Des Weiteren sind generell Maßnahmen zur Veränderung der Umweltqualität aus politischer Sicht mitunter nicht genau spezifizierbar, da es z.B. mehrere Möglichkeiten gibt. Bei der KB müssten dann Befragten verschiedene Bewertungsszenarien vorgelegt werden, was oftmals kostspielig ist. In CE hingegen besteht dieses Problem nicht, da ohnehin die Bewertung verschiedener Umweltgüter Gegenstand der Methode ist. Sie haben daher nicht zuletzt auch einen Kostenvorteil (Bennett und Blamey 2001b, Hanley et al. 2001b). Hauptsächlich aber sind CE vorteilhaft, weil sie eine Fülle zusätzlicher Informationen bieten, die über die Möglichkeiten der KB hinausgehen (Bennett und Blamey 2001b: 228). 3.6 Reliabilität, Validität und Probleme bei der Anwendung direkter Messmethoden In den folgenden Abschnitten werden neben der Reliabilität, der Validität und den potenziellen Verzerrungseffekten (biases) bei der Anwendung direkter Bewertungsmethoden zwei zentrale methodische Probleme näher betrachtet. Zum einen wird der Einbettungseffekt diskutiert, die Frage also, wie erklärt werden kann, dass mitunter Zahlungsbereitschaften kaum mit dem Umfang eines Umweltgutes variieren. Zum anderen wird sich dem Umgang mit so genannten Protestantworten näher gewidmet. Protestantworten liegen u.a. vor, wenn Befragte eine Zahlungsbereitschaft von null äußern, obwohl sie eine Wertschätzung für das Umweltgut haben, und angenommen werden kann, dass sie Teile der Ausgestaltung des Bewertungsszenarios in einer Umfrage oder die ökonomische Bewertung von Umweltgütern als solche ablehnen. Diese Protestantworten müssen von echten Nullantworten, die einem ökonomischen Kalkül unterliegen, getrennt betrachtet werden. 3.6.1 Kriterien zur Beurteilung der Reliabilität und Validität In einem der zahlreichen Sammelbände zur ökonomischen Bewertung nichtmarktfähiger Umweltgüter schreibt Richard C. Bishop, seinerseits am Ende seiner wissenschaftlichen Karriere, im „Old Professor’s chapter“: „As I have said here, I hope work on a theory of economic measurement will be high on the agenda. We are suffering from the lack of such theory. […] The goal should be a comprehensive set of criteria for evaluating the validity of nonmarket valuation studies, methods, and overall approaches“ (Bishop 2003: 563).
Ausgehend von dem Tatbestand, dass ökonomische Werte nicht direkt beobachtbar sind, lenkt Bishop das Augenmerk auf die Notwendigkeit allgemein akzeptierter Kriterien zur Beurteilung der Validität der Bewertungsmethoden und auf die Notwendigkeit einer Theorie ökonomischer Messungen. Wichtig sind diese Fortentwicklungen, weil u.a. mit der Frage, inwieweit hypothetische Zahlungen mit realen korrespondieren, im Endergebnis die ökonomische Bewertung „steht und fällt“, auch mit Blick auf die umweltpolitische Entscheidungsfindung. Im Folgenden werden neben der Reliabilität (eher kurz gehalten) Kriterien zur Beurteilung der Validität direkter Bewertungsmethoden vorgestellt, die insbesondere in der empirischen Sozialforschung geläufig sind und dort ihre Verankerung finden. Die in den nachstehenden Ausführungen berichteten, zum Teil inkonsistenten empirischen Messergebnisse und Schlussfolgerungen zeigen deutlich, warum Richard Bishop einheitli-
3.6 Reliabilität, Validität und Probleme bei der Anwendung direkter Messmethoden
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chen Validitätskriterien eine so große Bedeutung beimisst. Das gilt auch für die im nächsten Abschnitt behandelten methodischen Probleme und Verzerrungseffekte. Um die Reliabilität von Kontingenten Bewertungen zu untersuchen, wird die Stabilität geäußerter Zahlungsbereitschaften im Zeitverlauf (meist zu zwei Zeitpunkten) betrachtet. Untersuchungen dahin gehend wurden innerhalb und mithilfe verschiedener Samples vorgenommen. Generell lässt sich feststellen, dass Messungen der Zahlungsbereitschaft für dasselbe Gut zu zwei verschiedenen Zeitpunkten mit unterschiedlichen Stichproben durchaus eine befriedigende Reliabilität nahe legen. Bateman et al. (2002: 334) führen mehrere Studien an, in denen die Zahlungsbereitschaften im Zeitverlauf in hohem Maße miteinander korrelieren. Dazu gehört auch die Exxon Valdez Studie, die aus dem eingangs erwähnten Tankerunglück 1989 in Alaska hervorging. Diese Studie wurde nach zwei Jahren wiederholt, und es konnten nahezu identische Werte ermittelt werden. Ähnliche Befunde können für Untersuchungen mit ein und derselben Stichprobe berichtet werden (klassisches TestRetest-Experiment), wobei gemessene Zahlungsbereitschaften in einer Spannbreite von 0,5 bis 0,9 miteinander korrelieren (Loomis 1990, Bateman et al. 2002: 334). Sich unterscheidende Werte im Zeitverlauf werden u.a. mit einer sich ändernden wirtschaftlichen Situation der Befragten oder mit Änderungen der Einstellungen in Bezug auf ein Umweltgut infolge unvorhergesehener Ereignisse erklärt. Die Validität eines Messinstrumentes gibt wieder, in welchem Maße das gemessen wird, was gemessen werden soll. Nach Hoevenagel (1994a: 211ff.) lassen sich mit einem Schwerpunkt auf der Kontingenten Bewertung fünf verschiedene Aspekte der Validität unterscheiden, die nachstehend angeführt werden (vgl. auch Mitchell und Carson 1989, Bateman et al. 2002, Freeman III 2003). Für die einzelnen Aspekte/Kriterien werden die englischen Ausdrücke verwendet.17 Content Validity Hierbei wird geprüft, wie gut die Kontingente Bewertung hinsichtlich ihrer theoretischen Grundlagen und hinsichtlich der beschriebenen Umweltsituation konstruiert ist. Dies sollte im Vorfeld einer Untersuchung gewährleistet werden und gilt als ein schwacher Test für die Validität der Methode. Construct Validity Es ist zu testen, inwieweit die geäußerten Zahlungsbereitschaften durch die theoretisch angenommenen Einflussvariablen erklärt werden. Fehlende oder ungenügende Zusammenhänge deuten entweder auf eine schlechte Konstruktion der Bewertung hin oder legen nahe, dass das theoretische Modell falsch ist. In der Ökonomie wird davon ausgegangen, dass die Zahlungsbereitschaft von individuellen Präferenzen und vom Nettoeinkommen abhängig ist 17
Die Diskussion von fünf verschiedenen Aspekten der Validität mag auf den ersten Blick etwas irritierend erscheinen. In der empirischen Sozialforschung unterscheidet man in der Regel drei Formen der Validität: Inhaltsvalidität, Kriteriumsvalidität und Konstruktvalidität (Schnell et al. 1999: 149ff.). Diese drei Formen subsumieren zum Teil weitere Kriterien. Die fünf hier behandelten Kriterien sind mitunter Unterformen der oben genannten drei Formen und werden in der Bewertungsliteratur „getrennt behandelt“ (vgl. auch Freeman III 2003: 174ff.).
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3 Methoden zur Messung der Zahlungsbereitschaft
(Budgetrestriktion). Ersteres stellt insofern kein Problem dar, weil von rational handelnden Akteuren ausgegangen wird (geltende Axiome/Nutzenmaximierung). Letzteres bereitet unter Umständen Probleme, wenn bei Einkommensfragen hohe Verweigerungsraten auftreten. Hoevenagel (1994a: 212) legt dar, dass es eine Vielzahl an Studien gibt, die den erwarteten positiven Zusammenhang zwischen Einkommen und Zahlungsbereitschaft ausweisen. Allerdings gibt es auch Untersuchungen mit einem fehlenden bzw. nicht-signifikanten Einfluss. Weiterhin wird angeraten, die Theorien des absichtsvollen und geplanten Handelns von Ajzen (1991) heranzuziehen, um die Konstruktvalidität zu testen.18 Jedoch ist bisher die Zahl einschlägiger empirischer Untersuchungen dahin gehend noch recht überschaubar. Es sei auf eine Arbeit von Meyerhoff (2004) zum Zusammenhang zwischen Einstellungen und Zahlungsbereitschaft hingewiesen, die sich explizit und sehr ausführlich mit diesem Thema befasst und zwei empirische Untersuchungen zum Wattenmeer und zur Stromlandschaft Elbe beinhaltet. Divergent Validity Ein Test diesbezüglich bezieht sich auf die Frage, ob unterschiedliche Zahlungsbereitschaften in unterschiedlichen Situationen gemessen werden, sofern dies durch die Theorie angenommen werden kann. Werden beispielsweise Umweltgüter sequenziell bewertet, die Substitute darstellen, so müsste laut der theoretischen Vorhersage das zweite und die folgenden Güter niedrigere Werte (Zahlungsbereitschaften) haben, als wenn nach jedem Gut einzeln gefragt würde. Dies wird durch mehrere Studien bestätigt (siehe Hoevenagel 1994a: 213). Beispielhaft sei hier eine Kontingente Bewertungsstudie von Majid et al. (1983) angeführt. Sie haben mithilfe eines Bidding Games 140 Haushalte in Armidale, Australien zu ihrer Zahlungsbereitschaft für Erweiterungen von bereits existierenden Parkanlagen befragt, die z.B. Fels-Formationen als zusätzliche Attraktion bieten. Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass die Zahlungsbereitschaft für die erweiterten Parkteile für sich genommen – isoliert als eigenständiger Park betrachtet – mehr als das Doppelte beträgt im Vergleich zur Zahlungsbereitschaft für explizite Erweiterungen, d.h. wenn den Befragten unmissverständlich deutlich gemacht wurde, dass es sich um erweiterte Parkteile handelt. Dieses Ergebnis würde man mit Blick auf die Divergent Validity erwarten. Convergent Validity Sie bezieht sich darauf, inwieweit unterschiedliche Bewertungsmethoden zu den gleichen Ergebnissen gelangen (z.B. ein Vergleich zwischen der Kontingenten Bewertung und der Reisekostenmethode). Dabei ist u.a. zu beachten, dass die Kontingente Bewertung beides – nutzungsabhängige und nutzungsunabhängige Werte – misst, im Gegensatz zu indirekten Methoden. Es liegen Studien vor, die die „Convergent Validity“ der Kontingenten Bewertung bekräftigen. In einer Meta-Analyse haben Carson et al. (1996) 83 Studien analysiert, die insgesamt einen Vergleich von 616 Zahlungsbereitschaftsmessungen zwischen der Kontingenten Bewertung und Revealed Preference Methods wie der Reisekostenanalyse, 18
Für eine Darstellung der Theorien und eine kritische Auseinandersetzung siehe Kapitel 2 vorliegender Arbeit.
3.6 Reliabilität, Validität und Probleme bei der Anwendung direkter Messmethoden
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Marktpreismethode und simulierten sowie realen Märkten zulassen. Letzteres wird nachstehend unter der „Predictive Validity“ eingehender behandelt. Die Studien wurden zwischen 1966 und 1994 durchgeführt und beziehen sich auf eine Reihe von QuasiKollektivgütern aus den weit gefassten Bereichen Erholung, Umweltressourcen und Gesundheitsrisiken. Sie schließen sowohl nutzungsabhängige als auch nutzungsunabhängige Wertschätzungen ein. Unter Berücksichtung der methodischen Probleme bei MetaAnalysen gelangen Carson et al. zu recht positiven Ergebnissen mit Blick auf die Convergent Validity der Kontingenten Bewertung (KB). Im Regelfall sind mithilfe dieser direkten Methode die gemessenen Zahlungsbereitschaften für ein und dasselbe Gut geringer, wenn auch nicht sehr viel, im Vergleich zu indirekten Methoden (revealed preferences/RP).19 Je nach Analysestrategie variiert das Verhältnis der Methoden (KB/RP-Ratio) zwischen 0,77 und 0,92 für die mittlere Zahlungsbereitschaft und zwischen 0,75 und 0,94 für den Median.20 Weiterhin schwankt Pearsons Korrelationskoeffizient zwischen 0,60 und 0,98 und Spearmans Rangkorrelationskoeffizient zwischen 0,72 und 0,92. Alle Zusammenhänge sind signifikant, was die Validität der Kontingenten Bewertung unterstützt. Criterion/Predictive Validity Hierbei steht im Mittelpunkt, ob geäußerte Zahlungsbereitschaften mit anderen „wahrheitsgetreuen“ Maßen korrespondieren. Im Prinzip werden, soweit wie möglich, hypothetische Zahlungen mit realen verglichen. Eine Vorgehensweise stellen die so genannten „simulated-market experiments“ dar. Es werden Zahlungsbereitschaften für Quasi-Kollektivgüter ermittelt, die auf einem simulierten Markt gekauft oder verkauft werden. In solchen Experimenten werden reale Transaktionen mit realen Konsequenzen der Zahlungsentscheidung vorgenommen (Freeman III 2003: 175). Sodann werden die Zahlungsbeträge mit denjenigen auf einem hypothetischen Markt in Beziehung gesetzt. Der Punkt ist, wenn Befragte nicht unreine Kollektivgüter, mit denen sie eher vertraut sind, angemessen bewerten können, dann ist dies auch nicht bei reinen Kollektivgütern mit einer geringen Vertrautheit anzunehmen (negativer Test der Validität vgl. Hoevenagel 1994a: 214). Willis und Powe (1998) haben einen experimentellen Vergleich (im Feld) von hypothetischen und realen Zahlungsbereitschaften für Eintrittsgelder zur Besichtigung von Warkwoth Castle in England vorgenommen. Der Eintrittspreis lag dort 1994 bei 1,80ǧ. Willis und Powe haben 43 Personen, die nicht den vollen Eintrittspreis zahlen wollten, aber dennoch vorhatten, das Castle zu besichtigen, nach dem Eintrittspreis gefragt, den sie gerade noch bezahlen würden. Diesen Personen wurde anschließend ein Ticket, ihrer Zahlungsbereitschaft entsprechend, zum Kauf angeboten. Allerdings haben lediglich 17 Personen (40 Prozent) dieses 19
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Während bei indirekten Methoden die Zahlungsbereitschaften meist niedriger sind als bei direkten Methoden, sind sie bei indirekten Methoden in der Regel höher als in „realen Situationen“ bzw. auf simulierten Märkten (siehe die criterion validity). Grundsätzlich sind besonders auch direkte Methoden fehleranfällig. Daher bleibt bei der Beurteilung einer Diskrepanz zwischen Zahlungsbereitschaften, die mit verschiedenen Methoden gemessen wurden, letztlich unklar, ob sich diese Diskrepanz aus einer ungenügenden Validität der direkten, indirekten oder beider Methoden ergibt (Freeman III 2003: 176). Die Analysestrategie bezieht sich hierbei auf drei Samples: (1) Es werden alle einzelnen KB/RPVerhältnisse betrachtet, (2) es werden jeweils fünf Prozent mit den geringsten und höchsten Verhältnissen ausgeschlossen, und (3) es wird das gewichtete Mittel der KB/RP-Verhältnisse pro untersuchte Studie verwendet. Letzteres resultiert aus der Tatsache, dass einige Studien eine Vielzahl an vergleichenden Messungen vorlegen.
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3 Methoden zur Messung der Zahlungsbereitschaft
Ticket auch tatsächlich gekauft. Es wurde demnach eine eindeutige und statistisch signifikante Divergenz zwischen Verhaltensintention und Verhalten ermittelt. Zu anderen Ergebnissen gelangen beispielsweise Spencer et al. (1998). In einem Laborexperiment (simulated market) wurden 140 Studenten mit einer Anfangsausstattung von $10 jeweils in verschiedenen Gruppen hinsichtlich ihrer hypothetischen und realen Zahlungsbereitschaft für freiwillig bereitgestellte Programme zur Kontrolle der Wasserqualität (water quality monitoring) in zwei „Teichen“ (ponds) im Staat Rhode Island, USA untersucht. Die Resultate des Experiments weisen keine signifikanten Unterschiede zwischen den hypothetischen und realen Zahlungsbereitschaften aus. Oftmals werden Kalibrierungsfunktionen geschätzt, um hypothetische Zahlungsbeträge zu korrigieren und eine Konvergenz mit realen Zahlungen zu erzielen. In einer MetaAnalyse haben List und Gallet (2001) die Ergebnisse von 29 experimentellen Studien analysiert, die sich mit dem Vergleich von hypothetischen und realen Zahlungen bzw. Entschädigungsforderungen (WTP/WTA) sowohl für private Güter als auch kollektive (Umwelt)Güter befassen. Ihre Datengrundlage beruht auf 174 vergleichenden Zahlungsmessungen. Das Ziel von List und Gallet war es, die Kalibrierungsfaktoren anhand von Designcharakteristika der Experimente zu klären. Sie kommen u.a. zu der Schlussfolgerung, dass Zahlungsbereitschaften in hypothetischen Situationen im Durchschnitt um das Dreifache höher liegen als in realen Zahlungssituationen, dass der Kalibrierungsfaktor bei privaten Gütern niedriger ist als bei kollektiven Gütern sowie, dass es keinen Unterschied macht, ob Experimente im Labor oder im Feld durchgeführt werden.21 Dennoch ist das Fazit, das sich aus den Ergebnissen von „simulated market experiments“ ziehen lässt, nicht ganz eindeutig. Nach Bateman et al. (2002: 317) lassen sich in der Überblicksliteratur zu experimentellen Studien zwei divergierende Positionen finden. Einerseits wird festgestellt, dass Zahlungsbeträge bei dichotomen Frageformaten höher liegen als bei offenen Frageformaten, aber letztere eher mit realen Zahlungen auf simulierten Märkten korrespondieren. Andererseits werden Schlussfolgerungen gezogen, die eine Bestätigung der Validität Kontingenter Bewertungen für QuasiKollektivgüter wie den Kauf von Jagdgenehmigungen und insbesondere dichotomen Frageformaten nahe legen. Zudem weisen Carson et al. (1996: 94) in ihrer Meta-Analyse zur Kontingenten Bewertung und zu direkten Methoden darauf hin, dass ein Kalibrierungsfaktor über 2,0 nur für fünf Prozent der 86 von ihnen untersuchten Studien zutrifft und eher zu einer Divergenz, aber nicht Konvergenz von hypothetischen und beobachteten Zahlungsbereitschaften führt. Generell zeigen die unterschiedlichen Schlussfolgerungen, dass weitere Studien notwendig sind.
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Eine mögliche Herangehensweise zur Reduktion der Divergenz zwischen hypothetischen und realen Zahlungsbeträgen haben Loomis et al. (1996) getestet. In einem Laborexperiment wurden Büro- und Verwaltungsangestellte einer Universität gefragt, ob und wie viel sie bereit sind, für ein „Wolf-Gemälde“ zu bezahlen. Jeweils zwei Gruppen sollten erst ihren hypothetischen Zahlungsbetrag aufschreiben und dann ein reales Angebot machen (offenes Frageformat bzw. einfache Auktion, denn die Höchstbietende erhielt das Gemälde). Eine dritte Gruppe nahm unmittelbar an einer realen Auktion teil. In einer der ersten beiden Gruppen wurde ein so genannter reminder verwendet, d.h. den Teilnehmern wurde verdeutlicht, dass sie nicht den von ihnen als fair wahrgenommenen Preis nennen, sondern sich so verhalten sollen, als wäre es eine richtige Auktion. Der reminder konnte die Differenz zwischen hypothetischen und realen Geldbeträgen nicht gänzlich aufheben, sondern auf ein Verhältnis von 1,8:1 reduzieren. Insgesamt führt er zu einer besseren Performance im Vergleich zu den Ergebnissen ohne reminder.
3.6 Reliabilität, Validität und Probleme bei der Anwendung direkter Messmethoden
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Für alle Kriterien der Reliabilität und Validität Kontingenter Bewertungen lassen sich sowohl bestätigende als auch „ablehnende“ Studien finden. Diese Untersuchungen sind zum Teil selbst Gegenstand kritischer Auseinandersetzungen. Das zeigt exemplarisch und eindrucksvoll ein Sammelband zur Kontingenten Bewertung von Bjornstad und Kahn (1996), in dem Beiträge von Kritikern und Befürwortern der Methode zu finden sind. So führt beispielsweise Fisher (1996) explizit vier Studien an, die eine Predictive Validity Kontingenter Bewertungen entkräften. Hanemann (1996) wiederum widmet sich jeder der vier Studien und führt gewichtige Argumente ins Feld, warum die Studien eher ungeeignet sind, um Aussagen über die Validität der Methode zu treffen. Gerade im Spiegel solcher Diskussionen wird die eingangs erwähnte Anmahnung von Richard C. Bishop mit Blick auf einheitliche Standards zur Bewertung der Methode nachvollziehbar. Bislang bleibt aus der Lektüre einschlägiger Studien und Beiträge jedoch der Eindruck, der sich – um Stellung zu beziehen – in weiten Teilen mit der folgenden Äußerung von Hanemann (1996: 39) deckt: „There are at least two ways to investigate the accuracy of CV results – comparison with estimates of value derived by other methods, and comparison of CV responses with actual behavior where this is available. Both approaches are to be found in the literature. The critics of CV have generally disregarded the literature on the former, and provided a highly selective reading of the literature on the latter“.
3.6.2 Überblick zu methodischen Problemen und Verzerrungseffekten Für das Verständnis der methodischen Probleme der monetären Bewertung kollektiver Umweltgüter mithilfe hypothetischer Märkte ist nochmals nachzuvollziehen, mit welchen Erwartungen die Ökonomik an die Beurteilung der Ergebnisse geht. Ihr Ausgangspunkt ist, dass die Individuen schon vor der Befragung über Präferenzen auch für öffentliche Güter verfügen. In einer Umfrage müssen diese somit nur noch abgefragt werden. Entsprechend wird auch erwartet, dass die geäußerten Zahlungsbereitschaften weitgehend unabhängig von der Ausgestaltung des Messinstrumentes sind (Annahme der „procedural invariance“). Einflüsse des Framings oder gar in der Umfragesituation erst konstruierte Wertschätzungen werden dementsprechend als „falsche/verzerrte“ Werte verstanden und der Methode negativ angerechnet. Das Auftreten von methodischen Problemen (Verzerrungen/Biases) ist eng mit der Ausgestaltung und der Validität von Bewertungsstudien verbunden. An dieser Stelle werden einige dieser Probleme, die zum Teil schon aufgegriffen wurden, in Anlehnung an Hoevenagel (1994a: 216ff.) und Bateman et al. (2002: 302ff.) aufgelistet, um einen Überblick zu vermitteln. Dabei konzentriert sich die Darstellung auf die Kontingente Bewertung. Jedoch werden etliche dieser Punkte auch für Choice Experimente diskutiert (Hanley et al. 2001b: 450ff.). Da die Anwendung letzterer in der Umweltökonomie eher jüngeren Datums ist, liegen über ihre Brauchbarkeit noch wenige empirische Ergebnisse vor. Anreize zur Äußerung unwahrheitsgemäßer Zahlungsbereitschaften Darunter fällt strategisches Antwortverhalten (strategic bias). Befragte offenbaren nicht ihre „wahren“ Zahlungsbereitschaften, wenn sie beispielsweise über die Bereitstellung
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3 Methoden zur Messung der Zahlungsbereitschaft
eines Umweltgutes abstimmen oder Anreizen zum Trittbrettfahren bei freiwilligen Zahlungsmethoden unterliegen. Allerdings ist das strategische Verhalten als Quelle für Ergebnisverzerrungen in den letzten Jahren stärker in den Hintergrund getreten. Grund hierfür ist zum einen, dass in der experimentellen Forschung gezeigt werden konnte, dass Personen sich stärker kooperativ verhalten, als dies die mikroökonomische Theorie vorhersagt (Ledyard 1995, Weimann 1995, Henrich et al. 2001). Des Weiteren konnten Arbeiten wie die von Rondeau et al. (1999) nachweisen, dass durch die Verwendung so genannter „provision mechanisms“ die Anreizkompatibilität signifikant verbessert wird. Hierbei wird den Respondenten u.a. mitgeteilt, dass das Umweltgut nur bereitgestellt werden kann, wenn genügend Geld zu seiner Finanzierung zusammen kommen würde. Auch sozial erwünschte Antworten und Zustimmungstendenzen (compliance bias, yea-saying) zählen zu den Anreizen zur Äußerung unwahrheitsgemäßer Zahlungsbereitschaften. Implizierte Bewertungshinweise Der entscheidende Punkt hierbei ist, ob durch die Konstruktion des hypothetischen Marktes/des Bewertungsszenarios Befragte Hinweise dahin gehend wahrnehmen, was der „korrekte“ Wert eines Gutes sein sollte. Das Zahlungsvehikel oder die Instrumente zur Ermittlung der Zahlungsbereitschaft geben mitunter mögliche Zahlungsbeträge vor (z.B. bei der Zahlkarte), die die Entscheidung des Respondenten beeinflussen können (starting point bias). Das gilt auch für die Spannbreite vorgegebener Geldbeträge (range bias). Verzerrungen der Antworten sind ebenfalls möglich, wenn die Beschreibung des Umweltgutes Informationen über die Beziehung dieses Gutes zu anderen kollektiven oder privaten Gütern gibt, welche wiederum einen Einfluss auf die Zahlungsentscheidung haben (relational bias). Problematisch ist zudem, wenn die Befragungssituation oder das Bewertungsszenario suggerieren, dass bestimmte Eigenschaften oder Ausprägungen eines Gutes wichtig und daher „wertvoll“ sind (importance bias).22 Ähnliches gilt auch für die Platzierung und Reihenfolge, in der verschiedene Güter oder Levels an Gütern präsentiert werden (position bias). Missspezifikation des Bewertungsszenarios Probleme dieser Kategorie liegen vor, wenn Befragte das Bewertungsszenario nicht so wahrnehmen, wie es vom Forscher beabsichtigt war. Zum einen kann das beschriebene Umweltgut „falsch“ wahrgenommen werden (amenity misspecification bias), u.a. hinsichtlich seines Umfangs, hinsichtlich seiner geographischen Ausdehnung, hinsichtlich der Gewinne, die es mit sich bringt, hinsichtlich der Skala, mit der es beschrieben wird oder hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, mit der es bereitgestellt wird. Zum anderen sind Fehlinterpretationen in Bezug auf den Kontext der Bereitstellung des Gutes möglich (con22
Die Hervorhebung eines (wichtigen/dominierenden) Attributes kann (etwas scherzhaft) auch als „Bambi-Effekt“ bezeichnet werden. Ist beispielsweise die Bewertung von Veränderungen der biologischen Vielfalt im Wald Untersuchungsgegenstand und wird als ein Attribut der Schutz von Rehen aufgenommen, so ist denkbar, dass Befragte lediglich diese Komponente bei ihrer Zahlungsbereitschaft berücksichtigen (Dominanz) bzw. andere Attribute nicht zum Gegenstand der Bewertung machen.
3.6 Reliabilität, Validität und Probleme bei der Anwendung direkter Messmethoden
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text misspecification bias), u.a. hinsichtlich des Zahlungsvehikels (payment vehicle bias), hinsichtlich der Eigentumsrechte an dem Gut oder hinsichtlich der Budgetrestriktion.23 Dem Zahlungsvehikel kommt eine besondere Bedeutung zu, weil es den Kontext einer Zahlung umreißt. Systematische Fehler treten dann auf, wenn Personen das Vehikel als ungünstig oder ungeeignet wahrnehmen. Unplausible Vehikel können zu einer verstärkten Wahrnehmung des hypothetischen Charakters der Untersuchung führen und damit die Zahlungsbeträge der Respondenten modifizieren.24 Morrison et al. (2000: 410) lenken die Aufmerksamkeit auf die Methode des „Response Recoding“, um einen potenziellen Zahlungsvehikel-Bias zu reduzieren. Diese Methode erlaubt durch zusätzliche Fragen zu ermitteln, inwieweit die Befragten in Bezug auf eine zu bewertende Maßnahme wirklich negativ eingestellt sind oder schlicht das Zahlungsvehikel ablehnen. Letztere können dann als so genannte Protestantworten in Modellschätzungen ausgeschlossen werden (siehe auch Abschnitt 3.6.4). Allerdings haben diese Ausschlüsse unter Umständen einen erheblichen Einfluss auf die durchschnittliche Zahlungsbereitschaft (Überschätzung der Zahlungsbereitschaft). In der Literatur gibt es eine Reihe von Studien, die sich mit methodischen Problemen und daher Verletzungen der „procedural invariance“, der Annahme der Unabhängigkeit geäußerter Zahlungsbereitschaften von der Ausgestaltung des Messinstrumentes, auseinandersetzen (vgl. u.a. Bateman et al. 2002: 381ff., Hanemann 1996: 55ff.). Auf diese Studien wird hier nicht näher eingegangen. Denn viel wichtiger ist es herauszustellen, dass einerseits die „procedural invariance“ natürlich ein Idealzustand ist und andererseits Untersuchungen dahin gehend wie alle empirischen Analysen selbst fehleranfällig sind. Deshalb soll am Ende dieses Überblicks zu Verzerrungseffekten ähnlich wie in den Ausführungen zur Reliabilität und Validität ein Aspekt stehen, den Hanemann anführt: „The point I am making is this: whether or not something is a violation of procedural invariance depends on whether or not the procedures are in fact equivalent in the eyes of respondents. Any test of CV must be designed so that it takes this into account” (Hanemann 1996: 60).
3.6.3 Einbettungseffekt Eines der meist diskutierten Probleme, insbesondere bei der Kontingenten Bewertung, ist der so genannte Einbettungseffekt (embedding-effect). Die Bezeichnung Einbettung (embedding) geht auf Kahneman und Knetsch (1992) zurück und lässt sich wie folgt beschreiben:
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Eine Methode, um Probleme durch den hypothetischen Charakter der Kontingenten Bewertung zu mildern und „korrekte“ Zahlungsbeträge zu ermitteln, ist auch das so genannte „Cheap Talk Design“. Bei diesem aus der Spieltheorie entlehnten Konzept werden die Befragten vor ihrer Zahlungsentscheidung z.B. explizit auf Untersuchungsergebnisse aufmerksam gemacht, die eine Divergenz zwischen hypothetischen und realen Zahlungen feststellen. Beispielweise konnten Cummings und Taylor (1999) anhand von Experimenten nachweisen, dass sich reale Zahlungen und hypothetische Zahlungen mit Cheap Talk nicht unterschieden, im Gegensatz zu realen Zahlungen und hypothetischen Zahlungen ohne Cheap Talk. Es gibt bisher nur wenige Studien, die explizit die Wirkung verschiedener Zahlungsvehikel in der Feldforschung, also nicht experimentell, untersuchen (siehe Champ et al. 2002).
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3 Methoden zur Messung der Zahlungsbereitschaft „[…] the same good is assigned a lower value if WTP for it is inferred from WTP for a more inclusive good rather than if the particular good is evaluated on its own“ (Kahneman und Knetsch 1992: 58).
Ein Beispiel für einen Einbettungseffekt wäre, wenn die Zahlungsbereitschaft für den Schutz eines von sechs Teilgebieten einer Naturlandschaft genauso hoch ist wie diejenige für alle sechs Teilgebiete. Die Hauptgründe für diesen Effekt werden u.a. darin gesehen, dass Personen keine Präferenzen für ein kollektives Gut äußern oder im Rahmen des hypothetischen Bewertungsszenarios Effekte der Budgetrestriktion nicht berücksichtigen (Diamond 1996: 66, Diamond und Hausman 1994: 46). Sobald der Einbettungseffekt auftritt, können in verschiedenen Untersuchungen zum Teil variierende Zahlungsbereitschaften für ein und dasselbe Umweltgut vorliegen, wobei es dann schwierig ist, den „richtigen“ Zahlungsbetrag festzulegen, z.B. denjenigen, der in Kosten-Nutzen-Analysen eingehen soll. Allerdings ist anzumerken, dass die Frage, inwieweit Zahlungsbeträge mit dem Umfang von Umweltgütern variieren (scope test), seit Beginn der Kontingenten Bewertung ein relevanter Untersuchungsgegenstand ist und an sich kein „neues Phänomen“ darstellt (Hanemann 1994: 34). Auch im NOAA-Panel von Arrow et al. (1993) wird dieses Problem explizit angesprochen. Kahneman und Knetsch (1992: 59) führen zunächst Bedingungen und Beispiele an, unter denen eine Einbettung bei privaten Gütern auftritt: (1) Die Güter sind vollständige Substitute und die Sättigung tritt bereits bei dem Konsum einer Einheit auf. Eine Illustration gibt das Eistütenbeispiel: In der Regel haben Erwachsene eine Zahlungsbereitschaft von null für eine zweite große Eistüte, falls die erste gerade konsumiert worden ist. Der positive Wert für eine bestimmte Eistüte ist hinsichtlich aller möglichen alternativen Eistüten gleich (vom Geschmack abgesehen). Dies entspricht einem Anordnungseffekt, d.h. es spielt für Entscheidungen eine Rolle, an welcher Stelle ein Gut präsentiert wird. Allerdings liegt auch eine Einbettung vor, da die Zahlungsbereitschaft für 100 Eistüten nicht höher ist als diejenige für eine Eistüte. (2) Güter, für die Personen bereit sind, eine große Menge ihres Wohlstandes/Einkommens abzugeben (z.B. in Extremsituationen wie der Verlust an Körperteilen). Kahneman und Knetsch vermuten, dass die Summe der Zahlungsbereitschaften für die Abwendung eines Verlustes an einem Bein und einem Arm viel geringer ist als die Summe der Zahlungsbereitschaften, wenn der Verlust dieser Körperteile separat betrachtet wird. Da für einen Körperteil, gemessen am Budget einer Person, die Zahlungsbereitschaft ohnehin sehr hoch ist, bliebe nur wenig zur Vermeidung des Verlustes eines zweiten Körperteils übrig. Hier ergibt sich der Einbettungseffekt (und der Anordnungseffekt) infolge des limitierten Wohlstandes einer Person. Für kollektive Güter haben Kahneman und Knetsch (1992) verschiedene Experimente/Befragungen durchgeführt, anhand derer sie den Einbettungseffekt nachgewiesen haben, aber auch deutlich machen, dass dieser Effekt nicht notwendigerweise in Kontingenten Bewertungen auftritt. Personen haben für verschiedene Grade der Einbettung von u.a. Umweltgütern Wertschätzungen bekundet, die sich nicht statistisch signifikant voneinander unterschieden haben. Dabei gaben verschiedene Gruppen entweder den Grad empfundener moralischer Befriedigung durch eine Zahlung oder ihre maximale Zahlungsbereitschaft an. Beide Maße korrespondierten im hohen Maße miteinander. Im Endergebnis wird nahe gelegt, dass Kontingente Bewertungen nicht ökonomische Werte von Umweltgütern messen. Kahneman und Knetsch (1992: 64) bieten schließlich folgende Erklärungshypothese an, die bereits im theoretischen Teil der vorliegenden Arbeit abgehandelt wurde:
3.6 Reliabilität, Validität und Probleme bei der Anwendung direkter Messmethoden
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„[…] responses to the CVM questions express a willingness to acquire a sense of moral satisfaction (also known as a “warm glow of giving”) by a voluntary contribution to the provision of a public good“.
Personen „konsumieren” demnach eine Art moralische Befriedigung, die sie mit dem Beitrag zu einem Gut/einer guten Sache verbinden (Warm Glow). Die Zahlung selbst stiftet einen Nutzen, aber nicht unmittelbar das Umweltgut. Personen treten somit nicht als „Käufer auf einem hypothetischen Markt“ auf, vielmehr sehen sie ihre Zahlung als einen Beitrag zu einer guten Sache. Das Ausmaß der moralischen Befriedigung kann mit dem Gut variieren, d.h. unterschiedliche Güter stiften verschiedene Grade an Befriedigung. Diese sind aber nicht vom Umfang des Gutes abhängig. So könnte z.B. erklärt werden, dass Personen für den Schutz einer bestimmten gefährdeten Tierart in einem Gebiet sogar eine höhere Zahlungsbereitschaft äußern als für den Schutz aller gefährdeten Tierarten, der ja ersteres einschließt.25 Im Gegensatz dazu argumentiert Hanemann (1994), dass der Einbettungseffekt überbewertet wird. In einer Fußnote macht er seine Position unmissverständlich deutlich: „Though widely believed, this a myth. It may be traced to Kahneman (1986), which is usually cited as showing that respondents were willing to pay the same amount to clean up fishing lakes in one region of Ontario as in all of Ontario. His data actually show a 50 percent difference. Moreover, the survey involved a brief telephone interview using an open-ended willingness-to-pay question. It provided no detail on how and when the cleanup would occur. Respondents may not have seen cleaning up all the lakes as something likely to happen soon” (Hanemann 1994: 34).
Kahneman werden demnach vor allem methodische Mängel bei der Durchführung seiner Studien angelastet. Hanemann (1994) stützt seine Argumentation u.a. auf Überblicksartikel, die ausweisen, dass die Mehrzahl Kontingenter Bewertungen den „scope test“ erfüllt, d.h. Zahlungsbereitschaften erwartungsgemäß mit dem Umfang des Gutes variieren.26 Selbiges legen Carson et al. (2001: 183) nahe und weisen auch darauf hin, dass die meisten Studien, in denen der „scope test“ verfehlt wird, nicht den gängigen Anforderungen an die Methode der Kontingenten Bewertung entsprechen. Andere kommen ebenfalls zu dieser Schlussfolgerung, wenngleich sie durchaus ein differenziertes Resümee ziehen (vgl. Bateman et al. 2002, Bateman et al. 2004: 72). Trotzdem bleibt die strittige Frage, inwieweit Warm-Glow-Motivationen, mit denen u.a. der Einbettungseffekt erklärt werden kann, als eine legitime Komponente der Zahlungsbereitschaft anzusehen sind. Nunes und Schokkaert (2003) haben eine Studie vorgelegt, die in jedem Falle den methodischen Anforderungen der Kontingenten Bewertung gerecht wird und in der sie Warm-Glow-Motive zum einen quantifizieren und zum anderen ein so genanntes „cold WTP measure“ berechnen, bei dem die Zahlungsbereitschaften unter 25 26
Auf eine eingehendere Diskussion der These vom Kauf moralischer Befriedigung (Warm Glow) im Zusammenhang mit einem Beitragsmodell sei auf die Abschnitte 2.6.1 und 2.7 zurückverwiesen. Dort wurden bereits einige der hier angeführten Studien aufgegriffen. Zudem merkt Hanemann (1994: 35) an, dass zumindest Anordnungseffekte und Effekte der Subadditivität von eingebetteten Gütern der ökonomischen Theorie entsprechend mit Substitutionseffekten und einer abnehmenden Grenzrate der Substitution erklärbar sind. Eine weitere potenzielle Erklärung führen Degenhardt und Gronemann (2001) an. Die Äußerung der Zahlungsbereitschaft könnte einem Spontankauf entsprechen und wird womöglich später bereut, wenn Personen klar wird, dass ihr Budget für Beiträge zu anderen Kollektivgütern nicht ausreicht.
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3 Methoden zur Messung der Zahlungsbereitschaft
Ausschluss des Warm Glow nach unten korrigiert werden. Sie zeigen, dass ohne Warm Glow die Zahlungsbereitschaften den so genannten „scope test“ erfüllen, d.h. keine Einbettungseffekte auftreten. Untersuchungsgegenstand ihrer Studie ist die Zahlungsbereitschaft für drei Schutzprogramme zum Management eines Naturparks in Portugal, der aus einem Wildnisgebiet mit einem eingeschränkten Besucherzugang und einem Erholungsgebiet besteht. Im ersten Programm wird das Wildnisgebiet geschützt und das Erholungsgebiet für den kommerziellen Tourismus weiterentwickelt. Im zweiten Programm wird das Wildnisgebiet „aufgegeben“, und das Erholungsgebiet wird für eine naturnahe Nutzung aufrechterhalten. In einem dritten Programm werden sowohl das Wildnis- als auch das Erholungsgebiet geschützt. Die ersten beiden Schutzmaßnahmen sind also in die dritte Schutzmaßnahme eingebettet. Mithilfe der Faktorenanalyse wurden von Nunes und Schokkaert (2003: 244) fünf Aussagen ermittelt, die Warm-Glow-Motivationen messen, z.B. „Our family admires the individuals who, on voluntary basis, participate in collecting donations for national programs for social aid and solidarity“, „There are some funding campaigns to which my family and I feel very close and therefore we do not hesitate to contribute a donation“ oder „It is difficult for me to decline my help to other individuals who, either in the streets or at my door, beg for charity“. Die Ergebnisse von Nunes und Schokkaert zeigen, dass die Zahlungsbeträge kaum mit dem Umfang der Schutzprogramme (zwischen den einzelnen Programmen) variieren. Der scope-test wird daher zunächst verfehlt. Zudem zeigt sich, dass Befragte, die eher einen Warm Glow haben, signifikant höhere Zahlungsbereitschaften bekunden als andere. Demnach liegt ein „Warm-Glow-Effekt“ vor. Wenn Nunes und Schokkaert ihr „cold WTP“-Maß ohne Warm Glow berechnen, dann unterscheiden sich die Zahlungsbeträge wie erwartet, sodass kein Einbettungseffekt vorliegt, und es gibt keinen signifikanten Unterschied zwischen der Summe der Zahlungsbereitschaften der zwei Teilprogramme und dem dritten Schutzprogramm. Diese Auswertungsstrategie, die einen ersten Versuch darstellt, und die Untersuchungsergebnisse sind insofern interessant, als dass den Kritikern der Kontingenten Bewertung ein Stück weit „der Wind aus den Segeln genommen wird“, da sich strittige Zahlungsmotivationen identifizieren lassen und Schätzungen der Zahlungsbereitschaft erzielt werden können, die nicht im Widerspruch zu ökonomisch-theoretischen Grundlagen stehen. Insgesamt bleibt trotz aller Diskussionen der Einbettungseffekt eine empirische Frage.27 Die damit verbundenen Erklärungsversuche – allen voran die These vom Kauf moralischer Befriedigung – sind zweifellos theoretisch bedeutsam, insbesondere wenn sie unabhängig von einem Einbettungseffekt greifen, d.h. ein „Warm-Glow-Effekt“ generell eintritt. Dann würde zwangsläufig eine Auseinandersetzung mit Handlungsmotivationen hinsichtlich der theoretischen Grundlagen der ökonomischen Bewertung notwendig, wie sie im theoretischen Teil der vorliegenden Arbeit geführt wurde.
27
Ein Test, ob Zahlungsbereitschaften mit dem Umfang eines Umweltgutes variieren, sollte in empirischen Untersuchungen ohnehin durchgeführt werden Es sei daran erinnert, dass bei Choice Experimenten ein „scope test“ immer enthalten ist. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, entweder der Umfang eines Gutes wird innerhalb eines Samples variiert (interner Test), oder der Umfang des Gutes wird zwischen Sub-Samples variiert (externer Test vgl. Carson et al. 2001: 182). Externe Tests gelten als stabiler (Hanley et al. 2001b: 450).
3.6 Reliabilität, Validität und Probleme bei der Anwendung direkter Messmethoden
139
3.6.4 Protestantworten Protestantworten treten auf, wenn Personen aufgrund des Bewertungsszenarios die Zahlungsbereitschaftsfrage verweigern bzw. eine Zahlungsbereitschaft von null („protest bid“) angeben (Bateman et al. 2002: 311).28 Befragte „protestieren“ beispielsweise gegen das Zahlungsvehikel wie Steuern oder einen Fondbeitrag (Morrison et al. 2000), oder sie lehnen es ab, Natur und Landschaft mit Geld zu bewerten. Obwohl sie eine Wertschätzung für das Umweltgut haben mögen, also eine Zahlungsbereitschaft größer null, äußern sie, nicht zahlungsbereit zu sein. Damit unterscheiden sich diese Antworten aber strikt von denjenigen, die eine tatsächliche Zahlungsbereitschaft von null für ein Gut zum Ausdruck bringen, weil das ihrer Wertschätzung für das fragliche Umweltgut entspricht oder sie sich eine Zahlung nicht leisten können (ökonomische Gründe). Für den Umgang mit Protestantworten gibt es keine eindeutigen Regeln (Boyle und Bergstrom 1999: 197). Da Protestantworten aber unter Umständen einen erheblichen Anteil in Befragungen ausmachen, stellen sie ein gravierendes Problem dar, und es ist zu klären, inwieweit sie in Kosten-Nutzen-Analysen auszuschließen oder einzubeziehen sind (Halstead et al. 1992, Wronka 2001). Falls „Protestler“ eine Zahlungsbereitschaft hätten, die im Durchschnitt derjenigen der Zahlungsbereiten entspricht, würde die Zuordnung einer Nullantwort den ökonomischen Wert des Umweltgutes unterschätzen. Demgegenüber würde der ökonomische Wert überschätzt, sobald Protestler ausgeschlossen werden, aber eine „wahre“ Zahlungsbereitschaft von null haben. Im Regelfall werden Protestantworten nicht in weitere Analysen einbezogen (Morrison et al. 2000). Dieses Vorgehen ist jedoch – wie bereits angedeutet – mit Problemen behaftet. Protestantworten werden meist anhand von ad-hoc-Kriterien festgelegt (Boyle und Bergstrom 1999: 197, Jorgensen et al. 1999: 132ff.). Exemplarisch für dieses Vorgehen stehen die Ausführungen von Freeman III (2003: 166). Hiernach könnten denjenigen, die eine Nullantwort gegeben haben, folgende drei Aussagen vorgelegt werden: „I can’t afford to pay for the good“, „The good is not important to me“ und „I don’t think that I should have to pay for the good“. Diejenigen, die die dritte Aussage wählen, würden als Protestantworten von weiteren Analysen ausgeschlossen werden, während die anderen als „wahre“ Null in Auswertungen eingehen. Dennoch werden Protestler gemeinhin auf der Grundlage unterschiedlicher Maßstäbe identifiziert, was im Umkehrschluss dazu führt, dass die Bewertung ein und desselben Umweltgutes in Abhängigkeit von der Definition von Protestantworten zu verschiedenen Ergebnissen führen kann. Das zeigt sich deutlich beim Vergleich zweier Kontingenter Bewertungsstudien von Jakobsson und Dragun (2001) sowie Strazzera et al. (2003). Tabelle 3.3 zeigt den jeweiligen Set an Aussagen, mit denen Protestantworten identifiziert worden sind. Während bei Strazzera et al. beispielsweise Fairnessaspekte angesprochen werden, fehlen diese gänzlich bei Jakobsson und Dragun. Letztere wiederum beziehen Kriterien ein wie ungenügende Informationen oder die Ablehnung, den Tier- und Pflanzenschutz mit Geld zu bewerten. Generell zeigt sich, dass Befragte, die in der einen Studie als Protestler eingeordnet werden, in der anderen Studie als gültige Nullantworten anzusehen sind.
28
Daneben zählen auch Ausreißer zu Protestantworten, d.h. Zahlungsbereitschaften, die sehr hoch sind und, an der Budgetrestriktion bemessen, weit über den „wahren“ Zahlungsbetrag hinausgehen (Lindsey 1994). Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich jedoch auf die Behandlung von Nullantworten.
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3 Methoden zur Messung der Zahlungsbereitschaft
Tabelle 3.3:
Beispiele zur Messung von Protestantworten
Jakobsson und Dragun (2001: 215)
Strazzera et al. (2003: 466)
I did not want to put a dollar value on protecting plants and animals.
The method of payment (entry charge) is considered inappropriate.
The government should protect plants and animals using taxes already paid.
It is unfair to charge for recreation in that forest.
Not enough information is given. I object to the way the question is asked.
Sobald in Bewertungsstudien Antworten identifiziert werden, die nicht wie angenommen einer Art Konsumentenentscheidungen entsprechen, weil Befragte gegen die Konstruktion des hypothetischen Marktes oder aus ethischen Gründen protestierten, wird die Kritik derjenigen, die der Methode skeptisch gegenüberstehen, ein Stück weit untermauert (Boyle und Bergstrom 1999: 198). Schon deshalb ist ein überlegter Umgang mit Protestantworten erforderlich. Der Ausschluss von Protestantworten muss zumindest einigen Anforderungen genügen, denn er kann zu Problemen der Repräsentativität führen, wie es die Ausführungen von Jorgensen und Syme (2000: 252) verdeutlichen: „If practitioners are to censor refusals to pay, they have to demonstrate that the practice is independent of the willingness to pay (WTP) question format, the distribution of ‘legitimate’ reasons, variables external to the valuation process (e.g. income), and the WTP response. If censoring one type of response results in a biased sample, then all claims for generalizability on the basis of representative sampling are forgone. In such cases, the aggregate WTP value only has significance for the sample from which it was generated”.
Morrison et al. (2000) verfolgen eine Strategie im Umgang mit Protestantworten, bei der nicht – wie gewöhnlich – solche Antworten per se ausgeschlossen werden. Beim so genannten „Recoding of Protest Responses“ werden den Nicht-Zahlungsbereiten eine Reihe von Aussagen vorgelegt, auf deren Grundlage Nullantworten klassifiziert werden. Gegenstand der Studie ist die Zahlungsbereitschaft für den Schutz der Salzlagunen/FeuchtlandGebiete „Coorong“ (Weltkulturerbe) und „Tilley Swamp“ in Australien, wobei der Einfluss des Zahlungsvehikels auf die Zahlungsentscheidung im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht. Beide Gebiete sind durch eine steigende Wasserzufuhr aus einem Grundwasserabflusssystem gefährdet. Eine schriftliche Befragung in „New South Wales“ und „South Australia“ unter Verwendung eines dichotomen Frageformats (Zahlungsbeträge variieren) mündete in 655 gültige Antworten. Die Befragten waren aufgefordert, ihre Zahlungsbereitschaft für Schutzprogramme – Bau einer Rohrleitung, um den Zufluss abzuwenden – zu bekunden. Nicht-Zahlungsbereite, die aus einer Reihe von Aussagen dem Statement „I support the pipe but not if it requires a levy of any amount“ zugestimmt haben, wurden in einem ersten Schritt, der gängigen Vorgehensweise entsprechend, als Protestler identifi-
3.6 Reliabilität, Validität und Probleme bei der Anwendung direkter Messmethoden
141
ziert.29 Insgesamt konnten so 16 Prozent aller Antworten als Protestantworten eingeordnet werden. Im Vorfeld der Befragung wurden Focus Groups durchgeführt. Dabei hatte sich als Hauptprotestgrund herausgestellt, dass die Verantwortung für Maßnahmen und deren Finanzierung der Regierung zugeschrieben wird. Mit diesem Wissen wurden den Protestlern in einem zweiten Schritt weitere Aussagen vorgelegt, in denen Bedingungen benannt wurden, unter denen sie dem Programm (und damit der Zahlung) zustimmen würden, z.B. „I would pay $50 for the pipe if I could be convinced that the government doesn’t have enough money to pay for it“. Wenn Protestler einer von drei solchen Aussagen zustimmten, dann wurden sie als Befürworter der Maßnahme eingeordnet (Umkodierung). Diejenigen, die angaben, sich eine Zahlung nicht leisten zu können, wurden so behandelt, als ob sie die Maßnahme ablehnen, und ihre Antworten wurden ebenfalls auf einen Wert von null umkodiert. Lediglich jene 19 Fälle, bei denen keine dieser Bedingungen zutraf, sind im „Protest Recoding“ als Protestantworten eingestuft worden. Im Endergebnis zeigt sich eine hohe Sensitivität der Zahlungsbereitschaften in Abhängigkeit von der Behandlung von Protestantworten. Ohne jeglichen Ausschluss von Protestantworten beträgt der Median $120, mit dem Verfahren des „Protest Recoding“ $155 und unter Ausschluss aller Protestantworten $172. Morrison et al. (2000) konnten zudem zeigen, dass das Umkodierungsverfahren von Protestantworten dazu führt, dass Verzerrungen der Zahlungsbereitschaftsangaben infolge verschiedener Zahlungsvehikel – hier einer Einkommenssteuer versus Wassergebühren – reduziert werden. Eine Studie mit dem Schwerpunkt auf dem Zahlungsformat und Protestantworten legen Jorgensen et al. (1999) vor. Sie haben in einer Kontingenten Bewertung zur Verbesserung der Abwasserqualität in Australien eine Reihe an Protestgründen getestet und dabei untersucht, inwieweit diese mit dem „Zahlungsformat“ variieren. Sie argumentieren, dass bei einem dichotomen Frageformat – Befragten werden verschiedene Geldbeträge vorgelegt – eher Aspekte der Fairness Proteste auslösen. Besonders bei Befragten, die über einen hohen Preis für das Umweltgut entscheiden sollen, könnte eine fehlende Akzeptanz der Zahlung relevant werden. Für ein offenes Frageformat hingegen legen sie nahe, dass fehlende Informationen über das Umweltgut zu Protestantworten führen. In der Studie wurden insgesamt 1193 Haushalte in den Städten Brisbane, Melbourne, Perth und Sydney in Faceto-Face-Interviews befragt. Ungefähr die Hälfte der Befragten war nicht zahlungsbereit oder hat die „weiß nicht“-Kategorie angegeben. Hauptgründe für die Nullantworten waren unabhängig vom Zahlungsformat: „I pay enough already“ und „I can’t afford to pay at the moment“. Mit einer Reihe von Chi-Quadrat-Tests konnten Jorgensen et al. zudem zeigen, dass bei einem dichotomen Frageformat im Vergleich zu einem offenen Frageformat Personen bei der Frage nach der Fairness der Zahlung – „Unfair to ask me to pay anything“ und der Ablehnung der Verantwortung einer Zahlung – „It’s not my problem“ einen höheren Anteil an Nullantworten aufweisen. Das offene Frageformat hingegen steht, wie erwartet, in einem Zusammenhang mit Informationsbeschränkungen („There is not enough information“). Generell lassen sich nach Jorgensen et al. zwei „Protest“-Dimensionen unterscheiden: Die erste spiegelt Überzeugungen hinsichtlich der Ausgestaltung der Kontingenten Bewertung wider (z.B. Aspekte der Verantwortlichkeit für eine Zahlung). Die zweite Dimension umfasst Einstellungen gegenüber der Zahlung (z.B. Aspekte der Fair29
Dabei hat sich gezeigt, dass sich die Protestantworten nicht signifikant anhand des Zahlungsvehikels unterscheiden. Es ist dahin gehend irrelevant gewesen, ob in der Untersuchung eine Erhöhung der Einkommenssteuer oder der Wassergebühren als Vehikel verwendet wurde.
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3 Methoden zur Messung der Zahlungsbereitschaft
ness). Jorgensen et al. (1999: 148) geben eine interessante Empfehlung, die bisher nur wenig aufgegriffen wurde: „Moreover, responses to protest response items should be garnered from all respondents rather than only those stating zero bids. It is plausible that respondents who state positive bids may also hold beliefs that might be considered so-called protests of some kind”.
In einer zweiten Studie haben sich Jorgensen und Syme (2000) mit dieser Empfehlung eingehender beschäftigt. Wiederum wurden über tausend Haushalte in den australischen Städten Brisbane, Melbourne, Perth und Sydney zu ihrer Zahlungsbereitschaft für Interventionsmaßnahmen in Wassereinzugsgebieten befragt. Im Gegensatz zur ersten Studie wurde in den vier Städten jeweils das Bewertungsszenario hinsichtlich des Zahlungsvehikels, der Zahlungsdauer, der Maßnahmen und der für die Durchführung der Maßnahmen verantwortlichen Institution variiert. Die Zahlungsbereitschaft wurde mit einem dichotomen Frageformat ermittelt. Protestüberzeugungen wurden von allen Befragten mit sechs Aussagen gemessen und als eine Einstellung gegenüber der Zahlung behandelt.30 Der Test eines Strukturgleichungsmodells hat im Wesentlichen ergeben, dass die Zahlungsbereitschaft stärker von der Einstellungskomponente beeinflusst wurde als von den vorgegebenen Preisen und dem Haushaltseinkommen. Haushalte mit einem niedrigeren Einkommen haben zudem eher eine negative Einstellung gegenüber der Zahlung. Jorgensen und Syme (2000: 264) legen daher nahe, dass Ausschlüsse von Protestantworten zu Verzerrungen in der Stichprobe zugunsten von Haushalten mit höheren Einkommen führen können. Weiterhin ist erwähnenswert, dass die Einstellungen nicht mit der Ausgestaltung des Bewertungsszenarios (Zahlungsvehikel usw.) variieren. Es ließe sich somit eine Allgemeingültigkeit der Protesteinstellungen vermuten, die aber weiterer Untersuchungen bedarf.31 Jorgensen und Syme (2000: 264) gelangen zu nachstehender Schlussfolgerung, die es wert ist, vollständig zitiert zu werden: „In conclusion, WTP as a behavioral intention cannot be interpreted as the value of an environmental intervention without establishing what it is that individuals mean by their responses to the valuation question. While WTP might reflect the value of an attitude object, it may also reflect the value of the measurement process itself. This circumstance is not likely to be solved by simply deleting data that is inconsistent with normative economic models. Such a practice actually promotes suspicion regarding the validity of the CV method. While protest beliefs are unproblematic from the standpoint of attitude theory, the framework requires a change in the practitioner’s interpretation of an individual’s refusal to pay for environmental public goods”.
Protestantworten sind vor allem ein Problem mit Blick auf die Validität der Kontingenten Bewertung. Die Missspezifikation von Zahlungsbereitschaften infolge der methodischen Ausgestaltung des hypothetischen Bewertungsszenarios (z.B. Zahlungsvehikel und Zahlungsformat) ist jedoch nur eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite lassen sich Pro30
31
Die Protestaussagen lauteten beispielsweise: „The government should use existing revenue to pay for stormwater pollution control“, „It is my right to have cleaner stormwater and not something I should have to pay extra for“ und „If the money was collected, I don’t really believe that it would be spent on making the stormwater cleaner“. Bisher mangelt es noch an einschlägigen Studien. Eine Ausnahme bildet die Studie von Meyerhoff und Liebe (2006). Auch im empirischen Teil der vorliegenden Arbeit wird eine Protesteinstellung getestet (vgl. Abschnitt 7.1).
3.7 Zusammenführung von Theorieansätzen und methodischen Problemstellungen
143
testgründe in ethischen Vorstellungen finden wie beispielsweise in der Ablehnung der monetären Bewertung von Umweltgütern oder in Aspekten der Fairness und des Vertrauens. Letztere mögen mitunter in einem Zusammenhang mit methodischen Fragen stehen, wer beispielsweise für die Bereitstellung des Umweltgutes verantwortlich ist. Allerdings ist fraglich, inwieweit solche Probleme methodisch behoben werden können. Es scheint in der Literatur unbestritten, dass Protestantworten von ökonomisch geleiteten Nullantworten (keine Wertschätzung für das Umweltgut, fehlende Möglichkeit einer Zahlung) getrennt zu betrachten sind (Mitchell und Carson 1989: 268, Bateman et al. 2002: 311). Einerseits ist es möglich, Protestantworten aus weiteren Analysen auszuschließen. Hier können jedoch hohe Protestraten zu einem Problem der Repräsentativität in der Untersuchung führen. Andererseits können sie in weiteren Analysen als Nullantworten eingehen. Dies ist wiederum problematisch, weil eine klare Trennung hinsichtlich der Motivationen von Zahlungsbereiten und Nicht-Zahlungsbereiten nicht gewährleistet ist, und weil es möglich ist, dass Protestler eine positive Zahlungsbereitschaft haben. Eine weitere Variante, die aber bisher kaum verwendet wird, wäre die Schätzung der Zahlungsbereitschaften von Protestlern anhand ihrer Personenmerkmale und anderer charakteristischer Merkmale im Sample oder die Umkodierung von vermeintlichen Protestantworten. Nicht zuletzt bleibt der Umstand anzuführen, dass auch Zahlungsbereite Protestüberzeugungen unterliegen können. Befragte, die einen Zahlungsbetrag äußern, können ebenfalls der Meinung sein, dass andere Gelder eingesetzt werden und sie eigentlich nicht für die Bereitstellung des Gutes zahlen sollten. Dies kann jedoch nur ermittelt werden, wenn alle nach Protestgründen gefragt werden und nicht wie gemeinhin nur die Nicht-Zahlungsbereiten. Diese Anregung von Jorgensen und Syme (1999, 2000) kann zwar als zweckmäßig gelten, doch sie schafft ein neues Entscheidungsproblem für den Anwender direkter Bewertungsmethoden. Entweder solche Protestüberzeugungen werden als relevante Einstellung gegenüber der Zahlung für ein Umweltgut in die Analysen aufgenommen, oder es müssen Verfahren entwickelt werden, die eine Korrektur der Zahlungsbereitschaften anhand der Protestmotivationen zulassen, sobald geäußerte Zahlungsbereitschaften nicht nur erklärt werden sollen, sondern auch in weiter gehende ökonomische Analysen (z.B. Kosten-Nutzen-Analysen) einzubeziehen sind. Im empirischen Teil der vorliegenden Arbeit werden verschiedene Varianten im Umgang mit Protestantworten angewendet und deren Wirkungen auf das Untersuchungsergebnis miteinander verglichen.32 3.7 Zusammenführung von Theorieansätzen und methodischen Problemstellungen Im Kapitel 2 wurden die wichtigsten Theorieansätze zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften für kollektive Umweltgüter vorgestellt und Hypothesen hergeleitet. Dabei war das Ziel, möglichst ohne methodische Diskussionen, Erklärungsmodelle darzustellen. Dennoch ist es nur schwer möglich, dieses Ziel auch einzuhalten. Woran liegt das? Um diese Frage zu beantworten, genügt es, sich nochmals die gängige methodenbasierte Vorgehensweise bei der ökonomischen Bewertung kollektiver Umweltgüter zu vergegenwärtigen. Bei der Zahlungsbereitschaftsanalyse hat sich im Laufe der Zeit eine kritische Diskussion um die 32
Zudem werden Protestantworten in Kontingenten Bewertungen und Choice Experimenten verglichen. Auf letztere wurde in diesem Kapitel nicht näher Bezug genommen, weil sie eine „Generalisierung“ einer „dichotomen“ Ermittlung von Zahlungsbereitschaften darstellen.
144
3 Methoden zur Messung der Zahlungsbereitschaft
Methode der Kontingenten Bewertung entfacht und daher um die Messung nutzungsunabhängiger Werte von Umweltgütern. Diese Diskussion wurde vor allem in den USA durch die potenzielle Verwendung von Bewertungsstudien in Entschädigungsfällen für Umweltschäden vorangetrieben. Der Punkt ist, dass sich die Kontroversen/Auseinandersetzungen immer um die Methode selbst drehen. Inwieweit sind die Kontingente Bewertung, aber auch Choice Experimente, überhaupt dazu geeignet, ökonomische Werte von Umweltgütern zu messen? Die Suche nach Erklärungsmodellen aus anderen Disziplinen als der Ökonomie wurde und wird vorrangig mit der Motivation betrieben, diese Frage zu beantworten. Im Grunde müssen theoretische Erweiterungen bei der Erklärung von Zahlungsbereitschaften als eine unmittelbare Reaktion auf methodische Probleme gesehen werden (z.B. dem Einbettungseffekt). Gemäß dieser engen, methodisch motivierten Perspektive lassen sich Verbindungen zwischen einzelnen Theoriezugängen und methodischen Problemstellungen aufzeigen. Tabelle 3.4 gibt dazu einen Überblick. Theorien kollektiven Handelns korrespondieren methodisch gesehen mit den Missspezifikationen des Bewertungsszenarios und mit Anreizen zur Äußerung unwahrheitsgemäßer Zahlungsbereitschaften. Man denke an das Trittbrettfahren. Sofern die Bereitstellung eines Umweltgutes als ein Ergebnis kollektiven Handelns angesehen wird, ergeben sich klare Widersprüche zur Idee des Kaufs kollektiver Güter in der monetären Umweltbewertung. Dazu wurde im theoretischen Teil das Konzept des Dilemmabewusstseins erarbeitet. Es wird der Beobachtung gerecht, dass nicht alle Individuen den Anreizproblemen in Kollektivgutsituationen unterliegen (sich z.B. kooperativ verhalten, wenn es die Theorie nicht erwarten ließe). Sobald Befragte die Bereitstellung von Umweltgütern als ein soziales Dilemma wahrnehmen und sich dahin gehend signifikante Einflüsse auf die Zahlungsbereitschaft zeigen, gibt es eine Tendenz, dass Befragte die Ausgestaltung des hypothetischen Marktes in einer Umfrage als einen Mechanismus zur Produktion kollektiver Güter sehen, der auch davon abhängig ist, ob und in welcher Form sich dritte Personen beteiligen. Das deutet auf eine Missspezifikation des Bewertungsszenarios hin. Auf einem perfekten hypothetischen Markt, der unter Dominanz der Käufermotivation anreizkompatibel ist, sollten sich Beitragsmotivationen im Spektrum kollektiven Handelns nicht zeigen. Dennoch ist zu beachten, dass generell – ähnlich wie beim Umweltbewusstsein (vornehmlich im LowCost-Bereich) – auch das Dilemmabewusstsein mitunter das (reale) Marktverhalten von Personen beeinflusst, wenn es um den Kauf privater „Umweltgüter“ wie Bioprodukte geht, was für einen methodenunabhängigen Einfluss sprechen würde, der zumindest nicht ausgeschlossen werden kann. Die in der Sozialpsychologie verankerte Theorie geplanten Handelns von Ajzen (1991) eignet sich laut der Bewertungsliteratur zur Klärung der Frage, ob hypothetisch geäußerten Zahlungsbereitschaften eine Verhaltensintention unterliegt, die mit tatsächlichem Verhalten, einer realen Zahlung korrespondiert (Hoevenagel 1994a: 212, Meyerhoff 2004). Dies steht in einem engen Zusammenhang mit der Konstruktvalidität direkter Bewertungsmethoden, insbesondere der Kontingenten Bewertung. Ob diese Verknüpfung von Theorie und Methode wirklich sinnvoll ist, wird in der vorliegenden Arbeit entschieden angezweifelt (siehe ausführlich Kapitel 2). Dabei sind die theoretischen Schwachpunkte der Theorie geplanten Handelns und generell die unterschiedlichen empirischen Befunde mit Blick auf die Divergenz hypothetischer und tatsächlicher Zahlungsbereitschaften zu berücksichtigen. Auch wenn letztere nicht unmittelbar ein düsteres Bild zeichnen, kann doch die Theorie geplanten Handelns eher als ein schwacher Test der Konstruktvalidität gelten.
3.7 Zusammenführung von Theorieansätzen und methodischen Problemstellungen
Tabelle 3.4:
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Beitrag einzelner Theorieansätze zur Klärung methodischer Probleme Theorieansatz
„Methodisches Problem“
Theorien kollektiven Handelns
Missspezifikation des Bewertungsszenarios x Inwieweit wird die Bereitstellung des Umweltgutes als ein Ergebnis kollektiven Handelns angesehen? (Beitragsmodell) Anreize zur Äußerung unwahrheitsgemäßer Zahlungsbereitschaften x Relevanz von Trittbrettfahren (strategic bias)
Theorie geplanten Handelns
Konstruktvalidität x Inwieweit unterliegt geäußerten Zahlungsbereitschaften eine Verhaltensintention und daher tatsächliches Verhalten?
Normaktivierungsmodell und Erweiterung um kollektives Handeln
Missspezifikation des Bewertungsszenarios x Inwieweit fühlen sich Befragte für „das Umweltgut verantwortlich“? x Inwieweit werden Maßnahmen zur Bereitstellung des Umweltgutes akzeptiert? x Inwieweit spielen Vertrauen in andere Personen und diejenigen, die das Umweltgut bereitstellen, eine Rolle?
These vom Kauf moralischer Befriedigung; Zahlungsbereitschaft als moralisches Handeln
Missspezifikation des Bewertungsszenarios x Inwieweit sehen Befragte die Zahlung für ein Umweltgut als eine Unterstützung für eine gute Sache an/Spendencharakter? – Nutzen resultiert aus der Zahlung selbst und nicht unmittelbar aus dem Umweltgut. x Beitragsmodell versus bei der Bewertung angenommenes Käufermodell Einbettungseffekt x Inwieweit lässt sich erklären, dass die Zahlungsbereitschaft für ein Umweltgut kaum mit dem Umfang des Gutes variiert?
Das Normaktivierungsmodell von Schwartz (1977) und dessen Erweiterung um Aspekte kollektiven Handelns (Blamey 1998a, 1998b) soll in erster Linie klären, wie Befragte eine Zahlungsentscheidung treffen. Wenn sich Rechtfertigungsmechanismen für eine fehlende Zahlungsbereitschaft zeigen, z.B. eine fehlende Akzeptanz der Maßnahmen zur Bereitstellung des Umweltgutes oder ein fehlendes Vertrauen in Institutionen, die für die Bereitstellung verantwortlich sind, dann stehen Entscheidungen nicht unmittelbar mit einem ökonomischen Kalkül in Verbindung, das bei der monetären Bewertung vorausgesetzt wird. Zahlungsentscheidungen wären dann wesentlich von der Ausgestaltung des Bewertungsszenarios abhängig. Insgesamt würde dies auf eine Missspezifikation des Bewertungsszenarios deuten.
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3 Methoden zur Messung der Zahlungsbereitschaft
Theorien des Warm-Glow-Giving und dabei insbesondere die These vom Kauf moralischer Befriedigung (Kahneman und Knetsch 1992) werden in erster Linie als eine Kritik an der Kontingenten Bewertung konzipiert, um zu zeigen, dass nicht die unterstellten ökonomischen Präferenzen/Werte gemessen werden. Befragte sehen die Zahlungsbereitschaft vielmehr als Unterstützung einer guten Sache, kaufen sich moralische Befriedigung und handeln eher einstellungsbedingt. Dies verweist wiederum auf eine Missspezifikation des Bewertungsszenarios mit Blick auf das Beitragsmodell. Darüber hinaus dient der Warm Glow als eine mögliche Erklärung des Einbettungseffektes, der ungenügenden Varianz der Zahlungsbereitschaft in Abhängigkeit vom Umfang eines Umweltgutes. Doch auch hier bleiben die kritischen Diskussionen und empirischen Ergebnisse zu konstatieren, die zum Teil darauf verweisen, dass Zahlungsbereitschaften erwartungsgemäß mit dem Umfang von Gütern variieren. Der Geltungsbereich des Einbettungseffektes und seiner Erklärung sind demnach eher eingeschränkt. Weiter gefasst können aber Motivationen in Verbindung mit einem Warm Glow – man denke an die spezifisch und allgemein empfundene moralische Zahlungsverpflichtung – auch unabhängig von einer Einbettung greifen. Falls dies zutrifft, kann mit den Überlegungen zur Zahlungsbereitschaft als moralisches Handeln untersucht werden, inwieweit solche Beitragsmotivationen separat oder im Zusammenhang mit Kaufmotivationen auftreten. Methodisch betrachtet entspricht dies einem partiellen Test eines Beitragmodells. Dabei wird das Augenmerk nicht auf eine methodengeleitete Abgrenzung von Beitrags- und Käufermodell gelenkt, sondern der Blick öffnet sich für eine Integration beider Modelle. Die Zusammenstellung in Tabelle 3.4 und die Erläuterungen dazu sind auf wenige Punkte reduziert. Sie geben vor allem nicht die vielfältigen Diskussionen und Befunde in theoretischer und empirischer Sicht wieder, die bisher in der vorliegenden Arbeit geführt und aufgegriffen wurden. Dennoch zeigt sich deutlich, wie schwierig es ist, eine stringente methodenbasierte Perspektive einzunehmen, besonders wenn nicht nur eine Theorie betrachtet wird. Gerade das Nebeneinanderstellen von Theorien und methodischen Problemstellungen verweist auf den Umstand, dass ein und derselbe Tatbestand – beispielsweise die Missspezifikation des Bewertungsszenarios – mit verschiedenen theoretischen Konzepten vereinbar/erklärbar ist. Deshalb ist nicht allein die empirische Relevanz der Modelle ausschlaggebend. Vielmehr gewinnt die von Beginn an angemahnte theoretische Fundierung an Bedeutung. Denn nur sie eröffnet auch die Möglichkeit einer endogen theoretischen Evaluation. In diesem Rahmen kann dann diskutiert werden, ob z.B. die Theorie geplanten Handelns angesichts ihrer theoretischen Schwächen eigentlich geeignet ist, etwas über die Konstruktvalidität der Methode auszusagen. Ferner ist diskussionswürdig, inwieweit Handlungsmotivationen wie moralische Verpflichtungen auch in realen Entscheidungen/auf realen Märkten handlungsrelevant sind und daher die Missspezifikation des Bewertungsszenarios ein Stück weit überbewertet wird. Alle diese Aspekte wurden in den Kapiteln 2 und 3 angesprochen, sodass sie jetzt im nächsten Schritt zu den eigenen empirischen Untersuchungsergebnissen in Beziehung gesetzt werden können.
4.1 Monetäre Bewertung biologischer Vielfalt im Wald
147
4 Untersuchungsgegenstand und empirische Datenbasis
Die empirischen Analysen zu den theoretischen und methodischen Problemstellungen aus den Kapiteln 2 und 3 erfolgen am Beispiel der monetären Bewertung biologischer Vielfalt im Wald. Untersuchungsregion ist die Lüneburger Heide. In der empirischen Studie wurde sowohl eine Kontingente Bewertung als auch ein Choice Experiment durchgeführt. Die folgenden Ausführungen geben erstens einen kurzen Einblick in das Thema Biodiversität und skizzieren den speziellen thematischen Hintergrund der empirischen Untersuchung. Zweitens wird die Entwicklung des Erhebungsinstruments mit Schwerpunkt auf der Konstruktion des hypothetischen Marktes dargelegt. Drittens gilt es, den Ablauf der Erhebung und die Gewichtung der Daten zu beschreiben. 4.1 Monetäre Bewertung biologischer Vielfalt im Wald Für Wissenschaftler ist die Messung und ökonomische Bewertung von Biodiversität zunächst eine undankbare Aufgabe. Gleichzeitig stellt sie aber eine wichtige und spannende Herausforderung dar. Undankbar ist die Aufgabe, weil in den Naturwissenschaften immer noch diskutiert wird, was biologische Vielfalt eigentlich ist (vgl. stellvertretend für viele Weimann und Hoffmann 2003). Neben der groben und mittlerweile unbestrittenen Kategorisierung in Vielfalt der Gene, Arten und Ökosysteme als Bestandteile von Biodiversität liegt der Teufel im Detail, wenn es um die genaue Messung geht.1 Das gilt auch für die ökonomische Bewertung. Was ist überhaupt das „Gut Biodiversität“ in Abgrenzung zu biologischen Ressourcen?2 Wie kann man Maßnahmen zur Erhöhung bzw. zum Schutz von Biodiversität so beschreiben, dass Befragte eine hinreichende Vorstellung davon haben? Eine Herausforderung ist die Bewertung von Biodiversität, weil die gesellschaftliche Relevanz unverkennbar ist. Ein Ausdruck dessen ist nicht zuletzt die Konvention über biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity), die im Zuge der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro getroffen wurde. Darin ist biologische Vielfalt, gemäß der bereits angesprochenen Kategorisierung, wie folgt definiert:
1 2
Für eine ausführliche definitorische Fundierung von Biodiversität – einer modernen Verkürzung des Begriffs „biologische Vielfalt“ – sei auf Swingland (2001) verwiesen. Ein Einblick in die Entwicklung, den Stand und Messkonzepte der Biodiversitätsforschung findet sich bei Beierkuhnlein (2003). Auf den ersten Blick mag man keinen Unterschied zwischen biologischer Vielfalt und biologischen Ressourcen sehen. Aber: „Whereas biodiversity refers to the variety of life, at various levels, biological resources refer to the manifestation of that variety“ (Nunes und van den Bergh 2001: 206). Es gibt sicherlich eine Schnittmenge zwischen beiden Bereichen. Dennoch ist eine gängige Kritik, dass viele Bewertungsstudien vorgeben, biologische Vielfalt zu bewerten, obwohl sie sich eher auf Ressourcen beziehen, mit einer – wenn überhaupt – losen Kopplung an Biodiversität (ebd.).
148
4 Untersuchungsgegenstand und empirische Datenbasis „Biological diversity means the variability among living organisms from all sources including, inter alia, terrestrial, marine and other aquatic ecosystems and the ecological complexes of which they are part; this includes diversity within species, between species and of ecosystems” (UNEP 1992: 5, Artikel 2).
Die Konvention wurde von 159 Staaten, auch der BRD, ratifiziert und verpflichtet diese, Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität zu unternehmen. Sie spiegelt im Prinzip die seit den 1980er Jahren vorherrschende Besorgnis um den Verlust der natürlichen Vielfalt der Erde wider (z.B. das vermehrte Aussterben von Pflanzen- und Tierarten). Das Thema Biodiversität hat in den letzten Jahren immer weiter an Bedeutung gewonnen und Interesse geweckt. Beierkuhnlein (2003: 103) verweist z.B. auf den immensen Anstieg der Trefferanzahl in Internetsuchmaschinen seit 1996, wenn als Suchbegriff „biodiversity“ eingegeben wird (von unter 100.000 Treffern 1996 bis zu 1.400.000 Treffern 2002). Obwohl viele Menschen bei biologischer Vielfalt vielleicht eher an Regenwälder in Südamerika oder Urwälder in Afrika denken, ist der Schutz von Tier- und Pflanzenarten sowie Ökosystemen ein Thema, das im Prinzip überall – auch in Deutschland – direkt „vor der Haustür liegt“. Auf dem internationalen Symposium „Sustainable use and conservation of biological diversity: a challenge for society“ (in Berlin 2003) hat Jane Goodall, die durch ihre Forschungsarbeiten zu Schimpansen in Tansania weltweit bekannt wurde, in einem Vortrag diesen Punkt unmissverständlich deutlich gemacht. Wenn auch eher normativ gemeint, forderte sie jeden der Teilnehmer auf, den Blick für den Erhalt von biologischer Vielfalt im unmittelbaren Lebensumfeld zu schärfen. Wie in jedem anderen Land muss auch in Deutschland darauf geachtet werden, dass einzigartige Naturlandschaften sowie gefährdete Tier- und Pflanzenarten erhalten bleiben. Trotz gewisser Fortschritte und Bemühungen im Bereich der Biodiversitätspolitik sind weiter gehende Handlungspläne zu entwickeln. So gibt die OECD 2001 in ihrem „Environmental Performance Review“ für Deutschland im Bereich des Naturschutzes und der Biodiversität die Empfehlung: „increase understanding and awareness of nature conservation and biodiversity issues among decision-makers and the general public; in particular, develop and adopt a national biodiversity strategy“ (OECD 2001: 89).
Die Erhöhung des Umweltbewusstseins und Bewusstseins der Bevölkerung für biologische Vielfalt ist ein Ziel, das sich gut klingend in jede politische Formel einbetten lässt. In der umweltsoziologischen Forschung ist jedoch hinlänglich bekannt, dass selbst ein hohes Umweltbewusstsein nicht ohne weiteres zu umweltgerechtem Handeln führt (vgl. stellvertretend für viele Preisendörfer und Franzen 1996 sowie Abschnitt 2.5). Bevor man mit Maßnahmen beginnt, die das Bewusstsein für biologische Vielfalt erhöhen sollen, ist zumindest zeitgleich erst einmal festzustellen, welche Wertschätzung die Bevölkerung für Biodiversität überhaupt hat. Hier setzt die monetäre Bewertung an: „Economic valuation of biodiversity starts from the premise that social values should be based on individual values, independently of being, or not, an expert in biodiversity related issues […]. This can be considered with democratic support of policies“ (Nunes und van den Bergh 2001: 207).
4.1 Monetäre Bewertung biologischer Vielfalt im Wald
149
Wie bei anderen kollektiven Gütern kann man Biodiversität als solche nicht unmittelbar greifbar machen. Vielmehr ist über politische Maßnahmen zu entscheiden, die sich unterschiedlich auf die biologische Vielfalt auswirken. Eine „kontextspezifische Eindeutigkeit“ solcher Maßnahmen, d.h. die Festlegung dessen, was das Ziel einer Messung bzw. Bewertung biologischer Vielfalt sein soll, kann schließlich ein Stück weit das grundlegende Problem beheben, wie Biodiversität eigentlich messbar ist (Weimann und Hoffmann 2003: 38).3 Wälder sind schließlich für den Menschen wichtige erhaltens- und schützenswerte Ökosysteme/Naturlandschaften – auch mit Blick auf biologische Vielfalt. Neben einer wirtschaftlichen Funktion (Schaffung von Arbeit und Einkommen in der Holzwirtschaft) hat der Wald eine Reihe von Schutzfunktionen inne. Er speichert u.a. Kohlendioxid (Gegenwirkung zum Treibhauseffekt), bietet Schutz vor Bodenerosion, und Waldböden dienen als Trinkwasserspeicher und -filter (Grundwasserschutz). Darüber hinaus stellt er für viele Menschen Erholungsleistungen bereit. Die meisten der benannten Schutzleistungen stellen aus ökonomischer Sicht kollektive Güter dar, so auch im Falle der Erhaltung biologischer Vielfalt, zu der Wälder in einem erheblichen Maße beitragen. In ihnen leben z.B. eine Vielzahl an Tier- und Pflanzenarten, von eher sichtbaren und den meisten Menschen vertrauten bis hin zu unscheinbaren und kaum bekannten Arten. Im Gegensatz zu marktfähigen Gütern des Waldes (z.B. Holz) ist nur wenig Wissen darüber vorhanden, welchen (gesellschaftlichen) Nutzen die kollektiven Güter des Waldes stiften. Zu den wenigen Studien, die explizit einen Fokus auf biologische Vielfalt in herkömmlichen Forstbeständen legen, gehören beispielsweise das Contingent Ranking von Garrod und Willis (1999: 271ff.) zur Bewertung von Biodiversität in Nadelwäldern (Großbritannien), die Studie mit einer Kontingenten Bewertung und einem Choice Experiment von Lehtonen et al. (2003) zum Erhalt von Biodiversität in Wäldern der Pohjanmaa-Region (Südfinnland) und das Choice Experiment von Watson et al. (2004) zum Biodiversitätsschutz in Waldgebieten des „Robson Valley“ (British Columbia, Kanada). In Deutschland ist bisher lediglich eine Studie (Kontingente Bewertung) zu Schutzprogrammen biologischer Vielfalt im Wald zu finden. Der Schwerpunkt dieser Studie liegt auf dem Erhalt von Totholz, der Wilddichte, Einrichtung von Schutzgebieten, Umbau von Nadelwald zu Laub- und Mischwald sowie auf der Vernetzung fragmentierter Waldbestände (vgl. Elsasser 2004, Küpker et al. 2005). Ein nachhaltiger Umgang mit Wäldern, der ökologischen, ökonomischen und sozialen Anforderungen gerecht wird, ist mittlerweile in Deutschland ein weit verbreitetes und unbestrittenes politisches „Leitbild“. Allerdings ist das Prinzip der Nachhaltigkeit zumindest in der Forstwirtschaft kein neues. Dort wurde es bereits vor 250 Jahren eingeführt und entwickelte sich neben einer wissenschaftlichen Fundierung zum Berufsethos. Zu Beginn resultierte die Anforderung der Nachhaltigkeit aufgrund von Holzknappheit (z.B. im 18. Jahrhundert) eher aus ökonomischen Erwägungen. Im 19. und 20. Jahrhundert vollzog sich ein Bedeutungswandel, bei dem Nachhaltigkeit nicht nur eine optimale Holznutzung umfasste, sondern auch andere (kollektive) Güter und gesellschaftliche Leistungen stärker ins Blickfeld rückten (Niedersächsische Forstliche Versuchsanstalt 2002: 2). International hat vor allem die Rio-Konferenz von 1992 mit der Agenda 21 dazu beigetragen, dass Nachhaltigkeit und der Schutz biologischer Vielfalt in der nationalen Forstpolitik verstärkt zu einem Thema wurde. Seit 1992 hat es eine Reihe weiterer Konferenzen gegeben, die Prozesse zum 3
Ein umfangreicher kritischer Überblick zu monetären Bewertungsstudien mit einer Differenzierung von verschiedenen Biodiversitätsebenen (Bewertung einzelner Arten, multipler Arten, Ökosystemfunktionen usw.) findet sich bei Nunes und van den Bergh (2001).
150
4 Untersuchungsgegenstand und empirische Datenbasis
Schutz der Wälder zum Inhalt hatten („Rio-Folgeprozess“ mit Helsinki 1993, Lissabon 1998, Wien 2003 und allgemein Millennium Ecosystem Assessment 2005). Gemäß der Helsinki-Resolution lässt sich eine nachhaltige Waldbewirtschaftung wie folgt definieren: „Die Betreuung und Nutzung von Wäldern und Waldflächen auf eine Weise und in einem Ausmaß, das deren biologische Vielfalt, Produktivität, Verjüngungsfähigkeit und Vitalität erhält sowie deren Potenzial, jetzt und in der Zukunft die entsprechenden ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Funktionen auf lokaler, nationaler und globaler Ebene zu erfüllen, ohne anderen Ökosystemen Schaden zuzufügen“ (Helsinki-Resolution H1 zit. nach Niedersächsische Forstliche Versuchsanstalt 2002: 4).
Der Forschungslücke entsprechend mit Blick auf die raren Studien zur biologischen Vielfalt im Wald und gemäß dem politischen Informationsbedarf hat es sich ein Forschungsteam aus Ökologen, Ökonomen und Soziologen im Rahmen des BMBF-Forschungsprojektes: „Biologische Vielfalt und deren Bewertung am Beispiel des ökologischen Waldumbaus in den Regionen Solling und Lüneburger Heide“ (Fkz. 01 LM 0207) zur Aufgabe gemacht, biologische Vielfalt einer interdisziplinären Bewertung zu unterziehen. Neben der Erarbeitung von Indikatoren und der Messung von biologischer Vielfalt aus ökologischer Perspektive unter Berücksichtigung verschiedener Managementstrategien für den Wald war es aus sozialwissenschaftlicher Sicht das Ziel, für Veränderungen der Biodiversität im Wald eine monetäre Bewertung vorzunehmen. Interdisziplinär ist dieses Projekt, weil jeder Teilschritt gemeinsam – über die einzelnen Fachdisziplinen hinweg – erarbeitet wurde, z.B. mit Blick auf die Indikatoren und Beschreibungen biologischer Vielfalt im Wald (mehr dazu im nächsten Abschnitt). Ausgangspunkt des Forschungsprojektes war das Programm zur langfristigen ökologischen Waldentwicklung (LÖWE), das 1991 von der Niedersächsischen Landesregierung als zukunftsweisende Richtlinie beschlossen wurde und das ein Beispiel für eine aktive Biodiversitätspolitik darstellt. Darin wird vorrangig das Ziel verfolgt, „stabile, ertragreiche und schöne Mischwälder aufzubauen“ (Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 2000: 71). Ein vielfältiger Laubmischwald soll standortgerecht an die Stelle von Nadelreinbeständen treten. Es wird langfristig angestrebt, den Anteil an Laubbaumarten in den niedersächsischen Landesforsten von 36 Prozent auf 65 Prozent zu erhöhen. Neben einer Laub- und Mischwaldvermehrung gehört auch die ökologische Zuträglichkeit, die Bevorzugung natürlicher Waldverjüngung, die Erhaltung alter Bäume, der Schutz seltener und bedrohter Pflanzen- und Tierarten sowie eine ökosystemverträgliche Waldbewirtschaftung zu den 13 Grundsätzen des LÖWE-Programms.4 Obwohl sich das Forschungsprojekt auf die Lüneburger Heide und den Solling (in Erweiterung auch auf den Harz) erstreckt, beschränken sich die folgenden Ausführungen und Analysen auf die Lüneburger Heide als Untersuchungsregion. Das liegt u.a. daran, dass die Lüneburger Heide im Gegensatz zu den zwei geographisch getrennten Gebieten Solling und Harz ein geschlossener Landschaftsraum ist. Die Lüneburger Heide befindet sich im ostniedersächsischen Tiefland und bietet dem Besucher heute überwiegend Kiefernwälder. Das war jedoch nicht immer so. Der Mensch 4
Im Rahmen des Forschungsprojektes wurde neben dem LÖWE-Programm auch die Wirkung verschiedener Managementstrategien auf die biologische Vielfalt im Wald untersucht, die hier aber nicht weiter verfolgt werden. Dazu gehört beispielsweise der Prozessschutz und das Konzept der potenziellen natürlichen Verjüngung. Für einen Einblick dahin gehend sei für den Raum Solling auf Zerbe und Kempa (2005) verwiesen.
4.2 Entwicklung und Ausgestaltung des Erhebungsinstruments
151
hat in den letzten Jahrhunderten – wie fast überall in Europa – Waldlandschaften durch Eingriffe und eine starke Nutzung erheblich verändert. Ursprünglich gab es in der Lüneburger Heide sowohl Eichen- und Buchenwälder als auch Kiefernwälder. Als Folge des Raubbaus und eines kontinuierlichen Waldschwundes entwickelten sich in der Region Heidelandschaften, die um 1800 eher Steppen glichen (Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 2000: 25). Der Entwaldung folgte eine breit angelegte Aufforstung mit der so genannten Pionierbaumart Kiefer, die seit nunmehr über 150 Jahren das Landschaftsbild prägt. Ein Ziel des LÖWE-Progamms ist es, diese Pionierwälder u.a. in Eichen- und Buchenwälder umzubauen, denn ein Bestandteil von Biodiversität ist nicht zuletzt die Entwicklung von Laub- und Mischwaldflächen, die einerseits natürliche Waldgesellschaften repräsentieren und in denen andererseits so genannte floristische und faunistische Reliktvorkommen auftreten (Niedersächsische Forstliche Versuchsanstalt 2002: 91). Insgesamt stellt somit die Erhöhung des Anteils an Laubbaumarten – der so genannte Waldumbau – den Rahmen für Veränderungen der biologischen Vielfalt in der Lüneburger Heide dar. Um die angestrebten Ziele der Biodiversitätspolitik in der Gesamtregion zu verwirklichen, wären zusätzliche finanzielle Mittel notwendig, was vor allem auf Privatwälder zutrifft. In der Lüneburger Heide verteilt sich die Eigentumsstruktur mit Blick auf Waldflächen ähnlich wie im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, d.h. rund 46 Prozent Privatwald, 34 Prozent Staatswald und 30 Prozent Körperschaftswald (Niedersächsische Forstliche Versuchsanstalt 2002: 50). Um den Anforderungen aller gesellschaftlichen Anspruchsgruppen gerecht zu werden, ist es nahe liegend, auch zu untersuchen, ob und welche Wertschätzung Bürger aus der Region für Veränderungen der biologischen Vielfalt in ihren regionalen Wäldern haben. Im Rahmen der Kontingenten Bewertung wurde daher die Zahlungsbereitschaft für ein spezifisches Programm zum Waldumbau ermittelt, das mit dem LÖWE-Konzept korrespondiert. Im Choice Experiment liegt der Fokus auf der Ermittlung der wichtigsten Attribute biologischer Vielfalt in der Lüneburger Heide und Trade-offs zwischen einzelnen Attributen (Teilwertschätzungen). 4.2 Entwicklung und Ausgestaltung des Erhebungsinstruments Bisher ist noch nicht deutlich geworden, was genau die Befragten mit Bezug auf biologische Vielfalt im Wald bewertet haben. Der vorliegende Abschnitt soll darüber und über die Konstruktion des hypothetischen Marktes Aufschluss geben. In einem ersten Schritt wird die Auswahl der Attribute biologischer Vielfalt im Wald beschrieben, die zur Charakterisierung von Veränderungen im Rahmen des Waldumbaus verwendet wurden. In einem zweiten Schritt wird detailliert die Ausgestaltung des hypothetischen Marktes erläutert, u.a. die zu bewertenden Programme, das Zahlungsvehikel, der Zahlungsempfänger und die Zahlungsbereitschaftsfrage. Das Erhebungsinstrument, soviel sei vorweggenommen, lässt sich in seinem thematischen Aufbau wie folgt charakterisieren: (1) Fragen zur Waldnutzung und zum Wissen über Wälder der Region und Wälder Niedersachsens, (2) Fragen zur Bewertung der Programme zum Waldumbau (Einstellungen gegenüber Maßnahmen zur Erhöhung der biologischen Vielfalt, Charakterisierung des
152
4 Untersuchungsgegenstand und empirische Datenbasis
hypothetischen Marktes mit Fragen zur Zahlungsbereitschaft für konkrete Programme zum Waldumbau), (3) Fragen zu spezifischen Aspekten wie zu Einstellungen gegenüber der Zahlung, Vertrauen in Personen und Institutionen, Protestüberzeugungen, zur moralischen Verpflichtung, sozialen Norm, zum Dilemma- und Umweltbewusstsein sowie Warm Glow, (4) Fragen zur Soziodemographie, zu politischem Interesse, Engagement in Naturund Umweltschutzorganisationen sowie vergangenem Spendenverhalten in Bezug auf Natur- und Umweltschutz. Das „Herzstück“ der Zahlungsbereitschaftsanalyse, der hypothetische Markt, ist demnach in Fragen zur Waldnutzung und in Messkonzepte zu spezifischen/allgemeinen Einstellungen und Normen eingebettet. Letztere werden in den empirischen Auswertungskapiteln sukzessive, an die jeweiligen theoretischen Fragen gekoppelt, eingehender vorgestellt. Zunächst stehen allein das „Herzstück“ der Bewertungsstudie und der Ablauf der Untersuchung im Mittelpunkt. 4.2.1 Auswahl der wichtigsten Attribute biologischer Vielfalt und Bestimmung des Status quo Zu Beginn der Forschungsbemühungen wurde in Zusammenarbeit mit Ökologen und Forstwissenschaftlern in einer ersten Phase ein Katalog möglicher Eigenschaften bzw. Kriterien zur Beschreibung der biologischen Vielfalt im Wald erarbeitet. Dies mündete in drei Parameter, die eingehender abgehandelt und analysiert wurden: die Artenvielfalt, die Strukturvielfalt und die landschaftliche Vielfalt (vgl. Zerbe und Kempa 2005: 108). Artenvielfalt bezieht sich dabei auf die Gesamtzahl und -dichte der Tier- und Pflanzenarten, die Zahl der Baumarten und speziell auf gefährdete Arten. Bei der Strukturvielfalt sind zwei Ebenen zu unterscheiden: zum einen die horizontale Bestandesstruktur (Baumartenvielfalt) und zum anderen die vertikale Bestandesstruktur (Schichtung). Landschaftliche Vielfalt umfasst schließlich den klein- bzw. großflächigen Wechsel verschiedener Bestandestypen auf der Landschaftsebene. Kiefernreinbestände und Buchen-Kiefernmischbestände lassen sich beispielsweise als zwei unterschiedliche Bestandestypen bezeichnen. Hier liegt der Schwerpunkt auf der Differenzierung von homogenen und heterogenen Waldlandschaften. Im Rahmen der monetären Bewertung war es je nach Bewertungsmethode das Ziel, Befragten ein bzw. verschiedene Programme zum Waldumbau vorzulegen, die eine Erhöhung der biologischen Vielfalt zur Folge haben. Insbesondere mit Blick auf das Choice Experiment müssen dabei im Vorfeld der Hauptbefragung aus Perspektive der Respondenten die wichtigsten Attribute biologischer Vielfalt im Wald ermittelt werden. Da bei einem wiederholten Vergleich von Waldumbauprogrammen auf den Choice-Karten die Komplexität ökologischer Zusammenhänge reduziert werden muss und Befragte naturgemäß nur über begrenzte kognitive Kapazitäten verfügen, können nicht alle Biodiversitätsattribute berücksichtigt werden.5 Deshalb hat man sich im Projektteam auf sieben Attribute biologischer Vielfalt geeinigt, deren Beschreibung und Relevanz in Focus Groups im Vorfeld der Hauptuntersuchung getestet wurden. Ziel der (strukturierten) Gruppeninterviews/-befragun5
Um eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten, gilt dies auch für die Kontingente Bewertung.
4.2 Entwicklung und Ausgestaltung des Erhebungsinstruments
153
gen war neben dem Test der Akzeptanz des hypothetischen Marktes die Ermittlung der vier wichtigsten Biodiversitätsattribute aus Sicht der Befragten. Im März 2004 wurden in der Untersuchungsregion in den drei Städten Celle, Uelzen und Bispingen Focus Groups durchgeführt.6 Von der methodischen Anlage her wurden den Teilnehmern Fragebogenteile vorgelegt, die zunächst selbstständig ausgefüllt wurden und deren Inhalt Gegenstand von initiierten Leitfragen gewesen ist, was eher einer Gruppenbefragung entspricht (siehe Loos und Schäffer 2001: 12). Darüber hinaus wurden aber auch aus Forschersicht bewusst Gruppendiskussionen angeregt. Ganz in der Tradition von Merton und Kendall hat dieses Vorgehen insgesamt einen eher explorativen Charakter mit Blick auf die Hauptbefragung, wobei Einzelindividuen und nicht die Gruppe selbst im Mittelpunkt stehen (vgl. Loos und Schäffer 2001: 15/16).7 Die nachstehenden Ausführungen konzentrieren sich lediglich auf einen Aspekt der Focus Groups.8 Die Teilnehmer waren aufgefordert, aus sieben Attributen des Waldumbaus die drei wichtigsten auszuwählen und diese in eine Rangfolge zu bringen. Die Attribute wurden mit Beschreibungen und Symbolen erläutert. Das Ergebnis dieses Rankings zeigt Tabelle 4.1. Anhand der Ergebnisse wurden schließlich neben dem Anteil an Laubwald, der in jedem Falle berücksichtigt werden muss, die vier meistgenannten und meistgeschätzten Attribute zur Beschreibung der Maßnahmen zum Waldumbau in der Hauptumfrage herangezogen: (1) die landschaftliche Vielfalt, (2) die Anzahl gefährdeter Tier- und Pflanzenarten, (3) die Altersstruktur der Wälder und (4) die Anzahl der Tier- und Pflanzenarten.9
6
7 8
9
Die Akquirierung der Teilnehmer hatte das Marktforschungsinstitut USUMA telefonisch (random digit dialing) vorgenommen. Auswahlkriterien waren die paritätische Aufteilung der Teilnehmer hinsichtlich Geschlecht und Alter (jünger und älter als 45 Jahre). In jeder der drei Städte wurden 12 Personen, die fest zugesagt hatten, eingeladen. Meist hatten die Städte Räume (oft im Rathaus) für die Veranstaltung zur Verfügung gestellt. Die Diskussionen dauerten ungefähr zwei Stunden, wurden protokolliert und mit Einverständnis der Teilnehmer auf Tonband aufgezeichnet. Zudem erhielt jeder Teilnehmer eine Aufwandsentschädigung von 20 €. Im Endergebnis haben in Celle und Uelzen jeweils 7 Personen teilgenommen und in Bispingen 9 Personen. 39 Prozent der insgesamt 23 Teilnehmer waren weiblich und 61 Prozent männlich. Das Alter hatte eine Spannweite von 19 bis 79 Jahren. Darüber hinaus wurden auch in der Region Solling/Harz drei Focus Groups veranstaltet. Focus Groups im hier verwendeten Sinne sind vom Gruppendiskussionsverfahren zu unterscheiden, das sich von „einer rein explorativen Funktion emanzipiert“ hat. Für eine umfangreiche Einführung zu Focus Groups sei auf Morgan und Krueger (1998) verwiesen. Die strukturierten Fragebogenteile in den Focus Groups hatten folgende Inhalte: (1) Waldnutzung und Wissen über Wälder, (2) Fragen zur biologischen Vielfalt und (3) Fragen zur Zahlungsbereitschaft für den Waldumbau. Im Anschluss an jeden Fragebogenteil beantworteten bzw. diskutierten die Teilnehmer ausgewählte Leitfragen, z.B. „Was würden Sie an den Wäldern in der Region ändern, wenn Sie die Möglichkeit dazu hätten?“. Die Ergebnisse der Focus Groups werden, auch aus Platzgründen, in der vorliegenden Arbeit nicht ausführlich abgehandelt. Bei der Auswahl der Attribute wurden auch die Ergebnisse aus den drei Focus Groups im Solling/Harz mit insgesamt 23 Teilnehmern berücksichtigt. Trotz der unterschiedlichen Waldgebiete haben sich in Bezug auf die Attribute biologischer Vielfalt im Ranking dieselben Resultate ergeben.
154 Tabelle 4.1:
4 Untersuchungsgegenstand und empirische Datenbasis
Ranking der Attribute biologischer Vielfalt in den Focus Groups (N=23)
Attribut
Symbol
Nennungen
Rangsumme*
Landschaftliche Vielfalt
14
29
Anzahl gefährdeter Tier- und Pflanzenarten
14
26
Altersstruktur der Wälder
12
23
Anteil der Fläche für neue Laubwälder
11
18
Anzahl der Tier- und Pflanzenarten
8
14
Anteil nicht einheimischer Arten in Prozent
3
9
Anteil Totholz
2
6
* erster Rang (drei Punkte), zweiter Rang (zwei Punkte), dritter Rang (ein Punkt)
In einer zweiten Phase erarbeitete das Forschungsteam die Bestimmung des Status quo in der Lüneburger Heide in Bezug auf die vier ausgewählten Attribute. Der Status quo bildet für die Bewertung der Maßnahmen zu Veränderungen im Wald den Referenzzustand, dessen Fortführung für die Befragten nicht mit zusätzlichen Kosten verbunden ist. Generell muss bei der Beschreibung des Ist-Zustandes und der Programme zum Waldumbau im Vergleich zu den spezifischen Messkonzepten von Ökologen/Forstwissenschaftlern ein hoher Grad an Vereinfachung in Kauf genommen werden. Befragte sollen ja in die Lage versetzt werden, die einzelnen Eigenschaften des Umweltgutes zu verstehen – eine Anforderung, die sich insbesondere für solch abstrakte Güter wie biologische Vielfalt nicht einfach erfüllen lässt. Entgegen einer möglichen Quantifizierung einzelner Attribute (z.B. Anzahl der Arten oder Angabe von Flächengrößen in ha) entschied sich das Forschungsteam für eine „Verbalisierung“ mit den drei Ausprägungen „niedrig“, „mittel“ und „hoch“. Die Attribute und ihre Ausprägungen wurden mit Symbolen veranschaulicht. Dabei bleibt einzuräumen, dass Befragte womöglich unterschiedliche Vorstellungen mit den Begriffen (z.B. mittel) und den Symbolen verbinden. Allerdings kann dies auch bei einer Quantifizierung nicht ausgeschlossen werden. Ist der Schutz von 7.500 Arten im Vergleich zu 5.000 Arten etwa wenig oder viel? Die Naturwissenschaftler und damit aus sozialwissenschaftlicher Sicht „Experten“ waren auf Grundlage ihrer Kenntnisse und Feldmessungen von Biodiversität angehalten, eine Einschätzung des jetzigen Zustandes in der Lüneburger Heide zu
4.2 Entwicklung und Ausgestaltung des Erhebungsinstruments
155
geben. Das Ergebnis dieser Einschätzung und somit den Zustand des Waldes ohne Maßnahmen zum Waldumbau zeigt Tabelle 4.2.10 Der Staus quo lässt sich demnach mit einem Laubwaldanteil von 30 Prozent charakterisieren. Während die Anzahl der Biotope für gefährdete und geschützte Arten sowie die Artenvielfalt ein mittleres Ausgangsniveau hat, ist die Altersstruktur und die landschaftliche Vielfalt als niedrig einzustufen.11 Letzteres hat seinen Grund in den dominierenden Monokulturen (Kiefernreinbestände), die zudem überwiegend altershomogen sind. Im nächsten Abschnitt wird – ausgehend von diesem Status quo – beschrieben, welche Veränderungen biologischer Vielfalt im Rahmen des Waldumbaus den Befragten als Umweltgut zur Bewertung vorgelegt wurden. Zudem wird die Konstruktion des hypothetischen Marktes erläutert. Tabelle 4.2:
Charakterisierung des Status quo biologischer Vielfalt in der Lüneburger Heide ohne Waldumbau
10
11
Anteil an Laubwald
30 Prozent
Biotope für gefährdete und geschützte Arten
mittel
Artenvielfalt
mittel
Altersstruktur
niedrig
Landschaftliche Vielfalt
niedrig
Die genaue Bezeichnung der einzelnen Attribute unterscheidet sich zum Teil zwischen Tabelle 4.1 und 4.2 sowie zwischen den Focus Groups und der Hauptbefragung. Diese Veränderungen wurden im Laufe des Forschungsprojektes vorgenommen. Sie waren vor allem mit Blick auf die naturwissenschaftlichen Messungen und Einschätzungen notwendig. Aus sozialwissenschaftlicher Perspektive wurde davon ausgegangen, dass Personen mit den unterschiedlichen Bezeichnungen im Wesentlichen dasselbe verbinden. Beschreibungen der einzelnen Attribute, die den Respondenten gegeben wurden, finden sich in den nächsten Abschnitten.
156
4 Untersuchungsgegenstand und empirische Datenbasis
4.2.2 Charakterisierung des hypothetischen Marktes Die nachstehenden Erläuterungen geben zuerst einen Einblick in die Merkmale des hypothetischen Marktes, die sowohl die Kontingente Bewertung als auch das Choice Experiment betreffen. Im Anschluss daran wird näher auf die Spezifika beider Methoden eingegangen. Im Zuge dessen sind insbesondere die Zahlungsbereitschaftsfragen in ihrem genauen Wortlaut nachzuvollziehen. Diese Fragen bilden die Grundlage für die zentralen abhängigen Variablen – die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft (nein/ja) und die Höhe der Zahlungsbereitschaft, die in den Kapiteln 5 und 6 schließlich im Mittelpunkt deskriptiver und multivariater Analysen stehen. Im Rahmen des Bewertungsteils der Hauptumfrage wurde den Befragten in einem ersten Schritt dargelegt, dass eine Erhöhung des Laubwaldanteils in der Lüneburger Heide angestrebt wird und dass sich dieser Waldumbau über einen Zeitraum von mindestens 50 Jahren erstreckt. Zur Veranschaulichung wurde eine Karte benutzt, in der die potenziellen Waldumbaugebiete markiert sind. In einem zweiten Schritt erhielten die Befragungsteilnehmer Informationen zu einzelnen Aspekten und möglichen Ergebnissen des Waldumbaus in Bezug auf die biologische Vielfalt, die in Tabelle 4.3 dargestellt sind. Damit wurden Begriffe und Symbole eingeführt, die später zur Beschreibung konkreter Programme zum Waldumbau verwendet wurden. Die Erhöhung des Laubwaldanteils von heute 30 Prozent auf 60 Prozent stellt im Prinzip den Rahmen für Veränderungen der biologischen Vielfalt dar. In der Untersuchung wurden die im vorhergehenden Abschnitt genannten vier Attribute zur Beschreibung der biologischen Vielfalt herangezogen. Bevor den Befragten konkrete Programme zum Waldumbau zur Bewertung vorgelegt wurden, erhielten sie folgende Informationen, in denen als Zahlungsempfänger das Niedersächsische Forstplanungsamt benannt wird: „In welchem Umfang der Waldumbau durchgeführt wird, muss noch entschieden werden. Zurzeit werden verschiedene Programme diskutiert, die sich unterschiedlich auf die biologische Vielfalt auswirken. Eine offene Frage ist, wie die finanziellen Mittel für den Waldumbau aufgebracht werden können. Er kann mit Sicherheit nicht vollständig aus den öffentlichen Haushalten finanziert werden. Es ist angedacht, einen Fond „Waldumbau Lüneburger Heide“ einzurichten. Der Fond würde durch das Niedersächsische Forstplanungsamt verwaltet. Über die Verwendung der Mittel würde regelmäßig berichtet, zum Beispiel im Internet“.
Das Zahlungsvehikel entspricht demnach einem finanziellen Beitrag zu einem Fond (Fond „Waldumbau Lüneburger Heide“). Sowohl die Akzeptanz des Zahlungsvehikels als auch des Zahlungsempfängers (das Niedersächsische Forstplanungsamt) wurden in den Focus Groups im Vorfeld der Hauptbefragung diskutiert. Trotz Bedenken einiger Teilnehmer hielt die Mehrzahl beide Aspekte für glaubwürdig. Der weitere Verlauf des Bewertungsteils hat sich nach der Darstellung der allgemeinen Charakteristika des hypothetischen Marktes für die beiden Methoden Kontingente Bewertung und Choice Experimente unterschiedlich gestaltet. Diese Unterschiede sollen jetzt anhand der umfragebezogenen Spezifika beider Methoden erläutert werden.
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4.2 Entwicklung und Ausgestaltung des Erhebungsinstruments
Tabelle 4.3:
Informationen zur Beschreibung des Waldumbaus für die Befragten
Anteil an Laubwald Heute hat der Laubwald in der Lüneburger Heide einen Anteil von 30 Prozent. Ein Ziel des Waldumbaus ist es, den Anteil an Laubwald zu erhöhen (vor allem Buchen und Eichen). Für die Lüneburger Heide wird standortgerecht ein Anteil von 60 Prozent angestrebt. Biotope für gefährdete und geschützte Arten Biotope im Wald sind ein wichtiger Lebensraum für gefährdete Pflanzen- und Tierarten. Beispiele sind Alt- und Totholz, kleine Waldquellen und Wälder mit seltenen Baumarten. Die Anzahl dieser Biotope ist niedrig bei einer am Holzertrag orientierten Bewirtschaftung. Umgekehrt ist sie hoch bei einer am Naturschutz orientierten Bewirtschaftung. Je mehr Punkte am unteren Rand des Symbols zu sehen sind, desto mehr dieser Biotope gibt es. Artenvielfalt Die Anzahl der Tier- und Pflanzenarten im Wald wird pro Flächeneinheit bestimmt. Sie ist in verschiedenen Laubwäldern (z.B. in Buchen- oder Eichenwäldern) unterschiedlich hoch. Je mehr Punkte in dem Symbol zu sehen sind, desto mehr Tier- und Pflanzenarten gibt es (z.B. Vögel, Insekten, Farne und Blütenpflanzen). Altersstruktur der Wälder Die Altersstruktur der Wälder kann sehr unterschiedlich sein. Im typischen „Altersklassenwald“ gibt es nur eine Schicht an Bäumen, die alle ein gleiches Alter aufweisen (Altersstruktur „niedrig“). Im naturnahen Wald verläuft die Verjüngung der Gehölze weitgehend ohne Zutun des Menschen. Mit verschiedenen Baumschichten weist dieser Wald eine höhere Vegetationsschichtung auf (Altersstruktur „hoch“). Landschaftliche Vielfalt In der Lüneburger Heide treten verschiedene Typen von Wäldern auf. Hierzu gehören Buchen-, Eichen- oder Kiefernwälder. Es gibt auch Mischwälder, in denen verschiedene Baumarten vorzufinden sind. Eine Veränderung der landschaftlichen Vielfalt ergibt sich, wenn großflächige reine Kiefernwälder (niedrige Vielfalt) in ein kleinteiliges Mosaik aus Buchen-, Kiefern- und Eichenwäldern überführt werden (hohe Vielfalt). Die Flächen in den Symbolen stellen unterschiedliche Waldtypen dar.
60%
niedrig
mittel
hoch
niedrig
mittel
hoch
niedrig
mittel
hoch
niedrig
mittel
hoch
158
4 Untersuchungsgegenstand und empirische Datenbasis
Spezifika der Kontingenten Bewertung In der Kontingenten Bewertung wurde die Zahlungsbereitschaft in zwei Schritten ermittelt. Im ersten Schritt hatten die Befragten die grundsätzliche Entscheidung zu treffen, ob sie bereit wären, Geld an den Fond „Waldumbau Lüneburger Heide“ zu bezahlen. Dabei wurden sie darauf hingewiesen, dass ihnen das Geld nicht mehr für andere Ausgaben zur Verfügung steht, sofern sie zahlungsbereit sind: „Einige Menschen finden, dass es sich nicht lohnt, extra etwas für den Waldumbau zu zahlen. Andere halten ihn für so wertvoll, dass sie dafür extra etwas zahlen würden. Wie würden Sie sich selbst entscheiden? Wären Sie grundsätzlich bereit, Geld an den Fond „Waldumbau Lüneburger Heide“ zu zahlen? Bedenken Sie bitte, dass Ihnen das Geld nicht mehr für andere Ausgaben zur Verfügung stünde“.
Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass sich die Respondenten zunächst „genau überlegen“ müssen, ob ihnen der Waldumbau überhaupt einen Zahlungsbetrag wert ist. Der Nachteil besteht darin, dass bis hierhin noch keine konkreten Programme zum Waldumbau vorgelegt wurden. Somit – und das muss einschränkend angemerkt werden – wäre es möglich, dass einige sich nicht zahlungsbereit geäußert haben, weil sie nicht die konkreten Veränderungen in den einzelnen Eigenschaften der biologischen Vielfalt kannten. Dennoch ist eine „Filterung“ derjenigen Befragten anzunehmen, die in jedem Falle positive Veränderungen biologischer Vielfalt durch Waldumbau wertschätzen. Im zweiten Schritt wurden von denjenigen, die sich als grundsätzlich zahlungsbereit geäußert hatten, ein konkretes Programm zum Waldumbau bewertet, dessen Ergebnis mit dem LÖWE-Konzept korrespondiert. Die Festlegung/Einschätzung der Attributsausprägungen, d.h. der einzelnen Levels, erfolgte durch die Ökologen und Forstwissenschaftler im Projektteam. Abbildung 4.1 zeigt dieses Programm und die verwendete Geldleiter (payment card) zur Messung der Zahlungsbereitschaft. An der Abbildung lässt sich ablesen, dass die aktuelle Biodiversitätspolitik im Rahmen der Erhöhung des Laubwaldanteils in der Region mittel- und langfristig zu einer Erhöhung der Anzahl an Biotopen für gefährdete und geschützte Arten, zu einer Erhöhung der Altersstruktur (von einem niedrigen auf ein hohes Niveau) und zu einer Erhöhung der landschaftlichen Vielfalt führt. Demgegenüber bleibt die Artenvielfalt – im Wesentlichen die Anzahl der Tier- und Pflanzenarten – auf einem mittleren Niveau gleich.12
12
Es kann nicht oft genug wiederholt werden, dass es sich hierbei zur Erreichung der Nachvollziehbarkeit für die Respondenten natürlich um einen recht hohen Abstraktionsgrad handelt. Die Einschätzungen – auch in Verbindung mit den Beschreibungen in Tabelle 4.3 – werden sicherlich nicht den tiefer gehenden und weitaus komplexeren naturwissenschaftlichen Messkonzepten gerecht.
159
4.2 Entwicklung und Ausgestaltung des Erhebungsinstruments
Abbildung 4.1:
Beschreibung des Umweltgutes und Geldleiter in der Kontingenten Bewertung ohne Waldumbau
Anteil an Laubwald
Programm A
30 Prozent
60 Prozent
Biotope für gefährdete und geschützte Arten
mittel
hoch
Artenvielfalt
mittel
mittel
Altersstruktur
niedrig
hoch
Landschaftliche Vielfalt
niedrig
mittel
Betrag pro Jahr
Bereit zu zahlen definitiv ja 9 unsicher/ definitiv nein 8
0,50 € 1,00 € 2,00 € 3,00 € 5,00 € 7,00 € 10,00 € 15,00 € 20,00 € 25,00 € 30,00 € 35,00 € 50,00 € 60,00 € 75,00 € 90,00 € 100,00 € 130,00 € anderer Betrag
Die genaue Frage zur Messung der Zahlungsbereitschaftshöhe lautete: „Ich möchte Sie fragen, welchen Betrag Sie gerade noch bereit wären, für das Programm A in den Fond zu zahlen? Bitte bedenken Sie, dass das Programm nur umgesetzt werden kann, wenn genügend Geld zusammenkommt. Kommt nicht genügend Geld zusammen, dann bekommen Sie Ihr Geld zurück. Kommt zuviel Geld zusammen, bekommen Sie einen entsprechenden Anteil zurück. Auf Karte 4 ist rechts eine Leiter mit Geldbeträgen. Ich möchte Ihnen jetzt die Beträge einzeln vorlesen. Bitte sagen Sie mir bei jedem Betrag, ob Sie bereit wären, diesen Betrag pro Jahr für die Umsetzung des Programms A zu zahlen. Sobald Sie unsicher sind oder einen Betrag definitiv nicht zahlen wollen, gehe ich zur nächsten Frage über. Wären Sie bereit, einen Betrag von 0,50 € pro Jahr an den Fond ‚Waldumbau Lüneburger Heide’ zu zahlen? usw.“
Jeder einzelne Betrag auf der Geldleiter wurde vom Interviewer vorgelesen und vom Befragten entweder akzeptiert oder abgelehnt, falls er diesen nicht zahlen wollte oder sich unsicher war. Bei den Zahlungsbeträgen handelt es sich um Zahlungen pro Jahr. Mit einer weiteren Frage wurde erhoben, wie viele Jahre die Befragten maximal den von ihnen genannten Betrag zahlen würden. Die Zahlungsbereitschaftsfrage enthält auch einen so genannten „provision mechanism“, der strategische Anreize wie das Trittbrettfahren auf den
160
4 Untersuchungsgegenstand und empirische Datenbasis
Beiträgen anderer vermindern und eine Offenbarung tatsächlicher Präferenzen eher gewährleisten soll. Der verwendete Mechanismus setzt sich aus drei Teilen zusammen:13 1.
2. 3.
dem „provision point“ mit: „Bitte bedenken Sie, dass das Programm nur umgesetzt werden kann, wenn genügend Geld zusammenkommt“, der Bereitstellungspunkt ist hierbei eher lose benannt mit dem allgemeinen Hinweis, dass das Gut nur bereitgestellt wird, wenn die Zahlungsbeträge aller die Kosten der Umsetzung übersteigen; der „money back guarantee“ mit: „Kommt nicht genügend Geld zusammen, dann bekommen Sie Ihr Geld zurück“; dem „proportional rebate of excess contributions“ mit: „Kommt zuviel Geld zusammen, bekommen Sie einen entsprechenden Anteil zurück“.
Dieser Bereitstellungsmechanismus wurde allerdings nicht im Choice Experiment angewendet, um den Fokus nicht zu stark auf das Attribut des Fondbeitrages als Bestandteil jeder Choice-Karte zu legen. Spezifika des Choice Experiments Im Choice Experiment wurden im Gegensatz zur Kontingenten Bewertung mehrere Choice-Sets (Auswahlkarten) von Respondenten beantwortet. Diese Sets enthalten jeweils den Status quo in der Lüneburger Heide und zwei Programme A und B zum Waldumbau, die in den einzelnen Eigenschaften biologischer Vielfalt variieren. Die Kosten/Zahlungen, die jede Person tragen/leisten müsste, damit das jeweilige Programm zum Waldumbau umgesetzt werden kann, sind ein eigenständiges Attribut in den Sets. Abbildung 4.2 gibt ein Beispiel für ein Choice Set, das in der Befragung eingesetzt wurde. Der genaue Wortlaut der Frage war: „Ich möchte Ihnen nun einige Tafeln vorlegen. Darauf sind jeweils der heutige Zustand in der Lüneburger Heide und zwei Programme zum Waldumbau dargestellt. Die Tafeln zeigen für jedes Programm die Auswirkungen auf die biologische Vielfalt. Darüber hinaus gehört zu jedem Programm ein Fondbeitrag, der von Ihnen gezahlt werden müsste, damit das Programm umgesetzt werden kann. Ich zeige Ihnen jetzt die Tafeln. Bitte sagen Sie mir für jede Tafel, unabhängig von den anderen Tafeln, welche Alternative Sie bevorzugen“.
13
Die Idee des „provision mechanism“ ist der experimentellen Ökonomik entlehnt. Hier wird er in einer Vielzahl von Laborexperimenten zur freiwilligen Bereitstellung kollektiver Güter genutzt und hat sich bewährt (Ledyard 1995). Der in der vorliegenden Untersuchung verwendete dreiteilige Mechanismus geht auf einen Beitrag von Rondeau et al. (1999) zurück. Sie haben diesen erfolgreich in einmaligen Entscheidungssituationen – ebenfalls in Experimenten – getestet. Die Einfachheit des Mechanismus hat den Vorteil, dass eine Anwendung auch in Feldstudien praktikabel ist.
161
4.2 Entwicklung und Ausgestaltung des Erhebungsinstruments
Abbildung 4.2:
Beispiel für eine Choice-Karte für Maßnahmen zum Waldumbau ohne Waldumbau
Programm A
Programm B
Laubwald 30 %
Laubwald 60 %
Laubwald 60 %
Biotope für gefährdete und geschützte Arten
mittel
mittel
mittel
Artenvielfalt
mittel
mittel
hoch
Altersstruktur der Wälder
niedrig
niedrig
mittel
Landschaftliche Vielfalt
niedrig
hoch
hoch
Fondbeitrag für Waldumbau
0
10
20
Ich wähle ;
Im Folgenden wird auf das Design der Choice Experimente näher eingegangen. Grundsätzlich werden (wie bei der Kontingenten Bewertung) nur Maßnahmen betrachtet, die in eine Verbesserung der biologischen Vielfalt münden. Die einzelnen Ausprägungen der Eigenschaften können demnach im Vergleich zum Status quo entweder gleich bleiben oder höher liegen. Die Artenvielfalt beispielsweise hat ein mittleres oder hohes Niveau, aber keinesfalls tritt eine Veränderung hin zu einem niedrigen Niveau ein. Daher ergibt sich für das Choice Experiment: Die Programme A und B müssen sich vom Staus quo durch eine Verbesserung von mindestens einem Attribut der biologischen Vielfalt auszeichnen (sonst wären die Befragten aufgefordert, Geld für den Erhalt des Staus quo zu zahlen). Die einzelnen Entscheidungssituationen werden mit vier „biologischen“ Attributen und einem monetären Attribut beschrieben. Die Attribute „Biotope für gefährdete und geschützte Arten“ und „Artenvielfalt“ haben jeweils zwei Ausprägungen (mittel/hoch) und die Attribute „Altersstruktur der Wälder“ und „Landschaftliche Vielfalt“ drei Ausprägungen (niedrig/mittel/hoch). Das monetäre Attribut hat sechs Ausprägungen mit den Geldbeträgen: 5, 10, 20, 35, 50 und 75 Euro. Bei zwei Programmen gibt es insgesamt 46656 mögliche Kombinationen aller Attribute (collective factorial: 2 x 2 x 3 x 3 x 6 x 2 x 2 x 3 x 3 x 6 = 24 x 34 x 62). Choice Sets (Choice-Karten) und damit das so genannte fractional factorial wurden computerbasiert mithilfe der Statistiksoftware SAS generiert (vgl. Kuhfeld 2003). Ein computerbasiertes Vorgehen bringt den Vorteil, optimale Designs herbeizuführen, wenn die Anforderung der Orthogonalität verletzt wird. Im vorliegenden Fall kann aufgrund der gewählten Ausprägungen der Attribute eine orthogonale Schätzung aller Haupteffekte nicht sichergestellt werden.
162
4 Untersuchungsgegenstand und empirische Datenbasis
Anhand verschiedener Kriterien und unter Verwendung einer Reihe von Algorithmen kann computerbasiert dennoch ein hinreichend effizientes Design erzielt werden (z.B. mit dem hier verwendeten Kriterium der D-Optimalität).14 Es wurden 36 Choice Sets generiert, die in sechs Blöcke mit je sechs Sets geteilt wurden, was wiederum mithilfe von SAS statistisch effizient geschehen ist. Jeder Befragte hatte schließlich sechs solcher Sets zu bewerten. Jedes Set wurde bei angestrebten 300 Befragten 50 Personen vorgelegt. Diejenigen, die bei mindestens einem Set das Programm A oder B gewählt und damit grundsätzlich eine Zahlungsbereitschaft geäußert hatten, wurden zusätzlich gefragt, für wie viele Jahre sie bereit wären, einen Geldbetrag an den Fond „Waldumbau Lüneburger Heide“ zu zahlen. 4.3 Ablauf der Erhebung und Gewichtung der Daten In der Untersuchungsregion Lüneburger Heide wurden im September und Oktober 2004 in Face-to-Face-Interviews insgesamt 606 Personen zu ihrer Zahlungsbereitschaft für eine Erhöhung der biologischen Vielfalt bzw. Maßnahmen zum Waldumbau befragt. Bei der einen Hälfte der Befragten wurde die Methode der Kontingenten Bewertung (N=305) eingesetzt und bei der anderen die Methode des Choice Experiments (N=301). Ein Interview dauerte durchschnittlich 30 Minuten. Die Datenerhebung erfolgte durch das Marktforschungsinstitut USUMA. Gemäß der Aufteilung des Landes Niedersachsen in Regierungsbezirke wurden Personen aus dem Regierungsbezirk Lüneburg befragt und teilweise Personen aus den Regierungsbezirken Hannover (Regionen um Schaumburg, Nienburg und Hannover) und Braunschweig (Regionen um Gifhorn, Peine, Braunschweig, Wolfsburg und Helmstedt). Interviewt wurden demnach zum einen Personen, die unmittelbar in der Lüneburger Heide leben, und zum anderen Personen in einem etwas größeren Einzugsgebiet, die unter Umständen die Lüneburger Heide zur Erholung nutzen. Mithin liegt der Schwerpunkt speziell auf Personen aus der eng und weiter gefassten Region Lüneburger Heide und generell auf Personen aus dem nord-östlichen Teil Niedersachsens. Ausgangspunkt der Datenerhebung war die Ziehung einer Zufallsstichprobe von Personen im Alter ab 18 Jahren anhand der Bevölkerungszahlen für das Untersuchungsgebiet (65 Sample Points). Die Zufallsauswahl der Zielhaushalte erfolgte durch die Methode des „Random Route“ mit Startadressenvorgabe. Die Zielpersonen in den Haushalten wurden mittels „Schwedenschlüssel“ ausgewählt. Den potenziellen Befragungspersonen wurde ein Begleitbrief vorgelegt, in dem das Thema der Befragung und der institutionelle (universitä-
14
Die computerbasierte Konstruktion der Choice Sets wird hier nicht im Detail erläutert. Für eine detaillierte Beschreibung der SAS-Prozeduren sei auf Kuhfeld (2003) verwiesen und für eine ausführliche Diskussion verschiedener Algorithmen auf Cook und Nachtsheim (1980) oder Meyer und Nachtsheim (1995). Die DOptimalität bezieht sich auf die Kovarianz-Matrix der Design-Matrix (die Matrix der Attributslevel). Sie ist erfüllt, wenn die folgenden Anforderungen bestmöglich verwirklicht werden: (1) „level balance“, d.h jedes Attributslevel tritt im Design gleich häufig auf, (2) „orthogonality“, d.h. die Attributslevel variieren unabhängig voneinander, (3) „minimal overlap“, d.h. die Attributslevel überlappen nicht zwischen Alternativen in einem Choice Set und (4) „utility balance“, d.h. der Nutzen von Alternativen in einem Choice Set ist gleich (diese Kriterien gehen auf Huber und Zwerina zurück, siehe Kuhfeld 2003: 64). Meist ist es unmöglich, alle Kriterien zu erfüllen. Die Prozedur in SAS wählt (sehr vereinfacht ausgedrückt) zunächst ein StartDesign, das sich per Zufallsprinzip aus dem „collective factorial“ ergibt. Durch einen iterativen Prozess werden in diesem Start-Design Alternativen ausgetauscht, bis sich die D-Optimalität nicht mehr verbessern lässt.
4.3 Ablauf der Erhebung und Gewichtung der Daten
163
re) Hintergrund erläutert wurden. Dieses Informationsschreiben hat laut Einschätzung des Marktforschungsinstitutes die Teilnahmebereitschaft an der Umfrage erhöht. Im Vorfeld der Hauptuntersuchung wurde im Juni 2004 sowohl für die Kontingente Bewertung als auch das Choice Experiment ein Pretest durchgeführt. Für beide Methoden konnten jeweils 30 Pretest-Interviews realisiert werden. Anhand der Pretest-Ergebnisse mussten einige Änderungen im Fragebogen vorgenommen werden, z.B. wurden mehrere Fragen gestrichen, da die durchschnittlich angestrebte Interviewzeit von 30 Minuten überschritten wurde. Die Hauptbefragung fand im Zeitraum vom 28.09.2004 bis 25.10.2004 statt. Angaben zu Ausfallgründen und zur Ausschöpfung können allerdings nur für die Gesamtumfrage gemacht werden, die sich auf die Lüneburger Heide (LH) und den Solling/Harz (SH) bezieht.15 Insgesamt wurden 1254 Interviews realisiert, die sich nach Methode und Region wie folgt aufteilen: Kontingente Bewertung mit 305 (LH) und 327 (SH) Interviews sowie Choice Experimente mit 301 (LH) und 321 (SH) Interviews. Tabelle 4.4 gibt eine Übersicht über die Ausschöpfungsquote und Ausfallgründe ausgehend vom Bruttoansatz. Eine Ausschöpfungsquote von 69 Prozent ist für mündliche Interviews ein in der empirischen Sozialforschung gängiger Wert (vgl. Andreß und Popken 1992: 222). Unter den systematischen Ausfällen machen die Verweigerer, d.h. Haushalte bzw. Zielpersonen, die explizit eine Befragung ablehnen, den höchsten Anteil aus. Gemessen an allen systematischen Ausfällen liegt ihr Anteil bei 73 Prozent. Der zweithöchste Anteil an den Ausfällen ergibt sich mit 26 Prozent für die Schwer-Erreichbaren, d.h. Haushalte bzw. Zielpersonen, die trotz mehrmaliger Kontaktversuche nicht anzutreffen waren. Ein sehr geringer Anteil mit gerundet einem Prozent verbleibt für die letzte Gruppe der Nicht-Befragbaren, die u.a. infolge einer Erkrankung an der Befragung nicht teilnehmen konnten. Insgesamt ist insbesondere der vergleichsweise hohe Anteil an Verweigerern problematisch, da unklar bleibt, ob es hier einen Zusammenhang zwischen dem Teilnahmeverhalten und dem Untersuchungsgegenstand gibt. Letztendlich sind dadurch Verzerrungen nicht ganz auszuschließen, auch wenn es sich bei den Verweigerern typischerweise um keine homogene Gruppe handelt.16
15 16
Zur Erinnerung: Das gesamte Forschungsprojekt erstreckt sich auf die Bewertung biologischer Vielfalt in der Lüneburger Heide und Solling/Harz. Die vorliegende Arbeit beschränkt sich auf die Region der Lüneburger Heide. Tatsächliche Verweigerungen („hard core“ Ausfälle) sind ein generelles Problem in der empirischen Sozialforschung. Obwohl es Korrekturverfahren für Verweigerungen gibt, sollen an dieser Stelle einige Anmerkungen von Schnell et al. (1999: 294) stehen bleiben: „Über diesen Anteil können nur theoretische Annahmen, die sich nur partiell auf vorhandene Daten stützen können, gemacht werden. Da der „hard core“ keine homogene Gruppe darstellt, ist im Regelfall auch nicht zu vermuten, daß gerade diese Gruppe ausschließlich aus potentiellen Falsifikatoren der interessierenden Theorie besteht. Allerdings wird durch diese Ausfälle ein zusätzliches Unsicherheitselement geschaffen, daß prinzipiell nur in seinen möglichen Konsequenzen in Hinsicht auf Schlußfolgerungen, die aus der Erhebung gezogen werden sollen, abgeschätzt werden kann und in jedem konkreten Fall auch abgeschätzt werden sollte“.
164
4 Untersuchungsgegenstand und empirische Datenbasis
Tabelle 4.4:
Ausschöpfung und Ausfallgründe in der Hauptumfrage
Ausschöpfung und Ausfallgründe
N
%
1834
100,0
Qualitätsneutrale Ausfälle
25
1,4
Wohnung unbewohnt
13
0,7
Keine Person der Grundgesamtheit im Haushalt
12
0,7
1809
100,0
Systematische Ausfälle insgesamt:
554
30,6
Haushalt verweigert Auskunft
315
17,4
88
4,9
126
6,9
14
0,8
Zielperson verreist, Urlaub
2
0,1
Zielperson krank, nicht in der Lage, dem Interview zu folgen
9
0,5
1255
69,4
1
0,1
1254
69,3
Brutto-Einsatz-Stichprobe
Bereinigte (Netto-)Stichprobe
Zielperson verweigert Interview Haushalt trotz dreimaligen Besuchs nicht angetroffen Zielperson trotz dreimaligen Besuchs nicht angetroffen
Durchgeführte Interviews
Nicht auswertbare Interviews Auswertbare Interviews
Nach Ablauf der Erhebung wurden die Interviewer schriftlich mittels Antwortpostkarten kontrolliert. Inhalte der Kontrollkarten waren die Dauer und das Thema der Befragung sowie der Auswahlmodus der Befragungsperson. Per Zufall wurden 25 Prozent der durchgeführten Interviews zur Kontrolle ausgewählt. Die Rücklaufquote der Kontrollkarten betrug 55 Prozent. In all diesen Rückantworten bestätigte sich ein ordnungsgemäßes Vorgehen der Interviewer.17 Für die Lüneburger Heide liegen die bereits eingangs erwähnten 606 Fälle zur Auswertung vor. Allerdings müssen für das Choice Experiment drei Fälle ausgeschlossen werden, da hier keine vollständigen Angaben zum Bewertungsteil gemacht wurden, d.h. es gibt 17
Es wurden 308 Kontrollkarten verschickt und 169 zurückgesendet.
4.3 Ablauf der Erhebung und Gewichtung der Daten
165
keine gesicherten Informationen für alle sechs Choice Karten bzw. fehlende Angaben bei einzelnen Entscheidungssituationen. Deshalb werden in den folgenden deskriptiven und multivariaten Analysen die 603 vollständig auswertbaren Fälle verwendet (305 für die Kontingente Bewertung und 298 für das Choice Experiment). Ferner werden die Daten für die deskriptiven – univariaten und bivariaten – Analysen gewichtet. Gemäß der Stichprobenauswahl sind die Daten zwar haushalts-, aber nicht personenrepräsentativ, denn Personen in Ein-Personen-Haushalten haben im Vergleich zu Personen in Mehr-Personen-Haushalten eine höhere Wahrscheinlichkeit, in die Stichprobe zu gelangen. Deshalb wurden die Daten nach der Anzahl der erwachsenen Personen im Haushalt gewichtet. Dabei wird die Gesamtzahl der Befragten N durch die Summe der Haushaltsgröße HHS – Gesamtzahl aller erwachsenen Haushaltsmitglieder aller Befragten im Datensatz – dividiert und mit der Anzahl der Haushaltsmitglieder HH multipliziert: Gewicht = HH • (N/HHS). So geht beispielsweise eine Befragungsperson aus einem DreiPersonen-Haushalt im Falle der Kontingenten Bewertung mit dem Gewicht 3 • (305/581) = 1,57 in die deskriptiven Auswertungen ein. Damit soll eine Verzerrung der deskriptiven Analysen zugunsten von Personen aus Ein-Personen-Haushalten verhindert werden. In den multivariaten Analysen werden hingegen die ungewichteten Daten verwendet. Dies deshalb, weil in der Literatur Zweifel zu finden sind, inwieweit in solchen Fällen (z.B. in Regressionsmodellen) eine Gewichtung sinnvoll ist und zu valideren Ergebnissen führt (vgl. u.a. Winship und Radbill 1994).18 Zudem wird in den multivariaten Analysen die Haushaltsgröße als unabhängige Variable aufgenommen bzw. im Haushaltsäquivalenzeinkommen berücksichtigt. Die Ergebnisse werden somit bei Kontrolle der Gewichtungsvariable geschätzt.
18
Für eine generelle und kritische Diskussion zu Gewichtungsverfahren sei auch auf Andreß und Popken (1992) sowie Schnell (1993) verwiesen.
7050_book.fm Page ii Wednesday, July 12, 2006 3:27 PM
5.1 Charakterisierung der Stichproben
167
5 Deskriptive und bivariate Analysen
In diesem ersten Auswertungskapitel werden ausgewählte deskriptive und bivariate Ergebnisse berichtet. Die Charakterisierung der beiden Stichproben – die Kontingente Bewertung und das Choice Experiment betreffend – steht in einem ersten Schritt im Mittelpunkt. In einem zweiten Schritt wird die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft (nein/ja) und die Höhe der Zahlungsbereitschaft in der Kontingenten Bewertung behandelt. Beide Kenngrößen sind die wesentlichen abhängigen Variablen in den multivariaten Analysen im nächsten Kapitel. Ein dritter Schritt untersucht die Frage, ob und inwieweit die Zielpersonen den hypothetischen Markt nachvollzogen bzw. akzeptiert haben. In den jeweiligen Teilschritten werden auch bivariate Zusammenhänge mit Blick auf Personenmerkmale und spezifische Aussagen diskutiert. 5.1 Charakterisierung der Stichproben Im Folgenden werden die beiden Stichproben anhand einiger Personenmerkmale beschrieben. Tabelle 5.1 gibt dazu einen Überblick. Man sieht, dass sich die beiden Samples über die Methoden (Kontingente Bewertung und Choice Experiment) hinweg kaum unterscheiden. Ungefähr 60 Prozent der Befragten sind weiblich. Das Durchschnittsalter liegt bei 48 bzw. 47 Jahren. Bildung, genauer der höchste Schulabschluss, wurde hier in Jahren gemessen. Das arithmetische Mittel liegt bei 10 Jahren, was einer mittleren Reife entspricht.1 Parallelen beider Stichproben ergeben sich auch für die Anzahl der Haushaltsmitglieder, beim Anteil derer, die Kinder unter 18 Jahren im eigenen Haushalt haben (30 Prozent) und bei der Anzahl Vollzeit oder Teilzeit erwerbstätiger Personen (50 bzw. 53 Prozent). Ein kleiner Unterschied lässt sich lediglich für das durchschnittliche Äquivalenzeinkommen der Haushalte feststellen.2 Es liegt im Falle des Choice Experiments mit 1313 Euro ca. 39 Euro unter demjenigen der Kontingenten Bewertung. Diese Differenz ist jedoch statistisch nicht signifikant. Ein gewisser Unterschied ergibt sich auch für die Anzahl derjenigen Befragten, die die Lüneburger Heide nutzen. Als Nutzer lassen sich 71 Prozent der Befragten in der Kontingenten Bewertung und 65 Prozent im Choice Experiment charakterisieren. Diese 1 2
Die Zuordnung von Bildungsjahren wurde wie folgt vorgenommen: ohne Abschluss (7 Jahre), Volks-/ Hauptschulabschluss (8 Jahre), mittlere Reife/Realschulabschluss (10 Jahre), Fachhochschulreife (12 Jahre), Abitur (13 Jahre), Fachhochschulabschluss (16 Jahre), Universitätsabschluss (18 Jahre). Das monatliche Haushaltsnettoeinkommen wurde in zwei Schritten erhoben: Zunächst mit einer offenen Frage, und bei Verweigerung wurde um eine Einordnung in Kategorien gebeten. Die Mittelwerte dieser Kategorien wurden in weiteren Analysen neben den offenen Angaben herangezogen. Insgesamt ergab dieses Vorgehen 13 Prozent (KB) bzw. 14 Prozent (CE) fehlende Angaben. Die fehlenden Werte wurden mithilfe einer Einkommensregression geschätzt, die ca. 30 Prozent der Einkommensvarianz erklärt. Unabhängige Variablen waren die Bildung in Jahren, die Haushaltsgröße und Rentner (nein/ja). Das Äquivalenzeinkommen wurde berechnet mittels Division des Nettoeinkommens durch die Quadratwurzel der Anzahl aller Haushaltsmitglieder.
168
5 Deskriptive und bivariate Analysen
Personen haben sich mindestens einmal in den letzten 12 Monaten vor dem Befragungszeitpunkt in den Wäldern bzw. Waldgebieten der Lüneburger Heide aufgehalten. Tabelle 5.1:
Charakterisierung der Stichproben Kontingente Bewertung
Choice Experiment
N
Mittelwert
Std.
N
Mittelwert
Std.
Geschlecht (1=weiblich)
305
0,62
0,49
297
0,59
0,49
Alter
303
48
17
298
47
17
Bildung in Jahren
299
10
2
296
10
3
Anzahl der Personen im Haushalt
305
2,65
1,08
298
2,72
1,37
Kinder im Haushalt (1=ja)
305
0,30
0,46
298
0,30
0,46
Erwerbstätig (1=Vollzeit/Teilzeit)
300
0,50
0,50
296
0,53
0,50
Äquivalenzeinkommen in €
304
1351,63
502,39
295
Nutzung der Wälder (1=ja)
305
0,71
0,45
297
0,65
0,47
Regionale Bindung in Jahren
303
27
19
298
26
19
1312,59 508,38
Abbildung 5.1 gibt ein Bild über die Verteilung der Ursprungsvariable, die der binär kodierten Nutzer-Variable zugrunde liegt. Dabei zeigt sich nochmals, dass Nichtnutzer den höchsten Anteil ausmachen, während sich beim Ausmaß der Nutzung eine Spanne von sehr intensiver Nutzung (mindestens einmal in der Woche) bis zu recht sporadischer Nutzung ergibt (ein- bis zweimal in den letzten zwölf Monaten). Die Werte je Kategorie variieren dabei meist zwischen 10 und 15 Prozent. In den nächsten Kapiteln wird die in Tabelle 5.1 verwendete binär kodierte Nutzer-Variable für Analysen herangezogen. Anstelle des Ausmaßes der Nutzung liegt der Fokus auf der Unterscheidung von Nutzern und NichtNutzern, wobei für die erste Gruppe nutzungsabhängige Wertschätzungen für Veränderungen der biologischen Vielfalt im Wald zu erwarten sind, d.h. neben z.B. Existenzwerten auch ein Erleben der Veränderungen von Vielfalt für die Zahlungsentscheidung von Bedeutung ist. Die bevorzugten Aktivitäten von Nutzern der Lüneburger Heide sind: (1) Spazierengehen (von ca. 80 Prozent genannt), (2) Wandern (ca. 25 Prozent), (3) Beeren und Pilze sammeln (ca. 23 Prozent), (4) Pflanzen und Tiere beobachten (ca. 19 Prozent) sowie (5) Sport treiben (ca. 11 Prozent).3
3
Mehrfachnennungen waren möglich.
169
5.2 Grundsätzliche Zahlungsbereitschaft
Abbildung 5.1:
Häufigkeit der Waldnutzung im letzten Jahr
mind. einmal in der Woche mind. einmal im Monat 6 bis 11 mal 3 bis 5 mal 1 bis 2 mal keinmal 0
5
10
15
20
25
30
35
40
Prozent Choice Experiment
Kontingente Bewertung
Eine letzte Kenngröße zur Charakterisierung der Stichproben bildet in Tabelle 5.1 die regionale Bindung, d.h. wie lange die befragten Personen bereits an ihrem derzeitigen Wohnort leben. Hierbei liegt der Mittelwert bei 27 bzw. 26 Jahren und der Median bei 23 bzw. 21 Jahren. Im Durchschnitt ergibt sich also eine recht starke regionale Bindung der Befragten. Allerdings bleibt zu berücksichtigen, dass Befragte aus der Region um Hannover nicht unmittelbar in dem enger gefassten Gebiet der Lüneburger Heide leben. Dennoch haben sie eine gewisse lokale Nähe – im Sinne kurzer Wege – zum Untersuchungsgebiet. Insgesamt bildet die Ähnlichkeit beider Stichproben eine hinreichende Grundlage, um im weiteren Verlauf der Arbeit Vergleiche in den bivariaten und multivariaten Analysen vornehmen zu können. 5.2 Grundsätzliche Zahlungsbereitschaft Bezüglich der grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft, d.h. der generellen Nein/Ja-Entscheidung, etwas für den Waldumbau und Veränderungen biologischer Vielfalt zu bezahlen, ergibt sich zwischen den beiden Bewertungsmethoden ein erheblicher Unterschied. Wie sich Tabelle 5.2 entnehmen lässt, zeigen sich bei der Kontingenten Bewertung 28 Prozent der Befragten zahlungsbereit, während dieser Wert mit 45 Prozent im Choice Experiment weitaus höher ist. Es ergibt sich eine Differenz von 17 Prozentpunkten.
170
5 Deskriptive und bivariate Analysen
Tabelle 5.2:
Deskriptive Ergebnisse zur grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft
Methode
N
Grundsätzliche Zahlungsbereitschaft in % nein
ja
Kontingente Bewertung
305
72
28
Choice Experiment
298
55
45
Auf den ersten Blick mag dieser Unterschied überraschend erscheinen. Allerdings sind zwei Punkte zu bedenken: (1) In der KB wurde die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft direkt erfragt und zudem mit einer expliziten Nein/Ja-Fragestellung. Befragte im CE haben hingegen jeweils sechs Choice-Karten bewertet, in denen das monetäre Attribut, der Fondbeitrag, ein Merkmal neben anderen gewesen ist. Sobald Befragte in einer dieser sechs Entscheidungssituationen nicht den Status quo gewählt haben, zeigen sie sich als grundsätzlich zahlungsbereit. Dieses Vorgehen kommt einem Referendumsformat bei der KB sehr nahe, bei dem Befragten eine Maßnahme in Verbindung mit einem konkreten Preis vorgelegt wird (vgl. Abschnitt 3.3). Allerdings ist dann ebenfalls eine Zustimmungstendenz nicht auszuschließen. Diese könnte sich im CE bei wiederholten Entscheidungen sogar verstärken. Unabhängig von der Ausgestaltung der Choice-Karten scheint das jedoch nicht der Fall zu sein. Die meisten Zahlungsbereiten (38 Prozent) haben ein mit Kosten verbundenes Programm zum Waldumbau in allen sechs Entscheidungssituationen gewählt. Die Verteilung derjenigen, die zwei bis fünf Programme gewählt haben, variiert zwischen 10 und 15 Prozent. Lediglich 10 Prozent haben sich bei nur einer Choice Karte zahlungsbereit gezeigt. Allerdings haben diese Befragten auch angegeben, bis zu 25 Jahren zahlungsbereit zu sein. Das spricht gegen reine Zustimmungstendenzen. (2) Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass in der KB Personen zunächst eine generelle Entscheidung treffen mussten, genauer, ob ihnen der Waldumbau und biologische Vielfalt so wichtig sind, dass sie extra etwas dafür bezahlen würden. Das entspricht auf realen Märkten am ehesten der Entscheidung für oder gegen die Anschaffung eines Gutes. Man denke an ein Auto oder einen MP3-Player. Viele Personen überlegen sich zunächst genau bzw. brauchen eine lange Zeit, bis sie tatsächlich einen Kaufentschluss gefasst haben.4 Sobald dieser jedoch vorhanden ist, stellt sich die Frage, welches spezifische Produkt zu welchem Preis erworben werden soll. Man denke an einen Gebrauchtwagen. Es ist nicht unplausibel, dass die meisten Leute erst die (generelle) Entscheidung treffen, einen neuen Wagen zu kaufen und sich dann auf die Suche begeben. Ein dergestalt überlegter Kauf unterscheidet sich von einem Spontankauf. Für diesen sei beispielhaft das gelegentliche Bummeln durch Einkaufshäuser angeführt. Dabei werden durchaus Güter (z.B. Kleidungsstücke oder Schuhe) erworben, deren Kauf zuvor nicht beabsichtigt war. CEs oder Referendumsformate kommen trotz gegebener Informationen einem solchen Spontankauf relativ nahe. Der Befragte erhält von Beginn an eine Reihe an Gütern, aus denen er wählt, wobei der Preis zumeist ein dominantes Attribut sein dürfte. Methodisch gesehen verliert man vielleicht einige sonst Zahlungsbereite mit der generellen und „überlegten“ Nein/Ja-Fragestellung im Vergleich zum „spontanen“ CE oder Referen4
Diese Überlegungsphase kann natürlich von Gut zu Gut variieren. Im Regelfall ist ein Auto wesentlich teurer als ein MP3-Player.
5.2 Grundsätzliche Zahlungsbereitschaft
171
dumsformat. Aber ist zu bedenken, dass im ersteren Fall eher davon ausgegangen werden kann, dass jeder Zahlungsbereite wirklich eine Wertschätzung für biologische Vielfalt hat. Die Zahl der Zahlungsbereiten in der Kontingenten Bewertung ist mit 28 Prozent vergleichsweise gering, korrespondiert aber durchaus mit anderen Studien im deutschsprachigen Raum. Beispielhaft sind hier zwei Studien von Meyerhoff (2004) zu nennen. Die erste Studie untersucht die Zahlungsbereitschaft für den Schutz des Wattenmeers, in der sich 24 Prozent der Befragten zahlungsbereit zeigten. In der zweiten Studie zum Schutz an der Elbe vorkommender Lebensräume erwiesen sich 22 Prozent als zahlungsbereit. Demgegenüber finden sich auch Studien mit sehr hohen generellen Zahlungsbereitschaften. So ermittelt beispielsweise Wronka (2004) in Kontingenten Bewertungen zum Schutz der Artenvielfalt und der Trinkwasserqualität im Lahn-Dill-Bergland grundsätzliche Zahlungsbereitschaften, die zum Teil über 90 Prozent liegen. Gründe für solche erheblichen Unterschiede lassen sich vor allem im methodischen Vorgehen und in dem zu bewertenden Umweltgut finden. Dennoch sind die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung keine Ausnahme, auch wenn sie im unteren Spektrum positiver grundsätzlicher Zahlungsbereitschaften einzuordnen sind. Für Choice Experimente kann ein Wert von 45 Prozent Zahlungsbereiten, die demnach kostenträchtigen Veränderungen der biologischen Vielfalt den Status quo vorziehen, als niedrig eingeordnet werden. Als Vergleich seien zwei Studien angeführt. Watson et al. (2004) haben 2001 ein Choice Experiment zur Bewertung verschiedener Biodiversitätslevel im Wald im Robson Valley, British Columbia durchgeführt. Bewertungsattribute und damit Bestandteil zweier Wahloptionen im Vergleich zum Staus quo waren der Anteil von geschützten Flächen, die Altersstruktur von Wäldern (Baumbeständen), der Zugang zum Erholungsgebiet und das Biodiversitätslevel. Zahlungsvehikel war eine Steuererhöhung pro Haushalt und Jahr. Als zahlungsbereit haben sich 82 Prozent aller Befragten geäußert. Diese haben bei Vorlage von sieben Choice-Karten mindestens einmal nicht den Status quo gewählt. Ein ähnliches Bild liefert die Studie von Lehtonen et al. (2003). Bewertungsgegenstand war hier ein Waldschutzprogramm in der Region Pohjanmaa, Südfinnland. Im Jahre 2002 wurde u.a. ein Choice Experiment durchgeführt mit dem Status quo und zwei Alternativen auf jeder Choice-Karte. Attribute waren u.a. Biotope zur Erreichung bestimmter Schutzlevel und die Anzahl gefährdeter Arten. Als Zahlungsvehikel verwendeten Lehtonen et al. eine Erhöhung der Einkommenssteuer für die Jahre 2003 bis 2012. Bei Vorlage von acht Choice-Karten haben 86 Prozent jeweils mindestens eine mit Kosten verbundene Alternative gewählt. Besonders interessant dürfte der Blick auf die wichtigsten Attribute biologischer Vielfalt für die individuellen Zahlungsentscheidungen sein (vgl. Tabelle 5.3). In der KB wurden all diejenigen, die sich zahlungsbereit geäußert haben, nach demjenigen Aspekt des Waldumbaus gefragt, der für ihre Zahlungsentscheidung am wichtigsten gewesen ist. Im CE wurde diese Frage allen Respondenten gestellt. Unabhängig von der Methode zeigt sich in der Gruppe der Zahlungsbereiten, dass Biotope für gefährdete und geschützte Arten, die Anzahl der Tier- und Pflanzenarten (Artenvielfalt) und die landschaftliche Vielfalt die drei meistgeschätzten Attribute biologischer Vielfalt sind. Die Altersstruktur der Wälder, die besonders auch eine ästhetisch-optische Wirkung haben dürfte, wird jeweils am geringsten geschätzt; sogar geringer als der Anteil der Fläche für neue Laubwälder, der ja den Rahmen für Veränderungen biologischer Vielfalt darstellt. Im CE wurde auch der Fondbeitrag zur Auswahl gestellt, der einen Bestandteil der Choice-Karten bildete. Erwartungsgemäß ist er mit 42 Prozent das dominierende Attribut in der Gruppe der Nicht-Zahlungsbereiten und
172
5 Deskriptive und bivariate Analysen
wird immerhin auch von 12 Prozent der Zahlungsbereiten als wichtigstes Entscheidungskriterium benannt. Der monetäre Beitrag ist demnach der wichtigste Grund, sich nicht zahlungsbereit zu äußern, womöglich unabhängig von einem Interesse an der Erhöhung biologischer Vielfalt, und seine Höhe beeinflusst maßgeblich die Auswahl von Alternativen im Hinblick auf eine grundsätzliche Zahlungsbereitschaft. Umso schwieriger gestaltet sich die Interpretation der sonst genannten Attribute in der Gruppe der Nicht-Zahlungsbereiten im CE. Sowohl Biotope für gefährdete und geschützte Arten als auch die Artenvielfalt haben im Status quo bereits ein mittleres Ausgangsniveau. Dies könnte für Befragte als durchaus „ausreichend“ wahrgenommen werden. Allerdings ist eine solche Interpretation für die Altersstruktur der Wälder und die landschaftliche Vielfalt mit einem niedrigen Ausgangsniveau nicht einsichtig. Es gibt hier zwei Möglichkeiten: Entweder der jetzige Zustand wird präferiert und eine Änderung wird nicht gewünscht, oder Respondenten sind diese Attribute wichtig, aber sie können oder wollen keinen finanziellen Beitrag leisten. Letzteres würde allerdings auf eine Missdeutung der Frage schließen, die dennoch nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann. Tabelle 5.3:
Wichtigste Attribute für die Zahlungsentscheidung Häufigkeit genannter Attribute in Prozent
Attribut
KB (WTP>0) N=86
CE (WTP>0) N=133
CE (WTP=0) N=159
Biotope für gefährdete und geschützte Arten
28
31
8
Anzahl der Tier- und Pflanzenarten
37
27
18
Landschaftliche Vielfalt
20
17
15
Anteil der Fläche für neue Laubwälder
9
9
11
Altersstruktur der Wälder
6
4
6
Fondbeitrag
–
12
42
100
100
100
Gesamt
Bemerkung: WTP entspricht Zahlungsbereitschaft, KB der Kontingenten Bewertung und CE dem Choice Experiment.
In einem nächsten Schritt soll gezeigt werden, welche Variablen – insbesondere Personenmerkmale – maßgeblich die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft beeinflussen. Tabelle 5.4 zeigt dahin gehend einige bivariate Zusammenhänge. Alle Variablen sind binär kodiert. Als Zusammenhangsmaß wird Pearsons Korrelationskoeffizient ausgewiesen.5 5
Bei 2x2-Felder-Tabellen entspricht Pearsons Korrelationskoeffizient r u.a. den Zusammenhangsmaßen Phi und Taub. Aufgrund des höheren Bekanntheitsgrades wird in allen nachstehenden bivariaten Analysen r verwendet, entgegen den statistisch gängigen Maßen Phi für ein nominales und Taub für ein ordinales Messniveau.
173
5.2 Grundsätzliche Zahlungsbereitschaft
Tabelle 5.4:
Bivariate Zusammenhänge zur grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft (nein/ja) Kontingente Bewertung
x
Pearsons Korrelation
Choice Experiment
x
Pearsons Korrelation
Geschlecht (1=weiblich)
0,62
-0,02
0,59
0,09
Alter (1=36+)
0,75
0,03
0,72
0,09
Bildung (1= Fach-/Abitur+)
0,18
0,23**
0,17
0,24**
Kinder im Haushalt (1=ja)
0,30
-0,06
0,30
0,15*
Erwerbstätigkeit (1=Vollzeit/Teilzeit)
0,50
0,11+
0,53
0,12*
Einkommen (1=1281,60€+)
0,50
0,08
0,49
0,10+
Persönliche wirtschaftliche Lage (1=gut/sehr gut)
0,46
0,25**
0,45
0,24**
Nutzung der Wälder (1=ja)
0,71
0,16**
0,65
0,16**
Diskussion mit Freunden über Umweltschutz (1=ja)
0,45
0,21**
0,49
0,32**
Spende für Umweltschutz im letzten Jahr (1=ja)
0,20
0,20**
0,14
0,22**
Mitglied in Natur- oder Umweltschutzorganisation (1=ja)
0,05
0,08
0,07
0,22**
Bemerkungen: ** p<0,01; * p<0,05; + p<0,10. Die Mittelwerte ( x ) geben den Anteil der Befragten mit der Ausprägung 1 in Bezug auf die Personenmerkmale an. Zum Beispiel haben 18 bzw. 17 Prozent der Respondenten in der KB und im CE mindestens ein Fachabitur als höchsten Bildungsabschluss.
Für das Geschlecht und Alter bestehen keine Zusammenhänge mit der Zahlungsbereitschaft. Sehr stabile und durchweg positive Effekte in beiden Methoden zeigen sich für die Bildungsvariable: (Fach)Abiturienten bzw. (Fach)Hochschulabsolventen erweisen sich im Vergleich zu allen anderen eher zahlungsbereit. In Abhängigkeit von der Untersuchungsmethode ergeben sich für das Vorhandensein von Kindern unter 18 Jahren, für eine Vollzeit- bzw. Teilzeiterwerbstätigkeit und für das Einkommen (Median-Split) instabile Effekte. Auch wenn es sich um geringe Zusammenhänge handelt, haben Kinder im Haushalt und die Tatsache einer Erwerbstätigkeit einen positiven bivariaten Einfluss im CE. Letzteres zeigt sich auch in der KB, aber lediglich auf einem 10%igen Signifikanzniveau. Das Äquivalenzeinkommen des Haushaltes hat bivariat keinen nennenswerten Effekt in der KB und einen sehr schwachen in der CE zugunsten der Zahlungsbereitschaft (auf dem 10%-Signifikanzniveau). Der nicht vorhandene bzw. schwache Einkommenseffekt ist von besonderem Interesse, da das Einkommen die zentrale Variable ökonomischer Analysen darstellt. Er deutet an, dass andere nicht-ökonomische Variablen einen stärkeren Einfluss auf die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft haben. Dieser Frage wird ausführlich in den multivariaten
174
5 Deskriptive und bivariate Analysen
Analysen im nächsten Kapitel nachgegangen. Ein anderes Bild mit Blick auf ökonomische Erwägungen ergibt sich bei der subjektiven Einschätzung der persönlichen wirtschaftlichen Lage. Diejenigen, die ihre wirtschaftliche Lage als gut oder sehr gut einschätzen, sind eher bereit, einen Fondbeitrag zu leisten, im Vergleich zu Personen, die eine teils gute/teils schlechte, schlechte oder sehr schlechte Lage wahrnehmen. Subjektive Wahrnehmungen in Richtung einer weiter gefassten Budgetrestriktion bzw. eine persönlich zufrieden stellenden wirtschaftlichen „Situation“ scheinen der grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft über beide Methoden hinweg förderlich zu sein. Wenig überraschend ist auch der in beiden Methoden signifikante (allerdings geringe) bivariate Zusammenhang zwischen einer Nutzung der Wälder und der Zahlungsbereitschaft. Nutzern scheinen die Wälder und positive Veränderungen in der biologischen Vielfalt „eher am Herzen zu liegen“. Ein Motiv könnte natürlich darin liegen, die Veränderungen in der landschaftlichen Vielfalt aktiv selbst erleben zu wollen. Nicht unmittelbar nahe liegend ist der ebenfalls in beiden Methoden signifikante Zusammenhang von einem umweltinteressierten sozialen Umfeld und grundsätzlicher Zahlungsbereitschaft, also Personen, die manchmal, häufig oder sehr häufig mit Freunden und Bekannten über Probleme des Umweltschutzes diskutieren, im Gegensatz zu selten oder nie. Für diese Personen kann im Vorhinein nicht ausgeschlossen werden, dass sie einer Monetarisierung der Umwelt sogar ablehnend gegenüberstehen. Allerdings zeigt sich doch insbesondere im CE mit 0,32 ein vergleichsweise hoher Korrelationskoeffizient. Ebenso positiv wirkt in der KB und im CE ein Umweltengagement in Form von Spendenzahlungen für Natur- und Umweltschutz im letzten Jahr. Ein positiver Zusammenhang zwischen der Mitgliedschaft in Umweltorganisationen und der Zahlungsbereitschaft zeigt sich lediglich im CE. Allerdings engagieren sich nur 7 Prozent der Befragten in solchen Organisationen. Zusammenfassend lässt sich unabhängig von der Bewertungsmethode sagen, dass Personen mit einer höheren Bildung, einer subjektiv empfundenen guten bzw. sehr guten wirtschaftlichen Lage, Waldnutzer, Personen mit einem an Umweltproblemen interessierten sozialen Umfeld sowie Umweltengagierte sich eher in der Gruppe der Zahlungsbereiten wieder finden. Die in der KB 28 Prozent und im CE 45 Prozent Zahlungsbereiten stufen Biotope für gefährdete Tier- und Pflanzenarten, die Artenvielfalt und landschaftliche Vielfalt als die drei für sie wesentlichen Bestandteile biologischer Vielfalt in der Lüneburger Heide ein. 5.3 Höhe und Dauer der Zahlungsbereitschaft Die wohl wichtigste Kenngröße für die ökonomische Bewertung mithilfe der Kontingenten Bewertung ist das arithmetische Mittel bzw. der Median der Zahlungsbereitschaft. Eine von beiden Größen stellt in der Regel im Zuge der Hochrechnung auf die Grundgesamtheit (Marktgröße) den Ausgangspunkt für Kosten-Nutzen-Analysen dar (Bateman et al. 2002: 224ff.). Tabelle 5.5 gibt hierzu einen Überblick für die Ergebnisse der Kontingenten Bewertung und somit für Veränderungen der biologischen Vielfalt, die mit dem LÖWEKonzept in Niedersachsen korrespondieren. Da die Zahlungsbereitschaft mit einer Geldleiter gemessen wurde, gibt es für die monetären Werte jeweils Unter- und Obergrenzen (lower und upper bound). Es ist lediglich bekannt, dass Personen mindestens einen bestimmten Betrag (Untergrenze), aber nicht den nächst höheren Betrag auf der Geldleiter (Obergrenze) zu zahlen bereit sind. Zum Beispiel wissen wir, dass eine Person mindestens
175
5.3 Höhe und Dauer der Zahlungsbereitschaft
7 Euro zahlen würde, aber nicht mehr als 10 Euro (nächste Stufe auf der Leiter). Ihre „wahre“ Zahlungsbereitschaft liegt folglich irgendwo zwischen jenen 7 und 10 Euro. Daher können im Prinzip jeweils drei Mittelwerte berechnet werden: (1) für Werte der Untergrenze (im Beispiel 7 Euro), (2) für Werte der Obergrenze (10 Euro) und (3) für das Mittel aus Unter- und Obergrenze (8,50 Euro). Die Kenngrößen in Tabelle 5.5 beziehen sich auf die Mittelwerte aus Unter- und Obergrenze, also den drittgenannten Mittelwert.6 Letzterer bildet im nächsten Kapitel neben der grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft die zweite abhängige Variable in den multivariaten Analysen. In Tabelle 5.5 werden in der oberen Zeile alle Befragten betrachtet und in der unteren Zeile lediglich die Zahlungsbereiten.
Tabelle 5.5:
Kenngrößen der Höhe der Zahlungsbereitschaft in der Kontingenten Bewertung Höhe der Zahlungsbereitschaft (WTP) in € Min Max Median
Alle Befragten (WTP0, N=305) Nur Zahlungsbereite (WTP>0, N=86)
Mittelwert
Std.
95%Konfidenzintervall
0
115
0
6,86 [6,61]
17,75
4,80 – 8,91
0,75
115
17,5
24,29 [23,70]
26,41
18,55 – 30,03
Bemerkung: Die Konfidenzintervalle wurden in Stata mithilfe der Bootstrap-Technik berechnet (5000 Replikationen) und beziehen sich auf den, in eckigen Klammern angegebenen, ungewichteten Mittelwert der Zahlungsbereitschaft.
Im Falle aller 305 Befragten liegt der Mittelwert der Zahlungsbereitschaft bei 6,86 Euro (gewichtete Daten).7 Dieser Wert entspricht der durchschnittlichen kompensierenden Variation, d.h. demjenigen Geldbetrag, der eine Indifferenz zwischen den Situationen mit und ohne Waldumbau erzeugt. Auch wenn 6,86 Euro zunächst als wenig erscheinen mögen, bleibt doch zu bedenken, dass dieser Wert über die Grundgesamtheit aggregiert einen recht hohen Betrag liefert. Mithilfe der Bootstrap-Technik wurden die 95%-Konfidenzintervalle für den ungewichteten Mittelwert berechnet (vgl. Kohler und Kreuter 2001: 233/234, Bateman et al. 2002: 237/238). Der Mittelwert der Zahlungsbereitschaft für alle Befragten liegt mit einer 95%igen Wahrscheinlichkeit zwischen 4,80 und 8,91 Euro. Insgesamt ergibt sich aufgrund der Mehrheit der Nicht-Zahlungsbereiten ein Median von 0 Euro. Ein direkter Vergleich mit anderen Studien erweist sich als schwierig bzw. nicht zweckmäßig, da die jeweiligen Umweltgüter sehr unterschiedlich sind.8 6 7 8
Laut Bateman et al. (2002: 233) wäre die gängige Vorgehensweise (usual procedure), sich auf die Untergrenzen der Zahlungsbereitschaft zu beziehen. Dennoch stehen in den folgenden Ausführungen die Mittelwerte der Zahlungsbereitschaftsintervalle stärker im Lichte deskriptiver Analysen. Für die Unter- und Obergrenze ergeben sich Werte von 5,98 und 7,73 Euro. Im vorhergehenden Abschnitt ist bereits deutlich geworden, dass die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft in der vorliegenden Studie als niedrig einzuordnen ist. Damit ist folgerichtig auch ein vergleichsweise niedriger Mittelwert der Zahlungsbereitschaftshöhe zu erwarten. Ein Vergleich von Zahlungsbeträgen über Studien hinweg ist allerdings unangebracht, solange nicht ein und dasselbe Gut bewertet wurde. Folgt man einem Literaturüberblick von Nunes und van den Bergh (2001: 217) zu Biodiversitätsstudien, ergeben sich für
176
5 Deskriptive und bivariate Analysen
Bei einer gesonderten Betrachtung der Zahlungsbereiten erhält man naturgemäß ein anderes Bild (untere Zeile in Tabelle 5.5). Hier ergibt sich ein gewichteter und ungewichteter Mittelwert von 24,29 und 23,70 Euro, der mit einer 95%igen Wahrscheinlichkeit zwischen 18,55 und 30,03 Euro liegt. Der Median beträgt 17,50 Euro. Eine Veranschaulichung der Verteilung der Zahlungsbereitschaft zeigt Abbildung 5.2. Darin werden auch die einzelnen Intervallmittelwerte der Geldleiter sichtbar. Der Wert von 12,50 Euro ist mit 22 Prozent der am häufigsten gewählte Zahlungsbereitschaftsbetrag (der Modus). Anhand der kumulierten Häufigkeitsverteilung lässt sich zudem leicht der Median von 17,50 Euro ablesen. Erwähnenswert sind auch die 9 Prozent der Befragten, die eine Zahlungsbereitschaft von 55 Euro haben und die 5 Prozent mit dem Maximalbetrag von 115 Euro. Im unteren Teil der Abbildung 5.2 sind die Zahlungsbereitschaften in (annähernd) gleich großen Kategorien zusammengefasst. Dadurch wird eine eher linkssteile Verteilung der Zahlungsbereitschaften sichtbar. Nur wenige Befragte (17 Prozent) erreichen eine Zahlungsbereitschaft über 30 Euro. In beiden Studien (KB und CE) wurden die Respondenten danach gefragt, wie lange sie bereit wären, eine Zahlung für den Waldumbau zu leisten. Im CE wurde dabei auf den höchsten Fondbeitrag unter den gewählten Programmen verwiesen. Hatte beispielsweise ein Befragter bei sechs Choice-Karten immer ein mit Kosten verbundenes Programm gewählt und der höchste Fondbeitrag auf jenen Karten war 75 Euro, dann bezieht sich der erfragte Zeitraum der Zahlungsbereitschaft auf diesen Betrag.9 Tabelle 5.6 zeigt dazu die wesentlichen deskriptiven Ergebnisse. Dabei ist anzumerken, dass 18 (KB) bzw. 21 (CE) Befragte eine lebenslange Zahlungswilligkeit bekundeten. Für diese Fälle wurde die Dauer der Zahlungsbereitschaft anhand der durchschnittlichen Lebenserwartung auf Basis der „aktuellen“ Sterbetafel 2001/2003 des Statistischen Bundesamtes (2004) berechnet. Laut Sterbetafel hat beispielsweise ein/e Mann/Frau von 52 Jahren noch eine durchschnittliche Lebenserwartung von 26/34 Jahren. Insgesamt nimmt der Median der Zahlungsbereitschaft jeweils einen Wert von 10 Jahren an. Die Mittelwerte liegen mit 13,9 und 12,9 Jahren in beiden Stichproben nahe beieinander. Allerdings sind relativ große Spannbreiten der Jahresangaben zu konstatieren. Diese bewegen sich zwischen einer Einmalzahlung und einem Maximum von 55 bzw. 47 Jahren.
9
Kontingente Bewertungen je nach Biodiversitätsebene (einzelne Arten oder aber verschiedene Ökosysteme bzw. Habitate) mittlere Zahlungsbereitschaften (pro Jahr) von 5 bis 194 Dollar. Damit würde der Mittelwert in der vorliegenden Untersuchung an der Untergrenze liegen, aber keine Ausnahme darstellen. Die erfragten maximalen Fondbeträge sind in der Gruppe der Zahlungsbereiten wie folgt verteilt: 5 € (5 %), 10 € (24 %), 20 € (15 %), 35 € (16 %), 50 € (23 %) und 75 € (17 %).
177
5.3 Höhe und Dauer der Zahlungsbereitschaft
Abbildung 5.2:
Verteilung der Zahlungsbereitschaft in der Gruppe der Zahlungsbereiten (N=86)
100 90
Prozent
80 70 60 50 40 30 20
55 67 ,5 87 ,5 11 5
6 8, 5 12 ,5 17 ,5 22 ,5 27 ,5 32 ,5 42 ,5
4
2, 5
0, 7
5 1, 5
10 0
Euro kumulierte Häufigkeit
absolute Häufigkeit
40 35
Prozent
30 25 20 15 10 5 0 0,75 11 bis 21 bis 31 bis 41 bis 51 bis 61 bis 71 bis 81 bis bis 10 20 30 40 50 60 70 80 90 Euro
über 100
178
5 Deskriptive und bivariate Analysen
Tabelle 5.6:
Zahlungsbereitschaft in Jahren
Methode
Zahlungsbereitschaft in Jahren
Kontingente Bewertung (KB) Choice Experiment (CE)
Prozent
Abbildung 5.3:
N
Min
Max
Median
Mittelwert
Std
85
1
55
10
13,87 12,96
127
1
47
10
12,90 10,17
Zahlungsbereitschaft in Jahren bei den beiden Bewertungsmethoden
45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 1 bis 5
6 bis 10 11 bis 20 21 bis 30 31 bis 40 41 bis 50
> 50
Jahre Kontingente Bewertung
Choice Experiment
Deshalb ist auch hier ein Blick auf die Verteilung der Variablen sinnvoll. Dazu ist in Abbildung 5.3 eine Kategorisierung vorgenommen worden, die allerdings nicht ganz einheitlich ist. Die ersten beiden Kategorien bewegen sich in Fünfjahresschritten (1 bis 5 bzw. 6 bis 10 Jahre), die weiteren umfassen Zehnjahresschritte. Ein erheblicher Anteil der Befragten zeigt eine vergleichsweise geringe – in Jahren gemessene – Zahlungsverpflichtung. Jeweils 41 bzw. 27 Prozent geben an, ein bis fünf Jahre zahlungsbereit zu sein. Der Wert ist in der KB um 14 Prozentpunkte höher als im CE. Für das CE ist ein Anstieg im Intervall von sechs bis zehn Jahren (40 Prozent) sichtbar, der sich in der KB nicht zeigt. Demgegenüber sind in der KB mehr Befragte bereit, eine Zahlung für 31 bis 40 Jahre (6 Prozent) zu leisten. Ein nicht unerheblicher Anteil der Zahlungsbereiten geht eine recht hohe (selbst berichtete) Zahlungsverpflichtung ein. So sind in der KB 18 Prozent und im CE 15 Prozent bereit, mindestens 21 Jahre einen Fondbeitrag zu zahlen. Die meisten Befragten bevorzugen dennoch eine Zahlung für ein bis zehn Jahre (65 bzw. 67 Prozent). Es bleibt zu bedenken, dass eine mehrjährige (selbst berichtete) Zahlungsverpflichtung in Verbindung mit der Höhe der Zahlungsbereitschaft zu beurteilen ist. Eine zehnjährige Zahlung von jeweils 6 Euro steht in einem anderen Licht als eine zehnjährige Zahlung von 55 Euro. Es könnte sein, dass hohe Zahlungsbereitschaften mit einer geringeren Anzahl an Jahren einhergehen. In beiden Methoden ergibt sich dahin gehend kein signifikanter Zusammenhang.
5.4 Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz des hypothetischen Marktes
179
Insgesamt korrespondiert insbesondere der Median von 10 Jahren auch mit den gewonnenen Eindrücken aus den Focus Groups im Vorfeld der Hauptuntersuchung, in denen zahlungsbereite Teilnehmer angegeben haben, lieber erst einmal für einige Jahre etwas zu bezahlen, um dann zu beurteilen, was mit ihrem Geld gemacht wurde. In Abhängigkeit von dieser Einschätzung wären sie dann unter Umständen bereit, eine weitere Zahlungsverpflichtung einzugehen. In diesem Sinne erscheint die alte Lebensweisheit „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ als dominierendes Motto, wenn es um die Dauer der Zahlungsbereitschaft geht. Eine längerfristige Zahlungsbereitschaft wird, so kann angenommen werden, auch von den Arbeitsergebnissen der für den Waldumbau verantwortlichen Institutionen abhängig gemacht. 5.4 Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz des hypothetischen Marktes Bevor die theoretisch hergeleiteten Hypothesen aus Kapitel 2 getestet werden, wird jetzt noch der Frage nachgegangen, inwieweit die Ausgestaltung des hypothetischen Marktes für die Respondenten nachvollziehbar war bzw. Akzeptanz gefunden hat. Tabelle 5.7 zeigt diesbezüglich die Zustimmung zu einer Reihe von Aussagen und deren Zusammenhang mit der grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft. Es handelt sich um Items, die jeweils auf einer Fünfpunkteskala (1=„trifft überhaupt nicht zu“ bis 5=„trifft voll und ganz zu“) gemessen und für die Zusammenhangsanalyse binär kodiert wurden (Zustimmung=„trifft eher zu“ oder „trifft voll und ganz zu“). Die Aussagen lassen sich zwei Bereichen zuordnen. Der erste Bereich umfasst eine Bewertung des hypothetischen Marktes mit: (1) Verständlichkeit der Beschreibungen zum Waldumbau, (2) Glaubwürdigkeit des Niedersächsischen Forstplanungsamtes als Zahlungsempfänger, (3) für das Choice Experiment spezifisch die Schwierigkeit der Vergleichbarkeit der Programme auf den einzelnen Choice-Karten und (4) Umfang der gegebenen Informationen. Der zweite Bereich zielt auf Protesthaltungen mit: (1) Inanspruchnahme eines Rechtes auf „biologische Vielfalt“ und (2) Ablehnung einer Bewertung von Natur und Landschaft mit Geld.
180
Tabelle 5.7:
5 Deskriptive und bivariate Analysen
Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz des hypothetischen Marktes Kontingente Bewertung
Choice Experiment
Zustimmung in %
Pearsons Korrelation mit der WTP
Zustimmung in %
Pearsons Korrelation mit der WTP
Die Beschreibung der Auswirkungen des Waldumbaus war gut verständlich.
74
0,26**
67
0,21**
Die Umsetzung des Waldumbaus durch das Niedersächsische Forstplanungsamt ist glaubwürdig.
67
0,14*
53
0,22**
54
0,12*
Evaluationsaussagen
Es war leicht, die Programme zum Waldumbau miteinander zu vergleichen. Mir fehlen Informationen über den Waldumbau.
60
-0,03
48
0,08
Es ist mein Recht, eine angemessen hohe biologische Vielfalt im Wald vorauszusetzen. Dafür muss ich nichts bezahlen.
47
-0,35**
48
-0,39**
Ich lehne es ab, Natur und Landschaft mit Geld zu bewerten.
50
-0,34**
51
-0,35**
Protestaussagen
Bemerkungen: Zusammenhang von Evaluations- und Protestaussagen mit der grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft (WTP). ** p<0,01; * p<0,05. Alle Aussagen wurden auf einer Fünfpunkteskala beantwortet und sind binär kodiert. Die Zustimmungswerte beziehen sich auf die Kategorien „trifft eher zu“ und „trifft voll und ganz zu“.
Insbesondere die Evaluationsaussagen zeigen recht hohe Zustimmungsquoten. So kann für 74 Prozent der Befragten in der Kontingenten Bewertung und 67 Prozent im Choice Experiment angenommen werden, dass die Beschreibungen der einzelnen Attribute biologischer Vielfalt im Rahmen des Waldumbaus gut verstanden worden sind. Dennoch muss zur Kenntnis genommen werden, dass für 26 bzw. 33 Prozent dies nur teilweise, eher nicht oder überhaupt nicht zutrifft. Tatsächlich findet sich auch ein signifikant positiver Zusammenhang zwischen der Verständlichkeit der Beschreibungen und der grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft. Die Frage nach der Glaubwürdigkeit des Zahlungsempfängers dürfte für die ökonomische Bewertung ebenfalls wichtig sein. Während zwei Drittel aller Befragten im Falle der Kontingenten Bewertung das Niedersächsische Forstplanungsamt als glaubwürdig wahrnehmen, sind es im Choice Experiment lediglich die Hälfte der Befragten. Letzteres bedeutet im Umkehrschluss, dass immerhin 50 Prozent Zweifel an der Glaubwürdigkeit hegen. Folgerichtig zeigen sich auch positive Zusammenhänge zwischen der
5.4 Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz des hypothetischen Marktes
181
Glaubwürdigkeitsfrage auf der einen Seite und der grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft auf der anderen. Die Korrelation fällt für das Choice Experiment im Vergleich zur Kontingenten Bewertung etwas höher aus. Im Choice Experiment kommt hinzu, dass für 54 Prozent der Befragten ein Vergleich der einzelnen Waldumbauprogramme leicht gewesen ist, was ebenfalls einen signifikant positiven Zusammenhang mit der Zahlungsentscheidung zeigt. Da allgemein mit den Beschreibungen der Attribute biologischer Vielfalt im Wald und insbesondere mit einem direkten Vergleich dieser im Choice Experiment an die Befragten eine (recht) hohe Anforderung gestellt wird, lohnt es sich, einen möglichen Bildungszusammenhang zu testen. Dieser zeigt sich auch, aber lediglich sehr schwach. Für diejenigen Befragten, die mindestens Fachhochschulreife haben, sind die Beschreibungen des Waldumbaus eher gut verständlich im Vergleich zu den restlichen Befragten (Kontingente Bewertung: r=0,10 mit p=0,09; Choice Experiment: r=0,12 mit p=0,04). Dasselbe gilt im Choice Experiment mit Bezug auf die Vergleichbarkeit der einzelnen Programme auf den Choice-Karten (r=0,13 mit p=0,03). Aber diese doch recht schwachen Bildungszusammenhänge sollten nicht überinterpretiert werden. Bis hierhin ist einzugestehen, dass die Konstruktion eines „perfekten“ hypothetischen Marktes nicht vollständig gelungen ist. Trotz der vorbereitenden Schritte auf dem Weg zur Hauptbefragung (v.a. Focus-Groups) und damit einem Test des konstruierten Marktes gibt es Tendenzen, dass die Beschreibung des Umweltgutes und die Ausgestaltung des Marktes das Antwortverhalten der Befragten beeinflusst hat. Demgegenüber ist eher positiv zu bewerten, dass zumindest die gegebene Informationsmenge über den Waldumbau keinen Einfluss zeigt. Obwohl jeweils über 50 Prozent der Befragten angeben, dass ihnen Informationen fehlen, zeigt sich kein bivariater Zusammenhang mit der grundsätzlichen Zahlungsentscheidung. Allerdings ist dies auch nicht verwunderlich. Selbst beim Kauf von privaten Gütern (z.B. Computer) fühlen sich die meisten Personen, wenn man unmittelbar nachfragen würde, wohl nicht als ausreichend informiert. Ein viel diskutiertes Problem im Rahmen ökonomischer Bewertungen sind so genannte Protestantworten, d.h. Befragte protestieren gegen Aspekte des hypothetischen Marktes bzw. lehnen eine monetäre Bewertung der Umwelt generell ab (vgl. Abschnitt 3.6.4). Tabelle 5.7 zeigt im unteren Teil zwei „klassische“ Protestaussagen, die für alle Befragten unabhängig von der grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft gemessen wurden. Dabei zeigt sich, dass jeweils ca. 50 Prozent der Respondenten ein Recht auf biologische Vielfalt (ohne zusätzliche Zahlung) für sich in Anspruch nehmen und generell eine monetäre Bewertung von Natur und Landschaft ablehnen.10 Dabei ergeben sich mit Werten über 0,30 vergleichsweise hohe negative Zusammenhänge mit der Zahlungsbereitschaft. Protestneigungen/-überzeugungen zeigen sich also in der vorliegenden Untersuchung deutlich. Dahinter steckt noch ein weitaus interessanteres Ergebnis: Auch Zahlungsbereite hegen solche Überzeugungen. Tabelle 5.8 zeigt die Zustimmungsraten für die Protestaussagen getrennt für die Gruppen der Nicht-Zahlungsbereiten und Zahlungsbereiten. Man sieht, dass im Choice Experiment die Zustimmungsraten je nach Aussage und Gruppe bis zu 10 Prozentpunkte über denjenigen in der Kontingenten Bewertung liegen. Für die Nicht-Zahlungsbereiten ergeben sich generell recht hohe Werte. Die Befunde decken sich mit dem, was aus anderen Studien berichtet wird. Laut einem Überblick von Wronka (2001) zu empirischen Befunden mit Blick auf Protestantworten variieren diese in 13 Studien im deutschsprachigen Raum 10
Dieses Ergebnis ist auch methodisch interessant, da bisweilen Choice Experimenten im Vergleich zur Kontingenten Bewertung zugesprochen wird, weniger Protestantworten zu erzeugen (vgl. z.B. Mogas et al. 2005).
182
5 Deskriptive und bivariate Analysen
zwischen 10 und 56 Prozent. Allerdings bleibt uneinheitlich, mit welchen Items die Protestantworten gemessen wurden. Ohne einheitliche Standards ist ein Vergleich zwischen Studien fragwürdig. Dennoch dürfte klar sein, dass in einem klassischen Sinne die „Protestrate“ unter den Nicht-Zahlungsbereiten in der vorliegenden Untersuchung als hoch einzustufen ist.
Tabelle 5.8:
Protestaussagen in Abhängigkeit von der grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft (WTP) Kontingente Bewertung
Choice Experiment
Zustimmung in % in Abhängigkeit von WTP
Zustimmung in % in Abhängigkeit von WTP
nein
ja
nein
ja
Es ist mein Recht, eine angemessen hohe biologische Vielfalt im Wald vorauszusetzen. Dafür muss ich nichts bezahlen.
58
20
66
26
Ich lehne es ab, Natur und Landschaft mit Geld zu bewerten.
60
22
67
32
Immerhin zwischen 20 und 32 Prozent der Zahlungsbereiten machen ein Recht auf biologische Vielfalt geltend und lehnen eine monetäre Bewertung von Natur und Landschaft ab. Das mündet in eine paradoxe Situation: Trotz vorhandener Protesthaltungen zeigen sich diese Personen zahlungsbereit. Erklärungen dafür sind nur ad hoc zu finden. So wäre beispielsweise denkbar, dass eine skeptische Haltung gegenüber Zahlungsbereitschaftsfragen dennoch zur Angabe von Zahlungsbeträgen führt, sobald Befragte keine andere Möglichkeit sehen, ihre Wertschätzung für biologische Vielfalt im Wald zum Ausdruck zu bringen. In diesem Falle findet eine Abwägung zugunsten einer Kenntlichmachung der Wertschätzung statt. Forschungspragmatisch liegt es nahe, Protestüberzeugungen als Einstellungen gegenüber der Zahlung für Umweltgüter zu konzeptualisieren, wie es bereits von einigen Autoren vorgeschlagen wird (siehe Abschnitt 3.6.4). Diese Einstellung gilt es separat zu erklären, und sie kann dann als weitere Erklärungsdeterminante in Zahlungsbereitschaftsanalysen dienen. Der Umgang mit Protestantworten und -überzeugungen wird in Kapitel 7 ausführlicher diskutiert. Vorerst bleibt festzuhalten, dass die gängige Praxis, nur NichtZahlungsbereite nach Protestgründen zu fragen, kritisiert werden muss. Zusammenfassend zeigt sich – über die verwendeten Methoden hinweg – eine nicht zu vernachlässigende Relevanz der Ausgestaltung des hypothetischen Marktes und der Protestüberzeugungen für das Antwortverhalten von Befragten. Obwohl es sich meist um geringe Korrelationen handelt, führt eine als gut wahrgenommene Verständlichkeit der Beschreibungen zum Waldumbau und eine als glaubwürdig empfundene Umsetzung des Waldumbaus zu einer erhöhten Chance, Zahlungsbereitschaft hervorzurufen. Demgegen-
5.4 Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz des hypothetischen Marktes
183
über verringert sich diese Chance, wenn Respondenten ein Recht auf biologische Vielfalt ohne zusätzliche Zahlungen wahrnehmen und es ablehnen, Natur und Landschaft mit Geld zu bewerten. Die weiterführenden multivariaten Analysen müssen im Lichte dieser allgemeinen Befunde gesehen werden.
7050_book.fm Page ii Wednesday, July 12, 2006 3:27 PM
6.1 Ökonomisches Grundmodell
185
6 Theorieorientierte multivariate Analysen
Dieses Kapitel befasst sich mit der empirischen Überprüfung der theoretisch hergeleiteten Hypothesen aus Kapitel 2. Startpunkt der multivariaten Auswertungen ist das ökonomische Grundmodell der Zahlungsbereitschaft. In diesem Zusammenhang werden auch die methodischen Grundlagen der multivariaten Analysen dargelegt und diskutiert. Daran anschließend erfolgt ein Test der einzelnen theoretischen Konzepte in der Reihenfolge: (1) Theorien kollektiven Handelns mit dem Konzept des Dilemmabewussteins, (2) Umweltbewusstsein und die Low-Cost-Hypothese, (3) die Theorie geplanten Handelns, (4) das (erweiterte) Normaktivierungsmodell und (5) Zahlungsbereitschaft als moralisches Handeln. Das Kapitel schließt mit einer Zusammenschau, Beurteilung und Diskussion der multivariaten Befunde. 6.1 Ökonomisches Grundmodell Den Ausgangspunkt für die empirische Überprüfung der Hypothesen aus Kapitel 2 bildet das ökonomische Grundmodell der Zahlungsbereitschaftsanalyse bzw. der monetären Bewertung kollektiver Umweltgüter. Dieses Modell beinhaltet, neben den soziodemographischen Variablen Geschlecht, Alter und Bildung, zum einen die Nutzung der Wälder in der Lüneburger Heide und zum anderen das Äquivalenzeinkommen des Haushaltes als zentrale erklärende Variablen. Gemäß individueller ökonomischer Erwägungen (Budgetrestriktion) sollte das Einkommen einen positiven Effekt auf die Zahlungsbereitschaft haben, ebenso wie eine Nutzung der Wälder mit Blick auf die nutzungsabhängigen und nutzungsunabhängigen Wertschätzungen für den Waldumbau. Das ökonomische Grundmodell bildet die Referenz für sukzessive Modellerweiterungen in den folgenden Abschnitten.
Methodische Vorüberlegungen Zunächst gilt es, die methodische Herangehensweise näher zu erläutern und zu begründen. Im Mittelpunkt steht dabei die Wahl eines geeigneten statistischen Modells, das den multivariaten Auswertungen zugrunde gelegt wird. Für die erste abhängige Variable – die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft im Choice Experiment und in der Kontingenten Bewertung – kommen das binäre Probit- und Logit-Modell in Frage. Beide Modelle unterscheiden sich in der Regel aufgrund substanzieller Parallelitäten in ihren Schlussfolgerungen nicht wesentlich voneinander (Liao 1994: 24/25). Alle folgenden Auswertungen stützen sich auf das Probit-Modell. Die Begründung hierfür liefert die Modellauswahl im Hinblick auf die Erklärung der Höhe der Zahlungsbereitschaft in der Kontingenten Bewertung, die zweite abhängige Variable. Hierbei gibt es eine Vielzahl möglicher Modellspezifikationen im Rahmen von Modellen für begrenzt abhängige Variablen (limited dependent variables), in
186
6 Theorieorientierte multivariate Analysen
denen eine Zensierung und/oder Stutzung1 relevant wird. Diese potenziellen Spezifikationen sind auch in ihren inhaltlichen Gesichtspunkten zu diskutieren. Durch die Messung der Zahlungsbereitschaft in zwei Schritten – erstens grundsätzlich und zweitens die Höhe – ist zu entscheiden und zu überprüfen, inwieweit diese Schritte unabhängig voneinander sind. Allgemein gilt für die Kontingente Bewertung, dass eine Person entweder zahlungsbereit ist oder nicht, wobei eine grundsätzlich zahlungsbereite Person zusätzlich entscheiden muss, wie viel sie maximal zahlen würde. Statistisch gesehen geht es darum, ob für eine Gruppe von Individuen ein Ereignis, hier zahlungsbereit zu sein, eintritt oder nicht. Für die Gruppe der Nicht-Zahlungsbereiten wird dann ein Wert von null angenommen. Für die Gruppe der Zahlungsbereiten hingegen ergibt sich ein kontinuierlicher Wert, das Ausmaß der Zahlungsbereitschaft. Relevant ist hierbei, dass in der Regel diejenigen mit einer Zahlungsbereitschaft von null (Nicht-Zahlungsbereite), die keine Wertschätzung für positive Veränderungen der biologischen Vielfalt bekunden, einen recht hohen Anteil ausmachen. Diese Gruppe könnte man ohne weiteres mit einem „Nullkonsum“/Nichtkauf gleichsetzen, d.h. den Wert Null für die (kontinuierliche) Variable zur Zahlungsbereitschaftshöhe zuordnen. Dabei würde jedoch der qualitative Unterschied von Kauf- und Nicht-Kauf bzw. zahlungsbereit und nicht zahlungsbereit vernachlässigt (vgl. allgemein Ronning 1991). Daher ist es zweckmäßig, ein Modell zu finden, das sowohl die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft als auch die Höhe der Zahlungsbereitschaft in Abhängigkeit von Erklärungsdeterminanten berücksichtigt. In der Struktur ähnliche Beispiele sind der Kauf langlebiger Gebrauchsgüter (durable goods) wie Autos und Häuser oder aber die Entscheidung umzuziehen (Cragg 1971). Im Falle eines Umzugs wäre beispielsweise die Umzugsdistanz von Interesse. Da in der Kontingenten Bewertung eine Geldleiter zur Messung der Zahlungsbereitschaft verwendet wurde und ein hoher Anteil an Nicht-Zahlungsbereiten vorliegt, bietet sich zunächst das Tobit-Modell (censored regression model) – benannt nach James Tobin (1958) – zur Auswertung der Höhe der Zahlungsbereitschaft an. Es beruht auf einem „Hybrid“ aus der Probit-Analyse und multipler Regression. Der Schwerpunkt liegt auf der bereits erwähnten Berücksichtigung „limitierter/zensierter“ Variablen, z.B. mit vielen NullWerten. Das Modell wird in der Regel in folgender Form (latent variable formulation) dargestellt (vgl. Verbeek 2000: 198ff.):
yi*
xi' E H i , i 1, 2,..., N ,
yi
0
yi
yi* falls yi* ! 0.
falls yi* d 0,
2
Hierbei ist H i annahmegemäß normal verteilt NID (0, V ) – „independent drawings from a normal distribution (n.i.d.)“ – und unabhängig von xi . Dieses zensierte (Regressions-) Modell entspricht einem Standard-Regressions-Modell, bei dem alle negativen Werte auf 1
Eine Zensierung (censoring) einer kontinuierlichen Variable liegt vor, wenn einem Wertebereich ein einzelner Wert zugeordnet wird und sich dadurch ein „Massenpunkt“ ergibt (z.B. ein hoher Anteil an Personen mit einer Zahlungsbereitschaft von null). Eine Stutzung (truncation) hingegen tritt ein, falls einige Werte einer kontinuierlichen Variable nicht beobachtet wurden (z.B. wenn nur Personen mit einem Einkommen über 500 Euro befragt wurden).
187
6.1 Ökonomisches Grundmodell
null gesetzt werden. Das Modell beschreibt nun zwei Tatbestände: einerseits die Wahrscheinlichkeit, dass yi 0 ist, gegeben xi , mit
P{ yi
0} P{ yi d 0} P{H i d xi' E } H § x' E · § x' E · x' E ½ P ® i d i ¾ ) ¨ i ¸ 1 ¨ i ¸ V ¿ ¯V © V ¹ © V ¹
und andererseits die Verteilung von yi im Fall positiver Werte. Diese Verteilung umfasst eine gestutzte (truncated) Normalverteilung mit dem (bedingten) Erwartungswert:
E{ yi | yi ! 0} xi' E E{H i | H i ! xi' E } xi' E V
I ( xi' E / V ) . ) ( xi' E / V )
Hierin wird ersichtlich, warum es – mit Einschränkungen, wie sich später zeigt – nicht sinnvoll ist, lediglich eine Regression für das Subsample mit positiven Werten zu schätzen. Denn ' der bedingte Erwartungswert von yi ist nicht unmittelbar gleich xi E , sondern er hängt auch mit I (.) / ) (.) nicht-linear von xi ab. Das Tobit-Modell wird gemeinhin mit der Maximum-Likelihood-Methode geschätzt. Für die Log-Likelihood-Funktion ergibt sich (vgl. Greene 2003: 767):
ln L
ª § xi' E · º ( yi xi' E ) 2 º 1ª 2 log(2 S ) ln V ln 1 ) ¦ ¨ ¸ ». « » ¦ « 2¬ V2 yi ! 0 ¼ yi 0 ¬ © V ¹¼
Die zwei Teile der Funktion beziehen sich einerseits auf die nicht-limitierten Beobachtungen (erster Teil) und andererseits auf die relevanten Wahrscheinlichkeiten der limitierten Beobachtungen (zweiter Teil). Problematisch ist allerdings die Annahme von Tobin, dass Erklärungsdeterminanten in derselben Art und Weise sowohl das Eintreten eines Ereignisses als auch das Ausmaß des Ereignisses (gegeben dessen Eintritt) beeinflussen. Das kann, muss aber nicht der Fall sein. Es ist durchaus denkbar, dass die Entscheidung, ein Auto zu kaufen, sich von derjenigen unterscheidet, wie viel man letztendlich für das Auto ausgeben möchte, sobald der Kaufentschluss gefasst ist (Greene 2003: 770). Das hieße im vorliegenden Fall, die grundsätzliche Zahlungsentscheidung ist mitunter „anders determiniert“ als die Wahl eines Zahlungsbetrags (gegeben eine Zahlungsbereitschaft). Das ist nicht unplausibel, zumal die Zahlungsbereitschaft in der Kontingenten Bewertung explizit in zwei Schritten erhoben wurde. Für solche Fälle bietet sich ein Modell von Cragg (1971) an, das im Wesentlichen eine Verallgemeinerung des Tobit-Modells darstellt und in dem die Betrachtung der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses (limitierte Daten) von der Regression für die nichtlimitierten Daten unabhängig ist. Das hieße, die Wahrscheinlichkeit einer grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft „kann mehr oder weniger“ von der Höhe der Zahlungsbereitschaft
188
6 Theorieorientierte multivariate Analysen
getrennt analysiert werden. Mit einer „separaten“ Schätzung eines Probit-Modells und einer gestutzten (truncated) Regression lässt sich schließlich das Cragg-Modell testen. Die Entscheidungsgleichung lautet (siehe Greene 2003: 770):
P[ yi* ! 0] ) ( xi'J ),
zi
1, wenn yi* ! 0,
P[ yi* d 0] 1 ) ( xi'J ),
zi
0, wenn yi* d 0
und die Regressionsgleichung mit Blick auf die nicht-limitierten Beobachtungen:
E[ yi | zi
1]
xi' E VOi ,
wobei Oi der Inversen von „Mills ratio“ I (.) / ) (.) entspricht (vgl. die Gleichungen zum Tobit-Modell). Das Tobit-Modell ist als Spezialfall mit dem Cragg-Modell identisch, wenn y gleich E / V gilt. Diese Bedingung lässt sich recht einfach anhand eines LikelihoodRatio-Tests nachprüfen, da die Tobit-Log-Likelihood der Summe aus der Log-Likelihood der gestutzten Regression und des binären Probit-Modells entspricht. Für den Test bei gleichen Koeffizienten ergibt sich daher:
O
2[ln LT (ln LP ln LTR )] ,
wobei LT die Likelihood des Tobit-Modells ist, LP diejenige des separaten Probit-Modells und LTR diejenige der separaten gestutzten Regression. Sowohl das Tobit-Modell als auch das Cragg-Modell werden im Kontext der so genannten „hurdle models“ diskutiert, zu denen noch weitere Modelle gezählt werden (für einen kurzen Überblick siehe Jones 1989).2 Der Name „hurdle“ basiert auf der Grundidee, dass erst eine gewisse „Hürde“ genommen werden muss, damit ein Ereignis und dessen Ausmaß betrachtet werden kann. Im vorliegenden Falle wäre diese Hürde, generell zahlungsbereit zu sein. Neben dem Cragg-Modell, das eine Unabhängigkeit der Fehlerterme in der Entscheidungs- und Regressionsgleichung postuliert, wird die so genannte „first hurdle dominance“ betrachtet. Hierbei wird angenommen, dass die Teilnahmeentscheidung (z.B. Konsum ja/nein) das Ausmaß eines Verhaltens (z.B. Konsumausgaben) dominiert. Dies korrespondiert mit Heckmans Sample-Selektionsmodell, das ebenfalls ein generalisiertes Tobit-Modell darstellt und entweder mit der Maximum-Likelihood-Methode oder zweistufig geschätzt werden kann (Heckman 1979). Allerdings bleibt zu berücksichtigen, dass dieses Modell mit einigen Problemen behaftet ist, z.B. der Entscheidung, welche Variablen in die beiden Gleichungen – Auswahl- und Regressionsgleichung – aufzunehmen sind, was leicht zu einer Fehlspezifikation führen kann und zum Teil inhaltlich schwer zu begründen ist (vgl. Engelhardt 1999). Bei „complete dominance“ treffen die Unabhängigkeitsannahme der Fehlerterme der Entscheidungs- und Regressionsgleichung und die Dominanzannahme gleichzeitig zu. Daher werden ein Probit-Modell und eine OLS für die Gruppe der nicht2
Einige der im Folgenden aufgeführten Modelle finden sich auch in Diskussionen im Zusammenhang mit so genannten „two-part models“ (siehe Manning et al. 1987).
6.1 Ökonomisches Grundmodell
189
limitierten Beobachtungen separat geschätzt. Das Modell der „complete dominance“, sobald die Annahmen zutreffen, hat den Vorteil, dass es sehr leicht zu schätzen ist und die Interpretation der Messergebnisse geläufig sein sollte. Die Dominanz-Modelle legen implizit nahe, dass Zahlungsbereitschaften von null und positive Zahlungsbereitschaften durch unterschiedliche Prozesse generiert werden. Dies wiederum kann dazu führen, dass erklärende Variablen wie etwa das Einkommen lediglich in einer der beiden Entscheidungen – grundsätzliche Zahlungsbereitschaft und Höhe der Zahlungsbereitschaft – von Bedeutung sind.
Ergebnisse zum ökonomischen Grundmodell Nachdem die methodischen Vorüberlegungen abgeschlossen sind, werden jetzt die einzelnen Modellspezifikationen einander gegenübergestellt. Tabelle 6.1 zeigt die wesentlichen Ergebnisse.3 Alle Modelle enthalten die Variablen Geschlecht, Alter in Jahren, Bildung in Jahren, die Nutzer-Variable und das Äquivalenzeinkommen des Haushaltes. Das Einkommen wurde aufgrund seiner linkssteilen Verteilung logarithmiert. Die erste Zahlenspalte der Tabelle 6.1 gibt die Ergebnisse des Probit-Modells zur grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft im Choice Experiment. Die Zahlenspalten zwei bis fünf beziehen sich auf die Kontingente Bewertung. Sie beinhalten ein Tobit-Modell, das zusammengesetzte Cragg-Modell (eine Probit-Schätzung zur grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft und eine gestutzte Regression zur Höhe der Zahlungsbereitschaft für die Zahlungsbereiten) und eine OLS-Schätzung zur Höhe der Zahlungsbereitschaft für die Zahlungsbereiten. Für die Tobit- und Regressions-Modelle wurde die abhängige Variable – die Höhe der Zahlungsbereitschaft – logarithmiert, da sie eine linkssteile Verteilung aufweist (vgl. Kapitel 5.3).4 Zunächst seien mit Blick auf die Entscheidung zur grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft die Probit-Modelle (Spalte 1 und 3) betrachtet. An dieser Stelle soll lediglich gezeigt werden, welche Variablen sich signifikant auf die Zahlungsentscheidung auswirken. Später werden so genannte Einheitseffekte ausgewiesen, die im Vergleich zu den E -Koeffizienten besser zu interpretieren sind. Das Geschlecht ist im Choice Experiment, aber nicht in der Kontingenten Bewertung für die Zahlungsentscheidung relevant. Frauen haben im Vergleich zu Männern eine höhere Wahrscheinlichkeit, zahlungsbereit zu sein. Das Alter der Befragten spielt im Choice Experiment und in der Kontingenten Bewertung keine Rolle. Über beide Methoden hinweg ergibt sich nur ein stabiler Effekt: Die Zahlungsbereitschaftswahrscheinlichkeit erhöht sich mit zunehmendem Bildungsniveau einer Person. Dieser Bildungseffekt lässt u.a. zwei Schlussfolgerungen zu: Entweder sind Personen mit einem höheren Bildungsgrad eher für Umweltaspekte sensibilisiert, oder aber sie sind eher bzw. besser in der Lage, die methodenbedingten Anforderungen zu bewältigen, z.B. die Komplexität der Entscheidung im Choice Experiment. Interessant ist, dass die Nutzer-Variable lediglich in der Kontingenten Bewertung einen signifikant positiven Einfluss hat. Warum sich der Nutzer-Effekt nicht im 3 4
In allen Modellergebnissen, die an dieser Stelle und später noch präsentiert werden, sind die Koeffizienten sowie andere Maßzahlen jeweils auf die zweite Nachkommastelle gerundet (ab dem Wert 5 der dritten Nachkommastelle wurde aufgerundet). In der Gruppe der Zahlungsbereiten hat die Höhe der Zahlungsbereitschaft (ungewichtete Werte) ein Minimum von 0,75, ein Maximum von 115, einen Median von 17,50 und einen Mittelwert von 23,70.
190
6 Theorieorientierte multivariate Analysen
Choice Experiment zeigt, lässt sich kaum stichhaltig erklären. Im Choice Experiment wiederum ist der erwartete positive Einkommenseffekt klar zu konstatieren, nicht aber in der Kontingenten Bewertung. Für die grundsätzliche Zahlungsentscheidung ergeben sich damit für die zwei zentralen ökonomisch-theoretischen Variablen instabile Effekte. Während sich im Choice Experiment das Einkommen als signifikante Einflussgröße erweist, ist in der Kontingenten Bewertung lediglich die Nutzer-Variable signifikant. Die Probit-Modelle haben am Pseudo-R² (McFadden) gemessen, das als ein konservatives Fit-Maß gilt, eine eher geringe Erklärungskraft. Dies kann als Indiz gesehen werden, dass weitere Variablen für die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft von Bedeutung sind.
Tabelle 6.1:
Ergebnisse multivariater Analysen zum ökonomischen Grundmodell Choice Experiment
Kontingente Bewertung Cragg-Modell
Variablen
Geschlecht (1=weiblich)
Probit WTP(nein/ja)
Tobit ln(WTP+1)
Probit WTP(nein/ja)
Truncated ln(WTP+1)
OLS ln(WTP+1)
0,38* (2,39)
-0,05 (-0,09)
-0,01 (-0,03)
-0,11 (-0,61)
-0,11 (-0,59)
Alter in Jahren
-0,002 (-0,48)
0,003 (0,23)
0,002 (0,41)
-0,01 (-0,91)
-0,01 (-0,88)
Bildung in Jahren
0,09** (2,75)
0,34** (3,20)
0,11** (3,23)
0,02 (0,57)
0,02 (0,56)
Nutzer (1=ja)
0,26 (1,57)
1,63* (2,60)
0,48* (2,55)
0,16 (0,62)
0,15 (0,59)
Äquivalenzeinkommen des Haushaltes logarithmiert
0,58** (2,52)
0,50 (0,70)
0,04 (0,20)
0,93** (3,54)
0,92** (3,43)
LL0
-198,27
LLModell
-182,15
Pseudo-R²/Adj. R²
0,08
N
293
-176,28 -320,24
-165,81
-97,96
0,06 298/83
298
0,15 83
83
** p<0,01; * p<0,05. t-Werte und z-Werte in Klammern.
In der Kontingenten Bewertung ergibt sich die bereits eingangs als möglich erwähnte Situation, dass das Einkommen zwar nicht die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft, aber die Höhe der Zahlungsbereitschaft beeinflusst. Dort ist es im Cragg-Modell und der OLS die einzig signifikante Einflussgröße und korrespondiert mit den theoretischen Erwartungen.
6.1 Ökonomisches Grundmodell
191
Gleichzeitig wird die Ungeeignetheit des Tobit-Modells nahe gelegt. Der darin zu konstatierende Bildungs- und Nutzer-Effekt steht eher mit den Analysen zur grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft im Einklang. Für den Likelihood-Ratio-Test mit Blick auf das Tobit- und Cragg-Modell ergibt sich bei 6 Freiheitsgraden ein Chi-Quadrat-Wert von: 112,96 = 2 x [320, 244 (165,806 97,959)] .
Das spricht klar für eine Ablehnung des Tobit-Modells zugunsten des Cragg-Modells und somit der Unabhängigkeitsannahme in Bezug auf die Fehlerterme. Zudem zeigen weitergehende Analysen zum Heckman-Modell (Maximum-Likelihood-Schätzung), deren Ergebnisse hier nicht berichtet werden, dass die Auswahl- und Regressionsgleichung unabhängig voneinander sind. Für den Unabhängigkeitstest/Likelihood-Ratio-Test der Auswahl- und Regressionsgleichung im Heckman-Modell mit denselben unabhängigen Variablen wie in der Tobit- und Cragg-Schätzung ergibt sich bei einem Freiheitsgrad ein Chi-Quadrat-Wert von 0,03 (p=0,864). Insgesamt kann damit in weiteren Analysen die vereinfachende Variante gewählt werden, ein Probit-Modell und eine OLS zu schätzen, da sowohl die Dominanz- als auch die Unabhängigkeitsannahme zutreffen. In der OLS-Schätzung für die Gruppe der Zahlungsbereiten zeigt sich in Tabelle 6.1 mit 15 Prozent eine moderate erklärte Varianz des ökonomischen Grundmodells, die sich insbesondere auf den hoch signifikanten Effekt des Einkommens stützt. Inwieweit ist nun die unterschiedliche Wirkung des Einkommens auf die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft und Zahlungsbereitschaftshöhe zu erklären, bzw. inwieweit muss sie als problematisch gelten? Einerseits wurde bei den methodischen Vorüberlegungen bereits angesprochen, dass dieser Fall bei Konsumentscheidungen nicht ungewöhnlich ist. Die grundsätzliche Zahlungsentscheidung kann von anderen Faktoren als dem Einkommen abhängig sein. Dies ist insbesondere in den folgenden Auswertungskapiteln zu testen. Käme die Zahlung für Veränderungen der biologischen Vielfalt eher einem Beitrag als einem Kauf gleich, dann ließe sich eine weitere intuitive Erklärung anführen. Man denke beispielsweise an kirchliche Gottesdienste und die Kollekte. Auch hier mögen unabhängig vom Einkommen die meisten Teilnehmer bereit sein, Geld zu geben. Das Einkommen ist möglicherweise für diese grundsätzliche Entscheidung nicht relevant, aber unter Umständen für die Höhe des Beitrags (Kollekte). Gleiche Handlungsmuster ließen sich generell für Spenden vermuten (z.B. nach Flutkatastrophen). Interessant ist dennoch der signifikante Einkommenseffekt im Choice Experiment. Hier liegt ein Methodeneffekt nahe.5 Die unmittelbare Vorlage von Fondbeiträgen auf jeder Choice-Karte hat wahrscheinlich auch eine direkte Relevanz des Einkommens zur Folge, im Gegensatz zur expliziten Entscheidung, einen (nicht per se spezifizierten) Fondbeitrag zahlen zu wollen. In Tabelle 6.2 werden die Ergebnisse zur grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft anhand der Einheitseffekte veranschaulicht. Diese sind leichter zu interpretieren als die StandardE -Koeffizienten. Dabei wird die Differenz zwischen der Zahlungsbereitschaftswahrscheinlichkeit und einer Referenzwahrscheinlichkeit betrachtet, wenn ceteris paribus eine unabhängige Variable xk eine Einheit mehr aufweist: 5
Beim Methodenvergleich bleibt aber stets zu bedenken, dass lediglich Referendumsformate in der Kontingenten Bewertung mit Choice Experimenten infolge ihrer Parallelität direkt zu vergleichen sind. Das muss einschränkend berücksichtigt werden.
192
6 Theorieorientierte multivariate Analysen
P ( y 1| x, xk 1) P ( y 1| x, xk ) . Referenz für die Einheitseffekte ist eine Normperson, bei der alle metrischen unabhängigen Variablen auf den Mittelwert gesetzt wurden. Bei binär kodierten Variablen wie dem Geschlecht wurde die Referenzkategorie (mit dem Wert Null) als Bezugspunkt gewählt. Die Normperson ist daher männlich und ein Nicht-Nutzer der Lüneburger Heide. In allen folgenden Probit-Analysen werden ausgehend von dieser Normperson neben den E Koeffizienten teilweise auch die Einheitseffekte angegeben.6 Die Signifikanzen ergeben sich aus den zugrunde liegenden z-Werten der Standard- E -Koeffizienten. Bei den Einheitseffekten in Tabelle 6.2 werden lediglich die signifikanten Effekte berichtet. Im Falle des Choice Experiments hat die Normperson eine Zahlungsbereitschaftswahrscheinlichkeit von 26 Prozent. Wäre die Normperson eine Frau, erhöht sich diese Wahrscheinlichkeit um 14 Prozentpunkte. Zudem steigt die Zahlungsbereitschaftswahrscheinlichkeit mit einem zusätzlichen Bildungsjahr um 3 Prozentpunkte. Ausgehend von 9,9 Bildungsjahren (Realschulabschluss) der Normperson hätte eine Person mit 18 Bildungsjahren (Universitätsabschluss) eine Zahlungsbereitschaftswahrscheinlichkeit von 54 Prozent. Die Normperson hat ein Haushaltsäquivalenzeinkommen von 1208 Euro. Bei einem Minimaleinkommen (im Sample) von 390 Euro würde die Zahlungsbereitschaftswahrscheinlichkeit 10 Prozent betragen und bei einem Maximaleinkommen von 4624 Euro 56 Prozent, d.h. sie wäre um 30 Prozentpunkte höher mit Referenz der Normperson. In der Kontingenten Bewertung beträgt die Zahlungsbereitschaftswahrscheinlichkeit der Normperson 17 Prozent. Sie erhöht sich signifikant mit jedem Bildungsjahr und mit dem Umstand, dass eine Nutzung der Lüneburger Heide vorliegt. Nutzer haben im Vergleich zur Normperson eine um 15 Prozentpunkte höhere Zahlungswahrscheinlichkeit. Mit einem zusätzlichen Bildungsjahr steigt die Wahrscheinlichkeit, zahlungsbereit zu sein, um 3 Prozentpunkte. Bei 8 zusätzlichen Bildungsjahren (Universitätsabschluss) liegt die Zahlungsbereitschaftswahrscheinlichkeit bei 47 Prozent.
6
Es ist anzumerken, dass sich diese Effekte in Abhängigkeit von der Normperson unterscheiden mögen, z.B. durch die Wahl einer weiblichen Normperson, die als Nutzer charakterisiert wird. Die Wahl des Geschlechtes der Normperson hat keinen bevorzugenden/wertenden Charakter, sondern ist rein auswertungspragmatisch zu deuten. Neben den E -Koeffizienten der Probit-Modelle, die weiterhin hauptsächlich berichtet werden, dienen die Einheitseffekte vor allem der Veranschaulichung. Bei metrischen Variablen bezieht sich der Einheitseffekt lediglich auf die Veränderung der Zahlungsbereitschaftswahrscheinlichkeit bei einer Erhöhung der Variable um eine Einheit. Diese Veränderung ist aber nicht linear, d.h. eine Erhöhung um zwei Einheiten der metrischen Variable bedeutet nicht notwendigerweise auch eine Erhöhung der Zahlungsbereitschaftswahrscheinlichkeit um das Doppelte des Einheitseffektes. Im Text werden bei Veränderungen um mehr als eine Einheit die exakten Differenzen der Wahrscheinlichkeiten berichtet, z.B. die Veränderung ausgehend von der Normperson (Mittelwert einer metrischen Variable), wenn eine metrische Variable den Maximalwert aufweisen würde.
193
6.1 Ökonomisches Grundmodell
Tabelle 6.2:
Einheitseffekte im ökonomischen Grundmodell zur grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft
Variablen
Choice Experiment (CE)
Kontingente Bewertung (KB)
Probit: WTP(nein/ja)
Probit: WTP(nein/ja)
Geschlecht (1=weiblich)
0,14* (2,43)
-0,001 (-0,03)
Bildung in Jahren
0,03* (2,58)
0,03** (3,23)
Nutzer (1=ja)
0,09 (1,61)
0,15** (2,76)
Äquivalenzeinkommen des Haushaltes logarithmiert
0,21* (2,52)
0,01 (0,20)
Pseudo-R² (McFadden)
0,08
0,06
N
293
298
** p<0,01; * p<0,05. z-Werte in Klammern. Für die Probit-Modelle werden die Einheitseffekte ausgewiesen. Die Modelle enthalten Alter als Kontrollvariable. Probit-Modelle mit der Normperson: männlich, Nicht-Nutzer, 49 (CE)/50 (KB) Jahre alt, 9,9 (CE)/9,8 (KB) Bildungsjahre, ein Haushaltsnettoeinkommen von 1208 € (CE)/1241 € (KB) und eine 26%ige (CE) bzw. 17%ige (KB) Wahrscheinlichkeit, zahlungsbereit zu sein.
Weiterführende Analysen zum ökonomischen Grundmodell Jetzt sollen noch zwei Erweiterungen zum ökonomischen Grundmodell betrachtet werden: (1) Da sich insbesondere in der Kontingenten Bewertung im Falle der grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft das Einkommen als nicht signifikant zeigt, wird zusätzlich die subjektive Einschätzung der persönlichen wirtschaftlichen Lage in die Modelle aufgenommen. Diese kann als ein schwächeres Maß für die Budgetrestriktion aufgefasst werden. Die derzeitige persönliche wirtschaftliche Lage wurde von den Befragten auf einer Fünfpunkteskala angegeben (1=„sehr schlecht“ bis 5=„sehr gut“). Die Frage lautete: „Wie beurteilen Sie Ihre derzeitige persönliche wirtschaftliche Lage?“. Die Variable wurde binär kodiert mit dem Wert 1 für eine gute oder sehr gute wirtschaftliche Lage. Das trifft sowohl im Choice Experiment als auch in der Kontingenten Bewertung auf ca. 45 Prozent der Befragten zu. (2) Bei der Höhe der Zahlungsbereitschaft soll eine Sensitivitätsanalyse folgen, die sich auf den Bereich unter Ausschluss der kleinsten und höchsten 5 Prozent der Zahlungsbereitschaft stützt. Damit soll untersucht werden, inwieweit sich die Effekte als stabil erweisen, wenn besonders niedrige und hohe Zahlungsbereitschaftsbeträge ausgeklammert werden. Ausgehend von der Zahlungsbereitschaftshöhe in der Kontingenten Bewertung – von 0,75 Euro bis 115 Euro – bezieht sich die eingeschränkte Zahlungsspanne auf den Bereich von 2,50 Euro bis 67,50 Euro. Tabelle 6.3 präsentiert die Ergebnisse für diese zwei Erweiterungen. Der Tabelle lässt sich entnehmen, dass die subjektive Einschätzung der persönlichen wirtschaftlichen Lage einen signifikant positiven Effekt auf die grundsätzliche Zahlungs-
194
6 Theorieorientierte multivariate Analysen
entscheidung in beiden Methoden hat. Dies gilt abgeschwächt für die Zahlungsbereitschaftshöhe in der Kontingenten Bewertung. Personen, die ihre wirtschaftliche Lage als gut oder sehr gut einschätzen, haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, grundsätzlich zahlungsbereit zu sein. Im Choice Experiment verdrängt die subjektive wirtschaftliche Lage sogar den Einkommenseffekt aus dem ökonomischen Grundmodell.
Tabelle 6.3:
Weiterführende multivariate Analysen zum ökonomischen Grundmodell Choice Experiment
Variablen
Probit WTP(nein/ja)
Kontingente Bewertung Probit WTP(nein/ja)
OLS ln(WTP+1) unbeschränkt
OLS ln(WTP+1) beschränkt
Nutzer (1=ja)
0,17 (1,01)
0,46* (2,42)
0,10 (0,39)
0,06 (0,32)
Äquivalenzeinkommen des Haushaltes logarithmiert
0,32 (1,31)
-0,25 (-1,05)
0,72* (2,56)
0,48* (2,23)
0,47** (2,65)
0,59** (3,27)
0,39+ (1,86)
0,44** (2,76)
LL0
-198,27
-176,28
LLModell
-178,62
-160,37
Pseudo-R² (McFadden)/Adj. R²
0,10
0,09
0,17
0,21
N
293
298
83
72
Wirtschaftliche Lage (1=gut/sehr gut)
** p<0,01; * p<0,05; + p<0,10. t-Werte und z-Werte in Klammern. Alle Modelle enthalten Geschlecht, Alter und Bildung als Kontrollvariablen. Die Zahlungsbereitschaft in der OLS-Regression mit Beschränkung liegt im Bereich von 2,50€<WTP<67,50€.
In der Kontingenten Bewertung ist die subjektive wirtschaftliche Lage neben dem Einkommen eine signifikante Einflussgröße mit Blick auf die Zahlungshöhe. Während dieser Einfluss über die gesamte Zahlungsspanne lediglich auf dem 10-Prozent-Niveau signifikant ist, zeigt er sich in der eingeschränkten Zahlungsspanne im Bereich größer 2,50 Euro und kleiner 67,50 Euro klar auf dem 1-Prozent-Niveau. Wichtigstes Ergebnis dieser weiterführenden Analysen ist allerdings die Relevanz der subjektiven wirtschaftlichen Lage für die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft in der Kontingenten Bewertung. Obwohl sich kein direkter Einkommenseffekt zeigt, sind ökonomische Erwägungen scheinbar nicht gänzlich irrelevant. Die sukzessiven Erweiterungen des ökonomischen Grundmodells in den nächsten Kapiteln beziehen sich dennoch auf ein Modell, das lediglich das Äquivalenzeinkommen beinhaltet. Die Sensitivitätsanalyse mit Blick auf die Zahlungsbereitschaftshöhe wird aber beibehalten. In einigen der später berichteten Modelle können besonders Personen mit einer sehr geringen Zahlungsbereitschaft als Ausreißer klassifiziert werden. Schon allein deshalb erscheint die Beibehaltung der Sensitivitätsanalyse sinnvoll.
6.2 Kollektives Handeln und Dilemmabewusstsein
195
6.2 Kollektives Handeln und Dilemmabewusstsein Anhand von Theorien kollektiven Handelns wurde in Kapitel 2 das Konzept des Dilemmabewusstseins eingeführt. Es soll der Tatsache Rechnung tragen, dass es sich auf hypothetischen Märkten um den Kauf von kollektiven Umweltgütern handelt, der möglicherweise nicht ohne weiteres mit dem Kauf privater Güter identisch ist. Es kann angenommen werden, dass Personen Anreizproblemen bei der Bereitstellung kollektiver Umweltgüter unterliegen (z.B. Trittbrettfahren) bzw. Aspekte der Notwendigkeit kollektiven Handelns in Zahlungsentscheidungen berücksichtigen. Das Dilemmabewusstsein als ein Maß für die Wahrnehmung der Bereitstellung kollektiver Umweltgüter als soziales Problem lässt sich nicht stringent aus theoretischen Überlegungen herleiten. Vielmehr wird es dem Umstand gerecht, dass in einer Vielzahl experimenteller und empirischer Studien nahe gelegt wird, dass sich Personen in Kollektivgutsituationen unterschiedlich verhalten, sich beispielsweise entgegen theoretischer Annahmen in einem hohen Maße kooperativ zeigen. Personen, die Dilemma-Aspekte in Bezug auf kollektive Umweltgüter wahrnehmen, sollten sich annahmegemäß weniger häufig zahlungsbereit zeigen und eine geringere Zahlungsbereitschaft äußern als Personen, bei denen Dilemma-Aspekte in individuellen Handlungsentscheidungen keine Rolle spielen. Die Dilemma-Hypothese lautet demnach: „Je stärker eine Person die Bereitstellung kollektiver Umweltgüter als ein soziales Dilemma wahrnimmt, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit einer Zahlungsbereitschaft und desto niedriger die Höhe der Zahlungsbereitschaft“. Das Dilemmabewusstsein wurde mit sechs Aussagen gemessen, die in Tabelle 6.4 mit ihren Zustimmungswerten und den Ergebnissen einer Faktorenanalyse präsentiert werden.7 Diese sechs Aussagen haben ausgewählte Dilemma-Aspekte mit Blick auf das Umwelthandeln zum Gegenstand. Alle Items wurden auf einer Fünfpunkteskala gemessen (von 1=„stimme überhaupt nicht zu“ bis 5=„stimme voll und ganz zu“). Die Zustimmungswerte beziehen sich auf diejenigen Befragten, die den Aussagen entweder eher zustimmen oder voll und ganz zustimmen. Die ersten beiden Aussagen in Tabelle 6.4 fokussieren den subjektiv wahrgenommenen Einfluss des Einzelnen auf die Umweltqualität. Hierbei sind ca. 30 Prozent der befragten Personen der Meinung, dass ihr Umwelthandeln als Einzelperson keinen merklichen Effekt auf den Zustand der Umwelt hat und nichts für den Umweltschutz bringt (Aussagen A und B). Im Umkehrschluss ergibt sich damit, dass bis zu über zwei Drittel der Befragten zumindest teilweise einen eigenen Einfluss auf die Umweltqualität geltend machen. Das kann als recht hoher Wert gedeutet werden. Die Aussagen C, D und E beziehen sich auf Kooperationsaspekte des Umwelthandelns. Sie korrespondieren mehr oder weniger mit Handlungsstrategien bedingter Kooperation, in denen das eigene Umwelthandeln explizit von Handlungen Dritter abhängig gemacht wird. Während 80 Prozent der Befragten im Choice Experiment und 67 Prozent in der Kontingenten Bewertung der Aussage zustimmen, dass Handeln für die Umwelt nur sinnvoll ist, wenn viele mitmachen, geben zwischen 25 und 30 Prozent der Befragten an, nur etwas für die Umwelt zu tun, wenn andere mitmachen, bzw. sie sind der Überzeugung, dass sie die Dummen sind, falls sie umweltgerecht handeln und trotzdem unter dem umweltschädigenden Verhalten anderer leiden. Umgekehrt neigen demnach ca. 70 Prozent der befragten Personen eher zu einer 7
Diese Aussagen sind mit den Items zur Messung des Dilemmabewussteins vergleichbar, die bereits in einer Studie von Diekmann und Preisendörfer (1991) verwendet wurden (Aussage E ist identisch, siehe auch Franzen 1995: 144).
196
6 Theorieorientierte multivariate Analysen
unbedingten Kooperation, wenn man sich auf die Aussagen D und E stützt. Das ist ein Widerspruch mit Blick auf die hohe Zustimmung zu Aussage C. Es ist möglich, dass Item C etwas misst, was so nicht beabsichtigt war. Es wäre denkbar, dass Personen hier einer allgemeinen – gesellschaftlich akzeptierten – Überzeugung Rechnung tragen wollen, dass ein erfolgreicher Umweltschutz nur durch die Mitwirkung vieler Personen möglich ist. Allerdings muss diese allgemeine Überzeugung nicht notwendigerweise mit Überzeugungen zum eigenen persönlichen Umwelthandeln übereinstimmen, also nicht zwangsläufig zur gänzlichen Ablehnung von eigenem Umwelthandeln führen. Die niedrigsten Zustimmungswerte gibt es mit 16 Prozent für die Aussage F, die am ehesten, aber nicht unmittelbar, den Aspekt des Trittbrettfahrens anspricht. Ein eigener Beitrag zum Umweltschutz wird hier auf Kosten der Beiträge anderer eher verwehrt. Zusammenfassend lässt sich sagen: Für Personen, die eher einen geringen eigenen Einfluss auf die Umweltqualität wahrnehmen, eigenes Umwelthandeln von den Handlungen anderer abhängig machen und eher auf Kosten der Beiträge anderer zum Umweltschutz leben, kann angenommen werden, dass sie im Vergleich zu anderen ein höheres Dilemmabewusstsein haben bzw. Dilemma-Aspekte kollektiven Handelns in persönlichen Handlungsentscheidungen eher berücksichtigen. Zur Überprüfung, inwieweit die sechs Aussagen eine eindimensionale Messung des Dilemmabewussteins ergeben, wurden Faktorenanalysen durchgeführt. Tabelle 6.4 berichtet lediglich die endgültige Faktorenlösung, die als Grundlage zur Konstruktion eines Summen-Index „Dilemmabewusstsein“ herangezogen wurde. Mit allen sechs Items als Ausgangspunkt ergibt sich für beide Methoden jeweils eine zweifaktorielle Lösung, bei der insbesondere Item C hoch auf dem zweiten Faktor lädt. Zudem erweist sich Aussage A im Choice Experiment als irrelevant. Die Aussagen B, D, E und F ergeben über beide Bewertungsmethoden hinweg eine eindimensionale Faktorlösung, bei der 63 bzw. 70 Prozent der Varianz der Items erklärt werden und alle Faktorladungen über 0,60 liegen. Gemessen an den Faktorladungen sind im Choice Experiment das Item B, das auf den Einfluss des Einzelnen auf den Umweltschutz abstellt, und in der Kontingenten Bewertung das Item F, das auf das Trittbrettfahren abzielt, die besten Messungen für das Dilemmabewusstsein. Als Maß für das Dilemmabewusstsein wurde ein additiver Index gebildet, der auf den oben benannten vier Items beruht. Dieser Summen-Index wurde auf einen Wertebereich von 0 bis 10 standardisiert. Für das Choice Experiment (CE) bzw. die Kontingente Bewertung (KB) ergibt sich jeweils ein Skalenmittelwert von 4,2 bzw. 3,6. Die Reliabilität der Dilemma-Skala (Cronbachs Alpha) liegt bei 0,80 (CE) und 0,86 (KB).
197
6.2 Kollektives Handeln und Dilemmabewusstsein
Tabelle 6.4:
Skala zur Messung des allgemeinen Dilemmabewusstseins Choice Experiment
Aussagen
Zustimmung in %
Faktorladungen
Kontingente Bewertung Zustimmung in %
Faktorladungen
A: Mein Verhalten als einzelne Person hat einen nennenswerten Einfluss auf den Zustand der Umwelt.*
28
B: Wenn ich als Einzelner etwas für den Umweltschutz tue, bringt das überhaupt nichts.
33
C: Handeln für die Umwelt ist nur sinnvoll, wenn viele mitmachen.
80
D: Wenn andere nicht mitmachen, sehe ich es überhaupt nicht ein, etwas für die Umwelt zu tun oder der Umwelt zuliebe auf etwas zu verzichten.
25
0,82
26
0,84
E: Wenn ich die Umwelt schütze, bin ich der/die Dumme, weil ich ja trotzdem unter dem umweltschädigenden Verhalten anderer leide.
30
0,82
26
0,75
F: Da andere genug für den Umweltschutz leisten, muss ich nichts dazu beitragen.
16
0,69
16
0,89
26
0,83
31
0,82
67
Bemerkung: Alle Aussagen wurden auf einer Fünfpunkteskala beantwortet. Die Zustimmungswerte beziehen sich auf die Kategorien „stimme eher zu“ und „stimme voll und ganz zu“. * Diese Aussage wurde umkodiert, da eine Ablehnung der Aussage einer stärkeren Dilemmawahrnehmung entspricht.
In Erweiterung des ökonomischen Grundmodells erweist sich das Dilemmabewusstsein als einflussreiche erklärende Variable, insbesondere hinsichtlich der grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft. Einen Einblick in die Ergebnisse gibt Tabelle 6.5. Die erste und zweite Zahlenspalte beziehen sich auf die Probit-Modelle zur grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft im Choice Experiment (CE) und in der Kontingenten Bewertung (KB). Die dritte und vierte Zahlenspalte enthalten Ergebnisse der OLS-Schätzungen zur Höhe der Zahlungsbereitschaft in der KB, erstens bezogen auf die gesamte Zahlungsspanne und zweitens bezogen auf die eingeschränkte Zahlungsspanne.
198
6 Theorieorientierte multivariate Analysen
Tabelle 6.5:
Multivariate Analysen zum Dilemmabewusstsein Choice Experiment
Variablen
Probit WTP(nein/ja)
Kontingente Bewertung Probit WTP(nein/ja)
OLS ln(WTP+1) unbeschränkt
OLS ln(WTP+1) beschränkt
Nutzer (1=ja)
0,07 (0,38)
0,36+ (1,88)
0,12 (0,44)
0,07 (0,36)
Äquivalenzeinkommen des Haushaltes logarithmiert
0,56* (2,18)
-0,06 (-0,27)
0,88** (2,56)
0,72** (3,56)
Dilemmabewusstsein (0-10)
-0,27** (-6,77)
-0,17** (-4,60)
-0,05 (-1,17)
-0,06* (2,00)
LL0 LLModell Pseudo-R²/Adj. R² Pseudo-R²/Adj. R² (Ökon. Grundmodell) N
-197,74 -154,82 0,22 0,08
-175,00 -152,79 0,13 0,06
0,14 0,14
0,17 0,14
292
297
82
72
+
** p<0,01; * p<0,05; p<0,10. t-Werte und z-Werte in Klammern. Alle Modelle enthalten Geschlecht, Alter und Bildung als Kontrollvariablen. Die Zahlungsbereitschaft in der OLS-Regression mit Beschränkung liegt im Bereich von 2,50€<WTP<67,50€.
Die Probit-Modelle liefern hoch signifikante Effekte des Dilemmabewusstseins. Höhere Werte auf der Dilemma-Skala senken in beiden Methoden die Wahrscheinlichkeit, zahlungsbereit zu sein. Zudem hat die Variable jeweils vergleichsweise hohe z-Werte, was ebenfalls auf eine nicht zu vernachlässigende Relevanz schließen lässt. Ansonsten ergibt sich das bereits bekannte Bild aus dem Basismodell. Während der Einkommenseffekt im Choice Experiment signifikant ist, bleibt er in der Kontingenten Bewertung aus. Hier hat jedoch die Nutzung der Lüneburger Heide einen positiven Einfluss auf die Zahlungsbereitschaftswahrscheinlichkeit, wenn auch nur auf einem 10%igen Signifikanzniveau. Im Vergleich zum ökonomischen Grundmodell erhöht sich in den Probit-Schätzungen der Modellfit wesentlich, wenn das Dilemmabewusstsein einbezogen wird. Gemessen an McFaddens Pseudo-R² steigt die erklärte Varianz im Choice Experiment (CE) um 14 Prozentpunkte von 8 Prozent auf 22 Prozent und in der Kontingenten Bewertung (KB) um 7 Prozentpunkte von 6 Prozent auf 13 Prozent. Die Normperson hat im Mittelwert der Dilemma-Skala im CE eine Zahlungsbereitschaftswahrscheinlichkeit von 34 Prozent und in der KB von 18 Prozent. Steigt das Dilemmabewusstsein der Normperson um eine Einheit, verringert sich gemäß den Einheitseffekten die Wahrscheinlichkeit, zahlungsbereit zu sein, um 9 Prozentpunkte (CE) bzw. 4 Prozentpunkte (KB).8 Hätte die Normperson ein maximales Dilemma8
Die Einheitseffekte werden in Tabelle 6.5 nicht aufgeführt, da nur eine Variable betrachtet wird. Die Charakteristika der Normperson sind bis auf das Dilemmabewusstsein mit denjenigen im ökonomischen Grundmodell identisch (vgl. vorhergehenden Abschnitt).
6.3 Umweltbewusstsein und Low-Cost-Hypothese
199
bewusstsein (den Höchstwert), läge ihre Zahlungsbereitschaftswahrscheinlichkeit nur bei 2 Prozent im CE und 3 Prozent in der KB. Die Wahrscheinlichkeit verringert sich demnach um 32 (CE) bzw. 15 (KB) Prozentpunkte. Im Rahmen der Entscheidung zur Zahlungshöhe in der Kontingenten Bewertung ist das Dilemmabewusstsein nur abgeschwächt relevant (vgl. dritte und vierte Spalte in Tabelle 6.5). Hier dominiert klar der Einkommenseffekt und damit die zentrale Variable aus dem ökonomischen Grundmodell. Obwohl die Dilemma-Skala die erwartete negative Wirkungsrichtung in beiden OLS-Schätzungen annimmt, erweist sie sich lediglich im Falle der eingeschränkten Zahlungshöhe (Sensitivitätsanalyse) als signifikant. Ferner erhöht sich durch eine Berücksichtigung des Dilemmabewusstseins die erklärte Varianz im Modell um 3 Prozentpunkte. Betrachtet man die gesamte Zahlungsspanne, muss die Dilemma-Hypothese allerdings verworfen werden. Was bedeuten nun diese Ergebnisse für die Zahlungsbereitschaftsanalyse? Offenbar sind Aspekte kollektiven Handelns zumindest in der vorliegenden Studie für individuelle Zahlungsentscheidungen bedeutsam. Im Kontext der grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft erweist sich die Dilemma-Hypothese, unabhängig von der Bewertungsmethode, als zutreffend. Für die Höhe der Zahlungsbereitschaft in der Kontingenten Bewertung gilt dies eingeschränkt. Die Wahrnehmung eines sozialen Dilemmas bei der Bereitstellung kollektiver Umweltgüter und individuelle Handlungsstrategien, die explizit das Umweltverhalten anderer berücksichtigen, führen zu einer geringeren Zahlungsbereitschaftswahrscheinlichkeit. Gemessen am Idealzustand einer Kaufentscheidung auf hypothetischen Märkten sprechen solche Befunde eher für eine Beitragsentscheidung. Die Zahlungsbereitschaft wird dann als Beitrag zu einem Umweltgut aufgefasst, hier zum Waldumbau und zu einer Erhöhung biologischer Vielfalt, zu dem auch andere etwas beisteuern. In einem idealen Bewertungsszenario dürfte das Dilemmabewusstsein keine Handlungsrelevanz haben. Kritisch bleibt einzuwenden, dass in der hier berichteten Studie nach einem Fondbeitrag gefragt wurde und nicht etwa nach einer Gebühren- oder Steuererhöhung. Obwohl Fondbeiträge in der Bewertungsliteratur ein akzeptiertes Zahlungsvehikel sind, verleiten sie möglicherweise dazu, einen Beitragscharakter der Bewertungssituation zu begünstigen. Es bleibt eine empirische Frage künftiger Studien, ob die Geltung der Dilemma-Hypothese vom Zahlungsvehikel abhängig ist. Nichtsdestotrotz ist zu konstatieren, dass die hier vorgestellte Konstruktion einer Skala zur Messung des Dilemmabewusstseins auch in Zahlungsbereitschaftsanalysen als fruchtbar erscheint. Die Dilemma-Skala hat das Potenzial, in anderen Studien verwendet zu werden. Mit ihr kann recht einfach untersucht werden, inwieweit subjektiv wahrgenommene Aspekte kollektiven Handelns individuelle Zahlungsbereitschaften beeinflussen. 6.3 Umweltbewusstsein und Low-Cost-Hypothese Der Zusammenhang zwischen Umweltbewusstsein und Zahlungsbereitschaft wurde im theoretischen Teil anhand der Low-Cost-Hypothese von Diekmann und Preisendörfer (1992, 1998, 2003) spezifiziert. Diese Hypothese besagt: „Je geringer der Kostendruck in einer Situation, umso leichter fällt es den Akteuren, ihre Umwelteinstellungen auch in ein entsprechendes Verhalten umzusetzen. Umgekehrt sinkt die Bedeutung von Einstellungen, wenn eine Situation größere Verhaltenszumutungen in sich birgt“. Kern der Hypothese sind die Bedingungen, unter denen Umwelteinstellungen wie das allgemeine Umweltbewusst-
200
6 Theorieorientierte multivariate Analysen
sein in tatsächliches Umwelthandeln umgesetzt werden. Zahlungen für kollektive Umweltgüter können als umweltfreundliche Handlungen aufgefasst werden. Die Zahlungsentscheidung selbst beinhaltet die zwei Handlungsoptionen Zahlen und Nicht-Zahlen, die jeweils mit Verhaltenskosten verbunden sind. In der vorliegenden Studie wurden in den theoretischen Überlegungen und werden im Folgenden Low- und High-Cost-Bedingungen der Zahlungsentscheidung unmittelbar anhand der Verhaltenskosten definiert und operationalisiert. Dabei werden drei Kostenparameter unterschieden: (1) die finanziellen Kosten gemessen am Einkommen, (2) die Geltung einer „persönlichen Norm“, gemessen an der empfundenen moralischen Verpflichtung, etwas für den Waldumbau zu bezahlen, und (3) die Geltung einer sozialen Norm, inwieweit das soziale Umfeld des Befragten eine Zahlung für den Waldumbau positiv sanktioniert.9 Es wird angenommen, dass Befragte mit einem vergleichsweise hohen Einkommen, mit einer positiven Selbstsanktionierung aufgrund der Geltung einer „persönlichen Norm“ und mit einer positiven Sanktionierung aufgrund der Geltung einer sozialen Norm sich in einer Low-Cost-Situation befinden, dies im Vergleich zu Befragten mit einem niedrigen Einkommen, einer negativen oder nicht vorhandenen Selbstsanktionierung sowie einer wahrgenommenen negativen oder nicht vorhandenen sozialen Sanktionierung. Sofern das Umweltbewusstsein für die Zahlungsentscheidung generell relevant ist, sollte dessen Effekt auf die Zahlungsbereitschaft in der Low-CostGruppe der Befragten stärker sein als in der High-Cost-Gruppe. Positive persönliche und soziale Sanktionen stiften einen Nutzen, der die Kosten einer Zahlungshandlung senkt und der einer Verhaltensrelevanz des Umweltbewusstseins förderlich sein sollte. Zusammenfassend müssten die nachstehenden Hypothesen der empirischen Überprüfung standhalten: 1. 2. 3.
Je höher das Einkommen, desto stärker wird das Umweltbewusstsein für die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft und die Höhe der Zahlungsbereitschaft handlungsrelevant. Je stärker eine moralische Verpflichtung zur Zahlung für ein Umweltgut ausgeprägt ist, desto eher wird das Umweltbewusstsein für die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft und die Höhe der Zahlungsbereitschaft handlungsrelevant. Je stärker die Geltung einer sozialen Norm zur Zahlung für ein Umweltgut wahrgenommen wird, desto stärker wird das Umweltbewusstsein für die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft und die Höhe der Zahlungsbereitschaft handlungsrelevant.
Bevor auf die Messung der Verhaltenskosten näher eingegangen wird, widmen sich die nachstehenden Ausführungen zunächst der Erhebung des allgemeinen Umweltbewusstseins. Das allgemeine Umweltbewusstsein wurde mit neun von Diekmann und Preisendörfer (2003) vorgeschlagenen Aussagen gemessen. Jeweils drei dieser neun Aussagen beziehen sich auf die affektive, kognitive und konative Komponente des Umweltbewusstseins. Jedes Item wurde auf einer Fünfpunkteskala beantwortet (1=„stimme überhaupt nicht zu“ bis 5=„stimme voll und ganz zu“). Die genauen Aussagen lassen sich Tabelle 6.6 entnehmen. Darin werden die Zustimmungsanteile in Prozent angegeben, d.h. der Anteil an Befragten, die einer Aussage eher zustimmen oder voll und ganz zustimmen. Die meiste Zustimmung erhalten mit über 60 Prozent die zwei Aussagen A und B zur affektiven 9
In der vorliegenden Studie entspricht die soziale Norm streng genommen einer subjektiv wahrgenommenen Norm. Soziale und subjektive Norm sind mithin als Synonyme aufzufassen.
6.3 Umweltbewusstsein und Low-Cost-Hypothese
201
Komponente des Umweltbewusstseins, im Wesentlichen Aussagen zur Sorge um die Kinder und Enkelkinder und zur Angst vor Umweltkatastrophen, sowie die Aussage G zur konativen Komponente, dass Politiker zu wenig für den Umweltschutz tun. Die geringsten Zustimmungswerte haben mit 15 bis 30 Prozent die Aussagen H und I, die sich auf die Einschränkung des eigenen Lebensstandards und den Verlust von Arbeitsplätzen zugunsten des Umweltschutzes beziehen. Es bleibt zu konstatieren, dass im Mittel affektive Aussagen die höchste Zustimmung finden, gefolgt von den Aussagen auf der kognitiven und dann auf der konativen Ebene. Mittels einer Faktorenanalyse kann überprüft werden, ob und inwieweit diese Aussagen eine eindimensionale Messung des Umweltbewusstseins ergeben. Zunächst bilden die Items keine eindimensionale Lösung. Je nach Bewertungsmethode resultiert aus der Faktorenanalyse eine zwei- oder dreifaktorielle Lösung. Dafür sind jeweils drei Aussagen verantwortlich: (1) Aussage E, dass sich derzeit der größte Teil der Bevölkerung wenig umweltbewusst verhält, (2) Aussage H, dass der eigene Lebensstandard zugunsten der Umwelt eingeschränkt werden soll, und (3) Aussage I, dass Umweltschutzmaßnahmen auch dann durchgesetzt werden sollen, wenn dadurch Arbeitsplätze verloren gehen. Vor allem die konative Komponente des Umweltbewusstseins erweist sich als eine mehr oder weniger eigenständige Dimension. Dennoch, lässt man die drei Aussagen E, H und I weg, ergibt sich mit den verbleibenden sechs Aussagen eine eindimensionale Faktorlösung, bei der im Choice Experiment 55 Prozent und in der Kontingenten Bewertung 52 Prozent der Varianz der Items erklärt werden, wobei alle Faktorladungen über 0,50 liegen. Die besten Einzelmessungen für das Umweltbewusstsein sind mit Faktorladungen über 0,80 die Aussagen A und B zur Sorge um zukünftige Generationen und zur Umweltkatastrophe. Sie bekräftigen nochmals die Bedeutung der affektiven Komponente. Die sechs Items der eindimensionalen Faktorlösung sind die Grundlage des additiven Index „Umweltbewusstsein“, dessen Wertebereich auf 0 bis 10 standardisiert wurde. Höhere Werte auf der Skala bedeuten ein höheres allgemeines Umweltbewusstsein. Der Mittelwert der Skala liegt im Choice Experiment bei 6,4 und in der Kontingenten Bewertung bei 6,8. Für die Reliabilität der Skala ergibt sich für das Choice Experiment ein Wert von 0,83 und für die Kontingente Bewertung ein Wert von 0,81 (Cronbachs Alpha).
202
Tabelle 6.6:
6 Theorieorientierte multivariate Analysen
Aussagen zur Messung des allgemeinen Umweltbewusstseins Choice Experiment
Aussagen
Kontingente Bewertung
Zustimmung in %
Faktorladungen
Zustimmung in %
Faktorladungen
Affektive Komponente A: Es beunruhigt mich, wenn ich daran denke, unter welchen Umweltverhältnissen unsere Kinder und Enkelkinder wahrscheinlich leben müssen.
65
0,83
64
0,85
B: Wenn wir so weiter machen wie bisher, steuern wir auf eine Umweltkatastrophe zu.
64
0,83
64
0,84
C: Wenn ich Zeitungsberichte über Umweltprobleme lese oder entsprechende Fernsehsendungen sehe, bin ich oft empört und wütend.
44
0,75
42
0,65
Kognitive Komponente D: Es gibt Grenzen des Wachstums, die unsere industrialisierte Welt schon überschritten hat oder sehr bald erreichen wird.
57
0,65
59
0,61
E: Derzeit ist es immer noch so, dass sich der größte Teil der Bevölkerung wenig umweltbewusst verhält.
55
F: Nach meiner Einschätzung wird das Umweltproblem in seiner Bedeutung von vielen Umweltschützern stark übertrieben.*
50
0,57
58
0,64
Konative Komponente G: Es ist immer noch so, dass die Politiker viel zu wenig für den Umweltschutz tun.
63
0,78
71
0,68
H: Zugunsten der Umwelt sollten wir alle bereit sein, unseren derzeitigen Lebensstandard einzuschränken.
31
25
I: Umweltschutzmaßnahmen sollten auch dann durchgesetzt werden, wenn dadurch Arbeitsplätze verloren gehen.
16
15
56
Bemerkung: Alle Aussagen wurden auf einer Fünfpunkteskala beantwortet. Die Zustimmungswerte beziehen sich auf die Kategorien „stimme eher zu“ und „stimme voll und ganz zu“. * Diese Aussage wurde umkodiert, da eine Ablehnung der Aussage einem höheren Umweltbewusstsein entspricht.
Die Verhaltenskosten wurden mit drei Indikatoren erhoben. Die monetären Kosten entsprechen dem Äquivalenzeinkommen des Haushaltes. Die moralische Verpflichtung als Maß für eine „persönliche Norm“ wurde mit folgender Frage auf einer Siebenpunkteskala gemessen: „Wie sehr sehen Sie es als eine moralische Verpflichtung, etwas für den Waldumbau zu bezahlen? Ein Wert von 1 bedeutet, dass Sie überhaupt keine moralische Verpflichtung empfinden; ein Wert von 7 bedeutet, dass Sie eine sehr starke moralische Verpflichtung
6.3 Umweltbewusstsein und Low-Cost-Hypothese
203
verspüren“. Zur Erhebung der subjektiv wahrgenommenen sozialen Norm wurde gefragt, inwieweit Freunde und Bekannte eine Zahlung für den Waldumbau ablehnen oder befürworten (Siebenpunkteskala mit 1=„Sie würden das überhaupt nicht gut finden“, 4=„Es wäre ihnen egal“ und 7=„Sie würden das sehr gut finden“). Anhand der jeweiligen Messungen werden die Low- und High-Cost-Gruppen wie folgt definiert: (1) Im Falle des Einkommens wird ein Median-Split vorgenommen (Low-Cost-Gruppe mit Werten kleiner 1242 Euro im Choice Experiment und 1280 Euro in der Kontingenten Bewertung). (2) Im Falle der moralischen Verpflichtung zählen all diejenigen Befragten zur Low-Cost-Gruppe, die auf der Siebenpunkteskala die Werte 5, 6 oder 7 haben. Für diese Befragten ist anzunehmen, dass eine Zahlung für den Waldumbau mit einer positiven Selbstsanktion, z.B. mit einem Gefühl moralischer Befriedigung, verbunden ist. Das trifft auf 28 Prozent der Befragten im Choice Experiment (CE) und auf 26 Prozent in der Kontingenten Bewertung (KB) zu. (3) Im Falle der subjektiven Norm beinhaltet die Low-Cost-Gruppe Befragte, deren soziales Umfeld eine Zahlung befürwort. Auch hier sind wahrgenommene positive (soziale) Sanktionen der entscheidende Punkt. Im Choice Experiment umfasst die Low-Cost-Gruppe 37 Prozent der Befragten und in der KB 32 Prozent. Mit Blick auf die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft wird die Geltung der Low-CostHypothese bzw. der Zusammenhang zwischen Umweltbewusstsein und grundsätzlicher Zahlungsbereitschaft für die jeweiligen Low- und High-Cost-Gruppen getrennt analysiert. Das Ergebnis lässt sich Tabelle 6.7 entnehmen. Die darin in den Zahlenspalten eins und vier angegebenen Prozentwerte beziehen sich auf den Anteil der Befragten pro Kostengruppe. So sind – wie bereits erwähnt – mit Bezug auf die moralische Verpflichtung und die soziale Norm weitaus weniger Befragte in einer Low-Cost-Bedingung als in einer HighCost-Bedingung. Als bivariates Zusammenhangsmaß wurde Pearsons Korrelationskoeffizient berechnet (Spalten zwei und fünf). Als multivariates Maß – unter Kontrolle einiger Variablen wie Geschlecht und Bildung – dient der Probit-Effekt von Umweltbewusstsein auf die Zahlungsbereitschaft (Spalten drei und sechs). Für beide Methoden ergeben sich recht unterschiedliche Ergebnisse. Im Choice Experiment (CE) wird mitunter sogar das Gegenteil der Low-Cost-Hypothese nahe gelegt. In der Kontingenten Bewertung (KB) findet sich zunächst eher eine Bestätigung der Hypothese. Betrachtet man das Einkommen als Kostenkriterium, zeigen sich über beide Methoden hinweg signifikant positive Zusammenhänge zwischen Umweltbewusstsein und Zahlungsbereitschaft für die Low-CostGruppe. In der KB ist insbesondere der Probit-Effekt in der Low-Cost-Gruppe stärker als in der High-Cost-Gruppe, was für die Low-Cost-Hypothese spricht. Im CE sind jedoch der bivariate Zusammenhang und der Probit-Effekt in der Gruppe derjenigen mit vergleichsweise niedrigem Einkommen sogar stärker als in der Gruppe mit hohem Einkommen. Für die moralische Verpflichtung als Kostenparameter ergibt sich ein differenzierteres Bild. Im CE sind stabile signifikante Zusammenhänge/Effekte lediglich in der High-Cost-Gruppe zu konstatieren. Konträr dazu zeigen sich in der KB ein klarer Zusammenhang und ein ProbitEffekt lediglich in der Low-Cost-Gruppe. Dies ist als Bekräftigung der Low-CostHypothese zu sehen.
204
Tabelle 6.7:
6 Theorieorientierte multivariate Analysen
Korrelationen und kontrollierte Probit-Effekte hinsichtlich des Umweltbewusstseins und der grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft Choice Experiment
Kostengruppen
Kontingente Bewertung
%
Pearsons Korrelation
ProbitEffekt
%
Pearsons Korrelation
ProbitEffekt
Low-Cost
49
0,21*
0,12* (2,05)
50
0,30**
0,30** (3,69)
High-Cost
51
0,40**
0,27** (4,13)
50
0,20*
0,10
Low-Cost
28
0,10
0,16
(1,07)
26
0,27*
0,22* (2,15)
High-Cost
72
0,24**
0,16** (3,25)
74
0,07
0,04
(0,63)
Low-Cost
37
0,01
0,02
(0,25)
32
0,27**
0,15
(1,57)
High-Cost
63
0,31**
0,22** (3,73)
68
0,18**
0,14* (2,28)
Einkommen
(1,63)
Moralische Verpflichtung
Soziale Norm
** p<0,01; * p<0,05. z-Werte in Klammern. Alle Probit-Modelle enthalten Geschlecht, Alter, Bildung und Nutzer als Kontrollvariablen.
Die Geltung einer sozialen Norm als Kriterium für eine Bedingung mit niedrigen Verhaltenskosten zeigt keine Relevanz. In der Low-Cost-Gruppe gibt es lediglich eine signifikant positive Korrelation in der KB. Demgegenüber wird durchweg nahe gelegt, dass in der Gruppe derjenigen Befragten, deren soziales Umfeld die Zahlung für den Waldumbau negativ sanktioniert, ein höheres Umweltbewusstsein eher mit einer Zahlungsbereitschaft einhergeht. In der High-Cost-Situation sind also allgemeine Umwelteinstellungen eher verhaltensrelevant. Insgesamt zeigt sich über beide Bewertungsmethoden hinweg keine Bestätigung der Low-Cost-Hypothese. Allerdings wird die Hypothese in der Kontingenten Bewertung für das Einkommen und die moralische Verpflichtung als Verhaltenskostenparameter unterstützt. Im Choice Experiment müsste man eher eine High-Cost-Hypothese mit Blick auf die persönliche und die soziale Norm als bestätigt ansehen. Um konkret zu überprüfen, ob sich die Probit-Effekte in den Low- und High-CostGruppen signifikant unterscheiden, wurden Probit-Modelle geschätzt, die neben Kontrollvariablen die Kostenvariable, das Umweltbewusstsein und eine Interaktion aus Kosten und Umweltbewusstsein als unabhängige Variablen beinhalten. Die Ergebnisse berichtet Tabelle 6.8. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf den Interaktionseffekten. Das Umweltbewusstsein wurde auf den Mittelwert zentriert, um eine inhaltlich sinnvolle Interpretation der Ergebnisse zu ermöglichen.
205
6.3 Umweltbewusstsein und Low-Cost-Hypothese
Tabelle 6.8:
Haupt- und Interaktionseffekte hinsichtlich des Umweltbewusstseins und der grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft Choice Experiment (N=293)
Kostenkomponente
K
AUB
Kontingente Bewertung (N=294)
K x AUB
K
AUB
K x AUB
Einkommen (1=Low Cost)
0,23 (1,34)
0,28** (4,21)
-0,14 (-1,64)
-0,08 (-0,41)
0,09 (1,43)
0,21* (2,06)
Moralische Verpflichtung (1=Low Cost)
1,49** (6,67)
0,16** (3,37)
-0,06 (-0,44)
1,43** (6,78)
0,04 (0,62)
0,16 (1,36)
Soziale Norm (1=Low Cost)
1,36** (7,46)
0,23** (3,89)
-0,22* (-2,19)
0,73** (3,96)
0,13* (2,19)
0,05 (0,52)
** p<0,01; * p<0,05; + p<0,10. K=Kosten (binär kodiert), AUB=Allgemeines Umweltbewusstsein (zentriert), K x AUB=Interaktionseffekt. z-Werte in Klammern. Alle Probit-Modelle enthalten Geschlecht, Alter, Bildung und Nutzer als Kontrollvariablen.
Wie sich Tabelle 6.8 entnehmen lässt, findet die Low-Cost-Hypothese keine Bestätigung. Im CE haben alle Interaktioneffekte ein negatives Vorzeichen, was eine zur Hypothese entgegengesetzte Wirkungsrichtung anzeigt. In der KB hingegen sind die Vorzeichen erwartungsgemäß positiv. Die beiden signifikanten Interaktionseffekte hinsichtlich der sozialen Norm im CE und dem Einkommen in der KB sind zu relativieren, sobald man die individuelle Zahlungsbereitschaftswahrscheinlichkeit und die Kovariaten im Modell berücksichtigt. Dann sind die Interaktionseffekte im Mittel nicht länger signifikant.10 Die wenig bekräftigenden Anzeichen aus den bisherigen Analysen finden daher keine Bestätigung. Darüber hinaus zeigen sich in beiden Methoden positive signifikante Haupteffekte für die moralische Verpflichtung und die soziale Norm. Die Verhaltenskosten haben hier eher einen direkten als einen moderierenden Effekt auf die Zahlungsbereitschaft. Abschließend sei noch ein Blick auf die Höhe der Zahlungsbereitschaft in der Kontingenten Bewertung geworfen. Es ist zu testen, inwieweit die Low-Cost-Hypothese unterstützt wird, sobald eine positive grundsätzliche Zahlungsentscheidung getroffen wurde. Die Ergebnisse gibt Tabelle 6.9. Für jedes Kriterium der Verhaltenskosten wurden vier OLSModelle geschätzt. Zum einen wird im ersten Modell lediglich der Einfluss der Kostenvariable und des Umweltbewusstseins betrachtet, bevor sich das zweite Modell dem zentralen Interaktionseffekt widmet. Zum anderen werden diese beiden Modellvarianten auch für den Sensitivitätsbereich der Zahlungsbereitschaftshöhe berechnet.
10
Im Falle von nicht-linearen Modellen wie Probit-Analysen erweist sich der Test auf Interaktionen als vergleichsweise kompliziert. In vielen Publikationen werden Interaktionseffekte „falsch interpretiert“ (siehe dazu ausführlich Ai und Norton 2003). Die Statistiksoftware Stata bietet mit inteff eine Prozedur, mit deren Hilfe Interaktionseffekte in Probit-Modellen „korrekt spezifiziert“ werden (Norton et al. 2004). Tatsächlich zeigt sich für die vorliegende Untersuchung, dass die Interaktionseffekte nur für sehr wenige Fälle signifikant sind und sich insgesamt damit eher erledigen.
206
Tabelle 6.9:
6 Theorieorientierte multivariate Analysen
Multivariate Ergebnisse zur Low-Cost-Hypothese und Höhe der Zahlungsbereitschaft OLS ln(WTP+1) N=82 unbeschränkt
Kostenkomponente
K
AUB
Einkommen
0,56** (2,73)
0,15* (2,23)
Einkommen
0,40 (1,64)
0,09 (1,12)
Moralische Verpflichtung
-0,004 (-0,02)
0,20** (2,67)
Moralische Verpflichtung
0,03 (0,14)
0,24* (2,04)
Soziale Norm
0,24 (1,17)
0,19** (2,76)
Soziale Norm
0,31 (1,36)
0,25* (2,41)
OLS ln(WTP+1) N=71 beschränkt
K x AUB Adj. R²
0,17 (1,17)
-0,07 (-0,48)
-0,10 (-0,73)
K
AUB
0,19
0,36* (2,30)
0,15** (2,81)
0,19
0,24 (1,12)
0,11+ (1,68)
0,11
0,10 (0,59)
0,17** (2,99)
0,10
0,19 (1,09)
0,28** (3,04)
0,12
0,11 (0,68)
0,18** (3,30)
0,12
0,20 (1,14)
0,26** (3,10)
K x AUB Adj. R²
0,19 0,13 (1,13)
0,19 0,13
-0,17 (-1,49)
0,14 0,13
-0,13 (-1,25)
0,13
** p<0,01; * p<0,05; + p<0,10. t-Werte in Klammern. K=Kosten (binär kodiert, 1=Low Cost), AUB = Allgemeines Umweltbewusstsein (zentriert), K x AUB=Interaktionseffekt. Alle Modelle enthalten Geschlecht, Alter, Bildung und Nutzer als Kontrollvariablen. Die Zahlungsbereitschaft für die OLS-Regression mit Beschränkung liegt im Bereich von 2,50€<WTP<67,50€.
Sowohl das Einkommen als auch das Umweltbewusstsein haben für sich genommen signifikant positive Effekte auf die Zahlungsbereitschaftshöhe. In Erweiterung des ökonomischen Grundmodells ist demnach das allgemeine Umweltbewusstsein im Rahmen der gesamten und eingeschränkten Zahlungsspanne von Bedeutung. Der Interaktionseffekt zwischen der Low-Cost-Bedingung und dem Umweltbewusstsein zeigt in der zweiten Modellvariante jeweils in die angenommene Richtung. Er ist jedoch nicht signifikant. Die Low-CostHypothese findet mit Bezug auf das Einkommen keine Unterstützung. Das gilt auch für die moralische Verpflichtung und die soziale Norm als Verhaltensparameter. In allen Modellen sind dabei signifikant positive Effekte des Umweltbewusstseins zu konstatieren. Je höher das allgemeine Umweltbewusstsein, desto höher ist die Zahlungsbereitschaft in der Kontingenten Bewertung. Die (durchweg nicht signifikanten) Interaktionseffekte haben sogar ein negatives Vorzeichen und zeigen somit eine zur Hypothese entgegengesetzte Wirkungsrichtung an. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass über alle Modellschätzungen hinweg – sowohl mit Blick auf die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft als auch mit Blick auf die Höhe der Zahlungsbereitschaft – die Low-Cost-Hypothese keine Bestätigung findet. Einzig die bivariaten Korrelationen und die Probit-Effekte in der Kontingenten Bewertung, in denen das Einkommen und die persönliche Norm als Indikator der Verhaltenskosten verwendet wurden, stützen die Hypothese. Die Verhaltenskosten und das Umweltbewusstsein haben
6.4 Theorie geplanten Handelns
207
zwar insgesamt einen direkten Effekt auf die Zahlungsbereitschaft, die Wirkung des Umweltbewusstseins wird aber überwiegend nicht über die Verhaltenskosten moderiert. Nimmt man die persönliche und insbesondere die soziale Norm als Indikator für die Verhaltenskosten, wird im Choice Experiment teilweise sogar eine Umkehrung der Low-Cost-Hypothese nahe gelegt. Unter High-Cost-Bedingungen ist hierbei das Umweltbewusstsein für die Zahlungsbereitschaft eher von Bedeutung. Diese Befunde stehen jedoch im Lichte einiger kritischer Einwände. Es ist diskussionswürdig, inwieweit die Definition der Verhaltenskosten mit Blick auf Low- und High-Cost-Bereiche stichhaltig ist. Als objektive Messgröße ist das Einkommen eher valide als die subjektiven Messungen der Normen. Bei den beiden Normkomponenten – moralische Verpflichtung und soziale Norm – wird angenommen, dass positive Sanktionen (eine Selbstbelohnung oder eine Belohnung durch Dritte) einen Nutzen stiften, der die Kosten der Zahlungsentscheidung senkt. Im Grunde wird dies durch direkte Effekte der Verhaltenskosten auch bestätigt. Das steht mit Überlegungen zur Normaktivierung und zu moralischem Handeln im Einklang. Dabei ist auffällig, dass die normativen Verhaltenskosten eher bei der grundsätzlichen Zahlungsentscheidung relevant sind, während das Einkommen eher einen Einfluss auf die Höhe der Zahlungsbereitschaft hat. Es bleibt jedoch die Frage, ob es sich bei einer nicht vorhandenen positiven Sanktionierung in Relation zu einer vorhandenen Sanktionierung um eine High-Cost-Situation handelt. Die bivariaten und multivariaten Ergebnisse öffnen dennoch einen Raum für weitere Untersuchungen zur Low-Cost-Hypothese im Rahmen von Zahlungsbereitschaftsanalysen. Der Fokus sollte hierbei auf verbesserten bzw. alternativen Messungen der Verhaltenskosten liegen. Das ist nicht nur ein Problem der vorliegenden Studie. Denn während die Grundgedanken der Low-Cost-Hypothese in vielen Arbeiten – insbesondere auch außerhalb der Umweltsoziologie – zu finden sind, mangelt es an gezielten empirischen Studien. Auch die Studie von Diekmann und Preisendörfer (2003), in der die oben benannten Messprobleme ebenfalls angesprochen werden, bekräftigt zwar die Low-Cost-Hypothese für Umwelthandlungen wie Recycling, Einkaufen und Wassersparen, allerdings sind auch hier, sobald man die Kosten der Verhaltensausführung zu Grunde legt, die multivariaten Ergebnisse zu Haupt- und Interaktionseffekten, an der Signifikanz gemessen, dürftig. Bevor die Low-Cost-Hypothese relativiert und/oder ergänzt wird, bedarf es offenbar weiterer empirischer Ergebnisse. 6.4 Theorie geplanten Handelns Im Rahmen der Theorie geplanten Handelns wurden Determinanten herausgearbeitet, die eine Verhaltensintention, hier die geäußerte Zahlungsbereitschaft, beeinflussen. Die Theorie ist dabei als ein Komplement zum ökonomischen Grundmodell zu sehen. Hintergrund ihrer Anwendung ist die Überlegung, dass Befragte auf hypothetischen Märkten einem Verhalten im Zusammenhang mit einem Umweltgut einen Wert beimessen. Das fragliche Verhalten ist im vorliegenden Fall, ob Personen für Veränderungen der biologischen Vielfalt zahlungsbereit sind. Mit der Theorie wurde angenommen, dass folgende drei Faktoren individuelle Zahlungsbereitschaften determinieren: (1) Einstellungen gegenüber der Zahlungshandlung, (2) die Geltung einer subjektiven Norm, inwieweit das soziale Umfeld einer Person die Zahlungshandlung positiv oder negativ sanktioniert (befürwortet bzw. ablehnt), und (3) die wahrgenommene Verhaltenskontrolle, d.h. wie leicht oder schwierig sich eine
208
6 Theorieorientierte multivariate Analysen
Zahlungshandlung gestaltet. Im Kern wird behauptet, dass eine positive Einstellung, eine positive Sanktionierung des sozialen Umfeldes und eine starke Verhaltenskontrolle der Zahlungsbereitschaft förderlich sind. Darüber hinaus wurde in den theoretischen Überlegungen einem Argument von Fazio (1986, 1990) nachgegangen, dass erfahrungsbezogene Einstellungen stärker auf ein Verhalten wirken als Einstellungen, die ohne eine Erfahrung mit dem fraglichen Verhalten oder einem Einstellungsobjekt herausgebildet wurden. Insgesamt mündeten die theoretischen Diskussionen in folgende vier Einzelhypothesen: (1) Je stärker eine positive Einstellung gegenüber der Zahlung für ein kollektives Umweltgut ausgeprägt ist, desto eher haben Personen die Absicht, etwas für dieses Gut zu bezahlen und desto höher ist die Zahlungsbereitschaft. (2) Je stärker die Geltung einer subjektiven Norm zur Zahlung für ein kollektives Umweltgut wahrgenommen wird, desto eher haben Personen die Absicht, etwas für dieses Gut zu bezahlen und desto höher ist die Zahlungsbereitschaft. (3) Je stärker die wahrgenommene Verhaltenskontrolle bei der Zahlung für ein kollektives Umweltgut, desto eher haben Personen die Absicht, etwas für dieses Gut zu bezahlen und desto höher ist die Zahlungsbereitschaft. (4) Einstellungen zur Zahlung für ein kollektives Umweltgut beeinflussen stärker die Absicht, eine Zahlung zu leisten, falls eine Person bereits Erfahrungen mit der Zahlung für Umweltgüter gemacht hat oder Erfahrungen mit dem Umweltgut vorliegen (Zusatzhypothese nach Fazio). Die Einstellungskomponente wurde in der vorliegenden Studie mit zwei Gegensatzpaaren auf Siebenpunkteskalen erhoben. Der genaue Fragelaut war: „Einen finanziellen Beitrag für den Waldumbau in der Lüneburger Heide zu leisten, ist oder wäre für mich.... (1) sehr unangenehm versus sehr angenehm und (2) nutzlos versus gewinnbringend“. Am Mittelpunkt der Skala gemessen, also dem Wert 4, haben in beiden Methoden ca. 40 Prozent der Befragten einen höheren Wert angegeben, empfinden demnach einen finanziellen Beitrag als eher angenehm und gewinnbringend, während jeweils zwischen 30 und 40 Prozent der Befragten mit einem Wert kleiner vier, den Beitrag eher als unangenehm und nutzlos wahrnehmen. 20 bis 30 Prozent der Antworten liegen genau auf dem Mittelpunkt der Skalen. Für die weiteren Analysen wurde ein additiver Index aus den beiden Skalen gebildet, dessen Wertebereich auf 0 bis 6 standardisiert wurde.11 Der Mittelwert des Index liegt im Choice Experiment bzw. in der Kontingenten Bewertung bei 3,0 bzw. 2,9. Auch die subjektive Norm wurde mithilfe einer Siebenpunkteskala gemessen (vergleiche auch den vorhergehenden Abschnitt zur Low-Cost-Hypothese). Die Frage lautete: „Was glauben Sie: Finden oder fänden es Ihre Freunde und Bekannten gut, wenn Sie in Form von Geld freiwillig etwas zum Waldumbau beitragen?“ (Wertebereich von 1=„Sie würden das überhaupt nicht gut finden“ über 4=„Es wäre ihnen egal“ bis 7=„Sie würden das sehr gut finden“). In beiden Methoden geben ca. 45 Prozent der Befragten an, dass ein eigener finanzieller Beitrag ihren Freunden und Bekannten egal wäre. Bei ca. 35 Prozent der Respondenten ist eine positive Sanktionierung des sozialen Umfeldes anzunehmen (Werte größer 4) und bei ca. 20 Prozent eine negative Sanktionierung, d.h. Freunde und Bekannte fänden einen Beitrag eher nicht gut (Werte kleiner 4). Die Skala hat auf einem 11
Die Standardisierung erfolgt mit dem Ziel eines einheitlichen Wertebereichs für alle Variablen der Theorie geplanten Handelns.
6.4 Theorie geplanten Handelns
209
transformierten Wertebereich von 0 bis 6 im Choice Experiment bzw. in der Kontingenten Bewertung einen Mittelwert von 3,3 bzw. 3,2. Die Messung der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle gestaltete sich unter Verwendung von Siebenpunkteskalen und Gegensatzpaaren analog zur Messung der Einstellungskomponente: „Einen finanziellen Beitrag für den Waldumbau in der Lüneburger Heide zu leisten, ist oder wäre für mich.... (1) sehr schwierig versus sehr leicht und (2) überhaupt nicht möglich versus in jedem Falle möglich“. Für 50 Prozent der Befragten ist oder wäre ein finanzieller Beitrag eher schwierig und für 35 Prozent eher nicht möglich. Demgegenüber ist für 30 bzw. 40 Prozent der Respondenten anzunehmen, dass eine Zahlung eher leicht bzw. eher in jedem Falle möglich wäre. 20 bzw. 25 Prozent liegen genau auf dem Mittelpunkt der Skala. Die additiven Indizes haben in einem standardisierten Wertebereich von 0 bis 6 bei beiden Methoden einen Mittelwert von 2,7. Die multivariaten Analysen zur Theorie geplanten Handelns sind nicht als eine Erweiterung des ökonomischen Grundmodells zu sehen. Vielmehr handelt es sich mehr oder weniger um ein komplementäres (Alternativ-)Modell. Dennoch gibt es eine Schnittmenge, da die wahrgenommene Verhaltenskontrolle implizit auch eine finanzielle Budgetrestriktion anspricht, also ähnlich dem Einkommen wirken sollte. Zunächst werden in Tabelle 6.10 die Ergebnisse zur grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft betrachtet. Alle Modelle enthalten Geschlecht, Alter, Bildung und die Nutzung der Lüneburger Heide als Kontrollvariablen. Da in der Theorie geplanten Handelns von drei Einflussgrößen auf die Zahlungsbereitschaft ausgegangen wird, ist es sinnvoll, die relative Einflussstärke der drei Modellkomponenten zu untersuchen. Daher werden neben einem Gesamtmodell für jede Erklärungsdeterminante Einstellung, subjektive Norm und wahrgenommene Verhaltenskontrolle Einzelmodelle geschätzt. Aus Tabelle 6.10 lässt sich erkennen, dass alle drei Determinanten für sich genommen den erwarteten positiven Einfluss auf die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft zeigen. Die Einzelhypothesen werden in beiden Methoden durchweg bestätigt. Je stärker eine positive Einstellung gegenüber der Zahlung für den Waldumbau ausgeprägt ist, je stärker das soziale Umfeld der Befragungsperson eine Zahlung positiv sanktioniert und je stärker eine Zahlung als leicht möglich wahrgenommen wird (wahrgenommene Verhaltenskontrolle), desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, grundsätzlich für den Waldumbau zahlungsbereit zu sein.
210
6 Theorieorientierte multivariate Analysen
Tabelle 6.10: Multivariate Analysen zur Theorie geplanten Handelns (grundsätzliche Zahlungsbereitschaft) Choice Experiment (CE) Variablen
Probit WTP (nein/ja)
Einstellung (0-6)
0,63** (9,07)
Subjektive Norm (0-6)
Probit WTP (nein/ja)
Probit WTP (nein/ja)
Probit WTP (nein/ja)
Probit-E WTP (nein/ja)
0,60** (7,18)
0,24** (7,18)
0,44** (5,23)
0,17** (5,23)
0,26** (5,06)
-0,08 (-1,12)
-0,03 (-1,12)
0,52** (7,51)
Wahrgenommene Verhaltenskontrolle (0-6) LL0
-198,80
-198,80
-198,80
-198,80
-198,80
LLModell
-129,27
-150,47
-172,34
-113,42
-113,42
Pseudo-R² (McFadden)
0,35
0,24
0,13
0,43
0,43
N
294
294
294
294
294
Kontingente Bewertung (KB) Variablen
Probit WTP (nein/ja)
Einstellung (0-6)
0,54** (7,64)
Subjektive Norm (0-6)
Probit WTP (nein/ja)
Probit WTP (nein/ja)
Probit WTP (nein/ja)
Probit-E WTP (nein/ja)
0,38** (4,63)
0,10** (4,63)
0,22* (2,40)
0,05* (2,40)
0,43** (6,65)
0,21** (2,77)
0,05** (2,77)
0,45** (5,69)
Wahrgenommene Verhaltenskontrolle (0-6) LL0
-176,22
-176,22
-176,22
-176,22
-176,22
LLModell
-126,81
-145,31
-138,96
-118,90
-118,90
Pseudo-R² (McFadden)
0,28
0,18
0,21
0,33
0,33
N
295
295
295
295
295
** p<0,01; * p<0,05. z-Werte in Klammern. Alle Modelle enthalten Geschlecht, Alter, Bildung und Nutzer (nein/ja) als Kontrollvariablen. Probit-E berichtet Einheitseffekte mit der Normperson: männlich, 49 Jahre (CE)/50 Jahre (KB) alt, 10 Bildungsjahre, Nicht-Nutzer, jeweils die Mittelwerte der drei Modellvariablen und einer 37%igen (CE)/14%igen(KB) Zahlungsbereitschaftswahrscheinlichkeit.
6.4 Theorie geplanten Handelns
211
Der relative Einfluss der Modellkomponenten ist jedoch unterschiedlich. Die höchste Erklärungskraft hat über beide Bewertungsmethoden hinweg die Einstellung gegenüber dem Verhalten. Die Modelle mit der Einstellungskomponente haben eine erklärte Varianz von 35 Prozent im CE und von 28 Prozent in der KB. Am Modellfit gemessen ist die subjektive Norm im CE die zweiteinflussreichste Determinante und in der KB die dritteinflussreichste. Das umgekehrte Bild lässt sich für die wahrgenommene Verhaltenskontrolle erkennen. Sie ist in der KB relativ gesehen einflussreicher als im CE. Das Gesamtmodell mit allen drei Erklärungskomponenten bestätigt im Wesentlichen diese Eindrücke. Während im CE lediglich die Einstellungs- und Normkomponente den postulierten signifikant positiven Effekt auf die Zahlungsbereitschaft haben, sind in der KB alle drei Einflussgrößen signifikant. Die erklärte Varianz des Gesamtmodells ist mit 43 Prozent (CE) und 33 Prozent (KB) für sozialwissenschaftliche Analysen als hoch einzustufen. Das negative Vorzeichen der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle im Gesamtmodell im Choice Experiment ist etwas irritierend. Ausdifferenzierende Analysen haben ergeben, dass der positive Effekt der Verhaltenskontrolle von der Einstellungskomponente verdrängt wird. Unter Kontrolle der Einstellungskomponente hat die wahrgenommene Verhaltenskontrolle keinen Effekt im Choice Experiment. Die Ergebnisse zum Gesamtmodell werden in der letzten Spalte der Tabelle 6.10 zusätzlich anhand der Einheitseffekte verdeutlicht. Betrachtet man die Normperson mit einer Zahlungsbereitschaftswahrscheinlichkeit von 37 Prozent im CE und 14 Prozent in der KB, so steigt diese Wahrscheinlichkeit um 24 bzw. 10 Prozentpunkte, wenn sich die Einstellungskomponente um eine Einheit erhöht. Hätte die Normperson eine maximal positive Einstellung gegenüber der Zahlung für den Waldumbau (den Höchstwert von 6), läge ihre Wahrscheinlichkeit, zahlungsbereit zu sein, bei 93 Prozent im CE und bei 57 Prozent in der KB. Ferner nimmt die Zahlungswahrscheinlichkeit um 17 (CE) sowie 5 (KB) Prozentpunkte zu, sobald sich die positive Sanktionierung des sozialen Umfeldes um eine Einheit verstärkt. Eine zusätzliche Einheit der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle steigert die Zahlungsbereitschaftswahrscheinlichkeit in der KB um 5 Prozentpunkte. Mit Blick auf die Höhe der Zahlungsbereitschaft in der Kontingenten Bewertung ergibt sich ein überraschendes Resultat. Keine der zentralen Komponenten der Theorie geplanten Handelns hat einen signifikanten Einfluss. Gegeben der Entscheidung, zahlungsbereit zu sein, erweist sich das Erklärungsmodell von Ajzen in der vorliegenden Studie als ungeeignet, die Höhe der Zahlungsbereitschaft zu erklären. Zur Veranschaulichung werden drei Modelle mit den Einzelkomponenten in Tabelle 6.11 präsentiert. Die Variablen zeigen jeweils keinen signifikanten Effekt, nehmen aber zumindest die angenommene Wirkungsrichtung an. Keines der Modelle ist signifikant.
212
6 Theorieorientierte multivariate Analysen
Tabelle 6.11: Multivariate Analysen zur Theorie geplanten Handelns (Höhe der Zahlungsbereitschaft) Kontingente Bewertung Variablen
Einstellung (0-6)
OLS ln(WTP+1)
OLS ln(WTP+1)
0,07 (0,75)
Subjektive Norm (0-6)
0,07 (0,77)
Wahrgenommene Verhaltenskontrolle (0-6) Adj. R² N
OLS ln(WTP+1)
0,10 (1,21) 0,03
0,03
0,04
84
84
84
t-Werte in Klammern. Alle Modelle enthalten Geschlecht, Alter, Bildung und Nutzer als Kontrollvariablen.
Dieses Ergebnis spricht für eine Dominanz und Unabhängigkeit der grundsätzlichen Zahlungsentscheidung von der Entscheidung zur Zahlungshöhe in der Kontingenten Bewertung. Während im Sinne Ajzens geplantes Handeln anfänglich zum Tragen kommt, wenn es darum geht, sich zahlungsbereit zu äußern, sind „harte ökonomische Erwägungen“, gemessen an der Budgetrestriktion (dem Einkommen), für die Zahlungshöhe entscheidend. Im ersten Fall, der grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft, ist die Theorie geplanten Handelns dem ökonomischen Grundmodell überlegen. Im zweiten Fall ist es genau umgekehrt. Mit Bezug auf die Zahlungshöhe spielen verhaltensspezifische Einstellungen, die Geltung einer subjektiv wahrgenommenen Zahlungsnorm und die Verhaltenskontrolle in Erweiterung der monetären Budgetrestriktion keine Rolle. In den theoretischen Überlegungen zur Theorie geplanten Handelns wurde eine zusätzliche Hypothese hergeleitet, die an Arbeiten von Fazio (1986, 1990) anknüpft. Darin wird postuliert, dass – im Vergleich zu Einstellungen, die indirekt und nicht erfahrungsbezogen gebildet wurden – direkte Erfahrungen mit dem Einstellungsobjekt in der Vergangenheit zu einer höheren Einstellungsintensität und Verhaltensrelevanz führen. Da es sehr unwahrscheinlich ist, dass Befragte schon einmal Erfahrungen mit Zahlungsbereitschaften auf hypothetischen Märkten gesammelt haben, konzentriert sich der Test auf die Wirkungsweise von Einstellungen auf die Unterscheidung von Nutzern und Nicht-Nutzern der Lüneburger Heide. Dahinter steht die Vermutung, dass bei den Nutzern eine Erfahrung mit dem Umweltgut – der biologischen Vielfalt in der Lüneburger Heide – vorliegt. Diese Erfahrungswerte führen unter Umständen zu einer höheren Einstellungsintensität, d.h. Nutzer empfinden die Zahlung für den Waldumbau eher als angenehm und gewinnbringend, im Vergleich zu Nicht-Nutzern. Zudem könnten in Zahlungsbereitschaftsanalysen erfahrungsbezogene Einstellungen nicht nur eher automatische Prozesse im Gegensatz zu überlegtem Handeln auslösen, sondern es ist anzunehmen, dass solche Einstellungen eine stärkere Wirkung auf die Zahlungsbereitschaft entfalten. Betrachtet man zunächst die Einstellungsinten-
213
6.4 Theorie geplanten Handelns
sität, so haben im Choice Experiment Nutzer im Mittel höhere Werte bei der Einstellung gegenüber der Zahlung für den Waldumbau als Nicht-Nutzer. Nutzer haben einen Mittelwert von 3,3, während Nicht-Nutzer im Mittel bei 2,8 liegen. Dieser Unterschied ist auf dem 5Prozent-Niveau signifikant (Mann-Whitney U-Test). In der Kontingenten Bewertung trifft dies jedoch nicht zu. In beiden Gruppen sind die Mittelwerte (mit einem Wert von ca. 3) nahezu identisch. Für die Wirkung der Einstellung auf die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft können die Überlegungen von Fazio weitestgehend bestätigt werden. Die Ergebnisse bivariater und multivariater Ergebnisse dazu zeigt Tabelle 6.12. Der obere Teil der Tabelle zeigt den Zusammenhang zwischen der Einstellung gegenüber der Zahlung für den Waldumbau und der grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft, getrennt für die Gruppen der NichtNutzer und Nutzer der Lüneburger Heide in beiden Methoden. Auf den ersten Blick wird nochmals deutlich, dass in beiden Stichproben der Anteil der Nutzer höher ist als der Anteil der Nicht-Nutzer. Als bivariates Zusammenhangsmaß wurde Pearsons Korrelationskoeffizient berechnet. Im Choice Experiment ist in beiden Gruppen der Zusammenhang zwischen Einstellung und Zahlungsbereitschaft signifikant. In der Gruppe der Nutzer ist er jedoch wesentlich stärker als in der Gruppe der Nicht-Nutzer, was Fazios Hypothese stützt. Dasselbe Bild ergibt sich für die kontrollierten Probit-Effekte. In der Kontingenten Bewertung sind signifikante Zusammenhänge sogar ausschließlich in der Gruppe der Nutzer zu finden.
Tabelle 6.12: Korrelationen und kontrollierte Probit-Effekte mit Blick auf die Einstellung zur Zahlung und die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft in Abhängigkeit von der Waldnutzung Choice Experiment (N=294)
Kontingente Bewertung (N=295)
%
Pearsons Korrelation
ProbitEffekt
%
Pearsons Korrelation
ProbitEffekt
Nicht-Nutzer
35
0,37*
0,30** (2,97)
28
0,12
0,18 (1,45)
Nutzer
65
0,73**
0,96** (7,75)
72
0,63**
0,72** (7,13)
N
EGZ
N x EGZ
N
EGZ
N x EGZ
-0,18 (-0,92)
0,30** (3,11)
0,65** (4,22)
0,18 (0,84)
0,13 (1,15)
0,61** (4,08)
Gruppen
** p<0,01; * p<0,05. N=Nutzer (binär kodiert, 1=ja), EGZ=Einstellung gegenüber der Zahlung (zentriert), N x EGZ=Interaktionseffekt. z-Werte in Klammern. Alle Probit-Modelle enthalten Geschlecht, Alter und Bildung als Kontrollvariablen.
Um zu überprüfen, ob diese Unterschiede zwischen den Gruppen zufällig sind, gibt der untere Teil der Tabelle 6.12 die Ergebnisse von Probit-Modellen, die sowohl die NutzerVariable, die Einstellung und eine Interaktionsvariable aus Nutzer- und Einstellungs-
214
6 Theorieorientierte multivariate Analysen
komponente enthalten. Der Interaktionseffekt, auf den es hier im Wesentlichen ankommt, ist in beiden Methoden positiv und hoch signifikant. Damit wird die Annahme unterstützt, dass Einstellungen stärker auf die Zahlungsbereitschaft wirken, wenn eine Nutzung der Lüneburger Heide gegeben ist.12 Im Choice Experiment bleibt zudem ein ebenfalls positiv signifikanter Einstellungseffekt in der Gruppe der Nicht-Nutzer. Einen um die Einstellung bereinigten signifikanten Haupteffekt der Nutzung der Lüneburger Heide gibt es nicht. Insgesamt kann damit der Zusatzhypothese von Fazio eine Geltung zugesprochen werden. Für die Höhe der Zahlungsbereitschaft in der Kontingenten Bewertung ist der HypothesenTest hinfällig, da bereits die Grundvoraussetzung dafür nicht zutrifft, d.h. die Einstellung gegenüber der Zahlung hat hier ohnehin keinen Einfluss. 6.5 Erweitertes Normaktivierungsmodell Während es in der Theorie geplanten Handelns darauf ankommt, Determinanten zu finden, die eine Verhaltensintention beeinflussen, stehen im Normaktivierungsmodell von Schwartz Bedingungen im Vordergrund, unter denen eine „persönliche“ Norm in Verhalten mündet. Dabei rückt der individuelle Entscheidungsprozess in Zahlungsbereitschaftsanalysen stärker in den Mittelpunkt der Betrachtung. Die angesprochene „persönliche“ Norm wäre im vorliegenden Fall eine empfundene moralische Verpflichtung, etwas für den Waldumbau bzw. für positive Veränderungen der biologischen Vielfalt in der Lüneburger Heide zu bezahlen. Laut dem Normaktivierungsmodell würde man erwarten, dass die Zahlungsverpflichtung erst dann handlungsrelevant bzw. herausgebildet wird, wenn erstens eine Notwendigkeit der Zahlungshandlung wahrgenommen, zweitens eine Verantwortung für die Zahlungshandlung empfunden wird und drittens Konsequenzen der Zahlungshandlung erkannt werden. Darüber hinaus wurden im theoretischen Teil Erweiterungen des Normaktivierungsmodells um Aspekte kollektiven Handelns betrachtet. Darin wurde angenommen, dass insbesondere Vertrauen in Institutionen und Vertrauen in andere Mitbürger die Bedingungen der Normaktivierung beeinflussen. Für die Normaktivierung im Kontext der Zahlungsbereitschaft sei relevant, inwieweit Personen darauf vertrauen, dass das Geld auch für den benannten Zweck eingesetzt wird und dass andere Personen einen Zahlungsbetrag leisten. Auf der Basis des erweiterten Normaktivierungsmodells wurden nachstehende Einzelhypothesen hergeleitet, die zunächst den sequenziellen Charakter des Modells außer Acht lassen: (1) Eine moralische Verpflichtung zur Zahlung für ein kollektives Umweltgut wird eher herausgebildet/handlungsrelevant, wenn die Bereitstellung des Umweltgutes als notwendig erachtet wird. (2) Eine moralische Verpflichtung zur Zahlung für ein kollektives Umweltgut wird eher herausgebildet/handlungsrelevant, wenn sich Personen für die Bereitstellung des Umweltgutes verantwortlich sehen.
12
Allerdings legt die bereits erwähnte alternative Berechnungsmethode von Interaktionseffekten in Stata nahe, dass unter Berücksichtigung der anderen Modellvariablen und der Zahlungsbereitschaftswahrscheinlichkeit der Interaktionseffekt von Nutzung und Einstellung im Mittel ebenfalls jeweils positiv, aber lediglich für einige Fälle mit einer Zahlungswahrscheinlichkeit von ca. 20 und 50 Prozent signifikant ist.
6.5 Erweitertes Normaktivierungsmodell
215
(3) Eine moralische Verpflichtung zur Zahlung für ein kollektives Umweltgut wird eher herausgebildet/handlungsrelevant, wenn Personen ihrer Handlung Konsequenzen zuschreiben. (4) Eine moralische Verpflichtung zur Zahlung für ein kollektives Umweltgut wird eher herausgebildet/handlungsrelevant, wenn Personen Vertrauen in die Zahlungen anderer haben und in die Institution, die das Umweltgut bereitstellen soll.13 Die Wahrnehmung der Notwendigkeit einer Zahlungshandlung wurde mit zwei Items gemessen, die von den Befragten jeweils auf Fünfpunkteskalen beantwortet wurden (1= stimme überhaupt nicht zu“ bis 5=„stimme voll und ganz zu“). Die Aussagen lauteten: (1) „Verglichen mit anderen Maßnahmen der Politik ist der Umbau der Wälder nicht wichtig“. (2) „Der heutige Anteil an Laubwald in der Lüneburger Heide reicht vollkommen aus. Er braucht meiner Meinung nach nicht erhöht zu werden“. Der ersten Aussage stimmen im Choice Experiment (CE) 41 Prozent und in der Kontingenten Bewertung (KB) 33 Prozent der Befragten eher nicht zu oder überhaupt nicht zu, sodass ihnen der Waldumbau eher wichtig und notwendig erscheint. Die Ablehnungswerte der zweiten Aussage liegen im CE bei 38 Prozent und in der KB bei 34 Prozent. Diese Personen erachten die Erhöhung des Laubwaldanteils in der Lüneburger Heide als „wünschenswert“. Beide Aussagen entsprechen einer Einstellung gegenüber der Maßnahme des Waldumbaus und damit gegenüber Veränderungen der biologischen Vielfalt. Diese Einstellung beinhaltet auch, inwieweit Befragte es als notwendig erachten, dass ein Waldumbau durchgeführt wird. Sie impliziert das individuelle Ausmaß der wahrgenommenen Notwendigkeit der Zahlungshandlung. Die Werte der Aussagen wurden so umkodiert, dass höhere Werte einer positiven Einstellung gegenüber dem Waldumbau entsprechen. Aus den beiden Items wurde ein additiver Index „Notwendigkeit der Zahlungshandlung“ gebildet, der einen standardisierten Wertebereich von 0 bis 6 annimmt. Die Skala hat im Choice Experiment bzw. in der Kontingenten Bewertung einen Mittelwert von 2,9 bzw. 3,1. Die Wahrnehmung einer individuellen Verantwortung mit Blick auf die Zahlung für den Waldumbau (awareness of responsibility) wurde mit folgender Frage erhoben, die eine Rechtfertigungsstrategie beinhaltet: „Ich zahle schon genug für andere Dinge. Da muss ich nicht auch noch etwas für den Waldumbau bezahlen“ (Bewertung auf einer Fünfpunkteskala mit 1=„stimme überhaupt nicht zu“ bis 5=„stimme voll und ganz zu“). Befragte, die dieser Aussage zustimmen, nehmen im Sinne einer möglichen Rechtfertigung im Zuge der Normaktivierung keine Verantwortung wahr. Das trifft in beiden Methoden auf ca. 80 Prozent der Befragten zu. Sie stimmen zu (von teils/teils bis voll und ganz), dass sie bereits genug für andere Dinge zahlen. Demgegenüber ist für ca. 20 Prozent anzunehmen, dass sie diese Rechtfertigung nicht akzeptieren und mithin eine wahrgenommene Verantwortung zunächst nicht verneinen. Insgesamt wird die Verantwortungskomponente damit nicht direkt gemessen, sondern indirekt über eine Rechtfertigungsaussage. Das korrespondiert mit Aspekten der Evaluation und Neubewertung potenzieller Entscheidungen im Rahmen der Verhaltenssequenzen im Normaktivierungsmodell von Schwartz (1977: 241). Die Variable wurde für die weiteren Analysen umkodiert, sodass höhere Werte eher mit einer wahrgenommenen Verantwortung einhergehen. 13
Im Folgenden steht als abhängige Variable mit Blick auf die Zahlungsbereitschaft lediglich die Frage nach der grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft im Mittelpunkt, da es im Normaktivierungsmodell primär um die Frage geht, ob ein Verhalten ausgeführt oder unterlassen wird.
216
6 Theorieorientierte multivariate Analysen
Für die Operationalisierung und Messung der wahrgenommenen Konsequenzen einer Zahlungshandlung (awareness of consequences) bieten sich verschiedene Varianten. In den Grundüberlegungen von Schwartz im Kontext altruistischer Hilfehandlungen beinhaltet diese Komponente das Bewusstsein der Konsequenzen für Dritte, falls sie in ihrer derzeitigen Situation verharren (Schwartz und Howard 1982). Im Umweltbereich – z.B. mit Blick auf das Recyclingverhalten von Haushalten – wird die Komponente mit Aussagen wie „Recycling conserves natural resources“ erhoben (vgl. Guagnano et al. 1995: 709). Im Bereich der Zahlungsbereitschaft für (private) Umweltgüter wie recycelte Produkte wird die Wahrnehmung von Konsequenzen zum Teil mit allgemeinen Aussagen wie „The effects of environmental problems on public health are worse than we realize“ gemessen, die eher einem allgemeinen Umweltbewusstsein entsprechen (vgl. z.B. Guagnano 2001: 432). In der vorliegenden Studie ist es unplausibel, dass die befragten Personen einen Zweifel daran hegen, dass die Maßnahmen zum Waldumbau auch zu einer Erhöhung der biologischen Vielfalt führen. Daher bezieht sich die Messung der Konsequenzkomponente unmittelbar auf einen Aspekt des erweiterten Normaktivierungsmodells von Blamey (1998b). Dieser Aspekt beinhaltet das Vertrauen in Institutionen, ob das (hypothetisch) gezahlte Geld auch für den benannten Zweck eingesetzt würde. Die Vertrauensfrage mit Blick auf eine tatsächliche Verwendung des Geldes wurde in der Erhebung wie folgt gestellt: „Stellen Sie sich bitte vor, die folgenden Einrichtungen sollen öffentliche Gelder für den Umweltschutz verwenden. Inwiefern vertrauen Sie jeder Einrichtung, dass sie die Gelder auch tatsächlich für den Schutz der Umwelt einsetzt? Geben Sie bitte auf einer Skala von 1=„kein Vertrauen“ bis 7=„volles Vertrauen“ an, wie viel Vertrauen Sie in jede Einrichtung haben“. Die Frage bezieht sich auf staatliche Behörden/Ämter, Umweltschutzorganisationen/-verbände, die Industrie/Betriebe und Umweltbürgerinitiativen. Da das Niedersächsische Forstplanungsamt in der Umfrage als Zahlungsempfänger genannt wurde, stützen sich die weiteren Auswertungen auf die Antworten zum Vertrauen in staatliche Behörden und Ämter. Im Choice Experiment kann für 26 Prozent der Befragten und in der Kontingenten Bewertung für 41 Prozent der Befragten angenommen werden, dass sie beim Einsatz öffentlicher Mittel für den Umweltschutz staatlichen Behörden und Ämtern eher voll, bis voll und ganz vertrauen (Angaben mit den Werten 5, 6 und 7 auf der Siebenpunkteskala). Dabei ist ein Unterschied von 15 Prozent in beiden Stichproben zu konstatieren. Befragte in der Kontingenten Bewertung haben eher Vertrauen in staatliche Behörden und Ämter im Vergleich zum Choice Experiment. Die Skala „Vertrauen in Ämter“ wurde für weitere Analysen auf einen Wertebereich von 0 bis 6 transformiert. Sie nimmt in der KB einen Mittelwert von 3,0 und im CE einen Mittelwert von 2,3 an. In der Erweiterung des Normaktivierungsmodells um Aspekte kollektiven Handelns wird mit dem Vertrauen in Mitbürger lediglich eine zentrale Determinante behandelt. Beim Vertrauen in andere Mitbürger geht es im engeren Sinne nicht um einen wissenschaftlichen Vertrauensbegriff, sondern um eine alltägliche Überzeugung, dass andere etwas tun bzw. ihren Beitrag leisten. Die Frage zur Messung des Vertrauens in Mitbürger lautete: „Was glauben Sie: Inwieweit werden andere etwas für den Waldumbau bezahlen? Ein Wert von 1 bedeutet, dass Ihrer Einschätzung nach andere ganz sicher nichts bezahlen; ein Wert von 7 bedeutet, dass andere auf jeden Fall etwas bezahlen“. Im Choice Experiment haben 14 Prozent der Befragten und in der Kontingenten Bewertung 21 Prozent die Werte 5, 6 oder 7 auf der Siebenpunkteskala. Für diese Personen kann angenommen werden, dass sie der Überzeugung sind, dass andere etwas für den Waldumbau bezahlen. Für die Analysen wur-
6.5 Erweitertes Normaktivierungsmodell
217
de die Skala auf den Wertebereich von 0 bis 6 transformiert. Der Mittelwert der Skala ist mit einem Wert von 1,7 (CE) bzw. 2,0 (KB) in beiden Methoden recht niedrig. Die überwiegende Mehrheit glaubt nicht, dass andere etwas zahlen. Dennoch: Je eher Personen der Überzeugung sind, dass andere etwas zahlen, desto weniger besteht Zweifel, dass man der Einzige ist, der etwas beitragen würde und sich deshalb eine Zahlung nicht lohnt. Dieser Aspekt kollektiven Handelns deckt sich teilweise mit den Überlegungen zum Dilemmabewusstsein im Abschnitt 6.2. Nachdem die zentralen Modellvariablen vorgestellt wurden, gilt es einen Blick auf die multivariaten Ergebnisse zu werfen. Idealerweise würde man das Normaktivierungsmodell aufgrund seines sequenziellen Charakters in einem Pfadmodell testen. Allerdings verwenden die meisten Autoren lediglich eine abgeschwächte Form (vgl. u.a. Guagnano et al. 1995). In der vorliegenden Studie wird das Modell ebenfalls „etwas grob geschätzt“. Dies auch deshalb, weil man in der Literatur unterschiedliche Argumentationen findet, in welcher Reihenfolge die Modellkomponenten im Rahmen der Normaktivierung wirken bzw. wie sie sich gegenseitig bedingen. Guagnano et al. (1995, 2001) schlussfolgern beispielsweise für das Recyclingverhalten von Haushalten und die Zahlungsbereitschaft für recycelte Produkte, dass die Wahrnehmung von Handlungskonsequenzen über die Wahrnehmung von Verantwortung die Normaktivierung und daher das Verhalten beeinflusst. Bei Blamey (1998b) hingegen ist die Wahrnehmung von Verantwortung der Wahrnehmung von Konsequenzen vorangestellt. Er räumt aber ein, dass die Wirkungsweise der Komponenten mit dem Untersuchungsgegenstand variieren kann. Zudem macht Blamey deutlich, dass auch die Vertrauensaspekte im erweiterten Normaktivierungsmodell eine unterschiedliche Wirkung entfalten können. In der vorliegenden Studie wird davon ausgegangen, dass die Wahrnehmung der Notwendigkeit des Waldumbaus auf die Wahrnehmung der Zahlungsverantwortung für den Waldumbau wirkt, die wiederum die Wahrnehmung von Handlungskonsequenzen beeinflusst. Diese Entscheidungssequenz lässt sich wie folgt begründen: Zuerst muss eine Person der Überzeugung sein, dass der Waldumbau und Veränderungen der biologischen Vielfalt überhaupt notwendig und wichtig sind.14 Im Anschluss daran ist zu entscheiden, ob man sich für eine Zahlung und damit für die Unterstützung des Waldumbaus verantwortlich sieht. Wenn die ersten beiden Bedingungen erfüllt sind, ist in einem nächsten Schritt zentral, ob eine Person glaubt, dass das gezahlte Geld auch für den Waldumbau eingesetzt wird, die Zahlungshandlung also entsprechende Konsequenzen hat. Erst dann ist eine Normaktivierung anzunehmen, die in eine Zahlungsbereitschaft mündet. Da die Wirkung des Vertrauens in die Zahlung der Mitbürger nicht präzise zu bestimmen ist, wird sie als Erklärungsdeterminante in alle multivariaten Modelle aufgenommen. Damit ergeben sich zunächst drei Auswertungsmodelle, deren Ergebnisse die erste, zweite und dritte Zahlenspalte in Tabelle 6.13 zeigen. Alle Modelle sind Erweiterungen des ökonomischen Grundmodells mit Blick auf die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft. Sie enthalten, neben den soziodemographischen Variablen (Geschlecht, Alter und Bildung), die Nutzer- und Einkommensvariable. Dabei werden lediglich die Effekte des Einkommens berichtet. Das erste OLS-Modell untersucht den Einfluss der Wahrnehmung der Notwendigkeit des Waldumbaus auf die wahrgenommene Verantwortung für eine Zahlung. Im zweiten OLS-Modell wird getestet, inwieweit eine Wahrnehmung der Notwendigkeit und eine Wahrnehmung einer persönlichen Verantwortung auf 14
Im Ursprungsmodell von Schwartz (1977) ist insbesondere die Wahrnehmung einer Notwendigkeit die Bedingung, dass eine Norm im Sinne einer empfundenen Handlungsverpflichtung überhaupt herausgebildet/aktiviert wird.
218
6 Theorieorientierte multivariate Analysen
die wahrgenommenen Handlungskonsequenzen wirken. Das dritte Modell, eine ProbitSchätzung, beinhaltet alle zentralen Variablen der Normaktivierung mit Blick auf die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft (vgl. für ein ähnliches Vorgehen u.a. Guagnano 2001). Im Zuge der verschiedenen Modellierungsmöglichkeiten des Entscheidungsprozesses ist dieses Gesamtmodell potenzieller direkter Effekte sinnvoll. Damit werden zunächst wie in anderen Studien die Bedingungen einer Normaktivierung betrachtet. Die vorliegende Studie geht einen Schritt weiter, indem in der vierten und fünften Zahlenspalte in Tabelle 6.13 Ergebnisse berichtet werden, die sich direkt auf die Norm selbst beziehen. Im Einklang mit der Literatur wurde die Norm als empfundene Verpflichtung gemessen.15 Die Frage zur moralischen Verpflichtung als Maß für eine internalisierte/persönliche Norm wurde mit folgender Frage auf einer Siebenpunkteskala gemessen: „Wie sehr sehen Sie es als eine moralische Verpflichtung, etwas für den Waldumbau zu bezahlen? Ein Wert von 1 bedeutet, dass Sie überhaupt keine moralische Verpflichtung empfinden; ein Wert von 7 bedeutet, dass Sie eine sehr starke moralische Verpflichtung verspüren“. Mit höheren Werten auf der Skala ist anzunehmen, dass eine Zahlung für den Waldumbau eher mit einer empfundenen Verpflichtung einhergeht und daher mit einer positiven Selbstsanktion, z.B. mit einem Gefühl moralischer Befriedigung. Der Mittelwert der Skala liegt bei einem transformierten Wertebereich von 0 bis 6 im Choice Experiment bzw. in der Kontingenten Bewertung bei 2,1 bzw. 2,2. Jeweils ca. 27 Prozent der befragten Personen nennen höhere Werte als den Mittelpunkt der Skala (Werte 4, 5 oder 6). Das Probit-Modell in Spalte vier der Tabelle 6.13 untersucht den Effekt der moralischen Verpflichtung (Norm) auf die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft bei Kontrolle der Variablen des ökonomischen Grundmodells und der Variablen der Normaktivierung. Die OLS-Schätzung in Spalte fünf zeigt, ob die Komponenten der Normaktivierung einen Einfluss auf die empfundene Zahlungsverpflichtung/Norm haben. Im Hinblick auf die wahrgenommene Zahlungsverantwortung erweist sich die wahrgenommene Notwendigkeit einer Zahlung lediglich in der Kontingenten Bewertung als signifikante Einflussgröße. Je stärker der Waldumbau als notwendig und wichtig erachtet wird, desto weniger wird der Rechtfertigungsstrategie gefolgt, dass man ohnehin genug Geld für andere Dinge bezahlt. Hierbei ist eine höhere Verantwortungsüberzeugung anzunehmen. Sowohl im Choice Experiment als auch in der Kontingenten Bewertung führt ein höheres Vertrauen in die Zahlungen der Mitbürger zu einer höheren Zahlungsverantwortung. Dieser Einfluss ist nicht nur über beide Methoden hinweg stabil, sondern er zeigt sich mit vergleichsweise hohen t-Werten recht deutlich. Die zentrale Variable des ökonomischen Grundmodells – das Einkommen – beeinflusst die Verantwortungskomponente im Choice Experiment positiv, aber nur auf einem 10%igen Signifikanzniveau. In der Kontingenten Bewertung hingegen spielt es keine Rolle. Die durch das Modell erklärte Varianz liegt in beiden Methoden bei ca. 20 Prozent. Mit Blick auf die Konsequenz der Zahlungshandlung, das Vertrauen in Behörden und Ämter, ergibt sich ein anderes Bild. Im Choice Experiment zeigt keine der drei Komponenten der Normaktivierung – Verantwortung, Notwendigkeit und Vertrauen in Mitbürger – einen nennenswerten Einfluss. In der Kontingenten Bewertung wiederum wirkt zumindest die Verantwortungskomponente signifikant positiv auf die wahrgenommenen Zahlungskonsequenzen. Das steht mit dem Normaktivierungsmodell in Einklang. Dennoch, auch 15
Diese empfundene (moralische) Verpflichtung ist auch ein zentraler Bestandteil der Low-Cost-Hypothese und der Überlegungen zur Zahlungsbereitschaft als moralisches Handeln.
6.5 Erweitertes Normaktivierungsmodell
219
hier zeigen sich die anderen Modellkomponenten nicht signifikant. Der signifikante Einkommenseffekt im Choice Experiment lässt sich nur schwer interpretieren. Es ist nicht ersichtlich, warum ein höheres Einkommen mit einem höheren Vertrauen in die zweckgebundene Geldverwendung durch staatliche Ämter einhergehen sollte. In der Kontingenten Bewertung zeigt sich der Einkommenseffekt nicht. Insgesamt bleibt ein ungenügender Modellfit in beiden Methoden zu konstatieren. Die erklärte Varianz ist mit 2 und 4 Prozent sehr gering. Das lässt zwei Schlussfolgerungen zu: Einerseits wäre möglich, dass die Beziehungen der Modellkomponenten untereinander im Zuge der Normaktivierung anders gelagert sind. Das hieße beispielsweise: Die wahrgenommene Konsequenz wirkt eher auf die wahrgenommene Verantwortung. Dies wiederum erscheint aber unplausibel. Darüber hinaus kann diese Umkehrung bei alternativen Schätzungen nicht bestätigt werden. Andererseits ist zu bedenken, dass die Verhaltenskonsequenz im Gegensatz zu den anderen Modellkomponenten allgemein gemessen wurde. Das Vertrauen in Institutionen hat sich nicht explizit auf den Waldumbau und das Forstplanungsamt als Zahlungsempfänger bezogen. Im Sinne eines Korrespondenzprinzips der Verhaltensnähe ist anzunehmen, dass eine spezifische Frage geeigneter wäre. Dieser Vermutung kann in der vorliegenden Studie nicht nachgegangen werden. Sie muss jedoch bei der Beurteilung der Ergebnisse berücksichtigt werden. Gerade im Zuge der eben genannten Einschränkungen sind die Ergebnisse des Gesamtmodells in Spalte drei von Tabelle 6.13 interessant. Dabei wird deutlich, dass die Bedingungen der Normaktivierung überwiegend einen signifikant positiven Effekt auf die Zahlungsbereitschaftswahrscheinlichkeit haben. Einzige Ausnahme ist die bereits diskutierte Konsequenz der Zahlungshandlung. Sie hat im Choice Experiment sogar einen signifikant negativen Effekt auf die Wahrscheinlichkeit, grundsätzlich zahlungsbereit zu sein. Je stärker Behörden und Ämtern beim Einsatz öffentlicher Mittel für den Umweltschutz vertraut wird, desto geringer ist die Zahlungswahrscheinlichkeit. Das könnte wie folgt gedeutet werden: Sobald Personen Vertrauen in die öffentliche Hand haben und sie der Überzeugung sind, dass genug Geld für den Umweltschutz vorhanden ist, sehen sie möglicherweise nicht ein, selbst etwas für Umweltmaßnahmen zu bezahlen. Das bleibt aber nur eine Vermutung. In der Kontingenten Bewertung hat die Konsequenzkomponente, wie erwartet, ein positives Vorzeichen, ist aber nicht signifikant. Im Gegensatz dazu können in beiden Bewertungsmethoden signifikant positive Effekte für die Wahrnehmung der Verantwortung, die Wahrnehmung der Notwendigkeit des Waldumbaus und für das Vertrauen in Mitbürger festgestellt werden. Im Choice Experiment scheint die relative Effektstärke der Modellkomponenten nahezu identisch (vgl. hilfsweise die z-Werte). In der Kontingenten Bewertung zeigt vor allem die wahrgenommene Verantwortung für eine Zahlung einen deutlichen Effekt (hohen z-Wert). Das Einkommen ist in beiden Methoden ohne Bedeutung. Damit wird der Einkommenseffekt aus dem ökonomischen Grundmodell im Choice Experiment durch die Bedingungen einer Normaktivierung verdrängt. Beide Probit-Schätzungen haben des Weiteren mit einer erklärten Varianz (McFaddens Pseudo-R²) um die 40 Prozent einen sehr hohen Modellfit, besonders mit dem ökonomischen Grundmodell als Referenz (Modellfit um die 6 Prozent). Die Determinanten der Normaktivierung leisten also einen hohen Erklärungsbeitrag im Kontext der grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft für den Waldumbau und für Veränderungen in der biologischen Vielfalt.
220
6 Theorieorientierte multivariate Analysen
Tabelle 6.13: Multivariate Analysen zur Normaktivierung (grundsätzliche Zahlungsbereitschaft) Choice Experiment (CE) Normaktivierung Variablen
OLS Verantwortung
OLS Konsequenz
Probit WTP(nein/ja)
OLS Norm
-0,16* (-2,47)
-0,23** (-3,12)
0,08+ (1,78)
-0,001 (-0,01)
0,43** (5,21)
0,25** (2,61)
0,57** (8,55)
Konsequenz der Zahlung Verantwortung für Zahlung
Probit WTP(nein/ja)
Notwendigkeit der Zahlung
0,001 (0,04)
0,007 (0,12)
0,31** (4,85)
0,28** (4,13)
0,15** (3,06)
Vertrauen in andere
0,30** (6,06)
0,031 (0,40)
0,35** (4,69)
0,25** (3,22)
0,26** (4,48)
0,35+ (1,85)
0,72* (2,57)
0,26 (0,97)
0,18 (0,59)
0,25 (1,15)
Äquivalenzeinkommen (logarithmiert) Norm
0,38** (4,88)
Adj./Pseudo-R² (McFadden)
0,23
0,02
0,41
0,48
0,45
N
292
292
292
292
292
Kontingente Bewertung (KB) Normaktivierung Variablen
OLS Verantwortung
OLS Konsequenz
Probit WTP(nein/ja)
Probit WTP(nein/ja)
OLS Norm
0,06 (1,12)
0,07 (1,12)
0,03 (0,72)
0,20* (2,23)
0,54** (6,48)
0,48** (5,45)
0,34** (5,20)
Konsequenz der Zahlung Verantwortung für Zahlung Notwendigkeit der Zahlung
0,17** (3,40)
0,002 (0,03)
0,14* (1,99)
0,08 (1,05)
0,26** (4,64)
Vertrauen in andere
0,23** (5,23)
-0,01 (-0,12)
0,24** (3,81)
0,13+ (1,82)
0,38** (7,58)
0,06 (0,34)
0,41 (1,49)
-0,24 (-0,84)
-0,30 (-1,00)
-0,04 (-0,22)
Äquivalenzeinkommen (logarithmiert) Norm
0,28** (3,69)
Adj./Pseudo-R² (McFadden)
0,19
0,04
0,37
0,41
0,44
N
296
296
296
296
296
** p<0,01; * p<0,05; + p<0,10. t-Werte und z-Werte in Klammern. Alle Modelle enthalten Geschlecht, Alter, Bildung und Nutzer (nein/ja) als Kontrollvariablen.
6.5 Erweitertes Normaktivierungsmodell
221
Das vierte Modell in Tabelle 6.13 zeigt die Ergebnisse des Gesamtmodells der Normaktivierung, wenn zusätzlich die Norm selbst als Erklärungsvariable aufgenommen wird. Sie hat einen eigenständigen Einfluss. In beiden Methoden ergibt sich ein hoch signifikant positiver Effekt der empfundenen moralischen Verpflichtung für eine Zahlung auf die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft. Je stärker das Verpflichtungsgefühl ausgeprägt ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, zahlungsbereit zu sein. Während im Choice Experiment die Bedingungen einer Normaktivierung ebenfalls ihre bisher berichteten Effekte beibehalten, verdrängt die Norm in der Kontingenten Bewertung insbesondere die Wahrnehmung der Notwendigkeit einer Zahlung. Die erklärte Varianz des um die Norm erweiterten Gesamtmodells erhöht sich in beiden Methoden um ca. 6 Prozentpunkte. Betrachtet man die Einheitseffekte, die in Tabelle 6.13 nicht ausgewiesen sind, wird nochmals der erhebliche Einfluss der moralischen Verpflichtung deutlich. Die Normperson hat im Choice Experiment eine Zahlungsbereitschaftswahrscheinlichkeit von 22 Prozent. Sie ist männlich, ein Nicht-Nutzer der Lüneburger Heide und nimmt bei allen weiteren Modellvariablen den Mittelwert an, wobei der Mittelwert der empfundenen moralischen Verpflichtung bei 2,1 liegt (Spanne der Variable von 0 bis 6). Erhöht sich die moralische Verpflichtung um eine Einheit, steigt die Zahlungsbereitschaftswahrscheinlichkeit um 13 Prozentpunkte. Die Normperson hätte bei einer höchstmöglichen moralischen Verpflichtung eine Wahrscheinlichkeit von 77 Prozent, zahlungsbereit zu sein. In der Kontingenten Bewertung hat die Normperson eine Zahlungsbereitschaftswahrscheinlichkeit von 13 Prozent, die sich mit einer zusätzlichen Einheit der moralischen Verpflichtung um 7 Prozentpunkte erhöht. Ausgehend von einem Wert von 2,2 auf der Moralskala (Normperson) steigt bei einer höchstmöglichen moralischen Verpflichtung (Wert von 6) die Wahrscheinlichkeit, zahlungsbereit zu sein, um 34 Prozentpunkte auf 47 Prozent. Abschließend sei noch betrachtet, inwieweit die Bedingungen der Normaktivierung das Ausmaß der empfundenen moralischen Verpflichtung und daher die Geltung bzw. Herausbildung der Norm selbst beeinflussen. In der Regel wird die Norm – moralische Verpflichtung – nicht gemessen. Allerdings würden signifikante Effekte der Normbedingungen auf die Norm(konstruktion) das Normaktivierungsmodell von Schwartz stützen. Das ist zutreffend, weil im sequenziellen Entscheidungsprozess insbesondere der „activation step: perception of need and responsibility“ dem „obligation step: norm construction and generation of feelings of moral obligation“ vorausgeht (Schwartz 1977: 241). Die letzte Spalte in Tabelle 6.13 gibt die Ergebnisse von OLS-Schätzungen, wobei das Ausmaß der empfundenen moralischen Verpflichtung die abhängige Variable bildet. Im Choice Experiment hat die wahrgenommene Konsequenz einer Zahlung (Vertrauen in Institutionen) den erwartet positiven Einfluss auf die Normgeltung, der sich aber nur auf einem 10%igen Signifikanzniveau zeigt. In der Kontingenten Bewertung hingegen bleibt er aus. Mit dem Normaktivierungsmodell in Einklang stehen die hoch signifikant positiven Effekte der Verantwortung für eine Zahlung und der Notwendigkeit einer Zahlung. Beide bekräftigen das Modell von Schwartz. Auch die Erweiterung um das Vertrauen in Mitbürger als Aspekt kollektiven Handelns ist über beide Methoden hinweg einflussreich, besonders stark in der Kontingenten Bewertung. Das Einkommen hat keine Wirkung. Damit kann festgehalten werden, dass die Bedingungen einer Normaktivierung die Geltung der Norm – hier die empfundene moralische Verpflichtung, etwas für den Waldumbau zu bezahlen – recht gut erklären können. Die erklärte Varianz der Schätzungen ist mit Werten um die 45 Prozent in beiden Bewertungsmethoden als hoch einzustufen.
222
6 Theorieorientierte multivariate Analysen
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das erweiterte Normaktivierungsmodell im Großen und Ganzen eine Bestätigung findet. Zum einen sind die Bedingungen der Normaktivierung bis auf die wahrgenommenen Verhaltenskonsequenzen für die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft durchweg relevant. Zum anderen erklären diese Bedingungen die Geltung der Norm selbst, was die theoretischen Überlegungen zusätzlich stützt. Bei der Konsequenzkomponente ist ein Messproblem zu vermuten. Die Operationalisierung als Vertrauen in Institutionen mit Blick auf den Mitteleinsatz von Geldern hat sich nicht bewährt. Dabei kommt hinzu, dass dieses Vertrauen auf einer allgemeinen Ebene gemessen wurde und somit nicht mit dem spezifischen Verhalten der Zahlungsbereitschaft für den Waldumbau korrespondiert. Die Wahrnehmung von Verantwortung hingegen konnte über die Wahrnehmung der Notwendigkeit des Waldumbaus und über das Vertrauen in andere Mitbürger (ihre Zahlungsbereitschaft) gut erklärt werden. Damit wird auch der sequenzielle Charakter der Normaktivierung zumindest nahe gelegt. Neben den indirekten Effekten haben die Normkomponenten jedoch vor allem direkte Effekte auf die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft. Weiterhin wurde deutlich, welche Determinanten die Norm(konstruktion) direkt beeinflussen. Da außerdem bereits an dieser Stelle gezeigt wurde, dass die Norm einen eigenständigen Einfluss auf die Zahlungsbereitschaft hat, der über die Normbedingungen hinausgeht, könnte man insgesamt schlussfolgern, dass es in künftigen Studien ausreicht, allein die Norm zu messen, sofern man auf die Bedingungen verzichten kann. Explizit wurde die Bedeutung kollektiven Handelns für Zahlungsbereitschaftsanalysen bekräftigt. Das Vertrauen oder besser die Überzeugung, dass andere etwas für den Waldumbau bezahlen, hat nicht nur einen partiellen Einfluss auf die Normbedingungen, sondern auch auf die Zahlungsbereitschaft. Dies steht mit den positiven Befunden zum Dilemmabewusstsein im Kapitel 6.2. in Einklang. Mit Blick auf die theoretischen Grundlagen der Zahlungsbereitschaftsanalyse zeigen die multivariaten Ergebnisse zum Normaktivierungsmodell, dass normbezogenes (hier moralisches) Handeln in der vorliegenden Studie zum Tragen kommt. Damit bewegen sich die Befunde an der Schnittstelle zwischen dem Beitrags- und Käufermodell der Zahlungsbereitschaft. Hier bleibt zu klären, inwieweit die persönliche Norm einer moralischen Zahlungsverpflichtung zu den ökonomisch-theoretischen Grundlagen der monetären Bewertung von Umweltgütern in Widerspruch steht. In den Auswertungen zu moralischem Handeln im nächsten Abschnitt wird in Erweiterung einer spezifisch empfundenen Zahlungsverpflichtung auch eine allgemeine moralische Zahlungsverpflichtung (Norm) betrachtet. Anhand dieser Ergebnisse – der eigenständigen Wirkung der Norm auf zwei Ebenen – ist dann zu diskutieren, wie die Rolle moralischer Handlungsmotivationen einzuordnen ist. Die hier vorgestellten Befunde zu Aspekten kollektiven Handelns (das Vertrauen in Zahlungen der Mitbürger) sprechen partiell für einen Beitragscharakter der grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft in beiden Methoden, da die eigene Zahlungsbereitschaft mit Erwartungshaltungen an die Zahlungen Dritter in Verbindung steht. Methodisch gesehen hieße dies eine Missspezifikation des Bewertungsszenarios. Allerdings bleibt es eine empirische Frage, ob sich Vertrauensaspekte auch in anderen Bewertungsstudien zeigen und daher eine Allgemeingültigkeit erlangen. Bislang gibt es keine anderen (quantitativen) Bewertungsstudien, die dieser Frage nachgegangen sind.
6.6 Moralisches Handeln
223
6.6 Moralisches Handeln Im Rahmen der Überlegungen zu moralischem Handeln wurde angenommen, dass auf hypothetischen Märkten für kollektive Umweltgüter neben Käufermotivationen sowohl eine umweltgutspezifische moralische Zahlungsverpflichtung als auch eine allgemeine moralische Zahlungsverpflichtung individuelle Zahlungsbereitschaften beeinflussen. Die jeweiligen Verpflichtungen korrespondieren u.a. mit der Idee eines Warm Glow, d.h. dem Gefühl etwas Gutes getan zu haben, und spezifisch mit der These von Kahneman und Knetsch (1992), dass Befragte sich moralische Befriedigung kaufen. Im theoretischen Teil wurde argumentiert, dass diese Emotionen untrennbar bzw. nicht eindeutig trennbar mit empfundenen Zahlungsverpflichtungen verbunden sind. Das gute Gefühl kann als ein Nebenprodukt gesehen werden, sobald Personen moralischen Normen/Verpflichtungen folgen. Damit sind insgesamt die folgenden beiden Hypothesen empirisch zu überprüfen: (1) Die Zahlungsbereitschaft für ein Umweltgut wird sowohl von einer umweltgutspezifischen moralischen Verpflichtung (spezifischer Warm Glow) als auch von einer allgemeinen moralischen Verpflichtung (allgemeiner Warm Glow) beeinflusst. (2) Je stärker eine umweltgutspezifische oder allgemeine moralische Verpflichtung zur Zahlung ausgeprägt ist, desto wahrscheinlicher ist eine Zahlungsbereitschaft und desto höher sind die Zahlungsbeträge für ein Umweltgut. Die umweltgutspezifische moralische Verpflichtung wurde auf einer Siebenpunkteskala mit der Frage erhoben: „Wie sehr sehen Sie es als eine moralische Verpflichtung, etwas für den Waldumbau zu bezahlen? Ein Wert von 1 bedeutet, dass Sie überhaupt keine moralische Verpflichtung empfinden; ein Wert von 7 bedeutet, dass Sie eine sehr starke moralische Verpflichtung verspüren“. Diese spezifische moralische Verpflichtung diente im Zusammenhang mit der Low-Cost-Hypothese als Maß für die Verhaltenskosten (vgl. Abschnitt 6.3) und wurde bereits im voranstehenden Abschnitt zum Normaktivierungsmodell behandelt. Dabei wurde ein positiver direkter Effekt der spezifischen moralischen Verpflichtung auf die Zahlungsbereitschaft deutlich. Anstelle der binär kodierten Variable zur spezifischen Verpflichtung, wie sie beim Test der Low-Cost-Hypothese verwendet wurde, wird an dieser Stelle die quasi-metrische Variable mit einem Wertebereich von 0 bis 6 verwendet. Ein Wert von 0 bedeutet, dass die Person überhaupt keine moralische Verpflichtung zur Zahlung für den Waldumbau empfindet, und ein Wert von 6 bedeutet, dass die Person eine sehr starke moralische Verpflichtung empfindet. Die Variable hat im Choice Experiment bzw. in der Kontingenten Bewertung einen Mittelwert von 2,1 bzw. 2,2. Im Unterschied zu der Verpflichtung, etwas für ein bestimmtes Umweltgut zu zahlen, wurde in den theoretischen Überlegungen ferner argumentiert, dass es eine allgemeine Verpflichtung gibt, sich für irgendetwas Gutes einzusetzen. Das kommt am ehesten einem unspezifischen Bedürfnis nahe, sich für andere bzw. die Umwelt zu engagieren. Diese allgemeine Verpflichtung und damit der allgemeine Warm Glow wurde mit acht Aussagen gemessen, die zum Teil an eine Studie von Nunes und Schokkaert (2003) zur Messung des Warm Glow-Effekts anknüpfen. Tabelle 6.14 enthält diese Aussagen mit ihren jeweiligen Zustimmungswerten und mit Ergebnissen von Faktorenanalysen. Alle Aussagen wurden auf einer Fünfpunkteskala bewertet (1=„trifft überhaupt nicht zu“ bis 5=„trifft voll und ganz zu“). Die Zustimmungswerte geben an, für wie viele der Befragten die jeweilige Aus-
224
6 Theorieorientierte multivariate Analysen
sage eher oder voll und ganz zutrifft. Die Items A, B, C und F stammen im Wesentlichen aus der oben genannten Studie von Nunes und Schokkaert. Insgesamt beziehen sich die Items auf verschiedene Aspekte des Spendenverhaltens der Befragten. Dabei werden sowohl Spenden an Personen als auch Spenden im Umweltbereich betrachtet. Während die Aussage A generell danach fragt, ob es gemeinnützige Organisationen gibt, die der Befragte gern mit einer Spende unterstützt, wird in Aussage B mit dem „Betteln auf Straßen“ eine spezifische Situation betrachtet. Ungefähr 40 Prozent der Befragten geben an, gern eine Spende zu leisten. Demgegenüber hat die Aussage B mit ca. 24 Prozent den geringsten Zustimmungsanteil im Vergleich zu allen anderen Items. Die direkte Weitergabe von Geld an Bedürftige auf der Straße könnte aus Sicht der befragten Personen unangenehmer sein als eine Spende an eine Organisation. Aussage C wiederum, die darauf abzielt, ob andere Personen geschätzt werden, die regelmäßig etwas für gemeinnützige Organisationen spenden, erhält in beiden Methoden mit ca. 60 Prozent die höchste Zustimmung. Die Aussagen D und E fokussieren eine empfundene Verantwortung der Befragten, Geld für das Wohl der Gemeinschaft zu spenden. Ungefähr 60 Prozent geben im Sinne von Rechtfertigungsstrategien eine „bedingte“ Verantwortung an, d.h. sie sehen es nicht ein, etwas zu spenden, solange andere, die genug Geld haben, zu wenig für das Gemeinschaftswohl tun, und sie geben an, genug eigene Probleme zu haben, sodass eine Spende nicht möglich ist. Die Zustimmungswerte zu den Aussagen D und E (jeweils ca. 40 Prozent) beziehen sich hingegen auf diejenigen Personen, die eine unbedingte Verantwortung empfinden bzw. keine Rechtfertigung für Nicht-Spenden anführen. Die Items F, G und H messen in einem engeren Sinne den allgemeinen Warm Glow bzw. eine empfundene allgemeine Verpflichtung, etwas Gutes zu tun. Den Aussagen stimmen jeweils ca. ein Drittel der Befragten zu. Ihnen gefällt es, Projekte zur Verbesserung der Umwelt finanziell zu unterstützen, und ihnen gibt eine gemeinnützige Spende ein gutes Gefühl. Darüber hinaus geben Sie an, eine Verpflichtung zu haben, sich für andere Personen oder die Umwelt einzusetzen. Mit einer Faktorenanalyse lässt sich überprüfen, ob die acht Items eine eindimensionale Messung der allgemeinen moralischen Verpflichtung/Warm Glow ergeben.16 Für das Choice Experiment (CE) mündet die Analyse in eine einfaktorielle, für die Kontingente Bewertung (KB) in eine zweifaktorielle Lösung. In der KB bilden die Aussagen D und E einen eigenständigen zweiten Faktor, der inhaltlich auf die Ablehnung einer Verantwortung für die finanzielle Unterstützung des Gemeinwohls abzielt. Entweder andere, die genug Geld haben, sollen etwas spenden, oder Befragte haben genug eigene Probleme und können daher kein Geld geben. Die Faktorladungen der eindimensionalen Lösung in der KB und des ersten Faktors im CE sind Tabelle 6.14 zu entnehmen. Dabei sind die besten Einzelmessungen der allgemeinen moralischen Verpflichtung jeweils die Aussagen F und G. Diese zwei Items werden neben der Aussage H in den weiteren Analysen als ein eng gefasstes Maß für die allgemeine Verpflichtung herangezogen. Die Entscheidung zugunsten eines eng gefassten Maßes für die allgemeine moralische Verpflichtung ist inhaltlich begründet. Bisher gab es lediglich die Items aus der Studie von Nunes und Schokkaert zur Messung von Warm Glow. 16
In den theoretischen Überlegungen wurde angenommen, dass das gute Gefühl (Warm Glow) eine Folge der empfundenen moralischen Verpflichtung ist bzw. untrennbar mit ihr verbunden scheint. Im Folgenden wird hierbei von einer allgemeinen moralischen Verpflichtung in Abgrenzung zur spezifischen moralischen Verpflichtung die Rede sein, auch wenn sich die Aussagen in Tabelle 6.14 zum Teil stärker auf ein „Taste of Giving“ beziehen.
225
6.6 Moralisches Handeln
Tabelle 6.14: Skala zur Messung des allgemeinen Warm Glow Choice Experiment Aussagen
Zustimmung Faktorin % ladungen
Kontingente Bewertung Zustimmung in %
Faktorladungen
A: Es gibt gemeinnützige Organisationen, deren Arbeit ich gern mit einer Spende unterstütze.
42
0,81
36
0,77
B: Wenn ich auf der Straße von bedürftigen Personen um Geld gebeten werde, fällt es mir schwer, ihre Bitte abzuschlagen.
26
0,66
21
0,65
C: Ich schätze Personen, die regelmäßig etwas für gemeinnützige Organisationen spenden.
62
0,65
60
0,50
D: Solange diejenigen, die ohnehin genug Geld haben, zu wenig für das Wohl der Gemeinschaft spenden, sehe ich es nicht ein, etwas dafür zu geben.*
36
0,57
41
E: Ich habe genug eigene Probleme, da muss ich nicht auch noch etwas für gemeinnützige Organisationen und Umweltprojekte spenden.*
33
0,72
36
F: Mir gefällt es, Projekte zur Verbesserung der Umwelt finanziell zu unterstützen. Für so etwas werde ich selten einen Beitragswunsch ablehnen.
31
0,85 0,92
26
0,83 0,91
G: Eine Spende für gemeinnützige Projekte, z.B. im Umweltschutz, gibt mir ein gutes Gefühl.
38
0,86 0,90
39
0,84 0,90
H: Wenn ich Geld für eine „gute Sache“ gebe, dann ist das nichts Besonderes. Ich habe doch eine Verpflichtung, mich für andere Personen oder für die Umwelt einzusetzen.
33
0,78 0,85
31
0,80 0,85
Bemerkung: Alle Aussagen wurden auf einer Fünfpunkteskala beantwortet. Die Zustimmungswerte beziehen sich auf die Kategorien „trifft eher zu“ sowie „trifft voll und ganz zu“. * Diese Aussage wurde umkodiert, da eine Ablehnung einem stärkeren Warm Glow entspricht.
Wie sich Tabelle 6.14 entnehmen lässt, messen die Aussagen A, B, C und F zwar einen „Taste of Giving“, aber nur abgeschwächt das Gefühl, etwas Gutes zu tun, bzw. in Perspektive der vorliegenden Arbeit eine empfundene (moralische) Verpflichtung, etwas Gutes zu tun. Die Faktorenanalyse belegt, dass in weiten Teilen alle Items ein und dasselbe messen. Daher scheint es unproblematisch, ein eng gefasstes Maß zu verwenden, das mit wenigen Aussagen auskommt und somit „ohne viel Aufwand“ auch in weiteren Studien eingesetzt werden kann.17 Die drei Items F, G und H ergeben eine eindimensionale Faktorlösung, die im Choice Experiment (CE) und in der Kontingenten Bewertung (KB) 79 Prozent der Varianz der Items erklärt. Die Faktorladungen sind in Tabelle 6.14 fett gedruckt angegeben. Aus den drei Items wurde ein additiver Index „Allgemeine moralische Verpflichtung“ ge17
Darüber hinaus sei erwähnt, dass sich das weit und eng gefasste Maß für Warm Glow hinsichtlich ihrer folgend berichteten multivariaten Effekte auf die Zahlungsbereitschaft praktisch nicht unterscheiden.
226
6 Theorieorientierte multivariate Analysen
bildet, dessen Wertebereich von 0 bis 10 standardisiert wurde. Höhere Werte auf der Skala bedeuten eine stärker wahrgenommene allgemeine Verpflichtung, etwas Gutes zu tun. Der Mittelwert des Summenindex liegt im CE bei 4,8 und in der KB bei 4,5. Für die Reliabilität der Skala ergibt sich im CE und in der KB ein Wert von 0,87 (Cronbachs Alpha). Für die nachstehenden Analysen wurde die Skala auf ihren Mittelwert hin zentriert. In der Ergebnistabelle 6.15 wird zunächst überprüft, ob die zwei Handlungsmotivationen – eine spezifische, auf das Umweltgut gerichtete und eine allgemeine/unspezifische moralische Zahlungsverpflichtung – einen Effekt auf die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft haben. Bei den einzelnen Modellen handelt es sich um sukzessive Erweiterungen des ökonomischen Grundmodells. In der ersten und zweiten Zahlenspalte der Tabelle werden jeweils für sich genommen Modellergebnisse zur spezifischen und allgemeinen moralischen Verpflichtung berichtet. Sodann werden beide Determinanten in einem Modell zusammengeführt (dritte Zahlenspalte). Die vierte Zahlenspalte in Tabelle 6.15 zeigt die Einheitseffekte der beiden Variablen. In Erweiterung des ökonomischen Grundmodells fällt zunächst auf, dass in allen Modellen das Einkommen keinen Effekt auf die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft hat. Während das Einkommen in der Kontingenten Bewertung bereits im Basismodell keinen signifikanten Einfluss zeigt, wird der signifikante Einkommenseffekt des ökonomischen Grundmodells im Choice Experiment sowohl durch die spezifische als auch die allgemeine moralische Zahlungsverpflichtung verdrängt. Für beide Methoden ergibt sich hinsichtlich der Effekte der beiden Verpflichtungskomponenten dasselbe Bild. Die spezifische Verpflichtung, etwas für den Waldumbau zu bezahlen, und die allgemeine Verpflichtung, etwas für eine gute Sache zu spenden, erhöhen für sich genommen, d.h. einzeln betrachtet und zusammen genommen, d.h. unter Kontrolle der jeweils anderen Variable, die Wahrscheinlichkeit, zahlungsbereit zu sein. Die Effekte sind deutlich und in jedem Falle signifikant. Betrachtet man die relative Einflussstärke beider Determinanten, wird deutlich, dass die spezifische Verpflichtung einen stärkeren Effekt hat als die allgemeine Verpflichtung (vgl. hilfsweise die z-Werte). Allerdings ist dieser Unterschied nicht überraschend, da sich die eine Komponente auf ein spezifisches Verhalten bezieht – Zahlung für den Waldumbau – und die andere Komponente unspezifisch ist – Spenden für gemeinnützige Organisationen und den Umweltschutz. Insgesamt bleibt aber festzuhalten, dass beide Handlungsmotivationen – die spezifische und die allgemeine moralische Verpflichtung – einen durchweg signifikant positiven Effekt auf die Wahrscheinlichkeit haben, zahlungsbereit zu sein. Gemessen an der Normperson, die im Choice Experiment eine Zahlungsbereitschaftswahrscheinlichkeit von 30 Prozent hat und in der Kontingenten Bewertung von 10 Prozent, erhöht sich diese Wahrscheinlichkeit um 16 (CE) bzw. 8 (KB) Prozentpunkte, wenn die spezifische moralische Verpflichtung um eine Einheit steigt und um 7 (CE) bzw. 4 (KB) Prozentpunkte, wenn die allgemeine moralische Verpflichtung um eine Einheit zunimmt. Würde die Normperson ein Maximum an spezifischer moralischer Verpflichtung aufweisen, läge ihre Wahrscheinlichkeit, zahlungsbereit zu sein, im CE bei 87 Prozent und in der KB bei 53 Prozent. Bei einem Maximum an allgemeiner moralischer Verpflichtung („Taste of Giving“) ergeben sich für das CE und die KB Wahrscheinlichkeitswerte von 68 und 52 Prozent. Beide Erklärungsdeterminanten zeigen sich als überaus bedeutsam und verbessern den Modellfit des ökonomischen Grundmodells wesentlich. Die erklärte Varianz erhöht sich mit Blick auf McFaddens Pseudo-R²-Maß um bis zu 30 Prozentpunkte, wenn die spezifische und allgemeine moralische Verpflichtung in das Modell aufgenommen werden.
227
6.6 Moralisches Handeln
Tabelle 6.15: Multivariate Analysen zu moralischem Handeln (grundsätzliche Zahlungsbereitschaft) Choice Experiment (CE) Variablen
Probit WTP(nein/ja)
Äquivalenzeinkommen (logarithmiert)
0,31 (1,06)
Spezifische moralische Verpflichtung (0 – 6)
0,54** (8,87)
Allgemeine moralische Verpflichtung (0 – 10)
Probit WTP(nein/ja)
Probit WTP(nein/ja)
Probit-E WTP(nein/ja)
-0,08 (-0,27)
-0,06 (-0,20)
-0,02 (-0,21)
0,43** (6,25)
0,16** (5,65)
0,31** (7,47)
0,19** (3,38)
0,07** (2,08)
LL0
-197,74
-197,74
-197,74
-197,74
LLModell
-132,18
-146,18
-124,43
-124,43
Pseudo-R² (McFadden)
0,33
0,26
0,37
0,37
Pseudo-R² (Grundmodell)
0,08
0,08
0,08
0,08
N
292
292
292
292
Kontingente Bewertung (KB) Variablen
Probit WTP(nein/ja)
Probit WTP(nein/ja)
Probit WTP(nein/ja)
Probit-E WTP(nein/ja)
Äquivalenzeinkommen (logarithmiert)
-0,16 (-0,62)
-0,02 (-0,09)
-0,22 (-0,78)
-0,03 (-0,90)
Spezifische moralische Verpflichtung (0 – 6)
0,46** (7,83)
0,35** (5,29)
0,08** (5,29)
0,30** (7,24)
0,22** (4,71)
0,04** (4,71)
Allgemeine moralische Verpflichtung (0 – 10) LL0
-175,00
-175,00
-175,00
-175,00
LLModell
-127,26
-129,94
-114,83
-114,83
Pseudo-R² (McFadden)
0,27
0,26
0,34
0,34
Pseudo-R² (Grundmodell)
0,06
0,06
0,06
0,06
N
297
297
297
297
** p<0,01; * p<0,05. t-Werte und z-Werte in Klammern. Alle Modelle enthalten Geschlecht, Alter, Bildung und Nutzer (nein/ja) als Kontrollvariablen. Probit-E berichtet Einheitseffekte mit der Normperson: männlich, 49 Jahre (CE)/50 Jahre (KB) alt, 10 Bildungsjahre, Nicht-Nutzer, jeweils die Mittelwerte der drei Modellvariablen und eine 30%ige (CE)/10%ige (KB) Zahlungsbereitschaftswahrscheinlichkeit.
228
6 Theorieorientierte multivariate Analysen
Bis jetzt kann für die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft festgehalten werden, dass erstens die spezifische, ebenso wie die allgemeine moralische Verpflichtung (der spezifische und allgemeine Warm Glow) unabhängig voneinander eine empirische Relevanz haben und dass zweitens beide Determinanten den Einkommenseffekt im Choice Experiment (CE) verdrängen. Mit Blick auf die Zahlungsbereitschaft als moralisches Handeln wird insbesondere durch die Verdrängung des Einkommenseffektes nahe gelegt, dass eine Beitragsmotivation unter Umständen der zentrale Auslöser für die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft ist bzw. stärker zu gewichten ist als die harten ökonomischen Faktoren wie das Einkommen. Es bleibt die Frage, inwieweit die Verpflichtungskomponenten auf die Höhe der Zahlungsbereitschaft in der Kontingenten Bewertung wirken. Ähnlich wie bei den anderen theoretischen Modellen ist vorweg anzumerken, dass die verschiedenen Modellschätzungen zur Höhe der Zahlungsbereitschaft lediglich einen stabilen Einkommenseffekt zeigen. Deshalb werden an dieser Stelle nur vier ausgewählte Modelle berichtet, deren Ergebnisse sich in Tabelle 6.16 finden. Dabei wird das ökonomische Grundmodell für die gesamte Zahlungsspanne und für die eingeschränkte Zahlungsspanne jeweils im ersten Modell um die allgemeine moralische Verpflichtung und im zweiten Modell um die spezifische moralische Verpflichtung bei Kontrolle der allgemeinen Verpflichtung erweitert.
Tabelle 6.16: Multivariate Analysen zu moralischem Handeln (Höhe der Zahlungsbereitschaft) Variablen
OLS ln(WTP+1) unbeschränkt
Äquivalenzeinkommen (logarithmiert)
0,86** (3,22)
Spez. moralische Verpflichtung
OLS ln(WTP+1) unbeschränkt
0,86** (3,19)
OLS ln(WTP+1) beschränkt
0,69** (3,43)
-0,01 (-0,14)
Allg. moralische Verpflichtung Adj. R² N
OLS ln(WTP+1) beschränkt
0,68** (3,33) 0,02 (0,34)
0,06 (1,14)
0,06 (0,99)
0,08* (2,22)
0,07 (1,62)
0,14
0,13
0,18
0,17
82
82
72
72
+
** p<0,01; * p<0,05; p<0,10. t-Werte in Klammern. Alle Modelle enthalten Geschlecht, Alter, Bildung und Nutzer als Kontrollvariablen. Die Zahlungsbereitschaft für die OLS-Regressionen mit Beschränkung liegt im Bereich von 2,50€<WTP<67,50€.
Über alle Modelle hinweg ist der bereits erwähnte hoch signifikante Einkommenseffekt zu konstatieren. Im Fall der gesamten Zahlungsspanne zeigen weder die spezifische noch die allgemeine moralische Verpflichtung einen signifikanten Effekt. Im Kontext der eingeschränkten Zahlungsspanne hat die allgemeine moralische Verpflichtung einen positiven Effekt auf die Höhe der Zahlungsbereitschaft, der auf einem Signifikanzniveau von 5 Prozent liegt. Dieser Effekt schwindet aber, sobald die spezifische moralische Verpflichtung
6.7 Zusammenschau der multivariaten Ergebnisse, Diskussion und Schlussfolgerungen
229
im Modell berücksichtigt wird. Hierbei verfehlt die allgemeine moralische Verpflichtung allerdings nur knapp das Signifikanzniveau von 10 Prozent. Insgesamt können damit die Hypothesen zum moralischen Handeln für die Höhe der Zahlungsbereitschaft nicht bestätigt werden. Vielmehr wird der Eindruck aus den bisherigen Analysen gestärkt, dass bei der Höhe der Zahlungsbereitschaft in der Kontingenten Bewertung das Einkommen die wesentliche Erklärungsdeterminante ist. 6.7 Zusammenschau der multivariaten Ergebnisse, Diskussion und Schlussfolgerungen In den vorangegangenen Abschnitten wurden verschiedene theoretische Modelle/Überlegungen einem empirischen Test unterzogen. An dieser Stelle sollen die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst und diskutiert werden. Die Zusammenfassung beschränkt sich auf eine Erläuterung, inwieweit die theoretischen Konzepte für sich genommen eine Gültigkeit erlangen. In der Diskussion der Untersuchungsergebnisse werden einige ergänzende bivariate und multivariate Analysen vorgenommen, um sich der Frage zu nähern, welche Motivationen und Determinanten hauptsächlich die Zahlungsbereitschaft für Veränderungen der biologischen Vielfalt beeinflussen. Darüber hinaus werden die Ergebnisse im Rahmen der Stärken und Schwächen ihrer theoretischen Fundierung beleuchtet.
Zusammenschau der multivariaten Ergebnisse Einen Überblick zur Bestätigung/Ablehnung der einzelnen theoretischen Ansätze auf Basis der multivariaten Befunde gibt Tabelle 6.17. Sie folgt dem bereits bewährten Darstellungsmuster. Die zentralen abhängigen Variablen waren und sind zum einen die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft für den Waldumbau in der Lüneburger Heide – die Nein/Ja-Entscheidung bezogen auf das Choice Experiment und die Kontingente Bewertung – sowie zum anderen die Höhe der Zahlungsbereitschaft in der Kontingenten Bewertung, gegeben die Tatsache einer grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft. Die Angaben in Tabelle 6.17 werden in dem Sinne verdichtet, als dass nicht die Einzelhypothesen betrachtet werden (siehe dazu die entsprechenden Abschnitte), sondern lediglich kenntlich gemacht wird, ob insgesamt die theoretischen Überlegungen bestätigt werden konnten. Der Tabelle ist zu entnehmen, dass das ökonomische Grundmodell der Zahlungsbereitschaft – hier ausschließlich mit Blick auf einen positiven Einkommenseffekt als wichtigsten Bestandteil – im Choice Experiment eine Bestätigung findet. Das gilt für die Kontingente Bewertung nur eingeschränkt, d.h. lediglich für die Höhe der Zahlungsbereitschaft. Zum ökonomischen Grundmodell sind zwei Aspekte anzumerken, die sich auch auf die Beurteilung der restlichen Untersuchungsergebnisse erstrecken: (1) Die Ergebnisse zu den beiden Bewertungsmethoden sind nicht direkt miteinander vergleichbar. Sie geben dennoch einen Hinwies auf die Stabilität der theoretisch postulierten Effekte. Ein unmittelbarer Vergleich zwischen den Bewertungsmethoden ist nur eingeschränkt möglich, weil das Choice Experiment eher mit einem Referendumsformat in der Kontingenten Bewertung korrespondiert. Beim Referendumsformat werden den Zielpersonen Zahlungsbeträge für Veränderungen der Umweltqualität vorgelegt, die angenommen oder abgelehnt werden. In der vor-
230
6 Theorieorientierte multivariate Analysen
liegenden Studie wurden Personen in der Kontingenten Bewertung erst direkt gefragt, ob sie grundsätzlich zahlungsbereit sind, und die Zahlungsbereiten wurden dann aufgefordert, ihre Zahlungsbereitschaft mithilfe einer Geldleiter zum Ausdruck zu bringen. Trotz dieser unterschiedlichen Methodik sollten dennoch die theoretischen Hypothesen bestätigt werden können. Aber, ein Methodeneffekt ist nicht ganz auszuschließen, d.h. jemand könnte einwenden, in der Kontingenten Bewertung hätte man andere Ergebnisse erhalten, wenn ein Referendumsformat verwendet worden wäre. Doch dies ist nur für den Methodenvergleich von Relevanz, der hier nicht im Vordergrund steht. Ökonomisch interessierende Variablen wie das Einkommen sollten einen Effekt in jeder Art von Bewertungsstudie haben. (2) Die Analysen zum ökonomischen Grundmodell in der Kontingenten Bewertung haben gezeigt, dass bei der Zahlungsbereitschaft zwei analytisch „getrennte“ Entscheidungsprozesse vorliegen. Zum einen gilt die Dominanzannahme, d.h. die Entscheidung zur grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft dominiert die Entscheidung zur Höhe der Zahlungsbereitschaft. Zum anderen sind beide Entscheidungen mehr oder weniger unabhängig voneinander. Sie können und müssen daher separat betrachtet werden. Ein Blick auf Tabelle 6.17 macht deutlich, dass bis auf das Dilemmabewusstsein über alle theoretischen Postulate hinweg die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft anders determiniert ist als die Höhe der Zahlungsbereitschaft. Dies ist sicherlich auch wegen des Zweischrittverfahrens bei der Messung der Zahlungsbereitschaft in der Kontingenten Bewertung nicht unplausibel. Während das Einkommen keinen Effekt auf die Entscheidung hat, grundsätzlich zahlungsbereit zu sein, ist es bei der Höhe der Zahlungsbereitschaft die dominierende Einflussgröße und stützt damit das ökonomische Basismodell.
Tabelle 6.17: Zusammenschau der multivariaten Ergebnisse Grundsätzliche Zahlungsbereitschaft
Höhe der Zahlungsbereitschaft
Choice Experiment
Kontingente Bewertung
Kontingente Bewertung
Ökonomisches Grundmodell
++
0
++
Theorien kollektiven Handelns – Dilemmabewusstsein
++
++
+
–
0
0
Theorie geplanten Handelns
++
++
0
Erweitertes Normaktivierungsmodell
++
++
Moralisches Handeln
++
++
Theoretischer Ansatz
Low-Cost-Hypothese (Umweltbewusstsein)
0
++ Hypothesen voll und ganz bestätigt, + Hypothesen teilweise bestätigt, 0 Hypothesen nicht bestätigt, – Hypothesen teilweise falsifiziert, – – Hypothesen voll und ganz falsifiziert
6.7 Zusammenschau der multivariaten Ergebnisse, Diskussion und Schlussfolgerungen
231
Betrachtet man die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft in beiden Bewertungsmethoden, wird in Tabelle 6.17 deutlich, dass die Dilemma-Hypothese, die Theorie geplanten Handelns, das (erweiterte) Normaktivierungsmodell und die Überlegungen zu moralischem Handeln eine klare Bestätigung finden. All diese theoretischen Konzepte sind unabhängig von der Bewertungsmethode und für sich genommen in der Lage, einen Beitrag zur Erklärung der grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft zu leisten. Das ist insbesondere für jene Modelle interessant, die als Erweiterung oder bei Kontrolle des ökonomischen Basismodells getestet wurden. Hierbei handelt es sich um das Dilemmabewusstsein, das Normaktivierungsmodell und um das moralische Handeln. Wenig überzeugend sind die Ergebnisse zur Low-Cost-Hypothese im Zusammenspiel von Umweltbewusstsein und Zahlungsbereitschaft. Die Annahme, dass unter Bedingungen vergleichsweise geringer Verhaltenskosten, das Umweltbewusstsein einen stärkeren Effekt auf die Zahlungsbereitschaft hat, findet im Choice Experiment sogar teilweise ihre Umkehrung. Hier wirkt das Umweltbewusstsein mitunter in High-Cost-Situationen stärker als in Low-Cost-Situationen. In der Kontingenten Bewertung wird die Low-Cost-Hypothese zumindest für das Einkommen und die persönliche Norm als Maß für die Verhaltenskosten zum Teil, aber keineswegs durchgängig gestützt. Bei der Höhe der Zahlungsbereitschaft lässt sich aus Tabelle 6.17 ablesen, dass das ökonomische Grundmodell (der Einkommenseffekt) die einzig stabile Erklärung liefert. Die Dilemma-Hypothese findet zwar eine gewisse Bestätigung, die aber im Endergebnis auf wackligen Füßen steht.
Diskussion der Ergebnisse Welche Schlussfolgerungen lassen die Ergebnisse bis hierhin und mit Blick auf die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft zu? Hätte man, was in den meisten Studien der Fall ist, nur jeweils ein theoretisches Modell getestet, ergäben sich möglicherweise folgende Argumentationen: (1) Die Ergebnisse zum Dilemmabewusstsein legen nahe, dass befragte Personen, die sich der Probleme kollektiven Handelns bewusst sind, z.B. die Überzeugung teilen, dass der Einzelne keinen Einfluss auf den Zustand der Umwelt hat, eher nicht zahlungsbereit sind. Da idealtypisch auf einem hypothetischen Markt kollektives Handeln keine Rolle spielen dürfte, kann der Effekt des allgemeinen Dilemmabewusstseins so gedeutet werden, dass Respondenten Aspekte bei der (kollektiven) Bereitstellung von Umweltgütern in ihre Zahlungsbereitschaftsentscheidung hineintragen. Das jedoch spricht im weitesten Sinne für ein Beitragsmodell, in dem Personen eine gute Sache unterstützen wollen, zu der auch andere etwas beitragen. Hierbei wird kollektives Handeln explizit berücksichtigt. (2) Die uneinheitlichen Ergebnisse zur Low-Cost-Hypothese zum Zusammenhang von Umweltbewusstsein und Zahlungsbereitschaft lassen keine stringente Schlussfolgerung zu. Bei der Kontingenten Bewertung wird nahe gelegt, die Hypothese in weiteren Studien zu testen, um sich ein Bild über die tatsächliche Relevanz zu machen. Mit Blick auf das Choice Experiment würde man von dieser Empfehlung abraten. Insgesamt sind zum einen die Messprobleme der Hypothese, speziell die Operationalisierung der Verhaltenskosten, zu erwähnen. Zum anderen handelt es sich bei der Hypothese um einen Untersuchungsgegenstand, der an die Umweltsoziologie und an generelle Fragestellungen der Rational Choice-Theorien anschließt. Für den Test der Low-Cost-Hypothese auf hypothetischen Märkten können aus der vorliegenden Studie keine klaren Schlussfolgerungen gezogen werden. (3) Mit der Theorie
232
6 Theorieorientierte multivariate Analysen
geplanten Handelns hat sich in den empirischen Analysen ein Einstellungs-VerhaltensModell bewährt, das in den Rahmen der subjektiven Wert-Erwartungs-Theorie (SEU) einzuordnen ist. Vertreter dieses Ansatzes sehen das Modell in Zahlungsbereitschaftsanalysen eher als Komplement zum ökonomischen Grundmodell, da es aus ihrer Sicht darüber Auskunft gibt, inwieweit einer Zahlungsbereitschaftsentscheidung überlegtes Handeln zugrunde liegt und inwieweit eine geäußerte Bereitschaft in eine tatsächliche Zahlung mündet. Bliebe man an dieser Stelle stehen, wäre festzuhalten, dass die vorgelegten Untersuchungsergebnisse das Modell und die eben genannten Schlussfolgerungen erheblich stützen, d.h. es liegt eine durch das Modell hinreichend erklärte Verhaltensintention vor. An anderer Stelle wird die eher kritische Sicht auf solche Argumente aus dem theoretischen Teil der vorliegenden Arbeit wieder aufgenommen. (4) Das erweiterte Normaktivierungsmodell wurde ebenfalls bestätigt. Darin wird angenommen, dass befragte Personen auf hypothetischen Märkten einen Entscheidungsprozess durchlaufen, der von Bedingungen einer Normaktivierung – der Aktivierung/Herausbildung des Gefühls einer moralischen Zahlungsverpflichtung – geprägt ist. Obwohl wie in anderen Studien vor allem direkte Effekte der Normaktivierung auf die Zahlungsbereitschaft ermittelt werden konnten (weniger der sequenzielle Charakter), ist zu argumentieren, dass hier ebenfalls das Beitragsmodell gestützt wird. Eine mögliche Begründung wäre einerseits die Rolle persönlicher Normen für die Zahlungsbereitschaft, entgegen einer rein ökonomisch-theoretischen Handlungsgrundlage (Zahlungsbereitschaft als Kauf). Andererseits hat sich in der Erweiterung der Normaktivierung das Vertrauen in andere Personen als relevant erwiesen, d.h. die Überzeugung, dass auch andere etwas für den Waldumbau bezahlen werden. Dieser Punkt knüpft an die Argumentation zum kollektiven Handeln/Dilemmabewusstsein an. (5) In den Überlegungen zur Zahlungsbereitschaft als moralisches Handeln wurde neben ökonomischen Kaufmotivationen der Einfluss von zwei Dimensionen moralischen Handelns auf die Zahlungsbereitschaft postuliert. Diese Perspektive ist neu, wird aber empirisch bestätigt. Sowohl eine spezifische moralische Zahlungsverpflichtung (für den Waldumbau), als auch eine allgemeine moralische Verpflichtung (irgendetwas Gutes zu unterstützen) wirken unabhängig voneinander auf die Bereitschaft, grundsätzlich zahlungsbereit zu sein. Die allgemeine Verpflichtung steht am ehesten mit einem Warm Glow-Effekt in Einklang, wie er in der Literatur diskutiert wird, d.h. Personen „kaufen sich das Umweltgut“ nicht entsprechend ihrer Wertschätzung, sondern sie wollen lediglich etwas zu einer guten Sache beitragen. Die spezifische Verpflichtung korrespondiert mit der persönlichen Norm im Normaktivierungsmodell und mit der These vom Kauf moralischer Befriedigung, die Kahneman und Knetsch (1992) aufgestellt haben. Beide Motivationen – spezifisch und allgemein – werden oft in einen Topf geworfen. In der vorliegenden Studie konnte gezeigt werden, dass das nicht angemessen und sachdienlich ist. Weiter unten wird die Relevanz dieser Unterscheidung noch zu diskutieren sein. Die Modellergebnisse im Kontext der verschiedenen theoretischen Zugänge haben eines deutlich gezeigt: Mit denselben Daten kann man für sich genommen verschiedene Hypothesen bestätigen und zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen gelangen.18 Während beispielsweise die Bestätigung der Theorie geplanten Handelns die monetäre Bewertung von Umweltgütern in ihren Grundannahmen eher stützt, bekräftigen die Ergebnisse zum Dilemmabewusstsein die Position der Kritiker, sofern man Kosten-Nutzen-Analysen als 18
Einige der theoretischen Ansätze wurden in der vorliegenden Studie vergleichsweise rudimentär getestet. Dennoch, die empirischen Ergebnisse legen eindeutige Tendenzen nahe.
6.7 Zusammenschau der multivariaten Ergebnisse, Diskussion und Schlussfolgerungen
233
finalen Zweck von Bewertungsstudien nicht aus den Augen verliert. Wenn man in die Literatur blickt, ergibt sich genau dieses Dilemma. Man wird unweigerlich (sozialwissenschaftliche) Studien finden, die einmal der befürwortenden und ein andermal der ablehnenden Perspektive gerecht werden. Deshalb sind theoretische und empirische Vergleiche verschiedener Ansätze so fruchtbar. Im Folgenden wird die Pluralität der Erklärungsansätze in zwei Schritten aufgebrochen: In einem ersten Schritt soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit die von Kahneman angemahnte Unterscheidung in präferenzgeleitete und einstellungsgeleitete Erklärungen auf hypothetischen Märkten Geltung beanspruchen kann. In einem zweiten Schritt werden, ausgehend vom ökonomischen Basismodell und auf Grundlage der diskutierten Theorien, zentrale Faktorenblöcke empirisch einander gegenübergestellt, um die relative Wirkung der Erklärungsdeterminanten im Sinne eines „survival of the fittest“ zu beleuchten. Kahneman et al. (1993, 1994, 1999) argumentieren in mehreren Studien, dass Zahlungsbereitschaften auf hypothetischen Märkten (stated preference methods) eher der Logik von Einstellungen folgen und nicht mit stabilen Präferenzen gleichzusetzen sind. Um diese Behauptung zu testen, bedürfte es Experimente, die auf Merkmale von Einstellungen in Abgrenzung zu Präferenzen abzielen. Das kann die vorliegende Studie nicht leisten. Dennoch, ein zentrales Argument von Kahneman et al. ist, dass die Zahlungsbereitschaft, die Befürwortung einer Umweltmaßnahme (Bereitstellung des Umweltgutes) und die empfundene moralische Befriedigung aus einer Zahlung im Prinzip austauschbare Maße für ein und dieselbe Einstellung sind. Diese Einstellung wird im Laufe der Umfrage herausgebildet. Sie ist aber kein stabiles Konstrukt, wie es bei Präferenzen angenommen wird. Die multivariaten Ergebnisse haben im Zuge ihrer theoretischen Einbettung bereits ergeben, dass die Wahrnehmung der Wichtigkeit und Notwendigkeit des Waldumbaus (im Normaktivierungsmodell) und die empfundene moralische Verpflichtung einen direkten Effekt auf die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft haben. Die Wichtigkeit und Notwendigkeit korrespondiert mit einer Einstellung gegenüber der Maßnahme (dem Umweltgut). Die moralische Verpflichtung repräsentiert mit Blick auf positive Selbstsanktionen indirekt eine (gefühlte) moralische Befriedigung. Tabelle 6.18 beinhaltet die bivariaten Pearsonschen Korrelationen der drei Maße: grundsätzliche Zahlungsbereitschaft, Einstellung gegenüber dem Waldumbau und spezifische moralische Verpflichtung. Über beide Bewertungsmethoden hinweg ist insbesondere ein starker Zusammenhang zwischen der moralischen Verpflichtung und der grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft zu konstatieren. Der Korrelationskoeffizient r liegt bei 0,59 bzw. 0,55. Die anderen Zusammenhänge sind mit einem r zwischen 0,31 und 0,44 als moderat einzustufen. Diese Befunde sind ein Indiz dafür, dass in der vorliegenden Studie Zahlungsbereitschaften nicht vollständig mit anderen Einstellungsmaßen korrespondieren. Allerdings gibt es bei Korrelationsanalysen keine akzeptierte Richtgröße, anhand derer man die Einstellungsvermutung (austauschbare Maße) ablehnen oder bestätigen würde. Ajzen und Driver (1992) ermitteln mit einer ähnlichen Vorgehensweise Korrelationen (innerhalb einer Population) von 0,86 zwischen der empfundenen moralischen Befriedigung und der grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft hinsichtlich Nutzungsgebühren für Freizeitaktivitäten (z.B. Bergklettern). Sie sehen die These vom Kauf moralischer Befriedigung damit bestätigt, äußern sich jedoch nicht über die „Einstellung versus Präferenzen“Frage. Tatsächlich lässt sich diese Frage – wie bereits erwähnt – nur mit Experimenten beantworten. Durch die vergleichsweise hohen Korrelationen wird in der vorliegenden Studie die Rolle moralischer Handlungsmotivationen ebenfalls bekräftigt, die Austausch-
234
6 Theorieorientierte multivariate Analysen
barkeit von Einstellungsmaßen dennoch nicht gänzlich unterstützt. Das kann aber lediglich als Tendenz gedeutet werden und bedarf weiterer Forschungsbemühungen. Bei der Diskussion um moralische Befriedigung und Einstellungen kommt in der vorliegenden Untersuchung erschwerend hinzu, dass auch ein allgemeiner „taste of giving“ handlungsrelevant ist. Somit liegen zwei Dimensionen moralischen Handelns vor. Die Ausdifferenzierung der verschiedenen Handlungsmotivationen kann leicht zu einem „endlosen Unterfangen werden“. Sie rückt aber von einer Position ab, die sämtliche Messungen auf Einstellungen reduziert.
Tabelle 6.18: Pearsonsche Korrelationen zwischen Einstellung, Moral und Zahlungsbereitschaft Choice Experiment
Einstellung gegenüber Waldumbau (0-10)
Spezifische moralische Verpflichtung (0-6)
0,44
0,59
Zahlungsbereitschaft (1=ja) Einstellung gegenüber Waldumbau (0-10)
0,34 Kontingente Bewertung
Einstellung gegenüber Waldumbau
Spezifische moralische Verpflichtung
0,31
0,55
Zahlungsbereitschaft (1=ja) Einstellung gegenüber Waldumbau (0-10)
0,44
Alle Korrelationen sind signifikant mit p<0,001.
Abstrahiert man von den theoretisch eingebetteten Modellschätzungen, lassen sich vier Faktorenblöcke benennen, d.h. Erklärungsdeterminanten mit einem „inhaltlich“ gemeinsamen Nenner: (1) Faktoren des ökonomischen Grundmodells (die Nutzung des Waldes und das Einkommen), (2) Faktoren kollektiven Handelns (das Dilemmabewusstsein und das Vertrauen in andere), (3) Einstellungsfaktoren (das allgemeine Umweltbewusstsein und die Einstellung gegenüber dem Waldumbau) und (4) normative Faktoren (die spezifische und allgemeine moralische Verpflichtung sowie die subjektive Norm). Tabelle 6.19 berichtet die Ergebnisse von Probit-Schätzungen für das Choice Experiment, zum einen bezogen auf die einzelnen Faktorenblöcke (Zahlenspalten eins bis vier) und zum anderen auf ein Gesamtmodell (Zahlenspalte fünf). Alle Modelle enthalten Geschlecht, Alter und Bildung als Kontrollvariablen. Auf dem ökonomischen Grundmodell aufbauend werden die jeweiligen Faktorenblöcke einbezogen. Die ökonomische Fundierung ist also die Referenz. Im Choice Experiment hat das Basismodell einen klar signifikanten positiven Einkommenseffekt und einen positiven Nutzer-Effekt, der auf einem 10%igen Signifikanzniveau liegt. Die Aspekte
6.7 Zusammenschau der multivariaten Ergebnisse, Diskussion und Schlussfolgerungen
235
kollektiven Handelns (Spalte zwei) haben ebenfalls die erwartete Wirkungsrichtung und sind signifikant. Ein höheres Dilemmabewusstsein senkt die Wahrscheinlichkeit, zahlungsbereit zu sein, und ein stärkeres Vertrauen in andere, dass diese einen Beitrag zum Waldumbau leisten, erhöht die Zahlungswahrscheinlichkeit. Interessant ist nun, dass die Faktoren kollektiven Handelns die signifikanten Effekte aus dem ökonomischen Basismodell verdrängen. Dieses Bild wendet sich, wenn man lediglich die Einstellungskomponenten hinzuzieht (Spalte drei). Hier bleiben der Nutzer- und Einkommenseffekt signifikant. Des Weiteren haben sowohl ein höheres Umweltbewusstsein als auch eine zustimmende Einstellung zum Waldumbau einen positiven Effekt auf die Zahlungsbereitschaftswahrscheinlichkeit. Die Erweiterung des ökonomischen Basismodells um normative Faktoren (Spalte vier) lässt wiederum den Effekt der ökonomischen Variablen schwinden. Demgegenüber sind alle drei Normfaktoren signifikant und haben die (erwartungsgemäße) positive Wirkungsrichtung. Eine spezifische und allgemeine moralische Zahlungsverpflichtung sowie die Geltung einer subjektiven Norm – wahrgenommene positive Sanktionierung durch das soziale Umfeld mit Blick auf die Zahlung für den Waldumbau – erhöhen die Wahrscheinlichkeit, zahlungsbereit zu sein. Alle erweiterten Modelle haben einen weitaus höheren Modellfit als das Basismodell. So erhöht sich beispielsweise die erklärte Varianz (McFaddens Pseudo-R²) durch die normativen Faktoren um 33 Prozentpunkte von 9 Prozent im Basismodell auf 42 Prozent im erweiterten Modell. Die Gretchenfrage ist nun, was passiert, wenn alle Faktorenblöcke gleichzeitig berücksichtigt werden. Die Antwort liefert das Gesamtmodell in Spalte fünf von Tabelle 6.19. Es zeigt sich wiederum, dass die ökonomischen Faktoren keine Rolle spielen. Demgegenüber sind aber bis auf das Umweltbewusstsein alle Variablen aus den drei anderen Faktorenblöcken signifikant. Sie behalten zudem ihre Wirkungsrichtung bei. Vor allem der Effekt des Vertrauens in andere wird im Gesamtmodell sehr deutlich abgeschwächt. Die erklärte Varianz des Gesamtmodells ist mit 51 Prozent für sozialwissenschaftliche Modelle als hoch einzustufen. Resümierend lässt sich sagen, dass mehr oder weniger die Aspekte kollektiven Handelns, die spezifische Einstellung zum Waldumbau und die normativen Faktoren „simultan wirken“. Sie verdrängen den Effekt der ökonomischen Variablen. Für die Kontingente Bewertung ergeben sich bezüglich der Faktorenblöcke etwas andere Schlussfolgerungen. Die Ergebnisse der Probit-Modelle gibt Tabelle 6.20. Die Vorgehens- und Darstellungsweise ist mit der oben beschriebenen identisch. Im ökonomischen Grundmodell gibt es lediglich einen Nutzereffekt, der über alle Modellerweiterungen hinweg stabil bleibt. Einkommen hat, wie im Laufe der Arbeit mehrmals herausgestellt, keinen Einfluss auf die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft in der Kontingenten Bewertung. Für die einzelnen Faktorenblöcke ergibt sich im Prinzip dasselbe Bild wie im Choice Experiment. Eine wesentliche Ausnahme bildet der positive Effekt der subjektiven Norm, der hier lediglich auf einem 10-Prozent-Niveau signifikant ist. Interessanterweise muss die Gretchenfrage in der Kontingenten Bewertung anders beantwortet werden. Das Gesamtmodell hat neben dem Nutzereffekt lediglich zwei signifikante Effekte mit der spezifischen und der allgemeinen moralischen Verpflichtung, eine Zahlung zu leisten. Damit dominieren die normativen Faktoren die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft. Sie verdrängen alle anderen Effekte (außer bei der Nutzung) und leisten den deutlichsten Erklärungsbeitrag. Mithin stützt diese Dominanz vor allem die Überlegungen zur Zahlungsbereitschaft als moralische Handlung, die auf einer spezifischen und allgemeinen Verpflichtungskomponente aufbauen.
236
6 Theorieorientierte multivariate Analysen
Tabelle 6.19: Multivariate Analysen zu Faktorenblöcken und grundsätzlicher Zahlungsbereitschaft (Choice Experiment) Choice Experiment (CE) Variablen
Grundmodell Nutzer Äquivalenzeinkommen (logarithmiert)
Probit WTP
Probit WTP
Probit WTP
Probit WTP
Probit WTP
0,30+ (1,79)
0,05 (0,23)
0,32+ (1,71)
0,05 (0,27)
0,05 (0,22)
0,63** (2,68)
0,34 (1,22)
0,54* (2,13)
-0,15 (-0,45)
-0,13 (-0,37)
Kollektives Handeln Dilemmabewusstsein Vertrauen in andere
-0,25** (-5,55)
-0,15** (-2,91)
0,43** (6,40)
0,17* (2,04)
Einstellungen Allgemeines Umweltbewusstsein
0,13** (2,82)
0,06 (0,99)
Einstellung gegenüber Waldumbau
0,34** (6,02)
0,23** (3,22)
Normen Allgemeine moralische Verpflichtung
0,21** (4,04)
0,21** (3,46)
Spez. moralische Verpflichtung
0,29** (3,93)
0,18* (2,19)
Subjektive Norm
0,34** (4,22)
0,24** (2,64)
LL0
-196,33
-196,33
-196,33
-196,33
-196,33
LLModell
-179,17
-127,43
-148,53
-114,10
-95,72
Pseudo-R² (McFadden)
0,09
0,35
0,24
0,42
0,51
N
290
290
290
290
290
** p<0,01; *p<0,05; +p<0,10. z-Werte in Klammern. Alle Modelle enthalten Geschlecht, Alter und Bildung als Kontrollvariablen.
6.7 Zusammenschau der multivariaten Ergebnisse, Diskussion und Schlussfolgerungen
237
Tabelle 6.20: Multivariate Analysen zu Faktorenblöcken und grundsätzlicher Zahlungsbereitschaft (Kontingente Bewertung) Kontingente Bewertung (KB) Variablen
Grundmodell Nutzer Äquivalenzeinkommen (logarithmiert)
Probit WTP
Probit WTP
Probit WTP
Probit WTP
Probit WTP
0,51** (2,70)
0,43* (2,07)
0,52* (1,71)
0,56* (2,48)
0,56* (2,40)
0,07 (0,33)
-0,16 (-0,65)
-0,05 (-0,21)
-0,22 (-0,77)
-0,26 (-0,90)
Kollektives Handeln Dilemmabewusstsein Vertrauen in andere
-0,16** (-4,05)
-0,05 (-1,00)
0,31** (5,41)
0,11 (1,55)
Einstellungen Allgemeines Umweltbewusstsein Einstellung gegenüber Waldumbau
0,12* (2,31)
0,01 (0,16)
0,22** (3,61)
0,08 (1,04)
Normen Allgemeine moralische Verpflichtung
0,18** (3,44)
0,16** (2,98)
Spez. moralische Verpflichtung
0,34** (5,05)
0,26** (3,37)
Subjektive Norm
0,15+ (1,68)
0,13 (1,37)
LL0
-170,81
-170,81
-170,81
-170,81
-170,81
LLModell
-159,66
-131,01
-146,48
-110,10
-107,69
Pseudo-R² (McFadden)
0,07
0,23
0,14
0,36
0,37
N
290
290
290
290
290
** p<0,01; * p<0,05; + p<0,10. z-Werte in Klammern. Alle Modelle enthalten Geschlecht, Alter und Bildung als Kontrollvariablen.
238
6 Theorieorientierte multivariate Analysen
Tabelle 6.21: Modell zur Höhe der Zahlungsbereitschaft in der Kontingenten Bewertung Variablen
OLS ln(WTP+1) unbeschränkt
OLS ln(WTP+1) unbeschränkt
OLS ln(WTP+1) beschränkt
OLS ln(WTP+1) beschränkt
Nutzer (1=ja)
0,20 (0,74)
0,10 (0,34)
0,18 (0,86)
0,11 (0,58)
Äquivalenzeinkommen (logarithmiert)
0,94** (3,47)
0,85** (3,21)
0,73** (3,48)
0,65** (3,24)
Allgemeines Umweltbewusstsein Adj. R² N
0,17* (2,56)
0,16** (3,12)
0,15
0,21
0,14
0,24
81
81
70
70
** p<0,01; * p<0,05. t-Werte in Klammern. Alle Modelle enthalten Geschlecht, Alter und Bildung als Kontrollvariablen. Die Zahlungsbereitschaft für die OLS-Regressionen mit Beschränkung liegt im Bereich von 2,50€<WTP<67,50€.
Mit dem Wissen um diejenigen Faktoren, die einen wesentlichen Einfluss auf die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft in der Kontingenten Bewertung haben, bleibt die Frage nach den Determinanten der Höhe der Zahlungsbereitschaft. Im Zuge der multivariaten Auswertungen wurde immer wieder deutlich, dass überwiegend das Einkommen die Zahlungshöhe determiniert. Aufgrund der bereits bekannten Irrelevanz mehrerer Erklärungsfaktoren im Rahmen der theoriegeleiteten empirischen Analysen wird an dieser Stelle darauf verzichtet, die oben benannten Faktorenblöcke einander gegenüberzustellen. Vielmehr werden in Tabelle 6.21 lediglich die Ergebnisse zum ökonomischen Grundmodell und zu dessen Erweiterung um das allgemeine Umweltbewusstsein berichtet. Der Grund liegt darin, dass allein das Umweltbewusstsein über das Einkommen hinaus einen stabilen Beitrag zur Erklärung der Höhe der Zahlungsbereitschaft leistet. Tabelle 6.21 gibt sowohl die Ergebnisse für die gesamte Zahlungsspanne, als auch die für die eingeschränkte Zahlungsspanne in der Kontingenten Bewertung. Die Ergebnisse zeigen für beide Zahlungsspannen einen positiv signifikanten Einkommenseffekt und einen ebenfalls positiv signifikanten Effekt des Umweltbewusstseins bei Kontrolle des Einkommens. Die Nutzervariable hat im Gegensatz zur grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft keinen Einfluss. Die erklärte Varianz der Gesamtmodelle ist mit ca. 20 Prozent als moderat einzustufen. Berücksichtigt man den Umstand, dass die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft als „separater Entscheidungsschritt“ zu betrachten ist, ergibt sich insgesamt – Nein/Ja-Entscheidung und Höhe der Zahlungsbereitschaft – eine recht gute Erklärungskraft, die in der Kontingenten Bewertung auf den beiden normativen Faktoren der speziellen und allgemeinen moralischen Verpflichtung, auf dem Einkommen und auf dem allgemeinen Umweltbewusstsein beruht.
6.7 Zusammenschau der multivariaten Ergebnisse, Diskussion und Schlussfolgerungen
239
Theorie- und methodenbasiertes Resümee zu den multivariaten Ergebnissen Die empirischen Befunde zur Zahlungsbereitschaft für eine Erhöhung der biologischen Vielfalt in der Lüneburger Heide haben eines deutlich gezeigt. Außer im Fall der LowCost-Hypothese sind alle anderen Erklärungsansätze für die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft von Bedeutung, d.h. für die prinzipielle Entscheidung, einen Zahlungsbetrag zu leisten. Dieses Ergebnis gilt für das Choice Experiment und die Kontingente Bewertung. Wichtigster Unterschied zwischen beiden Methoden ist die Tatsache, dass im Choice Experiment das ökonomische Grundmodell mit Blick auf die zentrale Variable des Einkommens zutrifft, während in der Kontingenten Bewertung das Einkommen für die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft irrelevant ist, aber die Höhe der Zahlungsbereitschaft wesentlich determiniert. Die beiden Methoden dürfen jedoch nicht direkt miteinander verglichen werden. In der Kontingenten Bewertung wurde die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft direkt erhoben. Im Choice Experiment haben die Respondenten jeweils sechs Choice-Karten bewertet, die einen Fondbeitrag als Attribut enthalten. Diejenigen Befragten, die immer den Status quo gewählt haben, also sich in keinem Fall für mit Kosten verbundene Änderungen der biologischen Vielfalt entschieden haben, sind grundsätzlich nicht zahlungsbereit. Dieses Vorgehen entspricht einer indirekten Messung. Umso interessanter ist das methodenunabhängige Ergebnis, dass das Dilemmabewusstsein, die Theorie geplanten Handelns, die Bedingungen einer Normaktivierung und moralisches Handeln eine empirische Relevanz erlangen. Betrachtet man zunächst die Bestätigung der Theorie geplanten Handelns, dann würde in der vorliegenden Studie die Konstruktvalidität der Bewertungsmethoden unterstützt. Allerdings gibt die Anwendung dieser Theorie im Rahmen von Zahlungsbereitschaftsanalysen nur wenig Aufschluss darüber, inwieweit der hypothetisch geäußerten Zahlungsbereitschaft eine tatsächliche Zahlung folgen würde. Dies wird durch den bekannten Umstand bestärkt, dass hypothetische Zahlungsbereitschaften und reale Zahlungen in der Regel auseinander fallen. Werden darüber hinaus die allgemeinen theoretischen Schwächen des Modells berücksichtigt, u.a. das fehlende Deduktionspotenzial mit Blick auf neue Hypothesen, ist die Theorie statistisch gesehen, aber nicht theorie- und methodenbasiert für Zahlungsbereitschaftsanalysen wirklich gewinnbringend. Die Anwendung des erweiterten Normaktivierungsmodells scheint eher lohnend zu sein. Das hat zwei Gründe: (1) Das Modell stellt auf eine Handlungsmotivation ab, nämlich die empfundene moralische Verpflichtung, etwas für ein Umweltgut – hier den Waldumbau – zu bezahlen. Es werden Bedingungen untersucht, unter denen diese „persönliche Norm“ handlungsrelevant wird. Damit wird eine Beitragsperspektive in Zahlungsbereitschaftsanalysen gestärkt, die der ökonomisch-theoretischen Käuferidee entgegensteht. Normatives Handeln tritt im Zuge eines Entscheidungsprozesses in den Mittelpunkt. Problematisch ist allerdings, dass in der theoretischen Diskussion im Zusammenhang mit Zahlungsbereitschaften für Umweltgüter keine eindeutige Auffassung besteht, was sich eigentlich hinter der persönlichen Norm verbirgt. Einige Autoren legen den Schwerpunkt eher auf Moral und moralische Befriedigung (Blamey 1998a, 1998b). Andere wiederum rücken explizit altruistische Motivationen in den Blickpunkt, die sich teilweise auf die gesamte Umwelt und dabei nicht nur auf Menschen beziehen (u.a. Guagnano et al. 1994). Strittig ist vor allem, inwieweit moralisches Handeln insgesamt die Idee der monetären Bewertung kollektiver Umweltgüter konterkariert. Denn moralisches Handeln ist schließlich auch auf „realen Märkten“ zu beobachten (siehe Beckert 2005). Man denke an Boykotte von Gütern speziel-
240
6 Theorieorientierte multivariate Analysen
ler Unternehmen oder an den Kauf von Bio-Produkten, der durchaus auch von nichtökonomischen Faktoren beeinflusst wird. Allerdings legt das Normaktivierungsmodell nahe, dass die Zahlungsbereitschaft einem Entscheidungsprozess unterliegt, in dem bereits vorhandene oder konstruierte Norm-/Werthaltungen aktiviert werden. Eine Konstruktion von Gefühlen der moralischen Verpflichtung im Laufe von Umfragen zur Zahlungsbereitschaft würde klar gegen stabile Präferenzrelationen sprechen. Hier bleiben aber zwei kritische Aspekte anzumerken: Einerseits gibt es zu wenige quantitative Studien, die explizit den Prozesscharakter der Normaktivierung untersuchen. Andererseits haben die vorliegende Untersuchung und die wenigen anderen Studien (u.a. Guagnano 2001) gezeigt, dass die Bedingungen einer Normaktivierung vor allem direkte Effekte auf die Zahlungsbereitschaft haben, was nicht ohne weiteres für einen sequenziellen Charakter der Zahlungsentscheidung spricht. Zudem wurde in den hier berichteten multivariaten Auswertungen deutlich, dass die Norm selbst neben den Bedingungen ihrer Aktivierung einen eigenständigen Erklärungsbeitrag leistet, der nicht über die Bedingungen der Normaktivierung moderiert wird. (2) Besonders der Aspekt des Vertrauens in die Zahlungsbereitschaft anderer Personen gibt, methodisch gesehen, einen Hinweis auf die Missspezifikation des Bewertungsszenarios. Bei Vertrauen in andere Personen handelt es sich um eine Erweiterung des Normaktivierungsmodells um die Notwendigkeit kollektiven Handelns bei der Bereitstellung kollektiver Umweltgüter. Auf einem hypothetischen Markt sollte das Verhalten anderer für die eigene Zahlungsbereitschaft keine Rolle spielen. In der vorliegenden Studie ist es jedoch relevant, wird aber, wie weiter oben angesprochen, zumindest in der Kontingenten Bewertung von den normativen Handlungsmotivationen verdrängt. Eine nahe liegende Schlussfolgerung ist, dass ein Fondbeitrag als Zahlungsvehikel weniger gut geeignet ist als Gebühren oder Steuern, weil er einen Beitragscharakter der Zahlungsentscheidung fördert. Das bleibt im Endeffekt eine empirische Frage. Es ist zu bedenken, dass Gebühren und Steuern in einem Bewertungskontext plausibel und realistisch sein müssen. Des Weiteren besteht die Gefahr, dass Respondenten nicht ihre Wertschätzung monetär ausdrücken, sondern über eine generelle Gebühren- bzw. Steuererhöhung entscheiden, was einem nicht gewünschten Referendum gleichkäme. Zudem ist eine Unterscheidung von Beitrags- und Käufermodell nicht anhand der methodischen Ausgestaltung, sondern der Handlungsmotivationen zu treffen (Spash 2000a). Insgesamt wirkt das Normaktivierungsmodell sehr komplex. Da zumeist die Handlungsmotivation in der Zahlungsbereitschaftsanalyse der entscheidende Punkt ist, legt die vorliegende Untersuchung nahe, dass es ausreicht, die Norm selbst zu messen und der Frage nachzugehen, inwieweit normatives Handeln ein Problem für monetäre Bewertungsstudien ist. Das wird auch durch die berichtete Gegenüberstellung der einzelnen Faktorenblöcke bestärkt. Mit dem Konzept des Dilemmabewussteins und den Überlegungen zu moralischem Handeln auf zwei Ebenen wurden zwei theoretische Herangehensweisen entwickelt, die es in der Bewertungsliteratur so noch nicht gibt. Beide Konzepte zeigen sich bei der Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften als lohnend und fruchtbar. Ihnen kann im Rahmen der hier berichteten Ergebnisse für die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft eine empirische Relevanz zugesprochen werden. Obwohl die Rolle kollektiven Handelns in der Bewertungsliteratur immer wieder aufgegriffen wird, gibt es keine empirischen Untersuchungen, die sich explizit diesem Thema widmen. Mit der vorliegenden Studie ist es gelungen, ein Maß für das allgemeine Dilemmabewusstsein zu entwickeln, das vier Aussagen beinhaltet und das mit vergleichsweise wenig Aufwand in anderen Untersuchungen angewendet wer-
6.7 Zusammenschau der multivariaten Ergebnisse, Diskussion und Schlussfolgerungen
241
den kann. Es wird der in der Regel akzeptierten Beobachtung gerecht, dass nicht alle Personen bei der Bereitstellung kollektiver Umweltgüter den ökonomisch-theoretischen Annahmen (Anreizproblemen) unterliegen, sondern Personen sich selbst dann kooperativ verhalten und einen eigenen Beitrag leisten, wenn es – „objektiv gesehen“ – eher nutzlos erscheint. Die multivariaten Ergebnisse haben gezeigt, dass die Dilemmabewussten, also diejenigen Personen, die Probleme kollektiven Handelns im Umweltschutz stärker wahrnehmen, eine geringere Wahrscheinlichkeit haben, zahlungsbereit zu sein, als Personen, die diese Probleme eher nicht für sich geltend machen. Das könnte in die Richtung einer Missspezifikation des hypothetischen Marktes gedeutet werden. Die Wahrnehmung einer Notwendigkeit kollektiven Handelns ließ sich anscheinend nicht verhindern. Dennoch sind zwei Aspekte zu bedenken: Zum einen gibt es noch keine weiteren Studien, an denen man die Gültigkeit des allgemeinen Dilemmabewusstseins beurteilen könnte. Zum anderen begegnet man dilemmabewussten Personen mitunter auch auf realen Märkten. Einige Personen kaufen sich beispielsweise Autos, die für die Umwelt weniger schädlich, aber teurer sind als herkömmliche Autos. Hier determinieren meist nicht ökonomische Anreize den Kauf eines umweltfreundlichen Autos, sondern es handelt sich um „Überzeugungstäter“. Andere Personen wollen vielleicht auch etwas für den Umweltschutz tun und würden ein umweltfreundliches Auto kaufen. Sie sind aber der Überzeugung, dass es für die Umwelt nichts bringt, als (aus ihrer Sicht) Einziger ein solches Auto zu erwerben. Das korrespondiert mit dem Dilemmabewusstsein. Warum also nicht auf hypothetischen Märkten von einem idealtypischen ökonomisch-theoretischen Konzept abweichen und Handlungsaspekte zulassen, die es auch im realen Leben gibt? Die letzte Frage kann man auch im Zusammenhang mit moralischen Handlungsmotivationen stellen. Die Notwendigkeit einer Unterscheidung zwischen einer spezifischen moralischen Verpflichtung, etwas für ein bestimmtes Umweltgut zu bezahlen, und einer allgemeinen moralischen Verpflichtung, etwas für irgendetwas Gutes zu bezahlen, konnte in der vorliegenden Studie nachgewiesen werden. In den theoretischen Überlegungen wurde argumentiert und herausgearbeitet, dass diese Handlungsmotivationen neben Käufermotivationen zum Tragen kommen. Dafür gibt es wiederum im realen Leben genügend Beispiele (z.B. Spenden für den Umweltschutz oder der Kauf von Bio-Produkten). Für die monetäre Bewertung ist die allgemeine moralische Verpflichtung ein Problem, weil sie mit einem „Taste of Giving“ und „Warm Glow“ korrespondiert, die mit dem spezifischen Umweltgut nicht in Verbindung stehen. Die spezifische moralische Verpflichtung sollte aber weniger kritisch gesehen werden. Ihr unterliegt eine empfundene Notwendigkeit, z.B. etwas für den Erhalt der biologischen Vielfalt in der Lüneburger Heide zu tun. Sie ist von nutzungsunabhängigen Wertschätzungen, z.B. dem Existenznutzen, analytisch nur schwer zu trennen. Ein wichtiger Beitrag der vorliegenden Studie ist die oben genannte Unterscheidung von einer spezifisch und allgemein empfundenen moralischen Verpflichtung. Beide Determinanten haben im Vergleich zu allen anderen potenziellen Erklärungsfaktoren stabile und (mit Einschränkungen) starke Effekte auf die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft. Auf die konkrete Höhe der Zahlungsbereitschaft in der Kontingenten Bewertung haben sie allerdings keinen Einfluss. Hier überzeugt das ökonomische Grundmodell. Insgesamt scheint sowohl theoretisch als auch empirisch eine direkte Messung moralischer Handlungsmotivationen dem komplexen Normaktivierungsmodell überlegen zu sein. Für künftige Arbeiten besteht die Aufgabe darin, die Wirkungsweise insbesondere der spezifischen moralischen Verpflichtung dahin gehend zu untersuchen, ob sie mit Eigenschaften von Präferenzen und
242
6 Theorieorientierte multivariate Analysen
der Annahme der Nutzenmaximierung konsistent ist. Dabei wären kleine experimentelle Studien denkbar, die den methodischen Anforderungen der ökonomischen Bewertung standhalten, denn insbesondere die einschlägigen Studien von Kahneman et al. erfüllen diese Bedingung nicht (u.a. Kahneman und Knetsch 1992). Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass sich die Anwendung verschiedener sozialwissenschaftlicher Erklärungsansätze auf zwei Bereiche verdichtet, deren weitere Ausarbeitung gewinnbringend erscheint. Diese Bereiche sind Aspekte kollektiven Handelns und Aspekte moralischen Handelns. Während Informationen über Einstellungen wie das allgemeine Umweltbewusstsein interessante Einblicke in individuelle Zahlungsbereitschaftsentscheidungen gewährleisten mögen, lassen sie keine wegweisenden Rückschlüsse auf die monetäre Bewertung von Umweltgütern zu. Das gilt insbesondere auch für die „prominente“ Theorie geplanten Handelns und mit Einschränkungen für das erweiterte Normaktivierungsmodell. Die theoretische Fundierung und Messung moralischer Handlungsmotivationen sowie der Zahlungsbereitschaft im Kontext kollektiven Handelns sollte weiter verfolgt werden.
7.1 Messung und Umgang mit Protestantworten
243
7 Ergänzende Analysen: Protestantworten und Choice Experiment
In Ergänzung der empirischen Analysen in den Kapiteln 5 und 6 sollen im Folgenden zwei Bereiche näher beleuchtet werden, aus denen zusätzliche Informationen zu individuellen Zahlungsbereitschaften für Veränderungen der biologischen Vielfalt gewonnen werden können. Der erste Bereich beinhaltet die Messung und den Umgang mit so genannten Protestantworten bzw. -überzeugungen, denen eine Ablehnung der monetären Bewertung und des hypothetischen Marktes zu Grunde liegt. Der zweite Bereich zielt auf „die eigentliche Auswertung“ von Choice Experimenten, die über eine Betrachtung der grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft hinausgeht. Hierbei wird der Einfluss verschiedener Attribute biologischer Vielfalt auf das Entscheidungsverhalten der befragten Personen untersucht, und es werden implizite Preise – Teilwertschätzungen der Attribute – und Wohlfahrtsmaße für Szenarien zum Waldumbau ermittelt. 7.1 Messung und Umgang mit Protestantworten Im Rahmen der deskriptiven Analysen im Kapitel 5 wurde bereits deutlich, dass Protestüberzeugungen einen negativen Einfluss auf die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft haben. Eine Protestüberzeugung beinhaltet eine generelle Ablehnung der monetären Bewertung von Umweltgütern oder aber eine Ablehnung bestimmter Merkmale des hypothetischen Marktes in der Umfrage (z.B. Ablehnung des Zahlungsvehikels, hier des Fondbeitrags). Protestaussagen und -überzeugungen sind für monetäre Bewertungsstudien problematisch, weil ihnen kein ökonomisches Kalkül unterliegt (vgl. Abschnitt 3.6.4). Sie repräsentieren, so wird gemeinhin argumentiert, keine Wertschätzung für das Umweltgut und sollten von Kosten-Nutzen-Analysen ausgeschlossen werden. Im Weiteren werden erstens verschiedene Zahlungsbereitschaftsmaße in Abhängigkeit von der Definition von Protestantworten ermittelt. Zweitens wird eine Protestskala als Maß für eine Protesteinstellung gebildet, deren Ausmaß (explorativ) erklärt werden soll und deren Einfluss auf die Zahlungsbereitschaft im Choice Experiment und in der Kontingenten Bewertung multivariat untersucht wird. Die Analysen stützen sich wie in den deskriptiven Auswertungen auf zwei Protestaussagen, deren Häufigkeitsverteilung in Tabelle 7.1 abzulesen ist. Die erste Aussage zielt auf ein wahrgenommenes Recht auf die Erhaltung der biologischen Vielfalt ohne zusätzliche Kosten. Die zweite Aussage misst, inwieweit die Respondenten es ablehnen, Natur und Landschaft mit Geld zu bewerten. Es dürfte unstrittig sein, dass beide Aussagen eine Protestüberzeugung beinhalten. Sie korrespondieren mit der in der Bewertungsliteratur vorgeschlagenen Messung von Protestantworten, u.a. mit der Aussage bei Freeman III (2003: 166): „I don’t think that I should have to pay for the good“.
244
Tabelle 7.1:
7 Ergänzende Analysen: Protestantworten und Choice Experiment
Häufigkeit der Protestaussagen in Prozent Choice Experiment (N=297)
stimme überhaupt nicht zu
stimme eher nicht zu
teils/teils
stimme eher zu
stimme voll und ganz zu
Es ist mein Recht, eine angemessen hohe biologische Vielfalt im Wald vorauszusetzen. Dafür muss ich nichts bezahlen.
6 (11)
12 (24)
34 (39)
21 (13)
27 (13)
Ich lehne es ab, Natur und Landschaft mit Geld zu bewerten.
6 (9)
16 (23)
27 (37)
26 (19)
25 (12)
Protestaussagen
Kontingente Bewertung (N=305)
stimme überhaupt nicht zu
stimme eher nicht zu
teils/teils
stimme eher zu
stimme voll und ganz zu
Es ist mein Recht, eine angemessen hohe biologische Vielfalt im Wald vorauszusetzen. Dafür muss ich nichts bezahlen.
6 (12)
19 (30)
28 (38)
23 (16)
24 (4)
Ich lehne es ab, Natur und Landschaft mit Geld zu bewerten.
8 (12)
13 (22)
30 (44)
25 (18)
24 (4)
Protestaussagen
Bemerkung: In Klammern ist die Häufigkeitsverteilung in Prozent für die Gruppe der Zahlungsbereiten angegeben, wobei N=121 im Choice Experiment und N=85 in der Kontingenten Bewertung.
Aus den deskriptiven Befunden von Kapitel 5 seien zunächst zwei Ergebnisse rekapituliert und festgehalten: (1) Auch Personen, die zahlungsbereit sind, haben Protestüberzeugungen. Die gängige Praxis, lediglich die Nicht-Zahlungsbereiten nach Protestüberzeugungen zu fragen, ist unzweckmäßig. Das wird nochmals in Tabelle 7.1 deutlich, in der in Klammern die Prozentwerte je Antwortkategorie für die Gruppe der Zahlungsbereiten angegeben sind. Zwischen 20 und 31 Prozent der Zahlungsbereiten stimmen eher zu oder stimmen voll und ganz zu, dass sie ein Recht auf eine hohe biologische Vielfalt haben oder dass sie es ablehnen, Natur und Landschaft mit Geld zu bewerten. (2) Es gibt keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen den Bewertungsmethoden mit Blick auf den Grad an Protestüberzeugungen. Das widerspricht einer gelegentlich geäußerten Vermutung, dass in Choice Experimenten Protestantworten seltener auftreten als in Kontingenten Bewertungen (siehe z.B. Mogas et al. 2005). Diese Vermutung ist ohnehin unplausibel, da beispielsweise eine Ablehnung der Monetarisierung der Umwelt eher einer generellen Werthaltung entspricht, deren Relevanz schwerlich durch eine spezifische Bewertungsmethode zu überwinden sein sollte.
245
7.1 Messung und Umgang mit Protestantworten
Tabelle 7.2:
Höhe der Zahlungsbereitschaft in Abhängigkeit von Protestantworten (Kontingente Bewertung) Höhe der Zahlungsbereitschaft (WTP) in € N
Mittelwert
Std.
95%-Konfidenzintervall
Alle Befragten (kein Ausschluss von Protestantworten)
305
6,86 [6,61]
17,75
4,80 – 8,91
Ausschluss von Protestantworten (stimme voll und ganz zu)
201
9,92 [9,77]
20,85
6,91 – 12,63
Ausschluss von Protestantworten (stimme eher zu oder stimme voll und ganz zu)
104
15,67 [15,58]
26,70
10,47 – 20,69
Bemerkung: Ungewichtete Mittelwerte in eckigen Klammern. Die Konfidenzintervalle wurden in Stata mithilfe der Bootstrap-Technik berechnet (5000 Replikationen) und beziehen sich auf die ungewichteten Mittelwerte.
Folgt man zwecks Veranschaulichung der gängigen Vorgehensweise, Protestantworten aus den weiteren Analysen auszuschließen, ergeben sich für die mittlere Zahlungsbereitschaft in der Kontingenten Bewertung erhebliche Sensitivitäten. Die Ergebnisse zeigt Tabelle 7.2. Die obere Zeile beinhaltet die Befunde zur Zahlungsbereitschaft, bezogen auf alle Befragten. Der Mittelwert liegt bei 6,86 Euro. Die mittlere Zeile der Tabelle bezieht sich auf diejenigen Befragten, die keiner der beiden Protestaussagen voll und ganz zustimmen. Das trifft auf 66 Prozent aller befragten Personen zu. Umgekehrt sind 34 Prozent der Respondenten als „Protestler“ auszuschließen. Der Mittelwert der Zahlungsbereitschaft erhöht sich dadurch auf 9,92 Euro. Ginge man noch einen Schritt weiter und definiert all diejenigen als Protestler, die einer der beiden Aussagen eher zustimmen oder voll und ganz zustimmen, dann würde dieses Vorgehen in die Ergebnisse der unteren Zeile in Tabelle 7.2 münden. Die mittlere Zahlungsbereitschaft resultiert hierbei lediglich aus Angaben, die 34 Prozent der befragten Personen gemacht haben, und sie ist mit 15,67 Euro deutlich höher im Vergleich zu einem Nicht-Ausschluss von Protestantworten. Insgesamt haben die mittleren Zahlungsbereitschaften dieselbe Größenordnung, wenn man nur die Protestantworten der Gruppe der Nicht-Zahlungsbereiten ausschließen würde, d.h. davon ausgehen würde, die Protestüberzeugungen wären nur für die Nicht-Zahlungsbereiten erhoben worden. Da die mittlere Zahlungsbereitschaft (Mittelwert oder Median) in der Regel den Startpunkt für Hochrechnungen der Zahlungsbereitschaft auf die gesamte Marktgröße darstellt und das Gesamtergebnis dieser Hochrechnungen in Kosten-Nutzen-Analysen eingeht, führt der Ausschluss von Protestantworten zwangsläufig zu höheren Gesamtnutzenwerten einer Umweltmaßnahme. Freilich wird argumentiert, dass der Nicht-Ausschluss eine Unterschätzung der Zahlungsbereitschaft zur Folge hat, da Protestler annahmegemäß ihre Wertschätzung für ein Umweltgut verbergen. Dennoch sind zwei Probleme unverkennbar: Zum einen ergeben sich insbesondere in Stichproben mit vielen Protestantworten, wie es in der vorliegenden Studie der Fall ist, Probleme mit der Repräsentativität der Untersuchungsergebnisse, sobald Antworten ausgeschlossen werden. Zum anderen müssten, wenn man konsequent ist, zum Teil auch positive Zahlungsbereitschaften nicht in weitere Analysen einbezogen werden. Ein Ausschluss von Protestantworten ist daher abzulehnen. Bis auf weiteres scheint eine vermeintliche Unterschätzung der Zahlungsbereitschaft das „kleinere Übel“ mit Blick auf umweltpolitische Empfehlungen zu sein.
246
7 Ergänzende Analysen: Protestantworten und Choice Experiment
Aus der Perspektive einstellungsorientierter Erklärungen individueller Zahlungsbereitschaften sind Protestüberzeugungen nicht unmittelbar ein Problem für monetäre Bewertungen (Jorgensen und Syme 2000). Sie repräsentieren mehr oder weniger die Befürwortung oder Ablehnung des Bewertungsverfahrens und der Ausgestaltung des Bewertungsszenarios (des hypothetischen Marktes). Die Konzeptualisierung von Protestüberzeugungen als eine Einstellung wurde bisher explizit nur von Jorgensen und Syme (2000) verfolgt, die dazu auch empirische Ergebnisse vorlegen (vgl. Abschnitt 3.6.4). Es ist lohnend, diesen Faden aufzugreifen und die Relevanz von Protesteinstellungen zu untersuchen. Deshalb wurde in der vorliegenden Studie aus den beiden Protestaussagen/-überzeugungen eine additive Protestskala gebildet, die einen transformierten Wertebereich von 0 bis 8 annimmt. Die Skala hat im Choice Experiment bzw. in der Kontingenten Bewertung einen Mittelwert von 5,2 bzw. 4,9. Mithilfe multivariater Analysen können zwei Fragen mit Bezug auf die Protesteinstellung untersucht werden: (1) Welche Faktoren beeinflussen die Protesteinstellung? Diese Frage wurde in der Literatur bisher weitestgehend ausgeklammert. Zumindest sind dem Autor diesbezüglich keine Studien bekannt, in der alle Personen nach Protestüberzeugungen gefragt wurden. Eine Ausnahme ist die Untersuchung von Meyerhoff und Liebe (2006). (2) Ob und inwieweit beeinflusst eine Protesteinstellung die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft und die Höhe der Zahlungsbereitschaft? Um sich der Beantwortung beider Fragen zu nähern, wurden einige multivariate Modelle geschätzt, deren Ergebnisse Tabelle 7.3 berichtet. Der obere Teil der Tabelle bezieht sich auf das Choice Experiment, der untere auf die Kontingente Bewertung. Abhängige Variablen sind gemäß den Fragestellungen die Protestskala (OLS-Schätzungen), die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft (Probit-Modelle) und die Höhe der Zahlungsbereitschaft in der Kontingenten Bewertung (OLS-Schätzungen). Alle Modelle enthalten Geschlecht, Alter, Bildung und Nutzer als Kontrollvariablen. Die zentralen erklärenden Variablen sind neben dem Äquivalenzeinkommen das allgemeine Umweltbewusstsein, das allgemeine Dilemmabewusstsein und die allgemeine moralische Verpflichtung, etwas für die Umwelt zu bezahlen (Warm Glow). In einem explorativen Vorgehen sind diese Variablen sinnvoll, weil sie im Gegensatz zu spezifischen Einstellungen/Variablen eher auf derselben Generalisierungsebene wie eine allgemeine Protesteinstellung liegen. Ein Blick auf die Regressionsergebnisse zur Protestskala lässt zunächst erkennen, dass das Einkommen in beiden Methoden ein negatives Vorzeichen hat. Der Einkommenseffekt ist jedoch nur in der Kontingenten Bewertung signifikant. Je höher das Einkommen, desto schwächer ist die Protesteinstellung, d.h. die Ablehnung einer Monetarisierung von Umwelt und biologischer Vielfalt. Das Umweltbewusstsein zeigt, unabhängig von der Bewertungsmethode, einen positiven Effekt. Ein höheres Umweltbewusstsein führt zu einer stärkeren Protestneigung. In anderen Studien wurde ermittelt, dass ein hohes Umweltbewusstsein das Auftreten von Protestantworten verringert (vgl. u.a. Wronka 2004: 232). Allerdings beziehen sich solche Befunde nicht auf Protestaussagen, die für alle Befragten erhoben wurden. Generell werden zwei kontroverse Positionen in der Literatur diskutiert, die plausibel und nahe liegend sind. Personen könnten gerade aufgrund eines hohen Umweltbewusstseins die monetäre Bewertung von Umweltgütern ablehnen. Im Gegensatz dazu ist denkbar, dass insbesondere Personen mit einem hohen Umweltbewusstsein die Umweltbewertung unterstützen, weil sie Möglichkeiten der Bewältigung von Umweltproblemen bietet. Da sich Bewertungsstudien hinsichtlich der Messung des Umweltbewusstseins und der Protestneigung in der Regel unterscheiden, können kaum vergleichende Rückschlüsse gezogen werden.
247
7.1 Messung und Umgang mit Protestantworten
Tabelle 7.3:
Multivariate Analysen zu Protestüberzeugungen Choice Experiment (CE)
Variablen Äquivalenzeinkommen logarithmiert Allg. Umweltbewusstsein (0-10) Dilemmabewusstsein (0-10) Allg. moralische Verpflichtung (0-10)
OLS Protestskala
Probit WTP(nein/ja)
-0,03 (-0,08)
-0,14 (-0,43)
0,12* (2,09)
0,16** (2,91)
0,21** (4,32)
-0,21** (4,52)
-0,25** (-4,91)
0,25** (4,95)
Protestskala (0-8)
-0,23** (-4,55)
Adj. R²/Pseudo-R² (McFadden)
0,20
0,42
N
290
290 Kontingente Bewertung (KB)
Variablen
OLS Protestskala
Probit WTP(nein/ja)
OLS ln(WTP+1) unbeschränkt
-0,99** (-3,47)
-0,64* (-2,10)
0,62* (2,40)
0,57** (2,86)
Allg. Umweltbewusstsein (0-10)
0,26** (4,28)
0,15* (2,33)
0,16* (2,45)
0,13* (2,53)
Dilemmabewusstsein (0-10)
0,24** (5,25)
-0,01 (-0,29)
0,03 (0,64)
-0,001 (-0,02)
-0,11** (-2,49)
0,32** (5,77)
0,05 (0,93)
0,06 (1,48)
-0,38** (-5,74)
-0,17** (-3,09)
-0,08+ (-1,82)
Äquivalenzeinkommen logarithmiert
Allg. moralische Verpflichtung (0-10) Protestskala (0-8)
OLS ln(WTP+1) beschränkt
Adj. R²/Pseudo-R² (McFadden)
0,22
0,40
0,27
0,27
N
292
292
80
70
+
** p<0,01; * p<0,05; p<0,10. t-Werte und z-Werte in Klammern. Alle Modelle enthalten Geschlecht, Alter, Bildung und Nutzer (nein/ja) als Kontrollvariablen. Die Bildung der unabhängigen Variablen ist im Kapitel 6 ausführlich dargelegt. Die Zahlungsbereitschaft für die OLS-Regression mit Beschränkung liegt im Bereich von 2,50€<WTP<67,50€.
248
7 Ergänzende Analysen: Protestantworten und Choice Experiment
Auch ein höheres Dilemmabewusstsein geht mit stärkeren Protesteinstellungen einher. Die Effekte sind über beide Methoden hinweg signifikant positiv. Die Wahrnehmung sozialer Dilemmata im Bereich des Umweltschutzes ist der Beurteilung von ökonomischen Bewertungen nicht förderlich. Wenig überraschend führt eine stärkere Wahrnehmung einer allgemeinen moralischen Verpflichtung, etwas Gutes (für die Umwelt) zu tun, zu signifikant geringeren Protestneigungen. Da hierbei auch der Warm Glow-Effekt angesprochen wird, ist anzunehmen, dass ein „Taste of Giving“ zu einer vergleichsweise positiven Beurteilung von monetären Bewertungen führt. Insgesamt werden durch die Kovariaten ca. 20 Prozent der Varianz der Protestskala erklärt. In einem nächsten Schritt wurde mit Kontrolle der vier gerade besprochenen Erklärungsdeterminanten der Effekt der Protestskala auf die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft und auf die Höhe der Zahlungsbereitschaft untersucht. Die Ergebnisse geben die Spalten zwei bis vier in Tabelle 7.3. Zentrales Ergebnis mit Blick auf die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft ist der hoch signifikant negative Effekt der Protestskala in beiden Methoden. Mit zunehmender Protestneigung sinkt die Wahrscheinlichkeit, zahlungsbereit zu sein. Die anderen erklärenden Variablen behalten die bereits bekannten Effekte aus den multivariaten Analysen im Kapitel 6. Diese Effekte sind also auch unter Kontrolle der Protestneigung als stabil einzustufen. Eine Ausnahme bildet das Einkommen in der Kontingenten Bewertung (dazu weiter unten mehr). In beiden Methoden haben das Umweltbewusstsein und die allgemeine moralische Verpflichtung einen signifikant positiven Effekt. Das Dilemmabewusstsein beeinflusst die Zahlungsbereitschaftswahrscheinlichkeit im Choice Experiment (CE) signifikant negativ, hat aber in der Kontingenten Bewertung (KB) keinen Effekt. Das Einkommen ist im CE ohne Einfluss. Dieser Befund ist wenig überraschend, da die multivariaten Ergebnisse zur moralischen Verpflichtung (vgl. Abschnitt 6.6) gezeigt haben, dass diese den Einkommenseffekt aus dem ökonomischen Grundmodell verdrängt. Das ändert sich durch die Hinzuziehung der Protesteinstellung nicht. In der Kontingenten Bewertung hingegen hat das Einkommen unter Kontrolle der Protesteinstellung einen signifikant negativen Effekt auf die Zahlungsbereitschaftswahrscheinlichkeit. Je höher das Äquivalenzeinkommen des Haushaltes, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, zahlungsbereit zu sein. Das widerspricht der Annahme des ökonomischen Grundmodells. Zudem haben Sensitivitätsanalysen in der Kontingenten Bewertung ergeben, dass nicht die Protesteinstellung allein den Einkommenseffekt signifikant werden lässt, sondern erst der zusätzliche Einbezug von Umweltbewusstsein und allgemeiner moralischer Verpflichtung. Dennoch ist der Einkommenseffekt ein Indiz dafür, dass sich Studien zur Protesteinstellung und ihrem Einfluss in Zahlungsbereitschaftsanalysen lohnen. Auch bei der Höhe der Zahlungsbereitschaft in der Kontingenten Bewertung in der Gruppe derjenigen, die grundsätzlich zahlungsbereit sind, werden die Ergebnisse aus Kapitel 6 unter Kontrolle der Protesteinstellung unterstützt. Das Einkommen und das allgemeine Umweltbewusstsein beeinflussen weiterhin signifikant positiv die Zahlungsbereitschaftshöhe. Das gilt für die gesamte und eingeschränkte Zahlungsspanne. Es ist durchaus überraschend, dass selbst in der Gruppe der Zahlungsbereiten die Protesteinstellung einen signifikant negativen Effekt auf die Höhe der Zahlungsbereitschaft hat. In der gesamten Zahlungsspanne ist der Effekt auf dem 1-Prozent-Niveau signifikant, in der eingeschränkten Zahlungsspanne immerhin noch auf dem 10-Prozent-Niveau. Dieses für die ökonomische Bewertung problematische Ergebnis unterstützt nochmals die Aufforderung, Protestneigungen für alle Befragten zu erheben.
7.2 Multivariate Analysen zum Choice Experiment
249
Die Messung und theoriebezogene Erklärung von Protesteinstellungen steckt noch in den „Kinderschuhen“. Die hier berichteten empirischen Befunde unterstreichen deren Relevanz. Im Gegensatz beispielsweise zu normativen Erklärungen von individuellen Zahlungsbereitschaften, deren theoretische Einbettung in rationales Handeln zwar strittig, aber möglich ist, sind Protesteinstellungen ein schwerwiegendes Problem, da sie unmittelbar auf die Monetarisierung der Umwelt abzielen. Das trifft natürlich nur zu, wenn Protestneigungen anhand der Befürwortung und Ablehnung der monetären Bewertung gemessen werden und die Messung nicht ausschließlich auf Aspekte des hypothetischen Marktes gerichtet sind (z.B. die Ablehnung eines Fonds als Zahlungsvehikel). Hier aber liegt das Problem im Umgang mit Protestantworten. In künftigen Studien, das sollte klar geworden sein, ist es ratsam, Protestaussagen für alle Befragten zu erheben. Darüber hinaus ist es angebracht, einen Kanon an Aussagen zu entwickeln, mit dem Protesteinstellungen gemessen werden können. Bisher liegt nur ein Vorschlag von Jorgensen und Syme (2000) vor. Dieser Vorschlag wurde in einer Studie von Meyerhoff und Liebe (2006) repliziert, die sich auch mit der Erklärung von Protesteinstellungen, ähnlich der hier berichteten Vorgehensweise, befasst.1 Bei der Messung einer Protesteinstellung ist zudem zu klären, ob Antworten nicht ein Artefakt der Umfragemethode sind. Protestaussagen werden meist im Anschluss an die Zahlungsbereitschaftsfrage gestellt. Personen, die dann ein Recht in Anspruch nehmen, nicht für das Umweltgut zahlen zu müssen, können die Aussage als eine Rechtfertigungsmöglichkeit entdecken. Abschließend bleibt also eine Aufforderung zur systematischen Beschäftigung mit dem Problem der Protestantworten und ihrer Messung, die über die gegenwärtige Praxis, nur Nicht-Zahlungsbereite zu befragen, hinausgeht. 7.2 Multivariate Analysen zum Choice Experiment Im Abschnitt 3.4 wurde deutlich, dass mit Choice Experimenten Informationen gewonnen werden können, die über den Informationsgehalt der Kontingenten Bewertung hinausgehen. Insbesondere ist es möglich, die Effektstärke einzelner Attribute biologischer Vielfalt auf das Antwortverhalten der Respondenten zu ermitteln. Ferner können Wertschätzungen der Attribute (implizite Preise) und Wohlfahrtsmaße für verschiedene Szenarien des Waldumbaus berechnet werden. Es sei daran erinnert, dass in der vorliegenden Studie jeder Befragte sechs Choice-Karten beantwortet hat, auf denen er zwischen dem Status quo, der keine zusätzlichen Kosten beinhaltet, und zwei mit Kosten verbundenen Programmen A bzw. B gewählt hat. Die Attribute auf den Choice-Karten waren die (Anzahl der) Biotope für gefährdete und geschützte Arten, die Artenvielfalt, die Alterstruktur der Wälder, die landschaftliche Vielfalt und ein Fondbeitrag, der von den Respondenten gezahlt werden müsste, damit das Programm A bzw. B umgesetzt wird. Den Startpunkt für die Auswertung von Choice Experimenten bildet das konditionale Logit-Modell (conditional logit model). Da dieses Modell auf sehr restriktiven Annahmen beruht, werden mitunter weitere Auswertungsmodelle herangezogen. In den nachstehenden Ausführungen werden drei Modelle diskutiert und anhand der Daten einander gegenübergestellt. Dabei handelt es sich um das bereits erwähnte konditionale Logit-Modell, das nested Logit-Modell und das mixed Logit1
Sowohl in der Studie von Jorgensen und Syme (2000) als auch in der von Meyerhoff und Liebe (2006) wurde die Protesteinstellung mit mehr als zwei Aussagen, die zum Teil auch Fairnessaspekte beinhalten, gemessen. Die vorliegende Studie beschränkte sich auf ein eher eng gefasstes Maß.
250
7 Ergänzende Analysen: Protestantworten und Choice Experiment
Modell. In den letzten beiden Modellen werden sukzessive Annahmen des konditionalen Logit-Modells gelockert. Bevor die multivariaten Ergebnisse berichtet werden – und damit auch die Schätzung der impliziten Preise einzelner Attribute biologischer Vielfalt in der Lüneburger Heide und die Wohlfahrtsmaße –, folgen zunächst einige Vorbemerkungen zur Datenstruktur bei Choice Experimenten und Erläuterungen zu den drei Schätzmodellen. Die Auswertungsmodelle werden etwas ausführlicher erläutert, weil sie nicht zum Standardinstrumentarium statistischer Analyseverfahren gehören.
Vorbemerkungen zur Datenstruktur Bei der Auswertung von Choice Experimenten werden in der Datenstruktur nicht länger Individuen betrachtet, sondern Handlungsentscheidungen (Beobachtungen/observations). Jeder Befragte hat für sechs Choice Sets/Choice-Karten seine von ihm präferierte Alternative gewählt. Im Kern gilt es, jedes dieser Choice Sets und die jeweiligen individuellen Entscheidungen im Datensatz abzubilden. Jede gewählte und nicht gewählte Alternative eines Choice Sets erhält im Datensatz eine Zeile, in der neben der Entscheidung des Befragten (gewählt versus nicht gewählt) ebenfalls die einzelnen Ausprägungen der Attribute und soziodemographische sowie andere Merkmale des Befragten enthalten sind (vgl. Bennett und Adamowicz 2001: 60). Im vorliegenden Falle haben 298 Befragte jeweils 6 Choice Sets mit drei Alternativen bewertet. Somit ergeben sich 298 u 6 u 3 5364 Datenzeilen. In den nachstehend erläuterten Auswertungsmodellen werden die Daten pro Individuum und Choice Set (drei Datenzeilen) gruppiert, sodass insgesamt 1788 Beobachtungen vorliegen. Es bleibt darauf hinzuweisen, dass die soziodemographischen und andere Merkmale der Befragten im Gegensatz zu den Ausprägungen der Attribute biologischer Vielfalt nicht variieren. Sie gehen deshalb in Analysen nicht direkt, sondern über Interaktionseffekte ein, was später gezeigt wird.
Spezifikation des konditionalen Logit-Modells (logistischen Zufallsnutzenmodells) Das konditionale Logit-Modell kann treffend auch als logistisches Zufallsnutzenmodell bezeichnet werden (Kühnel 1992). Mit Verankerung in der Random Utility Theory wird angenommen, dass bestimmte Eigenschaften von Handlungsalternativen (unabhängige Variablen) die Wahl dieser Alternativen (abhängige Variable) beeinflussen. Generell ist dabei „die zu erwartende Wahrscheinlichkeit, mit der eine Person eine bestimmte Alternative auswählt, gleich der Wahrscheinlichkeit, mit der der Nutzen dieser Handlungsalternative größer ist als der Nutzen jeder anderen Handlungsalternative“ (Urban 1993: 115). Für jeden Befragten n lässt sich die indirekte Nutzenfunktion U n in zwei Komponenten zerlegen: (1) eine deterministische, systematische bzw. „repräsentative“ Komponente V , die in der Regel als ein linearer Index der Attribute X der j verschiedenen Handlungsalternativen ( j 1,! , J ) in einem Choice Set erfasst wird, und (2) eine zufällige bzw. stochastische Komponente H , die nichtbeobachtbare Einflüsse auf das individuelle Entscheidungsverhalten beinhaltet.
251
7.2 Multivariate Analysen zum Choice Experiment
Damit ergibt sich folgende Spezifikation der indirekten Nutzenfunktion:
U jn
V jn X jn H j
X jnE H jn .
Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person n die Alternative a eines Choice Sets gegenüber irgendeiner Alternative b bevorzugt, entspricht der Wahrscheinlichkeit, dass der Nutzen von Alternative a höher ist als der Nutzen irgendeiner anderen Alternative:
P (U an ! U bn , b z a )
P[(Van Vbn ) ! (H bn H an @ .
Eine wichtige Rolle spielen die Annahmen über die Verteilung der stochastischen Komponenten/der Fehlerterme H in der Nutzenfunktion. Dabei können drei Annahmen unterschieden werden, die für jedes Paar an Handlungsalternativen für alle Fehler: (1) eine voneinander unabhängige Verteilung, (2) eine identische Verteilung und (3) eine ExtremwertVerteilung (Weibull-Verteilung) verlangen. Die drei Annahmen bedeuten im Einzelnen (Urban 1993: 131): (1) Jeder Befragte ordnet jeder Handlungsalternative einen bestimmten Nutzenwert zu, was auch zu einer alternativenspezifischen Fehlergröße führt, die lediglich für die Wahl dieser Alternative „typisch“ ist, d.h. unabhängig von anderen Alternativen. Die Fehlergröße ist die Differenz zwischen der systematischen und der stochastischen Nutzenkomponente. Die Unabhängigkeitsannahme mit Bezug auf dritte Alternativen (independence of irrelevant alternatives, IIA) besagt: „Die Fehler in der Nutzenfunktion müssen voneinander wechselseitig unabhängig sein, d.h. sie dürfen nicht durch die Anwesenheit dritter Alternativen beeinflusst werden“ (Urban 1993: 131). Das Wahrscheinlichkeitsverhältnis bzw. die „Gewinnchance“ (odds), dass die Alternative a gegenüber der Alternative b bevorzugt wird, ist unabhängig von anderen Alternativen und entspricht demnach dem Wahrscheinlichkeitsverhältnis einer binären Handlungsentscheidung (McFadden 1974: 109). (2) Die Fehlergrößen entstammen annahmegemäß einer Wahrscheinlichkeitsverteilung, die für alle Handlungsalternativen identisch ist. (3) Für die Festlegung der Verteilungsform der Fehlergrößen wird meist auf die Weibull- bzw. Gumbel-Verteilung verwiesen, die auch als Extremwert-Verteilung vom Typ I bzw. als doppelte ExponentialVerteilung bekannt ist. In ihrer nicht-standardisierten bzw. standardisierten Form (Lageparameter P und Skalierungsparameter O ) lauten die kumulierten Verteilungsfunktionen:
F ( x ) exp[ exp(( x P) / O@ bzw. F ( x) exp[ exp( x)] . Bei der Annahme voneinander unabhängig und identisch verteilter Fehlerterme mit einer Extremwert-Verteilung (Weibull) kann die Wahrscheinlichkeit der Wahl einer bestimmten Alternative a als logistische Verteilung geschrieben werden (konditionales Logit-Modell):
P(U an ! U bn , b z a)
1 ¦ exp (PVan PV j ) j
exp(PVan ) ¦ exp(PV j ) j
exp(PX anE) ¦ exp(PX jnE) j
252
7 Ergänzende Analysen: Protestantworten und Choice Experiment
P ist ein zur Standardabweichung der „Fehler-Verteilung“ invers proportionaler Skalierungsparameter. Dieser Parameter kann innerhalb eines Datensatzes nicht eigenständig ermittelt werden und geht daher implizit in die geschätzten Werte ein. Er nimmt in der Regel den Wert Eins an (Adamowicz et al. 1994: 280). Zudem ist er für die Berechnung der (relativen) Wohlfahrtsmaße nicht von Bedeutung, sobald die Nutzenfunktion Linearität hinsichtlich des Einkommens ausweist, da alle Parameter gleich gewichtet werden (Bateman et al. 2002: 280).2 Im konditionalen Logit-Modell wird keine Referenzkategorie gewählt, d.h. alle Handlungsalternativen werden gleich behandelt. Betrachtet man die Odds (Wahrscheinlichkeitsverhältnisse) wird zudem deutlich, warum es im Modell keine Regressionskonstante gibt (vgl. Andreß et al. 1997: 309):
S an S bn
ªK º exp « ¦ ( X ka X kb )Ek » ¬k 1 ¼ e( x1a x1b )E1 u e( x2 a x2 b )E2 u" u e( xka xkb )Ek .
In die Wahrscheinlichkeitsverhältnisse – hier der Handlungsalternative a gegenüber b – fließen Differenzen von Attributen ( 1,! , K ) ein, die einen Regressionskoeffizienten gemeinsam haben. Unter Berücksichtigung einer Regressionskonstante ist diese Differenz immer null, daher unsinnig. Dennoch ist es zweckmäßig, so genannte alternativenspezifische Konstanten einzubeziehen, die Variationen in individuellen Wahlentscheidungen aufgreifen, die nicht über die Attribute auf den Choice-Karten erklärt werden können. Dafür wird eine Pseudovariable gebildet, die immer den Wert eins annimmt, falls eine Handlungsalternative vorliegt, und sonst den Wert null zugeordnet bekommt. Bei j Handlungsalternativen können jeweils j 1 Konstanten gebildet werden. Falls sich zudem bei drei Handlungsalternativen zwei sehr ähnlich sind, ist es ratsam, diesen beiden Alternativen eine identische Konstante zuzuordnen. Im vorliegenden Falle ist es deshalb sinnvoll, diese Vorgehensweise zu wählen, weil sich die zu bewertenden Programme A und B im Vergleich zum Status quo kaum unterscheiden bzw. generische Choice Sets und nicht alternativenspezifische Sets vorliegen (vgl. Bennett und Adamowicz 2001: 61).3 Zur Überprüfung der IIA-Annahme kann der Hausman-Test herangezogen werden. Dabei wird ein Vergleich zwischen dem vollständigen Modell und einem Modell mit reduzierter Alternativenmenge vorgenommen. Gilt die Unabhängigkeitsannahme, dürften sich die Ergebnisse der jeweiligen Modellschätzungen nicht signifikant unterscheiden. Die 2
3
Der Skalierungsparameter wird erst dann interessant, wenn absolute Wertschätzungen der Analysegegenstand sind, z.B. beim Vergleich zweier Choice Modelle aus unterschiedlichen Datensätzen. Hier kann das Verhältnis der Parameter, die nicht identisch sein müssen, zur Anpassung von Differenzen in der Fehlervarianz herangezogen werden. Zur Erinnerung: Alternativenspezifische bzw. „labelled“ Choice Sets liegen vor, wenn die Handlungsalternativen Namen erhalten, die eine Maßnahme treffend benennen (z.B. Laubwaldanteil beibehalten, Laubwaldanteil von 50 % oder Laubwaldanteil von 70 %). In der hier behandelten Untersuchung werden neben dem Status quo (ohne Waldumbau) zwei Programme A und B betrachtet, die jeweils einen Laubwaldanteil von 60 % ausweisen.
7.2 Multivariate Analysen zum Choice Experiment
253
Nullhypothese des Hausman-Tests ist daher: H 0 : d L(v ) L(r ) 0 . Sie ist also erfüllt, wenn keine systematischen Differenzen zwischen der vollständigen Logit-Schätzung L(v) und der reduzierten Logit-Schätzung L(r ) auftreten. Die Test-Statistik T ist asymptotisch chi-quadrat verteilt (vgl. Hausman und McFadden 1984: 1221ff.): T N (T v T r )´Q t (T v T r ) . Tv und T r entsprechen den Matrizen der Logit-Schätt zungen, und Q ist eine generalisierte Inverse von Q , der Differenz der KovarianzMatrizen [cov(T v ) cov(T r )] .
Abbildung 7.1:
Konditionales Logit-Modell und Verletzung der IIA-Annahme
Im vorliegenden Falle ist anzunehmen, dass keine Unabhängigkeit von irrelevanten Alternativen vorliegt, da sich die Programme A und B auf den Choice-Karten kaum voneinander unterscheiden. Nicht unplausibel dürfte sein, dass das Vorhandensein beider Alternativen im Modell die Entscheidung für die jeweils andere Handlungsalternative beeinflusst. Es wäre deshalb denkbar und ist zu überprüfen, ob nicht eine sequenzielle Struktur das Entscheidungsverhalten besser abbildet, d.h. in einem ersten Schritt die Entscheidung, den Status quo oder eines der beiden Programme zum Waldumbau zu wählen, und in einem zweiten Schritt die Entscheidung zwischen dem Programm A und B. Der Unterschied ist in Abbildung 7.1 veranschaulicht. Trifft die sequenzielle Struktur zu, ist dem konditionalen Logit-Modell z.B. ein nested Logit-Modell vorzuziehen.
Spezifikation des nested Logit-Modells Im nested Logit-Modell werden, wie schon eben angedeutet, Entscheidungssituationen mehrstufig betrachtet. Bedingung ist, dass Handlungsalternativen sinnvoll in Untergruppen/Subsets (in „nests“) gebündelt werden können und zudem folgende Eigenschaften zutreffen:
254
7 Ergänzende Analysen: Protestantworten und Choice Experiment „1. „2.
For any two alternatives that are in the same nest, the ratio of probabilities is independent of the attributes or existence of all other alternatives. That is, IIA holds within each nest. For any two alternatives in different nests, the ratio of probabilities can depend on the attributes of other alternatives in the two nests. IIA does not hold in general for alternatives in different nests“ (Train 2003: 81).
Dadurch wird die IIA-Annahme insgesamt abgeschwächt.4 Für die hier zu betrachtende Entscheidungssituation ergibt sich zunächst die Wahl zwischen dem Status quo und Maßnahmen zum Waldumbau (zweite Stufe). Würde diese auf den Waldumbau fallen, stellt sich (auf der ersten Stufe) die Entscheidung zwischen den spezifischen Programmen A und B. Allerdings entspricht die Mehrstufigkeit nicht notwendigerweise einer zeitlichen Abfolge (Urban 1993: 140). Grundlage der folgenden Erläuterungen ist demnach die bereits angesprochene sequenzielle Modellstruktur. Sie ist nochmals für die vorliegende Untersuchung in Abbildung 7.2 angeführt.
Abbildung 7.2:
Sequenzielle Modellstruktur (nested Logit-Modell) Mehrstufige Struktur im nested Logit-Modell
Stufe 2/UPPER LEVEL
Status quo
Waldumbau Stufe 1/LOWER LEVEL
Staus quo
Programm A
Programm B
Im Modell gibt es zunächst generische Alternativen-Sets ( G ), in diesem Fall Status quo und Waldumbau sowie spezifische Alternativen ( J ), hier Status quo, Programm A und Programm B. Die indirekte Nutzenfunktion einer Alternative j in Verbindung mit dem generischen Set g kann allgemein wie folgt beschrieben werden:5
4
5
Das nested Logit-Modell ist in die Klasse der „generalized extreme value models“ (GEV) einzuordnen, bei denen die willkürliche (nichtbeobachtbare) Nutzenkomponente für alle Alternativen eine gemeinsame/generalisierte Extremwert-Verteilung aufweist (vgl. McFadden 1981: 226ff.). Diese Verteilung erlaubt eine Korrelation zwischen den willkürlichen Komponenten von Alternativen. GEV entspricht dem Standard-LogitModell, sobald diese Korrelation den Wert Null annimmt. Die Erläuterungen und formalen Darstellungen orientieren sich an Louviere et al. (2000: 145ff.).
255
7.2 Multivariate Analysen zum Choice Experiment
U gj
U g U j| g , j J g , g G
(1)
und speziell mit Blick auf den beobachtbaren tenvektor ( P , H) von U gj :
U gj
(V ) und nicht-beobachtbaren Komponen-
Vg V j| g P g H j| g , j 1,! , J g , g 1,! , G
(2)
wobei die Varianz-Kovarianz-Matrix definiert ist als:
¦
E[(P g H j|g ) ( P g ' H j '| g ' )].
(3)
gj , g ' j '
Die bedingte Wahrscheinlichkeit, die Alternative gj zu wählen, entspricht unter Annahme der Zufallsnutzenmaximierung (random utility maximisation) der Gleichung:
Pgj
exp(Og (Vg Vg* ))
¦ exp(O
g'
(Vg ' Vg '* ))
g 'G
exp(O jV j| g )
¦ exp(O V j'
j '| g '
)
,
(4)
j 'J g
wobei
Vg*
I g*
(1/ O j ) ln
¦ exp(O V j
j '| g
) Eulersche Konstante .
(5)
j 'J g
Durch Einsetzen der Gleichung (5) in Gleichung (4) erhält man:
Pgj
§ · O exp ¨ OgVg g ln ¦ exp(O jV j '| g ) ¸ ¨ ¸ O j j 'J g © ¹ § · O exp ¨ Og 'Vg ' g ' ln ¦ exp(O j 'V j '| g ) ¸ ¦ ¨ ¸ O j ' j 'J g g 'G © ¹
exp(O jV j| g )
¦ exp(O V j'
j '| g '
)
.
(6)
j 'J g
Die Wahrscheinlichkeit der Wahl einer Alternative resultiert demnach aus dem Produkt der Wahrscheinlichkeiten der spezifischen Alternativen-Wahrscheinlichkeiten auf jeder Stufe. In unserem Fall hieße das beispielsweise:
P (Programm A)
P (Waldumbau) P (Programm A | Waldumbau) .
I g * entspricht dem so genannten Inklusivwert (inclusive value IV) mit dem Parameter
Og / O j und O j
(siehe Gleichung 6). Zur Berechnung von IV muss einer der beiden Parameter Og normalisiert werden, d.h. den Wert Eins zugeordnet bekommen. Wird der Skalierungsparameter der ersten Stufe (lower level) normalisiert, sodass lediglich die Skalierungsparameter Og auf der zweiten Stufe (upper level) variieren, spricht man vom „random
256
7 Ergänzende Analysen: Protestantworten und Choice Experiment
utility model 1 (RU1)“. Umgekehrt bedeutet die Normalisierung auf der zweiten Stufe, dass die Skalierungsparameter auf der ersten Stufe frei variieren können, was als „random utility model 2 (RU2)“ bezeichnet wird.6 Der IV-Parameter muss im Bereich von 0 und 1 liegen, um mit der Zufallsnutzentheorie konsistent zu sein und darf nicht größer werden, sobald man eine höhere Entscheidungsstufe erreicht, weil die Varianz der Fehlerkomponente auf der zweiten Stufe (upper level) sowohl diejenige der ersten als auch der zweiten Stufe enthält. Somit gilt: Og d O j bzw. Og / O j d 1 . Da sich die Skalierungsparameter invers zur Standardabweichung verhalten, haben sie und ihr Verhältnis zueinander einen positiven Wert. Im konditionalen Logit-Modell sind die Skalierungsparameter gleich groß und das Verhältnis entspricht 1. Bei einem IV-Parameter von 1 sind demnach das konditionale und das nested Logit-Modell identisch, wobei die IIA-Annahme (keine Korrelation der Fehlerkomponenten) zutrifft. In der zweistufigen Modellstruktur kann das Verhältnis zweier Skalierungsparameter als Ausdruck für die Korrelation zwischen den indirekten Nutzen zweier 2 Alternativen in einem generischen Set (Nest) verstanden werden: 1 (Og / O j ) . Eine zunehmende Stärke dieser Korrelation ist Ausdruck abnehmender Werte des IVParameters, wobei null einer vollständigen Korrelation entspricht. Bei der Betrachtung von Abbildung 7.2 wird deutlich, dass in unserem Fall eines der beiden generischen Sets (nests) – der Status quo – nur eine Handlungsalternative enthält. Hierbei handelt es sich um ein so genanntes „degenerate nest“. Die bedingte Auswahlwahrscheinlichkeit für die Alternative in einem solchen Nest ist 1, und zudem gibt es keinen Inklusivwert-Parameter (bei der RU2-Formulierung). Beides ist gut nachzuvollziehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Status quo gewählt wird, wenn sich für den Status quo und gegen den Waldumbau entschieden wird, ist schlicht 100 Prozent. Da es im Nest „Status quo“ nur eine Alternative gibt, kann es auch keinen sinnvollen Parameter geben, der die Ähnlichkeit von (mindestens zwei) Alternativen in einem Nest wiedergibt. Bei der Modellschätzung mit einem „degenerate nest“ gehen die Attribute direkt in die Logit-Schätzung der höheren Stufe ein. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass im nested Logit-Modell zuerst eine (klassische) konditionale Logit-Schätzung auf der untersten Stufe für die ähnlichen Alternativen durchgeführt wird. Anhand dieser ersten Schätzung vollzieht sich die Berechnung des Inklusivwertes, der als „künstliche Alternative“ in die Modellschätzungen höherer Stufen (konditionale Logit-Schätzung) eingeht. Der Inklusivwert-Parameter ist Ausdruck der Korrelation zwischen (ähnlichen) Alternativen in einem Nest. Um effiziente Schätzergebnisse zu erlangen, können mithilfe der „Full Information Maximum Likelihood (FIML)“Methode nested Logit-Modelle geschätzt werden, wobei alle Entscheidungsstufen simultan berücksichtigt werden.
6
Oft wird unterstellt, dass die Ergebnisse unabhängig von der Spezifikation des Modells als RU1 oder RU2 bis auf einige Umformungen identisch sind. Allerdings trifft dies mit Blick auf die zentrale Annahme der Nutzenmaximierung lediglich unter bestimmten Bedingungen zu. Bei der vorliegenden Nest-Struktur gibt es eine Konsistenz mit der Nutzenmaximierung, bei der keine weiteren Umformungen vorgenommen werden müssen, wenn das Modell als RU2 spezifiziert wird. Für eine ausführliche Diskussion der Bedingungen für eine Konsistenz der Modellschätzungen mit der Nutzenmaximierung sei auf Louviere et al. (2000: 167ff.) verwiesen. In vielen Publikationen wird nicht angegeben, welche Skalierungsparameter normalisiert wurden, sodass ein Vergleich zwischen Studien oftmals schwierig ist (Hensher et al. 2005: 538).
7.2 Multivariate Analysen zum Choice Experiment
257
Spezifikation des mixed Logit-Modells Das konditionale und nested Logit-Modell werden in der Regel zur Auswertung von Choice Experimenten herangezogen. Seit geraumer Zeit erfreut sich aber immer mehr das mixed Logit-Modell an Beliebtheit.7 Das hat vor allem folgende Gründe: „It obviates the three limitations of standard logit by allowing for random taste variation, unrestricted substitution patterns, and correlation in unobserved factors over time“ (Train 2003: 138).
Mit dem Modell kann also berücksichtigt werden, dass „Geschmäcker“ (tastes) in einer Population zwischen Individuen variieren. Ferner wird die IIA-Annahme aufgegeben (unrestricted substitution patterns), und es ist möglich, Situationen zu erfassen, in denen Personen wiederholt Wahlentscheidungen treffen. Allein der letztgenannte Punkt rechtfertigt die Anwendung des mixed Logit-Modells in der vorliegenden Untersuchung, da jede befragte Person sechs Choice-Karten bewertet hat, und es nicht zweckmäßig ist, jede Entscheidung pro Person unabhängig voneinander zu betrachten. In seiner allgemeinen Form kann die Auswahlwahrscheinlichkeit eines mixed LogitModells wie folgt spezifiziert werden (vgl. Train 2003: 139):
Pni
³L
ni
( E ) f ( E )d E ,
wobei Lni der an den spricht:
L( E )
E -Parametern gemessenen bedingten Logit-Wahrscheinlichkeit ent-
eVni ( E )
¦
J j 1
Vnj ( E )
e
und f ( E ) die Dichtefunktion darstellt. Vni ( E ) ist der beobachtete Nutzenanteil. Die unbedingte (unconditional) Auswahlwahrscheinlichkeit im mixed Logit-Modell nimmt die bewährte Form an, wenn der Nutzen in E linear ist:
Pni
§ E ' xni e ³ ¨¨ eE ' xnj ©¦j
· ¸ f ( E )d E . ¸ ¹
Mixed Logit-Wahrscheinlichkeiten sind ein gewichtetes Mittel der Logit-Formel für verschiedene Werte von E , wobei die Gewichte durch die Dichtefunktion f ( E ) gegeben sind. Eine gemischte Funktion (mixed function) ist daher das gewichtete Mittel verschiedener Funktionen, und die Dichte der Gewichtungen wird als gemischte Verteilung (mixed distribution) bezeichnet. Die gängige Logit-Formulierung ist ein Spezialfall der gemischten Verteilung, wenn diese fixe Parameter b annimmt: f ( E ) 1 für E b und 0 für E z b . 7
Dieses Modell wird häufig auch als „random paramter logit model“, „mixed multinomial logit model“ oder „hybrid logit model“ bezeichnet (vgl. Hensher et al. 2005: 605).
258
7 Ergänzende Analysen: Protestantworten und Choice Experiment
Im mixed Logit-Modell gibt es zwei Arten von Parametern: zum einen die E Koeffizienten, die im Gegensatz zum Standard-Logit-Modell über Personen mit der Dichteverteilung f ( E | T ) variieren können, und zum anderen die T -Parameter, die die Verteilung der E -Koeffizienten f ( E | T ) beschreiben (z.B. Mittelwert und Standardabweichung der E ’s in einer Population). Da im Gegensatz zum Standard-Logit-Modell die individuellen E -Koeffizienten vom Forscher nicht direkt beobachtbar sind, wird die oben genannte unbedingte Auswahlwahrscheinlichkeit betrachtet, d.h. die mixed Logit-Auswahlwahrscheinlichkeit.8 Schließlich legt der Forscher eine Verteilung für die Koeffizienten fest und schätzt die Parameter dieser Verteilung (den Mittelwert und die Standardabweichung). Dabei werden in der Regel die uniforme, triangulare, normale oder log-normale Verteilung verwendet (für eine ausführliche Diskussion siehe Hensher et al. 2005: 611ff.). Für das Preisattribut – hier den Fondbeitrag – wird meist eine log-normale Verteilung gewählt, da angenommen werden kann, dass der Koeffizient für jede Person ein negatives Vorzeichen hat (Train 2003: 142). Mixed Logit-Modelle setzen keine Unabhängigkeit von irrelevanten Alternativen voraus bzw. lassen verschiedene Substitutionsmuster – Verhältnisse zweier mixed LogitWahrscheinlichkeiten – zu. Diese Verhältnisse sind auch von den Attributen dritter Alternativen abhängig. Insgesamt können zwei Spezifikationen unterschieden werden: Erstens ist die Zufallsparameter-Spezifikation (random parameter specification) zu nennen, in der für jeden E -Koeffizienten eines Attributes einer Alternative ein Mittelwert und eine Standardabweichung geschätzt werden. Bei einem fixen Parameter würde man hierbei von einer Standardabweichung von null ausgehen, sodass der Mittelwert alle relevanten Informationen enthält. Zweitens gibt es den so genannten „error components approach“, in dem nichtbeobachtbare Informationen als eigenständige Fehlerkomponente der Zufallskomponenten eingehen. Beide Spezifikationen sind formal betrachtet äquivalent (vgl. Train 2003: 144). Durch eine Schätzung der Standardabweichung für E -Koeffizienten kann Präferenzheterogenität in einer Population untersucht werden, d.h. Individuen in einer Population können unterschiedliche E -Koeffizienten haben, im Gegensatz zur Schätzung eines E -Koeffizienten, der die gesamte Population repräsentiert. Die T -Parameter in mixed Logit-Modellen werden mithilfe von Simulationen geschätzt. Es sei nochmals die Auswahlwahrscheinlichkeit angegeben:
Pni
³L
ni
( E ) f ( E | T )d E .
Den Wahrscheinlichkeiten nähert man sich durch Simulationen für jeden gegebenen Wert von T , d.h. es wird ein Wert von E aus einer Verteilung f ( E | T ) gezogen und für die8
Im Gegensatz zu Parametern (Mittelwert und Standardabweichung), die sich auf die gesamte Population beziehen, können auch eher individuenspezifische Parameter geschätzt werden: „We might refer to these parameter estimates as ‚common- or same-choice-specific’ parameters. The conditional ‚common- or samechoice-specific’ parameter estimates, however, are strictly not individual-specific but represent the mean and standard deviation of the parameters of the sub-population of individuals who, when faced with the same choice situation, would have made the same choices. Random assignment still applies, but is now specialized to the sub-set of the sample with common choices“ (Hensher et al. 2005: 610). Die Kernidee ist, dass eine Person durch Wahlentscheidungen – z.B. auf Choice-Karten – ihre Präferenzen äußert. In diesem Sinne kann man mit Rückgriff auf das Bayes-Theorem die Verteilung der Zufallsparameter für diejenigen Personen betrachten, die gleiche Entscheidungen treffen. In der vorliegenden Studie werden diese „common-choice-specific parameters“ nicht weiter behandelt (vgl. dazu ausführlich Train 2003: 262ff.).
259
7.2 Multivariate Analysen zum Choice Experiment
sen Wert wird die Logit-Formel Lni ( E ) berechnet. Durch häufiges Wiederholen dieses Vorgangs erhält man die simulierte Wahrscheinlichkeit als Durchschnitt. Durch Einsetzen der simulierten Wahrscheinlichkeiten in die Log-Likelihood-Funktion ergibt sich die simulierte Log-Likelihood (SLL), wobei nach dem T gesucht wird, das die SLL maximiert. Diese Vorgehensweise lässt sich für wiederholte Entscheidungen von Personen verallgemeinern. (Nutzen-)Koeffizienten variieren dann zwischen Individuen. Sie sind jedoch über verschiedene Entscheidungen pro Individuum konstant. Obwohl z.B. mit dem Softwarepaket NLOGIT mixed Logit-Modelle vergleichsweise einfach geschätzt werden können, muss der Anwender immer überprüfen, welche der unabhängigen Variablen nicht als fixe Parameter, sondern als Zufallsparameter zu spezifizieren sind, und er muss eine Vielzahl weiterer Entscheidungen treffen, z.B. welche Verteilungsform die Zufallsparameter annehmen und inwieweit Verteilungen mit Blick auf die Standardabweichung beschränkt werden sollten. Es handelt sich um einen langwierigen Iterationsprozess zwischen Forscher und Daten, bis ein geeignetes Modell gefunden wird. Darauf soll hier nicht näher eingegangen werden (dazu ausführlich Hensher et al. 2005: 611ff.). Gegenüberstellung der Auswertungsmodelle und multivariate Ergebnisse Nachdem die methodischen Vorbemerkungen abgeschlossen sind, können jetzt die Ergebnisse der Modellschätzungen vorgestellt und diskutiert werden. Grundlage dieser Analysen ist die Spezifikation der unabhängigen Variablen, wie sie Tabelle 7.4 berichtet. Tabelle 7.4:
Attribute und Variablen im Choice Experiment
Attribute
Level
Alternativenspezifische Konstante
Variablen ASC 0=Status quo, 1=Waldumbau
Biotope für gefährdete und geschützte Arten
mittel (Status quo) hoch
BIO 0=mittel, 1=hoch
Artenvielfalt
mittel (Status quo) hoch
ART 0=mittel, 1=hoch
Altersstruktur der Wälder
niedrig (Status quo) mittel hoch
ALT (quasi-metrisch) 0=niedrig, 1=mittel, 2=hoch
Landschaftliche Vielfalt
niedrig (Status quo) mittel hoch
LAND (quasi-metrisch) 0=niedrig, 1=mittel, 2=hoch
Fondbeitrag für Waldumbau
0€ (Status quo) 5€ 10€ 20€ 35€ 50€ 75€
FOND (metrisch)
260
7 Ergänzende Analysen: Protestantworten und Choice Experiment
ASC entspricht der alternativenspezifischen Konstante, die binär kodiert ist und den Wert Eins für die Programme A und B und den Wert Null für den Status quo annimmt. Sie gibt den nicht über die Attribute erklärbaren Nutzen an, den die befragten Personen aus den Programmen zum Waldumbau ziehen. Die Attribute „Biotope für gefährdete und geschützte Arten“ und „Artenvielfalt“ haben jeweils zwei Ausprägungen, sodass die dummykodierten Variablen die Veränderung von einem mittleren Ausgangsniveau (Status quo) zu einem hohen Niveau beinhalten. Die Attribute „Altersstruktur der Wälder“ und „landschaftliche Vielfalt“ haben hingegen drei Ausprägungen und werden als quasi-metrische Variablen in die Modelle aufgenommen. Hierbei wird angenommen, dass die Veränderungen von einem niedrigen Niveau, über ein mittleres, zu einem hohen Niveau einen quasi-metrischen Charakter haben, d.h. linear spezifiziert werden können.9 Der Fondbeitrag geht als metrische Variable in die Analysen ein. Es wird erwartet, dass alle Attribute biologischer Vielfalt einen positiven Effekt auf die Auswahlwahrscheinlichkeit von Alternativen haben, während das monetäre Attribut einen negativen Effekt haben sollte. Tabelle 7.5 enthält die Ergebnisse der einzelnen Logit-Modelle, die in den methodischen Vorbemerkungen angesprochen wurden. Die Modellschätzungen unterscheiden sich, bezogen auf die Attribute, in ihrer inhaltlichen Interpretation nicht wesentlich voneinander. Den Ausgangspunkt bildet das konditionale Logit-Modell (Zahlenspalte 1). Darüber hinaus werden das nested Logit-Modell (Spalte 2) und das mixed Logit-Modell betrachtet (Spalten 3 und 4). Im nested Logit-Modell wurde die bereits angesprochene Struktur gewählt, in der sich die Programme A und B zum Waldumbau ein „nest“ teilen und der Status quo ein „degenerate nest“ bildet. Im mixed Logit-Modell werden alle Attribute als fixe Parameter behandelt, und lediglich die alternativenspezifische Konstante wird als Zufallsparameter spezifiziert. Da die Attribute biologischer Vielfalt und das monetäre Attribut (FOND) als fixe Parameter in das Modell eingehen, wird angenommen, dass diese Parameter alle relevanten Informationen enthalten.10 Darüber hinaus wird berücksichtigt, dass jeder Befragte sechs Auswahlentscheidungen getroffen hat (im Sinne eines Panel-Ansatzes).11
9
10
11
Alternativ könnten diese Variablen effekt- oder dummy-kodiert werden, um jeweils Veränderungen von einem niedrigen auf ein mittleres bzw. hohes Niveau zu betrachten. Allerdings haben Analysen ergeben, dass eine binär kodierte Variante und eine lineare Variante zu denselben Ergebnissen führen (mit geringen, statistisch nicht signifikanten Unterschieden). Darauf wird an anderer Stelle näher eingegangen. Wenn man die Variablen der Attribute biologischer Vielfalt als Zufallsparameter in das mixed Logit-Modell einbezieht, ist die Standardabweichung des Mittelwertes der Parameter nicht signifikant. Dies unterstützt die Annahme eines fixen Parameters (siehe z.B. Hensher 2005: 617). Die Variable FOND, als Zufallsparameter mit einer log-normalen Verteilung, hat eine signifikante Standardabweichung. Sie wurde dennoch als fixe Variable in die hier berichteten Modelle einbezogen, da dies die Berechnung der impliziten Preise und Wohlfahrtsmaße wesentlich erleichtert und die Ergebnisse im Endergebnis nahezu identisch sind. Alle Modelle wurden mit dem Softwarepaket NLOGIT 3.0 berechnet und einige Zusatzanalysen mit Stata 8. Für die Schätzung des mixed Logit-Modells (insbesondere des Zufallsparameters ASC) wurden 500 so genannte „Halton intelligent draws“ verwendet, die nichts bzw. kaum etwas an Effizienz gegenüber „reinen random draws“ einbüßen, aber eine enorme Zeitersparnis bringen (vgl. Hensher et al. 2005: 625/626). Da im mixed Logit-Modell lediglich die alternativenspezifische Konstante (ASC) als Zufallsparameter spezifiziert ist, handelt es sich um den so genannten „error components approach“ (Train 2003: 143). Dabei ergibt sich eine gewisse Analogie zum nested Logit-Modell. Die zusätzliche Fehlerkomponente erlaubt Korrelationen zwischen den Alternativen innerhalb eines Nests (hier Waldumbau), aber nicht Korrelationen zwischen Alternativen in verschiedenen Nests (Status quo und Waldumbau). Die Standardabweichung der ASC gibt ähnliche Informationen wie der Inklusivwert-Parameter im nested Logit-Modell. Allerdings wird die IIAAnnahme vollständig gelockert, sodass ASC sowohl systematische als auch stochastische Komponenten „simultan einfängt“. Ferner wird mit dem Panel-Ansatz angenommen, dass die zusätzliche Fehlehrkompo-
261
7.2 Multivariate Analysen zum Choice Experiment
Tabelle 7.5:
Ergebnisse des Choice Experiments unter Anwendung verschiedener Logit-Modelle
Variablen
ASC (1=Waldumbau)
Kond. LogitModell
-1,46** (-10,60)
Nested LogitModell
Mixed LogitModell
-1,00** (-13,22)
-4,70** (-7,38)
3,69** (2,69)
7,00** (9,18)
6,11** (8,75)
StdASC
Mixed LogitModell
BIO (0=mittel, 1=hoch)
0,20* (2,08)
0,09* (2,08)
0,59** (4,36)
0,58** (4,65)
ART (0=mittel, 1=hoch)
0,13 (1,32)
0,07+ (1,88)
0,44** (3,31)
0,44** (2,97)
ALT (0=niedrig, 1=mittel, 2=hoch)
0,17** (2,82)
0,04+ (1,73)
0,35** (3,96)
0,35** (4,17)
LAND (0=niedrig, 1=mittel, 2=hoch)
0,14* (2,40)
0,04+ (1,84)
0,26** (3,12)
0,26** (3,51)
-0,022** (-9,28)
-0,006* (-2,33)
-0,046** (-12,07)
-0,046** (-17,53)
FOND IVStatus quo
1,00 (fixed)
IVWaldumbau
0,17* (2,30)
ASC x PROTEST LLModell AIC Beobachtungen N
-1,64** (-5,63) -1379,85
-1352,66
-814,19
-779,87
2771,71
2725,33
1642,38
1575,74
1788
1788
1788
1782
298
298
298
297
** p<0,01; * p<0,05; + p<0,10. t-Werte in Klammern. Beide mixed Logit-Modelle mit 500 Halton Draws.
nente für alle sechs Wahlentscheidungen einer befragten Person gleich ist. Im Folgenden wird sich bei ASC vor allem auf die „inhaltliche Interpretation“ gestützt.
262
7 Ergänzende Analysen: Protestantworten und Choice Experiment
Die alternativenspezifische Konstante (ASC) hat in den ersten drei Modellen einen signifikant negativen Effekt.12 Im mixed Logit-Modell wurde sie als Zufallsparameter unter Annahme einer Normalverteilung geschätzt, was bedeutet, dass nicht von einem konstanten Effekt für alle Befragten ausgegangen wird. Tatsächlich dient der signifikante Koeffizient für die Standardabweichung der ASC als Indiz dafür, dass der Nutzen aus den Waldumbauprogrammen bzw. dem Status quo unter Konstanz aller Attribute in der Population variiert. Die Standardabweichung repräsentiert die Präferenzheterogenität. Insgesamt deutet der negative Wert für ASC an, dass der nicht über die Attribute erklärbare Nutzen aus einer Veränderung des Status quo hin zu einer Erhöhung der biologischen Vielfalt negativ ist. Dieser Befund wird auch als so genannter „status quo bias“ diskutiert (vgl. u.a. Adamowicz et al. 1998). Für den Status-quo-Effekt (bias) gibt es mehrere potenzielle Erklärungen: Die starke Bevorzugung des Staus quo könnte aus einer zu hohen Komplexität der Auswahlentscheidungen oder aus Protestüberzeugungen resultieren. Sie kann aber auch schlicht ein Ausdruck von Präferenzen sein. Ausgehend von der Normalverteilung der alternativenspezifischen Konstante im mixed Logit-Modell geben der Mittelwert und die Standardabweichung wieder, dass 25 Prozent der Befragten einen positiven Koeffizienten haben.13 Somit gibt es eine Tendenz, dass nur eine Minderheit eine signifikant positive Präferenz für die Programme zum Waldumbau hat, die Mehrheit (75 Prozent) eine Präferenz für den Status quo. Dies wird im Prinzip auch durch die deskriptiven Analysen zur grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft im Choice Experiment unterstützt (siehe Kapitel 5). Zur Erklärung des Statusquo-Effekts wurde im mixed Logit-Modell die Protestskala aus dem vorhergehenden Abschnitt herangezogen (Spalte 4 in Tabelle 7.5). Da Protestüberzeugungen ein individuenspezifisches Merkmal sind, gehen sie als Interaktionseffekte mit der alternativenspezifischen Konstante ASC in die Analysen ein (Hensher et al. 2005: 616). Tatsächlich zeigt sich unter Hinzuziehung der Protestskala ein positives Vorzeichen von ASC. Wenn keine Protestüberzeugungen vorliegen, ergibt sich ein positiver, nicht über die Attribute erklärbarer Nutzen des Waldumbaus. Der Interaktionseffekt hat einen signifikant negativen Effekt. Je höher die Protestneigung, desto geringer ist der Nutzen aus dem Waldumbau. Nimmt man den Mittelwert der Protestskala in der Population, berechnet sich für ASC ein Wert von -4,82, der wiederum die Status-quo-Neigung der befragten Personen verdeutlicht. Dennoch trägt die Protesteinstellung dazu bei, den Status-quo-Effekt ein Stück weit zu erklären.14 Die folgende Interpretation der Koeffizienten der Attribute biologischer Vielfalt und des monetären Attributes müssen stets im Lichte dieses generellen Status-quo-Effektes gesehen werden. 12
13 z
14
Für jedes der Programme A und B hätte eine alternativenspezifische Konstante mit dem Status quo als Referenz geschätzt werden können. Wie in den Vorüberlegungen erwähnt, reicht es aus, eine Konstante für beide Programme zu bilden, wenn sich diese ähnlich sind. Zudem haben Zusatzanalysen ergeben, dass sich die separaten Konstanten statistisch nicht voneinander unterscheiden, was ebenfalls die Bildung einer einzigen Konstante rechtfertigt. Der Wert ergibt sich wie folgt: E Mittelwert ~ N (0, 1), somit P ( E ! 0) Standardabweichung
§
P ¨¨ z ! ©
4,7019 ·¸ 7,0029 ¸¹
P( z ! 0, 6714)
1 P( z 0, 6714)
1 0, 7486
0, 2514.
Die Heterogenität in den Präferenzen der Befragten kann natürlich auch mit anderen Personenmerkmalen erklärt werden. Exemplarisch zur Erklärung des Status-quo-Effekts wurde hier lediglich die Protesteinstellung berücksichtigt. Weitere Analysen haben ergeben, dass das Geschlecht, das Alter und die Bildung keine signifikanten Effekte haben.
7.2 Multivariate Analysen zum Choice Experiment
263
In allen vier Modellen nehmen die Variablen zur Beschreibung der Auswahlmöglichkeiten die angenommene Wirkungsrichtung an, d.h. die Attribute biologischer Vielfalt haben einen positiven Effekt und das monetäre Attribut einen negativen. Die Effekte unterscheiden sich aber in ihren Signifikanzen. Ein über die Modellschätzungen hinweg signifikant positiver Effekt ergibt sich für die Biotope für gefährdete und geschützte Arten. Die Artenvielfalt hat ebenfalls eine positive Wirkungsrichtung. Sie ist aber nur im nested und mixed Logit-Modell eine signifikante Einflussgröße. Veränderungen der Altersstruktur der Wälder und der landschaftlichen Vielfalt haben in allen drei Modellen einen signifikanten Einfluss. Diese Befunde sprechen für eine Validität des Choice Experiments mit Blick auf den Umfang von Umweltveränderungen (interner scope test). Die Ausprägungen „niedrig“, „mittel“ und „hoch“ implizieren eine Erhöhung der biologischen Vielfalt. Diese Größenunterschiede wurden von den Befragten wahrgenommen.15 Die Attraktivität von Maßnahmen zu Veränderungen biologischer Vielfalt steigt unter Ausblendung der generellen Status-quo-Neigung der Befragten mit den Zielen einer zunehmenden Altersstruktur und landschaftlichen Vielfalt der Wälder. Der Fondbeitrag hat in allen Modellschätzungen erwartungsgemäß einen (hoch) signifikant negativen Effekt auf die Auswahl eines Programms zum Waldumbau. Die Modelle können hinsichtlich ihrer „Angemessenheit“ und ihres Modellfits miteinander verglichen werden. Auf Basis eines Likelihood-Ratio-Tests ist sowohl das nested Logit-Modell (NL) als auch das mixed Logit-Modell (ML) dem konditionalen Logit-Modell vorzuziehen (für NL und ML – allerdings ohne Panel-Ansatz – ergeben sich Chi-QuadratWerte von 54,28 und 54,56 mit jeweils p<0,001).16 Der Hausman-Test zur Überprüfung der Unabhängigkeit von irrelevanten Alternativen mit Bezug auf das konditionale Logit-Modell zeigt, dass diese Annahme verletzt ist, sobald die Alternative Programm B ausgeschlossen wird. Das gilt jedoch nicht für die Alternative Programm A. Für den Ausschluss von Programm A und Programm B lassen sich bei sechs Freiheitsgraden Testwerte von 8,67 mit 15
16
Das wird auch in Modellen mit binär-kodierten Variablen der Altersstruktur und der landschaftlichen Vielfalt deutlich. Die Koeffizienten der Veränderung von einem niedrigen auf ein mittleres Niveau und von einem niedrigen auf ein hohes Niveau haben dieselbe Größenordnung wie in einer linearen Spezifikation. Zudem ergibt beispielsweise mit Bezug auf die Artenvielfalt und die landschaftliche Vielfalt ein Likelihood-Ratio-Test zwischen einem in den beiden Attributen binär-kodierten konditionalen Logit-Modell und einem in den Attributen linear spezifizierten Logit-Modell bei zwei Freiheitsgraden einen LR-Chi-Quadrat-Wert von 0,20 mit p=0,904, d.h. keinen statistisch signifikanten Unterschied. Dies spricht für eine lineare Spezifikation (vgl. auch Hensher et al. 2005: 344ff.). In der Literatur gibt es oftmals die Empfehlung, bei Variablen mit zwei oder drei Ausprägungen eine Effekt-Kodierung (-1; 1) und nicht eine Dummy-Kodierung (0; 1) zu wählen (Adamowicz et al. 1994, Bech und Gyrd-Hansen 2005). An der Dummy-Kodierung wird kritisiert, dass sie den Kontrast zur (alternativenspezifischen) Konstante wiedergibt und daher nicht zwingend den Kontrast zu einem Referenzlevel. Die Interpretation der Ergebnisse kann somit ganz verschieden sein. In der vorliegenden Studie ist dies jedoch nicht der Fall. Unabhängig von den ohnehin äquivalenten Kodierungsformen gelangt man zu denselben Ergebnissen. Zudem kann, wie oben gezeigt, bei den Variablen mit drei Ausprägungen (niedrig, mittel, hoch) eine (quasi-)metrische Spezifikation gewählt werden. Die alternativenspezifische Konstante und damit der Statusquo-Effekt ist bei jeder Modellvariante in derselben Größenordnung vorhanden. Der Likelihood-Ratio-Test wurde für ein mixed Logit-Modell ohne Panel-Ansatz durchgeführt, um eine bessere Vergleichbarkeit der Modelle zu gewährleisten. Dieses Modell (ohne Panel-Ansatz) beinhaltet dieselben Variablen wie das erste mixed Logit-Modell in Tabelle 7.5, wobei jedoch nicht angenommen wird, dass die zusätzliche Fehlerkomponente für alle Entscheidungen pro Individuum identisch ist, bzw. die Entscheidungen pro Individuum voneinander abhängig sind. Das Modell ohne Panel-Ansatz hat einen deutlich besseren Modellfit als das konditionale Logit-Modell. Allerdings ist der Modellfit nur unwesentlich besser im Vergleich zum nested Logit-Modell (ML ohne Panelansatz: LL mit -1352,57). Demnach führt vor allem die plausible Annahme, dass die sechs Entscheidungen pro Individuum nicht unabhängig voneinander sind, zu dem vergleichsweise hohen Fit der mixed Logit-Modelle (mit Panel-Ansatz) in Tabelle 7.5.
264
7 Ergänzende Analysen: Protestantworten und Choice Experiment
p<0,193 und 14,81 mit p<0,021 berichten.17 Dieses Resultat unterstützt die in den methodologischen Vorüberlegungen geäußerte Vermutung, dass sich die Auswahlalternativen Programm A und Programm B ähnlich sind, sodass sie sich ein „nest“ teilen. Zur Schätzung des nested Logit-Modells wurde das „random utility model 2 (RU2)“ herangezogen, d.h. die Skalierungsparameter auf der ersten Stufe der Entscheidungsstruktur (Auswahlalternativen) können variieren. Der Inklusivwert-Parameter des Status quo (IVStatus quo) ist gleich eins bzw. nicht zu berechnen, da sich dieser Wert ( 1/ O j ) mit dem Skalierungsparameter O j der ersten Stufe in der bedingten Auswahlwahrscheinlichkeit des Status quo kürzt.18 Der Inklusivwert-Parameter mit Bezug auf die Programme A und B zum Waldumbau ist nahe null und signifikant. Er legt eine hohe Korrelation der beiden Alternativen zum Waldumbau nahe. Insgesamt ist das mixed Logit-Modell dem konditionalen und nested Logit-Modell vorzuziehen. Es hat einen vergleichsweise hohen Modellfit (siehe LL- und AIC-Werte der Modelle19). Unter dem Stichwort „policy analysis“ werden abschließend die Ergebnisse zu den impliziten Preisen und die Berechnung von zwei verschiedenen Wohlfahrtsmaßen vorgestellt. Beide Auswertungsmöglichkeiten sind ein Vorteil der Choice Experimente gegenüber der Kontingenten Bewertung. Die impliziten Preise ergeben sich durch die Division des E -Koeffizienten eines Attributes biologischer Vielfalt durch den E -Koeffizienten des monetären Attributes, multipliziert mit -1. Dieser Trade-off gibt an, wie viel Befragte – unter Ausblendung der hohen Status-quo-Neigung – im Durchschnitt bereit sind zu bezahlen, um eine Erhöhung/Verbesserung eines Attributes biologischer Vielfalt um eine Einheit zu erhalten. Gestützt auf signifikante Effekte in den ersten drei Auswertungsmodellen in Tabelle 7.5 lassen sich in der vorliegenden Studie implizite Preise berechnen, die Tabelle 7.6 im oberen Teil berichtet. So ist beispielsweise, bezogen auf das mixed Logit-Modell, den Befragten eine Veränderung/Erhöhung der Biotope für gefährdete und geschützte Arten von einem derzeit mittleren Niveau auf ein hohes Niveau 12,83 Euro wert (pro Jahr).20 17
18
19
20
Unter Anwendung des generalisierten Hausman-Tests mithilfe von suest, einer Prozedur in Stata, wird die Annahme irrelevanter Alternativen für den Ausschluss von Programm A und Programm B verletzt. Der generalisierte Hausman-Test umgeht einige Beschränkungen des „klassischen Hausman-Tests“ (vgl. StataCorp. 2003: 128). Zudem wurde er im vorliegenden Fall unter Verwendung einer Cluster-Option durchgeführt, d.h. unter Berücksichtigung wiederholter Entscheidungen ein und derselben Person. Dieses Modell sollte mit der Nutzenmaximierung konsistent sein. Alternativ hätte man ein nested Logit-Modell in der RU1-Formulierung schätzen können, bei dem die Inklusivwerte-Parameter für den Status quo und den Waldumbau gleich gesetzt werden. Durch Umformung der Koeffizienten ergeben sich dann dieselben Werte wie im obigen Modell. Zudem sind die weiter unten zu berechnenden impliziten Preise (Austauschraten) der einzelnen Attribute identisch. Das hier berichtete Modell bedarf keiner weiteren Anpassung (siehe Louviere et al. 2000: 174). Akaikes Informationskriterium (AIC) ist ein Maß, das herangezogen werden kann, um „das beste Modell“ auszuwählen. Das beste Modell heißt hierbei „dasjenige, welches das größte Ausmaß an Informationen über die reale Welt bereitstellt und uns am meisten über zukünftige Beobachtungen mitteilt“ (Andreß et al. 1997: 179). Akaikes Informationskriterium berechnet sich wie folgt: AIC 2 LL 2 P . LL entspricht der Log-Likelihood-Funktion des Modells und P der Anzahl der Parameter im Modell. Je kleiner der AICWert, desto besser die Anpassung des Modells an die Daten. Der Tabelle 7.5 kann entnommen werden, dass das nested Logit-Modell und mixed Logit-Modell besser Akaikes Informationskriterium erfüllen als das konditionale Logit-Modell. Es bleibt wiederum zu berücksichtigen, dass das mixed Logit-Modell mit einem Panel-Ansatz geschätzt wurde. Ohne Panelansatz berechnet sich ein AIC-Wert von 2719, der dennoch unter den AIC-Werten des konditionalen und nested Logit-Modells liegt. Die berichteten impliziten Preise sind bis auf geringe Abweichungen mit den ermittelten Preisen für die Gruppe der grundsätzlich Zahlungsbereiten identisch. Diese ergeben sich, wenn man die Logit-Modelle nur für diejenigen Befragten schätzt, die mindestens einmal ein mit Kosten verbundenes Programm zum Wald-
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7.2 Multivariate Analysen zum Choice Experiment
Tabelle 7.6:
Implizite Preise der Attribute biologischer Vielfalt und Wohlfahrtsmaße verschiedener Szenarien
Attribute und Szenarien
Konditionales Logit
Attribute Biotope für gefährdete und geschützte Arten (Veränderung von mittlerem auf hohes Niveau)
Nested Logit
Mixed Logit
Implizite Preise (pro Jahr) 9,30 €
Artenvielfalt (Veränderung von mittlerem auf hohes Niveau)
13,38 €
12,83 € (7,44 – 18,55)
10,61 €
9,65 € (3,87 – 15,67)
Altersstruktur der Wälder
7,78 €
6,07 €
7,70 € (4,05 – 11,37)
Landschaftliche Vielfalt
6,45 €
6,86 €
5,57 € (1,99 – 9,18)
Szenarien LOEWE Ideales Szenario biologischer Vielfalt (alle Attribute erreichen höchstes Niveau)
Wohlfahrtsmaße (pro Jahr) -31,30 €
-32,39 €
-33,80 € (-45,56 – -23,10)
-49,87 €
-49,03 € (-63,65 – -34,84)
Bemerkung: Die impliziten Preise wurden exakt berechnet und können von einer Berechnung mit den gerundeten Werten aus Tabelle 7.5 abweichen. Für das mixed Logit-Modell wurden die impliziten Preise und die Wohlfahrtsmaße sowie die in Klammern angegebenen 95%-Konfidenzintervalle mit dem Krinsky-Robb-Verfahren (Krinsky und Robb 1986) unter Verwendung von 1000 Replikationen geschätzt. Für Erläuterungen zu den Szenarien siehe Text.
Es ist möglich, ein Ranking der Attribute anhand der impliziten Preise vorzunehmen. Ein solcher Vergleich ist für die Attributpaare „Biotope für gefährdete und geschützte Arten und Artenvielfalt“ sowie für die „Altersstruktur und landschaftliche Vielfalt“ mit Einschränkungen aussagekräftig. Diese Attributpaare haben jeweils die gleichen Ausprägungen (einerseits Änderungen von einem mittleren auf ein hohes Niveau und andererseits quasilineare Änderungen von einem niedrigen, über ein mittleres, auf ein hohes Niveau). Die Befragten messen, bezogen auf das nested und mixed Logit-Modell, Biotopen für gefährdete und geschützte Arten eine größere Bedeutung zu als der Artenvielfalt. Ausgehend vom konditionalen und mixed Logit-Modell würde man die Altersstruktur der Wälder als wichtiger einstufen, im Vergleich zur landschaftlichen Vielfalt. Die Ergebnisse des nested LogitModells legen die umgekehrte Sicht nahe. Die impliziten Preise der Attribute liegen generell recht nahe beieinander, sodass Aussagen zu Trade-offs und zur relativen Wertschätzung einzelner Attribute nur mit Vorsicht gemacht werden können. Das gilt vor allem auch mit Blick auf den Status-quo-Effekt. Zudem sind die 95%-Konfidenzintervalle (auch der weiter umbau wählen, demnach generell einen Trade-off machen. Durch die nahezu identischen Resultate werden die Ergebnisse für die Gruppe der grundsätzlich Zahlungsbereiten nicht gesondert ausgewiesen.
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7 Ergänzende Analysen: Protestantworten und Choice Experiment
unten berichteten Wohlfahrtsmaße) vergleichsweise groß. Exemplarisch werden in Tabelle 7.6 die Konfidenzintervalle der Zahlungsbereitschaften auf Basis des mixed Logit-Modells angegeben. Diese wurden mit dem Krinsky-Robb-Verfahren (1986) ermittelt, das dem Bootstrap-Verfahren ähnlich ist. Dabei wird – hier mit 1000 Replikationen – eine empirische Verteilung der Zahlungsbereitschaftsmaße generiert, anhand derer die Konfidenzintervalle ermittelt werden. So liegt beispielsweise der implizite Preis von 7,70 Euro für die Erhöhung der Altersstruktur um eine Einheit mit einer 95%igen Wahrscheinlichkeit zwischen 4,05 Euro und 11,37 Euro. Die impliziten Preise für die einzelnen Attribute haben insgesamt eine Spannbreite von 5,50 bis 13 Euro (bezogen auf das mixed Logit-Modell in Spalte 4, als das an die Daten am besten angepasste Modell). Die kompensierende Variation als Wohlfahrtsmaß kann im vorliegenden Falle vereinfacht nach folgender Formel berechnet werden:
CS
1
E FOND
21
(V Status quo V LOEWE ) .
Der indirekte Nutzen einer Maßnahme zur Erhöhung der biologischen Vielfalt – hier das von der Niedersächsischen Landesregierung bereits durchgeführte LÖWE-Programm – wird vom Nutzen des Status quo subtrahiert und diese Differenz schließlich durch den mit -1 multiplizierten Koeffizienten des monetären Attributes multipliziert. Ein negativer Wert von CS würde angeben, dass Befragte für die Maßnahme den entsprechenden Betrag bereit sind zu zahlen, um ausgehend vom Status quo eine Erhöhung der biologischen Vielfalt zu erreichen. Aufgrund des starken Status quo-Effekts in der vorliegenden Studie würde die Wohlfahrtsberechnung in einen positiven Wert münden. Die Interpretation dieses Wertes ist allerdings fraglich. Es scheint unplausibel anzunehmen, dass dieser Geldbetrag den Befragten gegeben werden müsste, damit keine Veränderung vom Status quo in der Lüneburger Heide erfolgt. Vielmehr unterstützt er den allgemeinen Befund, dass die Mehrheit der Befragten für Veränderungen in der biologischen Vielfalt nicht zahlungsbereit ist. Das positive Wohlfahrtsmaß kann (wie bereits oben diskutiert) zum Teil durch die Protestneigung der Befragten erklärt werden. Ohne jegliche Protestneigung der Befragten würde sich ein negatives Wohlfahrtsmaß ergeben (siehe die positive Konstante im mixed Logit-Modell in Zahlenspalte 4 der Tabelle 7.5). Der Status-quo-Effekt muss auch bei der Interpretation der Wohlfahrtsmaße berücksichtigt werden, denn die alternativenspezifische Konstante wird nicht in die Berechnungen einbezogen (vgl. für ein ähnliches Vorgehen Adamowicz et al. 1998). Es werden demnach lediglich Änderungen in den Attributen betrachtet. Im Status quo haben die (Anzahl der) Biotope für gefährdete und geschützte Arten sowie die Artenvielfalt ein mittleres Niveau und die Altersstruktur und landschaftliche Vielfalt ein niedriges Niveau. Das LÖWE-Konzept in Niedersachsen mündet langfristig in ein hohes Niveau der Biotope für gefährdete und geschützte Arten, in ein gleich bleibendes Niveau der Artenvielfalt, eine hohe Altersstruktur und ein mittleres Niveau landschaftlicher Vielfalt (vgl. Abschnitt 4.2.2). Tabelle 7.6 berichtet das Wohlfahrtsmaß für das LÖWE-Programm. Die Zahlungsbereitschaften der Befragten liegen je nach Modell zwischen 31,30 Euro und 33,80 Euro. Diese Beträge lassen sich mit Einschränkungen mit den Ergebnissen zur Kon21
Das trifft unter der Annahme eines im monetären Attribut linearen Modells zu (siehe für ein ähnliches Vorgehen Hanley et al. 1998). Die Wohlfahrtsmaße können (unter Ausblendung der Konstante) daher auch direkt über die impliziten Preise ermittelt werden.
7.2 Multivariate Analysen zum Choice Experiment
267
tingenten Bewertung für die Gruppe der Zahlungsbereiten vergleichen, die eine Zahlungsbereitschaft von 24,29 Euro für das LÖWE-Programm haben (vgl. Abschnitt 5.3).22 Die Größenordnung fällt im Choice Experiment insgesamt höher aus. Im Gegensatz zur Kontingenten Bewertung können aber auch Zahlungsbereitschaften für andere Szenarien geschätzt werden. Das wird an dieser Stelle exemplarisch für ein Ideal-Szenario der biologischen Vielfalt in der Lüneburger Heide gezeigt, d.h. eine Situation, bei der für alle Attribute das höchste Niveau erreicht wird. Wie sich Tabelle 7.6 entnehmen lässt, liegt die Zahlungsbereitschaft für ein solches Szenario je nach Auswertungsmodell bei knapp 50 Euro.23 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Ergebnisse zum Choice Experiment vor allem einen starken Status-quo-Effekt nahe legen, d.h. Befragte haben generell eine Präferenz für den Status quo gegenüber den mit Kosten verbundenen Programmen zum Waldumbau. Das ist bereits in den deskriptiven Analysen zur grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft deutlich geworden (siehe Kapitel 5). Ferner haben die Befunde der theorieorientierten multivariaten Analysen zur grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft im Choice Experiment gezeigt, welche Determinanten die Wahl des Status quo beeinflussen (z.B. das Dilemmabewusstsein oder eine persönliche Norm, siehe Kapitel 6). Unter Ausblendung der Status-quo-Neigung konnten an dieser Stelle einige Ergebnisse präsentiert werden, die über Informationen aus der Kontingenten Bewertungsstudie hinausgehen. Dabei handelt es sich um die Berechnung impliziter Preise für die einzelnen Attribute biologischer Vielfalt und um die Ermittlung von Wohlfahrtsmaßen (Zahlungsbereitschaften) für das LÖWE-Programm (ebenfalls der Gegenstand der Kontingenten Bewertung) und auch für ein Programm mit dem Ziel einer höchst möglichen biologischen Vielfalt. Insgesamt müssen diese Ergebnisse jedoch mit Vorsicht interpretiert werden. Damit wurden zumindest exemplarisch die Stärken von Choice Experimenten verdeutlicht. Sobald es aber – wie in der vorliegenden Studie – einen starken Status-quo-Effekt gibt, werden auch die Nachteile sichtbar. Dann können sinnvolle Informationen nur mit Einschränkungen gewonnen werden. Entweder man lässt den Statusquo-Effekt außen vor und berechnet Zahlungsbereitschaftsmaße ohne Berücksichtigung der alternativenspezifischen Konstante, oder man schließt alle nicht grundsätzlich Zahlungsbereiten aus den Analysen aus. Hier wurde die erste Variante verwendet, wobei die zweite Variante in diesem Fall zu nahezu identischen Ergebnissen führt. Beide Varianten sind nur schwer zu verteidigen (vgl. auch Adamowicz et al. 1998: 73). Selbst wenn z.B. Protestüberzeugungen den Status-quo-Effekt zum Teil erklären, würde man jeweils eine Präferenz für den Status quo ignorieren und verzerrte Schätzergebnisse erhalten. In künftigen Studien ist es sicherlich eine wichtige Aufgabe, den Status-quo-Effekt in Choice Experimenten näher zu beleuchten.
22
23
Die Wohlfahrtsmaße sind bis auf geringe Abweichungen mit den Wohlfahrtsmaßen der Gruppe der grundsätzlich Zahlungsbereiten im Choice Experiment identisch, d.h. mit Berechnungen unter Ausschluss derjenigen Befragten, die immer den Status quo gewählt haben. Dies gilt, wenn der nicht-beobachtbare Nutzenanteil (die alternativenspezifische Konstante) nicht berücksichtigt wird. In der Gruppe der Zahlungsbereiten hat die alternativenspezifische Konstante erwartungsgemäß einen positiven Wert. Aufgrund des nicht signifikanten Effektes der Artenvielfalt im konditionalen Logit-Modell wird kein Wohlfahrtsmaß für das Ideal-Szenario auf Basis dieses Modells berechnet.
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8.1 Die Untersuchung auf den Punkt gebracht – die wichtigsten Befunde
269
8 Schluss
Gegenstand der vorliegenden Arbeit waren individuelle Zahlungsbereitschaften für kollektive Umweltgüter, die von Personen auf hypothetischen Märkten in Umfragen geäußert werden. Dabei wurden erstens verschiedene theoretische Erklärungszugänge vorgestellt und kritisch beleuchtet. Zweitens wurden zwei direkte Methoden zur Messung der Zahlungsbereitschaft – die Kontingente Bewertung und Choice Experimente – erläutert und methodische Problemstellungen mit theoretischen Konzepten verknüpft. Schließlich wurden drittens die theoretischen Erklärungsansätze unter Anwendung der direkten Methoden empirisch getestet. Der empirische Untersuchungsgegenstand war die Zahlungsbereitschaft für Veränderungen der biologischen Vielfalt im Rahmen des Waldumbaus in der Lüneburger Heide mit Blick auf Biotope für gefährdete und geschützte Arten, die Artenvielfalt, die Altersstruktur der Wälder und die landschaftliche Vielfalt. Befragt wurden Personen aus Niedersachsen, die unmittelbar in und im weiter gefassten Einzugsgebiet der Lüneburger Heide leben. Die zahlreichen empirischen Befunde sollen an dieser Stelle nicht wiederholt werden. Sie wurden in den entsprechenden Auswertungskapiteln bereits zusammengefasst. Deshalb beinhaltet dieses Schlusskapitel in einem ersten Schritt einen Überblick über die wichtigsten empirischen Ergebnisse sowie theoretischen und methodischen Schlussfolgerungen. Dabei werden nicht zuletzt Rückschlüsse auf die Bewertung biologischer Vielfalt gezogen. In einem zweiten Schritt stehen die Beschränkungen der vorliegenden Untersuchung im Mittelpunkt. Im dritten und letzten Schritt werden Anregungen für künftige Untersuchungen gegeben, die auf den Ergebnissen dieser Studie basieren. 8.1 Die Untersuchung auf den Punkt gebracht – die wichtigsten Befunde
In den theoretischen Erläuterungen und Diskussionen wurde deutlich, dass eine weiter gefasste sozialwissenschaftliche Sicht auf Zahlungsbereitschaftsanalysen, die über das ökonomische Grundmodell der Zahlungsbereitschaft hinausgeht, notwendig und sinnvoll ist. In diesem Zusammenhang wurden einige theoretische Erklärungszugänge behandelt, in denen kollektives Handeln, Umweltbewusstsein, spezifische Einstellungen und soziale sowie persönliche Normen im Mittelpunkt stehen. Obwohl sich für fast alle Theorieansätze mehr oder weniger bekräftigende empirische Evidenzen ergeben, verdichteten sich die theoretischen Diskussionen und empirischen Befunde auf zwei Theoriebereiche, deren Vertiefung und weitere Ausarbeitung lohnend erscheinen. Diese Bereiche sind die Theorien kollektiven Handelns mit dem Konzept des Dilemmabewusstseins und die theoretischen Überlegungen zur Zahlungsbereitschaft als altruistisches moralisches Handeln. Im Unterschied zu einer Anwendung neuerer sozialpsychologischer Ansätze wie der Theorie geplanten Handelns oder des Normaktivierungsmodells sind beide Erklärungszugänge weniger komplex, und sie lassen eher richtungsweisende Rückschlüsse auf die monetäre Bewertung von Umweltgütern zu.
270
8 Schluss
Die empirischen Ergebnisse haben zunächst gezeigt, dass das ökonomische Grundmodell der Zahlungsbereitschaft, vor allem mit Blick auf die zentrale Variable des Einkommens, vergleichsweise erklärungsschwach ist. Das trifft sowohl bei der Methode der Kontingenten Bewertung als auch beim Choice Experiment zu. Während das Einkommen im Choice Experiment die Zahlungsbereitschaft signifikant beeinflusst, ergibt sich in der Kontingenten Bewertung ein anderer Befund. Hier hat das Einkommen keinen Einfluss auf die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft. Es determiniert aber wesentlich (und neben dem allgemeinen Umweltbewusstsein als einzig stabile Einflussgröße) die Höhe der Zahlungsbereitschaft. Demgegenüber bewähren sich alle anderen theoretischen Erklärungszugänge bei der grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft, aber nicht bzw. kaum bei der Höhe der Zahlungsbereitschaft. Einzige Ausnahme ist die Low-Cost-Hypothese, die nicht bestätigt werden kann. Zumindest in der vorliegenden Studie scheinen in der Kontingenten Bewertung zwei „separate Entscheidungsprozesse bei der Äußerung von Zahlungsbereitschaften“ vorzuliegen. Die Aspekte kollektiven Handelns, Einstellungen und Normen sind für die grundsätzliche Entscheidung relevant, zahlungsbereit zu sein. Einkommensbezogene Erwägungen beeinflussen hingegen die Entscheidung zur Höhe der Zahlungsbereitschaft, gegeben eine grundsätzliche Zahlungsbereitschaft. Dieser Befund kann allerdings nicht ohne weiteres verallgemeinert werden. Er könnte dem Umstand geschuldet sein, dass in der Kontingenten Bewertung die Zahlungsbereitschaft explizit in zwei Schritten gemessen wurde, d.h. erst grundsätzlich und dann in ihrer Höhe. Immerhin korrespondieren die Ergebnisse zum ökonomischen Grundmodell durchaus mit realem Verhalten (z.B. beim Kauf eines Autos oder einer Waschmaschine). Sie besagen, dass die prinzipielle Entscheidung, ein Gut zu kaufen, nicht primär von Einkommenserwägungen abhängig ist. Bei der Frage aber, wie viel man letztendlich für das Gut auszugeben bereit ist – gegeben eine prinzipielle Kaufentscheidung, spielt das Einkommen eine entscheidende Rolle. Nichtsdestotrotz bleibt insgesamt der Befund einer Erklärungsschwäche des ökonomischen Grundmodells. Die empirischen Ergebnisse verweisen darauf, dass verschiedene Erklärungsansätze diese Schwäche überwinden können. Würde man die einzelnen „Alternativtheorien“ für sich genommen zur Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften heranziehen, ergäben sich zum Teil divergierende Schlussfolgerungen für die monetäre Bewertung von Umweltgütern. Das liegt vor allem daran, dass einige Ansätze als Komplement zum ökonomischen Grundmodell behandelt werden können (z.B. die Theorie geplanten Handelns), während andere Ansätze eher eine Gegenposition stützen bzw. das ökonomische Grundmodell in Frage stellen (z.B. Theorien kollektiven Handelns). Diese Divergenz wurde dergestalt zu überwinden versucht, dass die verschiedenen Erklärungsansätze zum einen theoretisch genau diskutiert und zum anderen empirisch einander gegenübergestellt wurden. Sowohl die theoretische Auseinandersetzung als auch die empirischen Ergebnisse lassen, wie oben bereits angedeutet, die Empfehlung zu, dass neben Aspekten kollektiven Handelns (das Dilemmabewusstsein) vor allem moralische Handlungsmotivationen (die spezifische und unspezifische moralische Zahlungsverpflichtung) in Zahlungsbereitschaftsanalysen stärker berücksichtigt werden sollten. Sie sind einerseits im Vergleich zu Erklärungsdeterminanten wie Einstellungen empirisch einflussreicher, andererseits liefern sie neue Einblicke. Ein wichtiger Befund der vorliegenden Studie ist der stabile Einfluss des Dilemmabewusstseins von Personen, vor allem auf die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft. Das Dilemmabewusstsein knüpft theoretisch an Theorien kollektiven Handelns an und fokussiert die Frage, inwieweit Personen den Umweltschutz als ein soziales Dilemma wahrnehmen
8.1 Die Untersuchung auf den Punkt gebracht – die wichtigsten Befunde
271
bzw. zu bedingter Kooperation neigen, d.h. ihren eigenen Beitrag vom Verhalten anderer Personen abhängig machen. Es wird der Beobachtung gerecht, dass nicht alle Personen die Welt so sehen, dass es Anreizprobleme bei der Bereitstellung kollektiver Umweltgüter gibt. Die Ergebnisse zum Dilemmabewusstsein legen eine stärkere Auseinandersetzung mit Aspekten kollektiven Handelns in monetären Bewertungsstudien nahe. Sie stützen in einem weiter gefassten Sinne Überlegungen zum Beitragsmodell – der Zahlungsbereitschaft als Beitrag zur Bereitstellung eines Umweltgutes – als Gegenpol zum Käufermodell – der Zahlungsbereitschaft als Ausdruck des Kaufs eines Umweltgutes. Dennoch bleibt die Unbestimmtheitslücke, wie häufig dilemmabewusste Personen auch auf realen Märkten anzutreffen sind. Ein weiteres zentrales Ergebnis der vorliegenden Untersuchung ist, dass offenbar zwei moralische Handlungsmotivationen für individuelle Zahlungsbereitschaftsentscheidungen relevant sind. Die erste Motivation bezieht sich auf eine wahrgenommene moralische Verpflichtung, etwas für ein bestimmtes Umweltgut zu bezahlen; die zweite beinhaltet eine unspezifische moralische Verpflichtung, (irgend)etwas Gutes zu tun bzw. zu unterstützen. Beide Motivationen werden in der Literatur bisher nicht getrennt behandelt. Vielmehr werden sie undifferenziert unter dem Schlagwort „Warm Glow“ subsumiert. Diese Vereinheitlichung wurde theoretisch mit der Nebenprodukt-These aufgebrochen. Das Gefühl, etwas Gutes getan zu haben, ist das Nebenprodukt einer moralischen Zahlungsmotivation, die sich auf das Umweltgut oder allgemein auf (irgend)einen guten Zweck richten kann. Eine auf das Umweltgut gerichtete moralische Zahlungsverpflichtung kann nur schwerlich von nutzungsunabhängigen Wertschätzungen für ein Umweltgut, u.a. dem Existenz- und Vererbungsnutzen, abgegrenzt werden. Sie ist für die monetäre Bewertung von Umweltgütern kein Problem, wenn gezeigt werden könnte, dass dadurch motivierte Zahlungsbereitschaften der Logik von Präferenzen folgen. Die unspezifische Zahlungsverpflichtung hingegen weist keine Verbindung zum Umweltgut auf (im Sinne einer Wertschätzung). Dabei sind zwei Schlussfolgerungen denkbar: Zum einen könnte argumentiert werden, dass diese unspezifische Motivation auch auf privaten Märkten – insbesondere beim Kauf umweltbezogener Produkte – vorzufinden ist. Personen kaufen z.B. Obst und Gemüse aus kontrolliert biologischem Anbau, weil sie neben anderen Motivationen mitunter einer moralischen Verpflichtung folgen, etwas für die Umwelt zu tun. Trifft dies zu, wäre es widersinnig, solche Motivationen auf hypothetischen Märkten in Umfragen auszuschließen. Zum anderen wird diese Motivation im Sinne eines Warm-Glow-Effektes dafür verantwortlich gemacht, dass Zahlungsbereitschaften nur ungenügend mit dem Umfang eines Umweltgutes variieren. Allerdings bleibt zu bedenken, dass in zahlreichen Studien Zahlungsbereitschaften auf Änderungen des Umfangs eines Gutes reagieren, sodass der Warm-Glow-Effekt zum Teil überbewertet wird. Für beide Bereiche – Aspekte kollektiven Handelns und Zahlungsbereitschaft als moralisches Handeln – wurden Messkonzepte bzw. Skalen erarbeitet, die im Endergebnis mit wenigen Aussagen auskommen und damit ohne viel Aufwand in anderen Studien eingesetzt werden können. Diese Messkonzepte sind weniger komplex als Messungen der behandelten neueren sozialpsychologischen Erklärungsansätze wie der Theorie geplanten Handelns und des Normaktivierungsmodells. Diese Ansätze mögen zwar mit Einschränkungen theoretisch gut ausgearbeitet sein, ihre Anwendung liefert aber kaum neue Erkenntnisse. Insbesondere die Verknüpfung der Theorie geplanten Handelns mit der Konstruktvalidität der monetären Bewertung ist nicht unmittelbar überzeugend. Das Modell erklärt mit der geäußerten Zahlungsbereitschaft eine Verhaltensintention, die im Schatten zahlreicher empiri-
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8 Schluss
scher Befunde steht, dass hypothetische und reale Zahlungsbereitschaften mehr oder weniger auseinander fallen. Es kann meistens statistisch viel erklären und ist deshalb wahrscheinlich so beliebt. Eine Anwendung des Modells lässt aber keine gewinnbringenden Rückschlüsse zu, z.B. mit Bezug auf den Zusammenhang zwischen Verhaltensintention und tatsächlichem Verhalten. In methodischer Hinsicht hat die vorliegende Studie insbesondere zu zwei interessanten Ergebnissen geführt: (1) Es konnte gezeigt werden, dass alle befragten Personen – Nicht-Zahlungsbereite und Zahlungsbereite – so genannte Protestüberzeugungen haben, d.h. sie lehnen mitunter die Monetarisierung der Umwelt bzw. die Ausgestaltung des hypothetischen Marktes ab (z.B. den Zahlungsempfänger oder das Zahlungsvehikel). Solche Protestüberzeugungen haben einen negativen Einfluss sowohl auf die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft als auch auf die Höhe der Zahlungsbereitschaft. Dieser Einfluss ist methodenunabhängig, und das Ausmaß individueller Protestüberzeugungen unterscheidet sich nicht zwischen der Kontingenten Bewertung und dem Choice Experiment. Zur Messung von Protestüberzeugungen wurden zwei Aussagen herangezogen, die einerseits auf eine Ablehnung der monetären Bewertung der Umwelt und andererseits auf ein wahrgenommenes (kostenfreies) Recht auf das Umweltgut – hier biologische Vielfalt im Wald – abstellen. Beide Aussagen wurden als Einstellung gegenüber der monetären Bewertung konzeptualisiert. Diese Einstellung konnte durch verschiedene Faktoren ein Stück weit erklärt werden, z.B. durch das allgemeine Umweltbewusstsein, das Dilemmabewusstsein und die allgemeine moralische Zahlungsverpflichtung (Warm Glow of Giving). Damit wird nahe gelegt, dass einige theoriebezogene Erklärungsdeterminanten sowohl einen direkten als auch indirekten Effekt auf die Zahlungsbereitschaft haben. Hier bedarf es weiterer Ausarbeitungen. Insgesamt wurde deutlich, dass die gängige Praxis in der monetären Bewertung, nur Nicht-Zahlungsbereite nach Protestüberzeugungen zu befragen und gegebenenfalls ihre Antworten (Zahlungsbereitschaften von null) als Protestantworten von weiteren Analysen auszuschließen, überholt und nicht haltbar ist. Vielmehr scheint es sinnvoll, eine Protesteinstellung für alle Befragten zu erheben, diese Einstellung zu erklären und ihren Einfluss auf die Zahlungsbereitschaft zu untersuchen. Das ist das „kleinere Übel“ im Umgang mit Protestüberzeugungen, da ein Ausschluss von Protestantworten leicht zu Problemen mit Blick auf die Repräsentativität der Umfrageergebnisse führt und letztendlich auch positive Zahlungsbereitschaften ausgeschlossen werden müssten. Die vermeintliche Unterschätzung von Zahlungsbereitschaften ohne Ausschluss von Protestantworten ist weniger gewichtig, sobald bedacht wird, dass hypothetische Zahlungsbereitschaften in der Regel ohnehin höher ausfallen als reale Zahlungsbereitschaften. (2) Im Rahmen der multivariaten Auswertungen des Choice Experiments wurde ein erheblicher Status-quo-Effekt erkennbar. Eine Mehrheit der befragten Personen zieht einen Nutzen aus dem Erhalt des Status quo, der nicht über die Veränderungen der Attribute biologischer Vielfalt im Wald erklärt werden kann. Dieser Status-quo-Effekt tritt in Choice Experimenten häufig auf. Seine Erklärung steckt noch in den Kinderschuhen. Die dahinter liegende Frage ist, ob es sich um eine tatsächliche Präferenz für den Status quo handelt oder ob Protestüberzeugungen und die Komplexität der Auswahlentscheidungen dazu führen, dass Befragte eher den Status quo wählen. Die empirischen Analysen haben exemplarisch gezeigt, dass Protestüberzeugungen den Status-quo-Effekt zum Teil erklären können. Zudem wurde bei den Analysen zur grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft im Choice Experiment deutlich, dass verschiedene der oben genannten Erklärungsdeterminanten (z.B. das
8.1 Die Untersuchung auf den Punkt gebracht – die wichtigsten Befunde
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Dilemmabewusstsein und die spezifische moralische Verpflichtung) die Wahrscheinlichkeit beeinflussen, den Status quo bzw. Programme zum Waldumbau zu wählen. Demnach können die Ergebnisse zur grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft als ein weiterer Indiz für die Erklärung des Status-quo-Effektes gedeutet werden. Während mit Choice Experimenten insgesamt Wohlfahrtsmaße für verschiedene Programme zum Waldumbau geschätzt werden können, führt der Status-quo-Effekt dazu, dass brauchbare Zahlungsbereitschaftsmaße nur mit Einschränkungen zu ermitteln sind. Denn mit Berücksichtung der Status-quoNeigung von Befragten mündet die Analyse in eine „negative Zahlungsbereitschaft“, die nicht sinnvoll zu interpretieren ist. Demgegenüber führt eine Vernachlässigung der Statusquo-Neigung zu einer Überschätzung der Zahlungsbereitschaft. Das Wohlfahrtsmaß repräsentiert dann am ehesten Zahlungsbereitschaften von Personen, die generell zahlungsbereit sind bzw. Veränderungen der biologischen Vielfalt einen Wert beimessen. Dennoch bleibt bei Choice Experimenten gegenüber der Kontingenten Bewertung der Vorteil, dass der Einfluss einzelner Attribute eines Umweltgutes auf die Zahlungsbereitschaftsentscheidung bzw. die relative Wertschätzung der Attribute ermittelt werden kann. Untersuchungsgegenstand der empirischen Studie war die monetäre Bewertung der biologischen Vielfalt im Rahmen des Waldumbaus in der Lüneburger Heide. Abschließend sollen einige Schlussfolgerungen mit Blick auf die Bewertung biologischer Vielfalt gezogen werden. Europa generell und damit auch die Lüneburger Heide sind kein „hot spot“ biologischer Vielfalt. Dennoch gilt es auch hier, Biodiversität zu schützen und zu erhalten. Dabei gibt es gemeinhin unterschiedliche (nicht zuletzt politische) Handlungsoptionen. Dahinter liegt ein Bewertungsproblem, denn bei biologischer Vielfalt handelt es sich um eine knappe Ressource mit Kollektivgutcharakter. In der vorliegenden Studie waren verschiedene Aspekte biologischer Vielfalt im Wald der Bewertungsgegenstand: die Artenvielfalt, Biotope für gefährdete und geschützte Arten, die Altersstruktur der Wälder und die landschaftliche Vielfalt. All diese Aspekte entsprechen am ehesten einem reinen öffentlichen Gut, z.B. mit Blick auf die Existenz von Tier- und Pflanzenarten. Hierbei wird insbesondere der Existenz- und Vererbungsnutzen von Umweltgütern angesprochen. Trotz der Tatsache, dass sich ein Waldumbau über sehr lange Zeiträume erstreckt, sollte für einige Personen auch ein Nutzungsaspekt – z.B. mit Blick auf Waldspaziergänge als ein „Erleben biologischer Vielfalt“ – bei der Zahlungsbereitschaftsentscheidung relevant gewesen sein. Während in den theoretischen Überlegungen stets im Vordergrund stand, warum Personen bereit sind, etwas aufzugeben, um ein Umweltgut (hier eine Erhöhung der biologischen Vielfalt) zu realisieren, und ob ihre Handlungsmotivationen mit den ökonomischtheoretischen Überlegungen in Einklang stehen, darf nicht vergessen werden, dass es grundsätzlich wichtig ist, den Wert der biologischen Vielfalt abzuschätzen. Mitunter spielt es letztendlich eine untergeordnete Rolle, warum Personen etwas bezahlen wollen (Hoffmann et al. 2005: 212). Unabhängig von Handlungsmotivationen wird ein Trade-off zum Ausdruck gebracht, der bei einer realen Zahlung zu einer Erhöhung bzw. zum Erhalt der biologischen Vielfalt beiträgt. Das macht die theoretischen und methodischen Problemstellungen der ökonomischen Bewertung keinesfalls überflüssig. Es soll aber daran erinnern, dass es keine „alternativen Bewertungsverfahren“ gibt, mit denen die Präferenzen einer breiten Bevölkerungsgruppe, vor allem nutzungsunabhängige Wertschätzungen, erfasst werden können. Natürlich muss jede Bewertungsstudie bestimmten Kriterien standhalten und eine Bewertung darf nicht um jeden Preis erfolgen, aber:
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8 Schluss „Die Notwendigkeit einer ökonomischen Bewertung wird zunehmend als Imperativ für einen ‚vernünftigen’ Umgang mit natürlichen Ressourcen erkannt. Vollkommenes Nichtwissen über den Wert von Biodiversität bringt uns demnach in eine schlechtere Situation, als wenn wir ungenaue, aber zumindest explizite Angaben besitzen“ (Hoffmann et al. 2005: 243).
Einerseits ist es sehr schwierig, wenn nicht sogar unsinnig, den Gesamtwert der globalen biologischen Vielfalt zu ermitteln. Andererseits sind Bewertungen eines eingegrenzten Gegenstandes wie Maßnahmen zum Waldumbau durchaus aussagekräftig. Sie werden ein Stück weit dem politischen Informationsbedarf gerecht. Dabei sind mit Blick auf die vorliegende Studie einige Dinge zu bedenken. Die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft in der Kontingenten Bewertung bzw. im Choice Experiment ist mit 28 bzw. 45 Prozent nicht als Referendum zu deuten. Sie besagt zunächst, dass ein bestimmter Teil der Bevölkerung etwas aufzugeben bereit ist, um ein Mehr an Biodiversität in der Lüneburger Heide zu erhalten. Der entscheidende Punkt ist, ob diese Zahlungsbereitschaften die Kosten der Veränderungen biologischer Vielfalt aufwiegen. Diese Einsicht kann erst eine Kosten-NutzenAnalyse liefern. Hierzu müsste beispielsweise auf der Basis der Kontingenten Bewertung die mittlere Zahlungsbereitschaft pro Person und Jahr von 6,86 Euro für das LÖWEProgramm auf die Grundgesamtheit/das Befragungsgebiet hochgerechnet werden. Das Programm zur langfristigen ökologischen Waldentwicklung (LÖWE) wird heute bereits in Niedersachsen durchgeführt. Die Hochrechnung könnte für mindestens zehn Jahre gesicherte Ergebnisse liefern, da sich die befragten Personen im Mittel für zehn Jahre zahlungsbereit geäußert haben. Unter Annahme einer Neuverpflichtung wären auch längere Zeiträume darzustellen. Die Kosten-Nutzen-Analyse kann aber zu recht verschiedenen Ergebnissen gelangen. Bei einer Betrachtung der Zahlungsbereitschaften im Choice Experiment wird beispielsweise deutlich, dass Maßnahmen mit dem Ziel einer höchst möglichen biologischen Vielfalt auch der meiste Wert zugesprochen wird. Das heißt aber nicht zwangsläufig, dass eine solche Maßnahme gesellschaftlich optimal ist, sobald man die Kosten dieser Maßnahme berücksichtigt, z.B. die entgangenen forstwirtschaftlichen Erträge. Die Ergebnisse einer Kosten-NutzenAnalyse könnten beispielsweise nahe legen, dass das LÖWE-Programm optimal ist, obwohl es bezogen auf die Kriterien biologischer Vielfalt, die in der vorliegenden Studie bewertet wurden, nicht in allen Bereichen ein Maximum gewährleistet. Eine „abschließende Integration“ von naturwissenschaftlichen und sozialwissenschaftlich-ökonomischen Bewertungsergebnissen wurde in der vorliegenden Arbeit nicht geleistet, da ja vor allem die soziologische Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften und methodische Problemstellungen im Mittelpunkt standen. Dennoch sind die Beschreibungen zum Waldumbau, die Definition der Attribute biologischer Vielfalt und des Status quo in der Lüneburger Heide sowie die Definition der Programme zum Waldumbau für sich genommen bereits ein Ausdruck der interdisziplinären Zusammenarbeit. Sie wurden gemeinsam mit Naturwissenschaftlern entwickelt und von den befragten Personen überwiegend akzeptiert. Obwohl im Vergleich zu vielen anderen Umweltmaßnahmen Veränderungen in der biologischen Vielfalt ein eher abstraktes und schwer greifbares Umweltgut sind, hat die empirische Studie gezeigt, dass eine monetäre Bewertung biologischer Vielfalt in einem spezifischen Kontext – hier mittels Waldumbau in der Lüneburger Heide – zu fruchtbaren Ergebnissen führen kann, die letztlich mit Blick auf den politischen Informationsbedarf nicht durch die zahlreichen theoretischen und methodischen Diskussionen in Frage gestellt werden sollten.
8.2 Beschränkungen der Untersuchung
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8.2 Beschränkungen der Untersuchung
Untersuchungsgegenstand war die Erklärung individueller Zahlungsbereitschaften für kollektive Umweltgüter unter Anwendung einer Reihe von sozialwissenschaftlichen Modellen bzw. mit der Herleitung theoriebezogener Hypothesen. Dieser insgesamt umfangreich angelegte Erklärungszugang mündete in empirische Messungen, die mitunter den theoretischen Konzepten nicht vollständig gerecht werden. Diese Einschränkung bezieht sich insbesondere auf die Theorie geplanten Handelns und auf das erweiterte Normaktivierungsmodell. Im Hinblick auf die Theorie geplanten Handelns als Erwartungs-mal-Wert-Ansatz wurde lediglich jeweils eine Komponente der drei zentralen Erklärungsdeterminanten „Einstellung gegenüber dem Verhalten“, „subjektive Norm“ und „wahrgenommene Verhaltenskontrolle“ gemessen. Bei der subjektiven Norm war beispielsweise die Frage, inwieweit relevante Bezugspersonen das Verhalten (die Zahlungsbereitschaft der fraglichen Person) ablehnen oder befürworten. Die Messung stützte sich demnach ausschließlich auf die normative Überzeugung/Erwartung unter Ausblendung der individuellen Einwilligungsbereitschaft hinsichtlich dieser Erwartung. Das erweiterte Normaktivierungsmodell wiederum wurde nicht vollständig getestet, was allerdings ohnehin kein Muss ist. Einige Komponenten des Modells wurden lediglich mit einer Aussage erhoben, z.B. die wahrgenommene Verantwortung bezogen auf eine Zahlung für Maßnahmen zum Waldumbau, oder sie wurden nur auf einer allgemeinen Ebene gemessen, z.B. als allgemeines Vertrauen in Behörden/Ämter. Generell sind beim Normaktivierungsmodell die Uneinheitlichkeiten in der empirischen Umsetzung des Modells zu bedenken, die sich auch in der Literatur zur monetären Bewertung von Umweltgütern finden lassen. Wiederholt wurde eine Frage angesprochen, deren Beantwortung ein Stück weit offen bleiben musste. Inwieweit sind in Umfragen geäußerte Zahlungsbereitschaften als Einstellungen oder Präferenzen anzusehen? Mithilfe von Umfragedaten kann keine überzeugende Antwort auf diese Frage gefunden werden. Obwohl für die hier berichteten Zahlungsbereitschaften letztendlich angenommen wurde, dass sie präferenzbezogen erklärbar sind, ist die „Gretchenfrage“ weiterhin unbeantwortet. Dazu müssten, auch das wurde mehrmals angedeutet, geeignete Experimente durchgeführt werden, die explizit auf die Eigenschaften von Einstellungen und Präferenzen abzielen. Man könnte denken, dass dahin gehend bereits ausreichend empirische Befunde vorliegen. Das gilt aber nur mit erheblichen Einschränkungen. Die diesbezüglichen Studien von Kahneman et al. wirken zwar auf den ersten Blick überzeugend, sie erfüllen aber lediglich in abgeschwächter Form die methodischen Voraussetzungen der monetären Bewertung von Umweltgütern. Zudem müssen sie sich an zahlreichen Bewertungsstudien messen lassen, in denen ökonomisch-theoretische Annahmen besonders in Bezug auf nutzungsunabhängige Wertschätzungen bzw. Zahlungsbereitschaftsmaße bestätigt wurden. Nichtsdestotrotz könnten die angemahnten Experimente zur Lösung einer Kernfrage der ökonomischen Bewertung beitragen. In Anknüpfung an die „Einstellung-versus-Präferenzen-Frage“ muss auch eine theoretische Unzulänglichkeit konstatiert werden. Diese bezieht sich auf die Erklärung von Zahlungsbereitschaften als (altruistisches) moralisches Handeln. Eine Betrachtung verschiedener Zahlungsbereitschaftsmotivationen, die über die Idee des „(reinen) Kaufs eines Umweltgutes“ hinausgeht, kann schnell „ins Uferlose gleiten“. Das wiederum mag aber nicht das entscheidende Problem sein. Mit der Erklärung moralgeleiteten Handelns wird ein Bereich angesprochen, für den insbesondere zahlreiche Modelle im Spektrum von Rational
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8 Schluss
Choice-Ansätzen Anschlussmöglichkeiten bieten. Allerdings gibt es bislang keine konsensfähigen Modelle, deren unmittelbare Anwendung auf Zahlungsbereitschaftsanalysen passend erscheint. Hierzu bedarf es einer theoretischen Modellierung der Wirkungsweise moralischer Zahlungsmotivationen, die eine stärkere theoretische Einbettung der moralbezogenen Hypothesen der vorliegenden Arbeit gewährleisten. Im Verlauf der Untersuchung wurde deutlich, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, hypothetische Märkte in Umfragen zu konstruieren bzw. Zahlungsbereitschaftsfragen auszugestalten. Deshalb stellt sich die Frage nach der Verallgemeinerbarkeit der Untersuchungsergebnisse. Eine Besonderheit der hier berichteten Kontingenten Bewertung ist die explizite Messung der Zahlungsbereitschaft in zwei Schritten, d.h. erst die Frage nach der grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft für den Waldumbau und dann die Frage nach der Höhe der Zahlungsbereitschaft. Diese zwei Schritte ließen sich auch in den multivariaten Analysen abbilden, nicht zuletzt im ausbleibenden Effekt des Einkommens auf die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft und im positiven Effekt auf die Höhe der Zahlungsbereitschaft. Dieses nicht unplausible Ergebnis darf dennoch nicht ohne weiteres verallgemeinert werden. Trotz der Beschränkungen sprechen die empirischen Befunde und Schlussfolgerungen insgesamt durchaus für eine gewisse Allgemeingültigkeit. Es wird nahe gelegt, dass sie nicht nur für den hier betrachteten Untersuchungsgegenstand gelten. Ein Grund ist (unabhängig von den theoretischen Diskussionen) die empirische Relevanz vor allem der Theorie geplanten Handelns und der allgemeinen moralischen Zahlungsverpflichtung, die mit einem Warm-Glow-Effekt korrespondiert. Diese Konzepte bestätigen sich auch in Studien, die völlig andere Umweltgüter als Bewertungsgegenstand haben und in denen die Zahlungsbereitschaftsfrage anders ausgestaltet ist. Darüber hinaus ist der Status-quo-Effekt im Choice Experiment ebenfalls ein Tatbestand, der häufig in Bewertungsstudien auftritt. Obwohl es in jedem Fall interessant sein dürfte, insbesondere die in der vorliegenden Untersuchung neu eingeführten Hypothesen auf eine breitere empirische Basis zu stellen, lässt sich vermuten, dass sie sich auch in anderen Bewertungsstudien bewähren. 8.3 Anregungen für künftige Untersuchungen
In jüngster Zeit haben Kahneman und Sugden (2005) eine Methode zur Messung der so genannten „experienced utility“ von Personen vorgeschlagen, die langfristig, das glauben die beiden Protagonisten, wesentliche Beschränkungen von direkten Methoden zur Messung individueller Zahlungsbereitschaften für kollektive Umweltgüter (stated preference methods) überwinden kann. Diese neue Methode zielt auf die Erhebung der „stated bzw. moment-based happiness“ von Personen ab (z.B. mit der „day reconstruction method“) und kann auch im Zusammenhang mit kollektiven Umweltgütern (z.B. Erholungsgebieten) angewendet werden. Allerdings lässt sich bereits heute sagen, dass diese Methode nicht zur Bewertung von Umweltgütern geeignet ist, die überwiegend durch Existenzwerte geprägt sind. Das trifft beispielsweise auf den Schutz seltener und gefährdeter Tier- und Pflanzenarten zu, die Personen zum Teil nie in natura „erleben werden“. In den Schlussfolgerungen zur vorliegenden Studie wurde deutlich, dass trotz der vielen Probleme von monetären Bewertungsstudien eine kontextspezifische Ermittlung individueller Wertschätzungen von Umweltgütern in jedem Fall sinnvoll und notwendig ist. In der Regel geben die Ergebnisse von Zahlungsbereitschaftsanalysen immer einen Anhalts-
8.3 Anregungen für künftige Untersuchungen
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punkt, wie Bürger/Personen eine Umweltmaßnahme einschätzen bzw. welche Maßnahme unter Vorlage verschiedener Optionen bevorzugt wird. Das gilt selbst dann, wenn Zahlungsbereitschaften als Ausdruck von Einstellungen begriffen werden. Im Folgenden werden einige Anregungen für künftige Forschungsarbeiten im Bereich der monetären Bewertung gegeben, die aus den theoretischen und methodischen Diskussionen sowie aus den empirischen Befunden der vorliegenden Arbeit resultieren und die zum Teil in diesem Schlusskapitel bereits angesprochen wurden. Diese Anregungen haben konstruktiven Charakter, und ihre Umsetzung soll zum besseren Verständnis von Zahlungsbereitschaften beitragen, die auf hypothetischen Märkten in Umfragen geäußert werden. Eine wichtige und spannende Frage bleibt, ob Zahlungsbereitschaften eher ein Ausdruck von Einstellungen oder von Präferenzen sind. Mit dem Wissen um die jeweiligen Eigenschaften beider Konzepte ist es ratsam, künftig kleine experimentelle Studien durchzuführen, die explizit die unterschiedlichen Merkmale von Einstellungen und Präferenzen in den Mittelpunkt stellen. Aus theoretischer Sicht hat die vorliegende Untersuchung gezeigt, dass eine Einstellungsperspektive nicht notwendigerweise zutreffen muss. Allerdings hat die breit angelegte Bewertungsstudie, die auf einer Bevölkerungsumfrage basiert, letztendlich keine klaren Schlussfolgerungen mit Bezug auf Einstellungen versus Präferenzen zugelassen. Sie legt aber nahe, dass das Zahlungsbereitschaftsmaß kein vollständiges Äquivalent zu Einstellungsmaßen darstellt. Um sich dahin gehend mehr Gewissheit zu verschaffen, bedarf es der angemahnten Experimente, die im Gegensatz zu den Arbeiten der Forschungsgruppe um Kahneman (1994, 1999) stets die methodischen Anforderungen der monetären Bewertung erfüllen sollten. Bemühungen in Richtung einer weiter gefassten theoretischen Fundierung der Zahlungsbereitschaftsanalyse sind auf Basis der in dieser Arbeit geführten theoretischen Diskussionen und empirischen Befunde für die Bereiche der Theorien kollektiven Handelns (Dilemma-Hypothese) und der Erklärung von Zahlungsbereitschaften als moralisches Handeln lohnend. Dabei wäre speziell im Spannungsfeld von Zahlungsbereitschaft und Moral die Ausarbeitung eines theoretischen Modells gewinnbringend. Damit wird allgemein an ein viel diskutiertes Erklärungsproblem der Rational Choice-Forschung angeknüpft. Es ist denkbar und zu vermuten, dass sich das generelle Problem der Modellbildung ein Stück weit lösen ließe, sobald man den Erklärungsgegenstand unmittelbar auf Zahlungsbereitschaften einschränkt. In diesem Kontext ist künftig auch eine weitere Klärung des Begriffswirrwarrs mit Bezug auf Moral, Warm Glow und Altruismus anzustreben. Die vorliegende Untersuchung konnte in einem ersten Schritt zeigen, dass offenbar zwei moralische Zahlungsbereitschaftsmotivationen handlungsrelevant sind. In einem zweiten Schritt müsste untersucht werden, welcher Logik diese beiden Motivationen folgen. Sowohl für Aspekte kollektiven Handelns als auch für Zahlungsbereitschaften als moralisches Handeln wurden Messkonzepte bzw. Skalen erarbeitet, deren Einsatz in künftigen Bewertungsstudien ohne viel Aufwand möglich ist. Angesichts der theoretischen und empirischen Befunde dieser Arbeit wäre es gewiss zweckmäßig, die Skalen und ihre Effekte auf Zahlungsbereitschaften auf eine breitere empirische Basis zu stellen. Dabei soll natürlich nicht ausgeschlossen werden, dass die einzelnen Messkonzepte weiterentwickelt und verbessert werden können. Insgesamt wäre es auch für Diskussionen hinsichtlich der Bewertungsmethoden zielführend, wenn sich in Zukunft einheitliche Standards/Messkonzepte durchsetzen würden. Besonders offensichtlich ist dieses Defizit mit Blick auf Protestantworten bzw. -überzeu-
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gungen. Sie werden zum Teil mit sehr unterschiedlichen Aussagen erhoben und fokussieren mitunter ganz verschiedene Tatbestände. Die vorliegende Studie hat zumindest eine erst seit geraumer Zeit geäußerte Vermutung bestärkt, dass unabhängig von der grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft alle Befragten Protestüberzeugungen haben können. Damit ist die gängige Praxis im Umgang mit Protestantworten – der Ausschluss von Nullantworten, die als Protestler definierte Nicht-Zahlungsbereite gegeben haben – nicht länger zu verteidigen. In Zukunft sollten Protestaussagen von allen befragten Personen beantwortet werden und nicht ausschließlich von den Nicht-Zahlungsbereiten. Zum einen bedarf es der oben angemahnten Entwicklung eines tragfähigen Messkonzeptes zur Erhebung von Protestüberzeugungen, wobei zu entscheiden sein wird, welche inhaltlichen Aspekte einem solchen Konzept zugrunde gelegt werden (z.B. die Ablehnung, Natur mit Geld zu bewerten, die Ablehnung von Aspekten des jeweiligen hypothetischen Marktes oder auch wahrgenommene Gerechtigkeitsaspekte). Dabei ist ebenfalls zu untersuchen, welchen Effekt die Platzierung von Protestaussagen an unterschiedlichen Stellen im Fragebogen (z.B. vor oder nach der Zahlungsbereitschaftsfrage) auf das Ausmaß der individuellen Protestüberzeugungen hat. Zum anderen muss stärker diskutiert werden, welchen Stellenwert Protestüberzeugungen für die Verwendung von Zahlungsbereitschaften in Kosten-Nutzen-Analysen haben. Für die Methode der Choice Experimente wurde in den Schlussfolgerungen zur vorliegenden Studie ein Tatbestand herausgestellt, dessen Erklärung weiterer Bemühungen bedarf. Hierbei handelt es sich um den so genannten Status-quo-Effekt, den Umstand, dass eine Vielzahl von Personen in allen Auswahlentscheidungen den Status quo wählt. Die Frage ist dann, wie dieses Antwortverhalten erklärt werden kann. Es könnte einer Präferenz für den Status quo, Protestüberzeugungen oder aber einer Reaktion auf eine zu hohe Komplexität der Auswahlentscheidungen entsprechen. Obwohl die multivariaten Befunde zur grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft im Choice Experiment ein Indiz dafür sind, dass die Wahl des Status quo durchaus mit den hier behandelten theoretischen Zugängen erklärt werden kann, sollten künftige Studien diesen Effekt genauer analysieren und vor allem stärker auf die methodenabhängige Komplexität der Auswahlentscheidungen achten.
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