Silke Hellwig Zur Vereinbarkeit von Competency-Based Training (CBT) und Berufsprinzip
VS RESEARCH
Silke Hellwig
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Silke Hellwig Zur Vereinbarkeit von Competency-Based Training (CBT) und Berufsprinzip
VS RESEARCH
Silke Hellwig
Zur Vereinbarkeit von CompetencyBased Training (CBT) und Berufsprinzip Konzepte der Berufsbildung im Vergleich
VS RESEARCH
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität Konstanz, 2007 U. d. T.: Zur Vereinbarkeit von Competency-based Training (CBT) und Berufsprinzip. Eine vergleichende Analyse am Beispiel der australischen Berufsbildung
1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Christina M. Brian / Ingrid Walther Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-15966-9
Vorwort Die australische Berufsbildung stellt ein bislang aus deutscher Forschungsperspektive nur rudimentär untersuchtes Forschungsgebiet dar, was den Anstoß für diese Arbeit gab. Das im australischen Berufsbildungssystem verankerte Konzept des Competency-based Training (CBT) wird hierbei oftmals als konträres Konzept zur deutschen dualen Berufsausbildung mit dem inhärenten Berufsprinzip begriffen. Vor dem Hintergrund der deutschen Diskussion um eine zunehmende Kompetenzund Outcomeorientierung in der beruflichen Bildung entstand die Idee einer Vergleichsuntersuchung mit dem Ziel, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen CBT und der dualen Berufsausbildung herauszuarbeiten sowie Reformoptionen aus einer wechselseitigen Potenzialanalyse abzuleiten. Besonders fruchtbar für diese Arbeit war mein Forschungsaufenthalt in Australien, währenddessen ich meine theoretisch-analytische Forschungsarbeit durch eine empirische Untersuchung ergänzt und CBT in seiner praktischen Umsetzung kennengelernt habe. Die Besuche an den TAFE-Instituten boten mir interessante Einblicke in die berufsbildende Lehrpraxis, während ich durch das NCVER und andere Forschungsinstitute den aktuellen Forschungsstand in der australischen Berufsbildungsforschung in meine Arbeit aufnehmen konnte. Ebenso von Interesse waren meine Befragungen bei DEST, DET Queensland und ANTA, wodurch ich die bildungspolitischen Entwicklungen und Entscheidungen sowie die Spannungen, die durch die Auflösung von ANTA generiert wurden, vor Ort erlebt habe. Dank sagen möchte ich all denjenigen, die mich bei meiner Arbeit unterstützt und diese Dissertation ermöglicht haben. Insbesondere gilt mein Dank Herrn Prof. Dr. Thomas Deißinger für die fachliche Unterstützung und Betreuung meiner Arbeit sowie für die guten Rahmenbedingungen, unter denen diese Arbeit gelingen konnte. Bedanken möchte ich mich zudem bei Herrn Prof. Dr. Philipp Gonon für die Begutachtung meiner Arbeit, bei Roger Harris und Josie Misko für die Unterstützung bei der Durchführung der empirischen Studie sowie bei meinen australischen Interviewpartnern für die Zusammenarbeit während meines Forschungsaufenthaltes in Australien. Für die vielfältige persönliche Unterstützung in den letzten Jahren danke ich ganz besonders Christel und Werner Hellwig; Ulf, Vesna und Dominik Hellwig; Christoph Gulden sowie Michael Ruf, Bernadette Dilger und Jutta Obenland. Silke Hellwig
Inhaltsverzeichnis Vorwort
5
Abbildungsverzeichnis
11
Tabellenverzeichnis
12
Abkürzungsverzeichnis
13
1. Einleitung 1.1. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2. Thematischer Aufbau und Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . .
15 15 18
I.
25
Theoretische Fundierung der Untersuchung
2. Die Kompetenzforschung als inhaltstheoretischer Bezugsrahmen 2.1. Zur wissenschaftstheoretischen Verankerung der Kompetenzforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1. Zur Rolle der Kompetenzforschung in der Erwachsenenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2. Zur Rolle der Kompetenzforschung in der Berufsausbildung 2.1.3. Einordnung der Untersuchung in die Kompetenzforschung 2.2. Zum Kompetenzbegriff und -konstrukt im deutschen Kontext . . . 2.2.1. Zur Begriffsgeschichte von Kompetenz . . . . . . . . . . 2.2.2. Zur Definitionsproblematik von Kompetenz . . . . . . . . 2.2.3. Zur begriffstheoretischen Abgrenzung von Kompetenz und Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4. Ausgewählte theoretische Zugänge zum Kompetenzbegriff 2.2.5. Zur Taxonomierung des Kompetenzbegriffs . . . . . . . . 2.2.6. Das Konstrukt der beruflichen Handlungskompetenz . . . 2.2.7. Die Entwicklung einer Arbeitsdefinition von Kompetenz . 2.3. Zum Kompetenzbegriff und -konstrukt im englischen und australischen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1. Zur Entwicklung des Kompetenzbegriffs . . . . . . . . .
27 27 27 31 33 34 34 39 45 48 68 72 80 82 82
8
Inhaltsverzeichnis
2.3.2. Zur begriffstheoretischen Differenzierung von competence und competency . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3. Zur konzeptionellen Differenzierung zwischen Input- und Outcomemodellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4. Die politische Bedeutung von competency . . . . . . . . . 2.3.5. Die pädagogische Bedeutung von competency . . . . . . . 2.3.6. Die Entwicklung einer Arbeitsdefinition von competency . 2.4. Zur begriffstheoretischen Abgrenzung von Kompetenz und competency . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
95 97 101 103 110 114 119
II. Der CBT-Ansatz in der australischen Berufsbildung
123
3. Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung 3.1. Zur Begründung des qualitativen Zugangs . . . . . . . . . . . . . 3.2. Zu den Hintergründen und der Philosophie des CBT-Ansatzes . . 3.2.1. Ausgewählte theoretische CBT-Modelle . . . . . . . . . . 3.2.2. Das Kompetenzprinzip als Strukturelement des CBT-Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3. Die Entwicklung des CBT-Ansatzes im Zuge der Training Reform Agenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4. Die ordnungspolitisch-organisatorische Betrachtungsebene . . . . 3.4.1. Gesetzliche Reglementierung des CBT-Ansatzes im australischen Bildungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2. Die Finanzierungsmechanismen des CBT-Ansatzes im australischen Bildungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.3. Zuständigkeiten in der australischen Berufsbildung . . . . 3.4.4. Qualifizierende Institutionen in der Umsetzung des CBTAnsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.5. Zur Philosophie eines open training market . . . . . . . . 3.4.6. Die Instrumente der Qualitätssicherung bei der Umsetzung des CBT-Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.7. Zur Qualifikation der Lehrenden . . . . . . . . . . . . . . 3.5. Die didaktisch-curriculare Betrachtungsebene . . . . . . . . . . . 3.5.1. Training packages als curriculare Vorgaben . . . . . . . . 3.5.2. Der Australian Qualifications Framework als Standardisierungsinstrument beruflicher Qualifikationen . . . . . . 3.5.3. Zu den Qualifizierungswegen im CBT-Ansatz . . . . . . .
125 125 128 133 138 139 147 147 148 152 165 172 175 178 182 182 196 199
Inhaltsverzeichnis
3.6. Die Lernprozess-Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.1. Der lerntheoretische Hintergrund des CBT-Ansatzes . . . 3.6.2. Zur Methodik im CBT-Lernprozess . . . . . . . . . . . . 3.6.3. Zur Leistungsmessung im CBT-Lernprozess . . . . . . . . 3.6.4. Zur Erfassung informeller und informell erworbener Kompetenzen im CBT-Lernprozess . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.5. Zur Rolle von Lehrenden und Lernenden im CBT-Lernprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7. Kritische Auseinandersetzung mit dem CBT-Ansatz . . . . . . . . 3.7.1. Ausgewählte ordnungspolitisch-organisatorische Problemaspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.2. Ausgewählte didaktisch-curriculare Problemaspekte . . . 3.7.3. Zu den Schwierigkeiten bei der Implementation des CBTAnsatzes im Lernprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8. Aktuelle Herausforderungen und Reformperspektiven . . . . . . . 3.9. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
III. Zur Vereinbarkeit von australischem Kompetenz- und deutschem Berufsprinzip
9 208 208 210 213 216 223 227 227 231 234 237 245
249
4. Das Berufsprinzip in der dualen Berufsausbildung 251 4.1. Zur theoretischen Begründung des Berufsprinzips . . . . . . . . . 251 4.2. Zur Kritik am Berufsprinzip und der Entwicklung einer modernen Beruflichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 5. Zur Komparation von Kompetenz- und Berufsprinzip 5.1. Zur konzeptionellen Differenzierung zwischen Kompetenz- und Berufsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2. Zur Vereinbarkeit von Kompetenz- und Berufsprinzip in realtypischer Ausprägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1. Die ordnungspolitisch-organisatorische Betrachtungsebene 5.2.2. Die didaktisch-curriculare Betrachtungsebene . . . . . . . 5.2.3. Die Lernprozess-Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.4. Diskussion der Vereinbarkeit von Kompetenz- und Berufsprinzip am Beispiel aktueller Entwicklungen in der dualen Berufsausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3. Potenzialanalyse für die Realisierungsformen von Kompetenz- und Berufsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
269 269 276 276 287 295
306 317
10
Inhaltsverzeichnis
5.3.1. Zum Potenzial der dualen Berufsausbildung für CBT . . . 318 5.3.2. Zum Potenzial des CBT-Ansatzes für die duale Berufsausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 5.3.3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 6. Schlussbetrachtung
353
Literaturverzeichnis
363
Stichwortverzeichnis
388
Abbildungsverzeichnis
1.1. Übersicht Untersuchungsebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2. Vergleichskriterien für die Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . 2.1. Kompetenzforschung in der Erwachsenenbildung und in der Berufsausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Systematisierung von Kompetenzdefinitionen . . . . . . . . . . . 2.3. Phasen des Behaviorismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4. Radikaler vs. methodischer Konstruktivismus . . . . . . . . . . . 2.5. Theoretische Zugänge zum Kompetenzbegriff . . . . . . . . . . . 2.6. Input- vs. Outcomemodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7. Formation vs. Competence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.8. Kategorisierung des Kompetenzbegriffs im englischen und australischen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.9. Kompetenz vs. competency . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.10. Kompetenz und Competency . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22 22 33 45 54 63 82 98 100 113 118 119
3.1. Entwicklungsprozess der training packages . . . . . . . . . . . . 186 3.2. RPL-Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 3.3. Deskriptionsmatrix für den CBT-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . 248 4.1. Theoretische Zugänge zum Berufsprinzip . . . . . . . . . . . . . 260 5.1. Konzeptionelle Abgrenzung von Berufs- und Kompetenzprinzip . 5.2. Eine extremtypische Kategorisierung von Berufs- und Kompetenzprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede von CBT und dualer Berufsausbildung auf ordnungspolitisch-organisatorischer Ebene . . . . 5.4. Gemeinsamkeiten und Unterschiede von CBT und dualer Berufsausbildung auf didaktisch-curricularer Ebene . . . . . . . . . . . 5.5. Gemeinsamkeiten und Unterschiede von CBT und dualer Berufsausbildung auf der Lernprozess-Ebene . . . . . . . . . . . . . . . 5.6. Potenzialmatrix für den CBT-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7. Potenzialmatrix für die duale Berufsausbildung . . . . . . . . . .
271 276 286 294 305 327 345
Tabellenverzeichnis 2.1. Die Taxonomie-Matrix nach Anderson/Krathwol . . . . . . . . . 2.2. Gegenüberstellung der employability skills von ACCI/BCA und der key competencies nach Mayer . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1. 3.2. 3.3. 3.4. 3.5. 3.6. 3.7. 3.8.
Investitionen in die Berufsbildung in Milliarden A$ . . . . . . . . Übersicht Bildungsministerien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teilnehmerzahlen nach Anbieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teilnehmerzahlen nach Teilzeit- und Vollzeitprogrammen . . . . . Teilnehmeranzahl nach Kursangebot . . . . . . . . . . . . . . . . Australian Qualifications Framework . . . . . . . . . . . . . . . Erworbene Qualifikationen nach Qualifikationslevel . . . . . . . . Anzahl abgeschlossener new apprenticeships nach Qualifikationslevel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.9. Anzahl der Schüler in VET-in-schools-Programmen . . . . . . . . 3.10. Abschlüsse in VET-in-schools-Programmen und SBNA . . . . . .
71 92 149 153 166 169 183 198 198 202 204 205
5.1. Ausbildungsordnung vs. training package . . . . . . . . . . . . . 288
Abkürzungsverzeichnis AAAC AEC ANTA AQF AQFAB AQTF AVCTS BDA BIBB BMBF CBET CBT COSTAC CRAFT DETYA DEETYA DEST DIHT DQR ECTS ECVET EQR FENTO ISC ITAB MCEETYA MCVTE MINCO MOVEET NA
Australian Apprenticeship Advisory Committee Australian Education Council Australian National Training Authority Australian Qualifications Framework Australian Qualifications Framework Advisory Board Australian Quality Training Framework Australian Vocational Certificate Training System Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Bundesinstitut für Berufsbildung Bundesministerium für Bildung und Forschung Competency-based Education and Training Competency-based Training Commonwealth and State/Territories Apprenticeships Committee Commonwealth Rebate for Apprentice Full-time Training Department of Education, Training and Youth Affairs Department of Education, Employment, Training and Youth Affairs Department of Education, Science and Training Deutscher Industrie- und Handelskammertag Deutscher Qualifikationsrahmen European Credit Transfer System European Credit Transfer for Vocational Education and Training Europäischer Qualifikationsrahmen Further Education National Training Organization Industry Skills Council Industry Training Advisory Body Ministerial Council for Employment, Education, Training and Youth Affair Ministerial Council for Vocational and Technical Education Ministerial Council for Vocational Education and Training Ministers of Vocational Education, Employment and Training New Apprenticeship
14 NCVER NFROT NOOSR NQC NQR NTQC NTB RPL SBNA VET VEETAC YMC
Abkürzungsverzeichnis
National Centre for Vocational Education Research National Framework for the Recognition of Training National Office of Overseas Skills Recognition National Quality Council Nationaler Qualifikationsrahmen National Training Quality Council National Training Board Recognition of Prior Learning School-based New Apprenticeship Vocational Education and Training Vocational Education, Employment and Training Advisory Committee Youth Ministers Council
1. Einleitung 1.1. Problemstellung Die wirtschaftliche Globalisierung und der fortschreitende europäische Integrationsprozess stellen die Berufsbildungspolitik nicht nur auf nationaler, sondern auch auf internationaler Ebene vor immer neue Herausforderungen. Dabei ist die Internationalisierung der beruflichen Bildung zum Schlagwort in der bildungspolitischen Diskussion geworden. Die Notwendigkeit einer gemeinsamen europäischen Berufsbildungspolitik macht die EU-Kommission in der Lissabon-Erklärung von 2000 deutlich, in welcher das Ziel erklärt wurde, „die Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen – einem Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen“ (Europäische Kommission, 2002, S. 5). Zur Manifestierung der Lissabon-Erklärung verabschiedet die Europäische Kommission 2002 ein Arbeitsprogramm, in welchem drei weitere strategische Ziele formuliert werden, die zur Verbesserung der Systeme allgemeiner und beruflicher Bildung umgesetzt werden sollen. Erstens soll die Qualität und Wirksamkeit der Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung in der EU erhöht werden; zweitens soll der Zugang zur allgemeinen und beruflichen Bildung für alle erleichtert werden und drittens sollen die Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung gegenüber der Welt geöffnet werden (ebenda, S. 3). Das Ziel der Förderung von Mobilität und Transparenz innerhalb nationaler Bildungs- und Berufsbildungssysteme in Europa wurde im Zuge des LissabonBrügge-Kopenhagen-Prozesses im Jahre 2004 vom Europäischen Rat in Maastricht und der Vereinbarung zur Entwicklung eines Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR) manifestiert. Der EQR als outcome- und kompetenzbasierter europaweiter Referenzrahmen soll zudem eine nachhaltige Qualitätssicherung und -steigerung im Bereich der Berufsbildung sowie deren Aufwertung gegenüber der schulisch-akademischen Bildung im europäischen Raum gewährleisten (Bohlinger, 2006, S. 5; Hanf/Rein, 2006, S. 1). Vor dem Hintergrund dieser aktuellen europapolitischen Entwicklung erhält die Diskussion um die Funktionsfähigkeit der dualen Berufsausbildung in Deutschland eine neue Dimension. Die international herausragende Stellung der deutschen dualen Berufsausbildung wird seit einigen Jahren von vielen, insbesonde-
16
Einleitung
re deutschen Berufs- und Wirtschaftspädagogen, Politikern und Ökonomen aufgrund struktureller Probleme infrage gestellt. Kostenintensität, Akzeptanzdefizite, Ausbildungsplatzmangel sowie die unzureichende Lernortkooperation zwischen Ausbildungsbetrieben und Berufsschulen spiegeln lediglich einen Ausschnitt der artikulierten Kritikpunkte wider (Baethge, 2003, S. 532 f.; Euler/Severing, 2006, S. 96; Pätzold/Wahle, 2003, S. 476; Rauner, 1997, S. 135; Rottmann, 2003, S. 359). Der zunehmende Modernisierungsdruck verstärkt den Handlungsbedarf der deutschen Berufsbildungspolitik – die Suche nach Reform- und Innovationsansätzen in anderen beruflichen Qualifizierungssystemen erscheint erforderlich. Im Hinblick auf die derzeit geführte Diskussion um die Entwicklung und Implementierung eines Kreditpunktesystems für die berufliche Bildung (ECVET), das von Outcome und Kompetenzorientierung zeugt, erfährt das englische Konzept der beruflichen Qualifizierung zunehmend Aufmerksamkeit. Es stellt sich die Frage, inwiefern das der deutschen dualen Berufsausbildung zugrunde liegende Berufsprinzip und das englische bzw. australische Verständnis eines kompetenzbasierten Qualifizierungsansatzes – das sogenannte Competency-based Training (CBT) – grundsätzlich abzugrenzen sind. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund einer Differenzierung zwischen theoretisch-konzeptioneller Metaebene von angelsächsisch geprägtem Kompetenz- und deutschem Berufsprinzip zu betrachten sowie in Bezug auf deren realtypische Ausprägungsformen – sprich CBT und duale Berufsausbildung – auf der Objektebene. Im Rahmen der Objektebene der dualen Berufsausbildung kommt zudem die Frage auf, welche Handlungsgrundlage der CBT-Ansatz für strukturelle und inhaltliche Veränderungen in der dualen Berufsausbildung im Hinblick auf ordnungspolitische und curriculare Rahmenstrukturen und auf lernprozessbezogene Gestaltungsfragen sowie im Hinblick auf die zunehmende Kompetenzorientierung in der deutschen Berufsbildung bieten könnte. Gleichzeitig gilt es zu hinterfragen, welches Veränderungspotenzial die duale Berufsausbildung für CBT beinhaltet und welche strukturellen und inhaltlichen Veränderungen diesbezüglich möglich sind. Vor diesem Hintergrund tritt die Kompetenzforschung verstärkt in Erscheinung. Und wenngleich sie im nationalen und internationalen Kontext bereits etabliert ist, so erfährt sie im deutschen wissenschaftstheoretischen Diskurs der Berufs- und Wirtschaftspädagogik eine neue Akzentuierung. Vor allem die begriffstheoretische Disputation des Kompetenzbegriffs und dessen pädagogische und bildungspolitische Bedeutung in der deutschen Reformdebatte um die duale Berufsausbildung sowie im Kontext der Erwachsenenbildung stehen dabei im Mittelpunkt des Interesses. Der Kompetenzbegriff wird aus verschiedenen Perspektiven mit unterschiedlichen Problembezügen definiert und verwendet und dementsprechende konzeptionelle Überlegungen finden sich auch in
1.1. Problemstellung
17
der Psychologie, Pädagogik und der Arbeits- und Organisationswissenschaften wieder. In der Erwachsenenpädagogik rückte die Kompetenzforschung im Zuge der kompetenzorientierten Wende ins Zentrum struktureller Neugestaltung formalisierter Weiterbildung (u. a. Arnold/Schüßler, 2001; Erpenbeck/Heyse, 1996). Sie hielt jedoch auch Einzug in den berufs- und wirtschaftspädagogischen Diskurs, mit einer starken Fokussierung auf das Konstrukt „berufliche Handlungskompetenz“, wobei theoretische Konzeptionen und Ansätze zur empirischen Operationalisierbarkeit zu differenzieren sind (u. a. Bader, 1991; Jungkunz, 1995; KMK, 2000, S. 9; Lisop, 1998; Neef/Verstege, 2005; Schwadorf, 2003). Die Diskussion spiegelt sich in der Festlegung der „beruflichen Handlungskompetenz“ als neue Zielgröße für berufliche Lernprozesse in der dualen Berufsausbildung wider, gleichzeitig steht das Konstrukt „berufliche Handlungskompetenz“ auch im Zentrum des bildungspolitischen Interesses hinsichtlich der Strukturierung und inhaltlichen Zielsetzung curricularer Vorgaben für betriebliche, insbesondere jedoch für schulische Curricula im Hinblick auf den Lernfeldansatz (BIBB, 2003, S. 6; BMBF, 2007, S. 18 und S. 167; BMBF, 2006, S. 9). Die englische und australische Kompetenzforschung spielt seit den achtziger Jahren eine wichtige Rolle in der Berufsbildungsforschung, und auch hier stehen Begriffsdefinitionen, Kompetenzkonstrukte sowie Aspekte der Messbarkeit und Zertifizierbarkeit von Kompetenzen im Mittelpunkt. Auch die angelsächsische Diskussion wird auf der bildungspolitischen und wissenschaftlichen Ebene geführt, da diese vor dem Hintergrund der Reformierung der Berufsbildung zu verorten ist, wodurch dem Kompetenzbegriff und -konstrukt gleichermaßen eine bildungspolitische und eine wissenschaftliche Dimension attestiert werden kann. Eine systematische Analyse des CBT-Ansatzes hinsichtlich seiner zugrunde liegenden Philosophie, seines theoretischen Konstrukts, seiner ordnungspolitischorganisatorischen und didaktisch-curricularen Rahmenbedingungen sowie deren Auswirkung auf die Lernprozess-Ebene wurde bislang aus deutscher Forschungsperspektive nicht vorgenommen und soll im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen. Diese Analyse ist Voraussetzung für eine Gegenüberstellung des CBT-Ansatzes und der deutschen dualen Berufsausbildung. Diese soll zeigen, welche Aspekte des „Kompetenzprinzips“ nach australischem Vorbild im deutschen Kontext und insbesondere in der dualen Berufsausbildung bereits vorzufinden sind und welches Reformpotenzial der CBT-Ansatz für die duale Berufsausbildung bietet. Dies ist vor dem Hintergrund aktueller systemimmanenter Problemindikatoren sowie vor dem Hintergrund der europäischen Berufsbildungsdebatte zu betrachten. Der Strukturierung dienen folgende Leitfragen: 1. Ist das Berufsprinzip als Struktur- und Organisationsprinzip der dualen Be-
18
Einleitung
rufsausbildung in Deutschland mit dem australischen Kompetenzprinzip, das dem CBT-Ansatz zugrunde liegt, vereinbar? 2. Sind Konvergenzen der realtypischen Ausprägungsformen von Kompetenzund Berufsprinzip festzustellen? 3. Welches Reform- und Veränderungspotenzial bietet der australische CBTAnsatz für die deutsche duale Berufsausbildung in Fragen der ordnungspolitisch-organisatorischen und didaktisch-curricularen Strukturierung sowie hinsichtlich der Neugestaltung beruflicher Lehr-Lern-Arrangements vor dem Hintergrund nationaler Problemindikatoren sowie europäischer Entwicklungen im Kontext von EQR und ECVET? 1.2. Thematischer Aufbau und Vorgehensweise Die vorliegende Untersuchung basiert auf den methodologischen Grundlagen der vergleichenden Berufsbildungsforschung und avisiert einen multiplanen, kriterienund problembezogenen Vergleich, durch welchen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zweier Ansätze der beruflichen Qualifizierung herausgearbeitet werden. Als tertium comparationis dient die der australischen und deutschen Berufsausbildung zugrunde liegende Qualifizierungsstrategie. Die Untersuchung gliedert sich in drei Teile, wobei im ersten Teil (Kapitel zwei) eine Auseinandersetzung mit theoretischen Konzepten und Modellen erfolgt, die für die anschließende komparative Auseinandersetzung erforderlich ist. Zunächst werden einschlägige Ansätze der Kompetenzforschung als inhaltstheoretischer Bezugsrahmen analysiert. Darauf aufbauend erfolgt eine theoretische Auseinandersetzung mit der deutschen bzw. australischen Diskussion um den Kompetenzbegriff und entsprechender Konstrukte, welche vor dem Hintergrund ihrer wissenschaftstheoretischen Begründung sowie ihrer politischen Dimensionen analysiert werden. Im zweiten Teil der Arbeit (Kapitel drei) wird, basierend auf der begriffstheoretischen Auseinandersetzung mit dem Kompetenzbegriff bzw. -konstrukt, der in der australischen Berufsbildung implementierte CBT-Ansatz analysiert. Dieser auslandspädagogischen Studie über den Kompetenzerwerb in Australien wird zunächst eine idiographische Funktion attestiert, da deskriptiv Singularitäten der australischen Berufsbildung erforscht werden. Dabei wird ein Drei-Ebenen-Modell zugrunde gelegt, das sich in vielen Forschungsarbeiten wiederfindet und das zwischen einer Makro-, einer Meso-/Medium- und einer Mikroebene differenziert (u. a. Lempert, 1978; Schriewer, 1982; Kremer, 2003b; Schwadorf, 2003). Die grundlegende theoretische Fundierung für multiplane Analysen gründet auf den
1.2. Thematischer Aufbau und Vorgehensweise
19
Theorien Bronfenbrenners zur Ökologie der menschlichen Entwicklung, in welchen Mikro-, Meso-, Exo- und Makrosysteme kategorisiert werden. Unter einem Mikrosystem versteht Bronfenbrenner „ein Muster von Tätigkeiten und Aktivitäten, Rollen und zwischenmenschlichen Beziehungen, die die in Entwicklung begriffene Person in einem gegebenen Lebensbereich mit den ihm eigentümlichen physischen und materiellen Merkmalen erlebt“ (Bronfenbrenner, 1981, S. 38). Das Mesosystem unterscheidet sich vom Mikrosystem dahingehend, dass es sich hierbei um „Wechselbeziehungen zwischen den Lebensbereichen, an denen die sich entwickelnde Person aktiv beteiligt ist“, handelt. Somit versteht Bronfenbrenner unter einem Mesosystem ein System von Mikrosystemen (ebenda, S. 41). Mit dem Exosystem beschreibt Bronfenbrenner „einen Lebensbereich oder mehrere Lebensbereiche, an denen die sich entwickelnde Person nicht selbst beteiligt ist, in denen aber Ereignisse stattfinden, die beeinflussen, was in ihrem Lebensbereich geschieht, oder die davon beeinflusst werden“ (ebenda, S. 41). Den Begriff des Makrosystems bezieht Bronfenbrenner hingegen „auf die grundsätzliche formale und inhaltliche Ähnlichkeit der Systeme niedrigerer Ordnung (Mikro-, Meso- und Exo-), die in der Subkultur oder der ganzen Kultur bestehen oder bestehen können, einschließlich der ihnen zugrunde liegenden Weltanschauungen und Ideologien“ (ebenda, S. 42). Viele Autoren beziehen sich explizit oder implizit auf diese Unterscheidung und spezifizieren die Systeme bzw. Ebenen für die jeweiligen Fachdisziplinen bzw. Forschungsarbeiten. So adaptiert bspw. Kell die vier Systeme nach Bronfenbrenner für die systematische Beschreibung der Organisation der dualen Berufsausbildung, wobei er zwischen betrieblicher und schulischer Ausbildung in den jeweiligen Systemen differenziert (Kell, 1995, S. 377 ff.). Er definiert dabei zwei Mikrosysteme: zum einen das Mikrosystem „Arbeitsplatz“ und zum anderen das Mikrosystem „schulischer Lernplatz“. Kriterien zur Gestaltung des Arbeitsplatzes seien, so Kell, die Zuweisung von Aufgaben, der Gestaltungsfreiraum bei der Erfüllung dieser Aufgaben, die Nutzung von Werkzeugen, Persönlichkeitseigenschaften wie Kommunikationsfähigkeit, Selbstverantwortung und -kontrolle (ebenda, S. 378). Analog können für den schulischen Lernplatz Kriterien zusammengefasst werden, wobei die wichtigsten die pädagogische Gestaltung geeigneter Lehr-Lern-Arrangements und die Anwendung geeigneter Methoden sind. Als Mesosysteme unterscheidet Kell Betrieb und Schule, unter welche Arbeits- und Lernplätze subsumiert werden. Als Exosystem bezeichnet Kell einerseits das Beschäftigungssystem und andererseits das Bildungssystem. Als wichtigstes Strukturprinzip des Beschäftigungssystems gelte das Berufsprinzip, Strukturdimensionen seien Aufgabeninhalte, Anforderungsniveau der Aufgaben, geschlechterbedingte Aufgabenverteilung sowie Ressourcen zur Erfüllung der Aufgaben (ebenda, S. 381).
20
Einleitung
Als Kern des beruflichen Bildungssystems wird die Berufsschule in ihrer speziellen Funktion innerhalb der dualen Berufsausbildung angesehen. Die beruflichen Vollzeitschulen werden dabei nicht als Bestandteile des beruflichen Bildungssystems aufgeführt, da Kell zwar von der Organisation der Berufsbildung spricht, jedoch die Berufsausbildung im dualen System fokussiert. Zur Differenzierung der Makrosysteme werden für die betriebliche Seite Aspekte wie die Strukturen der Gesellschaft, des Staates und der Wirtschaft definiert und analog für die schulische Seite Aspekte wie Weltanschauungen, Weltbilder, Normen, Lebensstile und Kultur (ebenda, S. 382). Mit der Spezifizierung und Differenzierung von Makro-, Exo-, Meso- und Mikrosystemen finden bei Kell die Theorien Bronfenbrenners erstmalig eine konkrete Anwendung in der Systematisierung der Organisation der Berufsbildung. Doch auch aktuelle wirtschaftspädagogische Studien beziehen sich auf die Theorien Bronfenbrenners – u. a. Kremer (2003b) und Schwadorf (2003) – und spezifizieren die System- bzw. Ebenendifferenzierung für aktuelle wirtschaftspädagogische Fragestellungen. Kremer (2003b) verwendet die Mehrebenenanalyse in Bezug auf die Frage der Implementation didaktischer Innovationen am Beispiel der Lernfelder. Schwadorf (2003) differenziert Ebenen für die Untersuchung der beruflichen Handlungskompetenz in der dualen Berufsausbildung am Beispiel des kaufmännischen Sektors. Aufgrund der in diesen Studien bewiesenen Tauglichkeit der Theorien Bronfenbrenners für die Analyse wirtschaftspädagogischer Fragestellungen (Schwadorf, 2003, S. 37 ff.) sollen diese als Basis für die vorliegende Arbeit dienen. Es wird jedoch nicht die Entwicklung des Individuums in den verschiedenen Systemen fokussiert, wie dies bei Bronfenbrenner der Fall ist, sondern die System- bzw. Ebenendifferenzierung dient als Strukturierungsinstrument zur Beschreibung und Analyse des australischen CBT-Ansatzes. Einer der einschlägigsten Forschungsansätze zur Differenzierung von Qualifizierungsverfahren ist das Konzept der Qualifizierungsstile nach Deißinger (1998).1 Die Differenzierung Bronfenbrenners wird in Anlehnung an das Konzept der Qualifizierungsstile modifiziert und der vorliegenden Arbeit als methodischer Rahmen zugrunde gelegt. Die Zusammenführung der Theorie Bronfenbrenners und der darauf aufbauenden System- bzw. Ebenendifferenzierung nach Kell mit dem Konzept der Qualifizierungsstile soll zu einem Drei-Ebenen-Modell führen, das sich wie folgt gestaltet und in Abbildung 1.1 illustriert wird: Die ordnungspolitisch-organisatorische Dimension nach Deißinger soll als Makroebene im Sinne einer ordnungspolitisch-organisatorischen Ebene fungieren, auf welcher allgemeine, für die auf dem Kompetenz- bzw. Berufsprinzip basierende Qualifizierung relevante Rahmenbedingungen definiert werden. Als relevante Kri1 Eine
ausführliche Darstellung des Konzepts der Qualifizierungsstile erfolgt unter Kapitel 2.6.
1.2. Thematischer Aufbau und Vorgehensweise
21
terien dienen auf dieser Ebene in Anlehnung an Deißinger und Kell die gesetzliche Reglementierung, Finanzierungsmechanismen, involvierte Institutionen – wobei zwischen reglementierenden und qualifizierenden Institutionen unterschieden wird –, ordnungspolitische Instrumente der Qualitätssicherung sowie die Qualifikation der Lehrenden. Diese Kriterien sind allgemeine formale Kennzeichen, die dem CBT-Ansatz zugrunde liegen und somit die Kriterien eines Makrosystems gemäß Bronfenbrenner erfüllen (Bronfenbrenner, 1981, S. 43). Rekurrierend auf die didaktisch-curriculare Dimension nach Deißinger wird das Exosystem als spezifische Rahmenbedingung der kompetenzbasierten Qualifizierung im Sinne didaktisch-curricularer Vorgaben modifiziert. Kriterien hierfür sind zum einen berufliche Curricula, Qualifikationen, die im Berufsbildungssystem erworben werden können, sowie formale und non-formale berufliche Qualifizierungswege. Diese Spezifizierung des Exosystems lässt sich damit begründen, dass es sich hierbei um Bereiche handelt, an denen der Lernende als Teilnehmer an einer beruflichen Bildungsmaßnahme und, im Sinne Bronfenbrenners, als sich entwickelnde Person nicht direkt beteiligt ist, die jedoch Auswirkungen auf dessen berufliche Entwicklung haben (ebenda, S. 42). Sowohl die ordnungspolitischorganisatorische Ebene als auch die didaktisch-curriculare (Makro- und Mesosysteme) spezifizieren demzufolge Rahmenbedingungen für den CBT-Ansatz. Im Konzept der Qualifizierungsstile wird eine dritte Dimension definiert: die Verortung des Qualifizierungsprozesses im Sozialisationszusammenhang. Für die vorliegende Untersuchung wird diese dritte Dimension durch die Ebene des Lernprozesses ersetzt. Diese Modifizierung lässt sich dadurch begründen, dass ein besonderer Schwerpunkt dieser Arbeit in der Gegenüberstellung von Rahmenbedingungen (organisatorisch-ordnungspolitischer, aber auch didaktisch-curricularer Art) und deren Realisierung in beruflichen Lernprozessen liegt. Somit ist eine spezifische Analyse der Lernprozess-Ebene unabdinglich, und es dienen folgende Kriterien der Spezifizierung: der lerntheoretische Hintergrund, die angewandte Methodik, Verfahren der Leistungsmessung und Erfassung informeller und informell erworbener Kompetenzen sowie die Rolle der Lehrenden und Lernenden im Lernprozess. Diese Kriterien lassen sich einerseits dem Mikrosystem zuordnen, da es sich, mit Ausnahme der lerntheoretischen Begründung, um Tätigkeits- und Aktivitätsmuster handelt; andererseits lassen sie sich aber auch dem Mesosystem zuordnen, da die verschiedenen Lernorte (u. a. schulische und betriebliche Lernumgebung) als Bereiche angesehen werden, die in einer Wechselbeziehung stehen. Daher erscheint eine Trennung von Mikro- und Mesosystem im Rahmen dieser Untersuchung nicht sinnvoll und beide Systeme werden der Lernprozess-Ebene zugeordnet. Abbildung 1.2 stellt die Untersuchungsebenen mit den zugehörigen, der Spezifi-
22 Bronfenbrenner
Einleitung
Kell
Betriebliche Seite Strukturen der Gesellschaft, des Staates etc. insbes. Wirtschaft Beschäftigungssystem
Schulische Seite
Mesosystem
Betrieb
Schule
Mikrosystem
Arbeitsplatz
Lernplatz
Makrosystem
Exosystem
Weltanschauungen, Weltbilder, Normen, Lebensstile etc. insbes. Kultur Bildungssystem
Deißinger
Analyse-Ebene der Untersuchung
Ordnungspolitischorganisatorische Dimension
Ordnungspolitischorganisatorische Ebene Didaktischcurriculare Ebene LernprozessEbene
Didaktischcurriculare Dimension und Verortung im Sozialisationszusammenhang
Abbildung 1.1.: Übersicht Untersuchungsebenen
zierung und Systematisierung dienenden Vergleichskriterien dar. Analyseebene Ordnungspolitischorganisatorische Ebene:
Didaktisch-curriculare Ebene: LernprozessEbene:
Vergleichskriterium - gesetzliche Reglementierung - Finanzierungsmechanismen - Institutionen (reglementierend, qualifizierend, prüfend, zertifizierend) - Instrumente der Qualitätssicherung - Rahmenbedingungen für die fachliche und pädagogische Qualifikation der Lehrenden - Curricula - Qualifikationen - Qualifizierungswege - lerntheoretischer Hintergrund - Methodik - Leistungsmessung - Erfassung informeller und informell erworbener Kompetenzen - Rolle der Lehrenden und der Lernenden
Abbildung 1.2.: Vergleichskriterien für die Untersuchung
Die Vorgehensweise im zweiten Teil der Untersuchung orientiert sich an den von Hilker definierten Stufen eines Vergleichs. Das heißt, zunächst werden die drei Ebenen der australischen Qualifizierungsstrategie beschrieben (deskriptive Stu-
1.2. Thematischer Aufbau und Vorgehensweise
23
fe) und im Anschluss daran anhand einer deskriptiven und explikativen Literaturund Dokumentenanalyse analysiert (explikative Stufe). Hierbei werden, basierend auf den Grundannahmen Mayrings, die den Untersuchungsebenen zugeordneten Vergleichskriterien als Strukturinstrument eingesetzt (Mayring, 1996, S. 35). Ergänzt wird diese Analyse durch eine qualitativ-empirische Untersuchung des CBTAnsatzes. Hierfür wurden insgesamt 35 leitfadengestützte Experteninterviews mit verschiedenen Akteuren des australischen Berufsbildungssystems geführt. Die Fragen für die Leitfadeninterviews wurden unter Berücksichtigung der Grundsätze für die Entwicklung eines Interviewleitfadens (u. a. Gläser/Laudel, 2004, S. 140 f.) aus den Erkenntnissen der Literatur- und Dokumentenanalyse abgeleitet2 . Im dritten Teil der Arbeit erfolgt in Kapitel vier zunächst eine theoretische Auseinandersetzung mit dem Berufsprinzip als Struktur- und Organisationsprinzip der dualen Berufsausbildung in Deutschland. Hierbei wird auf zwei theoretische Zugänge zum Berufsprinzip, die subjektbezogene Theorie der Berufe sowie der soziostrukturelle Hintergrund der Berufstheorie, zurückgegriffen. Im Anschluss werden die Kritik am Berufsprinzip skizziert und Konzepte einer modernen Beruflichkeit eruiert. Darauf aufbauend erfolgt in Kapitel fünf eine melioristische Vergleichsuntersuchung mit dem Ziel, Verbesserungs- und Veränderungspotenziale für die deutsche duale Berufsausbildung bzw. für den CBT-Ansatz zu identifizieren und zu reflektieren. Da die Untersuchung keinen expliziten Systemvergleich der australischen und deutschen Berufsbildungssysteme darstellen soll, wird auf eine ausführliche Darstellung des deutschen Berufsbildungssystems verzichtet. Vielmehr werden, basierend auf der idiographischen Untersuchung des australischen CBT-Ansatzes und einer problembezogenen Darstellung der deutschen dualen Berufsausbildung, Problemindikatoren des CBT-Ansatzes und der dualen Berufsausbildung erfasst. Die Komparation erfolgt in zwei Teilen, wobei zunächst eine auf der Metaebene angesiedelte konzeptionelle Abgrenzung unter Bezugnahme auf die zuvor skizzierten theoretischen Zugänge zum Kompetenz- bzw. Berufsprinzip erfolgt. Der zweite Teil der Komparation ist auf der Objektebene angesiedelt und avisiert eine realtypische Komparation, wobei auf die Drei-Ebenen-Systematik zurückgegriffen wird. Demzufolge werden die ordnungspolitisch-organisatorischen und die didaktisch-curricularen Rahmenbedingungen sowie die beruflichen Lernprozesse verglichen, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen CBT-Ansatz und der dualen Berufsausbildung herauszuarbeiten. Auf Basis der identifizierten Gemeinsamkeiten erfolgt ebenfalls auf drei Ebenen eine Auseinandersetzung mit der Frage nach der Vereinbarkeit von Kompetenz- und Berufsprinzip im Sinne real2 Die
ausführliche Begründung des qualitativen Zugangs zur Analyse des CBT-Ansatzes erfolgt im zweiten Teil dieser Arbeit unter 4.1.
24
Einleitung
typischer Ausprägungsformen auf ordnungspolitisch-organisatorischer und didaktisch-curricularer Betrachtungsebene sowie hinsichtlich der Gestaltung und Umsetzung beruflicher Lernprozesse. Darauf aufbauend wird eine wechselseitige Potenzialanalyse des CBT-Ansatzes und der dualen Berufsausbildung durchgeführt. Hierbei steht jedoch nicht die Frage nach einer äußeren Anpassung der dualen Berufsausbildung an das CBT-Konzept oder vice versa im Vordergrund, wie es in diversen vergleichenden Forschungsarbeiten der Fall ist (Lauterbach, 2003, S. 110 f.). Vielmehr wird das Potenzial einer inneren Modernisierung der dualen Berufsausbildung eruiert und unter Berücksichtigung der evolutionistischen Funktion des Vergleichs werden Entwicklungstrends innerhalb der dualen Berufsausbildung und des CBT-Ansatzes herausgearbeitet. Hierfür erfolgt zunächst eine Erhebung aktueller Problemindikatoren sowohl des CBT-Ansatzes als auch der dualen Berufsausbildung. Zur Untersuchung des CBT-Ansatzes wird die vorangegangene Analyse als Basis, für die der dualen Berufsausbildung werden aktuelle Arbeiten und Studien herangezogen. Es wird systematisch analysiert, welches Potenzial der CBTAnsatz für die duale Berufsausbildung bietet, und umgekehrt. Abschließend werden hieraus bildungspolitische Implikationen für die duale Berufsausbildung abgeleitet und es wird der Handlungsbedarf in Fragen der Reformierung der dualen Berufsausbildung aufgezeigt. Der Untersuchungsverlauf lässt sich demnach wie folgt darstellen: 1. Sichtung und Analyse von Fachliteratur und Dokumenten 2. Entwicklung eines Interviewleitfadens 3. Durchführung der Interviews 4. Auswertung und Analyse der Interviews sowie einschlägiger empirischer Studien und Forschungsarbeiten
Teil I. Theoretische Fundierung der Untersuchung
2. Die Kompetenzforschung als inhaltstheoretischer Bezugsrahmen 2.1. Zur wissenschaftstheoretischen Verankerung der Kompetenzforschung DieKompetenzforschungbietet Anknüpfungspunkte für verschiedenewissenschaftliche Disziplinen und prägt somit nicht nur psychologische und pädagogische Forschungsarbeiten, sondern zunehmend auch Ansätze aus der betriebswirtschaftlichen Arbeits- und Organisationslehre. Kennzeichen dieser Ansätze ist die Verwendung eines Kompetenzbegriffs, der jedoch aufgrund der unterschiedlichen wissenschaftstheoretischen Zugänge differenziert werden muss. Heterogenität ist nicht nur im Rahmen der Definition und Verwendung des Kompetenzbegriffs festzustellen, sondern auch in den Entwicklungs- und Realisierungsansätzen von respektiven Kompetenzmodellen. Wenngleich die Kompetenzforschung auch in der Arbeits- und Organisationspsychologie sowie in der Personalwirtschaft von Bedeutung ist, soll aus Komplexitäts- und Relevanzgründen auf eine Auseinandersetzung mit einschlägigen Ansätzen aus diesen Bereichen verzichtet werden. Von Relevanz für diese Arbeit ist primär der Bereich der beruflichen Erstausbildung im dualen System. Gleichwohl bestehen Anknüpfungspunkte an die Erwachsenenbildung hinsichtlich der Frage nach der Anschlussfähigkeit von Erstausbildung und weiterführender Qualifizierung. Aus diesem Grund dient zur Systematisierung einschlägiger Ansätze der Kompetenzforschung im Bereich der Erwachsenenbildung und Berufsausbildung die grundsätzliche Frage, auf welcher Ebene die aktuelle Kompetenzdiskussion in den jeweiligen Bereichen geführt wird und welche Perspektiven bzw. Zielsetzungen jeweils zugrunde gelegt werden. 2.1.1. Zur Rolle der Kompetenzforschung in der Erwachsenenbildung Im Bereich der Erwachsenenbildung spielt die Kompetenzforschung, insbesondere hinsichtlich der Gestaltung kompetenzförderlicher Weiterbildungsmaßnahmen, eine wichtige Rolle. Seit den neunziger Jahren ist ein Wandel von formalisierter und institutionalisierter Weiterbildung zu informeller und individueller Kompetenzentwicklung festzustellen, was sich u. a. darin zeigt, dass der Begriff der Weiterbildung zunehmend durch den Begriff der Kompetenzentwicklung ersetzt wird, was z. B. von Erpenbeck wie folgt kommentiert wird:
28
Die Kompetenzforschung als inhaltstheoretischer Bezugsrahmen
„Es findet also im europäischen Maßstab ein Übergang von klassischer beruflicher Weiterbildung zu beruflicher Kompetenzentwicklung statt“ (Erpenbeck, 1996, S. 9; zit. in: Elsholz, 2002, S. 32).
Dies resultiert laut Aussagen anderer Autoren aus einem „Versagen“ traditioneller Weiterbildung hinsichtlich der Bewältigung dynamischer Arbeitsanforderungen und insbesondere hinsichtlich der Forderung nach lebenslangem Lernen. Weiterbildung und Kompetenzentwicklung würden sich dahingehend unterscheiden, dass sich die klassische Weiterbildung auf die formalisierte betriebliche Weiterbildung konzentriere und somit einen unternehmensspezifischen und statischen Charakter aufweise (Adenauer/Schat, 2004, S. 216). Kompetenzentwicklung hingegen gehe über die institutionalisierte Weiterbildung hinaus und impliziere das Lernen im Prozess der Arbeit sowie das selbstorganisierte und erfahrungsbasierte Lernen. Dem Verständnis von Kompetenzentwicklung werden demnach zwei Eigenschaften attestiert: erstens der dynamische Prozesscharakter des Lernens im Arbeitsprozess und zweitens der Individualitätscharakter in der Entwicklung von Kompetenzen zur Bewältigung neuer Arbeitsaufgaben. Die Diskussion um die Umsetzung von Kompetenzentwicklung wird zum einen auf der organisatorischen Ebene geführt und zum anderen auf der LernprozessEbene, d. h. hinsichtlich der Planung, Durchführung und Evaluation von Lernprozessen. Auch einschlägig didaktische Ansätze, die Bezug nehmen auf die Frage nach der methodischen Gestaltung von Lernprozessen und Lernformen, sind vorzufinden, wenngleich sie oftmals einen randständigen Stellenwert einnehmen. Die Frage nach der Entwicklung curricularer Vorgaben im Kontext der Kompetenzentwicklung wird nur marginal thematisiert. Ansätze auf der organisatorischen Ebene fokussieren Rahmenbedingungen von betrieblichen und außerbetrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen. Dabei geht es primär um die Gestaltung von „Lernkulturen“, die als soziale und materielle Randbedingungen definiert werden und „[...] die Gesamtheit der Lern- und Entwicklungspotenziale, die über das Zusammenwirken der Mitglieder der Interaktions- und Kommunikationsprozesse auf unterrichtlicher, kollegialer und organisatorischer Ebene arrangiert werden“, umfassen (Arnold/Schüßler, 1998, S. 4 f.). Das bedeutet, dass es bei der Frage nach der Gestaltung einer Lernkultur primär darum geht, wie kompetenzförderliche Arbeitsund Lernumgebungen und somit adäquate Rahmenbedingungen für die individuelle Kompetenzentwicklung geschaffen und weiterentwickelt werden können. Hierbei sind die Identifizierung und Gestaltung von Lernorten, Lernprozessen sowie Lernresultaten und insbesondere deren Interdependenz von Bedeutung (Heyse/Erpenbeck/Michel, 2002, S. 10). Auf der Lernprozess-Ebene wird die Kompetenzforschung unter dem Schlagwort „Lernen im Prozess der Arbeit“ behandelt (u. a. Bergmann, 1996; Staudt/
2.1. Zur wissenschaftstheoretischen Verankerung der Kompetenzforschung
29
Kriegesmann, 1999). Hier hat vor dem Hintergrund, dass traditionelle Weiterbildungsmaßnahmen, die den Erwerb von explizitem Wissen fokussieren, nicht adäquat auf Veränderungen in Arbeits- und Organisationsstrukturen reagieren, ein Wandel stattgefunden. So ist heutzutage die Aneignung impliziten Wissens, welches durch Erfahrungen in Arbeitsprozessen und nicht in formellen Lernumgebungen erworben wird, von großer Bedeutung. Hinzu kommt, dass neben fachlichen Fähigkeiten und Kenntnissen soziale und personale Kompetenzen – u. a. der Erwerb von Werten und Normen sowie die individuelle Identitätsfindung und -entwicklung – eine wichtige Rolle spielen (Kauffeld/Grote, 2000a, S. 191). Eine Untersuchung zur Identifizierung verschiedener betrieblicher Lernformen von Struck zeigt, dass interne Informationsveranstaltungen sowie die direkte interne Unterweisung durch den Vorgesetzten die vorherrschenden betrieblichen Lernformen darstellen. Ebenfalls als häufige Lernformen werden externe Informationsveranstaltungen und Seminare sowie Lernprozesse im Zusammenhang mit der Einarbeitung der Mitarbeiter bei technisch-organisatorischen Umstellungen bzw. neuer Mitarbeiter genannt (Struck, 2002, S. 218). Selbstorganisiertes Lernen sowie die Methode der Lernstatt oder der Lerninsel spielen demgegenüber eine untergeordnete Rolle. Dies lässt schlussfolgern, dass lernerzentrierte methodische Ansätze in der Weiterbildung trotz der Forderung nach dynamischer und flexibler Kompetenzentwicklung bisher noch keine flächendeckende Realisierung erfahren haben. Weitere empirische Studien zum Lernen im Prozess der Arbeit wurden u. a. von Baethge-Kinsky/Hardwig (2000), Baethge/Schiersmann (1998), Bernien (1998), Faust/ Holm (2001) sowie Schiersmann/Remmele (2002) durchgeführt. Diese Studien schließen auf eine kompetenzbasierte Umstrukturierung der Personalentwicklung mit dem Ziel von mehr Eigenverantwortung im Sinne von selbstorganisiertem Lernen im unmittelbaren praktischen Arbeitsumfeld. Lernen ist jedoch hierbei nicht ausschließlich als Aneignung von neuem Wissen zu verstehen, sondern vielmehr als Erfahrungsaustausch und als daraus resultierender Prozess des Zugewinns neuer Erkenntnisse (Hardwig, 2004, S. 22). Laut einem Beitrag von Hardwig könnten Gruppengespräche somit als Lernort fungieren; jedoch wäre es ihm zufolge adäquater, bei geleiteten und strukturierten Gruppengesprächen von einer Lernmethode und nicht von einem Lernort zu sprechen, da diese gezielt zur Problemlösung eines bestimmten Sachverhaltes eingesetzt werden. Offen bleibt jedoch die Frage, wie informelle, d. h. nicht bewusst eingesetzte, Gruppengespräche und der informelle Erfahrungs- und Wissenstransfer, der ohne Steuerung im alltäglichen Arbeitsleben stattfindet, zu bewerten sind. Um sowohl informelle als auch bewusst eingesetzte Gruppengespräche besser nutzen und fördern zu können, sind Support- und Infrastrukturen notwendig. Dies erfordere, so Hardwig, jedoch organisatorische Veränderungen im Sinne eines „kompetenzorientierten Personal-
30
Die Kompetenzforschung als inhaltstheoretischer Bezugsrahmen
managements“, in welchem nicht die Organisation bzw. das Unternehmen im Sinne eines Top-Down-Ansatzes, sondern „die von den Beschäftigten zur Verfügung gestellten Kompetenzen, d. h. die verfügbaren Ressourcen“, die Entwicklung der Organisation bestimmen (ebenda, S. 13). Dies ist eine Forderung, welche sich in den letzten Jahren zunehmend in wissenschaftlichen Arbeiten durchgesetzt hat, wenngleich die Realisierung eines kompetenzorientierten Personalmanagements keinesfalls flächendeckend auffindbar ist. Die Personalentwicklung befindet sich laut Hardwig derzeit in einer Veränderungsphase, jedoch seien die Ansätze aus der Wissenschaft heterogen und deren Umsetzung noch zu rudimentär (ebenda, 2004, S. 19). Ein weiterer Aspekt, der aktuelle Arbeiten im Bereich der erwachsenenpädagogischen Kompetenzentwicklung insbesondere auf der Lernprozess-Ebene prägt, ist die Anerkennung informell erworbener Kompetenzen und des informellem Lernens. Hierbei wird zumeist zwischen formellem, non-formellem und informellem Lernen unterschieden und dabei u. a. auf die Differenzierung nach Björnavold (2001; siehe auch Björnavold/Colardyn, 2004) Bezug genommen. Formelles Lernen beinhaltet demnach das Lernen innerhalb organisierter Bildungsinstitutionen und den Erwerb anerkannter Abschlüsse. Non-formelles Lernen bezeichnet auch das Lernen innerhalb organisierter Strukturen, jedoch ohne den Erwerb anerkannter Abschlüsse. Informelles Lernen umfasst alle Lernformen, die beiläufig, also nicht organisiert und nicht intentional sind (Björnavold/Colardyn, 2004, S. 70 ff.). Untersuchungen zufolge zählt das informelle Lernen zu den meistgenannten Lernformen und ist insbesondere beim Lernen am Arbeitsplatz ein wichtiger Bestandteil beruflicher Kompetenzentwicklung (Kauffeld/Grote, 2000b, S. 142 ff.). Obgleich es diverse Ansätze gibt, informelles Lernen und informell erworbene Kompetenzen in Form von Kompetenzanalysen und Bilanzierungskonstrukten transparent zu machen, findet noch keine flächendeckende Umsetzung statt (Pilz/Hellwig, 2007, S. 84). Einen aktuellen Beitrag zur Entwicklung von Kompetenzanalysen leistet Gillen (2006), der zum einen die Schwierigkeit in der Erfassung informell erworbener Kompetenzen deutlich macht, gleichzeitig aber auch die Notwendigkeit „kompetenzförderlicher Kompetenzanalysen“ herausstellt. Die stärkere Bezugnahme auf informelles Lernen hat eine zunehmende Subjektivierung in der Weiterbildung zur Folge. Informelles Lernen und damit das Lernen in flexiblen und nicht institutionalisierten und formalisierten Umgebungen sollen das Individuum und dessen individuelle Kompetenzen sowie deren potenzielle Weiterentwicklung im Rahmen einer „adressatengerechten“ Weiterbildung in den Vordergrund rücken (Diettrich/Gillen, 2005, S. 3). Die Verbindung von individueller Förderung und den Interessen der Unternehmen scheint jedoch laut einem aktuellen Beitrag von Diettrich/Gillen noch nicht sichergestellt zu sein, da der För-
2.1. Zur wissenschaftstheoretischen Verankerung der Kompetenzforschung
31
derungsbedarf mit den den Unternehmen zur Verfügung stehenden Mitteln nicht immer befriedigt werden könne (ebenda, S. 3). 2.1.2. Zur Rolle der Kompetenzforschung in der Berufsausbildung Im Bereich der Berufsausbildung wird im Gegensatz zur Erwachsenenbildung die Kompetenzforschung sehr stark auf der didaktisch-curricularen Ebene sowie auf der Lernprozess-Ebene thematisiert. Hierbei können drei Formen der Kompetenzforschung differenziert werden: erstens theoretische Ansätze zur Analyse des Kompetenzbegriffs (Vonken, 2005; Ertl, 2005),3 zweitens theoretische Ansätze zur Beschreibung von Kompetenzkonstrukten und drittens empirische Studien zur Operationalisierung von Kompetenzkonstrukten. Bei den Kompetenzkonstrukten steht das Konstrukt der beruflichen Handlungskompetenz im Mittelpunkt vieler aktueller Forschungsarbeiten (u. a. Bader, 1991; Bergmann, 1996; Breuer, 2006; Jungkunz, 1995; Lisop, 1998; Ott, 1997; Schelten, 1991; Schuler/Barthelme, 1995).4 Auch die empirischen Forschungsarbeiten beziehen sich zumeist auf die Operationalisierbarkeit des Konstrukts beruflicher Handlungskompetenz – zu nennen seien an dieser Stelle u. a. die Studien von Frey (1999 und 2004), Frey/Balzer (2003), Gillen (2006), Schwadorf (2003), Tenberg/Hess (2005) und Verstege (2005). Hierbei geht es um Fragen der Kompetenzdiagnostik, insbesondere um geeignete Verfahren zur Messung und Bewertung von Kompetenzen im Kontext beruflicher Handlungskompetenz. Des Weiteren tritt die Kompetenzforschung des Öfteren im Zusammenhang mit der Diskussion um das Berufsprinzips in Erscheinung. Kritiker sehen das Berufsprinzip in Anbetracht sich wandelnder Arbeitsanforderungen in einer dynamischen und globalisierten Wirtschaft und Gesellschaft als nicht mehr geeignet an (Baethge/Baethge-Kinsky 1998; Baethge 2001 und 2004; Gonon 2002; Münk 2002). Vielmehr sollen Kompetenzprofile geschaffen werden, die flexibel auf dem Arbeitsmarkt verwertbar und in verschiedenen Arbeitssituationen anwendbar sind.5 Die aktuelle Kompetenzdiskussion ist jedoch dominiert von der europäischen Diskussion im Kontext des EQR und der damit verbundenen Entwicklung eines deutschen Qualifikationsrahmens, in dem die Festlegung von Kompetenzdimensionen eine wichtige Rolle spielen. Gleichzeitig differenziert der EQR zwischen Kenntnissen (knowledge), Fertigkeiten (skills) und Fähigkeiten (competence), die in Einklang mit den deutschen Konzeptionen von Kompetenz bzw. Kompetenzfa3 Eine
detaillierte Auseinandersetzung mit dem Kompetenzbegriff erfolgt unter 3.2. Konstrukt der beruflichen Handlungskompetenz wird unter 3.2 detailliert erläutert und diskutiert. 5 Das Berufsprinzip wird in Abgrenzung zum Kompetenzprinzip in Kapitel 5 und 6 diskutiert. 4 Das
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Die Kompetenzforschung als inhaltstheoretischer Bezugsrahmen
cetten gebracht werden müssen (Hanf/Rein, 2007, S. 10).6 Des Weiteren prägt die Frage nach internationalen Leistungsvergleichen in der beruflichen Aus- und Weiterbildung im Sinne eines Berufsbildungs-PISA die aktuelle Kompetenzforschung, wobei hier die Machbarkeitsstudie von Baethge et al. (2006) den Grundstein für die aktuelle Diskussion legte. Fazit Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass Aspekte der Kompetenzforschung in den vorgestellten Bereichen in unterschiedlicher Art und Weise und auf unterschiedlichen Ebenen diskutiert werden. Eine Übersicht über die Diskursebenen der Kompetenzforschung in den Bereichen Erwachsenenbildung und Berufsausbildung findet sich in Abbildung 2.1. Die Kompetenzdiskussion in der Erwachsenenbildung findet zunächst auf organisatorischer Ebene statt, auf welcher Fragen der Kompetenz- bzw. Personalentwicklung sowie Gestaltungsaspekte von Lernkulturen bzw. lernenden Organisationen thematisiert werden. Auswirkungen auf die Lernprozess-Ebene hat dies dahingehend, dass Fragen der Realisierung von individueller und institutioneller Kompetenzentwicklung in entsprechenden Lernkulturen theoretisch und empirisch erörtert werden. Didaktische Fragestellungen wurden bisher lediglich hinsichtlich der methodischen Gestaltung thematisiert. Die Kompetenzdiskussion in der Berufsausbildung hingegen findet nur partiell auf einer organisatorischen, sondern primär auf der didaktisch-curricularen Ebene statt, wo das Konstrukt der beruflichen Handlungskompetenz insbesondere bei Fragen der Strukturierung von (Rahmen-)Lehrplänen respektive Ausbildungsordnungen eine dominante Rolle einnimmt. Mit Einführung des Lernfeldkonzepts wurde diese „Kompetenzorientierung“ noch intensiviert, da Handlungskompetenz nun als primäres Ziel beruflicher Lernprozesse angesehen wird. Somit erwirkte die Kompetenzdiskussion auch auf der Lernprozess-Ebene Veränderungen hinsichtlich der Gestaltung komplexer „kompetenzorientierter“ Lehr-Lern-Arrangements. Unterschiedliche Diskursebenen und inhaltliche Ausrichtungen lassen auf unterschiedliche Kompetenzauffassungen schließen. Vorwegzunehmen sei an dieser Stelle, dass die Diskussion um den Kompetenzbegriff disziplinenübergreifend und auch innerhalb der Bezugswissenschaften sehr heterogen geführt wird und an dieser Stelle lediglich eine Verdichtung und Kategorisierung disziplinenspezifischer Merkmale von Kompetenzauffassungen vorgenommen werden kann. Rekurrierend auf die Kompetenzdiskussion in der Erwachsenenbildung kann Kompetenz als Begriff für verschiedene Selbstorganisationsdispositionen zusammengefasst werden, 6 Eine
Auseinandersetzung mit dem EQR erfolgt unter 6.3.2.
2.1. Zur wissenschaftstheoretischen Verankerung der Kompetenzforschung
Kompetenzverständnis
Organisatorische Diskursebene Didaktischcurriculare Diskursebene Bedeutung für den Lernprozess
33
Erwachsenenbildung
Berufsausbildung
Kompetenz als Sammelbegriff für Selbstorganisationsdispositionen („Kompetenzentwicklung“) im Sinne individueller und institutioneller Befähigung zur Entwicklung und Verarbeitung von Wissen („Wissensmanagement“) Organisation von Kompetenzentwicklung; Gestaltung von Lernkulturen
Kompetenz als Begriff zur Beschreibung von vier Dimensionen von Handlungsdispositionen, respektive fachliche, methodische, personale und soziale Dispositionen
methodische Gestaltung von (betrieblichen) Lernkulturen
„kompetenzorientierte“ Lehrpläne und Ausbildungsordnungen; Lernfeldkonzept; Handlungsorientierung
Kompetenzentwicklung innerhalb von (betrieblichen) Lernkulturen
Erwerb beruflicher Handlungskompetenz
Gestaltung einer kompetenzförderlichen Lernumgebung
Abbildung 2.1.: Kompetenzforschung in der Erwachsenenbildung und in der Berufsausbildung
welche Voraussetzungen für die individuelle Kompetenzentwicklung sind. Die Fokussierung auf das Subjekt und dessen Selbstbestimmung spielt hierbei eine zentrale Rolle, wobei sowohl die Befähigung zur Entwicklung und Verarbeitung von Wissen als auch methodische, soziale und personale Kompetenzaspekte von Bedeutung sind. Dadurch werden Parallelen zu einem für die Berufsausbildung relevanten Kompetenzverständnis deutlich. Hier wird Kompetenz im Sinne einer Synthese heterogener Begriffsauffassungen als Befähigung zur Bewältigung von Arbeitsanforderungen in verschiedenen Arbeitssituationen verstanden und unter dem Konstrukt der beruflichen Handlungskompetenz spezifiziert. Der Ansatz einer Verdichtung disziplinspezifischer Merkmale, wie in Abbildung 2.1 dargestellt, zeigt, dass eine strikte Trennung trotz unterschiedlicher theoretischer Grundannahmen und Anwendungsbereiche nicht möglich ist. Vielmehr verschwimmen Begriffsauffassungen, obgleich in den jeweiligen Bereichen Unterschiede in den Bezugswissenschaften vorzufinden sind. 2.1.3. Einordnung der Untersuchung in die Kompetenzforschung Die vorliegende Untersuchung lässt sich in die aktuelle Kompetenzdiskussion, die in der Disziplin der Berufs- und Wirtschaftspädagogik geführt wird, in Bezug auf drei Aspekte einordnen: Erstens avisiert die Arbeit eine begriffstheoretische Aus-
34
Die Kompetenzforschung als inhaltstheoretischer Bezugsrahmen
einandersetzung mit dem Kompetenzbegriff, welche die historische Entwicklung des Begriffs, die zunehmende Bedeutung im Kontext der kompetenzorientierten Wende (Arnold/Schüßler, 2001, S. 50) sowie die Abgrenzung der Begriffe „Qualifikation“ und „Kompetenz“ thematisiert. Die Arbeit leistet somit einen Beitrag zur theoretischen Auseinandersetzung mit dem Kompetenzbegriff und knüpft an bestehende theoretische Arbeiten an, wobei unterschiedliche theoretische Zugänge systematisiert werden. Zweitens erfolgt eine konzeptionelle Analyse des Konstrukts beruflicher Handlungskompetenz, das in der Berufs- und Wirtschaftspädagogik in den vergangenen Jahren als das bedeutendste und einschlägigste Kompetenzkonstrukt bezeichnet werden kann. Hierbei wird ebenfalls an bestehende Arbeiten angeknüpft und eine Systematisierung dieser vorgenommen. Drittens wird die Frage eruiert, inwiefern ein angelsächsisch geprägtes Kompetenzprinzip für die duale Berufsausbildung von Bedeutung ist und welche Konsequenzen dies nach sich zieht. Eine Erweiterung der bisherigen Ansätze in der Kompetenzforschung wird durch eine Vergleichsanalyse der deutschen und australischen Kompetenzdiskussion erzielt. So werden die Begriffe „Kompetenz“ und „competency/competence“ gegenübergestellt und analysiert, und es erfolgt eine begriffstheoretische Abgrenzung im Hinblick auf die Frage, welche Bedeutung den Begriffen auf ordnungspolitisch-organisatorischer und didaktisch-curricularer Betrachtungsebene attestiert wird und welche Rolle sie in der Realisierung beruflicher Lernprozesse in der deutschen dualen Berufsausbildung bzw. im australischen CBT-Ansatz spielen. Ebenfalls bislang nur rudimentär betrachtet ist die Frage nach der Bedeutung eines auf dem australischen CBT-Konstrukt basierenden Kompetenzprinzips für die deutsche duale Berufsausbildung vor dem Hintergrund eines systematischen Vergleichs mit der australischen Realisierung des CBT-Modells. Hierbei wird anhand einer auf einer Problemindikatoren-Analyse basierenden PotenzialAnalyse systematisch herausgearbeitet, welches Potenzial der CBT-Ansatz und somit die australische Kompetenzorientierung für die duale Berufsausbildung hat und vice versa. 2.2. Zum Kompetenzbegriff und -konstrukt im deutschen Kontext 2.2.1. Zur Begriffsgeschichte von Kompetenz Die begriffsgeschichtliche Entwicklung des Kompetenzbegriffs lässt sich anhand verschiedener theoretischer Ansätze und Konstrukte darstellen, jedoch kann keinesfalls von einer homogenen Entwicklung gesprochen werden. Grund hierfür ist, wie bereits erwähnt, dass unterschiedliche Wissenschaften unter Zugrundelegung verschiedener Forschungsparadigma abweichende Definitions- und Kon-
2.2. Zum Kompetenzbegriff und -konstrukt im deutschen Kontext
35
struktionsansätze entwickeln. Dies erfolgte – und erfolgt partiell auch heute noch – größtenteils ohne gegenseitige Bezugnahme. Auf eine vollständige Darstellung aller wissenschaftstheoretischen Ansätze, welche den Kompetenzbegriff einführten und verwendeten, wird in dieser Arbeit aus Gründen der Komplexität verzichtet. Stattdessen sei auf Arnold/ Schüßler (2001), Reinisch (2006), Vonken (2005) u. a. verwiesen, die eine ausführliche Darstellung der Begriffsgeschichte von Kompetenz vorgenommen haben. Im Folgenden werden lediglich zwei die berufs- und wirtschaftspädagogische Disziplin prägende begriffsgeschichtliche Phasen des Kompetenzbegriffs illustriert. Die erste Phase, in welcher der Kompetenzbegriff verwendet wird, ist in der Linguistik und insbesondere in den Theorien von Chomsky zu verorten. Chomsky definiert den Begriff „Sprachkompetenz“ (competence) als „die Kenntnis des Sprecher-Hörers von seiner Sprache“ (Chomsky, 1972, S. 14). Ein Individuum benötigt internalisierte Schemata zur Realisierung bestimmter Anforderungen in Form von Sprache. Chomsky grenzt jedoch den Begriff der Sprachkompetenz von der Sprachverwendung oder Performanz ab. Während Sprachkompetenz die Kenntnis der Regelsysteme zur Spracherzeugung bedeutet, impliziert Performanz den „aktuellen Gebrauch der Sprache in konkreten Situationen“ (ebenda, S. 14). Dies kann somit als eine aus der Sprechkompetenz resultierende Sprechhandlung verstanden werden. Wendet man diese Argumentation auf allgemeine Handlungen an, so kann auf eine Homologie zwischen Sprachkompetenz und Handlungskompetenz geschlossen werden. Folgt man dem Begriff der Handlungskompetenz im Sinne von Handlungstheorien (u. a. Aebli, 1980) sowie Handlungsregulationstheorien (u. a. Hacker, 2005; Volpert, 1980), so ist es zutreffend, dass in beiden Fällen Handlungen als Resultat der Anwendung vorhandener Regelwerke zu verstehen sind. Problematisch stellt sich jedoch die objektive Bewertung erfolgter Handlungen dar. Regelwerke der Sprache sind eindeutig definiert in Form von Wortschatz, Grammatik und Semantik, und es kann festgestellt werden, ob Schemata richtig oder falsch angewendet wurden. Regelwerke von allgemeinen Handlungen sind jedoch nur bedingt definiert bzw. definierbar, da es meist mehrere Handlungsalternativen gibt, deren objektive Bewertung bestenfalls bedingt erfolgen kann. Ein weiterer Unterschied zwischen Sprach- und Handlungskompetenz liegt in der Innovationsfähigkeit und Kreativität. Chomsky attestiert seinem linguistischen Kompetenzverständnis die Fähigkeit zur „Verfügung über Regelsysteme“, das heißt zum Verbinden von Inhalten und Regeln zur Generierung neuer sinnhafter Inhalte, wodurch dieses eine gewisse Kreativität impliziert. Diese ist jedoch trotz allem durch Regelsysteme beschränkt. Im Gegensatz dazu besitzen Handlungen allgemein aufgrund weniger starrer Regelsysteme ein größeres Potenzial für Innovation und Kreativität.
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Die Kompetenzforschung als inhaltstheoretischer Bezugsrahmen
Basierend auf Chomskys linguistischem Kompetenzverständnis entwickelten sich in den Sozial- und Erziehungswissenschaften verschiedene Ansätze zur Definition des Kompetenzbegriffs. Zwei wichtige Ansätze, welche noch heute in der aktuellen Kompetenzforschung vielfach zitiert werden, sind die Ansätze zur kommunikativen Kompetenz (Habermas, 1970, 1989 und 1990; Baacke, 1980) und zur kritischen Kompetenz (Geißler, 1974). Diesen ist gemein, dass Kompetenz über die ledigliche Kenntnis gewisser Regelsysteme hinausgeht und die Anwendung oder Performanz im Sinne Chomskys sich nicht auf die reine Anwendung bestehender Systeme bezieht. Vielmehr wird der generative und kreative Aspekt von Kompetenz stärker fokussiert und eine Form von Meta-Kompetenz als „das Vermögen, vorhandene Regeln zur Satzerzeugung abzuändern, neue Elemente in das Lexikon aufzunehmen“, als essenzielle Voraussetzung für den Spracherwerb angesehen, was der Erklärung unterschiedlicher soziologischer Sprech-Kompetenzen dient (Habermas, 1970, S. 7). Diese Form der Meta-Kompetenz beschreibt Habermas als „dialogkonstituierende Universalien“, deren Beherrschung zur kommunikativen Kompetenz führt (ebenda, S. 9). Somit löst sich Habermas von der primär monologisch ausgerichteten linguistischen Kompetenz und attestiert der dialogisch ausgerichteten kommunikativen Kompetenz die Fähigkeit zu Interaktion und sprachlicher Intersubjektivität. Geißler legt diese Erweiterungen des linguistischen Kompetenzverständnisses seiner Theorie der kritischen Kompetenz zugrunde. Kritische Kompetenz impliziere die Fähigkeit, durch den Einsatz „kritikrelevanter linguistischer Kompetenz“ kritische Impulse innerhalb eines sozialen Interaktionssystems auszulösen (Geißler, 1974, S. 34). Somit fokussiert Geißler ähnlich wie Habermas die Fähigkeit der Interaktion und Kommunikation, wobei Geißler eine Differenzierung der kritischen Kompetenz im Sinne von kritisch-reflexiver, kritisch-sozialer und kritisch-instrumenteller Kompetenz vornimmt. Kritisch-reflexive Kompetenz wendet Geißler auf die persönliche Entwicklung im Sinne von Identitätsgewinnung oder Erfahrung der persönlichen Identität an. Sie kann demnach verstanden werden als Fähigkeit zur kritischen Aufarbeitung der eigenen Entwicklung innerhalb verschiedener Sozialisationsprozesse, bspw. im Kontext der Berufserziehung. Geißler sieht die kritisch-reflexive Kompetenz als Voraussetzung für die kritisch-soziale Kompetenz, welche als Fähigkeit zu kritisch-sozialem Verhalten und Handeln bezeichnet wird. Dies impliziere das Potenzial zur kritischen Auseinandersetzung mit dem individuellen Umfeld sowie die Fähigkeit, „wechselnde Rollen anzunehmen und situationsadäquat auszufüllen“ (ebenda, S. 66). Sowohl die kritisch-reflexive als auch die kritisch-soziale Kompetenz sind essenziell für die persönliche und soziale Identitätsfindung. Für die berufliche Identitätsfindung ist jedoch eine weitere Komponente erforderlich, die kritisch-instrumentelle Kompetenz. Dieser ordnet Geißler die Befähigung zu
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technischen Handlungen und Prozessen sowie die „Aneignung technisch verwertbaren Wissens und dessen Konkretisierung in Zweck-Mittel-Relationen“ zu (ebenda, S. 73). Im Gegensatz zu den beiden erstgenannten Komponenten bezieht sich die instrumentelle Kompetenz somit auf praktische Fertigkeiten sowie Fachwissen und Fachkönnen – jedoch immer unter der Prämisse der kritischen Reflexion eigener Handlungen. Dies bedeutet, dass auch bei der Aneignung und Anwendung praktischer Fähigkeiten und Fertigkeiten eine kritische Auseinandersetzung im Sinne kritisch-reflexiver und kritisch-sozialer Kompetenz zu erfolgen hat. Die Interrelation und Interdependenz der drei Komponenten und somit die Komplexität des Ansatzes der kritischen Kompetenz wird hierbei nochmals deutlich. Der von Geißler weiterentwickelte Kompetenzbegriff im Sinne einer Trias von kritischreflexiver, kritisch-sozialer und kritisch-instrumenteller Kompetenz stellt im Gegensatz zu Chomsky, Habermas und Baacke eine Konkretisierung für die Berufserziehung dar. Hervorzuheben ist die Mehrdimensionalität des Ansatzes, die als Basis für weitere Kompetenzkonstrukte dient und sich bspw. im Konstrukt der beruflichen Handlungskompetenz wiederfindet, welches im weiteren Verlauf dieser Arbeit noch ausführlich diskutiert wird. Die zweite Phase, in welcher der Kompetenzbegriff insbesondere im Bereich der Berufs- und Erwachsenenpädagogik eine wichtige Rolle spielt, ist die Phase der kompetenzorientierten Wende. Diese prägte den berufspädagogischen Diskurs der neunziger Jahre und gab dem Kompetenzbegriff im Kontext der sich etablierenden „Kompetenzentwicklung“ anstelle formalisierter Weiterbildung eine neue Bedeutung. Die begriffliche Entwicklung von Bildung zu Kompetenz impliziert auch inhaltliche Veränderungen (Erpenbeck/Heyse, 1996, S. 38). Erpenbeck/Heyse artikulieren diesbezüglich einen Paradigmenwechsel von Fremdorganisation zu Selbstorganisation innerhalb des Kompetenzerwerbs. So sollten Aktionsimpulse in der traditionellen Aus- und Weiterbildung nicht mehr nur ausschließlich von oben nach unten initiiert und somit standardisiert im Sinne einer Fremdsteuerung erfolgen, sondern vielmehr von unten nach oben und somit unter dem Postulat der Selbststeuerung. Die Philosophie, die hinter dem Ansatz der Kompetenzentwicklung steht, wird an verschiedenen strukturellen und inhaltlichen Veränderungen deutlich, die sich anhand der folgenden vier Thesen charakterisieren lassen (Arnold/Schüßler, 2001, S. 55 ff.): 1. These der Subjektorientierung Gemäß Erpenbeck/Heyse (1996, S. 10 und S. 33) zeichnet sich der Kompetenzbegriff durch eine starke Subjektorientierung im Sinne individueller
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Persönlichkeitsentwicklung aus. Kompetenz impliziert demnach subjektorientierte Handlungsdispositionen, wohingegen das vorherrschende Verständnis von Qualifikation objektiv definierte Bildungspositionen umfasst. 2. These von der Ganzheitlichkeit Die These der Ganzheitlichkeit ist in Abgrenzung zum Qualifikationsbegriff zu sehen, da Kompetenz eine übergreifende Vorstellung von kognitiven, wertenden, emotional-motivational verankerten Handlungsaspekten impliziere, wohingegen sich Qualifikation, so Erpenbeck/Heyse, auf abgrenzbare „rechtsförmig bescheinigte Fertigkeiten“ beziehe (ebenda, S. 35). 3. These von der Selbstorganisation Kompetenz umfasst nach dieser These neben fachlichen Fähigkeiten und Kenntnissen auch die Fähigkeit zur Selbstorganisation (Laske, 2003, S. 302; Veith, 2003, S. 189). Somit bedeutet Kompetenz die „Befähigung und die Motivation zum Erwerb von Wissen und Prozeduren zur Entwicklung situationsangepasster neuer Handlungsprogramme auf der Basis genereller Strategien“ (Erpenbeck/Heyse, 1996, S. 35). 4. These von der Entgrenzung Bei dieser These werden drei Formen der „Entgrenzung“ unterschieden: zum einen die „Entgrenzung vom Wissen zum Werten“, d. h. vom reinen materialen Bildungserwerb zur Problemlösungs- und Orientierungsfähigkeit. Zum anderen ist eine „Entgrenzung vom individuellen über das organisationale zum gesellschaftlichen Lernen“ festzustellen. Das bedeutet, dass Kompetenzen nicht nur von einzelnen Individuen entwickelt werden, sondern auch von Organisationen und gesellschaftlichen Subsystemen, was unter dem Schlagwort „lernende Organisation“ diskutiert wird (Erpenbeck/Heyse, 1996, S. 15 f.; Hardwig, 2004; Sauer, 2002; Senge 1994). Die dritte Form der Entgrenzung beinhaltet eine „Entgrenzung vom institutionalisierten zum entinstitutionalisierten Lernen“. Dabei werden Lernprozesse differenziert, die bspw. im Prozess der Arbeit (Bergmann, 1996) oder im sozialen Umfeld erfolgen und oftmals als informelle oder non-formelle Lernprozesse charakterisiert werden. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Entwicklung des Kompetenzbegriffs von unterschiedlichen Ansätzen und Konzeptionen geprägt ist, die Rückschlüsse auf verschiedene Facetten von Kompetenz im Sinne allgemeiner und konkretisierter, kontextabhängiger und dekontextualisierter Fähigkeiten, Fertigkeiten
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und Kenntnisse erlauben. Die zunehmende Subjektorientierung ist jedoch das vorherrschende Kennzeichen und steht bei der kompetenzorientierten Wende im Vordergrund. Diese Subjektorientierung äußert sich in unterschiedlichen Aspekten, wie der Betonung von Selbstreflexion und -organisation, Emotion und Motivation sowie Problemlösungs- und Orientierungsfähigkeit. Des Weiteren wird deutlich, dass mit der kompetenzorientierten Wende subjektbezogene informelle Lernprozesse eine zunehmend wichtige Rolle spielen, die formalisiertes und qualifikationsorientiertes Lernen nicht ablösen, sondern vielmehr ergänzen. 2.2.2. Zur Definitionsproblematik von Kompetenz Der Kompetenzbegriff wird insbesondere in der aktuellen berufs- und wirtschaftspädagogischen Diskussion zunehmend thematisiert, wobei hinsichtlich des Begriffsverständnisses und der Verwendung erhebliche Diskrepanzen vorzufinden sind, was Rützel zu der Frage veranlasst, ob Kompetenz „Popanz oder Leitprinzip“ sei (Rützel, 2007, S. 2). In unterschiedlichen Arbeiten (Ertl, 2005; Ertl/Sloane 2003; Vonken 2005 u. a.) wird die daraus resultierende Definitionsproblematik bereits ausführlich kritisiert. Dies wird daher an dieser Stelle unterlassen - vielmehr werden zur Systematisierung zwei Kategorien definiert, in welche exemplarisch einige ausgewählte Ansätze klassifiziert werden: 1. Kompetenz als holistischer Begriff im Sinne einer allgemeinen, situationsund kontextübergreifenden Verhaltensdisposition 2. Kompetenz als kumulativer Begriff einzelner, situations- und kontextbezogener Fähigkeiten und Kenntnisse Ad 1.) Kompetenz im Sinne eines holistischen und subjektorientierten Begriffs wird insbesondere von Erpenbeck/Heyse geprägt, welche ein dekontextualisiertes Verständnis, in dem die Transferfähigkeit von Fähigkeiten und Kenntnissen auf verschiedene Kontexte im Vordergrund steht, zugrunde legen (Erpenbeck/Heyse, 1996, S. 35). Parallelen lassen sich in dieser Begriffsauffassung zum Konzept der Schlüsselqualifikationen von Mertens (1974) erkennen, das in weiteren Ansätzen modifiziert und erweitert wurde und dessen Grundannahmen bspw. im Konzept der Handlungskompetenz wiederzufinden sind. Ein holistisches und situationsunabhängiges Kompetenzverständnis vermittelt auch Dehnbostel, der Kompetenzen als „Fähigkeiten, Methoden, Wissen, Einstellungen und Werte, deren Erwerb, Entwicklung und Verwendung sich auf die gesamte Lebenszeit eines Menschen bezieht“, versteht (Dehnbostel, 2001, S. 76). Der allgemeine Charakter wird hierbei durch die Forderung nach kontinuierlicher Entwicklung von Kompetenz im Sinne
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von lebenslangem Lernen betont. Noch deutlicher betont Weinert in seinem Kompetenzverständnis den holistischen und übergreifenden Charakter von Kompetenz, wobei diese zu verstehen sei als „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen sowie die damit verbundenen motivationalen, volitationalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“ (Weinert, 2001b, S. 27).
Wenngleich Weinert verschiedene Kategorien von Kompetenzen beschreibt (kognitiv, motivational, volitational und sozial), besteht der Anspruch auf Bewältigung verschiedener Aufgaben und Tätigkeiten in variablen Situationen. Zu hinterfragen ist dabei jedoch, inwiefern eine derart allgemeine Auffassung von Kompetenz realisierbar ist und ob nicht dennoch eine weitere Spezifizierung kognitiver, motivationaler, volitationaler und sozialer Kompetenzen erforderlich ist. Der holistische Kompetenzbegriff befindet sich somit in einem Dilemma zwischen Anspruch auf kontextunabhängige Ganzheitlichkeit und Operationalisierbarkeit. Er weist damit Parallelen zu der kontroversen Diskussion um Schlüsselqualifikationen auf, die insbesondere von Zabeck kritisch betrachtet werden. Nach Mertens erheben Schlüsselqualifikationen den Anspruch, möglichst allgemeine Fähigkeiten und Kenntnisse zu definieren, die in den unterschiedlichsten Leistungssituationen zu deren erfolgreicher Bewältigung führen (Mertens, 1974, S. 40). Hierbei bestehe jedoch die Gefahr, so Zabeck, dass allgemeine Fähigkeiten und Kenntnisse in unterschiedlichen Kontexten aufgrund ihres fehlenden Bezugs zu einer konkreten Lern- oder Leistungssituation keine oder eine fehlerhafte Anwendung fänden und die Transferleistung somit misslinge (Zabeck, 1989, S. 81 f.). Schlussfolgern lässt sich daraus, dass ein holistischer Kompetenzbegriff als abstrakte Zielgröße fungieren kann, die Operationalisierbarkeit sich jedoch schwierig gestaltet. Der Kompetenzbegriff kann somit nicht nur als internalisierte Disposition verstanden werden, da die Externalisierung und somit die Performanz eine wichtige Rolle spielt. Aus diesem Grund verweisen viele aktuelle Ansätze zur Beschreibung des Kompetenzbegriffs auf die Begriffe „Handlung“ und „Kompetenz“, wobei diese zunächst differenziert werden, ihre Interrelation in den meisten Ansätzen jedoch in den Vordergrund gestellt wird. Ein Beispiel findet sich bei Vonken, der Kompetenz nicht als Sammelbegriff verschiedener personaler Fähigkeiten und Kenntnisse fasst, sondern als „eine jedem Menschen eigene ‘Befähigung’ zur Erzeugung von Situationen“ (Vonken, 2005, S. 184). Folglich sei kompetentes Handeln als die Bewältigung von Handlungssituationen zu verstehen, die durch Kompetenz generiert werden. Sieht man
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nun kompetentes Handeln als didaktische Zielgröße im Kontext von Lernprozessen an, so erscheint eine Abgrenzung des Kompetenzbegriffs vom Handlungsbegriff durchaus sinnvoll. Überträgt man diese Abgrenzung nun auf die Steuerbarkeit und Einflussnahme im Lernprozess, so liegt die Schlussfolgerung nahe, dass Kompetenz in diesem Sinne nicht messbar und durch von außen gesteuerte Lernprozesse nicht vermittelbar ist. Die Entwicklung von Kompetenz rekurriert somit nicht auf einer intentionalen Handlung, sondern ließe sich lediglich durch geeignete Lehr-Lern-Arrangements fördern. Kompetentes Handeln als Bewältigung von Handlungssituationen sei hingegen intentional erlernbar, wobei Vonken das Erzeugen von Situationen, sprich Kompetenz, als Voraussetzung hierfür konstatiert (ebenda, S. 174 f.). Folgt man dieser Argumentation, so kann man schlussfolgern, dass nicht Kompetenz, sondern vielmehr kompetentes Handeln die didaktische Zielgröße darstellt. Ad 2.) Eine konträre Auffassung des Kompetenzbegriffs findet sich in einem kumulativen Kompetenzverständnis, in welchem Kompetenz als Konglomerat einzelner Kompetenzaspekte aufgefasst wird, die sich in Form von spezifischen Verhaltensdispositionen operationalisieren lassen. Ein Beispiel für eine kumulative Kompetenzauffassung liefern Beutner/Schaumann/ Twardy, die Kompetenzentwicklung als „summative Ansammlung dichotomer Kompetenzen“ verstehen (Beutner/Schaumann/Twardy, 2006, S. 292). Hierbei spielt der Situations- und Kontextbezug einzelner Kompetenzen eine wichtige Rolle, sowohl hinsichtlich der Definition als auch hinsichtlich der Entwicklung, der Vermittlung bzw. des Erwerbs. Auch Arnold/Schüßler lassen auf ein kumulatives Kompetenzverständnis schließen, da zum einen Kompetenz im Sinne von Handlungsdispositionen und somit im Plural verwendet wird und zum anderen hinsichtlich der Auffassung, dass diese Handlungsdispositionen an konkrete Situationen und Kontexte gebunden sind. Demzufolge definieren Arnold/Schüßler Kompetenzen als „individuell erworbene (Handlungs-)Dispositionen [...], die ihrem Träger meist nur unbewusst als implizites Wissen zur Verfügung stehen und an konkrete Tätigkeiten, Anforderungen und Problemstellungen gebunden sind“ (Arnold/Schüßler, 2001, S. 65).
Auch Kauffeld plädiert für einen Kompetenzbegriff, der an die Bewältigung von Arbeitsaufgaben und somit an konkrete Handlungssituationen gebunden und somit kumulativ zu bewerten sei, da Kompetenzen „nicht abstrakt definiert und überprüft werden [können, SH], sondern stets nur berufsbezogen und im Kontext der jeweiligen Handlungssituation“ (Kauffeld, 2000, S. 37). Somit könne eine Kompetenzerfassung nur in Verbindung mit dem Handlungskontext erfolgen. Der Situationsbezug hat jedoch zur Folge, dass lediglich einzelne Kompetenzaspekte, die
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zur Bewältigung einer konkreten Anforderung in einer spezifischen und kontextdeterminierten Leistungssituation erforderlich sind, Anwendung finden und somit eine Erfassung dieser die Gefahr eines reduktionistischen Abbilds vorhandener Kompetenzen birgt. Gillen/Kaufhold fordern diesbezüglich eine umfassende Kompetenzbilanzierung, welche die Aktivierung von Kompetenzen in verschiedenen Kontexten, mit unterschiedlichen Anforderungen und zu unterschiedlichen Zeitpunkten beinhaltet, wodurch dem Problem der restriktiven Momentaufnahme von Kompetenzen begegnet werden könne (Gillen/Kaufhold, 2005, S. 371). Deutlich wird hierbei, dass zur Erfassung von Kompetenz im Sinne eines kumulativen Verständnisses Leistungssituationen und Standards, anhand derer die demonstrierten Kompetenzen gemessen werden können, definiert werden müssen, die sowohl dem Anspruch auf Ganzheitlichkeit Rechnung tragen als auch eine Konkretisierung und Spezifizierung ermöglichen. Dieses Dilemma wird insbesondere deutlich in Fragen der Operationalisierbarkeit von Handlungskompetenz, für welches unterschiedliche Erfassungsinstrumente in Form von Strukturgittern (u. a. Bader, 1989, S. 73 ff.) und Matrizen (u. a. Faulstich, 1997, S. 166) entwickelt werden, die ein möglichst ganzheitliches Abbild eines kumulativen Kompetenzbegriffs erzielen sollen. Dem kumulativen Kompetenzverständnis wird in der aktuellen Diskussion um geeignete Instrumente zur Kompetenzmessung und Bewertung zunehmend Aufmerksamkeit geschenkt, vor allem kompetenzanalytische Ansätze rekurrieren daraus (u. a. Hutter, 2004, S. 29 ff.; Kauffeld, 2002, S. 138 ff.; Kaufhold, 2006). Die Diskussion um geeignete Instrumente und Methoden zur Kompetenzmessung ist dabei vielfältig und weitreichend, wobei Basel/Koch in einer aktuellen Systematisierung zwischen Tests (Wissens- und Intelligenztests, Neigungs- und Interessenstests, Persönlichkeitstest sowie Motorik und handwerklich-praktische Tests), Bilanzen und Profiling (u. a. biografische Gesamterhebungen, multimediale Feststellungsverfahren) und Potenzialanalysen durch Assessmentcenter differenzieren (Basel/Koch, 2007, S.11). Gemein ist diesen Messverfahren, dass einzelne Kompetenzen für unterschiedliche Anwendungs- bzw. Leistungssituationen spezifiziert werden, woraus eine heterogene Ansammlung einzelner Kompetenzaspekte resultiert. Um jedoch ein systematisches und operationalisierbares Kompetenzkonstrukt zu generieren, ist eine Priorisierung und Kategorisierung einzelner Kompetenzen vonnöten. Dies gestaltet sich jedoch oftmals schwer, da der Anspruch eines kompetenzanalytischen Ansatzes darin besteht, Kompetenzen zu definieren, die einer sich verändernden ökonomischen und sozialen Realität gerecht werden. Daraus resultiert, dass Kompetenzen ständig modifiziert, angepasst und neu gewonnen und demzufolge entsprechende Priorisierungen und Kategorisierungen ebenfalls modifiziert bzw. neu entwickelt werden müssen.
2.2. Zum Kompetenzbegriff und -konstrukt im deutschen Kontext
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Aus diesen exemplarisch dargestellten Kompetenzauffassungen werden zwei Eigenschaften deutlich, die einem kumulativen Kompetenzbegriff attestiert werden können: 1. Er ist summativ zu verstehen, was in einzelnen abgrenzbaren und getrennt operationalisierbaren Kompetenzen resultiert. 2. Er ist situativ zu verstehen, da der Kontext bzw. die Situation, in der die einzelnen Kompetenzen angewandt werden, sowohl für die theoretische Fundierung als auch für die praktische Überprüfung und Messung entscheidend ist. Stellt man nun die Ansätze von Dehnbostel, Erpenbeck/Heyse, Vonken und Weinert, den Ansätzen von Arnold/ Schüßler, Beutner/Schaumann/Twardy und Kauffeld gegenüber, so lässt sich – trotz der unterschiedlichen Akzentuierungen und Zugänge in den Kompetenzauffassungen – der ersten Gruppe ein holistischer und der zweiten Gruppe ein kumulativer Grundansatz attestieren. Zieht man jedoch das in der Berufs- und Wirtschaftspädagogik dominierende Kompetenzkonstrukt der beruflichen Handlungskompetenz, das im weiteren Verlauf dieser Arbeit noch ausführlich diskutiert wird, als hybrides Modell heran, zeigt sich, dass die Grenze beider Kompetenzauffassungen verschwimmt. Einerseits besteht der Anspruch auf übergreifende und situationsunabhängige Handlungsfähigkeit, die auf dem Konzept der Schlüsselqualifikationen aufbaut, andererseits wird jedoch in aktuellen empirischen Studien zur Operationalisierbarkeit auf ein kumulatives und situatives Kompetenzverständnis Bezug genommen (Schwadorf, 2003, S. 75). Ein weiteres Beispiel für eine Synthese von kumulativem und holistischem Kompetenzbegriff findet sich in der Machbarkeitsstudie Berufsbildungs-PISA (Baethge et al., 2006, S. 16 f.), in welcher der Kompetenzbegriff auf drei Ebenen differenziert wird: die Ebene der allgemeinen kognitiven Grundkompetenz (Lesen, Schreiben, Rechnen sowie Problemlösefähigkeit), die Ebene berufsübergreifender arbeitsbezogener Kompetenz („Employability Skills“, „Generic Skills“ oder „Schlüsselqualifikationen“) und die Ebene berufsfachlicher Kompetenzen (spezifische Fähigkeiten und Qualifikationen). Dabei steht zum einen die Operationalisierbarkeit im Vordergrund und somit ist ein kumulativer, kompetenzanalytischer Ansatz vonnöten, was auf der Ebene berufsfachlicher Kompetenzen impliziert wird. Gleichzeitig wird jedoch auf Ebene der berufsübergreifenden sowie der kognitiven Kompetenzen der Anspruch auf allgemeine und berufsübergreifende Kompetenzen artikuliert, was wiederum auf einen holistischen Kompetenzbegriff schließen lässt. Sowohl kumulative Kompetenzen als auch ein holistischer Kompetenzbegriff werden somit in einem Kompetenzansatz zusammengeführt.
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Die ausschnitthaft dargestellte Definitionsproblematik lässt folgende Schlussfolgerungen zu: Der Kompetenzbegriff wird in verschiedenen Disziplinen und Kontexten auf unterschiedliche Art und Weise definiert und verwendet, was zu einer heterogenen Begriffsvielfalt führt, für die bisher keine Systematisierung stattgefunden hat. Eine Klassifizierung nach kumulativen und holistischen Kompetenzbegriffen kann diesbezüglich als Versuch der Systematisierung interpretiert werden. Diese sind jedoch als theoretische Extremtypen zu betrachten, d. h., die Zuordnung von Begriffsauffassungen, die meist einen hybriden Charakter aufweisen, muss über den Nähegrad zu den jeweiligen Extremtypen erfolgen. Zudem wird in den jeweiligen Kompetenzkonstrukten deutlich, dass der Kompetenzbegriff entweder als internalisiertes Potenzial im Sinne von Handlungs- und Verhaltensdispositionen oder als erfolgreiches Handeln und somit als externalisierte Handlungsund Verhaltensdispositionen gefasst wird. In weiteren Ansätzen erfolgt eine Kombination von Handlungsfähigkeit und tatsächlichem Handeln und somit eine Verbindung von internalisierten und externalisierten Verhaltensdispositionen. Zusammenfassend lassen sich demzufolge drei Varianten von Begriffsauffassungen festhalten: • Kompetenz als internalisiertes Potenzial • Kompetenz als externalisierte Verhaltensdisposition(en) • Kompetenz als Verbindung internalisierter und externalisierter Dispositionen Relationiert man diese drei Aspekte des Kompetenzverständnisses im Hinblick auf die Kategorisierung in einen kumulativen und holistischen Kompetenzbegriff, so lässt dies folgende Schlussfolgerungen zu: Der kumulative Kompetenzbegriff ist, wie bereits erläutert, als Überbegriff einzelner relativ unabhängiger Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse zu begreifen, und das internalisierte Potenzial besteht in der Verfügung des Individuums über diese. Operationalisierbar wird diese Begriffsauffassung im Sinne externalisierter Verhaltensdispositionen, d. h., die einzelnen internalisierten Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse finden in spezifischen in sich geschlossenen Leistungssituationen Anwendung. Mit anderen Worten: Durch die Performanz werden internalisierte Verhaltensdispositionen externalisiert. Die Verbindung internalisierter und externalisierter Dispositionen resultiert in kompetentem Handeln innerhalb in sich geschlossener und weitgehend unabhängiger Leistungssituationen. Wendet man die drei Aspekte des Kompetenzbegriffs hinsichtlich des holistischen Kompetenzbegriffs an, so ergibt sich die Schlussfolgerung, dass dieser
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2.2. Zum Kompetenzbegriff und -konstrukt im deutschen Kontext
im Sinne eines internalisierten Potenzials die allgemeine innere Befähigung zur Bewältigung allgemeiner und spezifischer Anforderungen beschreibt. Der holistische Kompetenzbegriff begreift die Externalisierung demzufolge als ganzheitliche Bewältigung umfassender und situationsunabhängiger Aufgaben und Anforderungen. Aus einer Verbindung von Befähigung und der realisierten Bewältigung resultiert somit die allgemeine und dekontextualisierte Handlungskompetenz. Die begriffstheoretische Abgrenzung zwischen kumulativem und holistischen Kompetenzbegriff sowie deren Deklination bezüglich der drei Varianten der Kompetenzauffassung sind in Abbildung 2.2 zusammenfassend dargestellt.
Kumulativer Kompetenzbegriff
Holistischer Kompetenzbegriff
Kompetenz als internalisiertes Potenzial
Kompetenz als externalisierte Verhaltensdisposition(en)
Relativ unabhängige, subjektzugehörige Befähigungen zur Bewältigung konkreter, in sich geschlossener Leistungssituationen Ganzheitliche, subjektzugehörige Befähigung zur Bewältigung allgemeiner und kontextübergreifender Anforderungen
Performanz einzelner Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse in abgrenzbaren Leistungssituationen Bewältigung von allgemeinen und kontextübergreifenden Anforderungen
Kompetenz als Verbindung internalisierter und externalisierter Dispositionen Kompetentes Handeln in einzelnen Leistungssituationen
Allgemeine und dekontextualisierte Handlungskompetenz
Abbildung 2.2.: Systematisierung von Kompetenzdefinitionen
2.2.3. Zur begriffstheoretischen Abgrenzung von Kompetenz und Qualifikation In der aktuellen Diskussion um den Kompetenzbegriff werden einige Ansätze vertreten, die den Kompetenzbegriff in Verbindung mit dem Qualifikationsbegriff betrachten. Diese Ansätze weisen große Unterschiede auf, da, so Vonken (2001, S. 504), einige Autoren eine bewusste begriffliche Gleichsetzung von Qualifikation und Kompetenz vornehmen, einige die Begriffe unbewusst synonym verwenden und andere wiederum eine strikte begriffliche Trennung zugrunde legen (z. B. Erpenbeck/Heyse, 1996). Ellström (1997) begreift Qualifikation als „a certain class of work tasks“, sprich eine bestimmte Klasse von Arbeitsaufgaben, welche mit den Anforderungen in einem Beruf oder an einem Arbeitsplatz einhergehen (zit. in: Röben, 2004, S. 17). Kompetenz hingegen setzt Ellström mit Humankapital in
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Verbindung: „a kind of human capital or human resource that can be translated into productivity“. Sie stellt ihmzufolge die Kapazität des Individuums dar, die Anforderungen, welche durch die Qualifikationen determiniert werden, zu erfüllen. Diese Kapazität setzt sich laut Ellström aus fünf Fähigkeitskomponenten zusammen: perzeptive und motorische Fähigkeiten, intellektuelle Fähigkeiten (Wissen und kognitive Verarbeitungsfähigkeiten), affektive Faktoren (Einstellungen, Werte, Motivation), Persönlichkeitseigenschaften (z. B. Selbstvertrauen) sowie soziale Fähigkeiten (kooperative und kommunikative Fähigkeiten) (ebenda, S. 17 f.). Obwohl Ellström eine begriffliche Trennung vornimmt, betont er die Relation zwischen der Kapazität des Individuums und den Anforderungen der Arbeitsaufgaben, welche von der Umwelt gestellt werden. Schlussfolgern lässt sich somit, dass für ihn Kompetenz „ein Resultat des Wechselverhältnisses zwischen Organisation (bzw. der Situation) und Individuum“ ist (ebenda, S. 18). Erpenbeck/Heyse formulieren eine andere Betrachtungsweise der beiden Begriffe. Sie definieren den Qualifikationsbegriff als einen Positionsbegriff, der „Metakognition als objektiv beschreibbare Bildungspositionen, die im Verhalten zum Tragen kommen,“ postuliert, und den Kompetenzbegriff als einen Dispositionsbegriff, der „im Handeln aktualisierbare sozial-kommunikative, aktionale und persönliche Handlungspositionen“ betrachtet (Erpenbeck/Heyse, 1996, S. 36). Bei dieser Differenzierung wird der Objektbezug des Qualifikationsbegriffs und die Situations- und Sachverhaltsabhängigkeit im Gegensatz zum Subjektbezug des Kompetenzbegriffs deutlich. Diese Abgrenzung klassifizieren Arnold/Schüßler als erste These der bereits dargestellten kompetenzorientierten Wende, im Zuge derer der Mensch – anstelle des gesellschaftlichen Bedarfs – in den Vordergrund rückte (Arnold/Schüßler, 2001, S. 50). Heyse/Erpenbeck relationieren die Subjektorientierung mit dem Erfahrungsbegriff, nach dem sich Erfahrung in Form von Wissen und Kenntnissen vermitteln ließe. Die Erfahrung des Subjekts per se könne jedoch nur „selbst handelnd“ und „selbst organisiert“ gewonnen werden (Heyse/Erpenbeck, 1997, S. 183). Der Prozess des Erfahrungslernens bedeutet zum einen ein „sinnliches Erleben der gegenständlichen Realität“ und zum anderen eine gedankliche Erfassung der dadurch gewonnenen Erfahrung (Röben, 2004, S. 14). Bezogen auf das Kompetenzverständnis bedeutet dies, dass das Subjekt durch das Erfahrungslernen individuell Erkenntnisse, Überzeugungen, Emotionen, Motivationen, volitive Entscheidungen sowie Werte und Normen akkumuliert. Laut Röben ist es jedoch nicht ausreichend, diese Kompetenzaspekte lediglich zu besitzen, es ist vielmehr von Bedeutung, in welcher Form diese Aspekte in Interaktion mit anderen realisiert werden (Röben, 2004, S. 15). Demzufolge bedeutet Kompetenz nicht nur die individuelle Internalisierung von Erfahrung – was dem Subjektbezug des Kompetenzbegriffs entspricht – sondern auch die Externalisierung gewonnener
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Erkenntnisse in Form von Interaktion mit der Umwelt. Folglich erscheint der Einbezug der Umwelt für ein ganzheitliches Verständnis von Kompetenz naheliegend. Fraglich ist, welche Bedeutung der Objektbezug für den Erwerb von Kompetenz hat und inwiefern dies die strikte Abgrenzung von Subjekt- und Objektorientierung hinsichtlich des Kompetenz- und Qualifikationsbegriffs obsolet werden lässt. Dabei stellt sich zudem die Frage, wann ein Individuum als kompetent bezeichnet werden kann – ist ein Individuum bereits kompetent, wenn es Wissen und Kenntnisse internalisiert, oder erst dann, wenn es erfolgreich demonstriert, dass dieses internalisierte Wissen in verschiedenen Situationen angewandt werden kann? Die Kriterien, nach denen die erfolgreiche Demonstration beurteilt wird, richten sich wiederum nach den gesellschaftlichen Anforderungen, welche jedoch dem Qualifikationsbegriff zugeordnet werden. Erpenbeck/Heyse suchen mit der Abgrenzung aufgrund von Messbarkeit und Zertifizierbarkeit einen Ausweg aus diesem Dilemma, indem sie dem Qualifikationsbegriff die inhaltlichen Eigenschaften „beschreibbares Wissen“ und „eingrenzbare Fähigkeiten“ sowie die Möglichkeit der Messung und Zertifizierung attestieren (Erpenbeck/Heyse, 1996, S. 36). Kompetenzen hingegen könnten nur indirekt evaluiert und kaum zertifiziert werden, da sie laut Arnold „die Vielfalt der unbegrenzten individuellen Handlungsdispositionen“ erfassten und sich nicht auf messbare, durch Fremdeinwirkung vermittelbare Sachinhalte bezögen (Arnold, 1998, S. 23). Die Trennung beider Begriffe kann somit vor dem Hintergrund sich wandelnder Arbeitsorganisationen und -anforderungen betrachtet werden. So treten Aspekte, die sowohl bei Ellström als auch bei Erpenbeck dem Kompetenzbegriff zugeordnet werden – bspw. die Attribute der Subjektorientierung im Sinne von Humankapital – zunehmend in den Vordergrund und sind mindestens gleichbedeutend mit den formal vorgegebenen Kriterien des Qualifikationsbegriffs. Einige Vertreter der Kompetenztheorien argumentieren, dass der Aspekt der Selbstorganisationsfähigkeit (dem Kompetenzbegriff subsumiertes Attribut) an Bedeutung gewinne (Ertl, 2005, S. 26). Als Grund hierfür nennen sie die sich rasch wandelnden Anforderungen, denen durch den oftmals statischen Qualifikationsansatz nicht ausreichend begegnet werden kann. Durch die Fähigkeit der Selbstorganisation und der Förderung eigener Kompetenzen im Sinne der modernen Kompetenzentwicklung (Vonken, 2001, S. 514) kann jedoch schneller auf Veränderungen reagiert werden und es können entsprechende individuelle Fähigkeiten und Fertigkeiten entwickelt werden. Es wäre jedoch voreilig zu argumentieren, dass der Qualifikationsbegriff somit durch den Kompetenzbegriff substituierbar wäre. Dieser Argumentation könnte man nur mit einem starren und nach Ansicht einiger Autoren überholten Qualifikationsbegriff folgen (u. a. Arnold, 1998; Erpenbeck/Heyse, 1996).
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2.2.4. Ausgewählte theoretische Zugänge zum Kompetenzbegriff Vor dem Hintergrund der dargestellten begrifflichen Entwicklung sowie der begriffstheoretischen Differenzierungen in aktuellen Forschungsarbeiten werden im Folgenden verschiedene theoretische Zugänge zur Beschreibung des Kompetenzbegriffs aufgezeigt. Die Selektion vorhandener Ansätze erfolgte aufgrund ihrer Relevanz für die Fachdisziplin Berufs- und Wirtschaftspädagogik sowie im Hinblick auf die Gegenüberstellung der deutschen und angelsächsischen Kompetenzdiskussion. Aus diesem Grund werden pädagogische, insbesondere lerntheoretische Ansätze und solche der Arbeitswissenschaft thematisiert. Ein behavioristisches Verständnis von Kompetenz Für die Entwicklung eines behavioristischen Kompetenzverständnisses ist es zunächst erforderlich, die Grundzüge der Lerntheorie des Behaviorismus zu skizzieren. Um einen theoretischen Zugang zu einem respektiven Kompetenzbegriff zu erhalten, werden die wichtigsten Vertreter und deren Ansätze differenziert. Vorab werden die drei wichtigsten Gegenstände des Behaviorismus – Verhalten, Verhaltensänderungen und Lernen – erläutert. Drever/Fröhlich definieren Verhalten als „allgemeine Bezeichnung für die Gesamtheit aller beobachtbaren, feststellbaren oder messbaren Aktivitäten des lebenden Organismus, meist gefasst als Reaktion auf bestimmte Reize oder Reizkonstellationen, mit denen der Organismus in experimentellen oder lebensweltlichen Situationen konfrontiert wird [...]“ (Drever/Fröhlich, 1968, S. 246).
Verhalten weist somit zwei entscheidende Eigenschaften auf: Zum einen ist es objektiv beobachtbar und messbar und zum anderen folgt es zumeist auf bestimmte Reize aus der Umwelt, wodurch ihm ein situativer Charakter innwohnt. Dem Begriff des Lernens wird hingegen ein Prozesscharakter attestiert, da Lernen definiert wird als „allgemeine oder umfassende Bezeichnung für das Erwerben oder Verändern von Reaktionen (Verhaltensänderungen) unter bekannten oder kontrollierten Bedingungen, sofern die Veränderungen relativ überdauernd ausfallen“ (Drever/Fröhlich, 1968, S. 144).
Entscheidend hierbei sind die Verhaltensänderungen, die ebenfalls beobachtbar sind und meist durch Umweltreize ausgelöst werden. Welche Bedeutung Verhalten, Verhaltensänderungen und Lernen im Behaviorismus haben, verdeutlicht die folgende kurze Übersicht über die drei wichtigsten Phasen des Behaviorismus.
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Der klassische Behaviorismus (1913–1930) gilt als die erste Phase der behavioristischen Theorie, die insbesondere geprägt wurde durch die Versuche von Pawlow (1849-1936), Thorndike (1874–1949) und Watson (1878–1958). Pawlow reduziert den Menschen auf seinen physiologischen Organismus und setzt ihn einer organischen Maschine gleich, die nach den Gesetzen der Natur funktioniert (Leonhard, 1978, S. 24). Darauf basiert seine Theorie des klassischen Konditionierens mit dem inhärenten Reiz-Reaktions-Schema, mit welchem er versucht, menschliches Verhalten zu erklären. Das wohl bekannteste Beispiel des klassischen Konditionierens ist das des konditionierten Hundes (Pawlow, 1972). Pawlow überträgt das Schema des klassischen Konditionierens auf das menschliche Verhalten und erklärt somit die Konditionierung menschlicher Reflexe durch bedingte Reize, die den Organismus und seine Umwelt in ein Gleichgewicht bringen (Leonhard, 1978, S. 22). Dabei stellt die Sprache den wichtigsten Reiz dar, um konditionierte Reflexe auszulösen. Pawlow schlussfolgert mit seiner Theorie, dass es mit der vollständigen Kenntnis über alle Reiz-Reaktion-Schemata und ihrer neurophysiologischen Entsprechungen möglich sei, nur noch positive Reflexe wie Glücksgefühle zu erzeugen und negative Reflexe wie Unglück abzuwehren. Ähnlich wie Pawlow fokussiert Thorndike die Konditionierung bestimmter Reflexe aufgrund spezifischer Reize. Im Gegensatz zu Pawlow stellt er jedoch die Frage, wie ein Organismus lernt, Problemsituationen zu lösen (ebenda, S. 25). Dabei formuliert er drei Lerngesetze: das „Law of Effect“, das „Law of Readiness“ und das „Law of Exercise“. Das „Law of Effect“ basiert auf der Annahme des „Trial-and-Error“-Prinzips (Friedrich, 1979, S. 82), nach welchem der Organismus zufällig eine erfolgreiche Handlung durchführt, was zur Konsequenz hat, dass sich die Wahrscheinlichkeit erhöht, die Handlung in einer ähnlichen Situation zu wiederholen. Thorndike attestiert dem Organismus somit die Fähigkeit zum Transfer. Tritt jedoch nach einer ausgeführten Handlung kein Erfolg ein, so verringert sich die Wahrscheinlichkeit, dass die Handlung wiederholt wird (Thorndike, 1970, S. 64). Das „Law of Readiness“ besagt, dass die Aktionsbereitschaft des Organismus Voraussetzung ist für eine bestimmte Handlung, die zum Erfolg bzw. zur Befriedigung des Organismus führen soll. Das „Law of Exercise“ beinhaltet die Übung und somit den Wiederholungscharakter einer Handlung, was der Pawlow’schen Theorie des klassischen Konditionierens nahekommt. Für Thorndike ist jedoch der Erfolg einer Handlung die entscheidende Triebkraft für die Ausführung bestimmter Handlungen oder für ein bestimmtes Verhalten und nicht die Wiederholung im Sinne der klassischen Konditionierung. Obgleich die Versuche von Pawlow und Thorndike bis heute zitiert werden, trugen sie nur partiell zur Fundierung einer neuen Richtung in der Psychologie bei. Watson hingegen wendete sich gegen die subjektive introspektive Psychologie,
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die sich vornehmlich auf Bewusstsein, Bewusstseinszustände und -inhalte, Seele, Vorstellung etc. konzentriert. Watson fokussiert Begriffe wie Verhalten, Anpassung, Reiz, Reaktion, Organismus u. a. (Friedrich, 1979, S. 53) und wird aufgrund dessen oftmals als der entscheidende Begründer der behavioristischen Psychologie angeführt. Er zeichnet sich nicht nur durch neue Forschungsmethoden und Experimente aus, sondern seine methodologischen Prinzipien initiierten eine Neuorientierung in der Psychologie (ebenda, S. 66). Er grenzt sich von Theorien des Strukturalismus (de Saussure, Lévi-Strauss, Barthes, Foucault u. a.), des Funktionalismus (Malinowski, Radcliffe-Brown u. a.) wie auch von der Tiefenpsychologie (Freud, Adler, Jung u. a.) ab, die die Erforschung des Bewusstseins, seiner Strukturen und Funktionen avisieren. Als Ziel der neuen behavioristischen Bewegung deklariert Watson die Kontrolle menschlichen Verhaltens und somit ausschließlich beobachtbare Ergebnisse menschlicher Aktivitäten. Für Watson ist der Behaviorismus somit „eine Naturwissenschaft, die das gesamte Gebiet menschlicher Anpassungsvorgänge umfasst“ (Watson, 1976, S. 43). Die Zuordnung zur Naturwissenschaft begründet Watson damit, dass er menschliches Verhalten, ähnlich wie Physiker andere Naturgegebenheiten, mit Hilfe von experimentellen Methoden vorhersagen und kontrollieren möchte (ebenda, S. 44). Auch die Praxisrelevanz, die bei den Naturwissenschaften im Vordergrund steht, soll ein zentrales Moment der Psychologie werden, d. h., psychologische Erkenntnisse sollen zur Lösung von Problemen in der Praxis beitragen. Die Reduktion des Menschen auf einen Mechanismus für die Entwicklung eines Kompetenzbegriffs ist zu restriktiv und vernachlässigt entscheidende kognitive Prozesse. Aus diesem Grund erscheint eine auf den Grundannahmen des klassischen Behaviorismus basierende theoretische Begründung eines Kompetenzbegriffs zunächst fragwürdig. Die Schlussfolgerung, die er jedoch zulässt ist, dass Kompetenz dem beobachtbaren und konditionierbaren Verhalten in spezifischen Situationen und Kontexten gleichgesetzt wird. Die zweite Phase des Behaviorismus beschreibt der sogenannte Neo-Behaviorismus (1930–1950), der inhaltlich eine Weiterentwicklung des klassischen Behaviorismus darstellt und insbesondere von Guthrie (1886–1959), Hull (1884–1952) und Skinner (1904–1990) geprägt wurde. Guthrie konstatiert, ebenso wie Pawlow und Thorndike, dass Verhalten als Reaktion auf bestimmte Reize erklärbar sei. Er negiert jedoch, dass ein bestimmtes erfolgreiches Handeln erst nach mehrfachen Wiederholungen derselben Handlung möglich sei, vielmehr gewinne ein Reizmuster „bei seinem ersten Auftreten mit einer Reaktion seine volle Assoziationsstärke“ (Hilgard/Bower, 1971, S. 96). Das bedeutet, dass bei jeder einzelnen Handlung neue Assoziationen hervorgerufen werden, die in einer anderen Handlungssituation noch nicht berücksichtigt wurden. Das bedeutet weiterhin, dass je-
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de einzelne Handlung eine für sich existierende Lerneinheit ist und nicht nur ein Teilschritt zu einer erfolgreichen Handlung, wie es Pawlow und Thorndike konstatieren. Hull beruft sich ebenfalls auf die Reiz-Reaktions-Theorien des klassischen Behaviorismus, fügt jedoch den Organismus als dritte Komponente ein, was zu einer Reiz-Organismus-Reaktions-Theorie führt. Der Organismus besitzt ihm zufolge Eigengesetzlichkeiten, die bei gleichen Reizfigurationen verschiedene Reaktionen hervorrufen können (Leonhard, 1978, S. 37). Diese Eigengesetzlichkeiten können bspw. bestimmte Antriebe, Hemmungen, Motivationen u. a. sein, die er als intervenierende Variablen bezeichnet. Die zwei wichtigsten intervenierenden Variablen sind „Drive“ (Trieb) und „Habit“ (Gewohnheitsstärke), wobei sich erstere auf körperliche Bedürfnisse bezieht, die ein bestimmtes Verhalten forcieren. Zweitere bezieht sich auf die Richtung oder Tendenz eines Organismus, auf einen Reiz in bestimmter Art und Weise zu reagieren. Skinners Theorie rekurriert auf den Reiz-Reaktions-Ansätzen des klassischen Behaviorismus, die jedoch nicht erklären, wie eine neue Reaktion entsteht, die der Organismus bisher nicht gezeigt hat (ebenda, S. 39). Dieses Defizit versucht Skinner mit seiner Theorie des operanten Konditionierens zu beheben. Er führt hierfür den Begriff des operanten Verhaltens ein, das im Gegensatz zu Reflexen nicht willkürlich ist, sondern der Kontrolle des Organismus unterliegt (Skinner, 1978, S. 50). Operantes Konditionieren bedeutet folglich, dass ein operantes Verhalten wiederholt wird, wenn sich das Befinden eines Organismus dadurch verbessert. Gleichermaßen verschwindet ein operantes Verhalten, wenn sich das Befinden verschlechtert oder keine Veränderung eintritt – was Skinner als operante Löschung bezeichnet (Leonhard, 1978, S. 40). Die Folgen des operanten Verhaltens bezeichnet Skinner als Verstärker, die positiv sein können – der Organismus erfährt Angenehmes – oder negativ, wenn Unangenehmes verschwindet (Skinner, 1978, S. 57). Von Bedeutung ist hierbei die zeitliche Kontingenz von Stimuli und operantem Verhalten, da die Häufigkeit, mit der ein bestimmter Reiz erfolgt, die Wahrscheinlichkeit des operanten Verhaltens beeinflusst. Skinner unterscheidet zudem zwischen primären Verstärkern, die unmittelbar auf den Organismus wirken, sekundären, die indirekt über primäre Verstärker wirken, und generalisierten, die durch die Verbindung eines sekundären mit mehreren primären Verstärkern entstehen. Des Weiteren differenziert er drei Formen der Verstärkung: die differenzielle Verstärkung (einzelne Bestandteile komplexen Verhaltens werden getrennt verstärkt), Intervallverstärkung (Verstärkung in regelmäßigen Abständen) und Quotenverstärkung (phasenweise Verstärkung) (Leonhard, 1978, S. 41). Somit kategorisiert Skinner Verstärker zum einen gemäß der Nähe zum Organismus und zum anderen gemäß der Art und Weise, wie diese auftreten. Skinners Fokussierung auf die Verstärker beruht auf der Annahme, dass sich Verhalten aus verschiedenen Reiz-Reaktions-
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Einheiten zusammensetzt und somit als komplexes Resultat der Verbindung einzelner Module zu sehen ist. Er konstatiert somit eine Gegenthese zu Guthrie, der einzelnen Einheiten Eigenständigkeit attestiert. Zudem spricht er – im Gegensatz zu den klassischen Behavioristen – dem Organismus die Fähigkeit zur Kontrolle seines Verhaltens und seiner Umwelt zu (Skinner, 1978, S. 214 ff.). Kontrolle sei jedoch nicht mit Herrschaftsansprüchen über die Umwelt verbunden, sondern vielmehr das Ergebnis von Verhaltensprozessen, in denen der Mensch bestimmte Reize manipuliert, die ein gewünschtes Verhalten zur Folge haben. Bezogen auf die Selbstkontrolle könnte man folglich auch von Selbstmanipulation sprechen, die impliziert, dass der Organismus selbst die Variablen manipuliert, die zu einem bestimmten Verhalten führen sollen. Dies ist jedoch fraglich, da Skinner externe Variablen, die nicht vom Organismus selbst bestimmt werden, aus dem Verhalten der Selbstkontrolle ausschließt. Er lässt unerklärt, welchen Reiz das Verhalten der Selbstkontrolle auslöst. Er schließt intrinsische Beweggründe aus, da er mentale Gründe und einen freien Willen des Organismus für die Erklärung von Verhalten ablehnt. So müsste er externe Variablen als impulsgebend für die Selbstkontrolle annehmen, womit er jedoch seiner Annahme widersprechen würde, dass Selbstkontrolle vom Organismus selbst initiiert wird. Der Neo-Behaviorismus lässt auf einen erweiterten Kompetenzbegriff schließen, da im Sinne des operanten Konditionierens dem konditionierten Verhalten eine „Lernhandlung“ unterstellt wird, die Rückschlüsse auf eine Form der „Kompetenzentwicklung“ zulassen. Diesem Kompetenzverständnis wird durch das Konzept der Verstärkung ein qualitativer Aspekt attestiert. Kompetenz kann auch hier nicht als Disposition, sondern als Verhalten interpretiert werden, das durch eine spezifische Problemsituation ausgelöst wird und die Notwendigkeit einer erfolgreichen Konsequenz impliziert. Quantitativ betrachtet stellt sich die Frage, ob bereits eine einzelne erfolgreiche Aktivität ausreicht, um Kompetenz zu unterstellen, oder ob dafür vielmehr eine Reihe erfolgreicher Aktivitäten notwendig ist. Hierbei sei nochmals auf Skinner rekurriert, welcher Verhalten als komplexe Aktivität beschreibt, die sich aus einzelnen Handlungsmodulen zusammensetzt. Somit lassen sich die Komplexität und die Fähigkeit zur Verbindung einzelner Handlungen als notwendige Komponenten für ein neo-behavioristisches Kompetenzverständnis festhalten. Vertreter des modernen oder subjektiven Behaviorismus (seit 1950), zu dessen Vertretern u. a. Hebb, Miller, Galanter und Pibram zählen, machen es sich zur Aufgabe, Antworten auf die unbeantworteten Fragen Skinners zu finden. Kennzeichen dieser dritten Phase des Behaviorismus ist die Einbindung kognitiver Theorien in die bestehenden behavioristischen Ansätze, obgleich der Mensch weiterhin als „Black Box“ behandelt wird.
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Hebb befasst sich mit dem Problem der inneren Prozesse, welche die bisherigen behavioristischen Ansätze entweder ignoriert oder ausgeschlossen haben. Er verwendet Begriffe wie „Wille“, „Denken“, „Bewusstsein“ und „Geist“, attestiert diesen Begriffen jedoch keinen psychologischen, sondern einen rein chemophysikalischen Charakter (Leonhard, 1978, S. 54 ff.). Das bedeutet auch, dass er kognitive Prozesse als physikalische Mechanismen versteht, die einer bewussten Beeinflussung entzogen sind. Diese Sichtweise wurde Anfang der sechziger Jahre durch die Theorie des subjektiven Behaviorismus erweitert, zu dessen Begründern Miller, Galanter und Pibram zählen. Auch sie verweisen bei der Erklärung von Verhalten auf mechanische Prozesse, attestieren kognitiven Prozessen jedoch eine besondere Bedeutung. Verhalten lasse sich nicht nur auf einfache Reaktionen auf bestimmte Reize reduzieren, sondern bestehe aus einer komplexen Reihe von Handlungen, die durch einen Plan gesteuert würden (ebenda, S. 61). Ein Plan sei jedoch keine geistige Leistung, sondern vielmehr ein Programm, das die Verarbeitung von Informationen lenke. Diese Annahme reduziert den Menschen, wie dies auch bei allen anderen behavioristischen Ansätzen der Fall ist, auf eine „Black Box“. Zumindest in späteren Erklärungsversuchen wird dieser die Befähigung zu komplizierten Verarbeitungsprozessen zugesprochen, während die anfänglichen Theorien lediglich einfache Reiz-Reaktions-Vorgänge erklären. Das verdeutlicht, dass sich die Grundzüge des Behaviorismus im Laufe seiner Entwicklung nur marginal veränderten. Kennzeichen eines Kompetenzbegriffs, der auf den Ansätzen des subjektiven Behaviorismus basiert, ist die Fähigkeit der Weiterentwicklung menschlichen Verhaltens. Dies lässt wiederum die interpretative Schlussfolgerung zu, dass es sich bei der damit intendierten Verhaltensänderung um eine Form der „Kompetenzentwicklung“ handelt. Somit kann hinsichtlich eines subjektiv-behavioristischen Kompetenzbegriffs die Auffassung vertreten werden, dass es sich um das Resultat eines Informationsverarbeitungsprozesses handelt, welcher wiederum Voraussetzung für die darauf aufbauende Verhaltensänderung ist. Obgleich sich die behavioristischen lerntheoretischen Ansätze von einem situativen Reiz-Reaktions-Schema über Reiz-Organismus-Reaktions-Theorien hin zu einer „Subjektorientierung“ entwickelt haben, steht in allen Ansätzen die Beobachtbarkeit und Messbarkeit von Verhaltensweisen im Vordergrund. Ein behavioristisches Kompetenzverständnis kann somit nicht auf das innere Potenzial des Menschen rekurrieren, sondern vielmehr auf dessen Externalisierung in einer konkreten Reiz- oder Anwendungssituation. Das Resultat des Externalisierungsprozesses ist eine beobachtbare Aktivität, die situativ von bestimmten Reizen initiiert wird und durch externe Faktoren steuerbar ist. Damit kann ein behavioristisches Kompetenzverständnis abgeleitet werden, das sich primär an den Theorien des
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subjektiven Behaviorismus orientiert und Kompetenz als ein Konstrukt, das beobachtbare, messbare und sich entwickelnde Verhaltensdispositionen beschreibt, die nach dem Prinzip der Verstärkung konditioniert werden können und auf Informationsverarbeitungsprozessen basieren, begreift. In Abbildung 2.3 werden die drei Phasen des Behaviorismus mit den jeweiligen Vertretern und Kernaussagen sowie die daraus entwickelten Kompetenzauffassungen veranschaulicht. Klassischer Behaviorismus Theoretische Pawlow, Thorndike, Vertreter Watson Kernaussagen Reiz-Reaktions-Schema
Indikatoren für einen behavioristischen Kompetenzbegriff
Kompetenz als situatives, beobachtbares und konditionierbares Verhalten
Neo-Behaviorismus
Moderner Behaviorismus
Guthrie, Hull, Skinner
Hebb, Miller, Galanter, Pibram Verarbeitung von Informationen als kognitiver Prozess, komplexe Reiz-Reaktions-Prozesse Kompetenz als Resultat eines kognitiven Informationsverarbeitungsprozesses, der eine Form der Kompetenzentwicklung impliziert
Reiz-OrganismusReaktions-Theorie, operante Konditionierung, Prinzip der Verstärkung Kompetenz als Resultat verschiedener Lernhandlungen, die auf eine Kompetenzentwicklung schließen lassen
Abbildung 2.3.: Phasen des Behaviorismus
Ein konstruktivistisches Verständnis von Kompetenz Um als Gegenkonzept zum Behaviorismus ein konstruktivistisches Kompetenzverständnis entwickeln zu können, ist es erforderlich, die Wurzeln des Konstruktivismus zu skizzieren, die Kernpunkte der Theorie hervorzuheben und diese von den behavioristischen Grundsätzen abzugrenzen. Der Konstruktivismus zeichnet sich dadurch aus, dass er den Menschen nicht, wie der Behaviorismus, als „Black Box“ behandelt, sondern die Prozesse, die in seinem Inneren ablaufen, fokussiert und sich somit von der behavioristischen Prämisse der Beobachtbarkeit löst. Aus diesem Grund beschäftigt sich der Konstruktivismus nicht primär mit dem beobachtbaren Verhalten, sondern vielmehr mit der Frage nach Erkenntnis, Wissen und danach, wie diese erworben werden. Der Konstruktivismus ist jedoch keinesfalls eine homogene Theorie über die Beschaffenheit und Strukturen menschlicher Denkprozesse, sondern gekennzeichnet durch
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verschiedene Strömungen und Ansätze. Zwei vorherrschende Richtungen im Konstruktivismus sind der radikale und der methodische Konstruktivismus. Einige Vertreter des radikalen Konstruktivismus beziehen sich auf eine solipsistische Auffassung, welche die Existenz einer objektiven Realität negiert und den Menschen als einzige Realität ansieht, der alles Übrige lediglich als Vorstellung realisieren kann (Siebert, 2003, S. 191). Andere Vertreter des radikalen Konstruktivismus akzeptieren die Existenz einer objektiven Realität, bestreiten jedoch, dass der Mensch diese in seiner subjektiven Wahrnehmung erkennen kann. Sie folgen somit der Auffassung des Philosophen Vico (1668–1744), welcher konstatierte, dass „rationales menschliches Wissen niemals eine gottgemachte Welt erfassen oder irgend etwas produzieren kann, was zu Recht als deren Repräsentation bezeichnet werden könnte“ (v. Glasersfeld, 1992, S. 30). Vielmehr sei der Mensch lediglich in der Lage, zur Erkenntnis menschlicher Wahrheit zu gelangen, indem er diese durch sein Handeln konstruiere und forme (Müller, 1996, S. 30). Auch die Theorien anderer Philosophen wie Berkeley (1685–1753), Hume (1711–1776), Kant (1724–1804), Dilthey (1833–1911) und Wittgenstein (1889–1950) dienten den radikalen Konstruktivisten als Vorbild bezüglich der strikten Trennung von Subjekt und objektiver Realität (Dettmann, 1999). Neben den Philosophen bereitete der Entwicklungspsychologe Piaget mit seiner Theorie der kognitiven Entwicklung den Weg für den radikalen Konstruktivismus. Piaget unterscheidet in seiner Entwicklungstheorie zunächst zwischen Inhalten und Strukturen. Inhalte sind konkrete Gegenstände, anhand derer Entwicklungsvorgänge stattfinden, die für Piaget nur von sekundärer Bedeutung sind und lediglich die Ausgangsbasis für Entwicklungs- und Lernprozesse darstellen. Eine primäre Bedeutung für die Entwicklungstheorie hingegen haben Strukturen, welche definiert sind als „Menge von Elementen und eine Menge von Beziehungen zwischen ihnen“ (Seiler, 1998, S. 105). Demzufolge unterliegen Strukturen dem Aspekt der Ganzheitlichkeit und bestehen aus interdependenten Teilen, Beziehungen und Transformationen. Piaget fokussiert hierbei kognitive Strukturen, die strukturelle Beziehungen und Abhängigkeiten von Denkprozessen implizieren. Diese dienen der Beschreibung der für den Menschen typischen Art und Weise, bestimmte Klassen von Informationen und Umweltgegebenheiten zu handhaben (Piaget, 1980, S. 45). Der Aufbau kognitiver Strukturen ist ein aktiver und dynamischer Prozess, der die Entwicklung des Menschen entscheidend beeinflusst. Dem genetischen Potenzial des Menschen wird hierbei eine primäre Rolle attestiert, da dieses für den Entwicklungsprozess ausschlaggebend sei, weshalb hinsichtlich Piagets Ansatz oft von einer strukturgenetischen Erklärung von Entwicklung gesprochen wird. Piaget unterstellt, dass innerhalb des Entwicklungsprozesses kontinuierlich neue Strukturen aufgebaut werden und bereits vorhandene Strukturen
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Veränderungen erfahren. Diesen dynamischen Prozess verbindet Piaget mit den kognitiven Funktionen der Assimilation und der Akkomodation. Assimilation ist definiert als „Prozess, über den das, was wahrgenommen wird, so verändert wird, dass es zu den gegenwärtig vorhandenen kognitiven Strukturen passt“ (Gage/Berliner, 1996, S. 115) und meint demnach ein aktives Interpretieren, Einordnen und Erklären von Objekten und Ereignissen der Umwelt in Begriffen der eigenen Art, über diese Dinge zu denken. Neue Informationen, die von außen hinzukommen, werden somit in bereits vorhandene Schemata oder Strukturen eingeordnet, ohne dass diese verändert werden. Akkomodation wird im Gegensatz dazu definiert als „Prozess, über den die kognitiven Strukturen so verändert werden, dass sie zu dem Wahrgenommenen passen“ (ebenda, S. 115). Akkomodation tritt folglich nur dann auf, wenn es eine Diskrepanz bezüglich neuer Informationen gibt, für die das Individuum noch kein bewährtes Schema besitzt. Akkomodation und Assimilation sind oft schwer voneinander zu trennen, da sie meist gleichzeitig stattfinden. Gemeinsam bilden sie einen kognitiven Gesamtprozess, den Piaget als Adaption bezeichnet. Diese beschreibt somit einen Entwicklungsprozess, der sich durch einzelne kognitive Fortschritte vollzieht, die wiederum durch Assimilation und Akkomodation bestimmt werden. Assimilation und Akkomodation unterliegen einem allgemeinen Entwicklungsprinzip, dem sogenannten Äquilibrationsprinzip. Dieses besagt, dass Entwicklung eine fortlaufende Folge von Gleichgewichts- und Ungleichgewichtszuständen ist, wobei das Ungleichgewicht vom Gleichgewicht auf höherem Niveau abgelöst wird. Aufgrund der differenzierten Hierarchie von Ungleichgewicht und Gleichgewicht spricht man von einer majorierenden Äquilibration (Zimbardo, 1992, S. 463). Das Äquilibrationsprinzip unterstreicht die bereits erwähnte Dynamik bei der Aufnahme, Einordnung bzw. Verarbeitung neuer Informationen und die daraus resultierenden Veränderungen und kognitiven Fortschritte. Es handelt sich hierbei um einen kontinuierlichen Prozess, da unterstellt wird, dass der Mensch stets darauf bedacht ist, Ungleichgewichte zwischen Informationen, Ereignissen, Umwelteinflüssen und bestehenden Schemata ins Gleichgewicht zu bringen. Die Tendenz, auf Gleichgewichtszustände zuzusteuern, ist bei Piaget für alle Organismen gleichermaßen charakteristisch, und zwar zu allen Zeiten und in allen Situationen (Vollmers, 1997, S. 76). Beim Äquilibrationsprozess unterscheidet Piaget zwischen permanenter und akuter Äquilibration. Permanente Äquilibration bezeichnet das dauerhafte Streben nach Gleichgewicht, wohingegen sich die akute Äquilibration auf konkrete Situationen bezieht, in denen das Ungleichgewicht zwischen einem Assimilationsschema und neuen Informationen ausgeglichen wird (Schröter, 1981, S. 16). Die Funktionen der Assimilation und der Akkomodation sowie das Prinzip der
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Äquilibration dienen Piaget zur Erklärung seiner Stufentheorie, die den kognitionspsychologischen Entwicklungsprozess des Menschen in vier aufeinanderfolgende Stufen einteilt: die sensomotorische und die präoperationale Phase sowie die Phase der konkreten und der abstrakten Operation; auf eine Beschreibung dieser Phasen soll jedoch an dieser Stelle verzichtet und stattdessen auf Piaget (1970 und 1980) verwiesen werden. Dem radikalen Konstruktivismus dienen insbesondere zwei Aspekte von Piagets Stufentheorie als Grundlage: Erstens illustriert Piaget, dass der sukzessive Aufbau kognitiver Strukturen als ein innerer subjektiver Prozess zu verstehen sei, der durch die genetische Ausstattung und nicht durch externe Umwelteinflüsse geprägt sei. Piaget nimmt somit eine implizite Trennung von Subjekt und Umwelt bzw. Realität aus erkenntnistheoretischer Sicht vor und negiert eine direkte externe Steuerung kognitiver Prozesse. Zweitens attestiert Piaget dem Aspekt der Repräsentation und Konstruktion der Umwelt eine wichtige Rolle. Die Fähigkeit zur Erfassung von Objektpermanenz, die Piaget einem Menschen bereits im Säuglingsalter zuspricht, und der Fähigkeit zur Entwicklung von Schemata für die Abbildung der Umwelt spiegeln dies wider. Auch in der Differenzierung zwischen figurativem und operativem Denken findet sich der Repräsentationsaspekt wieder. Figuratives Denken besteht in der Wahrnehmung, Nachahmung und geistiger Vorstellung externer Zustände (Piaget, 1970, S. 21). Operatives Denken beinhaltet die Transformation externer Zustände mit dem Ziel verstehen zu können, wie ein bestimmter Zustand generiert wurde. Beide Aspekte sind für die Repräsentation der Umwelt und deren Erkenntnis erforderlich, was Piaget zu einem vergleichsweise aktiven Erkenntnisbegriff führt, der eine aktive gedankliche Konstruktion von Transformationssystemen birgt (ebenda, S. 23). Neben der genetischen Entwicklungspsychologie Piagets begründen Ansätze aus der Epistemologie, der Neurobiologie und der Kybernetik den radikalen Konstruktivismus. Die Epistemologie differenziert sich in die genetische und die evolutionäre Erkenntnistheorie und fokussiert die Frage nach der menschlichen Erkenntnis über seine Realität. Zentrales Moment der Epistemologie ist die Repräsentation der Wirklichkeit, was zu dem Schluss führt, dass eine genaue Darstellung der Wirklichkeit der wahren Erkenntnis entspräche, diese jedoch nur annäherungsweise erreichbar sei (Müller, 1996, S. 31). Dies illustriert das Dilemma der Epistemologie zwischen dem Streben nach Erkenntnis einer Wirklichkeit und dem Problem, dass sich diese jedoch per se nicht erkennen lässt. Einen Ausweg aus diesem Dilemma findet die Epistemologie trotz verschiedener Erklärungsansätze nicht, weshalb einige Konstruktivisten diese Diskussion fortführen. Die Neurobiologie, zu deren Vertreter insbesondere Maturana und Varela zählen, trug ebenfalls zur Fundierung des radikalen Konstruktivismus bei. Maturana
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begründet die Unmöglichkeit vollkommener menschlicher Erkenntnis mit der operationalen Geschlossenheit des Organismus (Siebert, 2003, S. 9). Somit bestünden zwischen externen Umweltreizen und Hirnfunktionen keine eindeutigen Verbindungen (Müller, 1996, S. 43), mit der Folge, dass der Organismus keinen Zugang zur äußeren Wirklichkeit habe. Maturana und Varela setzen den Organismus einem autopoietischen System gleich, das sich über sich selbst herstellt und erhält (Ros, 1994, S. 206). Folglich ist es in sich geschlossen und selbstreferentiell, zirkular organisiert und induktiv-konservativ operierend. Die Umwelt löst jedoch trotz fehlender direkter Relationen zum Subjekt Perturbationen aus, welche den Organismus in ein Ungleichgewicht bringen, das durch eine kompensierende Reaktion wieder äquilibriert wird. Resultiert aus einer Perturbation eine Erkenntnis, die auf einem höheren Wissensniveau anzusiedeln ist, spricht man von Emergenz, dem Auftreten einer neuen Erkenntnisqualität (Müller, 1996, S. 44). Auch die Kybernetik bietet Begründungsansätze für den radikalen Konstruktivismus, da sie sich als Wissenschaft von der Struktur komplexer Systeme versteht und insbesondere die Kommunikation und Kontrolle von Rückkopplungen eines Systems analysiert. Als die beiden wichtigsten Vertreter des radikalen Konstruktivismus gelten v. Glasersfeld und v. Foerster, welcher in seiner Erklärung der Begriffe „Zirkularität“ und „Geschlossenheit“ auf kybernetische Ansätze rekurriert. Zirkularität bedeutet demzufolge, „dass das Ergebnis der Operation eines Systems die nächste Operation dieses Systems einleitet: Das System und seine Operationen sind ein ‘geschlossenes System’“ (v. Foerster, 1996, S. 14). Obgleich v. Foerster ähnlich wie Maturana und Varela von geschlossenen Operationen innerhalb des Organismus ausgeht, bleibt bei ihm die Frage nach dem Anstoß für die „erste“ Operation, die andere Operationen bewirkt, offen, da er externe Perturbationen aufgrund seiner strikten Geschlossenheitsthese ausschließt. Die Kernaussage von v. Glasersfeld ist, dass Erkenntnis und Wissen Konstruktionen des Menschen sind und weder den Anspruch auf Wahrheit im Sinne einer objektiven Realität noch auf Einzigartigkeit haben (v. Glasersfeld, 1998, S. 22). Das hat zur Folge, dass alle Formen der Erkenntnis und des Wissens möglich sind. Um jedoch eine Eingrenzung von Erkenntnis und Wissen vornehmen zu können, werden diese anhand ihrer Valiabilität gemessen. Wissen und Erkenntnis müssen demnach in einer Anwendung eine nützliche Antwort liefern können (ebenda, 1992, S. 31). Es ist hierbei wichtig anzumerken, dass „Wissen“ und „Erkenntnis“ interdependente Begriffe sind und Wissen nicht nur als statischer Begriff des Wissensbestandes, sondern auch als Prozess der Konstruktion der Umwelt zu verstehen ist, und somit einen Erkenntnisprozess darstellt (Siebert, 2003, S. 105). Von Bedeutung ist die individuelle Wahrnehmung der Umwelt, die abhängig ist
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vom Vorwissen des Subjekts, von der individuellen Wahrnehmung und vom Handlungskontext. Der Wissenserwerb verläuft somit individuell und kann nur bedingt beeinflusst werden. Müller schlussfolgert, dass der Wissenserwerb lediglich von außen gelenkt werden kann, prinzipiell jedoch selbstorganisiert und selbstgesteuert erfolgt (Müller, 1996, S. 74). Aus diesen unterschiedlichen Wurzeln erschließen sich verschiedene Auffassungen und Annahmen innerhalb des radikalen Konstruktivismus, wobei im Folgenden die den Ansätzen gemeinsamen Kernaussagen skizziert werden. Eine der wichtigsten Grundannahmen ist die der Nichtexistenz einer ontologischen Realität. Die Realität würde subjektiv aus der Realität bzw. Umwelt konstruiert (Ros, 1994, S. 178) und dem Subjekt sei folglich nur die eigene Realität zugänglich. Daraus folgt die Annahme, dass das Subjekt zur aktiven Konstruktion der Umwelt fähig sei und kein passives Abbild der Realität schaffe. Mit diesen Annahmen löst sich der radikale Konstruktivismus von den Abbildtheorien, welche die Repräsentation einer objektiven Umwelt fokussieren. Für den Erwerb von Wissen bzw. für den Erkenntnisprozess bedeutet dies, dass Wissen nicht passiv aufgenommen, sondern aktiv vom Subjekt aufgebaut bzw. konstruiert wird. Das Konzept der Selbstorganisation führt zu dem Schluss, dass alle Aktivitäten stets auf Basis früherer eigener Aktivitäten aufbauen, was sich unter den Begriff der Selbstreferentialität subsumieren lässt (Müller, 1996, S. 59). Zusammenfassend lassen sich vier Grundprinzipien des radikalen Konstruktivismus identifizieren (v. Glasersfeld, 1998, S. 96): 1. „Wissen wird nicht passiv aufgenommen, weder durch die Sinnesorgane noch durch Kommunikation. 2. Wissen wird vom denkenden Subjekt aktiv aufgebaut. 3. Die Funktion der Kognition ist adaptiver Art, und zwar im biologischen Sinne des Wortes, und zielt auf Passung oder Viabilität. 4. Kognition dient der Organisation der Erfahrungswelt des Subjekts und nicht der Erkenntnis einer objektiven ontologischen Realität.“ Im Gegensatz zum radikalen wurde von Vertretern der Erlanger Universität der methodische Konstruktivismus, eine gemäßigte Form, entwickelt. Zu den Begründernund Vertretern der Erlanger Schule zählen Dingler(1881–1954),Becker (1887– 1964), Kamlah (1905–1976) und Lorenzen (1915–1994). Die methodischen Konstruktivistenlehnen wie die radikalen eine objektiv-ontologischeDeutung der Wirklichkeit ab, unterscheiden jedoch zwischen dem Erfahrungswissen des Menschen
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und den Ergebnissen wissenschaftlicher Forschung (Siebert, 2003, S. 9) und somit zwischen praktischer und theoretischer Vernunft im Kant’schen Sinne (Brüggen, 1980, S. 265). Die Erlanger Konstruktivisten thematisieren u. a. die Erklärung von Handeln als Handeln in der Lebenspraxis und als wissenschaftliches Handeln sowie die methodische Begründung von Wissenschaftssprachen. Handeln in der Lebenspraxis impliziere eine Erkenntnisgewinnung in lebenspraktischen Sinnzusammenhängen, die wiederum als Fundament der Wissenschaft unabdingbar sei (ebenda, S. 265 ff.). Das führt zu dem Schluss, dass Wissenschaft als konkretes menschliches Handeln zu verstehen ist, dessen Begründungsbasis und die Frage nach Ziel und Zweck jedoch keiner vernünftigen Rechtfertigung unterliegen kann. Der Grund dafür ist die fehlende objektive Realität als wahre Begründungsbasis. Begründungen seien somit lediglich auf Basis von Begründungen möglich, deren Wahrheit unterstellt werde, jedoch nicht beweisbar sei. Dieses Problem wird auch als das „Münchhausen-Trilemma“ bezeichnet (ebenda, S. 268 f.). Einen Ausweg finden die Erlanger Konstruktivisten, indem sie dem wissenschaftlichen Handeln „technische Rationalität“ unterstellen, die einen Begründungsverzicht bezüglich der Ziele und Zwecke impliziert und diese als vorgegeben betrachtet. Trotz dieses vermeintlich unbefriedigenden Erklärungsansatzes sollen wissenschaftliches Handeln und theoretisches Wissen als Anleitung und Orientierung für lebenspraktisches Handeln dienen. Dieses Handeln resultiert aus theoretischem bzw. wissenschaftlichem und praktischem Denken, wobei Lorenzen hierbei zwischen Erkennen, Verstehen und Begreifen differenziert (Lorenzen, 1974, S. 113). Erkennen beinhaltet das Bilden von Meinungen über Situationen und situationsverändernde Handlungswirkungen sowie Situations- und Kausalerkennen. Verstehen erfordert die Deutung von Handlungen als Mittel zu Zwecken und die Deutung von Zwecken als Mittel zu anderen Zwecken. Mit Begreifen verbindet Lorenzen das Urteilen über Zwecke als Anwendung von Ethik (ebenda, S. 114). Die Notwendigkeit von Normen und Regeln zur Formulierung einer Ethik wird von den Erlanger Konstruktivisten nicht bestritten, jedoch legen sie keine konkreten Handlungsnormen vor. Vielmehr avisieren sie Prinzipien, anhand derer Rechtfertigungen für konkrete Handlungsnormen abgeleitet werden können (Brüggen, 1980, S. 279). Die Ableitung von Normen soll in einem Diskurs stattfinden, in welchem die Sprache als wissenschaftliches Kommunikationsmittel die zentrale Rolle einnimmt. Zur Vermeidung von Missverständnissen, die aus einem subjektiven Gebrauch von Sprache resultieren, verweisen die Erlanger Konstruktivisten auf eine allgemein anerkannte Wissenschaftssprache, die „Orthosprache“, die einen sinneinheitlichen Gebrauch von Wörtern gewährleisten soll (Zitterbarth, 1991, S. 80; Brüggen, 1980, S. 273). Eine Theorie, die auf das Konzept der Orthosprache Bezug nimmt, ist die konstruktivistische Konsensustheorie der Wahrheit, die besagt,
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dass ein Satz dann als wahr gelten soll, „wenn ihm in einem unvoreingenommenen Diskurs, einer idealen Sprechsituation, jeder Sachkundige und Gutwillige zustimmen kann“ (Zitterbarth, 1991, S. 80). Dies erfordere, dass der Diskurs undogmatisch, zwanglos und nicht persuasiv geführt werde und zwischen den Teilnehmern absolute Symmetrie herrsche. Die Konsensustheorie wird von den Erlanger Konstruktivisten als Methode zur Begründung von Theorien verwendet, da aus den ersten Sätzen, die als wahr bezeichnet werden, schrittweise Theorien begründet werden können. Der Erlanger Konstruktivismus löst sich mit dem Anspruch eines zirkelfreien Aufbaus, bei welchem jeder Schritt verständlich und ohne Rückgriff auf noch nicht eingeführte Begriffe durchzuführen ist, von der Zirkularität des radikalen Konstruktivismus. Hierbei wird auch deutlich, dass ihr Interesse einerseits auf der Frage der Verwertbarkeit und Bedeutung einer Wissenschaft liegt, andererseits aber auch auf der Methodologie, mit welcher Theorien konstruiert und Wissenschaften begründet werden. Letzteres unterscheidet den Erlanger Konstruktivismus vom radikalen Konstruktivismus, der sich mit den Konstruktionen per se beschäftigt und methodische Aspekte dabei nicht berücksichtigt. Die Erlanger Konstruktivisten versuchen zudem, mit der methodischen Komponente die Gefahr des „ungezügelten Pluralismus von Wirklichkeitskonstrukten“ zu verhindern (ebenda, S. 72). Eine weitere Eingrenzung von Wirklichkeitskonstrukten nehmen die Erlanger Konstruktivisten durch die Festlegung von drei Prinzipien vor, an welchen sich die Bildung praktischen Wissens orientieren soll (Brüggen, 1980, S. 282 ff.). Mit Hilfe des Beratungs- oder Vernunftprinzips soll entschieden werden, welche Ziele oder Zwecke einer Handlung vernünftig erscheinen und welche Normen zugrunde gelegt werden, um somit praktische universelle Handlungorientierung bieten zu können. Der Universalisierungsgedanke folgt aus der Prämisse, dass „eine jede Norm, die man selbst zur Begründung einer Zwecksetzung anführt, als Grund insbesondere auch für die eigenen Zwecksetzungen zu benutzen [sei]“ (Schwemmer, 1974, zit. in: Brüggen, 1980, S. 283). Dies schränkt zwar die Festlegung von Normen ein, jedoch bleibt die Frage der Harmonisierung gegensätzlicher Zwecke und Normen offen. Hierfür legen die Erlanger Konstruktivisten das Moralprinzip zugrunde, das wie folgt definiert wird: „Suche in einem Konflikt zwischen Normen (Zwecken) die miteinander verträglichen Supernormen (Oberzwecke) zu den konfligierenden Normen (Zwecken) und schlage nur solche Änderungen für die konfligierenden Normen (Zwecke) vor, bei denen die vorgeschlagenen Normen (Zwecke) Subnormen (Unterzwecke) der miteinander verträglichen, im ersten Schritt festgestellten, Supernormen (Oberzwecke) sind“ (Schwemmer, 1974; zit. in: Brüggen, 1980, S. 284 f.).
Hierbei wird eine Hierarchie unterstellt, die es ermöglicht, Normen und Zwecke
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zusammenzufassen, die ein gleiches übergeordnetes Ziel – Schwemmer verwendet die Bezeichnungen „Supernorm“ und „Oberzweck“ – verfolgen. So können die durch das Vernunftprinzip selektierten Normen und Zwecke durch das Moralprinzip in eine strukturierende Ordnung gebracht werden. Das dritte Prinzip, das Dialektikprinzip, soll eine kritische Prüfung der Supernormen und Oberzwecke hinsichtlich ihrer praktischen Rechtfertigung und Umsetzbarkeit ermöglichen. Dies erfolgt durch eine Deutung der Supernormen und Oberzwecke, wobei einerseits geprüft werden muss, wie richtig gedeutet wird (faktische Genese von Normen oder Normensystemen) und wie die Deutung beurteilt werden soll (kritische oder normative Genese von Normen und Normensystemen) (Brüggen, 1980, S. 286). Im Folgenden werden nun die Grundannahmen des radikalen denen des methodischen Konstruktivismus gegenübergestellt. Mit der Festlegung von Prinzipien zur Festlegung von Normen und Zwecken nehmen die methodischen Konstruktivisten eine Konkretisierung von Wirklichkeitskonstrukten, hinsichtlich ihrer praktischen und theoretischen Relevanz für die Wissenschaft vor. Damit wird eine Eingrenzung kognitiver Konstruktionen vorgenommen und somit dem Konstruktionenpluralismus der radikalen Konstruktivisten entgegengewirkt. Auch dem zentralen Aspekt der kognitiven Konstruktion wird von den Erlanger Konstruktivisten im Gegensatz zu den radikalen Konstruktivisten eine praktische Konnotation verliehen. Verweisen die radikalen Konstruktivisten auf Wissen, Wissenserwerb und Erkenntnis, so fokussieren die methodischen Konstruktivisten das Handeln hinsichtlich seiner theoretischen und praktischen Umsetzung und Bedeutung. Wissenschaftliches Handeln im methodisch-konstruktivistischen Verständnis impliziert eine theoretische Vorleistung – das Denken im Sinne von Erkennen, Verstehen und Begreifen. Die Konzentration auf die Wissenschaft und die kognitiven Leistungen des Wissenschaftlers stellen einen weiteren Unterschied zum radikalen Konstruktivismus dar, der jedes Subjekt und dessen Erkenntnisfähigkeit als Forschungsgegenstand betrachtet. Daraus resultiert, dass der radikale Konstruktivismus die subjektiven Konstruktionen per se thematisiert, jedoch nicht die Methode, wie diese Konstruktionen zustande kommen. Der radikale Konstruktivismus strebt zudem nicht nach einer Begründungsgrundlage für die methodische Erklärung von wissenschaftlichen Konstruktionen, wie es die Erlanger Konstruktivisten intentionieren. Auf Basis der dargestellten Kernaussagen des radikalen und des methodischen Konstruktivismuskönnen Aspekte,die einkonstruktivistischesKompetenzverständnis begründen, abgeleitet werden. Trotz der Unterschiede in den verschiedenen Ansätzen des Konstruktivismus lassen sich entscheidende Aspekte für die Festlegung eines konstruktivistischen Kompetenzbegriffs identifizieren. Kompetenz im Sinne des radikalen Konstruktivismus bedeutet primär die Fähigkeit, durch den
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Erwerb von Wissen und Erkenntnis eine gedankliche Konstruktion der Umwelt zu erzielen. Konkretisiert bedeutet dies, dass kognitive Leistungen notwendig sind für den Aufbau von Begriffs-, Wissens- und Wirkungsnetzen (Siebert, 2003, S. 75). Diese Leistungen äußern sich in der Fähigkeit, ein bestimmtes Thema oder eine Aufgabe gedanklich zu durchdringen und komplexe Relationen zu erkennen, aufzubauen und zu erweitern. Kompetenz im Sinne des methodischen Konstruktivismus bedeutet ferner nicht nur die Aneignung und Verarbeitung von Informationen, wie es der radikale Konstruktivismus konstatiert, sondern auch die Fähigkeit, Kritik und Selbstkritik zu äußern sowie Urteilsfähigkeit und Urteilsvorsicht zu beweisen. Dies erfordert die Fähigkeit zur Selektion, Anwendung und Bewertung von Normen und Zwecken, die einer Objektivität unterliegen. Der Fokus liegt hierbei auf der methodischen Entwicklung und Durchdringung von Aufgaben und Themen. Eine Übersicht über die beiden Strömungen des Konstruktivismus, deren Vertreter und Kernaussagen sowie Aspekte zur Begründung eines Kompetenzbegriffs befindet sich in Abbildung 2.4. Radikaler Konstruktivismus
Methodischer Konstruktivismus
Theoretische Vertreter Kernaussagen
v. Glasersfeld, v. Foerster
Dingler, Becker, Kamlah, Lorenzen
Negierung einer objektiven-ontologischen Deutung der Realität, Wissen als subjektives, erfahrungsbasiertes und adaptives Konstrukt
Indikatoren für einen konstruktivistischen Kompetenzbegriff
Kompetenz als Befähigung zur Konstruktion einer subjektiven, erfahrungsbasierten Realität
Methodische Erklärung wissenschaftlicher Konstruktionen, Erkenntnisfähigkeit, theoretische Begründung und praktische Umsetzung des Handelns Kompetenz als methodische Befähigung zur Konstruktion und Beurteilung einer subjektiven Realität unter der Prämisse objektiver Kriterien
Abbildung 2.4.: Radikaler vs. methodischer Konstruktivismus
Das konstruktivistische Verständnis konzentriert sich ausschließlich auf innere nicht direkt beobachtbare und messbare Denkprozesse, während das behavioristische Verständnis sich auf die äußeren direkt beobachtbaren und messbaren Verhaltensprozesse bezieht. Obgleich diese Trennung der radikal-konstruktivistischen Auffassung entspricht, ist sie nur marginal konform mit den methodisch-konstruktivistischen Ansätzen. Diese sehen kognitive Kompetenzen als Voraussetzung für praktisches und wissenschaftliches Handeln. Dieses ist jedoch im Gegensatz zur behavioristischen „Handlungskompetenz“ nicht als Reaktion auf äußere Stimu-
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li zu verstehen, sondern vielmehr als Folge einer geistigen Durchdringung einer bestimmten Anwendungssituation. Diese erfordert ein konkretes und kognitiv vorbereitetes Handeln und dessen Reflexion, wobei die Bewertung bzw. Messbarkeit dieses Handelns auf Normen und Zwecke rekurriert, welche wiederum subjektiv festgelegt und interpretiert werden. Es lässt sich ein konstruktivistischer Kompetenzbegriff ableiten, der sich primär auf den methodischen Konstruktivismus bezieht, und der Kompetenz als ein Konstrukt begreift, das die Entwicklung und Veränderung von Verhaltensdispositionen erklärt und diese gemäß Normen und Werten evaluiert. Ein arbeitswissenschaftliches Verständnis von Kompetenz Charakteristisch für die lerntheoretischen Zugänge zum Kompetenzverständnis ist der reine Subjekt- bzw. Personenbezug. Nähert man sich dem Kompetenzbegriff aus arbeitswissenschaftlicher Perspektive, so lässt sich eine Erweiterung dahingehend feststellen, dass Kompetenz einerseits – ähnlich wie bei den obigen Beispielen – als individuelle Befähigung zum Handeln bzw. Verhalten verstanden wird. Andererseits wird der Kompetenzbegriff nicht mehr nur in Bezug auf das Subjekt verwendet, sondern vielmehr im Sinne einer „lernenden Organisation“ (Senge 1994; Hardwig, 2004; Sauer, 2002). Sowohl der individuelle als auch der organisationale Kompetenzbegriff im arbeitswissenschaftlichen Kontext weisen Parallelen und Interdependenzen auf und können nicht vollkommen getrennt voneinander betrachtet werden. Bei der Betrachtung vorherrschender Definitionsansätze zur Beschreibung des personenbezogenen Kompetenzbegriffs aus den Arbeitswissenschaften ist ein gemeinsames Merkmal herausragend: die Fähigkeit zu selbstorganisiertem Denken und Handeln in komplexen und sich verändernden Arbeitssituationen (z. B. Sonntag/Schmidt-Rathjens, 2004, S. 55). Dieses Kompetenzverständnis ist jedoch in der Realisierung konkreter Arbeitsanforderungen zu generell, weshalb verschiedene Einzelkompetenzen definiert werden, die letztendlich zu einer Gesamtkompetenz im obigen Sinne führen sollen. Insbesondere im Bereich der Personalwirtschaft setzt die aktuelle Kompetenzforschung eigene Schwerpunkte: erstens hinsichtlich der Erfassung und Messung von Kompetenzen und zweitens hinsichtlich der Festlegung von Kompetenzen im Sinne von Kompetenzmodellen. Beide Aspekte werden unter dem Begriff des Kompetenzmanagements zusammengefasst, oftmals auch unter den Begriffen „Wissensmanagement“ oder „Skill Management“ (Gebert, 2002; Grote/Kauffeld/Frieling, 2006; Pieler/Schuh, 2003, S. 20; Tenberg/Hess, 2005, S. 4). Bei der Festlegung von Kompetenzmodellen lassen sich grundsätzlich zwei Extreme identifizieren: ein Kompetenzmodell, das auf eine be-
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stimmte Arbeitstätigkeit ausgerichtet ist („Single-Job-Ansatz“) und ein Kompetenzmodell, das berufsunabhängige allgemeine Anforderungen beinhaltet („OneSize-Fits-All-Ansatz“). Diese Unterscheidung weist Parallelen zu dem angeführten Systematisierungsansatz zwischen einem kumulativen und situationsabhängigen und einem holistischen und dekontextualisierten Kompetenzverständnis auf. Auch in einem arbeitswissenschaftlichen Kontext wird jedoch deutlich, dass aktuelle Modelle, bei denen die Operationalisierbarkeit im Vordergrund steht, in erster Linie hybride Modelle sind, die sich zwischen beiden Extremen bewegen und berufsspezifische mit allgemeinen Fähigkeiten und Kenntnissen verknüpfen. Ein Beispiel für ein arbeitswissenschaftliches Kompetenzverständnis ist der Ansatz von Reinhard, welcher Kompetenz als Komponente des Humankapitals im Sinne von Wissen und Fertigkeiten definiert (Reinhardt, 1998, S. 153). Ergänzt wird Kompetenz durch die Komponenten „Bereitschaft“ und „Lernfähigkeit/Flexibilität“ (siehe auch Roos et al., 1997; Sveiby, 1997). Bereitschaft spezifiziert Reinhardt mit den Kategorien „Motivation“, „Verhalten“ und „Werte“, welche als personale Fähigkeiten und insbesondere voluntative Komponenten beschrieben werden können. Mit Lernfähigkeit und Flexibilität werden Innovations-, Imitations-, Anpassungs- und Umsetzungsfähigkeit kategorisiert und somit in Ergänzung zu personalen auch soziale Fähigkeiten definiert. Hervorzuheben ist bei diesem Ansatz jedoch, dass Kompetenz ausschließlich die fachlichen Fähigkeiten begreift und in Verbindung mit personalen und sozialen Komponenten – welche explizit nicht als Kompetenz(en) bezeichnet werden – das Konstrukt „Humankapital“ bildet. Humankapital, über das ein Individuum verfügt, ist wiederum bedeutsam für die Handlungsmöglichkeiten eines Unternehmens. Dies wird durch folgende Definition nochmals verdeutlicht: „Kompetenz stellt die inhaltliche Seite des Humankapitals dar und legt fest, über welche Handlungsmöglichkeiten ein Unternehmen verfügt [...]“ (Reinhardt, 1998, S. 153).
Reinhard verdeutlicht die Differenzierung von einem individuellen und einem organisationalen Kompetenzverständnis, wobei die individuelle Seite des Kompetenzbegriffs Fähigkeiten umfasst, die dem Individuum zugehörig sind, jedoch für das Unternehmen und dessen Handlungsmöglichkeiten von Bedeutung sind. Diese Differenzierung wird auch in einem Ansatz von Pawlowsky/Menzel/Wilkens vorgenommen, die Kompetenz als Mehrebenenkonstrukt definieren und hierbei vier Analyseebenen differenzieren, denen jeweils ein Grundverständnis des Kompetenzbegriffs zugrunde gelegt wird. Zu diesen vier Ebenen zählen die Ebene des Individuums, der Gruppe, der Organisation und des Netzwerks. Greift man die Analyseebenen „Individuum“ und „Organisation“ heraus und stellt diese gegenüber, so lassen sich ein individueller und ein organisationaler Kompetenzbegriff
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Die Kompetenzforschung als inhaltstheoretischer Bezugsrahmen
ableiten (Pawlowsky/Menzel/Wilkens, 2005, S. 343). Der arbeitswissenschaftliche Kompetenzbegriff im Sinne des Individuums auf der Ebene des Arbeitsplatzes wird mit Bezugnahme auf einschlägige Ansätze in der Pädagogik und Psychologie anhand von drei Aspekten charakterisiert. Erstens bedeutet Kompetenz hier „die subjektive Überzeugung eines Individuums, eine bestimmte Handlung ausüben zu können“ (ebenda, S. 344). Kompetenz impliziert somit vorwiegend die innere Einstellung zu handeln, wenngleich die Befähigung hierzu miteingeschlossen werden muss. Zweitens rekurriert der individuelle Kompetenzbegriff auf dem Konstrukt beruflicher Handlungskompetenz mit der Differenzierung nach Fach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenz, wodurch ein Bezug zu berufs- und wirtschaftspädagogischen Ansätzen deutlich wird. Drittens wird festgestellt, dass der individuelle Kompetenzbegriff im arbeitswissenschaftlichen Kontext oftmals in Verbindung zum Qualifikationsbegriff gefasst wird. Qualifikation wird im Sinne von Arbeitsanforderung und Kompetenz als Arbeitsvermögen verstanden (ebenda, S. 354). Hierbei ist jedoch nicht von allgemeinem Arbeitsvermögen die Rede, sondern vielmehr von der Erfüllung von Arbeitsanforderungen in konkreten Leistungssituationen. Somit lässt sich hier im Gegensatz zu einem holistischen Kompetenzverständnis auf ein situationsabhängiges und kumulatives Verständnis schließen. Aus diesen drei Charakteristika lässt sich der individuelle, arbeitswissenschaftliche Kompetenzbegriff wie folgt zusammenfassen: Kompetenz ist zu verstehen als individuelle Überzeugung zu handeln, wobei die Handlungsfähigkeit in konkreten Arbeitssituationen impliziert wird. Aspekte der Vermittlung dieser allgemeinen Fähigkeiten und Kenntnisse sowie deren didaktische Begründung werden jedoch auf dieser Ebene nicht thematisiert. Auch die Frage, inwiefern ein holistisches Kompetenzverständnis zur Bewältigung spezifischer Arbeitsaufgaben befähigen kann, bleibt unbeantwortet. Der organisationale Kompetenzbegriff kann allgemein als Handlungsfähigkeit eines Unternehmens bezeichnet werden (u. a. Staudt/Kriegesmann, 2002, S. 34). Die organisationale bzw. unternehmerische Handlungsfähigkeit wird spezifiziert als die effektive Nutzung von materiellen und immateriellen Ressourcen, weshalb in diesem Zusammenhang auch von einem „Resource-based View“ die Rede ist (u. a. Barney/Arikan, 2001; Rouse/Daellenbach, 2002). Zu den immateriellen Ressourcen zählen die Kompetenzen der Mitarbeiter, insbesondere deren unternehmensspezifisches und übergreifendes Fachwissen, aber auch Faktoren wie Werte und Einstellungen sowie soziale Kompetenzen (Pawlowsky/Menzel/Wilkens, 2005, S. 348 f.). Daraus lässt sich schlussfolgern, dass die organisationale abhängig ist von der individuellen Kompetenz der Mitarbeiter, denn nur wenn diese vorhanden ist, kann sie effektiv genutzt werden und die Handlungsfähigkeit des
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Unternehmens sichern. Doch auch umgekehrt kann auf ein Abhängigkeitsverhältnis geschlossen werden. Die individuelle Kompetenz eines Mitarbeiters am Arbeitsplatz soll durch das Unternehmen gefördert werden. Dies bezieht sich primär auf die unternehmensspezifischen Anforderungen, jedoch auch auf übergreifende Fähigkeiten und Kenntnisse im Sinne der Schlüsselqualifikationen. Das bedeutet, dass kompetenzförderliche Arbeits- und Lernumgebungen geschaffen werden müssen. Daraus resultiert die Frage, ob organisationale Kompetenz nicht nur die Nutzung von Ressourcen beinhaltet, sondern vielmehr die Förderung und Gestaltung dieser Ressourcen, was die Frage nach didaktisch-methodischen Ansätzen zur Entwicklung und Förderung von individueller Kompetenz aufwirft. Abschließend kann somit festgehalten werden, dass in einem arbeitswissenschaftlichen Kompetenzverständnis zum einen die Individualebene und somit Fähigkeiten und Kenntnisse eines Mitarbeiters zur Bewältigung von Arbeitssituationen konkretisiert wird. Zum anderen wird die Organisationsebene und somit die Nutzung und auch die Förderung der individuellen Kompetenz eingeschlossen, wobei nicht die Separierung, sondern vielmehr die Interrelation von individueller und institutioneller Kompetenz zunehmend in den Vordergrund gestellt wird. Hasebrook/Zawacki-Richter/Erpenbeck sprechen diesbezüglich bereits von einer Konvergenz der persönlichen und betrieblichen Kompetenzen und sehen dies in einer Konvergenz der bildungswissenschaftlichen und der ökonomischen Perspektive begründet (Hasebrook/ Zawacki-Richter/Erpenbeck, 2004, S. 329 f.). Sowohl bei lerntheoretischen wie auch bei arbeitswissenschaftlichen Zugängen zum Kompetenzbegriff liegt die Problematik in der Definition des Begriffs sowie in der Erfassung, Messung und Bewertung. In beiden Bereichen sind große begriffliche Unschärfen vorzufinden, die zu einer Heterogenität hinsichtlich Kompetenzkonstrukten führt. Diese Komplexität wird durch unterschiedliche Ansätze in der Operationalisierung verstärkt. Der Operationalisierung wird ein kumulativer Kompetenzbegriff zugrunde gelegt, welcher in den lerntheoretischen Ansätzen durch das Konstrukt der beruflichen Handlungskompetenz realisiert wird, das sich in modifizierter Form in den Ansätzen der Arbeitswissenschaften wiederfindet. Auch hierbei scheint kein einheitliches Instrument zur Messung und Bewertung von Kompetenzen zu genügen, da auf unterschiedliche Formen der Kompetenzbilanzierung zurückgegriffen wird, wobei in den Arbeitswissenschaften das von Kaplan und Norton 1997 entwickelte Konzept der Balanced Scorecard das am meisten eingesetzte Instrument darstellt (Barthel/Gieri/Kühn, 2004, S. 38). Dies spiegelt den aktuellen Forschungsstand der Kompetenzforschung insofern wider, als es unterschiedliche Ansätze zur Beschreibung des Kompetenzbegriffs und daraus folgend auch unterschiedliche Kompetenzkonstrukte und Verfahren zur Messung und Bewertung gibt. Deutlich wird jedoch auch, dass eine zunehmende In-
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terdisziplinarität festzustellen ist, da sowohl in der Berufs- und Wirtschaftspädagogik auf arbeitswissenschaftliche Ansätze Bezug genommen wird, aber auch die Arbeits- und Organisationslehre Ansätze aus der Pädagogik und Psychologie integriert. 2.2.5. Zur Taxonomierung des Kompetenzbegriffs In Anlehnung an Bloom lassen sich drei Bereiche – kognitiv, affektiv, psychomotorisch – identifizieren, in welchen ein Kompetenzbegriff angesiedelt werden kann. Der kognitive Bereich beinhaltet nach Bloom „Erinnern oder Erkenntnis von Wissen und die Entwicklung intellektueller Fertigkeiten und Fähigkeiten“ (Bloom, 1972, S. 20). Das bedeutet, dass sich der Kompetenzbegriff auf reine Denkprozesse reduzieren lässt und somit als Ansammlung von Wissen sowie als dessen Verarbeitung zu verstehen ist. Der affektive Bereich fokussiert Interessen, Einstellungen und Werte sowie die Entwicklung von Wertschätzungen und geeignetem Anpassungsvermögen (ebenda, S. 21). Bezogen auf den Kompetenzbegriff bedeutet dies die Fähigkeit, eigene Werte zu entwickeln, Werte aus der Umwelt aufzunehmen und zu verarbeiten sowie verschiedene Werte zu evaluieren. Der psychomotorische Bereich beinhaltet praktische Fertigkeiten und spiegelt somit den praxisorientierten ausführenden Kompetenzaspekt wider. Bloom entwickelt eine Lernzieltaxonomie, die sich jedoch ausschließlich auf den kognitiven Bereich bezieht, und klassifiziert die kognitiven Fähigkeiten anhand dieser sechs Stufen: 1. Wissen, 2. Verstehen, 3. Anwendung, 4. Analyse, 5. Synthese und 6. Evaluation. Im Folgenden wird analysiert, inwiefern sich einzelne Kompetenzaspekte auf den jeweiligen Stufen identifizieren lassen und welches Kompetenzverständnis daraus resultiert. Wissen bezieht sich allgemein auf das Speichern von Informationen und das Abrufen dieser Informationen in einer zeitlich nachgelagerten Problemsituation, wobei Bloom folgende Wissensbereiche differenziert (ebenda, S. 72 ff.): Wissen konkreter Einzelheiten, terminologisches Wissen, Wissen einzelner Fakten, Wissen der Wege und Mittel, Arbeiten mit konkreten Einzelheiten, Wissen von Konventionen, Wissen von Trends und zeitlichen Abfolgen, Wissen von Klassifikationen und Kategorien, Wissen von Kriterien, Wissen von Methoden, Wissen von Verallgemeinerungen und Abstraktionen eines Fachgebietes, Wissen von Prinzipien und Verallgemeinerungen sowie Wissen von Theorien und Strukturen. Diese verschiedenen Facetten von Wissen lassen nicht nur auf unterschiedliche Formen von Informationen, sondern auch auf unterschiedliche Anforderungen in verschiedenen Problemsituationen schließen. Die einzelnen Wissenskategorien werden nicht unabhängig voneinander gespeichert, da Wissen die Erkennung von
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Verbindungen erfordert, um in einer konkreten Anwendungssituation verschiedene Wissensaspekte kombinieren zu können. Darauf gründet das Verstehen des aufgenommenen Wissens. Verstehen differenziert Bloom weiter in: Übersetzen, Interpretieren und Extrapolieren (ebenda, S. 98 ff.). Während Übersetzen als Fähigkeit, „eine Information in eine andere Sprache, in andere Begriffe oder in eine andere Art der Information [zu, SH] überführen“ verstanden wird, bezieht sich Interpretieren auf Aktivitäten wie Schlussfolgern, Verallgemeinern und Zusammenfassen. Extrapolieren hingegen beinhaltet Schätzungen und Voraussagen sowie das Ableiten von Implikationen, Folgen, Hilfssätzen und Effekten, die aus der erfassten Information hervorgehen (ebenda, S. 99). Auch hierbei sind wieder Interdependenzen erkennbar, da eine Extrapolation die Fähigkeit zur Übersetzung und Interpretation vorgegebener Informationen erfordert. Auf der nächsten Stufe findet die konkrete Anwendung des erworbenen und verstandenen Wissens statt. Von Bedeutung ist hier die Anwendung in Situationen, die sich von der primären Lernsituation unterscheiden und somit einen Transfer des Wissens auf einen anderen Kontext nach sich ziehen. Erst danach demonstriert der Lernende, dass das Wissen erworben, verarbeitet und verstanden wurde. Auf die Anwendung folgt die Analyse, welche „die Auflösung des Materials in ihre wesentlichen Teile, die Entdeckung von Beziehungen zwischen den Teilen und der Arten, in denen diese organisiert sind“, betont (ebenda, S. 156). Hierbei sind Fähigkeiten gefordert wie die zur Differenzierung von Hypothesen und Tatsachen, zur Identifizierung von Schlüssen, zur Unterscheidung zwischen wichtigem und unwichtigem Material und zur Identifizierung von Relationen. Bloom differenziert dabei drei Ebenen: die Analyse von Elementen, die Analyse von Beziehungen und die Analyse von ordnenden Prinzipien. Auf der ersten Ebene werden einzelne Elemente der Information identifiziert und klassifiziert, wobei die Schwierigkeit bei der Findung impliziter, nicht ausdrücklich dargestellter Elemente liegt. Die Analyse von Beziehungen besteht darin, Verbindungen zwischen den Elementen zu identifizieren, wobei dies bspw. Beziehungen zwischen Hypothesen und Ergebnissen sowie zwischen Schlussfolgerungen und Hypothesen sein können. Dabei werden Thesen entwickelt, erweitert und verifiziert bzw. falsifiziert. Auf der dritten Ebene werden ordnende Prinzipien analysiert, wobei hier Strukturen, Organisation, Formen und Muster von Informationen zu identifizieren sind. Die Synthese versteht Bloom als „Zusammenfügen von Elementen und Teilen zu einem Ganzen“ (ebenda, S. 174 ff.), wobei hierunter die Fähigkeit verstanden wird, Elemente aus verschiedenen Quellen zu vereinen, um ein neues „Produkt“ zu schaffen. Bloom differenziert drei Unterkategorien der Synthese, die sich auf die Unterschiede in den Resultaten beziehen. Im ersten Fall stellt das Ergebnis eine
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einzigartige Information dar, wobei hier von Bedeutung ist, wie die bestehenden Informationsquellen genutzt werden, wie bestimmte Ideen, Gesichtspunkte und Argumente verstanden und wie diese zu einer neuen Information verarbeitet werden. In der zweiten Kategorie ist das Produkt der Synthese ein Plan für bestimmte Handlungen, die durchgeführt werden sollen. Auch hierbei sind die Verarbeitung und das Zusammenfügen relevanter Informationen für die Erstellung des Plans zentral; die tatsächliche Realisierung des Plans ist jedoch nicht Teil des Syntheseprozesses. In der dritten Unterkategorie der Synthese ist das Resultat eine Folge abstrakter Beziehungen. Dies können Hypothesen über mögliche und notwendige Beziehungen sein, die aus einer detaillierten Analyse abzuleiten und zu überprüfen sind. Die letzte Stufe der Taxonomie Blooms ist die Evaluation oder „das Bewerten von Ideen, Arbeiten, Lösungen, Methoden, Materialien, usw. zu irgendeinem Zweck“ (ebenda, S. 200). Voraussetzung für die Entwicklung von qualitativen und quantitativen Werturteilen ist die Verwendung von Kriterien und Normen, wobei hier nicht nur objektive Bewertungen, sondern auch subjektive Einstellungen wie Sympathie, Antipathie, Freude, Angst usw. eine Rolle spielen. Hier löst sich folglich die Taxonomie vom ausschließlich kognitiven Bereich und lässt Aspekte des affektiven Bereichs einfließen. Evaluation bedeutet zum einen das Urteilen aufgrund innerer Evidenz, die sich auf Normkriterien zur Prüfung der Richtigkeit der Arbeit, logischer Beziehungen u. Ä. bezieht, und zum anderen das Urteilen aufgrund äußerer Kriterien, die ausgewählte Aspekte wie Zielerfüllung, Techniken, Regeln und den Vergleich mit anderen Arbeiten umfasst. Die Taxonomiestufen nach Bloom wurden in einem Ansatz von Anderson/ Krathwol modifiziert und so wurden die Synthese aus der Taxonomie entfernt und eine neue Stufe, die Kreativität, hinzugefügt (siehe Tabelle 2.1). Zudem wurden vier Wissensdimensionen ergänzt, auf die sich die sechs Stufen beziehen: factual knowledge, conceptual knowledge, procedural knowledge und meta-cognitive knowledge (Anderson/Krathwol, 2001, S. 29). Unter factual knowledge werden die grundlegenden Elemente eines Fachgebietes verstanden, d. h. die Fachsprache und Fachausdrücke sowie spezifische Details eines Fachgebietes. Conceptual knowledge hingegen verweist auf die Zusammenhänge einzelner Grundelemente innerhalb einer Gesamtstruktur, d. h. auf das Wissen von Klassifikationen und Kategorien, Prinzipien und Generalisierungen sowie Theorien, Modelle und Strukturen (siehe dazu ausführlich Gelman/Greeno, 1989). Procedural knowledge wird definiert als das Wissen und die Anwendung von Methoden und Kriterien sowie von Algorithmen und Techniken. Meta-cognitive knowledge steht für strategisches Wissen, Wissen über die eigenen Fähigkeiten sowie das Wissen von kognitiven Aufgaben, d. h. kontextuales und konditionales Wissen.
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2.2. Zum Kompetenzbegriff und -konstrukt im deutschen Kontext
The Cognitive Process Dimension The Knowledge Dimension A. Factual B. Conceptual C. Procedural D. Metacognitive
1. Remember
2. Understand
3. Apply
4. Analyze
5. Evaluate
6. Create
Tabelle 2.1.: Die Taxonomie-Matrix nach Anderson/Krathwol; Quelle: Anderson/Krathwol, 2001, S. 32
Wie dargestellt, werden auf jeder Taxonomiestufe und in der jeweiligen Wissensdimension unterschiedliche Fähigkeiten definiert. Unter Bezugnahme auf einen kumulativen Kompetenzbegriff lassen sich auf jeder Stufe bereits Kompetenzen beschreiben, die zumindest partiell einen eigenständigen Charakter aufweisen. Stellt man an den Kompetenzbegriff jedoch holistische Anforderungen, so wird Kompetenz erst dann erfüllt, wenn alle Anforderungen von der ersten bis zur letzten Taxonomiestufe erfüllt werden, was auch im Sinne Blooms ist, der die vorausgehenden Stufen als Voraussetzung der jeweils folgenden sieht. Eine erfolgreiche Synthese setzt demnach eine erfolgreiche Analyse und Anwendung sowie ein umfassendes Verstehen und Wissen voraus und führt erst damit zu einer fundierten Evaluation. Die Fähigkeiten, die zu kognitiven Leistungserfüllungen führen, können jedoch als notwendige Partialkompetenzen und Voraussetzung für psychomotorische und affektive Fähigkeiten betrachtet werden, welche in Kombination die Anforderungen eines umfassenden Kompetenzbegriffs erfüllen. Leitet man nun aus den drei Bereichen und den Taxonomiestufen einen Kompetenzbegriff ab, so umfasst dieser kognitive Fähigkeiten und Kenntnisse, die einer Taxonomie folgen, sowie affektive und psychomotorische Fähigkeiten und Kenntnisse, die kombiniert werden müssen, um allgemeine Anforderungen und spezifische Handlungssituationen erfolgreich bewerkstelligen zu können. Die Taxonomierung des Kompetenzbegriffs ist für die Entwicklung von Kompetenzstufenmodellen von Bedeutung, in welchen spezifische Kompetenzaspekte definiert und auf unterschiedlichen Stufen gemäß ihres Komplexitäts- und Anforderungsgrades verortet werden. Die PISA-Studie ist ein Beispiel für ein Testmo-
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dell, das auf Kompetenzstufen basiert. So werden bspw. der Lesekompetenz drei Kompetenzaspekte – Informationsermittlung, Interpretation und Reflexion/Bewertung – zugeordnet, die wiederum hinsichtlich ihrer Komplexität, Abstraktheit, Explizität und Reflexivität in unterschiedliche Kompetenzstufen differenziert werden (Witt, 2006, S. 412). Auch die TIMM-Studie basiert auf der Taxonomie Blooms, wobei drei allgemeine Kompetenzdimensionen definiert sind (Stoffgebiet, Verhaltenserwartung bzw. kognitive Operationen und allgemeine Unterrichtsziele), die durch spezifische Inhalte konkretisiert werden. Bei der Auswertung von Kompetenztests wird in der Regel auf die Item Response Theory zurückgegriffen, in welcher die gestellten Aufgaben zur Kompetenzmessung als manifeste Variablen definiert werden und die nicht beobachtbaren Fähigkeiten über Indikatoren in Form von latenten Variablen gemessen und ausgewertet werden (u. a. Baker/Kim, 2004; Müller, 1999). Zur Abbildung einzelner Kompetenzen wird vermehrt die RaschSkala herangezogen, in welcher sowohl der Itemparameter, und somit die Schwierigkeit der Aufgabe, festgehalten wird als auch der Personenparameter, sprich die individuelle Kompetenz (Witt, 2006, S. 413). Wenngleich diese Ansätze der Testtheorie einen grundlegenden Beitrag zur Problematik der Kompetenzerfassung und Kompetenzmessung leisten, bleiben einige Schwierigkeiten bestehen – insbesondere hinsichtlich komplexer und reflexiver Kompetenzen, die durch Aufgaben gemessen werden, die keine eindeutig richtige oder falsche Antwort erlauben. Festzuhalten bleibt jedoch, dass mit den Kompetenztestmodellen und der zugrunde gelegten Taxonomierung von Kompetenzen ein kompetenzanalytischer und kumulativer Kompetenzbegriff verwendet wird, was die eingangs aufgeworfenen Hypothese festigt, dass die Operationalisierbarkeit eines kumulativen Kompetenzbegriffs leichter zu realisieren ist als ein holistisches Kompetenzverständnis. Dies wird durch die folgende Auseinandersetzung mit dem Konstrukt der beruflichen Handlungskompetenz und dessen Messung nochmals verdeutlicht. 2.2.6. Das Konstrukt der beruflichen Handlungskompetenz Das Konstrukt der beruflichen Handlungskompetenz ist zum einen im wissenschaftstheoretischen Diskurs – und diesbezüglich im Hinblick auf theoretische Konzeptionen und deren Operationalisierbarkeit – zu verorten und zum anderen in der berufsbildungspolitischen Diskussion der letzten Jahre. Die politische Dimension spiegelt sich primär in Gestaltungs- und Steuerungsfragen curricularer Vorgaben wider, wobei insbesondere mit der Einführung des Lernfeldkonzepts die berufliche Handlungskompetenz zugleich Zielgröße und Strukturprinzip darstellt (BIBB, 2003, S. 6; BMBF, 2007, S. 18 und S. 167; BMBF, 2006, S. 9). Bereits 1974 führt der Deutsche Bildungsrat in seinen Empfehlungen zur Neuordnung
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der Sekundarstufe II das Konstrukt „Handlungskompetenz“ ein mit dem Ziel der wissenschaftstheoretisch begründeten curricularen Integration von Allgemein- und Berufsbildung (Deutscher Bildungsrat, 1974, S. 50 ff.). In den Ausbildungsordnungen wird der Begriff der beruflichen Handlungskompetenz implizit seit 1987 als Zielgröße für Ausbildungsberufe verwendet, implizit deshalb, da nicht direkt vom Begriff der beruflichen Handlungskompetenz, sondern vielmehr vom Ziel der selbstständigen Planung, Durchführung und Kontrolle die Rede ist. In den neueren Ausbildungsordnungen wird der Begriff der Handlungsfähigkeit jedoch explizit genannt (BIBB, 2003, S. 6). Die KMK formuliert in den Rahmenlehrplänen das Ziel der beruflichen Handlungskompetenz für die landesweiten Curricula in den Berufsschulen als zentrales Moment des Bildungsauftrags der Berufsschule (KMK, 2000, S. 9). Das Konstrukt der beruflichen Handlungskompetenz verbindet zwei Begriffe, zum einen den Begriff der Kompetenz, dessen heterogene Zugänge bereits dargestellt wurden, und zum anderen den Begriff der Handlung. Eine Handlung besteht nach Bunk aus fünf aufeinanderfolgenden Komponenten: Zielsetzung, Wahrnehmen, Denken, Ausführen und Kontrolle. Mit der Festlegung einer Zielsetzung wird das Handeln zu einem zielgerichteten, das jedoch erlernt werden muss, und somit zum Begriff des Handlungslernens führt: „Eine Lern-Handlung ist dann pädagogisch begründet, wenn sie spontan und aktiv auf ein Ziel, ein Problem, eine Aufgabe gerichtet ist, wenn sie im Wahrnehmen die Phänomene scharf differenziert, wenn sie im Denken und in der Ausführung Theorie und Praxis sowie Planung und Realisationsmöglichkeiten miteinander verbindet, wenn sie Raum für eine eigenverantwortliche Entscheidung lässt und die Selbstprüfung sowie Bewertung des Ergebnisses ermöglicht“ (Bunk, 1994, S. 12).
Problematisch ist in diesem Zusammenhang die Forderung nach der Spontaneität, die eine Lernhandlung aufweisen soll. Dies steht im Widerspruch zum Verständnis von einer geplanten Handlung, die eine klare Zielformulierung sowie Reflexion beinhaltet. Ein Ausweg aus diesem Dilemma findet sich, wenn sich Spontaneität lediglich auf einen Impuls bezieht, der den Denkprozess für die Handlung anstößt. Bezogen auf den beruflichen Kontext kann dieser Impuls eine konkrete Aufgabe am Arbeitsplatz sein, welche die Lernhandlung auslöst. Wird diese dann erfolgreich durchgeführt, so verfügt das Individuum über berufliche Handlungskompetenz, basierend auf der pädagogischen Begründung des Handlungslernens. Ein ähnlich begründetes Verständnis weist die psychologische Handlungstheorie auf, welche Handlungskompetenz versteht als „die Fähigkeit, nahezu unendlich viele ‘Oberflächenstrukturen’ des Handelns aus einer Wissensbasis heraus unter Zuhilfenahme einer begrenzten Anzahl von Handlungsregeln zu erzeugen“ (Aebli, 1980, S. 58 ff.). Die Zugrundelegung einer Wissensbasis und eines Systems
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von Regeln, die das Individuum handlungsfähig machen, ist auch dem arbeitspsychologischen Verständnis von Handlungskompetenz innewohnend. So verstehen Vertreter der Handlungsregulationstheorie, wie Hacker (1980) und Volpert (1974), Handlungskompetenz als „das dem Menschen zur Verfügung stehende System zur Generierung realisierbarer Pläne“ (Volpert, 1974, S. 276). Die Grundlage dieser beiden Definitionsansätze bildet der bereits erläuterte Ansatz Chomskys. Bader u. a. definieren berufliche Handlungskompetenz als Zielgröße für berufliche Lernprozesse, indem sie das allgemeine Verständnis von Handlungskompetenz modifizieren. Bader versteht berufliche Handlungskompetenz demnach als „Fähigkeit und Bereitschaft des Menschen, in beruflichen Situationen problemorientiert und sachgerecht, durchdacht sowie in individueller und gesellschaftlicher Verantwortung zu handeln“ (Bader, 1991, S. 443). Die Operationalisierung dieser allgemeinen, holistischen Auffassung von beruflicher Handlungskompetenz erweist sich jedoch aufgrund der fehlenden erfassbaren und messbaren Kompetenzindikatoren als schwierig. Aus diesem Grund findet der ganzheitliche, handlungstheoretische Zugang zum Konstrukt der beruflichen Handlungskompetenz wenig Anwendung. Vielmehr erscheint ein kompetenzanalytischer Zugang (Schwadorf, 2003, S. 75), der verschiedene Kompetenzbestandteile unter Zugrundelegung eines kumulativen Kompetenzverständnisses klassifiziert, adäquater. Kompetenzanalytische Ansätze zur Beschreibung beruflicher Handlungskompetenz lassen sich in drei- und vierdimensionale Modelle klassifizieren. Dreidimensionale Ansätze beinhalten zumeist Fach- bzw. Sachkompetenz, Sozialkompetenz und Selbst- bzw. Personalkompetenz (u. a. Jungkunz, 1995, S. 59 ff.; Lisop, 1998, S. 49). Andere dreidimensionale Ansätze ersetzen die Selbst- bzw. Personalkompetenz durch Methodenkompetenz (z. B. Frey, 1999, S. 32ff.; Ott, 1997, S. 187; Schelten 1991, S. 27). Vierdimensionale Ansätze (u. a. Bergmann, 1996; Erpenbeck/ Heyse, 1996; Schuler/Barthelme, 1995) legen neben der Fach- bzw. Sachkompetenz und der Sozialkompetenz sowohl die Selbst- bzw. Personalkompetenz – vom Deutschen Bildungsrat auch „humane Kompetenz“ genannt (Deutscher Bildungsrat, 1974, S. 49) – als auch die Methodenkompetenz als separate Dimensionen zugrunde. Die KMK-Handreichung von 2000 definiert ebenfalls ein dreidimensionales Konstrukt – bestehend aus Fach-, Personal- und Sozialkompetenz –, wobei diese Kompetenzen als Voraussetzung für den Erwerb von Methoden- und Lernkompetenz angesehen werden (KMK, 2000, S. 9). Trotz unterschiedlicher Dimensionsanzahl und Bezeichnungen weisen die Inhalte der einzelnen Dimensionen große Ähnlichkeiten auf, wenngleich die Fachbzw. Sachkompetenz allen Ansätzen gemein ist. Eine inhaltliche Unterscheidung kann dahingehend vorgenommen werden, dass sich die Fachkompetenz auf die
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curriculare Fachsystematik bezieht und sich die Sachkompetenz davon löst, indem sie einen fachübergreifenden Sachverstand avisiert (Schwadorf, 2003, S. 77; Bader, 1991, S. 443; Bader/Ruhland, 1993, S. 233). Die vermehrte Verwendung des Begriffs „Sachkompetenz“ anstelle von „Fachkompetenz“ lässt sich mit der Distanzierung vom Fächerprinzip durch die nach Lernfeldern strukturierten beruflichen Lehrpläne begründen. Grundsätzlich beinhalten jedoch sowohl die Fachals auch die Sachkompetenz Fähigkeiten und Kenntnisse zur Bewältigung berufsund arbeitsplatzspezifischer Anforderungen. Bader spezifiziert dies und argumentiert, dass nicht nur die selbständige, fach- und normgerechte Bearbeitung beruflicher Aufgaben zur Sachkompetenz gehört, sondern auch die Fähigkeit zur Beurteilung erbrachter Ergebnisse (Bader, 1991, S. 443). Parallelen zu Geißlers kritischinstrumenteller Kompetenz sind offensichtlich, da Geißler, wie bereits erläutert, Aspekte der Reflexion eigener Handlungen als essenziell für fachliche bzw. instrumentelle Kompetenz ansieht. Sozialkompetenz kann zusammenfassend aus den verschiedenen Ansätzen als Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit in sozialen Interaktionszusammenhängen beschrieben werden. Die KMK definiert Sozialkompetenz als „die Bereitschaft und Fähigkeit, soziale Beziehungen zu leben und zu gestalten, Zuwendungen und Spannungen zu erfassen, zu verstehen sowie sich mit anderen rational und verantwortungsbewusst auseinanderzusetzen und zu verständigen“ (KMK, 2000, S. 9).
Schuler/Barthelme differenzieren zwischen direkter und indirekter Sozialkompetenz, wobei zur ersten Gruppe Koordinations-, Konflikt- und Teamfähigkeit gezählt werden, während zur zweiten Gruppe Empathie, Durchsetzungsvermögen, Sensibilität und interpersonale Flexibilität gehören (Schuler/Barthelme, 1995, S. 82 f.). Eine ähnliche Differenzierung findet sich bei Schwadorf, die zwischen der „Fähigkeit und Bereitschaft zur hilfsbereiten, kollegialen Einordnung in eine Gruppe zur Zusammenarbeit bzw. gemeinsamen Aufgabenbewältigung“ sowie der „Fähigkeit und Bereitschaft zu überzeugendem Auftreten des Einzelnen gegenüber einer oder mehrerer Personen“ differenziert (Schwadorf, 2003, S. 82). Erneut lassen sich Parallelen zu Geißlers Ansatz der kritisch-sozialen Kompetenz aufzeigen: Geißler attestiert der kritisch-sozialen Kompetenz die Interaktionsfähigkeit und somit im Sinne der Sozialkompetenz die Fähigkeit, in einer Gruppe zu agieren und zu kommunizieren. Auch hinsichtlich der Befähigung zur Identitätsfindung innerhalb eines sozialen Kontextes sind Parallelen zwischen Geißler und dem Verständnis von Sozialkompetenz vorzufinden, da für beide die Interaktion mit anderen Personen essenzielle Voraussetzung zur Entwicklung des Kompetenzaspekts ist.
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Des Weiteren wird der Aspekt der Identitätsfindung, wie sie von Geißler in der kritisch-reflexiven Kompetenz erörtert wird, im Konstrukt der personalen Kompetenz oder Selbstkompetenz deutlich. Hierunter werden allgemeine persönliche Einstellungen, Werthaltungen und Motive sowie die Fähigkeit zur Reflexion und Entwicklung der eigenen Persönlichkeit subsumiert. Insbesondere Letzteres bezeichnet Geißler als kritisch-reflexive Kompetenz. Der Begriff der personalen Kompetenz wird von verschiedenen Autoren spezifiziert bzw. erweitert. So wird die Selbstwahrnehmungs- und Selbstorganisationsfähigkeit der personalen Kompetenz zugeordnet (Laske, 2003, S. 302; Veith, 2003, S. 189). Der Deutsche Bildungsrat attestiert ihr, die Fähigkeit, das eigene Handeln zu reflektieren und sich in Familie, Gesellschaft und Staat zu behaupten (Deutscher Bildungsrat, 1974, S. 49). Ähnlich argumentiert Bader, welcher unter personaler Kompetenz die Fähigkeit der Entwicklung und Entfaltung eigener Begabungen, Lebenspläne und Wertvorstellungen subsumiert (Bader, 2000, S. 39). Diese Aspekte sind auch in einer Definition der KMK wiederzufinden, die Selbstkompetenz definiert als „die Bereitschaft und Fähigkeit, als individuelle Persönlichkeit die Entwicklungschancen, Anforderungen und Einschränkungen in Familie, Beruf und öffentlichem Leben zu klären, zu durchdenken und zu beurteilen, eigene Begabungen zu entfalten sowie Lebenspläne zu fassen und fortzuentwickeln“ (KMK, 2000, S. 9).
Vielfach in Zusammenhang mit der Definition von beruflicher Handlungskompetenz wird die Frage nach der Methodenkompetenz diskutiert. Einige Autoren (u. a. Schelten, 1991, S. 27; Frey, 1999, S. 32 ff.) weisen sie explizit als Dimension der Handlungskompetenz aus, wohingegen andere (z. B. Lisop, 1998, S. 48) die Methodenkompetenz als integrative Voraussetzung für die Sachkompetenz sehen. Bader (1991, S. 443) und andere (z. B. Jungkunz, 1995, S. 61 f.) hingegen sehen die Methodenkompetenz als situations- und fachübergreifend einsetzbare kognitive und metakognitive Fähigkeiten nicht nur als Teil der Fach- bzw. Sachkompetenz, sondern als Bestandteil aller Kompetenzkomponenten. Nach Bader zählen zu den kognitiven Fähigkeiten neben der Problemlösefähigkeit die Umsetzung von Fachwissen durch analytisch-systematisches Vorgehen sowie Denkmethoden und Arbeitsverfahren, die für ein strukturiertes und zielgerichtetes Vorgehen notwendig seien (Bader, 2000, S. 39). Wenngleich die makroperspektivische Betrachtung des Konstrukts der beruflichen Handlungskompetenz eine inhaltliche Trennung der drei bzw. vier Kompetenzfacetten ermöglicht, so kann jedoch gezeigt werden, dass bei einer Spezifizierung der Kompetenzfacetten Parallelen und Überschneidungen erkennbar sind. Somit lässt sich die Hypothese ableiten, dass die einzelnen Kompetenzen als integrative Bestandteile der beruflichen Handlungskompetenz und nicht als jeweils
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autonome und abgrenzbare Aspekte anzusehen sind. Betrachtet man nun die Kompetenzdimensionen der Fach- bzw. Sachkompetenz, so beinhalten diese das deklarative Wissen, das folgende Komponenten aufweist (Mandl/Friedrich/Horn, 1994, S. 146ff.): • Breite und Aktualität des Fachwissens • fachübergreifendes und überfachliches (Grundlagen-)Wissen • Anwendungserfahrung hinsichtlich Organisation, Umfang, Art und Eigenaktivität der Anwendung • Vermittlungs- und Darstellungsfähigkeit mit Hinblick auf Strukturierung, Auswahl, Reduzierung und Präsentation des Fachwissens Fach- bzw. Sachkompetenz beinhaltet darüber hinaus prozedurales Wissen und Problemlösefähgkeit, d. h. die Fähigkeit, Zusammenhänge in deklarativen Wissenskomponenten zu erkennen und Lösungsschemata auf Basis von Fachwissen zu entwickeln (Schwadorf, 2003, S. 79). Dabei sind Aspekte der Methoden-, Sozialund Personalkompetenz erkennbar, insbesondere hinsichtlich der Anwendungserfahrung, der Vermittlungs- und Darstellungsfähigkeit des deklarativen Wissens, aber auch in Bezug auf das prozedurale Wissen. Das Konstrukt Methodenkompetenz lässt ähnliche Schlussfolgerungen zu. So können die Kompetenzaspekte Sammlung, Speicherung, Aufarbeitung, Strukturierung und Darstellung von Informationen sowie Steuerung, Planung, Kontrolle, Überwachung und Koordination von Aufgaben und Aktivitäten dem Konstrukt subsumiert werden, gleichzeitig aber auch die Erstellung von Problemanalysen und -lösungen (Bader, 2000, S. 39 f.) sowie im personalen Bereich die Fähigkeit zur Selbstorganisation, -wahrnehmung und -reflexion. Insbesondere hinsichtlich der beiden letztgenannten Bereiche sind deutliche Parallelen zur Sozial- und Personalkompetenz zu erkennen, was wiederum die Parallelität der einzelnen Kompetenzen innerhalb des Konstrukts der beruflichen Handlungskompetenz illustriert. Untermauern lässt sich diese Hypothese durch die Spezifizierung der Konstrukte Sozial- und Personalkompetenz. Sozialkompetenz beinhaltet u. a. die Kompetenzaspekte Verantwortungsbewusstsein, Kritik- und Konfliktfähigkeit, Kooperationsund Kommunikationsfähigkeit sowie Kompromissfähigkeit, Toleranz und Solidarität, aber auch die Teilnahme und Steuerung von Gruppenprozessen (u. a. Schwadorf, 2003, S. 82). Auch die Personal- bzw. Selbstkompetenz kann durch Kompetenzdimensionen spezifiziert werden, so z. B. durch Selbstvertrauen, Interessen, Entschlossenheit und Zielorientierung, Selbstdisziplin, eigene Antriebskraft sowie
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Die Kompetenzforschung als inhaltstheoretischer Bezugsrahmen
die Fähigkeit zur Kritikaufnahme und -verarbeitung und somit zur Selbstreflexion (u. a. Jungkunz, 1995, S. 62 f.). Die Spezifizierung einzelner Kompetenzaspekte im Sinne eines kompetenzanalytischen Ansatzes für das Konstrukt der beruflichen Handlungskompetenz ermöglicht jedoch nicht nur die theoretische Illustration der Komplexität und Integrativität des Konstrukts, sondern ist insbesondere für empirische Untersuchungen zur Operationalisierbarkeit des Konstrukts notwendig. Weitere Ansätze zur Spezifizierung einzelner Kompetenzdimensionen finden sich folglich in aktuellen Arbeiten der Kompetenzdiagnostik wieder, die auf andere Disziplinen – z. B. die pädagogische Diagnostik, Texttheorie, Eignungs- und Begabungsdiagnostik – Bezug nehmen (Breuer, 2006, S. 194). Ein aktuelles Beispiel der Kompetenzdiagnostik ist das hierarchische Strukturmodell von Frey (2004, S. 907). Frey definiert vier Kompetenzebenen für die berufliche Handlungskompetenz, wobei auf der untersten Ebene das „Selbstkonzept eigener Fertigkeiten“ und somit die auf einer Selbsteinschätzung beruhenden, individuellen Fertigkeiten einer Person gefasst werden. Auf der nächsten Ebene werden diese Fertigkeiten zu Fähigkeitsdimensionen zusammengefasst, die wiederum auf der nächsten Ebene zu einer Kompetenzklasse, sprich einer Facette beruflicher Handlungskompetenz (Fach-, Methoden-, Personal- oder Sozialkompetenz), verdichtet werden. Auf der höchsten Ebene steht die allgemeine berufliche Handlungskompetenz. Dieses Strukturmodell dient als Grundlage der Erfassung und Diagnose von Kompetenzen, wobei verschiedene Verfahren eingesetzt werden können. So können u. a. Selbstbeurteilungen per se oder in Kombination mit Fremd- und Gruppenbeurteilungen herangezogen werden (Frey, 2004, S. 908; Frey/Balzer, 2003, S. 155). Auf diese Weise erfassen und messen Frey und Balzer z. B. mit Hilfe eines Beurteilungsbogens Sozial- und Methodenkompetenzen. Der entwickelte Beurteilungsbogen beinhaltet Unterdimensionen der beiden Kompetenzfacetten, wobei Sozialkompetenz mit den Unterdimensionen „Selbstständigkeit“, „Verantwortungsbereitschaft“, „Kooperationsbereitschaft“, „Konfliktfähigkeit“, „Kommunikationsfähigkeit“, „Führungsfähigkeit“und „situationsgerechtes Auftreten“ und Methodenkompetenz durch Analysefähigkeit, Flexibilität, zielorientiertes Handeln, Arbeitstechniken und Reflexivität spezifiziert wird. Diesen Unterdimensionen wurden insgesamt 128 Items untergeordnet, die durch den Beurteilungsbogen erfasst und statistisch ausgewertet wurden. Somit soll ein möglichst ganzheitliches Abbild von Sozial- und Methodenkompetenz generiert werden, wenngleich die Spezifizierung dieses einschränkt. Neben Beurteilungen können Beobachtungen in gezielten Anwendungssituationen vorgenommen werden, durch die der Beobachter aufgrund des demonstrierten Verhaltens Rückschlüsse auf die Kompetenzen zieht. Dieses Verfahren stellt
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ein wichtiges Medium in der Kompetenzmessung im CBT-Ansatz dar, auf das an dieser Stelle nicht eingegangen werden soll, sondern es wird auf Kapitel 4.6 verwiesen. Obgleich Beobachtungen eine höhere prognostische Validität versprechen, müssen mögliche Beobachtungsfehler und die subjektive Wahrnehmung des Beobachters berücksichtigt werden. Zwei weitere Verfahren zur Kompetenzdiagnostik beruflicher Handlungskompetenz sind Entwicklungsaufgaben und Entwicklungsportfolios (Frey, 2004, S. 908). Hierbei geht es nicht um die statische Diagnose von Kompetenzen, sondern vielmehr um die Erfassung und Messung des Entwicklungsprozesses von Kompetenzen, sprich des Wachstums und der Veränderung von Kompetenzen. Frey führt des Weiteren Intelligenztests als Diagnoseverfahren an; jedoch greifen diese bezüglich der Messung von Personal- und Sozialkompetenz aufgrund ihres isolierten, auf Fach- und Methodenwissen beschränkten Charakters zu kurz. Ein Beispiel für die Messung beruflicher Handlungskompetenz anhand von Tests liefern Rauner/Grollmann/Martens im Rahmen eines Modellversuchs, wobei Evaluationsaufgaben eingesetzt werden. Diese Aufgaben beziehen sich auf einen berufsspezifischen Kontext und erfordern neben der Fachkompetenz Gestaltungs- und Methodenkompetenz. Ziel ist hierbei jedoch nicht nur die statische Erfassung von Kompetenzen, sondern, ähnlich wie bei den Entwicklungsportfolios, das Wachstum und die Veränderungen von Kompetenzen. Die Aufgabengestaltung basiert auf diesem Entwicklungsprozess, wobei das Novizen-ExpertenParadigma (siehe hierzu Dreyfus/Dreyfus, 1988) als theoretischer Begründungszusammenhang dient (Rauner/Grollmann/Martens, 2007, S. 24). Vor dem Hintergrund der genannten deskriptiven Ansätze zur Beschreibung beruflicher Handlungskompetenz sowie der Beispiele zur Erfassung und Messung respektiver Kompetenzen, kristallisieren sich drei wichtige Aspekte heraus: Erstens wird mit dieser Deskription ein Idealzustand eines beruflich kompetenten Individuums avisiert, welcher in der Realität als Zielvorstellung und Orientierungshilfe fungieren kann. Die Fremd- und Selbsteinschätzung des Individuums hinsichtlich seiner beruflichen Handlungskompetenz kann folglich nur anhand eines Nähegrades des „Realtypus“ zum „Idealtypus“ vorgenommen werden. Begreift man den Begriff der beruflichen Handlungskompetenz jedoch als situativ, so kann der „Realtypus“ – sprich das reale Handeln – einzelnen Kriterien des kompetenten Handelns entsprechen. Fraglich ist hierbei jedoch, welche Kriterien zugrunde gelegt werden und ob diese nicht sehr stark auf fachlichen Kompetenzen beruhen, die im Vergleich zu Personal- und Sozialkompetenz leichter kriterienbezogen diagnostizierbar sind. Zweitens wird deutlich, wie komplex und gleichzeitig facettenreich das Konstrukt der beruflichen Handlungskompetenz ist. Erscheint eine Abgrenzung der einzelnen Kompetenzen auf den ersten Blick möglich, so verschwimmen die Gren-
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zen bei einer detaillierten Beschreibung der Inhalte und Anforderungen, was durch die Interdependenzen der einzelnen Kompetenzen und Kompetenzelemente noch verstärkt wird. So stellt beispielsweise die Methodenkompetenz in verschiedener Hinsicht die Voraussetzung für die Sozial- und Personal- bzw. Selbstkompetenz dar und baut gleichzeitig auf die Komponenten der Fachkompetenz auf. Schlussfolgern lässt sich somit, dass berufliche Handlungskompetenz nur unter Berücksichtigung aller Kompetenzdimensionen erreicht werden kann (Jungkunz, 1995, S. 61). Dabei sind Parallelen zu Geißler zu erkennen, der ebenfalls die Komplexität und Interdependenz einzelner Kompetenzaspekte in seinem Kompetenzkonstrukt betont. Schwierigkeiten ergeben sich für die Kompetenzdiagnostik, die in diesem Bereich einige Desiderate hinsichtlich empirischer Forschungsarbeiten aufweist (Breuer, 2006, S. 208). Fraglich bleibt insbesondere die Gewichtung einzelner Dimensionen, und es kann lediglich konstatiert werden, dass die Dimensionen „Selbst-“ und „Sozialkompetenz“ insbesondere im Zuge eines handlungsorientierten Unterrichts stärker betont werden und neben der Fach- und Methodenkompetenzen keine untergeordnete Rolle mehr spielen bzw. spielen sollen. Drittens wird sowohl bei holistischen als auch bei kompetenz-analytischen Ansätzen zur Beschreibung von beruflicher Handlungskompetenz Kompetenz nicht nur als innere Befähigung zu einem bestimmten situativen Handeln verstanden, sondern der voluntative Aspekt und somit die Bereitschaft, diese innere Befähigung im Handeln anzuwenden, wird in fast allen Ansätzen artikuliert. Ähnlich wie es Vonken (2005, S. 53) bereits anführt, wird nicht nur das Können, sondern auch das Wollen einer beruflichen Handlungskompetenz unterstellt. Fragwürdig bleibt, wie sich dieses Wollen identifizieren und bewerten lässt und inwiefern Theorien der Motivationspsychologie hierzu Erklärungsansätze liefern können (u. a. Decy/Ryan, 1991). 2.2.7. Die Entwicklung einer Arbeitsdefinition von Kompetenz Basierend auf den theoretischen Ausführungen werden nun im Hinblick auf die anschließende komparative Analyse der Begriffe Kompetenz und competency verdichtete Kriterien für eine Arbeitsdefinition von Kompetenz entwickelt. Dafür werden zunächst die aus den theoretischen Zugängen abgeleiteten Kompetenzbegriffe nochmals aufgeführt und in Abbildung 2.5 veranschaulicht. Zudem wird die Bedeutung des jeweiligen Kompetenzbegriffs für die berufliche Handlungskompetenz erörtert. Aus der Auseinandersetzung mit den verschiedenen Phasen des Behaviorismus wurde in Anlehnung an den subjektiven Behaviorismus ein Kompetenzverständnis herausgearbeitet, das Kompetenz als Konstrukt beobachtbarer und messbarer
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Verhaltensdispositionen begreift. Die Bedeutung eines subjekt-behavioristischen Kompetenzbegriffs für das Konstrukt der beruflichen Handlungskompetenz kann hinsichtlich der Konditionierung bestimmter Verhaltensdispositionen festgehalten werden, wenngleich dies als ein reduktionistisches Abbild lediglich beobachtbarer Kompetenzaspekte zu begreifen ist. Ein konstruktivistisches Kompetenzverständnis umfasst – unter Bezugnahme auf die Ansätze des methodischen Konstruktivismus – Kompetenz als Konstrukt der Entwicklung erklärbarer Verhaltensdispositionen. Im Gegensatz zum Behaviorismus kann der beruflichen Handlungskompetenz dahingehend eine Bedeutung attestiert werden, dass die Erklärung und Entwicklung von Verhaltensdispositionen im Vordergrund stehen und somit eine didaktische Begründung zur Gestaltung adäquater Umgebungen für die Vermittlung und den Erwerb beruflicher Handlungskompetenz abgeleitet werden kann. Ein arbeitswissenschaftliches Kompetenzverständnis begreift Kompetenz als Konstrukt funktionaler Handlungssdispositionen, wobei zwischen individuellen und organisationalen Dispositionen differenziert wird. Hinsichtlich des Attributs „beruflich“ kann dem individuellen arbeitswissenschaftlichen Verständnis der Bezug zur Arbeit und somit der Kontext der Anwendung und gegebenenfalls des Erwerbs als Bedeutung für berufliche Handlungskompetenz beigemessen werden. Im Vordergrund steht jedoch nicht die pädagogische bzw. lerntheoretische Begründung, sondern vielmehr die Anwendbarkeit und Verwertbarkeit externalisierter Handlungsdispositionen in konkreten und umfassenden Arbeitssituationen. In Anlehnung an Bloom kann Kompetenz als ein Konstrukt aus kognitiven, affektiven und psychomotorischen Fähigkeiten dargestellt werden, wobei die kognitiven Fähigkeiten gemäß ihres Abstraktionsgrades anhand von Taxonomiestufen differenziert werden. Diese Kompetenzauffassung bedeutet für die berufliche Handlungskompetenz, dass unterschiedliche Fähigkeitsbereiche zusammengeführt und auf unterschiedlichen Stufen abstrahiert werden. Sie ist insbesondere zur Erfassung, Messung und Bewertung von Facetten beruflicher Handlungskompetenz von Bedeutung. Obgleich hier eine einfache Kategorisierung von theoretischen Zugängen vorgenommen wird, zeigt sich bereits die Komplexität und Heterogenität der Kompetenztheorie im deutschen Kontext. Vor dem Hintergrund der dargestellten Diskussion wird eine Arbeitsdefinition von Kompetenz für die vorliegende Arbeit abgeleitet. Diese konzentriert sich auf die lerntheoretischen Zugänge sowie auf das Konstrukt beruflicher Handlungskompetenz, wobei auf die Definition der KMKHandreichung von 2000 zurückgegriffen wird. Der Fokus auf dem Konstrukt der beruflichen Handlungskompetenz liegt in dessen aktueller berufsbildungspolitischer und curricularer Bedeutung begründet. Kriterien für eine Arbeitsdefinition
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des Kompetenzbegriffs lassen sich demnach wie folgt festgelegen: Kompetenz bedeutet die Bereitschaft und Fähigkeit, sich in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen sachgerecht durchdacht sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten, und weist vier Dimensionen von Handlungsdispositionen auf, respektive fachliche, methodische, personale und soziale Dispositionen, welche in konkreten Performanzsituationen Rückschlüsse auf die vorhandene Kompetenz erlauben. Behavioristisches Kompetenzverständnis
Konstruktivistisches Kompetenzverständnis
Arbeitswissenschaftliches Kompetenzverständnis
Kompetenz nach Bloom
Begreift Kompetenz als
Konstrukt beobachtbarer und messbarer Verhaltensdispositionen
Konstrukt der Entwicklung erklärbarer Verhaltensdispositionen
Konstrukt funktionaler Verhaltensdispositionen
Rekurriert auf den Theorien von
Pawlow, Thorndike, Watson, Skinner, Guthrie, Hebb u. a. die Konditionierung bestimmter Verhaltensdispositionen
Piaget, Aebli, v. Foerster, v. Glasersfeld
Hardwig, Senge, Sauer
Konstrukt aus auf Taxonomiestufen aufbauenden kognitiven, affektiven und psychomotorischen Fähigkeiten Bloom
die Erklärung und Entwicklung von Verhaltensdispositionen
die Anwendbarkeit und Verwertbarkeit von Handlungsdispositionen
Bedeutet für berufliche Handlungskompetenz
die Zusammenführung unterschiedlicher Fähigkeitsbereiche und unterschiedlicher Abstraktionsstufen
Abbildung 2.5.: Theoretische Zugänge zum Kompetenzbegriff
2.3. Zum Kompetenzbegriff und -konstrukt im englischen und australischen Kontext 2.3.1. Zur Entwicklung des Kompetenzbegriffs Die Entwicklung des Kompetenzbegriffs im englischen und australischen Kontext wird anhand verschiedener chronologischer Ansätze illustriert, wobei die Verän-
2.3. Zum Kompetenzbegriff und -konstrukt im englischen und australischen Kontext
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derungen in der lerntheoretischen Fundierung in den Vordergrund gestellt werden. Der Anstoß für eine erste Definition von Kompetenz kam von der Wirtschaft, die Anfang der achtziger Jahre ein starkes Defizit an ausgebildeten Fachkräften zu verzeichnen hatte. Aus diesem Grund waren es keine pädagogischen, psychologischen oder soziologischen Beweggründe für die Entwicklung des Kompetenzbegriffs, sondern vielmehr ökonomische (Carmichael, 1993, S. 15; Jessup, 1991, S. 18). Die ersten Ansätze zur Beschreibung des Kompetenzbegriffs im englischen und australischen Kontext greifen folglich betrieblich-funktionale Aspekte auf, die in engem Zusammenhang mit den Anforderungen am Arbeitsplatz und im Unternehmen stehen und sich primär auf die ökonomisch relevanten Eigenschaften einer Persönlichkeit beschränken (Harris et al., 1995, S. 11). Kompetenz wurde in diesem Zusammenhang verstanden als die Fähigkeit zur Erfüllung spezifischer Arbeitsanforderungen in konkreten Leistungssituationen. Damit wurde sie anfangs nicht holistisch, sondern atomistisch und situativ gefasst. Diese konkreten beruflichen Funktionen, Tätigkeiten und Aufgaben wurden in Form von Standards festgelegt, die als Leistungsmaßstab für die demonstrierten Fähigkeiten und Kenntnisse dienten (Bowden/Masters, 1993, S. 160; Chappell/Gonczi/Hager, 1995, S. 176). Zielsetzung dieser Kompetenzstandards war es, ein effizientes und praxisnahes Curriculum für berufliche Lernprozesse zu entwickeln (Ashworth/Saxton, 1990, S. 3). Des Weiteren war mit der Einführung der ersten Kompetenzstandards die Hoffnung verbunden, die berufliche Bildung sowohl in ihrer Quantität als auch in ihrer Qualität zu verbessern und somit das Kompetenzniveau insgesamt zu erhöhen (Carmichael, 1993, S. 18; Wheeler, 1993, S. 38). Diese betrieblich-funktionale Fokussierung des Kompetenzbegriffs findet sich in diversen Definitionen im australischen Kontext wieder, insbesondere in Definitionen, die Anfang der neunziger Jahre und somit in der Anfangszeit des CBTAnsatzes entstanden. Drei Definitionen von competency werden hier exemplarisch dargestellt: • National Training Board (1992, S. 11): „The specification of the knowledge, skills and the applications of that knowledge and skills within an occupational or industry level to a standard of performance required in employment.“
• Heywood/Gonczi/Hager (1992, S. 3): „The ability to perform the activities within an occupation or function to the standard expected in employment.“
• Borthwick (1993, S. 25):
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„Competence can be defined narrowly to mean the demonstrated capacity to do a specific task and, even more narrowly, by detailed specification of the conditions under which performance of the task is to be demonstrated.“
Die Fokussierung auf Demonstration und Beobachtbarkeit von Funktionen und Aufgaben umfasst ein sehr restriktives Kompetenzverständnis, das jedoch ein eindeutig messbares ist. Die Restriktivität dieses Verständnisses wird verstärkt durch die Konzentration auf spezifische technische Fertigkeiten und die Vernachlässigung von komplexeren Anforderungen am Arbeitsplatz sowie von personalen und sozialen Kompetenzen (Sweet, 1994, S. 59). Hinzu kommt eine instrumentalisierte Auffassung von Arbeit, welche die Gefahr einer Fragmentierung und Atomisierung von beruflichen Fähigkeiten und Kenntnissen birgt (Hager/Gonczi, 1993, S. 41). Die im Vordergrund stehende Beobachtbarkeit und Messbarkeit von Kompetenzen lassen auf ein behavioristisches Kompetenzverständnis schließen. Dies lässt sich ferner damit begründen, dass der Kompetenzbegriff ergebnisorientiert gefasst wird und sich auf die Performanz spezifizierter Verhaltensdispositionen bezieht, die innerhalb eines Arbeitsprozesses erforderlich sind. Dies verdeutlicht die Restriktivität dieses Ansatzes, da Performanz und Ergebnisorientierung zur Folge haben, dass nur eindeutig definierte und messbare Kompetenzen in Betracht gezogen werden und Verhaltenspotenziale, die keine Anwendung finden, vernachlässigt werden. Den behavioristischen Grundgedanken in diesem Kompetenzverständnis sieht Stevenson darin, dass Wissen mit Handeln gleichgesetzt wird (Stevenson, 1995, S. 360). Somit gibt die Performanz nur begrenzt Aufschluss über die Kompetenz einer Person und die Annahme, dass über die demonstrierten Fähigkeiten hinaus noch weitere Kompetenzen vorhanden sind, basiert nur auf Rückschlüssen aus den demonstrierten Kompetenzen. Die Performanz wird folglich Kompetenz gleichgesetzt, was wiederum bedeutet, dass lediglich die demonstrierten Fähigkeiten und Kenntnisse unter dem Kompetenzbegriff subsumiert werden. Cairns verdeutlicht dieses behavioristische Verständnis wie folgt: „[...] a competency or a set of competencies is demonstrated by a behaviour or a performance. Further, the performance is gauged against some pre-set ‘standard´ which is deemed to be acceptable in declaring that the performer has the competence. The concession to attitudes or knowledge aspects is only in terms of their inference from performance“ (Cairns, 1992, S. 15).
Diese restriktive – auf behavioristische Grundprinzipien rekurrierende – Auffassung von Kompetenz prägt jedoch lediglich die Anfänge der australischen Kompetenzdebatte und wird im Laufe der Etablierung aufgrund verschiedener Einwände aus psychologischer, soziologischer, ökonomischer und kognitiver Seite erweitert (Stevenson, 1995, S. 360; Ducker, 1993, S. 73). Als Reaktion auf diese Kritik wurde den kognitiven Prozessen, die einer kompetenten Handlung zugrunde liegen,
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mehr Beachtung geschenkt, und die von Ökonomen geäußerte Forderung nach allgemeiner Problemlösefähigkeit sowie persönlicher Einstellungen wurde in späteren Ansätzen thematisiert. So wird eine Erweiterung eines Kompetenzbegriffs avisiert, der nicht nur die Performanz, sondern auch internalisierte Prozesse sowie allgemeine, situationsunabhängige Fähigkeiten beinhaltet. Die ersten Ansätze, die eine derartige Erweiterung integrieren, sind jedoch keinesfalls holistische Ansätze, sondern vielmehr Differenzierungen zwischen unterschiedlichen Formen von Kompetenz. So nimmt bspw. Jessup eine Differenzierung vor, indem er competence zum einen als job competence versteht und zum anderen als occupational oder professional competence (Jessup, 1991, S. 26). Erstere bezieht sich auf die Handlungsfähigkeit innerhalb einer bestimmten Situation an einem bestimmten Arbeitsplatz und entspricht dem anfänglichen, behavioristischen Kompetenzverständnis. Zweitere stellt jedoch eine weitreichendere Auffassung von competence dar und bedeutet, dass eine Person über bestimmte Fertigkeiten, Fähigkeiten und Kenntnisse nicht nur verfügen sollte, sondern diese auch in verschiedenen Kontexten und Organisationen anwenden kann. Das heißt, die Erweiterung, die Jessup avisiert, besteht darin, dass er sich vom Situationsbezug löst und die Transferfähigkeit stärker betont. Hierbei wird jedoch deutlich, dass auch professional competence trotz des Anspruchs auf Transferfähigkeit noch sehr stark an Performanz gebunden ist und eine grundsätzlich Loslösung von dem behavioristischen Kompetenzverständnis nicht erfolgt. Hodkinson hingegen konstatiert im Rahmen der Kompetenzdebatte in Großbritannien, das neben einem behavioristischen Kompetenzmodell, das von den meisten Forschern kritisiert wird (u. a. Ashworth/Saxton, 1990), ein interaktives Kompetenzmodell existieren müsse. Dieses würde jedoch aufgrund der Fokussierung auf das behavioristische Modell in den Hintergrund gestellt werden (Hodkinson, 1992, S. 30). Ein interaktives Kompetenzmodell sieht die Performanz als interaktiven Bestandteil neben sogenannten Schemata und dem intellektuellen Prozess. Da diese als gedankliche Kategorien verstanden werden, die zur Verarbeitung und Konstruktion von Wissen dienen, bringt Hodkinson mit diesem Begriff eine konstruktivistische Komponente in das Kompetenzmodell. Der intellektuelle Prozess ist der Verarbeitungs- und Entwicklungsprozess zum Aufbau dieser Schemata und beide – Prozesse und Schemata – sind Voraussetzung für die Performanz. Wichtig, so Hodkinson, sei die Interaktion zwischen intellektuellem Prozess, Schemata und Performanz, da man bei Isolation einer der drei Aspekte nicht von Kompetenz sprechen könne. Des Weiteren beschränke sich diese Interaktion nicht auf diese Komponenten, sondern es finde zudem eine Interaktion mit dem Kontext und der Kultur statt, in dem intellektueller Prozess, Schemata und Performanz zu verorten seien (ebenda, S. 34). Bezogen auf den Lernenden, der Kompetenz im Sinne des
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interaktiven Modells erwirbt, bedeutet dies, dass Interaktion einerseits zwischen dem Lernenden und dem zu Erlernenden, andererseits zwischen dem Lernenden und seiner Umwelt bzw. seinen Mitmenschen stattfindet. Vor diesem Hintergrund erscheint ein behavioristisches Kompetenzmodell, das lediglich die beobachtbaren Outcomes fokussiert, verkürzt und unzureichend für einen erfolgreichen Lernprozess. Eine ähnliche Weiterentwicklung bzw. Loslösung von einem behavioristischen Kompetenzmodell findet sich in verschiedenen Ansätzen auch im australischen Kontext wieder. So beschreibt u. a. Walker einen holistischen Kompetenzbegriff, der nicht nur beobachtbares Verhalten beinhaltet, sondern auch Aspekte wie Hintergrundwissen, Fertigkeiten und Einstellungen. Competence bedeutet demnach: „[...] the attributes (knowledge, skills, attitudes) which enable an individual or group to perform a role or set of tasks to an appropriate level or grade of quality or achievement (i.e. an appropriate standard), and thus make the individual or group competent in that role. This definition includes three key elements: attributes, performance and standards“ (Walker, 1993, S. 94).
Aus dieser Definition geht deutlich hervor, dass Performanz lediglich ein Aspekt von Kompetenz ist. Darüber hinaus liegen einer erfolgreichen Performanz personale Attribute im Sinne von Wissen, Fertigkeiten und Einstellungen zugrunde. Gleichermaßen von Bedeutung sind jedoch die Standards, an denen die individuelle Performanz gemessen wird und anhand derer festgestellt wird, ob eine Person kompetent ist oder nicht. Es wird somit eine Erweiterung des behavioristischen Kompetenzverständnisses vorgenommen, Aspekte des Behaviorismus wie Performanz, Standards und Messbarkeit sind dennoch dominierend. Auch Gonczi erweitert das bestehende restriktive Kompetenzmodell und differenziert drei Ansätze: ein behavioristisches, ein generisches und ein holistisches Kompetenzmodell (Gonczi, 1996, S. 17 ff.). In einem behavioristischen Kompetenzmodell stünden die Performanz und somit das beobachtbare Verhalten im Vordergrund, und die Trennung zwischen Kompetenz und Performanz verschwimme dahingehend, dass Kompetenz der Performanz gleichgesetzt werde. Dies entsprichtdem anfänglich dominierenden Kompetenzverständnis.Dasgenerische Kompetenzmodell sei das Gegenstück zum behavioristischen Ansatz, da hierbei allgemeine und kontextunabhängige Befähigungen im Vordergrund stehen, die sich per se nicht direkt beobachten und messen lassen. Das holistische Kompetenzmodell hingegen integriere beide Aspekte und umfasse sowohl den behavioristischen Performanzaspekt als auch den kognitiven Dispositionsaspekt und ergänze diese beiden Ansätze durch ethische und moralische Komponenten sowie Werte und Einstellungen. Deutlich wird bei diesem Ansatz das integrative Verständnis von direkt beobachtbaren und messbaren Kompetenzen und generischen Komponenten,
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die in vorherigen Ansätzen zumeist differenziert und nicht in einen holistischen Ansatz integriert wurden. Der holistische Ansatz zur Beschreibung von Kompetenz findet sich auch bei Hager/Beckett wieder, die competence als ganzheitliches Modell (integrated model) verstehen, das neben den funktionalen Aspekten von Arbeitsaufgaben zwei weitere Komponenten beinhaltet. Dabei handelt es sich um die Attribute eines Individuums und den Kontext, in welchem das Individuum agiert (Hager/Beckett, 1995, S. 6). Unter Attributen verstehen Hager/Beckett Hintergrundwissen, allgemeine Fertigkeiten, Einstellungen, Werte und andere Komponenten, die als personale Kompetenz bezeichnet werden können (ebenda, S. 2). Diese sind nicht direkt beobachtbar, werden jedoch für eine erfolgreiche Erfüllung spezifischer Arbeitsaufgaben benötigt. Darüber hinaus spielt der Kontext eine wichtige Rolle. Jedes Individuum handelt in einem spezifischen Kontext, in dem die vorgegebenen Arbeitsaufgaben durch Anwendung der Attribute erfüllt werden. Das bedeutet auch, dass der Kontext Anforderungen an das Individuum stellt, was sich bspw. in der Positionierung des Individuums in Kultur und Gesellschaft zeigt. Hager/Beckett bezeichnen dies als cultural formation und sehen darin eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Performanz (Hager/Beckett, 1995, S. 6). Das integrative Kompetenzmodell beinhaltet somit, dass aufgrund von Performanz in einem bestimmten Kontext Rückschlüsse auf die Kompetenz gezogen werden können. Kompetenz per se ist jedoch nicht direkt beobachtbar: „[...] competence is inferred from performance, rather than being directly observed. While performance of tasks is directly observable, abilities or capabilities that underlie the performance are necessarily inferred“ (Hager/Beckett, 1995, S. 3).
Ein weiterer Ansatz zur Beschreibung von competency legt drei Komponenten zugrunde, die das Individuum als handlungskompetent definieren. Diese drei Komponenten sind knowledge, skills und attitudes (Chappell et al., 2003, S. 21), wobei insbesondere Letztere Parallelen aufweist zu den von Hager/Beckett beschriebenen attributes. Diese drei Bestandteile von competency gehen zurück auf einen Ansatz von Gonczi/Hager/Oliver, die competency als Kombination aus verschiedenen Kenntnissen, Fertigkeiten und personalen Attributen betrachten, die in einer Performanzsituation externalisiert und an bestehenden Standards gemessen werden (Gonczi/Hager/Oliver, 1990, S. 9). Kompetenz im Sinne von knowledge, skills und attitudes impliziert, dass diese aus der persönlichen Arbeitserfahrung des Arbeitnehmers resultiert und somit nicht kontextfrei, sondern situationsabhängig ist. Das bedeutet aber auch, dass die Operationalisierung von competency lediglich durch die beobachtbaren und messbaren praktischen Bestandteile in einer konkreten Anwendungssituation erfolgt. Aus der Situationsdependenz resultiert die
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Die Kompetenzforschung als inhaltstheoretischer Bezugsrahmen
Gefahr, dass sich Kompetenz hierbei lediglich auf die Ausführung von Routinetätigkeiten beschränkt und komplexe Aufgabenbereiche sowie transferfähige Problemlösungsansätze nicht berücksichtigt. Eine ähnliche Trias findet sich in einer aktuellen Arbeit von Winterton/Delamare Le Deist/Stringfellow, welche eine Typologie von Wissen, Fertigkeiten und personalen Attributen entwickeln, die als Grundlage einer einheitlichen Klassifizierung im europäischen Kontext dienen soll und somit in Hinblick auf Vergleichbarkeit und Transparenz von formalen und insbesondere informellen Kompetenzen zu betrachten ist (Winterton/Delamare Le Deist/Stringfellow, 2006, S. 21). Diese Klassifizierung und der verwendete Kompetenzbegriff ist in der aktuellen Diskussion um den europäischen Qualifikationsrahmen bzw. die Etablierung eines einheitlichen Kreditpunktesystems für die berufliche Bildung (ECVET) zu verorten. Winterton/Delamare Le Deist/Stringfellow ersetzen in der Trias knowledge, skills und attitudes Letzteres durch competence, wenngleich sie keine Definition des Begriffs anführen, sondern vielmehr auf Schlüsselkompetenzen wie understanding, experience, motivation u. a. rekurrieren (ebenda, S. 34). Hierbei liegt die Schlussfolgerung nahe, dass lediglich eine begriffliche Substitution stattgefunden hat, das Konzept competence jedoch offensichtliche Parallelen zu den attitudes aufweist, wenngleich beide eine Unschärfe in ihrer Konkretisierung und Reichweite vorweisen und die strikte Abgrenzung zwischen den einzelnen Kategorien im Zuge ihrer Ausgestaltung zunehmend obsolet wird. Obgleich die Ansätze von Chappell et al. bzw. Gonczi/Hager/Oliver eine Erweiterung des primär betrieblich-funktionalen Kompetenzbegriffs vornehmen, stehen doch weiterhin zwei wichtige Aspekte im Vordergrund: die Beobachtbarkeit von fachlichen und personalen Fähigkeiten sowie die Messbarkeit dieser Fähigkeiten anhand externer Standards. Das bedeutet, Kompetenz impliziert neben fachlichen Fertigkeiten und Kenntnissen auch personale Attribute, die jedoch ebenfalls in Form von Standards festgelegt werden, was insbesondere in dem Ansatz von Hager/Beckett deutlich wird. Sie argumentieren, dass direkt beobachtbare Fertigkeiten kontextspezifisch als Standards festgelegt werden können, anhand derer die individuelle Performanz gemessen wird. Nach diesem Schema können auch personale Attribute, Werte und Einschätzungen als externe Standards definiert werden, die jedoch nicht nur in einem einzigen Kontext, sondern in vielen verschiedenen Kontexten gezeigt werden müssen. Anhand dieser Standards können folglich personale Attribute gemessen werden (Hager/Beckett, 1995, S. 20). Eine Konkretisierung dieser Attribute nimmt das Australian Education Council vor, das eine Erweiterung des Kompetenzbegriffs auf allgemeine und insbesondere kognitive Aspekte fordert. Es reagiert somit auf die Forderung, personale und kontextunabhängige Fähigkeiten in Form von Standards zu spezifizieren. In zwei
2.3. Zum Kompetenzbegriff und -konstrukt im englischen und australischen Kontext
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Berichten des Australian Education Council werden unter der Leitung von Finn und Mayer (Finn Report und Mayer Report) allgemeine, untermauernde Fähigkeiten und Kenntnisse als Grundlage für erfolgreiche Performanz in verschiedenen Kontexten definiert. Dies kann als Grundstein für die bis heute andauernde Diskussion um „Schlüsselkompetenzen“ gesehen werden (Goozee, 2001, S. 82 ff.). Der folgende Auszug aus dem Mayer Report illustriert dies: „The term competence focuses attention on learning outcomes. It is about what people can do. [...] The Committee adopted a broad definition of competence which recognises that performance is underpinned not only by skill but also by knowledge and understanding, and that competence involves both the ability to perform in a given context and the capacity to transfer knowledge and skills to new situations. [...] This broader definition emphasises that competencies, especially if they are to be transferable, are not automated, ‘trained´ behaviours. They are mindful, thoughtful capabilities. In this sense they cannot be explained or inculcated through the use of behaviourist learning theories which rely on low-level drill and reinforcement. [...] Because the competent performer has grasped the principles behind actions the possibility of transferability to new contexts is heightened.“ (Australian Education Council, 1992, S. 6 f.).
Der Mayer Report verdeutlicht die Notwendigkeit der Abkehr von behavioristischen Grundannahmen und der damit verbundenen Restriktivität, wobei auch hier die Handlungsfähigkeit in spezifischen Situationen sowie der Transfer von Fähigkeiten, Kenntnissen und Fertigkeiten auf verschiedene Kontexte als essenziell angesehen werden. Um dies gewährleisten zu können, ist die konstruktivistische Erschließung von Prinzipien und Prozessen notwendig, da allgemeine Schlüsselkompetenzen nicht im Sinne des Behaviorismus vermittelt werden könnten. Basierend auf diesen Grundannahmen entwickelte das Mayer Committee folgende Beschreibung von key competencies, die diesen allgemeinen Charakter von Kompetenz beinhalten: „Key Competencies are competencies essential for effective participation in the emerging patterns of work and work organisation. They focus on the capacity to apply knowledge and skills in an integrated way in work situations. Key Competencies are generic in that they apply to work generally rather than being specific to work in particular occupations or industries. This characteristic means that the Key Competencies are not only essential for effective participation in work but are also essential for effective participation in further education and in adult life more generally“ (Australian Education Council, 1992, S. 7).
Die hierin geäußerte Forderung nach allgemeinen Fähigkeiten und Kenntnissen wird in zwei Schritten konkretisiert. Zunächst definiert das Finn Committee sechs Kompetenzbereiche, in denen allgemeine Fähigkeiten und Kenntnisse erworben werden sollen (Australian Education Council, 1991, S. 58): language and communication, mathematics, scientific and technological understanding, cultural understanding, problem solving, personal and interpersonal competencies.
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Das Mayer Committee konkretisiert diese Kompetenzbereiche und definiert folgende sieben key competencies (ebenda, 1992, S. 15): • collecting, analysing and organising information • communicating ideas and information • planning and organising activities • working with others and in teams • using mathematical ideas and techniques • solving problems • using technology Zusätzlich zu diesen key competencies definiert das Mayer Committee drei Leistungsstufen: Stufe 1 bedeutet, dass Anweisungen „kompetent“ ausgeführt werden. Stufe 2 geht darüber hinaus, da auf diesem Leistungsniveau nicht nur Anweisungen ausgeführt, sondern eigenständig adäquate Methoden und Materialien ausgewählt werden müssen, um ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen. Stufe 3 beinhaltet, dass neue Verfahren entwickelt werden müssen, um ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen bzw. um einen bestehenden Zustand zu verbessern (Dawe, 2004, S. 70). Die key competencies sollen auf diesen drei Niveaustufen angesiedelt werden, um die Operationalisierbarkeit zu ermöglichen, welche auch hier in den Vordergrund gestellt wird. Die sieben Schlüsselkompetenzen sind auf den jeweiligen Niveaustufen bis heute in den curricularen Vorgaben für den Berufsbildungssektor integriert.7 Sie werden zusätzlich zu den verschiedenen Fachmodulen definiert und müssen in allen Lernprozessen integriert sein, die einem nationalen training package8 und somit den nationalen Standards folgen und eine national anerkannte Qualifikation zum Ziel haben (ebenda, S. 79 ff.). Das bedeutet, dass die Schlüsselkompetenzen nicht nur eine konkretisierte und operationalisierbare Form haben, sondern auch eine Pflichtkomponente in beruflichen Lernprozessen darstellen.9 Aufbauend auf den key competencies nach Mayer entwickelten die Dachverbände der australischen Industrie- und Handelskammern (Australian Chamber of Commerce and Industry (ACCI)) sowie die der Arbeitgeberverbände (Business Council Australia (BCA)) einen weiteren Ansatz zur Beschreibung von Schlüsselkompetenzen. Sie 7 Eine
detailliert Auseinandersetzung mit der Operationalisierung der key competencies erfolgt unter 4.6.4. 8 Das Konzept der training packages wird ausführlich unter 4.5.1 erläutert. 9 Eine kritische Auseinandersetzung mit den Realisierungsschwierigkeiten erfolgt unter 4.7.3.
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lösen sich dabei vom Begriff „competency“ und verwenden den Begriff „employability skills“ (ACCI/BCA, 2002). Dieser Begriff verweist noch deutlicher als die von Mayer herausgestellten key competencies auf die Befähigung, eine Beschäftigung zu finden, die persönliche Entwicklung und den Beitrag, den ein Arbeitnehmer für die Unternehmensziele leisten soll: „Employability skills are defined as skills required not only to gain employment, but also to progress within an enterprise to achieve one’s potential and contribute successfully to enterprise strategic directions“ (Curtin, 2004, S. 39).
Eine Manifestierung der employability skills erfolgte 2002 durch die Veröffentlichung des Employability Skills Framework, dessen Kernstück personal attributes und skills bilden. Personal attributes sind allgemeine personale Eigenschaften und Einstellungen, die für die Beschäftigungsbefähigung als notwendig erachtet werden; hierzu zählen u. a. loyalty, commitment, enthusiasm, reliability und motivation. ACCI/BCA vermeiden den Begriff „competency“ und verwenden stattdessen den Begriff „skills“, um eine „Sprache der Wirtschaft“ zu verwenden, die sich von bisherigen, pädagogisch begründeten Ansätzen distanziert. Skills beschreibt die Fähigkeiten eines Arbeitnehmers im Sinne von capacity und wird durch spezifische elements konkretisiert. Ein Beispiel hierfür ist die Kommunikationsfähigkeit, die z. B. durch die Elemente „Hören und Verstehen“, „deutliches und direktes Sprechen“ und „effektives Überzeugen“ konkretisiert wird. Obgleich ACCI/BCA bewusst den Kompetenzbegriff vermeiden, sind inhaltliche Parallelen zu diesem erkennbar. So werden bspw. sowohl die skills als auch das Konzept „competency“ durch spezifische Elemente konkretisiert und stellen somit ein übergeordnetes Konstrukt dar. Noch deutlicher werden die Parallelen bei der Gegenüberstellung von key competencies und employability skills, die in Tabelle 2.2 dargestellt ist. Eine Erklärung für die begriffliche Neuausrichtung und die Substituierung von competency durch skills besteht darin, dass durch die Etablierung des neuen Begriffs ein einheitliches Verständnis des Kompetenzkonstrukts generiert werden soll (ACCI/BCA, 2002, S. 36). Ebenfalls als Unterschied lässt sich eine inhaltliche Erweiterung der key competencies nach Mayer durch das Konzept der employability skills festhalten. Die employability skills fokussieren den Bereich der personalen Fähigkeiten stärker als dies vorherige Konzepte tun. Gleichzeitig werden die Bereiche, in denen die employability skills Anwendung finden sollen, übergreifend definiert, d. h., sie sollen in verschiedenen Unternehmen, Branchen und Arbeitssituationen einsetzbar sein. Hierbei wird der Transfercharakter der skills noch stärker betont als in anderen Ansätzen. Die Diskussion um die key competencies, die vom Australian Education Council angestoßen und durch das Konzept der employability skills ergänzt wurde, lässt
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Die Kompetenzforschung als inhaltstheoretischer Bezugsrahmen
Employability skills Communication skills
Team work skills
Problem-solving skills Initiative and enterprise skills Planning and organising skills
Self-management skills Learning skills
Technology skills Personal attributes Loyalty Commitment Honesty and integrity Enthusiasm Reliability Balanced attitude to work and home life Motivation
Key competencies that contribute to productive and harmonious relations between employees and customers that contribute to productive working relationships and outcomes that contribute to productive outcomes that contribute to innovative outcomes that contribute to long-term and short-term strategic planning that contribute to employee satisfaction and growth that contribute to ongoing improvement and expansion in employee and company operations and outcome that contribute to effective execution of tasks
Communicating ideas and information
Working with others and in teams Solving problems
Planning and organising activities; collecting, analysing and organising information
Using technology
Personal presentation Commonsense Positive self-esteem Sense of humour Ability to deal with pressure Adaptability
Tabelle 2.2.: Gegenüberstellung der employability skills von ACCI/BCA und der key competencies nach Mayer; Quelle: Gibb, 2004, S. 11
zwei Merkmale erweiterter Kompetenzansätze deutlich werden: Erstens werden dekontextualisierte, allgemeine Fähigkeiten und Kenntnisse zusätzlich zu bestehenden arbeitsplatzspezifischen Funktionen definiert. Zweitens gewinnen personale Attribute, die bisher nicht in den Kompetenzstandards definiert wurden, zunehmend an Bedeutung. Der erste Aspekt zeigt sich in einem aktuellen Ansatz von Schofield/McDonald zur Weiterentwicklung bestehender Kompetenzkonstrukte. Hierbei wird differen-
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ziert zwischen work performance – das beobachtbare, messbare und bewertbare Resultat einer bestimmten Tätigkeit oder Leistung – und anderen Bestandteilen von Kompetenz wie personale Kompetenz, Wissen und Fähigkeiten, die der work performance unterliegen, jedoch nicht explizit überprüfbar sind. Kompetenz umfasst neben der erfolgreichen Ausübung einer bestimmten Tätigkeit die Anwendung von Fähigkeiten und Kenntnissen innerhalb und außerhalb konkreter Arbeitssituationen und übergreifenden Arbeitsumgebungen sowie die Transferfähigkeit von Fähigkeiten und Kenntnissen in verschiedenen und sich verändernden Arbeitskontexten (Schofield/McDonald, 2004, S. 17). Der zweite Aspekt – die zunehmende Bedeutung personaler Attribute – wird in einem aktuellen Ansatz von Hager deutlich. Hager, der bereits in den neunziger Jahren diverse Beiträge zur englischen und australischen Kompetenzdebatte leistete, distanziert sich in seiner aktuellen Arbeit noch weiter von bestehenden Ansätzen, die den Performanz-Aspekt als Bestandteil von competency sehen (Hager, 2004b). Diese Distanzierung zeigt sich darin, dass er den Begriff competence und nicht competency verwendet, da competence als ganzheitliches, competency hingegen als kumulatives Konstrukt angesehen wird.10 Ferner wird deutlich, dass Hager competence als Sammelbegriff für verschiedene persönliche Attribute definiert, die der Performanz und damit der konkreten Leistung zugrunde liegen. Diese Attribute werden als capabilities, abilities und skills klassifiziert und als Eigenschaften, die nicht direkt beobachtbar sind, sondern über die ein Individuum „verfügt“, beschrieben (Hager, 2004b, S. 420). Hager löst sich somit von vorhergehenden Kompetenzbegriffen, welche die Performanz und die Festlegung beobachtbarer Verhaltensdispositionen als ausschließlichen Indikator für Kompetenz ansehen. Er distanziert sich aber auch von späteren Ansätzen, die Kompetenz als Kombination aus Performanz und zusätzlichen Attributen eines Individuums begreifen. Hager argumentiert, dass Kompetenz sich ausschließlich auf die dekontextualisierten, allgemeinen, persönlichen Attribute eines Individuums beziehe und Performanz lediglich einen Teil vorhandener Fähigkeiten externalisiere, die jedoch nicht als Kompetenz bezeichnet werden könnten. Es wird damit eine Erweiterung früherer Ansätze deutlich, insbesondere bezüglich des Modells der integrativen Kompetenz, in welchem die Differenzierung zwischen competence und performance betont, gleichzeitig jedoch Performanz als ein Teil von Kompetenz angesehen wird. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass Hager für den australischen Kontext ein konstruktivistisches Kompetenzverständnis definiert, das ausschließlich die internalisierten Attribute und Prozesse als Kompetenz beinhaltet und diese von der Performanz abgrenzt. 10 Eine
ausführliche Differenzierung der beiden Begriffe erfolgt unter 3.3.2.
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Die Kompetenzforschung als inhaltstheoretischer Bezugsrahmen
Interessant ist an dieser Stelle, eine Verbindung zur deutschen Kompetenzdebatte herzustellen. Der Subjektbezug, der von Hager betont wird, findet sich in einer Vielzahl von Ansätzen deutscher Autoren zur Beschreibung des Kompetenzbegriffs, v. a. die Ansätze, die Kompetenz in Abgrenzung zu Qualifikation definieren.11 Insbesondere die in der deutschen Diskussion dem Kompetenzbegriff attestierte „Tiefenstruktur“ als Gegensatz zur „Oberflächenstruktur“ der Performanz spiegelt sich in Hagers Ansatz wider. Die angeführten Beispiele für die Beschreibung von Kompetenz insbesondere im australischen Kontext illustrieren die Heterogenität des Begriffs und der damit verbundenen Konzepte. Vor dem Hintergrund der englischen Kompetenzdiskussion klassifiziert Oates in einem aktuellen Ansatz fünf verschiedene Gruppen von Kompetenzbeschreibungen (2004, S. 62): 1. generic 2. occupational 3. task-specific but independent of specific jobs 4. job-specific, enterprise-specific 5. person-specific In dieser Klassifizierung liegt das Unterscheidungskriterium des Kompetenzverständnisses in der Reichweite der Anwendung. So sind die generic competencies als allgemeine Schlüsselkompetenzen zu verstehen, die unabhängig von Arbeitsgebieten, Aufgaben, Arbeitsplätzen und Unternehmen anwendbar sind. Personenbezogene Kompetenz begreift Oates als die Art, wie eine Person eine bestimmte Aufgabe innerhalb eines bestimmten Arbeitssystems erfüllt. Er legt diesem ein Kompetenzverständnis mit einer geringen Reichweite zugrunde. Die Frage ist jedoch, ob eine derartige Trennung und Klassifizierung für die unterschiedlichen Kompetenzbegriffe ausreichen. Die ersten, behavioristisch geprägten, Kompetenzbegriffe lassen sich in die Kategorien job-specific, enterprise-specific und task-specific klassifizieren. Erweiterte Kompetenzkonstrukte sind weniger leicht einzuordnen, da sie die generic skills sowie die personenbezogenen Attribute als Voraussetzung für kompetentes Handeln in einem Unternehmen, an einem Arbeitsplatz und für spezifische und übergreifende Aufgaben deklarieren. Eine Trennung, wie sie von Oates vorgenommen wird, erscheint demzufolge nur bedingt ausreichend. Dies zeigt aber auch, wie schwierig sich die Klassifizierung der Kompetenzbegriffe und 11 Siehe
dazu die Ausführungen unter 3.2.3.
2.3. Zum Kompetenzbegriff und -konstrukt im englischen und australischen Kontext
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-konstrukte aufgrund der Unterschiedlichkeit und Komplexität in den einzelnen Ansätzen gestaltet. Die bestehende Heterogenität wird dahingehend verstärkt, dass der Begriff von Ausbildern und Lehrenden aus der Berufsbildungspraxis oftmals anders gefasst wird als dies Berufsbildungsforscher in ihren wissenschaftlichen Konstrukten intendieren. Eine Studie von Mulcahy/James (1999) illustriert diese Heterogenität anhand von acht Fallstudien, die zeigen, dass Betriebe eigene Vorstellungen von Kompetenz haben und diese entsprechend ihren Anforderungen und Arbeitsumgebungen realisieren (Mulcahy, 2000, S. 263 ff.). Im Gegensatz zur bildungspolitischen Zielsetzung, welche diese Heterogenität als defizitär ansieht und nationale Konsistenz sowohl im theoretischen als auch in der praktischen Umsetzung als primäres Ziel formuliert, plädieren Mulcahy und James für diese Heterogenität. Sie argumentieren, dass die berufliche Bildung aufgrund ihrer verschiedenen Akteure und institutionellen Rahmenbedingungen nicht in ein einheitliches Kompetenzmodell „gepresst“ werden könne, vielmehr sei die Diversität ein vielversprechenderes Ziel für die australische Berufsbildung: „Apparently, we should not be engaged in pressing an image of competency as a single acceptable outcome and of CBT as a universally applicable model of VET to a master model. [...] Diversity (or, in a more complex formulation, (non)coherence), rather than consistency, may be a more appropriate guiding principle for VET“ (Mulcahy, 2000, S. 271).
2.3.2. Zur begriffstheoretischen Differenzierung von competence und competency Eine Besonderheit der englischen Kompetenzdiskussion besteht darin, dass der englische Sprachgebrauch zwei Begriffspaare, die sich hinter dem Wort „Kompetenz“ verbergen, aufweist. Zum einen existiert competence mit dem Plural competences und zum anderen competency mit der Pluralform competencies. Eine Differenzierung lässt sich hinsichtlich des geographischen Gebrauchs der beiden Begriffspaare anführen, da australische Autoren zumeist den Begriff competency verwenden, während competence vornehmlich in der englischen Literatur zu finden ist. Darüber hinaus sind jedoch auch inhaltliche Unterschiede vorzufinden. So charakterisiert bspw. Hyland competence als allgemeines Leistungsvermögen (capacity), wohingegen competency die Fähigkeit zu konkreten Handlungsdispositionen (capabilities) bedeute (Hyland, 1994, S. 21) und daher im Gegensatz zu competence situativ und modular zu verstehen sei (Eraut, 1994, S. 179). Hyland rekurriert hierbei auf eine Differenzierung von Carr, welcher competence als übergreifendes Leistungsvermögen begreift, im Gegensatz zu competency, die er als disposition im Sinne von spezifischen Befähigungen definiert, die in konkreten
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Die Kompetenzforschung als inhaltstheoretischer Bezugsrahmen
Situationen Anwendung finden (Carr, 1993, S. 256; Gonczi, 1996, S. 18). Diese Unterscheidung findet sich in zwei häufig zitierten Kompetenzdefinitionen wieder, zum einen in einer Definition der Australian National Training Authority (ANTA): „Competency is the specification of knowledge and skill and the application of that knowledge and skill to the standard of performance expected in the workplace“ (ANTA, 1998, S. 10).
Deutlich wird hierbei der situative und modulare Charakter des Begriffs, der die Erfüllung arbeitsplatzspezifischer Aufgaben impliziert. Im Gegensatz dazu definieren Ashworth/Saxton für den englischen Kontext competence als allgemeine Befähigung zur Bewältigung verschiedener Aufgaben in unterschiedlichen Kontexten sowie die Fähigkeit, nicht nur Routinetätigkeiten auszuführen: „Competence is a wide concept which embodies the ability to transfer skills and knowledge to new situations within the occupational area. It encompasses organisation and planning of work, innovation and coping with non-routine activities“ (Ashworth/Saxton, 1990, S. 8 f.).
Ein weiteres Beispiel der Differenzierung von competency und competence, die sich ausschließlich auf den australischen Kontext bezieht, ist in einer Definition von Gonczi/Hager/Oliver (1992) zu finden. Competency wird definiert als: „[..] a combination of attributes underlying some aspect of successful professional performance. Competencies vary from specific to complex (or higher level)“ (Gonczi/Hager/Oliver, 1992, S. 62).
Auch hier wird deutlich, dass competency situativ und modular zu betrachten ist, was insbesondere dadurch betont wird, dass die einzelnen Kompetenzaspekte als einfache oder spezifische bis hin zu komplexen Fähigkeiten kategorisiert werden können. Im Gegensatz dazu fokussieren Gonczi/Hager/Oliver mit ihrer Definition von competence den ganzheitlichen Aspekt des Begriffs: „Possessing the attributes enabling performance of a range of professional tasks to the appropriate standards“ (Gonczi/Hager/Oliver, 1992, S. 62).
Obgleich die genannten Beispiele, sowohl in geographischer als auch in inhaltlicher Hinsicht, die Unterscheidung von competency und competence untermauern, divergiert der Gebrauch beider Begriffe in der einschlägigen Literatur. Dies zeigt sich etwa in der Tatsache, dass im australischen Kontext von competency standards und im englischen Kontext von competence standards gesprochen wird. Sowohl competency standards als auch competence standards beinhalten
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jedoch einzelne Kompetenzmodule, welche die genauen Aufgaben und Funktionen beschreiben, die für eine bestimmte berufliche Qualifikation erfolgreich erfüllt werden müssen. Sie sind somit als situative und kumulative Handlungsanforderungen zu verstehen und entsprechen somit dem Verständnis von competency und nicht dem von competence. Auch die bereits zitierte Definition von competence durch das National Training Board unterstreicht den restriktiven situativen Charakter des Begriffs, dessen Fokus auf den konkreten Anforderungen am Arbeitsplatz liegt. Dies verdeutlicht, dass in der praktischen Umsetzung des Kompetenzbegriffs keine klare Differenzierung zwischen competency und competence stattfindet, sondern dass die beiden Begriffe trotz unterschiedlicher Konnotationen oftmals synonym verwendet werden. 2.3.3. Zur konzeptionellen Differenzierung zwischen Input- und Outcomemodellen Die Grundgedanken der Klassifizierung von competence als allgemeine innere Befähigung und competency als spezifische Erfüllung von Arbeitsaufgaben wurden bereits in einem Ansatz von Mansfield konstatiert, welcher zwei Kategorien von Kompetenzmodellen definiert. Die erste Kategorie basiert auf Annahmen über innere Attribute eines Individuums in Form von Begabungen, Wissen, Fähigkeiten und Werthaltungen (Mansfield, 1989, S. 27) und versteht Kompetenz als ein Sammelbegriff für internalisierte Eigenschaften, weshalb auch von einem Inputmodell gesprochen wird. Diese Annahmen lassen auf ein zugrunde liegendes Kompetenzverständnis im Sinne von competence schließen. Die zweite Kategorie beschreibt den Kompetenzbegriff als ein Outcomemodell, das auf vier Annahmen basiert: Outcomemodelle... 1. ... basieren auf Beschreibungen von Ergebnissen (Outcomes) bestimmter Arbeitsfunktionen und beinhalten somit keine individuellen Attribute wie Wissen und Fähigkeiten. 2. ... beinhalten Betrachtungen der Verbindung von fachlichen Funktionen und deren organisatorische Umwelt sowie das weitere berufliche Umfeld. 3. ... dienen als Rahmen für die Spezifizierung von Fertigkeiten, die zur Erreichung der Outcomes beitragen, passen sich den Veränderungen von Arbeitsorganisationen und Technologien an und sind somit dynamisch. 4. ... beinhalten Aspekte wie Anpassungsfähigkeit, Vielseitigkeit, Veränderungen, Kreativität, Innovationen und Routinetätigkeiten (ebenda, S. 27 f.).
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Kompetenz im Sinne des Outcomemodells bezieht sich somit auf externalisierte Anforderungen, die in Form von Standards vorgegeben sind (siehe Abbildung 2.6). Weiterhin bedeutet dies, dass Kompetenz als beobachtbare Verhaltensdisposition bzw. als erwartetes situatives Rollenverhalten determiniert wird, womit Kompetenz zu einer messbaren Größe wird, was im Inputmodell nicht der Fall ist. Interessanterweise wird jedoch auch im Outcomemodell von competence gesprochen, obgleich das zugrunde liegende kumulative und performanzbasierte Verständnis eher dem von competency entspricht. Individual performance to standards Developed by: CONTENT consisting of Inputs and Processes deriving from a Focus on current activities and needs primarily concerned with: LEARNING and ASSESSMENT based on a view of competence which equals: the ability and attributes of individuals (knowledge, understanding and skills) which supports the strategic aims of a particular organisation
Defined by: STANDARDS consisting of Outcomes deriving from a Focus on future strategic capability primarily concerned with INDUSTRY STANDARDS OF COMPETENCE based on a view of competence which equals: role expectations - external to individuals (whole work roles) which supports the strategic aims of a competitive economy
Abbildung 2.6.: Input- vs. Outcomemodell; Quelle: Mansfield, 1989, S. 29
Bemerkenswert bei der Klassifizierung von Outcome- und Inputmodellen ist aus deutscher Sicht, dass in beiden Fällen von Kompetenz die Rede ist. Betrachtet man jedoch das Outcomemodell, so würde man im deutschen Kontext eher von einer Oberflächenstruktur und somit von Qualifikation und nicht von Kompetenz sprechen. Sowohl im Outcomemodell als auch im deutschen Verständnis von Qualifikation wird der Performanzbezug fokussiert und in beiden Fällen sind Aspekte wie Standards, Outcomes, Funktionen und Erwartungen der Arbeitswelt dominierend. Folglich findet in der deutschen Diskussion eine begriffliche Trennung statt zwischen Kompetenz im Sinne eines Inputmodells und Qualifikation im Sinne eines Outcomemodells, wohingegen in Mansfields Ansatz in beiden Fällen von competence die Rede ist. Schlussfolgern kann man daraus, dass es zu begrifflichen Unschärfen kommt, was den Gebrauch des Kompetenzbegriffs im englischen und australischen Kontext anbelangt. Hinzu kommt das bereits dargestellte aus den Begriffen competence und competency resultierende Dilemma. Dies sei, so Lum, ein bemerkenswertes Defizit, insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Kom-
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petenzverständnis als Grundlage für weitreichende bildungs- und beschäftigungspolitische sowie didaktisch-curriculare Reformen im Hinblick auf die Einführung des CBT-Ansatzes zu betrachten ist (Lum, 1999, S. 404).12 Ein weiteres Beispiel für die Differenzierung von Input- und Outcomemodellen liefert Oates, welcher das Inputmodell als formation und das Outcomemodell als competence beschreibt (siehe Abbildung 2.7). Kennzeichen der formation ist demzufolge die formative Leistungsmessung, mit welcher ein Feedback über die Leistungen gegeben wird, mit dem Ziel der Verbesserung der individuellen Leistung. Kennzeichen von competence ist hingegen die summative Leistungsmessung mit dem Ziel der Beurteilung von Leistungen in Form von Zertifikaten. Im Inputmodell werden offene und unstrukturierte Beurteilungen über die Performanz generiert, die Aussagen über die erreichten Leistungen sowie über die Motivation beinhalten. Im Gegensatz dazu werden im Outcomemodell standardisierte und strukturierte Aussagen über die Performanz in einer allgemeingültigen Form und Sprache artikuliert – mit dem Ziel der Schaffung von Transparenz und Verwertbarkeit. Formation wird dem Anspruch auf Input-Orientierung in der Form gerecht, als effektive und strukturierte Lernprozesse sowie adäquate Lernumgebungen im Vordergrund stehen, die den Entwicklungsprozess von Kompetenz fördern. Competence hingegen verweist auf die Outcome-Orientierung, da die beobachtbare Performanz im Vordergrund steht, aufgrund derer Rückschlüsse auf die zugrunde liegende Kompetenz gezogen werden, wobei Lernweg, Dauer und Methoden im Lernprozess als variabel angesehen werden (Oates, 2004, S. 59). Es gilt jedoch kritisch zu hinterfragen, ob eine Klassifizierung über die Differenzierungskriterien Input und Outcome oder der Ansatz über den Subjekt- bzw. Objektbezug für die Beschreibung von Kompetenz überhaupt geeignet ist. Diese Frage wird hier anhand einer kritisch-systematischen Auseinandersetzung mit der Input/Outcome-Klassifizierung erörtert. Betrachtet man die Begriffe inputs and processes (Inputmodell) und outcomes (Outcomemodell), so stellt sich die Frage, inwiefern eine Trennung von Input, Prozess und Outcomes vorgenommen werden kann. Outcomes stellen die Ergebnisse eines Lernprozesses dar, der durch entsprechende Inputs angeregt, gesteuert und begleitet wird, weshalb alle drei Größen als interdependent zu betrachten sind und voneinander losgelöst zu einer restriktiven Sichtweise führen. Eine Abgrenzung zwischen derzeitigen Aktivitäten und Bedürfnissen und zukünftigen Anforderungen erscheint in beiden Modellen ebenfalls zu restriktiv. Die Antizipation zukünftiger Erwartungen basiert auf aktuellen Aktivitäten, deren Gestaltung wiederum zukünftige Entwicklungen beeinträchtigt. 12 Die
politische und pädagogische Bedeutung von Kompetenz wird unter 3.3.4 und 3.3.5 ausführlich thematisiert.
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Formation
Competence
formative assessment to provide feedback for learners in order for them to enhance their performance
summative assessment to provide a transparent statement of what someone can do, for certification, selection, etc. tightly structured, centralised information on performance which provides a common language for describing competence
open, unstructured information on performance which reflects the specific composition and meaning of achievement, motivation, etc. of an individual emphasis on inputs relating to effective, structured use of learning processes and settings, with assumptions that processes of learning affect the nature of emerging competence
emphasis on outcomes with an emphasis on inferring competence from performance, on leaving open the mode, duration, and location of learning
Abbildung 2.7.: Formation vs. Competence; Quelle: Oates, 2004, S. 59
Die Fokussierung des Inputmodells auf Learning und Assessment weist im Gegensatz zu der Fokussierung des Outcomemodells auf Industry Standards of Competence Unstimmigkeiten auf. Assessment, sprich die Überprüfung von (Lern)Ergebnissen, wird hier als Merkmal des Inputmodells aufgeführt. Dies steht jedoch in erster Linie mit Standards und Outcomes und somit mit Merkmalen des Outcomemodells in Verbindung. Hinzu kommt, dass Kriterien für die Überprüfung von (Lern-)Ergebnissen festgelegt werden müssen, was wiederum in engem Zusammenhang mit dem Outcome-orientierten Konzept der Kompetenzstandards steht und somit konträr zu einem Inputmodell erscheint. Eine Trennung zwischen Kompetenz im Sinne interner Fähigkeiten und persönlicher Attribute sowie im Sinne externer Anforderungen in Form von Arbeitsfunktionen und -erwartungen erscheint nicht als geeignet für eine ganzheitliche Erfassung des Kompetenzbegriffs. Es ist vielmehr erforderlich, beide Kategorien zu berücksichtigen, da Kompetenz im Sinne von individuellen Fähigkeiten nicht als statische Größe betrachtet werden kann, sondern als dynamischer Prozess gesehen werden muss, in welchem Fähigkeiten aufgebaut, entwickelt und verändert werden. Der Erwerb und die Weiterentwicklung gehen zwar primär vom Subjekt aus, sind jedoch unmittelbar von Objekten der Umwelt beeinflusst – bspw. veränderte Arbeitsstrukturen, neue Anforderungen etc. Hierbei lässt sich der Bezug zum holistischen Kompetenzansatz von Gonczi (1996) sowie von Hager/Beckett (1995) herstellen, die eine Verbindung von internalisierten Fähigkeiten und Attributen und deren Anwendung und Messbarkeit anhand externer Standards avisieren. Zusammenfassend wird somit konstatiert, dass eine strikte Trennung von Input-
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und Outcomemodellen zur Beschreibung des Kompetenzbegriffs nicht sinnvoll erscheint und sich in der Umsetzung schwierig gestaltet. Wie bereits für die Entwicklung des Kompetenzbegriffs in der englischen und australischen Diskussion deutlich gemacht wurde, hat sich ein erweitertes Konzept, das sowohl Aspekte des Input- als auch des Outcomemodells integriert, in der aktuellen Diskussion durchgesetzt, wobei die beiden Modelle als reine Extremtypen angesehen werden. Sowohl aus politischer als auch aus pädagogischer Perspektive sind jedoch hybride Modelle, die sich zwischen diesen Extremen ansiedeln lassen, geeignetere Ansätze, was im Folgenden im Rahmen einer kritischen Auseinandersetzung mit der politischen und pädagogischen Bedeutung von competency erörtert wird. Hierbei wird jedoch ausschließlich auf competency Bezug genommen, da dieser Begriff in der australischen Diskussion um den CBT-Ansatz von höherer Relevanz ist als competence. 2.3.4. Die politische Bedeutung von competency Im Zuge verschiedener Reformansätze in der Berufsbildung in den achtziger und neunziger Jahren wurde das bestehende Berufsbildungssystem in einen CBT-Ansatz transformiert13 (Collins, 1993, S. 7; Hager, 2004b, S. 409). Im Mittelpunkt dieses Ansatzes stehen Kompetenzstandards, die ihrerseits auf einem Kompetenzbegriff – in diesem Fall competency und nicht competence – beruhen und demzufolge eine politische Bedeutung implizieren (Stevenson, 1995, S. 354). Hierbei muss zwischen zwei politischen Dimensionen differenziert werden: der bildungspolitischen und der beschäftigungspolitischen. Durch den in Australien vorherrschenden Föderalismus besitzen die Bundesstaaten weitgehende Autonomie in Fragen der Bildungspolitik,14 was zur Folge hat, dass die Berufsbildung in den einzelnen Bundesstaaten sehr unterschiedlich ausgeprägt ist und sich bspw. in unterschiedlichen Curricula äußert. Die nationale Bildungspolitik avisiert jedoch eine Vereinheitlichung der bundesstaatlichen Berufsbildungssysteme anhand von standardisierten curricularen Vorgaben und somit einheitlichen Kompetenzstandards und einem einheitlichen Verständnis von competency. Für die Bildungspolitik bedeutet competency somit eine einheitliche didaktisch-curriculare Zielgröße für berufliche Lernprozesse. Eine weitere bildungspolitische Zielsetzung, die an das Konzept von competency und competency standards geknüpft wird, ist eine flächendeckende Erhöhung des Bildungsniveaus in Australien: 13 Eine
detaillierte Beschreibung der Entwicklung des CBT-Ansatzes findet sich unter 4.3. ausführliche Darstellung der ordnungspolitischen Strukturen der Berufsbildung Australiens erfolgt unter 4.4.
14 Eine
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Die Kompetenzforschung als inhaltstheoretischer Bezugsrahmen
„[...] CBT will help to facilitate the change from a domestically-focussed, low skill, low wage economy into a globally competitive, high skill, high technology and high wage workforce for Australia“ (Meecham, 1992, S. 5).
Die Kompetenzstandards sollen somit nicht nur für Basisqualifikationen definiert werden, sondern insbesondere zu einem höheren Niveau in allen beruflichen Tätigkeitsfeldern führen. Dies soll zum einen die Anzahl abgeschlossener beruflicher Teil- und Gesamtqualifikationen erhöhen; zum anderen soll das Niveau der Abschlüsse insgesamt steigen. So wurde 1993 das Ziel gesetzt, dass bis 2001 ca. 90 % der Zwanzigjährigen einen beruflichen oder äquivalenten Abschluss auf dem Level 2 des Qualifikationsrahmens und 60 % der Zweiundzwanzigjährigen einen beruflichen oder äquivalenten Abschluss auf dem Level 3 oder höher erreichen sollen (Carmichael, 1993, S. 18). Für die Beschäftigungspolitik ist competency ein Steuerungsmechanismus, da die Gestaltung und Ausrichtung der Berufsbildung in die Verantwortung der Wirtschaft gelegt wird. Vertreter der Wirtschaft entwickeln Kompetenzstandards und legen diesen ein betrieblich-funktionales Verständnis von competency zugrunde. Das bedeutet, mit competency werden die Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse selektiert und definiert, die aus Sicht der Wirtschaft in der derzeitigen und zukünftigen Arbeitswelt erforderlich sind. Das bedeutet weiterhin, dass primär die Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt werden, die auf dem Arbeitsmarkt von den Unternehmen nachgefragt werden. Somit soll sichergestellt werden, dass nicht nur quantitativ ausreichend Fachkräfte ausgebildet werden, sondern dass diese auch den qualitativen Anforderungen der Unternehmen genügen und einen Arbeitsplatz erhalten. An dieser politischen Dimension des Kompetenzbegriffs und dem damit verbundenen beschäftigungspolitischen Steuerungsmechanismus wird jedoch auch Kritik geübt. So argumentiert u. a. Stevenson, dass mit der Einführung des CBTAnsatzes und dem zugrunde gelegten Kompetenzbegriff eine zu starke Politisierung stattgefunden habe. Lerntheoretische Aspekte des Kompetenzbegriffs und insbesondere Erklärungsansätze für die Entwicklung und Förderung von Kompetenz sowie für kompetentes Handeln, wie es die Psychologie avisiert, würden dabei vernachlässigt (Stevenson, 1995, S. 361). Der wissenschaftliche Diskurs um den Kompetenzbegriff wird somit von beschäftigungspolitischen Zielen dominiert, was wiederum den bereits dargestellten betrieblich-funktionalen und auf behavioristischen Annahmen begründeten Kompetenzbegriff erklärt. Dessen ungeachtet kann hinsichtlich der weiteren Entwicklung der Kompetenzstandards eine pädagogische Bedeutung des Kompetenzbegriffs identifiziert werden, die es im Folgenden darzustellen gilt.
2.3. Zum Kompetenzbegriff und -konstrukt im englischen und australischen Kontext
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2.3.5. Die pädagogische Bedeutung von competency Die pädagogische Bedeutung von competency lässt sich hinsichtlich der didaktischcurricularen Gestaltung von Lernzielen und in Abgrenzung zur inhaltlichen und methodischen Ausrichtung beruflicher Lernprozesse konstatieren. Competency ist der Strukturbegriff zur Festlegung von Lernzielen, was zu kompetenzbasierten und Outcome-orientierten curricularen Vorgaben führt, die in Form der training packages realisiert werden. Die Kompetenz- und Outcome-Orientierung beinhaltet, dass lediglich die zu erwerbenden Kompetenzen determiniert und standardisiert, methodische Aspekte, d. h. Fragen der Lernprozessgestaltung sowie der Leistungsmessung, hingegen nicht einheitlich definiert und somit nicht mit dem Konstrukt competency verbunden werden. Das hat wiederum zur Folge, dass Input und Prozess im Gegensatz zu den Outcomes individuell unterschiedlich realisiert werden. Die Outcomes sind in Form von competency standards definiert und national einheitliche Vorgaben, nach denen alle beruflichen Lernprozesse strukturiert werden müssen, sofern sie mit einer national anerkannten Qualifikation abgeschlossen werden. Somit kann festgehalten werden, dass die pädagogische Bedeutung von competency im Konzept der competency standards begründet liegt, weshalb dieses theoretische Konzept, die praktische Entwicklung sowie die Kritik an den Kompetenzstandards im Folgenden näher erläutert werden. Das Konzept der competency standards Das Konzept der Kompetenzstandards ist ein Kernmerkmal des CBT-Ansatzes, da es als Grundlage für alle national anerkannten Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen dient und als Richtlinie für den Kompetenzerwerb im CBT-Ansatz zu sehen ist.15 Die mit der Einführung des CBT-Ansatzes entwickelten Kompetenzstandards rekurrieren aus lerntheoretischer Perspektive auf einen behavioristischen Kompetenzbegriff. Kompetenzstandards beinhalten demnach konkrete Aufgaben und Funktionen, die in einem bestimmten Arbeitsumfeld erfüllt werden müssen. Die Leistungen eines Lernenden werden anhand dieser Standards gemessen, und es wird aus diesen geschlossen, ob der Lernende als competent oder als not yet competent bezeichnet werden kann. Vor diesem Hintergrund definieren Gonczi/Hager/ Oliver Kompetenzstandards wie folgt: „A competency-based standard is a level of achievement required for competence in some areas of professional practice. Specifying the standard involves stating the kinds
15 Eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Philosophie und den Kernmerkmalen des CBT-Ansatzes
erfolgt unter 3.2.
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Die Kompetenzforschung als inhaltstheoretischer Bezugsrahmen
of tasks and contexts in which the required level of achievement is to be exhibited. Performance at the required level of achievement is indicative of the presence of the underlying competencies, i.e. the appropriate combinations of knowledge, abilities, skills and attitudes. When this is done for a range of areas of practice within a profession, the result is a set of competency-based standards for the profession“ (Gonczi/Hager/Oliver, 1990, S. 10).
Die ersten Kompetenzstandards beinhalten primär praktische Fertigkeiten und Kenntnisse, die in konkreten Arbeitssituationen erforderlich sind und sich als kumulative Kompetenzmodule definieren und operationalisieren lassen. Der Grund hierfür ist die Dominanz der Wirtschaft bei der Festlegung der Kompetenzstandards, wobei die betrieblich-funktionale Ausrichtung der Kompetenzstandards als übergeordnetes Ziel deklariert wird (Harris et al., 1995, S. 94 f.). Diese von vielen Pädagogen als zu restriktiv angesehene Ausrichtung wird durch die konzeptionelle Erweiterung des Kompetenzbegriffs modifiziert. In den überarbeiteten und weiterentwickelten Kompetenzstandards werden daher zunehmend übergreifende, personale Attribute, die nicht primär dem betrieblich-funktionalen Aspekt folgen, integriert. So werden neben den praktischen und fachbezogenen Fertigkeiten und Kenntnissen zum einen übergreifende Fähigkeiten im Sinne der Schlüsselkompetenzen in die Kompetenzstandards integriert, wie bspw. Sprach- und Wortschatz, aber auch grundlegende mathematische Kenntnisse (ebenda, S. 95 f.). Zum anderen finden personale Attribute, wie Werte und Einstellungen, in den Kompetenzstandards Beachtung; somit kann eine zunehmende Subjektorientierung und Individualisierung in den Kompetenzstandards festgestellt werden.Diese konzeptionellstrukturelle Weiterentwicklung und inhaltliche Ausweitung der Kompetenzstandards ist zurückzuführen auf die in der Wissenschaft geführte Diskussion um den Kompetenzbegriff, welcher, wie bereits dargestellt, ausgehend von einem betrieblich-funktionalen Verständnis neue Dimensionen und Akzentuierungen insbesondere durch die Diskussion um key competencies bzw. employability skills erfährt. Dessen ungeachtet stehen in der Entwicklung der competency standards primär fachpraktische und fachtheoretische Kompetenzen im Vordergrund – einhergehend mit der Frage ihrer Operationalisierbarkeit, was im Folgenden ausgeführt wird. Zur Entwicklung der competency standards Kern der Kompetenzstandards sind konkrete Tätigkeiten und Aufgaben, die einem bestimmten Arbeitsfeld zugeordnet werden können (Gonczi/Hager/Oliver, 1990, S. 34 f.). Zur Identifikation und Selektion dieser Tätigkeiten und Aufgaben lassen sich verschiedene methodische Verfahren unterscheiden, die für die Entwicklung und Festlegung von Kompetenzstandards in verschiedenen Branchen und Berufen zum Einsatz kommen. Die zwei wichtigsten Verfahren sind die DACUM-
2.3. Zum Kompetenzbegriff und -konstrukt im englischen und australischen Kontext
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Methode und die Funktionsanalyse. DACUM ist ein Akronym für Develop A Curriculum und hat seinen Ursprung in Nordamerika (Clement, 2003, S. 130). Ziel der DACUM-Methode ist die systematische Erfassung von Aufgaben, Tätigkeiten, Kompetenzen und Werkzeugen, die mit einer bestimmten Tätigkeit verbunden sind (ebenda, S. 131). Experten sammeln in diesem Zusammenhang alle relevanten Informationen und Anforderungen. Norton formuliert diesbezüglich drei Annahmen: Erstens sind Personen, die eine bestimmte Tätigkeit regelmäßig ausführen, am besten dafür geeignet, diese realitätsnah und präzise zu identifizieren. Zweitens gewährleistet eine präzise und vollständige Beschreibung der Tätigkeit eine effiziente Arbeits- und Tätigkeitsanalyse und drittens ermöglicht eine effiziente Arbeitsund Tätigkeitsanalyse die Identifizierung von erforderlichen Kenntnissen, Fertigkeiten, Werkzeugen und Verhaltensdispositionen (Norton, 1985, S. 1). Somit müssen zunächst Experten, die mit den zu entwickelnden Kompetenzstandards vertraut sind, ausgewählt werden, um eine detaillierte und umfassende Beschreibung und Analyse der Tätigkeiten zu generieren. Darauf aufbauend kann die Selektion der erforderlichen personalen Kompetenzen sowie der materiellen Ressourcen erfolgen. Die Vorgehensweise der DACUM-Methode gliedert sich in zwei Schritte, wobei zuerst eine Selektion der Experten nach vorher festgelegten Kriterien erfolgt (Gonczi/Hager/Oliver, 1990, S. 38 f.). Bei der Selektion muss beachtet werden, dass verschiedene Akteure der Berufsbildung (Vertreter der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände, Vertreter der Berufsbildungspolitik und Berufsbildungsforschung usw.) und insbesondere Erwerbstätige, die über einschlägige Erfahrungen in den jeweiligen Bereichen verfügen und in verschiedenen Positionen innerhalb der Unternehmen anzusiedeln sind, vertreten sind. Im zweiten Schritt erfolgt die Auflistung der Haupt- und Nebentätigkeiten und der damit verbundenen Pflichten, Anforderungen und Kompetenzen. Danach wird eine Gewichtung der einzelnen Elemente vorgenommen – u. a. nach Häufigkeit und Bedeutsamkeit –, die für die Strukturierung der Kompetenzstandards erforderlich ist. Der Vorteil der DACUM-Methode ist, dass sie systematisch durchführbar ist und zu einer vollständigen Sammlung aller für die Kompetenzstandards wichtigen Komponenten führt. Eine Schwierigkeit stellt jedoch die Selektion der Experten aus der Wirtschaft dar, welche die arbeitsplatzbezogenen Tätigkeiten beschreiben sollen, da die „geschlechtsbezogene, geografische und [...] ethnische Ausgewogenheit“ sowie eine Beachtung der individuellen Erfahrung und Expertise für die Aufstellung einer repräsentativen Expertengruppe notwendig seien (Clement, 2003, S. 131). Ein weiteres Problem der DACUM-Methode liegt in der Erfassung der beruflichen Tätigkeitsanforderungen. Zur Kategorisierung der Tätigkeiten wird ein hierarchisches System zugrunde gelegt, welches sich in Beruf (occupation) bzw.
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berufliche Tätigkeiten (jobs), Aufgaben (duties), Tätigkeiten (tasks) und Arbeitsschritte (steps) gliedert (Kohn, 1997, S. 17). Darüber hinaus werden erforderliche Verhaltensweisen (workers behaviour), allgemeine Fähigkeiten und Kenntnisse (general skills and knowledge) sowie Werkzeuge, Ausstattung, Güter und Materialien (tools, equipment, supplies and materials) erfasst. Diese Erfassung ist jedoch mit einem hohen zeitlichen und finanziellen Aufwand verbunden, da die gewonnenen Qualifikationsprofile ständig überarbeitet werden müssen, um eindeutige und relevante Tätigkeitsbeschreibungen generieren zu können. Ein weiterer Aspekt ist die Prognose von zukünftigen Trends und Entwicklungen (future trends/concerns). Trotz des Anspruchs auf umfassende und antizipierende Beschreibungen der beruflichen Tätigkeiten wird kritisiert, dass die DACUM-Methode zu sehr situationsbezogen und eine Orientierung am Status quo der zu beschreibenden Tätigkeiten erkennbar sei (Clement, 2003, S. 133). Obgleich diese Kritik durchaus berechtigt ist, ist es fraglich, ob eine andere Methode in der Lage ist, zukünftige Trends und Entwicklungen systematisch zu erfassen. Die Methode der Funktionsanalyse kann als Gegensatz zur DACUM-Methode betrachtet werden, da sie deduktiv von zentralen branchen- und bereichsbezogenen Aufgaben Einzeltätigkeiten ableitet, während die DACUM-Methode induktiv von der Beschreibung spezifischer Einzelfunktionen auf allgemeine Aufgaben schließt (Deißinger/Hellwig, 2005, S. 14 f.; Gonczi/Hager/Oliver, 1990, S. 43; Mansfield/Mitchell, 1996, S. 93 ff.). Funktionsanalytiker beschreiben die für den Arbeitsprozess notwendigen Tätigkeitsbereiche und identifizieren stufenweise allgemeine Fähigkeiten und Kenntnisse von grundlegenden Funktionen bis zu einfachen Tätigkeiten. Dabei werden komplexe Aufgaben in kleinere, sichtbare Teilaufgaben bzw. Funktionen aufgegliedert und konkretisiert. Die anschließende grafische Darstellung erfolgt in Form eines Baumes und illustriert die internen Interdependenzen der einzelnen Funktionen, welche den beruflichen Kompetenzstandards gleichgesetzt werden (Clement, 2003, S. 134). Problematisch ist bei der Funktionsanalyse der Transfer der identifizierten Funktionen auf einen spezifischen Arbeitsbzw. Lernprozess, welcher in der betrieblichen Realität oftmals von den ermittelten Ergebnissen divergiert. Neben der DACUM-Methode und der Funktionsanalyse gibt es noch eine Reihe weiterer methodischer Vorgehensweisen zur Entwicklung von Kompetenzstandards (Gonczi/Hager/Oliver, 1990, S. 37 ff.): leitfadengestützte Experteninterviews, Fragebögen (z. B. DELPHI) oder CODAP (computerbasiertes System zur Sammlung, Verarbeitung, Strukturierung, Zusammenfassung von Informationen über arbeitsplatz- und tätigkeitsbezogene Anforderungen). Kritiker der einzelnen Vorgehensweisen sind sich dabei einig, dass es von Vorteil ist, mehrere Methoden miteinander zu kombinieren, um zu einem validen und reliablen Ergebnis zu kommen.
2.3. Zum Kompetenzbegriff und -konstrukt im englischen und australischen Kontext
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Ausgehend von den per DACUM-Methode, Funktionsanalyse oder anderen Vorgehensweisen identifizierten Tätigkeiten eines bestimmten Arbeitsbereiches, werden Kompetenzstandards definiert. Diese Standards enthalten einen Namen, sprich die Bezeichnung der zu erwerbenden Kompetenz, eine allgemeine Beschreibung, differenzierte Kompetenzelemente, operationalisierte Leistungskriterien und eine Beschreibung der Rahmenbedingungen, unter denen die Kompetenzmessung und Prüfung erfolgen soll (Clement, 2003, S. 134 f.). Kennzeichen der Kompetenzstandards ist die Outcome-Orientierung, da sie lediglich die zu demonstrierenden Ergebnisse und nicht den Prozess und den Input des Kompetenzerwerbs reglementieren. Prinzipiell können drei Arten von Standards unterschieden werden (Harris et al., 1995, S. 105). Zum einen sind dies industry standards, die von Vertretern der Wirtschaft für eine bestimmte Wirtschaftsbranche vorgeschlagen werden. Zum anderen sind dies branchenübergreifende Standards (cross-industry standards), welche auf Kompetenzen basieren, die in verschiedenen Wirtschaftszweigen gleichermaßen von Bedeutung sind und in die industry standards integriert werden. Die dritte Form von Standards sind die Unternehmensstandards (enterprise standards), die auf Unternehmensebene entwickelt und implementiert werden. Diese sind aufgrund der Gestaltungsautonomie der Unternehmen sehr spezifisch ausgerichtet und beinhalten nur eine eingeschränkte inhaltliche Breite. Um der Gefahr der Heterogenität und Vielzahl von einzelnen Unternehmensstandards zu begegnen, werden Unternehmensstandards nur für die Bereiche entwickelt, in denen keine nationalen Standards definiert sind. In der Praxis werden demzufolge Unternehmensstandards zumeist in Ergänzung zu bestehenden industry standards entwickelt. Trotz spezifischer inhaltlicher Gestaltungsfreiheiten bezüglich der Kompetenzstandards unterliegen diese einer formal gleichartigen Struktur (Harris et al., 1995, S. 106 f.). Die Standards bestehen aus einzelnen Kompetenzmodulen, den sogenannten units of competency, welche die Grundeinheit der Standards bilden und wichtige Arbeitsaufgaben und Funktionen beschreiben: „Each Unit of Competency describes a broad area of professional performance“ (Heywood/Gonczi/Hager, 1992, S. 32).
Die units of competency werden weiter in einzelne Elemente (elements of competency) unterteilt, welche den Outcome definieren, der anhand der performance criteria gemessen wird: „The Elements of Competency constitute the building blocks of each Unit of Competency. They describe in more detail what is done in the workplace in each Unit of Competency“ (Heywood/Gonczi/Hager, 1992, S. 32).
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Die Performanzkriterien beinhalten nicht nur die Beschreibung des Outcome, sondern auch der Kriterien, die für die Beurteilung der Leistung herangezogen werden. Die Kriterien können zudem Basiswissen, Fertigkeiten und andere Fähigkeiten beschreiben, die für eine entsprechende Leistung erforderlich sind: „Performance Criteria express what a competent professional would do in terms of observable results and/or behaviour in the workplace“ (Heywood/Gonczi/Hager, 1992, S. 35).
Die Performanzkriterien stellen jedoch keine konkreten Prüfungsinstrumente dar, da die Prüfungsleistungen, die mit den Kriterien verbunden sind, meist weitaus komplexere Anforderungen beinhalten (Heywood/Gonczi/Hager, 1992, S. 36). In Ergänzung zur inhaltlichen Festlegung der Outcomes und der Leistungskriterien wird der Kontext, in welchem die Kompetenzmodule entwickelt und implementiert werden, durch eine Reihe variabler Indikatoren (range indicators) bestimmt. Diese beinhalten bspw. die materielle Ausstattung sowie die allgemeine Arbeitsumgebung, in welcher der Kompetenzerwerb bzw. die Überprüfung der Kompetenzen stattzufinden hat. Alle bisher beschriebenen Bestandteile der Kompetenzstandards (units of competency, elements of competency, performance criteria und range indicators) sind Komponenten, die standardisiert und verbindlich in allen Kompetenzstandards beschrieben werden müssen. Eine optionale Komponente stellt der sogenannte evidence guide dar, der zusätzliche Informationen für die Sicherstellung der einheitlichen Interpretation und Bewertung der Standards beinhaltet. Deutlich wird, dass durch die Spezifizierung einzelner Kompetenzeinheiten ein detailliertes Abbild von Tätigkeiten und Aufgaben generiert wird, das jedoch die Gefahr der Fragmentierung birgt. Diese und andere Probleme, die mit dem Konstrukt der Kompetenzstandards verbunden sind, werden im Folgenden eruiert. Zur Kritik am Konzept der competency standards Die Kritik an den Kompetenzstandards bezieht sich vorwiegend auf deren Restriktivität. Durch die Konkretisierung und Spezifizierung einzelner Tätigkeiten und Aufgaben bestehe die Gefahr der Atomisierung und Kontextabhängigkeit. Zudem seien competency standards nicht allgemeingültig, sondern repräsentierten lediglich die Anforderungen an bestimmten Arbeitsplätzen innerhalb einiger Unternehmen und dies nur für spezifische Gruppen (Mulcahy/James, 1999, S. 19). Ein Kompetenzstandard, der für einen Arbeitsplatz reliabel und valide sei, müsse dies nicht automatisch auch für einen anderen sein, da die Differenzen zwischen einzelnen Arbeitsplätzen oftmals enorm seien und in der Definition der Kompetenzstandards
2.3. Zum Kompetenzbegriff und -konstrukt im englischen und australischen Kontext
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nicht berücksichtigt würden. Dies werde dadurch forciert, dass die Kompetenzstandards zumeist von Vertretern größerer Unternehmen entwickelt werden und die spezifischen Anforderungen kleinerer und mittlerer Unternehmen kaum Beachtung fänden, zumal diese Schwierigkeiten hätten, ihre individuellen Anforderungen in allgemeingültige Standards zu transformieren (Beevers, 1993, S. 96). Es werden gerade die kleineren und mittleren Unternehmen von der Entwicklung und Gestaltung der Kompetenzstandards ausgeschlossen, obschon sie die Mehrheit der Arbeitnehmer beschäftigen. Hinzu kommt, dass pädagogische und lerntheoretische Aspekte ebenfalls marginalisiert werden, weshalb Kompetenzstandards oftmals als industry-driven bezeichnet werden. Trotz der inhaltlichen und strukturellen Erweiterungen der Kompetenzstandards werden diese somit auch heute noch zumindest partiell aufgrund ihres betrieblich-funktionalen Charakters insbesondere von Forschern kritisiert. Dies wird durch folgende Aussagen, die im Rahmen der Experteninterviews erhoben wurden, deutlich (Interview Part I, Frage 3.1): „For the broader purposes they [competency standards, SH] are too industry-driven. The tasks are associated with industrial highlights rather than a learning period“ (University of Melbourne, A7). „Education and training expertise would have been very useful to link with industry to actually make the competency standards more useful in terms of education and training“ (University of Technology Sydney, A2).
Auch Lehrende wurden zum Charakter der Kompetenzstandards befragt und es wird deutlich, dass diese im Vergleich zu den Forschern eine weniger kritische Haltung einnehmen. Einige Lehrende sehen es sogar als Vorteil an, dass die Kompetenzstandards gezielt auf die Anforderungen der Wirtschaft ausgerichtet sind (Interview Part II, Frage 2.1): „[...] the good thing with the competencies is that they are written by industry and there is consultation within industry. So we are providing training for what industry wants and needs. So the whole purpose is that it is by industry and for industry“ (Childcare, Canberra Institute of Technology, P9).
Diese unterschiedlichen Ansichten illustrieren die Diskrepanz zwischen einer bildungspolitisch-wissenschaftlichen und einer praktischen Perspektive. Einig sind sich Forscher, Bildungspolitiker, Unternehmen und Lehrende, dass aufgrund der starken Fokussierung auf praktische Fertigkeiten am Arbeitsplatz der restriktive Charakter der Kompetenzstandards ergänzt werden muss durch allgemeine Fähigkeiten und Kenntnisse wie den Schlüsselkompetenzen: „We need to have key competencies as a core element of the training system, because regardless any other thing you ask employers what they want, they want key competencies. They want communication skills, team work, problem solving all those sorts of
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things. So there has to be a place for them somewhere in the system“ (Group Training, O6).
Diese heterogene Kritik am Konzept der Kompetenzstandards weist Parallelen zur Diskussion um den Kompetenzbegriff auf, und es verdeutlicht das Spannungsfeld, in dem die Kompetenzstandards und auch der Kompetenzbegriff anzusiedeln sind. Einerseits sollen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse definiert werden, die den Anforderungen von Aufgaben in konkreten Arbeitssituationen entsprechen, andererseits besteht jedoch ein weitgehender Konsens darüber, dass ein erweitertes Konzept von Kompetenzstandards und Kompetenz notwendig ist, um komplexe und übergreifende Arbeitsaufgaben zu erfüllen, wobei Schlüsselkompetenzen und somit personale Attribute eine wichtige Rolle spielen. Die Schwierigkeit besteht jedoch in der Implementation sowohl eines holistischen Kompetenzkonzepts, das komplexe, nicht nur betrieblich-funktional ausgerichtete Kompetenzstandards zugrunde legen soll, als auch in der Definition und Umsetzung generischer Schlüsselkompetenzen. Somit kann hierbei eine Diskrepanz von ökonomisch und bildungspolitischen Anforderungen sowie deren Realisierung in der Berufsbildungspraxis konstatiert werden, die im weiteren Verlauf der Arbeit noch deutlicher herausgearbeitet wird. 2.3.6. Die Entwicklung einer Arbeitsdefinition von competency Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Entwicklung des Kompetenzbegriffs im englischen und australischen Kontext geprägt ist von Heterogenität und Inkonsistenz in den Definitionen und daraus abgeleiteten konzeptionellen Ansätzen sowie in deren Verwendung (Delamare Le Deist/Winterton, 2005, S. 28). Dies zeigt sich zum einen hinsichtlich der inkonsistenten Definition und Verwendung von competence und competency sowie in den inhaltlichen Unschärfen und der fragwürdigen Realisierbarkeit von Input- und Outcomemodellen. Die Definitionsproblematik und die heterogene Begriffsverwendung weisen Parallelen zur deutschen Kompetenzdiskussion auf. Im Gegensatz zum deutschen Kontext ist im australischen jedoch eine weitgehend stringente Wandlung des Begriffs festzustellen, die sich von einem anfänglich behavioristischen und funktionalen Kompetenzbegriff zu einem ganzheitlichen Verständnis vollzog. Obgleich sich diese Wandlung in diversen mehrdimensionalen Ansätzen zur Beschreibung des Kompetenzbegriffs widerspiegelt, lastet dem englischen und australischen Kompetenzverständnis bis heute eine betrieblich-funktionale Konnotation an. Dies liegt darin begründet, dass Vertreter der Wirtschaft den Kompetenzbegriff durch die Festlegung der Kompetenzstandards prägen und hierbei das Primat der Operationalisierbarkeit durch die Outcome-Orientierung forcieren.
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Abschließend können drei Kategorien definiert werden, in die sich die skizzierten Kompetenzansätze einordnen lassen und in Abbildung 2.8 veranschaulicht werden. Diese Kategorien bauen sowohl zeitlich als auch inhaltlich aufeinander auf und illustrieren die Entwicklung des Kompetenzbegriffs im englischen und australischen Kontext. Die erste Gruppe von Kompetenzkonstrukten sind auf behavioristischen Grundannahmen beruhende, betrieblich-funktionale Ansätze, die u. a. von Cairns (1992), Heywood/Gonczi/Hager (1992) und dem National Training Board (1992) definiert wurden. Kompetenz wird hierbei verstanden als beobachtbares und messbares Handeln und Verhalten in konkreten Leistungssituationen an einem spezifischen Arbeitsplatz bzw. in einer spezifischen Arbeitsumgebung. Sie fokussiert hierbei die Oberflächenstruktur und kann mit der Performanz gleichgesetzt werden. Die theoretische Begründung liegt somit in den Grundzügen des Behaviorismus verankert. Die politische Bedeutung dieser Ansätze liegt darin, dass sie die Grundlage für die Einführung von CBT in Australien darstellten und der betrieblich-funktionalen Outcome-Orientierung, die durch CBT erzielt werden sollte, dienlich waren. Die pädagogische Bedeutung liegt in der Konzentration auf dem Outcome, wobei Input und kognitive Lernprozesse marginalisiert werden. Ein behavioristisches Kompetenzmodell stellt somit ein restriktives Konzept zur Fundierung eines beruflichen Qualifizierungsansatzes dar. Die zweite Gruppe von Kompetenzkonstrukten lässt sich als erweiterter betrieblich-funktionaler Ansatz klassifizieren. Kompetenz wird in diesen Ansätzen als Kombination aus in Performanzsituationen demonstrierbaren Fähigkeiten und personalen Attributen erfasst, über die ein Individuum verfügt. Die eindeutige Zuordnung zu einer theoretischen Fundierung ist in diesen Ansätzen jedoch schwierig, da einerseits der Performanzaspekt betont wird und auf behavioristische Grundmerkmale schließen lässt. Andererseits werden die behavioristischen Grundzüge durch konstruktivistische Ansätze erweitert, da kognitive Prozesse, die nicht direkt beobachtbar sind, integriert werden. Somit kann in diesem Zusammenhang auf eine Synthese von behavioristischen und konstruktivistischen Merkmalen geschlossen werden. Die politische Bedeutung dieser Ansätze liegt in der Ausweitung und Manifestierung von CBT. Insbesondere die Berichte des Finn Committee und des Mayer Committee haben hierbei eine politische Bedeutung, da diese das CBT-Konzept in seinen Grundzügen bestätigen, gleichzeitig jedoch eine Erweiterung der behavioristischen Charakteristika fordern und dies auch durch die Verankerung der key competencies in den curricularen Vorgaben erzielen. Die pädagogische Bedeutung ist darin zu sehen, dass mit diesem erweiterten Kompetenzkonstrukt ganzheitliche Lernprozesse verbunden sind, die sich nicht nur auf beobachtbare Verhaltensstrukturen beziehen und anhand von extern vorgegebenen Standards gemessen und bewertet werden. Vielmehr wird kognitiven Prozes-
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Die Kompetenzforschung als inhaltstheoretischer Bezugsrahmen
sen, die diesen Verhaltensstrukturen zugrunde liegen, mehr Beachtung geschenkt, d. h., die Outcome-Orientierung wird durch eine zunehmende Input- und ProzessOrientierung ergänzt, wenngleich der Outcome in Form der beobachtbaren und messbaren Kompetenzen noch immer im Vordergrund steht. Die dritte Gruppe kann als subjektbasierter Ansatz gesehen werden, wobei als Beispiel das Konzept von Hager dient. In diesem Konzept wird Kompetenz als Sammelbegriff für Attribute verstanden, und der Performanzaspekt wird nicht als Bestandteil von Kompetenz angesehen. Dieser Ansatz lässt sich in den Theorien des Konstruktivismus verorten, da die internalisierten Vorgänge eines Individuums im Vordergrund stehen und das beobachtbare Verhalten ausgeklammert wird. Die politische Bedeutung dieses Ansatzes lässt sich in einer Abkehr vom betrieblichfunktionalen Ansatz des CBT-Konzeptes konstatieren, wodurch jedoch die Anforderungen der Wirtschaft sowie die Operationalisierbarkeit dieses ganzheitlichkonstruktivistischen Ansatzes eingeschränkt werden. Des Weiteren wird eine stärkere Subjektorientierung und Fokussierung auf die individuellen Fähigkeiten und Attribute avisiert. Die pädagogische Bedeutung lässt sich daran festmachen, dass der Lernprozess stärker auf die Förderung und Entwicklung individueller Attribute ausgerichtet wird, welche sich jedoch nur begrenzt anhand von Standards messen lassen, auch wenn dies aus theoretischer Sicht von Hager/Beckett konstatiert wird. Allgemeine persönliche Attribute können nur bedingt standardisiert werden und durch das demonstrierte Verhalten lassen sich lediglich Rückschlüsse auf die vorhandenen Attribute ziehen. Eine vollständige Erfassung und Bewertung, wie es bei fachpraktischen und fachtheoretischen Aspekten ermöglicht wird, erscheint jedoch fragwürdig. Vor dem Hintergrund dieser Auseinandersetzung um den Kompetenzbegriff im englischen und australischen Kontext bietet der erweiterte betrieblich-funktionale Ansatz Möglichkeiten, eine für diese Arbeit relevante Arbeitsdefinition zu finden. Der betrieblich-funktionale wie auch der rein subjektbezogene Ansatz sind m. E. zu restriktiv, da entweder ausschließlich beobachtbare oder ausschließlich generische Kompetenzaspekte berücksichtigt werden und somit hinsichtlich der noch folgenden Auseinandersetzung mit dem CBT-Konzept keine fruchtbare Basis darstellen. Aufgrund dessen wird folgende Arbeitsdefinition formuliert: Competency beschreibt die Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse, die notwendig sind zur Erfüllung spezifischer Anforderungen am Arbeitsplatz und gleichzeitig den Transfer auf andere Arbeitsfelder und -aufgaben ermöglichen, wofür allgemeine personale Attribute notwendig sind.
Behaviorismus
Grundlage für die Einführung von CBT
Verkürzung von Lernprozessen auf beobachtbares Verhalten
Theoretische Begründung
Politische Bedeutung
Pädagogische Bedeutung
Erweiterter betrieblich-funktionaler Ansatz Kompetenz entspricht einer Kombination aus demonstrierten Verhaltensweisen und dafür notwendigen nicht direkt beobachtbaren Fähigkeiten (Kompetenz = Performanz + personale Attribute) Behaviorismus und Konstruktivismus Grundlage für die Ausweitung und Manifestierung von CBT Ganzheitliche Lernprozesse
Abbildung 2.8.: Kategorisierung des Kompetenzbegriffs im englischen und australischen Kontext
Kompetenz entspricht konkreten, unabhängigen in einer Performanzsituation demonstrierten Verhaltensweisen (Kompetenz = Performanz)
Konkretisierung des Kompetenzbegriffs
Betrieblich-funktionaler Ansatz
Subjektorientierung im Lernprozess
Abkehr von betrieblichfunktionaler Ausrichtung
Konstruktivismus
Kompetenz entspricht dem individuellen Potenzial über Verhaltensweisen (Kompetenz = personale Attribute)
Subjekt-basierter Ansatz
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Die Kompetenzforschung als inhaltstheoretischer Bezugsrahmen
2.4. Zur begriffstheoretischen Abgrenzung von Kompetenz und competency Grundlage für die Abgrenzung von Kompetenz und competency sind die bereits entwickelten Arbeitsdefinitionen, welche aus den begriffstheoretischen Analysen gewonnen wurden. Im Folgenden wird zunächst die Entwicklung der beiden Begriffe gegenübergestellt. Im Anschluss daran werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Begriffsauffassungen systematisch anhand der für die Untersuchung definierten Drei-Ebenen-Systematik erarbeitet. Demnach wird zum einen die Bedeutung der Begriffe für die ordnungspolitisch-organisatorischen sowie die didaktisch-curricularen Rahmenbedingungen erörtert und zum anderen die Bedeutung, welche den Begriffen hinsichtlich der Gestaltung und Realisierung beruflicher Lernprozesse attestiert werden kann. Vergleicht man die Entwicklung des Kompetenzbegriffs im australischen mit der im deutschen Kontext, so ist eine konträr verlaufende Entwicklung zu erkennen. Im deutschen Kontext sind die Anfänge des Kompetenzbegriffs allgemeiner Natur, d. h., mit Kompetenz wird die allgemeine Befähigung zu erfolgreichem Handeln verstanden. Mit zunehmender Politisierung und daraus resultierender Konkretisierung häufen sich kumulative Ansätze zur Beschreibung des Kompetenzbegriffs, welche das holistische Konstrukt in einzelne Kategorien mit dem Ziel der Operationalisierung differenzieren. Im Vordergrund steht dabei das Konstrukt der beruflichen Handlungskompetenz, welches zunächst als allgemeine Handlungsbefähigung in beruflichen Kontexten aufgefasst, jedoch mit der Differenzierung nach Fach-, Sozial-, Personal- und Methodenkompetenz zunehmend konkretisiert wurde. Obgleich immer noch die Rede ist von einem holistischen Konstrukt, werden unterschiedliche Kompetenzkategorien deutlich, die in einem beruflichen Handlungsfeld zu verorten sind. Im englischen und australischen Kontext standen die ersten Ansätze unter dem Primat der Operationalisierbarkeit und sind somit kumulativ und situativ zu sehen. Im Laufe der Entwicklung wurden zunehmend allgemeine Attribute integriert, was zur Folge hatte, dass sich der Grad der Operationalisierbarkeit im Gegensatz zum deutschen Kontext verringerte. Die Entwicklungen der Begriffe haben sich also in den beiden Kontexten aus zwei polarisierenden Richtungen angenähert. Dies wird insbesondere daran erkennbar, dass Parallelen vorfindbar sind zwischen dem Konzept beruflicher Handlungskompetenz und dem in späteren Ansätzen modifizierten Verständnis von competency im Sinne von knowledge, skills und attitudes. Die Kompetenzaspekte, die knowledge und skills attestiert werden, kommen dem deutschen Verständnis von Fach- bzw. Sachkompetenz und Methodenkompetenz nahe. Die Kompetenzaspekte, die unter attitudes klassifiziert werden, entsprechen denen der Personal- und Sozialkompetenz. Deutlich wird zudem, dass in beiden
2.4. Zur begriffstheoretischen Abgrenzung von Kompetenz und competency
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Ansätzen die Interrelation und Gesamtheit der Kompetenzfacetten betont wird. Weitere Parallelen und auch Unterschiede zwischen Kompetenz und competency lassen sich anhand des Drei-Ebenen-Modells identifizieren. Auf ordnungspolitisch-organisatorischer Ebene nimmt competency eine wichtige Rolle ein. Competency weist eine betrieblich-funktionale Konnotation auf und ist als Grundlage für die Einführung von CBT und somit für die Reform der australischen Berufsbildung zu betrachten. Competency spiegelt die von der Wirtschaft dominierten organisatorischen und politischen Interessen wider und fungiert zum einen als Strukturprinzip und zum anderen als Zielgröße ordnungspolitisch-organisatorischer Rahmenstrukturen. Somit impliziert der Begriff auf ordnungspolitisch-organisatorischer Betrachtungsebene die grundsätzliche Umstrukturierung der Berufsbildung im Sinne derinhaltlichen Ausrichtung auf wirtschafts-bzw. unternehmensorientierte Kompetenzstandards. Hier kommt die beschäftigungspolitische Dimension zum Tragen, da zum einen die quantitative und zum anderen die qualitative Verbesserung bestehender Beschäftigungsstrukturen avisiert wird. Der bildungspolitischen Dimension wird durch das Ziel der Etablierung eines national einheitlichen Berufsbildungssystems mit der Implementation national einheitlicher Kompetenzstandards Rechnung getragen. Folglich kann competency als Strukturierungsinstrument sowohl der Bildungs- als auch der Beschäftigungspolitik für die Reform und Etablierung der beruflichen Aus- und Weiterbildung in Australien bezeichnet werden. Der Kompetenzbegriff im deutschen Kontext hatte im Gegensatz dazu auf ordnungspolitisch-organisatorischer Ebene im Sinne eines Dispositionsbegriffs lange Zeit keine entscheidende Bedeutung, da der deutschen Kompetenzdiskussion eine primär wissenschaftliche Verankerung attestiert werden kann. Mit der Diskussion um das Konstrukt der beruflichen Handlungskompetenz fand die Kompetenzdiskussion zunehmend Einzug in die Berufsbildungspolitik, jedoch ist diese vornehmlich der curricularen Gestaltung sowie der inhaltlichen Zielsetzung gewidmet. Die Funktion des Struktur- und Organisationsprinzips, welches competency im australischen Kontext erfüllt, wird im deutschen Kontext dem Beruf attestiert (u. a. Deißinger, 1998, S. 134 ff.; Kraus, 2006, S. 183). Competency spieltdemnach als bildungs-undbeschäftigungspolitischesStrukturundSteuerungsinstrument eine wichtige Rolle.Das Konstrukt der beruflichen Handlungskompetenz wird hingegen hinsichtlich der curricularen Wirkungssteuerung politisiert und tritt somit zunehmend als konkurrierendes Prinzip zur Beruflichkeit in Erscheinung.16 Forciert wird die Politisierung des Kompetenzbegriffs zudem durch internationale und insbesondere europapolitische Entwicklungen, die sich 16 Siehe
hierzu die Ausführungen unter 5.2.
116
Die Kompetenzforschung als inhaltstheoretischer Bezugsrahmen
zum einen in der Entwicklung eines Berufsbildungs-PISA für den internationalen Leistungsvergleich in der beruflichen Bildung widerspiegeln (Baethge et al., 2006) und zum anderen vor dem Hintergrund des EQR und ECVET-Systems zu verorten sind (u. a. Bohlinger, 2006; Hanf/Rein, 2006; Meyer, 2006b; Mouillour, 2006; Pilz, 2006; Rauner, 2005; Schopf, 2005; Sellin, 2005 und 2006). Hierbei wird einem operationalisierbaren und kumulativen Kompetenzbegriff als Bezugsgröße für den internationalen Vergleich beruflicher Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse zunehmend Aufmerksamkeit geschenkt. Hervorzuheben ist jedoch die Diskrepanz zwischen dem europäischen Kompetenzverständnis, das dem EQR zugrunde gelegt wird, und dem deutschen Konzept der beruflichen Handlungskompetenz. Das europäische Verständnis fasst competence als personale Attribute und grenzt diese von Wissen und Fertigkeiten ab (Hanf/Rein, 2007, S. 10; Winterton/Delamare Le Deist/Stringfellow, 2006, S. 21). Demgegenüber integriert die berufliche Handlungskompetenz Fachwissen, fachliche und methodische Fertigkeiten, Sozial- und Personalkompetenz in einem Kompetenzkonstrukt. Eine Parallele zwischen competency und Kompetenz ist hinsichtlich der strukturellen Reichweite festzuhalten. Competency dient als strukturelle Grundlage für den gesamten Berufsbildungssektor, da die Kompetenzstandards sowohl für den Ausbildungssektor als auch für die Weiterbildung definiert werden. Dies liegt in den modularen Strukturen und der damit einhergehende Verzahnung von Aus- und Weiterbildung begründet. Im deutschen Kontext wird der Kompetenzbegriff – wie bereits gezeigt wurde – sowohl in der beruflichen Erstausbildung im Sinne beruflicher Handlungskompetenz als auch in der Erwachsenenbildung im Sinne einer modernen und flexiblen Kompetenzentwicklung thematisiert. Wenngleich hierbei unterschiedliche Begriffsauffassungen und theoretische Zugänge vorzufinden sind, kann Kompetenz in beiden Bereichen als Struktur- und Zielgröße identifiziert werden. Auf didaktisch-curricularer Betrachtungsebene ist der Begriff competency bis heute gleichermaßen Grundlage und Zielgröße für die Entwicklung und Festlegung von Kompetenzstandards als curriculare Vorgaben im CBT-Ansatz, wobei Parallelen zum Kompetenzbegriff im deutschen Kontext zu erkennen sind. Sowohl in den Ausbildungsordnungen als auch in den schulischen Curricula, insbesondere in den Lernfeldern, ist das Ziel des Lernprozesses der Erwerb bzw. die Vermittlung beruflicher Handlungskompetenz. Dennoch richtet sich die Struktur der Ausbildungsordnungen und Lehrpläne nach Berufen und nicht nach flexiblen und kumulativen Kompetenzmodulen. Obgleich im deutschen Kontext eine zunehmende Bedeutung von Kompetenz hinsichtlich der Gestaltung und inhaltlichen Ausrichtung curricularer Vorgaben und auch in Bezug auf bildungs- und beschäftigungspolitische Ziele festzustellen ist, ist Kompetenz im Sinne einer Binnendifferen-
2.4. Zur begriffstheoretischen Abgrenzung von Kompetenz und competency
117
zierung innerhalb der nach Berufen strukturierten didaktisch-curricularen Vorgaben zu verstehen. Dies wird am Beispiel der Lernfelder deutlich, aber auch in den Ausbildungsordnungen, die nach Berufen „organisiert“ sind, jedoch als Zielkomponente den Erwerb beruflicher Handlungskompetenz aufweisen. Ein weiterer Unterschied zwischen Kompetenz und competency besteht darin, dass Kompetenz und insbesondere Handlungskompetenz trotz differenzierter Facetten als ganzheitliches Konstrukt angesehen wird, wohingegen competency kumulativ und modular zu sehen ist, was sich auf die modulare Strukturierung didaktisch-curricularer Vorgaben auswirkt. Festzustellen ist jedoch, dass der Kompetenzbegriff zunehmend differenziert wird, insbesondere in Ansätzen der Operationalisierung, und Rückschlüsse auf ein zunehmend kumulatives Kompetenzverständnis erlaubt. Für die Lernprozess-Ebene hat competency dahingehend eine Bedeutung, dass die Kompetenzstandards in lehrbare Einheiten transformiert werden und adäquate Lehr-Lern-Methoden entwickelt bzw. angewendet werden müssen. Diese Lernprozesse mit der Zielgröße competency sollen Lernende dazu befähigen, konkrete Anwendungssituationen in der Arbeitswelt zu bewältigen. Dadurch prägt die betrieblich-funktionale Ausrichtung von competency berufliche Lernprozesse und forciert praxisnahes Lernen in konkreten Arbeitssituationen gemäß den Anforderungen der Wirtschaft.17 Im deutschen Kontext ist Kompetenz im Sinne der Zielgröße „berufliche Handlungskompetenz“ für die Realisierung beruflicher Lernprozesse von Bedeutung, da diese im betrieblichen und schulischen Lernprozess erworben werden soll. Die inhaltliche Ausrichtung betrieblicher Lernprozesse weist Parallelen zur Zielgröße competency auf, da praxisnahes Lernen im Vordergrund steht. Das Verständnis von competency findet sich jedoch nur marginal in den schulischen Lernprozessen wieder, deren inhaltliche Ausrichtung zumeist theoretischer Art ist und die Lernumgebung in der Regel eine schulische darstellt. Eine Besonderheit, die dem Konstrukt der beruflichen Handlungskompetenz attestiert werden kann, liegt in der Manifestierung des gemeinsamen Bildungsauftrags von Ausbildungsbetrieb und Schule (KMK, 2000, S. 8), da trotz der Selbständigkeit beider Lernorte eine gemeinsame Zielgröße erreicht werden soll. Somit kann auch hier eine bildungspolitische Dimension beruflicher Handlungskompetenz festgehalten werden, die in einer Forcierung der Lernortkooperation zum Ausdruck kommt. Als Fazit der Gegenüberstellung von Kompetenz und competency kann Folgendes festgehalten werden: 1. Auf den Ebenen der Rahmenbedingungen(ordnungspolitisch-organisatorisch und didaktisch-curricular) sind Parallelen zwischen Kompetenz im Sinne beruflicher Handlungskompetenz und competency zu erkennen, da beiden 17 Eine
ausführliche Darstellung beruflicher Lernprozesse im CBT-Ansatz erfolgt unter 3.6.
118
Die Kompetenzforschung als inhaltstheoretischer Bezugsrahmen
eine beschäftigungspolitische und bildungspolitische Struktur- und Steuerungsfunktion attestiert wird. Unterschiede sind in der strukturellen Reichweite, in der Strukturierungsweise sowie in der inhaltlichen Ausrichtung von Kompetenz und competency vorzufinden, bedingt durch das in Deutschland vorherrschende Berufsprinzip, welches im australischen Kontext nicht verankert ist. 2. Auf der Lernprozess-Ebene sind Parallelen zwischen competency und Kompetenz festzustellen, da beide Begriffe als Zielgrößen beruflicher Lernprozesse anzusehen sind, wenngleich die inhaltliche Ausrichtung von competency trotz der Integration von Schlüsselkompetenzen primär betrieblichfunktional ist. Kompetenz im Sinne beruflicher Handlungskompetenz ist demgegenüber als ganzheitliches Konstrukt zu verstehen, das fachliche, methodische, personale und soziale Kompetenzaspekte integriert. Eine Gegenüberstellung der Arbeitsdefinitionen der Begriffe Kompetenz und competency sowie der Bezugsquellen, auf die in der Entwicklung der Definition rekurriert wurde, befindet sich in Abbildung 2.9; eine Darstellung der begrifflichen Zuordnung zu den Untersuchungsebenen befindet sich in Abbildung 2.10.
Competency
Kompetenz
Arbeitsdefinition
Relevante Bezugsquellen
Competency beschreibt die Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse, die notwendig sind zur Erfüllung spezifischer Anforderungen am Arbeitsplatz und gleichzeitig den Transfer auf andere Arbeitsfelder und -aufgaben ermöglichen, wofür allgemeine personale Attribute notwendig sind. Kompetenz bedeutet die Bereitschaft und Fähigkeit, sich in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen sachgerecht durchdacht sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten, und weist vier Dimensionen von Handlungsdispositionen auf, respektive fachliche, methodische, personale und soziale Dispositionen, welche in konkreten Performanzsituationen Rückschlüsse auf die vorhandene Kompetenz erlauben.
ANTA (1998), Debling(1991), Hager (2004), Hyland (1997)
Abbildung 2.9.: Kompetenz vs. competency
Bergmann (1999), Erpenbeck/Heyse (1996), KMK (2000), Schuler/ Barthelme (1995)
119
2.5. Zwischenfazit
Zuordnung zur organisatorischordnungspolitischen Ebene
Zuordnung zur didaktischcurricularen Ebene Zuordnung zur Lernprozess-Ebene
Competency
Kompetenz
Betrieblich-funktionales Kompetenzverständnis als bildungspolitische Grundlage für die Neustrukturierung der Berufsbildung (Einführung von CBT) Grundlage für die Festlegung und inhaltliche Ausrichtung von Kompetenzstandards
Zunehmend politische Bedeutung des Konzepts berufliche Handlungskompetenz
„Übersetzung“ der Kompetenzstandards in lehrbare Einheiten, Entwicklung von adäquaten Lehr-Lern-Methoden zur Vermittlung der Kompetenzmodule
Berufliche Handlungskompetenz als Zielgröße in der Strukturierung von Ausbildungsordnungen und lernfeld-basierten Curricula Methodische Umsetzung „kompetenzorientierter“ Lernfelder in der Schule und Vermittlung beruflicher Handlungskompetenz als gemeinsamer Bildungsauftrag von Betrieb und Schule
Abbildung 2.10.: Kompetenz und Competency
2.5. Zwischenfazit Die theoretische Auseinandersetzung mit der angelsächsischen und der deutschen Kompetenzdiskussion sowie die abschließende komparative Analyse lassen auf folgende vier Kernaussagen schließen. 1. Sowohl im deutschen als auch im englischen und australischen Kontext besteht eine große Begriffsvielfalt, was darauf zurückzuführen ist, dass die Begriffe Kompetenz, competency und competence in diversen wissenschaftlichen Disziplinen auf unterschiedliche Weise definiert und verwendet werden. Disziplinübergreifend lässt sich jedoch für den deutschen Kompetenzbegriff festhalten, dass einerseits kumulative und andererseits holistische Begriffsauffassungen existieren, die wiederum danach zu differenzieren sind, ob Kompetenz als internalisiertes Potenzial, als externalisierte Verhaltensdispositionen oder als Verbindung beider Aspekte betrachtet wird. Im deutschen Kontext wird im Rahmen der aktuellen Diskussion zumeist ein kumulativer Kompetenzbegriff verwendet, was darauf zurückzuführen ist, dass für aktuelle Forschungsarbeiten im Bereich der Kompetenzdiagnostik und im Kontext von Kompetenzstandards die Operationalisierbarkeit von Kompetenz im Vordergrund steht und somit ein kumulativer Kompetenzbegriff
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Die Kompetenzforschung als inhaltstheoretischer Bezugsrahmen
adäquater erscheint als ein holistischer. Hinsichtlich der Diskussion um die Trennung von Kompetenz und Performanz besteht Heterogenität, worin sich Parallelen zur angelsächsischen Diskussion zeigen. Dort wurde eine Kategorisierung des Kompetenzbegriffs anhand der Differenzierungskriterien Input/Outcome vorgenommen, wobei jedoch keine stringente Trennung identifiziert werden kann. Die inkonsistente Verwendung der Begriffe competency und competence sowie vielfältige Begriffsdefinitionen und Verwendungen illustrieren die Heterogenität in der englischen und australischen Kompetenzdiskussion. 2. Sowohl im deutschen als auch im englischen und australischen Kontext erfuhren die Begriffe „Kompetenz“ und „competency“ eine Wandlung, die zum einen auf die Veränderung der Rahmenbedingungen, in denen die Begriffe definiert und verwendet werden, zurückzuführen ist und zum anderen auf den kritischen wissenschaftlichen Diskurs, der zur Weiterentwicklung der Begriffsansätze führte. Grundsätzlich lässt sich für den deutschen und den angelsächsischen Kompetenzbegriff eine konträre Entwicklung konstatieren. Der deutsche Kompetenzbegriff war anfänglich holistisch geprägt und fokussierte die innere Befähigung zu handeln, was auf konstruktivistische Grundzüge schließen lässt; jedoch fand im Verlauf seiner Weiterentwicklung ein kumulativer und performativer Kompetenzbegriff zunehmend Anwendung. Im englischen und australischen Kontext hingegen war der Kompetenzbegriff anfangs von behavioristischen Grundannahmen geprägt, was sich darin zeigt, dass Kompetenz als Outcome definiert wurde und die Performanz hierbei im Vordergrund stand. Insbesondere die Diskussion um Schlüsselkompetenzen forcierte jedoch eine Abkehr von einem kumulativen, behavioristischen Kompetenzbegriff zu einem ganzheitlichen, konstruktivistischen Ansatz, in welchem die Performanz immer noch eine wichtige Rolle spielt, jedoch allgemeine, nicht direkt beobachtbare Fähigkeiten und Kenntnisse in dem Konzept der generic skills und der employability skills integriert werden. Analog zu dieser Entwicklung ist eine zunehmend pädagogische Bedeutung des angelsächsischen Kompetenzbegriffs festzustellen, wodurch die von Beginn an sehr stark ausgeprägte politische Konnotation an Bedeutung verlor. Auch hier lässt sich eine konträre Entwicklung zum deutschen Kompetenzbegriff festhalten, der primär eine pädagogische, psychologische und soziologische Bedeutung innehatte, bei dem jedoch die politische Bedeutung des Kompetenzbegriffs im Kontext aktueller nationaler bildungs- und beschäftigungspolitischer Entwicklungen (u. a. vor dem Hintergrund eines Berufsbildungs-PISA) sowie europapolitischer Entwick-
2.5. Zwischenfazit
121
lungen im Kontext von EQR und ECVET eine neue Dimension erhält. 3. Aus der Gegenüberstellung der Begriffe „Kompetenz“ und „competency“ lassen sich auf ordnungspolitisch-organisatorischer Betrachtungsebene Parallelen identifizieren. Competency war die bildungspolitische Grundlage für die Reformierung und Neustrukturierung der Berufsbildung in Australien und hat bis heute eine organisierende und strukturierende Funktion. Wenngleich in der deutschen Berufsbildung der Beruf das vorherrschende Organisations- und Strukturprinzip ist und als ordnungspolitisches Instrument zur Strukturierung des Berufsbildungs- und Beschäftigungswesens fungiert, wird mit dem Konstrukt der beruflichen Handlungskompetenz eine zunehmende bildungs- und beschäftigungspolitische Dimension verbunden, die sich in Struktur- und Gestaltungsfragen widerspiegelt. 4. Aus der Gegenüberstellung der Begriffe Kompetenz und competency kann man Parallelen auf didaktisch-curricularer Ebene und auf Lernprozess-Ebene ersehen. Für die Kompetenzstandards im australischen Kontext dient der Begriff competency zum einen als Zielgröße, zum anderen aber auch als Strukturmerkmal, da die Outcomes in Form von Kompetenzmodulen definiert werden. Im deutschen Kontext ist das Konstrukt der beruflichen Handlungskompetenz Zielgröße sowohl für den betrieblichen als auch für den schulischen Teil der dualen Berufsausbildung. Das Strukturmerkmal curricularer Vorgaben ist jedoch der Beruf, da insbesondere die Ausbildungsordnungen auf standardisierte und anerkannte Berufe und Berufsbilder ausgerichtet sind und nicht auf individuelle Kompetenzprofile. Für berufliche Lernprozesse stellt competency im australischen Kontext das auf die Kompetenzstandards bezogene Lernziel dar, und auch im deutschen Kontext spielt der Begriff der beruflichen Handlungskompetenz als Lernziel eine wichtige Rolle. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass im australischen Kontext Kompetenzen als Outcomes definiert werden und für den Kompetenzerwerb adäquate Lehr-Lern-Ressourcen entwickelt und eingesetzt werden müssen, da dort im Gegensatz zum deutschen Kontext keine Standardisierung von Input und Lernprozess besteht.
Teil II. Der CBT-Ansatz in der australischen Berufsbildung
3. Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung 3.1. Zur Begründung des qualitativen Zugangs Im Folgenden wird in Form einer explorativen Studie zunächst die theoretische Konzeption des CBT-Ansatzes im Sinne eines Qualifizierungsmodells und im Anschluss dessen praktische Umsetzung in der australischen Berufsbildung analysiert. Die theoretische Analyse erfolgt anhand einer Dokumentenanalyse, die anschließende Untersuchung seiner Umsetzung wird auf Basis des Drei-EbenenModells mit den zugeordneten Vergleichskriterien durchgeführt. Das Spannungsfeld von ordnungspolitisch-organisatorischen bzw. didaktisch-curricularen Zielsetzungen und deren Realisierung in beruflichen Lernprozessen wird aufgrund des explorativen Charakters mithilfe von qualitativen Methoden der empirischen Sozialforschung, insbesondere der Methode der Experteninterviews, betrachtet. Um unterschiedliche Perspektiven bezüglich des CBT-Ansatzes weitgehend zu erfassen und eine individuelle Gestaltung der Interviews zu ermöglichen, wurde auf einen standardisierten Fragebogen verzichtet. Die Befragung wurde jedoch mit Hilfe eines Leitfadens durchgeführt, um ein Strukturelement zu definieren, das die anschließende Auswertung und Kodierung ermöglicht (Bortz/Döring, 2002, S. 315). Die Interviews wurden im März und April 2005 geführt, digital aufgezeichnet und transkribiert. Die Auswertung der Daten erfolgte auf Basis der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring. Bei diesem induktiven Vorgehen wurden anhand der Transkripte Kategorien gebildet, in die relevante Aussagen eingeordnet wurden, wodurch eine systematische Auswertung erfolgen konnte. Dabei wurden analog zu den jeweiligen Untersuchungsebenen Kategoriensysteme entwickelt (Mayring, 1996, S. 91ff.; siehe auch Bortz/Döring, 2002, S. 330). Mit Hilfe der Kategoriensysteme konnten systematisch „Ankerbeispiele“ aus den Transkripten identifiziert werden, welche die aus der Literatur- und Dokumentenanalyse gewonnenen Erkenntnisse unterstreichen (Mayring, 1996, S. 95). Die Experten wurden nach den Kriterien von Gläser/Laudel ausgewählt und sind zu verstehen als Personen, „die ein besonderes Wissen über soziale Sachverhalte besitzen“, wodurch Experteninterviews geeignet sind, „dieses Wissen zu erschließen“ (Gläser/Laudel, 2004, S. 10). Die Selektion der Experten erfolgt demnach anhand einer Differenzierung von drei Expertengruppen: Berufsbildungs-
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Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
forscher, die sich theoretisch und empirisch mit dem CBT-Konzept in Australien auseinandersetzen (Gruppe der „Researcher“), Vertreter der Bildungsverwaltung, welche die bildungspolitische Seite repräsentieren (Gruppe der „Officials“) und Vertreter der Berufsbildungspraxis, also Lehrende an beruflichen Bildungsinstitutionen (Gruppe der „Practitioners“). Die Differenzierung der Expertengruppe ist durch die Zielsetzung der Befragung und in der Drei-Ebenen-Systematik begründet, d. h., es sollen Aussagen zu den ordnungspolitisch-organisatorischen und didaktisch-curricularen Rahmenbedingungen (Vertreter der Bildungsverwaltung und Berufsbildungsforschung) gewonnen werden und den Aussagen zu der Realisierung des CBT-Ansatzes in beruflichen Lernprozessen (Vertreter der Berufsbildungspraxis) gegenübergestellt werden. DieWahl der Expertengruppen ermöglicht eine Perspektiventriangulation(Flick, 1995, S. 433), durch welche das Drei-Ebenen-Modell zur Untersuchung des CBTAnsatzes untermauert wird und die Relationen zwischen den auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelten Perspektiven herausgearbeitet werden können. Dadurch können Diskrepanzen zwischen theoretischen Konzeptionen, ordnungspolitischen Rahmenbedingungen und deren Umsetzung in der Berufsbildungspraxis identifiziert und eruiert werden. Um eine repräsentative Untersuchung zu gewährleisten, wurde die Selektion der Interviewpartner nach folgenden Gütekriterien durchgeführt: 1. Einschlägige Erfahrung mit dem CBT-Ansatz: • aus Forschungsperspektive (Vertreter der Berufsbildungsforschung) • aus praktischer Perspektive (Vertreter der Berufsbildungspraxis) • aus politischer Perspektive (Vertreter der Bildungsverwaltung) 2. Flächendeckende Repräsentanz aus fünf unterschiedlichen States/ Territories: South Australia, Victoria, New South Wales, Queensland und ACT (Western Australia, Northern Territory und Tasmania konnten aufgrund der großen Distanz nicht berücksichtigt werden.) 3. Institutionelle Diversität: • Sechs Universitäten und Forschungszentren (University of South Australia, Adelaide; University of Technology Sydney; University of Melbourne; Monash University, Melbourne; Griffith University, Brisbane; NCVER)
3.1. Zur Begründung des qualitativen Zugangs
127
• Sieben Anbieter (Adelaide TAFE; Torrens Valley Institute of TAFE; TAFE NSW; William Angliss Institute of TAFE; Box Hill Institute of TAFE; Canberra Institute of Technology; Group Training Association of Victoria) • Drei Ministerien (Department of Science, Education an Training; Department of Employment and Training Queensland; Australian National Training Authority) sowie einem Berater der Australian National Training Authority 4. Fachliche Diversität der Vertreter der Berufsbildungspraxis: Acht Fachrichtungen (Hospitality and Tourism; Hair and Beauty; Electronics;IT;Cooking;Childcare;Business Studies sowie Lehrende,deren Schwerpunkt in der Curriculumentwicklung liegt) Anhand dieser vier Kriterien wurden folgende Expertengruppen zusammengestellt: 1. Vertreter der Berufsbildungsforschung (n = 12): • University of South Australia Adelaide: Centre for Research in Education, Equity and Work (n = 1) • University of Technology Sydney: Faculty of Education (n = 4) • University of Melbourne: Centre for Post-Compulsory Education and Lifelong Learning (n = 2) • Monash University: Faculty of Education (n = 1) • Griffith University: Centre for Learning Research (n = 2) • NCVER (n = 2) 2. Vertreter der Bildungsverwaltung (n = 6): • Australian National Training Authority (ANTA) (n = 2) • Department for Education, Science and Training (DEST) (n = 1) • Queensland Government, Department of Employment and Training (DET) (n = 2) • Schofield and Associates (n = 1) 3. Vertreter der Berufsbildungspraxis (n = 17): Institute (n = 7):
128
Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
• Adelaide TAFE (n = 1) • Torrens Valley Institute of TAFE (n = 2) • TAFE NSW (n = 1) • William Angliss Institute of TAFE (n = 1) • Box Hill Institute of TAFE (n = 6) • Canberra Institute of Technology (n = 5) • Group Training Association of Victoria18 (n = 1) Fachrichtungen (n = 8): • Hospitality and Tourism (n = 3) • Hair and Beauty (n = 1) • Electronics (n = 2) • IT (n = 2) • Childcare (n = 2) • Business Studies (n = 2) • Practice Firm (n = 1) • Curriculum Development (n = 4) 3.2. Zu den Hintergründen und der Philosophie des CBT-Ansatzes Die Ursprünge des CBT-Ansatzes lassen sich auf eine umfassende Reform der Lehrerbildung in den sechziger und siebziger Jahren in den USA zurückführen (Harris et al., 1995, S. 40). Die als unzureichend angesehene Ausbildung der Lehrer sollte durch einen kompetenzbasierten Qualifizierungsansatz optimiert werden und zu strukturellen und inhaltlichen Verbesserungen führen. Dieser wurde zu Beginn als Performance-based Teacher Education oder Competency-based Teacher Education bezeichnet (Wheeler, 1993, S. 36).19 Der Grundgedanke war der, dass Experten, sprich Lehrende mit einschlägiger Erfahrung, allgemeine und fachspezifische für die Lehrpraxis erforderliche Kompetenzen definieren (Tuxworth, 1989, 18 Die
Vertreter des Group Training und der Forschungsabteilung des Canberra Institute of Technology wurden aufgrund ihrer Expertise in der Berufsbildungspraxis und der Berufsbildungsforschung zu allen drei Ebenen befragt. 19 Die Bezeichnungen für den kompetenzbasierten Ansatz sind in der Literatur vielfältig und reichen von Competency-based Vocational Education über Competency-based Education (and Training) bis zu Competency-based Training. Letztere ist jedoch in der australischen Literatur die meist verwendete Bezeichnung, weshalb sie auch in der vorliegenden Arbeit verwendet wird.
3.2. Zu den Hintergründen und der Philosophie des CBT-Ansatzes
129
S. 11). Auf diese Weise sollte eine effektive Ausbildungsstruktur generiert werden, die sich an der Praxis des Lehrberufs orientiert. Um valide Performanzziele für die Ausbildung formulieren zu können, wurden Anforderungen und Standards erfolgreichen Lehrens definiert. Bis zum Ende der siebziger Jahre fand die kompetenzbasierte berufliche Lehrerausbildung ihren Höhepunkt und wurde in insgesamt 23 Staaten der USA implementiert (Harris et al., 1995, S. 41). Die ökonomischen und sozialen Ziele, die hinter der amerikanischen Philosophie des CBT-Ansatzes steckten, beschreibt Houston mit den Schlagworten accountability und personalisation (Houston, 1974, S. 5f.). Accountability meint die Übernahme von Verantwortung und die Zielorientierung von ökonomisch Handelnden und wird durch Ansätze wie das Management by Objectives realisiert (ebenda, S. 6). Im Kontext der Umstrukturierung der Lehrerbildung stand der aus der Ökonomie entlehnte Begriff für die Vorgabe, dass Lehrende und Lernende Verantwortung für die Erreichung extern definierter Ziele übernehmen müssen. Demnach soll die Planung, Gestaltung, Durchführung und Reflektion von Lernprozessen im Verantwortungsbereich der Lehrenden und Lernenden liegen. Der Begriff personalisation impliziert einen soziokulturellen Aspekt, der die individuelle Entwicklung und Entfaltung von Menschen in der Gesellschaft betont. Darüber hinaus wurden im psychologischen und pädagogischen Wissenschaftsdiskurs der siebziger Jahre drei Ansätze hinsichtlich der Gestaltung und Leistungsmessung in Bildungsprogrammen diskutiert, die Einfluss auf die Entwicklung und Implementation des CBT-Ansatzes in den USA hatten (Harris et al., 1995, S. 38 ff.): 1. Das erste Konzept ist das Prinzip des mastery learning, welches auf Bloom (1974) zurückgeht und besagt, dass bestimmte Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten erworben und demonstriert werden müssen, welche die Anforderungen an ein berufliches Handlungsfeld erfüllen. Der Erwerb dieser Kompetenzen ist jedoch abhängig vom individuellen Potenzial, weshalb es keine zeitlichen Vorgaben für den Lernprozess geben sollte; dieser sollte sich vielmehr nach dem Lernfortschritt des Einzelnen richten. 2. Das zweite Konzept ist das criterion-reference testing, bei dem die Leistungen des Einzelnen anhand externer Standards und nicht, wie bei der normativen Leistungsmessung, im Vergleich zu den Leistungen anderer gemessen werden. Durch die Vorgaben der Standards soll eine objektive Bewertung ermöglicht werden (u. a. Bond, 1996; Corbett/Wilson, 1991). 3. Das dritte Konzept ist das minimum competency testing. Dieses betrifft ebenfalls die kriterienbasierte Leistung und beschreibt und misst jedoch lediglich
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Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
Minimalstandards, die für den Einstieg in ein bestimmtes Beschäftigungsfeld notwendig sind (u. a. Jaeger/Tittle, 1980; Berk, 1984). Diese drei Konzepte beeinflussen die Entwicklung und Implementierung des CBTAnsatzes dahingehend, dass der Leistungsmessung im Sinne eines standardbasierten Ansatzes eine herausragende Rolle attestiert wird. Die Festlegung von beobachtbaren, messbaren und somit performanzbasierten Standards untermauert die Outcome-Orientierung. Als weniger wichtig erachtet werden kognitive, den Verhaltensdispositionen zugrunde liegende Prozesse, was im Kontext der Lehrerbildung bedeutet, dass das theoretische Wissen, über das ein Lehrender verfügt, von geringerer Bedeutung ist als die Fähigkeit, zu lehren und Lernende durch einen Lernprozess zu verändern. Dies wird in folgender Definition von Houston deutlich: „In CBE [Competency-based Education, SH], greater emphasis is placed on performance based and consequence based objectives than on cognitive based objectives. For example, what teachers know about teaching seems less important than their ability to teach and to bring about change in children“ (Houston, 1974, S. 8).
Diese Fokussierung betraf jedoch nicht nur die Lehrenden, sondern auch die Lernenden, welche durch den CBT-Ansatz die Befähigung erhalten sollten, bestimmte Tätigkeiten und Aufgaben zu erfüllen und diese in konkreten Leistungssituationen zu demonstrieren (Harris et al., 1995, S. 20). Anhand der Performanz kumulativer Kompetenzen kann auf diese Weise der individuelle Lernfortschritt gemessen und dokumentiert werden, wobei der Lernprozess unabhängig von der Dauer eines formalisierten Bildungsprogramms ist. Dies wird von Grant et al. wie folgt konstatiert: „Competence-based education tends to be a form of education that derives a curriculum from an analysis of prospective or actual role in modern society and that attempts to certify student progress on the basis of demonstrated performance in some or all aspects of that role. Theoretically, such demonstrations of competence are independent of time served in formal educational settings“ (Grant et al., 1979, S. 6).
Demzufolge lassen sich der Grundgedanke und die mit ihm verbundenen Grundannahmen des CBT-Ansatzes wie folgt beschreiben: 1. Experten definieren Standards basierend auf Kompetenzen, die aus gesellschaftlichen und ökonomischen Anforderungen abgeleitet werden, und als Richtgröße für die Messung und Bewertung demonstrierter Fertigkeiten und Kenntnisse dienen. 2. Die sukzessive Performanz einzelner Kompetenzen gibt Aufschluss über den Entwicklungsprozess des Einzelnen.
3.2. Zu den Hintergründen und der Philosophie des CBT-Ansatzes
131
3. Der Lernprozess, in welchem Kompetenzen erworben und demonstriert werden, ist unabhängig von zeitlichen Vorgaben. Diese Annahmen wurden in den USA zunächst der Lehrerbildung zugrunde gelegt, hatten jedoch auch Auswirkungen auf die Gestaltung von Lernprozessen sowohl im schulischen als auch im beruflichen Kontext (Harris et al., 1995, S. 419). In den achtziger und neunziger Jahren wurden diese Grundannahmen von der beruflichen Bildung Großbritanniens (Williams/Raggatt, 1998, S. 278) und Australiens adaptiert und prägen seither die dortigen Berufsbildungssysteme (Smith, 1999, S. 107; Smith et al., 1997, S. 1). Obgleich die ursprünglichen Definitionen und Modelle entsprechend den bildungspolitischen und ökonomischen Rahmenbedingungen modifiziert wurden, blieben die Grundsätze des CBT-Ansatzes sowohl in Großbritannien als auch in Australien erhalten. Ausgehend von der Grundphilosophie des CBT-Ansatzes wurden im australischen Kontext verschiedene Ansichten und Erklärungsversuche zur Bedeutung des Ansatzes für die berufliche Qualifizierung entwickelt. Exemplarisch seien drei Definitionen angeführt, die in der berufsbildungspolitischen Diskussion rezitiert werden. So definiert der Dachverband der australischen Industrie- und Handelskammer den CBT-Ansatz wie folgt: „A way of approaching (vocational) training that places primary emphasis on what a person can do as a result of training (the outcome), and as such represents a shift away from an emphasis on the process involved in training (the inputs). It is concerned with training to industry specific standards rather than an individual’s achievement relative to others in the group“ (Australian Chamber of Commerce and Industry, 1992; zit. in: Smith et al., 1997, S. 3).
Das Vocational Education, Employment and Training Advisory Committee (VEETAC) formuliert folgende Definition: „Training geared to the attainment and demonstration of skills to meet industry-specified standards rather than to an individual’s achievement relative to that of others in a group“ (Vocational Education, Employment and Training Advisory Committee, 1992, S. 5).
Die Australian National Training Authority (ANTA) definiert den CBT-Ansatz so: „Competency-based training therefore is training which is performance- and standardsbased and related to realistic workplace practices [...]. It is focussed on what learners can do rather than on the courses they have done“ (Australian National Training Authority, 1998, S. 11).
Allen drei Definitionen gemeinsam ist der sogenannte outcome-based approach, ein ergebnisorientierter Zugang zur beruflichen Bildung (Reuling, 2002, S. 14).
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Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
Diese Ergebnis-Orientierung basiert auf Kompetenzen, die im Hinblick auf wirtschaftliche Anforderungen definiert werden.20 Die zu erwerbenden Kompetenzen stellen ein reglementiertes und feststehendes Element dar (Mulcahy, 2000, S. 261), während der Prozess, in welchem diese Kompetenzen erworben werden, nur marginal in Form von Rahmenvorgaben reglementiert wird und somit individuell gestaltet werden kann. Dies führt dazu, dass im CBT-Ansatz eine Vielzahl unterschiedlicher Lehrmethoden mit variierendem Medieneinsatz angewendet wird, um die Lernprozesse den individuellen Bedürfnissen und Anforderungen der Lernenden anzupassen (Smith et al., 1997, S. 39 ff.). Lernprozesse im CBT-Ansatz können demnach sowohl formalisiert im Rahmen eines Aus- und Weiterbildungsprogramms realisiert werden als auch nicht formalisiert am Arbeitsplatz, in einer gemeinnützigen Institution oder via E-Learning (Reuling, 2002, S. 15). Das bedeutet, dass den Lehrenden und Lernenden weitgehende Freiheit innerhalb des beruflichen Lernprozesses zugesprochen wird, und es ihnen somit möglich ist, ihre individuellen Lernprozesse an das vorhandene Fähigkeitspotenzial anzupassen. Flexibilität, Outcome-Orientierung und Individualisierung können demzufolge als Kerncharakteristika der australischen CBT-Ansätze festgehalten werden. Gerade die Flexibilität in der Gestaltung von CBT-Programmen ermöglicht unterschiedliche Realisierungsgrade des Konzepts und so definieren Smith et al. drei Abstufungen der Umsetzung des CBT-Modells: Auf der ersten Stufe befinden sich sogenannte „Band SC“-Kurse21 , die auf Kompetenzstandards oder anderen formalen Vorgaben der Wirtschaft basieren (Smith et al., 1997, S. 64). Diese stellen die Minimalform des CBT-Ansatzes dar, da lediglich die Kompetenzstandards implementiert werden. Auf der zweiten Stufe sind die „Band SCIR“-Kurse22 anzusiedeln, die zusätzlich zu den Eigenschaften der „Band SC“-Kurse von der Wirtschaft begleitet werden und bereits erbrachte Leistungen im Rahmen des Recognition of Prior Learning anerkennen. Da die Kurse vollständig oder zumindest partiell am Arbeitsplatz durchgeführt werden können, ist der Einfluss der Wirtschaft hier ausgeprägter. Zudem ermöglicht die Anrechnung bereits erbrachter Lernleistungen, dass Kompetenzen, die durch Arbeitserfahrung erworben wurden, formal anerkannt werden. Dies verkürzt den Erwerb einer beruflichen Qualifikation und erleichtert den Einstieg in einen beruflichen Lernprozess. Die dritte Gruppe stellen die „Band SCIRA“-Kurse23 dar, die durch die Komponente assessment ergänzt werden. Assessment bedeutet in diesem Kontext die kompetenzbasierte Leistungs20 Eine
detaillierte Erläuterung der inhaltlichen und methodischen Festlegung von Kompetenzen und Kompetenzstandards im Konzept der training packages erfolgt unter 3.5.1. 21 S steht für Standards und C für CBT-Form. 22 S für Standards, C für CBT-Form, I für Industrie, R für RPL. 23 S für Standards, C für CBT-Form, I für Industrie, R für RPL, A für Assessment.
3.2. Zu den Hintergründen und der Philosophie des CBT-Ansatzes
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messung, die eine flexible und nachfrageorientierte Durchführung von Prüfungen in Arbeitsplatzsimulationen oder direkt am Arbeitsplatz beinhaltet. Die Differenzierung von Smith et al. zeigt, dass aufgrund der Flexibilität des CBT-Ansatzes einzelne Komponenten implementiert werden können, ohne ein gesamtes CBT-System zu etablieren. Gleichzeitig wird ein neben den drei Kerncharakteristika weiteres zentrales Merkmal sichtbar: die Dominanz der Wirtschaft. Dies zeigt sich in drei Aspekten: Erstens hat die Wirtschaft zentralen Einfluss auf die Festlegung der Outcomes in Form von Kompetenzstandards, wodurch die Zielgrößen für berufliche Lernprozesse den Anforderungen der Wirtschaft entsprechen (Harris et al., 1995, S. 67 ff.). Zweitens sind berufliche Lernprozesse praxisnah, und es besteht die Möglichkeit, ein CBT-Programm direkt am Arbeitsplatz durchzuführen (Mulcahy/James, 1999, S. 34 ff.). Den Anforderungen der Wirtschaft wird nicht nur dadurch Rechnung getragen, dass die Mitarbeiter eine für das Unternehmen relevante Qualifikation erlangen, sondern diese zudem direkt im Prozess der Arbeit absolvieren können (Harris et al., 1995, S. 103f.). Drittens ist neben Lernzielen und Lernorten auch die Durchführung von Prüfungen an den Anforderungen der Wirtschaft ausgerichtet, da diese ebenfalls praxisnah, in einer Arbeitsplatzsimulation oder direkt im Arbeitsprozess durchgeführt werden (Billett et al., 1999, S. 89 ff.). 3.2.1. Ausgewählte theoretische CBT-Modelle Trotz einer weitgehenden Übereinstimmung hinsichtlich ihrer Kernmerkmale fokussieren die bestehenden CBT-Modelle zum Teil unterschiedliche Aspekte. Elam entwickelte als einer der Ersten ein Konzept für die kompetenzbasierte Lehrerbildung in den USA. Er kategorisiert drei Bestandteile des CBT-Ansatzes (Elam, 1971, S. 6 f.): 1. essential elements • Zu demonstrierende Kompetenzen (Wissen, Fähigkeiten, Verhalten), die aus beruflichen Anforderungen abgeleitet und anhand derer Verhaltensdispositionen des Lernenden bewertet werden können, d. h., sie sind für Lernende und Prüfende transparent • Kriterien zur Bewertung der Kompetenzen, die auf spezifizierten Kompetenzen aufbauen und diese integrieren, die das erwartete Leistungsniveau unter spezifischen Bedingungen definieren und die für Lernende und Prüfende transparent sind • Kriterien zur Bewertung der Kompetenzen, bei denen die demonstrierte Leistung (performance) als primäres Bewertungskriterium gilt und
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Objektivität avisiert wird, wobei das (Vor-)Wissen des Lernenden, welches relevant ist für die Planung, Analyse, Interpretation oder Bewertung von Situationen und Verhaltensdispositionen, integriert wird • Kriterien zur Bewertung von Fortschritten im Lernprozess, die durch die demonstrierten Kompetenzen und nicht durch Zeit oder Erfüllung des Ausbildungsprogramms festgelegt werden 2. implied characteristics • Individualisierte und personalisierte Anleitung • Feedback, das die Lernerfahrung des Individuums begleitet • Systematische Strukturen • Fokussierung auf zu erwerbende Endfähigkeiten • Modularisierte Anleitung • Erfolgreiche Beendigung des Ausbildungsprogramms erst, wenn alle Kompetenzen demonstriert wurden, die für die angestrebte Qualifikation erforderlich sind 3. related or desirable characteristics • Arbeitsplatzbezogenheit • Breite Basis, um Entscheidungen zu treffen (college faculty, Studenten, Öffentlichkeit) • Materialien und Erfahrungen, die Konzepte, Fähigkeiten und Kenntnisse fokussieren, die in einer spezifischen Ausbildungsumgebung erlernt werden • Die Gestaltung des Ausbildungsprogramms durch Lehrende und Lernende • Ein Programm, das Forschungselemente beinhaltet und offen für Veränderungen und Verbesserungen ist • Eine „karrierefördernde“ Vorbereitung • Integration in das Beschäftigungswesen, die dadurch stattfindet, dass der Lernende berufliche Probleme übergreifend wahrnehmen kann In Elams Konzept werden die zu erwerbenden und zu demonstrierenden Kompetenzen hervorgehoben, d. h., die Outcome-Orientierung ist das zentrale Element seines CBT-Modells. Elam betont zudem die Subjektorientierung und die Individualisierung durch die Konzentration auf den Lernenden und dessen persönliche
3.2. Zu den Hintergründen und der Philosophie des CBT-Ansatzes
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Begleitung während des Kompetenzerwerbs. Dem Lernprozess an sich wird in didaktisch-methodischer Hinsicht wenig Bedeutung beigemessen, was nicht nur die Outcome-Orientierung unterstreicht, sondern zudem die Flexibilität bei der Gestaltung des Kompetenzerwerbs suggeriert. Diese Merkmale finden sich auch im Ansatz von Houston/Howsam wieder, die folgende Eigenschaften des CBT-Konzepts formulieren (Houston/Howsam, 1972, S. 5 f.): • Spezifizierung von individuellen Lern- und Verhaltenszielen • Spezifizierung der Kriterien für die Erreichung eines angestrebten Leistungsniveaus • Bereitstellung von Ausbildungsmethoden, die den Lernzielen sachdienlich sind und die den Lernprozess ermöglichen • Transparentmachung von Lernzielen, Kriterien, Prüfungsmethoden und Aktivitäten im Lernprozess • Bewertung der Lernerfahrung mit Hilfe von Kompetenzkriterien • Einschätzung des Auszubildenden/Lernenden, ob Kriterien erfüllt werden können Norton formuliert fünf charakteristische Merkmale des CBT-Modells, die Parallelen zu den Ansätzen von Elam und Houston/Howsam aufweisen (Norton, 1985, S. 79 f.): 1. Die zu erwerbenden Kompetenzen werden hinsichtlich ihrer späteren Anwendungspraxis definiert. 2. Die Geschwindigkeit und der Umfang des Lernprozesses orientieren sich an der individuellen Entwicklung und Leistungsfähigkeit des Lernenden. 3. Im CBT-Modell stellen Zeit den variablen und Lernen den konstanten Faktor dar, was sich dahingehend äußert, dass der Abschluss eines Lernabschnitts durch die erfolgreiche Demonstration einer bestimmten Tätigkeit und nicht durch einen vorgegebenen Zeitrahmen bestimmt wird. 4. Die Kriterien und Bedingungen der Leistungsmessung und Bewertung werden vor Beginn des Lernprozesses präzisiert und transparent gemacht.
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5. Die Leistungsmessung fokussiert äußerlich erkennbare und demonstrierbare Verhaltensdispositionen, wobei Hintergrundwissen und persönliche Einstellungen, die in einer konkreten Leistungssituation keine Anwendung finden, nur implizit berücksichtigt werden. Die ersten vier Kriterien finden sich auch in den bereits skizzierten Ansätzen wieder. Das letzte Kriterium, die Fokussierung auf äußerlich beobachtbares Verhalten ohne Berücksichtigung kognitiver Fähigkeiten sowie personaler Kompetenzen, wird im Gegensatz zu Elam und Houston/Howsam bei Norton explizit betont. Dies lässt darauf schließen, dass sein Ansatz auf einem behavioristischen Kompetenzbegriff basiert, wohingegen die Ansätze von Elam und Houston/Howsam – wenngleich nicht explizit konstatiert – Rückschlüsse auf einen erweiterten Kompetenzbegriff erlauben. Das Victorian State Training Board definiert sechs Kriterien, welche von CBTProgammen erfüllt werden sollen (Harris et al., 1995, S. 26): 1. Ergebnis-Kriterium: Kompetenzstandards, die auf nationaler Ebene festgelegt werden, müssen erfüllt werden; sofern keine nationalen Standards vorhanden sind, müssen sich die Ergebnisse des CBT-Programms auf die Kompetenzdefinitionen der zuständigen Wirtschaftsausschüsse beziehen. 2. Curriculum-Kriterium: Das Curriculum legt die Anforderungen fest, die an die Lernenden gestellt werden, in Form von Leistungen, Bedingungen und Standards. Damit sollen klare Verantwortlichkeiten zugeteilt werden. 3. Lehr-Kriterium: Der Lehr-Lern-Prozess ist flexibel und der Lernende soll Eigeninitiative zeigen. Inwiefern der Prozess auf den Lernenden ausgerichtet ist, wird durch das verwendete Lernmaterial bestimmt. 4. Prüfungs-Kriterium: Die Leistungsmessung soll anhand von Kompetenzstandards stattfinden. Dadurch soll die Bewertung von Kompetenzen, die außerhalb des Programms erworben wurden, ermöglicht, und inner- und außerbetriebliche Kompetenzelemente sollen gegebenenfalls in die Bewertung aufgenommen werden. 5. Dokumentationskriterium: Der Lernende soll einen Bericht über seine erworbenen Kompetenzen erhalten. Die Dokumentation kann anhand von erworbenen Kompetenzelementen vorgenommen werden, wobei jedoch der Zusammenhang von Elementen und Kompetenzen transparent sein muss. 6. Zertifizierungskriterium: Bei Erfüllung der Kompetenzkriterien muss ein Zertifikat ausgestellt werden, das im nationalen Rahmen anerkannt ist.
3.2. Zu den Hintergründen und der Philosophie des CBT-Ansatzes
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In dem Konzept des Victorian State Training Board ist ein neues Kriterium erkennbar, das in den bisherigen Ansätzen nicht explizit hervorgehoben wurde: das Zertifizierungskriterium. Während die bisherigen Ansätze lediglich die flexible und individuelle Prüfung als wichtiges Merkmal des CBT-Ansatzes ansehen, stellt dieser Ansatz die Forderung nach einer Zertifizierung der erbrachten Lernleistungen. Das bedeutet, dass CBT zu formalen Zertifikaten führen soll, die national anerkannt sind und nicht nur für Gesamtqualifikationen, sondern bereits für Teilqualifikationen ausgestellt werden. Dieses Kriterium wird in späteren Ansätzen nicht mehr explizit definiert, obgleich z. B. der Ansatz von Harris et al. Parallelen zu Norton und auch Elam aufweist (Harris et al., 1995, S. 30): 1. Spezifizierung von messbaren Lernergebnissen 2. Vorherige Festlegung dieser Ergebnisse anhand einer Analyse der spezifischen Lernumgebung 3. Messung dieser Ergebnisse als Kriterium für den Lernerfolg 4. Der Lernprozess soll die spezifischen Lernergebnisse, gemessen an festgelegten Standards, fokussieren und nicht die Dauer oder Methode des Lernprozesses 5. Anerkennung von bereits erworbenen Kompetenzen und keine Anforderung auf erneuten Erwerb dieser Allen skizzierten Ansätzen ist gemein, dass Kompetenzen als fixe Zielgröße im Mittelpunkt stehen und in Form von Kompetenzstandards von Experten der Wirtschaft branchenspezifisch definiert werden. Über die Grundprinzipien (Flexibilität, Outcome-Orientierung und Individualisierung) hinausgehend, können unterschiedliche Akzentuierungen einzelner Aspekte festgehalten werden. So wird von Harris et al. und dem Victoria State Training Board die Anerkennung bereits erbrachter Lernleistungen als Merkmal einbezogen, die von anderen Autoren jedoch nicht als essenzieller Bestandteil angesehen wird. Ein weiterer Unterschied liegt in der Betonung der Outcome-Orientierung, wobei bei allen Ansätzen die beobachtbaren und demonstrierbaren Fertigkeiten im Vordergrund stehen, kognitive Aspekte hingegen entweder explizit ausgeschlossen oder implizit vernachlässigt werden. Dieser Unterschied lässt sich mit der Zugrundelegung divergierender Kompetenzauffassungen begründen. So ist bei einigen ein behavioristischer Kompetenzbegriff erkennbar, während man bei anderen auf einen erweiterten Kompetenzbegriff schließen kann. CBT-Modelle, die einen konstruktivistischen Kompetenzbegriff
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zugrunde legen und somit auf konstruktivistische Grundannahmen rekurrieren, scheinen jedoch marginalisiert zu werden. 3.2.2. Das Kompetenzprinzip als Strukturelement des CBT-Ansatzes Aus den bisher vorgestellten Ansätzen soll an dieser Stelle die Definition eines Kompetenzprinzips als strukturierendes Organisationsprinzip für den CBT-Ansatz abgeleitet werden. In diesem Zusammenhang werden vier Kriterien selektiert, die als Synthese aus den dargestellten Modellen zu verstehen sind und die Kerncharakteristika des CBT-Ansatzes widerspiegeln: 1. Die standardisierten, auf die Anforderungen der Wirtschaft ausgerichteten Kompetenzen und daraus resultierenden Kompetenzprofile sollen die Verwertbarkeit auf dem Arbeitsmarkt und im Unternehmen sichern. Dieses Kriterium reflektiert die herausragende Stellung der Wirtschaft (Elam, 1971, S. 6). Diese wird auch im Modell des Victorian State Training Board als Kern des CBT-Ansatzes angeführt und in der Beschreibung des „CurriculumKriteriums“ sowie des „Dokumentationskriteriums“ explizit hervorgehoben (Harris et al., 1995, S. 26). Ebenso nennt Norton dies als primäres Merkmal des CBT-Ansatzes (Norton, 1985, S. 79.). 2. Zentrales Element des Kompetenzprinzips sind arbeitsbezogene und kontextunabhängige Kompetenzen zur Erfüllung arbeitsplatzspezifischer und übergreifender Arbeitsaufgaben und Tätigkeiten. Dieses Kriterium findet sich ebenfalls in allen skizzierten CBT-Modellen wieder, und so spricht Elam von einem essenziellen Element, das sowohl arbeitsplatzbezogene als auch allgemeine, kontextunabhängige Kompetenzaspekte beinhaltet (Elam, 1971, S. 7). 3. Durch die Outcome-Orientierung stehen die erworbenen Kompetenzen und deren Anwendbarkeit in verschiedenen Arbeitsumgebungen und -situationen im Vordergrund und fungieren als standardisierte Rahmenstruktur; der Lernweg, der Lernort und die Gestaltung des Lernprozesses stellen variable und nicht standardisierte Komponenten dar. Dieses Kriterium wird von Elam durch die Betonung der objektiven und kriterienbasierten Messung und Bewertung der Kompetenzen konstatiert (ebenda, S. 6). Auch Houston/Howson erachten die Outcome-Orientierung als essenziell, wenngleich sie dies nicht explizit formulieren, sondern durch die Fokussierung auf die Messung spezifizierter Kompetenzen als Ergebnis des Lernprozesses implizieren (Houston/Howsam, 1972, S. 6). Das Victorian State Training Board artikuliert die
3.3. Die Entwicklung des CBT-Ansatzes im Zuge der Training Reform Agenda
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Outcome-Orientierung explizit im „Ergebnis-Kriterium“. Durch die Spezifizierung der Kompetenzen als Ergebnisse des Lernprozesses sowie durch die Betonung der Messung und ihrer Bewertung stellen auch Norton und Harris et al. dieses Kriterium in den Vordergrund. Die Outcome-Orientierung wird zudem dadurch untermauert, dass der Lernprozess flexibel gestaltbar ist, was insbesondere im „Lehr-Kriterium“ des Victorian State Training Board deutlich gemacht wird, aber auch von Norton und Harris et al. betont wird (Harris et al., 1995, S. 26 und 30; Norton, 1985, S. 80). 4. Individualisierung und Flexibilisierung in der beruflichen Qualifizierung werden durch die zeitliche, räumliche und inhaltliche Gestaltungsfreiheit ermöglicht. Dieses Kriterium beschreibt Elam aufgrund der Anpassungsmöglichkeit der zu erwerbenden Kompetenzen an die individuellen Bedürfnisse und Interessen, aber auch bedingt durch die Möglichkeit der individuellen Gestaltung des Lernprozesses als „implied characteristic“ (Elam, 1971, S. 8; Harris et al., 1995, S. 30; Houston/Howsam, 1972, S. 5; Norton, 1985, S. 79). Die vier hergeleiteten Kriterien des Kompetenzprinzips führen zu zwei Schlussfolgerungen: 1. Das Kompetenzprinzip stellt einen strukturellen Rahmen für die Gestaltung, Durchführung und Reflexion beruflicher Qualifizierungsprozesse dar, wobei die Aspekte Outcome-Orientierung, Individualisierung und Flexibilisierung im Vordergrund stehen. 2. Das Kompetenzprinzip fungiert als Bindeglied zwischen Berufsbildungsund Wirtschaftssystem, da zum einen die Anforderungen der Wirtschaft im Berufsbildungssystem durch die Kompetenzen umgesetzt werden und zum anderen die Verwertbarkeit daraus resultierender Kompetenzprofile trotz bzw. gerade wegen der Individualisierung und Flexibilisierung gesichert wird. 3.3. Die Entwicklung des CBT-Ansatzes im Zuge der Training Reform Agenda Als Training Reform Agenda wird eine Reihe von Reformansätzen bezeichnet, die in den neunziger Jahren für die australische Berufsbildung formuliert wurden (Smith/Keating, 2003, S. 40 f.). Obgleich die Reformansätze nicht kohärent und größtenteils unabhängig voneinander sind, lassen sich zwei übergeordnete Ziele
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erkennen: zum einen soll die Wirtschaft Einfluss auf die Gestaltung von Qualifizierungswegen, Qualifikationen und Lehrinhalten haben und damit die Berufsbildung auf deren Ziele ausgerichtet werden (Hall, 1995, S. 87). Zum anderen soll ein national einheitliches und transparentes Berufsbildungssystem implementiert werden. Der Hintergrund der politischen Entscheidung, die nationalen Berufsbildungssysteme in ein einheitliches CBT-System zu überführen, war eine Entscheidung der Special Ministerial Conference on Training im April 1989. Grundlage für diese Entscheidung wiederum war ein Bericht des Department of Labour Advisory Committee (DOLAC). In diesem Bericht wurde ein politischer Rahmen geschaffen und es wurden strukturelle, rechtliche und administrative Voraussetzungen für die Einführung des CBT-Ansatzes definiert (Wheeler, 1993, S. 35). Die Aufgabe, eine Implementationsstrategie mit einem zeitlichen Rahmen für den CBT-Ansatz zu entwickeln, wurde dem Commonwealth/State Training Advisory Committee (COSTAC) übertragen. Dieses errichtete im Mai 1989 eine Arbeitsgruppe, welche die Empfehlungen der Ministerkonferenz überarbeitete und weiterentwickelte. Mitglieder dieser Arbeitsgruppe waren Vertreter der State/Territory Training Authorities sowie der TAFE24 -Institute. Im November 1989 fand erneut eine Special Ministerial Conference on Training statt, auf der COSTAC in eine neue Institution überführt wurde, dem Vocational Education, Employment and Training Advisory Committee (VEETAC). Des Weiteren wurde die Entwicklung von Kompetenzstandards als essenziell und auch kritisch erachtet, weshalb eine neue Institution geschaffen wurde, die diese Aufgabe übernehmen sollte. Diese Institution war das National Training Board (NTB), das aus Vertretern der Wirtschaft bestand. Das NTB begann im April 1990 die ersten Standards zu entwickeln; gleichzeitig verpflichteten sich die Minister der States/Territories sowie der CommonwealthRegierung dazu, diese Standards als Grundlage für die Entwicklung beruflicher Curricula und Kurse zu verwenden sowie für deren Akkreditierung (Harris et al., 1995, S. 51 f.). Die Gründung des National Training Board stellte somit den Beginn der branchenspezifischen Implementierung des CBT-Ansatzes und war ein wichtiger Reformschritt unter der Training Reform Agenda. Weitere wichtige Reformschritte basieren auf Verordnungen und Gesetzen der australischen Commonwealth-Regierung und können in Anlehnung an Hall (1995, S. 88ff.) und Smith/Keating (2003, S. 41ff.) wie folgt zusammengefasst werden: • Training Guarantee Act (1990) Dieser Erlass diente der Sicherung von Ausbildungsplätzen, da Unternehmen mit einem jährlichen Lohn-Volumen von mehr als 200.000 $A dazu ver24 TAFE
steht für Technical and Further Education, siehe hierzu die Ausführungen unter 3.4.4.
3.3. Die Entwicklung des CBT-Ansatzes im Zuge der Training Reform Agenda
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pflichtet wurden, 1,5 % dieses Volumens in die Ausbildung zu investieren, anderenfalls mussten sie diesen Betrag als Sondersteuer abführen. Das Gesetz wurde 1994 wieder abgeschafft und an seiner Stelle wurden andere Anreize für Unternehmen geschaffen, in die Ausbildung zu investieren, bspw. im Rahmen der staatlichen Subventionierung der new apprenticeships.25 • Deveson Report (1990) Der Deveson Report über die Kostenstruktur der Ausbildung führte zu einer Ausweitung der Anbieter und zu einem sogenannten „offenen Ausbildungsmarkt“ (open training market). Die staatlichen TAFE-Institutionen sollten mit privaten Anbietern aus der Wirtschaft konkurrieren, wodurch staatliche Institutionen vor der Herausforderung standen, den Anforderungen der Wirtschaft bezüglich des Ausbildungsbedarfs besser gerecht zu werden.26 • National Framework for the Recognition of Training (1992) Anhand dieses Rahmenkonzepts wurden nationale Prinzipien zur Anerkennung von Kursen, Ausbildungsprogrammen und Anbietern sowie Richtlinien und Standards zur Durchführung von beruflichen Bildungsmaßnahmen und adäquaten Prüfungsverfahren festgelegt (Goozee, 2001, S. 97). Des Weiteren wurde die Anerkennung bereits erbrachter Lernleistungen (Recognition of Prior Learning) für weiterführende Bildungsmaßnahmen darin verankert, wodurch der Zugang zur Berufsbildung erleichtert und die Dauer von Bildungsmaßnahmen verkürzt werden sollte.27 Die Standards des National Framework for the Recognition of Training sollten der Vereinheitlichung der Berufsbildung dienen, gleichzeitig jedoch die flächendeckende Implementation des CBT-Ansatzes vorantreiben. • Finn Report und Mayer Report (1991, 1992) Das Finn Committee formulierte in dem Bericht Young People’s Participation in Post-Compulsory Education and Training verschiedene Ziele bezüglich der Teilnahme von Jugendlichen an beruflichen Bildungsmaßnahmen vor dem Hintergrund einer geringen Ausbildungsbeteiligung jugendlicher Schulabgänger. Der Finn Report initiierte – wie bereits dargestellt – zudem die Diskussion um Schlüsselkompetenzen und die Notwendigkeit des Erwerbs allgemeiner Fähigkeiten, die den Einstieg der Jugendlichen in die Beschäftigung erleichtern sollen. Durch den Mayer Report mit dem Titel Putting General Education to Work: The Key Competencies Report wurde die 25 Siehe
dazu die Ausführungen unter 3.5.3. Philosophie des open training market wird ausführlich unter 3.4.5 erläutert. 27 Weitere Ausführungen zum Recognition of Prior Learning erfolgen unter 3.6.4. 26 Die
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Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
Diskussion um die Schlüsselkompetenzen fortgesetzt und die Konkretisierung der sieben Schlüsselkompetenzen ist bis heute Bestandteil der training packages.28 • Carmichael Report (1992) Die Handreichung The Australian Vocational Certificate Training System (AVCTS), auch als Carmichael Report bezeichnet, fokussierte Veränderungen bezüglich sogenannter Einstiegsqualifikationen (entry qualifications). Durch die Etablierung eines einheitlichen Systems dieser Qualifikationen sollte eine Konsolidierung der Ausbildungsprogramme (apprenticeships und traineeships) erreicht werden.29 • Gründung der Australian National Training Authority (ANTA) (1992): Die Australian National Training Authority (ANTA) löste 1992 das National Training Board ab und sorgte für eine flächendeckende Einführung des CBT-Ansatzes. Dabei wurde das Ziel verfolgt, die unterschiedlichen Berufsbildungssysteme der States und Territories zum 1. Januar 1994 in ein einheitliches CBT-System zu transformieren.30 • Australian Qualifications Framework (1994) 1994 wurde der Australian Qualifications Framework (AQF) eingeführt, der die Qualifikationen, die in den drei Bereichen des Bildungssystems – Schulsektor, Berufsbildungssektor und Hochschulsektor – erworben werden können, in einem gemeinsamen Rahmen integrieren sollte. Mit dem AQF war das Ziel verbunden, die Konsistenz, Flexibilität und Durchlässigkeit der drei Bereiche zu erhöhen und somit eine Aufwertung der Berufsbildung, die bis dato eine untergeordnete Rolle spielte, zu erreichen. Der AQF gilt auch heute noch, und wenngleich eine vollkommene Durchlässigkeit zwischen den Sektoren nicht erzielt wurde, so führte er doch zu einem einheitlichen Qualifikationsrahmen, der über die Grenzen der States und Territories hinweg Gültigkeit besitzt. Der AQF forcierte zudem die flächendeckende Durchsetzung und Akzeptanz des CBT-Ansatzes, da durch diesen die Standardisierung national anerkannter beruflicher Qualifikationen erzielt wurde (siehe auch Harris et al., 1995, S. 79 ff. und die weiteren Ausführungen unter 4.5.2). 28 Eine
ausführliche Auseinandersetzung mit den Schlüsselkompetenzen findet unter 3.6.4 statt. hierzu die Ausführungen unter 3.5.3. 30 Ausführungen zu den institutionellen Strukturen erfolgen unter 3.4.3. 29 Siehe
3.3. Die Entwicklung des CBT-Ansatzes im Zuge der Training Reform Agenda
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• National Training Framework (1997) und Australian Quality Training Framework (2002) Der National Training Framework (NTF) löste den National Framework for the Recognition of Training ab und bereitete den Boden für die Einführung von training packages, da er nationale curriculare Standards sowie nationale Vorgaben zur Leistungsmessung und Bewertung beinhaltete. Der National Training Framework wurde 2001 durch den bis heute bestehenden Australian Quality Training Framework (AQTF) ersetzt, der durch die Einführung nationaler Qualitätsstandards den Qualitätsdefiziten in den bisherigen Rahmenvereinbarungen begegnen sollte (Smith/Keating, 2003, S. 66).31 • Training packages (1997) Eine Manifestierung des CBT-Ansatzes fand mit der Einführung der ersten training packages statt, wodurch eine neue Form des Curriculums für berufliche Qualifizierungsmaßnahmen geschaffen wurde. Training packages beinhalten Kompetenzstandards, national anerkannte Qualifikationen, die auf flexiblem und nicht standardisiertem Wege erworben werden können, sowie entsprechende Prüfungsrichtlinien zur kontinuierlichen Leistungsmessung anhand der modularisierten Kompetenzstandards.32 Wie diese Darstellung der wichtigsten Reformschritte innerhalb der Training Reform Agenda verdeutlicht, war die Einführung des CBT-Ansatzes nur eine Veränderung unter vielen, wenngleich damit die strukturell weitreichendsten Veränderungen verbunden waren. Reformen, die der Einführung des CBT-Ansatzes folgten und sowohl institutioneller als auch struktureller Natur waren, manifestierten den Grundcharakter des CBT-Ansatzes. Auswirkungen auf die Training Reform Agenda hatte die sogenannte „Kompetenzbewegung“ (Competency Movement), die bis in die neunziger Jahre weit verbreitet war (Hager/Gonczi/Oliver, 1990, S. 10). Competency Movement bezeichnet die zunehmende Kompetenzorientierung und die Fokussierung des Kompetenzbegriffs im politischen Kontext und wissenschaftlichen Diskurs. Politische Entwürfe und Ansätze für eine kompetenzbasierte Berufsbildung initiierten diese Bewegung (Harris et al. 1995; Lundberg, 1994, Smith et al., 1997), die die Berufsbildungsforschung mit verschiedenen konzeptionellen Modellen und Ansätzen zu deren Umsetzung fortführte (Billett et al., 1999, S. 16). Collins identifiziert drei Bereiche, in denen die „Kompetenzbewegung“ anzusiedeln ist (Collins, 1993, S. 7): 31 Eine 32 Eine
detaillierte Darstellung der Standards des AQTF erfolgt unter 3.4.6. ausführliche Darstellung der training packages erfolgt unter 3.5.1.
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1. Kompetenz spielt eine bildungspolitische Rolle in der Restrukturierung und Reformierung des Berufsbildungssektors. 2. Kompetenz steht im Mittelpunkt der pädagogischen Debatte um key competencies. 3. Kompetenz ist die Grundlage für die Definition von Kompetenzstandards als curriculare Vorgabe für berufliche Lernprozesse. Die „Kompetenzbewegung“ fand mit dem Beschluss zur flächendeckenden Einführung des CBT-Ansatzes und der daraus resultierenden Etablierung eines national einheitlichen Berufsbildungssystems ihren Höhepunkt (Wheeler, 1993, S. 38). Obgleich die Minister der States/Territories und der Commonwealth-Regierung mit den Wirtschaftsvertretern in den Zielsetzungen des CBT-Ansatzes übereinstimmten und entsprechende Rahmenbedingungen und Implementationsstrategien entwickelt wurden, fand die Einführung des CBT-Ansatzes anfangs nur punktuell und sehr langsam statt (Smith, 1999, S. 107). Hierfür lassen sich verschiedene Gründe identifizieren. Akteure auf der Lernprozess-Ebene wurden größtenteils aus den Entscheidungsprozessen und Zielvereinbarungen ausgeschlossen, da diese lediglich als Implementierer des CBT-Ansatzes angesehen wurden (Billett et al., 1999, S. 21). Dies führte zu großem Widerstand insbesondere der Lehrenden gegenüber der Realisierung des CBT-Ansatzes, da sich viele gegen eine grundlegende Veränderung des bestehenden Berufsbildungssystems aussprachen (Harris et al., 1995, S. 76 ff.; Smith, 1999, S. 109). Dies wird auch durch folgende Aussage eines ANTA-Vertreters deutlich (Interview Part I, Frage 1.1): „When CBT was first introduced it was perceived to be a very complex concept simply because people were unsure about parameters. I suppose there were many practitioners who were not too willing to take the professional responsibility to make certain kinds of judgements themselves about how well those skills are being learned or how well those skills are being assessed“ (ANTA, O7).
Einige Forscher führen den Widerstand der Lehrenden gegenüber CBT auf die mangelnde Vorbereitung und Kenntnis über das Konzept und dessen grundständige Implementation zurück. Dies wird durch folgende Aussagen illustriert (siehe Interview Part I, Frage 1.1): „Teachers originally were very resistant to CBT for all sorts of reasons and one reason was simply because it was new for some teachers“ (University of Technology Sydney, A2). „When CBT started a lot of the traditional trades said: ‘nothing is different - we have been doing this for years’“ (University of South Australia Adelaide, A10).
3.3. Die Entwicklung des CBT-Ansatzes im Zuge der Training Reform Agenda
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Mit der Einführung des CBT-Ansatzes wurden neue Anforderungen an die TAFEInstitute gestellt, die in der Realität nicht immer gänzlich erfüllt wurden (Misko, 1999, S. 11). Paterson führt dies auf das mangelnde Engagement der Unternehmen im Hinblick auf die Umsetzung des CBT-Ansatzes und auf den Widerstand der Aus- und Weiterbildungsanbieter zurück, die an den bestehenden institutionalisierten Maßnahmen festhielten: „[...] the training providers and recognition agencies were not enthusiastically or effectively embracing a CBT approach to training and certification and were still relying predominantly on more institutionally sourced and structured curriculum as the benchmark for recognition“ (Paterson, 1998, S. 4).
Laut einem Bericht der Allan Consulting Group von 1994, welche die nationalen Reformansätze evaluierte, wurde das Potenzial des CBT-Ansatzes in den ersten Jahren nach der Einführung weder in den Unternehmen noch bei den Aus- und Weiterbildungsanbietern völlig ausgeschöpft. Die Implementation des Ansatzes wurde anfänglich lediglich mit einem hohen Investitionsaufwand an Zeit, Anstrengung und Geld von Unternehmen, Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften und Anbietern in Verbindung gebracht (Allan Consulting, 1994, S. 43). Ein weiterer Problemaspekt des Ansatzes lag in der Umsetzung der detaillierten Beschreibung der Kompetenzstandards, die aus Sicht vieler Unternehmer zu eng gefasst waren und keine Interpretationsmöglichkeit am individuellen Arbeitsplatz boten (Misko, 1999, S. 11). Hierbei wurde die Gefahr gesehen, dass bei zu starker Konzentration auf die detaillierten Beschreibungen der Kompetenzstandards, ein holistisches Verständnis des Unternehmens und innovativer Wege zur Verbesserung des Unternehmens verlorenginge (Misko, 1999, S. 21; Smith et al., 1997, S. 54). Kritiker sahen im CBT-Ansatz weniger die Vorteile eines transparenten, homogenen Systems und einer damit einhergehenden Qualitätssteigerung beruflicher Qualifikationen, sondern vielmehr die Gefahr einer stärkeren Kontrolle und einer übergeordneten Reglementierung der beruflichen Bildung durch nationale Akteure (Stevenson, 1995, S. 354). Dies liegt darin begründet, dass die Einführung des CBT-Ansatzes als eine politische Entscheidung mit dem Ziel der Vereinheitlichung und stärkeren Zentralisierung des Berufsbildungssystems angesehen wurde, eine Einstellung, die Kritiker des CBT-Ansatzes bis heute haben (u. a. Cornford, 1999, S. 95; Stevenson, 1995, S. 359). Die States/Territories mussten ihre bundesstaatlichen Berufsbildungssysteme aufgeben und an die nationalen Vorgaben anpassen (Harris et al., 1995, S. 50 ff.), was erwartungsgemäß nicht bei allen Akteuren auf positive Resonanz stieß. Dennoch wurden auch Vorteile in der Vereinheitlichung des Berufsbildungssystems durch den CBT-Ansatz gesehen, die sich anhand folgender Aussagen eines
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ANTA-Mitarbeiters sowie eines Vertreters der Berufsbildungsforschung illustrieren lassen (Interview Part I, Frage 1.1): „With CBT it has been the first time that industry and governments of all persuasions despite their differences have actually agreed to implement this as a national system. [...] before if you had a certificate in hairdressing it was not necessarily recognised outside that region or outside that state“ (ANTA, O1). „The portability of qualifications between states was meant to be one of the fundamental benefits of this whole system. And that was not the case in the earlier days. Creating a truly national system has been a benefit of the [CBT, SH] system“ (University of South Australia Adelaide, A10).
Auch die stärkere Einflussnahme der Wirtschaft auf die Berufsbildung, die bis heute ein nunmehr als „industry led“ bezeichnetes System der Berufsbildung prägt (Smith/Keating, 2003, S. 52ff.), birgt Vorteile. Entscheidungs- und Entwicklungsgremien setzen sich größtenteils aus Vertretern der Wirtschaft zusammen, welche inhaltliche Standards, Qualifikationen und Prüfungsmodalitäten festlegen und strategische Entscheidungen beeinflussen und treffen (Harris et al., 1995, S. 56). Dies wird durch eine Aussage des befragten DEST-Vertreters untermauert, welcher die bildungspolitische Zielsetzung der Einführung des CBT-Ansatzes wie folgt beschreibt (Interview Part , Frage 1.1): „The policy behind it [CBT, SH] is to really make sure that we’ve got the skills in the workforce that you need for an ever changing world of work today. And I think it’s just a push to make sure that our training system is providing skills that are relevant and is responsive to what employers and industry are saying are the skills that are needed today“ (DEST, O4).
Auch die Öffnung des Ausbildungsmarktes, der lange Zeit von den staatlichen TAFE-Institutionen beherrscht wurde, zeigt bis heute Wirkung. Der Aus- und Weiterbildungsmarkt soll flexibel und kompetitiv sein, sodass Unternehmen sowohl mit privaten als auch mit öffentlichen Anbietern kooperieren und gemäß ihren Anforderungen berufliche Bildungsmaßnahmen durchführen können. Dies bietet Unternehmen mehr Möglichkeiten, Angebote in der Aus- und Weiterbildung wahrzunehmen (Anderson, 2005, S. 30). Trotz der kontroversen Diskussion und der teilweise bis heute bestehenden kritischen Meinungen konnte sich der CBT-Ansatz in der australischen Berufsbildung etablieren. Die zugrunde liegende Philosophie der industry leadership, die Outcome-Orientierung und die Fokussierung auf national einheitliche Standards sowie das Postulat der Flexibilisierung und Individualisierung sind bis heute vorherrschend. Dies wird in der weiteren Auseinandersetzung mit dem Status quo des CBT-Ansatzes und seiner Realisierungsform auf ordnungspolitisch-
3.4. Die ordnungspolitisch-organisatorische Betrachtungsebene
147
organisatorischer und didaktisch-curricularer Betrachtungsebene sowie hinsichtlich der Umsetzung des Ansatzes auf der Lernprozess-Ebene im Folgenden gezeigt. 3.4. Die ordnungspolitisch-organisatorische Betrachtungsebene Die ordnungspolitisch-organisatorische Betrachtungsebene weist einige Singularitäten auf, die es im Folgenden zu untersuchen gilt. Zur systematischen Auseinandersetzung mit der Kontextebene werden, wie bereits im Forschungsdesign definiert, folgende Kriterien herangezogen: 1. Gesetzliche Reglementierung 2. Finanzierungsmechanismen 3. Reglementierende Institutionen 4. Qualifizierende Institutionen 5. Instrument der Qualitätssicherung 6. Rahmenbedingungen für die fachliche und pädagogische Qualifikation der Lehrenden 3.4.1. Gesetzliche Reglementierung des CBT-Ansatzes im australischen Bildungssystem Das australische Berufsbildungssystem wird durch verschiedene Gesetze der Commonwealth-Regierung sowie der State/Territory-Regierungen reglementiert, wobei im Falle konfligierender Gesetzgebung zwischen den States/Territories und der Commonwealth-Regierung die Gesetze auf Bundesebene Anwendung finden (Australian Education International, 2006, S. 1; Harris et al., 1995, S. 87). 1992 erließ die Commonwealth-Regierung im Zuge der flächendeckenden Einführung des CBT-Ansatzes zwei entscheidende Gesetze: den National Training Authority Act und den Vocational Education and Training Funding Act. Der National Training Authority Act legte die Funktionen und Verantwortungsbereiche von ANTA fest, wurde jedoch 2005 mit der Auflösung von ANTA abgeschafft (Australian Education International, 2006, S. 42). Der Vocational Education and Training Funding Act reglementiert die Finanzierung berufsbildender Maßnahmen und besitzt bis heute Gültigkeit. Dabei wird die Höhe der Zuwendungen von Seiten der Commonwealth-Regierung bzw. der State/Territory-Regierungen in regelmäßigen
148
Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
Gesetzesanpassungen (amendments) neu definiert. Ferner sind Finanzierungsmodalitäten im 1988 erlassenen Higher Education Funding Act (HEFA) festgeschrieben (ebenda, S. 75). Dieser reglementiert die staatlichen Zuschüsse der Commonwealth-Regierung für den gesamten Tertiärsektor, wurde jedoch 2003 durch ein neues Gesetz, den Higher Education Support Act, ersetzt (ebenda, S. 77). Ebenfalls von der Commonwealth-Regierung erlassen wurde der Skilling Australia’s Workforce Act 2005. Darin werden die nationalen Ziele für den Berufsbildungssektor definiert und Rahmenbedingungen für die Steuerung, Planung, Finanzierung und Verantwortlichkeit hinsichtlich der Berufsbildung festgelegt (ebenda, S. 44). Der Skilling Australia’s Workforce Act 2005 verdeutlicht, dass die CommonwealthRegierung zunehmend versucht, die Berufsbildung durch nationale Zielsetzungen zu reglementieren und somit die Autonomie der States/Territories einzugrenzen (DEST, 2005b, S. 4). 3.4.2. Die Finanzierungsmechanismen des CBT-Ansatzes im australischen Bildungssystem Die Commonwealth-Regierung sowie die Regierungen der States/Territories finanzieren den Großteil der australischen Berufsbildung. Die von der CommonwealthRegierung bereitgestellten Mittel stellen im Jahr 2004 22,2 % der gesamten Finanzierung der Berufsbildung dar, der Anteil der States/Territories liegt bei 55,4 %. Die verbleibenden Mittel werden durch Gebühren, die für administrative Dienste erhoben werden (11,3 %), Gebühren für zusätzliche Dienste – ancillary services funds – (6,5 %) und in Form von Kursgebühren (4,9 %) aufgebracht (NCVER, 2005a, S. 9). 2004 stand ein Gesamtbudget von ca. 4,7 Mrd. A$ zur Verfügung (ebenda, S. 12). Der Finanzierungsanteil der State/Territory-Regierungen betrug 2,5 Mrd. A$ (2004). Dieser stieg im Jahr 2005 auf 2,7 Mrd. A$ und 2006 auf insgesamt 2,8 Mrd. A$. Der Finanzierungsbeitrag der Commonwealth-Regierung blieb demgegenüber relativ konstant: 2003 und 2004 wurden je 1,1 Mrd. A$, 2005 und 2006 jeweils 1,2 Mrd. A$ aufgewendet (Australian Education International, 2006, S. 46). Eine Übersicht über die Entwicklung der Investitionen in die Berufsbildung befindet sich in Tabelle 3.1. In Bezug auf die Kosten der Berufsbildung – wobei hier lediglich die Angaben der öffentlich finanzierten TAFE-Institute zur Verfügung stehen – sind etwa 60 % Personalkosten und 23,9 % Sach- und Verwaltungskosten. Ausgaben für Beihilfen und Ausbildungsförderung liegen bei 3,6 %, Zahlungen an Anbieter außerhalb des TAFE-Systems machen 7,3 % und solche für Abschreibungen und Amortisation 5,5 % aus (NCVER, 2005a, S. 13). Für die Unternehmen bestehen keine verbindlichen Vorgaben zur Finanzie-
149
3.4. Die ordnungspolitisch-organisatorische Betrachtungsebene
Commonwealth States/Territories Gesamt
2003
2004
2005
2006
2007
2008
1,1 2,6 3,7
1,1 2,5 3,6
1,2 2,7 3,9
1,2 2,8 4,0
1,3 2,9 4,2
1,3 3,0 4,3
Tabelle 3.1.: Investitionen in die Berufsbildung in Milliarden A$ ; Quelle: Australian Education International, 2006, S. 46
rung der Berufsbildung. Sie unterstützen jedoch oftmals ihre Arbeitnehmer, die eine Aus- oder Weiterbildungsmaßnahme in Teilzeit- oder Vollzeitform außerhalb des Arbeitsplatzes durchführen, indem sie die anfallenden Gebühren übernehmen und die Kosten des Arbeitsausfalls tragen (Dumbrell, 2004, S. 33). Die Kosten für Ausbildungsmaßnahmen am Arbeitsplatz (Löhne, Ausbilderhonorare bzw. -löhne, materielle Ressourcen, interne Kurse usw.) werden ausschließlich vom Unternehmen getragen, sofern keine staatlichen Mittel zur Verfügung stehen (Keating, 2005, S. 137). Auch die Lernenden selbst müssen in ihre Aus- und Weiterbildung investieren, was je nach Höhe der anfallenden Gebühren und Kurskosten einen enormen Aufwand darstellen kann. Es können keine allgemeinen Angaben über die Höhe der Gebühren gemacht werden, da diese in den jeweiligen States/Territories sowie in den einzelnen Instituten individuell festgelegt werden. Laut einer Untersuchung von Watson variieren die Kursgebühren in den TAFE-Instituten für ein Vollzeitprogramm (540 Unterrichtsstunden) zwischen 260 und 810 $A, bei einem Teilzeitprogramm (215 Unterrichtsstunden) liegen sie zwischen 150 und 323 $A (Watson, 2003, S. 7). Vor der Öffnung des Ausbildungsmarktes hatten die öffentlichen TAFE-Anbieter eine Monopolstellung, so dass die von der Commonwealth-Regierung wie auch von den Regierungen der States/Territories bereitgestellten Mittel fast ausschließlich an die TAFE-Institute gingen. Mit Einführung des open training market veränderte sich dies – ein Teil der finanziellen Mittel fließt nun an die privaten Anbieter. 1 % bis 5 % der bereitgestellten Mittel bleiben bei den Regierungen der States/Territories, u. a. für Verwaltung, Koordination, Akkreditierung von Programmen sowie für die Registrierung der Anbieter. Die Verteilung der verbleibenden 95 % bis 99 % erfolgt durch die zuständigen Ministerien der State/TerritoryRegierungen (Adams, 2005, S. 21 f.). Auch wenn dies zwischen den einzelnen States/Territories variieren kann, lässt sich festhalten, dass grundsätzlich zwischen 70 % und 80 % der Mittel für die öffentlichen Anbieter und 10 % bis 20 % zur Durchführung von new apprenticeships bereitgestellt werden. Lediglich 5 % bis 10 % stehen für den freien Wettbewerb zwischen den privaten Anbietern zur Verfügung, wobei auch hier die öffentlichen TAFE-Institute am Wettbewerb teilnehmen
150
Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
können. So müssen sich die privaten Anbieter zunächst um finanzielle Mittel bewerben, die nur für spezifische Kurse bereitgehalten werden. Diese Kurse beziehen sich in der Regel auf Arbeitsfelder, die von den Ministerien als förderungswürdig angesehen werden – bspw. Felder mit großem Fachkräftemangel – oder auf die Förderung sozial benachteiligter Jugendlicher. Im Jahr 2001 gingen 44 % der hierfür bereitgestellten Mittel an die privaten Anbieter, die übrigen 56 % wurden von den öffentlichen Anbietern vereinnahmt (Anderson, 2005, S. 32). Dies zeigt, dass die TAFE-Institute trotz des open training market auch in dieser Hinsicht dominieren. Die Verteilung der Mittel an die verschiedenen TAFE-Institute erfolgt formalisiert nach sogenannten jährlichen resource performance agreements, in denen die jährlich abgehaltenen Unterrichtsstunden aufgelistet werden. Qualitative Aspekte, wie bspw. inhaltliche Beschreibungen der einzelnen Kurse oder Angaben zum zeitlichen Aufwand der Vorbereitung, werden hierbei nicht berücksichtigt. Dies wird damit begründet, dass das Angebot an Kursen und Programmen zu heterogen sei, um reliable Aussagen treffen zu können (Adams, 2005, S. 22). In Ergänzung zu den resource performance agreements existiert eine besondere Finanzierung der Lehrausbildungen (new apprenticeships), die 1997 durch das sogenannte user choice funding eingeführt wurde (Hager, 2004a, S. 3). User choice bedeutet, dass Unternehmen, die formalisierte Lehrausbildungen durchführen und somit mit einem privaten oder öffentlichen Anbieter kooperieren, diesen frei wählen können. Der gewählte Anbieter erhält dann für die Durchführung der Lehrausbildungen entsprechende Mittel. Das Prinzip des user choice funding gilt sowohl für die traditionellen new apprenticeships als auch für die school-based new apprenticeships33 – eine Sonderform der Lehrausbildung, die bereits in der Sekundarschule begonnen bzw. absolviert wird –, wobei hier insbesondere die neu errichteten technical colleges von den zusätzlichen Mitteln profitieren (DEST, 2005a, S. 12). Gemäß ANTA ist das user-choice-Konzept zu verstehen als „the flow of public funds to individual training providers which reflects the choice of individual training provider made by the client“ (Noble et al, 1999, S. 9). Das mit dem user-choice-Konzept verbundene Ziel ist „to increase the responsiveness of the vocational education and training system to the needs of clients through the encouragement of a direct and market relationship between individual providers and clients“ (ebenda, S. 9). Mit Einführung des user choice funding nahmen die Lehrausbildungen sehr stark zu und deren Finanzierung durch die States/Territories war rasch ausgeschöpft. 33 Siehe
hierzu die Ausführungen unter 3.5.3.
3.4. Die ordnungspolitisch-organisatorische Betrachtungsebene
151
Des Weiteren gab es große qualitative Defizite innerhalb der new apprenticeships, da viele Anbieter die finanziellen Mittel in Anspruch nahmen, ohne jedoch adäquate Maßnahmen durchzuführen (Smith/Keating, 2003, S. 98). Aufgrund dieser anfänglichen Schwierigkeiten fanden einige Veränderungen statt, wobei die finanziellen Mittel eingeschränkt und nur noch für „neue“ Arbeitnehmer bzw. Auszubildende der unteren Qualifikationsstufen des AQF bereitgestellt wurden. Zusammenfassend lassen sich folgende bestehende Einschränkungen des user choice funding auflisten (ebenda, S. 98): 1. Kein user choice funding von on-the-job-traineeships, außer in Ausnahmen auf dem certificate-II-Level 2. Kein user choice funding für Arbeitskräfte, deren bestehendes Arbeitsverhältnis in ein traineeship umgewandelt wurde 3. Kein user choice funding für Qualifikationen auf dem certificate-IV-Level oder höher, mit Ausnahmen in Bereichen mit Fachkräftemangel Die meisten im Rahmen des user choice finanzierten Lehrausbildungen werden von den TAFE-Instituten angeboten. Adams (2005, S. 23) nennt hierfür drei mögliche Gründe: 1. Es bestehen oftmals bereits Verbindungen zwischen Unternehmen und TAFEInstituten, und Unternehmen sehen in den TAFE-Instituten gute Partner für die Durchführung von Lehrausbildungen. 2. TAFE-Institute sind im Vergleich zu den privaten Anbietern größer und verfügen über entsprechende Lehrkapazitäten und Ressourcen, weshalb sie ein größeres Angebot insbesondere in den technischen und handwerklichen Lehrausbildungen anbieten können. 3. TAFE-Institute sind insbesondere in den ländlichen Gebieten stärker vertreten als private Anbieter und können dort dem Bedarf entsprechende Lehrausbildungen anbieten. Trotz der Öffnung des Ausbildungsmarktes gehen die meisten von der Commonwealth-Regierung und den Regierungen der States/Territories bereitgestellten finanziellen Mitteln an die TAFE-Anbieter, wodurch diese ihre dominierende Position im Hinblick auf ein flächendeckendes Angebot an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen dadurch festigen können. Private Anbieter positionieren sich in Nischenmärkten, die vom öffentlichen Sektor nicht ausreichend bedient werden können. Jedoch bewegen sich die TAFE-Institute auch allmählich in diese Bereiche
152
Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
(Anderson, 2005, S. 32), was zur Folge hat, dass private Anbieter weniger staatliche finanzielle Unterstützung erhalten und sich verstärkt durch Kursgebühren finanzieren müssen. 3.4.3. Zuständigkeiten in der australischen Berufsbildung Australien besitzt eine nationale Regierung, die aus historischer Entwicklung heraus als „the Commonwealth“ oder „Commonwealth-Government“ bezeichnet wird, sowie acht bundesstaatliche Regierungen der sechs States und der beiden Territories (Australian Education International, 2006, S. 1 f.). Das für bildungspolitische Angelegenheiten zuständige Ministerium der Commonwealth-Regierung ist das Department of Education, Science and Training (DEST), das drei Bereiche des Bildungssektors umfasst: Schulbildung, Hochschulbildung und Berufsbildung. Das DEST ging 2001 aus dem Department for Education, Training and Youth Affairs (DETYA) hervor, das bis 1999 als Department for Education, Employment, Training and Youth Affairs (DEETYA) bezeichnet wurde. Das DEST gliedert sich in insgesamt 15 Abteilungen, darunter die national training group und die industry skills development group, die ausschließlich für die Belange der Berufsbildung zuständig sind. Diese Gruppen sind wiederum in einzelne branches gegliedert, wobei es u. a. eine Abteilung für die new apprenticeships, für die Überwachung der Qualität der Berufsbildung sowie für die technical colleges gibt. Das DEST ist für die Verteilung der finanziellen Mittel an die States und Territories sowie für die Entwicklung nationaler Strategien im Bereich der Berufsbildung verantwortlich. Des Weiteren verwaltet es zentral durchgeführte Programme. So werden beispielsweise die training packages als curriculare Richtlinie national einheitlich definiert, und auch Qualitätssicherungsinstrumente wie der Australian Quality Training Framework (AQTF), der einheitliche Standards für alle öffentlichen und privaten Anbieter festlegt, werden zentral festgelegt. Ein Ziel von DEST ist die Erhöhung der Durchlässigkeit von schulischer, universitärer und beruflicher Bildung, was durch unterschiedliche nationale Programme, u. a. durch die verstärkte Kooperation zwischen Schulen und Universitäten, aber auch durch die Kooperation zwischen Unternehmen und Bildungsträgern, gefördert wird (DEST, 2006, S. 65 ff.). Die Realisierung nationaler Vorgaben sowie die Verantwortung für die Berufsbildung obliegen den States/Territories (Harris et al., 1995, S. 87). Verantwortlich für die Schul- und Berufsbildung sind die jeweiligen Ministerien der State/Territory-Regierungen, die unterschiedliche Bezeichnungen haben und verschiedene Bereiche umfassen. Wie Tabelle 3.2 veranschaulicht, wird in einigen Staaten die Schul- und Berufsbildung von verschiedenen, in anderen werden Schulund Berufsbildung von einem gemeinsamen Ministerium verwaltet. So sind in
153
3.4. Die ordnungspolitisch-organisatorische Betrachtungsebene
South Australia das Department of Further Education, Employment, Science and Technology und in Queensland das Department of Employment and Training die jeweils verantwortliche Regierungsinstanz für die Berufsbildung – nicht jedoch für die Schulbildung, da diese in den beiden States getrennten Abteilungen zugeordnet ist. Die Aufgaben der Ministerien liegen je nach Zuständigkeitsbereich in der Koordination des Schul- und/oder des Berufsbildungssystems, in der Entwicklung bildungspolitischer Strategien auf bundesstaatlicher Ebene sowie in der Bereitstellung und Verteilung finanzieller Mittel. Die States/Territories sind für die Akkreditierung von Kursen und Qualifikationen zuständig, sofern es hierfür keine nationalen Vorgaben in Form von training packages gibt. Darüber hinaus haben die States/Territories eine Kontroll- und Überwachungsfunktion der öffentlichen und auch der privaten Anbieter (Australian Education International, 2006, S. 42 ff.). State/Territory
Ministerium
Zuständigkeitsbereich
Tasmania Australian Capitol Territory
Department of Education Department of Education and Training Department of Education and Training Department of Education and Training Department of Education and Training Department of Employment, Education and Training Department of Further Education, Science and Technology Department of Employment and Training
Schul- und Berufsbildung Schul- und Berufsbildung
New South Wales Western Australia Victoria Northern Territory South Australia
ACT
Schul- und Berufsbildung Schul- und Berufsbildung Schul- und Berufsbildung Schul- und Berufsbildung Berufsbildung
Berufsbildung
Tabelle 3.2.: Übersicht Bildungsministerien
Obgleich die States/Territories Autonomie in der Realisierung nationaler Vorgaben haben, versucht die Commonwealth-Regierung bereits seit Einführung des CBTAnsatzes anhand diverser Maßnahmen, die Angleichung der Berufsbildungssysteme der States/Territories zu erreichen – mit dem Ziel eines national einheitlichen Berufsbildungssystems (ebenda, 2006, S. 42). Durch zentralisierte Finanzierungsmechanismen und dadurch, dass an die Gelder, welche die States/Territories für die Berufsbildung erhalten, bestimmte Auflagen und Bedingungen geknüpft werden, welche die Interessen der Commonwealth-Regierung widerspiegeln, versucht sie zudem, eine stärkere Zentralisierung der Berufsbildung zu erreichen (Moodie,
154
Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
2007, S. 2). Des Weiteren errichtet sie Institutionen, die als Brücken zwischen den States/Territories fungieren sollen. Die ersten solchen Institutionen waren das National Office of Overseas Skills Recognition (NOOSR) und das National Training Board (NTB) (Harris et al., 1995, S. 55). Beide waren jedoch nur bedingt erfolgreich und wurden 1992 von der Australian National Training Authority (ANTA) abgelöst. Die Commonwealth-Regierung löste ANTA jedoch 2004 wieder auf – mit der Begründung, dass sie die Reglementierung der Berufsbildung wieder zentral übernehmen will, da die beiden anderen Sektoren, der schulische und der universitäre Sektor, bereits zentral verwaltet werden. Somit unterstehen DEST nun wieder alle drei Sektoren des Bildungssystems, wodurch die Anschlussfähigkeit der Berufsbildung an den Schul- und Hochschulsektor forciert werden soll (Australian Education International, 2006, S. 41 f.). Neben DEST gibt es eine Reihe weiterer reglementierender Institutionen, die im Folgenden kurz skizziert werden. Ministerial Councils Den beiden Ministerial Councils, dem Ministerial Council for Vocational and Technical Education (MCVTE) und dem Ministerial Council on Education, Employment, Training and Youth Affairs (MCEETYA), kommen in (berufs-)bildungspolitischen Angelegenheiten reglementierende Funktionen zu. Das MCVTE setzt sich zusammen aus den Ministern für berufliche und technische Bildung der Commonwealth- sowie der State/Territory-Regierungen und ersetzt den bisherigen ANTA Ministerial Council, wobei sich weder die Aufgaben noch die Mitglieder geändert haben. Das MCVTE entscheidet über berufsbildungspolitische Maßnahmen, Ziele und Prioritäten auf nationaler Ebene, d. h., es schafft Rahmenbedingungen für die Realisierung national einheitlicher Berufsbildungsmaßnahmen. Dies beinhaltet u. a., dass die Anforderungen und Bedürfnisse der Wirtschaft hinsichtlich beruflicher Qualifikationen und Qualifizierungsprogramme einbezogen werden und deren Einfluss somit beibehalten wird (Australian Education International, 2006, S. 42). Im MCEETYA sind die Minister für Bildung, Beschäftigung, Ausbildung und Jugend der Commonwealth- und der State/Territory-Regierungen vertreten sowie die Minister von Neuseeland. Papua Neuguinea und die Norfolk-Inseln haben ebenfalls einen Sitz im MCEETYA, sind jedoch nicht stimmberechtigt. Das MCEETYA wurde 1993 aus einem Zusammenschluss von den drei folgenden Ministerial Councils errichtet: Australian Education Council (AEC), Council of Ministers of Vocational Education, Employment and Training (MOVEET) und Youth Ministers Council (YMC). Die Aufgaben von MCEETYA beinhalten nationale Programme
3.4. Die ordnungspolitisch-organisatorische Betrachtungsebene
155
und bildungspolitische Maßnahmen in der Schulbildung, Berufsbildung und Beschäftigung, wobei eine Kooperation mit dem MCVTE in Angelegenheiten der Berufsbildung stattfindet und das gemeinsame Ziel eines effizienten, nationalen Berufsbildungssystems unterstützt wird (Australian Education International, 2006, S. 8; Harris et al., 1995, S. 89). National Office of Overseas Skills Recognition und National Training Board Das National Office of Overseas Skills Recognition (NOOSR) wurde 1989 von der Commonwealth-Regierung ins Leben gerufen, um einheitliche curriculare Standards für berufliche Qualifikationen zu etablieren und somit den Arbeitsmarkt zu reformieren. Eine Aufgabe von NOOSR bestand darin, in Kooperation mit den States und Territories nationale Kompetenzstandards zu definieren (Heywood/Gonczi/Hager, 1992, S. 8). Das NOOSR sollte Methoden zur Leistungsbewertung entwickeln und die Zusammenarbeit bezüglich der Anerkennung von Leistungsnachweisen zwischen dem Commonwealth und den States/Territories fördern. Während sich die Zuständigkeit des NOOSR nur auf bestimmte Wirtschaftsbereiche beschränkte, war das NTB branchenübergreifend zuständig. Dieses wurde 1990 gegründet und war eine öffentliche Institution, bestehend aus Abgeordneten des Commonwealth, der States und Territories. Die Kommunikation und Kooperation der beiden Institutionen war von besonderer Wichtigkeit, um einheitliche Standards und Akkreditierungsprozesse in verschiedenen Berufen und Tätigkeitsfeldern zu gewährleisten (Harris et al., 1995, S. 55 ff.). Diese Aufgaben von NOOSR und NTB gingen 1992 an die neu gegründete Institution, ANTA, über. Das NTB ging vollständig in ANTA auf, NOOSR besteht weiterhin, hat jedoch nun die Aufgabe, die internationale Bildungszusammenarbeit zu stärken. Das NOOSR ist heute ein Teil des DEST und berät die zuständigen Ministerien der States/Territories, das Australian Department of Immigration and Multicultural Affairs sowie andere Bildungsträger in Fragen der Anerkennung von ausländischen Qualifikationen in Australien, aber auch in Fragen der Anerkennung australischer Qualifikationen im Ausland (Australian Education International, 2006, S. iii). Australian National Training Authority Die Australian National Training Authority (ANTA) wurde 1992 im Zuge der Training Reform Agenda gegründet (Simmons, 2002, S. 50). Das ANTA-Board besteht aus Vertretern der Wirtschaft aus den acht States/Territories sowie Vertretern der Commonwealth-Regierung. Somit sollte ANTA als Brücke zwischen Commonwe-
156
Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
alth und States/Territories dienen und die unterschiedlichen Interessen vereinen. Ein zentrales Komitee der ANTA war das National Training Quality Council (NTQC), das eine beratende Funktion bezüglich der training packages, des Australian Quality Training Framework (AQTF), des Australian Qualifications Framework (AQF) sowie der Qualitätssicherung im Berufsbildungssystem übernahm. Das NTQC spielte zudem eine wichtige Rolle bei der Umsetzung der training packages und einzelner Kompetenzstandards durch die Bereitstellung und Überwachung eines nationalen Informationssystems, des National Training Information Service (Australian Education International, 2006, S. 45). Dieses System beinhaltet eine Datenbank über training packages und entsprechende Anbieter sowie über Kompetenzstandards und anerkannte Ausbildungsprogramme außerhalb der training packages. Das NTQC setzt sich aus insgesamt 17 Personen zusammen: sechs Vertreter aus der Wirtschaft, jeweils ein Vertretern der States/Territories, ein Vertreter der Commonwealth-Regierung, ein Vertreter der Gewerkschaften und ein Vertreter des Gleichstellungsausschusses für Aborigines. Nach einer Entscheidung der Commonwealth-Regierung im Oktober 2004 wurde es im Juli 2005 im Zuge der Auflösung von ANTA in eine neue Institution, das National Quality Council (NQC), das dem Ministerial Council for Vocational and Technical Education (MCVTE) unterstellt ist, überführt. Das NQC führt die Aufgaben des NQTC fort und hat dieselbe personelle Zusammensetzung, unterscheidet sich jedoch vom NTQC darin, dass es direkt mit dem Ministerrat (MCVTE) kooperiert und nicht mehr über die ANTA als Intermediär (ebenda, S. 52). Der ANTA gelang es zwischen 1992 und 2005, einige Reformen in der Berufsbildung durchzusetzen, so z. B. die Etablierung einer nationalen Berufsbildungspolitik, ein nationales Curriculum in Form von training packages, einen nationalen Qualifikationsrahmen, eine nationale Datenbank, die Förderung von Berufsbildungsforschung und die Registrierung von beruflichen Aus- und Weiterbildungsanbietern (Simmons, 2002, S. 51). Weitere Aufgaben von ANTA bestanden in der Entwicklung nationaler Strategien, in der Verwaltung und Weiterentwicklung des AQTF, in der Bereitstellung aktueller nationaler Statistiken sowie eines jährlichen Berichts über nationale Initiativen und die Koordination von Programmen auf nationaler Ebene. Da sie als unabhängige Institution die Möglichkeit besaß, sich ausschließlich um die Belange der Berufsbildung zu kümmern und den Status der Berufsbildung zu erhöhen, nahm die ANTA im Kontext des Berufsbildungssystems in Australien eine besondere Rolle ein. Von Seiten der Forscher wird die ANTA kritisch betrachtet, da sie die Möglichkeiten zur Verbesserung und Aufwertung der Berufsbildung nur begrenzt nutzte und stattdessen als bürokratischer Verwaltungsapparat fungierte. Dies wird durch die Aussagen einiger Berufsbildungsforscher untermauert
3.4. Die ordnungspolitisch-organisatorische Betrachtungsebene
157
(Interview Part I, Frage 4.1): „The hope with ANTA was that there would be an organisation that would do the right thing for vocational education, that would put vocational education on the map and that would elevate the standing and status of VET. Essentially what ANTA has done is that it has done the opposite. It has commodified, it has bureaucratised, it has heavily managed vocational education and lost the opportunity [...]. ANTA has not been innovative in establishing institutions which support vocational education. ANTA has tight vocational education up into a governmental and bureaucratic system which has left it rather faceless“ (Griffith University, A11). „ANTA’s focus has never really been on policy. It has been on administration and how you implement things“ (University of Technology Sydney, A4).
Die Mittlerrolle, die die ANTA zwischen Regierung und Wirtschaft einnehmen sollte (Harris et al., 1995, S. 89 f.), wird ebenfalls als nicht erfüllt angesehen. Die unterschiedlichen Interessengruppen sahen sich laut Aussage eines Berufsbildungsforschers durch die ANTA nicht repräsentiert, was zu einer negativen Haltung ihr gegenüber geführt habe (Interview Part I, Frage 4.1): „ANTA obviously failed and they did not produce that bridge between government and industry. Because in some senses the education and training systems hated ANTA, industry hated ANTA, and therefore government hated ANTA“ (University of Technology. Sydney, A2)
Die ANTA sollte jedoch nicht nur zwischen Regierung und Wirtschaft vermitteln, sondern auch zwischen der Commonwealth-Regierung und den States und Territories. Auch hinsichtlich dieser Mittlerrolle wird ihr Versagen vorgeworfen, was ein Direktor von ANTA damit begründet, dass die States und Territories eigene Interessen verfolgten und sich nur bedingt an die nationalen Vorgaben hielten. Insbesondere bezüglich der Implementation der nationalen training packages seien die States und Territories oftmals eigene Wege gegangen (Interview Part I, Frage 4.1): „ANTA is the bridge between the states and the Commonwealth. We were set up to introduce and implement a national system. [...] We have states with self-interests that is probably our biggest drawback and they might import a course that has 90 % of the training package material in it, but they put a bit of their own in it and they call it something else and it defeats the purpose“ (ANTA, O1).
Auch die Identifizierung des aktuellen und zukünftigen Qualifikationsbedarfs der Wirtschaft als Basis für die Verteilung der finanziellen Mittel auf die einzelnen Branchen und Ausbildungsbereiche gelang der ANTA nicht. So wird der derzeit vorherrschende Mangel an Fachkräften34 auf das Versagen der ANTA zurückgeführt (Interview Part I, Frage 4.1): 34 Eine
detaillierte Auseinandersetzung mit dem Problem der skills shortages erfolgt unter 3.7.
158
Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
„ANTA’s purpose was to collect all the funds from state and Commonwealth levels and re-distributed it according to the plans that state governments could put ahead to advance the Commonwealth agenda in terms of training. It was predicated on the capacity to think ahead about what skills would be needed in the future. As a result of all that Australia is now short of all the skills it needs, it is short of the infrastructure it needs, it does not know how it is going to provide the skills that industry needs“ (Griffith University, A8).
Ein weiteres Versagen, das ANTA vorgeworfen wird, ist, dass die kleineren und mittleren Unternehmen in Entscheidungsgremien zu wenig repräsentiert gewesen seien, da das ANTA-Board hauptsächlich aus Vertretern von großen Unternehmen und Wirtschaftszweigen bestand. Dies formuliert ein Vertreter der Group Training Association of Victoria35 wie folgt (Interview Part I, Frage 4.1): „So where the voice of industry comes from, the ANTA Board for instance, are all industry people, but again mostly representatives of big business. So small and medium sized enterprises who are the largest employers in the country, don’t have their voice heard. ANTA struggled terrible with trying to get some sort of understanding of small business needs, but they were never able to capture that“ (Group Training, O6).
Aufgrund dieser kritischen Aussagen der Berufsbildungsforscher liegt die Schlussfolgerung nahe, dass ANTA aufgrund ihres Versagens aufgelöst wurde, auch wenn die offizielle Begründung war, dass das DEST über direkte Abkommen mit den States/Territories die zentrale Steuerung der Berufsbildung übernehmen und ein einheitliches Berufsbildungssystem etablieren könne (Australian Education International, 2006, S. 75). Es gab jedoch auch Stimmen – bspw. ein Vertreter des Department of Education and Training (DET) Queensland –, welche die ANTA positiv sehen und dafür argumentieren, dass ANTA eine erfolgreiche Einrichtung war (Interview Part I, Frage 4.1): „ANTA was created to stop the politisation of the Commonwealth-State relations, it is there as an independent body, it is there to establish bridges and relationships across all sectors. And I think in many regards they can only be looked at as a success and in recent years it has been very difficult for ANTA to continue the reform process“ (DET Queensland, O3).
Diese Diskrepanz zwischen Aussagen von Berufsbildungsforschern und des DETVertreters illustriert einerseits die Schwierigkeiten, mit denen diese nationale, von der Regierung unabhängige Institution zu kämpfen hatte. Ob das von Berufsbildungsforschern vorgeworfene Versagen ANTAs zu ihrer Auflösung führte, bleibt 35 Group
Training Association of Victoria ist ein Verband zur Koordination von Ausbildungskooperationen zwischen kleinen und mittleren Unternehmen.
3.4. Die ordnungspolitisch-organisatorische Betrachtungsebene
159
unbeantwortet. Ein Vertreter des DEST argumentiert jedoch, dass ANTA ihre Rolle gespielt habe und nun die Commonwealth-Regierung diese weiterführen werde (Interview Part I, Frage 4.1): „But I think ANTA, for that time and what you wanted in policy - making VET more relevant to industry, was a good decision. And I think it’s time now for the government to have more of a direct say and voice“ (DEST, O4).
Auf die Frage nach den Konsequenzen der Auflösung von ANTA (Interview Part I, Frage 4.4) gab es im Rahmen der durchgeführten Interviews sehr heterogene Antworten, jedoch wurde bei allen die große Unsicherheit über die Zukunft der Berufsbildung deutlich. Dies ist damit zu begründen, dass die Gespräche im März und April 2005 geführt wurden, als die Auflösung von ANTA bereits bekanntgegeben aber noch nicht umgesetzt wurde. Die Aussagen wurden also in einer Phase getroffen, in der die strukturellen Veränderungen, die die Auflösung von ANTA mit sich bringen würde, nur in geringem Umfang abzusehen waren. Die Konsequenzen der Auflösung sind nach wie vor nur begrenzt erkennbar, und man befürchtet, dass sich die States/Territories ohne ANTA zunehmend autonomer verhalten und von einem nationalen Berufsbildungssystem entfernten könnten: „There is a risk that states and territories will move away from the national system“ (DET Queensland, O3).
Begründet wird diese Annahme dadurch, dass die einzelnen States/Territories in Zukunft direkt mit DEST um die finanziellen Mittel für die Berufsbildung verhandeln müssten und keine gemeinsame Organisation hätten, die die Interessen aller States/Territories vereint. Ob sich diese Befürchtung bestätigt oder ob es tatsächlich zu mehr Homogenität im Berufsbildungssystem kommt, bleibt abzuwarten. Wie wichtig die nationale Konsistenz für die australische Berufsbildung ist, wird in der Aussage eines ANTA-Direktors deutlich (Interview Part I, Frage 4.4): „It is important that the national system will continue despite a lot of resistance from the states and territories, because they have their own systems in place, they have their own curriculum organisations and they deliver training the way they want to do it“ (ANTA, O1).
Als aus Vertretern der Wirtschaft bestehende unabhängige Institution besaß ANTA die Möglichkeit, auf die Anforderungen der Wirtschaft einzugehen und diese in die Gestaltung der Berufsbildung zu integrieren. Aufgrund der zentralen Reglementierung der Berufsbildung durch DEST liegt die Befürchtung nahe, dass die Maßnahmen, die von der Regierung durchgeführt werden, nicht den Anforderungen und Interessen der Wirtschaft entsprechen (Interview Part I, Frage 4.4):
160
Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
„[...] more centralisation, because it is moving into a Commonwealth government department. I think its activities will be more routinized, that is, it won’t be able to respond as much as it might have wanted to industry needs“ (Griffith University, A8). „It is just brought back into the Commonwealth government, which makes it harder to have that industry focus. ANTA was seen more as a focal point for industry, so they won’t really see the Commonwealth government department in quite the same light“ (NCVER, A12).
Eine Veränderung, die das DEST bereits auf nationaler Ebene erwirkt hat, ist die Errichtung 24 neuer technical colleges, die eine Verbindung zwischen Berufs- und Allgemeinbildung darstellen (DEST, 2005a, S. 8). Jedoch wird auch diese Entscheidung der Regierung nicht unbedingt positiv aufgenommen. So kritisieren viele Forscher die Auswirkungen, die derartige Institutionen auf bestehende Institutionen der Berufsbildung haben könnten (Interview Part I, Frage 4.4): „A lot of the national consistency that we have achieved almost entirely by consensus is going to break down. Because the Commonwealth’s approach is a bullyboy approach. They have announced unilaterally with no discussion with anybody the creation of things they call technical colleges which are going to have a massive impact in the long term on the system. [...] So there is going to be a lot of tension and the next ten years will be very difficult“ (University of Technology Sydney, A4).
Dennoch sehen einige Forscher Vorteile in der Auflösung von ANTA und der neuen Zuständigkeit durch DEST. Zum einen soll die Finanzierung der Berufsbildung nun direkt zwischen den States/Territories und der Regierung ausgehandelt werden und nicht mehr wie bisher über ANTA. Zum anderen besteht die Hoffnung, dass der Berufsbildungssektor und der Hochschulsektor nicht mehr als separate Sektoren angesehen werden, sondern dass durch DEST eine Verbindung der beiden hergestellt wird, was sich positiv auf die Berufsbildung auswirken könnte (Interview Part I, Frage 4.4): „So I think on that it will have two big benefits for VET: it will stop the silliness between the states and the federal government and put that on a more performance-based system and secondly it gives the federal government an opportunity to get a better alignment between VET and higher education, because they fund higher education“ (Consultant, O5).
Aus den Aussagen der Experten lassen sich folgende Aspekte zusammenfassen: 1. Die ANTA wird von Forschern und Vertretern öffentlicher Institutionen unterschiedlich betrachtet, jedoch überwiegen die kritischen Stimmen über die nicht erfüllten Ziele und Anforderungen sowie die nicht vertretenen Interessen von Akteuren im Berufsbildungssystem. Obgleich Vertreter der öffentlichen Institutionen die partiellen Erfolge der ANTA, bspw. die Ausweitung
3.4. Die ordnungspolitisch-organisatorische Betrachtungsebene
161
der training packages, betonen, wird auch hier deutlich, dass dem DEST mehr Durchsetzungsvermögen zugesprochen wird als der ANTA. 2. Mit der Auflösung der ANTA ist eine große Unsicherheit über die Zukunft der Berufsbildung verbunden. Auf der einen Seite besteht die Gefahr, dass die States/Territories nicht mehr untereinander kooperieren, da sie nun direkt mit dem DEST verhandeln. Auf der anderen Seite hat die Commonwealth-Regierung die Möglichkeit, die Belange der Berufsbildung in den einzelnen States/Territories zentral zu steuern und so dem Ziel eines einheitlichen Berufsbildungssystems näherzukommen. 3. Es besteht die Hoffnung, dass die Berufsbildung zumindest formal auf gleicher Ebene angesiedelt ist wie der Schul- und Hochschulsektor. Dies könnte positive Auswirkungen auf den gesellschaftlichen Stellenwert der beruflichen Bildung haben, aber auch mehr Möglichkeiten der Kooperation zwischen den Bereichen bieten. Dass dies ein Anliegen von DEST ist, zeigt sich u. a. in der Forcierung kooperativer Programme wie den VET-in-schoolsProgrammen wie auch in der Errichtung der neuen technical colleges36 . Industry Skills Councils Die Industry Skills Councils (ISCs) wurden 2003 gegründet, um die Industry Training Advisory Bodies (ITAB) zu ersetzen und um von da an als wichtigste Intermediäre zwischen Wirtschaft und Berufsbildungssystem zu fungieren. Bislang existieren ISCs für neun Wirtschaftsbranchen, die Etablierung weiterer ist jedoch zu erwarten (Karmel, 2005, S. 5).37 Mit den ISCs soll die Kommunikation zwischen Wirtschaft und Berufsbildungspolitik, insbesondere hinsichtlich der training packages, verbessert werden. Die Aufgabe der ISCs ist es, Informationen über den aktuellen und zukünftigen Bedarf an qualifizierten Fachkräften sowie über entsprechende Ausbildungsanforderungen bereitzustellen und damit eine Basis für die Entwicklung, Einführung und kontinuierliche Verbesserung der training packages zu schaffen (Industry Skills Councils, 2005, S. 2). Die ISCs entwickeln neue training packages und überarbeiten bestehende, die durch das National Quality Council (NQC) validiert und 36 Siehe
dazu die Ausführungen unter 3.5.3. bestehenden ISCs sind: Services Industry Skills Council, Transport and Logistics Industry Skills Council, Resources and Infrastructure Industry Skills Council, ElectroComms and Energy Utilities Industry Skills Council, Community Services and Health Industry Skills Council, Agri-Food Industry Skills Council, Innovation and Business Industry Skills Council, Construction and Property Services Industry Skills Council, Manufacturing Industry Skills Council.
37 Die
162
Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
akkreditiert werden. Als Dachverband der ISCs fungiert das Industry Skills Committee, das Informationen über den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt sowie über aktuelle Entwicklungen direkt an das MCVTE weitergibt. Somit ist gewährleistet, dass die lokalen Anforderungen der Unternehmen auf nationaler Ebene thematisiert werden und entsprechende Maßnahmen getroffen werden können (Australian Education International, 2006, S. 45). Australian Chamber of Commerce and Industry Die australische Industrie- und Handelskammer (Australian Chamber of Commerce and Industry (ACCI)) stellt als nationale Dachorganisation der einzelnen States/Territories eine der wichtigsten Organisationen der Wirtschaft dar. Die Industrie- und Handelskammern in den einzelnen States/Territories haben unterschiedliche Bezeichnungen38 , erfüllen jedoch alle die Funktion einer beratender Instanz in wirtschafts- und berufsbildungspolitischen Angelegenheiten. Die erste Handelskammer wurde 1826 in Sydney gegründet – einige Jahre nach der Etablierung der Kammern in Großbritannien. Bis Ende des 19. Jahrhunderts wurden in fast allen States/Territories Handelskammern gegründet, um die gemeinsamen Interessen der Handels- und Industrieunternehmen zu repräsentieren. Ebenso wurden in dieser Zeit Handwerkskammern (Chambers of Manufacturers) in den einzelnen States/Territories gegründet (ACCI, 2005a, o. S.). ACCI ging aus drei wichtigen nationalen Wirtschaftsverbänden hervor, der 1901 gegründeten Associated Chambers of Commerce in Australia, der 1903 gegründete Federal Council of the Chambers of Manufacturers of the Commonwealth of Australia und der 1904 gegründete Central Council of Employers of Australia. 1977 schlossen sich der Federal Council of the Chambers of Manufacturers of the Commonwealth of Australia (1908 umbenannt in Associated Chambers of Manufacturers of Australia (ACMA)) und der Central Council of Employers of Australia (1942 umbenannt in Australian Council of Federations (ACEF)) zur Confederation of Australian Industry (CAI) zusammen. 1992 fand ein weiterer Zusammenschluss statt von CAI und Associated Chambers of Commerce of Australia (1972 umbenannt in Australian Chamber of Commerce (ACC)), was zur bis heute bestehenden ACCI führte (ebenda, o. S.). Die ACCI repräsentiert heute 350.000 australische Unternehmen und vertritt deren Interessen vor der Commonwealth-Regierung, wodurch sie eine wichtige Australia: Business SA; Western Australia: Chamber of Commerce & Industry Western Australia (Inc); Queensland: Commerce Queensland; New South Wales: State Chamber of Commerce (NSW); Tasmanien: Tasmanian Chamber of Commerce and Industry Ltd; Victoria: Victorian Employers’ Chamber of Commerce & Industry; ACT: ACT and Region Chamber of Commerce & Industry; Northern Territory: Chamber of Commerce Northern Territory.
38 South
3.4. Die ordnungspolitisch-organisatorische Betrachtungsebene
163
Verbindungsfunktion zwischen Wirtschaft und Regierung innehat. Der ACCI wird primär eine beratende Funktion attestiert, u. a. in wirtschafts- und berufsbildungspolitischen Entscheidungen der Commonwealth-Regierung sowie der Regierungen der States/Territories. Ein berufsbildungspolitischer Schwerpunkt der ACCI-Tätigkeit liegt in den Lehrausbildungen (new apprenticeships), wobei einerseits das quantitative Interesse in einer Erhöhung der Teilnehmerzahlen an Lehrausbildungen besteht und andererseits das Ziel einer qualitativen Verbesserung verfolgt wird, um die Akzeptanz und Attraktivität der Lehrausbildung für Jugendliche, Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu erhöhen. Die ACCI konkretisiert hierbei verschiedene Anforderungen an die new apprenticeships, welche für vier Zielgruppen (Arbeitnehmer, Berufseinsteiger, Arbeitssuchende und Personen mit Migrationshintergrund) erfüllt werden sollen (ACCI, 2005b, o. S.): 1. Für Arbeitnehmer soll die new apprenticeship eine Möglichkeit der gezielten Weiterbildung in spezifischen Arbeitsfeldern darstellen. Hierbei soll die Anrechnung von informellen, durch Arbeitserfahrung erworbenen Kompetenzen verstärkt durchgeführt werden, um den Erwerb einer beruflichen Qualifikation für Arbeitnehmer zu erleichtern und somit einen Anreiz zur Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen zu schaffen. 2. Für jüngere Berufseinsteiger soll die new apprenticeship als Einstiegsmöglichkeit in die Erwerbstätigkeit dienen und gleichzeitig eine Grundlage für den Erwerb weiterer beruflicher Qualifikationen bieten. 3. Für Personen, die eine neue Arbeitsstelle suchen, soll im Rahmen der new apprenticeship ein Netzwerk (job network) geschaffen werden, welches die Suche nach einer Arbeits- und Ausbildungsstelle erleichtern soll. 4. Für Personen mit Migrationshintergrund soll die new apprenticeship eine Integrationsmöglichkeit darstellen, wobei Qualifikationen, die nicht in Australien erworben wurden, angerechnet werden sollen, um dieser Personengruppe den Einstieg in das Beschäftigungswesen zu erleichtern. An den Zielen der ACCI wird deutlich, dass die Kammern zum einen eine aktive Beschäftigungspolitik verfolgen, gleichzeitig aber auch um eine qualitative Verbesserung bestehender Programme in der Berufsbildung bemüht sind. Des Weiteren kann konstatiert werden, dass die zeitliche und inhaltliche Flexibilität des CBTAnsatzes, der auch in den Lehrausbildungen realisiert wird, bei den Kammern auf Zustimmung stößt. Dies liegt insbesondere daran, dass durch ihn für die genannten Zielgruppen die Möglichkeit des flexiblen Berufseinstiegs und somit des Einstiegs
164
Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
in die Erwerbstätigkeit besteht. Gleichzeitig können die Unternehmen jedoch insbesondere für diese Zielgruppen individuelle, auf den training packages basierende Qualifizierungsmaßnahmen anbieten, die sowohl dem Potenzial der Lernenden als auch den Anforderungen der Unternehmen gerecht werden. National Centre for Vocational Education Research Das National Centre for Vocational Education Research (NCVER) ist ein nationales Forschungszentrum für Berufsbildungsforschung und untersteht den Ministern der Commonwealth-Regierung sowie den Regierungen der States/Territories. Die Leitung des NCVER hat ein Gremium, das sich aus Vertretern der Bildungsministerien der Commonwealth-Regierung sowie der State/Territory-Regierungen, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände sowie der Anbieter von beruflichen Bildungsmaßnahmen zusammensetzt. Das NCVER ist für die Sammlung, Koordination, Analyse, Auswertung und Verbreitung von Forschungsergebnissen und Statistiken zuständig und liefert somit eine umfassende Informationsgrundlage für berufsbildungspolitische Entscheidungen. Diese Aktivitäten werden nach fünf Gebieten gegliedert: Schüler und Lernende, Lehren und Lernen, Wirtschaft und Arbeitgeber, Berufsbildungssystem und VET in context, unter welches Fragen der Rahmenbedingungen für die Berufsbildung fallen. Eines der wichtigsten Instrumente zur Sammlung und Verbreitung von Forschungsergebnissen ist eine umfassende Datenbank (VOCED), in der Forschungsergebnisse systematisiert, kategorisiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die VOCED wurde 1998 eingerichtet und ist seit 2001 als offizielle internationale UNESCO-Datenbank anerkannt. Sie enthält über 30.000 Forschungsberichte, Artikel, Konferenzbeiträge und andere Dokumente, die für die nationale und internationale Berufsbildungsforschung relevant sind. Zielgruppe für die Verbreitung der Forschungsergebnisse sind u. a. die Ministerien der States/Territories sowie DEST, Unternehmen, private und öffentliche Bildungseinrichtungen, Lehrende und Forscher, um die Berufsbildungsforschung national und international zu fördern (NCVER, o. J., S. 1). Das NCVER leistet einen wichtigen Beitrag zur Verbreitung des CBT-Ansatzes, da hier insbesondere in den neunziger Jahren neben allgemeinen Berichten zum CBT-Ansatz (u. a. Harris, 1996) sowie Untersuchungen zu den Auswirkungen des CBT-Ansatzes auf Lehrende und Lernende (u. a. Billett/McKavanagh/Hayes, 1999; Lowrie/Smith/Hill, 1999) auch einschlägige Evaluationsstudien zu diesem Thema koordiniert und durchgeführt wurden (u. a. Misko, 1999; Mulcahy/James, 1999).
3.4. Die ordnungspolitisch-organisatorische Betrachtungsebene
165
3.4.4. Qualifizierende Institutionen in der Umsetzung des CBT-Ansatzes Im Folgenden werden die qualifizierenden Institutionen, die für die Umsetzung des CBT-Ansatzes verantwortlich sind, dargestellt. Dabei wird den öffentlichen TAFE-Instituten, den privaten Anbietern und den neu errichteten Australian technical colleges besondere Aufmerksamkeit geschenkt, da diese die wichtigsten qualifizierenden Institutionen sind. Technical and Further Education Institutes Die ersten Institutionen, an denen Lehrausbildungen und vollzeitschulische berufliche Bildungsmaßnahmen durchgeführt und Qualifikationen erworben werden konnten, waren private technische Institute (mechanics institutes), technische Sekundarschulen und andere berufsbildende Einrichtungen, die jedoch nur geringe finanzielle Unterstützung aus öffentlicher Hand erhielten (Australian Education International, 2006, S. 41; Goozee, 2001, S. 11). 1972 kam es zu einem Regierungswechsel, und die neu regierende Labour-Partei begann eine Reform der Berufsbildung, welche die Etablierung eines öffentlich anerkannten Berufsbildungssystems beinhaltete und zur Gründung der öffentlich finanzierten Einrichtungen der Technical and Further Education (TAFE) führte (Goozee, 2001, S. 23 ff.). Die Etablierung der TAFE-Institute wurde durch den Bericht des Australian Committee on Technical and Further Education von 1974 – auch bekannt als Kangan Report – gewährleistet, in welchem der allgemeine Zugang zur Berufsbildung forciert und den TAFE-Instituten hierbei eine Schlüsselrolle zugesprochen wurde. Kangan forderte zudem, dass die Planung, Finanzierung und Koordinierung der TAFE-Institute in einem einheitlichen System auf Ebene der States/Territories erfolgen sollte (Anderson, 2005, S. 29; Goozee, 2001, S. 25). In den neunziger Jahren standen die TAFE-Institute im Mittelpunkt kontroverser bildungspolitischer Diskussionen. Aufgelöst wurden diese 1991 durch einen Vorschlag des damaligen Ministers für Beschäftigung, Bildung und Berufsbildung, John Dawkins, der eine zentrale Steuerung und Finanzierung der TAFE-Institute durch die Commonwealth-Regierung forderte (Goozee, 2001, S. 84). Dieser Vorschlag stieß bei den Ministern der States/Territories auf Widerstand, da diese ihre dezentral reglementierten TAFE-Systeme nicht aufgeben wollten. Die Haltung der States/Territories veranlasste den damaligen Premierminister Paul Keating dazu damit zu drohen, dass, falls die Minister der States/Territories einer zentralen Steuerung der TAFE-Institute durch die Commonwealth-Regierung nicht zustimmten, die Commonwealth-Regierung ein eigenes Berufsbildungssystem errichten würde. Als Weg aus diesem Konflikt wurde ein Kompromiss gefunden, welcher eine gemeinsame Finanzierung der TAFE-Institute durch die Commonwe-
166
Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
alth-Regierung und die States/Territories beinhaltete und eine dezentrale Verwaltung vorsah. Dieser Kompromiss wurde durch die Errichtung von ANTA untermauert, welche als unabhängige Institution die gemeinsame Finanzierung koordinieren und reglementieren sollte (ebenda, S. 85). Wenngleich die TAFE-Institute bis heute von den States/Territories verwaltet werden, nimmt die CommonwealthRegierung insbesondere durch die zentralen Finanzierungsmechanismen Einfluss auf deren Steuerung und die inhaltliche Ausrichtung; durch die Auflösung von ANTA ist demzufolge eine zunehmende Zentralisierung zu erwarten (Moodie, 2007, S. 9). TAFE-Institute stellen heute die wichtigsten qualifizierenden Institutionen des australischen Berufsbildungssystems dar (Goozee, 2001, S. 8), was sich darin zeigt, dass ungefähr 80 % aller beruflichen Bildungsmaßnahmen dort stattfinden (NCVER, 2000, o. S.). Wie die in Tabelle 3.3 dargestellte Übersicht über die Teilnehmer an beruflichen Bildungsmaßnahmen in den vergangenen Jahren zeigt, sind die meisten Teilnehmer an Programmen der TAFE-Institute eingeschrieben, wenngleich diese seit 2002 leicht zurückgegangen sind. Auch die Community Education Providers verzeichnen tendenziell sinkende Teilnehmerzahlen; lediglich bei den privaten RTOs gab es einen leichten Zuwachs.
TAFE-Institute Community Education Provider Andere RTOs Mehrere Anbieter Gesamt
2000
2001
2002
2003
2004
2005
1.315.600 227.800
1.289.600 229.500
1.315.900 208.800
1.298.900 244.300
1.261.100 171.300
1.258.200 199.700
164.500 0
160.000 0
158.200 0
167.600 7.000
157.300 5.500
177.500 5.800
1.707.900
1.679.100
1.682.900
1.717.800
1.595.200
1.641.300
Tabelle 3.3.: Teilnehmerzahlen nach Anbieter; Quelle: NCVER, 2006b, Tabelle 4; eigene Darstellung
Jeder State bzw. jedes Territory besitzt ein eigenes TAFE-System, das aus einer unterschiedlichen Anzahl an Colleges besteht, die wiederum zu Instituten zusammengefasst werden (Smith/ Keating, 2003, S. 73 f.). Es gibt derzeit insgesamt 78 TAFE-Institute, die zwischen 400 bis 52.000 Teilnehmer unterrichten (NCVER, 2006b, S. 6), 69,4 % dieser Teilnehmer sind in einem Programm eingeschrieben, das zu einer Qualifikation innerhalb des nationalen Qualifikationsrahmens (AQF) führt. Durchschnittlich erwerben 13,5 % davon ein Diploma oder Advanced Diploma, 35,6 % ein Certificate III oder IV und 20,3 % ein Certificate I oder II. Mehr-
3.4. Die ordnungspolitisch-organisatorische Betrachtungsebene
167
heitlich wird somit eine Qualifikation auf mittlerem Niveau angestrebt (ebenda, 2006a, S. 21). Die TAFE-Institute kooperieren oftmals mit Sekundarschulen oder Hochschulen, um die Verbindung zwischen Berufsbildung und allgemeiner Bildung zu stärken. Hinsichtlich der Kooperation mit Schulen werden sogenannte VET-in-schoolsProgramme durchgeführt, in denen auf unterschiedliche Weise berufliche Kurse bzw. Praktika in die Sekundarstufe II integriert werden. Ebenfalls kooperiert wird in schulbasierten Lehrausbildungen (school-based new apprenticeships), in denen bereits in der Sekundarschule ein apprenticeship oder ein traineeship angefangen bzw. abgeschlossen wird und somit sowohl eine berufliche Qualifikation als auch der allgemeine Schulabschluss erworben werden kann (Cowan, 2002, S. 28). Die Kooperation von TAFE-Instituten mit Hochschulen erfolgt in der Regel über zwei Formen: Die erste Form sind sogenannte dual-sector universities, die sowohl ein TAFE-Institut als auch eine Universität in einer Institution vereinen. Die zweite Form der Kooperation sind co-located campuses, bei denen Sekundarschulen, TAFE-Institute und Universitäten auf einem gemeinsamen Campus zu finden sind, die Form der Kooperation jedoch variiert. Oftmals sind die einzelnen Institute autonom, kooperieren jedoch in administrativen und finanziellen Angelegenheiten sowie insbesondere in der Anrechnung von Kursen und Qualifikationen (Wheelahan/Moodie, 2005, S. 35). Sowohl die dual-sector universities als auch die colocated campuses haben die Durchlässigkeit von Berufsbildung und Hochschulbildung zum Ziel und forcieren dies durch flexible Übergänge zwischen den einzelnen Sektoren. Das bedeutet, dass Teilnehmer an einem TAFE-Programm, die im Anschluss daran eine Qualifikation des Hochschulsektors anstreben, bereits im TAFE-Programm Module der angestrebten Qualifikation erwerben können. Für den CBT-Ansatz, der bislang nur im Berufsbildungssektor umgesetzt wurde, bedeutet die verstärkte Kooperation zwischen Berufsbildungssektor und Schulbzw. Hochschulsektor, dass die fachpraktischen und fachtheoretischen Kompetenzstandards durch allgemeine schulische und universitäre Kenntnisse flexibel ergänzt werden können. Dies hat den Erwerb von Kompetenzprofilen zur Folge, die einen beruflichen und allgemeinbildenden Charakter aufweisen und somit die Anschlussfähigkeit sowohl an weiterführende berufliche Bildungsmaßnahmen als auch an allgemeinbildende Maßnahmen gewährleisten können. Eine flächendeckende Umsetzung dieser strukturellen und inhaltlichen Verknüpfung würde bedeuten, dass die Gleichwertigkeit von Berufsbildung und Schul- bzw. Hochschulbildung, die bislang nicht besteht, erzielt werden könnte, was wiederum eine Aufwertung der Berufsbildung zur Folge hätte.39 39 Siehe
dazu die Ausführungen zu aktuellen Problemaspekten und Reformperspektiven unter 3.7.
168
Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
Private Anbieter Neben den traditionell geprägten privaten Organisationen wie den Business Colleges gibt es in Australien inzwischen über 4.000 registrierte private Aus- und Weiterbildungsorganisationen, sogenannte Registered Training Organisations (RTOs), die vorwiegend akkreditierte Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen anbieten (Cowan, 2002, S. 25). In den vergangenen Jahren ist in Australien ein Trend dahingehend feststellbar, dass immer mehr Betriebe als RTOs tätig werden. Diese tragen die Verantwortung für formale und non-formale sowie für akkreditierte und nicht akkreditierte Maßnahmen beruflicher Aus- und Weiterbildung, die ausschließlich am Arbeitsplatz oder in Kooperation mit anderen RTOs durchgeführt werden (Harris/Simons/McCarthy, 2006, S. 35). Die privaten Anbieter verfügen meist nur über begrenzte finanzielle und personelle Ressourcen, weshalb sie im Gegensatz zu den TAFE-Instituten in der Regel kein weitreichendes und differenziertes Angebot an beruflichen Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen anbieten können. Aus diesem Grund haben sich die privaten Anbieter nicht in den traditionellen, von den TAFE-Instituten bedienten beruflichen Sektoren etabliert, sondern in spezialisierten Nischenmärkten mit geringer oder bis dato fehlender berufsbildender Infrastruktur (Smith, 1999, S. 108). Das Klientel der privaten Anbieter besteht neben Schulabgängern, die eine Erstausbildung anstreben, mehrheitlich aus erfahrenen Arbeitnehmern und Fachkräften, die sich durch spezifische Kurse und Programme weiterbilden wollen bzw. eine berufliche Neuorientierung anstreben (Cowan, 2002, S. 25). 39 % der privaten Anbieter sind kommerzielle Anbieter, 26 % stammen aus dem Erwachsenen- und Weiterbildungssektor (Adult and Community Education Provider), 19 % sind Wirtschaftsverbände, 13 % Betriebe (Harris/Simons/ McCarthy, 2006, S. 9). Ungefähr ein Drittel der Anbieter hat weniger als 50 Teilnehmer, ca. 50 % der Anbieter haben weniger als 100 Teilnehmer, was sich jedoch weniger auf eine geringe Nachfrage als vielmehr auf die begrenzten Kapazitäten der privaten Anbieter zurückführen lässt. Die meisten angebotenen Programme sind akkreditierte Teilzeitprogramme, die zu Qualifikationen des AQF führen. Lediglich ca. 25 % der Teilnehmer sind in einem Programm eingeschrieben, das nicht akkreditiert ist und somit nicht zu einer national anerkannten beruflichen Qualifikation führt (ebenda, S. 9 f.). Die meisten Kurse werden mit einem Certificate III abgeschlossen, nur wenige Teilnehmer streben eine höhere Qualifikation an. 2003 nahmen insgesamt 474.281 Teilnehmer an Vollzeitprogrammen teil, wobei die Wirtschaftsverbände mit 130.220 hier die größte Teilnehmerzahl hatten. Die Anzahl der Teilnehmer in Teilzeitprogrammen betrug 2003 ca. 1,7 Millionen, wobei hier die kommerziellen Anbieter mit 493.719 die meisten Teilnehmer hatten.
169
3.4. Die ordnungspolitisch-organisatorische Betrachtungsebene
Die Anzahl der Teilnehmer in akkreditierten Kursen betrug ca. 1,6 Millionen, auch hier gab es bei den kommerziellen Anbietern die höchsten Teilnehmerzahlen; die Teilnehmerzahl an nicht akkreditierten Kursen betrug 573.324 (ebenda, S. 46 ff.). Eine Übersicht über die Teilnehmerzahlen bei den verschiedenen Anbietern und differenziert nach Vollzeit- und Teilzeitprogrammen sowie nach akkreditierten und nicht akkreditierten Kursen befindet sich Tabelle 3.4.
Anzahl Teilnehmer (Vollzeit) Anzahl Teilnehmer (Teilzeit) Anzahl Teilnehmer in akkreditierten Kursen Anzahl Teilnehmer in nicht akkreditierten Kursen
Erwachsenenbildungsinstitute
Unternehmen
Wirtschaftsverbände
Kommerzielle Anbieter
Andere
Gesamt
41.321
81.115
139.220
127.822
84.803
474.281
252.390
45.737
364.790
493.710
238.714
1.687.322
165.173
114.608
384.226
511.059
190.702
1.621.749
132.112
8.726
123.685
148.197
124.604
573.324
Tabelle 3.4.: Teilnehmerzahlen nach Teilzeit- und Vollzeitprogrammen; Quelle: Harris/Simons/McCarthy, 2006, S. 46 ff.
Prüfungen werden in der Regel von den jeweiligen Anbietern abgenommen, die auch den Qualifizierungsprozess durchführen und die entsprechenden Zertifikate ausstellen. Es existieren zudem private Anbieter, die lediglich als Prüfungsinstanz fungieren und keine eigenen Programme oder Kurse anbieten. Sie offerieren, insbesondere für Betriebe, die betriebliche Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen durchführen und selbst keine Prüfungen durchführen können oder wollen, den Anforderungen des AQF und AQTF entsprechende Prüfungen (ANTA, 2005, S. 3; Harris et al., 1995, S. 177 ff.). Um die Konsistenz der landesweit angebotenen Prüfungen und Zertifikate sicherzustellen, sind zum einen in den training packages Prüfungsrichtlinien definiert, zum anderen sind die im AQTF definierten Standards zur Durchführung von Prüfungen und zur Ausstellung von Zertifikaten verpflichtend einzuhalten. Das bedeutet, dass der Anbieter nachweisen können muss, dass er Prüfungen gemäß den Standards des AQTF durchführen kann
170
Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
– in der Regel wird dieser Nachweis durch das Zertifikat Assessment and Workplace Training erbracht. Dieses wird im Rahmen eines training package erworben und stellt die Standardqualifikation von Lehrenden mit Prüfungsbefugnis dar.40 Es beinhaltet Vorgaben zur Planung, Durchführung und Kontrolle von Prüfungen sowie zur Entwicklung geeigneter Prüfungsstrategien und Prüfungsinstrumente.41 Ein wichtiger Standard, der im AQTF definiert ist und von allen registrierten prüfenden und zertifizierenden Instanzen erfüllt werden muss, ist die Anerkennung von Teil- und Gesamtqualifikationen, die von anderen akkreditierten Instituten bzw. in einem anderen State oder Territory geprüft und zertifiziert wurden. Hintergrund ist das bildungspolitische Ziel der Transparenz und nationalen Anerkennung von Qualifikationen, durch die die Übertragbarkeit von Qualifikationen sichergestellt und somit die Mobilität von Arbeitnehmern erhöht werden soll. Wie aus den Aussagen eines NCVER-Vertreters sowie eines Vertreters der Berufsbildungspraxis hervorgeht, ist diese instituts- und grenzüberschreitend geforderte Anerkennung von Teil- bzw. Gesamtqualifikationen nicht vollkommen gewährleistet (Interview Part I, Frage 2.1 und Part II, Frage 5.2): „We have standards that say that every RTO must recognise the qualifications awarded by other RTOs, but in fact every one says that they recognise them, but in their institute they expect that the people have to do additional types of things. That is something that needs to be addressed, the mutual recognition“ (NCVER, A9). „[...] policy decisions made at the Commonwealth level can be implemented in different ways in each state. There’s no standard way of doing things, even the AQTF is implemented in different ways in different states. It’s audited in different ways in different states. The registration requirements are different from state to state. And that causes problems with learners who move from one state to another even though we have got mutual recognition“ (Research, Canberra Institute of Technology, P8).
Oftmals müssen zur Anerkennung der in anderen Instituten erworbenen Qualifikationen zusätzliche Prüfungen absolviert werden. Da dies dem nationalen Anspruch der mutual recognition von Kompetenzen widerspricht und die Mobilität von Personen, die sich in einem Lernprozess befinden und sich in einem anderen State/Territory um die Beendigung ihrer Qualifikation bemühen, einschränkt, wird die Kontrolle der Einhaltung nationaler Standards als wichtig erachtet, was an folgender Aussage deutlich wird: „A challenge is ensuring that the RTOs have a similar standard. There is the opportunity for some RTOs to do it better than others. And when you have to give recognition for 40 Siehe
dazu die Ausführungen unter 3.4.7. training package „Assessment and Workplace Training“ und alle relevanten Informationen zu den erwerbbaren Qualifikationen sind in der Datenbank des National Training Information Services öffentlich zugänglich.
41 Das
3.4. Die ordnungspolitisch-organisatorische Betrachtungsebene
171
a competency for a student that has come from a different RTO there can be problems. So monitoring that is important“ (Childcare, Canberra Institute of Technology, P9).
Als Fazit kann somit festgehalten werden, dass es auf nationaler Ebene einheitliche Standards für alle öffentlichen und privaten qualifizierenden Institutionen gibt, deren Umsetzung jedoch oftmals vom bildungspolitischen Anspruch der Commonwealth-Regierung abweicht. Der Anspruch des CBT-Ansatzes auf flexiblen und lernortunabhängigen Erwerb von Kompetenzen sowie insbesondere das Prinzip des recognition of prior learning stößt somit an institutionelle Grenzen. Um diese Diskrepanz zu verringern, forciert die Commonwealth-Regierung neben einheitlichen Standards die Etablierung weiterer nationaler Qualitätssicherungsinstrumente, wodurch einerseits die CBT-Philosophie gestärkt und andererseits das damit verbundene Ziel eines einheitlichen Berufsbildungssystems erreicht werden soll. Australian Technical Colleges Die Errichtung der Australian technical colleges war nach der Auflösung der ANTA eine der ersten Initiativen des DEST, mit denen das Ziel verfolgt wurde, den Berufsbildungs- und den Schulsektor in einer gemeinsamen Schulform zu vereinen. Bereits 2006 wurden die ersten Colleges eröffnet, und bis 2008 sollen alle 24 geplanten Colleges fertig gestellt sein (DEST, 2005a, S. 8). An den technical colleges können neben den schulischen Abschlüssen der Sekundarstufe II berufliche Teil- und Gesamtqualifikationen erworben werden. Sie werden wie alle anderen Sekundarschulen von der Commonwealth-Regierung und den Regierungen der States/Territories finanziert, wobei in der Etablierungsphase (2005–2008) zusätzliche Mittel in Höhe von 289 Mio. $A von der Commonwealth-Regierung bereitgestellt werden. Von den Schülern werden, wie bei den staatlichen Sekundarschulen, keine Schul- oder Kursgebühren verlangt – womit sie sich von den TAFE-Instituten bzw. den privaten RTOs unterscheiden. Jedes technical college soll bis zu 300 Schüler aufnehmen und spezialisiert sich auf einen bestimmten Berufszweig, wobei bislang fünf Richtungen etabliert sind: die Metall- und Elektroindustrie, die Automobilindustrie, das Baugewerbe, die Technologiebranche und die Gastronomie (ebenda, S. 8). Die Spezialisierung der einzelnen Colleges richtet sich nach dem Bedarf der Unternehmen vor Ort. Die mit der Etablierung der Colleges einhergehende bildungspolitische Zielsetzung ist eine Stärkung des Berufsbildungssystems sowie eine Erhöhung der Attraktivität beruflicher Qualifikationen. Des Weiteren ist die Errichtung dieser Colleges als Reaktion auf den derzeit vorherrschenden Fachkräftemangel (skill shortages) zu verstehen, welcher insbesondere in den handwerklichen und technischen Berufsfeldern stark ausgeprägt ist (ebenda, S. 2 f.). Schüler der technical colleges
172
Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
nehmen an einer school-based new apprenticeship teil, d. h., sie absolvieren neben dem allgemeinen Schulabschluss eine Lehrausbildung, durch die sie eine berufliche Qualifikation erwerben. Bei dieser handelt es sich um ein Certificate III, das jedoch nicht vollständig in den zwei Jahren des Colleges abgeschlossen werden kann, weshalb es in der Regel nach dem Schulabschluss in Vollzeitform vollendet wird. Zusätzlich zu der beruflichen Fachqualifikation und zum allgemeinen Schulabschluss werden Kurse in den Bereichen IT und Wirtschaftswissenschaft belegt. Die hierbei erworbene Doppelqualifikation soll Absolventen der technical colleges den Einstieg in die Erwerbstätigkeit erleichtern und gleichzeitig den Weg zum universitären bzw. höheren beruflichen Sektor ebnen. Die technical colleges werden auf die lokalen Bedürfnisse der einzelnen States/Territories abgestimmt und von einem Konsortium – bestehend aus Vertretern von lokalen Unternehmen und Industriezweigen, Schulen, TAFE-Instituten, anderen RTOs und Universitäten – geleitet, wobei die Vertreter aus der Wirtschaft hier dominieren. Insbesondere regional vertretene Unternehmen sollen die Möglichkeit der Einflussnahme haben, so dass eine auf deren Anforderungen ausgerichtete berufliche Qualifizierung stattfinden kann. Somit ist eine praxisnahe Ausrichtung der technical colleges erkennbar, auch wenn sie einen schulischen Charakter aufweisen. 3.4.5. Zur Philosophie eines open training market Die Vielzahl unterschiedlicher privater und öffentlicher Anbieter von beruflichen Bildungsmaßnahmen geht auf die bildungspolitische Zielsetzung eines „offenen Aus- und Weiterbildungsmarktes“ (open training market) zurück, in dem private und öffentliche Anbieter konkurrieren. Die formale Öffnung des Ausbildungsmarktes erfolgte nach Veröffentlichung des Deveson Report 1990, in dem Arbeitsund Ausbildungsmarktreformen zur Verbesserung der Berufsbildung gefordert wurden. Die durch den Kangan Report begründete öffentliche Finanzierung und Koordinierung der Berufsbildung durch die State/Territory-Regierungen wurde als defizitär angesehen. Basierend auf wirtschaftstheoretischen Annahmen sollte ein zunehmender Wettbewerb auf dem Ausbildungsmarkt für ein größeres Angebot, mehr Effizienz, Anpassungsfähigkeit und Qualität sorgen (Anderson, 2005, S. 30). Die Commonwealth-Regierung sowie die Regierungen der States/Territories setzten die Forderungen des Deveson Report um und forcierten eine ökonomische Betrachtungsweise der Berufsbildung, die fortan als Produkt auf einem offenen, durch Angebot und Nachfrage regulierten Markt gelten sollte. Diese neoliberal angehauchte Form setzte sich jedoch nur bedingt durch, da die zentrale Finanzierung durch die Commonwealth-Regierung sowie durch die States/Territories erhalten blieb und der Staat durch den Erlass von nationalen Vorgaben bis heute über die
3.4. Die ordnungspolitisch-organisatorische Betrachtungsebene
173
Steuerungsgewalt in der Berufsbildung verfügt. Hierzu zählt u. a. der nationale Rahmen zur Qualitätssicherung (AQTF), der Kriterien für alle RTOs festlegt, wodurch TAFE-Institute und alle anderen privaten Anbieter dieselben Anforderungen erfüllen müssen, um als registrierte Aus- und Weiterbildungsorganisation agieren zu können. Die Öffnung des Ausbildungsmarktes hatte zur Folge, dass die TAFE-Institute ihre Monopolstellung aufgeben mussten und sie sich zunehmender Konkurrenz privater Anbieter ausgesetzt sehen. Den Unternehmen wird hierbei eine besondere Rolle attestiert, da sie – sofern sie als RTO akkreditiert sind – Verantwortung für die Bereitstellung und Ausübung beruflicher Bildungsmaßnahmen tragen. Forciert wird dies dadurch, dass Unternehmen eigene berufliche Lehrinhalte in Form von unternehmensspezifischen Kompetenzstandards definieren und akkreditieren können und somit berufliche Qualifizierungsmaßnahmen hinsichtlich des Lernortes, der angewandten Methoden und der Lerninhalte an die unternehmensspezifischen Anforderungen anpassen können (Billett et al., 1999, S. 26). Man will damit dem individuellen Bedarf an beruflichen Bildungsmaßnahmen gerecht werden. Ein open training market soll zudem mehr Wettbewerb auf dem Ausbildungsmarkt schaffen und somit für mehr Effizienz und Qualität in der Bereitstellung von Ausund Weiterbildungsmaßnahmen sorgen. Dies wird durch folgende Aussagen von zwei Forschern und einem Vertreter von DEST deutlich (Interview Part I, Frage 5.1): „There was a determination to move the training away from the publicly funded TAFE college system, open the training market up much more broadly, because the argument that was being advanced was that TAFE was not meeting employers needs“ (University of Technology Sydney, A6). „So the idea was to build competition and that would improve efficiency, responsiveness, agility - all those desirable things to try and hurry up the system“ (University of South Australia Adelaide, A10). „I think overall if we are talking about making training more accessible, being more available, more people allowed into it, it has to be better with an open training market. TAFE had only a certain capacity“ (DEST, O4).
Die Begründung seitens der Commonwealth-Regierung, den Ausbildungsmarkt zu öffnen, liegt in der Philosophie des CBT-Ansatzes, welche beinhaltet, dass Berufsbildung nicht ausschließlich an öffentlichen TAFE-Instituten stattfinden muss, sondern an verschiedenen Lernorten, durch verschiedene Personen und unter Anwendung unterschiedlicher Lehr-Lern-Methoden. Die national definierten und somit einheitlichen Kompetenzstandards und respektiven nationalen Qualifikationen bilden hierfür den Rahmen, wie folgende Aussage des Vertreters von DEST illustriert (Interview Part I, Frage 5.1):
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Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
„There was a push once they started opening up the training system, it’s not a monopoly anymore, it’s not just TAFE and a few other colleges. We are saying that training can happen in a variety of ways, by a variety of people, because it’s all based on standards“ (DEST, O4).
Die Mehrheit der befragten Experten sieht die Positionierung der privaten Anbieter in Nischenmärkten positiv, da TAFE-Institute sich primär auf die großen Wirtschaftszweige konzentrieren und die anderen nicht bedienen (Interview Part I, Frage 5.1): „That’s where private providers made a big difference, because they can operate in a niche market. Private providers stick to what they do well, stick to where they can make some money and keep it fairly narrow. I think that’s been good for the training market“ (Research, Canberra Institute of Technology, P8).
Anderson untersuchte, ob diese und andere politischen Zielsetzungen mit dem open training market erreicht wurden, wobei u. a. insgesamt 842 RTOs befragt wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass sich das Angebot und die Auswahl an verschiedenen Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen sowohl bei den TAFE-Instituten als auch bei den privaten Anbietern erhöht hat (Anderson, 2005, S. 36). Hinzu kommt, dass Flexibilität, Innovationsfähigkeit und responsiveness, sprich die Anpassungsfähigkeit an die Anforderungen von Unternehmen, verbessert wurden. Die Ergebnisse der Anderson-Studie werden durch die Aussagen von zwei Berufsbildungsforschern untermauert (Interview Part I, Frage 5.2): „If I look today I think TAFE has been transformed for the good by contestability. I think it has helped to become much more business-oriented: I think it has become much more customer-focussed, a better planning, millions of ways, I think it had a good effect“ (Consultant, O5). „There was quite an amount of government money made available to both TAFE and private providers. That allowed more private providers to deliver training and get the government money for delivery of training. There’s some indication that employers are more satisfied now with what they get and the providers show more responsiveness to the needs of employers now“ (Monash University, A5).
Im Gegensatz zu diesen positiven Auswirkungen scheinen hinsichtlich der Effizienz und Qualität keine solchen festzustellen zu sein. Laut Anderson sehen zwar private Anbieter eine Qualitätssteigerung, die TAFE-Institute tun dies jedoch nicht. Vielmehr habe sich laut Einschätzungen der TAFE-Institute aufgrund steigender Verwaltungs- und Rekrutierungsarbeit die Qualität teilweise sogar verringert. Die Folge seien Mittelkürzungen für die Ausstattung bei den Anbietern, für die Entwicklung geeigneter Lern- und Lehrressourcen und auch für Serviceleistungen für die Teilnehmer an beruflichen Bildungsmaßnahmen (Anderson, 2005, S. 36).
3.4. Die ordnungspolitisch-organisatorische Betrachtungsebene
175
Für die gegensätzlichen Angaben der privaten und öffentlichen Anbieter hinsichtlich der Auswirkung des open training market findet Anderson keine Erklärung; er selbst konstatiert, dass es trotz der positiven Aussagen der privaten Anbieter eher zu einer Verschlechterung der Qualität gekommen sei. Dies wird auch in den Aussagen der Expertenbefragung deutlich, wo interessanterweise die Vertreter der TAFE-Institute gerade bei den privaten Anbietern große Qualitätsdefizite kritisieren, da diese nicht über geeignete Lehrpersonen sowie über eine geeignete Ausstattung verfügen würden (Interview Part I, Frage 5.2): „When first the market was opened up to private commercial providers to come in and deliver qualifications, there was a huge explosion of people doing exactly that. A lot of them were incompetent, a lot of them did not have the resources and the staff. [...] There has been clear fraud of the system, there have been people who ripped of their clients, taking their money and disappeared“ (University of Technology Sydney, A4). „I think there are some private providers out there who are only after the money, they are not concerned about quality“ (Research, Canberra Institute of Technology, P8). „The other side is that their marketing costs and management costs have increased and they spent a lot more time on that sort of activity. So they might have been devoted to delivery of training and now they are devoted to advertising, marketing and things like that“ (University of Technology Sydney, A4).
Eine weitere Konsequenz des open training market ist die Entwicklung der TAFEInstitute zu wirtschaftlichen Unternehmen, die auf die Nachfrage nach beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen auf dem Ausbildungsmarkt angewiesen sind. Diese Entwicklungstendenz spiegelt sich auch in den Ergebnissen der Anderson-Studie wider (2005, S. 30). Schlussfolgern lässt sich trotz der Qualitätsproblematik, dass der open training market die Philosophie des CBT-Ansatzes hinsichtlich von drei Aspekten manifestiert: erstens ermöglicht der open training market den flexiblen zeitlichen und inhaltlichen Erwerb beruflicher Kompetenzen in verschiedenen Lernumgebungen und den flexiblen Ein- und Ausstieg in berufliche Qualifizierungsmaßnahmen. Zweitens bietet er die Möglichkeit des praxisnahen Kompetenzerwerbs am Arbeitsplatz durch als RTO registrierte Unternehmen. Drittens kann die Anerkennung informell, durch Arbeitserfahrung erworbener Kompetenzen von Unternehmen – sofern sie als RTO registriert sind – selbst realisiert werden. 3.4.6. Die Instrumente der Qualitätssicherung bei der Umsetzung des CBT-Ansatzes Das wichtigste Instrument der Qualitätssicherung ist der Australian Quality Training Framework (AQTF), der vom National Quality Council (NQC) und der ANTA in Zusammenarbeit mit den States/Territories, der Commonwealth-Regierung
176
Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
und Vertretern der Wirtschaft entwickelt wurde und durch den ANTA Ministerial Council implementiert wurde (KPA Consulting, 2004, S. 11). Der AQTF beinhaltet eine Reihe von Standards zur Qualitätssicherung, die auf nationaler Ebene verbindlich für alle in der Berufsbildung Beteiligten Gültigkeit besitzen. Der AQTF legt für zwei Bereiche Standards fest: für RTOs (Standards for Registered Training Organisations) und für akkreditierende Institutionen (Standards for State and Territory Registering/Course Accrediting Bodies). Im ersten Bereich existieren insgesamt folgende 12 Standards, die wiederum durch 48 Unterpunkte spezifiziert werden (ANTA, 2005, S. 3 ff.): 1. systems for quality training and assessment 2. compliance with Commonwealth, state/territory legislation and regulatory requirements 3. effective financial management procedures 4. effective administrative and records management procedures 5. recognition of qualifications issued by other RTOs 6. access and equity and client service 7. the competence of RTO staff 8. RTO assessments 9. learning and assessment strategies 10. issuing AQF qualifications and statements of attainment 11. use of national and state/territory logos 12. ethical marketing and advertising Durch diese spezifischen Anforderungen soll die bildungspolitische Zielsetzung des AQTF – die nationale Konsistenz in der Qualität beruflicher Bildungsmaßnahmen sowie in Prüfungs- und Zertifizierungsprozessen – erfüllt werden. Insbesondere durch den fünften Punkt, die Verpflichtung zur Anerkennung von durch andere RTOs ausgestellte Qualifikationen, soll dem Anspruch von Transparenz und Mobilität Rechnung getragen werden. Die Standards für den zweiten Bereich, d. h. für Institutionen, die für die Registrierung der RTOs bzw. die Akkreditierung von beruflichen Bildungsmaßnahmen
3.4. Die ordnungspolitisch-organisatorische Betrachtungsebene
177
im Rahmen des AQF zuständig sind, umfassen eine Reihe von Kriterien, u. a. die Organisation der Institutionen, Verträge und Qualitätssysteme sowie die Qualifikation der Prüfer (KPA Consulting, 2004, S. 14). Des Weiteren werden Standards für die Registrierung sowie für die kontinuierliche Überwachung der RTOs in Form von audits definiert. Diese basieren zum einen auf Dokumenten und schriftlichen Unterlagen zu den durchgeführten Bildungsmaßnahmen, welche die RTOs selbst erstellen; zum anderen werden Befragungen mit Lernenden, involvierten Unternehmen und Arbeitgebern durchgeführt, die Aufschluss über die RTOs und die Qualität der angebotenen Qualifizierungsmaßnahmen geben sollen (ANTA, 2005, S. 15). Durch einen durch den AQTF gewährleisteten einheitlichen Registrierungsprozess können alle RTOs im gesamten Land als anerkannte Institutionen agieren (ebenda, S. 3). Dieser Prozess verläuft standardisiert durch die State/Territory Registering Bodies, wobei die Qualifikationen, die das RTO anbieten darf, Aus- und Weiterbildungsstrategien sowie Prüfungsmodalitäten vereinbart werden. Vor sowie innerhalb eines Jahres nach der Registrierung erfolgen externe audits, in welchen geprüft wird, ob die durchgeführten Maßnahmen den Anforderungen des AQTF entsprechen. Nach der erfolgreichen Registrierung werden die RTOs in eine nationale öffentliche Datenbank, den National Training Information Service (NTIS), aufgenommen, so dass Transparenz über alle RTOs sowie die jeweils angebotenen Maßnahmen und Qualifikationen besteht (ebenda, S. 17). Um die Qualität der RTOs dauerhaft zu sichern, müssen alle RTOs jährlich intern prüfen, ob die im AQTF definierten Standards noch erfüllt werden. Zusätzlich finden externe audits statt, die jedoch nicht flächendeckend durchgeführt werden können und sich zumeist auf spezifische Branchen oder Qualifikationen beschränken. Die RTOs müssen jedoch jederzeit in der Lage sein, auf Anforderung der zuständigen Institutionen Informationen über die durchgeführten Maßnahmen und Qualifizierungsstrategien offenzulegen (KPA Consulting, 2004, S. 14). Obgleich der AQTF als Hauptinstrument der Qualitätssicherung anerkannt wird, wird er oftmals von den öffentlichen und privaten Anbietern kritisiert. Laut einer Studie von Kellock über die Auswirkungen des AQTF auf private Anbieter sehen diese den AQTF als kosten- und zeitintensive Hürde bei der Ausübung beruflicher Bildungsmaßnahmen an (Kellock, 2003, S. 7 ff.). Die durchschnittlichen Kosten der Realisierung des AQTF werden auf 61.000 $A pro RTO geschätzt, wobei die Kosten für die Personalentwicklung den größten Aufwand darstellen. Oftmals muss für die Bearbeitung der Standards des AQTF zusätzliches Personal eingestellt werden, was weitere Kosten verursacht. Ein anderer Kritikpunkt bezieht sich auf die Validität und Reliabilität des AQTF, da dieser weder von einer nationalen Gesetzgebung untermauert wird noch einen vergleichbaren Standard wie bspw.
178
Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
ISO-Normen darstellt (KPA Consulting, 2004, S. 27). Insbesondere private RTOs sehen den AQTF als nicht ausreichendes Qualitätssicherungsinstrument an und lassen sich zusätzlich nach den ISO-Standards evaluieren (Kellock, 2003, S. 11). Die Ergebnisse dieser Studien werden weitgehend von den befragten Experten bestätigt (Berufsbildungsforscher, Vertreter DET und Lehrender) (Interview Part I, Frage 5.3): „I have been critical of the quality frameworks which you use to accredit courses in this state. Those frameworks are full of statements about outcomes and products and does the course meet national competency standards and does it lead to national competency style, does it have the human development capacities to teach this course. Quality is more than standards, quality is about the processes of educational provisions and measures seeking to ensure quality should be addressing those things as much as just outcomes“ (Griffith University, A11). „The criticism of the AQTF is that it is too compliance-focussed on the business systems and processes and therefore creates paper rather than just regulating the quality of the outcome“ (DET, O3). „The AQTF implementation sought the end of a lot of private providers who looked at that and thought we can’t meet these standards and they got out of it. I think the worst side of the AQTF is that it is so time-consuming, it is audit-driven, it is paper-driven“ (Research, Canberra Institute of Technology, P8).
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der AQTF für die Qualitätssicherung im CBT-Ansatz unabdinglich ist. Als kritisch zu betrachten ist dessen Reliabilität und Validität, da die Überprüfung der Standards größtenteils intern und nicht durch eine externe Stelle erfolgt. Eine flächendeckend reliable und valide Überprüfung der Standards wäre jedoch mit einem hohen administrativen und finanziellen Aufwand verbunden. Hinzu kommt, dass der Fokus des AQTF zum einen auf organisatorischen und administrativen Aspekten liegt und zum anderen auf den Outcomes, die von den Teilnehmern an den RTOs erzielt werden. Eine Evaluierung der Lernprozesse sowie der erforderlichen pädagogischen und lerntheoretischen Expertise findet jedoch nicht statt, was insbesondere aus Sicht der Berufsbildungsforschung als defizitär angesehen wird. 3.4.7. Zur Qualifikation der Lehrenden Bevor auf die Qualifikation der Lehrenden im Berufsbildungssektor eingegangen wird, sollen zunächst die Situation der Lehrenden sowie einige statistische Daten eruiert werden. In Australien sind ungefähr 590.000 Lehrende im gesamten Bildungssektor tätig, wobei – bezogen auf den beruflichen Sektor – ca. 31.400 Lehrende eine Festanstellung im TAFE-Bereich innehaben und ca. 57.500 Lehrende entweder Teilzeit
3.4. Die ordnungspolitisch-organisatorische Betrachtungsebene
179
an TAFE-Instituten oder bei privaten und kommunalen Anbietern arbeiten (NCVER 1998, S. 317). Einer Untersuchung von Harris et al.42 zufolge, welche die Situation und Veränderungen der Lehrenden im Berufsbildungsbereich flächendeckend empirisch analysiert, sind 55 % der Lehrenden an öffentlichen TAFEInstituten tätig, wohingegen 36 % bei privaten RTOs arbeiten. Dabei sind 20 % bei kommunalen Anbietern, 11 % bei kommerziellen Anbietern und 5 % bei Unternehmen, die als RTO fungieren, tätig. Eine unbefristete Festanstellung ist im Berufsbildungssektor keinesfalls die Regel. Harris et al. fanden heraus, dass lediglich 45,4 % der weiblichen und 54,6 % der männlichen Lehrenden eine unbefristete Festanstellung haben (Harris et al., 2001, S. 7). Ein häufiger Arbeitsplatzwechsel ist bei Lehrenden von privaten wie auch von öffentlichen Anbietern ebenfalls keine Seltenheit: Laut Harris et al. sind lediglich 27 % der befragten Lehrenden seit mindestens 10 Jahren bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber angestellt; 23 % arbeiten seit 6 bis 10 Jahren, 22 % zwischen 3 und 5 Jahren und 28 % seit weniger als 2 Jahren für die derzeitige Institution (ebenda, S. 8). Ebenfalls interessant ist das Alter der Lehrenden – sowohl bei privaten als auch bei öffentlichen Anbietern. Ca. 75 % der Lehrenden sind zwischen 35 und 54 Jahre alt, 45 % zwischen 40 und 50, 11 % sind älter als 55 und lediglich 13 % der Lehrenden sind jünger als 35. Somit ist das Durchschnittsalter vergleichsweise hoch, was jedoch auf die heterogenen Bildungsbiografien der Lehrenden zurückzuführen ist. Einen formalisierten und standardisierten Einstieg in den Lehrerberuf im Berufsbildungssektor nach dem Hochschulabschluss in Form eines Vorbereitungsdienstes, wie es in Deutschland die Regel ist, gibt es in Australien nicht. Lehrende sind in der Regel zunächst einige Zeit in der Wirtschaft tätig, bevor sie an beruflichen Bildungseinrichtungen unterrichten. Auffällig ist auch, dass ca. ein Drittel der Lehrenden neben ihrer Lehrtätigkeit eine weitere formale Qualifikation anstreben, die sie entweder an einem TAFE-Institut, an einer Universität oder bei anderen privaten Anbietern erwerben (ebenda, S. 33). Interessant sind die Gründe, die sie für ihre formale Weiterbildung angeben. Einer der Hauptgründe besteht darin, sich auf lange Sicht Karrieremöglichkeiten zu sichern, und hierfür wird es als Notwendigkeit angesehen, neue Qualifikationen zu erwerben bzw. bestehende zu erweitern. Zudem sollen fachliche Fähigkeiten und Kenntnisse den aktuellen Anforderungen entsprechen, so dass es als unabdinglich angesehen wird, diese kontinuierlich auszuweiten. Doch auch die formale Weiterbildung im pädagogischen und didaktischen Bereich erachten die Lehrenden als wichtig, wobei diese zumeist aufgrund individueller Initiativen der Lehrenden erfolgen. Aus diesen Erhebungen lässt sich hinsichtlich fachlicher und 42 Daten
für die Untersuchung wurden u. a. durch Interviews mit 394 Mitarbeitern der Personalabteilungen von öffentlichen und privaten Anbietern, durch Fragebögen mit einem Stichprobenumfang von 686 sowie durch 15 Fallstudien im Bereich der Lehrerbildung erhoben.
180
Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
pädagogischer Qualifikationen auf ein sehr heterogenes Lehrerklientel schließen (ebenda, S. 34). Die Forderung nach einer standardisierten und professionellen Lehrerausbildung ist nicht neu. In den neunziger Jahren fanden verschiedene Initiativen zur Professionalisierung und Standardisierung der beruflichen Lehrerbildung statt, deren Nachhaltigkeit konnte jedoch nicht erzielt werden. Bis dahin wurden Lehrende, die aufgrund ihrer Berufserfahrung über Fachkenntnis verfügen, lediglich durch zusätzliche Kurse über didaktisch-methodische Grundkenntnisse zu Lehrern ausgebildet (Lowrie/Smith/Hill, 1999, S. 15). Zur Überwachung der Lehrerbildung an TAFE-Instituten wurde ein Komitee der ANTA eingesetzt, das sogenannte National Staff Development Committee (NSDC), das sich später auch für die Überwachung und Standardisierung der Lehrerbildung außerhalb des TAFE-Bereichs einsetzte. 1996 wurde das NSDC jedoch bereits wieder aufgelöst und dessen Aufgaben gingen in einzelne Projekte über, wobei die Anzahl der Projekte äußerst begrenzt war (Harris et al., 1995, S. 63). Mit der Auflösung der ANTA liegt die nationale Koordinierung der Lehrerbildung nun bei der Commonwealth-Regierung, doch auch diese konnte bislang keine flächendeckenden Initiativen zur Standardisierung der Lehrerbildung im Berufsbildungsbereich realisieren (Gauld/Miller, 2004, S. 15). Einen Eckpunkt in der beruflichen Lehrerbildung stellte 1999 die Einführung der workplace trainer competencies dar, welche in das Certificate IV in Assessment and Workplace Training integriert wurden. Obgleich diese berufliche Qualifikation im nationalen AQF verankert ist, stellt sie keine generell verpflichtende Mindestanforderung bei den TAFE-Instituten und bei anderen RTOs dar. Einige Bundesstaaten setzen einen Bachelor – und somit einen Hochschulabschluss voraus, andere verlangen lediglich ein berufliches Zertifikat oder ein diploma. Laut einschlägiger Studien (Gauld/Miller, 2004; Mathers, 1997; Harris et al., 2001) ist das Certificate IV in Assessment and Workplace Training jedoch die Qualifikation, die die meisten Lehrenden vorweisen können. Diese Qualifikation ist auf der vierten Stufe des Qualifikationsrahmens angesiedelt und steht somit lediglich eine Stufe über dem Abschluss der Sekundarstufe II und unterhalb der universitären Qualifikationen. Dies stellt auch im Sinne einer Mindestqualifikation ein relativ niedriges Niveau im Rahmen der Lehrerbildung, insbesondere hinsichtlich der pädagogischen Fähigkeiten und Kenntnisse, dar. Die Studie von Harris et al. ergab, dass in South Australia nur 54 % der TAFE-Institute eine Mindestqualifikation bei der Einstellung von Lehrenden verlangen. Unter den privaten Anbietern fordern immerhin 81 % eine Mindestqualifikation, bei Unternehmen, die als RTO tätig sind, waren es 73 %. Der Grund für diese Abweichung ist, dass im TAFE-Bereich viele Lehrende erst während ihrer Lehrtätigkeit pädagogische Qualifikationen erwerben bzw. an-
3.4. Die ordnungspolitisch-organisatorische Betrachtungsebene
181
gefangene Qualifikationen abschließen, wohingegen private Anbieter bereits abgeschlossene Qualifikationen ihres Lehrpersonals eher voraussetzen (Harris et al., 2001, S. 30). Obgleich das Certificate IV in Assessment and Workplace Training die Qualifikation ist, die die meisten Lehrenden vorweisen können, ist deren Erwerb auf unterschiedliche Weise möglich (ebenda, S. 20). Die meisten Lehrenden erwerben es in einer Teilzeit- oder Vollzeitqualifizierungsmaßnahme an einem TAFEInstitut, da dieser Abschluss auf einem training package basiert. Andere formale pädagogische Qualifikationen auf einem höheren Niveau (Diploma bis Doctoral Degree) werden im Rahmen eines Hochschulstudiums erworben, wobei formale pädagogische Qualifikationen – jedoch nur bis zum Graduate Level – auch außerhalb der Universität erworben werden können. Auch die TAFE-Institute bieten in diesem Bereich diverse Programme und Kurse an. Die fachliche Qualifikation wird einerseits informell durch Arbeitserfahrung vertieft sowie durch fachspezifische Kurse ergänzt, die ebenfalls von TAFE-Instituten, aber auch von anderen RTOs angeboten werden. Obgleich das Interesse an formalen und auch informellen Weiterbildungsmaßnahmen aus Sicht der Lehrenden sehr groß ist, konstatieren viele, dass der damit verbundene zeitliche und finanzielle Aufwand sehr hoch sei und es insbesondere hinsichtlich der Finanzierung nur begrenzte Unterstützung von Arbeitgebern gebe (ebenda, S. 38). Als Fazit kann festgehalten werden, dass die Aus- und Weiterbildung von Lehrenden im beruflichen Sektor hinsichtlich nationaler berufsbildungspolitischer Ziele eine untergeordnete Rolle spielt. Lowrie/Smith/Hill kritisieren, dass die professionelle Lehrerbildung aus nationalen bildungspolitischen Zielen und Maßnahmen ausgeschlossen werde (Lowrie/Smith/Hill, 1999, S. 89). Lehrerbildung findet somit größtenteils im Rahmen der Eigeninitiative und mit Unterstützung von den Aus- und Weiterbildungsanbietern statt. Die mangelnde Lehrerbildung wird von vielen Institutsleitern als großes Problem angesehen, da qualifizierte Lehrkräfte, die nicht nur über Fachkenntnisse verfügen, sondern auch einschlägige pädagogische und didaktische Fähigkeiten und Kenntnisse vorweisen können, dringend benötigt werden. Aus diesem Grund ist es nicht erstaunlich, dass viele Lehrende die Lehrerbildung als große Herausforderung für die Zukunft des australischen Berufsbildungssystems ansehen (Interview Part II, Frage 7.1):
„So how the professional development we need to put in place for teachers continues be a challenge“ (Curriculum Development, Canberra Institute of Technology, P12).
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Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
3.5. Die didaktisch-curriculare Betrachtungsebene Die didaktisch-curriculare Ebene des CBT-Ansatzes ist im Spannungsfeld von Rahmenvorgaben der Commonwealth-Regierung und deren Realisierung auf Ebene der States/ Territories zu verorten. Dieses Spannungsfeld gilt es im Folgenden anhand der Vergleichskriterien zu analysieren, wobei im Mittelpunkt die curricularen Vorgaben (training packages), Qualifikationen und Qualifizierungswege stehen. 3.5.1. Training packages als curriculare Vorgaben Eine der wichtigsten Reformen in der australischen Berufsbildung stellt die Einführung der training packages 1997 dar, welche die bisherigen nationalen und bundesstaatlichen Curricula ablösten und seither als national einheitliche curriculare Richtgröße dienen (Harris, 2001, S. 235). Zwischen 1997 und 2004 wurden insgesamt 81 training packages entwickelt, national anerkannt und implementiert, von denen 72 industriespezifisch und 9 unternehmensspezifisch definiert wurden (Blythe, 2004, S. 6). Training packages wurden von der ANTA initiiert, die damit das primäre Ziel verband, zum einen die nationale Konsistenz von Curricula und zum anderen die direkte Einflussnahme der Wirtschaft auf berufliche Qualifizierungswege und Qualifikationen zu gewährleisten (Simmons, 2002, S. 55). Um deren Interessen und Anforderungen gerecht zu werden, wurde der Wirtschaft die Verantwortung sowohl für die inhaltliche Festlegung der Kompetenzen innerhalb der training packages als auch für die Definition der entsprechenden Qualifikationsstufen, auf denen die beruflichen Qualifikationen anzusiedeln sind, übertragen. Dennoch wehren sich Befürworter der training packages gegen den Vorwurf, dass diese ausschließlich die Interessen der Wirtschaft vertreten, und somit lediglich deren Produkt seien (Schofield/McDonald, 2004, S. 14). Die Nachfrage nach Qualifizierungswegen innerhalb der training packages hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen, was zum einen auf deren quantitative Erhöhung, zum anderen aber auch auf die qualitative Verbesserung aufgrund der durchgeführten Review-Prozesse zurückzuführen ist. Im Jahr 2000 befanden sich ca. 377.300 Teilnehmer in einer beruflichen Qualifizierungsmaßnahme, die auf einem training package basiert, 2004 waren es bereits 811.200. Im Gegensatz dazu ist die Anzahl an Teilnehmern in akkreditierten Kursen, denen kein training package zugrunde liegt, von 1.244.300 (2000) auf 708.600 gesunken (2004) (NCVER, 2006c, S. 50). Eine Übersicht über die Anzahl von Aus- und Weiterzubildenden in training packages im Verhältnis zu anderen national oder lokal akkreditierten Kursen findet sich in Tabelle 3.5.
183
3.5. Die didaktisch-curriculare Betrachtungsebene
Programm
2000
2001
2002
2003
2004
2005
Training package National anerkannter Kurs ohne training package Lokal anerkannter Kurs ohne training package Kurs ohne Qualifikation Gesamt
377.300
553.500
692.900
788.100
811.200
863.400
869.000
771.600
619.600
439.500
372.400
344.700
375.300
248.600
269.800
389.800
336.200
290.500
86.300
105.500
100.600
100.300
75.400
142.700
1.707.900
1.679.200
1.682.900
1.717.700
1.595.200
1.641.300
Tabelle 3.5.: Teilnehmeranzahl nach Kursangebot; Quelle: NCVER, 2006c, S. 50
Zur Struktur der training packages Training packages werden branchenspezifisch oder unternehmensspezifisch entwickelt und beschreiben spezifische, für eine erfolgreiche Durchführung von Aufgaben am Arbeitsplatz erforderliche Fähigkeiten und Kenntnisse. Der Fokus liegt dabei auf inhaltlich standardisierten Leistungsanforderungen, welche in Form von Kompetenzstandards festgelegt werden. So definiert die ANTA die training packages wie folgt: „A training package is a set of nationally endorsed standards and qualifications for recognising and assessing people’s skills in a specific industry, industry sector or enterprise“ (ANTA, 2002, S. 4).
Training packages beinhalten drei Komponenten, die auf nationaler Ebene implementiert werden: 1. Competency standards: Die Outcomes werden in Form von Kompetenzstandards, welche die konkreten Leistungsanforderungen in einer spezifischen Arbeitsplatzsituation beinhalten, definiert. Competency standards sind modular strukturiert und setzen sich – wie bereits unter 3.3.5 dargestellt – aus einer bestimmten Anzahl an Kompetenzmodulen (units of competency), Kompetenzelementen (elements of competency) und zugehörigen Leistungskriterien (performance criteria) zusammen (Harris et al., 1995, S. 107). Units haben den Charakter einer Teilqualifikation und sind somit auch ohne den Erwerb einer Gesamtqualifikation auf dem Arbeitsmarkt verwertbar (Schofield/McDonald, 2004, S. 23).
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Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
2. Qualification: Die training packages beinhalten die Bezeichnung der zu erwerbenden Qualifikation und die Beschreibung der hierfür erforderlichen Kompetenzmodule. Qualifikationen, die durch ein training package erworben werden, müssen Bestandteil des AQF und somit national anerkannt sein, wodurch die Transparenz und die nationale Akzeptanz sichergestellt werden (ebenda, S. 25). 3. Assessment guidelines: In den training packages sind Richtlinien über die Prüfung der einzelnen Kompetenzmodule verankert (DET, 2003, S. 4), denen die Idee eines flexiblen und individuellen Prüfungssystems, des sogenannten assessment on demand, zugrundeliegt. Das bedeutet, dass Prüfungen individuell auf Anfrage des Lernenden erfolgen und nicht an bestimmte Kurse gebunden sind (Billett et al., 1999, S. 89 ff.). Neben den drei Hauptbestandteilen gibt es weitere optionale Komponenten, die als support material bezeichnet werden, jedoch nicht verbindlich für alle training packages entwickelt und implementiert werden. Hierzu zählen ergänzende Informationen zur Durchführung praktischer und theoretischer Prüfungen, Handreichungen zur Entwicklung und Umsetzung von Lernstrategien sowie allgemeine Informationen für Ausbilder, Lehrer und Prüfer (DET, 2004, S. 4). Bei der strukturellen Zusammensetzung der training packages wird deutlich, dass der Outcome, sprich die Kompetenzstandards, welche die Lernziele im Lernprozess darstellen, im Vordergrund steht. Die Outcome-Orientierung als Kernmerkmal des CBT-Ansatzes wird somit in den training packages fortgeführt. Unabhängig vom Lernweg und Lernort werden durch die Anbindung an den AQF national standardisierte und anerkannte Qualifikationen, d. h. dieselben Outcomes erreicht. Der oftmals artikulierten Kritik, dass durch die Outcome-Orientierung die Lernprozesse und der Input im CBT-Ansatz außer Acht gelassen werden könnte, wird durch die training packages begegnet. Wenngleich auch hier die Kompetenzstandards die determinierende Größe darstellen, besteht dennoch der Anspruch auf individuelle und flexible methodische Gestaltung adäquater Lernprozesse, was jedoch im Verantwortungsbereich der Lehrenden liegt (Simons et al., 2003, S. 20). Training packages bestimmen somit nicht nur den Outcome, sondern erheben den Anspruch auf ganzheitliche Lernprozesse, was durch folgende Aussage eines Berufsbildungsforschers bestätigt wird (Interview Part I, Frage 2.1): „I think the training packages has confused in the mind of a lot of people outcomes and processes. And they are really both the process to achieve the outcome“ (University of Technology Sydney, A6).
Die training packages wurden – wenn auch nicht verbindlich standardisiert (Down, 2000, S. 1) – durch das support material erweitert, durch das den Lehrenden Hand-
3.5. Die didaktisch-curriculare Betrachtungsebene
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reichungen zur methodischen und medialen Gestaltung des Lernprozesses zur Verfügung stehen. Die Entwicklung geeigneter Lehr-Lern-Materialien (Lehrbücher, Online-Programme u. a.) erfolgt jedoch durch die privaten und öffentlichen Anbieter selbst und somit nicht zentral und national einheitlich (Schofield/McDonald, 2004, S. 28). Das hat zur Folge, dass Lehrende mehr Flexibilität hinsichtlich der Gestaltung des Lernprozesses haben, sie jedoch auch gefordert sind, eigene Lernstrategien und -materialien zu entwickeln und einzusetzen. Somit müssen die in den training packages vorgegebenen Outcomes nicht nur in konkrete Lehrpläne mit Zeitangaben und Lehrmethoden transferiert, sondern auch entsprechende Lehrbücher und Aufgaben entwickelt werden, anhand derer die Outcomes vermittelt werden. Da dies sehr viel Expertise, Zeit und Geld beansprucht, verkaufen die größeren TAFE-Institute ihre Materialien an kleinere und private Anbieter, die nicht die notwendigen Ressourcen für die Entwicklung eigener Lehrressourcen besitzen. Aufgrund der fehlenden Qualitätskontrolle in der Entwicklung der Lehrmaterialien gibt es sehr große Unterschiede, und die erfolgreiche Implementation eines training package kann in Abhängigkeit von der jeweiligen Qualität und dem Niveau dieser divergieren. Dies wird insbesondere von Lehrenden an kleinen Instituten, welche von den Materialien anderer abhängig sind, kritisch gesehen, da sie die Qualität häufig als nicht ausreichend empfinden (Interview Part II, Frage 1.4):
„There are no really good commercial text books on any of our training packages at all. It is quite a big problem producing good quality resources to back up the training packages“ (Hospitality, William Angliss Institute of TAFE, P15).
Aus diesem Grund sehen Schofield/McDonald einen Reformbedarf darin, Standardisierung und qualitative Konsistenz in den Lehr-Lern-Materialien durch eine Evaluation und Veröffentlichung kommerzieller Lehrbücher zu erzielen (Schofield/McDonald, 2003, S. 18). Somit könnte die Transparenz in den Lernprozessen erzielt und ein Instrument zur Qualitätssicherung etabliert werden. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Struktur der training packages einen Fokus auf die Outcomes erkennen lässt und dass Input und Lernprozess individuell und flexibel gestaltet werden. Es ist jedoch auch erkennbar, dass die training packages durch methodische Handreichungen (support material) erweitert wurden, und obgleich diese optional und nicht in allen training packages verankert sind, kann man doch daraus folgern, dass Input und Prozess zunehmend auch in die nationalen Vorgaben integriert werden.
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Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
Zu den Entwicklungs- und Review-Prozessen der training packages Training packages werden von den Industry Skills Councils entwickelt und nach der Validierung durch das National Quality Council vom DEST erlassen (Australian Education International, 2006, S. 52). Die Überwachung und Koordination der Entwicklungs- und Review-Prozesse lag bei der ANTA und wurde mit deren Auflösung an das DEST übergeben, wobei seitdem auch die Finanzierung von diesem getragen wird. Im Durchschnitt erfolgt alle drei Jahre ein ReviewProzess, in welchem die Qualität und Aktualität der training packages überprüft wird (Smith/Keating, 2003, S. 63 f.). Dies erfolgt in zwei Phasen: In der ersten Phase (Dauer ca. sechs Monate) werden auf der Basis von Forschungsarbeiten von Experten privater und öffentlicher Institutionen Analysen und Empfehlungen veröffentlicht. In der zweiten Phase werden unter Zugrundelegung der erstellten Berichte bestehende training packages modifiziert und weiterentwickelt und gegebenenfalls neue definiert (ANTA, 2001c, S. 85). Hinsichtlich der Zuständigkeiten lässt sich eine klare Kompetenzverteilung dahingehend feststellen, dass in den Entwicklungs- und Review-Prozess ausschließlich Vertreter der Wirtschaft involviert sind (Simons et al., 2003, S. 19), wohingegen die Aufgaben der Entwicklung von Lehr-Lern-Materialien zur Umsetzung der training packages primär den Lehrenden zuteil wird (siehe Abbildung 3.1). Competency standards drawn up by ITABS or other bodies Curriculum development carried out by VET providers or purchased eg training package support material Curriculum delivery carried out by VET providers Evaluation carried out by VET providers and as part of training package reviews Abbildung 3.1.: Entwicklungsprozess der training packages; Quelle: Smith/Keating, 2003, S. 122
Die Exklusion der Lehrenden vom Entwicklungs- und Review-Prozess training packages stößt auf unterschiedliche Reaktionen seitens der Berufsbildungsforscher und Vertreter der Berufsbildungspraxis. Die Mehrheit der Forscher sieht es als notwendig an, dass Lehrende und Pädagogen stärker in die Entscheidungsprozesse eingebunden werden, da sie einen wertvollen Input hinsichtlich der Implementierfähigkeit von training packages bieten können. Dies wurde auch im Rahmen der Interviews deutlich (Interview Part I, Frage 2.2): „I think teachers should be more involved in the development process, because competencies are what people in occupation need to be able to do and maybe employers and
3.5. Die didaktisch-curriculare Betrachtungsebene
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industry people can’t define that“ (Monash University, A5). „People who understand what learning is should be there. There is not much point in trying to design a learning packages if you don’t know what learning is“ (Griffith University, A8).
Erstaunlicherweise ist jedoch lediglich eine Minderheit der Lehrenden selbst der Meinung, dass sie stärker in den Entwicklungs- und Review-Prozess eingebunden werden sollten. Sie sehen sich vielmehr als „Implementierer“ und nicht als „Entwickler“ der training packages. Zudem wüssten Vertreter der Wirtschaft genauer, welche Anforderungen in den Unternehmen erforderlich seien (Interview Part II, Frage 1.2): „My particular point of view is no they shouldn’t because what we really need to do is meet industry’s needs. What we should really be doing is preparing people to work in the workforce and by having teachers involved we really restrict that process“ (Business, Box Hill Institute of TAFE, P2). „I have no problem at all saying that industry should define what the outcomes are, because the distinctive feature of vocational training is that the needs are extrinsically determined. We are training people or educating people for jobs“ (Curriculum Development, Canberra Institute of Technology, P12). „A lot of our teachers are part-time teachers, and most people would have no idea about how things get developed“ (Curriculum Development, TAFE NSW, P13). „I don’t believe teachers, educators and trainers have a role in specifying the competencies. On the other hand I believe teachers have their part in responsibility on how to get to that point“ (Consultant, O5).
Aus den Aussagen der Lehrenden geht hervor, dass deren Hauptaufgabe darin besteht die Lernenden ausreichend auf die Berufstätigkeit vorzubereiten. Dabei sei es nicht notwendig, bei den Entwicklungs- und Review-Prozessen mitzuwirken. Vielmehr sei es Aufgabe der Lehrenden, die curricularen Vorgaben der training packages didaktisch aufzubereiten und in einem lernerzentrierten Lernprozess zu realisieren. Schwierigkeiten im Entwicklungs- und Review-Prozess wurden von den Vertretern der ANTA und des DEST sowie von einigen Berufsbildungsforschern hinsichtlich unterschiedlicher Bereiche artikuliert. Als größte Hürde wird der hohe zeitliche und finanzielle Aufwand der Prozesse empfunden. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Verantwortung für die Entwicklung und den Review der training packages bei Vertretern der etablierten Wirtschaftsbranchen und großen Unternehmen liegt, die in den Industry Skills Councils vertreten sind, während kleinere und mittlere Unternehmen somit unterrepräsentiert sind und ihre Anforderungen und Bedürfnisse nicht einbringen könnten (Interview Part I, Frage 2.2):
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„The people who become active within those organisations are almost exclusively the representative of either very large enterprises or of business peak organisations. And those people usually know very little about their industry at the grassroots level and particularly about the occupations at the non-professional level, because that is not where they come from. They have a macro perspective that does not take account of the very important micro differentiations. And they have a big business orientation which means that the very different needs of small and medium sized enterprises are lost entirely in the process“ (University of Technology Sydney, A4).
Folglich ist festzuhalten, dass die Forderung nach mehr Diversität bezüglich des Verantwortungsbereichs für die Entwicklung und den Review von training packages insbesondere von den Berufsbildungsforschern, aber auch von Vertretern der Bildungsverwaltung artikuliert wird. Somit sollen die ISCs, die sich primär aus Vertretern der etablierten und großen Wirtschaftsbranchen zusammensetzen, zum einen durch Pädagogen und Vertreter der Berufsbildungspraxis und zum anderen durch Vertreter der kleineren und mittleren Unternehmen beratend begleitet werden. Zu den Auswirkungen der training packages auf die Berufsbildung Mit der Einführung der training packages fanden hinsichtlich der curricularen Vorgaben nicht nur strukturelle Veränderungen hinsichtlich der Erweiterung der Outcome-orientierten Kompetenzstandards durch methodische Handreichungen statt, sondern auch ein Perspektivenwandel, der den Input und den Lernprozess stärker fokussiert. Dieser Fokus wird dahingehend deutlich, dass die training packages hinsichtlich der methodischen Gestaltung mehr Flexibilität und Anpassungsfähigkeit an die individuellen Bedürfnisse der Lernenden avisieren (Misko, 2001, S. 22). Berufsbildungsforscher sowie die Vertreter der ANTA und des DEST sehen diese Flexibilität der training packages als positiv an, gleichzeitig wird deutlich, dass die training packages die Grundprinzipien des CBT-Ansatzes manifestieren und diese als eine zweite Generation des CBT-Ansatzes angesehen werden (Interview Part I, Frage 2.1): „The training packages were brought in to bring about more flexibility so that they could be adapted and customised to local situations. So it was another manifestation of the fundamental principles of CBT“ (University of South Australia Adelaide, A10). „The training packages are a second generation for CBT and efforts were made to make the training packages more flexible and efforts were also made to allow the practitioner to use professional judgement“ (University of Melbourne, A3).
Eine durch die training packages bewirkte inhaltliche Veränderung, die von der Mehrheit der Berufsbildungsforscher und auch der Lehrenden wahrgenommen
3.5. Die didaktisch-curriculare Betrachtungsebene
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wird, ist eine Loslösung von eng definierten Kompetenzeinheiten. Die in den training packages weiterentwickelten Kompetenzstandards sind umfassender angelegt und weniger stark auf einzelne unabhängige Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse ausgerichtet: „The national competency standards which have been mandated by the ITABs were generally fairly narrow and when training packages were introduced, they took in a much wider scope“ (University of Technology Sydney, A4).
Gleichzeitig wird sowohl von den Berufsbildungsforschern als auch von den Lehrenden eine unterschiedliche inhaltliche Akzentuierung innerhalb dertraining packages wahrgenommen. Training packages forcierten einen noch stärkeren Bezug zur Arbeitswelt (Karmel, 2006, S. 4; Schofield/McDonald, 2004, S. 12); und insbesondere Lehrende seien gefordert, diesen Bezug umzusetzen und sich von der traditionellen „Klassenzimmer-Mentalität“ zu lösen: „It shifted educators thinking away from the classroom and more into what was required at the workplace. And that was the political purpose to make people more responsive“ (University of South Australia Adelaide, A10). „I suppose the concept of training packages really is to force the assessment of people against workplace competencies. I think that is the change that ANTA sought with training packages.“ (DET Queensland, O2).
Hierbei wird deutlich, dass die Operationalisierbarkeit der training packages und die Umsetzung von Kompetenzstandards im Vordergrund stehen, welche den Anspruch erheben, reale Prozesse und Situationen aus der Arbeitswelt zu reflektieren (Australian Education International, 2006, S. 52). Die umfassendsten Veränderungen bewirken die training packages in berufsbildenden Bereichen, in denen bis dato keine oder nur marginal ausgeprägte didaktisch-curriculare Strukturen vorhanden waren. Dies betrifft insbesondere die Bereiche des Dienstleistungssektors, in welchem im Gegensatz zu den Industrie- und Handwerksberufen keine Form der Lehrausbildung etabliert ist. Ein Vertreter von DET Queensland äußerte, dass mit der Einführung der training packages u. a. im kaufmännischen Bereich und im IT-Sektor neue Formen der Berufsbildung etabliert werden konnten, die weniger theoretisch als vielmehr handlungsorientiert ausgeprägt seien: „Probably the areas that have changed significantly are those areas where we don’t have apprenticeships for example business and IT. They used to be very theory-based courses and as a result from the introduction of competencies, those non-traditional apprenticeships have certainly become far more competency-based and that was with the introduction of training packages“ (DET Queensland, O2).
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Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
Lehrende, die vor der Einführung der training packages bereits an TAFE-Instituten unterrichteten, sehen einige praktische durch die training packages bewirkte Veränderungen. So seien Lehrinhalte in den training packages praxisbezogener und der Anteil theoretischer Module sei reduziert. Auch würde im Vergleich zu vorhergehenden Curricula Prüfungen eine größere Rolle beigemessen (Interview Part II, Frage 1.2): „Prior to training packages I was teaching a lot more theory subjects and now I changed to more practical subjects and probably there’s more assessment under the training packages than there was before“ (Hospitality, Box Hill Institute of TAFE, P3).
Insgesamt stellen die training packages neue Herausforderungen an die Lehrenden (Schofield/ McDonald, 2004, S. 11), welche sich bspw. in einem neuen Bewusstsein gegenüber den Lernenden äußert. Training packages implizieren eine individuellere Form des beruflichen Lernens, welche durch die Lehrenden begleitet und unterstützt werden soll. Wie bspw. eine befragte Beraterin der ANTA festhielt, liegt es im Aufgabenbereich des Lehrenden, die Lernenden mit adäquaten Methoden und Mitteln zu dem angestrebten Qualifikationsniveau zu führen: „I think it was that the profession split between those who just couldn’t cope and those who saw that this was a chance for them to be real professionals, true professionals. So I think it has made them more aware of one-size does not fit all, it has made them more aware of individual student progression rather than class cohort movement. I think it has forced them to think more creatively rather than just failing someone. They had to think about how am I going to get this person to this level“ (Consultant, O5).
Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass mit der Einführung der training packages die Grundprinzipien des CBT-Ansatzes gefestigt wurden, gleichzeitig jedoch auch einige Veränderungen bewirkten. Diese sind zum einen struktureller Natur, da nun nicht mehr nur Kompetenzstandards definiert werden, und zum anderen inhaltlicher Natur, was sich in erweiterten und umfassend definierten Kompetenzstandards manifestiert. Zudem werden die Praxisnähe und der Bezug zu realen Arbeitssituationen durch die inhaltliche Ausrichtung der Kompetenzstandards forciert. Diese Veränderungen werden von den meisten Berufsbildungsforschern, Lehrenden und auch von Vertretern der Bildungsverwaltung als positiv angesehen. Nichtsdestotrotz wird konstatiert, dass die inhaltliche Erweiterung der training packages nicht ausreichend sei und dass eine noch stärkere Akzentuierung allgemeinbildender Kenntnisse – Sprachkenntnisse, Rechtschreibung, Lesefähigkeit und mathematische Kenntnisse – erforderlich sei, welche die fachtheoretischen und fachpraktischen Fähigkeiten ergänzen (Schofield/McDonald, 2004, S. 15).
3.5. Die didaktisch-curriculare Betrachtungsebene
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Kritische Auseinandersetzung mit den training packages An den dargestellten Veränderungen, welche die training packages in der Berufsbildung erzielten, wird deutlich, dass der Widerstand gegenüber dem CBT-Ansatz kaum noch vorzufinden ist und die anfänglich vorwiegend negative Einstellung durch die training packages relativiert werden konnte. Insbesondere Berufsbildungsforscher und Vertreter der Berufsbildungspraxis sehen hier konzeptionelle Verbesserungen und positive Auswirkungen, die die training packages auf die Berufsbildung haben. Diese sollen im Folgenden systematisch anhand beispielhafter Aussagen der befragten Experten aufgezeigt werden (Interview Part I, Frage 1.2 und Part II, Frage 1.1). Im Anschluss daran sollen jedoch auch die kritischen Aussagen und die Schwierigkeiten, die mit der Umsetzung der training packages verbunden sind, demonstriert und analysiert werden. Ein Vorteil, den das Gros der Berufsbildungsforscher in den training packages sehen und der auch von den meisten Lehrenden so gesehen wird, ist die inhaltliche Breite und die daraus resultierende Flexibilität in der inhaltlichen Ausrichtung wie auch in der methodischen Gestaltung der Lernprozesse: „With the training packages now there is more scope for individual teachers to plan a process of learning“ (Griffith University, A8). „The training packages were extremely broad and fairly generic with an enormous amount of scope that you are able to work with the training packages with enormous flexibility to meet the needs of the businesses“ (SME, Box Hill Institute of TAFE, P7).
Ein weiterer positiver Aspekt der training packages ist die nationale Anerkennung von Qualifikationen, da zum einen die Outcomes national einheitlich definiert sind und zum anderen die beruflichen Qualifikationen, die innerhalb eines training package erworben werden, im national anerkannten AQF festgelegt sind. Dadurch werden Transparenz und Vergleichbarkeit der Teil- und Gesamtqualifikationen gewährleistet; ebenso ist die Transfermöglichkeit einzelner erworbener Kompetenzmodule in andere RTOs innerhalb und außerhalb der States/Territories möglich. Somit tragen die training packages zur Erreichung eines national einheitlichen Berufsbildungssystems bei, was insbesondere von offizieller Seite (DEST) als Vorteil angesehen wird: „The policy behind training packages is about having a more national and recognised system, having public confidence in that way that when you do the training and you get this qualification that is recognised“ (DEST, O4). „So with the training packages and CBT theoretically it is meant to be easier to be able to see where people are and match them into finishing a qualification somewhere else or articulating into the next level of qualification like a step ladder approach“ (University of South Australia Adelaide, A10).
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Ein weiterer Vorteil, der von den meisten Experten gesehen wird, ist die praxisnahe Ausrichtung der training packages und die Möglichkeit, eine anerkannte berufliche Qualifikation innerhalb eines training package direkt am Arbeitsplatz zu absolvieren (Simons et al., 2003, S. 25). Hiermit bietet sich einer Vielzahl von Arbeitnehmern die Möglichkeit, erworbene Kompetenzen anerkennen zu lassen und darauf aufbauend neue Kompetenzen zu erwerben und diese im Rahmen ihrer Arbeitstätigkeit prüfen und zertifizieren zu lassen: „The training packages were driven by industry and so they made it competency-based, because they want to assess on seeing that they can do the job“ (NCVER, A12). „We have a lot more delivery in the workplace and assessment in the workplace, because some of these competencies need to be assessed in the workplace context“ (Curriculum Development, Canberra Institute of Technology, P12).
Der durch die training packages forcierte Bezug zum Arbeitsplatz hat zur Folge, dass insbesondere TAFE-Institute zunehmend mit Unternehmen kooperieren, was wiederum dazu führt, dass Lernprozesse in Kooperation mit Unternehmen gestaltet werden und somit Kompetenzen sowohl am Arbeitsplatz als auch in einer theoretisch geprägten Lernumgebung erworben werden. Diese Aussagen lassen sich durch die Ergebnisse verschiedener empirischer Studien untermauern, so beispielsweise durch eine Untersuchung von Leary, in welcher eine Reihe von Vorteilen der training packages identifiziert werden (Leary, 2003, S. 4 f.). Training packages führen demnach zu einer nationalen Anerkennung der Berufsbildung, da ausschließlich Qualifikationen, die im national anerkannten Qualifikationsrahmen (AQF) verankert sind, erworben werden. Des Weiteren stellen sie die Grundlage für flächendeckend strukturierte Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen insbesondere für die Bereiche, in denen bislang lediglich eine marginale Durchführung und Anerkennung beruflicher Qualifizierung stattfand, dar. Durch die dominante Rolle der Wirtschaft in der Entwicklung und kontinuierlichen Überarbeitung der training packages werde zudem sichergestellt, dass den derzeitigen und zukünftigen Anforderungen der Wirtschaft gerecht wird (Schofield/McDonald, 2004, S. 25). Dies werde durch die modulare Struktur der Kompetenzstandards ermöglicht, da somit flexibel auf die veränderten Bedingungen und Anforderungen der Unternehmen, Regionen und Individuen eingegangen und adäquat auf den technologischen Wandel reagiert werden könne. Die den training packages attestierte Flexibilität äußere sich jedoch nicht nur im inhaltlich variierbaren Kompetenzerwerb und der damit einhergehenden kontinuierlichen Leistungsmessung, sondern auch in der Gestaltung einer lernerzentrierten Lernumgebung sowie in flexiblen Kooperationen zwischen Unternehmen und Anbietern und somit in einer gemeinsamen Gestaltung von Lernprozessen (Simons et al., 2003,
3.5. Die didaktisch-curriculare Betrachtungsebene
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S. 20). Training packages ermöglichen folglich verschiedene Wege des Kompetenzerwerbs, d. h., sie können entweder ausschließlich am Arbeitsplatz bzw. bei einem Ausbildungsanbieter oder in einer Kombination aus on-the-job- und offthe-job-training stattfinden. Die flexibilisierten Qualifizierungswege der training packages erweitern die Zugangsmöglichkeiten zu beruflichen Bildungsmaßnahmen und Qualifikationen für verschiedene Zielgruppen, so – u. a. für Jugendliche, die den Weg in eine Beschäftigung suchen, aber auch für Arbeitnehmer, die sich in einem Beschäftigungsverhältnis befinden und Kompetenzen erwerben möchten, die nicht nur innerhalb des Unternehmens, sondern auch außerhalb anerkannt werden (Schofield/McDonald, 2004, S. 30). Die Vorteile der training packages können anhand dreier Aspekten zusammengefasst werden: 1. Training packages ermöglichen mehr Flexibilität hinsichtlich der Qualifizierungsformen, der Anerkennung von Qualifikationen und der Gestaltung von Lernprozessen. 2. Training packages stärken ein national einheitliches Berufsbildungssystem, da sie standardisierte Vorgaben für alle States/Territories darstellen und ausschließlich Qualifikationen des AQF beinhalten. 3. Training packages bewirken eine praxisnahe Qualifizierung gemäß den Anforderungen der Wirtschaft und sichern somit in allen Bereichen von Industrie und Wirtschaft das Potenzial an qualifizierten Fachkräften. Demgegenüber stehen jedoch auch einige kritische Aussagen und Schwierigkeiten, die einerseits mit der Entwicklung, andererseits mit der Implementation der training packages verbunden sind.43 Simmons äußert einige Argumente, aus denen deutlich hervorgeht, inwiefern die Qualität und Akzeptanz der training packages in den einzelnen Bereichen der Berufsbildung divergiert. So hängen nach Simmons Qualität und Akzeptanz u. a. ab von der bestehenden Aus- und Weiterbildungstradition in den jeweiligen Branchen, von der Selektion der Verantwortlichen für die Festlegung der training packages und den dabei vertretenen Interessen, von der Entwicklung neuer Kompetenzstandards und von der Vorbereitung der Lehrenden auf die Umsetzung der training packages im Lernprozess (Simmons, 2002, S. 55). Obgleich die training packages gezielt auf die Anforderungen der Unternehmen abgestimmt sind und deren Akzeptanz bei diesen somit gewährleistet sein 43 Eine vertiefende Auseinandersetzung mit den Implementationsschwierigkeiten der training packages
erfolgt unter 3.7.3.
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sollte, stellt sich dies in der Praxis anders dar (Hellwig, 2006a, S. 85 f.). Insbesondere große Unternehmen würden nach Aussage eines Vertreters von Group Training Association of Victoria eigene Aus- und Weiterbildungskurse anbieten, welche nicht auf den training packages basieren und somit nicht zu einer national anerkannten Qualifikation führen. Folglich liegt die Schlussfolgerung nahe, dass die training packages nicht allen Unternehmen und allen Wirtschaftszweigen gerecht werden können – trotz des industry focus und der Dominanz der Wirtschaftsvertreter bei der inhaltlichen Ausarbeitung: „I think just the fact that a lot of our bigger or major employers set up their own training organisations, but don’t necessarily use the training packages - they design their own training - seems to me that training packages only suit one part of industry not all of industry and therefore not all of industry is driving“ (Group Training, O6).
Laut Schofield/McDonald stößt das Konzept der training packages bis heute in weiten Bereichen auf großes Un- und Missverständnis, obgleich die training packages in den meisten Wirtschaftsbereichen implementiert sind (Schofield/McDonald, 2004, S. 27). Dies liege darin begründet, dass die Kompetenzstandards innerhalb der training packages oftmals nicht eindeutig definiert seien. Schofield/McDonald und auch Leary kritisieren zudem, dass der Interpretationsspielraum, den die Kompetenzstandards zulassen, die nationale Konsistenz der training packages gefährde und dass es qualitative Unterschiede zwischen den training packages gebe (Leary, 2003, S. 8; Schofield/McDonald, 2004, S. 12). Schofield/McDonald identifizieren einige weitere Problemaspekte, die sie mit den training packages verbinden, und die wie folgt zusammengefasst werden können (Schofield/McDonald, 2004, S. 12): • Mangelnde Klarheit über die Zielsetzung und die Rolle der training packages im Berufsbildungssystem • Identifizierung des adäquaten Spezifizierungsgrades in den Kompetenzstandards • Angemessene Durchführung der Entwicklungs- und Review-Prozesse • Identifizierung adäquater Kompetenzstandards und die Möglichkeit, diese gemäß sich verändernden Anforderungen flexibel anpassen zu können • Qualität der Lehre Das Spannungsfeld, in welchem sich die training packages befinden, wird hierbei offensichtlich. Einerseits fordern Unternehmen, Lernende und Lehrende mehr Flexibilität hinsichtlich des Kompetenzerwerbs und der Inhalte, andererseits besteht
3.5. Die didaktisch-curriculare Betrachtungsebene
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die Nachfrage nach einem System mit standardisierten inhaltlichen Vorgaben und national anerkannten und verwertbaren Qualifikationen. Zu viel Flexibilität führt zu einer Degradierung national anerkannter Qualifikationen, während zu viel Reglementierung eine Eingrenzung des Konzepts der training packages zur Folge hat (Schofield/McDonald, 2004, S. 14). Das Konzept der training packages steht somit vor der Herausforderung, dieses Dilemma zu überwinden, um alle Akteure in der Berufsbildung gleichermaßen zufriedenzustellen und dadurch die Akzeptanz der training packages zu festigen bzw. zu erhöhen. Ausgewählte Vorschläge zur Reform der training packages Aufgrund der skizzierten Probleme sehen Schofield/McDonald (2004, S. 13 ff.) die Notwendigkeit, „neue Richtungen“ hinsichtlich der training packages einzuschlagen. Das Vertrauen in die training packages müsse gesichert und die Erkenntnis darüber, was diese erzielen können, müsse gestärkt werden. Hierfür bestehe in der Gestaltung der training packages Verbesserungspotenzial, wobei insbesondere die bereits integrierten Schlüsselkompetenzen noch stärker akzentuiert werden müssten. Bei den Entwicklungs- und Review-Prozessen der training packages sollten laut Schofield/McDonald neben den Vertretern aus der Wirtschaft auch Pädagogen und Vertreter aus der Berufsbildungspraxis involviert sein, um eine pädagogische Fundierung der training packages zu erzielen. Dieser Reformvorschlag stößt jedoch, wie bereits dargestellt, bei der Mehrheit der Lehrenden auf Widerstand, da diese ihre Aufgabe in der Realisierung und nicht in der Entwicklung der training packages sehen. Ein weiterer Reformvorschlag von Schofield/McDonald besteht in der Verbesserung der Qualität hinsichtlich der Gestaltung und Durchführung von Lernprozessen sowie der Leistungsmessung, wobei die individuellen Wege des Kompetenzerwerbs unterstützt und erweitert werden sollten (ebenda, S. 13). Auch bezüglich der Struktur der training packages artikulieren Schofield/Mc Donald einige Reformvorschläge und spezifizieren folgende Bestandteile, die sie für die Kompetenzstandards und den darin enthaltenen Kompetenzmodule als erforderlich ansehen (ebenda, S. 18): 1. Introductory section 2. Elements and performance criteria 3. Evidence Guide (erforderliche untermauernde Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten, die von verschiedenen Akteuren in der Berufsbildung entwickelt werden sollen und sich nicht ausschließlich auf die fachpraktischen Kompetenzen beziehen)
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4. Description of context (ein verbessertes range statement) 5. Recommended (not mandated) Resource Materials (geeignete Lehr-LernMaterialien, die von Lehrenden entwickelt wurden und anderen bereitgestellt werden sollen) Schlussfolgernd lässt sich konstatieren, dass mit den training packages auf nationaler Ebene eine einheitliche Struktur für berufliche Qualifikationen geschaffen und somit ein wichtiges bildungspolitisches Ziel zumindest formal erfüllt wurde. Des Weiteren forcieren die training packages die Philosophie des CBT-Ansatzes, was sich u. a. darin zeigt, dass der Fokus auch weiterhin auf den Outcomes in Form der Kompetenzstandards liegt und dass die Prämisse Flexibilität und Individualität durch die training packages gestärkt wird. 3.5.2. Der Australian Qualifications Framework als Standardisierungsinstrument beruflicher Qualifikationen 1991 führte das VEETAC-Komitee einen nationalen Rahmen, den Australian Qualifications Framework (AQF), für die Anerkennung von Kompetenzen ein (Harris et al., 1995, S. 79). Dieser beinhaltet folgende vier Kategorien (ebenda, S. 80 f.): 1. Prinzipien zur Anerkennung bereits erbrachter Lernleistungen (recognition of prior learning (RPL)) 2. Prinzipien für die Registrierung von Aus- und Weiterbildungsanbietern 3. Prinzipien für die Anerkennung von Kursen 4. Prinzipien für die Übertragbarkeit von Befähigungsnachweisen Ad 1.) Den Prinzipien zur Anerkennung bereits erbrachter Lernleistungen nach müssen Kompetenzen, unabhängig davon wie, wann und wo sie erworben wurden, von den RTOs anerkannt werden, sofern sie den inhaltlichen Anforderungen des jeweiligen Kompetenzstandards entsprechen.44 Des Weiteren verbirgt sich hinter diesen Prinzipien die Bereitschaft der Aus- und Weiterbildungsanbieter, den RPL-Prozess für alle Bewerber zugänglich und transparent zu machen und sie zu unterstützen. Ad 2.) Die Prinzipien der Registrierung von Aus- und Weiterbildungsanbietern beinhalten u. a. die Anforderung, dass Anbieter, die Kurse basierend auf training packages offerieren und Zertifikate für Qualifikationen des AQF ausstellen, 44 Siehe
dazu ausführlich 3.6.4.
3.5. Die didaktisch-curriculare Betrachtungsebene
197
als RTO registriert sein und über qualifiziertes Lehrpersonal verfügen müssen. RTOs müssen darüber hinaus adäquate Lernumgebungen bereitstellen und finanzielle Richtlinien zur Festsetzung von Kursgebühren befolgen, wodurch zu hohe Gebühren vermieden werden sollen. Ebenfalls Bestandteil dieser Prinzipien sind Kriterien zur Qualitätssicherung, welche die Qualitätsstandards des AQTF ergänzen. Diese legen u. a. fest, dass eine Registrierung nur für einen Zeitraum von fünf Jahren gültig ist und dass kontinuierlich Kontrollen von zuständigen Organisationen (State/Territory Registering Bodies) durchgeführt werden, im Rahmen derer überprüft wird, ob die Lernumgebung und die angewandten Lehrmethoden noch den erforderlichen Standards entsprechen (ANTA, 2005, S. 9). Ad 3.) Den Prinzipien für die Anerkennung von Kursen zufolge sollen diese auf den inhaltlichen Kompetenzstandards der training packages basieren und den definierten Niveaustufen entsprechen. Zudem muss nachgewiesen werden, dass Kurse flexible Ein- und Ausstiegsmöglichkeiten bieten und dass sowohl on-thejob- als auch of-the-job-Qualifizierungsmaßnahmen durchgeführt werden können. Informationen über das Kursangebot und über die Anrechnung von Kursen sollen transparent gemacht und die Kurse an individuelle Bedürfnisse angepasst werden. Durch die Prinzipien werden die Anbieter verpflichtet, angemessene Prüfungen durchzuführen und adäquate Evaluationsinstrumente der Kurse einzusetzen (Harris et al., 1995, S. 81). Ad 4.) Die Prinzipien für den Transfer von Befähigungsnachweisen legen u. a. fest, dass der Transfer von Gesamt- und Teilqualifikationen gewährleistet werden soll. Dieser ist jedoch mit der Bedingung verknüpft, dass ausreichende Informationen über den Kompetenzerwerb und über die Leistungen des Lernenden vorhanden sind und die inhaltlichen Standards der anzuerkennenden Befähigungsnachweise erfüllt werden (ebenda, S. 81). Neben diesen vier Prinzipien umfasst der AQF eine Übersicht von Qualifikationen, die national anerkannt sind und in unterschiedlichen institutionellen Kontexten erworben werden können. Die Qualifikationen des AQF umfassen drei Bereiche: den Schul-, den Berufsbildungs- und den Hochschulsektor, durch welche die drei Säulen des Bildungssystems in einem gemeinsamen Rahmen integriert werden (siehe Tabelle 3.6). Die beruflichen Abschlüsse, die im AQF erworben werden können, sind auf sechs Ebenen angesiedelt und reichen von den Certificate I-IV über ein Diploma bis zum Advanced Diploma. Programme für den Erwerb eines Certificate I oder II dauern ungefähr ein halbes Jahr; für ein Certificate III oder IV muss ein Jahr an einer Vollzeitschule absolviert werden (ANTA, 2000, S. 12). Der Erwerb eines Diploma bzw. eines Advanced Diploma ist auf eine Dauer von zwei bis drei Jahren angelegt. Eine Besonderheit des AQF – als eines der Kernmerkmale des CBT-Ansatzes – ist die Ausstellung eines Zertifikats über partiell erworbene
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Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
Qualifikationen, das als Statement of Attainment bezeichnet wird. Schools Sector
Vocational education and training sector
Senior Secondary Certificate of Education
Higher education sector (i.e. university)
Vocational Graduate Diploma Vocational Graduate Certificate Advanced Diploma Diploma Certificate IV Certificate III
Doctoral Degree Masters Degree Graduate Diploma Bachelor Degree Advanced Diploma Diploma
Certificate II Certificate I Statement of Attainment Tabelle 3.6.: Australian Qualifications Framework; Quelle: Australian Qualifications Framework, 2006
Die meisten Qualifikationen, die im Berufsbildungssektor erworben werden, entsprechen einem Certificate III – 2005 waren dies 38,7 % –, 21,9 % der Qualifikationen sind ein Certificate II und lediglich 8,3 % ein Certificate I. Im Bereich der höheren Qualifikationen lagen im Jahr 2005 15,8 % der Qualifikationen auf dem Level des Certificate IV, 15,3 % entsprechen einem Diploma oder einem Advanced Diploma (siehe Tabelle 3.7).
Diploma oder höher Certificate IV Certificate III Certificate II Certificate I Gesamt
2002 Abs. % (’000)
2003 Abs. % (’000)
2004 Abs. % (’000)
2005 Abs. % (’000)
197,3
17,2
188,4
16,6
175,9
15,7
173,1
15,3
193,9 381,7 287,8 88,4 1.149,1
16,9 33,2 25,0 7,7 100
198,3 400,3 264,2 86,9 1.138,1
17,4 35,2 23,2 7,6 100
189,6 408,1 248,2 82,7 1.104,5
17,3 36,9 22,5 7,6 100
179,1 437,7 248,0 94,0 1.131,9
15,8 38,7 21,9 8,3 100
Tabelle 3.7.: Erworbene Qualifikationen nach Qualifikationslevel; Quelle: NCVER, 2006b, Tabelle 19; eigene Darstellung
Eine Neuerung stellen die beruflichen Qualifikationen Vocational Graduate Certificate und Vocational Graduate Diploma dar, welche 2005 neu definiert und in den
3.5. Die didaktisch-curriculare Betrachtungsebene
199
AQF aufgenommen wurden. Diese beiden beruflichen Qualifikationen entsprechen den akademischen Niveaustufen, die über dem Bachelor-Niveau liegen – auf einem Niveau, auf welchem bislang keine beruflichen, sondern ausschließlich universitäre Qualifikationen erworben werden konnten. Die Voraussetzungen für den Erwerb dieser Qualifikationen sind je nach Fachgebiet unterschiedlich. So können formale berufliche Qualifikationen als Zugangsvoraussetzung definiert werden – bspw. ein einschlägiges Advanced Diploma oder Diploma – oder aber auch ein Certificate IV oder Certificate III. Auch allgemeine universitäre Qualifikationen wie ein Bachelor-Abschluss können als Voraussetzung für den Erwerb dieser höheren beruflichen Qualifikationen festgelegt werden. Es besteht zudem die Möglichkeit, die Zugangsvoraussetzung über einschlägige praktische Erfahrung zu definieren (AQF, 2005, o. S.). An dieser Stelle wird ein wichtiger Grundsatz des CBT-Ansatzes erkennbar: der flexible Ein- und Ausstieg in Qualifizierungsmaßnahmen, der sich einerseits auf die zeitliche Flexibilität bezieht, andererseits aber auch die Qualifikationsstufen des AQF betrifft. Der AQF unterstützt folglich das Prinzip des CBT-Ansatzes, in welchem der Schwerpunkt auf die Kompetenzen, über die eine Person am Ende der Qualifizierungsmaßnahme verfügt, und nicht lediglich auf die Eingangsvoraussetzungen gelegt wird. 3.5.3. Zu den Qualifizierungswegen im CBT-Ansatz Die im Rahmen des CBT-Ansatzes angestrebte Flexibilität bewirkt, dass berufliche Qualifizierungsmaßnahmen unterschiedliche Formen annehmen und auf unterschiedlichen Wegen realisiert werden können. Wie im Folgenden detailliert vorgestellt, gibt es neben dem Lehrausbildungssystem die Möglichkeit des off-the-jobund des on-the-job-training. New Apprenticeship Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die im Handwerk verankerte englische Form der Lehrausbildung nach Australien importiert (ANTA, 2000, S. 6); bereits 1894 wurden erste eigene Gesetze zur apprenticeship in Abgrenzung zu den englischen verabschiedet (ebenda, 2001a, S. 16; Ray, 2001). 1901 wurde der NSW Apprentices Act verabschiedet, der einen Reglementierungsrahmen für die Durchführung von Lehrausbildungen festlegte. So wurde das Mindestalter für Auszubildende von 12 auf 14 Jahre angehoben und der Lehrvertrag für alle ausbildenden Betriebe eingeführt. Zudem wurde die maximale Dauer der apprenticeship auf sieben Jahre festgesetzt und der Auszubildende wurde gezwungen, die Ausbildung spätestens mit Erreichen des 21. Lebensjahrs abzuschlie-
200
Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
ßen. Zum Schutz der Auszubildenden wurde die wöchentliche Arbeitszeit auf 48 Stunden beschränkt. Dem NSW Apprentices Act folgten weitere Gesetzgebungen auf Ebene der States/Territories, die Arbeitszeiten, Löhne und Arbeitsbedingungen für die Auszubildenden reglementierten. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden diverse Kommissionen und Ausschüsse von Arbeitgebern und Gewerkschaften ins Leben gerufen, um die apprenticeship zu institutionalisieren und um flankierende Bildungsmaßnahmen außerhalb des Arbeitsplatzes einzuführen (ANTA, 2001, S. 9). Bis Mitte des 20. Jahrhunderts etablierte sich die duale Form der apprenticeship, die eine dreijährige Ausbildungszeit vorsah und einen Tag pro Woche als off-the-job-training beinhaltete; die apprenticeship, die ausschließlich in einem Betrieb stattfand, wurde schrittweise abgeschafft. 1957 wurde die erste nationale Institution zur Reglementierung der apprenticeship, das Australian Apprenticeship Advisory Committee (AAAC), gegründet. Ein System finanzieller Unterstützung sowohl für Auszubildende selbst als auch für Arbeitgeber, die Auszubildende aus strukturschwachen Gegenden einstellten, wurde 1963 eingeführt. Diese finanziellen Maßnahmen wurden 1977 durch ein nationales System, das Commonwealth Rebate for Apprentice Full-time Training (CRAFT), ausgeweitet; um eine Basis für eine einheitliche nationale Reglementierung der apprenticeship zu schaffen, wurde das AAAC durch das Commonwealth and State Apprenticeship Committee (COSAC) ersetzt, (NCVER, 2001, S. 12). Mit der Einführung der new apprenticeship, einem neuen System der Lehrausbildung, wurde die traditionell geprägte Lehrausbildung modifiziert (Cowan, 2002, S. 27). Die new apprenticeship basiert auf einem Erlass der CommonwealthRegierung, dem Workplace Relations Act von 1996, in welchem die Berufsbildung und insbesondere die Lehrausbildungen mit dem Ziel der Vereinfachung, Flexibilisierung und Anpassung an die Anforderungen der Unternehmen reformiert wurden (Public Service and Merit Protection Commission, 1998, S. 4). Implementiert wurde das neue Ausbildungssystem jedoch erst 1998 mit der Errichtung von new apprenticeships centres (NACs), welche die Koordination der Lehrausbildungen übernahmen und das Ziel einer quantitativen Erhöhung und qualitativen Verbesserung der new apprenticeships verfolgten (Goozee, 2001, S. 96). Gleichzeitig wurden diesen eine neue Finanzierungsstruktur – das user-choice-Konzept – zugrunde gelegt, die ein zielgerichtetes und bedürfnisgerechtes System der Lehrausbildungen garantieren sollte.45 Die new apprenticeship integriert zwei bereits existierende Formen der Lehrausbildung in einem gemeinsamen Rahmen – das ein- bis zweijährige traineeship und die drei- bis vierjährige apprenticeship. Ihre Zielsetzung besteht darin, die 45 Siehe
hierzu die bereits unter 3.3 dargestellten Finanzierungsmechanismen.
3.5. Die didaktisch-curriculare Betrachtungsebene
201
Erwerbschancen von Jugendlichen zu steigern, die Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz zu erhöhen und die Lehrausbildungen auf neue Berufsfelder, z. B. Berufe im Technologiebereich und in expandierenden Wirtschaftszweigen auszudehnen (NCVER, 2001, S. 62). Innerhalb der new apprenticeship werden Arbeitsverträge zwischen Unternehmen und Auszubildenden geschlossen, welche die Unternehmen zur Bereitstellung und die Auszubildenden zur Inanspruchnahme von Ausbildungsmaßnahmen verpflichten. Die new apprenticeship beinhaltet in der Regel Lernphasen am Arbeitsplatz und Lernphasen außerhalb des Arbeitsplatzes bei einem privaten oder öffentlichen Aus- und Weiterbildungsanbieter (ebenda, S. 79). Diese Kombination aus on-the-job-training und off-the-job-training wird in der Regel durch ein RTO koordiniert, das die Verantwortung für die Bewertung aller Kompetenzelemente und für die Zertifizierung der am Ende erreichten Qualifikation trägt (Cowan, 2002, S. 27). Die Grundzüge insbesondere der traditionellen apprenticeship erscheinen als zeitlich geschlossene und normierte Ausbildungsprogramme zunächst konträr zu den Prinzipien des CBT-Ansatzes. So war die Dauer der traditionellen apprenticeship je nach Level der zu erwerbenden Qualifikation auf ein bis vier Jahre festgelegt. Betrachtet man jedoch die Strukturen und Zielsetzungen der new apprenticeship, so wird deutlich, dass der CBT-Ansatz auch in den Lehrausbildungen realisiert wird. Die Ausbildungsdauer wurde so weit flexibilisiert, dass anstelle zeitlicher Vorgaben individuelle Ausbildungspläne mit zeitlichen Richtwerten vereinbart werden. Dadurch soll ermöglicht werden, eine Lehrausbildung als ergänzende Weiterbildungsmaßnahme in Teilzeitform neben einer regulären Erwerbstätigkeit zu absolvieren (NCVER, 2001, S. 88). Die schulbasierte Form der Lehrausbildung, die school-based new apprenticeship, forciert eine weitere Flexibilisierung, indem sie ebenso in Teilzeitform und parallel zum Besuch der allgemeinbildenden Sekundarschule absolviert wird. Neben der zunehmenden Flexibilität stellt die Anbindung der new apprenticeship an die training packages und somit an den AQF eine grundlegende Anpassung an den CBT-Ansatz dar. Die in einer new apprenticeship erworbenen Qualifikation entspricht in der Regel einem certificate-III-Level (apprenticeship), ein traineeship führt zu einem certificate I oder II. Von den insgesamt 273.106 Auszubildenden, die 2006 eine new apprenticeship abschlossen, haben 25.300 diese auf dem AQF-Level I oder II, 102.100 auf dem Level II oder IV, 14.800 auf dem Level IV und 400 auf dem Niveau eines diploma oder advanced diploma abgeschlossen (NCVER, 2006c, S. 7). Im Vergleich zu den Vorjahren ist eine deutliche Zunahme an Lernenden in einer new apprenticeship vor allem auf höheren Qualifikationsniveaus zu verzeichnen; wurden im
202
Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
Jahr 2001 noch 54.100 certificate III abgeschlossen, so waren dies 2006 bereits 102.800 (siehe Tabelle 3.8).
AQF I/II AQF III AQF IV Diploma/Advanced Diploma
2001
2002
2003
2004
2005
2006
29.200 54.100 2.900 100
30.900 64.300 4.300 100
32.300 76.900 7.800 200
32.800 87.800 8.900 300
26.500 95.700 11.500 400
25.300 102.100 14.800 400
Tabelle 3.8.: Anzahl abgeschlossener new apprenticeships nach Qualifikationslevel; Quelle: NCVER, 2006d, S. 7; eigene Darstellung
Das berufsbildungspolitische Ziel im Rahmen der new apprenticeship ist eine weitere qualitative Steigerung, d. h., diese soll zu einer tendenziell höheren beruflichen Qualifikation führen. Da diese höheren Qualifikationen jedoch in der traditionell handwerklichen und technischen new apprenticeship bislang nicht oder nur bedingt vorgesehen sind, wurde die new apprenticeship auf unterschiedliche Berufsfelder im Dienstleistungssektor ausgeweitet und der Begriff der associate professionals eingeführt. Diese wurden u. a. für die Bereiche Naturwissenschaft (science), für das Ingenieurwesen (engineering and related associate professionals), für den kaufmännisch-verwaltenden Bereich (business and administration associate professionals) sowie für den Bereich der Gesundheits- und Pflegeberufe (health and welfare associate professionals) entwickelt und implementiert (Stanwick/Saunders, 2004, S. 23 f.). Laut einer Untersuchung von Stanwick/Saunders sind ca. 21.000 bzw. 5,7 % aller Auszubildenden in einer new apprenticeship mit dem Ziel eines associate professionals registriert. Die Untersuchung ergab, dass zwar der Begriff associate professional als Bezeichnung für Berufstätige unterhalb des professional level adäquat erscheint, die Bezeichnung new apprenticeship in diesem Zusammenhang jedoch als unpassend angesehen wird (ebenda, S. 30). Aus der Untersuchung geht hervor, dass die new apprenticeship als Qualifizierungsmaßnahme vor allem für Jugendliche angesehen wird, die keine akademische Ausbildung anstreben und in erster Linie mit handwerklichen und technischen Berufszweigen assoziiert ist. Diese Vorurteile konnten trotz intensiver Bemühungen zur Erhöhung der Akzeptanz und Attraktivität der new apprenticeship nicht ausgeräumt werden.
3.5. Die didaktisch-curriculare Betrachtungsebene
203
School-based New Apprenticeship Eine Besonderheit der new apprenticeship ist, dass diese im Rahmen der SBNA bereits von Schülern begonnen werden kann, die sich in der Sekundarstufe II der allgemeinbildenden Schule befinden (Cowan, 2002, S. 28). Die SBNA wurde 1997 eingeführt und erfordert einen Arbeitsvertrag zwischen Schüler und Arbeitgeber. Die Schüler verbringen i. d. R. einen Tag pro Woche im Betrieb, der zusätzlich zur regulären Unterrichtszeit aufgebracht, jedoch als Teil der on-the-job Lernphasen innerhalb der apprenticeship und traineeship anerkannt wird. Innerhalb der SBNA absolvieren die Schüler berufliche off-the-job-Lernphasen an einem RTO, als das die Schule selbst, aber auch ein anderer privater oder öffentlicher Anbieter als Partner fungieren kann (Smith/Wilson, 2002, S. 12). Im Vergleich zu anderen Schülern belegen SBNA-Schüler statt sechs nur fünf Unterrichtsfächer, müssen jedoch zusätzlich die fachtheoretischen und fachpraktischen Kompetenzmodule, die für die Lehrausbildung erforderlich sind, erwerben. Während ein traineeship, das lediglich ein bis zwei Jahre dauert, zumeist noch innerhalb der Schulzeit beendet wird, führen die Schüler bei der apprenticeship diese nach dem Schulabschluss fort und haben dadurch zunächst noch einen sicheren Arbeitsplatz. Wenngleich die SBNAs bislang nur in wenigen Regionen Australiens durchgeführt werden und 2001 lediglich 5.755 Schüler in einer SBNA registriert waren, so ist doch eine zunehmende Akzeptanz und Teilnahme festzustellen (Hager, 2004a, S. 8). Laut einer Studie von Zevenbergen/Zevenbergen sehen Schüler die Vorzüge der SBNAs bspw. in der Möglichkeit des Erwerbs einer Doppelqualifikation und des direkten Einstiegs in die Arbeitswelt (Zevenbergen/Zevenbergen, 2003, S. 208). Dies verleihe den Schülern Sicherheit bezüglich eines Arbeitsplatzes und somit auch in finanzieller Hinsicht. Zudem könnten die Schüler ihre Kommunikationsfähigkeit, ihr Selbstbewusstsein sowie ihre Leistungen in den praxisnahen Fächern sowie in den on-the-job-Ausbildungseinheiten verbessern. Die Ergebnisse einer Studie von Smith/Wilson zeigen, dass Schüler eine SBNA oftmals aus dem Grund wählen, da diese ihnen verschiedene Möglichkeiten in weiteren Bildungsgang- bzw. Berufsentscheidungen bietet und sie somit sowohl in den Berufsbildungssektor als auch in den universitären Bereich einsteigen können (Smith/Wilson, 2002, S. 32). Die Probleme, die Schüler und Lehrer in den SBNAs sehen, beziehen sich insbesondere auf die Koordination von schulischen und betrieblichen Tätigkeiten und dem damit verbundenen Arbeitsaufwand. Schwierigkeiten können in der Absprache zwischen Arbeitgebern und Schulen bezüglich der Freistellung für betriebliche Module und Prüfungen auftreten. SBNAs erfordern von Lehrern ein höheres Engagement und die Unterstützung der Schüler, was oftmals als zusätzliche Belastung angesehen wird und aufgrund fehlender finanzieller Mittel zu Unzufriedenheit der
204
Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
Lehrenden und Betreuer der SBNA-Schüler führe (ebenda, S. 14). Neben den SBNAs gibt es eine Reihe weiterer Formen der Integration von Berufsbildungs- und Schulsektor, die unter der Bezeichnung VET-in-schools-Initiative lanciert wurden. VET-in-schools-Programme basieren im Gegensatz zur SBNA nicht auf einem formalen Arbeitsvertrag, sondern umfassen eine Reihe von Möglichkeiten, außerschulisch eine berufliche Qualifikation zu erwerben. Dadurch soll Jugendlichen der Übergang von der Schule in die Erwerbstätigkeit erleichtert und der Erwerb einer Doppelqualifikation ermöglicht werden. VET-in-schoolsProgramme sind unterschiedlich organisiert: So können sich bspw. die Sekundarschulen als RTO registrieren lassen, wodurch sie zur vollständigen Durchführung der Programme berechtigt sind. Nicht als RTO registrierte Sekundarschulen können mit Unternehmen kooperieren, wodurch ein praxisnaher Erwerb beruflicher Qualifikationen am Arbeitsplatz ermöglicht wird. Sekundarschulen haben zudem die Möglichkeit, mit öffentlichen und privaten Aus- und Weiterbildungsanbietern zu kooperieren; die beruflichen Qualifikationen werden dann vorwiegend in Arbeitsplatzsimulationen erworben (Cowan, 2002, S. 30). Die Möglichkeit zum Erwerb von beruflichen Fähigkeiten und Kenntnissen bereits während der Sekundarschule stößt bei den Schülern auf zunehmende Akzeptanz. Im Jahr 2001 boten 95 % aller australischen Sekundarschulen VET-inschools-Programme an; 41,3 % aller Schüler der Sekundarstufe II nahmen an diesen Programmen teil (Hager, 2004a, S. 8). Wie Tabelle 3.9 zeigt, stieg die Anzahl der Teilnehmer insbesondere in den letzten Jahren an, und so nahmen 2003 bereits 48,3 % der Sekundarschüler an einem VET-in-schools-Programm teil, was insgesamt 202.900 Schülern entspricht (Nguyen, 2004, S. 4).
Anzahl Teilnehmer [abs.] Anzahl Teilnehmer [ %]
1999
2000
2001
2002
2003
139.400
153.600
169.800
185.500
202.900
34,6
38,0
41,3
44,3
48,3
Tabelle 3.9.: Anzahl der Schüler in VET-in-schools-Programmen; Quelle: Nguyen, 2004, S. 4
Ein Vorteil für die Schüler besteht darin, dass beispielsweise auch berufliche Kurse, die nur zu Teilqualifikationen führen, als Teil einer beruflichen Ausbildung anerkannt werden. Zudem steigen mit den zusätzlichen Fähigkeiten und Kenntnissen die Chancen, außerschulische Interessen verwirklichen zu können. Den Schülern wird ferner durch die Verbindung schulischer und beruflicher Inhalte die Möglichkeit geboten, so Hager, zu erfahren, welche Bedeutung allgemeinbildende Schulfächer wie bspw. Mathematik für die Berufswelt haben (Hager, 2004a, S. 8).
205
3.5. Die didaktisch-curriculare Betrachtungsebene
Doch auch für die Schulen selbst bieten die VET-in-schools-Programme einige Vorteile, da sich, bedingt durch ein erweitertes Kursangebot die Verbleibquote erhöht und weniger Jugendliche ihre schulische Laufbahn bereits nach der 10. Klasse abschließen. Ein attraktives Fächerangebot erhöhe zudem, so Hager, die Wahrscheinlichkeit, Schüler von anderen Schulen zu rekrutieren, was wiederum finanzielle Vorteile bringe. Ein weiterer Vorteil für die Schulen sieht Hager in der wichtigen Verbindung zwischen Schulen und örtlichen Unternehmen und Organisationen, die durch die VET-in-schools-Programme hergestellt und vertieft werden können (ebenda, S. 9). Als berufliche Qualifikation wird in einem VET-in-schools-Programm in erster Linie ein certificate II des AQF erworben. 2003 erlangten dies 64,5 % der Teilnehmer. 17,8 % der Teilnehmer erwerben ein certificate I und 9,1 % ein certificate III oder darüber. Teilnehmer einer school-based new apprenticeship erwerben in der Regel Qualifikationen auf Level II (76,2 %) oder Level III (20,2 %), und nur 3,4 % der Teilnehmer erwerben eine niedrigere Qualifikation (Nguyen, 2004, S. 7).
AQF IV oder höher AQF III AQF II AQF I Andere
Teilnehmer an VET-in-schoolsProgrammen [ %]
Teilnehmer an SBNA [ %]
2002 0,5
2003 0,5
2002 0,1
2003 0,2
7,5 64,5 14,2 13,4
9,1 64,5 17,8 8,1
19,0 80,8 0,1 0,0
20,2 76,2 3,4 0,0
Tabelle 3.10.: Abschlüsse in VET-in-schools-Programmen und SBNA; Quelle: Nguyen, 2004, S. 7
Wie Tabelle 3.10 verdeutlicht, ist das mehrheitlich im Rahmen einer SBNA oder eines VET-in-schools-Programms erlangte Qualifizierungsniveau tendenziell gering. Auch wenn aufgrund der zeitlichen Restriktionen und der Belastung durch die Doppelqualifikation mehrheitlich traineeships und keine apprenticeships absolviert werden, die jedoch „nur“ zu Qualifikationen des Levels II führen, überwiegen die positiven Seiten einer Kooperation zwischen Sekundarschulen und beruflichen Bildungsanbietern bzw. Unternehmen (Smith/Wilson, 2002, S. 25).
206
Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
Off-the-job-training Berufliche Qualifikationen können als off-the-job-training außerhalb einer Lehrausbildung an einem öffentlichen oder privaten Institut erworben werden.46 In Bereichen, in denen bisher keine training packages angeboten werden, können sogenannte accredited courses absolviert werden. Diese können sowohl von TAFEInstituten als auch von privaten Anbietern offeriert werden, benötigen jedoch die formale Zustimmung der State/Territory Registering Bodies. Die Gestaltung des off-the-job-training erfolgt – unabhängig davon, ob ein training package zugrunde liegt oder nicht – in der Regel nach individuellen Vereinbarungen zwischen Lernendem und Anbieter. Neben den Lerninhalten und der angestrebten Qualifikation wird dabei festgelegt, ob selbstgesteuert gelernt, ob ein Kurs besucht oder ob eine Kombination aus beiden gewählt wird. Zudem werden – was vor allem für selbstgesteuerten Lernphasen wichtig ist – für jedes Kompetenzmodul Zeitrichtwerte festgelegt, in denen das Modul erworben werden soll. Diese stellen für den Lernenden eine Richtlinie und für den Lehrenden bzw. Betreuer ein Kontrollinstrument für die Überwachung des individuellen Fortschritts im Kompetenzerwerb dar (NCVER, 2006a, S. 10). Maßnahmen des off-the-job training können entweder in einer Teilzeit- oder Vollzeitform erfolgen. Da sich die meisten Nachfrager in einem Beschäftigungsverhältnis befinden und eine zusätzliche Qualifikation erwerben möchten, werden zumeist Teilzeitangebote in Anspruch genommen. Die von den Instituten erhobenen Kursgebühren werden in den meisten Fällen von den Nachfragern selbst, in seltenen Fällen von den Unternehmen übernommen. Die Nachfrage nach den unterschiedlichen Angeboten variiert stark: So weist bspw. der Bereich management and commerce mit 27 % aller Beteiligten an Kursen außerhalb der new apprenticeship den höchsten Teilnehmeranteil auf. 17 % der in Anspruch genommenen Kurse stammen aus dem Bereich food, hospitality and personal services, 14 % aus dem Bereich society and culture, 8 % aus creative arts und jeweils 7 % aus den Bereichen engineering and related technologies sowie information technology. Eine geringere Nachfrage besteht bei Kursen der Bereiche architecture and building, agriculture, environment and related studies sowie health (McMillan/Rothman/Wernert, 2005, S. 11 f.). Interessant ist, dass laut einer Studie von McMillan/Rothman/Wernert (2005, S. 14 f.) die Mehrheit der Schulabgänger bzw. -abbrecher, die ein off-the-job training beginnt, dies innerhalb des ersten Jahres nach Abschluss bzw. Abbruch tut. Auch die höheren Qualifikationen (diploma-Level und höher) werden mehrheitlich im ersten Jahr nach Abschluss bzw. Abbruch der Sekundarstufe II begonnen. Ins46 Siehe
hierzu auch die Ausführungen zu den qualifizierenden Institutionen unter 3.4.4.
3.5. Die didaktisch-curriculare Betrachtungsebene
207
gesamt lässt sich schlussfolgern, dass das off-the-job-training zum einen durch die institutionelle Vielfalt öffentlicher und privater Anbieter und zum anderen durch die inhaltliche Vielfalt der Programme, Kurse und Qualifikationen eine wichtige Rolle in der Berufsbildung spielt. Die training packages, die den meisten off-thejob-Qualifizierungsmaßnahmen zugrunde liegen, forcieren den CBT-Ansatz auch hierbei, wenngleich dem Anspruch auf Praxisnähe lediglich durch Simulationen gerecht werden kann. Zwar stehen auch im off-the-job-training die Flexibilität und Individualität als Grundphilosophie des CBT-Ansatzes in der Gestaltung von Lernprozessen im Vordergrund, deren Umsetzung hängt jedoch von der personellen und materiellen Ressourcenausstattung ab, die je nach Größe des Anbieters stark variieren kann. On-the-job-training Berufliche Qualifikationen können auch ausschließlich am Arbeitsplatz erworben werden, sofern das Unternehmen die formalen Anforderungen an ein RTO erfüllt. Auch hier werden die meisten Qualifikationen innerhalb eines training packages erworben, wobei im Gegensatz zum off-the-job-training der Kompetenzerwerb direkt im Prozess der Arbeit erfolgt. Der Lernprozess ist dabei individuell gestaltbar, auch hier werden nominale Zeitrichtwerte definiert, deren Erfüllung vom Lehrpersonal und den materiellen Ressourcen des Unternehmens abhängig ist. Grundsätzlich lassen sich drei Formen des on-the-job training unterscheiden: Zum einen wird darunter das unstrukturierte, nicht akkreditierte Lernen im Prozess der Arbeit verstanden, zum anderen das strukturierte, nicht akkreditierte Lernen. Hierbei erfolgt ein formalisierter Qualifizierungsprozess, der jedoch nicht zu einer anerkannten beruflichen Qualifikation des AQF führt. Die dritte Form ist das strukturierte, akkreditierte Lernen, bei dem anerkannte Qualifikationen des AQF erworben werden und der Qualifizierungsprozess einem training package folgt – somit müssen sowohl die relevanten Kompetenzstandards als auch die Prüfungsrichtlinien erfüllt werden (Cully, 2005, S. 3). Laut einer Studie von Cully geben 79,2 % der Unternehmen in verschiedenen Wirtschaftszweigen an, dass sie unstrukturierte betriebliche Bildungsmaßnahmen durchführen, die nicht zu einer Qualifikation des AQF führen; 41,0 % der Unternehmen bieten nach eigenen Angaben strukturierte und akkreditierte betriebliche Bildungsmaßnahmen an. Im Durchschnitt geben Unternehmen pro Arbeitnehmer 458,40 A$ für strukturierte betriebliche Berufsbildungsmaßnahmen aus. Die Ausgaben variieren jedoch sehr stark zwischen den Wirtschaftsbranchen. So gibt bspw. der Bergbausektor durchschnittlich 1.643,00 A$ pro Arbeitnehmer aus, und auch der Finanz- und Versicherungsbereich sowie die Kommunikationsdienstleistung und der Sektor der Elektrizitäts-, Gas- und
208
Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
Wasseranbieter wenden überdurchschnittlich viele Mittel für die betriebliche Bildung auf. Im Gegensatz dazu investieren der Einzelhandel, das Baugewerbe, die Bereiche Tourismus und Gastronomie sowie Kultur und Freizeit sehr wenig in diesem Bereich (ebenda, S. 4). Im Gegensatz zum off-the-job-trainingforciert das on-the-job-training die Grundphilosophie des CBT-Ansatzes nicht nur in Bezug auf die Outcome-Orientierung, Flexibilität und Individualität, sondern auch aufgrund seines direkten Bezugs zu den Arbeitsprozessen hinsichtlich der Praxisnähe. Somit kann das on-the-job-training als „Urform“ des CBT-Ansatzes interpretiert werden. 3.6. Die Lernprozess-Ebene Der Lernprozess im CBT-Ansatz weist einige Besonderheiten auf, die einerseits auf die kompetenzbasierten curricularen Rahmenbedingungen, andererseits aber auch auf die zugrunde liegende Philosophie zurückzuführen sind. Im Folgenden wird der Lernprozess im CBT-Ansatz anhand spezifischer, bereits im Forschungsdesign definierter Kriterien beschrieben und kritisch reflektiert: • lerntheoretischer Hintergrund • Methodik • Leistungsmessung • Erfassung informeller und informell erworbener Kompetenzen • Rolle der Lehrenden und der Lernenden 3.6.1. Der lerntheoretische Hintergrund des CBT-Ansatzes Insbesondere die Anfänge des CBT-Ansatzes standen unter einer behavioristischen Prägung; einigen Kritikern des CBT-Konzepts zufolge herrscht jedoch auch heute noch eine zu starke Fokussierung auf behavioristische Zielen vor (Interview Part I, Frage 1.1 und 1.2): „In Australia the initial definitions that came out of government policy document were highly behaviourist. So they were about predictability, they were very narrow, then some academics got involved and tried to broaden that to make it holistic. So they started to refer to underlying attributes as being a basis for a performance that you can see. But again it is still behaviourist, because it is still what is predicted at the outset by some other group. That is the fundamental basis of what CBT is for.“ (Griffith University, A8)
3.6. Die Lernprozess-Ebene
209
Die objektive Messung von Verhalten anhand demonstrierter Fähigkeiten wird durch das Konzept der Kompetenzstandards realisiert, welche als Maßstab für die Zielerreichung dienen, ohne auf konstruktivistische und somit internalisierte Prozesse einzugehen. Ein behavioristisches CBT-Modell bietet durch die Beurteilung direkt beobachtbarer und somit externalisierter Kompetenzen eine erhöhte Kontrollmöglichkeit über den Lernfortschritt. Die auf behavioristischen Grundlagen basierende Outcome-Orientierung wird von einigen Berufsbildungsforschern bis heute als ein zentrales Merkmal des CBT-Ansatzes angesehen, was durch folgende Aussagen deutlich wird (Interview Part I, Frage 1.1): „The emphasis is outcomes-based, it is an outcomes-based model of education and so processes tended to be downplayed“ (University of South Australia Adelaide, A10). „My understanding of it is to make that the outcomes of all training meet the identified skill needs of industry“ (Monash University, A5). „CBT’s rhetoric is about outcome-based not time-based, it is focussed on the needs of industry, it is industry-driven“ (Griffith University, A8). „You are defining the end point of your training, but you are not defining the training“ (University of Technology Sydney, A4).
Andere Berufsbildungsforscher sehen hingegen eine Weiterentwicklung des CBTAnsatzes von einem ausschließlich behavioristischen zu einem holistischen und integrativen Modell, welches kognitive sowie übergreifende, situationsunabhängige Fähigkeiten und Kenntnisse gleichermaßen berücksichtigt wie beobachtbare praktische Fertigkeiten: „The conception or the construct of competency was technical and procedural. As time has gone by it is changing and in terms of practice of the concept it is moving into a more holistic approach and people are really adopting a more integrated model“ (University of Melbourne, A3). „So we found that the movement went from behaviour statements to statements about competence consisting of a number of components, capacities on single tasks, capacities to manage different kinds of tasks, capacities to solve problems and cope with contingencies and break-downs in routine and there were lots of that kind [...]“ (Griffith University, A8).
Diese von den Berufsbildungsforschern wahrgenommene Weiterentwicklung des CBT-Ansatzes illustriert die bereits im Rahmen der Arbeit theoretisch eruierte Entwicklung des Kompetenzbegriffs sowie der Entwicklung der Kompetenzstandards,47 die anfangs von behavioristischen Grundannahmen geprägt waren (Gonczi/Hager/Oliver, 1990, S. 10), jedoch im Laufe ihrer Entwicklung durch konstruktivistische Ansätze erweitert wurden. Dies lässt sich an weiteren Charakteristika 47 Siehe
hierzu die Ausführungen unter 2.3.
210
Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
des weiterentwickelten CBT-Ansatzes aufzeigen, die Rückschlüsse auf kognitive und konstruktivistische Ansätze erlauben. So werden der Lernprozess und der Input als flexible, individuell gestaltbare und somit nicht standardisierte Faktoren angesehen, die neben den zu erwerbenden Kompetenzen eine zentrale Rolle spielen. Hierbei stehen jedoch nicht mehr nur demonstrierbare, fachpraktische Kompetenzen im Vordergrund, sondern vielmehr übergreifende theoretische und praktische Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse, was durch die Integration der key competencies bzw. der employability skills realisiert wird. Durch die Verbindung fachtheoretischer und fachpraktischer Kompetenzen mit Schlüsselkompetenzen, die möglichst praxisnah erworben werden, wird im CBT-Ansatz ein Lernprozess avisiert, der Arbeit und Lernen in eine neue Relation stellt. Der Kompetenzerwerb findet im Rahmen einer bestimmten Tätigkeit statt und ist somit in den Arbeitsprozess integriert. Im Gegensatz zu formalen schulischen Lernprozessen wird damit ein kontextgebundenes Lernen, das von spezifischen Anforderungen am Arbeitsplatz geprägt ist, realisiert (ANTA, 2001c, S. 39). Durch die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit wird das individuelle und informelle Lernen gefördert und durch das kollaborative Lernen am Arbeitsplatz die Umsetzung von Lernnetzwerken, Lernorganisationen und Arbeitsgemeinschaften ermöglicht (Senge, 1994; Wenger, 2000). Der Erfolg eines lernunterstützenden Arbeitsprozesses ist dadurch nicht unmittelbar abhängig von Lehrern und Ausbildern, sondern konzentriert sich auf den Lernenden selbst, was wiederum selbstgesteuertes und selbstorganisiertes Lernen fördert. Gerade diese Aspekte werden den training packages attestiert, die im Sinne des flexible delivery lernerzentrierte Lernprozesse forcieren (Schofield/McDonald, 2004, S. 11). Dies wird durch folgende Aussage untermauert (Interview Part II, Frage 1.3): „More and more we are shifting more to the constructivist approach, where the learner is at the centre and we do negotiate“ (Research, Canberra Institute of Technology, P8).
3.6.2. Zur Methodik im CBT-Lernprozess Der CBT-Ansatz ermöglicht durch die Lernortunabhängigkeit eine weitreichende Flexibilität in der methodischen Gestaltung beruflicher Lernprozesse. Diese besitzen demnach je nach Lehrenden, Lernenden und verfügbaren Ressourcen eine unterschiedliche Ausprägung und stellen nach Aussagen der Lehrenden meist eine Kombination aus Frontalunterricht, Gruppen- und Teamarbeit sowie selbstgesteuerten Lernphasen dar. Diese nehmen mit der Entwicklung von Online-Lernressourcen zu und werden insbesondere von erwachsenen Arbeitnehmern, die sich in einem festen Beschäftigungsverhältnis befinden, in Anspruch genommen. Ihnen bietet sich dadurch die Möglichkeit, die erforderlichen Kompetenzmodule flexibel
3.6. Die Lernprozess-Ebene
211
und ohne an bestimmte Kurstermine gebunden zu sein, selbstständig zu erarbeiten (Simons et al., 2003, S. 30). Dieses self-paced learning und die durch den CBTAnsatz realisierte Methodenvielfalt (Smith, 1999, S. 108) werden nicht nur durch die Ergebnisse einer Studie von Smith et al., sondern auch durch folgende Aussagen eines NCVER-Vertreters sowie eines Lehrenden untermauert (Interview, Part II, Frage 3.1 und 3.2; Smith et al., 1997, S. 39): „If you are implementing CBT you also have to implement some type of independent learning along with it. The pure approach to self-paced learning is that people can come in and they work on their own and they have lecturers, facilitators in the room and they can go and ask to be assessed, they have resources, they have all those things for them, they can take as long as they like to use it within certain boundaries“ (NCVER, A9). „We get some students that will go through just with straight normal sitting in the classroom every day. The flexible delivery people are usually people studying at night and they will come in to some night classes and do a package and they might use the online computer work as well“ (Childcare, Canberra Institute of Technology, P9).
Aus den Interviews mit den Lehrenden an unterschiedlichen TAFE-Instituten wird deutlich, dass diese die Freiheit in der Methodenwahl mehrheitlich als positiv einschätzen. Es ist zudem erkennbar, dass Aspekte wie Flexibilität und Individualität, lernerzentriertes und kollaboratives Lernen im Hinblick auf die Methodik einen Vorteil des CBT-Ansatzes darstellt (Interview Part II, Frage 3.1 und 3.2): „I think you need to have a lot more flexibility with CBT, because you need to target things more at individuals“ (Hospitality, Box Hill Institute of TAFE, P3). „It’s very much student-centred learning, so the responsibility lies with the students. So I facilitate the learning, I don’t necessarily stand up at front and teach“ (Practice Firm, Box Hill Institute of TAFE, P6). „We are encouraging more and more collaborative learning engagement, where they work in teams, collaborative assessment, where there is peer assessment, and collaborative assessment between teacher and the learners themselves“ (Research, Canberra Institute of Technology, P8).
Die Ergebnisse der Studien von Simons et al. (2003, S. 48ff.) und Smith et al. (1997, S. 44 f.) verifizieren diese Aussagen. Viele Lernende sehen das selbstgesteuerte Lernen offensichtlich als positiv an, da sie den Lernfortschritt und die Dauer des Lernprozesses selbst festlegen und insgesamt selbständiger lernen können. Auch das Lernen in Lerngemeinschaften stößt laut Smith et al. im CBTAnsatz zunehmend auf Zustimmung, was sich darin zeigt, dass viele Lernende zunächst gemeinsam Lösungen erarbeiten, bevor sie den Lehrenden um Rat fragen.
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Nach Ansicht vieler Lehrenden (Interview Part II, Frage 3.3) eignen sich die selbstgesteuerten Lernphasen jedoch nicht für jeden Lerntyp – insbesondere jüngere Schulabgänger seien hierbei oftmals überfordert. Dies unterstreichen auch Smith et al., die feststellen, dass insbesondere für sozial benachteiligte Jugendliche mit einer geringen Schulbildung die lehrerzentrierte Form des Unterrichts bessere Lernergebnisse generiere (Smith et al., 1997, S. 45 f.). Diese Problematik bestätigen einige der Lehrenden: „The biggest difficulty for me is the fact that the students need to take more responsibility for their own learning in that sort of system and I don’t think a lot of 17-18 year olds, which is what we are training, have that responsibility for their own learning“ (Hospitality, Box Hill Institute of TAFE, P3). „Many learners don’t understand that the responsibility is largely theirs. It’s changing people’s perspectives of how learning now needs to happen. It’s about hands-on, it’s about accepting responsibility, it’s about working with the teacher or trainer, it’s about working with others in groups to enhance the learning experience“ (Research, Canberra Institute of Technology, P8).
Eine weitere Schwierigkeit in der Umsetzung lernerzentrierter Methoden sehen die Lehrenden darin, dass sie den unterschiedlichen Anforderungen und Bedürfnissen einer sehr heterogenen Gruppe aus verschiedenen Lerntypen mit unterschiedlichen Bildungsbiografien gerecht werden müssen. Idealerweise bestehe laut Aussage eines Vertreters aus der Berufsbildungspraxis eine direkte Interaktion zwischen jedem einzelnen Lernenden und dem jeweiligen Lehrenden und die am besten geeigneten Methoden werden individuell festgelegt: „If we are doing it the right way, we would negotiate with learners about their learning needs and put together a package of learning, which is equivalent to a qualification that is not only acceptable for the training provider but also acceptable for the employer, that is recognised around Australia by everybody and that also directly addresses the needs of the learner“ (Research, Canberra Institute of Technology, P8).
Problematisch ist jedoch der damit verbundene hohe zeitliche und personelle Aufwand. Insbesondere große TAFE-Institute mit einem heterogenen Klientel an Lernenden können diese individuelle Betreuung nur bedingt realisieren: „We have approximately 18.000 students, we can’t negotiate with everyone of those and provide an individual learning pathway“ (Research, Canberra Institute of Technology, P8).
Als strukturelle Hürde werden die stetigen Veränderungen seitens der Politik, aber auch die ständigen Entwicklungs- und Review-Prozesse der training packages angesehen (Interview Part II, Frage 3.3; Smith et al., 1997, S. 46). Da es als unabdingbar angesehen wird, die training packages kontinuierlich an die sich ändernden
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Anforderungen der Wirtschaft anzupassen, bedeutet dies für die Lehrenden, dass sie auch ihre Lehrbücher und -materialien ständig neu überarbeiten müssen. Auch für die Lernenden kann dies zu Problemen führen, insbesondere dann, wenn während ihres Kompetenzerwerbs das zugrunde gelegte training package überarbeitet bzw. ein neues eingeführt wird. Gegebenenfalls müssen zusätzliche Kompetenzen erworben werden, während bereits erworbene nicht mehr in dem aktuellen training package enthalten sind, was zu einer Verlängerung des Lernprozesses führen kann. Dieses Problem wird von einem Lehrenden wie folgt beschrieben: „Some of the students if they fall inbetween one training package and the next one and they have to be updated to the new training package it could mean that they have a new competency, so they have to enrol in another one“ (Childcare, Canberra Institute of Technology, P9).
Trotz der Schwierigkeit bezüglich der Umsetzung lernerzentrierter Methoden innerhalb sich ständig wandelnder curricularer Vorgaben und Anforderungen sowie hinsichtlich zeitlicher Restriktionen, erachtet die Mehrheit der befragten Lehrenden die Flexibilität und Individualität in der methodischen Umsetzung des CBTAnsatzes als positiv. 3.6.3. Zur Leistungsmessung im CBT-Lernprozess Allgemeine Richtlinien zur Leistungsmessung werden im AQTF definiert; darüber hinaus beinhaltet jedes training package spezifische Kriterien zur Leistungsmessung. Aufgrund des im CBT-Ansatzes definierten und individuell durchzuführenden assessment on demand wird an die Lehrenden die Anforderung gestellt, geeignete Lern- und Prüfungsstrategien individuell mit dem Lernenden zu wählen, zu planen und durchzuführen. Dies geht auch aus folgenden Richtlinien des AQTF für RTOs hervor: „The RTO identifies, negotiates, plans and implements appropriate learning and assessment strategies to meet the needs of each of its clients“ (ANTA, 2005, S. 11).
Dieser Prozess beansprucht jedoch sehr viel Zeit, weshalb viele Aus- und Weiterbildungsanbieter einen bestimmten Zeitraum festlegen, in welchem die Prüfungen durchgeführt werden. Andere praktizieren Gruppenprüfungen, welche die zeitaufwendigen Einzelprüfungen ersetzen sollen (Smith et al., 1997, S. 71). Obgleich das jeweilige training package detaillierte Anforderungen für on-the-job-Prüfungen definiert, legt der AQTF auch hier allgemeine Richtlinien fest. So soll die Anwendung von Wissen und Fertigkeiten gemäß den Leistungsstandards am Arbeitsplatz und ebenso übergreifende Fähigkeiten, die am Arbeitsplatz erforderlich sind, geprüft werden:
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„The RTO must ensure that assessments (including RPL) [...] focus on the application of knowledge and skill to the standard of performance required in the workplace and cover all aspects of workplace performance, including task skills, task management skills, contingency management skills and job role environment skills“ (ANTA, 2005, S. 10).
Für die erfolgreiche Absolvierung der dafür notwendigen Prüfung am Arbeitsplatz ist die Bestätigung des Arbeitgebers und des Prüfers eines RTO erforderlich. Dadurch soll gewährleistet werden, dass die benötigten Kompetenzmodule gemäß den Standards demonstriert werden können (Smith et al., 1997, S. 71). Bezüglich der Bewertung von Lernleistungen bestehen nur zwei Möglichkeiten: ein Lernender ist „competent“ oder „not yet competent“. Eine Benotung der individuellen Lernleistung erfolgt demnach nicht, sondern es wird lediglich geprüft wird, ob ein Kompetenzmodul erfolgreich demonstriert werden kann oder nicht. Einige wenige Lehrende sehen dies als ausreichend für die Bewertung von Lernleistungen an, wie folgende Aussage zeigt (Interview part II, Frage 5.3): „I think if it’s competency-based, it’s competency-based and it should not be graded“ (Hospitality, Box Hill Institute of TAFE, P3).
Die Mehrheit der Lehrenden sieht dies – wie viele Berufsbildungsforscher – jedoch als Defizit des CBT-Ansatzes an (Interview Part I, Frage 2.1 sowie Schofield/McDonald 2004, S. 19), da ihrer Ansicht nach Unternehmen eine bessere Einschätzung ihrer Auszubildenden bzw. ihrer Arbeitnehmer fordern und auch diese selbst eine konkrete Bewertung ihrer Leistungen wünschen. Hinzu kommt, dass Universitäten einen Bewerber, der lediglich „competent“ ist, nicht akzeptieren, sondern eine benotete Bewertung der Leistung des Bewerbers fordern: „Industry and parents want some sort of normative feedback about where they stand in relation to other learners not necessarily just against a set of competencies. And universities have increasingly put pressure on the VET system to have graded assessment“ (University of South Australia Adelaide, A10). „Because university is competitive, the only way they can get in is actually that we give them a grade. And so that does not really relate to competency-based assessment, where you are either competent or not competent“ (Business, Box Hill Institute of TAFE, P2).
Vor dem Hintergrund der Forderung nach einem benoteten Leistungsmessungssystem (graded assessment) seitens der Wirtschaft und der Universitäten haben einzelne TAFE-Institute eigene Ansätze zur Bewertung von Leistungen entwickelt (Smith et al., 1997, S. 73), die jedoch nicht national anerkannt sind und deren Akzeptanz und Reliabilität aufgrund dessen infrage gestellt werden kann. Laut Schofield/McDonald bestehe keine Gefahr einer Schwächung der Prinzipien des CBT-
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Modells, solange das graded assessment lediglich eine ergänzende Dokumentationsfunktion habe. Hinsichtlich der Umsetzung bestehe jedoch Koordinations- und Entscheidungsbedarf (Schofield/McDonald, 2004, S. 19). Bislang ist dies noch nicht umgesetzt, und so existiert eine Vielfalt an Möglichkeiten zur benoteten Leistungsmessung, da nicht nur die TAFE-Institute, sondern auch die privaten Anbieter und Unternehmen die unbenotete Leistungsmessung schrittweise durch benotete Verfahren ersetzen (Williams/Bateman, 2003, S. 16). Ein Beispiel für den Ansatz einer benoteten Leistungsmessung wird in der Studie von Smith et al. formuliert, in welchem drei Bewertungskriterien differenziert werden (Smith et al., 1997, S. 73): 1. Der Erwerb von Wissen 2. Die Anwendung von Wissen 3. Kommunikation und Arbeitseffektivität Für die Benotung werden ebenfalls unterschiedliche Skalen verwendet, und so variieren eingesetzte Notenskalen zwischen drei und fünf Stufen. Ein dreistufiges Modell differenziert bspw. die Stufen „nicht kompetent“, wenn weniger als 70 % der erforderlichen Leistung erbracht wird, „kompetent“ bei mehr als 70 % und „sehr kompetent“, wenn herausragende Leistungen erzielt werden (ebenda, S. 73). Obwohl die meisten Anbieter und betrieblichen Prüfer prozentuale Bewertungsskalen zugrunde legen, divergieren diese bei der Bewertung einzelner Module. So kann ein Anbieter ein Modul nur bei Erfüllung von 100 % der Anforderungen mit „kompetent“ auszeichnen, wohingegen ein anderer bereits bei Erfüllung von 60 % oder 50 % der Leistung das Zertifikat „kompetent“ erteilt. Das Box Hill Institute of TAFE hat ein dreistufiges Bewertungsmodell implementiert, das eine Leistung zwischen pass, credit und distinction differenziert. Laut Aussagen eines betroffenen Lehrenden wird diese Differenzierung von den Lernenden als positiv empfunden (Interview Part I, Frage 5.3): „Because we work on training packages that are competency-based, so you are either competent or you are not competent. But we have introduced in the last two years to give a pass, credit or distinction and that is being well received“ (SME, Box Hill Institute of TAFE, P7).
Ein weiterer Ansatz zur Leistungsbewertung wird am Canberra Institute of Technology realisiert. Hier erfolgt zusätzlich zu der Feststellung, ob ein Lernender competent oder not yet competent sei, eine individuelle Einschätzung der Leistung aufgrund ergänzender Leistungskriterien, wie Innovationsfähigkeit, Kreativität und Bearbeitung zusätzlicher Aufgaben:
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„And we do graded assessment here, the decisions are made about competency first, competent or not yet competent, and then additional criteria are applied and a determination is made about the grade. [...] you can set up an environment in which people are encouraged to demonstrate their innovation, their creativity, additional work, a whole range of ways that you might encourage them to go out of their way to show something beyond competency and that’s what you grade“ (Research, Canberra Institute of Technology, P8).
Trotz der Unterschiede in den Prüfungsverfahren und des großen Zeit- und Arbeitsaufwandes, der mit den Prüfungen assoziiert wird, attestieren viele Lehrende und Lernende dem CBT-Prüfungsmodell das Potenzial, mehr Transparenz bezüglich der Leistungsanforderung und Bewertung zu schaffen (Smith et al., 1997, S. 76). Zudem würden die erreichten Lernfortschritte sichtbar werden und die Lernenden seien sich ihrer erworbenen Kompetenzen sowie ihrer Ziele und angestrebten Leistungen bewusst. Dies steigere die Motivation und biete Anreize, mehr Eigenverantwortung für den Lernprozess zu übernehmen. Die am Prüfungsverfahren geäußerte Kritik bezieht sich in erster Linie auf die Fragmentierung der Prüfungseinheiten. Nach Meinung vieler Lehrender könne das Wissen über Zusammenhänge und ganzheitliche Arbeitsprozesse in fragmentierten Lehr- und Prüfungseinheiten nicht ausreichend vermittelt werden (ebenda, S. 78). Darüber hinaus würden einzelne Elemente lediglich für die Prüfung erworben und nicht nachhaltig internalisiert werden, weshalb es erforderlich sei, einzelne Kompetenzelemente in verschiedenen Situationen anzuwenden und innerhalb des Lernprozesses zu wiederholen. Um jedoch eine holistische Prüfung und Leistungsbewertung ganzheitlicher Aufgaben und Prozesse durchführen zu können, muss eine Defragmentierung der Prüfungselemente vorgenommen werden, was bspw. in From von projektorientierten Prüfungen realisiert wird. Laut Cornford könne dies jedoch nur dann umgesetzt werden, wenn die curricularen Vorgaben, sprich die training packages, ebenfalls holistisch definiert und nicht fragmentiert würden, was jedoch bisher bei den meisten training packages der Fall sei (Cornford, 1999, S. 95). Dieser Kritik ist entgegenzusetzen, dass die Ganzheitlichkeit in den training packages bereits verfolgt wird und somit die Voraussetzung für eine ganzheitliche Leistungsmessung gegeben ist (Schofield/McDonald, 2004, S. 27). 3.6.4. Zur Erfassung informeller und informell erworbener Kompetenzen im CBT-Lernprozess Die Grundphilosophie des CBT-Ansatzes besteht im flexiblen Erwerb von Kompetenzen und der damit verbundenen Lernortunabhängigkeit, weshalb der Erfassung informeller Kompetenzen (key competencies) und informell erworbener Kompetenzen eine wichtige Rolle attestiert wird. Der Akkreditierungsprozess von infor-
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mell erworbenen Kompetenzen wird im Prozess des Recognition of Prior Learning (RPL) realisiert, in welchem bereits erworbene, bislang nicht zertifizierte Kompetenzen, akkreditiert werden – unabhängig davon, wie, wann und wo sie erworben wurden. ANTA definiert den RPL-Prozess wie folgt: „Recognition of prior learning means recognition of competencies currently held, regardless of how, when or where the learning occurred, so that they may be counted towards the achievement of a qualification. Under the Australian Quality Training Framework, competencies may be attained in a number of ways. This includes through any combination of formal or informal training and education, work experience or general life experience“ (ANTA, 2001b, S. 9).
Zur Erfassung und Zertifizierung ist eine detaillierte Auflistung vorhandener Kompetenzen notwendig, die in Form eines Portfolio Evidence dokumentiert und anhand relevanter Kompetenzstandards gemessen werden. Reicht der Portfolio Evidence für die direkte Zertifizierung nicht aus, so erfolgt eine Prüfung der jeweiligen Kompetenzmodule; gegebenenfalls muss erneut ein Qualifizierungsprozess durchlaufen werden. Das RPL wird in der Regel vor Beginn eines Qualifizierungsprozesses angewendet, es ist jedoch auch möglich, während eines Qualifizierungsprozesses bereits erworbene Kompetenzen anrechnen bzw. prüfen zu lassen. Da die Qualifizierungsmaßnahme dabei schneller beendet werden kann, ist bei dieser Form des RPL-Prozesses auch von RPL as accelerated progression die Rede (Hargreaves, 2006, S. 4). Eine Übersicht über den RPL-Prozess ist in Abbildung 3.2 dargestellt. Der RPL-Prozess bietet sowohl für die Lernenden als auch für die Unternehmen verschiedene Vorteile, die von Hargreaves wie folgt identifiziert werden (ebenda, S. 2 f.): 1. Für Lernende bedeutet RPL eine zeitliche Verkürzung von Qualifizierungsprozessen, da Kompetenzmodule, über die eine Person bereits verfügt, für eine Gesamtqualifikation angerechnet werden können. 2. Für Unternehmen bietet RPL die Möglichkeit, das Qualifikationsniveau auf flexible und zeitsparende Weise zu erhöhen und somit den bestehenden Qualifikationsbedarf transparent zu machen. Des Weiteren fördert RPL die Lernkultur des Unternehmens und trägt zur Motivation der Mitarbeiter bei. Laut Aussagen der Experten wird RPL, zumal es als Standard vorgeschrieben ist, in den meisten TAFE-Instituten häufig praktiziert (Interview Part II, Frage 6.1): „In our department it [RPL, SH] plays a huge role, because we do a lot of industry training. Therefore RPL is absolutely vital, so it happens all the time“ (Practice Firm, Box Hill Institute of TAFE, P6).
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Abbildung 3.2.: RPL-Prozess; Quelle: Hargreaves 2006, S. 4
Einer Studie von Bowman et al. zufolge ist die Inanspruchnahme von RPL jedoch sehr gering. Lediglich 4 % der Teilnehmer an beruflichen Bildungsmaßnahmen durchliefen im Jahr 2001 einen RPL-Prozess; 2004 waren es lediglich 3,6 % (Bowman et al., 2003, S. 35). In diesen Zahlen sind jedoch lediglich die RPLProzesse, die zu Beginn einer Qualifizierung durchgeführt werden, berücksichtigt. Erfassungs- und Zertifizierungsprozesse, die während einer Qualifizierung erfolgen und somit zu einer Verkürzung des Prozesses führen, fallen nicht darunter. Dies wird auch durch folgende Aussage eines Lehrenden deutlich (Interview Part II, Frage 6.1): „[...] what actually happens on the ground was that teachers were making certain decisions about early assessment, offering recognition further into the program. Or a learner would say half way through a unit of competency ‘I’ve done all this. I know this’. So the teacher says alright, here is the assessment for the end of the module, you do it and of course they do it. But you can’t call it recognition, because it doesn’t fall within the definition“ (Research, Canberra Institute of Technology, P8).
Kritiker argumentieren, dass Qualität und Vollständigkeit beruflicher Qualifikationen, die durch RPL anerkannt werden, verlorengingen und dass RPL als Instrument zur Kostenreduzierung missbraucht werden könne (Leary, 2003, S. 13). Schofield/McDonald identifizieren weitere Probleme bezüglich RPL: So sei die Umsetzung des RPL-Prozesses durch die Anbieter sehr eingeschränkt, was jedoch
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lediglich auf den zu Beginn einer Qualifizierungsmaßnahme stattfindenden RPLProzess zutrifft (Schofield/McDonald, 2004, S. 30). Ein weiterer Kritikpunkt ist der mit entsprechenden Kosten verbundene hohe zeitliche Aufwand. Auch sehen viele Lernende einen zu hohen Aufwand in der Bereitstellung des Portfolio Evidence, weshalb sie es vorziehen, eine Qualifizierungsmaßnahme ohne den RPLProzess zu beginnen, auch wenn sie über entsprechende Kompetenzen verfügen. Dies führt jedoch in der Regel dazu, dass die Lernenden diese Kompetenzmodule durch eine vorzeitige Prüfung zertifiziert bekommen, ohne den entsprechenden Kurs zu beenden und somit ein implizites RPL in Anspruch nehmen. Die Studie von Bowman et al. zeigt, dass eine große Hürde zur Inanspruchnahme von RPL aus Sicht der Lernenden die mangelnde Kenntnis über den RPL-Prozess und über die Anforderungen des Portfolio Evidence darstellt (Bowman et al., 2003, S. 13). Laut Hargreaves sind aus Sicht der Unternehmen die Zweifel an der Reliabilität und Validität von RPL Hinderungsgründe einen RPL-Prozess durchzuführen oder diesen für ihre Mitarbeiter in Anspruch zu nehmen. Des Weiteren sei die Wertschätzung von Qualifizierungsprozessen aus Sicht der Unternehmen und auch aus Sicht der Lernenden sehr hoch, weshalb diese nur begrenzt durch den RPL-Prozess verkürzt oder ersetzt werden (Hargreaves, 2006, S. 7). Neben der Anerkennung bereits erworbener Lernleistungen im RPL-Prozess, spielt die Erfassung von Schlüsselkompetenzen (key competencies) eine zentrale Rolle im CBT-Ansatz. Durch die Verankerung der key competencies bzw. employability skills in den training packages besteht der formale Anspruch, dass diese – wie auch die anderen Kompetenzmodule – explizit geprüft und zertifiziert werden. Die Schwierigkeit, dies in der Praxis umzusetzen, geht aus diversen einschlägigen Studien hervor, die verdeutlichen, dass die Lehrenden unterschiedliche Auffassungen darüber haben, was unter den Schlüsselkompetenzen zu verstehen ist (u. a. Callan, 2004, S. 55; Clayton et al., 2004, S. 159; Down, 2000, S. 2). Dies lässt sich wiederum darauf zurückführen, dass es neben den key competencies nach Mayer neuere Ansätze wie den der employability skills gibt, die es zu verstehen und zu realisieren gilt. Das heterogene Verständnis von key competencies führt zu unterschiedlichen Wertschätzungen dieser; und obgleich Arbeitgeber key competencies als wichtige Voraussetzung für die Erwerbstätigkeit und auch Lehrende sie als entscheidende, grundlegende Fähigkeiten ansehen, konzentrieren sich Lernende oftmals stärker auf die Fachkompetenzen (Callan, 2004, S. 55). Nichtsdestotrotz soll die Bedeutung der key competencies sowohl für Lehrende als auch für Lernende herausgestellt werden, um somit zu erreichen, dass diese explizit vermittelt, geprüft und zertifiziert werden – so ein befragter Lehrender (Interview Part II, Frage 2.2): „I think the key competencies or employability skills have been differently valued. Within the constraints of the design of the training package we have tried to sort of raise
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the level of awareness amongst teachers and faculties of how important these are“ (Curriculum Development, Canberra Institute of Technology, P12).
Einer Studie von Clayton et al. zufolge ist diese Wertschätzung und das Verständnis für die Vermittlung, Prüfung und Zertifizierung der key competencies in der Berufsbildungspraxis jedoch oftmals nicht gegeben (Clayton et al., 2004, S. 165): „When they [key competencies, SH] were first developed in Australia, much work was put into trying to describe them and trying to determine how they might look in various learning circumstances. In the first training packages they appeared at the end of each unit of competency in little boxes with no description, just a number. People looked at them and said ‘what are these’ and ignored them. Or they said ‘the best way to do this is to integrate it into the technical learning that was going on and to assess them in a holistic way.’ So they were either forgotten, ignored or they were integrated not terribly obvious“ (Research, Canberra Institute of Technology, P8):
Die Unsicherheit hinsichtlich einer adäquaten Vermittlung der key competencies wird auch in der Studie von Callan deutlich (Callan, 2004, S. 61), aus der hervorgeht, dass Lehrende insbesondere bei der Vermittlung der key competencies einen lernerzentrierten und somit selbstorganisierten und selbstgesteuerten Lernprozess als wichtig erachten (siehe auch Clayton et al., 2004, S. 168). Dies bedarf jedoch einer fundierten Lehrerbildung, im Rahmen derer diese Aspekte gezielt erworben werden (Down, 2001, S. 3). Die training packages werden in diesem Zusammenhang aus Sicht der Lehrenden als hilfreich bezüglich der Vermittlung der key competencies angesehen – insbesondere in die neuen und überarbeiteten training packages seien die key competencies ausreichend integriert (Callan, 2004, S. 62). Aus Sicht der Lernenden hingegen kommt den Fachkompetenzen ein höherer Stellenwert zu als den key competencies. Aus diesem Grund sehen es viele Lehrende als notwendig an, die key competencies explizit als eigenständige Kompetenzmodule zu definieren und sie somit für Lernende deutlicher zu machen (Callan, 2004, S. 64; Dawe, 2004, S. 75; Clayton et al., 2004, S. 162). Als Konsequenz definiert Callan vier Strategien zur Verbesserung der Vermittlung der key competencies (Callan, 2004, S. 65): 1. Eine professionelle Lehrerbildung, in der die adäquate Vermittlung von key competencies stärker fokussiert wird 2. Die weitere Mitwirkung und Einflussnahme der Wirtschaft sowie eine stärkere Kooperation zwischen Bildungsanbietern und Unternehmen 3. Eine bessere „Vermarktung“ der key competencies für die Lernenden zur Erkennung und Steigerung der Wertschätzung von key competencies
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4. Eine Verbesserung der Lehr-Lern-Materialien bezüglich der key competencies durch die Definition expliziter Vermittlungs-, Prüfungs- und Zertifizierungsstrategien in den training packages Auch in den Richtlinien zur Entwicklung der training packages (ANTA, 2001c) werden Strategien zur Vermittlung und Zertifizierung der key competencies definiert. Diese beinhalten u. a. die Durchführung von Projekten am Arbeitsplatz, die Diskussion von kritischen Vorfällen (incidents) bei der Erarbeitung eines Problemlösungsansatzes, eigenständig durchgeführte Untersuchungen (investigations) sowie die Reflexion von Lernprozessen innerhalb und außerhalb einer realen Arbeitsplatzsituation (Dawe, 2004, S. 76). Mit diesen handlungsorientierten und lernerzentrierten Lernstrategien sollen die key competencies nicht nur gefördert, sondern auch bewertet und zertifiziert werden. Dies ist jedoch mit traditionellen schriftlichen Prüfungen und Tests nur schwer realisierbar, weshalb alternative Prüfungsformen angewendet werden müssen. Hierzu identifiziert Curtis, basierend auf einer Literaturanalyse, vier Formen der Leistungsmessung und Erfassung von key competencies (Curtis, 2004, S. 142): 1. Ganzheitliche Prozesse der Leistungsmessung und Erfassung von key competencies 2. Portfolios, die von den Lernenden erstellt werden 3. Prüfungen, die auf praktische Arbeitserfahrung basieren 4. Anwendung von Diagnoseverfahren Diese Verfahren der Leistungsmessung sind komplementär und je nach Leistungssituation und Prüfungsinhalten individuell anzuwenden und zu kombinieren. Die Umsetzung dieser Verfahren stellt bislang in vielen TAFE-Instituten und bei anderen RTOs noch eine Zielvorstellung dar (Down, 2001, S. 2), es gibt jedoch Beispiele, bei denen die Vermittlung, Prüfung und Zertifizierung von key competencies keinesfalls nur „Rhetorik“ ist. Ein Institut, das es an dieser Stelle hervorzuheben gilt, ist das Torrens Valley Institute of TAFE in South Australia, in welchem das selbstorganisierte und selbstgesteuerte Lernen als dominierende Lehr-LernMethode angesehen wird und dem Erwerb von key competencies eine zentrale Rolle attestiert wird (Denton, 2004, S. 174). Die key competencies werden im Torrens Valley Institute of TAFE im Gegensatz zu vielen anderen TAFE-Instituten explizit als Kompetenzmodule in Anlehnung an die Performanzlevel nach Mayer definiert, und die Lernenden müssen die key competencies eigenverantwortlich erwerben und in zwei unterschiedlichen Prüfungssituationen explizit demonstrieren:
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„At Torrens Valley TAFE it is generally believed that key competencies are not ‘taught’ but rather ‘learned and developed’, and that assessment is the most effective strategy for achievement of this. Assessment is used as a means of forcing the processes and practices of key competencies to become explicit so that they may be learned and developed.“ (Denton, 2004, S. 178).
Nach erfolgreicher Performanz wird ein statement of completion über einzelne Schlüsselkompetenzen ausgestellt, in welchem das jeweils erreichte Performanzniveau aufgeführt wird. Zusätzlich zu dem Abschlusszertifikat bekommt der Lernende am Ende eines Lernprozesses ein Zertifikat, in dem alle erworbenen key competencies mit den entsprechenden Leistungsniveaus verzeichnet sind. Interessant ist, dass in der Regel die key competencies auf allen drei Performanzstufen erworben und zertifiziert werden. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass sich aus einem Erwerb einer Schlüsselkompetenz auf dem Level III nicht zwangsläufig schlussfolgern lässt, dass diese auch auf den unteren Niveaustufen erfolgreich demonstriert werden kann (ebenda, S. 176). Somit wird deutlich, dass nicht nur einzelne Aspekte der key competencies geprüft und zertifiziert werden, sondern dass diese umfangreich und auf unterschiedlichen Niveaustufen erworben werden. Hinsichtlich der Erfassung informeller und informell erworbener Kompetenzen lässt sich schlussfolgern, dass sowohl der RPL-Prozess als auch die Zertifizierung von Schlüsselkompetenzen formaler Bestandteil des CBT-Ansatzes sind und in den training packages verankert sind. Eine Diskrepanz lässt sich jedoch hinsichtlich des formalen Anspruchs und der Realisierung in der Berufsbildungspraxis festhalten. Die Umsetzung des RPL-Prozesses erfolgt zumeist implizit innerhalb einer formalen Qualifizierungsmaßnahme; die Vermittlung und Zertifizierung von key competencies sind in der Praxis heterogen. Key competencies werden entweder explizit vermittelt und geprüft, was jedoch in der Praxis die Ausnahme ist, oder sie werden implizit mit einer bestimmte Fachkompetenz vermittelt und geprüft. Die dritte Möglichkeit besteht darin, die Schlüsselkompetenzen zu ignorieren und sie lediglich bei der Prüfung von Fachkompetenzen „abzuhaken“, ohne sie explizit oder implizit zu überprüfen. Diese Vernachlässigung der key competencies wird von den meisten Lehrenden als unzureichend angesehen, wird jedoch aus Zeitmangel und fehlenden Ressourcen oftmals praktiziert. Aus den verschiedenen Studien zu den key competencies geht hervor, dass diese in einem ganzheitlichen Prozess und in einer adäquaten Lernumgebung vermittelt und zertifiziert werden sollten (u. a. Dawe, 2004; Clayton et al. 2004; Denton, 2004). Hierfür müssen jedoch entsprechende Lehr- und Prüfungsstrategien und adäquate Ressourcen flächendeckend entwickelt und implementiert werden – der Ansatz des Torrens Valley Institute of TAFE kann hierfür als Vorbild dienen.
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3.6.5. Zur Rolle von Lehrenden und Lernenden im CBT-Lernprozess Aus den Experteninterviews und auch aus diversen Studien geht hervor, dass die Rolle der Lehrenden im CBT-Ansatz nicht mehr nur einer traditionellen Lehrerrolle entsprechend betrachtet wird und diese sich somit nicht mehr nur ausschließlich auf das Vermitteln von Fachwissen beschränkt, sondern weit darüber hinausgeht (Interview Part II, Frage 4.1; Harris et al., 1995; Smith, 1999; Smith et al., 1997; Billett et al., 1999). Lehrende werden zu fachlichen Begleitern und zu persönlichen Mentoren, die gemeinsam mit dem Lernenden einen individuellen Lernprozess gestalten. Lehrenden werden somit von den Lernenden nicht mehr als traditionell im Klassenzimmer unterrichtender Lehrer wahrgenommen (Harris et al., 1995, S. 149). Basierend auf einem training package und in Kooperation mit den Unternehmen sollen theoretische und praktische Lernprozesse mit adäquaten Strategien zur Leistungsmessung in einer realen oder simulierten Arbeitsplatzsituation durchgeführt werden. Forciert wird diese neue Rolle der Lehrenden durch die im CBT-Ansatz geforderte Eigeninitiative und Selbststeuerung des Lernprozesses durch die Lernenden, die dazu beitragen, dass Lerneinheiten auch ohne direkte Einflussnahme des Lehrenden erworben werden können. Der Lernende ist dabei in der Lage, aus eigenen Erfahrungen und Fehlern zu lernen und gibt nicht nur die vorgegebenen Inhalte wieder (Smith et al., 1997, S. 58). Die veränderte Rolle des Lehrenden spiegelt sich in verschiedenen Aussagen dieser selbst, aber auch der Berufsbildungsforscher wider: „They are less teachers but more facilitator of learning. In that sense it shifted the mindset of an educator away from being standing up at the front of a class and giving information. A teacher necessarily has to change from being the lecturer at front to the helper and resource person“ (University of South Australia Adelaide, A12). „There was a big push to say that teachers are not people who are just filling up people’s head with knowledge, they are really facilitating in this new way of learning, which is self-paced, resource- and technology-base“ (NCVER, A9). „I think they are more about facilitating the individual’s learning process now then prior to CBT, where you could target the individual less“ (Hospitality, Box Hill Institute of TAFE, P3). „Now they facilitate learning rather than teach, they are workplace assessors, they are negotiating with industry about what needs to be delivered and the standards at which it should be delivered, they are negotiating with learners, they are involved in the development of learning materials“ (Research, Canberra Institute of Technology, P8). „It changed my attitude in how I teach. I see myself now as a facilitator and the students are to demonstrate that they have the requirements of the competencies. I don’t see myself as the person that make them learn and then they have to report back to me. It is up to them“ (Childcare, Canberra Institute of Technology, P9).
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Ein Begriff, der in vielen Aussagen von den Lehrenden zur Beschreibung ihrer Rolle im CBT-Ansatz verwendet wird, ist der des facilitator. Dahinter verbirgt sich ein Lehrerbild, das mit „Vermittler“, „Moderator“ und „Unterstützer“ im Lernprozess umschrieben werden kann (Harris et al., 1995, S. 152). Die veränderte Lehrerrolle und die neuen Anforderungen an die Lehrenden werden in verschiedenen empirische Untersuchungen bestätigt. Harris et al. (1995, S. 270 f.) definieren bspw. folgende Rollen, die ein Lehrender im CBT-Modell annehmen sollte und die sich vom traditionellen Lehrerbild lösen: Lehrende seien Verbindungspersonen (liaison person), Berater (adviser), Mentoren, facilitator, Verteiler von Informationen und Darsteller von Fertigkeiten (information dispenser/skills demonstrator), Entwickler von Lehr-Lern-Materialien und auch Prüfer im Lernprozess. Aus diesem Wandel der Lehrerrolle resultieren neue Aufgaben und Herausforderungen für die Lehrenden. Smith/Blake identifizieren verschiedene Charakteristika, die das facilitative teaching kennzeichnen. So besteht ein Merkmal darin, dass handlungsorientiert und interaktiv gelehrt wird und dass Lernende die Möglichkeit zu kollaborativem Lernen haben. Des Weiteren legen Lehrende und Lernende gemeinsam Lern- und Prüfungsstrategien fest; der Lernende wird dabei als „Koproduzent“ von Wissen und Fertigkeiten angesehen (Smith/Blake, 2005, S. 3). Eine neue Anforderung an die Lehrenden besteht darin, dass diese an der Entwicklung von Lehr-Lern-Materialien beteiligt werden (Smith et al., 1997, S. 43). Somit tragen die Lehrenden mehr Verantwortung außerhalb der Unterrichtssituation und müssen Entscheidungen treffen, die über die reine Wissensvermittlung hinausgehen: „It means that teacher have to get more involved in resource development, curriculum development and learning resource development and all the other issues“ (Curriculum Development, Canberra Institute of Technology, P12).
Verschiedene Studien verdeutlichen jedoch, dass es bei der Realisierung dieser Rollen große Schwierigkeiten gibt (Smith et al., 1997, S. 11). Viele Lehrende wüssten zwar sehr viel über das CBT-Modell und die Gestaltung eines adäquaten Lernprozesses, benötigten jedoch Unterstützung bei der Erfüllung der neuen Anforderungen. Im Rahmen der praktischen Umsetzung bedarf es somit einer entsprechenden Lehrerbildung und auch einer professionellen Begleitung der Lehrenden. Obgleich sich der Aufgabenbereich der Lehrenden insbesondere in methodischer Hinsicht erweitert hat, wird die Festlegung der Lerninhalte nicht von diesen selbst, sondern von Wirtschaftsvertretern festgelegt. Im Entscheidungsprozess um die zu erwerbenden Kompetenzen werden Lehrende ausgeschlossen und allenfalls in Einzelfällen als Berater hinzugezogen. Die Begründung ist im zugrunde-
3.6. Die Lernprozess-Ebene
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liegenden industry-led system zu finden, dessen Priorität auf den praktischen Anforderungen der Wirtschaft liegt und weniger in einem lerntheoretisch fundierten und pädagogisch begründeten Lernprozess. Dies wird insbesondere von Berufsbildungsforschern kritisiert, da sie die Lehrenden als implementers und adapters degradiert sehen (Billet et al., 1999, S. 62). Nach Aussagen der Lehrenden sehen sie selbst dies jedoch weit weniger kritisch. Vielmehr argumentieren sie, dass Vertreter der entsprechenden Wirtschaftsbranchen die aktuellen und zukünftigen Leistungsanforderungen besser definieren könnten als die Lehrenden, denen trotz Kooperationen mit Unternehmen die relevanten Kenntnisse fehlen würden. Die Rolle der Lernenden im CBT-Ansatz weist einige entscheidende Unterschiede im Vergleich zu anderen Aus- und Weiterbildungsmodellen auf. Der Kontext der CBT-Lernprozesse ist im Unterschied zu traditionellen schulischen Lernprozessen praxis- und arbeitsplatzorientiert. Der Lernprozess wird in reale oder simulierte Situationen der Arbeitswelt integriert, bei denen dem Lernenden die Rolle des Arbeitnehmers zukommt (Smith et al., 1997, S. 60). Findet der Lernprozess off-the-job statt, so erfordert dies den Einsatz verschiedener Medien wie bspw. den Computer, die eine möglichst reale Arbeitsumgebung simulieren, was wiederum den kompetenten Umgang mit diesen Medien durch die Lehrenden voraussetzt (ebenda, S. 61). Ein weiteres wichtiges Merkmal des CBT-Lernprozesses ist die erforderliche Selbstorganisation des Lernenden, welcher nicht nur die Planung seines Kompetenzerwerbs, sondern auch die abschließende Kontrolle über die erreichten Lernfortschritte übernehmen soll. Ziel ist ein individualisierter, primär vom Lernenden selbst gesteuerter Lernprozess, dem eine konstruktivistische Sichtweise zugrunde liegt, da dem Lernenden ermöglicht wird, im Lernprozess Informationen für die Konstruktion einer eigenen Weltanschauung zu verarbeiten (Jessup, 1991, S. 4). Harris et al. identifizieren fünf Anforderungen, die an die Lernenden im CBTLernprozess gestellt werden (Harris et al, 1995, S. 146): 1. Lernende müssen die Fähigkeit zu selbstorganisiertem Lernen entwickeln. 2. Lernende müssen lernen, Lernmaterialien und andere Formen der Unterstützung ausfindig zu machen. 3. Lernende müssen lernen, wichtige Ressourcen wie bspw. Computer sinnvoll zu nutzen. 4. Lernende müssen lernen, mit Lehrenden und betrieblichen Ausbildern in Verbindung zu treten. 5. Lernende müssen Fähigkeiten zur Selbstbewertung entwickeln.
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Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
Lernende tragen somit mehr Verantwortung für ihren individualisierten und selbstorganisierten Lernprozess. Harris et al. sehen darin die Möglichkeit, dass sich Lernende auf die Module konzentrieren könnten, die ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten entsprächen, was sie mit einer höheren Lernbereitschaft und Motivation verbinden (ebenda, S. 142 f.). Auch die Ergebnisse der Studie von Smith et al. lassen positive Auswirkungen des CBT-Ansatzes auf die Rolle der Lernenden erkennen. Positiv anzumerken sind demnach folgende Aspekte (Smith et al., 1997, S. 95): • CBT erweitere die Möglichkeit für authentisches Lernen in Form von Lernumgebungen, die realen Arbeitsplatzsituationen entsprechen. • CBT biete größere Möglichkeiten für informelles Lernen. • CBT fördere die Interaktion zwischen den Lernenden und weniger zwischen Lehrenden und Lernenden. • CBT fördere die Entwicklung von Lernfähigkeiten, die in zukünftigen Situationen anwendbar seien. Mit diesen Potenzialen steigen jedoch auch die Anforderungen an die Lernenden, was zu Schwierigkeiten führen kann. So erfordert der CBT-Ansatz, dass sich Lernende selbst motivieren und Eigeninitiative zeigen, was insbesondere Schulabgängern und Langzeitarbeitslosen schwerfalle (Smith et al., 1997, S. 95). Selbstorganisierte Lernphasen erfordern zudem, dass sich Lernende selbständig um Unterstützung von Lehrenden und um Lehrmaterialien bemühen und somit Eigenverantwortung für die individuellen Lernprozesse übernehmen müssen. Die Veränderungen der Rolle der Lernenden wird von den Vertretern der Berufsbildungspraxis als weniger stark empfunden als die veränderte Lehrerrolle. Die zunehmende Verantwortung für den selbstgesteuerten Lernprozess wird als die deutlichste Veränderung angesehen (Interview Part II, Frage 4.2): „The learners here have changed a bit, there is a bit more responsibility for their own learning“ (Business, Box Hill Institute of TAFE, P2). „It has changed and we are asking them to be much more responsible, much more in control of their own learning than we previously were“ (Research, Canberra Institute of Technology, P8).
Der CBT-Ansatz hat jedoch nicht nur Auswirkungen auf den Verantwortungsbereich der Lernenden, sondern bewirkt eine Veränderung im Klientel des Berufsbildungssektors. Somit lassen sich die Lernenden nicht mehr nur als jugendliche Schulabgänger klassifizieren, sondern vielmehr auch als Arbeitnehmer, die eine
3.7. Kritische Auseinandersetzung mit dem CBT-Ansatz
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berufliche Weiterentwicklung oder Neuorientierung anstreben oder Arbeitnehmer, die nach einer Erziehungspause wieder zurück in die Erwerbstätigkeit gehen und hierfür eine berufliche Bildungsmaßnahme in Anspruch nehmen. Die Heterogenität in der Gruppe der Lernenden wird durch folgende Aussage illustriert: „I think the profile of learners may have changed. We still have a very mixed group of learners, some who are school-leavers, some who are mature age, some who are already in jobs who want to have a better job in the area they are working, some who want to change to a different area. We have people who return to their workplace after having a time-out“ (Curriculum Development, Canberra Institute of Technology, P12).
Diese zunehmende Heterogenität der Lernenden stellt wiederum neue Herausforderungen an die Lehrenden, welche die unterschiedlichen Bedürfnisse und die Vielfalt an Bildungsbiografien, welche die Lernenden aufweisen, in individuelle Lernprozesse integrieren müssen. 3.7. Kritische Auseinandersetzung mit dem CBT-Ansatz Obgleich sich die aktuelle Diskussion weniger dem CBT-Konzept per se, sondern vielmehr der Strukturierung und Reformierung der Rahmenbedingungen für die Realisierung des Ansatzes und insbesondere den training packages widmet, lassen sich unterschiedliche positive und auch negative Aspekte des CBT-Ansatzes identifizieren. In der vorangegangenen Analyse wurden bereits hinsichtlich der Vergleichskriterien einige kritische Aspekte diskutiert, die von verschiedenen Akteuren des Berufsbildungssystems artikuliert werden und somit vor verschiedenen Hintergründen zu betrachten sind. Ergänzend soll im Folgenden eine Analyse von in der Literatur, aber auch im Rahmen der Experteninterviews auftauchenden Problemaspekten durchgeführt werden, wobei die drei Untersuchungsebenen der Systematisierung dienen. 3.7.1. Ausgewählte ordnungspolitisch-organisatorische Problemaspekte Auf der ordnungspolitisch-organisatorischen Ebene lassen sich drei Problemaspekte identifizieren: 1. Das „Kompetenzgerangel“ zwischen der Commonwealth-Regierung und den States/Territories 2. Die Dominanz der Wirtschaft und der daraus resultierende Interessenkonflikt zwischen Wirtschaft und Akteuren der Bildungspolitik und Berufsbildungsforschung
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3. Die Qualifizierung der Ausbilder und Lehrenden Ad 1.) Die Commonwealth-Regierung avisiert ein nationales Berufsbildungssystem mit einheitlichen Standards und Qualifikationen (Australian Education International, 2006, S. 44; Schofield/McDonald, 2004, S. 14) und versucht aufgrund dessen zunehmend, die Berufsbildung zu zentralisieren und die Autonomie der States/Territories einzuschränken (Moodie, 2006, S. 4). Erkennbar wird dies an unterschiedlichen bereits beschriebenen Maßnahmen und Initiativen von DEST, wie den training packages, dem AQF und AQTF sowie an entsprechenden Finanzierungsmechanismen. Aufgrund des unzureichenden Einbeziehens besteht eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität hinsichtlich der Umsetzung nationaler berufsbildungspolitischer Ziele in den States/ Territories. So ist, trotz der Bemühungen der Commonwealth-Regierung, das Ziel eines national einheitlichen Berufsbildungssystems noch nicht erreicht und die States/ Territories gehen in der Berufsbildung oftmals noch eigene Wege. Dies wird bspw. an den Unterschieden bei der Implementation der training packages, bei der Realisierung der Richtlinien des AQF und des AQTF und insbesondere im Hinblick auf die Umsetzung von RPL deutlich. Laut Aussage eines Berufsbildungsforschers verfolgen insbesondere die States eigene Interessen in der Berufsbildung, was einer intendierten nationalen Kohärenz entgegenwirkt: „So they [the states, SH] have different interests, they have different skill requirements and they have different politics and their priorities vary“ (University of South Australia Adelaide, A10).
Als Grund für die Diskrepanz zwischen Commonwealth-Regierung und den States/ Territories sieht ein Vertreter des DEST die bestehenden Finanzierungsmechanismen an. Die Splittung der Finanzierung auf die Commonwealth-Regierung und auf die States/ Territories und die damit einhergehenden Zuständigkeiten und Machtansprüche intensivieren die seit den achtziger Jahren bestehenden Spannungen zwischen nationaler und bundesstaatlicher Ebene (siehe auch Goozee, 2001, S. 58; Moodie, 2007, S. 9): „Especially in a system like Australia where we have one funding coming from the federal Government, one coming from the states, some of what the federal government has the power over, others it’s the states and there is always that tension“ (DEST, O4).
Ad 2.) Auch der Interessenkonflikt zwischen Wirtschaft und Berufsbildungspolitik bzw. Berufsbildungsforschung liegt an der Diskrepanz zwischen dem Anspruch,
3.7. Kritische Auseinandersetzung mit dem CBT-Ansatz
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gemeinsame Interessen zu vereinen und umzusetzen, und dessen realer Umsetzung. So artikuliert ein ANTA-Direktor, dass die Wirtschaft sehr genaue Zielvorstellungen für die Berufsbildung habe, die jedoch von den Zielen und Aufgaben der Regierungen sowie der Berufsbildungsforschung abweichen: „I think industry sees themselves as being a leader in the system, so they often have very strong views about direction and outcomes. And the government’s role in administration and regulation does not always accord with industries’ views.“ (ANTA, O1)
Der Absicht der Commonwealth-Regierung, einheitliche Standards und Richtlinien zu implementieren, steht das Interesse der Wirtschaft gegenüber, ein Berufsbildungssystem zu etablieren, in welchem die konkreten Anforderungen der Unternehmen in die Ausbildungsinhalte integriert werden und in welchem flexible und individuell gestaltbare Qualifizierungsprozesse realisiert werden können. Durch die immer noch dominierende Rolle der Wirtschaft in der Berufsbildung richtet sich die Berufsbildung nach wie vor an deren Anforderungen aus, was insbesondere durch die training packages auch weiterhin forciert wird (Schofield/McDonald, 2004, S. 12). Positiv dabei ist, dass viele Unternehmen aufgrund dessen Interesse an der Berufsbildung und insbesondere am CBT-Ansatz haben, da sie gemäß ihren eigenen Anforderungen aus- und weiterbilden können. Wirtschaftsvertreter verbänden laut einer Studie von Mulcahy/James mit dem CBT-Ansatz u. a. Verbesserungen in der Produktivität, Effizienz und Effektivität der Unternehmen, Qualitätssteigerungen und verbesserte Fähigkeiten zur Erreichung der Unternehmensziele (Mulcahy/James, 1999, S. 34). Auch Schofield/McDonald zufolge wird die herausragende Stellung der Wirtschaft als notwendiger Aspekt für den CBT-Ansatz angesehen (Schofield/McDonald, 2003, S. 5), da diese transparente Standards für die Leistung der Lernenden bzw. der Arbeitnehmer entwickelt und definiert, um somit den wirtschaftlichen und unternehmerischen Bedürfnissen angemessen. Kritisch betrachtet wird die Dominanz der Wirtschaft von Seiten der Berufsbildungsforschung. Die Berufsbildung ausschließlich mit ökonomischen Zielgrößen zu verknüpfen, hat aus deren Sicht die Vernachlässigung pädagogischer und lerntheoretischer Grundlagen und Ziele zur Folge, was für eine holistische Berufsbildungspraxis nicht erstrebenswert sei. Wie ein befragter Vertreter der Berufsbildungsforschung konstatiert, sollten verschiedene Akteure der Berufsbildung in Entscheidungs- und Entwicklungsprozesse involviert werden, um die Interessen der Berufsbildungspraxis mit denen der Wirtschaft zu verbinden (Interview Part I, Frage 6.1): „Vocational education needs to recognise the range of stakeholders who are involved. So that it is not just what industry today says it needs for today’s profit. The challenge for vocational education is to go back to understanding the range of stakeholders, to
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Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
then find ways of connecting the different ways in which different kinds of learners come to learn. And to connect that with the immediate and longer term needs of industry and economy“ (Griffith University, A8).
Ein weiterer Kritikpunkt im Hinblick auf eine ungleiche Interessenvertretung bezieht sich darauf, dass es primär die großen Unternehmen sind, die an Entscheidungsprozessen beteiligt sind und somit ihre Interessen in der Berufsbildung durchsetzen können. Die spezifischen Anforderungen und Interessen kleinerer und mittlerer Unternehmen hingegen würden oftmals vernachlässigt (Interview Part I, Frage 4.2): „The dominance of big industry is an issue, because in the committees the people with the voice are the ones who can afford to put big business on, small business can’t afford to send somebody off to meetings and spend time doing it, they are too busy trying to survive. So necessarily their voice is lowered or neglected or not heard“ (University of South Australia Adelaide, A10).
ANTA nahm in der Lösung dieser Interessenkonflikte und in der Vereinigung der Ziele verschiedener Akteure im Berufsbildungssystem eine zentrale Rolle ein. Mit ihrer Auflösung steht das DEST nun in der Verantwortung, diese Aufgabe zu erfüllen, wobei die Vermutung naheliegt, dass der Trend zur zentralen politischen Steuerung durch die Commonwealth-Regierung sowie die Dominanz der großen Wirtschaftsvereinigungen fortgesetzt wird. Welche Rolle die Interessen der kleineren und mittleren Unternehmen sowie der pädagogischen Berufsbildungspraxis im Gesamtsystem in Zukunft spielen werden und welche Position die States/Territories einnehmen werden, bleibt abzuwarten. Ad 3.) Cornford kritisiert, dass insbesondere hinsichtlich einschlägiger pädagogischer Kenntnisse Defizite in der Ausbildung der Lehrkräfte vorzufinden seien (Cornford, 1999, S. 100). Diese zeigten sich, so Cornford, in fehlenden methodischen Fähigkeiten und Kenntnissen sowie fehlendem einschlägigen pädagogischen und psychologischen Fachwissen hinsichtlich der Gestaltung lernerzentrierter Lernprozesse selbst ausgebildeter Lehrkräfte. Wie aus den dargestellten Untersuchungen hervorgeht, lässt sich diese Problematik auf die fehlende Struktur und Standardisierung der Lehrerbildung im Berufsbildungssektor zurückführen (u. a. Harris et al., 2001, S. 30; Lowrie/Smith/Hill, 1999, S. 15). Insbesondere Anfang der neunziger Jahre wurden Lehrende oftmals nicht ausreichend auf die Realisierung des CBT-Ansatzes vorbereitet. Wenngleich die Kompetenzstandards und auch die Lehr-Lern-Materialien eine Verbesserung erfuhren und sich der CBT-Ansatz flächendeckend etabliert hat, so stellt die nicht vorhandene Standardisierung der Lehrerbildung bis heute – zumindest aus Sicht der Pädagogen und Berufsbildungsforscher – ein Problemaspekt dar. Die meisten Lehrenden im
3.7. Kritische Auseinandersetzung mit dem CBT-Ansatz
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Berufsbildungssektor kommen im Gegensatz zum Schulsektor aus der Wirtschaft, und der Fokus liegt bei ihrer Auswahl auf der Fachqualifikation sowie auf der einschlägigen Berufserfahrung. Die pädagogische Ausbildung bleibt – wie bereits unter 4.4.7 dargestellt – zumeist auf den Erwerb des Certificate IV in Assessment and Workplace Training beschränkt und wird somit lediglich als Zusatzqualifikation angesehen. Laut der Aussage eines Vertreters von ANTA seien jedoch einschlägige pädagogische und lerntheoretische Kenntnisse für die Umsetzung der training packages unabdinglich, würden im Certificate IV in Assessment and Workplace Training jedoch nur begrenzt erworben: „Practitioners having to use their own professional judgement and capacity to deliver what is outlined in the training packages. From a national perspective one of the problems was that most of the teachers and tutors were qualified at a certificate IV level and at a certificate IV level the theory behind teaching and learning and the theory behind adult learning is introduced only very briefly and at a very basic level“ (ANTA, O7). „[...] In other areas we have young people who come in, who are unemployed, desperate, angry, they are difficult to teach. So it takes highly skilled people to manage this and I don’t think we try very hard to give people professional development, so that they can actually meet these demanding customers“ (Research, Canberra Institute of Technology, P8).
3.7.2. Ausgewählte didaktisch-curriculare Problemaspekte Als Problemaspekte auf der didaktisch-curricularen Ebene sollen an dieser Stelle zwei Eckpunkte herausgegriffen werden: erstens die inhaltliche Ausrichtung der training packages bzw. der Kompetenzstandards und zweitens die Durchlässigkeit von beruflichen und allgemeinen Qualifizierungsmaßnahmen. Die inhaltliche Ausrichtung der Kompetenzstandards als Kernstück der didaktisch-curricularen Vorgaben konzentriert sich auf Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse, die zur Erfüllung von Aufgaben in einer konkreten Arbeitsumgebung und darüber hinaus notwendig sind. Somit stehen diese im Vordergrund, wenngleich allgemeine und kontextunabhängige Schlüsselkompetenzen zumindest formal in die training packages integriert sind, deren Umsetzung jedoch Anlass zu Kritik gibt (Schofield/McDonald, 2004, S. 19). Laut Meinung vieler Lehrender, enthalten die training packages im Vergleich zu den nationalen Curricula, die vor der Einführung des CBT-Ansatzes die Lehrinhalte vorgaben, zu wenig allgemeines Hintergrundwissen, wodurch die Ganzheitlichkeit dabei verloren ginge: „There’s less description of underpinning knowledge, there’s less description of holistic approaches in training packages than there was in curriculum“ (Research, Canberra Institute of Technology, P8).
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Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
Auch einer Studie von James zufolge fokussiert der CBT-Ansatz das technische und operationale Fachwissen und vernachlässigt dabei Aspekte wie unternehmerische Werte, Unternehmenspolitik und -kultur sowie Erfahrungslernen und Schlüsselkompetenzen (James, 2001, S. 305). Als problematisch wird hierbei angesehen, dass in einem CBT-Lernprozess primär messbare und beobachtbare Fähigkeiten und Kenntnisse vermittelt werden, wodurch, so James, oft ein falsches Bild über die Qualifikation des Lernenden vermittelt würde. Als kompetent eingestuften Lernenden würde etwa oftmals Erfahrungswissen und übergreifendes konzeptuelles Wissen fehlen (ebenda, S. 308). Dem sind die Aussagen einiger Lehrenden und Berufsbildungsforscher zu den training packages entgegenzusetzen, welche eine Erweiterung dieser wahrnehmen und ihnen eine zunehmend konstruktivistische und weniger behavioristische Fundierung attestieren.48 Die Wahrnehmungsunterschiede lassen sich mit den branchenbedingten Unterschieden in den einzelnen training packages erklären und in den unterschiedlichen Niveaustufen, auf denen diese angesiedelt sind. Wie bereits dargestellt wurde, gibt es hinsichtlich der Qualität in der Gestaltung und Konkretisierung von Kompetenzen zwischen einzelnen training packages Unterschiede, was zu einer divergierenden Akzentuierung von allgemeinen kognitiven Fähigkeiten und konkreten fachpraktischen Kompetenzen führt (Schofield/McDonald, 2004, S. 12). Ein branchen- und leistungsstufenübergreifend artikulierter Kritikpunkt bezieht sich auf die modulare Struktur der Kompetenzstandards. Laut einer Studie von Smith et al. äußerten einige Lehrende verschiedener Institute Bedenken, da der CBT-Ansatz zu einer Fragmentierung der Lerninhalte führe (Smith et al., 1997, S. 54). Lernende würden lediglich die Inhalte erwerben, die für ein spezifisches Modul erforderlich seien, die Erkenntnis über ganzheitliche Prozesse sowie transferfördernde Problemlösefähigkeiten gingen dabei jedoch verloren. Darüber hinaus fokussiere das CBT-Modell lediglich Routinetätigkeiten, welche durch die Kompetenzstandards adressiert würden; Tätigkeiten, die sich von konkreten standardmäßigenArbeitsplatzsituationen lösen,könnten oftmals nicht ausreichend durchgeführt werden (Misko, 1999, S. 57). Dies resultiere in restriktiven Kompetenzprofilen, die auf dem Arbeitsmarkt bzw. in den Unternehmen nur bedingt verwertbar seien. Diese artikulierten Kritikpunkte basieren auf Befragungen, die Mitte der neunziger Jahre durchgeführt wurden und somit im Kontext der ersten training packages anzusiedeln sind. Die für die Arbeit durchgeführte Befragung macht jedoch deutlich, dass die Kompetenzstandards zwar immer noch einen starken Arbeitsbezug aufweisen, der inhaltliche Umfang jedoch von einzelnen, fragmentierten 48 Siehe
dazu die Auseinandersetzung mit den training packages unter 3.5.1.
3.7. Kritische Auseinandersetzung mit dem CBT-Ansatz
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Routinetätigkeiten auf übergreifende Anforderungen erweitert wurde. Auch das bereits erläuterte Beispiel der Umsetzung von key competencies am Torrens Valley Institute of TAFE widerlegt die Vorwürfe und verdeutlicht die durch die kontinuierlich durchgeführten Review-Prozesse forcierte Weiterentwicklung der training packages in den vergangenen Jahren. Ein bis heute bestehendes und oftmals artikuliertes durch den Arbeitsplatzbezug der training packages bedingtes Problem, besteht darin, dass die meisten Kompetenzstandards off-the-job, d. h. in Simulationen an den TAFE-Instituten oder bei anderen Anbietern, absolviert werden und somit abhängig sind von den vorhandenen personellen und materiellen Ressourcen. Dem Anspruch auf reale Arbeitssituationen könne somit nur bedingt gerecht werden (Interview Part II, Frage 1.4): „At the TAFE institutes, what the training packages want is for people to really have a lot of work simulation and have students learning what they need to learn in a joptype situation. We tend to deliver a lot in classrooms so it is not always the case that people are getting real simulations of the workforce. The problem with doing that is that students often don’t get to experience what the workforce is really like“ (Business, Box Hill Institute of TAFE, P2).
Darüber hinaus gibt die Dynamik in der Weiterentwicklung von training packages Anlass zur Kritik. Die kontinuierlichen Review-Prozesse werden einerseits als positiv angesehen, da somit sowohl die Qualität als auch die inhaltliche Relevanz der training packages gewährleistet wird. Andererseits hat dies jedoch für die Lehrenden zur Konsequenz, dass sie bereits entwickelte Lehrmaterialien fortlaufend an die neuen Vorgaben anpassen müssen und auch Lernende ihren geplanten Lernprozess bei der Implementation eines neuen bzw. überarbeiteten training package an dieses anpassen müssen und unter Umständen eine Verlängerung ihres Lernprozesses erfahren.49 Der zweite Problemaspekt auf der didaktisch-curricularen Ebene – die Durchlässigkeit beruflicher und allgemeiner Qualifikationen und Qualifizierungswege – liegt darin begründet, dass die beruflichen Qualifikationen auf dem CBT-Ansatz basieren und somit modularisiert, Outcome-orientiert und praxisnah sind und ihnen im Gegensatz zu schulischen und universitären Qualifikationen keine ganzheitlichen Curricula zugrunde gelegt werden. Neben den strukturellen und inhaltlichen Unterschieden zwischen beruflichen, schulischen und universitären Qualifikationen ist deren unterschiedliche Wertschätzung problematisch, da die beruflichen Qualifikationen immer noch einen geringeren Stellenwert einnehmen als die schulischen bzw. universitären. Dies wird u. a. in einer Studie von James deutlich, in welcher die Bildungsgangentscheidungen von Schülern der Klassen 10–12 49 Siehe
dazu die Ausführungen unter 3.5.1.
234
Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
(Sekundarstufe II) untersucht wurden. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass 90 % der befragten Schüler den Übergang in den Tertiärbereich anstreben und zwei Drittel dieser Schüler ein Universitätsstudium aufnehmen möchte. Nur ein Viertel kann sich vorstellen, an einer beruflichen Bildungsmaßnahme teilzunehmen, was damit begründet wird, dass ein beruflicher Abschluss weit weniger angesehen ist als ein Universitätsabschluss, und viele die Berufsbildung als nicht erstrebenswert und weit weniger prestigeträchtig erachten (James, 2000, S. 30). Wenngleich verschiedene Initiativen zur Erhöhung der Akzeptanz und Attraktivität beruflicher Qualifikationen und Qualifizierungsmaßnahmen initiiert werden, sind diese bislang nur partiell erfolgreich.50 3.7.3. Zu den Schwierigkeiten bei der Implementation des CBT-Ansatzes im Lernprozess Die Schwierigkeiten, die hinsichtlich der Implementation des CBT-Ansatzes im Lernprozess insbesondere von Lehrenden artikuliert werden, lassen sich unter folgenden Aspekten subsumieren: 1. Anwendung kognitiver Lerntheorien 2. Erfüllung des Anspruchs auf Individualisierung und Selbststeuerung im Lernprozess 3. Umsetzung des competency-based assessment 4. Vermittlung der Kompetenzstandards in den training packages Ad 1.) Aus der Perspektive der Berufsbildungsforschung wird oftmals die dem CBT-Ansatz inhärente Outcome-Orientierung kritisiert, da diese auf behavioristischen Grundannahmen beruhe und konstruktivistische Lerntheorien und Erkenntnisse aus der Kognitionsforschung vernachlässige. So kritisieren u. a. Cornford (1997, S. 54 ff.), Billett et al. (1999, S. 19), Harris et al. (1995, S. 98) und Smith (1999, S. 109), dass der CBT-Ansatz beobachtbare und messbare Kompetenzaspekte fokussiere und dabei konstruktivistische Prozesse marginalisiere. Dieser Kritik sind jedoch Beispiele aus der Berufsbildungspraxis und aus der Curriculumentwicklung entgegenzusetzen. So ist insbesondere in den training packages die Realisierung lernerzentrierter Lernprozesse vorgesehen, in denen die konstruktivistische Erschließung von Lösungsansätzen im Vordergrund steht. Das Torrens Valley Institute of TAFE stellt in diesem Zusammenhang ein herausragendes Beispiel für die Umsetzung konstruktivistischer Ansätze dar, jedoch herrscht an vielen 50 Auf
diese Initiativen wird im unter 3.7.4 eingegangen.
3.7. Kritische Auseinandersetzung mit dem CBT-Ansatz
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anderen RTOs nach wie vor eine andere Lehr- und Lernkultur, welche die Kritik der Fokussierung auf behavioristische Grundansätze und an der Schwierigkeit in der Umsetzung kognitiver Lerntheorien berechtigt erscheinen lässt. Aktuelle Beispiele aus der Curriculumentwicklung, die eine Erweiterung der training packages avisieren, zeigen jedoch, dass zunehmend versucht wird, die Outcome-Orientierung durch methodische Handreichungen zur Gestaltung von Input und Lernprozess zu komplettieren (Smith/ Keating, 2003, S. 154). Auch die sukzessive curriculare Umsetzung der key competencies oder der employability skills, die nicht auf behavioristischen, sondern vielmehr auf kognitiven Ansätzen beruhen, erlauben Rückschlüsse auf eine Loslösung von behavioristischen Grundannahmen in der Umsetzung des CBT-Ansatzes. Ad 2.) Dem Anspruch auf Individualisierung und Selbststeuerung im CBTAnsatz gerecht zu werden, ist aus Sicht von Berufsbildungsforschern essenziell für einen kompetenzbasierten Lernprozess. Der Lernende sollte im Zentrum des Lernprozesses stehen und die Möglichkeit haben, selbst zu entscheiden, wann, wo und wie die in den training packages vorgegebenen Kompetenzmodule erworben werden (u. a. Harris et al., 1995, S. 147 f.; Smith/Keating, 2003, S. 141 ff.). Für Lehrende resultiert daraus die Anforderung, auf die individuellen Bedürfnisse der Lernenden einzugehen und diese im Lernprozess zu begleiten und zu unterstützen. Einer Studie von Mulcahy/James zufolge führt ein individualisierter und selbstgesteuerter Lernprozess zu mehr Selbstbewusstsein insbesondere der Jugendlichen, da sie durch die Möglichkeit der Eigeninitiative und zur Übernahme von Verantwortung sowie durch die individualisierte Leistungsmessung kontinuierliche Anerkennung für die Leistungsfortschritte erhielten (Mulcahy/James, 1999, S. 64 ff.). Aus Sicht der Lehrenden bereitet es jedoch einige Schwierigkeiten, einen individualisierten und selbstgesteuerten Lernprozess zu realisieren. Die Schwierigkeiten bestehen zum einen in den individuellen Anforderungen der Lernenden, denen man aus zeitlichen, personalen und finanziellen Gründen nicht immer gerecht werden kann (Simons et al., 2003, S. 76), und zum anderen in der mangelnden Bereitstellung benötigter Ressourcen insbesondere für die praktische Vermittlung und Prüfung von Kompetenzeinheiten. Über entsprechende Ressourcen verfügen jedoch lediglich die großen TAFE-Institute. Folglich kann von einer Diskrepanz zwischen formalem Anspruch auf individualisierte und selbstgesteuerte Lernprozesse, die praxisnah in einer realen oder simulierten Arbeitssituation stattfinden, und deren Umsetzung in der Berufsbildungspraxis gesprochen werden, in der dieser Anspruch aus Mangel an Ressourcen nicht erfüllt werden kann. Ad 3.) Training packages forcieren einen stärkeren Praxisbezug, der die Durchführung von Prüfungen in praxisnahen Simulationen bzw. am Arbeitsplatz realisieren soll (Booth, 2000, S. 3), was jedoch in der Berufsbildungspraxis aus Zeit- und
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Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
Personalgründen oftmals nicht gewährleistet werden kann. Dies führe laut Aussagen befragter Lehrender wiederum dazu, dass Kompetenzeinheiten „abgehakt“ würden, ohne entsprechende Prüfungen durchzuführen (Interview Part II, Frage 5.2): „[...] you have to make sure that you address every element and go through all the elements and make sure you cover everything. Given that everything is so much in detail things are overlooked at the end and not assessed at the end. If you look at the elements of competency within the training package and you say I have 20 elements to assess that will take me for ages to do every single one. So let’s assess it holistic. Address all elements in one assessment process“ (Cooking, Canberra Institute of TAFE, P11). „When competency-based approaches to assessment came into training, more time was taken away from learning time and put into assessment and leading to over-assessment“ (Curriculum Development, Canberra Institute of TAFE, P12).
Cornford kritisiert zudem, dass die Beurteilung durch den Lehrenden, ob ein Kandidat kompetent ist oder nicht, zeitlich und inhaltlich punktuell und situativ sei und Zweifel an deren Reliabilität und Validität aufkommen ließe (Cornford, 1997, S. 62). Ein weiterer Kritikpunkt ist in diesem Zusammenhang die vorherrschende Heterogenität in der Prüfungspraxis, die trotz AQTF zu einer großen Diskrepanz zwischen den Anbietern führen kann. Dies kann zur Folge haben, dass eine Kompetenzeinheit durch ein Institut in einer bestimmten Situation anders beurteilt wird als dies durch ein anderes Institut oder in einer anderen Situation der Fall wäre. Das führt zu dem Schluss, dass trotz nationaler Standards und des hohen Aufwands, der für die Implementation und Überwachung der Standards erforderlich ist, eine homogene Prüfungspraxis nur bedingt vorzufinden sei (Booth, 2003, S. 6). Einer Studie von Gillis/Bateman zufolge finden die Prüfungsrichtlinien der training packages auch hinsichtlich der Durchführung praxisnaher Prüfungen nur bedingt Anwendung – so greifen viele Lehrende auf traditionelle Prüfungsverfahren zurück, die sie zudem nach den Kriterien „Einfachheit“, „leichte Anwendung“ und „Kosteneffizienz“ auswählten (Gillis/Bateman, 1999, S. 7). Holistische und praxisnahe Prüfungen, die individuell und flexibel gestaltet werden und die Gütekriterien Validität, Reliabilität und Objektivität erfüllen, werden folglich in der Praxis nur begrenzt durchgeführt. Wie aus den Experteninterviews hervorgeht werden die Schwierigkeit der Umsetzung des kompetenzbasierten Prüfens sowie die mangelnde Vorbereitung der Lehrenden zur Durchführung kompetenz- und arbeitsplatzorientierter Prüfungen auch von Lehrenden selbst als kritisch angesehen (Interview Part II, Frage 5.2): „From the point of view what’s difficult as a teacher I think is working out the assessment standard and working out the best way that you can assess students“ (Curriculum Development, TAFE NSW, P13).
3.8. Aktuelle Herausforderungen und Reformperspektiven
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„In competency-based assessment there is much more reliance upon identifying a valid method for assessment. It is essential that it’s done in context that it is not separated from the actual place of work. Even if it’s simulated it must be in an environment which closely resembles the workplace. This has put great stress on teachers who firstly don’t necessarily have access to such work process, where they can implement valid assessment activities. And in simulation they are restricted to a large degree by the lack of resources. The other aspect is that teachers haven’t been prepared well enough“ (Research, Canberra Institute of Technology, P8).
Booth sieht die Gründe in der heterogenen Prüfungspraxis und in der unzureichenden Umsetzung eines fundierten competency-based assessment im mangelnden Verständnis der Prinzipien des competency-based assessment (Booth, 2000, S. 3). Somit lässt sich wiederum eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit des CBT-Ansatzes hinsichtlich des competency-based assessment konstatieren. Ad 4.) Die wohl größte Schwierigkeit in der Realisierung eines kompetenzbasierten Lernprozesses besteht in der „Übersetzung“ der Anforderungen der training packages. Eine kritische Auseinandersetzung mit den training packages und den Problemen bei der Implementation erfolgte bereits, weshalb an dieser Stelle auf eine Wiederholung der Problemaspekte verzichtet wird. Es bleibt festzuhalten, dass die „Übersetzung“ der training packages in geeignete Lehr-Lern-Materialien für die Realisierung eines ganzheitlichen, praxisnahen Lernprozesses didaktische und methodische Fachkenntnisse seitens der Lehrenden erfordern. Dass dies auch heute noch viele Lehrende vor Herausforderungen stellt, lässt sich mit folgender Aussage zusammenfassend verdeutlichen: „However I think some of the challenges have been, because we have moved from very much curriculum based where it was very structured and it was very black and white, a lot of people who have been in the system for a long time have found it difficult to swap to the training packages, because it has not been as prescriptive “ (SME, Box Hill Institute of TAFE, P7).
3.8. Aktuelle Herausforderungen und Reformperspektiven Seit der Einführung des CBT-Ansatzes sind einige Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt aufgetreten, welche neue Herausforderungen an die Berufsbildung stellen und Reformen notwendig machen. Laut einem Bericht des Board of Vocational Education and Training (BVET) verändern sich die Strukturen der Beschäftigung vor allem dahingehend, dass die traditionelle Form der Vollzeitbeschäftigung nicht mehr als Norm angesehen werden kann. Teilzeitbeschäftigung, befristete Arbeitsverträge und häufige Arbeitsplatzwechsel definieren die neuen Beschäftigungsstrukturen, welche aus einem wachsenden Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt resultieren und oftmals als Produkt der Globalisierung betrachtet werden (BVET,
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Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
2001, S. 15 ff.). Hinzu kommen strukturelle Veränderungen der Unternehmen bedingt durch Outsourcing von Geschäftsbereichen, flache hierarchische Strukturen innerhalb der Unternehmen und eine daraus folgende breitere Basis für Entscheidungsprozesse und Verantwortungsbereiche (Schofield/ McDonald, 2004, S. 9). Laut einer OECD-Studie (1998) verändern sich zudem die Anforderungen an die Arbeitnehmer am Arbeitsplatz in Form eines Anstiegs der Aufgabenkomplexität bzw. des -umfangs – bezeichnet als „Multi-Tasking“ und „Multi-Skilling“. Hinzu komme eine stärkere Verantwortung der Arbeitnehmer für ihre Arbeit und das Unternehmen, zunehmende Teamarbeit im Unternehmen sowie der verstärkte Einsatz von leistungsorientierten Entlohnungsmechanismen. Des Weiteren verzeichnen Schofield/McDonald (2004, S. 9) eine steigende Nachfrage nach kognitiven Fähigkeiten, sozialen und personalen Kompetenzen und nach kontinuierlicher Weiterentwicklung des individuellen Kompetenzprofils im Sinne lebenslangen Lernens. Laut Schofield/McDonald können standardisierte Curricula sowie vorgegebene Lehr-Lern-Methoden und Prüfungsverfahren die veränderten Bedürfnisse der Unternehmen, Arbeitnehmer, Arbeits- und Beschäftigungsstrukturen nicht ausreichend erfüllen, weshalb sie vier „neue“ Anforderungen an Lehrende im Bereich der Berufsbildung identifizieren (Schofield/McDonald, 2004, S. 11): 1. Lehrende müssen über intellektuelle pädagogische Kenntnisse verfügen und aus diesen schöpfen. 2. Lehrende müssen anstelle des traditionellen Frontalunterrichts zunehmend lernerzentrierte, arbeitsorientierte und Personalkompetenz fördernde Lehrmethoden einsetzen. 3. Lehrende müssen mit einer heterogenen Gruppe von Lernenden, mit unterschiedlichen Lernumgebungen und an verschiedenen Lernorten arbeiten können. 4. Lehrende müssen die Bedeutung der Integration von Lernen und Arbeiten als das wichtigste Element der heutigen Arbeitsumgebung verstehen. Diese Anforderungen stellen die Lehrenden vor neue Herausforderungen und sind nur durch eine strukturierte und inhaltlich adäquate Lehrerbildung zu bewältigen (Simons et al., 2003, S. 30). Gerade die Lehrerbildung weist jedoch, wie bereits dargestellt, enorme Defizite auf, weshalb hier akuter Handlungsbedarf festzustellen ist. Neben der Reformierung der Lehrerbildung ist die Berufsbildung mit zwei Herausforderungen konfrontiert: mit dem Problem der ageing population (alternde Bevölkerungsstruktur) und dem der skill shortages (Fachkräftemangel).
3.8. Aktuelle Herausforderungen und Reformperspektiven
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Das Problem der ageing population im Zuge des demografischen Wandels steht im Mittelpunkt beschäftigungs- und berufsbildungspolitischer Diskussionen aller westlichen Industrienationen. Die alternde Bevölkerungsstruktur hat Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, und es müssen adäquate berufsbildende Programme und Maßnahmen nicht nur für Jugendliche, sondern insbesondere für ältere Arbeitnehmer entwickelt und implementiert werden, um die Chancen dieser Zielgruppe auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen und deren Arbeitsplätze in den Unternehmen zu sichern, wie ein Vertreter des Group Training Association of Victoria formuliert: „In having an ageing population in a training system that has been designed for younger people means there are things that we should do to turn that around. If people are going to stay in the workforce longer then there’s a big challenge to retrain and up-skill people“ (Group Training, P13).
Der Fachkräftemangel lässt derzeit nicht nur für die australische Berufsbildung, sondern auch für andere Länder berufsbildungspolitischen Reformbedarf erkennen (BVET, 2001, S. 9). Der Begriff skill shortages beschreibt das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage im Hinblick auf qualifizierte und verfügbare Arbeitnehmer: „A skill shortage exists when the demand for workers for a particular occupation is greater than the supply of workers who are qualified, available and willing to work under existing market conditions“ (Shah/Burke, 2005, S. V).
Shah/Burke identifizieren in dieser Definition zwei Gründe für den Fachkräftemangel: die mangelnde Qualifizierung der Arbeitnehmer für die betroffenen Wirtschaftsbereiche und die mangelnde Bereitschaft qualifizierter Arbeitnehmer unter den gegebenen Arbeitsbedingungen zu arbeiten. Insbesondere im Handwerk ist der Fachkräftemangel ausgeprägter als in anderen Bereichen, was u. a. in der abnehmenden Nachfrage nach entsprechenden Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen begründet liegt. So mussten aufgrund dessen bereits Abteilungen der TAFEInstitute geschlossen werden (Australian Education Union, 2005, S. 7). Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, muss folglich die Akzeptanz und Attraktivität des Handwerks und adäquater Bildungsmaßnahmen erhöht werden. Dies gilt insbesondere für die Lehrausbildungen, wie ein Vertreter des Group Training Association of Victoria anmahnt (Interview Part I, Frage 6.1): „There’s a big challenge to attract young people into apprenticeships. We have some skill shortages in the traditional trade and they are only going to worsen“ (Group Training, P13).
Ein Lehrender beschreibt den Fachkräftemangel als einen „Mythos“, da Fachkräfte zwar ausgebildet würden, aber nicht mehr in den jeweiligen Berufen arbeiten
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Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
möchten. Der Grund liege auch hier in der Wertschätzung und Akzeptanz handwerklicher Berufe: „We’ve got horrific skills shortages, they say. That’s a bit of a myth in some areas, because in fact jobs have changed. People who are trained as automotive mechanics they don’t want to work there anymore, they don’t want to be mechanics anymore. So I wonder whether it’s a skills shortage or a problem with the way work has changed and people view professions and occupations. If there’s someway in which we can encourage mechanics to stay in the business, there would be no skill shortage“ (Research, Canberra Institute of Technology, P8).
Ein Berufsbildungsforscher sieht es als Aufgabe der Berufsbildungspraxis, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, wobei das Dilemma bestünde, dass es dieser selbst an qualifizierten Fachkräften mangele: „One of the big challenges is certainly the VET system skill shortages and the ageing population. So how is VET going to sustain itself in that situation, because not only VET is being asked to solve the skill shortages, but itself is going to have a skill shortage of its own staff“ (University of Technology Sydney, A2).
Richardson identifiziert drei Ansätze, mit denen versucht wurde, das Problem der skill shortages zu lösen: 1. Eine finanzielle Entlastung der Arbeitnehmern und Jugendlichen, die eine berufliche Bildungsmaßnahme anstreben, wurde durch zunehmende öffentliche Subventionen erwirkt. 2. Die Schaffung von Ausbildungsplätzen wurde durch öffentliche Zuschüsse ausgeweitet. 3. Arbeitslose Personen erhalten die Möglichkeit, kostenlos an beruflichen Bildungsmaßnahmen teilzunehmen, um ihre Beschäftigungschancen zu erhöhen. Staatliche Unternehmen aus den Bereichen Gas-, Wasser- und Elektrizitätsversorgung, Bahn, Verkehr und Kommunikation hatten eine ausgeprägte Ausbildungskultur und leisteten einen großen Beitrag im Bereich der Ausbildung von Fachkräften im Handwerk. Mit der zunehmenden Privatisierung und Erhöhung des Wettbewerbs ist jedoch eine Abnahme an Ausbildungsplätzen auch in diesen Bereichen zu verzeichnen, was Richardson auf die mangelnde Bereitschaft der privaten Unternehmen, Ausbildungsplätze anzubieten, zurückführt (Richardson, 2007, S. 18 f.). Die von Richardson identifizierten Schritte beziehen sich primär auf eine Erhöhung öffentlicher Mittel für die Berufsbildung. Doch auch die privatwirtschaftliche
3.8. Aktuelle Herausforderungen und Reformperspektiven
241
Seite setzt unterschiedliche Maßnahmen ein, um dem Problem der skill shortages zu begegnen. So wird u. a. der Aufwand für die Rekrutierung neuer Arbeitskräfte erhöht, die Arbeitsbedingungen werden verbessert, und es werden zumindest partiell Lohnerhöhungen durchgesetzt (ebenda, S. 26). Sowohl bei den Ansätzen der öffentlichen als auch bei denen der privatwirtschaftlichen Seite stehen monetäre Aspekte im Vordergrund. Die Frage bleibt jedoch, wie der soziale Stellenwert und die Attraktivität der Lehrausbildung und anderer Formen der beruflichen Erstausbildung insbesondere für Jugendliche gesteigert werden kann. Dass dies jedoch eine wichtige Herausforderung darstellt, lässt sich durch folgende Aussagen illustrieren (Interview Part I, Frage 6.1 und Part II, Frage 7.1): „Another problem is that the traditional trades are not recognised, they have an image problem with respect to attracting young people into their areas. Career guidance counsellors tend to direct students more to university tied programs, because we have a greater emphasis on the university qualifications“ (DET, O2). „Our system exists since thirty years and I haven’t seen remarkable improvements in the attitude towards VET. We all want plumbers, electricians and carpenters, but we all want our children to be doctors and lawyers. It’s very much seen to be a second choice rather than a first choice“ (Group Training, P16).
Offenbar konnte eine Gleichstellung der Berufsausbildung mit der universitären Bildung trotz diverser Bemühungen seitens der Commonwealth-Regierung und der Regierungen der States/Territories nicht erreicht werden. Neben den Herausforderungen durch veränderte Arbeitsstrukturen, den demografischen Wandel und den Fachkräftemangel wurden von den Vertretern der Berufsbildungsforschung und der Bildungsverwaltung weitere genannt, die im Folgenden anhand exemplarischer Aussagen aufgeführt werden sollen (Interview Part I, Frage 6.1): „I think one of the big challenges is funding VET. So you have to question how much is the government supposed to fund education and at what point does your entitlement stop and start and how much does the individual fund what they are doing, how much does industry and employers fund the education and training that they want“ (DEST, O4). „Another challenge is recognising that learning is the centre of everything and if we really want a quality system we have to look at the quality of the learning experience, which means the quality of our teachers whoever they are. And in VET you are not just talking about people from an educational background you talk about people from an industry background and in fact you want them to make sure that training is relevant. But they do have to therefore understand how you motivate people to learn“ (DEST, O4).
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Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
„The main challenge will be the coming together of the higher education and the vocational education. A lot of money has been spent on marketing, trying to give that other option that is not university. Vocational education does not get the publicity it should“ (ANTA, A1).
Die Herausforderungen aus Sicht der Vertreter der Berufsbildungsforschung und Bildungsverwaltung lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1. Die Auflösung von ANTA hat zur Folge, dass die States/Territories Abkommen zur Finanzierung berufsbildender Maßnahmen nun direkt mit dem DEST schließen müssen, wodurch die Unsicherheit über zukünftige Finanzierungsmechanismen gestiegen ist. Vor diesem Hintergrund stellt die Standardisierung und gesicherte Reglementierung des Finanzierungssystems eine Herausforderung dar. 2. Die Sicherung eines nationalen Berufsbildungssystems, das von einer hohen Qualität in beruflichen Qualifikationen und Qualifizierungswegen zeugt, stellt trotz der Bemühungen des DEST auch weiterhin eine Herausforderung dar. 3. Die durch die Dominanz der Wirtschaft bedingten Ungleichgewichte in den Zuständigkeiten sollen durch eine stärkere Kooperation aller an der Berufsbildung beteiligter Akteure beseitigt werden, um eine breitere Basis zur Konsensfindung im Berufsbildungssektor zu schaffen. 4. Die Durchlässigkeit des Bildungssystems stellt eine Herausforderung dar und soll insbesondere durch Kooperationen zwischen Hochschul- und Berufsbildungssektor erhöht werden, aber auch durch eine zunehmende Verknüpfung der Sekundarschulen und beruflicher Bildungsinstitute, wofür eine Ausweitung bestehender kooperativer Programme erforderlich ist. 5. Die Bekämpfung der Stigmatisierung beruflicher Qualifikationen und Qualifizierungswege und die Erhöhung der Attraktivität und Akzeptanz der Berufsbildung stellen insbesondere vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels in bestimmten Wirtschaftsbereichen eine große Herausforderung dar, die jedoch eine Abkehr von meritokratischen Bildungsgangentscheidungen erfordert. Die Perspektive der Berufsbildungspraxis bezüglich der zukünftigen Herausforderungen illustrieren folgende Aussagen (Interview Part II, Frage 7.1):
3.8. Aktuelle Herausforderungen und Reformperspektiven
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„Another challenge for the VET sector is that throughout the 1980s and 1990s a Labour government put a lot of emphasis on higher education and so degree programs and now we have the case that the trades and the vocational system are kind of second rate which has always been the case but now it’s more the case. So attracting people to VET System when they can go to university is getting more difficult and so it‘s particular the case in trades“ (Business, Box Hill Institute of TAFE, P2). „One challenge is that everybody now wants to have a university training and TAFE is seeing as a lower grade and TAFE is used by a lot of students as a cheap back doorway into university“ (Hospitality, William Angliss Institute of TAFE, P15). „A challenge is consistency in workplace assessment across the industry. Different RTOs do different things, so you have to look at what is ok and what is not in terms of assessment“ (Childcare, Canberra Institute of Technology, P9). „Another challenge for us as teachers is to join competencies together and do holistic assessment. I think it is still a new area that is developing and it is a climate that is changing all the time and we have to be very flexible with the changes and we can only improve and do it better, learn by our mistakes and learn by what the students tell us and what we find and move forward“ (Childcare, Canberra Institute of Technology, P10). „I don’t know that we got the balance right between a national system in terms of training packages and how much initiative we allow for local levels. We still have a curriculum capability in CIT, we still do develop programs and accredit them outside training packages, but it’s done under delegation from the ACT Accreditation and Registration Council. And it’s done in terms of the AQTF standards which say that you can’t do this if there is a training package qualification. Getting that balance right is how responsive you are to local needs or to enterprise-based needs“ (Curriculum Development, Canberra Institute of Technology, P12).
Auch hierbei wird deutlich, dass für die Sicherung dementsprechender Berufsbildungsprogramme sowie für den Erhalt von TAFE-Instituten und privaten Anbietern, die sich auf Qualifizierungsmaßnahmen insbesondere im Handwerk und produzierenden Gewerbe spezialisiert haben, die Erhöhung des gesellschaftlichen Ansehens und der Akzeptanz beruflicher Qualifikationen notwendig ist. Die weiteren Herausforderungen aus Sicht der Vertreter der Berufsbildungspraxis lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1. Es wird die Sicherung und Erhöhung der Qualität im Berufsbildungssektor sowie die Konsistenz in der Durchführung von Berufsbildungsmaßnahmen gefordert. Hier wird deutlich, dass bestehende Qualitätssicherungsmaßnahmen als nicht ausreichend angesehen werden. 2. Da nicht nur die Kompetenzstandards kontinuierlich an die neuen Anforderungen der Wirtschaft angepasst werden, sondern da auch strukturelle und gesellschaftliche Veränderungen Auswirkungen auf die Berufsbildungspraxis haben, ist ein neuer Umgang mit Veränderungen gefragt.
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Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
3. Lehrende sind verpflichtet, die nationalen Vorgaben zur Erreichung eines national einheitlichen Berufsbildungssystems zu erfüllen, gleichzeitig müssen sie jedoch den lokalen Anforderungen der Unternehmen und der Teilnehmer gerecht werden. Eine Herausforderung ist dabei, die richtige Balance zwischen nationaler Einheitlichkeit und lokaler Entscheidungsfreiheit zu finden. Wenngleich die Vertreter der Berufsbildungspraxis im Gegensatz zu den Berufsbildungsforschern sowie den Vertretern der Bildungsverwaltung Herausforderungen primär für den Erhalt und die Verbesserung der Berufsbildung in den TAFEInstituten artikulieren, so sind doch Parallelen zu erkennen. Insbesondere die Erhöhung der Attraktivität sowie die Sicherung und Verbesserung der Qualität sehen alle als wichtige Herausforderung. Sowohl die Commonwealth-Regierung als auch die Regierungen der States/ Territories haben in den vergangenen Jahren immer wieder neue Reformansätze initiiert und implementiert, um den vorherrschenden Problemen zu begegnen und den Berufsbildungssektor zu stärken. Ein aktueller Reformansatz ist ein Abkommen zwischen den States/Territories und der Commonwealth-Regierung, das im Juni 2006 verabschiedet wurde und verschiedene Eckpunkte zur Reform des Berufsbildungssystems unter dem Titel „Skilling Australia“ beinhaltet (DEST, 2005b, S. 2). Ziel dieser Vereinbarung ist die Sicherung qualifizierter Fachkräfte insbesondere im Handwerk und die Reduzierung der skill shortages in diesem Bereich. Unternehmen und Individuen sollen auch weiterhin im Mittelpunkt des Berufsbildungssystems stehen, wobei die wirtschaftliche und soziale Stärkung von Gemeinden und Regionen durch Bildung und Beschäftigung ein Ziel darstellen. Insbesondere Aborigines sollen verstärkt Unterstützung erhalten. Diese Ziele werden in Form von fünf Prinzipien manifestiert, auf denen ein neues nationales Berufsbildungssystem basieren soll (ebenda, S. vi): 1. Stärkung der Wirtschaft im Berufsbildungssystem und Einbezug der kleineren und mittleren Unternehmen in Entscheidungsprozesse, bspw. bei der Entwicklung von Kompetenzstandards 2. Verbesserung der Qualität von Lernergebnissen und -prozessen durch größere Flexibilität, Kunden- und Kompetenzorientierung 3. Vereinfachung administrativer Prozesse, bspw. vereinfachte Reglementierung für RTOs, gezielte Informationswege und Bereitstellung von Lehrmaterialien über einen gemeinsamen Weg, Verschlankung von Komitees sowie eine effiziente Planung und Berichterstattung
3.9. Zwischenfazit
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4. Stärkung der beruflichen Erstausbildung von Jugendlichen durch flexible und attraktive Qualifikationen und Qualifizierungswege 5. Ausweitung beruflicher Bildungsmaßnahmen auf Gebieten mit aktuellem bzw. zukünftigem Fachkräftemangel Zur Erfüllung dieser Prinzipien wurden zwei Richtlinien verabschiedet: der National Governance and Accountability Framework und der National Skills Framework. Der erste Rahmen legt Entscheidungsprozesse und Zuständigkeiten fest und definiert Maßnahmen zur Planung und Kontrolle der Etablierung und Erweiterung eines nationalen Berufsbildungssystems. Verantwortlich für die Unterstützung der Maßnahmen sind der MCVTE, das National Industry Skills Committee, der National Quality Council, das National Senior Officials Committee und ausgewählte nationale Arbeitsgruppen (ebenda, S. 4 ff.). Der National Skills Framework legt Anforderungen für die Qualität und nationale Kohärenz beruflicher Qualifikationen und Qualifizierungswege fest und definiert Maßnahmen zur Qualitätssicherung sowie für Entwicklungs- und Review-Prozesse beruflicher Qualifikationen und curricularer Vorgaben (ebenda, S. 18 ff.). Dieser Rahmen ist als übergeordneter Rahmen des AQTF zu sehen und fungiert zugleich als Rahmen für die training packages (Australian Education International, 2006, S. 43). Die Eckpunkte lassen sehr starke Parallelen zu den bisherigen Reformansätzen deutlich werden: Forderungen zur Stärkung der Wirtschaft, Flexibilität und Individualität, Kompetenzorientierung und nach mehr nationaler Kohärenz. Auch die Zielsetzung der Reformstrategien zeigt, dass trotz der föderativen Strukturen eine nationale Überwachung und Steuerung der Berufsbildung forciert wird und insbesondere das Thema „Qualitätssicherung“ eine herausragende Stellung einnimmt. Somit kann festgehalten werden, dass sich die Reformfreudigkeit der australischen Berufsbildungspolitik fortsetzt, wenngleich die Inhalte keine grundlegenden strukturellen Veränderungen avisieren. Deutlich wird jedoch auch, dass die Commonwealth-Regierung auch weiterhin ein national einheitliches Berufsbildungssystem mit einem kohärenten Qualitätsmanagement forciert und die Grundphilosophie des CBT-Ansatzes manifestiert. 3.9. Zwischenfazit Im zweiten Teil dieser Arbeit wurde eine systematische, kriterienbasierte Deskription, Explikation und Analyse der Realisierung des CBT-Konzepts in der australischen Berufsbildung auf drei Untersuchungsebenen durchgeführt. Als zusammenfassendes Ergebnis lassen sich drei Aspekte hinsichtlich der Einführung, des Sta-
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Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
tus quo und der Zukunft des CBT-Ansatzes im australischen Berufsbildungssystem konstatieren: 1. Die Einführung des CBT-Ansatzes in den achtziger Jahren stieß im australischen Kontext zunächst auf sehr starken Widerstand – zum einen auf politischer Ebene der States/Territories und zum anderen auf der Implementationsebene. Die Entscheidung, den CBT-Ansatz als einheitliches Konzept zur Etablierung eines nationalen Berufsbildungssystems einzuführen, wurde auf Ebene der Commonwealth-Regierung forciert, die eine Zentralisierung der Berufsbildung avisierte. Die States/Territories sträubten sich zunächst gegen die zentrale Steuerung, da sie ihre Autonomie eingeschränkt sahen. Mit der ANTA wurde jedoch eine unabhängige Institution geschaffen, welche die Interessen der einzelnen States/Territories gleichermaßen vor der Commonwealth-Regierung vertreten und einer ausschließlich zentralen Steuerung entgegenwirken sollte. Auf Implementationsebene wurde von Seiten der Lehrenden anfangs mit Zurückhaltung auf die Einführung des CBT-Ansatzes reagiert, was u. a. auf die allgemeine Resistenz gegenüber neuen Konzepten, die auf einen höheren Aufwand schließen lassen, zurückzuführen ist. Ein Grund für die langsame Implementation des CBTAnsatzes liegt wohl auch in der mangelnden Vorbereitung vieler Lehrender sowie der Unkenntnis darüber, wie der Lernprozess gestaltet werden soll. Dass die Einführung in Form eines Top-Down-Verfahrens stattfand und somit Akteure der Berufsbildungspraxis aus Entscheidungs- und Gestaltungsprozessen ausgeschlossen waren, verstärkte die Akzeptanzprobleme. Lediglich die Wirtschaftsvertreter – primär die großen Unternehmen und etablierten Wirtschaftszweige – begrüßten die Einführung des CBT-Ansatzes, was jedoch daran lag, dass dieser die Wirtschaft und deren Anforderungen in den Mittelpunkt stellte. 2. Der Status Quo des CBT-Ansatzes in der australischen Berufsbildung zeigt, dass dieser inzwischen flächendeckend eingeführt wurde und auf große Akzeptanz stößt. Dies liegt zum einen daran, dass mit den training packages eine zweite Generation implementiert wurde, die durch die regelmäßigen Review-Prozesse kontinuierlich nicht nur qualitativ verbessert, sondern auch inhaltlich erweitert und modifiziert werden. Zum anderen lässt sich die flächendeckende Akzeptanz des CBT-Ansatzes darauf zurückführen, dass das Potenzial und die Möglichkeiten, die der CBT-Ansatz insbesondere hinsichtlich der Gestaltung von Lernprozessen bietet, im Laufe der Etablierung erkannt wurden und inzwischen eine beachtliche Wertschätzung erfahren.
3.9. Zwischenfazit
247
3. Die Zukunft des CBT-Ansatzes lässt sich anhand aktueller Reformperspektiven illustrieren, die als Reaktion auf derzeitige Problemaspekte zu betrachten sind. Die bildungspolitischen Ziele, die mit aktuellen Reformansätzen verbunden sind, weisen eine hohe Kongruenz mit den Zielen des CBTAnsatzes auf, weshalb die Schlussfolgerung naheliegt, dass der CBT-Ansatz auch in Zukunft die zentrale Rolle in der australischen Berufsbildung spielen wird. So nimmt er in aktuellen Initiativen und Maßnahmen eine wichtige Funktion ein – insbesondere die inhärente Flexibilität und Individualität für die Gestaltung zielgruppenspezifischer Programme sowie bedarfsorientierter Programme zur Reduzierung des Fachkräftemangels sind im Handwerk von enormer Bedeutung. Aber auch hinsichtlich des Akzeptanzproblems beruflicher Qualifikationen ist der CBT-Ansatz von Vorteil, da Kooperationsprogramme zwischen Schul-, Hochschul- und Berufsbildungssektor aufgrund der modularen Struktur der training packages leichter zu realisieren sind und zudem die Möglichkeit des Erwerbs von beruflichen Teilqualifikationen bei gleichzeitigem Erwerb allgemeiner Qualifikationen besteht. Eine Zusammenfassung der Vergleichskriterien zur Beschreibung des CBT-Ansatzes auf den drei Betrachtungsebenen wird in Abbildung 3.3 in Form einer Deskriptionsmatrix dargestellt.
Abbildung 3.3.: Deskriptionsmatrix für den CBT-Ansatz
Erfassung informeller und informell erworbener Kompetenzen Rolle der Lehrenden und der Lernenden
Leistungsmessung
Lerntheoretischer Hintergrund Methodik
Lernprozess-Ebene
Curricula Qualifikationen Qualifizierungswege
Didaktisch-curriculare Ebene
Qualifizierende Institutionen Instrumente der Qualitätssicherung Qualifikation der Lehrenden
Reglementierende Institutionen
Gesetzliche Reglementierung Finanzierungsmechanismen
Ordnungspolitisch-organisatorische Ebene
Vergleichskriterium
Berater, Begleiter, Mentor, eigenverantwortlicher Koordinator des Lernprozesses
Behaviorismus, zunehmend Konstruktivismus Praxisnahe Vermittlung am Arbeitsplatz oder in Simulationen, handlungsorientiert, lernerzentriert Prüfung einzelner Kompetenzaspekte, kontinuierliche individuelle Leistungsmessung und -bewertung RPL, key competencies als zertifizierte Kompetenzeinheiten
Training packages Abschlüsse im AQF New apprenticeships, SBNA, off-the-job-training und on-the-job-training
Verordnungen der Commonwealth- und der State/Territory-Regierungen Regierungen (Commonwealth, States, Territories), Teilnehmer, Unternehmen DEST, State/Territory Training Authorities, Ministerial Councils, Industry Skills Councils TAFE-Institute, private Anbieter, Australian Technical Colleges AQTF, audits Certificate IV in Assessment and Workplace Training
CBT
248 Zur theoretischen Konzeption des CBT-Ansatzes und seiner Realisierung
Teil III. Zur Vereinbarkeit von australischem Kompetenz- und deutschem Berufsprinzip
4. Das Berufsprinzip in der dualen Berufsausbildung 4.1. Zur theoretischen Begründung des Berufsprinzips Das Berufsprinzip spielt in der Berufs- und Wirtschaftspädagogik sowie in der Arbeits-, Berufs- und Industriesoziologie eine tragende Rolle und wurde in diversen Arbeiten ausführlich diskutiert; es sei an dieser Stelle u. a. auf Deißinger (1998), Baethge/Baethge-Kinsky (1998), Baethge (2001; 2003 und 2004), Kraus (2006), Kurtz (2005) und Meyer (2004) verwiesen. Nichtsdestoweniger wird im Folgenden ein berufsbildungstheoretischer Zugang zum Berufsprinzip skizziert und darauf aufbauend werden zwei Ansätze der Arbeits- und Berufssoziologie, die auch in berufs- und wirtschaftspädagogischen Arbeiten oft rezitiert werden (u. a. Deißinger, 1998), zur Definition des Berufsprinzips herangezogen: erstens der Zugang über die subjektorientierte Theorie der Berufe und zweitens der Zugang über einen soziostrukturellen Ansatz.51 Ein berufsbildungstheoretischer Zugang zum Berufsprinzip lässt sich über die Vertreter der klassischen Berufsbildungstheorie und deren Kernaussagen darstellen. Zu den Vertretern der klassischen Berufsbildungstheorie zählen u. a. Kerschensteiner (1854-1932), Spranger (1882-1963) und Fischer (1880-1937) (Pätzold, 2006, S. 136). Kerschensteiners Ansatz basiert auf einem handwerklichständischen Berufsverständnis, durch welches der Mensch zu einem „idealen“ und „brauchbaren“ Teil der bürgerlichen Gesellschaft würde (Huisinga/Lisop, 1999, S. 145). Die Berufsbildung ist demnach als „Pforte zur Menschenbildung“ zu betrachten, in welcher die staatsbürgerliche Erziehung und die Berufsausbildung vereint werden (Stratmann, 1999, S. 587). Spranger löst sich von der handwerklich-ständischen Berufsauffassung und nähert sich dem Beruf über einen kulturtheoretisch-sozialpsychologischen Ansatz. Demzufolge integriert Spranger neuhumanistische Kategorien wie die Individualität des Menschen, die Totalität als innere Geschlossenheit und die Universalität als das Wesensreichtum in sein Berufsverständnis (Huisinga/Lisop, 1999, S. 147 f.). Die Berufstätigkeit versteht sich somit als ein Bildungsgut, durch welches der 51 Es
wird lediglich ein kurzer Abriss der zugrunde liegenden Theorien hinsichtlich ihrer Kernaussagen und relevanten Aspekte skizziert. Für eine ausführliche Darstellung der Theorien, insbesondere der subjektbezogenen Theorie der Berufe sowie der Theorie der gesellschaftlichen Effekte (u. a. Maurice/Sellier/Silvestre, 1979) sei u. a. auf Deißinger (1998, S. 134 ff.) und Kraus (2006, S. 143 ff.) verwiesen.
252
Das Berufsprinzip in der dualen Berufsausbildung
Mensch zur höheren Allgemeinbildung gelangt: „Der Weg zu der höheren Allgemeinbildung führt über den Beruf und nur über den Beruf“ (Spranger, 1923; zit. in: Pätzold, 2006, S. 137).
Dies impliziert ein Drei-Stadien-Modell der Bildung, wonach im ersten Stadium eine gundlegende schulische Allgemeinbildung erworben wird, die durch die zweite Phase, die Berufsbildung, spezialisiert wird. In dieser zweiten Phase erfolgt zudem die individuelle Findung und Festlegung der beruflichen Sinnrichtung, wobei der Mensch sein „ureigenstes Bildungszentrum“ findet (Pätzold, 2006, S. 137). Nur durch diese berufliche Spezialisierung kann die Erschließung des Allgemeinen erfolgen und somit zur höheren Allgemeinbildung befähigen. Fischer wendet sich in seinem berufsbildungstheoretischen Verständnis des Berufs ähnlich wie Spranger von einem ständischen und im Handwerk geprägten Berufskonzept ab und vertritt eine soziologisch fundierte, gleichwohl gesellschaftskritische Position (Huisinga/Lisop, 1999, S. 153). Gleichzeitig verneint Fischer jedoch, dass über den Beruf Allgemeinbildung zu vermitteln sei, vielmehr sei der Beruf als ganzheitliche Kategorie zu verstehen, durch die ein Gesamtverständnis von Mensch und Welt zu erlangen sei. Wenngleich Fischer im Gegensatz zu Kerschensteiner und Spranger eine geringere Prägung der klassischen Berufsbildungstheorie attestiert wird, so antizipiert Fischer in seinem Berufsverständnis die Weltanschauung einer Industriegesellschaft und weniger die des Handwerks und Kleingewerbes. In der Arbeits-, Berufs- und Industriesoziologie stößt das Berufsverständnis der klassischen Berufsbildungstheorie auf Kritik und die Ansätze, die sich in den 1970er Jahren entwickelten und die Grundlage für weitere soziologische Arbeiten darstellen, versuchen der veränderten Arbeitswelt und den gesellschaftlichen Veränderungen beizuwohnen. Eine grundsätzliche Differenzierung, die in soziologisch geprägten Beiträgen zum Berufsprinzip Beachtung findet, wird zwischen den Begriffen „Beruflichkeit“ und „Beruf“ vorgenommen (Kraus, 2006, S. 200). Meyer definiert Beruf als „diejenige Form der sozialen Organisation von Arbeit, wie sie sich in Deutschland historisch konkretisiert hat“ (Meyer, 2004, S. 349), wohingegen Beruflichkeit als das „grundlegende organisierende Prinzip“ zu verstehen sei und „die Abstraktion von historisch und sozial konkreten Formen von Beruf“ impliziere (ebenda, S. 349). Wenngleich diese Differenzierung stringent erscheint, so verdeutlichen theoretische Ansätze, dass oftmals vom Berufsbegriff als Organisationsform gesprochen, jedoch gleichermaßen das damit verbundene Struktur- und Organisationsprinzip adressiert wird.
4.1. Zur theoretischen Begründung des Berufsprinzips
253
Ein Beispiel zur Illustration dieser Feststellung bietet Fürstenberg, der Beruf im Sinne einer Organisationsform von Arbeit definiert und anhand von vier Komponenten charakterisiert (Fürstenberg, 2000, S. 13 ff.): 1. Soziotechnische Komponente: Berufe entsprechen dem Bedarf an Qualifikationen, welcher aus der gesellschaftlichen Arbeitsteilung und der technischen Entwicklung resultiert 2. Sozialökonomische Komponente: Berufe ermöglichen Erwerbschancen auf dem Arbeitsmarkt 3. Sozialrechtliche Komponente: Berufe werden institutionell definiert und verankert 4. Sozialkulturelle Komponente: Berufe stellen verpflichtende Lebensform und Verhaltensdisposition dar In seiner Definition verweist Fürstenberg zum einen auf den Beruf als Organisationsform, attestiert diesem jedoch gleichzeitig eine Integrations-, Sozialisationsund Allokationsfunktion und subsumiert unter dem Berufsbegriff als Organisationsform gleichermaßen die Funktion eines Struktur- und die eines Organisationsprinzips. Folgt man der Argumentation von Meyer, entspräche diese jedoch der Beruflichkeit und nicht dem Beruf. Hierbei wird deutlich, dass eine stringente Trennung zwischen Beruf als Organisationsform und Beruflichkeit als Prinzip in den meisten theoretischen Ansätzen nicht eingehalten wird, sondern dass bei der Verwendung des Berufsbegriffs zumeist implizit auf das zugrunde liegende Berufsprinzip verwiesen wird. Dies wird im Folgenden anhand ausgewählter theoretischer Zugänge zum Berufsprinzip nochmals verdeutlicht, wobei zur Illustration zwei vielfach zitierte und für die Berufsbildungsforschung bedeutsame Definitionsansätze exemplarisch dargestellt werden: 1. Die subjektbezogene Theorie der Berufe oder Beruf als Qualifikationskategorie (Beck/Brater/Daheim, 1980) 2. Der Beruf als soziostrukturelle Kategorie (Baethge, 2004; Dostal/Stooß/Troll, 1998) Zur Systematisierung der theoretischen Ansätze werden drei Leitfragen zugrunde gelegt: 1. Welche Implikationen liegen dem Berufsprinzip zugrunde?
254
Das Berufsprinzip in der dualen Berufsausbildung
2. Welche beschäftigungspolitische Bedeutung wird dem Berufsprinzip attestiert? 3. Welche pädagogische Bedeutung ist mit dem Berufsprinzip verbunden? Berufe im Sinne der subjektbezogenen Theorie nach Beck/Brater/Daheim (1980) (siehe auch Brater, 1983 sowie Bolte/Beck/Brater, 1988) sind zu verstehen als „relativ tätigkeitsunabhängige, gleichwohl tätigkeitsbezogene Zusammensetzungen und Abgrenzungen von spezialisierten, standardisierten und institutionell fixierten Mustern von Arbeitskraft, die u. a. als Ware am Arbeitsmarkt gehandelt und gegen Bezahlung in fremdbestimmten, kooperativ-betrieblich organisierten Arbeits- und Produktionszusammenhängen eingesetzt werden“ (Beck/Brater/Daheim, 1980, S. 20).
Somit stellen Beck/Brater/Daheim zunächst die Funktion des Berufs als Verwertbarkeit der Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt zur Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage heraus, was Parallelen zu der Berufsdefinition von Max Weber erkennen lässt: „Beruf soll jene Spezifizierung, Spezialisierung und Kombination von Leistungen einer Person heißen, welche für sie die Grundlage einer kontinuierlichen Versorgungs- und Erwerbschance ist“ (Weber, 1972, S. 80).
Demzufolge werden dem Verständnis von Beruflichkeit zwei Funktionen attestiert: zum einen die Funktion der „Innenstabilisierung“ oder „Identität“ eines Individuums (Bolte/Beck/Brater, 1988, S. 41), für welchen der Beruf zum „subjektiven Anliegen“ wird; zum anderen eine Sozialisationsfunktion, durch die er zum „objektiven Anliegen der Gesellschaft“ wird (Brater, 1983, S. 57), da er dem Individuum durch den Arbeitsmarkt die Integration in die Gesellschaft ermöglicht und somit die Funktion einer „Drehscheibe“ zwischen Bildungs- und Beschäftigungswesen erfülle (Bolte/Beck/Brater, 1988, S. 41; Deißinger, 1998. S. 138 ff.). Berufe sind als „subjektbezogen“ zu verstehen, d. h., die Bedeutung des Berufs für das Individuum und somit die Verbindung von Beruf und Person werden in den Vordergrund gerückt (Beck/Brater/Daheim, 1980, S. 14 f.). So existierten Berufe nicht per se, sondern lediglich in Verbindung mit den konkretisierten Fähigkeiten eines Individuums (Brater, 1983, S. 55). Berufe werden ergo als Möglichkeit der Persönlichkeitsentfaltung betrachtet, jedoch durch gesellschaftliche Standards und Normierung beschränkt und somit objektiviert. Folglich implizieren Berufe sowohl die Subjektivität des Einzelnen als auch die Objektgebundenheit durch gesellschaftlich determinierte Vorgaben. Dies verdeutlicht Brater in seiner Definition von Berufen, welche zu verstehen sind als
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„gesellschaftlich normierte und institutionalisierte Zusammensetzungen und Abgrenzungen der zu Erwerbszwecken einsetzbaren Arbeitsfähigkeiten von Personen [...]“ (Brater, 1983, S. 59).
Brater konkretisiert diese beiden Aspekte des Berufsprinzips, indem er zwei Werte des Berufs definiert: zum einen den Gebrauchswert und zum anderen den Tauschwert des Berufs. Unter Gebrauchswert versteht er das Arbeitskönnen, d. h. die „persönlichen Fähigkeiten, Kenntnisse und Spezialqualifikationen, die subjektiv erforderlich sind, um die dem Berufsbild entsprechenden Arbeitstätigkeiten übernehmen und erfolgreich ausführen zu können“ (Beck/Brater/Daheim, 1980, S. 206), wohingegen der Tauschwert die Verwertbarkeit des Arbeitskönnens auf dem Arbeitsmarkt und somit „nicht personenbezogene, sondern markt- und arbeitseinsatzgebundene Gesichtspunkte“ beinhalte (ebenda, S. 208). Wenngleich sowohl in der Gebrauchswert- als auch in der Tauschwertseite des Berufs die Subjektgebundenheit zum Tragen kommt, muss diese differenziert betrachtet werden. Die Gebrauchswertseite impliziert die individuelle Arbeitskraft, die jedoch als gesellschaftlich normiertes und vergleichsweise rigides „Muster“ vorgegeben und somit im Sinne eines institutionalisierten und ganzheitlichen Komplexes zu betrachten ist (Bolte/Beck/Brater, 1988, S. 43). Die Subjektbezogenheit beziehe sich, so Bolte/Beck/Brater, auf das Arbeitsvermögen, welches weder „technisch-funktionell“ noch ökonomisch erklärbar sei (ebenda, S. 45). Beck/Brater/Daheim attestieren dem Beruf jedoch eine tiefgreifendere Subjektgebundenheit, da der Beruf als „Medium der persönlichen Entwicklung“ betrachtet wird und somit die Berufsbildung „nicht nur Vorbereitung für konkrete, nützliche Arbeitsprozesse ist, sondern zugleich Herrichtung der persönlichen Arbeitsfähigkeiten für ihren Verkauf am Markt“. Letztere verweist bereits auf die Tauschwertseite des Berufs und somit auf die „Vermarktung“ und „Verkaufbarkeit“ des subjektgebundenen Arbeitskönnens (Beck/Brater/Daheim, 1980, S. 208). Hierbei wird jedoch das Arbeitskönnen auf ökonomisch verwertbare Komponenten reduziert; so sind laut Beck/Brater/Daheim soziale und personale Komponenten „ökonomisch unfruchtbare Fähigkeiten und Qualitäten“, die nur begrenzt als Tauschware auf dem Arbeitsmarkt gehandelt werden könnten (ebenda, S. 213). Auch wenn der Subjektbezug von vielen späteren Arbeits- und Berufssoziologen durchaus kritisch betrachtet wird, findet sich die Dualität des Berufs im Sinne eines subjektbezogenen Gebrauchswerts und eines objektbezogenen Tauschwerts in diversen soziologischen Ansätzen zur Definition des Berufsprinzips wieder (Dostal/Stooß/Troll, 1998, S. 442) – bspw. bei Kurtz, welcher zwischen der pädagogischen (Bildung und Qualifikation) und der wirtschaftlichen Seite des Berufs (Arbeit und Erwerb) differenziert (Kurtz, 2005, S. 99). Auch berufspädagogische Ansätze rekurrieren auf diese Dualität der Beruflichkeit, wobei einige berufspäd-
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Das Berufsprinzip in der dualen Berufsausbildung
agogische Arbeiten Aspekte der Gebrauchswertseite in den Vordergrund stellen (bspw. Arnold, 2003), während z. B. Ulrich/Lahner (1970) aus arbeitsmarktökonomischer Perspektive die Tauschwertseite fokussieren. Eine Verbindung beider Aspekte wie es Beck/Brater/Daheim vorschlagen, findet sich in einem Ansatz von Hesse (1968), der unter Beruf einerseits die subjektorientierte Persönlichkeitsentwicklung und andererseits ein gesellschaftlich definiertes Muster von Arbeitskraft versteht. Diese unterschiedlichen Zugänge zum Berufsprinzip können anhand der oben definierten drei Kriterien bezogen auf die „Gebrauchswertseite“ des Berufs zum einen und die „Tauschwertseite“ zum anderen wie folgt zusammengefasst werden. 1. Berufe im Sinne des Gebrauchswerts implizieren subjektbezogenes Arbeitskönnen sowohl situativ als auch tätigkeitsunabhängig, wohingegen Berufe im Sinne des Tauschwerts die Verwertbarkeit des Arbeitskönnens auf dem Arbeitsmarkt implizieren. 2. Die beschäftigungspolitische Bedeutung des Berufsprinzips steht bei Betonung des Tauschwertaspekts im Vordergrund, da die Verwertbarkeit des Arbeitskönnens auf dem Arbeitsmarkt mit dem Beruf verbunden ist. 3. Die pädagogische Bedeutung des Berufsprinzips wird im Gebrauchswertaspekt deutlich, da hierbei dem Beruf personenbezogene Fähigkeiten, die zur Ausübung einer durch Berufsbilder spezifizierten Tätigkeit sowie zur Persönlichkeitsentwicklung und Identitätsfindung notwendig sind, attestiert werden. Das Verständnis von Beruf im Sinne des subjektbezogenen Gebrauchswerts wird im Kontext der arbeits- und berufssoziologischen Diskussion kritisiert, da eine Berufsauffassung im Sinne einer persönlichen Lebensentfaltung lediglich privilegierten Professionen wie Künstlern und Akademikern vorbehalten sei, während in anderen Bereichen der finanzielle Aspekt und die Schaffung einer Lebensgrundlage im Vordergrund stünden (Bolte/Beck/Brater, 1988, S. 40). Doch auch die privilegierten Berufe unterlägen „mehr und mehr betrieblich-ökonomischen Auflösungsund Rationalisierungsprozessen“, womit eine gewisse „Fragmentarisierung und Routinisierung der Arbeit und Spezialisierung der Arbeitsfähigkeiten“ einhergehen würden (ebenda, S. 41). Somit wird der Tauschwertseite bzw. der Integrationsfunktion des Berufs eine große Bedeutung beigemessen, was sich auch in späteren wirtschaftspädagogischen Untersuchungen widerspiegelt, die insbesondere der Sozialisationsfunktion des Berufs eine bedeutende Rolle attestieren (bspw. Deißinger, 1998, S. 134 ff.).
4.1. Zur theoretischen Begründung des Berufsprinzips
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Doch auch der Tauschwert des Berufs unterliegt einigen Veränderungen, die Daheim u. a. auf eine Entgrenzung von Beruf und Erwerb zurückführt (Daheim, 2001, S. 27). Im Zuge des Strukturwandels in der Erwerbswelt von einer Produktionszu einer Dienstleistungsgesellschaft sowie im Kontext neuer Technologien werden neue Anforderungen an den Beruf gestellt (u. a. Baethge, 2001, S. 48), was dazu führe, dass erlernte Berufe nicht mehr exakt „tauschbar“ bzw. auf dem Arbeitsmarkt verwertbar seien; vielmehr sei es Aufgabe der Betriebe, Qualifizierungen an neue Anforderungen anzupassen (Daheim, 2001, S. 30). In diesem Zusammenhang sei der Beruf im Sinne eines Lebensberufs nicht mehr zeitgemäß und dem Wandel in den Arbeits- und Beschäftigungsstrukturen nicht mehr gewachsen (u. a. Baethge, 2001; 2003 und 2004; Baethge/Kinsky, 1998; Pätzold/Wahle, 2003). Der Beruf müsse vielmehr adäquat an wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Veränderungen angepasst werden (Daheim, 2001; Dostal, 2002; Dostal/Stooß/Troll, 1998; Georg, 2001; Gonon, 2002; Meyer, 2004 und 2006a). Schlussfolgernd lässt sich konstatieren, dass der Beruf aus einer subjektbezogenen Sichtweise in zwei Aspekten veränderungswürdig erscheint: Erstens wird der Beruf als persönliche Lebensentfaltung größtenteils durch das Streben nach einer gesicherten Lebensgrundlage dominiert. Zweitens wird der Beruf als statisches Konstrukt zunehmend durch ein dynamisches und flexibles Verständnis von Beruf ersetzt, welches auf äußere Veränderungen reagieren kann. Vor diesem Hintergrund sind soziostrukturelle Ansätze zur Beschreibung von Beruflichkeit zu verorten, welche neben der subjektbezogenen Berufstheorie als zweite wichtige theoretische Begründung von Beruflichkeit erachtet werden können. Soziostrukturelle Ansätze betrachten den Beruf als „eine sozialstrukturelle Kategorie [...], die ihre Besonderheit in einem Zusammenhang von fachlichen Qualifikationen, Beschäftigtenstatus und sozialer Integration/Orientierung erhält [...]“ (Baethge, 2004, S. 336).
Demzufolge impliziert ein soziostrukturelles Berufsprinzip im Sinne eines gesellschaftlichen Identifikations- und Allokationsinstruments eine Verbindung zwischen Bildungs- und Beschäftigungswesen (Deißinger, 1998, S. 136; Dostal, 2002, S. 179). Diese Allokation wird für die Strukturierung des Arbeitsmarktes als wichtig erachtet, wobei der Beruf hierbei als „ordnungspolitisch-organisatorischer Parameter“ fungiere (Deißinger, 1998, S. 170 ff.). Die dem Beruf attestierte Mehrdimensionalität wird von Dostal/Stooß/Troll dahingehend gefasst, als der Beruf fachliche und soziale Qualifikationsbündel darstellt, welchen spezifische Aufgabenfelder zugeordnet werden (Dostal/Stooß/Troll, 1998, S. 440). Durch die Verknüpfung von Qualifikationsbündeln und Aufgabenfeldern entstehen hierarchisch abgestufte Handlungsspielräume, die wiederum die Organisationsstrukturen von
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Das Berufsprinzip in der dualen Berufsausbildung
Unternehmen sowie die Struktur betriebsinterner und -externer Arbeitsmärkte prägen. Die intendierte Standardisierung hat zur Folge, dass einheitliche „Wissensformen“ von Berufen generiert werden, deren inhaltliche Homogenität und Stabilität Selektions- und Allokationsmechanismen erleichtern, gleichzeitig jedoch auch aufgrund standardisierter Zertifikate die gesellschaftliche Einordnung der Berufe sowie deren Bewertbarkeit aufgrund gesellschaftlicher Standards zur Folge habe (Georg, 2001, S. 372). Des Weiteren würden durch den Beruf „Wertevorstellungen und Teilnahmeregeln für die Interaktion und Kommunikation in der betrieblichen Arbeit gelernt“ (ebenda, S. 373), wodurch Parallelen zum subjektbezogenen Ansatz deutlich werden, wenngleich die ökonomische Verwertbarkeit sowie die soziale Stratifikation dominieren (Kupka, 2005, S. 17). Gerade die gesellschaftliche Integrations- und Allokationsfunktion eines soziostrukturellen Berufsbegriffs weise jedoch, so Voß, aufgrund inhaltlicher, zeitlicher und räumlicher Entgrenzung Erosionstendenzen auf (Voß, 1998, S. 474 f.; siehe auch Baethge, 2004, S. 342 f.). Inhaltliche Entgrenzung beinhalte den Bedarf an fachübergreifenden, kognitiven und motorischen Kenntnissen und Fertigkeiten sowie personalen und sozialen Kompetenzen, die zur Erfüllung komplexer Aufgaben erforderlich seien und nicht mit ausschließlich fachpraktischer und technischer Handlungsbefähigung zu bewältigen seien (Voß, 1998, S. 475). Die zeitliche Entgrenzung bezieht Voß auf die zeitliche Flexibilisierung der Arbeitsform in Bezug auf Arbeitszeiten und Arbeitsverträge (ebenda, S. 474); Baethge ergänzt dies durch eine zeitliche Entgrenzung hinsichtlich einer zunehmenden Geschwindigkeit von Arbeitsabläufen und Produktionsprozessen (Baethge, 2004, S. 343). Die räumliche Entgrenzung begreift Voß als Zunahme der Mobilität von Arbeitskräften sowie in einer zunehmenden Vielfalt an Arbeitsplätzen außerhalb des Betriebs (Voß, 1998, S. 475). Die exemplarisch illustrierte Entgrenzungsthese lässt auf ein erweitertes soziostrukturelles Berufsprinzip schließen, dessen Funktion als direkte Verbindung zwischen fachlicher Qualifikation, Beschäftigtenstatus und sozialer Integration entweder als flexibilisiert und erweitert betrachtet werden kann oder jedoch als ein Zeichen der Unterminierung des Berufsprinzips allgemein interpretiert wird (Baethge, 2004, S. 345).52 Vor diesem Hintergrund lassen sich die drei Kriterien zur Darstellung eines soziostrukturellen Berufsprinzips wie folgt beschreiben: 1. Ein soziostrukturelles Berufsprinzip impliziert Qualifikationsbündel, denen Aufgabenfelder zugeordnet und Handlungsspielräume eingeräumt werden, welche die Selektions- und Allokationsmechanismen betriebsinterner und 52 Eine
ausführliche Auseinandersetzung mit der Kritik am Berufsprinzip erfolgt im weiteren Verlauf dieses Kapitels.
4.1. Zur theoretischen Begründung des Berufsprinzips
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externer Arbeitsmärkte untermalen. 2. Die beschäftigungspolitische Bedeutung eines soziostrukturellen Berufsprinzips liegt in der Strukturierung des Arbeitsmarktes sowie in der unternehmensbezogenen und gleichwohl gesellschaftlichen Allokation. 3. Die pädagogische Bedeutung eines soziostrukturellen Berufsprinzips ist dahingehend abzuleiten, dass fachliche und soziale Fähigkeiten und Kenntnisse in den Qualifikationsbündeln vereint werden und insbesondere Wertevorstellungen eine wichtige Rolle beigemessen wird. Die im soziostrukturellen Berufsprinzip implizierten Qualifikationsbündel können als Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse einer Person, d. h. subjektgebunden, interpretiert werden. Andererseits wird dem soziostrukturellen Berufsprinzip attestiert, dass es dem Individuum einen Platz in der Gesellschaft einräumt und darüber hinaus eine Strukturierung des Arbeitsmarktes ermöglicht. Die Verbindung dieser beiden Aspekte vollzieht Fürstenberg mit seiner Arbeitsdefinition von Beruf: „‘Beruf’ wird dementsprechend für die folgende Analyse idealtypisch definiert als eine spezifische Form der Erwerbstätigkeit, die auf einer relativ dauerhaften Verbindung von systematisch in Lernprozessen erworbenen Qualifikationen mit entsprechenden Tätigkeitskomplexen beruht und ihrem Träger einen gesellschaftlich anerkannten Status sowie Handlungskompetenz im Rahmen sanktionierter Regelbindung vermittelt“ (Fürstenberg, 2000, S. 20).
Die beiden Facetten des soziostrukturell geprägten Berufsprinzips sowie die von Fürstenberg explizit konstatierte Handlungskompetenz weisen Parallelen zur Berufstheorie nach Beck/Brater/Daheim auf: Qualifikationsbündel, Tätigkeitskomplexe sowie die erforderliche Handlungskompetenz, unter der Fürstenberg „die tatsächliche Fähigkeit, in Anforderungssituationen Aufgaben und Probleme zu lösen“, versteht (ebenda, S. 23), sind sowohl Bestandteile des subjektbezogenen – und hierbei der Gebrauchswertseite – als auch des soziostrukturellen Ansatzes. Die Zuweisung von Handlungsspielräumen lässt auf einen bestimmten Kontext der Anwendung von Qualifikationsbündel schließen, was wiederum Parallelen zum Tauschwert des Berufes erkennen lässt. Ein entscheidender Unterschied der Ansätze besteht in der Gewichtung der beiden Dimensionen. Die subjektbezogene Theorie der Berufe fokussiert die Bedeutung des Berufs für das Individuum stärker als soziostrukturelle Ansätze, deren zentrales Element die gesellschaftliche Verortung durch den Beruf sowie die Zuweisung eines sozialen Status darstellt. In Abbildung 4.1 werden die beiden Ansätze zusammenfassend dargestellt, wobei die Parallelen in den einzelnen Zugängen nochmals verdeutlicht werden.
Ein soziostrukturelles Berufsprinzip impliziert Qualifikationsbündel, denen Aufgabenfelder zugeordnet und Handlungsspielräume eingeräumt werden, welche die Selektions- und Allokationsmechanismen betriebsinterner und externer Arbeitsmärkte untermalen.
Soziostrukturelles Berufsprinzip
Abbildung 4.1.: Theoretische Zugänge zum Berufsprinzip
Berufe im Sinne des Gebrauchswerts implizieren subjektbezogenes Arbeitskönnen sowohl situativ als auch tätigkeitsunabhängig, wohingegen Berufe im Sinne des Tauschwerts die Verwertbarkeit des Arbeitskönnens auf dem Arbeitsmarkt implizieren.
Subjektbezogenes Berufsprinzip
Implikationen des Konstrukts
Die beschäftigungspolitische Bedeutung eines soziostrukturellen Berufsprinzips liegt in der Strukturierung des Arbeitsmarktes sowie in der unternehmensbezogenen und gleichwohl gesellschaftlichen Allokation.
Die beschäftigungspolitische Bedeutung des subjektbezogenen Berufsprinzips steht im Tauschwertaspekt im Vordergrund, da die Verwertbarkeit des Arbeitskönnens auf dem Arbeitsmarkt mit dem Beruf verbunden ist.
Beschäftigungspolitische Bedeutung des Konstrukts Die pädagogische Bedeutung des Berufsprinzips wird im Gebrauchswertaspekt deutlich, da hierbei dem Beruf personenbezogene Fähigkeiten, die zur Ausübung einer durch Berufsbilder spezifizierten Tätigkeit sowie zur Persönlichkeitsentwicklung und Identitätsfindung notwendig sind, attestiert werden. Die pädagogische Bedeutung eines soziostrukturellen Berufsprinzips ist dahingehend abzuleiten, dass fachliche und soziale Fähigkeiten und Kenntnisse in den Qualifikationsbündeln vereint werden und insbesondere Wertevorstellungen eine wichtige Rolle beigemessen wird.
Pädagogische Bedeutung des Konstrukts
260 Das Berufsprinzip in der dualen Berufsausbildung
4.2. Zur Kritik am Berufsprinzip und der Entwicklung einer modernen Beruflichkeit
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4.2. Zur Kritik am Berufsprinzip und der Entwicklung einer modernen Beruflichkeit Das Berufsprinzip als Struktur-, Organisations- sowie gesellschaftliches Sozialisations- und Identitätsprinzip war und bleibt Mittelpunkt wissenschaftlicher Diskussionen und bildungspolitischer Reformansätze (Pätzold/Wahle, 2003, S. 473 ff.), wobei kritische Beiträge sowie Ansätze zur Entwicklung einer modernen Beruflichkeit viel Raum einnehmen (Baethge, 2001, 2003 und 2004; Baethge/Kinsky, 1998; Deißinger, 1998; Dostal, 2002; Dostal/Stooß/Troll, 1998; Georg, 2001; Gonon, 2002; Meyer, 2000 und 2006a; Pätzold/Wahle, 2003; Rauner, 1997; Voß, 1998). Brötz skizziert die Diskussion um das Berufsprinzip in den vergangenen Jahren anhand verschiedener Eckpunkte (Brötz, 2005, S. 96 f.; Gonon, 2002, S. 190): In den siebziger Jahren wurde das Berufsprinzip aufgrund seiner Orientierung an tayloristischen Arbeitsorganisationen kritisiert, die zu einer Entspezialisierung und breiteren Ausrichtung fachlicher Qualifikationen führte (Baethge, 2003, S. 535 ff.). In den achtziger Jahren wurde es vor dem Hintergrund des Potenzials der schulbasierten Ansätze in der Berufsausbildung infrage gestellt, und die Kritik an der Fachbezogenheit und Vernachlässigung allgemeiner Fähigkeiten und Kenntnisse – bereits 1974 angestoßen durch Mertens und das Konzept der Schlüsselqualifikationen (Mertens, 1974) – intensivierte den wissenschaftlichen Diskurs um Schlüsselqualifikationen (u. a. Zabeck, 1989). Die Diskussion führte zur Einführung neuer Strukturkonzepte in die Ausbildungsberufe, die artverwandte Berufe in einer gemeinsamen Grundqualifikation bündeln und mit berufsübergreifenden und berufsspezifischen Fachqualifikationen ergänzen sollten; zu nennen sei an dieser Stelle die bereits in den sechziger und siebziger Jahren entwickelte Stufenausbildung (BIBB, 2003, S. 19). In den neunziger Jahren wurde das Berufsprinzip aufgrund von Modularisierungstendenzen nach angelsächsischem Vorbild in Zweifel gezogen, da die Forderung nach Flexibilität und Mobilität laut und als nicht vereinbar mit dem Berufsprinzip angesehen wurde (u. a. Baethge/Baethge-Kinsky, 1998; Deißinger, 2002). Dies führte in einigen Berufsfeldern zu einer Differenzierung in Kern- und Zusatzqualifikationen und bei den neugeordneten IT-Berufen zu einer Aufhebung der traditionellen Trennung kaufmännisch-verwaltender und gewerblich-technischer Berufe (Brötz, 2005, S. 97). An diesen Eckpunkten wird deutlich, dass das Berufsprinzip immer wieder infrage gestellt wurde und strukturelle Modifizierungen diskutiert und partiell realisiert wurden. Deutlich wird jedoch auch, dass Alternativkonzepte bislang nicht auf einen breiten Konsens gestoßen sind, was sich darin zeigt, dass das Grundprinzip der Beruflichkeit bis heute Bestand hat.
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Das Berufsprinzip in der dualen Berufsausbildung
In diesem Zusammenhang ist eine Differenzierung zwischen Beruf als Ausbildungsberuf und Beruf als Erwerbsberuf vorzunehmen. Der Ausbildungsberuf birgt noch größtenteils die von vielen Autoren als veraltet angesehenen tradierten Strukturen der Beruflichkeit, da ihm bestimmte Qualifikationen, Aufgabenbereiche und Handlungsspielräume aus einem spezifischen Berufsfeld zugeordnet werden und da er zudem den sozialen Status bestimme und somit die soziale Integration und Teilhabe an der Gesellschaft reguliere (Rebman/Tenfeld/Uhe, 2005, S. 86; Meyer, 2000, S. 32). Aufgrund entsprechender Ausbildungsordnungen lassen sich die Ausbildungsberufe klar voneinander trennen und selbst im Bereich der Stufenausbildung, bspw. in den IT- und Medienberufen, ist trotz der Verbindung von Berufsprofilen eine Trennung einzelner Ausbildungsberufe intendiert, um die Ganzheitlichkeit und Abgeschlossenheit dieser Ausbildungsberufe beizubehalten (Deißinger, 1998, S. 235). Der Erwerbsberuf umfasst betrieblich festgelegte Arbeitsaufgaben und Tätigkeiten und definiert somit die betriebliche Arbeitsverrichtung. Im Gegensatz zum Ausbildungsberuf legt der Erwerbsberuf die Positionen im Betrieb fest und ist Voraussetzung für die Erzielung eines Erwerbseinkommens (Rebman/Tenfeld/Uhe, 2005, S. 81). Der Erwerbsberuf hat sich zu einem Beruf auf Zeit entwickelt und die Qualifikationsbündel und Anforderungen verändern sich zunehmend. Die kontinuierliche Anpassung und Weiterentwicklung der eigenen Fähigkeiten und Kenntnisse an neue Arbeitsanforderungen in sich verändernden Arbeitsumgebungen sowie häufige Arbeitswechsel, „Zick-Zack-Laufbahnen“ und „Job Rotation“ sind Kennzeichen des Erwerbsberufs (ebenda, S. 83). Ein wichtiger aktueller Aspekt, der mit dem Berufsprinzip verbunden wird, ist der Anspruch eines möglichst friktionslosen Übergangs von der Berufsausbildung ineine längerfristigeErwerbstätigkeit.Witzel/Mowitz-Lambert/Heinz (2001, S. 428) stellen in einer Untersuchung fest, dass bei 71,7 % der befragten Ausbildungsabsolventen ein direkter Einstieg in die Erwerbstätigkeit stattfindet. Aus den mehrheitlich kontinuierlich verlaufenden Erwerbsbiografien schlussfolgern sie, dass das Berufsprinzip „eine tragfähige Grundlage für differentielle Berufswege, Übergänge in das Bildungswesen sowie zur Kompensation beruflicher Fehlentscheidungen und -entwicklungen“ darstellt (ebenda, S. 432). Somit erfülle das Berufsprinzip nicht nur eine Brückenfunktion von der Erstausbildung in die erste längerfristige Erwerbstätigkeit, sondern es sei auch im weiteren, oftmals diskontinuierlichen beruflichen Lebensverlauf eine formale Grundlage für eine spätere berufliche Neuund Umorientierung (ebenda, S. 434). Aktuellere Daten zur Übernahmequote von Absolventen der dualen Berufsausbildung lassen die von Witzel/Mowitz-Lambert/Heinz (2001) gewonnenen Erkenntnisse jedoch in einem anderen Licht erscheinen. Laut Berufsbildungsbericht
4.2. Zur Kritik am Berufsprinzip und der Entwicklung einer modernen Beruflichkeit
263
2007 liegt die Übernahmequote von Ausbildungsabsolventen in den alten Ländern bei 55,0 % und in den neuen Ländern bei 37,4 % (jeweils 2005) (BMBF, 2007, S. 214). Entsprechend ist auch eine Steigerung der Arbeitslosenquote von Ausbildungsabsolventen in den vergangenen Jahren zu verzeichnen. In den alten Ländern stieg die Arbeitslosenquote von 22,7 % (2002) auf 32,2 % (2005), in den neuen Ländern ist ein Anstieg von 40,9 % (2002) auf 47,2 % (2005) zu verzeichnen (BMBF, 2006, S. 242; BMBF, 2007, S. 212). Die Arbeitslosenquote von Absolventen einer dualer Berufsausbildung im gesamten Bundesgebiet lag 2005 bei 35,6 %, was vergleichsweise hoch ist. Dies lässt die Argumentation, dass die dem Berufskonzept folgende duale Berufsausbildung auch weiterhin eine sichere Grundlage für den Einstieg in eine längerfristige Erwerbstätigkeit sei, fraglich erscheinen. Daran anknüpfen lässt sich die Frage, ob der Beruf heute noch als Lebensberuf fungiert oder ob vielmehr sogenannte Patchwork-Biografien, welche eine Vielzahl unterschiedlicher Erwerbstätigkeiten in unterschiedlichen Unternehmen, Branchen und sogar Arbeitsfeldern beinhalten, nicht zur Regel werden. Wie einige andere Autoren argumentieren Dostal/Stooß/Troll (1998, S. 450), dass gewisse Auflösungstendenzen der Beruflichkeit vorzufinden sind. Eine der wichtigsten Veränderungen sehen sie in dem Verlust der Dauerhaftigkeit des Berufs. Berufswechsel seien inzwischen zum Alltag geworden und von einem Lebensberuf könne keine Rede mehr sein. Dies hat natürlich auch Konsequenzen für die berufliche Identität, die in der Vergangenheit sehr stark mit einem (Lebens-)Beruf verbunden war. Aus häufigen Berufswechseln resultieren heterogene Berufsbiografien (u. a. Pätzold/Wahle, 2003, S. 475), die eine Einordnung in bestehende klassisch geradlinige Berufsidentitäten nicht mehr ermöglichen, sondern vielmehr den Anspruch auf flexible und dynamische Qualifikationsprofile erheben. Die Kritik am Berufsprinzip lässt sich somit sowohl am Ausbildungsberuf als auch am Erwerbsberuf festmachen. In Bezug auf den Ausbildungsberuf basiert die Kritik zumeist auf einer rigiden Auffassung dessen, da dieser als wenig flexible und von außen determinierte Ansammlung von Qualifikationen, Aufgaben und geschlossenen Handlungsräumen betrachtet werde (Baethge, 2003, S. 532). Hinzu kommt, dass der Beruf in seiner historischen Form kritisiert wird und somit der starke Fachbezug und die Bindung an „veraltete“ Organisationsformen der Arbeit, insbesondere der industrielle Facharbeiterberuf, in den Vordergrund gerückt wird (Meyer, 2000, S. 30). Vernachlässigt werde jedoch hierbei, so Meyer, dass das Berufsprinzip ein allgemeines und abstraktes Organisationsprinzip sei und nicht nur in Bezug auf den Ausbildungsberuf bzw. den Facharbeiterberuf zu betrachten sei. So kritisiert bspw. Rauner das Berufsprinzip und fordert mehr Offenheit, Flexibilität und mehr Orientierung an Arbeitsprozessen, wobei er seine Forderung lediglich auf die Ausbildungsberufe bzw. Facharbeiterberufe bezieht (Rauner, 1997,
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Das Berufsprinzip in der dualen Berufsausbildung
S. 130 ff.; Meyer, 2000, S. 28). Das Berufskonzept im Sinne einer dauerhaften oder gar auf Lebenszeit ausgerichteten Erwerbstätigkeit lässt weitreichendere Veränderungen und Erosionstendenzen des Berufskonzepts erkennen. Laut Wittwer/Reimer „zerfällt das Berufskonzept immer mehr in seine einzelnen Elemente ohne innere Ordnung und inneren Sinn“ (Wittwer/Reimer, 2002, S. 174). Kritiker sprechen von einer „Entgrenzung“ des Berufs auch im Ausbildungsberuf und sehen das Berufsprinzip lediglich als Basis für die Organisation von Arbeitswelt und nicht als übergreifendes Strukturprinzip (Wittwer/Reimer, 2002, S. 174; siehe auch Baethge, 2004, S. 342 f. und Voß, 1998, S. 474 f.). Aus dieser Kritik am Berufsprinzip resultieren verschiedene Ansätze zur Beschreibung einer modernen Beruflichkeit, wobei der Begriff „neue Beruflichkeit“ Einzug in die Debatte erhält (Kutscha, 1992, S. 536 ff.). Die moderne Beruflichkeit wird aus unterschiedlichen Perspektiven diskutiert, wobei zur Illustration eine Kontrastierung soziologischer und berufs- und wirtschaftspädagogischer theoretischer Ansätze erfolgt: So argumentiert Kurtz aus einer soziologischen, systemtheoretischen Perspektive, dass die moderne Form des Berufs nicht mehr als Symbolisierung der Einheit mit dem Betrieb und mit dem Stand und der Lebensführung eines Menschen in Verbindung zu bringen sei. Vielmehr sei der Beruf zur „Umwelt von pädagogischen und wirtschaftlichen Organisationen bzw. Programmen der beiden Funktionssysteme [Erziehung und Wirtschaft, SH]“ geworden (Kurtz, 2005, S. 99). Der Beruf bewirke, so Kurtz in Anlehnung an die systemtheoretischen Ansätze Luhmanns, eine strukturelle Kopplung der Funktionssysteme Erziehung und Wirtschaft, gleichsam sei er eine Kopplung von Person und Sozialsystem (Kurtz, 2005, S. 236). Luhmann verbindet mit der Kopplung der beiden Funktionssysteme den Mechanismus von Zeugnissen und Zertifikaten, diese ordnet Kurtz jedoch dem Erziehungssystem zu, weshalb sie als Kopplungsmechanismus ungeeignet erscheinen. Wenngleich Kurtz konstatiert, dass der Beruf lediglich ein struktureller Kopplungsmechanismus unter vielen sei, so sei die moderne Organisation ein weitreichenderer Kopplungsmechanismus, was auf Parallelen zwischen der modernen Form des Berufs und der modernen Organisation schließen lässt. Diese generalisierende und auf der Makroebene verbleibende Einschätzung hinsichtlich eines modernen Berufsprinzips, das die inhaltliche Facette und die Beschreibung von Arbeitstätigkeit außer Acht lässt, erscheint für eine berufsbildende Analyse fragwürdig. So kritisiert u. a. Meyer aus berufspädagogischer Perspektive, dass die Weiterentwicklung und Modernisierung des Berufsbildungssystems sowie einschlägige berufspädagogische Literatur bei Kurtz vernachlässigt
4.2. Zur Kritik am Berufsprinzip und der Entwicklung einer modernen Beruflichkeit
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werde (Meyer, 2006a, S. 455).53 Auch sei eine radikal konstruktivistische Perspektive bezüglich des Berufsprinzips weniger geeignet als eine gemäßigte Form des Konstruktivismus (ebenda, S. 456). Darüber hinaus führe die lediglich formale Betrachtung des Berufsprinzips zu einer verkürzten und wenig geeigneten Definition – und so plädiert Meyer für eine formale und inhaltliche Betrachtungsweise einer modernen Beruflichkeit. Auch Wittwer fordert eine erweiterte Sichtweise in Bezug auf eine moderne Beruflichkeit und betont dabei den Aspekt der Individualität. Er spricht von der „individuellen Kompetenzentwicklung als neue Leitidee von Beruf“, wobei er einen Perspektivenwechsel von einem Berufsverständnis, das durch externe Anforderungen bestimmt wird, zu einem Berufsverständnis, das die persönliche, berufsübergreifend einsetzbare Kompetenz in den Vordergrund stellt, vornimmt (Wittwer, 2003, S. 74). Hier werden Parallelen zum subjektbezogenen Berufsprinzip, aber auch eine Abgrenzung zum soziostrukturellen Ansatz deutlich. Von Bedeutung ist jedoch bei einer modernen Beruflichkeit die Loslösung von einem ausschließlich auf fachliche Fähigkeiten und Kenntnisse ausgerichteten eingeschränkten inhaltlichen Bezug. Vielmehr spielen allgemeine und insbesondere soziale Fähigkeiten und Kenntnisse eine zentrale Rolle, welchen im Vergleich zum soziostrukturell geprägten Berufsprinzip ein noch höherer Stellenwert eingeräumt wird. So argumentiert Spöttl, dass eine moderne Beruflichkeit neben dem Fachbezug eine allgemeine Komponente beinhalte, die er als Komplementär-Kompetenzen bezeichnet (Spöttl, 2004, S. 30). Hierzu zählen Aufgaben der Selbstreflexion, Prozessund Produktinnovation sowie Optimierung von Produkten und Prozessen, Kooperieren und Organisieren sowie die Entwicklung einer Verantwortungskultur. Die Komplementär-Kompetenzen müssen, so Spöttl, ausgeweitet werden. Auf Basis von Expertenbefragungen prognostiziert er, dass in Zukunft die Fachaufgaben auf 60 % zurückgehen und die Komplementär-Kompetenzen auf 40 % ansteigen werden (ebenda, S. 31). Ein weiterer Ansatz zur Beschreibung einer modernen Beruflichkeit formuliert Rauner, indem er drei Aspekte für eine offene und dynamische Beruflichkeit als wichtig erachtet (Rauner, 1997, S. 130): 1. Arbeitszusammenhänge müssen als Beispiele für berufliche Tätigkeiten in adäquaten Bildungsprozessen von Auszubildenden erfahren werden. 2. Arbeitszusammenhänge müssen sich im Zusammenhang mit der Gestaltung 53 In
weiteren kritischen Rezensionen prangern Achtenhagen (2007), Geißler/Orthey (2007) und Greinert (2006) ebenfalls die fehlende berufs- und wirtschaftspädagogische Bezugnahme und insbesondere die einseitige Auseinandersetzung mit dem Berufsprinzip an.
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Das Berufsprinzip in der dualen Berufsausbildung
von Arbeit, Arbeitsorganisation und Technik und der damit verbundenen Aufgaben ausweiten können. 3. Arbeitszusammenhänge müssen neue und auch berufsübergreifende Aufgaben integrieren. Mit diesen drei Aspekten formuliert Rauner neue Herausforderungen an das traditionelle Berufskonzept, wobei grundsätzlich an den Vorzügen des Berufskonzepts festzuhalten sei. Die moderne Beruflichkeit müsse laut Rauner zum einen dem Strukturwandel gerecht werden und zum anderen die Flexibilität im Dienstleistungssektor ermöglichen. Dies erfordere jedoch eine Verringerung der Anzahl bestehender Ausbildungsberufe und die Etablierung zeitlich und inhaltlich stabiler Berufsbilder (ebenda, S. 131 f.). Ein weiterer Ansatz, der ebenfalls eine moderne Beruflichkeit impliziert, sich jedoch weiter von der Grundphilosophie des Berufsprinzips distanziert, wird in den Arbeiten von Meyer (2000; 2004 und 2006a) artikuliert. So konstatiert Meyer verschiedene Merkmale einer modernen Beruflichkeit, die sich von der traditionellen abgrenzen lassen, wobei u. a. eine geringe Institutionalisierung, eine geringe Fachlichkeit, eine hohe Individualisierung, eine Dekontextualisierung und die Selbstorganisation zu nennen seien (Meyer, 2000, S. 181). Allein durch die Wahl moderner Begriffe begegnet Meyer den Defiziten und Erosionstendenzen des traditionellen Berufsprinzips, wie Rigidität, zeitliche und inhaltliche Starre, Formalisierung und Institutionalisierung. Noch deutlicher wird dies in einer aktuelleren Arbeit von Meyer, in der folgende Merkmale einer modernen Beruflichkeit beschrieben werden (ebenda, 2004, S. 350): • Geringere Formalisierung bezüglich Gratifikations- und Sozialleistungen sowie bezüglich sozialer Abstimmungsprozesse • Räumliche, zeitliche und inhaltliche Entgrenzung beruflichen Lernens • Permanente Veränderung • Geringe zeitliche Konstanz • Hohe Flexibilität und Bereitschaft zu lebenslangem Lernen • Individualisierung und Selbststeuerung Meyer konkretisiert mit diesen Aspekten, dass sich das Berufsprinzip von seiner historischen Form des Ausbildungsberufs und Facharbeiterberufs mit zeitlicher und inhaltlicher Konstanz hin zu einer flexiblen Form der Arbeitsorganisation
4.2. Zur Kritik am Berufsprinzip und der Entwicklung einer modernen Beruflichkeit
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gewandelt hat. Gleichzeitig wird betont, dass es als abstraktes und allgemeines Organisationsprinzip noch immer von Bedeutung sei – wie dieses konkret auszugestalten ist, bleibt offen (ebenda, 2000, S. 48). Das Berufsprinzip und Konzepte einer modernen Beruflichkeit werden jedoch nicht nur im wissenschaftlichen Diskurs thematisiert, sondern insbesondere von den Wirtschaftsverbänden mit dem Ziel der Entwicklung konkreter Reformvorschläge für die duale Berufsausbildung diskutiert. Ein Beispiel für die Realisierung einer modernen Beruflichkeit manifestierte der DIHT im sogenannten Satellitenmodell, in welchem das Berufskonzept als „Fundament der betrieblichen Ausbildung“ auch weiterhin gefordert, jedoch Wert gelegt wird auf „volle berufliche Kompetenz“ im Sinne der „Befähigung zu selbständigen Planung, Durchführung und Kontrolle in einem Berufsprofil, das ständig weiterentwickelt wird“ (DIHT, 1999, S. 6). Berufliche Handlungskompetenz soll jedoch mit mehr Flexibilität und Individualität erworben werden, und so fordert der DIHT in seinem Satellitenmodell drei Wahlfreiheiten: der Ausbildungszeit, der Ausbildungsinhalte und des Prüfungstermins (DIHT, 1999, S. 10). Um dies realisieren zu können, sind jedoch ordnungspolitische Strukturveränderungen notwendig, weshalb eine Modifizierung der Ausbildungsordnungen im Sinne einer Rahmenvorgabe mit einem Katalog an zu vermittelnden Kenntnissen und Fertigkeiten und einer weniger stark ausgeprägten fachrichtungsspezifischen Differenzierung als notwendig erachtet wird (Lambertz, 2000, S. 47). Obgleich der DIHT in seinem Modell eine moderne Beruflichkeit konstatiert, hält er doch am Grundkonzept des Berufs und der Beruflichkeit fest. Diese Tendenz zeigt sich auch in dem aktuellen Strategiepapier des Zentralverbands des deutschen Handwerks „Differenzierung und Europäisierung der beruflichen Bildung“, in welchem ein Baukastensystem für die Handwerksberufe gefordert wird. Dieses soll alle Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten im Handwerk in ein System integrieren, wobei einzelne Berufsbildungsabschnitte definiert werden, die mit einer Prüfung der Handwerkskammer abgeschlossen werden und somit Teilqualifikationen darstellen (ZDH, 2004, S. 29 ff.). Das Ziel ist eine flexible Berufslaufbahn, die sich an den einzelnen Abschnitten orientiert und die Anrechenbarkeit einzelner Module aus Vorbereitungs- und Fortbildungsmaßnahmen ermöglicht. Parallelen lassen sich zu dem Memorandum des Kultusministeriums Baden-Württemberg zur „Berufsausbildung 2010“ erkennen, in welchem modulare Teilqualifikationen gefordert werden – unter Beibehaltung des Berufsprinzips. Eine dreijährige Ausbildung hätte demnach drei Teile, für die jeweils aufeinander aufbauende Kompetenzstufen festgelegt sind. Auf jeder Stufe sind ein praktisches Modul gemäß Ausbildungsordnung und ein theoretisches Modul gemäß Rahmenlehrplan definiert und somit wären insgesamt sechs Teilprüfungen zu absolvieren, welche die Voraussetzung für die Abschlussprüfung sind.
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Das Berufsprinzip in der dualen Berufsausbildung
Aufgrund einer Teilzertifizierung dieser Prüfungsmodule wäre eine Anrechnung von Modulen aus einer Berufsvorbereitungsmaßnahme oder einem anderen vollzeitschulischen beruflichen Bildungsgang denkbar, wodurch eine Verkürzung der Ausbildungsdauer ermöglicht werden könnte. Dennoch ist auch hier das grundlegende Strukturprinzip die Beruflichkeit und die damit verbundene Ganzheitlichkeit des Ausbildungsganges, da trotz der Partialprüfungen am Konzept der übergreifenden Abschlussprüfung festgehalten wird (Lorenz/Hecht, 2003; zit. in: Euler/Severing, 2006, S. 129). Schlussfolgernd lässt sich festhalten, dass sowohl der wissenschaftliche Diskurs als auch die konkreten Reformvorschläge der Wirtschaftsverbände bzw. des Kultusministeriums Baden-Württemberg gleichermaßen eine neue und moderne Beruflichkeit fordern, die insbesondere durch einen höheren Flexibilisierungs- und Individualisierungsgrad geprägt ist. Gleichermaßen wird jedoch auch deutlich, dass zwischen Kritikern und Befürwortern des Berufsprinzips dahingehend Konsens besteht, dass am Berufsprinzip als übergreifendes Organisations- und Strukturprinzip grundsätzlich festgehalten werden soll, jedoch Aspekte einer neuen, modernen Beruflichkeit zur Flexibilisierung und Deregulierung integriert werden sollen (Euler/Severing, 2006, S. 12; Gonon, 2002, S. 199; Rebmann/Tenfelde/Uhe, 2005, S. 85).
5. Zur Komparation von Kompetenz- und Berufsprinzip 5.1. Zur konzeptionellen Differenzierung zwischen Kompetenz- und Berufsprinzip Vor dem Hintergrund der im zweiten Teil der Arbeit durchgeführten Analyse verschiedener Betrachtungsebenen des CBT-Ansatzes in der australischen Berufsbildung schließt sich nun eine komparative Auseinandersetzung mit der deutschen dualen Berufsausbildung als Ausprägungsform des Berufsprinzips an. Auf eine umfassende Darstellung der deutschen dualen Berufsausbildung soll jedoch verzichtet werden und u. a. auf Arnold/Lipsmeier (1995), Deißinger (1998), Georg (2001) ,Greinert (1993), Rebmann/Tenfelde/Uhe (2005),Stender (2006a und 2006b) und Stratmann/Schlösser (1990) verwiesen werden. Vielmehr wird eine kriteriengeleitete Vergleichsuntersuchung durchgeführt mit dem Ziel der Identifizierung struktureller und inhaltlicher Singularitäten der dualen Berufsausbildung und des CBT-Ansatzes. Die komparative Untersuchung erfolgt vor dem Hintergrund grundsätzlich verschiedener Organisationsprinzipien, was eine komparative Auseinandersetzung mit den jeweils zugrunde liegenden Strukturprinzipien sowie der inhärenten Philosophie des jeweiligen Qualifizierungsansatzes erforderlich macht. Hierbei wird dem Berufsprinzip und dem Kompetenzprinzip besondere Beachtung geschenkt, und es gilt die Frage zu eruieren, ob sich die beiden Prinzipien im Sinne theoretisch-abstrakter Konstrukte grundsätzlich ausschließen und ob Ansatzpunkte auffindbar sind, die auf eine Vereinbarkeit der beiden Prinzipien in ihrer realtypischen Ausprägung schließen lassen. Basierend auf der komparativen Auseinandersetzung mit den Grundprinzipien der dualen Berufsausbildung und des CBTAnsatzes erfolgt der explizite Vergleich der beiden Qualifizierungsansätze auf den drei definierten Betrachtungsebenen, wobei zur Systematisierung die bereits für die Deskription und Analyse des CBT-Ansatzes verwendeten Vergleichskriterien dienen. Im Anschluss an die Gegenüberstellung wird eine systematische Auseinandersetzung mit der Frage nach der Vereinbarkeit von Kompetenz- und Berufsprinzip in ihren realtypischen Ausprägungsformen auf den drei Betrachtungsebenen vorgenommen. Daran anschließend erfolgt eine Potenzialanalyse, wobei zunächst Problemindikatoren eruiert werden, um Potenzialaspekte identifizieren zu können. Die konzeptionelle Abgrenzung von Kompetenz- und Berufsprinzip erfolgt vor dem Hintergrund der Konzeption des Berufsprinzips nach Deißinger sowie aufbauend auf einem Ansatz nach Drexel. Betrachtet man die Aspekte, die Deißinger der
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Zur Komparation von Kompetenz- und Berufsprinzip
Beruflichkeit attestiert, so lassen sich folgende Kennzeichen festhalten (Deißinger, 1998, S. 167 f.): 1. Bindung der Arbeitsqualifikation an einen betriebsexternen Arbeitsmarkt 2. Bindung der Arbeitsqualifikation an „professionelle“ Standards 3. Festlegung des Qualifizierungsanspruchs auf flexibel und vergleichsweise autonom verwertbare Kompetenzen Stellt man diese Aspekte dem Kompetenzprinzip gegenüber, lassen sich folgende Eckpunkte festhalten: So sind Kompetenzprofile ebenfalls an einen externen Arbeitsmarkt gebunden, da Vertreter der Wirtschaft die auf dem Arbeitsmarkt erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse in den curricularen Vorgaben definieren, um die Verwertbarkeit auf dem Arbeitsmarkt sicher zu stellen. Ein Unterschied lässt sich dahingehend festhalten, dass im Kompetenzprinzip die Möglichkeit besteht, aufgrund der flexiblen und individualisierten Gestaltungsmöglichkeit die Kompetenzprofile nicht nur an einen betriebsexternen Arbeitsmarkt zu binden, sondern diese auch an die internen Anforderungen anzupassen. Das Berufsprinzip hingegen verweise, so Deißinger, auf einen Rekrutierungsmechanismus außerhalb betrieblicher Arbeitsmärkte und somit auf überbetriebliche und überindividuell strukturierte berufsfachliche Teilarbeitsmärkte (ebenda, S. 167). Ferner beziehen sich Kompetenzprofile auf professionelle Standards, welche explizit in den Kompetenzstandards festgeschrieben sind. Damit soll das Niveau der Kompetenzprofile sichergestellt werden, wobei diese innerhalb eines beruflichen Bereiches auf unterschiedlichen Niveaustufen erworben werden können. Gleichzeitig besteht eine Anbindung an einen standardisierten Qualifikationsrahmen als Referenzgröße zur Zuordnung von Kompetenzmodulen zu den jeweiligen Leistungsstufen. Hierbei wird die Möglichkeit des Erwerbs von Teilqualifikationen eingeräumt, da einzelne Kompetenzmodule bereits geprüft und zertifiziert werden. Da dieses eine derartige qualitative Binnendifferenzierung nicht vorsieht, sondern vielmehr bedingt durch den Anspruch auf Ganzheitlichkeit ausschließlich Gesamtqualifikationen auf einem einheitlichen Leistungsniveau impliziert, ist hierin eine Abgrenzung zum Berufsprinzip erkennbar. Der Anspruch auf flexibel und autonom verwertbare Kompetenzen entspricht dem Grundgedanken des Kompetenzprinzips und manifestiert sich in der entsprechenden Ausrichtung der Kompetenzprofile auf die Anforderungen der Wirtschaft und dem Anspruch auf unternehmens- und branchenübergreifende Einsetzbarkeit. Auch an das Berufsprinzip wird der Anspruch auf Verwertbarkeit und Akzeptanz
5.1. Zur konzeptionellen Differenzierung zwischen Kompetenz- und Berufsprinzip
271
des Qualifizierungsabschlusses gerichtet, um, so Deißinger, die Flexibilität hinsichtlich des innerbetrieblichen und Mobilität hinsichtlich des zwischenbetrieblichen Arbeitsplatzwechsels zu gewährleisten (ebenda, S. 168). Ein Unterschied lässt sich jedoch dahingehend feststellen, dass im Kompetenzprinzip – bedingt durch den Anspruch auf Flexibilität und Individualität und der einhergehenden Gestaltungsfreiheit des Kompetenzerwerbs – eine größere Variabilität im Kompetenzerwerb vorzufinden ist und somit eine stärkere Bindung an den betrieblichen Arbeitsmarkt besteht, wodurch der Anspruch auf flexible und autonom verwertbare Kompetenzen auf diesen beschränkt ist. Vor diesem Hintergrund und wie in Abbildung 5.1 illustriert, liegt die Schlussfolgerung nahe, dass sich das Kompetenzund das Berufsprinzip unter einer konzeptionellen Perspektive voneinander abgrenzen lassen. Berufsprinzip nach Deißinger
Kompetenzprinzip
Bindung der Arbeitsqualifikation an einen betriebsexternen Arbeitsmarkt
Verwertbarkeit standardisierter, auf die Anforderungen der Wirtschaft ausgerichteter Kompetenzen und daraus resultierender Kompetenzprofile auf dem Arbeitsmarkt und im Unternehmen
Bindung der Arbeitsqualifikation an „professionelle“ Standards Festlegung des Qualifizierungsanspruchs auf flexibel und vergleichsweise autonom verwertbare Kompetenzen
Festlegung arbeitsbezogener und kontextunabhängiger Kompetenzen als standardisierte Rahmenvorgaben zur Erfüllung arbeitsplatzspezifischer und übergreifender Arbeitsaufgaben und Tätigkeiten Variabilität von Lernwegen, Lernorten und methodischer Gestaltung von Lernprozessen durch OutcomeOrientierung Individualisierung und Flexibilisierung in der beruflichen Qualifizierung durch zeitliche und inhaltliche Gestaltungsfreiheit
Abbildung 5.1.: Konzeptionelle Abgrenzung von Berufs- und Kompetenzprinzip
Diese Schlussfolgerung soll im Folgenden anhand einer auf dem Ansatz Drexels aufbauenden extremtypischen Dichotomisierung der beiden Prinzipien untermauert werden. Die Abgrenzung der Konzepte „Beruf“ und „Kompetenz“ wird in einem An-
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Zur Komparation von Kompetenz- und Berufsprinzip
satz von Drexel (2005a, S. 41 ff.) im Rahmen eines impliziten Vergleichs mit dem französischenBerufsbildungssystem illustriert,wobei hierfür fünf Unterscheidungskriterien definiert werden:erstenswird demKompetenzkonzept Output-Orientierung attestiert, wohingegen das Berufskonzept als inputorientiert charakterisiert wird. Zweitens impliziere das Kompetenzkonzept arbeitsplatzbezogene Fähigkeiten und Kenntnisse im Vergleich zu der arbeitsplatzübergreifenden beruflichen Handlungsfähigkeit innerhalb des Berufskonzepts. Drittens resultiere aus dem Kompetenzkonzept ein individuelles Kompetenzportfolio im Gegensatz zu standardisierten und gesellschaftlich normierten Bildungsabschlüssen, die in einer berufsförmigen Qualifizierung erworben werden. Viertens liege die Verantwortung für die berufliche Qualifizierung im Kompetenzkonzept bei den Betrieben bzw. bei den Lernenden selbst, wohingegen die Sozialpartner und der Staat im Berufskonzept als Verantwortliche für die organisatorischen und strukturellen Rahmenbedingungen gelten. Fünftens unterliege das Kompetenzkonzept einer „Verbetrieblichung und Individualisierung der Entlohnungspolitik“ (ebenda, S. 43), während es im Berufskonzept ein tariflich festgelegtes Entlohnungssystem gebe. Basierend auf der Kategorisierung Drexels, die eine Abgrenzung der französischen von der deutschen Berufsbildung avisiert, werden nun vier Dimensionen definiert, anhand derer das Kompetenzprinzip in Abgrenzung zum Berufsprinzip beschrieben und eingeordnet wird. Diese sind hinsichtlich zweier Aspekte vom Konzept Drexels abzugrenzen. Zum einen basiert die Gegenüberstellung von Kompetenz und Beruf auf der Vorstellung eines Kompetenzprinzips, das auf der Philosophie und den Grundannahmen des CBT-Ansatzes beruht, wohingegen das Berufsprinzip als das der deutschen dualen Berufsausbildung zugrunde liegende Strukturprinzip betrachtet wird. Zum anderen begründet die Kontrastierung von Kompetenz und Beruf die Annahme, dass sowohl das Kompetenz- als auch das Berufsprinzip als theoretisch-abstrakte Extremtypen zu betrachten sind. Die Umsetzung beider Prinzipien in der dualen Berufsausbildung bzw. im CBT-Ansatz sowie die strukturell-ordnungspolitischen Auswirkungen sind jedoch realtypische Ausprägungen der jeweiligen Prinzipien, die sich aufgrund ihres Nähegrades zu dem jeweiligen Extremtypus beschreiben und kategorisieren lassen. Dem Kontrastierungsansatz liegt somit eine Differenzierung zwischen theoretisch-abstrakten Konstrukten von Kompetenz- und Berufsprinzip und deren realtypischer Umsetzung zugrunde mit dem Ziel der Erkennung, inwiefern sich die beiden Prinzipien in ihrer konkreten Ausgestaltung bereits angenähert haben und welche Tendenzen sich abzeichnen. Die vier extremtypischen Dimensionen, anhand derer das Kompetenz- und das Berufsprinzip voneinander abgegrenzt werden, basieren auf vier Kriterien (siehe Abbildung 5.2). Diese werden in Anlehnung an die Differenzierungskriterien
5.1. Zur konzeptionellen Differenzierung zwischen Kompetenz- und Berufsprinzip
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von Drexel definiert, weisen jedoch eine davon abweichende inhaltliche Akzentuierung auf, die für die weitere Untersuchung insbesondere hinsichtlich des aus dem CBT-Ansatz abgeleiteten Kompetenzprinzips relevant ist. Das erste Kriterium impliziert die Frage nach dem Strukturprinzip in der Ausgestaltung curricularer Vorgaben, insbesondere beruflicher Ausbildungspläne, sowie hinsichtlich des inhaltlichen Aufbaus beruflicher Qualifizierungsprozesse. Dem zweiten Kriterium wird die Frage nach dem Reglementierungs-, Formalisierungs- und Standardisierungsgrad der auf die jeweiligen Prinzipien rekurrierenden Qualifizierungsprozesse zugeordnet, wobei die Ausgestaltung institutioneller Rahmenbedingungen eine zentrale Rolle spielt. Das dritte Kriterium adressiert die Frage nach der Fokussierung von Input, Prozess und Outcome in der Gestaltung und Durchführung beruflicher Bildungsmaßnahmen. Das vierte und letzte Kriterium baut darauf auf und beleuchtet die Zielsetzung beruflicher Qualifizierungsprozesse hinsichtlich ihrer Verwertbarkeit. Die vier Kriterien lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1. Das zugrunde liegende Aufbauprinzip curricularer Ausgestaltung 2. Der Reglementierungs-, Formalisierungs- und Standardisierungsgrad innerhalb institutioneller Rahmenstrukturen 3. Die Akzentuierung von Input, Prozess und Outcome 4. Die Zielsetzung beruflicher Bildungsmaßnahmen hinsichtlich ihrer Verwertbarkeit Ad 1.) Die Frage nach dem Strukturprinzip curricularer Vorgaben in berufsförmigen Qualifizierungswegen verweist auf Konsekutivität und Ganzheitlichkeit hinsichtlich holistischer Berufsprofile (Deißinger, 1998, S. 168), die als Abschlussqualifikation einer Berufsausbildung erworben werden und hinsichtlich der Lernprozesse, in welchen aufgrund der Dualität der Lernorte ganzheitliche fachpraktische, fachtheoretische und allgemeine Fähigkeiten und Kenntnisse erworben werden. Wenngleich in der Ausprägung des Berufsprinzips Ansätze zur Stufung von Ausbildungsgängen realisiert werden, so besteht auch hier der Anspruch auf konsekutiven und zeitlich determinierten Erwerb von Ausbildungsinhalten sowie den Erwerb einer ganzheitlichen Qualifikation, der durch die zentrale Rolle der umfassenden und extern durchgeführten Abschlussprüfung gewährleistet wird (Seyfried, 1997, S. 346). Im Gegensatz dazu liegt dem Kompetenzprinzip das Konzept der Modularisierung als Strukturprinzip curricularer Vorgaben zugrunde, da Ausbildungspläne nach Kompetenzmodulen strukturiert werden. Dies führt zu individuell zusammengestellten Kompetenzprofilen innerhalb vorgegebener Rahmenprofile, da nicht nur Gesamtqualifikationen erworben werden, sondern bereits der Er-
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Zur Komparation von Kompetenz- und Berufsprinzip
werb einzelner Kompetenzmodule zu Teilqualifikationen führt. Der Erwerb dieser Kompetenzprofile erfolgt nur bedingt konsekutiv und in einem zeitlich flexiblen Verlauf, da der modularisierten Struktur beruflicher Qualifizierungsprozesse das Prinzip des flexible entry and exit, d. h. des flexiblen und individuellen Ein- und Ausstiegs in berufliche Bildungsmaßnahmen ohne zeitliche Restriktionen, attestiert wird. Ad 2.) Bezüglich des Reglementierungs-, Formalisierungs- und Standardisierungsgrades verweist das Berufsprinzip auf institutionalisierte Strukturen sowohl hinsichtlich des Ausbildungs- als auch hinsichtlich des Erwerbsberufs. Dies verdeutlicht, dass mit dem Berufsprinzip zum einen die politischen und organisatorischen Zuständigkeiten institutionalisiert sind und zum anderen die operative Durchführung der Berufsausbildung an vorgeschriebenen Lernorten determiniert wird. Zugleich besteht der Anspruch auf standardisierte Prüfungsverfahren sowie auf eine einheitliche Zertifizierungspraxis. Somit kann dem Berufsprinzip ein hoher Grad an Reglementierung, Formalisierung und Standardisierung attestiert werden, der sich in der Gestaltung von Qualifizierungsmaßnahmen niederschlägt und zu homogenen und transparenten Qualifikationen und Qualifizierungsprozessen führt. Das Kompetenzprinzip hingegen verweist auf Flexibilität und Individualität, was lediglich bei einer schwächeren Ausprägung der Reglementierung, Formalisierung und Standardisierung möglich ist. Dies impliziert, dass die Gestaltung und Durchführung beruflicher Qualifizierungsmaßnahmen individualisiert sind und somit individuell in der Verantwortung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie von Schülern liegen. Ferner sind Lernorte, Lehr-Lern-Methoden und Prüfungsverfahren frei wählbar, so dass berufsbildende Maßnahmen unterschiedliche Formen annehmen können. Ad 3.) Das dritte Kriterium und die damit verbundene Frage nach der Akzentuierung von Input, Prozess und Outcome kann für das Berufsprinzip mit einer Fokussierung auf den Input und den Prozess beantwortet werden, die zu vorgegebenen Outcomes führen soll. Aufgrund der starken Reglementierung, Formalisierung und Standardisierung steht die Gestaltung beruflicher Qualifizierungsprozesse sowohl betrieblicher als auch schulischer Art im Vordergrund. Die methodische Gestaltung komplexer Lehr-Lern-Arrangements steht unter dem Postulat der Handlungsorientierung als normierendes Prinzip, wodurch nicht nur der Input, sondern der Lernprozess per se eine starke Akzentuierung erfährt. Gleichzeitig steht die Auseinandersetzung mit Lerninhalten und die ganzheitliche Erfassung und Entwicklung von Lösungsansätzen im Vordergrund, wobei der Outcome als Resultat dessen anzusehen ist. Kennzeichen des Kompetenzprinzips ist im Gegensatz dazu die Outcome-Orientierung, d. h., der Fokus liegt auf dem Ergebnis eines Lernprozesses, welches mit der erfolgreichen Anwendung bestimmter Fähigkeiten und
5.1. Zur konzeptionellen Differenzierung zwischen Kompetenz- und Berufsprinzip
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Kenntnisse gleichgesetzt wird. Der Input und der Prozess, der zur erfolgreichen Anwendung und somit zum avisierten Outcome führt, sind nicht standardisiert und die Frage, wie, wo und wann dieser erreicht wird, spielt aufgrund der inhärenten Flexibilität eine dezentrale Rolle. Ad 4.) Hinsichtlich der Zielsetzung beruflicher Bildungsmaßnahmen hinsichtlich ihrer Verwertbarkeit lässt sich für das Berufsprinzip konstatieren, dass diese hier auf einer fachlich umfassenden Erstqualifizierung liegt. Wenngleich das Berufsprinzip sowohl den Ausbildungs- als auch den Erwerbsberuf umfasst, ist doch eine Fokussierung auf die formale Erstausbildung erkennbar. Dies liegt an der dem Berufsprinzip attestierten Verbindungsfunktion zwischen beruflicher Erstausbildung und Beschäftigungswesen, durch welche der Übergang zwischen beiden Systemen ermöglicht und erleichtert werden soll. Beruflichen Bildungsmaßnahmen im Sinne formalisierter Weiterbildung wird diese Funktion nicht zuteil, und insbesondere die zunehmend im Vordergrund stehende individuelle Kompetenzentwicklung scheint sich dem Berufsprinzip zu entziehen. Das Kompetenzprinzip hingegen impliziert aufgrund seiner flexiblen Ein- und Ausstiegsmöglichkeiten und seiner zeitlichen, inhaltlichen und methodischen Freiheiten sowie der Lernwegoffenheit eine berufliche Qualifizierungsstrategie, die nicht nur auf eine Erstausbildung anzuwenden ist, sondern auch auf weiterführende Bildungsmaßnahmen. Folglich bezieht sich das Kompetenzprinzip sowohl auf die berufliche Erstqualifizierung als auch auf anschließende Bildungsmaßnahmen und begründet somit lebenslanges Lernen, ohne durch strukturelle Rahmenbedingungen eingeschränkt zu werden. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sowohl in der kriterienbasierten, extremtypischen Gegenüberstellung von Berufs- und Kompetenzprinzip als auch in der Gegenüberstellung des Berufsprinzips nach Deißinger und des auf dem CBT-Ansatz basierenden Kompetenzprinzips eine konzeptionelle Abgrenzung beider im Sinne abstrakter Organisations- und Strukturprinzipien möglich ist. Nichtsdestotrotz liegt die Hypothese nahe, dass bei Betrachtung der realtypischen Ausprägungen beider Prinzipien sowie hinsichtlich der auf den jeweiligen Prinzipien basierenden Anforderungen an berufliche Qualifizierungsprozesse eine extremtypische Abgrenzung nicht aufrechterhalten werden kann. Vielmehr verschwimmen die Grenzen zwischen den extremtypischen Abgrenzungen der Prinzipien auf der Objektstufe, und Gemeinsamkeiten lassen Rückschlüsse auf die Vereinbarkeit beider Prinzipien zu. Diese Hypothese gilt es im Folgenden zu prüfen. Dabei wird zunächst eine systematische, kriteriengeleitete Komparation der realtypischen Ausprägungsformen von Kompetenz- und Berufsprinzip – CBT und dualer Berufsausbildung – durchgeführt, bei der besonderes Augenmerk auf die Frage der Vereinbarkeit bei-
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Zur Komparation von Kompetenz- und Berufsprinzip
der Ausprägungsformen gelegt wird. Als zentral wird zudem die Frage angesehen, inwiefern die Kennzeichen des Kompetenzprinzips – Modularität, OutcomeOrientierung, Flexibilität und Individualität – aus ordnungspolitisch-organisatorischer und didaktisch-curricularer Perspektive sowie in Bezug auf berufliche Lernprozesse in der dualen Berufsausbildung bereits heute eine Rolle spielen. Kriterium
Berufsprinzip
Kompetenzprinzip
Aufbauprinzip curricularer Ausgestaltung Reglementierungs-, Formalisierungs- und Standardisierungsgrad innerhalb institutioneller Rahmenstrukturen
Konsekutivität und Ganzheitlichkeit hoher Reglementierungs-, Formalisierungs- und Standardisierungsgrad bedingt durch Institutionalisierung der Qualifizierungsprozesse Input- und ProzessOrientierung Erstqualifizierung
begrenzte Konsekutivität und Modularisierung geringer Reglementierungs-, Formalisierungs- und Standardisierungsgrad bedingt durch Anspruch auf Flexibilität und Individualität
Akzentuierung von Input, Prozess und Outcome Zielsetzung beruflicher Bildungsmaßnahmen hinsichtlich ihrer Verwertbarkeit
Outcome-Orientierung Lebenslanges Lernen
Abbildung 5.2.: Eine extremtypische Kategorisierung von Berufs- und Kompetenzprinzip
5.2. Zur Vereinbarkeit von Kompetenz- und Berufsprinzip in realtypischer Ausprägung Die realtypische Abgrenzung von Kompetenz- und Berufsprinzip erfolgt vor dem Hintergrund aktueller Strukturen von CBT in der australischen Berufsbildung und der dualen Berufsausbildung im deutschen Kontext, wobei bezüglich CBT auf die vorangegangene Analyse zurückgegriffen und hinsichtlich der dualen Berufsausbildung auf aktuelle Dokumente und Literatur verwiesen wird. Zur Systematisierung dienen die drei definierten Betrachtungsebenen mit den hierfür selektierten Vergleichskriterien. 5.2.1. Die ordnungspolitisch-organisatorische Betrachtungsebene Grundprinzipien Vor dem Hintergrund der skizzierten Diskussion um das Berufsprinzip wird deutlich, dass dieses die Traditionsstrukturen der dualen Berufsausbildung nachhal-
5.2. Zur Vereinbarkeit von Kompetenz- und Berufsprinzip in realtypischer Ausprägung
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tig prägte und auch heute noch das grundlegendste Prinzip der Berufsbildung in Deutschland darstellt.54 Das Berufsprinzip formuliert den Rahmen für die duale Berufsausbildung auf ordnungspolitisch-organisatorischer Ebene im Sinne eines „organisierenden Prinzips“ (Deißinger, 1998, S. 134 ff.) und auf didaktischcurricularer Ebene, da curriculare Vorgaben den Strukturen der Ausbildungsordnung und somit dem Konzept des Ausbildungsberufs folgen. Weitere Prinzipien in der dualen Berufsausbildung sind das Dualitätsprinzip hinsichtlich der Zuständigkeiten und Lernorte, das Konsensprinzip, durch welches sichergestellt wird, dass alle Akteure in der Berufsausbildung an Strukturierungs- und Reglementierungsfragen beteiligt werden (Stender, 2006a, S. 138), das Prinzip der staatlichen Mitsteuerung, welches dem Bund eine wichtige Funktion zuweist (ebenda, S. 122), sowie das Prinzip der Kammern, die aufgrund ihrer Kontroll- und Überwachungsfunktion sowie aufgrund ihrer Prüfungskompetenz eine zentrale Rolle einnehmen (u. a. Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen, 2005). Darüber hinaus besteht ein weiteres Reglementierungsprinzip, das durch den Ausschließlichkeitsgrundsatz (§4 (2) BBiG) manifestiert wird und aufgrund dessen Jugendliche unter 18 Jahren nur in anerkannten Ausbildungsberufen ausgebildet werden dürfen, soweit die Berufsausbildung nicht auf den Besuch einer weiterführenden Schule vorbereitet (BIBB, 2003, S. 1; Stender, 2006a, S. 123). Im Gegensatz zu Deutschland haben diese Prinzipien in Australien keine Tradition und sind nicht explizit ordnungspolitisch-organisatorisch in der Berufsbildung verankert. Dennoch lassen sich zumindest partiell Analogien zum deutschen Kontext herstellen. Von einem Kammerprinzip kann in Australien lediglich dahingehend gesprochen werden, dass diese eine beratende Funktion insbesondere hinsichtlich der Lehrausbildungen innehaben und Ziele bezüglich Qualität und Quantität in der Berufsbildung formulieren. Sie verfügen im Gegensatz zum deutschen Kontext jedoch nicht über eine Überwachungs- und Koordinationsfunktion und sind auch nicht zur Durchführung von Prüfungen befugt. Das Prinzip der staatlichen Mitsteuerung ist in Australien vorzufinden, da auf Bundesebene die Commonwealth-Regierung und auf bundesstaatlicher Ebene die State/TerritoryRegierungen über Steuerungsmechanismen im Hinblick auf die Berufsbildung verfügen. Dies äußert sich in der primär staatlichen Finanzierung der Berufsbildung und in dem Erlass struktureller und inhaltlicher Rahmenvorgaben für die Berufsbildung. Seit der Auflösung von ANTA hat die Commonwealth-Regierung deutlich an Einfluss gewonnen, was sich u. a. in der Koordination nationaler training packages, des AQF und des AQTF, aber auch hinsichtlich der neuen und direkten 54 Wenn
im Folgenden von Kompetenz- bzw. Berufsprinzip gesprochen wird, so ist dieses in seiner realtypischen Ausprägung im australischen bzw. deutschen Berufsbildungssystem zu verstehen, sofern nicht explizit etwas Anderes angemerkt wird.
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Zur Komparation von Kompetenz- und Berufsprinzip
Finanzierungsmechanismen für die Berufsbildung zeigt. Ein explizites Äquivalent zum Konsensprinzip existiert in Australien nicht, vielmehr wird versucht, durch Vereinbarungen und Abkommen, die vornehmlich Finanzierungs-und Strukturierungsstrategien beinhalten, die Interessen unterschiedlicher Akteure der Berufsbildung zu vereinen. Ein Konsens betrifft jedoch primär die Interessen der Regierungen – Commonwealth und State/Territory – sowie der großen Unternehmen bzw. etablierten Wirtschaftsbranchen, da andere Akteure, wie Vertreter der Berufsbildungspraxis sowie kleinere und mittlere Unternehmen nur bedingt in Entscheidungsfindungsprozesse involviert sind. Da aufgrund der CBT-Philosophie einer Lernortflexibilität eine verbindliche Lernortkooperation zwischen Unternehmen und RTOs nicht gesetzlich verankert ist, ist das Dualitätsprinzip in Australien hinsichtlich der Lernorte nur bedingt gegeben. Im Gegensatz zur deutschen dualen Berufsausbildung können dort berufliche Bildungsmaßnahmen und insbesondere die Lehrausbildungen ausschließlich im Unternehmen und somit on-the-job durchgeführt werden. Hinsichtlich der Dualität in den Zuständigkeiten öffentlicher und privater Akteure und Institutionen auf Bundes- bzw. Landesebene im Berufsbildungssektor lassen sich Parallelen erkennen: Auch in Australien sind zum einen Unternehmen bzw. Wirtschaftsverbände und zum anderen öffentliche Anbieter sowie die State/Territory Training Authorities für die Berufsbildung zuständig. Eine klare Trennung, wie sie in Deutschland durch die beiden Lernorte und die daraus resultierenden getrennten Zuständigkeiten von Bund und Länder für die betriebliche bzw. schulische Seite der dualen Berufsausbildung begründet ist, besteht in Australien nicht. Folglich ist das „Kompetenzgerangel“ zwischen Commonwealth-Regierung und den States/Territories ausgeprägter als im deutschen Kontext. Gesetzliche Reglementierung Die gesetzliche Reglementierung des CBT-Ansatzes in Australien wie auch die der dualen Berufsausbildung in Deutschland ist geprägt durch den Föderalismus, der als grundständiges Organisationsprinzip Auswirkungen auf die Organisation der Berufsbildung hat. In beiden Ländern ist ein Spannungsfeld zwischen Zentralisierungsbestreben seitens des Bundes bzw. der Commonwealth-Regierung und Dezentralisierungsabsichten seitens der Länder bzw. der States/Territories vorzufinden. Australien ist jedoch aufgrund seiner historischen Entwicklung aus einem Zusammenschluss von Kronkolonien traditionell stärker dezentral organisiert. Zudem verfügen aufgrund der in der Verfassung verankerten eingeschränkten Regelungsbefugnis der Commonwealth-Regierung im Bildungs- und Berufsbildungssektor die States/Territories über eine weitreichende Autonomie in diesem Be-
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reich (Australian Education International, 2006, S. 3). Wie jedoch bereits unter 4.4.3 gezeigt wurde, lassen aktuelle Entwicklungen darauf schließen, dass die Commonwealth-Regierung zunehmend Steuerungsmechanismen insbesondere im Berufsbildungssektor implementiert (Moodie, 2007, S. 9) und dadurch eine stärkere Zentralisierung der Bildung und Berufsbildung anstrebt. Betrachtet man die im Juni 2006 beschlossene Föderalismusreform in Deutschland, so ist hinsichtlich der Bildungspolitik eine konträre Entwicklung zu erkennen. Der Bildungssektor war und bleibt in der Kulturhoheit der Länder. Diese wurde durch eine Änderung des Artikels 72 Grundgesetz manifestiert, da damit das Hochschulrecht auf die Länder übertragen wurde; ausgenommen davon sind die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse, jedoch können die Länder auch hier von den Vorgaben des Bundes abweichen (Lachmuth/Georgii/Borhanian, 2006, S. 6). Ungeachtet der unterschiedlichen Ausgangslage lassen sich hinsichtlich des Spannungsfeldes von Zentralisierung vs. Dezentralisierung gegensätzliche Tendenzen in Australien und Deutschland festhalten. Dessen ungeachtet gilt sowohl in der australischen als auch in der deutschen Berufsbildung das Subsidiaritätsprinzip, welches in Deutschland in Artikel 23 des Grundgesetzes und in Australien in der Verfassung verankert ist (Australian Education International, 2005, S. 3). Im Gegensatz zu Australien besteht jedoch in Deutschland eine gesetzliche Reglementierung der Berufsausbildung durch das Berufsbildungsgesetz sowie durch die Handwerksordnung, welche traditionell im System verankert sind und einen gesetzlichen Rahmen für die Berufsbildung konstituieren (Stender, 2006a, S. 111). In Australien hingegen gibt es keine vergleichbare gesetzliche Reglementierung, vielmehr basiert die Berufsbildung auf den Erlassen und Verordnungen der Commonwealth- sowie der State/Territory-Regierungen. Es ist festzustellen, dass durch Gesetze und Verordnungen sowie die darin festgelegten Finanzierungsmechanismen und Festsetzung strategischer Ziele trotz der formalen Zuständigkeit der States/Territories eine Verlagerung auf die Commonwealth-Ebene zu beobachten ist (DEST, 2005b, S. 4). Die Folge ist, dass die Trennung der Zuständigkeiten zwischen Commonwealth und States/Territories, wie sie in der dualen Berufsausbildung besteht, im australischen Kontext zunehmend verschwimmt. Ein weiterer Unterschied besteht in der gesetzlichen Reglementierung der Ausbildereignung, die in der australischen Berufsbildung weder standardisiert ist noch zentral gesteuert wird. In Deutschland ergänzt die Ausbildereignungsverordnung (AEVO) das Berufsbildungsgesetz und reglementiert auf Bundesebene die fachliche und persönliche Eignung von Ausbildern in den Betrieben, wenngleich sie seit 2003 außer Kraft gesetzt ist (Stender, 2006a, S. 130). Darüber hinaus unterstreicht der im Berufsbildungsgesetz festgeschriebene Ausschließlichkeitsgrund-
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satz den hohen Reglementierungs- und Standardisierungsgrad der dualen Berufsausbildung. Finanzierungsmechanismen In Australien wird die Berufsbildung größtenteils durch staatliche Mittel finanziert, wobei Gelder sowohl auf nationaler Ebene und wie auch auf Ebene der States/Territories bereitgestellt werden. Ein Teil der Kosten wird in Form von Gebühren von den Lernenden selbst getragen, und auch die Unternehmen beteiligen sich durch die Übernahme der Kursgebühren bzw. durch die Freistellung des Arbeitnehmers für off-the-job-Maßnahmen. Für Kosten im Rahmen eines on-the-jobtraining können die Unternehmen je nach Programm – bspw. bei Lehrausbildungen – öffentliche Mittel in Anspruch nehmen. In Deutschland werden die Kosten für die Berufsschulen von den Gemeinden getragen; andere Kosten der schulischen Ausbildung tragen die Länder. Der Bund und die Länder wendeten im Jahr 2005 3,124 Mrd. Euro auf, wobei der Hauptteil (2,851 Mrd. Euro) für die Berufsschule aufgewendet wird. Den größten Teil der Kosten für die Berufsausbildung übernehmen jedoch die Unternehmen, da sie für den betrieblichen Teil der Ausbildung aufkommen und die Auszubildenden für den Besuch der Berufsschule freistellen müssen. Die Bruttokosten der dualen Berufsausbildung für die Betriebe lagen 2005 bei 27,68 Mrd. Euro, die Nettokosten betrugen 14,66 Mrd. Euro. Die insgesamt hohe finanzielle Belastung wird von Betrieben oftmals als Grund angeführt, weniger in die Ausbildung zu investieren, was sich wiederum in einem Rückgang des Ausbildungsplatzangebots niederschlägt (BMBF, 2006, S. 177; Pätzold/Wahle, 2003, S. 472). Im Vergleich dazu betrugen die Kosten der Berufsbildung im australischen Kontext für die Regierungen insgesamt 3,9 Mrd. A$ (2,4 Mrd. Euro) (bezogen auf 2005).55 Da im australischen Kontext die Gesamtkosten im Berufsbildungssektor ausgewiesen werden und sich somit nicht nur auf die Erstausbildung beziehen, gestaltet sich ein direkter Kostenvergleich jedoch schwierig. Wenngleich sich die primär staatliche Finanzierung des CBT-Ansatzes vom Finanzierungsmodell der dualen Berufsausbildung unterscheidet, besteht eine Ähnlichkeit in der Finanzierung programm- bzw. zielgruppenspezifischer Maßnahmen. Dies ist in Australien aufgrund einer Vielzahl an unterschiedlichen berufsbildenden Programmen für spezifische Zielgruppen (u. a. Indigenous Youth Mobility Programme, Indigenous Support Programme, Indigenous Youth Leadership Programme) sehr stark ausgeprägt – insgesamt werden für diese Programme über einen Zeitraum von vier Jahren (2004–2008) 2,1 Mrd. A$ (ca. 1,3 Mrd. Euro) von der 55 Siehe
hierzu die Investitions- und Kostenstruktur der Berufsbildung in Australien unter 3.4.2.
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Commonwealth-Regierung bereitgestellt (DEST, 2007, o. S.). Auch in Deutschland gibt es Initiativen und Programme bspw. für sozial Benachteiligte, die vom Bund speziell gefördert werden – 2006 wurden für sonstige Förderprogramme zur Berufsausbildung sozial Benachteiligter insgesamt 973 Mio. Euro vom Bund zur Verfügung gestellt (BMBF, 2007, S. 196). Die duale Berufsausbildung ist jedoch der Hauptkostenfaktor im Berufsbildungssystem. Reglementierende Institutionen Aufgrund der föderativen Strukturen beider Länder sind die regulativen Institutionen vergleichbar. In Australien ist es die Commonwealth- und in Deutschland die Bundesregierung, die Richtlinien, Gesetze und Vorgaben zur Etablierung einheitlicher Strukturen in der Berufsbildung erlässt, wenngleich die Realisierung und Verantwortung für die Berufsbildung auf Ebene der States/Territories bzw. der Bundesländer verankert ist. Die Differenzierung der Zuständigkeit für den schulischen und den betrieblichen Teil der dualen Berufsausbildung gibt es im CBT-Ansatz aufgrund des fehlenden Dualitätsprinzips jedoch nicht. Die reglementierenden Institutionen sind zwischen Institutionen der Regierung und Institutionen der Wirtschaft zu differenzieren. Auf Ebene der Bundesregierung bzw. der Commonwealth-Regierung ist das Bundesministerium für Bildung und Forschung mit dem Department of Education, Science and Training vergleichbar, das gilt auch für die Landesregierungen bzw. die Regierungen der States/Territories mit ihren jeweiligen Abteilungen für Bildung und Berufsbildung. In Ansätzen vergleichbar sind das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) und das National Centre for Vocational Education Research (NCVER), da beide als koordinierende Institutionen für Forschungsarbeiten im Bereich der Berufsbildung zuständig sind. Der Aufgabenbereich des NCVER beschränkt sich jedoch auf die Koordination und Verwaltung von Forschungsarbeiten sowie auf die Erstellung und Veröffentlichung von Berufsbildungsstatistiken, wohingegen das BIBB darüber hinaus mit der Vorbereitung der Ausbildungsordnung und von Rechtsverordnungen betraut ist. In Australien hatte diese Aufgabe bis 2005 die ANTA in Kooperation mit den Industry Skills Councils inne, nun liegt dies im Verantwortungsbereich des DEST. Eine weitere Aufgabe, welche das BIBB vom NCVER unterscheidet, besteht in der Erstellung eines Verzeichnisses aller anerkannten Ausbildungsberufe (Stender, 2006a, S. 133). Auch im australischen Kontext gibt es eine Datenbank, in der alle anerkannten training packages dokumentiert und veröffentlicht werden, die jedoch von einer eigenständigen Einrichtung betreut wird – dem National Training Information Service. Eine weitere Parallele hinsichtlich reglementierender Institutionen lässt sich zwischen der Konferenz der Kultusmi-
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nister (KMK) und den beiden Ministerial Councils (Ministerial Council for Vocational and Technical Education (MCVTE) und Ministerial Council on Education, Employment, Training and Youth Affairs (MCEETYA)) herstellen. KMK, MCVTE und MCEETYA haben das Ziel, einen einheitlichen Rahmen in Bildungs- und Berufsbildungsangelegenheiten zu definieren, wenngleich die inhaltliche Ausrichtung der KMK auf den beruflichen und allgemeinbildenden Schulen liegt, während sich der MCVTE mit der Berufsbildung im Allgemeinen und der MCEETYA mit Berufsbildung, Allgemeinbildung und Beschäftigung befasst. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass die KMK für die Entwicklung schulischer Rahmenlehrpläne zuständig ist (BIBB, 2003, S. 24) und somit über einen direkten Steuerungsmechanismus schulischer Lehrinhalte für die duale Berufsausbildung verfügt, was auf die beiden australischen Institutionen nicht zutrifft. Ähnlichkeiten zeigen sich hinsichtlich der Institutionen der Wirtschaft, da in beiden Ländern Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände sowie deren Dachverbände in beratender Funktion Einfluss auf die Berufsbildungspolitik nehmen. Unterschiede lassen sich bezüglich der Kammern feststellen, welchen in Australien primär eine beratende Funktion zuteil wird, wohingegen sie in Deutschland darüber hinaus eine Kontroll- und Überwachungsfunktion haben und im Rahmen ihrer Prüfungskompetenz Einfluss auf die Berufsbildung nehmen. Ein weiterer Unterschied besteht in der Zuständigkeit für die Entwicklung von Ausbildungsordnungen bzw. training packages. In Deutschland werden diese durch das BIBB vorbereitet und nach einem Abstimmungsprozess zwischen Bund und Ländern vom zuständigen Fachministerium (i. d. R. dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit) erlassen (BIBB, 2003, S. 3 ff.). Training packages hingegen werden von den Industry Skills Councils entwickelt, durch das National Training Quality Council validiert und vom DEST überwacht und erlassen. Dies veranschaulicht, dass die Wirtschaftsvertreter in Australien einen größeren Einfluss haben. Ergänzend muss bedacht werden, dass die training packages nicht durch schulische Curricula vervollständigt werden, wie es in der dualen Berufsausbildung der Fall ist. Insgesamt lässt sich festhalten, dass aufgrund der heterogenen Zuständigkeiten sowohl in Australien als auch in Deutschland ein Konfliktpotenzial zwischen den einzelnen Akteuren besteht. Rebmann/Tenfeld/Uhe zeichnen verschiedene Konfliktlinien für den deutschen Kontext zwischen Bund und Ausbildungsbetrieben, zwischen den Kultusministerien der Länder und den Dachverbänden von Industrieund Handelskammern bzw. Handwerkskammern sowie zwischen den zuständigen Stellen und den Ausbildungsbetrieben nach (Rebmann/Tenfeld/Uhe, 2005, S. 43 ff.). Konfliktlinien im australischen Kontext lassen sich identifizieren zwischen Commonwealth und States/Territories, zwischen Industry Skills Councils und dem DEST sowie zwischen dem DEST bzw. den State/Territory Training Au-
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thority und Anbietern, insbesondere den TAFE-Instituten. Wenngleich die Konfliktlinien aufgrund der strukturellen Voraussetzungen unterschiedlich verlaufen, sind insofern Parallelen feststellbar, als vor allem die Interessen der Wirtschaft mit denen der Politik konfligieren. Qualifizierende Institutionen Einen deutlichen Unterschied gibt es zwischen den qualifizierenden Institutionen in der dualen Berufsausbildung und im CBT-Ansatz. In Deutschland ist, bedingt durch die Dualität der Lernorte, genau festgelegt, wer als qualifizierende Institution tätig sein darf; dies sind in erster Linie Betriebe und Berufsschulen und in zweiter Linie überbetriebliche und außerbetriebliche Lernorte. In Australien hingegen herrscht das Grundprinzip eines offenen Ausbildungsmarktes, d. h., jede Institution kann sich als qualifizierende Institution registrieren lassen, sofern sie die Anforderungen des AQTF erfüllt. Während es in Deutschland keinen Wettbewerb unter den „Anbietern“, sprich Berufsschulen und Betrieben, hinsichtlich der Rekrutierung von Auszubildenden gibt und die Philosophie eines offenen Ausbildungsmarktes fremd erscheint, können Lernende und Betriebe aufgrund des user-choice-Prinzips die Anbieter frei wählen, sodass die TAFE-Institute eher den Charakter eines Unternehmens und nicht einer Schule aufweisen. Eine weitere Besonderheit im australischen Kontext sind die Australian technical colleges sowie die Sekundarschulen, die neben dem allgemeinen Schulabschluss eine berufliche Qualifikation anbieten und somit eine institutionalisierte Form der Doppelqualifizierung darstellen. Eine Besonderheit im deutschen Kontext stellt die Prüfungs- und Zertifizierungszuständigkeit dar. Bedingt durch die beiden Lernorte werden Prüfungen zum einen von den Berufsschulen und zum anderen von den zuständigen Stellen durchgeführt, die für die standardisierten fachpraktischen bzw. fachtheoretischen Prüfungen zuständig sind. In Australien besteht auch hier eine größere Flexibilität und jeder registrierte Anbieter kann die Prüfungsbefugnis erwerben, woraus resultiert, dass aus Sicht der Nachfrager von beruflichen Bildungsmaßnahmen eine größere „Auswahl“ an prüfenden und zertifizierenden Institutionen besteht. Instrumente der Qualitätssicherung Die in Australien vorherrschende Flexibilität und die daraus resultierende Heterogenität bezüglich der qualifizierenden sowie prüfenden und zertifizierenden Institutionen erfordern nationale Standards und Mechanismen der Qualitätssicherung. Dies wird durch den AQTF realisiert, der Anforderungen an Aus- und Weiterbil-
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dungsanbieter sowie an Prüfungsinstitutionen stellt. Eine derart explizite Qualitätssicherung gibt es derzeit in Deutschland noch nicht flächendeckend. Es existieren lediglich Ansätze zur Einführung von Qualitätsmanagement-Handbüchern und anderen Modellen an beruflichen Schulen; zu nennen seien an dieser Stelle u. a. European Foundation for Quality Management (EFQM) sowie das Q2E-Modell, die regional durchgeführt werden (Stender, 2006a, S. 166 ff.). Der Hintergrund für die lange Zeit vernachlässigte Diskussion um eine Qualitätsentwicklung insbesondere in den beruflichen Schulen (ebenda, S. 158) liegt in den systemimmanenten Qualitätssicherungsmechanismen der dualen Berufausbildung. Die Eignung der Ausbildungsbetriebe wird im Berufsbildungsgesetz und der Ausbildereignungsverordnung definiert, und die Durchführung der Ausbildung wird von den zuständigen Stellen überwacht und kontrolliert. Des Weiteren wird durch die zentralen Zwischen- und Abschlussprüfungen sichergestellt, dass alle Betriebe die qualitativen Anforderungen erfüllen und die erforderlichen Inhalte vermittelt werden. Nichtsdestotrotz erscheinen adäquate Qualitätssicherungsinstrumente nicht nur für die beruflichen Schulen, sondern auch für den Lernort Betrieb notwendig, und auch das reformierte Berufsbildungsgesetz misst der Qualitätssicherung einen zentralen Stellenwert bei (ebenda, S. 159). Qualifikation der Lehrenden Die wohl größten Unterschiede zwischen der dualen Berufsausbildung und dem australischen CBT-Ansatz liegen im Bereich der Qualifikationen der Lehrenden. In Australien besteht keine reglementierte, homogene Lehrerausbildung für das berufliche Bildungswesen, vielmehr sind die Qualifikationen und Bildungsbiografien der Lehrkräfte sehr unterschiedlich. Die meisten Lehrenden sind zunächst einige Jahre in der Wirtschaft tätig und erwerben durch eine pädagogische Zusatzausbildung an den TAFE-Instituten oder an anderen RTOs die notwendigen Kenntnisse für die Lehrtätigkeit. Die pädagogischen Anforderungen sind je nach Anbieter sehr unterschiedlich, jedoch ist – wie bereits unter 4.4.7 dargestellt – das Certificate IV in Assessment and Workplace Training die pädagogische Qualifikation, über die die meisten Lehrenden verfügen. Im Gegensatz dazu ist die Lehrerbildung für die beruflichen Schulen in Deutschland weitestgehend homogen. Die pädagogische Ausbildung ist in Deutschland durch die universitären Studiengänge im Bereich der Berufs- und Wirtschaftspädagogik fundiert und wird durch den Vorbereitungsdienst noch vertieft. Die fachpraktischen Erfahrungen sind weniger bei den Lehrenden an den Berufsschulen, sondern vielmehr bei den betrieblichen Ausbildern von Bedeutung, deren persönliche und fachliche Eignung zur Ausbildung in den Betrieben durch die Ausbilder-
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eignungsverordnung reglementiert wird. Eine derartige Trennung zwischen Ausbilder und Lehrer gibt es in der australischen Berufsbildung nicht, und somit sind die Lehrenden Vermittler von theoretischen und fachpraktischen Fähigkeiten und Kenntnissen. Jedoch gibt es auch in Deutschland Quer- und Seiteneinsteiger in den beruflichen Schuldienst, die eine Ähnlichkeit mit australischen Lehrenden haben, da sie über einschlägige Praxiserfahrung, jedoch nur bedingt über pädagogische Fähigkeiten und Kenntnisse verfügen (Bundesanstalt für Arbeit, 2003, S. 31). Deren Einsatz ist hierzulande allerdings ausschließlich einem Mangel an Lehrenden für den beruflichen Bildungssektor zu verdanken (Kell, 2003, S. 327) und hat keine philosophiebedingte Grundlage. Fazit Als Fazit lässt sich festhalten, dass es bedingt durch den Föderalismus auf der ordnungspolitisch-organisatorischen Ebene strukturelle Ähnlichkeiten gibt. Unterschiede lassen sich vor allem hinsichtlich des Einflusses von Wirtschaftsvertretern und der Finanzierungsmechanismen feststellen, insbesondere hinsichtlich der Tatsache, dass in der australischen Berufsbildung die Wirtschaft eine dominante Rolle einnimmt, die Finanzierung jedoch aus öffentlicher Hand erfolgt. Ein weiterer Unterschied besteht in der Philosophie des open training market, welche hinsichtlich qualifizierender und auch prüfender Institutionen unterschiedliche Strukturen in sich birgt und Qualitätssicherungsinstrumente erfordert, derer es aufgrund der strukturellen Voraussetzungen und starken Reglementierung der dualen Berufsausbildung in Deutschland nicht bedarf. Jedoch lässt sich konstatieren, dass, obgleich die ordnungspolitisch-organisatorischen Strukturen der dualen Berufsausbildung gefestigt und unanfechtbar erscheinen, auch hier der Ruf nach mehr Flexibilisierung laut wird. Im australischen Kontext hingegen, der über einen vergleichsweise geringen staatlichen Reglementierungsgrad verfügt, sind Tendenzen zu einer stärkeren Reglementierung durch die Commonwealth-Regierung, einhergehend mit einer Einschränkung der Wirtschaft, erkennbar. Abbildung 5.3 illustriert die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen CBT und dualer Berufsausbildung auf ordnungspolitisch-organisatorischer Ebene.
Bedingt durch den Föderalismus werden Gesetze und Verordnungen auf Bundesebene bzw. CommonwealthEbene und auf Landesebene bzw. auf Ebene der States/Territories erlassen. Aufgrund der Kulturhoheit der Länder bzw. der Autonomie der States/Territories gilt in beiden Systemen das Subsidiaritätsprinzip.
Es besteht eine staatliche Teilfinanzierung durch Bund und Länder bzw. Commonwealth und States/Territories.
Aufgrund der föderativen Strukturen existieren reglementierende Institutionen auf Bundes- bzw. Commonwealth-Ebene sowie auf Länder- bzw. State/Territory-Ebene; öffentliche und privatwirtschaftliche Institutionen haben Regelungsbefugnis. Gemeinsame qualifizierende Institutionen sind die Betriebe und die schulischen Bildungsträger (TAFE-Institute bzw. Berufsschule).
Gesetzliche Reglementierung
Finanzierungsmechanismen
Reglementierende Institutionen
Lehrende im CBT-Ansatz und betriebliche Ausbilder verfügen über fachpraktische Kenntnisse.
Qualifikation der Lehrenden
In der dualen Berufsausbildung gibt es zudem außer- und überbetriebliche Ausbildungsstätten, die gesetzlich reglementiert sind. Im CBT-Ansatz besteht eine größere Flexibilität durch den open training market. Im CBT-Ansatz sind externe Standards durch den AQTF und den AQF definiert, welche durch audits überwacht werden. Die duale Berufsausbildung verfügt über systemimmanente Qualitätssicherungsmechanismen. In der dualen Berufsausbildung ist die betriebliche Ausbildereignung gesetzlich in der AEVO verankert und es gibt eine weitgehend standardisierte Lehrerbildung im universitären Sektor. Im CBT-Ansatz gibt es keine derartige gesetzliche Reglementierung; es gibt eine formale Standardqualifikation für die Lehrerbildung.
Die duale Berufsausbildung ist in einem Bundesgesetz verankert, wobei die AEVO und der Ausschließlichkeitsgrundsatz eine Besonderheit darstellen. Der CBT-Ansatz in der australischen Berufsbildung wird durch Gesetze der States/Territories reglementiert sowie durch Abkommen zwischen der CommonwealthRegierung und den Regierungen der States/Territories. Im CBT-Ansatz tragen die Teilnehmer einen Teil der Kosten, in der dualen Berufsausbildung sind die Unternehmen die Hauptkostenträger. Aufgrund des Konsensprinzips ist die Dominanz der Wirtschaft im deutschen Kontext weniger stark ausgeprägt als im australischen Kontext.
Unterschiede
Abbildung 5.3.: Gemeinsamkeiten und Unterschiede von CBT und dualer Berufsausbildung auf ordnungspolitisch-organisatorischer Ebene
Es bestehen Richtlinien zur Qualitätssicherung auf Bundes-/Commonwealth-Ebene (BBiG bzw. Ausbildungsordnungen; AQF und AQTF)
Instrumente der Qualitätssicherung
Qualifizierende Institutionen
Gemeinsamkeiten
Vergleichskriterium
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5.2.2. Die didaktisch-curriculare Betrachtungsebene Curriculare Vorgaben Innerhalb der dualen Berufsausbildung und des CBT-Ansatzes werden für die Berufsbildung standardisierte curriculare Vorgaben auf Bundes- bzw. Commonwealth-Ebene entwickelt und auf Länderebene bzw. auf Ebene der States/Territories modifiziert und implementiert. In Deutschland wird zwischen betrieblichen Vorgaben, d. h. den Ausbildungsordnungen, und den schulischen Vorgaben, d. h. den Rahmenlehrplänen, differenziert. Sowohl Rahmenlehrpläne als auch Ausbildungsordnungen sind ganzheitlich strukturiert, und die Inhalte sind auf die festgelegte Dauer der Ausbildung verteilt. Dies soll eine umfassende berufliche Qualifizierung und somit die Handlungsfähigkeit für viele verschiedene Tätigkeiten und Aufgaben eines Berufs sicherstellen (Drexel, 2005b, S. 9). Im Gegensatz dazu fungieren in Australien die training packages als einheitliche curriculare Vorgaben, die jedoch spezifische Tätigkeiten und Aufgaben in einem vergleichsweise eng definierten Arbeitsgebiet umfassen. Zudem sind sie modular strukturiert und die Lernziele werden in Form einzelner Kompetenzmodule definiert. Neben den unterschiedlichen Zielsetzungen werden im Rahmen der folgenden Gegenüberstellung der Grundstruktur von Ausbildungsordnung und training packages weitere Ähnlichkeiten bzw. Unterschiede deutlich. Die Ausbildungsordnungen beinhalten folgende Angaben (Rebmann/Tenfelde/ Uhe, 2005, S. 11): • Ausbildungsberuf (Berufsbezeichnung) • Ausbildungsdauer • Ausbildungsberufsbild (Gesamtheit der zu erwerbenden Kenntnisse und Fertigkeiten) • Ausbildungsrahmenplan (zeitliche und sachliche Gliederung der Kenntnisse und Fertigkeiten) • Prüfungsanforderungen Die training packages enthalten (siehe National Training Information Service): • Bezeichnung der erwerbbaren Qualifikationen, z. B. „Certificate III in Retail“
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• eine Übersicht über die competency standards mit der Anzahl der units; am Beispiel Retail (Einzelhandel) sind dies: Clerical Adminstration (5 units), Employee Relations (3 units), Finance (4 units), Information (1 unit), Inventory (3 units), Loss Prevention (7 units), Merchandising (5 units), Operations (11 units), People Management (3 units), Planning (3 units), Selling (2 units), Service (4 units) • Prüfungsrichtlinien (assessment guidelines) Die training packages beinhalten demnach keine Berufsbezeichnung, diese findet sich in der Bezeichnung der Qualifikation des AQF mit dem zugehörigen Level und dem Wirtschaftsbereich, in dem das training package zu verorten ist, wieder (siehe Tabelle 5.1). Die Ausbildungsdauer ist implizit in den Kompetenzstandards beschrieben, stellt jedoch lediglich eine Orientierungshilfe für Lehrende und Lernende dar; d. h., eine vorgeschriebene Gesamtdauer ist nicht definiert. Ausbildungsberufsbild und Ausbildungsrahmenplan lassen sich mit den Kompetenzstandards vergleichen, da hier die Ausbildungsinhalte sowie deren Anwendung in verschiedenen Kontexten beschrieben werden. Sowohl in den Ausbildungsordnungen als auch in den training packages sind Prüfungsanforderungen beschrieben, wenngleich in der dualen Berufsausbildung eine ganzheitliche Abschlussprüfung obligatorisch ist und im CBT-Ansatz jedes Modul einzeln geprüft und zertifiziert wird. Ausbildungsordnungen bzw. die darin enthaltenen Ausbildungsrahmenpläne sind im Gegensatz zu den training packages vergleichsweise rigide und ermöglichen lediglich durch die sogenannte Flexibilitätsklausel sachliche und zeitliche Abweichungen von der vorgeschriebenen Gliederung des Ausbildungsinhalts – sofern betriebspraktische Besonderheiten dies erfordern (Stender, 2006b, S. 98). Ausbildungsordnung
Training package
Ausbildungsberuf Ausbildungsdauer Ausbildungsberufsbild Ausbildungsrahmenplan Prüfungsanforderungen
qualification (AQF) nominal hours per unit competency standards competency standards assessment guidelines
Tabelle 5.1.: Ausbildungsordnung vs. training package
Parallelen lassen sich zwischen der aktuellen Diskussion um Kompetenzstandards im deutschen Kontext und den im CBT-Ansatz etablierten competency standards identifizieren. Die deutsche Diskussion um Kompetenzstandards bezieht sich einerseits auf die beruflichen Schulen – angestoßen durch die Etablierung von Bildungsstandards in den allgemeinbildenden Schulen sowie durch die Einführung
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der Lernfelder – und andererseits auf die duale Berufsausbildung bedingt durch die Diskussion um ein Berufsbildungs-PISA (u. a. Anderka, 2006; Baethge et al. 2006; Sloane/Dilger, 2005). Eine Gemeinsamkeit im Hinblick auf diese Debatte besteht darin, dass in Bezug auf die Kompetenzstandards der Anspruch auf kriterienbasierte Messung und Bewertung erhoben wird. Für den deutschen Kontext, insbesondere für den schulischen Teil der Berufsausbildung ließe sich hierbei ein Paradigmenwechsel von Inhalts- zu Ergebnisorientierung und gleichermaßen eine Veränderung im zugrunde liegenden Kompetenzverständnis konstatieren. Rekurrierend auf die Ausführungen in Kapitel 3.2 ist im deutschen Diskurs Kompetenz primär im Sinne eines Dispositionsbegriffs zu verstehen und somit vom Performanzbegriff zu differenzieren, wohingegen die australische Diskussion competency als Verbindung von Disposition und Performanz betrachtet. Deutlich wird im deutschen Kontext jedoch, dass insbesondere bei aktuellen Arbeiten aus der Kompetenzdiagnostik sowie bei der Entwicklung von Kompetenzstandards im Kontext des Berufsbildungs-PISA zunehmend ein kompetenzanalytischer Kompetenzbegriff zugrunde gelegt wird, der eine stärkere Fokussierung der Performanz erkennen lässt, wobei durch die Identifizierung von Kompetenzindikatoren die Trennung zwischen Kompetenz und Performanz zunehmend verschwimmt (Baethge et al., 2006, S. 7). Ein weiterer Unterschied liegt darin, dass sich die deutsche Kompetenzdiskussion auf Domänen konzentriert (Sloane/Dilger, 2005, S. 19), die als „übergeordnete sinnstiftende, thematische Handlungskontexte“ zu verstehen sind (Achtenhagen, 2004, S. 22). Diese sind von den nach Wirtschaftsbereichen strukturierten competency standards dahingehend abzugrenzen, da domänenspezifische Kompetenzen einen Bezug zu Fachgebieten aufweisen, wohingegen sich die Kompetenzen der competency standards durch einen direkten Tätigkeits- und Arbeitsplatzbezug auszeichnen. Nichtsdestotrotz weisen Domänen bspw. in den Lernfeldern einen starken Handlungs- und Praxisbezug auf, wodurch eine Parallele zwischen Lernfeldern und training packages gesehen werden kann. Sowohl die Lernfelder als auch die Kompetenzstandards in den training packages erheben den Anspruch, Lernziele anhand von Handlungsabläufen und Aufgabenstellungen abzuleiten (KMK, 2000, S. 16), was bedeutet, dass Curricula nicht mehr der schulisch geprägten Fächersystematik folgen, sondern dem Prinzip der Situationsorientierung (Clement, 2003, S. 8). Eine weitere Parallele lässt sich hinsichtlich des zugrunde liegenden Ordnungsprinzips festhalten, das sowohl in den Lernfeldern als auch in den competency standards die Handlungssituation darstellt (Kremer, 2003a, S. 2). Somit lassen sich bezüglich der Zielformulierung sowie des Ordnungsprinzips Parallelen zwischen Lernfeldern und competency standards festhalten, wohingegen die inhaltlichen und strukturellen Ähnlichkeiten aufgrund des Arbeitsplatzbezugs zwischen competency standards und Ausbildungsordnungen
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vorzufinden sind. Insgesamt lässt sich hinsichtlich der strukturellen und inhaltlichen Ausrichtung von Ausbildungsordnungen und Lernfeldern schlussfolgern, dass die Outcome- und Kompetenzorientierung sowie der Handlungsbezug eine zunehmende Rolle spielen und diesbezüglich Parallelen zu CBT zu erkennen sind. Qualifikationen Im CBT-Ansatz sind alle national anerkannten Qualifikationen in einem nationalen Qualifikationsrahmen verankert; analog hierzu fungieren in Deutschland die national anerkannten Ausbildungsberufe und deren festgeschriebene Abschlüsse. Im Gegensatz zur dualen Berufsausbildung ermöglicht der CBT-Ansatz den Erwerb von Teilqualifikationen, da jedes Modul einzeln geprüft und zertifiziert wird und unabhängig von Lernort und Lernmethode auf den Erwerb einer weiteren Qualifikation angerechnet werden kann. Der AQF als nationaler Qualifikationsrahmen ist für den CBT-Ansatz mit einer Vielzahl flexibel erwerbbarer Qualifikationen unabdinglich. Die duale Berufsausbildung mit einheitlichen, ungestuften Abschlüssen verfügt bislang über keinen expliziten nationalen Qualifikationsrahmen zur Einstufung der Ausbildungsberufe, jedoch wird dieser derzeit im Zuge der Europäisierung und mit der Einführung des europäischen Qualifikationsrahmens als Metarahmen für die Vergleichbarkeit nationaler Qualifikationen entwickelt. Der aktuelle Entwicklungsstand eines deutschen Qualifikationsrahmens (DQR) beschäftigt sich bislang primär mit der Frage der Zuordnung und Zuordenbarkeit von Qualifikationen zu einem bestimmten Referenzniveau (Bohlinger, 2007, S. 45). Die Entwicklung eines nationalen Qualifikationsrahmens stößt in Deutschland auf strukturelle und organisatorische Problemaspekte, die bedingt sind durch die ungestuften Ausbildungsberufe, aber auch durch die fehlende Verzahnung von Ausund Weiterbildung (Meyer, 2006b, S. 10; Rauner et al., 2005, S. 12; Sellin, 2006, S. 2). Die Fokussierung auf formale Qualifikationen stellt einen Unterschied zum australischen Kontext dar. Fehlende Anerkennungsprozesse und -instrumente erschweren die Erfassung informeller und informell erworbener Kompetenzen, die jedoch auch im Hinblick auf den EQR berücksichtigt werden sollen (Bohlinger, 2006, S. 4; Hanf/Rein, 2006, S. 14). Unterschiede lassen sich zudem in Bezug auf die Verwertbarkeit der Qualifikationen auf dem Arbeitsmarkt festhalten. In Deutschland ist diese durch ganzheitliche, formalisierte und standardisierte Berufsprofile gegeben, wonach der externe Arbeitsmarkt strukturiert ist. Im australischen Kontext hingegen erfolgt die Verwertbarkeit über im Sinne eines Portfolios erworbene Kompetenzprofile, deren Standardisierung durch den Anschluss an die Qualifikationen des AQF gegeben werden soll. Der dynamische Charakter des Arbeitsmarktes reflektiert die
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flexiblen und individualisierten Kompetenzprofile, was sich darin zeigt, dass die Kompetenzprofile kein direktes Pendant auf dem Arbeitsmarkt finden, wie es bei den Berufen der Fall ist, sondern dass diese vielmehr auf Arbeitsprofile ausgerichtet sind, die in unterschiedlichen Bereichen Anwendung finden (Karmel, 2005, S. 8). Qualifizierungswege Der CBT-Ansatz ermöglicht eine Vielfalt an Qualifizierungsprogrammen, da neben vollzeitschulischen Aus- und Weiterbildungsgängen an öffentlichen TAFEInstituten oder an privaten RTOs berufliche Qualifikationen auch ausschließlich am Arbeitsplatz erworben werden können. Eine weitere Form stellen die new apprenticeships dar, die in der Regel in Kooperation mit Betrieben angeboten werden und die in einer Sonderform der school-based new apprenticeships bereits in der Sekundarstufe II des allgemeinen Schulwesens abgeschlossen bzw. begonnen werden können. In Deutschland dominiert das duale System die Formen der Berufsausbildung, wenn auch eine Zunahme vollzeitschulischer Maßnahmen insbesondere in der Berufsvorbereitung festzustellen ist (Baethge/Solga/Wieck, 2007, S. 30; BMBF, 2007, S. 44). So ist ein kontinuierlicher Rückgang der Inanspruchnahme der dualen Berufsausbildung in den vergangenen Jahren festzustellen, an der 1992 noch 62,8 % einer Alterskohorte, 2005 nur noch 48,7 % teilnahmen. Im Gegensatz dazu ist der Übergang in eine vollzeitschulische Maßnahme von 13,4 % (1992) auf 17,8 % (2005) und die Teilnahme an berufsvorbereitenden Maßnahmen von 1,2 % einer Alterskohorte auf 5,5 % gestiegen (BMBF, 2006, S. 81). In Australien hat die Nachfrage nach beruflichen Bildungsmaßnahmen in den vergangenen Jahren zugenommen, was einerseits auf die quantitative Ausweitung von Qualifizierungsprogrammen und andererseits auf die qualitative Verbesserung und Expansion der training packages zurückzuführen ist. 2005 nahmen 27 % der 15 bis 19-Jährigen an einer beruflichen Bildungsmaßnahme teil, wobei hierzu die new apprenticeships, vollzeitschulische bzw. teilzeitschulische Maßnahmen bei RTOs und die betriebliche Qualifizierung zählen – im Jahr 2000 waren es 25,5 % (NCVER, 2006d, S. 7). Insgesamt sind dort 1,6 Mio. Teilnehmer in einer berufsbildenden Maßnahme, davon 265.000 in einer new apprenticeship. Insgesamt lässt sich jedoch festhalten, dass der Gesamtanteil an Teilnehmern im australischen Berufsbildungssystem im Vergleich zu Deutschland deutlich geringer ist. Dies lässt sich mit der traditionell starken Positionierung der dualen Berufsausbildung im Bildungssystem erklären und mit der immer noch vergleichsweise großen Attraktivität auch für leistungsstarke Schulabgänger, welche diese als Übergang in eine Hochschulbildung wahrnehmen (Baethge, 2003, S. 549; BMBF, 2007, S. 109).
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Diese Voraussetzung erfüllen weder die new apprenticeships noch andere berufliche Bildungsmaßnahmen im australischen CBT-System, wo die Berufsbildung oftmals als „second-best“ angesehen und somit von leistungsstarken Schulabgängern kaum in Anspruch genommen wird, die stattdessen in der Regel ein Hochschulstudium anstreben. 2002 gingen 50,9 % eines Jahrgangs einer allgemeinen Sekundarstufe ohne ein alternierendes VET-in-schools-Programm in den universitären Sektor über und lediglich 14,8 % entschieden sich für eine berufliche Bildungsmaßnahme an einem TAFE-Institut. Von den Schulabgängern dieses Jahrgangs, die an einem VET-in-schools- Programm teilnahmen, gingen 22,0 % im Anschluss daran an ein TAFE-Institut und 24,2 % nahmen ein Hochschulstudium auf (Anlezark/Karmel/Ong, 2006, S. 23). Dies verdeutlicht die im australischen Bildungssystem vorherrschende meritokratische Logik in Bildungsgangentscheidungen, welche im deutschen Kontext weniger stark ausgeprägt ist, was die Übergangsquoten in den Berufsbildungssektor verdeutlichen. Einen weiteren Unterschied lässt sich bezüglich der Durchlässigkeit zwischen Allgemeinbildung und Berufsbildung festhalten. Die australische Berufsbildungspolitik forciert mit kooperativen Programmen zwischen Schul-, Hochschul- und Berufsbildungssektor sowie der Anschlussfähigkeit beruflicher Qualifikationen an den universitären Sektor eine zunehmende Durchlässigkeit.56 Die duale Berufsausbildung hingegen ist als größtenteils in sich geschlossene Ausbildung zu betrachten, die nur bedingt auf Durchlässigkeit schließen lässt. Kooperative Ausbildungsmodelle mit dem Tertiärsektor und die Anrechenbarkeit einer dualen Berufsausbildung auf ein Hochschulstudium bestehen nicht flächendeckend. Einige Bundesländer verfügen über Eingangsprüfungen für den Hochschulzugang, wodurch es Absolventen einer dualen Berufsausbildung, die keine formale Hochschulzugangsberechtigung haben, ermöglicht werden soll, diese zu erhalten (Stender, 2006b, S. 222 ff.). Auch der Erwerb von Doppelqualifikationen im Bereich der Allgemein- und der Berufsbildung bestehen bislang nur auf regionaler Ebene. Als Beispiele anzuführen sind das Berufskolleg in Nordrhein-Westfalen, das eine Doppelqualifikation im Sinne eines Berufsabschlusses und den Erwerb einer Fachhochschulreife bzw. der allgemeinen Hochschulreife ermöglicht (ebenda. S. 218 f.). Studien zeigen jedoch, dass der Erwerb einer Doppelqualifikation am Berufskolleg NRW die Ausnahme darstellt und die Schlussfolgerung nahe legt, dass ein beruflicher Bildungsabschluss und ein allgemeiner Bildungsabschluss in der Regel kumulativ und nicht integrativ erworben werden (ebenda, S. 221).
56 Siehe
hierzu die Ausführungen unter 3.5.3.
5.2. Zur Vereinbarkeit von Kompetenz- und Berufsprinzip in realtypischer Ausprägung
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Fazit Als Fazit sind hinsichtlich der identifizierten Unterschiede und Gemeinsamkeiten auf der didaktisch-curricularen Betrachtungsebene folgende Ergebnisse festzuhalten, die in Abbildung 5.4 illustriert werden: • Die Ausbildungsordnungen und die training packages weisen einige strukturelle und inhaltliche Parallelen auf, wenngleich der Standardisierungsgrad bei den training packages geringer ausgeprägt ist, was sich in einer größeren zeitlichen und inhaltlichen Flexibilität hinsichtlich der Zusammenstellung einzelner Kompetenzmodule zeigt. Auch Lernfelder weisen hinsichtlich ihres Handlungsbezugs Parallelen zu den in den training packages verankerten Kompetenzstandards auf; insgesamt lässt sich sowohl für die Ausbildungsordnungen als auch für die Lernfelder eine zunehmende inhaltliche Kompetenz- und strukturelle Outcome-Orientierung feststellen. • Qualifikationen sind in der dualen Berufsausbildung die staatlich anerkannten Ausbildungsberufe, die im Gegensatz zu den Qualifikationen, die innerhalb der training packages erworben werden, nicht nach Niveaustufen differenziert werden und somit keine Partialqualifizierung ermöglichen. Aufgrund dessen bedarf es hinsichtlich der australischen beruflichen Qualifikationen eines einheitlichen Referenzrahmens, der in Form des AQF implementiert ist. • Hinsichtlich der Qualifizierungswege unterscheidet sich der CBT-Ansatz von der dualen Berufsausbildung dahingehend, dass aufgrund der Lernortunabhängigkeit duale, vollzeitschulische und betriebliche Qualifizierungswege gewählt werden können. In Deutschland führt der Weg zu einem anerkannten Ausbildungsberuf nur über die duale Berufsausbildung, wenngleich mit dem neuen Berufsbildungsgesetz, die Möglichkeit der Zulassung zur Kammerprüfung für Absolventen von Vollzeitschulen zumindest formal besteht.
Ausbildungsordnungen und Lernfelder stellen ganzheitliche, standardisierte und verbindliche Vorgaben dar. Training packages sind modulare, standardisierte Rahmenvorgaben mit zeitlicher und inhaltlicher Variabilität.
Training packages und Ausbildungsordnungen verfügen über strukturelle Ähnlichkeiten, da inhaltliche und zeitliche Angaben, Qualifikations- bzw. Berufsbezeichnung und Prüfungsrichtlinien gleichermaßen integriert sind. Training packages und Lernfelder weisen in ihrem Ordnungsprinzip der Handlungssituationen Ähnlichkeiten auf.
Das Ziel des Lernprozesses ist der Erwerb einer anerkannten und standardisierten beruflichen Qualifikation.
In beiden Ansätzen bestehen Formen der Kooperation zwischen Betrieben und schulischem Bildungsträger.
Curricula
Qualifikationen
Qualifizierungswege
Abbildung 5.4.: Gemeinsamkeiten und Unterschiede von CBT und dualer Berufsausbildung auf didaktisch-curricularer Ebene
Die duale Berufsausbildung führt zu staatlich anerkannten Ausbildungsberufen ohne Binnendifferenzierung, wohingegen der CBT-Ansatz Qualifikation nach Niveaustufen differenziert und in einen einheitlichen Referenzrahmen integriert. Im CBT-Ansatz bestehen darüber hinaus rein schulische und betriebliche Qualifizierungsformen sowie die schulbasierte Lehrausbildung, da keine verpflichtende Lernortdualität vorgeschrieben ist.
Unterschiede
Gemeinsamkeiten
Vergleichskriterium
294 Zur Komparation von Kompetenz- und Berufsprinzip
5.2. Zur Vereinbarkeit von Kompetenz- und Berufsprinzip in realtypischer Ausprägung
295
5.2.3. Die Lernprozess-Ebene Lerntheoretischer Hintergrund In Australien waren die Anfänge von CBT sehr stark behavioristisch begründet, jedoch wurden diese aufgrund diverser pädagogischer und psychologischer Kritiken durch kognitive Ansätze ersetzt, was sich insbesondere bei der Umsetzung der key competencies bzw. employability skills zeigt. In Deutschland stellen konstruktivistische Ansätze den lerntheoretischen Hintergrund für berufliche Lernprozesse dar – sowohl in betrieblichen als auch in schulischen Lernumgebungen. Insbesondere mit dem seit den achtziger Jahren verfolgten Konzept des handlungsorientierten Unterrichts und mit der Einführung des Lernfeldkonzepts sollen konstruktivistisch begründete Lehr-Lern-Methoden im schulischen Unterricht zur Anwendung kommen (Beyen, 2003, S. 216). Die im deutschen Kontext postulierte konstruktivistische Didaktik und der darin verankerte Ansatz des „situierten Lernens“ fokussieren die Schaffung verschiedener Kontexte, in denen flexible Lösungswege zu vorgegebenen Problemen bzw. Aufgabenstellungen gefunden werden müssen (Euler/Hahn, 2004, S. 111). Parallelen lassen sich zwischen diesen situations- und kontextgebundenen Kompetenzen und dem durch konstruktivistische Annahmen erweiterten CBT-Ansatz erkennen, da in beiden der Anwendungstransfer eine zentrale Rolle spielt sowie die selbständige Erschließung von Lösungsansätzen (Hager, 2004b, S. 420; Schofield/McDonald, 2004, S. 17). Der Handlungsbezug lässt in beiden Ansätzen auf eine handlungstheoretische Fundierung schließen, und die Schlüsselkompetenz „Problemlösefähigkeit“ bzw. „problem-solving“ stellt hierbei eine gemeinsame Zielgröße der konstruktivistischen bzw. handlungstheoretischen Didaktik im deutschen und der erweiterten CBT-Fundierung im australischen Kontext dar (Euler/Hahn, 2004, S. 444; Gibb, 2004, S. 11). Methodik Die Methodik im CBT-Ansatz ist flexibel, wobei zwei Aspekte im Vordergrund stehen: die praxisnahe Vermittlung von Fähigkeiten und Kenntnissen und das selbstgesteuerte Lernen. Die durch den Arbeitsplatzbezug gegebenen praxisnahen Lernumgebungen ermöglichen lernerzentriertes und vom Lerner selbstgesteuertes und selbstorganisiertes Lernen am Arbeitsplatz oder in Simulationen, wenn auch der allgemeine Trend hierzu je nach Berufsfeld in unterschiedlichem Maße festgestellt werden kann. Auch in der dualen Berufsausbildung erfahren die Methoden in beruflichen Lernprozessen sowohl schulischer als auch betrieblicher Art seit geraumer Zeit einen Wandel von lehrerzentriertem Frontalunterricht bzw. an tayloristische Vorstellungen gekoppelte oder dem Imitatio-Prinzip folgende Unter-
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weisung hin zu mehr Lernerzentriertheit (Euler/Hahn, 2004, S. 59). Unter dem Postulat des handlungsorientierten Unterrichts wurden seit Beginn der achtziger Jahre neue Methodenkonzepte entwickelt, die – so lautet zumindest der formale Anspruch – in der Praxis sowohl in der Schule als auch in den Betrieben Anwendung finden (KMK, 2000, S. 10). Zielsetzung handlungsorientierten Lehrens und Lernens ist der Erwerb beruflicher Handlungskompetenz, bei denen nicht mehr nur der reine Wissenserwerb oder der ausschließlich praktische Erwerb von Fertigkeiten im Mittelpunkt steht, sondern vielmehr eine Verbindung aus Denken und Handeln sowie Theorie und Praxis gegeben sein soll (Euler/Hahn, 2004, S. 60 f.; Neef, 2005, S. 155 f.). Grundprinzipien des handlungsorientierten Lehrens lassen sich mit den Schlagwörtern „Schüleraktivität“ und „Schülerzentriertheit“, „eigenverantwortliches und selbstgesteuertes Lernen“ sowie „Ganzheitlichkeit“ umschreiben (Beyen, 2003, S. 215 f.). Wie eine Studie zu den Lehr-Lern-Methoden in der beruflichen Bildung von Pätzold/Wingels/Klusmeyer verdeutlicht, divergiert die Umsetzung des handlungsorientierten Lernens jedoch von diesen Zielsetzungen. Aus Sicht der Lehrenden im schulischen Kontext stellt der Frontalunterricht die häufigste Lehrmethode dar und handlungsorientierte Methoden fungieren lediglich als Ergänzung (Pätzold/Wingels/Klusmeyer, 2003, S. 123). Die Gründe sehen Pätzold/Wingels/Klusmeyer in Zeitgründen sowie mangelnden Ressourcen (ebenda, S. 128 f.), aber auch in Defiziten hinsichtlich der Kenntnisse über handlungsorientierte Lehr-Lern-Methoden sowie deren adäquaten Umgang und Einsatz (Dimanski, 2004, S. 302; Klusmeyer/Pätzold, 2005, S. 13 f.). Auch im betrieblichen Kontext dominiert der Einsatz der Demonstrations- und Vier-Stufen-Methode handlungsorientierte Lernprozesse (Euler/Hahn, 2004, S. 308). Die flächendeckende Umsetzung des self-directed learning und learner-centred delivery in beruflichen Lernprozessen ist jedoch – wie aus diversen Untersuchungen hervorgeht (Simons et al., 2003, S. 48ff.; Smith et al., 1997, S. 44 f.) – im CBT-Ansatz weiter fortgeschritten, was auf unterschiedliche Gründe zurückzuführen ist: zunächst sind die Rahmenbedingungen zur Entwicklung und Gestaltung komplexer Lehr-Lern-Arrangements insbesondere in den TAFE-Instituten förderlich, da diese über entsprechende Ressourcen (u. a. Lehrwerkstätten, Simulationen und computergestützte Lernmaterialien) verfügen. Ferner erfordert die Zielsetzung der Individualisierung und Flexibilisierung als Grundannahme des CBT-Ansatzes selbstgesteuertes Lernen. Aufgrund der modularen Struktur curricularer Vorgaben können einzelne Kompetenzeinheiten selbstständig erarbeitet, andere wiederum durch den Lehrer vermittelt werden. Die zeitliche Flexibilität ermöglicht es, lernerzentrierte Einheiten, die zeitintensiver sind als lehrerzentrierter Frontalunterricht, individuell einzusetzen, ohne in Konflikt mit rigiden zeitlichen Vorgaben zu kommen.
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Formelle Leistungsmessung Die in den training packages verankerten Prüfungsrichtlinien definieren einen einheitlichen Rahmen für Prüfungsverfahren, dessen Realisierung allerdings sehr heterogen ist. Der Anforderung einer Prüfung jedes einzelnen Elements in den Kompetenzstandards wird zumeist nicht nachgekommen, vielmehr werden Elemente gebündelt und ganzheitlich geprüft. Ein entscheidender Aspekt ist, dass praktische Elemente am Arbeitsplatz oder – je nach training package – zumindest in einer adäquaten Simulation geprüft werden müssen. Die Prüfungsverfahren in der dualen Ausbildung lassen sich bedingt durch die zwei Lernorte in schulisch-theoretische und betrieblich-praktische Prüfungen kategorisieren. Sowohl die schulischen als auch die betrieblichen Prüfungen sind standardisiert und in den (Rahmen-)Lehrplänen bzw. den Ausbildungsordnungen festgelegt. Die betrieblich-praktischen Prüfungen liegen im Verantwortungsbereich der zuständigen Stellen und beinhalten punktuelle Zwischen- und Abschlussprüfungen (Stender, 2006b, S. 188). Eine Besonderheit ist dabei die Projektarbeit, die in den IT-Berufen eingeführt wurde, als eine zusätzliche Form der Leistungsmessung in Ergänzung zur praktischen Abschlussprüfung. Ziel der Projektarbeit ist es, einen stärkeren Praxisbezug herzustellen und eine ganzheitliche, geschlossene betriebsspezifische Aufgabe zu bewältigen – ganz im Sinne beruflicher Handlungskompetenz, basierend auf selbständigem Planen, Handeln und Kontrollieren (Diettrich/Kohl/Molzberger, 2005, S. 8; siehe auch Müller/Häußler/Sonnek, 2000; Petersen/Wehmeyer, 2001). Im Falle der Projektarbeit findet ein Wandel von theoretisch-standardisierten hin zu handlungsorientierten und individualisierten Prüfungen statt (Diettrich/ Kohl/Molzberger, 2005, S. 15). Dieser generiert neue Anforderungen an Prüfer und Lehrende in den Betrieben bzw. in den Berufsschulen und verringert aufgrund des individualisierten Charakters einzelner Projekte den Standardisierungsgrad in der Leistungsmessung. Die wohl am meisten angewendete Form der Leistungsmessung in der Berufsschule ist die schriftliche Prüfung in Form von Klassenarbeiten, Kurztests und Hausarbeiten. Ergänzt werden diese zumeist durch mündliche Prüfungen, wobei es auch hier unterschiedliche Formen gibt: das direkte Abfragen in einer Prüfungssituation oder das indirekte Abfragen im Unterricht. Die Einführung handlungsorientierten Lernens impliziert jedoch eine Abkehr von diesen Prüfungsformen und erfordert insbesondere in selbstgesteuerten Lernphasen neue Formen der Leistungsmessung. Ein Beispiel dafür stellt die Beobachtung von Schüleraktivitäten in Phasen selbstgesteuerten Lernens dar, bei denen geprüft wird, wie Schüler an eine bestimme Aufgabe herangehen, welche Lösungen sie entwickeln und wie sie ihr eigenes Handeln reflektieren (Bohl, 2001; Simon, 2005; Winter, 2004). Die
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Beobachtung kann jedoch ausschließlich während des Lernprozesses angewendet werden und ersetzt in der Regel nicht die abschließende Prüfung des Lernergebnisses in Form einer mündlichen oder schriftlichen Prüfung. Beobachtungen können differenziert werden in standardisierte und nichtstandardisierte, teilnehmende und nichtteilnehmende, anekdotische und systematische Beobachtungen (Ingenkamp, 1995, S. 57). Problematisch bei Beobachtungen sind die Gewährleistung der objektiven Leistungsmessung sowie der zeitlich hohe Aufwand. Dem entgegenzusetzen ist, dass jede Form der objektiven, validen und reliablen Leistungsmessung mit einem hohen Zeitaufwand verbunden ist und auch in vermeintlich objektiven schriftlichen Prüfungen subjektive Eindrücke, wie bspw. die Kenntnis über Vorleistungen des Schülers, eine Rolle spielen. Ein Instrument zur Standardisierung, Systematisierung und somit zur Objektivierung ist der Beobachtungsbogen, welcher Kriterien und Indikatoren für zu prüfende Fähigkeiten und Kenntnisse enthält (Simon, 2005, S. 16). In diesen muss genau festgelegt werden, welche Aspekte geprüft werden sollen und wie sich diese quantitativ auf einer bestimmten Skala einschätzen lassen können. Daraus resultiert eine Leistungseinschätzung, die zwar nicht das gesamte Leistungsvermögen des Schülers umfasst – dazu ist jedoch kaum eine Prüfungsform in der Lage. Eine weitere Form der schulischen Leistungsmessung in der dualen Berufsausbildung – insbesondere im Kontext der Lernfelder – stellen als Sammelmappe für unterschiedliche Leistungsnachweise und Produkte sogenannte Portfolios dar (Bohl, 2001, S. 76). Portfolioarten sind bspw. Arbeits- oder Entwicklungsportfolios, die verschiedene Arbeiten enthalten und die den Lernprozess und idealerweise den Lernfortschritt dokumentieren (Simon, 2005, S. 18 ff.). Vorzeige- und Bewerbungsportfolios beinhalten die besten Arbeiten des Schülers und sollen die Fähigkeiten und Kenntnisse aufzeigen, über die ein Schüler am Ende des Lernprozesses verfügt. Deren Vorteil besteht im Gegensatz zu punktuellen schriftlichen Leistungsmessungen in der Dokumentation des Entwicklungsprozess und in der Förderung der Eigeninitiative und Selbständigkeit. Diese zunehmend individualisierten Prüfungsmethoden werden insbesondere im Kontext des handlungsorientierten Lehrens und Lernens für die duale Berufsausbildung postuliert. Auch hierbei ist jedoch eine Diskrepanz zwischen Anspruch auf Umsetzung der beschriebenen Formen der Erfolgskontrolle und deren tatsächlicher Realisierung festzustellen. Begründen lässt sich die mangelnde Umsetzung handlungsorientierter Leistungsmessung durch die zeitlich rigiden Vorgaben sowie die fehlenden Ressourcen (Euler/Hahn, 2004, S. 307 f.). Im Gegensatz dazu werden im CBT-Ansatz insbesondere die Beobachtung im selbstgesteuerten Lernprozess sowie die Entwicklungsportfolios bereits weitgehend umgesetzt (u. a. Simons et al., 2003, S. 34). Beobachtungen werden in der Regel in den praktischen
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Prüfungseinheiten am Arbeitsplatz bzw. in Simulationen angewendet, Portfolios dagegen werden oftmals computergestützt realisiert (ebenda, S. 43 ff.). Sowohl die Lehr- als auch die Prüfungsmethoden im CBT-Ansatz können folglich als weitaus variabler und flexibler angesehen werden. Begründet liegt dies – bedingt durch die Outcome-Orientierung – in der geringen Reglementierung und Standardisierung der Lernprozesse bzw. des Inputs, was zu einer größeren Flexibilität und Variabilität sowohl in der methodischen Lernprozessgestaltung als auch in der Anwendung individualisierter Prüfungsverfahren führt. Ein weiterer Faktor, der zur Anwendung dieser Prüfungsformen beiträgt, ist die Forderung nach praxisnaher Leistungsmessung, die in der Regel nur partiell mit mündlichen oder schriftlichen Prüfungen zu bewerkstelligen ist, und daher häufig den Einsatz etwa von Beobachtungsinstrumenten erfordert. Erfassung informeller und informell erworbener Kompetenzen Im CBT-Ansatz werden einzelne Kompetenzeinheiten eines training package (units of competency) mit einem Zertifikat (statement of attainment) abgeschlossen. Werden alle Kompetenzeinheiten, die für eine Qualifikation erforderlich sind, erworben, so wird ein Zertifikat über eine im AQF verankerte und somit national anerkannte berufliche Qualifikation ausgestellt. Die Teilzertifizierung und der Erwerb von Teilqualifikationen stellen einen Gegensatz zur deutschen Zertifizierungspraxis dar, in welcher im Rahmen einer ganzheitlichen Abschlussprüfung ein betriebliches Ausbildungszeugnis für den fachpraktischen Teil ausgestellt wird, ein Berufsschulzeugnis für den fachtheoretischen Teil und im kaufmännischen Bereich zusätzlich ein von den zuständigen Stellen ausgestellter Kaufmannsgehilfenbrief, für den eine Prüfung bei den zuständigen Stellen abgelegt werden muss (Stender, 2006b, S. 189 f.). Somit wird erst nach Vollendung der Ausbildung ein formales Zertifikat erworben, was den Nachteil birgt, dass bei Ausbildungsabbruch kein Nachweis über bereits erworbene Kompetenzen erbracht werden kann. Aufgrund dieses Defizits fordern u. a. Euler/Severing eine Teilzertifizierung im Rahmen von Ausbildungsbausteinen (Euler/Severing, 2006, S. 47). Dies wäre eine Annäherung an die Zertifizierungspraxis im CBT-Ansatz und würde zu mehr Flexibilität in der Anrechenbarkeit von Teilqualifikationen führen. Ein weiterer Unterschied besteht in der Erfassung informell erworbener Kompetenzen. Diese ist im CBT-Ansatz durch den RPL-Prozess verankert und entspricht der CBT-Philosophie der Outcome-Orientierung und der damit verbundenen Flexibilität hinsichtlich des Kompetenzerwerbs. Im Gegensatz dazu nimmt die Erfassung informell erworbener Kompetenzen in der dualen Berufsausbildung eine Randstellung ein, und es gibt bislang keine einheitlichen Verfahren zu de-
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ren Erfassung und Akkreditierung (Pilz/Hellwig, 2007, S. 85). Im Bereich der Erwachsenenbildung wurden verschiedene Verfahren erprobt und auf regionaler Ebene implementiert – zu nennen seien an dieser Stelle der Weiterbildungspass sowie Formen der Kompetenzbilanzierung – eine flächendeckende Standardisierung und vor allem eine anerkannte Akkreditierungspraxis wurden bislang jedoch noch nicht erreicht (u. a. BMBF, 2004; Frank/Gutschow/Münchhausen, 2005; Straka, 2003). Lediglich im Weiterbildungssystem des IT-Bereichs wird explizit eine einheitliche Anrechnung von Fortbildungsaktivitäten sowie von Leistungen, die außerhalb eines formalen Bildungsgangs erworben werden, avisiert. Aufbauend auf den vier Ausbildungsberufen besteht ein dreistufiges Weiterbildungssystem mit jeweils unterschiedlichen Spezialisierungsprofilen, in das berufserfahrene Personen einsteigen und dabei eine Akkreditierung ihrer bisherigen formalen und informellen Leistungen erfahren können (Stender, 2006b, S. 230). Das neue Berufsbildungsgesetz ermöglicht eine Anerkennung von Kompetenzen, die nicht in der Ausbildungsordnung definiert sind bzw. die außerhalb einer dualen Berufsausbildung erworben werden, in zwei Fällen: Erstens können als Ergänzung zu den vorgeschriebenen Ausbildungsinhalten (§ 49 Abs. 1 BBiG) „zusätzliche berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden [...], die die berufliche Handlungsfähigkeit ergänzen oder erweitern“ (§ 5 Abs. 2 Nr. 5 BBiG), und diese sollen gesondert geprüft und zertifiziert werden. Zweitens ermöglicht die sogenannte Externenprüfung die Zulassung zur Kammerprüfung auch ohne eine duale Berufsausbildung, sofern einschlägige Fachkenntnisse nachgewiesen werden können, was dann gegeben ist, wenn eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens eineinhalbfacher Dauer der jeweiligen Berufsausbildung vorliegt (§ 45 Abs. 2 BBiG). Auch für Absolventen vollzeitschulischer Bildungsgänge wurde mit dem neuen Berufsbildungsgesetz die Zulassung zur Kammerprüfung ermöglicht, und es besteht zumindest formal die Möglichkeit der Anrechnung beruflicher Vorbildung (BMBF, 2006, S. 8). Fraglich bleibt, inwiefern diese Flexibilisierung der Prüfungs- und Zertifizierungspraxis Anwendung findet, da insbesondere die Wirtschaft sich gegen eine Öffnung der Kammerprüfung ausspricht und es die zuständigen Stellen sind, die über derartige Zulassungen entscheiden (ebenda, S. 24). Rolle der Lehrenden und der Lernenden Ein Unterschied besteht zwischen der Rolle der Lehrenden im CBT-Ansatz und der Lehrenden in der dualen Berufsausbildung zunächst dahingehend, dass die Lehrenden im CBT-Ansatz sowohl „Lehrer“ als auch „Ausbilder“ sind und somit sowohl fachpraktische als auch fachtheoretische Inhalte vermitteln. Aufgrund der
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strukturellen Bedingungen sind die Lehrenden im CBT-Ansatz nicht nur für die Vermittlung von Lerninhalten zuständig, sondern auch für die Entwicklung von Lehr-Lern-Materialien und Lernstrategien, die bis zur Entwicklung von Lehrbüchern und Übungsaufgaben reichen. Bedingt durch einen größeren Aufgaben- und Verantwortungsbereich sowie durch die lernerzentrierten Lehr-Lern-Formen wird den Lehrenden die Rolle des Curriculumentwicklers, Beraters, Mentors und Begleiters im Lernprozess attestiert. Im Gegensatz dazu ist in der dualen Berufsausbildung zumindest partiell noch ein traditionelles Bild von betrieblichen Ausbildern und Berufsschullehrern vorzufinden. Im traditionellen Rollenverständnis wird der Ausbilder einem Vermittler von beruflichen Fachkenntnissen und -fähigkeiten nach der Vier-Stufen-Methode gleichgesetzt. Die Vier-Stufen-Methode beinhaltet das Vorbereiten, das Vormachen, das Nachmachen und das Üben einer bestimmten Tätigkeit (Arnold, 1995, S. 297). Obgleich dieses Rollenverständnis noch häufig anzutreffen ist, tritt ein neues Rollenbild des Ausbilders in den Vordergrund. In diesem ist er nicht mehr nur der fachliche Vermittler, sondern vielmehr Begleiter und Berater im betrieblichen Lernprozess, wobei Aspekte der Lernberatung und des Coachings als Zielgrößen formuliert werden (BMBF, 2007, S. 19; Pätzold, 1991; Pätzold/Wahle, 2003, S. 483). Hierfür werden jedoch den Lehrenden neben fachlichen insbesondere personale und soziale Kompetenzen abverlangt, was wiederum eine „Professionalisierung“ der Ausbilderqualifizierung erfordert, da diese nach Ansicht einiger Autoren einige Defizite aufweist (u. a. Baethge, 2003, S. 532). Laut Berufsbildungsbericht 2007 trägt die Aussetzung der AEVO zu einer „Entprofessionalisierung“ bei, zumal diese nicht zu einer Erhöhung der Anzahl an Ausbildungsplätzen geführt habe (BMBF, 2007, S. 20). Vielmehr sei es notwendig, die AEVO zu modernisieren und wieder in Kraft zu setzen sowie durch Fortbildungsmaßnahmen zu ergänzen, welche die Qualität der Ausbildereignung sichern und den Ausbildern die notwendigen Kompetenzen vermitteln, um ihrer Rolle als Berater und Coach im betrieblichen Lernprozess gerecht zu werden (Pätzold/Wahle, 2003, S. 484). Diesbezüglich sind Parallelen zur Diskussion um die Rolle der Lehrenden im CBT-Ansatz erkennbar, da auch hier von einem erweiterten Rollenverständnis die Rede ist, das durch adäquate Qualifizierungsmaßnahmen der Lehrkräfte umgesetzt werden soll. Auch im schulischen Teil der Berufsausbildung wird im Kontext der Lehrkräftequalifizierung von einem neuen Rollenverständnis gesprochen, da insbesondere durch handlungsorientierte und lernerzentrierte Lehrmethoden die traditionelle Rolle des Berufsschullehrers zunehmend infrage gestellt wird. Gleichzeitig werden neue Herausforderungen an die Lehrenden deutlich, die sich in einem „Innovationsdruck bei der Ausgestaltung von Unterrichtskonzeptionsformen, neuen curricularen Entwicklungen, der Zunahme von Integrations- und Erziehungsaufgaben“
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(Nickolaus, 2001, S. 4) sowie in der adressatengerechten Gestaltung beruflicher Lernprozesse äußern, wobei das Schülerklientel hinsichtlich der Altersstruktur und des sozialen Hintergrunds heterogener werde. Lehrende seien kaum noch in der Lage nur mit einer umfassenden fachlichen Qualifizierung diese Herausforderungen zu bewältigen, sondern auch hier seien personale und soziale Kompetenzen sowie die Fähigkeit zur Reflexion fachlicher Inhalte unabdingbar (Tramm, 2001, S. 14). Darüber hinaus erfordere dies, so Nickolaus, einen praxisnahen Erwerb entsprechender Kompetenzen und somit eine stärkere Verzahnung wissenschaftlicher Theorie und unterrichtlicher Praxis (Nickolaus, 2001, S. 17). Somit kann auch den Lehrenden im schulischen Teil der Berufsausbildung ein neues und erweitertes Rollenverständnis attestiert werden, welchem man durch eine adäquate Lehrerbildung gerecht werden muss (Klusmeyer/Pätzold, 2005, S. 14). Auch hinsichtlich dieser Entwicklungstendenzen des Lehrpersonals lassen sich Parallelen zum CBTAnsatz identifizieren, wenngleich aufgrund der bereits dargestellten Rahmenbedingungen das erweiterte Rollenverständnis im CBT-Ansatz bereits weitgehend Anwendung findet. Hinsichtlich der Lernenden lässt sich ein Unterschied dahingehend feststellen, dass diesen in der dualen Berufsausbildung zwei Rollen attestiert werden: zum einen die Rolle des Schülers und zum anderen die Rolle des Auszubildenden. Im CBT-Ansatz hingegen nehmen die Lernenden aufgrund der fehlenden verbindlichen Lernortkooperation die Rolle des Schülers bzw. bei on-the-job-Maßnahmen die des Arbeitnehmers ein. Ein weiterer Unterschied lässt sich bezüglich des Klientels der Lernenden identifizieren. Die duale Berufsausbildung fungiert primär als Form der Erstausbildung, weshalb die Teilnehmer in der Regel jugendliche Schulabgänger sind, die jedoch aufgrund des dreigliedrigen Schulsystems über einen unterschiedlichen schulischen Hintergrund verfügen (Tramm, 2001, S. 4). Wenngleich die jugendlichen Schulabgänger, die eine berufliche Bildungsmaßnahme aufnehmen, aufgrund des Gesamtschulsystems in Australien über einen vergleichbaren Bildungsstand verfügen, so ist das Klientel im Rahmen des CBTAnsatzes demnach weitaus heterogener. Die Flexibilität in den Lernwegen und Lernformen im CBT-Ansatz ermöglicht den Zugang zu beruflichen Bildungsmaßnahmen auch für erwachsene Arbeitnehmer, die zwangsläufig über sehr unterschiedliche Bildungsbiografien verfügen. Ein weiterer Unterschied besteht im Aufgaben- und Verantwortungsbereich der Lernenden, da diese im CBT-Ansatz durch das Postulat der Lernerzentriertheit mehr Eigenverantwortung in der Gestaltung der Lernprozesse übernehmen. Dies trifft auf die methodische Gestaltung von Lernprozessen und der Wahl nach geeigneten Lernformen und -medien zu, aber auch auf die zeitliche Gestaltung, die aufgrund fehlender verbindlicher Zeitvorgaben den Lernenden mehr Freiheit einräumt, gleichzeitig aber Selbstdisziplin in
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der Erarbeitung einzelner Module erfordert. Die duale Berufsausbildung hingegen weist einen höheren Verschulungsgrad auf, da Inhalte und Zeit verbindlich vorgegeben sind und die methodische und inhaltliche Gestaltungsfreiheit eingeschränkt ist. Dies führt dazu, dass der Anteil selbstorganisierter Lernphasen oftmals gering ist (Klusmeyer/Pätzold, 2005, S. 12 f.) und somit das Potenzial, Eigenverantwortung und Organisationsfähigkeit zu entwickeln und zu fördern, nur bedingt besteht. Fazit Als Fazit kann bezüglich der Lernprozess-Ebene festgehalten werden, dass die didaktisch-curricularen Entwicklungen der vergangenen Jahre Auswirkungen insbesondere auf die beruflichen Lernprozesse in der dualen Berufsausbildung haben. Diese Veränderungen und Entwicklungstendenzen weisen Parallelen zum CBTAnsatz auf, wenngleich der Implementationsgrad didaktisch-methodischer Innovationen im CBT-Ansatz höher anzusiedeln ist. Dessen ungeachtet lässt sich in beiden Qualifizierungsansätzen eine Diskrepanz zwischen formalem Anspruch und Wirklichkeit festhalten, da auch im CBT-Ansatz das Potenzial curricularer und methodischer Innovationen nicht vollkommen ausgeschöpft wird. Als Ergebnis lassen sich folgende Aspekte der Gemeinsamkeit bzw. Unterschiedlichkeit in der Realisierung kompetenz- und berufsbasierter Lernprozesse festhalten, die zusammenfassend in Abbildung 5.5 dargestellt werden: 1. Sowohl in der dualen Berufsausbildung als auch im CBT-Ansatz haben konstruktivistische lerntheoretische Ansätze Einzug gehalten, wenngleich in beiden eine gewisse Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit vorzufinden ist, da insbesondere im CBT-Ansatz – wenn auch nur rudimentär – noch behavioristische Ansätze vorzufinden sind. 2. Hinsichtlich der Methoden besteht in beiden Ansätzen der Anspruch auf Handlungsorientierung, wobei diesem im CBT-Ansatz weitaus stärker gerecht wird als in der dualen Berufsausbildung, insbesondere in Bezug auf den schulischen Teil der Ausbildung. Der Grund liegt darin, dass Lehrende im CBT-Ansatz eigene Lehr-Lern-Materialien und Strategien entwickeln müssen und diese zunehmend lernerzentriert ausgeprägt sind. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die entsprechenden Ressourcen und komplexen Lehr-Lern-Arrangements größtenteils in den Instituten vorhanden sind. 3. Hinsichtlich der Leistungsmessung sind deutliche Unterschiede festzuhalten, da die duale Berufsausbildung eine ganzheitliche Abschlussprüfung, die einen gesamten und in sich geschlossenen Ausbildungsgang und somit
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ganzheitliche Prozesse und Kompetenzen umfasst, vorsieht, wohingegen im CBT-Ansatz einzelne Module praxisnah geprüft werden und somit verschiedene Prüfungsverfahren zum Einsatz kommen. 4. Die Zertifizierung erfolgt als ganzheitliches Abschlusszertifikat in der dualen Berufsausbildung und analog im CBT-Ansatz als Teilzertifizierung, wobei CBT die Erfassung informell erworbener Kompetenzen in Form des RPL-Prozesses ermöglicht; ein vergleichbares Verfahren wurde bislang in der dualen Berufsausbildung nicht realisiert. 5. Aufgrund der selbstgesteuerten und lernerzentrierten Lernprozesse im CBTAnsatz ist die Rolle des Lehrenden die des Beraters und Mentors; der Lernende muss seinen Lernprozess eigenverantwortlich organisieren und gestalten. Diese Anforderung wird auch an die Ausbilder und Lehrenden in der dualen Berufsausbildung gestellt, wodurch eine Abkehr vom FrontalLehrenden bzw. vom Imitatio-Prinzip postuliert wird.
Es finden zunehmend konstruktivistische Ansätze Anwendung, wenngleich eine Differenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit besteht. Es besteht der Anspruch auf Handlungsorientierung und Methodenvielfalt zur Realisierung lernerzentrierter Lernprozesse.
Bedingt durch die Handlungsorientierung besteht der Anspruch auf handlungsorientierte Formen der Leistungsmessung.
Informellen und informell erworbenen Kompetenzen wird verstärkt Aufmerksamkeit gewidmet.
Bedingt durch neue Herausforderungen, insbesondere im methodischen Bereich ist eine Abkehr von einem traditionellen Lehrer- und Schülerbild festzustellen.
Lerntheoretischer Hintergrund
Leistungsmessung
Erfassung informeller und informell erworbener Kompetenzen
Rolle der Lehrenden und der Lernenden
Im CBT-Ansatz sind aufgrund der OutcomeOrientierung behavioristische Ansätze noch rudimentär vorhanden. Im CBT-Ansatz werden Handlungsorientierung und lernerzentrierte Lernprozesse weitgehend realisiert, da entsprechende Rahmenvoraussetzungen gegeben sind, wenngleich es auch hier – wenn auch weniger stark ausgeprägt als in der dualen Berufsausbildung – eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit gibt. Im CBT-Ansatz werden variable, praxisnahe Prüfungsverfahren einzelner Module realisiert, wohingegen die duale Berufsausbildung eine standardisierte Abschlussprüfung beinhaltet. Im CBT-Ansatz besteht ein standardisierter Anerkennungsprozess informell erworbener Kompetenzen (RPL), und Schlüsselkompetenzmodule sind formal in den training packages integriert, der Fokus in der dualen Berufsausbildung hingegen liegt auf formalen und fachlichen. Im CBT-Ansatz ist ein erweitertes Rollenverständnis bereits weitgehend realisiert, während in der dualen Berufsausbildung aufgrund der Trennung zwischen Ausbilder und Lehrer bzw. Auszubildendem und Schüler eine stärkere Formalisierung und Verschulung die Umsetzung eines erweiterten Rollenverständnisses erschwert.
Unterschiede
Abbildung 5.5.: Gemeinsamkeiten und Unterschiede von CBT und dualer Berufsausbildung auf der Lernprozess-Ebene
Methodik
Gemeinsamkeiten
Vergleichskriterium
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5.2.4. Diskussion der Vereinbarkeit von Kompetenz- und Berufsprinzip am Beispiel aktueller Entwicklungen in der dualen Berufsausbildung Vor dem Hintergrund der dargestellten Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen CBT-Ansatz und dualer Berufsausbildung wird im Folgenden die Frage der Vereinbarkeit beider diskutiert, wobei explizit eine deutsche Perspektive vertreten wird, die durch Beispiele aktueller Entwicklungen in der dualen Berufsausbildung untermauert wird. Zunächst werden im Folgenden konzeptionelle Überlegungen zur Vereinbarkeit der beiden Prinzipien angeführt, um im Anschluss auf konkrete ordnungspolitische Reformvorschläge sowie auf die Funktion beider Prinzipien in diesem Zusammenhang einzugehen. Daran schließt sich die Diskussion um die Vereinbarkeit auf didaktisch-curricularer Ebene sowie auf Lernprozess-Ebene an. Das Berufsprinzip ist als „organisierendes Prinzip“ traditionell verankert (Deißinger, 1998, S. 103), und obgleich vielfach Kritik geäußert wird und „Erosionstendenzen“ angeprangert werden, so erscheint ein Konsens dahingehend zu bestehen, dass das Berufsprinzip auf dieser Ebene als Organisationsmodell und Prinzip für die Strukturierung des Arbeitsmarktes und die Bindung von Qualifikationsprofilen an den Arbeitsmarkt auch weiterhin Bestand haben wird (Euler/Severing, 2006; Meyer, 2000; Münk, 2002; Rebmann/Tenfelde/Uhe, 2005). Dennoch sprechen einige Autoren von einem Transformationsprozess des Berufsprinzips (u. a. Fürstenberg, 2000, S. 47 ff.; Kraus, 2006, S. 269; Münk, 2002, S. 220). So argumentiert Münk, dass der Transformationsprozess des Berufsbegriffs durch das Konstrukt der Kompetenz – vor dem Hintergrund der deutschen Kompetenzdebatte – beeinflusst wird, wobei die Zielgrößen Flexibilisierung und Arbeitsprozessorientierung als „Messlatte“ für die Festlegung entsprechender Kompetenzen dienen, ohne jedoch das Berufsprinzip per se obsolet werden zu lassen (Münk, 2002, S. 220). Wittwer/Reimer gehen jedoch einen Schritt weiter und argumentieren, dass das Berufskonzept durch „Kompetenz“ als Strukturprinzip für die Berufsbiografie ersetzt werden könne (Wittwer/Reimer, 2002, S. 177). Demnach seien die Biografien einer Person in der heutigen Zeit nur schwer mit dem Beruf zu beschreiben, da aufgrund zunehmender Arbeitswechsel, wandelnder Aufgaben und Arbeitsumgebungen eine „lineare Transformation“ von der Berufsausbildung in die Erwerbstätigkeit nur noch begrenzt realisiert werde. Wittwer/Reimer sprechen daher von einer zieloffenen Entwicklung des Individuums von der Ausbildung in die Erwerbstätigkeit. Dies liege jedoch nicht nur an den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technologischen Veränderungen, sondern vielmehr an der zunehmenden Unsicherheit, ob man nach der Ausbildung in ein Beschäftigungsverhältnis übernommen wird und der Unsicherheit bezüglich der Art des anstehenden Beschäftigungsverhältnisses. Hierbei wird, wie bereits unter 5.2 ausgeführt, deutlich, dass
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die Stärke des Berufskonzepts, sprich die gesicherte Übernahme in die Erwerbstätigkeit, an Bedeutung verloren hat. Das Resultat der zieloffenen Transformation seien „individuelle Berufe“, was jedoch nicht mit dem Berufskonzept, das auf standardisierte Berufe abzielt, vereinbar sei (Wittwer, 2003, S. 66; Wittwer/Reimer, 2002, S. 177). Demzufolge seien die durch individuelle Entwicklungs- und Veränderungsprozesse erworbenen Kompetenzen ein adäquateres Strukturierungsprinzip für Biografien (Wittwer, 2003, S. 80). Wittwer/Reimer nähern sich dem Kompetenzkonstrukt über die beiden Dimensionen Kern- und Veränderungskompetenz. Kernkompetenz sind individuelle Fähigkeiten und Fertigkeiten, wohingegen Veränderungskompetenzen die Anwendung der Kernkompetenzen unter wechselnden Anforderungen beinhalten. Den Kernkompetenzen werden drei Funktionen zugeschrieben: eine Orientierungsfunktion, eine Kontinuitätsfunktion und die Begründung von fachlichen Qualifikationen im Sinne der Anwendbarkeit in einem Fachkontext. Kritisch anzumerken ist, dass diese drei Funktionen auch dem Berufsprinzip attestiert wurden und somit m. E. keine Abkehr von diesem begründen. Der Unterschied liegt jedoch laut Wittwer/Reimer zum einen in der Betrachtungsweise, da die beruflichen Anforderungen als individuelle Kompetenzen gesehen werden, und zum anderen darin, dass individuelle Kompetenzen im Gegensatz zu Fachqualifikationen nicht veralten, sondern als dem Individuum auf Lebenszeit attestierte Fähigkeiten betrachtet werden. Veränderungskompetenzen weisen Parallelen zu dem Konzept der Schlüsselqualifikationen auf, da sie einen Anspruch auf übergreifende Anwendbarkeit erheben, welchem u. a. mit persönlichen, reflexiven und überfachlichen Kompetenzen gerecht werden soll. Auch hier liegt die Feststellung nahe, dass Schlüsselqualifikationen und das Berufsprinzip sich nicht grundsätzlich ausschließen, insbesondere hinsichtlich des Anspruchs auf „flexibel und vergleichsweise autonom verwertbare Kompetenzen“ wie es Deißinger konstatiert (Deißinger, 1998, S. 168). Wittwer/Reimer betonen jedoch den Entwicklungsprozess im Kompetenzerwerb, in welchem „das Moment des Selbsterlebens und der Bezug zur eigenen Tätigkeit“ im Vordergrund stehen. Schlussfolgern lässt sich aus dem Ansatz von Wittwer/Reimer, dass das Berufskonzept als standardisiertes Strukturierungskonzept für Biografien an seine Grenzen stößt, jedoch als ganzheitlicher Bezugsrahmen für individuelle Kompetenzbiografien von Bedeutung bleibt. Die für den individuellen Entwicklungs- und Veränderungsprozess notwendigen und gleichzeitig darin geförderten Kern- und Veränderungskompetenzen stellen ein individuelles Strukturierungsinstrument für die persönliche Biografie dar und sind somit m. E. mit dem Berufsprinzip als übergreifendes Struktur- und Organisationsprinzip von Ausbildung und Arbeit vereinbar. Zudem lässt sich festhalten, dass hinsichtlich der Transformation von Ausbildung in Beschäftigung und in der Entwicklung von Personen eine zunehmende Individualisierung und Flexibilisie-
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rung und somit Aspekte des Kompetenzprinzips vorzufinden sind. Vor diesem Hintergrund argumentiert bspw. Frank, dass das Berufskonzept auch heute noch das grundlegende Gestaltungselement für die duale Berufsausbildung sei, sich die Standards, die der Entwicklung von Berufsbildern zugrunde liegen, jedoch verändert hätten, ohne aber ihren Leitbildcharakter zu verlieren (Frank, 2007, S. 13). So wurden neue Strukturkonzepte in die duale Berufsausbildung eingeführt, welche dynamische, gestaltungsoffene Berufsbilder beinhalten, die verstärkt auf Handlungsorientierung ausgerichtet sind (Bader, 2004a, S. 62). In den neugeordneten Ausbildungsberufen wurden flexible Wahlpflichtbausteine eingeführt, die eine bedarfsgerechte und auf die betrieblichen Belange bezogene Ausbildung ermöglichen und durch innovative Prüfungsmethoden, welche die tatsächlich erlernten Inhalte prüfen, untermauert werden sollen (ebenda, S. 14). Rebmann/Tenfelde/Uhe und andere fordern jedoch eine weitreichendere Flexibilisierung und die Generierung von flexiblen Kompetenzprofilen, die in der Berufsausbildung erworben werden und „eine breit gefächerte Handlungskompetenz“ sichern. Diese Kompetenzprofile sollten aus variierbaren Komponenten bestehen, die auf die veränderten beruflichen Anforderungen reagieren (Rebmann/Tenfelde/Uhe, 2005, S. 85). Ein weiteres Beispiel, das diese Tendenz illustriert, ist die Verbindung von Erstausbildung und Weiterbildung im Sinne lebenslangen Lernens. Das Kompetenzprinzip bietet hierfür im Gegensatz zum Berufsprinzip die strukturellen Voraussetzungen, jedoch lassen Flexibilisierungs- und Deregulierungstendenzen Potenzial für eine stärkere Kopplung von Erstausbildung und Weiterbildung erkennen und somit eine stärkere Durchlässigkeit von Aus- und Weiterbildung (Euler/Severing, 2007, S. 91 ff.; Baethge/Solga/Wieck, 2007, S. 65ff.). Ein Ansatz zur Verbindung von Kompetenz- und Berufsprinzip bezüglich des Aspekts des lebenslangen Lernens besteht darin, dass bereits im Ausbildungsberuf Module für eine anschließende Weiterbildung erworben werden, die Ganzheitlichkeit und Abgeschlossenheit des Ausbildungsberufs jedoch bestehen bleibt, wodurch bereits in der Ausbildung die individuelle Kompetenzentwicklung stärker gefördert werden könnte. Auch Schlagworte wie „Flexibilisierung“, „individuelle und kollektive Anpassungsfähigkeit von Kompetenzprofilen“ sowie „Employability“ (Kraus, 2006, S. 61), die sich primär auf berufsbildende Maßnahmen nach der Erstausbildung beziehen, finden Einzug in die duale Berufsausbildung. Verfolgt man diese Ansätze in der Berufsausbildung, so hat dies strukturelle Veränderungen auf der curricularen Ebene zur Folge, die zum einen bereits an der Zielgröße berufliche Handlungskompetenz zu erkennen sind, aber auch in der zumindest ansatzweisen Flexibilisierung neugeordneter Ausbildungsberufe, in denen Schwerpunkte und Fachrichtungen gewählt werden können, die Anschluss an darauf aufbauende Bildungsmaßnahmen
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bieten. Wenngleich der Flexibilisierungsgrad im Berufsprinzip insbesondere im Hinblick auf die Realisierung lebenslangen Lernens im Gegensatz zum Kompetenzbegriff weitaus geringer ausgeprägt ist, so sind Flexibilisierungs- und Individualisierungstendenzen, wie es das Kompetenzprinzip vorsieht m. E. mit dem Berufsprinzip bis zu einem gewissen Grad vereinbar, ohne dieses in seiner grundlegenden Organisations- und Strukturfunktion zu unterminieren. Als Beispiel lassen sich Modularisierungsansätze im Sinne eines Erweiterungs- oder Supplementierungskonzepts, welches innerhalb vorgegebener Rahmenlehrpläne die Möglichkeit des Erwerbs von Zusatzqualifikationen einräumt, oder im Sinne eines Differenzierungskonzepts, das eine Neustrukturierung bestehender Ausbildungsberufe ohne die Veränderung der Gesamtqualifikation avisiert, anführen (Deißinger, 1996, S. 189; Deißinger, 1998, S. 212; Sloane, 1997, S. 230). Einen konkreten ordnungspolitischen Reformansatz formulieren Euler/Severing bezüglich der Gestaltung flexibler Ausbildungsbausteine für die duale Berufsausbildung. Sie entwickeln zwei Modelle, die als Differenzierungskonzept modulare Strukturen in die Berufsausbildung integrieren sollen (Euler/Severing, 2006, S. 46 ff.). Modell 1, die graduelle Optimierung des Status quo, sieht die Anrechnung einzelner Ausbildungsbausteine vor, die bereits in der Berufsvorbereitung erworben, geprüft und zertifiziert werden. Gleichzeitig soll eine Anrechnung von Ausbildungsbausteinen auf eine Weiterbildung bzw. auf ein Hochschulstudium möglich sein. Die Ausbildung ist strukturiert nach Grund-, Spezial- und Wahlpflichtbausteinen, die durch eine Abschlussprüfung zertifiziert werden. Modell 2, die Integration bausteinbezogener Prüfungen, stellt eine weitreichendere Modifizierung der Berufsausbildung dar. Hierbei wird zusätzlich zu den Veränderungen des ersten Modells eine bausteinbezogene Prüfung angestrebt, die eine Teilzertifizierung und Teilqualifizierung zur Folge hat. Eine Abschlussprüfung bleibt weiterhin bestehen, jedoch können optional die Bausteinprüfungen in die Endnote eingerechnet werden. Das Ziel, das mit diesen beiden Modellen und der damit intendierten Flexibilisierung der Ausbildungsstruktur verbunden wird, ist eine bessere Verzahnung von Berufsvorbereitung, Berufsausbildung und Weiterbildung bzw. Hochschulbildung (ebenda, S. 35 f.). Des Weiteren soll durch die Ausbildungsbausteine die Lernortflexibilität erhöht und die Ausbildung in verschiedenen Kooperationsformen von außer- und überbetrieblichen Lernorten mit Betrieben und Schulen ermöglicht werden. Die Einführung von Wahlbausteinen soll zudem der Individualisierung dienen und den Einstieg für benachteiligte Jugendliche in die Berufsausbildung erleichtern. Die in Modell 2 integrierten Partialprüfungen sollen die Teilqualifizierung und die Anrechenbarkeit einzelner Module aus der Berufsvorbereitung sowie bei Ausbildungsabbruch ermöglichen und die Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen, wodurch auch die Durchlässigkeit von dualer und
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vollzeitschulischer Berufsausbildung gefördert werden soll (Euler/Severing, 2006, S. 85). Als letztes Ziel artikulieren Euler/Severing (2006, S. 36) die Anschlussfähigkeit einer modularisierten Berufsausbildung an europäische Entwicklungen im Allgemeinen und an den europäischen Qualifikationsrahmen sowie das Kreditpunktesystem ECVET im Speziellen. Der Reformvorschlag von Euler/Severing stößt von Seiten der Arbeitnehmerund Arbeitgeberverbände auf unterschiedliche Reaktionen. Die Arbeitgeber sprechen sich grundsätzlich für neue Strukturen in der dualen Berufsausbildung aus und formulieren ähnliche Ziele zur Sicherung von deren Attraktivität. Diese Ziele lassen sich unter den Schlagworten „Bedarfsorientierung“, „Flexibilität“, „Kompetenzorientierung“, „Durchlässigkeit“, „Anschlüsse statt Abschlüsse“, „Wettbewerb“ und „Dualität“ zusammenfassen, die die BDA in ihrem Positionspapier „Neue Strukturen in der dualen Ausbildung“ aufführt (BDA, 2006, S. 3). Die BDA spricht sich somit grundsätzlich für eine Flexibilisierung und Teilmodularisierung der dualen Berufsausbildung aus, weshalb sie die Umsetzung des Modells 2 nach Euler/Severing und somit eine weitreichendere Modularisierung unterstützt. Arbeitnehmerverbände hingegen sprechen sich gegen die Reformmodelle aus und kritisieren die geforderten strukturellen Veränderungen, da diese nicht zur Erreichung der postulierten Ziele beitragen, sondern bestehende Ausbildungsberufe destabilisieren würden (IG Metall, 2006, S. 3). Die IG Metall vertritt die Position, dass „Modularisierung grundsätzlich bestehende Strukturen zerstört, ohne bessere aufzubauen“ (ebenda, S. 4), und lehnt somit die Flexibilisierung- und Modularisierungsansätze von Euler/Severing ab. Wenngleich die Modularisierungsmodelle von Euler/Severing auf unterschiedliche Reaktionen stößt, so illustrieren die damit verbundenen strukturellen Veränderungen Aspekte des Kompetenzprinzips – insbesondere Modularisierung und Outcome-Orientierung –, aber auch die artikulierten Ziele wie inhaltliche, zeitliche und räumliche Flexibilität in der Gestaltung von Ausbildungsgängen lassen auf das Kompetenzprinzip schließen. Deutlich wird jedoch, dass diese Veränderungen in der Struktur und Zielsetzung der dualen Berufsausbildung mit dem Berufsprinzip vereinbar sind, da, so Euler/Severing, dieses als übergeordnetes Organisations- und Strukturprinzip Bestand habe und durch die Flexibilisierungsansätze in seiner Grundfunktion nicht unterminiert werde (Euler/Severing, 2006, S. 43). Vor diesem Hintergrund stellt sich hinsichtlich der Funktionen von Berufs- und Kompetenzprinzip zudem die Frage nach der Identitätsbildung und sozialen Integration (Drexel, 2005b, S. 10). Dem Berufsprinzip wird hierbei eine entscheidende Funktion attestiert, da der Auszubildende über seinen Beruf eine spezifische Identität erlangt, die ihm einen sozialen Status zuweist und ihn in die Gesellschaft integriert (Deißinger, 1998, S. 122). Somit ist der Beruf nicht nur Strukturmerk-
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mal für den Qualifizierungsprozess, sondern auch für den Sozialisationsprozess. Dem Kompetenzprinzip können diese Funktionen nicht explizit konstatiert werden, da der dem Kompetenzprinzip folgende Qualifizierungsprozess primär die Funktion des Kompetenzerwerbs und das Ziel der Verwertbarkeit und Anwendbarkeit dieser Kompetenzen auf dem internen und externen Arbeitsmarkt hat. Die soziale Integration erfolgt somit nicht über ein standardisiertes Ausbildungssystem, sondern vielmehr individualisiert über die Beschäftigung. Nichtsdestotrotz trägt das Kompetenzprinzip zur Identitätsfindung bei, wenngleich dies nicht durch einen ganzheitlichen Beruf realisiert wird, sondern über individualisierte Kompetenzprofile. Die Identitätsfindung erfolgt somit nicht über standardisierte Berufe, sondern über das Bewusstsein der kontinuierlichen und individuellen Kompetenzentwicklung, welche eine gesellschaftliche Stratifikation per se nicht ermöglicht, da diese indirekt über die ausgeführten Arbeitstätigkeiten erfolgt. Auch hier lässt sich bezüglich der Vereinbarkeit von Kompetenz- und Berufsprinzip konstatieren, dass rekurrierend auf die Ausführungen von Wittwer/Reimer im Berufsprinzip die Individualität im Sozialisationsprozess durch heterogen verlaufende und individuell gestaltete Kompetenzbiografien forciert wird, wobei m. E. Wittwer/Reimer zu widersprechen ist (Wittwer/Reimer, 2002, S. 177), da individuelle Kompetenzbiografien mit dem Berufsprinzip vereinbar sind, solange dieses als übergeordneter Bezugsrahmen Beachtung findet. Auf der didaktisch-curricularen Ebene werden Aspekte des Kompetenzprinzips unter verschiedenen Gesichtspunkten explizit konstatiert, wobei diese im Folgenden am Beispiel der Kompetenzstandard-Debatte in der Berufsbildung sowie in der Strukturierung didaktisch-curricularer Vorgaben im Sinne beruflicher Handlungskompetenz diskutiert werden. Wenngleich im Berufsprinzip die Input-Orientierung fokussiert wird, so ist eine zunehmende Outcome-Orientierung vorzufinden, u. a. ausgelöst durch die Veröffentlichung der „Eckwerte Reform berufliche Bildung“ durch das BMBF, in der gefordert wird, dass die Diskussion um Standards und Kompetenzmessung auch im Bereich der beruflichen Bildung geführt werden muss (Frank/Schreiber, 2006, S. 10). Hintergrund dessen sind die KMK-Vereinbarung von 2003 zur Einführung von Bildungsstandards in den allgemeinbildenden Schulen und das Gutachten von Klieme et al. zur Entwicklung von Bildungsstandards, das den Anstoß zur darauffolgenden Diskussion darstellte (Klieme et al., 2003). Entscheidende Impulse gab es durch die Maastrichter Erklärung von 2004 und das darin beschlossenen Ziel der Entwicklung eines europäischen Qualifikationsrahmens (EQR) (u. a. Bohlinger, 2006; Hanf/Rein, 2006; Meyer, 2006b; Mouillour, 2006; Pilz, 2006; Rauner et al., 2005; Schopf, 2005; Sellin, 2005 und 2006). Bildungsstandards im beruflichen Sektor stehen somit einerseits unter der Prämisse des internen Leistungs-
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vergleichs, andererseits wird die Forderung nach internationaler Vergleichbarkeit von Qualifikationen und Kompetenzen artikuliert. Ein erster Schritt in der Entwicklung eines Berufsbildungs-PISA ist die Machbarkeitsstudie von Baethge et al. (2006), wobei hervorzuheben ist, dass für die Operationalisierung eine Differenzierung einzelner Kompetenzen erforderlich ist, und somit eine Abkehr von einem ganzheitlichen Kompetenzkonstrukt und die Zugrundelegung eines kumulativen Kompetenzverständnisses eine notwendige Konsequenz darstellt. Die Diskussion um Standards in der beruflichen Bildung bewirke jedoch, so Sloane/Dilger, einen Paradigmenwechsel von einer Kontextsteuerung über Input, Prozess und Output57 zu einer „Wirkungssteuerung“ über outcomebasierte Bildungsstandards (Sloane, 2005, S. 486; Sloane/Dilger, 2005, S. 8). Dies impliziere jedoch keine Abkehr von Input- und Prozess-Steuerung, sondern vielmehr eine Ergänzung und Interaktion von Outcome, Input und Prozess (u. a. Zlatkin-Troitschanskaia, 2007, S. 90). Auch hierbei lässt sich eine Vereinbarkeit von Kompetenz- und Berufsprinzip konstatieren, wenngleich in konzeptioneller und extremtypischer Darstellung das Kompetenzprinzip eine Outcome-Orientierung und das Berufsprinzip eine Input- und Prozess-Orientierung aufweisen. Die realtypische Betrachtung zeigt jedoch, dass in beiden Prinzipien eine Trias von Input, Prozess und Outcome avisiert wird, wenngleich die Unterschiedlichkeit in der Verankerung beider Prinzipien und dem daraus resultierenden konträren Paradigmenwechsel liegt. Ausgehend von der Outcome-Steuerung im Kompetenzprinzip ist eine zunehmende Inputund Prozess-Steuerung vorzufinden und folgt man der Argumentation von Sloane/Dilger, kann im Berufsprinzip ausgehend von der Input- und Prozess-Steuerung durch die Bildungsstandards eine Outcome-Steuerung antizipiert werden. Die Strukturierungsprinzipien curricularer Vorgaben lassen auf Aspekte des Kompetenzprinzips in der dualen Berufsausbildung schließen. Dies zeigt sich in der veränderten Systematik berufsschulischer Lehrpläne – insbesondere in der Konzeption von Lernfeldern. Diesbezüglich lassen sich folgende Zielaspekte formulieren (u. a. Bader, 2000 und 2004b; Kremer, 2003a und 2003b; Neef, 2005): 1. Lernfelderhaben dasZiel der didaktischen Aufbereitung konkreter Handlungsund Arbeitsprozesse, die aus realen Handlungssituationen gewonnen werden, was Fischer auf die arbeitsorientierte Wende in der Berufsbildung, welche die Vermittlung arbeitsbezogener Kompetenzen avisiert, zurückführt (Fischer, 2003, S. 9). 2. Lernfelder haben das Ziel der Vermittlung beruflicher Handlungskompetenz, wodurch Personal- und Sozialkompetenzen in Ergänzung zu arbeits57 Output
wird in Anlehnung an Dubs (1998, S. 34) als Lernergebnis und Lernziel betrachtet und von Outcome im Sinne der nachhaltigen Anwendung des Erlernten abgegrenzt.
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bezogenen Fach- und Methodenkompetenzen zunehmende Aufmerksamkeit erfahren. Die Formulierung arbeitsbezogener anstelle berufsbezogener Kompetenzen lässt schlussfolgern, dass der Bezugspunkt curricularer Inhalte „Arbeitsprozesse“ ist und somit konkrete Anforderungen in einer Arbeitssituation. Dies weist Parallelen zum Kompetenzprinzip auf, in welchem curriculare Zielvorgaben aus konkreten Arbeitssituationen ebenfalls über den Bezugspunkt „Arbeitsprozesse“ abgeleitet werden. Somit kann m. E. die mit dem Kompetenz- und Berufsprinzip verbundene Bezugsgröße zur curricularen Gestaltung von Lernfeldern und training packages sowie das Ziel der Bewältigung übergreifender Arbeitsprozesse und damit verbunden der Anspruch auf Vermittlung und Erwerb dafür notwendiger Schlüsselkompetenzen als vereinbar angesehen werden. Respektive lässt sich die Vereinbarkeit des Kompetenzprinzips mit den betrieblichen curricularen Vorgaben in Form der Ausbildungsordnungen an verschiedenen Reformansätzen und der Forderung nach Individualisierung und Flexibilisierung festmachen. Als Beispiel sei nochmals das unter 5.2 skizzierte Satellitenmodell des DIHT angeführt, in welchem neben der Forderung nach inhaltlicher, zeitlicher und prüfungsstruktureller Flexibilität eine Neukonzeption von Ausbildungsordnungen konstatiert wird. Ausbildungsordnungen seien im Sinne flexibler Rahmenvorgaben mit inhaltlicher Freiheit zu betrachten und nicht als rigide Standardrichtlinie, was Parallelen zum Konzept der training packages offensichtlich werden lässt. Wenngleich das Modell des DIHT bis heute nicht explizit umgesetzt wurde, so lassen sich doch in der Neuordnung von Ausbildungsberufen und auch im neuen Berufsbildungsgesetz zumindest Ansätze des Satellitenmodells und des Kompetenzprinzips unter den Prämissen der Flexibilisierung und der Individualisierung erkennen. Auch sind bereits Anzeichen der Modularisierung erkennbar, bspw. in der Einführung von Fachrichtungen, Schwerpunkten, Wahl-, Kern- und Pflichtqualifikationen in diversen neugeordneten Ausbildungsberufen (Euler/Severing, 2006, S. 37 f.). Noch deutlicher zeigt sich diese Tendenz darin, dass der ungestufte und nicht differenzierte Monoberuf graduierlich durch Stufenmodelle und Differenzierungsansätze substituiert werden soll (BMBF, 2006, S. 23). Die Frage der Vereinbarkeit von Berufs- und Kompetenzprinzip auf der Lernprozess-Ebene wird im Folgenden zum einen vor dem Hintergrund der methodischen Gestaltung beruflicher Lernprozesse im Sinne der Handlungsorientierung und zum anderen in Bezug auf die Integration von Schlüsselkompetenzen diskutiert. Der Betrieb im Sinne eines Lernortträgers hat die Aufgabe der Vermittlung relevanter Fähigkeiten und Kenntnisse am Arbeitsplatz, welche sich an den Arbeitspro-
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zessen und somit an konkreten Arbeitsanforderungen orientieren. Der schulische Teil der dualen Ausbildung untersteht insbesondere im Lernfeldansatz ebenfalls dem Postulat der Handlungsorientierung (Bader/Müller, 2004, S. 71; KMK, 2000, S. 8). Und wenngleich die Wirklichkeit von diesem Anspruch divergieren kann (u. a. Czycholl/Klusmeyer, 2003, S. 201; Klusmeyer/Pätzold, 2005, S. 13), sollen Praxisnähe und Lernerzentriertheit in komplexen Lehr-Lern-Arrangements umgesetzt werden. Somit bestehen hinsichtlich der Forderung nach Handlungsorientierung und Relevanz des Arbeitsbezugs Parallelen zwischen Kompetenz- und Berufsprinzip. Es lässt sich diesbezüglich – zumindest hinsichtlich des artikulierten Anspruchs – die Vereinbarkeit beider Prinzipien in der Gestaltung handlungsorientierter und praxisnaher Lernprozesse konstatieren. In der praktischen Umsetzung bestehen jedoch Unterschiede zwischen kompetenz- und berufsbasierten Lernprozessen, was auf den unterschiedlichen Formalisierungs- und Reglementierungsgrad im Kompetenz- bzw. Berufsprinzip zurückzuführen ist. Die geringe Formalisierung und Reglementierung im Kompetenzprinzip ermöglicht Gestaltungsfreiheit und somit mehr Flexibilität in der Anwendung handlungsorientierter und praxisnaher Methoden. Im Gegensatz dazu ist diese im reglementierten und formalisierten berufsbasierten Lernprozess in verschiedener Hinsicht eingeschränkt. Zum einen bestehen zeitliche Vorgaben, die es verbindlich einzuhalten gilt. Insbesondere im schulischen Teil der Berufsausbildung kommt daher primär Frontalunterricht zum Einsatz, um die vorgegebene Stofffülle im vorgegebenen Zeitrahmen bewältigen zu können (Pätzold/Wingels/Klusmeyer, 2003, S. 125 f.). Zum anderen besteht aufgrund der reglementierten Lernortdualität eine Trennung von Theorie und Praxis, wodurch übergreifende handlungsorientierte Lernprozesse, die fachtheoretische und fachpraktische sowie allgemeine Lerninhalte verbinden, nur begrenzt realisiert werden können. Dennoch bietet das Lernfeldkonzept durch den Einsatz handlungsorientierter und praxisnaher Methoden im schulischen Lernprozess Potenzial zur Überwindung dieser Separation im Sinne des Kompetenzprinzips. Ein weiteres Beispiel zur Illustration der Vereinbarkeit von Kompetenz- und Berufsprinzip ist die Diskussion um Schlüsselkompetenzen. Im Berufsprinzip werden diese im Konstrukt der beruflichen Handlungskompetenz als Sozial-, Personalund auch Methodenkompetenz integriert und somit als Ziel beruflicher Lernprozesse konstatiert. Dies lässt Parallelen zum Kompetenzprinzip erkennen, da auch in kompetenzbasierten Lernprozessen allgemeine Schlüsselkompetenzen in Ergänzung zu den arbeitsbezogenen Fachkompetenzen erworben werden. Unterschiede bestehen jedoch auch hier in der Umsetzung dieser Anforderungen. Die dem Kompetenzprinzip inhärente Modularisierung curricularer Vorgaben erleichtert die Definition einzelner Schlüsselkompetenzmodule, die explizit im Lernprozess erworben und wie Fachkompetenzmodule geprüft und zertifiziert werden. Aufgrund des
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starken Fachwissenbezugs von Abschlussprüfungen im berufsbasierten Lernprozess werden Schlüsselkompetenzen nicht explizit geprüft und zertifiziert, sondern vielmehr implizit im Lern- bzw. im Arbeitsprozess erworben. Nichtsdestotrotz lässt der Anspruch hinsichtlich der methodischen Gestaltung und die Förderung von Schlüsselkompetenzen auf eine Vereinbarkeit der beiden Prinzipien schließen. Abschließend lässt sich festhalten, dass die Vereinbarkeit der realtypischen Ausprägungsformen des Kompetenz- und des Berufsprinzips in den eruierten Beispielen möglich ist, wobei hier unterschiedliche Vereinbarkeitsszenarien vorstellbar sind: 1. Kompetenz- und Berufsprinzip als parallele Organisationsprinzipien 2. Berufsprinzip als dem Kompetenzprinzip übergeordnete Leitmaxime58 Ad 1.) Dieses Szenario hätte zur Folge, dass sich Kompetenz- und Berufsprinzip auf horizontaler Ebene aus zwei entgegengesetzten Positionen annähern ließen. Eine gedankliche Substitution der Prinzipien wird hierbei jedoch ausgeschlossen, da vielmehr die Annäherung beider im Vordergrund steht, die die Beibehaltung der jeweiligen Kerncharakteristika avisiert. Die zentrale Frage ist jedoch, inwieweit sich Ansätze des jeweils anderen Prinzips implementieren ließen, ohne den „eigenen Kern“ zu verlieren. Hinsichtlich ordnungspolitisch-organisatorischer Rahmenbedingungen würde dies bedeuten, dass aus der Position des Berufsprinzips der Flexibilisierungsgrad zunehmen und aus der des Kompetenzprinzips die Formalisierung und Standardisierung erhöht werden würde. In Bezug auf die Strukturierung und Ausgestaltung curricularer Vorgaben hätte eine horizontale Annäherung zur Folge, dass aus der Position des Berufsprinzips eine stärkere Modularisierung vonnöten wäre und eine stärkere Outcome-Steuerung über die arbeitsprozessbezogenen Kompetenzmodule erwirkt würde. Gleichzeitig hätte dies eine Flexibilisierung der Berufsprofile und eine Entformalisierung beruflicher Qualifizierungswege zur Folge. Für das Kompetenzprinzip resultierte daraus eine Defragmentierung der Kompetenzmodule, die ganzheitliche Kompetenzprofile erwirken würde. Gleichzeitig würde dies eine Abkehr von der ausschließlichen Outcome-Steuerung bedeuten und somit eine Erhöhung des Steuerungsgrads über die Faktoren Input und Prozess, was eine stärkere Formalisierung der Qualifizierungswege und Kompetenzprofile zur Folge hätte. Hinsichtlich der Annäherung beider Prinzipien auf 58 Theoretisch
denkbar wäre auch das Szenario, in welchem das Kompetenzprinzip als Leitmaxime dem Berufs Berufsprinzip übergeordnet wird. Dies würde jedoch bedeuten, dass unter flexiblen Rahmenstrukturen, in sich geschlossene Berufe realisiert würden. Da diese gedankliche Konstruktion Widersprüche birgt, wird diese Überlegung nicht weiter verfolgt.
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der Lernprozess-Ebene würde dies aus der Position des Berufsprinzips eine Zunahme der zeitlichen, inhaltlichen und methodischen Flexibilität bedeuten sowie eine Individualisierung des Prüfungssystems, u. a. durch ein Akkreditierungsverfahren informellen Lernens. Das Kompetenzprinzip hingegen würde eines standardisierten und formalisierten Prüfungswesens bedürfen und sich somit von der Philosophie des assessment on demand abwenden. In diesem Vereinbarkeitsszenario ist die Richtung, in die sich beide Prinzipien bewegen müssten, erkennbar, jedoch wird der Realisierungsgrad durch die strukturellen Gegebenheiten und dadurch bestehenden Grenzen bestimmt. Ad 2.) Dieses Szenario impliziert eine Beibehaltung des Berufsprinzips als übergeordnetes Organisationsprinzip mit einer binnendifferenzierten Flexibilisierung und Individualisierung im Sinne des Kompetenzprinzips. Vereinbaren ließen sich beide Ansätze durch partiell modularisierte Qualifikationsprofile – bspw. nach dem Modell der Ausbildungsbausteine von Euler/Severing –, die den Anspruch auf Ganzheitlichkeit beinhalten, gleichzeitig jedoch die flexible und individuelle Ergänzung der Qualifikationsprofile durch Zusatzqualifikationen ermöglichen, um auf die Veränderungen der Wirtschaft adäquat reagieren und gleichzeitig den Weg für weiterführende Qualifizierungsmaßnahmen bereiten zu können. Bezüglich des Identitätsfindungs- und Integrationsaspekts lässt sich dahingehend eine Vereinbarkeit konstatieren, dass ein binnendifferenziertes Berufsprofil basierend auf Kompetenzeinheiten das Bewusstsein über die eigenen Kompetenzen schärft, ohne jedoch die Ganzheitlichkeit des Berufs und des damit verbundenen sozialen Integrationsanspruchs zu verlieren. Nichtsdestotrotz sind die individuellen Kompetenzprofile in diesem Szenario nicht völlig losgelöst vom Strukturprinzip der Beruflichkeit sein, da dieses als Bezugsrahmen zur Sicherung der Homogenität und Transparenz von Kompetenzprofilen mit individuellen Modifikationsmöglichkeiten notwendig ist. Entwicklungstendenzen, die auf das zweite Vereinbarkeitsszenario schließen lassen, zeigen sich am Beispiel des Lernfeldkonzepts und des darin forcierten Arbeits- und Handlungsbezugs sowie am Beispiel der Integration übergreifender Schlüsselkompetenzen unter der Beibehaltung des Berufsprinzips als übergeordnetes Organisationsprinzip. Hinsichtlich der dem Berufsprinzip attestierten InputOrientierung lässt sich ebenfalls feststellen, dass aufgrund europäischer und nationaler Entwicklungen eine zunehmende Outcome-Orientierung festzustellen ist. Dabei ist jedoch zu betonen, dass die Outcome-Orientierung nicht die Vernachlässigung des Inputs und der Lernprozesse zur Folge haben muss. Vielmehr erscheint eine Verbindung von Input- und Outcome-Orientierung sinnvoll, wobei die Transparenz und Vergleichbarkeit von Outcomes als wichtig für den nationalen und internationalen Vergleich anzusehen ist, die Gestaltung von Lernprozessen
5.3. Potenzialanalyse für die Realisierungsformen von Kompetenz- und Berufsprinzip
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dem jedoch nicht untergeordnet werden darf. In Bezug auf die Realisierung lebenslangen Lernens bietet die letztgenannte Form der Vereinbarkeit Potenzial. Insbesondere in Zeiten des demografischen Wandels sind die Verbindung aus Erst- und Weiterbildung sowie die Möglichkeit der individuellen Kompetenzentwicklung über den gesamten Lebenslauf einer Person unabdingbar. In diesem Zusammenhang ist jedoch neben der Schaffung struktureller Rahmenbedingungen eine Entfokussierung – einerseits auf die Erstqualifizierung und andererseits auf die formale Qualifizierung – erforderlich. 5.3. Potenzialanalyse für die Realisierungsformen von Kompetenz- und Berufsprinzip Die auf dem zuvor Dargestellten basierende wechselseitige Potenzialanalyse wird jedoch aus Gründen der Komplexität nicht systemisch durchgeführt, sondern es wird eruiert, welches Potenzial die duale Berufsausbildung zur Verbesserung und Lösung ausgewählter Problemindikatoren des CBT-Ansatzes bietet, wobei hinsichtlich der Problemindikatoren von CBT auf die in Kapitel 4 durchgeführte Analyse verwiesen sei. Ziel ist hierbei aufzuzeigen, welche konzeptionellen und strukturellen Veränderungen des CBT-Ansatzes vor dem Hintergrund der dualen Berufsausbildung möglich wären, wobei jedoch lediglich konzeptionelle Handlungsspielräume und Entscheidungsfelder offengelegt werden sollen. Im Anschluss daran wird das Potenzial analysiert, das CBT für die duale Berufsausbildung bietet, wobei auch hierbei aktuelle Problemindikatoren gründend auf den definierten Vergleichskriterien selektiert und analysiert werden. Die Potenzialanalyse für den deutschen Kontext ist jedoch von einer anderen Qualität als die Potenzialanalyse für den CBT-Ansatz, da für die duale Berufsausbildung nicht nur die Möglichkeit der konzeptionellen und strukturellen Veränderungen aufgezeigt, sondern gleichermaßen an aktuelle Reformperspektiven angeknüpft werden soll, um aufzuzeigen, inwiefern sich diesbezüglich Parallelen zum CBT-Ansatz herstellen lassen. Ziel ist es dabei herauszuarbeiten, welches Potenzial der CBTAnsatz innerhalb dieser Reformansätze bietet und welche Ausweitungen diesbezüglich möglich sind. Begründen lässt sich diese Unterschiedlichkeit damit, dass sich die aus der dualen Berufsausbildung resultierenden Veränderungsvorschläge für den CBT-Ansatz nur partiell in der aktuellen berufsbildungspolitischen Diskussion wiederfinden, da – wie in Kapitel 4.7 gezeigt wurde – der CBT-Ansatz per se nicht mehr so stark in der Kritik steht, wie dies in den neunziger Jahren der Fall war. Im Gegensatz dazu steht das Konzept der dualen Berufsausbildung im Zentrum der Kritik, weshalb die Potenzialanalyse für die duale Berufsausbildung auf aktuellen kritischen Auseinandersetzungen im bildungspolitischen und
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wissenschaftlichen Diskurs basiert und den Arbeiten von Euler/Severing (2006) und von Baethge/Solga/Wieck (2007) sowie dem Berufsbildungsbericht 2007 besondere Beachtung geschenkt wird. Zur Systematisierung dienen die drei Untersuchungsebenen und die dazu definierten Vergleichskriterien. 5.3.1. Zum Potenzial der dualen Berufsausbildung für CBT Wie bereits angeführt, stellt CBT im heutigen Berufsbildungssystem Australiens eine etablierte Qualifizierungsform dar, dessen Potenzial von Schofield/McDonald wie folgt beschrieben wird: „CBT can work for all industries and at all levels if the competencies are written by highly experienced occupational practitioners, are framed by the specific nature and context of the industry, describe the primary aspects of performance, allow for a wide range of contexts and applications and are used holistically rather than atomistically“(Schofield/McDonald, 2004, S. 16).
Demzufolge ist CBT ein Ansatz, der in allen Wirtschaftszweigen und auf allen Leistungsstufen erfolgreich implementiert werden kann, sofern die Rahmenbedingungen entsprechend gestaltet, d. h. die Anforderungen und Arbeitskontexte in den Kompetenzstandards adäquat integriert sind, und sofern auf ein ganzheitliches Kompetenzverständnis rekurriert wird. Nichtsdestotrotz wurden bereits verschiedene Spannungsfelder eruiert; die damit zusammenhängenden Problemindikatoren sollen im Folgenden identifiziert und Reformpotenziale, welche der Ansatz der dualen Berufsausbildung diesbezüglich bietet, sollen analysiert werden. Die ordnungspolitisch-organisatorische Betrachtungsebene Auf der ordnungspolitisch-organisatorischen Betrachtungsebene lassen sich drei Problemindikatoren von CBT im australischen Berufsbildungssystem identifizieren: erstens verfügt der CBT-Ansatz nicht über eine gesetzliche Verankerung auf Ebene der Commonwealth-Regierung, weshalb es keinen einheitlichen gesetzlichen Rahmen für die Berufsausbildung im australischen Kontext gibt. Zweitens existiert kein Konsensprinzip, um das Konfliktpotenzial zwischen verschiedenen Akteuren in der Berufsbildung zu verringern und um die Dominanz der Wirtschaft in Entscheidungsprozessen einzugrenzen. Drittens erhöht die Philosophie des open training market einerseits die Flexibilität bei der Auswahl von Bildungsanbietern, gleichzeitig führt sie jedoch zu Heterogenität und Qualitätsunterschieden, denen durch externe Qualitätssicherungsmaßnahmen begegnet werden muss. Dies soll der AQTF gewährleisten, der aus Sicht der Anbieter jedoch als bürokratisch, zeit-
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und kostenintensiv betrachtet wird.59 Viertens verfügt der australische Berufsbildungssektor nicht über eine standardisierte Lehrerbildung, was dazu führt, dass insbesondere eine einschlägige pädagogische Qualifizierung der Lehrenden an den TAFE-Instituten bzw. bei privaten RTOs oftmals nur rudimentär vorhanden ist. Aus der dualen Berufsausbildung lassen sich aufgrund ihres hohen Reglementierungsgrades auf der ordnungspolitisch-organisatorischen Ebene folgende Potenzialaspekte ableiten: 1. Die gesetzliche Verankerung auf nationaler Ebene 2. DasKonsensprinzip zur Beseitigung der Ungleichgewichte in Entscheidungsprozessen 3. Die systemimmanente Qualitätssicherung durch standardisierte Vorgaben für Bildungsanbieter sowie durch übergreifende Überwachungs- und Kontrollmechanismen 4. Die standardisierte Lehrerbildung Ad 1.) Eine gesetzliche Verankerung von CBT im Sinne eines einheitlichen Berufsbildungsgesetzes bzw. einer Handwerksordnung könnte nicht nur für eine Manifestierung der Berufsbildung im Gesamtbildungssystem sorgen, sondern auch für eine Erhöhung des Stellenwerts und der Akzeptanz beruflicher Bildungsmaßnahmen. Gleichzeitig könnte eine gesetzliche Verankerung bewirken, dass Homogenität in der Berufsbildung erzielt wird und dass das von der CommonwealthRegierung avisierte einheitliche Berufsbildungssystem Realität wird. Die Folge wäre jedoch eine weitere Einschränkung der Autonomie der States/Territories und deren weitgehender Gestaltungsfreiheit in der Berufsbildung, wobei eine derartige Entwicklungstendenz bereits festgestellt wurde. Ad 2.) Wenngleich auch im CBT-Ansatz ein Konsens zwischen den Akteuren gefunden werden muss, besteht dort ein Ungleichgewicht durch die Dominanz der Wirtschaft, das von Seiten der Politik und der Forschung oftmals kritisiert wird. Auch die Diskrepanz zwischen dem DEST und den States/Territories könnte mit Hilfe eines Konsensprinzips verringert werden, um die Interessen der States/Territories sowie die der Commonwealth-Regierung gleichermaßen zu vertreten. Ein Beispiel für die Umsetzung des Konsensprinzips im deutschen Kontext ist der Erlass- und Neuordnungsprozess von Ausbildungsordnungen. Hierbei
59 Siehe
hierzu die Ausführungen unter 3.4.6.
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findet eine Kooperation zwischen unterschiedlichen Akteuren aus der Berufsbildungsforschung und Berufsbildungspraxis, aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden sowie aus Politik und Wirtschaft statt. Damit werden nicht nur unterschiedliche Interessen in gemeinsamen Entscheidungsprozessen vereint (Baethge/Solga/Wieck, 2007, S. 18 f.), sondern den Beschlüssen wird zudem eine höhere Durchsetzbarkeit attestiert (Stender, 2006a, S. 138). Dies bietet Potenzial insbesondere für die Entwicklungs- und Review-Prozesse der training packages, in welchen bisher primär die Interessen der Wirtschaft vertreten werden und die Expertise aus der Berufsbildungsforschung und der Berufsbildungspraxis nur marginal berücksichtigt wird. Durch die Umsetzung des Konsensprinzips könnten der Grundsatz der Praxisnähe und des Arbeitsplatzbezugs und somit die Fokussierung arbeitsmarkt- und unternehmenspolitischer Ziele lerntheoretisch fundiert und durch pädagogische Expertise ergänzt werden. Strukturell hätte dies Konsequenzen für die Zusammensetzung der verantwortlichen Organisationen in der Entwicklung der training packages, d. h., es müssten Experten aus der Berufsbildungsforschung und -praxis flächendeckend in den Industry Skills Councils vertreten sein. Solange die Wirtschaft eine dominante Rolle genießt und dies durch den CBT-Ansatz forciert wird, sind derartige inhaltliche und strukturelle Veränderungen jedoch lediglich als konzeptionelles Veränderungspotenzial zu betrachten. Ad 3.) Die duale Berufsausbildung verfügt aufgrund des hohen Reglementierungs- und Standardisierungsgrades bezüglich der Lernorte über systemimmanente Qualitätssicherungsmechanismen. Ein zentraler Kontrollmechanismus besteht zudem in der Überwachungsfunktion der zuständigen Stellen über den betrieblichen Teil der Berufsausbildung. Die Einführung systemimmanenter Kontrollmechanismen bietet Potenzial für den CBT-Ansatz, der aufgrund seines hohen Flexibilitätsund Individualitätsgrades und forciert durch die Philosophie des open training market die Gefahr der Heterogenität und daraus resultierender Qualitätsunterschiede bzw. Qualitätsdefizite birgt. Eine systemimmanente Qualitätssicherung könnte den AQTF als externes Qualitätssicherungsinstrument manifestieren und die Qualität im CBT-Ansatz nachhaltig sichern. Wie bereits unter 4.6 dargestellt, genießen die Anbieter von beruflichen Bildungsmaßnahmen im CBT-Ansatz große Gestaltungsfreiheit, die lediglich durch feststehende Outcomes als Zielgrößen für die Lernprozesse sowie durch Qualitätsstandards des AQTF eingeschränkt wird. Dass dies jedoch zumeist nicht ausreicht, wurde in den unterschiedlichen Aussagen der Lehrenden an den TAFE-Instituten deutlich, die insbesondere die kleinen privaten RTOs kritisieren, die nicht immer über die Ressourcen zur Erfüllung der Qualitätsstandards des AQTF verfügen. Somit bedarf es einer zusätzlichen Kontrolle und Überwachung der Anbieter durch eine externe Instanz, welche bspw. durch
5.3. Potenzialanalyse für die Realisierungsformen von Kompetenz- und Berufsprinzip
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den im deutschen Kontext verankerten Korporatismus umgesetzt werden. Auch hinsichtlich der Zuständigkeiten im Prüfungswesen des CBT-Ansatzes, der, wie häufig kritisch bemerkt wird, von zu viel Flexibilität und Individualität geprägt ist, was Anlass zur Kritik hinsichtlich der Qualität gibt, ist Potenzial zu sehen. Ein Entscheidungsfeld wäre hierbei jedoch die Frage nach der Verbindung externer und interner Prüfungsverfahren, da eine Trennung, wie sie die duale Berufsausbildung durch die Prüfungen der Berufsschulen und der zuständigen Stellen vorsieht, Probleme der Separation und daraus resultierender unterschiedlicher Wertigkeit von Prüfungen und Zertifikaten birgt. Eine konzeptionelle Veränderung des CBT-Ansatzes wäre diesbezüglich eine Integration von individualisierten, intern durchgeführten Prüfungen und standardisierten, die von externen Prüfungsinstanzen durchgeführt werden. Ad 4.) Die standardisierte Lehrerbildung für den Berufsbildungssektor hat durch ihre universitäre Verankerung ein hohes allgemein- und fachtheoretisches Niveau und ist durch die Ergänzung obligatorischer betrieblicher und schulischer Praxiserfahrung, die in einschlägigen Praktika und dem Vorbereitungsdienst erworben wird, auch hinsichtlich der praktischen Ausbildung als umfassend zu bezeichnen (Tramm, 2001, S. 4 f.). Die Lehrerbildung im australischen Berufsbildungssektor weist hingegen einige Defizite auf. Wenngleich die Lehrenden dort zumeist über umfassende fachtheoretische Qualifikationen und praktische Erfahrungen in bestimmten Berufsfeldern verfügen, besteht vor allem hinsichtlich der pädagogischen Lehrerbildung Handlungsbedarf. Das Zertifikat Assessment and Workplace Training, das auf Stufe 4 des AQF angesiedelt ist und im Rahmen eines training packages an einem TAFE-Institut erworben wird, kann lediglich als pädagogische Mindestqualifikation für Lehrkräfte im Berufsbildungssektor angesehen werden. Die Verortung einer derartigen Qualifikation auf der Stufe eines Diploma oder höher, d. h. im universitären Sektor, stellt einen konzeptionellen Handlungsspielraum dar. Auch eine Standardisierung der Ausbildereignung und der Überwachung von Lehrenden in den Unternehmen, wie von der AEVO vorgesehen, bietet insofern Potenzial für den CBT-Ansatz, als dadurch Qualitätsunterschiede insbesondere in den betrieblich durchgeführten Lernprozessen verringert werden könnten. Hinsichtlich der Potenzialaspekte auf der ordnungspolitisch-organisatorischen Ebene wird deutlich, dass der CBT-Ansatz in einem Spannungsfeld zwischen Anspruch auf Flexibilisierung, Individualisierung und Dereglementierung und einer erforderlichen Standardisierung und Formalisierung aufgrund der vorherrschenden Heterogenität und Qualitätsunterschiede anzusiedeln ist. Trotz der Erschwernis durch die Autonomieansprüche der States/Territories sowie durch die Dominanz wirtschaftspolitischer Interessen, versucht die Commonwealth-Regierung dieses Spannungsfeld zu lösen. So gibt es auf ordnungspolitisch-organisatorischer Ebene
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bereits Standardisierungs- und Reglementierungstendenzen (Moodie, 2006, S. 4), aus denen bereits jetzt eine nachhaltige und flächendeckende Etablierung von CBT resultierte und sich eine stärkere Formalisierung antizipieren lässt. Die didaktisch-curriculare Betrachtungsebene Vor dem Hintergrund der Analyse der ordnungspolitisch-organisatorischen Rahmenbedingungen der dualen Berufsausbildung und CBT lassen sich hinsichtlich der didaktisch-curricularen Betrachtungsebene folgende Problemindikatoren im CBT-Ansatz konstatieren: Durch den Grundsatz des flexible entry and exit wird ermöglicht, einzelne Module zeitlich flexibel innerhalb unverbindlicher Zeitrichtwerte erwerben zu können. Aus den fehlenden zeitlichen Vorgaben für den Erwerb beruflicher Qualifikationen resultieren Heterogenität und Intransparenz. Ein weiteres Problem liegt im betrieblich-funktionalen Charakter der training packages, der zu einer Vernachlässigung allgemein-theoretischer Inhalte und zu einer Fokussierung auf einen vergleichsweise eingeschränkten inhaltlichen Bezugsrahmen, in welchem vornehmlich fachtheoretische und fachpraktische Inhalte fokussiert werden, führt. Ferner ermöglicht die Lernortflexibilität im CBT-Ansatz verschiedene Formen und Wege der beruflichen Qualifizierung, wobei auch hier Transparenz und Vergleichbarkeit fehlen. Die duale Berufsausbildung bietet hinsichtlich dieser Problemindikatoren folgendes Veränderungs- und Verbesserungspotenzial für den CBT-Ansatz: 1. Die zeitliche Standardisierung und inhaltliche Erweiterung curricularer Vorgaben 2. Die einheitlichen Qualifizierungswege aufgrund der Standardisierung der Lernorte Ad 1.) Die curricularen Vorgaben, die der dualen Berufsausbildung zugrunde liegen, zeugen von einer hohen Standardisierung hinsichtlich betrieblicher und schulischer Lernziele. Durch die hohe systemimmanente Reglementierung wird sichergestellt, dass alle Auszubildenden eines Ausbildungsganges dieselben Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse in einem vorgegeben Zeitraum erwerben können und somit Transparenz und Vergleichbarkeit gewährleistet werden. Wenngleich auch die training packages einheitliche inhaltliche Standards aufweisen, können diese flexibel und im Rahmen nominaler Zeitrichtwerte erworben werden. Somit reduziert sich die Vergleichbarkeit und Transparenz auf die Outcomes – die zeitliche Dauer des Kompetenzerwerbs variiert in der Regel. Eine zunehmende Standardisierung zumindest in der Festlegung der zeitlichen Dauer für die Kompe-
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tenzmodule könnte somit die Transparenz und Vergleichbarkeit erhöhen und eine Normierung der Lernprozesse erwirken. Ein weiterer Potenzialaspekt der curricularen Vorgaben der dualen Berufsausbildung für den CBT-Ansatz besteht im intendierten umfassenden Erwerb schulischer und betrieblicher Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse. Die Trennung zwischen allgemein-theoretischen und fachpraktischen Fähigkeiten und Kenntnissen aus der Dualität der Lernorte bzw. der Curricula birgt im deutschen Kontext das Problem der Separation, der verstärkt wird durch die mangelnde Lernortkooperation bzw. den unterschiedlichen Stellenwert beider Lernorte.60 Dessen ungeachtet besteht der Anspruch, dass alle Auszubildenden eine umfassende allgemein- und fachtheoretische und auch fachpraktische Qualifizierung erhalten. Die Ausrichtung der training packages auf fachpraktische Kenntnisse und Fertigkeiten vernachlässigt allgemein-theoretische Aspekte. Lediglich die Integration von key skills bzw. employability skills wirkt curricularen Vorgaben, die ausschließlich arbeitsplatzbezogene Komponenten integrieren, entgegen. Die training packages sind folglich in einem Spannungsfeld zwischen Praxisnähe und Arbeitsplatzrelevanz – der Philosophie des CBT-Ansatzes – einerseits und andererseits der Anforderung nach allgemeinen Fähigkeiten und Kenntnissen anzusiedeln, das bislang lediglich durch das Konzept der „Schlüsselkompetenzen“ versucht wurde zu lösen. Eine zunehmende inhaltliche Erweiterung der training packages und eine noch stärkere Forcierung der „Schlüsselkompetenzen“ könnte zur Entstigmatisierung der Berufsbildung führen, welche bisher insbesondere durch den CBT-Ansatz als ausschließlich betrieblich-funktional und somit als fachpraktisch klassifiziert werden kann. Dies würde zudem eine bessere Anschlussfähigkeit der Berufsbildung an die Hochschulbildung ermöglichen und somit die Durchlässigkeit im Bildungssystem erhöhen – was ein Anliegen sowohl der Commonwealth-Regierung als auch der Regierungen der States/Territories darstellt. Ad 2.) Die durch das Dualitätsprinzip determinierten Lernorte Betrieb und Schule sichern einheitliche Qualifizierungswege in der dualen Berufsausbildung, wodurch zum einen die Transparenz in den Qualifizierungsprozessen und zum anderen die Vermittlung theoretischer und praktischer Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse gewährleistet wird. Ein Potenzialaspekt für den CBT-Ansatz ist in diesem Zusammenhang die Vergleichbarkeit von Qualifizierungswegen, die aufgrund der dortigen Prämisse der Lernortflexibilität und Individualität nur begrenzt erfüllt werden kann. Des Weiteren wird durch die lernortbedingte Dualität curricularer Vorgaben einheitlich festgelegt, welche Lernziele am Arbeitsplatz und welche in der Berufsschule erworben werden. Auch hier besteht im CBT-Ansatz eine größe60 Siehe
dazu die Ausführungen der Problemindikatoren in der dualen Berufsausbildung unter 5.3.
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re Flexibilität, aber auch Heterogenität. Zudem sind die training packages inhaltlich auf reale Arbeitsplatzsituationen ausgerichtet. Über entsprechende Ressourcen zur Bereitstellung adäquater Simulationen der Arbeitssituation verfügen nur die großen TAFE-Institute. Kleinere RTOs hingegen müssen auf theoretische Unterweisungsformen ausweichen, wenn sie nicht mit entsprechenden Unternehmen kooperieren können. Eine vorgeschriebene Kooperation mit Unternehmen wäre somit für TAFE-Institute, aber vor allem für private RTOs von Vorteil. Ein Handlungsspielraum wäre hierbei die Frage der Kooperationsgestaltung, wobei eine „ungleiche Partnerschaft“, wie es in der dualen Berufsausbildung der Fall ist, und die damit verbundene Dominanz eines Lernorts bzw. die mangelnde Kooperation beider, zu vermeiden wäre. Eine vorgeschriebene Lernortkooperation würde gegen den Grundsatz von CBT – die Flexibilität in der Gestaltung von Lernprozessen und die damit verbundene Lernortunabhängigkeit – verstoßen; dem entgegenzusetzen ist jedoch, dass dem Anspruch auf praxisnahen und arbeitsplatzadäquaten Erwerb von Kompetenzen – ebenfalls ein Grundsatz von CBT – nur durch Lerneinheiten in einem Unternehmen vollkommen gerecht und dies nur durch eine verbindliche Verankerung des Lernorts Betrieb im CBT-Ansatz tatsächlich erfüllt werden kann. Die Lernprozess-Ebene Auf der Lernprozess-Ebene lassen sich folgende Problemindikatoren identifizieren: Zum einen besteht durch die Outcome-Orientierung hinsichtlich der methodischen Gestaltung weitgehende Flexibilität, was jedoch dazu führt, dass es keine einheitlichen und verbindlichen Standards zur methodischen Vermittlung insbesondere praktischer Kompetenzmodule und auch keine einheitlichen Lehr-LernMaterialien gibt. Somit besteht Intransparenz und Heterogenität, was zu Qualitätsunterschieden und -defiziten führt. Zum anderen stellen auch hinsichtlich der Prüfungs- und Zertifizierungspraxis Qualitätsdefizite ein Problem dar, welches durch die individualisierte und kontinuierliche Leistungsmessung, die intern und im Lern- bzw. Arbeitsprozess erfolgt, verstärkt wird. Für die Lernprozess-Ebene lassen sich folgende Potenziale identifizieren: 1. Methodische Ansätze aufgrund der Lernortdualität 2. Standardisierte Prüfungen durch externe Prüfungsinstanzen Ad 1.) Hinsichtlich der Methodik lässt sich dahingehend ein Potenzial für den CBT-Ansatz ableiten, dass, bedingt durch die Dualität der Lernorte, die praktische und theoretische Vermittlung von Fähigkeiten und Kenntnissen festgeschrieben ist. Somit ist ein Methodenmix aus theoretischer Vermittlung mit dem Anspruch
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auf Handlungsorientierung und praktischer Erarbeitung von Aufgaben am Arbeitsplatz bedingt systemimmanent. Die Methodenauswahl im CBT-Ansatz ist hingegen abhängig von den Ressourcen der Anbieter und der Erwerb von Kompetenzen am Arbeitsplatz ist nicht zwingend vorgesehen. Hieraus resultiert eine Methodenvielfalt, die dazu führen kann, dass nicht immer adäquate Lehrmethoden zum Einsatz kommen und praktische Kompetenzmodule in einer theoretischen Lernumgebung vermittelt werden. Obgleich dadurch dem Anspruch auf individuelle Gestaltungsfreiheit im Lernprozess gerecht wird, kann die Anforderung auf Praxisnähe nicht erfüllt werden – was nicht im Sinne der CBT-Philosophie ist. Auch die Entwicklung von Lehr-Lern-Materialien liegt in der Verantwortung der Anbieter, was wiederum dazu führt, dass die verwendeten Lehrbücher keinem standardisierten Qualitätsmanagement unterliegen. Lehrbücher, die von einer zentralen Stelle evaluiert werden und somit einen bestimmten Qualitätsanspruch erfüllen, könnten die Heterogenität und Qualitätsdefizite in den Lernprozessen verringern. Ad 2.) Die individuell und kontinuierlich durchgeführte Leistungsmessung im Rahmen des CBT-Ansatzes ermöglicht die Dokumentation des Lernfortschritts jedes einzelnen Lernenden, jedoch stellt die Erfüllung der Gütekriterien Validität, Objektivität und Reliabilität in dieser Form der Leistungsmessung einen Problemindikator dar. Eine nach dem Vorbild der Prüfungspraxis in der dualen Berufausbildung ergänzende standardisierte Form der übergreifenden Abschlussprüfung, die von einer externen Prüfungsinstanz durchgeführt wird, bietet diesbezüglich Handlungsspielraum. Die Problematik der Kooperation und Integration interner und externer Lernerfolgskontrollen, die in der dualen Berufsausbildung Schwierigkeiten birgt, ist hierbei hinsichtlich der inhaltlichen Ausrichtung sowie hinsichtlich des Stellenwerts zu berücksichtigen. Somit wäre auch ein systemimmanenter Qualitätssicherungsmechanismus implementiert, der die Unterschiede in der Lehrpraxis und in der Leistungsmessung aufdecken und der damit einhergehenden Heterogenität entgegensteuern würde. Fazit Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die identifizierten Potenzialaspekte im Spannungsfeld von Standardisierung und Reglementierung und Flexibilisierung und Individualisierung anzusiedeln sind. Wie die Ausführungen zeigen, bietet ein höherer Standardisierungs- und Reglementierungsgrad in vielerlei Hinsicht Potenzial für die aus dem CBT-Ansatz resultierende Heterogenität und Qualitätsdifferenz, schränkt jedoch die Philosophie und Stärke des Ansatzes ein. Ein Entscheidungsfeld ist somit, einen höheren Reglementierungsgrad sowohl in ordnungspolitischer, aber auch in curricularer Hinsicht für den CBT-Ansatz zu implementieren,
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der sowohl für Standards und Homogenität in beruflichen Lernprozessen führt als auch dem Anspruch auf Flexibilität und Individualität gerecht wird. Die Ergebnisse der Potenzialanalyse für den CBT-Ansatz sind in der folgenden Potenzialmatrix (Abbildung 5.6) zusammenfassend dargestellt.
Problemindikator im CBT-Ansatz
Qualitätsdefizite trotz AQTF; AQTF verursacht bürokratischen und zeitlichen Aufwand ohne Qualität nachhaltig zu sichern
Keine einheitlichen Abschlussprüfungen
Leistungsmessung
Abbildung 5.6.: Potenzialmatrix für den CBT-Ansatz
Hoher zeitlicher und materieller Aufwand
Lernprozess-Ebene Methodik
Didaktisch-curriculare Ebene Curricula Keine zeitliche verbindliche Regelung, inhaltliche Restriktionen Qualifizierungswege Heterogenität, mangelnde Transparenz und Vergleichbarkeit Qualifikation der Keine standardisierte Lehrerbildung, oft begrenzte Lehrenden pädagogische Ausbildung
Qualitätssicherung
Ordnungspolitisch-organisatorische Ebene Gesetzliche Keine Verankerung der Berufsbildung Verankerung der Berufsausbildung Reglementierung Diskrepanz zwischen Institutionen der States/Territories der Berufsausund der Commonwealth-Regierung sowie zwischen bildung Politik und Wirtschaft; Heterogenität trotz Standards
Anspruch der Handlungsorientierung durch Verbindung von Theorie und Praxis Standardisiert und anerkannt
Standardisierte Vorgaben, Transparenz und Vergleichbarkeit; inhaltliche Breite durch Dualitätsprinzip Anerkannt und standardisiert, Transparenz und Vergleichbarkeit Standardisierte Ausbildereignung, universitär verankerte Lehrerbildung
Kooperation und Konsens verschiedener Akteure sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene; standardisierte Berechtigung zur Ausbildung von Betrieben Standardisierte systemimmanente Mechanismen (zuständige Stellen, einheitliche Prüfungen, Reglementierung, Standardisierung und Formalisierung)
Transparenz, Standardisierung, Anerkennung, Verwertbarkeit, Qualitätssicherung
Potenzialaspekt der dualen Berufsausbildung
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5.3.2. Zum Potenzial des CBT-Ansatzes für die duale Berufsausbildung Die Kritik an der dualen Berufsausbildung ist nicht neu. Bereits in den siebziger Jahren wurde ihre Leistungs- und Zukunftsfähigkeit infrage gestellt (Stratmann/Schlösser, 1990, S. 178 ff.). In den neunziger Jahren verschärfte sich die Kritik, insbesondere vor dem Hintergrund des von vielen Autoren in Zweifel gezogenen und der Erosion bezichtigten Berufsprinzips, die eine bis heute anhaltende Reformdiskussion zur Verbesserung der dualen Berufsausbildung auslöste. Als zentrale These dieser Reformdebatte formulieren Pätzold/Wahle: „Der fortschreitende technisch-ökonomische Wandlungsprozess und die darin eingebetteten Umbrüche im Beschäftigungssystem erfordern, dass sowohl die Inhalte als auch die Organisation der Berufsausbildung den neuen Verhältnissen angepasst werden müssen“ (Pätzold/Wahle, 2003, S. 472).
Vor diesem Hintergrund werden im Folgenden aktuelle Problemindikatoren in der dualen Berufsausbildung identifiziert und den drei Betrachtungsebenen zugeordnet – mit dem Ziel, Reformpotenziale für die jeweiligen Problemindikatoren aus dem CBT-Ansatz zu gewinnen. Die ordnungspolitisch-organisatorische Betrachtungsebene Unter Bezugnahme auf die aktuelle berufsbildungspolitische und wissenschaftliche Diskussion um die Zukunftsfähigkeit der dualen Berufsausbildung lassen sich hinsichtlich der ordnungspolitisch-organisatorischen Ebene folgende Problemindikatoren identifizieren: Ein Problemaspekt ist die strukturelle Veränderung innerhalb des Berufsbildungssystems, da bislang die duale Berufsausbildung das Kernstück des Berufsbildungssystems darstellte und die beruflichen Vollzeitschulen lediglich eine Randstellung einnahmen. Dies hat sich jedoch in den vergangenen Jahren verändert; d. h., es ist eine Zunahme an Teilnehmern in beruflichen vollzeitschulischen Maßnahmen zu verzeichnen. Gleichzeitig entwickelt sich ein „Übergangssystem“ für Jugendliche, die keinen Ausbildungsplatz bekommen und auch keine qualifizierende vollzeitschulische Bildungsmaßnahme besuchen können. Kennzeichen dieses Übergangssystems sind berufsvorbereitende Maßnahmen, die jedoch nicht auf eine Berufsausbildung angerechnet werden und lediglich eine „Parkfunktion“ erfüllen. Etwa 60 % der Hauptschüler werden in diesem „Übergangssystem“ aufgefangen (Baethge/Solga/Wieck, 2007, S. 8), durch das die Chancen auf einen Ausbildungsplatz jedoch nur marginal erhöht werden. Selbst Realschüler sind von dieser Tendenz betroffen, von denen sich mehr als ein Viertel im „Übergangssystem“ wiederfindet. Die Gründe für die quantitative Zunahme
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vollzeitschulischer Maßnahmen liegen u. a. in einem starken Rückgang an Ausbildungsplätzen (u. a. BMBF, 2007, S. 6), der von den Betrieben mit den zu hohen Kosten der dualen Berufsausbildung begründet wird. Als bildungspolitische Reaktion auf die defizitäre Lage am Ausbildungsmarkt wurde in den vergangenen Jahren immer wieder versucht, eine Umlagefinanzierung einzuführen, wodurch nicht ausbildende Betriebe einen Teil der Kosten der dualen Ausbildung zu tragen hätten. Das Ausbildungsplatzförderungsgesetz von 1976 sah dies vor, wurde jedoch vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig erklärt, da die Zustimmung des Bundesrates fehlte (Stender, 2006b, S. 121). 1981 gab es mit dem Berufsbildungsförderungsgesetz einen erneuten Vorstoß, jedoch scheiterte auch dieser – aufgrund einer scheinbaren Verbesserung der Arbeitsplatzsituation. 2004 wurde das Berufsausbildungssicherungsgesetz erlassen, in welchem verankert ist, dass eine Ausbildungsabgabe dann erhoben werden kann, wenn die Zahl der offenen Stellen, die bei der Bundesagentur für Arbeit registriert sind, die Zahl der unvermittelten Bewerber nicht um mindestens 15 % übersteigt. Wenngleich die Versorgungslage die Ausbildungsplatzabgabe in den vergangenen Jahren gerechtfertigt hätte, so wurde diese mit der Begründung einer Verbesserung der Versorgungslage nicht umgesetzt. Stender spricht in diesem Zusammenhang von einem „Drohmechanismus als Instrument bildungspolitischer Steuerung“ (ebenda, S. 122). Als Problemindikator für die Ausbildungsplatzkrise und die Entwicklung eines Übergangssystems kann das Dualitätsprinzip bezüglich der Lernorte angesehen werden, da es die Reglementierung der Lernorte forciert und die damit verbundene Rigidität eine flexible Gestaltung von Lernortkooperationen außerhalb der gesetzlich verankerten Lernorte nicht ermöglicht (Euler/Severing, 2006, S. 27; Baethge, 2004, S. 341). Als einen weiteren Problemindikator für das sinkende Ausbildungsplatzangebot kann die mangelnde Kooperation zwischen Betrieben und Berufsschulen sowie die Rolle der Berufsschule als ungleicher Partner in der dualen Berufsausbildung angesehen werden (u. a. Baethge, 2003, S. 561; Pätzold, 1997, S. 136 ff.; Pätzold/Wahle, 2003, S. 476; Rottmann, 2003, S. 358). Die Ausbildungsmarktkrise führte zu einem Ausbildungspakt, durch welchen die Anzahl der Ausbildungsplätze von 2003 auf 2004 kurzfristig anstieg, allerdings 2005 und 2006 wieder abnahm (BMBF, 2006, S. 43). Diesem Rückgang will das BMBF derzeit mit einer Intensivierung des Ausbildungspakts begegnen. Gleichzeitig wurde im Rahmen des Ausbildungspakts eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die sich mit der Ausbildungsreife beschäftigt, um Jugendliche besser auf eine duale Berufsausbildung vorzubereiten, und so dem Argument vieler Betriebe Rechnung zu tragen, dass Jugendliche häufig nicht über die Ausbildungsreife verfügen und Ausbildungsplätze so unbesetzt blieben. Eine weitere Initiative zur Verbesserung der Ausbildungsplatzsituation ist die Möglichkeit einer Verbundaus-
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bildung, in der kleinere und mittlere Unternehmen, die aufgrund fehlender personeller und materieller Ressourcen die Anforderungen an eine Ausbildungsstätte nicht vollkommen erfüllen, mit anderen Betrieben oder überbetrieblichen Ausbildungsstätten kooperieren. Wenngleich diese Form der kooperativen Durchführung einer dualen Berufsausbildung die Anzahl der Ausbildungsplätze in kleineren und mittleren Unternehmen erhöhen sollte, werden die Organisation einer Verbundausbildung sowie die damit verbundenen Kosten als problematisch angesehen (Stender, 2006a, S. 26). Dessen ungeachtet wurden 2005 laut BMBF insgesamt 380 Ausbildungsverbünde in 139 Berufen geschlossen, die 14.800 Ausbildungsplätze generierten (BMBF, 2006, S. 66). Ein weiterer Problemaspekt besteht darin, dass, wenngleich die duale Berufsausbildung über eine systemimmanente Qualitätssicherung in Form von Gesetzen und Verordnungen sowie einen daraus resultierenden hohen Reglementierungsgrad verfügt (BMBF, 2007, S. 18), doch Vorbehalte hinsichtlich der Qualität zum einen in der Konzeption und Umsetzung von Ausbildungsberufen (ebenda, S. 16) und zum anderen in der Durchführung schulischer und betrieblicher Lernprozesse in der dualen Berufsausbildung bestehen (Baethge/Solga/Wieck, 2007, S. 32). Auch stellen die hohen Kosten für die duale Berufsausbildung, welche zu einem großen Teil die Unternehmen tragen, einen aktuellen Problemindikator insbesondere hinsichtlich der sinkenden Anzahl an Ausbildungsplätzen dar, die u. a. auf eine abnehmende Investition der Unternehmen in die duale Berufsausbildung zurückzuführen ist (BMBF, 2007, S. 6). Vor diesem Hintergrund lassen sich folgende Potenzialaspekte des CBT-Ansatzes für die duale Berufsausbildung festhalten: 1. Flexibilität und Diversität in Lernortkooperationen durch Öffnung des Ausbildungsmarktes 2. Externe Qualitätsstandards nach Vorbild des AQTF 3. Ausweitung der zielgruppen- und programmspezifischen staatlichen Finanzierungsmechanismen Ad 1.) Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Maßnahmen wie der Ausbildungspakt, die Förderung der Ausbildungsreife sowie die Ausweitung von Ausbildungsverbünden durch eine Flexibilisierung von Lernortkooperationen verstärkt werden könnte, für die die Philosophie des open training market Potenzial bietet. Aufgrund der für die duale Berufsausbildung determinierten Lernorte Betrieb und Schule sind weitere Lernortkooperationen nur mit spezifischen außer- und überbetrieblichen Ausbildungsstätten möglich (Baethge/Solga/Wieck, 2007, S. 14). Auch
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wenn unterschiedliche Konzepte zur Förderung der Lernortkooperation von Berufsschule und Betrieb durchgeführt wurden (siehe dazu ausführlich Stender 2006b, S. 159 ff.), beschränken sich die Erfolge bislang auf die Programm- bzw. Projektebene. Ein Ansatz zur Lernortkooperation außerhalb der Berufsschule und der Ausbildungsbetriebe wurde mit der Verbundausbildung initiiert, wobei sich die damit intendierte Kooperation auf Unternehmen und außerbetriebliche Ausbildungsstätten sowie auf Kooperationen zwischen Unternehmen beschränkt. Nichtsdestotrotz trug die Verbundausbildung zu einer Erhöhung des Ausbildungsplatzangebots bei (BMBF, 2006, S. 66). Eine Erweiterung der Lernortkooperationen im Sinne eines open training market würde grundsätzlich für mehr Flexibilität in der Gestaltung der Lernwege in der dualen Berufsausbildung sorgen und bietet darüber hinaus zwei weitere Potenzialaspekte. Erstens würden kleineren und mittleren Unternehmen, die aufgrund fehlender Ressourcen nicht ausbilden können, mit einem breiteren Angebot an Kooperationspartnern der Einstieg in die Berufsausbildung erleichtert. Diese könnten mit freien Bildungsträgern kooperieren und somit die Anforderungen der dualen Berufsausbildung hinsichtlich personaler und materieller Ausstattung sowie im Hinblick auf die inhaltliche Breite der Ausbildungsinhalte, wie es die Ausbildungsordnung erfordert, erfüllen. Eine Ausweitung der Verbundausbildung sowohl hinsichtlich der Anzahl an Kooperationen als auch hinsichtlich der Arten von möglichen Kooperationspartnern stellt im Hinblick auf die derzeitige Ausbildungsplatzsituation insbesondere in strukturschwachen Regionen eine Erweiterung bisheriger Reformmodelle dar. Einhergehend mit einer derartigen Flexibilisierung des Ausbildungsmarktes muss ein flächendeckendes Qualitätssicherungssystem implementiert werden, das sowohl die bestehenden systemimmanenten Mechanismen als auch externe Standards im Sinne des AQTF integriert. Zweitens würde eine Ausweitung der Lernortkooperation auf andere Bildungsträger außerhalb der Betriebe und der Berufsschulen zu einem Wettbewerb zwischen Ausbildungsanbietern führen, wie es im CBT-Ansatz der Fall ist. Dies hätte nachhaltige Konsequenzen für die Rolle der Berufsschule, wobei viele Kritiker die Notwendigkeit in der Veränderung und Reform der Berufsschule insbesondere hinsichtlich ihres oftmals angeprangerten „Anhängselcharakters“ sehen (u. a. Euler/Severing, 2006, S. 96; Pätzold, 1997, S. 131 ff.; Pätzold/Wahle, 2003, S. 476; Rauner, 1997, S. 135; Rottmann, 2003, S. 359). Ein Wettbewerb unter den Bildungsträgern würde für die Berufsschule zudem bedeuten, die Kooperation mit den Betrieben zu intensivieren – eine Notwendigkeit, die insbesondere Pätzold/Wahle (2003, S. 481) betonen. Als mögliche Konsequenz könnte eine ganzheitliche Berufsausbildung im Sinne des gemeinsamen Bildungsauftrags antizipiert werden. Ansätze zur stärkeren Positionierung im Sinne einer autonomen Schule exis-
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tieren bereits seit den sechziger Jahren, wurden bislang jedoch nur partiell realisiert (Stender, 2006a, S. 151 ff.). Ansätze einer Schulautonomie wurden bspw. im Modellversuch „Selbstständige Schule“ in Nordrhein-Westfalen (Rottmann, 2003, S. 355) oder im Konzept der operativ eigenständigen Schule an beruflichen Schulen in Baden-Württemberg umgesetzt, in der den Berufsschulen mehr Organisations- sowie Lehrplan- und Methodenautonomie eingeräumt wird, die eine Entwicklung eines Leitbildes für die Schule sowie die Vereinbarung konkreter Ziele Bestandteile des Konzeptes darstellen (Thimet, 2006, S. 15). Eine Ausweitung der Schulautonomie nicht nur auf organisatorische und curriculare Verantwortungsbereiche, sondern auch hinsichtlich der Finanzierung und Budgetierung, wie es bei den TAFE-Instituten und den privaten RTOs der Fall ist, würde die Position der Berufsschule noch weiter stärken. Sie könnte sich demzufolge als eigenständiger Partner und Bildungsträger in der dualen Berufsausbildung positionieren und darüber hinaus als autonomer Anbieter auf dem Bildungs- und Ausbildungsmarkt agieren (Stender, 2006a, S. 158). Dafür notwendig ist auch hier die Einführung eines standardisierten Qualitätsmanagements, welches sowohl über interne als auch externe Qualitätssicherungsinstrumente verfügt. Wenngleich dieses Szenario gewisse Vorteile aufzeigt, ist eine Autonomisierung und Privatisierung unter den bestehenden organisatorischen Rahmenbedingungen nicht denkbar, da dies eine Loslösung von der staatlichen Reglementierung erfordern würde. Denkbar wäre jedoch eine Teilautonomisierung der beruflichen Schulen, für die bspw. Dubs plädiert und welche beinhaltet, dass die staatliche Schulaufsicht über die Berufsschulen bestehen bleibt, die Eigenständigkeit in organisatorischer und curricularer Hinsicht, bspw. was die Einstellung von Lehrenden, die Entwicklung von Lehr-Lern-Materialien und die Entwicklung intern konzipierter Qualitätssicherungsinstrumente anbelangt, jedoch ausgeweitet würde (Dubs, 2003, S. 338). Ad 2.) Der AQTF stellt als externe Qualitätssicherungsmaßnahme einen standardisierten Rahmen für die Akkreditierung von Berufsbildungsanbietern sowie für die Durchführung von Qualifizierungs- und Prüfungsprozessen dar. Die externe Festlegung von Standards, wie es der AQTF vorsieht, kann als Grundlage für eine übergreifende Qualitätssicherung in Berufsschulen und Betrieben dienen. Wenngleich die duale Berufsausbildung insbesondere im betrieblichen Teil der Berufsausbildung über systemimmanente Qualitätssicherungsmechanismen verfügt, sprechen einige Autoren diesbezüglich von einem Optimierungsbedarf (Euler/Severing, 2006, S. 108; Pätzold/Wahle, 2003, S. 477). Kritiker argumentieren zudem, dass die Qualitätssicherung und v. a. die Qualitätssteigerung im schulischen Teil der Berufsausbildung unzureichend seien und ein standardisiertes Qualitätsmanagement an Berufsschulen notwendig sei. Auch im aktuellen Berufsbil-
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dungsbericht sowie im reformierten Berufsbildungsgesetz wird der Qualitätssicherung und -erhöhung ein hoher Stellenwert beigemessen (BMBF, 2007, S. 18). Die Zuständigkeit der Länder für den schulischen Teil der Berufsausbildung erschwert jedoch ein bundeseinheitliches Qualitätsmanagement an Berufsschulen, was zur Folge hat, dass entsprechende Ansätze bislang lediglich auf Länderebene bzw. in Modellversuchen realisiert werden – zu nennen sei an dieser Stelle u. a. der BLK-Modellversuch „Qualitätsentwicklung in der Berufsschule (QUABS)“, an welchem acht Berufsschulen aus Bayern, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein beteiligt waren und auf Basis dessen die Qualitätsentwicklungskonzepte ISO und EFQM implementiert wurden (Esser/Behrens, 2003). Des Weiteren bietet der AQTF Potenzial für das von Euler/Severing geforderte Konzept der Ausbildungsbausteine, in dem sie die Forderung nach abschnittsweisen Prüfungen in Ergänzung zur obligatorischen Abschlussprüfung durch die zuständigen Stellen artikulieren. Die Durchführung dieser zusätzlichen Prüfungen ließe sich durch externe Prüfungsinstanzen realisieren, deren Akkreditierung jedoch, so Euler/Severing, auf Qualitätsstandards basiere, die extern festgelegt werden müssten (Euler/Severing, 2006, S. 63). Derartige Akkreditierungsstandards bietet der AQTF; jedoch erfordert die Implementation eines derartigen Rahmens für Qualitätsstandards eine Überwachung und Überprüfung durch externe Instanzen im Sinne von audits, was im deutschen Kontext den zuständigen Stellen, die über eine Kontrollfunktion verfügen, zugesprochen werden könnte. Ad 3.) Derzeit ist eine abnehmende Investitionsbereitschaft der Unternehmen in die duale Berufsausbildung festzustellen (Stender, 2006b, S. 123), was sich in einer Verringerung des Ausbildungsplatzangebots niederschlägt – so ging die Anzahl neu abgeschlossener Ausbildungsverträge zwischen 2000 und 2005 um insgesamt 71.000 zurück (BMBF, 2007, S. 6). Ein Aspekt des CBT-Ansatzes, der hier Lösungsvorschläge bietet, ist die programm- und bedarfsspezifische staatliche Finanzierung und somit eine zielgerichtete Finanzierung berufsbildender Maßnahmen aus öffentlicher Hand. Dies wurde teilweise schon realisiert, bspw. in der Förderung von Ausbildungsplätzen in strukturschwachen Regionen (u. a. durch das Programm Jobstarter des BMBF, das die bisherigen Programme STARegio, RegioKom Ost, Ausbildungsplatzentwickler, KAUSA und das Patenschaftsprogramm ablöst), in Programmen des BMBF im Bereich der Benachteiligtenförderung (u. a. durch das BQF-Programm zur beruflichen Qualifizierung für Zielgruppe mit besonderem Förderbedarf) und im Bereich der Übergangsproblematik von Schule in die Arbeitswelt (u. a. durch das Programm Schule-Wirtschaft/Arbeitsleben, das vom europäischen Sozialfond kofinanziert wird) (BMBF, 2006, S. 7f.). Eine Ausweitung dieser Programme durch eine zielgerichtete Finanzierung, wie es die australischen Finanzierungsmechanismen vorsehen, ist insbesondere für struktur-
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schwache Regionen und benachteiligte Zielgruppen von Bedeutung. Probleme bei der Ausweitung der staatlichen Finanzierung nach australischem Vorbild ergeben sich aufgrund der inhärenten Finanzierungsmechanismen der dualen Berufsausbildung. Die Hauptlast der Kosten für die duale Berufsausbildung obliegt aufgrund der strukturellen Rahmenbedingungen den Betrieben, und eine zunehmende staatliche Finanzierung wäre lediglich in Form von Ausbildungsplatzsubventionen – wie es bei den new apprenticeships der Fall ist – denkbar. Dies wurde bereits realisiert, indem 2005/2006 durch die Bundesländer in einem Umfang von 381 Mio. Euro insgesamt 93.309 Ausbildungsplätze subventioniert wurden, davon 56.300 in den alten und 37.000 in den neuen Bundesländern (Baethge/Solga/Wieck, 2007, S. 30). Pätzold/Wahle argumentieren jedoch, dass die im Berufsbildungsgesetz verankerte Verantwortung der Betriebe durch eine Zunahme der staatlichen Finanzierung reduziert würde und ein noch stärkerer Investitionsrückgang der Betriebe in die duale Berufsausbildung zu erwarten wäre (Pätzold/Wahle, 2003, S. 473). Somit hätte eine zunehmende staatliche Finanzierung eine Substitution der privatwirtschaftlichen zur Folge und weniger eine Erhöhung des Ausbildungsplatzangebots, wie dies im australischen Kontext der Fall ist. Ein anderes im Rahmen einer Erhöhung der staatlichen Finanzierung der Berufsbildung denkbares Szenario ist eine Erhöhung der Finanzierung vollzeitschulischer beruflicher Bildungsträger. Dies hätte zur Folge, dass diese Bildungsträger zum einen ihre Programme inhaltlich ausweiten und zum anderen ihre personelle und materielle Ausstattung verbessern könnten, um komplexe Lehr-LernArrangements zu etablieren. Des Weiteren bietet ihnen dies die Möglichkeit, als eigenständiger Akteure nach dem Vorbild der TAFE-Institute auf dem Ausbildungsmarkt zu agieren und bedarfs- und zielgruppengerechte Programme anzubieten. Eine denkbare Konsequenz wäre ein zunehmender Attraktivitätsverlust der dualen Berufsausbildung und eine Stärkung der beruflichen Vollzeitschulen. Dass es sich bei diesem Szenario nicht um eine Zukunftsvision handelt, beweist die Konzeption der Übungsfirmen, die, wenngleich in einer Vollzeitschule implementiert, eine Simulation der realen Arbeitswelt darstellen, in denen Lernende fachtheoretische und fachpraktische Kompetenzen erwerben (Deißinger/Ruf, 2006, S. 18 ff.). Aus Sicht der Unternehmen ist die Tendenz der praxisnahen Vermittlung beruflicher Kompetenzen in vollzeitschulischen Lernumgebungen jedoch kritisch zu betrachten, da nicht nur der fehlende reale Arbeitsbezug fehle, sondern auch der für die individuelle Entwicklung wichtige Sozialisations- und Integrationsaspekt, der durch die duale Berufsausbildung erfüllt werde (ebenda, S. 169). Die dargestellten Szenarien zeigen, dass der Ansatz einer zunehmenden staatlichen Finanzierung für die duale Berufsausbildung hinsichtlich zielgruppen- und regionenspezifischer Programme Potenzial birgt, grundsätzlich jedoch auf struktu-
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relle Grenzen stößt und Konsequenzen antizipieren lässt, die für die duale Berufsausbildung wenig fruchtbar wären. Die didaktisch-curriculare Betrachtungsebene Die didaktisch-curriculare Betrachtungsebene der dualen Berufsausbildung zeugt resultierend aus den vergleichsweise rigiden ordnungspolitisch-organisatorischen Rahmenbedingungen von einem hohen Standardisierungs- und Formalisierungsgrad. Dabei lassen sich drei Problemindikatoren identifizieren: Erstens wird als Kritikpunkt oftmals der lange Entwicklungs- und Erlassprozess in den Neuordnungsverfahren anerkannter Ausbildungsberufe geäußert, der bedingt ist durch die unterschiedlichen beteiligten Akteure und das Ziel der Konsensfindung (Euler/Severing, 2006, S. 27). Das BMBF setzt dem jedoch entgegen, dass in den Neuordnungsverfahren in der IT-Aus- und Weiterbildung, in den Medienberufen, in den Chemieberufen sowie in den Metall- und Elektroberufen flexible und innovative Ausbildungsordnungen geschaffen wurden (BMBF, 2007, S. 13). Dessen ungeachtet werden neugeordnete Ausbildungsberufe mehrheitlich immer noch im Sinne spezialisierter Monoberufe strukturiert (ebenda, S. 29), wobei als Problemindikator festzuhalten ist, dass aufgrund der darin determinierten Rahmenvorgaben nur begrenzte Wahlmöglichkeiten für Auszubildende und Ausbildungsbetriebe eingeräumt werden. Für den Ausbildungsbetrieb hat dies die negative Konsequenz, dass die Rahmenvorgaben nur bedingt an die individuellen Bedürfnisse und Anforderungen angepasst werden können (BDA, 2006, S. 3); für die Auszubildenden resultiert daraus, dass sie sich nur in einem gewissen Rahmen auf bestimmte Schwerpunkte oder Fachrichtungen spezialisieren können. Kritiker argumentieren zudem, dass die vermittelten Qualifikationen selten dem technologischen Entwicklungsstand der Wirtschaft entsprächen und den veränderten Handlungsbedingungen im Produktions- und Dienstleistungssektor nur bedingt gerecht würden (Pätzold/Wahle, 2003, S. 478). Ein weiterer Kritikpunkt ist in der Separation schulischer und betrieblicher Curricula zu sehen. Wenngleich Betriebe und Berufsschulen einen gemeinsamen Bildungsauftrag haben und die Berufsschule als „gleichberechtigter Partner“ anzusehen ist (KMK, 2000, S. 8), so wird aufgrund der fach- und allgemeintheoretischen schulischen Curricula die Kritik geäußert, dass Inhalte vermittelt würden, deren Relevanz für die Handlungsfähigkeit im Arbeitskontext infrage gestellt werden kann (Pätzold/Wahle, 2003, S. 478). Hinzu komme, dass schulische und betriebliche Curricula nach unterschiedlichen didaktischen Grundprinzipien erstellt würden und die Bezugnahme fachpraktischer Kompetenzen auf fach- und allgemein-theoretische Kenntnisse lediglich formal erfolge (Schopf, 2005, S. 1).
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Zweitens sind Qualifikationen, die in einer dualen Berufsausbildung erworben werden, als anerkannte, bundesweit einheitliche Ausbildungsberufe definiert. Die negative Konsequenz liegt auch hier in der mangelnden Flexibilität hinsichtlich der individuellen Gestaltung von Qualifikationsprofilen, die nicht im Rahmen der zugrunde gelegten Ausbildungsordnung definiert sind (BDA, 2006, S. 3). Ein weiterer Problemaspekt sind ungestufte Qualifikationen, d. h., der Abschluss eines anerkannten Ausbildungsberufes kann nicht auf verschiedenen Leistungsstufen erfolgen. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund des europäischen Qualifikationsrahmens kritisch zu betrachten, da dieser die Festlegung beruflicher Qualifikationen auf unterschiedlichen Niveaustufen voraussetzt (u. a. Bohlinger, 2007, S. 8; Hanf/Rein, 2006, S. 2; Meyer, 2006b, S. 4). Drittens sind die Qualifizierungswege in der dualen Berufsausbildung durch das Berufsbildungsgesetz reglementiert, wonach festgelegt ist, wer als Ausbildungsbetrieb ausbilden bzw. wer als schulischer Träger in der dualen Berufsausbildung agieren darf. Dies lässt auf den Problemindikator mangelnde Flexibilität in der Gestaltung beruflicher Qualifizierungswege schließen sowie auf die fehlende Möglichkeit der Individualisierung und Anpassung an die Bedürfnisse und Interessen der Auszubildenden bzw. der Unternehmen. Ein weiteres Problem, das aus der starken Reglementierung resultiert, besteht darin, dass kleinere und mittlere Betriebe, die nicht über die vorgeschriebene personelle und materielle Ausstattung verfügen, keine Ausbildungsplätze bereitstellen können (Kath, 2003, S. 458). Vor dem Hintergrund dieser Problemindikatoren lassen sich für die didaktischcurriculare Betrachtungsebene folgende Potenzialaspekte für die duale Berufsausbildung identifizieren: 1. Flexibilisierung,Anpassungsfähigkeit und Individualisierungcurricularer Vorgaben 2. Binnendifferenzierung von Ausbildungsberufen 3. Flexibilisierung und Individualisierung in den Qualifizierungswegen Ad 1.) Die kompetenzbasierte, modulare Struktur der training packages bietet in Bezug auf drei Aspekte Potenzial für die Ausbildungsordnungen bzw. Rahmenlehrpläne: zunächst ermöglicht die aus der kompetenzbasierten, modularen Struktur resultierende Flexibilität eine rasche Anpassung an neue arbeitsorganisatorische und technische Anforderungen, was aufgrund der vergleichsweise starren Ausbildungsordnungen und Rahmenlehrpläne und der damit verbundenen zeitlich verzögerten Anpassungsfähigkeit an wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen in den curricularen Vorgaben der dualen Berufsausbildung erschwert
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wird. Eine Flexibilisierung im Sinne der training packages würde bewirken, dass veraltete Kompetenzmodule flexibel und zeitnah durch neue ersetzt werden könnten. Dies setzt jedoch eine modularisierte Form curricularer Vorgaben voraus, die bspw. im Sinne der Reformmodelle nach Euler/Severing (2006, S. 46 ff.), d. h. in Form von Ausbildungsbausteinen, realisiert werden könnten, ohne hierbei das Berufsprinzip als grundständiges Organisationsprinzip zu erodieren. Die Ganzheitlichkeit und Stringenz der Ausbildungsgänge bliebe erhalten, gleichzeitig bestünde jedoch die Möglichkeit, diese flexibler zu gestalten. Zudem bietet eine modulare Struktur der curricularen Vorgaben die Möglichkeit der individuellen und flexiblen Gestaltung von Kompetenzprofilen im Rahmen standardisierter Qualifikationen. An dieser Stelle sei nochmals auf das Satellitenmodell des DIHT verwiesen sowie auf bereits dargestellte Modelle einer neuen Beruflichkeit, in welchen eine inhaltliche und zeitliche Gestaltungsfreiheit gefordert wird, die eine Individualisierung und Flexibilisierung hinsichtlich der Lerninhalte impliziert. Potenzial zur Ausgestaltung derart strukturierter Ausbildungsordnungen bieten die training packages, da sie eine einheitliche Gesamtqualifikation anstreben, wobei aufgrund der Wahlmöglichkeiten jedoch die Möglichkeit besteht, spezialisierte und individualisierte Kompetenzprofile zu generieren. Derartige Ansätze sind bereits in neugeordneten Ausbildungsberufen zu erkennen, in denen Kern- und Wahlbereiche (bspw. IT-Berufe) oder Fachrichtungen (bspw. Zweiradmechaniker) eine gewisse Flexibilität in der Gestaltung von Qualifikationsprofilen ermöglichen (BMBF, 2007, S. 167). Diese könnten jedoch nach Vorbild der training packages noch weiter flexibilisiert werden, indem die Wahlbereiche ausgeweitet und somit eine größere Spezialisierungsmöglichkeit geschaffen würde. Eine modulbezogene Prüfung und Zertifizierung dieser Wahlbereiche würde durch die Möglichkeit der Anrechenbarkeit zudem den Weg für weiterführende Bildungsmaßnahmen bereiten. Der dritte Aspekt ist, dass die Entwicklung von Kompetenzstandards gemäß den Anforderungen der Wirtschaft die bedarfsgerechte Qualifizierung und bessere Abstimmung von Angebot und Nachfrage qualifizierter Arbeitskräfte sichert. Dieser Aspekt bietet Potenzial für eine ziel- und bedarfsgerechte duale Berufsausbildung und wirkt der Kritik entgegen, dass im deutschen Kontext aufgrund der starren und nicht zeitgemäßen Berufsbilder nicht den Anforderungen des Arbeitsmarktes entsprechend ausgebildet würde. Insbesondere für die schulischen Curricula ist hier ein Potenzial zu sehen. Dies muss nicht bedeuten, dass lediglich fachtheoretische Inhalte in der Berufsschule vermittelt werden sollen, sondern vielmehr, dass allgemeinen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnissen, die sowohl im Arbeitsleben als auch im gesellschaftlichen Leben erforderlich sind, größere Aufmerksamkeit geschenkt wird.
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Diese Tendenz ist bereits in der Neustrukturierung schulischer Lehrpläne nach Lernfeldern zu erkennen, die das bestehende und oft kritisierte Fächerprinzip aufheben und sich an ganzheitlichen Handlungssituationen in Geschäfts- und Arbeitsprozessen orientieren (Bader, 2004b, S. 14; Kremer, 2003a, S. 2). Mit den Lernfeldern soll somit nicht nur der gemeinsame Bildungsauftrag erfüllt, sondern durch einen stärkeren Praxisbezug auch die Berufsfähigkeit im Sinne beruflicher Handlungskompetenz vermittelt werden (KMK, 2000, S. 9). Lernfelder bewirken jedoch nicht nur hinsichtlich des Ordnungsprinzips curricularer Vorgaben einige Veränderungen, so besteht auch der Anspruch, der inhaltlichen Trennung schulischer und betrieblicher Ausbildungsinhalte entgegenzuwirken, was jedoch nur durch eine verstärkte Kooperation zwischen den Ausbildungsorten realisiert werden könne (Kremer, 2003a, S. 4; Pätzold/Wahle, 2003, S. 481). Grundsätzlich ist eine Ausweitung allgemeiner, in Arbeitsprozessen notwendiger Kompetenzen sowohl in schulischen als auch in betrieblichen Curricula zu verankern. Dies ließe sich nach dem Vorbild der training packages konkretisieren, im Rahmen derer die key competencies bzw. employability skills curricular integriert werden und deren Erwerb in handlungsorientierten und lernerzentrierten Lernumgebungen forciert wird. Ad 2.) Kritiker des dualen Systems prangern die hohe Anzahl an Ausbildungsberufen an und fordern eine Verringerung durch Entspezialisierung und Zusammenfassung zu Berufsgruppen nach einem „Berufsgruppenprinzip“, wie es bspw. die BDA fordert (BDA, 2006, S. 4 f.). Das BMBF spricht sich diesbezüglich für eine mögliche Zusammenfassung von Berufsgruppen oder Berufsfamilien über gemeinsame Kernqualifikationen aus (BMBF, 2007, S. 16). Aufgrund ihrer flexiblen Struktur ermöglichen die training packages trotz der einheitlichen Kernmodule spezialisierte Kompetenzprofile, die derzeit in 72 Wirtschaftsbranchen etabliert sind. Ausbildungsberufe führen zu einer anerkannten Qualifikation, dem Ausbildungsabschluss, der nicht nach unterschiedlichen Leistungsstufen differenziert wird. Die training packages hingegen ermöglichen aufgrund ihrer Anbindung an den AQF den Erwerb von Qualifikationen in einer Wirtschaftsbranche auf verschiedenen Leistungsstufen. Die Qualifikationen reichen je nach training package vom Certificate I bis zum Advanced Diploma. Diese Binnendifferenzierung bietet Potenzial für die ungestuften Ausbildungsberufe, insbesondere vor dem Hintergrund des Europäischen Qualifikationsrahmens. Mit ihr einhergehen würde eine Form der Modularisierung, wie sie in aktuellen Reformvorschlägen gefordert wird (u. a. Euler/Severing, 2006; Baethge/Solga/Wieck, 2007), die jedoch über ein Sequenzierungsmodell hinausgehen und eine Partialprüfung und -zertifizierung ermöglichen müsste. Ad 3.) Hinsichtlich der Qualifizierungswege bietet der CBT-Ansatz die flexible
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und individuelle Gestaltung der Lernprozesse bei öffentlichen oder privaten Anbietern, in Unternehmen oder im Rahmen einer Kombination verschiedener Lernorte. Diese Gestaltungsfreiheit kann als Anregung für die vergleichsweise gering ausgeprägte Flexibilität in Lernortkooperationen der dualen Berufsausbildung gesehen werden. Ein besonderes Potenzial bieten die kooperativen Ansätze der VET-inschools-Programme und school-based new apprenticeships sowie die Möglichkeit der Doppelqualifizierung. Auch die Kooperationen zwischen TAFE-Instituten und Universitäten bieten eine bessere Verzahnung von Berufsbildung und Hochschulbildung und somit mehr Durchlässigkeit im Bildungssystem. Die flexible-entryand-exit-Philosophie des CBT-Ansatzes ist für die duale Berufsausbildung hervorzuheben, da mit ihr die zeitliche Gestaltung eines beruflichen Lernprozesses nicht durch strikte Ausbildungszeiten eingeschränkt und der Zugang nicht nur für Schulabgänger, sondern insbesondere für Arbeitnehmer, die sich in einem Beschäftigungsverhältnis befinden, erleichtert wird. Der flexible Zugang birgt jedoch nicht nur für die duale Berufsausbildung, sondern insgesamt für den Berufsbildungssektor Potenzial, da durch ihn die Möglichkeit des lebenslangen Lernens und die Verzahnung von Erstausbildung und Weiterbildung einerseits und von schulischen, universitären und berufsbildenden Qualifizierungswegen andererseits gegeben wäre. Notwendig hierfür ist jedoch ein standardisiertes Anrechnungsverfahren, wie es bspw. der RPL-Prozess darstellt, bei dem Kompetenzmodule innerhalb einer dualen Berufsausbildung, aber auch in weiterführenden Bildungsmaßnahmen sektorintern und sektorübergreifend angerechnet werden können. Eine Flexibilisierung der Qualifizierungswege in der dualen Berufsausbildung ist insbesondere vor dem Hintergrund der Einführung des ECVET-Systems zu beachten. Dabei ist die standardisierte Festlegung von Kreditpunkten für Kompetenzmodule nach Vorbild des CBT-Ansatzes von Bedeutung, wodurch die Lernweg- und Lernortunabhängigkeit gefördert wird. Im ECVET-System soll zudem die Anerkennung informell erworbener Kompetenzen verankert werden (Schopf, 2005, S. 6), wobei ein Akkreditierungsverfahren nach Vorbild des RPL-Prozesses implementiert werden könnte. Die Lernprozess-Ebene Auch hinsichtlich der Lernprozesse in der dualen Berufsausbildung lassen sich einige Problemindikatoren identifizieren, wobei es grundsätzlich zwischen den betrieblichen und den schulischen Lernprozessen zu differenzieren gilt: Erstens liegen den Lernprozessen in der dualen Berufsausbildung konstruktivistische Lerntheorien zugrunde, was sich u. a. in einer starken Input- und Prozessorientierung und dem Anspruch auf ganzheitliche Lernprozesse zeigt und als positiv zu betrachten ist. Forciert werden konstruktivistische Ansätze durch das Postulat der Hand-
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lungsorientierung, welches insbesondere im betrieblichen Lernprozess realisiert wird, jedoch im schulischen Lernprozess auf Implementationsprobleme stößt. Das Lernfeldkonzept soll dieser Problematik begegnen; daher besteht der Anspruch einer ganzheitlichen Erfassung komplexer Probleme und Anforderungen aus der Arbeitswelt (KMK, 2000, S. 10). Problematisch ist jedoch die Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität in der Berufsbildungspraxis (Czycholl/Klusmeyer, 2003, S. 210; Klusmeyer/Pätzold, 2005, S. 13). Somit wird hinsichtlich der Methodik in der dualen Berufsausbildung die Handlungsorientierung sowohl für das praktische Lernen im Betrieb als auch für das primär theoretische Lernen in der Berufsschule als Grundsatz deklariert. Der Lernort Betrieb kann diesen Grundsatz weitestgehend erfüllen, da anhand konkreter Arbeitsprozesse und im Rahmen konkreter Arbeitssituationen gelernt wird. Der Lernort Berufsschule weist diesbezüglich einige Defizite auf – trotz der Forderung nach handlungsorientierten und lernerzentrierten Methoden im Berufsschulunterricht. Obgleich die Bedeutung handlungsorientierter Methoden nicht angezweifelt wird, entspricht die Anwendung in den Lernprozessen nicht dem Anspruch, der diesbezüglich an die Lehrenden gestellt wird (Pätzold/Wingels/Klusmeyer, 2003, S. 128). Zweitens sind Leistungsmessung und Zertifizierung in der dualen Berufsausbildung standardisiert und sorgen für Transparenz und Anerkennung. Die Prüfungen in den Berufsschulen sind abschnittsweise und zumeist theoretische Prüfungen in Form von Klassenarbeiten; die Prüfungen der zuständigen Stellen beinhalten in der Regel eine Zwischen- und eine Abschlussprüfung, die fachtheoretisches Wissen prüfen und teilweise durch eine Projektarbeit ergänzt werden. Der Fokus liege aufgrund der vorherrschenden kenntnisorientierten Prüfungsstruktur jedoch, so Stender, auf dem Nachweis von Fachwissen (Stender, 2006a, S. 22). Als Problem des differenzierten Prüfungssystems kann der daraus resultierende unterschiedliche Stellenwert der Prüfungen und der jeweils ausgestellten Zertifikate angesehen werden. Für die Betriebe und für die spätere berufliche Laufbahn ist das Zeugnis der zuständigen Stellen bzw. das Arbeitszeugnis von größerer Bedeutung, während dem Berufsschulzeugnis kaum Beachtung geschenkt wird, was den unterschiedlichen Stellenwert der beiden Lernorte, Schule und Betrieb, noch verstärke (Rottmann, 2003, S. 358). Ein weiterer Problemaspekt in der Leistungsmessung besteht darin, dass nur begrenzt die Möglichkeit der individuellen und abschnittsweisen Prüfungen insbesondere im schulischen und betrieblichen Teil der Berufsausbildung bestehen. Vor allem im Rahmen des betrieblichen Teils bedeutet dies, dass der individuelle Lern- und Entwicklungsprozess nicht explizit durch eine kontinuierliche Leistungsmessung abgebildet wird, sondern dass es sich um „Zufallsleistungen“ zu einem spezifischen Zeitpunkt handelt (Stender, 2006b, S. 192). Kritisiert wird zudem, dass faktisch lediglich die Abschlussprüfung von Bedeutung ist
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und die Zwischenprüfung für die Auszubildenden nicht zu einem Zertifikat führt und somit oftmals als belanglos betrachtet wird (ebenda, 2006a, S. 22). Dies hat weiterhin zur Folge, dass bei Ausbildungsabbruch weder ein Zeugnis noch ein anderer Leistungsnachweis ausgestellt und damit auch keine Anrechnung von Teilleistungen auf eine folgende Ausbildung ermöglicht wird (Euler/Severing, 2006, S. 47). Ein weiterer Kritikpunkt lässt sich dahingehend artikulieren, dass laut Berufsbildungsgesetz die berufliche Handlungsfähigkeit durch die Prüfungen nachzuweisen ist, was jedoch in der punktuellen Abschlussprüfung nur begrenzt realisiert werden kann. Somit besteht ein Handlungsbedarf in der Umsetzung handlungsorientierter Prüfungen, was zum einen einer wissenschaftlichen Fundierung und Erprobungsverfahren bedarf und zum anderen einer entsprechenden Fortbildung der Lehrkräfte (Allendorff, 2004, S. 276). Den dritten Problemaspekt stellt die fehlende Anerkennung informell erworbener Kompetenzen sowie informeller Kompetenzen dar, die aus dem hohen Standardisierungs- und Formalisierungsgrad resultiert (BDA, 2006, S. 9). Wenngleich ein Konsens darüber besteht, dass informelle Kompetenzen in einer vom rapiden technologischen Wandel geprägten Arbeitswelt von enormer Bedeutung sind, so gibt es bislang keine flächendeckend operationalisierten Verfahren zu deren Erfassung. Auch hinsichtlich der Erfassung informell erworbener Kompetenzen stellt die deutsche Berufsausbildung ein Schlusslicht im internationalen Kontext dar (Pilz/Hellwig, 2007, S. 84). Lediglich im Rahmen der Weiterbildung wurden in diesem Bereich verschiedene Initiativen gegründet, wenngleich auch dort hinsichtlich der nachhaltigen und flächendeckenden Implementation weiterer Handlungsbedarf besteht (u. a. BMBF, 2004; Frank/Gutschow/Münchhausen, 2005). Vor dem Hintergrund dieser Problemindikatoren lassen sich weitere Potenzialaspekte identifizieren, die sich wie folgt zusammenfassen lassen: 1. Methodenvielfalt durch handlungsorientiertes Lernen in Simulationen und/ oder am Arbeitsplatz 2. Kontinuierliche, individuelle Leistungsmessung von fachlichen, sozialen und personalen Kompetenzen 3. Erfassungsprozess informeller und informell erworbener Kompetenzen Ad 1.) Potenzial bietet der CBT-Ansatz im Hinblick auf seine Methodenvielfalt und freie methodische Gestaltung beruflicher Lernprozesse. Die praktischen Kompetenzeinheiten werden in Simulationen handlungsorientiert vermittelt und mit theoretischen Inhalten gekoppelt, da keine Trennung von Theorie und Praxis, wie es die duale Berufsausbildung vorsieht, vorgenommen wird. Vielmehr orientiert
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sich die methodische Gestaltung an realen Arbeitsaufgaben und -umgebungen, um dem Anspruch auf Befähigung zur Bewältigung konkreter und umfassender Tätigkeiten am Arbeitsplatz gerecht zu werden. Auch für die duale Berufsausbildung wird dieser Anspruch durch die Zielgröße der beruflichen Handlungskompetenz formuliert, jedoch weist der Weg zum Erwerb beruflicher Handlungskompetenz im Gegensatz zum CBT-Ansatz Unterschiede auf. Im betrieblichen Teil der dualen Berufsausbildung erfolgt eine handlungsorientierte Vermittlung fachpraktischer Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse, für den schulischen Teil kann bezüglich handlungsorientierten Lernens jedoch Handlungsbedarf konstatiert werden – auch wenn mit den Lernfeldern die curriculare Basis für handlungsorientiertes Lernen geschaffen wurde. Dass eine praxisnahe und handlungsorientierte Vermittlung beruflicher Inhalte auch in einem schulischen Kontext möglich ist, beweisen die TAFE-Institute. Eine Umsetzung der Handlungsorientierung nach Vorbild der TAFE-Institute bedarf jedoch einer weitreichenden insbesondere materiellen Ausstattung in Form von Lehrwerkstätten, simulierten Arbeitsplätzen und computergestützten Lernumgebungen. Ad 2.) Die individuelle Prüfung einzelner Kompetenzeinheiten bietet eine kontinuierliche Leistungsmessung und -bewertung, welche eine Ausweitung der gestreckten Abschlussprüfungen in der dualen Berufsausbildung bedeuten würde und sich im Sinne von ausbildungsbausteinbezogenen Prüfungen realisieren ließe (BDA, 2006, S. 6 ff.; BMBF, 2007, S. 163; Euler/Severing, 2006, S. 61 ff.). Eine nach Vorbild des dem CBT-Ansatzes inhärenten assessment on demand hätte den Erwerb von Teilqualifikationen bei Abbruch einer Qualifizierungsmaßnahme zur Folge, die zum einen bereits auf dem Arbeitsmarkt verwertbar sind und zum anderen auf eine weiterführende Maßnahme angerechnet werden können. Somit würde die Flexibilität innerhalb der dualen Berufsausbildung erhöht und die Möglichkeit der Anerkennung von Teilqualifikationen aus einer Berufsvorbereitungsmaßnahme auf die duale Berufsausbildung sowie die Anerkennung von Modulen aus der dualen Berufsausbildung auf eine Weiterbildungsmaßnahme, wie von Euler/Severing gefordert (2006, S. 69 ff.), bereitet. Ein weiterer Potenzialaspekt, den die Prüfungs- und Zertifizierungspraxis des CBT-Ansatzes birgt, ist die Individualisierung. Der individuelle Lernfortschritt wird durch die Prüfung und Zertifizierung einzelner Kompetenzmodule kontinuierlich dokumentiert, wodurch Transparenz sowohl für den Lernenden als auch für den Lehrenden gewährleistet wird. Hinzu kommt, dass Prüfungen innerhalb des Lernprozesses und somit in realen oder simulierten Arbeitsplatzsituationen durchgeführt werden, was dazu führt, dass nicht nur die erforderlichen Fachkompetenzen geprüft und zertifiziert werden, sondern auch allgemeine und umfassende personale und soziale Kompetenzen, die in einer Arbeitssituation erforderlich sind. Somit wird im CBT-Ansatz
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eine umfassende und individuelle Leistungsmessung und -bewertung avisiert, welche die Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse des Lernenden in konkreten Arbeitssituationen misst. Die Umsetzung dieser Prüfungs- und Zertifizierungspraxis in der dualen Berufsausbildung hätte eine Abkehr von punktuell angelegten, wissensbasierten und Fachkompetenzen fokussierenden Prüfungen zur Folge, wobei der höhere Zeitaufwand bereits in der Gestaltung beruflicher Lernprozesse berücksichtigt werden müsste. Ad 3.) Einen weiteren Potenzialaspekt bietet der CBT-Ansatz im Bereich der Erfassung informell erworbener Kompetenzen und der Akkreditierung von key competencies durch den RPL-Prozess. Die duale Berufsausbildung weist diesbezüglich Handlungsbedarf auf, da Ansätze sowohl zur Erfassung informeller und informell erworbener Kompetenzen bislang nur rudimentär aufzufinden sind (u. a. Pilz/Hellwig, 2007, S. 85). Das neue Berufsbildungsgesetz ermöglicht zwar die Anerkennung von Zusatzqualifikationen sowie den Zugang zur Kammerprüfung außerhalb der dualen Berufsausbildung in Form der Externenprüfung formal (Euler/Severing, 2006, S. 83), die Praxis divergiert hiervon jedoch, und der Weg zu einem anerkannten Ausbildungsberuf erfolgt in der Regel über die standardisierte, formalisierte und reglementierte Berufsausbildung. Der RPL-Prozess kann als Lösungsansatz, insbesondere hinsichtlich des Anspruchs auf Übereinstimmung und Prüfung informell erworbener Kompetenzen mit den in den training packages verankerten Kompetenzmodulen dienen, durch die sichergestellt wird, dass alle erforderlichen Kompetenzen erworben, geprüft und zertifiziert werden. Anzumerken ist jedoch, dass die Durchführung des RPL-Prozesses durch die modularen Struktur der training packages erleichtert wird, da einzelne Kompetenzmodule anerkannt werden können, was in ganzheitlichen Curricula, wie sie die duale Berufsausbildung vorsieht, eine Schwierigkeit darstellt. Auch hinsichtlich der Erfassung informeller Kompetenzen bietet die modulare Struktur eine hilfreiche Grundlage, da diese als Kompetenzmodule definiert und in konkreten Prüfungs- und Zertifizierungssituationen, in denen fachliche Kompetenzaspekte geprüft werden, explizit oder integrativ geprüft und bewertet werden können. Somit wird auch hier deutlich, dass der CBT-Ansatz grundsätzlich Potenzial bietet, jedoch mit den bestehenden Strukturen und Rahmenbedingungen bezüglich didaktisch-curricularer Vorgaben nur begrenzt vereinbar ist, was wiederum für eine Flexibilisierung curricularer Vorgaben spricht. Fazit Abschließend kann konstatiert werden, dass die starke Reglementierung auf der ordnungspolitisch-organisatorischen und didaktisch-curricularen Ebene Auswir-
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kungen auf die Lernprozess-Ebene hat. Standardisierung bezüglich der Lernorte, Lerninhalte, Leistungsmessung und Zertifizierung sind die Folge und führen einerseits zu Homogenität und Transparenz, andererseits zu mangelnder Flexibilisierung und Individualisierung. Dies trifft primär auf die stark in der Kritik stehende Berufsschule und den diesbezüglich angemahnten Reform- und Flexibilisierungsbedarf zu (u. a. BDA, 2006, S. 3), wodurch die Grundsätze des Dualitätsprinzips infrage gestellt werden. Negative Auswirkungen des hohen Standardisierungs-, Reglementierungs- und Formalisierungsgrades zeichnen sich darüber hinaus im Kontext der informellen Kompetenzen sowie in der Anerkennung informell erworbener Kompetenzen ab, was einen diesbezüglichen Handlungsbedarf aufzeigt, im Rahmen dessen der CBT-Ansatz Veränderungs- und Reformpotenzial bietet. Die folgende Potenzialmatrix (Abbildung 5.7) lässt sich für die duale Berufsausbildung als Ergebnis festhalten.
Problemindikator in der dualen Berufsausbildung
Oftmals Rückgriff auf „traditionelle“ Methoden u. a. aus Zeit- und Ressourcenmangel Keine individualisierten oder praktische Prüfungen am Arbeitsplatz; primär Messung und Bewertung von Fachkompetenzen Keine standardisierten Verfahren; Bsp. Kompetenzbilanz und Profilpass
Abbildung 5.7.: Potenzialmatrix für die duale Berufsausbildung
Erfassung informeller und informell erworbener Kompetenzen
Leistungsmessung
Lernprozess-Ebene Methodik
Didaktisch-curriculare Ebene Curricula Langer Entwicklungsprozess, nur bedingte Flexibilisierung durch begrenzte Wahlmöglichkeiten Qualifikationen Keine Möglichkeit der individuellen Qualifikationsgestaltung; keine Binnendifferenzierung Qualifizierungswege Flexible und individualisierte Qualifizierungswege nur eingeschränkt möglich
Ordnungspolitisch-organisatorische Ebene Offener Mangelnde Flexibilität in Lernortkooperationen Ausbildungsmarkt außerhalb anerkannter qualifizierender Institutionen Qualitätssicherung Kein standardisiertes Qualitätsmanagement, trotz durch externe systemimmanenter Mechanismen können Defizite Standards auftreten FinanzierungsAbnehmende Investitionen der Unternehmen, mechanismen Ausbildungsplatzrückgang
Curriculare Verankerung und standardisierte Akkreditierungsverfahren
Individualisiert, flexibel und praxisnah; kontinuierlicher Dokumentation
Handlungsorientiert, praxisnah, lernerzentriert
Transparenz und Vergleichbarkeit, flexibel und anpassungsfähig, Anforderungen der Wirtschaft Spezialisierungsmöglichkeiten durch Kompetenzmodule; Differenzierung nach Leistungsstufen Flexibilität und Individualität, lebenslanges Lernen
Staatliche bedarfs- und zielgerechte Finanzierung
Standardisierte und national einheitliche Rahmenvorgaben externer Qualitätssicherung
Wettbewerb unter den Anbietern
Potenzialaspekt des CBT-Ansatzes
5.3. Potenzialanalyse für die Realisierungsformen von Kompetenz- und Berufsprinzip
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5.3.3. Zwischenfazit Die Potenzialanalysen haben gezeigt, dass beide Qualifizierungsansätze Verbesserungspotenzial bergen, bestehende Schwächen, Problemaspekte und Defizite zu beseitigen. Anhand der Drei-Ebenen-Differenzierung wird zudem deutlich, dass auf den jeweiligen Untersuchungsebenen unterschiedliche Potenzialaspekte identifiziert werden können, die eine unterschiedliche Reichweite hinsichtlich des Veränderungspotenzials haben und gleichzeitig nicht isoliert betrachtet werden können. Wenngleich bspw. auf der ordnungspolitisch-organisatorischen Ebene aufgrund bestehender Strukturen und Prinzipien das Veränderungspotenzial eingeschränkt ist, haben Reformen auf dieser Ebene zumeist große Auswirkungen auf die didaktisch-curriculare Ebene sowie auf die der Lernprozesse. So würde bspw. die Etablierung eines Konsensprinzips für die australische Bildung bedeuten, dass auf ordnungspolitisch-organisatorischer Ebene eine breitere Basis für Entscheidungsprozesse bestehen würde und somit die Ungleichgewichte in der Interessenvertretung nivelliert werden könnten. Dies hätte jedoch eine Abkehr vom industryled system zur Folge und würde sich insbesondere auf die curriculare Gestaltung und inhaltliche Ausrichtung der Kompetenzstandards auswirken, die wiederum Änderungen auf der Lernprozess-Ebene zur Folge hätten. Eine stärkere Standardisierung und Reglementierung auf ordnungspolitisch-organisatorischer Ebene nach dem Vorbild der dualen Berufsausbildung würde die Etablierung eines nationalen Berufsbildungssystems, wie es die Commonwealth-Regierung avisiert, begünstigen, hätte jedoch eine Abkehr von der CBT-Philosophie im Sinne der Individualisierung und Flexibilisierung zur Folge und würde durch eine stärkere Formalisierung der training packages die Flexibilität in der Gestaltung der Lernprozesse einschränken. Auch für den deutschen Kontext lassen sich auf ordnungspolitisch-organisatorischer Ebene aus dem CBT-Ansatz Veränderungspotenziale hervorheben, die Auswirkungen auf die didaktisch-curriculare sowie auf die Lernprozess-Ebene haben. So stellt die Philosophie des open training market im CBT-Ansatz ein dem Dualitätsprinzip konträres ordnungspolitisches Strukturprinzip dar und bietet dennoch bis zu einem gewissen Grad Veränderungspotenzial für die duale Berufsausbildung. Die ausgeprägte Reglementierung der Ausbildungsträger in der dualen Berufsausbildung verhindert flexible Lernortkooperationen und die daraus resultierende Rigidität und Restriktivität in der Ausbildungsgestaltung gibt oftmals Anlass zur Kritik. Wenngleich eine Öffnung des Ausbildungsmarktes in Deutschland aufgrund des Dualitätsprinzips unmöglich erscheint, so bietet die Ausweitung von außer- und überbetrieblichen Ausbildungsstätten sowie von Verbundausbildungen Veränderungspotenzial zum einen in Regionen mit fehlender institutio-
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neller Infrastruktur, zum anderen zur inhaltlichen Supplementierung bestehender Ausbildungsgänge. Der offene Ausbildungsmarkt erfordert jedoch flächendeckende Qualitätssicherungsmechanismen, die ergänzend zur systemimmanenten Qualitätssicherung der dualen Berufsausbildung implementiert werden müssten. An beruflichen Schulen wird die Forderung nach einheitlichen Qualitätsstandards bereits geäußert, für deren Gestaltung der AQTF Potenzial bieten kann. In didaktisch-curricularer Hinsicht lassen sich verschiedene Veränderungspotenziale sowohl für den CBT-Ansatz als auch für die duale Berufsausbildung festhalten. Grundsätzlich stehen auch hier die Aspekte Standardisierung und Homogenität in der dualen Berufsausbildung dem Flexibilitäts- und Individualitätsanspruch sowie der Deregulierung und Deinstitutionalisierung des CBT-Ansatzes gegenüber. Schlussfolgernd lässt sich sagen, dass ein zu hoher Standardisierungsgrad die Homogenität und Vergleichbarkeit sichert, jedoch die individuelle Gestaltungsfreiheit und Anpassungsmöglichkeit einschränkt. Demgegenüber ist auch ein zu hoher Flexibilisierungs- und Individualisierungsgrad problematisch, der zu Heterogenität und mangelnder Transparenz von Qualifikationen und Qualifizierungswegen führt. Für die duale Berufsausbildung hätte eine Reduzierung des Standardisierungsgrades die Möglichkeit einer flexibleren und individuelleren Gestaltung von Qualifikationen und Qualifizierungswegen innerhalb vorgegebener Standards und Rahmenbedingungen, die in den Ausbildungsordnungen bzw. Rahmenlehrplänen definiert sind, zur Folge. Voraussetzung hierfür ist jedoch die Modularisierung bestehender curricularer Vorgaben im Sinne eines Differenzierungs- oder Supplementierungsansatzes, die eine anerkannte Gesamtqualifikation mit individuellen Spezialisierungswegen ermöglicht. Eine noch stärkere Flexibilisierung würde die Einführung einzeln geprüfter und zertifizierter Module im Sinne der training packages bewirken, die jedoch eine Abkehr vom Postulat der Ganzheitlichkeit und Homogenität dualer Ausbildungsgänge zur Folge hätte. Eine Flexibilisierung ohne den Verlust der Ganzheitlichkeit bietet der Ansatz von Euler/Severing, die mit ihrem zweiten Modell eine Flexibilisierung durch geprüfte und zertifizierte Ausbildungsbausteine fordern, gleichzeitig jedoch die Abschlussprüfung zur Sicherung der Ganzheitlichkeit beibehalten wollen (Euler/Severing, 2006, S. 51). Ein konträres Szenario zeigt sich für den CBT-Ansatz, für den eine Zunahme des Reglementierungs- und Standardisierungsgrades Homogenität und Transparenz, gleichzeitig jedoch auch eine Einschränkung der Flexibilität bewirken würde. Eine solche Tendenz ist bereits festzustellen. So wurde für die Standardisierung der Qualifikationen der AQF implementiert; die Standardisierung der Qualifizierungswege soll durch den AQTF gesichert werden, wobei beide als formale national einheitliche Standardisierungsrahmen fungieren, deren Umsetzung auf lokaler Ebene jedoch aufgrund fehlender Überwachungs- und Kontrollmechanismen und bedingt
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durch die bundesstaatliche Zuständigkeit an ihre Grenzen stößt. Für ein weitgehend reglementiertes System, wie es die duale Berufsausbildung darstellt, kann die Einführung nationaler Qualitätsstandards nach Vorbild des AQTF jedoch von Nutzen sein, da die Implementation auf vergleichsweise homogene Strukturen und Zuständigkeiten stößt und systemimmanente Kontrollmechanismen für die Umsetzung einheitlicher Qualitätsstandards förderlich sind. Potenzial für die Umsetzung im Rahmen der dualen Berufsausbildung bietet das Konzept der competency standards, insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um Kompetenzstandards, welche zum einen im Kontext des europäischen Qualifikationsrahmens und des ECVET-Systems und zum anderen in Bezug auf nationale Leistungsvergleiche im Sinne eines Berufsbildungs-PISA geführt wird. Die aktuelle Diskussion um die Entwicklung eines ECVET-Systems fokussiert die Festlegung von Lernergebnissen mit der Annahme, dass sich deren Vergleichbarkeit und Transparenz im europäischen Kontext leichter gestaltet als ganzheitliche Berufsprofile (Becker et al., 2007, S. 17). Grundlage sind hierfür Arbeitsprozessbeschreibungen von Experten, die in einem spezifischen Kompetenzbereich ausgewiesen sind (ebenda, S. 19). Diese Vorgehensweise und die zugrunde liegenden Prämissen lassen Parallelen zu den Entwicklungsverfahren der competency standards – DACUM und Funktionsanalyse – erkennen. Sowohl die europäische als auch die deutsche Diskussion fokussiert bei der Entwicklung von Kompetenzstandards einen kompetenzanalytischen Ansatz und somit die Identifizierung von Kompetenzindikatoren (u. a. Baethge et al., 2006, S. 7), die für die Erfüllung von Aufgaben und Tätigkeiten erforderlich sind. In den competency standards wird dies bereits flächendeckend für die meisten Wirtschaftsbranchen und Industriezweige umgesetzt. Ein holistisches und subjektbezogenes Kompetenzkonstrukt, wie es die deutsche Berufsbildungsforschung und insbesondere die Weiterbildung lange Zeit propagierte, ist in diesem Zusammenhang nicht mehr geeignet, während das Konstrukt competency als ein kumulatives Kompetenzkonstrukt, das anhand externer objektiver Standards gemessen wird, Potenzial für die Operationalisierung beinhaltet. Potenzialaspekte, die für den CBT-Ansatz herangezogen werden können, sind zum einen die Standardisierung und Überwachung der Ausbildereignung und zum anderen die ebenfalls standardisierte und auf einem vergleichsweise hohen theoretischen Niveau angesiedelte Qualifikation der Lehrenden. Auch wenn die Lehrenden im CBT-Ansatz sowohl Ausbilder als auch Lehrer sind und über eine hohe fachliche Expertise verfügen, erscheint die universitäre Verankerung einer pädagogischen Qualifizierung für den Berufsbildungssektor sinnvoll und notwendig. Hinsichtlich der Gestaltung von Lernprozessen lassen sich sowohl für den CBTAnsatz als auch für die duale Berufsausbildung verschiedene Potenzialaspekte zu-
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sammenfassen. Ein Aspekt für den CBT-Ansatz ist die in der dualen Berufsausbildung verankerte Dualität der Lernorte, durch die sichergestellt wird, dass der praktische Teil der Berufsausbildung in einer realen Arbeitsumgebung erworben wird. Im CBT-Ansatz ist dies nicht determiniert, weshalb eine berufliche Qualifizierung auch ausschließlich off-the-job, d. h. ohne Bezug zur Arbeitssituation, stattfinden kann. Eine rigide Determinierung der Lernorte würde gegen den im CBT-Ansatz inhärenten Grundsatz der Lernortflexibilität verstoßen, weshalb eine Teilstandardisierung im Sinne einer flexiblen Kooperationsform zwischen Unternehmen und Anbietern und somit im Sinne des open training market eine Lösungsmöglichkeit aufzeigt. Im Gegensatz dazu bietet der CBT-Ansatz hinsichtlich der ganzheitlichen Vermittlung von Theorie und Praxis dahingehend Potenzial, als keine Trennung vorgenommen wird, sondern praktische und theoretische Inhalte zumeist integrativ in Simulationen vermittelt werden. Der Anspruch auf Ganzheitlichkeit und Integration besteht in der dualen Berufsausbildung ebenfalls, er wird aber aufgrund der oftmals mangelnden Lernortkooperation zumeist nicht erfüllt (Pätzold/Wahle, 2003, S. 477). Insbesondere für den schulischen Teil der dualen Berufsausbildung bietet die Methodenvielfalt und Gestaltungsfreiheit sowie die Realisierung handlungsorientierter und praxisnaher Lernprozesse Veränderungs- und Verbesserungspotenzial, um der Trennung zwischen Theorie und Praxis entgegenzusteuern. Hinsichtlich der Leistungsmessung steht die kontinuierliche Form im CBTAnsatz mit dem Anspruch auf Flexibilität und Individualität der ganzheitlichen Zwischen- und Abschlussprüfung in der dualen Berufsausbildung mit dem Anspruch auf Transparenz und Homogenität gegenüber. Ein höherer Standardisierungsgrad der Leistungsmessung durch einheitliche Prüfungsvorgaben und insbesondere die standardisierte Abschlussprüfung durch externe Prüfungsinstanzen würden die Transparenz und Akzeptanz beruflicher Qualifikationen im CBT-Ansatz erhöhen. Somit würde zudem das Transferproblem beruflicher Qualifikationen, das trotz AQF und AQTF artikuliert wird, gelöst und die Anerkennung von extern geprüften Teil- und Gesamtqualifikationen erleichtert. Auf der anderen Seite wäre eine Erhöhung des Flexibilisierungsgrades durch abschnittsweise Prüfungen in der dualen Berufsausbildung sinnvoll. Gleichzeitig ist die kontinuierliche Leistungsmessung während des Lernprozesses am Arbeitsplatz oder in Simulationen dahingehend als Ansatz für die duale Berufsausbildung zu erachten, als informelle Kompetenzen bewertet werden können, die in theoretischen Standardprüfungen nicht gemessen werden. Ein weiterer Aspekt im Zusammenhang mit der Flexibilisierung des Prüfungswesens betrifft den im CBT-Ansatz verankerten RPL-Prozess zur Akkreditierung informell erworbener Kompetenzen, durch die bestehende Ansätze flächendeckend manifestiert werden könnten.
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Zusammenfassend lassen sich folgende Aspekte der dualen Berufsausbildung hervorheben, die Potenzial zur Verbesserung des CBT-Ansatzes bieten: • DasKonsensprinzip kann eine breitere Basis der Entscheidungsfindung schaffen, in der nicht nur die Interessen der Wirtschaft vertreten werden, sondern in die auch die Expertise der Berufsbildungsforschung und der Berufsbildungspraxis einbezogen wird, wodurch eine praxisnahe und arbeitsmarktrelevante, gleichzeitig aber auch pädagogisch fundierte Berufsbildung realisiert werden kann. Insbesondere in den Entwicklungs- und ReviewProzessen der training packages ließe sich ein Konsensprinzip institutionalisieren. • Ein erhöhter Standardisierungsgrad kann zur Harmonisierung in den Organisationsstrukturen beitragen und zu einer auf Commonwealth-Ebene verankerten Berufsbildung führen. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der mutual recognition sowie des Transfers von Gesamt- und Teilqualifikationen von Relevanz. • Die Standardisierung von Qualifizierungswegen durch verbindliche zeitliche Vorgaben für den Erwerb einzelner Kompetenzmodule bietet Potenzial für mehr Transparenz und Vergleichbarkeit der Lernprozesse. Standardisierte und von externen Instanzen durchgeführte Prüfungen, wie sie bei den Abschlussprüfungen in der dualen Berufsausbildung zur Anwendung kommen, können zur Transparenz und Akzeptanz beruflicher Qualifikationen beitragen und deren Anerkennung über die Grenzen der States/Territories hinweg sowie zwischen den Anbietern erleichtern. • Die standardisierte Lehrerbildung und gesetzlich reglementierte Ausbildereignung nach Vorbild der dualen Berufsausbildung kann ein einheitliches Qualitätsniveau bei den öffentlichen und privaten RTOs erwirken, insbesondere der Erwerb einschlägiger pädagogischer Fachkenntnisse kann dabei als Standard determiniert werden. • Der CBT-Ansatz avisiert den Erwerb von Kompetenzen, die zur Bewältigung konkreter Anforderungen und Tätigkeiten am Arbeitsplatz erforderlich sind. Hierbei stehen Praxisnähe und Arbeitsplatzbezug im Vordergrund, was jedoch in schulischen bzw. simulierten Lernumgebungen bei den TAFEInstituten und den privaten RTOs nicht gewährleistet werden kann, weshalb eine stärkere Kooperation im Sinne einer Lernortdualität Verbesserungspotenzial bietet.
5.3. Potenzialanalyse für die Realisierungsformen von Kompetenz- und Berufsprinzip
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Im Gegensatz dazu sind folgende Aspekte des CBT-Ansatzes hervorzuheben, die zur Verbesserung der dualen Berufsausbildung beitragen können: • Das Prinzip des open training market bietet Potenzial für die Ausweitung von Lernortkooperationen zwischen Betrieben, Berufsschulen, außer- und überbetrieblichen Lernorten sowie für eine stärkere Positionierung der Berufsschule als gleichwertigen Partner in der dualen Berufsausbildung. Dieser Ansatz ist vor dem Hintergrund einer Erweiterung von Ausbildungsverbünden zwischen Unternehmen sowie zwischen Unternehmen und freien Bildungsträgern zu verfolgen. • Externe Qualitätsstandards, wie sie im AQTF verankert sind, stellen einen Potenzialaspekt für die Entwicklung und Etablierung eines externen Qualitätssicherungsinstruments dar, insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um die Einführung eines Qualitätsmanagements an beruflichen Schulen. • Das Konzept der competency standards kann als Grundlage für die derzeit geführte Diskussion um Bildungsstandards in der Berufsbildung dienen und insbesondere vor dem Hintergrund aktueller europäischer Entwicklungen wie den EQR und ECVET, aber auch die Diskussion um ein BerufsbildungsPISA. • Das Konzept der training packages bietet Potenzial für die Entwicklung kompetenzbasierter, modularer Ausbildungsordnungen, die einen – innerhalb vorgegebener Standards – flexiblen und individualisierten Qualifizierungsprozess ermöglichen. Bestehende Flexibilisierungsmodelle wie die Ausbildungsbausteine können diesbezüglich als Grundlage dienen, die jedoch dahingehend ausgeweitet werden könnten, dass Module einzeln geprüft und zertifiziert werden und somit nicht nur eine Anrechenbarkeit auf weiterführende Bildungsmaßnahmen, sondern auch die Verwertbarkeit auf dem Arbeitsmarkt ermöglichen. • Die flexiblen Prüfungsstrukturen des CBT-Ansatzes stellen eine Grundlage für die Entwicklung kontinuierlicher Leistungsmessungsverfahren sowie für die Zertifizierung einzelner Kompetenzmodule und den damit verbundenen Erwerb von Teilqualifikationen dar. Die flexiblen Prüfungsstrukturen tragen zudem zur Anrechenbarkeit einzelner Module aus vorangegangenen bzw. für folgende Qualifizierungsmaßnahmen bei. Auch dies ist vor dem Hintergrund aktueller Flexibilisierungsmodelle und insbesondere vor dem Konzept der gestreckten Abschlussprüfung zu betrachten. Auch hier ist eine
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Ausweitung in Bezug auf den Partialisierungsgrad der einzeln geprüften und zertifizierten Ausbildungsmodule konkretisierbar. • Der Prozess der Erfassung informell erworbener Kompetenzen durch RPL sowie die curriculare Verankerung von informellen Kompetenzen und deren Prüfung in realen oder simulierten Arbeitsprozessen geben Anregung für die derzeitige Diskussion um Akkreditierungsverfahren informeller und informell erworbener Kompetenzen – insbesondere im Kontext des ECVETSystems.
6. Schlussbetrachtung Um abschließende Thesen aus der Untersuchung ableiten zu können, werden zunächst die zentralen Ergebnisse der Untersuchung nochmals zusammengefasst. Im ersten Teil der Arbeit führte die begriffstheoretische Auseinandersetzung mit dem deutschen und angelsächsischen Kompetenzbegriff sowie die Gegenüberstellung der Begriffe Kompetenz und competency zunächst zu dem Ergebnis, dass eine große Heterogenität in den Definitionen und theoretischen Zugängen vorzufinden ist. Vor diesem Hintergrund wurde für den deutschen Kontext ein Ansatz zur Systematisierung der Begriffsvielfalt entwickelt, in welchem zwischen einem kumulativen und einem holistischen Kompetenzbegriff und hinsichtlich des Verständnisses von Kompetenz als internalisiertes Potenzial, als externalisierte Verhaltensdisposition oder als Verbindung internalisierter und externalisierter Dispositionen differenziert wurde. Für den angelsächsischen Kontext wurde ebenfalls ein Systematisierungsansatz entwickelt, wobei als Grundlage die Wandlung des Kompetenzbegriffs diente, woraus eine Klassifizierung zwischen einem betrieblichfunktionalen, einem erweiterten betrieblich-funktionalen hin zu einem subjektbasierten Verständnis resultierte. Als Besonderheit konnte für die angelsächsische Kompetenzdiskussion die Differenzierung zwischen competence und competency sowie damit verbundene Input- und Outcomemodelle herausgearbeitet werden, wobei als Ergebnis zum einen die Inkonsistenz in der Verwendung und Definition der Begriffspaare festgehalten werden konnte und zum anderen die Fragwürdigkeit der Trennung zwischen Input- und Outcomemodellen, die ebenfalls inhaltliche Inkonsistenzen bargen. Darüber hinaus wurde die politische und pädagogische Bedeutung des Begriffs competency eruiert. Dabei wurde die Bedeutsamkeit einerseits für die bildungspolitische Entscheidung zur Implementation des CBTAnsatzes und andererseits für das Konzept der competency standards sowie deren Struktur und Funktion als Grundpfeiler des CBT-Ansatzes herausgestellt. Ein Ergebnis, das aus den begriffstheoretischen Analysen von Kompetenz und competency resultierte, besteht in der konträren Entwicklung beider Begriffe. So war der Kompetenzbegriff im deutschen Kontext anfangs holistisch und subjektorientiert geprägt und wurde – auf konstruktivistischen Grundannahmen beruhend – als innere Handlungsbefähigung betrachtet, während competency anfangs auf behavioristischen Ansätzen rekurrierte, welche beobachtbare und messbare Fähigkeiten und Kenntnisse in den Vordergrund stellten, und somit dem Performanzbegriff gleichgesetzt wurde. Der Kompetenzbegriff im deutschen Kontext wandelte sich
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Schlussbetrachtung
vor dem Hintergrund der Kompetenzdiagnostik zunehmend zu einem kumulativen Kompetenzbegriff, der aufgrund einzelner Kompetenzindikatoren zu einem operationalisierbaren und anhand objektiver Standards messbaren Konstrukt wurde. Im Gegensatz dazu erfolgte im australischen Kontext eine Abkehr von behavioristischen Prinzipien, die zu einem ganzheitlichen und durch kognitive Ansätze ergänzten Kompetenzkonstrukt führte, das neben direkt beobachtbaren und messbaren Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse allgemeine Komponenten in Form von key competencies bzw. employability skills integrierte. Wenngleich der Performanzaspekt im Konstrukt competency noch immer eine zentrale Rolle spielt und auch im deutschen Kontext die Ganzheitlichkeit des Kompetenzbegriffs betont wird, konnte festgestellt werden, dass eine Annäherung beider Begriffe vorzufinden ist, was am Beispiel des Konstrukts berufliche Handlungskompetenz und dem Konstrukt competency im Sinne von knowledge, skills and attitudes illustriert werden konnte. Für die explizite Drei-Ebenen-Kontrastierung der Begriffe Kompetenz und competency wurden zunächst aus der begriffstheoretischen Auseinandersetzung Arbeitsdefinitionen abgeleitet und gegenübergestellt mit dem Ergebnis, dass zwischen dem Berufsbegriff und dem angelsächsischen Kompetenzbegriff Parallelen auf ordnungspolitisch-organisatorischer Ebene bestehen aufgrund der Eigenschaft, dass beide Begriffe eine Bedeutung hinsichtlich der Organisation und Strukturierung der Berufsbildung haben. Competency diente als Grundlage für die Einführung von CBT und verfügte somit über eine bildungspolitische Dimension im Sinne eines Organisations- und Strukturprinzips. Im deutschen Kontext erfüllt primär der Beruf diese Funktion; ferner konnte gezeigt werden, dass dem Konstrukt der beruflichen Handlungskompetenz in Bezug auf Gestaltungs- und Strukturierungsfragen sowie in Bezug auf die Festlegung bildungs- und beschäftigungspolitischer Zielgrößen eine zunehmend bildungspolitische Dimension attestiert wird. Hinsichtlich der didaktisch-curricularen Betrachtungsebene konnte festgestellt werden, dass die Begriffe Kompetenz und competency insofern eine Parallele aufweisen, als beide als Strukturmerkmal für didaktisch-curriculare Vorgaben angesehen werden können, wenngleich dies bei competency aufgrund der Outcome-Orientierung durch die Kompetenzstandards stärker ausgeprägt ist. Kompetenz ist vielmehr als strukturierende Zielgröße für berufliche Lernprozesse innerhalb auf Berufen basierender curricularer Vorgaben anzusehen. In Bezug auf die Lernprozess-Ebene konnten Parallelen zwischen Kompetenz und competency identifiziert werden, da beide primäre Zielgrößen in beruflichen Lernprozessen darstellen. Die Akzentuierung von competency liegt auf den Outcomes; Kompetenz und insbesondere das Konstrukt der beruflichen Handlungskompetenz ist hingegen nicht nur als Outcome zu interpretieren, sondern impliziert gleicherma-
355 ßen Input und Prozess. Als zentrales Ergebnis des ersten Teils der Arbeit konnten demzufolge die entwickelten Arbeitsdefinitionen der Begriffe, die Zuordnung der Begriffe zu den drei Untersuchungsebenen sowie die identifizierten Parallelen und Unterschiede zwischen der australischen und der deutschen Kompetenzdiskussion festgehalten werden. Im zweiten Teil der Arbeit wurden das theoretische Konstrukt CBT sowie die zugrunde liegende Philosophie und respektive Modelle analysiert. Zentrales Ergebnis dieser konzeptionellen Auseinandersetzung war die Entwicklung des Kompetenzprinzips als Strukturmerkmal des CBT-Ansatzes, was als Basis für die im dritten Teil der Arbeit erfolgte komparative Auseinandersetzung mit dem Berufsprinzip diente. Auf der konzeptionellen Auseinandersetzung mit dem CBT-Ansatz aufbauend, wurde eine kriterienbasierte multiplane Analyse der Realisierungsformen von CBT in der australischen Berufsbildung durchgeführt, welche zu einer Deskriptionsmatrix des CBT-Ansatzes führte. Hierbei konnte gezeigt werden, dass die Einführung von CBT im australischen Kontext mit einigen Schwierigkeiten verbunden war, was aufgrund des Ziels eines einheitlichen Berufsbildungssystems mit einer zunehmend zentralen Steuerung auf die anfänglich ablehnende Haltung der States/Territories zurückzuführen, aber auch durch den Widerstand der Lehrenden bedingt war, den CBT-Ansatz auf Lernprozess-Ebene umzusetzen. Als Grund dafür konnte einerseits die mangelnde Vorbereitung und pädagogische Ausbildung der Lehrenden identifiziert werden und andererseits die Top-DownEinführung, durch die Lehrende aus den Entscheidungs- und Gestaltungsprozessen auf politischer Ebene ausgeschlossen wurden. Mit der Analyse des Status quo von CBT in Australien konnte jedoch gezeigt werden, dass die anfänglichen Schwierigkeiten überwunden wurden und insbesondere mit den training packages als neue Generation von CBT eine flächendeckende Realisierung und Akzeptanz erzielt wurde. In der Auseinandersetzung mit aktuellen Problemaspekten und Reformperspektiven konnte illustriert werden, dass der CBT-Ansatz bei der Bewältigung aktueller Probleme eine zentrale Rolle spielt und zu Verbesserungen in der Berufsbildung führt, was an verschiedenen Beispielen wie den school-based new apprenticeships gezeigt werden konnte. Zudem konnte festgehalten werden, dass der CBT-Ansatz auch in der zukünftigen Gestaltung der Berufsbildung trotz institutioneller Veränderungen, wie der Auflösung von ANTA, im Mittelpunkt steht und insbesondere durch die Entwicklung neuer bzw. durch Modifizierung bestehender training packages die Grundsätze und die Philosophie des CBT-Ansatzes untermauert werden. Gleichzeitig ist der CBT-Ansatz in einem Spannungsfeld von Flexibilisierung und Individualisierung einerseits und Standardisierung und Reglementierung andererseits anzusiedeln, was durch die unterschiedlichen Interessen und Akteure forciert wird. Als Entwicklungstendenz ließ sich abschließend fest-
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Schlussbetrachtung
stellen, dass eine zunehmende Standardisierung und Reglementierung durch eine verstärkte Zentralisierung seitens der Commonwealth-Regierung avisiert wird, was anhand der erlassenen Rahmenrichtlinien und Strategiepapiere gezeigt werden konnte. Im dritten Teil der Arbeit wurde eine komparative multiplane Analyse der dualen Berufsausbildung und des CBT-Ansatzes durchgeführt – mit dem Ergebnis, dass es trotz der scheinbaren Gegensätze in den zugrunde liegenden Philosophien und Grundprinzipien eine Vielzahl an Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten gibt. Wenngleich die konzeptionelle Abgrenzung von Kompetenz- und Berufsprinzip im Sinne theoretisch-abstrakter Extremtypen auf grundsätzlich unterschiedliche Organisations- und Strukturprinzipien schließen ließ, so konnten in der Gegenüberstellung der realtypischen Ausprägungen, sprich CBT und dualer Berufsausbildung, aus den drei Untersuchungsebenen Parallelen identifiziert werden, die Rückschlüsse auf die Vereinbarkeit von Kompetenz- und Berufsprinzip bezüglich der untersuchten Kriterien erlauben. Basierend auf den identifizierten Ähnlichkeiten und Unterschieden wurden anschließend spezifische Problemindikatoren sowohl des CBT-Ansatzes als auch der dualen Berufsausbildung selektiert und eruiert, um darauf aufbauend Potenzialaspekte für beide Qualifizierungsansätze abzuleiten. Als Ergebnis wurden die Problemindikatoren den Potenzialaspekten in jeweils einer Potenzialmatrix zusammenfassend dargestellt. Aus der Gegenüberstellung der dualen Berufsausbildung und des CBT-Ansatzes hinsichtlich der Gemeinsamkeiten und Unterschiede sowie der darauf aufbauenden Potenzialanalyse lassen sich schlussfolgernd drei Thesen konstatieren, die affirmativ zu verstehen und vor dem Hintergrund der eingangs gestellten Leitfragen zu betrachten sind: 1. Ist das Berufsprinzip als Struktur- und Organisationsprinzip der dualen Berufsausbildung in Deutschland mit dem australischen Kompetenzprinzip, das dem CBT-Ansatz zugrunde liegt, vereinbar? 2. Sind Konvergenzen der realtypischen Ausprägungsformen von Kompetenzund Berufsprinzip, CBT und duale Berufsausbildung, festzustellen? 3. Welches Reform- und Veränderungspotenzial bietet der australische CBTAnsatz für die deutsche duale Berufsausbildung in Fragen der ordnungspolitisch-organisatorischen und didaktisch-curricularen Strukturierung sowie hinsichtlich der Neugestaltung beruflicher Lehr-Lern-Arrangements vor dem Hintergrund nationaler Problemindikatoren sowie europäischer Entwicklungen im Kontext von EQR und ECVET?
357 These 1: Vereinbarkeit von Berufs- und Kompetenzprinzip Im Sinne theoretisch-abstrakter Extremtypen weisen Berufs- und Kompetenzprinzip grundsätzlich verschiedene Merkmalsausprägungen auf; sie sind jedoch auf einer realtypischen Betrachtungsebene dahingehend vereinbar, dass das Berufsprinzip als übergeordneter Bezugsrahmen fungiert und das Kompetenzprinzip im Sinne einer Binnendifferenzierung integriert wird. Konkret bedeutet dies, dass das Berufsprinzip als organisierendes und strukturierendes Prinzip Bestand hat, jedoch hinsichtlich der Frage nach Flexibilisierung und Individualisierung in der Gestaltung didaktisch-curricularer Vorgaben, in der Leistungsmessung und Zertifizierung sowie in der Realisierung beruflicher Lernprozesse das Kompetenzprinzip Potenzial bietet. Die Ganzheitlichkeit des Berufsprinzips und die modulare Struktur, die dem Kompetenzprinzip zugrunde liegt, schließen sich nur dann grundsätzlich aus, wenn die extreme Form der Modularisierung, die Fragmentierung, einem ganzheitlich-rigiden Berufsprinzip gegenübergestellt wird. Wird jedoch eine gemäßigtere Form der Modularisierung im Sinne einer Differenzierung oder Supplementierung herangezogen (u. a. Deißinger, 1996; Sloane, 1997), so ist die Modularisierung mit dem Berufsprinzip vereinbar, da die Ganzheitlichkeit im Sinne einer obligatorischen Gesamtqualifikation erhalten bleibt und lediglich eine Binnendifferenzierung avisiert wird, die für mehr Flexibilität und individuelle Gestaltungsmöglichkeit sorgt. Analog lässt sich die Vereinbarkeit von Berufsund Kompetenzprinzip für die Kriterien „Input- vs. Outcome-Orientierung“ konstatieren. Auch diese sind nicht vereinbar, sofern Input und Outcome isoliert betrachtet werden. Eine realtypische Umsetzung lässt jedoch eine Interrelation erkennen, da Input und Outcome sowie der Prozess, in welchem der Input Anstoß zu Erreichung eines Outcome gibt, interdependente Faktoren sind. Somit ist für das Berufsprinzip nicht nur der Input von Bedeutung, sondern der Prozess und der Outcome sind es ebenso. Gleiches gilt für das Kompetenzprinzip, in welchem der Outcome als konstanter Faktor determiniert ist, Input und Prozess aufgrund des Postulats der Flexibilität und Individualität und die damit verbundene Gestaltungsfreiheit in beruflichen Lernprozessen jedoch eine entscheidende Rolle spielen. In Bezug auf die politische Steuerung durch Input, Prozess und Outcome impliziert das Kompetenzprinzip eine Outcome-Steuerung und das Berufsprinzip eine Input- und Prozess-Steuerung. Vereinbarkeit lässt sich jedoch dahingehend konstatieren, dass im Kompetenzprinzip durch zentrale Rahmenbedingungen und Gestaltungsvorgaben eine zunehmende Input- und Prozess-Steuerung stattfindet, welche die Outcome-Steuerung nicht unterminiert. Gleichzeitig erwirkt die Standard-Diskussion im Rahmen des Berufsprinzips eine zunehmende OutcomeSteuerung, in der jedoch auch weiterhin eine Steuerung über Rahmenbedingungen und die Prozessgestaltung erfolgt. Auch hinsichtlich der bildungspolitischen Ziel-
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Schlussbetrachtung
setzung von Berufs- und Kompetenzprinzip lässt sich eine Vereinbarkeit konstatieren. Fokussiert das Berufsprinzip im Sinne des Ausbildungsberufs auch die formale Erstqualifizierung, besteht hinsichtlich des Erwerbsberufs der Anspruch auf Anpassungsfähigkeit an neue Arbeitsanforderungen und Umgebungen und somit auf lebenslanges Lernen. Das Kompetenzprinzip forciert dies durch die Möglichkeit des flexiblen Ein- und Ausstiegs in Qualifizierungsmaßnahmen sowie durch den kontinuierlichen und modularen Erwerb beruflicher Qualifikationen. Dies ist gleichermaßen relevant für das Berufsprinzip – insbesondere das kontinuierliche informelle und erfahrungsbasierte Lernen ist sowohl für den Ausbildungsberuf als auch für den Erwerbsberuf von Bedeutung, wodurch die Vereinbarkeit von Kompetenzund Berufsprinzip nochmals verdeutlicht wird. These 2: Konvergenz des CBT-Ansatzes und der dualen Berufsausbildung in didaktisch-curricularer Perspektive und auf Lernprozess-Ebene Wenngleich der CBT-Ansatz und die duale Berufsausbildung auf ordnungspolitischorganisatorischer Ebene aufgrund ihrer jeweiligen tradierten Strukturen Unterschiede aufweisen, so lassen die Gemeinsamkeiten und Ähnlichkeiten insbesondere in didaktisch-curricularer Hinsicht, aber auch auf Lernprozess-Ebene auf eine zunehmend konvergente Entwicklung beider Ansätze schließen. Auf didaktischcurricularer Ebene lässt sich dies allgemein in einer Zunahme des Standardisierungsund Reglementierungsgrades im CBT-Ansatz und des Flexibilisierungs- und Individualisierungsgrades in der dualen Berufsausbildung konstatieren. Konkretisieren lässt sich dies am Beispiel neugeordneter Ausbildungsberufe, die in Form von Stufenausbildungen strukturiert werden und oftmals eine Wahlmöglichkeit von Schwerpunkten und Fachrichtungen beinhalten. Der Ansatz der gestreckten Abschlussprüfung kann ebenfalls als eine zunehmende Flexibilisierung in der Leistungsmessung interpretiert werden, wenngleich an der standardisierten Abschlussprüfung auch weiterhin festgehalten wird. Im Gegensatz dazu wird im CBT-Ansatz durch standardisierte Rahmenvorgaben eine zunehmende Harmonisierung der heterogenen Qualifikationen und Qualifizierungswege avisiert. Ein weiteres Beispiel für die Annäherung des CBT-Ansatzes und der dualen Berufsausbildung zeigt sich in dem Aspekt der Kompetenzorientierung. Competency ist im CBT-Ansatz gleichermaßen Zielgröße und Strukturprinzip curricularer Vorgaben und beruflicher Lernprozesse. In den Ausbildungsordnungen und in den schulischen Lehrplänen – insbesondere in den Lernfeldern – kann eine zunehmende Kompetenzorientierung identifiziert werden, da zum einen die Zielgröße der beruflichen Handlungskompetenz explizit für die schulische und auch die betriebliche Ausbildung konstatiert wird, und zum anderen der Bezugspunkt für Lerninhalte konkrete Handlungssituationen sind und somit die Vermittlung von Kompetenzen, die zur Bewältigung
359 dieser Handlungssituationen erforderlich sind, im Vordergrund steht. Ein weiteres Beispiel für die konvergente Entwicklung beider Ansätze zeigt sich in der Diskussion um Kompetenzstandards im deutschen und europäischen Kontext, die mit dem Ziel verbunden ist, einheitliche Kompetenzindikatoren auf unterschiedlichen Leistungsstufen für Berufsfelder zu identifizieren, um einen internationalen Leistungsvergleich zu ermöglichen. Die competency standards erfüllen diesen Zweck bereits, auch wenn sie primär dem Ziel der nationalen Transparenz und Vergleichbarkeit dienen. Auch hinsichtlich der Gestaltung beruflicher Lernprozesse lässt sich eine konvergente Entwicklung des CBT-Ansatzes und der dualen Berufsausbildung konstatieren. So stehen Handlungsorientierung und lernerzentrierte Methoden im CBTAnsatz im Vordergrund und sollen im Rahmen der dualen Berufsausbildung realisiert werden. Das heißt, dem selbstorganisierten Lernen wird in beiden Ansätzen eine wichtige Rolle beigemessen. Auch hinsichtlich der Leistungsmessung lässt sich mit der Forderung nach flexiblen und individualisierten Prüfungsverfahren eine konvergente Entwicklung feststellen. Die Konvergenzthese lässt sich zudem hinsichtlich des Aspekts der Zertifizierung informell erworbener und informeller Kompetenzen untermauern, da dies in der dualen Berufsausbildung zunehmend an Bedeutung gewinnt, indem etwa der Erwerb und die Anrechnung von Zusatzqualifikationen ermöglicht wird. Auch die Externenprüfung und die Zulassung vollzeitschulischer Absolventen zur Kammerprüfung lassen darauf schließen, dass Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse, die nicht im Rahmen einer dualen Berufsausbildung erworben werden, zumindest formal eine Akkreditierung erfahren sollen, worin Parallelen zum RPL-Prozess erkennbar werden. These 3: CBT als Reform- und Veränderungspotenzial für die duale Berufsausbildung in Deutschland Der CBT-Ansatz bietet Reform- und Veränderungspotenzial für die duale Berufsausbildung in Bezug auf didaktisch-curriculare Modifizierungen und hinsichtlich der Gestaltung von Lernprozessen. Insbesondere vor dem Hintergrund nationaler Problemindikatoren lässt sich die aktuelle Reformdebatte mit den Schlagworten „Flexibilisierung“ und „Individualisierung“ beschreiben. Doch auch im Kontext europäischer bildungspolitischer Entwicklungen besteht hinsichtlich der Entwicklungeines nationalen Qualifikationsrahmens sowie der eines ECVET-Systems Handlungsbedarf, der sich ebenfalls auf diese Prinzipien stützt. Im Folgenden werden Potenzialaspekte des CBT-Ansatzes als Handlungsbedarf für eine Flexibilisierung und Individualisierung der dualen Berufsausbildung konstatiert, wobei diese bereits in Ansätzen aktueller Reformbemühungen aufgegriffen werden. Die vorgeschlagenen Potenzialfaktoren sind als Richtung zu ver-
360
Schlussbetrachtung
stehen, in die sich die duale Berufsausbildung bewegt bzw. bewegen sollte; sie fordern jedoch keinesfalls eine gänzliche Übernahme des CBT-Ansatzes. Gleichzeitig wird konkretisiert, wie eine Umsetzung der Flexibilisierungsvorschläge nach Vorbild des CBT-Ansatzes gestaltet werden kann, wobei hier aufgrund der strukturellen Gegebenheiten Grenzen bestehen. Flexibilisierungspotenzial besteht demnach wie folgt: • Flexibilisierung durch vermehrte Lernortkooperationen außerhalb des Dualitätsprinzips und somit Flexibilisierung in beruflichen Qualifizierungswegen im Sinne eines open training market, der zu einer größeren Wahlmöglichkeit der Anbieter und zu einem erhöhten Wettbewerb unter den Anbietern führt; dies ließe sich durch die Zunahme an Kooperationen mit privaten und staatlichen Bildungsträgern realisieren, wobei gleichermaßen ein flächendeckendes Qualitätsmanagement für die Akkreditierung dieser Bildungsträger sowie für die Durchführung von Bildungsmaßnahmen eingesetzt werden müsste, um den Qualitätsdefiziten und -unterschieden, die im australischen Kontext aus dem open training market resultierten, entgegenzuwirken. • Flexibilisierung durch partiell modularisierte curriculare Vorgaben, die Anpassungsmöglichkeit und Individualisierung im Rahmen einheitlicher Standards gewährleisten; dies ließe sich durch die Einführung von Kompetenzmodulen im Sinne der competency standards umsetzen, wobei, um eine Fragmentierung und Atomisierung einzelner Kompetenzmodule zu verhindern, ganzheitliche Ausbildungseinheiten definiert werden müssten, die jedoch einzeln geprüft und zertifiziert werden und die entweder eine übergreifende Abschlussprüfung ersetzen oder diese ergänzen. • Flexibilisierung durch Binnendifferenzierung von Ausbildungsberufen; dies ließe sich durch die Einführung von Ausbildungseinheiten umsetzen, die im Rahmen vorgegebener Richtlinien kombinierbar und variierbar sind und somit zu flexibleren Kompetenzprofilen führen. • Flexibilisierung im Prüfungswesen durch abschnittsweise Prüfungen und kontinuierlicher Leistungsmessung im Sinne eines assessment on demand, wobei einheitliche Standards zur Erfolgskontrolle und Dokumentation der Lernfortschritte erforderlich sind. In Ergänzung zur Flexibilisierung als Kernmerkmal von CBT spielt die Individualisierung sowohl in der Gestaltung als auch in der Durchführung beruflicher Lernprozesse eine zentrale Rolle. In der dualen Berufsausbildung ist dies aufgrund des
361 hohen Standardisierungsgrades nur marginal ausgeprägt, weshalb folgende Aspekte unter dem Schlagwort „Individualisierung“ Reform- und Veränderungspotenzial aufzeigen: • Individualisierung durch Akkreditierung und Zertifizierung informeller und informell erworbener Kompetenzen; dies ließe sich durch einen standardisierten Erfassungs-, Bewertungs- und Anerkennungsprozess nach Vorbild des RPL-Prozesses realisieren. • Individualisierung durch kontinuierliche Dokumentation der Leistungsfortschritte; dies ließe sich durch Kompetenzportfolios realisieren, in welchen die einzeln geprüften und zertifizierten Ausbildungseinheiten dokumentiert werden und/oder auch die darin enthaltenen Kompetenzmodule. • Individualisierung durch integrierte Prüfungen in realen und/oder simulierten Arbeitsplatzsituationen und dadurch Messung fachlicher, sozialer und personaler Kompetenzen; diese ließe sich durch eine kontinuierliche Leistungsmessung am Arbeitsplatz umsetzen, wobei Beobachtungen als Instrument der Lernerfolgskontrolle eine zentrale Rolle einnehmen würden. • Individualisierung des Lernprozesses durch den Einsatz von lernerzentrierten Methoden insbesondere in schulischen, aber auch in betrieblichen Lernprozessen im Sinne des self-paced learning. Abschließend lässt sich somit konstatieren, dass hinsichtlich der Frage nach der Vereinbarkeit von Kompetenz- und Berufsprinzip in deren realtypischen Ausprägungsformen Anknüpfungspunkte bestehen, die Reform- und Veränderungspotenzial bergen. Die vorliegende Analyse und die daraus gewonnenen Erkenntnisse basieren jedoch auf einer theoretischen Auseinandersetzung, deren empirische Überprüfung ein Forschungsdesiderat darstellt. Eine empirische Untersuchung, inwiefern die aufgezeigten Reformpotenziale insbesondere hinsichtlich der Forderung nach Flexibilisierung und Individualisierung in der deutschen Berufsbildungspraxis umgesetzt werden können, stellt hierbei eine noch zu überprüfende Hypothese dar.
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Leistungsmessung, 212 Lernende Organisation, 64 Lernhandlung, 72 Lernzieltaxonomie, 66 Ministerial Council, 153
Behaviorismus, 46 berufliche Handlungskompetenz, 71 Berufsausbildung, 29 Berufsprinzip, 251 Competence, 94 Competency, 82, 94, 100 Competency Standards, 101 Employability Skills, 90 Erwachsenenbildung, 26
NCVER, 162 New Apprenticeship, 198 Off-the-job-training, 204 On-the-job-training, 206 Open Training Market, 171 Outcomemodell, 96 Performanz, 85, 96 Qualifikation, 43
Finanzierung, 147
Recognition of Prior Learning, 215
Humankapital, 63
Schlüsselqualifikationen, 38 School-based New Apprenticeship, 201
Industry Skills Councils, 160 Inputmodell, 96 Key Competencies, 88 Kompetenzbegriff, 33 Kompetenzdiagnostik, 30 Kompetenzentwicklung, 26 Kompetenzerfassung, 40 Kompetenzforschung, 25 Kompetenzmanagement, 63 Kompetenzprinzip, 136, 271 Konstruktivismus, 52
TAFE-Institute, 164 Training Packages, 181 Training Reform Agenda, 138 User Choice Funding, 149 Weiterbildung, 26 Wissensmanagement, 63