L. Annaeus Seneca
Apocolocyntosis Die Verkürbissung des Kaisers Claudius Lateinisch I Deutsch
Übersetzt und herausgeg...
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L. Annaeus Seneca
Apocolocyntosis Die Verkürbissung des Kaisers Claudius Lateinisch I Deutsch
Übersetzt und herausgegeben von Anton Bauer
Philipp Reclam jun. Stuttgart
Powarad by LATINSCAN
RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK Nr. 7676
Alle Rechte vorbehalten © 1981 Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart
Gesamtherstellung: Reclam, Ditzingen. Printed in Germany 2005 RECLAM, UNIVERSAL-BIBLIOTHEK und RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetragene Marken
der Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart ISBN-13: 978-3-15-007676-7 ISBN-10: 3-15-007676-5 www.redam.de
Apocolocyntosis SIVe Ludus demorte Claudii Neronis Die Verkürbissung des Kaisers Claudius oder Satire auf den Tod des Claudius Nero
1 (1) Quid acturn sit in caelo ante diern III. idus Octobris anno novo, initio saeculi felicissirni, volo rnernoriae tradere. nihil nec offensae nec gratiae dabitur. haec ita vera. Si quis quaesiverit unde sciarn, prirnurn, si noluero, non respon debo. quis coacturus est ? ego scio rne liberurn facturn, ex quo suurn diern obiit ille, qui verurn proverbiurn fecerat aut regern aut fatuurn nasci oportere. (2) Si libuerit respondere, dicarn quod rnihi in buccarn venerit. quis unquarn ab historico iuratores exegit? tarnen si necesse fuerit auctorern producere, quaerito ab eo qui Dru sillarn euntern in caelurn vidit : idern Claudiurn vidisse se dicet iter facientern ••non passibus aequis« . Velit nolit, necesse est illi ornnia videre, quae in caelo aguntur : Appiae viae curator est, qua scis et divurn Augusturn et Tiberiurn Caesarern ad deos isse. (3 ) Hunc si interrogaveris, soli narrabit : corarn pluribus nunquarn verburn faciet. narn ex quo in senatu iuravit se Drusillarn vidisse caelurn aseendentern et illi pro tarn bono nuntio nerno credidit, quod viderit, verbis conceptis affir rnavit se non indicatururn, etiarn si in rnedio foro horninern occisurn vidisset. Ab hoc ego quae turn audivi, certa clara affero, ita illurn salvurn et felicern habearn.
1 (1) Was sich am 13 . Oktober' im Himmel zutrug, im ersten Jahr einer neuen Zeitrechnung', zu Beginn des segens reichsten Zeitalters, das will ich der Nachwelt zur Erinne rung überliefern. Nichts, weder Haß noch Sympathie soll mich dabei auch nur im geringsten lenken. Was ich berichte, hat sich wahrhaftig so ereignet. Falls einer fragen sollte, woher ich denn mein Wissen habe, so werde ich, wenn ich nicht will, zunächst gar nicht antworten. Wer wollte mich auch dazu zwingen ? Ich weiß, daß ich ein freier Mann geworden bin in dem Augenblick, da jener das Zeitliche gesegnet hat, der das Sprichwort wahr werden ließ, daß man entweder zum König oder zum Trottel bereits geboren sein müsse.' (2) Gefällt's mir aber zu antworten, so will ich sagen, was mir gerade in den Schnabel kommt. Wer hat schon einmal von einem Historiker vereidigte Zeugen verlangt ? Wenn's aber doch nötig sein sollte, einen Bürgen vorzuführen, so möge man den fragen, der schon Drusilla einst zum Himmel auffahren sah :' der wird dann auch beteuern, er habe Clau dius >humpelnden Schritts<' auf seiner Reise zum Himmel gesehen. Schließlich muß der doch, ob er will oder nicht, alles sehen, was im Himmel vorgeht : er ist nämlich Oberauf seher der Via Appia, auf der, wie man weiß, bereits der göttliche Augustus und Kaiser Tiberius ins Reich der Götter eingegangen sind. • (3) Solltest du ihn allerdings danach fragen, wird er's dir sicher nur unter vier Augen berichten; sind mehrere dabei, wird er niemals auch nur ein Sterbenswörtchen darüber verlieren. Denn seitdem er im Senat geschworen hat, er habe Drusilla in den Himmel emporsteigen sehen, und ihm zum Dank für diese so freudige Kunde kein Mensch mehr glaubt, was er vermeintlich gesehen hat, da hat er einen feierlichen Eid geleistet, daß er selbst dann, wenn er mitten auf dem Forum einen erschlagenen Menschen fände, dies nicht mehr öffentlich melden werde. Was ich also damals von diesem Manne erfahren habe, will
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2 (1) Iam Phoebus breviore via contraxerat orbem lucis et obscuri crescebant tempora somni, iamque suum victrix augebat Cynthia regnum et deformis hiems gratos spargebat honores divitis autumni iussoque senescere Baccho carpebat raras serus vindemitor uvas . (2) Puto magis intellegi, si dixero : mensis erat October, dies 111. idus Octobris. horam non possum certarn tibi dicere : facilius inter philosophos quam inter horologia conveniet, tarnen inter sextarn et septimam erat. (3) >Nimis rustice< inquies >Cum omnes poetae, non contenti ortus et occasus describere, ut etiam medium diem inquie tent, tu sie transibis horam tarn bonam ?< (4) lam medium curru Phoebus diviserat orbem et propior nocti fessas quatiebat habenas obliquam flexo deducens tramite lucem : 3 (1) Claudius animam agere coepit nec invenire exitum poterat. turn Mercurius, qui semper ingenio eius delectatus esset, unam e tribus Parcis seducit et ait : >quid, femina crudelissima, hominem miserum torqueri pateris ? nec
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ich nun ohne Umschweife berichten - so wahr ich ihm Glück und sonst noch alles Gute wünsche. 2 (1) Schon hatte Phoebus zusammengezogen auf engerer Bahn den Lichtkreis, es wuchsen bereits die Stunden des finsteren Schlafes, schon auch mehrte Selene ihr Reich in siegreichem Kampfe, und es zerstreute ein garstiger Winter des fruchtbaren H erbstes köstliche Gaben, und spät erst- vom Gott des Weines noch weitres Altern erbittend- dann pflückte der Winzer die spärlichen Trauben.' (2) Ich glaube, besser versteht man mich, wenn ich sage : Der Monat war der Oktober, der Tag war der 13. Oktober, die Stunde kann ich dir nicht genau angeben : denn eher wird es noch unter den Philosophen Übereinstimmung geben als bei den Uhren, doch muß es zwischen zwölf und eins gewesen sein. ' (3) »Das ist viel zu kunstlos«, wird man sagen, ,.zumal alle Dichter - nicht damit zufrieden, Sonnenauf- und -Unter gänge auszumalen - selbst die Mittagszeit nicht in Ruhe lassen, da willst du über eine so gepriesene Stunde einfach hinweggehen ?« Nun denn : (4) Schon sah Phoebus die Mitte der Kreisbahn hinter sich liegen, und so schüttelte- näher der Nacht- er die schläfrigen Zügel, lenkte in rundem Bogen die sinkende Sonne hinunter, 3 (1) als schließlich Claudius seine Seele in Bewegung zu setzen begann, doch konnte er für sie keinen Ausgang finden.• Da nahm Merkur 10 , der ja schon immer am Talent dieses Mannes Gefallen gefunden hatte, eine der drei Par zen 1 1 zur Seite und sagte : ,. Wie kannst du, grausames Weib, den armen Teufel sich denn so quälen lassen? Soll ihm, der
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unquam tarn diu cruciatus cesset? annus sexagesimus quartus est, ex quo cum anima luctatur. quid huic et rei publicae invides ? (2) Patere mathematicos aliquando verum dicere, qui illum, ex quo princeps factus est, omnibus annis, omnibus mensi bus efferunt. et tarnen non est mirum si errant et horam eius nemo novit ; nemo enim unquam illum natum putavit. fac quod faciendum est : »dede neci, melior vacua sine regnet in aula. «< (3 ) Sed Clotho >ego mehercules< inquit >pusillum temporis adicere illi volebam, dum hos pauculos, qui supersunt, civitate donaret< - constituerat enim omnes Graecos, Gallos, Hispanos, Britannos togatos videre - >scd quoniam placet aliquos peregrinos in semen relinqui et tu ita iubes fieri, fiat< . (4) Aperit turn capsulam et tres fusos profert : unus erat Augurini, alter Babae, tertius Claudii. >hos< inquit >tres uno anno exiguis intervallis temporum divisos mori iubebo, ne illum incomitatum dimittam . non oportet enim eum, qui modo se tot milia hominum sequentia videbat, tot praece dentia, tot circumfusa, subito solum destitui. contentus erit his interim convictoribus . < 4 (1) haec ait e t turpi convolvens stamina fuso abrupit stolidae regalia tempora vitae. at Lachesis redimita comas, ornata capillos,
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sich so lange geschunden hat, wirklich niemals ein Abgang beschieden sein ? Vierundsechzig Jahre sind es j etzt, 12 daß er mit seiner Seele ringt. Warum bist du ihm und seinem Staat so böse ? (2) Laß nun die Astrologen endlich einmal die Wahrheit prophezeien, " die ihn, seit er Kaiser geworden ist, jedes Jahr und j eden Monat erneut zu Grabe tragen. Aber es ist ja nicht verwunderlich, wenn sie irren und keiner seine Todesstunde kennt ;" hat ihn doch kein Mensch je als fertig geboren betrachtet. 1 5 Drum tu, was endlich getan werden muß : >Gib ihn dem Tod, ein Besserer herrsch' im verwaisten Palaste. <« 16 (3 ) Clotho aber wandte ein : » Ich wollte ihm weiß Gott" noch ein bißchen Zeit zugeben, bis er die paar Leutchen, die noch übrig sind, auch noch mit dem Bürgerrecht beschenkt hätte« - Claudius hatte nämlich beschlossen, alle Griechen, Gallier, Spanier und Britannier zusammen als römische Vollbürger in der Toga zu sehen"-, »aber da man vorhat, noch einige Ausländer quasi als Samen zur Seite zu legen, und du es so willst, soll's geschehen. « 19 (4) Darauf öffnet sie eine Kapsel und holt drei Spindeln heraus : die eine war die von Augurinus, die zweite die des Baba, die dritte gehörte Claudius.20 »Diese drei« , sagte sie, »werde ich also in einem Jahr in kurzen Abständen hinter einander sterben lassen, schließlich will ich ihn nicht ohne Geleit dahingehen las sen. Denn einer, der eben noch so viele tausend Menschen hinter sich nachkommen und vor sich hergehen sah, der von so vielen umschwärmt wurde, darf doch nicht plötzlich ganz allein gelassen werden . Mit dieser Gesellschaft mag er sich vorläufig zufrieden geben«, 4 (1) sprach sie und rollte den Faden zusammen auf häßlicher Spindel, riß dann ab die Frist des einfält'gen Herrscherlebens . 21 Lachesis aber, die Locken gesteckt und geflochten die Haare,
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Apocolocyntosis Pieria crinem lauro frontemque coronans candida de niveo subtemina vellere sumit felici moderanda manu, quae ducta colorem assumpsere novum . mirantur pensa sorores : mutatur vilis pretioso lana metallo, aurea formoso descendunt saecula filo. nec modus est illis, felicia vellera ducunt et gaudem implere manus, sunt dulcia pensa. sponte sua festinat opus nulloque Iabore mollia contorto descendunt stamina fuso . vincunt Tithoni, vincunt et Nestoris annos. Phoebus adest cantuque iuvat gaudetque futuris et laetus nunc plectra movet nunc pensa ministrat. detinet intentas cantu fallitque laborem . dumque nimis citharam fraternaque carmina laudant, plus solito nevere manus humanaque fata Iaudatum transeendir opus. >ne demite, Parcae< Phoebus ait >vincat mortalis tempora vitae ille mihi similis vu!tu similisque decore nec cantu nec voce minor. felicia lassis
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Flechten und Stirn bekränzt vom Schmucke pierischen Lorbeers," zieht mit glücklich führender Hand aus der schneeweißen Wolle glänzende Fäden, die, wenn sie versponnen, im Nu ihre Farbe wechseln. Ihr Werk bewundern erstaunt die göttlichen Schwestern : denn in edles Metall verwandelt sich einfache Wolle, goldene Zeiten steigen hernieder von prächtigem Garne. Und sie kennen kein Maß und ziehen beglückende Fäden, freudig fülln sie die Hände und süß scheint ihnen die Arbeit. Ganz von allein scheint's eilt das Werk, und mühelos fließen weich die Fäden herab von der rasch sich drehenden Spindel. Sie übertreffen die Jahre des Nestor und die des Tithonus. 23 Phoebus ist da und spornt an mit Gesang und freut sich der Zukunft, schlägt bald fröhlich die Laute, bald reicht er den Parzen die Wolle, hält mit Gesang sie am Wirken und täuscht sie über die Mühe. Während sie preisend das Spiel und die Lieder des B ruders hervorheben, spinnen sie mehr als das übliche Maß, und menschliches Ausmaß schon übersteigt das gepriesene Werk. »0 nehmt nichts, ihr Parzen, davon ihm weg« , sang Phoebus, »j a spreng er des irdischen Daseins Schranken, mir ähnlich im Antlitz, mir ähnlich an Schönheit, gleich an Gesangskunst und Stimmgewalt mir. Glückselige Zeiten
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saecula praestab it legumque silentia rumpet. qualis discutiens fugientia Lucifer astra aut qualis surgit redeuntibus Hesperus astris, qualis cum primum tenebris Aurora solutis induxit rubicunda diem, Sol aspicit orb em lucidus et primos a carcere concitat axes : talis Caesar adest, talem iam Roma Neronem aspiciet. flagrat nitidus fulgore remisso vultus et adfuso cervix formosa capillo. < (2) Haec Apollo. at Lachesis, quae et ipsa homini formosis simo faveret, fecit plena manu et Neroni multos annos de suo donat. Claudium autem iubent omnes xaLQOvtEc;, EUcp'I']IJ.OÜVtEc; bt3tEJ.lltELV OOJ.lvae me, puto, concacavi me<. quod an fecerit, nescio : omnia certe concacavit. 5 (1) Quae in terris postea sint acta, supervacuum est referre. scitis enim optime, nec periculum est ne excidant quae
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wird er bringen den Schwachen und brechen das Schwei gen des Rechtes. Gleich wie Lucifer24 scheucht er hinweg die fliehenden Sterne, und so wie Hesperus25 steigt er empor bei der Rückkehr der Sterne, so wie Helios - wenn Aurora", die Dunkelheit lösend, rosig erstrahlend herauflenkt den Tag - stets leuchtend die Erde anschaut und aus den Schranken den Sonnenwagen heranführt. Solch ein Kaiser ist nah, so wird Rom auf Nero nun scheinen ! Leuchtend erstrahlt in mildem Glanze sein liebliches Antlitz, und unter wallendem Haar sein wohlgestalteter Nacken.« (2) So sang Apollo. Lachesis aber, die auch ihrerseits dem wunderschönen Menschen wohlgesonnen war, gab mit vol ler Hand und schenkte Nero von sich aus noch viele Jahre obendrein. Von Claudius dagegen fordern alle, ihn >erfüllt von sel'ger Freude aus dem Haus zu tragen. <27 Und prompt blubberte28 er seine Seele aus, und von dem Moment an hatte sein Scheindasein endlich ein Ende gefun den. Seinen letzten Schnaufer tat er zu guter Letzt, als er gerade einigen Komödianten zuhörte - damit du nur weißt, daß mir diese Gilde keineswegs grundlos nicht ganz geheuer ist. " (3 ) Die letzten Laute übrigens, die man unter Menschen von ihm vernommen hatte - nachdem er gerade aus j enem Kör perteil, mit dem er sich stets leichter zu äußern verstand, einen stärkeren Ton hatte entfahren lassen - waren folgende : »Ü je, ich glaube, ich habe mich beschissen.« Ob er es wirklich getan hat, weiß.ich nicht; sicher ist nur, daß er alle Welt beschissen hat. 30 5 (1 ) Was dann auf Erden noch weiter passiert ist, ist nicht mehr nötig zu berichten. Ihr wißt es wohl selbst am besten,
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memoriae gaudium publicum impresserit : nemo felicitatis suae obliviscitur. in caelo quae acta sint, audite : fides penes auctorem erit. (2) Nuntiatur Iovi venisse quendam bonae staturae, bene canum ; nescio quid illum minari, assidue enim caput movere ; pedem dextrum trahere. quaesisse se, cuius nationis esset : respondisse nescio quid perturbato sono et voce con fusa ; non intellegere se linguam eius, nec Graecum esse nec Romanum nec ullius gentis notae. (3 ) Turn luppiter Herculem, qui totum orbem terrarum pererraverat et nosse videbatur omnes nationes, iubet ire et explorare, quorum hominum esset. turn Hercules primo aspectu sane perturbatus est, ut qui etiam non omnia mon stra timuerit. ut vidit novi generis faciem, insolitum inces sum, vocem nullius terrestris animalis sed qualis esse marinis beluis solet, raucam et implicatam, putavit sibi tertium decimum Iaborern venisse. (4) Diligentius intuenti vis us est quasi homo. accessit itaque et quod facillimum fuit Graeculo, ait : "tL� :n:61'l-EV Ei� UVÖQC:ÖV, :n:61'l-L "tOL :7t0AL� TJÖE "tOKijE�; Claudius gaudet esse illic philologos homines, sperat futurum aliquem historiis suis locum. itaque et ipse Home rico versu Caesarem se esse significans ait :
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und es besteht keine Gefahr, daß, was ihm der allgemeine Jubel einmal eingeprägt hat, dem Gedächtnis wieder verlo rengeht. Keiner vergißt bekanntlich, was ihn glücklich macht. Doch hört nun, was sich im Himmel zutrug: Die Gewähr dafür liegt in der Hand meines ·Informanten. (2) Dem Jupiter wird gemeldet :" es sei da jemand gekom men, von großer Statur, schon recht grau, er stoße Gott weiß was für Drohungen aus und er schüttle in einem fort den Kopf; auch ziehe er das rechte Bein nach. Man habe gefragt, welche Staatsangehörigkeit er besitze ; aber jener habe irgend etwas in undeutlichem Tonfall und mit verwor rener Stimme erwidert ; man könne seine Sprache nicht verstehen, es handle sich weder um einen Griechen noch um einen Römer, noch gehöre er irgendeiner anderen bekannten Nation anY (3 ) Da befiehlt Jup iter dem Hercules, loszugehen und her auszufinden, welcher Menschenrasse der Fremde angehöre; schließlich war der ja schon durch die ganze Welt gezogen und kannte offenbar alle Völker. Doch Hercules verlor beim ersten Anblick ganz schön die Fassung, als hätte er doch noch nicht alle Ungeheuer fürchten müssen. Wie er diese beispiellose Erscheinung sieht, den ungewöhnlichen Gang, wie er die Stimme vernimmt, die man bei keinem zu Lande lebenden Wesen, sondern gewöhnlich nur bei Seeungeheu ern findet, so rauh und verworren, meinte er, nun sei seine dreizehnte Arbeit gekommen. 33 (4) Als er aber genauer hinsah, schien er ihm doch so etwas wie ein Mensch zu sein. Er kam also etwas näher und fragte, was für so einen Griechen wie ihn das Selbstverständlichste war : »Wer, wes Volkes bist du, wo sind deine Heimat und Eltern ? << 34 Claudius freut sich, daß es dort oben auch Philologen gibt und hofft, es werde da auch ein Plätzchen für seine Geschichtswerke geben. 35 Darum antwortet auch er mit einem Homer-Vers, mit dem er sich als Kaiser ausweist:
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'IA.Lo�Ev f.IE cpegoov ävEf.IO� KLxovwm :n:eA.aaaEv. erat autem sequens versus verior, (aeque Homericus ) : evß-a ö' eyoo :itOALV e:n:ga�ov, ooA.wa ö' airt01J�. 6 (1) Et imposuerat Herculi minime vafro, nisi fuisset illic Febris, quae fano suo relicto sola cum illo venerat : ceteros omnes deos Romae reliquerat. >iste< inquit >mera mendacia narrat. ego tibi dico, quae cum illo tot annis vixi : Luguduni natus est, Planci municipem vides . quod tibi narro, ad sexturn decimum lapidem natus est a Vienna, Gallus germa nus. itaque quod Gallum facere oportebat, Romam cepit. hunc ego tibi recipio Luguduni natum, ubi Licinus multis annis regnavit. tu autem, qui plura loca calcasti quam ullus mulio perpetuarius Lugudunensis, scire debes multa milia inter Xanthum et Rhodanum interesse<. (2) Excandescit hoc loco Claudius et quanto potest murmure irascirur. quid diceret, nemo intellegebat. ille autem Febrim duci iubebat illo gestu solutae manus et ad hoc unum satis firmae, quo decollare homines solebat. iusserat illi collum praecidi. putares omnes illius esse libertos : adeo illum nemo curabat. 7 (1) Turn Hercules >audi me< inquit >tu desine fatuari. venisti huc, ubi mures ferrum rodunt. citius mihi verum, ne
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» Gleich von Ilion trug mich der Wind zur Stadt der Kikonen . « 36 Der nächste Vers aber, nicht weniger homerisch, wäre eigentlich angemessener gewesen : dort verheert ich die Stadt und würgte die Männer. « 37 6 ( 1 ) Und fast hätte er dem Hercules, der keineswegs ein Ausbund an Schlauheit ist, stark imponiert, wäre nicht die Fiebergöttin mit von der Partie gewesen, die ihren Tempel verlassen hatte und ganz allein mit ihm ge kommen war" - die anderen Götter hatte er alle in Rom zurückgelassen. »Der Kerl da erzählt lauter Lügen« , sagte sie. »Ich, die ich so viele Jahre m it ihm gelebt habe, versichere dir : in Lyon ist er geboren, einen Lands mann des Plancus s iehst du vor dir. 39 Wie ich dir sage, sechzehn Meilen von Vienne" ist er geboren, ein wasch echter Gallier. 41 Drum hat er auch getan, was sich für einen Gallier gehörte : Rom hat er genommen. '2 Ich garantiere dir dafür, in Lyon ist er geboren, wo Licinus so viele Jahre geherrscht hat." Du aber," schließlich bist du schon durch mehr Orte gestiefelt als ein professioneller Maultier treiber, der in Lyon daheim ist, du mußt doch wissen, daß zwischen Xanthos und der Rhöne viele tausend Meilen liegen. « H (2) D a wurde Claudius weiß vor Wut, und s o gut wie er eben konnte, grollte er voller Zorn. Was er tatsächlich sagte, vermochte keiner zu verstehen. Er befahl, daß man die Fiebergöttin abführe, und zwar mit jener zur Genüge bekannten Geste seiner zittrigen Hand, die aber andererseits zu diesem einen Wink noch stark genug war, •• mit dem er d ie Menschen sonst gewöhnlich einen Kopf kürzer machen ließ . Er hatte tatsächlich verlangt, daß man ihr den Hals abschneide. Man hätte aber glatt meinen können, lauter Freigelassene von ihm seien da: so wenig scherten s ich alle um ihn." 7 (1) Da sagte Hercules zu ihm : »Du hör nun zu, laß endlich dieses alberne Gelabere. Du bist hier an einen Ort ''·
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tibi alogias excutiam< . et qua terribilior esset, tragicus fit et ait: (2) >exprome propere, sede qua genitus cluas, hoc ne peremptus stipite ad terram accidas ; haec clava reges saepe mactavit feros. quid nunc profatu vocis incerto sonas ? quae patria, quae gens mobile eduxit caput ? edissere. equidem regna tergemini petens Ionginqua regis, unde ab Hesperio mari Inachiam ad urbem nobile advexi pecus, v idi duobus imminens fluviis iugum, quod Phoebus ortu semper obverso v idet, ubi Rhodanus ingens amne praerap ido fluit Ararque dubitans, qua suos cursus agat, tacitus quietis adluit ripas vadis. estne illa tellus spiritus altrix tui ?< (3 ) Haec satis animose et fortiter, nihilo m inus mentis suae non est et timet jJ.WQOii :n:A.'l']yl]v . Claudius ut vidit virum valentem , oblitus nugarum intellexit neminem Romae sibi parem fu isse, illic non habere se idem gratiae : gallum in suo sterquilino plurimum passe. (4) ltaque quantum intellegi potuit, haec visus est dicere : >Ego te, fortissime deorum Hercule, speravi mihi adfuturum apud alias, et si qui a me notorem petisset, te fui nomina turus, qui me optime nosti. nam si memoria repetis, ego eram qui Tiburi ante templum tuum ius dicebam totis diebus mense Iulio et Auguste.
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gekommen, wo die Mäuse Eisen fressen. 48 Sag mir jetzt auf der Stelle die Wahrheit, damit ich dir nicht die Faxen49 anders austreiben muß.« Und um noch erschröcklicher zu wirken, wird er tragisch und rezitiert:50
(2) »Sag rasch mir an, wo man dich denn geboren rühmt, auf daß nicht dieser Strunk dich in die Erde treibt, die Keule hier fällt' manchen schlimmen Herrscher schon ! Was krächzt mit solchen Lauten unverständlich da? Weich Land, welch Volk bracht' diesen Wackelkopf hervor? Sag an . Dereinst als ich zum fernen Reiche zog des dreigestalt'gen Königs und vom Westmeer aus ich dann gen Argos hin die stolze Herde trieb, ein Bergjoch sah ich, überragt der Flüsse zwei, das Phoebus stets beim Aufgehn gegenüber schaut, 51 wo reißend schnell die mächt'ge Rhöne vorüberströmt, wogegen zögernd die Saöne den Lauf sich gräbt und leis mit sanften Wellen Uferrand bespült. " lst's dieses Land, das Mutter deines Geist's du wähnst?« (3) So deklamierte er recht beherzt und unverzagt ; trotzdem ist ihm nicht ganz wohl in seiner Haut, und er fürchtet »des Narren Streich<<. 53 Wie Claudius nun den bärenstarken Recken sah, vergaß er alle Mätzchen und begriff, daß ihm zwar in Rom keiner gleich war, er hier aber nicht gleich viel zu melden habe und daß ein Hahn" eben nur auf seinem eigenen Misthaufen das Sagen habe. (4) Soweit man es verstehen konnte, schien er folgendes darauf zu sagen : >>Ich hatte gehofft, Hercules, daß du, tapferster unter den Göttern, mir bei den anderen beistehen würdest, und falls einer von mir einen Bürgen verlangt hätte, hatte ich eigent lich vor, dich anzugeben, der du mich doch am besten kennen mußt. Wenn du dich gütigst erinnern möchtest, ich war es doch, der einst in Tivoli vor deinem Tempel ganze Tage lang im Juli und August Recht sprach. 55
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(5) Tu scis, quantum illic miseriarum tulerim, cum causidi cos audirem diem et noctem, in quos si incidisses, valde fortis licet tibi videaris, maluisses cloacas Augeae purgare : multo plus ego stercoris exhausi. sed quoniam volo< . . .
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(5) Du wirst wissen, was für Qualen ich da ausgestanden habe, als ich Tag und Nacht die Advokaten anhören mußte; wärst du unter die geraten, dann hättest du - und magst du dir auch noch so stark vorkommen - eher die Kloaken des Augias reinigen" wollen : viel stärker aber habe ich noch ausmisten müssen. Doch da ich vorhabe .
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Hier bricht die Rede des Claudius ab!' Als Inhalt der Lücke ist etwa folgendes zu vermuten: Claudius ist es in seiner von Seneca gewiß satirisch überzeichneten Art gelungen, den Hercules für sich zu gewinnen und ihn zur Bürgschaft zu überreden. Wahrscheinlich begründete Claudius seinen Wunsch, zum Gott erhoben zu werden, damit, daß er ver sprach, seine richterliche und wissenschaftliche Tätigkeit, die er auf Erden schon so eifrig wahrgenommen hatte, im Him mel fortzusetzen, um dort endlich für Ordnung und Einsicht zu sorgen. Sicher versprach er ihm dafür eine Belohnung, die wohl ganz den Erwartungen des von Seneca so treffend gezeichneten Hercules comicus entsprochen haben dürfte, der als Weiberheld, Säufer und Prasser berüchtigt war. Außer dem wird er ihm in seiner bekannten Art auch gedroht haben, daß, wenn man ihn als auf Erden derart verdienten Mann abweise, auch seine Stellung als Gott gefährdet sei. Nachdem Claudius den Hercules für seine Absichten einge nommen hat, gehen sie von der Himmelspforte zum Götter parlament, dessen Tagungsort in Anlehnung an die Verhält nisse in Rom als curia geschildert wird. Zu der in Klausur tagenden Götterversammlung verschafft sich Hercules auf seine Art Zutritt, indem er das offenbar bei seinem Nahen verriegelte Portal mit der Keule aufbricht und so auch Clau dius Zugang schafft. Die Götter haben sich alle eingefunden, um den Beginn einer neuen Ära an diesem 13. Oktober festlich zu begehen, an dem ]upiter sein altes Konsulat niederlegte und ein neues antrat. Analog der auch im Him mel geltenden Geschäftsordnung des römischen Senats stellt Hercules als Senator den Antrag, daß man Claudius als
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8 (1) >Non mirum quod in curiam impetum fecisti : nihil tibi clausi est. modo die nobis, qualem deum istum fieri velis. EmxougELO<; {}Eo<; non potest esse : otrtE a:üto<; :n:giiy�J.a. E:X:EL oÜtE äA!..oL<; :rtCI.QE:X:EL; Stoicus? quomodo potest »rotundus« esse, ut ait Varro »sine capite, sine praeputio « ? e s t aliquid i n illo Stoici dei, iam video : nec cor nec caput habet. (2) Si mehercules a Saturno petisset hoc beneficium, cuius mensem toto anno celebravit Saturnalicius princeps, non tulisset illud, nedum ab Iove, quem, quantum quidem in illo fuit, damnavit incesti. Silanum enim generum suum occidit
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Privatmann Gelegenheit gebe, sein Anliegen vorzutragen. Dem Antrag wird stattgegeben, und Claudius kann endlich seinen Wunsch, in die Reihe der Götter aufgenommen zu werden, vorbringen und begründen, wobei Hercules noch eine bekräftigende Empfehlung nachgeschickt haben dürfte. Daraufhin gestattet der Vorsitzende des himmlischen Senats, ]upiter, den anwesenden Senatsmitgliedem, Fragen an Clau dius zu stellen. Doch statt gezielter Befragung entsteht, wohl besonders durch allerlei ausländische Götter," eine turbu lente Debatte; Zwischenrufe, Einwände, Vorwürfe sind zu hören. Mitten in der Rede eines der letzten dieser tempera mentvollen, ungezügelten Debattenredner setzt der Text der Handschriften wieder ein. Es spricht ein gebildeter und kritischer Gott, der in epikureischer und stoischer Philoso phie, in der griechischen und lateinischen Literatur wohlbe wandert ist, die Verhältnisse in Alexandria, A then, B1'itan nien und Rom kennt, wahrscheinlich Apollo." Dieser nimmt sich gerade Hercules als Fürsprecher des Claudius vor:
8 ( 1 ) »Kein Wunder, daß du mit Gewalt in die Kurie eingebrochen bist : Vor dir ist ja weder Schloß noch Riegel sicher. Nun sag uns nur, was für einen Gott du aus dem Kerl da machen willst. Ein epikureischer Gott kann er nicht sein, denn der hat ja weder selbst etwas zu tun, noch macht er anderen zu schaffen. 60 Oder ein stoischer? Aber wie könnte er, um's mit Varro zu sagen, >kugelrund sein, ohne Kopf und ohne Vorhaut< ?" Und doch ist etwas von einem sto ischen Gott in ihm, gerade seh ich's : er hat weder Herz noch Kopf. (2) Aber beim Hercules, selbst wenn er Saturn um diese Gnade der Vergöttlichung gebeten hätte, dessen Festmonat er als Saturnalienprinz ja gewöhnlich das ganze Jahr über feierte, 62 er hätte sie nicht erhalten, und zu allerletzt wohl von Jupiter, der, wenn es nach ihm gegangen wäre, wegen Blutschande hätte verurteilt werden müssen. Seinen Schwie gersohn Silanus nämlich hat er in den Tod getrieben,
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propterea quod sororem suam, festivissimam omnium puel larum, quam omnes Venerem vocarent, maluit lunonem vocare . < ( 3 ) »Quare« inquit »quaero enim, sororem suam ?<< stulte, stude : Athenis dimidium licet, Alexandriae totum. »quia Romae« inquis »mures molas lingunt« . hic nobis curva corriget? quid in cubiculo suo faciant, nescit, et iam » caeli scrutatur plagas« ? deus fieri vult : parum est quod templum in Britannia habet, quod hunc barbari colunt et ut deum orant !!OOQOÜ dnf..chou t'UXELV? 9 ( 1 ) Tandem lovi venit in mentem, privatis intra curiam morantibus scntentiam dicere non licere nec disputare. •cgo< inquit •p. c. interrogare vobis permiseram, vos mera mapalia fecistis . volo ut servetis disciplinam curiae. hic qualis cunque est, quid de nobis existimabit?< (2) Illo dimisso primus interrogatur sententiam lanus pater. is designatus erat in kal. lulias postmeridianus consul, homo quantumvis vafer, qui semper videt äl-la 3tQ6aaoo xai Ö3tLCJaoo. is multa diserte, quod in foro vivebat, dixit, quae notarius persequi non potuit, et ideo non refero, ne aliis verbis ponam, quae ab illo dicta sunt. (3) Multa dixit de magnitudine deorum : non debere hunc vulgo dari honorem. >olim< inquit >magna res erat deum fieri : iam fabam mimum fecistis . itaque ne videar in personam,
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weil dieser seine Schwester, ein ganz liebreizendes Mädchen, das jedermann eine Venus nannte, lieber seine Juno nennen wollte. « '' (3) ••Warum, möchte ich wissen, mußte es auch gerade seine Schwester sein ?<<, wird er einwenden. 64 ••Überleg doch mal, Dummkopf: in Athen ist's sozusagen zur Hälfte erlaubt, in Alexandria ganz . « '; - ••Weil in Rom<<, sagst du, »die Mäuse die Mühlsteine lecken« [mein lieber Hercules], und deshalb soll uns der da, was krumm ist, wieder grad machen ?'' Dabei weiß er nicht einmal, was in seinem Schlafzimmer alles getrieben wird, und jetzt >durchstöbert er schon die Breiten des Himmels<. 67 Gott will er werden, es genügt ihm nicht, daß er in Britannien einen Tempel hat," daß die Barbaren ihn verehren und wie einen Gott anbeten, um >des Dumm kopfs Gnade zu erlangen<. « 6 9 9 ( 1 ) Endlich fiel e s Jupiter ein, daß e s nicht gestattet sei, solange sich Privatleute in der Kurie aufhielten, abzustim men oder zu debattieren. »Ich hatte euch erlaubt, Senato ren<< , sagte er, »an j enen Fragen zu richten. Ihr aber führt euch auf wie die reinsten Kaffern. 70 Haltet jetzt bitte die Geschäftsordnung der Kurie ein. Was soll der Mensch da, wer er auch immer sein mag, sonst von uns halten ? « (2) Nachdem man den Claudius hinausgeschickt hatte," wurde als erster Vater Janus um seine Meinung gefragt. Der war gerade für den 1 . Juli als Nachmittagskonsul72 bestimmt worden, ein unheimlich schlauer Bursche, der immer •zugleich vorwärts und rückwärts schaut<. 73 Der hielt nun sehr gewandt - schließlich lebte er ja auf dem Forum - eine längere Rede, der der Parlamentsstenograph nicht mehr zu folgen imstande war, und deshalb will ich auch nicht versuchen, sie hier wiederzugeben, um nicht mit anderen Worten auszuführen, was er vorgebracht hat. ,. (3) Lang und breit redete er über die Erhabenheit der Götter und daß man so eine Ehre nicht an Hinz und Kunz ver schenken dürfe. »Einst<<, sagte er, »war's eine große Sache, ein Gott zu werden, aber j etzt habt ihr das reinste Affen-
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non in rem dicere sententiam, censeo ne quis post hunc diem deus fiat ex his, qui UQOUQ'Y]� X<XQJ'tOV EÖOUaLV [ aut ex his, quos alit l;eCöwgo� ägouga]. Qui contra hoc senatus consultum deus factus, dictus pic tusve erit, eum dedi Laruis et proximo munere inter novos auetaratos ferulis vapulare placet. < (4) Proximus interrogatur sententiam Diespiter Vicae Potae filius, et ipse designatus consul, nummulariolus : hoc quaestu se sustinebat, vendere civitatulas solebat. ad hunc belle accessit Hercules et auriculam illi tetigit. censet itaque in haec verba: (5) >Cum divus Claudius et divum Augustum sanguine contingat nec minus divam Augustam aviam suam, quam ipse deam esse iussit, longeque omnes mortales sapientia antecellat sitque e re publica esse aliquem qui cum Romulo possit »ferventia rapa vorare« : censeo uti divus Claudius ex hac die deus sit, ita uti ante eum qui optimo iure factus sit, eamque rem ad metamorphosis Ovidi adiciendam<. (6) Variae erant sententiae, et videbatur Claudius sententiam vincere. Hercules enim, qui videret ferrum suum in igne esse, modo huc modo illuc cursabat et aiebat : >noli mihi
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theater; daraus gemacht. Um aber nicht den Anschein zu erwecken, als spräche ich gegen eine bestimmte Person statt zur Sache, plädiere ich dafür, daß von heute an keiner mehr von denen ein Gott werden kann, die >genießen die Früchte des Feldes<, 76 oder von denen, die da nährt >die nahrungspen dende Erde<. 77 Wer entgegen diesem Senatsbeschluß zum Gott gemacht, Gott genannt oder als solcher abgebildet wird, der möge den Furien ausgeliefert und bei den nächsten Spielen unter den neu verpflichteten Gladiatoren mit Ruten ausgepeitscht werden. « 78 (4) Als nächster wird Diespiter, der Sohn der Vica Pota, 7 9 um seine Meinung gefragt, zwar auch ein designierter Konsul, sonst aber bloß ein kleiner Winkelbankier: er hielt sich damit über Wasser, daß er gewöhnlich Bürgerrechte ver schacherte. An den machte sich Hercules mit freundlicher Miene heran und zupfte ihn mit sanftem Nachdruck am Ohrläppchen.80 Daraufhin gibt der seine Stimme ab, indem er folgendes formuliert: (5) »Da der göttliche Claudius sowohl mit dem göttlichen Augustus und nicht minder mit der göttlichen Augusta, seiner Frau Großmutter, die er selber zur Göttin erheben ließ, in Blutsverwandtschaft verbunden ist" und da er alle Sterblichen an Weisheit weit überragt" und weil es auch zum Nutzen des Staates ist, daß einer da ist, der mit Romulus >glühend heiße Rüben verschlingen<" könnte, so plädiere ich dafür, daß der göttliche Claudius vom heutigen Tage an ein Gott sein soll, so wie jeder, der vor ihm mit Fug und Recht dazu gemacht worden ist, und dieser Akt soll den Metamor phosen Ovids angefügt werden. <<84 (6) Die Meinungen waren geteilt, und Claudius schien den Sieg in Händen zu haben. Denn H ercules, der sah, daß nun sein Eisen im Feuer war, lief bald hierhin, bald dorthin und redete auf die Betroffenen ein : »Sei mir bitte nicht schlecht gesonnen, meine Sache steht jetzt schließlich auf dem Spiel. Ein andermal, wenn du was willst, werd' ich dir um-
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invidere, mea res agitur; deinde tu si quid volueris, in vicem faciam : manus manum lavat<. 10 (1) Tune divus Augustus surrexit sententiae suo loco dicendae et summa facundia disseruit : >Ego< inquit >p. c. vos testes habeo, ex quo deus factus sum, nullum me verbum fecisse : semper meum negotium ago . sed non possum amplius dissimulare et dolorem, quem gravio rem pudor facit, continere. (2) In hoc terra marique pacem peperi ? ideo civilia bella compescui ? ideo legibus urbem fundavi, operibus ornavi, ut - quid dicam p. c. non invenio : omnia infra indignationem verba sunt. confugiendum est itaque ad Messalae Corvini, disertissimi viri, illam sententiam : »pudet imperii<< . (3 ) Hic, p. c. qui vobis non posse videtur muscam excitare, tarn facile homines occidebat, quam canis adsidit. sed quid ego de tot ac talibus viris dicam ? non vacat deflere publicas clades intuenti domestica mala. itaque illa omittam, haec referam ; nam etiam si soror mea Graece nescit, ego scio : eyytov yovu XV�I!T]�. (4) lste quem videtis, per tot annos sub meo nomine latens, hanc mihi gratiam rettu!it, ut duas lulias proneptes meas occideret, alteram ferro, alteram fame ; unum abnepotem L .
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gekehrt einen Gefallen erweisen : eine Hand wäscht die an dere. « 10 (1) Da erhob sich der göttliche Augustus, um, da die Reihe an ihm war, seine Stellungnahme abzugeben, und trug mit meisterhafter Beredsamkeit folgendes vor : »Ich rufe euch als Zeugen auf, Senatoren, daß ich noch kein einziges Wort geäußert habe, seitdem ich Gott geworden bin : immer kümmere ich mich nur um meine Angelegen heiten. s; Aber j etzt kann ich dieses Spiel nicht mehr länger gleichgültig mitmachen und den Schmerz, den mein gesun des Ehrgefühl noch schlimmer macht, bezwingen. (2) Dazu also habe ich zu Wasser und zu Lande Frieden geschaffen? Darum die Bürgerkriege beendet? Deshalb die Stadt auf den Boden der Gesetze gestellt, sie durch Pracht bauten verschönert, 86 nur um - - Senatoren! Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich finde keine Worte für meine Entrü stung. Ich muß Zuflucht nehmen zu dem bekannten Aus spruch des großen Redners Messala Corvinus : >Ich muß mich für das Reich schämen!<" (3 ) Dieser Mensch, Senato ren, der euch den Eindruck macht, als ob er keiner Fliege was zuleide tun könne, ließ mit derselben Leichtigkeit :\lenschen umbringen, wie ein Hund das Bein hebt. 88 Doch was soll ich von all den vielen und bedeutenden Männern reden ? Mir bleibt gar nicht die Zeit, seine öffentlichen Scharmützel zu beweinen, wenn ich auf seine Greueltaten in meinem eigenen Haus blicke. Drum will ich j ene überge hen und nur über diese sprechen. Denn mag auch meine Schwester nichts davon verstehen, ich jedenfalls kenne das griechische Sprichwort : >Das Hemd ist mir näher als der Rock. <89 (4) Dieser Bursche, den ihr da seht, der sich so viele Jahre hinter meinem guten Namen verschanzte,'0 hat es m.ir dadurch gedankt, daß er die beiden Julien umbringen ließ, meine Urenkelinnen,'' die eine mit dem Schwert, die andere durch Hunger ; außerdem noch einen Ururenkel von mir, den Lucius Silanus.92 Du magst selbst sehen, Jupiter, ob er
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Silanum, videris Iuppiter an in causa mala, certe in tua, si aecus futurus es. Die mihi, dive Claudi, quare quemquam ex his, quos quas que occidisti, antequam de causa cognosceres, antequam audircs, damnasti ? hoc ubi fieri solet ? in caelo non fit. 1 1 ( 1 ) Ecce luppiter, qui tot annos regnat, uni Volcano crus fregit, quem QL'IjJE JtOÖÜ� "tE'Wyoov am) ßlJAOii 'ltea:rtea(mo, et iratus fuit uxori et suspendit illam : numquid occidit ? tu Messalinam, cuius aeque avunculus maior cram quam tuus, occidisti. »nescio« inquis ? di tibi male faciant : adeo istuc turpius est, quod nescisti, quam quod occidisti. (2) C. Caesarem non desiit mortuum persequi. occiderat ille socerum : hic et generum. Gaius Crassi filium vetuit Magnum vocari : hic nomen illi reddidit, caput tulit. occidit in una domo Crassum, Magnum, Scriboniam, assarios qui dem, nobiles tarnen, Crassum vero tarn fatuum, ut etiam regnare posset. (3 ) Hunc nunc deum facere vultis ? videte corpus eius dis iratis natum. ad summam, tria verba cito dicat, et servum me ducat. (4) Hunc deum quis colet ? quis credet? dum tales deos
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in einer üblen Sache93 verurteilt worden ist, auf jeden Fall in einer, die auch dich angeht, wenn du künftig noch gerecht sein willst. Jetzt sag mir nur, göttlicher Claudius, warum hast du einen ieden von denen, die du hinrichten ließest, immer verurteilt, bevor du eine gerichtliche Untersuchung eingeleitet, ja bevor du sie überhaupt nur angehört hast ?" Wo ist so etwas denn üblich ? Bei uns im Himmel bestimmt nicht. 11 ( 1 ) Schau dir Jupiter an, der schon so viele Jahre regiert, er hat bisher lediglich dem Vulkan einmal ein Bein gebro chen, als er >beim Fuß ihn packend, hinab von der göttlichen Schwelle ihn warf,," und einmal war er zornig auf seine Gattin und hat sie gefesselt im Äther aufgehängt•• - aber hat er sie denn gleich umgebracht ? Du aber hast Messalina, deren Großonkel ich genauso war wie der deine, töten lassen. 97 >Ich weiß von nichts<, sagst du ? Verdammen mögen dich die Götter : daß du keine Ahnung hattest, ist ja gleich noch schlimmer, als daß du sie ermorden ließest. •• (2) Dem Kaiser Caligula machte er sogar noch nach dessen Tod ständig alles nach. Der eine hatte seinen Schwiegervater umgebracht, 99 dieser hier auch noch den Schwiegersohn. 'c' Gaius Caligula verbot dem Sohn des Crassus, sich mit Beinamen Magnus zu nennen, der hier gab ihm den Namen wieder und - nahm ihm den Kopf. In ein und demselben Haus ließ er Crassus, Magnus und Scribonia umbringen, 101 die zwar alle keinen roten Heller wert waren, aber immerhin alter Adel, ja Crassus war obendrein sogar solch ein Trottel, daß auch er hätte Kaiser sein können ! (3 ) Den da wollt ihr also jetzt zum Gott machen ? Seht euch bloß seinen Körper an, den die Götter nur im Zorn erschaf fen haben können. Kurz und gut, drei Worte soll er rasch nacheinander sprechen, 102 und - schafft er's - er mag mich als seinen Sklaven abführen. (4) Wer wird denn den als Gott verehren ? wer an ihn
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facitis, nemo YOS deos esse credet. summa rei, p. c. , si honeste m e inter vos gessi, si nulli clarius respondi, vindicate iniurias meas. ego pro sententia mea hoc censeo< : atque ita ex tabella recitavit : (5) >Quandoquidem divus Claudius occidit socerum suum Appium Silanum, generas duos Magnum Pompeium et L . Silanum, socerum filiae suae Crassum Frugi, hominem tarn similem sibi quam ovo ovum, Scriboniam socrum filiae suae, uxorem suam Messalinam et ceteros quorum numerus iniri non potuit : placet mihi in eum severe animadverti nec illi rerum iudicandarum vacationem dari eumque quam primum exportari et caelo intra triginta dies excedere, Olympo intra diem tertium<. (6) Pedibus in hanc sententiam itum est. nec mora, Cyllenius illum collo obtorto trahit ad inferos a caelo >(illuc) unde negant redire quemquam<. 12 (1) Dum descendunt per viam sacram, interrogat Mercu rius, quid sibi velit ille concursus hominum, num Claudii funus esset? et erat omnium formosissimum et impensa cura, plane ut scires deum efferri : tubicinum, cornicinum, omnis generis aeneatorum tanta turba, tantus concentus, ut etiam Claudius audire posset. (2) Omnes laeti, hilares : populus Romanus ambulabat tan quam liber. Agatho et pauci causidici plorabant, sed plane ex
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glauben ? Sobald ihr solche Figuren zu Göttern macht, wird kein Mensch mehr glauben, daß ihr Götter seid. Kurz und gut, Senatoren, wenn ich mich in diesem Hohen Hause stets ehrenhaft verhalten habe, wenn ich keinem je zu deutlich herausgegeben habe, so rächt das Unrecht, das ich erlitten habe. Nach meinem Dafürhalten plädiere ich für folgendes« (und er verlas aus seinem Notizblock) : 10 3 (5) »In Anbetracht der Tatsache, daß der göttliche Claudius ermorden ließ seinen Schwiegervater Appius Silanus, seine beiden Schwiegersöhne Magnus Pompeius und Lucius Sila nus, den Schwiegervater seiner Tochter, Crassus Frugi (ein Individuum, ihm so ähnlich wie ein Ei dem anderen), Scri bonia, die Schwiegermutter seiner Tochter, Messalina, seine Frau, und eine Menge anderer, deren genaue Zahl nicht ermittelt werden konnte - so stelle ich den Antrag, mit aller gebotenen Strenge gegen ihn vorzugehen, ihm auch keinerlei Prozeßaufschub zu gewähren und ihn baldmöglichst abzu schieben, und zwar mit der Maßgabe, daß er den Himmel binnen dreißig, den Olymp aber schon in drei Tagen verlas sen muß . « 10 4 (6) Dieser Antrag wurde allgemein angenommen. Es gab keinen Aufschub, und so packte ihn Merkur am Kragen105 und schleppt ihn aus dem Himmel in die Unterwelt, >von wo noch keiner, sagt man, zurückkam.<'0' 12 (1) Während sie die Heilige Straße hinabgehen, 10 7 fragt Merkur, was der Menschenauflauf dort zu bedeuten habe, ob das etwa das Begräbnis des Claudius sei ? Und wirklich, es war aufs allerprächtigste ausgerichtet und zeugte von besonderem Aufwand, so daß man gleich sehen konnte, es werde ein Gott hier zu Grabe getragen : es war ein solch großes Aufgebot von Trompeten, Hornisten und Blechblä sern aller Art, ein solches Konzert, daß selbst Claudius es hören konnte. (2) Alle waren froh und ausgelassen : das römische Volk spazierte wie befreit umher. Lediglich Agatho und einige Winkeladvokaten weinten, diese aber richtig von Herzen.
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animo . iurisconsulti e tenebris procedebant, pallidi, graciles, vix animam habentes, tanquam qui turn maxime revivisce rent. ex his unus cum vidisset capita conferentes et fortunas suas deplorantes causidicos, accedit et ait : >dicebam vobis : non semper Saturnalia erunt<. (3 ) Claudius ut vidit funus suum, intellexit se mortuum esse. ingredienti enim j.lEyaA.�p l(OQLX0 naenia cantabatur anapae stis : ,fundite fletus, edite planctus, resonet tristi clamore forum : cecidit pulehre cordatus homo, quo non alius fuit in toto fortior orbe. ille citato vincere cursu porerat celeres, ille rebelles fundere Parthos levibusque sequi Persida telis, certaque manu tendere nervum, qui praecipites vulnere parvo figeret hostes, pictaque Medi terga fugacis . ille Britannos ultra noti litora ponti et caeruleos scuta Brigantas dare Romuleis colla catenis iussit et ipsum nova Romanae iura securis tremere Oceanum. deflete virum, quo non alius potuit citius discere causas, una tantum parte audita, saepe et neutra. quis nunc iudex toto lites audiet anno ? tibi iam cedet sede relicta,
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Die wirklichen Juristen indes traten aus der Finsternis her vor, bleich, abgemagert, kaum noch Leben im Körper, als ob sie jetzt erst wieder richtig aufzuleben begannen. 108 Als einer von ihnen sah, wie die Advokaten die Köpfe zusam mensteckten und ihr Los beklagten, ging er auf sie zu und sprach : »Ich hab's euch doch gesagt, die Saturnalien werden nicht ewig dauern!«"' (3 ) Wie Claudius nun sein eigenes Begräbnis sah, da begriff er, daß er mausetot sei. Denn ein gewaltiger Chor zog um und stimmte in Anapästen den Klagegesang an : 110 Vor Tränen zerfließt, in Klagen brecht aus, von Trauergesang das Forum erschall'! ach, es sank uns ein Held von so strahlendem Geist, und keinen auch gab's auf des Erdkreis' Rund, der da tapfrer als er. Die Geschwindesten hat im rasenden Lauf er weit überholt, und die Partherrebell'n, 1 1 1 er hat sie zersprengt und mit leichtem Geschoß alle Perser gej agt und mit sicherer Hand seinen Bogen gespannt, daß den fliehenden Feind in kaum sichtbarer Wund' so durchbohre der Pfeil und das bunte Gewand, wenn den Rücken gewandt die Meder, die fliehn. Das britannische Volk 1 1 2 - weit hinter dem Meer, das wir bisher erforscht und Brigantias Stammm mit dem bläulichen Schild mußten beugen den Hals unters römische Joch, ja dem Ozean selbst'" er zu zittern gebot vor dem neuen Recht eines römischen Beils. Oh, beklaget den Mann, der wie keiner so rasch bei Prozessen entschied, wenn nur eine Partei er zu hören geneigt oder keine oft auch!'" Welcher Richter wird nun jahraus und jahrein j etzt hören die Klag' ? Sieh, dir weichet da schon und räumt seinen Sitz,
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Apocolocyntosis qui dat populo iura silenti Cretaea tenens oppida centurn. caedite rnaestis pectora palrnis, o causidici, venale genus. vosque poetae lugete novi, vosque in prirnis qui concusso rnagna parastis lucra fritillo . <
13 (1) Delectabatur laudibus suis Claudius et cupiebat diu tius spectare. inicit illi rnanurn Talthybius deorum nuntius et trahit capite obvoluto, ne quis eum possit agnoscere, per carnpum Martiurn et inter Tiberim et Viam Teetarn descendit ad inferos . (2) Antecesserat i a rn cornpendiaria Narcissus libertus ad patronurn excipiendum et venienti nitidus, ut erat a balineo, occurrit et ait : •quid di ad homines ?< >celerius< inquit Mercurius >et venire nos nuntia<. (3 ) Dicta citius Narcissus evolat. omnia proclivia sunt, facile descenditur. itaque quamvis podagricus esset, momento tcrnporis pcrvcnit ad ianuarn Ditis, ubi iacebat Cerberus vel ut ait Horatius >belua centiceps<. pusillurn perturbatur - subalbarn canern in deliciis habere adsueverat - ut illurn vidit canern nigrurn, villosum, sane non quern velis tibi in tenebris occurrere, et rnagna voce >Claudius< inquit >veniet<. (4) Cum plausu procedunt cantantes : Eilgi]xaJ.lEV auyxatQOJ.lEV. hic erat C. Silius consul designatus, luncus praetorius, Sex. Traulus, M. Helvius, Trogus, Cotta, Vettius Valens, Fabius,
Die Verkürbissung des Kaisers Claudius der i m Schweigenden Reich König Minos, der einst Ach, klopft auf die Brust Advokatengezücht,
das Recht hat gesproch'n,
hundert Städte beherrscht.'" mit trauernder Hand,
ihr käufliches Pack!
Und es klage nun auch,
wer ein Modepoet,117
und besonders auch ihr,
ihr Spielergelump',
die leichten Gewinn
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mit den Bechern erzielt'."'
13 (1) Claudius war hocherfreut über diese Lobeshymnen und hatte große Lust, noch länger zuzuschauen. Da packt ihn schon der Götterbote Talthybius"' und schleppt ihn Yerhüllten Hauptes, damit ihn keiner erkennen könne, übers :Marsfeld und steigt mit ihm zwischen Tiber und der Via Tecta120 in die Unterwelt. (2) Vorausgeeilt war schon auf einem kürzeren Weg der kaiserliche Freigelassene Narzissus1 21 , um seinen Herrn zu empfangen ; blitzsauber, wie er vom Bade war, 122 eilt er dem Ankömmling entgegen und ruft aus : »Was suchen die Götter bei den Menschen ?« »Mach schon« , ruft Merkur, »und melde, daß wir kom men. « (3) Kaum gesagt, eilt Narzissus auch schon davon. Alles geht bergab, leicht kommt man hinunter. So gelangte er trotz seiner Gichtfüße im Handumdrehen zu Plutos pforte, wo der Cerberus oder, wie Horaz sagt, >die hundertköpfige Bestie•, 123 lag. Ein wenig verliert er jetzt doch die Fassung, wie er diesen schwarzen, strähnigen Köter sieht, dem man sicher nicht im Dunkeln begegnen möchte - sonst war er nur gewöhnt, sein weißes Schoßhündchen zu hätscheln -, dann aber ruft er mit lauter Stimme : »Claudius kommt!« (4) Unter Händeklatschen kommen sie nunmehr hervor und singen : »Wir haben ihn gefunden, nun freun wir uns!« 12 4 Da waren der designierte Konsul Gaius Silius , der ehemalige Prätor Juncus, Sextus Traulus, Marcus Helvius, Trogus,
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equites R. quos Narcissus duci iusserat. medius erat in hac cantantium turba Mnester pantomimus, quem Claudius decoris causa minorem fecerat. (5) Ad Messalinam - cito rumor percrebuit Claudium venisse - convolant : primi omnium liberti Polybius, Myron, Harpocras, Amphaeus, Pheronactus, quos Claudius omnes, necubi imparatus esset, praemiserat. deinde praefecti duo Iustus Catonius et Rufrius Pollio. deinde amici Saturninus Lusius et Pedo Pompeius et Lupus et Celer Asinius consula res, novissime fratris filia, sororis filia, generi, soceri, socrus, omnes plane consanguinei. (6) Et agmine facto Claudio occurrunt. quos cum vidisset Claudius, exclamat : >:n:av1:a cpCA.oov :n:A.i]Qll . quomodo huc venistis vos?< turn Pedo Pompeius : •quid dicis, homo crudelissimc ? quaeris quomodo ? quis enim nos alius huc misit quam tu, omnium amicorum interfector? in ius eamus : ego tibi hic seilas ostendam<. 14 (1) Ducit illum ad tribunal Aeaci : is lege Cornelia quae de sicariis lata est, quaerebat. postulat, nomen eius recipiat ; edit subscriptionem : occisos senatores XXXV, equites R. CCXXI, ceteros Öoa 'ljJaJ.latl-6� 'tE Y.OV L � 't E . (2) Advocatum non invenit. tandem procedit P . Petronius, vetus convictor eius, homo Claudiana lingua disertus, et postulat advocationem. non datur. accusat Pedo Pompeius
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Cotta, Vettius Valens, Fabius - lauter römische Ritter, die ::-.larzissus hatte hinrichten lassen. "' Mitten unter dieser Sän gerschar war auch der Pantomime Mnester, den Claudius aus Schönheitsgründen einen Kopf kürzer machen ließ . (5) Alle eilen zu Messalina hin, denn das Gerücht, Claudius sei gekommen, hatte sich schnell herumgesprochen : allen voran die Freigelassenen Polybius, Myron, Harpocras, Amphaeus, Pheronactus, die Claudius allesamt, um nicht ohne Dienerschaft auskommen zu müssen, bereits voraus geschickt hatte ; schließlich noch die beiden Präfekten ]ustus Catonius und Rufrius Pollio, außerdem seine Freunde Saturninus Lusius und Pedo Pompeius sowie Lupus und Celer Asinius, alles ehemalige Konsuln, und zu guter Letzt die Tochter seines Bruders, die Tochter seiner Schwester, seine Schwiegersöhne, seine Schwiegerväter, seine Schwiegermutter, mit einem Wort, alle seine Bluts verwandten. (6) In geschlossener Prozession ziehen sie Claudius entge gen . Als er sie sieht, ruft er aus : >>Alles ist. voll von Freun den ! 12' Wie seid ihr denn hierher gekommen ? « Darauf fährt ihn Pedo Pompeius an : »Was sagst du da, du brutaler Kerl ? Du fragst noch wie ? Wer anders als du hat uns hierherge schickt, du Mörder aller deiner Freunde ? Los, ab ! Vors Gericht gehen wir jetzt: ich werd' dir gleich zeigen, wo hier die Richter sitzen . « 1 4 (1) Und e r führte ihn vor das Tribunal des Aeacus :127 der leitete die Untersuchungen nach der Lex Cornelia"' über Meuchelmörder. Pedo beantragt, er solle ihn als Kläger zulassen und reicht die Klageschrift ein : ermordet seien 35 Senatoren, 221 römische Ritter, an sonstigen Bürgern >soviel wie Sand am Meer. <129 (2) Rechtsbeistand kann Claudius keinen finden. Schließlich tritt Publius Petronius vor, sein alter Zechkumpan, ein Geselle, der in der Claudianischen Schönrednerei perfekt war, und bittet um einen Aufschub zwecks Rechtsberatung. Abgelehnt. Die Anklage vertritt unter großem Beifallsge-
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magnis clamoribus. incipit patronus velle respondere. Aea cus, homo iustissimus, vetat et illum altera tantum parte audita condemnat et ait : al:xe :1t<x-froL 1:a •' EQE�E, öCxl] x' Wei:a ytvono. (3) Ingens silentium factum est. stupebant omnes novitate rei attoniti, negabant hoc unquam factum . Claudio magis ini quum videbatur quam novum. De genere poenae diu disputatum est, quid illum pati opor teret. erant qui dicerent, Sisyphum diu laturam fecisse, Tantalum siti periturum nisi illi succurreretur, aliquando Ixionis miseri rotam sufflaminandam. (4) Non placuit ulli ex veteribus missionem dari, ne vel Claudius unquam simile speraret. Placuit novam poenam constitui debere, excogitandum illi Iaborern irritum et alicuius cupiditatis spem sine effectu. turn Aeacus iubet illum alea ludere pertuso fritillo. et iam coepe rat fugientes semper tesseras quaerere et nihil proficere : 15 (1 ) nam quotiens missurus erat resonante fritillo, utraque subducto fugiebat tessera fundo . cumque recollectos auderet mittere talos, lusuro similis semper semperque petenti, decepere fidem : refugit digitosque per ipsos
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schrei Pedo Pompeius. Schon schickt sich Petronius an, diesem zu entgegnen. Da verbietet es ihm Aeacus, die Gerechtigkeit in Person, und, nachdem er nur die Gegen partei angehört hat, verurteilt er ihn"' und sagt : »Was er getan, dafür büß' er, und gleiches Recht widerfahr' ihm ! « 131 (3) Da wurde es totenstill. Ganz perplex sind alle, wie vom Donner gerührt angesichts dieses unerhörten Falles ; so etwas habe es noch nie gegeben, sagten sie. Dem Claudius allerdings schien es eher ungerecht als neu. Über die Art der Strafe stritt man lange hin und her, was er denn erleiden solle. Einige meinten, Sisyphus habe seine Last schon lange genug getragen, "' auch T antalus werde bald vor Durst umkommen, 1 33 wenn man ihm nicht zu Hilfe komme, und einmal müsse schließlich auch das Rad des armen Ixion zum Stehen gebracht werden. "' (4) Indes man lehnte allgemein ab, einen dieser alten Büßer zu erlösen, damit Claudius für sich ja nicht einst Gleiches erhoffen könne. :Man beschloß, man müsse eine ganz neue Strafe für ihn einführen, eine völlig sinnlose Arbeit ersinnen, eine aus sichtslose Betätigung auf dem Gebiet irgendeiner seiner früheren Lieblingsbeschäftigungen - ohne allen Effekt. Da ordnet Aeacus an, er solle würfeln - mit einem durchlöcher ten Becher. "' Und schon fing er an, die immer entfallenden Würfel aufzusammeln, ohne je zum Wurf zu kommen : 15 (1) Denn sooft er zu würfeln versuchte aus schepperndem Becher, fielen die Würfel gleich beide heraus durch die Löcher des Bodens. Wagt' er's erneut, die wiedergesammelten Würfel zu werfen immer zum Spiele gewillt, doch vergebens stets greifend nach ihnen -, täuschten sein Hoffen sie wieder : den eigenen Fingern entgleitet
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fallax adsiduo dilabitur alea furto . sie cum iam summi tanguntur culmina montis, irrita Sisyphio volvuntur pondera collo . (2) Apparuit subito C. Caesar et petere illum in servitutem coepit; producit testes, qui illum viderant ab illo flagris, ferulis, colaphis vapulantem. adiudicatur C . Caesari ; Caesar illum Aeaco donat. is Menandro liberto suo tradidit, ut a cognitionibus esset.
Die Verkürbissung des Kaisers Claudius
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tückisch der Würfel, als ob er von diebischen Händen entwendet. So, wenn der Gipfel bereits des mächtigen Berges ist erklommen, rollt nach vergeblichem Wälzen von Sisyphus' Nacken der Steinblock. (2) Da erschien plötzlich Kaiser Caligula und forderte ihn entschlossen für sich als Sklaven an ;"' er brachte Zeugen bei, die gesehen hatten, wie Claudius von ihm mit Peitschen und Rutenhieben sowie mit Ohrfeigen malträtiert wurde . Folglich wird er Kaiser Caligula zugesprochen. Der Kaiser schenkt ihn weiter an Aeacus, und der überläßt ihn wieder seinem Freigelassenen Menander, m damit er ihm bei gericht lichen Untersuchungen als Büttel diene. '"
Anmerkungen Der Text der vorliegenden Ausgabe folgt den Editionen von Franz Bücheler, Petronii saturae, adiectae sunt Varronis et Senecae saturae ;imilesque reliquiae, editio octava, Berlin/Zürich 1 963, und von Wilhelm Schöne, Seneca, Apokolokyntosis. Die Verkürbissung des Kaisers Claudius, München 1 957. Außerdem wurde die grundle gende Edition von C. F. Russo, L. Annaei Senecae Divi Claudii AIIOKOAOKYN9Q�I�, Florenz 5 1 965, vergleichend hinzuge zogen. Der 1 3 . Oktober 54 n. Chr. war der Todestag von Kaiser Claudius ; Ti. Claudius Caesar Augustus Germanicus, wie sein voller offizieller Name lautete, war von seiner Gattin Agrippina d. J. (wahrscheinlich durch ein Pilzgericht, vgl. Tacitus, ann. XII, 67) vergiftet worden . Noch am selben Tag wurde er vom Senat unter die Götter erhoben. 2 Mi t anno novo •im neuen (Kaiser-)Jahr< (54 n. Chr.) will Seneca zum Ausdruck bringen, daß die alte Zeitrechnung nicht mehr gilt und ein neues (goldenes) Zeitalter mit dem Regierungsbe ginn von Kaiser Nero angebrochen ist. 3 In Anlehnung an eine griechische Sentenz {tlOlQI!J xal ßaaLAEL VOtlO� äyQacpo; >nur für einen Trottel und den Kaiser gibt es ein ungeschriebenes Gesetz<) ist der Sinn des Sprichwor tes, daß man, um alles tun zu dürfen und um an kein Gesetz gebunden zu sein, eben entweder bereits als autonomer König, dem alles erlaubt ist, oder als absoluter Trottel, der nichts versteht und dem keiner darob böse sein kann, auf die Welt kommen muß (zur weiteren Umsetzung des Spruches in der römischen Literatur vgl. z. B. Horaz, sat. II, 3 , 1 88 f. : rex sum - et aequam rem imperito ) . An Claudius wurde das Sprichwort in doppelter Hinsicht wahr: er galt seinen Zeitgenossen als König (rex) wie auch als Dummkopf ifatuus). Selbst seine Mutter Antonia pflegte ihn eine •Mißgeburt von Menschen« zu nennen und von ihm zu sagen, ·die Natur habe ihn lediglich skizziert, nicht vollendet•, und wenn sie jemand den Vorwurf der Dummheit machen wollte, sagte sie gewöhnlich, er sei •noch blöder als ihr Sohn Claudius• . Mit gleicher Verachtung behandelten ihn seine Großmutter Augusta sowie seine Schwe ster Livilla, und sogar sein Großoheim Augustus erniedrigte
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Anmerkttngen
ihn öffentlich (vgl. Sueton, Cl. 3). Nach seinem Tod hielt sich auch Nero mit Spott und Hohn nicht mehr länger zurück ; mit einem seiner Lieblingswitze pflegte er festzustellen : morari Claz1dium desisse >Ciaudius hätte aufgehört, (auf Erden) allzu lang-zu-weilen< ; dabei sp rach er in Anlehnung an das griechi sche �LWQ6; >albern, einfältig, anödend< die erste Silbe lang aus, so daß der Hörer nicht nur an morari, >Verweilen< erinnert wurde, sondern bei mörari >dumm sein, herumalbern< assozi ierte (vgl. Sueton, Nero 33). 4 Als Drusilla, die Schwester von Kaiser Caligula, im Jahre 38 n . Chr. gestorben war, wurde sie zur Göttin erhoben. Der Senator Livius Geminus, im Todesjahr von Kaiser Claudius (54) offenbar Oberaufseher der Via Appia, schwor im Senat, er habe Drusilla zum Himmel auffahren sehen. Für diese Aussage bekam er vom Kaiser, dem an der Untermauerung des offiziel len Glaubens an die Deifikation von Vertretern des Kaiserhau ses natürlich sehr gelegen war, 250 000 Denare (vgl. Cassius Dio 59, 1 1 ) . Daß das Volk dennoch ein skeptisches Verhältnis zur Apotheose hatte, zeigt der satirische Ansatz Senecas . - Vor L. Geminus hatte schon der Senator Numerius Atticus eidlich bezeugt, er habe die Gestalt des verbrannten Augustus zum Himmel emporsteigen sehen, und bekam dafür von der Kaiser witwe Livia die gleiche Summe (vgl. Sueton, Aug. 1 00 und Cassius Dio 56,46). 5 Zitat aus Vergil, Aeneis II, 724 : (lulus) . . . sequitur patrem non passibus aequis. So beschreibt Vergil, wie der kleine Julus seinem Vater Aeneas, der ihn fest an der rechten Hand genom men hatte, beim Auszug aus dem brennenden Troj a. zu folgen versuchte, also mit im Vergleich zum Schrittmaß des Vaters >ungleichen [da kürzeren] Schritten<. Seneca überträgt dies in infantilisierender Art auf Claudius, von dem bekannt ist, daß er das rechte Bein nachzog und stotterte (vgl . Sueton, Cl. 2 1 und 30). 6 Die Leichname von Augustus und Tiberius, die beide in Kam panien gestorben waren, ersterer in der Stadt Nola, letzterer bei Misenum, wurden zu ihrer Beisetzung in feierlichem Zug auf der Via Appia nach Rom überführt und legten somit den ersten Teil ihrer •Fahrt in den Himmel« quasi unter Oberaufsicht des Straßenmeisters zurück, von dem Seneca behauptet, er müsse schließlich auch kraft seines Amtes über die Himmelfahrt des Claudius informiert sein.
Anmerk-ungen
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7 Mit der unvermittelt einsetzenden, sehr pathetisch gezeichneten Darstellung des Herbstes, dem eigentlichen Beginn der Hand lung, parodiert Seneca in bewußt manieristisch-schwülstiger Art die klassischen Vorbilder (vgl. z. B. Homer, Odyssee 2, 3 8 8 ; 1 0, 1 83 ; 10, 1 8 7 ff. ; Ilias I, 477; Vergil, Aeneis I, 306). Im Gegensatz zu der nachfolgenden knappen chronologischen Da tierung läßt der Zeitpunkt der Weinlese, die kürzere Sonnen umlaufbahn und die längere Nachtzeit nur ungefähr auf Sep tember/Oktober schließen. - Phoebu s : Sonnengott; gemeint ist : der Tag bricht später an, die Nacht tritt früher ein. - Cynthia: Schwester von Apollo/Phoebus, auch mit Diana gleichgesetzt. Als Apollo mit dem Sonnengott gleichgesetzt wurde, machte man sie zur Mondgöttin ( Luna/Selene). - Gott des Weines : Bacchus. 8 Seneca benützt für seine satirischen Ausführungen hier den Gemeinplatz des Philosophenstreites (vgl. etwa die antike Schule des Skeptizismus) sowie den allseits bekannten Um stand, daß bei den damals im Gebrauch befindlichen Wasser-, Sand- und Sonnenuhren kein absoluter Verlaß auf Zeitangaben bestand. Die Todesstunde, die Seneca meint, ist die offiziell angegebene Stunde von Claudius' Ableben. Tatsächlich starb Claudius schon mehrere Stunden zuvor, doch wurde sein Tod einige Zeit geheimgehalten, einerseits um hinsichtlich der Throniolge alles vorher in Ordnung zu bringen, andererseits um den von den Hofastrologen bestimmten günstigsten Zeit punkt zur Bekanntgabe des Todesfalles abzuwarten (vgl. Taci tus, ann. XII, 68 f. ; Sueton, Cl. 45, Nero 8). 9 Das Bild des Claudius, der für seine Seele gleichsam wie ein Hirte für seine Schafe keine Ö ffnung im Pferch findet, durch die er diese hinaustreiben könnte, ist vom Autor hier in bewußt s atirisch-erniedrigender Absicht gezeichnet. 10 Merkur war einerseits der Gott der Krämer, des Handels (merx) und der Emporkömmlinge, andererseits war er auch Symbol für die typischen Eigenschaften eines erfolgreichen Kaufman nes, d. h. für Einfallsreichtum, Schläue und Krämersinn. Hier in liegt eine weitere Spitze gegen Claudius, da der Relativsatz doppeldeutig zu verstehen ist: zum einen mag Merkur in der Tat an gewissen Talenten von Claudius Gefallen gefunden haben, sicher nicht an seinen sprachlichen und historischen Studien, eher schon an seiner stadtbekannten Spielsucht (vgl. Sueton, Cl. 33) oder an seinem prophylaktischen Vorratsden=
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Anmerkungen ken (vgl. Tacitus, ann. XII, 43 ; Sueton, Cl. 1 8), zum anderen läßt sich der Satz auch als ironischer Seitenhieb auf die Umkeh rung der von Merkur verkörperten Eigenschaften bei Claudius interpretieren, nämlich seine fehlende Gewandtheit, seine Töl pelhaftigkeit, Begriffsstutzigkeit und sprachlichen Schwierig keiten (vgl. Sueton, Cl. 30). Die drei Parzen (Schicksalsgöttinnen) sind Clotho, die den Lebensfaden spinnt, Lachesis, die in erhält und bewahrt, und Atropos, die ihn schließlich durchschneidet. Daß Merkur um den Tod von Claudius hier mit Clotho, die für die Entwicklung des Lebens verantwortlich ist, und nicht mit der für das Durch trennen des Lebensfadens zuständigen Atropos ( >die Unab wendbare<) feilscht, ist wieder eine gezielte Demütigung durch Seneca, der damit wohl auf den bereits zum geflügelten Wort gewordenen Ausspruch von Claudius' eigener Mutter anspielen will, die von ihm sagte, »die Natur habe ihn nie richtig voll endet, sondern nur begonnen« (nec absolutum a natura, sed tantum inchoatum; Sueton, Cl. 3). Claudius wurde 1 0 v. Chr. geboren und starb 54 n. Chr. , also im 64. Lebensjahr. Die Astrologen hatten während der Kaiserzeit großen Einfluß auf die Politik, und ihre Vorhersagen wurden offiziell sehr ernst genommen. Die sich häufig wiederholenden Prophezei ungen über eine mögliche Ermordung des Princeps werden vor allem vor dem Hintergrund der Intrigen seiner Frauen und einiger Umsturzversuche verständlich. Doch nicht nur die Vor hersagen der Astrologen, sondern auch der Umstand, daß Claudius die Anschläge auf Amt und Leben bis zum Jahr 54 überstand, werden hier vom Autor ironisiert. Zu weiteren Aussagen über die (teils skeptische) Einstellung zu Astrologie, Traumdeutung, Auspicium etc. vgl. z. B. Tacitus, ann. II, 27, XII, 52, oder Sueton, Cl. 46. hora ist hier doppeldeutig ; es kann sowohl auf seine Geburts stunde (hora natalis), die die Astrologen für das Erstellen eines Horoskops genau wissen mußten (vgl. aber dazu den Aus spruch seiner Mutter, Anm. 1 1 ), als auch auf seine Todesstunde (hora suprema), die Claudius immer wieder falsch prophezeit wurde, anspielen. Vgl. Anm. 3; Parallelstellen bei Seneca, apocol. : 4 , 2 ; 5 , 3 ; 7,4. Zitat aus Vergil, georg. IV, 90, wo mit diesem Satz die Bienen königin gemeint ist. =
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Anmerkungen
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17 Die Beteuerungsformel mehercules, mit der Clotho Hercules quasi als Zeugen anruft, wird sonst nur von Männern ge braucht; zu einem ähnlichen Gebrauch vgl. Phaedrus 111, 1 7, 8 . 1 8 Die Toga z u tragen war n u r den freien römischen (Voll-)Bür gern, den togati, gestattet ; die hier vorliegende Miteinbezie hung der Britanni ist eine bewußte Ü bertreibung Senecas, da lediglich Südengland erst im Jahre 45 n. Chr. unter Claudius' Regierung erobert wurde. 1 9 Claudius und von ihm ermächtigte Freigelassene verliehen das lange Zeit geradezu eifersüchtig behütete römische Bürgerrecht freizügig, ja es ging sogar das Wort um, man könne um ein paar Glasscherben römischer Bürger werden (vgl. Cassius Dio 60, 1 7) . Daß sich der Princeps dabei allerdings von wohlbegrün deten Ü berlegungen leiten ließ, etwa daß ehedem Freunde, ja selbst feindlich gesinnte Nationen durch staatsrechtliche Auf wertung und Integration ins römische Reich •unter dem glei chen Namen zu einer Gemeinschaft zusammengewachsen sind<, ist einer bei Tacitus (ann. Xl,24) wiedergegebenen Rede Claudius' zu entnehmen ; vgl . dazu auch die Fragmente der authentischen Rede auf der in Frankreich gefundenen sog. Bronzetafel von Lyon (CIL XIII 166 8 ; vgl. außerdem CIL V
5050). 20 Augurinus, Baba, Claudius : das sog. ABC der Dummköpfe, da sicher nicht unbeabsichtigt in alphabetischer Reihenfolge aufge zählt; zu Augurinus finden wir nichts überliefert; zu Baba als Beispiel eines stultus vgl . Seneca, epist. 1 5 , 1 0 ; Clotho bewies also offensichtlich »Einsehen• mit Claudius und stellte ihm offenbar nach dem Prinzip · Gleich und gleich gesellt sich gern• zwei Reisebegleiter an die Seite. 21 Lediglich das erste Verspaar wird quasi en passant an Claudius verschwendet, während der nachfolgende Lobgesang an Schmeichelei für Nero kaum übertroffen werden kann . Die Haltung Senecas zu diesem Zeitpunkt ist durchaus verständ lich, da Nero aufgrund seiner und des Burrus Erziehung zu nächst tatsächlich Anlaß zu höchsten Erwartungen gab . Daß Nero ihn später so schwer enttäuschen würde, war noch in keiner Weise abzusehen. Daß derartige Lobeshymnen den jun gen Kaiser schließlich dazu brachten, sich mit der Figur des am Anfang seiner neuen Ä ra allen Menschen Segen bringenden Sonnengottes Phoebus Apollo zu identifizieren, dein er an Schönheit, Intelligenz und musischem Talent zu gleichen
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Anmerkungen wähnte, ist begreiflich. Zu Nero als Sänger, Musiker und Deklamator und seinem Streben, es Apollo gleichzutun, vgl. Sueton, Nero 20 und 5 3 ; Cassius Dio 60,20 und 63, 1 4 und 20. Pieros war der Vater der neun Musen. Der piecisehe Lorbeer, mit dem sich auch Apollo als Musenjünger auswies, galt als Symbol der Läuterung und der Seher. - Lachesis bekundet also mit ihrem Kopfschmuck die zukunftsweisende Bedeutung ihres Wirkens. Nestor und Tithonus stehen beide sprichwörtlich für hohes Alter (vgl. dazu etwa unseren Ausdruck vom •methusalemi schen Alter«). Nestor war König von Pylos und soll drei Menschenalter gelebt haben. Tithonus wurde von seiner Ge mahlin, der Göttin der Morgenröte (Aurora), in den Himmel entführt, wo sie um ewiges Leben, aber nicht ewige Jugend ( !), für ihn bat (vgl. Horaz, carm. II, 16, 30). Lucifer (wörtl. >Lichtbringer<) ist gleich mit unserem Morgenstern. Hesperus : der Abendstern. Vgl. Anm. 23. Zitat aus Euripides , Kresphontes, frg. 452 ; vgl. auch die lateini sche Ü bertragung von Cicero, Tusc. I, 1 1 5. Der von Seneca verkehrte Sinn der Originalstelle in der nur fragmentarisch überkommenen Tragödie des Euripides ist, daß sich die hinter bliebenen Freunde eines Verstorbenen über dessen Tod nicht bekümmern sollen, da dieser von Stund an das Leben mit all seinen Leiden überwunden hat. Mit ebullire >herausgurgeln (lassen)< (vgl . bulla >Wasserblase<) ist von Seneca absichtlich ein vulgär klingender Ausdruck gewählt, der parallel zu dem nachfolgenden sonitum emittere illa parte, qua facilius loquebatur zu sehen ist; ähnlich conca
care. 29 Zur Rolle der Komödianten, die man, wahrscheinlich auf Agrippinas Veranlassung, in das Sterbezimmer von Claudius geführt hatte, offenbar um dessen Tod nach außen hin noch einige Zeit zu vertuschen, bis sich Nero nachmittags dann als neuer Kaiser zeigen konnte, vgl. Sueton, Cl. 45. 30 Die antiken Chronisten und Biographen waren bestrebt, gerade die letzten Worte großer Persönlichkeiten zu überliefern (vgl. z. B. auch den berühmten Nero-Ausspruch, Sueton, Nero 49 ; ähnlich Caes . 8 2 ; Vesp. 23,4, oder Epaminondas bei Nepos, vir. ill. XV, 9, oder Timoleon, vir. ill. XX,4, et al . ) . Mit
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concacarc ist konkret auf die Auswirkungen der Vergiftung des
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Claudius angespielt (vgl. Tacitus, ann. XII, 67), zugleich aber drückt sich für die Eingeweihten ein handfester Spott über den Entschluß des Kaisers aus, ein Edikt über gewisse Fragen des \Vohlverhaltens bei Tische zu erlassen (vgl. dazu Sueton, Cl. 32, und Petronius, satir. 47). Hier beginnt die eigentliche Himmelfahrt des Kaisers Claudius . Siehe Anm. 5 . Die dreizehnte Arbeit des Hercules, also noch schlimmer als seine zwölfte und letzte Handlung, das Heraufholen des drei köpfigen schlangenbewachsenen Höllenhundes Cerberus . Die formelhafte Frage aus Homer, Odyssee 1 , 1 70, die Tele mach an Athene stellt, war damals wohl j edem bekannt und gab nicht den geringsten Anlaß, daraus zu schließen, der Himmel sei voller Gelehrter. Daß Claudius mit einer entsprechenden griechischen Wendung antwortet, ist eine Anspielung auf seine Neigung, sich häufig der griechischen Sprache zu bedienen und bisweilen sogar Prozesse mit Homer-Zitaten zu entscheiden : multum vero, pro tribunali ctiam, Homericis locutus est versibus (Sueton, Cl. 42) . Claudius war e i n vielseitig interessierter Philologe u n d begei sterter Hisoriker; so hatte er ein 20bändiges Werk der etruski schen Geschichte und ein 8bändiges Werk über die karthagi sche Geschichte auf Griechisch verfaßt. Den Ansporn zu seinen historischen Forschungen dürfte Livius mit seiner umfangrei chen Geschichtsdarstellung gegeben haben. Außerdem verfaßte er noch eine Autobiographie und eine Verteidigungsschrift Ciceros. Obwohl Claudius nicht aus dem julischen Geschlecht stammte, trug er wie die übrigen Kaiser den Beinamen Caesar. Als Caesar (vgl. Caesarem se esse) betrachtet er gleichsam wie ein Julier Aeneas als Stammvater und gibt Ilion ( Troja) als Herkunfts ort seiner Gens an. Von dort verschlug es ihn zur Stadt der Kikonen, eigentlich ein wildes, barbarisches Volk in Thrakien, das der sich in jeder Hinsicht zur verfeinerten griechischen Kultur bekennende Claudius hier verächtlich mit den Römern gleichsetzt. In der griechischen Originalstelle (Odyssee 9, 39) erzählt Odysseus dem Phäakenkönig Alkinoos , daß es ihn von Ilion aus zu den wilden Kikonen in Thrakien verschlagen habe. Odyssee 9,40. Febris, die Fiebergöttin, hatte mehrere Altäre in Rom. Unter =
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Anmerkungen anderem war ihr ein Tempel auf dem Palatin geweiht, nahe dem Kaiserpalast, wo Claudius gestorben war (vgl . Cicero, nat. deor. III, 63 ; leg. li, 28; Val . Max. Il, 5/6; Plin . , nat. I l , 7). Als offizielle Todesursache wurde anscheinend Fieber angegeben, ein Symptom, das als Folge der Vergiftung durchaus denkbar ist. Daß als einzige von allen Göttern die Fiebergöttin dem Kaiser das letzte Geleit gibt, hat wohl seinen Grund in ihrem zeitlebens »engen Verhältnis« zu Claudius, der schon als Kind ständig kränkelte ( cum illo tot annis vixz) ; außerdem stand ihr Tempel in der Nähe des Palastes, und wie bei Claudius handelte es sich bei ihr um eine unerwünschte Person, über deren Abzug man nur froh sein konnte. Claudius wurde 10 v. Chr. in Lyon (Lugdunum) an der Rhöne geboren. Seine Mutter Antonia hatte ihren Gatten Drusus nach Gallien begleitet, der von dort aus gegen den germanischen Stamm der Chatten (= Hessen) einen Feldzug unternahm . Antonia blieb in Lyon zurück, das bereits 43 v. Chr. von Caesars Statthalter L. Munatius Plancus als römische Kolonial stadt gegründet worden war ; insofern ist Claudius also Lands mann (municeps) des Plancus. Vienna, ehemalige Hauptstadt der Allohroger und zu Senecas Zeit römische Kolonie in Gallia Narbonensis, war 16 Meilen von Lyon entfernt, was ziemlich genau der tatsächlichen Ent fernung (etwa 24 km) entspricht. Gallus germanus : hier liegt ein im Deutschen nicht nachvoll ziehbares Wortspiel vor ; da es sich um einen gesprochenen Satz handelt, klingt neben >echt, eingeboren< auch die Bedeutung >Germane, germanisch< durch, so daß zum Ausdruck kommt, sowenig dieser Römer ein Römer war, war er andererseits ein Gallier ; am ehesten wird man dem Ausdruck wohl durch eine Paraphrase gerecht : >ein vermeintlich waschechter Gallier (der auch kein echter Römer ist)<. Analogie zur Eroberung Roms durch die Gallier unter Brennus im Jahre 390 oder 387 v. Chr. Licinus, ein geldgieriger gallischer Sklave und Freigelassener Caesars, wurde unter Augustus ein gefürchteter Statthalter in Gallien. So führte er für das Jahr vierzehn Monate ein, um noch mehr Steuern aus der Provinz pressen zu können. Sein Name wurde sprichwörtlich für einen reichen Emporkömmling und Despoten (vgl. Cassius Dio 54, 2 1 ; Seneca, epist. 1 1 9, 9 ; Juvenal I , 1 09, und XIV, 306 ; Persius Il, 3 6 ; Martial VIII, 3,6).
Anmerkungen
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44 Mit dem Personalpronomen tt< kann sowohl Hercules als auch Claudius als Adressat gemeint sein. So entschieden sich an dieser fehlerhaft überlieferten Stelle z. B. Bücheler, Schöne, Marx für Claudius als Adressaten, während etwa Weinreich, Russo, Krenkel glauben, Hercules sei angesprochen, der als Treiber der Geryones-Herde auch durch Gallien kam. Das Attribut Lugudunensis muß aber nicht zwangsläufig direkt auf Hercules oder Claudius bezogen werden, sondern kann auch andeuten, daß einer der beiden wohl mehr herumgekommen ist, als dies bei den dafür bekannten Maultiertreibern von Lyon der Fall war. Städele, Waltz, Broemser und Rouse lassen dies offen. Geht man davon aus, daß Lugudunensis ein direkt auf Claudius bezogenes Attribut ist, der ja gebürtiger »Lugudu nenser« ist, so neigt der Herausgeber der Auffassung zu, daß mit tu . . . scire debes Hercules gemeint ist. Der Satz ist dann wie folgt zu verstehen : >Du aber, [Hercules], bist schließlich schon durch mehr Orte gestiefelt als irgend [so] ein [daherge laufener] gebürtiger Lyoner Maultiertreiber [wie unser Clau dius] und mußt doch wissen, daß zwischen Xanthos und der Rhöne viele tausend Meilen liegen [und daß der Bursche da lügt wie gedruckt}. Der mulio war ein schon in der Antike verach teter Beruf und paßt als Schimpfname gut auf den etwas ge bückten und hinkenden Kaiser. 45 Am Fluß Xanthos (Skamander) lag Ilion, wo Claudius vorgege ben hatte, geboren zu sein, während er in Wirklichkeit in Lyon an der Rhöne zur Welt kam. 46 Claudius pflegte gewöhnlich nur durch einen Wink seiner Hand kommentarlos den Befehl zur Hinrichtung zu erteilen (vgl. Cassius Dio 60,2). 47 Die Selbstherrlichkeit und Dreistigkeit der sog. Minister der kaiserlichen Regierung, durchwegs Freigelassene, von denen Claudius großenteils abhängig war, ist bekannt (vgl. Sueton, Cl. 2 8/29 ; vgl. auch den Schluß der Satire) . 48 Etwas ungeklärte sprichwörtliche Wendung ; wahrscheinlich will Hercules dem leicht einzuschüchternden Neuankömmling (vgl . Sueton, Cl. 35/37) bedeuten, daß er hier an einen Ort wohl sprichwörtlich für ein Märchenland - gekommen ist, wo es anders zugeht als auf Erden und wo sich ein jeder, wenn so etwas möglich ist, vor unbedachten Äußerungen eher hüten sollte (zum Märchenmotiv vgl. Herondas III, 76 ; Aesop 86 [Halm] ; Phaedrus IV, 8).
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Anmerkungen
49 a-logias : griech. Fremdwort; Anspielung auf Claudius' Nei gung, sich häufig griechisch auszudrücken. 5 0 Der komische Hercules deklamiert hochpathetisch in jambi schen Senaren, der Sprechweise des antiken Dramas und der Tragödie. Wie Weinreich im einzelnen glaubhaft nachweisen konnte, zeigt die Parodie des Hercules tragicus viele Vergleichspunkte zu Senecas Dramen (vgl. 0. Weinreich, Se necas Apokolokyntosis, S. 75 ff. ) . 5 1 Der dreileibige König i s t der Riese Geryones, dessen Rinder von einer weit im Westen gelegenen hesperischen Insel zur Stadt des legendären Inachos, des ersten Königs von Argos, zu treiben die zehnte Arbeit des Hercules war. Auf seinem Rück zug durch Gallien kam Hercules auch an dem späteren Lyon vorbei, wo vom Vogesengebirge herab die Saöne in die Rhöne mündet. Lyon wurde auf einer Anhöhe, Ia colline de Fouroiere, erbaut, die östlich über der Rhöne liegt (vgl. Seneca, epist. 9 1 , 1 0) 52 Bereits Caesar bemerkte zum Lauf der Saöne, sie ströme so verhalten dahin, daß man mit bloßem Auge nicht unterscheiden könne, in welcher Richtung sie fließe (vgl. Gall. I, 1 2, 1 : ut .
oculis in utram partem fluat iudicari non possit). 53 Der Ausdruck Jlll> Q OÜ nA.tjyi)v, >des Narren Streich•, stellt eine parodistische Umformung des in der griechischen Tragödie üblichen E>eoü nA.tjyi)v, des (strafenden) Streichs Gottes, dar. Hercules befürchtet, der närrische Claudius könne ihm in Verkennung der Situation einen Streich versetzen (vgl. z. B . Sophokles, A i . V, 278). 54 Wortspiel m i t Gallus : >Hahn< bzw. a u f d i e Herkunft Claudius' zielend >Gallier<. 55 Claudius, der eingesehen hat, daß er bei Hercules mit seiner herrischen Art nicht durchkommt, ändert nun sein Verhalten und versucht diesen auf beinahe kollegiale Art für sich als Bürgen zu gewinnen. Die fast manische Leidenschaft des Clau dius, das ganze Jahr über, ja selbst in den wegen der großen Hitze früher auf die Monate Juli und August anberaumten Gerichtsferien, Prozesse zu leiten, ist öfter belegt (vgl. z. B . Sueton, C l . 1 4/ 1 5 ; Cassius Dio 60, 4 f. ; auch Kap. 12 und das Ende der Satire). In Tibur, dem heutigen Tivoli, etwa 25 km östlich von Rom, einer beliebten Sommerfrische wohlhabender Römer, pflegte bereits Augustus in den Hallen des Hereules tempels Gericht zu halten (vgl. Sueton, Aug. 72).
Anmerkungen
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56 Die fünfte Arbeit des Hercules. 57 Obwohl d i e Handschriften keine Lücken andeuten u n d unmit telbar mit non mirum fortfahren, muß hier mindestens ein Blatt
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ausgefallen sein. Es ist sogar angenommen worden, das aus dem Archetypus der erhaltenen Handschriften verlorengegangene Blatt sei von einem frommen Leser herausgerissen worden, weil Seneca auch Christus in den Kreis der debattierenden, ausländi schen Götter aufgenommen habe. D aß die turbulente Debatte durch aus der Fremde aufgenom mene Götter ausgelöst wurde, ist deswegen anzunehmen, da an der anschließenden ordnungsgemäßen Verhandlung nur der Divus Augustus und altrömische Götter beteiligt sind . Man hat angenommen, daß die Zweiteilung der Götter analog zur Schei dung der Senatoren in patres und conscripti zu sehen ist. Die fremdländischen, neuaufgenommenen Götter besitzen eben noch keine entsprechende Routine und professionelle Erfah rung in den Geschäfts- und Verhandlungsgepflogenheiten des Senats. Für Apollo spricht vor allem der Umstand, daß ihn Seneca als Patron Neros in Kap . 4 ausführlich vorgestellt hat ; damit ist er besonders als Gegner der Divus-Würde eines Claudius präde stiniert. Vgl. Lucilius, frg. 1 9-23, wo Apollo gegen die altrömi s chen patres unter den Göttern im deorum concilium ausge spielt wird. Nach Epikur, leicht abgewandelt zitiert bei Diagenes Laertios X, 1 39, übersetzt von Cicero, nat. deor. I, 1 7,45 ; 20,56. Die Epikureer vertraten die mechanistische Ansicht, die Götter hätten die Welt geschaffen und in Gang gebracht, kümmerten sich dann aber nicht mehr um die Menschen, sondern lebten in seliger Selbstbetrachtung nur mehr ihrer eigenen Existenz. Claudius aber entwickelt geradezu anti-epikureische Betrieb samkeit, um in die Zahl der Götter aufgenommen zu werden, und macht diesen mit seinem Anliegen schwer zu schaffen. Der stoische Pantheismus lehrt, daß Gott in der Welt, im Universum, aufgeht. So identifizierte Chrysipp Gott mit dem Weltall und fordert, daß man sich die Gottheit als vollkommen ste Form »vernunftbegabt, kugelförmig-rund und dynamisch kreisend<< im Universum aufgehend vorstellen müsse (vgl. Ci cero, nat. deor. I, 1 8 : mundum ipsum animo et sensibus praedi tum, rotundum, ardentem, volubilem deum; vgl. außerdem Cicero, nat. deor. II, 1 7,45). Folglich spottete man über eine
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Anmerkungen
anthropomorphe Gottesvorstellung. Die stoische Idealvorstel lung paßt also auch nicht auf Claudius, da er als Mensch caput und praeputium besitzt und so die stoisch-sphärische Kugelge stalt nicht annehmen kann. Daß als menschliche Kriterien gerade caput und praeputium angegeben werden, geht auf die nur mit Kopf und Phallus versehenen Hermensäulen (Hermes galt u. a. als Fruchtbarkeitsgott) zurück. Die scherzhafte Defi nition der stoischen Gottheit ist offenbar einer der menippei schen Satiren von M. Terentius Varro ( 1 1 6-27 v. Chr. ) ent lehnt, die uns nicht überliefert ist. 62 Selbst mit Saturns Fürsprache kann Claudius nicht rechnen, obwohl er nicht nur an den vorgeschriebenen Feiertagen (ge wöhnlich 1 7.-22. Dezember), sondern das ganze Jahr über das Fest des Gottes beging. Gerichte, Schulen und Sklaven hatten an den Saturnalien einen Tag, später bis zu fünf Tagen Ferien. Die Sklaven durften die Rolle der Herren übernehmen, ein stadtbekannter Dauerzustand im Hause des Claudius . Außer dem wurde während der Saturnalien in der Regel üppig ge zecht, viel getrunken, um Geld gewürfelt und für die Dauer der Feiertage ein sog. Saturnalienprinz (Saturnalicius princeps) ge wählt, der der frohen Gesellschaft symbolisch vorstand, alles Dinge, die in Claudius' Haus das ganze Jahr über zu beobach ten waren, wobei der Kaiser selbst die Rolle des Symposiarchen (vgl. unseren Faschingsprinzen !) übernahm. 63 Auf Jupiters Protektion konnte Claudius schon gar nicht zäh len, denn er verärgerte den Götterfürsten, der seine eigene Schwester Juno zur Frau genommen hatte, dadurch, daß er Lucius Iunius Silanus der Blutschande bezichtigte. Silanus, der Verlobte von Claudius' Tochter Octavia, war auf Betreiben von Agrippina, die Octavia ihrerseits mit N ero aus erbfolgerechtli ehen Erwägungen verheiraten wollte, zu Unrecht von Vitellius des Inzestes mit seiner wegen ihrer Schönheit » Venus« genann ten Schwester Calvina bezichtigt worden. Silanus war des Claudius Schwiegersohn in spe. Was also dem Jupiter seine Schwester J uno war, wurde dem Silanus unterstellt, das sei auch ihm seine Schwester, die er zu seiner »J uno« gemacht habe; insofern richtete sich die Anklage des Silanus gegen den Götterfürsten selbst. Silanus wurde aus dem Senat ausgeschlos sen, das Verlöbnis mit Octavia aufgehoben, und am Tage der Vermählung des Claudius und der Agrippina beging der sol chermaßen Bedrängte schließlich Selbstmord. (Vgl. dazu Petro-
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nius , satir. 1 2 7 ; Tacitus, ann. XII, 3 . 4. 8 ; Sueton, Cl. 27.29; Cassius Dio 60,3 1 . ) Ein Paar, das in inzestuöser Liebe mitein ander verbunden war, bezeichnete man im Volksmund gemein hin als •J upiter und J uno• . Gemeint ist sicherlich Claudius ; von einigen Interpreten wurde als Gegenredner auch ein anderer Gott als denkbar eingesetzt. In Athen war Halbgeschwistern die Ehe erlaubt (vgl. etwa Kimon), bei den Pharaonen und später bei den Ptolemäern in Ä gypten war die Geschwisterehe nichts Außergewöhnliches. Der Einwand des Claudius wirkt besonders vor dem Hinter grund der Tatsache, daß er selbst mit seiner Nichte Agrippina verheiratet war, grotesk, zumal man auch bereits in Rom eine derartige Verbindung, wie Tacitus wiederholt berichtet, als inzestuös betrachtete. Der Sinn der Sentenz ist nicht genau überliefert. Sicher ist jedoch, daß es sich hier um ein positives Argument für die Aufnahme des Claudius unter die Götter handeln soll; nimmt man als sprechenden Gott Hercules an, der in seiner einfachen Art alles platt und geradlinig ausdrückt, so ist der Spruch die Begründung (quia), warum Claudius auch im Himmel alles ins rechte Lot zu bringen vermag, eben weil, wie man weiß, unter seiner Herrschaft sogar die Mäuse für Sauberkeit und Ordnung sorgten, soweit es wenigstens ihren Bereich betrifft. Andere Maßnahmen und Aktivitäten von Claudius, etwa seine Vor schriften auf dem Gebiet der Hygiene, seine geradezu fanati sche Tätigkeit als Richter zur Säuberung von kriminellen Ele menten, sein Einsatz als Schlichter außenpolitischer Zwistigkei ten etc. sind hinlänglich bekannt. Ä hnliche Auffassungen bie ten z. B. Schöne, S. 59, mit Bezug auf Weinreich und Wissowa; Waltz, S. 22 ; Rouse, S. 458 ; Marx, S. 18, interpretiert : •In Rom ist man so verwöhnt, daß selbst die Mäuse nur das Feinste, Mehl, lecken. • Städele, Anm. S. 1 8 , stellt auch die gegenteilige Auslegung zur Diskussion : •Weil in Rom alles in höchster Unordnung ist, so daß sich sogar die Mäuse in ihrer Zudringlichkeit an die Mühlsteine heranwagen, sucht Claudius ein neues Betätigungsfeld im HimmeL • Leicht adaptiertes Zitat aus Ennius, Iphigenie frg. 244. Der ganze Vers findet sich bei Cicero, rep. I, 30, und stellt eigent lich eine Kritik an den astrologischen Praktiken dar : Quod est ante pedes nemo spectat, caeli scrutantur plagas. Zur Ahnungs-
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Anmerkungen losigkeit des Claudius bezüglich des schamlosen Treibens sei ner Gattin Messalina vgl. Sueton, Cl. 29, und Cassius Dio 60, 2 8 . Nachdem im Jahr 43 u n d danach d e r südliche Teil Britanniens erobert worden war, errichtete man dem divo Claudio einen Tempel in Camulodunum (Colchester) ca. 48 n. Chr. (vgl. hierzu auch Sueton, Cl. 17; Tacitus, ann. X IV, 3 1 ) . I!WQOÜ (Dummkopf) ist i n dieser sonst als Gebetsformel übli chen Sentenz wie in 7,3 wieder für i}wü (Gott) eingesetzt. Unter mapalia, -ium versteht man eigentlich die (bienen-)korb ähnlichen transportablen Hütten numidischer Nomaden, wie sie noch heute im Gebrauch sind (vgl. Sallust, Iug. 1 8, 8). Die Geschäftsordnung läßt nicht zu, daß in Anwesenheit von Privatleuten abgestimmt und diskutiert wird ; folglich wird Claudius des Raumes verwiesen, der zweite Teil der Sitzung beginnt damit. lanus pater war zum 1. Juli 5 5 zum consul suffectus (Ersatzkon sul) für die zweite Jahreshälfte bestimmt worden. Dieses Amt war in der Kaiserzeit völlig bedeutungslos geworden ; so hatte Caesar einen Konsul für einen Nachmittag eingesetzt, wodurch die lediglich symbolhafte Bedeutung dieses Ehrentitels doku mentiert wird (vgl. Sueton, Caesar 76, 2). Krenkel (S. 542, Anm. 9,2) vertritt sogar die Ansicht, das Amt des Nachmittags konsuls wäre lediglich für einen Nachmittag vergeben worden. Am 1 . Juli begannen außerdem die Gerichtsferien. Zu einer möglichen Anspielung auf Eprius Marcellus, der anstelle von Silanus für einen Tag zum Praetor bestimmt worden war, vgl . Tacitus, ann. XI1,4. Janus beginnt als erster Redner, da er der Gott des Anfangs, des Eingangs (ianua Eingangstüre) ist, dem auch der erste Monat (lanuarius) gewidmet ist. Üblicherweise wird er, der folglich nach innen und außen zu blicken vermag, doppelgesichtig dargestellt und schaut deshalb »vorwärts und rückwärts zu gleich« . Da auf dem Forum in Rom sowohl der ] anusbogen als auch der Haupttempel des Janus stand, setzt Seneca bei Janus voraus, daß er entsprechend viel von den Winkelzügen und der Taktik der dort agierenden Redner und Advokaten mitbekom men hat, also selbst mächtig schlau ist. Das Zitat ist der Ilias 111 , 1 09, entlehnt, wo die Sentenz auf das lange Leben des Priamus bezogen ist. Um sich nicht den Anstrich zu geben, als böte er lediglich eine =
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Fiktion und nicht einen Bericht von historischer Belegbarkeit, betont Seneca hier sehr verschmitzt, daß er diese langatmige Rede lieber ganz weglasse, als sie etwa »verfälscht« darzubie ten. Schließlich brauchten auch von anderen antiken »Historio graphen« Reden nicht unbedingt wörtlich aufgezeichnet zu werden. Der Begriff faba mimus in der Bedeutung ·Bohnenmimus<, >Bohnenposse< oder •Bohnenlied< ist nicht genau geklärt. Es dürfte sich hier wohl um eine sprichwörtlich gewordene Be zeichnung für ein >närrisches Possenspiel< oder für ein >Toll haus< handeln. Cicero verwendet die Junktur einmal als Gegen satz zu Apotheose, wenn er (Att. I, 1 6, 3 ) sagt, das Konsulat werde zur »Bohnenposse«, wenn Clodius Konsul werde. Metaphorische Umschreibung für die Spezies Mensch aus Homer, Ilias VI, 142. Häufig auftretende Wendung bei Homer, z. B . in Ilias VIII, 486; VI, 142; Odyssee 3 , 3 ; 7, 3 3 2 ; vgl. auch Hesiod, Werke und Tage 237. Die Larven waren die römische Entsprechung der in der grie chischen Mythologie auftretenden Furien, die die Verstorbenen verfolgten und quälten. Als gleich schlimme Bestrafung wurde offensichtlich unter den Lebenden die entwürdigende Auspeit schung unter den neuerworbenen Gladiatoren erachtet (vgl. Schöne, S. 6 1 , und Paoli, S. 2 79 f. ) . Mit größerem Nachdruck hätte der als besonnen geltende Janus somit die Aufnahme des Claudius kaum ablehnen können. Diespiter ( etymolog. dies und pater) war ein altitalischer Gott, der wie seine Mutter, Vica Pota, Göttin des Sieges und Erfolges (vgl. Cicero, leg. II, 1 1 , 28 : a vincendo potiundo), im Kult mittlerweile völlig bedeutungslos geworden war. Sein Name wurde von Dichtern häufig J upiter beigelegt, doch darf er hier keinesfalls mit ihm verwechselt werden. Er wird wohl deswe gen von Hercules angegangen, weil er große Ä hnlichkeiten mit den bestechlichen und geschäftstüchtigen kaiserlichen Freige lassenen besitzt und sich außerdem dem Kaiser wegen der großzügigen Verleihung der Bürgerrechte, die ihm gute Ge schäfte sicherte, verpflichtet fühlt. Das Ohr gilt als Sitz des Gedächtnisses (vgl. Plinius, nat. XI, 2 5 1 ) ; zupft man einen anderen am Ohr, regt man symbolisch dessen Erinnerungsvermögen an, gewinnt ihn zum Zeugen (vgl. Horaz, s at. I, 9,77; Plautus, Persa 748).
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81 Claudius ist durch seine Mutter, Antonia d. J . , Tochter von Augustus' Schwester Octavia, mit diesem blutsverwandt, mit Livia ist er durch seinen Vater Drusus d. Ä . direkt verwandt. Durch die zweite Ehe von Livia mit Augustus war er väterli cherseits mit Augustus nur mittelbar verwandt. Nachdem Claudius Kaiser geworden war, ließ er Livia, der testamenta risch der Name Augusta zuerkannt worden war, zur Göttin erklären (vgl. Cassius Dio 60, 5 , 1 und 2; Sueton, Cl. 1 1 ) . 82 Zu Claudius' sapientia u n d providentia u n d deren Verspottung vgl. Tacitus, ann. XIII, 3 . 83 Die Stelle i s t nicht genau nachweisbar; wahrscheinlich liegt bei dem Hexameterende ein Lucilius- oder Ennius-Zitat vor. Clau dius wird hier sarkastisch mit der altrömisch-biederen Lebens weise eines Romulus in Verbindung gebracht und als im Inter esse des Götterstaates genügsamer Rübenfresser angepriesen; vgl. hierzu Martial XIII, 16; Ennius frg. 69 ; Lucilius frg . 1 3 5 7 (Marx). 84 Ovid hatte in seinen Metamorphosen die Apotheose von Romulus und Caesar besungen und auch auf die zukünftige Gottwerdung des Augustus bereits verwiesen (vgl. Ovid, met. XIV, 8 1 5 ff. ; XV, 745 ff. ; XV, 870). 8 5 Die erhabene Abkehr des göttlichen Augustus, der sich vom Parlamentsgetriebe ganz den eigenen Interessen zuwendet, er staunt als Argument zunächst. Sein Verhalten ist wohl in Analogie zu dem der Senatoren zu verstehen : wer nicht reden mußte, schwieg möglichst, um nicht durch unbedachte Ä uße rungen sein Leben aufs Spiel zu setzen . Es bedurfte schon eines gewichtigen Anlasses, wenn man sich unvermittelt zu einer Situation kritisch äußerte. Gegen dieses opportunistische Ver halten hatte sich Claudius ausgesprochen, so daß es um so bitterer für ihn sein mußte, wenn sich der von ihm ausgegange ne Impuls jetzt in Form von Augustus' Einwendung gegen ihn auswirkte. 86 Die von Augustus hier aufgelisteten Taten finden sich ausführ lich beschrieben in seinem Tatenbericht ; vgl. res gestae divi Augusti, (= Monurnenturn Ancyranum) 1 , 4 ; 2 , 1 3 ; 5,25 ; 1 , 3 ; 6 , 3 4 ; 1 , 8 ; 4, 1 9 ff. , und Sueton, Aug. 29. 8 7 Messala Corvinius (64 v.-13 n. Chr. ), der bedeutende Redner, Politiker und Mäzen, hat diesen Satz wahrscheinlich gegen Augustus geäußert, als er im Jahre 25 v. Chr. Stadtpräfekt wurde, aber nach fünf Tagen aus Protest gegen dieses ihm von
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Augustus übertragene undemokratische Amt, in d e m er po tentiell zum Aufruhr geneigte Sklaven und Bürger unterdrücken sollte, alle Befugnisse niederlegte. Diese also eigentlich gegen ihn gerichtete Äußerung wirft Augustus nun Claudius hin (vgl. Tacitus, ann. VI, 1 1 ; Hieronymus, chron. 1 8) . 88 Adsidit dürfte euphemistisch gebraucht sein ; wohl für ttrinam
facit. 89 Die Stelle si soror mea ist verderbt überliefert. Sowohl die von Bücheler vorgenommene Emendation soror mea als auch Rus sos Vorschlag sura mea •meine Wade< scheinen für si sormea denkbar. Ich schließe mich hier der Emendation Büchelers an, die folgendermaßen zu interpretieren ist: Augustus' Schwester Octavia verhielt sich ganz entgegen dem Sinn des griechischen Sprichwortes, indem sie ihr eigenes Leben und das ihrer Kinder völlig den Interessen ihres Bruders unterordnete. Ihr war somit der Rock näher als das Hemd. Denn daß Octavia kein Grie chisch gekonnt haben soll, ist nicht anzunehmen. Zu weiteren Fundstellen der Sentenz vgl. z. B. Aristoteles, eth. Nie. IX, 8 , 2 ; Athenaios IX, 30,383 b; Cicero, ad fam. XVI, 23; oder die :lammlungen der Paroemiographi Graeci. 90 b er volle Name des Claudius lautete Tiberius Claudius Caesar Augustus Germanicus. 9 1 Beide Julien fielen der Eifersucht Messalinas zum Opfer. Die eine war die Tochter Drusus' d. J . , des Sohnes von Tiberius ; sie wurde 43 n. Chr. angeklagt und hingerichtet. Die andere war Julia Livilla, Tochter des Germanicus, die wegen unzüchtiger B eziehungen zu Seneca gleichzeitig mit diesem 41 n. Chr. verbannt wurde und bald darauf den Hungertod starb (vgl. Sueton, Cl. 29; Cassius Dio 60,8 und 1 8 ; Tacitus, ann. XIII, 32 und 43 ; XIV, 63). 92 Lucius Silanus war ein Ururenkel von Augustus mütterlicher seits ; seine Mutter war Aemilia Lepida, Tochter von Julia d. J . , die wiederum Tochter von Julia d . Ä . , der einzigen Tochter Augustus', war (vgl. Kap . 8,2 ) . 93 Die ·üble Sache«, über die Jupiter befinden soll, war eine Anklage wegen inzestuöser Beziehungen zu seiner Schwester (vgl. Kap. 8,2 und Anm. 63), eine Beschuldigung, der sich J upiter selbst durch Claudius ausgesetzt sah. 94 Vgl. Sueton, Cl. 29. 95 Hephaistos (Vulkan) spricht diese Worte in Homers Ilias, I, 591 ff. , zu seiner Mutter Hera, der er gütig zuredet, Jupiter
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Anmerkzmgen (Zeus) zu Gefallen zu sein, damit er ihr nicht ein zweites Mal beistehen müsse und es ihm nicht wieder so ergehe wie damals, als der Göttervater ihn erzürnt an der Ferse packte und von der heiligen Schwelle auf die Insel Lernnos warf, wo er sich nur dank der freundlichen Hilfe der Sintier wieder erholte. Aus Zorn über die Bedrängnis, in die sie Herakles, seinen Sohn, gebracht hatte, hängte Jupiter die Göttin im Äther auf, be schwerte ihre Füße mit Gewichten und fesselte ihre Arme mit einem goldenen Band. Jeden, der ihr zu Hilfe eilen wollte, packte er und warf ihn auf die Erde (vgl. Homer, Ilias XV, 16 ff. ). Als Messalina in ihrer Maßlosigkeit und durch ihre Umtriebe, insbesondere durch ihre mit einem Trick erreichte Scheidung von Claudius, für die Vertrauten des Kaisers eine unberechen bare Größe geworden war, ließ Narcissus sie in Claudius' Namen wegen Untreue 48 n. Chr. töten. Als dem Kaiser der Tod Messalinas gemeldet wurde, saß er gerade bei Tisch und soll, geistesabwesend und zerstreut wie er war, gar nicht darauf reagiert haben, sondern lediglich einen Trinkbecher verlangt und weitergetafelt haben (vgl. Tacitus, ann. XI, 38). Nach Sueton, Cl. 39, soll er sogar gefragt haben : •Warum kommt denn die Kaiserin nicht ? • Kaiser Caligula brachte seinen Schwiegervater Marcus J unius Silanus dazu, sich die Kehle mit einem Rasiermesser durchzu schneiden, indem er ihm vorwarf, er habe ihn bei stürmischem Seegang in der Hoffnung, ihm werde ein Unheil zustoßen, nicht begleiten wollen (vgl. Sueton, Ca!. 23, Cassius Dia 59, 8). Claudius ließ neben seinem Schwiegervater Appius Silanus auch seinen Schwiegersohn L. Silanus wegen angeblich blutschände rischer Beziehungen zu seiner Schwester hinrichten. C. Appius Silanus war nicht tatsächlich der Schwiegervater von Claudius, sondern er war lediglich mit Domitia Lepida verheiratet, die ihre Tochter Messalina mit in die Ehe gebracht hatte . Als er 42 n. Chr. Messalinas Avancen ausschlug, überredete diese Clau dius dazu, ihren Stiefvater umbringen zu lassen (vgl. Sueton, Cl. 37; Cassius Dia 60, 14). Claudius ' Schwiegersohn Crassus, verheiratet mit Antonia, hatte sich nach seinem berühmtesten Vorfahren Cnaeus Pom peius Magnus genannt. Ihm verbot Caligula, den Beinamen Magnus zu führen, wie auch andere Angehörige des alten Adels ihre traditionsreichen Namen unter Caligula ablegen mußten
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(vgl . Sueton, Ca!. 3 5 ; Cassius Dio 60, 5, 8 f. ) . Dieser Cn. Pompeius Magnus, Sohn des M . Licinius Crassus Frugi und der Scribonia, wurde mit Billigung des Claudius im Jahre 47 umge bracht. Wahrscheinlich folgte darauf auch die Hinrichtung seiner Eltern. Crassus Frugi war offenbar ein Trottel und darin dem Kaiser ähnlich (vgl. Anm. 3). Claudius , der nicht nur hinkte, sondern von dem auch bekannt war, daß er den Zungenschlag hatte (vgl. Sueton, Cl. 3), wird hier die Fähigkeit abgesprochen, die drei richterlichen Formeln des römischen Prätors ohne Stottern auszusprechen : do, dico, addico •ich gewähre (Anklage und Rechtsprechung)<, •ich spre che (das Urteil)<, >ich spreche (als Eigentum) ZU<. Der Umstand, daß Augustus seine Rede mit einem schriftlich formulierten Antrag schließt, mag nicht erstaunen, wenn man weiß , daß er auch zu Lebzeiten schon alle wichtigen Reden und Ankündigungen schriftlich aufsetzte, ja sogar wichtige Gesprä che mit seiner Gattin Livia in seinem Notizbuch vorher skiz zierte (vgl. Sueton, Aug. 84). Außerdem war es übliche Ge richtspraxis, Anträge und Urteile vom Blatt zu lesen. Die Ausweisung in zwei Stufen, zuerst aus dem Olymp, dann aus dem Himmel, ist analog zur Verweisungspraxis römischer Gerichte zu sehen, die auch zuerst den des Landes Verwiesenen eine Frist zum Verlassen von Rom und eine großzügiger be messene zum Verlassen Italiens festsetzten. Merkur hatte den Namen Cyllenius von seinem Geburtsort, dem Kyllencgebirge in Arkadien. Er geleitet die Seelen in die Unterwelt und übermittelt Nachrichten von den Göttern zur Erde und umgekehrt. Hier packt er Claudius, wie bei Ver brechern üblich, am Kragen und führt ihn in die Unterwelt ab. Das Zitat stammt aus dem Lesbia-Zyklus Catulls, carm. 111, 1 2 . D i e seit Muretus v o n den meisten Herausgebern durch ( il/uc) ergänzte Stelle kann in zweierlei Hinsicht interpretiert werden. Es könnte sowohl bedeuten, daß Merkur den Kaiser in die Unterwelt schleppt, von wo noch keiner zurückgekehrt ist, oder wie Binder und Burck annehmen, daß er ihn vom Himmel herabschleppt, von wo bisher auch noch keiner je wieder zurückgeschickt worden ist. Die Via Sacra, die in der Via Appia ihre Verlängerung hat, fällt tatsächlich zum Forum hin ab, so daß Merkur mit dem Kaiser in doppeltem Sinne hinabsteigt. In gleicher Weise kann Clau-
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dius gewissermaßen aus der Höhe sein eigenes Leichenbegäng nis überschauen. 108 Die Advokaten waren unter Claudius in hohem Maße bestech lich geworden, ja der Kaiser selbst hielt sehr selbstherrlich und willkürlich Gericht (vgl. Tacitus, ann. XI, 5). Eine der ersten Regierungshandlungen seines Nachfolgers Nero war, daß er durch den Senat beschließen ließ, daß sich durch Geld oder Geschenke niemand bestechen lassen dürfe, einen Prozeß zu übernehmen (vgl. Tacitus, ann . XIII, 5). Für die rechtschaffe nen Juristen war also unter Claudius kein Platz mehr gewesen. Der hier angeführte Vertreter der Advokaten, Agatho, ist sonst unbekannt. 109 Die Saturnalien, ein im Dezember abgehaltenes, unserer Fast nacht vergleichbares ausgelassenes Fest zu Ehren des Saturn, auf dem die Herren ihre Sklaven beschenkten und ihnen zu Diensten waren, werden hier mit dem Gerichtsbetrieb unter Claudius verglichen. 1 1 0 Die nun folgende Nänie ist neben dem Preislied auf Nero (Kap . 4) unc;l dem Plädoyer d e s Augustus (Kap. 1 0) d e r dritte Höhe punkt der Satire. Das Trauerlied (naenia) wurde unter Flöten begleitung angestimmt. Anstelle der anapästischen Tetrapodien findet sich bei älteren Herausgebern die Auflösung des Gedich tes in Dipodien : Fundite fletus, edite planctus . . . Die Anapäste sind häufig nicht durchgehalten, sondern werden in Daktylen oder Spondeen aufgelöst. Sie wurden vornehmlich in der Parabase, einer Chorpartie der Alten Komödie, und in Marschliedern verwendet. Wie Weinreich im einzelnen nach weisen konnte, parodiert Seneca hier vor allem Chorlieder s einer eigenen Tragödien (vgl. Weinreich, Senecas Apokolokyn tosis, S. 1 1 9 ff. ) . 1 1 1 Römer und Parther kämpften unter Claudius' Regierung u m die Herrschaft über Armenien. Die Erfolge der Römer gegen die Parther waren zu Claudius' Zeiten nicht besonders überzeu gend. So vermochte etwa der geschickt taktierende Partherkö nig Vologeses (51-78 n. Chr. ) seinen Bruder Tiridates im Jahr 54 n. Chr. als König von Armenien einzusetzen. Wie Tacitus, ann. XII, 44-5 1 und XIII, 7, berichtet, zogen sich die Parther erst nach Neros Regierungsantritt wieder von Armenien zu-
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rück. Die Parther, als ausgezeichnete Bogenschützen und Rei ter gefürchtet, werden in der Dichtung häufig mit den Persern und Medern gleichgesetzt (vgl. die folgenden Verse). Nach der Invasion Britanniens 43 n. Chr. hatte sich die römi sche Herrschaft noch vor Claudius' Tod im Jahre 54 n. Chr. in ganz Südengland und Wales gefestigt. Allerdings war Claudius' bekannter Feldzug in Britannien •ohne Schwertstreich und Blutvergießen• (vgl. Sueton, Cl. 1 7) abgegangen . Im Jahre 44 n . Chr. feierte er über Britannien einen großen Triumph (vgl. Cassius Dio 60,23). Die Briganten, ein nordenglischer Stamm, waren unter Königin Cartimandua zu einer Gefahr für die Römer schon zu Claudius' Zeit geworden, konnten aber endgültig erst von Vespasian unterworfen werden (vgl. Tacitus, Agricola 1 1 ) . Allerdings hatten die Römer infolge eines Verrats von Cartimandua den großen britonischen Führer Caractacus (Caradoc) in ihre Ge walt gebracht, der in Rom von Claudius öffentlich zur Schau gestellt und daraufhin von ihm begnadigt worden war (vgl. Tacitus, ann . XII, 36 f. ). Wie Sueton berichtet (vgl. Cl. 1 7) , hatte Claudius voller Stolz zur Erinnerung an die Bezwingung des Ozeans auf seiner Fahrt nach Britannien symbolisch eine Schiffskrone am Giebel seines Palastes auf dem Palatin anbringen lassen. Zum willkürlichen Verhalten und der fast manischen Leiden schaft des Kaisers zur Rechtsprechung vgl. Sueton, Cl. 14 und 15 sowie Kap, 7, 4 . 5 und Anm. 5 5 . König Minos, in d e r griechischen Ü berlieferung mächtiger König auf Kreta, wurde nach seinem Tod zu einem der drei Richter der Unterwelt bestellt. Claudius stand den schönen Künsten, insbesondere den neue ren Strömungen in der römischen Literatur, vertreten durch die poetae novi, im Gegensatz zu Seneca sehr aufgeschlossen ge genüber, insbesondere als er selbst literarisch tätig war, ja seine eigenen Schriften immer wieder rezitieren ließ (vgl. Sueton, Cl. 40 und 4 1 ) . Claudius' Leidenschaft für das Würfelspiel war bekannt. E r verfaßte darüber sogar eine eigene Abhandlung (vgl . Sueton, Cl. 33). So nimmt es nicht wunder, daß unter seiner Regierung goldene Zeiten für Glücksspieler herrschten. Talthybius, eigentlich der Herold und Bote Agamemnons und der Griechen vor Troja (vgl. Homer, Ilias I, 320; III, 1 1 8 ; VII,
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Anmerkungen 276), wird hier scherzhaft mit dem Götterboten Merkur gleich gesetzt. Die Via Tecta stellte die nördliche Begrenzung des Marsfeldes dar, an dessen Ende zum Tiber hin ein Altar dem Dis pater und einer der Persephone, den Göttern der Unterwelt, geweiht war. Diese Region galt im Volksglauben wegen ihrer vulkanischen Natur als Eingang zur Unterwelt. Außerdem liegt die Via Tecta nicht weit vom Mausoleum Augusti entfernt, wo Claudius' Asche beigesetzt worden war. Narzissus, der mächtige Freigelassene des Claudius, war Kabi nettssekretär (ab epistulis) und wurde gleich nach Claudius' Tod umgebracht, um einer möglichen Gegenreaktion von Claudius' Anhängern zuvorzukommen. Da er nicht den Um weg über den Himmel machte, war er »auf einem kürzeren Weg« dem Kaiser in die Unterwelt vorausgeeilt. Zur Behandlung seiner Gichtbeschwerden war Narzissus in die warmen Bäder von Sinuessa in Kampanien geschickt worden (vgl. Tacitus, ann . XII, 66). Cerberus, der Höllenhund, wird bei lateinischen Dichtern gewöhnlich dreiköpfig dargestellt, bei Hesiod hat er 50, bei Horaz sogar 1 00 Köpfe (vgl . z. B. Horaz, carm. II, 1 3 , 34). Mit diesem leicht veränderten griechischen Ausruf begrüßten die Gläubigen beim Isisfest im November den wiedergefunde nen Osiris, den Gemahl der Isis. Es handelt sich bei dieser Aufzählung durchwegs um Liebhaber und Komplizen von Messalina, die Narzissus sofort nach dem Tod Messalinas umbringen ließ. Der bekannteste von ihnen, Gaius Silius, soll Messalina geheiretat haben, nachdem diese den Kaiser zunächst von der Notwendigkeit einer Scheinehe mit Silius überzeugte, um von Claudius ein von einem Astrolo gen vorausgesagtes großes Unglück abzuwenden, das ihrem Gatten drohe. 48 n. Chr. wurden beide von Narzissus umge bracht. Juncus Vergilianus war Senator. Sextus Montanus TrauJus war ein römischer Ritter und kurzzeitig Liebhaber Messalinas. Von Marcus Helvius, Saufeius Trogus und Cotta sind keine weiteren Angaben überliefert. Vettius Valens war Arzt. Fabius ist nicht weiter bekannt (vgl. Tacitus, ann. XI, 35 und 3 6 ; Cassius Dio 60, 1 8) . Lediglich die drei Namen Helvius, Cotta und Fabius sind bei Tacitus nicht erwähnt. Mnester, ein damals recht bekannter Ballettänzer und Günstling von Clau dius' Vorgänger, mußte auf Anweisung des Kaisers Messalina
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alle ihre Wünsche erfüllen. Außerdem scheint er für einen Tänzer relativ groß gewesen zu sein, so daß Claudius in seiner naiven Willkür doppelten Grund hatte, ihn decoris causa köp fen zu lassen (vgl. Sueton, Cl. 2 8 ; Cassius Dio 60, 22, 3 ff. ; Tacitus, ann. XI, 36). Polybius war ein einflußreicher Sekretär a studiis und a libellis am kaiserlichen Hofe, der Claudius bei der Abfassung seiner historischen und philologischen Arbeiten sowie in der Administration zur Hand ging. Er muß als Hofge lehrter große Achtung genossen haben, wenn etwa Sueton berichtet, daß er häufig die Ehre hatte, zwischen zwei Konsuln spazieren zu gehen (vgl. Cl. 28). Auch war er zeitweise Messa linas Liebhaber, wurde aber auf ihre Veranlassung unter Ankla ge gestellt und 47 n . Chr. hingerichtet. Während seiner Verban nung hatte Seneca ihm eine Trostschrift zum Tode seines Bruders mit dem Ziel gewidmet, seine Rückkehr aus dem Exil zu bewirken (vgl . Cassius Dio 60, 29, 3 ; 3 1 , 2). Von Arpocras oder Harpocras wissen wir, daß er von Claudius geehrt wurde, wohingegen Myron, Amphaeus und Pheronactus ansonsten unbekannt sind. J ustus Catonius war Präfekt der kaiserlichen Garde 43 n. Chr. (vgl. Cassius Dio 60, 1 8), Rufrius Pollio war Prätorianerpräfekt im Jahre 41 n. Chr. (vgl . Cassius Dio 60, 23). Pedo Pompeius ist nicht weiter bekannt. Lusius Saturninus und Cornelius Lupus waren Opfer der Intrigen von P. Suillius (vgl. Tacitus, ann. XIII, 43). Sextus Asinius Celer war 38 n. Chr. Konsul, die Ursache seines Todes ist uns nicht bekannt (vgl. Plinius, nat. IX, 67) . Zu den im folgenden aufgeführten Verwandten des Kaisers siehe Kap . 8,2, 1 1 , 2 und 1 1 , 5 sowie Anm. 91 und 92 ; die Tochter seines B ruders Germanicus ist Julia Livilla; die Tochter seiner mit Drusus d . J . verheirateten Schwester Livilla hieß ebenfalls Julia; mit seinen Schwiegersöh nen sind Silanus und Pompeius Magnus gemeint; seine Schwie gerväter sind Appius Silanus und Crassus Frugi ; mit seiner Schwiegermutter ist die Mutter seiner dritten Frau Val. Messa lina, Domitia Lepida, gemeint. Seine Blutsverwandten sind diese alle, da sie wie Claudius aus dem Haus des Augustus abstammen. 126 Hier handelt es sich um eine von Seneca abgewandelte Form des altgriechischen Philosophenverses »Alles ist voll von Göttern«, der Thales zugeschrieben wird (vgl. Thales 11 A 22 Diels). 127 Aeacus, mythischer König von Aegina, war einer der drei Totenrichter der Unterwelt; unter sein Ressort fiel die Untersu-
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Anmerkungen chung von Meuchelmord. Er spricht Recht wie ein römischer Prätor; dazu gehören die Annahme der Klage (nomen recipere), Einreichen der Klageschrift (subscriptionem edere), Frist zur Beschaffung des Rechtsbeistandes (advocationem postulare ) , Anklage (accusatio) und Verteidigung (patronus respondit). Die Lex Cornelia zur Behandlung von Meuchelmord und Gift rnischerei war 81 v. Chr. vom Diktator Cornelius Sulla einge bracht worden. Das Zitat ist entnommen aus Homer, Ilias IX, 385. Die besondere Pointe bei dem willkürlichen Verhalten des Aeacus liegt darin, daß das von Claudius zu Lebzeiten stets gänzlich einseitig durchgeführte Verfahren hier auf Aeacus, »die Gerechtigkeit in Person•, übertragen wird, der nun gleich falls gegen den römischen Rechtsgrundsatz audiatur et altera pars verstößt und ihn nach dem ius talionis (Auge um Auge, Zahn um Zahn) aburteilt. Der zur Verteidigung ansetzende P. Petronius dürfte mit dem von Tacitus (ann. III, 49, und VI, 45) erwähnten identisch sein. Das Hesiod-Zitat (frg. 1 74) lautet wörtlich : »Was er getan, das erleide er, gerechtes Recht widerfahre ihm . • Vgl. auch Seneca, Herc. fur. 735 f. Sisyphos, der Sage nach Gründer und erster König von Korinth, war so schlau, daß er sogar die Götter und den Tod überlistete. Zur Strafe mußte er in der Unterwelt einen schwe ren Marmorblock einen Berg hinaufwälzen, der ihm aber jedes mal kurz vor Erreichen des Gipfels wieder entrollte. Der mit den Göttern befreundete Tantalus, König in Klein asien, schlachtete im Übermut seinen Sohn Pelops, ließ ihn als Speise zubereiten und setzte ihn so den Göttern vor, um zu prüfen, ob sie allwissend seien. Diese setzten den armen Pelops wieder zusammen und gaben ihm Leben und Schönheit zurück ; lediglich Demeter hatte sich täuschen lassen und ein Stück von der Schulter des Knaben gekostet, wofür ihm die Götter Elfen bein einsetzten. Tantalus mußte für seinen Frevel in der Unter welt ewig hungern und dürsten. Er stand bis zum Kinn in einem See, und über ihm hingen die herrlichsten Früchte. Sobald er aber den Kopf bewegte, wichen die Früchte vor seinen Händen und das Wasser vor seinem Mund zurück. Hinzu kam die ständige Angst, von einem drohend über ihm hängenden Felsblock zerschmettert zu werden . Ixion, der dritte der bekannten Büßer in der Unterwelt, war
Anmerkungen
König in Thessalien und hatte versucht, sich auf ungebührliche Weise Hera ( Juno) zu nähern und ihr Gewalt anzutun, weswegen er zur Strafe in der Unterwelt auf ein unaufhörlich rotierendes Feuerrad gebunden wurde. Auch er durfte nicht begnadigt werden, damit Claudius für sich nicht einst Gleiches erhoffen könnte. Zur bekannten Spielsucht des Kaisers siehe Sueton, CL 33, s owie das Ende von Kap. 12,3. Die relativ milde Strafe, mit der Claudius schließlich davonkommt, wurde unter anderem damit begründet, daß Claudius, in der Satire sehr unfair vom Autor behandelt, von Seneca in gewissem Maße rehabilitiert wird, da er schließlich auch einiges Gute für das römische Reich geleistet hatte (vgl. z. B. Rouse, S. 483). So stellt schon Cassius Dio wiederholt fest, daß Claudius nicht durchwegs ein Versager, sondern lediglich dem Einfluß der ihn umgebenden Frauen und Freigelassenen allzusehr ausgeliefert war. Trotz dieser etwas unverhofften Abschwächung läßt die Passage eine Art Travestie der bekannten Mythen der Hadesbüßer erkennen. Als »Vorla ge• könnten die Danaiden gedient haben, die in ein durchbohr tes Faß Wasser schöpfen mußten. Caligula, der Vorgänger und Neffe von Claudius, hatte seinen Onkel immer sehr herablassend und entwürdigend behandelt und ihn angeblich nur am Leben gelassen, um sein Spiel mit ihm zu treiben (vgl. Sueton, Ca!. 23 Ende; CL 8; Nero 6). »Folglich• wird Claudius ihm zur Strafe nun zu neuer entwür digender Behandlung als Sklave zugesprochen. Mit Menander dürfte wohl kaum auf den bekannten attischen Komödiendichter angespielt sein; wahrscheinlich handelt es sich hier um einen uns nicht weiter bekannten Freigelassenen Caligulas, der aber den Zeitgenossen Senecas ein Begriff war. Claudius ist es also in der Unterwelt wie schon auf Erden bestimmt, von einem Freigelassenen abhängig zu sein, wie er auch im Jenseits wieder bei seiner Lieblingsbeschäftigung, der Betätigung bei Gericht - diesmal allerdings in der niedrigsten Stellung - endet. Zunächst scheint es, als wäre die Satire mit 1 5 , 1 ideal zu Ende geführt, und bräche sie hier ab, wäre sicher nie die Frage aufgeworfen worden, ob denn 1 5 , 2 tatsäeblieb den Schluß der Satire darstellt oder ob nicht doch, wie man früher annahm, ein letztes Blatt der Handschrift verlorenging. Spätestens durch Weinreich (Senecas Apokolokyntosis, S. 1 3 1 ff. ) gilt aber als =
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Anmerkungen gesichert, daß die Satire mit 1 5,2 kompositionstektonisch abge schlossen ist und daß sich in dem 1 5 , 2 gebotenen Nachspiel lediglich noch ein letztes Mal Senecas private Abrechnung mit Claudius für die langj ährige Verbannung nach Korsika manife stiert. Geradezu hektisch werden die zunächst schon als »Opti mum• ersonnenen Hadesqualen für Claudius noch einmal überboten : der Kaiser wird seinem Vorgänger und Neffen Caligula, der ihn schon zu Lebzeiten stets gehänselt und ge quält hatte (vgl. Sueton, Cl. 8 ; Ca!. 23 Ende) , als Sklave ausgeliefert, doch dieser mag ihn nicht allzulange haben und schenkt ihn alsbald an Aeacus weiter; auch der kann ihn nicht brauchen und gibt ihn voller Verachtung an seinen Freigelasse nen Menander als Gerichtsdiener weiter. »So muß er in primiti ver Stellung seiner blöden Gerichtsleidenschaft weiter frönen und bleibt der Sklave eines Freigelassenen, wie er auf Erden das Werkzeug in der Hand solcher Leute war• (Schöne, S. 70) .
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Die Entwicklung der lateinischen Satire Die Satire ist diejenige literarische Gattung, deren Schöp fung nach der Behautptung Quintilians (ca. 3 0-100 n. Chr. ) die Römer ganz für sich in Anspruch nahmen, was Quinti lian meint, wenn er kategorisch äußert : satura . . . tota nostra est. Es gilt heute als unbestritten, daß es das Verdienst römischer Dichter ist, die Satire am Ende als eine einheitli che literarische Kunstform geprägt zu haben, die aber ande rerseits auch besonders die Eigenart und den persönlichen Stil der einzelnen Dichter zum Ausdruck bringt. Die Tatsa che, daß diese Gattung als einzige von den Römern zu einer absoluten Hochform entwickelt wurde, darf j edoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß ihre tiefsten Ursprünge mate rieB wie auch motivisch in der griechischen Dichtung zu suchen sind. Hier wäre insbesondere auf das he1lenistische Schimpf- und Schmähgedicht, auf die Komödie, den Mimos, auf das Epigramm, die kynische Diatribe, die kriti sche Biographie und nicht zuletzt auf das paradisehe Epos, etwa den »Froschmäusekrieg<< , zu verweisen. Trotzdem ist es bisher nie gelungen, die Gesamtform der lateinischen Verssatire aus der griechischen Literatur abzuleiten, von ihr sind lediglich entscheidende Impulse ausgegangen. Dem Namen satura begegnet man zum ersten Mal bei Quintus Ennius (239-169 v. Chr. ), der seine nur fragmenta risch erhaltene Gedichtsammlung mit saturae überschrieb. Hierunter waren >vermischte Gedichte< zu verstehen, die mit dem Verständnisinhalt des Satirischen, wie wir ihn heute kennen, noch nichts gemein hatten. Inhalt der ennianischen »Satiren« waren Fabeln mit belehrender Absicht. So hatte eine satura etwa ein Streitgespräch der personifizierten Mors und der Vita zum Inhalt. Auch Autobiographisches nahm er in seine Erzählungen mit auf sowie Schilderungen und
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Belehrungen, die durchwegs im Stil der gebildeten, zwang losen, manchmal dialogisch saloppen, aber auch sentenziö sen Sprache abgefaßt waren. Als Versmaße lassen sich der Daktylus (Hexameter und Pentameter), der trochäische Sep tenar, der jambische Senar und Sotadeen nachweisen. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß in den vier Büchern saturae Belehrendes, Moralisierendes, Unterhal tendes, Philosophisches und Informatives im Sinne eines bunt gemischten literarischen Potpourri zusammengestellt war. Auf diese Art der Zusammenstellung will wohl auch der Name satura hinweisen. Er leitet sich etymologisch von der satura lanx ab, einer mit verschiedenen Erstlingsfrüchten oder Opfergaben gefüllten Schüssel, die nach Diomedes, der wiederum auf Gelehrte wie Stilo, Varro, Verrius oder Sue ton zurückgreift, im Heiligtum von den Alten den Göttern dargeboten wurde und wegen der Fülle und >Sättigung< der Gaben satura heißt. So stand das Wort wohl zunächst für ein Gemisch von Formen und Inhalten, eine literarische Misch kost, wobei als Bedeutung des später substantivierten Adjektivs nicht die von >Sattsein, Fülle<, sondern die von >Gemenge, Mischung< dominierte. Ähnlich werden in fast allen Sprachen Küchenausdrücke auch in übertragenem Zusammenhang gebraucht, man denke nur an Potpourri, Melange, Italum acetum, Eintopf, buntes Allerlei etc. Die ennianische Satire wurde unmittelbar fortgesetzt von M. Pacuvius (220 ca. 132 v. Chr. ), dem Schwestersohn des Ennius, der Satiren in der Art des Ennius verfaßte, von dem uns aber kein einziges Fragment erhalten ist. Der erste, bei dem wir Anklange an die Autorintention, die wir heute mit dem Begriff des Satirischen verbinden, finden, war Gaius Lucilius ( 1 8 0 - 102 v. Chr. ). Er gab der satura erst das eigentlich Satirische, die polemische Tendenz, den per sönlichen Bezug. Die Fragmente, die wir von den 30 Büchern seiner satirischen Gedichte besitzen, zeigen deut lich die Streitbarkeit seiner Satiren, die teils boshaft-bissig, teils kritisch-anprangernd die Tagespolitik, aktuelle Gesell-
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schaftsprobleme, Weltanschauungen, menschliche Schwä chen und einzelne Personen aufs Korn nehmen. Derbe Angriffslust, umgangssprachliche Ausdrücke, polemisch sarkastische Diktion lassen sich fast durchwegs in seinen Fragmenten nachweisen. Neben der inhaltlichen Ausrich tung der Satire auf das Polemisch-Aggressive und Aktuelle war es auch Lucilius, der für seine saturae nach anfänglicher Verwendung von trochäischen Septenaren und jambischen Senaren mehr und mehr den daktylischen Hexameter wählte. Der große Nachfolger, Verfeinerer und Überwinder des Lucilius war Quintus Horatius Flaccus (65-8 v. Chr. ), der bedeutendste und feinsinnigste der römischen Satirendich ter. In eleganter, städtisch verfeinerter Manier hatte er sich in seinen gemeinhin als sermones bezeichneten Satiren aufs Panier geschrieben, den Menschen »lachend die Wahrheit zu sagen« , ohne aber einzelne Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens konkret anzugreifen. Ganz offen distanziert er sich auch von der bisweilen allzu derben Gehässigkeit und Schärfe seines dichterischen Vorgängers Lucilius sowie von dessen lässiger Diktion, seiner Weitschweifigkeit und sei nem mitunter unordentlichen Versbau. Während Lucilius noch ganz reale Effekte erzielen wollte, war es Horazens Absicht, Gedichte von allgemeinem künstlerischen Wert zu verfassen, in die Breite zu wirken, nicht polemisch-boshaft zu werden, sondern vor allem durch die Schilderung des Verkehrten das Richtige offenkundig zu machen. Daß Horaz in seinen beiden Satirenbüchern die politisch brisante Satire ausspart; hat seinen Grund im persönlichen Werde gang des Schriftstellers und in den machtpolitischen Verhält nissen seiner Zeit. Schon während seiner Studienzeit hatte er sich in Athen den Caesarmördern Brutus und Cassius ange schlossen und kämpfte als Legionstribun in dem folgenden Krieg gegen Augustus, obwohl er erst 22 Jahre alt war und keinerlei militärische Erfahrung besaß. Nach der Niederlage von Philippi 42 n. Chr. kam er nach Rom zurück, kaufte
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sich in eine Beamtenstelle ein und begann seine zwei Bücher saturae zu verfassen. Persönliche Angriffe auf die Herr schenden oder auf die neuen Verhältnisse nach der Ära der Römischen Republik konnte er nun keinesfalls mehr wagen. So beschränkte er sich wohl zwangsweise auf die Behand lung allgemeiner popularphilosophischer Themen der prak tischen Ethik und des Lebenswandels und handelte seine Stoffe wieder mehr in Form der in ungezwungenem Ton vorgetragenen Diatribe ab . Dies dürfte auch ganz im Sinne seines großen Gönners Maecenas gewesen sein, der ja eine Art Sonderbevollmächtigter des Augustus in schwierigen und delikaten politischen Lagen gewesen ist. Horazens überlegene Dichtkunst erreichen seine beiden Nachfolger Persius und Juvenal bei weitem nicht. Aulus Persius Flaccus (34-62 n. Chr. ), der schon in sehr j ungen Jahren zu dichten begann, genoß eine hervorragende theore tische Ausbildung und hatte intensiven Kontakt zu vielen geistig profilierten Vertretern der römischen Nobilität. In künstlich aufgesetzt wirkendem, schulmeisterlich-dozieren dem Ton prangert der junge Dichter Fehler und Schwächen seiner Mitmenschen an. Dabei bietet er stoisches Gedanken gut offen mit banalsten popularphilosophischen Einschlägen dar und bedient sich einer Sprache, die höchst gesucht und artifiziell ist, andererseits aber vor Vulgarismen nicht zurückschreckt. Besonders aufgrund seiner Neigung, durch Bildung immer neuer Junkturen originell wirken zu wollen, ist er künstlerisch nicht überzeugend. Thematisch sieht auch er in der Satire keine ad hoc-Kampfschrift mehr, sondern eine bereits fest verankerte Kunstform . Konkrete persönli che Angriffe auf führende Männer seiner Zeit verboten sich zur Zeit Neros von selbst. Für Kritik dieser Art war mittler weile das anonyme Pasquill, häufig in der Form des Epi gramms, zuständig. So befassen sich auch seine sechs Satiren mit allgemeinen Themen, dem Sitten verfall, dem Kunstleben und der Moralphilosophie. Für die Zeit zwischen Persius und Juvenal besitzen wir
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außer zwei Hexametern von Turnus keine Satirentexte, wenngleich feststeht, daß die Gattung auch während dieser Zeit fortlebte. Von Decimus Junius Juvenalis (um 55 um 1 3 8 ) schließlich sind uns 16 Hexametersatiren in fünf Büchern erhalten. Auch Juvenal versteht sich als Nachfolger von Lucilius und Horaz. Anlaß zu seiner von moralischer Entrüstung veranlaßten Satirendichtung waren die Schrek ken, die er unter der Herrschaft Domitians erlebte. Die Abfassungszeit seiner Satiren fällt allerdings in die Regie rungsjahre Traj ans und Hadrians . Juvenal gilt als der Pathe tiker der satura. Sein Thema ist das Laster, der sittliche Verfall der Menschen. Typisch für seine Dichtung ist die negative Sicht. Juvenal kann in der damaligen römischen Gesellschaft nichts Positives mehr erkennen : er sieht nur noch die Laster der Männer, die Sünden der Frauen, die Entartung des Adels, den Verfall Roms. Die humorvolle Plauderei, der lächelnd erhobene Zeigefinger, die Selbstmit teilung, die Einbeziehung der Natur, die mittelbare und liebenswürdige Belehrung der Fabel fehlt. Düster im Tonfall und pessimistisch in der Einstellung prangert er den Verfall der römischen Gesellschaft an, deren Besserung er von vornherein nicht mehr im Auge hat, wenn er I, 85 f. sein Programm darlegt : quidquid agunt homines, votum, timor, ira, voluptas, gaudia, discursus, nostri farrago libelli est. Neben der Form der reinen Hexametersatire, wie sie von Horaz, Persius oder Juvenal gebraucht wurde, gab es noch eine andere Spielart der Satire, die menippeische Satire, eine Mischung aus Prosa und Metrum, benannt nach dem kyni schen Philosophen Menippos von Gadara in Syrien (3 . Jh. v. Chr. ) . Die satura Menippea ist eine Darstellung in Prosa, welche durch eingestreute Verseinlagen ergänzt und belebt wird. Ihr Hauptvertreter in Rom war Ciceros und Pom peius' Freund M. Terentius Varro (116--27 v. Chr. ), von dem uns aber nur einige Fragmente seiner menippeischen Satiren erhalten sind. Varro, einer der größten Gelehrten und bedeutendsten Enzyklopädisten Roms, hat die Gattung -
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offensichtlich als erster in Rom eingeführt, doch ist uns keines seiner 150 Satirenbücher vollständig erhalten. Um so wichtiger ist es für uns, daß zumindest Senecas Apocolocyn tosis bis auf ein Blatt als vollständiges Beispiel einer menip peischen Satire überliefert ist. D aneben besitzen wir aus dem 1 . Jh. n. Chr. noch große Teile eines sehr umfangreichen lateinischen Schelmenromans von Titus Petronius (t 66 n. Chr. ), der gleichfalls in der äußeren Form als Prosirne trum angelegt war, allerdings mit einem durchwegs stark überwiegenden Prosateil, wie etwa sein berühmtes Kern stück, die cena Trimalchionis, zeigt. Senecas Leben und Werk
Lucius Annaeus Seneca wurde ca. 4 v. Chr. in Cordoba, Spanien, geboren. Sein Vater, ein römischer Ritter und bekannter Rhetor, lebte um Christi Geburt in Rom und verfaßte außer einem uns verlorenen Geschichtswerk eine Übersicht der in seiner Zeit in den Rednerschulen gepflegten phrasenhaften Redeübungen. 10 Bücher controversiae und ein Buch suasoriae, die lückenhaft erhalten sind und einen wertvollen Beitrag zum Verständnis des Lebens und der literarischen Tätigkeit jener Zeit bilden. So kam auch Seneca frühzeitig nach Rom, der Metropole des geistigen und kul turellen Lebens des gesamten Mittelmeerraumes zur damali gen Zeit. Ähnlich wie andere berühmte Spanier, etwa sein Neffe M. Annaeus Lucanus, der Rhetoriklehrer Quintilian oder der Epigrammatiker Martial bereitete er sich in den Rhetorenschulen auf den Beruf des Anwalts und die Ämter laufbahn vor, die er unter Caligula begann. Eine Reise nach Ägypten ergänzte seine Bildung. Bald war er als Redner bekannt und konnte so große Erfolge verzeichnen, daß Kaiser Caligula in seinem Eifersuchtswahn ihn umbringen lassen wollte und nur deshalb von seinem Vorsatz abließ, weil man ihm einreden konnte, der schwerkranke Seneca
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werde ohnehin bald sterben. Als Claudius nach dem gewalt samen Ende Caligulas 41 n. Chr. auf den Thron kam, brach für Seneca die schwerste Zeit seines Lebens an. Claudius, ein historisch und philologisch überaus interessierter Kaiser, war von Anfang an den Intrigen seiner Frauen und der mächtigen Freigelassenen am Hofe nicht gewachsen. Wenn er auch nicht der Trottel war, als den ihn die Nachwelt häufig hinstellte, war er doch zumindest sehr weltfremd und willensschwach. So ließ er Seneca auf Veranlassung seiner Gattin Messalina, die in diesem wohl einen potentiellen politischen Gegner gesehen haben mag, wegen angeblichen Ehebruchs mit Caligulas Schwester Julia Livilla im Jahr 41 n. Chr. nach Korsika in die Verbannung schicken. Dies muß ein furchtbarer Schlag für den damals bereits erfolgreichen und bekannten Schriftsteller, Anwalt und Politiker gewesen sein. Solange Messalina lebte, war ihm eine Rückkehr trotz seiner in einer Trostschrift an Claudius' Günstling Polybius vorgetragenen Bitten um Entlassung aus dem Exil verwehrt, da sich die Kaiserin vor Seneca fürchtete und in ihrem maßlosen Lebensstil gehemmt fühlte. Acht Jahre verbrachte er auf der unwirtlichen Insel in der Umgebung unzivilisier ter Bergstämme, und erst nach Messalinas Sturz konnte die neue Gemahlin des Claudius, seine Nichte Agrippina, Sene cas Rehabilitation und Rückkehr nach Rom erwirken. Agrippina, zu deren Familie Seneca stets loyal gehalten hatte, übertrug ihm die Erziehung ihres Sohnes Nero und entschädigte ihn zugleich mit der Prätur. Als Nero 54 n. Chr. , siebzehnj ährig, nach dem Tod des Claudius zum Kaiser ausgerufen wurde, regierte er die ersten fünf Jahre unter der Leitung Senecas und des Prätorianerpräfekten Burrus, so daß man sagen kann, daß Seneca und Burrus in dieser Zeit die faktischen Regenten des römischen Welt reichs waren. Allmählich aber traten die negativen Charak terzüge Neros, seine Grausamkeit, Selbstherrlichkeit, Will kür und vor allem seine Machtbesessenheit unter dem Ein fluß übler Freunde und Mätressen immer stärker hervor,
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und Senecas wie auch Burrus ' Einfluß auf ihn wurde immer geringer. Nach der Ermordung von Neros Stiefbruder Bri tannicus, seiner Mutter Agrippina, ja sogar seiner Gattin Octavia mußte auch Seneca damit rechnen, von Nero in seinem Cäsarenwahn für potentiell gefährlich gehalten zu werden und in Ungnade zu fallen . So war es nur noch eine Frage der Zeit, bis auch ihm das Todesurteil zuging. Wegen angeblicher Teilnahme an der Pisonischen Verschwörung, die im Jahre 65 aufgedeckt wurde, verurteilte ihn Nero zum Tode, gestattete ihm aber, die Todesart selbst zu wählen und zu vollziehen. Seneca öffnete sich im Bade die Pulsadern und tröstete selbst noch im Tode mit sokratischer Ruhe die um ihn versammelten Freunde. Als ihm seine Gattin freiwillig in den Tod folgen wollte, wurde sie auf Befehl Neros davon abgehalten. Seneca war ohne Zweifel die hervorragendste literarische Persönlichkeit seiner Zeit. Von seinem umfangreichen Werk ist uns bei weitem nicht alles erhalten. Der Schwerpunkt seiner schriftstellerischen Tätigkeit lag in den popularphilo sophischen Werken, in denen er für alle Konflikte Rat bot und versuchte, insbesondere die Herrschenden zu edler Menschlichkeit und moralischem Wohlverhalten zu erzie hen und an eine neue Ethik zu gewöhnen. Hier kam ihm die Lehre der Stoa mit ihren hohen sittlichen Maximen sehr entgegen, mit der er sich bereits als Student der Rhetorik und Philosophie beschäftigt hatte. Schien es ihm aber von der Sache her erforderlich, bezog er auch andere philosophi sche Denkrichtungen mit ein, wenngleich er nicht pauschal als Eklektiker bezeichnet werden kann. Um in den führen den gesellschaftlichen Kreisen gelesen zu werden, mußte er dem anspruchsvollen literarischen Geschmack seiner Zeit genügen, durch elegante Diktion und prägnanten Stil beste chen. Er überzeugte durch den für ihn typischen präzisen und knappen Ausdruck, seine sentenzenreichen Ausführun gen und stilistische Bündigkeit, ja er schuf damit sogar einen neuen ModestiL Zahlreiche Abhandlungen (dialogi) über die
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einzelnen Gebiete der Ethik sind uns erhalten, z. B. de tranquillitate animi, de brevitate vitae, de providentia, de vita beata, de constantia sapientis, de ira, de otio. Vor allem sein Werk de beneficiis zeigt großes Verständnis für soziales Engagement und Menschenliebe. Außerdem besitzen wir die drei Trostschriften an seine Mutter Helvia aus dem Exil, an Marcia, die Tochter seines verstorbenen Freundes Cre mutius Cordus, und an Polybius aus dem Exil. Eine ähnli che allgemein auf die praktische Ethik ausgerichtete Thema tik ist in den 124 moralphilosophischen Briefen an seinen Freund Lucilius, den berühmten epistulae mora/es, zu fin den. Seine n a turales quaestiones, naturwissenschaftliche, mit moralischen Betrachtungen durchsetzte Untersuchungen, wurden bis ins hohe Mittelalter als Lehrbuch der Physik verwendet und sind für uns von unschätzbarem kulturhisto rischem Wert. Bei den hohen sittlichen Maximen, die Seneca in seinen Schriften aufstellte, nimmt es nicht wunder, daß man annahm, er sei insgeheim Christ gewesen, ja man erdichtete sogar einen Briefwechsel zwischen ihm und dem Apostel Paulus, den noch Hieronymus und Augustinus für echt hielten und der erst um 1500 von einigen Humanisten als Falsifikat nachgewiesen wurde. Auch als Dichter hatte Seneca in der Antike große Erfolge. Neben der Satire auf Kaiser Claudius schrieb er neun Tragödien, deren Stoffe alle ein moralisches Anliegen erkennen lassen : es sind die Lese dramen Hercules furens, Agamemnon, Medea, Phaedra, Ödipus, Thyestes u. a. , die alle, wie die Titel nahelegen, reich an bis in kleinste Details ausgemalten Greuelszenen sind. Sie enthalten eine Fülle pathetischer Deklamationen und rheto rischer Überpointierungen, entsprechen aber im Sinne des römischen Manierismus ganz dem Zeitgeschmack in dieser Literaturgattung.
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Nachwort Anlaß und Absicht der Satire
Der politische Hintergrund von Senecas Apocolocyntosis war folgender : am 13 . Oktober 54 war Claudius auf Anstiften seiner Gattin Agrippina durch ein Pilzgericht vergiftet wor den. Claudius hatte von seiner vorherigen Gattin Messalina einen Sohn, Germanicus Britannicus, und eine Tochter, Octavia. N ero war lediglich sein Stiefsohn, den er bei der Heirat mit Agrippina auf deren Verlangen hin adoptierte ; somit standen beim Tode des Claudius zwei mögliche Nach folger zur Verfügung : Britannicus und Nero . Nero war von Agrippina aber bereits systematisch in den Vordergrund gespielt, Britannicus zurückgedrängt worden. Der Tod des Claudius und die Todesursache wurden auf Agrippinas Befehl geheimgehalten, damit hinsichtlich der Thronfolge alles zuvor geregelt werden konnte. Schließlich wurde ihr Sohn Nero auf der Freitreppe des Palastes als Imperator ausgerufen und zur Kurie getragen, nachdem man in aller Eile die Garde aufgefordert hatte, dem neuen Kaiser zu huldigen. Da nun aber auch die Anhänger des solchermaßen zur Seite gedrängten Britannicus besänftigt werden mußten, wurde für Claudius mit großem Pomp ein staatliches Begräbnis ausgerichtet und als höchste Ehrung die Konse kration beschlossen. Außerdem versprach sich Agrippina, von der diese Verfügung wohl ausging, sicher erhöhtes Ansehen und noch größeren Einfluß durch die Vergöttli chung ihres Gemahls, der somit immerhin der erste Princeps nach Augustus war, der vom Senat unter die Götter erhoben wurde. Als kurze Zeit darauf tatsächlich Stimmen laut wur den, die lieber Britannicus, den lei blichen Sohn des Clau dius, auf dem Thron gesehen hätten, begann Nero, sich nicht nur von Britannicus (der wahrscheinlich am 13 . Februar 55 bereits umgebracht wurde) und seiner Schwester Octavia (mit der er zwecks enger Bindung an das Claudische Haus eine Ehe eingegangen war) zu distanzieren, sondern auch von dem kurz vorher vergöttlichten Claudius, indem er
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dessen Tempel wieder einreißen ließ und ihn überhaupt mit allen Mitteln demütigte. Im folgenden versuche Nero, sei nen Thronanspruch nicht mehr durch seine Bindung an das Claudische Haus, sondern durch seine Verwandtschaft zu Augustus, den Stammvater der neuen Staatsform, zu begründen ; sein Großvater mütterlicherseits, der berühmte Germanicus, war von Augustus adoptiert worden und somit nach römischer Rechtsauffassung ein echter Julier gewor den. Dieser Absicht kommt die Satire entgegen. Es handelt sich hier sicher nicht nur um eine private Abrechnung Senecas mit einem Kaiser, dessen charakterlicher Schwäche er die schlimme Zeit auf Korsika zu verdanken hatte, son dern auch um die politische Absicht, den Thronansprüchen der Nachkommen von Kaiser Claudius entgegenzuwirken. Gewiß nicht ohne politische Absicht wird Nero gleich zu Anfang der Satire in so starken Kontrast zu Claudius gesetzt, wird auf seine direkte Verwandtschaft zu Augustus verwiesen und wird Claudius die Aufnahme unter die Göt ter gerade von Augustus verwehrt. Dies soll aber natürlich nicht heißen, daß die Satire nicht zugleich als Ergebnis einer ganz persönlichen Erbitterung des Autors über den Kaiser zu verstehen ist. Eine weitere politische Absicht, die man der Schrift gelegentlich unterlegen wollte, daß nämlich der irdische Senat, ähnlich wie der Götterrat, die Kassation von Claudius' Konsekration veranlasse, läßt sich in der Satire nicht eindeutig nachweisen. Zentral bleiben sicher nur die beiden Motive, die Erbfolgeansprüche N eros zu stärken und Claudius als Menschen mit all seinen geistigen Schwächen und körperlichen Gebrechen der Lächerlichkeit preiszuge ben. Bemerkenswert ist, daß Seneca in seiner Satire weniger politische Maßnahmen des Claudius aufs Korn nimmt, son dern vielmehr eine von glühendem Haß erfüllte, höchst giftige und vernichtende Karrikatur des Menschen Claudius entwirft. Alles dient dem Zweck, die Person des Claudius selbst zu treffen, ihn in der Erinnerung der Nachwelt, da für das verantwortungsvolle Amt eines Kaisers völlig fehl am
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Platze, auszulöschen : die Darstellung seiner unklaren Aus sprache, sein gelegentliches Stottern, das Nachschleifen des rechten Fußes, das Zittern seiner Hand, das Wackeln mit dem Kopf, das nervöse Reißen, seine gelegentliche Geistes abwesenheit, seine Zerstreutheit, seine stupide Vergeßlich keit, seine Abhängigkeit von den Frauen und Freigelasse nen, seine naive Ungeniertheit, seine Schrullenhaftigkeit, seine imbezille Grausamkeit, seine gallische Abstammung, sein guter Appetit, seine Eigenheiten und Liebhabereien, seine Neigung für die Philologie, für die Rechtsprechung, für die gelehrte Verwendung von Dichtersprüchen, für das Würfelspiel, alles dient ein und demselben Ziel.
Autorschaft, Titel und Überlieferung des Werkes
Wie Tacitus (ann. XIII, 2 und 3) berichtet, verfaßte Seneca nach dem Tod von Kaiser Claudius die feierliche Grabrede (Laudatio funebris) auf den Verstorbenen, die dann dessen Nachfolger Nero am Bestattungstag auf seinen Adoptivvater gehalten hat. Für die Laudatio, die uns nicht erhalten ist, galt natürlich das ungeschriebene Gesetz de mortuis nil nisi bene, und man kann sich leicht vorstellen, welche Überwindung es Seneca gekostet haben mag, auf diesen Trottel von Kaiser, dem er die achtjährige Verbannung nach Korsika nie verzie hen hat, eine Lobrede zu entwerfen. Als Erzieher des jungen Nero konnte er sich dieser Pflichtübung nicht entziehen, und er hat das Elogium sicher professionell mit aller stilisti schen Kunst verfaßt. Solange nun vom Ruhm des Claudi schen Geschlechtes, von den Taten des verstorbenen Kai sers, seiner Politik und selbst von seinen Studien berichtet wurde, lauschte die Trauerversammlung aufmerksam, konnte sich aber, wie Tacitus berichtet, als der Redner auf die providentia und sapientia des Verstorbenen zu sprechen kam, das Lachen nicht verkneifen. Die Abfassung des offi-
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zieHen Leichensermons, der sich ganz an die traditionellen Regeln bei solchen Anlässen hielt, ließ für einige Senecas Autorschaft der Apocolocyntosis, die ja als anonymes Pamphlet veröffentlicht wurde, unglaubwürdig erscheinen . Hat Seneca wirklich zur gleichen Zeit eine solch hohn- und haßerfüllte Satire auf den Kaiser schreiben können, dem er noch wenige Jahre vorher in der Consolatio ad Polybium die größten Huldigungen dargebracht hatte? Außerdem sei die Schrift auch von Quintilian, Tacitus, Sueton, Plinius d. J. und Juvenal mit keinem Wort erwähnt. Die Antwort darauf muß aber sein, daß man, gerade weil Seneca wider besseres Wissen zur Abfassung des offiziellen Hymnus auf den Ver storbenen gezwungen war, in der Apocolocyntosis als Reaktion des Spaniers auf dieses officium ignobile die Kontrafraktur zur offiziellen Lobeshymne erkennen muß. Da wir wissen, daß er seinen persönlichen Haß gegen Clau dius nie überwunden hat, können wir als sicher annehmen, daß Seneca diese Schmähschrift sich selbst und dem spottlu stigen Hofkreis schuldig zu sein glaubte. Da die Schrift indirekt auch gegen Thronansprüche von Nachfolgern des Claudischen Hauses wirken sollte, wurde sie aus verständli chen Gründen von Seneca, dem väterlichen Freund Neros, anonym veröffentlicht. Außerdem hätte die gleichzeitige Abfassung einer Lob- und einer Schmähschrift auf den gleichen Toten, die wir gerade einer auch sonst so schillern den Persönlichkeit wie Seneca zutrauen dürfen, unter offi zieller Nennung des allbekannten Verfassernamens wohl gegen den guten Geschmack in gebildeten Kreisen versto ßen. Sollte die Satire einschlagen, mußte sie gleich nach den Exequien, also schon in den ersten Tagen oder höchstens ein paar Wochen nach dem Regierungsanstritt Neros verfaßt und veröffentlicht werden. Die Schrift einer späteren Zeit zuzuweisen, in der Nero eine Kassation der Konsekration des Claudius durchzuführen versuchte (vgl. Sueton, Cl. 45), ist nicht wahrscheinlich. Nur durch den Historiker Cassius Dio (60, 3 5 , 3 ) wissen wir, -
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daß der authentische Titel der Schrift Apocolocyntosis lau tete. In unserer besten Handschrift ist sie überschrieben mit Divi Claudü anoßerom c; Annaei Senecae per saturam. In den meisten Handschriften ist sie betitelt mit Ludus Senecae de morte Claudii Neronis. Keine der beiden Varianten dürfte mit der Originalüberschrift identisch sein. Daß es sich bei der von Cassius Dio erwähnten Schrift mit dem Titel Apoco locyntosis um unsere Satire handelt, wurde vor allem aus zwei Gründen angezweifelt : einmal traute man dem Autor der epistulae mora/es ein solch gehässiges Pasquill auf Tod, Himmel- und Höllenfahrt des ermordeten Kaisers Claudius nicht zu, insbesondere als er ja auch der Verfasser der offiziellen Iaudatio funebris war, und zum anderen wird Claudius in der Schrift nicht in einen Kürbis verwandelt, was der Titel der Schrift immerhin wenigstens vordergrün dig anzudeuten scheint. Wie 0. Weinreich aber überzeu gend ausführt, ist der Titel Apocolocyntosis (Verkürbissung) als Wortspiel zu Apotheosis (Vergöttlichung) zu verstehen. >Verkürbissung< im Sinne von >Vcräppclung< bedeutet hier wohl schlicht >Verhöhnung eines kaiserlichen Dummkopfs,, der nach seinem Tod nicht zuletzt dank der Satire in der Erinnerung der Leser als »Dummheit in Person« weiterleben soll und nicht wie etwa Romulus oder Augustus unter die Götter aufgenommen wird. Der Titel enthält also den Vor wurf der Hohlköpfigkeit, da in der Antike wie auch in einigen neueren Sprachen noch heute der Kürbis Symbol und Schimpfwort für einen Dummkopf war. Somit soll bereits durch die Titelgebung die offizielle Apotheosis des Kaisers ins Lächerliche gezogen werden, der bereits durch die Überschrift nicht apotheotisiert, sondern apocolocynto siert, nicht zum Gott erhoben, sondern zum Trottel gestem pelt wird. Die Vermutung, die Schrift sei nicht vollständig, da zu erwarten sei, daß Claudius gegen Ende der Satire als Buße für seine vielen törichten Entschlüsse in einen Kürbis verwandelt werde, konnte ebenfalls 0. Weinreich überzeu gend widerlegen, indem er den geschlossenen und bis zum
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Schluß konsequent und stimmig konzipierten Aufbau des Ganzen nachwies . Unser weitaus bester Textzeuge ist ein MisecHankodex des Klosters St. Gallen (Sangallensis Nr. 569, S . 243-251) , der aus dem 10. oder 11 . Jahrhundert stammen dürfte. Ein älterer, aber textlich weitaus schlechterer Kodex ist der Valenciennensis 190 aus dem 1 0 . Jahrhundert. Der dritt besterhaltene Textzeuge ist der Codex Londiniensis, suppl. 11983, aus dem Ende des 11. oder beginnenden 12 . Jahrhun dert. Alle drei Handschriften gehen auf einen verlorenen Archetypus zurück, durch den die Satire getrennt von den übrigen philosophischen Schriften und dem Tragödienkor pus Senecas überliefert wurde. Zumindest indirekt gehen auch alle uns sonst bekannten MSS. darauf zurück ; hier wären vor allem die zwölf z. T. nur fragmentarisch erhalte nen MSS. der Pariser Nationalbibliothek zu nennen, deren beste Ausgabe der Codex Parisinus 6630 aus dem 13 . Jahr hundert ist. Außerdem besitzen wir noch vier Vatikanische Handschriften aus dem 13 . /15 . Jahrhundert, einen recht flüchtig abgeschriebenen Marcianus aus dem 1 4 . Jahrhun dert, einen Guelferbytanus italienischer Herkunft aus dem 15 . Jahrhundert und die allerdings stark interpolierte Editio princeps des C. Sylvanus Germanicus, Rom 1513 . Wahr scheinlich war bereits der Archetypus [ a] nach Kap . 7 mechanisch verstümmelt. Daß sich dieses Manuskript über haupt so lange Zeit erhalten hat, ist keineswegs selbstver ständlich, wenn man bedenkt, daß die Satire nicht wie andere Stoffe im Altertum zum üblichen Schulstoff gehörte. Lediglich einige wenige antike Schriften scheinen die Kennt nis der Apocolocyntosis vorauszusetzen. So dürften wohl in der pseudo-senecaischen Octavia einige Anspielungen vor liegen und auch Ausonius (Symm. epist. 23) scheint das Pamphlet gekannt zu haben. Ein sicher nachweisbares, ver einzeltes Zitat findet sich erst im 9. Jahrhundert bei Radber tus in der Vita Walae.
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Im 16 . und 17. Jahrhundert diente die Satire als Vorlage für mehrere Imitationen . Die erste deutsche Übersetzung stammt von A. Gröninger, Münster 1798. Neumarkt i . d. Opf.
Anton Bauer
STAMMTAFEL
Ti. Claudius Nero -- I. verh. mit t 33 v.
TIBERIUS Claudius Nero 42 v.-37 n. verh. mit 1. Vipsania Agrippina 2. lulia (I.)
Livia Drusilla -- 2. verh. mit -(lulia Augusta) 17. Jan. 3 8 v. 58 v.-29 n.
---
Nero Claudius Drusus ( I . ) 38 v.-9 v . verh. m i t Antonia Minor, Tochter d. M. Antonius u. d. Octavia
I
(aus I . Ehe)
Drusus (II . ) Caesar 15 v.-23 n. verh. mit Livilla
Gennanicus Caesar 1 5 v.-19 n. verh. mit Agrippina (I )
1------.,
lulia (III . ) 3/4--4 3 n . verh. mit 1. Nero Caesar 2. C. Ruheilins Blandus
Livilla t 31 n. verh. mit I. C. Caesar 2 . Drusus (II.)
CLAUDIUS 10 v.-54 n. verh. mit 1. Urgulanilla 2. Aelia Paetina
�1-----!-:_�_�_;i-pMpi��·t��-i_ _-,.. _
Tiberius Gemellus 19-38 n. und Germanicus Gernellus 19-23 n.
Nero Caesar 6-31 n. verh. mit lulia (III . )
Drusus (Ill.) Caesar 7/8-33 n. verh. mit Aernilia Lepida
C. Octavius verh. mit Atia
Octavia verh. mit
----� AUGUSTUS 63 v.-14 n.
I . M. Claudius Marcellus
lulia (1.) 39 v.- 1 4 n . verh. mit
! . M. Marcel1us
2 . M. Vipsa
T
M. Claudius Marcellus 43 v.-23 v. verh. mit lulia (I. )
nius Agrippa (63 v.-1 2 v. ) 3. Tib e r ius
I
(aus d. Ehe m . Agr a)
lulia (II.) Lucius Caesar 19/1 8 v.-28 n. 17 v.-2 n. verh. mit L . Aemilius Paulus
Agrippina (1.) 14/13 v.-33 n. verh. mit Germanicus Caesar
r
C. Caesar = CALIGULA 12-4 1 n.
�·
Antonia Maior * 39 v. verh. mit L . Domitius Ahenobarbus
Cn. Domitius Ahenobarbus verh. mit Agrippina (II.)
I
Gaius Caesar 20 v.-4 n. verh. mit Livilla
I
'1 -- 2 . M. Anto nius, Triumvir
---
I
Agrippina (II. ) Drusilla 16117-38 n. 15-59 n. verh. mit verh. mit I . Cn. Do- L. Cassius mitius Longinus Ahenobarbus 3 . Claudius
I
(aus I . Ehe)
I
L. Domitius Ahenobarbus = NERO 37�8 n.
Iulia Livilla 1 7/1 8-42 n. verh. mit M. Vinicius
Antonia Minor 38 v.-39 n. verh. mit Drusus
Agrippa Postumus 1 2 v.-14 n.
Inhalt Apocolocyntosis sive Ludus de morte Claudii Neronis Die Verkürbissung des Kaisers Claudius oder Satire auf den Tod des Claudius Nero
3
Anmerkungen
45
Literaturhinweise
71
Nachwort
75
Stammtafel
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