Arbeitslosengeld-II-Bezug im Übergang in das Erwerbsleben
Brigitte Schels
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Arbeitslosengeld-II-Bezug im Übergang in das Erwerbsleben
Brigitte Schels
Arbeitslosengeld-IIBezug im Übergang in das Erwerbsleben Lebenslagen, Beschäftigungsund Ausbildungsbeteiligung junger Erwachsener am Existenzminimum
Brigitte Schels Nürnberg, Deutschland
Zugl. Dissertation Universität Mannheim, 2011
Springer VS ISBN 978-3-531-18562-0 DOI 10.1007/978-3-531-18777-8
ISBN 978-3-531-18777-8 (eBook)
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer Fachmedien Wiesbaden 2012 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandentwurf: KünkelLopka GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer VS ist eine Marke von Springer DE. Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media www.springer-vs.de
Dank
Die vorliegende Studie ist meine am Fachbereich für Sozialwissenschaften an der Universität Mannheim eingereichte Dissertationsschrift, deren Entstehung durch meine Kolleginnen und Kollegen, Familie und Freunde begleitet wurde. Dafür möchte ich herzlich danken. Hervorzuheben ist das Engagement meiner Doktormutter Marita Jacob, die meine Arbeit in zahlreichen Gesprächen mit wertvollen und konstruktiven Anregungen gefördert hat. Ebenso danken möchte ich Martin Abraham, der die Arbeit als Zweitgutachter unterstützt hat. Entstanden ist die Studie im Rahmen des Projektes „Jugendliche und junge Erwachsene als besondere Zielgruppe im SGB II“ am Institut für Arbeitsmarktund Berufsforschung (IAB), Nürnberg. Ich möchte meinen Projektkolleginnen danken, insbesondere Juliane Achatz und Sandra Popp für die gemeinsame Arbeit und die wichtigen Anregungen für meine Dissertation und meinem Bereichsleiter Markus Promberger für die Unterstützung. Gleiches gilt für alle, die die Arbeit in unterschiedlichen Phasen tatkräftig unterstützt haben. Zu nennen sind hier meine Gefährtinnen Kathrin Dressel, Corinna Kleinert und Johanna Wuppinger. Robert Schels, Leonia Dignat und Christian Wenz haben meine Schrift gewissenhaft Korrektur gelesen. Vor allem möchte ich mich bei meinen Eltern bedanken, die meinen Weg stets mit großem Vertrauen und kleinen skeptischen Nachfragen begleiten.
Nürnberg im Oktober 2011
Brigitte Schels
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis .......................................................................................... 11 Abbildungsverzeichnis ..................................................................................... 13 Abkürzungsverzeichnis .................................................................................... 14 1
Einleitung und Problemstellung ........................................................... 15
1.1 1.2 1.3 1.4
Junge Arbeitslosengeld-II-Bezieher in der Diskussion............................ 16 Forschungsansatz und Leitfragen ............................................................ 19 Ausgangspunkt: Armut und Sozialpolitik im Lebensverlauf................... 21 Gliederung der Arbeit .............................................................................. 24
2
Übergangsstrukturen und Arbeitslosengeld-II-Bezug junger Erwachsener........................................................................................... 27
2.1
Der Übergang in das Erwerbsleben in Deutschland – Diskussionen und empirische Befunde .......................................................................... 27 2.1.1 Entwicklung der Übergangsstrukturen .................................................... 28 2.1.2 Benachteiligte und Fördermaßnahmen .................................................... 31 2.2 Grundsicherung und Förderung junger Erwachsener .............................. 34 2.2.1 Arbeitslosengeld-II-Bezug als Einkommensarmutsindikator .................. 34 2.2.2 Allgemeine Zeit- und Handlungslogiken der Aktivierungspolitik .......... 41 2.2.3 Intensivierte Aktivierung der unter 25-Jährigen ...................................... 44 2.3 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen ............................................ 47 Anhang zu Kapitel 2 ........................................................................................... 50 3
Theoretischer Bezugsrahmen: Perspektiven in Ausbildung und Beschäftigung oder Abhängigkeit von Arbeitslosengeld II ................ 52
3.1 Opportunitätsstrukturen im Bildungssystem und am Arbeitsmarkt ......... 52 3.1.1 Allokationsprozesse am Arbeits- und Ausbildungsmarkt........................ 53 3.1.2 Geschlechtsspezifisches Arbeitsangebot im Familienkontext ................. 60
8
Inhalt
3.2
Abhängigkeit von Arbeitslosengeld II als inadäquates Ausbildungsund Arbeitsmarktverhalten – drei Erklärungsansätze .............................. 62 3.2.1 Kurzfristige finanzielle Rationalitäten der Ausbildungsund Arbeitsmarktbeteiligung („Armutsfalle“) ......................................... 63 3.2.2 „Erlernte Hilflosigkeit“ im Arbeitslosengeld-II-Bezug ........................... 66 3.2.3 Herkunftsbedingte Bildungs- und Erwerbsneigungen Ȃ Sozialisation in einer „Kultur der Abhängigkeit“ ......................................................... 69 3.3 Zusammenfassung ................................................................................... 72 Anhang zu Kapitel 3 ........................................................................................... 74 4
Forschungsstand: Armut und Leistungsbezug im Übergang in das Erwerbsleben aus der Perspektive verschiedener Traditionen ......... 76
4.1
Ausgewählte Ergebnisse der Sozialhilfeforschung und Begleitforschung zum Arbeitslosengeld II .............................................. 76 4.1.1 Zeitstrukturen im Leistungsbezug ........................................................... 77 4.1.2 Arbeitsmarktverhalten und Ausstieg aus dem Leistungsbezug in den Arbeitsmarkt ..................................................................................... 80 4.1.3 Grundsicherungsbezug im Übergang in das Erwerbsleben ..................... 85 4.2 Exkurs: Konsequenzen von Armut im Kindes- und Jugendalter ............. 91 4.3 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen ............................................ 92
5
Zwischenfazit und Ausblick auf die empirischen Analysen ............... 94
5.1 5.2 5.3
Rückblick auf die Diskussion und Präzisierung des Forschungsbedarfs . 94 Hypothesen .............................................................................................. 96 Auswahl der Analysepopulation und erste Deskription......................... 104
6
Dauer und Struktur des Arbeitslosengeld-II-Bezugs junger Erwachsener......................................................................................... 110
6.1
Quantitatives Ausmaß von Kurzzeitbezug, längerem und wiederholtem Arbeitslosengeld-II-Bezug im Beobachtungszeitraum ... 111 6.1.1 Mehrfachbezug und Verlaufsmuster im Grundsicherungsbezug ........... 111 6.1.2 Verweildauer im Leistungsbezug und Unabhängigkeit von Arbeitslosengeld II ......................................................................... 113 6.1.3 Verlaufstypen im Beobachtungszeitraum .............................................. 116
Inhalt
9
6.2 Multivariate Analysen ........................................................................... 117 6.2.1 Individualmerkmale und situative Einflussfaktoren im Vergleich ........ 120 6.2.2 Zum Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Arbeitslosengeld-II-Bezug..................................................................... 125 6.3 Exkurs: Die finanzielle Situation junger Erwachsener im Anschluss an den Grundsicherungsbezug ............................................. 134 6.4 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen .......................................... 136 Anhang zu Kapitel 6 ......................................................................................... 140 Methodenanhang............................................................................................... 140 Tabellen- und Abbildungsanhang ..................................................................... 143 7
Ausstiegswege aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug in Ausbildung und Beschäftigung ............................................................................... 144
7.1 7.2 7.2.1 7.2.2 7.3 7.3.1
Begriffsbestimmung und Operationalisierung ....................................... 145 Struktur der erwerbs- und ausbildungsvermittelten Abgangswege ....... 147 Quantitative Bedeutung im Vergleich ................................................... 147 Zeitlicher Verlauf der Abgangswege ..................................................... 150 Multivariate Analysen ........................................................................... 152 Einflussfaktoren auf die Abgangswege in betriebliche Ausbildung und Beschäftigung im Vergleich ........................................................... 153 7.3.2 Geschlechtsspezifische Abgangschancen .............................................. 161 7.3.3 Übergangschancen und Lebenssituation der Zielgruppe der unter 25-Jährigen ................................................................................... 163 7.3.4 Exkurs: Ausstieg aus Arbeitslosengeld-II-Bezug durch einen Ausbildungseintritt – Analysen für das Jahr 2005 ....................... 166 7.4 Zusammenfassung und Zwischenfazit ................................................... 169 Anhang zu Kapitel 7 ......................................................................................... 172
8 8.1 8.2
Verringerte finanzielle Hilfebedürftigkeit in betrieblicher Ausbildung oder Beschäftigung ......................................................... 175
Begriffsbestimmung und Operationalisierung ....................................... 176 (Teil-)Schritte aus dem Grundsicherungsbezug in Ausbildung und Beschäftigung ................................................................................. 178 8.3 Multivariate Analysen ........................................................................... 182 8.3.1 Einflussfaktoren auf die Übergänge in Ausbildung oder Beschäftigung im weiteren Arbeitslosengeld-II-Bezug im Vergleich ... 183 8.3.2 Herkunftseffekte auf die Ausbildungs- und Arbeitsmarktbeteiligung im Fokus ................................................................................................ 188
10
Inhalt
8.4 Zusammenfassung und Schlussfolgerung.............................................. 192 Anhang zu Kapitel 8 ......................................................................................... 195 9
Diskussion und Ausblick ..................................................................... 196
9.1
Längerer Bezug von Arbeitslosengeld II trotz hoher Ausbildungsund Erwerbsbeteiligung ......................................................................... 197 9.1.1 Zugangsbarrieren zu existenzsichernder Arbeit und Berufsausbildung. 198 9.2 Sozialpolitische Handlungsimplikationen für eine heterogene Gruppe . 204
10
Anhang: Daten und Analysemethoden .............................................. 208
10.1
Datengrundlage: Kombinierte Datenbasis aus Befragungsund Längsschnittdaten ........................................................................... 208 10.2 Operationalisierung der Einflussfaktoren .............................................. 211 10.3 Verlaufsmuster und Verweildauer im Arbeitslosengeld-II-Bezug ........ 214 10.3.1 Hazardratenmodelle mit multiplen Zuständen und wiederholten Ereignissen....................................................................... 217 10.3.2 Hazardratenmodelle mit abhängigen konkurrierenden Risiken ............. 218
Literatur .......................................................................................................... 221
Tabellenverzeichnis
Tabelle 2.1: Arbeitslosengeld-II-Regelsätze 2005 ........................................... 36 Tabelle 2.2: Berufsausbildungsbeihilfe und Bundesausbildungsförderung ..... 50 Tabelle 3.1: Verfügbares Haushaltseinkommen und Abstand zum Arbeitslosengeld II am Beispiel für Hilfsarbeiter in Westdeutschland (Stand Januar 2006).......................................... 74 Tabelle 3.2: Freibeträge und Zuverdienst bei Erwerbstätigkeit im Arbeitslosengeld-II-Bezug (seit Oktober 2005 ) .......................... 75 Tabelle 5.1: Deskriptive Statistiken nach Alter, Januar 2005 ........................ 108 Tabelle 6.1: Typen der Verlaufsmuster im Arbeitslosengeld-II-Bezug, 2005 bis 2007 ............................................................................. 116 Tabelle 6.2: Bestimmungsfaktoren der Hazardraten aus dem Bezug von Arbeitslosengeld II und in erneuten Bezug, 18- bis 29-Jährige.. 121 Tabelle 6.3: Bildungshintergrund 18- bis 24-jähriger Arbeitslosengeld-IIEmpfänger, nach Schulabschluss und beruflicher Stellung der Eltern, Januar 2005 ..................................................................... 127 Tabelle 6.4: Bestimmungsfaktoren der Hazardraten aus dem Bezug von Arbeitslosengeld II und in erneuten Bezug, 18- bis 24-Jährige.. 129 Tabelle 6.5: Arbeitseinstellung 18- bis 24-jähriger Arbeitslosengeld-IIEmpfänger, nach Schulabschluss und beruflicher Stellung der Eltern†, Januar 2005................................................................... 133 Tabelle 6.6: Relation des Haushaltseinkommens zum Arbeitslosengeld II nach Ausstieg aus dem Leistungsbezug, nach Erwerbsstatus, November 2005 .......................................................................... 135 Tabelle 6.7: Bestimmungsfaktoren der Verlaufsmuster im Arbeitslosengeld-II-Bezug, Ergebnisüberblick .......................... 137 Tabelle 6.8: Hazardraten aus dem Bezug von Arbeitslosengeld II und in erneuten Bezug, Modellvergleich, 18- bis 29-Jährige ................ 140 Tabelle 6.9: Ausgewählte Modellparameter der Nullmodelle 6-1 und 6-2 .... 143 Tabelle 7.1: Verteilung der Abgangsgründe aus dem Arbeitslosengeld-IIBezug, 2005 bis 2007 ................................................................. 147 Tabelle 7.2: Bestimmungsfaktoren der Hazardraten aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug nach Abgangsgründen ..................... 154 Tabelle 7.3: Bestimmungsfaktoren der Hazardraten aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug in Berufsausbildung im Jahr 2005 im Vergleich ............................................................................... 168
12
Verzeichnisse
Tabelle 7.4: Ausgewählte Modellparameter der Nullmodelle 7-1, 7-2 und 7-3 ....................................................................................... 172 Tabelle 7.5: Bestimmungsfaktoren der Hazardraten aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug nach Abgangsgründen, geschlechtsspezifische Übergangschancen nach Haushaltskonstellation ............................................................... 173 Tabelle 7.6: Übergänge in Ausbildung im Jahr 2005, nach Haushaltskonstellation ............................................................... 174 Tabelle 8.1: Ausstiegswege aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug .................. 177 Tabelle 8.2: Eintritte in betriebliche Ausbildung oder Beschäftigung und Abgang oder verringerte finanzielle Hilfebedürftigkeit im Arbeitslosengeld-II-Bezug, 2005 bis 2007 ................................. 178 Tabelle 8.3: Abgangswege aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug, Kombination von Abgängen aus dem Bezug und Eintritten in betriebliche Ausbildung und Erwerbstätigkeit, 2005 bis 2007 ... 179 Tabelle 8.4: Bestimmungsfaktoren der Hazardraten in existenzsichernde und nicht-existenzsichernde Beschäftigung/betriebliche Ausbildung, 18- bis 29-jährige Arbeitslosengeld-II-Empfänger 184 Tabelle 8.5: Bestimmungsfaktoren der Hazardraten in existenzsichernde und nicht-existenzsichernde Beschäftigung/betriebliche Ausbildung, 18- bis 24-jährige Arbeitslosengeld-II-Empfänger 190 Tabelle 8.6: Ausgewählte Modellparameter der Nullmodelle 8-1 und 8-2 .... 195 Tabelle 10.1: Selektivitätsanalyse der Zuspielbereitschaft von Registerdaten zu Befragungsdaten .................................................................... 210 Tabelle 10.2: Operationalisierung des höchsten Erwerbsstatus der Eltern ....... 214
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1.1: Zeitreihe arbeitsloser unter 25-Jähriger, ab Januar 2005 ........... 15 Abbildung 1.2: Erwerbsstatus von 18- bis 24-Jährigen in Arbeitslosengeld-IIHaushalten ................................................................................. 18 Abbildung 6.1: Verlaufsmuster im Arbeitslosengeld-II-Bezug, 2005 bis 2007 112 Abbildung 6.2: Dauer des Arbeitslosengeld-II-Bezugs, nach unterschiedlichen Dauerkonzepten, Überlebensfunktionen..... 114 Abbildung 6.3: Dauer der Episoden im Nicht-Bezug nach einem Abgang aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug, 2005 bis 2007, Überlebensfunktion ................................................................. 115 Abbildung 6.4: Verteilung der Erwerbszustände der jungen Arbeitslosengeld-II-Empfänger von Januar 2005 bis 2007 ... 143 Abbildung 7.1: Abgangswege aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug in Beschäftigung und betriebliche Ausbildung, nach Erwerbsstatus im Vormonat, 2005 bis 2007 ............................ 149 Abbildung 7.2: Periodenspezifische Hazardraten aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit/betrieblichen Ausbildung oder aus anderen Gründen (alle Bezugsepisoden) ............................................... 150 Abbildung 7.3: Periodenspezifische Hazardraten aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, betrieblichen Ausbildung oder aus anderen Gründen (erste Bezugsepisode) ............................................... 151 Abbildung 7.4: Relative Übergangschancen aus dem Arbeitslosengeld-IIBezug durch Integration in Beschäftigung oder betriebliche Ausbildung, nach Geschlecht und Haushaltskonstellation ...... 163 Abbildung 7.5: Zielzustandsspezifische relative Übergangschancen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug, nach Alter .................................... 165 Abbildung 8.1: Beendeter Arbeitslosengeld-II-Bezug und reduzierte finanzielle Hilfebedürftigkeit nach Übergang in Beschäftigung oder betriebliche Ausbildung, 2005 bis 2007 .. 181
14
Verzeichnisse
Abkürzungsverzeichnis
A2LL
Erfassungs- und Verwaltungssystem "Arbeitslosengeld II – Leistungen zum Lebensunterhalt" ALG II Arbeitslosengeld II Alhi Arbeitslosenhilfe BA Bundesagentur für Arbeit BAB Bundesausbildungsbeihilfe BAFöG Bundesausbildungsförderung BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung BMAS Bundesministerium für Arbeit und Soziales bzw. beziehungsweise CAPI computer assisted personal interview CATI computer assisted telephone interview Corr Korrelation d. h. das heißt ebd. ebenda et al. und andere (et alii) EGRIS European Group for Integrated Social Research f./ff. folgende Seite/folgende Seiten IAB Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung inkl. inklusive JUMP Sofortprogramm zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit LSS 2005 Studie „Lebenssituation und Soziale Sicherung 2005“ m arithmetischer Mittelwert max. maximal n absolute Häufigkeiten ref. Referenzkategorie s Standardabweichung SGB II Sozialgesetzbuch Zweites Buch, Grundsicherung für Arbeitssuchende SGB III Sozialgesetzbuch Drittes Buch, Arbeitsförderung SGB XII Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung SOEP Sozioökonomische Panel Sohi Sozialhilfe vgl. vergleiche z. B. zum Beispiel
1
Einleitung und Problemstellung
Berufsabschluss und Erwerbseintritt stellen zentrale Schritte im Übergang in das Erwachsenenalter dar, mit denen junge Erwachsene erstmals eine eigenständige soziale Position erwerben und sich ökonomisch verselbstständigen können. Auf lange Sicht hängen die individuellen Möglichkeiten sozialer Teilhabe von einer geglückten Erwerbsintegration ab (Hurrelmann 2010). Doch erleben zahlreiche Jugendliche und junge Erwachsene in Deutschland Startschwierigkeiten in die Berufsausbildung und in das Erwerbsleben und erfahren damit Barrieren der sozialen Integration. Anfang 2005, dem Bezugszeitpunkt der vorliegenden Studie, waren mehr als 600.000 unter 25-Jährige bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitslos registriert, dies entsprach einer Jugendarbeitslosigkeitsquote von rund 13 Prozent. Die Jugendarbeitslosigkeit ging im Anschluss zurück, doch waren auch Ende 2010 rund 300.000 unter 25-Jährige arbeitslos (Abbildung 1.1). Abbildung 1.1: Zeitreihe arbeitsloser unter 25-Jähriger, ab Januar 2005 18,0
600
12,0
500
10,0
400
8,0
300
6,0 200
4,0
Jul 10
Jan 10
Jul 09
Jan 09
Jul 08
Jan 08
Jul 07
Jan 07
0 Jul 06
0,0 Jan 06
100 Jul 05
2,0 Jan 05
Arbeitslosenquote (in %)
14,0
Arbeitslosenquote pro Quartal bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen unter 25 Jahren Arbeitslose Quelle: eigene Darstellung, Statistik der Bundesagentur für Arbeit 2010
B. Schels, Arbeitslosengeld-II-Bezug im Übergang in das Erwerbsleben, DOI 10.1007/978-3-531-18777-8_1, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
Arbeitslose (in 1.000)
700
16,0
16
Einleitung und Problemstellung
Berücksichtigt man weiter, dass nach der Statistik der Bundesagentur für Arbeit jährlich rund 500.000 unter 25-Jährige an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen teilnehmen, so wird deutlich, dass die Zahl der jungen Erwachsenen mit Problemen in Ausbildung und Beschäftigung nochmals höher liegt. Zudem sind viele junge Erwachsene auf eine staatliche Grundsicherung angewiesen. Seit der Einführung des Arbeitslosengeldes II (ALG II)1 im Jahr 2005, das umgangssprachlich als „Hartz IV“ bezeichnet wird, bezogen im Schnitt knapp eine Million unter 25-Jährige d. Dies entspricht einem Anteil von rund zehn Prozent der gesamten Altersgruppe in Deutschland (Popp/Schels 2008). Fasst man die Gruppe der jungen Erwachsenen nicht nur bis zum 25., sondern bis zum 30. Lebensjahr, so bezogen etwa eine weitere halbe Million 25bis 29-jährige erwerbsfähige Hilfebedürftige Arbeitslosengeld II. 1.1
Junge Arbeitslosengeld-II-Bezieher in der Diskussion
In der sozialwissenschaftlichen und öffentlichen Wahrnehmung wird Armut und Leistungsbezug im jungen Erwachsenenalter aus unterschiedlichen Perspektiven diskutiert. In den wenigen sozialwissenschaftlichen Beiträgen zu Armut im jungen Erwachsenenalter wird Armut und Leistungsbezug vorwiegend als temporäre Erfahrung während verlängerter Ausbildungszeiten, in vorübergehender Arbeitslosigkeit zwischen Ausbildung und Erwerbseintritt oder mit der Familiengründung thematisiert, bis die jungen Erwachsenen mit einer eigenen Erwerbstätigkeit über ein ausreichendes Einkommen verfügen (Aassve et al. 2006; Reinowski/Steiner 2006). Dagegen werden länger andauernde Arbeitslosigkeit, Armut und Leistungsbezug als riskante Erfahrungen im „sozial verletzlichen“ Jugend- und jungen Erwachsenenalter gesehen (Bynner et al. 1997; MacDonald 1997; Hurrelmann 2010: 36), da diese, so die Annahme, mit nachhaltigen Konsequenzen für die soziale Entwicklung und Teilhabechancen der jungen Menschen einhergehen (France 2008). In der politischen Diskussion 1 Die Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II mit der Einführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende im Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) war Teil der größten Arbeitsmarkt- und Sozialreform in Deutschland, die angesichts steigender Arbeitslosenzahlen und Sozialausgaben und dem Vorwurf ineffizienter Leistungssysteme durch die rot-grüne Bundesregierung unter Kanzler Schröder auf den Weg gebracht wurde. Nach Empfehlungen der sogenannten „Hartz-Kommission“ wurden vier Gesetze für Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt umgesetzt. Eine detailliertere Beschreibung und kritische Diskussion der Arbeitsmarktreformen kann in zahlreichen Beiträgen nachgelesen werden (z. B. Eichhorst et al. 2008; Ludwig-Mayerhofer et al. 2009; Trube 2004). Eine Synopse der Unterschiede und Gemeinsamkeiten der ehemaligen und aktuellen Leistungssysteme geben Bäcker und Koch (2004).
Einleitung und Problemstellung
17
wird daher auch befürchtet, dass sich junge Empfänger von Arbeitslosengeld II, die sich nicht in existenzsichernder Beschäftigung etablieren können, angesichts ihrer eingeschränkten Perspektiven auf Dauer vom Arbeitsmarkt abwenden und im Bezug von Arbeitslosengeld II „einrichten“ könnten (Deutscher Bundestag 2003: 51). Um eine Abhängigkeit von Sozialtransfers frühzeitig zu durchbrechen bzw. gar nicht erst entstehen zu lassen, sehen die Regelungen in der Grundsicherung für Arbeitssuchende eine intensivere und schnellere Förderung unter 25-Jähriger als ab 25-Jähriger vor. Auch in der öffentlichen Diskussion steht die Wahrnehmung im Vordergrund, dass sich junge Menschen im Arbeitslosengeld-II-Bezug in einem Teufelskreis aus mangelnden Qualifikationen, unregelmäßiger Arbeit und geringer Erwerbsmotivation befinden könnten. Die zentralen Fragen drehen sich um die Hintergründe einer scheinbar perspektivlosen Situation junger Arbeitslosengeld-II-Empfänger, wie folgende Passage aus einer Reportage der Zeitung Die ZEIT am Beispiel eines jungen Mannes illustriert: „Will er vielleicht nicht arbeiten? Kann sein. Kann aber auch eine Unterstellung sein. Vielleicht will er arbeiten und kann nicht. Wie aber ist es möglich, dass jemand, der will, nicht kann? Nichtwollen und Nichtkönnen ist oft kaum voneinander zu unterscheiden. Es gibt Jugendliche, die traumatisiert sind, ohne es zu wissen. Es gibt Jugendliche, die sich ihrer Traumatisierung bewusst sind und sie geschickt einsetzen. Und es gibt Jugendliche, die seit ihrer Geburt in einen verhängnisvollen Zusammenhang aus Zurückweisung und Verwahrlosung hineinwachsen (…). Sie wissen nicht, was Verantwortung bedeutet, weil sie nie gelernt haben, wie sich Verantwortung anfühlt. Wer hat Schuld, wenn ein junger Staatsbürger (…) seit Jahren für den Arbeitsmarkt nicht in Frage kommt und Transferleistungen bezieht? Er selbst? Die Schule? Die Familie? Der Kapitalismus? Der Staat? Alle ein bisschen?“ (Schüle 2010: 22)
Doch entgegen dem Eindruck von jungen Erwachsenen mit schwerwiegenden Arbeitsmarktproblemen ist das Arbeitslosengeld II in erster Linie eine Leistung der Armutsvermeidung und Sicherung des Existenzminimums bei einer unzureichenden Einkommenssituation in der Bedarfsgemeinschaft (siehe genauer Abschnitt 2.2.1). Dies bedeutet, dass nicht nur junge Arbeitslose, sondern junge Menschen in vielfältigen Lebenslagen angesichts individueller und familiärer Probleme, wie beispielsweise bei Arbeitslosigkeit oder geringfügiger Beschäftigung von Partner oder Eltern, auf das Arbeitslosengeld II angewiesen sein können (Achatz et al. 2007; Deutsche Bundesregierung 2008; Popp et al. 2006). Abbildung 1.2 zeigt dementsprechend, dass zwar rund 40 Prozent der unter 25-jährigen Arbeitslosengeld-II-Empfänger tatsächlich arbeitslos sind, der Großteil jedoch noch eine allgemeinbildende Schule besucht, eine Ausbildung absolviert, sich um die Kindererziehung kümmert oder mit einem Einkommen erwerbstätig ist, das nicht für den Lebensunterhalt ausreicht.
Einleitung und Problemstellung
18
Abbildung 1.2: Erwerbsstatus von 18- bis 24-Jährigen in Arbeitslosengeld-IIHaushalten (in Prozent) 100%
80%
60%
3 6 8 15
24
erwerbstätig (mind. 15 Std.) sonstige Aktivitäten/ keine Angaben zu Hause/Elternzeit in Ausbildung/Lehre/Studium
40% Schüler 20%
43
arbeitslos
0% Quelle: Achatz 2010 (Panel Arbeitsmarkt und Soziale Sicherung, 2. Welle 2007/2008, n = 1922), Prozentangaben gewichtet
Für welche jungen Arbeitslosengeld-II-Empfänger in den heterogenen Lebenslagen besteht der Leistungsbezug vorübergehend? Und unter welchen Bedingungen entwickelt sich das Risiko, dass sich Armut und Arbeitslosigkeit im jungen Erwachsenenalter verfestigen? Auf diese Fragen fehlen bislang empirisch fundierte Antworten. Dies ist angesichts der hohen Zahlen von jungen Arbeitslosengeld-II-Empfängern in Deutschland und des mit der Einführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende umgesetzten sozialpolitischen Handlungsdrucks, Armut im jungen Erwachsenenalter zu begegnen, umso erstaunlicher. Zwar existiert eine umfassende Forschungsliteratur zu Armut unter Erwachsenen und Kinderarmut, in der auch junge Erwachsene mit erfasst wurden, doch untersuchen die Studien die Entwicklung und Struktur von Armutslagen im Übergang in das Erwachsenenalter nicht im Detail. Der Mangel an wissenschaftlichen Befunden ist vor allem auf die Schwierigkeit zurückzuführen, die heterogenen Armutslagen von jungen Erwachsenen in Schule, Ausbildung und Erwerbstätigkeit, im Haushalt der Eltern und im eigenen Haushalt empirisch zu erfassen (Aassve et al. 2006: 24), zumal arme Jugendliche und junge Erwachsene in großen Bevölkerungsstudien häufig unterrepräsentiert sind (Popp/Schels 2008). Die vorliegende Studie setzt an dem Bedarf nach weiteren Erkenntnissen an.
Einleitung und Problemstellung
1.2
19
Forschungsansatz und Leitfragen
Im Fokus der Studie steht eine theoretisch fundierte empirische Untersuchung der ökonomischen Verselbstständigung junger Erwachsener aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug. Die differenzierte Wahrnehmung der Lebenssituation und Perspektiven von jungen Erwachsenen im Arbeitslosengeld-II-Bezug in der öffentlichen, politischen und sozialwissenschaftlichen Diskussion kann als Ausgangspunkt genommen werden, um das Forschungsinteresse für die vorliegende Studie zu präzisieren. Es stehen drei Teilaspekte im Vordergrund: •
•
In der Diskussion wird die Bedeutung des Grundsicherungsbezugs im jungen Erwachsenenalter anhand der Dauer beurteilt. Unterschieden wird zwischen temporären Lebenslagen und länger andauernden riskanten Erfahrungen. Ansatzpunkte für die Analyse der Zeitlichkeit des Grundsicherungsbezugs existieren bislang aus der Forschung zur ehemaligen Sozialhilfe, explizit der Hilfe zum Lebensunterhalt (HLU) für erwerbsfähige Personen. Dieser Forschungsstrang ist in den 1990er Jahren im Sonderforschungsbereich „Statuspassagen und Risikolagen im Lebensverlauf“ an der Universität Bremen entstanden. In den Beiträgen wurden Konzepte zur Erfassung von Armut im Längsschnitt theoretisch diskutiert und empirisch nachvollzogen, die in der vorliegenden Studie für junge Menschen im Übergang in das Erwachsenenalter weitergeführt werden. Schul- und Ausbildungsabschluss sowie Erwerbseintritt werden als zentrale Quellen der ökonomischen Verselbstständigung gesehen. Die grundlegende Annahme ist, dass die jungen Erwachsenen mit einem erfolgreichen Start in das Erwerbsleben den Grundsicherungsbezug überwinden können. Wenn sie dagegen scheitern, kann sich Arbeitslosigkeit, prekäre Beschäftigung und Leistungsbezug verfestigen (Kieselbach 2003). Um dem nachzugehen, wird im vorliegenden Beitrag die Bedeutung der Ausbildungs- und Erwerbswege der jungen Arbeitslosengeld-II-Bezieher für einen Übergang aus dem Bezug in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses gestellt. Mit diesem Fokus knüpft die Studie an den Erkenntnissen aus der Forschung zum Übergang von der Schule in die Erwerbstätigkeit in Deutschland an, konzentriert sich jedoch auf junge Erwachsene, die in Haushalten im Armutsbereich leben. In der sozialwissenschaftlichen Jugendliteratur wird die These formuliert, dass finanzielle Restriktionen die Entscheidungs- und Wahlmöglichkeiten der jungen Leistungsempfänger am Arbeitsmarkt und im Bildungssystem limitieren und zu benachteiligten Ausbildungs-
Einleitung und Problemstellung
20
•
und Erwerbsperspektiven führen können (Coles 1997). Aus einer armutstheoretischen Perspektive wird angenommen, dass die individuellen Erfahrungen in Armut und im Grundsicherungssystem das Ausbildungs- und Erwerbsverhalten der jungen Erwachsenen beeinflussen. So liegt die Herausforderung der vorliegenden Studie darin, die theoretische Diskussion zu den Arbeitsmarkt- und Ausbildungschancen im Übergang von der Schule in die Erwerbstätigkeit und den Diskurs zur Dynamik von Armut zusammenzuführen. Armut und Grundsicherungsbezug werden als Probleme wahrgenommen, die bereits in den Herkunftsfamilien bestehen und die Perspektiven der jungen Erwachsenen einschränken. Aus der Literatur zur Kinder- und Jugendarmut ist bekannt, dass familiäre Armut die Lebensumstände der Kinder beeinträchtigt sowie ihre Sozialisationsund Entwicklungsbedingungen maßgeblich schmälert. So ist die Frage, ob die Dauer des Arbeitslosengeld-II-Bezugs und die Abgangschancen aus dem Bezug von den Armutserfahrungen in den Herkunftsfamilien abhängen, auch eine ungleichheitssoziologisch relevante Frage nach der intergenerationalen Vererbung von Armutsrisiken (Garcia/Kazepov 2002).
Informationen zur Dauer des Leistungsbezugs, zu den Abgangswegen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug und deren Bestimmungsfaktoren sind von hoher arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Relevanz, da sie die Möglichkeiten der langfristigen Armutsprävention für junge Grundsicherungsempfänger in Deutschland auf den Prüfstand stellen. Es wird sich zeigen, in welchem Umfang die jungen Erwachsenen im Arbeitslosengeld-II-Bezug mit Problemen der Erwerbs- und Ausbildungsintegration konfrontiert sind. Im Rahmen der Studie wird ein existenzsicherndes Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis, mit dem die jungen Erwachsenen zu einer nachhaltigen Sicherung des eigenen Lebensunterhalts und dem der Bedarfsgemeinschaft beitragen, als leitendes Integrationsziel definiert. Dagegen kann eine unsichere Erwerbsintegration auch zu unerwünschten „Drehtüreffekten“ in erneutem Leistungsbezug führen. Daher werden junge Erwachsene, die entweder auf Dauer oder aber wiederholt auf Arbeitslosengeld II angewiesen sind, als Risikogruppen verstanden, die im Gegensatz zu jungen Erwachsenen in vorübergehender finanzieller Hilfebedürftigkeit im besonderen Maße eine sozial- und arbeitsmarktpolitische Unterstützung benötigen. Zudem ist es eine wichtige Voraussetzung für den Einsatz sozialpolitischer Instrumente, ob die Bedingungsfaktoren von längerem Leistungsbezug auf individuelle Probleme zurückzuführen sind, denen
Einleitung und Problemstellung
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unmittelbar durch eine Aktivierungspolitik begegnet werden kann, oder ob langfristige finanzielle Problemlagen in den sozialen und familiären Bedingungen liegen (Heady 1997). Ziel der vorliegenden Studie ist es, ein umfassendes Bild über die Lebenssituation von jungen Erwachsenen im Arbeitslosengeld-II-Bezug und ihren weiteren Verbleib zu erhalten. Wie lange beziehen junge Erwachsene Arbeitslosengeld II? Welche individuellen, familiären und situativen Faktoren beeinflussen die Dauer des Arbeitslosengeld-II-Bezugs? Hängt ein Verfestigungsrisiko im Arbeitslosengeld-II-Bezug mit originären sozialen Benachteiligungen zusammen? In welchem Umfang realisieren die jungen Erwachsenen einen Ausstieg aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug durch eine Beteiligung im Erwerbs- und Ausbildungssystem? Und gehen mit dem Ausstieg auch langfristige Perspektiven auf ein Auskommen ohne Arbeitslosengeld II einher? Um diese Fragen zu klären, wird der Verbleib der Eintrittskohorte junger Erwachsener in den Arbeitslosengeld-II-Bezug im Januar 2005, mit Einführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende, über einen Zeitraum von drei Jahren empirisch untersucht. Als junges Erwachsenenalter ist für die Untersuchung die Altersspanne von 18 bis zu 29 Jahren definiert. Davon unterscheidet sich zwar die Definition junger Menschen in der Grundsicherung für Arbeitssuchende im Alter von bis zu 24 Jahren, doch erfasst die rechtliche Definition nicht verbindlich die Statuspassage vom Jugend- zum Erwachsenenalter, die in westlichen Gesellschaften nach individueller Ordnung und Abfolge teils bis zum Ende des dritten Lebensjahrzehnts verlaufen kann (Hurrelmann 2010: 35). 1.3
Ausgangspunkt: Armut und Sozialpolitik im Lebensverlauf
In der Armutsforschung wurde Armut lange Zeit als zeitlich stabile Dimension sozialer Ungleichheit in einer benachteiligten Bevölkerungsgruppe gesehen. Dieses Bild wandelte sich in den 1980er Jahren mit den verlaufsbezogenen Studien zur Dynamik von Armut und Sozialhilfe.2 Die Befunde der dynamischen Armutsforschung heben vor allem die heterogenen Lebenssituationen hervor, in denen Personen überwiegend kurzfristig auf Sozialhilfe angewiesen sind. Die 2 Die dynamische Armutsforschung basiert im Wesentlichen auf den Arbeiten von Bane und Ellwood (1986; 1994) in den USA. Eine wesentliche Voraussetzung ist die Verfügbarkeit von Längsschnittund Panelstudien, die seit den Beiträgen von Bane und Ellwood zahlreiche länderspezifische Studien (z. B. Berkel 2007; Biewen 2006; Cappellari/Jenkins 2002; Cappellari/Jenkins 2008; Lightman et al. 2010; Richburg-Hayes/Freedman 2004) und Vergleichsstudien zu Armut in unterschiedlichen Wohlfahrtsstaaten (z. B. Aassve et al. 2006; Callens/Croux 2009; Layte/Whelan 2003; Saraceno 2002c; Vandecasteele 2011; Whelan/Maître 2008) ermöglicht haben.
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Einleitung und Problemstellung
Ergebnisse zeigen eine hohe Relevanz biographischer Ereignisse, z. B. Arbeitslosigkeit, Trennung vom Partner und biographische Phasen, z. B. Ausbildung und Familienzeiten, für eine vorrangig „lebensphasengebundene Armut“ (Leibfried et al. 1995: 298 ff.). Die Leistungsempfänger verfügen dementsprechend auch über unterschiedliche kulturelle und soziale Ressourcen, um ihre Armutslagen zu bewältigen (siehe im Detail Abschnitt 4.1.1 zum Forschungsstand). Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse wurde postuliert, dass sich schichtspezifische Armutsrisiken in modernen Gesellschaften zunehmend auflösen und dass Armutslagen im Lebensverlauf verzeitlicht, individualisiert und sozial entgrenzt auftreten (Leibfried et al. 1995: 9; Leisering 1995). Soziale Differenzierungslinien zeigen sich nach Dauer und zeitlichen Lage von Armutsund Sozialhilfebezugsepisoden in den Ausprägungen von Kurzzeitarmut, kontinuierlicher Armut und perforierten Armutsverläufen (Buhr 1995). Als Ausgangspunkt für die Analyse der Leistungsbezugsverläufe junger Erwachsener greift die vorliegende Studie das Konzept des Lebensverlaufs auf, um die sozialen Strukturen zu erfassen, in denen sich Armut konsolidiert oder auflöst (Dewilde 2003). Folgende Definition lenkt den Blick auf die zentralen Untersuchungsinteressen des Lebensverlaufskonzepts: „Für die Soziologie sind Lebensverläufe nicht als persönliche Einzelschicksale von Interesse, sondern als regelhafte dynamische Ausprägungen der Sozialstruktur, die eine Vielzahl von Menschen betreffen, von Institutionen absichtlich oder unabsichtlich gesteuert werden und die von Menschen als sozialen Akteuren teils zielgerichtet, teils als Nebenfolge ihrer Handlungen bestimmt werden. Muster von Lebensverläufen sind aber nicht nur Produkt von Gesellschaft und selbst Teil der Sozialstruktur, sondern sie sind auch ein wichtiger Mechanismus der gesellschaftlichen Strukturbildung“ (Mayer 2001: 447, Hervorhebung im Original).
Festzuhalten ist erstens, dass sozialpolitische Institutionen und Programme Lebensphasen definieren und eine biographische Struktur vorgeben (Leibfried et al. 1995: 7, 23 ff.). Dabei stellt die implizite Normvorstellung des kontinuitätsstiftenden (männlichen) Lebensverlaufs, der in Schule und Berufsausbildung während der Jugend, dem Erwerbsleben im aktiven Erwachsenenalter und dem anschließenden Ruhealter unterteilt ist, den Bezugspunkt der Sozialpolitik dar3 (Kohli 1985; Leibfried et al. 1995: 24 ff.). Das Konzept des männlichen „Normallebenslaufs“ hat sich während Zeiten der Vollbeschäftigung in der Nachkriegszeit und mit dem Wirtschaftswunder im
3 Eng damit verbunden ist die Vorstellung des Normalarbeitsverhältnisses in unbefristeter sozialversicherungspflichtiger Vollzeitbeschäftigung, so dass sich geringfügige Beschäftigung, Teilzeiterwerbstätigkeit, Befristung, Leiharbeit und neue Selbstständigkeit (ohne freie Berufe) als atypische Beschäftigungsformen definieren lassen (Keller/Seifert 2009).
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deutschen Sozialstaat etabliert (Brückner/Mayer 2005) und dient weiterhin als Orientierungsfolie: Beispielsweise werden in den lebensphasenspezifischen Bildungs- und Ausbildungssystemen die beruflichen Chancen für jedes Gesellschaftsmitglied in einem mehr oder minder festgelegten Lebensalter (vor)geprägt. Zudem werden Risikosituationen definiert, die von der Normalbiographie abweichen (Leibfried et al.: 35 ff.) und in denen die sozialstaatliche Risikoabsicherung bei Einkommensverlust, Ausbildungs- und Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit greift. Dazu zählen auch die Reglementierungen in der Grundsicherung für Arbeitssuchende, in denen der Zugang zu Grundsicherungszahlungen und Qualifizierung, Betreuung und Beratung während Armutslagen festgelegt sind (ebd.: 24 ff., 38 f.). Die Lebensphasen im Grundsicherungsbezug folgen keiner altersbezogenen Chronologie, sondern sind „… in der individuellen Lebenszeit sehr unterschiedlich verortet und gerade Ausdruck von Diskontinuität ...“ (ebd.: 29). Ein zweiter Aspekt ist, dass Lebensverläufe von individuellem Handeln abhängen, indem Personen ihre Entscheidungen und ihr Verhalten auf die strukturellen Bedingungen im Grundsicherungssystem, am Arbeitsmarkt, in der Familie und ihrer bisherigen Biographie beziehen. Im Vordergrund steht die These, dass ein kausaler Nexus (Mayer 1987: 60) zwischen der sozialen Herkunft, den in verschiedenen Lebensbereichen erworbenen Ressourcen und Erfahrungen und deren Verwertbarkeit besteht, so dass sich Armutsrisiken pfadabhängig über den Lebenslauf entwickeln (Dewilde 2003). Verschiedene empirische Beispiele illustrieren solche kumulativen Zusammenhänge.4 Aus der Forschung ist hinreichend bekannt, dass in Deutschland die Zugangschancen zu höherer Bildung auch vom sozialen Status der Herkunftsfamilie abhängen (z. B. Baumert et al. 2009; Baumert et al. 2003; Becker/Lauterbach 2004; Ditton 2007; Ditton et al. 2005) und dass die individuellen Positionierungsmöglichkeiten im Erwerbssystem von den erworbenen Ausbildungsabschlüssen mitbestimmt werden (z. B. Allmendinger 1989; Hillmert 2001; Hillmert 2009; Müller/Shavit 1998). Unter diesen Voraussetzungen wird erwartet, dass sich die Lebensverläufe von sozialen Gruppen mit ungleichen Einkommens- und Wohlstandschancen im Arbeits- und Berufssystem5 ausdifferenzieren (Böhnke 2006: 27 ff.), weil Personen über den Lebensverlauf kaum bestehende 4
In der sozialwissenschaftlichen Diskussion wird die Kumulation von Vor- und Nachteilen über den Lebensverlauf als „Matthäusprinzip“ beschrieben (Merton 1986), nach dem Vers aus dem Matthäusevangelium: „Denn wer hat, dem wird gegeben werden, dass er Fülle habe; wer aber nicht hat, von dem wird auch genommen, was er hat.“ 5 Der hier rezipierte Klassen- und Schichtbegriff definiert die soziale Zugehörigkeit von Personen und Haushalten über ihre sozioökonomische Stellung im Marktgeschehen (z. B. Breen 2004; Erikson/Goldthorpe 1992; Erikson/Goldthorpe 2002).
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Benachteiligungen ausgleichen und eine geringe Ressourcenausstattung aufholen können, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere Nachteile erfahren. Die Auffassung scheint zunächst der eingangs formulierten These individualisierter Armut zu widersprechen, da sich demnach Armutsrisiken auf bestimmte soziale Gruppen konzentrieren würden. Doch, so Leisering (2008: 128 f.), zeigen sich in einer Verlaufsperspektive feinere soziale Differenzierungslinien innerhalb der größeren Sozialstruktur (siehe auch Dewilde 2003). Die beiden Ansatzpunkte, der Einfluss institutioneller Gegebenheiten auf die zeitliche Struktur des Arbeitslosengeld-II-Bezugs einerseits und der Einfluss individueller und sozialer Ressourcen auf die Entwicklung der Verläufe im Grundsicherungsbezug andererseits, sind die Ausgangspunkte der theoretischen Diskussion, die auch in der Gliederung der Arbeit aufgegriffen werden. 1.4
Gliederung der Arbeit
Die Arbeit untergliedert sich in einen theoretischen Teil, der die Rahmenbedingungen der Übergänge von jungen Erwachsenen im Grundsicherungsbezug anhand der existierenden Literatur aufarbeitet (Kapitel 2 bis 4), und einen empirischen Teil, der die Fragestellungen anhand eigener Analysen untersucht (Kapitel 5 bis 8). Da die zeitliche Struktur des Grundsicherungsbezugs von jungen Erwachsenen im Fokus der Studie steht, konzentriert sich Kapitel 2 auf den institutionalisierten Übergang in das Erwachsenenalter und der Relation zur Grundsicherung für Arbeitssuchende. Als Ausgangspunkt der Überlegungen werden die Möglichkeiten der ökonomischen Verselbstständigung der jungen Erwachsenen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug im Rahmen des Ausbildungs-, Erwerbs- und Fördersystems in Deutschland diskutiert. Die institutionalisierte Übergangsphase basiert auf der Normvorstellung, dass die Aufnahme einer Ausbildung und der Erwerbseintritt sukzessive Entwicklungsschritte darstellen und riskante Übergänge in Arbeits- und Ausbildungslosigkeit die Entwicklung der jungen Erwachsenen gefährden können. Um Übergangsrisiken abzufedern, hat sich im deutschen Sozialstaat ein differenziertes Auffangnetz entwickelt, darunter auch die Regelungen für Jugendliche und junge Erwachsene in der Grundsicherung für Arbeitssuchende, in der Armuts- und Übergangspolitik miteinander verknüpft sind. In Kapitel 2 werden die von Armut betroffene bzw. gefährdete Teilgruppe finanziell hilfebedürftiger junger Erwachsener im Arbeitslosengeld-II-Bezug definiert und die sozialpolitischen Förderstrategien vorgestellt.
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Um im Weiteren die individuellen Ausprägungen von Armutsverläufen nachvollziehen zu können, werden in Kapitel 3 mikrosoziologische Ansätze herangezogen, um die erwarteten kumulativen Prozesse im Leistungsbezug in Abhängigkeit von familiären Ressourcen, Bildung und Erwerbsintegration zu erklären. Der Weg junger Erwachsener aus dem Grundsicherungsbezug in Arbeit oder Ausbildung wird als Ergebnis sozialer Allokationsmechanismen am Arbeits- und Ausbildungsmarkt aufgefasst, was sowohl von der Nachfrage am Arbeitsmarkt nach den individuellen Ressourcen als auch dem individuellen Arbeitskraftangebot abhängt. Aus armutstheoretischer Perspektive wird argumentiert, dass sich Arbeitslosengeld-II-Bezieher im Transferleistungsbezug „einrichten“ und sich nicht aktiv an den Integrationsbemühungen beteiligen. Als Ursachen werden gesehen, dass die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit finanziell nicht attraktiver erscheint als der fortwährende Leistungsbezug oder dass die Leistungsempfänger im Bezug ihre Handlungsfähigkeit verlieren. Zudem wird gefragt, ob familiäre Armutsrisiken von Generation zu Generation weitervererbt werden und soziale Herkunftsfaktoren über die Möglichkeiten der ökonomischen Verselbstständigung am Arbeitsmarkt entscheiden. Kapitel 4 gibt einen Überblick über den Forschungsstand: Zunächst werden zentrale quantitative und qualitative Befunde der bisherigen Sozialhilfeforschung und Begleitforschung zum Arbeitslosengeld II, zur Dauer des Leistungsbezugs und zu den Wegen aus dem Grundsicherungsbezug dargestellt, in denen jedoch junge Erwachsene bislang nicht als eigenständige Subgruppe untersucht wurden. Die Studien beschreiben die Bedeutung unterschiedlicher Ausstiegsoptionen aus dem Grundsicherungsbezug. Schließlich wird auf die wesentlichen Befunde aus der Literatur zu den Konsequenzen von Armut im Kindes- und Jugendalter eingegangen, die vor allem für die jungen Erwachsenen relevant sind, die bereits mit Armut und Grundsicherungsbezug aufgewachsen sind. In Kapitel 5 werden die zentralen Überlegungen aus den Kapiteln 2 bis 4 zusammengetragen. Es werden leitende Hypothesen für die empirischen Analysen formuliert und die Auswahl des Analysesamples beschrieben. Die Untersuchung basiert auf einer Befragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) für eine Eintrittskohorte 18- bis 29-Jähriger in den Arbeitslosengeld-II-Bezug im Januar 2005, die um prozessproduzierte Registerdaten der Bundesagentur für Arbeit ergänzt wurde, um eine Beobachtung der Leistungsbezugs-, Erwerbs- und Ausbildungsverläufe (in betrieblicher Ausbildung) zu ermöglichen. In den anschließenden Kapiteln werden die Strukturen und Determinanten des Leistungsbezugs und die arbeitsmarkt- und ausbildungsbezogenen Ausstiegswege der jungen Erwachsenen empirisch untersucht. In Kapitel 6 werden das Ausmaß von Kurzzeitbezug, längerem und wiederholtem
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Einleitung und Problemstellung
Arbeitslosengeld-II-Bezug der jungen Erwachsenen im Beobachtungszeitraum beschrieben und die soziale Zusammensetzung der jungen Erwachsenen in unterschiedlichen Verlaufsmustern im Arbeitslosengeld-II-Bezug anhand von multivariaten Analysen näher bestimmt. In den Kapiteln 7 und 8 stehen die Integration in Ausbildung und Erwerbstätigkeit als Weg aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug im Fokus. Neben deskriptiven Analysen zur Erwerbs- und Ausbildungssituation überprüfen multivariate Analysen die Hypothesen zur Entstehung von Langzeitarmut. Es wird betrachtet, welche Rolle nachfrageseitige Zuordnungsprozesse am Arbeitsmarkt für den Ausstieg aus dem Arbeitslosengeld II spielen und ob längerer Leistungsbezug von individuellen Erfahrungen, Haushaltskontext und sozialstrukturellen Rahmenbedingungen der Herkunftsfamilie abhängt. Die Analysen berücksichtigen zunächst den Ausstieg aus dem Arbeitslosengeld-IIBezug durch eine Arbeitsmarkt- oder Ausbildungsintegration (Kapitel 7). Weiter wird untersucht, dass die jungen Erwachsenen trotz Erwerbstätigkeit oder Ausbildung im Leistungsbezug bleiben, wenn das Einkommen nicht den Lebensunterhalt der Bedarfsgemeinschaft deckt (Kapitel 8). In Kapitel 9 werden die wichtigsten Ergebnisse der Studie abschließend zusammengefasst und in Bezug zu dem sozialwissenschaftlichen Diskurs zur Armutslage von jungen Erwachsenen und den sozialpolitischen Ansatzpunkten der Grundsicherung für Arbeitssuchende gesetzt.
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Übergangsstrukturen und Arbeitslosengeld-IIBezug junger Erwachsener
Im Fokus dieses Kapitels stehen Lebensphasen im Bezug sozialstaatlicher Grundsicherungsleistungen beim Übergang in das Erwachsenenalter, vor allem dem Übergang in das Erwerbsleben. Zunächst werden in Abschnitt 2.1 die aktuellen Strukturen und Entwicklungen des Übergangssystems von der Schule in die Erwerbstätigkeit in Deutschland im Rahmen einer Bestandsaufnahme der empirischen Literatur beschrieben und diskutiert. Neben diesen allgemeinen strukturellen Rahmenbedingungen bestehen für junge Erwachsene in finanzieller Hilfebedürftigkeit spezielle institutionelle Logiken und Regelungen. Sie reflektieren die sozialpolitische Perspektive auf Armut im Übergang in das Erwachsenenalter, wie in Abschnitt 2.2 dargestellt. Abschließend können Schlussfolgerungen für die vorliegende Untersuchung gezogen werden, wie die Übergangsstrukturen und sozialpolitischen Regelungen in der Grundsicherung die Zeitstrukturen im Grundsicherungsbezug prägen (Abschnitt 2.3). 2.1
Der Übergang in das Erwerbsleben in Deutschland – Diskussionen und empirische Befunde
Im jungen Erwachsenenalter werden vor allem durch den Übergang in das Erwerbsleben die Weichen für den weiteren Lebensverlauf gestellt, da die Übernahme der Berufsrolle von zentraler Bedeutung für die soziale Integration junger Menschen und die soziale Reproduktion ist (Heinz 2000; Pais 2000; Schäfers/Scherr 2005: 25). Angelehnt an den kontinuitätsstiftenden (männlichen) „Normal-Lebensverlauf“ um das Erwerbsleben wird der chronologisch und sozial geordnete „Normal-Übergang“ in das Erwachsenenalter in Deutschland anhand von zwei „Schwellen“ charakterisiert (Brinkmann/Schober 1988; Dietrich 2001; Mertens/Parmentier 1988). Erstens ist der Übergang von der allgemein bildenden Schule in die berufliche Ausbildung von nachhaltiger Bedeutung, da eine einmal getroffene Entscheidung für eine Ausbildung die
B. Schels, Arbeitslosengeld-II-Bezug im Übergang in das Erwerbsleben, DOI 10.1007/978-3-531-18777-8_2, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
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Übergangsstrukturen und Arbeitslosengeld-II-Bezug
Jugendlichen und jungen Erwachsenen für die regulierte Ausbildungsdauer6 weitgehend bindet und gezielt auf den beruflich segmentierten Arbeitsmarkt vorbereitet (Blossfeld 1988). Im Übergang in das Erwachsenenalter gelten Schule und Ausbildung als sozial akzeptierte Formen der Nicht-Erwerbsarbeit (Mutz 1994: 161). Die zweite Schwelle ist mit dem Erwerbseintritt im Anschluss an die Berufsausbildung definiert. An dieser Schwelle platzieren sich die jungen Erwachsenen mit Ausbildungsabschluss und Erwerbseintritt erstmalig im sozialen Statusgefüge und erwerben mit der ökonomischen Verselbstständigung auch Handlungsmöglichkeiten für weitere Statuspassagen in Familie und Partnerschaft, Kultur- und Konsumleben (Hurrelmann 2010: 36 f., 81 ff.). Empirische Befunde stellen heraus, dass die Erwerbsintegration Jugendlicher und junger Erwachsener mit Entwicklungsschritten (Konietzka 2010) wie etwa Auszug aus dem Elternhaus (z. B. Jacob/Kleinert 2008) und Familiengründung (Kurz 2005) zusammenhängt. Eine soziale Verselbstständigung mit dem Erwerbseintritt kann als primäre Norm für junge Männer gesehen werden, da junge Frauen auch mit der Übernahme einer Mutterrolle über eine gesellschaftlich anerkannte Alternative verfügen (Dommermuth 2008: 37 ff., 48 ff.; Junge 1995). Dennoch ist anzumerken, dass viele junge Frauen heute ein erfolgreiches Berufsleben anstreben (Shell Deutschland 2010) oder sie unter den aktuellen Trends am Arbeitsmarkt, dem Wandel sozialstaatlicher Sicherungssysteme und der Auflösung traditioneller Familienstrukturen, mit der auch die finanzielle Sicherung des Einzelnen erodiert, stärker als früher auf eine eigene bezahlte Erwerbsarbeit angewiesen sind. Dies gilt vor allem für alleinstehende junge Frauen vor der Phase der Familiengründung (Hagquist/Starrin 1996). 2.1.1
Entwicklung der Übergangsstrukturen
Angesichts von grundlegenden strukturellen Veränderungen in den vergangenen Jahren büßt der kontinuitätsstiftende „Normalübergang“ von der Schule in Berufsausbildung und Beschäftigung an Bedeutung ein. Obwohl den meisten Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland ein fließender Übergang von der Schule in Ausbildung und Erwerbstätigkeit gelingt (Hillmert 2001; Konietzka 1999; Konietzka 2003; Lauterbach/Sacher 2001), diagnostizieren die Befunde empirischer Studien eine Ausdifferenzierung und Auflösung der Übergangsstrukturen bezogen auf die standardisierten Normvorstellungen
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Eine nicht-akademische Ausbildung dauert zwischen zwei und vier Ausbildungsjahren (Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) 2008: 114). Die Regelstudienzeit entspricht im Schnitt sechs Semester (Konsortium Bildungsberichterstattung 2010: 127).
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(Brückner/Mayer 2005). Berufsausbildung, Erwerbseinstieg und die ersten Erwerbsjahre verlaufen in einem breiten Altersspektrum und in individueller Ordnung (Hurrelmann 2003). Vor allem verlängerte Ausbildungszeiten führen dazu, dass sich das Erwerbseintrittsalter im Schnitt erhöht hat (Mayer 1995; Mayer 2001).7 Doch neben regulärer Ausbildung und Beschäftigung können im Übergang auch Phasen in Ausbildungslosigkeit und Formen atypischer Beschäftigung, erneuter Bildung, Kinder- und Familienzeiten, Praktika oder Auslandsaufenthalten oder „einfach mal nichts tun“ auftreten (Brzinsky-Fay 2007; Dietrich 2001: 421). In teils reversiblen und fragmentierten Übergangen wechseln die jungen Erwachsenen zwischen verschiedenen Statuspositionen in finanzieller Abhängigkeit oder Eigenständigkeit hin und her (European Group for Integrated Social Research [EGRIS] 2001; Pais 2000; Walther 2006; Walther et al. 2002). Allein eine Auflösung standardisierter Übergangsstrukturen zeigt jedoch noch keine riskanten Lebenssituationen an, wenn sich auch neue Möglichkeiten ergeben, in denen die Jugendlichen und jungen Erwachsenen ihre eigenen Lebensentwürfe jenseits traditioneller Muster realisieren können (Brückner/Mayer 2005; Mayer 1995) und Raum für eigene Entscheidungen finden (Heinz 2002). Doch verfügen die Jugendlichen und jungen Erwachsenen nicht über die gleichen Handlungs- und Entscheidungsspielräume. Schon allein wegen der Zugangsvoraussetzungen zu den verschiedenen Ausbildungszweigen können Schulabsolventen je nach schulischer Vorbildung unterschiedliche Alternativen wahrnehmen: So setzt ein Studium an Fachhochschulen, Hochschulen oder Berufsakademien, in denen faktisch auch Berufsbildung betrieben wird, eine fachgebundene oder allgemeine Hochschulreife voraus. (Berufs-)Fachschulen setzen vorwiegend auf einem Haupt- oder Realschulabschluss auf. Im Gegensatz dazu verlangen die Zugangsvoraussetzungen in die betriebliche Ausbildung keine regulierten Kriterien nach Schulabschluss (Gukenbiehl 2001: 97 ff.). Allerdings haben der Wandel zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft, die Technologisierung von Arbeitsprozessen, die zunehmende Internationalisierung und Globalisierung der Märkte und das generell steigende Bildungsniveau durch die Bildungsexpansion zu strukturellen Schieflagen am Ausbildungsmarkt geführt. Hinzu kommt, dass die kurzfristige Angebots- und Nachfragerelation am Ausbildungsmarkt von der Zahl der Schulabgänger abhängt (Dietrich/Gerner 2008; Seibert/Kleinert 2009). In der Folge erfahren vor allem Jugendliche und junge Erwachsene ohne Schulabschluss, mit Hauptschulabschluss oder
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Im Gegensatz dazu zeigt sich auch eine zunehmende geschlechtsspezifische Standardisierung des Übergangs, da sich mit der Bildungsexpansion die Ausbildungsstrukturen und -zeiten von jungen Frauen und Männern zunehmend angeglichen haben (Brückner/Mayer 2005; Mayer 1995).
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Übergangsstrukturen und Arbeitslosengeld-II-Bezug
Realschulabsolventen mit schlechten Abschlussnoten Probleme, eine Lehrstelle zu erhalten (Antoni et al. 2007; Baethge et al. 2007; Beicht et al. 2008; Blossfeld et al. 2007a; Buchholz/Kurz 2009; Hillmert 2010; Solga 2008; Solga/Wagner 2001; Solga 2005). Bildungssegmentierte Ausbildungsberufe entstehen (Büchel 2002; Konsortium Bildungsberichterstattung 2008: 108 ff.)8, weil gering Qualifizierte kaum in Lehrstellen in Ausbildungsberufen unterkommen, die im Anschluss an die Ausbildung auch gute Einkommens- und Erwerbschancen versprechen. Ferner sind herkunftsspezifische Zugangschancen zu beruflicher Ausbildung hervorzuheben. Ausländische Jugendliche sind in Relation zu ihrem Anteil an allen Schulabgängern unterdurchschnittlich häufig in betrieblicher Ausbildung und schulischen Ausbildungsgängen vertreten (Baethge et al. 2007: 41 ff.; Beicht et al. 2008). Dem dürften oftmals nicht nur schlechtere schulische Leistungen und niedrigere Bildungsabschlüsse vorausgegangen sein (z. B. Baumert/Schümert 2001). Zudem stehen Migranten aufgrund von mangelnden Sprachkenntnissen, fehlenden sozialen Netzwerken und Vorbehalten der Ausbildungsbetriebe eher vor kumulativen Hürden am Lehrstellenmarkt (Imdorf 2005). Langfristig konzentrieren sich weitere Arbeitsmarktrisiken auf Jugendliche und junge Erwachsene ohne Ausbildungsabschluss (Buchholz/Kurz 2009; Giesecke et al. 2010; Hillmert 2001; Konietzka 1999); sie benötigen im Vergleich zu jenen mit Berufsabschluss deutlich länger bis zum Ersteintritt in Beschäftigung (Buchholz/Kurz 2009; Scherer 2004; (Winkelmann 1996). Berufseinsteiger ohne abgeschlossene Berufsausbildung nehmen zudem überdurchschnittlich häufig unqualifizierte, einfache Tätigkeiten auf (Müller et al. 1998; Solga 2004: 56 f.) oder sind in prekärer Beschäftigung jenseits einer sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigung (Lauterbach/Sacher 2001). Sie erfahren in befristeter Beschäftigung ein hohes Risiko wiederholter Arbeitslosigkeit (Buchholz/Kurz 2009; McGinnity/Mertens 2004; McGinnity et al. 2005).
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Typische „Abiturientenberufe“ sind etwa Kaufmann/-frau für Marketingkommunikation, Steuerfachangestellte, Bankkaufmann/-frau, Industriekaufmann/-frau, Fachinformatiker/-in und Mediengestalter/-in, Absolventen und Absolventinnen mit Hauptschulschluss lernen überwiegend häufig Gärtner/-in, Friseur/-in, Verkäufer/-in, Hauswirtschaft und klassische Bau- und Bauhilfsberufe (Konsortium Bildungsberichterstattung 2008: 108 ff.).
Übergangsstrukturen und Arbeitslosengeld-II-Bezug
2.1.2
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Benachteiligte und Fördermaßnahmen
Für Jugendliche und junge Erwachsene, die keinen Zugang zu Arbeit oder Ausbildung finden, besteht ein breit gefächertes Maßnahmensystem in unterschiedlichen Bundes-, Landes- und Kommunalprogrammen (siehe z. B. Braun/Lex 2006; Goltz et al. 2008: 103 ff.), in das auch die Förderangebote in der Grundsicherung für Arbeitssuchende einzuordnen sind, die in Abschnitt 2.2.2. und 2.2.3 näher beschrieben werden. Die Angebote zielen darauf ab, die jungen Erwachsenen wieder an die Norm der Erwerbsbiographie zurückzuführen (Heinz 1991; Heinz 2009; Jacob 2006; Leisering/Schumann 2003: 193; Mutz 1994), weshalb sie oft als „Chancenverbesserungssystem“ oder „Übergangssystem“ bezeichnet werden (z. B. Bosch et al. 2010; Goltz et al. 2008; Lex/Geier 2010; Ulrich 2008). Das Instrumentarium setzt an den Problemlagen beim Übergang in das Erwerbsleben an, „wobei zwischen Maßnahmen der Ausbildungsvorbereitung bzw. der maßnahmefinanzierten Erstausbildung an der ersten Schwelle und beschäftigungsorientierten Maßnahmen an der zweiten Schwelle unterschieden wird“ (Dietrich 2001: 422). Während für Jugendliche und junge Erwachsene mit abgeschlossener Berufsausbildung vor allem eine schnelle Erwerbsintegration gefördert wird, existiert für ausbildungslose und nicht ausbildungsreife Jugendliche und junge Erwachsene, die aufgrund von Bildungsdefiziten oder einer noch nicht ausreichenden persönlichen Entwicklung den Anforderungen einer Berufsausbildung nicht genügen (Bundesagentur für Arbeit/Nationaler Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland 2009; Müller-Kohlenberg et al. 2005; Rebmann/Tredop 2006), ein vielfältiges Förderangebot. Dieses orientiert sich am hohen Stellenwert einer beruflichen Ausbildung in Deutschland – insbesondere einer betrieblichen Ausbildung (Heinz 2000; Walther 2007). Von hoher quantitativer Bedeutung sind die teilqualifizierenden berufsvorbereitenden und berufsgrundbildenden Angebote, in die jährlich etwa 450.000 junge Menschen eintreten (Baethge et al. 2007: 22 f.; Konsortium Bildungsberichterstattung 2010: 96). In Ostdeutschland hat sich aufgrund der zunächst schlechteren Ausbildungsmarktlage nach der Wiedervereinigung ein umfassendes staatlich finanziertes Parallelprogramm zur regulären Berufsausbildung entwickelt, das eine außer- bzw. überbetrieblich organisierte Alternative zur betrieblichen Ausbildung anbietet (Falk/Sackmann 2000; Falk et al. 2000; Krewerth/Ulrich 2006a: 143; Ulrich et al. 2008). Hinsichtlich der Reichweite der Programme für arbeits- und ausbildungslose Jugendliche kann zunächst festgestellt werden, dass der Übergang in das Erwachsenenalter zunehmend durch die Sozialpolitik geprägt wird (Brückner/Mayer 2005; Mayer 1995), da sich neue institutionalisierte
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Übergangsmuster in den Angeboten jenseits regulärer Ausbildung und neue biographische Orientierungslinien etablieren (Leibfried et al. 1995; Mutz 1994). Die Maßnahmenangebote sind zwar für den überwiegenden Teil der Teilnehmer eine Ausweichlösung nach längerer erfolgloser Ausbildungsplatzsuche (Dietrich 2001). Dennoch illustriert eine Studie zu Hauptschulabsolventen, dass viele bereits im Schulentlassjahr eine Berufsvorbereitung bewusst einplanen (Reißig et al. 2008). Hierzu trägt mitunter auch bei, dass Schüler mit schlechteren schulischen Leistungen im Gegensatz zu besser qualifizierten Gleichaltrigen am Ende der Schulzeit öfter über keine beruflichen Vorstellungen oder einen Ausbildungswunsch verfügen (Solga 2004: 55) und sich als nicht „ausbildungsreif“ einschätzen (Eberhard/Ulrich 2006: 47 f.). Die Begleitforschung zu den Maßnahmenprogrammen zeigt bislang widersprüchliche Ergebnisse zu Bedeutung und Erfolg der Übergangsangebote. Dies dürfte auch daran liegen, dass keine einheitliche Evaluation vorliegt, sondern Einzelstudien für Programme mit unterschiedlicher Zusammensetzung der Teilnehmer, inhaltlicher Ausrichtung und Zielsetzung. Bekannt ist, dass je nach Förderangebot rund ein Drittel bis die Hälfte der jungen Maßnahmeteilnehmer im Anschluss an das Förderjahr auch eine reguläre Ausbildung aufnimmt. Der restliche Anteil der Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist arbeitslos, erwerbstätig, in unbekannten Aktivitäten oder in weiteren Maßnahmen (Baethge et al. 2007: 53 f.). Nach den Ergebnissen der BA/BIBB-Bewerberbefragung9 absolviert rund ein Zehntel aller Jugendlichen, die sich bei der Bundesagentur um einen Ausbildungsplatz bewerben, mehrere berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen in Folge. Dass vor allem Jugendliche und junge Erwachsene ohne Schulabschluss mehrfach gefördert werden (Krewerth/Ulrich 2006b: 81), zeigen auch Analysen für das ausgelaufene Sofortprogramm zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit (JUMP) (Dornette/Jacob 2006: 13). Ob die Integration junger Maßnahmeteilnehmer in eine Ausbildung gelingt, hängt von den schulischen Qualifikationen und der bisherigen Erwerbsbiographie der Jugendlichen und jungen Erwachsenen, aber auch von der Ausgestaltung der einzelnen Maßnahmenprogramme und den Anforderungen der Ausbildungsbetriebe ab (Dietrich et al. 2010; Plicht 2010; Reißig et al. 2008). Unabhängig vom Integrationserfolg zeigen Befragungen und Fallstudien unter Teilnehmern, dass sie die Angebote sowohl im positiven Sinne als Chancenvermittlung, aber auch im negativen als Entmutigung wahrnehmen
9
Da in der gemeinsamen Befragung von Bundesagentur für Arbeit (BA) und Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) gemeldete Lehrstellenbewerber im September 2004, nicht aber „nicht ausbildungsreife“ Jugendliche befragt wurden (Krewerth et al. 2006: 29 ff.), sind die Übergangsprobleme von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der Studie untererfasst.
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können (z. B. Beicht et al. 2008: 282 ff.; Hofmann-Lun/Gaupp 2008; Kuhnke 2006; Preiß 2003: 61; Schäfer 1997: 308 ff.). Eine wenig individualisierte Förderung kann nicht intendierte Auswirkungen auf die Motivation der Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben (z. B. Walther 2005). Entsprechend den unterschiedlichen Befunden wird die Bedeutung der Maßnahmen im Übergang von der Schule in das Erwachsenenalter für die weitere Karriere und individuelle Entwicklung der Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der sozialwissenschaftlichen Literatur kontrovers diskutiert. Zunächst bieten die Angebote der Ausbildungsförderung für Jugendliche und junge Erwachsene ohne Ausbildungsplatz eine Alternative, so dass sie als wesentliche Instanzen der Sozialisation und sozialen Integration wahrgenommen werden (Heinz 2000; Heinz et al. 1998; Heinz 2002; Mayer 1995), um jungen Personen eine Orientierungsmöglichkeit zu geben, für die sonst befürchtet wird, dass sie angesichts der sich auflösenden Übergangsstrukturen keine weiteren Bildungs- und Karriereziele anstreben (Baethge et al. 1988; Hurrelmann 2010: 92; Mayer 1995). Dagegen wird kritisiert, dass benachteiligte Jugendliche und junge Erwachsene in dem nicht zu überblickenden „Maßnahmendschungel“ der Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten und Organisationsformen mittlerweile kaum ein strukturiertes Übergangs- oder Chancenverbesserungssystem finden (siehe z. B. Goltz et al. 2008: 103 ff.), in dem sie eine an der individuellen Lebenssituation ausgerichtete und abgestimmte Unterstützung erfahren (Hurrelmann 2010: 186 ff.). Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Übergangsmaßnahmen die jungen Erwachsenen in nicht inhaltlich aufeinander abgestimmten „Warteschleifen“ halten, die nicht den Übergang in Ausbildung fördern, aber den Eintritt in den Beruf verzögern (Beicht 2009; Förster 2008; Lex/Geier 2010; Solga 2003). Da überwiegend Absolventen mit maximal Hauptschulabschluss im Anschluss an die Schulzeit an einem Förderangebot teilnehmen, nehmen sie oft erst ein Jahr nach Schulabschluss oder später eine Ausbildung auf (Beicht et al. 2007). Insgesamt schwinden die individuellen Chancen auf einen Ausbildungsplatz, je länger der Schulabschluss bereits zurückliegt (Eberhard et al. 2005). Hauptschulabsolventen und junge Menschen ohne Schulabschluss tragen dementsprechend das höchste Risiko, auch bis zum 25. Lebensjahr ohne berufliche Ausbildung zu sein (Solga 2004: 52 ff.). Der dargestellte Diskurs konzentriert sich auf die kritischen Passagen junger Erwachsener, die sich in Arbeits- und Ausbildungslosigkeit, verlängerten Ausbildungswegen in Maßnahmenprogrammen befinden und einen verzögerten Erwerbseintritt erfahren. Die finanziellen Unsicherheiten, die in diesen Phasen potentiell auftreten, stehen nicht im Vordergrund. Damit ist die Frage, welche Bedeutung die Grundsicherung für Arbeitssuchende im Zuge sich auflösender Übergangsstrukturen einnimmt, noch offen. Um diese klären zu können, rücken
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Übergangsstrukturen und Arbeitslosengeld-II-Bezug
im folgenden Abschnitt eine Begriffsbestimmung des Grundsicherungsbezugs im jungen Erwachsenenalter und die Handlungslogiken in der Grundsicherung für Arbeitssuchende in den Mittelpunkt des Interesses. 2.2
Grundsicherung und Förderung junger Erwachsener
Mit dem Fokus auf Arbeitslosengeld-II-Bezieher konzentriert sich die Studie auf junge Erwachsene in sozialpolitisch definierter Einkommensarmut, die eine Teilgruppe der armen bzw. von Armut bedrohten jungen Erwachsenen in Deutschland darstellt. Arbeitslosengeld-II-Empfänger sind über die im folgenden Abschnitt 2.2.1 beschriebenen Anspruchsregelungen in der Grundsicherung für Arbeitssuchende definiert. Darüber hinaus werden durch die sozialpolitische Verwaltung und Bearbeitung von Armut in der Grundsicherung institutionelle Zeit- und Handlungslogiken für den Verbleib der jungen Erwachsenen und ihre Ausbildungs- und Erwerbsmöglichkeiten vorgegeben (Buhr 1995: 19 f.; Garcia/Kazepov 2002: 128; Klocke 2000: 319; Merten 2001: 320 f.). Die Regelungen werden in Abschnitt 2.2.2 betrachtet, spezielle Vorgaben für unter 25-Jährige in Abschnitt 2.2.3 vertieft. 2.2.1
Arbeitslosengeld-II-Bezug als Einkommensarmutsindikator
Armut bezeichnet eine Mangellage unterhalb eines gesellschaftlich anerkannten Wohlstandsniveaus, das anhand unterschiedlicher Konzepte definiert werden kann (siehe z. B. Groh-Samberg 2009: 35 ff.; Hauser 2008; Klocke 2000). Im Vordergrund der vorliegenden Studie steht die Definition von Armut über die Einkommenslage von Personen und Haushalten. Vorwiegend wird das Konzept der relativen Einkommensarmut herangezogen, mit dem eine Armutsschwelle über eine Relation zur gesellschaftlichen Einkommensverteilung erfasst wird. Als arm gilt, wessen verfügbares (individuelles oder Haushalts-)Einkommen unterhalb eines Anteils, etwa 40, 50, 60 Prozent, des Durchschnittseinkommens liegt. Auch die Bedarfssituation in der Grundsicherung für Arbeitssuchende wird über die Einkommenslage von Haushalten bestimmt. Im Gegensatz zum Konzept der relativen Einkommensarmut liegt der Arbeitslosengeld-II-Satz am soziokulturellen Existenzminimum, das gemäß den Grundsätzen der Grundversorgung ein menschenwürdiges Leben gewähren soll (LudwigMayerhofer/Barlösius 2001: 28 f.) und auf Basis statistischer Berechnungen im politischen Entscheidungsprozess festgelegt wurde. Zudem unterliegt der Zugang zum Arbeitslosengeld II reglementierten Zugangsfiltern.
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Anspruch auf Arbeitslosengeld II – ein Leben am Existenzminimum Anspruch auf Arbeitslosengeld II haben finanziell hilfebedürftige erwerbsfähige Personen, die sich regulär in Deutschland aufhalten (§ 7 SGB II)10, und deren Bedarfsgemeinschaften. Bedarfsgemeinschaften umfassen im Wesentlichen den Antragsteller sowie dessen Ehe- und Lebenspartner und Kinder (§ 7[1] SGB II).11 Mit Einführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende galt zunächst, dass 18- bis unter 25-jährige Kinder im elterlichen Haushalt stets eine eigene Bedarfsgemeinschaft bilden. Seit Juli 2006 zählen mit dem Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch auch unter 25-jährige Kinder im Haushalt zur elterlichen Bedarfsgemeinschaft, ältere Kinder allerdings nicht. Erwerbsfähig bezieht sich auf 15- bis 64-Jährige, die einer den allgemeinen Anforderungen des Arbeitsmarktes entsprechenden Tätigkeit von mindestens drei Stunden am Tag nachgehen können (§ 8 SGB II). Jüngere oder ältere Personen sowie Personen, die aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen die Voraussetzungen auf längere Zeit nicht erfüllen, können dagegen als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft mit einer erwerbsfähigen Person Sozialgeld (§ 28 SGB II) beziehen, anderenfalls Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (SGB XII). Das Arbeitslosengeld II besteht aus einem Regelsatz zur Sicherung des Lebensunterhalts12 plus Kosten für eine angemessene Unterkunft und Heizkosten (§§ 19 ff. SGB II). Der Regelsatz für eine Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaft entsprach mit Einführung der Grundsicherung 345 € im Monat. Die Regelsätze werden seither jährlich, gekoppelt an den aktuellen Rentenwert, angepasst. Leben mehrere Personen in einer Bedarfsgemeinschaft, so wird der Regelsatz anteilig gewichtet, wie in Tabelle 2.1 exemplarisch dargestellt.
10
Der Lebensunterhalt von Asylbewerbern ist im Asylbewerberleistungsgesetz geregelt. Unverheiratete erwerbsfähige Kinder unter 25 Jahren können auch mit ihren nicht erwerbsfähigen Eltern bzw. Elternteil und dessen im Haushalt lebenden Partner eine Bedarfsgemeinschaft bilden. 12 Der Regelsatz umfasst Anteilswerte für Nahrung, Kleidung, Wohnungseinrichtung, Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, Zugang zu Nachrichten, Freizeitausgaben und Rücklagen für größere Anschaffungen im Haushalt (Becker 2006a). Die Berechnungen basieren auf empirisch-statistischen Modellen zu den Konsumausgaben von Haushalten im unteren Einkommensbereich, in dem einzelne Ausgabepositionen ausgeklammert wurden. Die Regelsätze für Kinder und Jugendliche wurden als pauschaler Anteil des Regelsatzes eines Erwachsenen bemessen (Becker 2006a; Becker 2010). Das Bundesverfassungsgericht urteilte im Februar 2010, dass diese Methode verfassungswidrig ist, da die Bemessung des pauschalierten Regelsatzes nicht transparent und sachgerecht auf einem schlüssigen und nachvollziehbaren Verfahren beruhe. Die Bemessung zur Leistungshöhe muss infolge überarbeitet werden. 11
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Übergangsstrukturen und Arbeitslosengeld-II-Bezug
Tabelle 2.1: Arbeitslosengeld-II-Regelsätze 2005 Anteile vom Regelsatz alleinstehende Person sowie Alleinerziehende, volljährige Person mit minderjährigem Partner volljährige Partner ab 14-jährige Kinder und sonstige erwerbsfähige Hilfedürftige in Bedarfsgemeinschaft Sozialgeld für unter 14-jährige Kinder in Bedarfsgemeinschaft Quelle: §§ 20, 28 SGB II, eigene Darstellung
Regelleistung (in €)
100
345
90
311
80
276
60
207
Der Regelsatz kann unter bestimmten Voraussetzungen um weitere Komponenten ergänzt werden: So haben Schwangere, Alleinerziehende mit Kleinkindern und Personen, die eine besondere Diät halten müssen, einen Anspruch auf Mehrbedarfsleistungen. Personen, die aus Arbeitslosengeld I in Arbeitslosengeld II übergehen, beziehen in den ersten zwei Jahren einen regressiven Aufschlag (§ 24 SGB II). Zudem bestehen Zuverdienstmöglichkeiten bei geringfügiger Erwerbstätigkeit (§ 30 SGB II) und Vermögensfreibeträge sowie Sparfreibeträge für die Rente (§ 12 SGB II). Relation zu anderen Grundsicherungsleistungen Die Grundsicherung für Arbeitssuchende ist anderen Sozialleistungen nachrangig (§ 12a SGB II), d. h., die Grundsicherung setzt erst dann ein, wenn die Bedarfsgemeinschaften kein ausreichendes Einkommen aus anderen Sicherungssystemen beziehen können. Insbesondere besteht die Nachrangigkeit zur Arbeitslosenversicherung. Damit stellt das Arbeitslosengeld II vor allem eine (Folge-)Leistung für (langzeit-) arbeitslose Personen in hilfebedürftigen Bedarfsgemeinschaften ohne oder nach ausgelaufenen Ansprüchen auf Arbeitslosengeld I dar und ersetzt die ehemalige Arbeitslosenhilfe (Eichhorst et al. 2008): Das Arbeitslosengeld I erhalten Arbeitslose, die in voriger Erwerbstätigkeit Anwartschaften in der Arbeitslosenversicherung angespart haben.13 Im Wesentlichen sind die Anwartschaftszeiten erfüllt, wenn innerhalb einer Rahmenfrist von zwei Jahren vor Arbeitslosigkeit für mindestens zwölf Monate eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bestand (§§ 123 f.
13
Neben der Geldleistung erhalten Arbeitslosengeld-I-Empfänger Beratung, Vermittlung und Förderung, die vorwiegend auf eine Reintegration in eine der Arbeitsfähigkeit adäquate Beschäftigung abzielt.
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SGB III). Die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld I richtet sich nach dem Lebensalter und der vorangegangenen Dauer der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Personen vor Vollendung des 50. Lebensjahres haben nach einer Beschäftigungsdauer von zwölf Monaten Anspruch auf sechs Monate Arbeitslosengeld I. Mit zunehmender Dauer der vorigen Beschäftigung steigt die Anspruchsdauer auf bis zu zwölf Monate14(§ 127 SGB III). Für diese Zeit wird den Arbeitslosengeld-I-Beziehern ein relativer Statuserhalt bei 60 Prozent des pauschalierten Nettogehalts im Bemessungszeitraum15 bzw. 67 Prozent für Arbeitslose mit mindestens einem Kind im Haushalt (§ 128 SGB III) zugesichert. Unter diesen Voraussetzungen dürften arbeitslose junge Erwachsene aufgrund mangelnder Erwerbserfahrung oftmals noch keine ausreichenden Anwartschaftszeiten auf Arbeitslosengeld I angespart haben, so dass ihre Einkommenslage oftmals an die Familie (Pohl/Walther 2007: 541) oder die sozialstaatliche Grundsicherung geknüpft ist. Für junge Erwachsene ist weiter die Relation von Arbeitslosengeld II und Ausbildungsförderung relevant. Schüler in schulischen Ausbildungsgängen oder Studenten können im Rahmen bestimmter Altersgrenzen für die Regeldauer einer beruflichen Erstausbildung Mittel aus der Bundesausbildungsförderung (BAFöG) erhalten. Nicht mehr bei den Eltern lebende Auszubildende und verheiratete Auszubildende bzw. Auszubildende mit eigenen Kindern können Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) unter Berücksichtigung von Freibeträgen beziehen. Dies gilt auch für Auszubildende in außerbetrieblicher Ausbildung oder berufsvorbereitenden Maßnahmen (siehe Überblick in Tabelle 2.2 im Anhang). Grundsätzlich verfügen Auszubildende über keine Ansprüche auf Arbeitslosengeld II, wenn ihre Ausbildung durch BAB oder BAFöG gefördert werden kann. Dies gilt auch, wenn die Ausbildungsförderung im konkreten Fall, z. B. aufgrund des Einkommens der Eltern, nicht gewährt wird (Derksen 2008: 38 ff.); die Unterhaltspflicht der Eltern besteht für ihre Kinder grundsätzlich bis zum Ende der Erstausbildung (ebd.: 192). In Abhängigkeit von der Wohn- und Familiensituation der jungen Erwachsenen und der Art ihrer Ausbildung schließt eine Ausbildungsförderung in den folgenden Fällen eine Grundsicherung durch das Arbeitslosengeld II nicht aus (Derksen 2008: 39 ff.):
14 15
Ab dem 50. Lebensjahr kann die Bezugsdauer auch bis zu 24 Monate umfassen. Der Bemessungsrahmen umfasst im Wesentlichen ein Jahr vor Arbeitslosigkeit (§ 130 SGB III).
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• • •
•
•
Zweitausbildungen oder Promotionsstudiengänge sind nicht durch die Ausbildungsförderung abgedeckt. Bei den Eltern lebende unverheiratete Auszubildende ohne eigene Kinder, deren Bildungsstätte in zumutbarer Entfernung von der Wohnstätte ihrer Eltern ist, können Arbeitslosengeld II erhalten. Bei den Eltern lebende Schüler und Auszubildende, die eine reduzierte nicht den Lebensunterhalt deckende Ausbildungsbeihilfe erhalten, wie etwa Teilnehmer an berufsvorbereitenden Maßnahmen,16 können aufstockende Leistungen beziehen. Mehrbedarfe für Alleinerziehende, Schwangere oder Personen mit bestimmten gesundheitlichen Anforderungen sind nicht über die Ausbildungsförderung gedeckt, so dass hierfür die Arbeitslosengeld-IISätze beantragt werden können. In Härtefällen, z. B. bei Schwangerschaft oder Kindererziehung oder wenn ein Ausbildungsabbruch bei finanziellen Problemen droht, besteht die Möglichkeit Leistungen der Grundsicherung nach Ermessen der Trägerschaften vor Ort als Darlehen zu gewähren.
Relevanz der Armutsindikatoren im jungen Erwachsenenalter Als letztes Auffangnetz für arme oder von Armut bedrohte Personen wird das Arbeitslosengeld II in der sozialwissenschaftlichen und politischen Diskussion in Deutschland vor allem als „verhinderte Armut“ bzw. „bekämpfte Armut“ wahrgenommen, wie auch schon aus dem Diskurs zur ehemaligen Sozialhilfe bekannt (Buhr 2003: 148; Boeckh 2008: 289; Ludwig-Mayerhofer/Barlösius 2001: 11). Dementsprechend steht eine Definition von Armut über den Grundsicherungsbezug auch in der Kritik, da die Grundsicherungsleistung vor Armut schütze und nicht Armut schaffe (Deutscher Bundestag 1995: 2). Tatsächlich ist es so, dass die sozialstaatlichen Transferleistungen wie das Arbeitslosengeld II, aber auch Arbeitslosengeld I sowie Kinder- und Wohngeld, das Einkommensarmutsrisiko in Deutschland insgesamt verringern und zur sozialen Umverteilung beitragen. Beispielsweise lag die Armutsrisikoquote, gemessen bei 60 Prozent des mittleren Nettoäquivalenzeinkommens, im Jahr 2005 ohne Sozialtransfers bei 26 Prozent, nach Sozialtransfers bei 13 Prozent (Deutsche Bundesregierung 2008: 24 f.). Obwohl das Armutsrisiko nach 16
Seit 2007 können durch die Grundsicherung für Arbeitssuchende für die Bedarfsgemeinschaften von Auszubildenden mit Kindern auch nicht gedeckte Kosten der Unterkunft und Heizung übernommen werden. Das Einkommen aus Ausbildungsförderung und Ausbildungsentgelt wird dann als Einkommen des Auszubildenden zugerechnet.
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Sozialtransfers deutlich geringer ist, besteht dennoch Einkommensarmut bei Transferleistungsbezug. Eine Studie von Goebel und Richter (2007) illustriert, dass im Jahr 2005 das Einkommen von rund zwei Drittel aller ArbeitslosengeldII-Bezieher unter der 60-Prozent-Einkommensarmutsschwelle lag. Deshalb werden auch die Leistungen in der Grundsicherung für Arbeitssuchende aus einer kritischen Perspektive als nicht ausreichend für eine armutsfeste Lebensund Wohnversorgung beanstandet (Claus 2008) und als Ursachen „politisch erzeugter Armut“ bewertet (Leibfried et al. 1995: 269 ff.). Zudem bestehen Grenzen der sozialstaatlichen Armutsvermeidung insofern, als nicht alle finanziell hilfebedürftigen Personen und Haushalte die zustehenden Leistungen wahrnehmen. Studien zur „Dunkelziffer der Armut“ bzw. „verdeckten Armut“ schätzen, dass auf 100 Leistungsbezieher, hier ehemalige Sozialhilfe, 30 bis 60 Personen kommen, die Anspruch auf Sozialhilfe hätten, diese aber nicht beantragen (Deutsche Bundesregierung 2005: 60; Frick/GrohSamberg 2007; Kayser/Frick 2000; Riphahn 2000).17 Eine Studie zur Situation in der Grundsicherung für Arbeitssuchende (Bruckmeier/Wiemers 2010) beziffert, dass im Jahr 2005 fast 50 Prozent und in den Folgejahren rund 40 Prozent der berechtigten Haushalte das Arbeitslosengeld II nicht in Anspruch genommen haben.18 Als Gründe für die Nicht-Inanspruchnahme wird in der Literatur angeführt (Überblick nach Engels 2002: 269 f., 282, siehe auch Moffit 1983), dass Personen ihre Ansprüche aufgrund von Informationsdefiziten und Stigmatisierungsängsten nicht realisieren. Anspruchsberechtigte würden keine Grundsicherungsleistungen beantragen, wenn sie über etwas Vermögen, ein geringes Erwerbseinkommen, Renten und andere finanzielle Leistungen verfügen und nur geringe Leistungsansprüche erwarten. Das Ausmaß der verdeckten Armut illustriert, dass die sozialstaatlichen Leistungen nicht alle in unzureichenden finanziellen Lebensverhältnissen erreichen. Eine Definition von Armut über den Arbeitslosengeld-II-Bezug unterliegt dementsprechend diesen Einschränkungen. 17
Die Ergebnisse der benannten Beiträge variieren, da je nach Datengrundlage unterschiedliche Grundsicherungsleistungen (z. B. Regelsätze, Mehrbedarfsleistungen), Einkommen und/oder Vermögen oder Mindestzeiträume, in denen Haushalte über Ansprüche auf die Grundsicherungsleistungen verfügen, berücksichtigt werden. Engels (2002: 280) kommt zu dem Schluss, dass die meisten Studien die Dunkelziffer überschätzen, da sie weder Barvermögen noch Wohnungseigentum berücksichtigen, das jedoch auf die Transferleistungen angerechnet wird. 18 Da mit Einführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende die Zahlen der Empfänger von Arbeitslosengeld II im Vergleich zur früheren Sozial- und Arbeitslosenhilfe gestiegen sind, wird die Entwicklung insgesamt als ein Rückgang der Dunkelziffer nach der Arbeitsmarktreform gewertet (Deutsche Bundesregierung 2008: 26; Becker 2006b). Dennoch können auch weitere Einflüsse wie etwa veränderte Einkommensverteilungen das Inanspruchnahmeverhalten beeinflussen (Bruckmeier/Wiemers 2010).
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Dennoch erfassen ebenso Konzepte relativer Einkommensarmut das Wohlstandsniveau junger Erwachsener in heterogenen Lebenslagen nur unpräzise (Aassve et al. 2006: 24). So etwa ist das höchste Armutsrisiko, das einer Studie zufolge im Jahr 2008 in Deutschland für die Altersgruppe der 19bis 25-Jährigen verzeichnet wurde – rund ein Viertel lebte in einkommensarmen Haushalten (Grabka/Frick 2010, siehe auch Ergebnisse des Dritten Armuts- und Reichtumsberichts der Deutsche Bundesregierung 2008: 306) –, im Licht verschiedener Ursachen zu sehen: Junge Erwachsene können sowohl bei Arbeitslosigkeit und prekärer Beschäftigung beim Erwerbseintritt als auch während einer Ausbildung und mit dem Auszug aus dem Elternhaus finanzielle Restriktionen erfahren (Aassve et al. 2006; Reinowski/Steiner 2006). In der Folge wird die finanzielle Lage Jugendlicher und junger Erwachsener maßgeblich durch ihren Erwerbsstatus und ihre familiäre Situation bestimmt: Vor allem Schüler, Auszubildende und Studenten verfügen nur über ein geringes eigenes Einkommen aus familiären Transfers, gering entlohnter Erwerbstätigkeit oder Ausbildungsförderung. Erst mit dem Erwerbseintritt können sie oftmals ihren Lebensstandard steigern (Gille et al. 2006: 68 ff.; Reinowski/Steiner 2006). Zudem bestimmen die individuelle Haushaltssituation und der Familienstand über den finanziellen Bedarf der jungen Erwachsenen einerseits und die Ressourcenausstattung andererseits. So unterscheidet sich das Armutsrisiko junger Erwachsener danach, ob sie alleinstehend sind oder bereits einen Partner und Kinder mitversorgen müssen. Andererseits können die Ressourcen der Eltern und des Partners vor Armut schützen (Aassve et al. 2006; Reinowski/Steiner 2006). So bezeichnet eine geringe finanzielle Ressourcenausstattung unter jungen Erwachsenen oftmals keinen sozial abweichenden Lebensstandard (Beisenherz 2002: 321 ff.; Popp/Schels 2008; Zimmermann 2000), sondern noch jugendtypische Lebenslagen. Erst mit zunehmendem Alter, wenn Erwerbseintritt und ökonomische Eigenständigkeit zur Regel werden, gewinnen Einkommensarmutsindikatoren an Erklärungskraft zur Beschreibung ungleicher Ressourcenlagen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass ein Arbeitslosengeld-IIBezug von jungen Erwachsenen riskante Lebenslagen bezeichnet, in denen eine sozialpolitisch definierte Einkommensarmut mit unzureichenden familiären Transfers oder weiteren Sozialtransfers zusammenfällt. Zum einen erhalten prekär Beschäftigte ohne ausreichendes Einkommen aus Erwerbstätigkeit und arbeitslose junge Erwachsene ohne Anspruch auf Arbeitslosengeld I das Arbeitslosengeld II. Zum anderen können junge Eltern, die nicht durch einen Familienlastenausgleich hinreichend erreicht werden, oder Schüler und Auszubildende, die keine vorrangige Ausbildungsförderung erhalten, Arbeitslosengeld II beziehen. Dies dürften vorrangig sozial benachteiligte junge
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Erwachsene sein, deren Familien über keinen ausreichenden finanziellen Hintergrund für den Unterhalt verfügen. Doch können mit zunehmendem Alter und zurückgehender Unterhaltsverpflichtung der Eltern grundsätzlich ebenso junge Erwachsene aus Familien mit höherem sozioökonomischen Status Arbeitslosengeld II beziehen, wenn sie noch nicht selbst ausreichend Vermögen akkumuliert haben oder der Rückgriff auf Einkommen und Vermögen der Eltern nicht (mehr) möglich ist. 2.2.2
Allgemeine Zeit- und Handlungslogiken der Aktivierungspolitik
Die in der Grundsicherung für Arbeitssuchende geregelte Armutspolitik zielt darauf ab, einer Daueralimentierung entgegenzuwirken (Buhr 1995: 25 ff., 35 ff.; Buhr 2008: 207 ff.). Zwar existieren für den Anspruch auf Arbeitslosengeld II keine rechtlich geregelten Maximalbezugsdauern, er besteht so lange, wie die finanzielle Hilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft gegeben ist. Doch wird die Dauer des Grundsicherungsprinzips durch die Aktivierungspolitik strukturiert, mit der die Zeit- und Handlungsnormen, dass der ArbeitslosengeldII-Bezug nur vorübergehend bis zu einer Integration der Leistungsbezieher in eine „aktive“ selbstständige Lebensführung sein sollte, umgesetzt werden (Alheit/Dausien 2000; Berkel et al. 2002: 15; Berkel/Hornemann Møller 2002). Das Konzept der Aktivierung orientiert sich an sozialen Normen, die vorgeben, welche Ziele für finanziell hilfebedürftige Personen gesetzt werden, welche Förderung sie erhalten sollen und welche Gegenleistung auch erwartet wird. Die Aufnahme einer einkommenssichernden Erwerbstätigkeit wird als hauptsächliches Mittel der sozialen Integration angesehen. Zwar umfasst Aktivierung auch eine soziale Stabilisierung der Arbeitslosengeld-II-Empfänger durch flankierende Maßnahmen, wie Sucht- und Schuldenberatung oder Unterstützung bei der Kinderbetreuung (§ 16a SGB II), doch sind diese Angebote vor allem als Begleitung eines schrittweisen Übergangs in Erwerbstätigkeit gedacht. Aktivierungsmaßnahmen zielen darauf ab, die Verfügbarkeit der arbeitslosen Personen für eine Arbeitsmarktintegration zu gewährleisten, ihre Eigenverantwortung und Beschäftigungsfähigkeit zu stärken (Marquardsen 2007). Basierend auf der Annahme, dass Eigenverantwortung nur im Rahmen der individuellen, sozialen und familiären Rahmenbedingungen übertragen werden kann, fokussiert eine Aktivierung der Arbeitslosengeld-IIEmpfänger einen individualisierten, der Lebenssituation angepassten Integrationsplan (Serrano Pascual 2007). Demensprechend ist eine passgenaue Aktivierung durch kundengruppenorientierte bzw. problemlagenorientierte
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Angebote19 vorgesehen, wie sie in den Richtlinien und Arbeitshilfen der Bundesagentur für Arbeit (BA) formuliert sind (Bohrke-Petrovic et al. 2007). Ausgenommen von einer Aktivierung sind Personen, die ein Kind bis zum Alter von drei Jahren betreuen oder Angehörige pflegen, sowie Schüler und Auszubildende (§ 10 SGB II). Zum Spektrum der Aktivierung zählen verschiedene Ansätze, die in der Grundsicherung für Arbeitssuchende dem Prinzip des „Forderns und Förderns“ entsprechen. Ein „Fordern“ der Leistungsempfänger setzt an individuellen Motivationsdefiziten an, um verhaltensbedingter Langzeitarbeitslosigkeit und armut entgegenzuwirken (Berkel/Hornemann Møller 2002; Ludwig-Mayerhofer et al. 2009: 24; Saraceno 2002a: 248 f.; Serrano Pascual 2007: 15). Mit einer Stärkung der Verantwortung für die eigene Lebenssituation sollen die Leistungsempfänger im Grundsicherungsbezug jegliche Möglichkeit der Erwerbstätigkeit ergreifen und ihre Erwerbsmotivation als Gegenleistung für die Unterstützung unter Beweis stellen (Serrano Pascual 2007: 14). Zu den Maßnahmen zählen zunächst die Zumutbarkeitsregelungen, nach denen (fast) jede realisierbare Beschäftigung oder Maßnahme von den Arbeitslosengeld-IIEmpfängern, zu der sie körperlich, geistig und seelisch in der Lage sind und die der familiären Situation entspricht (§ 10 SGB II), aufgenommen werden muss. Die Regelung folgt dem Prinzip, dass jeder Job besser als kein Job ist (LudwigMayerhofer et al. 2009: 24), so dass zugunsten einer schnellen Arbeitsaufnahme Abstriche bei der Qualität der Arbeit oder Adäquanz der Tätigkeit im Hinblick auf den erlernten Beruf gemacht werden (Lessenich 2005; Marquardsen 2007: 26). Auch eine Tätigkeit in gemeinnützigen Arbeitsgelegenheiten, besser bekannt als Ein-Euro-Jobs20, kann als Gegenleistung für das Arbeitslosengeld II gesehen werden (Bundesagentur für Arbeit 2005). Weiter sind die Sanktionsregelungen (§ 31 SGB II) zu nennen, nach denen Arbeitslosengeld-IIEmpfängern nach Zuwiderhandlungen gegen die Prämissen der Grundsicherung die finanziellen Leistungen gekürzt werden können: das Versäumen von Beratungsterminen, mangelndes Engagement bei der Arbeits- und
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Mit der Einführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende wurden die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in unterschiedlichen Betreuungsstufen differenziert, für die je nach Marktnähe, individuellen und sozialen Problemlagen im unterschiedlichen Umfang Beratung, Qualifizierung oder eine soziale Stabilisierung vorgesehen sind (Bundesagentur für Arbeit 2006a; Bundesagentur für Arbeit 2006c; Ludwig-Mayerhofer et al. 2009: 45 f.). 2009 wurden die Betreuungsstufen durch in ein 4-Phasen-Modell integrierte Profillagen ersetzt. 20 „Ein-Euro-Jobs“ beziehen sich auf Arbeitsgelegenheiten in der Mehraufwandsvariante, bei der Arbeitslosengeld-II-Empfänger einen Zuverdienst von ein bis zwei Euro pro Stunde erhalten (Wolff/Hohmeyer 2006), während die Entgeltvariante der Arbeitsgelegenheiten eine sozialversicherungspflichte Beschäftigungsform nach üblicher Entlohnung ist.
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Ausbildungsplatzsuche, Ablehnung von zumutbarer Arbeit, Nicht-Teilnahme an Maßnahmen oder unwirtschaftliches Handeln mit dem Arbeitslosengeld II. Die Sanktionen erfolgen regulär schrittweise in einer prozentualen Absenkung des Arbeitslosengeldes II und können bei mehrfachen Vergehen bis zum Wegfall des Regelsatzes über drei Monate gesteigert werden. Zur Gewährung der Grundversorgung können Warengutscheine gewährt werden. Eine „Förderung“ der Grundsicherungsempfänger zielt hingegen darauf ab, die individuelle Beschäftigungsfähigkeit durch Investitionen in das Human- und Sozialkapital zu steigern (Berkel et al. 2002; auch European Group for Integrated Social Research [EGRIS] 2002: 137; Pohl/Walther 2007 für die Ausrichtung von Jugendmaßnahmen). Beratungsangebote sollen Informationsdefizite der Arbeitssuchenden ausgleichen, Qualifizierungs- und Beschäftigungsmaßnahmen, konjunkturelle Schwächen am Arbeitsmarkt und ein Nachfrageungleichgewicht nach Arbeitnehmern mit bestimmten Qualifikationsprofilen (MismatchArbeitslosigkeit) kompensieren. Eine Beschäftigung in Arbeitsgelegenheiten zielt darüber hinaus darauf ab, erwerbsferne Grundsicherungsbezieher durch tägliche Routinen wieder an die Erwerbsarbeit heranzuführen. Anreize für die Aufnahme einer geringfügigen Erwerbstätigkeit werden zudem durch Zuverdienstregelungen geschaffen, mit denen erwerbstätigen ArbeitslosengeldII-Empfängern ein degressiver Freibetrag auf ihr Erwerbseinkommen eingeräumt wird (§ 30 SGB II) (siehe auch Abschnitt 3.2.1). Die Frage, ob die Aktivierungspolitik eine schnelle Erwerbsintegration der Arbeitslosengeld-II-Empfänger und Ausstieg aus dem Grundsicherungsbezug fördert, kann bislang auf Basis empirischer Befunde nicht einfach beantwortet werden. Zumindest für den Zeitraum kurz nach der Implementation der Grundsicherung für Arbeitssuchende zeigten sich Umsetzungsprobleme der passgenauen Förderung, da die Aktivierungsangebote teils noch wenig zielgruppenspezifisch vergeben (Bernhard et al. 2006; Hohmeyer/Kopf 2009) und insbesondere unter 25-jährige Arbeitslosengeld-II-Bezieher besonders breit durch Maßnahmen gefördert wurden (Bernhard et al. 2006; Hohmeyer/Kopf 2009).21 Dazu stellen Evaluationsstudien fest, dass sozialintegrative Angebote der Schulden-, Sucht- und Drogenberatung sowie flankierende Angebote zur Kinderbetreuung nach Einführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende zunächst nachrangig waren (Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung [IAW]/Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung [ZEW] 2006) und zum Teil den Bedarf junger Erwachsener an sozialstabilisierenden Maßnahmen nicht gedeckt haben (Achatz 2007). Allerdings werden die Kapazitäten der 21 Junge Leistungsempfänger werden besonders häufig gefördert, da für sie die Maxime einer Arbeitslosigkeitsdauer von höchstens drei Monaten gilt (siehe auch Kapitel 2.2.3).
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Schuldnerberatung sowie Sucht- und Drogenberatung seitens der Fachkräfte zunehmend zufriedenstellend bewertet und auch die Angebote der Kinderbetreuung mittlerweile besser auf die Bedarfe der Arbeitslosengeld-IIEmpfänger zugeschnitten (Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung [IAW]/Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung [ZEW] 2008). Darüber hinaus wurden Effekte einer Teilnahme an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen auf eine Erwerbsintegration von Arbeitslosengeld-II-Empfängern in den Arbeitsmarkt und Unabhängigkeit von Arbeitslosengeld II in verschiedenen empirischen Evaluationsprojekten untersucht (siehe z. B. Bernhard et al. 2008; Brussig et al. 2010; Caliendo/Steiner 2005; Hohmeyer/Wolff 2010; Schneider 2008). Es zeigen sich unterschiedliche Effekte je nach Maßnahmeangebot und geförderter Personengruppe. Zur Integrationswirkung von Maßnahmen für unter 25-Jährige existieren bislang nur einzelne Ergebnisse zu Trainingsmaßnahmen und Arbeitsgelegenheiten (Hartig et al. 2008; Wolff et al. 2010). 2.2.3
Intensivierte Aktivierung der unter 25-Jährigen
Gerade im Jugend- und jungen Erwachsenenalter werden Investitionen gegen Grundsicherungsbezug und Arbeitslosigkeit als besonders effektiv erachtet, um Problemen im späteren Erwachsenenalter vorzubeugen (Möhring-Hesse 2006). So sind in der Grundsicherung eine intensivere Förderung und ein strikteres Fordern der unter 25-jährigen Arbeitslosengeld-II-Bezieher als der älteren Empfänger vorgesehen. Junge Arbeitslosengeld-II-Empfänger sollen die Konsequenzen ihres Handelns und ihrer Entscheidungen durch möglichst zeitnahe und starke Reaktionen der Mitarbeiter in den Trägerschaften erfahren, damit die Aktivierung bei verhaltensbedingten Eingliederungshemmnissen auch „erzieherische Wirkung“ entfalten kann (Deutscher Bundestag 2006: 27). Die im Bezugszeitraum der Studie geltenden speziellen Ansprüche, Pflichten und Handlungsspielräume der unter 25-jährigen Empfänger von Arbeitslosengeld II können im Wesentlichen in vier Punkten zusammengefasst werden: •
Unter 25-jährige erwerbsfähige Arbeitslosengeld-II-Empfänger sollen „möglichst unverzüglich nach Antragstellung“ in Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheiten vermittelt werden (§ 3[2] SGB II), damit sie nicht für längere Zeit ohne Tätigkeit sind und eine „Gewöhnung“ an den Leistungsbezug bereits im Ansatz vermieden wird.22 Zu diesem
22 Darüber hinaus setzen die im August 2006 eingeführten Regelungen zu den Sofortangeboten nach Antragstellung auf Arbeitslosengeld II (§ 15a SGB II) die Direktive um, die Mitwirkungsbereitschaft junger Antragsteller und einen potentiellen „Leistungsmissbrauch“ bereits bei Antragstellung zu
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•
•
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Zweck sehen die Leitlinien der Bundesagentur für Arbeit einen besseren Betreuungsschlüssel von Vermittlern zu Arbeitslosengeld-II-Beziehern als bei älteren Leistungsbeziehern vor – angestrebt wird ein Verhältnis von 1:75 statt 1:150 (Bundesagentur für Arbeit 2004). Zudem existiert die Vermittlungsmaxime, dass unter 25-Jährige höchstens drei Monate arbeitslos sein sollen, bis sie ein Vermittlungsangebot in Ausbildung, Beschäftigung oder eine Maßnahme erhalten (Bundesagentur für Arbeit 2006b: 40 ff.). Einer beruflichen Ausbildung und Qualifizierung wird in der Grundsicherung für Arbeitssuchende ein hoher Stellenwert zugemessen, was sich in mehreren Vorgaben widerspiegelt. Zunächst wird für unter 25-Jährige ohne abgeschlossene Berufsausbildung eine Qualifizierung vorrangig vor einer Erwerbsintegration forciert (§ 3[2] SGB II), sie sollen in eine Ausbildung oder auch in qualifizierende Maßnahmen, darunter auch Arbeitsgelegenheiten mit Qualifizierungsanteil (§ 3[2] SGB II), vermittelt werden. Für die Ausbildungsvermittlung der Arbeitslosengeld-II-Empfänger gelten ferner ebenso wie für andere Ausbildungsplatzsuchende die Grundsätze der Berufswahl nach individueller Neigung, Eignung und Leistungsfähigkeit, denen auch die Zumutbarkeitsregelungen für eine Integration in berufliche Ausbildung unterliegen (Bundesagentur für Arbeit 2007b). Für das Ziel einer beruflichen Ausbildung stehen den jungen Arbeitslosengeld-IIBeziehern flankierend die im Dritten Buch des Sozialgesetzbuches geregelten Angebote zur Förderung der Berufsausbildung (§ 16 SGB II) wie Berufsberatung (§§ 30 f. SGB III) und Berufsvorbereitung (§ 61 SGB III) zur Verfügung. Zudem sind Schüler und Auszubildende im Grundsicherungsbezug von der Pflicht einer möglichst schnellen Erwerbsintegration ausgenommen, solange sie ihre Bildungsaktivitäten weiterführen. Unter 25-Jährige können unmittelbar länger und stärker sanktioniert werden als ältere Arbeitslosengeld-II-Bezieher (§ 31 SGB II). Bereits bei einer ersten Pflichtverletzung (siehe auch Sanktionsregelung im Abschnitt 2.2.2) war noch mit Einführung der Grundsicherung für
prüfen. Hintergrund ist, die Ausgaben für passive Leistungen zu senken (Bohrke-Petrovic et al. 2007; Bundesagentur für Arbeit 2007a: 27; Bundesministerium für Arbeit und Soziales [BMAS] 2006). Sofortangebote sind Maßnahmen, die Personen, die in den vergangenen zwei Jahren weder Arbeitslosengeld I noch Arbeitslosengeld II bezogen haben, unmittelbar bei Antragstellung erhalten. Zwar gelten die Sofortangebote generell für alle Leistungsbezieher; doch sollen insbesondere junge Personen Sofortangebote erhalten.
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•
Arbeitssuchende vorgesehen, den jungen Leistungsbeziehern für drei Monate den gesamten Regelsatz zur Lebenssicherung zu streichen und die Kosten der Unterkunft direkt an den Vermieter oder an weitere Empfangsberechtigte zu zahlen. Seit August 2006 können die Mitarbeiter in den Trägerschaften den unter 25-Jährigen je nach Art der Pflichtverletzung den Regelsatz auch anteilig und nach eigenem Ermessen für sechs Wochen kürzen, dagegen bei wiederholten Pflichtverletzungen innerhalb eines Jahres die Leistungen für Unterkunft und Heizung im Sanktionszeitraum gänzlich streichen.23 Neben den Maßnahmen, die unmittelbar an der Ausbildungs- und Erwerbsintegration ansetzen, gelten für junge Arbeitslosengeld-IIEmpfänger weitere Richtlinien im Bedarfsgemeinschaftskontext. Nach der Implementation der Grundsicherung der Arbeitssuchenden erhielten 18- bis unter 25-Jährige als eine eigene Bedarfsgemeinschaft auch im Haushalt der Eltern stets den vollen Regelsatz. Mit der bereits in Kapitel 2.2.1 benannten Novellierung der Bedarfsgemeinschaftsregelung Mitte 2006 wird der Bedarf der im Haushalt der Eltern wohnenden unverheirateten 15- bis unter 25-Jährigen ohne ausreichendes Einkommen auch am Einkommen und Vermögen der Eltern bemessen. Als Teil der Bedarfsgemeinschaft erhalten sie einen Regelsatzanteil von 80 Prozent (§ 20[2a] SGB II), so dass die Neuregelung mit einer Leistungskürzung für die unter 25-Jährigen gleichzusetzen ist. Um vorzeitige Hausstandsgründungen von unter 25-jährigen Arbeitslosengeld-II-Empfängern im Vorgriff zu vermeiden, gilt bereits seit April 2006, dass unter 25-Jährige nur mit Zustimmung der Trägerschaften vor Ort aus dem elterlichen Haushalt ausziehen können. Ein Auszug darf jedoch nicht verwehrt werden, wenn Gründe der Erwerbs- oder Ausbildungsintegration, soziale Gründe oder weitere schwerwiegende Gründe vorliegen (§ 22[2a] SGB II). Unter 25-jährige Arbeitslosengeld-II-Empfänger, die ohne Zustimmung der örtlichen Fachkräfte eine eigene Wohnung gründen, verwirken bis zum 25. Lebensjahr ihre Ansprüche auf Kosten für Unterkunft und Heizung in der Grundsicherung. Begründet wurde diese Neuregelung mit der Auffassung, die frühere Gesetzeslage habe Anreize gesetzt, den Auszug aus dem Elternhaus steuerlich zu finanzieren (Bundesministerium für Arbeit und Soziales [BMAS] 2006). Die Grundsicherung für Arbeitssuchende greift somit über erwerbsbezogene Faktoren hinaus in
23 Neben schärferen Sanktionen werden unter 25-Jährige im Vergleich zu Grundsicherungsbeziehern auch deutlich häufiger sanktioniert (siehe auch Götz et al. 2010).
älteren
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den Übergang in das Erwachsenenalter ein und gestaltet den Handlungsrahmen für junge Arbeitslosengeld-II-Empfänger, die aus Gründen im Haushaltskontext, wie z. B. Arbeitslosigkeit der Eltern, Leistungen beziehen. 2.3
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
Im Übergang in das Erwachsenenalter entwickeln sich die Möglichkeiten der ökonomischen Verselbstständigung oder das Risiko von Armutslagen entlang der Statuspassagen im Familien- und Erwerbsleben (siehe auch Dewilde 2003: 125). Während junge Erwachsene einerseits mit Ereignissen wie dem Übergang in Ausbildung und dem Erwerbseintritt Zugang zu Ausbildungsförderung oder Erwerbseinkommen erhalten, werden mit dem Auszug aus dem Elternhaus, Partnerschaft und Familiengründung auch neue Bedarfs- und Ressourcenlagen geschaffen. So wurde in diesem Kapitel deutlich, dass die soziale Position bzw. der Status junger Erwachsener im Arbeitslosengeld-II-Bezug durch ihre Stellung im Übergang in das Erwerbsleben, die Definitionen der Grundsicherung für Arbeitssuchende und ihre Haushalts- bzw. Bedarfsgemeinschaftssituation bestimmt wird. Mit der ökonomischen Verselbstständigung aus dem Arbeitslosengeld-IIBezug überwinden junge Erwachsene nicht nur eine sozialpolitisch behandelte Armutssituation, indem sie ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft bestreiten bzw. maßgeblich zum Lebensunterhalt der Bedarfsgemeinschaft beitragen. Sie vollziehen gleichermaßen einen wesentlichen Entwicklungsschritt zu einer eigenständigen Lebensführung und gesellschaftlicher Teilhabe. Dabei steht der Übergang in das Erwerbsleben im Mittelpunkt des jungen Erwachsenenalters. Schule, Berufsausbildung und Erwerbstätigkeit im Allgemeinen sowie die speziellen Angebote und Programme der Grundsicherung für Arbeitssuchende strukturieren die Dauer und zeitliche Lage des Arbeitslosengeld-II-Bezugs und geben Orientierungsmuster und Regeln für den Handlungsspielraum der jungen Erwachsenen vor. Beide Aspekte, die Zeitlichkeit des Arbeitslosengeld-IIBezugs und deren Relation zu normalbiographischen Ablaufmustern, dienen als Interpretationsfolien für die Verlaufsstrukturen des Grundsicherungsbezugs im jungen Erwachsenenalter. Bezüglich der Normalitätsmuster beim Übergang in das junge Erwachsenenalter kann festgehalten werden, dass das Idealbild eines glatten Ablaufs über Schule, Berufsausbildung und Erwerbseintritt und die maßgebliche Bedeutung einer beruflichen Ausbildung das Maß der sozialen Integration darstellen. Die Grundsicherungspolitik richtet sich daher an der Rolle der jungen
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Erwachsenen als Teilnehmer am Arbeits- und Ausbildungsmarkt aus (Homfeldt et al. 2009: 361 f.). Die Verknappungen und Veränderungen am Ausbildungsund Arbeitsmarkt haben jedoch dazu geführt, dass vor allem benachteiligte junge Erwachsene von der biographischen Norm abweichende Diskontinuitäten erleben. In der schnellen Förderung einer Erwerbs- oder Ausbildungsintegration der unter 25-Jährigen und dem Vorrang von Qualifizierung zeigt sich das Bestreben, finanziell hilfebedürftige junge Erwachsene an einen „Normalübergang“ heran- bzw. dorthin zurückzuführen. Durch den Aufbau von Qualifikationen und Erwerbsnähe sollen die Lebenschancen der jungen Arbeitslosengeld-II-Empfänger prospektiv gesteigert und eine Abwärtsspirale in den dauerhaften Grundsicherungsbezug verhindert werden. Neben den regulären Förderprogrammen werden Jugendliche und junge Erwachsene in der Grundsicherung für Arbeitssuchende mit weiteren Aktivierungsmaßnahmen wie Arbeitsgelegenheiten konfrontiert. Somit erweitert die Aktivierung in der Grundsicherung für Arbeitssuchende das Übergangssystem von der Schule in die Erwerbstätigkeit gar noch in seiner Ausdifferenziertheit. Eine Bewertung der Aktivierungspolitik kann bislang aufgrund der wenigen empirischen Befunde zur Wirkung der Maßnahmen für junge Arbeitslose kaum erfolgen. Für finanziell hilfebedürftige junge Erwachsene ist jedenfalls festzuhalten, dass ihr Handlungsspielraum in besonderem Maße durch Zumutbarkeitsregelungen oder Sanktionen geprägt ist, die die individuellen Wahlund Gestaltungsmöglichkeiten im Vergleich zu Nicht-Leistungsbeziehern einschränken (Walther 2006: 124 ff.). Im institutionalisierten Kontext des Übergangs in das Erwachsenenalter kann der Arbeitslosengeld-II-Bezug von unterschiedlicher Dauer sein und in unterschiedlich definierten Altersphasen bestehen. Vor allem die erste und zweite Schwelle sind die wesentlichen Schnittstellen zwischen Grundsicherung für Arbeitssuchende und Ausbildungs- und Erwerbssystem. An diesen kritischen Übergängen entscheidet sich zunächst, ob die jungen Erwachsenen durch eine Ausbildungs- oder Arbeitsmarktpartizipation ihren eigenen Lebensunterhalt sichern können. Eine Dynamik im Grundsicherungsbezug ist dann durch die Statuswechsel der jungen Erwachsenen mit dem Ende der Schulzeit und dem Übergang in Berufsausbildung sowie dem Erwerbseintritt bedingt. Parallel laufende Statuspassagen im familiären Bereich spielen jedoch ebenso eine Rolle. Die Zeit im Arbeitslosengeld-II-Bezug erscheint an diesen Schnittstellen als Kriterium für die Bewertung der in der Grundsicherung angelegten Aktivierungspolitik. Obwohl für den Arbeitslosengeld-II-Bezug von Bedarfsgemeinschaften keine regulierten Maximalbezugsdauern existieren, setzten, wie in Kapitel 2.2.2 dargestellt, verschiedene Anreize für eine schnelle Erwerbsaufnahme einen Kurzzeitbezug von Arbeitslosengeld II als Maß des
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Erfolgs fest. Kurzzeitbezug im Vergleich zu längerem Leistungsbezug zu operationalisieren und analysieren, ist folglich ein Ziel dieser Arbeit, um die unterschiedlichen Dauern des Arbeitslosengeld-II-Bezugs unterscheidbarer Personengruppen aufzeigen und Risikogruppen im längeren Leistungsbezug identifizieren zu können. Eine Bewertung der Dauer des Arbeitslosengeld-II-Bezugs hängt dann von der Lebenslage der jungen Erwachsenen ab. Die Aktivierungspolitik lenkt den Blick auf kritische Lebenslagen in Arbeitslosigkeit oder in nichtexistenzsichernder Beschäftigung, in der junge Erwachsene eine möglichst schnelle Intervention erhalten. Dagegen gibt es auch lebensphasenspezifischen Arbeitslosengeld-II-Bezug, bei dem eine längere Bezugsdauer akzeptiert wird, wie etwa für die Erziehungsphase von Kleinkindern oder für die Dauer von allgemeinbildender Schule und Berufsausbildung, sofern diese nicht durch den Unterhalt der Eltern oder die vorrangige Ausbildungsförderung abgesichert wird. Zudem sind durch das verstärkte Fordern und Fördern von unter 25Jährigen altersspezifische Rahmenbedingungen vorgesehen (Abschnitt 2.2.3, siehe auch Schels 2008), die Jugendphase bzw. junges Erwachsenenalter in der Grundsicherung festlegen. Die Altersgrenze symbolisiert ein normatives Raster, ab wann junge Erwachsene in finanzieller Hilfebedürftigkeit mehr Eigenverantwortung zu tragen haben und weniger Unterstützungsangebote benötigen. Den unter 25-Jährigen wird in der Grundsicherung für Arbeitssuchende ein „Jugend“-Status zugeschrieben, während über 25-Jährige stets als „erwachsene“ Leistungsempfänger behandelt werden. Es ist empirisch zu klären, ob sich die Zielgruppendefinition der unter 25-Jährigen erstens in der individuellen Lebenslage der jungen Erwachsenen in der Grundsicherung für Arbeitssuchende widerspiegelt und zweitens im Vergleich zu den ab 25-jährigen Beziehern von Arbeitslosengeld II auf die Dauer des Leistungsbezugs auswirkt. Eine Analyse der übergangstheoretischen und sozialpolitischen Bestimmung des jungen Erwachsenenalters wird daher in der vorliegenden Studie durch eine Betrachtung junger Personen über das 25. Lebensjahr hinaus bis zum 30. Lebensjahr eingelöst,24 um indirekt Unterschiede hinsichtlich der Wirkung der Förderung im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nachvollziehen zu können. Noch nicht volljährige Jugendliche werden dagegen nicht berücksichtigt, da sie noch Anfang 2005 zur elterlichen Bedarfsgemeinschaft zählten, so dass sich für sie im Gegensatz zu den ab 18-Jährigen unterschiedliche Gründe für den Arbeitslosengeld-II-Bezug in Abhängigkeit von der Konstellation innerhalb der Bedarfsgemeinschaft ergeben. 24 Siehe auch die Altersdefinition in weiteren Jugendstudien nach Aassve, Iacovou und Mencarini (2006) oder Gille, Sardei-Biermann, Gaiser und de Rijke (2006).
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Anhang zu Kapitel 2
Berechtigte Personengruppen
Zielgruppen
Tabelle 2.2: Berufsausbildungsbeihilfe und Bundesausbildungsförderung Berufsausbildungsbeihilfe (BAB)
Bundesausbildungsförderung (BAFöG)
Auszubildende … • in betrieblicher Ausbildung, • außerbetrieblicher Ausbildung oder • berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen
Schüler, Schülerinnen und Studierende • ab Klasse 10 an allgemeinbildenden Schulen, Berufsfachschulen und Fachoberschulen, deren Besuch eine abgeschlossene Ausbildung nicht voraussetzt und die nicht bei den Eltern wohnen • an zweijährigen Berufsfachschulen und Fachschulen mit berufsqualifizierendem Abschluss, deren Besuch eine abgeschlossene Ausbildung nicht voraussetzt • an Fach- und Fachoberschulen, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung voraussetzt • an Abendschulen und Kollegs • an höheren Fachschulen und Akademien • an Hochschulen
•
Auszubildende, die aufgrund der Schüler, Schülerinnen und Studierende … räumlichen Distanz der • in allgemeinbildender Ausbildung Ausbildungsstelle (mind. zwei oder Stunden) zum Wohnort der Eltern • beruflicher Erstausbildung (maximale nicht bei den Eltern wohnen Förderdauer je nach Schulart), die bis • Volljährige oder verheiratete spätestens zum 30. Lebensjahr Auszubildende mit eigenen begonnen wurde Kindern (auch in der Nähe des Nicht bei den Eltern lebende Schüler und Wohnortes) Schülerinnen an allgemeinbildenden Schulen, deren Besuch eine abgeschlossene Ausbildung nicht voraussetzt, sind förderungsberechtigt, wenn … • die räumliche Distanz der Schule zur Wohnung der Eltern nicht zumutbar ist (mind. zwei Stunden), • sie verheiratet sind oder mit eigenen Kindern in einem eigenen Haushalt leben oder • eine gemeinsame Wohnung mit den Eltern aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht zumutbar ist. Fortsetzung der Tabelle auf folgender Seite
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Relation zum ALG II
Anrechnung
Grundbedarf (Stand vor 30.09.2010)
Fortsetzung Tabelle 2.2 Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) in Berufsausbildung • 341 € Grundbedarf zum Lebensunterhalt • 146 € Mietzuschuss bei Berufsausbildung (+ max. 72 € Zuschlag, falls die Mietkosten nachweisbar die Pauschale übersteigen) • 67 € für weitere Bedarfe für Arbeitskleidung, Fahrtkosten, Familienheimfahrten in berufsvorbereitenden Maßnahmen • 212 € Grundbedarf zum Lebensunterhalt bei Unterbringung im Elternhaus, 238 € bei eigener Haushaltsführung (+ 72 € Zuschlag, falls die Mietkosten 56 € übersteigen • Pauschalen für Lernmittel und Arbeitskleidung, Kosten der Fahrtkosten und Familienheimfahrten • •
Ausbildungsvergütung des Auszubildenden nach Freibeträgen Einkommen der Eltern oder des Ehepartners nach Freibeträgen
vorrangig, aber Aufstockung der verminderten BAB für Auszubildende in berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen möglich
Bundesausbildungsförderung (BAFöG) Grundbedarf variiert für Schüler, Schülerinnen und Studierende je nach Art der besuchten Ausbildung, der Höchstsatz für nicht bei den Eltern lebende Studierende liegt bei 648 €. Dieser enthält: • Grundbedarf zum Lebensunterhalt (je nach Ausbildungsart und bei den Eltern bzw. im Eigentum der Eltern und nicht bei den Eltern lebenden Personen) • potentieller Zuschlag zu den Mietkosten • Reisekostenzuschlag für Familienheimfahrten
• •
Einkommen und Vermögen der Schüler, Schülerinnen und Studierenden nach Freibeträgen Einkommen der Eltern oder des Ehepartners nach Freibeträgen
vorrangig
Quelle: eigene Darstellung (§ 7[5] SGB II, §§ 59 ff. SGB III, Bundesausbildungsförderungsgesetz)
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Theoretischer Bezugsrahmen: Perspektiven in Ausbildung und Beschäftigung oder Abhängigkeit von Arbeitslosengeld II
Während im vorangegangenen Kapitel der Arbeitslosengeld-II-Bezug junger Erwachsener an den institutionellen Schnittstellen zwischen Grundsicherung für Arbeitssuchende und dem Übergangssystem in Ausbildung und Erwerbstätigkeit betrachtet wurde, werden im Folgenden verschiedene mikrosoziologische Erklärungsansätze zu den Abgangswegen aus dem Grundsicherungsbezug angeführt. Es werden sowohl arbeitsmarkttheoretische Perspektiven (Abschnitt 3.1) als auch armutstheoretische Ansätze (Abschnitt 3.2) herangezogen. Im Kern der Diskussion stehen die Ursachen eines längerfristigen Bezugs von Arbeitslosengeld II und insbesondere die Frage, unter welchen individuellen und sozialen Bedingungen junge Erwachsene den Arbeitslosengeld-II-Bezug nicht aus eigener Kraft überwinden. Mit Blick auf einen arbeitsmarkttheoretischen Zugang stehen die Opportunitätsstrukturen am Arbeits- und Lehrstellenmarkt im Vordergrund, von denen angenommen wird, dass sie die Zugangsmöglichkeiten der jungen Erwachsenen zu Ausbildung und Beschäftigung beschränken. Dabei spielen im vielgliedrigen Berufsbildungssystem in Deutschland nicht nur Marktmechanismen, sondern auch der institutionelle Kontext eine Rolle, wie im vorangegangenen Kapitel 2.1 thematisiert. Aus einer armutstheoretischen Perspektive werden dagegen verhaltensbezogene Annahmen formuliert, unter welchen sozialen Bedingungen Grundsicherungsempfänger eine geringe Ausbildungs- und Erwerbsbereitschaft zeigen. 3.1
Opportunitätsstrukturen im Bildungssystem und am Arbeitsmarkt
Der Abgangsprozess aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug unterliegt den individuellen Ausbildungs- und Erwerbsopportunitäten, die sich aus den Allokationsprozessen am Arbeitsmarkt (Gangl 1998) und am Ausbildungsmarkt für betriebliche Ausbildung ergeben. Damit die jungen Erwachsenen den Grundsicherungsbezug beenden können, sind Aspekte der Positionierung am Arbeits- und Ausbildungsmarkt relevant: Sie benötigen erstens Zugang zu einer Beschäftigung bzw. vollqualifizierenden Ausbildungsstelle, in der sie zweitens ein Einkommen oberhalb des sozioökonomischen Existenzminimums für die B. Schels, Arbeitslosengeld-II-Bezug im Übergang in das Erwerbsleben, DOI 10.1007/978-3-531-18777-8_3, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
Theoretischer Bezugsrahmen
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Bedarfsgemeinschaft bzw. Anrechte auf eine Ausbildungsförderung erwerben (siehe Abschnitt 2.2.1). Stehen den jungen Erwachsenen dagegen keine existenzsichernden Optionen am Arbeitsmarkt oder in Ausbildung offen, ist ein weiterer Grundsicherungsbezug die Konsequenz. Dies bedeutet, dass eine ökonomische Verselbstständigung der jungen Erwachsenen durch eine Erwerbsoder Ausbildungsbeteiligung schließlich auch eine Frage der relativen Qualität der Beschäftigung oder Ausbildung ist und nicht allein Arbeitslosigkeit, sondern auch eine Tätigkeit unterhalb des Existenzminimums mit einem weiteren Grundsicherungsbezug einhergeht. Die individuellen Zugangschancen der jungen Arbeitslosengeld-II-Empfänger zu Ausbildung und Beschäftigung hängen dabei sowohl von der individuellen Ressourcenausstattung, die sie am Arbeitsund Ausbildungsmarkt anbieten und mobilisieren können (Abschnitt 3.1.1), als auch von den familiären Gegebenheiten ab, die letztlich über den möglichen Umfang einer Ausbildungs- und Erwerbsbeteiligung entscheiden (Abschnitt 3.1.2). 3.1.1
Allokationsprozesse am Arbeits- und Ausbildungsmarkt
Der Allokationsprozess am Arbeits- und Ausbildungsmarkt hängt von einem wechselseitigen Interesse der arbeitsuchenden jungen Erwachsenen und der (Lehr-)Stellen anbietenden Betriebe an den Ressourcen des jeweils anderen ab. Die jungen Erwachsenen können sich abhängig von ihrer relativen Ressourcenausstattung im Vergleich zu anderen Ausbildungsplatz- oder Stellenbewerbern behaupten (Sørensen 1983; Sørensen/Kalleberg 1981), so dass sie mit umso höherer Wahrscheinlichkeit eine existenzsichernde Tätigkeit finden, je bessere Ressourcen sie in den Wettbewerb einbringen können. Für qualifizierte Beschäftigung werden Mitarbeiter mit attraktiven Ressourcen gesucht und im Gegenzug durch privilegierte Konditionen in puncto Entlohnung, Beschäftigungsstabilität und Karriereperspektiven entlohnt. Dagegen werden Arbeitnehmer mit geringen Arbeitsmarktressourcen eher für einfache Tätigkeiten mit geringer Entlohnung und geringen Aufstiegsperspektiven rekrutiert. Ähnliche Auswahlkriterien gelten am Ausbildungsmarkt bei der Suche nach attraktiven Auszubildenden, entweder um den langfristigen Fachkräftebedarf zu sichern, worauf vor allem Großbetriebe in hoch spezialisierten Branchen ihre Ausbildungsinvestitionen ausrichten, oder den aktuellen Bedarf an Arbeitskräften zu decken, wie vorwiegend in kleinen Handwerksbetrieben üblich (Dietrich/Gerner 2008; Lex 1997: 36 f.). Im Anschluss an die allgemeinen arbeitsmarkttheoretischen Überlegungen kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass junge Erwachsene dann über geringe Abgangschancen in existenzsichernde Beschäftigung oder eine
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Theoretischer Bezugsrahmen
betriebliche Ausbildung verfügen, wenn sie in der Konkurrenz zu anderen Marktteilnehmern benachteiligt sind. Die folgende Argumentation wird sowohl zeigen, dass Erwerbseinsteiger generell im Wettbewerb mit erfahrenen Erwerbspersonen zunächst Unsicherheiten am Arbeitsmarkt erleben können, als auch, dass unterschiedliche Ausbildungs- und Erwerbschancen von den bislang erworbenen Ressourcen abhängen. Dabei wird die Angebots- und Nachfragesituation auch von dem regionalen Arbeitsmarkt und Konjunktur bestimmt, da Arbeitgeber bei einem minimalen Bewerberangebot auch weniger passende Bewerber akzeptieren. Dementsprechend dürften auch die lokalen Arbeitsmarktbedingungen die Abgangschancen aus dem Transferbezug beeinflussen (Hoynes 2000). Verwertung und Akkumulation von Schul- und Ausbildungsabschlüssen Um im Rekrutierungsverfahren eine Stelle mit einem passenden Bewerber zu besetzen, stützen Betriebe ihre Einstellungsentscheidungen auf leicht beobachtbare Indikatoren, da Eignung und Leistung von Bewerbern nicht direkt beobachtbar sind (Bills 2003; Spence 1973; Stiglitz 1975). Relevante Indikatoren für die Leistungsfähigkeit der Bewerber (Becker 1962; Mincer 1974) sind nach den Produktivitätsannahmen der Humankapitaltheorie formale Qualifikationen, da die Produktivität von Arbeitnehmern von ihren Bildungsinvestitionen in Schule und Berufsausbildung abhängt. Am Ausbildungsmarkt spielen für die Ausbildungsbetriebe insbesondere Überlegungen zur Lernfähigkeit und zum Fortbildungspotential der Ausbildungsplatzbewerber eine Rolle (Hillmert 2004; Hillmert 2010: 168). Empirische Studien belegen dementsprechend, dass vor allem Ausbildungsplatzbewerber mit den besten schulischen Vorleistungen und Abschlüssen einen attraktiven Ausbildungsplatz erhalten (Baethge et al. 2007; Beicht/Ulrich 2008; Buhr/Müller 2008; Hillmert 2010; Imdorf 2005; Lex 1997; Seibert et al. 2009).25 Im Anschluss an eine Ausbildung verfügen junge Erwachsene abhängig von ihren schulischen Qualifikationen und der abgeschlossenen Berufsausbildung über unterschiedliche Erwerbs- und Einkommenschancen (Büchel 2002; Buchholz/Kurz 2009; Hillmert 2001; Konietzka 1999). Demnach dürften auch innerhalb der Gruppe der Arbeitslosengeld-II-Empfänger junge Erwachsene mit schulischen und
25 Weiter wird in der Literatur angeführt, dass Betriebe Informationen über den Verlauf der bisherigen Schul- und Ausbildungsbiographie heranziehen. Empirisch zeigt sich daher, dass Jugendliche und junge Erwachsene in Abhängigkeit von ihrer Erwerbs- und Ausbildungsgeschichte über unterschiedliche Chancen auf einen Ausbildungsplatz verfügen (Baethge et al. 2007; Beicht/Ulrich 2008; Buhr/Müller 2008; Hillmert 2010; Imdorf 2005; Lex 1997; Seibert et al. 2009).
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beruflichen Bildungsabschlüssen über privilegierte Zugangschancen zu Positionen in existenzsichernder Beschäftigung oder attraktiven Ausbildungsplätzen verfügen. Die Erwerbs- und Ausbildungschancen junger Erwachsener werden durch die Verwertbarkeit ihres bis dato erworbenen Humankapitals bedingt. Dabei reproduzieren sich soziale Ungleichheiten am Arbeitsmarkt auch über einen schichtspezifischen Bildungserwerb (Mansel/Palentien 1998). Nach der soziologischen Theorie rationaler Bildungsentscheidungen investieren Familien abhängig von den schulischen Leistungen der Kinder sowie den schichtspezifisch wahrgenommenen Kosten und Nutzen in unterschiedliche Bildungsalternativen (Boudon 1974; Esser 1999; Erikson/Jonsson 1996). Belegt ist, dass Eltern schichtspezifisch geprägte Bildungsentscheidungen beim Übergang in den Hauptschul-, Realschul- oder Gymnasialzweig der Sekundarstufe treffen (z. B. Baumert et al. 2006; Becker 2000; Ditton et al. 2005; Schneider 2004; Stocké 2007). Zudem spielt die soziale Herkunft eine Rolle für die weitere Ausbildungsneigung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen (z. B. Becker et al. 2010; Becker/Hecken 2007; Beicht/Granato 2010; Jacob 2004; Maaz 2006; Schindler/Reimer 2010). Nach dem rationalen Entscheidungsmodell wird unterstellt, dass Familien und junge Erwachsene mit geringem sozioökonomischen Status länger andauernde Ausbildungsgänge wie zum Beispiel zum Abitur im Vergleich zum Hauptschulabschluss als ein höheres Investitionsrisiko bewerten, so dass Kinder aus unteren Bevölkerungsschichten selbst bei gleichen schulischen Leistungen mit geringerer Wahrscheinlichkeit eine höhere Bildung verfolgen als Kinder aus Familien mit höherem sozioökonomischen Status. Dabei spielt auch eine Rolle, dass in finanziell schwachen Haushalten die Aufwendungen für die Ausbildung stärker als bei einkommensstarken Haushalten mit alternativen Konsumverwendungen konkurrieren (Becker/Tomes 1986). Stresstheoretische Ansätze thematisieren zudem, dass Armut und Niedrigeinkommen die Eltern mitunter so weit belasten, dass sie kaum mehr ihre Kinder fördern und unterstützen können (Conger et al. 1997; McLoyd 1989; Walper 1988). Zusammengenommen dürften sich für junge Erwachsene herkunftsbedingte Abgangschancen aus dem Arbeitslosengeld II zeigen, die durch schichtspezifische Bildungsanstrengungen und -erfolge pfadabhängig vorgeprägt sind.
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Bedingungsfaktoren beim Erwerbseinstieg: erste Erwerbserfahrung, Arbeitslosigkeit und Sozialkapital Berufsanfänger treten im Vergleich zu älteren Arbeitnehmern zunächst unter erschwerten Bedingungen am Arbeitsmarkt ein, da sie noch nicht oder kaum in dessen Austauschbeziehungen eingebunden sind.26 Während die Produktivität von Berufsanfängern im Rekrutierungsprozess vorwiegend anhand der Bildungsabschlüsse bewertet wird, können die jungen Erwachsenen nach dem Erwerbseinstieg ihr Humankapital mit den spezifischen in Erwerbstätigkeit erworbenen Fertigkeiten und Kenntnissen steigern (Becker 1962; Mincer 1974) und vermehrt Signale für ihre Produktivität einbringen. Dies bedeutet zunächst, dass eine Stellenbesetzung mit jungen Mitarbeitern für die Betriebe mit höherer Unsicherheit einhergeht als mit älteren Mitarbeitern. So erfahren Berufsanfänger in Konkurrenz zu Arbeitnehmern mit längerer Erwerbserfahrung eine benachteiligte Wettbewerbsstellung, die sie nicht nur mit längeren Suchzeiten nach einer Stellung, sondern auch mit geringen Einstiegslöhnen ausgleichen müssen (Dietrich/Abraham 2008: 73). So zeigen etwa Gernandt und Pfeiffer (2006), dass Berufseinsteiger bis zu 40 Prozent geringere Löhne als Mitarbeiter, die bereits seit mehreren Jahren im Betrieb beschäftigt sind, erhalten. Die Löhne steigen jedoch in den ersten Erwerbsjahren mit zunehmender Erfahrung und fachspezifischen Kenntnissen deutlich an (Fitzenberger/Kunze 2005; Szydlik 2002). Insgesamt dürften Berufsanfänger zunächst noch über eingeschränkte Möglichkeiten verfügen, in eine andauernde existenzsichernde Erwerbsposition überzugehen, die jedoch mit zunehmender Erwerbserfahrung steigen. Empirisch zeigt sich zudem ein Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft und den Einstiegsbedingungen in das Erwerbsleben. Studien zeigen zum einen, dass junge Erwachsene von niedriger sozialer Herkunft oder mit arbeitslosen Eltern mit höherer Wahrscheinlichkeit einen schwierigen Erwerbseintritt oder Arbeitslosigkeit erfahren als Gleichaltrige von höherer sozialer Herkunft (McGinnity/Hillmert 2004; Scherer 2004). Zum anderen ist am Beispiel der Erwerbstätigkeit von Frauen belegt, dass ein Zusammenhang zwischen der Erwerbsbeteiligung und dem (früheren) Erwerbsstatus der Eltern besteht (Korupp et al. 2002; Putten et al. 2008). Die Konsequenzen des sozioökonomischen Status und der Arbeitslosigkeit der Eltern für die
26 Die Situation von Berufsanfängern am deutschen Arbeitsmarkt kann als ‚Outsider‘-Stellung beschrieben werden (Gallie/Paugam 2000). Für Berufsanfänger bestehen Barrieren in Beschäftigung, da sie kaum über eine Lobby und Netzwerke am Arbeitsmarkt verfügen. Dagegen haben die ‚Insider‘ mit Erwerbserfahrung eine privilegierte und arbeits- und tarifrechtlich durch Senioritätsprinzipien relativ geschützte Stellung im Erwerbssystem (Bukodi et al. 2008).
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Erwerbschancen der Kinder kann mit dem Transfer sozialer und kultureller Ressourcen begründet werden (Müller et al. 1998).27 Angesichts mangelnder eigener Bezüge zum Erwerbssystem können Berufsanfänger die Beziehungen ihrer Eltern für den Zugang zum Arbeitsmarkt mobilisieren, so dass der Erwerbsstatus der Eltern und die damit verbundene Kenntnis des Arbeitsmarktes sowie die Reichweite der Arbeitskontakte als Sozialkapital der jungen Erwachsenen aufzufassen sind. Solga (2005: 137 ff.; 150 ff.) zufolge können Eltern in qualifizierten Tätigkeiten ihre Kinder mit spezifischen Kenntnissen über die Anforderungen am Arbeitsmarkt und die Verfügbarkeit von attraktiven Stellen unterstützen, während sich der Kenntnisstand gering qualifizierter Eltern auf ihr Tätigkeitsfeld beschränkt. Vor allem (langzeit)arbeitslose Eltern dürften nur mehr eingeschränkte Kontakte zum Arbeitsleben haben (Gröhnke et al. 1996: 9). Ferner konzentrieren sich Personen im unteren Einkommensbereich zunehmend auf ihre familiären Beziehungen (Andreß et al. 1995), so dass von einer eingeschränkten Reichweite der sozialen Beziehungen auszugehen ist. Zusammenfassend ist anzunehmen, dass die individuellen Zugangschancen junger Erwachsener zu Einstiegspositionen am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt vom sozioökonomischen Status der Eltern abhängen (Dietrich/Abraham 2008: 79 f.), so dass auch die jungen Grundsicherungsempfänger, abhängig vom Erwerbsstatus ihrer Eltern, über unterschiedliche Zugangsmöglichkeiten zu existenzsichernder Beschäftigung verfügen dürften. Vor allem junge Erwachsene mit Eltern in einfachen oder unqualifizierten Tätigkeiten tragen ein höheres Risiko, keinen Einstieg in qualifizierte Tätigkeiten zu finden und mit hoher Wahrscheinlichkeit in einfachen Arbeiten im Niedrigeinkommensbereich tätig zu werden. Junge Erwachsene, die im Anschluss an eine Ausbildung oder in den regulär ersten Erwerbsjahren zunächst nicht erwerbstätig sind, fällt im weiteren Verlauf der Übergang in gute Beschäftigungspositionen schwerer, da ihr Humankapital während der Nicht-Erwerbstätigkeit an Aktualität und den Bezug zum Arbeitsmarkt verliert (Mincer/Ofek 1982). Daraus lassen sich zwei Annahmen zur Inaktivität beim Erwerbseintritt ableiten: Erstens dürfte Arbeitslosigkeit beim Erwerbseintritt die Erwerbschancen der jungen Erwachsenen beeinträchtigen (Scarring-Effekte), wie sich empirisch vor allem in Form eingeschränkter Beschäftigungsmöglichkeiten (Ludwig-Mayerhofer 1992; Scherer 2004) und Einkommensperspektiven (Schmelzer, im Erscheinen) nach Langzeitarbeitslosigkeit und wiederholter Arbeitslosigkeit beim Berufseinstieg
27 Die Rolle sozialer Beziehungen für die Stellensuche ist ein zentraler Aspekt der arbeitsmarktsoziologischen Literatur (z. B. Granovetter 1973; Franzen/Hangartner 2005; Haug/Kropp 2002; Weiss/Klein 2011).
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zeigt. Hierzu dürfte auch beitragen, dass Arbeitgeber Langzeitarbeitslosigkeit als negatives Signal für die Eignung und Erwerbsmotivation von Bewerbern bewerten unter der Annahme, dass die Bewerber bereits von anderen Betrieben als nicht geeignete Mitarbeiter aussortiert wurden (Ludwig-Mayerhofer 2008). So weichen mitunter junge Langzeitarbeitslose angesichts sinkender Beschäftigungschancen auf Tätigkeiten im Niedrigeinkommensbereich aus (Dietrich/Kleinert 2005). Zweitens wird nach der humankapitaltheoretischen Argumentation auch ein Erwerbseinstieg nach Kindererziehungszeiten erschwert. Studien zeigen, dass junge Mütter nach einer Erwerbsunterbrechung Einbußen hinsichtlich ihrer langfristigen Karrieremobilität (Buchholz/Grunow 2006) und Einkommensverluste erfahren, die umso stärker ausfallen, je länger die Frauen eine Auszeit hatten (Boll 2009). Sobald die jungen Personen im Erwerbsleben Fuß gefasst haben, kommt ihrer Einstiegsposition eine hohe Signalwirkung für die weiteren Karrierechancen zu (Blossfeld 1986; Blossfeld 1990). Berufseinsteiger auf qualifizierten Stellen können auf Dauer bessere Signale setzen als Bewerber mit Erwerbserfahrung in einfachen bzw. ihrer Ausbildung unterwertigen Tätigkeiten oder nach längerer Arbeitslosigkeit. Empirische Ergebnisse bestätigen, dass junge Personen, denen kein Erwerbseintritt in reguläre Beschäftigung gelingt, im weiteren Verlauf vor allem geringere Chancen auf eine Vollzeitbeschäftigung haben (Buchholz/Kurz 2009), mit höherer Wahrscheinlichkeit wiederholt arbeitslos sind und in ihren Einkommensperspektiven hinter Gleichaltrigen mit fließenden Übergang in das Erwerbsleben zurückbleiben (Lauterbach/Sacher 2001; Schmelzer im Erscheinen). So kann weiter erwartet werden, dass sowohl Umfang als auch Qualität der bisherigen Erwerbsbeteiligung entscheidend für die Abgangschancen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug sind. Askriptive Personenmerkmale Schließlich können Personengruppen am Arbeitsmarkt entlang askriptiver Individualmerkmale unabhängig von ihrer tatsächlichen Produktivität benachteiligt werden, wie durch Theorien statistischer Diskriminierung postuliert (Aigner/Cain 1977; Arrow 1973). In der Literatur werden systematische Benachteiligungen (Phelbs 1972) insbesondere für Migranten (z. B. Granato 2004; Kogan 2004; Konietzka/Seibert 2003) und Frauen (z. B. Eichhorst/Thode 2010; Gartner/Hinz 2009) am Arbeits- und Ausbildungsmarkt genannt. Die Annahme ist, dass Vorurteile von Arbeitgebern die Zugangschancen dieser Personengruppen zu privilegierten Positionen am Arbeitsmarkt einschränken, wenn sie die Leistungsfähigkeit und Eignung der Bewerber unterschätzen und eine Einstellung als hohes Risiko wahrnehmen. Migranten dürften insbesondere
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verminderte Rekrutierungschancen haben, wenn ihre reale Produktivität von Annahmen über eine geringere Leistungsfähigkeit überschattet wird. Ein empirischer Hinweis darauf ist, dass Migranten selbst nach Abschluss einer Ausbildung im Vergleich zu Nicht-Migranten mit gleichen Qualifikationen größere Schwierigkeiten haben, in den Arbeitsmarkt einzutreten (Damelang/Haas 2006; Konietzka/Seibert 2003; Seibert/Solga 2005).28 Frauen dürften dagegen aufgrund verallgemeinernder Verhaltensannahmen, dass sie zugunsten einer Familiengründung ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen und anschließend eine geringere Erwerbsbereitschaft zeigen, benachteiligt sein (Osterloh/LittmannWernli 2002: 261 ff.).29 Argumentiert man nach den Annahmen der statistischen Diskriminierung, dann haben junge Frauen und Migranten mit zusätzlichen Hürden im Übergang in betriebliche Ausbildung und Erwerbstätigkeit zu kämpfen, die ihnen unter sonst gleichen Voraussetzungen die Abgangschancen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug im Vergleich zu Männern bzw. NichtMigranten erschweren. Stabilität einer Ausbildung oder Beschäftigung Erst im bestehenden Arbeitsverhältnis erweist sich für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, ob eine Stelle oder ein Ausbildungsplatz den Erwartungen entsprechend besetzt wurde (screening-on-the-job). Hierzu dienen auch arbeitsrechtliche Instrumente wie Probezeit oder befristete Arbeitsverträge. Ein nicht passend besetztes Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis wird mit hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb kurzer Zeit wieder gelöst. Bei einer Rekrutierung von Berufsanfängern unter hoher Unsicherheit ist es dementsprechend in den ersten Erwerbsjahren wahrscheinlicher, dass sie eine angetretene Stelle wieder wechseln (Dietrich/Abraham 2008: 73; Johnson 1978), wie sich auch empirisch gezeigt hat (Bellmann/Bender 1997). Dabei spielen neben den Entscheidungen der Betriebe auch die individuellen Präferenzen der jungen Arbeitnehmer eine Rolle, die in den ersten Erwerbsjahren oftmals ihre Möglichkeiten ausprobieren 28
Die geringeren Erwerbschancen von Migranten im Vergleich zu Nicht-Migranten bei gleicher Qualifikation können auch auf fehlende Netzwerke zurückgeführt werden (Kalter 2006). Ferner sind Unterschiede beim Erwerbseinstieg von jungen Männern und Frauen bereits maßgeblich durch eine geschlechtsspezifische Ausbildungswahl vorstrukturiert. Junge Männer nehmen überdurchschnittlich häufig eine betriebliche Ausbildung im gewerblich-technischen Bereich auf, in denen sie von den Übernahmechancen im Anschluss an die Ausbildung profitieren. Dagegen besuchen junge Frauen nach Abschluss der Schulzeit überproportional häufig eine schulische Berufsausbildung in den sozialen, Pflege- und Dienstleistungsberufen (Baethge et al. 2007: 44 ff.; Trappe 2006). Zudem ist der berufliche Status von Frauen oftmals geringer bewertet und entlohnt, so dass Frauen im Vergleich zu Männern im Schnitt auch im Weiteren eine Schlechterstellung im Erwerbssystem erfahren (Blossfeld 1987; Trappe 2004: 140; Solga/Konietzka 2000). 29
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und Erfahrungen in mehreren Firmen bzw. Tätigkeiten sammeln wollen (Franz/Zimmermann 2002: 411). Darüber hinaus können auch Auszubildende ihre Berufsausbildung aus verschiedenen Gründen vorzeitig beenden, wenn die Ausbildungsentscheidung und -auswahl nicht den Anforderungen der Jugendlichen oder der Betriebe entspricht. Etwa jeder fünfte Ausbildungsvertrag wird vorzeitig gelöst, davon die Hälfte bereits im ersten Ausbildungsjahr (Bundesministerium für Bildung und Forschung [BMBF] 2008: 150 ff.).30 Somit können Orientierungsphasen beim Erwerbseinstieg mit einem erhöhten erneuten Arbeitslosigkeitsrisiko und instabilen Lebenslagen bei wiederholtem Arbeitslosengeld-II-Bezug einhergehen. 3.1.2
Geschlechtsspezifisches Arbeitsangebot im Familienkontext
Rücken neben der Statuspassage in das Erwerbsleben auch die Gründung einer Familie und die damit verbundenen Konsequenzen für die Ausbildungs- und Erwerbsbeteiligung der jungen Erwachsenen in den Vordergrund, so werden weiter die arbeitsmarkttheoretischen Überlegungen zu den Abgangschancen aus dem Bezug von Arbeitslosengeld II im Familienkontext betrachtet.31 Haushaltsökonomische Theorien gehen zunächst von einer arbeitsteiligen Rollenspezialisierung von Partnern auf Erwerbsarbeit oder Familienarbeit aus, mit der sie eine bestmögliche Versorgung ihrer Familie sichern (Becker 1998a). Das Arbeitsangebot und dessen Umfang hängen in erster Linie davon ab, welche Marktlöhne die Partner abhängig von ihrem Humankapital am Markt erzielen können. Darüber hinaus entscheiden Kenntnisse und Präferenzen der Haushaltsführung und Kindererziehung ebenso über das individuelle Arbeitsangebot (Becker/Tomes 1986) wie Anzahl und Alter der Kinder (Kurz 1998), da mit steigendem Alter die Betreuungsintensität sinkt (Ehrenberg/Smith 2005: 221 ff.). Damit hängt das Arbeitsangebot von Eltern auch von den verfügbaren und finanzierbaren, privaten oder professionellen Möglichkeiten der Kinderbetreuung ab (Berninger 2009; Büchel/Spieß 2002). Da Alleinerziehende nicht durch einen Partner entlastet werden können, verfügen sie über besonders eingeschränkte Erwerbsmöglichkeiten. Weiter werden die angenommenen Kosten-Nutzen-Abwägungen durch soziologische Ansätze ergänzt, wonach Arbeitsangebot und Arbeitsteilung ebenso von Geschlechternormen und kulturell
30 Des Weiteren wird etwa jedes vierte begonnene Studium abgebrochen (Konsortium Bildungsberichterstattung 2008: 129 ff.; Konsortium Bildungsberichterstattung 2010: 128). Für schulische Ausbildungsgänge liegen keine Zahlen vor. 31 Im Gegensatz dazu können auch die Arbeitsmarktchancen und Erwerbsstrukturen die Partnerschafts- und Kinderentscheidungen beeinflussen (z. B. Brose 2008; Kurz et al. 2005).
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geprägten Rollenbildern beeinflusst werden (Wright/Young 1998), die auch von sozialpolitischen Regelungen wie etwa Erziehungs- und Elternzeit oder Ehegattensplitting gestützt werden (Berninger 2009; Eichhorst/Thode 2010; Kreyenfeld et al. 2007; Ziefele 2009). In den in Deutschland vorherrschenden tradierten Geschlechterrollen übernehmen überwiegend Frauen Hausarbeit und Kindererziehung oder arbeiten als Zuverdienerin in Teilzeit bzw. geringfügiger Beschäftigung (Berninger 2009; Eichhorst/Thode 2010; Engstler/Menning 2003; Pfau-Effinger 1998; Schulz/Blossfeld 2010; Steiber/Haas 2010). Zwar wird für die jüngeren Generationen argumentiert, dass traditionelle Geschlechterrollen an Bedeutung verlieren (Beck-Gernsheim 2008) und die Erwerbsbeteiligung von jungen Müttern zunimmt (Buchholz/Grunow 2006). Doch ist vor allem die Beteiligung von Müttern in Teilzeit oder geringfügiger Beschäftigung und nicht in Vollzeiterwerbstätigkeit gestiegen (Konietzka/Kreyenfeld 2010). Anzumerken ist jedoch, dass gerade unter geringqualifizierten und arbeitslosen jungen Frauen immer noch traditionelle Rollenbilder vorherrschen, auch weil sie in der Mutterrolle eine sozial anerkannte Alternative zur Erwerbstätigkeit finden können (Friedman et al. 1994; Hagquist/Starrin 1996; Hammer 1996; Kreyenfeld 2010; Kreyenfeld et al. 2007) und sich im Niedrigeinkommensbereich traditionelle Familienstrukturen besser auszahlen als eine Erwerbsorientierung (Aisenbrey 2009). Wenn in Haushalten im Arbeitslosengeld-II-Bezug das Familieneinkommen aufgrund von Arbeitslosigkeit oder einer nicht ausreichenden Beschäftigung des Hauptverdieners kein existenzsicherndes Niveau erreicht, kann auch der zuvor nicht oder geringfügig erwerbstätige Partner sein Arbeitsangebot ausweiten, um das Einkommen des Haushalts zu steigern. Dementsprechend steht eine Aktivierung in der Grundsicherung für Arbeitssuchende auch unter der Prämisse, dass alle erwerbsfähigen Bedarfsgemeinschaftsmitglieder im Rahmen der Möglichkeiten, ausgenommen sind Betreuungspersonen von Kleinkindern, zum Erwerbseinkommen beitragen sollen (siehe auch Dingeldey 2010: 23). Die Frage, ob Väter und Mütter im Arbeitslosengeld-II-Bezug gleichermaßen zum Haushaltseinkommen beitragen werden, kann angesichts der steigenden Erwerbsbeteiligung von Frauen einerseits und bestehender traditioneller Rollenbilder und -präferenzen andererseits nicht eindeutig beantwortet werden (Blossfeld/Drobnic 2009; Brehmer et al. 2010; Kurz 1998).32 Zudem dürften Frauen, die mit der Geburt der Kinder ihre Erwerbstätigkeit (oder Ausbildung) für längere Zeit unterbrochen haben, nach den humankapitaltheoretischen Überlegungen mit hoher Wahrscheinlichkeit nur unter größeren Schwierigkeiten 32 Zudem unterstützen die Unterhaltspflichten erwerbstätiger Mitglieder in der Bedarfsgemeinschaft für erwerbslose Personen ein traditionelles Familienleitbild (siehe z. B. Dingeldey 2010: 23 f.)
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und Abstrichen in Erwerbstätigkeit zurückkehren (siehe für einen Überblick z. B. Strauß 2010; Boll 2009). Für die finanzielle Sicherung bedeutet dies, dass Frauen aufgrund von geringeren Einkommen und Kinderbetreuungspflichten ein besonderes Einkommensarmutsrisiko tragen, das auch die Einkommenslage ihrer Haushalte beeinflusst (Strengmann-Kuhn 2007). All dies spricht selbst unter Berücksichtigung ökonomischer Zwänge und der Aktivierungspolitik in der Grundsicherung dafür, dass Mütter seltener als Väter durch eine Erwerbsbeteiligung zu einem Ausstieg der Bedarfsgemeinschaft aus dem Arbeitslosengeld II beitragen (können), wie empirisch zu untersuchen ist. 3.2
Abhängigkeit von Arbeitslosengeld II als inadäquates Ausbildungsund Arbeitsmarktverhalten – drei Erklärungsansätze
Beziehen junge Erwachsene Arbeitslosengeld II trotz Integrationschancen am Arbeitsmarkt und im Berufsbildungssystem, wird der Verbleib im Transferbezug als verhaltensbedingte „Abhängigkeit“ verstanden: Angenommen wird, dass die erwerbsfähigen jungen Erwachsenen bewusst nicht zu ihrem Lebensunterhalt beitragen beziehungsweise ihre Möglichkeiten nicht als reale Option bewerten (Bane/Ellwood 1994: 68; Leibfried et al. 1995: 133 f.). Als Erklärung werden in der interdisziplinären Literatur verschiedene Modelle zur Relation von Grundsicherungsbezug und Arbeitsmarktverhalten diskutiert (Bane/Ellwood 1994; Gebauer 2007; Gebauer 2009): Nach der Rational-Choice-Theorie entscheiden sich Grundsicherungsempfänger gegen eine Erwerbsaufnahme, weil sie den Bezug von Sozialtransfers als attraktive Option der Sicherung des Lebensunterhalts wahrnehmen (Abschnitt 3.2.1). Psychologische Theorien beschreiben dagegen Entmutigungseffekte im Langzeitbezug, die zu einem Verlust der Wahrnehmung von Chancen am Arbeitsmarkt führen und so schließlich die Handlungsfähigkeit der Grundsicherungsbezieher untergraben (Abschnitt 3.2.2). Schließlich gehen soziokulturelle Konzepte einer „Kultur der Armut“ von einer in der Sozialisation angelegten geringen Arbeitsorientierung der Leistungsbezieher aus (Abschnitt 3.2.3).
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Kurzfristige finanzielle Rationalitäten der Ausbildungs- und Arbeitsmarktbeteiligung („Armutsfalle“)
In der ökonomischen und politischen Diskussion zum Arbeitslosengeld II steht die These im Vordergrund, dass Grundsicherungsempfänger bei hohen Sozialleistungen keinen oder nur einen geringen finanziellen Anreiz haben, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen33 (Gebauer 2007; Gebauer et al. 2003). Das Argument basiert auf der neoklassischen Theorie des individuellen Arbeitsangebots, dass Akteure die Möglichkeiten einer Erwerbsbeteiligung rational nach ihrem erwarteten Marktlohn gegenüber dem Einkommen bei NichtErwerbstätigkeit, hier das Arbeitslosengeld II, abwägen. Die Empfänger von Grundsicherungsleistungen würden kalkulieren, ob eine Ausweitung des Arbeitsangebots bei den sich bietenden Beschäftigungs- (und Ausbildungs-) möglichkeiten unmittelbar die Einkommenssituation über das ArbeitslosengeldII-Niveau hebt, so dass der Verlust an Freizeit kompensiert wird (Gebauer et al. 2003: 36 f.). Ein Verbleib im Arbeitslosengeld-II-Bezug steht unter der Prämisse, dass sich für die Arbeitslosengeld-II-Empfänger auf Dauer keine attraktiven Erwerbsoptionen ergeben, was auch als „Armutsfalle“ bezeichnet wird. Hinsichtlich dieser Verhaltensannahmen wird der Arbeitslosengeld-IIBezug als „freiwillige Arbeitslosigkeit“34 gegenüber der Aufnahme einer existenzsichernden Erwerbstätigkeit verstanden. Eine Beschäftigung bei weiterem Arbeitslosengeld-II-Bezug stellt nach der Logik des Modells keine attraktive Option dar (Bane/Ellwood 1994: 74). Blickt man dabei insbesondere auf Berufsanfänger, die zunächst nur vergleichsweise niedrige Einstiegsgehälter erzielen können, so liegt die Vermutung nahe, dass gerade für junge Personen das Arbeitslosengeld II eine attraktive Einkommensoption darstellt, so dass für sie besonders geringe Arbeitsanreize bestehen dürften. Unterstellt man, dass kurzfristige Einkommensabwägungen auch die Entscheidungssituation junger Erwachsener an der ersten Schwelle im Übergang in Ausbildung beeinflussen, dann dürften keine hinreichenden Anreize für eine Ausbildungsaufnahme gegeben sein. Denn die jungen Erwachsenen können während einer Ausbildung kaum mit einer besseren Einkommenssituation als im
33
Alternative Ausstiegswege aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug bestehen über eine Heirat oder Partnerschaftsentscheidungen, die ebenso von rationalen Abwägungen abhängen können (Leibfried et al. 1995). 34 Eine „Armutsfalle in unfreiwilliger Arbeitslosigkeit“ entsteht dagegen, wenn aufgrund eines vielfach nicht vorhandenen Arbeitsangebots im Niedrigeinkommensbereich die Unternehmen schließlich auch keine gering qualifizierten Arbeitskräfte mehr nachfragen. Hierzu kann es insbesondere kommen, wenn die Tarif- und Mindestlöhne die erzielbaren Marktlöhne von gering qualifizierten Leistungsempfängern übersteigen (Gebauer et al. 2003: 44; Gebauer 2007: 88 ff.).
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Grundsicherungsbezug rechnen: Auszubildende in Betrieben erhalten eine Ausbildungsvergütung35. Im Jahr 2007 lag diese im Schnitt bei 644 € pro Monat in den alten Bundesländern und bei 551 € pro Monat in den neuen Bundesländern (Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) 2007a). Der Grundbedarf bei Berufsausbildungsbeihilfe wurde mit 626 € und der Höchstsatz der Bundesausbildungsförderung mit 648 € bemessen. Im Vergleich dazu wurde an Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaften in den Jahren 2005 bis 2007 im Schnitt 700 € an Geldleistungen ausbezahlt (Statistik der Bundesagentur für Arbeit 2008: 51 f.). Zudem können Ausbildungsinvestitionen als sehr kostenintensiv bewertet werden, wenn das entgangene Erwerbseinkommen während einer Ausbildung als Opportunitätskosten gewertet wird (Breen/Goldthorpe 1997).36 Nach der rationalen Logik des Armutsfallentheorems ist zu erwarten, dass ohne zusätzliche Anreize kaum Übergänge junger Grundsicherungsempfänger in Ausbildung zu beobachten sind. Die Betrachtung kurzfristiger finanzieller Anreize legt den Schluss nahe, dass die Grundsicherungsbezieher „lieber auf Staatskosten leben, denn zu arbeiten oder eine Berufsausbildung auf sich zu nehmen“. Um die Erwerbs- und Ausbildungsbereitschaft von Arbeitslosengeld-II-Empfängern zu fördern, sind in der Grundsicherung für Arbeitssuchende verschiedene Anreizstrukturen vorgesehen. Im Kern soll die Erwerbsbereitschaft der Leistungsempfänger durch das Lohnabstandsgebot37 erhalten werden (siehe z. B. Bäcker 2008: 29 ff.). Die Arbeitslosengeld-II-Regelsätze sollen im Schnitt deutlich unter einem möglichen Haushaltseinkommen bei Erwerbstätigkeit im Niedrigeinkommensbereich liegen. Eine empirische Überprüfung des Lohnabstandsgebots zeigt, dass bemessen an durchschnittlichen Verdiensten für einfache Arbeiter das aus Erwerbstätigkeit erzielbare Einkommen deutlich über dem Arbeitslosengeld-IINiveau liegt. Jedoch bestehen erhebliche Unterschiede nach Haushaltstyp
35 Die durchschnittliche Ausbildungsvergütung variiert deutlich nach Ausbildungsberuf zwischen beispielsweise im Jahr 2006 im Schnitt 400 € pro Monat als Maler und Lackierer und 860 € als Maurer (Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) 2007b). 36 Es kann ferner angenommen werden, dass junge Erwachsene in Arbeitslosengeld-II-Haushalten an der ersten Schwelle auch unmittelbar als ungelernte Arbeitskraft eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, um unter dem ökonomischen Druck am Existenzminimum zum Lebensunterhalt des Haushalts beizutragen. Diese Entscheidung dürfte vor allem dann getroffen werden, wenn die Opportunitätskosten der Ausbildungsalternativen einerseits als hoch und die Erfolgserwartungen andererseits als gering wahrgenommen werden (Bieligk 1996; Gambetta 1987; Walper 1993). 37 Ein weiteres Element der Diskussion sind Mindestlöhne, um ein ausreichend hohes Einkommensniveau im Niedriglohnsektor zu gewährleisten. Dabei wird jedoch argumentiert, Jugendliche von den Regelungen für Mindestlöhne auszunehmen bzw. geringere Mindestlöhne anzusetzen, um negative Beschäftigungswirkungen unter Berufsanfängern auszugleichen (siehe z. B. Möller/König 2008).
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(Engels 2006, siehe auch exemplarisch Tabelle 3.1 im Anhang zu diesem Kapitel): Der höchste Lohnabstand ist für allein lebende Personen zu verzeichnen, der geringste für Ehepaare mit zwei und mehr Kindern und Alleinerziehende, so dass Letztere nach der Argumentation der Armutsfalle den geringsten Arbeitsanreiz hätten. Weitere Modellrechnungen nach Qualifikationen und Haushaltsstand belegen eine hohe Spreizung der Lohnabstände zwischen geringqualifizierten alleinstehenden Personen, die aus ihren potentiellen Einstiegslöhnen ein etwa doppelt so hohes Einkommen als im Arbeitslosengeld-II-Bezug erwirtschaften können, und geringqualifizierten Alleinerziehenden, die auch in Erwerbstätigkeit zum Teil kein höheres Einkommen erzielen dürften (Boss et al. 2010, auch Boss et al. 2005). Weiter existieren positive Anreizstrukturen durch die Zuverdienstmöglichkeiten in der Grundsicherung für Arbeitssuchende, mit denen im geringen Umfang anrechnungsfreie Teileinkommen bei Erwerbstätigkeit gewährt werden, damit erwerbstätige Grundsicherungsempfänger im Vergleich zu nicht erwerbstätigen relativ besser gestellt sind (siehe hierzu auch Beispielrechnung Tabelle 3.2 im Anhang zu diesem Kapitel). Ferner setzen die Sanktionsmöglichkeiten im der Grundsicherung negative Anreize (siehe auch Beschreibung in Abschnitt 2.2.2 und Abschnitt 2.2.3), da bei Ablehnung zumutbarer Erwerbstätigkeit und Ausbildung ein verringerter Arbeitslosengeld-II-Satz ausgezahlt wird. Nach der Argumentation wird das Verhalten der Leistungsempfänger auf kurzfristige Einkommensabwägungen reduziert. Ein längerer Bezug von Arbeitslosengeld II kann dementsprechend nur begründet werden, wenn die jungen Erwachsenen unter gleichbleibenden Bedingungen eine stabile Erwerbsoder Ausbildungsneigung haben (Bane/Ellwood 1994: 77 f.; Contini/Negri 2007; Gebauer 2007: 126). Unter der Annahme, dass sich im Übergang in das Erwachsenenalter in einem kurzen Zeitraum Entscheidungssituationen im Berufsbildungssystem und am Arbeitsmarkt konzentrieren, dürfte ein längerer Bezug an den beiden Schwellen kaum zu beobachten sein. Zudem dürften auch Anreize wie langfristige Lebenseinkommensperspektiven und nicht-monetäre Nutzen und Präferenzen von Bedeutung sein (Bane/Ellwood 1994: 69; Gebauer 2007; Leibfried et al. 1995: 133 f.; Wilde 2003: 721 f.): Erstens können Arbeitnehmer in ihrer Tätigkeit wichtige soziale Bedürfnisse wie Wertschätzung, gesellschaftliche Anerkennung und soziale Kontakte erfüllen.38 Zweitens können Leistungsempfänger eine hohe Arbeitsmotivation zeigen und erhalten, wenn sie ihre arbeitsmarktbezogenen Fertigkeiten trainieren und so in ihr spezifisches Humankapital investieren. Drittens können Erwerbspersonen bei kontinuierlicher
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Siehe auch das Konzept der manifesten und latenten Funktionen von Erwerbsarbeit (Jahoda 1982).
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Erwerbstätigkeit Einkommenssteigerungen in Beschäftigung erzielen und Sozialversicherungsansprüche ansparen. Auf Dauer können Erwerbstätige deutliche Gewinne über dem Arbeitslosengeld II erreichen, selbst wenn das Einkommen bei Beschäftigungsantritt zunächst nur gering ist. Insbesondere die Humankapitalinvestitionen mit einer Berufsausbildung und mit den ersten Erwerbsjahren für das Lebenseinkommen aus qualifizierter Beschäftigung dürften für die Entscheidungssituation an der ersten und zweiten Schwelle und die Erwerbsentscheidungen von Berufsanfängern zentral sein. In „freiwilliger Ausbildungs- und Arbeitslosigkeit“ würden sich ihre Perspektiven verringern. Die postulierten kurzfristigen Einkommensperspektiven dürften nicht der realen Entscheidungssituation der jungen Erwachsenen im Grundsicherungsbezug entsprechen, wenn sie die systemimmanenten Zuverdienstmöglichkeiten und Sanktionen sowie langfristige Humankapitalinvestitionen oder die sozialen Funktionen von Erwerbstätigkeit oder Ausbildung berücksichtigen. Diese These zu prüfen, ist ein wichtiges Ziel der vorliegenden Studie. 3.2.2
„Erlernte Hilflosigkeit“ im Arbeitslosengeld-II-Bezug
Um den kurzfristigen finanziellen Kosten-Nutzen-Analysen nach dem RationalChoice-Ansatz eine alternative Erklärung für das Erwerbs- oder Ausbildungsverhalten von Grundsicherungsbeziehern entgegenzustellen, betonen psychologische Ansätze die Bedeutung der individuell wahrgenommenen Chancen am Arbeits- und Ausbildungsmarkt. Es wird angenommen, dass Leistungsempfänger aufgrund ihrer individuellen (arbeitsmarkt-) biographischen Erfahrungen eine Abhängigkeit von Sozialtransfers (welfare dependency) entwickeln (Bane/Ellwood 1994: 75). Die Grundsicherungsempfänger würden im Leistungsbezug die Motivation und Handlungsfähigkeit verlieren, für sich selbst zu sorgen und sich um eine Beschäftigung zu bemühen. Hinsichtlich des Arbeitsangebots für die Arbeitslosengeld-II-Empfänger wird entsprechend der Wert-Erwartungs-Theorie davon ausgegangen, dass sich die jungen Erwachsenen aktiv am Arbeitsmarkt und Ausbildungssystem bewerben, wenn sie für sich realistische Chancen wahrnehmen, durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder Ausbildung eine sozial akzeptierte eigenständige Lebensführung zu
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erzielen.39 Entscheidende Komponenten sind eine zielgerichtete Motivation und das Selbstvertrauen, eine gewählte Handlung umsetzen zu können. Wenn jedoch die Grundsicherungsempfänger in ihren Bemühungen immer wieder scheitern, werden auf Dauer ihr Selbstbewusstsein und die Handlungsmotivation untergraben. Beeinflusst wird dieser Entmutigungsprozess durch die individuelle Bewertung der eigenen Arbeitsmarkt- und Ausbildungschancen auf Basis der wahrgenommenen gegenwärtigen Arbeitsmarktlage und der vorangegangenen Erfahrungen in Beschäftigung, Arbeitslosigkeit und Leistungsbezug. Erleben die jungen Grundsicherungsempfänger ihre Ausbildungs- und Erwerbschancen als dauerhaft schlecht und perspektivlos (Abramson et al. 1989), spricht man von erlernter Hilflosigkeit (Bane/Ellwood 1994). Die Grundsicherungsempfänger erleben, dass sie ihre eigene Situation nicht mehr kontrollieren und die Ursachen des Scheiterns nicht beeinflussen können (Peterson/Seligman 1984). Die Annahme ist, dass die Leistungsempfänger die Handlungsfähigkeit verlieren, noch realistische Chancen zu erkennen und zu ergreifen (Leisering/Voges 1992: 454). Unter der Annahme, dass frühere Erfahrungen ebenso die Abgangschancen aus dem Grundsicherungsbezug beeinflussen wie die aktuelle Lebenssituation, wird eine verlaufsbezogene Perspektive auf den Arbeitslosengeld-II-Bezug eingenommen. Im Arbeitslosengeld-II-Bezug ist demnach zu erwarten, dass die eine zunächst hohe Erwerbsbereitschaft der jungen Grundsicherungsempfänger im Laufe des Leistungsbezugs sinkt, wenn sie ihre Handlungsmöglichkeiten am Arbeitsmarkt verloren glauben. In der Verantwortung stehen aus dieser Perspektive auch die Aktivierungsprogramme, da sie die Erfahrungen der Grundsicherungsempfänger ebenfalls beeinflussen. Angenommen wird, dass Maßnahmenangebote die Handlungsfähigkeit verringern, wenn sie die Selbsthilfekräfte der Grundsicherungsbezieher nicht in dem Maße fördern, dass sich zumindest Teilerfolge einstellen, oder die Programme die Leistungsbezieher sogar stark bevormunden (Leisering/Voges 1992: 454). 39 Als alternative Erklärung wird in der Übergangsliteratur angeführt, dass die Erwerbs- und Ausbildungschancen von gering qualifizierten oder sozial benachteiligten jungen Erwachsenen auch aufgrund von Selbstselektionsprozessen eingeschränkt sind. Es wird angenommen, dass ein wiederholtes Scheitern in Schule, Ausbildung oder am Arbeitsmarkt zu einem Abkühlungsprozess (nach Goffman 1952) führt. Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen erfahren Arbeits- oder Ausbildungslosigkeit als persönliches Scheitern an den gesellschaftlichen Leistungserwartungen (Solga 2005), das ihnen in der Interaktion mit relevanten Personen wie z. B. Lehrern oder Mitarbeitern in der Arbeitsverwaltung, reflektiert wird (European Group for Integrated Social Research (EGRIS) 2002: 118; Heinz 1996; Stauber/Walther 2002: 7 f.). Es wird davon ausgegangen, dass die jungen Erwachsenen in einem sozialisatorischen Prozess die soziale Identität als „Versager“ (Mead 1968) übernehmen und sich von weiteren Bildungszielen distanzieren bzw. sich vom Arbeitsund Ausbildungsmarkt zurückziehen, um weiteren Ablehnungen vorzubeugen.
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Die psychologischen Ansätze stehen jedoch aus zweierlei Gründen in der Kritik: Erstens systematisieren ihre theoretischen Argumente die Mechanismen, die den Motivations- und Kontrollverlust erzeugen (Contini/Negri 2007), nur unzureichend. Die Ergebnisse der bisherigen Sozialhilfeforschung, dass in der heterogenen Gruppe der Grundsicherungsbezieher faktisch nur ein kleiner Anteil die Leistung langfristig bezieht (siehe auch Abschnitt 4.1.1), lassen darauf schließen, dass das Bewältigungsvermögen von Arbeitslosigkeit und finanzieller Hilfebedürftigkeit nicht allein von der psychosozialen Verfassung der Leistungsbezieher abhängen dürfte (Gebauer 2007: 126 f.; nach Prein/Buhr 1998: 86). Bislang belegen qualitative Fallstudien, dass Sozialhilfeempfänger über vielschichtige Handlungsoptionen verfügen, um ihre Probleme in familiären, sozialen und arbeitsmarktbezogenen Lebenslagen zumindest teilweise zu lösen (Ludwig 1996).40 Die Kritik verliert jedoch angesichts neuerer Studien zum Arbeitslosengeld-II-Bezug, die durchaus ein hohes Ausmaß an länger andauernden Bezugsepisoden feststellen (Buhr et al. 2010), an Argumentationskraft. Ob eine erlernte Hilflosigkeit unter den veränderten institutionellen Rahmenbedingungen in der Grundsicherung für Arbeitssuchende und den strukturellen Bedingungen am Arbeitsmarkt als wenig relevant bewertet werden kann, ist demnach eine empirisch offene Frage. Zudem haben die WertErwartungs-Theorie und das Konzept der erlernten Hilflosigkeit bislang kaum zur empirischen Klärung der Dynamik im Leistungsbezug beigetragen. In einer empirischen Betrachtung wird die Annahme, dass im Transferbezug Entmutigungsprozesse und erlernte Hilflosigkeit stattfinden, durch eine negative Zeitabhängigkeit im Leistungsbezug – d. h., die Übergangswahrscheinlichkeit aus dem Arbeitslosengeld II sinkt mit andauerndem Grundsicherungsbezug – operationalisiert und anhand von Übergangsratenmodellen (siehe auch methodische Erläuterungen in Abschnitt 10.3 im Anhang) untersucht. Anhand dieser Methode sind jedoch Entmutigungsprozesse und ein Verlust der Handlungsfähigkeit in einer heterogenen Gruppe von Leistungsbeziehern analytisch kaum von Selektionsprozessen am Arbeitsmarkt und Scarringeffekten bei Langzeitarbeitslosigkeit zu trennen (Contini/Negri 2007; siehe auch Steiner 2001 zur Langzeitarbeitslosigkeit).41 Dementsprechend kann auch eine
40 Studien zeigen, dass arbeitslose Personen die Konsequenzen von (Langzeit-)Arbeitslosigkeit in Abhängigkeit von ihrer bisherigen Erwerbserfahrung, familiären Situation (Rodríguez 1997), individuellen Erwartungen und Arbeitsorientierung (Paul/Moser 2006), der wahrgenommenen Arbeitsmarktsituation (Feather/O’Brain 1986) und sozialem Druck (Vansteenkiste et al. 2005) in unterschiedlichem Ausmaß erfahren. 41 Contini und Negri (2007) ergänzen, dass eine Zeitabhängigkeit auch durch Stigmatisierungseffekte oder soziale Verarmung in materieller Armut entstehen kann, die ebenfalls empirisch kaum von Entmutigungseffekten im Leistungsbezug zu trennen sind.
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Fehlinterpretation der sinkenden Übergangsraten zu der überzogenen Schlussfolgerung führen, dass sich eine erlernte Hilflosigkeit im Leistungsbezug entwickelt. “… the expectancy model can be difficult to distinguish empirically. Confidence and control are in part based on the outcomes of past experiences. Those who actually have fewer and poorer choices may well have failed more often in the past and thus perform worse now. A dropout may do poorly in the labor market because the choices are limited or because she lacks confidence and information” (Bane/Ellwood 1994: 77).
In konzeptioneller Hinsicht liegt die Herausforderung einer empirischen Analyse folglich darin, die verschiedenen angenommenen sozialen Prozesse im Bezug von Transferleistungen analytisch zu differenzieren. 3.2.3
Herkunftsbedingte Bildungs- und Erwerbsneigungen Ȃ Sozialisation in einer „Kultur der Abhängigkeit“
Die bisher aufgeführten theoretischen Ansätze gingen davon aus, dass sich eine „Abhängigkeit“ von Grundsicherungsleistungen seitens junger Erwachsener unter den Bedingungen am Arbeitsmarkt und im Grundsicherungssystem bzw. aufgrund individueller Erfahrungen entwickele. Die Diskussion zur „Kultur der Armut“, auch „Kultur der Abhängigkeit“ oder underclass, lenkt dagegen den Blick auf eine marginalisierte Bevölkerungsgruppe, bei der sich durch Armut in der Familie und eine hohe Armutskonzentration in der Nachbarschaft eine geringe Ausbildungs- und Erwerbsorientierung und hohe Sozialhilfeneigung bereits etabliert hat und über die Generationen reproduziert. In dem vorwiegend amerikanischen und britischen Armutsdiskurs vermischen sich unterschiedliche theoretische und politische Standpunkte (Bane/Ellwood 1994: 78 f.). Doch auch in der sozialwissenschaftlichen und öffentlichen Debatte in Deutschland wird die Annahme vertreten, dass ein verfestigter Arbeitslosengeld-II-Bezug unter jungen Erwachsenen aus benachteiligten Familien bestehe – „einmal Hartz IV, immer Hartz IV“. Im Folgenden sollen die wichtigsten Diskurslinien der Literatur zur „Kultur der Armut“ und underclass dargestellt und Schlussfolgerungen für die Gruppe der jungen Erwachsenen im Arbeitslosengeld-II-Bezug gezogen werden. Die underclass-Debatte geht zunächst auf Myrdals (1962) Beschreibung einer Bevölkerungsgruppe zurück, die in der Folge des tiefgreifenden sozialen Wandels von einer industriellen zu einer postindustriellen Arbeitsgesellschaft auf Dauer ihren Platz im Erwerbsgefüge verloren hat. Im Kern basiert diese Debatte auf der These, dass die betroffenen Personen langfristig von materiellem Wohlstand ausgegrenzt sind, in verarmten Wohngegenden leben und sich in der Folge von der Mehrheitsgesellschaft entfremden. Sie weisen häufig eine geringe
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Arbeitsorientierung sowie die Tendenz zu illegalen Tätigkeiten, Drogen- und Alkoholmissbrauch auf. Das Konzept der underclass, in das unterschiedliche Aspekte aus der Theorie des abweichenden Verhaltens, der Sozialisationstheorie sowie sozialräumliche Konzepte verwoben sind, liefert folglich die Beschreibung einer marginalisierten Gruppe im Erwerbssystem. Mit Blick auf arme Jugendliche und junge Erwachsene, die in geschlossenen familiären Lebenswelten aufwachsen, wird argumentiert, dass mehrere Faktoren das Entstehen einer „verlorenen Generation“ begünstigen (Leibfried et al. 1995: 67; MacDonald/Marsh 2001; Lewis 1968; Macaulay 1977; Murray 1990): Zunächst dürften Kinder und Jugendliche in von extremer Armut und Arbeitslosigkeit geprägten Familien Sozialisationsbedingungen erfahren, unter denen Eltern ihren Kindern keine Rollenbilder des Arbeitslebens oder adäquates Bewältigungshandeln vorleben können. Hinzu kommt, dass die Kinder in sozialräumlich segregierten Armutsvierteln kaum soziale Netzwerke über ihren familiären Hintergrund hinaus aufbauen können (Keller 2007; MacDonald/Marsh 2001; MacDonald et al. 2005; Shildrick/MacDonald 2007; Wilson 1993). Die in den Familien und im sozialen Nahraum persistenten geringen Leistungsambitionen und das mangelnde Bewältigungsvermögen fördern schließlich eine intergenerationale Reproduktion von Armut. In den 1980er und 1990er Jahren wurde der Begriff „Kultur der Armut“ in einem politisch konservativ geprägten, „behavioristischen Armutsverständnis“ kritisch gegen ein großzügiges sozialstaatliches Leistungssystem gewendet. Die underclass, so das Argument, würde eine finanzielle Abhängigkeit von Sozialtransfers provozieren (Murray 2006) und sich in freiwilliger Arbeitslosigkeit oder junger Mutterschaft einer Erwerbsbeteiligung entziehen (Murray 1984). So wird Abhängigkeit von Sozialleistungen als unwürdige Armut von erwerbsfähigen Personen (undeserving poor)42 und individuelles Fehlverhalten wahrgenommen (Morris 1994). Die konservative Interpretation der „Kultur der Armut“ steht jedoch insofern in der Kritik, als politisch motivierte Argumente mit unterschiedlichen Annahmen, die weder theoretisch trennscharf voneinander abgegrenzt noch empirisch nachgewiesen werden können, miteinander vermischt werden. Armen Personen, die eingeschränkte Handlungsoptionen und Bewältigungsmöglichkeiten aufweisen, wird ein nicht konformes Verhalten angelastet (blaming the poor), das nicht weiter von strukturellen Benachteiligungen im Erwerbs- und Ausbildungssystem oder im
42
Saraceno (2002b: 4 f.) hebt hervor, dass auch die sozialstaatliche Aktivierungspolitik z. B. mit verschärften Sanktions- oder Ausnahmeregelungen für bestimmte Gruppen unter den Grundsicherungsempfängern Einfluss darauf hat, ob Personen in der öffentlichen Wahrnehmung als deserving oder undeserving Leistungsbezieher wahrgenommen werden.
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Grundsicherungsbezug differenziert wird (Bagguley/Mann 1992; Macaulay 1977; siehe auch Gottschalk 1996; Koch 1999: 40 f.). Daher distanziert sich die sozialwissenschaftliche Diskussion in Deutschland und anderen europäischen Ländern weitgehend von der stigmatisierenden Rhetorik, die in die Diskussion zur „Kultur der Armut“ und underclass eingegangen ist (Bagguley/Mann 1992; Gustafsson et al. 2002; Ludwig-Mayerhofer/Barlösius 2001: 48 ff.). Die Überlegungen in Deutschland43 verbleiben überwiegend in der Wahrnehmung der „Kultur der Armut“ als möglichem Risiko eines gesellschaftlichen Gegenentwurfs, den es bislang noch nicht gebe (Ludwig-Mayerhofer/Barlösius 2001: 50) und auch auf empirischer Basis nicht nachgewiesen werden könne (Andreß 2000: 42 ff.; Salentin 2000). Dennoch gründet der Bedeutungsgewinn des arbeitsmarktpolitischen Aktivierungsparadigmas in Deutschland auf der Argumentation, dass Grundsicherungsbezieher stärker zur Eigenverantwortung für ihre Lebenslage herangezogen werden sollten (Kessl et al. 2007; Leibfried et al. 1995: 149 ff.; Lindner 1999: 177 f.). Vor allem Jugendliche und junge Erwachsene ohne Ausbildung und mit Problemen beim Erwerbseinstieg gelten als Risikogruppen, da ihnen eine dauerhafte Perspektive fehlen dürfte (Herkommer 1999: 16; Kronauer 1997: 34 f.; Kronauer et al. 1993: 47 ff.). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass in der Debatte zur „Kultur der Armut“ von einer sozial segregierten Subgruppe ausgegangen wird, in der der Bezug von Sozialtransfers und Langzeitarbeitslosigkeit auf markante Weise mit Bildungsarmut, finanziellen und familiären Armutsrisiken, sozialer Verarmung sowie einer geringen Erwerbsneigung kumulieren. Hier setzen unterschiedliche theoretische Argumente an: Arbeitsmarkttheoretische Ansätze lenken den Blick auf die restriktiven Zugangschancen zu existenzsichernder Beschäftigung von Geringqualifizierten, haushaltsökonomische Ansätze verweisen auf familiäre Armutsrisiken, wenn junge Eltern ihr Arbeitsangebot aufgrund der Kinderbetreuungspflichten einschränken und dann das Einkommen nicht für den gesamten Bedarf ausreicht. Ferner dürften finanzielle Anreize durch die ökonomische Situation im Haushalt bedingt sein. Ziel der Untersuchung ist es, die Effekte der verschiedenen benachteiligenden
43 Die sozialwissenschaftliche Diskussion zu den Konsequenzen des sozialen Wandels konzentriert sich in Deutschland vor allem auf die „Überflüssigen“ im Erwerbssystem, die in Arbeitslosigkeit und prekären Beschäftigungsformen massive Formen sozialer Ausgrenzung erfahren und auf Dauer ihren Lebensunterhalt nicht aus eigener Kraft sichern können (Bude 1998; Bude/Willisch 2006; Kronauer 1997; Kronauer 2002; Kronauer et al. 1993). Marginalisierte Gruppen werden vorwiegend empirisch anhand von zeitlich stabilen multiplen Deprivationslagen und Einkommensarmut definiert (Andreß 2000; Groh-Samberg 2009: 145 ff.; Hauser 2000; Konietzka/Sopp 2004; Kronauer 1997; LudwigMayerhofer/Barlösius 2001: 50). Neuere Diskussionen ergänzen die subjektive Erfahrung sozialer Ausgrenzung (Baethge et al. 2007; Böhnke 2006; Bude/Lantermann 2006; Popp/Schels 2008 ).
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Lebensbedingungen und der sozialen Herkunftsfaktoren auf den Verbleib im Grundsicherungsbezug und die Erwerbs- und Ausbildungsbeteiligung messbar zu machen und analytisch zu trennen. 3.3
Zusammenfassung
In diesem Kapitel wurden verschiedene theoretische Perspektiven aufgezeigt, welche die Abgangschancen junger Erwachsener aus dem Arbeitslosengeld II und umgekehrt auch deren Verbleib im Transferbezug erklären können. Die theoretische Diskussion lenkt dabei das Augenmerk auf qualifikatorische Ressourcen und soziodemographische Merkmale, auf die familiären Rahmenbedingungen, die finanzielle Lage des Haushalts, soziale Herkunft sowie Erfahrungen hinsichtlich Arbeitsmarkt und Leistungsbezug. Von diesen Faktoren wird angenommen, dass sie die Ausbildungs- und Erwerbschancen sowie das entsprechende Verhalten der jungen Erwachsenen beeinflussen, an das der Abgang aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug geknüpft ist. In vereinfachter Form finden sich die gegensätzlichen theoretischen Perspektiven in der einleitend beschriebenen öffentlichen und politischen Diskussion wieder, ob junge Arbeitslosengeld-II-Empfänger nicht arbeiten bzw. eine Ausbildung absolvieren können oder ob sie dies nicht wollen. Darauf basieren auch die im vorangegangenen Kapitel in den Abschnitten 2.2.2 und 2.2.3 dargestellten Elemente der sozialpolitischen Aktivierung, die an einem „Fördern“ von Qualifikationen und Arbeitsmarktnähe einerseits und an einem „Fordern“ bei mangelnder Motivation und Leistungsbereitschaft andererseits ansetzen. Die Theoriestränge verweisen auf einzelne Wirkungsmechanismen, mit denen verschiedene Annahmen zur Dauer des Arbeitslosengeld-II-Bezugs der jungen Erwachsenen bis zur Aufnahme einer Ausbildung oder Beschäftigung verbunden sind. Geht man zunächst von den arbeitsmarkttheoretischen Erklärungsansätzen aus, so dürften die jungen Arbeitslosengeld-II-Empfänger je nach individuellen Ressourcen und Personenmerkmalen über unterschiedliche Opportunitäten am Lehrstellen- und Arbeitsmarkt verfügen. Die Dauer des Arbeitslosengeld-II-Bezugs variiert zwischen vergleichsweise privilegierten jungen Erwachsenen, die rasch ihre Opportunitäten umsetzen und ihre Existenz aus eigener Kraft in Beschäftigung oder einer Berufsausbildung mit vorrangiger Ausbildungsförderung bestreiten können, und benachteiligten jungen Erwachsenen. Mit den armutstheoretischen Ansätzen werden Annahmen zum Erwerbs- und Ausbildungsverhalten der jungen Grundsicherungsempfänger aufgeworfen. Nach dem Rational-Choice-Ansatz ist zunächst von einem temporären Grundsicherungsbezug auszugehen, wenn die jungen Erwachsenen ihre Arbeitskraft nicht anbieten, weil ihnen ein Verbleib im Arbeitslosengeld-II-
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Bezug aktuell als höherer finanzieller Nutzen erscheint. Eine Abhängigkeit von Arbeitslosengeld II als dauerhaft geringer Erwerbsneigung ist aus RationalChoice-Perspektive nur gegeben, wenn die finanziellen Bedürfnisse und Erwerbsbedingungen der jungen Erwachsenen zeitlich stabil bleiben. Eine veränderte Erwerbs- und Familiensituation dürfte zu einer neuen Bewertung der Erwerbs- und Ausbildungsentscheidungen führen und Anreize für einen Abgang aus dem Arbeitslosengeld II setzen. Aus psychologischer Sicht sprechen Entmutigungsprozesse für eine langfristige Abhängigkeit von sozialstaatlichen Leistungen, die durch wiederholtes Scheitern am Arbeitsmarkt hervorgerufen werden. Ferner wird aus der Perspektive einer schichtspezifisch kulturellen Verankerung von Langzeitbezug im Sozialisationsprozess von einer zeitlich stabilen Arbeitsmarktferne der jungen Leistungsempfänger ausgegangen. Eine intergenerationale Vererbung von Armutsrisiken in der Herkunftsfamilie, und damit auch einem erhöhten Risiko im Arbeitslosengeld-II-Bezug, wird im Lebenslauf verortet. Zwar können Arbeitslosigkeit oder prekäre Beschäftigung den Leistungsbezug der jungen Erwachsenen auslösen, oftmals dürften die Arbeitsmarktprobleme aber bereits auf eine bis dato unzureichende Ausstattung an erworbenen Ressourcen in der Herkunftsfamilie zurückgehen. Ob bei den jungen Erwachsenen im längeren Arbeitslosengeld-II-Bezug ein rationales Entscheidungskalkül oder Demotivationsprozesse vorliegen, ob sich der Leistungsbezug in Familien niedriger sozialer Herkunft etabliert oder ob die jungen Erwachsenen aufgrund fehlender Chancen auf einen Ausbildungsplatz oder existenzsichernde Beschäftigung im Arbeitslosengeld-II-Bezug verbleiben, diese Alternativen werden in Kapitel 5 in die Hypothesenbildung aufgenommen und ab Kapitel 6 im empirischen Teil der Arbeit überprüft.
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Anhang zu Kapitel 3 Tabelle 3.1: Verfügbares Haushaltseinkommen und Abstand zum Arbeitslosengeld II am Beispiel für Hilfsarbeiter in Westdeutschland (Stand Januar 2006) Haushaltstyp
Bruttoarbeitsentgelt (im Oktober 2005, inkl. einmalige Zahlungen) - Steuern Lohnsteuer Solidaritätszuschlag Kirchensteuer - Sozialversicherung Rentenversicherung Arbeitslosenversicherung Krankenversicherung Pflegeversicherung = Nettoentgelt + Transferleistungen für Familien Kindergeld Kinderzuschlag Wohngeld = verfügbares Einkommen als Arbeitnehmer Leistungsanspruch auf ALG II
allein lebend
Ehepaar ohne Kind
Ehepaar mit einem Kind
Ehepaar mit zwei Kindern
Alleinerziehende mit Kind unter sieben Jahren
2426
2426
2426
2426
2068
380 21 34
120 0 11
120 0 2
120 0 0
249 7 11
237 79 184 27 1464
237 79 184 27 1768
237 79 184 27 1783
237 79 184 27 1785
202 67 157 18 1358
0
0
154 0 0
308 0 27
154 0 0
1464
1768
1937
2120
1512
676
1052
1348
1626
1107
Abstand zwischen ALG II zum verfügbaren Haushaltseinkommen des Arbeitnehmers in Euro pro Monat 788 716 589 494 405 in von Hundert des 54 41 30 23 27 Arbeitnehmereinkommens Quelle: Engels 2006: 4; Bruttoarbeitsentgelt nach Angaben des Statistischen Bundesamtes für Arbeiter im produzierenden Gewerbe der Leistungsgruppe 3
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Tabelle 3.2: Freibeträge und Zuverdienst bei Erwerbstätigkeit im Arbeitslosengeld-II-Bezug (seit Oktober 2005 ) Beispielrechnungen Anrechnungsfreier Anteil Bruttoeinkommen Grundfreibetrag bis 100 € Freibetrag bei Verdienstzone 100 € 800 € Freibetrag bei Verdienstzone 800 € 1200 € Verbleibender Netto-Zuverdienst Quelle: eigene Darstellung
100 % 20 % 10 %
1 100
2 400
3 800
4 1000
5 1200
100
100
100
100
100
-
60
140
140
140
-
-
-
20
40
100
160
240
260
280
4
Forschungsstand: Armut und Leistungsbezug im Übergang in das Erwerbsleben aus der Perspektive verschiedener Traditionen
Das Forschungsinteresse am Arbeitslosengeld-II-Bezug junger Erwachsener wurde vor dem Hintergrund der hohen Leistungsempfängerzahlen (Kapitel 1.1) und der erheblichen Betroffenheit junger Erwachsener von Einkommensarmut (Kapitel 2.2.1) eingeleitet. Über die Diagnose zum Ausmaß von Armutslagen hinaus stellt sich die Frage nach der Lebenssituation junger Erwachsener im Grundsicherungsbezug, deren Ausbildungs- und Erwerbsbeteiligung, und nach den Konsequenzen für die Dynamik im Bezug von Arbeitslosengeld II. Hierzu benötigt man weitere empirische Befunde zu den sozialen Prozessen im Grundsicherungsbezug beim Übergang in das Erwachsenenalter. Der vorliegende Beitrag kann zunächst auf den Befunden der Forschungstradition zur Dynamik der Armut aufsetzen (Abschnitt 4.1), in der junge Erwachsene bislang jedoch nur am Rande betrachtet wurden. Wesentliche Erkenntnisse zu einem Aufwachsen in familiärer Armut und den Konsequenzen für die weitere Entwicklung können aus der Literatur zur Kinder- und Jugendarmut angeführt werden (Abschnitt 4.2). Die folgende Darstellung dient der Systematisierung des empirischen Forschungsstands, um zum einen den weiteren Forschungsbedarf zur Dynamik des Grundsicherungsbezugs junger Erwachsener zu präzisieren. Zum anderen bieten die bestehenden Erkenntnisse eine Interpretationsgrundlage, um die Ergebnisse der empirischen Analysen zu den jungen Erwachsenen abschätzen und einordnen zu können. 4.1
Ausgewählte Ergebnisse der Sozialhilfeforschung und Begleitforschung zum Arbeitslosengeld II
Die Forschungsliteratur zum Bezug der ehemaligen Sozialhilfe sowie von Arbeitslosengeld II liefern einen umfassenden Eindruck über Dauer und Struktur des Transferbezugs seitens erwachsener Grundsicherungsempfänger (Abschnitt 4.1.1) und deren Erwerbsbeteiligung (Abschnitt 4.1.2). Diese Studien tragen in methodischer und inhaltlicher Hinsicht zur vorliegenden Untersuchung über junge Arbeitslosengeld-II-Empfänger bei: Zum einen diskutieren die Studien zeitbezogene Dimensionen von Armut in Deutschland, die im empirischen Teil B. Schels, Arbeitslosengeld-II-Bezug im Übergang in das Erwerbsleben, DOI 10.1007/978-3-531-18777-8_4, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
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der vorliegenden Arbeit wiederum aufgegriffen werden. Zum anderen liefern diese Studien empirische Belege zur Lebenssituation der erwachsenen Leistungsempfänger und ihrer Arbeitsmarktbeteiligung sowie zu den sozialen Prozessen im Grundsicherungsbezug. Die Ergebnisse sind dann für junge Erwachsene relevant, wenn sie bereits eine aktive Erwerbs- und Familienrolle übernommen haben, so dass ihre Lebenslage jener von Leistungsempfängern mittleren Alters weitestgehend entsprechen dürfte. Im Weiteren können Einzelbefunde zu jungen Erwachsenen im Leistungsbezug identifiziert und in Relation zu den Befunden über ältere Bezieher dargestellt werden (Abschnitt 4.1.3). Erste Schlussfolgerungen zu spezifischen Risiken im jungen Erwachsenenalter sind möglich. 4.1.1
Zeitstrukturen im Leistungsbezug
Die dynamische Armutsforschung in Deutschland basiert im Wesentlichen auf der Bremer Längsschnittstudie zu 18- bis 64-jährigen Sozialhilfebeziehern, die 1983 die Hilfe zum Lebensunterhalt beantragt haben und deren Bezug über einen Zeitraum von sechs Jahren verfolgt wurde. Die Datengrundlage stammt aus den Sozialhilfeakten der regionalen Sozialämter (Buhr 1995: 113 ff.; Leibfried et al. 1995: 9). Die Studie wurde 1989 um eine zweite Antragskohorte (Buhr/Weber 1998) und zu Beginn der 1990er Jahre durch eine Vergleichsstudie in Halle erweitert (Buhr et al. 1998; Olk/Rentzsch 1997). Studien zum ArbeitslosengeldII-Bezug liegen für Gesamtdeutschland auf Basis administrativer Registerdaten vor (Graf 2007; Graf/Rudolph 2009; Lietzmann 2009; Schels 2008). Die Beiträge liefern erste Informationen zur Dauer des Grundsicherungsbezugs nach der Reform 2005, erfassen zum gegenwärtigen Stand jedoch noch keinen entsprechend langen Zeitraum wie die Sozialhilfestudien, so dass sich der überwiegende Teil der folgenden Ergebnisdarstellung auf die umfassenden Befunde aus der Forschung zur ehemaligen Sozialhilfe bezieht. Die benannten Studien konstatieren eine hohe Dynamik im Sozialhilfebzw. Arbeitslosengeld-II-Bezug. Viele Bezieher beenden den Leistungsbezug wieder innerhalb eines Jahres, jedoch variiert die Bezugsdauer nach Personenund Haushaltsmerkmalen (z. B. Buhr 1995; Gangl 2000; Gebauer 2007; Gebauer/Vobruba 2003; Graf 2007; Leibfried et al. 1995; Lietzmann 2009). Zudem besteht ein erhebliches Rückfallrisiko in erneuten Leistungsbezug (z. B. Buhr et al. 1998; Gangl 1998; Graf/Rudolph 2009; Gustafsson et al. 2002). Anhand von Dauer und Mehrfachbezug können verschiedene Verlaufsmuster im Grundsicherungsbezug beschrieben werden. Buhr (1995) typisiert, im Anschluss an die Studien von Bane und Ellwood (1986), fünf unterschiedliche Verlaufsmuster für die Bremer Eintrittskohorte von 1983:
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• • •
Mehr als 50 Prozent der Sozialhilfebezieher waren ‚Überbrücker‘, die einmalig für maximal 18 Monate auf Sozialhilfe angewiesen waren und schließlich bis zum Ende des Beobachtungszeitraums unabhängig von der sozialstaatlichen Leistung blieben. 14 Prozent waren ‚Langzeitbezieher‘, die über die betrachteten sechs Jahre hinweg immer wieder und schließlich auch über einen längeren durchgängigen Zeitraum Sozialhilfe erhielten, so dass sich der Leistungsbezug zu stabilisieren schien. ‚Mehrfachüberbrücker‘, 17 Prozent, haben im Beobachtungszeitraum mehrmals für eine kurze Zeitspanne von maximal sechs Monaten Sozialhilfe bezogen. Auch die ‚Pendler‘, sieben Prozent, bezogen im Beobachtungszeitraum mehrfach Sozialhilfe, jedoch erhielten sie die Leistungen auch länger als ein halbes Jahr. Die ‚Ausbrecher‘, fünf Prozent, haben zwar zunächst längerfristig Sozialhilfe bezogen, waren aber gegen Ende der Beobachtungszeit bereits für mindestens zwei Jahre nicht mehr auf die Leistung angewiesen. Diese Ergebnisse zeigen ebenso wie weitere Befunde aus den USA (Ellwood 1986), dass Personen, die über zwei Jahre keine Sozialhilfe mehr beziehen, mit hoher Wahrscheinlichkeit auch unabhängig von den Sozialtransfers bleiben.
Innerhalb der Gruppe der ehemaligen Sozialhilfeempfänger bestehen heterogene Ursachen des Bezugs und unterschiedliche Abgangsgründe aus dem Grundsicherungsbezug. Zwar erhielten etwas mehr als 50 Prozent der Personen der Bremer Studie aufgrund von Arbeitslosigkeit Sozialhilfe, weitere Auslöser von jeweils geringerer quantitativer Bedeutung waren Erwerbstätigkeit mit einem nicht existenzsichernden Einkommen oder Ausbildung und Krankheit, familiäre Ereignisse wie Scheidung, Trennung oder Tod des Ernährers sowie Zuwanderung (Buhr 1995: 120 ff.; siehe auch Andreß 1994; Buhr 1995; Schmid/Buhr 2002). Zum Teil kumulieren die erwerbsbezogenen und familiären Begebenheiten mit weiteren sozialen Problemen wie Sucht, Haftentlassung oder Nichtsesshaftigkeit (Buhr 1995: 122). Ein Abgang aus dem Sozialhilfebezug gelingt vor allem durch eine Reintegration in Erwerbstätigkeit oder Ausbildung (rund 20 Prozent) oder durch das Einsetzen vorrangiger Leistungen (etwa 30 Prozent). Vor allem Arbeitslose können nach einer vergleichsweise kurzen Zeit die Sozialhilfe über diese Abgangswege beenden. Weitere Gründe für einen Abgang aus dem Sozialhilfebezug wie Umzug, administrative Gründe in der Sozialhilfeverwaltung, Haft, freiwilliger Verzicht auf die Leistungen oder Tod waren von geringerer quantitativer Bedeutung. Zum Teil konnten die Gründe für
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die Beendigung des Leistungsbezugs oder die Nicht-Verlängerung der Anträge durch die Sozialhilfeakten nicht erfasst werden (Buhr 1995: 123 ff.; siehe auch Gangl 1998: 219). Im Vergleich der ehemaligen Sozialhilfe und Grundsicherung für Arbeitssuchende zeigen sich im Schnitt längere Bezugszeiten von Arbeitslosengeld II für die Eintrittskohorte 2005 gegenüber früheren Beziehern. Eine Erklärung hierfür ist vor allem, dass die Sozialhilfe in vielen Fällen auch eine Überbrückungshilfe bis zum Einsetzen vorrangiger anderer Sozialtransfers darstellte, während das Arbeitslosengeld II das letzte Auffangnetz im System der Sozialsicherung ist. Zudem können jedoch auch die etwas höheren Regelsätze der Grundsicherung für Arbeitssuchende im Vergleich zur Sozialhilfe und die organisatorische Umstellungsphase in den Trägerschaften mit der Reform eine Rolle spielen (Buhr et al. 2010). Das hohe Ausmaß von Kurzzeitarmut dürfte, so die Kritik, überschätzt sein, da die schnellen Abgänge aus der Sozialhilfe vielfach aufgrund von Wartefällen auf Arbeitslosengeld oder Renten zu beobachten sind. Ein Einsetzen vorrangiger Sozialtransfers ist jedoch ebenso wenig mit einem Ende der Armut gleichzusetzen wie Abschlussgründe von Sozialhilfeakten aufgrund von Tod, Umzug oder Trägerwechseln. Ferner können keine Aussagen über die finanzielle Lage ehemaliger Bezieher nach einem Ausstieg aus dem Sozialhilfebezug dahingehend gemacht werden, ob sich ihre Situation im armutsnahen Bereich, in prekären Lebenslagen oder im Wohlstand stabilisiert (Groh-Samberg 2004; Groh-Samberg 2009: 98 ff.¸ Ludwig-Mayerhofer/Barlösius 2001).44 So wurde in einer weiterführenden Studie mit dem Niedrigeinkommenspanel anhand unterschiedlicher Indikatoren herausgestellt, dass sich die Einkommenssituation von Haushalten nach einer Beendigung des Sozialhilfebezugs kurzfristig kaum verbessert (Buhr 2002): Im ersten Jahr nach dem Sozialhilfebezug lag das Einkommen zweier Drittel der betrachteten Haushalte im Armutsbereich, bemessen an der 50-Prozent-Armutsgrenze. Drei Viertel der Haushalte verfügten über kein deutlich höheres Einkommen von mehr als 25 Prozent als zuvor im Leistungsbezug. Für rund ein Fünftel der Haushalte hat sich die Einkommenssituation sogar verschlechtert, wofür verschiedene Erklärungen angeführt werden können: Möglich ist, dass zeitgleich mit der Sozialhilfe weitere Einkommensquellen wie Erziehungsgeld oder private Transfers aussetzen, dass 44
Dieser Kritikpunkt gilt gleichermaßen für andere eindimensionale Armutskonzepte, z. B. relative Einkommensarmutsschwellen. Groh-Samberg (2009: 145 ff.) zeigt in einer Untersuchung zur Dynamik von Einkommensarmut und Lebenslagenarmut, dass sich die Versorgungslage von Haushalten im Armutsbereich oftmals in Formen der Prekarität zwischen Armut und Wohlstand bewegt. Eine hohe Fluktuation zwischen Armut und Nicht-Armut wird häufig durch Messfehler an eindimensionalen Armutsschwellen überzeichnet. Dennoch zeigt sich auch in einer kombinierten Betrachtung der unterschiedlichen Armutsdefinitionen eine deutliche Mobilität im Armutsbereich.
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die ehemaligen Hilfeempfänger nach nur kurzfristiger Erwerbstätigkeit noch keine erneuten Sozialleistungen bewilligt erhielten oder sie nach stigmatisierenden Erfahrungen auf die Antragstellung verzichten. Die finanzielle Lage der betrachteten Haushalte stabilisiert sich oftmals erst nach einem Zeitraum von drei Jahren auf einem deutlich besseren Niveau. Qualitative Fallstudien im Rahmen der Bremer Sozialhilfestudie (Buhr 1995: 173 ff.; Ludwig 1996; siehe auch Leibfried et al. 1995: 149 ff.) und eine Studie zur Situation von Arbeitslosengeld-II-Empfängern (Hirseland/RamosLobato 2010: 13 f.) ergänzen Erkenntnisse über die biographische Bedeutung des Leistungsbezugs sowie die Handlungs- und Bewältigungsstrategien der Leistungsbezieher. Die Ergebnisse zeigen, dass die Leistungsempfänger die Sozialhilfe bzw. das Arbeitslosengeld II in sehr heterogenen Lebenslagen benötigen. Dabei stellt der Sozialhilfebezug an sich oftmals nur einen Ausschnitt in Armutskarrieren dar (Ludwig 1996: 83). Während kritische Lebensereignisse wie Arbeitslosigkeit, Trennung oder Scheidung den Sozialhilfebezug zwar auslösen, kumulieren Armut und sozialstrukturelle Problemlagen im Bildungs-, Erwerbs- und Familienleben oftmals über längere Zeit, bis schließlich der Handlungsspielraum der betroffenen Personen vollkommen eingeschränkt ist (verfestigte Armutskarriere). Dennoch ist eine Abwärtsspirale in dauerhaften Sozialhilfebezug nicht der vorwiegende Armutstypus, da Personen durch aktives Handeln Problemlagen wie Langzeitarbeitslosigkeit, familiäre Probleme oder Krankheit in Teilen bewältigen (konsolidierte Armutskarriere) oder vollständig lösen können (optimierte Armutskarriere) (ebd.: 277). 4.1.2
Arbeitsmarktverhalten und Ausstieg aus dem Leistungsbezug in den Arbeitsmarkt
Während im vorigen Abschnitt aufgezeigt wurde, wie heterogen die Ursachen und Konsequenzen des Grundsicherungsbezugs sind, konzentriert sich der folgende Literaturüberblick auf die Frage nach der Erwerbsbeteiligung der Grundsicherungsbezieher. Im Vordergrund stehen quantitative Untersuchungen zu den Wegen aus dem Sozialhilfebezug in den Arbeitsmarkt mit den Daten der Bremer Sozialhilfestudie (Gangl 1998; Gangl 2000) und für Gesamtdeutschland mit dem Sozioökonomischen Panel (SOEP) (Fehr/Vobruba 2011; Gebauer et al. 2003; Gebauer 2007). Die Studien berücksichtigen sowohl, dass erwerbslose Sozialhilfeempfänger eine Arbeit aufnehmen können, als auch, dass erwerbstätige Sozialhilfebezieher den Bezug durch eine Einkommenssteigerung in der bestehenden Beschäftigung beenden können. Teilergebnisse aus weiteren quantitativen Studien und qualitative Befunde zur Erwerbsorientierung der Grundsicherungsempfänger ergänzen den Forschungsüberblick.
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Die Erwerbsneigung der Sozialhilfeempfänger wird empirisch oftmals anhand der Abgangsdynamik in den Arbeitsmarkt bewertet. Obwohl zu Beginn des Sozialhilfebezugs die höchste Mobilität in Erwerbstätigkeit besteht (Andreß/Strengmann-Kuhn 1997; Buhr et al. 1998; Gangl 1998; Gangl 2000; Gebauer 2007; Gebauer et al. 2003), sind auch nach mehreren Jahren im Sozialhilfebezug Übergänge zu beobachten. Zudem akzeptieren 16 Prozent der betrachteten Sozialhilfeempfänger eine Erwerbsaufnahme im fortwährenden Leistungsbezug.45 Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass sich der Großteil der Sozialhilfebezieher nicht in der Leistungsabhängigkeit einrichtet (Gebauer et al. 2003: 85 ff., 94 ff.; Gebauer 2007: 183 f.). Ferner zeigt Wilde (2003) mit dem Niedrigeinkommens-Panel, dass ein Teil der Sozialhilfeempfänger den Bezug auch dann durch eine Erwerbstätigkeit beendet, wenn ihr Einkommen gar unter ihrem vorigen Einkommen aus dem Hilfebezug liegt. Sozialhilfebezieher mit beruflichen Qualifikationen, Kurzzeitarbeitslose und bereits erwerbstätige Personen haben die besten Aussichten auf eine (weitere) Erwerbsintegration und Ausstieg aus dem Bezug. Im Gegensatz dazu hängen Langzeitarbeitslosigkeit und dauerhafter oder wiederholter Leistungsbezug zusammen (Andreß/Strengmann-Kuhn 1997; Gangl 1998; Gebauer 2007; Gebauer et al. 2003). Vor allem bei Grundsicherungsempfängern mit multiplen Vermittlungshemmnissen, bei denen Problemlagen wie geringe Qualifikationen, Sprachdefizite, gesundheitliche Einschränkungen oder familiäre Verpflichtungen wie Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen kumulieren, verringert sich die Übergangswahrscheinlichkeit aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug in Beschäftigung (Achatz/Trappmann 2011). Die Analysen mit dem SOEP zeigen, dass sich nach mehrmaliger Arbeitslosigkeit und Sozialhilfebezug die Chancen auf einen Ausstieg aus dem Sozialhilfebezug in den Arbeitsmarkt verringern. Die
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Im Forschungskontext zu den „working poor“ werden die Bedingungsfaktoren von Einkommensarmut trotz Erwerbstätigkeit betrachtet. Armutsrisiken trotz Erwerbstätigkeit ergeben sich aus niedrigen Löhnen sowie aus dem Bedarf im Familienkontext. So werden in der empirischen Literatur sowohl Auszubildende, geringfügig Beschäftigte und Teilzeiterwerbstätige als auch vollzeiterwerbstätige Familienväter von mehreren Kindern, deren Partnerin nicht erwerbstätig ist, als Risikogruppen identifiziert (Strengmann-Kuhn 2001). Weitere Befunde gibt es zu erwerbstätigen Arbeitslosengeld-II-Beziehern. Wie lange Bedarfsgemeinschaften neben einem Erwerbseinkommen auf Arbeitslosengeld II angewiesen sind, hängt der Bedarfsgemeinschaftskonstellation und Art der Erwerbstätigkeit ab. Die meisten erwerbstätigen Leistungsbezieher erhielten Arbeitslosengeld II, um kurzfristige finanzielle Notlagen, z. B. bei Verdienstausfall des Partners oder Wartephasen bis zur Zahlung des ersten Gehalts zu überbrücken. Vollzeiterwerbstätige tragen das geringste, Auszubildende und geringfügig Erwerbstätige das höchste Risiko, im Grundsicherungsbezug zu verbleiben. Unter den Vollzeitbeschäftigten sind es vor allem Personen mit Kindern und/oder erwerbslosem Partner, die längerfristig zusätzliche Unterstützung durch Arbeitslosengeld II benötigen (Bruckmeier et al. 2007; Bruckmeier et al. 2010b).
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Autoren sehen in diesem Befund vor allem den Hinweis auf eine Entmutigung der Sozialhilfeempfänger nach Erfahrungen wiederholten Scheiterns (Gebauer et al. 2003: 107 f.; Gebauer 2007: 216). Die Analysen der Bremer Sozialhilfestudie (Gangl 1998) belegen vor allem, dass Hilfebezieher, die immer wieder erwerbstätig waren, höhere Abgangschancen durch eine Arbeitsaufnahme haben. Dieses Ergebnis dürfte auf erwerbsnahe Leistungsbezieher, aber in unsteter Beschäftigung hinweisen. Unterstützt werden die Abgangschancen durch die regionalen, konjunkturellen und infrastrukturellen Rahmenbedingungen (z. B. geförderte Beschäftigung, Kinderbetreuungsangebote) (Buhr et al. 1998; Gangl 1998; Gebauer 2007: 218 f.) sowie Beratung (Wilde 2003). So dürfte auch die zeitliche Entwicklung am Arbeitsmarkt eine Rolle spielen. Studien zum Arbeitslosengeld-II-Bezug zeigen, dass Bedarfsgemeinschaften in der Antragskohorte 2005 im Schnitt etwas länger im Leistungsbezug verblieben als die Zugangskohorten in den Jahren 2006 und 2007. Dieser Befund kann zum einen mit einer verbesserten konjunkturellen Lage und zum anderen mit einer verbesserten Vermittlungsaktivität nach Einführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende erklärt werden (Graf 2007; Graf/Rudolph 2009). Paare ohne Kinder verlassen den Sozialhilfebezug schneller durch eine Erwerbsintegration als Paare mit Kindern oder Alleinerziehende (Gebauer 2007). Das Ergebnis spricht dafür, dass familiäre Verpflichtungen das Arbeitsangebot der Sozialhilfeempfänger einschränken (Gangl 1998; Gebauer et al. 2003: 104 ff.; Gebauer 2007: 215 ff.). Alleinerziehende Frauen zeigen die geringste Arbeitsmarktmobilität unter den Sozialhilfebeziehern, da sie kaum in Vollzeit erwerbstätig sein können,46 wenn finanzierbare und mit den Arbeitszeiten vereinbare Kinderbetreuungsangebote fehlen (Gebauer 2007: 215). Ferner verändert sich das Arbeitsmarktverhalten der Sozialhilfebezieher vorwiegend nach traditionellen geschlechtsspezifischen Erwerbsmustern mit Heirat oder der Geburt eines Kindes (Gebauer et al. 2003): Männer zeigen im Sozialhilfebezug bei stabilen Familienverhältnissen eine höhere Erwerbsneigung als Frauen. Männer nehmen nach einer Heirat eher eine Vollzeiterwerbstätigkeit auf, während die Übergangswahrscheinlichkeit für Sozialhilfebezieherinnen mit der Geburt eines Kindes deutlich sinkt (Gebauer 2007: 220 f.). Weiterführende Studien zu der Frage, ob ehemalige Bezieher von Sozialhilfe nach einem Abgang in die Erwerbstätigkeit auch nachhaltig ohne
46 Eine europäische Vergleichsstudie von Gonzales (2007) belegt zudem anhand der Luxemburger Einkommensstudie, dass die Erwerbsneigung alleinerziehender Mütter auch von der staatlichen Förderung abhängt. Die Erwerbsbeteiligung alleinerziehender Mütter in Deutschland ist besonders gering, was auf die vergleichsweise finanzielle Besserstellung von Müttern bei NichtErwerbstätigkeit zurückgeführt wird.
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weitere Grundsicherungsleistungen auskommen, stehen bislang für Deutschland noch aus, weshalb an dieser Stelle exemplarisch eine Studie von van Berkel (2007) in den Niederlanden angeführt wird, wo in ähnlicher Weise wie in Deutschland Sozialhilfe und Leistungen aus einer Arbeitslosenversicherung bestehen. Betrachtet werden ehemalige Sozialhilfeempfänger in Rotterdam, die den Bezug durch eine Erwerbsaufnahme beendet haben. In einem Zeitraum von 18 Monaten wird ein größerer Anteil der ehemaligen Bezieher erneut arbeitslos, als dass sie auch erneut Sozialhilfe benötigen, weil sie in den meisten Fällen durch die Erwerbstätigkeit Ansprüche auf Arbeitslosenunterstützung erworben haben. Qualifizierte können der Studie zufolge mit höherer Wahrscheinlichkeit eine andauernde Beschäftigung mit ausreichendem Einkommen aufnehmen als gering Qualifizierte, Personen im mittleren Alter mit höherer Wahrscheinlichkeit als die 15- bis 23-Jährigen. Überraschend ist, dass Alleinerziehende eher als Alleinlebende, Paare oder Familien langfristige Unabhängigkeit von Sozialhilfe erzielen. Van Berkel führt als Erklärung an, dass die Arbeitsaufnahme von Alleinerziehenden an eine Kinderbetreuung gekoppelt ist, was möglicherweise zunächst schwierig zu verwirklichen ist, jedoch langfristig eine andauernde Erwerbstätigkeit ermöglicht. Die bislang benannten Befunde basieren auf objektiven, individuellen, regionalen und familiären Einflussfaktoren, darüber hinaus fehlen überwiegend geeignete Indikatoren in den Studien für die Erwerbsmotivation der Sozialhilfebezieher. In den Abgangsanalysen mit dem SOEP wird beispielsweise das kurzfristige Arbeitskraftangebot der Sozialhilfeempfänger berücksichtigt (Gebauer et al. 2003: 107 f.): Personen, die der Aussage „Ich könnte bei einem passenden Stellenangebot sofort anfangen zu arbeiten“ zustimmen, verlassen den Grundsicherungsbezug schneller über eine Arbeitsmarktintegration als Personen, die ihre Arbeitskraft für eine Vollzeiterwerbstätigkeit nicht unmittelbar zur Verfügung stellen (Gebauer 2007: 217). Es kann jedoch nicht unterschieden werden, ob die Sozialhilfeempfänger aufgrund einer geringen Erwerbsmotivation oder anderweitigen, beispielsweise familiären oder gesundheitlichen Gründen, eine geringe Arbeitsbereitschaft zeigen. Ergebnisse einer Befragung unter Arbeitslosengeld-II-Empfängern besagen, dass für jene Bezieher, die nicht aktiv nach einer Stelle suchen, Kinderbetreuungspflichten oder bestehende Erwerbstätigkeit die vorrangigen Gründe dafür sind (Beste et al. 2010). Weitere Studien zum Arbeitsangebot der Leistungsbezieher zeigen anhand der Konzessionsbereitschaft, des Reservationslohns und des Lohnabstands, dass finanzielle Abwägungen und Erwartungen die Erwerbsaufnahme von Sozialhilfeempfängern beeinflussen, jedoch in unterschiedlichem Maße. Eine Befragung unter Arbeitslosengeld-II-Empfängern im Jahr 2005 (Bender et al. 2008) zeigt, dass viele einen Berufswechsel (rund 60 Prozent) oder eine
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unterqualifizierte Beschäftigung in Kauf nehmen würden (etwa 50 Prozent). Einen geringeren Lohn als in der letzten Beschäftigung würden etwas mehr als 20 Prozent der Befragten akzeptieren. Nach Schätzungen zum Reservationslohn würden die Arbeitslosengeld-II-Bezieher im Schnitt ab einem um 13 Prozent höheren Einkommen in Relation zum Arbeitslosengeld II eine Erwerbstätigkeit anstreben. Wie weit Grundsicherungsbezieher schließlich auch bereit sind, ihre Erwerbsansprüche zu reduzieren, hängt von individuellen und Haushaltsfaktoren ab. Der Reservationslohn ist höher, wenn die Befragten mit Kindern im Haushalt leben, hoch qualifiziert sind und in ihrer letzten Erwerbstätigkeit ein gutes Einkommen hatten. Weitere Analysen zum Arbeitsangebot ehemaliger Sozialhilfeempfänger zeigen, dass, abhängig vom Familienstand, Frauen eine höhere Konzessionsbereitschaft haben als Männer: Verheiratete Frauen im Sozialhilfebezug sind eher bereit, auch zu einem geringen Lohn zu arbeiten (Schwarze/Raderschall 2002). Schneider und Uhlendorff (2005) untersuchen den Einfluss des potentiellen Markteinkommens von Sozialhilfeempfängern auf ihren Übergang in Beschäftigung. Haushalte, deren erwartbares Markteinkommen deutlich über dem Sozialhilfebezug liegt, verlassen den Leistungsbezug schneller über den Arbeitsmarkt als Haushalte mit geringeren Einkommenserwartungen. Weitere Einflüsse der Qualifikationen des Haushaltsvorstands werden durch die finanziellen Anreize überlagert. Wilde (2003) belegt, dass der Lohnabstand eines Haushalts keinen Effekt auf die Abgangswahrscheinlichkeit aus der Sozialhilfe hat, wohl aber eine schlechte finanzielle Lage die Abgänge aus dem Leistungsbezug befördern. Befunde qualitativer Studien unter Sozialhilfebeziehern illustrieren insgesamt ein ambivalentes Verhältnis der Leistungsbezieher zu ihrer Situation im Transferbezug und ihren Erwerbsperspektiven (Gebauer et al. 2003: 133 ff.). Sie nehmen die Sozialhilfe als wesentliche Hilfe wahr, um vorübergehende sozialstrukturelle Probleme, Kindererziehungszeiten oder Überbrückungsphasen, z. B. bis zu einem Studien- oder Ausbildungsbeginn, finanziell abzufedern. In diesen Situationen haben die Sozialhilfeempfänger die Leistung vor allem aus rationalen Gründen beantragt, sie planen dennoch langfristig eine Rückkehr in die Erwerbstätigkeit. Eine neuere Studie zu Arbeitslosengeld-II-Empfängern weist darauf hin, dass ihnen dies jedoch nicht in jedem Fall oder oftmals nur in prekäre Beschäftigung gelingt (Hirseland/Ramos-Lobato 2010: 29 ff.). Für diejenigen Sozialhilfeempfänger, die nicht wieder in eine eigenständige Existenzsicherung zurückfinden, kann sich der Hilfebezug zu einem belastenden Teufelskreis entwickeln. Vor allem jene Bezieher, die aufgrund geringer Qualifikationen, Krankheit oder Behinderung kaum Erwerbsalternativen zum Sozialhilfebezug sehen, arrangieren sich mit dem Bezug (Buhr 1995: 189). Weiter bewertet ein Teil der Sozialhilfebezieher den Leistungsbezug als
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attraktive Option und wägt ab, die Sozialhilfe im Bedarfsfall immer wieder zu nutzen. Diese Einstellung kann sich unter veränderten strukturellen und sozialen Rahmenbedingungen wieder wandeln, so dass diese Sozialhilfeempfänger oftmals real nur kurzzeitig Hilfe beziehen (ebd.: 197 ff.). Der überwiegende Teil der Leistungsempfänger, so zeigt eine Fallstudie unter Arbeitslosengeld-IIEmpfängern, hält auch nach längerer oder wiederholter Arbeitslosigkeit an den Normen und Werten einer Erwerbsarbeit fest (Sondermann et al. 2009). Sozialhilfeempfänger wägen Vor- und Nachteile einer Erwerbsaufnahme oder des Sozialhilfebezugs nicht nur anhand finanzieller Faktoren, sondern auch im Kontext ihrer individuellen und familiären Orientierung ab (Gebauer 2007; Gebauer et al. 2003). Obwohl die befragten Sozialhilfeempfänger das finanzielle Auffangnetz positiv erleben, bewerten sie die finanziellen Einschränkungen, ihre Arbeitslosigkeit und die Interaktion mit dem Sozialamt oftmals als Belastung. Zwar würde eine Erwerbsaufnahme ihre Lebenssituation gegenüber dem Sozialhilfebezug verbessern, da sie neben Einkommensperspektiven auch soziale Kontakte, Anerkennung und Bestätigung gewinnen würden. Kritisch wird jedoch gesehen, dass mit Erwerbstätigkeit oftmals nur geringe Einkommensgewinne möglich wären. Eltern geben an, dass ihnen die Zeit für die Kinder fehlen würde (Gebauer et al. 2003: 133 ff.). Eine weitere Fallstudie hebt hervor, dass Mütter zwar Erwerbsarbeit als soziale „Norm“ akzeptieren, dennoch sich selbst als berechtigte Ausnahme wahrnehmen (Bescherer et al. 2008: 22). 4.1.3
Grundsicherungsbezug im Übergang in das Erwerbsleben
Die bisherigen Studien haben die heterogene Lebenssituation und die vielfältigen Orientierungen erwachsener Grundsicherungsempfänger reflektiert. Den Studien lassen sich weiter vereinzelte Befunde zum Verbleib junger Erwachsener in Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II darüber entnehmen, in welchen Aspekten sich die Lebenslagen und die Perspektiven junger Erwachsener im Vergleich zu älteren Grundsicherungsempfängern unterscheiden oder ihnen entsprechen. Dauer und Struktur des Grundsicherungsbezugs am Arbeitsmarkt und im Haushaltskontext In der Literatur finden sich sehr unterschiedliche Befunde und Interpretationsansätze zur Dauer des Leistungsbezugs von jungen Erwachsenen, die die heterogenen Lebenslagen junger Personen nach Alter und Haushaltskonstellation reflektieren:
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Nach der Bremer Sozialhilfestudie beziehen unter 20-Jährige im Vergleich zu Hilfeempfängern im Alter von 30 bis 40 Jahren überdurchschnittlich lange Sozialhilfe (Buhr 1995: 140, 150). Begründet wird dieser Befund mit Blick auf die Schwierigkeiten von Jugendlichen im Übergang zu Ausbildung und Erwerbstätigkeit, ohne diese Argumentation jedoch weiter zu vertiefen oder zu untersuchen. Analysen zum Arbeitslosengeld-II-Bezug zeigen, dass unter 25-jährige Alleinstehende den Leistungsbezug deutlich schneller verlassen als über 25-jährige Alleinstehende (Graf 2007).47 Die höheren Abgangschancen werden vor dem Hintergrund einer höheren Arbeitsmarktmobilität junger Personen gesehen. Betrachtet man nicht Personen, sondern Haushalte, so haben Haushalte mit Haushaltsvorständen unter 25 Jahren ein höheres Rückfallrisiko in den Sozialhilfebezug als Haushalte mit älteren Haushaltsvorständen (Gustafsson et al. 2002; Voges et al. 1996). Offenbar erleben junge Erwachsene eine höhere finanzielle Unsicherheit, so dass es ihnen seltener gelingt, die Einkommenssituation ihres Haushalts zu stabilisieren.
Während Jugendliche oft länger auf die Grundsicherungsleistung angewiesen sind, erscheint vor allem zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr eine höhere Mobilität im (unteren) Einkommensbereich gegeben. Dementsprechend zeigen auch die Studien zum Arbeitsmarktverhalten eine höhere Übergangsrate der unter 30-jährigen Sozialhilfeempfänger in Vollzeitbeschäftigung als der Sozialhilfeempfänger mittleren Alters (Buhr/Weber 1998; Gangl 1998; Gangl 2000). Vor allem in Ostdeutschland liegen die Abgangschancen junger Sozialhilfebezieher deutlich über jenen der älteren Personen (Buhr/Weber 1998). In diesem Ergebnis dürfte sich die hohe Mobilitätsbereitschaft junger Ostdeutscher aufgrund der hohen regionalen Arbeitslosigkeit und schlechten Ausbildungsmarktbedingungen nach der Wiedervereinigung widerspiegeln (z. B. Friedrich/Schultz 2005). Zudem gelingt es unter 25-jährigen Sozialhilfeempfängern auch schneller, die Sozialhilfe über andere Wege zu beenden.
47 Nach den Analysen von Graf (2007) beendeten unter 25-Jährige Mitte 2006, zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung zur Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaften (siehe auch Abschnitt 2.2.1), den Leistungsbezug besonders rasch. Dennoch können die jungen Erwachsenen weiter in der Bedarfsgemeinschaft der Eltern unter einem anderen Aktenzeichen Arbeitslosengeld II beziehen.
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„Vorstellbar ist hier, dass neben deren Familien- und sozialstaatlichen Transfers auch verstärkt andere Formen der Erwerbstätigkeit (geringfügig, Teilzeit) oder betriebliche Ausbildung/Erstausbildung bzw. auch Fortbildung/Umschulung wahrgenommen werden“ (Gebauer 2007: 217).
Berücksichtigt man dagegen einen Ausstieg erwerbstätiger Bezieher aus der Sozialhilfe durch Einkommenssteigerung, so können junge Erwachsene diese Möglichkeit seltener realisieren als Sozialhilfeempfänger mittleren Alters (Buhr/Weber 1998; Gangl 1998; Gangl 2000), was in den Studien jedoch nicht weitergehend diskutiert wird. Insgesamt dürfte das Ergebnis auf ein vergleichsweise geringes Einkommen in den ersten Erwerbsjahren hinweisen (siehe auch die Überlegungen in Kapitel 3.1.1). Ob damit für die jungen Leistungsempfänger auch ein höheres Risiko von Arbeitslosengeld-II-Bezug trotz Erwerbstätigkeit einhergeht, müssen die späteren empirischen Analysen zeigen. Ein empirischer Hinweis ist jedoch, dass Einkommensarmutsrisiken trotz Arbeit in Deutschland vor allem Haushalte mit jungen Haushaltsvorständen betrifft (Nollmann 2009). Neben Erwerbstätigkeit kann eine Ausbildung für junge Erwachsene eine arbeitsmarktrelevante Option darstellen. Die Bremer Studie zeigt zunächst für die Gruppe aller erwachsenen Sozialhilfebezieher, dass mit dem Beginn einer beruflichen Ausbildung der Sozialhilfebezug sowohl verursacht als auch beendet werden kann (Buhr 1995). Dieser Befund dürfte die heterogenen Lebenslagen junger Sozialhilfebezieher widerspiegeln, in denen sie einerseits die Wartezeit bis zum Beginn einer Ausbildung überbrücken oder andererseits über kein bedarfsdeckendes Einkommen während einer Ausbildung oder bei fehlenden Anrechten auf Ausbildungsförderung verfügen. Weiter beziehen Auszubildende im Schnitt überdurchschnittlich lange Sozialhilfe (ebd.: 125 ff.). Welche quantitative Bedeutung die Aufnahme einer Ausbildung für einen Ausstieg junger Erwachsener aus dem Leistungsbezug hat, kann bislang nicht abgeschätzt werden. Die Befunde zur Gesamtgruppe der 18- bis 64-jährigen Hilfebezieher zeigen, dass insgesamt nur vier Prozent aller Episoden auf diesem Weg beendet wurden. Unter jungen Erwachsenen im Grundsicherungsbezug dürfte jedoch eine Ausbildung quantitativ an Bedeutung gewinnen. Zahlen aus einer Befragung zeigen, dass rund 40 Prozent derjenigen 18- bis 24-jährigen Arbeitslosengeld-IIBezieher, die den Bezug beendet haben, im Anschluss in Studium oder Berufsausbildung sind (Achatz/Trappmann 2009). Ferner ist auf die Situation junger Alleinerziehender im Sozialhilfe- bzw. Arbeitslosengeld-II-Bezug hinzuweisen, die sich in den Studien als Risikogruppe für einen sich verfestigenden Leistungsbezug herausgestellt haben: Alleinerziehende unter 24 Jahren verbleiben im Schnitt länger und durchgängig im Leistungsbezug als ältere Alleinerziehende (Voges et al. 1996). Zwar
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analysieren und diskutieren die Autoren der Studie nicht die Gründe für die Situation der jungen Alleinerziehenden, mit Bezugnahme auf weitere Forschungsergebnisse von Andreß (2001) und Lietzmann (2009) kann jedoch argumentiert werden, dass unter den jungen Alleinerziehenden der individuelle Handlungsspielraum aufgrund multipler Probleme besonders eingeschränkt sein dürfte: Erstens haben sie oft noch sehr junge Kinder mit einem besonders hohen Betreuungsaufwand. Zweitens fehlt ihnen oft die Lebenserfahrung, um Kinder, Haushalt und Erwerbssuche zu organisieren. Drittens haben sie aufgrund der frühen Schwanger- und Elternschaft oftmals keine Ausbildung abgeschlossen und/oder Berufserfahrung erworben. Biographische Bedeutung des Grundsicherungsbezugs beim Übergang ins Erwachsenenalter Qualitative Fallstudien konstatieren besondere biographische Phasen im Grundsicherungsbezug junger Erwachsener. Zwar sind die altersspezifischen Ergebnisse dieser Studien aufgrund der geringen Fallzahlen nicht verallgemeinerbar, doch illustrieren sie, dass sich der Sozialhilfebezug unter den jungen Befragten auffallend auf bestimmte Lebenslagen konzentriert. Junge Personen überbrücken besonders häufig vorübergehende Mangellagen während institutionalisierter Übergangsphasen durch Sozialhilfe. Hierzu zählen beispielsweise angehende Studenten, die mittels Sozialhilfe die Zeit bis zu einem geplanten Studium oder Anerkennungsjahr überbrücken. Auch nutzen die jungen Personen den Sozialhilfebezug zur biographischen Neuorientierung, wenn sie eine Ausbildung oder ein Studium abgebrochen haben und ihre Pläne neu organisieren (Buhr 1995: 175 ff.). Die finanziellen Problemlagen junger Erwachsener, die den Sozialhilfebezug verursachen, bestehen oftmals nur vorübergehend, insbesondere bei Personen mit gutem Bildungsniveau (Ludwig 1996: 279). Die meisten jungen Sozialhilfeempfänger in Übergangslagen sehen im Sozialhilfebezug keine problematische Lebenslage, da eine knappe finanzielle Lage in jungen Jahren während Ausbildung oder Studium zur ‚Normalität’ zählt und sie es gewohnt sind, mit geringen Mitteln auszukommen (Buhr 1995: 215 f.). Vor allem junge Mütter sehen den Sozialhilfebezug als Chance, sich der Erziehung ihrer Kinder zu widmen – bzw. verfügen als Alleinerziehende kaum über Alternativen. Sobald die Kinder älter sind, wollen sie schrittweise wieder in das Berufsleben eintreten und ein Leben ohne Sozialhilfe führen. Inwieweit dies den Befragten jedoch gelingt, steht noch offen, da ihre Berufschancen nach längerer Abwesenheit vom Arbeitsmarkt gemindert werden könnten – insbesondere wenn sie über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen (ebd.: 181 ff.).
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Im jungen Erwachsenenalter besteht ein Verfestigungsrisiko in Armut, wenn Schwierigkeiten beim Erwerbseinstieg mit weiteren Benachteiligungen kumulieren und eine Erwerbstätigkeit häufig durch Arbeitslosigkeit, Krankheit, Kriminalität, Nichtsesshaftigkeit oder anderes unterbrochen wird (Ludwig 1996: 279). „Die Erwerbskarriere scheitert früh, weil die Person eine Ausbildung nicht abschließt oder nicht in den erlernten Beruf einsteigt. Oft sind es kritische Ereignisse, die schon im Jugendalter auftreten und die spätere Erwerbskarriere entscheidend destabilisieren. Später wechseln sich Erwerbs-, Arbeitslosigkeits- und Sozialhilfeepisoden sowie andere Auszeiten in rascher Folge ab. Die Chancen eines sozialen Aufstiegs, der endgültigen Beendigung des Sozialhilfebezugs, sind gering. Sie sind zwischen den Fällen jedoch durchaus unterschiedlich verteilt“ (ebd.: 188).
Nach Ludwig sind es auffällig oft junge Männer aus problematischen Herkunftsfamilien, die Probleme beim Übergang in Ausbildung und Beschäftigung haben; ihr Sozialhilfebezug ist „… wahrscheinlich auf ein lebensphasenspezifisch abweichendes Erwerbsverhalten zurückzuführen. Junge Männer aus der Unterschicht (…) sind wegen einer „peer group“Orientierung zunächst nur unregelmäßig erwerbstätig. Wenn sie älter werden, geben sie dieses Verhalten wieder auf. (…) Einige Personen, so ist zu schließen, können auch nach längerer Bezugsdauer aus der Sozialhilfe aussteigen und zumindest eine diskontinuierliche Erwerbskarriere aufnehmen“ (ebd.: 188).
Junge Frauen sind dagegen häufiger aus familiären Gründen im Leistungsbezug und können diesen, wenn auch nach längerer Dauer, oftmals durch Erwerbstätigkeit oder eine neue Partnerschaft beenden (ebd.: 288). Im Unterschied zur deutschen Forschungsliteratur wurden in einer Studie in Basel Lebenssituation und Problemlagen junger Sozialhilfeempfänger umfassend in den Blick genommen (Drilling 2004; Schaffner 2007). Zunächst ist festzuhalten, dass viele der betrachteten 18- bis 25-Jährigen über den Beobachtungszeitraum von drei Jahren dauerhaft oder wiederholt Sozialhilfe bezogen. Die meisten der jungen Personen wurden aufgrund einer unsicheren Erwerbssituation in Arbeitslosigkeit oder nicht-existenzsichernder Beschäftigung durch Sozialhilfe unterstützt. Finanzielle Notlagen während einer Ausbildung, familiäre oder gesundheitliche Probleme sind von geringerer Bedeutung (Drilling 2004: 142 f.). Die heterogenen Bestimmungsgründe und Funktionen des Sozialhilfebezugs junger Erwachsener lassen sich wie folgt typisieren:48
48 Ein weiterer Typ sind junge Erwachsene in rechtlich legitimierten Exklusionsprozessen (Drilling 2004: 250 ff., Typ 4), der fast ausschließlich aus geduldeten Ausländern besteht. Aufgrund der besonderen Rechtslage in der Schweiz wird dieser Typ hier nicht weiter ausgeführt.
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„Junge Erwachsene in institutionell gerahmten Integrationsprozessen mit Mangellagen“ (ebd.: 183 ff., Typ 1) sind mehrheitlich Auszubildende aus armen Familien. Im Rahmen der Berufsausbildung erwerben sie die Voraussetzungen für eine Erwerbskarriere, so dass sich die jungen Erwachsenen oftmals durch einen Erwerbseintritt oder Ausbildungsförderung von der Sozialhilfe lösen können. Die Integration in eine Lehre oder Erwerbstätigkeit ist jedoch nicht immer erfolgreich. Weiter haben „junge Erwachsene in unsicheren und diskontinuierlichen Assimilationsprozessen“ (ebd.: 203 ff., Typ 2) zwar Schule und Ausbildung erfolgreich abgeschlossen, der Eintritt in das Erwerbsleben ist ihnen jedoch (noch) nicht gelungen. Die Sozialhilfe übernimmt eine Überbrückungsfunktion, bis die jungen Erwachsenen am Arbeitsmarkt Fuß fassen oder Förderprogramme und vorrangige Transferleistungen erhalten. Ein Teil der jungen Erwachsenen nimmt im Zeitraum der Studie eine der Ausbildung adäquate Beschäftigung auf, doch viele beziehen auch wiederholt Sozialhilfe (ebd.: 143). Dennoch beweisen die jungen Erwachsenen dieses Typs eine hohe Arbeitsorientierung und nehmen auch atypische Jobs an. „Dass die jungen Erwachsenen bereit sind, sich in diese prekären Arbeitsprozesse einzugliedern, um damit den Bezug zum Arbeitsmarkt garantieren zu können, das zeichnet den Assimilationsprozess aus“ (ebd.: 212). „Junge Erwachsene in psychosozialen Krisen und Chronifizierung psychischer Erkrankungen“ (ebd.: 224 ff., Typ 3) sind meist ohne Ausbildungsabschluss. Soziale Probleme wie frühe Mutterschaft oder gesundheitliche Einschränkungen verstärken oftmals den Teufelskreis aus Leistungsbezug und Langzeitarbeitslosigkeit. Die Sozialhilfe dient als Einkommensersatz. Die Gruppe „junger Erwachsener in kontingenten Prozessen der Stabilisierung oder der gesundheitlichen Deprivation“ (ebd.: 276 ff., Typ 5) setzt sich aus Arbeitslosen, jungen Müttern und jungen Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen zusammen, die aufgrund weiterer Problemlagen wie eine fehlende Ausbildung, soziale Isolation und Verschuldung kaum am ersten Arbeitsmarkt Fuß fassen können. Dabei lassen sich zwei unterschiedliche Bewältigungsstrategien charakterisieren: Ein Teil dieser jungen Erwachsenen plant einen Neuanfang mit der (Wieder-)Aufnahme einer beruflichen Qualifikation. Der andere Teil resigniert, zieht sich mitunter in massiven Drogenkonsum zurück. Die Sozialhilfe übernimmt zum einen eine Überbrückungsfunktion, zum anderen eine einkommensersetzende Funktion (siehe auch ebd.: 163 ff.).
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Die Bewältigungsmöglichkeiten der jungen Sozialhilfebezieher hängen vorwiegend von ihren biographischen Erfahrungen ab, dennoch erwerben sich auch während des Bezugs weitere positive und negative Handlungsoptionen. Besonders benachteiligt sind Personen, die Armut und Überforderung bereits in der Herkunftsfamilie erlebt haben oder die mangels sozialer Unterstützung nach Schulabschluss keine Ausbildung finden (Schaffner 2007). Eine Fallstudie zu Arbeitslosengeld-II-Empfängern (Hirseland/Ramos-Lobato 2010: 30 f.) zeigt ergänzend, dass der Übergang junger Menschen aus problematischen Herkunftsfamilien in Ausbildung und Beschäftigung auffallend oft an überzogenen Erwartungen an den Arbeitsmarkt scheitert. 4.2
Exkurs: Konsequenzen von Armut im Kindes- und Jugendalter
Die Forschungsliteratur zur Kinder- und Jugendarmut beschreibt, dass ein Aufwachsen in armen Familien die persönliche Entwicklung weitreichend beeinträchtigen kann. Im Vordergrund steht die Frage, ob eingeschränkte Entwicklungs- und Bildungsmöglichkeiten in der Herkunftsfamilie bereits eine langfristige Konsolidierung von Armut bedingen. Für die Gruppe der jungen Arbeitslosengeld-II-Empfänger können wesentliche Erkenntnisse über deren Bedingungen beim Aufwachsen sowie über ihre aktuellen Lebensumstände abgeleitet werden, sofern sie noch bei den Eltern leben (Aassve et al. 2006: 26) und ihre finanzielle Lage von deren Erwerbssituation abhängt (Popp et al. 2006). Armut und Hilfebezug von Kindern und Jugendlichen sind in erster Linie auf Arbeitslosigkeit oder ein nicht ausreichendes Einkommen der Eltern zurückzuführen (Aassve et al. 2006; Buhr 2001; Ermisch et al. 2001), wobei Familien mit geringem sozioökonomischen Status besonders gefährdet sind. Etwa leben ungelernte Arbeiter und deren Familien eher in ökonomisch und kulturell deprivierten Lebenslagen (Grundmann 2001). Weiter sind kinderreiche Familien und Haushalte von Alleinerziehenden überdurchschnittlich oft von finanziellen Problemen und Unterversorgung in mehreren Lebensbereichen betroffen (Andreß/Lipsmeier 2001; Bäcker 2003; Deutsche Bundesregierung 2008; Groh-Samberg/Grundmann 2006; Joos 2001; Zimmermann 2001). Kinder und Jugendliche aus armen Familien weisen oftmals ein geringes psychisches Wohlbefinden (Klocke 1996; Mansel 1998) und einen schlechten Gesundheitszustand oder schlechtes Gesundheitsverhalten auf (Holz 2008; Klocke 2008; Klocke/Hurrelmann 1995; Klocke/Lipsmeier 2008), zeigen Anzeichen von mangelnder Ernährung oder leben in schlechten und beengten Wohnverhältnissen (Zimmermann 2001) und sind schließlich häufiger von multiplen sozialen Unterversorgungslagen betroffen (Hock et al. 2000; Holz et
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al. 2006). Studien zeigen, dass viele Eltern eher an den Ausgaben für sich selbst sparen, um die negativen Auswirkungen für ihre Kinder so weit wie möglich abzufedern. So nehmen ihre Kinder die objektiven finanziellen Restriktionen des Haushalts subjektiv nicht gleichermaßen wahr (Baarda et al. 1990; Walper 2001). Doch kann die Belastung der Eltern durch die Armutslagen auch zu familiären Konflikten und Streit zwischen den Eltern führen und die ElternKind-Beziehung beeinträchtigen (Conger et al. 1997). Bereits kurzfristige Armut beeinflusst die Lebensbedingungen und das familiäre Umfeld von Kindern und Jugendlichen, doch dauerhafte Armut wirkt sich deutlich aus (Conger et al. 1997; Smith et al. 1997) mit teils langfristigen Konsequenzen im späteren jungen Erwachsenenalter (Hammer 2009; Walper 2009). Insgesamt weisen die Befunde auf ein hohes Risiko für eine beeinträchtigte psychische, physische und soziale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen aus Armutshaushalten hin. Die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen, erscheinen als Schlüssel einer möglichen Vererbung von Armut. Studien zeigen, dass sich die kognitiven und schulischen Kompetenzen von Kindern, die in benachteiligten Lebenslagen aufwachsen, langsamer entwickeln als von Kindern aus wohlhabenden Familien (Grundmann 2001). Die Folgen sind sowohl im Vorschulalter als auch in der Schulzeit zu sehen (Conger et al. 1997; Smith et al. 1997). Kinder aus einkommensschwachen Familien erzielen oftmals geringere Schulerfolge, verfügen über geringere Bildungsaspirationen und schließen die Schulzeit mit höherer Wahrscheinlichkeit mit niedrigeren Abschlüssen ab als Kinder aus nicht armen Familien (z. B. Becker 1999; Bieligk 1996; Cocoran/Adams 1997; Ermisch et al. 2001; Gambetta 1987; Hacket et al. 2001; Holz 2008; Krug/Popp 2008; Schneider 2004; Teachman et al. 1997). Vor allem Kinder arbeitsloser Eltern streben seltener das Abitur an als Kinder von Erwerbstätigen (Becker 1998b; Becker 1999; Becker/Nietfeld 1999). Da Armut, Arbeitslosigkeit und soziale Herkunft der Eltern weitgehend zusammenhängen, überlagern sich zwar finanzielle und Statuseffekte auf die Bildungschancen der Kinder (Becker 1998b), doch verstärkt Armut teilweise noch die bestehenden Unterschiede nach sozialer Herkunft (Groh-Samberg/Grundmann 2006). 4.3
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
Die Befunde der quantitativen und qualitativen Forschung weisen darauf hin, dass eine hohe Dynamik im Grundsicherungsbezug vorwiegend über die individuellen Möglichkeiten und lokalen Gegebenheiten am Arbeitsmarkt vermittelt wird. Die Überlegungen zu einer Abhängigkeit vom Transferbezug, die zwar in der theoretischen Diskussion eine wichtige Rolle spielen, finden sich
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in den empirischen Ergebnissen nicht gleichermaßen wieder. Vielmehr legt der Forschungsstand eine differenzierte Betrachtung der Lebenslagen nahe, in denen auch rationale Abwägungen in bestimmten biographischen Lebensabschnitten oder eine Haltung der Resignation bei besonders benachteiligten Teilgruppen der Sozialhilfeempfänger von Bedeutung sind. Hinsichtlich der Situation junger Grundsicherungsempfänger stellen vorübergehende Mangellagen ebenso wie Verfestigungstendenzen typische Erscheinungsformen im Grundsicherungsbezug dar. Die Befunde können zunächst als eine Polarisierung der Gruppe junger Grundsicherungsempfänger in „privilegierte Kurzzeitbezieher“ und benachteiligte Personen in dauerhaften Abstiegsprozessen und Erwerbsferne gelesen werden: Vorübergehender Transferbezug wird in biographischen Überbrückungsphasen nach Schule oder Ausbildung verortet und im Zusammenhang mit einer gegenüber älteren Beziehern höheren Erwerbsmobilität gesehen. Das Risiko eines sich verstetigenden Grundsicherungsbezugs wird dagegen für junge Alleinerziehende und junge Erwachsene in diskontinuierlichen Übergängen in das Erwerbsleben aufgezeigt. Die in der Forschungsliteratur herangezogenen Erklärungen und Interpretationen beruhen im Wesentlichen auf den Erkenntnissen der arbeitsmarkttheoretischen Übergangsforschung zur Erwerbsmobilität am Ausbildungsmarkt und in den ersten Erwerbsjahren. Die armutstheoretischen Ansätze, wonach junge Erwachsene während der sozial verwundbaren Statuspassagen in das Erwachsenenalter eine Abhängigkeit von Arbeitslosengeld II entwickeln können, rücken dagegen in den Hintergrund. Die individuellen Erfahrungen hinsichtlich des Transferbezugs werden bislang allein für den Zusammenhang zwischen Sozialhilfebezug im jungen Erwachsenenalter und dem Aufwachsen in familiärer Armut thematisiert. Die Befunde zur Kinder- und Jugendarmut legen nahe, dass frühe familiäre Armutserfahrungen zu sozial verwundbaren Statuspassagen in Armut im jungen Erwachsenenalter und eingeschränkten Erwerbs- und Ausbildungschancen führen. Diese Systematisierung des Forschungsstands zeigt, dass noch maßgebliche Lücken zwischen der theoretischen Diskussion um die Bedingungsfaktoren des Arbeitslosengeld-II-Bezugs beim Übergang in das Erwachsenenalter und den existierenden empirischen Befunden bestehen. Um die Abgangswege junger Erwachsener aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug beschreiben und erklären zu können, soll im Weiteren die aus der Forschung zum Übergang von der Schule in die Erwerbstätigkeit eingenommene arbeitsmarktbezogene Perspektive um Aspekte finanzieller Hilfebedürftigkeit und Armut erweitert werden. Hierzu werden im folgenden Kapitel die vorliegenden Befunde mit den theoretischen Diskurslinien zusammengeführt.
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Zwischenfazit und Ausblick auf die empirischen Analysen
Im ersten Teil der vorliegenden Arbeit wurde vor dem Hintergrund der theoretischen und empirischen Literatur diskutiert, welche zeitlichen Strukturen der Arbeitslosengeld-II-Bezug annehmen kann und wie Bezugsepisoden im Übergang in das Erwachsenenalter beurteilt werden können. Anhand dieses Rahmens können nun das Forschungsinteresse und der Analyseansatz für die vorliegende Studie präzisiert werden. Hierzu werden im folgenden Abschnitt die wichtigsten Aussagen des ersten Teils der Arbeit und die Schlussfolgerungen zusammengefasst (Abschnitt 5.1) und anschließend Hypothesen formuliert (Abschnitt 5.2). Das Kapitel schließt mit einem Blick auf die ausgewählte Analysestichprobe (Abschnitt 5.3) für den folgenden empirischen Teil. 5.1
Rückblick auf die Diskussion und Präzisierung des Forschungsbedarfs
Ziel der Studie ist, erstens die Zeitlichkeit des Arbeitslosengeld-II-Bezugs im jungen Erwachsenenalter zu beschreiben und zweitens im Rahmen der sozialen und individuellen Voraussetzungen zu erklären. Als Ausgangspunkt wurde eine lebensverlaufstheoretische Perspektive auf den Arbeitslosengeld-II-Bezug junger Erwachsener eingenommen. Die zeitliche Lage und die Entwicklung des Arbeitslosengeld-II-Bezugs im Übergang in das Erwachsenenalter bilden nach sozialen Strukturen differenzierte Prozesse ab, so die zentrale Annahme. Die theoretische Diskussion hat den Fokus auf folgende Aspekte gelenkt: •
Die ökonomische Verselbstständigung junger Erwachsener aus dem Arbeitslosengeld II wird vorrangig in der Statuspassage in das Erwerbsleben verortet, obwohl auch familiäre Ablösungsprozesse und Familiengründung eine Rolle für die soziale Positionierung der jungen Erwachsenen spielen. Der Arbeitslosengeld-II-Bezug wird durch die institutionellen Rahmenbedingungen im Übergangssystem von der Schule in die Erwerbstätigkeit sowie von der in der Grundsicherung für Arbeitssuchende verbrieften Armutspolitik zeitlich strukturiert (Kapitel 2.2). Am Ende von Kapitel 2 wurde die Schlussfolgerung gezogen, dass
B. Schels, Arbeitslosengeld-II-Bezug im Übergang in das Erwerbsleben, DOI 10.1007/978-3-531-18777-8_5, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
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an der ersten Schwelle, dem Übergang in die Berufsausbildung, und an der zweiten Schwelle, bei Erwerbseintritt und in den ersten Erwerbsjahren die maßgeblichen Schnittstellen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende bestehen, an denen sich die Fragen nach den individuellen Ausstiegschancen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug stellen. Gemäß den Leitprinzipien der Aktivierungspolitik sollte der Arbeitslosengeld-II-Bezug junger Erwachsener an den Schnittstellen von möglichst kurzer Dauer sein. Es ist eine intensivierte Aktivierung unter 25-Jähriger vorgesehen, um riskanten Erfahrungen im längeren Bezug von Arbeitslosengeld II vorzubeugen, die eine Abhängigkeit von den Sozialtransfers hervorrufen können. Der Verlauf des Arbeitslosengeld-II-Bezugs dürfte weiter von den individuellen Handlungsmöglichkeiten der jungen Erwachsenen geprägt sein. Die jungen Erwachsenen haben in Abhängigkeit von der sozialen Herkunft in ihrer Bildungs- und Erwerbsbiographie Ressourcen in unterschiedlichem Umfang und unterschiedlicher Wertigkeit erworben, die sie an den Schnittstellen zum Berufsbildungssystem und am Arbeitsmarkt umsetzen können. In Kapitel 3 wurden diesbezüglich diverse mikrosoziologische Ansätze zur Nachfrage am Arbeits- und Ausbildungsmarkt nach Arbeitnehmern und Auszubildenden und zum Erwerbs- und Ausbildungsverhalten von Grundsicherungsempfängern herangezogen, anhand derer die Abgangschancen junger Erwachsener aus dem Grundsicherungsbezug aus eigener Kraft erklärt werden können.
Die theoretische Diskussion wurde in Kapitel 4 um empirische Befunde ergänzt. Es wurde deutlich, dass zwar umfassende Informationen zur Dynamik des Grundsicherungsbezugs erwachsener Personen vorliegen, der Erkenntnisstand zu jungen Erwachsenen jedoch noch erhebliche Lücken aufweist: •
Die bisherige Sozialhilfeforschung weist auf diverse Lebenslagen junger Erwachsener im Kurzzeitbezug oder länger andauernden Leistungsbezug hin. Doch fehlen bislang empirische Studien, anhand derer die Dauer des Arbeitslosengeld-II-Bezugs nach den heterogenen Lebenslagen beim Übergang in das Erwachsenenalter systematisch nachvollzogen werden kann. Es ist wenig über Ausmaß, Relevanz und Charakteristika der Verlaufsmuster im Grundsicherungsbezug bekannt, nach denen sich biographische Überbrückungsphasen oder Risiken eines sich verfestigenden Grundsicherungsbezugs bezeichnen lassen.
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5.2
Ferner existiert in der bisherigen Forschung zur Dynamik von Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II kaum eine empirische Basis, um Fragen zum Zusammenhang von finanzieller Hilfebedürftigkeit und dem Übergang von der Schule in die Erwerbstätigkeit zu beantworten. Der Einfluss von qualifikatorischen Ressourcen, Haushaltsbedingungen und finanziellen Anreizen, wie sie sich für die Erwerbsintegration erwachsener Grundsicherungsbezieher als bedeutsam herausgestellt haben, muss für die jungen Erwachsenen im Kontext der institutionellen Rahmenbedingungen in der Ausbildung, den Konkurrenzsituationen beim Erwerbseintritt und unter dem Einfluss familiärer Ressourcen überprüft werden. Eine Untersuchung des Grundsicherungsbezugs junger Erwachsener erscheint auch deshalb nötig, weil sich mit dem Übergang in das Erwerbsleben, durch Ablösung vom Elternhaus sowie Gründung einer eigenen Familie lebensphasenspezifische Armutsrisiken herausbilden können (Aassve et al. 2006; Reinowski/Steiner 2006). Bedenkt man, dass temporäre und niedrig entlohnte Beschäftigung insbesondere am Anfang des Erwerbslebens auftreten und die Bedarfslagen und Möglichkeiten der Erwerbsbeteiligung mit einer Familiengründung verschärft werden, so ergibt sich auch die Frage, ob eine Erwerbstätigkeit den jungen Erwachsenen überhaupt reale Chancen auf einen Beendigung des Arbeitslosengeld-II-Bezugs vermittelt. Weiter stellt sich die Frage, ob Armut in der Statuspassage in das Erwachsenenalter die Erwerbs- und Ausbildungschancen beeinträchtigt und zu einer Verfestigung des Leistungsbezugs führt. Wie die Befunde zur Kinder- und Jugendarmut zeigen, schränkt familiäre Armut mit hoher Wahrscheinlichkeit die Entwicklungsmöglichkeiten und Bildungschancen der Kinder ein. Doch wurden die Erwerbs- und Einkommenschancen junger Personen nach sozialer Herkunft nur vereinzelt empirisch nachvollzogen. Aussagen über eine Entwicklung sozial ungleicher Ausstiegschancen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug sind bislang nicht möglich. Hypothesen
Die verschiedenen inhaltlichen Überlegungen können nun hinsichtlich der Frage vertieft werden, in welchen Lebenslagen junge Erwachsene Arbeitslosengeld II beziehen, welche Abgangswege aus der Grundsicherung ihnen in Ausbildung und Beschäftigung offenstehen und von welchen Faktoren ihre Abgangschancen beeinflusst werden. Es kann zwischen Bedingungsfaktoren unterschieden
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werden, die erstens durch die lebensphasenspezifischen Statuspassagen in das Erwachsenenalter strukturiert und zweitens durch individuell unterschiedliche Risiken am Arbeitsmarkt und im Berufsbildungssystem hervorgerufen werden. Für den empirischen Teil der Arbeit lassen sich folgende Hypothesen zu den zeitlichen Strukturen und Bedingungsfaktoren im Arbeitslosengeld-II-Bezug formulieren. Der Arbeitslosengeld-II-Bezug entwickelt sich mit den Statuspassagen des Berufs- und Familienlebens. Die Lebenslage junger Erwachsener im Leistungsbezug wird durch ihre Situation beim Übergang in das Erwachsenenalter bestimmt, so dass sowohl Erwerbsstatus als auch Haushaltskonstellation Indikatoren für ihre soziale Positionierung darstellen. Es wird davon ausgegangen, dass sich die Ressourcenlage und der Handlungsspielraum junger Arbeitslosengeld-II-Empfänger maßgeblich danach unterscheidet, ob sie sich noch im Bildungssystem befinden oder ihre Schul- und Berufsausbildung bereits abgeschlossen haben, ob sie noch im Haushalt ihrer Eltern leben, alleine leben oder mit Partner und/oder Kind(ern) eine eigene Familie gegründet haben. Auch dürften die Regelungen in der Grundsicherung für Arbeitssuchende die Rahmenbedingungen eines lebensphasenspezifischen Grundsicherungsbezugs vorgeben: Obwohl Schüler und Auszubildende einerseits und Betreuungspersonen von Kleinkindern andererseits faktisch in sehr unterschiedlichen Lebenssituationen Arbeitslosengeld II beziehen, ist ihnen gemeinsam, dass sie von einer Aktivierung in der Grundsicherung für Arbeitssuchende und einer Erwerbsintegration für die Dauer der Ausbildung bzw. bis das jüngste Kind drei Jahre alt ist, ausgenommen sind. Daher können Bildungsphasen und Kindererziehungszeiten als sozial akzeptierte Lebensphasen im Arbeitslosengeld-II-Bezug während institutionalisierter Mangellagen verstanden werden. Die reale Dauer des Arbeitslosengeld-II-Bezugs, bis sich die jungen Erwachsenen ihre ökonomische Lage im Bedarfsgemeinschaftskontext stabilisieren können, dürfte von den unterschiedlichen Kontextbedingungen in der Familie und dem Übergangssystem abhängen: •
Während einer Schul- oder Berufsausbildung geht der Arbeitslosengeld-IIBezug mit einer länger andauernden Investition in das individuelle Humankapital einher. Der Arbeitslosengeld-II-Bezug sollte unter sonst konstanten Bedingungen eine stabile und erwartbare Episode darstellen, die im institutionalisierten Schul- und Ausbildungssystem durch die Regelungen zur Ausbildungsdauer und -förderung strukturiert ist. Zwar dürfte eine vorrangige Ausbildungsförderung in vielen Fällen den Bezug von
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Arbeitslosengeld II während der Ausbildung überflüssig machen, so dass die jungen Erwachsenen auch mit einem Übergang in Berufsausbildung ein nachhaltiges Ende des Grundsicherungsbezugs erzielen können. Doch sind, wie in Kapitel 2 dargestellt, junge Erwachsene in teilqualifizierenden Ausbildungsprogrammen, die vor allem von gering qualifizierten jungen Erwachsenen besucht werden, sowie junge Erwachsene mit eigener Familie Ausnahmen einer ausschließlichen Ausbildungsförderung durch BAB und BAFöG, die daher auch während einer Ausbildung im Arbeitslosengeld-IIBezug verbleiben können. Mit Familiengründung und einer lebensphasenspezifischen Spezialisierung eines Elternteils auf die Kinderbetreuung dürften junge Erwachsene und ihre Bedarfsgemeinschaft zusätzliche finanzielle Belastungen erfahren. Gerade junge Eltern, die oftmals noch Kleinkinder mit hohem Betreuungsaufwand haben, dürften kaum eine Erwerbs- oder Ausbildungsbeteiligung mit den Betreuungspflichten vereinbaren können oder wollen. So sollten vorwiegend junge Erwachsene mit Kindern länger im Arbeitslosengeld-II-Bezug verbleiben als Alleinstehende oder Paare ohne Kinder. Das höchste Risiko im längeren Arbeitslosengeld-II-Bezug dürften jedoch Alleinerziehende tragen. Dabei wird von geschlechtsspezifischen Abgangschancen aus dem Bezug von Arbeitslosengeld II in Ausbildung und Beschäftigung ausgegangen, da in den Bedarfsgemeinschaften traditionelle Geschlechterrollen vorherrschen dürften. In Kapitel 3.1.2 wurden Argumente angeführt, dass junge Mütter im Arbeitslosengeld-II-Bezug aufgrund individueller Präferenzen, sozialer Normen und erschwerter Wiedereinstiegschancen in das Arbeitsleben eine geringere Ausbildungs- und Erwerbsneigung zeigen als junge Väter. Sie dürften daher im Vergleich geringere Abgangschancen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug durch Aufnahme einer Ausbildung oder Erwerbstätigkeit erzielen.
Längerer Arbeitslosengeld-II-Bezug geht mit finanziellen Unsicherheiten beim Erwerbseintritt einher. Obwohl die Erwartungen an einen Ausstieg junger Erwachsener aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug vorrangig an einen Eintritt in Ausbildung und Beschäftigung geknüpft sind, weisen die arbeitsmarkttheoretischen Überlegungen in Kapitel 3.1.1 auf Bedingungen beim Erwerbseinstieg hin, die mit finanziellen Unsicherheiten einhergehen können. Zum einen sind die Einstiegslöhne oftmals niedrig, so dass junge Arbeitslosengeld-II-Empfänger bei Eintritt in das Erwerbsleben geringere Chancen auf einen Ausstieg aus dem
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Grundsicherungsbezug haben dürften als nach erster Erwerbstätigkeit. Zum anderen erfahren Personen in den ersten Erwerbsjahren oft noch eine geringe Beschäftigungsstabilität, die auch mit höherer Wahrscheinlichkeit erneute Arbeitslosigkeit bedingt. Ein erneuter Leistungsbezug von Arbeitslosengeld II dürfte dann der Fall sein, wenn die jungen Erwachsenen zwischenzeitlich keine ausreichenden Ansprüche auf Arbeitslosengeld I erwerben. Unter diesen Bedingungen sind nachhaltige Ausstiegschancen aus dem Arbeitslosengeld II in existenzsichernde Beschäftigung nicht immer unmittelbar zu erwarten und auch Übergänge in nicht-existenzsichernde Arbeit oder Ausbildung im weiteren Arbeitslosengeld-II-Bezug sowie instabile Lebenslagen im wiederholten Arbeitslosengeld-II-Bezug zu beobachten. Es ist anzunehmen, dass sich Startschwierigkeiten beim Übergang in Ausbildung und beim Erwerbseintritt auch in einem diskontinuierlichen Arbeitslosengeld-II-Bezug widerspiegeln. Somit steht auch die in der Jugendforschung vorrangig vertretene These auf dem Prüfstand, dass Armut im jungen Erwachsenenalter hauptsächlich eine temporäre Erfahrung darstelle, die mit dem Erwerbseintritt überwunden werde. Längerer Arbeitslosengeld-II-Bezug entsteht aufgrund individueller, familiärer und sozialer Benachteiligungen im Berufsbildungssystem und am Arbeitsmarkt. In Kapitel 3 wurden verschiedene Erklärungsansätze vorgestellt, wonach sich aus den individuellen Arbeitsmarktchancen und dem Arbeitsmarktverhalten junger Erwachsener unterschiedliche Verfestigungsrisiken im ArbeitslosengeldII-Bezug ergeben. Es können folgende Teilhypothesen formuliert werden: •
Der Arbeitslosengeld-II-Bezug unter jungen Erwachsenen besteht mit umso höherer Wahrscheinlichkeit, je geringer die individuellen Zugangschancen in Ausbildung und Beschäftigung sind. Es wird erwartet, dass sich geringe Abgangschancen aus dem ArbeitslosengeldII-Bezug im besonderen Maße auf benachteiligte Gruppen konzentriert. Zunächst dürften junge Erwachsene mit geringen qualifikatorischen Ressourcen nach humankapitaltheoretischen Produktivitätsannahmen am Arbeits- und Ausbildungsmarkt in der Konkurrenz zu höher qualifizierten oder erfahrenen Erwerbspersonen benachteiligt sein. Zum einen dürften junge Erwachsene über umso geringere Abgangschancen aus dem Arbeitslosengeld II in Ausbildung und existenzsichernde Beschäftigung verfügen, je niedriger ihre Schulabschlüsse sind. Weiter dürfte ein fehlender Berufsabschluss den Übergang in Beschäftigung erschweren. Zudem wird erwartet, dass die Erwerbserfahrung für die Abgangschancen aus Arbeitslosengeld II in Beschäftigung eine
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maßgebliche Rolle spielt, da die Erwerbs- und Einkommenschancen mit zunehmender Erfahrung steigen. Dabei dürfte neben dem Umfang auch die Qualität der bisherigen Erwerbsbeteiligung entscheidend sein, da Erfahrungen in regulären sozialversicherungspflichtigen Tätigkeiten gegenüber geringfügiger Beschäftigung als besseres Signal für die Eignung und bisherige Leistung junger Personen am Arbeitsmarkt bewertet werden. Es kann erwartet werden, dass junge Erwachsene in geringfügigen Beschäftigungspositionen weiterhin kaum nachhaltige Abgangsmöglichkeiten aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug erwerben können im Vergleich zu jungen Erwachsenen in regulären Tätigkeiten. Weiter wird die Annahme formuliert, dass Arbeitslosigkeit – vor allem Langzeitarbeitslosigkeit und wiederkehrende Arbeitslosigkeit – im Rekrutierungsprozess eine geringe Eignung und Motivation signalisiert, so dass junge Erwachsene in Arbeitslosigkeit abnehmende Chancen auf stabile existenzsichernde Beschäftigungsmöglichkeiten erfahren. Nach ähnlichen Überlegungen dürften auch Betriebe ihre Ausbildungsstellen besetzen, so dass sich Arbeitslosigkeit bereits im Anschluss an die Schulzeit auf die Übergangschancen in eine Ausbildung mit einer dem Arbeitslosengeld II vorrangigen Ausbildungsförderung auswirken dürfte. Darüber hinaus wurde argumentiert, dass Arbeitgeber Personengruppen systematisch benachteiligen, da sie Rekrutierungsentscheidungen auf Basis askriptiver Individualmerkmale treffen. Es ist zu erwarten, dass junge Migranten im Vergleich zu Nicht-Migranten und Frauen im Vergleich zu Männern unter sonst gleichen Voraussetzungen geringere Chancen haben, den Arbeitslosengeld-II-Bezug auf Dauer über den Arbeitsmarkt oder eine betriebliche Ausbildung zu beenden. Es ergeben sich altersspezifische Abgangschancen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug durch die Zielgruppenförderung unter 25Jähriger: Die Abgangschancen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug durch eine Erwerbs- oder Ausbildungsintegration dürften durch das verstärkte Fordern und Fördern der unter 25-jährigen gegenüber älteren Leistungsempfängern erhöht werden. Es wird erwartet, dass sich entlang der Altersgrenze beim 25. Lebensjahr unterschiedlich schnelle Abgänge aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug auch unabhängig von der individuellen Lebenslage ergeben. Greift die intensivierte Aktivierung, dann dürften unter 25-Jährige im Vergleich zu den ab 25-Jährigen unter sonst gleichen Bedingungen den Arbeitslosengeld-II-Bezugs schneller durch eine Erwerbs- oder Ausbildungsintegration beenden.
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Längerer Arbeitslosengeld-II-Bezug von jungen Erwachsenen ist die Konsequenz einer „Armutsfalle“ im Leistungssystem: Hinsichtlich des Erwerbsverhaltens wird nach der in Kapitel 3.2.1 vorgestellten Rational-Choice-Argumentation erwartet, dass junge ArbeitslosengeldII-Empfänger sich nicht am Arbeitsmarkt oder in Berufsausbildung engagieren, wenn ihnen ein Verbleib in Inaktivität im ArbeitslosengeldII-Bezug als höherer finanzieller Nutzen erscheint („Armutsfalle“). Der Ansatz verweist auf eine Entscheidungssituation, in der Empfänger von Sozialleistungen ihre Erwerbs- und Ausbildungsentscheidungen von kurzfristigen finanziellen Anreizen abhängig machen. Als vorrangiger Nutzen einer Erwerbsbeteiligung wird die Steigerung des Einkommens auf ein existenzsicherndes Niveau über dem Arbeitslosengeld II definiert. Das Risiko einer „Armutsfalle“ im Arbeitslosengeld-II-Bezug ist umso höher, je weniger finanzieller Druck für eine Arbeits- oder Ausbildungsaufnahme der jungen Erwachsenen im Haushaltskontext besteht. Dementsprechend ist zu erwarten, dass erstens eine Erwerbsoder Ausbildungsbeteiligung nur dann eine attraktive Option darstellt, wenn damit ein Abgang aus dem Grundsicherungsbezug ermöglicht wird. Wenn dagegen die jungen Erwachsenen ihre Erwerbs- und Ausbildungsentscheidungen nicht (allein) von kurzfristigen finanziellen Kosten-Nutzen-Abwägungen abhängig machen, dürften sie sich auch trotz weiter andauerndem Grundsicherungsbezug in Erwerbstätigkeit und Ausbildung beteiligen. Zweitens dürften die kurzfristigen Anreize, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, umso größer sein, je schlechter die finanzielle Lage im Grundsicherungsbezug ist. Ein Indikator hierfür ist das Haushaltsäquivalenzeinkommen49. Denn das Einkommen junger Grundsicherungsempfänger dürfte variieren, wenn beispielsweise im Haushalt Zuverdienstmöglichkeiten genutzt werden oder sie finanzielle Transfers in der Familie oder Einkommen aus anderen Quellen erhalten. Junge Erwachsene entwickeln auf Dauer eine Abhängigkeit im Arbeitslosengeld-II-Bezug: Aus psychologischer Sicht büßen junge Erwachsene ihre Erwerbs- bzw. Ausbildungsmotivation ein, wie in Kapitel 3.2.2 erläutert, wenn sie auf Dauer im Grundsicherungsbezug
Die finanziellen Anreize werden in der Studie aus methodischen Gründen nicht über Lohnabstand oder Reservationslohn modelliert. Denn erstens wurde der Reserverationslohn in der Befragung (siehe Abschnitt 5.3) für ab 25-Jährige erhoben. Zweitens kann der Lohnabstand von jungen Erwachsenen in heterogenen Lebenslagen nur unpräzise definiert werden, da sich das potentielle Markteinkommen aus Ausbildungsvergütung, Ausbildungsförderung oder Einstiegslöhnen variierend zusammensetzt.
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verbleiben. Können die Leistungsempfänger ihre Erwartungen, finanzielle Eigenständigkeit zu erzielen, real am Arbeitsmarkt nicht umsetzen, verlieren sie ihre Möglichkeiten, die eigene Lebenssituation zu kontrollieren. Es wird angenommen, dass die jungen Erwachsenen schließlich selbst unter verbesserten Bedingungen am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt ihre Handlungsfähigkeit nicht mehr wahrnehmen. Dem zufolge müsste die Erwerbsneigung der jungen Leistungsbezieher mit der Dauer des Leistungsbezugs abnehmen, so dass eine negative Zeitabhängigkeit im Leistungsbezug unter Berücksichtigung aller wesentlichen Selektionsfaktoren am Arbeitsmarkt erwartet wird.50 Ebenso dürften die jungen Arbeitslosengeld-II-Bezieher unter sonst gleichen Bedingungen mit umso höherer Wahrscheinlichkeit im Bezug verbleiben, je häufiger sie bereits arbeitslos und im Leistungsbezug waren. Für den vorangegangenen Leistungsbezug werden sowohl die kumulierten Episoden im Arbeitslosengeld-II-Bezug als auch Erfahrungen in den ehemaligen Grundsicherungssystemen der Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe herangezogen. Zudem dürften langfristige Erfahrungen von Transferbezug durch frühzeitige Erfahrungen von Arbeitslosigkeit und Nicht-Erwerbstätigkeit im Familienkontext begründet sein. Längerfristiger Arbeitslosengeld-II-Bezug ist die Konsequenz früher Armuts- und Arbeitslosigkeitserfahrungen in der Herkunftsfamilie: Es werden herkunftsspezifische Dauern des Arbeitslosengeld-II-Bezugs und Abgangschancen aus dem Grundsicherungsbezug erwartet, für die theoretisch zwei unterschiedliche Erklärungen angeführt werden: Ungleiche Ausstiegschancen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug können zum einen mit einer Vererbung des sozioökonomischen Status der Herkunftsfamilie zusammenhängen. Einem schwierigen Erwerbseinstieg von jungen Personen aus unteren sozialen Schichten dürfte oftmals eine nicht ausreichende Akkumulation von (Bildungs-) Ressourcen vorausgegangen sein, die für eine Etablierung in der Ausbildung und am Arbeitsmarkt relevant sind (Kapitel 3.1.1). So dürften sich pfadabhängige Ausstiegschancen aus dem Leistungsbezug durch schichtspezifische Bildungschancen ergeben. Anzunehmen ist, dass sich sozial differenzierte Bildungs- und Ausbildungschancen in der Gruppe
50 Da die nachfrageseitigen Erklärungsansätze bei Langzeitarbeitslosigkeit zu der gleichen Hypothese führen, dürften Entmutigungsprozesse und die Entwertung von Humankapital oder Stigmatisierung durch Arbeitgeber analytisch nicht zu differenzieren sein, können aber als alternative Erklärungen diskutiert werden.
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der ab 18-jährigen Arbeitslosengeld-II-Empfänger, die ihre Schulbildung und in Teilen auch ihre Berufsausbildung oftmals bereits abgeschlossen haben, im Qualifikationsprofil nachvollziehen lassen. Junge Erwachsene aus Familien mit geringem sozioökonomischem Status dürften dann im Schnitt über vergleichsweise geringere Schulund Ausbildungsabschlüsse verfügen. Weiter wird von sozial bedingten Ausstiegschancen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug ausgegangen, da junge Erwachsene abhängig vom Sozialkapital der Eltern über unterschiedliche Startbedingungen in Ausbildung und Erwerbstätigkeit auch bei sonst gleichen (Bildungs-)Voraussetzungen verfügen. Unterstellt wird, dass Eltern mit geringem sozioökonomischen Status kaum über Informationen und Kontakte zum Arbeitsmarkt verfügen, die bei der Suche nach existenzsichernder Beschäftigung unterstützen. Daher dürften junge Erwachsene von niedriger sozialer Herkunft mit höherer Wahrscheinlichkeit als junge Erwachsene von höherem sozioökonomischen Status der Familie nur eine Erwerbsposition mit geringen Einkommensperspektiven und Beschäftigungsgarantien finden und ein besonderes Risiko tragen, trotz Erwerbstätigkeit auch im Bezug zu verbleiben. Zum anderen kann längerer Arbeitslosengeld-II-Bezug auch mit einer geringen Erwerbs- und Ausbildungsorientierung in einer „Kultur der Armut“ zusammenhängen: Ebenso wie der sozialkapitaltheoretische Ansatz führt der in Kapitel 3.2.3 aufgezeigte sozialstrukturelle Ansatz der „Kultur der Armut“ zu der These, dass sich das Risiko eines längeren Arbeitslosengeld-II-Bezugs auf junge Erwachsene niedriger sozialer Herkunft konzentriert. Als Ursache werden jedoch nicht schlechtere Chancen auf existenzsichernde Beschäftigung, sondern eine generell geringere Erwerbsneigung (und Ausbildungsneigung) der jungen Arbeitslosengeld-II-Empfänger angeführt. Junge Erwachsene im Bezug von Arbeitslosengeld II, die mit familiärer Armut und Arbeitslosigkeit aufgewachsen sind, dürften eine geringe Leistungs- und Arbeitsorientierung erworben haben, so dass sie Investitionen in eine Berufsausbildung oder einen Einkommenserwerb aus Erwerbstätigkeit nicht als Handlungsoptionen betrachten. Trifft diese Annahme zu, dann dürften junge Erwachsene mit niedrigem familiärem Status länger im Arbeitslosengeld-II-Bezug verbleiben, weil sie im Vergleich zu Gleichaltrigen mit höherem familiärem Sozialstatus kaum Übergänge in Ausbildung oder Beschäftigung aufweisen. Unterschiedliche Abgangsbedingungen aus dem Arbeitslosengeld-IIBezug dürften nach dem höchsten Bildungsabschluss der Mutter oder
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des Vaters sowie deren höchsten Erwerbsstatus zu jener Zeit, als die jungen Arbeitslosengeld-II-Empfänger noch im Jugendalter waren, differieren, da die sozioökonomische Stellung der Eltern zu diesem Zeitpunkt sowohl die Ressourcenausstattung der Familie als auch die Sozialisationsbedingungen der jungen Erwachsenen beeinflusst. 5.3
Auswahl der Analysepopulation und erste Deskription
Das Interesse der vorliegenden Studie liegt auf dem Prozess des Arbeitslosengeld-II-Bezugs junger Erwachsener im Kontext ihrer Erwerbs- und Ausbildungshistorie. Dieser kann anhand von Ereignisanalysen (Berg et al. 2008; Blossfeld et al. 2007b) mit Längsschnittdaten untersucht werden, in denen sowohl der Arbeitslosengeld-II-Bezug als auch die Ausbildungs- und Beschäftigungsaktivitäten der jungen Erwachsenen zeitlich datiert und chronologisch geordnet nachvollzogen werden. Die methodischen Grundlagen sind im Anhang 10.3 dargestellt. Datenbasis der Untersuchung ist eine aufwändige Kombination der Befragung „Lebenssituation und Soziale Sicherung 2005 (LSS 2005)“ von Arbeitslosengeld-II-Empfängern mit administrativen Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA), so dass sowohl umfassende Angaben zu den Personenmerkmalen und der Lebenslage der 18- bis 29-jährigen Arbeitslosengeld-II-Bezieher vorliegen als auch eine Rekonstruktion ihrer Leistungsbezugs-, Erwerbs- und Ausbildungsverläufe möglich ist. Der Datensatz ist in Personenmonaten organisiert. Zur genauen Beschreibung der Datenbasis siehe die Informationen im Anhang 10.1. Die Studie „Lebenssituation und Soziale Sicherheit 2005 (LSS 2005)“ setzt sich in zwei Teilstichproben aus Arbeitslosenhilfebeziehern im Dezember 2004 und Leistungsbeziehern der Grundsicherung für Arbeitssuchende im Januar 2005 zusammen (Meßmann et al. 2008). Für die Untersuchungspopulation wurden aus den Befragungsteilnehmern die jungen Grundsicherungsempfänger im Januar 2005 ausgewählt, die im Dezember 2004 weder Arbeitslosen- noch Sozialhilfe bezogen haben, um eine Linkszensierung der Leistungsbezugsdauern im unmittelbar vorangegangenen Grundsicherungsbezug auszuschließen. Damit beschränkt sich die Analysestichprobe auf eine Eintrittskohorte in den Bezug von Arbeitslosengeld II zum Monat der Implementation der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Die Untersuchungspopulation umfasst insgesamt 1.171 18- bis 29-Jährige, deren Leistungsbezug über den Untersuchungszeitraum von Januar 2005 bis Dezember 2007 betrachtet wird. Die Fallzahlen ermöglichen – im Gegensatz zu der Bremer Sozialhilfestudie oder dem Sozioökonomischen Panel
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(SOEP) – erstmals detaillierte Analysen zur Lebenssituation junger Grundsicherungsempfänger und ihren Verläufen im Leistungsbezug. Anhand der Eintrittskohorte können die Prozesse im Arbeitslosengeld-IIBezug unter Kontrolle der Ausgangsbedingungen junger Erwachsener in Haushalten im Armutsbereich und deren Vorgeschichte betrachtet werden. Es wurde argumentiert, dass die ökonomische Verselbstständigung der jungen Erwachsenen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug von Einflussfaktoren in weiteren Lebensbereichen abhängt, über die in den Daten Informationen benötigt werden. Als theoretisch relevante Einflussfaktoren wurden die individuelle Lebenslage, Personenmerkmale, Humankapitalausstattung, soziale Herkunft ebenso wie die institutionellen Rahmenbedingungen und allgemeinen Arbeitsmarktbedingungen identifiziert, die in den Analysen durch zeitkonstante und zeitvariable Kovariaten abgebildet werden. Ein Überblick über die Operationalisierung der Einflussfaktoren für die Analysen findet sich im Anhang in Abschnitt 10.2. Die wichtigsten Verteilungen der Kovariaten sind in Tabelle 5.1 für Januar 2005 nach Altersgruppen beschrieben. Anhand einiger ausgewählter Basisstatistiken der Stichprobe kann die heterogene Zusammensetzung der Gruppe der jungen Arbeitslosengeld-IIEmpfänger von Januar 2005 beschrieben werden, die Prozentangaben sind gewichtet (siehe Anhang Abschnitt 10.1). Wie Tabelle 5.1 zeigt, sind unter den insgesamt 1.171 18- bis 29-jährigen Grundsicherungsempfängern Männer (46 Prozent) gegenüber Frauen (54 Prozent) leicht unterrepräsentiert. 43 Prozent der jungen Erwachsenen haben einen Migrationshintergrund, sei es, weil sie selbst nach Deutschland (erste Generation) oder zumindest ein Elternteil nach Deutschland zugewandert sind (zweite Generation). Noch vor Dezember 200451 haben rund 9 Prozent Sozialhilfe bezogen, rund 19 Prozent waren bereits vor 2005 zumindest einmal auf Arbeitslosenhilfe angewiesen. Diese jungen Erwachsenen haben vor Eintritt in die Grundsicherung für Arbeitssuchende erste Erfahrungen im sozialstaatlichen Transferbezug gemacht. Rund 56 Prozent unter den 18- bis 29-jährigen Arbeitslosengeld-IIEmpfängern verfügten im Januar 2005 über maximal einen Hauptschulabschluss bzw. strebten einen Hauptschulabschluss an. Annähernd 60 Prozent hatten (noch) keine Berufsausbildung abgeschlossen, jedoch besuchten insgesamt 26 Prozent zum Eintrittszeitpunkt in den Arbeitslosengeld-II-Bezug eine Schule oder absolvierten eine Berufsausbildung. Der größte Anteil der jungen Erwachsenen mit etwas mehr als 40 Prozent war arbeitslos, 13 Prozent waren erwerbstätig und fast 10 Prozent kümmerten sich zu Hause um die 51 Zur Erfassung des vorangegangenen Sozialhilfebezugs siehe die Beschreibung der Datenlage im Anhang in den Abschnitten 10.1 und 10.2.
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Kindererziehung. In der Gesamtgruppe der 18- bis 29-jährigen Empfänger von Arbeitslosengeld II lebten 12 Prozent mit einem Partner und 26 Prozent mit einem Partner und Kind(ern) zusammen, rund 8 Prozent waren alleinerziehend. Informationen zum sozioökonomischen Status der Herkunftsfamilie liegen in den Daten ausschließlich für die unter 25-Jährigen vor, diese Teilgruppe umfasst 674 18- bis 24-Jährige. Erfasst werden der höchste Bildungsstand der Eltern und ihr höchster Erwerbsstatus, als die Befragten 15 Jahre alt waren. Unter den 18- bis 24-jährigen Arbeitslosengeld-II-Empfängern haben rund 18 Prozent im Alter von 15 Jahren Arbeitslosigkeit oder Nicht-Erwerbstätigkeit der Eltern erfahren. Weitere 22 Prozent haben Eltern, die in einfachen und unqualifizierten Tätigkeiten beschäftigt waren, doch auch 44 Prozent der Eltern gingen einer qualifizierten Erwerbstätigkeit nach. Der überwiegende Teil der Eltern verfügt nach den Angaben der jungen Erwachsenen über einen mittleren (34 Prozent) oder höheren Schulabschluss (19 Prozent). Es zeigt sich also, dass der soziale Hintergrund der jungen Erwachsenen im Arbeitslosengeld-II-Bezug sehr unterschiedlich ist und auch junge Personen aus Familien mit höherem sozioökonomischen Status die Grundsicherungsleistung bezogen haben. Die Zielgruppe der unter 25-Jährigen und altersspezifische Lebenslagen im Grundsicherungsbezug Unter 25-Jährige sind in der Grundsicherung für Arbeitssuchende als Zielgruppe definiert, doch fällt diese Altersgrenze nicht unbedingt mit den individuellen Statuspassagen in das Erwachsenenalter zusammen. Abschluss einer beruflichen Ausbildung, Erwerbseinstieg, Partnerschaft oder Familiengründung können in unterschiedlichem Alter und in individuell verschiedener Abfolge erfolgen (Hurrelmann 2003). Die Lebenslage der 18- bis 24-jährigen und der 25- bis 29jährigen Grundsicherungsempfänger wird im Folgenden anhand ausgewählter Indikatoren zum Zeitpunkt Januar 2005 nachvollzogen. •
Viele 18- bis 24-jährige Arbeitslosengeld-II-Empfänger befinden sich noch in jugendtypischen Lebenslagen und haben Erwerbseinstieg und Gründung eines eigenen Haushalts noch vor sich. Im Januar 2005 lebten in der Analysepopulation deutlich mehr unter 25-Jährige als 25- bis 29Jährige bei ihren Eltern, besuchten eine allgemeinbildende Schule oder absolvierten eine Berufsausbildung. Die finanzielle Hilfebedürftigkeit dieser jungen Erwachsenen dürfte vorwiegend vor dem Hintergrund der finanziellen und sozialen Probleme ihrer Familien zu sehen sein, wenn die Eltern nicht für den Unterhalt ihrer Kinder aufkommen können.
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In der Altersgruppe der 25- bis 29-Jährigen geht der ArbeitslosengeldII-Bezug im Vergleich zu den 18- bis 24-Jährigen häufiger mit der Gründung einer eigenen Familie einher, die einen höheren finanziellen Bedarf und eingeschränkte Möglichkeiten der Erwerbsbeteiligung zumindest eines Partners bedingt. Rund 46 Prozent der 25- bis 29Jährigen haben Partner und Kind(ern), dagegen nur 10 Prozent der 18bis 24-Jährigen. Fast 12 Prozent der 25- bis 29-Jährigen sind alleinerziehend, aber nur 5 Prozent der jüngeren Teilgruppe. 16 Prozent der betrachteten 25- bis 29-jährigen Grundsicherungsempfänger geben an, in Elternzeit zu sein. Im Vergleich dazu sind es 5 Prozent der unter 25-jährigen Grundsicherungsempfänger. Die 25- bis 29-jährigen Grundsicherungsempfänger haben zudem weit häufiger individuelle Arbeitsmarktprobleme: Der Anteil der arbeitslosen jungen Erwachsenen beträgt in dieser Altersgruppe fast 50 Prozent, weitere 18 Prozent waren erwerbstätig, erzielten jedoch kein Einkommen, das für den Lebensunterhalt ihrer Bedarfsgemeinschaft ausreicht. Im Vergleich dazu waren 35 Prozent der 18- bis 24-Jährigen im Januar 2005 aufgrund von Arbeitslosigkeit und 9 Prozent bei Erwerbstätigkeit auf Arbeitslosengeld II angewiesen.
Auch wenn festzustellen ist, dass die jungen Erwachsenen im ArbeitslosengeldII-Bezug je nach Alter überwiegend in unterschiedlichen Lebenslagen und unter unterschiedlichen Voraussetzungen auf die Grundsicherungsleistung angewiesen sind, befinden sich 18- bis 24-jährige und 25- bis 29-jährige Arbeitslosengeld-IIEmpfänger auch oftmals noch in ähnlichen Lebenslagen (siehe auch Schels 2008). In beiden Altersgruppen verfügen relevante Anteile unter den jungen Erwachsenen (noch) über keinen Berufsabschluss, sind oder waren arbeitslos.
Zwischenfazit und Ausblick
108
Tabelle 5.1: Deskriptive Statistiken nach Alter, Januar 2005 (in Prozent, arithmetisches Mittel [Standardabweichung]) Kovariaten Alter m(s) Geschlecht männlich weiblich Migrationshintergrund Nicht-Migrant Migrant Sozialhilfebezug zwischen Jan 04 und Nov 04 nein ja Arbeitslosenhilfebezug vor Dez 04 nein ja (angestrebter) Schulabschluss maximal Hauptschulabschluss Mittlere Reife Abitur Ausbildungsabschluss ohne Abschluss mit Abschluss Erwerbsstatus (im Vormonat) Arbeitslosigkeit dabei Arbeitslosigkeit 12 Monate Arbeitslosigkeit > 12 Monate Erwerbstätigkeit in Schule oder Berufsausbildung Kindererziehung/zu Hause keine Angaben Erwerbsepisoden m(s) Arbeitslosigkeitsepisoden m(s) Fortsetzung Tabelle folgende Seite
18- bis 24Jährige n % 20,1 (1,80)
25- bis 29Jährige N % 26,5 (1,79)
gesamt n % 22,8 (3,63)
323 351
51,4 48,6
177 320
39,6 60,4
500 671
46,4 53,6
395 279
56,3 43,7
303 194
57,4 42,6
698 473
56,8 43,3
620 54
92,0 8,0
446 51
89,8 10,2
1,066 105
91,1 8,9
634 40
94,0 6,0
321 176
64,0 36,0
955 216
81,3 18,7
414 201 59
66,8 27,9 8,4
213 199 85
45,2 38,4 16,3
627 400 144
55,9 32,3 11,7
468 206
73,5 26,5
166 331
38,5 61,5
634 537
58,7 41,3
253 35,1 239 33,1 13 1,8 62 9,0 254 40,4 39 5,6 66 10,0 2,3 (2,71) 1,3 (1,56)
249 49,3 233 46,3 13 2,2 88 17,5 32 7,3 79 15,7 49 10,2 4,7 (4,01) 2,6 (2,17)
502 41,1 472 38,7 26 2,0 150 12,6 286 26,4 118 9,9 115 10,1 3,3 (3,52) 1,8 (1,96)
Zwischenfazit und Ausblick
109
Fortsetzung Tabelle 5.1 18- bis 24Jährige n %
25- bis 29Jährige N %
gesamt Kovariaten n % Haushaltskonstellation alleinlebend 139 20,1 88 18,0 227 19,2 64 9,6 77 15,9 141 12,2 mit Partner alleinerziehend 33 4,1 67 11,6 100 7,3 mit Partner und Kind(ern) 75 11,1 228 46,3 303 26,0 mit Eltern 363 55,2 37 8,2 400 35,3 höchster Schulabschluss der Eltern keine Informationen 74 11,1 kein Abschluss 48 7,7 190 28,1 Sonder-/Hauptschule mittlere Reife 237 34,0 Fach-Abitur 125 19,2 höchste berufliche Stellung der Eltern (als befragte Person 15 Jahre alt) keine Informationen 89 13,4 in einfacher/unqualifizierter Beschäftigung 146 22,0 in qualifizierter Beschäftigung 322 47,2 117 17,5 arbeitslos/nicht erwerbstätig Haushaltsäquivalenzeinkommen m(s) 1,068 (703,5) 856 (660,8) 978 (693,4) regionale Jugendarbeitslosigkeitsquote m(s) 13,7, (3,58) n 674 100,0 497 100,0 1,171 100,0 Quelle: eigene Berechnungen (LSS 2005, Prozessdaten, Eintrittskohorte Januar 2005 in Arbeitslosengeld-II-Bezug), Prozentangaben gewichtet, arithmetisches Mittel (m) und Standardabweichung (s)
6
Dauer und Struktur des Arbeitslosengeld-IIBezugs junger Erwachsener
Im Mittelpunkt steht nun eine systematische Beschreibung des ArbeitslosengeldII-Bezugs der 18- bis 29-jährigen Leistungsempfänger im Zeitraum von Januar 2005 bis Dezember 2007. Erstmals sollen für junge Erwachsene die aus der Sozialhilfeforschung bekannten Befunde nachvollzogen werden, dass sich Leistungsbezugsverläufe nach kurzzeitigen oder längeren, kontinuierlichen oder diskontinuierlichen Ausprägungen differenzieren (siehe Abschnitt 4.1.1). Untersucht werden sowohl der Umfang verschiedener Verlaufsmuster im Arbeitslosengeld-II-Bezug als auch deren soziale Zusammenhänge. Erstens stellt sich die Frage, wie lange die 18- bis 29-jährigen Grundsicherungsempfänger von Januar 2005 Arbeitslosengeld II bezogen haben und welche Verlaufsmuster beobachtet werden können (Abschnitt 6.1). Anhand der Untersuchung kann die Diskussion, ob die Leistungsempfänger beim Übergang in das Erwachsenenalter vorwiegend temporäre Bezugszeiten von Arbeitslosengeld II oder ein hohes Verfestigungsrisiko aufweisen, empirisch unterfüttert werden. Zudem steht die Zielsetzung der Grundsicherung für Arbeitssuchende auf dem Prüfstand, dass der Arbeitslosengeld-II-Bezug junger Erwachsener von möglichst kurzer Dauer sein sollte. Zweitens interessiert, welche sozialen Ausprägungen finanzieller Hilfebedürftigkeit im jungen Erwachsenenalter mit den unterschiedlichen Verlaufsszenarien im Grundsicherungsbezug assoziiert sind, d. h., mit welchen individuellen und sozialstrukturellen Merkmalen und Lebenslagen die Verlaufsmuster korrespondieren (Abschnitt 6.2). Ziel der Analysen ist, die Risikogruppen im längeren Arbeitslosengeld-II-Bezug zu identifizieren. Dabei interessiert auch, ob ein diskontinuierlicher Bezug von Arbeitslosengeld II als „Drehtür“ in eine sich etablierende finanzielle Hilfebedürftigkeit gesehen werden kann. Es stellt sich die Frage, ob längerer Arbeitslosengeld-II-Bezug bereits als bestehende soziale Benachteiligung gelesen werden kann. In der theoretischen Diskussion wurde die Erwartung thematisiert, dass ein hohes Verfestigungsrisiko bereits durch die Ressourcenlage oder den Sozialisationsbedingungen in der Herkunftsfamilie angelegt ist. Oder beeinflussen vorwiegend die aktuell bestehenden familiären Gegebenheiten oder Bedingungen am Arbeitsmarkt die Bezugsdauer – etwa wenn Langzeitarbeitslosigkeit oder diskontinuierliche
B. Schels, Arbeitslosengeld-II-Bezug im Übergang in das Erwerbsleben, DOI 10.1007/978-3-531-18777-8_6, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
Dauer und Struktur des Arbeitslosengeld-II-Bezugs
111
Beschäftigung im Übergang von der Schule in die Erwerbstätigkeit die weiteren Handlungsoptionen und Einkommenschancen der jungen Erwachsenen reduzieren. Im Gegensatz zur Interpretation längeren Arbeitslosengeld-II-Bezugs als riskanter Erfahrung wird darüber hinaus angenommen, dass ein Arbeitslosengeld-II-Bezug der jungen Erwachsenen in typischen Statuspassagen während Schule, Ausbildung oder Familiengründung als verzeitlichte Mangellage bestehen kann. 6.1
Quantitatives Ausmaß von Kurzzeitbezug, längerem und wiederholtem Arbeitslosengeld-II-Bezug im Beobachtungszeitraum
Die Dauer des Arbeitslosengeld-II-Bezugs seitens junger Erwachsener wird im Folgenden anhand unterschiedlicher Indikatoren betrachtet. Neben einer Deskription der Verlaufsmuster im Beobachtungszeitraum (Abschnitt 6.1.1) wird die Dauer der einzelnen Bezugsepisoden untersucht (Abschnitt 6.1.2). Anhand dieser Indikatoren wird eine erste Typologie der Verläufe im ArbeitslosengeldII-Bezug (Abschnitt 6.1.3) dargestellt. 6.1.1
Mehrfachbezug und Verlaufsmuster im Grundsicherungsbezug
Der Großteil der betrachteten 1.171 18- bis 29-jährigen Arbeitslosengeld-IIEmpfänger von Januar 2005 hat im Beobachtungszeitraum bis Ende 2007 einmalig Arbeitslosengeld II bezogen (63 Prozent) (ohne Darstellung). Rund 26 Prozent waren innerhalb der drei Jahre zwei Mal auf Arbeitslosengeld II angewiesen, 8 Prozent drei Mal und 3 Prozent vier Mal oder häufiger. Das Maximum beträgt sieben Leistungsbezugsepisoden. Somit stellt wiederholter Arbeitslosengeld-II-Bezug auch im Beobachtungszeitraum über drei Jahre eine relevante Erfahrung für einen Teil der betrachteten jungen Erwachsenen dar. Die jungen Erwachsenen können im Beobachtungszeitraum 2005 bis 2007 über individuell verschiedene Zeitspannen Arbeitslosengeld II bezogen haben. Um eine erste Vorstellung über die zeitliche Lage der Bezugsepisoden zu erhalten, veranschaulicht Abbildung 6.1 die individuellen Verlaufsmuster im Grundsicherungsbezug. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurden für die Darstellung 116 18- bis 29-Jährige der Analysestichprobe zufällig ausgewählt, dies entspricht einem Anteil von zehn Prozent. Jede Zeile beschreibt die Abfolge von Monaten im Arbeitslosengeld-II-Bezug (dunkelgrau) und außerhalb des Leistungsbezugs (hellgrau) eines jungen Erwachsenen.
112
Dauer und Struktur des Arbeitslosengeld-II-Bezugs
Abbildung 6.1: Verlaufsmuster im Arbeitslosengeld-II-Bezug, 2005 bis 2007
Quelle: eigene Berechnungen; eigene Darstellung (LSS 2005, Prozessdaten; 10 %-Zufallsstichprobe der 18- bis 29-Jährigen der Eintrittskohorte Januar 2005 in Arbeitslosengeld-II-Bezug, n = 116) Die Abbildung zeigt die Sequenzen im Arbeitslosengeld-II-Bezug (dunkelgrau) und Nicht-Bezug (hellgrau). Jede Zeile stellt die Verlaufsstruktur eines jungen Erwachsenen dar, deren Anordnung der Anzahl der Monate im Arbeitslosengeld-II-Bezug in aufsteigender Reihenfolge entspricht.
Die Abbildung illustriert die Bandbreite der Verläufe im Arbeitslosengeld-IIBezug der jungen Erwachsenen. Augenscheinlich können zunächst folgende Verlaufsmuster differenziert werden: Der obere Abschnitt der Darstellung zeigt den Arbeitslosengeld-II-Bezug junger Erwachsener, die die Leistung ausschließlich zu Beginn des Beobachtungszeitraumes vorübergehend erhielten. Im unteren Teil der Abbildung ist dagegen der Bezug der 18- bis 29-Jährigen dargestellt, die ab Januar 2005 über drei Jahre durchgängig auf Arbeitslosengeld II angewiesen waren. Dazwischen liegen die Verlaufstypen jener jungen Erwachsenen, die mehrmals zwischen Arbeitslosengeld-II-Bezug und NichtBezug gewechselt haben bzw. die nach längerem Leistungsbezug erst gegen Ende des Beobachtungszeitraums nicht mehr auf Arbeitslosengeld II angewiesen waren. Darunter sind zum einen junge Erwachsene, die eher kurze Zeitspannen mit staatlicher finanzieller Unterstützung überbrückt haben und meist ohne
Dauer und Struktur des Arbeitslosengeld-II-Bezugs
113
Arbeitslosengeld II auskamen, als auch junge Erwachsene, die überwiegend auf Arbeitslosengeld II angewiesen waren und deren Ausstieg jeweils nur von kurzer Dauer war. Die Darstellung zeigt zwar die individuell unterschiedlichen Verlaufsmuster für eine Teilstichprobe, sie ermöglicht jedoch keine Aussagen über die quantitative Bedeutung unterschiedlicher Strukturen im Grundsicherungsbezug und der Dauer in der Gesamtgruppe der 18- bis 29-Jährigen über drei Jahre. Deswegen wird im Folgenden die Dauer der Arbeitslosengeld-II-Bezugsepisoden und Nicht-Bezugsepisoden betrachtet. 6.1.2
Verweildauer im Leistungsbezug und Unabhängigkeit von Arbeitslosengeld II
Wie lange beziehen die jungen Erwachsenen Arbeitslosengeld II? Und wie können die Bezugsdauern bewertet werden? Als Kriterium wird im Folgenden Kurzzeitbezug von längerem Arbeitslosengeld-II-Bezug unterschieden (Buhr 1995: 5152). Als weitgehender Konsens hat sich die Definition von Kurzzeitbezug als Bezugsdauer von bis zu einem Jahr etabliert. Denn empirische Befunde haben gezeigt, dass nach etwa einem Jahr die individuellen Abgangschancen aus dem Grundsicherungsbezug sinken und das Risiko gravierender psychischer, gesundheitlicher oder materieller Folgen für die Leistungsbezieher zunimmt (ebd.: 49 ff.).53 Um die Dauer des Arbeitslosengeld-II-Bezugs nachvollziehen zu können, werden im Folgenden Überlebensfunktionen nach unterschiedlichen Dauerkonzepten geschätzt (siehe auch ebd.: 106 ff.) (Abbildung 6.2). Zunächst kann die Dauer des Bezugs nach dem Episodenkonzept erfasst werden. Betrachtet man die erste Bezugsepisode im Untersuchungszeitraum, so erhielt ein Viertel der 18- bis 29-jährigen Leistungsempfänger das Arbeitslosengeld II durchgängig von Januar 2005 bis Ende 2007. Drei Viertel verließen den Leistungsbezug zumindest einmal, etwa ein Drittel innerhalb des ersten Jahres. Über alle Bezugsepisoden, also auch bei wiederholtem Leistungsbezug, können knapp die Hälfte der betrachteten Arbeitslosengeld-II-Bezugsepisoden als Kurzzeitbezug klassifiziert werden.
52
Neben der objektiven Dauer des Leistungsbezugs werden in der Armutsforschung auch relative und subjektive Dauerkonzepte diskutiert (Buhr 1995: 49 ff.). Dagegen existiert keine einheitliche Definition von Langzeitbezug. Die empirischen Studien haben je nach Beobachtungszeitraum eigene Zeittypologien entwickelt und Langzeitbezug etwa als Dauer von fünf oder zehn Jahren bestimmt (siehe z. B. Buhr 1995: 49 ff.). An diese Kriterien kann im Beobachtungzeitraum der vorliegenden Studie nicht angeknüpft werden. 53
Dauer und Struktur des Arbeitslosengeld-II-Bezugs
114
Abbildung 6.2: Dauer des Arbeitslosengeld-II-Bezugs, nach unterschiedlichen Dauerkonzepten, Überlebensfunktionen 1 geschätzte Überlebensfunktion
0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 0
3
6
9
12
15
18
21
24
27
30
33
36
Zeit (in Monaten) erste Bezugsepisode
alle Bezugsepisoden
Nettobezug
Quelle: eigene Berechnungen (LSS 2005, Prozessdaten; 18- bis 29-Jährige der Eintrittskohorte Januar 2005 in Arbeitslosengeld-II-Bezug) Angegeben sind die Überlebensfunktion der ersten Bezugsepisode der 1171 jungen Erwachsenen, die im Januar 2005 in Arbeitslosengeld-II-Bezug eingetreten sind, die Überlebensfunktion aller 1781 Arbeitslosengeld-II-Bezugsepisoden im Beobachtungszeitraum und die Überlebensfunktion im Nettobezug, für den die Dauer aller Bezugsepisoden je jungem Erwachsenen im Beobachtungszeitraum aufsummiert wurde.
Anhand der Nettodauer54 kann darüber hinaus die Gesamtbezugsdauer der jungen Erwachsenen im Beobachtungszeitraum bestimmt werden, indem die Dauer wiederholter Zeiträume im Grundsicherungsbezug kumuliert werden. Nach der mit der Überlebensfunktion geschätzten Nettodauer war etwa ein Fünftel der betrachteten jungen Erwachsenen im Kurzzeitbezug und rund vier Fünftel länger als ein Jahr auf Arbeitslosengeld II angewiesen. Die Befunde illustrieren, dass die quantitative Bedeutung kurzer Bezugsdauern im Episodenkonzept eher überschätzt wird. 54
Alternativ umfasst die Bruttodauer die Lebensspanne im institutionellen Kontext der Grundsicherung zwischen erstem Eintritt in den Grundsicherungsbezug und letzter (beobachtbarer) Zahlung (Buhr 1995: 107).
Dauer und Struktur des Arbeitslosengeld-II-Bezugs
115
Wie lange kamen die betrachteten jungen Erwachsenen nach beendeten Bezugsepisoden ohne Arbeitslosengeld II aus? Abbildung 6.3 stellt analog den vorigen Analysen die Überlebensfunktion für die jungen Erwachsenen in Unabhängigkeit von Arbeitslosengeld II bis zu einem möglichen erneuten Leistungsbezug dar. Berücksichtigt werden alle Episoden im Nicht-Bezug im Beobachtungszeitraum bis Ende 2007. Abbildung 6.3: Dauer der Episoden im Nicht-Bezug nach einem Abgang aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug, 2005 bis 2007, Überlebensfunktion 1
geschätzte Überlebensfunktion
0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 0
3
6
9
12
15
18
21
24
27
30
33
36
Zeit (in Monaten) Quelle: eigene Berechnungen (LSS 2005, Prozessdaten; 18- bis 29-Jährige der Eintrittskohorte Januar 2005 in Arbeitslosengeld-II-Bezug) Angegeben ist die Überlebensfunktion der 846 Nicht-Bezugsepisoden im Beobachtungszeitraum.
Die Schätzung lässt erkennen, dass ein Teil der Befragten und ihre Bedarfsgemeinschaften recht bald erneut auf Arbeitslosengeld II angewiesen waren. Nach einem halben Jahr bezog etwa ein Drittel der jungen Erwachsenen erneut Leistungen, bis zum Ende des Beobachtungszeitraums ist es etwas mehr als die Hälfte. Insgesamt zeigt sich, wie bereits frühere Studien zum hohen Rückfallrisiko von Haushalten mit jungen Haushaltsvorständen angedeutet haben (Gustafsson et al. 2002; Voges et al. 1996), dass vielen der betrachteten jungen Erwachsenen, die den Leistungsbezug zumindest vorübergehend beenden konnten, im Beobachtungszeitraum kein dauerhafter Ausstieg aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug gelingt.
Dauer und Struktur des Arbeitslosengeld-II-Bezugs
116
6.1.3
Verlaufstypen im Beobachtungszeitraum
Anhand der Merkmale kontinuierlicher einmaliger Bezug, diskontinuierlicher Bezug und der Dauer des Leistungsbezugs lassen sich schließlich mehrere Verlaufstypen des Arbeitslosengeld-II-Bezugs für die Eintrittskohorte der 18- bis 29-Jährigen von Januar 2005 im Beobachtungszeitraum bis Ende 2007 beschreiben (Tabelle 6.1).55 Tabelle 6.1: Typen der Verlaufsmuster im Arbeitslosengeld-II-Bezug, 2005 bis 2007 (absolut und in Prozent) Junge Erwachsene in …
n
%
… kurzzeitigem vorübergehenden Bezug bis Ende 2005
193
16,5
… längerem einmaligen Bezug bis Ende 2007
241
21,0
… wiederholtem Bezug, kumulierte Bezugsdauer 18 Monate
120
10,0
… wiederholtem Bezug, kumulierte Bezugsdauer > 18 Monate
292
24,8
… durchgängigem Leistungsbezug
325
27,7
gesamt 1171 100,0 Quelle: eigene Berechnungen (LSS 2005, Prozessdaten; 18- bis 29-Jährige der Eintrittskohorte Januar 2005 in Arbeitslosengeld-II-Bezug), Prozentangaben gewichtet
•
•
55
17 Prozent der jungen Erwachsenen waren in kurzfristigem vorübergehenden Leistungsbezug und haben ausschließlich im Jahr 2005 Arbeitslosengeld II bezogen, sei es durchgehend oder wiederholt. Sie waren anschließend bis Ende 2007 nicht erneut auf die staatliche Unterstützungsleistung angewiesen. Diese Abgrenzung folgt den Erkenntnissen früherer Studien zum Sozialhilfebezug, dass Personen, die innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren nicht erneut in den Bezug von Grundsicherungsleistungen zurückfallen, auch mit hoher Wahrscheinlichkeit dauerhaft unabhängig von Sozialleistungen bleiben (Buhr 1995: 115). Weitere 20 Prozent haben im Beobachtungszeitraum einmalig Arbeitslosengeld II bezogen, jedoch für einen längeren Zeitraum als ein Jahr. Sie haben den Leistungsbezug zwar vor Dezember 2007 beendet, jedoch noch keine mindestens zweijährige finanzielle Eigenständigkeit ohne Arbeitslosengeld II erzielt.
Die in der folgenden Deskription unterschiedenen Subgruppen basieren im Wesentlichen auf den in den Studien zur Dynamik von Armut und Sozialhilfe vorgenommenen Differenzierungen von Leistungsbezugsverläufen (siehe auch Abschnitt 4.1.1).
Dauer und Struktur des Arbeitslosengeld-II-Bezugs
•
•
117
Insgesamt haben rund 35 Prozent der betrachteten 18- bis 29-Jährigen in den Jahren 2005 bis 2007 mehrmals zwischen Arbeitslosengeld-IIBezug und Nicht-Bezug gependelt. Sie erzielten keine gänzliche finanzielle Eigenständigkeit im Beobachtungszeitraum. Dennoch unterscheidet sich die Personengruppe durch unterschiedliche Dauern im Arbeitslosengeld-II-Bezug: Insgesamt konnten 10 Prozent ihren Lebensunterhalt über die betrachteten drei Jahre überwiegend selbst bestreiten, 25 Prozent waren dagegen die meiste Zeit, also mehr als 18 Monate, im Bezug. 28 Prozent der jungen Erwachsenen im Leistungsbezug waren von Anfang 2005 bis Ende 2007 durchgängig auf Arbeitslosengeld II angewiesen.
Die deskriptiven Ergebnisse verweisen zunächst darauf, dass viele der betrachteten jungen Erwachsenen längerfristige finanzielle Problemlagen erfahren. Darüber hinaus erfordert eine weitergehende Beurteilung eines längeren Arbeitslosengeld-II-Bezugs im Übergang in das Erwachsenenalter Informationen zu den Bestimmungsfaktoren des Verbleibs im ArbeitslosengeldII-Bezug und der Rückfallrisiken in erneuten Grundsicherungsbezug, wie sie in den in Abschnitt 6.2 folgenden Analysen zu ermitteln sein werden. 6.2
Multivariate Analysen
Spiegeln die Strukturen im Arbeitslosengeld-II-Bezug eine von finanzieller Unsicherheit geprägte Übergangsphase in das Erwachsenenalter wider? Oder gibt es Hinweise darauf, dass sich junge Erwachsene auf Dauer im Grundsicherungsbezug etablieren? Und unter welchen Bedingungen befinden sich die jungen Erwachsenen im wiederholten Arbeitslosengeld-II-Bezug? Die folgenden Analysen gehen diesen Fragen in zwei Schritten nach. In Kapitel 6.2.1 werden die Bestimmungsfaktoren der Verlaufsmuster im Leistungsbezug für alle 1.171 18- bis 29-jährigen Arbeitslosengeld-II-Empfänger von Januar 2005 untersucht. Im Abschnitt 6.2.2 steht anschließend der Zusammenhang zwischen Arbeitslosengeld-II-Bezug und sozialer Herkunft im Fokus. Diese Untersuchung konzentriert sich auf die Teilgruppe der 18- bis 24-jährigen Leistungsbezieher. Eine Einschränkung ist die Altersgruppe notwendig, da in der Befragung „Lebenssituation und Soziale Sicherung 2005 (LSS 2005)“ die soziale Herkunft ausschließlich für unter 25-Jährige erfasst wurde. In die Analysen gehen 674 Personen ein. Es werden sowohl multivariate Analysen zum Einfluss des sozioökonomischen Status der Eltern auf die Übergangsraten durchgeführt als
118
Dauer und Struktur des Arbeitslosengeld-II-Bezugs
auch deskriptive Auswertungen ergänzt, über welchen Bildungsstand und welche Erwerbseinstellungen die jungen Erwachsenen im Arbeitslosengeld-II-Bezug in Abhängigkeit von ihrer sozialen Herkunft verfügen. Die Leitthese der empirischen Analysen ist, dass kurzfristiger, andauernder und wiederholter Arbeitslosengeld-II-Bezug distinkte soziale Prozesse darstellen, die durch individuelle Charakteristika und Lebenszusammenhänge bestimmt werden. Um die zeitliche Struktur der Verläufe im Arbeitslosengeld-II-Bezug zu erfassen, werden im Folgenden sowohl die Verweildauer in den einzelnen Bezugsepisoden bis zu einem Übergang aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug (Zielzustand 1) als auch die Verweildauer in den Nicht-Bezugsepisoden bis zu einem Übergang in erneuten Arbeitslosengeld-II-Bezug (Zielzustand 2) betrachtet. Es werden zeitdiskrete Hazardratenmodellen für multiple Zustände und wiederholte Ereignisse simultan geschätzt (Steele 2008), die auf Logitmodellen mit Random-Effekten56 basieren (siehe Abschnitt 10.3). Es wird eine periodenspezifische (piecewise constant) Zeitabhängigkeit der Hazardraten modelliert. Die Modelle schätzen eine von Individualmerkmalen und situativen Faktoren abhängige personenspezifische proportionale Variation der Hazardraten.57 Untersucht wird der Einfluss von Alter, Geschlecht, Migrationshintergrund, sozialer Herkunft, Schul- und Berufsqualifikation sowie Erwerbsstatus, Erwerbs- und Arbeitslosigkeitserfahrung, bisheriger Arbeitslosenoder Sozialhilfebezug, Haushaltskonstellation und -einkommen, regionalen und saisonalen Strukturen. Zudem wird betrachtet, ob die Hazardraten mit steigender Zahl der Arbeitslosengeld-II-Bezugsepisoden und dem Ausstiegsgrund aus der vorigen Bezugsepisode variieren. Die Ergebnisinterpretation der geschätzten Effekte ermöglicht, die Faktoren zu identifizieren, die im Beobachtungszeitraum mit verschiedenen Verlaufsmustern im Arbeitslosengeld-II-Bezug einhergehen:
56 Einfache Ereignisanalysemodelle, in denen die Hazardraten aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug und im erneuten Bezug separat modelliert werden, erfassen die Verlaufsmuster im ArbeitslosengeldII-Bezug nicht als zusammenhängenden Prozess und können daher zu verzerrten Schätzergebnissen führen, wie auch der Modellvergleich zwischen dem simultanen Hazardratenmodell für multiple Zustände und wiederholte Ereignisse und einer Modellierung der Hazardraten in getrennten Exponentialmodellen in Tabelle 6.8 im Anhang zu diesem Kapitel zeigt. 57 Die Ergebnisse der Modellschätzungen mit Random-Effekt sind als personenspezifische Effekte zu interpretieren, so dass die Koeffizienten zeitveränderlicher Kovariaten (z. B. Haushaltskonstellation, Erwerbsstatus, Ausbildungsabschluss) als relative Variationen der Übergangsrate einer Person im Vergleich zum Referenzstatus zu verstehen sind. Zum Beispiel zeigt der Effekt des Berufsabschlusses an, wie sich die Übergangsrate eines jungen Erwachsenen mit Abschluss der Ausbildung verändert. Schwerer zu interpretieren sind die Effekte der zeitkonstanten Kovariaten (z. B. Geschlecht, soziale Herkunft). Sie können als relative Unterschiede in der Übergangsrate zwischen Personen mit gleichem Random-Effekt gelesen werden.
Dauer und Struktur des Arbeitslosengeld-II-Bezugs
119
Koeffizienten mit einem positiven Einfluss auf die Hazardrate aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug und einem negativen Einfluss auf die Hazardrate in erneuten Bezug kennzeichnen Personengruppen im temporären Bezug von Arbeitslosengeld II. Negative Koeffizienten in dem Teilmodell zum Übergang aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug beschreiben Subgruppen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit im längeren kontinuierlichen Leistungsbezug sind. Positive Einflussfaktoren auf einen Übergang in erneuten Arbeitslosengeld-II-Bezug können als Risikofaktoren bzw. -konstellationen im diskontinuierlichen Arbeitslosengeld-II-Bezug interpretiert werden.58 Die Random-Effekte modellieren den Einfluss zeitkonstanter personen- und zielzustandsspezifischer nicht-beobachtbarer Einflussgrößen auf die bedingten Übergangswahrscheinlichkeiten. Deren Korrelation kann als zeitabhängiger Zusammenhang der Hazardraten gelesen werden. In Tabelle 6.9 im Anhang sind die Korrelationen der Random-Effekte in den Schätzmodellen ohne Kovariaten (Nullmodell) dargestellt. Sowohl in der Gesamtgruppe der 18- bis 29-Jährigen (Modell 6-1) als auch in der Teilgruppe der 18- bis 24-Jährigen (Modell 6-2) besteht ein moderater signifikant positiver Zusammenhang zwischen der Übergangsneigung aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug und in erneuten Bezug. In dem Modell 6-1 mit Kovariaten für die 18- bis 29-Jährigen (Tabelle 6.2) lässt sich weiter eine positive, wenn auch schwächere Korrelation feststellen. Unter den 18- bis 29-jährigen Arbeitslosengeld-II-Empfängern von Januar 2005 existiert folglich eine von nicht-beobachteten Faktoren beeinflusste Neigung, den Arbeitslosengeld-II-Bezug einerseits schnell zu beenden und andererseits die Leistung erneut zu beziehen. Dieser Zusammenhang weist auf eine hohe Dynamik der Verläufe im Bezug hin und wird durch die Modellierung der Random-Effekte in der Schätzung berücksichtigt. Ein ähnlicher Zusammenhang zeigt sich in den Analysemodellen für die 18- bis 24-Jährigen unter Berücksichtigung der sozialen Herkunft nicht (Modell 6-2).
58 In den geschätzten proportionalen Hazardratenmodellen kann nicht eindeutig zwischen einem Einfluss der Kovariaten auf die Eintrittswahrscheinlichkeit der Übergänge aus dem ArbeitslosengeldII-Bezug oder dem Timing des Übergangs unterschieden werden, in der Literatur finden sich beide Interpretationen. Um die Effekte der Kovariaten auf das Timing oder die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Übergangs aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug abschätzen zu können, müssten alternativ Modelle mit periodenspezifischen Effekten geschätzt werden, die jedoch bei komplexen Analysemodellen leicht instabil werden (Bernardi 2001). Bivariate Deskriptionen weisen jedoch nicht darauf hin, dass deutlich unterscheidbare Effekte vorliegen (ohne Darstellung). Die geschätzten Effekte auf die Hazardraten werden daher als Indikatoren der Dynamik im Arbeitslosengeld-II-Bezug interpretiert, die sich in den Abgangswahrscheinlichkeiten widerspiegelt.
120
6.2.1
Dauer und Struktur des Arbeitslosengeld-II-Bezugs
Individualmerkmale und situative Einflussfaktoren im Vergleich
Die 18- bis 29-Jährigen der Eintrittskohorte in Arbeitslosengeld-II-Bezug im Januar 2005 waren mit hoher Wahrscheinlichkeit nur vorübergehend auf die sozialstaatliche Unterstützungsleistung angewiesen, sofern sie über gute schulische Qualifikationen, einen Berufsabschluss und erste Erwerbserfahrung verfügen (siehe Tabelle 6.2). Dies zeigt sich besonders deutlich für die jungen Erwachsenen mit Abitur, denn sie haben nicht nur die höchste Übergangschance aus dem Leistungsbezug nach Schulabschluss, sondern beziehen auch mit einem sehr geringen relativen Risiko erneut Arbeitslosengeld II. Erwerbs-, Haushaltsstatus und Verlaufsmuster im Arbeitslosengeld-IIBezug Wie hängt weiter der Verlauf im Arbeitslosengeld-II-Bezug vom Status der jungen Erwachsenen im Übergang von der Schule in die Erwerbstätigkeit ab? Über den gesamten Beobachtungszeitraum befinden sich die betrachteten jungen Erwachsenen in sehr unterschiedlichen Erwerbszuständen, wie auch Abbildung 6.4 im Anhang zeigt. Die nach Erwerbsstatus differenzierten Übergangsraten beschreiben, in wie weit junge Erwachsene von lebensphasenspezifischen Risiken im (wiederholten) Arbeitslosengeld-II-Bezug betroffen sind: Wie erwartet, besteht ein Zusammenhang zwischen Grundsicherungsbezug und Arbeitslosigkeit. Sind die jungen Grundsicherungsempfänger arbeitslos – und insbesondere langzeitarbeitslos –, dann haben eine geringere Übergangsneigung aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug und eine erhöhte erneute Bezugsneigung als in Erwerbstätigkeit. Zudem erfahren die Grundsicherungsempfänger, die bereits mehrfach arbeitslos waren, ein umso höheres Risiko, auch immer wieder auf Arbeitslosengeld II angewiesen zu sein. Die Ergebnisse bestätigen zunächst die Erwartung, dass längerer kontinuierlicher und diskontinuierlicher Bezug von Arbeitslosengeld II der jungen Erwachsenen mit einem schwierigen Übergang in das Erwerbsleben sowie mangelnden Qualifikationen und Erwerbserfahrung einhergeht.
Dauer und Struktur des Arbeitslosengeld-II-Bezugs
121
Tabelle 6.2: Bestimmungsfaktoren der Hazardraten aus dem Bezug von Arbeitslosengeld II und in erneuten Bezug, 18- bis 29-Jährige (zeitdiskretes Modell für multiple Zustände und wiederholte Ereignisse) Zielzustand Übergang… Schulbildung (ref. maximal Hauptschulabschluss) Mittlere Reife Abitur Berufsausbildung (ref. ohne Abschluss) Erwerbsepisoden (Erwerbsepisoden)2 Arbeitslosigkeitsepisoden (Arbeitslosigkeitsepisoden)2 Erwerbsstatus im Vormonat (ref. Erwerbstätigkeit) Arbeitslosigkeit Arbeitslosigkeit, 12 Monate Arbeitslosigkeit, > 12 Monate in Schule oder Berufsausbildung Kindererziehung, zu Hause sonstige Aktivitäten Haushaltskonstellation (ref. alleinstehend) mit Partner alleinerziehend mit Partner und Kind(ern) mit Eltern Haushaltsäquivalenzeinkommen(/100) von Dez 2004 in Jan - Sep 2005 von Nov 2005 in Nov 2005 - Dez 2006 von Nov 2005 in 2007 Sozialhilfebezug (Sohi) 2004 (ref. nein) Arbeitslosenhilfebezug (Alhi) vor 2005 (ref. nein) Zahl ALG-II-Episoden Sohi 2004 x Zahl ALG-II-Episoden Alhi vor 2005 x Zahl ALG-II-Episoden Beendigungsgrund vorige Episode: Arbeitsmarktintegration (ref. aus anderen Gründen) Fortsetzung Tabelle folgende Seite
Modell 6-1 1 2 … aus ALG II … in ALG II 0,204 0,642 0,230 0,162 -0,005 -0,012 -0,005
* *** * *** **
-0,623 -0,966 -0,868 -0,668 -0,490
*** *** *** *** **
-0,083 -0,575 ** -0,118 -0,050 0,001 0,253 ** -0,008 0,467 **
-0,026 -1,083 *** -0,390 ** -0,308 ** 0,006 0,042 0,031 0,275 -0,069 -0,046 0,022 0,088 0,032
* *** *** +
-0,344 + 0,510 * -0,662 ** 0,501 ** 0,114 0,806 *** 0,181 0,005 -0,011 -0,006 0,100 0,024 -0,336 + 0,070 0,175 -0,306 *
122
Dauer und Struktur des Arbeitslosengeld-II-Bezugs
Fortsetzung Tabelle 6.2 Zielzustand 1 2 Übergang… … aus ALG II … in ALG II weiblich (ref. männlich) -0,006 0,042 Alter -0,050 ** -0,077 ** Migrationshintergrund (ref. keinen) -0,092 0,145 regionale Jugendarbeitslosigkeitsquote -0,050 *** 0,026 saisonale Effekte (ref. November - März) April - Juli 0,390 *** -0,126 August - Oktober 0,220 * -0,031 Zeit 1 - 3 Monate -1,678 *** -1,440 *** 4 - 6 Monate -1,494 -1,947 *** 7 - 9 Monate -1,476 + -2,217 *** 10 - 12 Monate -1,628 -2,500 *** ab 13 Monate -2,706 *** 13 -15 Monate -2,106 * 16 - 18 Monate -1,659 19 - 21 Monate -1,489 22 - 24 Monate -1,352 + ab 25 Monate -1,387 n/Personenmonate 1171/42156 Episoden/Ereignisse 1781/1235 1235/610 Corr u1, u2 0,319* Pseudo R2 0,080 Log likelihood -6951,542 Quelle: eigene Berechnungen (LSS 2005, Prozessdaten; Eintrittskohorte Januar 2005 in Arbeitslosengeld-II-Bezug), Signifikanz: p < 0,001 = ***, p < 0,01 = **; p < 0,05 = *, p 0,1 = +
Die jungen Erwachsenen verbleiben eher im Arbeitslosengeld-II-Bezug, solange sie noch die Schule besuchen oder eine Berufsausbildung absolvieren und einer Erwerbsintegration und Aktivierung bis dato nicht zur Verfügung stehen. Dagegen verfügen junge Erwachsene in Ausbildung, die den ArbeitslosengeldII-Bezug vorab beenden konnten, über ein geringeres Rückfallrisiko in erneuten Arbeitslosengeld-II-Bezug als in Erwerbstätigkeit. Beide Ergebnisse bestätigen, dass sich die jungen Erwachsenen während einer Berufsausbildung oder in der Schule in einer relativ stabilen finanziellen Situation befinden, die je nach familiären und sozialen Rahmenbedingungen entweder mit längerem Leistungsbezug oder mit finanzieller Unabhängigkeit von Arbeitslosengeld II durch die Ausbildungsförderung und -vergütung einhergehen kann. Blickt man ferner auf die zentrale Bedeutung eines regulären Schul- und Berufsabschlusses
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für die Abgangschancen aus dem Arbeitslosengeld II, so ist für die langfristigen Perspektiven der betrachteten jungen Erwachsenen im Bildungssystem entscheidend, ob sie Schule oder Ausbildung mit einem Abschluss beenden. Ergänzende deskriptive Auswertungen der Schüler und Auszubildenden im Januar 2005 zeigen, dass dies zumindest der überwiegende Anteil erreicht (ohne Darstellung): Rund 90 Prozent der Schüler haben bis zum Ende des Beobachtungszeitraums die Schule mit einem Abschluss beendet. Von den Auszubildenden schlossen 68 Prozent die Ausbildung bis zum Ende des Beobachtungszeitraums regulär mit einem Abschluss ab. Wenn sich die jungen Erwachsenen zu Hause um die Kindererziehung kümmern, dann beziehen sie mit hoher Wahrscheinlichkeit länger Arbeitslosengeld II und sind zudem eher mit erneutem Leistungsbezug konfrontiert. Das Ergebnis weist darauf hin, dass die Gründung einer eigenen Familie ein hohes Risiko finanzieller Instabilität für die betrachteten jungen Erwachsenen birgt – insbesondere wenn sich ein Partner auf die Betreuung der Kinder konzentriert und nicht zum Haushaltseinkommen beitragen kann.59 Die Befunde werden durch die Schätzergebnisse zur Haushaltskonstellation untermauert: Junge Eltern – ob alleinerziehend oder mit Partner und Kind(ern) – haben das höchste Risiko, längerfristig im Arbeitslosengeld-II-Bezug zu verbleiben. Junge Erwachsene mit Partner und Kind(ern) sind zudem mit hoher Wahrscheinlichkeit nach einem zunächst gelungenen Ausstieg erneut auf Arbeitslosengeld II angewiesen als Alleinstehende. Aber auch junge Erwachsene in einer Partnerschaft ohne Kinder empfangen schneller erneut Arbeitslosengeld II– obgleich beide Partner potentiell einen Verdienst beisteuern könnten. Entgegen der bisherigen Befunde, dass das Einkommensarmutsrisiko junger Erwachsener in einer Partnerschaft insgesamt geringer ist als bei Alleinlebenden (Aassve et al. 2006), ist augenscheinlich für die jungen Arbeitslosengeld-IIEmpfänger eine Partnerschaft nicht gleichbedeutend mit finanzieller Sicherheit, etwa weil in der Teilgruppe beide Partner gleichermaßen Risiken am Arbeitsmarkt erleben. Darüber hinaus verbleiben junge Erwachsene auch eher länger im Leistungsbezug, wenn sie noch bei den Eltern leben, was auf finanzielle Restriktionen in der Familie schließen lässt. Zwar sind alleinerziehende junge Erwachsene eine Risikogruppe für kontinuierlichen längeren Arbeitslosengeld-II-Bezug, doch fällt auf, dass sie nicht ebenso wie junge Erwachsene mit Partner oder Partner und Kind(ern) mit einer signifikant höheren Wahrscheinlichkeit erneut Arbeitslosengeld II beziehen
59 Differenzierte Analysen zeigen weiter keine geschlechtsspezifischen Abgangschancen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug bzw. Rückfallrisiken in erneuten Bezug nach Haushaltskonstellation (ohne Darstellung).
124
Dauer und Struktur des Arbeitslosengeld-II-Bezugs
als Alleinstehende. Dieses Ergebnis überrascht, da zu erwarten gewesen wäre, dass junge Alleinerziehende auch nach einem Ausstieg aus dem Leistungsbezug oftmals keine stabile finanzielle Situation erzielen können, da sie sich nicht auf einen zusätzlichen Beitrag eines Partners zum Einkommen stützen können. Eine mögliche Erklärung ist, dass Alleinerziehende nur mit Unterstützung von Kinderbetreuungsangeboten den Leistungsbezug verlassen können, was ihnen jedoch langfristig auch eine dauerhafte Erwerbsintegration ermöglicht (van Berkel 2007). Aus dieser Perspektive stellen flankierende sozialintegrative Leistungen zur aktiven Arbeitsmarktpolitik wie etwa Kinderbetreuungsangebote auf lange Sicht eine erfolgversprechende Strategie für eine Erwerbsintegration Alleinerziehender dar. Haushaltseinkommen und Erfahrungen im Transferbezug Neben den geschilderten Effekten der individuellen Arbeitsmarktsituation, Ressourcenausstattung und Haushaltskonstellation auf den Übergang aus und in wiederholten Arbeitslosengeld-II-Bezug zeigt sich, dass die Übergangsrate für die jungen Erwachsenen aus dem Leistungsbezug umso höher ist, je besser die finanzielle Lage bemessen am Haushaltsäquivalenzeinkommen ihrer Haushalte ist. Das Ergebnis weist auf eine Teilgruppe der jungen Erwachsenen, die vergleichsweise geringe Mangellagen im Arbeitslosengeld-II-Bezug überbrückt. Weitere signifikante Effekte auf das Rückfallrisiko in erneuten Grundsicherungsbezug zeigen sich nicht. Weiter ergeben sich keine empirischen Hinweise, dass die jungen Erwachsenen, die bereits früher Arbeitslosen- oder Sozialhilfe oder bereits mehrfach Arbeitslosengeld II bezogen haben, länger im weiteren Grundsicherungsbezug verbleiben. Im Gegenteil: Junge Erwachsene, die noch 2004 Sozialhilfe bezogen haben, konnten den Arbeitslosengeld-II-Bezug schneller wieder beenden als erstmalige Grundsicherungsbezieher von Januar 2005. Das Ergebnis ist jedoch nur schwach signifikant. Da der Sozialhilfebezug nur für den kurzen Zeitraum 2004 erfasst werden konnte (siehe Erläuterungen in Abschnitt 10.1 im Anhang), dürfte dieser Effekt die Situation junger Erwachsener erfassen, die bereits vor 2005 im diskontinuierlichen Grundsicherungsbezug gependelt sind. Zudem zeigt sich keine signifikant negative Zeitabhängigkeit im andauernden Arbeitslosengeld-II-Bezug, da die periodenspezifischen Effekte mit zunehmender Bezugsdauer nicht deutlich
Dauer und Struktur des Arbeitslosengeld-II-Bezugs
125
zurückgehen.60 Insgesamt sprechen die Ergebnisse gegen die Annahme einer erlernten Hilflosigkeit im wiederholten oder längeren Leistungsbezug im Beobachtungszeitraum. Dagegen verringert sich für die jungen Erwachsenen im Nicht-Bezug die Übergangsrate in erneuten Arbeitslosengeld-II-Bezug, wenn sie bereits mehrfach Arbeitslosengeld II bezogen haben. Das Ergebnis illustriert, dass junge Erwachsene, die häufiger den Ausstieg aus dem Leistungsbezug geschafft haben, schließlich gänzlich ohne Arbeitslosengeld II auskommen können. Ein generelles Verfestigungsrisiko im wiederholten Bezug besteht folglich nicht, so dass ein diskontinuierlicher Arbeitslosengeld-II-Bezug nicht mit einer „Drehtür“ in einen verfestigten Bezug gleichgesetzt werden kann. Vor allem eine Integration in Ausbildung oder Beschäftigung ermöglicht eine längerfristige Unabhängigkeit von Arbeitslosengeld II. Denn konnten die jungen Erwachsenen die vorangegangene Bezugsepisode durch eine Integration in den Arbeitsmarkt oder in Ausbildung überwinden, so beziehen sie mit geringerer Wahrscheinlichkeit erneut Leistungen, als wenn sie den Bezug über sonstige soziale oder familiäre Gründe überwunden hätten. Dennoch zeigt sich eine deutliche Zeitabhängigkeit der Wahrscheinlichkeit, weiter ohne Arbeitslosengeld II auszukommen. Kurz nach einem Ausstieg aus dem Leistungsbezug ist das Rückfallrisiko in erneuten Bezug am höchsten und sinkt mit der Zeit. Als Erklärung kann gemäß der theoretischen Argumentation angeführt werden, dass die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit – sei es durch den jungen Erwachsenen selbst oder eine andere Person – in den ersten Monaten noch unsicher ist und sich erst mit längerer Erwerbstätigkeit etabliert. So dürfte sich die finanzielle Situation auch erst im längeren Nicht-Bezug festigen. 6.2.2
Zum Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und ArbeitslosengeldII-Bezug
Im Folgenden steht die These im Vordergrund, dass junge Erwachsene von niedriger sozialer Herkunft eher länger und mit höherer Wahrscheinlichkeit erneut Arbeitslosengeld II beziehen als junge Erwachsene aus Familien mit höherem sozialen Status. Bestehen schichtspezifische Verbleibsrisiken im Arbeitslosengeld-II-Bezug, weil soziale Ungleichheit von einer Generation zur
60 Da die Random-Effekt-Modelle den Einfluss nicht-beobachtbarer zeitkonstanter personenspezifischer Faktoren schätzen, kann die Zeitabhängigkeit der Hazardrate weitreichend für nicht durch die Kovariaten abgebildete Selektionseffekte in der heterogenen Gruppe der jungen Arbeitslosengeld-II-Empfänger kontrolliert werden (siehe auch Diskussion zur negativen Zeitabhängigkeit in Abschnitt 3.2.2).
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nächsten übertragen werden? Angenommen wird zunächst, dass die Abgangschancen aus dem Arbeitslosengeld II unter den jungen Erwachsenen ungleich verteilt sind, da sie abhängig von ihrer Herkunftsfamilie Ressourcen von unterschiedlicher Wertigkeit akkumulieren konnten. Vor allem Schul- und Ausbildungsabschluss werden in der sozialwissenschaftlichen Diskussion als zentral erachtet. Herkunftsspezifischer Bildungsstand junger Arbeitslosengeld-II-Empfänger Tabelle 6.3 zeigt das Qualifikationsprofil der in der Studie betrachteten 18- bis 24-jährigen Arbeitslosengeld-II-Empfänger im Januar 2005, differenziert nach dem Bildungshintergrund und dem beruflichen Status der Eltern, als die Befragten 15 Jahre alt waren. Betrachtet werden jeweils junge Erwachsene, die im Januar 2005 nicht mehr in einer allgemeinbildenden Schule bzw. auch nicht in Berufsausbildung waren. Die Ergebnisse belegen einen deutlichen und signifikanten Zusammenhang zwischen den erzielten Abschlüssen der jungen Erwachsenen und der sozialen Herkunft. Es bestätigt sich, dass die jungen Grundsicherungsempfänger aus bildungsarmen Elternhäusern im Vergleich zu jenen Leistungsempfängern, deren Eltern über mittlere oder höhere Schulabschlüsse verfügen, im Schnitt geringere Bildungsabschlüsse erzielt haben. Unter den jungen Erwachsenen haben diejenigen, deren Eltern keine abgeschlossene Schulausbildung haben, überdurchschnittlich häufig maximal einen Hauptschulabschluss erworben. Dagegen konnten die jungen Arbeitslosengeld-II-Empfänger mit Eltern mit höheren Bildungsabschlüssen überproportional häufig die Schulzeit mit Abitur abschließen. Weiter haben die jungen Arbeitslosengeld-II-Empfänger, deren Eltern über mittlere Schulabschlüsse verfügen, im Januar 2005 bereits überdurchschnittlich oft eine Berufsausbildung abgeschlossen, junge Erwachsene mit Eltern mit Sonder- oder Hauptschulabschluss dagegen nur zu einem vergleichsweise geringen Anteil. Zudem besteht auch ein Zusammenhang zwischen dem Bildungserfolg der jungen Grundsicherungsempfänger und dem Erwerbsstatus der Eltern, als die betrachteten Personen 15 Jahre alt waren. Es ist hervorzuheben, dass die jungen Leistungsempfänger, die mit elterlicher Arbeitslosigkeit oder Nichterwerbstätigkeit aufgewachsen sind, im Vergleich zu allen betrachteten 18- bis 24-Jährigen überdurchschnittlich häufig niedrigere Bildungsabschlüsse erzielt haben und eher (noch) nicht über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen.
Dauer und Struktur des Arbeitslosengeld-II-Bezugs
127
Tabelle 6.3: Bildungshintergrund 18- bis 24-jähriger Arbeitslosengeld-IIEmpfänger, nach Schulabschluss und beruflicher Stellung der Eltern, Januar 2005 (in Prozent)
mittlerer Abschluss
Abitur
keine Informationen
arbeitslos/ nicht erwerbstätig
in einfacher Beschäftigung
in qualifizierter Beschäftigung
gesamt
keine Informationen
SonderHauptschule
Höchste berufliche Stellung der Eltern (als befragte Person 15 Jahre alt)
ohne Abschluss
Höchster Bildungsabschluss der Eltern
43
33
60
65
59
48
55
47
45
35
27
28
40
35
10
22
5
8
13
12
10
höchster Bildungsabschluss (ohne Schüler) maximal Sonder-, 70 85 67 Hauptschulabschluss 25 15 24 Mittlere Reife Abitur
5
0
9
gesamt
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
n
68
37
168
192
88
77
92
120
264
553
67,970***
Ȥ2
15,407**
Berufsausbildung abgeschlossen (ohne Schüler und Auszubildende) ohne Ausbildungs66 68 74 52 66 66 abschluss Ausbildung 35 33 26 48 34 34 abgeschlossen 100 100 100 100 100 100 gesamt n
50
29
131
144
66
59
80
65
59
64
20
35
41
36
100
100
100
100
60
98
203
420
10,830** 11,403** Ȥ2 Quelle: eigene Berechnungen (LSS 2005, Prozessdaten; 18- bis 24-Jährige der Eintrittskohorte Januar 2005 in Arbeitslosengeld-II-Bezug), Prozentangaben gewichtet, Signifikanz: p < 0,001 = ***, p < 0,01 = **; p < 0,05 = *, p 0,1 = +
Mit den herkunftsspezifisch unterschiedlichen Bildungsressourcen treten die 18bis 24-Jährigen zum Januar 2005 in den Arbeitslosengeld-II-Bezug ein. Somit wird deutlich, dass über die Bildungseffekte auf die Übergangschancen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug auch herkunftsspezifische Statuszuweisungsprozesse vermittelt werden.
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Dauer und Struktur des Arbeitslosengeld-II-Bezugs
Herkunftseffekte auf die Abgangschancen aus dem Arbeitslosengeld-IIBezug Weiter wird überprüft, inwieweit neben Bildungseffekten auf einen Abgang aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug zusätzliche soziale Herkunftseffekte bestehen. So wurde das bereits aus dem vorigen Abschnitt bekannte Analysemodell 6-1 für die 18- bis 24-jährigen Arbeitslosengeld-II-Empfänger um den höchsten Schulabschluss der Eltern und deren höchsten Erwerbsstatus, als die Befragten 15 Jahre alt waren, erweitert (Tabelle 6.4, Modell 6-2a). Es zeigen sich deutliche Herkunftseffekte nach der beruflichen Stellung der Eltern. Während die 18- bis 24-jährigen Leistungsempfänger von Januar 2005, deren Eltern vormals in unqualifizierten oder einfachen Tätigkeiten beschäftigt waren, mit höherer Wahrscheinlichkeit im Leistungsbezug verbleiben als Gleichaltrige mit Eltern in qualifizierter Beschäftigung, sind junge Erwachsene, die mit elterlicher Arbeitslosigkeit und Nicht-Erwerbstätigkeit aufgewachsen sind, vor allem von wiederholtem Grundsicherungsbezug betroffen. Die jungen Erwachsenen mit geringem sozialen Hintergrund sind selbst unter Kontrolle ihrer Qualifikationen eine Risikogruppe für andauernden oder diskontinuierlichen Bezug von Arbeitslosengeld II. Es bestätigt sich, dass sich die Verbleibsrisiken nicht allein aufgrund geringer Qualifikationen auf junge Erwachsene aus Familien mit geringem sozioökonomischen Status konzentrieren. In einem zweiten Schritt wird (Modell 6-2b, Tabelle 6.4) ein Interaktionsterm61 zwischen Berufsabschluss der jungen Erwachsenen und der sozialen Herkunft aufgenommen, um zu untersuchen, ob die Bildungseffekte auf die Abgangschancen nach sozialer Herkunft variieren, in anderen Worten, ob junge Grundsicherungsempfänger abhängig von ihrer sozialen Herkunft von einem Ausbildungsabschluss in unterschiedlichem Maße profitieren.
61 In den verfeinerten Modellen mit Interaktionseffekten können variierende Effekte der Kovariaten auf die geschätzte Übergangsrate zwischen verschiedenen Subgruppen modelliert werden. In den logistischen Hazardratenmodellen ist bei der Interpretation zu beachten, dass die geschätzten Interaktionseffekte von den Ausprägungen der weiteren Kovariaten abhängen. Da das oftmals vorgeschlagene Korrekturverfahren (Ai/Norton 2003; Norton et al. 2004) bislang nicht für das verwendete fortgeschrittene Schätzmodell implementiert ist, wurde hier die Robustheit der Schätzer mittels linearen Wahrscheinlichkeitsmodellen (linear probability models) getestet und bestätigt. Unter Berücksichtigung der gesetzten Referenzkategorien kann die Variation der Effekte anhand der relativen Übergangschancen zwischen den Subgruppen veranschaulicht und anhand der exponierten Effekte berechnet werden (Kohler/Kreuter 2008: 296). Ein Interpretationsbeispiel anhand von Modell 6-2b (Tabelle 6.4): Die relative Übergangschance aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug in Beschäftigung oder betriebliche Ausbildung von ausbildungslosen jungen Erwachsenen mit arbeitslosen Eltern beträgt 0,791(= exp0,234) Mal der Chance von ausbildungslosen jungen Erwachsenen mit Eltern in qualifizierter Beschäftigung, ist also deutlich geringer.
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129
Tabelle 6.4: Bestimmungsfaktoren der Hazardraten aus dem Bezug von Arbeitslosengeld II und in erneuten Bezug, 18- bis 24-Jährige (zeitdiskretes Modell für multiple Zustände und wiederholte Ereignisse) Modell Zielzustand Übergang… höchster Schulabschluss der Eltern (ref. mind. Hauptschulabschluss) keine Informationen ohne Abschluss höchster Erwerbsstatus der Eltern† (ref. qualifizierte Beschäftigung) keine Informationen einfache Beschäftigung Arbeitslosigkeit, Nicht-Erwerbstätigkeit (Alo) Schulbildung (ref. max. Hauptschulabschluss) Mittlere Reife Abitur Berufsausbildung (ref. ohne Abschluss) Berufsausbildung x Alo Eltern Erwerbsepisoden (Erwerbsepisoden)2 Arbeitslosigkeitsepisoden (Arbeitslosigkeitsepisoden)2 Erwerbsstatus im Vormonat (ref. Erwerbstätigkeit) Arbeitslosigkeit Arbeitslosigkeit, 12 Monate Arbeitslosigkeit, > 12 Monate in Schule oder Berufsausbildung Kindererziehung, zu Hause sonstige Aktivitäten Fortsetzung Tabelle folgende Seite
Modell 6-2a 1 2 … aus … in ALG II ALG II 0,137 -0,192
0,150 -0,090
Modell 6-2b 1 2 … aus … in ALG II ALG II 0,120 -0,199
0,155 -0,086
-0,141 -0,285 *
0,398 + 0,055
-0,141 -0,284 *
0,390 + 0,053
-0,110
0,435 *
-0,234
0,322
0,140 -0,188 0,647 *** -0,575 * 0,312 ** -0,127
0,139 0,646 0,241 0,431 0,194 -0,008 -0,138 0,008
0,200 *** -0,083 -0,008 *** -0,002 -0,142 + 0,022 0,008 0,030 +
-0,370 -0,944 -0,869 -0,890 -0,452
0,341 + ** *** *** -0,706 ** *** 0,368 * -0,962 ***
-0,367 -0,935 -0,863 -0,907 -0,460
*** * + *** ** +
-0,180 -0,564 * -0,190 0,327 -0,082 -0,002 0,018 0,030 +
0,345 + ** *** *** -0,706 ** *** 0,353 ** -0,960 ***
130
Fortsetzung Tabelle 6.4 Modell Zielzustand Übergang…
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Modell 6-2a 1 2 … aus … in ALG II ALG II
Modell 6-2b 1 2 … aus … in ALG II ALG II
Haushaltskonstellation (ref. alleinlebend) mit Partner -0,130 0,792 ** -0,144 0,778 ** alleinerziehend -1,239 *** -0,041 -1,203 *** -0,052 mit Partner und Kind(ern) -0,391 * 0,962 *** -0,364 * 0,975 *** mit Eltern -0,363 ** 0,273 -0,357 ** 0,265 Haushaltsäquivalenzeinkommen (/100) von Dez 2004 in Jan - Sep 2005 -0,002 0,020 ** -0,002 0,020 ** von Nov 2005 in Nov 2005 - Dez 2006 0,030 *** -0,004 0,030 *** -0,004 von Nov 2005 in 2007 0,021 * -0,011 0,021 * -0,011 Sozialhilfebezug (Sohi) 2004 (ref. nein) 0,184 0,348 0,173 0,340 Arbeitslosenhilfebezug (Alhi) vor 2005 0,055 -0,130 -0,022 -0,077 (ref. nein) Zahl ALG-II-Episoden -0,016 -0,069 -0,052 -0,891 * Sohi 2004 x Zahl ALG II-Episoden -0,071 -0,912 * 0,078 -0,113 Alhi vor 2005 x Zahl ALG II-Episoden -0,223 -0,266 -0,192 -0,251 Beendigungsgrund vorherige ALG IIEpisode: Arbeitsmarktintegration (ref. aus anderen Gründen beendet) 0,215 -0,213 0,240 -0,211 weiblich (ref. männlich) -0,101 -0,042 -0,102 -0,040 -0,043 0,001 -0,043 0,004 Alter Migrationshintergrund (ref.: keinen) 0,060 0,070 0,053 0,061 regionale Jugendarbeitslosigkeitsquote -0,066 *** 0,030 -0,067 *** 0,031 saisonale Effekte (ref. November - März) April - Juli 0,103 0,100 0,415 *** -0,180 0,416 *** -0,180 0,101 0,099 August - Oktober n/Personenmonate 674/ 24264 Episoden/Ereignisse 1023/739 739/349 1023/739 739/349 Corr u1, u2 0,025 0,093 0,080 0,081 Pseudo R2 Log likelihood -4077,608 -4075,431 Quelle: eigene Berechnungen (LSS 2005, Prozessdaten; Eintrittskohorte Januar 2005 in Arbeitslosengeld-II-Bezug), periodenspezifische Zeiteffekte berechnet, aber nicht angegeben, Signifikanz: p < 0,001 = ***, p < 0,01 = **; p < 0,05 = *, p 0,1 = +; † als befragte Person 15 Jahre alt
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Das erweiterte Modell zeigt, dass sich das Risiko des längeren ArbeitslosengeldII-Bezugs vor allem auf junge Erwachsene niedriger sozialer Herkunft konzentriert, die (noch) ohne Berufsabschluss sind. Ausbildungslose junge Erwachsene, die mit elterlicher Arbeitslosigkeit bzw. Nicht-Erwerbstätigkeit aufgewachsen sind, haben eine geringere Abgangschance aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug im Vergleich zu ausbildungslosen jungen Erwachsenen mit Eltern in qualifizierter Beschäftigung. Die höhere Übergangswahrscheinlichkeit junger Erwachsener aus Familien mit hohem sozioökonomischen Status dürfte vor allem auch daran liegen, dass die Eltern über größere finanzielle und soziale Ressourcen verfügen, ihre Kinder zu unterstützen. Doch zeigt sich ferner, dass Absolventen einer Berufsausbildung niedriger sozialer Herkunft im Vergleich zu Ausbildungslosen gleicher sozialer Herkunft über eine fast doppelt so hohe relative Übergangschance aus Arbeitslosengeld II verfügen. Somit können die jungen Erwachsenen niedriger sozialer Herkunft die zunächst geringere Übergangswahrscheinlichkeit aus dem Leistungsbezug deutlich kompensieren, wenn sie einen Ausbildungsabschluss erzielen. Ein Berufsausbildungsabschluss beweist sich folglich als bestes Mittel, um langfristige soziale Armutsrisiken zu durchbrechen. Herkunftsspezifische Arbeitseinstellung junger Arbeitslosengeld-IIEmpfänger Neben einer herkunftsspezifisch unterschiedlichen Ressourcenausstattung wurde in der theoretischen Diskussion die Annahme formuliert, dass junge Erwachsene aus Familien mit geringem sozialen Status mit hoher Wahrscheinlichkeit länger im Arbeitslosengeld-II-Bezug verbleiben als junge Erwachsene höherer sozialer Herkunft, weil sie im Zuge von Erfahrungen mit Arbeitslosigkeit und Armut in der Familie eine geringe Erwerbsorientierung und hohe Leistungsbezugsneigung übernommen hätten. Um dem nachzugehen, können aus der Befragung LSS 2005 verschiedene Aussagen zum Wert der Erwerbsarbeit herangezogen werden. Die folgenden deskriptiven Auswertungen vermitteln die Einstellungen der jungen Grundsicherungsempfänger von Januar 2005 zur Erwerbstätigkeit (siehe Tabelle 6.5). Zunächst zeigen die Randverteilungen der Antworten zu den Arbeitsorientierungen ein ambivalentes Bild. Zwar geben mit insgesamt 73 Prozent die meisten der befragten 18- bis 24-jährigen Arbeitslosengeld-IIEmpfänger an, dass ihnen ein ordentliches Einkommen bei Erwerbstätigkeit äußerst wichtig ist. Dennoch stimmt auch der deutliche Großteil den Aussagen „Arbeit ist für mich nicht so wichtig, solange ich genug Geld zum Leben habe“ (81 Prozent) und „Arbeit ist für mich nicht so wichtig, solange man durch einen Partner/eine Partnerin abgesichert ist“ (94 Prozent) eher nicht oder gar nicht zu.
132
Dauer und Struktur des Arbeitslosengeld-II-Bezugs
Diese Befunde können als Indikatoren dafür gelesen werden, dass viele der jungen Erwachsenen Erwerbstätigkeit nicht allein auf den Einkommenserwerb reduzieren. Schließlich zeigt das kritische Antwortverhalten zu der Aussage „Wer keine Arbeit hat, gehört doch gar nicht dazu“ – 77 Prozent stimmen der Aussagen nicht zu bzw. eher nicht zu – dass für den überwiegenden Teil der jungen Befragten Arbeitslosigkeit und Nicht-Erwerbstätigkeit keine Kriterien sind, an denen sie gesellschaftliche Zugehörigkeit festmachen. Im Weiteren steht der Zusammenhang zwischen den subjektiven Einstellungen der jungen Grundsicherungsempfänger von Januar 2005 zum Wert einer Erwerbstätigkeit und dem Bildungsstand bzw. dem Erwerbsstatus der Eltern im Vordergrund.62 Gemäß den Ȥ2-Tests unterscheiden sich ausschließlich zwei Aussagen nach dem Bildungsstand der Eltern, nicht aber nach der beruflichen Tätigkeit der Eltern. Es ist hervorzuheben, dass insgesamt ein unterdurchschnittlicher Anteil der jungen Erwachsenen, deren Mütter oder Väter über ein Abitur verfügen, der Aussage vollkommen zustimmen, dass ihnen ein ordentlicher Verdienst das wichtigste an der Arbeit sei bzw. überdurchschnittlich häufig diese Aussage ablehnen. Dagegen stimmen junge Erwachsene aus bildungsschwachen Familien überdurchschnittlich selten der Aussage zu bzw. eher zu, dass Personen ohne Arbeit, gar nicht dazugehören. Die jungen Erwachsenen zeigen folglich nur partiell unterschiedliche Erwerbseinstellungen nach dem sozioökonomischen Status der Herkunftsfamilie, ein deutlicher Zusammenhang besteht nicht. Es kann keine systematisch geringere Erwerbseinstellung unter jungen Grundsicherungsempfängern aus Familien mit geringem sozioökonomischen Status im Vergleich zu Gleichaltrigen aus Familien mit höherem sozioökonomischen Status festgestellt werden.
62 Die 18- bis 24-Jährigen, die keine Angaben zum höchsten Bildungsabschluss oder Berufsstatus der Eltern gemacht haben, zeigen im Vergleich zu den restlichen Befragten eine abweichende Einstellung zur Erwerbstätigkeit (ohne Darstellung). Sie wurden daher in den deskriptiven Analysen zum Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Arbeitseinstellung in Tabelle 6.5 ausgeschlossen.
Dauer und Struktur des Arbeitslosengeld-II-Bezugs
133
Tabelle 6.5: Arbeitseinstellung 18- bis 24-jähriger Arbeitslosengeld-IIEmpfänger, nach Schulabschluss und beruflicher Stellung der Eltern†, Januar 2005 (in Prozent) gesamt
in qualifizierte Beschäftigung einfache Beschäftigung
arbeitslos/ nicht erwerbstätig
gesamt
max. Sonder-/ Hauptschule
Abitur
Höchste berufliche Stellung der Eltern†
mittlerer Abschluss
Höchster Bildungsabschluss der Eltern
„Das wichtigste für mich an der Arbeit ist, dass ich dabei ordentliche verdiene“ stimme voll und ganz zu
34
32
22
31
27
40
29
31
stimme eher zu
41
44
49
43
47
39
42
42
stimme eher nicht zu
21
18
18
19
18
17
22
20
stimme gar nicht zu
5
6
11
7
8
4
7
7
2
Ȥ
10,912+
9,580
„Arbeit ist für mich nicht so wichtig, solange ich genug Geld zum Leben habe“ stimme voll und ganz zu
7
8
6
7
stimme eher zu stimme eher nicht zu stimme gar nicht zu
8
10
9
9
10
9
11
35
39
43
10
4
10
11
10
38
42
34
35
47
44
40
36
45
46
46
45
45
Ȥ2 3,193 5,757 „Arbeit ist für mich nicht so wichtig, solange man durch einen Partner/eine Partnerin abgesichert ist“ stimme voll und ganz zu/stimme eher zu
5
6
5
5
3
5
7
6
stimme eher nicht zu
22
31
31
27
24
28
28
27
stimme gar nicht zu
73
64
65
68
73
65
65
67
Ȥ2
6,481
4,689
„Wer keine Arbeit hat, gehört doch gar nicht dazu“ stimme voll und ganz zu
13
6
11
10
13
11
8
10
stimme eher zu
15
12
11
13
8
13
14
13
stimme eher nicht zu
33
40
50
40
41
42
39
40
stimme gar nicht zu
39
41
27
37
38
33
39
37
100
100
Ȥ2 Gesamt
16,401* 100
100
100
6,176 100
100
100
n 238 237 124 599 117 146 321 584 Quelle: eigene Berechnungen (LSS 2005, Prozessdaten; 18- bis 24-Jährige der Eintrittskohorte Januar 2005 in Arbeitslosengeld-II-Bezug), Prozentangaben gewichtet; Signifikanz: p < 0,001 = ***, p < 0,01 = **; p < 0,05 = *, p 0,1 = +, † als befragte Person 15 Jahre alt
134
6.3
Dauer und Struktur des Arbeitslosengeld-II-Bezugs
Exkurs: Die finanzielle Situation junger Erwachsener im Anschluss an den Grundsicherungsbezug
Die bisherigen Ergebnisse illustrieren die Übergänge junger Erwachsener aus der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Doch ist kritisch zu hinterfragen, ob die jungen Erwachsenen auch eine deutlich bessere finanzielle Stellung als im Arbeitslosengeld-II-Bezug erzielen oder ob sie im armutsnahen Einkommensbereich verbleiben (siehe auch Kapitel 4.1.1). Allein der Befund, dass rund ein Drittel aller betrachteten jungen Grundsicherungsempfänger von Januar 2005 im Beobachtungszeitraum von drei Jahren wiederholt Arbeitslosengeld II beziehen, verweist darauf, dass viele junge Erwachsene und ihre Bedarfsgemeinschaften auch nach dem Arbeitslosengeld-II-Bezug ihre finanzielle Lebenslage nicht grundlegend stabilisieren können. Ziel des folgenden Abschnitts ist es deshalb, einen ersten Eindruck über die finanzielle Situation der jungen Erwachsenen im Anschluss an den Arbeitslosengeld-IIBezug zu erhalten. Aufgrund der Datenlage können hierzu ausschließlich Angaben zur Haushaltseinkommenssituation der jungen Erwachsenen im November 2005 aus der Studie LSS 2005 herangezogen werden. Die Deskription beschränkt sich auf die 287 18- bis 29-Jährigen der Untersuchungspopulation, die zu diesem Zeitpunkt aktuell nicht auf Arbeitslosengeld II angewiesen waren. Sind die jungen Erwachsenen nach Beendigung des Bezugs von Arbeitslosengeld II besser gestellt als im Bezug? Um diese Frage zu beantworten, wird das Haushaltsnettoeinkommen der jungen Erwachsenen in Relation zu den durchschnittlichen Arbeitslosengeld-II-Zahlungen je nach Bedarfsgemeinschaftskonstellation gesetzt (Tabelle 6.6).63 Eine Relation von 100 stellt dar, dass die Regelbedarfsleistungen nach Arbeitslosengeld II und die durchschnittlichen Kosten der Unterkunft in etwa der Einkommenssituation der betrachteten jungen Erwachsenen zum Betrachtungszeitpunkt entsprechen; ein Wert größer (bzw. kleiner) als 100 beschreibt eine bessere (bzw. schlechtere) Einkommenssituation im Vergleich zu potentiellen Grundsicherungsleistungen. Die Einkommenssituation der jungen Erwachsenen nach einem Ausstieg aus dem Arbeitslosengeld II wird unter Berücksichtigung des Erwerbsstatus erfasst, wie in Tabelle 6.6 dargestellt.
63
([Haushaltsnettoeinkommen im November 2006] /[Arbeitslosengeld-II-Regelsatz] + [Kosten der Unterkunft nach Engels (2006)]) · 100
Dauer und Struktur des Arbeitslosengeld-II-Bezugs
135
Tabelle 6.6: Relation des Haushaltseinkommens zum Arbeitslosengeld II nach Ausstieg aus dem Leistungsbezug, nach Erwerbsstatus, November 2005 (in Prozent) Erwerbstätigkeit
in Berufsausbildung
zu Hause/ Kindererziehung
Arbeitslosigkeit
keine Angaben
in Schule*
gesamt
Relation < 100
12
25
18
26
14
-
18
100 - 149
26
29
15
41
18
-
27
> 150
62
47
68
34
68
-
55
gesamt
100
100
100
100
100
100
100
n 118 85 20 36 21 7 287 Quelle: eigene Berechnungen (LSS 2005, Prozessdaten; 18- bis 29-Jährige der Eintrittskohorte Januar 2005 in Arbeitslosengeld-II-Bezug), Prozentangaben gewichtet, * Die Anteile werden aufgrund geringer Fallzahlen nicht ausgewiesen.
Die Ergebnisse zeigen, wie aus der Randverteilung der Tabelle 6.6 abgelesen werden kann, dass ein Ende des Arbeitslosengeld-II-Bezugs nicht für alle hier betrachteten jungen Erwachsenen samt Bedarfsgemeinschaft gleichbedeutend ist mit einer besseren Einkommenslage. 18 Prozent der Teilstichprobe geben zum Erfassungszeitpunkt eine schlechtere Einkommenssituation in Relation zum durchschnittlichen Arbeitslosengeld-II-Satz an. 27 Prozent berichten von Einkommenssteigerungen von bis zu 50 Prozent über dem Arbeitslosengeld-IIRegelsatz, für weitere 55 Prozent der jungen Erwachsenen ist die Haushaltseinkommenssituation nach Leistungsbezug deutlich besser als im Bezug. Differenziert man weiter nach Erwerbsstatus, dann sind vorwiegend jene jungen Erwachsenen finanziell deutlich besser gestellt als im ArbeitslosengeldII-Bezug, die im November 2005 selbst erwerbstätig waren oder sich zu Hause der Kinderbetreuung widmen. Bei Letzteren dürfte sich die finanzielle Situation durch eine Erwerbsaufnahme des Partners verbessert haben. Dagegen hat sich die Einkommenssituation überdurchschnittlich vieler junger Arbeitsloser und Auszubildender nicht oder im vergleichsweise geringen Ausmaß verbessert. Bei beiden Teilgruppen bestehen folglich nach einer Beendigung des Arbeitslosengeld-II-Bezugs zu vergleichsweise großen Anteilen weiterhin finanzielle Unsicherheiten, die jedoch aus den unterschiedlichen Perspektiven ihrer Erwerbssituation zu beurteilen sind. Bei den hier betrachteten arbeitslosen jungen Erwachsenen ist der Anspruch auf Arbeitslosengeld II wohl durch Veränderungen in der Bedarfsgemeinschaft entfallen, die individuellen Arbeitsmarktprobleme bestehen jedoch fort. Blickt man auf die finanzielle
136
Dauer und Struktur des Arbeitslosengeld-II-Bezugs
Situation der Auszubildenden, so wurde bereits in Abschnitt 3.2.1 aufgezeigt, dass deren Einkommenssituation in etwa dem Niveau des Arbeitslosengeldes II entspricht, dem aber in den meisten Fällen vorrangig ist. Doch ist die Ausbildung als sozial akzeptierte „normale“ Aktivität im jungen Erwachsenenalter anerkannt (Kapitel 2.1), so dass die Aufnahme einer Ausbildung auch jenseits finanzieller Aspekte zu einer – zumindest subjektiv wahrgenommenen (Popp/Schels 2008) – verbesserten Lebenslage beiträgt. 6.4
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
In diesem Kapitel wurden erste Informationen zum Ausmaß von Kurzzeitbezug, längerem Bezug und diskontinuierlichem Bezug von Arbeitslosengeld II unter jungen Erwachsenen gewonnen. Etwa ein Fünftel der 18- bis 29-Jährigen der Eintrittskohorte in den Grundsicherungsbezug im Januar 2005 kann als Kurzzeitbezieher bezeichnet werden, was als Arbeitslosengeld-II-Bezug von bis zu einem Jahr zum Anfang des Beobachtungszeitraums definiert wurde. Rund ein Viertel der betrachteten jungen Erwachsenen war über drei Jahre andauernd im Grundsicherungsbezug und ein weiteres Drittel war im Zeitraum immer wieder auf Arbeitslosengeld II angewiesen. Obwohl die jungen Erwachsenen und ihre Bedarfsgemeinschaften zwar den Leistungsbezug zwischenzeitlich beenden konnten, gelang es ihnen bis zum Ende des Beobachtungszeitraums nicht, ihre finanzielle Situation zu stabilisieren. Weitere Analysen zur finanziellen Lage nach einem beendeten Leistungsbezug ergänzen, dass ein Ende des Leistungsbezugs nicht immer gleichbedeutend ist mit einer verbesserten Einkommenssituation. Insgesamt zeigen die deskriptiven Befunde ein hohes Risiko unter jungen Grundsicherungsempfängern, längerfristig – dauerhaft oder wiederholt – auf Arbeitslosengeld II angewiesen zu sein. Dies konterkariert zunächst die sozialpolitischen Ambitionen, dass gerade die Jüngeren unter den Grundsicherungsempfängern nicht lange im Bezug verbleiben sollen.64 Neben dem zeitlichen Ausmaß des Arbeitslosengeld-II-Bezugs standen die Bestimmungsfaktoren der Verlaufsmuster im Vordergrund, anhand derer ein erster Eindruck darüber gewonnen werden kann, in welchem Zusammenhang der
64
Die Frage, ob junge Erwachsene im Vergleich zu älteren Personen eine Risikogruppe im längeren Arbeitslosengeld-II-Bezug sind, kann bislang nicht eindeutig geklärt werden. Einzelbefunde existieren für ehemalige Sozialhilfeempfänger (Buhr 1995; Gebauer 2007), Arbeitslosengeld-IIBezieher in Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaften (Graf 2007) oder alleinerziehende Arbeitslosengeld-II-Empfänger (Lietzmann 2009) und zeigen ambivalente Befunde zur Dauer des Arbeitslosengeld-II-Bezugs nach Altersgruppe (siehe auch Abschnitt 4.1.3).
Dauer und Struktur des Arbeitslosengeld-II-Bezugs
137
Transferbezug mit dem Status der jungen Personen im Übergang in das Erwachsenenalter und den individuellen und familiären Ressourcen steht. Nach den theoretischen Überlegungen stand die Frage im Vordergrund, ob der Arbeitslosengeld-II-Bezug eine verzeitlichte Lebenslage darstellt, ob sich längerer Bezug im Zusammenhang mit akuten familiären oder arbeitsmarktbezogenen Benachteiligungen oder bereits im Rahmen herkunftsbedingter Strukturen entwickelt hat. Die Ergebnisse sind im Überblick in Tabelle 6.7 dargestellt. Tabelle 6.7: Bestimmungsfaktoren der Verlaufsmuster im Arbeitslosengeld-IIBezug, Ergebnisüberblick temporärer Bezug
vergleichsweise privilegierte junge Erwachsene
längerer kontinuierlicher Bezug
wiederholter Bezug
(Langzeit-) Arbeitslosigkeit
diskontinuierlicher Übergang in die Erwerbstätigkeit
gute Qualifikationen (mind. mittlerer Schulabschluss, Berufsabschluss) Erwerbserfahrung finanzieller Hintergrund
Problemgruppen am Arbeitsmarkt
Alleinerziehende Eltern in einfachen Tätigkeiten familiärer Hintergrund
elterliche Arbeitslosigkeit und Nicht-Erwerbstätigkeit
lebt im elterlichen Haushalt
Übergangslagen in das Erwachsenenalter
bis zu einer Erwerbsintegration
in Schule oder Berufsausbildung
Familiengründung und Partnerschaft
Quelle: eigene Darstellung
Die jungen Erwachsenen unter den Grundsicherungsempfängern von Januar 2005, die aufgrund ihrer Qualifikationen, Erwerbserfahrung und finanziellen Lage im Haushalt als vergleichsweise privilegiert bezeichnet werden können,
Dauer und Struktur des Arbeitslosengeld-II-Bezugs
138
sind eher im temporären Arbeitslosengeld-II-Bezug. Sie können den Grundsicherungsbezug relativ schnell beenden und kommen dann auch mit hoher Wahrscheinlichkeit weiter ohne die Transferleistung aus. Das Risiko eines längeren kontinuierlichen und diskontinuierlichen Bezugs konzentriert sich dagegen auf verschiedene Gruppen unter den jungen Erwachsenen: •
•
•
Es sind vor allem die bekannten Problemgruppen am Arbeitsmarkt, die mit hohem Risiko im Arbeitslosengeld-II-Bezug verbleiben. So geht Langzeitarbeitslosigkeit mit längerem Grundsicherungsbezug einher und junge Erwachsene, die bereits wiederholt arbeitslos waren, erfahren ein hohes Risiko im diskontinuierlichen Grundsicherungsbezug. Es bestätigt sich somit die in Kapitel 5 formulierte Annahme, dass junge Erwachsene mit Startschwierigkeiten in das Erwerbsleben zudem ein hohes Risiko erfahren, längerfristig in finanzieller Unsicherheit zu leben. Zudem bestätigt sich, dass junge Alleinerziehende im Vergleich zu jungen Erwachsenen in anderen Haushaltszusammenhängen eher im andauernden Arbeitslosengeld-II-Bezug verbleiben. Begründet wird ihr hohes Risiko mit ihren aufgrund der Kinderbetreuungspflichten stark eingeschränkten Erwerbsmöglichkeiten. Junge Erwachsene aus benachteiligten familiären Zusammenhängen sind gefährdet, längerfristig auf Arbeitslosengeld II angewiesen zu sein. Dies zeigt sich erstens für jene Gruppe, die noch bei ihren Eltern lebt. Zudem steht, wie angenommen, längerer Arbeitslosengeld-II-Bezug im Zusammenhang mit einem geringen sozioökonomischen Status der Herkunftsfamilie, bemessen am beruflichen Status der Eltern in Arbeitslosigkeit und Nicht-Erwerbstätigkeit bzw. einfachen Tätigkeiten. Der Zusammenhang ergibt sich jedoch vorwiegend aus einer schichtspezifischen Ressourcenausstattung der jungen Erwachsenen und nicht aus einer schichtspezifischen Erwerbsorientierung. Insbesondere konzentrieren sich Risiken im Leistungsbezug auf ausbildungslose junge Erwachsene aus Familien mit geringem sozioökonomischen Status. Hier bestätigt sich, dass Pfadabhängigkeiten zwischen dem Status der Herkunftsfamilie und den Verbleibsrisiken junger Erwachsener im Arbeitslosengeld-II-Bezug bestehen. Diese können jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit vermindert werden, wenn die jungen Grundsicherungsempfänger einen Berufsabschluss erzielen. Längerer Leistungsbezug kann auch mit lebensphasenspezifischen Lebenslagen im Übergang in das Erwachsenenalter einhergehen: Es bestätigen sich die formulierten Annahmen, dass längerer Arbeitslosengeld-II-Bezug während institutionalisierter Bildungsphasen
Dauer und Struktur des Arbeitslosengeld-II-Bezugs
139
und finanzieller Unsicherheiten mit einer Familiengründung auftritt. Ein längerer Arbeitslosengeld-II-Bezug besteht in Mangellagen während Schule oder Ausbildung, die allein noch nicht als riskante Erfahrung bewertet werden können. Eine Erwerbs- oder Ausbildungsintegration der jungen Erwachsenen erhöht schließlich die Wahrscheinlichkeit auf einen nachhaltigen Ausstieg aus Arbeitslosengeld II. In diesen Fällen verläuft der Arbeitslosengeld-II-Bezug der jungen Erwachsenen getaktet mit dem Übergangssystem in die Erwerbstätigkeit. Es kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass eine Arbeitsmarktintegration nachhaltig gegen „Drehtüreffekte“ in erneuten Arbeitslosegeld-II-Bezug wirkt. Erst wenn ein Schul- oder Berufsabschluss nicht erzielt oder ein Eintritt in Beschäftigung nicht gelingt, ändert sich der Fokus. Jedoch bestehen unter den jungen Erwachsenen im Armutsbereich zudem finanzielle Unsicherheiten mit der Gründung einer Familie, die sich vor allem in den hohen Rückfallrisiken der jungen Personen mit Partner und/oder Kind(ern) in den Arbeitslosengeld-II-Bezug zeigen. Zusammengenommen zeigen die Ergebnisse, dass ein längerer ArbeitslosengeldII-Bezug durch Benachteiligungen im jungen Erwachsenenalter entstehen kann, die in den Statuspassagen in das Erwerbsleben und mit der Familiengründung vermittelt werden. Längerer Leistungsbezug konzentriert sich dementsprechend nicht allein auf junge Erwachsene niedriger sozialer Herkunft, diese erfahren jedoch oftmals kumulative Risiken im längeren Leistungsbezug, da sie mit hoher Wahrscheinlichkeit über geringere Qualifikationen verfügen als junge Erwachsene aus Familien mit höherem sozioökonomischen Status und zudem weitere herkunftsspezifische Benachteiligungen erfahren, die als geringere Ausstattung an sozialen und kulturellen Kapitalien interpretiert werden können. Darüber hinaus ergeben sich im Beobachtungszeitraum von drei Jahren keine Hinweise, dass sich junge Erwachsene aufgrund ihrer Erfahrungen im andauernden oder wiederholten Leistungsbezug oder ihrer finanziellen Situation im Leistungsbezug in den sozialstaatlichen Grundsicherungsbezug zurückziehen. Aus den Befunden kann als positive Schlussfolgerung gezogen werden, dass die jungen Erwachsenen im Leistungsbezug angesichts kurzfristiger finanzieller Restriktionen und Arbeitsmarktprobleme nicht resignieren. Im folgenden Kapitel werden die ersten Ergebnisse zur Dynamik des Leistungsbezugs anhand weiterführender Analysen zu den Erwerbs- und Ausbildungschancen junger Arbeitslosengeld-II-Bezieher vertieft. Denn in der theoretischen Diskussion wird Langzeitbezug vor allem als Konsequenz des Arbeitsmarkt- und Ausbildungsverhaltens und restriktiver Erwerbschancen der Leistungsbezieher thematisiert.
Dauer und Struktur des Arbeitslosengeld-II-Bezugs
140
Anhang zu Kapitel 6 Methodenanhang In Tabelle 6.8 wird das für die Studie ausgewählte Analysemodell, in dem die Einflussfaktoren auf die Hazardraten aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug und in erneuten Bezug in einem Random-Effekt-Modell simultan geschätzt werden (Modell 6-1) mit separaten Exponentialmodellen (Modelle 6-3, 6-4) verglichen Tabelle 6.8: Hazardraten aus dem Bezug von Arbeitslosengeld II und in erneuten Bezug, Modellvergleich, 18- bis 29-Jährige Modell Zielzustand Übergang … Schulbildung (ref. max. Hauptschulabschluss) Mittlere Reife Abitur Berufsausbildung (ref. ohne Abschluss) Erwerbsepisoden (Erwerbsepisoden)2 Arbeitslosigkeitsepisoden (Arbeitslosigkeitsepisoden)2 Erwerbsstatus im Vormonat (ref. Erwerbstätigkeit) Arbeitslosigkeit Arbeitslosigkeit, 12 Monate Arbeitslosigkeit, > 12 Monate in Schule oder Berufsausbildung Kindererziehung. zu Hause sonstige Aktivitäten Haushaltskonstellation (ref. alleinlebend) mit Partner alleinerziehend mit Partner und Kind(ern) mit Eltern Fortsetzung Tabelle folgende Seite
Random-Effekt-Modell, simultane Schätzung Modell 6-1 1 2 … aus … in ALG II ALG II
Exponentialmodell, separate Schätzungen† Modell 6-3 Modell 6-4 1 2 … aus … in ALG II ALG II
0,204 * 0,642 ***
-0,083 -0,575 **
0,147 * 0,468 ***
0,230 * 0,162 *** -0,005 ** -0,012 -0,005
-0,118 -0,050 0,001 0,253 ** -0,008
0,177 * 0,110 *** -0,004 ** -0,015 -0,004
0,467 ** -0,623 *** -0,966 *** -0,868 *** -0,668 *** -0,490 **
-0,026 -1,083 *** -0,390 ** -0,308 **
-0,062 -0,485 *** -0,129 -0,037 0,001 0,146 * -0,006
0,411 ** -0,491 *** -0,786 ***
-0,344 + 0,510 * -0,662 **
0,501 ** 0,114 0,806 *** 0,181
-0,614 *** -0,559 *** -0,344 **
-0,077 -0,855 *** -0,318 ** -0,243 **
-0,208 0,340 + -0,526 **
0,353 * 0,198 0,578 *** 0,171
Dauer und Struktur des Arbeitslosengeld-II-Bezugs
Fortsetzung Tabelle 6.8 Modell Zielzustand Übergang … Haushaltsäquivalenz-einkommen (/100) von Dez 2004 in Jan - Sep 2005 von Nov 2005 in Nov 2005 - Dez 2006 von Nov 2005 in 2007 Sozialhilfebezug (Sohi) 2004 (ref. nein) Arbeitslosenhilfebezug (Alhi) vor 2005 (ref. nein) Zahl ALG-II-Episoden Sohi 2004 x Zahl ALG-II-Episoden Alhi vor 2005 x Zahl ALG IIEpisoden Beendigungsgrund vorige Bezugsepisode: Arbeitsmarktintegration (ref.: aus anderen Gründen) weiblich (ref. männlich) Alter Migrationshintergrund (ref. keinen) regionale Jugendarbeitslosenquote saisonale Effekte (ref. November März) April - Juli August - Oktober Zeit 1 - 3 Monate 4 - 6 Monate 7 - 9 Monate 10 - 12 Monate ab 13 Monate 13 - 15 Monate 16 - 18 Monate 19 - 21 Monate 22 - 24 Monate ab 25 Monate Fortsetzung Tabelle folgende Seite
141
Modell 6-1 1 2 … aus … in ALG II ALG II 0,006 * 0,042
*** 0,031 ***
0,275
+
-0,069 -0,046 0,022
0,005
Modell 6-3 1 … aus ALG II 0,006 **
-0,011
0,032
*** 0,015 *
-0,006 0,100
0,191
0,024
-0,026
-0,336 + 0,070
+
Modell 6-4 2 … in ALG II 0,005 + -0,012 -0,011 0,067 0,205
0,219 *** 0,024
0,145 -0,038
0,088
0,175
0,086
-0,110
0,032
-0,306
0,016
-0,186
-0,006 -0,050 ** -0,092 -0,050 ***
* 0,042 -0,077 ** 0,145 0,026
0,390 *** 0,220 *
-0,126 -0,031
-1,678 *** -1,494 -1,476 + -1,628
-1,440 -1,947 -2,217 -2,500 -2,706
-2,106 * -1,659 -1,489 -1,352 + -1,387
-0,012 -0,035 ** -0,066 -0,041 *** 0,206 * 0,324 ***
*** *** *** *** ***
-1,857 -1,773 -1,810 -1,992
*** *** *** ***
-2,486 -2,103 -1,969 -1,865 -1,991
*** *** *** *** ***
+ 0,015 -0,050 ** 0,101 0,025 * -0,003 -0,129 -1,693 -2,303 -2,637 -2,972 -3,254
*** *** *** *** ***
142
Dauer und Struktur des Arbeitslosengeld-II-Bezugs
Fortsetzung Tabelle 6.8 Modell Zielzustand
Modell 6-1 Modell 6-3 Modell 6-4 1 2 1 2 … aus … in … aus … in Übergang … ALG II ALG II ALG II ALG II n/Personenmonate 1171/42156 1171/28428 846/13728 Episoden/Ereignisse 1781/1235 1235/610 1781/1235 1235/610 Corr u1, u2 0,319* Pseudo R2 0,080 0,058 0,124 Log likelihood -6951,542 -2292,079 -1529,762 Quelle: eigene Berechnungen (LSS 2005, Prozessdaten; 18- bis 29-Jährige der Eintrittskohorte Januar 2005 in Arbeitslosengeld-II-Bezug), Signifikanz: p < 0,001 = ***, p < 0,01 = **; p < 0,05 = *, p 0,1 = +, †Modell mit korrigiertem Standardfehler auf Personenebene (Cluster)
Die Befunde sind exemplarisch für die 18- bis 29-jährigen Arbeitslosengeld-IIEmpfänger von Januar 2005 dargestellt. Die Effekte auf die Hazardraten treten in der simultanen Schätzung in Modell 6-1 deutlicher stärker heraus als in den separaten Ereignisanalysemodellen 6-3 und 6-4. Dies betrifft vor allem die Effekte der Qualifikationen, des Erwerbsstatus und der Haushaltskonstellation in den Schätzungen zum Übergang in erneuten Arbeitslosengeld-II-Bezug. Es sind jene Teilgruppen unter den jungen Erwachsenen, die mit erhöhter Wahrscheinlichkeit länger im Arbeitslosengeld-II-Bezug verbleiben, bei denen die Effekte auf die Hazardrate in erneuten Arbeitslosengeld-II-Bezug in der simultanen Schätzung mit korrelierten Random-Effekten an Bedeutung gewinnen: In Modell 6-1 zeigt sich insbesondere, dass die jungen Erwachsenen in Schul- und Berufsausbildung mit signifikant geringerer Wahrscheinlichkeit erneut Arbeitslosengeld II beziehen als in Erwerbstätigkeit. Dieser Effekt ist in dem einfachen Exponentialmodell 6-4 nicht signifikant. Weiter treten in dem Modell 6-1 das erhöhte Rückfallrisiko junger Personen in Erziehungszeit und junger Erwachsener mit Partner oder Partner und Kind(ern) deutlicher hervor als in Modell 6-4. Ferner zeigt sich unter Kontrolle der nicht-beobachtbaren Einflussgrößen in dem Random-Effekt-Hazardratenmodell, dass die Anzahl der vorigen Arbeitslosengeld-II-Bezugsepisoden nicht die Dynamik aus dem Grundsicherungsbezug erhöht, jedoch das Rückfallrisiko in erneuten Arbeitslosengeld-II-Bezug verringert. Die unterschiedlichen Befunde sind darauf zurückzuführen, dass in dem Exponentialmodell die benannten Einflussgrößen aufgrund disproportionaler Selektionseffekte tendenziell unterschätzt werden (Steele 2008; Steele et al. 2006).
Dauer und Struktur des Arbeitslosengeld-II-Bezugs
143
Tabellen- und Abbildungsanhang Tabelle 6.9: Ausgewählte Modellparameter der Nullmodelle 6-1 und 6-2 Zielzustand Übergang…
1 … aus ALG II
2 … in ALG II
Modell 6-1 18- bis 29-Jährige Corr u1, u2 0,462** Log likelihood -7381,7867 Modell 6-2 18- bis 24-Jährige Corr u1, u2 0,474* Log likelihood -4374,3997 Quelle: eigene Berechnungen (LSS 2005, Prozessdaten; Eintrittskohorte Januar 2005 in Arbeitslosengeld-II-Bezug), Signifikanz: p 0,05 = *
Abbildung 6.4: Verteilung der Erwerbszustände der jungen Arbeitslosengeld-IIEmpfänger von Januar 2005 bis 2007 (in Prozent) 100% 90% 80% 70%
sonstige Aktivitäten
60%
Kindererziehung, zu Hause
50%
in Schule
40%
Berufsausbildung
30%
Erwerbstätigkeit
20%
Arbeitslosigkeit
10% 0% 0
3
6
9
12 15 18 21 24 27 30 33 36
Zeit (in Monaten seit Januar 2005) Quelle: eigene Berechnungen (LSS 2005, Prozessdaten; 18- bis 29-Jährige der Eintrittskohorte Januar 2005 in Arbeitslosengeld-II-Bezug), Prozentangaben gewichtet
7
Ausstiegswege aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug in Ausbildung und Beschäftigung
In diesem Kapitel steht die Bedeutung der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder Ausbildung für die finanzielle Verselbstständigung junger Arbeitslosengeld-IIEmpfänger im Mittelpunkt des Interesses. In den folgenden Analysen werden daher die Abgangschancen junger Erwachsener aus dem Arbeitslosengeld-IIBezug durch die Aufnahme einer existenzsichernden Beschäftigung oder Ausbildung mit einer vorrangigen Ausbildungsförderung betrachtet. Stellt die Aufnahme einer Ausbildung oder Erwerbstätigkeit einen quantitativ bedeutsamen Weg aus der finanziellen Hilfebedürftigkeit dar? Und welche jungen Erwachsenen beenden den Arbeitslosengeld-II-Bezug rasch durch ihre Ausbildungs- und Erwerbsbeteiligung und welche nicht? Es steht eine Überprüfung der Hypothese an, dass ein längerer Arbeitslosengeld-II-Bezug der jungen Erwachsenen durch individuelle, familiäre und soziale Benachteiligungen im Berufsbildungssystem und am Arbeitsmarkt entsteht. Die Abgangschancen der jungen Grundsicherungsempfänger aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug dürften sowohl von der Nachfragesituation am Arbeitsmarkt beziehungsweise den Zugangschancen zu beruflicher Ausbildung sowie von dem Arbeitsangebot seitens der jungen Erwachsenen, d. h. ihrem Arbeits- und Ausbildungsverhalten, abhängen. Das Kapitel beginnt in Abschnitt 7.1 mit einer Einführung in die Operationalisierung der erwerbs- und ausbildungsbezogenen Ausstiegswege aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug. Nach einer Deskription der Abgangswege aus dem Grundsicherungsbezug in Beschäftigung und Ausbildung in Abschnitt 7.2 werden im Abschnitt 7.3 die Einflussfaktoren auf die unterschiedlichen Ausstiegswege aus dem Grundsicherungsbezug untersucht. Um die Befunde zu den erwerbsbezogenen Ausstiegsgründen aus Arbeitslosengeld II in das gesamte Erfahrungsfeld der jungen Grundsicherungsempfänger beim Erwachsenwerden einordnen zu können, werden in den multivariaten Schätzungen die Wege aus dem Leistungsbezug durch eine Ausbildungs- oder Erwerbsintegration mit Abgangswegen aus anderen Gründen kontrastiert.
B. Schels, Arbeitslosengeld-II-Bezug im Übergang in das Erwerbsleben, DOI 10.1007/978-3-531-18777-8_7, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
Ausstiegswege aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug
7.1
145
Begriffsbestimmung und Operationalisierung
Die Untersuchung zu den erwerbs- und ausbildungsbezogenen Ausstiegswegen betrachtet die Verweildauer der jungen Arbeitslosengeld-II-Empfänger im Grundsicherungsbezug, bis sie mit der Aufnahme einer Ausbildung oder Beschäftigung nicht mehr auf die Leistung angewiesen sind. Der Übergang in eine existenzsichernde Beschäftigung oder Ausbildung ist über zwei Beobachtungen definiert: Erstens, die jungen Erwachsenen treten in den Arbeitsmarkt oder das Berufsausbildungssystem ein, und zweitens, das Einkommen ihrer Bedarfsgemeinschaft überschreitet das mit dem Arbeitslosengeld II definierte soziokulturelle Existenzminimum. Die Zielzustände werden durch einen Abgleich der Daten zum Leistungsbezug und Erwerbs- und Ausbildungsverlauf operationalisiert. Die jungen Erwachsenen erzielen einen Ausstieg aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug durch eine Integration in den Arbeitsmarkt oder das Ausbildungssystem, wenn ein Ende der Zahlungen von Arbeitslosengeld II, d. h. Regelleistung und Kosten der Unterkunft und Heizung, mit Aufnahme einer Ausbildung oder Beschäftigung zusammenfällt. Aufgrund der Dauer der administrativen Verfahren im Leistungssystem kann es zu kurzen zeitlichen Verzögerungen zwischen letzter Zahlung des Arbeitslosengeldes II und Erwerbsaufnahme kommen (Bruckmeier et al. 2007: 3 f.), so dass eine Diskrepanz von einem Monat zwischen Arbeitsmarktintegration und dem Ende des Grundsicherungsbezugs zugelassen wird. Es werden folgende Erwerbszustände berücksichtigt: •
•
Eine existenzsichernde Beschäftigung erfasst jegliche Form der Erwerbsbeteiligung in sozialversicherungspflichtiger oder geringfügiger Beschäftigung, sofern die Bedarfsgemeinschaft nicht mehr weiter auf Arbeitslosengeld II angewiesen ist. Übergänge in existenzsichernde Beschäftigung können auch für bereits erwerbstätige junge Erwachsene zu beobachten sein, die zunächst aufgrund eines nicht ausreichenden Einkommens ergänzend Arbeitslosengeld II beziehen. Sie können z. B. durch eine Einkommenssteigerung oder einen Jobwechsel eine Besserstellung im Erwerbsleben in einer existenzsichernden Erwerbsposition erzielen (siehe auch Gangl 1998). Auszubildende, Schüler und Studenten können je nach Art der Ausbildung, Höhe der Ausbildungsvergütung, der familiären Einkommenssituation und eigenen Wohn- und Familiensituation durch Berufsausbildungsbeihilfe oder Bundesausbildungsförderung gefördert werden. Diese Leistungen stellen eine lebensphasenspezifische Existenzsicherung dar, die dem Arbeitslosengeld II vorrangig ist
146
Ausstiegswege aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug
(Abschnitt 2.2.1). Anhand der Daten können Übergänge in eine betriebliche Ausbildung über den gesamten Beobachtungzeitraum betrachtet werden, Informationen zu Übergängen an Berufsfachschulen oder Universitäten liegen dagegen für 2005 vor, so dass gesonderte Analysen für die Ausbildungsbeteiligung der jungen ArbeitslosengeldII-Empfänger jenseits einer betrieblichen Ausbildung ausgewiesen werden. Ausstiegswege aus anderen Gründen liegen vor, wenn mit der letzten Zahlung von Arbeitslosengeld II in dem festgelegten Zeitfenster von einem Monat keine Arbeitsmarkt- oder Ausbildungsintegration der jungen Erwachsenen beobachtet werden kann. Auch wenn die dahinterstehenden Gründe anhand der Daten nicht differenziert abgebildet werden können, ist aus der Forschungsliteratur zur Sozialhilfe bekannt, dass verschiedene Veränderungen im Haushalts- und Familienkontext zu einer Beendigung des Leistungsbezugs führen können (Buhr 1995: 124; Gangl 1998). Hierzu zählen beispielsweise die Erwerbsintegration der Eltern oder des Partners sowie eine Heirat oder eine neue Partnerschaft. Darüber hinaus sind in den Daten diverse Ausstiegsoptionen über nichtregistrierte Aktivitäten nicht abgebildet, wie etwa Selbstständigkeit oder ein Rückzug aus dem Grundsicherungsbezug. Zudem erfassen die anderen Abgangsgründe auch Übergänge in nicht-betriebliche Ausbildung – mit Ausnahme der gesonderten Auswertungen zur Ausbildungsbeteiligung. Für die Fragestellung, welche Abgangswege aus dem Grundsicherungsbezug sich hinter den weiteren Gründen verbergen, müssen künftige Studien weitere Datensätze erschließen. Im Folgenden ergänzen die Ergebnisse hierzu dennoch das Gesamtbild zu den Ausstiegswegen der jungen Erwachsenen, die Befunde werden jedoch aufgrund vermuteter heterogener sozialer Prozesse zurückhaltend interpretiert. Die Analysen zum Ausstieg aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug berücksichtigen alle Bezugsepisoden der jungen Leistungsempfänger von Januar 2005 bis Dezember 2007. Für die Gesamtgruppe der 1.171 18- bis 29-Jährigen liegen 1.783 Episoden im Arbeitslosengeld-II-Bezug vor, von denen 355 durch Aufnahme einer betrieblichen Ausbildung oder Beschäftigung und 880 aus anderen Gründen beendet wurden. Insgesamt sind 548 Bezugsepisoden rechtszensiert, in denen die jungen Erwachsenen im Dezember 2007 weiter auf Arbeitslosengeld II angewiesen sind.
Ausstiegswege aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug
7.2
147
Struktur der erwerbs- und ausbildungsvermittelten Abgangswege
Im Folgenden interessieren die Abgangswege aus dem Arbeitslosengeld-IIBezug durch die Aufnahme einer betrieblichen Ausbildung oder Erwerbstätigkeit, betrachtet werden deren quantitative Bedeutung (Abschnitt 7.2.1) und zeitliche Lage im Beobachtungszeitraum (Abschnitt 7.2.2). 7.2.1
Quantitative Bedeutung im Vergleich
Die meisten 18- bis 29-jährigen Arbeitslosengeld-II-Empfänger von Januar 2005 haben im Beobachtungszeitraum über drei Jahre den Grundsicherungsbezug nicht durch eine Integration in den Arbeitsmarkt abgeschlossen. 72 Prozent aller abgeschlossenen Bezugsepisoden wurden aus anderen Gründen und 28 Prozent durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder betrieblichen Ausbildung beendet (Tabelle 7.1). Davon haben die 18- bis 29-Jährigen einen arbeits- bzw. ausbildungsmarktbezogenen Ausstieg aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug zu 70 Prozent durch eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung65 erzielt. Weitere Optionen, aber von vergleichsweise geringer Bedeutung, sind die Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung mit 18 Prozent und der Übergang in eine betriebliche Ausbildung mit 12 Prozent. Tabelle 7.1: Verteilung der Abgangsgründe aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug, 2005 bis 2007 (in Prozent) Abgangsgrund
alle abgeschlossenen Bezugsepisoden
durch Erwerbs- oder Ausbildungsintegration abgeschlossene Bezugsepisoden -
aus anderen Gründen 72 durch eine Erwerbs28 Ausbildungsintegration davon sozialversicherungspflichtige 70 Beschäftigung geringfügige Beschäftigung 18 betriebliche Ausbildung 12 gesamt 100 100 n 1235 355 Quelle: eigene Berechnungen; eigene Darstellung (LSS 2005, Prozessdaten; 18- bis 29-Jährige der Eintrittskohorte Januar 2005 in Arbeitslosengeld-II-Bezug), Prozentangaben gewichtet
65
Teilzeitbeschäftigung wird aufgrund der geringen Fallzahlen nicht gesondert angegeben.
148
Ausstiegswege aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug
Aufgrund der heterogenen Statuspositionen, in denen sich die jungen Arbeitslosengeld-II-Empfänger im Übergang befinden, wird nun untersucht, aus welcher Aktivität den 18- bis 29-Jährigen ein Abgang aus Arbeitslosengeld II durch eine Integration in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, geringfügige Beschäftigung oder betriebliche Ausbildung gelingt (Abbildung 7.1). Die folgenden Angaben beziehen sich ausschließlich auf die Bezugsepisoden, die durch eine Ausbildungs- oder Erwerbsintegration beendet wurden. Vorwiegend, zu 68 Prozent, waren die jungen Erwachsenen vor einem Abgang aus dem Grundsicherungsbezug arbeitslos; Grundsicherungsempfänger, die schließlich mit einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung den Arbeitslosengeld-II-Bezug abschlossen, waren überdurchschnittlich oft im Vormonat arbeitslos registriert. In insgesamt 15 Prozent der Episoden waren die jungen Erwachsenen bereits im Arbeitslosengeld-II-Bezug erwerbstätig: 9 Prozent in sozialversicherungspflichtiger und 6 Prozent in geringfügiger Beschäftigung. Diese jungen Erwachsenen können den Grundsicherungsbezug beenden, indem sie entweder einen Zweitjob annehmen oder auf eine bessere Stelle wechseln, was jedoch in der Darstellung aufgrund der geringen Fallzahlen nicht weiter unterschieden wird. Es fällt auf, dass unter den 18- bis 29-Jährigen, die den Bezug mit einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit beenden, überdurchschnittlich viele bereits zuvor sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren und dass diejenigen, die den Arbeitslosengeld-II-Bezug durch die Aufnahme einer geringfügigen Tätigkeit abschließen können, zu einem überdurchschnittlich hohen Anteil einer geringfügigen Beschäftigung nachgingen. Die meisten jungen Erwachsenen, die den Bezug durch die Aufnahme einer betrieblichen Ausbildung beenden, waren im Vormonat in Arbeitslosigkeit (43 Prozent), weitere erwerbstätig (15 Prozent) oder in sonstigen Aktivitäten (8 Prozent). Nur ein geringer Anteil der jungen Arbeitslosengeld-IIEmpfänger beendet unmittelbar nach Abschluss der allgemeinbildenden Schulzeit den Leistungsbezug über eine betriebliche Ausbildung. Hier dürften die jungen Erwachsenen zwischenzeitlich auch anderen Aktivitäten nachgehen oder arbeitslos registriert sein. Des Weiteren führen sie auch im Anschluss an eine Ausbildung eine weitere Ausbildung fort; diese Kombination beschreibt in den meisten Fällen die Aufnahme einer regulären Ausbildung nach einer teilqualifizierenden Ausbildung in Berufsvorbereitung (nicht gesondert ausgewiesen).
Ausstiegswege aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug
149
Abbildung 7.1: Abgangswege aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug in Beschäftigung und betriebliche Ausbildung, nach Erwerbsstatus im Vormonat, 2005 bis 2007 (in Prozent) 100% 90% 80%
5 1 2 5 2 10
4 8 3 5 19
70% 60%
8
50% 40%
8 5 11
5 3 3 6 6 9
18
Erwerbsstatus im Vormonat
9
sonstige Aktivitäten
6
Schule
76 68
30%
53
Berufsausbildung
43
20%
zu Hause/Kindererziehung
geringf. Beschäftigung 10% soz.ver. Beschäftigung gesamt (n = 355)
betriebliche Ausbildung (n = 41)
geringf. Beschäftigung (n = 66)
soz.ver. Beschäftigung (n = 248)
0% Arbeitslosigkeit
Abgangsgrund aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug Quelle: eigene Berechnungen; eigene Darstellung (LSS 2005, Prozessdaten; 18- bis 29-Jährige der Eintrittskohorte Januar 2005 in Arbeitslosengeld-II-Bezug), Angaben gewichtet
Ausstiegswege aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug
150
7.2.2
Zeitlicher Verlauf der Abgangswege
Im Folgenden interessiert, zu welchem Zeitpunkt im Beobachtungszeitraum die 18- bis 29-jährigen Arbeitslosengeld-II-Empfänger von Januar 2005 den Grundsicherungsbezug durch eine Erwerbs- oder Ausbildungsintegration oder aus sonstigen Gründen beenden konnten. Hierzu werden im Folgenden die geschätzten periodenspezifischen Hazardraten dargestellt (Abbildung 7.2). Abbildung 7.2: Periodenspezifische Hazardraten aus dem Arbeitslosengeld-IIBezug durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit/betrieblichen Ausbildung oder aus anderen Gründen (alle Bezugsepisoden)
geschätzte Hazardrate
0,05 0,04 0,03 0,02 0,01 0,00 1
3
5
7
9
11 13 15 17 19 21 23 25 27 29 31 33 35
Zeit (in Monaten seit Beginn der Bezugsepisode)
in Erwerbstätigkeit oder betriebliche Ausbildung aus anderen Gründen
Quelle: eigene Berechnungen; eigene Darstellung (LSS 2005, Prozessdaten; 18- bis 29-Jährige der Eintrittskohorte Januar 2005 in Arbeitslosengeld-II-Bezug)
Die Chancen der jungen Erwachsenen, den Grundsicherungsbezug zu verlassen, variieren erkennbar je nach Ausstiegsoption und Zeitpunkt im ArbeitslosengeldII-Bezug. Über den gesamten Zeitraum können die jungen Erwachsenen den Grundsicherungsbezug mit geringerer bedingter Wahrscheinlichkeit über den Arbeitsmarkt verlassen als aus anderen Gründen. Für die jungen Erwachsenen sind über den gesamten Beobachtungszeitraum Abgänge aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug durch die Aufnahme einer Beschäftigung oder einer betrieblichen Ausbildung zu beobachten. Es fällt vor
Ausstiegswege aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug
151
allem auf, dass in den Monaten sieben bis neun nach Beginn der Bezugsepisode die geschätzte Übergangsrate am höchsten ist. Dieser Verlauf der Hazardrate wird zum Teil durch die Besonderheit der ersten Bezugsepisode dominiert, die für alle betrachteten Personen im Januar 2005 beginnt und im Weiteren die saisonalen Schwankungen am Arbeitsmarkt und im Ausbildungsjahr widerspiegelt. Deshalb werden zusätzlich die Hazardraten für die erste Bezugsepisode in Abbildung 7.3 ausgewiesen. Die Abgangschancen aus dem Grundsicherungsbezug in Erwerbstätigkeit sind im Frühjahr bis Herbst eines jeden Jahres im Beobachtungszeitraum deutlich höher als in den Wintermonaten (Monate 11 bis 13 und 19 bis 23). Mit Beginn des regulären Ausbildungsjahres in den Sommermonaten und im frühen Herbst 2005 ist der Übergang aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug in betriebliche Ausbildung am wahrscheinlichsten. Zwischen den Ausbildungsjahren ist dagegen ein Übergang aus dem Grundsicherungsbezug durch eine Integration in Ausbildung kaum möglich. Abbildung 7.3: Periodenspezifische Hazardraten aus dem Arbeitslosengeld-IIBezug durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, betrieblichen Ausbildung oder aus anderen Gründen (erste Bezugsepisode)
geschätzte Hazardrate
0,04
0,03
0,02
0,01
0,00 1
3
5
7
9
11 13 15 17 19 21 23 25 27 29 31 33 35 Zeit (in Monaten seit Januar 2005)
in betriebl. Ausbildung
in Erwerbstätigkeit
aus anderen Gründen Quelle: eigene Berechnungen; eigene Darstellung (LSS 2005, Prozessdaten; 18- bis 29-Jährige der Eintrittskohorte Januar 2005 in Arbeitslosengeld-II-Bezug)
Ausstiegswege aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug
152
Hinsichtlich der Abgangswege aus anderen Gründen zeigen Abbildung 7.2 für alle Bezugsepisoden und Abbildung 7.3 für die erste Episode, dass die bedingten Übergangsraten aus dem Grundsicherungsbezug vergleichbar der Hazardrate für die arbeitsmarktbezogenen Ausstiegsoptionen den saisonalen Schwankungen im Jahresverlauf folgen. Zum Beispiel fällt die geschätzte Hazardrate in der ersten Bezugsepisode gegen Jahresende 2005 deutlich ab, Mitte des Jahres 2006 erscheint der Ausstieg zunächst wieder leichter möglich. Dieses Ergebnis dürfte darauf hinweisen, dass auch die Ausstiegswege aus anderen Gründen vielfach durch Abgänge aus dem Grundsicherungsbezug in den Arbeitsmarkt bestimmt werden – nur eben durch die Eltern oder Ehe- und Lebenspartner der betrachteten jungen Erwachsenen. 7.3
Multivariate Analysen
Welcher Zusammenhang zwischen den individuellen Arbeitsmarktressourcen der 18- bis 29-jährigen Grundsicherungsempfänger von Januar 2005, ihrer finanziellen und familiären Situation und der zeitabhängigen Abgangschance aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug besteht, wird in den folgenden multivariaten Analysen überprüft. Hinsichtlich der in Kapitel 5 formulierten Hypothesen interessieren zunächst die Effekte des individuellen Humankapitals sowie von Personenmerkmalen und Haushaltskonstellation auf die Ausstiegsneigung aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug in Beschäftigung oder Ausbildung. Von diesen Indikatoren wird angenommen, dass sie unter Berücksichtigung der regionalen und saisonalen Arbeitsmarktlage für die Allokationsprozesse am Arbeitsmarkt relevant sind und dementsprechend die Handlungsopportunitäten der jungen Grundsicherungsempfänger beeinflussen. In Bezug auf die weiteren Annahmen zum Arbeitsmarkt- und Ausbildungsverhalten wird zudem untersucht, wie die individuellen Erfahrungen im vorangegangenen Grundsicherungsbezug und die finanzielle Lage des Haushalts die Übergangsneigung der jungen Erwachsenen beeinflusst. Die folgenden Analysen sind in mehrere Schritte mit unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten untergliedert. In Abschnitt 7.3.1 werden die benannten Einflussfaktoren auf die arbeits- und ausbildungsmarktvermittelten Übergänge aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug vergleichend dargestellt. Neben einer Erwerbsintegration berücksichtigen die Analysen zunächst ausschließlich Übergänge in betriebliche Ausbildung, für die Informationen über den gesamten Beobachtungszeitraum vorliegen. Im Weiteren werden aus den Analysen zwei zentrale Überlegungen der theoretischen Diskussion herausgegriffen: In Abschnitt 7.3.2 wird zunächst untersucht, ob sich geschlechtsspezifische
Ausstiegswege aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug
153
Abgangschancen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug mittels Erwerbsaufnahme oder Ausbildungsintegration zeigen. Im Weiteren steht in Abschnitt 7.3.3 die in der Grundsicherung für Arbeitssuchende vorgesehene Zielgruppenförderung der unter 25-Jährigen im Vordergrund, da insbesondere die Ausbildungs- und Erwerbsintegration dieser Altersgruppe gefördert wird. Abschließend greifen die Analysen in Abschnitt 7.3.4 die Übergänge aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug in Berufsausbildung, also Ausbildung in Betrieben, an Fachschulen und Studium an Hochschulen, heraus, die für das Jahr 2005 separat betrachtet werden. Es wird davon ausgegangen, dass die Abgangsoptionen der jungen Erwachsenen aus dem Bezug durch Ausbildung bzw. Beschäftigung oder aus anderen Gründen von den Rahmenbedingungen der jeweils anderen Alternative abhängen. Sehen die jungen Erwachsenen zum Beispiel keine Chancen für sich am Arbeitsmarkt, könnten sie auf alternative Abgangsmöglichkeiten (z. B. Absicherung durch einen Partner) ausweichen. Um diese Überlegungen zu berücksichtigen, werden in den multivariaten Analysen Hazardratenmodelle mit diskreter Zeit und konkurrierenden konditional abhängigen Zielzuständen simultan geschätzt (siehe Abschnitt 10.3.2). Die Modelle erlauben es durch die Modellierung korrelierter Random-Effekte, für stochastische Zusammenhänge zwischen den zustandsspezifischen Hazardraten zu kontrollieren. 7.3.1
Einflussfaktoren auf die Abgangswege in betriebliche Ausbildung und Beschäftigung im Vergleich
Die folgende Analyse untersucht zunächst in Modell 7-1, Tabelle 7.2 die Einflussfaktoren auf die arbeitsmarkt- sowie ausbildungsmarktvermittelten Abgangschancen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug, hier Beschäftigung oder betriebliche Ausbildung (Zielzustand 1), gegenüber Abgangswegen aus anderen Gründen (Zielzustand 2). Die Korrelation der Random-Effekte beschreibt den Zusammenhang der nicht-beobachtbaren Einflussfaktoren zwischen den beiden Zielzuständen; in Tabelle 7.4 im Anhang sind zum Vergleich die Korrelationen im Nullmodell ohne Kovariaten angegeben. Im Nullmodell liegt ein mittlerer positiver Zusammenhang (0,463) auf einem mindestens 5-prozentigen Signifikanzniveau vor. Dies bedeutet, dass eine vergleichsweise privilegierte Teilgruppe unter den jungen Erwachsenen den Grundsicherungsbezug sowohl durch eine Erwerbstätigkeit oder Ausbildung oder auch aus anderen Gründen recht rasch beenden kann. Der Zusammenhang ist in dem Modell mit den Kovariaten schwächer und nicht signifikant (Tabelle 7.2), so dass anhand der berücksichtigten Einflussfaktoren die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in beiden betrachteten Übergangsprozessen hinreichend beschrieben werden können.
154
Ausstiegswege aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug
Tabelle 7.2: Bestimmungsfaktoren der Hazardraten aus dem Arbeitslosengeld-IIBezug nach Abgangsgründen (zeitdiskretes Modell mit abhängigen konkurrierenden Zielzuständen) Modell 7-1 Zielzustand 1 2 Abgang aus Beschäftigung aus anderen Arbeitslosengeld-II-Bezug & betr. Gründe durch… Ausbildung Schulbildung (ref. max. Hauptschulabschluss) Mittlere Reife 0,183 0,209 * Abitur 0,737 *** 0,621 *** Berufsausbildung (ref. ohne 0,786 *** 0,026 Abschluss) Erwerbsepisoden 0,416 *** 0,055 + (Erwerbsepisoden)2 -0,014 *** -0,001 Arbeitslosigkeitsepisoden -0,133 0,008 (Arbeitslosigkeitsepisoden)2 0,004 -0,006 Erwerbsstatus im Vormonat (ref. arbeitslos) erwerbstätig -0,744 *** 1,421 *** in Schule oder -1,402 *** 0,462 ** Berufsausbildung zu Hause, in -1,262 *** 0,539 ** Kindererziehungszeit in arbeitsmarktpolitischer -0,288 * 0,231 + Förderung sonstige Aktivitäten -1,120 *** 0,809 *** Haushaltsäquivalenzeinkommen(/100) von Dez 2004 in Jan - Sep 0,010 * 0,004 2005 von Nov 2005 in Nov 2005 0,045 *** 0,036 *** - Dez 2006 von Nov 2005 in 2007 0,022 0,030 *** Sozialhilfebezug (Sohi) 2004 0,229 0,266 (ref. nein) Arbeitslosenhilfebezug -0,447 + 0,147 (Alhi) vor 2005 (ref. nein) Zahl ALG-II-Episoden 0,054 0,053 Sohi 2004 x Zahl ALG-II-0,402 + 0,102 Episoden Alhi vor 2005 x Zahl ALG0,210 0,018 II-Episoden Fortsetzung Tabelle folgende Seite
Modell 7-2 1a†
1b†
sozialverspfl.. Beschäftigung
geringfügige Beschäftigung
0,177 0,609 *
0,325 1,194 *
1,317 ***
0,666 +
0,461 *** -0,016 *** -0,077 -0,004
0,572 *** -0,019 ** -0,016 0,003
-1,133 ***
0,024
-1,867 ***
-0,381
-1,972 ***
-0,630
-0,390 *
0,120
-1,184 **
-0,934
0,007 0,046 *** 0,032 * 0,427 -0,297
0,001 0,027 -0,030 0,557 -1,455 *
0,011
-0,062
-0,386
-0,383
0,182
0,391
Ausstiegswege aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug
155
Fortsetzung Tabelle 7.2 Modell 7-1 Zielzustand Abgang aus Arbeitslosengeld-II-Bezug durch… Haushaltskonstellation (ref. alleinlebend) mit Partner alleinerziehend mit Partner und Kind(ern) mit Eltern weiblich (ref. männlich) Alter (ref. 23 - 24 Jahre) 18 - 20 Jahre 21 - 22 Jahre 25 - 26 Jahre 27 - 28 Jahre 29 Jahre und älter Migrationshintergrund (ref. keinen) regionale Jugendarbeitslosigkeitsquote saisonale Effekte (ref. November - März) April - Juli August - Oktober Zeit 1- 3 Monate 4 - 6 Monate 7 - 9 Monate 10 - 12 Monate 13 -15 Monate 16 - 18 Monate 19 - 21 Monate 22 - 24 Monate ab 25 Monate
Modell 7-2
1
2
1a†
1b†
Beschäftigung & betr. Ausbildung
aus anderen Gründe
sozialverspfl.. Beschäftigung
geringfügige Beschäftigung
-0,135 -0,946 -0,791 -0,111 -0,186 -0,007 -0,114 -0,621 -0,754 -1,228
** ***
** ** ***
-0,126
0,029 0,487 **
Fortsetzung Tabelle folgende Seite
** * ***
+
**
-0,050 ***
0,289 0,333
0,018 -0,907 -0,699 0,289 -0,554 -0,080 -
* ** ** *
-0,272
-0,087
-0,065 **
-4,988 -4,471 -4,217 -4,754 -5,081 -4,408 -4,812 -4,439 -4,087
0,058 -0,947 *** -0,145 -0,358 ** 0,039 0,136 0,166 -0,172 -0,128 -0,333 *
** ***
-3,919 *** -3,865 -3,975 -3,960 -4,557 ** -4,243 -3,860 -3,810 -4,039
-0,384 -1,152 -0,822 -0,418 0,601 -0,120 -
+ +
0,087
-0,066 *
-0,104
0,055 0,441 * -4,098 -3,669 -3,393 -4,196 -4,514 -3,743 -4,430 -3,816 -3,411
+ +
* + **
-5,589 -5,509 -5,250 -5,235
+
-5,411
*
156
Ausstiegswege aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug
Fortsetzung Tabelle 7.2 Modell 7-1 Modell 7-2 1b† 1 2 1a† Zielzustand Abgang aus Beschäftigung & aus anderen sozialverspfl.. geringfügige Arbeitslosengeld-II-Bezug betr. Ausbildung Gründe Beschäftigung Beschäftigung durch… Personen/Episoden/Personen1171/1783/28428 monate 355 880 248 66 Ereignisse 0,290 Corr u1, u2 0,278 Corr u1a, u1b 0,539* Corr u1a, u2 -0,526 Corr u1b, u2 0,091 0,150 Pseudo R2 -5395,396 -5326,360 Log likelihood Quelle: eigene Berechnungen; eigene Darstellung (LSS 2005, Prozessdaten; 18- bis 29-Jährige der Eintrittskohorte Januar 2005 in Arbeitslosengeld-II-Bezug), Signifikanz: p < 0,001 = ***, p < 0,01 = **; p < 0,05 = *, p 0,1 = +, † Dargestellt ist ein Ausschnitt aus dem Schätzmodell 7-2 mit drei differenzierten Zielzuständen, Abgang aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug durch 1a) sozialversicherungspflichtige Beschäftigung‚ 1b) geringfügige Beschäftigung und 2) aus anderen Gründen.
In einem weiteren Analyseschritt interessieren die differenzierten Ausstiegswege aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug über den Arbeitsmarkt, so dass in Modell 7-2 in Tabelle 7.2, zwischen den Zielzuständen sozialversicherungspflichtige Beschäftigung (Zielzustand 1a) und geringfügige Beschäftigung (Zielzustand 1b) gegenüber den anderen Abgangsgründen (Zielzustand 2) unterschieden wird. Letztere sind in Tabelle 7.2 aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht separat ausgewiesen, da die Schätzergebnisse den zielzustandsspezifischen Befunden in Modell 7-1 gleichen. Die Abgänge aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug durch eine Integration in betriebliche Ausbildung können aufgrund der geringen Fallzahlen nicht weiter berücksichtigt werden. In diesem Schätzmodell zeigt die positive Korrelation der Random-Effekte, dass vor allem eine signifikante gleichgerichtete Übergangsneigung der jungen Erwachsenen aus dem Bezug in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder aus anderen Gründen vorliegt. Dagegen besteht ein negativer Zusammenhang der Übergangsraten aus dem Arbeitslosengeld II in geringfügige Beschäftigung oder aus anderen Gründen – wenn auch nicht signifikant.
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Formale Qualifikationen, Erwerbserfahrung und Personenmerkmale Für das Verlassen des Arbeitslosengeld-II-Bezugs durch eine Integration in Beschäftigung oder betriebliche Ausbildung (Zielzustand 1, Modell 7-1) ist vor allem das allgemeine und spezifische Humankapital der betrachteten 18- bis 29Jährigen von Bedeutung. Die jungen Erwachsenen beenden insgesamt schneller den Grundsicherungsbezug über den Arbeits- oder Ausbildungsmarkt, wenn sie über Abitur statt über maximal einen Hauptschulabschluss verfügen, wenn sie eine Berufsausbildung abgeschlossen und erste Erwerbserfahrung gesammelt haben. Diese jungen Erwachsenen dürften aufgrund der erwarteten Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften bzw. lernfähigen Auszubildenden mit höherer Wahrscheinlichkeit Zugang zu existenzsichernden Beschäftigungsverhältnissen und einer betrieblichen Ausbildung haben. Der Einfluss der qualifikatorischen Ressourcen auf die Abgangsraten aus Arbeitslosengeld II zeigt sich auch in Modell 7-2, in dem Art der Erwerbstätigkeit nach sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung (Zielzustand 1a) und geringfügiger Beschäftigung (Zielzustand 1b) differenziert werden. Blickt man schließlich auch auf die Abgangswege aus anderen Gründen (Zielzustand 2, Modell 7-1), so verlassen die jungen Leistungsbezieher generell schneller den Grundsicherungsbezug, wenn sie über Abitur oder Mittlere Reife als maximal über einen Hauptschulabschluss verfügen. Zusammengenommen dürften die besseren Ausstiegschancen der qualifizierten jungen Erwachsenen als Hinweis zu lesen sein, dass sie nicht nur selbst über bessere Ressourcen verfügen, die einen Ausstieg aus dem Grundsicherungsbezug erleichtern, sondern auch öfter in relativ privilegierten Haushalten leben, in denen Partner oder Eltern gute Ressourcen einbringen. Erfahrung in Arbeitslosigkeit und Transferbezug Die relativen Übergangschancen der betrachteten jungen Erwachsenen aus dem Grundsicherungsbezug in Beschäftigung oder betriebliche Ausbildung variieren nicht nach der Zahl der bisherigen Episoden in Arbeitslosigkeit. Dagegen beeinflusst Langzeitarbeitslosigkeit im früheren Arbeitslosenhilfebezug die zielzustandsspezifische Ausstiegswahrscheinlichkeit aus dem Arbeitslosengeld II, die jungen Erwachsenen können dann mit geringerer Wahrscheinlichkeit den Grundsicherungsbezug durch Aufnahme einer Arbeit oder betrieblichen Ausbildung beenden. Rückblickend auf die theoretische Argumentation können für den negativen Effekt früherer Langzeitarbeitslosigkeit verschiedene Erklärungen angeführt werden. Zunächst kann Langzeitarbeitslosigkeit von Arbeitgebern als negatives Signal für die Produktivität, Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der jungen Erwachsenen bewertet werden, so dass sie mit
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geringerer Wahrscheinlichkeit für qualifizierte, existenzsichernde Tätigkeiten oder betriebliche Ausbildungsplätze rekrutiert werden. Langzeitarbeitslosigkeit kann auch zu einem Motivationsverlust geführt haben, so dass sich die jungen Erwachsenen aufgrund mangelnder Erfolgserwartungen nicht weiter um eine existenzsichernde stabile Beschäftigung bemühen. Schließlich können die ehemaligen Empfänger von Arbeitslosenhilfe auch eine selektive Gruppe sein, die nur über ein geringes Selbstvertrauen, eine mangelnde Arbeitsorientierung oder Einsatzbereitschaft verfügt. Die Analysen ermöglichen jedoch keinen Schluss dahingehend, welche der Erklärungen zutrifft. Zudem ist ein Zusammenhang zwischen früherem Sozialhilfebezug sowie weiteren Erfahrungen in Arbeitslosengeld II und der Übergangschance aus dem Grundsicherungsbezug in den Arbeits- und Ausbildungsmarkt zu erkennen. Zwar verringert wiederholter Bezug von Arbeitslosengeld II allein nicht die Übergangsneigung, was den Erwartungen von erlernter Hilflosigkeit und einer sinkenden Motivation im wiederholten Grundsicherungsbezug widerspricht. Doch sinken für die jungen Erwachsenen, die noch 2004 Sozialhilfe bezogen haben, in wiederholten Arbeitslosengeld-II-Bezugsepisoden die Abgangschancen durch Aufnahme einer Beschäftigung oder betrieblichen Ausbildung. Folglich konzentrieren sich die negativen Konsequenzen wiederholter finanzieller Hilfebedürftigkeit auf eine spezifische Subgruppe unter den jungen Empfängern von Arbeitslosengeld II – und das unter Kontrolle weiterer sozialer Prozesse in Arbeitslosigkeit. Das Ergebnis kann nach den theoretischen Annahmen als Demotivationsprozess in finanzieller Abhängigkeit gelesen werden, der jedoch nicht im Untersuchungszeitraum, sondern in den längerfristigen Vorerfahrungen im sozialstaatlichen Grundsicherungsbezug (hier: ehemalige Sozialhilfe) angelegt wurde. Ferner kann keine negative Zeitabhängigkeit der Abgangsrate aus der bestehenden Grundsicherungsbezugsepisode in betriebliche Ausbildung oder Beschäftigung festgestellt werden. Bei sonst gleichen Voraussetzungen haben arbeitslose 18- bis 29-jährige Arbeitslosengeld-II-Empfänger eine deutlich höhere Chance, den Bezug durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder betrieblichen Ausbildung abzuschließen, als wenn sie im Leistungsbezug erwerbstätig wären. Dieses Ergebnis zeigt, dass arbeitslose junge Erwachsene unmittelbar für eine Beschäftigungs- oder Ausbildungsintegration verfügbar sind und zudem durch die intensive Förderung in der Grundsicherung für Arbeitssuchende unter einem hohen Druck der Erwerbsintegration stehen.66 Im Vergleich zur Arbeitslosigkeit sind die Abgangschancen aus dem Bezug in den Arbeitsmarkt während einer Maßnahme 66 Zudem ergänzen Befunde aus aktuellen Studien, dass der Großteil der (erwachsenen) arbeitslosen Arbeitslosengeld-II-Empfänger eine hohe Erwerbsmotivation zeigt (Beste et al. 2010; Brenke 2010).
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geringer. Hierin zeigen sich „Einsperreffekte“, wenn sich die jungen Erwachsenen während einer Maßnahme kaum bewerben (z. B. Hartig et al. 2008: 33; Hohmeyer/Wolff 2007: 23). Im unmittelbaren Anschluss an eine Förderung bestehen geringe Abgangschancen in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung (Zielzustand 1a). Dagegen ist ein positiver Effekt auf die Abgangsrate aus dem Bezug aus anderen Gründen festzuhalten (Zielzustand 2). Eine mögliche Erklärung ist, dass die jungen Erwachsenen aus einem Förderangebot schneller auf andere Aktivitäten in Familie und Partnerschaft, nicht abbildbarer Ausbildung oder nicht registrierter Erwerbstätigkeit ausweichen. Auch für die Abgangswege aus anderen Gründen (Zielzustand 2) spielt der aktuelle Erwerbsstatus der jungen Erwachsenen eine Rolle: Sie haben bessere Abgangschancen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug, wenn sie erwerbstätig oder in Ausbildung sind oder sich zu Hause um die Kinder kümmern, als während Arbeitslosigkeit. In diesen Fällen geht der Schritt aus der finanziellen Hilfebedürftigkeit vermutlich mit einem Beitrag des Partners oder der Eltern zum Bedarfsgemeinschaftseinkommen einher, in Erwerbstätigkeit und Ausbildung leisten die jungen Erwachsenen jedoch auch selbst einen finanziellen Teilbeitrag. Hinsichtlich der Übergangschancen junger Migranten aus dem Arbeitslosengeld II ergeben sich in den Schätzungen keine signifikanten Unterschiede im Vergleich zu Nicht-Migranten. Aus der Forschungsliteratur ist zwar bekannt, dass junge Migranten eine besondere Risikogruppen von Armut und Grundsicherungsbezug darstellen (Deutsche Bundesregierung 2008) und daher auch in der Gruppe der jungen Leistungsbezieher überproportional vertreten sind (Achatz et al. 2007; Popp et al. 2006). Dennoch beenden junge Migranten unter sonst gleichen Rahmenbedingungen den Grundsicherungsbezug insgesamt nicht langsamer durch eine Integration in den Arbeitsmarkt, in betriebliche Ausbildung oder aus sonstigen Gründen als Nicht-Migranten. So sind junge Migranten innerhalb der Gruppe der Arbeitslosengeld-II-Empfänger zumindest nicht mit zusätzlichen Risiken im längeren Leistungsbezug konfrontiert. Die benannten Ergebnisse zu den Abgangsbedingungen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug zeigen sich unter Kontrolle der konjunkturellen und saisonalen Arbeitsmarktbedingungen. Die multivariaten Analyseergebnisse bestätigen die Erkenntnisse der deskriptiven Analysen in Abschnitt 7.2.2, dass der zeitliche Verlauf der Abgangschancen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug von den Gegebenheiten am Arbeitsmarkt und im Ausbildungssystem abhängt. So fällt es den betrachteten 18- bis 29-Jährigen bei bestehend hoher Jugendarbeitslosigkeit schwerer, sowohl in einer existenzsichernden Tätigkeit
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Fuß zu fassen als auch den Grundsicherungsbezug über andere Gründe zu beenden. Zudem werden die arbeitsmarktbezogenen Ausstiegschancen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug von saisonalen Schwankungen beeinflusst, da vor allem in den Sommer- und Herbstmonaten ein Ausstieg mit signifikant höherer Wahrscheinlichkeit als über das restliche Jahr möglich ist. Arbeitsangebot und Abgangschancen im Haushaltskontext Die jungen Erwachsenen beenden den Arbeitslosengeld-II-Bezug umso schneller in Ausbildung und Beschäftigung – aber auch aus anderen Gründen –, je höher das Äquivalenzeinkommen ihres Haushalts ist. Dies widerspricht den Annahmen, die aus dem Armutsfallen-Theorem zu einem kurzfristigen rationalen Verhalten der Grundsicherungsempfänger abgeleitet wurden. Es wurde argumentiert, dass die relative Einkommenslage des Haushalts Anreize für eine Erwerbsaufnahme aus dem Grundsicherungsbezug setzt, so dass vor allem die jungen Erwachsenen in einer vergleichsweise schlechten finanziellen Situation einen höheren ökonomischen Druck für eine Erwerbsbeteiligung haben dürften (siehe auch Wilde 2003). Entgegen der Erwartung gelingt jungen Erwachsenen, die in Haushalten mit vergleichsweise adäquatem Einkommen leben, der Ausstieg aus dem Grundsicherungsbezug offensichtlich leichter, ein geringerer finanzieller Anreiz scheint dagegen nicht zu bestehen. Die familiäre Konstellation ist für die Übergangschancen junger Erwachsener aus dem Grundsicherungsbezug in Beschäftigung oder betriebliche Ausbildung von maßgeblicher Bedeutung. Im Ausgangsmodell 7-1, Zielzustand 1, zeigen sich zunächst folgende Ergebnisse: Die 18- bis 29-Jährigen können den Arbeitslosengeld-II-Bezug deutlich langsamer über den Arbeitsmarkt oder Ausbildungsmarkt verlassen, wenn sie nicht alleine leben, sondern eigene Kinder haben. Zunächst sind es die jungen Leistungsempfänger mit Partner und Kind(ern), die im Vergleich zu Einpersonenhaushalten aufgrund des höheren Bedarfs und des eingeschränkten Arbeitsangebots zumindest eines Elternteils, der sich um die Kinderbetreuung kümmert, eher geringe Ausstiegschancen aus dem Grundsicherungsbezug durch eine Erwerbs- oder Ausbildungsintegration haben. Doch sind vor allem junge Alleinerziehende eine Risikogruppe für den längeren Grundsicherungsbezug, wie bereits die Analysen im vorigen Kapitel und mehrere Studien ergeben haben (z. B. Deutsche Bundesregierung 2008; Gebauer 2007; Klett-Davies 2007; Lietzmann 2009; Lietzmann 2010; Strengmann-Kuhn 2001). Nicht nur sind ihre Abgangschancen in Beschäftigung oder betriebliche Ausbildung gering, sondern auch ihre Chance auf einen Ausstieg aus sonstigen Gründen, da sie im Einkommenserwerb gänzlich auf sich allein gestellt sind.
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Ferner stellt sich heraus, dass junge Erwachsene im elterlichen Haushalt seltener den Grundsicherungsbezug aus anderen Gründen verlassen als Alleinlebende (Zielzustand 2). Der Befund zeigt, dass die ab 18-Jährigen im elterlichen Haushalt – obwohl sie auch nach den rechtlichen Regelung bis Mitte 2006 als eigenständige Bedarfsgemeinschaft zählten – nicht unabhängig von der finanziellen Situation in der Familie sind (Popp et al. 2006). Obwohl in den hier betrachteten Haushalten grundsätzlich mehrere Personen zum Einkommen beitragen könnten, weist das hohe Verbleibsrisiko vielmehr darauf hin, dass die jungen Erwachsen bei massiven finanziellen Problemen im Haushalt ihrer Eltern auf Arbeitslosengeld II angewiesen sind, da die Eltern nicht für einen ausreichenden Lebensunterhalt aufkommen können. 7.3.2
Geschlechtsspezifische Abgangschancen
Im Vordergrund stehen nun die geschlechtsspezifischen Abgangswege aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug. Zunächst ist es ein interessanter Befund, dass sich im Modell 7-1 keine signifikanten Geschlechterunterschiede hinsichtlich der Abgangschancen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug in Beschäftigung oder betriebliche Ausbildung unter Kontrolle aller weiteren Einflussfaktoren verzeichnen lassen (Zielzustand 1). Dagegen ist in den differenzierten Analysen in Modell 7-2 nach Art der Beschäftigung ersichtlich, dass junge Frauen signifikant geringere Übergangschancen aus dem Grundsicherungsbezug durch Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung (Zielzustand 1a) und signifikant höhere Abgangschancen durch Integration in geringfügige Tätigkeiten (Zielzustand 1b) haben als Männer. Dieses Ergebnis entspricht auch den Befunden zur Einkommensarmut von Frauen. Da Frauen häufiger in geringfügigen Tätigkeiten und zu einem geringen Einkommen erwerbstätig sind, trifft sie ein höheres Armutsrisiko als Männer, was sich auch auf die finanzielle Lage des gesamten Haushalts auswirkt (Strengmann-Kuhn 2007). Nach den theoretischen Explikationen in Abschnitt 3.1.2 wird angenommen, dass die Optionen junger Frauen, in existenzsichernder Beschäftigung zu einem ausreichenden Einkommen der Bedarfsgemeinschaft beizutragen oder eine betriebliche Ausbildung aufzunehmen, von dem familiären Kontext abhängen. Denn junge Mütter mit Kindern im Arbeitslosengeld-IIBezug dürften aufgrund individueller Präferenzen, sozialer Normen und erschwerter Wiedereinstiegschancen in das Arbeitsleben nach Familienzeiten eine geringere Ausbildungs- und Erwerbsneigung zeigen als junge Väter. Um geschlechtsspezifische Erwerbsneigungen von Personen mit Partner und/oder Kind(ern) im Grundsicherungsbezug nachzuvollziehen, wird das Modell 7-1 in einer zusätzlichen Analyse um Interaktionsterme zwischen Geschlecht und
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Haushaltskonstellation erweitert. Abbildung 7.4 illustriert, wie die relativen Übergangschancen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug in Beschäftigung und betriebliche Ausbildung von Frauen und Männern nach Familiengründung im Vergleich zu alleinlebenden Personen variieren. Das Gesamtmodell ist in Tabelle 7.5 im Anhang dargestellt. Die relative Chance, den Grundsicherungsbezug durch Erwerbstätigkeit oder betriebliche Ausbildung zu beenden, ist sowohl für junge Männer als auch Frauen signifikant geringer, wenn sie nicht länger alleine, sondern mit Partner und Kind(ern) leben. Die relativen arbeits- und ausbildungsmarktvermittelten Übergangschancen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug sind jedoch vor allem bei jungen Frauen nach Familiengründung im Vergleich zum Leben allein deutlich geringer als bei Männern. Während Männer, unter Kontrolle aller Merkmale der Referenzkategorien, als Familienväter eine rund 0,6-fache Übergangschance im Vergleich zu Alleinlebenden haben, beträgt die Übergangschance der Mütter mit Partner etwa ebenso wie die der alleinerziehenden Mütter nur das rund 0,3-fache der Übergangschance von Alleinlebenden. Junge Mütter haben dementsprechend unabhängig davon, ob sie einen Partner haben, äußerst geringe Abgangschancen aus dem Arbeitslosengeld II durch die Aufnahme einer betrieblichen Ausbildung oder Beschäftigung. Festzustellen ist auch, dass junge Arbeitslosengeld-IIEmpfängerinnen mit Partner tendenziell eine geringere Abgangschance durch eine Erwerbs- oder Ausbildungsintegration haben als die alleinlebenden Frauen. Die Ergebnisse bestätigen die Annahme, dass die Abgangschancen junger Männer und Frauen im Grundsicherungsbezug, die in Partnerschaften und mit Kind(ern) leben, vorwiegend traditionellen Erwerbsmustern folgen. Junge Frauen mit Familie zeigen insgesamt eine geringere Beteiligung in existenzsichernder Beschäftigung oder betrieblicher Ausbildung,67 mit der sie zu einem Einkommen der Bedarfsgemeinschaft jenseits eines Arbeitslosengeld-IIBezugs beitragen könnten.
67 Dabei ist aus der Forschung bekannt, dass junge Frauen generell seltener eine betriebliche Ausbildung aufnehmen als Männer.
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Abbildung 7.4: Relative Übergangschancen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug durch Integration in Beschäftigung oder betriebliche Ausbildung, nach Geschlecht und Haushaltskonstellation (exp(ß), Hazardratenmodell mit abhängigen konkurrierenden Zielzuständen)
relative Übergangschancen
1,200 1,000 0,800 0,600 0,400 0,200 0,000 alleinlebend
mit Partner … Männer
mit Partner und Kind(ern)
alleinerziehend
… Frauen
Quelle: eigene Berechnungen; eigene Darstellung (LSS 2005, Prozessdaten; 18- bis 29-Jährige der Eintrittskohorte Januar 2005 in Arbeitslosengeld-II-Bezug)
7.3.3
Übergangschancen und Lebenssituation der Zielgruppe der unter 25Jährigen
Im Folgenden rücken die altersspezifischen Abgangschancen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug in den Mittelpunkt des Interesses, die sich sowohl aus der Zielgruppendefinition der unter 25-Jährigen in der Grundsicherung für Arbeitssuchende als auch deren Lebenssituation ergeben dürften. Die unter 25Jährigen im Grundsicherungsbezug unterscheiden sich im Vergleich zu den ab 25-Jährigen weitgehend hinsichtlich Bildungserwerb, Erwerbsstatus und Haushaltskonstellation (Abschnitt 5.3). Dementsprechend entwickeln sich auch die Verbleibsrisiken im Grundsicherungsbezug und Abgangsbedingungen aus
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dem Bezug mit steigendem Alter.68 Ein längerer Arbeitslosengeld-II-Bezug der 18- bis 24-Jährigen ist oftmals noch mit jugendtypischen Lebenslagen in Schule oder Ausbildung und im elterlichen Haushalt assoziiert, bis sie entweder selbst ein Einkommen erzielen können oder die Unterhaltspflichten der Eltern enden. Dagegen hat ein größerer Anteil der ab 25-jährigen Leistungsempfänger bereits die Erwerbs- und Familienrollen von Erwachsenen übernommen, so dass der Grundsicherungsbezug vermehrt mit individuellen Arbeitsmarktproblemen und finanziellen Unsicherheiten mit der Familiengründung einhergeht. Nun wird untersucht, ob sich die Zielgruppenförderung unter 25-Jähriger unabhängig von der individuellen Lebenssituation auf die Abgangschancen aus dem Grundsicherungsbezug auswirkt. In Abbildung 7.5 sind die in Modell 7-1 (Tabelle 7.2) geschätzten Alterseffekte grafisch veranschaulicht, dargestellt sind die relativen Übergangschancen einzelner Altersgruppen in die beiden Zielstände „Abgang aus Arbeitslosengeld II in Beschäftigung und betriebliche Ausbildung (Zielzustand 1)“ sowie „Abgang aus Arbeitslosengeld II aus anderen Gründen (Zielzustand 2)“. Die Referenzkategorie ist das Alter von 23 bis 24 Jahren. Die Ergebnisse zeigen, dass unter sonst gleichen Bedingungen altersspezifische Abgangschancen aus dem Grundsicherungsbezug bestehen. Die jungen Erwachsenen beenden den Grundsicherungsbezug deutlich langsamer durch eine Erwerbs- oder Ausbildungsintegration, wenn sie das Alter von 25 Jahren erreicht haben. Zum Beispiel verfügt ein junger Arbeitslosengeld-IIEmpfänger im Alter von 20 bis 22 Jahren etwa über die gleichen relativen Übergangschancen aus dem Bezug in Ausbildung und Beschäftigung wie im Alter von 23 bis 24 Jahren. Im Alter von 25 Jahren ist die relative Chance jedoch fast um die Hälfte geringer. Für den Ausstieg aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug aus anderen Gründen ist dagegen nur ein leichter Rückgang der relativen Übergangschancen mit höherem Alter zu sehen. Im Schätzmodell verfügen lediglich Grundsicherungsempfänger ab dem Alter von 29 Jahren über signifikant geringere Abgangschancen.
68 In separaten Schätzungen der Hazardratenmodelle aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug durch Integration in betriebliche Ausbildung oder Beschäftigung für die 18- bis 24-Jährigen und 25- bis 29Jährigen zeigen die Einflussfaktoren im Wesentlichen die gleiche Wirkungsrichtung (ohne Darstellung). Es ist daher in der Gruppe der jungen Arbeitslosengeld-II-Empfänger nicht von altersspezifischen Wirkweisen der einzelnen Einflussfaktoren auszugehen.
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Abbildung 7.5: Zielzustandsspezifische relative Übergangschancen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug, nach Alter (exp(ß), mit abhängigen konkurrierenden Zielzuständen)
relative Übergangschancen
1,200 1,000 0,800 0,600 0,400 0,200 18 - 20 Jahre
21 - 22 Jahre
23 - 24 Jahre (Referenz)
25 - 26 Jahre
27 - 28 Jahre
29 Jahre und älter
durch Integration in betriebl. Ausbildung/Beschäftigung aus anderen Gründen Quelle: eigene Berechnungen; eigene Darstellung (LSS 2005, Prozessdaten; 18- bis 29-Jährige der Eintrittskohorte Januar 2005 in Arbeitslosengeld-II-Bezug)
In der Schlussfolgerung bestätigt sich, dass die institutionellen Regelungen in der Grundsicherung für Arbeitssuchende unterschiedliche Abgangschancen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug schaffen, die eine Integration in Beschäftigung und betriebliche Ausbildung unter 25-Jähriger beschleunigen. Einschränkend haben jedoch die vorigen Analysen in Kapitel 6 gezeigt, dass ein schneller Ausstieg aus dem Bezug für die jüngeren der betrachteten Arbeitslosengeld-II-Bezieher nicht unbedingt gleichbedeutend mit einer nachhaltigen Überwindung der finanziellen Hilfebedürftigkeit ist. Dennoch, indem eine altersspezifische Aktivierungspolitik forciert wird, erhalten junge Erwachsene ab 25 Jahren unter sonst gleichen Lebensumständen andere Chancen im Arbeitslosengeld-II-Bezug als 18- bis 24Jährige. Obwohl sich mit zunehmendem Alter sicherlich auch die Frage stellt, ob Personen noch bereit sind, eine Ausbildung zu beginnen, weisen bereits frühere Befunde darauf hin, dass Grundsicherungsempfänger ab dem 25. Lebensjahr kaum mehr Angebote der Berufsausbildung erhalten, auch wenn sie noch keinen Abschluss erworben haben (Achatz 2007).
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7.3.4
Ausstiegswege aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug
Exkurs: Ausstieg aus Arbeitslosengeld-II-Bezug durch einen Ausbildungseintritt – Analysen für das Jahr 2005
Im Weiteren interessieren die Übergänge aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug über einen Eintritt in Berufsausbildung. Für die folgenden Analysen werden die 522 18- bis 29-jährigen Arbeitslosengeld-II-Empfänger ausgewählt, die im Januar 2005 nicht in einer beruflichen Ausbildung waren und noch keine Ausbildung abgeschlossen haben. Die Analysen beschränken sich auf das Jahr 2005, für das vollständige Informationen zur Ausbildungsbeteiligung in Betrieben, an Berufsfachschulen, Universitäten oder in teilqualifizierenden Bildungsangeboten69 vorliegen. Die Teilanalysen runden das Gesamtbild der Abgangsoptionen der jungen Erwachsenen aus dem Grundsicherungsbezug ab. Wie bereits bei den vorigen Analysen wird die Hazardrate des Übergangs aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug mit Eintritt in Berufsausbildung (Zielzustand 1c) simultan mit den Abgangsraten aus dem Bezug durch Integration in (sozialversicherungspflichtige oder geringfügige) Erwerbstätigkeit (Zielzustand 1a/b) und aus anderen Gründen (Zielzustand 2) geschätzt (Modell 7-3, Tabelle 7.3). In dem Hazardratenmodell werden anhand korrelierter Random-Effekte die Zusammenhänge zwischen der Ausbildungs- und Erwerbsneigung junger Erwachsener im Kontext der Grundsicherung modelliert. In Tabelle 7.4 im Anhang sind die Korrelation der personen- und zielzustandsspezifischen Random-Effekte im Nullmodell ohne Kovariaten angegeben, in Tabelle 7.3 die Korrelationen unter Kontrolle der Kovariaten. Sowohl im Nullmodell als auch im Modell mit Kovariaten zeigen sich extreme, jedoch nicht signifikante Zusammenhänge zwischen den zustandsspezifischen Abgangsraten. Die negativen Zusammenhangsmaße zwischen den Abgängen aus Arbeitslosengeld II mit Aufnahme einer Berufsausbildung und Erwerbstätigkeit beziehungsweise einer Berufsausbildung und anderen Abgangsgründen weisen auf distinkte soziale Prozesse hin. Folglich liegt für die jungen Arbeitslosengeld-II-Empfänger an der ersten Schwelle eine Entscheidungssituation zwischen Alternativen vor. Die folgende Ergebnisinterpretation konzentriert sich auf die Abgangschancen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug durch die Aufnahme einer Berufsausbildung. Denn um die Abwägungen junger Grundsicherungsempfänger zwischen Berufsausbildung, Erwerbstätigkeit oder Inaktivität zu untersuchen, sind weitere Studien auf Basis von höheren Fallzahlen nötig. Die Abgangsrate aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug in eine Ausbildung hängt von den schulischen Vorqualifikationen der jungen Erwachsenen, ihrer
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Die Ausbildungsoptionen werden aufgrund der geringen Fallzahlen nicht differenziert analysiert.
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bisherigen Arbeitslosigkeitserfahrung und ihrer Haushaltssituation ab. Dagegen spielt die finanzielle Lage des Haushalts ebenso wenig eine signifikante Rolle wie ein vorangegangener Bezug von Arbeitslosen- oder Sozialhilfe. Für die jungen Grundsicherungsempfänger von Januar 2005 sind die Abgangschancen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug in eine Ausbildung innerhalb eines Jahres erwartungsgemäß im zweiten Halbjahr mit Beginn des regulären Ausbildungsund Studienjahres am höchsten. Im Detail zeigen sich folgende Ergebnisse: Die jungen Erwachsenen beenden den Arbeitslosengeld-II-Bezug insgesamt mit höherer Wahrscheinlichkeit durch die Aufnahme einer Ausbildung, wenn sie die allgemeinbildende Schulzeit mit einem Abitur abschließen konnten, im Vergleich zu maximal einem Hauptschulabschluss. So können sich junge Erwachsene aus einkommensschwachen Familien bereits an der ersten Schwelle von Arbeitslosengeld II lösen, wenn sie gute Bildungsvoraussetzungen erwerben. Das Ergebnis unterstreicht die privilegierte Stellung von Abiturienten im Berufsbildungssystem, die sich auch in einer ausreichenden finanziellen Absicherung durch Ausbildungsvergütung und -förderung ausdrückt. Bisherige Arbeitslosigkeit ist für junge Erwachsene an der ersten Schwelle von zentraler Bedeutung, ob sie den Arbeitslosengeld-II-Bezug beenden können. Die Abgangschancen aus dem Grundsicherungsbezug in eine Ausbildung sinken, je häufiger die jungen Erwachsenen bereits arbeitslos waren, entweder weil die Arbeitslosigkeitserfahrung in potentiellen Ausbildungsstätten als negatives Signal für die Leistungsfähigkeit bewertet wird oder weil die jungen Arbeitslosen selbst über eine geringe Ausbildungsmotivation verfügen. Junge Grundsicherungsempfänger, die schon im Anschluss an die allgemeinbildende Schulzeit arbeitslos waren, dürften demnach ein besonderes Risiko tragen, ohne Ausbildung zu bleiben (Beicht/Ulrich 2008; Buhr/Müller 2008) und dauerhaft auf Arbeitslosengeld II angewiesen zu sein. Bereits die vorigen Analysen haben gezeigt, dass eine berufliche Ausbildung zentral die Chancen auf eine existenzsichernde Erwerbsbeteiligung steigert. Frühe Arbeitslosigkeit wirkt sich demnach bereits an der ersten Schwelle nachteilig auf die sozialen Positionierungsmöglichkeiten und Einkommenschancen aus.
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Tabelle 7.3: Bestimmungsfaktoren der Hazardraten aus dem Arbeitslosengeld-IIBezug in Berufsausbildung im Jahr 2005 im Vergleich (zeitdiskretes Modell mit abhängigen konkurrierenden Zielzuständen) Modell 7-3 Zielzustand 1c 1a/b 2 Abgang aus Arbeitslosengeld-II-Bezug Berufsaus anderen durch… ausbildung Beschäftigung Gründen Schulbildung (ref. max. Hauptschulabschluss) noch in Schulausbildung -2,290 *** -1,321 + -1,031 ** Mittlere Reife 0,573 -0,893 0,531 * Abitur 1,773 ** 0,718 0,496 + Erwerbsepisoden -0,115 0,152 * 0,096 *** Arbeitslosigkeitsepisoden -0,911 ** -0,001 -0,097 Haushaltsäquivalenzeinkommen(/100) 0,015 0,005 0,008 Sozialhilfe-/Arbeitslosenhilfebezug vor 2005 0,250 (ref. nein) Sozialhilfebezug 2004 (ref. nein) -0,731 0,277 Arbeitslosenhilfebezug vor 2005 (ref. nein) 0,233 0,152 wiederholter ALG-II-Bezug (ref. nein) 0,359 0,169 0,562 + Haushaltskonstellation (ref. alleinlebend/mit Partner) mit Kind(ern) -3,584 ** -0,401 0,027 mit Eltern -1,588 ** 0,640 -0,247 weiblich (ref. männlich) 0,594 -0,869 + 0,289 Alter -0,100 -0,097 -0,035 Migrationshintergrund (ref. keinen) -0,298 -0,562 0,499 * regionale Jugendarbeitslosigkeitsquote 0,046 -0,172 * -0,055 * Zeit erstes Halbjahr 2005 -3,787 *** -1,823 * -3,114 * zweites Halbjahr 2005 -2,258 *** -1,485 -3,216 Personen/Episoden/Personenmonate 522/ 630/5581 Ereignisse 33 29 121 Corr u1c, u1a/b -1,000 0,999 Corr u1c, u2 Corr u1a/c, u2 -0,999 Pseudo R2 0,139 Log likelihood -867,705 Quelle: eigene Berechnungen; eigene Darstellung (LSS 2005, Prozessdaten; ausbildungslose 18- bis 29-Jährige der Eintrittskohorte Januar 2005 in Arbeitslosengeld-II-Bezug), Signifikanz: p < 0,001 = ***, p < 0,01 = **; p < 0,05 = *, p 0,1 =+
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Die Chancen der jungen Erwachsenen, den Grundsicherungsbezug mit Aufnahme einer Ausbildung abzuschließen, sind deutlich geringer, sobald sie eigene Kinder haben. Dies dürfte zum einen daran liegen, dass Alleinerziehende und junge Erwachsene mit Familie im Grundsicherungsbezug im Jahr 2005 generell unterdurchschnittlich oft eine Ausbildung aufgenommen haben (Tabelle 7.6 im Anhang zu diesem Kapitel) und zum anderen junge Eltern durch Mehrbedarfs- und Härtefallregelungen oder bei Arbeitslosigkeit des Partners trotz einer Ausbildungsförderung in einer finanziell hilfebedürftigen Bedarfsgemeinschaft leben können. Ebenso zeigt sich, dass die jungen Erwachsenen, die noch bei den Eltern leben, deutlich geringere Chancen haben, den Arbeitslosengeld-II-Bezug mit einer Ausbildung zu verlassen. 7.4
Zusammenfassung und Zwischenfazit
In diesem Kapitel wurden Struktur und Bedeutung der Abgangswege der 18- bis 29-jährigen Arbeitslosengeld-II-Empfänger vom Januar 2005 aus dem Grundsicherungsbezug analysiert. Im Vordergrund standen die arbeitsmarkt- und ausbildungsbezogenen Ausstiegsoptionen, die einem Ausstieg aus anderen Gründen gegenübergestellt wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass eine Erwerbsoder Ausbildungsintegration nicht den häufigsten Weg aus dem Grundsicherungsbezug darstellt. Das bedeutet auch, dass viele junge Erwachsene finanzielle Eigenständigkeit (noch) nicht über eine eigene Erwerbs- oder Ausbildungsintegration erzielen können. Gelingt dies jedoch, so ist, wie bereits in den Analysen in Abschnitt 6.2 geschehen, auf die qualitative Bedeutung dieses Faktors für einen nachhaltigen Ausstieg aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug hinzuweisen. Die meisten jungen Erwachsenen, die den Arbeitslosengeld-IIBezug mit einer Ausbildungs- oder Erwerbsintegration abschließen können, haben eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen. Es ist naheliegend, dass das Einkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung vor allem bei jungen Erwachsenen mit Partner und/oder Kind(ern) kaum den Lebensunterhalt einer Bedarfsgemeinschaft sichern kann. Zudem kann der Eintritt in eine Ausbildung mit vorrangiger Ausbildungsförderung und Ausbildungsvergütung eine wichtige Ausstiegsoption darstellen. Dabei trägt die Integration in eine Berufsausbildung aufgrund der enormen Bedeutung eines Berufsabschlusses für die Abgangschancen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug vor allem prospektiv zu einer Existenzsicherung bei. Ein wesentliches Ziel dieses Kapitels war es, die Bestimmungsfaktoren eines Ausstiegs aus dem Grundsicherungsbezug herauszuarbeiten. In Anlehnung an die theoretische Diskussion wurden zum einen arbeitsmarktrelevante
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Ressourcen und Personenmerkmale in die Analyse einbezogen, zum anderen wurde das Erwerbs- und Ausbildungsverhalten der jungen Arbeitslosengeld-IIEmpfänger an der finanziellen Lage des Haushalts und ihrer Leistungsbiographie bemessen. Es lassen sich folgende zentrale Ergebnisse für die jungen Arbeitslosengeld-II-Empfänger von Januar 2005 herausgreifen: •
•
Ob die 18- bis 29-jährigen Arbeitslosengeld-II-Empfänger den Bezug rasch durch eine Arbeitsmarktintegration beenden können, hängt im Wesentlichen von Qualifikationen, aktueller Erwerbssituation und bisheriger Erwerbs- und Arbeitslosigkeitserfahrung ab. Die Erwerbsund Ausbildungsneigung der jungen Erwachsenen wird also entsprechend der Annahme von den Opportunitäten beeinflusst, die sich aus den Allokationsprozessen am Arbeits- und Ausbildungsmarkt ergeben. Längerer Bezug von Arbeitslosengeld II dürfte oftmals den eingeschränkten Möglichkeiten bestimmter Personengruppen am Arbeitsmarkt geschuldet sein. Zu den Problemgruppen zählen Geringqualifizierte. Zudem sinken für die jungen Erwachsenen in Langzeitarbeitslosigkeit oder auch wiederholter Arbeitslosigkeit die Ausstiegschancen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug in Ausbildung und Beschäftigung. Schon in der Forschungsliteratur zum Übergang von der Schule in die Erwerbstätigkeit wurde herausgestellt, dass Geringqualifizierte ein erhöhtes Arbeitslosigkeitsrisiko erfahren (siehe auch Abschnitt 3.1.1). Die vorliegende Studie ergänzt nun, dass die Risikogruppen am Arbeits- und Ausbildungsmarkt unter den jungen Grundsicherungsempfängern mit hoher Wahrscheinlichkeit auch andauernde finanzielle Restriktionen im Arbeitslosengeld-II-Bezug erfahren. Dagegen zeigt sich im Beobachtungszeitraum kein Einfluss des finanziellen Drucks im Haushalt und der individuellen Erfahrungen des Transferbezugs, es gibt keine Hinweise auf die angenommenen verhaltensbedingten Abgangschancen aus dem Arbeitslosengeld-IIBezug. Ausschließlich in der kleinen Teilgruppe der jungen Erwachsenen, bei denen früherer Sozialhilfebezug mit weiteren Bezugsepisoden in Arbeitslosengeld II kumuliert, sinken die ausbildungs- und erwerbsbezogenen Abgangschancen aus dem Bezug. So entwickelt sich eine Marginalisierung im Grundsicherungsbezug über längerfristige Erfahrungen im Leistungsbezug, die über den Beobachtungszeitraum hinausgehen. Längerer Grundsicherungsbezug entsteht im Haushaltskontext, wenn Kinderbetreuungspflichten die Möglichkeiten der Erwerbsbeteiligung – und insbesondere der Ausbildungsbeteiligung – einschränken. Junge
Ausstiegswege aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug
•
171
alleinerziehende Mütter sind in besonderem Maße betroffen, doch können auch junge Erwachsene mit Partner und Kind(ern) nur mit geringer Wahrscheinlichkeit den Arbeitslosengeld-II-Bezug durch eine Arbeits- oder Ausbildungsmarktintegration beenden. Vor allem wenn sich ein Partner zu Hause vorrangig um die Kinder kümmert, deckt in der betrachteten Population das Einkommen oftmals nicht den Lebensunterhalt der Bedarfsgemeinschaft. Da die Erwerbsbeteiligung der jungen Grundsicherungsempfänger mit Familie entsprechend der Annahmen oftmals einer traditionellen Rollenverteilung folgt, hängen die Abgangsoptionen junger Mütter aus dem Leistungsbezug vorwiegend von den Arbeitsmarktperspektiven des Partners ab. Innerhalb der Gruppe der jungen Erwachsenen im Arbeitslosengeld-IIBezug bestehen deutliche altersspezifische Abgangschancen in betriebliche Ausbildung und Beschäftigung. In jungen Jahren liegen oft noch jugendspezifische Lebenssituationen in Schule und Ausbildung vor, die in familiärer Armut mit einem längeren Arbeitslosengeld-IIBezug einhergehen können. Dagegen sind mit steigendem Alter verstärkt die negativen Konsequenzen schwieriger Erwerbs- und Ausbildungseinstiege zusammen mit finanziellen Belastungen bei der Familiengründung für einen Arbeitslosengeld-II-Bezug verantwortlich. Unabhängig von den spezifischen Lebenslagen in der Statuspassage in das Erwachsenenalter bestehen durch die intensivierte Förderung der unter 25-Jährigen zusätzliche Alterseffekte auf die arbeits- und ausbildungsmarktvermittelten Abgangschancen aus dem Bezug von Arbeitslosengeld II.
Die Ausstiegschancen aus dem Grundsicherungsbezug durch eine Integration in den Arbeitsmarkt oder in Berufsausbildung scheinen für Teilgruppen unter den jungen Erwachsenen beschränkt. Um diesen ersten Eindruck zu den eingeschränkten Möglichkeiten der finanziellen Verselbstständigung aus eigener Kraft weiterführend zu klären, ergänzen die folgenden Untersuchungen zur Erwerbs- und Ausbildungsbeteiligung im weiteren Grundsicherungsbezug die bisherigen Analysen.
172
Ausstiegswege aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug
Anhang zu Kapitel 7 Tabelle 7.4: Ausgewählte Modellparameter der Nullmodelle 7-1, 7-2 und 7-3 Modell 7-1 Zielzustand Abgang aus Arbeitslosengeld-IIBezug durch… Corr u1, u2 Log likelihood
1 Beschäftigung & betr. Ausbildung
2
aus anderen Gründe 0,463* -5770,752 Modell 7-2 Zielzustand 1a 1b 2 Abgang aus Arbeitslosengeld-II- Sozialverischerungs geringfügige aus anderen Bezug durch… pfl. Beschäftigung Beschäftigung Gründen Corr u1a, u1b 0,300 Corr u1a, u2 0,587* Corr u1b, u2 -0,074 Log likelihood -5738,6521 Modell 7-3 Zielzustand 1c 1a/b 2 Abgang aus Arbeitslosengeld-IIaus anderen Bezug durch… Berufsausbildung Beschäftigung Gründen Corr u1c, u1a/b -0,937 Corr u1c, u2 -0,523 Corr u1a/c, u2 0,193 Log likelihood -962,598 Quelle: eigene Berechnungen (LSS 2005, Prozessdaten; Modell 7-1 & 8-2: 18- bis 29-Jährige der Eintrittskohorte Januar 2005 in Arbeitslosengeld-II-Bezug, Modell 7-3: ausbildungslose 18- bis 29Jährige der Eintrittskohorte Januar 2005 in Arbeitslosengeld-II-Bezug ), Signifikanz: *p 0,05
Ausstiegswege aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug
173
Tabelle 7.5: Bestimmungsfaktoren der Hazardraten aus dem Arbeitslosengeld-IIBezug nach Abgangsgründen, geschlechtsspezifische Übergangschancen nach Haushaltskonstellation (zeitdiskretes Modell mit abhängigen konkurrierenden Zielzuständen) Zielzustand Abgang aus Arbeitslosengeld-II-Bezug durch… Schulbildung (ref. maximal Hauptschulabschluss) Mittlere Reife Abitur Berufsausbildung (ref. ohne Abschluss) Erwerbsepisoden (Erwerbsepisoden)2 Arbeitslosigkeitsepisoden (Arbeitslosigkeitsepisoden)2 Erwerbsstatus im Vormonat (ref. Arbeitslosigkeit) Erwerbstätigkeit in Schule oder Berufsausbildung Kindererziehung, zu Hause in Förderung sonstige Aktivitäten Haushaltsäquivalenzeinkommen (/100) von Dez 2004 in Jan - Sep 2005 von Nov 2005 in Nov 2005 - Dez 2006 von Nov 2005 in 2007 Sozialhilfebezug (Sohi) 2004 (ref. nein) Arbeitslosenhilfebezug (Alhi) vor 2005 (ref. nein) Zahl der ALG-II-Episoden Sohi 2004 x Zahl ALG-II-Episoden Alhi vor 2005 x Zahl ALG-II-Episoden Haushaltskonstellation (ref. alleinlebend) mit Partner alleinerziehend mit Partner und Kind(ern) mit Eltern Fortsetzung Tabelle folgende Seite
Modell 7-1a 1 2 Beschäftigung & betr. Ausbildung aus anderen Gründen
0,170 0,728 0,847 0,439 -0,015 -0,107 0,002
-0,746 -1,459 -1,085 -0,273 -1,109
** *** *** ***
*** *** ** + ***
0,009 * 0,048 *** 0,027 + 0,275 -0,477 + 0,040 -0,447 + 0,199 -0,039 -1,164 ** -0,488 + -0,014
0,212 * 0,611 *** 0,009 0,055 + -0,001 0,011 -0,006
1,405 0,470 0,483 0,221 0,795
*** ** ** + ***
0,003 0,036 *** 0,031 ** 0,262 + 0,105 0,068 0,092 0,013 -0,052 -0,949 *** -0,340 + -0,227
Ausstiegswege aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug
174
Fortsetzung Tabelle 7.5 Modell 7-1a Zielzustand 1 2 Abgang aus Arbeitslosengeld-II-Bezug Beschäftigung & betr. durch… Ausbildung aus anderen Gründen weiblich (ref. männlich) 0,100 0,042 Alter -0,123 *** -0,033 + Migrationshintergrund (ref. keinen) -0,111 -0,091 regionale Jugendarbeitslosigkeitsquote -0,062 ** -0,049 *** saisonale Effekte (ref. November - März) April - Juli 0,032 0,291 ** August - Oktober 0,504 ** 0,336 *** Interaktionseffekte -0,235 0,146 weiblich x mit Partner weiblich x mit Partner und Kind(ern) -0,737 + 0,242 weiblich x mit Eltern -0,381 -0,268 Personen/Episoden/Personenmonate 1171/1783/28428 Ereignisse 255 880 Corr u1, u2 0,323 Pseudo R2 0,091 Log likelihood -5397,252 Quelle: eigene Berechnungen (LSS 2005, Prozessdaten; 18- bis 29-Jährige der Eintrittskohorte Januar 2005 in Arbeitslosengeld-II-Bezug), Periodenspezifische Effekte geschätzt, aber nicht dargestellt, Signifikanz: p < 0,001 = ***, p < 0,01 = **; p < 0,05 = *, p 0,1 = +
Tabelle 7.6: Übergänge in Ausbildung im Jahr 2005, nach Haushaltskonstellation (in Prozent) alleinlebend Übergang in Berufsausbildung
14
gesamt
100
mit Partner
alleinerziehend
mit Partner und Kind(ern)
mit Eltern
gesamt
11
2
4
11
9
100
100
100
100
100
n 87 37 43 124 231 522 Quelle: eigene Berechnungen (LSS 2005, Prozessdaten; ausbildungslose 18- bis 29-Jährige der Eintrittskohorte Januar 2005 in Arbeitslosengeld-II-Bezug), Prozentangaben gewichtet
8
Verringerte finanzielle Hilfebedürftigkeit in betrieblicher Ausbildung oder Beschäftigung
Die Analysen des vorangegangenen Kapitels ermittelten, dass die meisten der betrachteten jungen Erwachsenen den Arbeitslosengeld-II-Bezug nicht durch die Aufnahme einer Ausbildung oder Beschäftigung, sondern aus anderen Gründen überwinden. Doch was bedeutet dieser Befund? Beteiligen sich viele junge Arbeitslosengeld-II-Empfänger generell nicht in Ausbildung oder Beschäftigung oder nehmen sie eine Ausbildung oder Beschäftigung auf, doch reicht das zusätzliche Einkommen nicht für eine hinreichende Grundsicherung der Bedarfsgemeinschaft aus? Im Folgenden werden diese Fragen aufgegriffen. Berücksichtigt wird die gesamte Arbeits- und Ausbildungsbeteiligung der 18- bis 29-jährigen Arbeitslosengeld-II-Empfänger und nicht nur Aktivitäten, die mit einem Abgang aus dem Bezug einhergehen. Für die jungen Leistungsempfänger kann durch diese Betrachtungsweise das Niveau der finanziellen Absicherung in betrieblicher Ausbildung und Erwerbstätigkeit differenziert werden. Zunächst interessiert die Frage, welche jungen Erwachsenen keine Existenzsicherung mit der Aufnahme einer Beschäftigung oder betrieblichen Ausbildung erzielen können. Im Hinblick auf die in Kapitel 5 formulierten Hypothesen kann zunächst erwartet werden, dass vor allem junge Erwachsene, die geringe Ressourcen am Arbeitsmarkt mobilisieren können, nur Zugang zu einfachen Erwerbspositionen oder einer teilqualifizierenden Berufsausbildung mit geringer Ausbildungsförderung finden und mit hoher Wahrscheinlichkeit aufstockend Arbeitslosengeld II erhalten. Nach den theoretischen Überlegungen dürften dabei sowohl die Humankapitalausstattung als auch das familiäre Sozialkapital eine Rolle spielen. Mit Blick auf die soziale Herkunft kann nachvollzogen werden, ob sozial ungleiche Abgangschancen aus dem Bezug gegeben sind. Sind etwa junge Arbeitslosengeld-II-Empfänger aus Familien mit geringem sozioökonomischen Status benachteiligt, weil sie vor allem Zugang zu nicht-existenzsichernder Beschäftigung oder Ausbildung finden? Oder beteiligen sie sich gar nicht erst in Ausbildung und Beschäftigung, was als Hinweis auf die These der „Kultur der Armut“ gewertet werden kann? Ferner wird erwartet, dass im Übergang in das Erwerbsleben nur eine eingeschränkte Verselbstständigung aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug möglich ist, wenn die jungen Erwachsenen zunächst geringe Einstiegsgehälter beziehen oder finanzielle Restriktionen mit einer zeitgleichen Familiengründung erfahren.
B. Schels, Arbeitslosengeld-II-Bezug im Übergang in das Erwerbsleben, DOI 10.1007/978-3-531-18777-8_8, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
176
Verringerte finanzielle Hilfebedürftigkeit
Es stellt sich weiter die Frage, welche Bedeutung eine Integration in nichtexistenzsichernde Tätigkeiten am Arbeits- und Ausbildungsmarkt für die weiteren Abgangschancen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug hat. Einerseits kann jegliche Erwerbs- und Ausbildungsintegration als Teilerfolg verbucht werden, da die jungen Erwachsenen die finanzielle Hilfebedürftigkeit ihrer Bedarfsgemeinschaft verringern und Nähe und Kontakte zum Arbeitsmarkt aufbauen können. Insbesondere Investitionen in eine Berufsausbildung verbessern prospektiv die Arbeitsmarktchancen. Aus dieser Perspektive wird erwartet, dass die Ausbildungs- und Erwerbsbeteiligung im Arbeitslosengeld-IIBezug den weiteren Ausstieg aus dem Grundsicherungsbezug fördert, wenn sich die jungen Erwachsenen langfristig im Erwerbsleben etablieren und in bessere Erwerbspositionen aufsteigen können. Nimmt man andererseits an, dass vor allem einfache, unqualifizierte Tätigkeiten keine ausreichende Existenzsicherung gewähren, in denen die jungen Erwachsenen kaum spezifisches Humankapital aufbauen bzw. ihre Produktivität signalisieren können, dann dürfte die Erwerbsbeteiligung in nicht-existenzsichernder Beschäftigung die weiteren Erwerbschancen nicht bereichern. Aus dieser Sicht würde sich die Annahme, dass „jeder Job besser als gar kein Job ist“, langfristig nicht rechnen. Diese Überlegungen treffen jedoch auf die Aufnahme einer betrieblichen Ausbildung nicht zu. Nach einer methodischen Einführung (Abschnitt 8.1) wird zunächst der Frage nachgegangen, wie häufig die jungen Erwachsenen einer Beschäftigung oder betrieblichen Ausbildung nachgehen, in der sie ein nicht-existenzsicherndes Einkommen mit Arbeitslosengeld II aufstocken müssen (Abschnitt 8.2). In den anschließenden multivariaten Analysen stehen die Faktoren im Vordergrund, die einen Übergang in nicht-existenzsichernde Beschäftigung oder betriebliche Ausbildung beeinflussen (Abschnitt 8.3). 8.1
Begriffsbestimmung und Operationalisierung
In den folgenden Analysen interessiert die Beteiligung der jungen Erwachsenen an betrieblicher Ausbildung und Beschäftigung und deren Relevanz für einen Ausstieg in die finanzielle Eigenständigkeit. Es wird die Beobachtung in den Vordergrund gestellt, ob der Eintritt in Beschäftigung oder Ausbildung mit einer Beendigung des Arbeitslosengeld-II-Bezugs einhergeht. Analytisch werden im Folgenden die in Tabelle 8.1 dargestellten Optionen im Arbeitslosengeld-IIBezug unterschieden:
Verringerte finanzielle Hilfebedürftigkeit
177
Tabelle 8.1: Ausstiegswege aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug Abgang aus dem ArbeitslosengeldII-Bezug
ja
(1)
nein
(2)
Eintritt in betriebliche Ausbildung oder Beschäftigung ja nein Ausstieg aus dem (3) Ausstieg aus anderen Leistungsbezug durch eine Gründen Integration in den Arbeitsoder Ausbildungsmarkt Verringerte finanzielle (4) Kein beendeter Hilfebedürftigkeit Grundsicherungsbezug, (Teilausstieg) durch eine keine Erwerbsintegration Integration in den Arbeitsoder Ausbildungsmarkt
Quelle: eigene Darstellung
Die jungen Personen können den Arbeitslosengeld-II-Bezug durch eine Erwerbsoder betriebliche Ausbildungsintegration beenden, wenn die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder betrieblichen Ausbildung zeitgleich mit dem Ende der Grundsicherungszahlungen (inkl. Kosten der Unterkunft und Heizung) einhergeht (1), wie bereits im vorigen Kapitel ins Zentrum der empirischen Analyse gestellt. Dem wird im Folgenden gegenübergestellt, dass die jungen Erwachsenen ihre finanzielle Hilfebedürftigkeit durch eine Integration in Ausbildung oder Erwerbstätigkeit verringern können (nachfolgend auch kurz: Teilausstieg), wenn sie zwar eine betriebliche Ausbildung oder Beschäftigung aufnehmen, aber dennoch nicht den Lebensunterhalt der Bedarfsgemeinschaft aus eigener Kraft decken können (2). Alternativ können die jungen Erwachsenen auch keine Integration in betriebliche Ausbildung oder Beschäftigung erzielen und entweder, wie auch im vorigen Kapitel betrachtet, einen Ausstieg aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug aus anderen Gründen erzielen (3) oder in der Grundsicherung für Arbeitssuchende verbleiben70 (4). Diese beiden Optionen stehen nicht im Vordergrund der weiteren Analysen. Die quantitative Bedeutung der Übergänge in betriebliche Ausbildung und Beschäftigung im weiteren Bezug und die Einflussfaktoren auf die bedingten Übergangswahrscheinlichkeiten werden in den folgenden Analysen auf Basis aller beobachtbaren Arbeitslosengeld-II-Bezugsepisoden untersucht. Tabelle 8.2 zeigt die Anzahl der beobachteten Eintritte in betriebliche Ausbildung oder Beschäftigung und damit verbundenen Übergänge aus dem Bezug von Arbeitslosengeld II oder in verringerte finanzielle Hilfebedürftigkeit im
70
Zwar besteht die Möglichkeit, dass die finanzielle Hilfebedürftigkeit in der Bedarfsgemeinschaft der jungen Erwachsenen durch die Erwerbsintegration des Partners oder der Eltern verringert wird. In diesem Fall hat sich jedoch nicht die Position der jungen Erwachsenen im Leistungsbezug oder am Arbeitsmarkt verändert und wird daher in den Analysen nicht weiterverfolgt.
178
Verringerte finanzielle Hilfebedürftigkeit
Beobachtungszeitraum nach Altersgruppe. Für die insgesamt 1.171 betrachteten 18- bis 29-jährigen Grundsicherungsempfänger von Januar 2005 können bis Ende 2007 327 Eintritte in Beschäftigung oder betriebliche Ausbildung beobachtet werden, mit denen die jungen Erwachsenen den Arbeitslosengeld-IIBezug ihrer Bedarfsgemeinschaften beenden können. Zudem sind im Beobachtungszeitraum 627 weitere Erwerbs- und Ausbildungsaufnahmen erfasst, die nicht mit einem Ausstieg aus dem Leistungsbezug einhergehen. In der Teilgruppe der 18- bis unter 25-Jährigen sind es im Beobachtungszeitraum 197 Ausstiege aus dem Leistungsbezug und 327 Teilausstiege durch eine Erwerbs- oder Ausbildungsintegration. Tabelle 8.2: Eintritte in betriebliche Ausbildung oder Beschäftigung und Abgang oder verringerte finanzielle Hilfebedürftigkeit im Arbeitslosengeld-II-Bezug, 2005 bis 2007 18- bis 2918- bis 24Jährige Jährige 327 197 … Ausstieg aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug (1) 626 327 … verringerte finanzielle Hilfebedürftigkeit (Teilausstieg) (2) 1783 1028 Episoden im Arbeitslosengeld-II-Bezug 1171 674 n Quelle: eigene Berechnungen (LSS 2005, Prozessdaten; Eintrittskohorte Januar 2005 in Arbeitslosengeld-II-Bezug) Eintritt in betriebliche Ausbildung oder Beschäftigung und…
8.2
(Teil-)Schritte aus dem Grundsicherungsbezug in Ausbildung und Beschäftigung
Berücksichtigt man, dass nicht jede Erwerbs- oder Ausbildungsmarktbeteiligung der jungen Erwachsenen eine Beendigung des Arbeitslosengeld-II-Bezugs ermöglicht, dann kann der Weg der 18- bis 29-jährigen Arbeitslosengeld-IIEmpfänger von Januar 2005 aus dem Leistungsbezug in Ausbildung und Beschäftigung in mehreren Schritten erfolgen. Tabelle 8.3 zeigt zunächst, wie viele der insgesamt 1.783 Bezugsepisoden im Beobachtungszeitraum bis Dezember 2007 über eine Integration in eine Erwerbstätigkeit und betriebliche Ausbildung (1) oder aus anderen Gründen (3) abgeschlossen wurden und ob die jungen Erwachsenen in den Monaten zuvor bereits eine reduzierte finanzielle Hilfebedürftigkeit durch eine Ausbildungs- oder Erwerbsaufnahme (zumindest vorübergehend) erlangt haben (2).
Verringerte finanzielle Hilfebedürftigkeit
179
Tabelle 8.3: Abgangswege aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug, Kombination von Abgängen aus dem Bezug und Eintritten in betriebliche Ausbildung und Erwerbstätigkeit, 2005 bis 2007 (Zellenprozente, Zeilenprozente)
realisierte Ausstiegsoption Ausstieg durch Integration in eine Erwerbstätigkeit oder betriebliche Ausbildung (1) Ausstieg aus anderen Gründen (3) kein Ausstieg/rechtszensierte Episoden (4)
verringerte finanzielle Hilfebedürftigkeit in den Vormonaten im Leistungsbezug (2) nein ja gesamt 10,7
8,7
19,4
55,0
45,0
100,0
24,0
26,2
50,2
47,7
52,3
100,0
16,8
13,6
30,4
55,3
44,7
100,0
gesamt 51,4 48,6 100,0 Quelle: eigene Berechnungen (LSS 2005, Prozessdaten; 18- bis 29-Jährige der Eintrittskohorte Januar 2005 in Arbeitslosengeld-II-Bezug), gewichtete Angaben, 1781 Episoden Fett gedruckte Zellenprozentwerte geben den Anteil aller beobachteten Leistungsbezugsepisoden an, in denen die jungen Erwachsenen zumindest eine Ausbildungs- oder Beschäftigungsaufnahme realisiert haben.
Die jungen Arbeitslosengeld-II-Empfänger haben in insgesamt 49 Prozent aller Bezugsepisoden zumindest einmal eine verringerte finanzielle Hilfebedürftigkeit durch Eintritt in betriebliche Ausbildung oder Beschäftigung erzielt. Dies zeigt, dass verminderter Grundsicherungsbezug bei Erwerbstätigkeit oder Ausbildung unter den 18- bis 29-jährigen Arbeitslosengeld-II-Empfängern eine relevante Erfahrung darstellt. Durch Aufsummieren aller beobachteten Eintritte in betriebliche Ausbildung oder Erwerbstätigkeit im Beobachtungszeitraum lässt sich der Gesamtumfang der Ausbildungs- und Erwerbsbeteiligung der jungen Erwachsenen festhalten – unabhängig davon, ob dies mit einem Ausstieg aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug oder nicht einherging (in Tabelle 8.3 fett gedruckte Prozentangaben): In insgesamt 60 Prozent aller Bezugsepisoden haben die jungen Erwachsenen eine Ausbildung oder Erwerbstätigkeit aufgenommen. Die Erwerbs- und Ausbildungsbeteiligung im Grundsicherungsbezug ist dementsprechend weit höher, als allein die erwerbs- und ausbildungsbezogenen Abgangsgründe (1) aus dem Bezug aufzeigen.71 Die Randverteilungen zu den 71
Auch die im Januar 2005 zunächst nicht-erwerbstätigen Grundsicherungsempfänger zeigen über den Beobachtungszeitraum eine hohe Arbeitsmarkt- bzw. Ausbildungsmobilität. Rund 85 Prozent der 502 arbeitslosen 18- bis 29-Jährigen beendeten nach und nach die Arbeitslosigkeit, 75 Prozent der 118 Personen, die sich um die Kindererziehung gekümmert haben, wechselten in einen anderen Erwerbsstatus.
180
Verringerte finanzielle Hilfebedürftigkeit
unterschiedenen Ausstiegsoptionen zeigen, dass der kleinere Teil der beobachteten Grundsicherungsbezugsepisoden, rund 19 Prozent, mit einem Eintritt in betriebliche Ausbildung oder Beschäftigung beendet wurde. Ob die jungen Erwachsenen bereits vor einer Beendigung des Grundsicherungsbezugs die finanzielle Hilfebedürftigkeit durch eine Erwerbsoder Ausbildungsbeteiligung verringern konnten, kann aus den kursiv dargestellten Zeilenprozenten in Tabelle 8.3 abgelesen werden. In rund 52 Prozent aller Bezugsepisoden, die schließlich aus anderen Gründen beendet wurden, haben die jungen Erwachsenen zuvor eine Erwerbstätigkeit oder betriebliche Ausbildung im fortwährenden Leistungsbezug aufgenommen. Möglich ist, dass die Bedarfsgemeinschaft schließlich durch das Zutun anderer Mitglieder nicht weiter auf Arbeitslosengeld II angewiesen ist. In 45 Prozent aller Episoden, die noch Ende 2007 andauerten, nahmen die jungen Personen ebenso eine betriebliche Ausbildung oder Beschäftigung auf. Betrachtet man schließlich auch die Arbeitslosengeld-II-Episoden, die durch eine Arbeitsmarktoder Ausbildungsintegration beendet werden konnten, so erzielten die jungen Erwachsenen hier in 45 Prozent aller Fälle zunächst eine verringerte finanzielle Hilfebedürftigkeit im Bezug. Aber erst im Anschluss nahmen sie eine Beschäftigungsposition auf, mit der ein Ausstieg der Bedarfsgemeinschaft aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug ermöglicht wurde. Die deskriptiven Ergebnisse zeigen, wie vielfältig die erwerbsbezogenen Ausstiegspfade der 18- bis 29jährigen Arbeitslosengeld-II-Empfänger von Januar 2005 sein können. In vielen Fällen gelingt es den betrachteten jungen Erwachsenen zumindest nicht unmittelbar, mit einer Erwerbsaufnahme oder Ausbildung auch ein Einkommen jenseits von Arbeitslosengeld II für sich und ihre Bedarfsgemeinschaft zu erzielen. Ob die jungen Erwachsenen mit Aufnahme einer Beschäftigung oder Ausbildung den Arbeitslosengeld-II-Bezug beenden können, mag davon abhängen, ob sie eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, geringfügige Tätigkeit oder eine betriebliche Ausbildung aufgenommen haben (siehe auch Schels 2008). Die Verteilung der hier differenzierten Aktivitäten auf die arbeitsund ausbildungsbezogenen Ausstiegswege ist daher weiter in Abbildung 8.1 dargestellt.
Verringerte finanzielle Hilfebedürftigkeit
181
Abbildung 8.1: Beendeter Arbeitslosengeld-II-Bezug und reduzierte finanzielle Hilfebedürftigkeit nach Übergang in Beschäftigung oder betriebliche Ausbildung, 2005 bis 2007 (in Prozent) 100% 90% 80%
12
8
9
18
70%
47
37
60% betriebliche Ausbildung
50% 40% 30%
geringfügige Beschäftigung
70 45
20%
54
10%
sozialversicherungspfl. Beschäftigung
0% Abgang aus dem Leistungsbezug (n = 327)
Übergang in gesamt (n = 953) reduzierte finanzielle Hilfebedüftigkeit (n = 626)
Quelle: eigene Berechnungen; eigene Darstellung (LSS 2005, Prozessdaten; 18- bis 29-Jährige der Eintrittskohorte Januar 2005 in Arbeitslosengeld-II-Bezug)
Die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung stellt den häufigsten Weg aus dem Leistungsbezug dar. In 70 Prozent aller über den Arbeits- oder Ausbildungsmarkt beendeten Leistungsbezugsepisoden ist dies der Fall. Eine verminderte finanzielle Hilfebedürftigkeit geht dagegen mit 47 Prozent überdurchschnittlich oft mit der Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung einher, da mit ihr kaum ein existenzsicherndes Einkommen für die Bedarfsgemeinschaft dazugewonnen werden kann. Die Aufnahme einer Berufsausbildung in einem Betrieb geht etwas häufiger mit einem Ausstieg aus dem Grundsicherungsbezug einher als mit einem Teilausstieg. Dennoch konnten die betrachteten 18- bis 29-Jährigen in 18 Prozent aller am Arbeits- und Ausbildungsmarkt vermittelten Abgangsgründe mit Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung den Lebensunterhalt der Bedarfsgemeinschaft decken. Dagegen ermöglicht auch eine reguläre, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung häufig nur einen verminderten Arbeitslosengeld-II-Bezug. In 45 Prozent aller beobachteten Fälle, in denen die jungen Erwachsenen mit ihrer Erwerbsbeteiligung den Grundsicherungsbezug nicht beenden können, nahmen sie eine sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit auf (Abbildung 8.1).
Verringerte finanzielle Hilfebedürftigkeit
182
Dieses Ergebnis kann als Hinweis auf eine hohe Erwerbsorientierung gelesen werden, da die jungen Arbeitnehmer eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung akzeptieren, obwohl sie mit ihrer Bedarfsgemeinschaft weiterhin am Existenzminimum leben. 8.3
Multivariate Analysen
Welchen jungen Arbeitslosengeld-II-Empfängern gelingt eher ein Ausstieg aus dem Leistungsbezug durch eine Arbeitsmarktintegration und wer vollzieht mit hoher Wahrscheinlichkeit nur einen Teilausstieg in Ausbildung oder Beschäftigung? Es stehen die erwerbs- und ausbildungsbezogenen Wege der jungen Erwachsenen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug im Vordergrund. Die folgenden multivariaten Analysen gehen in zwei Schritten vor: Zunächst wird in Abschnitt 8.3.1 die Gesamtgruppe der 18- bis 29-jährigen Leistungsbezieher von Januar 2005 betrachtet. Im Fokus steht der Einfluss von Individualmerkmalen und situativen Faktoren auf die Übergangsneigung in existenzsichernde versus nicht-existenzsichernde Beschäftigung und betriebliche Ausbildung. Die weiteren Analysen in Abschnitt 8.3.2 fokussieren zusätzlich auf die sozialen Herkunftseffekte. Dazu wird die Teilgruppe der unter 25-Jährigen untersucht, denn ausschließlich Personen diesen Alters wurden in der Studie LSS 2005 zu ihrer Herkunftsfamilie befragt. Die geschätzten Hazardratenmodelle konzentrieren sich auf die beiden Zielzustände „Eintritt in Beschäftigung oder betriebliche Ausbildung mit einem existenzsichernden Einkommen der Bedarfsgemeinschaft“ (Zielzustand 1) oder „verminderte finanzielle Hilfebedürftigkeit mit Eintritt in Beschäftigung oder betriebliche Ausbildung“ (Zielzustand 2). Nach jedem Ereignis beginnt die Prozesszeit wieder bei 0; so sind auch die Bezugsepisoden nach einem Übergang in verringerte finanzielle Hilfebedürftigkeit in Folgeepisoden unterteilt und durch einen Indikator für „vorangegangenen reduzierten Leistungsbezug“ markiert. Diese Kovariate misst, ob sich für die jungen Erwachsenen mit einer erzielten Erwerbs- oder Ausbildungsintegration im Grundsicherungsbezug die weiteren Rahmenbedingungen für einen Übergang aus dem Bezug verbessern (z. B. durch Erwerbserfahrung und Arbeitsmarktnähe) oder verringern (z. B. durch negative Signale in nicht-existenzsichernder Beschäftigung). Die Grundsicherungsepisoden, die bis Ende 2007 andauerten oder aus anderen Gründen abgeschlossen wurden, sind in den Analysen rechtszensiert. Die Übergangsratenmodelle mit diskreter Zeit basieren auf Modellen für abhängige konkurrierende Risiken. Die Schätzungen mit Random-Effekten kontrollieren für eine Korrelation zwischen den Hazardraten in den Zielzustand 1
Verringerte finanzielle Hilfebedürftigkeit
183
„Beschäftigung oder betriebliche Ausbildung mit einem existenzsichernden Einkommen“ und Zielzustand 2 „verminderte finanzielle Hilfebedürftigkeit in Beschäftigung oder Ausbildung“ (siehe Anhang, Abschnitt 10.3.2). Tabelle 8.6 im Anhang zu diesem Kapitel weist für das Nullmodell ohne Kovariaten eine signifikante hohe Korrelation der Random-Effekte mit einem Wert von 0,643 aus. Sowohl der Eintritt in eine betriebliche Ausbildung und Beschäftigung mit existenzsichernden Einkommen als auch eine Integration in Ausbildung und Beschäftigung, die keinen Abgang aus dem Grundsicherungsbezug ermöglicht, stellen im hohen Maße vergleichbare soziale Prozesse dar. Unter Kontrolle der Kovariaten in den Schätzmodellen, wie in Tabelle 8.4 und Tabelle 8.5 ersichtlich, liegt die errechnete positive Korrelation bei dem Wert 1, ist jedoch nicht weiter statistisch signifikant. Folglich können die zustandsspezifischen Übergangsprozesse anhand der betrachteten Individual- und Regionalmerkmale, der institutionellen und situativen Faktoren deutlich differenziert werden. 8.3.1
Einflussfaktoren auf die Übergänge in Ausbildung oder Beschäftigung im weiteren Arbeitslosengeld-II-Bezug im Vergleich
Die Einflussfaktoren auf die bedingten Übergangswahrscheinlichkeiten der untersuchten Personengruppe in eine existenzsichernde oder nichtexistenzsichernde Beschäftigung oder betriebliche Ausbildung sind zunächst in Tabelle 8.4 dargestellt. In Modell 8-1 werden die Determinanten sowohl eines Abgangs aus dem Grundsicherungsbezug in Erwerbsaktivitäten (Zielzustand 1) als auch eines Übergangs in verringerten Arbeitslosengeld-II-Bezug (Zielzustand 2) durch betriebliche Ausbildung und Beschäftigung geschätzt. Die Ergebnisse zeigen, dass hinsichtlich eines Ausstiegs aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug vor allem die schulischen und beruflichen Qualifikationen, die Haushaltskonstellation, der aktuelle Erwerbsstatus der jungen Erwachsenen und ihre bisherige Erwerbs- und Arbeitslosigkeitshistorie sowie die regionale Arbeitsmarktlage von Bedeutung sind. Diese Befunde wurden bereits im vorangegangenen Kapitel ausführlich dargestellt und diskutiert. Im Folgenden werden dagegen Einzelbefunde herausgestellt, um die Ergebnisse im Vergleich zu den Übergängen in verminderte finanzielle Hilfebedürftigkeit bei Erwerbstätigkeit oder Ausbildung im Arbeitslosengeld-IIBezug zu vervollständigen.
184
Verringerte finanzielle Hilfebedürftigkeit
Tabelle 8.4: Bestimmungsfaktoren der Hazardraten in existenzsichernde und nicht-existenzsichernde Beschäftigung/betriebliche Ausbildung, 18- bis 29jährige Arbeitslosengeld-II-Empfänger (zeitdiskretes Modell mit abhängigen konkurrierenden Zielzuständen) Modell 8-1 Zielzustand Eintritt in Beschäftigung oder betriebliche Ausbildung und …
1 Abgang aus dem ALG II
2 verringerte Hilfebedürftigkeit
Schulbildung (ref. max. Hauptschulabschluss) Mittlere Reife
0,240
0,088
Abitur
0,650 **
0,066
1,046 ***
0,357 ***
Berufsausbildung (ref. ohne Abschluss) Haushaltsäquivalenzeinkommen(/100) von Dez 2004 in Jan - Sep 2005
0,005
von Nov 2005 in Nov 2005 - Dez 2006
0,038 ***
0,022 **
von Nov 2005 in 2007
0,030 *
0,016
Sozialhilfebezug (Sohi) 2004 (ref. nein) Arbeitslosenhilfebezug (Alhi) vor 2005 (ref. nein)
-0,003
0,334
0,270 +
-0,482 *
-0,436 **
Zahl der ALG-II-Episoden
-0,020
0,128
Sohi 2004 x Zahl ALG-II-Episoden
-0,322
-0,340 +
0,255
0,054
Arbeitslosigkeit, 12 Monate
0,478 *
0,594 ***
Arbeitslosigkeit, > 12 Monate
0,478 +
Alhi vor 2005 x Zahl ALG-II-Episoden Erwerbsstatus im Vormonat (ref. Erwerbstätigkeit)
0,866 ***
in Schule oder Berufsausbildung
-0,827 *
-0,177
Kindererziehungszeit, zu Hause sonstige Aktivitäten, ohne nähere Angaben
-0,847 * -0,383
-0,270 0,495 *
Erwerbsepisoden
0,447 ***
0,294 ***
(Erwerbsepisoden)2
-0,015 ***
-0,010 ***
Arbeitslosigkeitsepisoden
-0,112
0,042
0,001
-0,006
(Arbeitslosigkeitsepisoden)2 vorangegangener reduzierter Leistungsbezug (ref. keine Erwerbstätigkeit/betriebl. Ausbildung im Leistungsbezug) durch sozialversicherungspflichtige Beschäftigung
-0,773 **
0,295 *
durch geringfügige Beschäftigung
-0,022
0,547 ***
durch eine Ausbildung
-0,236
0,494 **
Fortsetzung Tabelle folgende Seite
Verringerte finanzielle Hilfebedürftigkeit
185
Fortsetzung Tabelle 8.4 Zielzustand Eintritt in Beschäftigung oder betriebliche Ausbildung und …
1 Abgang aus dem ALG II
2 verringerte Hilfebedürftigkeit
Haushaltssituation (ref. alleinlebend) mit Partner
-0,067
alleinerziehend
-0,810 **
0,080
mit Partner und Kind(ern)
-0,670 **
0,263 *
mit Eltern
0,081
0,114
0,001
weiblich (ref. männlich)
-0,291 +
-0,011
Alter
-0,090 **
-0,066 ***
Migrationshintergrund (ref. keinen)
-0,136
-0,053
regionale Jugendarbeitslosigkeitsquote
-0,063 **
0,003
saisonale Effekte (ref. November - März) April - Juli
0,107
0,125
August - Oktober
0,529 ***
0,179 +
Personen/Episoden/Personenmonate Ereignisse
1171/1874/28428 327 626
Corr u1, u2 Pseudo R2
0,999 0,098
-4360,712 Log likelihood Quelle: eigene Berechnungen; eigene Darstellung (LSS 2005, Prozessdaten; Eintrittskohorte Januar 2005 in Arbeitslosengeld-II-Bezug), periodenspezifische Zeiteffekte berechnet, aber nicht angegeben Signifikanz: p < 0,001 = ***, p < 0,01 = **; p < 0,05 = *, p 0,1 =+
Während die Übergangschance in eine existenzsichernde Beschäftigung oder betriebliche Ausbildung (Zielzustand 1) von der schulischen Vorbildung abhängt, zeigen sich keine bildungsdifferenzierten Übergangsraten in Beschäftigung oder betriebliche Ausbildung im weiteren Arbeitslosengeld-IIBezug (Zielzustand 2). Junge Erwachsene mit maximal Hauptschulabschluss, Mittlerer Reife oder Abitur tragen unter Kontrolle aller weiteren Rahmenbedingungen ein ähnliches Risiko, eine betriebliche Ausbildung oder Beschäftigung im weiteren Arbeitslosengeld-II-Bezug aufzunehmen. Betrachtet man weiter den Einfluss eines Berufsausbildungsabschlusses und der Anzahl der bisherigen Erwerbsepisoden, dann verfügen die jungen Erwachsenen mit einer abgeschlossenen beruflichen Ausbildung und zunehmender Erwerbserfahrung generell über erhöhte Chancen am Arbeitsmarkt. Sofern sie über einen Berufsabschluss verfügen und Erwerbserfahrung gesammelt haben, nehmen sie nicht nur mit höherer Wahrscheinlichkeit eine existenzsichernde Tätigkeit auf
186
Verringerte finanzielle Hilfebedürftigkeit
(Zielzustand 1), sondern es steigt auch die relative Übergangswahrscheinlichkeit in eine Erwerbstätigkeit im weiteren Arbeitslosengeld-II-Bezug (Zielzustand 2). Analog den Ergebnissen zum Abgang aus dem Grundsicherungsbezug in den Arbeits- und Ausbildungsmarkt erweist sich der Erwerbsstatus für die weiteren Übergangschancen in Erwerbs- und Ausbildungsaktivitäten bei andauerndem Arbeitslosengeld-II-Bezug (Zielzustand 2) als relevant. Die jungen Erwachsenen wechseln rascher aus der Arbeitslosigkeit in eine Ausbildung oder Erwerbstätigkeit als aus einem bereits bestehenden Beschäftigungsverhältnis. Denn bei den Arbeitslosen, die unmittelbar für eine Integration am Arbeitsmarktbzw. Ausbildungssystem zur Verfügung stehen, greift die Aktivierung in der Grundsicherung für Arbeitssuchende, auch wenn diese nicht immer eine existenzsichernde Beschäftigung oder Ausbildung mit ausreichender finanzieller Unterstützung fördert. Vor allem nach länger andauernder Arbeitslosigkeit nehmen die jungen Erwachsenen mit besonders hoher Wahrscheinlichkeit eine betriebliche Ausbildung oder Beschäftigung bei weiterem Arbeitslosengeld-IIBezug auf. Die relative Übergangschance der jungen Personen ist nach mindestens 13 Monaten in Arbeitslosigkeit nochmals deutlich höher als während Arbeitslosigkeit bis zu einem Jahr, jeweils im Vergleich zu einer bereits bestehenden Erwerbstätigkeit. Eine mögliche Erklärung ist, dass junge Erwachsene nach längerer Arbeitslosigkeit eher bereit sind, Stellen mit geringem Einkommen zu akzeptieren (Dietrich/Kleinert 2005). Dementsprechend haben auch die Deskriptionen im vorangegangenen Abschnitt gezeigt, dass verringerte finanzielle Hilfebedürftigkeit besonders häufig mit der Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung einhergeht (Abbildung 8.1). Dagegen zeigen sich keine nach Arbeitslosigkeitsdauer differenzierten Abgangsraten aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug durch Aufnahme einer Beschäftigung oder betrieblichen Ausbildung (Zielzustand 1). Die jungen Erwachsenen, die noch 2004 Sozialhilfe bezogen haben, gehen zwar zunächst schneller in Beschäftigung oder betriebliche Ausbildung im weiteren Arbeitslosengeld-II-Bezug (Zielzustand 2) über als jene im erstmaligen Grundsicherungsbezug. Die Übergangsrate der vormaligen Sozialhilfebezieher sinkt jedoch signifikant mit mehrfachen Bezugsepisoden im Arbeitslosengeld II. Dies ergibt sich aus dem negativen Interaktionseffekt zwischen Sozialhilfebezug 2004 und Zahl der bisherigen Arbeitslosengeld-II-Bezugsepisoden. Sobald die jungen Erwachsenen nach einem ersten Arbeitslosengeld-II-Bezug wiederholt die Grundsicherungsleistung beziehen, ist die bedingte Übergangschance jener, die schon 2004 Sozialhilfe bezogen haben, unter Kontrolle aller berücksichtigten weiteren Kovariaten geringer als die Übergangschance der Arbeitslosengeld-IIEmpfänger ohne Sozialhilfebezug 2004 und reduziert sich mit jeder folgenden Bezugsepisode von Arbeitslosengeld II weiter. Vergleichbare Ergebnisse haben
Verringerte finanzielle Hilfebedürftigkeit
187
sich im vorangegangenen Kapitel hinsichtlich der Abgangschancen aus dem Bezug in Arbeit oder betriebliche Ausbildung gezeigt, auch wenn diese in den in Tabelle 8.4 präsentierten Schätzungen zu Zielzustand 1 unter Kontrolle vorangegangener Teilausstiege nicht mehr deutlich signifikant sind. Mit diesen wichtigen Befunden erhärten sich die Hinweise, dass mit wiederholten Erfahrungen im Grundsicherungsbezug die Erwerbs- und Ausbildungsneigung der jungen Erwachsenen sinkt. Diese Effekte können unter den theoretischen Annahmen als Verlust der Motivation und Handlungsfähigkeit gelesen werden, die sich jedoch über einen längeren Zeitraum entwickeln. Für den Übergang in eine betriebliche Ausbildung oder Beschäftigung am Existenzminimum spielt schließlich auch die Haushaltskonstellation eine Rolle. Die jungen Erwachsenen nehmen mit höherer Wahrscheinlichkeit eine Aktivität bei weiterem Arbeitslosengeld-II-Bezug auf, wenn sie nicht mehr allein, sondern mit Partner und Kind(ern) zusammenleben. Offensichtlich haben die jungen Familien im Grundsicherungsbezug deutliche Probleme, ein existenzsicherndes Einkommen zu erwerben, so dass der Lebensunterhalt der Bedarfsgemeinschaft zusätzlich durch Arbeitslosengeld II aufgestockt werden muss. Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass die jungen Erwachsenen im Arbeitslosengeld-IIBezug mit Familie unter sonst gleichen Bedingungen eine vergleichsweise hohe Erwerbsneigung im Grundsicherungsbezug aufweisen, aber auch, dass sich unter den betrachteten jungen Erwachsenen im Armutsbereich finanzielle Risiken konzentrieren, wenn Erwerbseinstieg und Familiengründung zusammenfallen. Für diese Personen besteht am Arbeitsmarkt nicht die Möglichkeit, ein ausreichendes Einkommen für die Familie zu erzielen. Darüber hinaus zeigt sich kein zusätzlicher Effekt eines finanziellen Drucks durch die Einkommenslage im Haushalt auf die kurzfristige Erwerbs- und Ausbildungsneigung. Ein Übergang in Erwerbsaktivitäten bei weiterem Arbeitslosengeld-II-Bezug wird durch die finanzielle Situation des Haushalts nur geringfügig beeinflusst; ausschließlich die bedingten Übergangschancen im Jahr 2006 sind umso höher, je besser die Einkommenssituation im November 2005 war. Wenn die jungen Erwachsenen eine Beschäftigung oder betriebliche Ausbildung während des Arbeitslosengeld-II-Bezugs aufgenommen haben, verändern sich weiter die Abgangschancen aus dem Grundsicherungsbezug (siehe auch Schels 2011). Die Referenzkategorie sind Bezugsepisoden, in denen die jungen Erwachsenen nicht im bestehenden Arbeitslosengeld-II-Bezug in Ausbildung oder beschäftigt waren. Die Ergebnisse zeigen zum einen, dass junge Erwachsene, die bereits eine Tätigkeit im weiteren Grundsicherungsbezug aufgenommen haben, auch mit höherer Wahrscheinlichkeit erneut in betriebliche Ausbildung oder Beschäftigung mit einem Einkommen unterhalb des Existenzminimums der Bedarfsgemeinschaft eintreten (Zielzustand 2). Das
188
Verringerte finanzielle Hilfebedürftigkeit
relative Risiko für einen weiteren Teilausstieg ist vor allem nach einem Übergang in geringfügige Beschäftigung hoch, aber auch nach einem Eintritt in betriebliche Ausbildung oder sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu beobachten. Zum anderen sinken die Abgangschancen der jungen Erwachsenen aus dem Grundsicherungsbezug durch Eintritt in Erwerbstätigkeit oder Ausbildung (Zielzustand 1) deutlich, wenn sie eine nicht-existenzsichernde sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zuvor aufgenommen haben. Dies kann ein wichtiger Hinweis auf die negativen Auswirkungen einer unterwerten (wenn auch sozialversicherungspflichtigen) Beschäftigung auf die weiteren Einkommensperspektiven am Arbeitsmarkt sein. Die Aufnahme einer Berufsausbildung oder geringfügigen Beschäftigung im Bezug hat dagegen keinen signifikanten Einfluss. Die Befunde verdeutlichen das Risiko, dass die betrachteten jungen Erwachsenen in einer Reihe von nicht-existenzsichernden Beschäftigungspositionen im Grundsicherungsbezug verbleiben können. Wie aus der Forschungsliteratur zum Übergang von der Schule in die Erwerbstätigkeit bekannt, können sich instabile Erwerbskarrieren mit eingeschränkten Einkommensperspektiven entwickeln, wenn schon der Erwerbseintritt nur in einfache, gering entlohnte Tätigkeiten glückt (z. B. McGinnity et al. 2005). Die Schätzungen zeigen hier, dass junge Leistungsempfänger in unterwerter, da nicht-existenzsichernder, sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung im Weiteren reduzierte Abgangschancen aus dem Bezug erfahren. 8.3.2
Herkunftseffekte auf die Ausbildungs- und Arbeitsmarktbeteiligung im Fokus
Schließlich wird in einer weiteren Teilanalyse in Modell 8-2 der Einfluss der sozialen Herkunft auf die Abgangschancen der jungen Arbeitslosengeld-IIEmpfänger in existenzsichernde Erwerbsaktivitäten oder verminderte finanzielle Hilfebedürftigkeit untersucht, um schichtspezifische Unterschiede hinsichtlich der Ausbildungs- und Erwerbsbeteiligung der jungen Erwachsenen im Bezug von Arbeitslosengeld II abbilden zu können (Tabelle 8.5). Diese Analyse konzentriert sich auf die Altersgruppe der 18- bis 24-jährigen Arbeitslosengeld-
Verringerte finanzielle Hilfebedürftigkeit
189
II-Empfänger von Januar 2005, für die in der Studie LSS 05 Informationen zu Bildungsstand und Erwerbsstatus der Eltern erfasst wurden.72 Es ist zu fragen, ob junge Arbeitslosengeld-II-Empfänger niedriger sozialer Herkunft generell eine geringere Übergangsneigung in betriebliche Ausbildung oder Beschäftigung im Vergleich zu Gleichaltrigen höherer sozialer Herkunft zeigen oder ob sich auf sie spezifische Einkommensrisiken am Arbeitsmarkt konzentrieren. Bei sonst gleichen Voraussetzungen haben die 18- bis 24Jährigen, deren Eltern über keinen Schulabschluss verfügen, deutlich geringere Chancen auf einen arbeits- oder ausbildungsmarktvermittelten Ausstieg aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug als Gleichaltrige mit qualifizierten Eltern. Ihre relative Übergangschance ist fast um die Hälfte geringer. Im Gegensatz dazu lassen sich keine signifikant unterschiedlichen Übergangschancen der jungen Erwachsenen in Ausbildung oder Beschäftigung im weiteren ArbeitslosengeldII-Bezug je nach sozialer Herkunft feststellen. Das Risiko des weiteren Bezugs von Arbeitslosengeld II trotz einer Beschäftigungs- oder Ausbildungsaufnahme ist gemessen am höchsten Schulabschluss und Erwerbsstatus der Eltern etwa sozial gleich verteilt. Insgesamt weisen die Ergebnisse darauf hin, dass unter Kontrolle aller weiteren Voraussetzungen der Verbleib im Grundsicherungsbezug trotz einer Erwerbs- und Ausbildungsintegration ein generelles Phänomen im Übergang in das Erwachsenenalter sein dürfte, das nicht nach sozialer Herkunft strukturiert wird. Die Annahme bestätigt sich nicht, dass junge Erwachsene niedriger sozialer Herkunft eine geringere Neigung zeigen, gering entlohnte Tätigkeiten am soziokulturellen Existenzminimum aufzunehmen, als junge Erwachsene höherer sozialer Herkunft. Die Erwerbs- und Ausbildungschancen von jungen Erwachsenen aus Familien mit einem niedrigen sozioökonomischen Status sind vor allem durch verringerte Übergangschancen in einen existenzsichernden Status am Arbeitsmarkt geprägt.
72 Zunächst ist festzuhalten, dass in der Schätzung für die 18- bis 24-Jährigen (Modell 8-2) im Vergleich zu den 18- bis 29-Jährigen (Modell 8-1, Tabelle 8.4) die untersuchten Einflussfaktoren in ähnlicher Weise wirken, jedoch teils an Einfluss verlieren, wie etwa für die Effekte eines früheren Arbeitslosenhilfebezugs, der Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung im Bezug oder für den Einfluss eines Partners und Kind(ern) festzustellen ist. Diese Befunde dürften auf die bislang geringere Erwerbsbeteiligung und Arbeitslosigkeitserfahrung und den geringeren Anteil von jungen Erwachsenen, die bereits eine eigene Familie gegründet haben, in der jüngeren Teilgruppe zurückzuführen sein.
Verringerte finanzielle Hilfebedürftigkeit
190
Tabelle 8.5: Bestimmungsfaktoren der Hazardraten in existenzsichernde und nicht-existenzsichernde Beschäftigung/betriebliche Ausbildung, 18- bis 24jährige Arbeitslosengeld-II-Empfänger (zeitdiskretes Modell mit abhängigen konkurrierenden Zielzuständen) Modell 9-3 Zielzustand Eintritt in Beschäftigung oder betriebliche Ausbildung und … höchster Schulabschluss der Eltern (ref. mind. Hauptschulabschluss) keine Informationen ohne Abschluss höchster Erwerbsstatus der Eltern† (ref. qualifizierte Beschäftigung) keine Informationen einfache Beschäftigung arbeitslos, nicht erwerbstätig Schulbildung (ref. maximal Hauptschulabschluss) Mittlere Reife Abitur Berufsausbildung (ref. ohne Abschluss) Haushaltsnettoeinkommen von Dez 2004 in Jan - Sep 2005 von Nov 2005 in Nov 2005 - Dez 2006 von Nov 2005 in 2007 Sozialhilfebezug (Sohi) 2004 (ref. nein) Arbeitslosenhilfebezug (Alhi) vor 2005 (ref. nein) Zahl der ALG-II-Episoden Sohi 2004 x Zahl ALG-II-Episoden Alhi vor 2005 x Zahl ALG-II-Episoden Erwerbsstatus im Vormonat (ref. Erwerbstätigkeit) Arbeitslosigkeit, 12 Monate Arbeitslosigkeit, > 12 Monate in Schule oder Berufsausbildung Kindererziehungszeit, zu Hause sonstige Aktivitäten Fortsetzung Tabelle folgende Seite
1 Abgang aus dem ALG II
2 verringerte Hilfebedürftigkeit
0,070 -0,658 +
0,104 0,001
-0,473 + -0,176 0,073
-0,128 -0,150 -0,140
0,159 0,535 * 0,845 *** -0,011 0,012 0,001 -0,061 -0,282 -0,206 -0,339 -0,582 0,781 ** 0,473 -0,927 * -0,136 -0,123
-0,062 0,106 0,405 ** -0,005 0,013 0,008 0,338 -0,289 0,245 * -0,477 -0,317 1,033 *** 1,437 *** 0,154 0,345 0,836 **
Verringerte finanzielle Hilfebedürftigkeit
191
Fortsetzung Tabelle 8.5 Zielzustand Eintritt in Beschäftigung oder betriebl. Ausbildung und … Erwerbsepisoden (Erwerbsepisoden)2 Arbeitslosigkeitsepisoden (Arbeitslosigkeitsepisoden)2 vorangegangener reduzierter Leistungsbezug (ref. keine Erwerbstätigkeit/betriebl. Ausbildung im Leistungsbezug) durch sozialversicherungspflichtige Beschäftigung durch geringfügige Beschäftigung durch eine Ausbildung Haushaltssituation (ref. alleinlebend) mit Partner alleinerziehend mit Partner und Kind(ern) mit Eltern weiblich (ref. männlich) Alter Migrationshintergrund (ref. keinen) regionale Jugendarbeitslosigkeitsquote saisonale Effekte (ref. November - März) April - Juli August - Oktober
Modell 9-3 1 2 Abgang aus dem verringerte Hilfebedürftigkeit ALG II 0,475 *** 0,263 *** -0,019 *** -0,008 * -0,365 ** -0,061 0,036 * 0,002
-0,561 + 0,072 -0,095 -0,035 -1,156 -0,804 0,281 -0,304 0,092 -0,295 -0,059
* * +
*
0,566 ** 0,725 *** 0,534 ** 0,008 -0,007 0,223 -0,070 0,018 -0,090 * -0,132 -0,007
0,018 0,062 0,710 * 0,335 * 674/1061 /15959 Personen/Episoden/Personenmonate 197 327 Ereignisse 1,000 Corr u1, u2 0,105 Pseudo R2 -2391,8476 Log likelihood Quelle: eigene Berechnungen; eigene Darstellung (LSS 2005, Prozessdaten; Eintrittskohorte Januar 2005 in Arbeitslosengeld-II-Bezug), periodenspezifische Zeiteffekte berechnet, aber nicht angegeben, Signifikanz: p < 0,001 = ***, p < 0,01 = **; p < 0,05 = *, p 0,1 = +, † als befragte Person 15 Jahre alt
192
8.4
Verringerte finanzielle Hilfebedürftigkeit
Zusammenfassung und Schlussfolgerung
In diesem Kapitel wurde die Ausbildungs- und Erwerbsbeteiligung der 18- bis 29-jährigen Arbeitslosengeld-II-Empfänger von Januar 2005 im bestehenden Grundsicherungsbezug analysiert. Es wurde festgestellt, dass die Schritte in Ausbildung und Beschäftigung nicht immer ein Leben über dem soziokulturellen Existenzminimum ermöglichen, sondern oftmals mit weiterem ArbeitslosengeldII-Bezug einhergehen. Diese Situation wurde als Teilausstieg bzw. verringerte finanzielle Hilfebedürftigkeit bezeichnet. Ein wichtiges Ergebnis dieses Kapitels ist, dass die betrachteten jungen Erwachsenen eine hohe Erwerbs- oder Ausbildungsbeteiligung zeigen. Dieser Befund widerlegt weitgehend die Annahme, dass die Grundsicherungsempfänger sich allein aus kurzfristigen finanziellen Erwägungen gegen eine Erwerbs- oder Ausbildungsaufnahme im weiteren Arbeitslosengeld-II-Bezug entscheiden würden. Die erwerbstätigen jungen Erwachsenen und ihre Bedarfsgemeinschaften dürften zunächst von den Zuverdienstregelungen in der Grundsicherung für Arbeitssuchende profitieren. Zudem sind Anreizstrukturen für eine Erwerbs- oder Ausbildungsaufnahme aufgrund des hohen Drucks durch die Aktivierung gegeben. Aber mitunter investieren die jungen Grundsicherungsempfänger auch mit Beschäftigung und Ausbildung in ihre langfristigen Erwerbsperspektiven. Zwar fördert ein Ausbildungs- und Erwerbseintritt, wie auch frühere Ergebnisse gezeigt haben (Schels 2008), generell die Abgangschancen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug, von zentraler Bedeutung ist jedoch eine Integration in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, die ein Existenzminimum gewährt. Es ist ein naheliegendes und dennoch zentrales Ergebnis, dass der quantitativ und qualitativ bedeutsamste Schritt aus dem Grundsicherungsbezug über die Integration in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung führt und geringfügige Beschäftigung demgegenüber von geringerer Bedeutung ist. Am ehesten gelingt den betrachteten jungen Erwachsenen der Ausstieg aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug, wenn sie auch unmittelbar Chancen auf eine existenzsichernde Beschäftigung haben und nicht zunächst Stellen im weiteren Grundsicherungsbezug aufnehmen. Für die jungen Erwachsenen, denen zunächst kein Eintritt in eine existenzsichernde Beschäftigung gelingt, besteht das Risiko, dass sie auch länger in Jobs tätig sind, die eine weitere Aufstockung durch Arbeitslosengeld II erfordern. Als Interpretation bietet sich an, dass junge Erwachsene in unterwertiger Beschäftigung oder im Niedrigeinkommensbereich ihre Erwerbs- und Einkommensperspektiven langfristig eher vermindern. In den Ergebnissen spiegelt sich auch wider, dass sich die Neigung, auch schlechter entlohnte Tätigkeiten im weiteren Leistungsbezug aufzunehmen, nach mehreren Erfahrungen im Grundsicherungsbezug reduziert. Eine mögliche Erklärung ist
Verringerte finanzielle Hilfebedürftigkeit
193
nach der theoretischen Argumentation, dass die jungen Erwachsenen von der Erfahrung, dass sie auf Dauer keine stabile finanzielle Situation jenseits des Arbeitslosengeld-II-Bezugs erzielen können, entmutigt und enttäuscht werden. Die Risiken, mit Eintritt in Ausbildung oder Beschäftigung im ArbeitslosengeldII-Bezug zu verbleiben, hängen dabei nicht nur von individuellen Charakteristika ab. So können die jungen Arbeitslosengeld-II-Empfänger mit Berufsausbildung und erster Erwerbserfahrung mit hoher Wahrscheinlichkeit sowohl mit einer existenzsichernden Beschäftigung oder betrieblichen Ausbildung den Grundsicherungsbezug beenden als auch in nicht-existenzsichernde Tätigkeiten im weiteren Bezug übergehen. Doch variieren die relativen Übergangschancen in verminderten Arbeitslosengeld-II-Bezug weit weniger nach qualifikatorischen Ressourcen als die Abgangschancen aus dem Bezug. Ferner existieren familiäre und soziale Gegebenheiten, die das Risiko einer Erwerbs- und Ausbildungsintegration, die keinen Ausstieg aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug ermöglicht, erhöhen. Junge Erwachsene mit eigener Familie sind eine besondere Risikogruppe für prekäre finanzielle Lagen im Übergang in das Erwachsenenalter, die durch ihre Ausbildungs- und Erwerbsbeteiligung kaum den höheren finanziellen Bedarf ihrer Familie im Vergleich zu alleinstehenden Gleichaltrigen decken können. Die Ergebnisse entsprechen den bestehenden empirischen Befunden zu den Armutsrisiken von Familien trotz Erwerbstätigkeit (Andreß/Seeck 2007; Nollmann 2009; Strengmann-Kuhn 2001). Ein weiterer Hinweis auf die unsichere finanzielle Situation der hier betrachteten jungen Erwachsenen mit Partner und Kind(ern) wurde bereits in Kapitel 6 in dem erhöhtem Rückfallrisiko in erneuten Arbeitslosengeld-II-Bezug aufgedeckt. Insgesamt bemerkenswert erscheint die Erwerbsbeteiligung junger Familien im Grundsicherungsbezug. Die Ergebnisse können dementsprechend als höherer finanzieller Druck durch die Verantwortung für die Kinder gelesen werden, so dass die jungen Erwachsenen mit Familie auch eher jede Möglichkeit der Erwerbstätigkeit und des Zuverdienstes wahrnehmen. Junge Erwachsene von niedriger sozialer Herkunft zeigen insgesamt keine geringere Erwerbsbeteiligung als Gleichaltrige aus Familien mit höherem sozioökonomischen Status. Auch sie nehmen im Grundsicherungsbezug die Möglichkeit wahr, durch eine Ausbildung oder Beschäftigung zumindest eine Besserstellung in reduzierter finanzieller Hilfebedürftigkeit zu realisieren. Doch verfügen junge Erwachsene mit geringqualifizierten Eltern im Vergleich zu jungen Erwachsenen mit qualifizierten Eltern vor allem über eingeschränkte Zugangsmöglichkeiten zu Jobs oder Ausbildung, die einen Abgang aus Arbeitslosengeld II gewährleisten. Dieses Ergebnis kann vor allem als ein Hinweis auf benachteiligte Zugangsmöglichkeiten zu attraktiven Erwerbs- und
194
Verringerte finanzielle Hilfebedürftigkeit
Ausbildungspositionen nach sozialer Herkunft und in Bezug auf die theoretische Argumentation als Mangel an arbeitsmarktrelevanten Sozialkapitalien gewertet werden. Zudem konzentrieren sich weitere Arbeitsmarktrisiken auf junge Erwachsene aus niedrigen sozialen Schichten, da sie im Mittel über geringere Bildungsressourcen verfügen. Insgesamt machen die Ergebnisse deutlich, dass auch für die jungen Arbeitslosengeld-II-Empfänger, denen ein Übergang in betriebliche Ausbildung oder Beschäftigung gelingt, der Grundsicherungsbezug nicht nur eine temporäre Erfahrung darstellt, sondern je nach individuellen und sozialen Gegebenheiten auch persistent sein kann. Dieser Befund bedeutet auch, dass der Arbeitslosengeld-II-Bezug von jungen Erwachsenen in weiten Teilen zeitlich nicht parallel mit dem Übergang von der Schule in Berufsausbildung und Beschäftigung verläuft und beendet wird. Nach den vorliegenden Ergebnissen kann nicht nachvollzogen werden, dass unter den betrachteten jungen Erwachsenen eine erwerbsferne strukturelle Subgruppe besteht. Doch scheint eine sozial benachteiligte Gruppe junger Arbeitslosengeld-II-Empfänger zu existieren, die vor allem Perspektiven in gering entlohnten und temporären Erwerbspositionen hat.
Verringerte finanzielle Hilfebedürftigkeit
195
Anhang zu Kapitel 8 Tabelle 8.6: Ausgewählte Modellparameter der Nullmodelle 8-1 und 8-2 Zielzustand
1 2 Abgang aus dem verringerte HilfeEintritt in Beschäftigung oder betriebl. Ausbildung und … ALG II bedürftigkeit Modell 8-1 18- bis 29-Jährige Corr u1, u2 0,643* Log likelihood -4716,6239 Modell 8-2 18- bis 24-Jährige Corr u1, u2 0,999* Log likelihood -2629,5882 Quelle: eigene Berechnungen (LSS 2005, Prozessdaten; Eintrittskohorte Januar 2005 in Arbeitslosengeld-II-Bezug), Signifikanz: p < 0,05 = *
9
Diskussion und Ausblick
Die vorliegende Arbeit hat die Dynamik des Arbeitslosengeld-II-Bezugs beim Übergang in das Erwachsenenalter sowohl aus sozialpolitischer als auch sozialwissenschaftlicher Perspektive diskutiert und empirisch untersucht. Im Vordergrund stand die ökonomische Verselbstständigung junger Erwachsener aus dem Grundsicherungsbezug mit der Statuspassage in das Erwerbsleben, doch spielten auch Auszug aus dem Elternhaus und Gründung einer eigenen Familie eine Rolle. Der in Kapitel 2 angelegte Ausgangspunkt der Studie war, dass junge Erwachsene im Übergang von der Schule in Ausbildung (erste Schwelle) und in Erwerbstätigkeit (zweite Schwelle) sowohl die Voraussetzungen erwerben, um sich in existenzsichernder Beschäftigung etablieren zu können, als auch im institutionalisierten System eine biographische Ordnung und zeitliche Struktur erfahren. Eine Verselbstständigung der jungen Erwachsenen aus dem Bezug von Arbeitslosengeld II entwickelt sich an den beiden Schwellen in Abhängigkeit von den bis dato erworbenen Ressourcen und Erfahrungen. Aus Perspektive einer dynamischen Armutsforschung wird daher postuliert, dass sich soziale Differenzierungslinien in den Ausprägungen der Leistungsbezugsverläufe reflektieren (Buhr 1995), die im Rahmen des vorliegenden Beitrags erstmals für junge Erwachsene nachvollzogen wurden. Dabei ist auch die Sozialpolitik ein maßgeblicher Strukturgeber, da die Anforderungen an eine Ausbildungs- und Erwerbsbeteiligung für junge Erwachsene im Arbeitslosengeld-II-Bezug an die sozialpolitischen Definitionen und Vorgaben der Aktivierungspolitik geknüpft sind. Obwohl in der Grundsicherung für Arbeitssuchende keine maximale Bezugsdauer festgelegt ist, reflektiert die Aktivierungslogik das Ziel, den Bezug von Arbeitslosengeld II – insbesondere für unter 25-Jährige – auf eine temporäre Lebensphase zu beschränken. Dementsprechend können die Bezugsdauer im Arbeitslosengeld II und die Verlaufsstrukturen als Bewertungskriterien für den Erfolg und die Ausrichtung der Grundsicherung für Arbeitssuchende im jungen Erwachsenenalter herangezogen werden. Es existierten jedoch bislang keine systematischen empirischen Befunde zur Erwerbs- und Ausbildungssituation und zu den Perspektiven junger Erwachsener im Arbeitslosengeld-II-Bezug, wie in Kapitel 4 aufgezeigt wurde. So setzte die vorliegende Studie an dem entsprechenden Bedarf an und leistet daher einen Beitrag zu einem Thema von hoher gesellschaftlicher und sozialpolitischer Relevanz. Folgende Fragen standen im Mittelpunkt: Wie lange sind junge B. Schels, Arbeitslosengeld-II-Bezug im Übergang in das Erwerbsleben, DOI 10.1007/978-3-531-18777-8_9, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
Diskussion und Ausblick
197
Arbeitslosengeld-II-Empfänger auf die Grundsicherungsleistung angewiesen? Stellen Berufsausbildung und Beschäftigung für junge Erwachsene einen quantitativ bedeutsamen Weg aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug dar, der ihnen zudem eine nachhaltige finanzielle Eigenständigkeit ermöglicht? Von welchen individuellen, institutionellen und sozialen Faktoren hängt es ab, dass ein Abgang aus dem Arbeitslosengeld II in existenzsichernde Beschäftigung oder Berufsausbildung gelingt? Es wurde die Frage gestellt, ob der ArbeitslosengeldII-Bezug beim Übergang in das Erwachsenenalter von der sozialen Herkunft geprägt ist und sich daher soziale Benachteiligungen im Transferbezug in den bestehenden sozialen Strukturen verfestigen. Um diesen Fragen nachzugehen, untersuchte die vorliegende Arbeit den Bezug von Arbeitslosengeld II seitens 18- bis 29-Jähriger, die im Januar 2005 in den Grundsicherungsbezug eingetreten sind, über einen Beobachtungszeitraum von drei Jahren bis Dezember 2007. Abschließend werden nun die zentralen Ergebnisse der Studie in Bezug zu den dargestellten theoretischen Annahmen und der öffentlichen Wahrnehmung junger Erwachsener im Bezug von Arbeitslosengeld II gesetzt (Kapitel 9.1). Es werden sozialpolitische Handlungsimplikationen dahingehend aufgezeigt, in welcher Weise die Erwerbs- und Ausbildungschancen junger Erwachsener in der Grundsicherung für Arbeitssuchende unterstützt werden können und wo Grenzen der Förderung bestehen (Kapitel 9.2). 9.1
Längerer Bezug von Arbeitslosengeld II trotz hoher Ausbildungsund Erwerbsbeteiligung
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die jungen Arbeitslosengeld-IIEmpfänger von Januar 2005 sowohl ein hohes Risiko im längeren Bezug als auch im wiederholten Bezug erfahren. Gemessen an der absoluten Dauer ist ein kleiner Anteil der betrachteten jungen Erwachsenen kurzzeitig, d.h. maximal ein Jahr, auf die Leistung angewiesen (vgl. Abschnitt 6.1). Die Befunde stehen im Gegensatz zur Intention des Gesetzgebers, dass junge Arbeitslosengeld-IIEmpfänger möglichst rasch den Leistungsbezug beenden sollen, um mögliche negative Konsequenzen eines länger andauernden Hilfebezugs für die persönliche Entwicklung zu vermeiden. Ob jedoch eine längere Dauer des Arbeitslosengeld-II-Bezugs entsprechend der Annahme auch als riskante Erfahrung beurteilt werden kann, ist nur unter Betrachtung der heterogenen Lebenslagen der jungen Leistungsempfänger möglich. Bereits einleitend wurde hervorgehoben, dass Arbeitslosengeld-IIBezug im jungen Erwachsenenalter nicht gleichbedeutend mit Arbeitslosigkeit ist. Sogar der kleinere Teil der 18- bis 29-Jährigen, die im Januar 2005 in den
198
Diskussion und Ausblick
Arbeitslosengeld-II-Bezug eingetreten sind, war arbeitslos oder nahm an Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik teil. Vielfach sind die jungen Grundsicherungsempfänger in Schule oder Berufsausbildung, erwerbstätig oder kümmern sich zu Hause um die Kinder. Der vermittelte Eindruck zur Lebenssituation der jungen Erwachsenen im Arbeitslosengeld-II-Bezug fügt sich in das in Abschnitt 2.1 beschriebene Gesamtbild ausdifferenzierter und individualisierter Übergangswege in das Erwachsenenalter. Die Ergebnisse zeigen, dass finanzielle Unsicherheiten mit vielfältigen Lebensereignissen und Lebensphasen einhergehen können, die sich nicht allein auf sozial benachteiligte junge Erwachsene beschränken. So waren im Januar 2005 auch junge Erwachsene mit Abitur, mit einem Berufsabschluss und auch aus Familien mit höherem sozioökonomischen Status auf das Arbeitslosengeld II angewiesen (siehe Abschnitt 5.3). Neben den individuellen und sozialstrukturellen Voraussetzungen gibt die Definition von unter 25-Jährigen als besondere Zielgruppe in der Grundsicherung für Arbeitssuchende altersspezifische Rahmenbedingungen vor. Dementsprechend verfügen die jungen Erwachsenen je nach institutionalisierten Vorgaben, ihrem Status im Übergang, der individuellen Ressourcenlage und sozialem Hintergrund über unterschiedliche Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten im Arbeitslosengeld-II-Bezug. Ziel der Studie war es, zu erklären, unter welchen dieser Voraussetzungen und Bedingungen am Arbeitsmarkt und im Ausbildungssystem sich das Risiko eines längeren Arbeitslosengeld-II-Bezugs bei jungen Erwachsenen verfestigt. Mit Blick auf die Möglichkeiten der jungen Erwachsenen, finanzielle Eigenständigkeit durch eine Erwerbs- oder Ausbildungsbeteiligung zu erzielen, wurden in Kapitel 5 auf Basis der theoretischen Diskussion Annahmen formuliert. 9.1.1
Zugangsbarrieren zu existenzsichernder Arbeit und Berufsausbildung
Ein Ausstieg junger Erwachsener aus dem Grundsicherungsbezug wird vorwiegend durch die individuellen Möglichkeiten am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt gestaltet, so dass sich die aus der arbeitsmarkttheoretischen Literatur abgeleiteten Erwartungen bestätigen. Die Studie zeigt, dass sich ein längerer Arbeitslosengeld-II-Bezug unter benachteiligten jungen Erwachsenen entwickeln kann, wenn deren ökonomische Verselbstständigung durch blockierte Zugangschancen zu existenzsichernden Tätigkeiten und vollqualifizierender Ausbildung mit vorrangiger Ausbildungsförderung erschwert wird. Die Nachfragemechanismen am Arbeitsmarkt und die Zugangsbedingungen zu beruflicher Ausbildung spielen eine Rolle. Die Befunde der Studie in Kapitel 7 und 8 zeigen wenig überraschend, dass vor allem qualifizierte junge Arbeitslosengeld-II-Empfänger in vergleichsweise privilegierten Haushalten den
Diskussion und Ausblick
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Bezug recht rasch beenden können. Dagegen bedingen Langzeitarbeitslosigkeit sowie fehlende Qualifikationen und Erwerbserfahrung einen längeren Bezug von Arbeitslosengeld II. Die Befunde für junge Erwachsene entsprechen den früheren Ergebnissen der Sozialhilfeforschung für Leistungsbezieher im gesamten Erwachsenenalter (Andreß/Strengmann-Kuhn 1997; Buhr et al. 1998; Gangl 1998; Gebauer 2007; Gebauer 2009; Wilde 2003). Zudem können schnellere Wege aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug in Ausbildung und Beschäftigung für unter 25-Jährige beobachtet werden, die, wie in Abschnitt 7.3.1 untersucht, auch unabhängig von der individuellen Lebenslage durch die Zielgruppenförderung in der Grundsicherung für Arbeitssuchende forciert werden. Im Vordergrund der öffentlichen und politischen Diskussion steht dagegen die armutstheoretische These, dass Erfahrungen in Armut und Transferbezug auf Dauer die Bereitschaft junger Menschen, finanzielle Eigenverantwortung heraus aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug zu übernehmen, untergraben. Die jungen Arbeitslosengeld-II-Empfänger würden dann in den entscheidenden Phasen im Übergang in das Erwachsenenalter ihre Erwerbs- und Ausbildungsmöglichkeiten bewusst nicht ergreifen oder für sich nicht wahrnehmen (Bane/Ellwood 1994: 68; Leibfried et al. 1995: 133 f.; Gebauer 2007). Wenn jedoch, wie gezeigt, benachteiligte Teilgruppen unter den jungen Erwachsenen, beispielsweise gering Qualifizierte, keine existenzsichernde Beschäftigung finden und keine Ausbildung absolvieren können, stellt sich die Frage nach der Relevanz eines verhaltensbedingten Arbeitslosengeld-II-Bezugs. Insgesamt liefert die Studie keine durchgängigen Hinweise darauf, dass junge Erwachsene eine Abhängigkeit im Grundsicherungsbezug entwickeln würden, so dass diese Wahrnehmung als überzogen bewertet werden kann. Die Befunde legen vielmehr eine differenzierte Wahrnehmung der Situation junger Arbeitslosengeld-II-Empfänger nahe, in denen einzelne Risikokonstellationen bestehen. Die Annahme, dass junge Arbeitslosengeld-II-Bezieher keine finanziellen Anreize für die Aufnahme von Ausbildung oder Beschäftigung haben, wird durch mehrere Befunde in der Studie widerlegt: Zunächst ist eine hohe Ausbildungs- und Erwerbsbeteiligung der 18- bis 29-jährigen Empfänger von Arbeitslosengeld II zu beobachten. Viele akzeptieren gar eine Beschäftigung bzw. Berufsausbildung im weiteren Arbeitslosengeld-II-Bezug (vgl. Kapitel 8). Hervorzuheben ist, dass vor allem junge Eltern mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Beschäftigung trotz weiterem Grundsicherungsbezug aufnehmen. Sie haben offensichtlich starke Anreize, um zumindest mit einer gering entlohnten Beschäftigung eine relative finanzielle Besserstellung für ihre Familie im Arbeitslosengeld-II-Bezug zu erzielen – und das sogar bei dem vergleichsweise geringen Lohnabstand im Arbeitslosengeld-II-Bezug (Abschnitt 3.2.1). Junge Erwachsene in Haushalten mit schlechter finanzieller Ausstattung erleben
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offenbar keinen höheren Druck für eine schnelle Erwerbsaufnahme, sondern eher eine zusätzliche Belastung als bei einer vergleichsweise guten finanziellen Lage. Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der zum Thema der Armutsfalle geführten sozialwissenschaftlichen Diskussion, dass für eine Erwerbsbeteiligung der Grundsicherungsbezieher entgegen der Annahme nicht (allein) kurzfristige finanzielle Anreize als Erklärung dienen können (Gebauer 2007). Ferner bestätigen die Ergebnisse nicht das postulierte Risiko, dass sich junge Erwachsene innerhalb kurzer Zeit an den Transferbezug „gewöhnen“. Über den Beobachtungszeitraum von drei Jahren reduzieren weder wiederholte Erfahrungen im Arbeitslosengeld-II-Bezug die Übergangsneigung in Ausbildung oder Beschäftigung noch sinken stetig die Abgangschancen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug mit zunehmender Dauer des Grundsicherungsbezugs. Doch liefern die Analysen Hinweise auf ein Verfestigungsrisiko im Kontext längerfristiger Erfahrungen im Transferbezug. In der Studie zeigen die jungen Erwachsenen, die bereits Sozialhilfe erhalten und im Beobachtungszeitraum immer wieder Arbeitslosengeld II bezogen haben, eine zurückgehende Erwerbsund Ausbildungsbeteiligung. Der Befund kann vor der Annahme „erlernter Hilflosigkeit“ als zunehmende Entmutigung der jungen Erwachsenen gewertet werden, wenn sie auf Dauer keine finanzielle Eigenständigkeit erzielen können. Schließlich bestätigen Ergebnisse, dass junge Arbeitslosengeld-IIEmpfänger über unterschiedliche Abgangschancen aus dem Arbeitslosengeld-IBezug nach sozialer Herkunft verfügen. Zum einen liegt das daran, dass junge Arbeitslosengeld-II-Empfänger aus Familien mit niedrigem sozioökonomischen Status überdurchschnittlich häufig keinen oder geringere Schulabschlüsse und/ oder keinen Ausbildungsabschluss erzielt haben. Die aus der Bildungssoziologie bekannten sozial selektiven Bildungschancen haben dementsprechend bereits frühzeitig die Weichen gestellt, die sich nun in den qualifikationsspezifischen Abgangschancen aus dem Arbeitslosengeld II fortsetzen. Doch zum anderen hängen die Chancen auf eine Etablierung in existenzsichernder Beschäftigung auch von weiteren sozialen Ressourcen der Herkunftsfamilie ab. Angenommen wurde, dass Informationen und Kontakte zur Arbeitswelt in Abhängigkeit von der (früheren) Erwerbsposition der Eltern eine Rolle spielen. Darüber hinaus zeigt sich jedoch keine sozial differenzierte Erwerbsorientierung unter den jungen Erwachsenen, so dass sich die alternative Erklärung, dass gerade unter jungen Erwachsenen niedriger sozialer Herkunft eine etablierte arbeitsmarktferne „Kultur der Armut“ vorherrschen könnte, nicht bestätigt. Ferner konzentrieren sich generell finanzielle Unsicherheiten beim Ausbildungs- und Erwerbseinstieg, so dass die in der Studie betrachteten jungen Erwachsenen oftmals trotz einer Erwerbstätigkeit oder in Ausbildung weiter Arbeitslosengeld II beziehen. Es ist ersichtlich, dass die jungen Erwachsenen in
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der Grundsicherung für Arbeitssuchende nicht leicht eine ökonomische Selbstständigkeit durch eine Ausbildungs- oder Erwerbsbeteiligung erzielen können. Entgegen der in der Jugendforschung postulierten These, dass im jungen Erwachsenenalter vorwiegend temporäre Armutslagen auftreten, verstetigen sich die finanziellen Unsicherheiten bei jungen Arbeitslosengeld-II-Empfängern im längeren Leistungsbezug oder Mehrfachbezug, wenn sie sich nicht in existenzsichernder Beschäftigung etablieren können. Schließlich zeigt sich wie angenommen, dass ein Arbeitslosengeld-II-Bezug nicht nur mit Problemen der individuellen Erwerbs- und Ausbildungsintegration, sondern auch mit Schule, Ausbildung oder Familiengründung einhergehen kann. Es bestätigt sich der erste Eindruck aus der bestehenden Forschungsliteratur (siehe Kapitel 4), dass ein Grundsicherungsbezug junger Erwachsener auch typischerweise mit biographischen Überbrückungslagen einhergehen kann. Die bisherigen Befunde stammten jedoch vorwiegend aus qualitativen Fallstudien (z. B. Buhr 1995; Drilling 2004; Hirseland/Ramos-Lobato 2010), die vorliegende Studie weist auf das hohe quantitative Ausmaß eines Arbeitslosengeld-II-Bezugs während Bildungsphasen oder Familiengründung hin. Die Befunde aus Abschnitt 6.2 verweisen auf Lebenslagen, die mit längerem Arbeitslosengeld-II-Bezug assoziiert sind: Erstens, für die jungen Erwachsenen in Schule oder Ausbildung kann der Arbeitslosengeld-II-Bezug gemäß den Annahmen als eine verzeitlichte Mangellage im Lebensverlauf beschrieben werden, sofern sie die Bildungsphase mit einem regulären Schul- und Berufsabschluss beenden können und dann über gute Chancen auf eine Lösung aus dem Grundsicherungsbezug verfügen. Eine finanzielle Verselbstständigung der Schüler und Auszubildenden aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug ist also eng mit einem „Normalübergang“ in das Erwerbsleben verknüpft. Zweitens ist wiederkehrender Arbeitslosengeld-IIBezug das vorwiegende Verlaufsmuster junger Grundsicherungsempfänger in der Familiengründungsphase, bei denen sich im Vergleich zu alleinstehenden jungen Erwachsenen hohe finanzielle Unsicherheiten selbst bei einer Erwerbsbeteiligung konzentrieren. Theoretische Perspektiven und Klärungsbedarf Mit Blick auf die vorliegenden Befunde leisten sowohl die Arbeitsmarkttheorien unter besonderer Berücksichtigung der sozialen Herkunft als auch das Konzept der erlernten Hilflosigkeit einen Erklärungsbeitrag zu den Verfestigungsrisiken im Grundsicherungsbezug. Doch stehen die Theoriestränge, wie in Kapitel 3 dargestellt, vor allem als Einzelperspektiven nebeneinander. Die Entstehung von Langzeitleistungsbezug wird noch wenig systematisch als Zusammenspiel von eingeschränkten Arbeitsmarkt- und Ausbildungsopportunitäten und deren
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Verarbeitung im individuellen Arbeitsmarkt- und Ausbildungsverhalten erfasst. Diese theoretische Lücke besteht gleichermaßen in der allgemeinen Diskussion für (erwachsene) Grundsicherungsbezieher (Gebauer 2007: 22 ff.), doch konzentrieren sich die für eine Verfestigung des Grundsicherungsbezugs wesentlichen sozialen Dynamiken im besonderen Maße im jungen Erwachsenenalter. In dieser Lebensphase finden Schritte der langfristigen sozialen Positionierung in Ausbildung und am Arbeitsmarkt, die über einen Verbleib in oder jenseits einer sozialstaatlichen Grundsicherung entscheiden, in einem engen Zeitraum und teils parallel mit Veränderungen im familiären Lebensbereich statt. Bereits wenn den jungen Grundsicherungsempfängern der Eintritt in Ausbildung unmittelbar nach Abschluss der Schulzeit nicht gelingt, wird der Übergang in Ausbildung im Folgenden immer schwerer und die daran geknüpften langfristigen Einkommensperspektiven rücken in die Ferne. Insbesondere mit dem Eintritt in eine nicht-existenzsichernde Beschäftigung mindern sich auch langfristig die Aufstiegsmöglichkeiten aus dem Grundsicherungsbezug. Kommen zudem finanzielle Belastungen aufgrund von Familiengründung hinzu und/oder können sie nicht auf Ressourcen ihrer Herkunftsfamilie zurückgreifen, erfahren die jungen Grundsicherungsempfänger mit hohem Risiko längerfristige finanzielle Unsicherheiten. Diese Erfahrungen führen zwar nicht unmittelbar zu einer Verfestigung des Grundsicherungsbezugs, aber mit wiederholtem Scheitern erhöht sich das Risiko. Die Bedingungen, unter denen die jungen Erwachsenen tatsächlich „Hilflosigkeit im Leistungsbezug erlernen“ oder im Gegensatz dazu auch trotz der am Arbeitsmarkt vermittelten finanziellen Unsicherheiten am Bezug zum Erwerbsleben festhalten (Drilling 2004), sind in der theoretischen Diskussion bislang wenig präzisiert. In der Forschungsliteratur zu den Konsequenzen von Langzeitarbeitslosigkeit junger Erwachsener (z. B. Kieselbach et al. 2001; Stuckstätte 2004) werden zwar auch die Bewältigungsweisen unsicherer Erwerbssituationen thematisiert, doch bislang nicht auf die Erfahrungen in Armut übertragen. Da sich der Prozess in einen sich verfestigenden Arbeitslosengeld-II-Bezug in der vorliegenden Studie auch unabhängig von der individuellen Arbeitslosigkeitserfahrung zeigt, sind in der weiteren theoretischen Diskussion vor allem die wahrgenommenen Belastungen, die durch die finanziellen Einschränkungen entstehen, zu explorieren. Um die sozialen Prozesse in Armut, Arbeitslosigkeit und Transferbezug von der Jugend bis in das Erwachsenenalter erfassen zu können, sind daher Investitionen in weitere Längsschnittstudien von zentraler Bedeutung. Zum einen ist der Prozess einer sozialen Vererbung von Armutsrisiken über den Erwerb von Bildungsressourcen und deren Verwertung am Arbeitsmarkt und weiteren schichtspezifischen Sozialkapitalien zu präzisieren. In der vorliegenden Studie
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konnte zum Beispiel nicht erfasst werden, wie junge Arbeitslosengeld-IIBezieher unter dem bestehenden ökonomischen Druck ihre wichtigen und die Erwerbskarriere prägenden Berufsausbildungsentscheidungen in Abwägung zu einer Erwerbsaufnahme oder Inaktivität am Arbeitsmarkt treffen. Zudem wurde theoretisch argumentiert, dass neben Bildungsressourcen auch die Kontakte und der Informationsstand der Eltern je nach sozioökonomischem Status für den Eintritt in eine existenzsichernde Erwerbstätigkeit relevant sind, ihr Einfluss konnte jedoch nur indirekt untersucht werden. Geeignete Indikatoren, um die vermuteten Zusammenhänge empirisch zu unterfüttern, fehlen jedoch in den Daten. Zum anderen ist die Frage offen, unter welchen Bedingungen die jungen Erwachsenen Arbeitslosigkeit und prekäre Beschäftigung in der Kumulation mit finanzieller Hilfebedürftigkeit bewältigen können und inwieweit sich nicht handhabbare Probleme auf die Erwerbsmotivation auswirken. In Bezug auf die maßgebliche Bedeutung von Opportunitäten am Arbeitsund Ausbildungsmarkt könnte kritisch gefragt werden, wie weit die in der Studie festgestellten Bezugsdauern und Abgangschancen von den institutionellen, saisonalen und konjunkturellen Rahmenbedingungen abhängen. Mit der Untersuchung einer Eintrittskohorte lenkt sich der Blick auf die im Januar 2005 und im weiteren Beobachtungszeitraum bis 2007 vorherrschenden Bedingungen. Hinsichtlich der institutionellen Strukturen im Übergang in das Erwerbsleben ist zunächst festzuhalten, dass zweifellos der Grundsicherungsbezug von Schülern und Auszubildenden je nach Eintrittszeitpunkt in den Leistungsbezug während der Schul- und Ausbildungsphase andauert. Ferner dürften die Abläufe der Betreuung und Vermittlung in den Trägerschaften der Grundsicherung, die mit Einführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende im Januar 2005 oftmals noch nicht hinreichend organisiert waren, für die Abgangschancen eine Rolle spielen. Betrachtet man die Arbeitsmarktbedingungen, so ist die Situation der Eintrittskohorte der jungen Grundsicherungsempfänger im Januar 2005 vor der besonders angespannten Arbeits- und Ausbildungsmarktsituation in diesem Jahr zu sehen (Konsortium Bildungsberichterstattung 2010: 101). Befunde legen nahe, dass die Bedarfsgemeinschaften, die zu einem späteren Zeitpunkt Arbeitslosengeld II beantragt haben, sowohl von den verbesserten Abwicklungen in den Trägerschaften als auch von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung profitiert haben (Graf 2007), doch können auf Basis der vorliegenden Studie keine Aussagen über die Entwicklung der Abgangsdynamik aus der Grundsicherung für Arbeitssuchende im Hinblick auf die jungen Erwachsenen gemacht werden. Hierzu wäre eine Vergleichsstudie mit Eintrittskohorten in den Arbeitslosengeld-II-Bezug in späteren Jahren erforderlich. Zur Entwicklung am Arbeitsmarkt ist jedoch aus anderen Studien bekannt, dass sich die Konjunktur deutlich auf die Situation der in der Regel erwerbsnäheren Arbeitslosen im
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204
Arbeitslosengeld-I-Bezug als im Arbeitslosengeld-II-Bezug auswirken (Brenke 2010). Die empirische Evidenz legt den Schluss nahe, dass eine Entspannung am Arbeits- und Ausbildungsmarkt zunächst vor allem den Problemdruck auf qualifizierte junge Personen reduziert (Kettner/Rebien 2007; Konietzka 2004; Reinberg/Hummel 2003; Reinberg/Hummel 2007; Rothe/Tinter 2007: 28). Junge Erwachsene ohne ausreichende schulische Vorbildung, aber auch junge Migranten und junge Personen mit sozial schwachem familiären Hintergrund, können oftmals erst durch bildungspolitische Maßnahmen Perspektiven aufbauen (Bosch 2010; Funcke et al. 2010; Solga 2009; Ulmer/Ulrich 2008). 9.2
Sozialpolitische Handlungsimplikationen für eine heterogene Gruppe
Welche Schlussfolgerungen können nun für eine Armutspolitik gezogen werden, die für junge Arbeitslosengeld-II-Empfänger Chancen auf eine Überwindung des Leistungsbezugs nach möglichst kurzer Zeit bewerkstelligen möchte? Vor dem Hintergrund, dass eine Integration in stabile existenzsichernde Beschäftigung vor allem für Geringqualifizierte schwer zu erreichen scheint, benötigen diese eine besondere Förderung. Die Befunde der vorliegenden Studie heben vor allem die Bedeutung formaler Schul- und Berufsausbildungsabschlüsse hervor. An diesen Befund lassen sich verschiedene Diskussionspunkte anschließen:73 •
Ein Vorrang von Qualifizierung steht bereits in der Grundsicherung für Arbeitssuchende (siehe Abschnitt 2.2.3) im Fokus, dieser sollte sich jedoch weitergehend auf eine Förderung vollqualifizierender Schul- und Berufsausbildung ausrichten, wie auch im politischen Diskurs verstärkt gefordert wird (Deutscher Bundestag 2010a: 3; Bruckmeier et al. 2010a: 34 f.). In der Grundsicherung sind Qualifizierungsangebote für junge Erwachsene vorgesehen, sei es durch teilqualifizierende Angebote der Berufsvorbereitung oder Kurzzeittraining, die jedoch unterhalb der Schwelle regulärer Bildungsabschlüsse bleiben. Entspannt sich der Ausbildungsmarkt weiter (Konsortium Bildungsberichterstattung 2010: 102), so können die Chancen von minderqualifizierten oder sozial benachteiligten jungen Erwachsenen gestärkt werden, die bislang die „Verlierer“ im Bildungssystem waren (Ulmer/Ulrich 2008: 34 ff.). Damit dies gelingt, sind umfassende Unterstützungskonzepte sowohl für die jungen Erwachsenen selbst als auch für die Ausbildungsbetriebe
73 Eine umfassende Expertise zur Förderung junger Erwachsener ohne Ausbildungsabschluss geben auch Funcke, Oberschatsiek und Giesecke (2010).
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•
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gefragt. Aktuelle Diskussionen konzentrieren sich auf eine stärkere Integration teilqualifizierender Programme in das Berufsbildungssystem (Euler 2009; Solga 2009). Zudem benötigen die hier benannten Gruppen unter den jungen Erwachsenen motivierende Anreize, damit sie eine (Weiter-) Qualifizierung zur Kompensation ihrer Bildungsdefizite auch wahrnehmen (Jacob 2004: 195). Die Interventionspolitik der Grundsicherung für Arbeitssuchende im jungen Erwachsenenalter greift oftmals zu spät. Eine Armutsprävention muss vermehrt im allgemeinbildenden und beruflichen Bildungssystem ansetzen, um Familien im Armutsbereich und junge Personen mit minderqualifizierten Eltern, die ihre Kinder nicht ausreichend unterstützen können, zu fördern (siehe auch Adamy 2008). Ein Ansatz ist das „Bildungspaket“ für Kinder in bedürftigen Familien (Deutscher Bundestag 2010b). Gefördert werden die Kinder mit 100 Euro für Lernmaterialien, plus 30 Euro für Schulausflüge und 120 Euro für außerschulische Bildung im Verein pro Jahr. Zudem sind Zuschüsse für Schulmittagessen bei bestehendem Angebot und für außerschulische Nachhilfe bei nachgewiesenem Bedarf auf Antrag beim Jobcenter vorgesehen. Ob diese Maßnahmen ausreichen, um die Bildungschancen von Kindern aus armen Familien zu erhöhen, steht in der kritischen Diskussion (Butterwege 2010: 369 f.; Stolz/Deutsches Jugendinstitut 2010). Die Möglichkeiten und Grenzen der Bildungsförderung können zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch nicht beurteilt werden. Angebote benötigen Zeit, bis sie sich als Armutsprävention beim Übergang in Ausbildung und beim Erwerbseintritt auswirken. Für die jungen Erwachsenen, die derzeit ohne (ausreichende) Bildungsabschlüsse im Arbeitslosengeld-II-Bezug stehen, bedarf es im Anschluss an die oben genannten Überlegungen kurzfristiger tragfähiger Lösungen.
Neben Qualifikationsdefiziten stellen Langzeitarbeitslosigkeit und wiederholte Arbeitslosigkeit im Übergang in das Erwerbsleben Risikofaktoren dar, die einen längeren Grundsicherungsbezugs wahrscheinlich machen und Gegenmaßnahmen erfordern. Unter der Annahme, dass eine wenig zielgerichtete Integration der jungen Erwachsenen in temporäre oder wenig passende Tätigkeiten keine langfristigen Perspektiven in finanzieller Sicherheit garantieren, ist eine sensible Unterstützung gefragt. Bislang gibt es keine umfassende empirische Evidenz zur Wirkung und Reichweite der Maßnahmeangebote für Jugendliche und junge Erwachsene in der Grundsicherung für Arbeitssuchende, weitere Studien sind nötig. Nach den ersten empirischen Befunden erfolgt jedoch die Zuteilung zu den Maßnahmen kaum zielgruppenspezifisch und es zeigt sich eine geringe
206
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Integrationswirkung der Maßnahmen für unter 25-Jährige (Abschnitt 2.2.2). Der breite Einsatz von Maßnahmen für junge erwerbsfähige Hilfebedürftige sollte insofern kritisch hinterfragt werden, zumal Befunde aus der Übergangsforschung auch auf nicht-intendierte demotivierende Teilnahmewirkungen hinweisen, die auch einen Entmutigungsprozess im Grundsicherungsbezug fördern können (Abschnitt 3.2.2). Maßgeblich für die Ausgestaltung der Aktivierungsangebote sollte daher eine Förderung sein, die sich an der Lebenssituation der jungen Erwachsenen und ihren individuellen Zielen ausrichtet, um demotivierende Arbeitsmarkterfahrungen zu vermeiden und deren Konsequenzen zumindest zu verringern. Bislang mag dem jedoch entgegenstehen, dass unter dem Fokus einer schnellen Integration, der Zumutbarkeitsregelungen und dem Druck von Sanktionen der individuelle Gestaltungsspielraum der finanziell hilfebedürftigen jungen Erwachsenen stark eingeschränkt sein dürfte (Walther 2006: 124 ff.). Ebenso wird die vorrangige Förderung der Zielgruppe der unter 25-Jährigen im Vergleich zu den ab 25-Jährigen den individuellen Lebenslagen in einer sich ausdifferenzierenden Jugendphase nicht immer gerecht, denn zahlreiche über 25Jährige ohne Bildungsabschlüsse benötigen Angebote der Weiter- und Nachqualifizierung (siehe auch Funcke et al. 2010: 11, 27 f.). Die Ergebnisse der vorliegenden Studie führen auch zu der Erkenntnis, dass die sozialpolitischen Annahmen zum Verhalten der jungen Grundsicherungsempfänger, mit denen die intensivierte, schnelle Aktivierung von jungen Arbeitslosengeld-II-Empfängern begründet ist, eher überzogen von kurzfristigen Gewöhnungseffekten im Grundsicherungsbezug ausgehen. Viel mehr dürften auch langfristig angelegte sozialstaatliche Interventionen im jungen Erwachsenenalter als Prävention gegen späteren Leistungsbezug greifen. In Anbetracht der heterogenen Lebenslagen der jungen Arbeitslosengeld-IIEmpfänger sind die Möglichkeiten einer schnellen Förderung aus dem Arbeitslosengeld II zudem zu relativieren. Zahlreiche junge Erwachsene stehen einer Aktivierung (noch) nicht unmittelbar zur Verfügung, da sie Schule und Ausbildung besuchen, Familienzeiten wahrnehmen oder gar erwerbstätig sind. So erfordert eine Armutspolitik für junge Erwachsene Ansätze, die über eine Orientierung am Arbeits- und Ausbildungsmarkt hinausgehen und sich auch an den heterogenen familiären und sozialen Lebenslagen ausrichten, in denen junge Erwachsene neben einer Erwerbs- und Ausbildungsbeteiligung eben auch weitere Anforderungen zu bewältigen haben (Homfeldt et al. 2009: 366 ff.). In einer so hochgradig differenzierten Armutspopulation von jungen Erwachsenen in sozialstaatlicher Versorgung müssen daher vermehrt ganzheitliche Handlungsstrategien gestärkt werden, um problematischen Übergängen im Anschluss an die Schulzeit oder Berufsausbildung oder auch beim Wiedereintritt von Müttern in die Erwerbstätigkeit vorzubeugen.
Diskussion und Ausblick
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Die finanziellen Unsicherheiten, die junge Familien im Arbeitslosengeld-IIBezug erleben, lenken schließlich den Blick auf die sozialrechtliche Förderung von Familien in parallelen Fördersystemen (siehe auch Benz 2008: 387 ff.). Für die betrachteten jungen Familien im Armutsbereich greifen offenbar weder Kinderzuschlag zur Armutsvermeidung noch Eltern- und Kindergeld in einem ausreichenden Maße. Auch die Steuerentlastungen bei Erwerbstätigkeit können nicht für alle Familien im Grundsicherungsbezug die direkten Kosten der Familiengründung ausgleichen. Um langfristige Einkommensperspektiven zu schaffen, bedarf es neben einer finanziellen Entlastung vor allem auch einer Ausbildungsförderung für junge Mütter und Väter, die sich an der Familiensituation ausrichtet und mit Teilzeitausbildung, Kinderbetreuung und Angeboten der Familienhilfe ausreichend Spielraum für die Vereinbarkeit schafft. Bislang nehmen junge ausbildungslose Eltern in der Grundsicherung kaum eine berufliche Ausbildung auf, womit weitreichende Konsequenzen für die langfristige finanzielle Sicherung der Familie bestehen dürften. Nach den vorliegenden Ergebnissen ist Arbeitslosengeld-II-Bezug in sozial akzeptierten Aktivitäten im jungen Erwachsenenalter während Schule, Ausbildung oder Beschäftigung ein relevantes Phänomen. In dieser Hinsicht steht die Armutspolitik in Deutschland vor der Herausforderung, dass auch eine quantitativ bedeutsame Gruppe unter den jungen Erwachsenen trotz Erwerbsund Ausbildungsnähe armutsgefährdet ist, was in Form eines diskontinuierlichen oder kontinuierlichen Arbeitslosengeld-II-Bezugs zum Ausdruck kommt. Dies bedeutet auch, dass die Aktivierungsbemühungen und Bedingungen am Arbeitsmarkt und im Berufsbildungssystem nicht für alle diese jungen Erwachsenen Perspektiven in existenzsichernden Tätigkeiten bereitstellen. Die in der öffentlichen und politischen Diskussion zum Grundsicherungsbezug vorherrschende negative Wahrnehmung der Ausbildungs- und Erwerbsneigung wird der Situation der hier benannten jungen Grundsicherungsempfänger nicht gerecht. Damit sollte neben der Unterstützung von Teilgruppen mit Förderbedarf eine politische Aufgabe auch sein, eine plakative stigmatisierende Rhetorik zu vermeiden und in der Öffentlichkeit für die differenzierten Lebenslagen junger Personen im Grundsicherungsbezug einzutreten.
10 Anhang: Daten und Analysemethoden
10.1
Datengrundlage: Kombinierte Datenbasis aus Befragungs- und Längsschnittdaten
In der Studie „Lebenssituation und Soziale Sicherheit 2005 (LSS 2005)“ wurden im Winter 2005/2006 mehr als 20.000 15- bis 64-jährige Bezieher von Arbeitslosenhilfe von Dezember 2004 und Bezieher der Grundsicherung für Arbeitssuchende von Januar 2005 befragt (Meßmann et al. 2008)74. Die Stichprobe basiert auf den administrativen Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) Anfang 2005. Aufgrund der Datenlage zum Ziehungszeitpunkt konnten ausschließlich Arbeitslosengeld-II-Empfänger in Arbeitsgemeinschaften und getrennten Trägerschaften erfasst werden, die mit dem neuen Erfassungssystem der Bundesagentur für Arbeit (A2LL, „Arbeitslosengeld II – Leistungen zum Lebensunterhalt“) gearbeitet haben. Für Trägerschaften in 173 von insgesamt 439 Kreisen, darunter die 69 zugelassenen kommunalen Trägerschaften,75 deren Meldungen über eigene Systeme liefen oder in denen die Systemumstellung noch nicht abgeschlossen war, sind die Informationen nicht oder eingeschränkt verfügbar (ebd.: 12 ff.). Deswegen beschränkt sich die vorliegende Studie auf Arbeitslosengeld-II-Bezieher in 266 Kreisen, für die im Januar 2005 vollständige Informationen vorliegen. Weitere mögliche Verzerrungen der deskriptiven Analysen durch eine unterschiedliche Erreichbarkeit und Auskunftsbereitschaft der Zielpopulation werden durch ein Gewichtungsverfahren ausgeglichen. Befragt wurden die Teilnehmer an der Studie im Wesentlichen zu folgenden Aspekten ihrer Lebenssituation und institutionellen Erfahrungen: • • •
Haushaltskonstellation und der Einkommenssituation des Haushalts im Dezember 2004 und im November 2005, Arbeitslosen- und Sozialhilfebezug im Haushalt im Jahr 2004, Arbeitslosengeld-II-Bezug bis zum Befragungszeitpunkt,
74
Die CATI-Studie (computer assisted telephone interviews) wurde durch persönliche Interviews (CAPI, computer assisted personal interviews) bei Haushalten ohne Telefon ergänzt. 75 Eine Ergänzungsstudie zu Arbeitslosengeld-II-Empfängern in den zugelassenen kommunalen Trägerschaften wurde zu einem späteren Zeitpunkt aufgesetzt (Meßmann et al. 2008: 116 f.).
B. Schels, Arbeitslosengeld-II-Bezug im Übergang in das Erwerbsleben, DOI 10.1007/978-3-531-18777-8, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
Anhang: Daten und Methoden
• • • • • • • •
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Bildungs- und Erwerbskarriere (Monatsangaben) in der Retrospektive bis zum Befragungszeitpunkt und zu den zum Befragungszeitpunkt andauernden Aktivitäten, individuelle Erfahrungen mit den administrativen Verfahren in den Trägerschaften der Grundsicherung in der Umstellungsphase, Wohnsituation zum Befragungszeitpunkt, Gesundheitszustand zum Befragungszeitpunkt, subjektive gesellschaftliche Einordnung, finanzielle Versorgungslage zum Befragungszeitpunkt, Soziodemographie und soziale Herkunft (nur unter 25-Jährige).
Die Registerdaten, auch Prozessdaten, stammen aus der Administration der Arbeitsvermittlung und Leistungsgewährung in der Bundesagentur für Arbeit (BA). Es liegen tagesgenaue personenbezogene Angaben über Leistungsbezug im Rahmen der Arbeitsförderung (Arbeitslosengeld I, Arbeitslosenhilfe) und Grundsicherung für Arbeitssuchende (Arbeitslosengeld II, Sozialgeld) sowie registrierte Arbeitslosigkeit, Förderung durch Maßnahmen aktiver Arbeitsmarktpolitik, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung inklusive betrieblicher Ausbildung und geringfügiger Beschäftigung vor. Aktivitäten, die nicht in das Aufgabengebiet der BA fallen, werden in den Registerdaten nicht erfasst. Hierzu zählen der Besuch von allgemeinbildenden und berufsfachlichen Schulen, Studium, Erziehungszeit, Selbstständigkeit sowie Informationen zur ehemaligen Sozialhilfe, die in kommunaler Hand lag. Für die Studie wurden die Angaben der Befragungsteilnehmer bei Einverständnis mit den administrativen Registerdaten verknüpft.76 Im Rahmen der Befragung verweigerten rund acht Prozent der 18- bis 29-Jährigen die Verknüpfung der Daten. Eine Selektivitätsanalyse anhand einer logistischen Regression (Tabelle 10.1) zeigt, dass junge Personen mit Sonder- oder Hauptschulabschluss im Vergleich zu Personen mit höheren Qualifikationen mit höherer Wahrscheinlichkeit die Zuspielung verweigert haben, Nicht-Migranten eher als Migranten. Darüber hinaus konnte die Bereitschaft, mit höherer Chance bei Personen in einer eigenen Lebensgemeinschaft eingeholt werden als bei jungen Erwachsenen, die noch bei den Eltern leben.
76 Mit Hilfe folgender Forschungsdatensätze des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB): Leistungs-Historik-Grundsicherung (LHG), Leistungs-Historik-Grundsicherung Zahlungen (LHGZ), Integrierte Erwerbsbiographie (IEB), Instrumente Aktiver Arbeitsmarktpolitik Berufsberatung (ISAAK-BB)
210
Anhang: Daten und Methoden
Tabelle 10.1: Selektivitätsanalyse der Zuspielbereitschaft von Registerdaten zu Befragungsdaten, (exp(ß), logistische Regression) Widerspruch gegen eine Zusammenspielung weiblich (ref. männlich) 1,083 Alter 1,031 Haushaltskonstellation (ref. mit Eltern) alleinlebend 0,838 0,633 * mit Partner alleinerziehend 0,236 *** mit Partner und Kind(ern) 0,662 * Migrant (ref. Nicht-Migrant) 1,435 ** Ostdeutschland (ref. Westdeutschland) 0,815 Schulabschluss (ref. Sonder- oder Hauptschulabschluss) keinen Abschluss 0,805 Mittlere Reife 0,680 ** Abitur 0,374 *** 0,0316 Pseudo R2 Log likelihood -1058,232 n 3566 Quelle: eigene Berechnungen (LSS 2005, 18- bis 29-jährige Teilnehmer an der Befragung, n = 3566), Signifikanz: p < 0.001 = ***, p < 0.01 = **; p < = 0.5 = *
Die Datenkombination wurde anhand der Personenmerkmale Geschlecht, Geburtsmonat und -jahr plausibilisiert, um nicht eindeutige Verknüpfungen von Befragungs- und Registerdaten aufgrund von Ungenauigkeiten in den Datenquellen oder in den administrativen Verfahren auszuschließen. Insgesamt wurden 40 Fälle ausgenommen, bei denen sich die Angaben in beiden Merkmalen unterschieden. Eine Fehlertoleranz in einem Merkmal erscheint plausibel, da sowohl Erhebungsfehler in der Befragung als auch Fehler bei der Eingabe von Merkmalen in den administrativen Prozessen möglich sind. Rekonstruktion der Verlaufsinformationen im Beobachtungzeitraum Als Basis der Längsschnittuntersuchung über den Beobachtungszeitraum 2005 bis 2007 werden Angaben zum Arbeitslosengeld-II-Bezug sowie zu den Erwerbs-, Ausbildungs- und Haushaltsverläufen der jungen Erwachsenen benötigt. Die Informationen liegen teils in den tagesgenauen Registerdaten und teils in den monatsgenauen Befragungsdaten vor. Um die Datenstruktur aus beiden Quellen kohärent zu gestalten, wurden die Angaben in den Registerdaten pro Monatsintervall (Personenmonate) gruppiert und im Berichtsmonat ab einer
Anhang: Daten und Methoden
211
Mindestdauer von 14 Tagen erfasst. So sind auch kurze zufällige oder administrativ bedingte Unterbrechungen ausgeschlossen (siehe auch Bruckmeier et al. 2007; Graf 2007). In dem Analysesample liegen für 36 Monate im Beobachtungszeitraum Informationen über 42.156 Personenmonate für die 1.171 18- bis 29-jährigen Arbeitslosengeld-II-Empfänger bzw. 24.264 Personenmonate für die 674 18- bis 24-jährigen Arbeitslosengeld-II-Empfänger vor. Für die Operationalisierung wurden die Informationen aus den Datenquellen systematisch aufbereitet: Während die Bezugszeiten in Arbeitslosengeld II im Beobachtungszeitraum 2005 bis 2007 ausschließlich anhand der Registerdaten nachvollzogen werden, sind die Beschäftigungs- und Ausbildungsverläufe der jungen Personen und Veränderungen in der Haushaltskonstellation aus den Register- und Befragungsdaten rekonstruiert, um die Informationsvielfalt aus beiden Datenquellen in möglichst vollständigen Verlaufsangaben auszuschöpfen. In einem einheitlichen und eindeutigen Auswahlverfahren, das den in den Befragungs- und Registerdaten unterschiedlich erfassten Angaben gerecht wird (siehe zum Beispiel auch Dietrich 2006), sind die Informationen zu den Ausbildungs-, Erwerbs- und Haushaltsverläufen zunächst aus den Registerdaten erschlossen und um ausgewählte biographische Angaben aus der Studie LSS 2005 ergänzt, die in den Registerdaten nicht erfasst sind. Die sich daraus ergebende Operationalisierung des Erwerbsstatus und der Haushaltskonstellation wird im Einzelnen im folgenden Abschnitt erläutert. 10.2
Operationalisierung der Einflussfaktoren
Qualifikationen. Beim Schulabschluss der jungen Erwachsenen wird zwischen maximal Hauptschulabschluss, Mittlerer Reife und Abitur unterschieden. Für Schüler wird deren Bildungsaspiration abgebildet. Der Berufsabschluss erfasst, ob eine abgeschlossene Ausbildung vorliegt oder (noch) nicht. Beide Indikatoren sind zeitvariabel, da die jungen Erwachsenen im Beobachtungszeitraum einen Abschluss erzielen oder Schule und Ausbildung ohne Abschluss beenden können. Die Angaben stammen aus den Befragungsdaten und wurden im Zeitverlauf aus den Registerdaten ergänzt. Erwerbs- und Arbeitslosigkeitserfahrung. Die Erwerbsbiographie der jungen Erwachsenen wird durch die akkumulierte Anzahl der bisherigen Erwerbs- und Arbeitslosigkeitsepisoden aus den Registerdaten erfasst. Der Wert dieser Variablen steigt mit jeder weiteren Episode in Beschäftigung oder Arbeitslosigkeit im Beobachtungszeitraum an. Die meisten Modelle werden mit den quadrierten Werten der Erwerbs- und Arbeitslosigkeitsepisoden kontrolliert,
212
Anhang: Daten und Methoden
um auch nicht-lineare Effekte der Erwerbs- und Arbeitslosigkeitserfahrung auf die Hazardraten abbilden zu können. Erwerbsstatus. Die Lebenslage der jungen Erwachsenen im Leistungsbezug wird maßgeblich durch ihren Status im Übergang von der Schule in die Erwerbstätigkeit bestimmt. In den Analysen wird der Status im Vormonat berücksichtigt. Unterschieden werden folgende Aktivitäten: Arbeitslosigkeit, (sozialversicherungspflichtige und geringfügige) Erwerbstätigkeit,77 in Ausbildung an einer allgemeinbildenden Schule oder in Berufsausbildung (in Betrieben, an Berufsfachschulen, an (Fach-)Hochschulen oder in Programmen zur Berufsvorbereitung), zu Hause/Kindererziehung und sonstige Aktivitäten, zu denen in den Daten keine Angaben vorliegen. Soweit nicht anders angegeben, umfasst Arbeitslosigkeit auch die Teilnahme an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen. Teils differenzieren die Analysemodelle zwischen Arbeitslosigkeit bis zu zwölf Monaten und Langzeitarbeitslosigkeit ab 13 Monaten, um die theoretisch angenommenen verminderten Übergangschancen nach längerer Arbeitslosigkeit zu modellieren. Um den Erwerbsstatus abzubilden, wurden jeweils in Befragungs- und Registerdaten die Ausbildungs- und Erwerbsangaben für jeden Monat eindeutig codiert und um parallele Aktivitäten, z. B. Ausbildung bei gleichzeitiger Erwerbstätigkeit, bereinigt. Die Angaben zum Erwerbsstatus stammen vorrangig aus den Registerdaten und wurden um Angaben aus der Befragung zu Schulbesuch, nicht-betrieblicher Berufsausbildung, Familien- und Elternzeiten ergänzt. Informationen zu zum Befragungszeitpunkt andauernden Aktivitäten wurden fortgeschrieben, bis in den Registerdaten eine Aktivität verzeichnet wurde oder das in der Studie berichtete voraussichtliche Ende erreicht war. Personenmerkmale. Die Analysen berücksichtigen Geschlecht und Alter der Befragten. Junge Erwachsene mit Migrationshintergrund sind entweder selbst nach Deutschland zugewandert (erste Generation) und oder haben zumindest einen Elternteil, der nach Deutschland zugewandert ist (zweite Generation). Die Personenmerkmale stammen aus den Befragungsdaten. Haushaltskonstellation. In den Analysen wird zwischen Alleinlebenden, jungen Erwachsenen mit Partner oder Partner und Kindern, Alleinerziehenden und bei den Eltern lebenden jungen Erwachsenen unterschieden. Veränderungen über den Beobachtungszeitraum werden berücksichtigt. Die Kovariate basiert
77 Selbstständigkeit ist weder in den Prozessdaten registriertet noch in den Befragungsdaten eindeutig erhoben. So dürfte die Erwerbstätigkeit der betrachteten jungen Arbeitslosengeld-II-Empfänger in der Studie geringfügig untererfasst sein. Befunden von Scherer (2004: 96, 114 f.) zeigen, dass Selbstständigkeit in Deutschland in den ersten Berufsjahren eine marginale Rolle spielt und vor allem höher Qualifizierte eine Selbstständigkeit realisieren.
Anhang: Daten und Methoden
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vorrangig auf den Bedarfsgemeinschaftsinformationen in den Registerdaten. Um auch bei Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaften zwischen der Lebenssituation von bei den Eltern lebenden und alleinlebenden jungen Erwachsenen differenzieren zu können, wurden die Angaben in diesen Fällen zusätzlich mit den Haushaltsinformationen aus der Befragung LSS 2005 dahingehend abgeglichen, ob die jungen Erwachsenen zu den Zeitpunkten Dezember 2004 (als Proxy für die Situation Anfang 2005) und Oktober 2005 mit ihren Eltern zusammenlebten. Die Informationen zu den beiden Erhebungszeitpunkten wurden in den Längsschnittdaten fortgeschrieben, sofern die Registerdaten eine gleichbleibende Bedarfsgemeinschaftskonstellation verzeichnen. Haushaltsnettoäquivalenzeinkommen. Die Einkommensangaben stammen aus der Befragung LSS 2005 und wurden für Mehrpersonenhaushalte mit der neuen OECD-Äquivalenzskala gewichtet. Das Haushaltseinkommen kann in Abhängigkeit von Zuverdiensten, Zuwendungen in der Familie oder weiteren Sozialtransfers deutlich variieren. Da die Angaben der Befragten sich auf zwei Zeitpunkte beziehen, Dezember 2004 (als Proxy für die Einkommenslage Anfang 2005) und November 2005, wird der Einfluss der finanziellen Situation in den Analysen als periodische Effekte modelliert. Sozialtransferbezug. Der Einfluss des vorangegangenen Leistungsbezugs wird anhand von folgenden Merkmalen untersucht: Arbeitslosenhilfebezug vor 2005 wird anhand einer Dummyvariable abgebildet. Die Angaben stammen aus den Registerdaten. Zudem werden die Informationen in den Befragungsdaten zum Sozialhilfebezug im Jahr 2004 (ohne Dezember) berücksichtigt. Weitere Angaben zum Sozialhilfebezug liegen in den Daten nicht vor. Schließlich wird die Zahl der bisherigen Arbeitslosengeld-II-Bezugsepisoden in die Analysen aufgenommen sowie ein Indikator zum Abgangsgrund aus der vorigen Leistungsbezugsepisode. Gemessen wird, ob die jungen Erwachsenen die vorangegangene Episode im Arbeitslosengeld-II-Bezug durch eine Erwerbsoder Ausbildungsintegration beenden konnten, Referenz sind andere soziale oder familiären Gründen. Soziale Herkunft. Die soziale Herkunft der jungen Erwachsenen wird in den Befragungsdaten erstens durch den höchsten Bildungsabschluss der Mutter oder des Vaters abgebildet. Es wurde ermittelt, ob wenigstens einer der beiden Elternteile über einen Hauptschulabschluss verfügt. Zweitens wird der höchste Erwerbsstatus der Eltern erfasst. Die Angaben beziehen sich auf den Zeitpunkt, als die Befragten 15 Jahre alt waren. Unterschieden wird zwischen qualifizierter Beschäftigung, unqualifizierter oder einfacher Beschäftigung und NichtErwerbstätigkeit inklusive Arbeitslosigkeit. Die Kategorisierung des elterlichen Erwerbsstatus ist in Tabelle 10.2 dargestellt. Da die jungen Erwachsenen zum Teil den Bildungs- und Erwerbshintergrund der Eltern nicht näher bezeichnen
Anhang: Daten und Methoden
214
konnten, werden die Modelle zudem für die Ausprägung „keine Angaben“ kontrolliert. Ausschließlich unter 25-Jährige wurden in der Befragung LSS 2005 zu ihrer sozialen Herkunft befragt. Tabelle 10.2: Operationalisierung des höchsten Erwerbsstatus der Eltern qualifizierte Beschäftigung
Facharbeiter/-in, Geselle/-in, Vorarbeiter/-in; Kolonnenführer/-in, Brigardier/-in, Meister/-in; Polier im Arbeitsverhältnis Angestellte in qualifizierter Tätigkeit, hochqualifizierter Tätigkeit oder Leitungsfunktion Beamte/-in im mittleren Dienst, gehobenen Dienst, höheren Dienst, Richter; Freie Berufe, selbstständige Akademiker/-in
einfache/unqualifizierte Beschäftigung
Angelernte Arbeiter/-in, Hilfsarbeiter/-in, Hilfskraft Angestellte/-r in einfacher Tätigkeit Beamte/-in im einfachen Dienst Selbstständige Landwirte, freie Mitarbeiter/-in, sonstige Selbstständige; mithelfende Familienangehörige;
Arbeitslosigkeit/NichtErwerbstätigkeit
Arbeitslos, Hausfrau, -mann, in Ausbildung, in Rente/Pension;
keine Angaben weiß nicht, verweigert; Quelle: eigene Darstellung (LSS 2005)
Arbeitsmarktlage. Schließlich werden die Modelle für die regionale Jugendarbeitslosigkeitsquote im jeweiligen Monat des Beobachtungszeitraums kontrolliert. Zudem werden die saisonalen Effekte am Arbeitsmarkt und im Berufsbildungssystem berücksichtigt. Denn der Leistungsbezug der jungen Erwachsenen sollte durch die bessere Konjunktur im Frühjahr (April bis Juli) als in den Wintermonaten und durch den Beginn des neuen Ausbildungs-, Schulund Studienjahres im August bis Oktober beeinflusst werden. 10.3
Verlaufsmuster und Verweildauer im Arbeitslosengeld-II-Bezug
Die Analyse differenzierter sozialer Prozesse im Arbeitslosengeld-II-Bezug wird in der vorliegenden Studie anhand der Dauer des Bezugs als messbarer Kalenderzeit und der Kontinuität bzw. Diskontinuität in einmaligen oder mehrmaligen Bezug untersucht und bewertet (Bane/Ellwood 1986; Buhr 1995: 104 ff.). Auf Grundlage von Längsschnittdaten können die Verlaufsmuster der jungen Erwachsenen im Grundsicherungsbezug als exakt datierte zeitliche Abfolge von Episoden im Leistungsbezug von Arbeitslosengeld II (L) und
Anhang: Daten und Methoden
215
Nicht-Bezug (N) erfasst werden. In dem Analysesample beginnt für jeden der betrachteten jungen Personen die erste Bezugsepisode im Januar 2005; spätere Eintritte in wiederholte Bezugsepisoden sind möglich. Eine Bezugsepisode endet mit dem Ereignis „Übergang aus dem Grundsicherungsbezug“. Analog dazu umfassen die Episoden im Nicht-Bezug das Zeitintervall vom ersten Monat nach Abschluss einer Arbeitslosengeld-II-Bezugsepisode bis zu dem möglichen Ereignis „Wiedereintritt in den Leistungsbezug“. Dauern Episoden im Leistungsbezug oder Nicht-Bezug mit Ende 2007 noch an, spricht man von einer Rechtszensierung. Ereignisanalytische Verfahren ermöglichen es, die Episodendauern auch unter Berücksichtigung einer Rechtszensierung zu schätzen (Berg et al. 2008; Blossfeld et al. 2007b) – wie im Folgenden aus Gründen der Lesbarkeit am Beispiel der Episoden im Leistungsbezug dargestellt. Die Verweildauer im Ausgangszustand Arbeitslosengeld-II-Bezug wird in der Studie in diskreten Monatsintervallen beobachtet. Die Verweildauer T ist eine statistische Zufallsvariable, die bis zum Zeitpunkt t = T bei Eintritt des Ereignisses „Übergang aus dem Grundsicherungsbezug“ oder einer Rechtszensierung bei t < T beobachtet werden kann. Für rechtszensierte Episoden ist bekannt, dass sie mindestens die Dauer t haben. Für alle jungen Erwachsenen, die zum Zeitpunkt t0 in den Arbeitslosengeld-II-Bezug eingetreten sind, kann in jedem Monat der Prozesszeit im laufenden Bezug festgehalten werden, welcher Anteil sich noch im Grundsicherungsbezug befindet. Somit ergibt sich die Überlebensfunktion (auch Survivorfunktion) G(t) als Verteilung der Verweildauer T. G(t) = Pr(T > t) Die Hazardrate h(t) gibt die empirische Übergangsrate aus dem Grundsicherungsbezug in einem Zeitintervall an. Sie ist als bedingte Wahrscheinlichkeit definiert, dass ein Ereignis im Zeitintervall t eintritt unter der Voraussetzung, dass in den vorigen Zeitintervallen noch kein Ereignis aufgetreten ist (Steele 2008; siehe auch Blossfeld et al. 2007b: 31 ff.). h(t) = Pr(T = t|T t)
216
Anhang: Daten und Methoden
Das Basismodell In Ereignisanalysemodellen stellt die Hazardrate h(t|x) die abhängige Variable dar, die unter Einfluss zeitkonstanter und zeitvariabler Kovariaten x variiert. Für diskrete Zeit kann die Hazardrate als Quotient aus der bedingten Wahrscheinlichkeit, dass ein Ereignis im Zeitintervall eingetreten ist, und der Wahrscheinlichkeit, dass die Personen noch im Ausgangszustand in der betrachteten Episode verbleiben, spezifiziert werden. Die baseline-Hazardrate ß0(t) gibt die Zeitabhängigkeit der bedingten Übergangswahrscheinlichkeit an. In den Analysen wird eine variable Zeitabhängigkeit des Verbleibs im Arbeitslosengeld-II-Bezug angenommen und demenstprechend die baseline-Hazardrate in bestimmten Zeitintervallen, z. B. Drei-Monats-Intervallen, konstant modelliert (piecewise constant models) (Blossfeld et al. 2007b: 116 ff.). Im Beobachtungszeitraum können potentiell für jeden jungen Erwachsenen i mehrere Bezugsepisoden j (j = 1, …, n) im Arbeitslosengeld-II-Bezug erfasst und eindeutig zugeordnet werden. Die Verweildauer kann für jede Episode beobachtet werden, die jeweils mit Eintritt in Arbeitslosengeld II wiederum bei t0 beginnt; eine Rechtszensierung ist in jeder Episode möglich. Es kann begründet angenommen werden, dass die Übergangsneigung einer Person aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug über mehrere Bezugsepisoden aufgrund individueller Präferenzen, Ressourcen oder Erfahrungen ähnlicher ist als die Übergangsneigung zwischen Personen. Daher werden in den Analysemodellen die Hazardraten hji(t) der wiederholten Arbeitslosengeld-II-Bezugsepisoden j (Ebene 1) einer Person i (Ebene 2) mit einem logistischen Mehrebenenmodell mit Random-Effekt spezifiziert (siehe z. B. Powers/Xie 2008: 167 ff.). Der Random-Effekt ui repräsentiert den kumulierten Einfluss personenspezifischer nicht-beobachtbarer Größen, die anhand der Kovariaten nicht erfasst sind. Es wird angenommen, dass der Random-Effekt normalverteilt ist mit dem Populationsmittelwert 0 und der Varianz ı2. hji(t|xji,ui) = ȕi0(t) · exp(xjiȕ + ui) 78
78 Durch eine logistische Spezifikation lassen sich die Einflüsse der Kovariaten als relative Übergangschancen (odds ratio) interpretieren.
Anhang: Daten und Methoden
10.3.1
217
Hazardratenmodelle mit multiplen Zuständen und wiederholten Ereignissen
Basierend auf dem Ausgangsmodell kann die Methode für die in der Untersuchung angelegten Teilfragestellungen spezifiziert werden. In Kapitel 6 werden die Verlaufsmuster der jungen Erwachsenen im Grundsicherungsbezug anhand der Verweildauer in den einzelnen Arbeitslosengeld-II-Bezugsepisoden und Nicht-Bezugsepisoden untersucht. Die Verlaufsmuster bilden einen zusammenhängenden Prozess ab, in dem die Verweildauer im ArbeitslosengeldII-Bezug und Nicht-Bezug teils von den gleichen Einflussfaktoren bedingt ist. Beispielsweise kann angenommen werden, dass individuelle Qualifikationen und Haushaltssituation sowohl beeinflussen, ob die jungen Erwachsenen den Arbeitslosengeld-II-Bezug beenden, als auch, ob sie dann eine nachhaltige finanzielle Sicherheit erzielen können. Auch wird erwartet, dass die bisherigen Erfahrungen im Grundsicherungsbezug im Weiteren das Verhalten der jungen Erwachsenen bedingen. Hinsichtlich dieser Überlegungen ist der Verlauf im kontinuierlichen oder diskontinuierlichen Arbeitslosengeld-II-Bezug ein endogener Prozess. Eine geeignetes Schätzmodell berücksichtigt daher die multiplen Zustände im Grundsicherungsbezug (L) und Nicht-Bezug (N) und wiederholten Ereignisse (Steele 2008; Steele et al. 2006): Die Einflussfaktoren auf die Hazardraten aus den Bezugsepisoden hji(L) und aus Nicht-Bezugsepisoden hji(N) in erneuten Bezug werden simultan geschätzt, wie im Folgenden notiert: hji(L)(t|xji,wji(N),ui) = ȕi0(L)(t) · exp(xji(L)ȕ(L) + wji(N)ȕ(L) + ui(L)) hji(N)(t|xji,wji(L),ui) = ȕi0(N)(t) · exp(xji(N)ȕ(N) + wji(L)ȕ(N) + ui(N)) Die zustandsspezifischen Hazardraten hängen von den jeweiligen baselineHazardraten ßi0(L)(t) und ßi0(N)(t) sowie den personen- und episodenspezifischen Vektoren mit zeitkonstanten und -veränderlichen Kovariaten xji(L) und xji(N) ab. Weiter gehen Kovariaten mit Informationen aus den vorangegangenen Bezugsepisoden wji(L) und wji(N) (wie Anzahl der Bezugsepisoden, Abgangsgrund aus vorigem Arbeitslosengeld-II-Bezug,) in die Schätzung ein. Die personenund zustandsspezifischen Random-Effekte ui(L) und ui(N) haben eine von null verschiedene Kovarianz, die eine Korrelation der nicht-beobachteten personenspezifischen Einflussfaktoren abbildet. Die Korrelation bezeichnet den Zusammenhang zwischen der Übergangsneigung aus dem Bezug von Arbeitslosengeld II und der Übergangsneigung in erneuten Bezug. Eine positive Korrelation der Random-Effekte zeigt zum Beispiel an, dass die jungen
Anhang: Daten und Methoden
218
Erwachsenen, die den Arbeitslosengeld-II-Bezug rasch beenden, auch eher erneut Leistungen beziehen. In dem Modell mit Kovariaten beschreibt die Korrelation den zeitlichen Zusammenhang der Übergangswahrscheinlichkeiten, der nicht durch die beobachtbaren Faktoren erklärt wird. 10.3.2
Hazardratenmodelle mit abhängigen konkurrierenden Risiken
Im Weiteren steht die Integration der jungen Erwachsenen in eine existenzsichernde Beschäftigung oder Ausbildung im Mittelpunkt von Analysen mit mehreren Folgezuständen: In Kapitel 7 werden die arbeitsmarktbezogenen Ausstiege aus dem Arbeitslosengeld II mit einem Ausstieg aus anderen Gründen verglichen. Dabei wird auch betrachtet, wie weit sich beispielsweise die Abgangschancen aus dem Arbeitslosengeld-II-Bezug über eine Integration in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, geringfügige Beschäftigung oder eine Berufsausbildung unterscheiden. In Kapitel 8 wird weiter untersucht, ob den jungen Erwachsenen ein Übergang in existenzsichernde Beschäftigung oder betriebliche Ausbildung gelingt im Vergleich zu einer Ausbildungs- oder Erwerbsintegration im weiteren Grundsicherungsbezug. Für die folgende Darstellung der Analysemodelle wird hier von der Situation ausgegangen, dass die jungen Erwachsenen den Arbeitslosengeld-IIBezug in zwei unterschiedliche Zielzustände beenden können, mit einer Erwerbsintegration oder aus anderen Gründen (siehe auch Modell 7-1,Tabelle 7.2 in Abschnitt 7.3.1). In den Ereignisanalysen werden für jeden interessierenden Zielzustand r, mit r = 1 für einen Übergang in eine existenzsichernde Beschäftigung und r = 2 für einen Übergang aus anderen Gründen, Hazardraten modelliert. In den meisten empirischen Studien werden die bedingten Übergangswahrscheinlichkeiten in mehrere Zielzustände als konkurrierende Risiken geschätzt (competing risk model), in denen vereinfachend angenommen wird, dass die Hazardraten unabhängig voneinander sind (siehe Blossfeld et al. 2007b: 101 ff.; Gangl 2004; Hill et al. 1993). h(r)(t) = Pr(T = t, R = r|T t)
r>0
Anhang: Daten und Methoden
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Die Annahme stochastisch unabhängiger Risiken (conditional independence assumption)79 ist erfüllt, wenn sich die Übergangsintensitäten in Erwerbstätigkeit oder in andere Aktivitäten nicht gegenseitig beeinflussen. Inhaltlich wird folglich von unterscheidbaren sozialen Prozessen ausgegangen. Zum Beispiel wird unterstellt, dass die Möglichkeiten, den Grundsicherungsbezug nicht durch eine Erwerbstätigkeit, sondern aus anderen Gründen durch z. B. Heirat zu verlassen, nicht die Erwerbsneigung der jungen Arbeitslosengeld-II-Bezieher bedingt – und umgekehrt. Unter der theoretischen Annahme, dass die jungen Erwachsenen im Arbeitslosengeld-II-Bezug ihre Erwerbschancen und anderweitigen Optionen gegeneinander abwägen, erscheint die Annahme unabhängiger Risiken restriktiv. So dürften sich die jungen Erwachsenen mit einer hohen Erwerbsorientierung zunächst am Arbeitsmarkt ausrichten und erst, wenn sie keine geeignete Stelle finden, eine alternative Einkommenssicherung wahrnehmen. Es ist folglich zu erwarten, dass die bedingten Übergangswahrscheinlichkeiten in die beiden betrachteten Zielzustände von Präferenzen, Arbeitsmarktlage, Haushaltssituation und speziell der Nachfrage nach Arbeitskräften mit einem bestimmten Ressourcenprofil abhängen. Methodisch wäre die Annahme konditionaler Unabhängigkeit der Hazardraten auch in einem Modell mit allen relevanten Einflussgrößen gegeben, wovon in einem durch die Datenlage eingeschränkten Analysedesign nicht auszugehen ist. In der Forschungsliteratur werden verschiedene Möglichkeiten diskutiert und angewendet, um konditional abhängige Risiken zu modellieren und für den Einfluss nicht-beobachtbarer Faktoren auf die Hazardraten (shared unobserved risk factors) zu kontrollieren (siehe zum Beispiel Gangl 2003: 169; Gangl 2004; Gordon 2002; Hill et al. 1993; Narendranathan/Steward 1993; Rosholm/Svarer 2001; Steele et al. 1996; Steele et al. 2004). Für die vorliegende Studie wird ein Hazardratenmodell für diskrete Zeit mit Random-Effekten gewählt, das eine Anwendungsvariation des im obigen Abschnitt vorgestellten Analyseverfahrens darstellt. Für die beobachtbaren Episoden im Arbeitslosengeld-II-Bezug einer Person i können die zustandsspezifischen Hazardraten h(r)(t) in die beiden Zielzustände r (r = 1, 2) im Vergleich zum Verbleib der jungen Erwachsenen im Bezug (r = 0) formuliert werden. hi(r)(t|xji(r),ui) = ȕi0(r)(t) · exp(xi(r)ȕ + ui(r))
79 Unter der Annahme unabhängiger Risiken kann die bedingte Überlebenswahrscheinlichkeit im Arbeitslosengeld-II-Bezug insgesamt als Wahrscheinlichkeit 1 minus der Summe aller zustandsspezifischen Hazardraten formuliert werden. h(0)(t) = 1 - Rr=1 h(r)(t)
220
Anhang: Daten und Methoden
Berücksichtigt werden die zustandsspezifischen baseline-Hazardraten ßi0(1)(t) und ßi0(2)(t), die Kovariatenvektoren xi(1) und xi(2) und die zustandsspezifischen Random-Effekte (ui(1), ui(2)) mit der Verteilung N(0,ı2), die miteinander korreliert sein dürfen. Die zustandsspezifischen Random-Effekte bilden den kumulierten Einfluss nicht-beobachtbarer Einflussgrößen auf die zielzustandsspezifischen Hazardraten ab. Eine Korrelation zwischen den Random-Effekten modelliert einen möglichen Zusammenhang zwischen einem Übergang aus dem Grundsicherungsbezug durch Beschäftigung oder aus anderen Gründen. So würde etwa ein positiver (bzw. negativer) Zusammenhang belegen, dass die jungen Arbeitslosengeld-II-Empfänger, die eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, auch dazu tendieren (bzw. nicht dazu neigen), den Grundsicherungsbezug aus anderen Gründen zu beenden. Die Hazardraten werden in dem Analysemodell simultan geschätzt.
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