Drukarczyk/Ernst Branchenorientierte Unternehmensbewertung
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite I
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Branchenorientierte Unternehmensbewertung Herausgegeben von
Prof. em. Dr. Dr. h.c. Jochen Drukarczyk Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbes. Finanzierung an der Universität Regensburg und
Prof. Dr. Dr. Dietmar Ernst Professor für Corporate Finance an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) Nürtingen-Geislingen 3., überarbeitete und erweiterte Auflage
Verlag Franz Vahlen München
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ISBN 978 3 8006 3654 9 © 2010 Verlag Franz Vahlen GmbH Wilhelmstr. 9, 80801 München Satz: Fotosatz H. Buck Zweikirchener Str. 7, 84036 Kumhausen Druck und Bindung: Druckhaus „Thomas Müntzer“ Neustädter Str. 1–4, 99947 Bad Langensalza Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier (hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff)
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Vorwort zur dritten Auflage Das Thema „Branchenorientierte Unternehmensbewertung“ stößt unverändert auf große Resonanz und hat sich im Rahmen der Literatur zur Unternehmensbewertung zu einem interessanten Spezialgebiet entwickelt. Die Unternehmensbewertungspraxis fordert zunehmend einen integrativen Ansatz, der über die reine Theorie der Bewertung hinausgeht und Bewertungsprobleme mit Branchenanalyse, Unternehmensanalyse und Unternehmensplanung verbindet, um Fragestellungen der Transaktionspraxis gezielt lösen zu können. In der hier vorliegenden dritten Auflage haben wir unser Konzept beibehalten, aber den Band um neue Beiträge wie z.B. zur Bewertung von Brauereien, Infrastrukturprojekten, von immateriellen Vermögenswerten der Medienbranche, von Energie- und Logistikunternehmen erweitert. Mit dem in den Band einführenden Beitrag „Die Relevanz von Branchenanalysen für die Unternehmensbewertung“ wird die konzeptionelle Brücke zum strategischen Management geschlagen, indem die industriesegmentspezifischen Besonderheiten dem Leser plastisch vor Augen geführt werden. Über die positiven Rückmeldungen zahlreicher Experten von Banken, Investmentbanken, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Unternehmensberatungen sowie Finanz- und Strategieabteilungen von Unternehmen haben wir uns sehr gefreut und möchten dafür herzlich danken. Danken möchten wir dem Verlag Vahlen und seinen Mitarbeitern für die stets angenehme und konstruktive Zusammenarbeit. Unser besonderer Dank gilt Herrn Dennis Brunotte für seine Unterstützung bei der Umsetzung der 3. Auflage. Wir wünschen unseren Lesern eine anregende Lektüre. Regensburg und Nürtingen, im Frühjahr 2010
Jochen Drukarczyk Dietmar Ernst
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Vorwort zur ersten Auflage1 Der Bereich Unternehmensbewertung ist seit den ersten Schritten der Betriebswirtschaftslehre in die wissenschaftliche Selbständigkeit Bestandteil der Forschung und zählt unverändert zu den spannenden und intensiv bearbeiteten Problemfeldern. Ein Blick in ein annähernd repräsentatives Literaturverzeichnis bestätigt dies auf Anhieb. Für diese Dauer-Aktualität der Thematik gibt es eine Reihe von Gründen: • Bewertungskalküle stehen im Zentrum eines Überlappungsbereiches zahlreicher Teildisziplinen wie Rechnungslegung, Jahresabschlussanalyse, Prognosemethoden, Finanzierungsstrategien, Unternehmensplanung, Besteuerungsregeln, Gesellschaftsrecht, Wettbewerbsanalyse. • Die Vielfalt an Bewertungsmethoden ist groß. Dies hängt nicht vorrangig mit den historischen Entwicklungslinien zusammen, gemäß denen die Unternehmensbewertungslehre sich entwickelt hat: Von Einzelbewertungsansätzen wie dem Substanzwert ausgehend, über Mischverfahren (Mittelwert-Ansatz, Methode der Goodwill-Abschreibung, Methode der Übergewinnkapitalisierung) fortschreitend zu den Gesamtbewertungsverfahren, die üblicherweise untergliedert werden in DCF-Ansätze, Multiplikator-gestützte Ansätze und (etwas an den Rand gerückt) den RealoptionsAnsatz. Vielmehr scheint sich herauszuschälen, dass bestimmte Wert- oder Preisfindungsansätze bestimmte ökonomische Vorteile haben könnten. So wird diskutiert, für welche Problemstellungen welcher DCF-Ansatz – APV-Ansatz, WACC-Ansatz, Equity-Ansatz oder Total Cash-flowAnsatz – geeignet sein könnte. Eine ernsthafte Debatte, ob und warum Multiplikator-gestützte Ansätze neben DCF-Kalkülen ökonomisch begründet eingesetzt werden könnten, und wie leistungsfähige Multiplikatoren gewonnen werden können, hat gerade begonnen. • Unternehmenswerte sind Bewertungszweck-abhängig. Es ist ein Unterschied, ob im Rahmen einer nicht dominierten Verhandlungssituation oder im Rahmen einer Sachlage zu bewerten ist, in der einer Partei die Abbruchoption fehlt (z.B. angemessene Abfindung i.S.v. § 305 AktG; Barabfindung im Rahmen der Squeeze-out-Regelung des AktG). Es ist bewertungsrelevant, ob der Bewerter als Schiedsgutachter oder als Parteiberater tätig ist. Es ist wichtig, ob ein handelsrechtlicher Bewertungsanlass (Impairment test für den Ansatz einer Beteiligung oder für den Wertansatz des Goodwill) oder ein steuerrechtlicher Bewertungsanlass vorliegt. Und es ist schließlich bewertungsrelevant, wie Gesetzgeber und Rechtsprechung die „angemessene Abfindung“ bei zwangsweisem Ausscheiden von Minderheiten ökonomisch interpretieren. • Schließlich ist auf die erheblichen Transfers von Vermögen zu verweisen, die ausgelöst durch Käufe bzw. Verkäufe von Unternehmen und Beteiligungen, stattfinden. Und es sind insbesondere die hohen Misserfolgsraten bei Aufkaufstrategien von Unternehmen, deren Ursachen genauer zu analysieren wären. Das Institute of Mergers & Acquisitions (IMA) berichtet, gestützt auf eine Untersuchung, dass Käufe von Unternehmen mit Umsätzen kleiner als eine Milliarde Euro in 55 % der Fälle, Käufe von Unternehmen mit Umsätzen größer als eine Milliarde Euro in nur 39 % der Fälle zum Erfolg führen. Flops führen zu einer signifikanten Wertvernichtung beim erwerbenden Unternehmen. Copeland/Koller/Murrin berichten in ihrer 2. Auflage ganz ähnliche Resultate. Sie prüfen, ob das aufkaufende Unternehmen auf die gezahlten Preise für Zukäufe wenigstens risikoäquivalente Kapitalkosten verdient. Im positiven Fall gilt dies als Erfolgskriterium. Abbildung 1 zeigt die ernüchternden Ergebnisse:
1
Das Vorwort der 1. Auflage wurde um Inhalte aktualisiert, die sich seit der 1. Auflage verändert haben.
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Vorwort zur ersten Auflage Failure groß
Unknown 16% 61%
Success
45%
klein
groß
klein
27%
38%
14%
62%
86%
Success
23% Success 55%
73%
20 Programs 26 Programs
Failure
16 Programs 35 Programs
Abb. V-1: Flop-Raten nach Copeland/Koller/Murrin
Als große (kleine) Projekte gelten Käufe, deren Kaufpreis größer (kleiner) als 10 % des Marktwertes des Eigenkapitals des aufkaufenden Unternehmens sind. Copeland u.a. folgern, dass die Erfolgswahrscheinlichkeit „50/50 at best“ ist. Dieses Ergebnis ist beunruhigend und wirft Fragen nach den potentiellen Ursachen der hohen Misserfolgswahrscheinlichkeit auf. Eine naheliegende Antwort ist, dass Aufkäufer zu hohe Preise zahlen. Natürlich ist dies nicht der Kern der Sache. Dieser liegt in den Antworten, aus welchen Gründen zu hohe Preise gezahlt werden. Copeland u.a. geben vier potentielle Antworten: • über-optimistische Einschätzung des Marktpotentials, was sich regelmäßig in der Annahme hoher und langlebiger Wachstumsparameter niederschlägt, • Überschätzung von Synergien, • der durch einen Bieterwettbewerb ausgelöste Sog. zu obsiegen, mangelhafte bzw. oberflächliche Due Diligence des Zielunternehmens, Integrationsprobleme. Die beiden ersten Ursachen sind eng verknüpft mit den Charakteristika der Branche, in denen das Zielunternehmen operiert. Dass die Misserfolgswahrscheinlichkeit für Käufe von Unternehmen, die aus der Sicht des Käufers in nicht verwandten Geschäftsfeldern operieren, besonders hoch sind, gestattet die Hypothese, dass Branchenkenntnisse bei der Bewertung von Unternehmen von herausragender Bedeutung sind. Die Branchenspezifizität der Bewertung ist somit nicht akademische Spielerei, sondern von entscheidender praktischer Relevanz. Ihre Bedeutung ist, so vermuten wir jedenfalls, weit höher als die Wertrelevanz der sog. tax shields von Fremdkapital, die in der wissenschaftlichen Literatur mit kaum zu überbietender Ausdauer diskutiert werden, obwohl ihr Werteinfluss mit zunehmender Erkenntnis über die Wirkungszusammenhänge schrumpft und, jedenfalls in Deutschland, hinter dem steuerlichen Wertbeitrag von (steuerlich anerkannten) Rückstellungen zurückbleibt. Die hier vorgelegte Sammlung von Beiträgen geht von der Vorstellung aus, dass der sachverständige Bewerter von der Branchenanalyse zur Prüfung der Unternehmensplanung und erst dann zum Bewertungskalkül übergeht. Er folgt m.a.W. dem in Abbildung 2 dargestellten Ablauf. Man kann diesen Ablauf durch Verweis auf die Prozessbausteine stützen, die im Fall eines Beratungsmandats für den Kauf bzw. den Verkauf anzutreffen sind. Dass die Qualität der Bewertungsergebnisse maßgeblich von der Begründetheit der Planzahlen abhängt, muss nicht betont werden. Dennoch werden Branchenanalyse und Ableitung potentieller Planzahlen in der Bewertungsliteratur eher stiefmütterlich behandelt. Eine plausible und nachvollziehbare Planung setzt unabdingbar voraus, dass der Planer die Besonderheiten der Branche, in der sich das zu bewertende Unternehmen befindet, kennt und in seine Planung integriert. Jede Branche hat eigene Merkmale und Gesetzmäßigkeiten, die in der Planung abgebildet werden müssen. Hierzu zählen etwa
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VII
VIII
Vorwort zur ersten Auflage • • • • • • • • • •
Wettbewerbsumfeld in der Branche (oligopolistische oder polypolistische Strukturen), Intensität des Wettbewerbs in der Branche, Abhängigkeiten von Kunden und Lieferanten in der Branche, Verteilung der Marktanteile der Unternehmen in der Branche, wichtigste in- und ausländische Märkte und deren unterschiedliche Bedeutung in der Zukunft, Abhängigkeit der Branche von gesamtwirtschaftlichen Konjunkturzyklen, Existenz brancheneigener wirtschaftlicher Zyklen, Besonderheiten der Auftragsvergabe innerhalb der Branche, Reichweite der Aufträge und Horizont der Planbarkeit in der Branche, jetzige und zu erwartende künftige Schlüsseltechnologien innerhalb der Branche und Grad ihrer Substituierbarkeit, • Wachstumsperspektiven der Branche ausgedrückt in Umsätzen und Reinvestitionsbedarfen, • branchenübliche Kostenstrukturen und Margen.
Branchenorientierte Unternehmensbewertung
Branchenanalyse
Unternehmens-
Unternehmens-
planung
bewertung
Abb. V-2: Branchenanalyse im Kontext der Unternehmensbewertung
Wir hoffen, dass wir mit dieser Sammlung von Aufsätzen einen Beitrag leisten können, um branchenbezogene Wissensdefizite zu verkleinern. Allen beteiligten Autoren gilt unser aufrichtiger Dank für ihre ausdauernde Kooperationsbereitschaft und ihr Engagement. Regensburg und Nürtingen, im November 2006
Jochen Drukarczyk Dietmar Ernst
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Inhaltsübersicht Vorwort zur dritten Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V
Vorwort zur ersten Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VI
Prolog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1
Die Relevanz von Branchenanalysen für die Unternehmensbewertung . . . . . . . . . . . . . . . .
9
2
Bewertung von Zulieferunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
3
Bewertung von Unternehmen im Großanlagenbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
4
Bewertung kleiner und mittlerer Brauereien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
5
Bewertung von Medienunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
6
Bewertung immaterieller Vermögenswerte in der Medienbranche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
105
7
Bewertung von Versicherungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
139
8
Bewertung von Leasingunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
165
9
Bewertung von Private Equity-Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
199
10 Bewertung von Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzleien . . . . . . . . . . . . . . . . . .
229
11 Die Bewertung von Software-Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
255
12 Bewertung von Telekommunikationsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
275
13 Bewertung von Biotech-Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
293
14 Bewertung von Pharmaunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
309
15 Unternehmensbewertung von Krankenhäusern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
335
16 Bewertung von Arztpraxen, Zahnpraxen und Medizinischen Versorgungszentren . . . . . . .
353
17 Bewertung von Fußballunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
381
18 Bewertung von Energieversorgungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
401
19 Bewertung von Logistikdienstleistern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
447
20 Bewertung von Infrastrukturprojekten am Beispiel des Eurotunnels . . . . . . . . . . . . . . . . . .
479
21 Bewertung von Immobilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
503
22 Bewertung von Immobilienunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
523
23 Besonderheiten der Bewertung von Hotelimmobilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
571
24 Bewertung von Beteiligungen an Containerschiffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
597
Die Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
633
Die Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
635
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis Vorwort zur dritten Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V
Vorwort zur ersten Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VI
Prolog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1 Die Relevanz von Branchenanalysen für die Unternehmensbewertung von Markus Habbel, Jan Krause und Michael Ollmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.1 Anlässe für Bewertung von Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.2 Was verstehen wir unter einer Branche? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.3 Die Bedeutung der Branche für die Unternehmensbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.3.1 Bedeutung der Branche für die Unternehmensplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.3.2 Bedeutung der Branche für die Bewertungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.4 Wie sind die folgenden Seiten aufgebaut? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Branchenanalysen als Bestandteil der Unternehmensbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1 Analyse des Marktumfelds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1.1 Innovation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1.2 Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1.3 Demographische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2 Branchenanalyse mit Zielsetzung Unternehmensbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2.1 Branchenstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2.2 Branchenverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2.3 Branchenperformance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.3 Übertragung der Ergebnisse der Branchenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.3.1 Bestimmung der branchenspezifischen Werttreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.3.2 Auswahl der Unternehmens-Peers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.4 Grenzen der Branchenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Ausblick: Mehrwert einer branchenübergreifenden Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . .
9 9 9 10 10 11 11 12 12 12 12 13 13 14 14 15 16 17 17 18 18 18
2 Bewertung von Zulieferunternehmen von Matthias Pohl und Bjoern Thielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Beschreibung der Branchenmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1. Aktuelle Automobilkrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Struktur der Automobilindustrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Fahrzeugmodelle, -segmente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4 Geschäftsbeziehungen innerhalb der Zulieferpyramide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.5 Anforderungen an die Zulieferunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Unternehmensbezogene Analysen, Unternehmensplanung und -bewertung . . . . . . . 2.2.1 Beurteilung der Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Umsatzplausibilisierung anhand einer Analyse des Auftrags- und Projektbuches . 2.2.2.1 Ausgangsbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.2 Auftragsbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.3 Projektbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.4 Umsatzchancen und -risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.5 Ergebnisentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.6 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21 21 21 22 24 25 26 26 27 28 28 28 29 30 31 32
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite XI
XII
Inhaltsverzeichnis 2.2.3 Unternehmensbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.1 Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.2 Plausibilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32 33 34 36
3 Bewertung von Unternehmen im Großanlagenbau von Sigrid Krolle und Jan-Dirk Sommerkamp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Die wunderbare Welt des Großanlagenbaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Wesentliche Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.1 Geschäftsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.2 Leistungsbezogene Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.2.1 Marktrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.2.2 Operative Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.3 Finanzwirtschaftliche Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Analyse der Planungsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Bewertung künftig erwarteter Zahlungsströme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Kurzdarstellung üblicher Bewertungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Branchenspezifische Problemfelder in der Unternehmensbewertung . . . . . . . . . . 3.3.2.1 Zyklik (charakteristische Ergebnisschwankung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.2 Liquidität und Anzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.3 Mutter-Tochter-Konzernverbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Praxisbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37 37 37 38 38 42 42 44 45 47 49 49 50 51 52 54 55 61 61
4 Bewertung kleiner und mittlerer Brauereien von Helmuth Adam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Branchenüberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Der Weltbiermarkt wächst kontinuierlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Die größten Brauereigruppen der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3 Der deutsche Biermarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3.1 Der Bierabsatz sinkt seit über 30 Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3.2 Die deutsche Brauwirtschaft 2008 – Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3.3 Bierausstoß und Brauereien nach Bundesländern 2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3.4 Anzahl und Ausstoß Brauereien nach Größenklassen 2007 . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3.5 Die größten Brauereigruppen Deutschlands 2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3.6 Wie groß sind kleine und mittlere Brauereien? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Bewertung kleiner und mittlerer Brauereien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Bewertungsanlässe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Besonderheiten bei der Brauereibewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Bewertungsverfahren – auch hier bestimmt der Zweck die Methode . . . . . . . . . . . 4.2.3.1 Substanzwertorientierte Verfahren – für das Gewesene gibt der Kaufmann nichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3.2 Liquidationswert – manche Brauerei ist tot mehr wert als lebendig . . . . . . . . . 4.2.3.3 Ertragswertorientierte Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3.3.1 Ertragswertverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3.3.2 DCF-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3.4 Exkurs: Der Kapitalisierungszinssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3.5 Mischverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3.5.1 Mittelwertmethode – der Substanzwert nimmt den Ertragswert an die . . . Kandare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3.5.2 Das Weihenstephaner Konzept – Wert der Kunden steht im Vordergrund
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63 64 64 64 66 66 66 67 67 68 68 70 70 71 71 72 72 73 73 73 74 75 75 75
Inhaltsverzeichnis 4.2.3.6 Vergleichs- oder Multiplikatorenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3.6.1 Branchenrichtpreis – wie viel zahlt man für eine Brauerei? . . . . . . . . . . . . 4.2.3.6.2 EV/EBITDA-Multiplikator – Interbrew zahlt 20faches EBITDA für Becks 4.3 Fallbeispiel: Bewertung einer mittelständischen Brauerei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Allgemeine Informationen und Basisdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Vergangenheitsanalyse – Istzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3 Prognoserechnung – Planzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.4 Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.5 Berechnung des Ertragswerts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.6 Ermittlung des Verkehrswerts des nicht betriebsnotwendigen Vermögens . . . . . . 4.3.7 Ermittlung des Wertes der Brauerei und des 20 %-Anteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.8 Bewertung im Falle einer Liquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Bewertung von Medienunternehmen Von Karl Ulrich und Petra Glinski . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Bewegung in der Medienlandschaft – Stagflation bei den Bewertungsmethoden!? . . . 5.2 Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Medienbranche . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Eine kleine Systematik traditioneller und spezieller Bewertungsansätze . . . . . . . . 5.2.2 Besonderheiten bei der Bewertung von Medienunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3 Zur Bewertung von Intellectual Property . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Beispiel: Die Bewertung einer marktführenden Formatbibliothek . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1 Die Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2 Die Herausforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.3 Die pragmatische Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Beispiel: Die Bewertung crossmedial entwickelter Formate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.1 Die Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.2 Verwertungsmöglichkeiten, Formate und Geschäftsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.3 Crossmediale Synergien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.4 Fallbeispiel: Crossmediales TV-Format „Und morgen sind sie wieder unsere Nachbarn“ – Innenansichten aus der JVA Oldenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.5 Themenentwicklung und -verwertung verlangt Bewertungsmaßstäbe . . . . . . . . . 5.5 Kritische Entscheidungen in der Entwicklung und Einführung neuer Formate wirkungsvoll unterstützen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Bewertung immaterieller Vermögenswerte in der Medienbranche Von Vera-Carina Elter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Medienbranche allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.2 Abgrenzung der Medienunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Medienbranche im Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.1 Aktuelle Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.2 Strategien von Medienunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.3 Die Europäische Informationsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Finanzierung in der Medienbranche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Preistrends und Multiplikatoren in der Medienbranche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5 Immaterielle Vermögenswerte in der Medienbranche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.1 Beschreibung ausgewählter immaterieller Vermögenswerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.1.1 Verlags-, Titel- und Belieferungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.1.2 Programmvermögen im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.2 Erworbene Immaterielle Vermögenswerte im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis 6.6 Immaterielle Vermögenswerte als Werttreiber bei Transaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6.1 Die Abbildung von immateriellen Vermögenswerten im Allgemeinen . . . . . . . . . 6.6.2 Die Abbildung von immateriellen Vermögenswerten in der Medienbranche . . . . . 6.7 Ausgewählte Planungs- und Bewertungsthemenstellungen in der Medienbranche . . . 6.7.1 Planungsthemenstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.7.2 Ansatz von immateriellen Vermögenswerten im Rahmen von Unternehmenszusammenschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.7.3 Impairment Test nach IAS 36 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.8 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Bewertung von Versicherungsunternehmen von Alfred Graßl und Martin Beck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Bewertungsrelevante Grundlagen der Versicherungswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.1 Differenzierung von Versicherungsunternehmen nach Sparten . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2 Differenzierung von Versicherungsunternehmen nach Rechtsformen . . . . . . . . . . 7.2.3 Methoden zur Bewertung von Versicherungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Erläuterung bewertungsrelevanter versicherungstechnischer Besonderheiten im Jahresabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1 Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1.1 Aktiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1.1.1 Kapitalanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1.1.2 Forderungen aus dem selbstabgeschlossenen Versicherungsgeschäft (Forderungen s.a.G.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1.1.3 Sonstige Aktiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1.2 Passiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1.2.1 Versicherungstechnische Rückstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1.2.2 Beitragsüberträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1.2.3 Schadenrückstellung (Rückstellung für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1.2.4 Schwankungsrückstellung und ähnliche Rückstellungen . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1.2.5 Sonstige versicherungstechnische Rückstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1.2.6 Andere Rückstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1.2.7 Verbindlichkeiten aus dem selbst abgeschlossenen Versicherungsgeschäft (Verbindlichkeiten s.a.G.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1.2.8 Sonstige Passiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2 Aufbau der Gewinn- und Verlustrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2.1 Verdiente Beiträge brutto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2.2 Aufwendungen für Versicherungsfälle brutto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2.3 Aufwendungen für den Versicherungsbetrieb brutto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2.4 Übriges versicherungstechnisches Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2.5 Rückversicherungsergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2.6 Kapitalanlageergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2.7 Übriges Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.3 Solvabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Ermittlung des Unternehmenswerts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.1 Kapitalisierungszinssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.1.1 Risikozuschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.1.2 Wachstumsabschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.2 Vergangenheitsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.2.1 Kostensatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.2.2 Geschäftsjahresschadenquote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.2.3 Combined Ratio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
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7.4.2.4 Abwicklungsquote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.2.5 Nicht versicherungstechnisches Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.3 Prognoserechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.3.1 Beiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.3.2 Kostenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.3.3 Aufwendungen für Versicherungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.3.4 Aufwendungen für den Versicherungsbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.3.5 Rückversicherungsergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.3.6 Kapitalanlageergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.3.7 Übriges Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.4 Gutachterliche Bewertungskorrekturen in der Prognoserechnung . . . . . . . . . . . . 7.4.5 Branchenspezifische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.5.1 Nicht betriebsnotwendiges Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.5.2 Behandlung stiller Reserven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.6 Modularer Aufbau der Ertragswertermittlung eines Schaden-/UnfallVersicherungsunternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5 Schlussbemerkung und Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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8 Bewertung von Leasingunternehmen von Konrad Fritz Göller und Erik Schlumberger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1 Der Leasing-Begriff und der deutsche Leasing-Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Wettbewerbsvorteile des Leasings gegenüber anderen Finanzierungsformen . . . . . . . . 8.3 Werttreiber im Leasinggeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4 Ermittlung von Plandaten bei Leasingunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.1 Planung bilanzieller Größen versus direkte Planung von Ein- und Auszahlungen . 8.4.2 Detailplanungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.3 Grobplanungsphase und nachhaltiges Jahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5 Bewertungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.1 Grundgedanke der Substanzwertrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.2 Inhalt der Substanzwertrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6 Bewertungsbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6.1 Beschreibung des Bewertungsobjektes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6.2 Planungsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6.2.1 Alt-Vertragsbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6.2.2 Neuvertragsvolumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6.3 Bewertung nach der DCF-Equity-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6.4 Bewertung nach der Substanzwertmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6.5 Resumée . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.7 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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9 Bewertung von Private Equity-Gesellschaften Von Werner Gleißner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1 Einleitung: Gesamt- und Einzelbewertungsmodelle für einen unvollkommenen Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Strategieabhängige Renditeprognose für Kapitalbeteiligungsgesellschaften . . . . . . . . 9.2.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.2 Bewertungsmodelle der Beteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.3 Rendite einer repräsentativen Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.4 Prognose der Portfoliorendite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.5 Gesamtkapitalrendite der Kapitalbeteiligungsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.6 Eigenkapitalrendite der Kapitalbeteiligungsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.7 Strategievarianten im Werttreibervergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis 9.3 Grundlagen der Unternehmensbewertung bei unvollkommenen Kapitalmärkten . . . 9.3.1 Bewertung bei vollkommenem Kapitalmarkt und das Capital-Asset-PricingModell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3.2 Kritik an der Theorie vollkommener Kapitalmärkte und am CAPM . . . . . . . . . . . 9.3.3 Bewertung bei unvollkommenen Märkten: Eigenkapitalbedarf als Risikomaß aus einer „Risikoanalyse“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3.4 Bewertung mit der Sicherheitsäquivalentmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.4 Bewertung der Kapitalbeteiligungsgesellschaft: Gesamtbewertungsverfahren . . . . . . . 9.5 Bewertung der Kapitalbeteiligungsgesellschaft: Einzelbewertungsverfahren . . . . . . . . 9.6 Fallbeispiel der Value and Cash AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.7 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.8 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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10 Bewertung von Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzleien Von Matthias Popp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Abgrenzung des Bewertungsgegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.1 Operationalisierung einer Kanzlei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.2 Lebenszyklen und Erscheinungsformen freiberuflicher Unternehmen . . . . . . . . . 10.2.3 Kanzleidimensionale Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3 Traditionelle Wertmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4 Konzepte einer kanzleidimensionalen Unternehmensbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.1 Übertragung einer Organisationseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.2 Teilhabe an einer (fortbestehenden) Kanzlei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5 Aspekte der anlassbezogenen Ertragsbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5.1 Bewertung der zukünftigen Ertragskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5.2 Bewertungsobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5.3 Verfügungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5.4 Unternehmerrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5.5 Bemessung des Ergebniszeitraums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5.6 Kapazitätsauslastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5.7 Verwässerungseffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5.8 Veräußerungsgewinnbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.6 Primat der Kaufpreisanpassung über die Wertermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.7 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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11 Die Bewertung von Software-Unternehmen Von Marcus O. Klosterberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1 Die Branche der Softwarehersteller aus Investorensicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1.1 Größe, Wachstum und Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1.2 Branchenbesonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1.3 Unternehmenscharakteristika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Unternehmensbewertung in der Softwarebranche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.1 Anlässe, Motivation und Ziele der Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.2 Verfahren zur Bewertung von Software-Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.2.1 Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.2.2 Substanz- und periodenerfolgsorientierte Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.2.3 Zahlungsstromorientierte Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.2.4 Vergleichsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.2.5 Realoptionsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis 12 Bewertung von Telekommunikationsunternehmen Von Sonia Rabussier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2 Der Markt für Telekommunikationsdienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2.1 Bedeutung der Telekommunikationsdienste in der Volkswirtschaft . . . . . . . . . . . 12.2.2 Liberalisierung der Telekombranche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2.3 Wettbewerbssituation in der Telekombranche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2.3.1 Wettbewerb im Festnetzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2.3.2 Wettbewerb im Breitband-Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2.3.3 Wettbewerb im Mobilfunkbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3 Bewertung in der Telekommunikationsbranche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.1 Bewertung der TK-Unternehmen: ein alltäglicher Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.2 Bewertung der TK-Unternehmen: Hauptverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.2.1 Discounted Free Cash Flow – Bewertung (Entity-Verfahren) . . . . . . . . . . . . . 12.3.2.2 Sum-of-the-Parts-Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.2.3 Relative Bewertung mittels der Multiplikatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Bewertung von Biotech-Unternehmen Von Kerstin M. Bode-Greuel und Joachim M. Greuel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2 Evaluation von frühen F&E-Projekten: Erfassung von Risiken und Wert von Flexibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2.1 Projekt-Zielprofile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2.2 Der Net Present Value (NPV)-Algorithmus als Instrument zur Evaluation von. . . Investitionen: Theoretischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2.3 Anwendung eines erweiterten NPV-Konzepts, das die Risiken und Entscheidungsoptionen pharmazeutischer F&E-Aktivitäten reflektiert . . . . . . . . . 13.2.4 Erarbeitung verlässlicher Annahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2.4.1 Umsatzprognosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2.4.2 Wahrscheinlichkeitsverteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2.4.3 Kostenschätzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2.5 Erweiterter NPV: Interpretation der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.3 Bewertung von Technologieplattformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.4 Evaluation von Lizenzverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.5 Optionspreismodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.6 Schlussfolgerungen und Aussichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.7 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Bewertung von Pharmaunternehmen Von Heike Merk und Wolfgang Merk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1 Überblick über den pharmazeutischen Sektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1.1 Der Weltpharmamarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1.2 Der deutsche Pharmamarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2 Besonderheiten bei der Bewertung von Pharmaunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.1 Die Einbindung von Pharmaunternehmen in den Gesundheitsmarkt . . . . . . . . . . 14.2.1.1 Allgemeine Besonderheiten des Gesundheitsmarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.1.2 Wichtige Steuerungsinstrumente in der Arzneimittelversorgung . . . . . . . . . . 14.2.1.3 Die demographische Entwicklung und der medizinische Fortschritt als originäre Nachfragedeterminanten der Arzneimittelnachfrage . . . . . . . . . . . . 14.2.2 Markttransparenz durch Verfügbarkeit von Marktzahlen über Markforschungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.3 Abhängigkeit von Pharmaunternehmen von bestehenden und zukünftigen Produkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XVII 275 275 275 275 277 278 279 281 283 285 285 286 286 289 290 293 293 294 295 295 297 299 299 300 300 301 302 304 304 305 306 309 310 310 312 315 315 315 316 317 319 319
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Inhaltsverzeichnis 14.2.4 Geschäfts-Segmentierung als Mittel für mehr Bewertungs-Transparenz . . . . . . . . 14.2.4.1 Regionale Aufteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.4.2 Aufteilung des Produkt-Portfolios . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.4.3 Lohnfertigungsanteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.4.4 Verteilung der Funktionskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.5 Besonderheiten bei der Bewertung von Originatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.5.1 Bewertung von F&E als Kernkompetenz von Originatoren . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.5.2 Produktlebenszyklus bei Originatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.5.3 Hohes Risiko der Produkthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.6 Besonderheiten bei der Bewertung von Generikaunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.6.1 Bewertung der Entwicklungsstrategie und -fähigkeit als Kernkompetenz von Generikaunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.6.2 Produktlebenszyklus eines generischen Produktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.6.3 Außendienst-Stärke und Key-Account Management als Werttreiber in der Generikaindustrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.6.4 Tiefe der vertikalen Integration eines Generikaunternehmens als Werttreiber 14.3 Unternehmensplanung in der Pharmabranche am Beispiel von Generikaunternehmen 14.3.1 Das Produktportfolio als Determinante der Umsatz- und Margen-Entwicklung in der Pharmaindustrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.3.1.1 Absatzmengen- und Verkaufspreisplanung von bestehenden Produkten . . . . . 14.3.1.2 Absatzmengen- und Verkaufspreisplanung von zukünftigen Produkten . . . . . 14.3.1.3 Planung der Gross Marge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.3.2 Planung der Funktionskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.3.3 Planung der Cash-Flow relevanten Bilanzpositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4 Bewertungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4.1 Umsatz- und Ebit-Multiples in der Pharmaindustrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4.2 DCF-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4.3 Value Added-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.5 Schlusswort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.6 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
328 328 328 329 329 330 330 330 331 332 333 333
15 Unternehmensbewertung von Krankenhäusern Von Georg A. Teichmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.1.1 Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.1.2 Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2 Rahmenbedingungen im Umbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2.1 Krankenhausmarkt im Umbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2.2 DRG-Einführung – Regulatorische Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2.3 Finanzierung – Rechnungslegung – Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.3 Wesentliche Erfolgsfaktoren im Krankenhaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4 Besondere Aspekte bei der Bewertung von Krankenhäusern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4.1 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4.2 Erlösplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4.2.1 Externe Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4.2.2 Interne Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4.3 Planung der Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4.3.1 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4.3.2 Personalaufwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4.3.3 Sachkostenaufwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4.3.4 Ableitung der Free Cashflows . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4.4 Diskontierungsfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4.5 Vergleichende Marktbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
335 335 335 336 337 337 338 340 342 343 343 343 343 344 344 344 344 346 346 347 348
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite XVIII
320 320 320 321 321 321 321 324 324 325 325 326 326 327 327
Inhaltsverzeichnis
XIX
15.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.6 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
349 349
16 Bewertung von Arztpraxen, Zahnpraxen und Medizinischen Versorgungszentren Von Wolfgang Merk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.1 Überblick über den ambulanten Versorgungssektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.1.1 Allgemeiner Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.1.2 Arztpraxen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.1.3 Zahnarztpraxen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.1.4 Medizinische Versorgungszentren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.2 Besonderheiten bei der Bewertung von Arzt- und Zahnarztpraxen . . . . . . . . . . . . . . . 16.2.1 Betriebswirtschaftliche Spezifika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.2.2 Starke Heterogenität der Bewertungsobjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.2.3 Hohe Relevanz des konkreten Bewertungsanlasses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3 Bewertungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3.1 Faustformeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3.2 Bundesärztekammermethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3.2.1 Richtlinie der Bundesärztekammer aus dem Jahre 1987 . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3.2.2 Empfehlungen der Bundesärztekammer aus dem Jahre 2008 . . . . . . . . . . . . . . 16.3.3 Die Indexierte Basis-Teilwert-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3.4 Die Ertragswertmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3.5 Die Discounted Cash-Flow-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.4 Der Markt für Arzt- und Zahnarztpraxen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.5 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
353 353 353 354 356 357 358 358 359 361 362 363 363 363 365 367 371 373 373 379
17 Bewertung von Fußballunternehmen Von Vera-Carina Elter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.1 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2 Die objektivierte Ermittlung von Marktwerten für Spielervermögen . . . . . . . . . . . . . 17.2.1 Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2.2 Das Recht auf Transferentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2.2.1 Das – abtretbare – geldwerte Recht am Spieler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2.2.2 Das föderative Recht am Spieler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2.2.3 Das Bosman-Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2.2.4 Das Webster-Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2.3 Die Bilanzierung des Spielervermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2.3.1 Die bilanzielle Bedeutung des Spielervermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2.3.2 Die Bilanzierung nach HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2.3.3 Die Bilanzierung nach International Financial Reporting Standards . . . . . . . . 17.2.3.4 Unterschiede zwischen Buch- und Marktwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2.3.5 Unterschiede zwischen Wert und Preis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2.4 Bewertungsanlässe beim Spielervermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2.5 Bewertungsmethoden für Spielervermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2.5.1 Der kapitalwertorientierte Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2.5.2 Der kostenorientierte Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2.5.3 Der marktpreisorientierte Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2.6 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.3 Markenbewertung bei Fußballunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.3.1 Bedeutung der Marke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.3.2 Ökonomische Messung der Marke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.3.3 Marke versus Trademark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.3.4 Bilanzierung von Marken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.3.5 Bewertungsanlässe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.3.6 Allgemein anerkannte Verfahren zur Markenbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
381 382 382 382 383 383 383 383 384 384 384 385 386 387 387 388 390 390 390 390 392 392 392 392 393 394 394 396
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite XIX
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Inhaltsverzeichnis 17.3.7 Abgrenzung zu Medienanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.3.8 Markenbewertung von FutureBrand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.4 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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18 Bewertung von Energieversorgungsunternehmen Von Sven Beyer und Günther Keller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.2 Bewertungsverfahren und Bewertungsanlässe in der Energieversorgerbranche . . . . . . 18.2.1 Bewertungsobjekte und -verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.2.2 Gesellschaftsrechtliche und vertragliche Bewertungsanlässe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.2.3 Rechnungslegungsbezogene Bewertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.3 Gesamtbewertung von Energieversorgungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.4 Bewertung von Netzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.4.1 Strom- und Gasnetze als Bewertungsobjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.4.2 Grundstruktur eines DCF-Kalküls für eine Netzbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.4.3 Ableitung der Cash Flows eines Netzbetreibers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.4.4 Bewertung auf Basis des Sachzeitwertverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.5 Bewertung von Kraftwerken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.5.1 Kraftwerke als Bewertungsobjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.5.2 Grundstruktur eines DCF-Kalküls für eine Kraftwerksbewertung . . . . . . . . . . . . 18.5.3 Ableitung der Cash Flows eines Kraftwerks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.6 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.7 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
401 401 406 406 411 412 414 419 419 421 424 429 431 431 434 435 442 443
19 Bewertung von Logistikdienstleistern Von Michael Salcher, Susanne Kuhn, Dominik Eckstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2 Abgrenzung von Logistikdienstleistungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2.1 Logistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2.2 Abgrenzungsmerkmale logistischer Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2.2.1 Leistungsspektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2.2.2 Wertschöpfungsintegration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2.2.3 Kapitalintensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2.3 Einteilung von Logistikdienstleister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2.3.1 Transportdienstleister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2.3.2 Speditionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2.3.3 Systemdienstleister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2.3.4 Netzwerkintegratoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.3 Marktumfeld und Trends der Logistikbranche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.3.1 Markt für Logistikdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.3.2 Trends in der Logistikbranche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.4 Bewertung von Logistikdienstleister auf Basis von ertragswertorientierten Verfahren 19.4.1 Grundgedanke der überschussorientierten Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.4.2 Arten überschussorientierter Bewertungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.4.3 Branchenbedingte Charakteristika der abgeleiteten Zahlungsüberschüsse . . . . . . . 19.4.3.1 Operationalisierung von wertbestimmenden Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.4.3.2 Abbildung finanzwirtschaftlicher Werttreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.4.4 Branchenbedingte Kapitalkostenermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.4.5 Bewertung und bilanzielle Abbildung von Unternehmenskäufen in der Praxis . . 19.4.5.1 Unternehmensbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.4.5.2 Bilanzielle Abbildung von Unternehmenskäufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.5 Bewertung von Logistikdienstleister auf Basis von marktorientierten Verfahren . . . . . 19.5.1 Charakteristika der marktorientierten Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
447 448 448 448 449 449 450 451 452 452 452 453 454 455 455 455 457 458 458 458 459 459 461 466 469 469 469 472 472
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Inhaltsverzeichnis
XXI
19.5.2 Durchführung der Bewertung mittels Multiplikatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.5.3 Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.7 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
472 474 474 475
20 Bewertung von Infrastrukturprojekten am Beispiel des Eurotunnels von Andreas Schüler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.1 Projektfinanzierung: Definition und empirische Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.2 Zur Finanz- und Risikoanalyse von Infrastrukturprojekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.3 Hintergrund der Projektfinanzierung Eurotunnel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.4 Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.4.1 Kapitalbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.4.2 Fremdkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.4.3 Eigenkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.5 Finanzplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.5.1 Umsatzplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.5.2 Weitere Planungsannahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.5.3 Vorteilhaftigkeitsprüfung und Sensitivitätsanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.6 Bewertung der Eigenkapitalanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.7 Zur Analyse der Gläubigeransprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.8 Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.9 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
479 479 480 486 487 487 488 489 490 490 492 493 494 498 500 501
21 Bewertung von Immobilien von Karl-Werner Schulte und Gerrit Leopoldsberger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.1 Charakterisierung der Immobilienbranche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.1.1 Marktvolumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.1.2 Markteigenschaften und Trends . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.1.3 Marktteilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.2 Grundlagen der Immobilienbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.2.1 Bewertungszweck und Wertbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.2.2 Bewertungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.2.3 Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.3 Marktdaten als Bewertungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.4 Bewertungsbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.5 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
503 503 503 504 505 506 506 507 516 519 520 521
22 Bewertung von Immobilienunternehmen Von Wolfgang Schäfers und Frank J. Matzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.2 Besonderheiten der Immobilienwirtschaft als Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . 22.2.1 Definition des Geschäftsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.2.2 Immobilienmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.2.3 Leistungswirtschaftliche Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.2.4 Finanzwirtschaftliche Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.3 Vergleichsbewertungsverfahren zur Bewertung von Immobilienunternehmen . . . . . . 22.3.1 Überblick über die Vergleichsbewertungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.3.2 Darstellung gängiger Vergleichsbewertungsverfahren zur Bewertung von Immobilienunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.3.2.1 Vergleichsbewertung nach den Empfehlungen der NAREIT . . . . . . . . . . . . . 22.3.2.2 Vergleichsbewertung nach immobilienorientierten Erfolgskennzahlen . . . . . . 22.3.3 Kritische Würdigung der Vergleichsbewertungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.3.3.1 Einsatz bei beschränkter Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis 22.3.3.2 Eingeschränkte Vergleichbarkeit der Vergleichsunternehmen . . . . . . . . . . . . . 22.3.3.3 Zuordnung operativer und finanzieller Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.3.3.4 Vernachlässigung von Abschreibungen bei EBITDA, FFO und AFFO . . . . . . 22.3.3.5 Komplexitätsreduktion durch Multiplikatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26.3.3.6 Ermittlung des Enterprise Values der Vergleichsunternehmen . . . . . . . . . . . . . 22.3.3.7 Berücksichtigung von Veräußerungsgewinnen/-verlusten . . . . . . . . . . . . . . . . 22.4 Net Asset Value-Verfahren zur Bewertung von Immobilienunternehmen . . . . . . . . . . 22.4.1 Überblick über das Net Asset Value-Verfahren zur Bewertung von Immobilienunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.4.2 Überblick über das Net Asset Value-Verfahren nach EPRA . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.4.2.1 Adjusted EPRA NAV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.4.2.2 Triple Net Asset Value nach EPRA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.4.3 Kritische Würdigung des Net Asset Value-Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.4.3.1 Mangelnde Berücksichtigung der Ausschüttbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.4.3.2 Unvereinbarkeit der Wertkonzeptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.4.3.3 Mangelndes Publizitätsverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.4.3.4 Marktwertermittlung sonstiger Vermögensgegenstände und Schulden . . . . . . 22.4.3.5 Konzeptionelle Schwächen des EPRA NNNAV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.4.3.6 Fehlende Eindeutigkeit der Bewertung mittels des Net Asset Values . . . . . . . . 22.5 Discounted Cashflow-Verfahren zur Bewertung von Immobilienunternehmen . . . . . 22.5.1 Überblick über die Discounted Cashflow-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.5.2 Ausgewählte Aspekte der Anwendung der DCF-Verfahren zur Bewertung von Immobilienunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.5.2.1 Einschätzungen des regionalen Immobilienmarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.5.2.2 Planung der Bestandsmiete und der Erlösschmälerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.5.2.2.1 Abgrenzungen von Mieterträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.5.2.2.2 Wohnimmobilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.5.2.2.3 Gewerbeimmobilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.5.2.3 Planung der Betriebskosten und Umlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.5.2.3.1 Wohnimmobilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.5.2.3.2 Gewerbeimmobilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.5.2.4 Planung der Instandhaltungs- und Modernisierungskosten . . . . . . . . . . . . . . . 22.5.2.5 Planung der Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.5.2.5.1 Wohnimmobilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.5.2.5.2 Gewerbeimmobilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.5.2.6 Planung der Ertragsteuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.5.2.6.1 Erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.5.2.6.2 Verlustvorträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.5.2.6.3 Zinsschranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.5.2.7 Entwicklung eines integrierten Planungsmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.5.2.8 Ermittlung der Kapitalkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.5.2.8.1 Ermittlung der Eigenkapitalkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.5.2.8.2 Ermittlung der Fremdkapitalkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.5.3 Kritische Würdigung des Discounted Cashflow-Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.5.3.1 Unternehmensplanung als Voraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.5.3.2 Hohe Informationsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.5.3.3 Ermittlung des Diskontierungszinsfusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.5.3.4 Mangelnde Berücksichtigung stiller Reserven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.6 Fallstudie zur Bewertung eines Immobilienunternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.6.1 Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.6.2 Ermittlung des Wertes bei vollständiger Eigenkapitalfinanzierung . . . . . . . . . . . . 22.6.3 Ermittlung des Wertes der finanzierungsbedingten Steuervorteile . . . . . . . . . . . . 22.6.4 Ermittlung des Wertes der Fremdfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis 22.6.5 Ermittlung des Wertes des Eigenkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.7 Bedeutung der unterschiedlichen Bewertungsverfahren in der Praxis . . . . . . . . . . . . . 22.8 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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23 Besonderheiten der Bewertung von Hotelimmobilien von Matthias Schröder und Ulrike Schüler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.1 Branchenüberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.1.1 Internationaler Tourismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.1.2 Marktüberblick Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.1.3 Preis und Belegung – europäische Großstädte im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.1.4 Betriebsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.1.5 Markttendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.2 Bewertung von Hotels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.2.1 Besonderheiten der Bewertung von Hotels im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.2.2 Zunehmende Bedeutung internationaler Bewertungsstandards und Bewertungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.2.3 Zusammensetzung der relevanten Cash-flows . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.2.4 Ableitung des Kapitalisierungszinsfußes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.2.5 Berücksichtigung der Instandsetzungs- und Renovierungsrückstände . . . . . . . . . 23.2.6 Berücksichtigung des Reinvestitionszykluses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.2.7 Beispiel aus der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.2.8 Verkürzte Bewertungsmethoden der Branchenpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.3 Exkurs: Die Bewertung von Hotelgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.4 Schlusswort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.5 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
579 580 584 585 585 585 593 594 595 595
24 Bewertung von Beteiligungen an Containerschiffen Von Michael Ketterl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.2 Besonderheiten von Beteiligungen an Containerschiffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.2.1 Aufbau eines Schiffsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.2.2 Gesellschaftsrechtliche Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.2.3 Steuerliche Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.2.4 Der Markt für Containerschifffahrt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.2.5 Der Markt für Beteiligungen an Containerschiffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.3 Einflussfaktoren auf den Wert eines Containerschiffes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.3.1 Charterraten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.3.2 Kosten der Einschiffsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.3.3 Schiffsbetriebskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.3.4 Kapitaldienst und Fremdfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.3.5 Restverkaufserlös . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.3.6 Diskontierungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.4 Probleme der Bewertung von Beteiligungen an Containerschiffen . . . . . . . . . . . . . . . 24.4.1 Anzuwendender Bewertungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.4.1.1 Zugrunde liegende Annahmen der Modellwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.4.1.2 Mögliche theoretische Konzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.4.1.3 APV als Fundament der Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.4.2 Charakter der Steuerzahlungen und Berücksichtigung der Einkommenssteuer . . 24.4.2.1 Steuervorteil aus der Fremdfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.4.2.2 Berücksichtigung der Einkommenssteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.4.3 Ermittlung der richtigen entziehbaren Überschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.4.4 Risikoäquivalente Diskontierungssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.4.4.1 Problem und Einordnung in den Bewertungskontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
597 598 598 599 599 600 601 603 604 604 604 604 604 604 605 605 605 605 606 608 609 609 610 611 611 612
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571 571 571 573 575 576 577 577 577
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Inhaltsverzeichnis 24.4.4.2 Grundzüge der Portfoliotheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.4.4.3 Darstellung des Kapitalmarktmodells CAPM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.4.4.4 Bewertung von Investitionsprojekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.4.4.5 Bestimmung von Risikoprämien für Charterraten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.4.5 Zur Diskontierung der Charterraten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.4.6 Risikoprämien für Schiffsbetriebskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.4.7 Ermittlung des Restverkaufserlöses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.4.7.1 Die Problematik des Restverkaufserlöses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.4.7.2 Empirische Restverkaufserlöse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.4.7.3 Optimale Nutzungsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.5 Beispielbewertungen der „NV Portugal Senator“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.5.1 Aufbau der Bewertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.5.2 Bewertung der „NV Portugal Senator“ – Variante I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.5.3 Bewertung der „NV Portugal Senator“ – Variante II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.6 Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang 1: Entziehbare Überschüsse der „NV Portugal Senator“ Variante I . . . . . . . . . . . . . Anhang 2: Entziehbare Überschüsse der „NV Portugal Senator“ Variante II . . . . . . . . . . . . 24.7 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Die Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Die Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Prolog Markus Habbel, Jan Krause und Michael Ollmann beleuchten die Bedeutung der Branchenanalyse für eine schlüssige Unternehmensbewertung. Ihr Beitrag stellt die konzeptionelle Grundlage für alle folgenden Beiträge dar. Die Autoren machen deutlich, dass Voraussetzung jeder Unternehmensbewertung nach einer Präzisierung des Bewertungsanlasses eine vorherige Branchenanalyse und die Ermittlung der branchen- und unternehmensspezifischen Werttreiber ist. Die Relevanz der Analyse des Marktumfelds und der Gegebenheiten einer Branche für die Begründung eines Unternehmenswertes wird detailliert aufgezeigt; Hinweise auf geeignete Instrumente werden gegeben. Die Analyse führt zur Entdeckung branchenspezifischer Werttreiber und ggf. der Auswahl von geeigneten Vergleichsunternehmen für die Bewertung. Die Autoren empfehlen, eine Unternehmensbewertung immer mit einer branchenübergreifenden Analyse zu verbinden, um die Einflüsse von Innovation, Regulierung, demographischer Entwicklung, Branchenverhalten abschätzen zu können. Matthias Pohl und Bjoern Thielen legen in ihrem Beitrag „Bewertung von Zulieferunternehmen“ Fokus auf Besonderheiten und Lieferbeziehungen in der Automobilzulieferindustrie. Die Besonderheit der Bewertung von Automobilzulieferern war jedenfalls bislang weniger in der Anwendung spezieller Bewertungsverfahren als in der hohen Planungssicherheit zu sehen. Dies kann insbesondere durch unternehmensbezogene Analysen erreicht werden. Die Autoren zeigen auf, dass die jeweiligen Auftrags- und Projektbücher des zu bewertenden Unternehmens eine entscheidende Rolle in der Unternehmensanalyse spielen, da daraus Umsatzchancen sowie zukünftige Cashflows abgeleitet werden können. Relativ stabile Absatzmärkte und die langfristigen Lieferbeziehungen zwischen den Fahrzeugherstellern und Zulieferunternehmen ermöglichen eine genaue Plausibilisierung der Planungen. Somit erreichen die Inputdaten für die anschließende Unternehmensbewertung ein hohes Qualitätsniveau. Als Bewertungsverfahren finden in der Automobilzulieferindustrie die gängigen Methoden (DCFund Multiplikatorenverfahren) Anwendung. Spezifische Verfahren existieren nicht. Die Auswahl der jeweiligen Verfahren hängt vom Bewertungszweck und den zur Verfügung stehenden Informationen ab. Die Autoren entwickeln ein Beispiel für den Equity-Ansatz der DCF-Methode und das Multiplikatorenverfahren zur Bewertung eines Automobilzulieferunternehmens. Sigrid Krolle und Jan-Dirk Sommerkamp greifen die Frage nach der Bewertung von Unternehmen im Großanlagenbau auf. Die Verfasser beginnen mit einer sehr informativen Führung durch „die wunderbare Welt des Großanlagenbaus“. Diese Welt kann gekennzeichnet werden durch die Ingenieurleistungen im Bau von Kraftwerken, Hütten- und Walzwerken, Chemieanlagen, Anlagen zur Gasverflüssigung, der Papier- und Textilindustrie, der Bauindustrie u.ä. Unter ökonomischem Aspekt tragen die Wertschöpfungstiefe, die Vielfalt der Vertragsformen und Risikoteilungen, die Wucht der Marktrisiken und die mit der Langfristigkeit der Projekterstellung verknüpften Finanzierungsarchitekturen, Bürgschaften und Garantien zur wundersamen und hochkomplexen Welt des Anlagenbaus bei. Die Autoren erläutern dann, warum Eigenschaften des Geschäfts die Analyse von Planungsrechnungen erschweren. Die prinzipielle Bewertungsproblematik wird nur gestreift, da sie als bekannt unterstellt wird. Krolle und Sommerkamp argumentieren, dass der Bewertungsanlass in dieser Branche häufig zum Einsatz des Multiplikatoransatzes führen wird, weshalb eine Konzentration auf diesen Ansatz erfolgt. Als für den Großanlagenbau spezifische Problemfelder werden die Zyklizität der Überschüsse, die hohen Liquiditätsbestände und die häufige Einbettung der Großanlagenbau-Tochter in einen Konzern ausgewählt. Ein Beispiel aus der Praxis, das den Multiplikatoransatz nutzt und die oben angedeuteten Bewertungsbesonderheiten verdeutlichen soll, sorgt für Anschaulichkeit. Helmuth Adam beschäftigt sich mit einer Branche, die in den vergangenen Jahren durch starke Konsolidierungstendenzen gekennzeichnet war. Kleine und mittlerer Brauereien werden zumeist als traditionelle Familienbetriebe geführt. Auf Grund der sehr verschiedenartigen Zusammensetzung
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Prolog von operativen und nicht betriebsnotwendigen Vermögen erfordert die Bewertung von Brauereinen fundierte Branchen- und Marktkenntnisse und darüber hinaus vom Gutachter möglichst eine brautechnische Ausbildung. Kleine und mittlere Brauereien besitzen neben dem operativen Getränkegeschäft i.d.R. einen umfangreichen Grundbesitz, bestehend aus Gaststätten, Mietobjekten und nicht selten land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken. Eine Besonderheit im Braugewerbe und speziell bei mittelständischen Betrieben ist die hohe Bedeutung der Übernahme der Kundschaft und damit die Bewertung des Kundenstamms. Anlagevermögen und Umlaufvermögen stellen dann nur ergänzende Wertpositionen dar. Karl Ulrich analysiert in seinem Beitrag die Bewertung von Medienunternehmen, eine Branche, die sowohl das traditionelle Verlagswesen als auch moderne Medien (TV, Kino, Musikverlage und Internet-Provider) umfasst. Die Bewertung von Medienunternehmen in der Praxis erweist sich als sehr problematisch. Die Hauptursache dafür liegt darin, dass immaterielle Vermögensgegenstände einen wesentlichen Anteil an den Vermögensgegenständen von Medienunternehmen ausmachen. Diese immateriellen Vermögensgegenstände werden jedoch im Rahmen gängiger Bewertungsansätze nur unzureichend erfasst. Hinzu kommt, dass in der Medienbewertung bis dato noch keine allgemein anerkannten Standards zur Messung oder Einschätzung dieser Vermögensgegenstände und Werte existieren. Lösungsansätze bieten die Royalty-Savings-Methode und die Excess-Operating-ProfitsMethode. Bei der Royalty-Savings-Methode wird der Wert bestehender Nutzungsrechte bestimmt, indem die durch den Besitz der Rechte möglichen Einsparungen (zum Beispiel an Lizenzkosten) ermittelt werden. Darüber hinaus kann auch die Excess-Operating-Profits-Methode angewendet werden, um den Wert einer bestimmten Stufe der Wertschöpfungskette zu bestimmen. Bei dieser Methode werden zwei Unternehmen der gleichen Branche verglichen. Unterschiede in der Profitabilität der betrachteten Unternehmen können dann auf die unterschiedliche Gestaltung der verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette zurückgeführt werden. Der Autor liefert interessante Einblicke in die Besonderheiten der Bewertung von Medienunternehmen, insbesondere in die Bewertung von Intellectual Property. Danach zeigt er beispielhaft auf, wie die Bewertung einer marktführenden Formatbibliothek erfolgt. Vera-Carina Elter geht in ihrem Beitrag auf die Besonderheiten bei der Bewertung von immateriellen Vermögenswerten in der Medienbranche ein. Die Autorin beginnt ihren Beitrag mit aktuellen Veränderungen in der Medienbranche, welche sich auch in Preistrends und sich verändernden Multiplikatoren niederschlagen. Als immaterielle Vermögenswerte identifiziert sie Verlags-, Titel- und Belieferungsrechte, Programmvermögen im Allgemeinen sowie erworbene immaterielle Vermögenswerte im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses. Es wird deutlich, dass die immateriellen Vermögenswerte die zentralen Werttreiber bei Transaktionen darstellen. Vera-Carina Elter erklärt, welche Fragestellungen bei der Planung und Bewertung von Medienunternehmen auftreten und welche Lösungsmöglichkeiten sich anbieten. Der Beitrag von Alfred Graßl und Martin Beck beschäftigt sich mit der Bewertung von Versicherungsunternehmen. Versicherungsunternehmen unterscheiden sich von klassischen Industrieunternehmen in ihrer Leistungserstellung und den zulässigen Rechtsformen. In Abhängigkeit vom Bewertungsanlass und der zu bewertenden Versicherungssparte werden unterschiedliche Bewertungsmethoden verwendet, zu denen der Embedded Value, der Appraisal Value, Liquidationsverfahren, Multiplikatorverfahren und das Ertragswertverfahren zählen. Die Discounted-Cashflow-Methode ist bei der Bewertung von Versicherungsunternehmen in der Praxis nicht relevant, da für die Versicherungstechnik keine detaillierten Cashflow-Größen geplant werden. Alfred Graßl und Martin Beck zeigen in ihrem Beitrag die Besonderheiten der Versicherungswirtschaft anhand unterschiedlicher Versicherungssparten und Rechtsformen auf. Auf Grund der Vielzahl unterschiedlicher Versicherungssparten konzentrieren sich die Autoren auf Schaden-/Unfall-Versicherungsunternehmen. Anhand dieser Versicherungssparte wird dargelegt, welche bewertungsrelevanten versicherungstechnischen Besonderheiten im Jahresabschluss auftreten. Die Bewertung von Versicherungsunternehmen erfolgt anhand der Ertragswertmethode. Dabei wird auf branchenspezifische Aspekte detailliert eingegangen. Konrad Fritz Göller und Erik Schlumberger zeigen auf, wie Leasingunternehmen in der Praxis zu bewerten sind. Sie beginnen ihren Beitrag mit einer Abgrenzung von Leasingarten (Operate-Leasing
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Prolog versus Finanzierungs-Leasing), der Charakterisierung des deutschen Leasingmarktes und den Vorteilen des Leasings gegenüber anderen Finanzierungsformen. Die Werttreiber im Leasinggeschäft vermitteln vertiefte Einblicke in diese Branche und bilden die Grundlage für die Planung eines Leasingunternehmens. Die Autoren erläutern die Bilanz- und GuV-Positionen eines Leasingunternehmens und die Vorgehensweise der Detail- und Grobplanung. Ähnlich der Bewertung von Banken und Versicherungsunternehmen wird auch bei der Bewertung von Leasingunternehmen auf den Equity-Ansatz der DCF-Methode zurück gegriffen. Zusätzlich findet wird aber auch die Substanzwertmethode im Sinne einer Liquidationswertermittlung Anwendung. Sie ist trotz der berechtigten Vorbehalte gegenüber dieser Methode ein häufig in der Praxis anzutreffendes, branchentypisches Bewertungsverfahren für Leasinggesellschaften. Die Anwendung beider Bewertungsverfahren wird von den Autoren anhand eines Fall-Beispiels ausführlich demonstriert. Abschließend werden die Ergebnisse gegenüber gestellt und Schlussfolgerungen gezogen. Mit seinem Beitrag der Bewertung von Private Equity-Gesellschaften beleuchtet Werner Gleißner Unternehmen, die Eigenkapitalbeteiligungen an anderen Unternehmen halten. Das vom Autor vorgestellte Bewertungsmodell erlaubt die Prognose der zukünftig erwarteten Rendite einer Kapitalbeteiligungsgesellschaft in Abhängigkeit nachvollziehbarer (und damit diskutierbarer) Werttreiber. Die Abbildung des Geschäftsmodells auf das Unternehmensbewertungsverfahren ermöglicht auch den Vergleich und die Optimierung alternativer strategischer Positionierungen von Kapitalbeteiligungsgesellschaften. Die aus den prognostizierten Renditen abgeleitete Unternehmensbewertung wird mit Hilfe der Sicherheitsäquivalenzmethode vorgenommen. Eine weitere Besonderheit des vorgestellten Ansatzes ist die explizite Berücksichtigung einzelner Risiken als mögliche Abweichungen der tatsächlichen Ausprägung der Werttreiber von den Planwerten. Diese werden durch Verteilungsfunktionen erfasst. Die Aggregation der Risiken zur Bestimmung des Gesamtrisikoumfangs und des Eigenkapitalbedarfs als Risikomaß wird mit Hilfe eines Monte Carlo-Simulationsmodells durchgeführt. Alternativ zur traditionellen Bewertung unter der Annahme vollkommener Kapitalmärkte wird dabei erläutert, wie die Bewertung mit einem risikodeckungsorientierten Konzept, d.h. unter Bezugnahme auf den Eigenkapitalbedarf als Risikomaß, durchgeführt werden kann. Der hier verwendete Risikodeckungsansatz der Unternehmensbewertung trägt Marktunvollkommenheiten (z.B. schlecht diversifizierten Portfolios, Kosten der Insolvenz und einem Informationsvorteil der Unternehmensführung gegenüber dem Kapitalmarkt) Rechnung. Matthias Popp untersucht in seinem Beitrag die Bewertung von Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzleien – zwei Berufsgruppen, die selbst wichtige Beiträge für die Unternehmensbewertung in Deutschland geleistet haben und leisten. Der Berufsstand der Wirtschaftsprüfer empfiehlt, den Wert eines Unternehmens durch den Barwert der mit dem Eigentum an dem Unternehmen verbundenen Nettozuflüsse an die Unternehmenseigner zu bestimmen. Interessanterweise richtet sich jedoch die gegenwärtige Praxis der Bewertung von Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzleien nicht nach diesem Grundsatz. Hier werden z.B. Umsatzverfahren angewandt, die den Kaufpreis als einen bestimmten Prozentsatz des Jahresumsatzes festlegen. Die Bundessteuerberaterkammer empfiehlt ihren Mitgliedern die Anwendung eines modifizierten Umsatzverfahrens zur Ermittlung des Praxiswerts. Nach deren Auffassung setzt sich der Wert einer Steuerberaterkanzlei aus dem Substanz- und Praxiswert zusammen. Zur Bewertung von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften hat das IDW anhand praktischer Erfahrungen einige Eckpunkte zusammengestellt. Im Mittelpunkt steht die Aussage, dass maßgebend für den Wert einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft der übertragbare Mandantenstamm sei. Auf Grundlage des nachhaltigen Jahresumsatzes erfolgt eine Festlegung des Veräußerungswertes in einer Bandbreite des nachhaltigen Jahresumsatzes. Die Praxiseinrichtung ist, falls sie übernommen werden soll, gesondert neben dem Praxiswert zu berücksichtigen. Der Autor zeigt in seinem Beitrag neben traditionellen Bewertungsmethoden Konzepte einer „kanzleidimensionalen“ Unternehmensbewertung, die den ertragswertbasierten Bewertungsansatz umfasst. Ferner geht er auf die Themen der Veräußerungsgewinnbesteuerung und das Primat der Kaufpreisanpassung über die Wertermittlung ein. Zunächst gibt Marcus O. Klosterberg einen Einblick in Größe, Struktur und Wachstum der Branche der Software-Produzenten und verweist auf Besonderheiten der Branche, die eine Bewertung zu einem
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Prolog anspruchsvollen Geschäft machen: kurze Produktlebenszyklen, hohe Innovationsrate, hohe Anfangsinvestitionen, ganz begrenzte Patentfähigkeit (jedenfalls ins Europa), Softwarepiraterie, elegante und schnelle Vertriebswege. Das Problem der Bewertung besteht somit in der kompetenten Einschätzung von Produkten, Märkten und Strategien. Der Verfasser nimmt die Sicht eines Finanzinvestors ein und prüft bekannte methodische Ansätze auf ihre Eignung bzw. Nicht-Eignung für Wertermittlungen in der Softwarebranche. Interessant sind die Begründungen für seine interessante These, dass der zweckkonforme Einsatz eines Bewertungsverfahrens für Unternehmen der Softwarebranche von der Position im Lebenszyklus abhängt, in dem sich das Unternehmen befindet. Sonia Rabussier analysiert die Telekommunikationsbranche und geht auf die Bewertung von Telekommunikationsunternehmen ein. Die Telekommunikationsbranche ist einem großen Umbruchsprozess unterworfen, der durch Privatisierung, Deregulierung und zahlreiche große Unternehmenstransaktionen gekennzeichnet ist. Unter den Telekommunikationsdiensten werden sowohl die Sprach- und Mobiltelefonie als auch die Datenübertragung verstanden. Die Netzinfrastruktur und die Herstellung der Endgeräte werden unter dem allgemeineren Begriff der Telekommunikation, nicht aber unter dem der Telekomunikationsdienste, eingegliedert. Sonia Rabussier beschreibt in interessanter und detaillierter Weise die unterschiedlichen Geschäftsfelder der Telekommunikationsdienste, wobei sie auch auf technologische Entwicklungen und internationale Vergleiche eingeht. Die Bewertung von Telekommunikationsunternehmen stellt aus ihrer Sicht einen „alltäglichen Prozess“ dar, bei dem die Discounted-Cashflow-Verfahren, das Verfahren Sum-of-the-Parts sowie Multiplikator-Verfahren Einsatz finden. Am Beispiel der Telecom Italia und anderer Telekommunikationsunternehmen zeigt sie die Vorgehensweise bei Anwendung der einzelnen Bewertungsverfahren beispielhaft auf. Kerstin M. Bode-Greuel und Joachim M. Greuel behandeln die Bewertung von Biotech-Unternehmen. Die quantitative finanzielle Evaluation von Investitionen im Biotechnologiesektor ist eine sehr komplexe Aufgabe. Biotechnologieunternehmen beschäftigen sich typischerweise mit innovativen Technologien und Entwicklungskandidaten, die durch besondere Unsicherheitsfaktoren gekennzeichnet sind. Die Anwendungen und Auswirkungen einer Technologie sind oft noch nicht definiert und die Wirkungsmechanismen neuer Arzneistoffe nicht validiert. Der Wert von Biotechnologieunternehmen ist von den antizipierten zukünftigen Produktentwicklungen und Umsatzerlösen sowie von den erwarteten Cashflows einer Technologieplattform abhängig. Des Weiteren tragen IntellectualProperty-Rechte, gut ausgebildete Wissenschaftler und umfassende Erfahrungen des Managementteams zum Wert eines Unternehmens bei. Die Autoren beschreiben in ihrem Beitrag ein weithin anerkanntes Finanzmodell, eine erweiterte Version des Net Present Value (NPV)-Algorithmus, der an die Bedürfnisse von F&E-orientierten Branchen angepasst wurde. In der erweiterten Version des Net Present Value werden nicht nur F&E und geschäftliche Risiken berücksichtigt, sondern auch die Auswirkungen operativer Optionen und alternativer Entwicklungsstrategien auf den Wert von F&E-Projekten. Die Biotech-Branche ist eine der wenigen Branche, in der Elemente des RealoptionsAnsatzes Anwendung finden. Heike und Wolfgang Merk widmen sich in ihrem Beitrag dem schwierigen Thema der Bewertung von Pharmaunternehmen. Die Herausforderung der Bewertung eines Unternehmens aus der pharmazeutischen Industrie besteht in den komplexen Entwicklungsprozessen, der zunehmenden Internationalisierung und der starken Regulierung sowie den Besonderheiten des Gesundheitsmarktes. Das Unternehmen und die Unternehmensumwelt auf Chancen und Risiken zu untersuchen, erfordert ganz besondere Anstrengungen und Kenntnisse. Die Autoren geben einen tiefen Einblick in den pharmazeutischen Sektor und die Besonderheiten bei der Bewertung von Pharmaunternehmen. Sie zeigen auf, dass die Wahl des Bewertungsverfahrens nicht der entscheidende Punkt bei der Unternehmensbewertung ist. Vielmehr steht die inhaltlich richtige Einschätzung der Risiken und deren adäquater Abbildung in finanzieller Hinsicht im Vordergrund. Häufig gibt es dafür keine Standard-Regeln, sondern es hängt allein von der Informationsqualität ab, über die der Bewerter verfügt bzw. von dessen Fähigkeit, den Markt und das Unternehmen adäquat einzuschätzen. Georg A. Teichmann greift das Problem der Bewertung von Krankenhäusern auf. Er argumentiert, dass die erwerbswirtschaftliche Zielsetzung auch für Krankenhäuser Platz greift und dass daher DCFMethoden zum Einsatz kommen können. Die Benutzung von Multiplikatoren sei nur ganz begrenzt
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Prolog hilfreich, da es an Transaktionen vergleichbarer Projekte fehle. Der Verfasser beschreibt eingangs die Rahmenbedingungen, die für die Bewertung relevant sind: Zugangsschranken, die sog. duale Finanzierung sowie die Grundzüge des diagnoseorientierten Vergütungssystems (GDRG). Letzteres bewirkt, dass die Vergütung eines Krankenhauses nicht auf Basis der fallspezifischen verursachten Kosten erfolgt, sondern auf Basis der Kosten, die im Mittel bei allen Krankenhäusern anfallen. Nach einem Blick auf die Krankenhaus-spezifischen Erfolgsfaktoren, die wegen des GDRG nur mittelbar umsatzbezogen sind, werden die besonderen Bewertungsaspekte bei Krankenhäusern hervorgehoben: Planungszeiträume von mindestens 5 Jahren, Struktur der Fallzahlen (ambulante vs. stationäre Fallzahlen), die Struktur der Aufwendungen, die wegen der weitgehend regulierten Einnahmenseite entscheidendes Gewicht hat. Der Verfasser liefert empirische Daten zur Struktur dieser Aufwendungen. Wolfgang Merk stellt in einem weiteren Beitrag die Bewertung von Arzt- und Zahnarztpraxen sowie von Medizinischen Versorgungszentren vor. Der Autor führt aus, dass es sich bei der Bewertung von Arzt- und Zahnarztpraxen unabhängig von dem Bewertungsanlass und von der Bewertungsmethode eingebürgert hat, zwischen ideellem Wert und materiellem Wert zu unterscheiden. Dabei wird der ideelle Wert als derjenige Wert definiert, der sich aus der Zusammenfassung der bisher erworbenen Positionen und Beziehungen einer gut eingeführten, allgemein bekannten Praxis mit festem Patienten-/Überweiserstamm und gut geführter Dokumentation und der daraus folgenden Möglichkeit einer Auswertung und Weiterarbeit für einen Praxisübernehmer ergibt. Unter dem materiellen Wert einer Praxis wird üblicherweise der Zeitwert unter Fortführungsgesichtspunkten verstanden. Als Methoden zur Bewertung von Arzt- und Zahnarztpraxen sowie von Medizinischen Versorgungszentren finden Faustformeln, die Richtlinie der Bundesärztekammer zur Bewertung von Arztpraxen, die Indexierte Basis-Teilwert-Methode, die Ertragswertmethode und die Discounted Cashflow-Verfahren Anwendung. Der Autor weist darauf hin, dass es sich, mit Ausnahme der Ertragswertmethode bzw. der DCF-Verfahren, bei allen genannten Methoden nicht um theoretisch fundierte Bewertungsmethoden auf Basis eines investitionstheoretischen Kalküls handelt, sondern viel eher um mehr oder weniger vereinfachte Methoden zur Kaufpreisfindung. Da sie im Zusammenhang mit der Bewertung von Arztund Zahnarztpraxen als Bewertungsansatz häufig zum Einsatz kommen, werden sie thematisiert. Vera-Carina Elter beschäftigt sich mit einem zunehmend wichtigen Thema, der Bewertung von Fußballunternehmen. Sportvereine werden zu umsatzstarken Wirtschaftsunternehmen, die sich zu großen Teilen aus der Vermarktung des Sports und nur noch zu einem geringen Teil aus Mitgliederbeiträgen finanzieren. Sportveranstaltungen werden immer häufiger zu kommerziellen Events, die durch den Verkauf von medialen Rechten sowie Werbe- oder sonstigen Rechten refinanziert werden. Vor diesem Hintergrund gehören mediale Verwertungs-, Werbe-, Marken- und Vermarktungs-, Transfer- sowie Ticketingrechte zu den wesentlichen Vermögenswerten der Vereine und sind gleichzeitig wichtige Werttreiber und Erfolgsfaktoren im operativen Geschäft. Die Autorin behandelt die Bewertung von Fußballvereinen am Beispiel der Bewertung von Markenrechten und Transferrechten (= Spielervermögen). Dabei werden wichtige Aspekte der Bewertung von immateriellen Vermögenswerten deutlich. In dem Beitrag Bewertung von Energieversorgungsunternehmen gehen Sven Beyer und Günther Keller auf eine Branche ein, die durch große Veränderungen, insbesondere die Liberalisierung gekennzeichnet ist. Es wird deutlich, dass das zunächst recht einfach erscheinende Geschäftsmodell durch betriebswirtschaftliche, technische und regulatorische Besonderheiten geprägt ist, die für den Bewerter eine Vielzahl von Fragestellungen aufwerfen. Die Bandbreite an Dienstleistungen erschwert die Vergleichbarkeit der Energieversorgungsunternehmen untereinander mit der Folge, dass Kennzahlen und Kapitalkosten nur eingeschränkt zur Verfügung stehen bzw. auf das jeweilige Bewertungsobjekt übertragen werden können. Die durch die Liberalisierungswellen verursachte starke Veränderung der Wertschöpfungsstufen der vielfach noch über die gesamte Wertschöpfungskette vollständig integrierten Energieversorgungsunternehmen reduziert gleichzeitig die Vergleichbarkeit im Zeitablauf. Dieser Effekt wird durch die permanente Änderung der gesetzlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen noch verstärkt. Die Autoren legen dar, dass neben dem etablierten DCF-Verfahren der Substanzwert in Form des Sachzeitwertes eine maßgebliche Rolle spielt. Ähnliches gilt für die Bewertung von Kraftwerken. Für die Bewertung eines einzelnen Kraftwerks mit der Prämisse einer
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Prolog zeitlich begrenzten Laufzeit darf eine Analyse des Sachzeit- bzw. des Wiederbeschaffungzeitwertes nicht unterbleiben. Dennoch haben sich sowohl für Netze als auch für Kraftwerke die DCF-Verfahren als maßgeblich etabliert. Michael Salcher beschäftigt sich mit einer Branche, die eine hohe volkswirtschaftliche Bedeutung hat und stetigen Veränderungen unterliegt. Er legt dar, dass reine Transportdienstleistungen heute kein tragfähiges Geschäftsmodell in der Logistikbranche darstellen. Geschäftsmodelle werden immer umfassender und komplexer, um sich zunehmend den Bedürfnissen der Auftraggeber anzupassen. Die Würdigung der Planung und die Ermittlung von Werttreibern in der Logistikbranche erfordern geeignete Vergleichsmaßstäbe in Form vergleichbarer Unternehmen. In dem Beitrag wird deutlich, dass der Sensitivitätsrechnung eine zentrale Bedeutung bei der Bewertung von Logistikdienstleistern zukommt. Multiplikatoren werden für die Bewertung von Logistikdienstleistern kritisch gesehen, da sie die Gefahr von Verzerrungen und Anomalien bergen, die dann fälschlicherweise auf das Bewertungsobjekt übertragen werden. Der Autor legt dar, dass für die Bewertung von Logistikdienstleistern entscheidend ist, die einem Geschäftsmodell inhärenten Risiken und Chancen über die operationalisierten wertbestimmenden Einflussgrößen in einem Bewertungskalkül abzubilden, das nur als Fundamentalanalyse durchführbar ist. Andreas Schüler’s Beitrag setzt sich sehr detailliert mit der Bewertung von Infrastrukturprojekten auseinander. Der Autor führt aus, dass die Planung und Plausibilisierung der operativen Cashflows nach Investitionsauszahlungen, also der Cashflow bei Eigenfinanzierung, das zentrale Problem bei der Bewertung von Infrastrukturprojekten darstellen. Denn sie determinieren Vorteilhaftigkeit und insbesondere Verschuldungskapazität des Projekts. Wegen des Mangels an anderen Sicherheiten und bedingt durch den begrenzten oder gar ausgeschlossenen Rückgriff auf Assets außerhalb der Projektgesellschaft kommt cashflow-bezogenen Kennzahlen aus Sicht der Fremdkapitalgeber eine zentrale Signalfunktion zu. Dies spiegelt sich in den Covenants wider. Die Bewertung der Eigenkapitalanteile von Infrastrukturprojekten wird am Beispiel von „Eurotunnel“ auf Basis des APV-Ansatzes erläutert. Der Autor präferiert diesen Ansatz, da er die operative Leistungsfähigkeit unabhängig von den Einflüssen der Finanzierungspolitik erfasst. Eine Anwendung des WACC-Standardansatzes wird durch nicht konstante Verschuldungsquoten und die Relevanz von Verlustvorträgen in den Anfangsjahren nicht empfohlen. Karl-Werner Schulte und Gerrit Leopoldsberger behandeln die Bewertung von Immobilien. Sie geben einen Überblick über die relevanten Parteien am Markt und die Besonderheiten des Marktes für Immobilien: regionale Teilmärkte, relative Intransparenz, lange Zeitbedarfe um annähernde Markträumungsbedingungen zu realisieren, Zyklizität. Drei Verfahren werden vorgestellt: Vergleichswertverfahren – der Vergleich erfolgt mit vergleichbaren Grundstücken bzw. Immobilien –, das Ertragswertverfahren, das eine modifizierte DCF-Methode ist und das Sachwertverfahren, das Bodenwert und Wert der baulichen Anlagen getrennt ermittelt und den Wert der baulichen Anlagen vorrangig an den fortgeschriebenen Herstellungskosten festmacht, und deshalb, wie die Verfasser betonen, häufig zu marktfernen Werten führt. Schulte und Leopoldsberger gehen auch auf nicht normierte Verfahren ein, die aus dem angelsächsischen Raum kommen: income approach, cost approach, growth implicit model. Einfache Beispiele erläutern die Prinzipien der jeweiligen Wertansätze. Nach einem kurzen Ausflug in die grundlegenden Bestimmungen zur Bewertung von Immobilien im Rahmen der Rechnungslegungsnormen (HGB bzw. IAS/IFRS) geben die Verfasser Hinweise auf die Möglichkeiten der Gewinnung von Marktdaten. Wolfgang Schäfers und Frank J. Matzen unterstreichen die Bedeutung einer „richtigen“ Bewertung von Immobilienunternehmen und belegen die besondere Aktualität durch Verweis auf einige bemerkenswerte aktuelle Transaktionen. Das Interesse der Autoren gilt bestandshaltenden Immobiliengesellschaften. Sie heben hervor, dass die Bewertung von Immobiliengesellschaften wegen der regionalen Differenzierung von Preisen erheblich vom Bestand der Objekte abhänge (Region, Alters- und Mieterstruktur) und behandeln drei zu unterscheidende Ansätze: marktwertorientierte, substanzwertorientierte und fundamentalwertorientierte. Marktwertorientierte Ansätze versuchen das Preisfindungswissen aus vergangenen Transaktionen oder Börsenpreisen auf das zu bewertende Unternehmen zu übertragen. Die Autoren zeigen die potentiellen Fallstricke eindringlich auf. Sie be-
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Prolog handeln dann eher kursorisch den Net Asset Value (NAV), eine Konzeption, die auf den Verkehrswert des Eigenkapitals einzelner Objekte abstellt und den Wert des Eigenkapitals der Immobiliengesellschaft als Summe der Einzelwerte begreift. Damit werden Transformations- und Bündelungsleistungen des Managements der Immobiliengesellschaft ausgeblendet. Differenzen zwischen Unternehmenswert und Summe der NAV sind also zu erwarten. Der fundamentalwertorientierte Ansatz wird über eine intensive Darstellung der Bewertung mittels einer DCF-Methode erläutert: Prognose von Mieteinnahmen, Betriebskosten, Modernisierungsinvestitionen, Steuern, Finanzierung und Kapitalkosten. Eine realitätsnahe Fallstudie vertieft die vorhergehenden Erläuterungen und zeigt die Anwendung des APV-Ansatzes im Detail auf. Matthias Schröder und Ulrike Schüler greifen Überlegungen auf, die im Beitrag 21 angesprochen und im Beitrag 22 unter anderem Blickwinkel vertieft präsentiert wurden. Es geht den Autoren um die Besonderheiten der Bewertung von Hotels. Nach einem informativen Marsch durch Daten zur internationalen und deutschen Hotelbranche und deren möglichen Entwicklungstendenzen stellen die Autoren die Eigenschaften der wichtigsten Basisverträge, nämlich des Pachtvertrages und des Managementvertrages vor und verdeutlichen, warum diese Verträge zu unterschiedlichen Verteilungen des Investitions-, Finanzierungs- und Insolvenzrisikos zwischen Eigentümer und Pächter bzw. Betriebsgesellschaft führen. Gestützt auf die Erläuterungen zur Struktur des bewertungsrelevanten Cashflows, der durch Vergleich mit durchschnittlichen Ergebnissen strukturähnlicher Hotels einer vorläufigen Einschätzung unterzogen wird, wird die Form der Risikoaufteilung für den Leser deutlich gemacht. Diese Risikounterschiede in der Bewertung begründet abzubilden, ist natürlich ein sehr anspruchsvolles Problem. Die Autoren versuchen, es über „im Markt bekanntgewordene Vervielfältiger“ zu lösen und plausibilisieren dies durch ein detailreiches Beispiel. Besondere Aufmerksamkeit widmen sie dann dem Reinvestitionszyklus und den damit verbundenen Verkürzungen des bewertungsrelevanten Cashflows. Von weiter verkürzten Bewertungsmethoden der Praxis halten die Autoren wenig. Michael Ketterl geht in seinem Beitrag der Bewertung von Beteiligungen an Containerschiffen nach. Dieses Thema ist besonders vor dem Hintergrund eines wachsenden Interesses am Zweitmarkt für Beteiligungen an geschlossenen (Schiffs)Fonds interessant. Die Beteiligung an geschlossenen Fonds ist häufig Bestandteil der Anlagestrategie vermögender Privatinvestoren in Deutschland. Dabei beteiligen sie sich typischerweise an Immobilien- oder Schiffsfonds. Diese Anlagealternativen hatten bis vor kurzem einen gravierenden Nachteil: der Ausstieg während der Laufzeit war nur schwer oder gar nicht möglich. Das hatte zwei Gründe. Zum einen verfallen regelmäßig steuerliche Verlustvorträge, die das Investment oft erst attraktiv machen, zum anderen entstehen Kosten bei der Suche nach Käufern, die bereit sind in den Fond einzusteigen. Der Autor zeigt mit hoher Detailgenauigkeit auf, dass und wie die DCF-Methoden auf die Bewertung von Containerschiffen anwendbar sind. Der APV-Ansatz ist dabei dem Equity-Ansatz überlegen, da er in der Lage ist, unter der regelmäßig gegebenen autonomen Finanzierungspolitik ein eigenständiges Bewertungsergebnis abzuleiten.
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1 Die Relevanz von Branchenanalysen für die Unternehmensbewertung von Markus Habbel, Jan Krause und Michael Ollmann* 1.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.1 Anlässe für Bewertung von Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.2 Was verstehen wir unter einer Branche?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.3 Die Bedeutung der Branche für die Unternehmensbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.3.1 Bedeutung der Branche für die Unternehmensplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.3.2 Bedeutung der Branche für die Bewertungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.4 Wie sind die folgenden Seiten aufgebaut?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Branchenanalysen als Bestandteil der Unternehmensbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1 Analyse des Marktumfelds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1.1 Innovation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1.2 Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1.3 Demographische Entwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2 Branchenanalyse mit Zielsetzung Unternehmensbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2.1 Branchenstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2.2 Branchenverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2.3 Branchenperformance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.3 Übertragung der Ergebnisse der Branchenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.3.1 Bestimmung der branchenspezifischen Werttreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.3.2 Auswahl der Unternehmens-Peers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.4 Grenzen der Branchenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Ausblick: Mehrwert einer branchenübergreifenden Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1.1 Einleitung Die Bewertung von Unternehmen hat die Ermittlung des Wertes von Unternehmen oder Teilen von Unternehmen zum Gegenstand. Die unterschiedlichen Methodiken, die zur Ermittlung des Unternehmenswertes eingesetzt werden, verfolgen schlussendlich alle das gleiche Ziel: Einen möglichst realistischen monetären Gegenwert für ein oftmals hochkomplexes Unternehmen zu bestimmen.
1.1.1 Anlässe für Bewertung von Unternehmen Die Anlässe für die Durchführung einer Unternehmensbewertung sind so unterschiedlich, wie die Situationen, in denen sich die einzelnen Unternehmen und ihre Eigentümer befinden. Ein offensichtlicher Anlass für eine Unternehmensbewertung sind Transaktionen im weitesten Sinne wie z.B. der Kauf oder Verkauf eines Unternehmens-(teils) ebenso wie der bevorstehende Börsengang. *
Dr. Markus Habbel, Dr. Jan Krause und Dr. Michael Ollmann, beschäftigt bei McKinsey & Company.
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Markus Habbel, Jan Krause und Michael Ollmann Eine weitere Fallgruppe bilden gesellschaftsrechtlich induzierte Ereignisse, z.B. die Trennung eines der Unternehmenseigentümers von seinem Gesellschafteranteil, sei es durch das Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Personengesellschaft (z.B. durch Kündigung) oder durch Abfindung von (Minderheits-)Aktionären im Falle eines Squezze-out gemäß §§ 327a ff. AktG durch den Mehrheitsaktionär, der mindestens 95 % der Aktien hält. Weitere Anlässe für Unternehmensbewertung ergeben sich im Rahmen der wertorientierten Unternehmensführung, durch Erbauseinandersetzungen in vornehmlich in Familienhand gehaltenen Unternehmen, bilanziell erforderlichen Impairments Tests, Sanierungs- und Restrukturierungsvorhaben oder Kreditwürdigkeitsprüfungen.1 Die unterschiedlichen Anlässe machen deutlich, dass sich Art und Weise der Unternehmensbewertung immer eng an dem mit der Bewertung verfolgten Zweck orientieren müssen. So bedarf die Ermittlung des Preises für einen strategischen Unternehmenskäufer der Beachtung anderer Parameter (wie z.B. der in Folge der Transaktion zu erwartenden Synergien bzw. deren Aufteilung zwischen Käufer und Verkäufer) als die Abfindung eines Aktionär beim Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages nach §§ 303 ff. AktG (hier steht der gesetzlich verankerte Schutz des „beherrschten“ Aktionärs im Vordergrund).
1.1.2 Was verstehen wir unter einer Branche? Jenseits aller Versuche einer Klassifizierung von Wirtschaftszweigen, z.B. seitens der EU über die Statistische Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft2 (NACE) oder von Investmentbanken mit dem Global Industry Classification Standard3 (GICS), bietet die Branchendefinition von Porter4 „… a group of firms producing products that are close substitutes for each other“ (zu deutsch: eine Gruppe von Unternehmen, die nah verwandte Substitute herstellen) die größte, aber aufgrund der Wirtschaftsdynamik auch erforderliche, Flexibilität. Grundsätzlich ist festzustellen, dass die „offiziellen“ Klassifizierungen oftmals zu grobkörnig sind, um eine Branche sauber abzugrenzen. So bieten die beiden genannten Klassifizierungssysteme für Automobilzulieferer jeweils nur zwei Kategorien (GICS: Automobilteile & -geräte und Reifen & Gummi bzw. NACE: Herstellung von Karosserien, Aufbauten und Anhängern und Herstellung von Teilen und Zubehör für Kraftwagen und Kraftwagenmotoren) an. In der Praxis gibt es aber eine weitaus größere Anzahl abgrenzbarer Subkategorien von Automobilzulieferern (z.B. Hersteller von Cabriodächern), die zu Bewertungszwecken als Branche herangezogen werden können. Je feiner die Abgrenzung gezogen werden kann, desto aussagekräftiger sind die Ergebnisse der Branchenanalyse.
1.1.3 Die Bedeutung der Branche für die Unternehmensbewertung Ketzerisch könnte man die Frage stellen, wieso man Unternehmen überhaupt branchenorientiert bewerten sollte. Viel wichtiger erscheint nach dem eben Gesagten der Zweck, der mit der Bewertung des Unternehmens verfolgt wird. Im Folgenden soll dargelegt werden, dass fundierte Kenntnisse der Branche in dem das zu bewertenden Unternehmen tätig ist, mindestens ebenso wichtig sind, wie der Zweck der Unternehmensbewertung. Da keine Branche autark agiert, sind die Verknüpfungen der zu betrachtenden Branche mit den übrigen Branchen, z.B. über typischerweise bestehende Nachfrageabhängigkeiten, zwangsläufig Teil der jeweiligen Branchenanalyse. 1 2
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Für eine weitergehende Auflistung mit Erläuterungen zu einzelnen Fallgestaltungen siehe Drukarczyk/Schüler, Unternehmensbewertung, 5. Aufl., S. 94 ff. Verordnung (EG) Nr. 29/2002 der Kommission vom 19. Dezember 2001 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3037/90 des Rates betreffend die statistische Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft. Entwickelt von Morgan Stanley Capital International (MSCI) und Standard & Poor’s (S&P). Weitere Klassifizierungen sind der von Dow Jones und FTSE entwickelte Industry Classification Benchmark (ICB) oder der von der SEC genutzte Standard Industrial Classification (SIC). Porter, Competitive Strategy: Techniques for Analyzing Industries and Competitors (1980), S. 5.
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1 Die Relevanz von Branchenanalysen für die Unternehmensbewertung Zunächst ist klarzustellen, was mit „Branchenorientierung“ der Unternehmensbewertung in diesem Kontext gemeint ist. Wir verstehen hierunter die umfassende Berücksichtigung der jeweiligen industrie- und/oder industriesegmentspezifischen Gegeben- und Besonderheiten, die sowohl auf Fragen der Unternehmensplanung als auch auf die konkrete Ermittlung des Unternehmenswertes (z.B. durch Modellierung der zukünftig abschöpfbaren Zahlungsströme im Rahmen einer DCF-Bewertung oder einer Bewertung anhand von Multiplikatoren) Einfluss nehmen kann. Im Folgenden gehen wir in der gebotenen Kürze auf einige Aspekte ein, in denen die Bedeutung einer fundierten Branchenkenntnis für die Unternehmensbewertung zu Tage tritt.
1.1.3.1 Bedeutung der Branche für die Unternehmensplanung Dass ohne fundiert Kenntnisse des spezifischen Marktes, in dem ein Unternehmen tätig ist, eine Unternehmensplanung weder verifiziert noch modelliert werden kann, versteht sich im Grunde von selbst. In den modernen Volkswirtschaften hängt der wirtschaftliche Unternehmenserfolg von der Entwicklung branchenspezifischer Werttreiber ab, ist jede Branche durch ein auf sie zugeschnittenes Normengerüst begrenzt und sieht sich oftmals ganz spezifischen technischen Herausforderungen ausgesetzt. Noch vor der eigentlichen Branchenanalyse im Sinne einer strategischen Marktanalyse steht daher die Frage: Welche nationalen oder sogar globalen Kräfte werden in den nächsten Jahre die Branche entscheidend verändern? Die Auswirkungen von Megatrends auf die Branche, wie z.B. die Auswirkungen der demographischen Entwicklung, die Endlichkeit der natürlichen Energie-Ressourcen, bestimmen oftmals ganz entscheidend das Branchenverständnis. Da jede Bewertung und insbesondere die Ertragswertmethode (DCF) immer auf die Zukunft gerichtet ist (typischerweise mit einem detaillierten Forecast für einen Zeitraum von 5 bis 10 Jahren) muss eine Bewertung zwangsläufig eine Sichtweise auf die zukünftige Entwicklung des Unternehmens und damit der jeweiligen Industrie einnehmen. Zu den wichtigsten im Rahmen der Branchenanalyse zu beantwortenden Fragen zählen daher: Welche Wettbewerber gibt es in der Branche, jetzt und in Zukunft? Wie sind die Marktanteile verteilt, welche Dynamiken sind zu beachten? Wie werden sich die Margen entwickeln? Mit welchen Regulierungen ist zu rechnen?
1.1.3.2 Bedeutung der Branche für die Bewertungstechnik Die Bewertung von Unternehmen aus der Finanzdienstleistungsbranche – namentlich Banken und Versicherungen – weist im Vergleich zur Bewertung von Unternehmen anderer Branchen einige Besonderheiten auf, die sich aus den Eigenheiten der Geschäftsmodelle ergeben: Finanzdienstleister erwirtschaften regelmäßig, im Gegensatz zu Industrieunternehmen, sowohl auf der Aktiv- als auch auf der Passivseite Erträge; ausserdem sind im Unterschied zu anderen Branchen bankaufsichtsrechtliche Eigenmittelanforderungen zu berücksichtigen. Das hat nicht nur auf die bankspezifischen Ergebnisbestandteile wie Zins-, Provisions- und Eigenhandelsergebnis Auswirkungen, sondern betrifft auch den Kapitalisierungszinssatz sowie die Thesaurierungsannahmen.5 Aufgrund dieses systembedingten Unterschieds erfordert die Bewertung von Banken und Versicherungen regelmäßig die Anwendung des sogenannten Equity-Ansatzes, während McKinsey & Company für die Bewertung von Industrieunternehmen aufgrund der höheren Flexibilität bei der Berücksichtigung der Finanzierungsstruktur regelmäßig den Entity-Ansatz verfolgt.6 In einigen Branchen bietet sich aufgrund einer starken Abhängigkeit der Unternehmensentwicklung von zukünftigen ungewissen Ereignissen oder Entscheidungen des Managements eine Bewertung nach dem Realoptionsverfahren an. Paradebeispiel für die Anwendung des Realoptionsverfahrens ist die Bewertung von Unternehmen aus dem Bereich der Biotechnologie; vielfach wird diese Bewer5 6
Vgl. hierzu die weiteren Ausführungen in den Fachbeiträgen zu Banken und Versicherungen. Vgl. hierzu Koller/Goedhart/Wessels (2005), S. 101 ff.
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Markus Habbel, Jan Krause und Michael Ollmann tungstechnik auch bei Start-up Unternehmen aus der Internet- oder Softwarebranche angewandt.7 Branchenübergreifend wird das Realoptionsverfahren auf Projektebene eingesetzt, z.B. durch Energieversorger bei Bewertung von Kraftwerken. Bei Biotechnologieunternehmen hängt der zukünftige Unternehmenserfolg und damit die Bewertung – insbesondere bei Unternehmen, die nur eine begrenzte Anzahl von Produkten in der Pipeline haben – stark von exogenen Faktoren, wie z.B. der Fortsetzung klinischer Studien oder der Zulassung eines Medikaments auf einem bestimmten Markt, ab. In Anlehnung an die Optionspreistheorie wurden verschiedene Modelle entwickelt, mit denen der Wert der Option (z.B. auf eine erfolgreiche Zulassung und Vermarktung des Produkts) durch Modellierung von Wahrscheinlichkeit des Eintritts der zukünftigen Ereignisse (z.B. Abschluss der klinischen Testreihen, Kostenrisiko, Erfolg am Markt) ermittelt wird.8
1.1.4 Wie sind die folgenden Seiten aufgebaut? Im Folgenden werden wir die Branchenanalyse als einen der eigentlichen Unternehmensbewertung vor gelagerten Prozessschritt darstellen. Dazu werden • die von McKinsey & Company als Kern-Frameworks verwandten Analysemodelle für die strategische Industrie- und Branchenanalysen vorgestellt, • und der Transfer der Ergebnisse der Branchenanalyse in die nächsten Prozessschritte (i) Modellierung der Unternehmensplanung und (ii) Unternehmensbewertung dargelegt.
1.2 Branchenanalysen als Bestandteil der Unternehmensbewertung Anknüpfend an die Darstellung im Vorwort zur 1. Auflage sehen wir die Branchenanalyse als ersten Prozessschritt einer branchenorientierten Unternehmensbewertung. Die Ergebnisse der Branchenanalyse fließen in einem zweiten Schritt in die Modellierung der Unternehmensplanung ein, die dann schließlich in die eigentliche Unternehmensbewertung mündet.
1.2.1 Analyse des Marktumfelds Noch vor der eigentlichen Branchenanalyse steht eine sorgfältige Analyse des Marktumfelds, in dem sich das zu bewertende Unternehmen bewegt. Es empfiehlt sich (geistig) einen Schritt zurückzutreten und die Mega-Trends und globalen Kräften zu analysieren, die in den nächsten Jahren die jeweilige Branche beeinflussen und verändern werden. Zu den regelmäßig zu beachtenden Größen bei der Analyse des Marktumfelds gehören dabei:
1.2.1.1 Innovation Welche Innovationen werden die Branche in absehbarer Zeit verändern und welche Technologien sind der Schlüssel um diese Innovationen in der Branche umzusetzen? Ausgelöst durch die Endlichkeit der Ölreserven steht die Automobilindustrie vor der Herausforderung, innovative Lösungen zu Antriebsformen für Pkw und Nutzfahrzeuge zu entwickeln. Dabei stehen sich die Entwicklung herkömmlicher Technologien – vor allem Benzin- und Dieselmotoren – und Alternativen, wie Hybrid- und Erdgasantriebe sowie Brennstoffzellen gegenüber. Die Fragen, die es in der Branche zu beantworten gilt lauten: Werden Hybridmotoren zum neuen Standard oder nach dem anfänglichen Hoch doch nur ein Nischendasein fristen? Lassen sich die herkömmlichen Antriebe 7 8
Siehe die weiteren Ausführungen in den Fachbeiträgen zu Softwareunternehmen und Biotech-Bewertungen. Schwartz, E.S., Moon, M. (2000). Rational Pricing of Internet Companies. Financial Analysts Journal, 56(3): 62–75.
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1 Die Relevanz von Branchenanalysen für die Unternehmensbewertung durch Weiterentwicklung so stark verbessern, dass sie anderen Technologien überlegen bleiben? Welche Konsequenzen ergeben sich für die Branche hinsichtlich Kundenpräferenzen, Umweltvorteilen, Kosten-Nutzen-Verhältnissen und dem daraus folgenden Marktpotenzial? Angesicht der Höhe der erforderlichen Investitionen (McKinsey & Company geht in einer Studie von einem globalen Marktvolumen für alternative Antriebsstränge von EUR 115 Mrd. bis zum Jahr 2020 aus) ist es zwingend, die Automobilindustrie hinsichtlich ihres Umgangs mit dieser Herausforderung zu analysieren. Hier kann ein Blick in die Branchenhistorie helfen, um zu ergründen, in welcher Weise die Branche in der Vergangenheit Innovationen gemeistert hat.
1.2.1.2 Regulierung Die existierenden und noch viel stärker die zu erwartenden Regulierungen determinieren die aktuelle und zukünftige Branchenstruktur (z.B. Kartellrecht), das Verhalten der Wettbewerber (z.B. Wettbewerbsrecht) und die Performance (z.B. über Preisfestlegungen in regulierten Märkten wie Telekommunikation oder Energieversorgung). Die Finanzdienstleistungsbranche sieht – ausgelöst durch die Finanzkrise – eine neue Regulierungswelle auf sich zurollen. Diskutiert werden u.a. verschärfte Eigenkapitalanforderungen (Verschärfung Basel II), Vorschriften zu einer höheren Liquditätsvorsorge (LiquidiätsVO) und striktere Bilanzierungsvorschriften (z.B. Beschränkung der Verwendung von Off-balance vehicle). Vor allem ist mit einem koordinierten Vorgehen der bislang vornehmlich national tätigen Regulierungsbehörden zu rechnen. Eine Analyse des aktuellen und des zu erwartenden Regulierungsumfelds und eine Abschätzung der zu erwartenden Implikationen für die existierenden Geschäftsmodelle in der Branche sollten Start einer jeden fundierten Unternehmensbewertung sein.
1.2.1.3 Demographische Entwicklung Die demographische Entwicklung zählt zu den branchenübergreifend zu beachtenden Faktoren, deren Relevanz evident ist. Dabei ist zu beachten, dass es global gegenläufige Tendenzen zu beobachten gibt, so wird nach Schätzungen der Vereinten Nationen9 2020 das Durchschnittsalter der Bevölkerung in Deutschland bei 46 Jahren liegen, in Asien dagegen bei 32 Jahren, so dass die demographische Entwicklung getrennt nach den relevanten Märkten zu beobachten ist. Die entwickelten Industrienationen verzeichnen eine immer älter werdende Bevölkerung – die Altersgruppe der 65-Jährigen und Älteren in Deutschland wird um rund 40 % von knapp 16 Millionen im Jahr 2005 auf über 22 Millionen Personen im Jahr 2030 ansteigen – bei gleichzeitig zum Teil dramatischem Rückgang der Reproduktionsquote.10 Offensichtlich hat eine alternde Bevölkerung direkten Einfluss auf die Unternehmensentwicklung und damit die Bewertung von Unternehmen aus der Gesundheitsbranche, wie z.B. Pharmaunternehmen oder die Hersteller von Medizintechnik, die mit einem entsprechend steigenden Absatz ihrer Produkte rechnen können. Gleichzeitig betrifft der mit einer alternden Bevölkerung einhergehende Rückgang von erwerbstätigen Personen z.B. die Textilbranche ebenso wie Automobilhersteller. Eng mit der demographischen Entwicklung einer Volkswirtschaft verknüpft sind Änderungen im Verhalten der relevanten Zielgruppe von Verbrauchern. Immer anspruchsvollere und besser informierte Verbraucher erfordern neue Standards für die Transparenz bei der Produktherstellung und -vermarktung. Gleichzeitig orientieren sich Verbraucher stärker an bekannten Marken, es setzt eine Standardisierung des Verbrauchergeschmacks ein. 9 10
Population Ageing: Background Review, Technical and Policy Division, UNFPA (Demografischer Wandel in Deutschland 2007, Statistische Bundesamt: Seit der deutschen Vereinigung ist die Zahl der Neugeborenen in Deutschland von 830.000 (1991) auf ca. 686.000 (2005), d.h. um 17 % gesunken. Bis zum Jahr 2030 wird die Geburtenzahl um weitere 17 % auf 566.000 Geburten sinken.
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1.2.2 Branchenanalyse mit Zielsetzung Unternehmensbewertung McKinsey & Company verwendet für Branchenanalysen häufig das Analysemodell Structure-Conduct-Performance (SCP).11 Während das traditionelle SCP-Paradigma zunächst von einer linear gerichtete Einwirkungskette der Branchenstruktur (structure) auf die unternehmerische Verhaltensweise (conduct) und von dort weiter auf das Marktergebnis (performance) ausging, werden inzwischen die in der Realität beobachtbaren Rückkopplungseffekte vom Marktergebnis auf die Wettbewerbsstrategie und von dieser auf die Branchenstruktur mit einbezogen.12 Es wird also berücksichtigt, dass die Markt- und Industriestruktur aktiv durch die Auswahl von unternehmerischen Strategien beeinflusst wird und dass der Handlungsspielraum eines Unternehmens durch die Performance in der Vergangenheit mitbestimmt wird. Aufgrund der dynamischen Verknüpfungen der Module untereinander, eignet sich das Modell auch zur Ableitung von Hypothesen, wie sich zukünftige externe Schocks auf die Branche auswirken können. Wobei diese externen Schocks wiederum durch einen der oben dargestellten Mega-Trends ausgelöst werden können.
Abb. 1-1: Die 3 Elemente des SCP Framework
1.2.2.1 Branchenstruktur Die Struktur einer Branche wird maßgeblich durch die Angebots- und Nachfragesituation sowie die Dynamiken der Kunden- und Lieferbeziehungen bestimmt. Auf der Nachfrageseite rücken Themen wie die Substituier- und Differenzierbarkeit der Produktpalette sowie die Analyse von historischen Wachstumsraten in den Fokus. Unerlässlich ist eine Analyse der brancheninternen Zyklen: Einige Industrien (z.B. die chemische Industrie, Stahlindustrie, Logis11 12
Scherer and Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance. Ein weiteres von McKinsey & Company verwandtes Kern-Framework basiert auf dem „Five Forces“-Framework von Porter, (1980), Competitive Strategy: Techniques for Analyzing Industries and Competitors. Porter geht von fünf Kräften aus, die Einfluss auf eine Branche haben: Wettbewerb der etablierten Unternehmen, Bedrohung durch neue Konkurrenten, Bedrohung durch Substitutionsprodukte, Verhandlungsstärke und Kaufverhalten der Abnehmer und Verhandlungsstärke und Kaufverhalten der Lieferanten.
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1 Die Relevanz von Branchenanalysen für die Unternehmensbewertung
Abb. 1-2: Zyklizität von Branchen
tikbranche) bewegen sich in ausgeprägten – mehr oder wenig von der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung abhängigen – Zyklen, die von ganz unterschiedlichen Faktoren, wie z.B. Rohstoffpreisen oder verfügbaren Kapazitäten abhängig sind. Für die Bewertung einer Container-Reederei ist es damit unabdingbar zu bestimmen, an welchem Punkt sich der bestehenden Zyklus in der Containerschifffahrt befindet und ob sich in der Zukunft die historischen Zyklen wiederholen werden oder neue Zyklen gestartet werden. Auf der Angebotsseite sind Punkte wie das Wettbewerbsumfeld (oligopolistische gegenüber polypolistischen Strukturen), die vorherrschenden Kostenstrukturen (Verteilung der fixen zu variablen Kosten), aktuelle Kapazitätsauslastungen, Prognose von zukünftig in der Branche zur Verfügung stehenden Produktionsvolumina und Eintrittsbarrieren für eventuelle neue Wettbewerber zu beachten. Schließlich sind die Abhängigkeiten von Kunden und Lieferanten in der Branche zu beachten. Die Verhandlungsmacht der Unternehmen gegenüber ihren Zulieferern und die Macht der Abnehmer der Produkte in den jeweiligen Märkten hat entscheidende Bedeutung für die zu erzielenden Margen in der Branche.
1.2.2.2 Branchenverhalten Typische Elemente, die das Verhalten einer Branche charakterisieren sind Änderungen der verfügbaren Produktionskapazitäten (von z.B. durch Investments, M&A Aktivitäten oder den Eintritt von neuen Wettbewerbern), Formen und Ausmaß der vertikalen Integration und Grad der erreichten unternehmensinternen Effektivität. Die in der Branche vorherrschende Marketingaktivitäten, wie der Einsatz von Wertung, verfolgte Preisstrategien durch die Unternehmen, durchschnittliche Lebenszyklen der vermarkten Produkte und Taktung der Einführungen von Produktinnovationen sowie Einstellung von unprofitablen Produkten geben Anhaltspunkte für die in der Branchen herrschende Wettbewerbsintensität. Dies gilt ebenso für die in der Branche angewandten Controlling-Methoden, die genutzten Logistikkanäle und die Organisationseffektivität.13 13
Weitere Hinweise liefern eine Gegenüberstellung der branchenintern genutzten Distributionskanäle, verfolgten Joint-Venture Ansätze, eine Analyse der langfristigen Bindungen von Vertriebspartner sowie der Stand der Forward/backward Integration.
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1.2.2.3 Branchenperformance Die Performance der Branche wird fundamental durch die für das eingesetzte Kapital erwirtschaftete Rendite (return on capital invested ROIC) und die Zuwachsraten in der Industrie bestimmt. Um die Prognosen von Analysten und Planannahmen der Unternehmen in Relation zu setzen, verwendet McKinsey & Company die proprietäre Datenbank Corporate Performance Analysis Tool (CPAT). CPAT enthält Datenmaterial aus den letzten 40 Jahren zu mehr als 52.000 Unternehmen, die an mehr als 210 Börsenplätzen gelistet sind. Die Unternehmensdaten sind in 140 Industrien und Sub-Industrien sowie nach Unternehmensperformance und -größe unterteilt und entlang von über 200 Finanzmatrixen (z.B. TRS, EBIT) aufbereitet, so dass selbst komplexe Finanzanalysen durchgeführt werden können. Eine CPAT-Analyse zeigt, dass sich ROIC und die Wachstumsraten in den Industrien zum Teil dramatisch unterscheiden und auch im Verlauf der Jahre ändern.
Abb. 1-3: Umsatzwachstum nach Branche
Abb. 1-4: ROIC nach Branche
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1 Die Relevanz von Branchenanalysen für die Unternehmensbewertung
1.2.3 Übertragung der Ergebnisse der Branchenanalyse Die Übertragung der Ergebnisse einer Branchenanalyse auf die Modellierung der Unternehmensplanung und die anschließende Bewertung des Unternehmens ist ein Vorgang, der vielfach implizit abläuft. Dies gilt insbesondere, wenn die Bewertung von einem erfahrenen Praktiker durchgeführt wird, der über langjährige Expertise in der Branche verfügt und mit den industriespezifischen Strukturen und Dynamiken in jeder Hinsicht vertraut ist. Auf der anderen Seite trifft auch der erfahrene Praktiker regelmäßig auf ihm unbekannte Branchen oder sieht die ihm vertraute Branche neuen Entwicklungen ausgesetzt, deren Auswirkungen auf es zu quantifizieren gilt. Hier bietet sich das beschriebene systematische dreistufige Vorgehen aus branchenorientierten Unternehmensbewertung, Modellierung der Unternehmensplanung und der eigentlichen Unternehmensbewertung an.
1.2.3.1 Bestimmung der branchenspezifischen Werttreiber Mittels der Branchenanalyse können die branchenspezifischen Werttreiber, ermittelt werden, welche maßgeblich das Wachstum und die Performance der jeweiligen Unternehmen beeinflusst. Bei den branchenspezifischen Werttreibern kann es sich es sich um operative Treiber wie Produktionseffektivität im Maschinenbau oder Kundenzufriedenheit für einen Einzelhändler handeln, es können aber auch strategische Bereiche sein, wie z.B. die Verschmelzung von Unternehmensteilen mit einem Wettbewerber um überschüssige Produktionskapazität aus dem Markt zu nehmen. Nach der Identifizierung der branchenspezifischen Werttreiber können diese in einem weiteren Schritt für das entsprechende Unternehmen angepasst und priorisiert werden. Dieser Schritt kann naturgemäß nur auf der Ebene des Unternehmens und nach intensiver Analyse des jeweiligen Geschäftsmodells erfolgen. Bei der Festlegung der Hauptwerttreiber für das Unternehmen dienen die Erkenntnis der Branchenanalyse als Ausgangspunkt (z.B. Erkenntnisse der Profitabilitätsanalyse) und zugleich auch als Korrektiv (z.B. Grenzen durch strukturelle Abhängigkeit von Zulieferern). Für die Zwecke der wertorientierten Unternehmensführung liefern die identifizierten Hauptwerttreiber die Basis für die Definition von quantifizierbaren Key Performance Indicators (KPIs) – im Falles des Werttreibers Produktionseffektivität könnte dies z.B. die Kapazitätsauslastung sein.
Abb. 1-5: Vereinfachter Werttreiberbaum für ein verarbeitendes Unternehmen
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1.2.3.2 Auswahl der Unternehmens-Peers Die bei der Unternehmensbewertung insbesondere im Transaktionsbereich äußerst praxisrelevante Bewertung mit Multiplikatoren hängt ganz entscheidend von der Auswahl einer vergleichbaren Peer Group ab. Bei der Auswahl der Peers und der Bestimmung der Multiplikatoren sind etwa Fragen zu beantworten wie: Warum gibt es verschiedene Multiplikatoren innerhalb der Branche? Haben einige der Unternehmen bessere Produkte, besseren Kundenzugang oder Lieferantenkonditionen? Spiegeln sich diese Vorteile in höheren ROIC und Wachstumsraten wider? 14 Nur wer die Branche zuvor systematisch analysiert hat, kann hier die richtigen Peers sowie aussagekräftige Multiplikatoren bestimmen.15 Der Bestimmung der Peers kommt auch bei der Ermittlung eines Industry Beta zur Bestimmung der Kapitalkosten auf Grundlage des Capital Asset Pricing Model (CAPM) Bedeutung zu. 16
1.2.4 Grenzen der Branchenanalyse Eine Branchenanalyse ist der erste Schritt für eine umfassende Unternehmensbewertung und ersetzt nicht die weiteren Prozessschritte (i) einer Modellierung der Unternehmensplanung und (ii) die Durchführung der eigentlichen Unternehmensbewertung. Die Branchenanalyse ist auch kein Ersatz für eine strategische Unternehmensanalyse: Neuere akademische Studien gehen davon aus, dass insbesondere für die Marktführer und -verlierer einer Industrie firmenspezifische Faktoren gegenüber industriespezifischen Faktoren dominieren.17 Die für die Branche identifizierten Werttreiber können zudem bei Unternehmen der gleichen Branche – abhängig vom jeweiligen Geschäftsmodell und der strategischen Ausrichtung – unterschiedlich sein bzw. verschieden zu priorisieren sein. So spielt für den Einzelhändler, der sich als Preisführer aufgestellt hat, ein effizientes Management der Lieferkette eine viel größere Rolle, als für den Einzelhändler, der sich vor allem als Dienstleister versteht und dementsprechend größeren Wert auf die Verfügbarkeit der Produkte für seine Kunden legt.18 Da der Fokus einer Branchenanalyse auf der Filterung der bewertungsrelevanten Fakten innerhalb der jeweiligen Branche liegt, ersetzt sie auch keine Risikoanalyse, die die Risiken in einer Industrie quantifiziert.
1.3 Ausblick: Mehrwert einer branchenübergreifenden Betrachtung Der Nutzen einer Branchenanalyse und die Ermittlung der branchen- und unternehmensspezifischen Werttreiber bzw. KPIs erschöpft sich selbstverständlich nicht allein in der Vorbereitung einer Unternehmensbewertung. In jüngster Zeit entwickelt sich z.B. im Bereich der Investor Communications zunehmend eine Abkehr von kurzfristig orientierter Kapitalmarktkommunikation in der Form von quartalbasierter Earnings Guidance hin zu Reporting mit industriespezifische Werttreibern und KPIs. Grund ist die Loslösung des Reporting von einmaligen Effekten und die Konzentration auf das operative Geschäft. Continental Airlines, eine US-amerikanische Airline, veröffentlicht z.B. einen Hauptwerttreiber für das Unternehmen, den Beladungsfaktor für ihre Flugzeuge, täglich aktualisiert auf der Webseite des Unternehmens. 14 15 16 17
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Koller/Goedhart/Wessels (2005), S. 57 ff. Für eine Bestimmung der Peer Group anhand von Werttreibern siehe Richter, Using value drivers to identify peer group multiples (2005) Schmalenbach Business Review, Vol.55, P. 194–217. Koller/Goedhart/Wessels (2005), S. 311 ff. Hawawini/Subramian/Verdin (2000) Is profitability driven by industry- or firm-specific factors? A new look at the evidence Insead Research Paper; McGahan, A. M./Porter, M. E. (1997): How much does industry matter, really? Strategic Management Journal, Summer Special Issue 1997, S. 15–30. Koller/Goedhart/Wessels (2005), S. 411 ff.
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1 Die Relevanz von Branchenanalysen für die Unternehmensbewertung Im Übrigen stiftet gerade eine branchenübergreifende Analyse bei der Bewertung entscheidenden Mehrwert: so können sich durch brachenübergreifende Sichtweisen frühzeitig Innovationen und Trendverschiebungen erkennen lassen, die Branchen nachhaltig verändern. Ein Beispiel dazu bilden Methodiken aus der Automobil- und Fertigungsindustrie (z.B. Lean Six Sigma), die nun in anderen Brachen wie Finanzdienstleistungen angewendet werden und neue Effizienzkurven bei Banken und Versicherungen ergeben und damit andere Bewertungen nach sich ziehen. Ein anderes Beispiel für branchenübergreifende Themen sind Erfahrungen bei Marketing (Marketing Spend Effectiveness, Marketing Return on Investments), bei denen viele Branchen aus den Erfahrungen von Konsumgüterherstellern lernen können und lernen. Insofern sollte eine Unternehmensbewertung neben der oben dargestellten branchenbezogenen Analyse auch den Blick „über den Tellerrand“ inkludieren, um den Trends und Trendbrüchen in einer globalen Weltwirtschaft Rechnung zu tragen.
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2 Bewertung von Zulieferunternehmen von Matthias Pohl und Bjoern Thielen* 2.1 Beschreibung der Branchenmerkmale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1. Aktuelle Automobilkrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Struktur der Automobilindustrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Fahrzeugmodelle, -segmente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4 Geschäftsbeziehungen innerhalb der Zulieferpyramide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.5 Anforderungen an die Zulieferunternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Unternehmensbezogene Analysen, Unternehmensplanung und -bewertung. . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Beurteilung der Ausgangssituation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Umsatzplausibilisierung anhand einer Analyse des Auftrags- und Projektbuches . . . . . . 2.2.2.1 Ausgangsbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.2 Auftragsbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.3 Projektbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.4 Umsatzchancen und -risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.5 Ergebnisentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.6 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Unternehmensbewertung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.1 Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.2 Plausibilisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21 21 22 24 25 26 26 27 28 28 28 29 30 31 32 32 33 34 36
2.1 Beschreibung der Branchenmerkmale 2.1.1. Aktuelle Automobilkrise Nachdem die Automobilindustrie seit Anfang 2000 kontinuierlich gewachsen ist und einen Absatzrekord nach dem anderen feierte, durchläuft die Branche aktuell eine Absatzkrise, die in ihrem Ausmaß hinsichtlich dem Rückgang der Absatzzahlen und der Geschwindigkeit des Marktrückgangs kein vergleichbares Szenario aus der Vergangenheit kennt. Nachdem sich das erste Halbjahr 2008 noch innerhalb der erwarteten Prognosen entwickelt hatte, die von einer weltweiten Produktion von ca. 70 Mio. Fahrzeugen (PKW und leichte LKW) ausgegangen war, sind die Zulassungszahlen der Automobilhersteller (OEM – Original Equipment Manufacturer) ab September nahezu abgestürzt. Je nach Fahrzeugmodell und Region betrugen die Rückgänge gegenüber den Vorjahresmonaten zwischen 15 und 40%, in Einzelfällen sogar noch mehr. Besonders betroffen sind die Fahrzeuge aus dem Premiumsegment. Hier macht sich der hohe Kraftstoffverbrauch und die generelle Kaufzurückhaltung der Käufer bemerkbar. Verursacht durch die Finanzkrise scheiden die in den letzten Jahren eingesetz-
* Matthias Pohl und Bjoern Thielen, beide Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart.
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Matthias Pohl und Bjoern Thielen ten Finanzierungsmodelle (z.B. Leasing) aus bzw. können nur noch begrenzt eingesetzt werden und dämpfen damit den Absatz zusätzlich. Die Fahrzeughersteller haben mit entsprechenden Produktionskürzungen auf die Flaute reagiert, Leiharbeiter wurden freigesetzt und Kurzarbeit eingeführt. Entsprechend hart wird auch die Zulieferindustrie in Mitleidenschaft gezogen, neben den Absatzrückgängen wurden die Zulieferer insbesondere im 1. Halbjahr 2009 von der Anpassung der Lagerbestände zusätzlich getroffen. Nach ca. 66 Mio. weltweit produziert Fahrzeugen in 2008, pendelt sich für 2009 das Produktionsvolumen in einer Größenordnung von ca. 55 Mio. Fahrzeugen ein. Die Krise trifft nicht nur die PKW-Branche in den etablierten Märkten wie Westeuropa, Nordamerika und Japan, auch in der LKW-Branche, die traditionell eine hohe Volatilität aufweist, sind die Bestellungen im zweiten Halbjahr 2008 und Anfang 2009 bis zu minus 70% eingebrochen. Teilweise wird der Absatz durch staatliche Incentive-Programme forciert, in Deutschland konnte durch die Abwrackprämie die Neuzulassungen bis Oktober 2009 um ca. 26% gesteigert werden. Auch in China hat der Absatz dank steuerlichen Erleichtungen bei Kleinwagen in den ersten drei Quartalen um über 30% angezogen. Andere Länder wie Spanien oder Russland, die bis Mitte 2009 hohe Rückgänge verzeichnet hatten, haben mittlerweile ebenfalls Incentive-Programme gestartet. Die Kehrseite dieser Aktiopnen ist, dass eine überproportionale Kaufzurückhaltung nach Ablauf der Programme erwartet wird. Die Aussichten für 2010 und die folgenden Jahre sind momentan wenig konkret, für 2010 wird ein Marktniveau in der Größenordnung von 2009 als realistisches Szenario angenommen. Nach momentaner Einschätzung werden die Produktionszahlen von 2007 erst wieder in 2013 erreicht. Damit wird offensichtlich, dass die Krise nicht kurzfristig ausgesessen werden kann, sondern dass Kapazitätsanpassungen bei allen Beteiligten (OEMs, Zulieferer) notwendig sind. Neben den krisenbedingten Anpassungen, wird sich das Käuferverhalten in den nächsten Jahren verändern und neue Technologien zum Einsatz kommen, so dass es insgesamt zu entsprechenden Veränderungen in der Branche kommen wird. Die folgenden Ausführungen beschreiben den grundsätzlichen Aufbau der Automobilindustrie und die Beziehungen zwischen den Unternehmen (OEM, Zulieferer), krisenbedingte Effekte werden ausgeblendet, sofern diese keine mittel- bzw. langfristigen Auswirkungen haben.
2.1.2 Struktur der Automobilindustrie Trotz der aktuellen Entwicklungen gibt es keine Anzeichen dafür, dass sich die Struktur und der Grundaufbau der Automobilbranche insgesamt wesentlich verändern werden. Nach wie vor sind die Unternehmen entlang der Pyramide organisiert, an deren Spitze die Fahrzeughersteller stehen. Unterhalb der Fahrzeughersteller haben sich auf erster Ebene (Tier-1) die sogenannten System- und Modullieferanten positioniert. Systemlieferanten bieten funktional zusammen gehörende Produkte (z.B. Bremsen, Lenkung) an, während Modullieferanten räumlich zusammen gehörende Produkte (z.B. Sitze, Stoßfänger) liefern. Die nachfolgende zweite Ebene (Tier-2) umfasst die Komponentenlieferanten, d.h. diese Unternehmen produzieren Produkte wie mechanisch bearbeitete Guss- oder Schmiedeteile, Produkte aus Kunststoffspritzguss oder Kunststoffpressteile, sowie auch Standardprodukte wie Elektromotoren. Die nächste Ebene der Pyramide stellen die Teilelieferanten dar, die Teile wie Schrauben, Muttern, Schläuche oder auch Halbzeuge, wie z.B. Folien herstellen. Die unterste Ebene der Pyramide bilden die Rohstofflieferanten, wie z.B. Stahlhersteller oder Hersteller von Kunststoffgranulaten.
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2 Bewertung von Zulieferunternehmen Das folgende Schaubild zeigt den grundsätzlichen Aufbau der Branche und die Lieferbeziehungen zwischen den Unternehmen:
Pyramide in der Automobilindustrie
OEM
System-/Modullieferanten
Komponenten-/ Teilelieferanten
Unterschiedliche Lieferbeziehungen zwischen den einzelnen Ebenen in Abhängigkeit des Fahrzeugmodells und der Fertigungstiefe des OEMs
Rohstoffe, Halbzeuge
Abb. 2-1: Grundaufbau der Automobilbranche
Die Aufgabenverteilung und damit die Lieferbeziehungen zwischen dem OEM und den Zulieferunternehmen auf den verschiedenen Ebenen der Pyramide ist variabel definiert und wird für jedes Fahrzeugmodell entsprechend festgelegt. Kriterien wie Stückzahlen sowie die vorhandenen Fertigungsstrukturen spielen hierbei eine entscheidende Rolle. So hat beispielsweise die Zulieferstruktur für den VW Golf mit einer Jahresstückzahl zwischen 450.000 und 500.000 Einheiten und mehreren Montagestandorten (Wolfsburg, Mosel, Brüssel, Südafrika) eine andere Struktur als die Zulieferpyramide für die Mercedes S-Klasse mit einer Jahresstückzahl von ca. 85.000 Einheiten und einem einzigen Montagestandort (Sindelfingen). Dabei ist nicht nur die Anzahl der Lieferanten pro Pyramidenebene unterschiedlich, auch die Verteilung der Wertschöpfungsumfänge und die Lieferabhängigkeiten unterscheiden sich jeweils. Beispielsweise werden die Sitze für die S-Klasse von Mercedes selbst „inhouse“ gefertigt, d.h. ein Lieferant von Sitzkomponenten (metallische Sitzstrukturen, Sitzpolster …) liefert als klassischer Tier-2-Lieferant seine Produkte direkt an Mercedes, während beim VW Golf die Sitzmontage durch Modullieferanten (Johnson Controls, Sitec) erfolgt, welche in der Regel in unmittelbarer Nähe der Werke angesiedelt sind. In diesem Fall werden die einzelnen Sitzkomponenten innerhalb der Pyramide von der zweiten zunächst in die erste Ebene geliefert, dort erfolgt die Sitzmontage und die Lieferung an den OEM. Ein weiterer Aspekt der Aufgabenteilung innerhalb der Pyramide ist auch dadurch bestimmt, welche so genannten Kernkompetenzen der Fahrzeughersteller durch eigenes Know-how abdeckt und welche Nicht-Kernkompetenzen an die Zulieferindustrie übertragen werden. Traditionell definieren die OEMs die Fahrzeugentwicklung, die Herstellung der Fahrzeugkarosserie, die Fahrzeuglackierung, die Herstellung des Antriebsstrangs (Motor, Getriebe) sowie die Fahrzeugendmontage als eigene Kernkompetenz. Auch Markenpflege, Marketing und Vertrieb zählen zu den Domänen der OEMs. In den letzten Jahren haben sich die OEMs in unterschiedlichem Maße auf diese Kernkompetenzen konzentriert und sukzessive Verantwortung und Fertigungsaktivitäten für weniger relevante Bereiche an Zulieferer übertragen. Mittel- bis langfristig ist davon auszugehen, dass sich dieser Prozess fortsetzt
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Matthias Pohl und Bjoern Thielen und damit die Fertigungstiefe der OEMs weiter sinkt, diese gilt sowohl für den Entwicklungs- als auch den Produktionsprozess. Analog zu anderen Branchen fand in den letzten Jahrzehnten innerhalb der Automobilbranche eine weitreichende Konsolidierung statt. Waren vor 40 Jahren noch weltweit 25 eigenständige PKWHerstellern aktiv, sind aktuell noch ca. 13 Konzerne am Markt tätig. Durch die aktuelle Krise wird eine weitere Konsolidierungswelle erwartet, Prognosen gehen davon aus, dass in den kommenden Jahren nur noch 8 bis 10 unabhängige Automobilkonzerne den Markt beherrschen werden. Zugleich werden möglicherweise neue OEMs aus China, Indien und Russland auf dem internationalen AutomotiveParkett erscheinen. Der indische Anbieter Tata hat bereits erste Schritte zu einem internationalen OEM getätigt: die Übernahmen von Jaguar und Land Rover sowie die Eigenentwicklung des Kleinwagen Nano zählen dazu. Bei den Zulieferunternehmen war der Konsolidierungsprozess während der letzten Jahre noch drastischer. Gab es 1990 weltweit noch rund 30.000 aktive Zulieferunternehmen, so waren es bereits im Jahr 2000 nur noch ca. 6.000 Unternehmen. Diese Anzahl wird nach Einschätzung vieler Experten in den nächsten Jahren auf 3.000 bis 3.500 Unternehmen zurückgehen, die aktuelle Krise wird auch hier einen beschleunigenden Faktor darstellen.
2.1.3 Fahrzeugmodelle, -segmente Ein weiterer Trend der letzten Jahre war der sukzessive Ausbau der Modellvielfalt. Jeder Hersteller bedient inzwischen mit seinen Marken (z.B. VW-Gruppe mit Audi, Seat, Skoda u.a.) möglichst viele Fahrzeugsegmente (z.B. Kleinwagen, Mittelklasse, Oberklasse, Luxus), in denen wiederum zahlreiche Derivate (z.B. Limousine, Kombi, Cabrio) angeboten werden. Ziel dieser Modellexpansion ist eine nahezu vollständige Marktabdeckung, um damit die vielfältigen Kundenwünsche befriedigen zu können. Durch den Mix von Konzepten ist zudem eine Vielzahl von Subsegmenten bzw. Nischen (z.B. Mini-Vans) entstanden. Die Fahrzeugsegmente Geländewagen (SUV: Special Utility Vehicle) und Vans (MPV: Multi Purpose Vehicle) sind gute Beispiele für die Entwicklung neuer Segmente. Wurde vor 15 Jahren maximal ein Modell pro Fahrzeugsegment angeboten, präsentieren die OEMs heute verschiedene Modelle pro Fahrzeugsegment. Die deutschen OEMs zeigen dies am Beispiel der Geländewagen sehr deutlich: BMW bietet schon seit längerem den kleinen und großen Geländewagen an (X3, X5), Mercedes hatte lange nur die M-Klasse im Angebot und hat erst kürzlich den kleinen GLK nachgelegt. Audi war lange Zeit gar nicht mit einem Geländewagen am Markt und hat innerhalb der letzten 2 Jahre den Q7 und Q5 platziert. Um die steigende Anzahl von Fahrzeugmodellen und die daraus resultierende Komplexität zu beherrschen, haben die OEMs so genannte Fahrzeugplattformen eingeführt. Eine Plattform definiert neben dem gemeinsamen Grundaufbau eine Vielzahl von Teilen oder Komponenten, welche in allen Fahrzeugen Verwendung finden. Diese Gleichteile sind für den Autofahrer nicht sichtbar (z.B. Achsen, Fahrwerk, Rohbau), die Differenzierung und markentypische Ausprägung erfolgt über das Karosseriedesign, die Innenraumgestaltung und entsprechende Ausstattungsvarianten. Plattformen bieten so erhebliche Mengeneffekte für den OEM und Zulieferer. So umfasst beispielsweise die Golf-Plattform innerhalb der Volkswagen-Gruppe nicht nur den VW Golf, Touran und Caddy, sondern u.a. auch den Audi A3, den Seat Altea, Leon/Toledo und den Skoda Octavia. In 2008 wurden über 2 Mio. Fahrzeuge auf Basis dieser Plattform produziert, der Golf selbst wurde 2008 ca. 500.000-mal verkauft. Für die nächsten Modellgenerationen plant der VW-Konzern einen weiteren Ausbau dieser Konzeption, der so genannte Modulbaukasten MQB (modularer QuerBaukasten) wird Standardkomponenten und -module für mehr als 2,5 Mio. Fahrzeuge p.a. verschiedener Marken und Modelle definieren. Abbildung 2 zeigt diesen Trend eindrucksvoll. So hat die Anzahl der weltweiten Fahrzeugmodelle zwischen 2003 und 2009 um 14 % zugenommen, ebenso stieg der Einfluss der Plattformen:
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2 Bewertung von Zulieferunternehmen
Modelle und Plattformen 26,5% 24,4%
25%
23,6% 19,3%
1.200
18,3%
20,1%
20,9%
21,4% 1.205 20% 1.178 1.147
1.150 1.118
1.154 15%
1.127 10%
1.100 1.073 1.050
Anteil der TOP-10 Plattformen an der Gesamtproduktion
Anzahl der weitweiten Fahrzeugmodelle
1.250
5%
1.034
1.000
0% 2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
Quelle: PWC Automotive Institute
Abb. 2-2: Modelle und Plattformen
2.1.4 Geschäftsbeziehungen innerhalb der Zulieferpyramide Obwohl die Struktur der Pyramide von vielen verschiedenen Einflussfaktoren abhängig ist und sehr unterschiedliche Ausprägungen annehmen kann, ist die Form der Geschäftsbeziehungen zwischen den beteiligten Partnern stark standardisiert. Je nach Zulieferprodukt erfolgt die Vergabe der Zulieferaufträge lange vor dem Produktionsstart des eigentlichen Fahrzeugmodells während der Entwicklungsphase. Nach einem Auswahl- und Angebotsprozess wird das Zulieferunternehmen bestimmt, das für alle erforderlichen Aktivitäten und Maßnahmen während der Entwicklungsphase (z.B. Koordination der Sublieferanten, Investitionen in Werkzeuge, etc.) und für die spätere Produktion der Serienteile zu den vereinbarten Konditionen (Menge, Preis) verantwortlich ist. Nachdem die Lieferanten für die einzelnen Teile, Komponenten, Systeme und Module bestimmt wurden, bleibt diese Geschäftsbeziehung normalerweise über den gesamten Lebenszyklus des relevanten Fahrzeugmodells bestehen. Abhängig von dem Fahrzeugmodell beträgt der Lebenszyklus zwischen 5 bis 7 Jahre, bis das Modell durch die Nachfolgegeneration abgelöst wird. Zudem handelt es sich in den meisten Fällen um eine exklusive Geschäftsbeziehung, d.h. für jedes Produkt innerhalb der Pyramide wird nur ein Lieferant beauftragt. Diese sogenannte Single-Source-Beziehung (nur eine Bezugsquelle) hat sich in der Branche überwiegend durchgesetzt. Dadurch entsteht eine hohe Abhängigkeit zwischen den einzelnen Parteien, mit allen Vor- und Nachteilen. Die Zulieferer können somit die hohen Vorlaufkosten aus Entwicklung, Werkzeuge und Anlagen auf große Stückzahlen umlegen, mit den entsprechenden Kostendegressionseffekten. Zudem bietet diese Art von Geschäftsbeziehung eine hohe Planungssicherheit für die beteiligten Lieferanten, da auf Basis der erwarteten Stückzahlen des relevanten Fahrzeugmodells die Umsatzentwicklung über den Produktlebenszyklus ungefähr bestimmt werden kann. Im Gegenzug fordern die Fahrzeughersteller von den Zulieferunternehmen für die langen Vertragslaufzeiten entsprechende Preisnachlässe, die ca. 1 % bis 3 % pro Jahr betragen. Einige OEMs vereinbaren diese Preisnachlässe bereits bei der Vertragsunterzeichnung für die gesamte Laufzeit, andere OEMs wiederum verhandeln die Preisnachlässe jahresweise.
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2.1.5 Anforderungen an die Zulieferunternehmen Um diesen beschriebenen Entwicklungen gerecht zu werden, mussten die Zulieferunternehmen in den letzten Jahren ihre Prozesse und Strukturen ständig optimieren. Höchste Qualität zu niedrigen Preisen und eine internationale Präsenz zählen mittlerweile zur Selbstverständlichkeit innerhalb der Branche. Auch bei Entwicklungskompetenz und Innovationskraft sind die Zulieferer entsprechend gefordert. Einem Zulieferer, dem es gelingt, durch eigene Ideen und Ansätze frühzeitig und proaktiv in die Entwicklungs- und Planungsprozesse seines Kunden eingebunden zu werden, kann sich so als wichtiger Partner positionieren. Zahlreiche neue Technologien sind von Zulieferunternehmen initiiert, entwickelt und zur Serienreife gebracht worden. Für Zulieferer mit der entsprechenden Kompetenz und Innovationskraft bedeutet dies zusätzliche Wachstumsmöglichkeiten und Absatzchancen. Die Umsetzung dieser Anforderungen erhöht den notwendigen Investitions- und Finanzierungsbedarf. Da die Entwicklungsdauer in der Automobilindustrie bis zu 3 Jahre dauert, fließt der „Return“ dieser Investitionen in Form von Umsätzen und Erträgen den Unternehmen erst mittelfristig zu, d.h. die Unternehmen müssen in der Lage sein, diese Aktivitäten vorzufinanzieren. Weiter kommt hinzu, dass die Vorbereitungskosten für die anschließende Produktion, wie z.B. die Kosten für Werkzeuge oder die Investitionen in neue Anlagen die Finanzierungsfähigkeit eines Unternehmens zusätzlich in Anspruch nehmen. Angetrieben durch die steigenden Kraftstoffpreise und die Umwelt- bzw. CO2-Diskussion werden in den nächsten Jahren im Bereich Antriebstechnologien signifikante Veränderungen erwartet, verbunden mit den entsprechenden Chancen und Risiken. Einerseits existiert noch erhebliches Verbesserungspotenzial beim klassischen Verbrennungsmotor. Hier werden die Motoren zunehmend kleiner ausgelegt (weniger Hubraum, weniger Zylinder), allerdings wird durch leistungssteigerende Maßnahmen (z.B. Turbo-Aufladung, Direkteinspritzung) die Performance bei gleichzeitiger Kraftstoffeinsparung hoch gehalten. Andererseits wird das Thema Hybrid- und Elektrofahrzeuge Veränderungen mit sich bringen. Die Ergänzung des klassischen Verbrennungsmotors durch einen elektrischen Antrieb im Rahmen eines Hybridkonzeptes oder der Ersatz des Verbrennungsmotors durch einen Elektromotor bei reinen Elektrofahrzeugen eröffnet einerseits Chancen für Zulieferer in den Bereichen Batterie, Elektrik/Elektronik, aber auch Substitutionsgefahren für Zulieferer, die im traditionellen Antriebsstrang (Motor, Getriebe, Abgasanlage) positioniert sind.
2.2 Unternehmensbezogene Analysen, Unternehmensplanung und -bewertung Die Beurteilung und Bewertung eines Zulieferunternehmens sollte drei einzelne, aufeinander aufbauende Phasen durchlaufen. Zuerst gilt es, die Ausgangsposition des Unternehmens innerhalb der Branche festzustellen und zu beurteilen. Dabei muss im Wesentlichen die Frage geklärt werden, wie nachhaltig die aktuelle Position zu bewerten ist bzw. welche Veränderungen notwendig sind, um auch zukünftig im Wettbewerb bestehen zu können. Dies kann durch die Absicherung der heutigen Position oder durch eine Veränderung der Positionierung erfolgen. In einem zweiten Schritt muss die Zukunftsplanung plausibilisiert werden. Die Branche bietet hierzu aufgrund der langfristigen Vertragsbeziehungen gute Voraussetzungen, dies mit Hilfe einer Analyse des Auftrags- und Projektbuches durchzuführen. Die plausibilisierte Zukunftsplanung fließt abschließend in die klassische Unternehmensbewertung ein, die mit den üblichen Verfahren (bevorzugt wird das DCF-Modell) durchgeführt wird.
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2 Bewertung von Zulieferunternehmen
2.2.1 Beurteilung der Ausgangssituation Aufgrund der Heterogenität der Branche sind die Automobilzulieferer in den verschiedenen Segmenten (Metallbe- und -verarbeitung, Herstellung von Elektro- und Elektronikkomponenten, Kunststoffbe- und -verarbeitung usw.) nur bedingt miteinander vergleichbar. So hat ein Metallgießer andere (Kosten-)Strukturen als ein Hersteller von Sensoren bzw. elektronischen Bauelementen. Um nun aus den bekannten branchenübergreifenden Entwicklungen konkrete Überlegungen zu einem Einzelunternehmen anzustellen, ist eine dezidierte Betrachtung notwendig. Die beschriebenen Ausprägungen und Relationen der Branche bilden dabei einen Orientierungsrahmen, um die Positionierung eines Unternehmens besser zu bestimmen. Wichtig ist hierbei, das Geschäftsmodell eines Automobilzulieferers zu analysieren und dessen strategische Ausrichtung zu hinterfragen, insbesondere hinsichtlich der Frage wie kompatibel diese mit der erwarteten Marktentwicklung ist. Aus den bisherigen Ausführungen wird erkennbar, dass sich Zulieferunternehmen entlang der Lieferbeziehungen bzw. innerhalb der Pyramide an sehr unterschiedlichen Positionen wiederfinden. Nicht zwangsläufig ist die Zuordnung als Tier-1-Lieferant die beste Position. Ein Unternehmen ist vielmehr von der spezifischen Produkt- und Leistungskompetenz gekennzeichnet. So kann sich ein klassischer Lieferant der dritten Ebene aufgrund seiner Produkte, seiner Produktionsverfahren, seiner Innovationskraft oder durch die Besetzung einer Nische eine nachhaltige Position erarbeitet haben, die sich durch gute Kundenbeziehungen und profitables Wachstum auszeichnet. Bei einem Unternehmen gilt es daher festzustellen, wie mit den spezifischen Bedingungen und Anforderungen des Marktes bisher umgegangen wurde und wie die zukünftige Weichenstellung erfolgt. Diese Positionsbestimmung setzt sich aus einer Vielzahl von Daten und Fakten zusammen, wobei an dieser Stelle sehr stark auf qualitative Zusammenhänge eingegangen wird. Wichtig ist nicht nur eine Vergangenheitsbetrachtung oder die Bestimmung des Status quo, sondern anhand der Zukunftsaussichten der Märkte die zukünftigen Perspektiven des Unternehmens abzuleiten. Nachfolgend sind einige Kriterien aufgelistet, welche im Rahmen einer Einzelbetrachtung genauer geprüft werden sollten. Je nach Anlass und Zweck einer derartigen Unternehmensanalyse können oder müssen die Kriterien erweitert bzw. in unterschiedlichen Detaillierungsstufen untersucht werden. Dies ist auch unter dem Aspekt des hierfür notwendigen Zeit- und Ressourcenaufwandes und dem generellen Zugang bzw. der Verfügbarkeit der benötigten Informationen und Daten zu berücksichtigen. Alle Ergebnisse aus dieser systematischen Daten- und Informationszusammenstellung sollten neben der individuellen Bewertung branchenüblichen Messgrößen und Erfahrungswerten gegenübergestellt werden: • Produkt- und Leistungsumfang: Vorhandene Fertigungstiefe, Umfang der zugekauften Komponenten, Umfang der eingesetzten Technologien und Verfahren, technische Ausstattung und Infrastruktur • Position innerhalb der Lieferantenpyramide: Belieferung über Komponente, Modul/System eines übergeordneten Zulieferers oder Direktbelieferung des Automobilherstellers • Besondere Kompetenzen bzw. objektiv nachweisbare Alleinstellungsmerkmale (z.B. Produktionsverfahren, spezielles Know-how usw.) und Differenzierungsmerkmale des Produktes (Kosten vs. Technologie) • Aktuelle und zukünftige Penetration der relevanten Produkte im Fahrzeug, Einsatz als Serien-, Sonderausstattungs- oder Ersatzteil • Einbindung des Unternehmens in den Entwicklungs- und Produktionsprozess • Innovationskraft: Eigene/kundenunabhängige Entwicklungen, existierende Patente bzw. Schutzrechte, Anteil „neuer“ Produkte • Lieferantenstruktur, Abhängigkeiten von Sublieferanten und/oder Materialien • Wettbewerber und Wettbewerbsumfeld: Wettbewerbsvergleich im Zusammenhang mit Marktanforderungen und Marktattraktivität
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Matthias Pohl und Bjoern Thielen • Zukünftige Branchenentwicklung: gesetzgeberische Maßnahmen, technologische Trends und daraus entstehende Substitutionsgefahren bzw. -chancen Anhand dieser Kriterien kann eine erste Aussage über die strategische Positionierung des Unternehmens abgeleitet werden, die mit Hilfe der weiteren Analysebausteine vertieft werden muss.
2.2.2 Umsatzplausibilisierung anhand einer Analyse des Auftragsund Projektbuches Die Struktur der Automobilindustrie bietet im Gegensatz zu vielen anderen Branchen die Möglichkeit, die zukünftige Entwicklung auf Basis langfristiger Verträge abzubilden und zu prognostizieren. Somit kann die Umsatzentwicklung anhand von Preis/Mengengerüsten detailliert aufgebaut und nachvollzogen werden. Mit Hilfe von branchenspezifischen externen Datenquellen (z.B. Produktions- und Absatzzahlen für Fahrzeugmodelle) können die Angaben der Unternehmen verifiziert und plausibilisiert werden. Mit dieser Methodik kann die Umsatzplanung des Businessplanes überprüft und ggf. durch Zu- oder Abschläge korrigiert werden. Zudem können zukünftige Auswirkungen auf die Ergebnissituation durch Veränderungen im Kunden/Modell-Mix bzw. der Kostenstruktur analysiert werden.
2.2.2.1 Ausgangsbasis Die Umsatzplanung und -entwicklung eines Zulieferunternehmens orientiert sich im Wesentlichen an bereits fixierten Aufträgen sowie Aufträgen im Verhandlungsstadium (Projekte). Das Unternehmen führt hierzu – wie nachfolgend beschrieben – Detailinformationen zu den jeweiligen Einzelaufträgen und -projekten strukturiert bzw. tabellarisch in einem Auftrags- und Projektbuch zusammen. Die auf diese Weise bereit gestellten Daten dienen nun als Ausgangsbasis für das Analysemodell und werden mit qualitativen und quantitativen Methoden betrachtet und analysiert. Hierbei kommen neben vorrangig faktengetriebenen Datenquellen für die Stückzahlauswertung (z.B. Automobilmarkt-Prognosen von IHS Global Insight oder CSM) auch branchenübliche Erfahrungswerte zur Unterlegung und Plausibilisierung der vorliegenden Daten zum Einsatz.
2.2.2.2 Auftragsbuch Für alle wesentlichen Aufträge wird für die Analyse ein Preis/Mengengerüst erstellt, das die geplanten Preise und Stückzahlen und die daraus erwarteten Umsätze für das laufende Geschäftsjahr und die nächsten vier bis fünf Jahre enthält. Die Aufträge sind entweder bereits in der Produktion, d.h. umsatzrelevant oder noch in der Entwicklungsphase. In diesem Fall existiert allerdings eine schriftliche Bestätigung (Nomination Letter), der Umsatz wird in den nächsten Jahren anfallen. Ergänzend werden der entsprechende Kunde/Auftraggeber, die relevante Fahrzeugbaureihe und die Lieferquote für die einzelnen Aufträge angegeben (bei einem SingleSource-Lieferanten beträgt die Quote 100 %). Bei Lieferanten der zweiten Ebene (Tier-2) müssen die Informationen bezüglich der Fahrzeugmodelle ggf. über den jeweils direkten Kunden, also den System- oder Modullieferanten (Tier-1) erfragt werden. Wichtig ist es, hierbei auch die Lieferquote des direkten Lieferanten zum Fahrzeughersteller zu kennen. Eine SingleSource-Beziehung zwischen Tier-2 und Tier-1-Lieferant ist aus Sicht des Tier-2-Lieferanten weniger stabil, wenn der Tier-1-Lieferant keine SingleSource-Position gegenüber dem OEM hat. Weiterhin ist für den einzelnen Auftrag zu spezifizieren, ob es sich bei dem entsprechenden Zulieferprodukt um ein Serienteil, ein Ersatzteil, ein Sonderausstattungsteil oder um ein Teil für eine Sonderfahrzeugvariante handelt. Bei der qualitativen Analyse steht die Beurteilung von möglichen Risiken im Vordergrund. Aufschlussreicher als die übliche Auswertung der Kundenstruktur ist die Zusammensetzung des Auftragsvolumens nach Fahrzeugmodellen, d.h. wie verteilen sich die Umsätze auf die verschiedenen Fahrzeugmodelle. Wird eine gemeinsame Plattform (z.B. in der VW-Gruppe) komplett beliefert, in welchen Fahrzeugsegmenten sind die Produkte des Zulieferunternehmens zu finden, usw. Durch eine
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2 Bewertung von Zulieferunternehmen Kombination dieser beiden Analysen können die Abhängigkeiten im Kunden-/Modell-Mix dargestellt und die entsprechenden Risiken abgeleitet werden. Die in Abbildung 3 gezeigte Matrix wird als IstDarstellung und zur Ableitung der zeitlichen Veränderungen als Prognose-Darstellung (z.B. in drei Jahren) ausgewertet.
Kunden-Fahrzeugmodell-Mix
Kunden
¥
¥
¥
¥
¥
¥
Umsatz kleiner 5%
Sonstige
¥
E
¥
D
¥
C
¥
B
¥
A
¥
Umsatz zwischen 5% bis 10% Umsatz größer 10%
Mini
Kompakt
Geho- SUVs, Luxus bene Vans
Sonstige
Fahrzeugmodelle
Abb. 2-3: Kunden-Modell-Mix in der Automobilindustrie
Bei der quantitativen Analyse werden die angegebenen Stückzahl- und Preisentwicklungen untersucht. Mit Hilfe von bestätigten Werten aus der Vergangenheit und neutralen externen Prognosen kann das Mengengerüst des Auftragsbestandes gut plausibilisiert werden. Dabei ist die eindeutige Zuordnung zwischen gelieferten Teilen und der entsprechenden Fahrzeugvariante sicherzustellen. Zudem müssen die erwarteten Preisveränderungen (meist Preisreduzierungen) berücksichtigt werden. Hierzu kann man – soweit vorhanden – die bereits getroffenen Vereinbarungen aus den Lieferverträgen übernehmen. Ebenso kann die durchschnittliche Preisentwicklung herangezogen werden, wobei nach einzelnen Kunden unterschieden werden sollte, da hier oftmals sehr unterschiedliche Preisveränderungen feststellbar sind. Im Durchschnitt muss über alle Aufträge hinweg mit einer jährlichen Preisreduzierung von ca. 1,5 bis 2,5 % gerechnet werden.
2.2.2.3 Projektbuch Der zweite Analyseschwerpunkt konzentriert sich auf die zukünftigen im sogenannten Projektbuch geführten Auftragspotenziale. Hier sind diejenigen Einzelprojekte aufgelistet, die sich aktuell in Verhandlung mit dem jeweiligen Kunden befinden, bei denen allerdings noch keine Auftragsbestätigung vorliegt. Um die Auftragswahrscheinlichkeit der einzelnen Projekte abschätzen zu können, sind diese nach Verhandlungsstadium und Kundenbeziehung zu segmentieren (siehe Abbildung 4). Projekte mit Neukunden, die sich in einem frühen Verhandlungsstadium befinden, haben eine niedrigere Auftragswahrscheinlichkeit als Projekte mit bestehenden Kunden, bei denen beispielsweise ein Nachfolgeauftrag für die nächste Fahrzeuggeneration verhandelt wird. Weitere Kriterien zur Bestimmung der Wahrscheinlichkeit sind die Zeitdauer bis zum Produktionsstart (SOP – Start of Production) (je länger der Zeitraum ist, umso eher hat der Kunde die Möglichkeit, den Lieferanten
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Matthias Pohl und Bjoern Thielen ohne große Mehrkosten zu wechseln), die Stabilität der festgelegten Spezifikationen (Ideenwettbewerb vs. Festlegung der Materialspezifikation) und der Umfang der bereits geleisteten Entwicklungs- und Konstruktionsleistungen (erste Konstruktionsskizzen vs. Erstellung von Funktionsmustern und Beginn der Werkzeugkonstruktion). Der Blick auf die Kundenbeziehung hinterfragt u.a. die Dauer und Beständigkeit der Kundenverbindung und auch die Relation des avisierten Projektes zum aktuell realisierten Gesamtumsatz mit dem entsprechenden Kunden. Mit Hilfe der definierten Wahrscheinlichkeit kann das zukünftige Umsatzpotenzial berechnet werden. Hierzu bieten sich grundsätzlich zwei Möglichkeiten an, entweder wird der jeweilige Umsatz mit der festgelegten Wahrscheinlichkeit gewichtet (bei einer 75 %-igen Wahrscheinlichkeit wird aus einem jährlichen Umsatzvolumen von 1,0 Mio. € ein Umsatzpotenzial von 750.000 €). Alternativ ist die Anwendung der digitalen Methode möglich: Projekte mit einer Auftragswahrscheinlichkeit größer 50 % werden voll gewertet, Projekte mit einer Wahrscheinlichkeit kleiner 50 % finden in dieser Aufstellung keine Berücksichtigung. Der Vergleich der beiden Ansätze zeigt meist geringe Unterschiede, nur bei Unternehmen, die vergleichsweise wenig Großprojekte in der Projektliste haben, können größere Unterschiede zwischen den beiden Methoden auftreten. Analog zur Vorgehensweise bei den Aufträgen werden die genannten Projekte ebenso hinsichtlich des unterstellten Preis-/Mengengerüstes sowie der Kunden-Modell-Mix-Auswertung plausibilisiert.
Projektwahrscheinlichkeit in %
langjährig
< 50%
> 70%
neu
illustrativ Kundenbeziehung: – Dauer der Kundenverbindung – Anzahl Wettbewerber im Produktbereich – Relation des avisierten Projektes zum aktuell realisierten KundenGesamtumsatz
30
< 20%
> 60%
früh
fortgeschritten
Projektphase: – Zeitlicher Abstand bis SOP – Stabilität Spezifikationen – Fortschritt Werkzeugentwicklung
Abb. 2-4: Festlegung der Projektwahrscheinlichkeit
2.2.2.4 Umsatzchancen und -risiken Die aus der Analyse des Auftrags- und Projektbuches hergeleitete Umsatzentwicklung stellt somit eine transparente und fundierte Umsatzdarstellung für die nächsten Jahre dar (vgl. Abbildung 5). Die Abweichungen zu dem vom Unternehmen erstellten Businessplan quantifiziert sowohl die jeweiligen Umsatzchancen, d.h. eine positivere Umsatzentwicklung als vom Unternehmen angenommen, als auch die Umsatzrisiken, d.h. negative Planabweichungen für die nächsten Jahre. Häufig findet sich in den Planungen neben den Aufträgen und Projekten auch noch eine sogenannte „Umsatzlücke“, d.h. es wird mit zusätzlichem Umsatzpotenzial gerechnet, welches zwar zum aktuellen Betrachtungszeitraum noch nicht näher spezifizierbar ist, jedoch vom Unternehmen aufgrund von Vergabezyklen,
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2 Bewertung von Zulieferunternehmen Kundenbeziehungen, neuen Produkten und Marktdurchdringung als machbar angenommen wird. Aufgrund der langen Vorlaufzeiten sollte für die nächsten zwei Jahre keine unspezifischen Aufträge bzw. Projekte in der Planung akzeptiert werden, für den Planungszeitraum ab drei Jahre sollte das Volumen dieser Aufträge maximal im Bereich eines einstelligen Prozentwertes am geplanten Umsatzvolumen liegen. Aus der Unterscheidung zwischen Aufträgen und Projekten kann die Bestätigungsquote, d.h. das Verhältnis aus dem mit Aufträgen unterlegten Umsatzvolumen zu dem geplanten Umsatzvolumen errechnet werden. Diese Quote ist ein Indiz für das zukünftige Umsatzrisiko. Aufgrund der langfristigen Verträge und der langen Vorlaufzeiten im Rahmen der Auftragsvergabe sollte die Bestätigungsquote für das laufende Geschäftsjahr größer 95 % sein. Für das folgende Geschäftsjahr bewegt sich eine branchenübliche Quote bei ca. 85–90 % und für das übernächste Geschäftsjahr bei größer 70 %.
Quantifizierung der Umsatzchancen, -risiken illustrativ Umsatzrisiko auch aufgrund von Umsatzlücken
Umsatzchance
Geplanter Umsatz des Unternehmens
Projektvolumen aus Analyse Auftragsvolumen aus Analyse
Bestätigungsquote
Aktuelles GJ
Nächstes GJ
In 2 Jahren
In 3 Jahren
In 4 Jahren
Abb. 2-5: Quantifizierung der Umsatzchancen bzw. -risiken
2.2.2.5 Ergebnisentwicklung Die Chancen und Risiken auf der Ergebnisseite sind wesentlich schwerer zu quantifizieren als dies umsatzseitig möglich ist. Dennoch gibt es Indizien für mögliche Ertragsrisiken. Aus den Veränderungen der Umsatzstruktur können Auswirkungen auf die Ertragslage abgeleitet werden. Verschiebungen im Kunden/Produkt/Mix führen zu Verschiebungen auf der Ergebnisseite. Meist wird mit Premiummodellen ein höherer Deckungsbeitrag realisiert als mit Volumenmodellen. In Geschäftsjahren mit vielen Produktneuanläufen sind höhere Kosten zu erwarten als in „normalen“ Zeiten, da Produktanläufe eine intensivere Betreuung und eine höhere Aufmerksamkeit erfordern und damit Zusatzkosten generieren. Weiter gibt die Analyse der Kostenstruktur einen Hinweis auf mögliche Ergebniseinflüsse. Die Höhe der variablen Kosten (Materialkosten, Kosten für bezogene Leistungen (u.a. Zeitarbeiter)) spielt hierbei eine wesentliche Rolle. Ein hoher Anteil an variablen Kosten reduziert zunächst das Ergebnisrisiko, da dieser Kostenanteil mit der Umsatzentwicklung atmet. Hohe Abhängigkeiten von einzelnen Materialgruppen bergen die Gefahr, dass Erhöhungen auf der Materialkostenseite, die nicht im Preis weitergegeben werden können, zu einer signifikanten
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Matthias Pohl und Bjoern Thielen Verschlechterung des Ergebnisses führen. Viele mittelständische Zulieferer befinden sich in einer „Sandwich“-Position. Auf der Abnehmerseite stehen mächtige Fahrzeughersteller, die ihre jährlichen Preisreduzierungen fordern, während sich auf der Lieferantenseite häufig ebenfalls Großkonzerne z.B. für Kunststoffgranulate oder Stahl befinden. Hinsichtlich der Fixkosten ist für die großen Kostenpositionen, (z.B. Personal) die übliche Kostenentwicklung zu unterstellen, die ggf. durch Einsparungen aufgrund von Produktivitätsfortschritten, veränderter Fertigungstechnologien oder Umsatzmix kompensiert werden kann. Andererseits stellt eine stark automatisierte Fertigung ein großes Fixkostenrisiko dar, insbesondere wenn eine hohe Break-even Auslastung notwendig ist.
2.2.2.6 Fazit Mit Hilfe dieses Analysemodells lässt sich die Umsatz- und Ergebnisentwicklung des jeweiligen Unternehmens fundiert evaluieren. Die Ergebnisse bieten dem Unternehmen selbst einen kritischen Blick auf die gemachten Annahmen und Prognosen und bilden die Grundlage für die Unternehmensbewertung.
2.2.3 Unternehmensbewertung Das Besondere an der Bewertung von Automobilzulieferern ist weniger in der Anwendung spezieller Bewertungsverfahren als in der im Vergleich zu anderen Branchen relativ hohen Planungssicherheit zu sehen. Die Auswahl des Bewertungsverfahrens steht dagegen eher im Zusammenhang mit dem Bewertungszweck. Ein Investment-Analyst einer Bank wird ein börsennotiertes Unternehmen in der Regel mit dem DCF-Modell nach dem Entity-Ansatz bewerten. Dies ist sinnvoll, da er normalerweise nur eingeschränkt Zugang zu Informationen über die mittelfristige Entwicklung der Bilanz und insbesondere der Finanzierungsstruktur besitzt. Ein strategischer Investor oder auch ein Finanzinvestor verfügen beim Kauf eines Unternehmens über detaillierte Informationen zum Unternehmen, so dass hier das DCF-Modell nach dem Equity-Verfahren zu empfehlen ist, das alle Cash-flow relevanten Informationen berücksichtigt. Das DCF-Verfahren nach dem Equity-Ansatz bietet beispielsweise den Vorteil, dass sich im Zeitablauf stark verändernde Kapitalstrukturen, wie sie für eine Akquisitionsfinanzierung typisch sind, am besten abbilden lassen. Am Beispiel der Autozuliefer GmbH wird der Fall dargestellt, dass auf Basis der erhobenen und plausibilisierten Informationen eine Bewertung für einen Finanzinvestor durchgeführt wird. Das Bewertungskalkül eines strategischen Investors unterscheidet sich von dem eines Finanzinvestors dadurch, dass der strategische Investor mit Synergien rechnet und häufig auch eine geringere Eigenkapitalrendite ansetzt. Ein Grund für die geringere geforderte Eigenkapitalrendite ist, dass der strategische Investor aufgrund seiner Branchenkompetenz die Risiken in der Planung besser einschätzen kann. Für die Bewertung wird als erstes die mit Hilfe der Auftrags- und Projektbuchanalyse plausibilisierte Unternehmensplanung erstellt. Diese umfasst im Wesentlichen die Umsatz- und Ergebnisentwicklung für die nächsten Jahre. Basierend auf der letzten Stichtagsbilanz, der vorhandenen Investitionsplanung und der Working Capital-Planung wird eine integrierte Planbilanz entwickelt. Die Investitionsplanung und damit das Anlagevermögen lassen sich aus den Details des Auftrags- und Projektbuches ableiten. Im Einzelnen geht es um Investitionen, die im Zusammenhang mit neuen Aufträgen stehen, wie z.B. Werkzeuge, benötigte neue Produktionsanlagen oder die Erneuerung bestehender Anlagen, sowie die Vorlaufkosten des Produktionsanlaufes oder strategische Investitionen wie z.B. in neue Produktionsstandorte oder Forschungsaktivitäten. Die Planung des Working Capital basiert sowohl auf Erfahrungswerten als auch auf vertraglichen Gegebenheiten. Beispielsweise wird in den Verträgen mit den OEMs vereinbart, inwiefern Konsignationslager vorzuhalten sind und wann der Eigentumsübergang erfolgt. Eine üblicherweise pauscha-
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2 Bewertung von Zulieferunternehmen lierte Planung des Working Capital über Laufzeiten wie Lagerhaltungsdauer, Debitorendauer oder Kreditorendauer bildet dies nur unzureichend ab. Die Finanzplanung beruht auf abgeschlossenen Kreditverträgen und auf Annahmen zur Refinanzierung von Investitionen mit Fremdkapital und hängt wesentlich von der Bonität des zu bewertenden Unternehmens ab. Je besser die Bonität eines Unternehmens umso flexibler kann die Finanzplanung gestaltet werden. Die Ausschüttungen ergeben sich als Residualgröße. Der Equity-Ansatz unterstellt, dass der Gewinn, der nach Investitionen/Desinvestitionen ins Anlagevermögen, in das Working Capital und nach Tilgung/Aufnahme von Finanzverbindlichkeiten verbleibt, ausgeschüttet wird.
2.2.3.1 Bewertung Im Folgenden wird am Beispiel der Autozuliefer GmbH kurz dargestellt, wie auf Basis plausibilisierter Planzahlen bewertet wird. Besonderheiten wie unterjährige Bewertung, Anteile Dritter an vollkonsolidierten Tochterunternehmen oder Pensionsverbindlichkeiten werden in der nachfolgenden Darstellung ausgeblendet. Für das DCF-Modell nach dem Equity-Ansatz werden als erstes aus der integrierten Planungsrechnung wie in Tabelle 2-1 die Flow to Equity ermittelt. In Tabelle 2-2 sind die wesentlichen Finanzkennzahlen für die Planungsrechnung abgebildet. Für die Bewertung wurde ein Planungshorizont von fünf Jahren unterstellt und danach in den Endwert, den Terminal Value, übergegangen. Die Länge des Planungshorizonts steht in direktem Zusammenhang mit der Reichweite und der Güte des Auftrags- und Projektbuches. Die Planzahlen für den Terminal Value wurden aus denen des letzten Planjahres auf Basis einer nominellen langfristigen Wachstumsrate von 1 % abgeleitet. Eine Wachstumsrate von 1 % unterstellt im Wesentlichen einen Inflationsausgleich. Tabelle 2-1: Ermittlung des Flow to Equity für die Autozuliefer GmbH
[=] [-] [=] [-] [=] [+] [-]
[=] Umsatz EBIT Zinsaufwand EBT (adjusted) Steuern (adjustiert) EAT (adjusted) [=] Anlagevermögen Abschreibungen Investitionen [+] [+] [+] [-] [-] [-]
Vorräte Forderungen aLuL Sonstige Vermögensgegenstände Erhaltene Anzahlungen Verbindlichkeiten aLuL Sonstige Verbindlichkeiten
[=] Working Capital [-] Veränderungen Working Capital [=] Rückstellungen [+] Veränderungen Rückstellungen [+] Langfristige Bankverbindlichkeiten [+] Kurzfristige Bankverbindlichkeiten
[=] Zinstragendes Fremdkapital [+] Veränderungen zinstragendes FK [=] Flow to Equity (FtE)
t=0 t=1 t=2 t=3 t=4 t=5 TV 1.347,0 1.485,0 1.522,1 1.570,8 1.676,1 1.758,2 1.775,8 57,3 75,8 53,1 59,6 73,9 76,2 77,0 14,8 16,9 18,3 17,5 16,6 15,0 14,2 42,5 58,9 34,8 42,1 57,3 61,2 62,8 17,0 23,6 13,9 16,8 22,9 24,5 25,1 25,5 35,3 20,9 25,3 34,4 36,7 37,7 315,6 348,1 351,7 368,6 371,5 371,4 375,1 56,5 66,7 75,0 78,7 86,0 89,5 90,4 112,9 99,2 78,6 95,6 88,9 89,4 94,1 134,5 159,3 44,5 1,5 170,4 82,3
152,1 233,5 43,7 3,2 175,0 96,8
148,1 243,5 44,1 3,1 179,5 98,9
153,6 246,6 45,6 3,2 185,4 102,1
164,0 263,1 48,6 3,3 196,9 108,9
171,9 276,0 51,0 3,6 205,9 114,3
84,1 -20,8 85,6 0,0
154,3 70,2 103,1 17,5
154,2 -0,1 108,0 4,9
155,1 0,9 113,0 5,0
166,6 11,5 120,6 7,6
175,1 8,5 127,1 6,5
122,3 75,8
182,4 69,5
161,0 74,4
158,0 72,1
150,0 62,4
130,6 57,5
198,1 1,5 -8,6
251,9 53,8 3,9
235,4 -16,5 5,8
230,1 -5,3 7,2
212,4 -17,7 9,9
188,1 -24,3 10,5
176,9 1,8 128,4 1,3 190,0 1,9 35,4
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Matthias Pohl und Bjoern Thielen Tabelle 2-2: Wesentliche Finanzkennzahlen für die Autozuliefer GmbH Umsatzwachstum EBITDA-Marge EBIT-Marge Zinssatz für zinstragende Verb. Steuerquote Wachstum Anlagevermögen Abschreibungsquote Investitionsquote Working Capital Quote Rückstellungsquote
t=0 15,6% 8,4% 4,3% 7,5% 40,0% 21,8% 4,2% 8,4% 6,2% 6,4%
t=1 10,2% 9,6% 5,1% 7,5% 40,0% 10,3% 4,5% 6,7% 10,4% 6,9%
t=2 2,5% 8,4% 3,5% 7,5% 40,0% 1,0% 4,9% 5,2% 10,1% 7,1%
t=3 3,2% 8,8% 3,8% 7,5% 40,0% 4,8% 5,0% 6,1% 9,9% 7,2%
t=4 6,7% 9,5% 4,4% 7,5% 40,0% 0,8% 5,1% 5,3% 9,9% 7,2%
t=5 4,9% 9,4% 4,3% 7,5% 40,0% 0,0% 5,1% 5,1% 10,0% 7,2%
TV 1,0% 9,4% 4,3% 7,5% 40,0% 1,0% 5,1% 5,3% 10,0% 7,2%
Der Diskontierungszinssatz für die Autozuliefer GmbH ergibt sich für den Finanzinvestor aus der geforderten Eigenkapitalrendite. Diese beträgt für den Finanzinvestor im dargestellten Beispiel 15 %. Die Ermittlung des Eigenkapitalwertes, des Equity Value ist in Tabelle 2-3 dargestellt. Der Eigenkapitalwert ist die Summe der mit dem Eigenkapitalzinssatz diskontierten Flow to Equity plus Kasse und Finanzanlagen. Die Kasse und die Finanzanlagen sind additiv zu berücksichtigen, da ihre laufenden Erträge im dargestellten Beispiel nicht in die Ermittlung der Flow to Equity eingeflossen sind. Tabelle 2-3: Ermittlung des Equity Value für die Autozuliefer GmbH Flow to Equity (FtE) Terminal Value (TV) Diskontierungszins W achstum Diskontierungsfaktor Barwert (PV) der Flow to Equity [+] PV der FtE [+] PV des Terminal Value [+] Kasse und Finanzanlagen [=] Equity Value
t=1 3,9
t=2 5,8
t=3 7,2
t=4 9,9
t=5 10,5
TV 35,4 252,6
15,0% 1,0% 0,8696 0,7561 0,6575 0,5718 0,4972 0,4972 3,4 4,4 4,7 5,6 5,2 125,6 23,4 125,6 40,9 189,8
12,3% 66,1% 21,5%
2.2.3.2 Plausibilisierung Zur Plausibilisierung der DCF-Methodik bietet sich die Multiplikatoren-Methode an, d.h. der Vergleich mit börsennotierten Automobilzulieferern. In Anbetracht der momentanen Marktlage macht allerdings eine Bewertung auf Basis der aktuellen Daten wenig Sinn, zumal der notwendige Ausblick für die nächsten Jahre fehlt. Daher soll diese Methodik anhand historischer Daten beschrieben und vorgestellt werden: Der Vergleich der Bewertung der Autozuliefer GmbH mit der Bewertung börsennotierter Automobilzulieferer offenbart, wie sich die Autozuliefer GmbH gegenüber diesen positioniert. In den Vergleich wurden Automobilzulieferer aufgenommen, die ihren Sitz in Europa haben und für die Analystenschätzungen für Umsatz, EBITDA, EBIT und Gewinn je Aktie (EPS) zum Erhebungszeitpunkt (September 2004) existierten. In der Vergleichsgruppe finden sich beispielsweise Unternehmen die Bremsen, Kabelbäume, Reifen oder Sitze herstellen. Die Vergleichsgruppe ist so weit zu fassen, da für jedes spezielle Teilgebiet der Autozuliefer GmbH zu wenige Unternehmen börsennotiert bzw. groß genug sind, um von Analysten gecovert zu werden.
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2 Bewertung von Zulieferunternehmen Im Marktvergleich (vgl. Tabelle 2-4) zeigt sich, dass die Autozuliefer GmbH schon zu den mittelgroßen Unternehmen der Branche in Europa gehört. Allerdings besitzt das Unternehmen vergleichsweise schlechte Margen. Tabelle 2-4: Vergleich Autozuliefer GmbH mit europäischen Automobilzulieferern Market Cap in Mio. € Autoliv Inc (Sweden) Beru AG Brem bo SpA Continental AG ElringKlinger AG Faurecia Georg Fischer AG GKN PLC Kolbenschmidt Pierburg AG Leoni AG Michelin (CGdE) Nokian Renkaat Oyj Phoenix AG Pirelli & C SpA Valeo SA Median Autozuliefer GmbH
3.253 570 393 5.966 507 1.416 709 2.345 854 475 6.483 936 271 2.751 2.777 190
EV in Mio. €
Umsatz in Mio. EUR
2004 2005 4.027 4.936 5.266 494 390 431 536 690 752 7.286 12.554 13.613 612 442 463 3.175 10.557 11.012 1.324 2.287 2.401 3.532 6.604 5.876 962 1.987 2.069 747 1.212 1.427 10.004 15.969 16.554 1.072 612 686 561 1.131 1.186 5.034 6.863 7.120 3.510 9.472 9.940 347
1.485
1.522
EBITDA-Marge
2004 13,3% 22,1% 16,0% 13,3% 23,3% 6,5% 9,9% 10,4% 12,2% 9,9% 13,7% 23,6% 8,3% 10,4% 10,8% 12,2% 9,6%
2005 13,5% 22,1% 16,3% 13,9% 23,4% 6,8% 11,0% 10,6% 12,3% 10,6% 14,2% 23,6% 8,9% 11,1% 11,1% 12,3% 8,4%
EBIT-Marge
2004 8,3% 14,9% 9,0% 8,1% 14,4% 2,4% 4,9% 7,3% 5,8% 5,2% 8,2% 17,1% 4,2% 5,2% 4,8% 7,3% 5,1%
2005 8,6% 15,0% 9,5% 8,7% 15,2% 2,6% 6,3% 5,7% 6,2% 6,5% 8,7% 17,3% 4,7% 6,0% 5,2% 6,5% 3,5%
Zudem sind die Bewertungsmultiplikatoren auf Basis des oben ermittelten Unternehmenswertes im Vergleich mit den Multiplikatoren börsennotierter Vergleichsunternehmen zum Teil deutlich niedriger (vgl. Tabelle 2-5). Hierin spiegelt sich die im Vergleich zur Börse höhere geforderte Eigenkapitalrendite des Finanzinvestors wieder. Wird die Autozuliefer GmbH mit einer am Kapitalmarkt orientierten Eigenkapitalrendite von 11 % diskontiert, so liegen der EV/EBIT-Multiplikator für das Jahr 2005 mit 8,2 und der KGV-Multiplikator mit 12,9 im Marktdurchschnitt. Eine Eigenkapitalrendite von 11 % entspricht einem risikolosen Zins von 5 % plus des Produkts aus der Marktrisikoprämie in Höhe von 5,5 % und dem Branchenbeta in Höhe von 1,1. Tabelle 2-5: Vergleich der Multiplikatoren
Autoliv Inc (Sweden) Beru AG Brembo SpA Continental AG ElringKlinger AG Faurecia Georg Fischer AG GKN PLC Kolbenschmidt Pierburg AG Leoni AG Michelin (CGdE) Nokian Renkaat Oyj Phoenix AG Pirelli & C SpA Valeo SA Median Autozuliefer GmbH
EV/Sales 2004 2005 0,82 0,76 1,27 1,15 0,78 0,71 0,58 0,54 1,39 1,32 0,30 0,29 0,58 0,55 0,53 0,60 0,48 0,47 0,62 0,52 0,63 0,60 1,75 1,56 0,50 0,47 0,73 0,71 0,37 0,35 0,62 0,60 0,23 0,23
EV/EBITDA 2004 2005 6,1 5,7 5,7 5,2 4,9 4,4 4,4 3,9 5,9 5,6 4,6 4,2 5,9 5,0 5,1 5,7 4,0 3,8 6,2 4,9 4,6 4,3 7,4 6,6 6,0 5,3 7,1 6,4 3,4 3,2 5,7 5,0 2,4 2,7
EV/EBIT 2004 2005 9,9 8,8 8,5 7,7 8,6 7,5 7,1 6,1 9,6 8,7 12,4 11,1 11,8 8,7 7,4 10,5 8,3 7,5 11,8 8,1 7,6 7,0 10,2 9,0 11,9 10,0 14,2 11,8 7,7 6,8 9,6 8,7 4,6 6,5
KGV 2004 2005 12,9 11,6 14,3 12,9 12,9 11,4 12,8 10,1 15,2 13,3 27,9 17,1 13,2 9,2 12,9 13,9 14,5 12,4 11,9 8,6 10,2 9,0 14,0 12,2 16,3 13,0 22,9 16,3 16,3 14,5 14,0 12,4 5,3 8,8
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Matthias Pohl und Bjoern Thielen Daneben schlägt sich in den Multiplikatoren ein anderes Margengefüge nieder. So ist die Autozuliefer GmbH auf Basis der Umsatz- und EV/EBITDA-Multiplikatoren vergleichsweise deutlich niedriger bewertet als auf Basis der EV/EBIT- und der KGV-Multiplikatoren. Dies liegt an den sehr unterschiedlichen Geschäftsmodellen der einzelnen Automobilzulieferer und den damit verbundenen deutlich unterschiedlichen Anlageintensitäten. Höhere Anlageintensitäten bedeuten vergleichsweise höhere Investitionen, was zu höheren Abschreibungen und höheren EBITDA-Werten führt. Der EV/ EBITDA-Multiplikatoren fällt daher niedriger aus. Der Vergleich bzw. die vergleichende Bewertung (Market Approach) sollte deshalb sinnvoller Weise auf Basis von EV/EBIT- und KGV-Multiplikatoren erfolgen. Die Bewertung mit diesen kapitalmarktorientierten Multiplikatoren für das Jahr 2005 führt zu einem Unternehmenswert für die Autozuliefer GmbH von € 305 Mio. (EV/EBIT-Multiplikators) und von € 267 Mio. (KGV-Multiplikators). Diese Werte sind konsistent mit dem DCF-Modell bei Verwendung eines kapitalmarktorientierten Eigenkapitalzinssatzes in Höhe von 11 % (vgl. oben), was zu einem Unternehmenswert von € 277 Mio. führt.
2.3 Zusammenfassung Die Ausführungen hinsichtlich der Branchenstruktur und den Geschäftsbeziehungen innerhalb der Automobilzulieferindustrie zeigen die guten Voraussetzungen für eine langfristige und quantitativ unterlegte Planung auf. Stabile und langfristige Lieferbeziehungen zwischen den Fahrzeugherstellern und Zulieferunternehmen ermöglichen eine genaue Plausibilisierung der Planungen. Somit erreichen die Inputdaten für die abschließende Unternehmensbewertung ein hohes Qualitätsniveau, was letztendlich der Unternehmensbewertung – unabhängig vom Verfahren – zu Gute kommt.
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3 Bewertung von Unternehmen im Großanlagenbau von Sigrid Krolle und Jan-Dirk Sommerkamp* 3.1 Die wunderbare Welt des Großanlagenbaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Vorbemerkung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Wesentliche Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.1 Geschäftsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.2 Leistungsbezogene Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.2.1 Marktrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.2.2 Operative Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2.3 Finanzwirtschaftliche Merkmale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Analyse der Planungsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Bewertung künftig erwarteter Zahlungsströme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Kurzdarstellung üblicher Bewertungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Branchenspezifische Problemfelder in der Unternehmensbewertung . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.1 Zyklik (charakteristische Ergebnisschwankung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.2 Liquidität und Anzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.3 Mutter-Tochter-Konzernverbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Praxisbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37 37 38 38 42 42 44 45 47 49 49 50 51 52 54 55 61 61
3.1 Die wunderbare Welt des Großanlagenbaus 3.1.1 Vorbemerkung1 Theoretisch scheinen die meisten Bewertungsfragen gelöst. In der praktischen Umsetzung erweist sich dies jedoch häufig als Trugschluss. Denn eine Vielzahl von Bewertungsfragen stellt sich häufig erst im konkreten Fall in einer Weise, wie sie sich die Theorie selten stellt oder stellen muss. Hierzu gehören z.B. Fragen der Datenbeschaffung und -verfügbarkeit sowie der Umgang mit diesen (z.B. Ermittlung und Behandlung von stillen Reserven, Diskontierungsfaktoren oder Multiplikatoren). Ebenso kann sich in der Praxis der Blickwinkel je nach „Bewertungszweck“ verändern, ein Begriff, den es in der reinen Kapitalmarkttheorie nicht gibt. Regelmäßig ergeben sich vor allem aus branchenspezifischen Aspekten Problemstellungen, wie im konkreten Fall bewertungstheoretische Erkenntnisse umzusetzen sind. Im vorliegenden Beitrag werden Bewertungsprobleme von Unternehmen des deutschen Anlagenbaus behandelt. Denn diese Branche weist in besonderem Maße solche, vor allem in der praktischen Um* 1
Sigrid Krolle und Jan-Dirk Sommerkamp, (bis 2007) bei PWC Corporate Finance GmbH, Frankfurt am Main. Wir möchten an dieser Stelle Herrn Hans-Peter Ilgner, ChemAdvice AG, Frankfurt/Main, für seine Diskussionsbereitschaft und wichtigen Anregungen bei der Darstellung der anlagenbau-spezifischen Charakteristika danken.
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Sigrid Krolle und Jan-Dirk Sommerkamp setzung denn in der Theorie bestehende Probleme der Unternehmensbewertung auf. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V (VDMA) merkt an, dass „die Charakteristik des Großanlagenbaus […] eine positive Wahrnehmung der Unternehmen durch die Kapitalmärkte [erschweren, d. Verf.]. Komplexität, Langfristigkeit sowie fallweise hohe Projektrisiken verunsichern Analysten und kommen dem kurzfristigen Interesse von Investoren nicht entgegen“.2 Die Hintergründe für diese Einschätzung sind vielfältig. Sie liegen zum einen im breiten Spektrum der von Anlagenbauern angebotenen Leistungen und der Verschiedenartigkeit der möglichen Leistungsspektren und Vertragsgestaltungen (Geschäftsmodelle). Die hiermit verbundene Divergenz in Risiko, Wachstumschancen, Kostenstruktur und Profitabilität erschwert zwangsläufig die grundsätzlich auf einem Vergleich basierende Bewertung3 der zu dieser Branche gehörenden Unternehmen. Weitere besondere Merkmale des Anlagenbaus liegen im hohen Exportanteil gekennzeichnet sowie der Langfristigkeit der Projekte. Der Auftragseingang ist diskontinuierlich und folgt keinem gleichförmigen konjunkturellen Zyklus. Des Weiteren bedürfen einzelne Teilaspekte besonderer Wertung, die im Normalfall von eher untergeordneter Bedeutung sind. Hierzu gehört der Umgang mit dem für Anlagenbauer typischen hohen Kassenbestand, die besondere Abrechnungsweise ebenso wie die Wertung der für das Geschäft notwendigen, aber außerhalb der Bilanz bestehenden Avalverbindlichkeiten und Konzernbürgschaften. In Deutschland kommt hinzu, dass die meisten Unternehmen in Konzernen mit ganz anderen geschäftlichen Schwerpunkten eingebunden sind, z.B. Uhde GmbH beim Stahlkonzern Thyssen-Krupp AG, Bayer Technologie Services GmbH beim Chemiekonzern Bayer AG, MAN Ferrostaal beim Industriemaschinenkonzerns MAN AG. Dies ist häufig mit einer Reihe von Informationsdefiziten vor allem in Bezug auf die Leistungsfähigkeit und die Risiken des Anlagengeschäftes verbunden. Zum anderen sind bei der Bewertung eines so eingebetteten Anlagebauers eventuelle finanzielle Verflechtungen je nach Bewertungszweck unterschiedlich zu berücksichtigen. Die grundsätzlich auf der Vergangenheitsanalyse aufbauende Bewertung setzt somit ein hohes Verständnis der jeweiligen Erfolgsfaktoren sowohl des zu bewertenden Unternehmens als auch der zum Vergleich heran gezogenen Unternehmen voraus. Deshalb werden wir im ersten Teil dieses Beitrags die wesentlichen Charakteristika von Anlagenbauern und deren Marktumfeld skizzieren; wir werden uns dabei auf die in Deutschland vertretenen Modelle beschränken. Andere Länder weisen hier zum Teil gravierende Unterschiede auf, auf die wir hier nicht weiter eingehen. Im zweiten Teil werden wir – soweit möglich – für einige problematische Teilaspekte bei der Bewertung von Anlagenbauern Lösungsvorschläge darstellen.
3.1.2 Wesentliche Merkmale 3.1.2.1 Geschäftsmodelle • Nach einer Definition des Fachverbandes Großanlagenbau des VDMA verfügen Anlagenbauunternehmen über die • „Fähigkeit, alleine auf Basis umfassender Kenntnis des verfahrenstechnischen Prozessablaufs einoder mehrmals jährlich für Produktions- und Energieerzeugungsanlagen der Industrie Großprojekte von mindestens 20.000 Ingenieurstunden zu planen, zu konstruieren, die Ausrüstung für sie herzustellen oder weltweit einzukaufen, zu liefern, zu montieren, in Betrieb zu setzen und die notwendige Finanzierung bereitzustellen.“ • Die Tiefe des Leistungsangebots der im Anlagenbau tätigen Unternehmen erstreckt sich von der Erbringung rein konzeptioneller Planungen über die Lieferung und Montage einzelner Komponenten und Systeme bis hin zum vollständigen Betrieb komplexer Großprojekte. Die Angebotsfülle im
2 3
Dr. Aldo Belloni, Sprecher des Vorstandes der Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau, Pressekonferenz am 26. März 2003, Frankfurt/Main. Vgl. Moxter, A. (1983), S. 123.
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3 Bewertung von Unternehmen im Großanlagenbau Anlagenbau wird sehr wesentlich durch die Nachfragebreite der Abnehmerindustrien bestimmt4: So zählen sich Hersteller von Armaturen und Meß- und Regeltechnik gleichermaßen zum Anlagenbau wie Erbauer von Pharma- und Kraftwerksanlagen. Mit seiner starken Technologieorientierung zeigt der Anlagenbau eine Ausprägung, wie sie eher im mittelständisch geprägten Maschinenbau anzutreffen ist. Gleichzeitig kommen allerdings insbesondere in internationalen Großprojekten Anforderungen an das Projekt- und Risikomanagement sowie Finanzierungskonzepte zum Tragen, wie sie aus der Bauindustrie bekannt sind. Im Folgenden werden unter Anlagenbauern diejenigen Unternehmen verstanden, die der Definition des VDMA entsprechen, also Unternehmen, die Produktions- und Energieerzeugungsanlagen herstellen. • Die angebotenen Leistungen bei der Durchführung eines Investitionsprojektes lassen sich generell in die fünf Wertschöpfungsstufen Konzeption und Technologiedesign, Basic Engineering, Detail Engineering und Beschaffung, Bau & Montage und Inbetriebnahme untergliedern5. Die Konzeption und das Technologiedesign beinhalten neben der Festlegung der anzuwendenden Technologie auch die Erstellung von Machbarkeitsstudien und die Durchführung von Wirtschaftlichkeitsberechnungen. Für den Fall, dass eine Anlage gebaut werden soll, die auf einem Verfahren beruht, für die es noch keine Prozesstechnologie gibt, so genannte „First-of-its-kind“-Anlagen, muss in dieser Stufe zunächst das Verfahren entweder selbst oder von externen Dienstleistern entwickelt werden. Dies geschieht häufig in Zusammenarbeit mit den Auftraggebern. • In der Stufe Basic Engineering wird auf Basis des bei der Konzeption festgelegten Technologiedesigns (Technology Packageing) zudem u.a. der verfahrenstechnische Ablauf, die Prozessbeschreibung sowie das Instrumentierungskonzept festgelegt. In der Phase des Detail Engineering werden Spezifikationsarbeiten für den Aufstellungsplan, die erforderlichen Apparate und Anlagenkomponenten durchgeführt, auf deren Basis dann die notwendigen Materialien, Ausrüstungen und Montagearbeiten ausgeschrieben und eingekauft (Procurement) werden. Anschließend wir die Anlage gebaut und nach Funktionsprüfungen an den Auftraggeber übergeben.
Wertschöpfungstiefe im Anlagenbau
Konzeption
t Marktanalysen t Machbarkeitsstudien t Verfahrensfestlegung t TechnologiePaket
Basic Engineering
Detail Engineering
t Prozessbeschreibung
t Werkstattzeichnungen
t Aufstellung t Dokumentation Instrumentarisier für Montage, ung Wartung- und Inbetriebnahme t Ausschreibung der Beschaffung t Spezifikation der Anlage t Verfahrenstechnische Auslegung t Ausschreibung der Anlage und Beschaffung t Risikostudie
Bau/Montage
InbetriebInbetriebnahme
Betrieb
t Fertigung
t Inbetriebsetzung t Betriebsführung
t Bereitstellung von Material auf Baustelle
t Abnahme und Testläufe
t Montage t Terminüberwachung
t Schulung
t Wirtschaftliche Nutzung der Anlage
t Optimierung der Fahrweise t Kontrolle der Garantien
t Qualitätssicherung
Abb. 3-1: Wertschöpfungstiefe im Anlagenbau
4
5
In den Jahren 2005 bis 2008 stellten der Kraftwerksbau, der Bau von Hütten- und Walzwerken und der Chemieanlagenbau die bedeutendsten Sparten dar. Weitere Industriezweige sind die Luft- und Gasverflüssigung, Zellstoff-, Papier- und Textilindustrie, Bau- und Baustoffindustrie, Rohstoffgewinnung und -aufbereitung im Bergbau, Anorganische Chemie sowie Umwelttechnik. Vgl. Schlüter,V./Hoff, D. (2003); Höffgen, E./Schweitzer, M. (Hrsg.) (1991), S. 41 ff.
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Sigrid Krolle und Jan-Dirk Sommerkamp Differenziert man weiter nach dem Umfang der angebotenen Leistungskomponenten des Vertrages, d.h. allgemein nach dem zu tragenden Risiko für den Auftragnehmer, so lassen sich generell folgende Vertragsformen unterscheiden: • Lump-Sum-Turn-Key-Vertrag (LSTK), • Engineering-Procurement-Construction-Vertrag (EPC), • Build-Operate-Transfer-Vertrag (BOT) und • Engineering-Vertrag. LSTK-Verträge haben die schlüsselfertige Bereitstellung einer kompletten Anlage (oder bestimmter Leistungskomponenten z.B. Lump Sum Procure and Build-Vertäge) von der Konzeption über die Montage bis hin zur Inbetriebnahme zu einem vertraglich vereinbarten Festpreis und garantierten Termin zum Inhalt. Dabei müssen sowohl zugesicherte qualitative als auch quantitative Eigenschaften der Anlage in einem vorgegebenen Zeitrahmen erfüllt werden. Diese Vertragsform erfordert, wie alle anderen Formen auch, im Vorfeld der Angebotsabgabe neben einer detaillierten Vorkalkulation auch eine Einschätzung, ob hinreichend Technologie-Knowhow zur Errichtung der Anlage vorhanden ist. Unternehmen, die über keine proprietären Prozesstechnologien verfügen, erwerben häufig Lizenzen zur Anwendung einer Fremdtechnologie; werden dann noch die Montage und die Inbetriebnahme der Anlage an Subkontraktoren vergeben, verbleiben nur noch Prozesssteuerungsfunktionen im Sinne einer organisatorischen und finanziellen Verantwortung beim eigentlichen Auftragnehmer. Diese Form ist im Pharma- und Chemieanlagenbau zu beobachten, da dort häufig kundenspezifische Verfahren, z.B. bei der Herstellung von Chemikalien und Wirkstoffen, eingesetzt werden. Die Vertragsform EPC stellt eine Unterform des LSTK-Vertrags dar. Sie beinhaltet die Dienstleistungspakete Basic und Detailed Engineering, Beschaffung sowie Montage. Der Leistungsumfang gegenüber dem LSTK-Vertragsmodell reduziert sich somit um die vorgelagerte Konzeptionsstufe und Inbetriebnahme und damit um die Haftung für die Funktionsfähigkeit der eingesetzten Technologie. Diese Vertragsform ist neben der LSTK die am häufigsten gewählte; sie findet vor allem Anwendung im Zusammenhang mit der Errichtung von Anlagen nach lizensierten Prozessen.
Entwicklung % 100 ng
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75
50
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Eng
nl
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Er
25 Fester Preis 0 Angebot Vertrag unterzeichnet In Kraft
Jahre Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3 Abnahme der Anlage
Abb. 3-2: Typischer zeitlicher Ablauf eines Lump-Sum-Turn-Key-Projektes
BOT-Verträge beinhalten die Errichtung sowie den Betrieb der Anlagen durch den Auftragnehmer. Die Anlage wird zunächst auf Basis einer vom Auftraggeber erteilten Konzession vom Anlagenbauer zeitlich befristet betrieben und dann zu einem vereinbarten späteren Zeitpunkt (z.B. nach 10–30 Jahre) oder sukzessive an den Auftraggeber übergeben. Die Anwendung dieses Modells erfolgt häufig als
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3 Bewertung von Unternehmen im Großanlagenbau Form der Projektfinanzierung bei komplexen Anlagen und Einrichtungen, die von der öffentlichen Hand in Auftrag gegeben werden z.B. Energiegewinnung, Abfallbeseitigung oder Flughäfen etc. • Reine Engineering-Verträge können einerseits nur Überwachungstätigkeiten beinhalten, auf der anderen Seite haben sie auch den Erwerb und die Beschaffung von Material und Fremdleistungen auf Rechnung des Auftragnehmers oder Auftraggebers zum Inhalt. Der Auftragsnehmer erhält i.d.R. einen festen Margensatz auf sein eigenes Leistungspaket, während sein finanzielles Risiko aus Planungsfehlern auf die Höhe des Auftragswertes begrenzt ist. Differenziert man nach der Art der Leistungsabrechnung, so lassen sich im wesentlichen die Abrechnung nach fixiertem Festpreis (Lump-Sum) und nach angefallenem Aufwand (Cost-plus-Vertrag) unterscheiden. Das höchste finanzielle Risiko im Vergleich zu weniger umfänglichen Vertragsformen gehen Großanlagenbauer durch die Vereinbarung von LS-Verträgen ein. Typischerweise fallen bei dieser Vertragsform Baufortschritt und Gewinnerzielung weit auseinander, denn Abschlagszahlungen werden i.d.R. pro fertiggestelltem Bauabschnitt geleistet. Gibt es Verzögerungen bei der Fertigstellung von Abschnitten oder der Gesamtanlage, werden eingeplante regelmäßige Teilzahlungen des Auftragsgebers zurückgehalten und erst nach erfolgreicher Erreichung von Projekt-Milestones ausgezahlt. Durch solche Zahlungsverschiebungen kann die Auftragskalkulation bereits empfindlich gestört werden. Denn die Verzinsung von (zeitlich begrenzten) Liquiditätsüberschüssen aus dem Vorlauf der Anzahlungen gegenüber den entstehenden Projektkosten ist i.d.R. fester Kalkulationsbestandteil. Verträge nach dem Cost-plus-Verfahren (Cost Reimbursable Contract) hingegen zeichnen sich durch ein vergleichsweise geringes Risiko aus, da sich der Erstattungsbetrag durch den Auftraggeber nach dem tatsächlich angefallenen Aufwand bemisst. Das Risiko der Auftragsdurchführung und somit auch eines möglichen Mehraufwandes durch Verzögerungen werden vollständig vom Auftraggeber getragen. Zudem wird eine Gewinnmarge praktisch garantiert. Lediglich bei der Vertragsvariante, deren Leistungsumfang die Beschaffung beinhaltet, trägt die ausführende Anlagenbaugesellschaft das Risiko, dass die zu beschaffenden Bauteile den vorher festgelegten Spezifikationen entsprechen und termingerecht vorhanden sind. Ordnet man die Vertrags- und Leistungsklassen nach ihrem durchschnittlichen Auftragsvolumen, der tendenziell erzielbaren Marge und dem potenziellen operativen Risiko, so ergibt sich folgendes Bild:
Auftragsvolumen 7 1 2
3
4
1
Lump Sum Turn Key
2
Costplus fee einschl. Beschaffung
3
Costplus fee ohne Beschaffung
4
Extended Basic Engineering
5
Basic Engineering
6
Process Package
7
Lizenzgeber + Betreiber
5 6 Marge
Risiko
Abb. 3-3: Risiko-Volumen-Profil
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Sigrid Krolle und Jan-Dirk Sommerkamp
3.1.2.2 Leistungsbezogene Merkmale Unternehmen im Großanlagenbau sind erheblichen Risiken ausgesetzt, sowohl aus dem Marktumfeld der Abnehmerindustrien und des eigenen Marktes, den verhandelten Vertragskonditionen als auch den projekt-immanenten, operativen Risiken aus der Durchführung der baulichen Maßnahmen. Im Folgenden werden die zwei Hauptrisikogruppen „Operatives Risiko“ und „Marktrisiko“ kurz erläutert, die für die Einschätzung zukünftiger Erträge eines Anlagenbauunternehmens von Bedeutung sind. 3.1.2.2.1 Marktrisiken Bei der Analyse des Marktumfeldes spielen makroökonomische Faktoren wie globale und lokale Konjunktur- und Wachstumsaussichten, die Wettbewerbssituation in der eigenen Branche und insbesondere die Nachfragesituation in den Abnehmerindustrien eine wichtige Rolle. In diesem Zusammenhang sind die für Anlagenbauer charakteristischen Schwankungen ihrer Unternehmensergebnisse beziehungsweise die Diskontinuität der Auftragseingänge von großer Bedeutung. Denn die Branche ist stark von konjunkturbedingten Nachfrageschwankungen sowie Sonderentwicklungen in einzelnen Regionen und bei bestimmten Anlagen beeinflusst. Diese Nachfrageimpulse können sehr unterschiedliche Ursachen haben und sind grundsätzlich von temporärer Natur. Sie sind weder als nachhaltig zu werten, noch werden sie zwangsläufig immer wieder von anderen Regionen abgelöst: • Im Jahr 2005 erlebte der als gesättigt geltende deutsche Markt für Kraftwerksanlagen einen unerwarteten Nachfrageschub. Hohe Energiepreise in Deutschland und hohe Gewinne der heimischen Energieversorgungsunternehmen haben den hiesigen Energiemarkt zu einer attraktiven Investitionsoption für europäische Wettbewerber gemacht. Flankiert durch ein anhaltend niedriges Zinsniveau wurden weitere Anreize für das Vorziehen von Ersatzinvestitionen geschaffen6. Des Weiteren erlebt der Kraftwerksbau im Ausland seit 2007 eine Boomphase, die – anders als in früheren Aufschwungphasen – alle Technologien und Kundenregionen betrifft. Der Auftragseingang stieg im Jahr 2007 um 44 % auf rd. Euro 9,1 Mrd. und wurde im Folgejahr noch leicht übertroffen7. Für das Jahr 2009 rechnet der Verband mit einer sinkenden Nachfrage. Ein Nachfragefaktor in der Zukunft könnte jedoch durch den weltweiten Ausbau regenerativer Energieerzeugung erfolgen. • Schwellenländer wie China, Indien, Brasilien, Russland oder Südafrika haben zahlreiche privatwirtschaftliche und staatliche Investitionsprogramme zur Modernisierung der Infrastruktur oder zum Ausbau der industriellen Basis initiiert. Sie haben so seit dem Jahr 2004, insbesondere aber in den Jahren 2007 und 2008 z.B. im Markt für Stahl und Anlagen zur Stahlherstellung oder Hütten- und Walzwerken für eine zusätzliche Nachfrage gesorgt8. Der Aufbau von zusätzlichen Produktionskapazitäten kann unter Umständen mittelfristig zu Überkapazitäten in regionalen Märkten führen. Negative Auswirkungen auf die zukünftige Nachfrage nach Stahl und Anlagen zur Stahlherstellung können daher nicht ausgeschlossen werden. • Der steigende Preis für Erdöl und Gas in den Jahren 2003 bis 2008 hat in rohstoffreichen Regionen, wie z.B. dem Nahen Osten und Russland, für große Liquidität und entsprechende Investitionsbereitschaft geführt. Das hohe Preisniveau hat jedoch auch die Wirtschaftlichkeit von Explorationsund Produktionsvorhaben verbessert, was ebenfalls in entsprechende Aufträge für Anlagenbauer mündete9. Die umgekehrte Entwicklung ist im 1. Quartal 2009 zu beobachten: Die weltweit rückläufige Nachfrage und die erschwerte Kapitalbeschaffung sowie der stark gesunkene Ölpreis haben zu einem nahezu vollständigen Auftragsstopp oder der Verschiebung und Verlängerung von Projekten geführt. • Aber auch veränderte umweltpolitische Rahmenbedingungen können einen Impuls auslösen: Richtlinien innerhalb der Europäischen Union zwingen insbesondere die osteuropäischen Mitglied6 7 8 9
VDMA Presserede zum Lagebericht 2005, S. 3. VDMA Presserede zum Lagebericht 2007, S. 4. VDMA Presserede zum Lagebericht 2007, S. 4. VDMA Presserede zum Lagebericht 2005, S. 2.
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3 Bewertung von Unternehmen im Großanlagenbau
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länder seit 2007 zu Nachrüstungsinvestitionen, welche insbesondere zu zusätzlichen Auftragseingängen im Bereich klimaverträglicher Kraftwerksablagen geführt haben10. Die nachstehende Abb. 3-4 „Wanderzirkus-Effekt“ illustriert die regional versetzte, typische Schwankungsbreite der Auftragslage des gesamten Anlagenbaus in Deutschland11. Wenngleich durch die regionale Nachfrageverschiebung über einen langen Zeitraum ein nahezu „geglättetes“ Gesamtbild entsteht, ist der einzelne Anlagenbauer doch tendenziell der Schwankungsbreite ausgesetzt, wie sie sich in den Einzelmärkten widerspiegelt. Denn die jeweiligen regionalen Nachfragesituationen betreffen normalerweise nicht den Großanlagenbau in der gesamten Breite seiner Angebotspalette, sondern resultiert immer aus einzelnen Abnehmerindustrien. Die Nachfragesituation nach Großprojekten ist aber auch in hohem Maße von den finanziellen Möglichkeiten des Abnehmers bestimmt. Damit Projekte, gerade im Export, überhaupt umgesetzt werden können, ist in zunehmendem Maße die finanzielle Unterstützung durch den Auftragnehmer (Lieferantenkredite) oder die Übernahme bestimmter finanzieller Risiken durch den Auftragnehmer erforderlich. Es gehört deshalb zu den wesentlichen Charakteristiken des Anlagen- und Maschinenbaus, dass Lieferanten und Hersteller zur Risikosicherung beispielsweise Bankgarantien (Avale) für Bietungen, Anzahlungen, Vertragserfüllung und Gewährleistung zugunsten des Bestellers zur Verfügung stellen.
9.000
30.000
7.000 6.000
20.000
5.000 4.000 3.000
10.000
Gesamtauftragseingang in '000 Euro
8.000
2.000
Industrieländer EU/USA Naher und Mittlerer Osten
Asiatisch-Pazifischer Raum Gesamt-Auftragsseingang
2008
2007
2006
2005
2004
2003
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
0
1993
1.000
1992
Auftragseingang nach Länderregionen in '000 Euro
10.000
0
Osteuropa und GUS Deutschland
Quelle: VDMA Lageberichte 2001 und 2008/2009, eigene Berechnungen Abb. 3-4: „Wanderzirkus-Effekt“ im Anlagenbau
Diese Garantiestellungen belasten die Kreditlinien der Auftragnehmer und erschweren mitunter die Aufnahme neuer Finanzierungsmittel bei den Hausbanken. Die Unternehmen sind damit bereits im Vorfeld des Projektes finanzielle Verpflichtungen eingegangen, ohne dass sie weitere exogene Risiken wie Länder- und Bankenrisiken abgedeckt hätten. Zur Sicherung der Exportfinanzierung und
10 11
VDMA Lagebericht 2008/2009, S. 19. Auf Basis aktueller Daten der VDMA Mitgliedsunternehmen.
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Sigrid Krolle und Jan-Dirk Sommerkamp Exportkreditversicherung wurde deshalb in Deutschland das Instrument der so genannten Hermesbürgschaften12 geschaffen, bei dem der Staat als Garantiegeber auftritt. Die hohe Exportleistung von ca. 80 % des Gesamtauftragseingangs im Jahr 2008 macht sich in der Branche derzeit in der Finanz- und Weltwirtschaftskrise besonders negativ bemerkbar. Der Auftragseingang deutscher Maschinenbauer brach im Januar real um 42 % ein. Die Nachfrage aus dem Inland sank im Vergleich zum Vorjahresmonat um 31 %, die Auslandsnachfrage fiel um 47 %13. Der Auftragseingang im Anlagenbau ist im 4. Quartal 2008 gegenüber dem Vorjahresquartal um rd. 30 % gesunken. Sofern die für das Jahr 2009 und 2010 erteilten Aufträge auch alle zur Durchführung kommen, wird die Wirkung der Krisen in der Ertragslage der Unternehmen wegen der Projektlaufzeiten erst zeitlich verzögert sichtbar werden. Der Nachfrageeinbruch hat neben realwirtschaftlichen Gründen – geringere Nachfrage – vor allem finanzwirtschaftliche Ursachen. Banken und Kreditversicherer gehen vor dem Hintergrund der unsicheren wirtschaftlichen Entwicklungen sowohl in Deutschland als auch in den Abnehmerländern mit der Zusage von Finanzierungsmittel deutlich restriktiver um. Werden beispielsweise bestehende Avalkreditlinien des Lieferanten nicht ausgeweitet, kann es bei einigen Unternehmen zu Liquiditätsengpässen kommen und damit die Abwicklung von Projekten gefährden. Damit dies nicht geschieht und neue Aufträge generiert werden können, hat die Bundesregierung im Konjunkturpaket II14 Maßnahmen zur Stützung der Exportwirtschaft eingeleitet, die gerade auch dem Großanlagenbau zugute kommen. Die bestehenden Instrumentarien zur Außenwirtschaftförderung werden zeitlich befristet erhöht und ausgedehnt. Ein Instrument der Liquiditätssicherung ist die so genannte Avalgarantie der staatlichen Hermesdeckung, die für einzelne Banken das Ausfallrisiko übernimmt15, so dass die gestellte Kreditlinie in Höhe der Hermesdeckung nicht belastet wird. Das Konjunkturpaket II sieht eine Erhöhung der Avalgarantie von 80 Mio. Euro auf gegenwärtig 300 Mio. Euro pro Exporteur vor und verbessert somit die Liquiditätssituation in den Unternehmen. 3.1.2.2.2 Operative Risiken Die operativen Risiken beim Bau von Großanlagen leiten sich in erster Linie aus der gewählten Vertragsform ab, dem vereinbarten Leistungsumfang, der Komplexität sowie möglicher weiterer individueller Vereinbarungen hinsichtlich Risikoübernahmen durch den Anlagenbauer oder den Auftraggeber. Finanzielle Lasten auf Seiten des Anbieters entstehen bereits im Ausschreibungsprozess (Tendering) vor der möglichen Erteilung eines Auftrags in Form von Planungs- und Projektierungsleistungen. Der Anbieter trägt insofern das Risiko, dass unabhängig vom Zustandekommen eines Vertrages diese Kosten nicht erstattet werden (Angebots- oder Entwicklungsrisiko)16. Insbesondere bei deutschen Großanlagenbauern mit einer erwiesenermaßen hohen Technologiekompetenz (im Gegensatz zu amerikanischen Unternehmen, die häufig auf Fremdlizenzen zurückgreifen) spielt die Kontrolle dieses Risikos eine wichtige Rolle. Unabhängig von der Vertragsform bedarf jedes Projekt einer sorgfältigen Vorkalkulation. Dies gilt im Besonderen für Projekte auf Basis von LSTK-Verträgen. Denn hier geht jede Fehlkalkulation zu Lasten der Gewinnmarge (Kalkulationsrisiko) oder der Chance, den Auftrag zu gewinnen. Fehlkalkulationen 12
13 14 15 16
Unter Hermesbürgschaften seien alle Instrumente der Exportsicherung und -finanzierung verstanden wie Hermes-Avalkredite, Hermes-Akkreditivdeckung, Hermes-Finanzierung und Lieferantenkreditdeckung. Zum Aufbau und der Wirkungsweise der Instrumente siehe auch Homepage des Bundesministeriums für Wirtschaft. Ralph Wiechers, Chefvolkswirt des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) am 4.3.2008. Homepage des BMWi http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/aussenwirtschaft,did=152540.html Siehe auch Thesenpapier des VDMA: „VDMA-Vorschläge zur Ausweitung der bundesgedeckten Exportfinanzierung in Konjunkturpaket II aufgenommen“. Dabei werden die Kosten für die Angebotserstellung mit bis zu 5 % des Auftragswertes veranschlagt, aber nur etwas 5–10 % münden in einen Vertragsabschluss. (Vgl. Kümpel, Th. (1999), Fn. 129 und angegebene Literatur); Höffgen, E./Schweitzer, M. (Hrsg.) (1991), S. 17.
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3 Bewertung von Unternehmen im Großanlagenbau können ihre Ursachen in endogenen Faktoren (Unterlassung, Unerfahrenheit etc.) und exogenen Faktoren wie Preisrisiken (Wechselkurse, Finanzierungskosten, etc.) oder Bezugsrisiken (Zahlungsausfall, Fertigungsmängel oder Verzögerungen bei bezogenen Leistungen etc.) haben. Preisrisiken wirken sich insbesondere auf Beschaffungspreise sowie die erhaltenen Abschlags- und Endzahlungen aus. Die Erstellung einer zuverlässigen Vorkalkulation ist insbesondere dann schwierig, wenn Spezialanlagen im Auftrag des Kunden erst noch entwickelt werden (First-of-its-kind-Anlagen). Für diese Anlagen liegen noch keine Erfahrungswerte bezüglich des Kostenrahmens und möglicher technischer Risiken vor, so dass die Gefahr unkalkulierter Risiken besonders hoch ist. Den höheren Risiken bei LSTK sollte mit einem ausreichend hohen Gewinnaufschlag beim Angebotspreis Rechnung getragen werden. Während die vorgenannten Risiken ihre Entstehung zumeist außerhalb der Unternehmenssphäre haben, liegen die Nichtfertigstellung, verzögerte Fertigstellung, mangelnde Leistungsfähigkeit (technisches Risiko) der Anlage sowie die Überschreitung geplanter und fixierter Investitionskosten (Fertigungsrisiken) allein in der Verantwortung des Anlagenbauers. Wird der Termin der Inbetriebnahme nicht eingehalten oder zugesagte Leistungsmerkmale nicht erreicht, sind häufig Konventionalstrafen und Pönale fällig, die bis zu ca. 15–20 % der Auftragssumme liegen17.
3.1.2.3 Finanzwirtschaftliche Merkmale Bedingt durch die besonderen Charakteristika von langfristigen Fertigungsprojekten zeigen sich bei Anlagenbauern typische bilanzielle und finanzwirtschaftliche Merkmale. Zum einen wird die Bilanz auf der Aktivseite als Umlaufvermögen überwiegend von Anlagen im Bau und unfertige Erzeugnisse, erhaltenen Anzahlungen18, Forderungen L&L und liquiden Mitteln gebildet, während die Passivseite zumeist von Rückstellungen und Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen geprägt wird. Auf der Ertragsseite spiegelt sich die Charakteristik der langfristigen Auftragsfertigung insbesondere durch Schwankungen auf der Umsatzseite wider, die je nach zugrundegelegter Rechnungslegungsvorschrift noch verstärkt wird19. Die Diskontinuität der Aufträge und der Zahlungseingänge sowie die Langfristigkeit der risikobehafteten Projekte wirken sich insbesondere auf die kurz- bis mittelfristige Liquidität des Unternehmens und dort insbesondere auf die Finanzierung des Working Capital aus. Die Liquiditätssituation der Gesellschaft ist nicht allein durch den stichtagsbezogenen, bilanziellen Bestand an liquiden Mitteln dargestellt, sondern zudem durch das Portfolio der laufenden Projekte, der damit verbundenen Kosten und der mit dem Portfolio verbundenen Risiken. Während bei Projekten mit Cost-plus-Fertigungsverträgen die ausführende Gesellschaft bei Projektbeginn zunächst selbst eine Vorfinanzierung der laufenden Bautätigkeit stellt, und dann mit dem Baufortschritt laufend abrechnet, werden bei LSTKund BOT-Verträgen neben einer Anzahlung zu Beginn des Projektes je nach Baufortschritt weitere Abschlagszahlungen vom Auftraggeber geleistet. Vielfach werden aber auch Zahlungen bis zum Projektende zurückgehalten oder wie bei BOT-Verträgen, über das Ende hinaus finanziert. Ein so genanntes Cash-Cost-Diagramm (Abb. 3-5) zeigt, zu welchem Zeitpunkt Zahlungen in welcher Höhe voraussichtlich anfallen werden und wie die Liquiditätssituation zu diesem Zeitpunkt aussieht. Daraus lassen sich Unter- und Überdeckungen erkennen, die entweder temporär auftreten oder dauerhaft bestehen bleiben. In beiden Fällen muss für einen Ausgleich gesorgt werden (Brückenfinanzierung, Lieferantenkredite etc.). Die Liquiditätssituation des Anlagenbauers (zumindest in Deutschland) erfährt bisweilen dadurch Entspannung, dass die Finanzierungsaktivitäten in einen Konzern eingebunden sind. 17 18
19
Vgl. Höffgen, E./Schweitzer, M. (Hrsg.) (1991), S. 20. An- und Zwischenzahlungen sind nach HGB erfolgsneutral zu buchen. Dem Wesen nach stellen Teilzahlungen Kredite da, die bis zur Erfüllung des schwebenden Vertrages unter der Positionen „erhaltene Anzahlungen auf Bestellungen“ zu passivieren sind. Alternativ ist eine aktivische Absetzung zu den Vorräten möglich. Vgl. Kümpel, Th. (1999). Die Probleme, die sich aus der Langfristigkeit der Projekte für die Darstellung der Ertragslage im Jahresabschluss ergeben, sind hinlänglich bekannt. Vgl. auch Freidank, C.-Ch. (1989) S. 1197–1204 und die dort angegebene Literatur.
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Sigrid Krolle und Jan-Dirk Sommerkamp Liquiditätsentwicklung 12 8
-4
Dez 04
0
Dez 03
4
-8
laufende Liquidität
Liquidität mit Vortrag
Abb. 3-5: Typische Entwicklung der Liquidität von Anlagebauprojekten im Zeitablauf
Das überdurchschnittliche Risikopotenzial der Projekte findet insbesondere in der Rückstellungsbildung sowie außerbilanziellen Risikopositionen, wie z.B. Garantien, ihren Niederschlag. Generell werden zunächst pauschal in Form von Prozentsätzen, aber auch für einzelne laufende Aufträge Auftragsrückstellungen z.B. für Gewährleistungen, zeitlich begrenzte Garantien, nachlaufende Kosten und Sachleistungsverpflichtungen sowie ggf. Verlustrückstellungen (aus schwebenden Geschäften) gebildet. Neben der bilanziellen Erfassung und Absicherung von Risiken, die nach Erstellung der Anlage entstehen können, spielt für Anlagenbauer das potenzielle Risiko eines Totalausfalls eines Projektes vor Arbeitsbeginn eine zentrale Rolle, da daraus zumeist sehr große finanzielle Belastungen folgen. Angesichts der Größe der Projekte und der Tatsache, dass die Gesellschaften tendenziell im Vergleich zu den Projektvolumen und -risiken über eine nur geringe Eigenkapitaldecke verfügen, verlangen Auftraggeber regelmäßig Sicherheiten in Form von Bürgschaften20 21. Der Anlagenbauer wird bei besonders großen Projekten aufgefordert, vor Projektbeginn eine Fertigungsgarantie zu stellen, die bei Problemen im Projekt, etwa durch die Lieferunfähigkeit eines Anbieters, durch den Auftraggeber gezogen werden kann. Der Ausweis solcher Eventualverbindlichkeiten erfolgt außerhalb der Bilanz (off balance sheet liabilities). Da die Projektvolumina häufig deutlich größer sind als das Haftungskapital (Eigenkapital) und entsprechende Sicherheiten nicht gestellt werden können, tritt anstelle eines Kreditinstitutes oftmals die Muttergesellschaft22 im Namen ihrer Tochtergesellschaften in verschiedenartige Sicherungsvereinbarungen (sog. „performance and financial assurances“ z.B. Konzernbürgschaften, Patronatserklärungen, 20
21 22
Avalkredit ist die Kreditgewährung eines Kreditinstituts durch Übernahme einer Bürgschaft oder einer Garantie im Kundenauftrag gegen Zahlung einer Avalprovision. Der Kreditvertrag kann so gestaltet sein, dass ein Avalrahmen eingeräumt wird, bis zu dem das Kreditinstitut bereit ist, Bürgschaften und Garantien zu übernehmen. Das Kreditinstitut verpflichtet sich gegenüber einem Dritten, auf erste Anforderung zu zahlen. Es stellt somit seine eigene Kreditwürdigkeit zur Verfügung („Kreditleihe“). In der Haftungserklärung verpflichtet sich das Kreditinstitut i) für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Kreditnehmers gegenüber dem Dritten einzustehen (Schuldhaftung/Bürgschaft) oder ii) für die finanzielle Absicherung des Dritten zu sorgen, wenn ein vom Kreditnehmer versprochener Erfolg nicht eintritt (Erfolgshaftung/Garantie). Wenn das Kreditinstitut oder der Mutterkonzern aus der übernommenen Bürgschaft/Garantie in Anspruch genommen wird, nimmt es gem. Kreditvertrag auf den Kreditnehmer Rückgriff) Wenn das Kreditinstitut aus der übernommenen Bürgschaft/ Garantie in Anspruch genommen wird, nimmt es gem. Kreditvertrag auf den Kreditnehmer Rückgriff. Aus Sicht des Kreditnehmers hat diese Form der Besicherung den Vorteil, dass eine Bereitstellung einer Sicherheitsleistung ohne wesentlichen Einsatz von liquiden Mitteln erfolgt. Abzugrenzen sind davon Anzahlungsavale, die zu Beginn vom Auftraggeber gefordert werden, wenn noch keine Leistung, wohl aber eine Anzahlung erfolgte. Insbesondere in Deutschland sind Anlagenbauaktivitäten wie Linde Anlagenbau, Uhde, ABB Lummus in einen Konzern eingebunden.
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3 Bewertung von Unternehmen im Großanlagenbau Letter of Comfort) ein. Dies hat den Vorteil, dass mögliche Ausfälle von der meist finanzstärkeren und solventeren Mutter- und/oder anderen Konzerngesellschaften abgefedert werden können und die für die Auftragsannahme notwendigen Avale erst gestellt werden können. Diese leistungs- und finanzwirtschaftlichen Merkmale im Anlagenbau spielen insofern für die Bewertung eine wichtige Rolle, als dass die verschiedenen interessengesteuerten Bilanzierungssysteme erhebliche und variierende Gestaltungsspielräume und Reservenlegungen zulassen. So kann die Bewertung der im Bau befindlichen Anlagen (Vorräte) offensichtlich ein ganz unterschiedliches Bild der Vermögens- aber auch der Ertragslage wiedergeben, wenn Vorräte resp. noch nicht abgerechnete langfristige Aufträge nach dem Grad der Fertigstellung (Percentage of Completion-Methode/Teilgewinnrealisierung) oder dem Zeitpunkt der Gewinnrealisierung (Completed-Contract-Method) bewertet werden23 oder bei der Ermittlung der Herstellkosten nur Einzelkosten oder auch anteilige Gemeinkosten (Vollkostenansatz) eingehen. Die Grundproblematik der langfristigen Auftragsfertigung besteht in einer Asynchronität zwischen der Auftragsdauer und der handelsrechtlich vorgeschriebenen, jährlichen Berichterstattung. Ähnliche Gestaltungsspielräume gibt es bei der Bemessung der Rückstellungen. Insofern ist es für den externen Bilanzleser schwierig, die ökonomischen Aufwendungen und Erträge den einzelnen Geschäftsjahren während der Leistungserstellung zuzurechnen und sich ein Bild über die tatsächliche Vermögens- und Ertragslage des Unternehmens in den einzelnen Berichtsperioden zu machen24.
3.2 Analyse der Planungsrechnung In der Praxis der Unternehmensbewertung ist es üblich, entweder eine vorliegende Planungsrechnung anhand der Entwicklung der Gesellschaft in der Vergangenheit zu plausibilisieren oder, wenn keine Planungsrechnung vorliegt, die Vergangenheit als Indikator für die zukünftig zu erwartenden Erfolge heranzuziehen25. In beiden Fällen muss die Analyse der Historie den Charakteristika der jeweiligen Branche des Bewertungsobjektes Rechnung tragen. In dieser schlichten Formulierung einer sachgerechten Vorgehensweise sind gleichzeitig ziemlich alle Schwierigkeiten verborgen, die der Anlagenbau zu bieten hat. So erfordern die oben skizzierten bilanziellen Gestaltungsspielräume erst einmal, diese zu identifizieren und in ihren Auswirkungen auf die in der Vergangenheit dargestellten Erfolge zu interpretieren. • Die Vergangenheitsanalyse in der üblichen Form stößt aber auch insofern schnell an Grenzen, als sowohl die Schwankungsbreite als auch die Größenordnung des Ertrages nur bedingt einem regelmäßigen konjunkturellen Zyklus folgt. Sie hängt zusätzlich von einer Vielzahl anderer z.T. schwer prognostizierbarer Faktoren ab, wie (diskontinuierliche) Großaufträge, Realisierung von Projektrisiken und unterschiedliche Zusammensetzung des Projektportfolios. Denn im Anlagenbau werden mehrere Projekte/Aufträge mit unterschiedlichen Anfangs- und Abschlusszeiten, unterschiedlichen Leistungen und entsprechend unterschiedlichem Gewinn und Risiko über einen längeren Zeitraum abgewickelt. Das Bild des Unternehmens, das sich in der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung darstellt, ist somit das Bild unterschiedlicher, sich überlagernder Projektzyklen. Ziel der Vergangenheitsanalyse ist es somit, das zu bewertende Unternehmen auf einer Art „Produktionskurve“ zu positionieren. Sie soll Aufschluss darüber geben, welche Faktoren die Umsatz-, Ertrags- und Vermögenssituation in der Vergangenheit beeinflusst haben und wie diese sich unter welchen makroökonomischen Bedingungen voraussichtlich in der Zukunft darstellen. • Abweichend von vielen anderen Industrien ist der Umsatz einzelner Perioden von Anlagenbauern zumindest nach deutschem Handelsrecht nur von geringer Aussagekraft, weil mehr oder weniger zufällige Abrechnungen von teilweise langjährigen (Groß-)projekten im jeweiligen Betrach23 24 25
Alternativ wird auch versucht, durch Teilabnahmen des Projektes eine Teilgewinnrealisierung zu erzeugen. Vgl. Kümpel, Th. (1999). Vgl. Kümpel, Th. (1999). Vgl. Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland (2002), Abschnitt A, Tz 167–177.
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47
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Sigrid Krolle und Jan-Dirk Sommerkamp tungszeitraum ausgewiesen werden. Die ausgewiesenen Umsatzerlöse können periodenweise stark schwanken, je nachdem, wie viel der kalkulierten Projekterlöse in der jeweiligen Periode vereinnahmt werden konnten. Die Leistungsfähigkeit eines Anlagenbauers spiegelt sich deshalb nicht allein in den Umsatzerlösen, sondern vor allem in der Entwicklung der Gesamtleistung wider. Die Gesamtleistung ergänzt den Umsatz um die Veränderung der Bestände an fertigen und unfertigen Erzeugnissen im Berichtsjahr, sodass Schwankungen in den Umsatzerlösen teilweise durch den Ausweis der Gesamtleistung korrigiert werden. Diese Größe hat jedoch immer noch „Interpretationslücken“, weil Gewinnbestandteile nicht periodengerecht nach Baufortschritt, sondern (bestenfalls) mit abrechenbarer Teilgewinnrealisierung zur Gesamtleistung ausgewiesen wird. Hier sind ggf. Korrekturen um die Bildung (Bestandserhöhung) und Auflösung (Bestandsabbau) von stillen Reserven notwendig, will man einen periodengerechten Gewinn und somit auch die Zyklik des zu bewertenden Unternehmens analysieren und mit der Ertragslage anderer Unternehmen vergleichen. Ein weiterer wichtiger Anhaltspunkt für die zukünftige Umsatz- und Ertragslage der Gesellschaft ergibt sich aus Informationen zum aktuellen und geplanten Projektund Auftragsbestand. Im Vordergrund der Analyse der Auftragshistorie sollte dabei weniger die reine Quantität, d.h. die Anzahl der Projekte und deren Volumen, als vielmehr die Qualität der Projekte stehen, denn sie gibt Aufschluss über mögliche Folgerisiken aus laufenden Projekten und liefert Anhaltspunkte über mögliche zukünftige Risikoquellen. Die Analysen können z.B. die Frage nach der Art und der Ertragskraft der in der Vergangenheit durchgeführten Projekte und ihrer Vorkalkulation beinhalten. Das mit der Projektart einhergehende Risiko ist maßgeblich durch die angebotene Wertschöpfungstiefe bestimmt. • Die Analyse der Vergangenheit kann neben üblichen rein bilanziellen und ertragsorientierten Analysen auch unterstützende (stichprobenartige) Untersuchungen hinsichtlich der Güte der Projektkalkulation, die regelmäßig im Rahmen der Angebotserstellung/Ausschreibung vorgenommen wird, einschließen. Die Projektkalkulationen werden um so sicherer sein, je öfter diese Art von Projekt durchgeführt wurde. Für Einzelprojekte (First-of-its-kind-Projekte), für die es keine historischen Erfahrungswerte gibt, steigt das Kalkulations- und Erfüllungsrisiko mit dem Umfang des Projektes. Die Analyse der Projektvor- und nachkalkulation (Gegenüberstellung von geplanten und tatsächlich erreichten Kosten und Erlösen) kann insofern Anhaltspunkte über Fehlkalkulationen und mögliche generelle Risikoquellen liefern, die bei der Planung zukünftiger Projekterträge von Bedeutung sind. Die Qualität der Projektvorkalkulation ist insbesondere bei den Anlagenbauern ein wichtiger vorgelagerter Arbeitsschritt, die schlüsselfertige Anlagen zu Festpreisen anbieten; jede Fehlkalkulation geht zu Lasten der geplanten Ertragslage. Häufig wird der Grundstein für verlustreiche Projekte bereits im Vorfeld der Angebotsabgabe bei der Projektkalkulation gelegt.
Stilisierter Projektplan Projekthistorie
Anlagentyp 3
1
3
2
4
Anlagentyp 2
1
–7 1
2
3
2
1
Anlagentyp 1
Projektplanung
–6
–5
Planung
2
–4
2
3
4
3
4
1
2
–2 3
3
Montage
1 4
2
3
4
4
4
1
–1
3
2
1
4
–3
Engineering
1
2
5
3
6
4
7
Jahr
Inbetriebnahme
Abb. 3-6: Gegenüberstellung historischer und geplanter Projekte
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3 Bewertung von Unternehmen im Großanlagenbau Durch die Analyse der Projekthistorie können Einmaleffekte identifiziert werden, die mögliche Gründe für Umsatzschwankungen aufzeigen. Zudem weist die Historie auf mögliche Veränderungen in der Projektstruktur hin, d.h. in wie weit bspw. mehr Projekte mit höherer Marge durchgeführt werden oder ob eine Portfoliobereinigung stattgefunden hat. Sie hilft zudem bei der Beurteilung der Angemessenheit der bilanziellen Darstellung der Risiken bei der Rückstellungsbildung und zeigt, welche Risiken sich im Schnitt realisieren. Die Analysen zur Auftragshistorie bilden regelmäßig den Ausgangspunkt für Plausibilitätsüberlegungen der Planungsrechnungen, die der Bewertung zugrunde gelegt werden sollen. Der Schwerpunkt liegt dabei nicht auf der rein quantitativen, sondern wiederum auf der qualitativen Ebene. Plausibilisierungsüberlegungen können, aufbauend auf den Ergebnissen der Vergangenheitsanalyse, neben der Analyse der Planungsmethode und der historischen Planungssicherheit, z.B. ferner der Frage nach der Ermittlung der zugrunde gelegten Gewichtung der Auftragswahrscheinlichkeiten und der ausreichenden Berücksichtigung von finanziellen Risiken aus abgeschlossenen und laufenden Projekten im Planungshorizont zum Inhalt haben.
3.3 Bewertung künftig erwarteter Zahlungsströme 3.3.1 Kurzdarstellung üblicher Bewertungsverfahren • Im Folgenden werden die für unseren Bewertungskontext notwendigen Grundzüge der jeweiligen Bewertungsverfahren gegenübergestellt und die branchenspezifischen Adjustierungen erläutert26. Die Ausführungen sind auf spezifische Bewertungsprobleme des Anlagenbaus, wie die Abbildung der Zyklik, der Zahlungsverflechtungen zwischen Mutter und Anlagenbautochter sowie die Berücksichtigung der liquiden Mittel fokussiert. Standardbewertungsfragen werden hingegen nicht thematisiert. • Grundsätzlich können Unternehmen der Anlagenbaubranche mit allen in der Theorie verfügbaren Bewertungsverfahren bewertet werden. Zu den in der Praxis gängigen Verfahren gehören vor allem die auf dem Barwertkalkül beruhenden Verfahren wie Discounted-Cashflow- (DCF) und Ertragswert-Methode sowie die eher im Investmentbanking verbreitete marktpreisorientierte Multiplikatormethode (z.B. Kurs-Gewinn-Verhältnis, EV/EBIT)27. Beide Verfahrensarten folgen prinzipiell den gleichen Grundsätzen, insbesondere sind sie zukunftsorientiert28. Sie unterscheiden sich jedoch in der Rechentechnik. Die im Anlagenbau bestehenden branchenspezifischen Merkmale erfordern in den verschiedenen Methoden unterschiedliche Berücksichtigung, begünstigen aber keins der Verfahren in der Anwendung. Die verschiedenen Verfahren sind ineinander überführbar, und unter bestimmten (idealtypischen) Bedingungen kann der Multiplikator als ewige Rentenbewertung interpretiert werden29. Der Bewertungsanlass wird in dieser Branche zudem häufig im Rahmen von Transaktionen zu finden sein, bei denen überwiegend das Multiplikatorverfahren angewandt wird. Aus diesen Gründen werden wir die branchenspezifischen Merkmale und deren Berücksichtigung in der Unternehmensbewertung (vgl. auch Praxisbeispiel in Abschnitt 4) überwiegend anhand der Multiplikatormethode darstellen und nur in Einzelaspekten auf (abweichende) Umsetzungsprobleme im Barwertkalkül (z.B. DCF-Methode) verweisen. • Das Konzept der marktpreisorientierten Bewertung ist im grundlegenden Verständnis mit den Barwertkalkülen vergleichbar, bei denen über eine explizite Planphase die erwarteten Erträge oder 26 27 28
29
Vgl. zur ausführlichen Darstellung der Methoden: Damodaran, A. (2001); zu in Einzelfällen notwendigen Adjustierungen im Multiplikatorverfahren: Krolle et al. (2005). EV = Enterprise Value; EBIT = Earnings Before Interests and Taxes. Beim marktpreisorientierten Bewertungsverfahren wird implizit die Wertfindungsfähigkeit des Marktes unterstellt (vgl. Westerfelhaus, H. (2001), S. 673), wobei die Marktpreise die erwartete Entwicklung der Unternehmen und der makroökonomischen Einflussfaktoren abbilden und nicht die vergangenen (vgl. Bausch, A. (2000) S. 454). Vgl. Wagner, Th. (2002), S. 6; Ballwieser,W. (1991), S. 87.
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Sigrid Krolle und Jan-Dirk Sommerkamp Cashflows diskontiert werden. Die sich anschließende nicht explizite Planphase wird als „ewige Rente“ zum sog. Terminal Value abgebildet. Die „ewige Rente“ ist als nachhaltig entziehbarer Zahlungsstrom, ggf. korrigiert um einen konstanten Wachstumsfaktor, zu formulieren. Die Diskontierung erfolgt mit einem risikoadjustierten Zinssatz, der in der Regel aus Marktdaten vergleichbarer Unternehmen (Vergleichsunternehmen, Peer Group) abgeleitet wird. Demgegenüber wird in der marktpreisorientierten Bewertung der Marktwert eines zu bewertenden Unternehmens (Zielunternehmen) durch Übertragung geeigneter Preisrelationen (Multiplikatoren), definiert als Vielfaches einer Erfolgsgröße, ermittelt. Diese Preisrelationen werden ebenfalls aus Marktdaten vergleichbarer Unternehmen hergeleitet. Sie basieren auf einer prognostizierten Erfolgsgröße eines in der Zukunft liegenden Geschäftsjahres (sog. Basisjahr). Grundsätzlich kann man die verschiedenen Multiplikatoren zunächst danach unterscheiden, ob sie direkt auf das Eigenkapital (z.B. Kurs-Gewinn-Verhältnis) oder das Gesamtkapital (z.B. EV/EBIT oder EV/EBITDA)30 eines Unternehmens verweisen. Die Gesamtkapital-Multiplikatoren basieren immer auf Bezugsgrößen, aus denen die Ansprüche aller Kapitalgeber zu bedienen sind31. Entsprechend sind, vergleichbar zum DCF, von einem solchen Gesamtkapitalwert die Fremdkapitalpositionen abzuziehen, um zum Eigenkapitalwert zu gelangen. Die verschiedenen Multiplikatoren sind keineswegs gleichwertig und können somit auch nicht beliebig zur Unternehmensbewertung herangezogen werden32, wenngleich sich in der Praxis vereinzelt eingebürgert hat, aus möglichst vielen Multiplikatoren Durchschnitte zu bilden und hierüber den gesuchten Unternehmenswert abzuleiten. • Die Vergleichsunternehmen sind möglichst durch ähnliche Geschäftstätigkeit gekennzeichnet33. Der multiplizierte Erfolg des Basisjahres kommt in etwa der Bedeutung des Terminal Value im Barwertkalkül gleich34. Entsprechend sind an das Basisjahr resp. an die Bezugsgrößen die gleichen Kriterien, insbesondere das der Nachhaltigkeit und implizit der Zukunftsbezogenheit, zu stellen wie an die „ewige Rente“ in der Barwertkalkulation. • Vergleichbar zum Barwertkalkül gilt im Multiplikatorverfahren, dass das Basisjahr möglichst weit in der Zukunft liegen sollte, will man mehr oder weniger willkürliche Anpassungen aufgrund untypischer Ertragssituationen vermeiden. Mangels hinreichend weiter Prognosen für die Vergleichsunternehmen kann dem Erfordernis eines nachhaltigen Ergebnisses („ewige Rente“) bei zyklischen Unternehmen, wie z.B. Anlagenbauern, häufig jedoch nicht genügend Rechnung getragen werden. Vielmehr wird man eine mehr oder weniger große Bandbreite adäquater Multiplikatoren am Markt finden, je nachdem, welcher zyklischen Phase das zugrunde zu legende Ergebnis zugeschrieben wird. Dies stellt besondere Anforderungen an die Gruppe der Vergleichsunternehmen. • Im Barwertkalkül wie im Multiplikatorverfahren sind Anpassungen erforderlich, die sowohl einzelne Bilanzpositionen (Kasse, Rückstellungen u.ä.) als auch einzelne Erfolgsgrößen (z.B. Reservenlegung/-auflösung in angearbeiteten Projekten) betreffen35. Die für die Bewertung von Anlagenbauern wichtigsten, notwendigen Adjustierungen sind im nachstehenden Abschnitt skizziert.
3.3.2 Branchenspezifische Problemfelder in der Unternehmensbewertung Aus der Vielzahl analytischer und bewertungstheoretischer Fragestellungen, die man in diesem Beitrag abhandeln könnte, haben wir im nachstehend skizzierten Beispiel (vgl. Abschnitt 4) drei Kernfragen isoliert. Sie beziehen sich auf den Umgang mit der Zyklik, die gleichzeitig in die Frage geeigneter Vergleichsunternehmen greift. Ein weiterer kritischer Aspekt ist der Umgang mit der vorhandenen Liquidität, die in dieser Branche typischerweise sehr hoch ist und immer wieder zu Diskussionen 30 31 32 33 34 35
EBITDA= Earnings Before Interests, Taxes, Depreciation and Amortisation. Zur möglichen weiteren Kategorisierung der Multiplikatoren in Abhängigkeit der Bezugsgrößen vgl. z.B. Wagner, Th. (2002). Vgl. ausführlich hierzu: Krolle et al. (2005). Vgl. Cornell, B. (1993); Bausch, A. (2000); Sanfleber-Decher, M. (1992), S. 597. Vgl. Wagner Th. (2002). Vgl. auch Ermittlung des DVFA/SG-Ergebnis in: Busse v. Colbe et al. (Hrsg.) (2000).
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3 Bewertung von Unternehmen im Großanlagenbau innerhalb von Transaktionsbewertungen führt. Zusätzliche Probleme kann der Aspekt der Konzernverflechtung aufwerfen. Denn eine für bestimmte Bewertungsanlässe erforderliche und in den meisten Fällen recht unproblematische „stand alone“-Definition erhält hierdurch eine sehr viel komplexere Struktur. Dieser Sachverhalt ist nicht zwangsläufig auf Anlagenbauer beschränkt, in dieser Konstellation aber vor allem in dieser Branche zu finden.
3.3.2.1 Zyklik (charakteristische Ergebnisschwankung) • Unabhängig vom angewandten Verfahren besteht ein Kernproblem in der Unternehmensbewertung im Umgang mit stark schwankenden Ergebnissen aufgrund zyklischer Nachfrage im Zeitablauf. Dies betrifft sowohl die Plausibilisierung der Ergebnisprognosen als auch die Bewertung der prognostizierten Ergebnisse. Die Prognose erfordert vor allem eine relativ gründliche Analyse der gegenwärtigen Auftragsituation, des Projektportfolios sowie der konjunkturellen Rahmenbedingungen in den unterschiedlichen Absatzmärkten (vgl. hierzu auch Abschnitt 3.1.2.2.1. Aus dem Auftragsbestand, der kalkulierten Marge sowie dem tendenziell aus der Vergangenheit abzuleitenden Risiko der Fehlkalkulation sind möglichst weit in die Zukunft reichende Ergebnisprognosen herzuleiten. Während sich im Barwertkalkül, aufsetzend auf diesen Prognosen normalerweise der Unternehmenswert maßgeblich aus der „ewigen Rente“ ableitet, ergibt sich der Unternehmenswert in der marktpreisorientierten Bewertung als das Vielfache des prognostizierten Ergebnisses eines festzulegenden Basisjahres in der Zukunft. Im Hinblick auf die typischen Schwankungen dieser Ergebnisse folgt daraus, dass je nach Bewertungsverfahren unterschiedliche Lösungen für die Referenzgröße gefunden werden müssen. Soll der Unternehmenswert mit Hilfe des Barwertkalküls bestimmt werden, so ist sicher zu stellen, dass die „ewige Rente“ auf einer Erfolgsgröße gebildet wird, die über die zyklischen Schwankungen hinweg als nachhaltig erzielbar angesehen werden kann. In der Regel wird man dies sicherstellen, indem der Planungshorizont hinreichend lang gewählt wird, um zumindest einen Ergebniszyklus vollständig abgebildet zu haben und um ein im Schnitt der Schwankungsbreite liegendes Ergebnis der Berechnung des Terminal Value zugrunde legen zu können. • Im Multiplikatorverfahren erfordert der zyklische Ergebnisverlauf hingegen eine sehr sorgfältige Analyse der heran zu ziehenden Vergleichsunternehmen. Denn die verfügbaren Prognosen reichen in der Regel nicht aus, um über den Zyklus hinweg ein nachhaltiges Ergebnis im Sinne einer ewigen Rente abzuleiten. Daher basiert die marktpreisorientierte Bewertung auf einem unmittelbareren und umfänglicheren Vergleich von am Markt beobachteten Unternehmenswerten als dies für den ebenfalls aus Markdaten abzuleitenden Zinssatz im Barwertkalkül gilt. Der Zinssatz bildet in erster Linie das generelle Schwankungsrisiko der Ergebnisse ab. Insofern ist es ausreichend, wenn die herangezogenen Vergleichsunternehmen grundsätzlich einer ähnlichen Schwankungsbreite (Risiko) und ähnlichen mikro- (Produktionsverfahren, Wertschöpfungstiefe u.ä.) und makroökonomischen (Konjunktur, Währungsrisiken u.ä.) Einflussfaktoren unterliegen36. In der Höhe des Multiplikators wird, anders als beim Zinssatz, hingegen auch die (unterschiedliche) „Qualität“ des Ergebnisses im Basisjahr im Hinblick auf den nach gelagerten Ergebnisverlauf mitbewertet: Der adäquate Multiplikator von zyklischen Vergleichsunternehmen wird eher niedrig sein, wenn das prognostizierte Ergebnis innerhalb der typischen Schwankungsbreite eher hoch ist. Korrespondierend wird im zyklischen Tief, den zu erwartenden zyklischen Aufschwung vorwegnehmend, der Multiplikator eher hoch sein. Aus dieser Systematik der Marktbewertung folgt, dass es zwar nicht notwendig ist (und man wird es in der Praxis auch kaum finden), ein über die zyklischen Schwankungen hinweg geglättetes, nachhaltiges Ergebnis im Sinne einer ewigen Rente zu prognostizieren, jedoch über das „normale“ Ausmaß hinaus die Übereinstimmung der Vergleichsunternehmen gefordert ist. Denn es reicht nun nicht, dass die herangezogenen Vergleichsunternehmen generell einer ähnlichen, aber zeitlich versetzten Schwankungsbreite unterliegen. Vielmehr muss die zyklische „Qualität“ im gewählten Basisjahr innerhalb der Peer Group weitgehend übereinstimmen. Multiplikatoren von Vergleichsunternehmen, die auf Basis eher niedriger Erfolgsgrößen gebildet werden, können 36
Vgl. Cornell, B. (1993), S. 60.
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Sigrid Krolle und Jan-Dirk Sommerkamp nicht auf Erfolgsgrößen (EBIT, EBITDA) übertragen werden, die sich eher am oberen Ende der zyklischen Schwankungsbreite bewegen und vice versa. • Ähnliche Übereinstimmung der „Ergebnisqualität“ zwischen Vergleichsunternehmen und zu bewertendem Unternehmen ist im Hinblick auf die im Anlagenbau sehr vielfältigen Möglichkeiten der Ergebnisgestaltung insbesondere nach HGB erforderlich. Diese sind bei Methoden nach dem Barwertkalkül wiederum von untergeordneter Bedeutung, weil davon ausgegangen werden kann, dass sich Reservenlegung (typischerweise im Aufschwung) und Auflösung (typischerweise im Abschwung) im Schnitt ausgleichen. In der Multiplikatorbewertung hingegen können sie die Ergebnisqualität und damit die Vergleichbarkeit der hierauf gebildeten Multiplikatoren beeinträchtigen. So sind am Markt beobachtbare Preisrelationen von „konservativ“ bilanzierenden Unternehmen nicht ohne Weiteres auf die entsprechenden Erfolgsgrößen weniger konservativ bilanzierender Unternehmen zu übertragen, weil die Ergebnisschwankungen im ersten Fall bereits durch bilanzielle Disposition geglättet werden37. Die Gruppe der Anlagenbauer, die unter Branchenaspekten grundsätzlich als Peer Group in Betracht käme, wird hierdurch und aufgrund ihrer ohnehin unterschiedlichen regionalen Schwerpunkte, unterschiedlichen Abnehmerindustrien und Techniken zwangsläufig stark eingeschränkt. In Einzelfällen kann es sogar notwendig sein, die Peer Group auf ein Unternehmen zu verdichten, was der Ergebnisqualität bei sorgfältiger Analyse und hoher Übereinstimmung zum Zielunternehmen aber nicht notwendigerweise Abbruch tut. • Findet man unter diesen Restriktionen keine geeigneten Vergleichsunternehmen, bliebe noch die Möglichkeit einer näherungsweisen Bewertung, indem die Ergebnisprognosen der Vergleichsunternehmen „harmonisiert“ werden. Dies kann beispielsweise dadurch erfolgen, dass die Ableitung der Multiplikatoren abweichend von der generellen Empfehlung nicht für alle betrachteten Unternehmen auf dem selben Basisjahr aufsetzt, sondern stattdessen unterschiedliche Basisjahre gewählt werden, um den Ergebniszyklus „gleichnamig“ zu machen. Unterschiedlich genutzte bilanzrechtliche Ansatz- und Bewertungswahlrechte können durch Adjustierungen der identifizierten Reservenlegung und Auflösung harmonisiert werden, um die Vergleichbarkeit der am Markt beobachteten Preisrelationen herzustellen. Es wird aber immer eine Annäherung bleiben, weil es sehr subjektive Schätzungen sind, denen ein Marktpreis zugeordnet wird, der sich unter anderen Erwartungen gebildet hat.
3.3.2.2 Liquidität und Anzahlungen Bedingt durch die Charakteristik des Projektgeschäfts werden beim Anlagenbauer bereits zu Beginn des Projektes Anzahlungen vom Kunden vereinnahmt, die teilweise zur Deckung laufender Zahlungsverpflichtungen aus anderen Projekten, vor allem aber zur Finanzierung des angezahlten Projektes herangezogen werden. Die meisten Anlagenbauer (wie übrigens auch Bauunternehmen) verfügen daher über einen hohen Bestand an liquiden oder quasi liquiden Mitteln38. Dieser Bestand unterliegt naturgemäß großen Schwankungen im Jahresverlauf, weil er letztlich der Kostendeckung lang laufender Projekte, teilweise aber auch der Darstellung von Avalen dient. Nun finden sich in der Praxis der Unternehmensbewertung zwei unterschiedliche Ansätze, die Liquidität bzw. die hierauf erzielten Zinserträge zu berücksichtigen. In der sog. Netto-Version39 werden die liquiden Mittel (Kasse) mit dem Fremdkapital zum so genannten Netto-Fremdkapital (‚net debt‘), die Zinserträge mit Zinsaufwendungen zum Zinsergebnis saldiert. Im Barwertkalkül entspricht diese Vorgehensweise einer separaten Bewertung des Kassenbestandes, der mit seinem Nominalwert den diskontierten operativen Cashflows (ohne Zinserträge) hinzuaddiert wird. Diese Vorgehensweise hat sich z.T. unreflektiert in der Bewertungspraxis eingebürgert. Tatsächlich unterstellt diese Vorgehensweise aber, dass die Kasse nicht betriebsnotwendig ist, also entweder dem Unternehmen problemlos entzogen 37
38 39
Die Autoren sind sich darüber im klaren, dass dieser Analyseschritt mit einem erheblichen Aufwand verbunden sein kann, um die notwendigen Informationen über die Ausschöpfung von Gestaltungsspielräumen zu erlangen. Ein solches Informationsdefizit wirkt sich zwangläufig auf die Qualität der Bewertungsergebnisse aus. Vgl. Karl Born; Bilanzanalyse international (2001), S. 354 Vgl. ausführlich Krolle et al. (2005); Kapitel 3.
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3 Bewertung von Unternehmen im Großanlagenbau oder zur Ablösung von (teurem) Fremdkapital herangezogen werden kann. Die (prognostizierten) Zinserträge unterliegen in dem Fall nicht dem operativen Risiko. Demgegenüber werden in der sog. Brutto-Version Zinserträge als Teil des operativen Risikos und die Kasse als betriebsnotwendiges Working Capital behandelt. Für den Unternehmenswert macht diese Unterscheidung zwischen betriebsnotwendigen und nicht betriebsnotwendigen liquiden Mitteln und somit der Netto- oder Bruttoerfassung immer dann einen großen Unterschied, wenn Soll- und Habenzinssätze bei gleichzeitig hohem Kassenbestand nennenswert auseinander fallen und/oder die jeweiligen Stichtagsgrößen von Fremdkapital und liquiden Mitteln erheblich vom Jahresdurchschnitt der einzelnen Perioden abweichen. Denn eine Saldierung hätte dann zur Folge, dass Ansprüche von Fremdkapitalgebern, die aus dem EBIT oder Cashflow zu bedienen sind, ganz oder teilweise (in Höhe der Zinssatzdifferenzen) negiert würden. Nun ist der Bedarf an liquiden Mitteln wegen der oben erläuterten Projekt- und Finanzierungsstruktur bei Unternehmen des Anlagenbaus grundsätzlich deutlich höher als bei Unternehmen der meisten anderen Branchen. Daher ist eine genaue Analyse des Kassencharakters vor allem dann notwendig, wenn ein Unternehmen über einen deutlich höheren Bestand an liquiden Mitteln verfügt als die Vergleichsunternehmen40. Hieraus alleine ist noch nicht abzuleiten, dass und in welchem Umfang die Kasse nicht betriebsnotwendig ist und eine Saldierung gegen Fremdkapital vorgenommen werden darf. Denn Anlagenbauer halten zwar durchschnittlich 10 % der Bilanzsumme in Cashpositionen, hierbei sind jedoch Quoten von 3 % bis zu 25 % möglich. Solche Unterschiede können in unterschiedlicher Projektstruktur und unterschiedlichen Entscheidungen hinsichtlich der Finanzierung und hinsichtlich der Inanspruchnahme von Zahlungszielen in Verbindung mit der Projektkalkulation begründet sein und verweisen daher noch nicht auf Überschussliquidität. Der externe Analyst wird sich im Wesentlichen auf Plausibilisierungen anhand verschiedener Kriterien des jeweils betrachteten Unternehmens stützen müssen, um die liquiden Mittel in eine der beiden Kategorien „betriebsnotwendig“ und „nicht betriebsnotwendig“ einordnen zu können. Es muss sichergestellt sein, dass die als betriebsnotwendig definierte Kasse ausreicht, den unterjährigen maximalen Liquiditätsbedarf zu decken. Dies kann beispielsweise anhand so genannter CashCost-Kurven verprobt werden. Außerdem muss der unterstellte Liquiditätsbedarf mit dem Business Plan korrespondieren (vgl. notwendige Finanzierungsrechnung für Investitionen, Entwicklung von Working Capital Bedarfs). Zu Letzterem gehört auch die Unterlegung von betriebsnotwendigen Avalen. Denn diese sind im notwendigen Ausmaß und den prognostizierten Konditionen häufig nur darstellbar, weil das Unternehmen über entsprechende liquide Mittel verfügt. Würde man diese dem Unternehmen entziehen, könnte entweder das Auftragsvolumen nicht in geplantem Umfang wahrgenommen werden oder die operative Marge verschlechterte sich aufgrund höherer Avalgebühren. Deshalb sind häufig verhältnismäßig niedrige Haben-Zinssätze auf Kassenbestände nicht aufgrund einer sachgerechten Marktbewertung und Risikotransformation zustande gekommen, die erlauben würden, solche Bestände gegen den Marktwert von Fremdkapital zu verrechnen, sondern sie sind aus betrieblicher Notwendigkeit in Kauf zu nehmen, weil eine andere Verwendung der (quasi) liquiden Mittel nicht in Betracht kommt. Insofern bleibt in einem solchen Fall nur, sie in den operativen Unternehmenswert einzubeziehen (Brutto-Version). Verfügt man als externer Bewerter nicht über verlässliche Daten hinsichtlich des im Jahresverlauf benötigten Kassenbestandes, kann ein solcher überschlägig über die Relation von Zinsertrag und Kassenbestand abgeleitet werden. Ergibt sich aus dieser Relation ein Zinssatz, der deutlich unter dem gleichzeitig für Fremdkapital zu zahlenden Zinssatz oder deutlich unter marktüblichen HabenZinssätzen liegt, ist davon auszugehen, dass die Kasse weitestgehend betriebsnotwendig ist. Denn entweder steht nur ein Bruchteil des Stichtagswertes tatsächlich ganzjährig zur Verfügung und/oder kann zumindest nicht laufzeitkongruent zum Fremdkapital angelegt werden. Denn man wird nicht per se unterstellen können, dass das Unternehmen freiwillig teures Fremdkapital zur Finanzierung 40
Wenn ähnliche Strukturen hinsichtlich des Kassenbestandes und deren Betriebsnotwendigkeit zwischen den Vergleichsunternehmen gegeben ist, ist eine Saldierung im Multiplikatorverfahren unschädlich.
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Sigrid Krolle und Jan-Dirk Sommerkamp des operativen Geschäftes aufnimmt, wenn gleichzeitig nur relativ niedrige Habenzinsen auf Überschussliquidität erzielt werden können. In Einzelfällen können aber auch bei Anlagebauern Teile der Kasse nicht betriebsnotwendig und somit ohne Beeinträchtigung des Geschäftes entzogen werden. Einige Unternehmen bauen liquide Mittel zur Unterlegung der in dieser Branche ebenfalls weit verbreiteten Pensionsverpflichtungen auf 41. In diesem Fall kommt eine Saldierung der Rückstellungen mit liquiden Mitteln (und des Zinsaufwandes gegen Zinserträge) in Betracht. Denn die (überschüssigen) liquiden Mittel können laufzeitkongruent zu den Pensionsverpflichtungen angelegt werden, so dass keine allzu großen Differenzen zwischen der Zinsbedienung und den erzielbaren Zinserträgen auftreten dürften.
3.3.2.3 Mutter-Tochter-Konzernverbund Die Abrechnungspraxis von Anlagenbauprojekten und die damit verbundene Thematik um den Kassenbestand bekommt in Deutschland noch eine weitere, sehr viel komplexere Komponente als die oben beschriebene durch die Tatsache, dass die deutschen Anlagenbauunternehmen häufig in Konzerne und somit in das konzernweite Cashmanagement eingebettet sind. In der Regel bedeutet dies, dass die über Anzahlungen lange vor Kostenentstehung verfügbaren liquiden Mittel im Konzern genutzt werden können, um die Fremdfinanzierung so gering wie möglich zu halten. Umgekehrt stellt der Konzern der Anlagebau-Tochtergesellschaft Bürgschaften zur Verfügung oder sichert die Avale der Banken, ohne die der Anlagebauer keine Projektaufträge bekäme. Diese wechselseitige Verflechtung führt dazu, dass eine in der Praxis häufig gefragte, bei Transaktionen notwendige „stand alone“Bewertung nicht mehr trivial ist. Im Rahmen von Transaktionsverhandlungen basiert die Wertfindung häufig auf einfachen Multiplikator-Ansätzen, wie Transaktionswert = EBITTARGET*EV/EBITPEER. Solche manchmal ganz sinnvollen indikativen Bewertungen sind für im Konzern verbundene Anlagenbauer denkbar ungeeignet: Denn der ablesbare EBIT eines verbundenen und zu bewertenden Anlagenbauers ist aufgrund der finanziellen Verflechtung im Cashpool einerseits, der Avaldeckung andererseits selten derjenige, der ihm in einer „stand alone“-Betrachtung zugeschrieben werden kann. Vielmehr muss geklärt werden, welcher Zinsertrag dem Anlagenbauer zusätzlich aus dem Konzernergebnis zuzurechnen ist, weil (zeitweise) überschüssige liquide Mittel der Konzernfinanzierung zur Verfügung gestellt werden. Andererseits steht dem eine Avaldeckung durch die Bonität des Konzerns gegenüber, die der Anlagenbauer allein stehend häufig nicht oder nicht zu den Konzernkonditionen realisieren kann. Zumindest aber sind ihm diese Eventualverbindlichkeiten und die hieraus gegebenenfalls resultierenden Nachteile für die Finanzierungskonditionen des Konzerns ursächlich zuzurechnen42. Somit muss zunächst sichergestellt sein, dass das ökonomische Ergebnis des Anlagenbauers korrekt identifiziert wird. Aus Sicht des Verkäufers wiederum bestimmt sich abweichend von einer solchen „stand alone“-Betrachtung der (Grenz-)Wert, zu dem der Verkauf des Anlagebaus sinnvoll ist, einschließlich eventueller Vor- oder Nachteile, die sich per Saldo im Konzern aus der finanziellen Verflechtung ergeben43. Insofern kann aus Verkäufersicht eine solche Wertbeitragsbetrachtung von derjenigen des potenziellen Käufers, vor allem aber von einer „stand alone“-Bewertung abweichen.
41
42 43
In der Regel haben solche Unternehmen auch keine (teuren) Bankdarlehen zur Finanzierung des operativen Geschäftes in Anspruch genommen. Zur generellen Behandlung von Pensionsrückstellungen im Multiplikatorverfahren vgl. Schmitt, G. in Krolle et al., Kapitel 4. Eventualverbindlichkeiten haben bei hinreichender Eintrittswahrscheinlichkeit Einfluss auf die Bonitätsnoten der Rating-Agenturen und somit auf die Finanzierungskonditionen der beurteilten Unternehmen. Beispielsweise können Verbundvorteile in der Finanzierung (Arbitrage) realisiert werden, wenn Differenzen in Soll- und Habenzinssätzen aufgrund von Unvollkommenheiten des Marktes auftreten.
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3 Bewertung von Unternehmen im Großanlagenbau Die Zusammenhänge sind nachstehend graphisch zusammengefasst:
Weitergabe erhaltener Anzahlungsüberschüsse (Cash-Pooling)
Konzern
Anlagenbau
Garantien/Avale
Vorteil
Arbitragemöglichkeiten Zinsvorteil (Soll/Habenzins)
Risikodeckung Vorteil durch Avale
Nachteil
Steigende Finanzierungskosten Kreditlinie
Entgangene Zinserträge
Nachteil
Abb. 3-7: Konzernverflechtung
Soll also im Rahmen einer Bewertung ermittelt werden, welcher Veräußerungspreis gerade noch hoch genug ist, um den Wertbeitrag des Anlagenbauers zum Konzern auszugleichen, sind mindestens die oben dargestellten gegenläufigen Werttreiber aus dem Konzernverbund einzubeziehen.
3.4 Praxisbeispiel In den vorgegangenen Abschnitten haben wir die wesentlichen Merkmale der Branche sowie deren theoretische Behandlung bei der Unternehmensbewertung mit der Multiplikatormethode skizziert. Sie alle in einem Beispiel zu illustrieren, würde wegen der Vielzahl der möglichen Problemstellungen und damit verbundenen Analyseschritten den Rahmen an dieser Stelle sprengen. Deshalb haben wir die Umsetzung in der Praxis im nachstehenden, vereinfachten Beispiel auf die branchenspezifischen Teilaspekte „hoher Liquiditätsbestand“, Identifizierung von Vergleichsunternehmen unter Berücksichtigung der Zyklik sowie die Konzernverflechtung begrenzt. Über das zu bewertende Unternehmen sowie mögliche Vergleichsunternehmen liegen die nachstehenden Informationen vor: Das zu bewertende Unternehmen (Zielunternehmen) ist ein international tätiger Anlagenbauer der Hütten- und Walzwerktechnik. Der Markt für Stahlherstellungs- und -verarbeitungsanlagen stagnierte in den letzten Jahren, jedoch konnte das Unternehmen insbesondere von der hohen Stahlnachfrage in China profitierten. Der aktuell hohe Auftragseingang steht hauptsächlich im Zusammenhang mit der seit einigen Jahren stark gestiegenen Stahlnachfrage in China. Eine weit reichende Konsolidierung der chinesischen Stahlhersteller wird in absehbarer Zeit erwartet, was zwangsläufig mit einer Abkühlung der derzeitigen Auftragslage für die Lieferanten der Hüttenwerke verbunden sein wird. In der Regel gehen solche Nachfrageabschwächungen mit Überschusskapazitäten und entsprechendem Wettbewerbsdruck einher. Insofern sind die für 2005 erwarteten Gewinne nicht als nachhaltig, zumindest nicht als nennenswert ausbaubar in einem grundsätzlich stagnierenden Markt anzunehmen.
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Sigrid Krolle und Jan-Dirk Sommerkamp Tabelle 3-1: Gewinn- und Verlustrechnung des Zielunternehmens 44
Gewinn- und Verlustrechnung
2003
2004e
2005e
Auftragseingang
1.872
2.394
2.860
Umsatz EBT
2 .2 3 4 92
2 . 02 8 142
2 .6 0 0 166
+ Zinsaufwand – Zinsergebnis aus Überschussliquidität +/– a.o. Ergbnis
50 – 35 0
42 – 35 –12
44 – 35 0
= +
EBIT (brutto) Abschreibungen
107 44
137 44
175 38
=
EBITDA (brutto)
1 51
181
213
Die Bilanz des zu bewertenden Unternehmens zeigt in den wichtigsten Positionen folgendes Bild:44 Tabelle 3-2: Bilanz des Zielunternehmens
Aktiva Anlagevermögen
Umlaufvermögen davon quasi liquide Mittel
Bilanzsumme
Plan-Bilanz zum 31.12.2004e Passiva 535 Eigenkapital Pensionsrückstellung Übrige Rückstellung 2.750 Rückstellungen 1.814 Bankverbindlichkeiten Sonstige Erhaltene Anzahlung Verbindlichkeiten 3.285 Bilanzsumme Avale
388 778 872 1.650 90 511 646 1.247 3.285 470
Wie bereits oben erläutert, ist im Anlagenbau eine hohe Kasse üblich und auch betriebsnotwendig. Das Ausmaß ist im Einzelfall zu analysieren. Für diesen Beispielsfall haben wir angenommen, dass die (quasi) liquiden Mittel mit 1.114 überwiegend operativ notwendig (Working Capital) sind. Der verbleibende (nicht betriebsnotwendige) Betrag von 700 kann für Bewertungszwecke saldiert werden. Der (bewertungsrelevante) EBIT errechnet sich dann, indem der EBT (Earnings before Taxes) um die auf die nicht betriebsnotwendige Kasse erzielten Zinserträge von 35 gekürzt und die (betriebsnotwendigen) Zinsaufwendungen erhöht wird.
44
Die saldierten Zinserträge errechnen sich hier aus einer angenommenen nicht betriebsnotwendigen Kasse in Höhe 700 und einem Zinssatz von 5%. Die verbleibende betriebsnotwendige Kasse von 1.114 deckt die Anzahlungen und Avale. Ein Zinssatz von 5% wurde auch für die verzinslichen Fremdmittel (Pensionsrückstellungen und Bankverbindlichkeiten) angesetzt.
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3 Bewertung von Unternehmen im Großanlagenbau Am Markt können nun aus einer zunächst groben Auswahl möglicher Vergleichsunternehmen Preisrelationen abgeleitet werden, die auf die entsprechenden bewertungsrelevanten Erfolgsgrößen des zu bewertenden Unternehmens zu übertragen sind. In der überwiegenden Praxis der Multiplikatorbewertung hat sich durchgesetzt, Enterprise-ValueMultiplikatoren (EV-Multiplikatoren), die entweder auf den Umsatz, EBIT oder den EBITDA Bezug nehmen, für die Bewertung heranzuziehen. Als Basisjahr haben wir für das Bewertungsbeispiel das Jahr 2005 gewählt, weil nicht nur die Reichweite der Prognosen, sondern auch die Analysedichte verfügbarer Prognosen für Vergleichsunternehmen die Qualität der Bewertung bestimmt und nur für diesen Zeitraum hinreichend viele Ergebnisprognosen für die Vergleichsunternehmen verfügbar sind. Die entsprechenden Kennzahlen45 für die Wertermittlung des Zielunternehmens könnten wie folgt aussehen46 47: Tabelle 3-3: Basisdaten Vergleichsunternehmen Peer V1 (Druckmaschinen) V2 (Hüttenwerke) V3 (Förderanlagen) V4 (Produktionsanlagen, Stahl) Zielunternehmen
Marktkapitali- Verzinsliches sierung Fremdkapital 2.148 200 3.905 519 gesucht
895 468 1.414 270 868
Cash 415 393 339 180 1.814
Enterprise Umsatz Value 2005e 3.043 668 5.789 789 gesucht
EBIT EBITDA 2005e 2005e
3.645 1.210 4.415 1.250 2.600
315 106 330 73 175
454 125 585 98 213
Auf der Basis dieser Multiplikatoren und der grob gewählten Peer Group ergäbe sich nachstehende Wertbandbreite für den Gesamtunternehmenswert (EV) des Zielunternehmens48: Tabelle 3-4: Multiplikatoren der Vergleichsunternehmen
45 46 47
48
Multiplikatoren Peer
EV/Umsatz 2005e
EV/EBIT 2005e
EV/EBITDA 2005e
V1 (Druckmaschinen) V2 (Hüttenwerke) V3 (Förderanlagen) V4 (Produktionsanlagen, Stahl)
0,8 0,6 1,3 0,6
9,7 6,3 17,5 10,8
6,7 5,3 9,1 8,1
Min Max
0,6 1,3
6,3 17,5
5 ,3 9,1
Die Kennzahlen sind mehr oder weniger fiktiv an verschiedene börsennotierte Anlagenbauer im weiteren Sinne angelehnt. nachrichtlich: betriebsnotwendige Liquiditätsbestände (Stichtagsgröße). Der EV wurde berechnet aus dem verzinslichen Fremdkapital und der Marktkapitalisierung, ggf. unter Abzug des Kassenbestandes, der nicht betriebsnotwendig ist. Entsprechend wurde der Teil der Zinserträge, der aus nicht betriebsnotwendiger Kasse erzielt wird, im EBIT und EBITDA gekürzt. Zur empfehlenswerten vollständigen Definition vgl. Krolle et al., Kapitel 3. Auf die Darstellung von Eigenkapitalmultiplikatoren (z.B. Kurs-Gewinn-Verhältnis) haben wir hier verzichtet, weil diese häufig wegen zu unterschiedlicher Kapitalstruktur und unpräziser Definition im Hinblick auf nicht betriebsnotwendiges Vermögen ungeeignet sind.
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Sigrid Krolle und Jan-Dirk Sommerkamp Wendet man die Ober- und Untergrenzen der aus der Vergleichsgruppe abgeleiteten Multiplikatoren auf die Bezugsgrößen des zu bewertenden Unternehmens an, so ergibt sich folgende Wertbandbreite: Tabelle 3-5: Wertbandbreite
Wertbandbreite Enterprise Value Min Enterprise Value Max
EV/Umsatz 2005e
EV/EBIT 2005e
EV/EBITDA 2005e
1.560 3.380
1.103 3.063
1.129 1.938
Die Streubreite der Ergebnisse verweist bereits darauf, dass eine einfache Durchschnitts- oder auch Medianbildung sowohl über die Vergleichsunternehmen als auch über die verschiedenen Multiplikatoren nicht geeignet ist, um Aussagen über den Wert des hier in Frage stehenden Unternehmens zu machen. Vielmehr streuen die Werte deshalb, weil die gewählten Vergleichsunternehmen zwar alle dem Anlagenbau zugeordnet werden, die Branche jedoch sehr heterogen hinsichtlich des angebotenen Leistungsspektrums, der Wertschöpfungstiefe, der Absatzmärkte und Technologie ist. Somit unterscheiden sie sich zwangsläufig in den wesentlichen Werttreibern, wie Wachstumserwartung, Ertragsrisiken (abhängig auch von der zyklischen Phase der Absatzmärkte) und Profitabilität. Dies drückt sich sowohl in der Bandbreite der absoluten Multiplikatoren über die verschiedenen Unternehmen hinweg, als auch in den unterschiedlichen Relationen der verschiedenen Multiplikatoren einzelner Vergleichsunternehmen zueinander aus. So verweist das Verhältnis der Multiplikatoren EV/Umsatz und EV/EBIT von Unternehmen 1 und 3 (V1; V3) zwar auf eine ähnliche Fähigkeit, aus dem Umsatz Erträge zu erzielen (Profitabilität), die große Diskrepanz in der absoluten Höhe beider Multiplikatoren verweist aber auf sehr unterschiedliche Wachstumserwartungen des Marktes nach dem Basisjahr. Umgekehrt verweisen die Multiplikatoren von V1 und V4 im ähnlich hohen EV/EBIT auf vergleichbare Erwartungen des Marktes hinsichtlich der Wachstumschancen und Risiken beider Unternehmen,49 allerdings weist V4 eine deutlich geringere Umsatzrendite auf als V1 (ablesbar im Verhältnis EV/Umsatz und EV/EBIT). Ohne hier im Einzelnen auf die konkreten Werttreiber der Peer Group einzugehen50, zeigt sich an der rein formalen Analyse, dass die geforderte Vergleichbarkeit der Peer Group nicht bereits mit der Zugehörigkeit zu einer Branche erfüllt ist. Außerdem ist der Bewerter in der Wahl seiner Multiplikatoren keineswegs frei. Vielmehr ist bei der Auswahl aus der Vielzahl von Preisrelationen, die zur Bewertung eines Unternehmens herangezogen werden können, darauf zu achten, welche für Anlagenbauer adäquat sind. Unterschiedliche Profitabilität und unterschiedliche Technik (Kapitalintensität) schränken die Vergleichbarkeit der Unternehmen noch nicht zwangsläufig ein. Allerdings können Preisrelationen, die auf Bezugsgrößen basieren, die vom bewertungsrelevanten Ergebnis zu weit entfernt sind (z.B. Umsatz oder Gesamtleistung oder nicht GuV-basierte Kennzahlen, wie Auftragsbestand) gerade in der Branche der Anlagenbauer irreführend sein. Denn die Fähigkeit, aus solchen Kenngrößen (wertrelevante) Erträge zu generieren, kann infolge der heterogenen Struktur der Branche sehr breit streuen51. Daher ist auch der in der Praxis gerne verwandte EBITDA eine nur bedingt aussagekräftige Referenzgröße. Denn wie in allen reifen Unternehmen oder Märkten sind die Abschreibungen vor allem Aufwand, der zwar nicht liquiditätswirksam ist, aber früher oder später zur Substanzerhaltung reinvestiert werden muss. Nur vereinzelt wird man über diese Referenzgröße Schwankungen oder unterschiedliche Investitionsphasen der Vergleichsunternehmen abgrenzen können, ohne gleichzeitig Verzerrungen 49 50 51
Der EV/EBIT wird in dieser Interpretation gelesen als Kehrwert des WACC bzw. als Multiplikator in der ewigen Rente im Barwertkalkül, ggf. korrigiert um Wachstumsfaktor. Vgl. Ballwieser, W. (1991). Die beobachtbaren Differenzen sind auch selten monokausal. Vgl. auch Schwetzler, B./Warfsmann, J. in Krolle et al. (2005).
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3 Bewertung von Unternehmen im Großanlagenbau durch unterschiedliche Kapitalintensität zu erzeugen. Es verbleibt somit nur, innerhalb der Branche52 eine genaue Analyse nach den oben ausführlich erläuterten unterschiedlichen Werttreibern vorzunehmen. Eine solche Analyse kann z.B. mit Hilfe einer Matrix vorgenommen werden, die es erlaubt, das zu bewertende Unternehmen je nach Ausprägung der Werttreiber innerhalb der sich ergebenden Bandbreite einzuordnen. In der oben dargestellten Peer Group befindet sich nur ein Unternehmen (V2) des gleichen Absatzmarktes und ähnlicher Technologie, ein weiteres (V4) bedient den Markt der Hütten- und Walzwerke zumindest noch teilweise. Da es bei der Bewertung des Zielunternehmens mit Hilfe der Multiplikatoren darauf ankommt, möglichst auch einen ähnlichen zyklischen Reifezustand zu erfassen und für das Zielunternehmen anzunehmen ist, dass das zyklische Hoch erreicht, wenn nicht überschritten ist, ist V3 in jedem Fall auszuschließen, weil die Höhe der Multiplikatoren noch erhebliche Wachstumsphantasie signalisiert, die für das Zielunternehmen infolge der (zumindest partiell) bereits überhitzten Stahlnachfrage nicht anzunehmen ist. Auf Basis der enger gefassten Peer Group (V2, V4) verdichtet sich der Wert dann auch zu: Tabelle 3-6: Wertbandbreite aus eingeschränkter Peer Group
Wertbandbreite aus V2, V4 Enterprise Value Min Enterprise Value Max
EV/Umsatz 2005e
EV/EBIT 2005e
EV/EBITDA 2005e
1.560 1.560
1.103 1.890
1.129 1.725
Es verbleibt sowohl über die Vergleichsunternehmen als auch über die gewählten Multiplikatoren hinweg immer noch eine nicht unbeachtliche, wenn auch gegenüber der groben Peer Group deutlich aussagekräftigere Wertbandbreite. Insbesondere die zwischen Umsatz- und Ergebnisgrößen differierenden Unternehmenswerte können ihre Ursache in unterschiedlicher Rechnungslegung und/oder unterschiedlicher Ausnutzung von Ansatz- oder Bewertungswahlrechten der betrachteten Unternehmen haben, die hier aber nicht weiter analysiert werden sollen. Soll vom Gesamtunternehmenswert auf den Wert des Eigenkapitals übergeleitet werden, ist der besonderen Definition des Enterprise Values Rechnung zu tragen. Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass Teile der Kasse von 700 und die hierauf erzielten Erträge von 35 nicht in die Unternehmensbewertung einbezogen wurden. Sie sind dem EV hinzuzurechnen. Umgekehrt sind alle Ansprüche fremder Kapitalgeber, die aus dem bewerteten EBIT oder EBITDA zu bedienen sind, in Abzug zu bringen.
52
Es ist durchaus auch denkbar, branchenübergreifend Vergleichsunternehmen einzubeziehen (z.B. Bauunternehmen), wenn die wesentlichen wertbestimmenden Merkmale übereinstimmen; vgl. hierzu auch Cornell, B. (1993).
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Sigrid Krolle und Jan-Dirk Sommerkamp Der Eigenkapitalwert im vorliegenden Beispiel berechnet sich demzufolge wie folgt53, 54: Tabelle 3-7: Herleitung Eigenkapitalwert des Zielunternehmens
Herleitung Eigenkapitalwert Enterprise Value nicht betriebsnotwendige Kasse Bankverbindlichkeiten Pensionsrückstellungen
1.496 700 –90 –778
Wert des Eigenkapitals
1.328
Wird das Beispiel nun dahingehend variiert, dass der Bereich Anlagenbau in einen Konzern eingebettet ist und sich dies insbesondere in einer finanziellen Verflechtung ausdrückt, sind weitere Aspekte für eine sachgerechte Bewertung zu beachten. Außerdem können die Ergebnisse vom „Bewertungszweck“ abhängig sein. Die Verflechtung könnte beispielsweise so aussehen, dass der Anlagenbauer selbst keine liquiden Mittel hält, weil Anzahlungen aus den Projektaufträgen unmittelbar dem Cashpool des Konzerns zur Verfügung gestellt werden und die betriebsnotwendigen liquiden Mittel entsprechend der anfallenden Projektkosten aus diesem wieder zeitgerecht zur Verfügung gestellt werden. Der Konzern optimiert durch ein solches Pooling seinen Bedarf an Fremdmitteln. Die Erfolgsrechnung und die bewertungsrelevanten Kennziffern (EBT, EBIT und EBITDA) des Anlagenbauers enthielten demzufolge keine Zinserträge. Für eine „stand alone“-Bewertung sind die Kennziffern dann so zu adjustieren, wie sie ohne Konzernverflechtung entstanden wären, d.h. dem Anlagenbauer sind ursachengerecht noch Zinserträge zuzurechnen, die er auf dem durchschnittlich verfügbaren Kassenbestand hätte erzielen können. Stellt der Konzern andererseits dem Anlagenbauer Bürgschaften zur Verfügung und/oder haftet für die von Banken gestellten Avale, ist außerdem zu prüfen, ob und unter welchen Bedingungen (Konditionen) der Anlagenbauer „stand alone“ in diese anstelle des Konzerns eintreten kann. Ein solcher „stand alone“-Wert muss nicht zwangsläufig mit dem „Verkäufergrenzpreis“ übereinstimmen. Dieser richtet sich vielmehr nach dem „Wertbeitrag“ des Anlagebaus für den Konzern. Angenommen, der Konzern könnte in der obigen Variante in Höhe des Liquiditätsbestandes des Anlagenbauers von 1.814 durchschnittlich 5 % Zinsaufwendungen für Kredite einsparen, während der Anlagenbauer „stand alone“ nur 2,5 % Habenzinsen realisieren könnte, wäre ein zusätzlicher Wertbeitrag, der nur im Verbund realisiert werden kann, in Höhe von 2,5 % * 1.814 = 45 dem ermittelten „stand alone“ Unternehmenswert zuzurechnen, will man den (Grenz-)preis des Veräußerers ermitteln. Stellt der Konzern umgekehrt dem Anlagenbauer Bürgschaften zur Verfügung, die wiederum seine Finanzierungskonditionen erhöhen, wären die für den Konzern hieraus resultierenden Effekte hingegen vom Unternehmenswert abzusetzen. Erst aus einer solchen übergreifenden Wertbeitragsanalyse kann letztlich geschlossen werden, ob und zu welchem Preis die Veräußerung des Anlagenbaubereichs sinnvoll wäre.
53 54
Der Enterprise Value ist aus dem Mittelwert des EV/EBIT-Multiplikators abgeleitet. Es wird angenommen, dass der Bilanzwert dem Marktwert der Pensionsverpflichtungen entspricht. Sonstige Rückstellungen wären noch zusätzlich mit ihrem Barwert vom EV abzusetzen, sofern sie den Bodensatz als dauerhaft zur Verfügung stehende Finanzierung übersteigen und eine Auszahlung/Inanspruchnahme wahrscheinlich ist. Dies wurde hier nicht weiter analysiert.
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3 Bewertung von Unternehmen im Großanlagenbau
3.5 Schlussbemerkung Bereits an dem unter Abschnitt 3.4 dargestellten, sehr vereinfachten Beispiel wird deutlich, dass die Bewertung von Anlagenbauern, sei es mit Hilfe von Multiplikatoren oder mit Hilfe eines Barwertkalküls, ein hohes Verständnis der in dieser Branche tätigen Unternehmen erfordert. Der Informationsbedarf des Kapitalmarktes geht dabei wegen der vielfältigen und nicht leicht zu interpretierenden Einflussfaktoren weit über das Maß für die meisten anderen Branchen hinaus. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Ausprägungen der Unternehmen, die als Anlagenbauer charakterisiert werden, kommt der Bereitstellung relevanter und kapitalmarktorientierter Informationen durch den Anlagenbauer selbst, aber auch im Rahmen der Berichterstattung der Konzerngesellschaften deshalb große Bedeutung zu. Gerade börsennotierte deutschen Muttergesellschaften, bei denen der Anlagenbau nicht den Tätigkeitsschwerpunkt bildet, haben die Möglichkeit, durch Aufklärung über die Charakteristik des Anlagenbaus Wahrnehmungslücken zu schließen und zusätzliche Wertbeiträge des Anlagenbaus zu heben. Die Komplexität des Anlagenbaugeschäftes kann sicher nicht ohne Weiteres verändert werden. Allerdings haben die Unternehmen oder deren Mütter es in der Hand, das Verständnis des Kapitalmarktes zu erhöhen und so zumindest teilweise die negative Wahrnehmung dieser Branche durch Kapitalmarkt positiv zu beeinflussen.
3.6 Literatur Ballwieser, W. (1991): Unternehmensbewertung beim Management Buy-Out, in: Baetge, Jörg (Hrsg.): Akquisition und Unternehmensbewertung, Schriften des Instituts für Revisionswesen, Düsseldorf 1991, S. 81–96. Bausch, A. (2000): Die Multiplikator-Methode, in: Finanzbetrieb 7–8/2000. S. 448–459. Born, K.: Bilanzananlyse international (2001), Schäffer/Pöschel Verlag S. 354 Busse v. Colbe, W. et al (Hrsg.) (2000): Ergebnis nach DVFA/SG, Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Anlageberatung und Schmalenbachgesellschaft, 3. Auflage, Stuttgart 2000. Cornell B. (1993): Corporate Valuation-Tools for Effective Appraisal and Decision Making, Illinois 1993. Damodaran, A. (2001): The dark side of Valuation – Valuing old tech, new tech, and new economy companies, New York 2001. Freidank, C.-Ch. (1989): Erfolgsrealisierung bei langfristigen Fertigungsprozessen, in: Der Betrieb, 42 Jg., S 1197–1204. Höffgen, E./Schweitzer, M. (Hrsg.) (1991): Beiträge zur Betriebswirtschaft des Anlagenbaus, Arbeitskreis Internes Rechnungswesen der Schmalenbach-Gesellschaft – Deutsche Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V., Sonderheft, Düsseldorf 1991. Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (2002): Wirtschaftprüferhandbuch 2002, Handbuch für Rechnungslegung, Prüfung und Beratung, Band II, 12. Auflage, Düsseldorf 2002. Kümpel, Th. (1999): Vergleich der Bilanzierung und Bewertung von erfolgversprechenden langfristigen Fertigungsaufträgen nach deutscher und US-amerikanischer Rechnungslegung vor dem Hintergrund der internationalen Rechnungslegungsharmonisierung – 1998. – XIX, 293 S. – Univ., FB 05, Diss., Duisburg 1999. Krolle, S./Schmitt, G./Schwetzler, B. (Hrsg.) (2005): Multiplikatorverfahren in der Unternehmensbewertung, Stuttgart 2005. Moxter, A. (1983): Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensbewertung, 2. Aufl., Wiesbaden 1983.
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62
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4 Bewertung kleiner und mittlerer Brauereien von Helmuth Adam* 4.1 Branchenüberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Der Weltbiermarkt wächst kontinuierlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Die größten Brauereigruppen der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3 Der deutsche Biermarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3.1 Der Bierabsatz sinkt seit über 30 Jahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3.2 Die deutsche Brauwirtschaft 2008 – Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3.3 Bierausstoß und Brauereien nach Bundesländern 2007. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3.4 Anzahl und Ausstoß Brauereien nach Größenklassen 2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3.5 Die größten Brauereigruppen Deutschlands 2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3.6 Wie groß sind kleine und mittlere Brauereien? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Bewertung kleiner und mittlerer Brauereien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Bewertungsanlässe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Besonderheiten bei der Brauereibewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Bewertungsverfahren – auch hier bestimmt der Zweck die Methode . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3.1 Substanzwertorientierte Verfahren – für das Gewesene gibt der Kaufmann nichts . 4.2.3.2 Liquidationswert – manche Brauerei ist tot mehr wert als lebendig . . . . . . . . . . . . . 4.2.3.3 Ertragswertorientierte Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3.3.1 Ertragswertverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3.3.2 DCF-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3.4 Exkurs: Der Kapitalisierungszinssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3.5 Mischverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3.5.1 Mittelwertmethode – der Substanzwert nimmt den Ertragswert an die Kandare 4.2.3.5.2 Das Weihenstephaner Konzept – Wert der Kunden steht im Vordergrund . . . . 4.2.3.6 Vergleichs- oder Multiplikatorenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3.6.1 Branchenrichtpreis – wie viel zahlt man für eine Brauerei?. . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3.6.2 EV/EBITDA-Multiplikator – Interbrew zahlt 20faches EBITDA für Becks . . . 4.3 Fallbeispiel: Bewertung einer mittelständischen Brauerei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Allgemeine Informationen und Basisdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Vergangenheitsanalyse – Istzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3 Prognoserechnung – Planzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.4 Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.5 Berechnung des Ertragswerts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.6 Ermittlung des Verkehrswerts des nicht betriebsnotwendigen Vermögens . . . . . . . . . . . 4.3.7 Ermittlung des Wertes der Brauerei und des 20 %-Anteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.8 Bewertung im Falle einer Liquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Schlussbetrachtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . *
64 64 64 66 66 66 67 67 68 68 70 70 71 71 72 72 73 73 73 74 75 75 75 75 76 76 77 77 78 80 81 81 82 82 83 85 86
Dr. Helmuth Adam, von der Industrie- und Handelskammer Regensburg öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Bewertung von Brauereien, Mälzereien und Erfrischungsgetränkebetrieben
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Helmuth Adam
4.1 Branchenüberblick 4.1.1 Der Weltbiermarkt wächst kontinuierlich Weltweit wurden 2007 in 166 Ländern der Erde rd. 1,8 Mrd. hl Bier gebraut. Seit vielen Jahren steigt der Bierausstoß kontinuierlich, bei einem durchschnittlichen Wachstum der letzten fünf Jahre von 4,8 %. Allerdings vollzog sich dieses Wachstum, wie Abb. 4-1 zeigt, kontinental sehr unterschiedlich.1
Kontinent
Bierausstoß Mio. hl 2002
2007
Anteil in %
Veränd.
2002
2007
%
Europa
503,4
591,8
34,9
33,1
17,6
Asien
376,1
555,6
26,1
31,1
47,7
Amerika
478,9
533,2
33,2
29,8
11,3
Afrika
61,3
85,1
4,3
4,8
38,8
Ozeanien/Australien
21,5
21,8
1,5
1,2
1,4
1.441,2
1.787,5
100,0
100,0
24,0
Gesamt Durchschn. Wachstum
4,8
Quelle: Barth-Report 2007/2008, BRAUINDUSTRIE 9/2008, S. 38–40 Abb. 4-1: Weltbiermarkt 2002 u. 2007
Während in den traditionellen Bierkontinenten Europa und Amerika und hier speziell in den USA, die Wachstumsraten zwischen 2,3 % und 3,5 % lagen, legte Asien im Durchschnitt jährlich 9,6 % zu. Der Löwenanteil des Zuwachses geht auf China zurück, das seinen Bierausstoß von 2002 auf 2007 von 236 Mio. hl auf 393 Mio. hl um jährlich 13,3 % steigern konnte und inzwischen mit einem Weltmarktanteil von 22 % die Liste der biererzeugenden Länder anführt, gefolgt von den USA, Russland und dem Bierland Deutschland, das nur noch auf Platz Vier in der Weltrangliste rangiert (Vgl. Abb. 4-2). Beachtliche Zuwächse verzeichneten auch Russland, die Ukraine, Vietnam und Brasilien. Damit liegen die größten Potenziale für die Zukunft in Asien, Osteuropa und Südamerika.
4.1.2 Die größten Brauereigruppen der Welt Der Weltbiermarkt befindet sich in den Händen einiger Brauereigiganten. 2007 beherrschten nur vier Braukonzerne knapp 50 % des Weltbiermarktes (Vgl. Abb. 4-3). Nach der Fusion Ende 2008 von Anheuser-Bush mit InBev sind es nur noch drei. Die drei größten deutschen Brauereigruppen Radeberger, Bitburger und Oettinger spielen mit 0,8 % bzw. 0,5 % Marktanteil am Weltbiermarkt mengenmäßig eine eher unbedeutende Rolle.
1
o.V.: Hopfen ist wieder gefragt, BRAUINDUSTRIE 9/2008, S. 38–40
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4 Bewertung kleiner und mittlerer Brauereien Rang in 2007
Land
1
Bierausstoß
Anteil am Weltmarkt
2000
2007
2000
2007
Mio.hl
Mio.hl
%
%
China
220,6
393,1
15,8
22,0
233,1
234,1
16,7
13,1
54,4
116,2
3,9
6,5
110,3
101,9
7,9
5,7
82,4
96,5
5,9
5,4
700,8
941,7
50,2
52,7
2
USA
3
Russland
4
Deutschland
5
Brasilien
Gesamt
Quelle: o.V.: Brauwelt 46-47/2008, S. 1378 Abb. 4-2: Die fünf größten biererzeugenden Länder der Welt 2000 u. 2007
1
Brauerei
Land
Ausstoß 2007
Anteil
Mio. hl
%
1
SABMiller
Großbritannien
239,0
13,4
2
InBev
Belgien
233,1
13,0
3
Anheuser-Bush
USA
189,1
10,6
4
Heineken
Niederlande
139,2
7,8
5
Baltic Beverages
Russland
55,3
3,1
6
Carlsberg
Dänemark
52,9
3,0
7
Grupo Modelo
Mexiko
51,0
2,9
8
Tsingtao Brew.
China
50,6
2,8
9
Molson-Coors
USA/Canada
49,2
2,8
Yanjing
China
40,1
2,2
10 …
…
…
24
Radeberger Gruppe
Deutschland
…
…
13,6
0,8
…
…
…
…
…
33
Bitburger
Deutschland
8,4
0,5
34
Oettinger
Deutschland
8,3
0,5
…
…
…
…
…
40
Shanghai Suntory
China
6,4
0,4
Gesamt
1.530,7
85,6
Weltbiererzeugung 2007
1.787,5
100,0
Quelle: Barth Hopfenbericht 2008 Abb. 4-3: Auszug aus: „Die 40 größten Brauereigruppen der Welt 2007“
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65
66
Helmuth Adam
4.1.3 Der deutsche Biermarkt 4.1.3.1 Der Bierabsatz sinkt seit über 30 Jahren Der Pro-Kopf-Verbrauch an Bier in Deutschland ist von 157,0 Liter in 1976 bis 1995 erst langsam und dann schneller bis 2008 auf 111,1 Liter, um knapp 30 %, gefallen.2 Gründe für diesen Rückgang sind u.a. der demografische Wandel (geburtenstarke Jahrgänge der 40er-, 50er- und 60er-Jahre werden alt), Herabsetzung der Promillegrenzen, Veränderung im Konsumverhalten (Fitness und Wellness). Bis zum Jahre 2017 ist ein weiterer Rückgang auf rd. 100 Liter zu befürchten. Vor diesem Hintergrund polarisierte sich der deutsche Biermarkt zunehmend zwischen einer Vielzahl an kleinen und mittelständischen Brauereien und einigen wenigen großen Betrieben, Braugruppen und internationalen Braukonzernen.
4.1.3.2 Die deutsche Brauwirtschaft 2008 – Überblick Einen Überblick über die wesentlichen Zahlen der deutschen Brauwirtschaft in 2008, im Vergleich zu 2000, gibt Abb. 4-4. Danach waren in 2008 insgesamt 1.319 Brauereien, i.S. des Biersteuergesetzes als „Herstellungsbetriebe oder Braustätten“ bezeichnet, in Betrieb. Die Anzahl der Braustätten, hier allgemein Brauereien genannt, ist demnach nicht identisch mit der Anzahl der Brauereiunternehmen. Die Zunahme um 40 Brauereien seit 2000 ist ausschließlich auf die Gründung von Gasthausbrauereien zurückzuführen. 2000
2007
2008
Brauereien
Anzahl
1.279
1.302
1319
Bierausstoß
Mio. hl
110,4
102,2
102,9
Bierausfuhr
Mio. hl
10,8
15,3
15,2
Biereinfuhr
Mio. hl
1,3
5,6
6,4
Liter
125,6
111,7
111,1
Beschäftigte
Anzahl
37.590
30.737
29.604
Umsatz
Mio. €
9.173
8.190
8.152
Pro-Kopf-Verbrauch
Quelle: Deutscher Brauer-Bund e.V. (www.deutsches-bier.net) Abb. 4-4: Die deutsche Brauwirtschaft 2000, 2007 u. 2008
Der Bierausstoß, d.h., der mengenmäßigen Absatz, betrug 2008 rd. 103 Mio. hl und ist seit 2000 um 6,8 % gefallen. Die Bierausfuhr, mit einem Ausstoßanteil von 14,8 %, belief sich auf 15,2 Mio. hl und ist seit 2000 um mehr als 40 % gestiegen. Die Biereinfuhr, die lediglich 6,2 % der Eigenerzeugung ausmacht, stieg von 1,3 Mio. hl auf 6,4 Mio. hl um das Fünffache und ist in erster Linie auf die Importe aus Dänemark, Belgien/Luxemburg und die Niederlande zurück zu führen. Der Umsatzrückgang von 9.173 Mio. € auf 8.52 Mio. € mit 11,1 % ist nicht ausschließlich mengenbedingt (–6,8 %), sondern, auch preisbedingt, da die Durchschnittserlöse je hl Bierausstoß in den acht Jahren um 4,7 % von 83,09 € auf 79,22 € gesunken sind, u.a. als Folge zunehmenden Billigbieranteils und biersteuerfreier Bierausfuhren. Bedingt durch den rückläufigen Markt und damit entstandener Überkapazitäten, herrscht seit Jahren ein harter Preiswettbewerb, der die Gewinnmargen der Brauereien schrumpfen ließ. Hinzukam der Wettbewerb durch Billigbiere sowie ein allgemeiner Preisdruck, hervorgerufen durch die wachsende 2
Deutscher Brauer-Bund e.V.: Die deutsche Brauwirtschaft in Zahlen (www.deutsches-bier.net)
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4 Bewertung kleiner und mittlerer Brauereien Nachfragemacht des Handels. Im internationalen Vergleich erzielen die deutschen Brauer relativ niedrigere Biererlöse und Gewinne. Im Vergleich liegt das Preisniveau deutscher Biere um 20 % unter dem EU-Durchschnitt.3
4.1.3.3 Bierausstoß und Brauereien nach Bundesländern 2007 Im Jahr 2007 gab es in Deutschland insgesamt 1.302 Brauereien (betriebene Braustätten). Nahezu die Hälfte davon, nämlich 627 Betriebe, brauen Bier im traditionellen Bierland Bayern, das auch mit 23,6 Mio. hl Bierausstoß an erster Stelle steht. Aufgrund der hohen Brauereianzahl, ist die durchschnittliche Betriebsgröße mit 37.640 hl in Bayern am geringsten. In den übrigen Bundesländern liegt die Brauereidichte, wie Abb. 4-5 zeigt, wesentlich darunter. Mengenmäßig braute das ebenfalls traditionelle Bierland Nordrhein-Westfalen 22,9 Mio. hl Bier, fast so viel wie Bayern, bei einer fünfmal größeren durchschnittlichen Betriebsgröße von 197.517 hl. Land
Bierausstoß
Brauereien
Durchschnittl.
2007
2007
Bierausstoß
1000 hl
Anzahl
hl
Bayern
23.600
627
37.640
Nordrhein-Westfalen
22.912
116
197.517
Niedersachsen/Bremen
12.283
55
223.327
Sachsen
8.660
58
149.310
Rheinl.-Pfalz/Saarland
7.579
56
135.339
Baden-Württemberg
7.386
182
40.582
Thüringen
4.201
43
97.698
Hessen
3.461
69
50.159
Mecklenbg./Vorpommern
3.215
20
160.750
Schlesw.-Holstein/Hamburg
3.048
15
203.200
Berlin/Brandenburg
3.014
38
79.316
Sachsen-Anhalt
2.822
23
122.696
102.161
1.302
78.465
Deutschland
Quelle: Deutscher Brauer-Bund e.V. (www.deutsches-bier.net) Abb. 4-5: Bierausstoß, Brauereien und durchschnittlicher Ausstoß nach Bundesländern 2007
4.1.3.4 Anzahl und Ausstoß Brauereien nach Größenklassen 2007 Dass es sich bei der deutschen Brauwirtschaft um eine mittelständische Branche handelt, zeigt Abb. 4-6, in der die in Deutschland 2007 betriebenen Braustätten, nach Grössenklassen und jeweiligem Bierausstoß geordnet, nach eigenen Berechnungen dargestellt sind. Auffallend ist, dass die Betriebe der kleinsten Größenklasse bis 5.000 hl Jahresausstoß, mit 844 Brauereien bzw. 64,8 % zahlenmäßig die größte Gruppe darstellt, mengenmäßig aber nur 2,1 Mio. hl Bier bzw. 2,1 % produzierte. Ein wesentlicher Grund hierfür liegt in der Neugründung von rd. 400 Gasthausbrauereien in den vergangenen 20 Jahren, deren Bierausstoß sich jährlich zwischen 500 hl und 2000 hl bewegt. 3
o.V.: Herausforderung für die Brauwirtschaft, BRAUWELT 48/08, S. 1439
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 67
67
68
Helmuth Adam Betriebene Braustätten 2007 Größenklasse in hl bis 5.000 5.001–10.000
Anzahl
%
844
64,8
hl 2.110
% 2,1
92
7,1
690
0,7
10.001–50.000
185
14,2
5.500
5,4
50.001– 00.000
63
4,8
4.725
4,6
100.001–200.000
40
3,1
6.000
5,9
200.001–500.000
33
2,5
11.550
11,3
Zwischensumme
1.257
96,5
30.575
29,9
16
1,2
12.000
11,7
500.001–1 Mio. über 1 Mio. Gesamt
29
2,2
59.586
58,3
1.302
100,0
102.161
100,0
Quelle: Deutscher Brauer-Bund e.V. (www.deutsches-bier.net) Abb. 4-6: Braustätten nach Größenklassen 2007
Nach der Größenklasse bis 500.000 hl Jahresausstoß ist bewusst eine Zwischensumme gebildet, da hier der Übergang zu den Großbetrieben liegen dürfte. Dem zufolge stellen 1.257 kleine und mittlere Brauereien oder 96,5 % lediglich 30,5 Mio. hl (rd. 30 %) Bier her. Umgekehrt brauen 45 Großbetriebe oder 3,5 % 71,6 Mio. hl oder rd. 70 % des Gerstensaftes. Diese Statistik wird durch die nachfolgende Darstellung untermauert.
4.1.3.5 Die größten Brauereigruppen Deutschlands 2007 Seit dem Jahr 2001 ist ein Vordringen ausländischer Braukonzerne in den deutschen Biermarkt festzustellen, das vorwiegend durch die anhaltende Absatzkrise hervorgerufen wurde. Inzwischen beherrschen acht Braugruppen, die in 52 Braustätten 73,7 Mio. hl Bier sieden, rd.72 % des deutschen Biermarktes, wie Abb. 4-7 zeigt. Seit 2006 ist wieder in geringem Umfang eine Dekonzentration festzustellen, d.h., die Konzerne trennen sich wieder von Betrieben, so dass eine weitere Übernahme kleiner und mittelgroßer Brauereien unwahrscheinlich scheint.4
4.1.3.6 Wie groß sind kleine und mittlere Brauereien? Zur Abgrenzung von Klein- und Mittelbetrieben von Großbetrieben, gibt es quantitative und qualitative Merkmale, da die Aussage „a small business is not a little big business“5 auch für Brauereien zutrifft. In der Praxis bewährt haben sich zur Beschreibung von Betriebsgrößen quantitative Merkmale, wie Anzahl Beschäftigte, Umsatz oder die Bilanzsumme. Auch qualitative Kriterien wie Management oder Rechtsform sind ergänzende Abgrenzungsmerkmale. Neben der für Kapitalgesellschaften geltenden handelsrechtlichen Umschreibung der Größenklassen gem. § 267 HGB, ist seit 01. Januar 2005 eine Definition der EU-Kommission für Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in Kraft. (ABL L 124/36 vom 20.5.2003) Die darin angegebenen quantitativen Schwellenwerte der einzelnen Größenklassen eigenen sich nur bedingt für die Klassifizierung kleiner und mittlerer Brauereien. Wie Abb. 4-8 zeigt, würde bei einem durchschnittlichen Biererlös von 79,22 €/hl in 2008 die Grenze für Kleinstunternehmen bei 25.000 hl 4 5
Schwankl, M.: M & A in der deutschen Brauwirtschaft, BRAUINDUSTRIE 9/2008, S. 10–15 Pfohl, H.-Ch.: Betriebswirtschaftslehre der Mittel- und Kleinbetriebe, Berlin 2006, S. 2
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4 Bewertung kleiner und mittlerer Brauereien Brauereigruppe
InBev Deutschland Bremen
Braustätten 5
Marken
Ausstoß Mio. hl
Becks
14,2
Hasseröder Spaten/Franziskaner Diebels
Radeberger Gruppe KG Frankfurt
15
Berliner-Kindl-Schultheiss Dortmunder DAB, DUB Binding, Henninger
13,7
Radeberger Jever Krostitzer, Freiberger Tucher, Stuttgarter Hofbräu u.a. m. Brau Holding International (BHI) München
13
Paulaner
11,6
Hacker-Pschorr Thurn und Taxis Kulmbacher Karlsberg Fürstenberg
Oettinger Gruppe Oettingen
3
Oettinger (Billigmarke)
8,5
Bitburger Braugruppe GmbH Bitburg
6
Bitburger
7,6
König Pilsener Licher Köstritzer
Carlsberg Deutschland Gruppe Hamburg
5
Holsten
6,2
Feldschlößchen Lübzer Hannen Alt, Gatz
Warsteiner Gruppe Warstein
3
Krombacher Gruppe Kreuztal
2
Warsteiner
6,2
Herforder Isenbeck
Brauereigruppen gesamt Anteil Braugewerbe
Krombacher Pils
5,7
Herforder 52
73,7
4,0 %
72,1 %
Quelle: GETRÄNKEFACHGROSSHANDEL 2008 Abb. 4-7: Die größten Brauereigruppen Deutschlands 2007
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Helmuth Adam liegen. In der Praxis sind Kleinstbrauereien Gasthausbrauereien und Betriebe mit einem Ausstoß bis zu 5.000 hl. Für kleine Unternehmen würde die Ausstoßgrenze bei 125.000 hl liegen. Demgegenüber bezeichnen Brauer eine Braustätte zwischen 5.000 hl und 20.000 hl als Kleinbrauerei. Mittlere Brauereien gehen bis zu einer Betriebsgröße von rd. 500.000 hl und liegen damit etwa in der Umsatzgröße entsprechend der EU-Definition.
Größenklasse
Kleinstunternehmen Kleine Unternehmen
Beschäftigte
Umsatz/Jahr
Anzahl
Mio. €
< 10
rechnerischer Bierausstoß hl
≤2
23.000
< 50
≤ 10
116.000
Mittlere Unternehmen
< 250
≤ 50
580.000
Große Unternehmen
≥ 250
> 50
> 580.000
Abb. 4-8: Unternehmensgrößenklassen nach EU-Definition
Hinsichtlich der qualitativen Größenmerkmale von kleinen und mittleren Brauereien ist zu bemerken, dass sich diese fast ausschließlich in Familienbesitz befinden und in der Rechtsform als Einzelfirma, Personengesellschaft oder GmbH geführt werden. Fasst man vorstehende Ausführungen zusammen, dann sind Gegenstand dieses Beitrags • Rd. 400 Gasthausbrauereien (500 hl–2.000 hl), • rd. 536 kleine Brauereien (2.000 hl–10.000 hl), • 185 kleine Brauereien (10.000 hl–50.000 hl), • 136 mittlere Brauereien (50.000 hl–500.000 hl), also insgesamt 1.257 Brauereien bzw. gewerbliche Braustätten, mit einem Ausstoßanteil von rd. 30 % am deutschen Biermarkt.
4.2 Bewertung kleiner und mittlerer Brauereien 4.2.1 Bewertungsanlässe Abgesehen von einigen Ausnahmen, sind im Großen und Ganzen die Anlässe zur Bewertung kleiner und mittlerer Brauereien die gleichen, wie für große Brauunternehmen.6 Sehr selten sind Bewertungsanlässe aufgrund gesetzlicher Vorschriften wie Aktienabfindung, angemessener Ausgleich, Verschmelzungen oder Squeeze out gem. AktG, da die Rechtsform einer Aktiengesellschaft in dieser Betriebsgrößenklasse kaum vorkommt. Verstärkt werden aber künftig Bewertungen aufgrund des neuen Erbschaftsteuergesetzes erforderlich sein.7 Die häufigsten Bewertungsanlässe kleiner und mittlerer Brauereien haben ihre Ursache in vertraglichen Verhältnissen. Dabei kann es sich im Einzelnen handeln um • Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Personengesellschaft aufgrund einer Kündigung, Ausschlusses eines „lästigen“ Gesellschafters, eines Konkursverfahrens, von Todes wegen u.a.m. • Erbauseinandersetzungen, insbes. Pflichtteilsforderungen nach §§ 2303 ff. BGB, wobei der Wert durch Schätzung zu ermitteln ist. 6 7
Adam, H.: Wie viel ist eine Brauerei wert? BRAUWELT 33/2007, S. 890–895 u. 34/35/2007, S. 929–933 Adam, H.: Die Erbschaftsteuerreform – Belastung oder Erleichterung beim Brauereiübergang? BRAUWELT 24/08, S. 670–673, 27/08, S. 758–760
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4 Bewertung kleiner und mittlerer Brauereien • Abfindungen im Familienrecht, insbes. im Zugewinnausgleich nach §§ 1372 ff. BGB, wobei die Vermögenswerte i.d.R. durch Bewertung ermittelt werden. Die sonstigen Gründe für eine Brauereibewertung sind sehr zahlreich, weshalb nachfolgend nur die wesentlichen genannt sind. Im Einzelnen handelt es sich um • Kauf oder Verkauf einer Brauerei als Ganzes oder von Teilen • Eintritt eines Gesellschafters • Kreditwürdigkeitsprüfung für Beleihung oder Rating • Kaufpreisaufteilung nach einem Erwerb • Ermittlung von Versicherungssummen • Management Buy-out
4.2.2 Besonderheiten bei der Brauereibewertung Neben den in den IDW-Standards allgemein genannten Besonderheiten bei der Bewertung von kleinen und mittleren Unternehmen, wonach besonderes Augenmerk auf die Abgrenzung des Bewertungsobjekts, die Bestimmung des Unternehmerlohns und der Zuverlässigkeit der Informationsquellen zu richten ist8, sind branchenspezifische Eigenheiten zu beachten. Das Vermögen von Brauereien besteht im Allgemeinen aus einem Konglomerat unterschiedlichster Vermögensarten, die vor allem im Rahmen einer Substanzbewertung bzw. Verkehrswertermittlung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens branchenspezifische Bewertungsverfahren bzw. deren Kenntnis verlangen. So besteht z.B. eine Gasthausbrauerei aus einer Brauerei, einer verpachteten Gaststätte, einer Immobilie mit Vermietung und Verpachtung und einem Getränkeabholmarkt. Kleine und mittlere Brauereien besitzen neben dem operativen Getränkegeschäft i.d.R. einen umfangreichen Grundbesitz, bestehend aus Gaststätten, Mietobjekten und nicht selten land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken. Schließlich ist eine Besonderheit im Braugewerbe und speziell bei mittelständischen Betrieben die ausschließliche Übernahme der Kundschaft und damit die Bewertung des Kundenstamms zuzüglich Teilen des Anlagevermögens und des Umlaufvermögens.
4.2.3 Bewertungsverfahren – auch hier bestimmt der Zweck die Methode Auf dem Gebiet der Unternehmensbewertung existiert eine Vielzahl von Bewertungsmethoden, die nahezu alle auch bei der Bewertung von kleinen und mittleren Brauereien Anwendung finden, entsprechend ihrer Eignung für einen bestimmten Bewertungszweck. Im Einzelnen wird dazu auf das Schrifttum verwiesen.9 Insgesamt lassen sich vier Arten von Bewertungsverfahren unterscheiden, welche in der Praxis der Brauereibewertung Anwendung finden, orientiert nach vorhandenem Vermögen oder nachhaltig erzielbarem Ertrag, der Kombination von beiden und schließlich nach Vergleichspreisen. Folglich unterscheidet man • substanzwertorientierte Verfahren, • ertragswertorientierte Verfahren, • Mischverfahren, • Vergleichs- oder Multiplikatorenverfahren. 8 9
IDW Standard: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S 1 i.d.F. 2008), Düsseldorf 2008, S. 31 f. Ernst, D., Schneider, S., Thielen, B.: Unternehmensbewertungen erstellen und verstehen, München 2006
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Helmuth Adam
4.2.3.1 Substanzwertorientierte Verfahren – für das Gewesene gibt der Kaufmann nichts Nach wie vor hat das Substanzwertverfahren in ganz bestimmten Fällen bei der Brauereibewertung seinen festen Platz. Der Substanzwert einer Brauerei ist die Summe sämtlicher am Bewertungsstichtag vorhandener Vermögensgegenstände (Aktiva zuzüglich nicht aktivierter immaterieller Wirtschaftsgüter) abzüglich bestehender Schulden. Das Ergebnis ist der Substanzwert des Eigenkapitals. Wird der Substanzwert unter dem Gesichtspunkt der Brauereifortführung (going concern) ermittelt, ist von den Wiederbeschaffungswerten (Reproduktionswerte) oder Zeitwerten aller vorhandenen Wirtschaftsgüter, die von Neuwerten abgeleitet werden, auszugehen. Der Substanzwert ist dann der Betrag, der ausgegeben werden müsste, um die Brauerei im gleichen Zustand zu beschaffen, in dem sie sich am Bewertungsstichtag befindet. Selbstverständlich sind auch Finanzanlagen und das Umlaufvermögen mit zu berücksichtigen. Bis zu Beginn der 70er Jahre spielte die Substanzwertermittlung allgemein und besonders im Braugewerbe in Verbindung mit Kombinationsverfahren eine bedeutende Rolle, was in dem Standardwerk von Eschenbach/Schmucker „Der Wert der Brauerei“10 seinen Niederschlag fand. Dort sind auch konkrete Reproduktionsneuwerte für Brauereien mit einer Jahreskapazität von 10.000 hl bis 300.000 hl nach Produktionsabteilungen ermittelt, nachdem Jahrzehnte lang davor pauschale Erfahrungssätze in DM/ hl für den Neubau von Brauereien im Rahmen der Substanzbewertung zum Ansatz kamen. Letztlich kann auch heute in manchen Fällen auf eine Ermittlung des Substanzwertes nicht verzichtet werden, wie z.B. bei Kaufpreisaufteilungen oder für Versicherungssummen. Die Kritik am Substanzwert richtet sich vor allem dagegen, dass er gegen den Grundsatz der „Bewertungseinheit“ verstößt, d.h., immaterielle Werte, wie Kundenstamm, Marken, Rechte, Firmenwert u. dergl. werden mit dem Substanzwert nicht erfasst. Zudem fehlt dem Substanzwert die Zukunftsbezogenheit – für das Gewesene gibt der Kaufmann nichts – also der direkte Bezug zu zukünftigen Überschüssen. Dem Substanzwert kommt nach den IDW Standards (Rn. 182) keine eigenständige Bedeutung zu, er ist lediglich ein Hilfswert.11 Allerdings, und das zeigt die Praxis der Brauereibewertung, kommt man in vielen Fällen ohne Substanzbewertung zu keinen brauchbaren und nachvollziehbaren Ergebnissen, insbesondere wenn es bei Gesellschafterauseinandersetzungen um die Ermittlung eines Firmenwertes oder den nicht seltenen Fällen der Ermittlung von Liquidationswerten bei Verkäufen, Berechnung von Pflichtteilsforderungen, Zugewinnausgleich u.a.m. geht.
4.2.3.2 Liquidationswert – manche Brauerei ist tot mehr wert als lebendig Der Liquidationswert, auch Zerschlagungs- oder Versilberungswert genannt, ist der Barwert der Nettoerlöse am Bewertungsstichtag, der sich bei der Veräußerung aller vorhandener Vermögensgegenstände am Markt, abzüglich Schulden und Liquidationskosten, ergibt. Zu den Liquidationskosten zählen insbesondere Sozialplanverpflichtungen, Abbruch- und Abwicklungskosten sowie latente Steuerlasten durch Auflösung stiller Reserven. Die Ermittlung des Liquidationswertes kommt im Allgemeinen bei einer schlechten Ergebnislage in Betracht. Ist im Falle künftig zu erwartender Verluste kein Barwert zukünftiger Überschüsse zu berechnen, oder sind die Veräußerungserlöse bei einer Zerschlagung größer als der Fortführungswert, so ist nach rein ökonomischen Gesichtspunkten das Unternehmen zu zerschlagen. Der Liquidationswert bildet somit die unterste Wertgrenze der Unternehmensbewertung. 10 11
Eschenbach, R., Schmucker, F. L.: Der Wert der Brauerei, Nürnberg 1965 IDW S 1: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen, Die Wirtschaftsprüfung 2005, S. 1303–1321
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4 Bewertung kleiner und mittlerer Brauereien In der Praxis der Brauereibewertung, vor allem seit den 90er Jahren, kommt die Liquidationsbewertung zwangsläufig immer häufiger zur Anwendung. Ursache hierfür ist die beschriebene ungenügende Ertragslage der Branche im operativen Geschäft. Dabei muss es sich nicht immer ausschließlich um einen konkreten Verkauf einer Brauerei handeln. Vielmehr gibt es in der Praxis eine Reihe von Ursachen, aufgrund derer der Liquidationswert einer Brauerei rein theoretisch ermittelt werden muss. Dazu zählen u.a. Erbauseinandersetzungen, Beleihungszwecke oder gerichtlich oder privat veranlasste Verkehrswertermittlungen. In diesem Zusammenhang stellt man dann gelegentlich fest, dass die Brauerei „tot mehr wert ist, als lebendig“.
4.2.3.3 Ertragswertorientierte Verfahren Zu diesen Bewertungsverfahren zählen das Ertragswertverfahren und die Discounted Cash-flowVerfahren (DCF-Verfahren). Auf eine ausführliche Beschreibung dieser Verfahren wird im Rahmen dieses Fachbeitrags verzichtet und nur diesbezügliche Ausführungen gemacht, soweit sie Brauereien betreffen. Ansonsten sei auf die einschlägige Literatur verwiesen.12 4.2.3.3.1 Ertragswertverfahren Das Ertragswertverfahren ist das seit Jahrzehnten von Wirtschaft und Rechtsprechung anerkannte und am weitesten verbreitete Bewertungsverfahren, auch im Rahmen von Bewertungen kleiner und mittlerer Brauereien. Nach dem sog. „Paulaner-Urteil“ des Bayerischen Obersten Landesgerichts von 1995 (BayObLG 19.10.95-3 Z.B. R 17/90) setzt sich bei einem florierenden Unternehmen (hier: Brauerei) der Unternehmenswert in der Regel aus dem Ertragswert und dem Wert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens zusammen. Auf die Feststellung des Substanzwertes kann dann verzichtet werden. Wenngleich die Beklagte des Rechtstreits eine Großbrauerei war, sind die Urteils-Leitsätze auch auf mittelständische Brauereien übertragbar. Bekanntlich liegt dem Ertragswertverfahren folgender Gedanke zugrunde: Wer eine Brauerei kauft, investiert Geld, um damit schlicht und einfach Geld zu verdienen. Alternativ könnte der Käufer das Geld in verzinsliche Wertpapiere anlegen, weshalb er als Kaufpreis nur soviel zahlen will, wie er anderweitig Zinsen dafür bekäme. Entscheidend ist damit die zukünftige Ertragskraft, um weiterhin Investitionen tätigen und Zins- und Tilgungszahlungen (Kapitaldienst) aus dem Kauf finanzieren zu können. Der Ertragswert (EW), auch Zukunftserfolgswert genannt, beinhaltet deshalb zwei wesentliche Größen, von deren exakten Ermittlung der Unternehmenswert abhängt. Im Einzelnen sind dies • die prognostizierten betrieblichen Erträge (E) • der Kapitalisierungszinsfuß (i) Sind beide Größen bekannt, errechnet sich der Ertragswert nach der bekannten Kapitalisierungsformel EW = (E x 100) : i. Was formelmäßig zunächst einfach aussieht, vollzieht sich in der Bewertungspraxis in einem äußerst komplexen Vorgang, der, wie in dem fiktiven Praxisbeispiel dargestellt, in sieben Schritten abläuft und bei mittelständischen Brauereien aufgrund meist fehlender Planungsinstrumente schwierig durchzuführen ist. 4.2.3.3.2 DCF-Verfahren Bei den DCF-Verfahren handelt es sich um international, aus dem angloamerikanischen Bereich kommende, Bewertungsmethoden für börsennotierte Unternehmen, welche inzwischen auch bei 12
Drukarczyk, J.: Unternehmensbewertung, München 2006
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Helmuth Adam uns Anwendung finden und in der Rechtsprechung anerkannt sind und seit 2000 auch dem IDW Standard entsprechen. Prinzipiell erfolgt die Bewertung, wie beim Ertragswertverfahren, anhand der Diskontierung zukünftiger Überschüsse auf den Gegenwartswert, und zwar im Falle einer mittelständischen Brauerei, aus den zukünftig zu erwartenden Cash-flows aus dem operativen Getränkegeschäft zuzüglich dem Verkehrswert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens, wobei die Schwierigkeiten die gleichen sind, wie bei der Ertragswertermittlung. Insgesamt gesehen aber, bleibt die DCF-Bewertungsmethode in erster Linie Domäne von Großbrauereien und Braukonzernen mit entsprechenden Planungs- und Controllingabteilungen.
4.2.3.4 Exkurs: Der Kapitalisierungszinssatz Neben den zukünftigen betrieblichen Erträgen, Überschüssen oder Cash-flows ist die Höhe des bei der Diskontierung auf den Gegenwartswert anzuwendenden Kapitalisierungszinssatzes von ausschlaggebender Bedeutung. Schon ein halbes Prozent mehr oder weniger, wirkt sich nicht unwesentlich auf den Unternehmenswert aus. Es ist daher verständlich, wenn der Käufer einer Brauerei einen möglichst hohen Kapitalisierungszinssatz anstrebt, der Verkäufer dagegen einen möglichst niedrigen. Durch die Diskontierung der Überschüsse mit dem Kapitalisierungszinssatz auf den Bewertungsstichtag soll für den Investor die Anlage mit einer Alternativanlage vergleichbar gemacht werden. Im Rahmen der Ermittlung objektivierter Unternehmenswerte repräsentiert deshalb der Kapitalisierungszinssatz die Rendite aus einer zur Investition in das zu bewertende Unternehmen adäquaten Alternativanlage und sollte deshalb bezüglich Fristigkeit, Risiko und Besteuerung äquivalent sein. Über Jahrzehnte hinweg, noch bis 2005, ermittelte man den Kapitalisierungszinssatz aus den Komponenten • Basiszinssatz für risikofreie Daueranlagen, im Februar 2007 bei 4,25 % • Risikozuschlag, lt. Rechtsprechung zwischen 0,5 % und 2,0 % • Geldentwertungsabschlag gegebenenfalls, gem. der Inflationsrate Ab 2005 ist gem. IDW Standard das Kapitalmarktpreisbildungsmodell CAPM (Capital Asset Pricing Model) bzw. das Tax-CAPM zur Ermittlung der Risikoprämien anzuwenden. (IDW S 1, Rn. 125 ff.) Auf den Basiszinssatz, der anhand der Rendite von risikofreien Daueranlagen wie der Rendite von festverzinslichen Wertpapieren ermittelt wird, sollen keine mehr oder minder willkürlichen Risikozuschläge für das unternehmerische Risiko zugeschlagen werden. Vielmehr soll von Marktrisikoprämien ausgegangen werden, wie sie am Kapitalmarkt aus vergleichbaren Anlagen, d.h., aus Anlagen in Unternehmen, tatsächlich erzielt werden, wobei von einer Marktrisikoprämie von 5 % bis 6 % in der Praxis ausgegangen werden kann.13 Nach der CAPM ergibt sich der Kapitalmarktrisikozinssatz (früher Risikozuschlag) aus der allgemeinen Marktrisikoprämie an der Börse, multipliziert mit einer individuellen Risikohöhe, dem sog. Beta-Faktor. Ungeachtet dessen, dass die CAPM nur für börsennotierte Unternehmen tauglich und für klein- und mittelständische Brauereien nicht anwendbar ist, ist die Ermittlung der einzelnen Faktoren, insbesondere des Beta-Faktors kompliziert und nicht unumstritten. Im Rahmen der Bewertung von nicht börsennotierten Brauereien, und das sind in der Praxis die Mehrzahl, muss der angemessene Risikozuschlag deshalb nach wie vor sachkundig geschätzt werden. Selbstverständlich richtet sich bei der Ermittlung subjektiver Unternehmenswerte mittelständischer Brauereien der Kapitalisierungszinssatz nach der individuellen Risikoerwartung des Investors. 13
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4 Bewertung kleiner und mittlerer Brauereien
4.2.3.5 Mischverfahren 4.2.3.5.1 Mittelwertmethode – der Substanzwert nimmt den Ertragswert an die Kandare Die Anwendung von Mischverfahren bei der Unternehmensbewertung, insbesondere die Kombination von Substanzwert und Ertragswert waren über Jahrzehnte und noch bis zu Beginn der 70er Jahre und speziell auch bei der Bewertung von Brauereien allgemein anerkannt und beliebt. Besonders häufig angewandt wurde die als „Praktikerformel“ bezeichnete Mittelwertformel, bei welcher der Unternehmenswert als arithmetisches Mittel von Substanzwert und Ertragswert oder in unterschiedlicher Gewichtung berechnet wurde. Begründet wurden diese Verfahren u.a. mit dem Prinzip der kaufmännischen Vorsicht, wie z.B. mit dem Gedanken der Konkurrenzgefahr bei sehr ertragsstarken Unternehmen, so dass Schmalenbach gesagt haben soll: „Der Substanzwert nimmt den Ertragswert an die Kandare“. Bei der Brauereibewertung kam jahrzehntelang die Mittelwertformel zum Einsatz. Bereits 1938 schreibt Bethmann in seinem Rechnungswesen der Brauerei und Mälzerei: „Der Mittelwert aus Substanzwert und Ertragswert ist der eigentliche Wert der Brauerei“.14 Auch für Kinnebrock, dem Altmeister der Wirtschaftslehre der Brauerei, waren Substanzwert und Ertragswert maßgeblich für die Bewertung einer Brauerei, und zwar in Kombination von beiden, weil dies „zu durchaus brauchbaren Ergebnissen führt“.15 Schon 1965 äußern Eschenbach/Schmucker berechtigte Bedenken gegen die Anwendung der Mittelwertformel. Wegen der großen Beliebtheit und Anerkennung in Praktikerkreisen sei es aber vertretbar, die Formel aus Gründen der Zweckmäßigkeit doch anzuwenden.16 4.2.3.5.2 Das Weihenstephaner Konzept – Wert der Kunden steht im Vordergrund Nicht selten werden Käufe und Verkäufe kleiner und mittlerer Brauereien nach dem von Fischer17 entwickelten „Weihenstephaner Konzept“ getätigt. Bei diesem Konzept, steht der Kauf oder Verkauf der Brauereikundschaft im Vordergrund. Dazu kommt die eventuelle Übernahme von weiteren Aktiva, wie Tilgungsdarlehen, Gebinde und Vorräte. Das Brauereigrundstück, Gebäude und Maschinen verbleiben i.d.R. beim Verkäufer. Der Grundgedanke des Weihenstephaner Konzepts besteht darin, dass ein Käufer bei freien Kapazitäten durch die Übernahme von zusätzlichem Absatz zusätzliche Deckungsbeiträge erwirtschaften kann. Diese bestehen in der Differenz zwischen erzielbaren Nettoerlösen, differenziert nach Absatzwegen und den zusätzlich anfallenden variablen Kosten. Der Wert der Kundschaft wird dann als Barwert des halben Deckungsbeitrags, unter Berücksichtigung von Kundenbindung bzw. Vertragslaufzeit, ermittelt. Die Halbierung ist eine Konvention der Vertragsparteien als „Interessenausgleich zwischen den vollen Deckungsbeiträgen des Käufers und den unterstellten Null-Erträgen des Verkäufers“. (Fischer, H.: a.a.O., S. 153) Da im Weihenstephaner Konzept sowohl Ertrags-, als auch Vermögenskomponenten enthalten sind, kann es letztlich zu den Mischformen der Unternehmensbewertung gezählt werden.
4.2.3.6 Vergleichs- oder Multiplikatorenverfahren Bei der Bewertung von Unternehmen mittels Multiplikatoren oder Vergleichswerten handelt es sich um marktorientierte Bewertungsverfahren, die sich an am Markt bereits erzielten Preisen für ähnliche Unternehmen orientieren. 14 15 16 17
Bethman, R.: Das Rechnungswesen der Brauerei und Mälzerei, Berlin 1938, S. 175 Kinnebrock, F.: Die Wirtschaftslehre der Brauerei und Mälzerei, Nürnberg 1967, S. 533 Eschenbach, R., Schmucker, F. L.: Der Wert der Brauerei, Nürnberg 1965, S. 172 Fischer, H.: Brauereiverkäufe, Diss. Weihenstephan 1989
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75
76
Helmuth Adam In der Praxis, so auch im Braugewerbe, waren bzw. sind derartige Verfahren relativ beliebt, da man meinte, damit einfach und schnell ein Ergebnis zur Hand zu haben. So ist es auch nicht verwunderlich, dass in der Bewertungsliteratur bis in unsere Tage das Braugewerbe als die Branche für Vergleichsbewertungen genannt wird, obwohl dies schon seit mehr als 30 Jahren nicht mehr der Fall ist. Multiplikatorenverfahren gibt es sehr viele. Bei allen wird ein Multiplikator als Quotient des Unternehmenswerts zu einer bestimmten Bezugsgröße nach der Formel Multiplikator = Wert des Unternehmens : Bezugsgröße (z.B. EBITDA od. hl) berechnet. Unter den zahlreichen Multiplikatorenverfahren werden nachfolgend nur zwei beschrieben, und zwar der im Braugewerbe ehemals berühmte „Branchenrichtwert“ DM/hl und der in letzter Zeit gelegentlich bei der Übernahme von börsennotierten Brauereien zur Anwendung gelangte EV/ EBITDA-Multiplikator. 4.2.3.6.1 Branchenrichtpreis – wie viel zahlt man für eine Brauerei? In den 70er Jahren haben vor allem Großbrauereien und Konzerne kleine und mittlere Brauereibetriebe übernommen, manchmal ohne lange zu rechnen oder zu bewerten. Häufig wurde nach den „Branchenrichtpreisen“ von 100 DM/hl oder darüber gekauft, wobei man zuweilen zwischen Ausstoß und Kapazität nicht immer differenzierte, wie oben ersichtlich. Dass derartige Brachenrichtwerte für Käufer und Verkäufer gleichermaßen gefährlich sein können, darauf weist Fischer18 zu Recht hin. Sie berücksichtigen nämlich nicht die im Einzelfall bestehenden individuellen Verhältnisse. Branchenrichtwerte spielen heute bei der Brauereibewertung keine Rolle mehr. 4.2.3.6.2 EV/EBITDA-Multiplikator – Interbrew zahlt 20faches EBITDA für Becks Unter den zahlreichen Multiplikatorenverfahren soll hier nur kurz das EV/EBITDA-Verfahren ergänzend beschrieben werden, da dies in der Praxis neben dem EV/EBIT-Verfahren angewendet wird und allem Anschein nach auch bei der Bewertung von zwei deutschen Großbrauereien zum Ansatz kam. Der EV (Enterprise Value) ist der Marktwert des operativen Geschäftsbereichs ohne das nicht betriebsnotwendige Vermögen. Das EBITDA (earnings before interest, taxes, deprication and amortisation) ist das operative Ergebnis vor Abschreibungen, Zinsen und Steuern. Zieht man davon die Abschreibungen ab, ergibt sich das EBIT. Bei börsennotierten Unternehmen wird nun der Wert des Eigenkapitals aus der Anzahl der Aktien multipliziert mit dem Kurs je Aktie berechnet. Dazu kommen die verzinslichen Schulden sowie weitere Korrekturposten wie Anteile Dritter an Konzerntochterunternehmen und liquide Aktivposten. Man erhält so den EV als Marktwert des operativen Geschäfts. Das EBITDA wird aus der Gewinn- und Verlustrechnung des Jahresabschlusses berechnet. Setzt man nun beide Größen zu einander in Beziehung, erhält man den Multiplikator nach der Formel: Multiplikator = EV/EBITDA Um den Multiplikator für Bewertungen anwenden zu können, ist eine entsprechende Anzahl vergleichbarer oder ähnlicher Unternehmen (sog. Peer Group) erforderlich, aus deren Daten der Multiplikator abgeleitet werden kann. Für das Braugewerbe sind derartige ideale Verhältnisse eher unwahrscheinlich. Hinzukommt bei der Bewertung mittels EV/EBITDA-Multiplikatoren, dass der Betrieb wegen der Abschreibungen die gleiche Anlagenausstattung haben sollte, wie die Vergleichsgruppe. Dies ist im Braugewerbe eher nicht zu finden. Aus alledem ergibt sich, dass eine Bewertung mit Hilfe von Multiplikatoren, vor allem für kleine und mittlere Brauereien nicht infrage kommen kann und auch bei Großbrauereien im Grunde nur zu Plausibilitätsprüfungszwecken dient. Dass dennoch derartige Verfahren zur Anwendung kom18
Fischer, H.: Brauereiverkäufe, Diss. Weihenstephan 1989, S. 167
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4 Bewertung kleiner und mittlerer Brauereien men, zeigen die Beispiele Becks und Spaten. So sollte beider Übernahme der Becks-Brauerei durch die Interbrew in 2001 mit 3,5 Mrd. DM angeblich das über 20fache des EBITDA von Becks bezahlt worden sein.19 Bei der Übernahme der Spaten-Franziskaner Bräu KG a.A. in 2004 durch Interbrew wurde lt. managermagazin der Gewinn des Geschäftsjahrs in Höhe von gut 40 Mio. Euro vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen, was dem EBITDA entspricht, mit dem „Daumen-Peil-Faktor“ 10,1 multipliziert.20
4.3 Fallbeispiel: Bewertung einer mittelständischen Brauerei Im Folgenden soll anhand eines praktischen Beispiels die Ermittlung des Verkehrswerts einer mittelständischen Brauerei (Personengesellschaft) mit einem Gesamtausstoß von jährlich rd. 50.000 hl Bier und alkoholfreien Getränken (AfG) unter dem Gesichtspunkt der Betriebsfortführung (going concern) und der Liquidation durchgeführt werden. Dabei sind die angenommenen Daten frei erfunden und total vereinfacht dargestellt, weshalb das Beispiel auf keinen Fall zu einer vergleichsweisen Anwendung geeignet ist. Zweck der Bewertung ist die Ermittlung der Höhe des Wertes eines 20 %-Anteils eines Gesellschafters zum 31.12.2008.
4.3.1 Allgemeine Informationen und Basisdaten Zunächst ist die Kenntnis folgender, tabellarisch dargestellter Informationen und Basisdaten erforderlich. Lage der Brauerei: Kleinstadt
Rechtsform: Personengesellschaft
Ausstoß 2008: 40.000 hl Bier/10.000 hl AfG
Beschäftigte: 30
Brauereigrundstück: 10.000 m², davon 5.000 m² Vorratsgelände u. Festwiese
Brauereigebäude einschl. Bräustüberl: umbauter Raum 18.000 m³
Eigene Gaststätten: 7, davon 2 in Großstadt
Land- u. forstwirtschaftlicher Gundbesitz: 20 ha
Unter dem Gesichtspunkt der Betriebsfortführung wird die Brauerei anhand des Ertragswertverfahrens bewertet. Dieses Verfahren verläuft im Einzelnen in den folgenden 7 Stufen: 1. Vergangenheitsanalyse – Referenzzeitraum, meist 3–5 Jahre, Ist-Analyse 2. Prognoserechnung – Prognosezeitraum, Phase 1: 3–5-Jahresplanung, Phase 2: Fortschreibung der Detailplanung (ewige Rente – Residualwert) 3. Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes 4. Berechnung des Ertragswertes durch Kapitalisierung der prognostizierten Jahresüberschüsse auf den Bewertungsstichtag 5. Ermittlung des Wertes des nicht betriebsnotwendigen Vermögens 6. Feststellung des Wertes der Brauerei als Summe aus Ertragswert und Verkehrswert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens 7. Berechnung des Anteilswerts aus dem Gesamtwert Stellt sich in den Stufen 1 und 2 heraus, dass die Brauerei bisher und auch zukünftig keine positiven Ergebnisse zu erwirtschaften im Stande ist, kommt zur Bewertung das Liquidationsverfahren zur Anwendung, das dann entsprechend in folgenden 6 Stufen abläuft: 19 20
o.V.: BRAUWELT 2001, S. 1211 Boldt, K.: Scharf wie ein Brauereihund, managermagazin 12/2004, S. 8–10
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77
78
Helmuth Adam 1. 2. 3. 4. 5.
Vergangenheitsanalyse-Referenzzeitraum, meist 3–5 Jahre mit negativen Ergebnissen Prognoserechnung – Ertragslosigkeit in der Zukunft Bewertung der Brauerei bei Zerschlagung Ermittlung des Verkehrswertes des nicht betriebsnotwendigen Vermögens Feststellung des Wertes der Brauerei als Summe aus Liquidationswert und Verkehrswert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens 6. Berechnung des Anteilswerts aus dem Gesamtwert
4.3.2 Vergangenheitsanalyse – Istzahlen Die Vergangenheitsanalyse ist Grundlage und Ausgangspunkt für die Prognose künftiger Entwicklungen. Üblicherweise werden dabei anhand der geprüften Jahresabschlüsse der letzten 3 bis 5 Jahre (Referenzzeitraum) die Jahresergebnisse um neutrale Ergebnisse bereinigt, um Einblick auf die tatsächliche Ertragslage der Brauerei, bzw. des operativen Getränkegeschäfts zu erhalten. Hierbei sind u.a. unterlassene Aufwendungen für Reparaturen oder Werbung oder zu niedrige Abschreibungen (Investitionsstau) zu berücksichtigen. Ebenso sind betriebsfremde und periodenfremde Aufwendungen und Erträge, z.B. in Zusammenhang mit nicht betriebsnotwendigem Vermögen wie Mietgrundstücken, Gaststätten oder sonstigen Immobilienbesitz zu eliminieren. Schließlich sind bilanzpolitische Maßnahmen, wie Auflösung und Bildung von Rückstellungen, Sonderabschreibungen, Abschreibungen auf geringwertige Wirtschaftsgüter (Gebinde und Vertriebsinventar) zu korrigieren. Letztlich ist im Falle einer Einzelfirma oder Personengesellschaft für die Geschäftsführung ein angemessener Unternehmerlohn in der vergleichbaren Höhe Dritter zu berücksichtigen. Das Ergebnis der Vergangenheitsanalyse ist in Abb. 4-9 zusammengefasst dargestellt, wobei folgende Korrekturen vorgenommen wurden: • Pachterlöse brauereieigene Gaststätten: Da die brauereieigenen Gaststätten zum nicht betriebsnotwendigen Vermögen gezählt werden, da sie jederzeit veräußerbar sind, werden die Pachterlöse vom Bilanzergebnis abgezogen. • Pachterlöse angepachtete Gaststätten: Diese werden dem Ergebnis belassen, da die Gegenposition, wenn auch als höherer Aufwand, als sog. Pachtaufwandsüberschuss, vorhanden und betriebsbedingt ist. • Sonstige betriebliche Erträge: Diese enthalten 2007 einen Buchgewinn aus der Veräußerung einer Gaststätte in Höhe von 150 T€, welcher bei den sonstigen betrieblichen Aufwendungen in eine Rücklage nach § 6b EStG eingestellt wurde. • Personalaufwand: Dieser enthält jährlich 60 T€ Gehalt für einen Gesellschaftergeschäftsführer. Ein angemessener Unternehmerlohn ist um mindestens 20 T€ höher anzusetzen, weshalb damit das Ergebnis belastet wird. • Die Abschreibungen auf das betriebsnotwendige Anlagevermögen sind in 2007 und 2008 im Branchenvergleich zur Refinanzierung von Investitionen zu gering und sind deshalb mit den angegebenen Beträgen zu korrigieren. • Die Steuern vom Einkommen und Ertrag, hier die Gewerbeertragsteuer, werden neu berechnet, und zwar mit angenommenen 16 %, weshalb sie zunächst dem Ergebnis wieder zugerechnet werden. Die Änderung der Gewerbesteuer aufgrund der Unternehmenssteuerreform 2008 ist nicht berücksichtigt. Als Ergebnis der Ergebnisbereinigung erhält man die den Unternehmern zufließenden operativen Nettoüberschüsse.
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4 Bewertung kleiner und mittlerer Brauereien Ist-Zahlen
79
Referenzzeitraum
Jahr
2006
2007
2008
Ausstoß Bier
41.500 hl
40.000 hl
40.800 hl
Ausstoß AfG
8.000 hl
9.000 hl
10.000 hl
T€
T€
T€
4.460
4.500
4.550
Pachterlöse eigene Gaststätten
166
142
130
Pachterlöse angepachtete. Gaststätten
135
140
135
78
220
54
4.839
5.002
4.869
– 1.138
– 1.190
– 1.170
– 145
– 150
– 143
– 1.452
– 1.486
– 1.470
Abschreibungen
– 405
– 315
– 292
Sonst betriebliche Aufwendungen
– 990
– 1.145
– 1.040
709
716
754
24
22
23
Umsatzerlöse Getränke
Sonst. betriebliche Erträge Gesamtleistung Materialaufwand Pachtaufwand angepachtete Gaststätten Personalaufwand
Betriebsergebnis Zinserträge Zinsen und ähnl. Aufwendungen
– 180
– 165
– 150
Ergebnis d. gewöhnl. Geschäftstätigkeit
553
573
627
Steuern v. Einkommen u. Ertrag
– 38
– 19
– 58
– 273
– 270
– 267
242
284
302
– 166
– 142
– 130
Sonstige Steuern Jahresüberschuss/-fehlbetrag Korrekturen: Pachterlöse eigene Gaststätten Aufwendungen eigene Gaststätten
48
52
37
Neutrale u. periodenfremde Erträge
– 42
– 154
– 27
Unternehmerlohn
– 20
– 20
– 20
0
– 85
– 108
Korrektur Abschreibungen
0
150
0
Steuern v. Einkommen u. Ertrag
Sonst. betriebliche Aufwendungen
38
19
58
Operatives Ergebnis vor Steuern
100
104
112
Abzügl. ca. 16 % Gewerbeertragsteuer
– 16
– 17
– 18
84
87
94
Operatives Ergebnis nach Steuern
Abb. 4-9: Vergangenheitsanalyse und Ergebnisbereinigung
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Helmuth Adam
4.3.3 Prognoserechnung – Planzahlen Die bereinigten operativen Ergebnisse der Vergangenheit bilden Grundlage und Ausgangspunkt für die Schätzung der zukünftigen betrieblichen Erlöse und Aufwendungen und damit der zukünftigen Erträge bzw. Überschüsse. In Konzernen und Großbetrieben werden Planungs- und Prognoserechnungen von den Controllingabteilungen im Rahmen der Unternehmensplanung im Allgemeinen regelmäßig erstellt. In mittelständischen Betrieben, so auch in kleinen und mittleren Brauereien, findet man derartige Planungswerke relativ selten. Der neutrale Gutachter muss in diesen Fällen zusammen mit dem Unternehmer eine Planung erstellen, wobei insbesondere auf die Plausibilität der Planzahlen zu achten ist. In Abb. 4-10 ist die Prognoserechnung für den Beispielsfall zusammengefasst nach der sog. Phasenmethode dargestellt, wobei Phase 1 den überschaubaren, detaillierten Zeitraum von 3 Jahren (2009 – 2011) umfasst und Phase 2 als ewige Rente oder Residualwert die langfristige Fortschreibung der Trendentwicklung beinhaltet. Planzahlen
Prognosezeitraum Phase 1
Phase 2 Ewige Rente
Jahr
2009
2010
2011
2012 ff.
Ausstoß Bier
40.000 hl
40.000 hl
40.000 hl
40.000 hl
Ausstoß AfG
10.500 hl
11.000 hl
11.500 hl
12.000 hl
T€
T€
T€
T€
Umsatzerlöse Getränke Betriebliche Aufwendungen Betriebsergebnis nach Steuern abzgl. persönliche. Ertragsteuern der Gesellschafter, 35 % typisierter Steuersatz Nettozufluss Gesellschafter-Überschüsse
4.600
4.650
4.750
4.800
– 4.515
– 4.570
– 4.665
– 4.710
85
80
85
90
– 30
– 28
– 30
– 32
55
52
55
58
Abb. 4-10: Prognoserechnung
Bei der Prognose wird von einem gleichbleibenden jährlichen Bierausstoß von 40.000 hl und einer Zunahme bei den AfG von 10.500 hl auf 12.000 hl ausgegangen. Nach Berechnung der Planerlöse und der damit verbundenen betrieblichen Aufwendungen erhält man das Betriebsergebnis nach Steuern. Davon sind die persönlichen Ertragsteuern der Unternehmenseigner mit einem sog. typisierten Steuersatz in Höhe von 35 % abzuziehen. Das Ergebnis sind dann die zukünftigen Nettozuflüsse bei den Gesellschaftern, welche dann in der nächsten Stufe mittels des Kapitalisierungszinssatzes auf den Barwert des Bewertungsstichtages abzuzinsen sind.
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4 Bewertung kleiner und mittlerer Brauereien
4.3.4 Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes Der Kapitalisierungszinssatz ist neben dem Ertrag die zweite wertbestimmende Größe bei der Unternehmensbewertung. Auf die fundamentale Bedeutung der Höhe des Kapitalisierungszinssatzes und seine Wirkung auf den Unternehmenswert wurde bereits hingewiesen. Im vorliegenden Beispiel wird der Kapitalisierungszinssatz, wie in Abb. 4-11 dargestellt, mit 6,0 % berechnet.
Basiszinssatz
4,25 %
(langfristig festverzinsliche Wertpapiere) Marktrisikoprämie(5–6 %) hier:
5,00 %
Zwischensumme
9,25 %
Abzüglich Persönliche Ertragsteuer Eigentümer Typisierter Steuersatz 35 %
3,24 %
Kapitalisierungszinssatz rd.
6,00 %
Abb. 4-11: Ermittlung Kapitalisierungszinssatz
4.3.5 Berechnung des Ertragswerts Die Berechnung des Ertragswerts ist in Abb. 4-12 dargestellt. Danach sind die detaillierten Ergebnisse der Jahre 2009 bis 2011 (Phase 1) mit dem jeweiligen Diskontierungsfaktor bei 6 % Zinssatz auf den Bewertungsstichtag 1.1.2009 abgezinst. Die ab 2012 prognostizierten betrieblichen Ergebnisse werden zunächst als Kapitalwert einer ewigen Rente mit dem Kapitalisierungsfaktor 16,67 (6 % Zinssatz) berechnet, man bezeichnet diesen Betrag auch als Residualwert oder Termin value, der wiederum mit dem Diskontierungsfaktor auf den Bewertungsstichtag abgezinst wird. Die Summe in Höhe von 956 T€ ist der Ertragswert oder der Wert der Brauerei und gleichzeitig der Wert des Eigenkapitals. Verbindlichkeiten sind hiervon nicht mehr abzuziehen. Dazu kommt noch der Verkehrswert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens.
Jahr
Überschüsse
Barwertfaktor
Barwert 1.1.07
T€
6%
T€
2009
55
0,9434
52
2010
52
0,8900
46
2011
55
0,8396
46
2012 ff.
58
16,67 x 0,8396
812
Summe = Ertragswert
956
Abb. 4-12: Barwert der Überschüsse zum Bewertungsstichtag
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81
82
Helmuth Adam In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass vom gesamten Ertragswert der Brauerei in Höhe von 956 T€ 812 T€ oder 85 % auf den Residualwert entfallen. Ein derartig hoher Anteil des Residualwertes, ist bei Unternehmensbewertungen nicht unüblich. Im Folgenden nächsten Schritt ist nun der Verkehrswert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens zu ermitteln.
4.3.6 Ermittlung des Verkehrswerts des nicht betriebsnotwendigen Vermögens Definitionsgemäß wird der Verkehrswert (Marktwert) eines Wirtschaftsgutes durch den Preis bestimmt, der am Markt bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Als nicht betriebsnotwendiges Vermögen bezeichnet man solche Vermögensgegenstände, welche veräußert werden können, ohne dass davon das operative Geschäft berührt wird. Bei Brauereien sind dies insbesondere die eigenen Gaststätten, da der Getränkeabsatz bei Veräußerung durch Grunddienstbarkeiten gesichert werden kann, sonstiger Immobilienbesitz, land- und forstwirtschaftliche Grundstücke, aber auch liquide Mittel, wie Wertpapiere und ähnliches. Im Beispielsfall handelt es sich um 7 brauereieigene Gaststätten, Vorratsgelände und land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitz. Die Ermittlung des Verkehrswertes von Grundstücken erfolgt i.d.R. nach der sog. Wertermittlungsverordnung (WertV) von 1988/199721 und den dazugehörenden Wertermittlungsrichtlinien (WertR) von 200622. Danach sind zur Ermittlung des Verkehrswerts von Grundstücken Vergleichswertverfahren, Sachwertverfahren oder Ertragswertverfahren oder mehrere Verfahren heranzuziehen. Daraus ist der Verkehrswert unter Berücksichtigung der Marktverhältnisse zu bemessen. Die 7 eigenen Gaststätten (ohne das in der Brauerei befindliche Bräustüberl) werden nach dem Ertragswertverfahren bewertet und daraus die Verkehrswerte abgleitet. Die Bewertung erfolgt beispielhaft für die Gaststätte „Goldener Krug in Bierstadt“ und ist in Abb. 4-13 dargestellt. Auf die Beschreibung der einzelnen Bewertungsparameter kann hier nicht eingegangen werden. Insgesamt sollen die Gaststätten einen Verkehrswert von 1,6 Mio. € haben. Die Bewertung der 5.000 m² Vorratsgelände erfolgt nach dem Vergleichswertverfahren. Da in der Kaufpreissammlung des Gutachterausschusses beim zuständigen Landratsamt keine geeigneten Vergleichswerte vorliegen, wird auf geeignete Bodenrichtwerte zurückgegriffen. Nach dem Flächennutzungsplan liegen Brauerei und Festwiese in einem Mischgebiet (MI). Der Bodenrichtwert liegt bei einer Geschossflächenzahl (GFZ) von 0,8 bei 150 € pro m². Das Maß der baulichen Nutzung der Festwiese bzw. des Vorratsgeländes ist das der Umgebungsbebauung mit einer GFZ von ebenfalls 0,8. Wegen der Übergröße des Grundstücks erfolgt ein Abschlag von 20 %, so dass der Verkehrswert sich wie folgt berechnet: Verkehrswert Vorratsgelände: 5.000 m² x (150,00 €/m² – 30,00 €/m²) = 600.000 €. Der Verkehrswert des land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes ist im Allgemeinen durch gesonderte Sachverständige zu schätzen. Hier werden die Flächen ungeachtet ihrer Bonität bzw. des Bestands durchschnittlich mit 1,00 €/m² bewertet. Der Wert beträgt dann: Verkehrswert land.- u. forstw. Grundstücke: 200.000 m² x 1,00 €/m² = 200.000 €
4.3.7 Ermittlung des Wertes der Brauerei und des 20 %-Anteils Der Gesamtwert der Brauerei besteht aus dem Ertragswert und dem Wert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens und beträgt entsprechend den durchgeführten Ermittlungen und Berechnungen, wie in Abb. 4-14 dargestellt, 3.356 T€ bzw. für den Anteil von 20 % 671 T€. 21 22
Wertermittlungsverordnung – WertV, BGBl. 1997, S. 2081 Wertermittlungsrichtlinien – WertR 2006, BAnz. Nr. 108a, v. 10.6.2006 und BAnz. Nr. 121, v. 1.7.2006, S. 4798
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4 Bewertung kleiner und mittlerer Brauereien Gaststätte „Goldener Krug“ in Bierstadt Fl.Nr. 1234 zu 195 m², Lage: Zentrum Bodenrichtwert: 800,00 €/m²(GFZ 3,0) Restnutzungsdauer (RND): 50 Jahre € Jahresrohertrag (Pacht/Mieten)
48.000
abzügl. Bewirtschaftungskosten 25 %
– 12.000
Jahresreinertrag
36.000
abzügl. Verzinsung Bodenwert 6 % 195 m² x 800,00 €/m² x 0,06
– 9.360
Gebäudereinertrag
26.640
Vervielfältiger: 6 % Zins/50 J.RND
x
15,76
Gebäudeertragswert
420.000
zuzügl. Bodenwert: 195 m² x 800,00 €/m²
156.000
Ertragswert
576.000
Anpassung an Marktverhältnisse 5 % Zuschlag wg. Zentrumslage
28.800 604.800
Verkehrswert Gaststätte
rd.
600.000
Abb. 4-13: Ermittlung Verkehrswert einer Gaststätte
Ertragswert Brauerei
956 T€
nicht betriebsnotwendiges Vermögen Gaststätten
1.600 T€
Vorratsgelände
600 T€
Land-u.forstw. Grundstücke
200 T€
Gesamtwert
2.400 T€ 3.356 T€
20 %-Anteil
671 T€ Abb. 4-14: Gesamtwert bzw.20 %-Anteilswert der Brauerei
4.3.8 Bewertung im Falle einer Liquidation Stellt sich in den Stufen 1 und 2 heraus, dass die Brauerei bisher und auch zukünftig nicht in der Lage war und ist, positive operative Ergebnisse zu erwirtschaften, erfolgt eine Bewertung unter dem Gesichtspunkt der Liquidation, d.h., der Zerschlagung und Veräußerung sämtlicher Vermögensgegenstände einzeln am Markt, abzüglich Verbindlichkeiten und Liquidationskosten. Das Ergebnis ist in Abb. 4-15 dargestellt, wobei zu den einzelnen Positionen folgendes zu bemerken ist: Das Brauereigrundstück wird im Zerschlagungsfall nicht mit dem Bodenwert für Gewerbe- oder Industriegrundstücke bewertet, sondern nach Vergleichspreisen oder den Bodenrichtwerten unbebauter Grundstücke, da das Brauereigebäude einschließlich Bräustüberl theoretisch abgerissen wird. Die Grundstücksqualität des Brauereigrundstücks ist hinsichtlich Lage und Maß der baulichen Nutzung
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83
84
Helmuth Adam besser als die des Vorratsgeländes, auch liegen in der Kaufpreissammlung Vergleichswerte mit mehr als 200,00 €/m² vor, so dass ein Bodenwert von 200,00 €/m² angesetzt werden kann. Der Gesamtwert beträgt dann: 5.000 m² x 200,00 €/m² = 1.000 T€.
T€ Brauereigrundstück: 5.000 m² x 200,00 €/m²
1.000
abzgl. Abbruchkosten: 18.000 m³ x 30,00 €/m³
– 540
Wert Brauereigrundstück
460
Maschinen
450
Fuhrpark und Stapler
120
Gebinde
60
Kundschaft
600
Tilgungsdarlehen
280
Umlaufvermögen
900
Liquidationsvermögen Brauerei abzgl. Verbindlichkeiten
2.870 – 3.200
negatives Liquidationsvermögen Brauerei
– 330
zuzgl. nicht betriebsnotwendiges Vermögen
2.400
Liquidationsvermögen insgesamt
2.070
abzgl. Kosten Sozialplan
– 600
abzgl. Abwicklungskosten
– 80
abzgl. Zinsen nicht getilgte Verbindlichkeiten
– 160
Liquidationswert insgesamt
1.230
20 %-Anteil Gesellschafter
rd. 250
Abb. 4-15: Ermittlung Liquidationswert
Schließlich ist der Wert des Grund und Bodens um die Abbruchkosten der Brauereigebäude zu vermindern. Diese Freilegungskosten werden mit 30,00 €/m³ umbauten Raums angenommen23 und belaufen sich bei 18.000 m³ auf 540 T€. Die Maschinen und maschinellen Anlagen werden abteilungsweise einzeln aufgenommen, deren Neuwerte ermittelt und daraus die Liquidationswerte bei Einzelveräußerung am Markt abgeleitet, und zwar mit rd. 450 T€. Das gleiche Verfahren gilt für die Bewertung des Fuhrparks einschließlich der Gabelstapler, wo ein Veräußerungswert von rd. 120 T€ ermittelt wurde. Bei den Gebinden, Fässer, Kasten und Flaschen, haben nur die gebrauchten KEG-Fässer einen Marktwert; für Kasten und Flaschen ist nur der Materialwert anzusetzen. Insgesamt wird mit einem Liquidationswert von 60 T€ gerechnet.
23
Vey, S., Fladt, W.: Flächen und Kostenbedarf für Brauereineubauten, BRAUWELT 1994, S. 2680 ff., redigierter Nachdruck Juli 2004
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4 Bewertung kleiner und mittlerer Brauereien Wenn ein Wert für die Kundschaft ermittelt wird, erübrigt sich ein Wertansatz für das langlebige und geringwertige Vertriebsinventar sowie für die Abschreibungsdarlehen. Im Beispielsfall wird ein Wert für die Kundschaft mit rd. 600 T€ angesetzt. Der Wert für die Tilgungsdarlehen wird wertberichtigt mit 280 T€ der Bilanz zum 31.12.2008 entnommen. Der Wert für das Umlaufvermögen, wie Vorräte, Forderungen und liquide Mittel entstammt, entsprechend wertberichtigt, der Bilanz zum 31.12.2008 und beläuft sich insgesamt auf 900 T€. Insgesamt beträgt das Liquidationsvermögen der Brauerei ohne das nicht betriebsnotwendige Vermögen zum Bewertungsstichtag 2.870 T€. Die Verbindlichkeiten setzten sich aus den Rückstellungen und den Verbindlichkeiten gegenüber Banken und Lieferanten zusammen. Sie sind zum Bewertungsstichtag der Bilanz zu entnehmen und betragen im vorliegenden Fall 3.200 T€. Vom Liquidationsvermögen der Brauerei sind die Verbindlichkeiten abzuziehen. Es ergibt sich ein negativer Saldo von 330 T€, zu dem der Wert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens mit 2.400 T€ zu addieren ist, so dass der gesamte Wert des Vermögens vor Liquidationskosten 2.070 T€ beträgt. Die Kosten für einen Sozialplan wegen Stillegung werden gem. § 112 Abs. 1 BetrVerfG für 30 Beschäftigte mit rd. 600 T€ angenommen. Im Falle der Betriebsaufgabe hat der Eigentümer Steuern auf die stillen Reserven zu entrichten, wofür eine entsprechende Rückstellung zu bilden ist. Die Höhe kann hier jedoch nicht beziffert werden. Des weiteren fallen Kosten für die Abwicklung der Liquidation an, insbesondere für die Veräußerung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens sowie der Brauereieinrichtung. Hierfür wird ein Betrag von 80 T€ geschätzt. Letztlich fallen im erforderlichen Zeitraum der Liquidation von einem bis drei Jahren Zinsen für noch nicht getilgte Verbindlichkeiten an, so dass für mindestens zwei Jahre mit einer Zinsbelastung auf die Hälfte der Schulden zu rechnen ist, und zwar bei einem angenommen Zinssatz von 5 % in Höhe von 2 x (3.200 T€ : 2) x 0,05 = 160 T€. Der Gesamtwert des Eigenkapitals der Brauerei im Falle der Liquidation beträgt dann 1.230 T€, der 20 %-Anteil des Gesellschafters 246 T€ bzw. rd. 250 T€.
4.4 Schlussbetrachtung Vorstehende Ausführungen sollten deutlich machen, dass die Bewertung kleiner und mittlerer Brauereien, meist als traditionelle Familienbetriebe geführt, eine äußerst komplexe Angelegenheit ist und eine Reihe von Besonderheiten aufweist. Neben grundlegendem Wissen auf dem Gebiet der Unternehmensbewertung, erfordert die z.T. sehr verschiedenartige Zusammensetzung von operativen und nicht betriebsnotwendigen Vermögen fundierte Branchen- und Marktkenntnisse und darüber hinaus vom Gutachter möglichst eine brautechnische und betriebswirtschaftliche Ausbildung. Von den insgesamt in Deutschland im Jahre 2007 in Betrieb gewesenen 1.302 gewerblichen Braustätten waren 1.257 bzw. 95 % kleine und mittlere Brauereien mit einem Marktanteil von rd. 30 %. An Anlässen für deren Bewertung wird es auch in Zukunft nicht mangeln. Dazu sind umfassende Spezialkenntnisse erforderlich, da wie schon erwähnt, auch bei der Bewertung kleiner und mittlerer Brauereien gilt: „A small business is not a little big business“.
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Helmuth Adam
4.5 Literatur Adam, H.: Wie viel ist eine Brauerei wert? BRAUWELT 33/2007, S. 890 -895 u. 34/35/2007, S. 929– 933. Adam, H.: Die Erbschaftsteuerreform – Belastung oder Erleichterung beim Betriebsübergang, BRAUWELT 24/2008, S. 670–673 u. 27/2008, S. 758–760. Bethmann, R.: Das Rechnungswesen der Brauerei und Mälzerei, Berlin 1938. Boldt, K.: Scharf wie ein Brauereihund, managermagazin 12/2004, S. 8–10. Drukarczyk, J.: Unternehmensbewertung, München 2006. Ernst, D., Schneider, S., Thielen, B.: Unternehmensbewertungen erstellen und verstehen, München 2006. Eschenbach, R., Schmucker, F. L.: Der Wert der Brauerei, Nürnberg 1965. Fischer, H.: Brauereiverkäufe, Diss. Weihenstephan 1989. IDW Standard: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S 1 i.d.F. 2008), Düsseldorf 2008. Kinnebrock, F.: Die Wirtschaftslehre der Brauerei und Mälzerei, Nürnberg 1967. Vey, S., Flad, W.: Flächen- und Kostenbedarf für Brauereineubauten, BRAUWELT1994, S. 2680 ff., redigierter Nachdruck Juli 2007. Wertermittlungsverordnung – WertV: BGBl. I 1997, S. 2081. Wertermittlungsrichtlinien – WertR 2006: BAnz. Nr. 108a, v. 10.6.2006 und BAnz. Nr. 121, v. 1.7.2006, S. 4798.
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5 Bewertung von Medienunternehmen Von Karl Ulrich* und Petra Glinski** 5.1 Bewegung in der Medienlandschaft – Stagflation bei den Bewertungsmethoden!? . . . . . . . . 5.2 Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Medienbranche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Eine kleine Systematik traditioneller und spezieller Bewertungsansätze . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Besonderheiten bei der Bewertung von Medienunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3 Zur Bewertung von Intellectual Property. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Beispiel: Die Bewertung einer marktführenden Formatbibliothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1 Die Ausgangssituation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2 Die Herausforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.3 Die pragmatische Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Beispiel: Die Bewertung crossmedial entwickelter Formate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.1 Die Ausgangssituation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.2 Verwertungsmöglichkeiten, Formate und Geschäftsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.3 Crossmediale Synergien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.4 Fallbeispiel: Crossmediales TV-Format „Und morgen sind sie wieder unsere Nachbarn“ – Innenansichten aus der JVA Oldenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.5 Themenentwicklung und -verwertung verlangt Bewertungsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Kritische Entscheidungen in der Entwicklung und Einführung neuer Formate wirkungsvoll unterstützen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
88 91 91 93 94 95 95 95 96 98 98 99 99 100 101 102
„Truth is stranger than fiction.“ (Zitat aus Jim Jarmuschs Film „Stranger than Paradise“)
Mediale Unternehmenswerte bewusst steuern und entwickeln – Ansätze zur Bewertung des Intellectual Property – Jenseits der transaktionsbezogenen Bewertung medialer Vermögenswerte, etwa aus Anlass eines bevorstehenden Börsengangs oder bei geplanten Firmenübernahmen, kann eine nicht nur finanzdaten-, sondern auch geschäftsbezogene Bewertung von Intellectual Property die Steuerung von Entwicklungsprozessen medialer Inhalte unterstützen. Das Management muss sich dann bei der Entwicklung und Einführung neuer Formate nicht allein auf seinen unternehmerischen Sinn verlassen. Stattdessen werden die unternehmerischen Produktionsentscheidungen durch Ansätze wie das hier beschriebene Lebenszyklusmodell objektiviert: Die sicherlich unabdingbare Intuition kann sich auf ein rationales Gerüst stützen. * **
Dr. Karl Ulrich, Süddeutscher Verlag, München. Petra Glinski, Süddeutsche TV, München.
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Karl Ulrich und Petra Glinski Die verbesserten Möglichkeiten, Formate zu bewerten und deren Entwicklung zu prognostizieren, und die Transparenz, die durch die objektivierten Bewertungsmaßstäbe erreicht wird, ist auch Voraussetzung für eine verbesserte Ressourcenallokation. Dies gilt umso mehr im kreativen Prozess und in dessen Übersetzung in die Projektentwicklung, wo an definierten „Kann-Bruchstellen“ – etwa in den Phasen Ideenfindung, vermarktbare Konzeptskizze, Storyboard, Demo/Pilot, etc. – jeweils konstruktiv-kritisch der Work-in-Progress auf seine Erfolgswahrscheinlichkeit hin bewertet wird.
5.1 Bewegung in der Medienlandschaft – Stagflation bei den Bewertungsmethoden!? Spektakuläre Unternehmenstransaktionen haben in den letzten Jahren querbeet durch die unterschiedlichen Medienbranchen für Aufsehen und reichlich Schlagzeilen gesorgt. Zu den Glanzlichtern der Merger & Acquisitions-Aktivitäten – dabei sei hier beispielhaft nur auf veröffentlichte Fälle verwiesen – zählte u.v.a. die Fusion von BertelsmannSpringer und Kluwer Academic Publishing (KAP) zu Springer Science + Business Media. Regisseure und Financiers dieser Verschmelzung waren die PrivateEquity-Gesellschaften Cinven und Candover, die die beiden Wissenschafts- und Lehrbuchverlage erworben haben – KAP für rund 600 Mio. Euro, BertelsmannSpringer für rund 1,1 Mrd. Euro. Das neu entstandene Verlagskonglomerat avancierte hinter dem britisch-niederländischen Unternehmen Reed Elsevier weltweit zur Nummer zwei unter den Wissenschaftsverlagen. Nun droht die Wirtschaftskrise jedoch den einst hochprofitablen Verlag zu treffen – Cinven und Candover suchen im April 2009 nach einem Finanzinvestor, der bis zu einer halben Milliarde Euro zwecks Schuldenabbau einbringen soll. Nach dem Rückzug des britischen Fachinformationsanbieters Informa gehören gegenwärtig noch die Beteiligungsgesellschaften Apax und EQT zum Bieterkreis. Im Gegensatz zu den derzeit krisengetriebenen Entwicklungen im Mediengeschäft waren die letzten Jahre geprägt von großen M&A-Deals, maßgeblich vorangetrieben durch Holtzbrinck, Springer Science, Burda, Gruner+Jahr, Bertelsmann oder Springer. Ein großer Coup hätte beispielsweise die im Sommer 2005 geplante Übernahme der ProSiebenSat.1 Media AG durch Axel Springer werden sollen. Das Veto des Bundeskartellamts im Januar 2006 machte Matthias Döpfners Pläne jedoch bald zunichte. Ebenfalls in 2005 übernahm Burda die Verlagsgruppe Milchstraße. Ein Jahr später wurden deren Marken mit dem Playboy zu einer neuen Einheit verschmolzen, der Burda Lifestyle Community. Im Dezember 2007 kam es auch zu Veränderungen beim Süddeutschen Verlag, den die Südwestdeutsche Medienholding (SWMH) mehrheitlich übernahm. Im Pay TV-Geschäft sorgte Rupert Murdoch Anfang 2008 mit seinem Einstieg bei Premiere für Schlagzeilen. Der Bezahlsender ist allerdings stark angeschlagen, die Marke selbst wird mittlerweile als problematisch erachtet – Kapitalerhöhungen sowie ein neuer Markenname, „Sky“, sollen zur Wiederbelebung führen. Bewegung zeigt sich jüngst auch bei der EM.Sport Media AG, die sich in 2008 mit 47,3 Prozent an Highlight Communications und deren Tochtergesellschaft Constantin Film beteiligte. Zu EM.Sport gehört unter anderem der Sportsender DSF. Highlight hält die Mehrheit an der Sportmarketing-Agentur TEAM, die die Rechte an der UEFA Champions League und dem UEFA-Cup vermarktet. Im April 2009 wurde EM.Sport Media in Constantin Medien umbenannt – ein neuer Name, der das gesamte Angebot der Mediengruppe in den Segmenten Sport, Film sowie Sport- und Eventmarketing repräsentieren soll. Ein regelrechter Beteiligungsboom findet im Bereich des Digital-Geschäfts statt. Verlage investieren zunehmend in vertikale Online-Portale, um neue Geschäftsfelder und damit verbundene zusätzliche Erlösquellen zu erschließen. Als sehr aktiv erwiesen sich hier Holtzbrinck (studiVZ u.a.) und Axel Springer (stepstone.com, wallstreet-online.de, sevenload.de u.a.), aber auch Medienmogul Murdoch, der z.B. im Sommer 2005 für 580 Mio. US-Dollar die Online-Community Myspace erwarb. Auch in naher Zukunft wird der M&A-Markt im Mediensektor in Bewegung bleiben. Dafür sprechen weitere konkret laufende Projekte; und nicht zuletzt entsprechende Ankündigungen tun ihr Übriges: Auf
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5 Bewertung von Medienunternehmen ihren Bilanzpressekonferenzen haben Branchenschwergewichte wie die RTL Group oder Gruner+Jahr bereits betont, für Zukäufe gerüstet zu sein. Die wesentlichen Treiber dafür erscheinen stabil: • Neue technologiebasierte Anwendungen, beispielsweise zu beobachten in der weiter fortschreitenden Digitalisierung der elektronischen Inhalte, • marktbedingte Konzentrationstendenzen beispielsweise bei Mediaagenturen und im Tief- wie im Offsetdruck, • der Wettbewerb neuer medialer Kanäle und stationärer wie mobiler Plattformen, beispielsweise durch die Verknüpfung der Kernkommunikationsfunktionen Telefonie, Internet und Unterhaltung im Triple Play, • die parallele Vermarktbarkeit von Medieninhalten über unterschiedliche Trägermedien, mit ersten Auflösungserscheinungen der klassischen Medienverwertungskette, • und u.a. dadurch induzierte, neue Finanzierungsmöglichkeiten im kreativen Prozess und in der Vermarktung, • Größenvorteile bei der Abwehr von Übernahmen, • schließlich veränderte Geschäfts- und Erlösverteilungsmodelle beispielsweise zwischen Werbekunden und Endkunden sowie im Verhältnis Abonnement zu Einzelverkauf. • Die zunehmende internationale Öffnung der Medienmärkte tut ihr Übriges. Die diversen M&A-Transaktionen, aus deren langer Liste hier nur ein begrenzter Ausschnitt angesprochen sei, bieten den Beteiligten und Betroffenen der Medienszene wie auch den Investmentbankern und Private-Equity-Häusern reichlich Gesprächsstoff. Und bisweilen ist das Fazit solcher Unterhaltungen, dass die Hoffnungen, die an solche Deals geknüpft wurden, wie Seifenblasen an der Wirklichkeit zerplatzt sind. Ein Beispiel für die Nicht-Erfüllung hoch fliegender Erwartungen ist die Bundesdruckerei: Im Zuge ihrer Privatisierung war das Bundesunternehmen im Jahr 2000 für den Preis von 1,1 Mrd. Euro übernommen worden. Drei Jahre später trennten sich die Erwerber mit drastischen Verlusten von dieser Beteiligung. Dies mag ein extremes Beispiel sein, aber es ist beileibe nicht der einzige Fall, in dem die Preise und Konditionen einer Transaktion ungläubiges Kopfschütteln bezüglich der Bewertung von Medienunternehmen hervorrufen. Die Preisfindung und die ihr zu Grunde liegende Bewertung erscheinen manchmal nur schwer nachvollziehbar – zumal dann, wenn beinahe reflexhaft besondere strategische Investitionskomponenten betont werden. In der retrospektiven Betrachtung ist man freilich immer schlauer; die Gefahr altkluger Kommentierungen lauert hinter jedem Deal; und unternehmerisches Denken spiegelt sie auch nicht wider. Eine Auseinandersetzung mit der Diskrepanz zwischen der Unternehmensbewertung „auf dem Papier“ und in der Realität läuft in die falsche Richtung, wenn sich die Kritik gegen die zur Verfügung stehende Methodik richtet. Das Methodenspektrum und Angebot von Navigatoren zur Bewertung intangibler bzw. immaterieller Wirtschaftsgüter und intellektuellem Kapital ist aus finanztechnischer wie aus regulatorischer Perspektive umfassend genug. Das eigentliche Problem ist eine empirische Lücke: Diese klafft zwischen erstens dem verfügbaren Methodenangebot, zweitens dessen realistisch praktikablen Einsatzmöglichkeiten in Medienfragestellungen und nicht zuletzt drittens der Bereitschaft, im konkreten Fall tatsächlich auf dieses Angebot zurückzugreifen. Es ist müßig, bezüglich dieser Anwendungslücke die Schuldfrage zu stellen. Und angesichts des mittlerweile vorhandenen Methodenarsenals müsste eigentlich das Klagelied verstummen, das in regelmäßigen Abständen über die vorgeblich allzu komplizierte Bewertung immaterieller Vermögensgegenstände in Medienunternehmen angestimmt wird. Spannender als dieses Lamento ist eine entscheidende Entwicklung, die derzeit zu beobachten ist: Ungeachtet der empirischen Lücke zeichnet sich in der aktuellen Bewertungspraxis in Medienunternehmen das Schließen einer ganz anderen Kluft ab. Bisher wurden Bewertungsfragen von Medienunternehmen aus zwei verschiedenen Blickwinkeln betrachtet, nämlich entweder aus der Perspektive der transaktionsbezogenen Wertermittlung oder aus der Perspektive des Wertmanagements. Bei Ersterer geht es darum, „aus gegebenem Anlass“ in allen Spielarten von M&A-Prozessen den Wert eines Unternehmens festzustellen, etwa beim geplanten Kauf oder Verkauf von Unternehmen, Me-
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Karl Ulrich und Petra Glinski dienobjekten, Medienformaten, Medienmarken, Lizenzen und Rechten an medialen Inhalten. Im Kontext des strategischen Wertmanagements spielen Bewertungsfragen eine ganz andere Rolle. Wertmanagement bedeutet die Orientierung aller unternehmerischen Entscheidungen – über die Allokation von Ressourcen bis zur Zusammensetzung des Portfolios – am Ziel, den Unternehmenswert zu steigern. Wachstum und Investment ist demnach nur in jenen Bereichen sinnvoll, die positive Beiträge zum Unternehmenswert leisten. Das heißt, weitere Mittel fließen nur dorthin, wo mindestens die Kapitalkosten verdient werden – oder dieses Ziel zumindest in absehbarer Zeit mit vertretbarem Aufwand erreicht werden kann. Daraus folgt, dass die Erfolgsbeiträge einzelner Mediengeschäfte wertorientiert gemessen werden müssen. Für die wertorientierte Steuerung eines Unternehmens ist es deshalb unabdingbar, dass Managemententscheidungen durch Ex-ante-Analysen und Bewertungen ihrer in finanzwirtschaftlichen Kategorien formulierten möglichen Auswirkungen auf den Unternehmenswert fundiert werden. Wir verfolgen inzwischen einen Ansatz, der eine Brücke zwischen den Perspektiven der Preisermittlung aus Anlass geplanter Transaktionen und der wertorientierten Unternehmenssteuerung schlägt. Der Kerngedanke dieses Ansatzes ist das Schaffen bzw. das Erhöhen der Transparenz medialer Werte. Diese hat positive Auswirkungen in mehreren Bereichen: Die strategische Position lässt sich besser bestimmen, die operative Leistungsfähigkeit erhöhen und nicht zuletzt kann der Unternehmenswert gesteigert werden, denn Transparenz ist die Conditio sine qua non für die wertorientierte Steuerung des Medienunternehmens. Welche Adressaten haben wir im Blick, wenn wir von „Medienunternehmen“ sprechen? Wir beziehen unsere Bewertungsfragestellungen teils auf private, teils auf öffentlich-rechtliche Organisationen, die mit Hilfe der verschiedenen Trägermedien (Zeitungen/Zeitschriften, Bücher, Radio, Fernsehen, Internet etc.) mediale Inhalte jeglicher Art erstellen, aufbereiten und einem breiten Publikum zugänglich machen. Die medialen Inhalte verfolgen Ziele wie Unterhaltung, Information und Bildung, Reflexion sozialer, politischer, wirtschaftlicher und ästhetischer Zusammenhänge sowie Dokumentation und Bereitstellung von Serviceleistungen. Wir betrachten somit diejenigen Unternehmen und Organisationen, deren Kerngeschäft sich innerhalb der Medienwertschöpfungsketten bewegt – angefangen von der Erstellung der Inhalte hin bis zu deren Aufbereitung und Vertrieb. Dabei lässt sich eine Unterteilung in Print- und elektronische Medien vornehmen. Zu den betrachteten Print-Medien zählen Zeitungs- und Zeitschriftenverlage, Buchverlage, Fachinformationsverlage, Nachrichtenagenturen, Kommunikations-, Werbe- und Mediaagenturen, Direktmarketing-Provider und Druckereibetriebe. Zu den einbezogenen elektronischen Medien gehören TV-Sender, TV-Vermarkter, TV-Produktion, Kino-/Filmproduktion, Verleih und Kinobetriebe, Radiosender und Radiovermarkter, Musikverlage sowie Internet-Provider. Ganz erhebliche Unterschiede weisen die einzelnen Geschäftsmodelle der Medienunternehmen auf. Wesentliche strukturelle Differenzierungsmerkmale sind zum Beispiel • Breite und Tiefe des Kundenstamms • Stabilität des Kundenstamms – Determinanten dafür sind etwa das Verhältnis Abonnement zu Einzelverkauf oder die Relation zwischen strukturell ähnlichen Produkten und Produktserien gegenüber Einzelprodukten • Projektorientierte vs. laufende Leistungserstellung • Erlösmodelle – Hier lassen sich beispielsweise unterscheiden: Verkauf der Medien an Endkunden bzw. Absatzmittler, Verkauf von Anzeigen und Werbeflächen und -zeiten an Werbekunden und Agenturen, Lizenzierung, Syndication, Abonnement- und „Per Use“-Modelle • Risikoposition der jeweiligen Erlösquellen – Wichtige Kriterien dabei sind Konjunkturabhängigkeit, Abhängigkeit von der Gattungsentscheidung, Qualität der Inhalte, Halbwertszeit von Formaten und Angeboten, (qualitätsunabhängiger) Neuerungsdruck, Wechselbarrieren, Audience Flow, Verfügbarkeit direkter Alternativen, Veränderungen im Nutzungsverhalten
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5 Bewertung von Medienunternehmen • Kreative Freiheitsgrade – Es besteht zum Beispiel eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der Bindung an ein bestimmtes Format und den kreativen Spielräumen bei der Erstellung medialer Inhalte • Technologische Treiber – beispielsweise Digitalisierung von Inhalten, neue Zugänge, Plattformen und Applikationen/Anwendungen • Unterschiedliche Nutzungsdauer und -intensität, Wiederverwertbarkeit und Mehrfachnutzung, Aktualität • Markenaffinität – Je spezieller die medialen Inhalte, desto enger ist prinzipiell die Markenbindung. Diese strukturellen Kriterien determinieren die medialen Inhalte und ihre jeweiligen Geschäftscharakteristika – und über diese auch die Anforderungen an ihre sachgerechte Bewertung.
5.2 Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Medienbranche 5.2.1 Eine kleine Systematik traditioneller und spezieller Bewertungsansätze Die traditionellen Ansätze zur Unternehmensbewertung lassen sich grundsätzlich in drei Kategorien einteilen: • einkommensbasierte Bewertungsansätze • marktbasierte Bewertungsansätze • vermögensbasierte Bewertungsansätze Einkommensbasierte Bewertungsansätze bewerten ein Unternehmen anhand seiner erwarteten
Umsatz- und Cashflow-Entwicklung. Hierbei werden die geplanten Ausgaben und die zu erwartenden Einnahmen prognostiziert und dann anhand einer entsprechenden risikoadjustierten Zinsrate auf den Gegenwartswert abdiskontiert. Häufig kommt dabei die Discounted-Cashflow (DCF)-Methode zum Einsatz. Sie basiert auf der Betrachtung der zukünftigen Einzahlungen (Cashflows), die ein Unternehmen unter Einbeziehung von Risikoaspekten (Discount Rate) erzielen kann. Die bei solchen Analysen angewendeten Diskontierungsraten werden in der Regel branchenspezifisch berechnet; üblicherweise nehmen sie keinen direkten Bezug auf die spezifischen Gegebenheiten eines spezifischen Unternehmens und seines Geschäftsmodells, werden jedoch über CAPM und Rating unternehmensspezifisch adjustiert. Einkommensbasierte Bewertungsansätze sind vermutlich die zuverlässigste und sinnvollste Methode der Unternehmensbewertung, wenn sich die zukünftigen Cashflows mit relativ hoher Sicherheit vorhersagen lassen. Dies ist vor allem bei solchen Unternehmen der Fall, die eindeutig bestimmbare Produkte an einen relativ festen Kundenstamm veräußern. Weniger geeignet sind diese Ansätze hingegen für Unternehmen, bei denen wie etwa in der Filmproduktion das Projektgeschäft dominiert. Hier sind die einkommensbasierten Methoden auf Grund der schlechteren Prognostizierbarkeit zukünftiger Projektinhalte mit einem größeren Fehlerrisiko behaftet. Dies gilt umso mehr, wenn die Projekte durch einen hohen Grad an Kreativität und Innovation gekennzeichnet sind oder die wesentlichen Erfolgsfaktoren entweder nicht langfristig an die Firma gebunden sind (zum Beispiel Personal) oder leicht von anderen Unternehmen kopiert oder übernommen werden können. Um ein klares Bild über die erzielbaren zukünftigen Einkünfte zu gewinnen, müssen grundsätzlich auch bei einkommensbasierten Bewertungsansätzen die im Unternehmen zur Verfügung stehenden Ressourcen betrachtet werden, also die materiellen und immateriellen Vermögensgegenstände (inkl. Goodwill). Ein besonderes Thema stellt dabei die Betrachtung der immateriellen Vermögensgegenstände dar: Wie stark hängen etwa die zukünftig erwartbaren Einkünfte von der Unternehmensmarke ab, und wie stabil ist deren Einfluss? Zu betrachten im Sinne des angloamerikanischen Company Value
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Karl Ulrich und Petra Glinski ist also der Wert in der Bilanz, die stille Goodwill-Reserve und der darüber hinausgehende Net Present Value der erwartbaren Cashflows. Marktbasierte Bewertungsansätze bestimmen den Wert eines Unternehmens über einen direkten Vergleich mit relevanten Wettbewerbern. Hier werden Multiples bestimmt, über die sich der Unternehmenswert anhand der Erfolgskennzahlen des betrachteten Unternehmens (zum Beispiel EBITA) ermitteln lässt. Multiples stellen dabei Faktoren dar, mit denen die Unternehmenskennzahlen multipliziert werden, um den Unternehmenswert zu bestimmen. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten zur Bildung dieser Multiples: So können sie aus der Betrachtung börsennotierter Unternehmen des gleichen Branchenzweigs oder aus der Analyse von Verkaufstransaktionen vergleichbarer Unternehmen abgeleitet werden.
Eine marktbasierte Unternehmensbewertung liefert jedoch nur unter der Voraussetzung brauchbare und zufrieden stellende Ergebnisse, dass die betrachteten Unternehmen eine möglichst gute Vergleichbarkeit aufweisen. Eine Gegenüberstellung von Äpfeln und Birnen beeinträchtigt die Ergebnisse erheblich. Gegebenenfalls müssen signifikante Unterschiede ausgeglichen oder bei der Interpretation der Bewertung berücksichtigt werden. Damit marktbasierte Ansätze funktionieren, müssen noch zwei weitere Voraussetzungen erfüllt sein: Eine ausreichende Menge vergleichbarer Unternehmen muss bereits bewertet worden sein; andernfalls lassen sich keine aussagekräftigen Kennzahlen ableiten. Des Weiteren müssen Zeitreihenanalysen der Multiples und ihrer Entwicklung verfügbar sein, damit sich die angesetzten Multiples sach- und marktgerecht einordnen lassen. In der Praxis existieren jedoch nur wenige Unternehmen, die direkt mit dem zu bewertenden Unternehmen vergleichbar sind und deren Kennzahlen zur Verfügung stehen. Dies führt häufig dazu, dass bei dieser Bewertungsmethode die spezifischen Gegebenheiten eines Unternehmens wie Marktposition, Ressourcenpool, historische Erfolgsentwicklung etc. zu wenig berücksichtigt werden. Darüber hinaus weisen die Vergleichsunternehmen oftmals eine sehr große Bandbreite hinsichtlich der Multiples auf, sodass für den Wert des Unternehmens in der Regel nur eine sehr vage Wert-Spanne bestimmt werden kann. Diesen skizzierten Schwächen zum Trotz bieten marktbasierte Bewertungsansätze den Vorteil, dass sie zur Plausibilisierung von Werten herangezogen werden können, die durch andere Verfahren ermittelt worden sind. Außerdem sind marktbasierte Methoden eine relativ unkomplizierte Möglichkeit, den Wert eines Unternehmens abzuschätzen. Vermögensbasierte Bewertungsansätze bewerten Unternehmen nach dem Netto-Unternehmens-
vermögen, d.h. dem gesamten Unternehmensvermögen abzüglich der gesamten Verbindlichkeiten. Hierbei müssen die in der Unternehmensbilanz aufgezeigten Vermögenspositionen jedoch oft neu bewertet werden: Die in der Bilanz ausgewiesenen Werte entsprechen nämlich häufig nicht dem realen Wert der Vermögenspositionen, da die gesetzlichen Bewertungsvorschriften in vielen Fällen zu einer verzerrten Darstellung der Vermögenswerte führen; dies jenseits einer Marktwert-Betrachtung des Eigenkapitals. Bei der Neubewertung der Vermögenspositionen kann auf Marktpreise zurückgegriffen werden, sofern ein aktiver Markt für ähnliche Vermögensgegenstände existiert. Oder es können die Kosten für die Wiederbeschaffung des Vermögensgegenstandes als Wertmaßstab herangezogen werden. Ein dritter möglicher Ansatz ist die einkommensorientierte Bewertung von Vermögensgegenständen, bei dem die durch den Vermögensgegenstand erzielbaren Cashflows geschätzt und dann auf den Gegenwartswert abdiskontiert werden. Die vermögensbasierten Bewertungsansätze stellen den konservativsten Ansatz unter den traditionellen Bewertungsmethoden dar. Ihr Konzept basiert auf der grundsätzlichen Überlegung, dass nicht das zukünftige Erfolgspotenzial den Wert eines Unternehmens bestimmt, sondern der Gegenwartswert des bestehenden Vermögens. Aus dem Vermögen abzuleitende Profite werden somit nicht betrachtet. Besonders wegen dieser Prämisse stellt die Bewertung der immateriellen Vermögensgegenstände auch bei der vermögensbasierten Unternehmensbewertung häufig ein Problem dar: Bisher existieren noch keine durchgängig anerkannten Bewertungsstandards für immaterielle Vermögensgegenstände
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5 Bewertung von Medienunternehmen oder – darunter subsummierbar – die Goodwill-Positionen. Beim Goodwill handelt es sich um den (zum Beispiel von einem potenziellen Käufer zugesprochenen) Wertbestandteil eines Unternehmens, der unter Berücksichtigung der Ertragserwartungen über den Substanzwert der materiellen und immateriellen Vermögensgegenstände unter Abzug der Verbindlichkeiten hinausgeht. Neben den beschriebenen traditionellen Bewertungsansätzen existieren weitere Ansätze, die beispielsweise immaterielle Vermögensgegenstände oder einzelne Stufen der Wertschöpfungskette bewerten. Solche Teilbewertungen lassen sich gezielt einsetzen, wenn es darum geht, den über die traditionellen Bewertungsansätze hergeleiteten Unternehmenswert zu plausibilisieren oder zu validieren. Eine Möglichkeit, immaterielle Vermögensgegenstände zu bewerten, bietet beispielsweise die Royalty-Savings-Methode. Um den Wert bestehender Nutzungsrechte zu bestimmen, werden die durch den Besitz der Rechte möglichen Einsparungen (zum Beispiel an Lizenzkosten) bestimmt. Darüber hinaus kann die Excess-Operating-Profits-Methode angewendet werden, um den Wert einer bestimmten Stufe der Wertschöpfungskette zu bestimmen. Bei dieser Methode werden zwei Unternehmen der gleichen Branche verglichen. Unterschiede in der Profitabilität der betrachteten Unternehmen können dann auf die unterschiedliche Gestaltung der verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette zurückgeführt werden.
5.2.2 Besonderheiten bei der Bewertung von Medienunternehmen Über 80 % der befragten Top-Manager führender Medienkonzerne beklagen, dass der Aktienpreis zum Teil weit unter dem eigentlichen Wert ihres Unternehmens liege, so das Ergebnis einer Reihe von Untersuchungen. Diese Aussage gibt einen deutlichen Hinweis darauf, dass die traditionellen Bewertungsansätze bei der Bewertung von Medienunternehmen offensichtlich Unzulänglichkeiten aufweisen – bzw. zumindest darauf, dass die immateriellen Vermögensgegenstände aufgrund von Risikoerwägungen sehr vorsichtig bewertet werden. Warum erweist sich die Bewertung von Medienunternehmen in der Praxis als derart problematisch? Die Hauptursache dafür liegt darin, dass immaterielle Vermögensgegenstände einen wesentlichen Anteil an den Vermögensgegenständen von Medienunternehmen ausmachen. Diese immateriellen Vermögensgegenstände werden jedoch im Rahmen gängiger Bewertungsansätze nur unzureichend erfasst. Hinzu kommt, dass in der Medienbewertung bis dato noch keine allgemein anerkannten Standards zur Messung oder Einschätzung dieser Vermögensgegenstände und Werte existieren. Der Wert von Medienunternehmen, deren Kerngeschäft es ist, selbst erstellte oder von Dritten bezogene Inhalte über die zur Verfügung stehenden Medien (Zeitungen/Zeitschriften, Bücher, CDs/DVDs, TV/Radio, Internet, mobile Endgeräte) einem breiten Publikum zugänglich zu machen, lässt sich deshalb anhand der traditionellen Bewertungsmaßstäbe nur in wenigen Fällen mit ausreichender Genauigkeit bestimmen. Zu diesen wenigen Fällen zählen Zeitungsverlage: Hier ist eine Bestimmung des Unternehmenswertes noch relativ gut möglich: Zeitungsverlage verkaufen täglich ein physisches Produkt, neben dem Einzelverkauf an eine zum Großteil beständige Kundengruppe, die Abonnenten. Auf Grund der bei Regionalzeitungen häufig monopolartigen Stellung in der betreffenden Region und der hohen Bindung der Kunden an das Objekt ist die Fluktuation der Endkunden relativ gering und wird selbst durch mittlere Qualitätsschwankungen des Produkts nur allmählich und mäßig beeinflusst. Sowohl die Verkaufserlöse als auch die Herstellungskosten der Objekte lassen sich auf Basis der bisherigen Performance des Unternehmens relativ genau prognostizieren. Demgegenüber können die Anzeigen- und Werbeerlöse, die zweite Umsatzquelle, größere Schwankungen in der zukünftigen Erlössituation hervorrufen, nämlich dann, wenn bedingt durch konjunkturelle Faktoren die Bereitschaft der Anzeigenkunden zurückgeht, in Werbeflächen und Anzeigen zu investieren. Geht man allerdings von stabilen Kundengruppen aus, kann auch hier ein unternehmensinternes Risiko hinsichtlich der Umsatzerlöse zumindest relativ zu anderen Medienbranchen als gering betrachtet werden. Da die Umsatz- und Kostengrößen eines solchen Zeitungsverlages mit relativ guter
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Karl Ulrich und Petra Glinski Prognosequalität vorhergesagt werden können, ist auch eine relativ belastbare Bewertung eines solchen Unternehmens anhand des traditionellen einkommensbasierten Bewertungsansatzes leicht möglich. Völlig anders verhält es sich jedoch bei denjenigen Medienunternehmen, deren Kerngeschäft stärkeren Projektcharakter hat. Dessen Produkte werden in der Regel vom Kunden jedes Mal neu und einzeln erworben, wie dies zum Beispiel bei Buch- und Musikverlagen, Fernsehproduktionsfirmen etc. der Fall ist. Im Gegensatz zum abonnementbasierten Geschäftsmodell von Zeitungsverlagen muss hier der Kunde immer wieder aufs Neue von der Qualität einer Produktinnovation überzeugt und zum Kauf animiert werden. Der zukünftige Erfolg solcher Unternehmen hängt somit von deren Fähigkeit ab, für den Kunden interessante Inhalte zu identifizieren, zu akquirieren oder selbst zu entwickeln, diese aufzubereiten und einer möglichst breiten Kundengruppe zu attraktiven Konditionen anzubieten. Theoretisch ist jeder dieser Stufen der Wertschöpfungskette ein monetärer Wert zuzuordnen, der zum Gesamtwert der betrachteten Unternehmung beiträgt. Praktisch lassen sich diese Werte jedoch nur unzureichend bestimmen, da es sich hauptsächlich um immaterielle Vermögensgegenstände und um Goodwill-Positionen handelt. Immerhin kann man sich über die Bewertung der einzelnen Vermögenspositionen und Wertschöpfungsstufen dem reellen Wert des Unternehmens annähern. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die Bewertung des Intellectual Property des Unternehmens.
5.2.3 Zur Bewertung von Intellectual Property Die Basis für das Geschäft von Medienunternehmen bilden (Nutzungs-)Rechte und Lizenzen, das Intellectual Property. Diese Eigentumsrechte sind gerade als Werttreiber für Medienunternehmen von entscheidender Bedeutung. Dazu gehören geschützte oder bereits produzierte Konzepte (zum Beispiel Fernsehformate), Inhalte (zum Beispiel produzierte Fernsehshows, Texte oder Musikstücke), Marken (zum Beispiel „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“) sowie territoriale Verwertungsrechte für die Konzepte, Inhalte oder Marken. Unter Nutzungsrechten sind grundsätzlich sowohl die Rechte für Produktion und Vertrieb der originären Konzepte/Inhalte zu verstehen als auch die Weiterverwendung der Konzepte/Inhalte oder Marken über andere Kanäle (zum Beispiel Spiele zu TV-Shows, Internet-Anwendungen, Musik als Klingeltöne für das Handy etc.). Solche Nutzungsrechte umfassen ebenfalls die Vorabrechte an noch nicht erstellten Inhalten/Konzepten wie etwa Produktions- und Vertriebsrechte an den nächsten drei Werken eines bekannten Künstlers. Diese umfassende Sicherung der Nutzungsrechte ermöglicht den Medienunternehmen mittels dieser bestehenden immateriellen Vermögensgegenstände zukünftig Umsätze zu erwirtschaften. In der Regel ist der auf Basis der bestehenden Rechte erwirtschaftete Anteil am Gesamtumsatz des Unternehmens zumindest in der nahen Zukunft relativ hoch, sodass durch eine Bewertung des Intellectual Property bereits ein großer Anteil der kurz- bis mittelfristigen Umsätze des betrachteten Unternehmens abgeschätzt werden kann. Allerdings ist der Wert eines Rechts a priori nicht zu bestimmen. Aus diesem Grund werden bei der Verhandlung der Nutzungsrechte in den meisten Fällen flexible Lizenzkonditionen vereinbart, die sich an dem vom Lizenznehmer erzielten Umsatz orientieren und ex post abgerechnet werden. Wegen dieser Unwägbarkeiten scheint eine detaillierte Umsatzplanung auf Objektebene kaum sinnvoll zu sein. Aber auch eine lineare Extrapolation der Umsätze mit den bereits im Portfolio befindlichen Rechten und Produkten reicht nicht aus, um ein Ergebnis zu ermitteln, das den Wert des Intellectual Property realistisch wiedergibt. In der Praxis ergeben sich daraus Komplikationen, denn die Bewertung eines Medienunternehmens im Ganzen bedingt eine Bewertung der einzelnen Positionen des immateriellen Vermögens, also auch des Intellectual Property. Diese Schwierigkeit galt es in den beiden Fallbeispielen zu lösen, die im folgenden Abschnitt beschrieben werden. Konkret geht es um die Bewertung der Formatbibliothek von TV-Produzenten und Sendern. Um den Wert solcher immateriellen Vermögensgegenstände wie Formate zu bestimmen, kann man auf verschiedene Methoden zurückgreifen, die eine aggregierte Bewertung des Intellectual Property ermöglichen. So kann zunächst auf der bestehenden Umsatzplanung aufgesetzt und die Royalty-Savings-Methode angewendet werden. Hierzu ist zunächst zu bestimmen, welcher Anteil der zukünftig geplanten
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5 Bewertung von Medienunternehmen Umsätze auf Basis der bereits in der Bibliothek enthaltenen Formate erwirtschaftet wird, und wie hoch der Anteil neuer Formatentwicklungen an den geplanten Umsätzen ist. Darüber hinaus muss eine durchschnittliche Lizenzgebühr festgelegt werden, die für die Lizenzierung externer Formate zu entrichten wäre. Hieraus lassen sich dann Antworten auf zwei Fragen ableiten: Wie hoch ist die Einsparung an Lizenzgebühren, die durch das Eigentum an den bestehenden Rechten erzielbar ist? Wie hoch ist der direkte Wert der Format-Bibliothek für das Unternehmen? Weitere Möglichkeiten zur Bewertung von immateriellen Vermögensgegenständen ergeben sich, wenn operative Daten mit den Finanzdaten kombiniert werden. Dies ermöglicht eine Bewertung, die den realen Verhältnissen des Unternehmens entspricht. Ein solcher Ansatz zur Bewertung der Formatbibliothek basiert auf dem von uns entwickelten Lebenszyklus-Modell von Produkten, das im Folgenden vorgestellt wird.
5.3 Beispiel: Die Bewertung einer marktführenden Formatbibliothek 5.3.1 Die Ausgangssituation Wir betrachten ein TV-Produktionsunternehmen, das in eine diversifizierte, international agierende Mediengruppe eingebunden ist. Das Unternehmen gehört zu den weltweit führenden TV-Produktionsunternehmensgruppen. Sein Geschäftsmodell ist die Kreation und internationale Verwertung von Infotainment- und Entertainment-Formaten, die direkt an Broadcaster verkauft werden. Zusätzlich werden auch Drittformate akquiriert und verwertet. Im Rahmen eines umfassenden Wertsteigerungsprogramms haben wir eine Bewertung vorgenommen und Wertsteigerungsansätze für die immateriellen Vermögenswerte der umfangreichen Formatbibliothek erarbeitet. Mehr als 1000 Formate gehören zu dieser Bibliothek, etwa ein Viertel davon war in den letzten drei Jahren signifikant aktiv; mit dem Rest wurden seit 2002 geringfügigere oder keine Umsätze generiert. Für die Bewertung der Formatbibliothek waren zwei Dimensionen maßgeblich: Zum einen der „Stand-alone“-Wert, also der eigentliche Verkaufswert der Bibliothek, zum anderen aber vor allem die „Going-Concern-Betrachtung“, also der Wert unter der Perspektive vorhandener, zeitlich unbegrenzter Verwertungsmöglichkeiten der Unternehmensgruppe.
5.3.2 Die Herausforderung Die Schwierigkeiten bei der Bewertung rührten daher, dass Prognosen über die Lebensdauer und den Erfolg eines Formats eigentlich unmöglich sind: Selbst überaus erfolgreiche Formate können bereits nach einer Aussendung wieder eingestellt werden. Andere Formate hingegen entwickeln sich zu Blockbustern, die weltweit verwertet werden können – dies zum Teil nach langen Liegezeiten. Die goldene Regel der Innovationsforschung scheint auch hier zu greifen: die richtigen Rahmenbedingungen und Faktoren müssen zusammentreffen. Wenn aber Vorhersagen über die Zukunftsperspektiven einzelner Formate eher vage und spekulativ bleiben müssen, ergibt sich daraus fast zwingend, dass die eingangs erwähnten klassischen Ansätze bei der Bewertung der Bibliothek zu kurz greifen. Die eingeschränkte Tauglichkeit dieser herkömmlichen Methoden ist leicht erklärbar: Die traditionellen Bewertungsansätze setzen voraus, dass sich die Umsätze auf Objektbasis prognostizieren lassen. Nur auf dieser Basis ist eine seriöse Diskontierung zukünftiger Cashflows möglich. Eine Lösungsmöglichkeit besteht in der Belegung des Terminal Value mit einem zusätzlichen Risikofaktor, der die zeitliche Unsicherheit der Planungsannahmen widerspiegelt. Einen weiteren Ansatz einer Lösung für die Problematik bei der Bewertung von Formaten bietet die Royalty-Savings-Methode. Diese bestimmt – wie bereits erwähnt – den Wert bestehender Nutzungsrechte über die potenziellen Einsparungen, die sich durch den Besitz der Rechte erzielen lassen. So ist durch die Berücksichtigung der strategischen Planung eine Aussage darüber möglich, ob und in
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Karl Ulrich und Petra Glinski welchem Umfang sich mit den im eigenen Besitz befindlichen Formaten zukünftige Lizenzzahlungen über einen zu definierenden absehbaren Zeitraum einsparen lassen. Aber auch die Anwendung der Royalty-Savings-Methode erweist sich angesichts eines zentralen Problems bei der Bewertung der Formatbibliothek als unzureichendes Instrument: Um den Wert der Formatbibliothek über die potenziellen Einsparungen bei Lizenzkosten zu ermitteln, müssten – bei Unterstellung flexibler Lizenzgebühren (das heißt in Prozent vom zukünftig erzielten Umsatz) – die zukünftigen Umsatzströme quantifizierbar sein, die auf Basis der in der Bibliothek enthaltenen Formate erzielt werden. Hierzu ist eine genaue Aufteilung der in der Business-Planung vorgesehenen Umsätze auf bestehende Formate und noch zu entwickelnde Formate vorzunehmen. Diese Trennung lässt sich nur durch Expertenschätzungen oder durch historische Vergleiche der Gesamtumsatzentwicklung über alle Formate vornehmen. Es ist offensichtlich, dass dieses Vorgehen keine exakten Ableitungen auf detaillierter Ebene zulässt. Genau dies wäre aber eine wesentliche Bedingung, um eine valide Bewertung vorzunehmen. Traditionelle Bewertungsansätze sind also nicht in der Lage, einen Weg aus diesem Dilemma zu weisen.
5.3.3 Die pragmatische Lösung Bei der Suche nach der Lösung des Bewertungsproblems war eine der Prämissen, dass eine valide Bewertung die Kriterien einer analytisch fundierten Herleitung und Plausibilisierung erfüllen muss. Um diese Voraussetzungen zu schaffen, lösten wir uns von einer rein finanzwirtschaftlichen Sichtweise und betrachteten die Formate jetzt auch aus der unmittelbar geschäftsbezogenen Perspektive. Diese Kombination von operativen Daten mit Finanzdaten ermöglicht eine Bewertung, die den realen Verhältnissen entspricht. Als Grundlage eines solchen, auf historisch operativen und finanziellen Daten basierenden Ansatzes zur Bewertung der immateriellen Vermögensgegenstände der Formatbibliothek wurde ein mehrstufiges Lebenszyklusmodell entwickelt. Unterstellt man den in einem Unternehmen vorhandenen immateriellen Vermögensgegenständen einen durchschnittlichen Lebenszyklus, der durch bestimmte Parameter beschreibbar ist, so lassen sich verschiedene Meilensteine identifizieren, die über den weiteren Verlauf des Lebenszyklus entscheiden. Anhand dieser Meilensteine können die bereits vorhandenen Rechte und Produkte in ihrer Position im Lebenszyklus kategorisiert werden, und der Restwert der Rechte kann genauer bestimmt werden. Für jede Kategorie können dann die Formate bzw. deren Umsätze mit Wahrscheinlichkeiten errechnet werden, mit denen die Produkte auch in der nächsten betrachteten Periode noch auf dem Markt sind; außerdem lassen sich Veränderungsparameter bestimmen, die Hinweise darauf geben, wie sich der durch einzelne Produkte erzielte Umsatz in der jeweils betrachteten Periode entwickeln wird. Über diese Wahrscheinlichkeiten und Veränderungsparameter können dann die Umsätze in den einzelnen Kategorien abgeschätzt werden. Die Recherchen im Fall unserer TV-Produktion ergaben, dass sich zwar der Lebenszyklus eines Formats nicht vorhersagen lässt, aber die Entwicklungsmuster erfolgreicher Formate starke Ähnlichkeiten aufweisen. Auf Basis dieser Erkenntnis wurde das Modell eines mehrstufigen Lebenszyklus für TVFormate abgeleitet, der diese Entwicklungsmuster widerspiegelt. Aus unternehmerischer Perspektive sind die ersten drei Lebensjahre eines Formats entscheidend: In diesem Zeitraum fallen die Würfel, ob das Format ein langfristiger Erfolg wird, ein Blockbuster, oder ob es in der Versenkung verschwindet. Die Erfahrung der Vergangenheit zeigt, dass die meisten neu entwickelten Formate von den Fernsehstationen lediglich ein Jahr lang gesendet werden. Dann werden sie durch ein neues Format ausgetauscht. Nur wenige, überdurchschnittlich erfolgreiche Formate werden von den Fernsehstationen auch im zweiten Jahr erneut gesendet. Dies hängt nicht zwingend vom wirtschaftlichen Erfolg der ersten Staffel ab, denn für Broadcaster sind daneben auch andere Faktoren wie Zielgruppen-Affinität, Audience Flow etc. von entscheidender Bedeutung. Wenn das Format auch im zweiten Lebensjahr noch außergewöhnlich hohe Erfolge aufweist und deshalb von den Fernsehsendern auch noch im dritten Jahr gesendet wird, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Format im nächsten Jahr ein weiteres Mal produziert und gegebenenfalls sogar international von anderen Sendestationen übernommen wird.
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5 Bewertung von Medienunternehmen Vor diesem Erfahrungshintergrund lassen sich drei Meilensteine im Lebenszyklus eines Formats identifizieren: • Einführung – Das Format wird zum ersten Mal in einem Land ausgestrahlt • Fortführung/Wiederholung – Der TV-Sender entscheidet, ob das Format im nächsten Jahr erneut produziert und ausgestrahlt werden soll • Mehrfachwiederholung/Internationale Expansion – Die Neuauflage erhöht die Chancen erheblich, dass ein Format auch in anderen Ländern gesendet wird und/oder wiederholt neue Staffeln produziert werden Ausgehend von diesen Meilensteinen lassen sich für das bewusst einfach gehaltene Portfolio des TVProduzenten die Formate in folgende Kategorien einordnen: • „Question marks“ – Alle Formate, die zum ersten Mal geplant werden • „Rising stars“ – Alle Formate, die bereits zum zweiten Mal geplant werden • „Blockbuster“ – Alle Formate, die bereits zum dritten Mal geplant werden. Diese Kategorien unterscheiden sich nicht nur durch ihre Laufzeit, sondern auch durch die jeweils erzielbaren Margen. So weisen die „Question Marks“ mit etwa 20 % typischerweise eine deutlich geringere EBITA-Marge auf als „Rising Stars“ (25 %) oder „Blockbuster“ (30 %). Diese Spannbreite der Margen ist darauf zurückzuführen, dass die Produktionseffizienz im Zeitverlauf in der Regel zunimmt. Außerdem verbessert sich die Verhandlungsposition gegenüber den Broadcastern. Für eine Prognose der zukünftigen Umsatzerwartungen reicht allerdings die Zuordnung der Formate in die jeweiligen Kategorien nicht aus. Neben dieser Klassifizierung müssen auch noch die spezifischen Wahrscheinlichkeiten ermittelt werden, dass ein Format den jeweils nächsten Meilenstein erreicht. Diese Ermittlung kann auf Basis der historischen Unternehmensdaten vorgenommen werden: Für jede wird eine Kennzahl bestimmt; diese setzt sich aus der durchschnittlichen Wahrscheinlichkeit für weitere (Folge-)Produktionen der Formate in der jeweiligen Kategorie und der Umsatzveränderung im Fall einer Wiederholung zusammen. Die entsprechenden Kennzahlen lassen sich dadurch ermitteln, dass eine ähnliche Kategorisierung der Formate aus der Perspektive der vergangenen Jahre vorgenommen wird. Daraus können dann die spezifische Wahrscheinlichkeit, mit der ein Format die nächst höhere Kategorie erreicht, sowie daraus resultierende Veränderungen des Wertes bestimmt werden. Für die einzelnen Kategorien ergibt sich nach dieser Vorgehensweise folgendes Bild: • In der Kategorie der „Question Marks“ wird voraussichtlich etwa die Hälfte der enthaltenen Formate im Folgejahr ein weiteres Mal produziert. Das Umsatzvolumen wird dabei als konstant angenommen, sodass sich insgesamt ein Faktor von 50 % ergibt. • In der Kategorie der „Rising Stars“ beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass die darin enthaltenen Formate weiterhin produziert werden, ebenfalls 50 %. Allerdings erhöht sich hier der Umsatz je weiter produziertem Format auf 120 % des bisher erzielten Umsatzwertes, da etwa 20 % der Formate zusätzlich in einem weiteren Land produziert werden. Insgesamt ergibt sich somit ein Faktor von 60 %. • In der Kategorie der „Blockbuster“ steigt die Wahrscheinlichkeit einer wiederholten Produktion der Formate auf rund 66 % an. Immerhin ein Drittel der produzierten Formate wird darüber hinaus in einem weiteren Land produziert, sodass sich insgesamt ein Faktor von 88 % ergibt. Die Ermittlung der Eintrittswahrscheinlichkeiten aus den historischen Unternehmensdaten spiegelt dabei immer die aktuelle Entwicklungstendenz des Unternehmens in der jüngsten Vergangenheit wider. Veränderungen in dieser Verwertungshistorie können durch eine jährliche „Kalibrierung“ in der Bewertung berücksichtigt werden. Dies gewährleistet, dass die jeweils gültige strategische Ausrichtung adäquat in die Ermittlung der Wahrscheinlichkeitsfaktoren einfließt, was bei der ausschließlichen Fortschreibung von Ex-post-Kategorien nicht der Fall wäre.
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Karl Ulrich und Petra Glinski Auf dem Fundament des Lebenszyklusmodells und der dadurch ermöglichten Kategorisierung lässt sich nun der Wert der Formatbibliothek ermitteln: Zunächst wurden dafür die bisherigen Umsätze der Portfolio-Cluster mit ihren jeweiligen Eintrittswahrscheinlichkeiten multipliziert und so die für die kommenden Jahre zu erwartenden Umsätze und Margen errechnet. Um zum Gesamtwert der Formatbibliothek zu gelangen, wurden anschließend die für die Jahre 2005 bis 2014 ermittelten EBITA-Ergebnisse der einzelnen Kategorien analog zur Discounted-CashflowMethode auf den Gegenwartswert abdiskontiert und zum Gesamtwert summiert. Für die Diskontierung wurde ein risikoadjustierter Zinssatz verwendet. Auf diese Weise ergab sich ein Going-ConcernWert der Formatbibliothek, der den Stand-alone-Wert der Bibliothek deutlich übertrifft. Einige wesentliche Komponenten haben sich in jüngsten Lizenzierungsvereinbarungen im europäischen Entertainment-Markt bestätigt. Hervorzuheben ist der Zusatznutzen, den diese Methode der Wertermittlung der Geschäftsführung und den Kreativverantwortlichen bringt. Durch die Gegenüberstellung der erwarteten Umsätze in den einzelnen Kategorien wird auch deutlich, wie groß der Umsatzanteil ist, der durch neue Formate und/oder Akquisitionen erwirtschaftet werden muss.
5.4 Beispiel: Die Bewertung crossmedial entwickelter Formate 5.4.1 Die Ausgangssituation Wurden jenseits der klassischen Kinofilm-Auswertungskette neue Fiction- und Entertainment-Formate, etwa für das Fernsehen, traditionell jeweils für das spezifische Medium – und nur für dieses – entwickelt und produziert, so hat sich diese Entwicklungs- und Produktionsperspektive bereits heute deutlich verändert: Redaktionelle (TV-)Formate sind nicht mehr auf einen oder wenige Kanäle festgelegt. Was sind hier die maßgeblichen Gründe? – Zum einen hat die rasante technologische Fortentwicklung der letzten fünfzehn Jahre erst das Etablieren neuer Medienkanäle und damit heute eine weit gefächerte Distribution von Inhalten ermöglicht, woraus sich neue Chancen für zusätzliche Erlöse durch Weiterverwertung ergeben haben. Zum anderen ist gleichsam im Gleichschritt gerade durch die Auffächerung der medialen Angebote zusätzlicher Wettbewerb um den Konsumenten und Kunden – und um dessen Zeit, Aufmerksamkeitsspanne und Konsumbudget – entstanden, der gepaart mit hohen Investitionsanforderungen und partiell steigenden Kosten die Medienanbieter zwingt, ihre Margenchancen und -risiken genauer denn je zu verfolgen. Dabei stellt sich stets die Frage nach der richtigen crossmedialen Strategie für die jeweiligen Zielgruppen, die jeweiligen Inhalte und deren, wenn man so will, Nutzer- und situationsgerechte „Darreichungsform“ über entsprechend geeignete Medienkanäle. Bei einem Format, das originär für die Ausstrahlung im linearen TV produziert wurde, ist zu klären, inwieweit sich dieses für andere Kanäle, beispielsweise die verschiedenen Angebotsformen über das Internet, eignet. Es ist davon auszugehen, dass es nicht 1:1 übernommen werden kann, sondern an die speziellen Bedürfnisse, die sich durch die Nutzung des Kanals ergeben, anzupassen ist. So unterscheiden sich nach den Lernphasen der vergangenen Jahre heute Bewegtbild-Beiträge für mobile Endgeräte bereits deutlich von TVFormaten: sie sollten in der Regel kurz und prägnant sein, da die Aufmerksamkeit vor dem Monitor und das Zeitbudget in der Nutzungssituation des Konsumenten nicht mit der vor dem heimischen Bildschirm vergleichbar ist. Zudem bedingt die Größe des Displays und seine Lesbarkeit modifizierte Anforderungen an Bildaufbau, Bilderfolge und Schnitte. Diese Spezifikationen gelten analog für die jeweiligen besonderen Angebotsformen – sowohl als Notwendigkeit als auch als Chance zur Innovation. Die weitere Verwertung eines TV-Formats muss sich dabei nicht auf den Bereich der digitalen Medien beschränken, sondern erstreckt sich auch auf Printmedien. So könnte, um bei obigem Beispiel zu bleiben, ein Redakteur einen zum TV-Beitrag passenden Hintergrundbericht verfassen – je nach Themenumfang sogar in Gestalt einer eigenen Serie. Die Möglichkeiten der Weiterverwertung werden dabei grundsätzlich vom Umfang und von den Nutzungsrechten des Archivs (im vorangehenden Beispiel der „Formatbibliothek“) bestimmt.
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5.4.2 Verwertungsmöglichkeiten, Formate und Geschäftsmodelle Verwertungsspektrum Das bisherige Spektrum der Verwertungsmöglichkeiten hat sich durch folgende Faktoren erheblich erweitert: • Digitale Verbreitungstechnik über Kabel und Satellit für „klassisches TV“: geringere Verbreitungskosten gegenüber analoger Technik bei höheren Übertragungskapazitäten (mehr Sender als bei analoger Technik). Dies erlaubt die Globalisierung der Verbreitung (via Digitalsatellit auch international, über Landesgrenzen hinweg) • Steigende Nutzung von Internet TV, u.a. bedingt durch zunehmende Ausstattung der Haushalte mit schnellen Datenverbindungen und Ausweitung der Content-Angebote (Mediatheken, Videoon-Demand, Live-Stream, Podcasts, Blogs etc.) • Neue Endgeräte: zunehmende Nutzung von Mobil-TV durch „Smartphones“, Ipods, e-reader, etc. Daraus ergibt sich folgende Fragestellung: Wie lassen sich zusätzliche (neue) Verbreitungswege bzw. deren Kombinationen bewerten? Verbreitungswege/Erlös- und Geschäftsmodelle Aus der hier exemplarisch betrachteten Perspektive der TV-Produktion bleibt der Verkauf von Produktionen an TV-Sender noch immer das wesentliche Erlösmodell. Dieses Modell stößt jedoch gerade in Zeiten konjunktureller Abschwünge durch seine Abhängigkeit von Werbeerlösen an Grenzen. Der erste unternehmerische Reflex darauf besteht im Ausgleich dieser Grenzen durch Ausweitung auf nicht-exklusive (Zweit-)Verwertungen: Pay-TV, DVD, Internet, Mobil-TV. Ein weiteres Modell wird durch die neuen Verbreitungswege möglich, über die der Inhalteanbieter auch selbst zum TVVeranstalter wird. Dies erlaubt den direkten Weg zum Kunden (Zuschauer) in Verbindung mit der Selbstvermarktung der Inhalte (z.B. Sponsoring, Werbespots, crossmediales Marketing), dies allerdings gegebenenfalls im Wettbewerb zum angestammten Kunden, dem Sender. Hier kommen unterschiedliche Kooperationsmodelle ins Spiel. All diesen Angebots- und Geschäftsmodellvarianten ist gemeinsam, dass sie die Bewertung der jeweils von den Partnern eingebrachten Leistungen erfordern. Die Fragestellung zu Beginn der Entwicklung neuer Inhalte lautet demnach: Formatentwicklungen müssen sich an die neuen Verbreitungswege anpassen und sind dabei teils mit unterschiedlichen Erlösund Geschäftsmodellen verbunden. Wie kann dieses Know-How bewertet werden? Formate und Formatentwicklungen Eine Verwertung außerhalb des „klassischen“ TV (privat und öffentlich-rechtlich) kommt als Zweitbzw. Mehrfachverwertung in Frage. Die Verwertungskette beginnt meist noch bei den TV-Formaten; daran anschließen können sich beispielsweise weitere Verwertungen in Online, Print oder Audio. Das Format muss dem jeweiligen Medium angepasst sein, ebenso die damit verbunden Erlösmodelle. Eine originäre Inhalte-Produktion ist durch den Kanal Internet zumindest heute noch selten finanzierbar: So lag das Werbevolumen für Bewegtbild im Internet 2008 in Deutschland bei maximal 1 % des gesamten Online Werbevolumens. So lange Bezahlmodelle im Netz nicht attraktiv genug sind und damit reüssieren können, wird das originäre Geschäftsmodell für Bewegtbild kaum funktionieren. Der Aufbau eines Archivs (vgl. Abschnitt 5.3 zur Formatbibliothek) ist bei der Formatentwicklung als wichtigstes Asset für eine Mehrfachverwertung zu sehen.
5.4.3 Crossmediale Synergien Crossmediale Synergien können als Differenzierungsmerkmal gegenüber dem Mitbewerb im Bereich des TV-Produktionsgeschäfts dienen. Als essentiell kann dabei die Markenverlängerung über die Mediengrenzen hinweg betrachtet werden. Im deutschsprachigen Markt sind etwa TV-Sender und Verlagshäuser mit eigenen TV-Aktivitäten, wie bspw. die Süddeutsche Zeitung und DER SPIEGEL entsprechend aufgestellt. Die aktuell größte Konkurrenz für journalistische Angebote in den neuen
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Karl Ulrich und Petra Glinski Medien bilden die öffentlich-rechtlichen Sender, deren gebührenfinanziertes Modell in Verbindung mit neuen Übertragungswegen erhebliche Spielräume zulässt. Crossmediale Kooperationen lassen sich zunächst insbesondere innerhalb der Kanäle Print, TV und Online verwirklichen. So bilden z.B. das Korrespondentennetz der Süddeutschen Zeitung und die Netzwerke von Süddeutsche Zeitung TV das Rückgrat der Produktion. Beide Redaktionen haben außergewöhnliche Zugänge zu Menschen und Geschichten und arbeiten erfolgreich zusammen: SZKorrespondenten sind für den journalistisch-kreativen Teil zuständig; die Redaktion von Süddeutsche Zeitung TV stellt den in Reportageformaten erfahrenen Regisseur. Reportage-Schauplätze waren in der Vergangenheit China, Hong Kong, Albanien, Namibia und Russland. Bei ausgewählten Themen verabreden die beiden Redaktionen die gemeinsame Themenentwicklung und Umsetzung des Themas und Stoffes. Crossmediale Werbeeffekte ergeben sich durch Verweis auf die Ausstrahlung der TV-Sendung in der Süddeutschen Zeitung bzw. umgekehrt beispielsweise durch „Verlängerung“ der SZ-Marke „Seite Drei“ vom Print ins Fernsehen. Durch die Synergien bei Vorbereitung, Produktion und Postproduktion lässt sich dieses Format kostengünstiger produzieren als vergleichbare Dokumentationen. Dennoch liegen die Produktionskosten über den zu erwartenden primären Erlösen. Die Differenz schließt Süddeutsche Zeitung TV vorrangig mit Verwertungen in der eigenen Vertriebsstruktur, aber auch im Online-Angebot des Süddeutschen Verlags. Spezielle internetfähige Formate lassen sich mit geringem Aufwand auskoppeln, von „extended Versions“ der Interviews bis zu seriell erzählten Kurzformaten der Reportage.
5.4.4 Fallbeispiel: Crossmediales TV-Format „Und morgen sind sie wieder unsere Nachbarn“ – Innenansichten aus der JVA Oldenburg Eine 30-minütige TV-Reportage wird im Durchschnitt mit sechs Drehtagen und sieben Schnitt-Tagen kalkuliert. Bei einem Drehverhältnis von 1:25 entstehen etwa zwölf Stunden Material. Pro Reportage ergibt dies vier bis sechs sogenannte Spannungsbögen, d.h. in sich konsistente, abgeschlossene Filmerzählungen. Weitere zwei bis vier werden während der Produktionsphase zwar geschnitten, aber nicht im primären Produkt verwendet. Potenziell ist in einem Filmprojekt also wesentlich mehr Inhalt als auf den ersten Blick ersichtlich enthalten. Im Folgenden beschreiben wir das Beispiel eines crossmedial angelegten Projekts. Zu beachten ist hier auch die wechselseitige Möglichkeit zur Bewerbung, d.h. Anzeigenkontingente in Zeitung und Magazin können ebenso genutzt werden wie Hinweise innerhalb der TV-Sendung (in diesem Fall Hinweis auf das Magazin in der Moderation). Hintergrund Heribert Prantl, innenpolitischer Kommentator, Ressortleiter Innenpolitik der Süddeutschen Zeitung und einer der profiliertesten Journalisten der Republik, unterzieht sich einer besonderen Selbsterfahrung: Für eine Woche lässt er sich in der Justizvollzugsanstalt Oldenburg einschließen, um den Gefängnisalltag am eigenen Leib zu erleben. Der Strafvollzug in Oldenburg steht unter dem Motto „Und morgen sind sie wieder unsere Nachbarn“ – gelingende Resozialisierung als oberstes Ziel. Wie äußert sich das im täglichen Gefängnisbetrieb, wo liegen die Chancen, wo sind die Grenzen, und wie erlebt einer „von außen“ den Mikrokosmos Gefängnis? Welche Erwartungen und Vorurteile werden erfüllt, welche widerlegt? Als Journalist unter Mördern und anderen Schwerverbrechern – das Protokoll eines ungewöhnlichen Selbstversuchs. Erste Stufe: TV-Reportage Die Reportage entsteht auf Initiative und mit Ressourcen der Stammredaktion „Süddeutsche Zeitung“ (hier: Heribert Prantl) sowie einem Regisseur bzw. Reporter von „Süddeutsche Zeitung TV“. Das Konzept sieht vor, das Element einer „konventionellen“ Reportage zum Thema Strafvollzug durch die Beteiligung eines im Bild präsenten Journalisten und dessen Reflexionen aufzuwerten: • 30 Minuten Film für VOX • In einer ausgebauten Wiederholung auf einem späteren Sendeplatz Teil einer 90-minütigen Dokumentation
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5 Bewertung von Medienunternehmen • Als Lizenz-Dokumentation bei z.B. DMAX • Als Neu- und Umschnitt bei diversen Magazinen (NTV, SAT1) • Aus den Kontakten vor Ort entstehen Fortsetzungen: z.B. ein eigener Film über die Geschichte eines Totschlägers – Opfer und Angehörige Zweite Stufe: Online Im Online-Bereich existieren mehrere Distributionswege für den Film und seine Nebenprodukte: • Download als Kaufvideo • Live-Stream • Aufteilen des Films in mehrere Themen-Clips (je 3 Min.), z.B. Portrait eines Gefangenen, Rundgang mit dem Direktor, Heribert Prantl im Gefängnis. Distribution primär auf hauseigenen Kanälen, später lizenziert in anderen Online-Angeboten • Eine (einfach zu erstellende) Langfassung der Interviews mit Heribert Prantl für seine OnlineKolumne • Fotostrecke (s.u. Magazin) • Diskussionsforum Dritte Stufe: Magazin Heribert Prantl schreibt eine Magazin-Reportage mit subjektiven Eindrücken aus seiner Zeit als „Häftling“ und bewertet die Ansätze im Strafvollzug. Begleitet wird er von einem renommierten Fotografen, eine Auswahl der besten Bilder kommt ins SZ Magazin, eine eigene Strecke findet sich im Online-Angebot. Vierte Stufe: Weitere Verwertungspotenziale • Stream in einem eigenen Online-TV-Portal • DVD mit Bonusmaterial und „Director’s Cut“ • Die JVA Oldenburg stellt (in Langfassung-Beitrag zu sehen) robuste Garten-Grills her • Das Angebot wird im Online-Portal verlinkt • Ein Kontingent wird im „Kaufdown“ (Online-Rückwärtsauktion) günstig angeboten • Der JVA-Koch liefert einen Beitrag zu „Nimm 3“ (Rezepte im SZ Magazin) • Die DVDs des ursprünglichen Films werden über das Portal der JVA angeboten • Denkbar wäre auch eine Art SZ-Forum in der JVA Oldenburg: Leser fragen und die Protagonisten des Films antworten.
5.4.5 Themenentwicklung und -verwertung verlangt Bewertungsmaßstäbe Auch aus diesem anschaulichen Beispiel lässt sich ableiten: Die Themenentwicklung und -verwertung erfolgt längst nicht mehr nur isoliert in einem Medienkanal, sondern in Form von • Ketten – analog der klassischen Auswertungs- bzw. Verwertungskette im Kinofilm • „Hub & Spoke“, Nabe und Speiche – die Inhalte werden von ihrer Genese an mit Blick auf ihre strahlenförmige Verwertung in unterschiedlichen Medienformen und -kanälen hin entwickelt • Kombinationen der beiden ersten Varianten: wenn etwa in der Speiche Verlängerungen auftreten; bspw. ein themenbezogenes Event, über welches dann wiederum im Netz oder im Magazin berichtet wird. Und eben diese Themenentwicklung und -verwertung verlangt jeweils besondere Bewertungsmaßstäbe. Diese sind, so zeigt die praktische Erfahrung, zumindest zunächst individuell zu entwickeln und orientieren sich maßgeblich an tatsächlich erzielten Marktpreisen für die jeweiligen Medienformate.
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Karl Ulrich und Petra Glinski Mit zunehmender Bewertungserfahrung ergibt sich bei entsprechender Dokumentation ein Bewertungsbaukasten mit Referenzmodellen und Anwendungsbeispielen. Beide Komponenten, tatsächliche Marktpreisreferenzen und dokumentierte Fallbeispiele von Verwertungsketten und -modellen, erinnern an die Logik der klassischen Multiple-Bewertung, auch wenn sie einerseits ausdifferenzierter sind und damit andererseits erst mit höherer erfahrungsbasierter Fallzahl tatsächlich vergleichbare und damit valide Ergebnisse liefern. Dass dabei wie so häufig die vertiefte Betrachtung nicht nur eine verbesserte Bewertungsgenauigkeit ergibt, sondern auch neue Fragen aufwirft, liegt wohl in der Natur der Sache. So ist in der Entwicklung und Vermarktung crossmedialer Medienprodukte insbesondere die Qualitäts- und Markenbetrachtung entscheidend: Welches Format zahlt wie auf die Marke, die Markenfamilie, die Markenpartnerschaft ein? Umgekehrt gilt es, Markenverdünnung durch falsche Formate unbedingt zu vermeiden. Auch hier zeigt sich: Es ist die Bewertung von Assets, hier Formaten, die unternehmerische Entscheidungen und ihre Richtigkeit maßgeblich unterstützen kann – und als konkrete Anforderung an die Bewertungsleistung eigentlich muss.
5.5 Kritische Entscheidungen in der Entwicklung und Einführung neuer Formate wirkungsvoll unterstützen In der täglichen Praxis haben die Bewerter immer wieder die Spannung der Dichotomie zwischen der Praktikabilität und der Genauigkeit der verwendeten Bewertungsansätze zu überbrücken. Häufig erweisen sich fundamentale Bewertungsansätze als untaugliche Instrumente, um einen zuverlässigen Unternehmenswert zu ermitteln, der die realen Gegebenheiten des Medienunternehmens, seiner Marktpartner und seines Umfelds widerspiegelt. Die Gründe dafür liegen unserer Erfahrung nach weniger darin, dass sich die traditionellen und medienspezifischen Bewertungsmethoden im individuellen Fall als nicht praktikabel erweisen; vielmehr scheitern sie am Mangel valider und in sich konsistenter Grunddaten und/oder an der Zeit, diese zu ermitteln und mit realistischem AufwandNutzen-Verhältnis adäquat aufzubereiten. In vielen Fällen ist zu beobachten, dass sich die Bewerter von einer schlechten Datenlage nicht abschrecken lassen und fundamentale Bewertungsansätze anwenden. Das fatale Ergebnis dieses Bemühens ist eine Scheingenauigkeit, die nicht selten in die Irre führt. In der Regel wird bei der quantitativen Bewertung auch ausschließlich auf finanziellen Unternehmensdaten aufgesetzt, in die Einflussgrößen eingehen, die die eigentlich anzulegenden Bewertungsmaßstäbe verzerren. Operative Daten – also zum Beispiel Titel, Anzahl der Staffeln oder Programmvolumen eines Formats – werden tendenziell unterrepräsentiert; dies obgleich sie die Bewertung de facto mit deutlich höherem Hebel beeinflussen können. Die fehlende eindeutige und konsistente Brücke zwischen operativen und finanziellen Datensätzen, also letztlich zwischen den Qualitäts-, Mengen- und Wertgerüsten dürfte nicht zuletzt ein Resultat der unzureichenden Pflege bzw. Erfassung operativer Daten sein. Dazu gehören zum Beispiel nicht ausreichend lange Zeitreihen von Formatdaten, inkonsistente oder ungenaue Erfassung in unterschiedlichen und nicht trennscharfen Kategorien, Lücken in der Abbildung, Doppelerfassungen, um nur einige zu nennen. Dies ist nicht nur auf die teilweise laxe Disziplin beim Umgang mit Daten zurückzuführen. Häufig ist die Datenbasis deshalb unbrauchbar, weil einheitliche Bewertungsmaßstäbe fehlen: Wir alle messen fleißig, aber unsere Lineale haben verschiedene Skalierungen. Ein weiteres, wesentliches Problem bei der Bewertung von medialen Inhalten wie TV-Formaten ist die Schwierigkeit, die inhaltlichen Kategorien des Entwicklungsprozesses von Formaten eindeutig in finanzwirtschaftliche Kategorien zu „übersetzen“. Das Controlling in Medienunternehmen darf hier nicht kapitulieren und sich auf eine ausschließlich finanzielle Perspektive beschränken, sondern kann durchaus ein ausgeprägtes und gelebtes Bewusstsein für die operativen Prozesse entwickeln. Deren konsistente, realistisch detaillierte und aggregationsfähige Erhebung und Pflege ist sicherzustellen. In vielen Fällen trägt eine fundierte Analyse der operativen Daten dazu bei, die Unternehmensbewertung auf Grund finanzieller Daten zu unterstützen oder zu validieren.
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5 Bewertung von Medienunternehmen Auch wenn bei publizitätspflichtigen Unternehmen nach US GAAP II die Unternehmenswertermittlung zum Standardvorgehen gehört, beobachten wir immer noch die Tendenz, dass exakte Bewertungen der wesentlichen Vermögenswerte vor allem transaktionsbezogen, also beispielsweise aus Anlass eines bevorstehenden Börsengangs oder bei geplanten Firmenübernahmen vorgenommen werden. Wir haben schon am Anfang dieses Beitrags deutlich gemacht, dass die interne Bewertung im Rahmen der strategischen und operativen Unternehmenssteuerung dem Management viele wertvolle Erkenntnisse liefern kann. Konkret liegt ein Steuerungsaspekt beispielsweise darin, dass sich das Management bei der Entwicklung und Einführung neuer Formate nicht allein auf sein unternehmerisches „Bauchgefühl“ verlassen muss. Unternehmerische Entscheidungen werden durch Ansätze wie das beschriebene Lebenszyklusmodell objektiviert und dadurch unterstützt. Mit anderen Worten: Die sicherlich notwendige Intuition kann sich auf ein rationales Gerüst stützen. Die durch unseren Ansatz verbesserten Möglichkeiten, Formate zu bewerten und deren Entwicklung zu prognostizieren, tragen erheblich zur wertorientierten Steuerung des jeweiligen Medienunternehmens bei: Die Transparenz, die durch die objektivierten Bewertungsmaßstäbe erreicht wird, ist auch die Voraussetzung für eine Ressourcenallokation, die den Anforderungen der Wertorientierung genügt. Dies gilt umso mehr im kreativen Prozess und in dessen Übersetzung in die Projektentwicklung, wo an wohl definierten „Kann-Bruchstellen“ – etwa in den Phasen Ideenfindung, vermarktbare Konzeptskizze, Storyboard, Demo/Pilot, etc. – jeweils konstruktiv-kritisch der Work-in-Progress auf seine Erfolgswahrscheinlichkeit hin bewertet wird. In dieser Bewertung geht es zum jeweiligen Entwicklungszeitpunkt nicht allein um die „Go/NoGo“-Entscheidung, sondern auch um eine aus der Wertentwicklungsperspektive bestmögliche Alimentierung und Unterstützung des jeweiligen Content-Entwicklungsprojektes. Damit wird im Mikrokosmos der tagtäglichen kreativen Medienarbeit der Nukleus für das unstrittige Ziel eines jeden Unternehmens, den Unternehmenswert zu maximieren, gelegt. Machen wir in den Medienunternehmen die beschriebenen bewertungsbezogenen „Hausaufgaben“, so können wir die operativen Treiber der Wertentwicklung der Formate, Objekte und Geschäftsaktivitäten genauer beobachten. Valide Bewertungsmaßstäbe und konsistente Daten spielen in diesem spannenden Film die Hauptrolle. Am Ende ist jede Bewertung zum Zeitpunkt ihrer Durchführung eine Fiktion – eine Fiktion, die durch ihre Bewährung am Markt als Realität eingelöst werden muss, sei es im Erfolg des laufenden Geschäftsbetriebs oder in dem der Transaktion. Oder um nochmals mit Jim Jarmuschs „Stranger than Paradise“ zu sprechen: Die Wahrheit ist manchmal unwirklicher als jede Fiktion. Eben!
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6 Bewertung immaterieller Vermögenswerte in der Medienbranche Von Vera-Carina Elter* 6.1 Medienbranche allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.2 Abgrenzung der Medienunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Medienbranche im Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.1 Aktuelle Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.2 Strategien von Medienunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.3 Die Europäische Informationsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Finanzierung in der Medienbranche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Preistrends und Multiplikatoren in der Medienbranche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5 Immaterielle Vermögenswerte in der Medienbranche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.1 Beschreibung ausgewählter immaterieller Vermögenswerte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.1.1 Verlags-, Titel- und Belieferungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.1.2 Programmvermögen im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.2 Erworbene Immaterielle Vermögenswerte im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6 Immaterielle Vermögenswerte als Werttreiber bei Transaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6.1 Die Abbildung von immateriellen Vermögenswerten im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . 6.6.2 Die Abbildung von immateriellen Vermögenswerten in der Medienbranche . . . . . . . . . 6.7 Ausgewählte Planungs- und Bewertungsthemenstellungen in der Medienbranche . . . . . . . . 6.7.1 Planungsthemenstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.7.2 Ansatz von immateriellen Vermögenswerten im Rahmen von Unternehmenszusammenschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.7.3 Impairment Test nach IAS 36 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.8 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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6.1 Medienbranche allgemein 6.1.1 Einleitung Deutschland ist einer der wichtigsten Märkte für die Unterhaltungs- und Medienindustrie in Europa. Die Globalisierung, der technische Fortschritt und die Entwicklung der Kapitalmärkte führen auch weiterhin zu Unternehmensübernahmen von Infrastrukturanbietern und Medienunternehmen. Daneben zwingen Wettbewerb, Konsolidierung und Kostendruck viele Unternehmen, ihre Ge*
Prof. Dr. Vera-Carina Elter ist Partnerin bei der KPMG AG im Bereich Corporate Finance, Düsseldorf.
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Vera-Carina Elter schäftsmodelle grundlegend zu überdenken. Sie betreten neue Märkte, schließen Kooperationen und erweitern ihre Produktpalette um neue Dienste. Die Herausforderungen sind vielfältig. Dementsprechend groß sind aber auch die Chancen. Vor diesem Hintergrund ist es auch bei Bilanzierungs- und Bewertungsfragen nicht nur bei Transaktionen immer wichtiger, branchenspezifische Fachkenntnisse zu berücksichtigen. Medien unterscheiden sich in mehrfacher Hinsicht von anderen Produkten und Dienstleistungen, denn sie sind immer zugleich Wirtschafts- und Kulturgüter. Zu den Medien zählen nicht nur journalistische Inhalte, sondern auch die Produktion von Filmen, Büchern und Musik sowie deren Distribution.1 Medieninhalte werden zum Großteil auf zwei unterschiedlichen Märkten gehandelt, d.h. die entsprechenden Medienunternehmen verkaufen ihre „Medienprodukte“ entweder ausschließlich auf dem Publikums- bzw. Endkundenmarkt (entgeltfinanziertes Geschäftsmodell), oder bieten die zu erwartende Aufmerksamkeit der Zuschauer bzw. der Konsumenten den werbenden Unternehmen zur Vermarktung an (werbefinanziertes Geschäftsmodell).2 Bei einem werbefinanzierten Geschäftsmodell muss der Konsument nichts für den Konsum des Medieninhaltes bezahlen. Daneben gibt es auch Mischformen der beiden Geschäftsmodelle, da z.B. auch die entgeltfinanzierten Fernsehsender oder Internetportale sich zusätzlich über Werbeeinnahmen finanzieren.3
6.1.2 Abgrenzung der Medienunternehmen Unter den Medienunternehmen werden diejenigen Unternehmen subsumiert, die mediale Inhalte jeder Art erstellen bzw. produzieren, aufbereiten und vertreiben. Medienunternehmen umfassen i.d.R. die Unternehmen der Medien- und Verlagsbranche, die in nachfolgenden Subsektoren untergliedert werden können: • Film, Fernsehen & Radio (Audio und audiovisuelle Medien), • Print & Publishing (inkl. elektronischer Medien und Internet), • Musik sowie • Marketing und Werbung. Zu dem Sektor Film, Fernsehen und Radio gehören Free- und Pay-TV-Sender, TV-Vermarkter, Film- und Fernseh-Produktionsgesellschaften sowie Radiostationen. Zu dem Sektor Print & Publishing können die Zeitungs-, Zeitschriften-, Buch- und Katalogverlage sowie das Internet4 und neue Medien gezählt werden. Vor allem das Internet stellt mittlerweile eine ernstzunehmende Konkurrenz und Werbeplattform zu den etablierten Unterhaltungsmedien aber auch zu den klassischen Distributionskanälen Film, Fernsehen und Radio dar. Im Sektor Musik werden typischerweise Unternehmen zusammengefasst, welche sich auf die Produktion und den Vertrieb von Tonträgern konzentrieren. Zu dem Sektor Marketing und Werbung können zum Einen Unternehmen gezählt werden, welche Werbeträger im öffentlichen Raum anbieten. Hierzu zählen vor allem Plakate, Riesenposter oder Werbeflächen auf Bus und Bahn. Zum Anderen sind diesem Sektor klassische Werbeagenturen sowie Markt- und Meinungsforschungsinstitute hinzuzurechnen. Der Subsektor Marketing und Werbung wird nachfolgend nicht näher beleuchtet. Die idealtypische Wertschöpfungskette über alle Mediensektoren gliedert sich in die Stufen Inhaltegenerierung, -verarbeitung und -distribution. Die folgende Abb. 6-1 veranschaulicht den Zusammenhang. Dass die Stufen der klassischen Wertschöpfungskette zunehmend ineinander übergehen bzw. große Überschneidungen haben, zeigt insbesondere das Internet als neue Querschnittstechnologie. Durch 1 2 3 4
Vgl. Weber/Rager (2006), S. 120. Vgl. Seidel/Schwertzel (2006), S. 861 ff. Davon zu unterscheiden ist noch das gebührenfinanzierte Geschäftsmodell, welches im Wesentlichen aus öffentlich-rechtlichen Gebühren und nur zu einem geringen Teil aus Werbeeinnahmen besteht. Im Folgenden werden unter Internet nur die werbefinanzierten und entgeltfinanzierten Geschäftsmodelle subsumiert.
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6 Bewertung immaterieller Vermögenswerte in der Medienbranche Inhaltegenerierung Erzeugen von Inhalten wie zum Beispiel: Texte, Bilder, Filme, Blogs, Podcasts Beteiligte Branchen unter anderem: Verlags-, Audio-, Videoindustrie sowie Filmproduzenten
Inhalteverarbeitung Verarbeitung und Bündelung der Quellinformationen zu anwendungsgerechten Diensten und Lösungen Beteiligte Branchen unter anderem: Medien-, Online-, Filmproduktions- und Internetindustrie
Inhaltedistribution Bereitstellung der Informationen über räumliche Distanzen Beteiligte Branchen vor allem: On- und Offline-Medien sowie Audio und audiovisuelle Medien aller Art
Quelle: In Anlehnung an KPMG (2005) S. 5. Abb. 6-1: Die Wertschöpfungskette in der Medienbranche
die Digitalisierung von Informationen konvergieren die Inhaltegenerierung, -verarbeitung und -distribution. Diese Wertschöpfungskette kann in den einzelnen Wertschöpfungsstufen auch mit besonderen für die Medienbranche typischen immateriellen Vermögenswerten bzw. Bilanzierungs- und Bewertungsfragestellungen verbunden werden (vgl. Abb. 6-2).
Medien- und Publizitätsrechte
Auftragsprozesse
Umsatzrealisierung
t Verlags, Titel- und Belieferungsrechte
t Übertragungskapazitäten
t Zeitpunkt der Realisierung
t Programmvermögen
t Markteinführungskosten
t Mehrkomponentenverträge
t Stoffentwicklung
t Customer Acquisition Costs
t Brutto- oder Nettodarstellung
t Online-Inhalte
t Druckaufträge
t Barter Transactions
t Mediale Sportrechte
t Auftragsproduktion
Geistige Leistung
Inhalt
Produktion
Verwertung/Verkauf
Quelle: in Anlehnung an KPMG (2008), S. 7. Abb. 6-2: Bilanzierungs- und Bewertungsfragestellungen innerhalb der Wertschöpfungskette
Die mit der Entstehung medienspezifischer immaterieller Vermögenswerte verbundenen Bilanzierungs- und Bewertungsfragestellungen werden in den folgenden Kapiteln ausgewählt behandelt.
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6.2 Medienbranche im Wandel 6.2.1 Aktuelle Entwicklungen Die Digitalisierung und die damit verbundene Medienkonvergenz haben einen wesentlichen Einfluss auf die im vorangegangenen Kapitel vorgestellte Wertschöpfungskette. Die Internationalisierung und die damit verbundene Entstehung großer und integrierter Medienkonzerne sind ein weiterer Ausdruck des Wandels der Medienmärkte. Im internationalen Wettbewerb kommen den Kosteneinsparungspotenzialen neben den qualitativen und künstlerischen Ansprüchen an die medialen Inhalte eine immer größere Bedeutung zu. Grundsätzlich sind alle Wertschöpfungsstufen von der technischen und inhaltlichen Konvergenz betroffen. Die neuen Produkte und Dienstleistungen verlassen daher die vormals relativ klar definierten und voneinander abgegrenzten Sektoren und greifen in andere Branchen über. Somit können zukünftig völlig neue Wertschöpfungsstufen, Produkte und Dienstleistungen mit neuen Werttreibern entstehen. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass Unternehmen durch gezielte Transaktionen sowohl sektorübergreifend als auch über Wertschöpfungsstufen hinweg versuchen, ihre Marktposition zu sichern und ggf. auszuweiten. Unternehmen wie Google, Apple und Deutsche Telekom zeigen: Waren früher die Aufgaben und die Geschäftsfelder von Inhalte-Anbietern (bzw. Medienunternehmen), Netzanbietern, Geräteherstellern und Softwareproduzenten klar gegeneinander abgegrenzt, so versuchen heute viele ihr Geschäftsmodell in andere Bereiche auszuweiten. Bei sinkenden Margen im Kerngeschäft versuchen alle Marktteilnehmer, ein möglichst großes Stück der Wertschöpfungskette in der Medienbranche unter ihre Kontrolle zu bekommen.5 Die Konvergenz im Contentbereich führt zu den drei zentralen Entwicklungen, die ggf. auch zukünftige Transaktionen beeinflussen werden: • Angriff auf die Kernkompetenzen der klassischen Medien, • Verzicht auf herkömmliche Medienträger und • neue Angebotsformate, die durch die Digitalisierung erst möglich werden. Ein Beispiel für den Verlust an Kernkompetenzen sind die Kleinanzeigen und Jobbörsen im Internet (sog. Rubrikengeschäft), die sehr stark in Konkurrenz zu den Printmedien getreten sind. Dies führte dazu, dass andere Konvergenzteilnehmer diesen Geschäftszweig zunehmend besetzt haben. Die Folge ist, dass sich die Wertschöpfungskette auch horizontal verändert und aus den Inhalteverteilern auch selbst Contentanbieter werden (z.B. Kabelunternehmen). Eine andere Veränderung ist im Bereich der Contentnutzung festzustellen. Das Wachstum der durchschnittlichen Festplattenkapazität bei PCs und der schnellere Datendownload durch zunehmende Breitbandkapazitäten führen nicht mehr nur bei Printprodukten, sondern auch bei Musik, Videos und Kinofilmen dazu, dass häufig auf zusätzliche Datenträger wie CDs und DVDs verzichtet werden kann. Durch den Download im Internet spart sich der User zudem das zeitaufwändige Bestellen im Versandhandel oder den Gang in den Einzelhandelsladen.6 Vor dem Hintergrund der Digitalisierung der Medienwelt und der damit verbundenen OnlineDistribution verliert das auf den Vertrieb von physischen Tonträgern beschränkte Geschäftsmodell der Musikindustrie daher zunehmend an Bedeutung. In den Vordergrund treten hier Internet-basierende soziale Netzwerke und Communities, welche die Vermarktung von lizenzierten, kostenpflichtigen Downloads fördern sollen. Aber auch die Nutzung der traditionellen Medien wird sich auf Grund der neuen technischen Möglichkeiten signifikant verändern: so besteht das größte Interesse an interaktiven Funktionen im TV vor allem im Überspringen von Werbeblöcken sowie am selbstständigen Starten und Stoppen des Pro5
6
So konkurrieren im Internet Printunternehmen, öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, werbefinanzierte Fernsehunternehmen aber auch Internet- und Telekommunikationsunternehmen gleichermaßen miteinander. Vgl. Ecker (2005).
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6 Bewertung immaterieller Vermögenswerte in der Medienbranche gramms. Weitere Funktionen wie der Electronic Program Guide (EPG)7 oder der Internetzugang via TV sind vor allem für die jüngeren Nutzer interessant. Für die Fernsehsender, insbesondere die privaten Anbieter bedeutet dies, dass schon heute nach alternativen Refinanzierungsformen gesucht werden muss. Sobald für die breite Masse erst technisch die Möglichkeit besteht, Werbung zu überspringen, könnte dies für die Fernsehsender deutliche Einbußen auf dem Werbemarkt zur Folge haben.8 Insbesondere die Schwellenländer werden in den nächsten Jahren ein wesentlicher Wachstumstreiber für die globale Medien- und Unterhaltungsindustrie sein. Denn während sich in den reiferen Medienmärkten neue Absatz- und Werbemöglichkeiten durch die zunehmende Digitalisierung und eine verstärkte Internet-Penetration erschließen lassen, wird die Medienindustrie in den Schwellenländern von steigenden Einkommen/zunehmendem Wohlstand und dem hohen Anteil junger, Medien affiner Konsumenten zusätzliche Wachstumsimpulse generieren können. Dennoch bleiben die reifen Medienmärkte der westlichen Industrieländer mit den im Vergleich zu den Schwellenländern niedrigen Wachstumsraten die mit Abstand wichtigsten Medienmärkte. Die wesentlichen Wachstumstreiber der Medienbranche werden nachfolgend nach einzelnen Geschäftsbereichen kurz zusammengefasst: Film-, Fernseh- und Radioindustrie Dem Deutschen Filmförderfonds (DFFF) ist in den letzten Jahren eine hohe Bedeutung innerhalb des deutschen Filmmarktes beizumessen.9 Insbesondere konnten durch ihn die Studioproduktionsaktivitäten in Deutschland merklich gesteigert werden. Spätestens im Jahr 2012 soll nach Planungen der Bundesregierung die Digitalisierung des Fernsehens in Deutschland vollständig abgeschlossen sein.10 Durch die vollständige Digitalisierung werden neue Übertragungsmöglichkeiten eröffnet und die Markteintrittsbarrieren durch sinkende Kosten für Sender und Radiostationen insgesamt gesenkt. Diese Entwicklung wird daher weitere Chancen für die Film, Fernseh- und Radioindustrie eröffnen. Produktionsindustrie Mit dem High Definition Standard (HD), einer Technik die bald für Film und Fernsehen Standard sein wird, werden hochauflösende Bilder geschaffen. Diese Technik eröffnet völlig neue Bildqualitäten. Daneben befindet sich die gesamte Aufnahmetechnik im Wandel. Neben der Kameratechnik und dem Kameraverhalten werden sich auch die Postproduktion, die Vervielfältigung und später die Verteilung ändern. Durch die HD-Technik wird die digitale Nachbearbeitung eines Films weitgehend vorgezogen. Damit könnte sich auch die Herstellungszeit eines Films verkürzen. Im Jahr 2010 wechseln nach öffentlichen Informationen das ZDF und die ARD auf die HD-Technik. In fünf Jahren dürften alle größeren deutschen Sender einen Wechsel zur HD-Technik vollzogen haben. Musikindustrie In der Musikindustrie steht dem stark zunehmenden Musikdownload aus dem Internet der Umsatzeinbruch im traditionellen Tonträgerverkauf gegenüber. Im Gegensatz zum Tonträgermarkt verzeichnet 7
8 9
10
Als Electronic Program Guide bezeichnet man elektronisch verbreitete Informationen über das aktuelle Hörfunk- und Fernsehprogramm. Die Daten werden heute in der Regel als Zusatzangebot von den Sendern ausgestrahlt und sind kostenlos zu empfangen. Der elektronische Programmführer bietet einen Ersatz für gedruckte Programmzeitschriften, die meistens allerdings ein größeres Angebot haben, das sich nicht auf die reine Programminformation beschränkt. Vgl. Kaumanns (2005). Vgl. FFA Filmförderungsanstalt (2009). Der DFFF förderte 2007 und 2008 insgesamt 198 Produktionen mit rund EUR 118,5 Mio. Damit wurden die jeweils zur Verfügung stehenden Mittel fast vollständig ausgeschöpft. Mit dieser Förderung löste der DFFF allein in Deutschland Investitionen in Höhe von über EUR 752 Mio. aus – dies entspricht etwa der sechsfachen Fördersumme. Vgl. ALM/GSDZ (2008), S. 54. Der Digitalisierungsgrad der TV-Haushalte in Deutschland entspricht Anfang des Jahres 2008 mit 42 % etwa dem europäischen Durchschnitt, was auch für die Wachstumsrate beim digitalen Fernsehen von 23 % gilt. Die vollständige Digitalisierung von Radio und Fernsehen war ursprünglich bis 2010 angedacht.
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Vera-Carina Elter das digitale Geschäft ein schnelles Wachstum. Weitere Wachstumsimpulse gehen von dem Thema „Mobile Music“ aus, da Mobilfunkbetreiber zunehmend auf der Suche nach neuen Erlösquellen verstärkt Musik als Zusatzdienst anbieten. Ein immer größeres Angebot an technisch anspruchsvollen und gleichzeitig benutzerfreundlichen Mobiltelefonen, die das mobile Abspielen von Musik ermöglichen, wirken sich positiv auf die Nachfrage aus. Verlagsindustrie In der Verlagsindustrie werden sich durch die zunehmende Digitalisierung und durch die Ausweitung des Internetkonsums und der Breitbandversorgung die Werbeeinnahmen zunehmend in das Internet verlagern.11 Denn die Internetwerbung wird maßgeblich durch die Interaktivität der Nutzer und von den Suchmaschinen getrieben. Daher wird allgemein eine Verlagerung der Umsätze auf online- und internetbasierte Geschäfte erwartet. Daneben werden E-Books, sowie digitale Literatur und digitale Lehrbücher stark an Bedeutung gewinnen. Die fortschreitende Digitalisierung in der Medienbranche verlangt den klassischen Verlagshäusern ein hohes Maß an Flexibilität ab. Die Bedürfnisse der Kunden haben sich in den letzten Jahren stark verändert, was die Verlagshäuser zur Eröffnung neuer Geschäftsfelder rund um das Kernprodukt zwingt. Vor allem bei jungen Lesern steigt die Nutzung Internet-basierender Online-Dienste rapide an.12 Daher werden digitale Geschäftsfelder bei den Verlagen zukünftig stark an Bedeutung gewinnen.
6.2.2 Strategien von Medienunternehmen Medienunternehmen unterscheiden sich nicht von Unternehmen anderer Branchen darin, dass die zur Verfügung stehenden Ressourcen möglichst effizient eingesetzt werden sollen. Dadurch können die Gewinne maximiert werden. In den vergangenen Jahren wurde vor allem versucht, Effizienzsteigerungen durch Kostenreduzierungen im operativen Geschäft zu erzielen. Durch Vorwärts- und Rückwartsintegrationen entlang der Wertschöpfungskette konnten Synergien erzielt und systematische Risiken durch Diversifikation gemindert werden. Medienunternehmen verfolgen teilweise sehr unterschiedliche Strategien. Neben der Fokussierungsund Nischenstrategie (Erschließung von Marktnischen über spezialisierte Produkte) und der Netzwerk- und Kooperationsstrategie (Kooperationen mit anderen Unternehmen der medialen Wertschöpfungskette) sind die Marken- und/oder die Wachstumsstrategie sehr häufig anzutreffen.13 Da Medienunternehmen ihren Konsumenten über die Positionierung von Medienmarken eine wichtige Orientierungshilfe bieten müssen, hat die Markenstrategie eine sehr hohe Bedeutung. Da Medieninhalte Erfahrungs- und Vertrauensgüter sind, versuchen viele Medienunternehmen über eine klare Markenpositionierung Vertrauen bei ihren Konsumenten zu schaffen. Die Wachstumsstrategie erlaubt es Medienunternehmen, Skalen- und Verbundeffekte zu realisieren. Für fast alle Medienunternehmen gilt, dass hohen Fixkosten niedrige variable Kosten für die weitere Verbreitung und Verwertung gegenüberstehen. Die höchsten Kosten entstehen bei der Produktion einer Zeitung, eines Tonträgers oder eines Films und nicht bei der Verbreitung bzw. Vervielfältigung. Daher ist die Produktion von Medieninhalten mit hohen First-Copy Kosten verbunden, denn die Produktionskosten sind identisch, gleichgültig ob eine TV-Sendung von einem oder einer Million Zuschauern verfolgt wird. Die Stückkostendegression auf viele Konsumenten zu verteilen und damit Größenvorteile zu erzielen ist daher ein häufig verfolgtes Ziel.14 Das Wachstum kann grundsätzlich vertikal in vor- und nachgelagerte Geschäftsfelder (z.B. die Übernahme oder der Aufbau einer Dru11
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Derzeit besteht noch ein Ungleichgewicht zwischen dem Nutzerverhalten im Internet und der Verteilung der Werbespendings. Während 41,0 % der gesamten Mediennutzung auf das Internet entfällt, entfallen nur ca. 5,6 % der gesamten Werbeausgaben auf das Internet. Langfristig erwarten Experten hier eine Angleichung. Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22. September 2008. Die durchschnittliche Verweildauer eines 14–29 Jährigen lag im Jahr 2008 bereits bei 159 Minuten pro Tag. Vgl. Focus (2008), S. 41. Vgl. Schulz/Kaserer/Trappel (2008), S. 55 ff. Vgl. Schulz/Kaserer/Trappel (2008), S. 53.
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6 Bewertung immaterieller Vermögenswerte in der Medienbranche ckerei), horizontal (Übernahme anderer Zeitungen oder Entwicklung neuer Zeitungen oder Titel) oder aber auch diagonal/cross media (klassische Medien investieren in elektronische Medien) erfolgen. Somit kann ein Wachstum sowohl durch eine Steigerung der Umsatzerlöse oder durch eine Reduzierung der Produktionskosten als auch durch die Erschließung neuer Geschäftsfelder erzielt werden. Für Verlage bestehen im Wesentlichen drei vorherrschende Wachstumsstrategien: Zum einen haben sie die Möglichkeit die eigenen Marken durch Marktdurchdringung, also durch den Ausbau der eigenen Online-Aktivitäten, zu stärken. Diese Strategie wird durch die Formel „Expand your brand“ umschrieben und ist eine Kombination von Wachstums- und Markenstrategie. Den entsprechenden Gegenpol bildet die sogenannte „Expand your business“-Strategie, die für die Diversifikation des Verlagsportfolios durch Unternehmenszukäufe steht und somit eine diagonale oder cross mediale Wachstumsstrategie darstellt. Der Großteil der Verlage setzt allerdings auf eine Mischform aus Marktdurchdringung und Diversifikation. Den Ergebnissen der Studie „Das Geschäftsfeld Internet für Verlage“ zufolge, die das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen KPMG in Zusammenarbeit mit dem Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ)15 in 2007 durchgeführt hat, setzen über 83 % der Verlage auf unterschiedliche Mischformen von „Expand your Brand“- und „Expand your Business“-Strategien. Die Strategie der ausschließlichen Marktdurchdringung verfolgen knapp 13 % aller Verlage und nur 1,3 % der Verlage betreiben die ausschließliche Diversifikationsstrategie als alleinige Maßnahme. Das mit dieser Strategie häufig erklärte Ziel ist es, eine Qualitäts- und Marktführerschaft auf allen verfügbaren (Medien-)Kanälen zu erreichen. Dazu gehören neben den Printportfolios auch Onlineportale sowie DVDs, Videos und Merchandising-Produkte. Aber ganz ohne Zukäufe geht es selten. Folglich wird neben dem Markenausbau auch häufig in Titelneugründungen und Zukäufe investiert. In Anbetracht der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation stellt sich die Frage, wie sich die Wachstumsstrategien deutscher Medienhäuser in Zukunft gestalten. Werden Investitionen unter dem Eindruck von Kostenoptimierung, Titeleinstellungen und Stellenabbau zurückgefahren oder investieren die Medienhäuser trotz Finanz- und Wirtschaftskrise in den Ausbau und in die Diversifikation ihres Portfolios? Festzustellen ist, dass zumindest die großen Medienhäuser trotz Kosteneinsparungen weiterhin Investitionen planen. Die auch in Krisenzeiten anhaltenden Investitionen sowohl in den Ausbau bestehender Marken als auch in die Erschließung neuer Geschäftsfelder werden durch zwei Faktoren begünstigt: Zum einen ist für die Akquise von Werbekunden in einem derzeit ohnehin schwierigem Marktumfeld eine konstante bzw. bestenfalls wachsende Reichweite vonnöten. Um diese Reichweite zu sichern, sind Investitionen in Onlineauftritte nach dem „Expand your brand“-Gedanken und die konsequente Weiterentwicklung der eigenen Online-Präsenzen eine strategische Notwendigkeit. Trotz des durch die Wirtschaftskrise deutlich abgekühlten Werbemarktes ist der Bereich der Onlinewerbung ein Feld, auf dem Wachstum noch möglich scheint. Da auch die Nutzungshäufigkeit von Online-Aktivitäten von der Krise nicht wesentlich beeinflusst scheint, ist der Onlinewerbemarkt somit eine feste Größe und die Weiterentwicklung und Investition in bestehende Online-Aktivitäten ein folgerichtiger Schritt. Zum anderen wird auch die „Expand your business“-Strategie von mehreren Medienhäusern fortgesetzt, da durch das derzeitige Wirtschaftsklima die Bewertungen für Unternehmen im Allgemeinen sinken. Die Zeit für Zukäufe und Beteiligungen ist demnach günstig. Zwar steht die Kostenoptimierung bei vielen Verlagen momentan im Vordergrund. Die Chance, neben der Kostenoptimierung das Verlagsportfolio kostengünstig zu diversifizieren und neue Geschäftsfelder zu erschließen, wollen die Medienhäuser jedoch ebenfalls nutzen. So haben viele Printunternehmen neben dem Ausbau von Printmarken ihr Portfolio im Onlinebereich systematisch durch Zukäufe ergänzt, die zu den bereits bestehenden Kernkompetenzen der Verlage passen. Bei der crossmedialen Ausrichtung der Marken waren der Ausbau der Communities und die Integration von Bewegtbildinhalten hierbei wichtige neue Elemente.
15
Vgl. VDZ/KPMG/LMU (2007).
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Vera-Carina Elter
6.2.3 Die Europäische Informationsgesellschaft Der Europäische Gerichtshof (EUGH) wird demnächst eine Entscheidung fällen, die weitreichende Auswirkungen auf die gesamte Medienbranche haben könnte – von Film- und Fernsehproduzenten über Rechtevermarkter und Sender bis hin zu den Fernsehzuschauern. In jedem der 27 EU-Staaten existieren nationale Regelungen zum Urheberrechtschutz. Lizenzen zur Ausstrahlung von Filmen und für die Übertragung von Sportereignissen werden deshalb nicht in einem Paket für den gesamten EU-Raum vergeben, sondern jeweils exklusiv in unterschiedlichen Paketen für einzelne Länder beziehungsweise Territorien. Gegen diese Regelung wurde im Jahr 2008 gleich zweimal vor dem Londoner High Court geklagt.16 Der EuGH muss nun klären, ob dies mit EU-Recht im Einklang steht. Sollten die Richter das verneinen, würde die bisherige TV-RechteVermarktungsregelung gekippt und die territoriale Exklusivität aufgehoben. Konsequenterweise würde dies auf künftig einheitliche Sende- und Empfangsrechte in der gesamten EU hinauslaufen. Um dies gewährleisten zu können, müssten Film- und TV-Rechte in einem Gesamtpaket für alle EU-Länder vergeben werden. Doch die wenigsten Marktteilnehmer (Fernsehstationen, Kabelnetz- und Satellitenbetreiber, Telekommunikations- und Contentunternehmen) sind finanziell in der Lage, um für ein derart teures Europa-Paket überhaupt mit bieten zu können. Einzelne Player müssten sich zusammenschließen, Marktkonzentration und -eintrittsbarrieren würden zunehmen. Und so würde schon im Ansatz die prinzipielle Absicht der EU-Kommission aufgehoben, prinzipiell für mehr Wettbewerb eintreten zu wollen.17 Für die Rechteinhaber würde ein potenziell sehr kleiner Bieterkreis für das Gesamtpaket weniger Wettbewerb bedeuten. Fraglich ist deshalb, ob sich künftig für ein Gesamtpaket noch derselbe Erlös erzielen ließe wie durch die Verwertung territorialer Einzelpakete. Erlösschmälerungen wiederum hätten erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen auf die Rechteinhaber. Basiert doch deren Vermarktungsstrategie gerade auf den exklusiven territorialen Rechten und auf Preisunterschieden in den einzelnen EU-Ländern. Für Filmrechte gilt das gleiche wie für mediale Sportrechte. Auch hier müsste es bei einem entsprechenden Urteil künftig einen europaweiten Abnehmer geben, der das Filmrecht für die gesamte EU erwirbt. Als Erwerber für ein exklusives EU-Senderecht käme wiederum nur ein EU-weit agierender Teilnehmer in Frage, da er sein Senderecht nicht teilen kann. Das Problem: Die Sender in Europa sind noch nicht oder nur unvollständig europaweit organisiert oder in Unternehmensgruppen verflochten. Nicht einmal die beiden größten privaten TV-Konzerne, die ProSiebenSat.1 Gruppe und die RTLGruppe, decken bisher sämtliche EU-Länder ab. So müssten die Sender entweder für Rechte bezahlen, die sie nur teilweise verwerten können oder den Preis zu Lasten des Rechteinhabers stark drücken. Sollte sich trotz aller Umstände ein europaweit agierender Nachfrager finden, hätte dieser wiederum große Schwierigkeiten, sein Preisgebot zu kalkulieren. Grund sind die erheblichen nationalen Unterschiede bei den Zuschauerbedürfnissen, die wiederum Einfluss auf Sendezeiten und potenzielle Werbeeinnahmen haben. So schwankt in Europa die durchschnittliche Fernsehdauer stark: zwischen Schweizer TV-Konsumenten (147 Minuten täglich) und Zuschauern in Griechenland (263 Minuten)18. Während sich Sportübertragungen überall in Europa einer hohen Beliebtheit erfreuen, sind die wenigsten TV-Shows, Filme oder Serien so erfolgreich, dass eine europaweite Filmrechteverwertung sinnvoll ist. 16
17
18
So wollte eine britische Pub-Wirtin statt des einheimischen Pay TV-Angebots das deutlich günstigere griechische Pay TV abonnieren, um ihren Gästen die Spiele der englischen Premier League zeigen zu können. Im anderen Fall wollten zwei Lieferanten von Decodern und Smart-Cards Briten den Empfang von Premier League-Spielen über ausländische Fernsehsender technisch ermöglichen. Die nationalen Urheberrechtschutzgesetze verbieten das jedoch. Hatte doch die EU-Kommission erst 2005 im Vorfeld der Ausschreibung der Fußball-Bundesliga-TV-Rechte Konzentrationstendenzen explizit entgegengewirkt. Folgerichtig war es damals in der 1. Phase dieser Ausschreibung zu 233 einzelnen Rechtepaketen gekommen. Vgl. Focus (2008), S. 55.
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6 Bewertung immaterieller Vermögenswerte in der Medienbranche Nicht zuletzt aus diesem Grund hat sich die derzeitige Praxis bewährt, kleinteilige Rechte zu handeln. Wie komplex eine künftige EU-weite Kosten- und Erlösplanung wäre, macht schon das Beispiel Spanien deutlich. Hier werden oft drei verschiedene Rechte für ein und denselben Film verkauft: eines in katalanischer, eines in baskischer und eines in spanischer Sprache. Vor diesem Hintergrund hat sich im Laufe der Jahrzehnte eine relativ fragmentierte Industrie aus zahlreichen nationalen Produktionsfirmen, Zulieferern und Dienstleistern rund um die Film- und Fernsehbranche entwickelt. Synergien freilich dürften auf Grund der unterschiedlichen Kulturen und Sehgewohnheiten von diesen Unternehmen freilich nicht einfach zu heben sein. Eine EU-weite Vergabe von Filmrechten hätte möglicherweise auch erhebliche Auswirkungen auf die Finanzierung von aufwendigen Film- und Fernsehproduktionen. Produzenten stünden vor der Frage, welche Erlösmöglichkeiten sich künftig noch realisieren lassen – mit entsprechenden Konsequenzen für den finanziellen Wert von Medienrechten. Könnten künftig nur noch Produktionen gefördert werden, die europaweit zu hohen Einschaltquoten führen? Damit würde die Medienvielfalt gefährdet. Und was käme auf die Zuschauer zu? Die TV-Konsumenten in den einzelnen EU-Ländern sehen sich derzeit einem sehr unterschiedlichen Preis-Leistungs-Angebot gegenüber. Um die von der EU angestrebte Aufhebung der bestehenden Preisunterschiede zu erreichen, müsste ein Medienunternehmen sein Programm in allen EU-Ländern sein Programm zu denselben Konditionen ausstrahlen. In der europäischen Informationsgesellschaft, wie die EU-Kommission sie proklamiert, könnten dann zum Einheitspreis alle EU-Bürger ein Einheitsprogramm empfangen. Dies würde weder der aktuellen Gesetzeslage noch den Strukturen der europäischen Medienindustrie entsprechen und ließe die aktuellen Sehgewohnheiten der Zuschauer unberücksichtigt.
6.3 Finanzierung in der Medienbranche Medienunternehmen können Kreditinstituten naturgemäß auf Grund des beschriebenen Geschäftsmodells (vornehmlich immaterielle anstatt materieller Vermögenswerte) nur bedingt ausreichende Sicherheiten bieten. Daher weist die Medienbranche in der Regel auch keine allzu langen Investitionszyklen auf (z.B. im Vergleich zum Maschinen- oder Anlagenbau) und ist tendenziell durch kurzfristigere Finanzierungen (z.B. auch Projektfinanzierungen bezogen auf bestimmte Filme) gekennzeichnet. Die Kreditvergabe wird zusätzlich durch den steigenden Konsolidierungsdruck und die damit verbundenen sinkenden Gewinnmargen in der Medienbranche beeinflusst. Finanzinvestoren haben sich bisher nur bedingt und überwiegend an Kabelgesellschaften, d.h. vor allem an Betreibern der Netzebene 3 (Kabel Deutschland, Unity Media, Kabel BW) und weniger an Unternehmen der Sektoren Film, Fernsehen und Radio bzw. Print & Publishing19 beteiligt. Eine Ausnahme im Verlagswesen stellt die Akquisition der Berliner Zeitung und der Hamburger Morgenpost durch die Mecom Group und den Finanzinvestor Veronis Suhler Stevenson im Frühjahr 2006 dar. Eine Ausnahme im Bereich Film, Fernsehen und Radio war die Übernahme der ProSiebenSat.1 AG durch Kohlberg, Kravis & Roberts (KKR) und Permira im Jahr 2006 für ca. 3,1 Mrd. Euro20, sowie das gemeinsame Joint Venture im Musikbereich mit der Bertelsmann AG. Für den Großteil der insbesondere im Printbereich vielfach Inhaber-geführten Unternehmen der verschiedenen Mediensektoren (mit Ausnahme der Kabelindustrie) stellt daher weiterhin die klassische Bankenfinanzierung die wichtigste Säule der externen Unternehmensfinanzierung dar.21 Der 19
20 21
Vgl. Schulz/Kaserer/Trappel, S. 35. Im Sektor der Kabelgesellschaften der Netzebene 3 und 4 sowie bei Rundfunkveranstaltern beteiligten sich Finanzinvestoren in Deutschland seit 1999 mit über EUR 15 Mrd. Die Verkäufe der Telekom-Kabelnetze in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2000 und in Baden-Württemberg 2001 an Callahan Associates für rund EUR 2,8 Mrd. bzw. EUR 0,9 Mrd. sowie der übrigen in der Kabel Deutschland GmbH gebündelten Netze für EUR 2,1 Mrd. stellten die größten Private Equity Transaktionen im Kabelsektor dar. Vgl. www.prosiebensat.1.com/pressezentrum, Ad-hoc-Meldung nach § 15 WpHG. Vgl. VDZ/KPMG/LMU (2005).
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Vera-Carina Elter Schuldenmultiplikator spielt somit beim Unternehmensrating und damit bei der Refinanzierung eine maßgebliche Rolle. Als sogenannter Schuldenmultiplikator wird das Verhältnis der Nettofinanzverbindlichkeit (Net Debt)22 zum EBITDA bezeichnet: Da in der Medienbranche im Verhältnis zu anderen Branchen ein relativ hoher Anteil an kurzfristigeren Finanzierungen23 vorhanden ist, ist das absolute Niveau des Schuldenmultiplikators tendenziell geringer als in Branchen mit längerfristigen Finanzierungen (Maschinen- und Anlagenbau, Immobilien- oder Baubranche). Im Allgemeinen ist das Risiko, dass ein Unternehmen seinen Schuldendienst (Zins- und Tilgung) nicht mehr aus dem operativen Geschäft bedienen kann, umso größer je höher der Schuldenmultiplikator ist. Zur Beurteilung der wirtschaftlichen Tragfähigkeit eines Verschuldungsgrads muss zusätzlich die Prognosesicherheit des Cashflows berücksichtigt werden. Aufgrund des Zusammenhangs zwischen der Höhe der Verschuldung und der Variabilität des Cashflows lässt sich nur für den Einzelfall bestimmen, welcher Verschuldungsgrad wirtschaftlich tragbar ist.24 Für Unternehmen mit einem hohen Anteil an kurzfristig fälligem Fremdkapital ist es schwierig, bei ihren Banken Anschlussfinanzierungen oder neue Kredite zu erhalten. Sinken nachfragebedingt die Umsätze, laufen stark verschuldete Unternehmen Gefahr, ihrem Kapitaldienst nicht mehr nachkommen zu können. Sie müssen mit schlechteren Kreditkonditionen rechnen als weniger verschuldete Unternehmen. Der Schuldenmultiplikator im Branchendurchschnitt gibt also u.a. Aufschluss über die Betroffenheit einer Branche durch die aktuelle Wirtschaftskrise, spiegelt aber auch die Länge des Investitionszykluses und das gesamte Geschäftsmodell der Branche als Ganzes wieder. Die folgenden Abb. 6-3 und 6-4 vergleichen für 9 ausgewählte deutsche, 27 ausgewählte europäische und 13 ausgewählte amerikanische börsennotierte Unternehmen (insgesamt 49 Unternehmen) verschiedener Sektoren der Medienbranche die Schuldenmultiplikatoren, die Eigenkapitalquoten und den Verschuldungsgrad zum Ende des Geschäftsjahres 2007 und 2008.25 Auf Grund der relativ geringen Anzahl von börsennotierten Medienunternehmen in Deutschland können sich bei einer rein nationalen Auswertung die Relationen etwas verändert darstellen. Der durchschnittliche Schuldenmultiplikator (arithmetisches Mittel) beträgt zum 31. Dezember 2007 2,3. Dieser Multiplikator hat sich zum 31. Dezember 2008 um ca. 11 % auf ein Niveau von 2,6 erhöht. Der Median hingegen hat sich um 13 % in 2008 erhöht. Das durchschnittliche EBITDA (arithmetisches Mittel) ist im Geschäftsjahr 2008 im Vergleich zum Vorjahr um ca. 4 % gesunken. Die Nettofinanzverbindlichkeiten haben sich hingegen durchschnittlich um ca. 9 % (arithmetisches Mittel) erhöht. Insgesamt ist der Schuldenmultiplikator auf einem relativ geringen Niveau, was wie dargestellt das Geschäftsmodell mit dem wesentlichen Werttreiber immaterielle Vermögensgegenstände und die tendenziell kürzeren Investitionszyklen reflektiert. So haben bspw. Rechtehändler erwartungsgemäß einen sehr hohen Anteil an kurzfristigem Fremdkapital und einen niedrigen Schuldenmultiplikator, da das Geschäftsmodell in Bezug auf die Finanzierung ausschließlich auf Zwischenfinanzierungen ausgerichtet ist.26 Die durchschnittliche Eigenkapitalquote (arithmetisches Mittel des Quotienten aus dem bilanziellen Buchwert des Eigenkapitals und der Bilanzsumme) beträgt zum 31. Dezember 2007 38 %. Dieser Quotient hat sich zum 31. Dezember 2008 auf ein Niveau von 33 % verringert. Das durchschnittliche Eigenkapital (arithmetisches Mittel) ist im Geschäftsjahr 2008 im Vergleich zum Vorjahr um ca. 17 % 22
23 24 25 26
Die Nettofinanzverbindlichkeiten werden für diese Analyse überschlägig wie folgt berechnet: Finanzverbindlichkeiten (kurz- und langfristig) abzgl. liquide Mittel und Wertpapiere des Umlaufvermögens. Die nachfolgenden Berechnungen auf Basis von Bloomberg Auswertungen können durch detailliertere Analysen von Geschäftsberichten (z.B. im Hinblick auf Leasingverbindlichkeiten, Pensionsrückstellungen oder Zeitwertbilanzierungen) geringfügig abweichen. Gemäß Bloomberg umfasst der Posten „Kurzfristiges Fremdkapital“ im Wesentlichen Instrumente mit einer Laufzeit von weniger als einem Jahr. Schulz/Kaserer/Trappel (2008), S. 37. Sofern zum 31. Dezember 2008 noch keine Finanzkennzahlen veröffentlicht wurden, wurde auf die Finanzkennzahlen des zeitlich naheliegendsten verfügbaren Geschäftsberichts zurückgegriffen. Dem Schuldenmultiplikator in der Kategorie Rechtehändler liegt eine kleine Vergleichsgruppe zugrunde, so dass die Aussagefähigkeit eingeschränkt ist.
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6 Bewertung immaterieller Vermögenswerte in der Medienbranche Sektor
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Kennzahl
Net Debt (EUR Mio.) 31.12.2007
Net Debt EBITDA EBITDA Net Debt/ Net Debt/ (EUR Mio.) (EUR Mio.) (EUR Mio.) EBITDA EBITDA 31.12.2008 2007 2008 2007 2008
Professional Publishing Mittelwert Median
2.187 980
2.310 1.621
1.016 747
1.098 705
1,8 2,3
2,1 2,0
Consumer Publishing
Mittelwert Median
1.885 994
2.100 1.045
1.080 396
1.001 349
2,5 2,3
3,1 2,8
Broadcasting
Mittelwert Median
727 229
806 320
413 313
391 206
3,1 1,5
2,1 1,9
Film Production
Mittelwert Median
18 16
22 27
8 7
7 5
2,1 2,3
3,2 3,6
Printing
Mittelwert Median
993 168
964 174
434 93
409 90
2,2 2,3
3,2 2,1
Rechtehändler
Mittelwert Median
25 23
37 24
39 18
65 58
0,8 0,4
0,9 0,5
Insgesamt
Mittelwert Median
1.272 671
1.391 498
694 275
664 244
2,3 2,1
2,6 2,4
Quelle: KPMG Research. Abb. 6-3: Schuldenmultiplikatoren verschiedener Sektoren in der Medienbranche
Sektor
Kennzahl
Eigenkapital Eigenkapital Bilanzsumme Bilanzsumme Eigenkapital/ Eigenkapital/ Net Debt/ Net Debt/ (EUR Mio.) (EUR Mio.) (EUR Mio.) (EUR Mio.) Bilanzsumme Bilanzsumme Eigenkapital Eigenkapital 31.12.2007 31.12.2008 31.12.2007 31.12.2008 2007 2008 2007 2008
Professional Publishing Mittelwert Median
5.628,8 1.214,0
5.513,1 1.447,0
11.649,7 5.276,0
11.222,2 6.388,0
37% 29%
36% 28%
0,7 0,4
0,9 0,4
Consumer Publishing
Mittelwert Median
4.031,7 1.152,8
3.251,6 804,4
9.388,8 3.367,0
8.766,0 3.340,2
37% 36%
28% 32%
1,0 0,8
2,0 1,0
Broadcasting
Mittelwert Median
1.116,6 914,3
740,8 506,5
2.716,8 1.599,4
2.440,2 1.505,1
42% 42%
35% 37%
0,8 0,4
1,5 0,7
Film Production
Mittelwert Median
45,1 35,0
41,9 35,6
90,5 94,5
91,6 86,1
50% 55%
46% 54%
0,4 0,5
0,6 0,6
Printing
Mittelwert Median
1.053,2 184,3
764,1 330,0
3.062,1 509,2
2.607,0 471,2
47% 39%
45% 37%
0,6 0,9
0,8 0,9
Rechtehändler
Mittelwert Median
55,7 32,0
52,8 40,2
213,1 217,3
271,0 214,8
28% 30%
29% 22%
1,2 0,3
4,7 0,5
Insgesamt
Mittelwert Median
2.622,4 851,9
2.172,0 507,0
6.055,5 2.471,1
5.652,9 2.038,8
38% 37%
33% 32%
0,9 0,5
1,9 0,8
Quelle: KPMG Research. Abb. 6-4: Eigenkapitalquoten verschiedener Sektoren in der Medienbranche
gesunken. Die Bilanzsumme (arithmetisches Mittel) hat sich durchschnittlich um ca. 7 % verringert. Insgesamt reflektiert eine Eigenkapitalquote zwischen 30 und 40 % eine relativ gesunde und solide Finanzierung. Bedingt ist dieses u.a. auch durch den hohen Anteil von inhaber-/familiengeführten Unternehmen sowie durch die geringe Anzahl von Private Equity Transaktionen mit gleichzeitig hohem Leverage bei den erworbenen Unternehmen. Der durchschnittliche Verschuldungsgrad (arithmetisches Mittel des Quotienten aus den Nettofinanzverbindlichkeiten und dem bilanziellen Buchwert des Eigenkapitals) beträgt zum 31. Dezember 2007 0,9. Dieser Quotient hat sich zum 31. Dezember 2008 mehr als verdoppelt auf ein Niveau von 1,9. Der Median des Verschuldungsgrades hat sich ebenfalls von 0,5 in 2007 auf 0,8 in 2008 erhöht.
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Vera-Carina Elter Der beobachtbare Anstieg des Verschuldungsniveaus zeigt, dass die Medienunternehmen einem erhöhten Kapitalstrukturrisiko ausgesetzt sind. Dies kann sowohl auf die Rückgänge im klassischen Geschäft als auch auf die ersten konjunkturellen Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise bereits im Jahr 2008 zurückzuführen sein. Die Medienunternehmen müssen sich dieser Herausforderung durch ein konsequentes Liquiditätsmanagement stellen. Die Aufrechterhaltung der notwendigen Liquidität muss vor dem Hintergrund der angespannten Lage auf dem Werbemarkt eine verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet werden. Dem damit einhergehenden Druck zu Konsolidierung und Kostensenkung können die Medienunternehmen durch Standardisierung, Zentralisierung oder Offshoring von IT-Systemen sowie der Zusammenlegung von Redaktionen begegnen. Im Allgemeinen sollten Medienunternehmen durch ein striktes Kostenmanagement negative Ergebniseffekte aus ihrem traditionellen Geschäft teilweise kompensieren können, um frühzeitig in die wachstumsstarken Sektoren eintreten zu können. Finanzielle Flexibilität ist vor diesem Hintergrund besonders wichtig.
6.4 Preistrends und Multiplikatoren in der Medienbranche In der Medienindustrie wurden insbesondere in den letzten Jahren in stetiger Regelmäßigkeit zahlreiche Transaktionen durchgeführt und im Zuge der gegenwärtigen Medienkonzentration werden auch zukünftig weitere Fusionen erwartet. Ein erster Indikator für die Entwicklung der Marktpreise für unterschiedliche Medienunternehmen sind häufig die sog. Multiples oder auch Multiplikatoren. Die entsprechende Methode zur Ermittlung wird Multiplikatormethode oder auch -verfahren genannt. Neben den in der Bewertungspraxis vorherrschenden überschussorientierten Bewertungsverfahren spielen auch die Multiplikatorverfahren in der Medienbranche eine nicht unerhebliche Rolle. Sie kommen insbesondere in frühen Phasen von M&A-Prozessen zur Anwendung, bei denen oftmals keine fundamentalen Daten vorliegen, um erste Anhaltspunkte bzw. eine überschlägige Zielpreisvorstellung zu bekommen. Aus Käufersicht besteht zumindest zu Beginn der Verhandlungen oftmals die einzige Möglichkeit darin, auf Basis der in jüngster Vergangenheit getätigten Transaktionen einen Anhaltspunkt zum aktuellen Preisniveau in der Medienindustrie zu erhalten. Die Anwendung von Multiplikatoren ist in der Medienbranche insbesondere bei Internetunternehmen und/oder Start Up Unternehmen häufig zu beobachten. Diese verfügen oftmals über keine fundierte Planungsrechnung oder können noch keinerlei Zahlungsüberschüsse erzielen, um ebenfalls eine Indikation hinsichtlich des Unternehmenswerts zu erhalten. Im Rahmen einer fundamentalen Unternehmensbewertungen können die Multiplikatoren jedoch immer nur Anhaltspunkte für eine Plausibilitätskontrolle der Ergebnisse von kapitalwertorientierten Bewertungsverfahren bieten und können nicht an die Stelle einer vollständigen Unternehmensbewertung treten. Daher werden sie häufig unterstützend zur Planungsplausibilisierung herangezogen. Das Multiplikatorverfahren stellt eine relative Bewertungsmethode dar, bei der der Wert eines Unternehmens aus den Marktpreisen vergleichbarer Unternehmen gewonnen wird. Zielsetzung der marktorientierten Bewertungsverfahren ist es, mittels Multiplikatoren, die Marktbewertung einer Vergleichsgruppe von Unternehmen oder von vergleichbaren Transaktionen in Beziehung zu bestimmten Unternehmenskennzahlen zu setzen. Oder anders ausgedrückt: Der Unternehmenswert eines Zielunternehmens wird durch vergleichbare börsennotierte Unternehmen oder vergleichbare Unternehmenstransaktionen bestimmt, die bereits vom Kapitalmarkt bewertet wurden. Dabei werden alle bewertungsrelevanten Parameter in nur einer Größe, dem Multiplikator, verdichtet. Vor dem Hintergrund des Grundgedankens „similar assets should sell at similar prices“ wird dabei implizit unterstellt, dass zum einen Unternehmen sowie Marktpreise vergleichbar sind und zum anderen Marktpreise den Unternehmenswert widerspiegeln. Bei den diversen Vergleichsverfahren kommt eine Vielzahl von Multiplikatoren zum Einsatz, so dass ein Methodenpluralismus vorgetäuscht wird, der in der Realität aber nicht gegeben ist. Zur Bestimmung des Marktpreises des zu bewertenden Unternehmens sind Bezugsgrößen notwendig, die als Verbindungsglied zum Vergleichsunternehmen die ökonomische Basis des Unternehmenswertes repräsentieren.
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6 Bewertung immaterieller Vermögenswerte in der Medienbranche Die Vorgehensweise der marktorientierten Bewertung wird anhand folgender Abb. 6-5 illustriert.
Analyse
Multiplikatorenbildung
Auswahl
Wertermittlung
Informationsverdichtungsprozess
Ziele Identifikation der charakteristischen Eigenschaften des Zielunternehmens
Identifikation von börsennotierten Vergleichsunternehmen
Identifikation von Bezugsgrößen und Bildung von Multiplikatoren
Ermittlung einer Wertbandbreite
Quelle: Eigene Darstellung KPMG. Abb. 6-5: Vorgehensweise der marktorientierten Bewertung
Nach der Analyse der wirtschaftlichen Verhältnisse des Zielunternehmens, insbesondere der wesentlichen Werttreiber, sind darauf aufbauend geeignete Vergleichsunternehmen auszuwählen. Medienunternehmen können anhand folgender Kriterien verglichen werden, welche in folgender Abb. 6-6 dargestellt werden.
Operative Kriterien • Produkt-/Rechteportfolio • Geschäfts- und Marktrisiken • Kundenstruktur • Absatzgebiet/Territorien • Größe und Art des Geschäftsmodells • Reife des Mediensektors • Lebenszyklus des Unternehmens • Wertschöpfungstiefe und -breite • Rechte-/ Verwertungseigentum
Finanzielle Kriterien • Profitabilität/Gewinnmarge • Kapitalstruktur • Gesellschafterstruktur
Kapitalmarkt • • • •
Fungibilität der Anteile Free Float Steuersystem Rechnungslegungssystem • Ausgestaltung der Aktien (Stämme – Vorzüge)
Quelle: Eigene Darstellung KPMG Abb. 6-6: Kriterien zur Vergleichbarkeit von Unternehmen
Die Aussagefähigkeit der Multiplikatormethode als Bewertungsansatz hängt sehr stark von der sinnvollen Auswahl der Vergleichsunternehmen/-transaktionen und der kritischen Interpretation der Marktdaten ab. So ist im Rahmen der Auswahl zu differenzieren, ob das Geschäftsmodell eines Medienkonzerns z.B. lediglich auf Produktion oder die Ausstrahlung beschränkt ist oder ob eine vertikale Integration einzelner Stufen der Wertschöpfungskette vorliegt, was eine unterschiedliche
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Vera-Carina Elter Profitabilität und Margenstruktur und somit eine eingeschränkte Vergleichbarkeit nach sich zieht. Auch können unterschiedliche rechtliche bzw. vertragliche Ausgestaltungen wie z.B. die Tatsache, dass die Filmproduktionsunternehmen in Großbritannien im Gegensatz zu deutschen Produzenten häufig Verwertungsrechte zurückbehalten, Einfluss auf die Profitabilität und die Gewinnmarge haben. Ebenfalls nennenswert in diesem Zusammenhang ist die regionale Tätigkeit der einzelnen Vergleichsunternehmen. So können beispielsweise Medienunternehmen, die auf dem osteuropäischen Markt agieren, aufgrund der Wettbewerbssituation aktuell höhere Margen erzielen als Unternehmen, die z.B. auf dem deutschen Markt tätig sind. Die Wertermittlung erfolgt auf Basis von referenzspezifischen Multiplikatoren und einer entsprechenden Bezugsgröße des zu bewertenden Unternehmens. Als Bezugsgrößen kommen grundsätzlich sowohl finanzielle als auch nicht finanzielle Größen infrage. Zu den in der Praxis relevanten Größen gehören vor allem die Umsatzerlöse, EBITDA sowie EBIT. Auf Basis der definierten und zahlenmäßig hinterlegten Bezugsgrößen erfolgt die Ermittlung der Multiplikatoren aus der Division einer Unternehmenswertgröße der Vergleichsunternehmen im Zähler – entweder des Wertes des Eigenkapitals (Equity Value) oder des Gesamtkapitals (Entity Value) – durch die entsprechende Bezugsgröße des Vergleichsunternehmens im Nenner. Dabei umfasst der Gesamtkapitalwert neben dem Marktwert des Eigenkapitals auch die Nettofinanzverbindlichkeiten des Unternehmens (Net Debt). Einen Überblick gibt die nachfolgende Abb. 6-7.
Bezugsgröße vor Zinsen
Bezugsgröße nach Zinsen
Net Debt Entity Value Equity Value (Marktwert des Gesamtkapitals)
(Marktwert des Eigenkapitals)
Quelle: Eigene Darstellung KPMG. Abb. 6-7: Ermittlung von Unternehmensgesamtwert und Wert des Eigenkapitals
In Abhängigkeit der Zielgröße der marktorientierten Bewertung – d.h. je nachdem, ob ein Entity Value oder ein Equity Value ermittelt wird – können Multiplikatoren in Brutto- bzw. Nettomultiplikatoren eingeteilt werden, je nachdem ob die in die Multiplikatoren eingehenden Bezugsgrößen aus der Gewinn- und-Verlust-Rechnung vor Finanzierung (z.B. Umsatz, EBITDA, EBIT) oder nach Finanzierung (z.B. Jahresüberschuss) abzuleiten sind. Sofern sich das zu bewertende Unternehmen und die Vergleichsunternehmen deutlich in ihrem Verschuldungsgraden unterscheiden, sollten vorzugsweise Entity Value-Multiplikatoren angewendet werden, weil die Equity Value-Multiplikatoren vom Verschuldungsgrad beeinflusst sind. Im Rahmen des Multiplikatorverfahrens lassen sich auf Basis der Herkunft der Wertgröße im Zähler (Marktwert des Eigen- oder des Gesamtkapitals) so genannte Trading Multiples einerseits und Trans-
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6 Bewertung immaterieller Vermögenswerte in der Medienbranche action Multiples andererseits unterscheiden. Es stehen sich an der Börse gehandelte Aktienkurse (Trading) und auf dem Transaktionsmarkt für Unternehmen gezahlte Preise (Transactions) gegenüber. 27 Im Folgenden werden die in der Praxis am häufigsten angewandten Entity Value-Multiplikatoren und deren Vor- und Nachteile aufgezeigt. Der Entity Value/ Umsatz-Multiplikator wird auch als Sales Multiple bezeichnet. Die Bezugsgröße ist der Umsatz bzw. die Gesamtleistung laut GuV-Rechnung für ein Geschäftsjahr. Die Vorzüge dieses Multiplikators liegen zum Einen in einer einfachen Datenbeschaffung und darin, dass der Umsatz die GuV-Größe ist, die am wenigsten durch Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden beeinflusst wird. Deshalb ist der Sales-Multiple für internationale Vergleiche gut geeignet. Ferner kann die Methode auch angewendet werden, wenn eine Gewinngröße nicht bekannt ist, eine vorübergehende Verlustphase vorliegt (z.B. bei Start-up-Unternehmen) oder ein Wachstumsunternehmen überschlägig bewertet werden soll. Bei Start-up-Unternehmen kann jedoch die Anwendung von EV-Multiplikatoren zu Problemen führen, da wegen eines möglicherweise hohen Anteils an Fremdkapital, nach dessen Abzug vom Unternehmensgesamtwert ein negativer Wert des Marktwertes des Eigenkapitals resultieren würde. Zudem bleiben unterschiedliche Rentabilitäten bzw. Margen oder Burn-Rates zwischen dem zu bewertenden Unternehmen und den Vergleichsunternehmen ebenfalls unberücksichtigt, so dass derartige Multiplikatoren nur eine erste sehr überschlägige Wertvorstellung leisten können. Sehr häufig vorzufindende Bezugsgrößen bei der Multiplikatorenbewertung sind EBITDA und EBIT. Bei beiden handelt es sich um ein zins- und steuerbereinigtes Erfolgsmaß. Beim EBITDA werden zusätzlich die Abschreibungen auf das Anlagevermögen und die Firmenwertabschreibungen eliminiert, sodass diese Größe dem Cashflow sehr ähnlich ist und im Wesentlichen die operative Geschäftstätigkeit widerspiegelt. Die Verwendung der Bezugsgröße EBITDA hat zudem gegenüber der Bezugsgröße EBIT den Vorteil, dass unterschiedliche Abschreibungsmethoden der herangezogenen Medienunternehmen (z.B. beim Programmvermögen) keine Berücksichtigung finden und somit eine internationale Vergleichbarkeit besser möglich macht. Da EBIT und EBITDA sowohl den Eigen- als auch den Fremdkapitalgebern zustehen, führt die Anwendung dieser Multiplikatoren zur Ableitung eines Unternehmensgesamtwertes. Durch den parallelen Einsatz verschiedener Multiplikatoren kann zudem eine für Bewertungszwecke sinnvolle überschlägige Bandbreite eines Unternehmenswertes abgebildet werden. Vergleichsverfahren mögen in stabilen Märkten einen ersten Anhaltspunkt geben, aber in volatilen Märkten, ist eine ausschließliche Bewertung auf der Basis von Multiplikatoren problematisch und kann daher nur eine zusätzliche Plausibilisierung sein. Der Marktwert der Vergleichsunternehmen wird maßgeblich von langfristig vernachlässigbaren Faktoren (z.B. Unternehmensnachrichten von Branchenführern, Zinssenkungen) und von Zufälligkeiten beeinflusst. Dies führt in der Folge zu einem nicht kritikfreien Wert, denn niemand „garantiert“, dass die Vergleichsunternehmen zum Bewertungszeitpunkt „richtig“ bewertet sind. Abb. 6-8 und Abb. 6-9 verdeutlichen die entsprechende Entwicklung der EBIT und Umsatz (Sales) Multiplikatoren in den Mediensektoren Professional Publishing28, Consumer Publishing29 und Broadcasting von Oktober 2005 bis August 2009. Die Preisentwicklungen der dargestellten Sales- und EBIT-Multiples zeigen auch die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise ab dem Jahr 2008 auf den Mediensektor. Der Verlauf der 27
28 29
Die hier gewählten bzw. aufgezeigten Begrifflichkeiten werden in der Bewertungspraxis nicht zwangsläufig einheitlich gehandhabt. So lassen sich Trading Multiples einer Mindermeinung zufolge beispielsweise auch unter die Definition von Transaction Multiples subsumieren, und zwar mit der Begründung, dass auch der Handel nur einer Aktie letztlich als Transaktion bezeichnet werden kann. Unter Professional Publishing werden Verleger von Fachliteratur subsumiert, in der Regel Verlagsgruppen wie z.B. Vahlen Verlag oder Wolters Kluwers. Unter Consumer Publishing werden Verleger von Fiction Literatur oder Zeitungen/Zeitschriften subsumiert wie z.B. Random House oder AOL Time Warner.
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Vera-Carina Elter 19,0 17,0 15,0
Entity Value/EBIT
13,0 11,0 9,0 7,0 5,0 Okt Dez Feb Apr Jun Aug Okt Dez Feb Apr Jun Aug Okt Dez Feb Apr Jun Aug Okt Dez Feb Apr Jun Aug 05 05 06 06 06 06 06 06 07 07 07 07 07 07 08 08 08 08 08 08 09 09 09 09 Professional Publishing
Consumer Publishing
Broadcasting
Quelle: KPMG Research. Abb. 6-8: EBIT Multiples in verschiedenen Sektoren der Medienbranche
3,0
2,5
Entity Value/Umsatz
120
2,0
1,5
1,0
0,5 Okt Dez Feb Apr Jun Aug Okt Dez Feb Apr Jun Aug Okt Dez Feb Apr Jun Aug Okt Dez Feb Apr Jun Aug 05 05 06 06 06 06 06 06 07 07 07 07 07 07 08 08 08 08 08 08 09 09 09 09 Professional Publishing
Consumer Publishing
Broadcasting
Quelle: KPMG Research. Abb. 6-9: Sales Multiples in verschiedenen Sektoren der Medienbranche
dargestellten Multiplikatoren zeigt die Entwicklung der sinkenden Transaktionspreise, obwohl die Medienbranche ein Bereich ist, in dem ein Großteil der Transaktionen durch strategische Investoren getätigt wird und eine Reihe von Gesellschaftsanteilen großer Medienunternehmen überwiegend im Besitz von Privatfamilien sind (z.B. Bertelsmann, Bauer Verlag, Holtzbrinck). Denn die Finanz- und Wirtschaftskrise macht sich auch bei den strategischen Investoren bemerkbar, da die Banken auch bei ihnen das Kreditvolumen für Transaktionen bzw. Übernahmen reduziert haben. Die Krise führt dazu, dass die Schuldenmultiplikatoren der Kreditnehmer und damit die Risiken für die Kreditgeber steigen. In diesem Zusammenhang ist beobachtbar, dass, insgesamt deutlich weniger fremdfinanzierte Transaktionen stattfinden und dass bei stattfindenden Transaktionen der Eigenkapitalanteil weiter steigt.
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6 Bewertung immaterieller Vermögenswerte in der Medienbranche
6.5 Immaterielle Vermögenswerte in der Medienbranche Maßnahmen, Vermögenswerte oder Umstände, die einen Einfluss auf die Rendite eines Unternehmens haben, werden allgemein als Werttreiber bezeichnet. Es geht dabei um alle Maßnahmen, Vermögenswerte oder Umstände, die entweder die zukünftigen freien Unternehmenscashflows oder die Kapitalkosten des Unternehmens beeinflussen. Eine Systematisierung der Werttreiber kann anhand verschiedener Dimensionen erfolgen. Die Basis des Mediengeschäftes bilden häufig Rechte und Lizenzen in unterschiedlichen Ausprägungen und Ausgestaltungen so genannte immaterielle Vermögenswerte. Sie sind gleichzeitig die wichtigsten Werttreiber im Mediengeschäft. Die Bedeutung von immateriellen Vermögenswerten sowie die Wichtigkeit ihrer Messung ihres Wertes wird von den Erfindern der Balance Scorecard Kaplan und Norton wie folgt beschrieben: „Wer den Nutzen immaterieller Werte messen kann, hat den heiligen Gral des Rechnungswesens gefunden.“30 Immaterielle Werte sind für viele Firmen weitaus wertvoller als ihre materiellen Vermögensgegenstände. Immaterielle Werte sind eine wichtige Quelle nachhaltiger Wettbewerbsvorteile und somit wesentliche Werttreiber. Darüber hinaus existieren weitere erfolgskritische Werttreiber, welche jedoch für die Zwecke der bilanziellen Bewertung nicht unmittelbar erfasst werden, sondern andere Werttreiber direkt beeinflussen. Hierbei handelt es sich z.B. um Werttreiber Internet-basierender Geschäftsmodelle (Web 2.0) wie Nutzeranzahl, Nutzungsdauer und Page Impressions. Neben den branchenübergreifenden Bilanzierungs- und Bewertungsfragen, die alle Unternehmen gleichermaßen betreffen, wie die Bilanzierung und Bewertung von Pensionsrückstellungen oder latente Steuern, existieren in der Medienbranche eine Reihe von branchentypischen Fragestellungen, die sich insbesondere auf die verschiedenen immateriellen Vermögenswerte wie (Vermarktungs-)Rechte und Lizenzen beziehen. Für die Medienbranche spielen verschiedene Arten von Rechten eine Rolle. Dies betrifft in der Medienbranche insbesondere Film- und Fernsehrechte sowie mediale Sportrechte, die im Wesentlichen das Programmvermögen eines TV-Senders oder den Rechtestock eines Filmproduzenten bzw. Rechtehändlers ausmachen. Im Verlags- bzw. Publizitätsbereich sind dies vor allem die Verlags-, Titel- und Belieferungsrechte, die einem Herausgeber zur Verwertung bereit stehen. Bei diesen immateriellen Vermögenswerten steht im Gegensatz zu idealtypischen materiellen Vermögenswerten nicht die physische Substanz des Buches oder des Film- bzw. Tonträgers im Vordergrund, sondern die umfassenden Verwertungsmöglichkeiten des Rechts an den Inhalten.
6.5.1 Beschreibung ausgewählter immaterieller Vermögenswerte 6.5.1.1 Verlags-, Titel- und Belieferungsrechte Unter einem Verlagsrecht wird das exklusive Recht verstanden, ein bestimmtes Werk (z.B. im Bereich der Literatur oder Musik) vervielfältigen und verbreiten zu dürfen. Es ist somit ein Nutzungsrecht, das in den Schutzbereich des Urheberrechts fällt. Inhaber des Verlagsrechts ist zunächst der Urheber (z.B. der Autor oder der Komponist). Der Urheber kann das Verlagsrecht an eine andere Person vergeben, z.B. an einen Verlag. Der Inhaber des Verlagsrechts ist dann zur Verwertung des Rechts in buchtypischer Printform berechtigt. Im Gegensatz dazu betreffen Titelrechte das Recht an der verwendeten Bezeichnung des veröffentlichten Werks. Sie stellen einen Schutz des Titels vor Nachahmung dar. Belieferungsrechte hingegen garantieren dem Rechteinhaber die Möglichkeit zur Verbreitung eines Titels in Bezug auf ein bestimmtes Vertriebsgebiet, auf bestimmte Kunden oder auf eine bestimmte Zeit. Beispielsweise stellen Abonnentenstämme oder das Recht eines Grossisten auf exklusive Belieferung von Einzelhändlern mit bestimmten Zeitschriften in einem festgelegten Gebiet Belieferungsrechte dar.31 30 31
Vgl. Kaplan/Norton (2004), S. 19. Vgl. KPMG (2008), S. 9.
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6.5.1.2 Programmvermögen im Allgemeinen Das Programmvermögen bei Fernsehsendern beinhaltet als Sammelbegriff in der Regel Spielfilme, Serien, Shows sowie sonstige ausstrahlungsfähige Produktionen, mit denen das Fernsehprogramm des Senders gestaltet wird. Ähnliches gilt für Rechtehändler, die derartige Produktionen als Filmvermögen zur weiteren Verwertung vorhalten. Im Zusammenhang mit den einzelnen Rechten auf denen diese Teile des Programmvermögens beruhen, spricht man auch von Filmrechten oder (Film-)Lizenzen. Die Filmrechte umfassen dabei diejenigen mit einem Filmwerk bzw. einer Sendung verbundenen Rechte, die ein Fernsehsender zu deren Verwertung im Markt besitzen muss. Demgegenüber ist das Filmwerk selbst ein urheberrechtlich geschütztes Werk (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG). Das Filmrecht stellt lediglich einen Teil der mit dem Urheberrecht verbundenen Rechte des Filmwerks dar. Als eigentlicher Urheber des Filmwerks gilt der Regisseur, jedoch werden in der Regel der Produktionsfirma vertraglich alle mit dem Filmwerk verbundenen Nutzungs- und Verwertungsrechte eingeräumt. Außerdem erhält die Produktionsfirma durch ihre Finanzierungs- und Organisationstätigkeit ein Leistungsschutzrecht (§ 94 UrhG), das ihr unabhängig von den bestehenden Rechten der Urheber die Vervielfältigung und Verwertung des Filmwerks erlaubt. Zur Herstellung des Filmwerks genutzte vorangehende Werke wie beispielsweise Drehbuch, Romanvorlage oder Musikstück sind urheberrechtlich separat geschützt und daher nicht Teil des Filmwerks. Der Erwerb derartiger Filmrechte geschieht in der Regel in Form eines Film- bzw. Fernsehlizenzvertrages beispielsweise mit Lizenzhändlern oder von Produktionsvereinbarungen mit Produzenten. Im Lizenzvertrag werden dabei unter anderem Art und Höhe der Lizenzvergütung, das Ausstrahlungsgebiet, die Ausstrahlungszeit, die Anzahl der Ausstrahlungen sowie die Verwertungsform festgelegt.32
6.5.2 Erworbene Immaterielle Vermögenswerte im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses Neben ihrer Bedeutung für die Unternehmenssteuerung fließen die immateriellen Vermögenswerte aber auch zunehmend in die Konzernabschlüsse insbesondere nach IFRS und US-GAAP vor allem börsennotierter Gesellschaften ein. Insbesondere im Rahmen von Unternehmenszusammenschlüssen fließen bisher nicht bilanzierte immaterielle Vermögenswerte, z.B. Marken, Kundenbeziehungen, patentierte und nicht patentierte Technologien, in die Bilanzen der Unternehmen und beeinflussen über die aus der Aktivierung resultierenden Abschreibungen die Jahresergebnisse in nicht unerheblichem Maße. Im Rahmen der Bilanzierung von Unternehmenszusammenschlüssen i.S.d. IFRS 3 stellt die Identifizierbarkeit das Abgrenzungskriterium zwischen den separat anzusetzenden immateriellen Vermögenswerten und dem Goodwill dar. Das Kriterium der Identifizierbarkeit ist gem. IAS 38.12 erfüllt, sofern der immaterielle Vermögenswert separierbar ist, d.h. er kann von dem Unternehmen getrennt und somit verkauft, übertragen, lizenziert, vermietet oder getauscht werden. Dies kann einzeln oder in Verbindung mit einem Vertrag, einem Vermögenswert oder einer Schuld erfolgen. Ferner gilt er als identifizierbar, sofern er alternativ aus vertraglichen oder anderen gesetzlichen Rechten entsteht, unabhängig davon, ob diese Rechte vom Unternehmen oder von anderen Rechten und Verpflichtungen übertragbar oder separierbar sind. Die Identifikation der immateriellen Vermögenswerte folgt dem vorgegebenen Katalog von IFRS 3 bzw. SFAS 141, wonach immaterielle Vermögenswerte in folgenden Gruppen exemplarisch aufgeteilt werden mit den jeweilig potenziell denkbaren immateriellen Vermögenswerten. Die Aufzählung ist nicht als abschließende Darstellung zu verstehen, sondern führt eine exemplarische Liste der zu beobachtenden immateriellen Vermögenswerte in der Medienbranche auf. Eine differenziertere Darstellung der immateriellen Vermögenswerte wird in den meisten Fällen bei den bilanzierenden Unternehmen nicht vorgenommen. In der Berichterstattung der Unternehmen erfolgt zumeist eine Darstellung in der aus Abb. 6-10 ersichtlichen Typisierung und entsprechender Gruppierung. 32
Vgl. KPMG (2008), S. 17.
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6 Bewertung immaterieller Vermögenswerte in der Medienbranche Marketingbezogene immaterielle Vermögenswerte
Kundenbezogene immaterielle Vermögenswerte
Vertragsbezogene immaterielle Vermögenswerte
Technologiebezogene immaterielle Vermögenswerte
Kunstbezogene immaterielle Vermögenswerte
Markenrechte, Markennamen Servicemarken, Schutzrechte Aufmachung und Design Zeitschriftenund Zeitungstitel Wettbewerbsunterlassungsvereinbarungen (Wettbewerbsverbote) Internetdomainnamen
Kundenlisten Auftrags- und Produktionsrückstände Kundenverträge und damit verbundene (nicht vertragliche) Kundenbeziehungen
Lizenzen, Tantiemen, Stillhaltevereinbarungen Werbe-, Konstruktionsmanagement, Dienstleistungsverträge, Abonnentenstämme Vertragsbeziehungen zu Anzeigenkunden Leasingverträge Franchiserechte Betriebs- und Sendegenehmigungen Verlags-, Belieferungs- und Distributionsrechte Schuldenbedienungsrechte durch Dritte Dienstverträge
Patentierte Technologien Nicht rechtlich geschützte Technologien Datenbanken Geschäftsgeheimnisse (Formeln, Prozesse und Rezepte)
Theaterstücke, Opern Bücher, Zeitschriften, Zeitungen Kompositionen, Liedtexte, Werbemelodien Gemälde, Fotografien Videoaufzeichnungen, Filme, TV-Sendungen
Quelle: Eigene Darstellung KPMG. Abb. 6-10: Liste idealtypischer immaterieller Vermögenswerte in der Medienbranche
6.6 Immaterielle Vermögenswerte als Werttreiber bei Transaktionen 6.6.1 Die Abbildung von immateriellen Vermögenswerten im Allgemeinen Die bilanzielle Abbildung von Unternehmenszusammenschlüssen („Business Combinations“) in der internationalen Rechnungslegung nach US GAAP und IFRS hat bereits mit der Einführung des SFAS 141 im Jahr 2001 sowie des IFRS 3 i.V.m. IAS 38 im Jahr 2004 eine deutliche Veränderung erfahren, deren Auswirkung auf die Bilanzierung immaterieller Vermögenswerte auch nach der Neufassung des IFRS 3 (2008) fortbesteht. Verantwortlich hierfür ist die gem. IFRS 3 (2004) verpflichtende Anwendung der Erwerbsmethode, die den Erwerber dazu zwingt, sämtliche erworbene Vermögenswerte, Schulden und Eventualschulden zu deren beizulegendem Zeitwert („Fair Value“) zum Zeitpunkt der Erlangung der Kontrolle anzusetzen. Diese Verpflichtung gilt im Hinblick auf immaterielle Vermögenswerte trotz der grundsätzlichen Änderung der Bilanzierungskonzeption für Unternehmenszusammenschlüsse auch unter IFRS 3 (2008) fort, da grundsätzlich sämtliche
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Vera-Carina Elter erworbenen, immateriellen Vermögenswerte zum Fair Value anzusetzen sind (vgl. IFRS 3 (2008).10 und.18) und im Hinblick auf immaterielle Vermögenswerte keine generellen Ausnahmetatbestände gegeben sind (vgl. IFRS 3 (2008).21 ff.). Dies führt dazu, dass nicht nur stille Reserven in den materiellen Vermögenswerten in voller Höhe aufzudecken sind, sondern insbesondere auch bislang beim übernommenen Unternehmen nicht bilanzierungsfähige immaterielle Vermögenswerte, wie bspw. Firmen- und Produktmarken, Patente oder auch Technologien erstmalig zu bewerten und anzusetzen sind. Entsprechend hat die Transaktionswelle der vergangenen Jahre das Bilanzbild der Konzerne nach IFRS und US GAAP stark geprägt. So wurden bspw. im IFRS Konzernabschluss der ProSiebenSat.1 Media AG nach dem Erwerb der SBS Gruppe zum 31. Dezember 2007 für einen Kaufpreis von rd. EUR 3,3 Mrd. allein rund EUR 884 Mio. an immateriellen Vermögenswerten ausgewiesen.33 Zum anderen wurde im Rahmen der Erstkonsolidierung von SBS ein Geschäfts- oder Firmenwert von EUR 2.363 Mio. aktiviert. Dies bleibt nicht ohne Folgen, da immaterielle Vermögenswerte zukünftiges Abschreibungsvolumen repräsentieren, welches über die ökonomische Restlaufzeit abgeschrieben wird und folglich zu jährlichen Ergebnisbelastungen führt. Dieser Effekt ist bei vielen Konzernlenkern nicht sehr beliebt, da doch gerade nach Unternehmensübernahmen vorzugsweise höhere und nicht niedrigere Ergebnisse des vergrößerten Konzerns ausgewiesen werden sollen. Gerade in Zeiten des konjunkturellen Aufschwungs wird das Risiko zukünftiger außerplanmäßiger Abschreibungen auf den Geschäftswert oft als gering eingeschätzt. Die aktuelle wirtschaftliche Lage zeigt jedoch auch deutlich die damit verbundenen Risiken. Insgesamt zeigt sich über alle Branchen hinweg bei der Verteilung des immateriellen Vermögens ein signifikanter Anteil des Goodwills. Dies mag nicht zuletzt daran liegen, dass im Rahmen von Ermessensspielräumen eine Verteilung des Kaufpreises eher zugunsten des Goodwills erfolgt, um die planmäßige Abschreibung aus den vom Goodwill separat zu bilanzierenden immateriellen Vermögenswerten möglichst gering zu halten. Neben der Tatsache, dass der Nichtansatz identifizierbarer Vermögenswerte einen Verstoß gegen IFRS 3 darstellt, erscheint diese Strategie fragwürdig, da hierdurch die planmäßige Verteilung des Abschreibungsvolumens gegen das Risiko „getauscht“ wird, in Zeiten des konjunkturellen Abschwungs materielle außerplanmäßige Abschreibungen auf den Geschäftswert zu verbuchen. Abb. 6-11 zeigt beispielhaft eine Kaufpreisallokation bei einem fiktiven Kaufpreis in Höhe von EUR 100 Mio. Unabhängig von bilanzpolitischen Motiven, stellen erfahrungsgemäß bereits sowohl die Identifikation als auch die Bewertung der immateriellen Vermögenswerte für den bilanzierungspflichtigen Erwerber und das übernommene Unternehmen eine große Herausforderung dar. Da für immaterielle Vermögenswerte aufgrund ihrer Individualität in der Regel keine Marktpreise beobachtbar sind, werden die beizulegenden Zeitwerte in der praktischen Umsetzung überwiegend mit Hilfe von kapitalwertorientierten Bewertungsverfahren bestimmt. Hiernach ergibt sich der Wert eines Vermögenswertes aus dem Barwert der künftigen Zahlungsüberschüsse (Discounted Cash Flows) zum Bewertungsstichtag, die dem bilanzierenden Unternehmen während der erwarteten wirtschaftlichen Nutzungsdauer und gegebenenfalls aus einem späteren Abgang voraussichtlich zufließen werden. Hierfür sind Prognosedaten wie bspw. ökonomische Laufzeiten oder zukünftig erwartete Margen abzuleiten. Derartige Annahmen können nicht ohne branchenspezifische Kenntnisse getroffen werden, da jede Branche ihre eigenen Wettbewerbsstrukturen, Gesetzmäßigkeiten und Werttreiber aufweist. Mittlerweile liegen umfangreiche praktische Erfahrungen bei der Abbildung von Unternehmenszusammenschlüssen nach der Erwerbsmethode vor. Die Abbildung solcher bereits erfolgter Zusammenschlüsse im Konzernabschluss ermöglicht den bilanzierenden Unternehmen im Falle eigener Transaktionen eine erste Orientierung hinsichtlich der zu erwartenden bilanziellen Auswirkungen, schafft andererseits aber auch ein gewisses Präjudiz für die Identifikation und den relativen Anteil der immateriellen Vermögenswerte gemessen am Kaufpreis in der jeweiligen Branche. Eine Entsprechung mit den Ergebnissen anderer Unternehmenszusammenschlüsse in derselben Branche bedeutet zwar nicht ohne weiteres, dass dies auch für den vorliegenden Einzelfall zutreffend sein muss. Umgekehrt erscheint es zumindest erläuterungsbedürftig, warum im vorliegenden Fall für die Branche typische 33
Vgl. ProSiebenSat.1 Media AG (2008), S. 38.
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6 Bewertung immaterieller Vermögenswerte in der Medienbranche Materielle Vermögenswerte EUR 10 Mio. Software EUR 2 Mio. Summe Fair ValueAnpassungen EUR 25 Mio.
Technologie EUR 1 Mio.
Kaufpreisüberschuss
Kundenbeziehung EUR 10 Mio.
EUR 40 Mio.
Latente Steuern EUR 7,5 Mio. Marke EUR 2 Mio.
Verbleibender Goodwill EUR 22,5 Mio.
Kosten des Unternehmenszusammenschlusses EUR 100 Mio. abzüglich erworbenem Eigenkapital EUR 60 Mio. (Buchwert)
Quelle: Eigene Darstellung KPMG. Abb. 6-11: Beispiel einer idealtypischen Kaufpreisallokation
immaterielle Vermögenswerte gerade nicht, dafür evtl. aber andere identifiziert wurden und/oder die Wertrelationen der identifizierten immateriellen Vermögenswerte zum Kaufpreis signifikant von den Ergebnissen anderer Kaufpreisallokationen in der Branche abweichen. Gerade auch die beteiligten Wirtschaftsprüfer, die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung, sowie Analysten und Investoren werden sich an den bisherigen Erfahrungen orientieren und entsprechende kritische Nachfragen stellen. Vor dem Hintergrund der vorstehend beschriebenen Bedeutung immaterieller Vermögenswerte und den Herausforderungen bei ihrer Identifikation und Bewertung hat KPMG im Rahmen einer Studie ausgewählte Transaktionen mit dem Ziel ausgewertet, eine Orientierungshilfe bei der Abbildung von Unternehmenszusammenschlüssen in verschiedenen Branchen zu geben. Dabei wurde der Versuch unternommen, typische branchenspezifische Identifikationsergebnisse für immaterielle Vermögenswerte herauszuarbeiten und diese anhand der grundlegenden Wertschöpfungsprozesse in der jeweiligen Branche zu erklären. Für die Untersuchungen und Erläuterungen wurden ca. 340 ausgewählte Transaktionen im Zeitraum von 2003 bis 2007 auf Basis öffentlich zugänglicher und nicht öffentlich zugänglicher Informationen ausgewertet.34
6.6.2 Die Abbildung von immateriellen Vermögenswerten in der Medienbranche Abb. 6-12 veranschaulicht die Bedeutung immaterieller Vermögenswerte in der Medienbranche. So belief sich das durchschnittliche Verhältnis (Median) von immateriellen Vermögenswerten zu den Kosten des Unternehmenszusammenschlusses aller untersuchten Transaktionen in der Medienbranche 34
Quelle: KPMG Research (2009a).
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Vera-Carina Elter Entertainment & Media – Anteil der einzelnen immateriellen Vermögenswerte an den Kosten des Unternehmenszusammenschlusses (Median)
Technologiebezogene immaterielle Vermögenswerte
4,8%
Vertragsbezogene immaterielle Vermögenswerte Kundenbezogene immaterielle Vermögenswerte
9,4%
7,6%
Marketingbezogene immaterielle Vermögenswerte Nicht weiter spezifizierte immaterielle Vermögenswerte
20,0%
6,0%
Quelle: KPMG (2009 a). Abb. 6-12: Anteil immaterieller Vermögenswerte an den Kosten des Unternehmenszusammenschlusses in der Medienbranche
auf nahezu 48 %. Hierbei stehen die marketing- sowie die vertrags- und kundenbezogenen immateriellen Vermögenswerte im Vordergrund. Die beobachteten Transaktionen beziehen sich zum Großteil auf die Sektoren • Print & Publishing sowie • Film, Fernsehen und Radio. Als Basis für das operative Geschäft von Medienunternehmen kristallisieren sich Unternehmens- und Produktmarken sowie vertraglich gesicherte Rechte/Lizenzen bzw. vertraglich gesicherte Distributions- und Einspeiseverträge heraus. Diese sind genauso wie die kundenbezogenen immateriellen Vermögenswerte (Werbekunden, Abonnenten etc.) als Werttreiber für die Medienunternehmen von entscheidender Bedeutung. Dies verdeutlicht auch Abb. 6-12, in der die marketingbezogenen immateriellen Vermögenswerte in Abhängigkeit von den Kosten des Unternehmenszusammenschlusses den größten Anteil an den Kosten des Unternehmenszusammenschlusses haben. Die vertragsbezogenen immateriellen Vermögenswerte folgen an zweiter Stelle noch vor den kundenbezogenen immateriellen Vermögenswerten. Die Differenzierung der Identifikation der immateriellen Vermögenswerte als zentrale Werttreiber begründet sich in der Unterschiedlichkeit der Geschäftsmodelle der zwei betrachteten Subsektoren. Auf der Basis der Auswertungen von KPMG ist für den Bereich Print & Publishing eine charakteristische Struktur von immateriellen Vermögenswerten zu beobachten. An der Darstellung der Werttreiber von Transaktionen im Print & Publishing-Bereich lässt sich erkennen, dass auf Grund des Konsolidierungs-
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6 Bewertung immaterieller Vermögenswerte in der Medienbranche drucks in der Branche und des in vielen Segmenten gesättigten Marktes die wichtigsten immateriellen Vermögenswerte unmittelbar mit den primären Umsatzquellen, den Werbe- und Vertriebs- sowie den Abonnentenerlösen aus Kundenbeziehungen zusammenhängen. Damit verbunden ist häufig die Strategie des horizontalen bzw. des diagonalen Wachstums und dem Cross Media-Ansatz. Mit dem horizontalen Wachstum wird bezweckt, dass die bereits bestehenden Wertschöpfungsstufen ausgeweitet werden. Diese Strategie erlaubt es Medienunternehmen in erster Linie Skaleneffekte („Economies of Scale“) in Produktion und Distribution zu erzielen oder auch Synergien im Bereich Verwaltung und Personal zu nutzen (siehe hierzu auch Kapitel 0). Mit einer diagonalen oder lateralen Wachstumsstrategie, also der Ausweitung der Geschäftstätigkeit in neue Felder, kann ein Medienunternehmen Risiken diversifizieren und neue Geschäftsfelder erschließen. Vor diesem Hintergrund sind Transaktionen im Bereich Print & Publishing auf Erwerberseite häufig durch Motive, wie die zusätzliche Generierung von Abonnenten und/oder Werbekunden (horizontal) bzw. die Gewinnung neuer Geschäftsfelder im entgeltpflichtigen Abonnementgeschäft (diagonal bzw. crossmedial) getrieben. Die ebenfalls hohe Bedeutung von Markennamen für Magazine und Zeitschriften-/Zeitungstitel ist Ausdruck der aktuellen Marktlage. Während sich die Verlagsunternehmen grundsätzlich bei der Einschätzung der Marktentwicklung verhalten zeigen, sind die Aussichten im Internetbereich oft positiver. Vor diesem Hintergrund erwarten die Verlage in ihrem Kerngeschäft relative Umsatzrückgänge und eine teilweise Verlagerung auf internetbasierte Geschäfte. Bei den Akquisitionen von Unternehmen des Print & Publishing-Bereichs in den Internetbereich bzw. in andere Geschäftsfelder spielen daher in erster Linie das Image sowie die Marke und die USP (Unique Selling Proposition) eine wichtige Rolle. So geht es den Verlagen verstärkt um ihre Präsenz im Internet und damit einhergehende größtmögliche Verbreitung der eigenen Marke (siehe hierzu auch Kapitel 6.2.2). Diese Strategien lassen sich in den untersuchten Transaktionen ablesen, da die Bedeutung der markenrelevanten immateriellen Vermögenswerte im Verhältnis zu den Kosten des Unternehmenszusammenschlusses bereits jetzt sehr hoch ist und eine Reihe von Transaktionen von Überlegungen zur Markenrelevanz bzw. Markendehnung beflügelt werden. Die folgende Abb. 6-13 fasst die wesentlichen Werttreiber im Bereich Print & Publishing zusammen.
Werttreiber Print & Publishing
Klassifizierung des immateriellen Vermögenswerts
Abonnentenstamm für Magazine, Zeitschriftenund Zeitungstitel
Kundenbezogen
Anzeigenkunden bzw. Kunden der Werbeindustrie
Kundenbezogen
Markennamen von Magazinen, Zeitschriften- und Zeitungstiteln
Marketingbezogen
Domainnamen
Marketingbezogen
Quelle: KPMG (2009 a). Abb. 6-13: Werttreiber im Bereich Print & Publishing
Die hohe Bedeutung von Markennamen ist im Bereich der Film-, Fernseh- und Radiounternehmen noch stärker ausgeprägt. In diesem Subsegment sind die marketingrelevanten Vermögenswerte der zentrale Werttreiber bei Unternehmenserwerben. Die zunehmende Digitalisierung fordert die gesamte Kommunikations-/Medienindustrie heraus. Infrastruktur-, Content- und Telekommunikationsunternehmen werden zu Multimediaanbietern und kämpfen mit Triple oder gar Quadruple Play-Angeboten um die Gunst der Kunden. Erstmals seit mehr als zwei Dekaden sinkt der tägliche Fernsehkonsum zugunsten des Internetkonsums. Durch die zunehmende Angebotsvielfalt und die damit verbundene Individualisierung von Angebot und Nutzung ändert sich analog dazu auch das Mediennutzungsverhalten. Vor diesem Hintergrund steigt für die Kunden der Bedarf an Navigation und Orientierung, welche durch Markenbekanntheit und Markenstärke der Medien aufgebaut werden.
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Vera-Carina Elter Die markenrelevanten immateriellen Vermögenswerte nehmen daher im Rahmen von Transaktionen bei Film-, Fernseh- und Radiounternehmen den höchsten Stellenwert ein, da durch sie Vertrauen beim Endkunden bzw. eine USP in der Angebotsvielfalt geschaffen werden. Vertraglich gesicherte Rechte und Lizenzen stellen weitere immaterielle Vermögenswerte und wesentliche Werttreiber für Transaktionen im Film-, Fernseh- und Radiobereich dar. Dabei stehen vor allem Premiuminhalte im Sportbereich im Mittelpunkt der Betrachtung. Beispielsweise bringt die Übertragung wichtiger exklusiver Sportereignisse, i.d.R. auf Grund der Aktualität, einen enormen Image-Gewinn und erhöht die Bindung der Zuschauer an den Sender. Das gilt insbesondere für die in der Werbebranche sehr begehrten jungen männlichen Zuschauer. Nur mit der Übertragung von Premium-Content können derzeit hohe Einschaltquoten und Marktanteile erzielt werden. Derartige Rechte sind für Programmveranstalter daher wesentliche Werttreiber, da sich mit den Senderechten in der Medienlandschaft Marktanteile verschieben lassen und diese ein erhebliches Differenzierungsmerkmal darstellen. Ähnliches gilt für exklusive Filmrechte bzw. Blockbuster-Filme. Neben den vertragsbezogenen immateriellen Vermögenswerten, die sich auf die Nutzung der Inhalte beziehen, stellen vertragliche Rechte, die die Distribution zu den Endkunden regeln bzw. den Zugang zu diesen sichern, einen weiteren bedeutenden Werttreiber dar. Dieses bezieht sich bei Fernseh- und Radiounternehmen im Wesentlichen auf Rundfunklizenzen bzw. Frequenzrechte und Kabelbelegungsrechte. Vor dem Hintergrund, dass die Landesmedienanstalten über die Zuordnung und Nutzung der Übertragungskapazitäten, die zur Verbreitung von Rundfunk dienen, bestimmen, erlangt dieses Zuordnungsrecht für analoge, digitale und terrestrische Frequenzen bzw. für Kabelübertragungen eine hohe Bedeutung. Während bspw. bei einer digitalen Ausstrahlung die Anzahl der Sendeplätze im Kabelbereich fast unbegrenzt ist, stellt der analoge Kabelplatz auf Grund der begrenzten Verfügbarkeit bis zur vollständigen Digitalisierung noch ein knappes Gut dar. Daher sind diese vertraglichen immateriellen Vermögenswerte ein zentraler Werttreiber für die Distribution von Medieninhalten und spielen bei Transaktionen eine entsprechende Rolle. Die folgende Abb. 6-14 fasst die wesentlichen Werttreiber im Bereich Film, Fernsehen und Radio zusammen.
Zentrale Werttreiber Film, Fernsehen und Radio
Klassifizierung der immateriellen Vermögenswerte
Fernsehsender-/Radiosendernamen
Marketingrelevant
Unternehmensnamen
Marketingrelevant
Kabeleinspeiseverträge, analoge Senderechte im Kabel
Vertragsbezogen
Rechte und Lizenzen für Content
Vertragsbezogen
Quelle: KPMG (2009a). Abb. 6-14: Werttreiber im Bereich Film, Fernsehen & Radio
6.7 Ausgewählte Planungs- und Bewertungsthemenstellungen in der Medienbranche 6.7.1 Planungsthemenstellungen Ein integriertes Planungssystem sowie ein in sich stimmiger Businessplan sind wesentliche Voraussetzungen für alle Arten der Bewertung. Im Rahmen von Unternehmensbewertungen und auf der Ebene einzelner Vermögenswerte kommt daher der Analyse und der Plausibilisierung von Businessplänen eine hohe Bedeutung zu und setzt neben einem genauen Prozessverständnis der Unternehmensplanung
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6 Bewertung immaterieller Vermögenswerte in der Medienbranche auch detaillierte Branchenkenntnisse voraus. Das gilt gerade für Krisenzeiten, wenn die Zukunftsaussichten mit Unsicherheiten behaftet und oft nur kurzfristige Prognosen möglich sind. Während einer Wirtschaftskrise erweisen sich verlässliche Zukunftsaussagen als besonders wichtig und zugleich besonders schwierig – gerade für die Medienbranche, die durch den technologischen Wandel und Konvergenzentwicklungen einer extremen Schnelllebigkeit und ständigen Veränderungen unterworfen ist. Die Entwicklung der Medienbranche ist daher noch schwerer zu analysieren und zu prognostizieren als in weniger bewegten Zeiten. Bei der Erstellung und der Plausibilisierung von Businessplänen in der Medienbranche müssen insbesondere Themen wie Brutto-Netto-Schere, Digitalisierung, Infrastruktur- oder Verdrängungswettbewerb und die Auswirkungen oder Gefahren sowie die damit verbundenen Entwicklungen zutreffend eingeschätzt und beurteilt werden. Die Entwicklung des Werbemarkts spielt bei der Erstellung oder Plausibilisierung eines Businessplans in der Medienbranche eine entscheidende Rolle. Die Branche ist von den Einbrüchen der Werbespendings, die ein Frühindikator für wirtschaftliche Abschwünge sind, unmittelbar und umgehend betroffen. Im Umkehrschluss profitiert sie jedoch als erste davon, wenn es konjunkturell wieder bergauf geht. Die Plausibilisierung beurteilt unter anderem, ob die zukünftigen Ertragsaussichten in sich stimmig sind sowie sachlich und rechnerisch richtig aus den Annahmen abgeleitet wurden. Dabei kann es sich um unternehmensinterne Annahmen und Prämissen im operativen Geschäft wie auch bei der Finanzierung handeln oder um Annahmen, die auf allgemeinen Markt- und Branchenentwicklungen beruhen. Ziel der Planungsplausibilisierung ist es, ein Urteil darüber abzugeben, ob die Planung nachvollziehbar und konsistent abgeleitet ist. Dazu müssen Informationen aus der Vergangenheit sowie Entwicklungen des relevanten Markt- und Wettbewerbsumfeldes von Fernsehen, Verlagen sowie den Neuen Medien berücksichtigt werden. Weiterhin müssen aktuelle Erkenntnisse zu den jeweiligen operativen Risiken und den Finanzierungsrisiken sowie zu den Unternehmensstrategien einbezogen werden. Folgende Faktoren sind bei der Erstellung oder Plausibilisierung eines Businessplans in der Medienbranche zu beachten: Allgemeine branchenspezifische Faktoren • Mengen- und preismäßige Entwicklung der Absatz- und Beschaffungsmärkte (zum Beispiel Papierpreise, Brutto-Netto-Schere, Rabattwettbewerb bei Werbebuchungen) • Wertschöpfungstiefe (integrierte Medienkonzerne mit Produktion und Verwertung versus singuläre Verwerter beziehungsweise reine TV-Produzenten) • Zunehmender Konsolidierungsdruck im traditionellen Print- oder TV-Bereich durch verändertes Mediennutzungsverhalten, stagnierende Erlöse und steigende Kosten (bei Verlagen zum Beispiel sinkende Anzeigenerlöse insbesondere durch Rückgänge im Rubriken- und Kleinanzeigenmarkt) • Käufer- oder Verkäufermarkt sowie Verhandlungsstärke auf dem Markt (zum Beispiel Grossovertrieb, Auftragsproduktionen) • Anteilsverhältnisse zwischen Vertriebs- und Anzeigenerlösen und deren Konjunkturabhängigkeit • Diversifizierungsdruck: Medienhäuser müssen sich den wandelnden Mediennutzungsgewohnheiten – unter anderem erhöhte Interaktivität durch Web-2.0-Angebote – anpassen und sich zu integrierten Medienunternehmen entwickeln, die sämtliche Kommunikationskanäle vereinen • Programminvestitionen insbesondere in „speziellen Sportjahren“ (z.B. Fußball-Weltmeisterschaft, Olympische Spiele) • Medienkonsum: stagnierende durchschnittliche Sehdauer gegenüber zunehmendem Internetkonsum
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Vera-Carina Elter • Ungleichgewicht des Mediennutzungsverhalten gegenüber derzeitiger Verteilung der Werbespendings • Neue Gewichtung der Werbespendings nach Produktarten (Rückgang der Werbespendings für hochpreisige Industriegüter zugunsten von „Fast Moving Consumer Goods“) • Zunehmende Digitalisierung, dadurch Verminderung analoger Verbreitungskosten • Durch die vollständige Digitalisierung ab dem Jahr 2012 Eintritt von neuen Sendern in den Markt; dadurch weitere Diversifizierung des TV-Marktes, Zersplitterung der Zielgruppen und sinkende Werbeeinnahmen bei einzelnen Sendern • Wachsender Konkurrenzdruck: Medienunternehmen konkurrieren nicht mehr nur mit Unternehmen des eigenen Mediensegments, sondern durch die steigende Internetnutzung sowie das zunehmende Angebot von Online-Inhalten auch mit zahllosen Content- und Infrastrukturanbietern • Wechselkursentwicklungen (zum Beispiel bei grenzüberschreitenden Medienkonglomeraten oder bei hohem Anteil von Outputdeals mit amerikanischen Filmstudios) • Länge des Windowings35 Unternehmensbezogene Faktoren • Expand-your-Brand versus Expand-your-Business-Strategien • Impairment-Risiken von Goodwill und/oder Beteiligungen aufgrund früherer Transaktionen • Investitionsmaßnahmen, einschließlich Erwerb oder Veräußerung von Beteiligungen und/oder Unternehmensteilen (etwa von Regionalverlagen) • Veränderungen in der Unternehmensstrategie (unter anderem durch Konsolidierung im traditionellen Printgeschäft; Diversifizierungsmaßnahmen im Onlinebereich) • Fokus auf Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen (zum Beispiel Schaffung und Ausbau von zentralen Redaktionen/Newsrooms, Zusammenlegung von Redaktionen, Zentrale Anzeigenvermarktung für Print- und Online-Werbung) • Kosteneinsparungen bei der Auftragsvergabe an unabhängige TV-Produzenten aufgrund sinkender Werbeerlöse • Aktueller Finanzierungsstatus sowie Entwicklung der Zins- und Tilgungskonditionen Rechtliche Faktoren • Neue Gewinnspielsatzungen/Glücksspielregelungen im TV, die sich auf das Transaktionsfernsehen auswirken • Glücksspielstaatsvertrag • Filmförderungsgesetze
6.7.2 Ansatz von immateriellen Vermögenswerten im Rahmen von Unternehmenszusammenschlüssen Die Bewertung von immateriellen Vermögenswerten im Rahmen von Unternehmenszusammenschlüssen hat sich durch die Veröffentlichung von IFRS 3 (überarbeitet) in 2008 sowie den Änderungen an IAS 38 im Rahmen der Improvements to IFRS vom April 2009 geändert. Der erstmalige Ansatz von Medien- und Publizitätsrechten im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses hat gem. IFRS 3.18 (2008) grds. zum beizulegenden Zeitwert (Fair Value) zu erfolgen. Der Fair Value ist der Preis, der zwischen sachverständigen, vertragswilligen und voneinander unabhängigen Geschäfts35
Vgl. Popp/Parke/Kaumanns (2008), S. 459. Windowing bezeichnet die Reihenfolge und die Terminierung der Vewertungsfenster. Der traditionelle Verwertungsprozess sieht eine Verwertungsreihenfolge mit bestimmten Zeitfenstern über Kino, DVD, Pay-per-View/Video-on-Demand, Pay-TV, Free-TV und dann über Nachverwertung vor. Zweck dieser Abfolge von Zeitfenstern ist die sukzessive Abschöpfung unterschiedlicher Zahlungsbereitschaften in Bezug auf Aktualität vor.
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6 Bewertung immaterieller Vermögenswerte in der Medienbranche partnern für ein derartiges Recht (annahmegemäß) bezahlt worden wäre. Hierbei sind Erfahrungen bzw. Preisgestaltungen von anderen aktuellen und vergleichbaren Transaktionen zu berücksichtigen. Es handelt sich somit um eine typisierte Wertgröße. Die Ermittlung des Fair Values für immaterielle Vermögenswerte, die im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses bilanziert werden, ist in IAS 38.36-41 (2009) geregelt. Es stehen grundsätzlich drei Verfahren zur Verfügung, die nach Auffassung des Berufsstandes der Wirtschaftsprüfer gem. IDW RS HFA 16.19 in der folgenden Reihenfolge vom Unternehmen heranzuziehen sind. a) Marktpreisorientiertes Verfahren: Der beizulegende Zeitwert ist vorrangig anhand von notierten Marktpreisen an einem aktiven Markt zu ermitteln (vgl. IAS 38.39). Nur sofern ein Marktpreis nicht vorhanden ist, ist der Fair Value indirekt anhand der Analogiemethode unter Verwendung von vergleichbaren Markttransaktionen zu bestimmen (vgl. IAS 38.40). Im Falle von Medien- und Publizitätsrechten ergibt sich aufgrund ihres individualvertraglichen Charakters in der Regel das Problem, dass ein aktiver Markt für diese Rechte nicht existiert. In diesem Falle können Multiplikatoren angewendet werden, die auf aktuellen Geschäftsvorfällen und Praktiken der Medien- oder Verlagsbranche beruhen und den beizulegenden Zeitwert auf Basis aktueller Marktvorgänge ermitteln. Da die Anwendung von Multiplikatorverfahren strenge Anforderungen an die Vergleichbarkeit der Bewertungsobjekte legt, ist die Anwendung in praxi nur in recht begrenztem Maße möglich (vgl. IDW RS HFA 16.23). b) Barwertorientiertes Verfahren: Sind keine (vergleichbaren) Marktpreise feststellbar, erlauben die IFRS ebenfalls einen Rückgriff auf barwertorientierte Bewertungsverfahren, insbesondere „Discounted Cash Flow“ Modelle (IAS 38.41(a)). Grundgedanke dieser Verfahren ist die Abzinsung (Diskontierung) zukünftiger Ergebnisbeiträge, die durch das betrachtete Medien- oder Publizitätsrecht erzielt werden, mit einem risikoadäquaten Kapitalisierungszinssatz. Sie sind die im Zusammenhang mit der Ermittlung des Fair Values von Medien- und Publizitätsrechten am häufigsten verwendeten Verfahren. Bei der Ermittlung des Barwertes steht das Unternehmen oder der zur Bewertung eingeschaltete Gutachter regelmäßig vor drei zentralen Aufgaben: • die Ableitung der dem betrachteten Recht zurechenbaren Ergebnisbeiträge in Form der Cash Flows; • die Ermittlung des vermögenswertspezifischen Kapitalisierungszinssatzes; • die Prognose der Nutzungsdauer des betrachteten Rechts und des damit verbundenen Abzinsungszeitraums; Zur Bestimmung des vermögenswertspezifischen Kapitalisierungszinssatzes ist die (hypothetische) Renditeforderung eines fiktiven Erwerbers des betrachteten Rechts zu ermitteln, der die vermögenswertspezifischen Risiken berücksichtigt. In der Praxis wird dabei häufig das so genannte CAPM (Capital Asset Pricing Model) angewendet. Dieses ermittelt den Kapitalisierungszinssatz als Kombination einer risikolosen Komponente mit einer Risikoprämie als Aufschlag. Zur Ermittlung der risikolosen Komponente wird in der Regel auf die Renditen von langlaufenden Staatsanleihen höchster Bonität zurückgegriffen, wobei die Laufzeit äquivalent zur wirtschaftlichen Nutzungsdauer des Vermögenswertes zu wählen ist. Die Risikoprämie hingegen ergibt sich auf Basis einer vermögenswertspezifisch angepassten Risikoprämie des Gesamtunternehmens. Des Weiteren ist die verbleibende (Rest-)Nutzungsdauer des betrachteten Rechts zu ermitteln, über die die identifizierten Zahlungsströme mit dem Kapitalisierungszinssatz abgezinst werden. Hierbei ist besonders zwischen Rechten mit einer begrenzten und einer unbegrenzten Nutzungsdauer zu unterscheiden.
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Vera-Carina Elter c) Kostenorientiertes Verfahren Das kostenorientierte Verfahren ist nur bei begründbarem Versagen aller anderen oben genannten Verfahren anzuwenden36 und ausschließlich im Rahmen der Kaufpreisaufteilung anwendbar (vgl. IDW RS HFA 16.20 und 16.39). Für die Fair Value-Ermittlung von Medien- und Publizitätsrechten hat es daher kaum praktische Relevanz. Das kostenorientierte Verfahren ermittelt den Fair Value anhand hypothetischer Kosten, die erforderlich wären, das entsprechende Recht von einem Dritten zu lizenzieren, zu duplizieren oder erneut zu beschaffen (vgl. IDW RS HFA 16.39). Unabhängig davon, welches Verfahren angewendet wird, ist neben der kritischen Betrachtung der Bewertung einzelner immaterieller Vermögenswerte darüber hinaus ebenfalls eine Analyse der sich ergebenden Gesamtergebnisse aus der Bewertung notwendig. Übersteigt die Summe der ermittelten Fair-Value-Anpassungen der immateriellen Vermögenswerte (sowie der anderen Vermögenswerte und Schulden) den Kaufpreisunterschied, so ist die Bewertung insgesamt kritisch zu hinterfragen und auf ihre Angemessenheit zu prüfen (siehe hierzu auch Abb. 6-11). Auch nach handelsrechtlichen Grundsätzen erfolgt die Ermittlung des beizulegenden Zeitwertes von Medien- und Publizitätsrechten im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses in der Regel anhand der dargestellten Ermittlungsverfahren. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Bilanzierung immaterieller Vermögensgegenstände (z.B. beim Kundenstamm) nach HGB oftmals an der Ansatzfähigkeit scheitert.
6.7.3 Impairment Test nach IAS 36 Viele Medienkonzerne konnten sich in den vergangenen Jahren günstig refinanzieren, was zu einem spürbaren Anstieg der Unternehmensübernahmen führte. Die erworbenen Vermögenswerte und Schulden sind in diesem Zusammenhang mit dem beizulegenden Zeitwert, dem Fair Value, neu zu bewerten. Der größte Aufstockungsbetrag aus dieser Neubewertung entfällt insbesondere bei Medienunternehmen regelmäßig auf die immateriellen Vermögenswerte. Dies betrifft vor allem Marken, Technologien, Kundenbeziehungen, sonstige vertragliche Rechte sowie den Goodwill. Der Goodwill wird bestimmt als Residuum zum tatsächlich gezahlten Kaufpreis nach der Neubewertung sämtlicher übrigen Vermögenswerte und Schulden (siehe hierzu auch Abb. 6-11). Seine Höhe reflektiert somit die Erwartungshaltung des M&A-Marktes. Je intensiver der Konsolidierungsdruck einer Branche und je kompetitiver die Übernahmegefechte, desto höher sind die gezahlten Kaufpreise und dementsprechend höher wird auch der Goodwill ausfallen. Der hohe Konsolidierungs- und Wettbewerbsdruck in der Medienbranche spiegelt sich auch in den nachfolgend dargestellten Beträgen an immateriellen Vermögenswerten und ausgewiesenen Goodwills wider: Abb. 6-15 zeigt die Höhe der Marktkapitalisierung, des Goodwills, anderer immaterieller Vermögenswerte sowie die Höhe der Abschreibungen auf den Goodwill in den Jahren 2007 und 2008. Die Marktkapitalisierung spiegelt die aktuellen Einschätzungen am Markt wider und kann somit ständigen Veränderungen unterliegen. Der Goodwill hingegen bildet die Erwartungen des Käufers zum Transaktionszeitpunkt ab. Die Marktkapitalisierung entspricht also auch dem Preis, den ein Käufer für sämtliche umlaufende Aktien eines börsennotierten Unternehmens – also eine komplette Übernahme – bezahlen müsste37. Der Goodwill stellt den künftig erwarteten wirtschaftlichen Nutzen aus einem erworbenen Unternehmen dar, der nicht gesondert als Vermögenswert identifiziert und bilanziert werden kann. Während der fundamentale Unternehmenswert relativ geringen Schwankun36
37
Die genannte Hierarchie der einzelnen Verfahren folgt nicht unmittelbar aus IAS 38.41 (b), sondern begründet sich vielmehr im Standard IDW RS HFA 16 mit bewertungstheoretischem Hintergrund (vgl. IDW RS HFA 16.19). Sofern alle Aktien börsennotiert sind: Denkbar sind auch unterschiedliche Aktiengattungen (Stamm- und Vorzugsaktien), von denen nicht alle börsennotiert sind. Bsp. hiefür ist die ProSiebenSat.1 Media AG, bei der ausschließlich die nennwertlosen Inhaber-Vorzugsaktien am regulierten Markt gehandelt werden. Die Stammaktien der ProSiebenSat.1 Media AG hingegen sind nicht börsennotiert.
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6 Bewertung immaterieller Vermögenswerte in der Medienbranche Unternehmen
Aegis Group plc Axel Springer AG BSkyB Group plc Centaur Media plc Constantin Medien AG Daily Mail & General Trust plc Euromoney Institutional Investor plc GfK SE Highlight Communications AG Informa plc ITE Group plc ITV plc Johnston Press plc Mecom Group plc* MME Moviement AG Pearson plc Premiere AG ProSiebenSat.1 Media AG Reed Elsevier plc Trinity Mirror plc United Business Media plc Wilmington Group plc WPP Group plc* Yell Group plc * Halbjahresbericht 30.06.2008
Stichtag
Zahl der Akquisitionen 1.1.04 - 1.4.09
Marktkapitalisierung zum 31.12.2007
Marktkapitalisierung zum 31.12.2008
Goodwill 2007
Goodwill 2008
31.12. 31.12. 30.06. 30.06. 31.12. 28.09. 30.09. 31.12. 31.12. 31.12. 30.09. 31.12. 31.12. 31.12. 31.08. 31.12. 31.12. 31.12. 31.12. 28.12. 31.12. 30.06. 31.12. 31.03.
44 16 5 2 2 27 6 11 0 8 3 6 5 8 1 14 1 4 22 7 33 4 51 6
EUR Mio. 1.350 3.326 10.850 135 265 1.940 385 978 413 1.961 386 3.321 792 794 87 5.914 1.446 3.562 10.372 1.017 1.585 175 7.695 3.127
EUR Mio. 863 1.695 8.414 51 195 1.032 232 790 236 1.047 151 1.546 77 17 84 5.187 418 525 5.563 144 1.241 111 5.043 332
EUR Mio. 1.083 364 1.097 207 51 1.269 357 746 14 2.114 50 4.676 177 1.328 43 4.546 627 2.649 3.348 101 1.069 78 8.258 5.359
EUR Mio. 1.170 421 895 147 89 1.101 346 736 15 1.901 52 786 907 1.099 40 4.799 622 2.237 5.146 80 1.090 73 6.744 4.912
Andere immaterielle Vermögenswerte 2007 EUR Mio. 67 341 386 24 5 848 190 193 1 1.570 6 592 1.868 947 0 953 543 892 2.841 1.462 164 47 1.570 1.807
Andere immaterielle Vermögenswerte 2008 EUR Mio. 110 317 318 17 109 794 172 194 1 1.309 20 411 1.110 751 0 1.262 480 767 4.624 915 151 37 1.235 1.662
Quelle: KPMG Research. Abb. 6-15: Übersicht immaterieller Vermögenswerte in der Medienbranche
gen unterliegen kann, unterliegt der Preis, den ein potenzieller Käufer bereit ist zu zahlen, aufgrund der starken Nachfrage bzw. aufgrund des Branchendrucks insbesondere in wirtschaftlich expansiven Phasen starken Schwankungen. Als Ergebnis der Zukäufe haben, wie dargestellt, viele Medienkonzerne nun entsprechend hohe Vermögenswerte in ihren Bilanzen. Vermögenswerte mit bestimmter Nutzungsdauer (z.B. Abonnentenstamm und Kundenbeziehungen) reduzieren sich zwar im Zeitablauf durch laufende Abschreibungen automatisch wieder, sind jedoch gem. IAS 36.9 ff. zusätzlich bei Vorliegen eines oder mehrerer Anhaltspunkte für eine Wertminderung einem Werthaltigkeitstest („Impairment Test“) zu unterziehen. Infolgedessen hat ein Medienunternehmen an jedem Bilanzstichtag einzuschätzen, ob Anzeichen für eine Wertminderung der aktivierten Vermögenswerte mit bestimmter Nutzungsdauer (z.B. Rechte für Lizenzen, Kabeleinspeiseverträge, Vertragsrechte) vorliegen. Anzeichen bzw. Ereignisse, die gem. IAS 36.12 zu einer Wertminderung bei einem Medienunternehmen führen können, zeigt Abb. 6-16. Immaterielle Vermögenswerte mit unbestimmter Nutzungsdauer (z.B. Marken), immaterielle Vermögenswerte, die noch nicht zum Gebrauch verfügbar sind, sowie der Goodwill werden jedoch nicht planmäßig abgeschrieben und sind daher mindestens einmal jährlich auf Werthaltigkeit zu prüfen. Sie werden erst abgeschrieben, wenn sie den Impairment Test nicht bestehen. Dies hat nach IAS 36.10 unabhängig davon zu erfolgen, ob Anhaltspunkte für eine Wertminderung vorliegen. Eine Wertminderung liegt nach IAS 36.8 explizit dann vor, wenn der erzielbare Betrag („Recoverable Amount“) zum Betrachtungszeitpunkt unterhalb des aktuellen Buchwertes („Carrying Amount“) des Vermögenswertes oder der Zahlungsmittel generierenden Einheit („Cash Generating Unit“ oder „CGU“) liegt. (vgl., IAS 36.66) Eine CGU ist definiert als die kleinste identifizierbare Gruppe von Vermögenswerten, die Mittelzuflüsse erzeugen, welche weitestgehend unabhängig von den Mittelzuflüssen anderer Vermögenswerte oder anderer Gruppen von Vermögenswerten des Medienunternehmens sind (vgl. IAS 36.6). Die Durchführung des Werthaltigkeitstests hat für jeden Vermögenswert einzeln zu erfolgen, sofern ein erzielbarer Betrag für das einzelne Recht geschätzt werden kann. Falls es nicht möglich ist, z.B. für das einzelne Recht den erzielbaren Betrag zu schätzen, sind die Rechte in CGUs zusammenzufassen (vgl. IAS 36.66). Da ein Geschäfts- oder Firmenwert (Goodwill) grds. keine unabhängigen
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Verschlechtertes wirtschaftliches Umfeld
Externe Indikatoren t Steigende Kapitalkosten t Währungsschwankungen t Veröffentlichung von Konkurrenzpublikationen t Veränderungen technischer Rahmenbedingungen (Analog Switch-off) t Einbruch Werbemarkt/Rabattschlacht t Neue Werbeverbote t Konjunkturpakete t Insolvenzen von Kunden/Lieferanten t Nachfrageeinbruch t Kürzung/Streichung von Kreditlinien t Covenants Bruch
Anpassung der Geschäftsplanungen Operative Planung/ Budget
Mittelfrist- und strategische Planung
Interne Indikatoren t Einführung von Kurzarbeit t Entlassungen t Veräußerung von Vermögenswerten t Aufgabe von Geschäftsbereichen t BW-Nettovermögen > Marktkapitalisierung t Plananpassungen t Preissenkungen t Nichtfortsetzung von Serien bzw. Neuaufsetzung von Formaten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an KPMG (2009), S. 13. Abb. 6-16: Interne und externe Indikatoren für Wertminderungen
Cashflows erzeugt, ist dieser gemäß IAS 36.81 auf der Ebene einer CGU oder einer Gruppe von CGUs zu prüfen. Bei der Ermittlung des Carrying Amount einer CGU ist sicherzustellen, dass nur diejenigen Vermögenswerte berücksichtigt werden, die Cash Flows erzeugen, die im Recoverable Amount ihren Niederschlag finden (sog. Äquivalenzprinzip, vgl. IAS 36.75 und 36.79). Dabei dürfen nach IAS 36.50 Vermögenswerte und Schulden aus Finanzierungstätigkeiten sowie im Zusammenhang mit Ertragsteuern weder im Carrying Amount einer CGU noch in den Cash Flows des Recoverable Amount berücksichtigt werden. Allerdings sind aus Konsistenzgründen zur ursprünglichen Ableitung des Goodwills nach IFRS passive latente Steuern, die im Rahmen einer Kaufpreisallokation ermittelt wurden, in den Carrying Amount aufzunehmen. Eine Vernachlässigung dieser latenten Steuern aus einer früheren Kaufpreisallokation würde ansonsten ceteris paribus zu einem Impairment führen, da der ausgewiesene Carrying Amount zu hoch bemessen wäre. Der erzielbare Betrag ist definiert als der höhere der beiden Beträge aus beizulegendem Zeitwert abzüglich der Verkaufskosten („Fair Value less Cost to Sell“) und Nutzungswert („Value in Use“) des Vermögenswertes (IAS 36.18). Folgende Abb. 6-17 verdeutlicht den Zusammenhang: Der Fair Value less Cost to Sell ist der Betrag, der durch den Verkauf eines Vermögenswertes oder einer Zahlungsmittel generierenden Einheit in einer Transaktion zu Marktbedingungen zwischen sachverständigen, vertragswilligen Parteien nach Abzug der Veräußerungskosten erzielt werden könnte (IAS 36.6). Zunächst ist immer – zwingend sofern vorhanden – der Marktpreis für den identischen Vermögenswert relevant (IAS 36.26). Der Fair Value ist sodann marktpreisorientiert abzuleiten, d.h. aktuelle Transaktionspreise (Trading Multiples) zum Bewertungsstichtag für den zu bewertenden Vermögenswert oder zumindest für vergleichbare Vermögenswerte determinieren vorrangig den
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6 Bewertung immaterieller Vermögenswerte in der Medienbranche
Buchwert
Vergleich
Erzielbarer Betrag
Höherer Betrag aus Beizulegender Zeitwert abzüglich der Verkaufskosten
Nutzungswert
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an KPMG (2009), S. 12. Abb. 6-17: Zusammenhang zwischen Buchwert, beizulegendem Zeitwert und Nutzungswert
Fair Value. (IAS 36.27) In Zeiten abstürzender Börsenkurse und abgesagter oder unterlassener Transaktionen in der Medienbranche werden derartige Preisüberlegungen entsprechend niedrig ausfallen. Nachrangig kann auch ein Fair Value über ein Bewertungsmodell bestimmt werden38, wenn keine geeigneten Marktpreise vorhanden sind. Dabei wird überlegt, wie ein kaufwilliger Vertragspartner sich einen solchen Preis modelltechnisch selbst ableiten könnte. Problematisch daran ist, dass diese Bewertungsmodelle grundsätzlich keine Preisbildungsmodelle repräsentieren.39 In Zeiten „normaler Kapitalmärkte“ sollten Werte und Preise nicht weit voneinander entfernt sein. Aktuell ist es auch für die Medienbranche unrealistisch anzunehmen, dass über solche Bewertungsmodelle ermittelte Werte auch am Markt als Preis erzielbar sind. Daher ist es für Medienunternehmen, die selbst börsennotiert sind und die wesentliche Teile des Unternehmens für Impairment Test-Zwecke bewerten, notwendig, dass die Summe der für die einzelnen CGUs errechneten Werte zur Marktkapitalisierung übergeleitet wird. In vielen Fällen wird damit der aus der Marktkapitalisierung abgeleitete Wert in der derzeitigen Marktsituation unter den zu testenden Buchwerten liegen. Das alternative Wertkonzept des Recoverable Amount – das Value in Use-Konzept – basiert auf dem Barwert der aus der künftigen Nutzung des Vermögenswertes (z.B. Verwertung eines Rechts) oder der Gruppe von Vermögenswerten erzielbaren Cash Flows (IAS 36.6). Zu deren Ermittlung ist auf die Cash Flow-Prognosen des Unternehmens zurückzugreifen, die auf den geplanten, künftigen Zahlungszu- und -abflüssen aus der Nutzung des Vermögenswertes beruhen. Eine Bewertung scheint hier nicht durch den Markt, sondern allein durch das Management des bilanzierenden Unternehmens zu erfolgen, welches die Planung für die Vermögenswerte aufstellt. Ein vermeintlicher Vorwurf könnte sein: Die Planung muss nur hinreichend aggressiv sein und schon lässt sich ein Impairment vermeiden.40 Richtig daran ist, dass mit dem Konzept ein nicht unerheblicher Ermessensspielraum verbunden ist, wie er aus der Unternehmensbewertung bekannt ist. Unzutreffend wäre die Einschätzung, dass das Management völlig freie Hand bei der Bewertung hat. Hier zeigt sich die oftmals unterschätze Komplexität des Value in Use, die gerade in den aktuell unsicheren Zeiten hervorsticht. Jede Planung verbirgt, dass hinter ihr eine Vielzahl möglicher alternativer Szenarien steht. Selbst wenn nur ein explizites Szenario vom Management geplant wurde, so sind doch viele weitere denkbar. Üblicherweise wird angenommen, dass die Planung die Erwartungswerte der jeweiligen Cash Flows wiedergibt, d.h. dahinter stehen implizit bessere und schlechtere Planungen, deren jeweilige wahrscheinlichkeitsgewichtete Ergebnisse genau die abgebildete Planung ergeben. 38 39 40
Vgl. Castedello/Klingbeil/Schröder (2006), S. 1034 f. Vgl. Baetge (2009), S. 21. Vgl. Baetge (2009), S. 21; Schildbach (2005), S. 558; ähnlich Leibfried (2008), S. 118.
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Vera-Carina Elter Diese ist mittels detaillierter Analyse alternativer Szenarien zu plausibilisieren und dem verwendeten Kapitalisierungszinssatz gegenüberzustellen. Es gibt nämlich nicht den für sich genommen richtigen Cash Flow und den für sich genommen richtigen Diskontierungszins, sondern nur jeweils einen zur jeweiligen Cash Flow-Planung passenden (risikoäquivalenten) Diskontierungszins. Die Planungsplausibilisierung ist daher vor dem Hintergrund des Gesamtbildes von sehr hoher Bedeutung. Hierzu können insbesondere branchenspezifische Erwartungen von Analysten (Brokerreports), vergleichende Marktkapitalisierungen, Trading und Transaction Multiples, Marktstudien zum Werbemarkt etc. aber auch Soll-Ist-Vergleiche zur Planungstreue der Vergangenheit hinzugezogen werden. Die Kapitalkosten sind einerseits aus zum Bewertungsstichtag aktuell beobachtbaren Größen, wie dem risikolosen Basiszins oder einem Fremdkapitalzins, abzuleiten. Sie beinhalten andererseits aber mit der Marktrisikoprämie ebenso eine Größe, welche die am Markt beobachtbare zusätzliche Renditeforderung für die Bereitschaft der Risikoübernahme über lange Zeiträume widerspiegelt. Nur wenn die hinter der Planung des Managements stehenden Schwankungen der Cash Flows zu dieser langfristigen durchschnittlichen Erwartung der Marktteilnehmer passen, darf letztere unverändert in das Bewertungskalkül übernommen werden. Anderenfalls muss bei einer zu optimistischen Planung ein Risikoaufschlag vorgenommen werden, der gedanklich einer Reduktion der geplanten Cash Flows entspricht. Selbst im Value in Use-Konzept bleibt der Markt also nicht außen vor, sondern geht über einzelne Bewertungsparameter in die Betrachtung mit ein. Hieraus ergibt sich eine gewisse Zirkularität, denn auch Risikoprämien können praktisch nur im Rückgriff auf den Markt abgeleitet werden. So lassen sich aus einer Überleitung der Planung des Managements für börsennotierte Unternehmen auf Börsenwerte implizite Risikoprämien ableiten. Die zentrale Frage dabei ist, welcher Zeitraum für eine solche Analyse zugrunde zu legen ist. Die Konkretisierung bzw. Interpretation des Zeitraums ist allerdings der Bewertungspraxis überlassen.41 Zudem ist zu berücksichtigen, dass mit jeder Lücke zum aktuellen Kursniveau die Anforderung an eine nachvollziehbare Begründung steigt. Ist der erzielbare Betrag geringer als der Buchwert des Vermögenswertes, so ist die Differenz als Wertminderungsaufwand in der Gewinn- und Verlustrechnung zu erfassen (IAS 36.59 und.60). An den nachfolgenden Bilanzstichtagen hat das Unternehmen zu prüfen, ob ein Anhaltspunkt vorliegt, dass eine zuvor erfasste Wertminderung des Vermögenswertes nicht mehr besteht oder sich vermindert haben könnte (IAS 36.110). Liegt ein solcher Anhaltspunkt vor und ist der erzielbare Betrag des Rechts zwischenzeitlich wieder gestiegen, besteht die Pflicht zur Wertaufholung. Die Zuschreibung ist dabei nur bis zur Höhe der ursprünglichen Anschaffungskosten des Vermögenswertes abzüglich der planmäßigen Abschreibungen, die ohne Berücksichtigung der Wertminderung hätten erfasst werden müssen, zulässig.
6.8 Literatur Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten (ALM)/Gemeinsame Stelle Digitaler Zugang (GSDZ) (Hrsg.) (2008): Digitalisierungsbericht 2008 – Die Frage nach dem digitalen Mehrwert – Neue Inhalte und ihre Finanzierung, Baetge, J. (2009): Verwendung von DCF-Kalkülen bei der Bilanzierung nach IFRS, in: WPg 1/2009 S. 13–23. Castedello, M. (2009): Impairment-Test in schwierigen Zeiten – Ermessensspielräume in Grenzen, in: Der Betrieb – Status:Recht 02/2009, S. 54–57. Castedello, M./Klingbeil, C./Schröder, J. (2006): IDW RS HFA 16: Bewertung bei der Abbildung von Unternehmenserwerben und bei Werthaltigkeitsprüfungen nach IFRS, in: WPg 16/2006, S. 1028–1036. Croteau, D./Hoynes, W. (2005): The Business of Media. Corporate Media and the Public Interest, Thousand Oaks/London/New Delhi. 41
Vgl. Castedello (2009), S. 57.
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7 Bewertung von Versicherungsunternehmen von Alfred Graßl und Martin Beck* 7.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Bewertungsrelevante Grundlagen der Versicherungswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.1 Differenzierung von Versicherungsunternehmen nach Sparten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2 Differenzierung von Versicherungsunternehmen nach Rechtsformen. . . . . . . . . . . . . . . 7.2.3 Methoden zur Bewertung von Versicherungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Erläuterung bewertungsrelevanter versicherungstechnischer Besonderheiten im Jahresabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1 Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1.1 Aktiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1.1.1 Kapitalanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1.1.2 Forderungen aus dem selbstabgeschlossenen Versicherungsgeschäft (Forderungen s.a.G.). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1.1.3 Sonstige Aktiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1.2 Passiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1.2.1 Versicherungstechnische Rückstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1.2.2 Beitragsüberträge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1.2.3 Schadenrückstellung (Rückstellung für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1.2.4 Schwankungsrückstellung und ähnliche Rückstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1.2.5 Sonstige versicherungstechnische Rückstellungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1.2.6 Andere Rückstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1.2.7 Verbindlichkeiten aus dem selbst abgeschlossenen Versicherungsgeschäft (Verbindlichkeiten s.a.G.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1.2.8 Sonstige Passiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2 Aufbau der Gewinn- und Verlustrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2.1 Verdiente Beiträge brutto. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2.2 Aufwendungen für Versicherungsfälle brutto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2.3 Aufwendungen für den Versicherungsbetrieb brutto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2.4 Übriges versicherungstechnisches Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2.5 Rückversicherungsergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2.6 Kapitalanlageergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2.7 Übriges Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.3 Solvabilität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Ermittlung des Unternehmenswerts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.1 Kapitalisierungszinssatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.1.1 Risikozuschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.1.2 Wachstumsabschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Alfred Graßl und Martin Beck, BDO Deutsche Warentreuhand AG, München.
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Alfred Graßl und Martin Beck 7.4.2 Vergangenheitsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.2.1 Kostensatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.2.2 Geschäftsjahresschadenquote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.2.3 Combined Ratio. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.2.4 Abwicklungsquote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.2.5 Nicht versicherungstechnisches Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.3 Prognoserechnungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.3.1 Beiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.3.2 Kostenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.3.3 Aufwendungen für Versicherungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.3.4 Aufwendungen für den Versicherungsbetrieb. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.3.5 Rückversicherungsergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.3.6 Kapitalanlageergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.3.7 Übriges Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.4 Gutachterliche Bewertungskorrekturen in der Prognoserechnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.5 Branchenspezifische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.5.1 Nicht betriebsnotwendiges Vermögen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.5.2 Behandlung stiller Reserven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.6 Modularer Aufbau der Ertragswertermittlung eines Schaden-/Unfall-Versicherungsunternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5 Schlussbemerkung und Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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7.1 Einleitung Die Anlässe für Bewertungen von Versicherungsunternehmen haben in der Vergangenheit stetig zugenommen. Sie ergeben sich aus gesetzlichen Vorschriften, insbesondere aus dem Aktiengesetz1, dem Umwandlungsgesetz2 und anderen gesetzlichen Vorschriften3 sowie aus unternehmerischen Initiativen4. Die zu verzeichnende verstärkte unternehmerische Initiative ist zum einen aus Konzentrationstendenzen und den damit verbundenen verstärkten Merger- und Acquisition-Aktivitäten in der Branche zu erklären. Durch Übernahmen und Fusionen wurde versucht, Marktanteilsgewinne und damit verbunden Economies of Scale zu schaffen. In Europa kam es hierdurch zunächst zu Unternehmensübernahmen im Heimatmarkt und der Schaffung einer dominanten Marktposition. Durch die Einführung einer einheitlichen Währung in Europa und dem daraus entstehenden einheitlichen Markt kam es danach zu einem Konzentrationsprozess auf europäischer Ebene. Beispiele für Übernahmen zur Absicherung der Position im Heimatmarkt sind die ERGO Versicherungsgruppe, Züricher Versicherungsgruppe Deutschland und AMB Generali Deutschland. 1
2 3
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z.B. Unternehmensverträge (Gewinnabführungs- oder Beherrschungsvertrag: Angemessener Ausgleich § 304 AktG; Abfindung §§ 305, 320b AktG), Ausschluss von Minderheitsaktionären (sog. Squeeze-Out) § 327 a ff. AktG. z.B. Verschmelzungen (§ 9 UmwG), Auf- und Abspaltungen (§ 125 UmwG). z.B. Impairment-Test (nach: IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Anwendung des IDW S 1 bei der Bewertung von Beteiligungen und sonstigen Unternehmensteilen für die Zwecke eines handelsrechtlichen Jahresabschlusses [IDW RS HFA 10]. Zur Internationalen Rechnungslegung nach IFRS vgl. IAS 36, Börseneinführung (Initial Public Offering [IPO]) oder die Demutualisierung (= Umwandlung) §§ 207, 208 UmwG; Wechsel der Rechtsform eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit zu einer Versicherungsaktiengesellschaft, vgl. Biewer, A. (1998), S. 1–3). z.B. Kauf oder Verkauf von Unternehmen, Bestandsübertragungen von Versicherungsbeständen und Unternehmensumstrukturierungen; bei Bestandsübertragungen vgl. Sauer, R. (2003), S. 1–32.
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7 Bewertung von Versicherungsunternehmen Daneben ist auch bei Versicherungsunternehmen eine verstärkte Tendenz der Unternehmenssteuerung durch die wertorientierte Unternehmensführung anstelle traditioneller Jahresabschlussgrößen, wie Beitragsvolumen oder Jahresüberschuss, zu verzeichnen.5 In diesem Zusammenhang wird der Erfolg eines Versicherungsunternehmens vor allem anhand der Veränderung des Unternehmenswertes pro Periode gemessen. Zur Unternehmensbewertung von Industrieunternehmen finden sich in der einschlägigen Bewertungsliteratur eine Vielzahl von Aufsätzen, Schriften und Monographien. Im Prozess der Leistungserstellung unterscheidet sich ein Industrieunternehmen von einem Versicherungsunternehmen jedoch erheblich. Unterschiede lassen sich schon bei der ersten Betrachtung der Bilanz und Ergebnisrechnung eines Versicherungsunternehmens erkennen. Deshalb sind auch die Bewertungsansätze für Versicherungsunternehmen, die Versicherungsschutz6 als Leistungserstellung erbringen, gegenüber den herkömmlichen Ansätzen für Industrieunternehmen zu modifizieren. Dieser Beitrag soll einen kurzen Einblick in die Praxis der Bewertung von Versicherungsunternehmen geben, deren Bedeutung aufgrund der aufgezeigten Entwicklungen zugenommen hat. Im Folgenden werden zunächst versicherungstechnische Grundlagen erläutert, um anschließend, basierend auf den allgemeinen methodischen Grundsätzen der Unternehmensbewertung, auf die Ertragswertermittlung eines Schaden-/Unfall-Versicherungsunternehmens einzugehen. Der modulare Aufbau dieser Unternehmensbewertung wird am Ende als Zusammenfassung dargestellt.
7.2 Bewertungsrelevante Grundlagen der Versicherungswirtschaft 7.2.1 Differenzierung von Versicherungsunternehmen nach Sparten Grundsätzlich lassen sich zwei Haupttypen von Versicherungsunternehmen unterscheiden, nämlich die Individualversicherung und die Sozialversicherung. Für die Sozialversicherung besteht weitestgehend gesetzliche Versicherungspflicht (z.B. Renten-, Kranken- oder Arbeitslosenversicherung). Der Abschluss einer Individualversicherung ist dagegen weitgehend freiwillig. Die Individualversicherung lässt sich weiter unterteilen in Personenversicherungen (Lebens- und Krankenversicherung), Schaden-/ Unfallversicherungen (z.B. Feuer- oder Hausratversicherung) sowie die Rückversicherung. Lebensversicherungsunternehmen bieten meist lang laufende Verträge, die im Todesfall oder nach Vertragsablauf eine monatliche Rente oder eine Einmalzahlung leisten. Private Krankenversicherungen bieten Personen, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, unterschiedlichen Versicherungsschutz bei Krankheit (z.B. Krankenhauskosten oder Krankentagegeld). Schaden-/Unfallversicherungen decken Schäden an konkret umschriebenen Sachen/Gegenständen (z.B. Hausrat), Haftungsrisiken oder Personenschäden ab. Ein Schaden-/Unfall-Versicherungsunternehmen (auch Kompositversicherung) betreibt typischerweise folgende Sparten:7 • Unfallversicherung, • Haftpflichtversicherung, • Kraftfahrzeugversicherung, • Feuer- und Sachversicherung, 5
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7
Vgl. Buck, H. (1997), S. 1660–1668; Dombert, A./Robens, B. H. (1997), S. 1696–1700; Hancock, J./ Huber, P./Koch, P. (2002), Oletzky, T. (1998); Oletzky, T./Schulenburg, J.-M. Graf von der (1998), S. 66; Stevens, A./Krall, M. (2000), S. 80–82. Das Produkt Versicherungsschutz gewährt dem Versicherungsnehmer oder einem geschädigten Dritten die Aufwendungen im Versicherungsfall zu ersetzen, die zur Beseitigung des Schadens, auf den sich der Versicherungsschutz bezieht, anfallen, vgl. Helten, E. (1989), Sp. 2178. Zu den einzelnen Versicherungszweigen eines Kompositversicherungsunternehmens vgl. Hartung, T. (2000), S. 144.
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Alfred Graßl und Martin Beck • verbundene Hausrat- und Gebäudeversicherung, • Spezialversicherungen (z.B. Kredit- und Kautionsversicherung). Alle bisher beschriebenen Versicherungsunternehmen können auch unter dem Begriff Erstversicherung subsumiert werden. Im Gegensatz dazu stehen die Rückversicherungsunternehmen. Die Rückversicherung übernimmt gegen Zahlung einer Rückversicherungsprämie Teile des Risikos des Erstversicherers. Vereinfacht kann der Rückversicherer als „Versicherung der Versicherer“ bezeichnet werden. Die Vertragsbeziehungen zwischen Erst- und Rückversicherungsunternehmen sind vielfältig und komplex. Als Haupttypen werden proportionale Verträge (Quoten- und Summenexzedentenverträge) und nicht proportionale Verträge (z.B. Schadenexzedentenverträge) unterschieden. Hinsichtlich der Art der vertraglichen Bindung ist die obligatorische Rückversicherung (feste Vereinbarungen) von der fakultativen Rückversicherung (zusätzliche freiwillige Vereinbarungen) zu trennen. Die aufgezeigte Differenzierung lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Erstversicherungsunternehmen Individualversicherung
Sozialversicherung (gesetzliche Versicherungspflicht)
Personenversicherung Lebens- und Krankenversicherung
Rentenversicherung Krankenversicherung Schaden-/Unfallversicherung Arbeitslosenversicherung z.B. Kraftfahrzeug-, Haftpflichtversicherung
Rückversicherungsunternehmen (Versicherung der Versicherer)
obligatorische Rückversicherung fakultative Rückversicherung Abb. 7-1: Übersicht Unterscheidung Versicherungsunternehmen nach Versicherungsarten
Im Folgenden wird im Wesentlichen die Bewertung von Schaden-/Unfall-Versicherungsunternehmen im Rahmen der Erstversicherung (selbst abgeschlossenes Geschäft) erläutert.8 Auf eine Darstellung des in Rückdeckung genommenen Geschäfts wird aus Vereinfachungsgründen verzichtet.
7.2.2 Differenzierung von Versicherungsunternehmen nach Rechtsformen Besonderheiten zu Industrieunternehmen lassen sich nicht nur im Bereich der Leistungserstellung erkennen. Versicherungsunternehmen unterliegen partiell auch anderen unternehmensexternen Rahmenbedingungen. Eine bedeutende Restriktion sind die zulässigen Rechtsformen von Versicherungsunternehmen.9 Aus der Wahl der Rechtsform und der daraus resultierenden Eigentümerstruktur können sich bewertungsrelevante Auswirkungen hinsichtlich der Ziele von Eigentümern und Versicherungsunternehmen ergeben. 8 9
Zur Bewertung von Lebensversicherungsunternehmen vgl. Pfaffenzeller, F. (1995), Sieben, G. (1994), S. 479– 506; Gessner, P./Zwiesler, H.-J. (1996), S. 226–231. Vgl. § 7 Abs. 1 VAG
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7 Bewertung von Versicherungsunternehmen Erstversicherungsunternehmen können nach dem Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen10 gemäß § 7 Abs. 1 VAG als • Aktiengesellschaft, • Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG) sowie • Körperschaft und Anstalt des öffentlichen Rechts betrieben werden. Hinsichtlich der Rechtsform Aktiengesellschaft bestehen keine Branchenspezifika. Deshalb wird nachfolgend kurz auf die besonderen Rechtsformen von Versicherungsunternehmen eingegangen. Eine spezielle Rechtsform für Unternehmen der Versicherungswirtschaft stellt der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG) dar.11 Die Gesellschaft betreibt ihr Geschäft nach dem Grundsatz der Gegenseitigkeit. Dabei weist sie die Besonderheit der Übereinstimmung von Versicherungsnehmern und Mitgliedern auf.12 Ihr wirtschaftliches Ziel ist nicht die Gewinnmaximierung für Aktionäre, sondern einen möglichst preisgünstigen Versicherungsschutz für die versicherten Mitglieder zu bieten. Einem VVaG ist die Eigenkapitalbeschaffung nur eingeschränkt über die Thesaurierung von Gewinnen möglich. Eine Emission sowie der Handel von als Eigentumsrechten verbrieften Finanztiteln ist nicht zulässig.13 Aufgrund der Übereinstimmung zwischen Versicherungsnehmern und Mitgliedern sind bei der Bewertung eines Versicherungsunternehmens in dieser Rechtsform die ausschüttungsfähigen Überschüsse besonders nach Art und Struktur zu prüfen, ob diese aufgrund einer Rückerstattung an den Versicherungsnehmer erfolgen oder eine Gewinnausschüttung an die Mitglieder darstellen.14 Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts15 sind eine mitgliedschaftlich verfasste und unabhängig vom Wechsel der Mitglieder bestehende Organisationsform. Historisch wurden diese Unternehmen von Staats wegen gegründet, um den zum Teil gesetzlich vorgeschriebenen Versicherungsschutz16 anzubieten. Zur Erweiterung der Eigenkapitalbasis steht Versicherungsunternehmen dieser Rechtsform, wie bei dem VVaG, nur die Thesaurierung von Gewinnen zur Verfügung. Darüber hinaus müssen Versicherungsunternehmen mit Sitz im Ausland, die in Deutschland das Direktversicherungsgeschäft betreiben, gemäß §§ 105 ff. VAG eine Niederlassung errichten. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf ein Versicherungsunternehmen, das in der Rechtsform der Aktiengesellschaft betrieben wird, da diese Rechtsform bei Versicherungsunternehmen überwiegt.17
7.2.3 Methoden zur Bewertung von Versicherungsunternehmen In Abhängigkeit vom Bewertungsanlass und der zu bewertenden Versicherungssparte werden unterschiedliche Bewertungsmethoden verwendet. Bei ausschließlich finanziellen Zielsetzungen wird der Wert eines Unternehmens nach heutigem Verständnis durch den Barwert der aus dem Unternehmen zukünftig realisierbaren Nettoausschüttungen an die Anteilseigner ermittelt. Geeignete Bewertungsmethoden, die den Unternehmenswert als Zukunftserfolgswert ermitteln, sind das Ertragswertverfahren und die Discounted-Cash-Flow-Methode. Bei der Bewertung von Versicherungsunternehmen ist die Discounted-Cash-Flow-Methode in der Praxis nicht relevant, da für die Versicherungstechnik keine detaillierten Cash-Flow-Größen geplant werden. 10 11 12 13 14 15 16 17
kurz: Versicherungsaufsichtsgesetz oder VAG. Zur Bedeutung und historischen Entwicklung von VVaG vgl. Weber, N. (1998), S. 1274. Vgl. Farny, D. (1995), S. 172; Kalwar, H. (1982), S. 4–6. Zur Bildung von Eigenkapital sowie weiteren Einschränkungen vgl. Braeß, P. (1964), S. 4–5; Farny, D. (1995), S. 185. Für die detaillierte Behandlung vgl. Hartung, T. (2000), S. 123. Träger sind Gebietskörperschaften wie Bundesländer, Gemeinden oder öffentlich-rechtliche Kreditinstitute. z.B. die bis 1994 gesetzlich vorgeschriebene Gebäudebrandversicherung. Zur Übersicht der Versicherungsgesellschaften in Deutschland und deren Rechtsformen vgl. Hartung, T. (2000), S. 122.
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Alfred Graßl und Martin Beck In der Praxis werden ergänzend, in Abhängigkeit von der Zielsetzung, unter anderem folgende wesentliche Verfahren angewandt: • Embedded Value, • Appraisal Value, • Multiplikatorverfahren und • Liquidationswertverfahren. Der Embedded Value und der Appraisal Value sind Bewertungsverfahren überwiegend für Versicherungsunternehmen der Sparten Lebens- und Krankenversicherung. Diese Größe setzt sich aus dem Wert des aktuellen Versicherungsportfeuilles des Lebens- und Krankenversicherungsgeschäftes, dem so genannten In-Force Value und dem Net-Asset-Value des Unternehmens zusammen. Der In-Force Value ist der Barwert der künftigen Deckungsbeiträge aus dem aktuellen Versicherungsbestand unter der Annahme, dass kein weiteres Neugeschäft gezeichnet wird. Zur Ermittlung des In-Force Value müssen verschiedene versicherungsspezifische Annahmen18 getroffen werden, die in Abhängigkeit von den gesetzten Prämissen zu unterschiedlichen Schätzwerten führen können. Durch die Nichtberücksichtigung des Neugeschäfts wird das bestehende, zukünftig nutzbare Know-how, insbesondere das Wachstumspotenzial des Versicherungsunternehmens, nicht berücksichtigt. Der Wettbewerb in Europa vollzieht sich jedoch derzeit gerade über die verschiedenen Vertriebsmöglichkeiten (Multi Channel Ansatz). Praxisbeispiele sind Kooperationsabkommen großer Versicherungsgruppen mit Banken. Eine Weiterentwicklung des Embedded Value ist der Appraisal Value. Dieser baut auf dem Embedded Value auf und berücksichtigt das zukünftige Wachstum des Unternehmens und somit auch das Wachstumspotenzial aus dem Neugeschäft des Versicherungsunternehmens. Jedoch werden beim Appraisal Value die bisherigen Bewertungsannahmen übernommen. Damit wird das gesamte Bewertungsergebnis des Appraisal Value, auch unter Einbeziehung des Neugeschäfts, nicht wesentlich verbessert. Die Bewertung mit Hilfe von Multiplikatoren ist ein vereinfachtes Verfahren und bildet im Markt zu beobachtende Kennziffern beispielsweise aus vergangenen Transaktionen ab (Kaufpreis eines Versicherungsunternehmens in Relation zum Prämienvolumen). Als Methode zur Abbildung des Zukunftserfolgswertes nehmen wir auf das Ertragswertverfahren nach dem Standard des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. „ Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen“ (IDW S 1 i.d.F. 2008) Bezug.
7.3 Erläuterung bewertungsrelevanter versicherungstechnischer Besonderheiten im Jahresabschluss Zum besseren Verständnis der Bewertungsvorgänge bei Versicherungsunternehmen werden im Folgenden die wesentlichen Posten der Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung eines Schaden-/UnfallVersicherungsunternehmens19 erläutert.
7.3.1 Bilanz Die für die Unternehmensbewertung relevanten Posten der Bilanz eines Schaden-/Unfall-Versicherungsunternehmens zeigt die nachfolgende Abbildung: 18 19
Annahmen über die versicherungstechnischen Rückstellungen, das Alter des Versicherungsbestandes, die Stornoquote, die erzielbaren Renditen sowie über den Diskontierungsfaktor. Versicherungsunternehmen sind bei der Gliederung der Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung an die Formblätter 1 bis 3 der RechVersV gebunden.
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7 Bewertung von Versicherungsunternehmen Aktiva Kapitalanlagen Grundbesitz Beteiligungen Aktien festverzinsliche Wertpapiere Darlehen, Hypotheken
Forderungen s.a.G. sonstige Aktiva
Passiva Eigenkapital gezeichnetes Kapital Rücklagen
versicherungstechnische Rückstellungen Beitragsüberträge Schadenrückstellungen Schwankungsrückstellungen andere Rückstellungen
andere Rückstellungen Verbindlichkeiten s.a.G. sonstige Passiva Abb. 7-2: Bilanzstruktur eines Versicherungsunternehmens
7.3.1.1 Aktiva 7.3.1.1.1 Kapitalanlagen Die Kapitalanlagen eines Versicherungsunternehmens werden durch die Vorschriften zur Bedeckung wesentlich von der Höhe der versicherungstechnischen Passiva bestimmt. Ihr Volumen ist darüber hinaus von der Entwicklung der Beiträge, Zinsen und Versicherungsleistungen abhängig. Die Anlagestruktur (Asset-Klassen20) für das gebundene Vermögen, das der Bedeckung der versicherungstechnischen Passiva dient, ist nach § 54 VAG in der Verordnung über die Anlage des gebundenen Vermögens von Versicherungsunternehmen normiert, steht also grundsätzlich nicht ausschließlich im Ermessen des Versicherungsunternehmens. 7.3.1.1.2 Forderungen aus dem selbstabgeschlossenen Versicherungsgeschäft (Forderungen s.a.G.) Der Posten beinhaltet Forderungen an Versicherungsnehmer, Versicherungsvermittler sowie Mitglieds- und Trägerunternehmen. 7.3.1.1.3 Sonstige Aktiva Bei den sonstigen Aktiva handelt es sich überwiegend um Betriebs- und Geschäftsausstattung, Forderungen aus dem konzerninternen Verrechnungsverkehr, Sonstige Forderungen/Vermögensgegenstände und Rechnungsabgrenzungsposten, die hier nicht näher erläutert werden.
7.3.1.2 Passiva 7.3.1.2.1 Versicherungstechnische Rückstellungen Es handelt sich um Rückstellungen, die mit dem Versicherungsgeschäft unmittelbar zusammenhängen, damit die dauernde Erfüllbarkeit aus den Versicherungsverträgen gewährleistet ist.21 Sie sind durch entsprechende Kapitalanlagen (gebundenes Vermögen) gemäß § 54 VAG in Verbindung mit der AnlV zu bedecken. 7.3.1.2.2 Beitragsüberträge Entgegen dem Wortlaut handelt es sich inhaltlich nicht um eine Rückstellung, sondern um einen transitorischen Passivposten. Darunter werden im laufenden Geschäftsjahr vereinnahmte Versiche20 21
z.B. festverzinsliche Wertpapiere, Aktien oder Immobilien. Vgl. Farny, D. (1992), S. 129.
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Alfred Graßl und Martin Beck rungsprämien gebucht, die erst für eine bestimmte Zeit nach dem Abschlussstichtag ertragswirksam werden.22 7.3.1.2.3 Schadenrückstellung (Rückstellung für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle) Die Schadenrückstellung ist für Schaden-/Unfall-Versicherungsunternehmen von hoher Wertrelevanz. Sie umfasst Verpflichtungen aus am Abschlussstichtag bereits eingetretenen, aber noch nicht (vollständig) abgewickelten Versicherungsfällen. Sie setzt sich aus Einzelrückstellungen je Schadenfall, der Spätschadenreserve (am Bilanzstichtag bereits eingetretene oder verursachte, aber bei Schließung des Schadenregisters noch nicht gemeldete Schäden) sowie der Rückstellung für Schadenregulierungskosten zusammen.23 Die Schadenrückstellung ist um Forderungen aus Regressen, Provenues und Teilungsabkommen (RPT-Forderungen) zu kürzen. Da die Höhe der Schadenrückstellung häufig nur im Wege der Schätzung zu ermitteln ist, besteht für das Versicherungsunternehmen im Rahmen zulässiger Ermessenspielräume die Möglichkeit der Bildung von Bewertungsreserven. Weicht der Betrag der tatsächlichen Versicherungsleistungen von dem dafür reservierten Betrag in der Rückstellung ab, ergeben sich Abwicklungsgewinne oder -verluste. 7.3.1.2.4 Schwankungsrückstellung und ähnliche Rückstellungen Die Schwankungsrückstellung ist zum Ausgleich der Volatilitäten im Schadenverlauf künftiger Jahre gesetzlich zwingend zu bilden, wenn insbesondere nach den Erfahrungen in dem betreffenden Versicherungszweig mit erheblichen Schwankungen der jährlichen Aufwendungen für Versicherungsfälle zu rechnen ist, die Schwankungen nicht jeweils durch Beiträge ausgeglichen werden und die Schwankungen nicht durch Rückversicherung gedeckt sind.24 Das Verfahren zur Bildung der Schwankungsrückstellung und der ihr ähnlichen Rückstellungen ist in § 341 h HGB, §§ 29 und 30 RechVersV festgelegt und für die handelsrechtliche Rechnungsregelung zwingend zu beachten.25 Aufgrund der vorgegebenen Ermittlungsverfahren erforderliche künftige Zuführungen zur Schwankungsrückstellung sind demnach als Aufwand zu berücksichtigen. Sie stehen damit nicht für Ausschüttungen an die Anteilseigner zur Verfügung. Gleichwohl erhöhen die Schwankungsrückstellung und die ihr ähnlichen Rückstellungen betriebswirtschaftlich als zusätzliches Risikokapital die künftige Ertragskraft des Unternehmens. Daher wird in einem Teil der Literatur zur Bewertung von Versicherungsunternehmen die Schwankungsrückstellung zum Eigenkapital gerechnet und die Veränderung in der Zukunft bei der Ermittlung des Ertragswertes nicht berücksichtigt. Diesen Überlegungen folgend werden bei der Ermittlung des Ertragswertes die Veränderungen der Schwankungsrückstellung nicht ertragsmindernd bzw. ertragserhöhend angesetzt. Unter ähnlichen Rückstellungen werden Rückstellungen für normierte Großrisiken (Pharmarisiken und Atomrisiken) erfasst. 7.3.1.2.5 Sonstige versicherungstechnische Rückstellungen Hierzu gehören im Wesentlichen die Stornorückstellung26 zu den Beiträgen aus dem selbst abgeschlossenen Versicherungsgeschäft sowie die Rückstellung für drohende Verluste27 für die einzelnen Versicherungszweige oder Versicherungsarten des selbstabgeschlossenen oder des in Rückdeckung übernommenen Versicherungsgeschäfts. 22 23 24 25 26 27
Vgl. Farny, D. (1992), S. 130; Treuberg, H. Graf von/Angermayer, B. (1995), S. 277–278. Vgl. Treuberg, H. Graf von/Angermayer, B. (1995), S. 299. Vgl. Farny, D. (1992), S. 133; Jäger, B. (1991), S. 160; Treuberg, H. Graf von/Angermayer, B. (1995), S. 311. Zur Ermittlung der Schwankungsrückstellung vgl. Schradin, H. R. (1994), S. 230–231; Karten, W. (1988), S. 763–764. Vgl. Farny, D. (1992), S. 135. Vgl. Farny, D. (1992), S. 135.
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7 Bewertung von Versicherungsunternehmen 7.3.1.2.6 Andere Rückstellungen Der Posten beinhaltet überwiegend nichtversicherungstechnische Rückstellungen, insbesondere Personal-, Steuer- und Pensionsrückstellungen.28 7.3.1.2.7 Verbindlichkeiten aus dem selbst abgeschlossenen Versicherungsgeschäft (Verbindlichkeiten s.a.G.) Der Posten Verbindlichkeiten s.a.G. beinhaltet Verbindlichkeiten gegenüber Versicherungsnehmern, Versicherungsvermittlern, Mitglieds- und Trägerunternehmen sowie noch nicht ausgezahlte Versicherungsleistungen oder Provisionen für Versicherungsvermittler.29 7.3.1.2.8 Sonstige Passiva Bei den übrigen Passiva handelt es sich überwiegend um konzerninterne Verrechnungen, Verbindlichkeiten aus bezogenen Leistungen und Rechnungsabgrenzungsposten, auf die hier nicht näher eingegangen wird.
7.3.2 Aufbau der Gewinn- und Verlustrechnung Die Gewinn- und Verlustrechnung eines Schaden-/Unfall-Versicherungsunternehmens unterscheidet sich grundsätzlich von der eines Industrieunternehmens. Dabei wird nicht nach dem Umsatz- bzw. Gesamtkostenprinzip gegliedert, sondern nach der • versicherungstechnischen Rechnung und der • nichtversicherungstechnischen Rechnung. Unter der versicherungstechnischen Rechnung bzw. der nichtversicherungstechnischen Rechnung lassen sich die nachfolgenden wesentlichen Posten zum Zweck der Unternehmensbewertung wie folgt zusammenfassen:
Aufbau der externen Ergebnisrechnung (selbst abgeschlossenes Versicherungsgeschäft)
versicherungstechnische Rechnung verdiente Beiträge brutto Aufwendungen Versicherungsfälle brutto Aufwendungen Versicherungsbetrieb brutto übriges versicherungstechnisches Ergebnis Rückversicherungsergebnis
nicht-versicherungstechnische Rechnung Kapitalanlagenergebnis übriges Ergebnis
Abb. 7-3: Aufbau der externen Ergebnisrechnung
7.3.2.1 Verdiente Beiträge brutto Verdiente Beiträge sind Beitragseinnahmen, die Ertrag des Geschäftsjahres sind. Zu ihrer Ermittlung werden zu den gebuchten Bruttobeiträgen (das sind die im Geschäftsjahr fällig gewordenen Bruttobeiträge des selbst abgeschlossenen Geschäfts) die auf das Geschäftsjahr entfallenden Beitragsüberträge des 28 29
Vgl. Farny, D. (1992), S. 136; Treuberg, H. Graf von/Angermyer, B. (1995), S. 341–344. Vgl. Treuberg, H. Graf von/Angermyer, B. (1995), S. 349.
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Alfred Graßl und Martin Beck Vorjahres hinzugerechnet und die auf zukünftige Geschäftsjahre entfallenden Beiträge (Beitragsüberträge des Geschäftsjahres) abgezogen. Rückversicherungsbeiträge und Anteile der Rückversicherer an den Beitragsüberträgen bleiben unberücksichtigt.
7.3.2.2 Aufwendungen für Versicherungsfälle brutto Der Posten umfasst den Geschäftsjahresschadenaufwand (Zahlungen für Versicherungsfälle und Zuführung zur Schadenreserve) sowie das Abwicklungsergebnis der Vorjahresschadenreserve. Anteile der Rückversicherer bleiben unberücksichtigt.
7.3.2.3 Aufwendungen für den Versicherungsbetrieb brutto In dem Posten sind die aus der Kostenteilung abgeleiteten Verwaltungsaufwendungen (Personal- und Sachaufwendungen) und die Abschlussaufwendungen enthalten. Diese Aufwendungen zuzüglich der kalkulatorischen Mietaufwendungen für eigengenutzte Grundstücke sind den Funktionsbereichen Regulierung von Versicherungsfällen, Abschluss von Versicherungsverträgen sowie Verwaltung von Versicherungsverträgen zuzuordnen. Anteile der Rückversicherer bleiben unberücksichtigt.
7.3.2.4 Übriges versicherungstechnisches Ergebnis Hier werden die Veränderungen der sonstigen versicherungstechnischen Brutto-Rückstellungen sowie die sonstigen versicherungstechnischen Bruttoerträge und -aufwendungen zusammengefasst.
7.3.2.5 Rückversicherungsergebnis Da bisher alle versicherungstechnischen Posten brutto erfasst wurden, wird für Zwecke der Bewertung im Rückversicherungsergebnis der Saldo aus Erträgen und Aufwendungen der den jeweiligen Posten zugeordneten Rückversicherungsanteile ausgewiesen.
7.3.2.6 Kapitalanlageergebnis Im Kapitalanlageergebnis werden die Erträge und Aufwendungen aus den einzelnen Kapitalanlagekategorien ausgewiesen. Bei den Erträgen werden die laufenden Erträge gesondert von den Veräußerungsgewinnen und Zuschreibungen erfasst; die Aufwendungen setzen sich im Wesentlichen aus Verwaltungs- und Zinsaufwendungen, Abschreibungen und Veräußerungsverlusten zusammen.
7.3.2.7 Übriges Ergebnis Im übrigen Ergebnis (ohne Steuern) ist der Saldo aus geleisteten und empfangenen Dienstleistungen, sonstigen Erträgen und Aufwendungen sowie außerordentlichen Erträgen und Aufwendungen zusammengefasst.
7.3.3 Solvabilität Unter der Solvabilität wird allgemein die Fähigkeit von Versicherungsunternehmen verstanden, ihre Existenz und die dauernde Erfüllbarkeit der eingegangenen Verpflichtungen jederzeit durch ausreichende Eigenmittel sicherzustellen. Die Solvabilität wird von den Versicherungsaufsichtsbehörden im Rahmen der Finanzaufsicht überwacht. Nach § 53c VAG in Verbindung mit der Kapitalausstattungsverordnung sind Versicherungsunternehmen verpflichtet, zur Sicherstellung der dauernden Erfüllbarkeit der Verträge „freie unbelastete Eigenmittel“30 mindestens in Höhe einer Solvabilitätsspanne zu bilden, die sich nach dem gesamten Geschäftsumfang bemisst. Die Solvabilitätsspanne bezeichnet den Betrag der erforderlichen Eigenmittel in Relation zu den jährlichen Beitragseinnahmen (Beitragsindex) oder nach den durchschnittlichen 30
Vgl. Farny, D. (1995), S. 689–691.
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7 Bewertung von Versicherungsunternehmen Aufwendungen für Versicherungsfälle der letzten drei Geschäftsjahre (Schadenindex). Der höher ermittelte Index wird dem maßgeblichen Eigenkapital gegenübergestellt.31 Bei der Bewertung von Versicherungsunternehmen ist die Einhaltung der Solvabilitätsspanne eine strenge Nebenbedingung bei der Ermittlung des ausschüttungsfähigen Ergebnisses. Im Rahmen der Plausibilisierung der Planung ist die hinreichende Solvabilitätsspanne als Ausschüttungsrestriktion zwingend zu beachten. Das geplante Beitragswachstum und die Qualität der gezeichneten Risiken wirken sich unmittelbar auf das notwendige Solvabilitätsniveau aus. Damit ist die Eigenkapitalausstattung eine entscheidende Restriktion für das geplante Wachstum eines Versicherungsunternehmens. Im Rahmen der EU Gesetzgebung sind die Anforderungen aus Solvency I aktuell schon zu berücksichtigen. Darüber hinaus sind aus dem weiteren Solvency II Projekt erhebliche Auswirkungen auf die Eigenkapitalanforderungen und damit auf die künftigen Werte der Versicherungsunternehmen zu erwarten. Derzeit befindet sich das Projekt noch in den Beratungsgremien.32
7.4 Ermittlung des Unternehmenswerts Der Unternehmenswert eines Versicherungsunternehmens kann, wie oben bereits dargestellt, unterschiedlich ermittelt werden. Für die objektivierte Unternehmensbewertung stehen gemäß IDW S 133 sowohl die traditionelle Ertragswertmethode als auch die Discounted-Cash-Flow-Methode (als Entity- und Equity-Verfahren) zur Verfügung. Im Folgenden wird die Vorgehensweise zur Bewertung nach der Ertragswertmethode ausführlich dargestellt. Wie vorher bereits beschrieben wird auf die Bewertung mit Hilfe der Discounted-Cash-Flow-Methode nicht eingegangen, da sie für die Bewertung von Versicherungsunternehmen keine Praxisrelevanz besitzt. Nach IDW S 1 wird in der Funktion des neutralen Gutachters der Unternehmenswert als typisierter Zukunftserfolgswert ermittelt, der sich unter der Annahme einer grundsätzlich unveränderten Fortführung des Unternehmens im Rahmen des vorhandenen Unternehmenskonzepts, bezogen auf eine Alternativinvestition am Kapitalmarkt, ergibt (objektivierter Unternehmenswert). Für den Unternehmenswert gelten die Status-quo- und die Stand-alone-Prämisse. Strukturänderungen sowie Restrukturierungsmaßnahmen und andere Maßnahmen, Investitionen und Desinvestitionen, die am Bewertungsstichtag noch nicht hinreichend konkretisiert bzw. eingeleitet sind, bleiben bei der Bewertung außer Betracht. Der objektivierte Unternehmenswert stellt einen Erfolgswert aus der Sicht eines inländischen, unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners bei Fortführung des Unternehmens in unverändertem Konzept dar. Dieser Zukunftserfolgswert kann auch als ein Wert interpretiert werden, den ein beliebiger potenzieller Erwerber bei der Kaufpreisermittlung des Unternehmens diesem zugrunde legen würde. Bei der Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts sind als Nettoeinnahmen der Unternehmenseigner diejenigen finanziellen Überschüsse zugrunde zu legen, die nach Berücksichtigung des zum Bewertungsstichtag dokumentierten Unternehmenskonzepts und rechtlicher Restriktionen zur Ausschüttung zur Verfügung stehen. Die zur Ermittlung des Unternehmenswerts zu diskontierenden Nettoeinnahmen der Unternehmenseigner hängen vor allem von der Fähigkeit des Unternehmens ab, finanzielle Überschüsse zu erwirtschaften. Eine Unternehmensbewertung setzt daher eine Prognose der entziehbaren finanziellen Überschüsse des Unternehmens voraus. Diese werden durch die im Bewertungszeitpunkt vorhandene 31 32
33
Zur Ermittlung der Solvabilitätsspanne vgl. Farny, D. (1995), S. 682–688. Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaft: Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität); Neufassung vom 26.2.2008; der aktuelle Stand des gesamten Richtlinientextes vom 23.3.2009 ist abrufbar unter: http://register.consilium.europa.eu/pdf/de/09/st07/st07821.de09.pdf. IDW S 1 i.d.F. 2008; Es handelt sich hierbei um eine Weiterentwicklung des IDW S 1. Wesentliche Neuerung ist die Ausschüttungsversteuerung nach der Abgeltungsteuer anstatt des Halbeinkünfteverfahrens; vgl. Wollny, C. (2008), S. 1 und S. 46 f.
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Alfred Graßl und Martin Beck materielle Substanz des Unternehmens, seine Innovationskraft, seine Produktgestaltung und Marktposition, seine innere Organisation sowie sein disponierendes Management bestimmt. Das zentrale Moment bei der Ertragswertermittlung stellt die Prognose der mit der Unsicherheit der Zukunftserwartungen behafteten künftigen Nettoeinnahmen der Anteilseigner dar. Bei der vorzunehmenden Schätzung sind Chancen und Risiken in gleicher Weise zu würdigen. Die in der Vergangenheit tatsächlich erzielten Überschüsse geben hierfür oftmals eine erste Orientierung. Sofern in der Planung zwei Phasen unterschieden werden, sind in der ersten Phase der Planung (sog. Detailplanungsphase) die Ausschüttungen und die Verwendung der thesaurierten Beträge auf der Basis des individuellen Unternehmenskonzepts und unter Berücksichtigung der bisherigen und geplanten Ausschüttungspolitik, der Eigenkapitalausstattung und der steuerlichen Rahmenbedingungen zu bestimmen. In der zweiten Phase wird grundsätzlich typisierend unterstellt, dass das Ausschüttungsverhalten des zu bewertenden Unternehmens äquivalent zum Ausschüttungsverhalten der alternativen Anlage ist. Die Wiederanlage der thesaurierten Beträge erfolgt kapitalwertneutral. Im Rahmen von Bewertungen werden sie zumeist durch eine Hinzurechnung der thesaurierten Beträge zu den Ausschüttungen wertgleich abgebildet. Bei der Bestimmung der Nettoeinnahmen der Unternehmenseigner sind die Thesaurierungen finanzieller Überschüsse des Unternehmens sowie deren Verwendung für Investitionen, zur Tilgung von Fremdkapital oder zur Rückführung von Eigenkapital (z.B. Aktienrückkauf) zu berücksichtigen. Als betriebliche Ertragsteuern sind die Gewerbeertragsteuer und die Körperschaftsteuer einschließlich Solidaritätszuschlag zu berücksichtigen. Entsprechend IDW S 1 i.d.F. 2008 wird auf einen im Inland unbeschränkt steuerpflichtigen, als natürliche Person gedachten Anteilseigner abgestellt, der als ausschließliches finanzielles Ziel die Erzielung von Nettoeinnahmen aus dem zu bewertenden Unternehmen verfolgt und die Unternehmensanteile im Privatvermögen hält. Insofern werden persönliche Steuern der Anteilseigner mit der einheitlichen Abgeltungsteuer von 25 % (zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer) bei der Ermittlung der Wertbeiträge aus Dividenden berücksichtigt.34
7.4.1 Kapitalisierungszinssatz Die künftigen Nettozuflüsse an die Anteilseigner sind unter Berücksichtigung der Ertragsteuern des Unternehmens und der aufgrund des Eigentums am Unternehmen entstehenden persönlichen Ertragsteuern der Anteilseigner zu ermitteln. Die Nettoeinnahmen der Anteilseigner aus dem Unternehmen sind mit dem Kapitalisierungszinssatz auf den Bewertungsstichtag abzuzinsen, um sie mit den dem Investor zur Verfügung stehenden Anlagealternativen vergleichbar zu machen. Im Rahmen der Ermittlung objektivierter Unternehmenswerte sind Typisierungen erforderlich, ohne die eine praktikable, von den subjektiven Vorstellungen und Wertschätzungen eines Investors losgelöste Herleitung eines Unternehmenswerts nicht möglich ist. Dies gilt insbesondere für die Ableitung des Kapitalisierungszinssatzes. Der Kapitalisierungszinssatz wird aus der Rendite abgeleitet, die ein Investor aus einer Alternativinvestition erzielen kann, denn im Rahmen der Kapitalisierung werden die künftigen finanziellen Überschüsse aus dem zu bewertenden Unternehmen an den künftigen finanziellen Überschüssen gemessen, die aus einer Alternativinvestition zu erwarten sind. Der Kapitalisierungszinssatz muss daher den Unterschieden der finanziellen Überschüsse aus dem Bewertungsobjekt und dem Vergleichsobjekt Rechnung tragen. Die aus dieser alternativen Kapitalverwendung fließenden Vorteile müssen mit den erwarteten Nettoausschüttungen aus dem Bewertungsobjekt hinsichtlich ihrer Höhe, ihrer zeitlichen Struktur, ihres Sicherheitsgrades und ihrer Besteuerung vergleichbar sein. Die Alternative zum Bewertungsobjekt stellt somit die aus dieser Anlagemöglichkeit erzielbare Rendite dar (Kapitalisierungszinssatz). Als Ausgangsgrößen für die Bestimmung von Alternativrenditen kommen insbesondere Kapitalmarktrenditen für Unternehmensbeteiligungen (in Form eines Aktienportfolios) 34
Durch den gesetzlich bestimmten Abgeltungsteuersatz von 25 % hat sich das Problem der Typisierung eines durchschnittlichen Einkommensteuersatzes erledigt.
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7 Bewertung von Versicherungsunternehmen in Betracht. Renditen für Unternehmensanteile lassen sich grundsätzlich in eine risikolose und eine von den Anteilseignern auf Grund der Übernahme unternehmerischen Risikos geforderte Risikoprämie zerlegen. Die risikolose Komponente des Kapitalisierungszinssatzes wird hierbei regelmäßig aus der sicheren Rendite einer Staatsanleihe ermittelt (Basiszinssatz). Der risikobehaftete Anteil ist dann die Differenz aus der Rendite der Alternativanlage und dem Basiszins. Da die finanziellen Überschüsse aus der alternativ am Kapitalmarkt zu tätigenden Anlage der persönlichen Ertragsbesteuerung des Investors unterliegen, ist dessen Steuerbelastung in den Kapitalisierungszinssatz zu beachten. Unternehmenssteuern sind im Kapitalisierungszinssatz bereits berücksichtigt, da es sich bei den zugrunde liegenden empirisch beobachteten Renditen bereits um Unternehmensrenditen nach Unternehmenssteuern handelt. Gemäß IDW S 1 sind neben den betrieblichen Ertragsteuern des Unternehmens auch die persönlichen Ertragsteuern der Unternehmenseigner zu berücksichtigen.35 Eine differenzierte Unterscheidung zwischen Dividenden- und Kursgewinnen wurde im Zuge des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 durch eine Abgeltungssteuer gemäß § 32d Abs. 1 EStG abgelöst. Ab dem Veranlagungszeitraum 2009 unterliegen Zinseinkünfte, Dividendeneinkünfte und Kursgewinne der einheitlichen Abgeltungssteuer in Höhe von 25 % zzgl. Solidaritätszuschlag. Bei der Veräußerungsgewinnbesteuerung ist zum Einen zu beachten, dass Kursgewinne von Wertpapieren, die vor dem 1. Januar 2009 erworben wurden, auch nach dem 1. Januar 2009 steuerfrei realisiert werden können. Zum Anderen korreliert die effektive Besteuerung von Kursgewinnen negativ mit der Haltedauer der Wertpapiere. Lange Haltedauern führen zu einer geringeren effektiven Steuerbelastung und damit zu einem aus heutiger Sicht höheren Unternehmenswert. In der Praxis wird der Kapitalisierungszinssatz durch Zerlegung in die drei folgenden Komponenten abgeleitet: • Basiszinssatz nach persönlicher Einkommensteuer, • Risikozuschlag und • Wachstumsabschlag. An dieser Stelle wird keine weiterführende Betrachtung der Ableitung der einzelnen Komponenten vorgenommen, da dies kein Branchenspezifika darstellt, sondern der allgemeinen Bewertungsliteratur entnommen werden kann. Vielmehr werden praxisrelevante zum Teil empirische Erkenntnisse einzelner Komponenten, wie die spartenspezifischen Risikozuschläge und die Berücksichtigung des Wachstumsabschlages, dargestellt.
7.4.1.1 Risikozuschlag Mit den spartenspezifischen Risikozuschlägen für Lebens-, Kranken- und Schaden-/Unfall-Versicherungen soll der unterschiedlichen Risikoeinschätzung Rechnung getragen werden. In der Vergangenheit wurden zu unterschiedlichen Bewertungsanlässen für Schaden-/Unfallversicherungsunternehmen Bandbreiten für Risikozuschläge zwischen 2 % und 4 %-Punkten angesetzt. Bei der Bestimmung von Beta-Faktoren für Versicherungsunternehmen gilt verstärkte Beachtung hinsichtlich der Portfolio/-Risikostruktur des Versicherungsbestandes und des Geschäftsmodells bei der Zusammenstellung einer Gruppe von Vergleichsunternehmen (Peer Group).
7.4.1.2 Wachstumsabschlag Der Kapitalisierungszinssatz enthält zumindest theoretisch einen Zuschlag für Geldentwertungsrisiken. Unternehmensgewinne ändern sich aber nicht zwangsläufig mit der Geldentwertungsrate. Soweit also beim Kapitalisierungszinssatz ein Abschlag wegen der in ihm enthaltenen zukünftigen Geldentwertungsrate vorgenommen wird, ist damit unterstellt, dass die Unternehmensgewinne tatsächlich nach Maßgabe dieses Geldentwertungsabschlags wachsen werden (Wachstumsabschlag). Insbesondere Versicherungsunternehmen nehmen hier eine Sonderstellung ein, weil bei ihnen überwiegend nominelle Geldwerte vorliegen. Bei ihnen wird daher ein geringer Abschlag angesetzt. 35
Vgl. IDW S 1 i.d.F. 2008, Rn. 43.
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Alfred Graßl und Martin Beck Bei Versicherungsunternehmen können von der Geldentwertung folgende Ergebniskomponenten betroffen sein: • Prämienaufkommen, • Schadenszahlungen, • Kosten des Versicherungsbetriebs und • Erträge aus Kapitalanlagen. Grundsätzlich ist beim Ansatz eines Wachstumsabschlages zu plausibilisieren, wie das Unternehmen steigende Kosten kompensieren kann bzw. ob die Wettbewerbsverhältnisse eine Überwälzung dieser Kostensteigerungen zulassen. Eine jährliche Gewinnsteigerung in Höhe der jährlichen Geldentwertungsrate kann deshalb nicht ohne Weiteres angenommen werden, da eine solche Annahme unterstellt, dass inflationäre Kostensteigerungen grundsätzlich in prozentual gleichem Ausmaß in den Prämien weitergegeben werden können.36 In der Vergangenheit wurden zu unterschiedlichen Bewertungsanlässen für Schaden-/Unfallversicherungsunternehmen Bandbreiten für Wachstumsabschläge zwischen 0,5 % und 1 %-Punkten angesetzt.
7.4.2 Vergangenheitsanalyse Im Rahmen der Vergangenheitsanalyse werden die Erträge und Aufwendungen der Vergangenheit um bestimmte Komponenten bereinigt, um auf diese Weise ein dem normalen Geschäftsverlauf entsprechendes Ergebnis zu ermitteln, das als Ausgangsbasis für die Ermittlung der am Bewertungsstichtag vorhandenen Ertragskraft dienen kann. Zielsetzung der Bereinigung der Vergangenheitserfolgsrechnung ist die Ermittlung von vergleichbaren Ergebnissen, die als Kontrollmaßstäbe für die prognostizierte künftige Entwicklung dienen sollen. Grundlage der Vergangenheitsanalyse bilden in der Regel die geprüften Jahresabschlüsse und das Meldewesen gegenüber der BaFin des in die Untersuchung einbezogenen Zeitraums (Referenzperiode). Darüber hinaus stehen in der Praxis bei der Bewertung von Schaden-/Unfall-Versicherungsunternehmen folgende wesentliche Datengrundlagen zur Verfügung: • Bestandsführung, • Vertriebscontrolling, • Schadenreservierung, • Entwicklung der Abwicklungsergebnisse, • Rückversicherungsbeziehungen, • Asset Management, • Kostenrechnung, • Managementinformationssysteme und • externe Vergleichsdaten (BaFin, GDV, Branchenreports). Eine Analyse der entsprechenden Planungen der Vergangenheit (Referenzperiode) einschließlich der Soll-/Ist-Abweichungen, spezifiziert nach wesentlichen Versicherungssparten, bietet Aufschlüsse über die Planungsqualität des zu bewertenden Unternehmens. Mit Hilfe der dargestellten Datenbasis lassen sich alle wesentlichen wertbestimmenden Faktoren, die Einfluss auf die Ergebnisentwicklung haben, untersuchen. Ausgehend von einer differenzierten Betrachtung der Versicherungssparten werden die Tarife, Schäden, Abwicklungsergebnisse, Vertriebsund Provisionsstrukturen, Rückversicherungsergebnisse und andere wesentliche versicherungstechnische Parameter analysiert. Die dabei gewonnenen Informationen müssen ergänzend durch Bildung 36
Vgl. Großfeld, B. (2002), S. 150; Richter, H. (1994), S. 1474–1475.
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7 Bewertung von Versicherungsunternehmen geeigneter Kennziffern37 (z.B. für die Bestandsanalyse, zu den Prämien, Aufwendungen, Rückstellungen, Kapitalanlagen usw.) verdichtet werden. Bereinigungen der Vergangenheitsergebnisse sind z.B. bei den Aufwendungen für Versicherungsfälle vorzunehmen, um Schadenquoten abzuleiten, die um außergewöhnliche Schadenereignisse korrigiert sind. Dabei sind im Wesentlichen Sanierungen der Risikostruktur des Versicherungsbestands, diskontinuierliche Schadenereignisse wie Großschäden, Sturm- oder Überschwemmungsjahre und sonstige Katastrophen zu bereinigen. Die zu erwartenden Schadenzahlungen können dabei mit Hilfe der Chain-Ladder-Methode38 ergänzend plausibilisiert werden, einem mathematisch-statistischen Verfahren, das durch Extrapolation historischer Schadendaten die erwarteten zukünftigen Schadenleistungen wiedergibt. Dieses Verfahren setzt jedoch größere homogene Grundgesamtheiten voraus, wie z.B. im Kraftfahrt-Versicherungsgeschäft. Die Veränderung der Schwankungsrückstellung ist zu eliminieren, da diese Rückstellung bewertungstechnisch als unversteuertes Eigenkapital behandelt wird. Ebenso sind die Veränderungen der Drohverlustrückstellung aufgrund der Unmaßgeblichkeit des Imparitätsprinzips in der Unternehmensbewertung zu bereinigen. Beim Rückversicherungsergebnis ist eine Analyse der Vertragsstruktur erforderlich, um sicherzustellen, dass Referenz- und Planperioden mit vertraglich vereinbarten Quoten- und Exzedentenabgaben belastet sind. Probleme bestehen insbesondere bei der Analyse von nicht proportionalen Rückversicherungsverträgen, wie z.B. Stop-loss Verträgen. Diese Verträge dienen primär der Limitierung von Schadenquoten durch Übernahme von versicherungstechnischen Verlusten in speziellen Fällen. Die nur beispielhaft dargestellten Korrekturen der Vergangenheitsergebnisse sind für jeden Ertragsund Aufwandsposten vorzunehmen, um zu einer „normalisierten“ Gewinn- und Verlustrechnung als Ausgangsbasis für die folgende Planung zu gelangen. Da die Planung der Schäden und Kosten in Relation zu den Beiträgen erfolgt, werden für die Vergangenheit wesentliche Kennziffern (Kostensatz, Geschäftsjahresschadenquote, Abwicklungsquote) ermittelt. Die Folgewirkungen der dargestellten Bereinigungen auf die Zinsträger und somit auf das Kapitalanlageergebnis sind zu berücksichtigen.
7.4.2.1 Kostensatz Der Kostensatz drückt das Verhältnis aus den Kosten (Provisionen, Personal- und Sachkosten, Gesamtkosten) zu den gebuchten Beiträgen aus.
7.4.2.2 Geschäftsjahresschadenquote Die Geschäftsjahresschadenquote ermittelt sich aus dem Verhältnis von Schäden (Schadenzahlungen, Zuführung zu Schadenrückstellungen, Schadenaufwand insgesamt) zu verdienten Beiträgen.
7.4.2.3 Combined Ratio Die Combined Ratio setzt sich aus Schaden- und Kostenquote zusammen. Eine Combined Ratio von unter 100 %-Punkten bedeutet somit ein positives versicherungstechnisches Ergebnis. 37 38
Kennzahlen zur Analyse von Versicherungsunternehmen vgl. Farny, D. (1992), S. 171–183; Holz, R. (1999), S. 1687–1688. Allgemein zu mathematisch-statistischen Verfahren vgl. IDW RS VFA 3; zur Chain-Ladder-Methode und anderen Verfahren vgl. ausführlich Schmidt, K. D. (2004), S. 55–64.
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7.4.2.4 Abwicklungsquote Das Verhältnis aus Abwicklungsergebnis und Schadenreserve zu Beginn des Geschäftsjahres stellt die Abwicklungsquote dar. Das Abwicklungsergebnis der aus dem Vorjahr übernommenen Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle errechnet sich grundsätzlich wie folgt:
Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Vorjahres-Versicherungsfälle zu Beginn des Geschäftsjahres . / . Zahlungen im Geschäftsjahr für Vorjahres-Versicherungsfälle . / . Rückstellung für noch nicht abgewickelte Vorjahres-Versicherungsfälle am Ende des Geschäftsjahres Abb. 7-4: Entwicklung Abwicklungsergebnis
Die Analyse der Abwicklungsquote ist für die Beurteilung der ausreichenden Reservierung für künftige Schadenleistungen von wesentlicher Bedeutung. Aufsichtsrechtlich wird eine positive Abwicklungsquote erwartet. Sollte die Analyse negative Abwicklungsquoten ergeben, bedeutet dies eine nicht ausreichende Reservierung für künftige Schadenleistungen. Für die Wertermittlung ist die Festlegung einer angemessenen Abwicklungsquote wesentliche Kennziffer zur Plausibilisierung der geplanten Schadenreserve.
7.4.2.5 Nicht versicherungstechnisches Ergebnis Beim nicht-versicherungstechnischen Ergebnis ist insbesondere das Ergebnis aus Kapitalanlagen der Referenzperiode nach Ertragsquellen zu analysieren. Dabei sind zunächst die Entwicklung der Zinsträger und der Grad ihrer Bedeckung zu untersuchen. Die Zinsträger sind dabei um Beteiligungen zu korrigieren, die einer gesonderten Bewertung unterliegen. Entsprechend ist das Beteiligungsergebnis aus dem Kapitalanlageergebnis zu eliminieren. Des Weiteren sind die erzielten Renditen der Vergangenheit aus den einzelnen Asset-Klassen wichtige Grundlage für die Planung künftiger Ergebnisse. Wegen des erheblichen Ertragspotenzials stiller Reserven sind diese an Hand der Entwicklung von Marktwerten zu analysieren und zu quantifizieren.
7.4.3 Prognoserechnungen Wie bereits dargestellt, ist die Ermittlung der zukünftigen Ertragsüberschüsse üblicherweise in zwei Phasen unterteilt. Phase I umfasst die detaillierte Planungsrechnung als Ergebnis des integrierten Planungsprozesses des Versicherungsunternehmens. Die Phase II bildet die Phase der sog. Ewigen Rente bzw. das Normjahr (Terminal Value), für die unter Berücksichtigung der detailliert prognostizierten Ergebnisse und der strategischen Planung ein nachhaltig verfügbares Ergebnis ermittelt wird. Die Planung der Ertrags- und Aufwandsströme eines Versicherungsunternehmens hat grundsätzlich auf der Basis einer integrierten Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung zu erfolgen. Wegen der vorgegebenen Bedeckung der geplanten versicherungstechnischen Passiva durch die geplanten Kapitalanlagen wird das Kapitalanlageergebnis von der versicherungstechnischen Planung wesentlich bestimmt. In einem weiteren Planungsschritt werden im Rahmen des Asset Liability Matching (ALM) die Verfügbarkeit der Kapitalanlagenergebnisse mit den versicherungstechnischen Verpflichtungen abgestimmt und die Struktur der Kapitalanlagen (Asset Allocation) festgelegt. Im Folgenden werden die Planungsgrundlagen der wichtigsten Posten der Ergebnisrechnung eines Schaden-/Unfall-Versicherungsunternehmens erläutert:
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7 Bewertung von Versicherungsunternehmen
7.4.3.1 Beiträge Die Entwicklung der Beiträge hat neben dem Kapitalanlageergebnis eine erhebliche Bedeutung für den Unternehmenswert in der Prognoserechnung. Grundlage der Plausibilisierung der Prognose bilden die Prämienentwicklungen der vergangenen Jahre für die einzelnen Sparten. Die festgestellte Entwicklung kann einen ersten Anhaltspunkt für die zukünftige Entwicklung bieten. Zusätzlich ist aber eine Analyse der Unternehmensstrategie (z.B. Firmen- oder Privatkunden) und der wesentlichen Marktdeterminanten wie beispielsweise • gesetzliche Veränderungen, • Produktpalette (z.B. Konzentration auf Versicherungszweige), • Vertriebswege (z.B. Banken, Makler, Außendienst), • Marktentwicklung (Wachstumsmarkt oder Bestandssanierung), • Nachfrageentwicklung sowie • Wettbewerbssituation vorzunehmen. Mit den gewonnenen Erkenntnissen aus den zukunftsorientierten Analysen und der Entwicklung in den vergangenen Jahren lässt sich in der Praxis meist ausreichend genau die geplante Beitragsentwicklung und damit die Angemessenheit des geplanten Wachstums plausibilisieren.
7.4.3.2 Kostenteilung Bevor die Prognose der Posten „Aufwendungen für Versicherungsfälle“ und „Aufwendungen für den Versicherungsbetrieb“ erläutert wird, soll kurz auf das für Versicherungsunternehmen geltende Prinzip der Kostenteilung detaillierter eingegangen werden. Die Aufwendungen eines Versicherungsunternehmens werden in der Kostenrechnung zunächst nach ihren Kostenarten erfasst. Anschließend werden die angefallenen Aufwendungen im Rahmen einer branchenspezifischen Kostenteilung den unternehmerischen Funktionsbereichen zugerechnet und die auf diese Weise umgegliederten Aufwendungen in der Gewinn- und Verlustrechnung erfasst. Funktionsbereichsaufwendungen sind z.B. Aufwendungen für Versicherungsfälle, Aufwendungen für den Versicherungsbetrieb und Aufwendungen für die Verwaltung von Kapitalanlagen und sonstige Aufwendungen. Die Zuordnung der Aufwendungen orientiert sich am Prinzip der Verursachung und ggf. anderen geeigneten Bezugsgrößen. Für Zwecke der Unternehmensbewertung ist zunächst die Entwicklung der geplanten Kostenarten vor Kostenteilung unter Berücksichtigung des geplanten Beitragswachstums gesondert zu analysieren. Innerhalb der Kostenarten sind Cost-Cutting-Programme, Effizienzsteigerungsprogramme sowie die Personalkostenentwicklung zu berücksichtigen. Ergänzend sind die EDV-Kosten im Hinblick auf Anforderungen an die wertorientierte Steuerung einzubeziehen. Die Aufwendungen für den Versicherungsbetrieb können nach der folgenden Aufteilung nach Kostenartengruppen vorgenommen werden, (Abb. 7-5). Der Aufteilung nach Kostenarten folgt die Zuordnung zu den Funktionsbereichen. Dabei müssen die Gesamtaufwendungen nach Kostenarten mit den Gesamtkosten (brutto), verteilt auf die einzelnen Funktionsbereiche, insgesamt übereinstimmen (Abb. 7-6).
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Provisionen und sonstige Bezüge der Vermittler Löhne und Gehälter Soziale Abgaben und Unterstützung Aufwendungen für Altersversorgung Persönliche Aufwendungen Provisionen Partnergeschäft Reiseaufwand Raumaufwand Aufwand für Bürobedarf Werbeaufwand Aufwand für EDV-Anlagen Abschreibungen Vergütungen für bezogene Dienstleistungen Provisionen übernommenes Geschäft Übrige Aufwendungen Sächliche Aufwendungen Gesamtkosten
Abb. 7-5: Aufteilung nach Kostenartengruppen 2008
Vorjahr
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Veränderung T€
Aufwendungen für Versicherungsfälle Aufwendungen für Versicherungsbetrieb a) Abschlussaufwendungen b) Verwaltungsaufwendungen Aufwendungen für Altersversorgung Aufwendungen für Kapitalanlagen Sonstige Aufwendungen Gesamtkosten
Abb. 7-6: Verteilung auf Funktionsbereiche
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7.4.3.3 Aufwendungen für Versicherungsfälle Für die Prognose des Schadenaufwands ergeben sich die zwei wesentlichen Problemstellungen der Ermittlung der zukünftigen Schadenleistungen und der Behandlung der stillen Reserven in den am Bewertungsstichtag vorhandenen Schadenrückstellungen (Abwicklungsquote). Die Prognose basiert auf dem geplanten Schadenbedarf, der im Allgemeinen nicht absolut, sondern als Verhältnis von erwartetem Schadenaufwand zu den verdienten Beiträgen ermittelt wird (Schadenquote). Die um die Abwicklungsergebnisse bereinigten Schadenquoten nach Anfalljahren der letzten fünf bis zehn Jahre bilden für die Plausibilisierung der Schadenleistungen eine aussagefähige Basis. Die Länge der in die Betrachtung einzubeziehenden Referenzperiode ist je nach Art des betriebenen Versicherungszweigs unterschiedlich. Zur Plausibilisierung der Endschadenquote sind – wie bereits dargestellt – mathematisch statistische Verfahren (Chain Ladder) entwickelt worden, deren Anwendbarkeit bzw. Genauigkeit von der Größe und Homogenität des Schadenbestands als Grundgesamtheit abhängig ist. Auf die Behandlung von stillen Reserven wird später noch gesondert eingegangen.
7.4.3.4 Aufwendungen für den Versicherungsbetrieb Für die Prognose der künftigen Provisionsaufwendungen ist insbesondere das letzte Jahr der Referenzperiode zu analysieren, da sich hier der gegenwärtige Stand der Vertragsbeziehungen besonders widerspiegelt. Für die Zukunft ist zu klären, ob von gleichen Vertragsbedingungen und Vertriebsstrukturen ausgegangen werden kann. Für die Planung der Abschlussprovisionen ist die Entwicklung des Neugeschäfts für die Unternehmensbewertung besonders zu berücksichtigen. Die angefallenen Personal- und Sachkosten werden entsprechend dem Vollkostenprinzip nach möglichst verursachungsgerechten Schlüsseln auf die Versicherungszweige und Funktionsbereiche verteilt. Eine Analyse hat zu untersuchen, ob die Zuordnungskriterien eine kontinuierliche Entwickung der Kostenquoten ergeben.
7.4.3.5 Rückversicherungsergebnis Die Rückversicherung eines Schaden-/Unfall-Versicherungsunternehmens besteht in der Regel aus einer proportionalen Basisdeckung durch Quoten- oder Summenexzedentenverträge sowie einer Zusatzdeckung für Spitzenrisiken durch Schadenexzedentenverträge (z.B. Stop Loss Vertrag). Die Prognose des in Rückdeckung gegebenen Geschäfts (passive Rückversicherung) ist je nach Art der Rückversicherung in einer detaillierten Rechnung nicht üblich. Bei der nicht proportionalen Rückversicherung kann unterstellt werden, dass dem Rückversicherer zumindest eine nachhaltige Vergütung für die Übernahme des Risikos bleibt, die das zu bewertende Unternehmen als Kostenfaktor belastet. Rückversicherungsverträge, die neben der Funktion der Risikobegrenzung auch der Finanzierung des Erstversicherers dienen (Financial-Reinsurance-Verträge), können das Prognoseergebnis stark beeinträchtigen und müssen daher bezüglich ihrer Auswirkungen auf die Wertermittlung gesondert berücksichtigt werden. Unabhängig hiervon ist zu beachten, dass das Rückversicherungsgeschäft zyklisch verläuft und der Prognosezeitraum davon tangiert werden kann. Bei der Wertermittlung im Prognosezeitraum sind positive Rückversicherungsergebnisse kritisch zu würdigen und zu plausibilisieren. Für die Phase II ist auch ein Rückversicherungsunternehmen gezwungen, nachhaltig wirtschaftlich zu handeln und für den Risikotransfer eine angemessene Prämie zu erzielen.
7.4.3.6 Kapitalanlageergebnis Das Volumen ist wesentlich von der Höhe und der Struktur der versicherungstechnischen Passiva abhängig. Die Anlageformen für das gebundene Vermögen nach § 54 VAG sind in der Verordnung über die Anlage des gebundenen Vermögens von Versicherungsunternehmen (AnlV) normiert. Da das ver-
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1. Eigenkapital ohne Bilanzgewinn 2. Planung der versicherungstechnischen Passiva
bilanzieller Zinsträger
t Änderung der geplanten Schaden- und Kostenquoten
3. wesentliche bewertungstechnische Korrekturen t Schwankungsreserve t Eliminierung der gesondert bewerteten Beteiligungen
4. Berücksichtigung der Bedeckungsquote t Verhältnis der Kapitalanlagen zum Zinsträger t Prüfung Solvabilität
5. Ermittlung des mittleren Kapitalanlagenbestandes 6. Ermittlung der laufenden Ergebnisse der Kapitalanlagen ./. Verwaltungskosten für Kapitalanlagen = Kapitalanlageergebnis
Abb. 7-7: Entwicklung des Zinsträgers
Für die Höhe der Ergebnisse aus Kapitalanlagen sind die Entwicklung der Zinsträger und die erzielbaren Renditen maßgeblich. Ausgehend von den Kapitalanlagebeständen zum Bewertungsstichtag wird die Entwicklung der Kapitalanlagen auf der Grundlage der versicherungstechnischen Passiva und der übrigen Passiva geplant. Im Rahmen der Wertermittlung für gesondert bewertete Unternehmen sind sowohl der entsprechende anteilige Zinsträger (Buchwert der Beteiligung) als auch das Beteiligungsergebnis zu eliminieren. Innerhalb der Kapitalanlagen, deren Prognose auf der Basis einer integrierten Planung für Bilanz und Gewinn- und Verlustrechung zu erfolgen hat, werden für die verschiedenen Anlagekategorien (Immobilien, festverzinsliche Wertpapiere, Aktien) unter Berücksichtigung der Markterwartungen Durchschnittsrenditen abgeleitet und entsprechend der Assetklassen differenziert verzinst. Die Gewichtung der Anlagekategorien erfolgt entsprechend der geplanten Kapitalanlagestrategie der Gesellschaft unter Berücksichtigung gesetzlicher Restriktionen. Bei Aktien und festverzinslichen Wertpapieren sowie Investmentzertifikaten berechnet sich die Periodenrentabilität aus der Relation der laufenden Erträge zum eingesetzten Kapital. Bei der Berechnung sind sowohl die Gewinne aus realisierten stillen Reserven als auch die Verluste zu berücksichtigen. Wegen der heterogenen Rentabilitäten sind die einzelnen Anlageformen getrennt zu untersuchen. Bei den festverzinslichen Wertpapieren wird der Bestand nach Fälligkeiten und Zinssätzen strukturiert. Im Prognosezeitraum wird für die fälligen Wertpapiere eine Wieder- bzw. Neuanlage zum erwarteten Zinssatz unterstellt. Für das außerordentliche Ergebnis werden die realisierten Gewinne und Verluste der Planung in die Wertermittlung übernommen. Bei wesentlichen Beteiligungen oder Anteilen an verbundenen Unternehmen wird eine gesonderte Ertragswertermittlung durchgeführt, da die Ausschüttungen der Unternehmen aufgrund der Stellung des Mutterunternehmens durch deren Belange beeinflusst werden können (Beherrschungsvertrag).
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7 Bewertung von Versicherungsunternehmen Wegen der erheblichen Wertrelevanz ist die Prognose der zukünftig erzielbaren Kapitalanlageergebnisse besonders sorgfältig durchzuführen und hinreichend detailliert abzusichern. Insbesondere ist darauf zu achten, dass Konsistenz zwischen der Verzinsung der Kapitalanlagen und den Annahmen bei der Ableitung des Kapitalisierungszinssatzes, der bestimmte Annahmen bzgl. der künftigen Verzinsung verschiedener Anlageformen am Kapitalmarkt impliziert, besteht. Unterschiedliche Laufzeiten sowie Bonitätsklassen sind mit differenzierten Spreads zu berücksichtigen.
7.4.3.7 Übriges Ergebnis Bei der Planung des übrigen Ergebnisses sind insbesondere die geplanten Auswirkungen von konzerninternen Dienstleistungsbeziehungen hinsichtlich möglicher Erfolgsverlagerungen zu plausibilisieren.
7.4.4 Gutachterliche Bewertungskorrekturen in der Prognoserechnung Nach der Plausibilisierung und Analyse der vom Versicherungsunternehmen vorgelegten Planungen können folgende wesentliche gutachterliche Korrekturen sowohl in der versicherungstechnischen als auch in der nichtversicherungstechnischen Rechnung notwendig werden: • nominale Bereinigung von Planungsansätzen, • Anpassung der Schadenquoten in der Planungsphase, • Normalisierung der Abwicklungsergebnisse, • Anpassung der Kosten- und Provisionsquoten, • Normalisierung des Rückversicherungsergebnisses, • Bereinigung außerordentlicher Sachverhalte im Normjahr (terminal-value) und • als Eliminierung von Änderungen der Schwankungs- und Drohverlustrückstellungen Des Weiteren sind die Folgewirkungen der dargestellten versicherungstechnischen Korrekturen auf die Zinsträger und somit auf das Zinsträgerergebnis zu berücksichtigen.
7.4.5 Branchenspezifische Aspekte 7.4.5.1 Nicht betriebsnotwendiges Vermögen Neben dem betriebsnotwendigen Vermögen, das seinen Niederschlag im Ertragswert findet, kann ein Unternehmen noch über so genanntes nicht betriebsnotwendiges Vermögen verfügen. Hierbei handelt es sich um die in einem Unternehmen vorhandenen Vermögensgegenstände, die einzeln veräußert werden können, ohne dabei die Fortführung des Unternehmens zu beeinträchtigen und die einen gegenüber ihrem Ertragswert höheren Veräußerungswert haben. Diese Gegenstände werden außerhalb der Ertragswertermittlung der betriebsnotwendigen Vermögensteile gesondert mit den erzielbaren Nettoüberschüssen aus der Einzelveräußerung angesetzt und ergeben zusammen mit dem Ertragswert des betriebsnotwendigen Vermögens den Wert des Unternehmens. Diese Aussage gilt nur sehr eingeschränkt für Versicherungsunternehmen. Auch wenn sich das Versicherungsunternehmen im Einzelfall von Kapitalanlagen trennen könnte, gehören diese funktional zum operativen Geschäft einer Versicherung, da die Vorleistungen der Versicherungsnehmer in Form von Prämienzahlungen einem zwangsläufigen Anlagebedarf unterliegen. Die Leistung der Versicherung ergibt sich erst zu einem späteren Zeitpunkt im Versicherungsfall. Dieser wirtschaftlichen Sachlage trägt rechtlich die Anlageverordnung Rechnung, wonach ein Versicherungsunternehmen sein gebundenes Vermögen nur in bestimmten Anlagen halten darf. In der Praxis wird daher bei der Bewertung von Versicherungsunternehmen grundsätzlich unterstellt, dass das gesamte Vermögen betriebsnotwendig ist.
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7.4.5.2 Behandlung stiller Reserven Stille Reserven können sich bei einem Versicherungsunternehmen sowohl im Kapitalanlagenbereich (Marktwerte > Buchwerte) als auch im Bereich der versicherungstechnischen Rückstellungen (Buchwerte > voraussichtliche Inanspruchnahme; Schätzreserven) ergeben. Diese stillen Reserven sind im Rahmen von Unternehmensbewertungen vor allem dann kritisch zu hinterfragen, wenn Abfindungszahlungen39 an ausscheidende Kleinaktionäre zu ermitteln sind. Die stillen Reserven werden in der Praxis in der Regel wie folgt berücksichtigt: • Stille Reserven im Kapitalanlagevermögen Bei Vorliegen einer Kapitalanlageplanung auf Marktwertbasis für die wesentlichen Assetklassen Immobilien, Aktien, festverzinsliche und variabel verzinsliche Wertpapiere können die stillen Reserven über die nachhaltig erwartete Marktrendite im Terminal Value berücksichtigt werden. • Schätzreserven in den versicherungstechnischen Rückstellungen Bei der Ableitung der nachhaltigen Schadenquote wird das Niveau der Schätzreserven i.d.R. pauschal berücksichtigt.
7.4.6 Modularer Aufbau der Ertragswertermittlung eines Schaden-/Unfall-Versicherungsunternehmens Im folgenden werden kurz typisierend die Komponenten der Ertragswertermittlung aufgezeigt. Die ersten Spalten dienen der Vergangenheitsanlayse und der Plausibilisierung der Unternehmensplanung. Die Planungsperioden der Phase I sind in den darauffolgenden Spalten abgebildet. Das Normjahr bzw. der Terminal Value wird aus der letzten Spalte ermittelt (vgl. Abb. 7-8).
7.5 Schlussbemerkung und Zusammenfassung Die europäische Versicherungswirtschaft zählt trotz ungünstiger gesamtwirtschaftlicher Rahmenbedingungen weiterhin zu den Wachstumsbranchen in Europa. Die demografische Entwicklung sowie die zögerlichen Reformen der Sozialversicherungssysteme lassen europaweit die Notwendigkeit zur privaten Vorsorge immer deutlicher erkennen. Im Rahmen von zukünftig erwarteten weiteren Konzentrationstendenzen ergeben sich vielfältige Anlässe für die Bewertung von Versicherungsunternehmen, die häufig auch im Zusammenhang mit einer weiteren Reorganisation international tätiger Versicherungskonzerne stehen. Der Artikel zeigt das wesentliche Vorgehen in der Bewertung eines Schaden-/Unfallversicherungsunternehmens auf der Grundlage des Ertragswertverfahrens auf, da die Planungsprozesse in der Versicherungswirtschaft nicht vollständig auf integrierte Cash-Flow-Planungen ausgerichtet, sondern primär erfolgsorientiert sind. Vor dem Hintergrund der derzeitigen Ertragssituation von Versicherungsunternehmen wird zunehmend eine combined ratio (zusammengefasste Schaden- und Kostenquote) von etwa 100 %, d.h. ein ausgeglichenes versicherungstechnisches Ergebnis, angestrebt. Die nachhaltige Entwicklung des versicherungstechnischen Ergebnisses im Terminal Value ist auf Basis differenzierter Spartenergebnisrechnungen unter Berücksichtigung der Rückversicherungsbeziehungen zu plausibilisieren. Dem Kapitalanlageergebnis kommt eine erhebliche wertrelevante Bedeutung zu. Es wird entscheidend von den künftigen Marktentwicklungen und erwarteten Renditen für die wesentlichen Assetklassen Immobilien, Aktien, festverzinsliche und variabel verzinsliche Wertpapiere geprägt. Die aufsichtsrechtlichen Restriktionen zur Bedeckung der Passiva durch entsprechende Kapitalanlagen (gebundenes Vermögen nach § 54 VAG) und die Vorschriften über die Eigenkapitalausstattung (§ 53c VAG) haben wesentlichen Einfluss auf das Werteniveau. 39
Abfindungszahlungen gemäß §§ 305, 327 b AktG.
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Referenzperiode
Phase I
Terminal Value
Verdiente Beiträge brutto Aufwendungen Versicherungsfälle brutto Aufwendungen Versicherungsbetrieb brutto Übriges versicherungstechnisches Ergebnis Rückversicherungsergebnis Versicherungstechnisches Ergebnis netto Bereinigtes Kapitalanlageergebnis Übriges nichttechnisches Ergebnis Ergebnis vor Ertragsteuern Unternehmenssteuern Ergebnis nach Unternehmenssteuern Wertbeitrag aus Thesaurierungen Ausschüttungen Einkommensteuer auf Ausschüttungen Nettoeinnahmen
Abb. 7-8: Bewertungsmodul
Im Rahmen von Solvency II ist der individuelle Eigenkapitalbedarf des Versicherungsunternehmens entsprechend der individuellen Risikosituation anzupassen. Aus der Transformation der Solvency IIVorschriften werden weitere Auswirkungen auf die Planungsprozesse sowie auf die Analyse und Wertfindung/Rating von Versicherungsunternehmen erwartet.
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8 Bewertung von Leasingunternehmen von Konrad Fritz Göller und Erik Schlumberger* 8.1 Der Leasing-Begriff und der deutsche Leasing-Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Wettbewerbsvorteile des Leasings gegenüber anderen Finanzierungsformen. . . . . . . . . . . . . 8.3 Werttreiber im Leasinggeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4 Ermittlung von Plandaten bei Leasingunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.1 Planung bilanzieller Größen versus direkte Planung von Ein- und Auszahlungen. . . . . . 8.4.2 Detailplanungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.3 Grobplanungsphase und nachhaltiges Jahr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5 Bewertungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.1 Grundgedanke der Substanzwertrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.2 Inhalt der Substanzwertrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6 Bewertungsbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6.1 Beschreibung des Bewertungsobjektes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6.2 Planungsrechnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6.2.1 Alt-Vertragsbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6.2.2 Neuvertragsvolumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6.3 Bewertung nach der DCF-Equity-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6.4 Bewertung nach der Substanzwertmethode. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6.5 Resumée . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.7 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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8.1 Der Leasing-Begriff und der deutsche Leasing-Markt Eine präzise Definition des Begriffs „Leasing“ ist aufgrund der uneinheitlichen Verwendung dieser Bezeichnung in der Literatur und in der Praxis nicht möglich1. Ein Leasingvertrag ist ein Gebrauchsüberlassungsvertrag, welcher die Vermietung von Wirtschaftsgütern über einen festgelegten Zeitraum regelt. Für die Nutzung der jeweiligen Mobilien oder der Immobilien entrichtet der Mieter (Leasingnehmer) an den Vermieter (Leasinggeber) ein vereinbartes Nutzungsentgelt. Damit besteht eine Parallelität des Leasinggeschäftes zur Miete, jedoch aufgrund der unterschiedlichen Gestaltungen, z.B. bei den Rechten und Pflichten der einzelnen Vertragsparteien, keine rechtliche Identität2. Beide Formen ermöglichen den eigentumslosen Gebrauch von Wirtschaftsgütern und dadurch einen Verzicht auf den Einsatz von Eigenkapital für die Nutzung der jeweiligen Vermögensgegenstände. Die Investitionen der Leasing-Branche machten im Jahre 2007 mit rund € 55,2 Mrd. (davon € 49,8 Mrd. * 1 2
WP/StB Konrad Fritz Göller, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, München, und WP/StB Dr. Erik Schlumberger, Transaction & Advisory Partners, München. Vgl. die Systematisierungsvorschläge von Bieg, H. (1997), S. 2–3. Vgl. Büschgen, H. (1998), S. 2.
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Konrad Fritz Göller und Erik Schlumberger Mobilien) circa 17,4 % der gesamtwirtschaftlichen Investition in Deutschland aus3. Im Jahre 1971 betrug dieser Anteil noch 2,1 %4. Damit wird ein bedeutender Teil der Investitionen in der deutschen Volkswirtschaft durch Leasing finanziert. Man kann grundsätzlich zwischen Operating-Leasing und Finanzierungs-Leasing-Vereinbarungen unterscheiden. Das Operating-Leasing hat den Charakter einer kurz- bis mittelfristigen Vermietung, wobei während der Vertragslaufzeit keine Vollamortisation der Investitionskosten des Leasinggebers erzielt wird. Bestehende Operating-Leasingverträge werden oft ein- oder mehrmalig verlängert (so insbesondere bei Produktionsanlagen, Maschinen oder IT), seltener dagegen an andere Leasingnehmer neu vermietet. In vielen Fällen, wie z.B. beim Fahrzeug-Leasing, wird bei Mietende direkt der Abverkauf angestrebt. Die objektbezogenen Risiken, z.B. die Wartungsaufwendungen oder die Gefahr des Diebstahls oder der Zerstörung des Leasing-Objektes, liegen bei Operating-Leasing-Vereinbarungen häufig beim Leasinggeber. Diese Risiken werden bei der Kalkulation der Leasingraten berücksichtigt. Beim Finanzierungs-Leasing werden diese Risiken fast immer vertraglich auf den Leasingnehmer übertragen. In den mittel- bis langfristigen Finanzierungs-Leasingverträgen ist eine unkündbare Grundmietzeit vereinbart, welche jedoch kürzer als die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Leasing-Gegenstandes ist5, um eine handels- und steuerbilanzielle Zurechnung zum Leasinggeber zu ermöglichen. In den Jahren 2000 bis 2008 entfielen 80 bis 90 % der Neuinvestitionen im Leasing-Geschäft auf Mobilien und 10 bis 20 % auf immobile Wirtschaftsgüter6. Diese höhere Leasing-Quote bei Investitionen in Mobilien ist auf die bessere Leasing-Fähigkeit aufgrund der Fungibilität mobiler Wirtschaftsgüter zurückzuführen. Die Leasing-Fähigkeit hängt entscheidend von der einfachen und kostengünstigen Verwertbarkeit des Gegenstandes nach Ablauf der Grundmietzeit bzw. im Insolvenzfall des Leasingnehmers ab7. Mit einem Anteil von 57,8 % (€ 31,9 Mrd.; 1,3 Mio. neue Leasingverträge) an den gesamten Leasing-Investitionen im Jahre 2007 stellte das Straßenfahrzeug-Leasing den bedeutendsten Teil des Leasing-Geschäfts dar, gefolgt vom Leasing von Produktionsmaschinen (13,1 %) und Büromaschinen bzw. IT-Anlagen (8,1 %)8. Mittlerweile können in Deutschland Wirtschaftsgüter aller Art geleast werden, wie z.B. exklusive Sportboote, Musik-Instrumente, Ladeneinrichtungen, Möbel, Kran- und Hebeanlagen, Geldautomaten, Nutztiere usw., sowie immaterielle Vermögensgegenstände aller Art (insbesondere Software). Die Anzahl der Leasing-Gesellschaften am deutschen Markt ist seit Mitte 2003 rückläufig. Dies betrifft vor allem die großen Leasing-Gesellschaften, deren Anzahl um 11 % abnahm. Dies ist auf Marktbereinigungen durch Übernahmen, Liquidationen und Fusionen sowie auf Entflechtungen und Neugruppierungen von Anbietern des Bereiches Financial Services zurückzuführen. Von den derzeit ca. 2.000 inländischen Leasing-Gesellschaften haben rund 10 % eine Marktbedeutung, knapp 500 Unternehmen weisen laut Handelsregister ein Nominalkapital von mindestens € 500.000 aus. Örtlich ist eine Konzentration der Leasingunternehmen auf die wirtschaftlichen Ballungsräume zu beobachten, mit München vor Frankfurt als Spitzenreiter mit 59 Instituten9. Neben der Nähe zu den Kunden scheint der Zugang zu qualifizierten Mitarbeitern ein Hauptgrund dafür zu sein. Aus gewerbesteuerlichen Gründen werden in vielen Fällen Gemeinden mit niedrigen Gewerbesteuerhebesätzen gewählt (z.B. Grünwald bei München). Die Unternehmen des deutschen Leasingmarkts lassen sich in herstellerabhängige, bankenabhängige und unabhängige Leasinggesellschaften einteilen10. Die bedeutenden Autohersteller nutzen das 3 4 5 6 7 8 9 10
Vgl. Städtler, A. (2009), S. 16. Vgl. Spittler, H. J. (2002), S. 18. Vgl. Spittler, a.a.O., S. 21. Vgl. Städtler, a.a.O., S. 16. Vgl. Spittler, a.a.O., S. 28. Vgl. Städtler, a.a.O., S. 17. Das IT-Leasing ist dabei aufgrund des hohen Preisverfalls seit Jahren trotz steigender Stückzahlen rückläufig. Vgl. Wassermann, H. (2003a), S. 244. Vgl. Bundesverband Deutscher Leasing-Unternehmen: a.a.O., S. 12.
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8 Bewertung von Leasingunternehmen Fahrzeugleasing über eigene Tochtergesellschaften als Vertriebskanal. Fast alle anderen bedeutenden deutschen Leasinggesellschaften werden von in- und ausländischen Kreditinstituten gehalten11, börsennotiert sind nur ganz wenige wie bspw. GRENKELEASING AG, Baden-Baden, oder die Albis Leasing AG, Hamburg. Von Herstellern und Banken unabhängige Leasinggesellschaften werden immer stärker zurückgedrängt12. Die enge Verbindung zu einem Kreditinstitut führt zu Vorteilen bei der Refinanzierung der einzelnen Leasinganbieter13 und die vorhandenen Kompetenzen in den Bereichen Kredit- und Zinsrisikosteuerung sowie die Vertriebskapazitäten des jeweiligen Kreditinstitutes können intensiver genutzt werden. Mit dem am 25. Dezember 2008 in Kraft getretenen Jahressteuergesetz 2009 hat der deutsche Gesetzgeber wichtige Änderungen des Kreditwesengesetzes (KWG) und der Gewerbesteuerdurchführungsverordnung (GewStDV) vorgenommen, die weitreichende Auswirkungen auf das Geschäft der (Factoring- und) Leasinggesellschaften haben14. Motiv der Neuregelungen war es, diesen Unternehmen Zugang zum sogenannten gewerbesteuerlichen Bankenprivileg zu verschaffen. Zur Gleichbehandlung mit den Kreditinstituten hielt es der Gesetzgeber für geboten, auch die Factoring- und Leasingunternehmen unter die Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zu stellen. Damit unterliegt das Finanzierungsleasinggeschäft bzw. die Verwaltung von Objektgesellschaften, die Finanzierungsleasing anbieten, der Aufsicht durch die BaFin15. Diese Regulierung führt für die Leasingunternehmen zur Qualifizierung als Finanzdienstleistungsinstitut und damit u.a. zu Meldepflichten (§§ 14 und 24 ff. KWG); erweiterten Vorgaben zu Art und Umfang des Risikomanagements (vgl. § 25a KWG und die sog. MaRisk); ergänzenden Regelungen zur Geldwäscheprävention (§ 29 Abs. 2 KWG); neuen Vorgaben zur Rechnungslegung (§§ 340a ff. HGB und damit die Anwendung der Verordnung über die Rechnungslegung der Kreditinstitute sowie § 26 KWG); der obligatorischen Erstellung von Anhang und Lagebericht unabhängig von der Größe gemäß § 267 HGB und strengeren Fristen. Diese Regulierung stellt die Leasingbranche vor erhebliche Herausforderungen16 und die damit verbundenen organisatorischen Maßnahmen und Kosten dürften den Konzentrationsprozess weiter beschleunigen.
8.2 Wettbewerbsvorteile des Leasings gegenüber anderen Finanzierungsformen Das Leasen eines Wirtschaftsgutes stellt eine Finanzierungsalternative für den Leasingnehmer im Rahmen von Investitionsentscheidungen dar. Der Erfolg des Leasings z.B. gegenüber der reinen Fremdkapitalfinanzierung aus Sicht der Leasingkunden basiert situationsabhängig auf einer Vielzahl oft ganz unterschiedlicher Faktoren17. Im gewerblichen Leasing waren dies in der Vergangenheit häufig steuerliche Effekte (Steuerstundung durch Vorziehen von Mietaufwand gegenüber der Abschreibung beim Kauf, bis zur Änderung der Hinzurechnungstatbestände im Gewerbesteuerrecht im Jahr 2008 die Vermeidung von gewerbesteuerlichen Schuldzinsen, aber auch das gezielte Heben von stillen Reserven durch Sale-and-leaseback), die teilweise sogar das Hauptmotiv waren. Die Nutzung steuerlicher Gestaltungsspielräume wird als ein wesentlicher Grund für die Zunahme des Leasings als Finanzierungsform in den letzten 20 Jahren genannt. Eine Verkürzung allein darauf greift jedoch 11 12 13 14 15
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Vgl. Wassermann, H. (2003a), S. 250. Vgl. Wendels, T. H. (2003), S. 76. Vgl. Spittler, H. J. (2002), S. 34. Vgl. u.a. Heinz, G. und Schäfer-Elmayer, P. (2009), S. 365. Die schwierige Abgrenzung von reguliertem Finanzierungsleasing und weiterhin unreguliertem Vermietgeschäft wird der Leasingbranche einige Probleme bereiten. Der derzeitige Regelungsstand, der viele Detailprobleme noch ungelöst lässt, ist dem Merkblatt Finanzierungsleasing der BaFin (2009) zu entnehmen (download bei der BaFin unter Merkblätter). Vgl. Nemet, M. u. Ulrich, P. (2009), S. 12. Siehe bspw. die Analyse von Tacke, H. (1997), S. 6–10.
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Konrad Fritz Göller und Erik Schlumberger zu kurz18. Vor dem Hintergrund der seit Herbst 2008 intensiv wirkenden Finanzmarktkrise mit begleitender Rezession ergab sich eine massive Liquiditätsverknappung an den Kapitalmärkten, die die Nachfrage nach Leasingfinanzierungen verstärken wird. Die wichtigsten Anreize für den Leasingnehmer im gewerblichen Leasing dürften mittlerweile die Verbesserung der Liquidität und der Finanzierungskosten, die Wahrung einer bestimmten EigenkapitalFremdkapital-Relation19 aufgrund der Bilanzneutralität des Leasing zumindest im deutschen Handelsund Steuerrecht20 und die Erhaltung von Kreditspielräumen und der unternehmerischen Flexibilität21 sein. Insbesondere die Verbesserung der Eigenkapitalquote22 wegen der Off-balance-Wirkung23, die Absenkung der Kapitalbindung und die Möglichkeit, über die Grenzen des klassischen Bankkredits hinaus Finanzierungsquellen zu erschließen, werden als Gründe für die nahezu permanente Erhöhung der Leasingquoten im gewerblichen Leasing genannt. Dieser Trend wird mit der durch Basel II eingeforderten stärkeren Risikodifferenzierung der Kreditkonditionen durch die Geschäftsbanken und die beobachtete Kreditzurückhaltung noch beschleunigt. Zudem hat das Leasing über die Mietratengestaltung und den Bilanzstruktureffekt auch direkt Auswirkungen auf Erfolgssteuerungsrechnungen und Shareholder-Value-Betrachtungen wie z.B. die EVA-Methode24. Durch die Auslagerung von Leasinggütern in eigens dafür gegründete Zweckgesellschaften (insbesondere im Bereich der Big Tickets, also Immobilien, Flugzeuge u.a. wertmäßig großvolumige Wirtschaftsgüter) können im Rahmen von Finanzierungs-Leasing-Verträgen organisatorisch, rechtlich und finanziell auf die spezifische Situation ausgerichtete Gestaltungen geschaffen werden, welche z.B. eine Separierung von Zahlungsansprüchen externer Kreditgeber ermöglichen und damit den Zugang zu einer günstigeren Finanzierung sichern25. Ein weiterer Vorteil des Leasings gegenüber der reinen Fremdkapitalfinanzierung besteht in den vom Leasinggeber zunehmend angebotenen komplementären Dienstleistungen26. Eine eigens darauf spezialisierte Einheit der Leasinggesellschaft kann bspw. im Immobilienleasing das Baukostencontrolling und die Baubetreuung abwickeln oder etwa bei Fahrzeugen umfangreiche zusätzliche Dienstleistungen (sog. „Full Services“) bspw. im Bereich der Wartung und Reparatur, Tankkartenabrechnung, Schadensabwicklung oder der Beratung im Bereich der Flottenzusammensetzung und des Versicherungsschutzes übernehmen27. Der Leasingnehmer kann auch vom speziellen Know-how und den Einkaufsvorteilen des Leasing-Anbieters profitieren. Im Bereich des IT-Leasing gehen die Dienstleistungen spezialisierter Anbieter inzwischen von der Auswahl geeigneter IT-Lieferanten, der Optimierung des Produktmixes und der Lizenzkosten für Software bis hin zur umfassenden Projektsteuerung der Beschaffung und Auslieferung der Neugeräte und des Roll-backs einschließlich der sicheren Datenlöschung der Altgeräte28. Im Privat-Leasing hat fast nur das PKW-Leasing sowie in geringerem Umfang das Leasing von höherwertigen Konsumgütern (PCs, Möbel) eine erhebliche Bedeutung. Vorteilhaft aus Sicht der Kunden ist 18 19 20
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Vgl. Wendels, T. H. (2003): S. 4. Vgl. die Effekte auf die Vermögens- und Ertragslage bei den Alternativen Kauf, Leasing oder Miete beispielhaft zusammengefasst von Göller (2008), S. 145 und 146. Bei Beachtung der steuerlichen Leasingerlasse, die sich auch handelsrechtlich als GoB weitestgehend durchgesetzt haben, kommt es auch bei Finanzierungsleasing zur bilanziellen Zuordnung der Leasingobjekte beim Leasinggeber. Vgl. Büschgen, H. (1998), S. 3. Das IASB arbeitet seit längerer Zeit an einer Überarbeitung des für Bilanzierung von Leasingverhältnissen relevanten Standards IAS 17 (vgl. u.a. Leibfried (2006), S. 882). Sollte die geplante Neureglung (vgl. das Discussion Paper des IASB vom März 2009) wie derzeit im Entwurf verlautbart umgesetzt werden, bilden sich unter IFRS alle Leasingverhältnisse mit dem Barwert der zu erwartenden Leasingzahlungen in der Bilanz ab, so dass es unter IFRS durch Leasing zu keinem oder nur noch wesentlich geringeren Bilanzentlastungseffekt kommt. Feinen, K. (1999a): S. 1. Vgl. Bengsch, V. (2001), S. 23. Vgl. Fahrholz, B. (1998), S. 144. Vgl. Büschgen, H. (1998), S. 49. Vgl. Fahrholz, B. (1998), S. 143. Vgl. bspw. Geschäftsbericht 2007 der CHG-Meridian Deutsche Computer Leasing AG, Weingarten, S. 12–13 des Lageberichts, zu erhalten per download unter www.chg-meridian.de
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8 Bewertung von Leasingunternehmen insbesondere die vielfach einfache und schnelle Abwicklung, die teilweise geringeren Anforderungen an die Bonität bzw. den Nachweis der Bonität, die Abwälzung des Marktwert- und des Instandhaltungsrisikos auf den Leasinggeber und die Möglichkeit, die Mietdauer individuell festlegen zu können. Kostenvorteile können sich zudem im Rahmen der gezielten absatzpolitischen Subventionierung einzelner Leasinggüter durch die Hersteller in Form von besonders niedrigen Zinssätzen ergeben. In der Regel lassen sich aber auch beim Barkauf entsprechende Nachlässe realisieren, so dass meist neben der reinen Kreditierung keine sonstigen finanziellen Vorteile im Vordergrund stehen.
8.3 Werttreiber im Leasinggeschäft Die im vorigen Abschnitt beschriebenen Wettbewerbsvorteile des Leasings definieren auch den Rahmen der für das Leasinggeschäft relevanten Werttreiber. Je mehr dieser Wettbewerbsvorteile als Werttreiber begriffen und durch ein Leasingunternehmen aktiv im Markt genutzt werden können, desto höher wird die Wertschöpfung und umso stabiler werden die Erlöse im Zeitablauf sein. Im Bereich der Massen-Wirtschaftsgüter, wie z.B. bei Kraftfahrzeugen, bei welchen das Leasinggeschäft durch einen hohen Standardisierungsgrad gekennzeichnet ist, können Leasinggesellschaften bspw. Größenvorteile bei der Beschaffung durch hohe Volumina erlangen. Durch die Spezialisierung auf ein bestimmtes Produkt ergeben sich ggf. Informationsvorteile und ein Wissensvorsprung gegenüber Mitwettbewerbern. Schließlich kann durch die Schaffung standardisierter und effizienter Geschäftsprozesse (z.B. Antragsbearbeitung per Internet29, Web-based Asset Management) ein Kostenvorteil gegenüber Kreditinstituten geschaffen werden. Insbesondere flexible Lösungen und die unbürokratische Abwicklung (z.B. Mitfinanzierung von immateriellen Vermögensgegenständen, Sale-and-leaseback, nichlineare Mietratenverläufe, Akzeptanz offener Restwerte etc.) ist ein vom Mittelstand häufig genannter Wettbewerbsvorteil des Leasings. Nachfolgend werden die wichtigsten Werttreiber überblickartig beschrieben: Konditionenvorteile
Idealtypisch ergibt sich die Leasingkondition in weitgehender Analogie zum Kreditgeschäft der Geschäftsbanken aus der Berücksichtigung folgender Parameter: • Kosten der fristenkongruenten Refinanzierung; • Kosten der Vertragsanbahnung/Vertriebskosten; • Kosten der Vertragsadministration; • kalkulatorische Kreditausfallkosten und Restwertwagnis (soweit offener Restwert); • nicht weiterbelastbare Kosten (Versicherungen, Steuern, Gutachterkosten); • Gewinnmarge (Eigenkapitalverzinsung). Bei der Refinanzierung haben die Geschäftsbanken regelmäßig günstigere Refinanzierungsmöglichkeiten als bankenunabhängige Leasinggesellschaften aufgrund des besseren Ratings. Bei den Kosten der Vertragsanbahnung, Vertriebskosten sowie Verwaltungskosten sind dagegen die Leasingunternehmen aufgrund effizienterer Geschäftsprozesse und teilweise geringerer Gehalts- und Sachkosten meist spürbar im Vorteil. Aufgrund der besseren Rechtsposition des Leasinggebers im Insolvenzfall (bei einer weiteren Nutzung des Leasinggegenstandes nach Stellung des Insolvenzantrages und nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist der Insolvenzverwalter zur Zahlung der Nutzungsentgelte verpflichtet30) gegenüber einem Kreditgeber und der im Vergleich zu einem Finanzinstitut häufig besseren Vermarktungskompetenz wegen der Spezialisierung auf bestimmte Leasinggüter sind Leasingunternehmen in der Lage, auch Leasingverträge noch zu akzeptieren, bei denen die Finanzierungsentscheidung allein auf 29 30
So wirbt bspw. die ATHLON Car Lease Germany mit ihrer E-business-Lösung, wonach sich alle wesentlichen Geschäftsvorfälle kostengünstig über die Internet-Applikation abwickeln lassen. Vgl. Kindler, S. u. Köchling, M. (2004), S. 59.
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Konrad Fritz Göller und Erik Schlumberger Basis der Bonitätseinschätzung des Leasingnehmers nicht zu befürworten wäre. So wird bspw. im PKW-Leasing klassischerweise kalkuliert, dass die Differenz zwischen dem Marktwert des Fahrzeugs und der noch offenen Restzahlungsverpflichtung des Leasingnehmers im Insolvenzfall i.d.R. nicht mehr als 20 % beträgt. Unter Einschluss von bei weniger guten Bonitäten üblichen Leasingsonderzahlungen oder Mietkautionen, der Akzeptanz nur gängiger PKW-Modelle und Ausstattungsvarianten und der schnellen Reaktionszeit bei Zahlungsverzögerungen31 ist der Ausfall („Loss given default“) meist geringer als bei Banken, die vergleichbare Vermögenswerte finanzieren. Insgesamt gelingt es so einigen Leasinggesellschaften, einen echten Konditionsvorteil zu generieren, da Banken bzw. banknahe Leasingunternehmen aus Risiko- und Kostenerwägungen heraus nicht konkurrieren können. Zinsspanne/Fristentransformation Leasingunternehmen erzielen in der Regel eine positive Zinsmarge, indem sie sich die Refinanzierungen günstiger beschaffen als sie die Konditionen am Markt anbieten. Dies erfolgt in Deutschland im Wesentlichen über die regresslose Forfaitierung32 von Leasingraten und Restwerterlösen33 sowie in meist wesentlich geringerem Umfang über fristenkongruente Bankdarlehen. Die hohe Forfaitierungsquote erlaubt es den Leasingunternehmen, mit wenig Eigenkapital zu wirtschaften, da kein Risikodeckungskapital für Ausfallrisiken vorzuhalten ist. Die refinanzierenden Banken berücksichtigen beim Ankauf von Forderungen neben dem Kreditausfallrisiko des Leasingnehmers und der Werthaltigkeit des als Sicherung dienenden Leasingguts auch das sog. Servicing-Risiko des Leasinggebers. Zum Streitfall können bspw. Einreden der Nicht- oder Schlechtleistung gegen den Leasinggeber führen, die ggf. zur Kürzung der Leasingentgelte berechtigen und damit die sog. Veritätshaftung34 auslösen. Bei regressloser Refinanzierung hat der Leasinggeber systemimmanent gewisse Anreize, kritische Risikomerkmale des Leasingnehmers bei der Refinanzierunsganfrage nicht mitzuteilen, um den Geschäftsabschluss nicht zu gefährden. Zudem haftet nach derzeitigem Umsatzsteuerrecht der rechtliche Eigentümer der Leasingforderung für die ordnungsmäßige Abführung der Umsatzsteuer, so dass die Forderungsankäufer hieraus ein erhebliches Umsatzsteuerrisiko übernehmen. Vor diesem Hintergrund fordern die Refinanzierer der Leasinggesellschaften zunehmend höhere Eigenkapitalquoten als Risikopuffer und verlangen teilweise eine Mitbeteiligung des Leasinggebers am Ausfallrisiko bspw. durch Hinterlegung von Cash-Depots oder ähnlicher Absicherungsinstrumente. Insgesamt ist tendenziell eine Verteuerung der Refinanzierung bzw. ein höherer Abwicklungsaufwand bei den Leasinggesellschaften zu verzeichnen, so dass die Schöpfung einer spürbaren Zinsspanne bei gleichzeitiger Abwälzung des Ausfallrisikos schwieriger wird. Für größere Volumina erfolgt die Refinanzierung auch über Sale-and-leaseback-Modelle mit Herstellern oder Banken, teilweise unter Nutzung von Zweckgesellschaften sowie zunehmend auch über Verbriefungen35 („ABS“, Asset Backed Securities-Programme), die sich ab einer jährlichen Kreditaufnahme von ca. € 40–50 Mio. trotz der erheblichen fixen Programm-Kosten36 als konkurrenzfähig mit anderen Finanzierungsformen erweisen37. Die Grenzen der Refinanzierung über ABS sind allerdings 31 32 33 34 35 36
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Die bedeutenden Autoleasingunternehmen arbeiten mit professionellen Inkasso-Büros und Sicherstellern zusammen. Vgl. Milatz, J. E. (1996), Seite 841 und BMF vom 9. Januar 1996, Schreiben betr. bilanz- und gewerbesteuerliche Behandlung der Forfaitierung von Forderungen aus Leasing-Verträgen. Die Forfaitierung von Restwerterlösen ist meist nur dann durchführbar, wenn diese durch Andienungsrechte des Leasinggebers abgesichert sind. Der Leasinggeber haftet bei Forfaitierung immer für den rechtlichen Bestand der Forderung, d.h. er hat dafür zu sorgen, dass die vereinbarte Leistung an den Leasingnehmer erbracht wird. Vgl. Engelland, F./Lütje, G. (1996), S. 517 und Tacke, H. (1997), S. 8–10. Neben den externen Kosten für das Aufsetzen der Struktur, der rechtlichen und steuerlichen Überprüfung und des Ratings (diese sind i.d.R. jährlich zu erneuern) sind dies die internen Kosten für die Verwaltung und das Debitorenmanagement sowie für das Controlling und die Berichterstattung an die ankaufende Zweckgesellschaft. Die Verfasser gehen davon aus, dass die im Rahmen der Finanzmarktkrise resultierenden Probleme mit der revolvierenden Platzierung von Asset Backed Commercial Papers, die überwiegend aus dem Kollaps des
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8 Bewertung von Leasingunternehmen zuletzt durch die Finanzmarktkrise deutlich aufgezeigt worden. Aufgrund des umfangreichen Verkaufs und des späteren massiven Wertverfalls von Wertpapieren, die durch US-Subprime-Kredite (insbes. Immobilienkredite) unterlegt waren, kam es zu einer tiefgehenden Krise am Verbriefungsmarkt mit der Folge, dass es den emittierenden ABCP-Banken kaum mehr möglich war, die ABS-Vehikel am Kapitalmarkt zu refinanzieren. In der Folge kam es zu einer massiven Verteuerung der Verbriefungen bis hin zur vorzeitigen Beendigung, da die Banken auf Druck der Ratingagenturen zusätzliche Sicherheiten (bspw. zusätzliche Cash-Depothinterlegungen) forderten, die dann durch die Leasingunternehmen nicht mehr aufgebracht werden konnten. Nur wenige Leasingunternehmen betreiben darüber hinaus in größerem Umfang Fristentransformation38, also die Generierung einer Zinsspanne aus der unterschiedlichen Verzinsung kurzfristiger gegenüber längerfristiger Finanzierungen, etwa durch rollierende Aufnahme von Bankkrediten oder sonstiger Finanzierungen. Vermarktung gebrauchter Leasinggüter/Restwertchancen Die Mobilienleasingunternehmen, insbesondere in den Bereichen Automobil, Informationstechnologie und Medizintechnik, erzielen ihre Margen zunehmend aus der Vermarktung der gebrauchten Leasinggüter nach Mietende über Mietverlängerungen oder Verkäufe. Während im Privatkundensegment immer noch mit Ausnahme des Autoleasings das Vollamortisationsleasing39 vorherrscht, bevorzugen die gewerblichen Leasingkunden zunehmend das echte Operating Leasing40 mit oft zusätzlich noch variablen Nutzungs- bzw. Rückgabemöglichkeiten. Während in der Vergangenheit die Übernahme von Restwertrisiken von den Leasinggesellschaften eher als notwendiges Übel angesehen wurde, begreifen Leasinggesellschaften die Möglichkeit einer aktiven Restwertpolitik unter Nutzung verschiedenster Vertriebskanäle für die Leasingrückläufer zunehmend als einen der bedeutendsten Wettbewerbsvorteile gegenüber reinen Kreditgebern41. In Bereichen mit relativ stabilen und aufnahmefähigen Gebrauchtmärkten wie für PKW, LKW, Omnibusse, Spezialfahrzeuge, Kräne, Medizintechnik werden teilweise mehr als 50 % der Neuinvestitionen über Leasing finanziert und erhebliche Teile davon über die Leasinggesellschaften nach Mietende vermarktet. Zur Steuerung der Restwertrisiken werden zunehmend IT-gestütze Prognosemodelle42 konzipiert, z.B. die aus der Marktrisikosteuerung von Banken bekannten Value at-Risk-Konzepte43. Aufgrund der hohen Markttransparenz und des intensiven Wettbewerbs erzielen einige Leasinggesellschaften im reinen Leasing nur noch geringe Margen und können nur über die Mehrerlöse aus Verkäufen nach Mietende bzw. Mietverlängerungen überhaupt profitabel wirtschaften44.
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Subprime-Segments für US-Immobilienkredite herrührten, sich allmählich wieder bewältigen lassen und damit ABS wieder zu einem wesentlichen Bestandteil der Refinanzierung werden wird. Bei einer normalen Zinsstrukturkurve steigt der Zinssatz für Geldaufnahmen oder -anlagen kontinuierlich mit der Laufzeit an, da der Geld- und Kapitalmarkt sich die Unsicherheit hinsichtlich künftiger Marktpreisentwicklungen (Inflationsraten, Wechselkurse, Bonitätsschwankungen) und der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen über einen risikoangepassten Zinssatz entlohnen lässt. Vollamortisation bedeutet, dass alle Kosten des Leasinggebers zuzüglich seiner Marge bereits über feste Mieten bzw. Leasingsonder- oder Mietschlusszahlungen gedeckt sind. Es verbleibt somit kein Restwertrisiko aus den Leasinggütern nach Mietende. Ein echter Operating-Lease hat zur Folge, dass der Leasinggeber nach Mietende erst durch die freihändige Vermarktung seine Kosten amortisiert und demzufolge ein erhebliches Marktrisiko trägt. So werden bspw. gebrauchte IT-Geräte sowie Medizintechnik und teilweise auch Anlagen und Maschinen über spezialisierte Zwischenhändler und Vermittler in die für gebrauchte und damit günstige Wirtschaftsgüter sehr aufnahmefähigen Märkte in Süd- und Osteuropa, Russland, aber auch Südamerika verkauft. Aktuelle Marktwerte sowie Prognosewerte für alle gängigen gebrauchten PKW und LKW bieten Unternehmen wie die Deutsche Automobil Treuhand GmbH, Ostfildern (bspw. die sog. Silver-DAT) oder EurotaxSchwacke GmbH, Maintal, an. Vgl. Riess, M. S. (2004), S. 8–14. Die Grenzen dieser Geschäftsmodelle insbesondere im PKW-und LKW-Leasing sind im Rahmen der weltweiten Rezession seit Herbst 2008 schmerzlich aufgezeigt worden. Zu antizipierende Vermarktungsverluste von bis zu € 5.000 je Fahrzeug haben in 2008 zu exorbitanten Restwertvorsorgen in den Bilanzen bspw. der Fahrzeughersteller und Ihrer konzerneigenen Absatzfinanzierer geführt (z.B. Geschäftsbericht 2008 der BMW AG, Seite 88, wonach 2008 innerhalb der Umsatzkosten € 1,7 Mrd. (2007: € 0,5 Mrd.) für Risiken im
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Konrad Fritz Göller und Erik Schlumberger Strukturierungshonorare/Vermittlungshonorare sowie Factoring Die Verrechnung von Honoraren für die Strukturierung bzw. Vermittlung von Leasinggeschäften ist insbesondere im Immobilien- und Flugzeugleasing verbreitet. Hinzu treten i.d.R. laufende Managementgebühren und Verwaltungshonorare für die Betreuung und Verwaltung der regelmäßig speziell für die Transaktion errichteten Leasingobjektgesellschaften. Teilweise vermitteln kleinere Leasingunternehmen Leasingverträge gegen Entgelt an Wettbewerber, wenn eine eigene Abwicklung des Leasingvertrags nicht möglich erscheint oder forfaitieren ihre Leasingraten an dritte Leasingunternehmen, weil die Geschäftsbanken einen Ankauf wegen fehlender Mindestvolumina als zu unattraktiv ablehnen. Erbringung von Dienst- und Serviceleistungen als Ergänzung zur Gebrauchsüberlassung Zusätzliche Serviceleistungen spielen eine zunehmende Rolle bei der wachsenden Marktdurchdringung des Leasings in Deutschland45. Angeboten werden bspw. die Beratung bei der Auswahl und Beschaffung der Vermögenswerte, die Baubetreuung bei Immobilien46, die Übernahme von Wartungs- und Reparaturdienstleistungen47 sowie die Bereitstellung von Ersatzgeräten, die Bereitstellung von Daten für ein aktives Asset Management48 oder die Abwicklung von Reklamationen bzw. Garantiefällen. Im Bereich des gewerblichen PKW-Leasings geht dies bereits soweit, dass die Fuhrparkmanagementunternehmen unter Beachtung der Dienstwagenregelungen ihrer Großkunden selbständig einen bedeutenden Teil der administrativen Vorgänge abwickeln und so eine erhebliche Reduktion des Verwaltungsaufwands bei den Kunden eintritt, der die dafür anfallenden Serviceentgelte spürbar übertrifft und zu tatsächlichen Kosteneinsparungen führt49. Zusätzliche Finanzdienstleistungen Die meisten deutschen Leasingunternehmen beschränken ihre Finanzdienstleistungen auf Leasingund Mietkaufverträge, bieten aber mangels Kreditinstitutseigenschaft keine Kredite oder ähnliches an. Im PKW-Leasing wird zumindest das Vermitteln von Kfz-Policen für Versicherungsunternehmen betrieben und so Zusatzmargen generiert. Daneben werden oft auch versicherungsähnliche Leistungen zusätzlich zum Leasingvertrag angeboten, wie z.B. die sog. Restschuldversicherung50, die Übernahme von Wartung und Reparatur, die Ersatzwagengarantie51 oder die Versicherung gegen Kratzschäden52, die jeweils so kalkuliert sind, dass bei normalem Verlauf eine positive Marge über die Vertragslaufzeit erwirtschaftet wird. Im IT-Leasing sind zunehmend Modelle anzutreffen, in denen dem Leasingnehmer eine Austausch- oder Innovationsoption zu festgelegten Konditionen eingeräumt wird. Damit kann der Leasingnehmer ohne erneute Kreditverhandlungen jeweils nach Bedarf seine Leasinggüter erneuern bzw. flexibel austauschen.
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Finanzdienstleistungsgeschäft anfielen. Der Anstieg entfällt neben steigenden Kreditausfällen weitgehend auf die Restwertvorsorgen. Vgl. Städtler, A. (2005), S. 18. Zu den Motiven und Vorteilen einiger Varianten des Immobilienleasings (Übertragung steuerlicher Rücklagen, Vermeidung von Grunderwerbsteuer) vgl. Bordewin, A./Tonner, N. (2003), S. 129–140. Über Rahmenkontrakte mit ausgewählten Händlern werden günstige Möglichkeiten der Wartung und Reparatur der Fahrzeuge vereinbart. Die Händler versprechen sich eine höhere Auslastung. Hierunter wird i.d.R. das Generieren und Aufbereiten von umfangreichen Informationen über die Zusammensetzung (Gerätetypen, Alter, Einsatzorte usw.) des Leasingportfolios eines Kunden und die darauf entfallenden Kosten verstanden. Die Leasingkunden versprechen sich daraus ein Absenken der „Total-cost of ownership“, da mehr Transparenz über die Zusammensetzung der Kosten gewonnen wird und bspw. als ob-Analysen (z.B. was kostet es, alle geleasten IT-Geräte auf ein neues Betriebssystem umzurüsten) erleichtert werden. Vgl. Schulz, J. (1999), Seite 17. Im Falle der Privatinsolvenz übernimmt diese die Restschuld des Leasingnehmers aus dem Leasingvertrag nach Anrechnung des Vermarktungserlöses des Fahrzeugs abzüglich Kosten der vorzeitigen Vertragsbeendigung. Bei Diebstahl, Reparatur oder Wartung des Fahrzeugs wird ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung gestellt. Die Leasinggesellschaft übernimmt die Kosten für einen überdurchschnittlichen Verschleiß durch Kratzer.
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8 Bewertung von Leasingunternehmen Insgesamt sind im deutschen Leasingmarkt bei weitem noch nicht alle Möglichkeiten zusätzlicher Finanzprodukte etabliert und auf breiter Ebene im Angebot. Dies dürfte auch an der mittelständischen Prägung vieler Leasingunternehmen liegen.
8.4 Ermittlung von Plandaten bei Leasingunternehmen Die üblicherweise im Rahmen einer Unternehmensbewertung angewandten Discounted Cash-Flow (DCF)-Verfahren ermitteln den Unternehmenswert (= Zukunftserfolgswert) als Barwert der künftigen finanziellen Überschüsse aus dem betriebsnotwendigen Vermögen, die sich bei einer Fortführung des Unternehmens ergeben, zuzüglich dem Wert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens53. Bestimmt werden die zukünftigen finanziellen Überschüsse über eine Unternehmensplanung. Ziel der Unternehmensplanung für Bewertungszwecke ist die Prognose der bewertungsrelevanten Überschüsse. Bewertungsrelevant sind sämtliche dem Leasingunternehmen im Zeitablauf entziehbaren Überschüsse, die den Eigentümern des Leasingunternehmens zufließen. Der finanzielle Zufluss (=Cash-Flow) stellt sich bei den Eigentümern als Einzahlung, beim Unternehmen als Auszahlung in Form von Gewinnausschüttungen oder Kapitalrückzahlungen dar (Zuflussprinzip)54.
8.4.1 Planung bilanzieller Größen versus direkte Planung von Ein- und Auszahlungen Das Zuflussprinzip folgt unmittelbar der Grundannahme, wonach sich der Wert eines Unternehmens aus den Zielvorstellungen der Eigentümer in Form eines nutzenmaximierenden Konsumstroms ableitet. Bilanzielle Überschüsse, wie der Jahresüberschuss oder der Bilanzgewinn, sind nur dann korrekte bewertungsrelevante Überschüsse, wenn sie dem Zufluss bei den Investoren entsprechen. Eine direkte Planung von Zahlungsgrößen mittels einer direkten Cash-Flow-Rechnung ist jedoch mit Problemen behaftet: Steuerliche Bemessungsgrundlagen beruhen auf bilanziellen Größen und nicht auf Ein- und Auszahlungen; gleiches gilt für handelsrechtliche Ausschüttungsbeschränkungen, die ebenfalls nur im Rahmen von Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen bestimmt und berücksichtigt werden können. Ferner bietet die Modellierung von Plan-Bilanzen und Plan-Gewinn- und Verlustrechnungen zahlreiche Vorteile gegenüber der direkten Planung von Ein- und Auszahlungen. So ermöglicht sie sämtliche Informationen, wie z.B. Investitionen, Finanzierung und Working Capital unter Berücksichtigung aller Interdependenzen innerhalb eines geschlossenen Modells vollständig und konsistent zu erfassen, was implizit eine Abstimmung sämtlicher Einzelplanungen erzwingt. Der ausschließlichen Betrachtung von Ein- und Auszahlungen fehlt dieser geschlossene Modellcharakter und es werden leicht Informationen bzw. Rückwirkungen einzelner Plangrößen auf andere Plangrößen übersehen. Dies gilt insbesondere für Leasingunternehmen, die oftmals mehrere Finanzierungsformen (z.B. regresslose Forfaitierung, Finanzierung über ABS-Transaktionen, klassische Bankfinanzierung) parallel einsetzen. Ferner ermöglichen bilanzielle Plangrößen einen Vergleich mit Vergangenheitsdaten, die üblicherweise ebenfalls in bilanzieller Form vorliegen. Unsere nachfolgenden Ausführungen unterstellen daher eine integrierte Planung in Form von Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen. Aufbauend auf dieser bilanziellen Planung kann in einem zweiten Schritt der bewertungsrelevante Cash-Flow, unter Berücksichtigung des gewählten Bewertungsansatzes und der damit verbundenen Finanzierungsfiktion, abgeleitet werden. Dabei be53
54
Alternativ zum Fortführungswert kann ein Liquidationswert ermittelt werden. Dieser ist dann relevant, wenn der Barwert der aus der Zerschlagung des Unternehmens resultierenden Überschüsse höher ist als der Barwert der zukünftigen Überschüsse bei Fortführung des Unternehmens. In den folgenden Betrachtungen unterstellen wir, dass der Fortführungswert den Liquidationswert übersteigt. Das Zuflussprinzip gilt dabei unabhängig vom gewählten Bewertungsansatz (Equity, WACC, APV). Der gewählte Bewertungsansatz hat lediglich Einfluss auf die im Rahmen der Cash-Flow-Bestimmung zu treffende Finanzierungsannahme des Bewertungsobjektes.
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Konrad Fritz Göller und Erik Schlumberger rücksichtigen wir sowohl Leasinggegenstände, die beim Leasinggeber, also beim Leasingunternehmen, als auch Leasinggegenstände, die beim Leasingnehmer bilanziert werden. Für die beiden Kategorien von Leasingverhältnissen haben sich die folgenden Begriffe aus der internationalen Rechnungslegung durchgesetzt55: Bilanzierung beim Leasinggeber: Operating-Leasingverhältnisse („Operating Leases“); Bilanzierung beim Leasingnehmer: Finanzierungs-Leasingverhältnisse („Finance Leases“). Die Abbildung eines Leasingverhältnisses beim Leasinggeber als Forderung zum Barwert der Zahlungsansprüche ist vor allem bei Leasingunternehmen, die nach internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS, US-GAAP) bilanzieren, häufiger anzutreffen. Nach deutschem Handelsrecht kommt es zu dieser Bilanzierung nur beim sog. Mietkauf, d.h. wenn nach den steuerlichen Leasingerlassen die Zurechnung beim Leasingnehmer zu erfolgen hat. Entsprechend der Geschäftstätigkeit kann die Gewinn- und Verlustrechnung einer Leasinggesellschaft für Planungszwecke entsprechend folgendem Grobraster gegliedert werden56:
Umsatzerlöse aus Operating- und Finanzierungs-Leasing ./. Abschreibungen (bei Operating-Leasingverhältnissen) ./. Refinanzierungszinsen = Leasingergebnis (1) Verkaufserlöse ./. Buchwertabgänge = Vermarkungsergebnis (2) Serviceerlöse ./. Serviceaufwendungen = Serviceergebnis (3) Bruttoergebnis = (1)+(2)+(3) ./. Risikoergebnis Nettoergebnis ./. Personal- und Sachaufwand, sonstiger betrieblicher Aufwand ./. Finanzergebnis Ergebnis vor Ertragsteuern
Abb. 8-1: Gewinn- und Verlustrechnung einer Leasinggesellschaft
Das Leasingergebnis bringt den Ergebnisbeitrag aus dem eigentlichen Leasinggeschäft zum Ausdruck. Dabei ist bei der Struktur des Leasingergebnisses zu unterscheiden, ob es sich um Operating- oder Finanzierungs-Leasingverhältnisse handelt. Bei Operating-Leasingverhältnissen entsprechen die Umsatzerlöse den Leasingraten. Von den Leasingraten werden die auf das Leasingvermögen entfallenden Abschreibungen in Abzug gebracht. Bei Finanzierungs-Leasingverhältnissen erscheint in der Bilanz des Leasinggebers anstelle des Leasingguts im Anlagevermögen eine Leasingforderung. Diese 55
56
In den Erlassen der deutschen Finanzverwaltung vom 19. April 1971 und 21. März 1972 („Leasingerlasse“) bedeutet der Begriff „Finanzierungs-Leasing-Vertrag“ nicht notwendigerweise die Zurechnung zum Leasingnehmer, sondern betrifft Verträge mit unkündbarer Grundmietzeit und Vollamortisation der Kosten des Leasinggebers („Vollamortisationsvertrag“). Die Aufspaltung erleichtert Risiko-, Sensitivitäts- und Vergleichsanalysen und trägt damit zur Planungsvereinfachung bei.
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8 Bewertung von Leasingunternehmen Leasingforderung stellt eine Finanzforderung mit Zinsanteil dar. Die vereinnahmten Leasingraten sind daher aufzuspalten in einen Tilgungsanteil (erfolgsneutral) und einen Zinsanteil, der bei einem Leasingunternehmen den Umsatz aus dem Finanzierungs-Leasingverhältnis darstellt. Die Umsatzerlöse sind im Vergleich zu einem Operating-Leasingverhältnis daher niedriger. Gleichzeitig entfallen die Abschreibungen. Die Umsatzerlöse aus Finanzierungs-Leasingverträgen entsprechen in aller Regel in den einzelnen Jahren über die Laufzeit nicht dem Saldo aus Leasingraten und Abschreibungen bei Operating-Leasingverträgen, da die Auflösung der Leasingforderung finanzmathematisch vorgenommen wird, wohingegen die Abschreibungen auf das Leasinggut meist degressiv oder linear erfolgen. Das Leasingergebnis ist beim Finanzierungsleasing zunächst höher und anschließend niedriger als beim Operating-Leasing. Über die Gesamtlaufzeit gleichen sich die Unterschiede aus. In beiden Fällen sind für die Ermittlung des Leasingergebnisses noch die Refinanzierungszinsen aus der Anschaffung des Leasingguts abzuziehen. Diese können dabei unterteilt werden in Darlehenszinsen, soweit das Leasingvermögen über Bankdarlehen finanziert wird, und in Zinsaufwand, der aus dem Forderungsverkauf von zukünftigen Leasingraten resultiert, soweit das Leasingvermögen über Forfaitierung finanziert wird. Erfolgt die Finanzierung über Forfaitierung, so entstehen Zinsaufwendungen in Höhe der Differenz zwischen der Summe der forfaitierten Leasingraten (nominal) und dem Kaufpreis der forfaitierenden Bank (mit dem Refinanzierungs- bzw. Forfaitierungszinssatz abgezinste verkaufte Leasingraten; siehe auch unten zu den Bilanzposten). Das Vermarktungsergebnis setzt sich aus den Verkaufserlösen der Leasinggegenstände nach Ablauf der Grundmietzeit und den diesen gegenüberstehenden Buchwerten zusammen. Da in der Praxis zur Herbeiführung eines möglichst niedrigen steuerlichen Ergebnisses und damit der Senkung der Steuerbelastung möglichst hohe planmäßige Abschreibungen angesetzt werden, übersteigen die verrechneten Abschreibungen oftmals den tatsächlichen Werteverzehr. Das Vermarktungsergebnis ist mithin in vielen Fällen positiv. Die gegebenenfalls zu hoch vorgenommenen Abschreibungen und damit das zu niedrig ausgewiesene Leasingergebnis während der Vertragslaufzeit werden im Zeitpunkt des Verkaufs der Leasinggegenstände korrigiert. In der Praxis wird ein geplanter Restbuchwert am Ende der Leasingdauer angesetzt, auf den das Leasinggut bzw. die Leasingforderung abgeschrieben wird. Soweit sich der geplante Verkaufserlös und der Restwert decken, ist der Verkauf erfolgsneutral. Ein etwaiger Vermarktungsgewinn bzw. -verlust wird am geplanten Laufzeitende dann im Vermarktungsergebnis erfasst (z.B. als Euro-Betrag in Abhängigkeit von der Stückzahl der gelöschten Verträge). Grundsätzlich sind im Vermarktungsergebnis auch Vermarktungskosten zu erfassen („Remarketing Costs“). Sofern die Vermarktung durch externe Dienstleister erfolgt, wird dies mittels eines Abschlags bei den Verkaufserlösen berücksichtigt. Bei hausinterner Vermarktung sind entsprechende Kosten zu erfassen. Das Serviceergebnis ergibt sich als Saldo der Erlöse aus dem Servicegeschäft abzüglich der diesen Erlösen direkt zurechenbaren Aufwendungen. Das Servicegeschäft kann je nach Leasinggegenstand unterschiedlich ausgestaltet sein. In der Praxis zeigt sich, dass das Serviceergebnis oftmals einen erheblichen Beitrag zum Gesamtergebnis des Leasingunternehmens leistet. Aufgrund der teilweise hohen Fragmentierung des Leasingmarktes und der daraus resultierenden starken Konkurrenzsituation, die nur geringe Margen im eigentlichen Leasinggeschäft zulässt, ist es für die Leasingunternehmen zunehmend wichtig, zusätzliche Einnahmequellen im Servicebereich zu generieren. Diese werden je nach Leasinggegenstand in Abhängigkeit der zu Grunde liegenden Leasingraten, des Vermietvermögens, der Zahl der Leasinggüter oder auch pauschal geplant. Das Risikoergebnis bringt zum Einen Forderungsausfälle zum Ausdruck, soweit diese von der Leasinggesellschaft zu tragen sind und keine entsprechende Absicherung besteht, zum Anderen umfasst es nicht geplante Wertminderungen des Leasingvermögens und damit Verluste im Rahmen der Nachvermarktung. Hinsichtlich der Personal- und Sachaufwendungen und der sonstigen betrieblichen Aufwendungen bestehen keine branchentypischen Besonderheiten57. 57
Für Planungszwecke ist aber zu beachten, dass die Aufrechterhaltung effizienter IT-Systeme zur Geschäftsabwicklung z.T. erhebliche Investitionen impliziert.
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Konrad Fritz Göller und Erik Schlumberger Das Finanzergebnis kann u.a. Beteiligungserträge aus Beteiligungen von Tochterunternehmen und Zinserträge und -aufwendungen aus dem Kontokorrent enthalten. Die wichtigsten Bilanzposten eines Leasingunternehmens für Planungszwecke sind:
Aktiva
Passiva
Leasingvermögen (Operating Leases)
Eigenkapital
Leasingforderungen (Finance Leases)
Nicht refinanzierungsbezogene Schulden
Nicht leasingbezogenes Vermögen
Refinanzierung des Leasinggebers Bankdarlehen Passiver RAP (Leasingraten) Sonstige Verb. (Restwerte)
Abb. 8-2: Wichtige Bilanzposten
Das Leasingvermögen repräsentiert den Buchwert sämtlicher Leasinggegenstände aus OperatingLeasingverhältnissen. Die Leasingforderungen (Mietkaufforderungen oder Finance Lease-Forderungen bei Anwendung der IFRS) resultieren aus dem Barwert der (mit dem Leasingzinssatz bzw. Kundenzinssatz) abgezinsten ausstehenden Leasingraten und etwaiger Restwerte. Entsprechend den Unterschieden beim Leasingergebnis unterscheidet sich der Abschreibungs- bzw. Tilgungsverlauf für die beiden Posten. Das nicht leasingbezogene Vermögen beinhaltet insbesondere sonstiges Anlagevermögen, Forderungen aus Lieferungen und Leistungen und sonstige Vermögensgegenstände. Sofern die Leasingraten regresslos forfaitiert werden, sind meist nur geringe Bestände an Forderungen aus Lieferungen und Leistungen (z.B. aus der Vermarktung von Leasingrückläufern oder aus Servicegeschäft) zu verzeichnen. Die nicht refinanzierungsbezogenen Schulden umfassen Rückstellungen, Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen und sonstige Verbindlichkeiten. Hinsichtlich des nicht leasingbezogenen Vermögens und der nicht leasingbezogenen Schulden bestehen meist keine branchentypischen Besonderheiten. Ein für Leasinggesellschaften wichtiger Bestandteil der Bilanz stellen Posten im Zusammenhang mit der Refinanzierung des Leasingvermögens dar. Bankdarlehen sind im Regelfall von untergeordneter Bedeutung. Weit überwiegend refinanzieren sich Leasingunternehmen über die Forfaitierung von zukünftigen Leasingraten und Restwerten. Soweit eine Leasinggesellschaft zukünftige Leasingraten regresslos forfaitiert, spiegelt sich dies, soweit es sich um ein Operating Lease handelt, im passiven Rechnungsabgrenzungsposten (mit dem Refinanzierungs- bzw. Forfaitierungszinssatz abgezinste Leasingraten) wider. Dieser wird im handelsrechtlichen Abschluss aus steuerlichen Gründen meist linear über die Grundmietzeit aufgelöst58 und der Aufwandssaldo aus dem Auflösungsbetrag und der höheren an die Bank abzuführenden Leasingrate wird entweder als 58
Nach deutschem Handelsrecht sind Erlöse aus der Forfaitierung von Leasingraten über einen passiven RAP abzugrenzen, Erlöse aus der Forfaitierung von Restwerten werden entweder ebenfalls als PRAP oder aber als sonstige Verbindlichkeit ausgewiesen (in Anlehnung an die steuerliche Qualifikation als Schuld und nicht als Abgrenzung). Der PRAP aus der Forfaitierung von Leasingraten wird dabei über die Laufzeit des Leasingverhältnisses aufgelöst, die Schuld aus der Forfaitierung von Restwerten wird vom Auszahlungswert (=Barwert) auf den erwarteten künftigen Erlös (Nominalwert) aufgezinst. Handelsrechtlich existiert keine gesetzliche Vorgabe über die periodische Vereinnahmung des Zinsaufwands, so dass in der Praxis sowohl die finanzmathematische Methode (also analog eines Tilgungsdarlehens) als auch die lineare Methode als vertretbar angesehen wird. Steuerlich hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass der Zinsaufwand aus Forfaitierungen sowohl von Leasingraten als auch Restwerten grundsätzlich durch lineare Verteilung zu ermitteln ist. Nach IFRS und US-GAAP ist die Auflösung finanzmathematisch vorzunehmen.
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8 Bewertung von Leasingunternehmen Zinsaufwand separat im Leasingergebnis ausgewiesen oder gegen die Umsatzerlöse gekürzt. Der passive Rechnungsabgrenzungsposten ist mithin ein Speicher für zukünftige Umsatzerlöse. Erfolgt der Verkauf der künftigen Leasingerlöse auf „recourse“-Basis (d.h. das Ausfallrisiko der Forderungen wird weiterhin teilweise oder ganz vom Leasinggeber getragen), erfolgt der Ausweis als Verbindlichkeit59 ähnlich eines Finanzkredits. Forfaitiert die Leasinggesellschaft auch die Restwerte, so hat sie in Höhe des hierfür erhaltenen Zahlungsmittelzuflusses eine sonstige Verbindlichkeit (Restwerte) zu passivieren. Die Differenz zwischen dem Zahlungsmittelzufluss und dem kalkulierten Restwert stellt Zinsaufwand dar. Aus steuerlichen Gründen wird dieser im handelsrechtlichen Abschluss meist in gleichen Jahresbeträgen auf die Grundmietzeit verteilt und die sonstige Verbindlichkeit entsprechend erhöht, so dass diese nach Ablauf der Grundmietzeit dem kalkulierten Restwert entspricht.
8.4.2 Detailplanungsphase Die Unternehmensbewertung geht im Rahmen des Fortführungswertes i.d.R. von einer unendlichen Lebensdauer des Unternehmens aus. Damit stellt sich die Frage für welchen Zeitraum eine Planung für Bewertungszwecke sinnvoll durchgeführt werden kann. Aus unternehmensinternen und -externen Gründen ergibt sich zwangsläufig ein Horizont für die Prognose, jenseits dessen die Quantifizierung von Plandaten nur noch auf globale Annahmen gestützt werden kann60. In der Praxis hat es sich als hilfreich erwiesen, die Prognose der Plandaten auf unterschiedliche Zukunftsphasen zu verteilen. Unter der Detailplanungsphase wird üblicherweise ein kurz- bis mittelfristiger Planungszeitraum verstanden, innerhalb dessen eine relativ detaillierte Prognose der Posten der Gewinn- und Verlustrechnung und der Bilanz möglich erscheint. Die Detailplanungsphase umfasst für Bewertungszwecke in der Regel die Budgetplanung für das Folgejahr und die Mittelfristplanung, insgesamt mithin rund drei bis fünf Jahre. Ausgangspunkt der Planung sind Überlegungen zu den wesentlichen wertbestimmenden Faktoren eines Unternehmens. Diese sind in Abhängigkeit von der Geschäftstätigkeit des Unternehmens festzulegen und zu planen. Sofern wesentliche wertbestimmende Faktoren nicht direkt bilanziellen Größen entsprechen, sind sie in einem zweiten Schritt in bilanzielle Größen zu transformieren. Bei einer Leasinggesellschaft sind insbesondere folgende wertbestimmende Faktoren relevant: • das Neuvertragsvolumen pro Planjahr, ggf. unterteilt in verschiedene Vertragsgruppen (z.B. Operating- und Finanzierungsleasing, unterschiedliche Laufzeiten) und die sich daraus, unter Berücksichtigung des für die Leasinggesellschaft erzielbaren Effektivzinssatzes, ergebenden Leasingraten (Operating-Leasing) bzw. Umsatzerlöse (Finanzierungs-Leasing); • die kalkulierten Restwerte, die Abschreibungsdauer und -methode (bei Operating-Leasingverhältnissen) bzw. die finanzmathematische Auflösung der Leasingforderung über die Laufzeit (bei Finanzierungs-Leasingverhältnissen) und die sich ggf. ergebenden Buchgewinne und -verluste nach Ablauf der Laufzeit; • die Finanzierung des Neuvertragsvolumens über eigene finanzielle Mittel, über Bankdarlehen oder über den Verkauf zukünftiger Leasingraten und Restwerte (Forfaitierung); • die Fortentwicklung des Vertragsaltbestands einschließlich Annahmen zu Mietverlängerungen; • Ergebnisse aus dem Servicegeschäft; • Personalaufwand, Sachaufwand und sonstiger betrieblicher Aufwand. Bei der Festlegung und Überführung der wertbestimmenden Faktoren in bilanzielle Größen ist zu berücksichtigen, dass die Festlegung der Plangrößen für ein Jahr aufgrund der mehrjährigen Laufzeiten der Leasingverträge kalkulierbare Effekte auf nachfolgende Geschäftsjahre hat. So beeinflusst z.B. ein 59
60
Vgl. zu den Voraussetzungen des Bilanzabgangs von Forderungen IDW RS HFA 8 (2003), Tz. (6) ff. Für einen Bilanzabgang ist regelmäßig neben der rechtlichen Übertragung durch Abtretung auch die vollständige Übertragung des Bonitätsrisikos auf den Erwerber notwendig. Vgl. Wirtschaftsprüfer-Handbuch 2008, Band II, S. 52.
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Konrad Fritz Göller und Erik Schlumberger geplantes Neuvertragsvolumen für das erste Planjahr die nachfolgenden Planjahre, da in diesen Jahren die aus dem Vertrag vereinbarten Leasingraten vereinnahmt werden. Die einzelnen Jahre können daher nicht unabhängig voneinander geplant werden. Es ergibt sich ein Planungsmodell, das sich dadurch auszeichnet, dass die Planung eines Jahres auch durch die Vorjahre beeinflusst ist. Hauptwerttreiber und damit Ausgangspunkt der Planung ist das Neuvertragsvolumen zu Anschaffungskosten (= Mietberechnungsgrundlage). Es bietet sich an, für die einzelnen Planjahre der Detailplanungsphase das zu erwartende Neuvertragsvolumen festzulegen und ggf. eine Unterscheidung nach verschiedenen Vertragstypen vorzunehmen. Da i.d.R. eine Vielzahl von unterschiedlichen Vertragstypen vorliegt, sind im Sinne der Praktikabilität vereinfachende Annahmen zu treffen. Neben der Laufzeit der Verträge sind die Mietsonderzahlungen zu Beginn der Grundmietzeit, die Restwerte (= kalkulierte Restverkaufserlöse) und die vom Leasingunternehmen erzielbare Effektivverzinsung je Vertragstyp zu planen. Zusammenfassend sind demnach für diesen einfachen Fall – von Mietverlängerungsoptionen sei zunächst abgesehen – die folgenden Parameter pro Vertragsgruppe und Planjahr festzulegen: • Neuvertragsvolumen (= Mietberechnungsgrundlage); • Mietsonderzahlung; • Grundmietzeit (sowie Abschreibungsmethode und Restbuchwert); • Restmietwert (Verkaufserlös); • Effektivverzinsung; Darauf aufbauend lassen sich bestimmte Bilanzposten und Posten der Gewinn- und Verlustrechnung für das entsprechende Planjahr sowie für Folgejahre, soweit sie durch die Vertragsabschlüsse im betrachteten Planjahr beeinflusst sind, ableiten. Sachanlagevermögen/Abschreibungen: Das Sachanlagevermögen entwickelt sich unter Berücksich-
tigung des Sachanlagen-Altbestands, der darauf noch zu verrechnenden Abschreibungen (ersichtlich aus der Abschreibungs-Vorschau) zuzüglich des in den Planjahren angesetzten Neuvertragsvolumens abzüglich der wiederum darauf zu verrechnenden Abschreibungen. Leasingforderungen: Die Leasingforderungen aus Finanzierungs-Leasingverhältnissen sind unter
Berücksichtigung des Leasingforderungs-Altbestands, der darauf noch zu verrechnenden Tilgungen (ersichtlich aus der finanzmathematischen Fortentwicklung der Leasingforderungen) zuzüglich des in den Planjahren entstehenden Bestands an Leasingforderungen (mit dem Leasingzinsfuß abgezinste künftige Leasingraten und Restwerte) abzüglich der wiederum darauf zu verrechnenden Tilgungen fortzuentwickeln. Passiver Rechnungsabgrenzungsposten: Die Mietsonderzahlungen werden in einem passiven
Rechnungsabgrenzungsposten eingestellt. Die Auflösung erfolgt linear (Operating Lease) bzw. finanzmathematisch61 (Finance Lease) über die Grundmietzeit gegen die Umsatzerlöse. Darüber hinaus wird die Forfaitierung der Leasingraten im passiven Rechnungsabgrenzungsposten abgebildet (s.u.). Umsatzerlöse: Die Leasingraten bzw. die Erlöse aus Finance Leases bestimmen sich aus der geplanten Effektivverzinsung unter Berücksichtigung des geplanten Neuvertragvolumens, der Mietsonderzahlungen und der kalkulierten Restwerte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Umsatzerlöse nicht nur durch die im Planjahr angesetzten Neuverträge beeinflusst werden, sondern in Abhängigkeit von der Laufzeit der Verträge auch von den Vertragsabschlüssen vorangegangener Geschäftsjahre. Die Umsatzerlöse, die noch aus dem Vertragsaltbestand resultieren, lassen sich in der Regel aus den Controlling- oder Rechnungswesensystemen der Leasingunternehmen entnehmen. Ferner ist Teil der Umsatzerlöse die Auflösung der passiv abgegrenzten Mietsonderzahlungen. Weitere Umsatzerlöse, wie z.B. aus Serviceleistungen, die oft in einem bestimmten Verhältnis zum Leasingvolumen korrelieren, 61
Abgezinst mit dem Kundenzinssatz. Bei Abbildung des Leasingverhältnisses als Finance Lease werden in der Praxis die Mietsonderzahlungen bilanziell mit den Leasingforderungen saldiert.
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8 Bewertung von Leasingunternehmen können in Abhängigkeit von anderen relevanten Wertreibern, wie z.B. der Stückzahl, der Leasingraten oder der Summe des Leasing-Vertragsbestands für das jeweilige Jahr geplant werden. Buchgewinne und -verluste als Teil des Vermarktungsergebnisses: Für den Fall, dass der geplante Restbuchwert (= geplante Anschaffungskosten abzüglich geplanter Abschreibungen) niedriger oder höher ist als der kalkulierte Verkaufspreis zum Ende der Grundmietzeit, kommt es in Höhe der Differenz zu Gewinnen bzw. Verlusten im Jahr des geplanten Verkaufs. Ausgelöst wird diese Differenz im handelsrechtlichen Abschluss häufig durch die Bestrebung der Unternehmen, die steuerlich maximal zulässigen Abschreibungen zum Ansatz zu bringen, die oftmals den tatsächlichen Werteverzehr übersteigen. Für die Unternehmensplanung lassen sich die Buchgewinne bzw. -verluste aus den Informationen zur Planung des Neuvertragsvolumens ableiten. Im Rahmen der Planung des Neuvertragsvolumens werden sowohl die Anschaffungskosten, die Grundmietzeit und die Abschreibungsmethode als auch die kalkulierten Restwerte festgelegt. Finanzierung: Im Rahmen eines integrierten Planungsmodells, welches einen automatischen Bilanzausgleich herstellt, wird der erforderliche Finanzierungsbedarf (Plan-Aktiva > Plan-Passiva) der sich u.a. aus den geplanten Neuinvestitionen ergibt, durch zinspflichtiges Fremdkapital gedeckt. Die daraus resultierenden Zinsaufwendungen müssen im Rahmen eines iterativen Prozesses – die Zinsaufwendungen mindern den Bilanzgewinn und damit die Passiva und führen somit ihrerseits zu einem Finanzierungsbedarf – in der Gewinn- und Verlustrechnung erfasst werden, was in einem MS-Excel-Modell problemlos modelliert werden kann. In der Praxis wird regelmäßig ein Großteil der zukünftigen Leasingraten und der Restwerte regresslos forfaitiert, d.h. an eine Bank verkauft. Das Ausfallrisiko aus diesen zukünftigen Forderungen trägt damit i.d.R. die forfaitierende Bank. Der Leasinggesellschaft fließen finanzielle Mittel in Höhe des Barwertes der forfaitierten Leasingraten und der forfaitierten Restwerte (diskontiert mit dem Refinanzierungs- bzw. Forfaitierungszinssatz) zu, die zur Finanzierung des Neugeschäftsvolumens eingesetzt werden können. Die Brutto-Marge (Barwertmarge), die die Leasinggesellschaft erwirtschaftet, spiegelt sich im sogenannten Spread wieder, der die Differenz zwischen der erzielbaren Effektivverzinsung der Leasinggesellschaft (Leasingzinsfuß) und dem Refinanzierungszinssatz der Leasinggesellschaft angibt. Forfaitierung der Leasingraten: In Höhe des Barwertes der Leasingraten, abgezinst mit dem Refinanzierungs- bzw. Forfaitierungszinssatz, ist ein passiver Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden. Dieser ist in den Folgejahren planmäßig aufzulösen. Dabei können grundsätzlich zwei Verfahren unterschieden werden. Bei der Nettomethode wird der Auflösungsbetrag als Umsatzerlös erfasst. Bei der Bruttomethode wird die Differenz zwischen dem Auflösungsbetrag und der Leasingrate als Zinsaufwand gebucht62. Forfaitierung der Restwerte: In Höhe des mit dem Refinanzierungs- bzw. Forfaitierungszinssatz ermittelten Barwertes der Restwerte ist eine sonstige Verbindlichkeit zu bilden. Diese wird linear erhöht, bis sie am Ende der Grundmietzeit dem kalkulierten Restmietwert entspricht. Der Erhöhungsbetrag wird in der Gewinn- und Verlustrechnung als Zinsaufwand erfasst. Auch die Forfaitierung der Leasingraten und der Restwerte lässt sich in einem Planungsmodell problemlos bilanziell abbilden. Für jedes Planjahr sind zusätzlich die Forfaitierungsquote, d.h. der Anteil am Neuvertragsvolumen der forfaitiert wird, und der Forfaitierungszinssatz festzulegen. Aus diesen Informationen können dann der passive Rechnungsabgrenzungsposten (Leasingraten), die sonstige Verbindlichkeit (Restwerte) und die entsprechenden Ertrags- und Aufwandsbuchungen abgeleitet werden.
62
Netto- und Bruttomethode führen zum gleichen Jahresergebnis. Für Zwecke des Jahresabschlusses ist der Bruttomethode der Vorzug zu geben, da nur so die Zusammensetzung der Wertschöpfung aus Vermietung, Abschreibung und Refinanzierung sichtbar wird. Für Planungszwecke bietet sich die Nettomethode an, da der Planungsaufwand geringer ist.
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8.4.3 Grobplanungsphase und nachhaltiges Jahr Nach der Detailplanungsphase schließt sich oftmals eine Grobplanungsphase und dann das nachhaltige Jahr an. Das nachhaltige Jahr (auch sog. Rentenjahr) ist notwendig, um der im Regelfall unbeschränkten Lebensdauer eines Unternehmens Rechnung zu tragen. Die im nachhaltigen Jahr angesetzten Ergebnisgrößen werden als ewige Rente erwartet. Die Grobplanungsphase ist notwendig, um die Detailplanungsphase in das nachhaltige Jahr überzuleiten. Insbesondere bei Leasinggesellschaften ist die Planung einzelner Jahre auch abhängig von der Planung der Vorjahre. Es ist daher in der Regel nicht möglich, unmittelbar an die Detailplanungsphase ein nachhaltiges Jahr anzuschließen. Um den eingeschwungenen, nachhaltigen Zustand zu erreichen, ist die Planung um eine Grobplanungsphase zu erweitern. Innerhalb der Grobplanungsphase werden die Planungsparameter auf der nachhaltig erwarteten Größe konstant gehalten. Führt die Erweiterung der Grobplanungsphase um ein weiteres Jahr zu keiner Änderung mehr in den Posten der Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung, ist der eingeschwungene Zustand und damit das nachhaltige Jahr erreicht.
8.5 Bewertungsmethoden Die Bewertungsmethoden liefern die finanzmathematische Rechentechnik, mit Hilfe derer der Unternehmenswert (= Marktwert des Eigenkapitals) auf Basis der Planzahlen bestimmt werden kann. Die gängigsten Verfahren zur Bewertung eines Unternehmens stellen die Discounted Cash-Flow (DCF)-Verfahren dar. Sie basieren auf der Diskontierung von zukünftigen entziehbaren Überschüssen (Cash-Flows), die auf Basis der Unternehmensplanung abgeleitet werden können. Da die Methodik der DCF-Verfahren unabhängig von der Branche des Bewertungsobjektes Gültigkeit hat und die DCF-Verfahren keine Besonderheiten im Hinblick auf die Bewertung von Leasingunternehmen aufweisen, werden wir im theoretischen Teil dieses Beitrags nicht näher auf sie eingehen. Lediglich im Bewertungsbeispiel (Punkt 8.6) werden wir die Bewertung auch nach der DCF Equity-Methode darstellen. Ausführlich betrachten wollen wir nachfolgend das sogenannte Substanzwertverfahren für Leasinggesellschaften, da es sich hierbei um ein in der Praxis häufig anzutreffendes, branchentypisches Bewertungsverfahren für Leasinggesellschaften handelt.
8.5.1 Grundgedanke der Substanzwertrechnung Banken verdichten zur Steuerung und Kontrolle ihres Zinsgeschäfts die zinstragenden Aktiva und Passiva zum Gesamtbarwert des Zinsbuchs (ggf. unter Einbeziehung des Handelsbuchs für zum Handel bestimmte Finanzinstrumente), um zu erkennen, welche kumulativen Erfolgswirkungen sich nach Abwicklung ihres Portfolios vermutlich ergeben. Ein ähnliches Steuerungsinstrument stellt die Substanzwertrechnung, teilweise auch Deckungsbeitragsrechnung oder stille Reserven-Rechnung genannt, für Leasingunternehmen dar. Grundkonzept der Substanzwertrechnung ist die Verdichtung sämtlicher erwarteter künftiger Ergebniswirkungen des Leasingvertragsbestands eines Unternehmens auf den Bewertungsstichtag. Unter Hinzurechnung des bilanziellen Eigenkapitals zum Substanzwert ergibt sich das betriebswirtschaftliche Eigenkapital der Gesellschaft, wobei stille Reserven oder Lasten aus nicht dem Leasinggeschäft zuzuordnenden Geschäftsaktivitäten dabei oft vereinfachungsbedingt unberücksichtigt bleiben. Die Addition der Veränderung des Substanzwertes zum handelsrechtlichen Jahresergebnis ergibt das betriebswirtschaftliche Ergebnis der Leasinggesellschaft als objektiver Erfolgsmaßstab und Steuerungsgröße. Die Verzerrungen im handelsrechtlichen Ergebnis aus degressiven Abschreibungen auf Leasingvermögen und aus zu Vertragsbeginn anfallenden Einmalkosten (für Vermittler, Berater, Gutachter, Vertrieb) werden über die Hinzurechnung der Veränderung des Substanzwertes korrigiert. Noch exakter wird diese Betrachtung, wenn zusätzlich die kalkulatorischen Risikokosten in Abzug gebracht werden, da sonst bei besonders bonitätsschwachem Neugeschäft ein besonders gutes Ergebnis zustande kommt, da diese Kunden als Ausgleich für das erhöhte Insolvenzrisiko in der Regel wesentlich
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8 Bewertung von Leasingunternehmen höhere Zinsen bzw. Leasingraten zu leisten haben und deswegen der kalkulatorische Barwertüberschuss (Marge vor Risikokosten) höher ist als bei guten Bonitäten. Mit Hilfe der Substanzwertrechnung ist es möglich, • den wirtschaftlichen Erfolg einer Periode zu ermitteln, • Höhe, Zusammensetzung und Veränderung der stillen Reserven im Leasingvertragsbestand abzuschätzen und • das wirtschaftliche Eigenkapital im Sinne eines Risikodeckungspotenzials zu bestimmen. Genau genommen ermittelt man bei den in Deutschland63 üblichen Substanzwertverfahren den Endwert des Eigenkapitals, den die zu untersuchende Leasinggesellschaft erreichen wird, wenn alle Leasingverträge abgewickelt, sämtliches Vermietvermögen veräußert und alle Finanzierungen und Schulden getilgt sind, wobei Ertragsteuern ausser Acht bleiben64. Eine betriebswirtschaftlich eigentlich sinnvolle Abzinsung des am Ende der Betrachtungsperiode sich ergebenden bilanziellen Eigenkapitals auf den in der Gegenwart liegenden Bewertungsstichtag wird bei für Steuerungs- und Überwachungszwecke oder für Refinanzierungspartner angefertigten Substanzwertrechnungen i.d.R. nicht vorgenommen. Der Sinn der Substanzwertrechnung im Bereich der Unternehmensbewertung liegt darin, eine Art Liquidationswert als Mindestwert des zu betrachtenden Leasingunternehmens zu ermitteln. Dieser ist dann relevant, wenn es bei realistischer Betrachtung unwahrscheinlich ist, dass das zu bewertende Leasingunternehmen mit seinem derzeitigen Geschäftsmodell und seinen gegebenen Refinanzierungsmöglichkeiten nachhaltig einen Barwertüberschuss erzielen kann, der die erwarteten Vertriebs-, Verwaltungs- und Risikokosten deckt sowie eine angemessene Eigenkapitalverzinsung ergibt. Dieser Zusammenhang ist bei der im deutschen Leasingmarkt beobachtbaren Marktbereinigung (insbesondere der Aufkauf von Leasingunternehmen durch kapitalstarke Wettbewerber) deutlich erkennbar. Vielen kleineren Leasinggesellschaften gelingt es nicht mehr, ihr Neugeschäft und insbesondere ihre offenen Restwerte zu konkurrenzfähigen Konditionen zu refinanzieren, und zudem die oft nicht unerheblichen Investitionen in moderne Geschäftsabwicklungssysteme, die Entwicklung neuer Finanzierungsund Service-Produkte und die Aus- und Fortbildung der Mitarbeiter zu tätigen. Zusammenfassend wird beim Substanzwertverfahren lediglich die Abwicklung des Altgeschäfts betrachtet ohne Berücksichtigung eines möglichen Neugeschäfts.
8.5.2 Inhalt der Substanzwertrechnung Erster Schritt der Substanzwertermittlung ist die Kalkulation der in zukünftigen Geschäftsperioden aus dem vertraglich gesicherten Leasingvertragsbestand noch anfallenden Leasingerträge65 bei ordnungsgemäßer Abwicklung der Leasingverträge sowie der Refinanzierungen. Als Vertragsbestand sind alle am Bewertungsstichtag rechtsgültigen, also wirksam in Gang gesetzten Leasingverträge zu berücksichtigen. Ergebnisse aus nach dem Bewertungsstichtag abgeschlossenen Verträgen und Vertragsänderungen sind dann zwingend zu berücksichtigen, wenn Vermögensgegenstände (zur Vermietung bestimmtes Vermietvermögen) für weitgehend sicher erwartete Vertragsabschlüsse zum Bewertungsstichtag bereits angeschafft worden sind. Soweit in den Leasingerlösen Bestandteile enthalten sind, die vollständig an Dritte weitergeleitet werden (z.B. Prämien für Versicherungen, Wartungs- und Serviceentgelte), werden diese vereinfachend gleich von den Leasingerlösen gekürzt, anstatt dann auch die entsprechenden Aufwendungen abzubilden. 63
64 65
In Deutschland ist insbesondere der in 2003 vom betriebswirtschaftlichen Ausschuss des Bundesverbandes Deutscher Leasing-Unternehmen e.V. (BDL) in Zusammenarbeit mit einigen öffentlich-rechtlichen Banken entwickelte Standard zur Substanzwertermittlung weit verbreitet (vgl. BdL, Substanzwertrechnung für Mobilien-Leasinggesellschaften, veröffentlicht im Herbst 2003). Einzig die in manchen Geschäftsmodellen wie insbesondere im Pkw-Leasing sehr wesentlichen Nachvermarktungserlöse werden im Substanzwert-Schema des BdL zum Barwert angesetzt. Erträge zum Barwert (Nettomethode; alternativ kann der zukünftige Zinsaufwand auch vom Nominalwert der Leasingerträge abgezogen werden (Bruttomethode)).
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Konrad Fritz Göller und Erik Schlumberger Als zukünftige Ertragskomponente gilt zunächst der Barwert der nicht forderungsverkauften Leasingforderungen, da diese dem Unternehmen auch effektiv zufließen. Diese vertraglich gesicherten Leasingerlöse werden mit einem marktüblichen, risikoadäquaten Zinssatz auf den Barwert abgezinst, falls sie über Eigenkapital refinanziert sind, bzw. anhand der tatsächlich kontrahierten (bzw. bei variabler Refinanzierung anhand der geschätzten) Refinanzierungszinssätze, soweit entsprechende Darlehen aufgenommen wurden. Die Substanzwertrechnung gemäß BdL-Schema geht zunächst immer von einer vollständigen Fremdfinanzierung aus. Die Korrektur für die nur fiktive volle Fremdfinanzierung erfolgt im Anlageergebnis (Ergebnis aus der Anlage zinsfreier Mittel). Diese Konvention ist nicht unproblematisch, da eigenfinanzierte (über Eigenkapital oder zinslose Lieferantenziele) Leasingverträge mit dem Refinanzierungszins abgezinst werden, der Wiederanlagezins jedoch deutlich niedriger ist. Die Handhabung stellt eine Art Bewertungabschlag dar, die aus Bankensicht gerechtfertigt ist, weil eine baldige Refinanzierung aufgrund der geringen Eigenmittel vielfach der Praxis entspricht und deswegen pasuchal unterstellt wird. Weitere zukünftige Erträge ergeben sich durch Auf lösung der passiven Rechnungsabgrenzungsposten für regresslos forfaitierte Leasingverträge (Wegfall der noch bestehenden Leistungsverpflichtung), die im Zusammenhang mit verkauften Leasingforderungen sowie durch den Leasingnehmer geleistete Mietvoraus- oder Mietsonderzahlungen gebildet wurden. Passiv abgegrenzte zukünftige Erträge aus Mietvorauszahlungen, aus degressiven Leasingraten sowie Quartalsmietraten, die nicht mit dem Stichtag zusammenfallen, vervollständigen die Reihe der vertraglich kontrahierten Erträge aus Leasingverträgen, die bilanziell noch nicht realisiert wurden. Zweiter Schritt ist der Abzug der zukünftigen Abschreibungen auf Vermietvermögen (Summe der Restbuchwerte des Vermietvermögens zum Bewertungsstichtag). Soweit bereits Verluste im Leasingvertragsbestand durch Restwert- bzw. Drohverlustrückstellungen66 berücksichtigt wurden, ist dies zu korrigieren, um eine Doppelerfassung zu vermeiden. Im dritten Schritt sind die Risikokosten (Ausfall von nicht regresslos forfaitierten Leasingraten und sonstigen Forderungen und Nachvermarktungsverluste sowie ggf. Gewährleistungen) zu bestimmen. Diese sollten die aktuelle Entwicklung der Bonität des Leasingportofolios und der Marktwerte der Leasingobjekte berücksichtigen. Anhaltspunkte stellen Ausfallstatistiken der Vergangenheit und Prognosen von Marktforschungsunternehmen67 für die Zukunft über die Entwicklung der noch zu erzielenden Marktpreise dar68. Gewerbe- und Körperschaftsteuer auf den künftigen Gewinn werden im klassischen Substanzwertschema nicht betrachtet. Lediglich die Gewerbesteuer wird abgezogen, soweit sie aus der Hinzurechnung von Schuldzinsen nach § 8 Nr. 1 GewStG aus Darlehen, forfaitierten Restwerten69 und anderen Schulden resultiert. Ermessensbehaftet ist die Abschätzung der künftigen Verwaltungskosten für die Abwicklung des Vertragsbestands. Diese umfassen Aufwendungen für die reguläre Betreuung der Leasingkunden (Debitoren- und Schadenmanagement, Bearbeitung von Anfragen aller Art etc.). Es werden alle direkt 66
67 68 69
Vorsorgen sind zwar im Regelfalle durch außerplanmäßige Abschreibungen auf das Vermietvermögen zu erfassen. In einigen Fällen entfällt jedoch der zu antizipierende Aufwand nicht auf einen durch künftige Leasingeinnahmen ungedeckten Restbuchwert des Leasingvermögens, sondern bspw. auf pauschalen passivisch vorgenommenen Risikovorsorgen, z.B. für verlustbehaftete Dienstleistungen oder Rückkaufsgarantien etc. Im Autobereich ist dies bspw. Eurotax-Schwacke, im Bereich der Flugzeuge Avitas, bei IT-Hardware bspw. International Data Corporation und Gartner Group. Siehe auch Feinen, K. (1999b), S. 41. Gemäß BMF-Schreiben betr. Bilanz- und gewerbesteuerliche Behandlung der Forfaitierung von Forderungen aus Leasing-Verträgen, vom 9. Januar 1996, Abs. IV, ist die Forfaitierung von Restwerten als Dauerschuld anzusehen. Die Hälfte der Dauerschuldzinsen war im alten Gewerbesteuerrecht zu versteuern. Mit dem neugefassten § 8 Nr. 1 GewStG unterliegen nunmehr 25 % aller Zinsen, Pachten, Mieten, Renten und Lizenzentgelten der Hinzurechnung. Eine Ausnahme gilt nach § 19 GewStDV (sog. gewerbesteuerliches Bankenprivileg) nur für Leasinggesellschaften, die als Finanzdienstleistungsinstitut registriert sind und soweit diese nachweislich und ausschließlich das Finanzierungsleasing im Sinne des § 1 Abs. 1a Nr. 10 Kreditwesengesetz betreiben (vgl. u.a. Heinz, G. und Schäfer-Elmayer, P. (2009), S. 365 ff. mit Hinweisen zu den vielfältigen Problemen für die Inanspruchnahme dieser Befreiung).
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8 Bewertung von Leasingunternehmen und indirekt der Abwicklung zuordenbaren Kosten einbezogen ohne Aufwendungen für den Vertrieb oder die allgemeine Unternehmensfortführung. Da hierbei oft Zuordnungsschwierigkeiten bestehen, behilft man sich in der Praxis häufig mit Erfahrungswerten, die bei nichtkomplexem Leasinggeschäft bspw. in einer Bandbreite von € 10–20 pro Mietschein und Monat liegen. Letzter Schritt zur Berechnung des Substanzwertes im engeren Sinne ist die Kalkulation der Nachvermarktungserlöse für das Vermietvermögen (Mietverlängerungen bzw. Verkäufe) bei Auslaufen der Verträge. Auch wenn Leasingunternehmen hier häufig über langjährige Erfahrungswerte verfügen, ist doch kritisch zu hinterfragen, ob das bisherige Verhalten der Kunden auch in Zukunft anhalten wird. Die freihändige Vermarktung70 ist bei marktgängigen und wertstabilen Wirtschaftsgütern für die Leasinggeber je nach Höhe des offenen Restwerts ggf. vorteilhaft gegenüber der Verlängerung. Häufig ist jedoch die Verlängerung die ertragreichere Variante, da keine bzw. nur unwesentliche Vermarktungs-, Transport- und Rücknahmekosten anfallen. Die hier auftretenden Unwägbarkeiten werden meist durch pauschale Abschläge vom kalkulierten Restwert berücksichtigt. Diese Erlöse werden in der Praxis oft zum Barwert angesetzt, auch wenn dies für alle anderen Aufwendungen und Erträge der Substanzwertrechnung vereinfachend nicht erfolgt. Das im Leasinggeschäft übliche Ergebnis aus dem Einsatz zinsfreier Mittel (sog. Anlageergebnis, also der Zinsertrag aus nicht refinanzierten Leasingverträgen (Finanzierung über den eigenen freien Cash-Flow), aus der Ausnutzung von Zahlungszielen der Lieferanten bzw. aus der vorschüssigen Vereinnahmung von Raten bei nachschüssiger Abführung an die refinanzierende Bank) ist eine notwendige Korrektur, da zunächst bei der Ermittlung der Refinanzierungsaufwands ein volle Fremdfinanzierung unterstellt wird. Berücksichtig man schließlich noch die künftigen Erlöse aus nach dem Bewertungsstichtag beginnenden Leasingverträgen71 kommt man in der Summe zum erweiterten Substanzwert. Unter Addition des bilanziellen Eigenkapitals erhält man das erweiterte betriebswirtschaftliche Eigenkapital, das aus Sicht der refinanzierenden Banken oft als Kenngröße für die Risikotragfähigkeit des Leasingunternehmens herangezogen wird. Der Substanzwert entspricht nicht dem zukünftigen Zahlungsmittelüberschuss, da Leasingunternehmen die Erlöse aus dem Leasinggeschäft wegen der i.d.R. betriebenen Forfaitierung, vereinnahmter Leasingsonderzahlungen, Vormieten etc. überwiegend vorschüssig vereinnahmen und oft einen erheblichen Bestand an offenen Lieferantenrechnungen aufweisen. Dies sei an einem einfachen Zahlenbeispiel veranschaulicht: Ein rein fremdfinanzierter Leasinggeber vermietet als einzigen Geschäftsvorfall eine zu 100 angeschaffte Anlage für Bruttomietraten von 120, die er sofort für 110 an einen Bank forfaitiert, d.h. der gesamte Zinsaufwand fällt unmittelbar zu Leasingbeginn an. Die Bilanz sieht dann zu Beginn des Leasingvertrags nach Tilgung der Lieferantenschuld von 100 aus dem Forfaitierungserlös von 110 wie folgt aus (von Steuern und sonstigen Kosten wird abstrahiert): AKTIVA
Leasingvermögen Liquide Mittel 70
71
PASSIVA
100 10
Eigenkapital Passiver RAP
0 110
Diese ist auch im Falle nicht vorhandener Kaufoptionen der Leasingkunden dann nicht uneingeschränkt möglich, wenn eine nachhaltige Kundenerwartung vorhanden ist (insbesondere bei den Leasingverträgen mit Andienungsrecht des Leasinggebers), dass die Leasinggüter in etwa zum kalkulierten Restwert übernommen werden können. Die Leasinggesellschaft gefährdet dann ihr Neugeschäft, weil die Kunden den Leasinggesellschaften Nachvermarktungsgewinne oberhalb gewisser Bandbreiten nicht zu gewähren bereit sind. Diese sind teilweise noch mit Unsicherheiten behaftetet, wenn bspw. im Leasingvertrag vereinbart ist, dass die Leasingzahlungen erst mit Abnahme der Leasinggüter nach erfolgter technischer Prüfung eingefordert werden können. Der Leasinggeber trägt also trotz regelmäßig üblicher Abwälzung des Gewährleistungsrisikos auf den Leasingnehmer das Risiko, dass bei Schlechtleistung des Lieferanten der Leasingvertrag nicht wirksam zustande kommt.
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Konrad Fritz Göller und Erik Schlumberger Das Eigenkapital beträgt 0, der Substanzwert 10, der dem Saldo aus den Restbuchwerten des Leasingvermögens und des passiven Rechnungsabgrenzungsposten entspricht. Mithin ist im Beispiel nicht mehr mit dem Zufluss von weiteren liquiden Mitteln zu rechnen, es sei denn, das Leasingvermögen hat einen Restwert größer Null. Es ist auch erkennbar, dass bei der weiteren Abwicklung des Vermögens die Entwicklung des Eigenkapitals als auch des Substanzwerts (die Summe ist immer 10) davon abhängt, wie das Leasingvermögen abgeschrieben (linear, degressiv, Vereinfachungen) bzw. der passiven Rechnungsabgrenzungsposten aufgelöst wird (linear, finanzmathematisch). Kritisch zu hinterfragen ist bei jeder Substanzwertrechnung, ob alle relevanten Bereinigungen vollzogen wurden. Aufgrund der hohen Individualität des Leasinggeschäfts mit allen Varianten von Leasingratenverläufen (vorschüssig, nachschüssig, Mietpausen, Sonderzahlungen), bilanziell bereits antizipierten Verlusten (außerplanmäßige Abschreibungen auf Vermietvermögen, Drohverlustrückstellungen, Wertberichtigungen) und den mitunter komplexen Effekten aus der Übernahme oder der vorzeitigen Ablösung bzw. Änderung von Leasingverträgen gilt es, die Vollständigkeit der notwendigen Korrekturen durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen. Das erweiterte betriebswirtschaftliche Eigenkapital stellt noch keinen methodisch zutreffenden Liquidationswert bei echter Abwicklung des Leasingunternehmens dar, da weder Kosten der Beendigung des laufenden Betriebs (Kosten aus der Auflösung von Arbeitsverträgen und sonstigen Dauerschuldverhältnissen wie etwa Mieten für Geschäftsräume etc.) noch Ertragsteuern (abgesehen von den Gewerbesteuern auf Schuldzinsen) berücksichtigt sind.
I.
+
II.
./.
III. + IV. = + + V.
= + VI. =
Substanzwertrechnung (Muster nach der Nettomethode) mit Überleitung zum erweiterten betriebswirtschaftlichen Eigenkapital Zukünftige Erträge, soweit vertraglich unterlegt: Barwert der ausstehenden, zukünftig fälligen, nicht forderungsverkauften Leasingforderungen aus kontrahierten Leasingverträgen mit Mietbeginn bis zum Bilanzstichtag Passive Rechnungsabgrenzungsposten bezüglich der zukünftigen Erträge aus Leasingverträgen mit Leasingbeginn bis zum Bilanzstichtag für verkaufte Leasingforderungen und Leasingvoraus-/Leasingsonderzahlungen Zukünftige Aufwendungen: Restbuchwert des Vermietvermögens (abzüglich enthaltene Buchwerte von Leasingobjekten mit Mietbeginn nach dem Bewertungsstichtag) ggf. zzgl. Mietaufwand für Subleasing-Verträge (bei Refinanzierung über Sale-and-leaseback) Risikoabschlag auf künftige Leasingforderungen und Restwerte Gewerbesteuer auf Dauerschulden Künftige Verwaltungskosten für die Abwicklung des Vertragsbestandes Barwert der erwarteten, nicht garantierten Vermarktungs- oder Nachmieterlöse Substanzwert des bilanzierten Vertrags- und Objektbestandes (Substanzwert im engeren Sinne) erwartetes zukünftiges Ergebnis aus dem Einsatz zinsfreier Mittel Deckungsbeitrag aus dem kontrahierten Leasingvertragsbestand mit Anschaffungskosten vor dem Bewertungsstichtag und Mietbeginn nach dem Stichtag Erweiterter Substanzwert Bilanzielles Eigenkapital zum Bewertungsstichtag Erweitertes betriebswirtschaftliches Eigenkapital Abb. 8-3: Erweitertes betriebswirtschaftliches Eigenkapital
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8 Bewertung von Leasingunternehmen Aus Sicht eines Erwerbers ist regelmäßig davon auszugehen, dass zumindest Teile der bei Vollabwicklung anfallenden Aufwendungen vermeidbar sind bzw. die Übernahme eines eingerichteten Unternehmens sogar Vorteile im Sinne ersparter Aufwendungen und der Gewinnung nützlicher Kunden-, Lieferanten- und Bankenkontakte bringt. Auch der Erwerber ist ertragsteuerpflichtig, so dass die noch anfallenden Ertragsteuern auf den laut Substanzwertrechnung erwarteten Gewinn (es sei denn bspw. bei Vorhandensein von steuerlichen Risiken bzw. noch nutzbaren Verlustvorträgen oder noch übertragbaren § 6b-EStG-Rücklagen) meist bei der Substanzwertermittlung selbst keine große Rolle spielen. Das erweiterte betriebswirtschaftliche Eigenkapital stellt somit einen weitgehend objektiven Ausgangspunkt für die verhandelnden Parteien dar.
8.6 Bewertungsbeispiel 8.6.1 Beschreibung des Bewertungsobjektes Bewertet werden soll die XY Leasing GmbH zum 31. Dezember 2008 (= Bewertungsstichtag). Das Geschäftsjahr der XY Leasing GmbH entspricht dem Kalenderjahr. Die XY Leasing GmbH ist eine hersteller- und bankenunabhängige Leasinggesellschaft. Ihre Geschäftstätigkeit umfasst insbesondere das Fahrzeugleasing an Privat- und Firmenkunden. Die Gesellschaft verwaltet derzeit ca. 2.500 Verträge. Die Verträge der XY Leasing GmbH sehen i.d.R. eine unkündbare Grundmietzeit von zwei Jahren vor. Nach Ablauf der Grundmietzeit werden die Fahrzeuge im Regelfall veräußert; soweit Andienungsrechte gegenüber dem Leasingnehmer bestehen, werden diese ausgeübt. Mietverlängerungen sind selten. Die XY Leasing GmbH refinanziert ihr Leasingvermögen im Wesentlichen im Wege der Forfaitierung. Hierbei werden sowohl zukünftige Leasingraten als auch kalkulierte Restwerte an Banken verkauft72. Kurzfristige Liquiditätsengpässe werden durch Kontokorrentkredite gedeckt. Die Ergebnisse der XY Leasing GmbH in den letzten drei Vergangenheitsjahren 2006 bis 2008 sind in Abbildung 8-11 (Seite 192) dargestellt. Auf Basis einer Vergangenheitsanalyse wurde das Risikoergebnis aus den handelsrechtlichen Jahresabschlüssen separiert und für Zwecke der Planung gesondert ausgewiesen.
8.6.2 Planungsrechnung Die Planungsrechnung der XY Leasing GmbH kann unterteilt werden in Ergebniseinflüsse resultierend aus dem Vertragsbestand zum Bewertungsstichtag (= Alt-Vertragsbestand) und in Ergebniseinflüssen aus dem für die Zukunft geplantem Neuvertragsvolumen.
8.6.2.1 Alt-Vertragsbestand Die Weiterentwicklung des Alt-Vertragsbestands kann aus den Datenbanken des Rechnungswesens, die im Regelfall alle relevanten Informationen je geschlossenem Vertrag beinhalten, entnommen werden. Im vorliegenden Fall liefert das Rechnungswesen der XY Leasing GmbH folgende Angaben hinsichtlich der Projektion des Alt-Vertragsbestands:
72
Annahmegemäß seien diese Verkäufe nicht regresslos (bspw. Verkauf mit Übernahme der Ausfallrisiken über hinterlegte Barreservekonten). Damit ist bei der Modellierung der Plan-Abschlüsse nicht von einer sofortigen vollen Gewinnrealisierung der Finance Leases (Mietkäufe im deutschen Sprachgebrauch) auszugehen. Allerdings sind konsistenterweise bei der Planung der Risikokosten alle ausstehenden Leasingraten einzubeziehen.
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185
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Konrad Fritz Göller und Erik Schlumberger Bilanz:
Gewinn- und Verlustrechnung:
Leasingvermögen (Operating Lease-Verträge) Anfangsbestand ./. Abschreibungen gemäß Vorschau ./. geplante Abgänge zu Buchwerten Endbestand
Leasingforderungen (Finance Lease-Verträge) Anfangsbestand ./. Tilgungen gemäß Vorschau ./. geplante Abgänge zu Buchwerten Endbestand
2009
2 010
T€
T€
Umsatzerlöse
32.063 7.500 8.250
16.313 2.813 13.500
aus Operating Lease-Verträgen aus Finance Lease-Verträgen
9.388 600
3.531 197
16.313
0
Gesamt
9.988
3.728
2009
2 010
T€
T€
Vermarktungsergebnis
10.759 2.529 2.750
5.480 980 4.500
5.480
0
2009
2010
T€
T€
Anfangsbestand Aufzinsung ./. Abgang
21.751 1.041 8.800
13.992 408 14.400
Endbestand
13.992
0
Sonstige Verbindlichkeiten (Restwerte)
PRAP (Leasingraten)
2009
2010
T€
T€
Anfangsbestand Zins ./. Tilgung
13.567 213 10.013
3.767 0 3.767
Endbestand
3.767
0
Verkaufserlöse ./. geplante Abgänge zu Buchwerten Gesamt
2009
2 010
T€
T€
2009
2 010
T€
T€
11.100 11.000
18.150 18.000
100
150
Abb. 8-4: Alt-Vertragsbestand
Das Leasingvermögen zum Bewertungsstichtag (= Alt-Vertragsvolumen aus Operating-Leasingverträgen) vermindert sich um die Abschreibungen gemäß AfA-Vorschau und um die planmäßigen Abgänge zu Buchwerten zum Ende der den jeweiligen Verträgen zugrunde liegenden Grundmietzeit73. Zum Ende des Geschäftsjahres 2010 ist das Alt-Vertragsvolumen vollständig abgeschrieben bzw. abgegangen. Die Leasingforderungen zum Bewertungsstichtag (= Alt-Vertragsvolumen aus Finzierungs-Leasingverträgen) vermindert sich um die planmäßigen Tilgungen und um die planmäßigen Abgänge zu Buchwerten zum Ende der den jeweiligen Verträgen zugrunde liegenden Grundmietzeit51. Auch hier ist zum Ende des Geschäftsjahres 2010 das Alt-Vertragsvolumen vollständig getilgt bzw. abgegangen. Die sonstigen Verbindlichkeiten betreffend die Restwerte wurden ursprünglich in Höhe der Barwerte der forfaitierten Restwerte gebildet. Sie werden finanzmathematisch während der Grundmietzeit bis zum geplanten Abgang des Leasinggegenstandes erhöht, bis sie zum geplanten Verkaufzeitpunkt den kalkulierten Restwerten entsprechen. Wird der Leasinggegenstand verkauft, so wird der Restbuchwert gegen die sonstige Verbindlichkeit ausgebucht. Ein Liquiditätszufluss erfolgt hierbei auf Ebene der Leasinggesellschaft nicht, da bereits zum Zeitpunkt der Forfaitierung die Liquiditätsvereinnahmung erfolgte. Der Zinsaufwand, der aus der Erhöhung der sonstigen Verbindlichkeit resultiert, wird im Leasingergebnis als Refinanzierungsaufwand ausgewiesen. Der zum Bewertungsstichtag vorhandene passive Rechnungsabgrenzungsposten (forfaitierte Leasingraten) wurde ursprünglich in Höhe des Barwertes der forfaitierten Leasingraten, d.h. des zugeflossenen Kaufpreises für den Verkauf der zukünftigen Leasingraten gebildet. Er wird finanzmathematisch während der Grundmietzeit aufgelöst; dabei kommt die Bruttomethode zur Anwendung. Zum Ende des Jahres 2010 ist der passive Rechnungsabgrenzungsposten aus den Altverträgen vollständig aufgelöst bzw. getilgt. 73
Wir unterstellen vereinfachend, dass Mietverlängerungen nicht vorkommen.
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8 Bewertung von Leasingunternehmen Die Umsatzerlöse aus dem Vertrags-Altbestand ergeben sich aus den Operating- und den Finanzierungs-Leasingverhältnissen. Bei den Operating-Leasingverträgen entsprechen die Umsatzerlöse den Leasingraten; bei den Finanzierungs-Leasingverträgen ergeben sich die Umsatzerlöse aus der finanzmathematischen Fortentwicklung der Leasingforderungen; der Zinsanteil wird im Leasingergebnis bei den Umsatzerlösen erfasst. Ab dem Jahr 2011 fallen aus dem Alt-Vertragsbestand keine Umsatzerlöse mehr an. Das Vermarktungsergebnis entspricht dem Saldo der geplanten Verkaufserlöse nach Ende der Grundmietzeit abzüglich der entsprechenden Restbuchwerte des Anlagevermögens bzw. der Leasingforderungen. Soweit die Restwerte forfaitiert wurden, entsprechen die erwarteten Verkaufserlöse den planmäßigen Abgängen der sonstigen Verbindlichkeit (Restwerte)74. Bei der XY Leasing GmbH zeigt die Vorschau über die Entwicklung der sonstigen Verbindlichkeit (Restwerte), dass in 2009 T€ 8.800 und in 2010 T€ 14.400 an kalkulierten Restwerten abgehen. Ferner zeigt eine weitere Systemauswertung, dass in 2009 und 2010 T€ 2.300 bzw. T€ 3.750 Verkaufserlöse (= kalkulierte Restwerte) aus nicht forfaitierten Restwerten des Vertrags-Altbestands erwartet werden. Aus den vorstehend aufgeführten Informationen, die i.d.R. problemlos aus dem Rechnungswesensystem von Leasingunternehmen entnommen werden können, kann der Alt-Vertragsbestand bilanziell weiterentwickelt werden. So kann z.B. das Leasing- und das Vermarktungsergebnis, soweit es auf den Alt-Vertragsbestand entfällt, vollständig abgebildet werden. Ferner sind in der Bilanz das Leasingvermögen, die Leasingforderungen, der passive Rechnungsabgrenzungsposten (Leasingraten) und die sonstigen Verbindlichkeiten (Restwerte) determiniert.
8.6.2.2 Neuvertragsvolumen Die XY Leasing GmbH geht davon aus, dass beginnend ab dem ersten Planjahr 2009 ein jährliches Neugeschäftsvolumen zu Anschaffungskosten von rd. € 34 Mio. (1.700 Neuverträge bei Anschaffungskosten von durchschnittlich T€ 20 je Fahrzeug) generiert werden kann. Dabei wird eine Aufteilung von 75 % zu 25 % auf Operating- bzw. Finanzierungs-Leasingverträge antizipiert. Die Grundmietzeit der neuen Verträge wird mit durchschnittlich 2 Jahren beziffert. Die Abschreibungen auf das Neugeschäftsvolumen erfolgen linear über die Laufzeit der Verträge auf den veranschlagten Restwert. Die Gesellschaft geht davon aus, dass der Restwert (= Restbuchwert) zum Ende der Grundmietzeit T€ 11 (2009) bzw. T€ 12 (2010 ff.) beträgt. Je Fahrzeugverkauf geht die Gesellschaft von einem Vermarktungsgewinn (= Buchgewinn) von € 100 aus. Die Gesellschaft konnte in der Vergangenheit eine Barwertmarge in einer Bandbreite von 4,0 % bis 4,5 % erwirtschaften. Die Barwertmarge gibt an, welche Effektivverzinsung (= Rendite) aus dem Leasingverhältnis erwirtschaftet wird. Eine Marge von 4,0 % bedeutet, dass der mit dem Refinanzierungszins der Gesellschaft ermittelte Barwert der Leasingraten und des kalkulierten Restwertes die Anschaffungskosten des Leasingguts um 4,0 % übersteigt. Für die Zugänge des Jahres 2009 wird mit einer Barwertmarge von 4,0 % gerechnet, in den darauf folgenden Jahren wird von einer Barwertmarge von einheitlich 4,5 % ausgegangen. Für den Refinanzierungszinssatz (bzw. Forfaitierungszinssatz) wurden 6 % p.a. angenommen; dieser Zinssatz entspricht dem in der Vergangenheit beobachteten Wert. Die jährlichen Leasingraten können dann entweder durch eine Barwertberechnung oder mit Hilfe der finanzmathematischen Formel „RMZ“ in MS-Excel ermittelt werden: RMZ(Zins;Zzr;Bw;Zw;F), mit folgenden Parametern: Zins ist der Refinanzierungs-Zinssatz pro Periode (6 % p.a.). Zzr gibt an, über wie viele Perioden die jeweilige Rate gezahlt wird (2 Jahre). Bw ist der Barwert oder der Gesamtbetrag, den eine Reihe zukünftiger Zahlungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt wert ist. Dabei handelt es sich um die Anschaffungskosten zuzüglich der Barwertmarge (mit Minuszeichen versehen, da es sich um Einzahlungen handelt). 74
Unter der Annahme, dass ein Verkaufserlös in Höhe des ursprünglich kalkulierten Restwertes erzielt werden kann.
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Konrad Fritz Göller und Erik Schlumberger Zw ist der zukünftige Wert (Restwert), der nach der letzten Zahlung erreicht werden soll. F kann den Wert 0 oder 1 annehmen und gibt an, wann Zahlungen fällig sind. Im Beispiel wird F = 1 gesetzt (Zahlungen jeweils zu Beginn der Periode) Unter Berücksichtigung der Anschaffungskosten, des kalkulierten Restwertes, der Grundmietzeit, des Refinanzierungszinses und der Barwertmarge ergeben sich jährliche Leasingraten von T€ 5,67 (2009) bzw. T€ 5,26 (2010 ff.)75 je geplantem Leasingfahrzeug. Aus den dargestellten Parametern kann der implizite Leasingzinsfuß wiederum manuell oder unter Zuhilfenahme der finanzmathematischen Formel „ZINS“ in MS-Excel ermittelt werden: ZINS(Zzr;Rmz;Bw;Zw;F) mit folgenden Parametern: Zzr gibt an, über wie viele Perioden die jeweilige Rate gezahlt wird (2 Jahre). Rmz ist der Betrag, der in jeder Periode gezahlt wird. Dieser Betrag bleibt während der Laufzeit konstant (jährliche Leasingrate). Bw ist der Barwert oder der Gesamtbetrag, den eine Reihe zukünftiger Zahlungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt wert ist (Anschaffungskosten). Zw ist der zukünftige Wert (Restwert), der nach der letzten Zahlung erreicht werden soll. F kann den Wert 0 oder 1 annehmen und gibt an, wann die Zahlungen fällig sind. Im Beispiel wird F = 1 gesetzt (Zahlungen jeweils zu Beginn der Periode). Mit der dargestellten Formel errechnet sich ein Leasingzinssatz von 9,6 % für 2009 und 9,8 % für die Jahre 2010 ff.76 Aus den bisher ermittelten Daten lassen sich das Leasingvermögen, die Leasingforderungen und die Umsatzerlöse bestimmen. 2009
2010
2011
T€
T€
T€
T€
0
22.631
39.844
40.800
25.500
25.500
25.500
25.500
Abschreibungen auf Neugeschäftsvolumen 2009 Abschreibungen auf Neugeschäftsvolumen 2010 Abschreibungen auf Neugeschäftsvolumen 2011 Abschreibungen auf Neugeschäftsvolumen 2012
2.869
5.738 2.550
2.869 5.100 2.550
Summe Abschreibungen auf Neugeschäftsvolumen
2.869
8.288
10.519
Leasingvermögen Anfangsbestand Neugeschäftsvolumen zu Anschaffungskosten ./. ./. ./. ./.
./. geplante Abgänge zu BW aus Neugeschäftsv. 2009 ./. geplante Abgänge zu BW aus Neugeschäftsv. 2010
2.550 5.100 2.550 10.200
14.025 15.300
Summe Buchwertabgänge aus Neugeschäftsvolumen Endbestand Leasingvermögen aus Neugeschäft
2012
22.631
39.844
14.025
15.300
40.800
40.800
Abb. 8-5: Leasingvermögen
Bei den Anschaffungen wird angenommen, dass sie durchschnittlich zur Jahresmitte des jeweiligen Jahres erfolgen. So ermittelt sich z.B. das Abschreibungsvolumen auf die Neuzugänge im Jahr 2009 aus dem Abschreibungsvolumen pro Fahrzeug und Jahr (T€ 4,5 = (20–11)/2), der Anzahl der OperatingLeasingverträge (1.275 = 0,75 · 1.700) und des Anschaffungszeitpunktes zum Halbjahr (T€ 2.869 = 1.275 · 4,5/2). Der Buchwertabgang ergibt sich aus dem kalkulierten Restwert der Zugänge zwei Jahre zuvor. So beläuft sich der Buchwertabgang im Jahr 2011 auf T€ 14.025 = 1.700 · 0,75 · 11. 75 76
RMZ(6 %;2; – 20,80;11;1) = 5,67 bzw. RMZ(6 %;2; – 20,90;12;1) = 5,26 ZINS(2;5,67; – 20;11;1) = 9,6 % bzw. ZINS(2;5,26; – 20;12;1) = 9,8 %
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8 Bewertung von Leasingunternehmen Leasingforderungen
2009
2010
2011
2012
T€
T€
T€
T€
Anfangsbestand
0
7.587
13.365
13.679
8.500
8.500
8.500
8.500
Tilgung auf Neugeschäftsvolumen 2009 Tilgung auf Neugeschäftsvolumen 2010 Tilgung auf Neugeschäftsvolumen 2011 Tilgung auf Neugeschäftsvolumen 2012
913
1.912 810
1.000 1.700 810
Summe Tilgung auf Leasingforderungen
913
2.723
3.510
Neugeschäftsvolumen zu Anschaffungskosten ./. ./. ./. ./.
./. geplante Abgänge zu BW aus Neugeschäft 2009 ./. geplante Abgänge zu BW aus Neugeschäft 2010
3.400
4.675 5.100
Summe Buchwertabgänge aus Neugeschäftsvolumen Endbestand Leasingforderungen aus Neugeschäft
890 1.700 810
7.587
13.365
4.675
5.100
13.679
13.679
Abb. 8-6: Leasingforderungen
Das Neugeschäftsvolumen ergibt sich analog zum Zugang des Anlagevermögens für die OperatingLeasingverhältnisse, da der Barwert der Leasingforderung zu Beginn des Leasingverhältnisses den Anschaffungskosten entspricht. Für die Fortentwicklung der Leasingforderungen ist der Barwert finanzmathematisch für zwei Jahre fortzuentwickeln. Dies erfolgt wiederum mit der Formel „BW“. Dabei ist im vorliegenden Fall nur der Barwert nach einem Jahr zu ermitteln, da der Barwert nach zwei Jahren dem kalkulierten Restwert entspricht. Um den Zugangszeitpunkt zur Mitte des Jahres abzubilden, wird jeweils der Mittelwert aus dem Jahresanfangs- und Jahresendwert gebildet77. So ergibt sich der Jahresendwert für 2009 in Höhe von 7.587 folgendermaßen 7.587 = 1.700 · 0,25 · (20 + 15,71)/2. Die jeweiligen Tilgungen lassen sich entsprechend ermitteln. Die zugehörigen Umsatzerlöse ergeben sich aus den Leasingraten abzüglich der Tilgungen. Somit stellt sich die geplante Umsatzentwicklung wie folgt dar:
Umsatzerlöse Leasingraten Operating-Leasing Neugeschäftsvolumen 2009 Neugeschäftsvolumen 2010 Neugeschäftsvolumen 2011 Neugeschäftsvolumen 2012 Summe Leasingraten Operating-Leasing Umsatzerlöse Finance-Leasing Neugeschäftsvolumen 2009 Neugeschäftsvolumen 2010 Neugeschäftsvolumen 2011 Neugeschäftsvolumen 2012 Summe Leasingraten Finance-Leasing S umme
2009
2010
2011
2012
T€
T€
T€
T€
3.612
7.223 3.353
3.612 6.705 3.353
3.612
10.576
13.669
291
495 307
204 535 307
291
803
1.046
228 535 307 1.070
3.903
11.378
14.715
14.480
3.353 6.705 3.353 13.410
Abb. 8-7: Umsatzerlöse 77
Tranche 2009: BWt=0 = 20; BWt=1 = BW(9,6 %;1; – 5,67; – 11;1) = 15,71; BWt=2 = 11; Tranchen 2010 ff.: BWt=0 = 20; BWt=1= BW(9,8 %;1; – 5,26; – 12;1) = 16,19; BWt=2 = 12
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189
190
Konrad Fritz Göller und Erik Schlumberger Die Leasingraten für den Neuzugang an Verträgen im Jahr 2009 ermitteln sich zum Beispiel folgendermaßen: Operating-Leasing: T€ 3.612 = 1.700 · 0,75 · 5,67/2 (Zugang zur Jahresmitte); Finance-Leasing: T€ 291 = 1.700 · 0,25 · (5,67/2–2,15) (Zugang zur Jahresmitte; 2,15 ist die Hälfte der Aktivbarwertveränderung im ersten Jahr (0,5 · (20–15,71)). Die Gesellschaft plant, entsprechend der Vorgehensweise in der Vergangenheit, den Großteil der zukünftigen Leasingraten und der kalkulierten Restwerte zu forfaitieren. Das Management der XY Leasing GmbH schätzt, dass zukünftig rd. 80 % der Leasingraten und der kalkulierten Restwerte an Banken verkauft werden. Der Forfaitierungszinssatz beträgt 6 %, zukünftige Änderungen des Forfaitierungszinssatzes werden nicht erwartet. Mithilfe dieser Daten und wiederum der „BW“-Formel lässt sich der passive Rechnungsabgrenzungsposten je Vertrag finanzmathematisch fortentwickeln78. Auch hier wird wieder die Annahme des Zugangs zur Jahresmitte getroffen. Die Entwicklung des Rechnungsabgrenzungspostens ist in der nachfolgenden Tabelle dargestellt: 2009
2010
2011
2012
T€
T€
T€
T€
Anfangsbestand Z ugang Aufz insung ./. T ilgung
0 14.974 218 3.852
11.339 13.899 420 11.281
14.378 13.899 405 14.581
14.102 13.899 405 14.304
Endbestand
11.339
14.378
14.102
14.102
PRAP (Leasingraten)
Abb. 8-8: Passiver Rechnungsabgrenzungsposten
Die Aufspaltung in Zins und Tilgung erfolgt über die finanzmathematische Aufteilung der forfaitierten Leasingraten. So ergibt sich z.B. für den Zugang des Jahres 2009 (T€ 14.974 = 1.700 · 8,81) der Tilgungs- und Zinsanteil folgendermaßen: Tilgung: T€ 3.852 = 1.700 · 0,8 · 5,67/2 (Zugang zur Jahresmitte); Zins: T€ 218 = 3.852 – 1.700 · (8,81 – 4,53)/2 (Zugang zur Jahresmitte; Ansatz der halben Barwertveränderung). Die Entwicklung der sonstigen Verbindlichkeiten infolge der Forfaitierung der Restwerte in Höhe von 80 % erfolgt ähnlich zur derjenigen des passiven Rechnungsabgrenzungspostens. Es erfolgt eine Abzinsung des verkauften Restwertes auf den jeweiligen Stichtag. Nach Ablauf der Grundmietzeit von zwei Jahren entspricht der Wert dem kalkulierten Restwert79. Nachfolgend ist die Entwicklung der sonstigen Verbindlichkeiten aus der Restwertforfaitierung dargestellt: Sonstige Verbindlichkeiten (Restwerte) Anfangsbestand Z ugang Aufz insung (Refinanz ierungsaufwand) ./. Abgang Endbestand
2009
2010
2011
2012
T€
T€
T€
T€
0 13.314 399 0
13.714 14.525 1.259 0
29.497 14.525 1.757 14.960
30.819 14.525 1.795 16.320
13.714
29.497
30.819
30.819
Abb. 8-9: Sonstige Verbindlichkeiten 78
79
Tranche 2009: BWt=0 = BW(6 %;2; – 5,67;0;1) · 0,8 = 8,81; BWt=1 = BW(6 %;1; – 5,67;0;1) · 0,8=4,53; BWt=2 = 0; Tranchen 2010 ff.: BWt=0 = BW(6 %;2; – 5,26;0;1) · 0,8 = 8,18; BWt=1 = BW(6 %;1; – 5,26;0;1) · 0,8 = 4,21; BWt=2 = 0 Tranche 2009: BWt=0 = BW(6 %;2;0; – 11;1) · 0,8 = 7,83; BWt=1 = BW(6 %;1;0; – 11;1) · 0,8=8,30; BWt=2 = 11 · 0,8 = 8,80; Tranchen 2010 ff.: BWt=0 = BW(6 %;2;0; – 12;1) · 0,8 = 8,54; BWt=1 = BW(6 %;1;0; – 12;1) · 0,8 = 9,06; BWt=2 = 12 · 0,8 = 9,60
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8 Bewertung von Leasingunternehmen
191
Die Aufzinsung ergibt sich aus dem periodischen Barwertzugang. So ergibt sich z.B. für den Zugang des Jahres 2009 (T€ 13.314 = 1.700 · 7,83) der Zinsanteil folgendermaßen: T€ 399 = 1.700 · (8,3 – 7,83)/2 (Zugang zur Jahresmitte). Am Ende der Laufzeit einer Jahrestranche geht der forfaitierte Betrag ab. Für den Zugang 2009 beläuft sich dieser Abgang auf T€ 14.960 = 1.700 · 11 · 0,8. Aus der Summe der Zinsaufwendungen für die Forfaitierung der Leasingraten und der Restwerte lassen sich die Refinanzierungsaufwendungen für das Leasingergebnis ableiten. Das Vermarktungsergebnis ist nachfolgend dargestellt.
Vermarktungsergebnis Verkaufserlöse ./. gep lant e A bgänge z u Buchw ert en Ge samt
2009
2010
2011
2012
T€
T€
T€
T€
0 0
0 0
18.870 18.700
20.570 20.400
0
0
170
170
Abb. 8-10: Vermarktungsergebnis
Aus dem Neugeschäft ergibt sich erstmalig ein Vermarktungsergebnis im Jahr 2011, wenn die Zugänge des Jahres 2009 abgehen. Das Vermarktungsergebnis resultiert letztlich aus dem geplanten Buchgewinn je Fahrzeug (100 €), multipliziert mit der Anzahl der in dieser Tranche geplanten Leasingfahrzeuge. Durch Zusammenfügen der bilanziellen Weiterentwicklung des Vertrags-Altbestands und der bilanziellen Entwicklung des Neuvertragsvolumens, lässt sich eine rudimentäre Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung für Bewertungszwecke ableiten, die bereits die wesentlichen Werttreiber des Leasinggeschäfts abbildet. In der Gewinn- und Verlustrechnung müssen zusätzlich noch das Serviceergebnis, das Risikoergebnis, der Personal- und Sachaufwand, das Finanzergebnis, soweit es nicht leasingbezogen ist und die Ertragsteuern80 geplant werden. In der Bilanz sind noch das nicht leasingbezogene Vermögen, die nicht leasingbezogenen Schulden und ggf. ein Bilanzausgleichsposten (Passiv: Kontokorrentkredit, Aktiv: Liquide Mittel) festzulegen. Ferner sind die jährlichen Ausschüttungen festzulegen. Für Bewertungszwecke sind wir vereinfachend von einer Vollausschüttung der erzielten Jahresergebnisse ausgegangen. Nachfolgende Tabelle 8-11 zeigt die zusammengefasste Planung und drei Vergangenheitsjahre der XY Leasing GmbH:
80
Auf die modellrechnerisch komplexen Auswirkungen der sog. Zinsschrankenregelung für Zinsaufwendungen (§§ 4 h EStG, 8a KStG) unter Berücksichtigung der betrieblichen EBITDA, Freigrenzen etc. kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden.
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192
Konrad Fritz Göller und Erik Schlumberger Is t
Gewinn- und Verlustrechnung XY Leasing GmbH
Pl a n
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012 ff.
T€
T€
T€
T€
T€
T€
T€
7.549 517 6.113 1.025
10.476 665 8.475 1.332
11.099 729 8.925 1.507
12.999 892 10.369 1.654
14.107 999 11.100 1.666
13.669 1.046 10.519 1.757
13.410 1.070 10.200 1.795
Le as i nge rge bni s
928
1.334
1.396
1.868
2.340
2.440
2.485
Verkaufserlös e Buchw ert abgänge
0 0
10.100 10.000
12.720 12.600
11.100 11.000
18.150 18.000
18.870 18.700
20.570 20.400
Ve rmarktungs e rge bni s
0
100
120
100
150
170
170
S e rvi ce e rge bni s Ri s koe rge bni s
1.800 -100
2.600 -300
3.000 -200
3.500 -300
3.500 -300
3.500 -300
3.500 -300
Personal- und Sachaufwand, s.b.A. Z insaufw and (Kont okorrent )
2.400 23
3.000 62
3.500 124
3.350 208
3.400 182
3.450 198
3.450 198
2.207
Umsatzerlöse (Operating Lease-Verträge) Umsatzerlöse (Finance Lease-Verträge) Abs chreibungen Refinanz ierungs aufw endungen
Ergebnis vor Ertragsteuern
205
734
816
1.610
2.108
2.162
Ert rags t euern (30 %)
61
220
245
483
632
649
662
J ahres übers chus s
143
514
571
1 .1 2 7
1 .4 7 5
1 .5 1 3
1 .5 4 5
Is t
Bi lanz XY Leasing GmbH
Pl a n
2006
2 0 07
2008
2009
2010
2011
2 0 1 2 ff.
T€
T€
T€
T€
T€
T€
T€
25.913 8.706 1.000
25.688 8.630 2.000
32.063 10.759 2.500
38.944 13.068 2.500
39.844 13.365 2.500
40.800 13.679 2.500
40.800 13.679 2.500
3 5 .6 1 9
3 6 .3 1 7
4 5 .3 2 2
5 4 .5 1 1
5 5 .7 0 8
5 6 .9 7 9
5 6 .9 7 9
Grundkap it al Bilanz gewinn
3.000 143
3.000 657
3.000 1.228
3.000 1.228
3.000 1.228
3.000 1.228
3.000 1.228
nicht refinanzierungsbezogene Schulden
3.500
3.500
4.000
4.500
5.000
5.000
5.000
332 11.630 17.014
886 10.412 17.862
1.775 13.567 21.751
2.971 15.106 27.706
2.605 14.378 29.497
2.831 14.102 30.819
2.831 14.102 30.819
3 5 .6 1 9
3 6 .3 1 7
4 5 .3 2 2
5 4 .5 1 1
5 5 .7 0 8
5 6 .9 7 9
5 6 .9 7 9
Leasingvermögen (Operating Lease-Verträge) Leasingforderungen (Finance Lease-Verträge) nicht leasingbezogenes Vermögen
S umme Ak ti va
Kont okorrent kredit PRA P (Leasingrat en) Sonst ige Verb. (Res t wert e)
S umme Pas s iva
Abb. 8-11: Vergangenheitsjahre und zusammengefasste Planung
8.6.3 Bewertung nach der DCF-Equity-Methode Die Wertermittlung nach der DCF-Equity-Methode erfolgt durch Diskontierung des Cash-Flows to Equity mit den Eigenkapitalkosten auf den Bewertungsstichtag. Der Cash-Flow to Equity entspricht der Ausschüttung an die Eigenkapitalgeber. Die Ausschüttung kann bei Vorliegen einer integrierten Planung direkt aus den Planungsunterlagen (Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung) abgelesen werden oder – wie international üblich – über eine Cash-Flow Rechnung abgeleitet werden. Die Cash-Flow-Rechnung ist untenstehend dargestellt. Die Berechnung erfolgt im vorliegenden Fall vor persönlichen Steuern. Sowohl die Ausschüttungen als auch die Eigenkapitalkosten werden demnach nicht um persönliche Steuern auf Anteilseignerebene
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8 Bewertung von Leasingunternehmen
193
gekürzt81). Die unverschuldeten Eigenkapitalkosten der XY Leasing GmbH wurden mit 9,25 % (vor persönlichen Steuern) ermittelt82. Vereinfachend erfolgte keine Anpassung der Eigenkapitalkosten an die Verschuldung83. Der Inflations- bzw. Wachstumsabschlag im Rentenjahr wurde vereinfachend mit 1,5 % bemessen. Der Marktwert der XY Leasing GmbH ergibt sich demnach nach dem DCF-Equity-Verfahren wie folgt: 2008 DCF-Berechnung nach der Equity-Methode XY Leasing GmbH 1.
2009
2012 ff.
T€
Berechnung des Cash Flow to Equity
Abschreibungen Investition/Desinvestition ins Anlagevermögen Investition/Desinvestition in Leasingforderungen Zufluss aus Anlagenabgängen Buchgewinne/-verluste aus Anlagenabgängen Investition/Desinvestition ins Working Capital (nicht leasingbez. Vermögen u. Schulden) Mittelzufluss/-abfluss aus Erhöhung bzw. Verminderung PRAP (Leasingraten) Mittelzufluss/-abfluss aus Erhöhung bzw. Verminderung Sonstige Verb. (Restmietwerte) Erhöhung/Verringerung des zinspflichtigen Fremdkapitals Cas h Fl ow to Equi ty be fore pe rsonal tax (=Aus schüttu ng)
2.
2011
31.12.2008 31.12.2009 31.12.2010 31.12.2011 T€ T€ T€ T€
Jahresüberschuss + –/+ –/+ + –/+ –/+ +/– +/– +/–
2010
01.01.2009 01.01.2010 01.01.2011
1.127
1.475
1.513
1.545
10.369 –28.250 –2.309 11.100 –100 500 1.539 5.955 1.196
11.100 –30.000 –297 18.150 –150 500 –728 1.791 –366
10.519 –30.175 –315 18.870 –170 0 –276 1.322 226
10.200 –30.600 0 20.570 –170 0 0 0 0
1 .127
1.476
1.513
1.545
9,25%
9,25%
7,75%
1.127
1.476
1.513
1.545
0,91533
0,83783
0,76689
9,89541
1.032
1.236
1.161
15.285
Berechnung des Marktwertes des Eigenkapitals Eigenkapitalkosten vor pers. S teuern
9,25%
Cash Flow to Equity Barwertfaktoren Barwerte S umme de r Barwe rte
18.714
Marktwert des Eigenkapitals (Equity Value)
31.12.2008
18.714
T€
Abb. 8-12: DCF-Equity-Verfahren
8.6.4 Bewertung nach der Substanzwertmethode Die Substanzwertrechnung gemäß BdL-Schema ist auf die Informationsinteressen von refinanzierenden Banken ausgerichtet und hinsichtlich einiger Annahmen (Ansatz der Remarketingerlöse zum Barwert, obwohl insoweit keine Refinanzierungsaufwendungen anfallen; fiktive Vollfinanzierung des 81
82 83
Vgl. IDW S1, Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen. Im vorliegenden Beispiel wird von einer Bewertung im Rahmen unternehmerischer Initiativen (z.B. Kaufpreisverhandlungen) ausgegangen und damit die so genannte mittelbare Typisierung angewendet, wobei die Annahme getroffen wird, dass die Nettozuflüsse aus dem Bewertungsobjekt und aus der Alternativinvestition in ein Aktienportfolio auf Anteilseignerebene einer vergleichbaren persönlichen Besteuerung unterliegen. Die Bewertung vor persönlichen Steuern entspricht der international üblichen Vorgehensweise. Das Problem der Bestimmung der unverschuldeten Eigenkapitalkosten ist nicht Gegenstand dieses Beitrags. Der aus der Forfaitierung resultierende passive Rechnungsabgrenzungsposten und die sonstige Verbindlichkeit (Restwerte) lösen kein Finanzierungsrisiko aus, da sie nicht zu zustandsunabhängigen Zinsaufwendungen führen, sondern vielmehr an das Neugeschäftsvolumen und damit die Umsatzerlöse gekoppelt sind und mithin zustandsabhängig variieren.
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194
Konrad Fritz Göller und Erik Schlumberger Leasingneugeschäfts) nur eingeschränkt geeignet unmittelbar als Ausgangsbasis für Bewertungsfragen zu dienen. Die Substanzwertrechnung haben wir daher ähnlich wie bei Anwendung der Bruttomethode unmittelbar aus den Plan-Gewinn- und Verlustrechnungen wie folgt ermittelt:
S ubstanzwertrechnung (Herleitung unmittelbar aus Plan-GuV) XY Leasing GmbH Umsatzerlöse (Operating Lease-Verträge) ./. Abschreibungen = Z ins ergebnis Op erat ing Lease Ums at z erlös e F inance Leas e-Vert räge (nur Z insant eil) ./. Refinanzierungsaufwendungen Deckungsbeitrag Leasing Verkaufserlös e ./. Buchwert abgänge (Op erat ing Leas e und Finance Lease) De ck ungs be i trag Ve rmarktun g Ge s amtde ck un gs be i trag ./. Riskoergebnis ./. Gewerbes t euer auf Schuldz ins en ./. Künft ige Verwalt ungs kost en für die A bw icklung des Vert ragsbes t andes = S ubs tanz we rt de s bi l anz i e rte n Ve rtrags - u nd O bje ktbe stande s + Bilanz ielles Eigenkap it al z um Bewert ungss t icht ag = Erwe i te rte s be tri e bs wi rts ch aftl i che s Ei ge n kapi tal
Plan 2009 2010 T€ T€ 9.388 3.531 7.500 2.813 1.888 718 600 197 1.254 407 1.234 508 11.100 18.150 11.000 18.000 100 150
kumul. T€ 12.919 10.313 2.606 797 1.661 1.742 29.250 29.000 250 1.992 –600 –172 –330 890 4.228 5.118
Abb. 8-13: Substanzwertmethode
Zukünftige Erträge aus Leasing und Vermarktung Die künftigen Roh-Erträge aus dem Leasing umfassen die künftigen Leasingraten abzüglich Abschreibungen (bei Operating Leases) bzw. die Zinserträge aus den Finance Leases, die hier vereinfachen saldiert (kumulierte ausstehende Bruttomietraten abzüglich Barwerte der Leasingforderungen laut Bilanz zum 31.12.08) abgebildet wurden. Bringt man zusätzlich die Refinanzierungsaufwendungen in Abzug, erhält man den Deckungsbeitrag aus dem Leasinggeschäft. Man erkennt unmittelbar, dass der künftige Ertrag aus dem Operating Lease-Geschäft höher als das Verhältnis im Bestandsgeschäft von 75:25 ist. Dies resultiert aus der finanzmathematischen Bilanzierung der Finance Leases, womit die Gewinne handelsbilanziell früher realisiert werden als beim Operating Lease84. Im hier vorliegenden Beispiel haben wir in der Substanzwertrechnung auf die fiktive vollständige Refinanzierung des Leasinggeschäfts verzichtet und kompensierend auch kein Anlageergebnis angesetzt. Dies entspricht auch eher der Planungsrealität. Die Finanzierungslücke (da nur 80 % der Leasingraten und Restwerte forfaitiert werden, bleibt trotz des gegenüber dem Kundenzinses niedrigeren Refinanzierungszinssatzes und damit der Barwertmarge von 4 % eine Finanzierungslücke von ca. 16 % der Anschaffungskosten der Leasingvermögenswerte) wird über das Eigenkapital und zinsfreie Lieferantenkredite gedeckt85. 84 85
Dieser Effekt wird bei Anwendung der degressiven Abschreibung auf das Leasingvermögen noch größer. Zinsen für die Vorfinanzierung von Vertriebskosten einschließlich Vermittlungsaufwendungen etc. sind bei der Substanzwertrechnung (fiktives Abwicklungsszenario) nicht relevant, bei Unternehmensfortführung stellt dies aber oft ein nicht unwesentliches Liquiditätsproblem dar.
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8 Bewertung von Leasingunternehmen Zukünftige Aufwendungen Der Risikoabschlag von T€ 600 ist anhand von Portfolioanalysen und Ausfallerwartungen der nicht forfaitierten Leasingraten sowie der freien Service-Entgelte mit ca. 1,5 % des Bilanzbetrags an Leasingforderungen und Restbuchwerten der Operating Leases zum Stichtag 31.12.08 ermittelt worden und deckt im Beispiel pauschal auch alle übrigen Risikokosten ab (Gewährleistungen, Rechtsstreitigkeiten etc.). Die Gewerbesteuer auf Refinanzierungszinsen wurde für das Beispiel mit T€ 172 angenommen86. Die Verwaltungskosten von T€ 330 ergeben sich aus der Anzahl der bestehenden Leasingverträge zum Stichtag von 2.500 multipliziert mit der durchschnittlichen gewichteten Restlaufzeit von 13,2 Monaten mal pauschal € 10 je Vertrag. Die Vermarktungserlöse basieren auf Marktwertschätzungen des Managements unter Berücksichtigung von durchschnittlichen Vermarktungskosten (Werbung, Zinsen und Wertverlust bis zum Verkaufszeitpunkt, Verkäuferprovisionen). Die im Beispiel unterstellte Bruttozinsmarge von ca. 4 % (Leasingzinssatz rund 10 %, Refinanzierungszinssatz 6 %) ist nur im Privatkundengeschäft realistisch, für im gewerblichen Bereich tätige Autoleasinggesellschaften sind eher Margen von ca. 2 % und darunter zu beobachten. Dies resultiert aus dem sehr hohen Wettbewerb in dieser Branche und der Tatsache, dass größere Marktteilnehmer wie Herstellerbanken87 und banknahe Leasinggesellschaften aufgrund besserer Bonität und des Einsatzes der Fristentransformation sich günstiger refinanzieren und dies als Wettbewerbsvorteil am Markt ausspielen. Bei umfassender Betrachtung müsste zusätzlich der Substanzwert aus den noch zu erbringenden Serviceleistungen ermittelt werden, um ein genaues Bild der künftigen Ertrags- und Vermögenslage zu erhalten. Da die Serviceleistungen in der Praxis ggf. getrennt vom Leasingvertrag kündbar sind und zudem die geplante Marge nicht immer vertraglich gesichert ist (Kostenrisiko beim Einkauf der Leistungen bei Vertragswerkstätten, Herstellern, Versicherungen etc.), werden diese zusätzlich erwarteten Deckungsbeiträge oft nur in einer Ergänzungsrechnung zur Substanzwertrechnung geführt und beispielsweise von Banken nicht als wirtschaftliches Eigenkapital akzeptiert. Im Rahmen einer Unternehmensbewertung ist jedoch eine derartig vorsichtige Betrachtungsweise nicht sinnvoll. Der im Verhältnis zum Unternehmenswert geringe Substanzwert im Beispiel ist typisch für Bewertungssituationen, in denen ein Leasingunternehmen anhaltend Deckungsbeiträge aus dem Leasing- und Dienstleistungsgeschäft erzielt, die die laufenden Vertriebs- und Verwaltungskosten übersteigen.
8.6.5 Resumée Der Unternehmenswert nach der Equity-Methode ist mit T€ 18.714 wesentlich höher als das erweiterte betriebswirtschaftliche Eigenkapital von T€ 5.118. Dies resultiert im Beispiel aus der ansteigenden Wertschöpfung im Planungszeitraum, die im Jahr der ewigen Rente das Maximum erreicht. Auffällig sind die nochmalige erhebliche Steigerung des Serviceergebnisses in 2009 und die Stagnation im Bereich der laufenden Personal- und Sachkosten sowie sonstigen betrieblichen Aufwendungen. Im Autoleasinggeschäft kommt zudem der schwierigen Prognose der Vermarktungserlöse bei offenen Restwerten eine extrem hohe Bedeutung zu. Ist ein potenzieller Erwerber nicht von dieser sehr positiven Unternehmensplanung überzeugt, läge es nahe, einen Kaufpreis zu bieten, der zwischen dem Substanzwert und dem Equity-Wert liegt. Eine weitere Steigerung des Unternehmenswertes könnte ansetzen an der Erzielung von Kostendegressionseffekten durch ein deutliches Wachstum bei besserer Auslastung der Kapazitäten, einer höheren 86
87
Sämtliche Refinanzierungsaufwendungen (Forfaitierung von Leasingraten und Restwerten, Kontokorrentzinsen), also ca. T€ 1.718 p.a., unterliegen zu 25 % der Gewerbesteuer. Multipliziert mit einem unterstellten Gewerbesteuereffektivsteuersatz von 10 % ergibt sich eine Gewerbesteuer von T€ 43 p.a. oder T€ 172 insgesamt. Auf die nicht refinanzierungsbezogenen Schulden (Lieferantenschulden, sonstige Verbindlichkeiten, Rückstellungen) und Kontokorrentkredite fallen annahmegemäß aufgrund laufender Umwälzung keine Zinshinzurechnungen im Sinne von § 8 Nr. 1 GewStG an. Die Hersteller greifen zusätzlich zwecks Absatzförderung auch zur Verbilligung einzelner Produkte durch sog. Zinssubventionen und Restwertsubventionen.
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Konrad Fritz Göller und Erik Schlumberger Quote an Services je Fahrzeug und einer Ausdehnung der Zinsspanne durch günstigere Refinanzierungswege einschließlich Fristentransformation. Diese Strategien erfordern aber Investitionen, die aus dem eigenen Cash-Flow ggf. nicht darstellbar sind. Falls ein möglicher Erwerber im gleichen Geschäftsfeld tätig ist, ließen sich durch Zusammenführung der Vertriebs- und Verwaltungsbereiche und durch günstigere Beschaffungs- und Refinanzierungskonditionen Einsparungen realisieren, welche die Integrationskosten übersteigen könnten. Der am deutschen Leasingmarkt seit Jahren zu beobachtende Konzentrationsprozess legt die Vermutung nahe, dass die Größenvorteile die Integrationskosten in einigen Fällen tatsächlich übersteigen.
8.7 Literatur Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (2009): Merkblatt – Hinweise zum Tatbestand des Finanzierungsleasings (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 10 KWG) (Stand: Januar 2009) Bengsch, V. (2001): Die Vorteilhaftigkeit des Leasings bei der internen Erfolgsrechnung und der Shareholder-Value-Betrachtung, Supplement Leasing-Berater 2001, Beiheft zum Betriebs-Berater, S. 21–23 Bieg, H. (1997): Leasing als Sonderform der Außenfinanzierung, in: Der Steuerberater (StB) Heft 11, S. 425–435. Bordewin, A. (1996): Leasingverträge in der Handels- und Steuerbilanz, in: Neue Wirtschaftsbriefe Nr. 22 vom 28.5.1996, Fach 17, Seite 1435–1462. Bordewin, A., Tonner, N. (2003): Leasing im Steuerrecht, 4. Auflage 2003 Bundesministerium der Finanzen (1996): Schreiben betr. bilanz- und gewerbesteuerliche Behandlung der Forfaitierung von Forderungen aus Leasing-Verträgen, vom 9. Januar 1996. Büschgen, H. (1998): Praxishandbuch Leasing, München 1998, S. 2. Bundesverband Deutscher Leasing-Unternehmen e.V., Berlin (2002): Jahresbericht 2002 Bundesverband Deutscher Leasing-Unternehmen e.V., Berlin (2003a): Jahresbericht 2003 Bundesverband Deutscher Leasing-Unternehmen e.V., Berlin (2003b): Substanzwertrechnung für MobilienLeasinggesellschaften, veröffentlicht im Herbst 2003 Engelland, F./Lütje, G. (1996): Rechtsnatur und Bilanzierung von Asset-Backed Securities-Transaktionen, in: Die Wirtschaftprüfung, Heft Nr. 14, S. 517. Eckl, E. und Hahne, K. (2009): Auswirkungen des Jahressteuergesetzes 2009 auf die Rechnungslegung und Besteuerung von Leasing- und Factoringunternehmen, S. 121–127. Fahrholz, B. (1998): Neue Formen der Unternehmensfinanzierung, München 1998 Feinen, K. (1999a): Mehr Mut zur europäischen Identität, „off-balance-financing ist eine tragende Säule des Leasinggeschäfts“, Supplement Leasing-Berater 1999, Beiheft zum Betriebs-Berater, S. 1–4. Feinen, K. (1999b): Risikomanagement im Leasinggeschäft, Vortrag im Rahmen des Bank- und Börsenseminars des Lehrstuhls für Bankbetriebslehre der Universität Köln am 28. Oktober 1999, S. 1–19. Göller, K. (2008): Kauf, Miete und Leasing nach International Financial Reporting Standards (IFRS), erschienen in: Kauf, Miete und Leasing im Rating (Hrsg.: Börner/Everling/Soethe, Gabler Verlag), S. 119–149. Hauptfachausschuss des Instituts der Wirtschaftsprüfer e.V. (1989): Stellungnahme 1/1989. Heinz, G. und Schäfer-Elmayer, P. (2009): JStG 2009: Erweiterung des sog. Bankenprivilegs (§ 19 GewStDV) auf Finanzierungsleasing- und Factoringgesellschaften, in: Betriebs-Berater 8/2009, S. 365–369.
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8 Bewertung von Leasingunternehmen Institut der Wirtschaftsprüfer e.V. (2003): Stellungnahme zur Rechnungslegung: Zweifelsfragen der Bilanzierung von asset backed securities-Gestaltungen und ähnlichen Transaktionen (IDW RS HFA 8) International Accounting Standards Board (IASB), (2009): Discussion Paper Leases, Preliminary Views, zu erhalten als download unter www.iasb.org Kindler, S. u. Köchling, M. (2004): Vorteil Verwertung, in: Finance, Heft Nr. 6, S. 59. Leibfried, P. (2006): Anstehende Revision der Leasingregelungen nach IFRS: Aufgabe der bisherigen Trennung in Financial und Operating Lease zu erwarten, in: Der Schweizer Treuhänder 2006/12, S. 882–885. Maus, G. (1996): Leasing im Handels- und Steuerrecht, 1996 Milatz, J. E. (1996): Forfaitierung von Andienungsrechten bei Teilamortisations-Leasingverträgen, Der Betrieb, Heft Nr. 17, Seite 841–845. Nemet, M. u. Ulrich, P. (2009): Aufsicht für Leasing-Gesellschaften: Chance zur Weiterentwicklung der Unternehmenssteuerung?, in: Finanzierung Leasing Factoring, Heft Nr. 1, 2009, S. 6–12. Paus, B. (1995): Lohnt sich das Kraftfahrzeug-Leasing?, in Neue Wirtschaftsbriefe Nr. 9 vom 27.2.1995, Fach 3, Seite 9291 ff. Riess, M. S. (2004): Die Bewertung des Restwertrisikos eines PKW-Leasing-Portfolios, in: Finanzierung Leasing Factoring, Heft Nr. 1, 2004, S. 8–14. Schulz, J. (1999): Fuhrparkmanagement: Kosten sparen durch Outsourcing, in: Der Betrieb Spezial Leasing, Heft Nr. 7, Seite 17–18. Spittler, H.-J. (2002): Leasing für die Praxis, 6. Aufl., Köln, 2002 Städtler, A. (2005): Mobilien-Leasing in Deutschland und Europa auf Wachstumskurs, in: Finanzierung Leasing Factoring, Heft 1, 2005, Seite 18–26. Städtler, A. (2009): Deutliche Bremsspuren bei Investitionen und Leasing sichtbar, in: Finanzierung Leasing Factoring, Heft 1, 2009, Seite 13–24. Tacke, H. (1997): Asset Backed Securities – Refinanzierungsmöglichkeit für deutsche Leasinggesellschaften, in: Der Betrieb, Beilage Nr. 8/97 zu Heft 18, Seite 8–10. Tacke, H. (1997): Leasing, 3. Auflage 1999 Wassermann, H. (2003a): Leasing im Jahre 2003: 2072 Gesellschaften – Teil 1, in: FLF, Nr. 6 (2003), S. 244. Wassermann, H. (2003b): Auto-Leasing im Jahr 2003: Ein Markt in Bewegung, Finanzierung Leasing Factoring, 6/2004, Seite 250. Wendels, T. H. (2003): Konzentration im Leasingsektor, in: Thomas Hartman Wendels (Hrsg.) Leasing 2003 – Wissenschaft und Praxis, Nr. 1, Jg. 1 (2003), Köln. Wirtschaftsprüfer-Handbuch 2002, IDW-Verlag
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9 Bewertung von Private Equity-Gesellschaften Von Werner Gleißner* 9.1 Einleitung: Gesamt- und Einzelbewertungsmodelle für einen unvollkommenen Kapitalmarkt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 9.2 Strategieabhängige Renditeprognose für Kapitalbeteiligungsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . 201 9.2.1 Überblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 9.2.2 Bewertungsmodelle der Beteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 9.2.3 Rendite einer repräsentativen Beteiligung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 9.2.4 Prognose der Portfoliorendite. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 9.2.5 Gesamtkapitalrendite der Kapitalbeteiligungsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 9.2.6 Eigenkapitalrendite der Kapitalbeteiligungsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 9.2.7 Strategievarianten im Werttreibervergleich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 9.3 Grundlagen der Unternehmensbewertung bei unvollkommenen Kapitalmärkten. . . . . . . . . 209 9.3.1 Bewertung bei vollkommenem Kapitalmarkt und das Capital-Asset-Pricing-Modell . . 209 9.3.2 Kritik an der Theorie vollkommener Kapitalmärkte und am CAPM . . . . . . . . . . . . . . . 210 9.3.3 Bewertung bei unvollkommenen Märkten: Eigenkapitalbedarf als Risikomaß aus einer „Risikoanalyse“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 9.3.4 Bewertung mit der Sicherheitsäquivalentmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 9.4 Bewertung der Kapitalbeteiligungsgesellschaft: Gesamtbewertungsverfahren . . . . . . . . . . . 216 9.5 Bewertung der Kapitalbeteiligungsgesellschaft: Einzelbewertungsverfahren . . . . . . . . . . . . 217 9.6 Fallbeispiel der Value and Cash AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 9.7 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 9.8 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226
9.1 Einleitung: Gesamt- und Einzelbewertungsmodelle für einen unvollkommenen Kapitalmarkt Kapitalbeteiligungsgesellschaften, die Private Equity oder Venture Capital zur Verfügung stellen, müssen sich selbst von ihren Gesellschaftern im Hinblick auf den geschaffenen Unternehmenswert beurteilen lassen.1 Der Erfolg eines solchen Unternehmens (oder Fonds) ist abhängig von der erzielten Rendite und dem dabei eingegangenen Risiko – also den primären Werttreibern. Beide Werttreiber werden wesentlich durch das Geschäftsmodell bzw. die zugehörige Strategie und die für diese maßgeblichen Erfolgspotenziale bestimmt.2 Traditionell wird der Erfolg insgesamt im Wesentlichen durch * 1 2
Dr. Werner Gleißner ist Vorstand der FutureValue Group AG, Leinfelden-Echterdingen und Leiter der Risikoforschung der Marsh GmbH, Frankfurt am Main. Zur Performancemessung vgl. Dirrigl, H. (1998). Vgl. Gleißner, W. (2005).
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Werner Gleißner die in der Vergangenheit tatsächlich erzielte Rendite beurteilt. Für die Entscheidung eines Investors, in eine Kapitalbeteiligungsgesellschaft zu investieren, ist jedoch offensichtlich die zukünftig zu erwartende Rendite und das entsprechend zukünftige Risiko maßgeblich. Kapitalbeteiligungsgesellschaften (Private Equity oder Venture Capital) sind daher nicht nur Anwender von Unternehmensbewertungsverfahren, sondern selbstverständlich auch Gegenstand einer Bewertung durch Investoren. Wie bei anderen Unternehmen auch ist der Wert einer Kapitalbeteiligungsgesellschaft (oder eines Fonds) als Barwert der zukünftig zu erwartenden Zahlungen an die Eigentümer zu berechnen, wobei der Risikoumfang explizit zu berücksichtigen ist.3 Die Summe der Werte der einzelnen Beteiligungen abzüglich Fremdkapital (und unter Berücksichtigung möglicher Liquidationskosten) stellt lediglich den Liquidationswert und damit eine Wertuntergrenze dar (Einzelbewertungsverfahren).4 Die heute noch häufig anzutreffende Bewertung von Kapitalbeteiligungsgesellschaften auf Basis ihres NettoPortfoliowerts vernachlässigt die bewertungsrelevanten zukünftig zu erwartenden Erträge aus Geschäftsmodell und Strategie (Erfolgspotenzialen) des Unternehmens, die von der Wertentwicklung im Portfolio und den eigenen Fixkosten abhängen. In diesem Beitrag wird ein Bewertungsansatz für Private Equity- und Venture Capital-Gesellschaften (bzw. Fonds), im Folgenden zusammenfassend Kapitalbeteiligungsgesellschaften genannt, vorgestellt, der auch den Weg eines Gesamtbewertungsverfahrens anstelle der bisher noch üblichen Einzelbewertungsverfahren nutzt. Entsprechend wird der zukünftige Mehrwert, den das Management einer solchen Gesellschaft aufgrund der vorhandenen Erfolgspotenziale realisieren kann, explizit in der Bewertung berücksichtigt. Kern des vorgestellten Bewertungsansatzes ist ein Modell für die Prognose der zukünftig erwarteten Rendite einer Kapitalbeteiligungsgesellschaft in Abhängigkeit nachvollziehbarer (und damit diskutierbarer) Werttreiber. Die Abbildung des Geschäftsmodells auf das Unternehmensbewertungsverfahren erlaubt dabei auch den Vergleich und die Optimierung alternativer strategischer Positionierungen von Kapitalbeteiligungsgesellschaften. Eine kritische Diskussion von prognostizierten Renditen kann auf eine Diskussion der wesentlichen Annahmen – der Werttreiber – zurückgeführt werden. Die aus den prognostizierten Renditen abgeleitete eigentliche Unternehmensbewertung wird mit Hilfe der Sicherheitsäquivalenzmethode vorgenommen, die gegenüber der häufiger verwendeten Risikozuschlagmethode (Risikoprämie in einem Diskontierungszinssatz) konzeptionelle Vorteile hat. Eine weitere Besonderheit des hier vorgestellten Ansatzes ist die explizite Berücksichtigung einzelner Risiken als mögliche Abweichungen der tatsächlichen Ausprägung der Werttreiber von den Planwerten, die durch geeignete Verteilungsfunktionen erfasst werden. Die Aggregation der Risiken zur Bestimmung des Gesamtrisikoumfangs und des Eigenkapitalbedarfs als Risikomaß wird mit Hilfe eines Monte Carlo-Simulationsmodells durchgeführt. Alternativ zur traditionellen Bewertung unter der Annahme vollkommener Kapitalmärkte wird dabei erläutert, wie die Bewertung mit einem risikodeckungsorientierten Konzept, d.h. unter Bezugnahme auf den Eigenkapitalbedarf als Risikomaß, durchgeführt werden kann. Der hier verwendete Risikodeckungsansatz der Unternehmensbewertung trägt Marktunvollkommenheiten (z.B. schlecht diversifizierter Portfolios, Konkurskosten und einem Informationsvorteil der Unternehmensführung gegenüber dem Kapitalmarkt) Rechnung. Neben der Anwendung eines Gesamtbewertungsverfahrens für die Private Equity-Gesellschaft wird ergänzend auch der „traditionelle Weg“ der Bewertung einzelner Beteiligungen aufgezeigt, bei dem der Wert der Private Equity-Gesellschaft ermittelt wird auf Basis der Summierung der Werte derjenigen Beteiligungen, die zur Zeit im Portfolio sind (Vergleiche Abschnitt 9.5). Für die Anwendung eines derartigen „Einzelbewertungsverfahren“, das jede einzelne Beteiligung zunächst separat bewertet, wird ein Bewertungsansatz vorgestellt, der die Unvollkommenheit von Kapitalmärkten explizit berücksichtigt. Hier wird insbesondere gezeigt, wie eine rationale Bewertung in Abhängigkeit geschätzter (unsicherer) zukünftiger Verkaufspreise (Exit-Preise) möglich ist. Mit den 3 4
Vgl. Drukarczyk, J./Schüler, A. (2007), S. 204 ff.; Hachmeister, D. (1995), S. 93 ff. Theoretisch sind sogar noch niedrigere Unternehmenswerte möglich. Eine Private Equity-Gesellschaft, die keine Wertsteigerung ihrer Beteiligungen erreicht und keine wertsteigernden Neuinvestments vornimmt, zerstört wegen ihrer eigenen Kosten den Wert der Eigentümer.
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9 Bewertung von Private Equity-Gesellschaften oben erwähnten Simulationsverfahren wird dabei die Zukunftsentwicklung einer einzelnen Beteiligung simuliert, um beispielsweise eine realistische Bandbreite des zukünftigen Betriebsergebnisses zum Exit-Zeitpunkt einschätzen zu können, die dann wiederum die Grundlage für die Abschätzung der Bandbreite (Wahrscheinlichkeitsverteilung) des Exit-Preises ist. Diese „stochastischen“ Multiplikatorbewertungsverfahren tragen dem Umstand Rechnung, das fundamental angemessener Wert und möglicher Verkaufspreis in einem unvollkommen Markt zu unterscheiden sind. In diesem Zusammenhang wird insbesondere deutlich, wie die Unsicherheit über die zukünftig möglichen Verkaufspreise, die maßgeblich von den Unternehmensrisiken abhängen, in der Bewertung berücksichtigt werden können. Damit werden in diesem Beitrag die zwei denkbaren Varianten zur Beurteilung von Private EquityGesellschaften vorgestellt, nämlich • die übliche Vorgehensweise mittels Einzelbewertungsverfahren, also die zunächst eigenständige Bewertung der einzelnen Beteiligungen, deren Werte dann zum Gesamtwert der Kapitalbeteiligungsgesellschaft (Private Equity-Gesellschaft) addiert werden (Abschnitt 9.5), • ein alternativ denkbares Gesamtbewertungsverfahren, das ausgehend von (unsicheren) prognostizierten Erträgen und Cash-Flows aus heutigen und zukünftig möglichen Beteiligungen in einem Schritt eine Gesamtbewertung ermöglicht (Abschnitt 9.4).
9.2 Strategieabhängige Renditeprognose für Kapitalbeteiligungsgesellschaften 9.2.1 Überblick Im Folgenden soll mit einem einfachen Bewertungsmodell gezeigt werden, wie die zukünftig zu erwartende Rendite und die Risiken in Abhängigkeit von Geschäftsmodell und Strategie einer Kapitalbeteiligungsgesellschaft abgeleitet werden können.5 Die erwartete Rendite wird dabei zurückgeführt auf grundlegende Werttreiber. Die kritische Diskussion der konkreten Ausprägungen dieser Werttreiber bei einer Kapitalbeteiligungsgesellschaft schafft die Grundlage für eine eigene Einschätzung, ob in der Vergangenheit erzielte oder aktuell für die Zukunft prognostizierte Renditen tatsächlich realistisch sind. Zudem erlaubt der Vergleich der Werttreiber, und der daraus ableitbaren Risikofaktoren, eine Einschätzung des Rendite-Risiko-Profils von Kapitalbeteiligungsgesellschaften, was für eine gezieltere Investition in die zunehmend interessantere Asset-Klasse „Private Equity“ hilfreich ist. Aus Sicht eines Investors gilt dabei selbstverständlich immer, dass ein höheres Risiko (Volatilität der Rendite) nur durch eine höhere erwartete Rendite gerechtfertigt ist. Im Folgenden soll zunächst ein einfaches (etwas idealisiertes) Renditeprognosemodell einer Kapitalbeteiligungsgesellschaft abgeleitet werden, das Prognosen über die zukünftig zu erwartende Rendite ermöglicht, sofern mit den Verantwortlichen der Kapitalbeteiligungsgesellschaft eine offene Diskussion über die maßgeblichen Werttreiber möglich ist. So wird eine Gesamtbewertung möglich. Die erwartete Rendite ist zunächst offensichtlich abhängig von der durchschnittlichen erwarteten Rendite einer einzelnen Beteiligungsinvestition ( ) sowie dem durchschnittlichen Investitionsgrad (q), also dem Anteil des insgesamt der Gesellschaft zur Verfügung stehenden Vermögens, das auch tatsächlich in Beteiligungen investiert wird. 5
Das hier dargestellte „einfache“ Bewertungsmodell für die Beteiligungen, das in den folgenden Unterabschnitten noch ausführlicher dargestellt wird, kann genutzt werden, um auf dieser Grundlage ein „Gesamtbewertungsmodell“ für die Kapitalbeteiligungsgesellschaft selbst aufzubauen. Eine hoch detaillierte Betrachtung der einzelnen Beteiligungen erfolgt hierbei nicht, da insbesondere auch noch gar nicht vorhandene (zukünftig mögliche) Beteiligungen im Gesamtbewertungskontext berücksichtigt werden sollen. Schon an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass bei den (üblichen) Einzelbewertungsansätzen, die zunächst im ersten Schritt jede einzelne Beteiligung separat bewerten, eine wesentlich exaktere Modellierung möglich ist (vergleiche dazu Abschnitt 9.5).
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Werner Gleißner Maximalrisikolinie: Safety-First
Erwartete Rentabilität
Projekt D
20% Projekt C
Kapitalkosten als Mindestanforderung an die erwartete Rendite
Investieren! Projekt B Projekt A
10% Nicht investieren!
0%
10%
20%
Risiko (Kapitalkostensatz)
… und diese Entscheidungen bestimmen den Risikoumfang eines Unternehmens
Quelle: FutureValue Group AG Abb. 9-1: Risiko-Rendite-Profil
9.2.2 Bewertungsmodelle der Beteiligungen Im Folgenden wird vereinfachend eine repräsentative Beteiligung betrachtet. Die Rendite der Kapitalbeteiligungsgesellschaft ist entscheidend – wenn auch nicht ausschließlich – von der Rendite der Beteiligungsinvestments abhängig. Die jährliche durchschnittliche Rendite aus einem repräsentativen Beteiligungsinvestment ist abhängig vom Verhältnis des erzielten Verkaufspreises am Ende der unsicheren Halteperiode (beim Exit) T und dem Kaufpreis der Beteiligung. Der Verkaufswert ist dabei zu beschreiben in Abhängigkeit von • dem Ertragswert, den das Unternehmen bei Weiterverfolgung der gegenwärtigen Strategie hat, sofern es bis zum Zeitpunkt T nicht insolvent wird (W0); • der Wahrscheinlichkeit der Insolvenz im Zeitraum t = 0 bis T (PD); • den wertsteigernden Optimierungspotenzialen des Unternehmens (a). Relevante Wertsteigerungspotenziale, die in dem Multiplikator-Faktor (a) zusammengefasst zum Ausdruck kommen, sind dabei z.B.: eine Rentabilitätsverbesserung, ein Umsatzwachstum, eine Risikoreduzierung sowie eine Verbesserung der Kapitalstruktur. Der Ertragswert einer repräsentativen Beteiligung bei Fortsetzung der bisherigen Strategie (Status Quo-Wert) kann dabei einfach mit werttreibergestützten Bewertungsmodellen abgeleitet werden.6 Zunächst wird ein einheitliches Bewertungsverfahren für die Beteiligungen festgelegt, bei der der Unternehmenswert (W) in Abhängigkeit von einzelnen Werttreibern wie z.B. Umsatz (U), Kapitalumschlag (KU), Eigenkapitalquote (EKQ), nachhaltig erwarteter EBIT-Marge (EBITM), Kapitalkostensatz (WACC)7 oder Steuersatz (s) beschrieben wird. Solche einfachen, auf Werttreibern basierenden 6 7
Auf die Möglichkeiten einer gezielten Erschließung strategischer Wertsteigerungspotenziale und der Implementierung wertorientierter Führungssysteme sei auf Gleißner, W. (2004) verwiesen. Die WACC werden hier zunächst vereinfachend als zeitunabhängig angesehen und nicht vertiefend erläutert, was jedoch z.B. wertorientierte Finanzierung und konstante Risiken erfordert, vgl. hierzu Kruschwitz, L./ Löffler, A. (2003).
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Bewertungsmodelle sind oft Spezialfälle der Discounted-Cash-Flow-Verfahren, die den Unternehmenswert als Summe der risikoadäquaten diskontierten zukünftigen erwarteten freien Cash-Flows oder – näherungsweise – Erträge (EBIT) beschreiben: (1) Für den Spezialfall eines im Mittel konstanten erwarteten EBIT (Wachstum w = 0) vereinfacht sich die Bewertungsformel wie folgt: (2) Ein mögliches einfaches, aus diesem Ansatz ableitbares Unternehmensbewertungsmodell, das die relevanten Werttreiber zeigt, könnte damit wie folgt aussehen:8 (3)
Aus den Werttreibern lassen sich unmittelbar Risikofaktoren der Beteiligung ableiten.9 Jeder risikobehaftete Werttreiber ist nämlich unmittelbar als Risikofaktor zu interpretieren. In einem zweiten Schritt kann es sinnvoll sein, diese (primären) Risikofaktoren (z.B. mögliche Umsatzschwankung) wiederum auf ihre Ursachen (sekundäre) Risikofaktoren zurückzuführen. Beispielsweise lässt sich die Umsatzschwankung eines Unternehmens (teilweise) durch Schwankungen der volkswirtschaftlichen Nachfrage erklären, was die Verbindung zu einem volkswirtschaftlichen (und damit systematischen) Risikofaktor ermöglicht.10 Die Risikofaktoren und die Werttreiber (Ertragsfaktoren) werden somit konsistent aus den Bewertungsmodellen für den Unternehmenswert der Beteiligungen abgeleitet. Anschließend sind alle (wesentlichen) Beteiligungen bezüglich dieses Bewertungsrasters von Werttreibern und Risikofaktoren zu beurteilen. Damit ist die Grundlage geschaffen, um mittels einer Aggregation der Risiken, Aussagen über den Gesamtrisikoumfang einer Privat Equity- oder Venture CapitalGesellschaft aus seinen Beteiligungen zu treffen.11,12 Zudem lässt sich (mit dem Werttreibermodell) eine Bewertung sämtlicher Beteiligungen mit einem einheitlichen Verfahren vornehmen und jede Beteiligung analog dem Markowitz-Ansatz in einem Ertrags-Risiko-Portfoliomodell positionieren. Natürlich sind auch wesentlich komplexere Bewertungsverfahren möglich.13 Eine besondere Herausforderung bei allen diesen Bewertungsverfahren besteht in einer adäquaten Berücksichtigung der Risiken im Kapitalkostensatz (Diskontierungszinssatz) oder im Sicherheitsäquivalent. In Anbetracht der Unvollkommenheit der Kapitalmärkte (z.B. asymmetrisch verteilte Informationen und Konkurskosten) bieten sich für die Ableitung der Kapitalkosten sogenannte „Risikodeckungs-Konzepte“ an, bei denen ein angemessener Kapitalkostensatz – im Gegensatz beispielsweise zum Capital Asset Pricing-Modell (CAPM) – direkt mittels Simulationsverfahren aus den Risikoinformationen eines Unternehmens abgeleitet wird.14 8 9 10 11 12 13 14
Diese Berechnung basiert auf dem Termin Value Ansatz. Die Jahre vor Periode T werden hier vernachlässigt, vgl. Gleißner, W. (2004), S. 124 ff. Zudem lässt sich auch der WACC ableiten (s. Abschnitt 9.3). Vgl. zur Risikoquantifizierung und Risikoaggregation Gleißner, W. (2008). Vgl. Gleißner, W. (2005). Es wird lediglich angenommen, dass durch eine geeignete Bewertung bekannt ist, welcher Einkaufspreisvorteil (a) im Vergleich zum angemessenen Wert der Beteiligung (im Status quo) im Durchschnitt zu erzielen ist. Vgl. Behm, G. (2003); Ernst, D./Schneider, S./Thielen, B. (2003); Hommel, U./Scholich, M./Vollrath, R. (2001). Vgl. Gleißner, W. (2005a), S. 220 ff. sowie Abschnitt 9.3.
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204
Werner Gleißner Aufgrund des Fokus dieses Artikels auf die Bewertung einer ganzen Kapitalbeteiligungsgesellschaft, sollen die Bewertungsfaktoren auf Ebene einer Beteiligung erst wieder in Abschnitt 9.5 aufgegriffen werden. Das Renditeprognosemodell der Kapitalbeteiligungsgesellschaft lässt sich in mehrere Stufen zergliedern, die im Folgenden kurz erläutert sind.
9.2.3 Rendite einer repräsentativen Beteiligung In seiner Grundstruktur geht das Renditeprognosemodell von der Betrachtung einer repräsentativen Beteiligung aus und verzichtet auf die (durchaus mögliche) Beschreibung unterschiedlicher Einzelbeteiligungen oder Beteiligungssegmente. Für die Prognose der Rendite (und die Abschätzung des Risikos) einer derartigen repräsentativen Beteiligung wird zunächst angenommen, dass diese bei weiterer Verfolgung der bisherigen Strategie einen bestimmten Wert aufweist, den Status Quo-Wert. Da in diesem Wert alle heute verfügbaren Informationen einfließen, lässt sich die zukünftige Wertentwicklung nicht besser prognostizieren als anzunehmen, dass der Wert trendmäßig entsprechend einer risikoabhängig zu erwartenden Rendite (den Kapitalkosten) wächst.15 Für die folgende Darstellung wird (vereinfachend) unterstellt, dass sich der erwartete Wert einer Beteiligung bei gegebener Strategie während der gesamten Haltedauer nicht verändert. Selbstverständlich können sich aufgrund neuer Informationen, z.B. unvorhergesehene Veränderung von Konjunktur oder Wettbewerbsumfeld, Wertveränderungen ergeben, die jedoch nicht prognostizierbar sind. Einen „Mehrwert“ (bezogen auf risikoadäquate Renditeanforderungen) erzielt die Private EquityGesellschaft immer dann, wenn es ihr gelingt, unterhalb des oben genannten Wert W0 eine Beteiligung zu erwerben, oder durch geeignete Maßnahmen den Wert der Beteiligung (auf W T) zu erhöhen, was durch operative Verbesserungen, eine strategische Neuausrichtung oder einem positiven Wertbeitrag durch die Verbesserung der Finanzierungsstruktur16 (Eigenkapitalzuschuss) zu erreichen ist. Geht man nun davon aus, dass es der Kapitalbeteiligungsgesellschaft im Mittel gelingen wird, den Wert ihrer Beteiligungen durch ein „strategisches Wertsteigerungspotenzial“ (c) zu steigern und durch eine geschickte Verhandlung oder präzise Einschätzung des tatsächlichen Werts zu einem Abschlag in Höhe von (a)17 gegenüber W0 einzukaufen, errechnet sich folgende durchschnittliche Rendite einer Beteiligung (ohne Ausschüttungen): 15 16
17
Entsprechend kann man auch unmittelbar den (erwarteten) Wert zum Zeitpunkt des Verkaufs einer Beteiligung bei weiterer Verfolgung der bisherigen Strategie abschätzen (vgl. Abschnitt 9.6). Durch eine Eigenkapitalzufuhr in die Beteiligungen und damit eine Verbesserung von Eigenkapitalquote und Rating können die Fremdkapitalzinsen reduziert, die direkten oder indirekten Konkurskosten vermindert und neue strategische Handlungsoptionen (z.B. Wachstum oder Übernahme neuer Geschäftsfelder) eröffnet werden. Zunächst einmal muss hier verdeutlicht werden, dass die Investitionssumme in zwei Komponenten zerfällt, nämlich einer Bezahlung an die bisherigen Gesellschafter und einer Veränderung der Eigenkapitalposition der Beteiligung (ΔEK), die durch die Beteiligungskapitalgesellschaft vorgenommen wird (was in der Gleichung 1 (siehe Seite 203) vereinfachend vernachlässigt wird). Beides wird unter dem Kapitalbedarf einer Beteiligung subsumiert und ist in Faktor a zu berücksichtigen. Bei Übernahme einer Beteiligung, deren Risikotragfähigkeit nicht dem (aggregierten) Risikoumfang entspricht, ist eine zusätzliche Einzahlung in die Gesellschaft erforderlich, um beispielsweise ein adäquates Rating sicher zu stellen, vgl. Gleißner, W./Kamaras, E./Wolfrum, M. (2008). Umgekehrt sind hier durchaus auch Situationen denkbar, dass durch den Verkauf nicht betriebsnotwendiger Vermögensgegenstände sofort eine Rückzahlung eines Teils des Kaufpreises an die Beteiligungskapitalgesellschaft möglich wird (negatives ΔEK). Der erforderliche Eigenkapitalbedarf kann mit Hilfe sogenannter Risikoaggregationsverfahren abgeleitet werden, bei denen unter Verbindung der Unternehmensplanung und den Risiken eine große repräsentative Anzahl von Zukunftsszenarien des Unternehmens analysiert wird, um den realistischen Umfang an risikobedingten Verlusten (und damit Eigenkapitalbedarf) abzuleiten, vgl. Gleißner, W. (2005) und (2008). Die Gleichung 1 (siehe Seite 203) kann durch Aufnahme von g im Nenner auch den Eigenkapitalzuschuss in Prozent des Kaufpreises separat berücksichtigen. Vereinfachend wird hier keine Unterscheidung zwischen Kapital, das in die Gesellschaft und Kapital, das an die Gesellschafter geht, getroffen.
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9 Bewertung von Private Equity-Gesellschaften
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(4)
mit
und
Der Faktor T stellt dabei die Anzahl der Jahre dar (Haltedauer bis zum Exit), die erforderlich ist, um die Wertsteigerung zu realisieren. Der Abschlagsfaktor a, der den Discount beim Kauf eines Unternehmens(-anteils) in Relation zum momentan angemessenen Wert (W0) beschreibt, ist dabei nicht nur abhängig von der Stärke der Verhandlungspositionen und einer intelligenten Verhandlungsführung, mit deren Hilfe der Preis möglichst günstig gestaltet werden kann. Hohe Abschlagswerte sind immer auch dann zu erwarten, wenn es einer Kapitalbeteiligungsgesellschaft gelingt, durch überlegene Unternehmensbewertungsverfahren (vgl. oben) gezielt Unternehmen zu identifizieren, deren tatsächlicher Wert von den bisherigen Eigentümern (und anderen potenziellen Käufern) unterschätzt wird. In dieser Hinsicht ist der erzielbare Abschlagsfaktor, der die erwartete Portfoliorentabilität maßgeblich mitbestimmt, insbesondere auch abhängig von der überlegenen Leistungsfähigkeit der eingesetzten Unternehmensbewertungsverfahren. Insbesondere die relativ neuen Verfahren einer adäquaten Berechnung der Kapitalkosten als Determinanten des Unternehmenswerts auf Basis der tatsächlichen Risikoprofile sind daher Ansatzpunkt, hier eine überlegene Bewertungsqualität zu erreichen (vgl. 9.3.). Bei gegebenem Wertsteigerungspotenzial eines Unternehmens ist auch der Zeitrahmen zwischen Kauf und Exit erkennbar, also T, ein maßgeblicher Werttreiber. Eine höhere Realisierungsgeschwindigkeit der Wertsteigerungspotenziale (Umschlagsgeschwindigkeit des Vermögens der Kapitalbeteiligungsgesellschaft) erhöht die erwartete jährliche Rentabilität. Die bisherige Betrachtung bezieht sich auf die Rendite einer Beteiligung, die tatsächlich irgendwann verkauft werden kann und ist damit als „bedingte Rendite einer Beteiligung“ zu interpretieren. In der Praxis zeigt sich, dass (gerade bei Venture Capital-Investments) die Geschäftsmodelle und Strategien von einigen Beteiligungen komplett scheitern, was durch die bisherige Betrachtung nicht adäquat berücksichtigt wurde. Im einfachsten Fall kann man dies erfassen, indem man eine einfache Fallunterscheidung vornimmt. Auf der einen Seite wird unterstellt, dass mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit (gegebenenfalls pro Jahr oder für den Gesamtzeitraum T) das Geschäftsmodell einer Beteiligung komplett scheitert und die Gesellschaft damit insolvent oder liquidiert wird. Nur für diejenigen Beteiligungen, die im Rahmen der Haltedauer nicht insolvent werden, wird dann die Renditeprognose gemäß Gleichung 4 betrachtet. –1
p r ei
z
en solv
In
Übe
rleb
1–p
en
1
¦1 + c µ T r =§ ¶ −1 ¨ 1 − a· e i
Quelle: FutureValue Group AG Abb. 9-2: Fallunterscheidung: Rendite bei möglicher Insolvenz
Unter Berücksichtigung der Ausfallwahrscheinlichkeit (p)18 im Zeitraum T einer Beteiligung ergibt sich damit folgende Rendite einer repräsentativen Beteiligung des Portfolios : 18
Es wird hier vereinfachend eine „sofortige“ Insolvenz betrachtet und nicht der Zeitpunkt genauer ermittelt.
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Werner Gleißner
(5) Zusätzlich zur Rendite durch die Wertsteigerung ist zu berücksichtigen, dass Beteiligungen während der Haltedauer auch Ausschüttungen an die Kapitalbeteiligungsgesellschaft tätigen (können).19
9.2.4 Prognose der Portfoliorendite Die prognostizierte Rendite einer repräsentativen Beteiligung ist noch nicht identisch mit der erwarteten Portfoliorendite verstanden als Rendite des gesamten Vermögens der Kapitalbeteiligungsgesellschaft. Es ist nämlich zu beachten, dass lediglich ein durchschnittlicher Anteil q (Investitionsquote) diese Rendite erwirtschaften wird. Für das restliche Portfolio sei vereinfachend angenommen, dass diese lediglich eine risikolose Rendite r0 erreicht, die sich beispielsweise durch die Investition in Staatsanleihen ergibt. In Abhängigkeit der Investitionsquote q ergibt sich damit als Gesamtportfoliorendite : (6) Die unsichere Investitionsquote ist abhängig z.B. vom Zugang zu potenziellen Beteiligungen und von den vorgegebenen Anforderungen an den zu erzielenden Preisabschlag auf den Wert einer gekauften Beteiligung (a).
9.2.5 Gesamtkapitalrendite der Kapitalbeteiligungsgesellschaft Bei der bisherigen Betrachtung der Rendite auf das Gesamtportfolio der Kapitalbeteiligungsgesellschaft wurde von Kosten abstrahiert, die das Unternehmen selber zu tragen hat. Neben den Kosten des allgemeinen Geschäftsbetriebs sind hier insbesondere die Kosten der Vorauswahl, Detailprüfung und Bewertung potenzieller Beteiligungen sowie die Kosten für die (strategische) Überwachung der Beteiligungen zu nennen. Bei einem Investitionsvolumen im Portfolio (in Beteiligungen und risikolosen Anlagen) von I und jährlichen Fixkosten K Fix sowie den Kosten K B für jede der Z Beteiligungen ergibt sich folgende Gesamtkapitalrendite der Kapitalbeteiligungsgesellschaft :20
(7) Die Initiierungskosten der Kapitalbeteiligungsgesellschaft können dabei auf die jährlichen Fixkosten umgelegt werden.
9.2.6 Eigenkapitalrendite der Kapitalbeteiligungsgesellschaft Für die Investoren in einer Kapitalbeteiligungsgesellschaft letztlich maßgeblich ist nicht die Gesamtkapitalrendite, sondern die Eigenkapitalrendite. Beides stimmt nur bei einer Gesellschaft überein, die 19
20
In einem vereinfachten Modellansatz kann auch angenommen werden, dass die Beteiligungen nicht betriebsnotwendige Anteile des Gewinns (entsprechend einer vorgegebenen durchschnittlichen Thesaurierungsquote) ausschütten, was auch die in Abschnitt 9.2.3 angenommene Konstanz des Unternehmenswerts im Haltezeitraum (ohne Berücksichtigung der strategischen Wertsteigerungsmöglichkeiten) erklärt. Wobei ausformuliert gilt:
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keine Fremdmittel einsetzt. In Abhängigkeit des Verschuldungsgrads V, also des Verhältnisses von Fremd- zu Eigenkapital (FK und EK), berechnet sich folgende Eigenkapitalrendite der Kapitalbeteiligungsgesellschaft (Financial Leverage): (8) Anders dargestellt ergibt sich: (9) In die Gleichung 9 werden nun die bekannten Gleichungen eingesetzt:
(10) Dies ist die zu prognostizierende Rentabilität,21 die eine der wesentlichen Werttreiber der Kapitalbeteiligungsgesellschaft darstellt. Die tatsächlich erzielte Eigenkapitalrendite ist natürlich nicht sicher vorhersehbar. Abweichungen von der Prognose gemäß Gleichung 10 ergeben sich immer dann, wenn die genannten Modellparameter – Werttreiber – andere Ausprägungen annehmen, als erwartet. Aufgrund ihrer Unsicherheit (mögliche Planabweichungen) sind sämtliche Werttreiber zugleich als Risikofaktor zu interpretieren. Den realistischen Umfang von Abweichungen bei der Eigenkapitalrendite und damit das (aggregierte) Gesamtrisiko, das sich z.B. als Standardabweichung der Eigenkapitalrendite beschreiben lässt (vgl. Abschnitt 9.3.3. zur Risikoaggregation), wird berechnet, in dem man die Unsicherheit aller dieser Modellparameter explizit erfasst. Ein Weg für eine derartige Beurteilung des RenditeRisiko-Profils der Kapitalbeteiligungsgesellschaften besteht darin, sämtliche Parameter (Werttreiber) des Renditemodells durch geeignete Wahrscheinlichkeitsverteilungen zu beschreiben. Die für die erwartete Rendite besonders wichtigen Werttreiber sind zusammenfassend: • strategisches Wertsteigerungspotenzial (c) • der prozentuale Ausfall im Portfolio im Durchschnitt der Haltedauer (p) • die Haltedauer (T) und • der Einkaufsvorteil (a), d.h. der Abschlag auf den Wert beim Kauf einer Beteiligung Um die von einer Kapitalbeteiligungsgesellschaft angegebene prognostizierte Zukunftsrendite kritisch zu hinterfragen, bietet es sich an, die hier implizit zugrunde liegenden Werttreiber einer kritischen Diskussion zu unterziehen.22
21
Alternative Darstellung:
22
Eine kostenlose Softwarelösung für die Berechnung einer realistischen Rentabilität einer Kapitalbeteiligungsgesellschaft kann unter
[email protected] bei der FutureValue Group AG angefordert werden.
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9.2.7 Strategievarianten im Werttreibervergleich Das hier dargestellte Werttreibermodell einer Kapitalbeteiligungsgesellschaft ist jedoch nicht nur für die kritische Diskussion mit potenziellen Investoren von Interesse. Es bietet für die Verantwortlichen der Kapitalbeteiligungsgesellschaft selbst auch Ansatzpunkte für eine Optimierung der eigenen Strategie und der Zielsetzung einer Verbesserung der Wertsteigerungspotenziale für Investoren. Zudem lassen sich unmittelbar verschiedene denkbare Strategievarianten von Kapitalbeteiligungsgesellschaften ausmachen: (1) Arbitrageure In dieser Strategievariante versucht die Kapitalbeteiligungsgesellschaft, einen möglichst hohen Umschlag des eingesetzten Kapitals (kleine Werte für T) zu erreichen. Voraussetzung für diese Strategie sind hervorragende Möglichkeiten, gekaufte Beteiligungen im Sinne eines schnellen Exits weiterzugeben. Idealerweise steht schon beim Kauf einer Beteiligung ein Verkäufer zur Verfügung, der einen Mehrpreis gegenüber dem Einkauf zu zahlen bereit ist. (2) Restrukturierer Die speziellen Kompetenzen von Beteiligungskapitalgesellschaften mit dieser Strategie bestehen darin, eine erhebliche Wertsteigerung des Unternehmens durch eine Optimierung der Strategie und der operativen Werttreiber zu erreichen. Entsprechend wird die erwartete Portfoliorendite insbesondere durch hohe Werte des Werttreibers c bestimmt. (3) Bewertungs- und Verhandlungsspezialisten Beteiligungskapitalgesellschaften mit dieser Strategie verfügen über besonders leistungsfähige Verfahren der Bewertung von Unternehmen, um effizient und besser als ihre Wettbewerber (und potenzielle Verkäufer) die tatsächlichen Werte eines Unternehmens (bei gegebener Strategie) zu bestimmen. Flankierend verfügen sie über außergewöhnliche Fähigkeiten der Verhandlung, um im Vergleich zu den tatsächlichen Werten sehr günstige Einkaufspreise für Beteiligungen zu erreichen. Im Sinne einer Argumentationsfunktion der Unternehmensbewertungsverfahren gelingt es ihnen dabei insbesondere, einen gemessen an ihrer tatsächlichen Einschätzung vergleichsweise niedrigen Preis des Unternehmens „vorzurechnen“ (d.h. hohe Werte von Werttreiber a). (4) Substanzjäger Die Werttreiber bei dieser Strategie sind hohe unmittelbare Rückflüsse aus einer gekauften Beteiligung durch den Verkauf von nicht betriebsnotwendigen Vermögensgegenständen (negative Werte von ΔEK mit Wirkung auf a). Für diese Strategie erforderlich sind Kompetenzen bei der Einzelbewertung von Vermögensgegenständen eines Unternehmens (oder die Bewertung von Tochtergesellschaften) sowie ein adäquater Zugang zu einer möglichst transaktionskostenarmen Realisierung dieser Vermögenswerte. Insgesamt zeigt das hier dargestellte Renditemodell, dass die realistisch zu erwartende Rendite einer Beteiligungskapitalgesellschaft oder eines Beteiligungs-Fonds durchaus transparent auf Werttreiber zurückgeführt werden können. Ein derartiges Renditemodell einer Kapitalbeteiligungsgesellschaft ist Grundlage für eine Optimierung ihrer Strategie. Eine realistische Einschätzung der erzielbaren Renditen durch einen Investor wird zudem ebenso möglich wie ein strukturierter Vergleich der unterschiedlichen Strategievarianten solcher Gesellschaften gemäß den oben genannten Strategietypen. Unter Berücksichtigung der Unsicherheit bezüglich der Ausprägung oben genannter Werttreiber kann ergänzend auch das Risikoprofil (die realistische Volatilität der erwarteten Rendite) einer Kapitalbeteiligungsgesellschaft eingeschätzt werden. Insgesamt kann das hier dargestellte Renditemodell einen Beitrag dazu leisten, mehr Transparenz über realistische Renditeerwartungen von Kapitalbeteiligungsgesellschaften zu erhalten.
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 208
9 Bewertung von Private Equity-Gesellschaften
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9.3 Grundlagen der Unternehmensbewertung bei unvollkommenen Kapitalmärkten 9.3.1 Bewertung bei vollkommenem Kapitalmarkt und das Capital-Asset-Pricing-Modell Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene konzeptionelle Ansätze, um Risiken in der Bewertung (von Investitionen, Unternehmen, Finanzanlagen) zu berücksichtigen. Beim „individualistischen Ansatz“ wird explizit auf die Risikoeinstellung und sonstigen Rahmenbedingungen des jeweiligen Investors Bezug genommen. Damit wird ein subjektiver Entscheidungswert bestimmt. Den zweiten Weg stellt der „marktorientierte Ansatz“ dar, der ohne Bezugnahme auf die individuelle Risikoneigung risikoadäquate Renditen aus Marktdaten ableitet, was ein Vergleich der zu bewertenden Zahlungsreihe mit vergleichbar riskanten Zahlungsreihen impliziert. Dementsprechend werden also die erwarteten Zahlungen mit der erwarteten Rendite vergleichbarer Zahlungsreihen, die am Markt beobachtet werden, diskontiert. Für den „marktorientierten Ansatz“ benötigt man:23 • ein Risikomaß, dessen Relevanz für die Bewertung riskanter Projekte (Zahlungsreihe, Unternehmen) am Markt belegbar ist, • ein Messverfahren, um das Risiko von Zahlungsreihen für Anlagen (auch wenn sie nicht am Markt gehandelt werden) quantifizieren zu können sowie • eine Zuordnungsregel, die den Zusammenhang von erwarteter Rendite und Risikoeigenschaften beschreibt und nachweisbar für die Bewertung einer Anlage am Markt bedeutsam ist. Meist wird die Existenz eines vollkommenen Kapitalmarkts mit folgenden Eigenschaften unterstellt:24 Es existieren homogene Erwartungen aller Marktteilnehmer hinsichtlich der Zahlungen einer Anlage i beim Eintreten eines Umweltzustandes j (homogene Erwartungen), alle Anlagen sind beliebig teilbar, der Markt weist eine atomistische Struktur auf. Es gibt weder Transaktionskosten (und auch keine Steuern) noch Marktzutrittsbeschränkungen. Leerverkäufe sind in beliebigem Umfang möglich. Unter dieser Annahme berechnet sich der Unternehmenswert bei konstanten WACC wie folgt:
Der für die Bewertung nötige, risikoabhängige Kapitalkostensatz (WACC) ergibt sich als gewichteter Mittelwert der Fremdkapitalkosten kFK und der verschuldungsgradabhängigen Eigenkapitalkosten kEK, wobei die steuerlichen Vorteile des Fremdkapitals (Steuersatz s) erfasst werden müssen.25 Üblicherweise wird in der Literatur empfohlen bei der Berechnung des Kapitalkostensatzes (WACC) die Gewichtung von Eigen- und Fremdkapital zu Marktpreisen vorzunehmen.26 (11) Die Eigenkapitalkosten werden dabei als erwartete Rendite einer Alternativanlage meist mittels des Capital-Asset-Pricing-Modells (CAPM) berechnet: , wobei r0 der risikolose Zinssatz, die erwartete Marktrendite für risikobehaftetes Eigenkapital (Marktportfolio) und β das 23 24 25 26
Vgl. Drukarczyk, J. (2003), S. 142 und Gleißner, W./Wolfrum, M. (2008a) für einen allgemeinen Replikationsansatz, der Kapitalmarktvollkommenheiten und unvollkommene Diversifikation berücksichtigt. Vgl. Kruschwitz, L. (2004), S. 149–153. Vgl. Drucarzyk, J. (2003), S. 25–27. Alternativ kann der oft sinnvollere APV-Ansatz gewählt werden (vgl. Kruschwitz, L./Löffler, A. (2003), der im Gegensatz zum WACC-Ansatz eine autonome Finanzierung unterstellt).
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Werner Gleißner Maß für das relative systematische Risiko (Geschäftsrisiko und Finanzstrukturrisiko) eines Unternehmens darstellt. Das β selbst ist theoretisch wieder linear vom Verschuldungsgrad abhängig. Analog lässt sich bei risikobehaftetem Fremdkapital auch für dieses ein βFK berechnen.
9.3.2 Kritik an der Theorie vollkommener Kapitalmärkte und am CAPM Kritisch zu betrachten ist z.B., dass gemäß dem CAPM (Capital-Asset-Pricing-Modell) für die Berechnung der erwarteten Rendite und damit des Eigenkapitalkostensatzes herangezogene Beta-Faktor (β) nur die systematischen Risiken erfasst und aus der historischen Kursentwicklung an der Börse abgeleitet wird. Dies unterstellt, dass der Kapitalmarkt über die (zukünftige) Risikosituation eines Unternehmens mindestens so gut informiert ist, wie die Unternehmensleitung selbst (homogene Erwartungen). Für einen Investor sind zudem nur dann ausschließlich die systematischen Risiken bewertungsrelevant, wenn man von einem perfekt diversifizierten (effizienten) Portfolio im Sinne von Markowitz ausgeht und von Konkurskosten abstrahiert. Bekannt ist jedoch seit langem, dass das CAPM (und damit der β-Faktor) keine gute Erklärung für Renditen darstellt27 – andere Faktoren (z.B. Unternehmensgröße oder Kurs-Buchwert-Verhältnis) sind hier bedeutsamer.28 Empirische Untersuchungen deuten sogar eher darauf hin, dass ceteris paribus (z.B. also bereinigt um die Unternehmensgröße) gerade risikoarme Investments höhere Renditen erwirtschaften.29 Die Probleme basieren auf der grundlegenden Annahme der traditionellen Kapitalmarkttheorie, dass die Märkte vollkommen und damit informationseffizient seien. Konkurskosten, Transaktionskosten, asymmetrisch verteilte Informationen, begrenzt-rationales Verhalten und nicht diversifizierte Portfolios zeigen aber, dass die grundlegenden Annahmen in der Realität leicht zu falsifizieren sind.30 Somit besteht das Problem, dass die heute üblichen Verfahren zur Bestimmung der Kapitalkosten die gravierenden Konsequenzen unvollkommener Kapitalmärkte nicht berücksichtigen. Bei unvollkommen diversifizierten Portfolios und Informationsdefiziten der Investoren gegenüber der Unternehmensführung erscheint es wenig plausibel, dass der Beta-Faktor ein adäquates Risikomaß darstellt, das die zukünftig erwartende Rendite eines Vermögensgegenstandes prognostizieren lässt.31 Eine besondere Bedeutung im Rahmen der Erklärungsansätze für ineffiziente Märkte hat in der Zwischenzeit die sogenannte Behavioral Finance-Theorie erreicht.32 Unvollkommene Kapitalmärkte, die speziell keine Informationseffizienz aufweisen, stellen die Nützlichkeit der Kapitalmarktinformationen „Marktwert des Eigenkapitals“ und „β-Faktor“ für die wertorientierte Steuerung des Unternehmens in Frage. Wert und Marktpreis können auseinanderfallen, zumal letzterer lediglich eine Information über marginale Änderung von Eigentumsanteilen darstellt.33
27 28 29 30 31
32 33
Vgl. Ulschmid, C. (1994); Warfsmann, J. (1993) und Stock, D. (2002), sowie zur Bestimmung von β-Faktoren Zimmermann, P. (1997). Vgl. Fama, E./French, K. (1992), und Fama, E./French, K. (1996). Vgl. Haugen, R. (2004), S. 75–81 und das sog. „Risiko-Rendite-Paradoxon“ von Bowman, E. (1980). Vgl. Shleifer, A. (2000); Haugen, R. (2004). Erwähnt sei hier nur beispielhaft, dass gerade bei der Beurteilung einzelner unternehmerischer Entscheidungsalternativen (z.B. die Auswahl strategischer Handlungsoptionen oder Investitionen) die Verwendung von kapitalmarktorientierten Ansätzen zur Ableitung der Kapitalkostensätze besonders kritisch zu beurteilen ist. Während über ein Unternehmen als Ganzes am Kapitalmarkt noch einige (wenn auch unvollkommene) Informationen hinsichtlich der Risikosituation vorliegen, die sich im Beta-Faktor widerspiegeln könnten, gibt es keinen glaubwürdigen Weg, einen solchen Beta-Faktor aus Kapitalmarktdaten für eine einzelne Sachinvestition zu bestimmen (vgl. zu planungskonsistente Bewertungsverfahren, Gleißner, W. 2008). Vgl. Shleifer, A. (2000) und Shefrin, H. (2000). Vgl. Hachmeister, D. (1995), S. 38 f.
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9 Bewertung von Private Equity-Gesellschaften
Annahmen Annahmen vs. vs. Probleme Probleme Annahmen des Modells perfekt diversifizierte Portfolios Keine TransaktionsTransaktions kosten und Steuern Homo oeconomicus Arbitragefreiheit
Keine Konkurskosten Vollkommene Informationstransparenz
Probleme in der Realität Schlechte Diversifikation, überwiegende Teil des Vermögens des Mittelständlers im eigenen Betrieb
Beides existiert Begrenzt rationales Verhalten, Prospect-Theorie
Gleiche Zahlungsreihen können wg. Bewertungsrisiken differenzierte Werte aufzeigen Konkurskosten wg. „sunkcost- Investitionen“ cost-Investitionen“ Asymmetrische Informationsverteilung, „Insider-Informationen“, „Insider-Informationen“, Agency-Problem, GrossmanGrossman-StiglitzStiglitzParadoxon
Vollkommene VollkommeneKapitalmärkte Kapitalmärktesind sindeine eineFiktion! Fiktion!
Quelle: FutureValue Group AG Abb. 9-3: Vollkommene Kapitalmärkte und ihre realen Probleme
9.3.3 Bewertung bei unvollkommenen Märkten: Eigenkapitalbedarf als Risikomaß aus einer „Risikoanalyse“ Wie kann der Informationsvorsprung der Unternehmensführung und die Relevanz unsystematischer Risiken bei Existenz von Konkurskosten oder nicht perfekt diversifizierter Portfolios bei der Bewertung eines Unternehmens berücksichtigt werden? Durch den „Risikodeckungsansatz“34 gibt es eine konsistente Möglichkeit für eine risikoadäquate Bewertung bei unzureichenden Kapitalmarktinformationen. Die Grundidee besteht darin, die Kapitalkostensätze (alternativ die Sicherheitsäquivalente) in Abhängigkeit des Eigenkapitalbedarfs (als Risikomaß) zu bestimmen, der mittels Risikoaggregation ermittelt werden kann. Von den zwei Komponenten, die die Gesamtkapitalkosten bestimmen, nämlich Risikoprämie und Risikoumfang, wird in diesem Ansatz letztere also aus überlegenen unternehmensinternen Daten berechnet. Dies unterscheidet sich grundsätzlich von Modellen wie dem CAPM, bei dem sowohl Risikoprämie wie auch Risikoumfang (β) über den Kapitalmarkt ermittelt werden. Damit wird der Informationsvorsprung der Unternehmensführung („Insider-Informationen“) gegenüber dem Kapitalmarkt für die Bewertung genutzt, der charakteristisch für ineffiziente Märkte ist – speziell auch bei Private Equity- oder Venture Capital-Investment. Um die Einzelrisiken – systematische und nicht diversifizierte unsystematische – eines Unternehmens zu aggregieren, müssen diese zunächst durch eine geeignete Wahrscheinlichkeitsverteilung beschrieben (quantitativ bewertet) und dann denjenigen Positionen der Unternehmensplanung (Bilanz- und Erfolgsrechnung) zugeordnet werden, bei denen diese Risiken zu Planabweichungen führen können. Risiken sind letztlich nichts anderes als Ursachen für mögliche Planabweichungen. Mit Hilfe von Simulationsverfahren (Monte-Carlo-Simulation) wird anschließend eine große repräsentative Stichprobe möglicher risikobedingter Zukunftsszenarien des Unternehmens ausgewertet, was Rückschlüsse auf 34
Vgl. Gleißner, W. (2005a), sowie zur Bewertung mittels Replikation Gleißner, W./Wolfrum, M., (2008a).
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211
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Absatzmenge
R1
Neuer Wettbewerber
R2
Material- Personal- ZinsMaschinenpreise kosten änderung schaden
R3
R4
R5
R6
Plan-GuV 2009 Umsatz
S2
S 3 ...
950
1.000
1.000
...
–380
–400
–400
...
S1 1.000
– Materialkosten
400
= Deckungsbeitrag
600
– Personalaufwand
300
– Sonstige Kosten
150
±5%
–100 ±10%
Materialkosten fix, z.B. durch Derivat
x x
±2%
570
600
600
...
–300
–300
–306
...
–150
–150
–150
...
5
5
5
...
–50
–50
–50
...
70
100
94
...
–44
–50
–50
...
0 26
200 –150
0 44
... ...
davon Risikotransfer 5 – AfA
50
= Betriebsergebnis – Zinsaufwand
100
Feste Zinsen durch Kapitalmarktinstrument
Sn
±1%
44
Betriebsunterbrechungsversicherung
200
– a.o. Ergebnis 0 = Gewinn vor Steuern 56
Quelle: FutureValue Group AG Abb. 9-4: Unternehmensmodell mit Risikowirkung auf die GuV RAC: Belastung der Risikotragfähigkeit „Gründer-Sicht“ DVaR: Planabweichung „Eigentümer-Sicht“
Zielniveau (hier 1%) ist ratingabhängig. DVaR 1% 5.000 Trials
177 Outliers 170
RAC 1%
,026
127,5
,017
85
,009
42,5
,000
Frequency
Eigenkapitaldeckung Eigenkapital EKD = EK-Bedarf Risiko-Rendite-Kennzahlen, z.B. Gewinn RORAC = EK-Bedarf
Probability
,034
0 –200,000
–100,00
0 56,00100,00
200,00
250,00
Eigenkapitalbedarf (EK-Bedarf) als Risikomaß: Umfang von Verlusten, die mit vom Rating abhänger Wahrscheinlichkeit nicht überschritten werden. Quelle: FutureValue Group AG Abb. 9-5: Monte-Carlo-Simulation als Methodik zur Risikoaggregation
den Umfang möglicher Planabweichungen von der prognostizierten (möglichst erwartungstreuen) Ergebnisvariable zulässt (z.B. „Bandbreiten der Gewinne“). Damit kann unmittelbar abgeleitet werden, welcher Umfang risikobedingter Verlust bei einem gegebenen Risikoprofil realistisch ist und welcher Bedarf an Eigenkapital zur Risikodeckung (RAC oder EK Bedarf ) mithin besteht, um eine vorgegebene Insolvenzwahrscheinlichkeit (ein Ziel-Rating) nicht zu überschreiten.35 Der Eigenkapitalbedarf ist (ähnlich dem Value-at-Risk, VaR) ein auf un35
Vgl. vertiefend, speziell auch zur Risikoaggregation, Gleißner, W. (2001), S. 111–138 und Gleißner, W. (2005a) und Gleißner, W. (2008). Für existierende und handelbare Unternehmen kann auch der relative VaR (DVaR) als geeignetes Risikomaß sinnvoll sein (vgl. 9.5).
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ternehmensintern verfügbaren Informationen basierendes Downside-Risikomaß, das auf die knappe Ressource „Risikotragfähigkeit“ (Risikobereitschaft) Bezug nimmt. Er zeigt zudem die risikogerechte Finanzierungsstruktur. Zur Berechnung des modifizierten Kapitalkostensatzes (WACCmod) wird dann die folgende Formel herangezogen. Das restliche, nicht risikotragende Kapital (Gesamtkapital – Eigenkapitalbedarf)36 wird lediglich mit dem Fremdkapitalkostensatz bewertet, weil es keine Risikoprämie benötigt. (12)
CE korr
Eigenkapital
Konsistenz durch Restbildung EK Bedarf
Rest-EK
Eigenkapitalbedarf aus Risikoaggregation
Zur Risikodeckung nicht benötigtes Eigenkapital
FK
Kapitaleinsatz
Kapitalkosten
Quelle: FutureValue Group AG Abb. 9-6: Eigenkapitalbedarf und Gesamtkapital
„Überschüssiges“ Eigenkapital, das prinzipiell auch ausgeschüttet werden könnte, ohne damit Insolvenzwahrscheinlichkeit und Rating wesentlich zu beeinflussen, kann näherungsweise wie Fremdkapital als „quasi risikofrei“ angesehen werden („Gesellschafterdarlehen“). Diese WACC-Formel für unvollkommene Kapitalmärkte lässt sich alternativ auch in Abhängigkeit einer risikoadjustierten Eigenkapitalquote (EKQra), also Eigenkapitalbedarf (EKb) zu Gesamtkapital, wie folgt darstellen.37 Vereinfachend wird von einem Steuersatz von 0 (keine Steuer, also s = 0) ausgegangen und kEK durch die Summe von kFK und der Risikoprämie (rZ) ersetzt. Wir erhalten so folgende Schreibweise für den Kapitalkostensatz (WACC). (13) Bei der Zerlegung von k EK in kFK (oder r0) und Risikoprämie (rZ) kann man sich am Marktportfolio oder einem geeigneten Vergleichsportfolio (z.B. MSCI Weltaktienindex) orientieren, der vom Investor als geeignete Alternative zur Kapitalanlage zu dem Vermögensgegenstand (Unternehmen) betrachtet 36
Für die Bestimmung des Gesamtkapitals (= Betriebsvermögen) in Gleichung 12 wird der individuelle Wert der einzelnen Vermögensgegenstände des Unternehmens abgeschätzt, was auch die Einbeziehung immaterieller Vermögensgegenstände (wie z.B. Marken) erfordert. Die Renditeanforderungen von Eigen- und Fremdkapitalgebern können sich dabei höchstens auf diesen Wiederbeschaffungswert beziehen, selbst wenn der aktuelle Marktwert des Kapitals (vorübergehend) höher sein sollte (Tobin-Q >1).
37
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Werner Gleißner wird, für den der risikoadäquate Kapitalkostensatz berechnet wird. Durch die Ableitung des Eigenkapitalbedarfs zu einem vorgegebenen (z.B. aus dem angestrebten Rating abgeleiteten) Sicherheitsniveau (Überschuldungswahrscheinlichkeit), das von den Fremdkapitalgebern akzeptiert wird, ergibt sich eine (gewisse) „Normierung“ der Eigenkapitalkosten.38 Es wird den Unternehmen soviel Eigenkapital zugeordnet, dass sie bezüglich des vorgegebenen Risikomaßes danach gleich risikoreich sind, also gleiche kEK angemessen sind. Anders als im CAPM wird beim „Risikodeckungsansatz“ nur die Risikoprämie mit unternehmensexternen Daten fundiert – die Risikomenge wird planungskonsistent aus unternehmensinternen Informationen abgeleitet.39,40 Alternativ zur Betrachtung historischer Finanzmarktrenditen sollte bei der Schätzung der Eigenkapitalkosten von Aktien bzw. der Marktrisikoprämie auch eine realwirtschaftliche Fundierung in Erwägung gezogen werden, weil empirische Schätzungen mit Kapitalmarktdaten sehr breite Konfidenzintervalle zeigen und zu dem auf eine zu hohe Aktienrendite in den letzten 50 Jahren im Vergleich zur fundamentalen Entwicklung der Gewinne hinweisen.41 Über den Gesamtzeitraum von 1872 bis 2000 finden beispielsweise Fama und French eine Risikoprämie (Überrendite der Aktien gegenüber Bonds) von 5,57 % an den Finanzmärkten gegenüber realwirtschaftlich angemessenen 3,54 %, wobei die realwirtschaftliche Rendite sich aus bezahlten Dividenden sowie dem Wachstum der Gewinne (etwa reales Wirtschaftswachstum plus Inflationsrate) ergibt. Das Auseinanderfallen zwischen finanz- und realwirtschaftlicher Rendite ist dabei insbesondere ein Phänomen der letzten 50 Jahre. Es deutet darauf hin, dass sich die Bewertungen an den Aktienmärkten von ihrem realwirtschaftlichen Fundament durch eine Überbewertung bis zum Jahr 2000 erheblich abgehoben haben oder eine nicht in die Zukunft fortschreibbare strukturelle Änderung stattgefunden hat (z.B. bei der Risikoaversion). Für einen realistischen Schätzer der zukünftigen Rendite von Aktien, die gemäß Opportunitätskostenkalkül den Eigenkapitalkostensatz bestimmen, sollte deshalb die Summe der Dividendenrendite, der erwarteten realen Wachstumsrate der Wirtschaft und der erwarteten Inflationsrate herangezogen werden, wenn das heutige Bewertungsniveau (gemessen am KGV) beibehalten wird. Grundsätzlich sind natürlich auch Fremdkapitalkosten risikoabhängig. Berücksichtigt man die mögliche Insolvenz eines Unternehmens, erscheint es naheliegend, dass der Fremdkapitalkostensatz unmittelbar mit der Insolvenzwahrscheinlichkeit steigt, also insbesondere vom Rating abhängig ist. Hier ist jedoch zu beachten, dass nicht der (von der wahrgenommenen Insolvenzwahrscheinlichkeit unmittelbar abhängige) vertragliche Fremdkapitalzinssatz mit den erwarteten Fremdkapitalkosten verwechselt wird, was in der Literatur häufiger festzustellen ist. Eine klare Unterscheidung zwischen Fremdkapitalzinssatz und erwarteten Fremdkapitalkosten (allerdings unter der Annahme vollkommener Kapitalmärkte) findet man bei Volkart.42 Zusammenfassend wird deutlich, dass aus dem Eigenkapitalbedarf auf den Gesamtkapitalkostensatz geschlossen werden kann. Je weniger relativ teures Eigenkapital ein Unternehmen bereithalten muss, um Risiken auffangen zu können, desto geringer sind (ceteris paribus) auch die Kapitalkosten.43 Eine Reduzierung des Risikos hat so – über die Reduzierung des Eigenkapitalbedarfs – eine Reduzierung der Gesamtkapitalkostensätze zur Folge und damit auch direkt Auswirkungen auf den Gesamtun38
39
40
41 42 43
Da der Risikoumfang durch den Eigenkapitalbedarf berücksichtigt ist, kann man als pragmatische Lösung auch eine durchschnittliche Risikoprämie für Eigenkapital (z.B. 5 %) oder eine ratingabhängige Prämie verwenden. Zur Ableitung risikogerechter Eigenkapitalkosten und Risikoprämie in Abhängigkeit der akzeptierten Insolvenzwahrscheinlichkeit, siehe Gleißner, W./Wolfrum., M. (2008a), S. 602–614. Für die Ableitung von Eigenkapitalkostensätzen oder Risikoprämien von Aktien kann auch eine spezifische, empirisch fundierte Renditeerwartung verwendet werden, die (anstatt von Beta) abhängig ist z.B. von Rating, Firmengröße oder dem Kurs-Buchwert-Verhältnis. Vgl. das 3-Faktoren-Modell von Fama, E./French, K. (1992) und Fama, E./French, K. (1996). Neben dem durch einen Index repräsentierten Marktportfolio werden noch die Marktkapitalisierung und das BuchwertMarktwert-Verhältnis als Erklärungsfaktoren für die Aktienrenditen herangezogen. Vgl. Mehra, R./Prescott, E. (1985) sowie Fama, E./French, K. (2002). Volkart, R. (1999), S. 8 f. Die Aussagen von Modigliani und Miller gelten nur bei vollkommenen Kapitalmärkten.
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ternehmenswert.44 Im Gegensatz zum CAPM mit Beta-Faktor wird hier der Ableitung von Kapitalkostensätzen ein risikobedingter Eigenkapitalbedarf als Risikomaß verwendet, weil unvollkommene Märkte angenommen werden. Der Gesamtkapitalkostensatz (WACC) bestimmt sich aus dem benötigten Risikodeckungspotenzial und dem sonstigen im Unternehmen gebundenen „quasi risikofreien“ (Fremd-)Kapital (inkl. „überschüssigem“ Eigenkapital). Analog der durch die so genannte Kapitalmarktlinie45 ausgedrückten Zusammenhänge führt eine Zunahme des Gesamtrisikos (also der Summe von systematischen und unsystematischen Risiken), die sich auch in einer größeren Standardabweichung der Gesamtkapitalrendite (σ) ausdrückt, zu einer Zunahme des Bedarfs an Eigenkapital (zur Abdeckung möglicher Verluste) und entsprechend zu einer Zunahme der von den Gesellschaftern erwarteten Mindestrendite.46 Der Kapitalkostensatz, mit dem die freien Cash-Flows oder Erträge eines Unternehmens diskontiert werden, ist damit abhängig vom aggregierten Gesamtrisiko, weil höhere Risiken in einem nicht diversifizierten Portfolio ceteris paribus einen größeren Bedarf an teurem Risikodeckungspotenzial erfordern.
9.3.4 Bewertung mit der Sicherheitsäquivalentmethode Der ermittelte Kapitalkostensatz (WACCmod) kann für die Bestimmung des Gesamtunternehmenswertes oder des Barwertes einer einzelnen Investition genutzt werden, indem die erwarteten Zahlungsströme mit dem jeweiligen risikoadjustierten WACCmod diskontiert werden:47
Der Wert des Eigenkapitals errechnet sich durch Abzug des Werts des verzinsten Fremdkapitals vom Gesamtunternehmenswert. Ein Problem jeder Diskontierung, die die Zeit und Risikopräferenz im WACC verbindet, besteht darin, dass bei negativen Erträgen oder Zahlungen dieses Vorgehen fehlerhafte Ergebnisse liefert.48 Das Sicherheitsäquivalent einer Zahlung mit negativem Erwartungswert bei Risikoaversion wird kleiner als der Erwartungswert sein, während sich bei einer Diskontierung mit einer positiven Risikoprämie ein Wert ergibt, der größer als der Erwartungswert ist. Nur der Betrag wird kleiner. Alternativ dazu kann deshalb die Berechnung des Unternehmenswertes über das Sicherheitsäquivalent erfolgen. Der Eigenkapitalbedarf dient auch hier als Risikomaß und ersetzt einen risikoadjustierten Eigenkapitalkostensatz. Eine Berechnung der WACC ist hier nicht notwendig.49 (14) Diese Gleichung kann vereinfacht werden, wenn im Rentenfall von zeitabhängigen Ausprägungen von und EK Bedarf ausgegangen wird: (15)
44
45 46 47 48 49
Der Wert des Eigenkapitals muss nicht unbedingt steigen, weil – wie Realoptionsmodelle zeigen – Veränderungen des Risikos (bei möglicher Insolvenz mit Verlustbegrenzung) Verschiebungen der Anteile von Eigen- und Fremdkapitalgebern am Gesamtunternehmenswert bewirken können (vgl. Hommel, U./Scholich, M./Vollrath, R. (2001), S. 99 ff.). Vgl. Perridon, L./Steiner, M. (2002), S. 271–273. Eine Zunahme der erwarteten Rendite senkt ceteris paribus dagegen den Eigenkapitalbedarf. Hier vereinfacht dargestellt für eine Periode. Vgl. Spremann, K. (2004), S. 253–295. Vgl. zur Herleitung Gleißner, W. (2005a) und weiterführend Gleißner, W./Wolfrum, M. (2008a).
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Werner Gleißner Die Risikoprämie rZ eines Unternehmens ist abhängig von der Marktrisikoprämie, dem Marktrisiko und der akzeptierten Insolvenzwahrscheinlichkeit p, die auch bei der Berechnung des Eigenkapitalbedarfs zugrunde gelegt wurde. Die Ermittlung der Marktrisikoprämie sollte wie beschrieben aus realwirtschaftlichen Modellen basierend auf Fundamentaldaten gewonnen werden. In der Risikoprämie zeigt sich die Risikopräferenz, im risikolosen Zinssatz r0 die Zeitpräferenz. Für sehr kleine Insolvenzwahrscheinlichkeiten p (gutes Rating) ist die jeweilige Risikoprämie etwa so hoch wie die Marktrisikoprämie (z.B. der Euro STOXX-Index), also .
9.4 Bewertung der Kapitalbeteiligungsgesellschaft: Gesamtbewertungsverfahren Das hier erläuterte Verfahren einer Unternehmensbewertung für unvollkommene Kapitalmärkte wird nun zur Bewertung der Kapitalbeteiligungsgesellschaften angewendet. Mit dem (vorgegebenen) Investitionsvolumen I der Kapitalbeteiligungsgesellschaft und der erwarteten Rendite (gemäß Gleichung 10) kann auf den erwarteten Gewinn (G) geschlossen werden.50 Die mittels Risikoaggregation abgeleitete Bandbreite der Gesamtkapitalrendite lässt unmittelbar den Eigenkapitalbedarf als Risikomaß ableiten:
Mit der Bewertungsgleichung gemäß Gleichung 15 ergibt sich damit als Wert der Kapitalbeteiligungsgesellschaft (mit sehr gutem Rating) folgende Formel: (16) Dabei ist
Gleichung 10 zu entnehmen:
Bei dieser einfachen Betrachtung wurden Änderungen des Investitionsvolumens im Zeitverlauf, also Wachstum, nicht berücksichtigt, was jedoch im Rahmen einer Erweiterung des Modellansatzes leicht möglich wäre (vgl. im einfachsten Fall das bekannte Gordon-Wachstumsmodell). Um die ökonomische Sinnhaftigkeit der Investitionen einer solchen Kapitalbeteiligungsgesellschaft aufzuzeigen, ist die Berechnung wertorientierter Kennzahlen hilfreich. Interessant ist hier insbesondere das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV), also das Verhältnis des Marktwerts der Kapitalbeteiligungsgesellschaft zum Bilanzwert des Eigenkapitals (d.h. des von den Investoren aufzubringende Kapital):
Kurs-Buchwert-Relationen von > 1 zeigen, dass die Gesellschaft einen Mehrwert für das eingesetzte Kapital erzielt, wobei in der Wertberechnung sowohl die erwartete Rendite als auch das tatsächliche Risiko explizit mit berücksichtigt wurden.
50
Vereinfachend wird nicht zwischen Gewinn und Zahlung unterschieden.
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9.5 Bewertung der Kapitalbeteiligungsgesellschaft: Einzelbewertungsverfahren Ergänzend zum bisher beschriebenen Gesamtbewertungsverfahren soll nachfolgend auch der üblichere Ansatz der Einzelbewertungsverfahren, also ausgehend von einer zunächst eigenständigen Bewertung der einzelnen (vorhandenen) Beteiligung, erläutert werden. Im Folgenden soll ergänzend noch das eigentliche Bewertungsmodell für einzelne Beteiligungen, das den Einzelbewertungsverfahren zugrunde liegt, etwas näher betrachtet werden. In der Bewertungspraxis von Private Equity- und Venture Capital-Gesellschaften wird eine Bewertung von einzelnen Beteiligungen häufig mittels sogenannter Vergleichsverfahren durchgeführt.51 Bei diesen Verfahren wird das Risiko (zusammen mit den Wachstumserwartungen) implizit in Multiplikatoren erfasst. Der Wert einer (potenziellen) Beteiligung wird dabei anhand aktueller Vergleichspreise ermittelt. Eigentlich sind diese aber für eine Bewertung weniger relevant, da bei schwankenden Bewertungsniveaus (erwarteten Renditen) und Kapitalmarktunvollkommenheiten durchaus alle aktuellen Preise von fundamentalen angemessenen Werten abweichen können.52 Im Fokus sollte der zukünftig erzielbare Verkaufspreis (Exit-Preis) zum geplanten (unsicheren) Exit-Zeitpunkt T stehen, wenn ein sofortiger Weiterverkauf (Arbitrage) nicht möglich oder beabsichtigt ist. Damit sind adäquate Bezugsbasen für ein Multiplikatorverfahren auch keine realisierten Größen (wie Umsatz oder Gewinn), sondern zukünftige, die damit unsicher sind.53 Der Erfolg von M&A-Aktivitäten ist damit vor allem durch die Fähigkeit bestimmt, den unsicheren zukünftigen Verkaufspreis (Exit-Preis) einer (potenziellen) Beteiligung einschätzen zu können. Wenn (wie so oft) Ausschüttungen einer Beteiligung an die PE-Gesellschaft nur eine relativ geringe Bedeutung haben, ist der maximal akzeptable Kaufpreis (Grenzpreis) im Wesentlichen bestimmt durch den ) zum Zeitpunkt T, und damit auch das Verkaufspreisrisiko. möglichen unsicheren Exit-Preis ( Der maximal akzeptable Kaufpreis P*, also der fundamentale Wert aus Sicht des Käufers, ergibt sich damit als ➤ risikogerecht diskontierter Erwartungswert des Exit-Preises (Risikozuschlagsmethode, bspw. VC-Methode), der von der (unsicheren) Ertragslage (EBIT) zum Exit-Zeitpunkt abhängt,
(17)
oder – alternativ – ➤ mit dem risikolosen Zinssatz (Basiszinssatz, r0) diskontierter Erwartungswert des Exit-Preis ab(Sicherheitsäquivalent-Variante). züglich eines Risikoabschlags
(18)
Dieser Wert ist bei dem Einzelbewertungsverfahren einer Kapitalbeteiligungsgesellschaft so für jede Beteiligung zu berechnen. 51 52 53
Vgl. bspw. Fischer (2008b). Zu Entscheidungswert siehe Matschke, M./Brösel, G. (2005). Dieser Abschnitt ist in Anlehnung an Gleißner, W./Wolfrum, M. (2008b) verfasst; vgl. auch Gleißner, W./ Schaller, A. (2008).
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Werner Gleißner In der Praxis dominiert die sogenannte „Risikozuschlagsmethode“, bei der für die Bestimmung des der risikolose Zinssatz (r0) um einen Risikozuschlag (rz) erhöht wird, der sich Werts der Zahlung 54, und den Preis als Produkt von Risikomenge, gemessen durch ein geeignetes Risikomaß für eine Einheit Risiko beschreiben lässt. Das Risiko muss planungskonsistent in der Bewertung berücksichtigt werden, was lediglich branchenspezifische Multiplikatoren bzgl. des aktuellen EBIT oder einheitliche Diskontierungszinssätze zu untauglichen Instrumenten macht.55 In Abschnitt 9.3 wurde der Eigenkapitalbedarf als Variante des Value at Risk, als ein solches Risikomaß vorgestellt. Geeignete Bewertungsgleichungen für verschiedene Risikomaße und auch bei unvollkommener Diversifikation, also bei Bewertungsrelevanz unsystematischer Risiken, lassen sich mittels Replikation ableiten.56 Die Grundidee der Replikation ist, dass mit Hilfe eines Geldbetrags eine Zahlungsreihe erzeugt werden kann, die denjenigen des Bewertungsobjekts in ihren wesentlichen Eigenschaften entspricht. Bei der Bewertung mittels Replikation wird also die zu bewertende Zahlung durch eine geeignete Kombination von Finanzinstrumenten nachgebildet. Vereinfachend werden als wesentliche Eigenschaften zur Replikation Erwartungstreue und Risikoadäquatheit gefordert. Dies bedeutet, dass zu jedem Zeitpunkt Erwartungswert und Risikomaß (z.B. Standardabweichung oder Value at Risk) übereinstimmen sollen. Das nachfolgend skizzierte Bewertungsverfahren basiert nun auf dem Replikationsansatz, wobei verallgemeinernd (anstelle der Standardabweichung als Risikomaß) zunächst ein beliebiges aus Sicht der Investoren bewertungsrelevantes Risikomaß angenommen wird. Es lässt sich zeigen, dass derartige Bewertungsmodelle z.B. zu den bekannten Bewertungsresultaten des CapitalAsset-Pricing-Modells (CAPM) als Spezialfall führen, ohne auf restriktive Annahmen (wie bspw. Marktgleichgewicht) zurückgreifen zu müssen.57 Sowohl der Risikozuschlag (rz) als auch der Risikoabschlag (π) sind nun gerade abhängig von der Unsicherheit hinsichtlich des zukünftigen Exit-Preises, also den möglichen (insbesondere negativen) Abweichungen des später tatsächlich realisierten Exit-Preises vom heute prognostizierten Exit-Preis (Erwartungswert). Die Bestimmung des maximal akzeptablen Kaufpreises bzw. der Wertansatz einer einzelnen Beteiligung erfordert damit ➤ die Bestimmung des Erwartungswertes des zukünftigen Exit-Preises und ➤ die Quantifizierung des Risikoumfangs, ausgedrückt durch ein Risikomaß58 , wie Value-at-Risk oder Eigenkapitalbedarf, das den Umfang möglicher (negativer) Prognoseabweichungen anzeigt. Erwartungswert und Risikomaß des Exit-Preises sind implizit gegeben, wenn die Bandbreite möglicher Exit-Preise (also eine Wahrscheinlichkeitsverteilung) mittels Simulationsverfahren bestimmt wird. Der zukünftige Exit-Preis (und sein Risiko) ist dabei abhängig von ➤ der wirtschaftlichen Situation und Perspektiven des betrachteten Unternehmens zum (unsicheren) Zeitpunkt des Exit (z.B. also dem EBIT), ➤ den volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen zum Exit-Zeitpunkt, insbesondere Zinsniveau, Risikoprämie und Wachstumserwartung, die das Bewertungsniveau (durchschnittliche EBITMultiple etc.) am Kapitalmarkt bestimmen und ➤ dem Verhandlungsgeschick beim Verkauf.
54
ist ein auf die Höhe der Zahlungen, beispielsweise operationalisiert durch den Erwartungswert oder Wert, normiertes Risikomaß. Es ist als Risikomaß für eine Renditeverteilung zu interpretieren. Sofern gilt
55 56 57 58
.
Vgl. Richter, F. (2005) Vgl. Spremann, K. (2004) sowie weiterführend Gleißner, W. Wolfrum, M. (2008a). Vgl. Gleißner, W./Wolfrum, M. (2008a). Zu Risikomaßen siehe z.B. Gleißner, W. (2008).
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Für die Bestimmung des Exit-Preises kann man beispielsweise davon ausgehen, dass zum Verkaufszeitpunkt das betrachtete Unternehmen eine ab dann im volkswirtschaftlichen Durchschnitt liegende Zukunftsperspektive aufweist – was mangels anderer Informationen sicherlich im allgemeinen eine gute Hypothese ist. Damit kann der Exit-Preis (Verkaufspreis) bestimmt werden mit Hilfe des bekannten Gordon Modells (Rentenformel), was einem Multiplikatorverfahren, d.h. der Schätzung eines Marktpreises, entspricht.59, 60 (16)
ein Prognosewert für das zukünftige Das Modell kann leicht modifiziert werden, wenn statt , also , gesetzt wird, der z.B. durch adaptive Erwartungsbildung berechnet wird und so frühere Ergebnisse berücksichtigt: . Zudem können Konvergenzprozesse bezüglich Rendite, Thesaurierung und Wachstum sowie deren Zusammenhänge modelliert werden, um Schätzer für die freien Cashflows zu erhalten.61 Unter der nunmehr getroffenen Annahme, dass Risikoprofil und Wachstumserwartungen zum ExitZeitpunkt t = T durch Benchmarks bestimmt werden, bleiben zwei Quellen für die Unsicherheit hinsichtlich des Exit-Preises, nämlich ➤ die volkswirtschaftlichen Variablen, also risikoloser Zinssatz ( ), Marktrisikozuschlag ( ) sowie volkswirtschaftliche Wachstumserwartung ( ) und ➤ die Situation des Unternehmens zum Bewertungszeitpunkt t = T, im einfachsten Fall lediglich ausgedrückt durch (1) Betriebsergebnis ( ) und (2) Nettobankverbindlichkeiten ( ). Vereinfachend kann davon ausgegangen werden, dass sich ausgehend von der heutigen Unternehmenssituation wichtige Bewertungsparameter (wie z.B. die Umsatzwachstumsrate) im Zeitverlauf zwischen Gegenwart und dem Exit-Zeitpunkt T schrittweise (linear) dem ab dem Zeitpunkt T geltenden Gleichgewichtszustand annähern, aber auch alternative stochastische Prozesse sind modellierbar.62 Je nach Ausprägung der unsicheren Größen (Zufallsvariable) aus Volkswirtschaft und Unternehmen (EBIT, Bankverbindlichkeiten) ergibt sich ein unterschiedliches Szenario für den möglichen Exit-Preis. Eine Schlüsselstellung unter den privaten Informationen des Planenden/Bewertenden, z.B. der Kapitalbeteiligungsgesellschaft, nehmen die Risikoinformationen ein, die Ursachen und Umfang von möglichen Planabweichungen zeigen. Aufbauend auf den identifizierten und bewerteten Risiken wird hier der bewertungsrelevante „Gesamtrisikoumfang“, der durch das Risikomaß erfasst wird, mittels Aggregation im Kontext der Planung bestimmt. Dabei werden, wie erwähnt die – systematischen oder nicht diversifizierten unsystematischen – Risiken (und ihre stochastischen Wechselwirkungen wie bspw. Korrelationen) in die der Bewertung zugrundeliegenden Unternehmensplanung integriert und es wird durch Simulation eine repräsentative Stichprobe risikobedingter möglicher Zukunftsszenarien des Unternehmens berechnet.63 Simulationsbasierte Bewertungsverfahren sind damit insbesondere planungskonsistent, da sowohl der Erwartungswert der zu bewertenden Zahlung als auch das bewertungsrelevante Risikomaß aus der gleichen Informationsgrundlage – einer stochastischen Planung – abgeleitet wird. Eine derartige Planungskonsistenz ist nicht gewährleistet, wenn Erwartungswerte aus der Unternehmensplanung und die Risikoeinschätzung vom Kapitalmarkt abgeleitet werden. 59 60
61 62 63
Als Multiplikator dient hier der reziproke Wert der Differenz aus Kapitalkostensatz und Wachstumsrate. Steuerliche Einflüsse (Tax Shield) werden hier vereinfachend nicht betrachtet. Hier kann zusätzlich berücksichtigt werden, dass bei einem zu niedrigen EBIT in Periode T auch eine Liquidierung des Unternehmens (also ein Verkauf zum Substanzwert) möglich ist und bei ausgeschlossenen Nachschussverpflichtungen der Exit-Preis mit Null begrenzt ist. Vgl. z.B. Schüler, A./Lampenius, N. (2007). Vgl. Schwartz, E./Moon, M. (2001). Vgl. Gleißner, W. (2008) und Abschnitt 9.3.
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Werner Gleißner
Cashflow-Prognose des Unternehmens: E ( Z )
Probleme der Verwendung des CAP-Modells:
Cashflowschätzung des Kapitalmarkts Risikoschätzung des Kapitalmarkts: Risikomaß C
Marktpreis: Schätzung des Werts aus Sicht des Kapitalmarkts
Risikoprämie des Kapitalmarkts
1. Kennt der Kapitalmarkt die Risiken so gut wie die Unternehmensführung? 2. Sind nur systematische Risiken relevant? 3. Sind historische Kapitalmarktdaten repräsentativ für die Zukunft?
Cashflow-Prognose des Unternehmens
4. Was tun, wenn keine Kapitalmarktdaten existieren?
Risikoschätzung des Unternehmens Risikomaß R ( Z ) , z.B. EK-Bedarf
Entscheidungswert (fundamental)
Lösung: Mehr Risiko gemäß Planung führt zu höheren Kapitalkosten und sinkendem Wert
Risikoprämie aus volkswirtschaftlicher Prognose oder Kapitalmarkt
Abb. 9-7: Kapitalmarktorientierte Bewertung vs. Planungskonsistente simulationsbasierte Bewertung64
Der Unternehmenswert einer Kapitalbeteiligungsgesellschaft (Marktwert des Eigenkapitals) ergibt sich nun als Marktwert aller seiner Beteiligungen (ggf. zuzüglich vorhandener liquider Mittel und Wertpapiere des Umlaufvermögens) abzüglich des Fremdkapitals (insbesondere Bankverbindlichkeiten). Die Grundstruktur eines solchen Modells ist die „ökonomische Bilanz“, bei der die wesentlichen Beteiligungen als Positionen der Aktivseite geführt werden, während die (Marktwerte der) Verbindlichkeiten die Passivseite bilden. Die Bestimmung der Werte aller Beteiligungen und ihrer (risikoabhängigen) Schwankungen werden durch die oben erläuterten Bewertungsmodelle abgebildet, die auf den Werttreibern und Risikofaktoren basieren.65 Nach dieser Betrachtung der Einzelbewertungsverfahren wird im folgenden Abschnitt ein Fallbeispiel dargestellt, das sich wiederum mit dem Gesamtbewertungsverfahren befasst, da diese in der Praxis noch weniger bekannt sind. Es ist an dieser Stelle noch darauf hinzuweisen, dass der wesentliche Vorteil der Gesamtbewertungsverfahren darin besteht, dass auch risikomindernde Diversifikationseffekte zwischen den Beteiligungen in der Bewertung explizit erfasst werden können – und auch Ertragsopportunitäten („Realoptionen“) durch mögliche zukünftige Beteiligungen im Kalkül berücksichtigt werden können. Die Gesamtbewertungsverfahren für Kapitalbeteiligungsgesellschaften entsprechen damit wesentlich eher denjenigen Bewertungsverfahren, die für andere Unternehmen angewandt werden, da bei diesen auch zukünftige Handlungsoptionen und Ertragspotenziale in die Bewertung einfließen.
64 65
Vgl. Gleißner, W./Wolfrum, M. (2008a). Zudem sollten Ertragsrisiken (risikobedingte Schwankungen von Gewinn und Cashflow) durch eine ergänzende Erfolgsrechnung abgebildet werden. In dieser Erfolgsrechnung werden unerwartete Schwankungen der Verwaltungskosten der Kapitalbeteiligungsgesellschaft selbst ebenso erfasst, wie Änderungen der Zinsaufwendungen sowie der Erträge aus den Beteiligungen.
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9 Bewertung von Private Equity-Gesellschaften
Immobilien - Portfolio Beteiligungs-Portfolio
Beteiligung 1
Umsatz 1 x f(w1;w2;...)
= Wert 1
Beteiligung 2 . . . Beteiligung n
Umsatz 2 x f(w1;w2;...) . . . Umsatz n x f(wn ;wn;...)
= Wert 2 . . . = Wert n Σ ...
Aktiv
Beteiligungen Wertpapiere Liquidität Sonstige Aktiva
Passiv
Eigenkapital Bankverbindlichkeiten Sonstige Passiva
Bilanzsumme
Bilanzsumme
Quelle: FutureValue Group AG Abb. 9-8: Portfoliomodell als „ökonomische Bilanz“
9.6 Fallbeispiel der Value and Cash AG Die bisherigen grundsätzlichen Überlegungen zu Renditeprognose und Bewertung einer PE-Gesellschaft sollen nunmehr an einem „vereinfachten“ Fallbeispiel für das Gesamtbewertungsverfahren erläutert werden. Beurteilt werden soll die Strategie der in Gründung befindlichen Value- and Cash AG, die ein Portfoliovolumen von 30 Mio. Euro erhalten soll. Die Initiatoren diskutieren Geschäftsmodell und Strategie des geplanten Unternehmens sowie die sich damit ergebenden Werttreiber mit potenziellen Lead-Investoren, um diesen die Wertsteigerungspotenziale einer Investition in die Value- and Cash AG zu verdeutlichen. Da bekanntlich Prognosen über die zukünftig erwarteten Renditen ohne Kenntnis der damit eingegangenen Risiken keine sinnvolle Beurteilung zulassen, soll insbesondere das Rendite-Risiko-Profil nachvollziehbar verdeutlicht werden. Die Initiatoren beschreiben das Geschäftsmodell der geplanten Kapitalbeteiligungsgesellschaft wie folgt: Die Value- and Cash AG möchte Beteiligungen an bestehenden mittelständischen Unternehmen erwerben, die bei an sich ausgeprägten Erfolgspotenzialen momentan eine Ertragsschwäche aufweisen oder durch die Bereitstellung zusätzlichen Eigenkapitals bisher verschlossene strategische Handlungsoptionen (z.B. Wachstum) erschließen können. Investitionen in Existenzgründungen, insolvenznahe Krisenunternehmen oder Unternehmen, deren Wertentwicklung wesentlich durch (schwierig zu beurteilendes) technologisches Spezial-know-how bestimmt wird, sind nicht vorgesehen. Nach einer Vorauswahl potenziell interessanter Beteiligungen wird eine detaillierte strategisch orientierte Analyse vorgenommen und die potenziellen Beteiligungen werden bewertet unter Nutzung eines (IT-unterstützten) Bewertungsverfahrens, das nicht auf Kapitalmarktinformationen angewiesen ist (risikodeckungsorientierte Unternehmensbewertung, vgl. Abschnitt 9.3). Es ist die Übernahme von Anteilen zwischen 25 und 50 % vorgesehen, wobei hier durch eine aktive Aufsichts- oder Beiratstätigkeit und die Unterstützung bei der Strategieentwicklung eine Wertsteigerung der Unternehmen gefördert werden soll. Das Gesamtinvestitionsvolumen soll zu 50 % fremdfinanziert werden (Fremdkapitalzinssatz: 5 %) und die Fixkosten der Gesellschaft pro Jahr sind gemäß Geschäftsplan mit 200.000 Euro zuzüglich 12.000 Euro für jede der (voraussichtlich 10) Beteiligungen prognostiziert. Maximal 25 % des Fondsvolumens darf in eine einzelne Beteiligung investiert werden. Im Durchschnitt wird eine Investitionsquote von 70 % des verfügbaren Kapitals in Beteiligungen angenommen; die Liquiditätsreserven werden jeweils risikolos (zu einem Zinssatz von 4 %) investiert.
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Werner Gleißner Für die Renditeprognose wird, mangels zurzeit detaillierterer Daten, zunächst lediglich eine „repräsentative Beteiligung“ betrachtet. Es wird unterstellt, dass Beteiligungen im Schnitt 30 % unterhalb des berechneten Wertes (lognormalverteilt mit Standardabweichung 50 %) eingekauft und dann im Mittel 5 Jahre (lognormalverteilt mit Standardabweichung 2 Jahre) bis zum Exit gehalten werden. Aufgrund der durch das zugeführte Eigenkapital möglichen verbesserten strategischen Aufstellung wird ein durchschnittliches „strategisches Wertsteigerungspotenzial“ von 40 % im Gesamtzeitraum (log normalverteilt mit Standardabweichung von 40 %) angenommen. Die jährliche Ausfallwahrscheinlichkeit einer Beteiligung wird mit 5 % (vorsichtig) pro Jahr eingeschätzt (ca. ein „B-Rating“). Diese Information wird genutzt, um mittels einer Binomialverteilung auf die Anzahl der Insolvenzen pro Jahr und in der gesamten Betrachtungsperiode zu schließen. Mögliche Gewinnausschüttungen der Beteiligungen an die Cash- und Value AG werden ebenso vernachlässigt wie Veränderungen (Wachstum) des Gesamtinvestitionsvolumens.66 Durch die Beschreibung sämtlicher hier genannten Faktoren, der Werttreiber, durch einen Erwartungswert und eine zugehörige Standardabweichung (als Streuungsmaß) kann simultan und in einem konsistenten Gesamtmodell auf das Rendite-Risiko-Profil geschlossen werden, weil mit Hilfe der Risikoaggregation (Monte Carlo-Simulation, vgl. Abschnitt. 9.3) die Konsequenzen aller Risiken (möglicher Planabweichungen) unter Berücksichtigung bestehender Korrelationen auswertbar sind.67 Die folgende Abbildung zeigt zusammenfassend einige der wichtigen Modellparameter einer repräsentativen Beteiligung. Man erkennt dabei unmittelbar, dass unter der Berücksichtigung von Diversifikationseffekten im Portfolio zunächst bei einer repräsentativen Beteiligung auf das Risiko des insgesamt in Beteiligungen investierten Volumens (Investitionsvolumen) geschlossen werden muss. Aufgrund der Diversifikationseffekte ist das Risiko (die Standardabweichung der Rendite) über alle Beteiligungen niedriger als dasjenige für eine Einzelbeteiligung.
Mittelwert Haltedauer der Beteiligung Strategisches Wertpotential
5,0 Jahre 40,0%
Standardabweichung pro Beteiligung im Portfolio 2,0 Jahre 0,8 Jahre 40,0% 15,1%
Einkaufsvorteil (gegenüber Marktwert); max: 80%!
30,0%
50,0%
34,4%
Eigenkapitalzuschuss in % Kaufpreis Ausfallwahrscheinlichkeit p.a. Gewinnrendite (1/KGV bezogen auf mittl. Gewinn) Gewinnquote für Dividende (und Tilgung)
0% 5,0% 10,0% 0,0%
2,0% 5,0%
0,8% 5,0%
Quelle: FutureValue Group AG Abb. 9-9: Wichtige Parameter einer Beteiligung 66
67
„Einkaufsvorteil“ (a) und „Strategisches Wertsteigerungspotenzial“ (c) ergeben das gesamte Wertsteigerungspotenzial einer Beteiligung, das die erwartete Rendite maßgeblich bestimmt. Da beide Faktoren sowohl von unternehmensspezifischen (unsystematischen) Faktoren bestimmt werden, wie auch von unternehmensübergreifenden Einflüssen (z.B. Konjunktur, Bewertungsniveau am Aktienmarkt), wird angenommen, dass die hier zu berücksichtigenden Risiken jeweils zur Hälfte als systematische und unsystematische Risiken zu betrachten sind, was die Korrelationsstruktur der Renditen im Portfolio, den Umfang der durch die Portfoliobildung möglichen Diversifikationsvorteile und damit letztlich das Gesamtrisiko (Standardabweichung der Rendite des Unternehmens) und den Eigenkapitalbedarf bestimmt. Anstelle der Modellierung eines Risikos durch eine Standardabweichung bestehen hier auch alternative – u.U. intuitiv zugänglichere – Varianten. Beispielsweise können Risiken quantifiziert werden, indem für jeden Planungsparameter (Werttreiber) drei mögliche Ausprägungen angegeben werden („Mindestwert“, „wahrscheinlichster Wert“ und „Maximalwert“). Mit Hilfe dieser im Controlling sowieso üblichen Betrachtung von Szenarien ist die vollständige Spezifikation einer sogenannten Dreiecksverteilung gegeben, was auch Rückschlüsse auf die Eintrittswahrscheinlichkeit beliebiger Szenarien zwischen den genannten Eckpunkten ermöglicht, Gleißner, W. (2008).
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9 Bewertung von Private Equity-Gesellschaften Mit Hilfe der Monte Carlo-Simulation wird nunmehr eine große repräsentative Anzahl möglicher (risikobedingter) Szenarien für die Entwicklung der Value- and Cash AG berechnet und ausgewertet, um erwartete Renditen und die damit verbundenen Risiken simultan bestimmen zu können. Abbildung 9-10 und 9-11 zeigen zusammengefasst die wichtigsten Ergebnisse, die im Folgenden kurz interpretiert werden. Forecast: Eigenkapitalrendite der Gesellschaft 50.230 T rials
Frequency Chart
49.128 Dis played 1342
,020 ,013
671
,007
335,5
,000 –27,6%
Frequency
Probability
,027
0 -5,8%
16,0%
37,8%
59,6%
Quelle: FutureValue Group AG Abb. 9-10: Dichtefunktion der Eigenkapitalrendite der Gesellschaft
erwartete Rendite der PE-Gesellschaft Rendite der representativen Beteiligung davon Wertsteigerung (bedingt) davon Insolvenz davon Auschüttung Prognose der Portfoliorendite Gesamtkapitalrendite der Gesellschaft Eigenkapitalrendite der Gesellschaft Eigenkapitalrendite aus Wertsteigerung W 'Keit für Rendite
Zufallsvariable 36,6% 41,4% 41,4% 0,0% 0,0% 37,6% 36,6% 68,1% 82,8%
Erwartungswert 10,8% 15,3% 16,2% –1,0% 0,0% 11,9% 10,8% 16,6% 30,5% 21,3% 6,3% 0,0% 8,7% 78,0% 0,6% 4,9% 4,6% 6,22%
Abb. 9-11: Ergebnisse
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Werner Gleißner Man erkennt zunächst, dass die erwartete Rendite einer „repräsentativen Beteiligung“ bei der Ausprägung der oben genannten Werttreiber ca. 15,3 % beträgt. Diese gesamte Wertentwicklung setzt sich zusammen aus der Wertsteigerung von Beteiligungen, die nicht insolvent werden, aus Verlusten durch die Insolvenz und (im Beispiel vernachlässigten) Ausschüttungen. Die Gesamtrendite des Portfolios (gesamtes Vermögen) liegt mit 11,9 % unter der Rendite einer repräsentativen Beteiligung, weil ein Teil (nämlich 30 % im Mittel) des Portfoliovolumens lediglich in risikolosen Anlagen investiert sind. Die Gesamtkapitalrendite der Value- and Cash AG liegt mit 10,8 % noch niedriger, weil nunmehr die Fixkosten für den Betrieb des Unternehmens berücksichtigt werden. Aufgrund des Financial Leverage-Effekts liegt die erwartete Eigenkapitalrendite jedoch mit 16,6 % wiederum höher, wobei jedoch der Einsatz von Fremdkapital zugleich zu einer Erhöhung des Risikos (der Standardabweichung) der Eigenkapitalrendite relativ zur Gesamtkapitalrendite führt. Das folgende Diagramm zeigt das Rendite-Risiko-Profil des Eigenkapitals der Value- and Cash AG (Eigentümersicht) sowie – zum Vergleich – das Rendite-Risiko-Profil im hypothetischen Fall des unverschuldeten Unternehmens (also in Bezug auf Gesamtkapitalrendite).68
Risiko-Rendite Profil 20,0% 18,0% 16,0%
Rendite
14,0% 12,0% 10,0% 8,0% 6,0% 4,0% 2,0% 0,0% 0,0%
5,0%
10,0%
15,0%
20,0%
25,0%
Standardabweichung Gesamtkapital der Gesellschaft Eigenkapital der Gesellschaft
Risikoloser Zins
Quelle: FutureValue Group AG Abb. 9-12: Risiko-Rendite-Profil
Sämtliche Renditeangaben wurden dabei als Durchschnittsrendite über einen Zeitraum von fünf Jahren berechnet (hier genau entsprechend der (mittleren) Haltedauer einer Beteiligung).69 Für diesen Fünf-Jahreszeitraum lässt sich auch feststellen, dass die Wahrscheinlichkeit einer negativen Rendite 68 69
Die Standardabweichung der jährlichen Rendite lässt sich mit ca. 19 %, nämlich mal der durchschnittlichen Standardabweichung von 8,7 % über den 5jährigen Betrachtungszeitraum abschätzen. Eine detaillierte Betrachtung und Ableitung des Eigenkapitalbedarfs kann eine Analyse einzelner Jahre sinnvoll machen, die dann auch den zeitlichen Risikodiversifikationseffekt explizit zeigt.
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9 Bewertung von Private Equity-Gesellschaften (Verlust) bei ca. 6,3 % und die Wahrscheinlichkeit für eine Rendite unterhalb der risikolosen Verzinsung (4 %) bei rund 21 % liegt. Der notwendige Eigenkapitalbedarf (eines Jahres!) aus der Simulation gemäß Abschnitt 9.4, der ausreicht, um mit 99 %iger Sicherheit die (über die Halteperiode geglätteten!) (möglichen) Verluste abzufangen, liegt bei 4,9 % des Investitionsvolumens, also rund 1,5 Mio. €. Eine Hochrechnung des Eigenkapitalbedarfs für einen Zeitraum von 10 Jahren, der als Gesamtinvestitionshorizont des Unternehmens geplant ist, führt zu einem Eigenkapitalbedarf zur Risikodeckung von 10 Mio. €, was etwa dem geplanten Eigenkapitaleinsatz von 15 Mio. € (50 % von 30 Mio. € Investitionsvolumen, s. unten) entspricht.70 Mit der Gleichung 16 aus Abschnitt 9.4 berechnet sich aufgrund der prognostizierten Renditen und der damit abgeleiteten Gewinne sowie des Eigenkapitalbedarfs folgender (Markt-)Wert des Eigenkapitals der Value- and Cash AG:
Der Wert des Eigenkapitals (Unternehmenswert) beläuft sich somit gemäß dem Prognosemodell auf ca. 47 Mio. €, was bei einem einzubringenden Eigenkapital der Aktionäre von insgesamt 15 Mio. € einem (sehr guten) Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) von ca. 3,2 entspricht. Bei den gegebenen Planungsparametern (einschließlich Risiken) können Investoren der Value- and Cash AG damit gegenüber dem eingebrachten Kapital mit einer erheblichen Wertsteigerung rechnen, wenn alle Wertreiber – wie hier vereinfacht angenommen – in der gesamten Zukunft der aktuellen Ausprägung erhalten bleiben. Das Geschäftsmodell ist damit ökonomisch sinnvoll, sofern die Modellparameter fundiert sind (bzw. bezüglich dieser zwischen Initiatoren und Investoren Konsens besteht). Wer die Ergebnisse zu optimistisch einschätzt, muss über die Annahmen diskutieren.
9.7 Zusammenfassung Die Bewertung von Kapitalbeteiligungsgesellschaften erfolgt meistens durch ein Einzelbewertungsverfahren, d.h. zunächst werden eigenständig die Werte der Beteiligungen ermittelt, die dann addiert werden, um auf dieser Grundlage den Wert der Kapitalbeteiligungsgesellschaft selbst abzuleiten. Bei diesem üblichen Vorgehen werden jedoch Risikodiversifikationseffekte zwischen den Beteiligungen ebenso vernachlässigt, wie zukünftige Ertragsmöglichkeiten durch (potenzielle) Beteiligungen, die heute noch nicht im Portfolio sind. Letztlich wird damit die Fähigkeit des Unternehmens nicht in der Bewertung erfasst, auch aus zukünftigen Transaktionen Wert für die Eigentümer zu generieren. Im Beitrag werden daher die bisher noch selten angewandten Gesamtbewertungsverfahren für Kapitalbeteiligungsgesellschaften etwas ausführlicher erläutert, wobei auch auf die Einzelbewertungsverfahren eingegangen wird, insbesondere um die Möglichkeiten und Notwendigkeit der Berücksichtigung von Kapitalmarktunvollkommenheiten bei der Bewertung zu verdeutlichen. Das hier vorgestellte Modell für die Gesamtbewertung von Kapitalbeteiligungsgesellschaften weist gegenüber konventionellen Ansätzen eine Reihe wesentlicher Vorteile auf. Zunächst wird eine Alternative zu den Einzelbewertungsverfahren gezeigt und eine Prognose der zukünftig erwarteten Erträge vorgenommen, die explizit aus den Wertreibern des Geschäftsmodells abgeleitet werden. Die Ableitung zukünftig erwarteter Erträge (bzw. Renditen) aus klar definierten Werttreibern führt zu einem hohen Maß an Transparenz bei der Bewertung und erlaubt eine kritische Diskussion der maßgeblichen 70
Die Berechnung des Eigenkapitalbedarfs für mehrere Jahre ist mittels Simulation einzelner Planungsjahre unter Berücksichtigung von Autokorrelationen möglich, was hier jedoch nicht vertieft wird. Erwähnt sei lediglich, dass sich ein erheblicher Teil aller Risiken (und damit des Eigenkapitalbedarfs) bereits im ersten Planjahr ergibt, weil hier bereits (annahmegemäß) die Investitionen vorgenommen werden und sich Risiken aus Abweichungen beim „Einkaufsvorteil“ materialisieren.
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Werner Gleißner Einflussfaktoren sowie den strukturierten Vergleich alternativer strategischer Geschäftsmodelle von Private Equity-Gesellschaften. Infolge der Unvorhersehbarkeit der Zukunft wird dabei einer adäquaten Erfassung der Risiken besondere Beachtung geschenkt. Mit Hilfe eines Simulationsmodells werden einzelne Risiken, die Planabweichungen in der Zukunft auslösen können, zu einem Gesamtrisikoumfang verdichtet, um den Eigenkapitalbedarf (Bedarf an Risikotragfähigkeit) als Risikomaß abzuleiten. Durch eine Kombination der Sicherheitsäquivalentmethode mit einer risikodeckungsorientierten Bewertung wird schließlich ein Unternehmenswert abgeleitet, der – ohne von einem vollkommenen Kapitalmarkt auszugehen – eine risikoadäquate Bewertung einer Kapitalbeteiligungsgesellschaft ermöglicht. Der Bewertungsansatz insgesamt bietet damit zunächst für die Verantwortlichen einer Kapitalbeteiligungsgesellschaft die Möglichkeit, die eigene Strategie im Hinblick auf eine stärkere Wertgenerierung zu optimieren. Zudem bietet sich Investoren und (potenziellen) Eigentümern von Kapitalbeteiligungsgesellschaften die Chance, prognostizierte Renditen kritisch zu hinterfragen – um sich nicht nur auf die unter Umständen zufallsbedingten (und damit für die Zukunft nicht repräsentativen) vergangene Performance verlassen zu müssen. Der in diesem Beitrag vorgestellte Bewertungsansatz bietet die Grundlage, die Idee einer wertorientierten Unternehmensführung auch auf Ebene von Private Equity- und Venture Capital-Gesellschaften – und nicht nur bei ihren Beteiligungen – in die Praxis umzusetzen.
9.8 Literatur Behm, G. (2003): Valuation of Innovative Companies, Köln, 2003. Bowman, E. (1980): A-Risk-Return-Paradoxon for Strategic Management, in: Sloan-Management Review, Vol. 21, 1980, S. 17–33. Dirrigl, H. (1998): Wertorientierung und Konvergenz in der Unternehmensrechnung, in: BFuP 50, 1998, S. 540 ff. Drukarczyk, J./Schüler, A. (2007): Unternehmensbewertung, Vahlen München, 2007. Ernst, D./Schneider, S./Thielen, B. (2003): Unternehmensbewertungen erstellen und verstehen, München, 2003. Fama, E. F./French, K. R. (1992): The cross section of stock returns, in: Journal of Finance, 1992, S. 427–465. Fama E. F./French, K. R. (1993): Common risk factors in the returns on stocks and bonds, in: Journal of Financial Economics, Vol. 47, 1993, S. 3–56. Fama E. F./French, K. R. (1996): Multifactor Explanations of Asset Pricing Anomalies, in: Journal of Finance, vol. 51, no. 1, 1996, S. 55–84. Fama E. F./French, K. R. (2002): The Equity Premium, in: Journal of Finance 57, 2002, S. 637–659. Fischer, S. (2008): Beurteilungskriterien und Bewertungsverfahren der TVM Capital, in: Gleißner/ Schaller (Hrsg.), Private Equity – Beurteilungs- und Bewertungsverfahren von Kapitalbeteiligungsgesellschaften, Weinheim, 2008. Gleißner, W. (2001): Identifikation, Messung und Aggregation von Risiken, in: Gleißner, W., Meier, G. (Hrsg.) Wertorientiertes Risiko-Management für Industrie und Handel, Wiesbaden, 2001, S. 111–137. Gleißner, W. (2002): Wertorientierte Analyse der Unternehmensplanung auf Basis des Risikomanagements, in: Finanz Betrieb, Heft 7/8, 2002, S. 417–427. Gleißner, W. (2004): Future Value: 12 Module für eine strategische wertorientierte Unternehmensführung, Wiesbaden, 2004. Gleißner, W. (2005): Betriebswirtschaftliche Instrumente für Kapitalbeteiligungsgesellschaften und Beteiligungscontrolling, in: Controlling, Heft 7/2005, S. 411–422.
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9 Bewertung von Private Equity-Gesellschaften Gleißner, W. (2005a): Kapitalkosten: Der Schwachpunkt bei der Unternehmensbewertung und im wertorientierten Management, in: Finanz Betrieb, 4/2005, S. 217–229. Gleißner, W. (2008): Grundlagen des Risikomanagements im Unternehmen, Vahlen. Gleißner, W./Kamaras, E./Wolfrum, M. (2008): Simulationsbasierte Bewertung von Akqusitionszielen und Beteiligungen, in: Gleißner/Schaller (Hrsg.), Private Equity – Beurteilungs- und Bewertungsverfahren von Kapitalbeteiligungsgesellschaften, Weinheim, 2008. Gleißner, W./Schaller, A. (2008): Private Equity – Beurteilungs- und Bewertungsverfahren von Kapitalbeteiligungsgesellschaften, Weinheim, 2008. Gleißner, W./Wolfrum, M. (2008): Simulationsbasierte Bewertung und Exit Preis-Schätzung bei PEGesellschaften, M&A Review, FACHVERLAG der Verlagsgruppe Handelsblatt, Düsseldorf, 7/2008, S. 343–350. Gleißner, W./Wolfrum, M. (2008a): Eigenkapitalkosten und die Bewertung nicht börsennotierter Unternehmen: Relevanz von Diversifikationsgrad und Risikomaß, Finanz Betrieb 9/2008, S. 602–614. Gleißner, W./Wolfrum, M. (2008b): Simulationsbasierte Bewertung von Akquisitionszielen und Beteiligungen: Schätzung und Bewertung unsicherer Exit-Preise, download unter http://www.finexpert.info/fileadmin/user_upload/downloads/pdf/publications/Sim-basierte_Bewertung_an_finexpert_30.10.2008.pdf, abgerufen am 14.4.09. Hachmeister, D. (1995): Der Discounted Cash Flow als Maß der Unternehmenswertsteigerung, Frankfurt am Main, 1995. Haugen, R. (2004): The New Finance, 3rd edition, New Jersey, 2004. Hommel, U./Scholich, M./Vollrath, R. (2001): Realoptionen in der Unternehmenspraxis – Wert schaffen durch Flexibilität, Berlin, 2001. Kruschwitz, L./Löffler, A. (2003): Fünf typische Missverständnisse im Zusammenhang mit DCFVerfahren, Finanz Betrieb, 2003, S. 731. Kruschwitz, L. (2004): Finanzierung und Investition, 2004. Matschke, M./Brösel, G. (2005): Unternehmensbewertung – Funktionen – Methoden – Grundsätze, Gabler 2005. Mehra, R./Prescott, E. (1985), The Equity Premium: A Puzzle, in: Journal of Monetary Economics 15, 1985, S. 145–161. Perridon, L./Steiner, M. (2002): Finanzwirtschaft der Unternehmung, München, 2002. Richter, F. (2005): Mergers and Acquisitions: Investmentanalyse, Finanzierung und Prozessmanagement, Verlag Vahlen, München 2005. Schierenbeck, H./Lister, M. (2001): Value Controlling: Grundlagen wertorientierter Unternehmensführung, München, 2001, S. 122–179. Schüler, A./Lampenius, N. (2007): Wachstumsannahmen in der Bewertungspraxis: eine empirische Untersuchung ihrer Implikationen, BFuP betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, Heft 3/2007, S. 232–248. Schwartz, E./Moon, M. (2001): Rational Pricing of Internet Companies Revisited. Shefrin, H. (2000): Börsenerfolg mit Behavioral Finance, Stuttgart, 2000. Shleifer, A. (2000): Inefficient Markets: An Introduction to Behavioral Finance Oxford University Press, New York, 2000. Spremann; K. (2004): Valuation – Grundlagen moderner Unternehmensbewertung, München, 2004. Steiner, M./Bauer, Ch. (1992): Die fundamentale Analyse und Prognose des Marktrisikos deutscher Aktien, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 4/1992, S. 347/368. Stock, D. (2002): Zur Relevanz von CAPM-Anomalien für den deutschen Aktienmarkt, Peter Lang Verlag.
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10 Bewertung von Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzleien Von Matthias Popp* 10.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Abgrenzung des Bewertungsgegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.1 Operationalisierung einer Kanzlei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.2 Lebenszyklen und Erscheinungsformen freiberuflicher Unternehmen . . . . . . . . . . . . . 10.2.3 Kanzleidimensionale Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3 Traditionelle Wertmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4 Konzepte einer kanzleidimensionalen Unternehmensbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.1 Übertragung einer Organisationseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.2 Teilhabe an einer (fortbestehenden) Kanzlei. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5 Aspekte der anlassbezogenen Ertragsbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5.1 Bewertung der zukünftigen Ertragskraft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5.2 Bewertungsobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5.3 Verfügungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5.4 Unternehmerrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5.5 Bemessung des Ergebniszeitraums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5.6 Kapazitätsauslastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5.7 Verwässerungseffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5.8 Veräußerungsgewinnbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.6 Primat der Kaufpreisanpassung über die Wertermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.7 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
229 231 231 234 234 235 237 237 239 241 241 242 244 246 246 247 248 248 250 250
10.1 Einführung Während im steuerrechtlichen Kontext der Begriff des – abschreibbaren – Praxiswerts als eine über den Substanzwert einer freiberuflichen Praxis hinausgehende Gewinnaussicht konkret belegt ist1, wird in der bewertungsorientierten Literatur wahlweise von Kanzleien, freiberuflichen Praxen bzw. Wirtschaftsprüfungs- und/oder Steuerberatungsgesellschaften besprochen. Ein materieller Unterschied zwischen diesen einzelnen Begriffen ist nicht erkennbar. Unterschiede ergeben sich vielmehr hinsichtlich der Größenvorstellung. Eine mehrere tausend Mann umfassende Unternehmung wird man sprachlich kaum noch mit dem altehrwürdigen Begriff der Kanzlei, ein mit Schranken (cancelli) umgebener Ort, an dem Urkunden, Gerichtsurteile, landesherrliche Verfügungen und andere Schriftstücke gefertigt wurden bzw. ein Büro eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters in Verbindung * 1
Dr. Matthias Popp, Ebner Stolz, Stuttgart. Vgl. Schmidt, L. (2008), § 18 Anm. 200.
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Matthias Popp bringen. Demgegenüber passt der Gesellschaftsbegriff bürgerlich-rechtlich nicht zu einer Einzelpraxis oder dem Partnerschaftsgesetz. Im Rahmen dieses Beitrags werden die Begriffe in Anlehnung an die gebräuchliche Verwendung synonym verwendet, wobei der Kanzleibegriff im Vordergrund steht. Der Aufgabenstellung einer Bewertung freiberuflicher Steuerberater- oder Wirtschaftsprüfungskanzleien kann man sich aus unterschiedlichster Blickrichtung nähern. Die erste Frage zielt auf die Identifizierung des Entscheidungsträgers. Soll die Bewertung aus der Perspektive einer typischerweise kaufenden oder verkaufenden natürlichen Person oder eines Personenverbands (z.B. Partnerschaftsgesellschaft oder GmbH) und damit mehrerer Entscheidungsträger erfolgen? Im letzten Falle wären zusätzlich intersubjektive Differenzierungen zu berücksichtigen. Die zweite Frage stellt auf die Handlungsmöglichkeiten im Entscheidungsfeld ab. Im Sinne einer gedanklich über die notwendigen finanziellen Mittel verfügenden Person stehen neben dem Erwerb der freiberuflichen Kanzlei der Konsum nicht verausgabter Mittel oder die Realisierung anderer Investitionsobjekte als Handlungsalternativen offen. Versetzt man sich in die Position eines (jungen) Berufsträgers, so besteht eine weitere Alternative zum Kanzleierwerb in der Möglichkeit weiterhin als angestellter Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer zu arbeiten2. Als weitere Handlungsalternative kann auch über die Neugründung einer eigenen Kanzlei nachgedacht werden3. Als dritter Gesichtspunkt ist das Zielsystem des Entscheidungsträgers abzuleiten. In aller Regel werden nichtfinanzielle Ziele wie Selbstständigkeit oder Unabhängigkeit aus Praktikabilitätsgründen bei Unternehmensbewertungen nicht berücksichtigt4. Das zu bewertende Unternehmen stellt keinen eigenen Zielträger dar, sondern dient dem Inhaber als Einkunftsquelle5. Speziell bei einer freiberuflichen Tätigkeit dürfte, selbst ohne Überhöhung der idealistischen Ziele6, dem Bereich nichtfinanzieller Ziele eine nicht zu vernachlässigende Bedeutung zukommen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass gerade der Käufer einer Kanzlei mit dem Kauf nicht nur ein monetäres Erfolgsziel, sondern auch die Möglichkeit zur selbstständigen und unabhängigen Berufsausübung verbindet. In Abhängigkeit der unterschiedlichen Bewertungsanlässe ist vielmehr eine unterschiedliche Gewichtung von Zielen zu vermuten. Steht im Rahmen des Generationsübergangs der Verkauf des Gesamtunternehmens an, lässt sich vor dem Hintergrund der Gewinnmaximierung eine Beschränkung auf rein finanzielle Ziele vermuten. Obliegt die Entscheidung innerhalb eines Personenverbandes einer einzelnen Person, so könnte dieses Prinzip auch beim Anteilsverkauf bei gleichzeitigem Ausscheiden gelten. Komplexer dürfte die Formulierung des Zielsystems werden, wenn Anteile an einer Kanzlei zum Verkauf stehen, die bisherigen Mitgesellschafter aber im Unternehmen verbleiben. Zu denken ist im Hinblick auf die kommende gemeinsame Berufsausübung mit dem neu Eintretenden dessen Qualifikation, seine Akquisitionsstärke oder auch eine Vermeidung der finanziellen Überforderung, die sich ihrerseits negativ in Qualitäts- und Haftungsfragen niederschlagen könnte. Auch aus Käufersicht können mehrschichtige Ziele bestehen. Klar dürfte ein finanzielles Ziel im Erwerb einer Einkunftsquelle bestehen. Bedeutung dürfte aber auch dem Kreis der künftigen Mitgesellschafter, dem Verbleiben der Leistungsträger sowie der Übergang und Erhalt der Mandantschaft haben. Die Vielschichtigkeit der Aufgabenstellung zur Bewertung eines freiberuflichen Unternehmens kommt in dem breiten Spektrum möglicher Bewertungsanlässe zu Ausdruck. Zu nennen sind insbesondere: • Praxisübertragung (aus Altersgründen) • Gründung einer Sozietät durch Aufnahme eines Partners • Aufnahme weiterer Partner • Austritt eines Partners 2 3 4 5 6
Vgl. Peemöller, V. H./Bömelburg, P./Hoferer, G. (1994), S. 919. Vgl. Gratz, K. (1987), S. 2422–2424. Vgl. Moxter, A. (1983), S. 76. Vgl. Wagner, F. (1994), S. 477. Vgl. Definition in § 1 Abs. 2 PartG.
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10 Bewertung von Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzleien
Zielsysteme finanzielle Ziele
er
nichtfinanzielle Ziele
hm
e
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U
er
Einzelsubjekt
lt el
st
Personenverband
e ng
A
d
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un
d ei
h
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Entscheidungsträger
t En
Abb. 10-1: Grundstruktur des Entscheidungsmodells
• Zusammenschluss von Kanzleien • Erwerb einer Beteiligung • Zugewinnausgleich bei Scheidungen • Erbfall und Pflichtteilsansprüche Bei den nach Beobachtung der Bundessteuerberaterkammer in der überwiegenden Zahl zum Tragen kommenden Praktikerverfahren zur Kanzleibewertung7 steht zu vermuten, dass die Differenzierung nach dem Bewertungsanlass bislang nicht hinreichend berücksichtigt wurde. Dabei ist es eine alte Erkenntnis der funktionsorientierten Unternehmensbewertungslehre, dass der durch einen Sachverständigen gutachtlich zu ermittelnde Unternehmenswert kein absoluter, objektiver Wert sein kann. Hier bietet die Neukonzeption der anlassorientierten Ermittlung objektivierter Werte8 reizvolle Ansatzpunkte für eine Intensivierung der Diskussion über die Bewertung eines freiberuflichen Unternehmens bzw. eines Anteils an einem solchen.
10.2 Abgrenzung des Bewertungsgegenstands 10.2.1 Operationalisierung einer Kanzlei Steuerberatungs- wie auch Wirtschaftsprüfungskanzleien sind grundsätzlich als normale Unternehmen anzusehen. Für die Bewertung von Unternehmen haben sich in Theorie, Praxis und Rechtsprechung allgemein anerkannte Regeln herausgebildet, wonach Unternehmen an ihrem Erfolg gemessen werden. Nach h.M. kann dieser Zukunftserfolg nach dem Ertragswertverfahren oder den Discounted Cashflow-Verfahren ermittelt werden9. Vereinfachte Methoden der Preisfindung sind damit aber insbesondere bei kleinen oder mittleren Unternehmen nicht ausgeschlossen10. 7 8 9 10
Bundessteuerberaterkammer (2007), Abschnitt 4.2.1, S. 2. Vgl. IDW S 1 i.d.F. 2008, Tz. 17. Vgl. IDW S 1 i.d.F. 2008, Tz. 7. Vgl. IDW S 1 i.d.F. 2008, Tz. 144.
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Matthias Popp Die zentrale Frage ist hier aber nicht, wie diese Erfolgsgrößen im Sinne von Einzahlungs- oder Einnahmeüberschüssen inhaltlich abzugrenzen sind11, sondern was den Wert einer freiberuflichen Kanzlei im Kern bestimmt. Als „Besonderheiten“ werden hierzu in der Literatur genannt12: • Divergenz zwischen Praxiswert und dem Geschäfts- oder Firmenwert eines gewerblichen Unternehmens, • Personenabhängige Mandatsbeziehung und die • Personenbezogenheit der freiberuflichen Tätigkeit. Auch wenn den Feststellungen, dass die Substanz einer Kanzlei regelmäßig von untergeordneter Bedeutung für den Gesamtwert ist und dass der Praxiswert viel wesentlicher, stark personenabhängig und nicht beliebig übertragbar ist, im Ergebnis vollumfänglich zuzustimmen ist, so eignet sich dies u.E. nicht, um die tiefer liegenden Ursachen zu erkunden, da eigentlich nur deren Wirkungen aufgelistet werden. Ein Blick auf das von der monetären Wertebene gelöste Bild auf die Kanzlei ergibt sich, wenn man die Sachperspektive mittels eines „5-Faktoren-Modells“ operationalisiert13.
Sachmittel/Technologie
Input
Organisation
Output
Personal
Abb. 10-2: Fünf-Faktoren-Modell
Der in der Vergangenheit erzeugte Output spiegelt sich in der art- und mengenmäßigen Zusammensetzung des Dienstleistungsprogramms sowie dessen zeitlicher Veränderung wider. Die Erscheinungsformen reichen hier von primär von Buchhaltungs- und Steuerdeklarationsarbeiten geprägten Kanzleien bis hin zu Prüfungs- und Beratungsgesellschaften, die von der Gestaltungsberatung über Corporate Finance bis hin zur internationalen Rechnungslegung ein ganzheitliches Spektrum an Dienstleistungen abdecken. Im Gegensatz zu den strukturellen Faktoren „Personal“ und „Sachmittel/Technologie“ beschränkt sich der laufende Input neben Informationen (Gesetze, Standards, Seminare und Fortbildungsveranstaltungen, Fachliteratur) auf nachrangige (Büro-)Materialen. Beim Faktor „Personal“ wären beispielsweise neben der beruflichen Qualifikation des vorhandenen Mitarbeiterbestands und dessen Altersstruktur die Entlohnungssysteme zu untersuchen. Unter dem Begriff der „Sachmittel/Techno11 12 13
Vgl. Popp, M. (1997), S. 28. Vgl. Englert, J. (2009), S. 722; Behringer, S. (2008), S. 146. Vgl. Pfeiffer, W./Weiß, E. (1994), S. 58.
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10 Bewertung von Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzleien logie“ sind Immobilien, Büro-, Telefon- und EDV-Ausstattung, Fahrzeuge, Musterprüfungsberichte, Formblätter und Checklisten, Datenbanken u.Ä. zu subsumieren. Besondere Aufmerksamkeit ist der Erfassung der im Unternehmen vorhandenen Technologie des Produktionsprozesses zur Erbringung der Dienstleistungen zuzuwenden. Bildlich gesprochen ist der Frage nachzugehen, ob die Vorjahresarbeitspapiere und -berichte mittels Klebstoff und Schere für die Folgeaufträge vorbereitet werden, kommen EDV-gestützte Prüfungs- und Analysesoftware (z.B. IDEA, Audit Agent) zum Einsatz, wird das Erfahrungswissen mittels Wissensmanagementsystemen gesichert u.v.m. Diese stichpunktartigen Ausführungen dürfen gemäß dem Grundsatz der systemtheoretischen Analyse – „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“14 – aber nicht isoliert voneinander betrachtet werden. Mit der in der betriebswirtschaftlichen Organisationslehre verbreiteten Differenzierung zwischen Aufbau- (= Strukturgestaltung) und Ablauforganisation (= Prozessgestaltung) können die in der Vergangenheit realisierten Verbindungslinien zwischen den einzelnen Faktoren herausgearbeitet werden. Dabei sei die These formuliert, dass gerade bei personellen Änderungen in der Person des Kanzleiinhabers die Existenz und Stabilität einer solchen Ordnung einen wesentlichen Wertbeitrag liefern kann. Für die realwirtschaftliche Analyse der Organisation15 sind dann beispielsweise folgende Fragen zu beantworten: • Welche Durchlaufzeit liegt zwischen Auftragsannahme, Auslieferung und Fakturierung? Allein die Überwachung der Durchlaufzeit kann positive Einflüsse auf die Kapitalbindung und damit Rentabilität des Unternehmens haben. Gegenüber den Mandanten erleichtert eine Reduzierung der Durchlaufzeit die Einhaltung von Terminzusagen. • In welchem Rhythmus erfolgt die Zeiterfassung, Fakturierung und Mahnung? Welche Regelungen über Voraus- und Abschlagszahlungen, Abrechnungszeiträume oder Zahlungsziele wurden vertraglich vereinbart? Sind die Zahlungsmodalitäten im Hinblick auf insolvenzrechtliche Rückforderungsansprüche abgestimmt? Wer ist für den Bestand an offenen Forderungen zuständig? • Wie erfolgt die Mitarbeiterdisposition? Als zentrales Instrument zur Führung des Unternehmens wie auch zur Qualitätssicherung sind kanzleiübergreifend Aufträge und der Mitarbeitereinsatz zu planen. Nach welchen Verfahren werden Dispositionslücken koordiniert? • Werden Einzelaufträge geplant? Die zeitliche und finanzielle Planung von Einzelaufträgen geht über in die Kalkulation der Angebotspreise. Erfolgt ein Abgleich zwischen Plan- und Istzeiten? • Welche Maßnahmen zur Qualitätssicherung bestehen in der Kanzlei? Ergebnis der letzten Peer Review-Prüfung; wie werden Fragen der Vorbefassung mit Mandanten im Sinne der Unbefangenheit überprüft und dokumentiert; Postausgangsbuch, Überwachung von Fristen und Bescheiden? • Wie erfolgt die Koordination von Aufgaben? In Abhängigkeit des Dienstleistungsumfangs einerseits und den Mandantenwünschen andererseits stellt sich die Frage, wie unterschiedliche Aufgaben durch die Kanzleistruktur bewältigt werden. Bestehen für jede Aufgabe abgetrennte Einzelbereiche (Trennung Prüfung und Steuerberatung) oder werden die Mandanten einer Teamstruktur zugeordnet? • In welchem Umfang sind Abläufe standardisiert? Die Standardisierung soll dazu führen, dass die Mitarbeiter beim Vorliegen bestimmter Vorgänge und Entscheidungen diese zwangsläufig und routinemäßig abwickeln. Existieren Musterauftragsbestätigungsschreiben, Checklisten für die Steuerdeklaration und Prüfung, Standardgliederungen für die Arbeitspapiere? 14 15
Vgl. Luhmann, N. (1968), S. 36. Zur Organisation von Prüfungsgesellschaften vgl. auch: Sieben, G./Russ, W. (2002), Sp. 1790–1798.
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Matthias Popp • Ist die Organisation und der Informationsfluss schriftlich fixiert? Durch die Formalisierung wird die Standardisierung schriftlich festgehalten und insoweit ergänzt. Dokumentierte Abläufe sind leichter überprüfbar als nur mündliche Weitergaben und verbessern die Überwachung und Steuerung des Unternehmens. • Erfolgen Entscheidungen zentral oder dezentral? Die Entscheidungsbefugnis kann von der Auswahl zwischen möglichen Handlungsalternativen bis hin zum Recht, Ziele für das Unternehmen festzusetzen, reichen. Die Übertragung von Entscheidungskompetenz auf Mitarbeiter oder Teams kann dazu beitragen, die Führungskräfte von operativen Tagesaufgaben zu entlasten und relativiert die Abhängigkeit der Kanzleigeschicke von dem oder den Inhabern. Durch die berufsständischen Vorgaben sind jedoch einer allzu weiten Delegation von Entscheidungskompetenzen enge Grenzen gesetzt.
10.2.2 Lebenszyklen und Erscheinungsformen freiberuflicher Unternehmen So heterogen die Erscheinungsformen von freiberuflichen Kanzleien, gemessen am Dienstleistungsspektrum sind, so unterschiedlich sind die Lebenszyklen, in der eine Bewertung vorzunehmen ist. Soweit ersichtlich, wurde dieser Aspekt im einschlägigen Schrifttum bislang nicht berücksichtigt. Abgesehen von großen, international tätigen Prüfungsgesellschaften kann ein typischer Lebenszyklus wie folgt beschrieben werden. Ausgangspunkt ist die Existenzgründung als Einzelkanzlei. Der Gründer ist zwar nicht durch die Finanzierung eines Kaufpreises belastet, er trägt aber das volle bis zur Existenzvernichtung reichende Unternehmerrisiko. Nach einigen Jahren erfolgt durch Aufnahme des ersten Partners die Gründung einer Gesellschaft. Dem weiteren Wachstum der Kanzlei wird im Zeitablauf durch Eintritt weiterer Partner Rechnung getragen. Mit jedem weiteren Jahr stabilisiert sich die Organisationsstruktur, die Abhängigkeit von Einzelmandanten geht zurück, der Bekanntheitsgrad und das Renommee der Kanzlei nehmen zu. Schließlich kommt es zum Wunsch des Gründers und/oder von Altgesellschaftern nach einem Ausscheiden aus dem Unternehmen. Unterstellt man ein zwischenzeitlich erreichtes hohes Umsatzniveau und damit implizit auch einen hohen Gesamtunternehmenswert, so stellt sich das Problem, dass die Übernahme von Anteilen des Gründers für neue Partner mit erheblichen finanziellen Belastungen verbunden sein dürfte. Diesen Finanzierungsrestriktionen steht der sicherlich nicht in Abrede zu stellende Anspruch des Gründers auf die Vergütung seines Lebenswerkes und als Teil seiner Altersvorsorge gegenüber. Der Aufsplittung eines Unternehmensanteils in Zwerganteile sind dabei durch die Zahl potenzieller Neugesellschafter faktische Grenzen gesetzt. Die zunehmenden Globalisierungstendenzen in der Mandantschaft beispielsweise können die Leistungsfähigkeit einer kleineren Kanzlei an Grenzen führen, die durch Kooperationen mit Kollegenunternehmen und die Anlehnung an mittelständische Prüfungs- und Beratungsunternehmen gelöst werden können. Damit tritt eine Fallgestaltung in den Vordergrund, die die bisherige Fixierung auf die altersbedingte Übertragung einer Einzelkanzlei als typischen Bewertungsanlass überlagert. An Stelle der vollständigen Übertragung der Kanzlei und des Ausscheidens des bisherigen Inhabers kommt es zur Bündelung der beruflichen Aktivitäten bei einem Verbleiben der bisherigen Kanzleiinhaber. Dass es sich allein durch das gemeinsame Auftreten am Markt unter einheitlicher Firmierung nicht um eine bloße Finanzbeteiligung handeln kann, liegt auf der Hand. Fragen der sinnvollen Beteiligungshöhe, der Verteilung von Risiken und Chancen, dem notwendigen Maß an Vereinheitlichung und Integration, der Verrechnung zentraler Leistungen und des gegenseitigen Mitarbeitereinsatzes sind soweit ersichtlich bislang nicht wissenschaftlich untersucht worden und können hier nur angesprochen werden.
10.2.3 Kanzleidimensionale Bewertung Entsprechend der unterschiedlichen Betrachtungsweise bei der Abgrenzung von Zielen und Bewertungsanlässen kann die kanzleidimensionale Unternehmensbewertung auf zwei sich diametrale Pole zurückgeführt werden. Stellt man die vollständige Übertragung der Organisationseinheit in den
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10 Bewertung von Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzleien Vordergrund, orientiert sich die Bewertung von Kanzleien an der Übernahme des Mandantenstamms. Ist dagegen die Bewertung am Kriterium der Fortführung bzw. Erweiterung der freiberuflichen Tätigkeit orientiert, werden die wechselseitig eingebrachten Leistungsmerkmale für die Teilhabe am Bewertungsobjekt „bewertet“.
Bewertungsparameter (übertragbarer) Mandantenstamm (wechselseitige) Leistungsmerkmale
is
re
p uf
a
K
Übernahme
s-
g un g li e ei ot et qu
Teilhabe B
Veränderungsgrad
s-
ng tu is r e n w eb e g r Be
Abb. 10-3: Eckpunkte kanzleidimensionaler Bewertung
Unter kanzleidimensionaler Unternehmensbewertung wäre demzufolge die Ermittlung des potenziellen Gesamtkaufpreises im Falle der Übernahme oder alternativ die Festlegung der Beteiligungsquote (mit oder ohne Barkomponente) im Falle der Teilhabe zu verstehen.
10.3 Traditionelle Wertmaßstäbe Unter finanziellen Aspekten wird der Wert eines Unternehmens durch den Barwert der mit dem Eigentum an dem Unternehmen verbundenen Nettozuflüsse an die Unternehmenseigner bestimmt16. Die gegenwärtige Praxis der Bewertung von Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungspraxen richtet sich nicht nach diesem Grundsatz. Hier werden weitgehend Umsatzverfahren angewandt, die den Kaufpreis als einen bestimmten Prozentsatz des Jahresumsatzes festlegen17. Die Bundessteuerberaterkammer empfiehlt ihren Mitgliedern die Anwendung eines modifizierten Umsatzverfahrens zur Ermittlung des Praxiswerts18. Nach deren Auffassung setzt sich der Wert einer Steuerberaterkanzlei aus dem Substanz- und Praxiswert zusammen. Der Substanzwert ergibt sich aus der Summe der Vermögensgegenstände (Anlagevermögen, Honorarforderungen, noch nicht abgerechnete Leistungen, etc.) abzüglich von Verbindlichkeiten und Rückstellungen. Über den Wertansatz der einzelnen Vermögensgegenstände finden sich keine Ausführungen. Im Mittelpunkt der Wertermittlung steht der Praxiswert, der nach dem Umsatzverfahren als Multiplikator auf dem nachhaltigen Jahresumsatz aus den bestehenden Mandatsverhältnissen der letzten drei Jahre zu berechnen ist. Zu Kontrollzwecken 16 17 18
Vgl. IDW S 1 i.d.F. 2008, Tz. 4. Vgl. Peemöller, V. H./Bömelburg, P./Hoferer, G. (1994), S. 914. Vgl. Bundessteuerberaterkammer (2007), Abschn. 4.2.1, S. 4.
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Matthias Popp wird ein modifiziertes Ertragswertverfahren empfohlen, um die beim Umsatzverfahren vernachlässigte Kostenstruktur zu berücksichtigen. Nachfolgendes Beispiel ist den alten Empfehlungen der Bundessteuerberaterkammer entnommen19.
EUR Umsatz – Kosten – kalkulatorische Tätigkeitsvergütung
300.000 –150.000 –70.000
= Nettoüberschuss
80.000
Rentenbarwertfaktor (8%; 6 Jahre)
4,6229
Praxiswert
369.830
Abb. 10-4: Berechnung des Praxiswerts nach dem modifizierten Ertragswertverfahren
Das auf Basis der im Januar 2007 beschlossenen Fassung der Empfehlungen der Bundessteuerberaterkammer veröffentliche Berechnungsbeispiel enthält eine solche Vielzahl von Fehlern und Ungenauigkeiten20, dass auf eine Darstellung hier verzichtet wird. Die Bundessteuerberaterkammer hat diese Fassung zwischenzeitlich ersatzlos entfernt und arbeitet an einer Überarbeitung21. Zur Bewertung von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften hat das IDW früher22 anhand praktischer Erfahrungen einige Eckpunkte zusammengefasst23. Im Mittelpunkt stand die Aussage, dass maßgebend für den Wert der übertragbare Mandantenstamm sei24. Auf Grundlage des nachhaltigen Jahresumsatzes erfolgte eine Festlegung des Veräußerungswertes in einer Bandbreite von 100 % bis 130 % des nachhaltigen Jahresumsatzes. Die Praxiseinrichtung sei, falls sie übernommen werden soll, gesondert neben dem Praxiswert zu berücksichtigen. Nur gemäß dem Motto: „Der Schuster hat die schlechtesten Schuhe“ kann zur Kenntnis genommen werden, dass das vom Berufsstand der Wirtschaftsprüfer für die berufliche Tätigkeit propagierte Zukunftserfolgswertverfahren in eigenen Angelegenheiten nicht zum Tragen kommen soll. Dieser Umstand ist wiederholt kritisiert worden, ebenso wenig fehlt es an Überlegungen zur Umsetzung des Zukunftserfolgswertverfahrens bei Kanzleibewertungen25. Gleichwohl ist in praxi ungeachtet der theoretischen Kritik ein Festhalten an tradierten umsatzorientierten Verfahren zu beobachten. Ein möglicher Grund könnte darin gesehen werden, dass für kleinere und mittlere Kanzleien ein relativ homogener Markt besteht26, an dem sich ein umsatzabhängiger „Marktpreis“ gebildet hat. An dieser Stelle soll daher nicht ein weiterer Versuch unternommen werden, die Preisfindungsmethoden einer wissenschaftlichen Beurteilung zu unterziehen. Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf eine Wiedergabe der wesentlichen Kritikpunkte an den berufsständischen Preisfindungsmethoden. Zu nennen sind hierbei insbesondere: 19
20 21 22 23 24 25
26
Vgl. Bundessteuerberaterkammer (1990), Abschn. 4.2.1, S. 5. Der dort angegebene Rentenbarwertfaktor von 4,7900 deckt sich nicht mit der finanzmathematisch bei 8,0 % Zinsen und einer Nutzungsdauer von 6 Jahren ermittelten Zahl von 4,6229. Vgl. Wehmeier, W. (2007), S. 436–442. Vgl. den entsprechenden Hinweis unter Abschnitt „Was ist neu?“, Bundessteuerberaterkammer (2008). Im WP-Handbuch 2006, Bd. I, sind entsprechende Hinweise nicht mehr enthalten. Vgl. IDW (Hrsg.), WP-Handbuch 2000, Bd. I, S. 148–149. Vgl. IDW S 1 i.d.F. 2008, Tz. 166. Vgl. Goetzke, W. (1976), S. 525–542; Then Berg, W. (1985), S. 171–174; Gratz, K. (1987), S. 2421–2426; Peemöller, V. H./Bömelburg, P./Hoferer, G. (1994), S. 914–920; Englert, J. (2009), S. 719–733; Behringer, S. (2008), S. 145–149. Vgl. Gratz, K. (1987), S. 2421.
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10 Bewertung von Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzleien • Fehlende Berücksichtigung der funktionalen Bewertungslehre27 • Fehlende Subjektivität der Bewertung • Einschränkungen der Multiplikatormethode gegenüber den Zukunftserfolgswertverfahren 28 • Alleinige Fixierung auf den Umsatz als adäquate Bewertungsgröße29 • Außerachtlassung der Kostenstruktur Ergänzend wäre anzuführen, dass der Unternehmensgröße, dem Lebenszyklus und dem konkreten Anlass der Bewertung nicht erkennbar durch Differenzierungen Rechnung getragen wird. Damit ist im Kern keine Kritik an den Berufsständen verbunden, die sich auf eine Wiedergabe der tatsächlich beobachteten Marktgegebenheiten beschränken und ihre Aufgabe nicht in der autoritären Festlegung einer „angemessenen“ Bewertungsmethode verstehen.
10.4 Konzepte einer kanzleidimensionalen Unternehmensbewertung Entsprechend der potenziellen Veränderungsgrade „Übernahme“ und „Teilhabe“ sollen im Folgenden Möglichkeiten einer Weiterentwicklung der traditionellen Wertmaßstäbe untersucht werden. Der vorliegende Problemaufriss soll einen Anstoß zu Diskussion geben, wobei der Verfasser keineswegs beansprucht, hier schon eine vollständige Lösung aller Einzelfragen anzubieten.
10.4.1 Übertragung einer Organisationseinheit Nach den bisherigen Ausführungen möchten wir auf die eingangs gestellte Frage zurückkommen, was den Wert einer freiberuflichen Kanzlei im Kern bestimmt. Ausgangspunkt soll zunächst ein junger Kollege sein, der nach der Steuerberaterprüfung gerade sein Wirtschaftsprüferexamen erfolgreich abgelegt hat und sich mit dem Gedanken der Selbstständigkeit trägt. Ein Mietvertrag über passende Kanzleiräume ist schnell abgeschlossen30, die notwendige Büroausstattung und Infrastruktur einfach zu beschaffen und auch erste Mitarbeiter können zügig eingestellt werden. Damit ist aber noch kein Mandant gewonnen, kein einziger Auftrag im Haus. Mit anderen Worten helfen die beruflichen Qualifikationsnachweise alleine wenig, um erfolgreich am Markt zu agieren. Oder nochmals anders ausgedrückt: Der Substanzwert, der z.B. nach Auffassung der Bundessteuerberaterkammer31 als eine Komponente des Wertes einer Steuerberaterpraxis genannt wird, ist losgelöst von Details seiner Berechnung, sicherlich nicht die wertentscheidende Größe. Im Sinne einer Make-or-buy-Entscheidung sind für den Aufbau einer selbstständigen Existenz vor allem die Akquisitionskosten und die Dauer für den Aufbau eines Netzwerkes zu Mandanten und Institutionen zu berücksichtigen. Die – sofortige – Verfügbarkeit über einen Mandantenstamm und ein adäquates Renommee der Kanzlei stellen u.E. den zentralen Werttreiber einer Steuerberater- oder Wirtschaftsprüfungskanzlei dar, der sich letztlich im Umsatz widerspiegelt. Wenn das Bewertungsobjekt i.e.S. ausschließlich Mandantenbeziehungen umfasst, so bietet sich eine Orientierung an den übertragbaren und letztlich auch übertragenen Umsatzerlösen an. Gemäß dem Schmalenbach zugeschriebenen Satz: „Für das Gewesene gibt der Kaufmann nichts“ gilt hier im Sinne der Zukunftsbezogenheit der Bewertung, dass ein sachgerechter Anspruch auf Vergütung nur für künftige Erlöse bestehen kann. Gleichwohl dürfte es im verständlichen Interesse des übertragenden Kanzleiinhabers liegen, die Verantwortung für die erfolgreiche Fortführung der Mandatsbeziehungen nicht in die alleinigen Geschicke des Übernehmenden zu stellen. 27 28 29 30 31
Vgl. hierzu: IDW (Hrsg.), WP-Handbuch 2008, Bd. II, S. 7–12. Vgl. hierzu: Ballwieser, W. (2004), S. 197–198; Ernst, D./Schneider, S./Thielen, B. (2008), S. 248–249. Vgl. Engler, J. (2009), S. 726. Die Existenz langfristiger Mietverträge wird heute primär als Malus angesehen. Vgl. Bundessteuerberaterkammer (1990), Abschn. 4.2.1.
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Matthias Popp Wird neben den reinen Mandantenbeziehungen auch die Kanzlei als sozio-ökonomische Organisationseinheit einschließlich der bisherigen Mitarbeiter übertragen, findet eine (teilweise) Fixierung der Kostenstrukturen statt. Deren Einbeziehung im Sinne des modifizierten Ertragswertverfahrens ist dem Grunde nach zu befürworten. Nach dem sogenannten Arbeitseinsatzäquivalenzprinzip ist der Erfolg von mehreren Handlungsalternativen auch hinsichtlich des zur Erfolgserzielung notwendigen Arbeitseinsatzes vergleichbar zu machen. Um den Erfolg mit anderen Kapitalanlagen ohne Einsatz der eigenen Arbeitskraft vergleichen zu können, wird allgemein gefordert, den Unternehmerlohn für tätige Partner oder Gesellschafter als Aufwand abzuziehen32. Eine Befassung mit diesem Thema ist für manche Fälle entbehrlich, da über die Höhe der Angemessenheit von Bezügen (bis hin in die Vorstandsetagen deutscher DAX-Unternehmen) höchst unterschiedliche Auffassungen bestehen, die zum Teil als philosophischer Natur bezeichnet werden können. Wenn der Eintretende alleine entscheidet oder zumindest maßgebliche Mitwirkungsrechte bei der Festlegung des – späteren – Unternehmerlohns hat, dann spielt die Frage keine Rolle. Völlig offen ist bei der Ermittlung eines Ertragswertes die zeitliche Abgrenzung des Ergebniszeitraums, sprich die implizite Lebensdauer der Kanzlei. Diese ist zwar grundsätzlich unendlich. Aufgrund der vermuteten Personenabhängigkeit des Praxiswertes verflüchtigt sich jedoch der übertragbare Vorteil. Als groben Anhaltspunkt für die Ableitung der impliziten Lebensdauer wird folgende Rechnung angestellt. Der „richtige“ Praxiswert kann durch Multiplikation des Umsatzes ermittelt werden. Die anzuwendenden Multiplikatoren liegen in einer Bandbreite zwischen 100 % und 130 %. Für die Ertragswertermittlung wird (vor Tätigkeitsvergütung) ein Kostenanteil von 50 % des Umsatzes unterstellt. Die geforderte Eigenkapitalrendite33 (vor persönlicher Einkommensteuer) liegt in einer Bandbreite zwischen 8 % und 12 %.
Umsatzmethode
Umsatz
Multiplikator Wert
TEUR 300
120% 360
Ertragswertmethode
Umsatz Kosten Ergebnis vor Tätigkeitsvergütung Kapitalisierungszinssatz (vor ESt) Lebensdauer, implizite (in Jahren) Rentenbarwertfaktor Wert
50%
TEUR 300 –150 150
12% 2,997 2,40 360
Abb. 10-5: Vergleichsrechnung zur Ableitung des Praxiswerts
Wie nachfolgende Tabelle (Abb. 10-6) zeigt, lassen sich den typischen Umsatzmultiplikatoren relativ verlässliche implizite Lebensdauern für eine Rentenbarwertberechnung zuordnen. Aufgrund der kurzen Zeiträume zwischen zwei und drei Jahren34 ist der Einfluss der geforderten Eigenkapitalkosten auf das Bewertungsergebnis innerhalb einer Ergebnisreihe relativ gering. 32 33 34
Vgl. Peemöller, V. H. (2009), S. 26. Der Hinweis von Breidenbach, B. (1991), S. 51, auf den „für Fremdkapital geltenden Zinsfuss“ ist u.E. nicht sachgerecht. Gemäß Bundesärztekammer (2008), S. A 2779, wird bei einer Einzelpraxis von einer Patientenbindungsdauer von zwei Jahren ausgegangen.
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10 Bewertung von Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzleien Multiplikatior 100% 110% 120% 130%
12% 10% 8% Lebensdauer (in Jahren) 2,4 2,7 3,0 3,3
2,3 2,6 2,9 3,2
2,3 2,5 2,8 3,0
Abb. 10-6: Äquivalente implizite Lebensdauer gegenüber Umsatzmultiplikatoren
Dem hingegen spielt in größeren Kanzleien mit zunehmender Anzahl von Partnern beim Ausscheiden eines Berufsträgers oder bei der Kanzleiübertragung die „Verflüchtigung“ seiner beraterischunternehmerischen Wirkung eine immer geringere Rolle35. Dies leitet über zur Bewertung im Falle einer Teilhabe.
10.4.2 Teilhabe an einer (fortbestehenden) Kanzlei (i) Externer Eintritt Bei der Aufnahme eines weiteren Partners oder dem Zusammenschluss von Kanzleien besteht eine andere Situation, auf die Knief bereits hingewiesen hat. Wenn der oder die bisherigen Kanzleiinhaber nicht ausscheiden, bleiben die persönlichen Bindungen und Geschäftsbeziehungen aufrechterhalten. Die Frage nach dem Risiko eines Mandatsverlustes, als gewichtigem Bewertungsfaktor, stellt sich in diesem Kontext nicht. Vor diesem Hintergrund kommt Knief zu dem Ergebnis, dass erstens der (interne) Kanzleiwert um so höher sei, je größer die Anzahl der Teilhaber ist, die diesen Wert garantieren und zweitens der interne Wert über jenem bei Kanzleiveräußerung liege36. Im Falle des Zusammenschlusses von Kanzleien ergibt sich eine verschmelzungsähnliche Situation, in der lediglich eine relative Bewertung vorzunehmen ist. Je vergleichbarer die beiden Bewertungsobjekte sind, desto nachrangiger wird die Wahl der konkreten Bewertungsmethode. Eine unmittelbare Aufnahme eines Externen (ohne eigene Organisationseinheit) in den Gesellschafterkreis dürfte jedoch in praxi die Ausnahme sein. Selbst bei einer unbestrittenen fachlichen Qualifikation des externen Berufskollegen dürfte die Vereinbarung einer „Probezeit“ wirtschaftlich sinnvoll sein37. Wesentlich für den Erfolg einer Kanzlei ist nicht nur die fachliche Qualifikation, sondern auch die persönliche Beziehung der Gesellschafter zueinander. Typischerweise wird daher ein angemessener Zeitraum vereinbart, in dem die Zusammenarbeit mit dem künftigen Partner erprobt wird. Gleich ob es um die Übernahme einer Einzelpraxis oder die Aufnahme in eine Kanzlei geht, eine längere Arbeitsphase, in der sich der Erwerber mit den besonderen Verhältnissen des Bewertungsobjekts vertraut machen kann, dürfte der effektivste Weg zur Risikominimierung sein. (ii) Interner Eintritt in eine vermögensrechtliche Stellung Unter dem Gesichtspunkt des Mandatverlustrisikos wird in der Literatur der (Sonder-)Fall diskutiert, dass der Käufer der Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzlei ein ehemaliger Mitarbeiter ist38. Empfehlungen des bisherigen Inhabers und die Gelegenheit durch Einarbeitung und Zusammenarbeit das Vertrauensverhältnis auf den Nachfolger hinüberzuziehen, wird eine Reduzierung des Mandatsverlustrisikos – aus Erwerbersicht – attestiert39. 35 36 37 38 39
Vgl. May, B. (2004), S. 474, in anderem aber übertragbarem Zusammenhang. Vgl. Knief, P. (1978), S. 22. Vgl. BFH (2004), S. 2455–2456. Vgl. Peemöller, V. H./Bömelburg, P./Hoferer, G. (1994), S. 915. Vgl. Knief, P. (1978), S. 23.
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Matthias Popp Gerade in mittelständischen Kanzleien dürfte es häufig vorkommen, dass die potenziell künftigen Teilhaber aus dem Kreis der eigenen Mitarbeiter stammen. Entsprechende Fähigkeiten vorausgesetzt, verläuft die typische berufliche Entwicklung vom Assistenten, über die Prüfungsleiterposition hin zu einem leitenden Angestellten mit Vertretungsmacht und erfolgsabhängigen Vergütungsbestandteilen. Bei dieser mehrjährigen Tätigkeit im Angestelltenverhältnis verändert sich die auch die Wahrnehmung des Mitarbeiters durch den Mandanten sowie die Kanzleiinhaber. Mit zunehmender Berufserfahrung werden Verantwortlichkeiten in sachlicher, zeitlicher und finanzieller Hinsicht für einzelne Mandate übertragen. Darüber hinaus führt die Entwicklung zur Übertragung bestehender Verbindungen bis zum Aufbau eines eigenen Beziehungsnetzwerkes und ersten eigenen Akquisitionserfolgen. Letztlich kommt es durch die Bindung zwischen Mandat und Mitarbeiter zu einem gleitenden Übergang vom fachbezogenen Mitarbeiter hin zu dem Ansprechpartner der Mandanten. Als sachgerechte Maßnahme zur Reduzierung des Mandatsverlustrisikos aus Sicht der Kanzlei gegenüber einem ausscheidungswilligen leitenden Mitarbeiter dürfte in der Regel ein Wettbewerbsverbot vereinbart werden. (iii) Personalentwicklung zur Existenzsicherung Bei der Ermittlung objektivierter Unternehmenswerte wird typisierend unterstellt, dass das vorhandene Management im Unternehmen verbleibt40. Bezogen auf Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzleien ergibt sich jedoch aufgrund der starken Personenabhängigkeit des Erfolgs einen andere Situation. Dabei geht es in erster Linie nicht um die Diskussion über den angemessenen Unternehmerlohn, sondern die grundsätzliche Fortführungsmöglichkeit der Kanzlei als solcher. Steht die bisherige Unternehmensleitung altersbedingt künftig nicht mehr zur Verfügung, und haben es die Gründungsgesellschafter versäumt, rechtzeitig den internen Generationswechsel einzuleiten, dürfte eine Fortführung der Kanzlei nicht möglich sein. In diesem Fall ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Wert der Kanzlei dem Liquidationswert entspricht41. Aus der Diskussion über den Managementfaktor ist bekannt, dass eine direkte Analyse des Einflusses des Managements auf den Unternehmenswert Schwierigkeiten bereitet42. Die Managementleistung schlägt sich aber in der existierenden Führungsorganisation nieder und kann auf diesem Wege analysiert werden43. Personalentwicklungsstrategien44 kommen in einem personengeprägten Tätigkeitsfeld zur Verwirklichung der angestrebten Unternehmensziele und der Aufrechterhaltung der Wettbewerbssituation über die Lebensarbeitszeit der bisherigen Kanzleiinhaber hinaus, eine zentrale Rolle zu. Aufgrund der Zukunftsbezogenheit der Bewertung, die an den zukünftigen Erfolgen für die Unternehmenseigner anknüpft, gilt dies sowohl für die subjektiven Grenzpreise der bisherigen Kanzleiinhaber als auch der potenziell künftigen Teilhaber. Aus Sicht der bisherigen Kanzleiinhaber sind die langfristig mit der Personalentwicklung verbundenen Ziele abzuleiten, wobei sich dieser Beitrag auf den Kreis der potenziellen künftigen Teilhaber beschränkt. • Fachliche Qualifikation Die Erbringung qualifizierter Prüfungs- und Beratungsleistungen ist die Grundlage für den gegenwärtigen und künftigen Markterfolg. Die fachliche Qualifikation wird durch das Ablegen der Berufsexamen abstakt bewiesen und im Berufsalltag konkretisiert. Ohne hinreichende fachliche Kenntnisse und Fähigkeiten sind die Karrierechancen ohnehin begrenzt, so dass dieser Punkt als zwingend notwendige Voraussetzung anzusehen ist. 40 41 42 43 44
Vgl. IDW S 1 i.d.F. 2008, Tz. 39. Vgl. IDW S 1 i.d.F. 2008, Tz. 42. Vgl. Kleber, P. (1989), S. 340–341. Vgl. Popp, M. (2009), S. 202–203. Vgl. Schmidt, J. (1997), S. 189–195.
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10 Bewertung von Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzleien • Soziale Kompetenz Beratungsdienstleistungen werden von Menschen erbracht. Der Umgang auch mit schwierigen Mandatssituationen, die Durchsetzungsfähigkeit, das Vertrauen und die Akzeptanz gegenüber Mandanten, Mitarbeitern und den Kanzleiinhabern stellen hierbei hohe Anforderungen an den Einzelnen. • Unternehmerische Fähigkeiten Die Führung einer Kanzlei erfordert neben fachlichen und sozialen Gesichtspunkten insbesondere unternehmerische Fähigkeiten. Repräsentanz der Kanzlei in der Öffentlichkeit, Ausbildung und Führung von Mitarbeitern, Erkennen und Wahrnehmen von Marktchancen, Übernahme interner Projekte und Aufgaben, Vermeidung von Haftungsfällen, Aufbau von Netzwerken und von besonderer Bedeutung der Erhalt und Ausbau der Mandatsbasis durch Akquisition stellen die zentralen Voraussetzungen für die Erzielung laufender Erfolge und damit die Sicherung der Einkunftsquelle dar. Die vorstehenden drei Ziele können als conditio sine qua non angesehen werden, sodass deren Vorhandensein zwar grundsätzlich geeignet wäre, in die Formulierung eines mehrdimensionalen Zielsystems einzufließen, faktisch aber bereits bei der Auswahl der Kandidaten dergestalt berücksichtigt werden, dass eine weitere Diskussion entbehrlich ist. Aus Sicht des künftigen Teilhabers dürfte sich eine ähnliche Motivlage einstellen, da – in einem mehrköpfigen Führungsverbund – die nichtfinanziellen Ziele wie „Selbstständigkeit“ oder „Unabhängigkeit“ ohnehin nur „gemeinsam“ und mit Rücksicht auf die Mitgesellschafter verwirklicht werden können. Zudem ist es schwer vorstellbar, unüberwindliche Differenzen bei der Entscheidung über die Teilhabe auszublenden. Die laufende Verjüngung der Gesellschafterbasis ist somit kein Selbstzweck, sondern dient der konsequenten Sicherung des Wertes einer Kanzlei.
10.5 Aspekte der anlassbezogenen Ertragsbewertung Betrachtet man die Vielzahl möglicher Bewertungsanlässe wie das freiwillige oder unfreiwillige Ausscheiden, den Zugewinnausgleich, einen Zusammenschluss von Kanzleien, den Erwerb oder Eintritt in eine Kanzlei, um nur einige zu nennen, so wäre es geradezu verwunderlich, wenn die Kanzlei bzw. die Beteiligung an dieser in allen Fällen gleich viel wert wäre. Mit der Neukonzeption der anlassbezogenen Typisierung liegt nunmehr ein Handlungsrahmen vor, der nach unserer Auffassung geeignet ist, den unterschiedlichen Bewertungsanlässen besser Rechnung zu tragen. Da diese Neukonzeption noch keine große Resonanz in der Bewertungspraxis und -literatur gefunden hat, sind die nachfolgenden Überlegungen als Diskussionsgrundlage für eine vertiefte Befassung mit dieser Materie anzusehen.
10.5.1 Bewertung der zukünftigen Ertragskraft Zukünftige Erfolgspotenziale müssen in dynamischen Märkten kontinuierlich durch Anpassung an geänderte Rahmenbedingungen neu erarbeitet werden. Der oder die Entscheidungsträger sind nicht an dem Nutzen interessiert, den das Bewertungsobjekt in der Vergangenheit gestiftet hat: Das geflügelte Wort: „Für das Gewesene gibt der Kaufmann nichts“ bringt dies deutlich zum Ausdruck. Ungeachtet der früheren Erfolge bzw. Misserfolge der Zielgesellschaft misst die entscheidungsorientierte Unternehmensbewertung ausschließlich zukünftige Erfolge. Für „normale“ Unternehmen wird das Prinzip der Zukunftsbezogenheit auch bei der Ermittlung des Zugewinnausgleichs gar nicht in Frage gestellt45. Etwas anders soll bei freiberuflichen Praxen gelten. Der BGH lehnte es ausdrücklich ab, dass im Rahmen des Zugewinnausgleichs künftig zu erzielende Gewinne des Steuerberaters kapitalisiert werden46. Nach seiner Auffassung erfasse der Zugewinnausgleich nur den in der Ehezeit erworbenen, am Stichtag vorhandenen Wert der Steuerberaterpraxis 45 46
Vgl. Palandt/Brudermüller, G. (2009), § 1376 Tz. 5. Vgl. BGH (1998), S. 786; krit.: Olbrich, M./Olbrich, C. (2008), S. 1484.
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Matthias Popp bzw. des Anteils hieran, der sich (nicht in künftigen Nutzungen, sondern) in der in der Vergangenheit aufgebauten und gegenwärtig vorhandenen Nutzungsmöglichkeit – insbesondere des Mandantenstammes – niederschlägt47. Der BGH hat diese Auffassung jüngst bekräftigt. Das dahinter stehende Doppelverwertungsprinzip soll eine zweifache Teilhabe an einem Vermögenswert – nämlich einerseits im Zugewinnausgleich und andererseits im Wege des Unterhalts – ausschließen. Die Erwartung künftigen Einkommens, das der individuellen Arbeitskraft des Kanzleiinhabers zuzurechnen sei, könne für den Zugewinnausgleich aber nicht maßgebend sein, weil es insoweit nur auf das am Stichtag vorhandene Vermögen ankomme48. Eine Ermittlung des Werts der Kanzlei durch „Diskontierung der künftigen finanziellen Überschüsse“49 scheint auf den ersten Blick nicht mit der BGH-Rechtsprechung vereinbar. Nicht zielführend erscheint es, die Rechtfertigung in der fehlenden Übertragbarkeit der Ertragskraft von typischerweise stark personalistisch geprägten Kanzleien oder Kanzleibeteiligungen zu suchen50. Darauf kommt es bei der Ermittlung von Ausgleichsansprüchen – im Gegensatz zu Abfindungsansprüchen51 – überhaupt nicht an, denn Pflichtteils- oder Zugewinnausgleichsansprüche sind dadurch charakterisiert, dass sie der Ermittlung einer Geldforderung dienen, wobei der Anspruchsberechtigte weder Eigentum am Unternehmen erwirbt, noch der Verpflichtete Eigentum aufgibt. Bei Lichte betrachtet, handelt es sich bei einer freiberuflichen Beteiligung primär um einen „hochbezahlten Arbeitsplatz“52. Setzt man das Arbeitseinsatzäquivalenzprinzip53 konsequent um, so ist eine zukunftsorientierte, ertragswertbasierte Bewertung auch beim Zugewinnausgleich möglich, wenn ein angemessener Unternehmerlohn in Abzug gebracht wird. Vielleicht ist nur stärker die Höhe des kalkulatorischen Unternehmerlohns zu hinterfragen, da eine Orientierung an reinen angestellten Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern nicht der richtige Vergleichsmaßstab sein wird54. Nichts anderes ist der BGH-Entscheidung zu entnehmen, in der er klarstellt, dass nicht ein pauschal angesetzter, sondern ein nach den individuellen Verhältnissen gerechtfertigter Unternehmerlohn in Abzug zu bringen ist55.
10.5.2 Bewertungsobjekt Außer bei einer Einzelpraxis, bei der sich diese Frage nicht stellt, kann man sich dem Wert eines Kanzleianteils von unterschiedlichen Blickrichtungen nähern. Die Bewertungslehre unterscheidet zwischen der direkten und indirekten Methode zur Anteilsbewertung. Bei rein finanzieller Zielsetzung müsste die Summe der Anteilswerte gleich dem Gesamtwert der Kanzlei sein. Genau dies kommt in der tradierten Konzeption des (einen) objektivierten Wertes zu Ausdruck, bei dem der objektivierte Wert eines Unternehmensanteils dem quotalen Anteil des jeweiligen Eigenkapitalgebers am objektivierten Gesamtwert des Unternehmens entspricht56. Mit anderen Worten ist der Wert eines Unternehmensanteils für alle Anteilseigner gleich57. Analysiert man einige Bewertungsanlässe, so zeigt sich, dass sich diese generelle Aussage nicht aufrechterhalten lässt, da das Bewertungsobjekt anlassabhängig festzulegen ist. Anders gewendet: das Konzept der kanzleidimensionalen Bewertung spiegelt sich auch in unterschiedlichen Bewertungsobjekten wider. 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57
Vgl. BGH (1998), S. 786; Piltz, D. (2007), S. 302. Vgl. BGH (2008), S. 1223. IDW S 1 i.d.F. 2008, Tz. 85. Vgl. Palandt/Brudermüller, G. (2009), § 1376 Tz. 9. Vgl. zur Differenzierung: Wagner, F. (2007), S. 930. Vgl. Piltz, D. (2007), S. 302. Vgl. Popp, M. (2008), S. 940. Vgl. Piltz, D. (2007), S. 305; a.A. wohl Behringer, S. (2008), S. 148. Vg. BGH (2008), S. 1224. Vgl. IDW (Hrsg.), WP-Handbuch 2008, Bd. II, S. 12. Vgl. Popp, M. (2008), S. 944.
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10 Bewertung von Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzleien Wenn alle Partner ihre Kanzlei im Ganzen verkaufen würden, könnten sie sicherlich einen deutlich über dem Wert der materiellen Vermögensgegenstände hinausgehenden Kaufpreis erzielen58. Bewertungsobjekt ist hierbei das gesamte Unternehmen der Steuerberatungs- oder Wirtschaftsprüfungskanzlei. Häufiger als ein Gesamtverkauf dürfte der Zusammenschluss von Kanzleien sein. Auch in dieser verschmelzungsähnlichen Situation ist nicht auf den einzelnen Gesellschaftsanteil abzustellen. Bewertungsgegenstand sind vielmehr die jeweiligen Unternehmen59. Wendet man sich gesellschaftsrechtlichen Bewertungsanlässen zu, soll das Bewertungsobjekt ausgehend von § 738 BGB das gesamte Unternehmen der Gesellschaft sein, dessen Wert im Verhältnis der Kapitalbeteiligung auf die einzelnen Gesellschaftsanteile verteilt wird. Insofern ist es auch nicht überraschend, dass sich in der Literatur und Rechtsprechung die Forderung findet, den „vollen wirtschaftlichen Wert“ eines Gesellschaftsanteils z.B. für Abfindungszwecke bzw. der Überprüfung der Angemessenheit von Abfindungsregelungen indirekt zu ermitteln60. Für Steuerberater- und Wirtschaftsprüferkanzleien ist dies nicht sachgerecht. Bei einer indirekten Ableitung ist der Wert eines Gesellschaftsanteils quotal aus dem Gesamtwert der Kanzlei abzuleiten. Die hierzu notwendige Kenntnis des Gesamtwertes, über den durchaus konkrete Vorstellungen bestehen mögen, ist mit dem Problem behaftet, dass die Kanzlei als Ganzes gar nicht Bewertungsgegenstand ist. Einen Marktpreis für die Gesamtkanzlei kann man mithin nur schwer zuverlässig ermitteln, wenn die dazugehörige Handlungsalternative gerade nicht verfolgt wird. Einen Verkauf der gesamten Kanzlei unter Aufdeckung sämtlicher stillen Reserven und des Praxiswerts zu unterstellen, wäre unpassend, wenn es um das Ausscheiden Einzelner infolge einer Kündigung oder des Ausschlusses geht61. Der im steuerlichen Kontext verwendete gemeine Wert soll durch den Preis bestimmt werden, der sich bei Veräußerung des Wirtschaftsguts im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielen lässt62. Ebenso wie das Leitbild eines Markt- oder Verkehrswerts basiert er auf einer Transaktion zwischen sachverständigen, vertragswilligen und voneinander unabhängigen Geschäftspartnern63. Aufgrund der generell zu beobachtenden gesellschaftsvertraglichen Reglementierung der Veränderung des Gesellschafterkreises dürfte das Marktmodell einer freien Preisbildung aus Angebot und Nachfrage im vorliegenden Kontext nicht weiterführen. Ähnliche Zweifel hat der BGH für den Fall gesehen, wenn die Verkehrsfähigkeit von Gesellschaftsanteilen in hohem Maße durch die persönlichen Voraussetzungen, an welche die Mitgliedschaft geknüpft ist, eingeschränkt ist64. Damit gehen auch die Definition von Markt-, Verkehrs- oder gemeinen Werten an der konkreten Aufgabenstellung vorbei. Die indirekte Ermittlung der Anteilswerte setzt des Weiteren eine einheitliche Ausgestaltung der Anteilsrechte voraus. Solange die Beteiligungsrechte am Ertrag, an der Vermögenssubstanz und an der Willensbildung übereinstimmen, ist der Grundgedanke der indirekten Methode sachgerecht65. Das buchhalterische Ergebnis wird in aller Regel im Hinblick auf die Gewinnverteilung, die Festlegung von fixen und variablen Tätigkeitsvergütungen, die Verzinsung von Gesellschafterdarlehen und nicht zuletzt der ertragsteuerlichen Implikationen aus der Finanzierung und Abschreibung des Kaufpreises auseinander fallen. Gesellschaftsvertragliche Regelungen über die konkrete Beteiligung am definierten Unternehmenserfolg unterliegen im Zeitablauf Veränderungen, so dass bei einer heterogenen Gesellschafterstruktur auch die (damaligen) Zugangsbedingungen variieren. 58 59 60 61
62 63 64 65
Vgl. Piltz, D. (2007), S. 304, der darauf hinweist, dass nach seiner Kenntnis eine Großkanzlei in diesem Wege noch nicht veräußert wurde. Vgl. OLG Stuttgart (2006), S. 421. Vgl. OLG Köln (1999), S. 1224. Bei der Gründen lässt sich weiter differenzieren nach ordentlicher Kündigung, Kündigung mit wichtigem Grund, Kündigung ohne wichtigen Grund, Ausschluss aus wichtigem Grund, Ausschluss wegen Zwangsvollstreckung, Ausschluss aufgrund Todes. Vgl. § 9 Abs. 2 Satz 1 BewG. Vgl. Mentz, A. (2007), S. 459. Vgl. BGH (1991), S. 895. Vgl. Wiechers, K. (2009), S. 634.
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Matthias Popp Berücksichtigt man ferner die vorstehend beschriebenen Besonderheiten einer freiberuflichen Kanzlei, so führt dies dazu, dass die aus den aktienrechtlichen Abfindungsfällen bekannten Wertmaßstäbe nicht übertragbar sind. Die vom Bundesverfassungsgericht im aktienrechtlichen Kontext getroffene Vorgabe, wonach der Minderheitsaktionär bei einem zwangsweisen Ausscheiden wertmäßig wie bei einer freien Deinvestitionsentscheidung zu stellen ist66, baut auf liquide Märkte für handelbare Güter wie Aktien. Sofern nicht im Einzelfall der Börsenkurs relevant ist, haben nach ganz herrschender Meinung die von Konzernierungsmaßnahmen, wie dem Abschluss eines Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrags oder Squeeze out betroffenen Minderheitsgesellschafter Anspruch auf einen Anteilswert, der quotal aus dem objektivierten Gesamtwert abgeleitet wird67. Da in aller Regel die Erben nicht über die berufliche Qualifikation verfügen, wird es im Erbfall zu einer entgeltlichen Abfindungszahlung an die Erben kommen. Eine „Bewertung“ des Kanzleianteils ist also nicht mehr erforderlich. Der durch Erbfall ausscheidende Gesellschafter hat mit der Abfindungsklausel bestimmt, was er seinen Erben zuwenden möchte68. Dieser Kerngedanke, also der Vorrang der gesellschaftsvertraglichen Abfindungsregelung vor einer erbschaftsteuerlichen Bewertung, findet sich im neuen Absatz 10 von § 10 ErbStG. Der Erbschaftsteuer unterliegt damit (nur) der gesellschaftsvertragliche Abfindungsanspruch. Wenig verständlich ist es, dass solche Abfindungsklauseln im Rahmen anderer Rechtsbeziehungen keine Berücksichtigung finden sollen, wenn es um die Ermittlung von Zugewinnausgleichsansprüchen geht69. Nach Auffassung des BGH würde dies in zeitlicher Hinsicht voraussetzen, dass zum relevanten Bewertungszeitpunkt bereits ein gesellschaftsrechtlicher Abfindungsfall z.B. durch Kündigung eingetreten ist70. Dieser Ausgleichsanspruch unterscheidet sich jedoch ganz grundsätzlich von einer Kündigung der Gesellschaft, da der ausgleichsverpflichtete Berufsträger das Eigentum an seiner Kanzlei gerade nicht aufgibt. Eine Ausstrahlwirkung auf Zugewinnausgleichs- oder Pflichtteilsansprüche kann sich ausnahmsweise dann ergeben, wenn die gesellschaftsvertraglichen Regelungen die Verwertungsmöglichkeiten des Unternehmens bzw. des Unternehmensanteils beeinträchtigen71. Grundsätzlich wird sich die gesellschaftsvertragliche Abfindung nach den Parteivereinbarungen richten. Solange diese wirksam sind, spielt die Frage nach dem zutreffenden Bewertungsobjekt keine Rolle. Relevant wird diese Frage erst, wenn ein Gutachter oder ein Gericht sich mit der Wirksamkeit der Abfindungsklausel befassen und hierfür als Referenzmaßstab den viel beschworenen „vollen wirtschaftlichen Wert“ des Kanzleianteils direkt oder indirekt ermitteln muss. Dies leitet über zu der Frage, was im Kontext von Verfügungsbeschränkungen unter einem „vollen wirtschaftlichen Wert“ eines Kanzleianteils zu verstehen ist.
10.5.3 Verfügungsbeschränkungen Typischerweise ist die freie Verfügbarkeit von Kanzleianteilen dahingehend beschränkt, dass die Anteile nicht beliebig veräußert werden können. Darüber hinaus bestehen regelmäßig Abfindungsklauseln hinsichtlich der Art und Weise der Berechnung des Abfindungsanspruchs beim Ausscheiden. Der gesellschaftsrechtliche Ansatz bei der Beurteilung von Abfindungsklauseln spiegelt den vertraglichen Abfindungsanspruch an dem vollen wirtschaftlichen Wert72 und versagt ihr bei einem groben Missverhältnis die Anerkennung. Zwar ist es höchstrichterlich anerkannt, dass sich die beschränkte Verwertbarkeit auf den Wert der Beteiligung auswirkt73. Indes sucht man Hinweise zur Quantifizierung von Veräußerungsbeschränkungen in der BGH-Rechtsprechung vergebens. 66 67 68 69 70 71 72 73
Vgl. BVerfG (2006), S. 120. Vgl. IDW (Hrsg.), WP-Handbuch 2008, Bd. II, S. 168. Vgl. Jasper, U. (2003), § 25 Tz. 40. Vgl. Piltz, D. (1994), S. 1027. Vgl. BGH (1998), S. 785; Palandt/Brudermüller, G. (2009), § 1376 Tz. 10. Vgl. IDW (Hrsg.), WP-Handbuch 2008, Bd. II, S. 183 in Bezug auf BGH (1988), S. 433. Vgl. BGH (1991), S. 895. Vgl. BGH (1979), S. 231; BGH (1986), S. 322.
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10 Bewertung von Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzleien Im Gegensatz zum BGH finden sich auch Stimmen, die durch kompensierende Vorzüge wie innere Stärke, straffe Verwaltung, eine langfristige Geschäftspolitik74 oder dem Schutz der Gesellschaft gegen das Eindringen Dritter75 Effekte hervorheben, die einer Wertminderung entgegenstehen. Damit ist bereits der Ausgangspunkt strittig: Führen Verfügungsbeschränkungen stets zu einer Wertminderung oder ist es auch denkbar, dass – z.B. durch die Begrenzung auf Familienmitglieder – die „Gesellschaft“ gestärkt wird? Diese Frage kann dahingestellt bleiben, da familiäre Bande bei freiberuflichen Kanzleien allenfalls zufällig sind und allein das Berufsrecht hier andere Zugangsvoraussetzungen schafft. Wie ist mit dem Argument umzugehen, dass einem Gesellschafter aus der gesellschaftsvertraglichen Abfindungsbeschränkung auch eine gegenläufige Chance erwächst, beim Ausscheiden eines anderen Gesellschafters davon zu profitieren, dass auch dieser nur den Abfindungsbetrag erhält76? Eine ZweiMann-Gesellschaft wird hier ganz anders zu beurteilen sein, als eine Großkanzlei oder eine Beteiligung, bei der der Einzelne keine Machtposition hat, die gesellschaftsvertragliche Abfindungsregelung zu verändern, so real wie bei einer Zwei-Mann-Gesellschaft diese Chance für den überlebenden Gesellschafter auch sein mag. Mit zunehmender Kanzleigröße schwindet dieses Argument, wenn aufgrund von Kanzleistrukturen der Fortbestand der Kanzlei vom Schicksal einzelner Personen losgelöst ist. Dass die Wertminderung des Kanzleianteils nicht durch die Chance kompensiert wird, hat der BGH in einem anderen, aber übertragbaren Fall bestätigt77. Wie bei einer größeren Kanzlei wird das benachteiligte Ausscheiden von Gesellschaftern dadurch kompensiert, dass jüngere Personen als neue Gesellschafter zu entsprechend attraktiven Konditionen eintreten können. Der fiskalische Ansatz negierte im Erbschaftsteuerrecht die wert- und damit steuermindernde Wirkung von Verfügungsbeschränkungen – § 9 Abs. 3 BewG. Hier kommt die Urangst vor dem Verlust von Steuersubstrat zum Tragen, denn ansonsten hätten es die Beteiligten in der Hand, den steuerlichen Wert der Anteile zu ihrem Vorteil zu beeinflussen, ohne gehindert zu sein, zu anderer Zeit die Beschränkung nach ihrem Belieben fallen zu lassen78. Lediglich, wenn die Verfügungsbeschränkungen in dem Wirtschaftsgut selbst gründen, ist der Minderwert bei der Bewertung des belasteten Wirtschaftsguts zu berücksichtigen79. Eine undifferenzierte Behandlung von gesellschaftsvertraglichen Verfügungsbeschränkungen ist sicherlich nicht sachgerecht. Es wäre wünschenswert, wenn die vorstehenden Überlegungen hinsichtlich der Einfluss- bzw. Änderungsmöglichkeiten des einzelnen Gesellschafters auch steuerrechtlich gewürdigt würden. In einer Vorauflage zu dem Bewertungsleitfaden der OFD wurde für die Anteilsbewertung noch ein 5 %-iger Abschlag diskutiert, wenn neu in die Gesellschaft eingetretene Gesellschafter oder aber auch die verbliebenen Gründungsgesellschafter nicht (mehr) in der Lage wären, die Verfügungsbeschränkungen zu beseitigen80. Dieser Gedanke wurde in der 4. Auflage ersatzlos gestrichen81. Gleichwohl dürfe ein Ansatzpunkt für die Berücksichtigung von Verfügungsbeschränkungen sicherlich unter dem Stichwort eingeschränkte Fungibilität82 zu suchen sein. Verfügungsbeschränkungen können entweder in Form eines pauschalen Abschlags von einem quotal ermittelten Gesamtkanzleiwert oder durch Zuschlag auf den Kapitalisierungszinssatz berücksichtigt werden. U.E. sollte der Werteffekt der geringeren Fungibilität aus Transparenzgründen als Abschlag von dem vorläufig ermittelten Kanzleiwert dargestellt und begründet werden. Festzuhalten ist, dass die Diskussion über eine sachgerechte Berücksichtigung von Verfügungsbeschränkungen quer über unterschiedliche Bewertungsanlässe noch am Anfang steht. 74 75 76 77 78 79 80 81 82
Vgl. Gürsching, L./Stenger, A. (2008), § 9 BewG, Anm. 98. Vgl. BFH (2005), S. 848. Vgl. BGH (1979), S. 231. Vgl. BGH (2002), S. 1396 f., für den Fall einer Mitarbeiter-Beteiligungs-KG. Vgl. BFH (1967), S. 668; BFH (2005), S. 848. Vgl. BFH (2008), S. 46, in Bezug auf eine gesetzliche, einjährige Veräußerungssperre. Vgl. OFD Düsseldorf und Münster (2005), Pkt. 3.4.2. Vgl. OFD Rheinland (2007), Pkt. 3.4.2. Vgl. Gampenrieder, P./Behrendt, A. (2004), S. 85 ff.; Zieger, M./Schütte-Biastoch, S. (2008), S. 598.
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10.5.4 Unternehmerrisiko Ein unternehmerisches Engagement ist stets mit Risiken und Chancen verbunden. Die Übernahme dieser unternehmerischen Unsicherheit (des Unternehmerrisikos) lassen sich Marktteilnehmer durch Risikoprämien abgelten. Wie die Mitteilungen der Versicherungswirtschaft über Haftpflichtfälle in steuerberatenden und wirtschaftsprüfenden Berufen einerseits und die bis zur Existenzvernichtung gehenden Beispiele der letzten Zeit anderseits zeigen, ist die freiberufliche Tätigkeit mit erheblichen (Haftungs-)Risiken verbunden. Da der Unternehmenserfolg in hohem Maße auch vom Renommee einer Kanzlei anhängt, darf eine vordergründige zivil- und gesellschaftsrechtliche Haftungsbeschränkung nicht über den Umfang des unternehmerischen Risikos hinwegtäuschen. Bei einem Eintritt in eine bestehende Kanzlei ist daher das Risikomanagementsystem hinsichtlich der künftigen Mitgesellschafter ebenso zu würdigen, wie die Frage der zeitlichen Abgrenzung für Haftungsrisiken vor dem Eintritt. Eine bloße Erhöhung der geforderten Eigenkapitalkosten für die Barwertberechnung greift hier zu kurz. Nach Auffassung der Bundessteuerberaterkammer empfiehlt es sich, im Übertragungsvertrag zu regeln, dass der Übergeber den Übernehmer von jeglicher Inanspruchnahme durch Dritte freistellt, sofern es sich um Handlungen aus seiner beruflichen Tätigkeit, also um Handlungen vor der Praxisübergabe, handelt. Der Übergeber sollte ausdrücklich erklären, dass er hierfür die alleinige Verantwortung übernimmt83. Vergleichbare Regelungen zur Abgrenzung von Altfällen werden sich in Gesellschaftsverträgen finden, durch die neu eintretende Gesellschafter im Innenverhältnis von einer etwaigen Haftung frei gestellt werden.
10.5.5 Bemessung des Ergebniszeitraums Im Rahmen der Ertragswertberechnung wird in aller Regel eine unbegrenzte Lebensdauer des zu bewertenden Unternehmens unterstellt84. Bei einer Großkanzlei wird man aufgrund der Vielzahl der Gesellschafter auch von einer unbegrenzten Lebensdauer ausgehen können. Die Personengebundenheit des Erfolgs und damit die für freiberufliche Dienstleistungen typische Verknüpfung an die Arbeitsund Lebensleistung des Einzelnen geht damit nicht verloren, sondern wird teilweise kompensiert. Der Ergebniszeitraum im Sinne der Lebensdauer für die Barwertberechnung einer Gesamtkanzlei variiert in Abhängigkeit der Mandanten-, Mitarbeiter- sowie Führungs- und Organisationsstrukturen. Problematischer als die Festlegung des Ergebniszeitraums für die Gesamtkanzlei ist es, den individuellen Einfluss eines potenziellen Teilhabers abzugrenzen. Anders formuliert stellt sich die Frage, ob der individuelle Ergebniszeitraum deckungsgleich mit dem Gesamtergebniszeitraum ist. Bis zu dem Eintritt in eine vermögensrechtliche Stellung innerhalb der Kanzlei war der potenzielle Teilhaber bereits eine Reihe von Jahren tätig und ist, anders als der Aufbau einer losgelösten selbstständigen Existenz, bereits Teil der internen und externen Kanzleistruktur geworden. Je nach Perspektive lassen sich aus dieser Tatsache unterschiedliche Schlussfolgerungen ziehen. Ein potenzieller Teilhaber wird argumentieren, dass ein Teil der Mandatsbeziehungen und Kanzleierfolge bereits auf der eigenen beruflichen Tätigkeit beruhen und somit nur noch ein Rest des Goodwills zu erwerben und damit zu vergüten sei. Bildlich gesprochen reduziert dies den relevanten individuellen Ergebniszeitraum. Aus Sicht der Kanzleiinhaber sind die bisherigen Erfolgsbeiträge bereits durch die laufende Vergütung abgegolten und die Einräumung der Vertrauenssituation durch eine Wettbewerbsklausel abgesichert. Konsequenterweise wäre damit der der gesamte Goodwill zu vergüten. Welcher Perspektive man eher zuneigt, ist sicherlich von der jeweiligen Stellung abhängig. Die unterschiedlichen Auswirkungen bei einer abweichenden Festlegung des Ergebniszeitraums für die Ertragswertermittlung des Kanzleiwertes und die eines Anteils sind nachstehend beispielhaft dargestellt: 83 84
Bundessteuerberaterkammer (2006), Abschn. 5.2.3.3, S. 7. Vgl. IDW S 1 i.d.F. 2008, Tz. 85.
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nachhaltiger Kanzleierfolg
TEUR
Rentenbarwertfaktor Lebensdauer, implizite (in Jahren) Kapitalisierungszinssatz (vor ESt) Ertragswert der Kanzlei/des Anteils davon 5%
TEUR TEUR
Gesamt 5%-Anteil 2.500 125 4,00 4,5 12,0%
2,40 3,0 12,0%
10.000 500
300
Abb. 10-7: Einfluss des Ergebniszeitraums auf den Anteilswerts
In Abhängigkeit vom Ergebniszeitraum (Lebensdauer) ergeben sich die unterschiedlichen Rentenbarwertfaktoren (gerundet). Während bei einer Anteilsbewertung, die quotal vom Gesamtunternehmenswert ausgeht, der Wert eines 5 %-igen Anteils bei TEUR 500 liegen würde, ergibt die direkte Ermittlung aufgrund des kürzeren Ergebniszeitraums einen entsprechenden Anteilswert von TEUR 300. Bei der Interpretation der Ergebniszeiträume sollten u.E. zwei Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Bei den in der Literatur als mögliche Zeiträume genannten fünf bis sechs Jahren85 ist unklar, ob diese im Sinne einer begrenzten Lebensdauer für eine ertragswertbasierte Kanzleibewertung herangezogen werden können. Dies hängt entscheidend von der Definition bzw. Berechnung des „nachhaltigen Kanzleierfolgs“ ab. Erst eine Größe nach Abzug eines angemessenen Unternehmerlohns kann hier in einen Ertragswertkalkül einbezogen werden. Die damit verbundene Verlängerung des Ergebniszeitraums passt auch besser zu typischen Zeiträumen für die Tilgung eines fremdfinanzierten Kanzleibzw. Anteilserwerbs. Ein Erwerber bzw. neu in die Kanzlei eintretender Gesellschafter wird bei seinen Grenzpreisüberlegungen nicht nur berücksichtigen, dass der nach Tätigkeitsvergütung verbleibende Überschuss ausreicht, um den Kapitaldienst darzustellen, sondern auch zum Ausdruck bringen, dass er nur für einen überschaubaren Zeitraum bereit sein wird, die Kaufpreisschuld abzutragen. Ergänzt werden können diese Überlegungen um steuerliche Wirkungen, sofern der erworbene Praxiswert abgeschrieben werden kann86. Der Käufergrenzpreis steigt dabei um den abgezinsten Abschreibungsvorteil. Einschränkend ist darauf hinzuweisen, dass mit dem temporären Steuervorteil abschreibungsbedingt eine Reduzierung der steuerlichen Anschaffungskosten einhergeht, die mit einem latenten Steuernachteil in Form einer certeris paribus höheren Veräußerungsgewinnbesteuerung bei einem späteren Austritt aus der Kanzlei verbunden ist87.
10.5.6 Kapazitätsauslastung Erlösplanungen für Dienstleistungsunternehmen werden oftmals aus dem Produkt der fakturierbaren Stundenkapazität und den durchschnittlichen Honorarsätzen abgeleitet. Da ferner ein Großteil der Ausgaben (im Wesentlichen Personalaufwendungen und Mieten) unabhängig von der Kapazitätsauslastung anfallen88, ergibt sich eine Gewinnfunktion, die in hohem Maße von der Auslastung der vorhandenen Kapazität abhängt. Der bei der traditionellen Umsatzmethode unterstellte lineare Zusammenhang zwischen Umsatz und Erfolg bildet dies nicht zutreffend ab. Für die Prognose künftiger Erfolge sind folglich Annahmen über die Kapazitätsauslastung zu treffen. In Abhängigkeit vom Dienstleistungsspektrum können diese Annahmen einen unterschiedlichen Sicherheitsgrad aufweisen, wobei speziell im Projektgeschäft eine geringere Planungssicherheit gegeben ist. 85 86 87 88
Vgl. Knief, P. (1978), S. 26; Breidenbach, B. (1991), S. 51; Englert, J. (1997), S. 144. Vgl. hierzu allgemein: Wagner, F. (2007), S. 935. Vgl. Popp, M. (2008), S. 941. Vgl. Peemöller, V. H./Bömelburg, P./Hoferer, G. (1994), S. 918.
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10.5.7 Verwässerungseffekt Im Zusammenhang mit z.B. Aktienoptionen kann es zu einer Verminderung des Unternehmenswerts je Aktie kommen, soweit dieser vor Ausübung des Optionsrechts höher ist als der Ausübungspreis der Option (Verwässerungseffekt). Die Formulierung eines als „attraktiv“ angesehenen Einstiegsangebots in eine Kanzlei kann – aus Sicht der bisherigen Kanzleiinhaber – wie eine Option zu einem solchen Verwässerungseffekt bei der Ausweitung des Gesellschafterkreises führen, wie nachfolgendes Beispiel (Abb. 10-8) zeigt:
vorläufiger Gesamtkanzleiwert Anzahl bisheriger Kanzleianteile vorläufiger Gesamtkanzleiwert je Anteil
TEUR Stück TEUR
10.000 100 100
Ausstehende Anteilsrechte (Option) Ausübungspreis je Anteil Barmittelzufluss
Stück TEUR TEUR
5 60 300
Gesamtkanzleiwert nach Ausübung der Option Anzahl Kanzleianteile nach Ausübung Option Wert je Anteil nach Verwässerung
TEUR Stück TEUR
10.300 105 98,10
Verwässerungseffekt je Anteil Verwässerungseffekt gesamt
TEUR TEUR
1,90 –190
Abb. 10-8: Verwässerungseffekt
Bei der ökonomischen Interpretation des Verwässerungseffekts ist zu bedenken, dass die bisherigen Gesellschafter als rational handelnde Akteure mit dem Angebot einer attraktiven Einstiegsoption die notwendige Personalentwicklung auch in ihrem ureigensten Interesse betreiben und das Verbleiben von Leistungsträgern sicherstellen. Der Verwässerungseffekt ist quasi als Schattenpreis für die rechtliche Selbstständigkeit der Kanzlei anzusehen. Die Frage, ob der Gesellschafterkreis in absehbarer Zeit überhaupt erweitert werden soll, wird sich jedoch an übergeordneten Überlegungen und Einschätzungen des künftigen Entwicklungspotenzials der Kanzlei ausrichten.
10.5.8 Veräußerungsgewinnbesteuerung So rustikal die tatsächlichen Methoden zur Bestimmung des Kaufpreises auch sein mögen, spätestens wenn es um die Veräußerungsgewinnbesteuerung geht, greift die berufsübliche Sorgfalt wieder Platz. Der Natur nach kann die Veräußerungsgewinnbesteuerung nur bei transaktionsbezogenen Bewertungsanlässen89 eine Rolle spielen. Für den Fall der Veräußerung eines nicht gewerblichen Einzelunternehmens bzw. eines Anteils an einer Personengesellschaft (GbR, PartG) muss der potenzielle Unternehmensverkäufer, der nach der Veräußerung mindestens die gleichen Erfolge erzielen will wie bei (gegenwärtiger und künftiger) Nichtveräußerung, berücksichtigen, dass sich in Höhe der Veräußerungssteuer die wieder anlegbaren Mittel vermindern90. Das inklusive Unternehmen erziel89 90
Vgl. Wagner, F. (2007), S. 929–937; hierzu ausführlich: Kunowski, S./Popp, M. (2009), S. 964 ff. Vgl. Moxter, A. (1983), S. 179; Wagner, F./Rümmele, P. (1995), S. 433–441; Wagner, F. (2008), S. 839 f.
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10 Bewertung von Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzleien bare Nutzenniveau wird nach dem Unternehmensverkauf nicht mehr erreicht. Der Grenzpreis eines solchen Veräußerers erhöht sich um die Steuerzahlung. Formal lässt sich der Zusammenhang wie folgt beschreiben: Der Grenzpreis, sprich die Preisuntergrenze des Veräußerers entspricht der Summe aus dem subjektiven Wert und der Veräußerungssteuer. Letztere hängt neben dem Steuersatz wieder von dem Veräußerungsgewinn und damit auch dem gesuchten Grenzpreis ab.
bzw. umgeformt:
Beispiel: Bei einem vorläufigen Unternehmenswert von TEUR 1.000, einem Kapitalkonto von TEUR 50 und einer effektiven steuerlichen Belastung der Veräußerung in Höhe von 26,6 % (unter Berücksichtigung eines ermäßigten Steuersatzes von 25,2 % zzgl. SolZ) erhöht sich der Grenzpreis des Verkäufers um die Veräußerungssteuer von TEUR 344,0 auf TEUR 1.344,0. Der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG von maximal TEUR 45 wird in dem Zahlenbeispiel durch die Höhe des Veräußerungsgewinns vollständig aufgezehrt. Wie die Kontrollrechnung zeigt, sind die wieder anlegbaren Mittel mit TEUR 1.000 dann wieder auf dem ursprünglichen Niveau.
Grenzpreis Verkäufer ./. Buchwert des Kapitalkontos = Veräußerungsgewinn ./. Freibetrag = Bemessungsgrundlage ./. ermäßigter Steuersatz (56 % von 45 %) ./. Solidaritätzuschlag = nach Steuer verfügbar beim Verkäufer
25,20% 5,50%
TEUR 1.344,0 –50,0 1.294,0 0,0 1.294,0 –326,1 –17,9
TEUR 1.344,0
–326,1 –17,9 1.000,0
Abb. 10-9: Veräußerungsbesteuerung
In aller Regel wird der Nachteil aus der Veräußerungsgewinnbesteuerung schwerer wiegen als der abgezinste Abschreibungsvorteil, so dass der seitens des Veräußerers geforderte Wert über dem Betrag liegt, den der Erwerber zu zahlen bereit wäre. Inwieweit diese Mehrforderungen durch z.B. Abschreibungsvorteile91 beim Erwerber kompensiert werden können, ist eine Frage der individuellen Kaufpreisverhandlungen. Die steuerliche Optimierung der Kaufpreismodalitäten wie Ratenzahlungen, Leibrenten, die verzögerte Festlegung des Übertragungsstichtags z.B. bis zur Erreichung der Altersgrenze von 55 Jahren gemäß § 18 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 4 EStG erstreckt sich auf ein weites Feld und wird regelmäßig in die Vertragsverhandlungen einfließen. Ohne diesen Punkt hier weiter vertiefen zu wollen, sei auf die unterschiedlichen steuerlichen Folgen des Erwerbs von Kanzleianteilen hingewiesen. Für einen Käufer und damit den subjektiven Grenzpreis 91
Vgl. Knief, P. (2009), S. 606.
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Matthias Popp ist es von erheblicher Bedeutung, ob Anteile an einer Kanzlei in der Rechtsform einer Kapital- oder Personengesellschaft erworben werden sollen92.
10.6 Primat der Kaufpreisanpassung über die Wertermittlung Aus dem Bereich der transaktionsorientierten Unternehmensbewertung bzw. kautelarjuristischen Begleitung von Unternehmenskäufen und -verkäufen sind umfangreiche Maßnahmen zur Absicherung gegen Risiken des Unternehmenskaufs geläufig. Der Grad der Übernahme von Risiken bzw. der Schutz vor Risiken durch Gewährleistungen hat unmittelbaren Einfluss auf die Fixierung des Kaufpreises. Wenn der Käufer spezielle Risiken nicht zu tragen hat, werden diese nicht durch Abschläge vom Unternehmenserfolg oder (höhere) Zuschläge beim Kapitalisierungszins in die Wertermittlung einfließen. Typische Absicherungsstrategien für den Käufer können sein93: • Umfassende Due Diligence-Untersuchungen • Plausibilisierungshandlungen für die Planung • Einbehalt eines Teil des Kaufpreises mit Auflagen (earn-out-Klauseln)94 • Vereinbarung von Gewährleistungen und Garantien durch den Verkäufer Die Durchführung einer Due Diligence-Untersuchung ist zu einem festen Bestandteil im Rahmen von Unternehmenstransaktionen geworden. Die detaillierte und systematische Erhebung und Analyse von unternehmensbezogenen Daten kann dabei wichtige Hilfestellungen bei der Erfassung von Risiken bieten. Der Durchführung einer Due Diligence bei einer Kanzleiübertragung steht dabei die Verschwiegenheitspflicht entgegen. Steuerberater wie Wirtschaftsprüfer haben ihren Beruf verschwiegen auszuüben (§ 57 Abs. 1 StBerG, § 43 Abs. 1 WPO). Im Zusammenhang mit Übertragungen von Kanzleien ist die Durchführung einer Due Diligence wohl noch nicht gängige Praxis. Zur Sicherstellung der vom Verkäufer abgegebenen Gewährleistungen und Garantien wird oftmals ein Teil des Kaufpreises treuhänderisch hinterlegt. Die Freigabe der hinterlegten Mittel erfolgt dann, wenn nach Ablauf der vertraglich fixierten Frist keine Mängel geltend gemacht wurden. Durch die typischerweise anzutreffende Fixierung auf die Übertragung des erworbenen Mandantenstamms finden sich in praxi häufig Kaufpreisanpassungsklauseln, wenn die damit verbundenen Umsatzerwartungen nach der Übertragung nicht eingetreten sind.95 Aus Wirtschaftlichkeits- und Praktikabilitätsgründen sind solche Kaufpreisanpassungsklauseln positiv zu beurteilen, da sie einen Großteil der Bewertungsmängel im Vorfeld der Praxisübertragung kompensieren.
10.7 Literatur Ballwieser, W. (2004): Unternehmensbewertung, München 2004 Behringer, S. (2008): Bei Bewertung einer freiberuflichen Praxis mit dem Ertragswertverfahren, Steuern und Bilanzen, 10. Jg. (2008), S. 145–149 BFH (1967): Urteil vom 11. Juli 1967, BStBl. 1967 III, S. 666–668 BFH (2004): Urteil vom 16. September 2004, Der Betrieb, 57 Jg. (2004), S. 2455–2457 BFH (2005): Urteil vom 12. Juli 2005, BStBl. 2005 II, S. 845–848 BFH (2008): Urteil vom 28. Oktober 2008, BStBl. 2009 II, S. 45–47 BGH (1979): Urteil vom 10. Oktober 1979, NJW 33. Jg. (1980), S. 229–231 BGH (1986): Urteil vom 1. Oktober 1986, NJW, 40. Jg. (1987), S. 321–322 92 93 94 95
Vgl. Bundessteuerberaterkammer (2007), Abschn. 4.2.1, S. 10. Vgl. Helbing, C. (2009), S. 245. Vgl. Bruski, J. (2005), S. 27. Vgl. Bundessteuerberaterkammer (2007), Abschn. 4.2.1, S. 5, zu unterschiedlichen Varianten.
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10 Bewertung von Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzleien BGH (1988): Urteil vom 9. Mai 1988, GmbH-Rundschau, 79. Jg. (1988), S. 431–434 BGH (1991): Urteil vom 16. Dezember 1991, NJW, 45. Jg. (1992), S. 892–896 BGH (1998): Urteil vom 25. November 1998, NJW, 52. Jg. (1999), S. 784–788 BGH (2002): Urteil vom 11. Dezember 2002, NJW, 56. Jg. (2003), S. 1396–1397 BGH (2008): Urteil vom 6. Februar 2008, NJW, 61. Jg. (2008), S. 1221–1225 Breidenbach, B. (1991): Überlegungen zur Ermittlung des Wertes einer Steuerberaterpraxis, Deutsches Steuerrecht, 29. Jg. (1991), S. 47–53 Bruski, J. (2005): Kaufpreisbemessung und Kaufpreisanpassung im Unternehmenskaufvertrag, Betriebs-Berater Special 7 zu Heft 30 (2005), S. 19–29 Bundesärztekammer (2008): Hinweise zur Bewertung von Arztpraxen (Stand 9. September 2008), Deutsches Ärzteblatt, 105. Jg. (2008), S. A 2778–A 2780 Bundessteuerberaterkammer (1990): Hinweise der Bundessteuerberaterkammer für die Ermittlung des Werts einer Steuerberaterpraxis, in: Berufsrechtliches Handbuch, Loseblattsammlung Stand: Juli 2004, Punkt 4.2.1 Bundessteuerberaterkammer (2006): Hinweise der Bundessteuerberaterkammer für die Praxisübertragung, in: Berufsrechtliches Handbuch, Loseblattsammlung Stand: Juni 2008, Punkt 5.2.3.3 Bundessteuerberaterkammer (2007): Hinweise der Bundessteuerberaterkammer für die Ermittlung des Werts einer Steuerberaterpraxis, in: Berufsrechtliches Handbuch, Loseblattsammlung Stand: Juni 2007, Punkt 4.2.1 BVerfG (2006): Beschluss vom 29. November 2006, Die Aktiengesellschaft, 51. Jg. (2007), S. 119– 121 Drukarczyk, J./Schüler, A. (2009): Unternehmensbewertung, 6. Aufl., München 2009 Englert, J. (1997): Die Bemessung von rechtlichen Abfindungsansprüchen bei Wirtschaftsprüfungsund/oder Steuerberatungsgesellschaften, Die Wirtschaftsprüfung, 50. Jg. (1997), S. 761–767 Englert, J. (2009): Bewertung von Steuerberaterkanzleien und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, in: Peemöller, V. H. (Hrsg.), Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, 4. Aufl., Herne, Berlin 2009, S. 719–733 Ernst, D./Schneider, S./Thielen, B. (2008): Unternehmensbewertungen erstellen und verstehen, 3. Aufl., München 2008 Gampenrieder, P./Behrendt, A. (2004): Zur Sinnhaftigkeit von Fungibilitätszuschlägen, Unternehmensbewertung & Management, 2 Jg. (2004), S. 85–91 Goetzke, W. (1976): Bewertung freiberuflicher Praxen, BFuP, 28. Jg. (1976), S. 525–542 Gratz, K. (1987): Bewertung von Freiberufler-Praxen bei Veräußerung und Auseinandersetzung, Der Betrieb, 40. Jg. (1987), S. 2421–2426 Gürsching, L./Stenger, A. (2008): Kommentar Bewertungsrecht BewG ErbStG, Köln, Loseblattsammlung, Stand August 2008 Haarmann, W. (1997): Strategische Fragestellungen für eine multidisziplinäre internationale Kanzlei, in: Haarmann, Hemmelrath & Partner (Hrsg.), Gestaltung und Analyse in der Rechts-, Wirtschaftsund Steuerberatung von Unternehmen, Köln 1997, S. 605–622 Helbing, C. (2009): Absicherungsstrategien gegen Risiken des Unternehmenskaufs, in: Peemöller, V. H. (Hrsg.), Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, 4. Aufl., Herne, Berlin 2009, S. 243–251 Institut der Wirtschaftsprüfer (2000): Wirtschaftsprüferhandbuch Bd. I, 12. Aufl., Düsseldorf 2000. Institut der Wirtschaftsprüfer (2002): Wirtschaftsprüferhandbuch Bd. II, 11. Aufl., Düsseldorf 2002. Institut der Wirtschaftsprüfer (2006): Wirtschaftsprüferhandbuch Bd. I, 13. Aufl., Düsseldorf 2006.
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Matthias Popp Institut der Wirtschaftsprüfer (2008): IDW Standard: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S 1 i.d.F. 2008), Die Wirtschaftsprüfung – Supplement 3, 61. Jg. (2008), S. 68–89 Institut der Wirtschaftsprüfer (2008): Wirtschaftsprüferhandbuch 2008 Bd. II, 13. Aufl., Düsseldorf 2007 Jasper, U. (2003): § 25 Die Anteilsvererbung, in: Priester, H.-J./Mayer, D. (Hrsg.), Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 3 Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 2. Aufl., München 2003 Kleber, P. (1989): Prognoseprobleme in der Unternehmensbewertung, Wiesbaden 1989 Knief, P. (1978): Neue Ansätze zur Bewertung von Wirtschaftsprüfer- und Steuerberaterpraxen, Deutsches Steuerrecht, 16. Jg. (1978), S. 21–27 Knief, P. (2009): Zur Bewertung von Steuerberaterpraxen ab 1.1.2009, Deutsches Steuerrecht, 47. Jg. (2009), S. 604–606 Kunowski, S./Popp. M. (2009): Berücksichtigung von Steuern, in: Peemöller, V. H. (Hrsg.), Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, 4. Aufl., Herne, Berlin 2009, S. 941–976 Luhmann, N. (1968): Zweckbegriff der Systemrationalität, Tübingen 1968 May, B. (2004): Bemessung des Ergebniszeitraums bei der Bewertung von Arztpraxen, Unternehmensbewertung und Management (2004), S. 474–478 Mentz, A. (2007): Eigenkapitalausweis nach ED IAS 32 und der Abfindungsanspruch des Gesellschafters einer Personenhandelsgesellschaft, Deutsches Steuerrecht, 45. Jg. (2007), S. 453–460 Moxter, A. (1983): Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, 2. Aufl., Wiesbaden 1983 Oberfinanzdirektionen Düsseldorf und Münster (2005): Leitfaden, Bewertung von (Anteilen an) Kapitalgesellschaften für ertragsteuerliche Zwecke, 3. Fassung, (Stand: September 2002, letzte Anpassung Juni 2005), SIS 07 19 62 Oberfinanzdirektion Rheinland (2007): Leitfaden, Bewertung von (Anteilen an) Kapitalgesellschaften für ertragsteuerliche Zwecke, 4. Fassung, (Stand: Januar 2007), SIS 08 08 41 OLG Köln (1999): Urteil vom 26. März 1999, Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht, 2. Jg. (1999), S. 1222–1228 OLG Stuttgart (2006): Beschluss vom 8. März 2006, Die Aktiengesellschaft, 51. Jg. (2006), S. 420– 428 Olbrich, M./Olbrich, C. (2008): Unternehmensbewertung im Zugewinnausgleich, Der Betrieb, 61. Jg. (2008), S. 1483–1485 Palandt/Brudermüller, G. (2009): Bürgerliches Gesetzbuch, 68. Aufl., München 2009 Peemöller, V. H./Bömelburg, P./Hoferer, G. (1994): Ansätze zur Ertragswertermittlung von Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzleien, Deutsches Steuerrecht, 32. Jg. (1994), S. 914–920 Piltz, D. (1994): Rechtspraktische Überlegungen zu Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen, Betriebs-Berater, 49. Jg. (1994), S. 1021–1027 Piltz, D. (2007): Partnerschaft und freiberufliche GbR im Zugewinnausgleich, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge, 14. Jg. (2007), S. 301–305 Peemöller, V. H. (2009): Anlässe der Unternehmensbewertung, in: Peemöller, V. H. (Hrsg.), Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, 4. Aufl., Herne, Berlin 2009, S. 17–28 Pfeiffer, W./Weiß, E. (1994): Lean Management, 2. Aufl. Berlin 1994 Popp, M. (1997): Bewertung ertragsteuerlicher Verlustvorträge, München 1997 Popp, M. (2009): Vergangenheits- und Lageanalyse, in: Peemöller, V. H. (Hrsg.), Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, 4. Aufl., Herne, Berlin 2009, S. 169–207
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10 Bewertung von Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzleien Popp, M. (2008): Ausgewählte Aspekte der objektivierten Bewertung von Personengesellschaften, Die Wirtschaftsprüfung, 61. Jg. (2008), S. 935–944 Schmidt, J (1997): Unternehmensbewertung mit Hilfe strategischer Erfolgsfaktoren, Frankfurt a.M. 1997 Schmidt, L. (2008): Kommentar zum EStG, 27. Aufl., München 2008 Sieben, G./Russ, W. (2002): Prüfungsgesellschaften, Organisation von, in: Ballweise, W./Conenberg, A./v. Wysocki, K. (Hrsg.), Handwörterbuch der Rechnungslegung und Prüfung, 3. Aufl., Stuttgart 2002, Sp. 1790–1798 Then Berg, W. (1985): Besonderheiten der Preisfindung für Kleinunternehmen und freiberufliche Praxen, Die Wirtschaftsprüfung, 38. Jg. (1985), S. 171–174 Wagner, F. (1994): Unternehmensbewertung und vertragliche Abfindungsbemessung, BFuP, 46. Jg. (1994), S. 477–498 Wagner, F. (2007): Der Einfluss der Besteuerung auf zivilrechtliche Abfindungs- und Ausgleichsansprüche bei Personengesellschaften, Die Wirtschaftsprüfung, 60. Jg. (2007), S. 929–937 Wagner, F./Rümmele, P. (1995): Ertragsteuern in der Unternehmensbewertung, Die Wirtschaftsprüfung, 48. Jg. (1995), S. 433–441 Wehmeier, W. (2007), Unternehmensbewertung: Das „angelehnte“ Ertragswertverfahren, Die Steuerberatung, 50. Jg. (2007), S. 436–442. Wichers, K. (2009): Besonderheiten bei der Bewertung von Anteilen an Unternehmen, in: Peemöller, V. H. (Hrsg.), Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, 4. Aufl., Herne, Berlin 2009, S. 631–640 Zieger, M./Schütte-Biastich, S. (2008): Gelöste und ungelöste Fragen bei der Bewertung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), Finanz-Betrieb, 10. Jg. (2008), S. 590–601
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11 Die Bewertung von Software-Unternehmen Von Marcus O. Klosterberg* 11.1 Die Branche der Softwarehersteller aus Investorensicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1.1 Größe, Wachstum und Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1.2 Branchenbesonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1.3 Unternehmenscharakteristika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Unternehmensbewertung in der Softwarebranche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.1 Anlässe, Motivation und Ziele der Bewertung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.2 Verfahren zur Bewertung von Software-Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.2.1 Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.2.2 Substanz- und periodenerfolgsorientierte Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.2.3 Zahlungsstromorientierte Verfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.2.4 Vergleichsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.2.5 Realoptionsverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
255 256 258 262 264 264 264 265 266 268 269 271 272 273
11.1 Die Branche der Softwarehersteller aus Investorensicht Venture Capital-Investitionen in Software-Unternehmen erreichten in den USA in 2008 ein Volumen von 4,9 Milliarden US Dollar. In Europa wurde im selben Jahr ein Volumen von 1,4 Milliarden Euro in Softwarehersteller investiert. Computer-Software stellt damit aus Sicht der Investoren einer der größten Einzelbereiche dar, sowohl gemessen am Investitionsvolumen als auch gemessen an der Zahl der Investitionen (PWC/NVCA 2009, S. 3; EVCA 2009, S. 12). Software-Unternehmen zu bewerten gilt gemeinhin als ein schwieriges Unterfangen. Zeigt die Erfahrung doch, dass Unternehmen der Softwarebranche einer vergleichsweise hohen Volatilität unterliegen. Gerade diese Volatilität aber birgt nicht nur hohes Risiko, sie ist auch Ausdruck besonderer Chancen, die sich mit Investitionen in den Softwaremarkt verbinden. Die Aufgabe, den Wert eines Softwareherstellers möglichst exakt zu bestimmen, entbehrt daher nicht eines besonderen Reizes. Der vorliegende Beitrag beschreibt grob die Struktur und auch die Eigenheiten der Softwarebranche aus Sicht einer Person, die im Rahmen einer Finanzanlage-Investition mit der Aufgabe der Bewertung von Softwareherstellern betraut ist. Im Anschluss werden die bekanntesten Bewertungsverfahren vor diesem Hintergrund auf ihre Eignung untersucht. Dann folgt eine kurze Zusammenfassung.
*
Dr. Marcus O. Klosterberg, DCCG Deutsche Consulting & Coaching GmbH, Stuttgart.
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Marcus O. Klosterberg Biotechnologie
Kommunikation Hardware
Medizinische Geräte & Instrumente
Kommunikation Carrier
Andere mit Elektronikbezug Internettechnologie Computer Halbleiter Computer Hardware Computer Dienstleistung
Computer Software
Abb. 11-1: Private Equity Investitionen in 2004 in Europa, unterteilt nach Technologiesektoren (Arundale, S. 7)
11.1.1 Größe, Wachstum und Struktur Der weltweite Softwaremarkt zeigt mittlerweile eine beachtliche Größe und ist damit ein nicht mehr wegzudenkender Teil des Dienstleistungssektors.
SOFTWARE MARKET BY SUB-SECTOR, 1997–2003 Revenue $b CAGR 1997–2000 %
CAGR 2000–03 1%
CAGR 1997–2000 14%
178
174
177
183
CAGR 2000–03 %
14
1
13
2
11
-2
20
1
154 135 119 77
Applications
67 58
86
(49%)
88
(48%)
(50%)
(49%)
(20%)
System infrastructure
(26%)
(25%)
(26%)
1997
1998
1999
30
82
(47%)
(50%)
Application development and deployment
31
83
(47%)
34
(25%) 34
38
42
42
40
(24%)
(24%)
(22%)
40
(22%)
(25%) 39
53
50
51
55
(30%)
(29%)
(29%)
(30%)
2000
2001
2002
2003
Abb. 11-2: Strukturelle Aufteilung der Umsätze des globalen Softwaremarktes von 1997 bis 2003 (DTI 2004, S. 34)
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11 Die Bewertung von Software-Unternehmen Abb. 11-2 zeigt, dass der weltweite Markt in 2003 einen Umfang von 183 Mrd. US Dollar eingenommen hat. Die Statistik zeigt auch, dass mit der zunehmenden Größe die Dynamik des Gesamtmarktes zurückgegangen ist. Die Zeiten außergewöhnlichen Wachstums über die gesamte Branche hinweg sind vorerst vorbei. Die letzten Jahre weisen ein eher moderates Wachstum auf. Die Softwarebranche hat trotz Wachstums in den letzten Zeiten vielfache Konsolidierungszyklen durchlaufen. Daraus resultiert eine angebotsseitige Marktverteilung, die wenigen großen Unternehmen einen bedeutenden Marktanteil zuschreibt. Darüber hinaus wird die überragende Stellung der USA in der Softwareherstellung sichtbar (Abb. 11-3).
GLOBAL SOFTWARE MARKET CONCENTRATION, 2002 Top 20 players 100% = £118b
37 Rest
Top 10
56 7 Next 10
t Microsoft t IBM t Oracle t SAP t Computer Asc. t Fujitsu t HP t Sun t Hitachi t Veritas t EMC t PeopleSoft t Symantec t Siebel t BMC t Adobe t SAS t Intuit t Cadence t Siemens
U.S. companies
Market share % 14.6 8.4 4.1 2.6 1.7 1.3 1.2 1.1 1.0 0.8 0.8 0.8 0.8 0.8 0.7 0.7 0.7 0.6 0.6 0.6
Abb. 11-3: Weltweite Herstellerkonzentration in der Softwarebranche (DTI 2004, S. 24)
In der Bundesrepublik Deutschland ist der Anteil der Softwarebranche am Bruttoinlandsprodukt weniger bedeutend als in den USA, hat sich aber dennoch durch das stetige Wachstum der letzten Jahre auf 14,7 Mrd. Euro zu einem signifikanten Anteil entwickelt. Ein stetig moderates Wachstum ist auch in der Bundesrepublik zu erkennen und wird ebenso für die nahe Zukunft erwartet.
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Abb. 11-4: Volumen verschiedener ITK-Segmente in der Bundesrepublik Deutschland (BITKOM 2008), *Stand: Dezember 2008
11.1.2 Branchenbesonderheiten Dynamik Auch wenn die relativ moderaten Wachstumsraten im Softwaremarkt nicht darauf schließen lassen, die Dynamik der Branche ist ungebrochen. Sie zeichnet sich durch drei wesentliche Aspekte aus, die Branchenteilnehmer auf Anbieter- wie Abnehmerseite in Atem halten: • kurze Produktlebenszyklen, • geringe Zeitabstände zwischen aufeinander folgenden Produktversionen und • hohe Innovationsrate, also eine große und stetige Anzahl neuer Technologien, Entwicklungswerkzeuge, Prozesse und Standards. Die Gründe dieser ungebrochenen Dynamik liegen insbesondere in der zunehmenden Konvergenz von Informations-, Kommunikations- und Medientechnologien. Eine Vielfalt an neuen Verbindungs- und Kommunikations- und Darstellungsmöglichkeiten, neue Gerätetypen und neue bzw. weiterentwickelte Standardisierungen verändern Nachfrage- und Angebotsstruktur permanent. Hinzu kommt, die nach wie vor bestehende Gültigkeit des empirischen Moore’schen Gesetzes. Es besagt, dass sich die Komplexität eines integrierten Schaltkreises alle 18–24 Monate verdoppelt. Primär gilt diese Aussage für die Computer-Hardware. Der Konnex zur Softwarebranche bildet sich dadurch, dass für die kontinuierlich weiterentwickelte Hardware beständig leistungsfähigere Applikationen gefordert und angeboten werden. Darüber hinaus verändern sich die Leistungsbeziehungen in der Softwarebranche durch neue Wege der Softwarevermarktung. Cloud Compating ist die wesentlichste der neuen Vermarktungsformen. Sie lässt die Grenze zwischen Produktanbietern und Dienstleistern noch unschärfer werden und generiert zudem eine Reihe neuer Geschäftsmodelle und Marktnischen. Die Unternehmen im Softwaremarkt müssen aufgrund der vielfältigen und kontinuierlichen Veränderungsprozesse dynamisch, flexibel und in vielen Fällen auch innovativ und kreativ sein, um sich langfristig im Markt behaupten zu können. Entwicklungs- versus Produktionskosten Software-Entwicklung und -vermarktung ist ein Geschäft, das hohe Anfangsinvestitionen erfordert, deren Rückflüsse mit erheblicher zeitlicher Verzögerung eintreten. Gerade im Vergleich mit der Herstellung materieller Güter weist die Softwareherstellung eine deutlich unterschiedliche Verteilung der
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11 Die Bewertung von Software-Unternehmen Herstellungskosten auf Entwicklungs- und Produktionsphasen auf. Die Produktionsphase ist in der Softwareherstellung kostenmäßig vernachlässigbar, da die variablen Produktionsstückkosten praktisch unerheblich sind. Die Aufwände für das Pressen einer CD oder die Herstellung einer Umverpackung sind im Vergleich zu den (anteiligen) Entwicklungskosten vernachlässigbar gering. In dieser Relation steckt denn auch der Grund für das enorme, in manchen Fällen exponentielle Ertragspotenzial eines einmal erfolgreich eingeführten Softwareproduktes. Die Vervielfältigung des Produkts erzeugt im Gegensatz zu materiellen Gütern kaum zusätzliche Kosten. Im Gegenzug zeigt sich die Entwicklung von Softwareprodukten als vergleichsweise kostenintensiv. Zwar bedarf es in der Regel keiner größeren Aufwände für Entwicklungs- und Testinfrastrukturen, wie bei der Entwicklung materieller Güter. Die erforderlichen Aufwände für das notwendige spezialisierte Personal, die aufgrund der oben beschriebenen hohen Dynamik geringe „Time to Market“ und die nach wie vor bestehende Unausgereiftheit von Basistechnologien, Werkzeugen und Entwicklungsprozessen, lassen die Kosten einer Softwareproduktentwicklung in die Höhe schießen. Bedeutung immaterieller Güter Eine Eigenheit der Softwarebranche ist der im Vergleich mit anderen Branchen hohe Anteil an Forschungs- und Entwicklungsaufwänden. Sie steht in engem Zusammenhang mit dem Verhältnis von Entwicklungs- zu Produktionsaufwänden. Die Entwicklung von Software ist der Kern der Wertschöpfung eines Software-Unternehmens. Für sie wird regelmäßig der größte Teil der Investitionen aufgewendet. Aufgrund ihres immateriellen Charakters sind die Ergebnisse dieser Wertschöpfung, die Softwareprodukte, in einigen Fällen nicht aktivierbar, auf jeden Fall aber schwer zu bewerten. Das deutsche HGB schließt die Bilanzierung eigener immaterieller Entwicklungsleistungen aus. Die bedeutenden internationalen Rechnungslegungen IFRS und US-GAAP hingegen schreiben eine Aktivierung vor (vgl. IAS 38.45 und SFAS 86). Hier verlagert sich das Problem auf die sachgerechte Bewertung der selbstentwickelten Softwareprodukte. Da Software keinen Materialwert hat, liegt die Bewertung allein im Spannungsverhältnis zwischen Herstellungskosten und nachfragebedingtem Marktwert. Die Herstellungskosten der Software können genau festgestellt werden. Sie stehen jedoch in keinem berechenbaren Verhältnis zu dem mit der Software erzielbaren Erlös. Die Aussagekraft der Herstellungskosten in Bezug auf die Werthaltigkeit einer selbstentwickelten Software muss daher kritisch beurteilt werden. Den Marktwert festzustellen ist hingegen schwer, da intime Kenntnisse des Marktes, seiner Nachfrage- und Wettbewerbsstruktur sowie deren Veränderungen im Zeitablauf erforderlich sind. Aufgrund der Dynamik des Softwaremarktes ein mit hohen Unsicherheiten behaftetes Unterfangen. Patentsituation In anderen Bereichen wie zum Beispiel Medizin und Biotechnologie kann bei der Bewertung selbst erstellter Forschungs- und Entwicklungsleistungen regelmäßig auf Patente und deren Verwertungsmöglichkeiten zurückgegriffen werden. In der Softwarebranche ist dieser Rückgriff mit bedeutenden Schwierigkeiten verbunden und teilweise nicht möglich. Die Vergabe von Patenten auf Software-Entwicklungen wird international unterschiedlich gehandhabt. In Deutschland und der Europäischen Union sind Software-Entwicklungen nur unter bestimmten Bedingungen patentierbar. In den Vereinigten Staaten und in Japan hingegen kann potenziell jede Software patentiert werden. In Deutschland können Computerprogramme bei strenger Auslegung nach aktueller Gesetzeslage nicht patentiert werden. Die Rechtsprechung zeigt jedoch für bestimmte Computerprogramme Ausnahmen auf. Demnach sind – kurz gefasst und etwas verallgemeinert dargestellt – Softwareprodukte dann patentierfähig, wenn sie einen Bezug zum ingenieurwissenschaftlichen Bereich, die so genannte Technizität aufweisen. Diese Voraussetzung erfüllen zum Beispiel Entwicklungen aus den Bereichen digitale Signalverarbeitung, Steuerungs- und Regelungstechnik oder CAD/CAM. Nicht patentierfähig sind hingegen Programmierwerkzeuge oder Systeme aus dem Office-Bereich wie Tabellenkalkulation, Textverarbeitung. Die Rechtsprechung und auch die Praxis der Patentämter weist in der Frage der Patentierbarkeit von Computerprogrammen keine einheitliche, transparente und nachvollziehbare Behandlung auf. Dies wirkt sich auch auf die Verwertung und
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Angaben gemäß Pressemitteilung der BSA vom 18. Mai 2005.
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11 Die Bewertung von Software-Unternehmen Aus Sicht einer Unternehmensbewertung muss die Softwarepiraterie differenziert betrachtet werden. Ihr Einfluss hängt wesentlich mit der anvisierten Kundengruppe und der Produktart des Unternehmens zusammen. Je konsumentenorientierter ein Softwareprodukt vermarktet wird und je standardisierter es eingesetzt werden kann, desto größer ist die negative Wirkung der Softwarepiraterie auf das Umsatzpotenzial des Unternehmens. Wendet das Unternehmen Schutzmaßnahmen gegen Softwarepiraterie an, wie Kopierschutz oder ein Lizenzschlüsselsystem, so müssen die entsprechenden Aufwände berücksichtigt werden. Globales Sourcing Kaum eine Wertschöpfung ist so wenig ortsgebunden wie die Software-Entwicklung. Grundsätzlich ist es nicht erforderlich, dass die an der Entwicklung beteiligten Personen an einem Ort arbeiten, regelmäßig zusammen kommen, oder in einer bestimmten Nähe zueinander tätig sind. Bestes Beispiel hierfür sind viele Open Source Projekte, die von einer Vielzahl an Entwicklern vorangetrieben werden, die ausschließlich über das Internet kommunizieren und Leistungen austauschen. In vielen Fällen haben sich die Beteiligten dieser Projekte nie gesehen oder direkt miteinander gesprochen. Diese Unabhängigkeit von Ort (und Zeit) in der Software-Entwicklung ist eine optimale Voraussetzung für eine kostenmäßige Steuerung der Allokation der Ressourcen im globalen Sinne. Software kann in vielen Fällen direkt dort entwickelt werden, wo die weltweit günstigsten geeigneten Ressourcen zu finden sind. Und so haben viele Software-Unternehmen Entwicklungsstandorte in Osteuropa, Indien oder Südostasien aufgebaut. Die Entwicklungskosten können dort aufgrund der wesentlich geringeren Personalkosten erheblich reduziert werden. Dies gilt für große genauso wie für mittelständische Unternehmen. Diese Flexibilität in der Allokation der Entwicklungsressourcen findet ihre Grenzen, wenn besondere Infrastrukturen erforderlich sind. Das kann zum Beispiel bei Lasttests von Software für Echtzeitsteuerungen der Fall sein. Erfordert die Software-Entwicklung eine intensive und häufige Abstimmung mit Kunden, schränkt dies ebenfalls die Allokationsalternativen ein. Aus Sicht einer Unternehmensbewertung kann globales Sourcing Vorteile versprechen. Ein zu bewertendes Unternehmen nutzt gegebenenfalls die globalen Möglichkeiten zur kostenoptimalen Entwicklung oder, es kann durch entsprechende Allokation weitere Vorteile aufbauen. Zum anderen sind die globalen Sourcing-Alternativen Ausdruck eines weltweiten Kostenwettbewerbs, dem ein Unternehmen ausgesetzt ist und in dem es sich behaupten muss. Vertrieb und Distribution Als immaterielles Gut kann Software nicht nur über das Internet angeboten und verkauft, sondern auch distribuiert werden. Auch hier waren Open Source Projekte Vorreiter. Mittlerweile gibt es viele Internetportale, auf denen zehntausende von Softwareprodukten angeboten werden. Die Produkte können direkt nach Kauf herunter geladen werden. Viele Softwarehersteller vertreiben zudem ihre Produkte über die eigene Website. Ein Standard-Softwareprodukt, dessen Installation keiner individuellen Integration bedarf, kann daher mit vergleichsweise geringen Mitteln und ohne logistischen Aufwand an Kunden verteilt werden – und das weltweit. Die Beschränkungen eines Produktvertriebs im Softwaremarkt sind demnach mehr im Marketing und insbesondere bei konsumentenorientierten Produkten in der Lokalisierung der Software zu sehen. Aus Sicht der Unternehmensbewertung fördert die einfache und unaufwendige Distribution von Software die Umsatzchancen eines einmal erfolgreich eingeführten Produktes. Eine weltweite Vermarktung und Distribution kann ohne den langwierigen und teueren Aufbau internationaler Handelskanäle und Absatzwege vorgenommen werden. Bestehen bleibt freilich die Herausforderung, in jedem erklärten Absatzgebiet Kunden für das Softwareprodukt zu gewinnen, also sie über Produkt und Hersteller zu informieren, ihr Vertrauen zu gewinnen und die Kaufentscheidung herbei zu führen.
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11.1.3 Unternehmenscharakteristika Neben den Besonderheiten der Branche und des Geschäfts mit Software lässt sich bei Betrachtung der softwareherstellenden Unternehmen eine Reihe von Charakteristika beobachten, die bei einer Unternehmensbewertung ebenfalls eine ausgewogene Berücksichtigung finden sollten. Wie häufig bei Aussagen über eine Allgemeinheit sind die nachfolgenden Darstellungen als Tendenz- oder Trendbeschreibung zu verstehen, die für viele, sicherlich aber nicht für alle Marktteilnehmer gelten oder anwendbar sind. Einkunftsarten Software-Unternehmen können Umsätze auf unterschiedlichen Wegen erzielen. Neben der Vermarktung des Softwareprodukts selbst, können um dieses Produkt herum angeordnete Dienstleistungen zusätzliche Umsatzquellen darstellen. Die gängigen Wege der Produktvermarktung sind der (einmalige) Lizenzverkauf, Vermietung und Leasing sowie die Vermarktung von Upgrades, also neuen Versionen, die ein umfangreicheres Funktionsspektrum bieten. In Zusammenhang mit einem eingeführten Softwareprodukt werden zumeist daran gekoppelte Dienstleistungen angeboten. Dazu zählen Wartung (über die Gewährleistung hinausgehende Fehlerbeseitigung), Support (Unterstützung der Anwender bei Einsatz des Produktes), Professional Service (jegliche Art von Dienstleistung, die mit dem Produkt in Zusammenhang steht; häufig in Form von Projekteinsätzen) oder Application Service Providing bzw. Cloud Computing (Betrieb und Bereitstellung der Software für Dritte). Eine zusammenfassende Darstellung zeigt Abb. 11-5.
Abb. 11-5: Umsatzquellen eines Software-Unternehmens
Darüber hinaus kann in der Softwarebranche, wie auch in anderen Märkten, ein einmal etablierter Vertriebskanal zum Kunden für Cross Selling genutzt werden. Einproduktunternehmen Software-Unternehmen, insbesondere jüngere Firmen, sind vielfach Einproduktunternehmen. Sie vermarkten nur ein Produkt beziehungsweise ein Produktbündel. Diese Einteilung ist auch dann
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11 Die Bewertung von Software-Unternehmen relevant, wenn auf Basis eines Produkts die verschiedenen Umsatzquellen rund um das Erzeugnis, wie oben dargestellt, genutzt werden. Einproduktunternehmen sind einer besonderen Risikostruktur ausgesetzt. Der gesamte Unternehmenserfolg ist von der Entwicklung eines einzigen Produktes und seines Marktes abhängig. Sollte dieser Markt oder dieses Produkt nicht die Erwartungen erfüllen, sind die investierten Mittel häufig verloren. Die Gründe einer solchen Fehlentwicklung können vielfältig sein. Beginnend bei einer Nachfrageverschiebung, über das Aufkommen von Substituten, reicht das Ursachenspektrum bis zum Eintritt vielfacher Wettbewerber in den Markt. Hinzukommen können die Entstehung einer hochwertigen Open Source Alternative, oder insbesondere in den USA, patentrechtliche Probleme. Selbst wenn sich ein benachbartes Segment oder eine verwandte Marktnische als alternatives Geschäftsfeld aufzeigt, ist ein Umschwenken nur mit hohem Aufwand und Zeitverzug, also mit zusätzlichen Investitionen und erweitertem Risiko möglich. Junge Unternehmen Motor der außergewöhnlichen Dynamik in der Softwarebranche ist ein ungebrochener Schub durch vielfältige Innovationen. Viele der Innovationen und der daraus entstehenden Produktentwicklungen werden in jungen Unternehmen umgesetzt. In der Regel sind diese eigens für die Umsetzung der initialen Produktidee gegründet worden, sei es als Spin-Off eines größeren Unternehmens oder einer Forschungseinrichtung oder auch durch selbständige Neu-Unternehmer. Diese jungen SoftwareUnternehmen sind bis heute vielfach Objekte von Investitionen aus dem Wagniskapitalbereich.2 Ihre Bewertung ist besonders schwierig, da die jungen Unternehmen eine Reihe zusätzlicher Risikofaktoren aufweisen, denen aber auch besondere Chancen gegenüberstehen. Junge Software-Unternehmen haben, insbesondere wenn sie von Entrepreneurs gegründet wurden, die nicht viel mehr als die Produktidee und ihre eigene Entwicklungskapazität einbringen, in der Regel keine Reserven aufzuweisen. Ihre Überlebenschancen sind aufgrund der vorab zu leistenden Investitionen in die Produktentwicklung und -vermarktung stark konjunkturbedingt. Die Erfahrung zeigt, dass junge Unternehmen mit Software-Innovationen es in Zeiten konjunktureller Seitwärtsoder Abwärtsbewegung schwer haben, zahlende Kunden zu finden. Hinzu kommt bei Unternehmen dieser Art eine häufig anzutreffende Technikorientierung der Gründer, die gleichzeitig die Geschäftsführung stellen. Sie geht regelmäßig einher mit einem Mangel an Führungserfahrung in Bezug auf Mitarbeiter wie Unternehmen und schließt ebenso geringe Kenntnisse in Vertrieb und Marketing ein. Die in der Anfangsphase dieser Unternehmen zwingend erforderliche Konzentration auf eine zügige Produktentwicklung und die Kundenakquise führt in manchen Fällen zu Mängeln in der internen Organisation und Ordnung. Regelmäßige Konsequenz ist ein Finanzwesen, das ausreicht, um den gesetzlichen Mindestanforderungen gerecht zu werden, aber nicht in der Lage ist, aussagekräftige Finanzkennzahlen zur Verfügung zu stellen. Zudem hängt der Fortbestand dieser Unternehmen erfahrungsgemäß stark an Einsatz und Verfügbarkeit einzelner Kernkompetenzträger. Fallen diese Mitarbeiter aus oder verlassen das Unternehmen, gelingt es den jungen Unternehmen häufig nicht, das verloren gegangene Know-how zügig zu ersetzen. Trotz aller Risiken versprechen junge Softwarehersteller vielfach ein exponentielles Wachstumspotenzial und damit auch exponentielle Wertsteigerungen. So verwundert es nicht, dass auch in 2004 rund 70 % aller Private Equity Investitionen in Europa im Softwarebereich der Frühphasen- und Expansionsfinanzierung dienten (Arundale 2005, S. 10). Wirkung der Wagniskapitalfinanzierung Wagniskapital spielt weltweit in der Entwicklung junger Software-Unternehmen eine große Rolle und dies bereits seit einigen Jahren.3 Ohne Zweifel fördert die Bereitschaft der Investoren in Softwarehersteller zu investieren Anzahl und Durchsetzung der Innovationen. Aus Sicht einer Unternehmensführung kann die Durchdringung eines Marktes mit Wagniskapital aber auch vom Segen zum Fluch mutieren. Die Erfahrung zeigt, dass Unternehmen mit Wagniskapital im Rücken beim Kampf 2 3
PwC zählte in 2004 in Europa 304 Seed-, Start-Up- oder Early Stage-Investitionen (Arundale 2005, S. 10). PwC zählte allein in den USA in den Jahren 1995 bis 2004 über 10.000 Early-Stage-Investments in Softwarefirmen (www.pwcmoneytree.com).
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Marcus O. Klosterberg um Aufträge ein anderes Angebots- und Wettbewerbsverhalten aufweisen als solche, deren kurz- und mittelfristiges Überleben vom Erzielen regelmäßiger positiver Cash Flows abhängig ist. Das Verhalten wagniskapitalfinanzierter Entrepreneurs kann als besonders aggressiv bezeichnet werden, da der Gewinnung von Referenzkunden und Umsatzvolumen häufig mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird als der kurz- oder mittelfristig profitablen Geschäftsentwicklung. Die Investition in ein Marktsegment, auf das viele Kapitalgeber ihr Augenmerk gelegt haben, ist demnach doppelt problematisch. Zum einen erhöht die Zahl der Kapitalanbieter den Preis, den ein Investor zu zahlen hat, im Sinne von sinkenden Gesellschaftsanteilen. Zum anderen wird es in einem solchen Markt aufgrund der besonderen Wettbewerbskonstellation für das einzelne Unternehmen schwieriger, kurz- und mittelfristig profitabel zu agieren.
11.2 Unternehmensbewertung in der Softwarebranche „Ein Unternehmen kompetent bewerten heißt, seine Erfolgspotenziale kompetent beurteilen. Nicht die intime Kenntnis finanzmathematischer Verfahren und entscheidungstheoretischer Modelle macht den Unterschied zwischen einer guten und einer schlechten Unternehmensbewertung aus, sondern die Fähigkeit zur Einschätzung von Produkten, Märkten und Strategien. Die konsistente Anwendung der Rechentechnik ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für eine sachgerechte Unternehmensbewertung.“ (Bretzke 1988, S. 813/821/823). Das vorausgeschickt konzentriert sich dieses Kapitel auf die Untersuchung verschiedener bekannter Methoden der Unternehmensbewertung in Hinblick auf eine Eignung bzw. Nicht-Eignung für Wertermittlungen in der Softwarebranche.
11.2.1 Anlässe, Motivation und Ziele der Bewertung Die Anlässe und mit ihnen die Motivationen zur Bewertung von Software-Unternehmen sind unterschiedlich. Studien aus den USA und Europa zeigen übereinstimmend, dass Investitionen in SoftwareUnternehmen zum Zwecke der Finanzanlage eine überragende Bedeutung zukommt (Lefteroff 2005, S. 2; Arundale 2005, S. 3). Darüber hinaus weißt die Softwarebranche eine große Zahl an M&ATransaktionen auf (Morgan 2005, S 4).4 Eine relativ klare und transparente Motivation weißt die Unternehmensbewertung im Rahmen einer Finanzanlage auf. Hier geht es im Regelfall darum, einen aktuellen und einen zukünftigen, sachlich gerechtfertigten Unternehmenswert zu ermitteln. Bei Mergers & Acquisitions spielen neben der Wertentwicklung des Unternehmens selbst weitere Überlegungen und Erwartungen eine Rolle. Seien dies Synergieeffekte, Veränderungen in der Wettbewerbsstruktur oder persönliche Interessen einzelner Beteiligter. Auch bei Nachfolgeregelungen, zum Beispiel über Buyouts und Buyins ist die Interessenlage regelmäßig differenzierter. Die nachfolgenden Analysen gehen von einer Zielstellung aus, die allein daran orientiert ist, den aktuellen, respektive zukünftigen Wert eines Unternehmens aus Sicht eines Finanzinvestors zu ermitteln. Die zu bewertenden Unternehmen werden dabei als selbständig am Markt agierende Subjekte betrachtet. Synergie-Effekte mit anderen Unternehmen, der Einfluss veränderter Marktkonstellationen oder die Bedeutung machtpolitischer Interessen werden nicht betrachtet; auch wenn solche Einflüsse regelmäßig wesentliche Komponenten der Entscheidungsfindung im Rahmen einer Transaktion darstellen.
11.2.2 Verfahren zur Bewertung von Software-Unternehmen Nachfolgend werden die bekanntesten Bewertungsverfahren auf ihre Eignung bei oben genannter Zielstellung und unter Berücksichtung der Besonderheiten in der Softwarebranche untersucht. Dazu 4
In 2004 wurden 455 und damit 49 % aller weltweit gezählten M&A-Transaktionen in den Sektoren Software und IT-Services getätigt. Das Volumen betrug 38 Mrd. US$ (Morgan 2005, S. 4).
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11 Die Bewertung von Software-Unternehmen werden zuerst wesentlich Faktoren, die in vielen Methoden wiederkehren, betrachtet und anschließend die unterschiedlichen Ansätze analysiert.
11.2.2.1 Faktoren CAPM Das Capital Asset Pricing Model dient der Bestimmung der Eigenkapitalkosten einer Investition. Das Modell berücksichtigt das Risiko einer Anlage über Marktrisikoprämie und Betafaktor β. Zur Bestimmung dieser Faktoren für die Softwarebranche kann auf verschiedene breite Indizes zurückgegriffen werden. Diese bilden die Entwicklung öffentlich notierter Unternehmen ab. Zu erwähnen sind beispielhaft der Dow Jones US Software Index, der GSO Index von Goldman Sachs und der DAXsector Software Performance-Index der Deutschen Börse AG.
Abb. 11-6: Charts verschiedener Sektor-Indizes der Softwarebranche
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Marcus O. Klosterberg Die Charts zeigen die Volatilität der Softwarebranche in den letzten zehn Jahren auf. Erkennbar ist auch, wie unterschiedlich die im Rahmen des CAPM zu berechnende Marktrisikoprämie in Abhängigkeit vom herangezogenen Zeitraum ausfällt (vgl. Ernst 2005, S. 56). Der Betafaktor der Softwarebranche kann durch Vergleich der Varianzen dieser Indizes mit denen marktbreiter Indizes ermittelt werden. Hier können Vergleiche mit TecDAX, EuroStoxx, NASDAQ oder Dow Jones relevant sein. Geht es darum, die durchschnittliche Entwicklung nicht börsennotierter Unternehmen in der Softwarebranche festzustellen, können die mit Hilfe dieser Indizes berechneten Werte nur als Näherungen verwendet werden. Börsennotierte Software-Unternehmen sind in der Regel größer und reifer als nichtnotierte Softwarehersteller. Zusätzliche Aufschläge für Marktrisiko und Volatilität erscheinen daher berechtigt, führen aber auch zu einer weiteren Subjektivierung der Wertberechnungen. WACC Der Weighted Average Cost of Capital Ansatz dient der Berechnung der Kapitalkosten, sofern Fremdkapital in relevantem Ausmaß zur Unternehmensfinanzierung eingesetzt wird. Fremdkapital, insbesondere Bankkredite, sind bei Software-Unternehmen, zumal bei jungen Unternehmen ohne Reserven, ein heikles Thema. Mit anderen Worten: diese Unternehmen bekommen Bankkredite wenn überhaupt, nur gegen persönliche Haftung der Gesellschafter. Etablierte Software-Unternehmen erhalten bei Bonitätsbestimmungen durch Banken aufgrund der Branchenzugehörigkeit regelmäßig ein niedrigeres Rating als Unternehmen anderer Sektoren mit vergleichbaren Unternehmenskennzahlen. Aufgrund der Standardisierung der Bonitätsberechnungen durch Basel II hat diese Aussage zumindest für Europa Allgemeingültigkeit. Entsprechend höher fallen die Kreditkosten aus, was mittels WACC berechnete Unternehmenswerte überproportional sinken lässt. Bei der Berechnung eines Unternehmenswertes unter Zuhilfenahme der WACC wird regelmäßig von einer zukünftigen Zielkapitalstruktur ausgegangen (vgl. Ernst 2003, S. 50). Die Zielkapitalstruktur beschreibt die im Unternehmen erwartete oder angestrebte Kapitalstruktur. Bei Softwareherstellern ist dabei zu überprüfen, in wie weit das Unternehmen die Entwicklung zukünftiger Produktversionen oder gänzlich neuer Produkte aus dem eigenen Cash Flow finanzieren kann. Aufgrund der Dynamik des Softwaremarktes besteht in vielen Produktbereichen die Notwendigkeit, mittels regelmäßiger Produkt-Upgrades auf der Höhe des Marktes zu bleiben. Dies kann, insbesondere in den Anfangsphasen eines Unternehmens, zu einem nachhaltig hohen Bedarf an Kapitalerhöhungen oder Außenfinanzierungen führen. Entsprechende Planungen sollten daher bei der Berechung der WACC in die Bestimmung der Zielkapitalstruktur(en) eingehen.
11.2.2.2 Substanz- und periodenerfolgsorientierte Verfahren Substanzwertverfahren Die Eignung von Substanzwertverfahren ist auf die Situationen beschränkt, in denen die vorhandenen Unternehmenswerte bedeutender sind als zukünftige Ertragswerte. Solche Situationen sind natürlich auch für Softwarehersteller denkbar. Wie aber kann der gegenwartsbezogene Substanzwert eines Software-Unternehmens ermittelt werden? Unter der Prämisse der Unternehmensfortführung werden bei Substanzwertverfahren die Aufwände für eine identische Reproduktion des Unternehmens ermittelt und addiert. Für Software-Unternehmen kommt dabei nur der Vollreproduktionswert in Frage, der auch immaterielle Werte, wie die selbstentwickelten Softwareprodukte oder eigene Patente beinhaltet. Die Schwierigkeit besteht in der Ermittlung des Reproduktionswertes der Eigenentwicklungen (vgl. Collmann 2002, S. 2). Eine Möglichkeit besteht in der Bestimmung der Aufwände, die in die Entwicklung eingeflossen sind. Eine Reproduktion kann aber aufgrund fortgeschrittener Technologien und Standards deutlich geringere Aufwände aufweisen. Gegebenenfalls kann ein Teil der Entwicklungen durch fertige Open Source Komponenten ersetzt werden. Andererseits negiert eine rein aufwandbasierte Schätzung die in vielen Fällen eingeflossene Innovation, die von spezifischen Know-how Trägern abhängt, deren Know-how und Innovationskraft eben nicht ohne weiteres reproduziert werden können. Die Einschätzung dieser
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11 Die Bewertung von Software-Unternehmen Sachverhalte erfordert tiefgehendes und aktuelles Fachwissen sowie explizite Kenntnis des Knowhows der Kernentwickler. Keine Berücksichtigung bei Anwendung der Substanzwertverfahren finden immaterielle Vermögenswerte, wie zum Beispiel Qualifikation, Leistungsfähigkeit und Innovationskraft des Mitarbeiterstammes oder das in einer Anwendungsdomäne angesammelte Know-how. Und das, obwohl diese Elemente zu den zentralen Werten eines Software-Unternehmens gehören. Aufgrund der praktischen Unmöglichkeit eine objektive oder sachlich begründete Bewertung vorzunehmen, werden diese Werte in der Regel gar nicht betrachtet, was tendenziell zu niedrige Unternehmenswerte ergibt. Die Bestimmung des Wertes eines Software-Unternehmens über den Substanzwert wird damit zu einer rein subjektiven Einschätzung, die die Anforderungen an Nachvollziehbarkeit und Transparenz des Verfahrens regelmäßig nicht erfüllt. Liquidationswertverfahren Noch deutlicher wird die Tendenz einer zu niedrigen Bewertung bei der Abschätzung auf Basis von Liquidationswerten. Hierbei werden alle Werte, die sich erst aus dem Zusammenwirken der Unternehmensbestandteile ergeben, nicht berücksichtigt. Bei Softwareherstellern stellen aber gerade diese Elemente oft den einzigen nennenswerten Unternehmenswert dar. Dies gilt auch für den Fall der Insolvenz, mit dem Substanzwertbestimmung auf Basis von Liquidationswerten häufig in Verbindung gebracht wird. In diesen Fällen gilt es regelmäßig einen Käufer für den insolventen Softwarehersteller zu finden. Sofern sich Interessenten finden, sind diese aber nicht an den materiellen Vermögenswerten interessiert, sondern eben am Know-how der Mitarbeiter und dem im Unternehmen vorhandenen Wissen über spezifische Anwendungsgebiete, also den Kundenbedarf. Das Liquidationswertverfahren erfasst somit die Werte, die für den potenziellen Käufer relevant sind, überhaupt nicht. Es kann daher auch nicht als geeignet betrachtet werden. Ertragswertverfahren Aufgrund ihrer Zukunfts- und Erfolgsorientierung umgehen Ertragswertverfahren die Probleme der Substanzwertverfahren. Sie erfassen immaterielle Unternehmenswerte implizit über ihren Beitrag zum Periodenerfolg des Unternehmens. Ertragswertverfahren orientieren sich an Kennzahlen des Jahresabschlusses. Diese fallen je nach zugrunde liegendem Regelwerk (HGB, IFRS, US-GAAP) aufgrund der unterschiedlichen Behandlung selbsterstellter immaterieller Güter verschieden aus. Diese Problematik ist für Software-Hersteller besonders relevant (vgl. Kapitel 0). Ein Ertragswertverfahren auf Basis von HGB-Bilanzen kann daher kaum als geeignet betrachtet werden. Ertragswertverfahren bieten keine dedizierte Berücksichtigung von Risikofaktoren. Auch Abschläge auf die Ertragswertberechnung oder Zuschläge zum verwendeten Kapitalmarktzinssatz greifen hier zu kurz. Da Unternehmensrisiken in der Softwarebranche besonders deutlich ausgeprägt sind und somit eine differenzierende Risikobetrachtung erfordern, können die Ergebnisse des Ertragswertverfahrens nicht befriedigen. Mittelwertverfahren Mittelwertverfahren, oft auch Praktikerverfahren genannt (vgl. Wiehle 2005. S. 36), bestimmen den Unternehmenswert durch eine gewichtete Mischung aus Substanz- und Ertragswertverfahren. Zu kritisieren ist hierbei schon die regelmäßig willkürlich gewählte Gewichtung der jeweils ermittelten Unternehmenswerte bei ihrer Zusammenführung. Da die für Software-Unternehmen aufgeführten Nachteile der Verfahren bei einer derartigen Mischung kombiniert werden – ohne sich aufzuheben – kann die Kombination ebenso wenig wie die Einzelverfahren als geeignet angesehen werden. Dies gilt trotz der immer wieder ins Feld geführten Praktikabilität. Aufgrund der erheblichen Verzerrungen bei der Bewertung von Unternehmen der Softwarebranche sind Mittelwertverfahren auch nicht als Näherungswerte verwendbar.
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11.2.2.3 Zahlungsstromorientierte Verfahren Am Zahlungsstrom orientierte Verfahren haben den für Bewertungen im Softwaresektor wesentlichen Vorteil, dass immaterielle Vermögensgegenstände wie selbsterstellte Software keiner Bewertung bedürfen. Alle für die Wertschöpfung erforderlichen Vermögensgegenstände werden implizit über ihren Beitrag an der Erzielung zukünftiger Cash Flows erfasst. Hinzu kommt die im Gegensatz zu periodenerfolgsorientierten Verfahren verbesserte Unabhängigkeit von unterschiedlichen Rechnungslegungsvorschriften. So beeinflussen auch Unterschiede in der Aktivierung immaterieller Vermögensgegenstände wie eigene Patente den ermittelten Unternehmenswert nicht. Die zahlungsstromorientierten Verfahren können somit den substanz- und periodenerfolgsorientierten Methoden als grundsätzlich überlegen bewertet werden. Basis des Discounted Cash Flow Verfahrens ist die Summe der abgezinsten Cash Flows. Erzeugt ein Unternehmen im Rahmen eines mittelfristig planbaren Zeitraums keine positiven Zahlungsströme, hat es nach diesem Verfahren auch keinen (positiven) Wert. Dennoch finden sich insbesondere im Softwaresektor viele Unternehmen, darunter auch an Börsen notierte, die für die mittelbare Zukunft keine Zahlungsüberschüsse erwarten lassen und dennoch einen positiven, bisweilen nicht unerheblichen Marktwert aufweisen oder Finanzinvestoren für Investitionen gewinnen können. Der Wert dieser in der Regel jüngeren Unternehmen ergibt sich aus Erfolgserwartungen, die jenseits der mittelfristig planbaren Periode liegen. Sollen für diese weit in der Zukunft liegenden Jahre Zahlungsüberschüsse geschätzt werden, so erscheint dies aufgrund vielfältiger Unsicherheiten und Ungenauigkeiten bezüglich der Werttreiber kaum fundiert möglich. Antworten auf Fragen nach künftigen Umsätzen, Kostenstrukturen, Kapitalstrukturen sowie Managementqualität, Wettbewerbsintensität oder Konjunkturlage unterliegen insbesondere in der volatilen Softwarebranche hohen Unsicherheiten. Diese Risiken könnten durch einen entsprechend hohen Risikoabschlag auf die erwarteten positiven Cash Flows oder durch eine höhere Kapitalkostenprämie berücksichtigt werden (Beike 2000, S. 47). Vielfach bleibt dann aufgrund der pauschalen Risiko-Adjustierung zusammen mit der erheblichen Wirkung der Diskontierung trotz potenzieller zukünftiger Erfolge kein nennenswerter Unternehmensbarwert erhalten. Die Unternehmensbewertung gerät zu pessimistisch. Bei der Unternehmensbewertung mittels Discounted Cash Flow Verfahren werden die zukünftigen Zahlungsströme üblicherweise in zwei Perioden eingeteilt: einen Planungshorizont von etwa 3 bis maximal 7 Jahren und der darauf folgende Zeitraum. Für den Planungshorizont werden die Cash Flows detailliert geschätzt. Die Zahlungsströme des nachfolgenden Zeitraums werden über den so genannten Terminal Value in Form einer ewigen Rente berechnet. Die Schätzung des Terminal Value bedarf größter Sorgfalt, macht dieser Wertbeitrag doch vielfach 50 % oder mehr des berechneten Firmenwertes aus (vgl. Ernst 2003, S. 40; Wiehle 2005, S. 44). Diese Anforderung gilt insbesondere dann, wenn das zu bewertende Unternehmen aller Voraussicht nach erst nach dem Planungshorizont positive Cash Flows erzielen wird. Verfahrensbedingt ist aber die Bestimmung des Terminal Value durch die höchste Unsicherheit gekennzeichnet. Eben deshalb wird auf eine detaillierte Ermittlung verzichtet – sie würde nur zu einer Scheingenauigkeit der Wertbestimmung führen. Für die Bewertung junger Software-Unternehmen mangelt es demnach im Discounted Cash Flow Verfahren an zwei Elementen: • Es fehlt die Möglichkeit zur differenzierten Risikobetrachtung und -bewertung. Pauschale Justierungen durch Risikoaufschläge oder Renditeprämien erhöhen die Aussagekraft der Wertbeurteilung nur unzureichend und führen zu einer Übergewichtung der Risikoaversion. • Die in ferner Zukunft liegende Unternehmensentwicklung wird nur ungenügend erfasst, da die implizite Voraussetzung des Terminal Value, ein Gleichgewichtszustand mit konstanter EBITMarge, regelmäßig nicht vorausgesetzt werden kann. Für reife und insbesondere für bereits ertragreiche Unternehmen ist der Discounted Cash Flow Ansatz hingegen geeignet. Die unterschiedlichen Ausprägungen werden wiederum vor dem Hintergrund einer Anwendung im Softwarebereich untersucht.
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11 Die Bewertung von Software-Unternehmen Entity Verfahren Im Entity Verfahren wird der zur Anwendung kommende Zinsfuß nach dem WACC Verfahren berechnet. Damit nimmt die Einschätzung der zukünftigen Kapitalstruktur Bedeutung an. Diese unterliegt insbesondere bei Unternehmen der Softwarebranche Veränderungen. Es bietet sich daher an, den Planungshorizont in die Perioden einzuteilen, in denen unterschiedliche Kapitalstrukturen vorliegen werden und die jeweils anzunehmenden WACC zu berechnen. Equity Verfahren Da der Equity Ansatz den Unternehmenswert aus Sicht des Eigenkapitalgebers berechnet, wird der Flow To Equity, die dem Gesellschafter zustehenden Einzahlungsüberschüsse, zur zentralen Größe. Der Flow To Equity basiert auf dem Free Cash Flow. Dieser wird durch die Investitionstätigkeit des Unternehmens beeinflusst. Da die Softwarebranche aufgrund ihrer Dynamik kurze Investitionszyklen verlangt, schwankt der Wertansatz bei korrekter Berechnung stark mit den erforderlichen Investitionen. Hinzu kommt, dass der Investitionsbedarf in der Softwarebranche verstärkt zu Außenfinanzierungen führt. Diese müssen ebenfalls bei korrekter Anwendung des Verfahrens periodengerecht berücksichtigt werden. Verfolgt das zu bewertende Unternehmen zum Beispiel eine kontinuierliche Ausschüttungspolitik, so ergeben sich erhebliche Unterschiede zwischen den berechneten Flows To Equity und den real vorhandenen Ausschüttungen. Liegen negative Cash Flows vor, kehrt sich die implizit im Modell vorhandene Vollausschüttungshypothese um. Das Modell setzt voraus, dass die negativen Cash Flows voll durch die Kapitalgeber ausgeglichen werden. Dieser Annahme wird die Realität in der Regel nicht gerecht.5 Dividend Discount Verfahren Die regelmäßig vorhandenen Differenzen zwischen den Flows To Equity und den tatsächlichen und handelsrechtlich zulässigen Ausschüttungen werden durch das Dividend Discount Verfahren ausgeblendet. Es orientiert sich allein an den zu erwartenden tatsächlichen Ausschüttungen. Das Dividend Discount Modell kann bei der Bewertung von Softwareherstellern dann sinnvoll eingesetzt werden, wenn die zu erwartenden Ausschüttungen keinen größeren, unregelmäßigen und unsicheren Schwankungen unterliegen. Diese Voraussetzungen können für die größeren und reifen, an der Börse notierten Unternehmen angenommen werden. Bei anderen Unternehmen ist die Anfälligkeit der Dividendenpolitik gegenüber Schwankungen der Geschäftsergebnisse zu überprüfen.
11.2.2.4 Vergleichsverfahren Vergleichs- oder Multiplikatorverfahren haben sich gerade für junge Technologie-Unternehmen als zum Teil einzige Bewertungsmöglichkeit herausgestellt, da aufgrund anfänglicher hoher negativer Cash Flows, bedeutender immaterieller Vermögensgegenstände sowie der Zugehörigkeit zu jungen Branchen andere Methoden, wie das Discounted Cash Flow Verfahren, an ihre Grenzen gestoßen sind (Wiehle 2005, S. 42). Bei Anwendung von Vergleichsverfahren werden schwierige Aspekte wie • Risikoadjustierungen anlässlich hoher Unsicherheit über die Entwicklung der Werttreiber oder • die differenzierte Planung einer Unternehmensentwicklung in ferner Zukunft umgangen. Vorgehen Grundsätzlich unterscheiden lässt sich der Vergleich mit öffentlich notierten Unternehmen von dem Vergleich mit Unternehmen deren Werte im Rahmen von M&A-Transaktionen festgestellt wurden. Bei der ersten Vergleichsart schlägt die hohe Volatilität der Kurse in der Softwarebranche zu Buche. Sie ist nicht allein Ausdruck realer Wertschwankungen, sondern unterliegt zusätzlich Faktoren, die mehr dem Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage nach technologie-orientierten Titeln zuzuordnen sind (vgl. Froideveaux 2004, S. 78). Dieser Nachteil kann durch Verwendung eines durchschnittlichen Kurses einer längeren Periode ausgeglichen werden. Die zweite Vergleichsart hat den Nachteil, dass 5
Dieses Paradigma der Vollausschüttungshypothese gilt im übrigen auch für das Entity Verfahren.
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Marcus O. Klosterberg die im Rahmen von M&A-Transaktionen verhandelten Kaufpreise durch Faktoren beeinflusst sein können, die im Rahmen einer Finanzinvestition irrelevant sind. Dazu gehören die Prämie für eine Kontrollmehrheit, oder der Aufschlag für erwartete Synergien mit dem Käuferunternehmen, bzw. die Vorteile eines ausgeschalteten Wettbewerbers. Da die quantitativen Einflussfaktoren dieser Faktoren regelmäßig nicht aufgedeckt werden, können sie nur schwer eliminiert werden. Die Kunst bei der Wertbestimmung über Unternehmensvergleiche besteht im Heranziehen geeigneter Vergleichsobjekte. Hier sind zum einen die klassischen Faktoren zu beachten, die immer eine möglichst hohe Ähnlichkeit aufweisen sollten: Geschäftsmodell, Kapitalstruktur, Margen, Größe, Rechnungslegung und Steuersystem. Eine besondere Rolle in Technologiebranchen spielen Faktoren wie: Wachstum, Kundenstruktur bzw. Absatzbranche, Absatzgebiet (national/regional/global), Reifegrad des Unternehmens, Marktanteil. Darüber hinaus können spezifisch für die Softwarebranche eine Reihe weitere Ähnlichkeitskriterien aufgestellt werden. Diese sind: Umsatzstruktur, Lizenzierungspolitik, Alter des Produkttyps, Infrastrukturnähe/Einsatzbreite des Produkttyps, Produktumfang/Produktpreis, Standardisierungsgrad des Produkts. Die Zusammensatzung des Umsatzes aus den möglichen Einkommensarten eines Software-Unternehmens ist wesentlich für das Wachstumspotenzial. So können nur Lizenzumsätze ohne Personalaufbau wesentlich gesteigert werden. Die Steigerung der Service-Umsätze erfordert immer eine Ausweitung der Personalkapazität. Die Lizenzierungspolitik zeigt auf, ob Lizenzeinahmen pro Kunde regelmäßig und kontinuierlich oder in Form von unregelmäßigen Einmalzahlungen erwartet werden können. Das Alter des Produkttyps gibt Hinweise auf die zu erwartende Wettbewerbsentwicklung. Bei neuen Produkttypen sind weitere neue Wettbewerber im Markt zu erwarten. Die Infrastrukturnähe bzw. Einsatzbreite eines Softwareprodukts gibt Hinweise, wie interessant eine solche Entwicklung für die weltweite Open Source Community sein könnte. Produktumfang und -preis verhalten sich ungefähr proportional zu einander. Sie bestimmen Vertriebszyklen, Entscheidungsverhalten der Kunden und beeinflussen auch die potenziellen Kundensegmente. Der Standardisierungsgrad des Softwareproduktes gibt an, wie viele Vorleistungen für eine Verwendung des Produktes erbracht werden müssen und erlaubt auch Aussagen über den Grad an speziellem Know-how, das für den erfolgreichen Produkteinsatz erforderlich ist. Zudem ist die Standardisierung ein Gradmesser für die Attraktivität des Produktes für Softwarepiraterie. Sind diese Kriterien bei den Vergleichsunternehmen als gleich oder ähnlich zu bewerten, werden auch viele Entwicklungen in und um das zu bewertende Unternehmen vergleichbar ablaufen. Lässt sich keine vollständige Ähnlichkeit in der Vergleichsgruppe erzielen, kann durch Ab- oder Zuschläge ein Ausgleich geschaffen werden. Von diesem Mittel sollte aber nur zurückhaltend Gebrauch gemacht werden, da die Unternehmensbewertung an Nachvollziehbarkeit verliert und die Subjektivität steigt. Das Multiplikatorverfahren dient in erster Linie dem Vergleich des zu bewertenden Unternehmens mit einer Gruppe von Einzelunternehmen. Mit Hilfe von Marketmultiples, die regelmäßig von Analysten erhoben werden, ist zusätzlich der Vergleich mit dem eigenen Sektor oder dem Gesamtmarkt möglich. Alle drei Vergleiche geben spezifische Informationen und verbessern die Entscheidungsgrundlage, wenn auch bislang keine sinnvolle rechnerische Verknüpfung bekannt ist. Abb. 11-7 zeigt eine Reihe von Multiplikatoren bekannter Softwarehersteller zusammen mit den Marketmultiples der Softwarebranche, des Technologiesektors und des S&P 500 Portfolios, basierend auf Daten von Ende 2004. Oracle
SAP
Microsoft
IBM
Softwarebranche
Technologie
S&P 500
KGV (erwartet)
20,7
29,9
21,6
17,7
27,7
24,7
17,4
KGV (historisch)
23,6
34,0
21,7
19,6
33,2
29,2
19,7
Kurs/Umsatz
6,6
5,8
7,8
1,7
5,2
2,9
1,8
Kurs/Buchwert
8,1
10,8
3,9
5,5
3,9
3,5
2,9
Kurs/Cash Flow
16,2
17,9
13,9
10,4
12,9
12,2
11,7
Abb. 11-7: Multiplikatoren und Marketmultiples (Eliason 2005, S. 3)
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11 Die Bewertung von Software-Unternehmen Multiplikatoren Die Auswahl der in Literatur und Praxis zu findenden Multiplikatoren ist groß. Neben der korrekten Anwendung gilt es zu beachten, die Multiplikatoren heranzuziehen, die den Besonderheiten der Softwarebranche Ausdruck verleihen. Dazu zählt insbesondere die Dynamik. Ein Multiplikator wie das Price Earnings Growth Ratio erfasst die im Markt vorhandene Dynamik besser als das statische Kurs Gewinn Verhältnis. Cash Flow-orientierte Multiplikatoren bringen Probleme auf, wenn Unternehmen unterschiedlichen Reifegrads verglichen werden. Die typischerweise negativen Cash Flows eines jungen aufstrebenden Unternehmens mit denen eines, wenn auch gleichgroßen, aber gereiften Softwareherstellers zu vergleichen, führt zu inkonsistenten Ergebnissen. Buchwertorientierte Multiplikatoren sind insbesondere bei handelsrechtlichen Bilanzen für Softwarehersteller nicht geeignet, da sie die wesentlichen immateriellen Vermögenswerte nicht erfassen. Der Vorteil der Vergleichsverfahren liegt in der abstrakten Bewertung des Unternehmens. Über sie gelingt es auch qualitative Aspekte wie die Managementqualität oder nicht detailliert erfasste zukünftige Chancen und Risiken einzubeziehen. Auf der anderen Seite können die über Vergleichsverfahren ermittelten Unternehmenswerte nur zur Ergänzung oder für erste Näherungen verwendet werden. Sonst müsste die Frage gestellt werden, was passiert, wenn alle Marktteilnehmer sich auf durch Vergleichsverfahren ermittelte Unternehmenswerte verlassen würden.
11.2.2.5 Realoptionsverfahren Chancen und Risiken, die sich aus den zukünftigen Handlungsspielräumen eines Unternehmens ergeben, werden in keinem der bisher beschriebenen Verfahren explizit betrachtet. Gerade in der Softwarebranche, in der Dynamik, Flexibilität und Innovationskraft eines Unternehmens maßgeblich für den Erfolg verantwortlich sind, ist eine solche Betrachtung geeignet, neue Wege aufzuzeigen. Die Möglichkeit dazu bietet das Realoptionsverfahren. Realoptionen können zur Bewertung eines gesamten Unternehmens und zur Wertbestimmung ausgewählter Unternehmensteile eingesetzt werden. Die Gesamtunternehmensbewertung ist zum Beispiel bei der Entscheidung über eine Start-up Finanzierung (Seed Finanzierung) sinnvoll, wie sie nach wie vor häufig in der Softwarebranche vorkommt (Arundale, S. 10). Bei einer Seed Finanzierung ist in aller Regel mit Anschlussfinanzierungen zu rechnen, über die jeweils einzeln aufgrund der dann aktuell vorliegenden Informationen entschieden werden kann (Ernst 2003, S. 237). Die Bewertung von Unternehmensteilen mittels Realoptionen macht dann Sinn, wenn die Entwicklung verschiedener Bereiche mit unterschiedlichen Unsicherheiten belegt ist. Ein Phänomen, das bei Softwareherstellern zum Beispiel vorkommt, wenn neben einer etablierten Produktreihe ein weiteres Produkt aufgebaut und vermarktet werden soll. In diesen Fällen ist es sinnvoll, für die Bewertung des Geschäfts mit der etablierten Produktreihe ein Discounted Cash Flow Verfahren einzusetzen. Der neue, noch zu etablierende Produktbereich kann getrennt und unter expliziter Berücksichtigung der vorliegenden Unsicherheit über die Geschäftsentwicklung mittels Realoptionsansatz bewertet werden. Dieser Ansatz liefert erheblich mehr Transparenz als die klassische Gesamtbewertung mittels Discounted Cash Flow Verfahren. Bei dieser würden aufgrund des erhöhten Risikos im neuen Produktbereich die gesamten zukünftigen Cash Flows mit einem Risikoabschlag oder mit einem höheren Zinsfuß belegt werden. Die Aufteilung mittels verschiedener Bewertungsverfahren macht hingegen unterschiedliche Risiko- und Chancenstrukturen transparent. Besonders interessant wird der Realoptionsansatz für die Softwarebranche, wenn er dazu genutzt wird, das potenzielle Verhalten von Wettbewerbern zu berücksichtigen. Dies ist über die Ergänzung um spieltheoretische Ansätze möglich. Die hohe Wettbewerbsintensität und die oligopolistische Anbieterstruktur in manchen Softwareproduktkategorien kann dadurch explizit erfasst werden. Auch der Markteintritt eines Wettbewerbers, der häufig nicht durch patentrechtliche Hürden verhindert werden kann (Blind 2001, S. III f.), lässt sich dann explizit in der Unternehmensbewertung berücksichtigen. Der Nachteil des Realoptionsansatzes liegt in den notwendigen Voraussetzungen. Die vorliegende Entscheidungssituation muss einige Kriterien erfüllen, damit die impliziten Modellvoraussetzungen des Realoptionsansatzes zur Realität passen. Dazu gehört unter anderem der Optionscharakter, also
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Marcus O. Klosterberg die Mehrstufigkeit der Investitionsentscheidung. Darüber hinaus ist das Verfahren aufwendig und komplex. Dieser Aufwand ist angebracht, wenn andere Verfahren nicht zu einem eindeutigen Urteil führen.
11.3 Zusammenfassung Die Betrachtungen zeigen, dass es kein grundsätzlich bestgeeignetes Verfahren zur Unternehmenswertbestimmung in der Softwarebranche gibt. Vielmehr sind die Verfahren in Abhängigkeit von der Situation, in der sich das zu bewertende Unternehmen befindet, auszuwählen. Darüber hinaus kann es sinnvoll sein, Verfahren zu kombinieren. Den stärksten systematischen Einfluss auf die Eignung der Bewertungsverfahren hat die Stellung des Unternehmens im Lebenszyklus. Abb. 11-8 gibt einen schematischen Überblick, welche Verfahren wann geeignet sein können.
Wachstum
Reife
Relaunch
Cash Flow
Vision
Vergleichsverfahren und Discounted Realoptionen und Vergleichsverfahren Cash Flow Verfahren
Zeit DCF
DCF mit Realoptionen
Abb. 11-8: Lebenszyklusphasen mit geeigneten Wertbestimmungsverfahren
Zu Beginn des Lebenszykluses eines Software-Unternehmens eignen sich für die Unternehmenswertbestimmung das Realoptionsverfahren und das Vergleichsverfahren. Das Realoptionsverfahren ist in der Lage, Entscheidungen über Folge-Investitionen oder den potenziellen Einfluss von Wettbewerbern explizit zu erfassen. Die Vergleichsverfahren eignen sich relativ besser für Wertbestimmungen, die über die mittelfristige Planungsperiode hinausgehen. In der Wachstumsphase ermöglicht das Vergleichsverfahren hingegen die wertmäßige Annäherung eines Unternehmens an vergleichbare börsennotierte Unternehmen zu berechnen. Diese Berechnungen können über die Discounted Cash Flow Verfahren abgesichert werden. In der Reifephase eines Softwareherstellers weisen die Discounted Cash Flow Verfahren die größten Vorteile auf. Auch die Berechnung eines Terminal Values mittels ewiger Rente ist in dieser Phase regelmäßig angebracht, da die Voraussetzungen relativer Stabilität und Kontinuität erfüllt sind. Kommt ein (reifes) Unternehmen in eine schwierige Phase, in der es gilt, wesentliche Weichen zu stellen, kann der Unternehmenswert in Abhängigkeit verschiedener Handlungsoptionen wiederum gut über den Realoptionsansatz in Kombination mit einem Discouted Cash Flow Verfahren ermittelt werden.
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11 Die Bewertung von Software-Unternehmen
11.4 Literatur Arundale, K. (2005): Money for Growth – The European Technology Investment Report 2005, PwCStudie, London Beike, R. (2000): Neuer Markt und Nasdaq, Stuttgart BITKOM (2008): Kennzahlen zur ITK-Branchenentwicklung, entnommen der BITKOM-Website „Markt & Statistik“, www.bitkom.de, des BITKOM Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V., Berlin Blind, K. et al. (2001): Mikro- und makroökonomische Implikationen der Patentierbarkeit von Softwareinnovationen: Geistige Eigentumsrechte in der Informationstechnologie im Spannungsfeld von Wettbewerb und Innovation; Studie des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- Wettbewerbsrecht und des Fraunhofer-Instituts für Systemtechnik und Innovationsforschung, Karlsruhe Bretzke, W.-R. (1988): Risiken in der Unternehmensbewertung, in ZfbF 1988 Collmann, O. et al. (2002): SoftValue – ein strukturiertes Bewertungsverfahren für Software, Whitepaper Fraunhofer Institut für Software und Systemtechnik ISST, Berlin Department of Trade and Industry (DTI), Großbritannien (2004): Sector Competitevness Analysis of the Software and Computer Services Industry, London Drukarczyk, Jochen (2003): Unternehmensbewertung, 4. Aufl., München Eliason, N. (2005): Oracle Corporation – Financial Research Report, The Applied Finance Group Ltd., Fresno (CA) Ernst, D.; Schneider, S.; Thielen, B. (2003): Unternehmensbewertungen erstellen und verstehen, München EVCA (2009): EVCA 2008 Yearbook, European Private Equity & Venture Capital Association, Brüssel Froideveaux, P. (2004): Fundamental Equity Valuation, Dissertation an der Universität Fribourg (CH) Lefteroff, T.; Walden, K. (2005): MoneyTree Survey – 2004 results; PriceWaterhouseCoopers Morgan, A. (2005): Corporate Finance Insights 2005 – Technology Sector, PriceWaterhouseCoopers Wiehle, U. et al. (2005): Unternehmensbewertung – Methoden, Rechenbeispiele, Vor- und Nachteile, 2. Aufl., Wiesbaden
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12 Bewertung von Telekommunikationsunternehmen Von Sonia Rabussier* 12.1 Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2 Der Markt für Telekommunikationsdienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2.1 Bedeutung der Telekommunikationsdienste in der Volkswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . 12.2.2 Liberalisierung der Telekombranche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2.3 Wettbewerbssituation in der Telekombranche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2.3.1 Wettbewerb im Festnetzbereich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2.3.2 Wettbewerb im Breitband-Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2.3.3 Wettbewerb im Mobilfunkbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3 Bewertung in der Telekommunikationsbranche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.1 Bewertung der TK-Unternehmen: ein alltäglicher Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.2 Bewertung der TK-Unternehmen: Hauptverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.2.1 Discounted Free Cash Flow – Bewertung (Entity-Verfahren) . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.2.2 Sum-of-the-Parts-Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.2.3 Relative Bewertung mittels der Multiplikatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
275 275 275 277 278 279 281 283 285 285 286 286 289 290
12.1 Einführung Die Telekommunikation stellt einen der Grundpfeiler unserer global vernetzten Wirtschaft dar. Sie trägt zu einem erheblichen Teil zur Innovationskraft, zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit und zum Wachstum der Volkswirtschaft bei. So erklärt es sich auch, dass in der Vergangenheit die Telekomunternehmen im staatlichen Besitz waren und von staatlicher Seite gelenkt und geführt wurden. Diese Unternehmen waren dann „Monopolisten“.
12.2 Der Markt für Telekommunikationsdienste Unter den Telekommunikationsdiensten werden sowohl die Sprach- und Mobiltelefonie als auch die Datenübertragung verstanden. Die Netzinfrastruktur und die Herstellung der Endgeräte werden unter dem allgemeineren Begriff der Telekommunikation, nicht aber unter dem der Telekomunikationsdienste, eingegliedert.
12.2.1 Bedeutung der Telekommunikationsdienste in der Volkswirtschaft Nach Schätzung des Instituts für Weltwirtschaft haben die Telekommunikationsdienste in den letzten zehn Jahren über 2 % zum globalen Bruttoinlandsprodukt (BIP) beigetragen. Die weltweiten Ausgaben für private Telekommunikationsdienstleistungen betrugen 3 % der gesamten Konsumausgaben der privaten Haushalte und lagen damit deutlich hinter den durchschnittlichen Ausgaben für Tabak und Alkohol. *
Sonia Rabussier, Sal. Oppenheim, Frankfurt am Main.
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Sonia Rabussier In Europa hatte der Telekom-Sektor in 2007 ein Volumen von rund € 300 Mrd., was etwa 2 % des BIP der EU entspricht. Der Markt verzeichnete ein Wachstum von 1,9 % im Vergleich zum Vorjahr. Größter Sektor blieb der Mobilfunk mit einer Umsatzsteigerung von 3,8 % (€ 137 Mrd.), getrieben durch die schnelle Verbreitung des Mobilfunks der dritten Generation (3G). Dagegen sind die klassischen Festnetz-Telefondiensten um 5 % gesunken, da sich zunehmend Kunden den Mobilfunk- und IPDiensten zuwenden. Im Internet-Bereich hat Europa eine durchschnittliche Breitbanddurchdringung von 40 % (Quelle: BITKOM, 2008). Spitzenreiter sind die Länder Niederlande, Dänemark, Schweden und Finnland mit einem Anteil von über 60 %. Deutschland liegt auch über dem europäischen Durchschnitt mit 50 %. In Deutschland erwirtschaftete die gesamte Telekomdienstbranche in 2008 circa € 63 Mrd. Es ist ein Rückgang von 2,3 % im Vergleich zum Vorjahr, der in erster Linie auf den wettbewerbsbedingten Preisverfall sowohl im Festnetz als auch im Mobilfunk zurückzuführen ist. So lag im Jahr 2008 der Preisindex für Telefondienstleistungen (Festnetz/Internet und Mobilfunk) um 3,3 % unter dem Niveau des Vorjahres.
in Mrd. EUR 70 68
20%
17%
67,3
66,8
66,3 15%
66 64,5
63,9
64
63 62
62
10%
60,5
Umsatz in Mrd. Eur
60 7,7% 4,5%
58 56
Wachstumsrate
56,2 2,5%
54
5%
3,1% 0%
0,7% –2,3%
52
–1,5% –2,7% –5%
50
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008e
Quelle: Bundesnetzagentur (BNetzA) Abb. 12-1: Telekommunikationsdienstmarkt in Deutschland
Die wachsende Marktsättigung und weiter fallende Preise führen in der deutschen Telekommunikationsindustrie zu weiteren Übernahmen, Zusammenschlüsse und Kooperationen zwischen Netzbetreiber, da eine größere Kundenbasis zu einer besseren Netz-Auslastung führt (Skaleneffekte). Bis 2012 sollte der Umsatz für die Telekommunikationsdienste in Deutschland um 1 % im Durchschnitt sinken trotz der signifikant ansteigenden transportierten Volumina. Umsätze mit Sprachdiensten im Festnetz werden weiterhin rückläufig sein, da die Festnetzbetreiber ihre Verluste bei der klassischen
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12 Bewertung von Telekommunikationsunternehmen Sprachtelefonie nicht vollständig durch Umsatzsteigerungen mit einer wachsenden Zahl von Breitbandanschlüssen kompensieren können. Im Mobilfunk werden die Preise drastisch sinken. Der Trend zu Flatrat-Angeboten und der zunehmende Wettbewerb wird den durchschnittlichen Preis für eine Mobilfunkgesprächminute von aktuell 13 Cent bis Ende 2012 auf etwas über 9 Cent senken. Diese Umsatzrückgänge können die Anbieter nur durch neuen Erlösquellen wie IPTV (Fernsehen durch Internet), Musik- und Videodownloads und vor allem mobile Breitbanddienste kompensieren. Kunden werden neben klassischen Datenkarten und breitbandfähigen Mobiltelefonen mehr und mehr Endgeräte wie Notebooks, PDAs, MP3-Player, etc. für mobile Breitbanddienste nutzen.
in Mrd. EUR 39,1
40 37,0
37,3
37,1
38,9
38,4
37,2
37,6
36,4
35
30 26,7
28,4
27,9
26,9
26,6
24,9
25
20
27,7
23,2
Festnetz Mobilfunk
19,2
15
10 2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007 2008e
Quelle: DIALOG CONSULT-/VATM Abb. 12-2: Entwicklung der Festnetz- und Mobilfunkumsätze in Deutschland
12.2.2 Liberalisierung der Telekombranche Ihren Ursprung haben die zum Teil bis heute bestehenden monopolistischen Strukturen in der Telekommunikation bereits im 19. Jahrhundert. Die Überzeugung von der Notwendigkeit einer weitgehenden Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes geht einher mit einer recht modernen Vorstellung von der Funktionsweise desselben. Eine Vorreiterrolle spielten dabei – wie so häufig – die USA, Japan und Großbritannien. Dort wurden bereits vor mehr als zwanzig Jahren die Weichen für die Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes gestellt. So zerschlugen die USA und Großbritannien bereits 1984 ihre Telekommunikationsmonopole und privatisierten die bis dahin staatliche geführten Unternehmen AT&T bzw. British Group. Die weiteren europäischen Länder folgten diesen Beispielen dann in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrtausends. China bleibt bis heute der größte Markt, in dem die Telekommunikationsindustrie noch mehrheitlich unter staatlicher Kontrolle ist. Die Liberalisierung wird im Wesentlichen auf zwei Wegen erreicht. Zum einen wird dabei der bisherige Monopolist privatisiert und zum anderen wird der Wettbewerb durch die Abgabe von Lizenzen
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277
278
Sonia Rabussier an neue Akteure für Teilmärkte (insbesondere in den Bereichen mit neuer Technologie) oder für den gesamten Telekommarkt gefördert. Das beste Beispiel ist hierbei der Mobilfunkmarkt. Wohl jeder Markt in Europa zählt zwischenzeitlich neben dem ehemaligen Monopolisten mindestens einen weiteren Anbieter. Zahlreiche Faktoren beeinflussen den Erfolg der Liberalisierung der Telekombranche in dem jeweiligen Land. Der entscheidenste Faktor ist dabei sicherlich immer die weiterhin bestehende staatliche Regulierung des Marktes. Es stellt sich daher die grundsätzliche Frage, wie viel und welche Art von Regulierung im Telekommunikationsmarkt benötigt wird? Die Regulierungsbehörden in der Telekommunikation haben die Aufgabe, den Wettbewerb zu fördern und drauf zu achten, dass das marktbeherrschende Unternehmen – in der Regel der ehemalige Monopolist – rechtzeitig wesentliche Leistungen den Konkurrenten zur Verfügung stellt. In den einzelnen Ländern sind unterschiedliche Ausprägungen der Regulierung vorhanden. In den USA gibt es regionale, bundesstaatliche und eine nationale Regulierungsinstanzen. In Europa gibt es eine europäische und jeweils eine länderspezifische Regulierungsinstanz. Die Europäische Union gibt den Mitgliedsländern Richtlinien vor, deren Umsetzung und Ausarbeitung in nationales Recht dann in den Verantwortungsbereich der einzelnen Mitgliedsländer und den dort zuständigen Institutionen fällt. In den meisten Fällen reguliert die Regulierungsbehörde den Markt durch ein Preiskontrollsystem. Dieses System schreibt dem ehemaligen Monopolist vor, welche Preisänderungen erlaubt sind oder durchgeführt werden müssen. Üblicherweise sind diese Preiskontrollen mit den lokalen Inflationsindikatoren verknüpft. Eine Preiskontrolle von RPI + 2 % (Retail Price Index + 2 %) bedeutet dabei beispielsweise, dass die Endverbraucherpreise nicht mehr als 2 % die Inflationsrate überschreiten dürfen. Das Preiskontrollsystem gilt als ein Anreizsystem. Es wird dabei keine direkte Kontrolle über die Margen des ehemaligen Monopolisten ausgeübt. Eine Regulierung findet jedoch nicht lediglich auf der Ebene der Endverbraucherpreise statt. Auch die Preise, welche von den Wettbewerben an den ehemaligen Monopolisten für bestimmte Leistungen wie beispielsweise den Netzzugang (sogenannte Verbindungsrate oder auch interconnection rates) gezahlt werden müssen, werden reguliert. Ende Juni 2004 ist in Deutschland das neue Telekommunikationsgesetz (TKG) in Kraft getreten. In den letzten Jahren hat die Regulierungsbehörde, die „Bundesnetzagentur (BNetzA)“, weiteren Druck ausgeübt, um die Netzzugangskosten für die Wettbewerber des ehemaligen Monopolisten zu mindern. So kann die BNetzA den deutschen Ex-Monopolisten Deutsche Telekom zum Angebot bestimmter Vorleistungsprodukte verpflichten, deren Preise zudem der vorherigen Genehmigung durch die Behörde unterliegen. Wegen des dadurch entstandenen massiven Preisverfalls im Festnetz- und Mobilfunkbereich zeichneten sich in 2008 dann jedoch die ersten Deregulierungstendenzen ab. So werden voraussichtlich die Festnetz-Endkundenmärkte für nationale Verbindungen in Mobilfunk- und Festnetze vollständig dereguliert. Anderseits weitet die BNetzA ihre Regulierung auf neue Dienste und Märkte aus wie auf den Ausbau des Glasfasernetzes.
12.2.3 Wettbewerbssituation in der Telekombranche Die Wettbewerber lassen sich grob in zwei Gruppen unterteilen: die „virtuellen“ Netzanbieter und die „alternativen“ Netzanbieter. Die „virtuellen“ Netzanbieter verkaufen Minuten- oder Breitband-Kapazitäten von dem ehemaligen Monopolisten zu einem günstigeren Preis oder in einer anderer Verpackung weiter (beispielsweise United Internet). Die alternativen Netzanbieter haben entweder ihr eigenes Netz (wie Arcor in Deutschland) oder mieten das Netz von dem ehemaligen Monopolisten. Sie haben den großen Vorteil einer exklusiven Beziehung zu ihren Endkunden.
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 278
12 Bewertung von Telekommunikationsunternehmen
12.2.3.1 Wettbewerb im Festnetzbereich Die Wettbewerbssituation im Festnetzbereich ist für alle Beteiligten extrem schwierig. Ursächlich hierfür sind vor allem die stark fallenden Umsätzen in dem Segment. In 2008 machen die Festnetzumsätze nur noch 58 % des gesamten weltweiten Telekomumsatzes vs. 77 % in 1998 aus. Dieser kontinuierliche Rückgang der Umsätze im Festnetzbereich ist durch unterschiedliche Faktoren zu erklären: • Penetrationsrate über 100 % in allen gesättigten Märkten wie Nord Amerika und Westeuropa • Substitutionseffekt von Mobilfunk • Druck auf die Preise und Margen sowohl für internationale Gespräche als auch für Ortsgespräche.
Umsatzentwicklung im deutschen Festnetzbereich 6%
40 5,1% 39,1 38,9
39
4% 38,4
3,0%
2%
38
37
37,0
37,3 0,8% 37,1
37,6
Umsatz in Mrd. Eur Wachstumsrate
37,2 0%
0,2%
–0,6%
–0,5%
–1,3%
36
36,4 –2,2%
–2% –3,1% –4%
35 2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008e
Quelle: DIALOG CONSULT-/VATM Abb. 12-3: Umsatzentwicklung im deutschen Festnetzbereich
Die Zugänge der Festnetzsprachkommunikation über klassische Telefonanschlüsse (PSTN/ISDN) sowie Voice over IP (VoIP) über die Kabelfernsehinfrastruktur und über DSL-Anschlüsse haben sich in den vergangenen Jahren unterschiedlich entwickelt. Als Voice over IP oder IP-Telefonie wird das Telefonieren über Computernetzwerke mittels des Internet Protokolls (IP) genannt. Man spricht auch von IP Telefonie, Internet Telefonie oder LAN Telefonie. Während spürbar wird, dass die Bedeutung des klassischen Telefonanschluss (PSTN/ISDN) nachlässt, nimmt die VoIP-Telefonie drastisch zu. Mehr als jedes dritte Telefonat erfolgt weltweit bereits über Voice over IP. Der Hauptgrund für die rasante Entwicklung der IP-Technik ist vor allem der Preisvorteil gegenüber herkömmlichen Telekommunikationsnetzen, sowohl für Betreiber als auch für Kunden. In Deutschland ist die Anzahl der traditionellen Anschlüsse in den letzten drei Jahren stark zurückgegangen (– 8 %). Diese machen in 2008 nur noch 24 % der gesamten Anschlüsse versus noch 31 % in 2008 und 45 % in 2000 aus. Im Gegensatz dazu verdoppelte sich in 2008 der Bestand an VoIP Anschlüsse auf 3,7 Mio. Klassische Festnetzanschlüsse wurden durch die neue Technologie ersetzt.
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 279
279
280
Sonia Rabussier Anzahl der Telefonanschlüsse in Deutschland Anschlüsse in Mio. 120 107,2 100 97,2 85,7
80
79,3
Festnetz (PSTN/ISDN)
71,3 60
64,8 48,2
40
39,7
M obilnetz
56,1 59,1 39,7
VoIP
39,7 39,3
39,1
39
38,4
37,1
35,4
1,5
3,7
2007
2008e
20 0,4 0 2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
Quelle: DIALOG CONSULT-/VATM Abb. 12-4: Anzahl der Telefonanschlüsse in Deutschland Wettebewerb auf dem deutschen Festnetzmarkt Umsatz in Mrd. EUR 30 26,6 25,3 25
25,6
25
23,3
22,9
21,6
21,1
19,4 20 17,6 15
Festnetzumsatz Deutsche Telekom 14,7
15,7
13,3 13,8 11,9
15,3
13,4
Festnetzumsatz Alternative Anbieter
12,5
10
5
0 2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007 2008e
Quelle: DIALOG CONSULT-/VATM Abb. 12-5: Wettbewerb auf dem deutschen Festnetzmarkt
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 280
12 Bewertung von Telekommunikationsunternehmen Auf dem deutschen Festnetzmarkt bleibt die Deutsche Telekom auch elf Jahre nach der Liberalisierung der dominante Spieler. Laut Bundesnetzagentur verfügen alternative Festnetzbetreiber über einen Marktanteil von 40 %. Die Kabelnetzbetreiber treten jedoch verstärkt in den Wettbewerb im Festnetzmarkt ein. Sie rüsten ihr Leitungsnetz weiter auf, um den Kunden auch kostengünstige Telefon- und Internetanschlüsse anbieten zu können.
12.2.3.2 Wettbewerb im Breitband-Bereich Grundsätzlich ist Breitband ein Begriff, der, relativ zum Stand der Technik, hohe Datenübertragungsraten meint. Bei einem Breitband-Internetanschluss können „Triple-Play“-Möglichkeiten angeboten werden: TV-Übertragung, Sprach- und Daten-Telefonie (Voice over IP: Telefonie über das Internet). Kabelmodem und DSL sind und werden mittelfristig die bevorzugten Technologien für den Breitbandzugang. Diese beiden Technologien zeichnen sich durch eine große Bandbreite aus, die einen Hochgeschwindigkeitszugang zum Internet oder die Übertragung von Multimediadaten oder Video in Echtzeit erlaubt. Bei DSL (Digital Subscriber Line) werden Daten digital über Telefonleitungen über ein ZweidrahtKupferkabel übertragen. Die Reichweite von DSL beträgt aber im Höchstfall nur fünf bis sechs Kilometer und kann nur verlängert werden, wenn ein Teilstück der Verbindung aus Glasfaserkabeln besteht oder Verstärker dazwischengeschaltet werden. DSL ist fast doppelt so stark verbreitet wie das Kabelmodem. Ein internationaler Vergleich zeigt jedoch, dass sich eine hohe Breitband-Penetration nicht allein auf die Verbreitung von DSL beschränkt.
Breitbandanschlüsse je 100 Haushalte im EU-Vergleich 2007 EU-Durchschnitt
42 Breitbandanschlüsse 46
Österreich
48
Estland
50
Deutschland Belgien
56
Großbritannien
57
Luxemburg
58
Finnland
60 67
Schweden Dänemark
70
Niederlande
74 0
5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75
Quelle: BITKOM Abb. 12-6: Breitbandanschlüsse je 100 Haushalte im EU-Vergleich, 2007
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281
282
Sonia Rabussier Nachdem deutsche Haushalte jahrelang unterdurchschnittlich mit Breitband versorgt waren, hat Deutschland vor kurzem rasch aufgeholt. Die Zahl der Breitbandanschlüsse hat sich seit 2003 verdreifacht und in 2008 lag die Breitbandpenetration in Deutschland mit 50 % deutlich über dem EUDurchschnitt (40 %). Ende 2008 haben sogar 58 Prozent aller deutschen Haushalte einen schnellen Internetzugang. In den EU-Ländern mit dem höchsten Verbreitungsgrad (Dänemark, Schweden, Großbritannien) entfällt ein beträchtlicher Marktanteil auf die schnellen Internetzugängen über das Kabel. In den Niederlanden und Österreich, aber auch in den USA ist sie sogar die dominierende Zugangsart. In Deutschland bieten TV-Kabelanbieter noch keine ernsthafte Alternative zu DSL an. Und dies, obwohl Deutschland in Bezug auf die Anzahl der ans Kabel angeschlossenen Haushalte in der weltweiten Spitzengruppe liegt. Rund 93 Prozent aller Breitband-Zugänge basierten in 2008 auf DSL. Die regionalisierten Kabelnetze haben in den vergangenen Jahren stark unter dem verzögerten Verkaufsprozess der Deutsche Telekom gelitten. Das Kabelnetz war dadurch im Zeitpunkt des Verkaufs technisch gesehen veraltet. Investitionen mussten schnell und in großem Umfang getätigt werden. Die Vielzahl der Verhandlungspartner durch die Zersplitterung des Kabelmarktes in eine Netzebene 3 (Verteilernetze) und auf eine Netzebene 4 (Hausanschlussnetze) mit ihren vielen Hundert unabhängigen Betreibern stellt dabei ein massives Hindernis dar. Selbst eine flächendeckende Aufrüstung des Netzes auf der Netzebene 3 sichert noch keine Vermarktungsmöglichkeiten zu Endkunden, da diese überwiegend direkte Kunden von den Netzebene 4-Betreibern sind. Trotzdem versuchen alle großen Kabelnetzbetreiber Breitband über Kabel vor allem zusammen mit neuen innovativen digitalen TV-Angeboten an zu bieten. Im Breitband-Geschäft hat sich das Kun-
Wettbebewerb auf dem deutschen Breitbandmarkt Anschlüsse in Mio. 2008e
10,6
10,3
2007
9,0
9,5
2006
7,1
7,3
2005
6,4
4,1
2004 1,2 2003
5,6 4,0
2002
1,6 1 DSL außer DT Deutsche Telekom DSL Kabel
0,49
0,24 0,15
0,07
3,0
2001
1,8 0
5
10
15
20
25
Quelle: BNetzA Abb. 12-7: Wettbewerb auf dem deutschen Breitbandmarkt
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 282
12 Bewertung von Telekommunikationsunternehmen denwachstum in den letzten zwei Jahren beschleunigt und entsprechend härter ist der Kampf um die Internetnutzer geworden. Dementsprechend rüsten Kabelnetzbetreiber verstärkt ihr Leitungsnetz auf, um sogenannte Triple-Play-Pakte (Internet, Telefon, Fernsehen) auf dem Markt anzubieten. Aufgrund ihrer technischen Struktur sind entsprechend ausgebaute Kabelnetze grundsätzlich in der Lage, sehr hohe Datenraten von über 100 Mbit/s zu übertragen. Und mit dem Trend nach immer höheren Bandbreiten müssen daher erstmals die Telekom-Gesellschaften einen wirklich ernsthaften Angriff der Kabeldienstbetreiber fürchten. Mittels aggressiver Preisstrategien kommt es allmählich zu einer Marktanteilsverschiebung zwischen ehemaligen Monopolisten und den Wettbewerbern. So werden beispielsweise Bereitstellungsentgelte erlassen sowie Flatrate- bzw. Volumentarife angeboten. Die erforderliche Hardware erhält der Kunde vergünstigt oder sogar kostenlos bei Abschluss eines entsprechenden Vertrages. Haupteigentümer des Telekommunikationsfestnetzes sind und bleiben jedoch in nahezu allen Ländern die ehemaligen Monopolisten, weshalb diese in der Regel den DSL-Markt auch dominieren. Der Marktzutritt für die Wettbewerber kann auf Grund des Eigentums an der sogenannten „letzen Meile“ durch die ehemaligen Monopolisten erheblich erschwert werden. Darüber hinaus verfügen die ehemaligen Monopolisten wegen ihrer tradierten direkten Kundenbeziehung gegenüber den neuen Mitbewerbern über einen wichtigen Wettbewerbsvorsprung. So betreibt die Deutsche Telekom direkt noch 51 % aller DSL-Anschlüsse in Deutschland. Nach dem Erfolg von DSL setzen sich zunehmend schnelle Internetverbindungen auch im Mobilfunk durch.
12.2.3.3 Wettbewerb im Mobilfunkbereich Längst ist das Mobiltelefon vom Elite-Tool zum Massenprodukt avanciert. Der Datenaustausch und die Datenübertragung können auf immer unterschiedlichere Weise erfolgen: zuerst per Kabel, dann per Infrarot-Funkverbindung und dann per Bluetooth tauscht es Daten, E-Mail-Attachments mit anderen Mobiltelefonen, Organizer, Laptops und PCs aus. Die Einsatz- und Nutzungsmöglichkeiten eines Mobiltelefons haben sich deutlich erweitert. Man ist nicht mehr allein auf die „einfache“ Telefonie beschränkt. Ende 2008 gab es rund 107,2 Million Teilnehmer in den Mobilfunknetzen. Damit wurde eine Penetrationsrate von 130,6 Prozent erreicht. Bereits circa 11 % der Endkunden nutzen ausschließlich ein Mobiltelefon zum Telefonieren und verzichten ganz auf einen Festnetzanschluss. Während das Verkehrsvolumen im Festnetz stagniert, nimmt es im Mobilfunk stark zu. Dieses hohe Wachstum im Mobilfunkbereich liegt hauptsächlich an den folgenden Gründen: • Substitution der Festnetz-Sprachtelefonie durch Mobilfunk • Neue Mobilfunktechnologien wie UMTS und Wireless LAN sowie neue Mobildienste wie mobile Internetnutzung treten immer mehr in Konkurrenz zu Festnetztechnologien und versprechen zusätzliche Wachstumsimpulse in der Branche. Wireless LAN Anschlüsse (WLAN-Karten) ermöglichen eine drahtlose schnelle Datenverbindung zum Internet mit mobilen Geräten. Voraussetzung für den Zugang ist jedoch, dass sich der Benutzer in der Nähe eines WLAN-Senders aufhält, einem so genannten Hotspot. Parallel zu der der weltweiten Zunahme der Breitbandanschlüsse engagierten sich die Mobilfunkunternehmen verstärkt im WLANGeschäft und trieben den Ausbau von öffentlichen Zugangspunkten, den Publik Hotspots, voran. Discount-Angebote, Flatrates und eine verstärkte Nachfrage nach sog. Homezone-Tarifen haben den Mobilfunkverkehr stark anwachsen lassen. Gleichzeitig haben diese Angebote zu einem beachtlichen Preisverfall und zu einem Umsatzrückgang in den letzten drei Jahren geführt. Die Anzahl der Anbieter im Mobilfunkbereich ist mittlerweile deutlich höher als die im Festnetzbereich und der ehemalige Monopolist hat an Marktdominanz erheblich verloren. Gemessen an dem Umsatz hält Deutsche Telekom via seine Mobilfunk-Tochtergesellschaft T-Mobile einen Marktanteil in Deutschland von 30 % in 2008.
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283
284
Sonia Rabussier Festnetz- und Mobilfunkdienste nach Verbindungsminuten 800
Mio. Min. pro Tag
700 600
566
563
586
572
648
615
660
671
666
500
Festnetz Mobilfunk
400 300 200 100
118
78 83
67
155
230
189
100
94
0 2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008e
Quelle: DIALOG CONSULT-/VATM Abb. 12-8: Festnetz- und Mobilfunkdienste nach Verbindungsminuten
Umsatzentwicklung im deutschen Mobilfunkbereich in Mrd. EUR 30 26,7
44,3%
28,4
50% 27,9
26,9 26,6
24,9
25
20
27,7
40%
23,2 19,2
30% Umsatz in Mrd. Eur
15
20,9%
20%
10
Wachstumsrate
10% 7,3% 7,3%
3,7%
5
2,6% –1,8%
–1,2% 0% –3,4%
0
–10% 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008e
Quelle: DIALOG CONSULT-/VATM Abb. 12-9: Umsatzentwicklung im deutschen Mobilfunkbereich
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 284
12 Bewertung von Telekommunikationsunternehmen Auf den Mobilfunkmärkten konkurrieren drei Anbietergruppen um die Kunden: Netzbetreiber, Wiederverkäufer (Reseller) und Service Provider, die Netzleistungen einkaufen und selbstständig an Dritten vermarkten (MVNO). Voraussetzung für den Betrieb von Mobilfunknetzen und damit für das Angebot von Mobilfunkleistungen sind Lizenzen zur Nutzung von Frequenzspektren. Diese Lizenz vergeben jeweils Behörden. Die Zahl der vergebenen Lizenzen beschränkt die Zahl der Netzbetreiber im jeweiligen Markt.
Wettbewerb auf dem deutschen Mobilfunkmarkt 2008 T-Mobile 30%
andere 2% Drillisch 2%
Vodafone 29%
Freenet/Mobilcom 4%
Debitel 11% E-Plus 11%
O2 11%
Quelle: DIALOG CONSULT-/VATM Abb. 12-10: Wettbewerb auf dem deutschen Mobilfunkmarkt, 2008
Die drei größten Service Provider ohne eigenes Netz (Debitel, Freenet/Mobilcom und Drillisch) haben Ende 2008 zusammen noch einen Umsatz-Marktanteil von 18 Prozent.
12.3 Bewertung in der Telekommunikationsbranche 12.3.1 Bewertung der TK-Unternehmen: ein alltäglicher Prozess Unternehmen zu bewerten ist ein alltäglicher Prozess, welcher mittels unterschiedlicher Methoden durchgeführt wird. Zu den wichtigsten Anlässen für die Durchführung einer Unternehmensbewertung zählen unter anderem: • Unternehmensbörsengang (IPO, Initial Public Offering) • Übernahme und Fusion (M&A, Merger & Acquisitions) • Kapitalmaßnahmen (Aktien(um)plazierung, Kapitalerhöhung, etc.) • Fundamentales Aktienresearch • Strategische Unternehmenssteuerung • Private Equity Transaktionen
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 285
285
286
Sonia Rabussier Die letzten Jahren wurden in der Telekommunikationsbranche durch zahlreiche Übernahmetransaktionen geprägt. Dieser Trend sollte sich auch noch kurzfristig fortsetzen, da zahlreiche Telekom-Märkte vor einer Konsolidierung stehen. Hierfür gibt es zahlreiche Gründe. Die Telekomunternehmen haben ihre Schulden abgebaut und verfügen über frisches Geld, die Märkte sind weitgehend gesättigt, der Wettbewerb ist intensiv. Das Wachstum in der Branche schwächt sich – wie oben dargestellt – zunehmend ab. Neukunden sind sowohl im Mobilfunk- wie auch im Festnetzbereich kaum mehr zu finden. Der Kampf um Marktanteile wird über einen aggressiven Preiswettbewerb geführt. Durch Übernahmen und die damit erhofften Synergieeffekte versuchen die Telekomanbieter, ihre Position zu verbessern und ihre Überkapazitäten auszulasten. Für jede Transaktion wird eine ausführliche Analyse benötigt, um den sogenannten „fairen Wert“ des zu bewertenden Unternehmens zu ermitteln.
12.3.2 Bewertung der TK-Unternehmen: Hauptverfahren Zur Bewertung der Telekomwerte werden hauptsächlich vier Verfahren angewandt. Neben der Bewertung des Gesamtkonzerns mittels Discounted Free Cash Flow (DCF) und Sum-of-the-Parts (SOP) wird eine relative Bewertung auf Basis des Kurs- Free Cash Flow Verhältnisses und EV/EBITDA Multiplikators durchgeführt. Egal welche Methode letztlich angewandt wird, ein wirklich „fairer Wert“ ist objektiv wohl kaum zu ermitteln. Dieser basiert letztlich auf Prognosen sowie den aktuellen Marktverhältnissen.
12.3.2.1 Discounted Free Cash Flow – Bewertung (Entity-Verfahren) Dieses Bewertungsmodell ermittelt den Wert des gesamten Unternehmens aus Sicht der Kapitalgeber. Die den Kapitalgebern in Zukunft zur Verfügung stehenden Zahlungsströme (Cash Flows) werden mittels der unternehmensspezifischen Kapitalkosten auf den Bewertungsstichtag diskontiert. Die DCF- Modelle werden in der Regel über zehn Jahre aufgebaut, wobei das nicht operative Vermögen separat bewertet wird. Unter nicht operative Vermögen fallen insbesondere die nicht betriebsnotwendige Liquidität und die Beteiligungen. Nach dem zehnten Jahr wird ein Restwert (sogenannter Terminal Value) auf Basis des letzten explizit geschätzten Cash Flows und einer nominal langfristigen Wachstumsrate errechnet.
Marktwert des Eigenkapitals = Unternehmensgesamtwert (EV) zu-/abzüglich Nettoliquidität/Nettoverschuldung
Diskontierung mit gewichtetem Kapitalkostensatz (R); (auch WACC genannt)
1 1
1
1
1
1
R
(1+R) (1+R) 2 (1+R) 3 (1+R) 4 (1+R)5
Zeit
1
2
3
4
5
Free Cash Flows
... „Residualwert“
Bewertungsstichtag
Planungsanalyse
Prognose nachhaltiger Freier Brutto Cash Flows
Abb. 12-11: Diskontierungsverfahren
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 286
12 Bewertung von Telekommunikationsunternehmen Bei den unternehmensspezifischen Kapitalkosten wird zwischen den Eigenkapitalkosten und den Fremdkapitalkosten unterschieden. Basis für die Berechnung der Eigenkapitalkosten sind der risikolose Zinssatz (in der Regel das zehnjährige Staatspapier) und die Risikoprämie des relevanten Marktes für das zu bewertende Unternehmen sowie das unternehmensspezifische Beta. Eigenkapitalkosten (CAPM) = Risikofreier Zinssatz + (Marktrisikoprämie × Beta) Die Risikoprämie des Marktes wird nach Marktsegmenten differenziert. Dabei werden höhere Prämien für Venture Capital und kleine Unternehmen berücksichtigt als für die großen börsennotierten Unternehmen, die sogenannten „Big Caps“. Das Beta misst die Volatilität eines Wertes im Vergleich zu dem relevanten Aktien-Index. Bei einem Beta von 1,2 würde sich der Wert des Unternehmens um 20 % erhöhen sofern der Index um 10 % steigt. Je höher das Beta ist, desto höher ist die Volatilität bzw. das Investment-Risiko für einen Investor. Das Beta wird nach einem Kriterienkatalog fundamental abgeleitet. Die Fremdkapitalkosten berücksichtigen auch den risikofreien Zinssatz des relevanten Marktes sowie eine Risikoprämie. Die Risikoprämie des Fremdkapitals (Credit Spread) entspricht der Differenz zwischen dem Zinssatz, zu dem das Unternehmen Fremdkapital aufnehmen kann, und dem risikolosen Zinssatz. Fremdkapitalkosten (CAPM) = (Risikofreier Zinssatz + Credit Spread) × (1-Steuerquote) Der gewichtete Kapitalkostensatz (WACC) dient als Abzinsungsfaktor für das Unternehmen und stellt eine Mindestrendite auf das investierte Kapital dar. WACC = (Eigenkapital/Gesamtkapital × Eigenkapitalkosten) + (Fremdkapital/Gesamtkapital × Fremdkapitalkosten) Bei den Telekommunikationsdienstanbietern werden trotz der geringen Zyklik und der vergleichsweise hohen Prognosesicherheit in der Regel Betas zwischen 1 und 1,2 verwendet. Grund hierfür ist ihr relativ hoher Verschuldungsgrade. Der wichtigste Faktor für die Beta Ermittlung ist nämlich die Verschuldung, die mit 35 % in den Gesamtwert mit einfließt. Hieraus ergeben sich im Wesentlichen auch die Unterschiede in den Betas der einzelnen Unternehmen. Unternehmen
Beta
Langfristiges Wachstum
British Group
1,33
0,0%
Deutsche Telekom
1,17
0,0%
France Telecom
1,15
0,0%
Telecom Italia
1,36
0,0%
Telefonica
1,19
0,5%
Vodafone
1,14
1,0%
Quelle: Oppenheim Research Abb. 12-12: Annahmen zur DCF Bewertung von Telekommunikationsdienstanbieter, 2008
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 287
287
3.757
-4.540
0,97 0,95
-4.820 4.119 4,8% 0,97
Nettoinvestitionen
Free Cash Flow (FCF)
Kapitalkosten
Faktor kurze Periode
1,24
Wert je Aktie
Quelle: Oppenheim Research
19.396
0
24.001
-1.649
Minderheitenanteile
W ert Optionsrechte
Anzahl Aktien
-1.232
Pensionsrückstellungen
Equity Value
64.868
-37.987
0
Nicht operative Assets
Fremdkapital
4.498
3.994
64.868
Barwert operative CF
Unternehmenswert
0,92
1,00 0,97
Faktor Jahr
Diskontierungsfaktor
5,5%
4.882
-80
-40
Sachinvestitionen
Veränd. W orking Capital
0
5.665
-4.460
Abschreibungen
-4.780
3.334 5.605
NOPLAT
-2.023
9.422
-2.317
Operative Steuern
5.780
0
5.650
EBIT
5.665
11.445
8.939
5.605
Abschreibungen
Operativer Cash Flow
11.255
EBITDA
-18.810
30.255
31.12.2010
Sonst. Non Cash Items
29.935 -18.680
31.12.2009
Kosten
Bewertung
Umsatz
Mio. EUR
3.826
0,78
0,81
0,96
6,2%
4.935
-4.604
Fundamentales Beta
Sonstige
Finanzstruktur
Größe/Liquidität
Prognoserisiko
Zyklik
Risikoprofil
4.197
0,82
0,85
0,96
6,0%
5.099
-4.514
-135
-4.469
9.538
0
5.715
3.823
-2.186
6.009
5.715
11.724
-19.593
31.317
31.12.2013
10,0%
35,0%
0,0%
35,0%
20,0%
3.469
0,7 3
0,76
0,96
6,4%
4.759
-4.686
-142
-4.544
9.445
0
5.591
3.854
-2.221
6.075
5.591
11.667
-19.910
31.576
31.12.2014
1,36
1,1
1,6
1,0
1, 4
0, 9
3.130
0,68
0,71
0,96
6,5%
4.573
-4.762
-149
-4.613
9.335
0
5.456
3.878
-2.253
6.132
5.456
11.588
-20.197
31.785
31.12.2015
Abb. 12-13: DCF –Modell von Telecom Italia
4.568
0,87
0,90
0,96
5,8%
5.240
-4.430
-127
-4.387
-4.300 -130
9.613
0
5.827
3.787
-2.147
5.934
5.827
11.761
-19.249
31.010
30.12.2012
9.670
0
5.926
3.744
-2.106
5.850
5.926
11.776
-18.879
30.655
31.12.2011
2.810
0,64
0,67
0,96
6,6%
4.377
-4.830
-155
-4.675
9.207
0
5.311
3.897
-2.282
6.179
5.311
11.489
-20.453
31.943
30.12.2016
2.236
0,56
0,59
0,96
6,7%
3.962
-4.941
-165
-4.776
8.903
0
4.989
3.914
-2.329
6.243
4.989
11.232
-20.869
32.101
31.12.2018
Share of Debt
Kreditrisiko
Anteil EK
Risikoprämie
Risikoloser Zins
Langfr. Wachstumsrate
Prämissen für den Endwert
2.512
0,60
0,63
0,96
6,7%
4.174
-4.889
-160
-4.729
9.063
0
5.155
3.908
-2.308
6.216
5.155
11.371
-20.678
32.048
31.12.2017
60,5%
3,5%
39,5%
5,0%
4, 0%
0,0%
29.629
7,1%
3.744
-4.984
-169
-4.815
8.728
0
4.815
3.912
-2.347
6.260
4.815
11.075
-21.026
32.101
Endwert
288 Sonia Rabussier
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 288
12 Bewertung von Telekommunikationsunternehmen
289
Außerdem werden bei der Ermittlung des Residualwerts (Terminal Value) gewisse Unterschiede zwischen den Telekommunikationsdienstanbieter bei den nominalen langfristigen Wachstumsraten unterstellt. Bei British Group, als reinem Festnetzanbieter, ist diese mit nominal 0 % am niedrigsten. Bei Mischkonzernen wie Telefonica oder Vodafone, mit einem großen Umsatzanteil in den hoch wachsenden Schwellenländern (über 30 % des Gesamtumsatzes) wird eine Wachstumsrate von mindestens 0,5 % unterstellt. Bei Vodafone, als reinem Mobilfunkanbieter ist die Wachstumsrate mit 1,0 % am höchsten. Diese Raten spiegeln die unterschiedlich hohen Wachstumsaussichten jedes Telekommunikationsunternehmen wider. Der Hauptnachteil einer DCF- Bewertung ist, dass der Residualwert einen sehr großen Einfluss auf dem Gesamtwert hat. In der oben dargestellten Bewertung von Telecom Italia macht der Restwert 46 % des gesamten Unternehmenswerts aus.
12.3.2.2 Sum-of-the-Parts-Bewertung Die Sum-of-the-Parts-Bewertung beruht auf ähnlichen Grundsätzen wie die DCF-Bewertung. Im Rahmen einer Sum-of-the-Parts-Bewertung werden für die Kerngeschäfte Bewertungsmaßstäbe angewendet, die sich aus der erwarteten realökonomischen Entwicklung ableiten, wie beispielsweise DCF-Modelle für Teilkonzerne. Die Finanzbeteiligungen und Randgeschäfte werden, soweit möglich, mit ihrem aktuellen Börsenwert angesetzt. Durch die Addition der einzelnen Geschäftswerte erhält man den Wert des Gesamtunternehmens.
Bewertungsmaßstab
Bewertungsmatrix (EUR bn)
100% Wert
% Anteil
Anteilswert
Domestic Wireline DCF Bewertung
WACC
Umsatz 2008e
8,9%
DCF
14,73
2,3 EV x Umsatz
EBITDA 2008e
5,86
5,8 EV x EBITDA
EBITDA-Marge
39,8%
34,0
100,0%
34,0
23,2
100,0%
23,2
5,4
70,0%
3,8
100,0%
1,1
Domestic Mobile DCF Bewertung
W ACC
Umsatz 2008e
9,3%
DCF
9,43
2,5 EV x Umsatz
EBITDA 2008e
3,99
5,8 EV x EBITDA
EBITDA-Marge
42,3%
International Mobile (TIM Brazil) DCF Bewertung
W ACC
Umsatz 2008e
6,4%
DCF
5,55
1,0 EV x Umsatz
EBITDA 2008e
1,30
4,2 EV x EBITDA
EBITDA-Marge
23,4%
EUR Broadband
SOP
1,1
Sonstige (Olivetti, Media, Brasil Telecom, Sofora, etc.)
SOP
1 ,2
1,2
Enterprise Value
64,4
Netto Verschuldung
-37,4
Minderheiten/Pensionsrückstellungen
-2,9
Equity Value
24,2
Wert pro Aktie
Euro
1,25
Quelle: Oppenheim Research Abb. 12-14: Sum-of-the-parts-Bewertung von Telecom Italia
Bei der Sum-of-the-parts- Bewertung von Telecom Italia wurden die zwei Kernbereiche Festnetz und Mobilfunk nach der DCF- Methode bewertet, der Wert der Randbereiche orientiert sich jedoch am
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 289
290
Sonia Rabussier Börsenkurs vergleichbarer Unternehmen. Im Rahmen einer Peer-Group werden diese anhand eines EV/EBITDA Multiplikators und somit nach der aktuellen Marktkapitalisierung bewertet.
12.3.2.3 Relative Bewertung mittels der Multiplikatoren Das Grundprinzip des Multiplikator-Verfahrens ist es, zunächst die Bewertung vergleichbarer Unternehmen, die sogenannte Peer-Group, in Relation zu aussagekräftigen Kennzahlen zu setzen. Gleiche Relationen sind danach auch für das zu bewertende Unternehmen anzusetzen. Gegebenenfalls werden aufgrund der Marktposition, der Managementqualität, den Wachstumsperspektiven und der Profitabilität Zu- oder Abschläge vorgenommen, um das Unternehmen innerhalb seiner Branche entsprechend einordnen zu können. Bei den Telekommunikationsdienstanbietern werden am häufigsten die Kennzahlen Kurs/Free Cash Flow und EV/EBITDA angewandt. Dem Verhältnis Kurs/Free Cash Flow pro Aktie oder Free Cash Flow Rendite wird bei Telekomwerten der Vorzug vor dem üblichen Verhältnis Kurs/Gewinn pro Aktie (KGV) gegeben. Das Free Cash Flow berücksichtigt zusätzlich zum Netto-Gewinn auch Werte wie das Working Capital und die Investitionen. Unter dem Begriff Working Capital werden die Forderungen gegen Kunden, die Lieferantenverbindlichkeiten und das Vorratsvermögen erfasst. Bei Telekomunternehmen ist das Working Capital in der Regel negativ und hat ein untergeordnetes Gewicht bei strategischen Entscheidungen. Telekomunternehmen haben im Vergleich zu anderen Industrien deshalb erst spät angefangen, Working Capital zu optimieren. Hingegen haben Investitionen in der sehr kapitalintensiven Telekombranche eine große Bedeutung. Die Investitionsquote liegt im Durchschnitt bei über 10 % des Umsatzes. Capex to sales (in %) British Telecom Deutsche Telekom France Telecom KPN Swisscom Telecom Italia Telekom Austria Telefonica
2005
2006
2007
2008e
2009e
2010e
11,3% 9,5% 11,3% 10,5% 9,3% 11,1% 14,3% 12,0%
12,4% 13,3% 10,7% 12,1% 12,3% 16,4% 13,0% 13,0%
13,3% 12,4% 13,6% 12,3% 19,2% 17,3% 15,2% 13,0%
13,1% 11,6% 13,1% 12,8% 18,4% 19,3% 15,5% 12,9%
13,8% 13,0% 13,0% 12,5% 17,9% 16,0% 15,8% 12,8%
13,8% 12,1% 12,9% 12,5% 17,9% 14,7% 15,9% 12,5%
Quelle: Oppenheim Research Abb. 12-15: Investitionen in der Telekomdienstbranche (in Mrd. EUR)
Relative Bewertung auf Basis des EV/EBITDA Multiplikatoren Zur relativen Bewertung der Telekomwerte ist die EBITDA- Größe (Earnings before Interest, taxes, depreciation and amortisation) aussagekräftiger als die Netto-Gewinn Größe, da sie einen realistischeren Überblick über die operative Profitabilität des Unternehmens wiedergibt. Aufgrund des hohen Anlagenbestandes und des weiterhin hohen Investitionsniveaus weisen Telekomwerte hohe Abschreibungen aus. Der Netto-Gewinn wird daher durch einen rein buchhalterischen Schritt belastet im Gegensatz zum EBITDA. Wegen den hohen Abschreibungen kann der Netto-Gewinn in der Telekombranche bis zu 40 % unter dem Cash Flow per share liegen. Ein Nachteil dieser Kennzahl im Vergleich zum Kurs/Free Cash Flow ist, daß die Investitionsbedürfnisse nicht berücksichtigt werden. Die Stärke einer relativen Bewertung liegt in ihrer Aktualität. Damit ist gesichert, dass sich alle am Markt verfügbaren Informationen in der Bewertung widerspiegeln. Versteht man den Marktpreis als Gleichgewichtspreis, der sich aufgrund der Einschätzungen aller am Markt agierenden, rational und
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12 Bewertung von Telekommunikationsunternehmen wirtschaftlich sachverständigen Individuen bildet, gleicht die Multiplikatorbewertung dem Konsens von Expertenmeinungen Nachteilig ist vor allem, dass die Beteiligungen und Anteile von Minderheitsaktionären unberücksichtigt bleiben. Außerdem wird das zukünftige Wachstum vernachlässigt. EV /EBITDA Valuation Company BT Group* Deutsche Telekom France Telecom KPN Swisscom** Telekom Austria Telecom Italia Telefonica Vodafone*
Price 96,60 8,30 16,78 9,22 300 10,62 0,96 15,06 127,45
Median * GBp Mio, ** CHF Mio
EV/EBITDA 2008e 2009e
2010e
6,5 5,3 5,3 6,0 6,4 7,6 5,6 5,8 7,1
4,1 4,6 4,9 5,1 5,7 4,2 4,9 5,2 6,3
3,8 4,4 4,8 4,8 5,4 3,9 4,6 5,0 6,1
6,0
4,9
4,8
CAGR EBITDA 07-10e -3,0% 2,8% -1,1% 1,8% 1,9% 1,2% -0,4% 2,5% 7,2%
Quelle: Oppenheim Research, IBES, Unternehmensangaben Abb. 12-16: Überblick über die Bewertung der Telekomdienstunternehmen in Europa
Free cash flow per share / Free cash flow multiples Company BT Group* Deutsche Telekom France Telecom KPN Swisscom** Telekom Austria Telecom Italia Telefonica Vodafone* Median * GBP, ** CHF
Price 0,97 8,30 16,78 9,22 300 10,62 0,96 15,06 1,27
Price Free Cash Flow Ratio 2008e 2009e 2010e 26,8 5,4 6,6 8,1 8,9 6,5 7,2 7,6 13,0
8,8 5,6 5,6 7,4 8,1 6,8 6,0 7,0 12,7
8,2 5,0 5,7 7,2 7,8 6,1 5,2 7,4 12,3
7,6
7,0
7,2
CAGR FCF 07-10e -29,7% 8,5% 0,5% 0,6% 11,9% -4,8% 6,1% 3,2% 2,2%
Quelle: Oppenheim Research, IBES, Unternehmensangaben Abb. 12-17: Überblick über die Bewertung der Telekomdienstunternehmen in Europa
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 291
291
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 292
13 Bewertung von Biotech-Unternehmen Von Kerstin M. Bode-Greuel und Joachim M. Greuel* 13.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 13.2 Evaluation von frühen F&E-Projekten: Erfassung von Risiken und Wert von Flexibilität . 294 13.2.1 Projekt-Zielprofile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 13.2.2 Der Net Present Value (NPV)-Algorithmus als Instrument zur Evaluation von Investitionen: Theoretischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 13.2.3 Anwendung eines erweiterten NPV-Konzepts, das die Risiken und Entscheidungsoptionen pharmazeutischer F&E-Aktivitäten reflektiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 13.2.4 Erarbeitung verlässlicher Annahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 13.2.4.1 Umsatzprognosen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 13.2.4.2 Wahrscheinlichkeitsverteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 13.2.4.3 Kostenschätzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 13.2.5 Erweiterter NPV: Interpretation der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 13.3 Bewertung von Technologieplattformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 13.4 Evaluation von Lizenzverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 13.5 Optionspreismodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 13.6 Schlussfolgerungen und Aussichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 13.7 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 Im vorliegenden Artikel wird ein umfassender, systematischer Ansatz zur Bewertung von Projekten und Technologieplattformen in der Arzneimittelentwicklung unter Verwendung eines erweiterten Net Present Value (NPV)-Konzeptes (erweiterte Kapitalwertmethode) vorgestellt. Zudem werden die Vorteile von Finanzmodellen für ein wertorientiertes Projekt- und Portfoliomanagement sowie für Lizenzverhandlungen und Investorentscheidungen beschrieben.
13.1 Einleitung Der Wert von Biotechnologieunternehmen ist von den antizipierten zukünftigen Produktentwicklungen und Umsatzerlösen sowie von den erwarteten Cashflows einer Technologieplattform abhängig. Des weiteren tragen IP-Rechte, gut ausgebildete Wissenschaftler und umfassende Erfahrungen des Managementteams zum Wert eines Unternehmens bei, da diese die F&E- und Marktrisiken reduzieren. Der vorliegende Artikel beschäftigt sich mit der quantitativen finanziellen Evaluation von Technologien und Produktentwicklungskandidaten – den entscheidenden Determinanten des Unternehmenswerts.
*
Dr. Kerstin M. Bode-Greuel und Dr. Joachim M. Greuel, beide Gesellschafter der BioScience Valuation BSV GmbH, Grainau.
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294
Kerstin M. Bode-Greuel und Joachim M. Greuel Die quantitative finanzielle Evaluation von Investitionen im Biotechnologiesektor ist keine leichte Aufgabe. Biotechnologieunternehmen beschäftigen sich typischerweise mit innovativen Technologien und Entwicklungskandidaten, die durch besondere Unsicherheitsfaktoren gekennzeichnet sind. Die Anwendungen und Auswirkungen einer Technologie sind oft noch nicht definiert und die Wirkungsmechanismen neuer Arzneistoffe nicht validiert. Eine finanzielle Bewertung und Risikoanalyse ist jedoch aus den folgenden Gründen wichtig: • Investoren benötigen Wertschöpfungskennzahlen zur Unterstützung ihrer Finanzierungsentscheidungen. • Unternehmensleitungen von Biotechnologieunternehmen möchten die Risiken sowie die zu erwartenden finanziellen Auswirkungen ihrer Projekte verstehen, um eine Prioritisierung von Projekten durchführen zu können. • Bei der Verhandlung von Technologiepartnerschaften und Lizenzverträgen müssen die beteiligten Parteien den finanziellen Wert einer solchen Transaktion nachvollziehen sowie marktkonforme und angemessene Vertragsbedingungen vereinbaren können. Zu den ausschlaggebenden Faktoren für den Wert eines Biotechnologie-Unternehmens zählen die erwarteten Barmittelzuflüsse aus Arzneimitteln, Risiken bezüglich der F&E-Resultate sowie der Marktentwicklung, Kosten und Geschwindigkeit der Entwicklung sowie strategische Optionen, die sich aus den Technologien und Projekten ergeben. Der Umsatz von Biotechnologieunternehmen ergibt sich normalerweise nicht durch verkaufte Arzneimittel, da die für die komplette Entwicklung und Markteinführung erforderliche Finanzkraft fehlt. Stattdessen werden Entwicklungskandidaten häufig auslizenziert oder gemeinsam mit einem Partner entwickelt, was zu verschiedenen Modellen der Kosten-bzw. Umsatzaufteilung führt. An solchen Modellen sind manchmal auch mehr als zwei Partner beteiligt. Nur eine quantitative Finanzanalyse, die die Risiken und Chancen der Projekte umfassend untersucht, kann offen legen, in welchem Maße die beteiligten Parteien vom Gesamtprojektwert profitieren. Der vorliegende Artikel beschreibt ein weithin anerkanntes Finanzmodell, eine erweiterte Version des Net Present Value (NPV)-Algorithmus, der an die Bedürfnisse von F&E-orientierten Branchen angepasst wurde 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7. Dieses Konzept wird auch als „risikoadjustierter NPV“ oder „erwarteter NPV“ bezeichnet. Wir bevorzugen den Begriff des erweiterten NPV, weil wir in den NPV-Modellen nicht nur F&E und geschäftliche Risiken berücksichtigen, sondern solche Modelle auch zur Untersuchung der Auswirkungen operativer Optionen und alternativer Entwicklungsstrategien auf den Wert von F&E-Projekten nutzen 8, 9. Wir glauben, dass der Begriff des erweiterten NPV den Nutzen des Modells besser beschreibt. Der erweiterte NPV liefert – sofern er sich auf solide Annahmen stützt – notwendige Informationen, die Manager von Biotechnologieunternehmen, Investoren und alle Parteien, die an Lizenzvergaben und Technologiepartnerschaften beteiligt sind, für wertorientierte Entscheidungen benötigen.
13.2 Evaluation von frühen F&E-Projekten: Erfassung von Risiken und Wert von Flexibilität Vor der Erstellung von Finanzmodellen ist eine Strukturierung des F&E-Projektportfolios sinnvoll. So können beispielsweise zur Unterstützung der Entwicklung eines neuen Produktes mehrere Projekte (z.B. basierend auf verschiedenen Forschungsansätzen) parallel durchgeführt werden, um die Erfolgswahrscheinlichkeit zu erhöhen. In einem solchen Strukturierungsprozess würden dann Entscheidungspunkte definiert, an denen die Forschungsergebnisse mit dem Ziel ausgewertet werden, die Aktivitäten auf die vielversprechendsten Projekte zu konzentrieren. Projekte mit geringer Priorität können auslizenziert oder beendet werden. Dies führt im ersten Fall zu Lizenzeinnahmen und im zweiten Fall zur Abschreibung der erfolgten Investitionen. Umgekehrt kann ein einziges Arzneimittelentwicklungsprojekt (z.B. auf einem innovativen Forschungsansatz basierend) im Laufe der Entwicklung zu mehreren Entwicklungskandidaten für eine Vielzahl therapeutischer Indikationen führen. Auch in diesem Fall würden die Unternehmen einige therapeutische Indikationen für
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13 Bewertung von Biotech-Unternehmen die betriebsinterne Weiterentwicklung auswählen, während Substanzen für andere Indikationen auslizenziert werden können. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass am Ende des Strukturierungsprozesses ein transparentes Projektportfolio mit verschiedenen Vermarktungsstrategien und Wertschöpfungsoptionen zur Darstellung kommt. Finanzmodelle können in einem reiterativen Prozess eine Projektpriorisierung unterstützen.
13.2.1 Projekt-Zielprofile Nachdem attraktive therapeutische Indikationen identifiziert werden, sollten Projekt-Zielprofile (Project Target Profiles – PTPs) festgelegt werden, um die notwendigen Ergebnisse der präklinischen und klinischen Entwicklung zu definieren. PTPs sollten Produkte repräsentieren, die sowohl aufgrund ihrer Zulassungsfähigkeit als auch ihrer Wettbewerbsfähigkeit in der Lage sind, ausreichende Umsatzerlöse zu generieren. Die Festlegung solcher PTPs ist nicht nur für klinische, sondern auch für präklinische Projekte sinnvoll – selbst dann, wenn Entwicklungskandidaten auslizenziert werden müssen – weil die Screening-Strategie im Hinblick auf die erforderlichen Merkmale für ein in Zukunft wettbewerbsfähiges Produkt optimiert werden kann. PTPs bilden einerseits die Grundlage für den Produktentwicklungsplan und andererseits die Basis für die Umsatzprognose. Das PTP unterstützt die Definition von Patientengruppen, die sich für eine Behandlung eignen, und bestimmt die Meßvariablen und Endpunkte der klinischen Studien. Zudem können mit Hilfe von PTPs selbst in der präklinischen Entwicklung relevante Wettbewerber identifiziert, Marktrisiken bewertet und sinnvolle Umsatzprognosen erstellt werden.
13.2.2 Der Net Present Value (NPV)-Algorithmus als Instrument zur Evaluation von Investitionen: Theoretischer Hintergrund Der NPV repräsentiert den durch eine Investition erzeugten Wert. Der NPV ist eine zukunftsorientierte Finanzkennzahl, mit deren Hilfe die Ressourcenverteilung gesteuert werden kann, wenn der Wert des Unternehmens maximiert werden soll10. In den NPV-Algorithmus fließen Annahmen über sich verändernde Barmittelzuflüsse (z.B. Umsatzerlöse, Lizenzgebühren) und Barmittelabflüsse (z.B. F&E- und Vertriebskosten, Herstellungskosten) ein. In der Vergangenheit erzeugte Cashflows werden nicht berücksichtigt, da der Wert eines Projekts nur von zukünftigen Cashflows abhängt. Wir empfehlen bei der Evaluation von Biotechnologie-Projekten die Cashflows mindestens bis zum Ablauf des Patentschutzes zu berücksichtigen. Über den Ablauf des Patentschutzes hinaus anfallende Cashflows können unter der Annahme, dass auch nach Patentablauf ein fortgesetzter Umsatzstrom zu erwarten ist (normalerweise auf reduziertem Niveau), als Terminalwert repräsentiert werden. Dabei kann der erwartete Einfluss von Generika berücksichtigt werden. Die erwarteten Netto-Cash Flows werden üblicherweise in Jahresintervallen dargestellt und mit einem Diskontierungssatz r abgezinst. Cashflows nach Ablauf des Patentschutzes werden durch einen Terminal-Wert wiedergegeben, der auch den Einfluss von Generika berücksichtigen kann.
NPV = C 0 + C r
C1 1+r
+
C2 (1+r) 2
+.......+
Ct (1+r) t
+
C TV r(1+r) t
= Netto-CashFlow = Diskontierungssatz
C TV = Terminalwert r(1+r)t
Abb. 13-1: Net Present Value (NPV)
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295
296
Kerstin M. Bode-Greuel und Joachim M. Greuel Abb. 13-1 zeigt die NPV-Gleichung. Die erwarteten zukünftigen Netto-Cashflows werden normalerweise für Jahresintervalle ermittelt. Der Net Present Value wird durch Diskontierung der Cashflows mithilfe eines Diskontierungssatzes r ermittelt. Die Summe der diskontierten Cashflows repräsentiert den Wert des Projekts: Ein positiver Wert zeigt an, dass das Projekt wahrscheinlich Wert erzeugen wird und somit finanzierungswürdig ist (wobei Projekte mit höherem NPV prioritisiert werden sollten). Bei Projekten mit einem negativen NPV ist eine Werterzeugung unwahrscheinlich. Hier sollten Möglichkeiten eruiert werden, den Wert zu steigern. Ist dies nicht möglich, so sollten die Projekte eingestellt werden. Der Diskontierungsatz r reflektiert die Opportunitätskosten des Kapitals, oder, mit anderen Worten, die Rendite, die ein Anleger für eine alternative Investition mit vergleichbarem Risiko erwarten würde 11. In diesem Zusammenhang bezieht sich der Risikobegriff auf das Kapitalmarktrisiko (nicht auf das Entwicklungs- oder Vermarktungsrisiko). Investoren erwarten dieselbe Rendite wie bei einer Investition mit einem vergleichbaren „systematischen“ Risiko.
Das Capital Asset Pricing Model erlaunbt,den erwarteten Zinssatz für das Eigenkapital zu bestimmen. Danach entspricht die erwartete Verzinsung der Summe aus dem Zinssatz für risikolose Anlagen plus einer Risikoprämie, welche mit einem Beta-Faktor gewichtet wird. Der Beta-Wert lässt sich aus der Volatilität der Aktie relativ zum Markt herleiten.
re =
rF +
Rendite Erwartete Eigenkapital- risikoloser Anlagen rendite
x BetaWert
(rM – rF ) Risikoprämie (Differenz zwischen erwarteter Rendite eines Marktportfolios und der Rendite risikofreier Anlagen
Abb. 13-2: Capital Asset Pricing Model (CAPM)
Aus der Sicht eines Unternehmens besteht der Diskontierungssatz aus den Kapitalkosten, mit dem der Betrieb finanziert wird. Meistens wird das Capital Asset Pricing Model (CAPM) verwendet, um eine angemessene Eigenkapitalrendite abzuleiten (siehe Abb. 13-2), obwohl dieses Modell das Anlegerverhalten nicht völlig korrekt abbildet. Das CAPM geht davon aus, dass die Investoren einen Risikoaufschlag (definiert als Differenz zwischen durchschnittlicher Kapitalmarktrendite und risikofreiem Zinssatz) für die Übernahme des Risikos verlangen, das durch eine Investition in Vermögenswerte mit einem äußerst volatilen Wert entsteht. Der Risikoaufschlag erhält über einen „Beta-Faktor“ eine angemessene Gewichtung. Der Beta-Faktor ist ein unternehmensspezifischer Wert, der die Kovarianz des Eigenkapitalwerts eines Unternehmens mit dem Markt beschreibt. Ist der Beta-Faktor eines Unternehmens beispielsweise größer als 1, ist die Volatilität seines Eigenkapitals größer als die des Marktes. In einem solchen Fall würde das CAPM-Modell in einem höheren Diskontierungssatz resultieren, weil der Risikoaufschlag eine höhere Gewichtung erhält. Wenn ein Unternehmen neben Eigenkapital auch Anleihekapital platziert hat, wird das CAPMModell erweitert und die normalerweise geringere Mindestrentabilität für Anleihekapital in Form des Weighted Average Cost of Capital (WACC, siehe Abb. 13-3) berücksichtigt. Der WACC – der durchschnittliche Kapitalkostensatz – trägt zudem der steuermindernden Wirkung der Fremdkapitalzinsen Rechnung (Tax Shield-Effekt). Wie sähe ein typischer Diskontierungssatz für ein Biotechnologieunternehmen heute aus? Üblicherweise liegen Diskontierungssätze in einer Größenordnung von 10 % für große Pharmazieunternehmen, von rund 20 % für börsennotierte Biotech-Unternehmen und von 30 % für private Biotechnologieunternehmen (wagniskapitalfinanziert). Analysen der European Venture Capital Association (EVCA)
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13 Bewertung von Biotech-Unternehmen Wenn eine Firma auch durch Fremdkapital finanziert ist, muss der CAPM-Ansatz erweitert werden, um der normalerweise geringeren Fremdkapitalrendite Rechnung zu tragen. Die erwartete Rendite ergibt sich als gewichtetes Mittel von Eigen-und Fremdkapitalrendite, wobei die Gleichung die steuermindernde Wirkung von Fremdkapital mit berücksichtigt.
rWACC E D re r (1 – T ) d
C
=
E E+D
re +
D E+D
rd (1 – TC )
= Eigenkapital = Fremdkapital = erwartete Eigenkapitalrendite = Fremdkapitalrendite unter Einbeziehung steuermindernder Effekte
Abb. 13-3: Durchschnittlicher gewichteter Kapitalkostensatz (WACC: weighted average cost of capital)
ist jedoch zu entnehmen, dass die auf das Jahr umgerechneten Nettorenditen für Private EquityInvestments im Zeitraum zwischen 1980 und 2003 nur bei rund 10 % lagen12 – ein Hinweis darauf, dass die Renditeerwartungen nicht immer erfüllt werden. Die Unterschiede zwischen den Diskontierungssätzen großer und mittelgroßer Pharmazieunternehmen oder Biotechnologieunternehmen müssten nach der Logik von CAPM durch Unterschiede im Beta-Faktor verursacht sein. Wir haben die Beta-Werte börsennotierter Pharmazieunternehmen unterschiedlicher Kategorien (Drug-Discovery, Early Stage-Entwicklung, mittelgroße und integrierte Pharmaunternehmen/FIPCOS) in den Jahren 1997 bis 2002 untersucht. Unsere Analysen ergaben eine starke Korrelation des Beta-Faktors mit dem durchschnittlichen Risiko der jeweiligen F&E-/Marketingaktivitäten (Korrelationskoeffizient: 0,98)13. Die durchschnittlichen Beta-Werte je Kategorie lagen zwischen 1,70 (Schwerpunkt auf Drug-Discovery) und 0,39 (große, internationale Pharmafirmen) und unterstützen somit die erheblichen Unterschiede zwischen den angewandten Diskontierungssätzen. Analoge Schlussfolgerungen hat auch Myers 1996 gezogen14.
13.2.3 Anwendung eines erweiterten NPV-Konzepts, das die Risiken und Entscheidungsoptionen pharmazeutischer F&E-Aktivitäten reflektiert Ursprünglich ist der NPV-Algorithmus für „statische“ Investitionen entwickelt worden, bei denen unternehmerische Maßnahmen praktisch keinen Einfluss auf den Wert haben. Bei der Entwicklung neuer Arzneimittel ist die Situation jedoch anders. Bei Forschungs- und Entwicklungsprojekten ist das Risiko von Entwicklungsproblemen, insbesondere im Hinblick auf die in erheblichem Umfang zu tätigenden Investitionen, von entscheidendem Belang. Die Ungewissheit der Ergebnisse präklinischer und klinischer Studien und die sich daraus ergebenden unternehmerischen Entscheidungsoptionen sollten deshalb in den Finanzmodellen, die zur Evaluation von F&E-Projekten eingesetzt werden, unbedingt berücksichtigt werden. Wenn Risiken bestehen, stellen unternehmerische Handlungsoptionen einen Wert dar, da sie die Auswirkungen negativer Ereignisse minimieren können. Entscheidungsbäume sind ein sinnvolles Instrument zur Darstellung von Entwicklungsrisiken und Entscheidungsoptionen (siehe Abb. 13-4). Sie bilden die stufenweisen Investitionen in F&E-Projekte ab. An jedem Meilenstein kann entschieden werden, ob eine weitere Investition erfolgen soll oder nicht. Entscheidungsbäume sollten sich auf die Aktivitäten konzentrieren, die für den Abschluss der Entwicklung und für das Erreichen eines wettbewerbsfähigen Produktprofils ausschlaggebend sind.
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Kerstin M. Bode-Greuel und Joachim M. Greuel Entscheidungsbäume sollten die Meilensteine und die unsicheren Resultate abbilden, die für den Entwicklungsverlauf von Bedeutung sind. In der Arzneimittelentwicklung werden Projektentscheidungen in Abhängigkeit vom Erreichen von Meilensteinen getroffen. Die Meilensteine orientieren sich üblicherweise an den klinischen Entwicklungsphasen. Die Ereignispunkte illustrieren den möglichen Ausgang klinischer Studien; die Entscheidungspunkte stellen die Entscheidungsoptionen des Managements dar. Im einfachsten Fall sind die Entscheidungsalternativen eine Fortsetzung der Investitionen in das Projekt oder die Einstellung weiterer Investitionen. Es können aber auch weitere Entscheidungsoptionen z.B. die Durchführung zusätzlicher Studien bei nicht eindeutigen Resultaten, dargestellt werden. Registrierung
Markteinführung
Zulassung Phase III (80%) L.T.-tox./carc. (85%)
90% Investition
Positives Ergebnis Phase II (50%) CMC(90%) Phase I Positives Ergebnis 65%
Investition
Positives Ergebnis 50% x 90% = 45% Negatives Ergebnis
Investition
80% x 85% = 68%
Stop
Keine Markteinführung
Keine Zulassung 10%
Negatives Ergebnis 32% Stop
Ereignisknoten Entscheidungsknoten
55% Stop Negatives Ergebnis
CMC: L.T.-tox.: Carc.:
chemical and manufacturing control Langzeittoxikologie Carcinogeniät
35%
Abb. 13-4: Entscheidungsbaum für einen Wirkstoff in Phase I
Sie illustrieren Entscheidungspunkte, d.h. Zeitpunkte, zu denen neue Ergebnisse erwartet werden. Typischerweise treten solche Entscheidungspunkte zum Abschluss präklinischer und klinischer Studien auf. Entscheidungsrelevante, potenzielle Ereignisse sollten entsprechend den Entscheidungsoptionen, die der Unternehmensleitung zur Verfügung stehen, differenziert werden. Jedem potenziellen Ereignis (siehe unten) wird eine Wahrscheinlichkeit zugeordnet. Es kann auch von Bedeutung sein, die Ergebnisse von pivotalen klinischen Studien hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das Produktprofil und die Wettbewerbsfähigkeit im Entscheidungsbaum zu differenzieren. Oft macht es Sinn, mehrere Umsatzprognosen zu erstellen und das Geschäftspotenzial eines Arzneimittels an bestimmte Studienergebnisse zu koppeln. Die finanzielle Evaluation kann den Wert eines Projekts exakter abbilden, wenn nicht nur zulassungsrelevante Minimalergebnisse, sondern auch Szenarien mit dem Gewinnpotenzial bei überdurchschnittlicher Wirksamkeit in die Auswertung einbezogen werden. Entscheidungsbäume illustrieren alternative Projektszenarien. Das erweiterte NPV-Modell enthüllt auch den Wert einzelner Szenarien oder den Wert, den ein Projekt – abhängig von möglichen Studienergebnissen oder Marktveränderungen – in Zukunft haben könnte. Im Fallbeispiel aus Abb. 13-5 wird aufgezeigt, wie der erweiterte NPV errechnet wird.
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13 Bewertung von Biotech-Unternehmen
Expected Project NPV = EUR Scenario
Probability
1 2 3 4 5 6
23% 3% 14% 33% 18% 10%
31
Scen. NPV (EUR thousands)
177.600 177 -49.305 -23.923 -11.627 -6.143 -2.841
million Exp. Scen. NPV (EUR thousands)
40. 40 395 -1.246 -3.255 -3.851 -1.106 -284
Monte Carlo Simulation: NPV (EUR million) Minimum -68,60 Mean 30,21 Maximum 388,44 Std Dev 84,23 Mode -11,63
Launch STOP after failure of Registration STOP after failure of Phase III STOP after failure of Phase II STOP after failure of Phase I STOP after failure of Preclinical
Abb. 13-5: Berechnung des erweiterten NPV
13.2.4 Erarbeitung verlässlicher Annahmen Einem erfahrenen Finanzexperten mag die Erstellung eines NPV-Modells als einfache Aufgabe erscheinen. Verlässliche Annahmen sind jedoch nicht so einfach zu erhalten. Wenn ein Projekt einer finanziellen Evaluation unterzogen werden soll, müssen auch Annahmen über zukünftige Kosten und Umsatzerlöse aufgestellt werden. Zudem sind die Risiken in quantitativer Form als Wahrscheinlichkeitsverteilungen zu berücksichtigen. Der Wert von F&E-Projekten ist äußerst sensitiv gegenüber Änderungen der Umsatzprognosen (insbesondere bei Projekten im klinischen Stadium) sowie gegenüber den Wahrscheinlichkeitsschätzungen im Entscheidungsbaum. Im Folgenden möchten wir einige Wege aufzeigen, wie zuverlässige Annahmen gemacht werden können, wobei der besondere Schwerpunkt auf frühen Projekten liegt.
13.2.4.1 Umsatzprognosen Die Unsicherheit von Umsatzprognosen nimmt mit fortschreitender Entwicklung ab, da immer mehr Informationen über die Eigenschaften des Entwicklungskandidaten im Vergleich zu bestehenden und zukünftigen Wettbewerbern zur Verfügung stehen. Für präklinische und frühe klinische Entwicklungskandidaten sind Umsatzprognosen wesentlich schwieriger, da die Bandbreite der potenziellen Ergebnisse größer ist und das gesundheitspolitische Umfeld mit größerer Wahrscheinlichkeit Veränderungen unterliegt. Wir sind aber davon überzeugt, dass auch für frühe Projekte zuverlässige Umsatzprognosen erzeugt werden können, wenn die folgenden Ansätze berücksichtigt werden: • Erstellen Sie, wenn möglich, epidemiologische Marktmodelle. • Nutzen Sie das PTP zur Ermittlung der Patienten, die für eine Behandlung in Frage kommen, sowie zur Definition von Patienten-Untergruppen mit spezieller Relevanz. • Bewerten Sie die Positionierung des zukünftigen Produkts im Kontext von Behandlungsalternativen sowohl auf der Grundlage des medizinischen Bedarfs als auch des antizipierten Wirksamkeitsprofils. • Berücksichtigen Sie alternative Marktszenarien und Produktprofile. • Untersuchen Sie die Akzeptanz des neuen Produkts durch gezielte Umfragen. • Analysieren Sie mithilfe von Conjoint-Analysen die Präferenzen der Ärzte für bestimmte Produkteigenschaften. • Arbeiten Sie mit Wahrscheinlichkeitsverteilungen (z.B.: Triangulär-, Uniform-, Poisson-, PERTVerteilung) statt mit Einzelpunktschätzungen für unsichere Variablen, wie beispielsweise der Prävalenz, der Diagnose- und Behandlungsrate oder der zu erwartenden Entwicklung der Marktanteile (,Patientenpenetration‘).
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Kerstin M. Bode-Greuel und Joachim M. Greuel • Stellen Sie auf der Basis einer gründlichen Analyse der Wettbewerber, umfassender Marktforschung sowie der zukünftigen Verfügbarkeit von Generika Hypothesen über realisierbare Preisbereiche an. • Untersuchen Sie mithilfe von Monte-Carlo-Simulationen die Wahrscheinlichkeit, ein bestimmtes Umsatzniveau zu erreichen.
13.2.4.2 Wahrscheinlichkeitsverteilungen Beim Würfeln können wir die Wahrscheinlichkeit (mit anderen Worten, die Häufigkeit) eines bestimmten Ergebnisses exakt berechnen. Aufgrund unseres Wissens über den Würfel sind wir in der Lage, die Wahrscheinlichkeit vorherzusagen, und wir könnten durch oftmalig wiederholtes Würfeln nachweisen, dass unsere Berechnung korrekt ist. Leider hilft ein solcher Ansatz der objektiven Häufigkeit („frequentist approach“) bei pharmazeutischen F&E-Projekten nicht weiter. Für bestimmte klinische Entwicklungsphasen gibt es zwar Informationen über Erfolgswahrscheinlichkeiten15, 16; diese Referenzwerte nehmen aber weder auf die untersuchte klinische Indikation Bezug, noch nennen sie den Grund für die Einstellung von Projekten. Referenzwerte (Benchmarks) definieren unserer Meinung nach die Bandbreite angemessener Wahrscheinlichkeitsschätzungen. Bei der Auswertung einzelner Projekte bevorzugen wir jedoch Wahrscheinlichkeitsschätzungen, die von Experten für das jeweilige individuelle Projekt erstellt werden. Zudem definieren wir nicht nur phasenrelevante Wahrscheinlichkeiten, sondern differenzieren Wahrscheinlichkeiten in Bezug auf unabhängige Variablen – wie beispielsweise klinische Studienergebnisse versus Ergebnisse aus der langfristigen Toxikologie – die in vergleichbarer Weise zum Erfolg eines Entwicklungsabschnitts beitragen können (siehe Beispiel in Abb. 13-4). Experten zögern manchmal, Wahrscheinlichkeitsangaben auf der Grundlage ihrer persönlichen Einschätzung zu machen, da die Richtigkeit solcher Zahlen nicht nachzuweisen ist. Die Unternehmensleitung misstraut solchen Schätzungen möglicherweise, da sie dahinter zu optimistische Annahmen vermutet. Wir sind davon überzeugt, dass Risikoanalysen sehr von der Einbeziehung eines erfahrenen und unabhängigen Moderators profitieren, der die interaktive Diskussion der Experten untereinander anregt. So kommen unterschiedliche Sichtweisen zu Wort. Nach unseren Erfahrungen nähern sich die Wahrscheinlichkeitsschätzungen mit zunehmendem Informationsaustausch der Experten einander an. Schließlich hat es sich als sinnvoll erwiesen, fachlich übergeordnete Experten mit langjähriger Erfahrung in einen Peer Review-Prozess einzubeziehen: dabei werden Wahrscheinlichkeitsschätzungen projektübergreifend verglichen und auf ihre Konsistenz hin überprüft. Nach unserer Überzeugung lässt sich dadurch die Zuverlässigkeit von Wahrscheinlichkeitsschätzungen verbessern. Durch eine Einbeziehung der Führungskräfte in den Prozess wird gleichzeitig die Akzeptanz der Analyse verstärkt.
13.2.4.3 Kostenschätzungen Wenn Detailpläne fehlen, können Kostenschätzungen aus Referenzwerten abgeleitet werden15, 16. Für eine definierte präklinische Entwicklungsstrategie und für Phase I-Studien sind bei den Auftragsforschungsinstituten (CROs) oft Unterlagen mit Budgetansätzen erhältlich. Die Kostenkalkulation für klinische Entwicklungen nach Phase I können sich schwieriger gestalten, da sie je nach therapeutischer Indikation erheblich voneinander abweichen. Solche Unterschiede entstehen durch die Anzahl der für eine Studie erforderlichen Probanden und durch die Behandlungskosten je Proband (z.B. ambulante versus intensive stationäre Behandlung, Kosten für Diagnoseverfahren und begleitende Medikationen, Dauer der Behandlung und Follow-up Betreuung). Das PTP bildet eine gute Grundlage, um Informationen über die Kosten der klinischen Entwicklung zu sammeln, da es die Ziele der Entwicklung, den Behandlungsmodus sowie die klinischen Meßparameter skizziert. Oft unterschätzen Biotechnologieunternehmen die Kosten für die Vermarktung ihrer Produkte. Der Aufwand für den Verkaufsaußendienst und die Werbemaßnahmen hängt sehr stark vom Zielmarkt ab. Krankenhausprodukte sind generell mit geringeren Vertriebskosten verbunden als Produkte, die
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13 Bewertung von Biotech-Unternehmen über Fach- oder Hausärzte vermarktet werden, da die Anzahl der erforderlichen Arztkontakte hier eine große Rolle spielt. Die Werbungskosten sind zudem sehr stark vom Wettbewerbsumfeld in einem bestimmten therapeutischen Bereich abhängig. Obwohl beispielsweise die Onkologie hauptsächlich den Hospital- und Facharztmarkt betrifft, sind die Marketingkosten in den letzten Jahren erheblich gestiegen, weil eine steigende Anzahl von Unternehmen auf diesem Gebiet tätig ist, von denen einige über beträchtliche Marketingbudgets verfügen. Auch das Umfeld für Krankenhausprodukte ist nach der Einführung pharmazeutischer Behandlungsrichtlinien schwieriger geworden. Der finanzielle Wert eines Projekts hängt auch von den Herstellungskosten (Cost of Goods Sold – COGS) ab, die insbesondere in der frühen Phase der Entwicklung schwierig einzuschätzen sind. Wenn hohe COGS die Profitabilität eines Projekts gefährden, könnte durch Ermittlung eines realisierbaren Produkt-Marktpreises ein akzeptables COGS-Spektrum definiert und dieses Spektrum dann im Bewertungsmodell eingesetzt werden. Das Risiko, das definierte COGS-Ziel zu verfehlen, könnte ebenso im Modell berücksichtigt werden.
13.2.5 Erweiterter NPV: Interpretation der Ergebnisse Kommen wir auf das Fallbeispiel in Abb. 13-5 zurück. Das Projekt BB1 von BestBiotech weist einen Durchschnittswert von € 31 Millionen aus. Das Projekt sollte also weitergeführt werden. Abhängig vom Gesamtrisiko und der Risikostruktur der Projekte in Verbindung mit Umsatzerlösen und Kosten rangieren die Projekte in einem solch frühen Stadium zwischen € –10 und € 35 Millionen. Der Wert liegt höher, wenn Expansionsoptionen bestehen und quantifiziert werden können9. Bei der Interpretation der Bewertungsergebnisse hilft eine detaillierte Analyse. Wird der gute Wert durch hohe Umsatzerwartungen, durch ein geringes Entwicklungsrisiko, durch eine ungewöhnliche Kostenstruktur oder durch niedrige COGS erzielt? Die Sensitivitätsanalyse illustriert, wie sich die Unsicherheit bestimmter Annahmen auf die Bewertung auswirkt. Während die Sensitivitätsanalyse einzelne Risiken betrachtet, bildet die Monte-Carlo-Simulation die Auswirkungen aller Unsicherheiten ab. Die Monte-Carlo-Simulation liefert Wahrscheinlichkeiten, bestimmte NPV-Werte oder Umsatzergebnisse zu übertreffen oder zu verfehlen. Die hier beschriebene quantitative finanzielle Bewertung führt zu einem ‚intrinsischen‘ Projektwert. Das Ziel besteht darin, auf Fakten basierende und zustimmungsfähige Annahmen zu verwenden, um zu einer Bewertung zu gelangen, die transparent und allgemein akzeptabel ist. Im Prinzip repräsentiert
€ million Phase III Phase II CMC Phase I Präklinik
80%
Fortsetzung
90%
31 Stop 10%
54%
37 Stop 20%
66
Fortsetzung
90%
Fortsetzung
65%
Fortsetzung
Fortsetzung
Registrierung Markteinführung
158
694
414 Stop 10%
Stop 35%
Stop 46% Wert nach erfolgreicher Durchführung der Präklinik
Abb. 13-6: Wertentwicklung nach Erreichen der Meilensteine
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Kerstin M. Bode-Greuel und Joachim M. Greuel der Wert eines Projektportfolios den Wert eines Biotechnologieunternehmens. Vorsicht ist jedoch geboten, wenn es um realistische Annahmen hinsichtlich der Größenordnung des F&E-Budgets und anderer Ressourcen geht. Möglicherweise können nicht alle Projekte durch betriebsinterne Ressourcen unterstützt werden. Vielleicht sind bestimmte Projekte nur in Partnerschaft zu realisieren oder müssen auslizenziert werden. Folglich müssen sich in der Projekt- und Portfoliobewertung das Geschäftsmodell und die Portfoliostrategie eines Unternehmens widerspiegeln. Das hat zur Folge, dass sich bei bestimmten Projekten möglicherweise nur ein Bruchteil des Werts im Besitz des Urhebers befindet, während der Rest einem Lizenznehmer zuzuschreiben ist. Eine realistische Bewertung wird nur erreicht, wenn solche Projekte als zukünftige Lizenzkandidaten bewertet werden (siehe unten). Finanzielle Bewertungen werden für ein wertorientiertes Projekt- und Portfoliomanagement eingesetzt. Zudem dienen die Ergebnisse solcher Bewertungen dazu, den Projekt- und Portfoliowert gegenüber Investoren und potenziellen Unternehmenspartnern zu kommunizieren. Zusätzlich zum Kapitalwert ist für Investoren insbesondere der zukünftig zu erwartende Wertzuwachs von Interesse, der sich bei Erreichen der einzelnen Entwicklungsabschnitte des Projekts einstellt. In Abb. 13-6 werden der Kapitalwert und der zukünftige Wert von BB1 unter der Annahme dargestellt, dass die Projektabschnitte bzw. die Meilensteine erfolgreich erreicht werden. Dies ist nach unserer Erfahrung eine besonders hilfreiche Darstellung. Man kann jeden Projekt-Meilenstein durch Zeitlinien ergänzen, die den erwarteten Eintritt bestimmter Entwicklungsergebnisse anzeigen. Die gleiche Analyse kann auch für den Wertzuwachs des Gesamtportfolios durchgeführt werden. Solche Analysen sind für Investoren hilfreich, die das Projektportfolio eines Unternehmens im Hinblick auf ihre Exit-Strategien analysieren wollen.
13.3 Bewertung von Technologieplattformen Bisher behandelte dieser Artikel die Bewertung von F&E-Projekten, für die therapeutische Anwendungen vorhergesehen werden können. Der Wert von Biotechnologieunternehmen basiert jedoch nicht nur auf Arzneimittelentwicklungsprojekten, sondern auch auf firmeneigenen Technologien. Solche Technologien sind normalerweise nicht auf bestimmte therapeutische Anwendungen begrenzt. Vielmehr unterstützen sie die Entdeckung neuer Arnzeistoffe oder dienen dem F&E-Prozess. Beispiele: • Entdeckung innovativer Targets (z.B. Genomics, Proteomics), die die Entwicklung neuer Arzneistoffe mit verbesserter Wirksamkeit und/oder Sicherheit unterstützen. • Technologien zur Unterstützung der chemischen Synthese: – Gewinnung strukturell optimierter Entwicklungskandidaten mit höherer Potenz und Selektivität – Erhöhung der Effizienz der chemischen Synthese, wodurch die Zeit bis zum Start der präklinischen Entwicklung verkürzt werden kann – Optimierung des Herstellungsprozesses und Senkung der Wirkstoffkosten • Präklinische Profilierung von Entwicklungskandidaten, um – das Entwicklungsrisiko durch frühere Untersuchung der Toxizität oder der Wechselwirkungen mit anderen Arzneistoffen zu reduzieren – die Wirksamkeit und/oder die Sicherheit bei speziellen Patienten-Untergruppen zu optimieren, die nach pharmakogenetischen Aspekten kategorisiert werden (was zu einem reduzierten Entwicklungsrisiko, niedrigeren Entwicklungskosten und einer besseren Marktpenetration für die betreffende Untergruppe führen kann, aber auch zu einer Begrenzung des Umsatzpotenzials) – die Anzahl der Projekt-Abbrüche in den klinischen Phasen zu reduzieren Technologien schöpfen Wert, weil sie den Zeit- und Kostenaufwand zur Identifizierung eines neuen Entwicklungskandidaten reduzieren, weil sie das F&E-Risiko senken und die Datenqualität verbessern können. Die Auswirkungen einer Risiko- und Kostenreduktion, einer verkürzten Entwicklungszeit und eines verbesserten Produktprofils können quantifiziert werden. In Abb. 13-7 wird veranschau-
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13 Bewertung von Biotech-Unternehmen licht, wie eine Technologie, die das Entwicklungsrisiko in den Phasen II und III reduziert, den Wert von BB1 erhöhen kann. Einer unserer Mandanten verwendet seine umfangreichen betriebsinternen Statistiken mit detaillierten Daten über die Gründe des Scheiterns von Projekten beispielsweise dazu, die Auswirkungen von Toxikologiescreening-Technologien auf die Reduktion des Ausfallrisikos in bestimmten Entwicklungsphasen zu evaluieren.
Registrierung Phase III Fortführung Phase II (60%) 90% CMC (90%) Fortführung Phase I
54%
Präklinik Fortführung
90%
414
stop
158
10% stop
66
80%
Fortführung
65%
Fortführung
35% stop
37
46% stop
31
Markteinführung
694 Es wird erwartet, dass die Anwendung der Technologie das Entwicklungsrisiko in den Phasen II und III senkt. Die Reduktion des Entwicklungsrisikos in diesen Phasen wirkt sich wertsteigernd aus (durch den Einsatz von Technologie erhöht sich die Wahrscheinlichkeit des Entwicklungserfolgs von 23% auf 27%, und es verbessert sich die Risikostruktur des Projekts).
20% stop
MarkteinRegistrierung führung
10%
€ million Phase III Phase II (70%) Fortführung CMC (90%) Phase I
63%
Präklinik
80%
80%
40
53
185
90%
694
414 stop 10%
stop
Fortführung
Fortführung
75%
Fortführung
Fortführung
93
25% stop 37%
stop 20%
stop 20%
Abb. 13-7: Steigerung des Projektwerts durch den Einsatz Risiko-reduzierender Technologien
Werden Technologien ausschließlich auf betriebsinterne Projekte angewandt, ist ihr Wert bereits im Wert des F&E-Portofolios enthalten. Werden Technologien jedoch auch als Serviceleistung für Fremdunternehmen angeboten, stellen sie eine zusätzliche Quelle der Wertschöpfung dar. Zur Bewertung vermarktbarer Technologien sind Annahmen über die Kapazität erforderlich, die den externen Serviceleistungen zugewiesen wird, sowie über die Anzahl der Dienstleistungen, die in einem Jahr realisiert werden können. Der Wert der Serviceleistungen kann dann wie folgt quantifiziert werden: • Ermitteln Sie den finanziellen Wert des Entwicklungskandidaten für den Partner, sofern Ihnen solche Informationen zur Verfügung stehen. Alternativ setzen Sie durchschnittliche Annahmen über Umsatzvolumen, Kosten, Risiken und Entwicklungszeiten ein. • Bewerten Sie die Auswirkungen der Technologie in Bezug auf Risikoreduktion und/oder Entwicklungskosten und -zeit und/oder Veränderungen des Produktprofils. • Ermitteln Sie die Steigerung des Projektwertes, die durch die Technologie verursacht wird.
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Kerstin M. Bode-Greuel und Joachim M. Greuel • Ermitteln Sie einen marktkonformen Anteil des durch Einsatz der Technologie erzielbarem Wertzuwachses, der dann dem Partner in Rechnung gestellt wird: – Identifizieren Sie (soweit möglich, quantitative) Informationen über abgeschlossene Transaktionen für Technologien, die hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf F&E-Projekte sowie den Marktexklusivitäts-/Intellectual Property-Status vergleichbar sind. – Kalkulieren Sie den Kapitalwert, der auf den Anbieter entfällt, indem Sie die finanziellen Details der Referenztransaktionen analysieren. – Ziehen Sie Schlüsse hinsichtlich der Transaktionsbedingungen und der Verhandlungsstrategie. Nach unserer Erfahrung sind Unternehmen bereit, an den Technologie-Anbieter rund 2 % bis 15 % der Kapitalwerterhöhung zu zahlen (Zahlungen können gestaffelt und an den Projektfortschritt gekoppelt werden). Die Bewertung neuer Drug-Targets ohne vorhersehbaren Bezug zu bestimmten Therapiegebieten, wie sie sich beispielsweise aus der Genomics- oder Proteomics-Forschung ergeben, ist schwierig. Manchmal ist es nicht möglich, den intrinsischen Wert solcher Technologien zu ermitteln. Die Analyse von Referenztransaktionen kann sinnvolle Informationen darüber liefern, wie der Markt solche Vermögenswerte bewertet.
13.4 Evaluation von Lizenzverträgen Wir wenden das erweiterte NPV-Modell als Grundlage für die Ermittlung marktgerechter Preise für Lizenzierungskandidaten an. Zur Vorbereitung von Verhandlungen empfehlen wir die folgenden vier Schritte: 1. Erstellen Sie ein quantitatives Finanzmodell (erweitertes NPV-Modell) zur Kalkulation des Gesamtprojektwertes. 2. Definieren Sie eine logische Grundlage für die Aufteilung des Werts zwischen Lizenzgeber (Licensor – LOR) und Lizenznehmer (Licensee – LEE). 3. Übersetzen Sie den gewünschten Transaktionswert in ein „Term Sheet“ (Upfront-, MilestoneZahlungen, Royalties …). 4. Ermitteln Sie alternative Term Sheets mit vergleichbaren NPVs, um Ihre Verhandlungsposition (insbesondere im persönlichen Gespräch) zu stärken. Wir halten es für besonders wichtig, das PTP von Lizenzierungskandidaten so detailliert wie möglich zu beschreiben. Die im Rahmen des Due Diligence-Verfahrens gewonnenen Informationen reichen normalerweise aus, um ein Kandidatenprofil und sinnvolle Finanzmodelle zu erstellen. Die Argumentation für die Wertaufteilung, definiert als Prozentsatz des Kapitalwerts für LOR und LEE, kann aus der Analyse von Referenzverträgen mit veröffentlichten Finanzinformationen abgeleitet werden. Dadurch wird der Verhandlungsrahmen abgesteckt. Gleichzeitig entsteht so eine hilfreiche Informationsgrundlage für die Vereinbarung der Transaktionsbedingungen. Unsere Analysen haben ergeben, dass nicht alle veröffentlichten Transaktionen tatsächlich einen fairen Wert für beide Parteien generiert haben. Wir empfehlen deshalb, den Verhandlungsprozess durch LEE/LOR-Finanzmodelle auf der Grundlage eines erweiterten NPV zu unterstützen, mit dem Auswirkungen der vorgeschlagenen Transaktionsbedingungen sofort ermittelt werden können.
13.5 Optionspreismodelle Die bisher beschriebene Methodik, basierend auf NPV-Kalkulationen, erlaubt es, den Wert von Entscheidungsoptionen zu berechnen. Die erweiterte NPV-Methode wird von Anwendern bevorzugt, da sie sehr konkret und anschaulich Risiko abbildet. Eine Alternative, den Wert realer Optionen zu ermitteln, besteht in der Anwendung der Optionspreistheorie. Hierbei wird nicht zwischen systemati-
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13 Bewertung von Biotech-Unternehmen schem Risiko, welches den Diskontierungssatz beeinflusst, und unsystematischem Risiko, welches als Wahrscheinlichkeitsverteilung in den Zähler der NPV-Gleichung eingeht, unterschieden. Vielmehr wird, analog zu Finanzoptionen, Risiko als Volatilität des der Option zugrunde liegenden Wertes verstanden. Da Pharma-Projekte oder auch Medikamente nicht wie Aktien frei gehandelt werden, ist es im Prinzip nicht möglich, diese Volatilität zu bestimmen. Im Finanzbereich ist es möglich, für Optionen replizierende Portfolios aus den entsprechenden Aktien und Anleihen zu konstruieren, deren Wert exakt dem der Option entspricht. Es konnte gezeigt werden, dass damit eine risikolose Anlage möglich ist und daher der Diskontierungssatz für risikofreie Anlagen Anwendung finden sollte. Verschiedene Autoren haben vesucht, den Wert realer Optionen mit aus der Optionspreistheorie abgeleiteten Modellen zu berechnen. Schwartz und Moon19 nehmen an, dass in der pharmazeutischen Entwicklung drei wesentliche Unsicherheiten bestehen: die Kostenunsicherheit, die Unsicherheit bezüglich des Wertes des zugelassenen Produkts und die Möglichkeit, dass das Projekt aufgrund negativer Studienergebnisse während der Entwicklung abgebrochen werden muss. In ihrem Ansatz modellieren die Autoren die Kostenunsicherheit und die Produktwert-Unsicherheit als einen stochastischen Diffusionsprozess (in Anlehnung an Aktienpreismodelle). Das Abbruchrisiko wird als Poisson-Prozess beschrieben. Zur Bestimmung des Projektwerts – das Projekt wird dabei als Option auf ein fertiges Produkt verstanden – müssen mehrdimensionale partielle Differentialgleichungen auf numerischem Wege gelöst werden. Es ergeben sich eindeutige Lösungen, jedoch werden von Kritikern dieses Modells einige der Annahmen bezweifelt. Beispielsweise gehen auch Schwartz & Moon von der Möglichkeit eines replizierenden Portfolios aus, welches es ihnen ermöglicht, die vorhergesagten Cashflows risikofrei abzuzinsen. Ein weiterer kritischer Punkt ist die Annahme eines Wiener-Prozesses bezüglich der Wertentwicklung des pharmazeutischen Produktes, welche nicht belegbar ist. Einen alternativen Vorschlag machen Brach und Paxson18. Ihr Modell beschreibt einen ‚Jump Diffusion‘ Prozess, der die Möglichkeit sprunghafter Wertentwicklung zulässt. Da sich Projektwerte nach Erreichen von wichtigen Meilensteinen in der Regel immer sprunghaft erhöhen, stellt ihr Vorschlag eine Weiterentwicklung einfacher Diffusionsmodelle dar. Allerdings nehmen auch Brach und Paxson eine kontinuierliche Wertdiffusion an, die dann durch einen Poisson-Prozess ergänzt wird. Daher gelten auch für ihren Ansatz die gleichen Vorbehalte wie für Schwartz und Moon. Einen interessanten Ansatz verfolgen Kellogg und Charnes17. Sie vergleichen den erweiterten NPVmit dem Optionspreisansatz zur Berechnung realer Optionen. Beim Optionspreisansatz wird die zugrunde liegende Diffusion des Produktwerts durch eine Binomialverteilung beschrieben. Auch hier gibt es keinen endgültigen Beweis für die Richtigkeit der Annahme der Autoren bezüglich des Diffusionsprozesses. Bemerkenswert an dieser Veröffentlichung ist weiterhin, dass die OptionswertBinomialverteilung durch diskrete Projekt-Abbruchwahrscheinlichkeiten ergänzt wird, was der Logik der Optionspreismethode eigentlich widerspricht. Immerhin ergeben in dem vorgestellten Beispiel die erweiterte NPV-Methode und die Optionspreismethode konvergierende Resultate, was vermuten lässt, dass beide Modelle, wenn die richtigen Eingangsgrössen ermittelt werden, zu identischen Ergebnissen führen. Zu der gleichen Schlussfolgerung kommen auch Smith und Nau20. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Optionspreismodelle eine interessante Ergänzung bestehender NPV-basierter Methoden darstellen. Sie sind jedoch noch nicht endgültig validiert und die Richtigkeit einiger essentieller Annahmen ist bisher noch nicht belegt. Optionspreismodelle haben ferner den Nachteil, weniger anschaulich zu sein als NPV-Berechnungen, und Schlussfolgerungen, welche sich aus den Modellen ergeben, sind daher Entscheidungsträgern schwerer zu vermitteln. Die erweiterte NPV-Methodik ist folglich der heutige gültige Standard, und zumindest mittelfristig wird es diese Methode auch bleiben.
13.6 Schlussfolgerungen und Aussichten Im vorliegenden Artikel beschreiben wir eine Methode zur Evaluation von Entwicklungskandidaten und Technologieplattformen, wie sie typischerweise von Biotechnologieunternehmen angestrebt wird. Der erweiterte NPV-Algorithmus berücksichtigt die für die Wertmaximierung ausschlaggebenden
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Kerstin M. Bode-Greuel und Joachim M. Greuel Faktoren sowie alle relevanten Risiken. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass der vorgeschlagene Evaluationsansatz sinnvoll ist für • die interne Projektpriorisierung und das Portfoliomanagement • Lizenzverhandlungen • Fund-Raising von Biotechnologie-Firmen • Investoren Der erweiterte NPV-Algorithmus ist ein weithin anerkanntes Modell für die Evaluation von F&EProjekten der pharmazeutischen Industrie (und anderer F&E-intensiven Industrien), weil dieses Konzept sowohl das Risiko als auch die Optionalität und die stufenweise Investitionsstrategie solcher Projekte abbilden kann. Manager vertreten manchmal die Ansicht, dass der vorgeschlagene Ansatz einer finanziellen Projektevaluation für Drug Discovery-Projekte wenig sinnvoll ist, da die Spannweite möglicher Ergebnisse zu weit sein und zu Bewertungsergebnissen führen könnte, die eine Projektdifferenzierung und -priorisierung nicht wirklich unterstützen. Es kann zuweilen schwierig sein, die erwarteten Eigenschaften eines innovativen Arzneimittels zu beschreiben, das z.B. auf der Grundlage eines neu entdeckten Enzyms oder eines neu entdeckten Rezeptors entwickelt wird. Wir haben jedoch die Erfahrung gemacht, dass der in Kapitel 13.2 beschriebene Strukturierungsprozess dazu beiträgt, die werttreibenden Faktoren besser zu verstehen. Die mit den Bewertungen verbundenen Diskussionen führen schließlich zu PTPs, die den Wissenschaftlern in jeder F&E-Phase Leitlinien zur Optimierung ihrer Forschungstools und Entscheidungskriterien liefern. Die finanzielle Bewertung baut dann auf dem PTP und der Entwicklungsstrategie auf. Aus der Monte Carlo-Simulation lässt sich auch bei hoher Unsicherheit die stochastische Dominanz von Projekten bestimmen, deren Standardabweichungen überlappen. Wir sind deshalb überzeugt, dass auch eine finanzielle Bewertung von frühen, noch präklinischen, Projekten durchführbar, sinnvoll und empfehlenswert ist.
13.7 Literatur 1. Nichols, N.A. (1994), ,Scientific management at Merck: an interview with CFO Judy Lewent, Harvard Business Review‘, Vol.1, pp. 88–99 2. Matheson, D. and Menke, M.M. (1995), ,Best-practice decision making in R&D‘, Scrip Magazine, July/August, pp. 34–37 3. Bode-Greuel, K.M. (1997), ,Financial project evaluation and risk analysis in pharmaceutical development‘, Scrip Reports, BS890, Richmond, UK: PJB Publications 4. Sharpe, P. and Keelin, T. (1998), ,How SmithKline Beecham makes better resource-allocation decisions‘, Harvard Business Review, Vol. 2, pp. 45–57 5. Stewart, J.J., Allison, P.N. and Johnson, R.S. (2001), ,Putting a price on biotechnology‘, Nature Biotechnology, Vol. 19, pp. 813–817 6. Greuel, J.M. (2002), ,The R&D value conundrum‘, Current Drug Discovery, July, pp. 37–42 7. Greuel, J.M. (2004), ,Assessing the economics of biogenerics‘, J of Generic Medicines, Vol. 2, Issue 2, pp. 153–160 8. Bode-Greuel, K.M. (2000), ,Real options evaluation in pharmaceutical R&D: a new approach to financial project evaluation‘, Scrip Reports, BS 1038, Richmond, UK: PJB Publications 9. Loch, C.H. and Bode-Greuel, K.M. (2001), ,Evaluating growth options as sources of value for pharmaceutical research projects‘, R&D Management, Vol. 31, no. 2, pp. 231–248 10. Brealey, R.A. and Myers, S.C. (2003), ,Principles of corporate finance‘, McGraw-Hill, New York, pp. 2–58
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13 Bewertung von Biotech-Unternehmen 11. Brealey, R.A. and Myers, S.C. (2003), ,Principles of corporate finance‘, McGraw-Hill, New York, pp. 151–220 12. European Private Equity & Venture Capital Association (2004), ,Final net long-term returns for European private equity show slight decrease on 2002, short-term returns indicate signs of recovery‘, Berlin, 3 June 2004 13. Meergans, M. (2003), ,The cost of capital in the pharmaceutical industry: are beta-factors useful in risk correlations?‘, Master Thesis, University of Witten/Herdecke, Germany 14. Myers, S. (1996), ,Measuring pharmaceutical risk and the cost of capital‘, in Sussex, J., Marchant, N., ,Risk and Return in the Pharmaceutical Industry‘, Office of health Economics, London, pp. 59–76 15. www.tufts.edu/med/research/csdd 16. www.cmr.org 17. Kellogg, D. and Charnes, J.M. (2000), ,Real-options valuation for a biotechnology company‘, Association for Investment Management and Research, May/June, pp. 76–84 18. Brach, M.A. and Paxson, D.A. (2001), ,A gene to drug venture: Poisson options analysis‘, R&D Management, Vol. 31, no. 2, pp. 203–214 19. Schwartz, E.S. and Moon, M. (2000), ,Evaluating research and development investments‘, in Brennan, M.J., Trigeorgis, L., ,Project Flexibility, Agency, and Competition‘, Oxford University Press, New York, pp. 85–106 20. Smith, J. and Nau, R., Valuing risky projects: option pricing theory and decision analysis, Management Science, Vol. 41, no. 5, pp. 795–816
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14 Bewertung von Pharmaunternehmen Von Heike Merk und Wolfgang Merk* 14.1 Überblick über den pharmazeutischen Sektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1.1 Der Weltpharmamarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1.2 Der deutsche Pharmamarkt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2 Besonderheiten bei der Bewertung von Pharmaunternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.1 Die Einbindung von Pharmaunternehmen in den Gesundheitsmarkt . . . . . . . . . . . . . . 14.2.1.1 Allgemeine Besonderheiten des Gesundheitsmarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.1.2 Wichtige Steuerungsinstrumente in der Arzneimittelversorgung . . . . . . . . . . . . . . 14.2.1.3 Die demographische Entwicklung und der medizinische Fortschritt als originäre Nachfragedeterminanten der Arzneimittelnachfrage. . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.2 Markttransparenz durch Verfügbarkeit von Marktzahlen über Markforschungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.3 Abhängigkeit von Pharmaunternehmen von bestehenden und zukünftigen Produkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.4 Geschäfts-Segmentierung als Mittel für mehr Bewertungs-Transparenz. . . . . . . . . . . . 14.2.4.1 Regionale Aufteilung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.4.2 Aufteilung des Produkt-Portfolios . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.4.3 Lohnfertigungsanteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.4.4 Verteilung der Funktionskosten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.5 Besonderheiten bei der Bewertung von Originatoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.5.1 Bewertung von F&E als Kernkompetenz von Originatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.5.2 Produktlebenszyklus bei Originatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.5.3 Hohes Risiko der Produkthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.6 Besonderheiten bei der Bewertung von Generikaunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.6.1 Bewertung der Entwicklungsstrategie und -fähigkeit als Kernkompetenz von Generikaunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.6.2 Produktlebenszyklus eines generischen Produktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.6.3 Außendienst-Stärke und Key-Account Management als Werttreiber in der Generikaindustrie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.6.4 Tiefe der vertikalen Integration eines Generikaunternehmens als Werttreiber. . . . 14.3 Unternehmensplanung in der Pharmabranche am Beispiel von Generikaunternehmen. . . . 14.3.1 Das Produktportfolio als Determinante der Umsatz- und Margen-Entwicklung in der Pharmaindustrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.3.1.1 Absatzmengen- und Verkaufspreisplanung von bestehenden Produkten . . . . . . . . . 14.3.1.2 Absatzmengen- und Verkaufspreisplanung von zukünftigen Produkten. . . . . . . . . 14.3.1.3 Planung der Gross Marge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
*
310 310 312 315 315 315 316 317 319 319 320 320 320 321 321 321 321 324 324 325 325 326 326 327 327 328 328 328 329
Heike Merk, ratiopharm, Ulm, und Prof. Dr. Wolfgang Merk, Duale Hochschule Baden-Württemberg, Sachverständiger zur Beratung von Unternehmen und Praxen im Gesundheitswesen, Betriebsanalysen und Betriebsunterbrechungschäden.
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Heike Merk und Wolfgang Merk 14.3.2 Planung der Funktionskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.3.3 Planung der Cash-Flow relevanten Bilanzpositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4 Bewertungsverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4.1 Umsatz- und Ebit-Multiples in der Pharmaindustrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4.2 DCF-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4.3 Value Added-Verfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.5 Schlusswort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.6 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
329 330 330 330 331 332 333 333
14.1 Überblick über den pharmazeutischen Sektor 14.1.1 Der Weltpharmamarkt Der Gesamtumsatz mit Arzneimitteln lag im Jahr 2007 weltweit mit insgesamt 713,2 Mrd. US-Dollar rund 9,9 % über dem Vorjahresniveau und weist damit eine exorbitante Steigerungsrate auf. Ca. 82 % des Gesamtumsatzes auf dem Weltpharmamarkt entfällt dabei auf Nordamerika, Europa und Japan. Der Umsatz in Nordamerika ist zuletzt um 4,5 % auf 304,5 Mrd. US-Dollar gestiegen und macht damit fast die Hälfte (43 %) des weltweiten Pharmamarkt-Umsatzes 2007 aus. Der Pharmamarkt in Europa wuchs um 15,9 % auf 213,1 Mrd. US-Dollar im Vergleich zum Vorjahr. Lateinamerika steigerte seinen Umsatz im Jahr 2007 um 17,4 % auf 42,6 Mrd. US-Dollar, was eine auffällige Verbesserung darstellt, da der Umsatz im Jahr 2002 noch bei 21,2 Mrd. US-Dollar lag. Weltpharmamarkt Entwicklung Jahr
2003
Gesamtmarkt (Mrd.US-Dollar)
499,1
Veränderung (in Prozent)
2004
2005
2006
2007
560,0
604,6
649,0
713,2
+ 12,2
+ 8,0
+ 7,3
+ 9,9
Abb. 14-1: Entwicklung des Weltpharmamarktes von 2003 bis 2007, Quelle: Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (Hrsg.): Pharmadaten 2008, S. 34
Der pharmazeutische Weltmarkt weißt dabei eine hohe regionale Konzentration auf, ca. 82 % entfallen auf die Regionen Nordamerika, Europa und Japan. Region
Umsatz in Mrd. US-$
Wachstum ggü. Vorjahr
Nordamerika
304,5
4,5 %
EU
213,1
15,9 %
Japan
65,7
3,1 %
Asien, Afrika, Austr.
87,3
18,3 %
Lateinamerika
42,6
17,4 %
Abb. 14-2: Verteilung des Weltpharmamarktes 2007 auf Regionen, Quelle: Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (Hrsg.): Pharmadaten 2008, S. 35
Die unternehmerische Branchenstruktur war in den letzten Jahren durch eine starke Konsolidierungsund Konzentrationstendenz geprägt. Aktuelle Beispiele hierfür sind Übernahme von Wyeth durch
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14 Bewertung von Pharmaunternehmen Pfizer sowie von Schering-Plough durch Merck & Co. Pfizer konnte zuletzt seine Marktführerposition weiter ausbauen, Merck & Co. ist vor Sanofi-Aventis zum zweitgrößten Pharmaunternehmen avanciert.
Unternehmen Pfizer (USA) (inkl Wyeth) Merk & Co. (USA) (inkl. Schering-Plough)
Umsatz 2008 umsatzstärkste Blockbuster am Markt (in Mrd. Dollar p.a.) (in Mrd. Dollar) 71,1 44,6
Sanofi-Aventis (FR)
40,5
GlaxoSmithKline (GB)
37,7
Novartis (CH)
33,9
Roche (CH)
33,3
Astra Zeneca (GB)
31,6
Johnson & Johnson (USA)
24,6
Lilly (USA)
19,3
Bristol-Myers Squibb (USA)
17,7
Lipitor (Cholesterinsenker) Effexor (Antidepressivum) Singulair (Asthma) Cozaar (Blutdruck) Lovenox (Thrombosen) Plavix (Blutverdünner) Seretide (Asthma) Valtrex (Viruserkrankung) Diovan (Blutdruck) Glivec (Krebs) MabThera (Lymphknotenkrebs) Avastin (Darmkrebs) Nexium (Magenmittel) Seroquel (Psyhopharmakon) Remicade (Entzündungshemmer) Risperdal (Psychopharmakon) Zyprexa (Depressionen) Cymbalta (Psychopharmakon) Plavix (Blutverdünner) Abilfy (Psychische Störungen)
12,4 3,9 4,3 3,5 3,8 3,7 5,9 1,7 5,7 3,6 5,6 4,9 5,2 4,4 3,7 3,4 4,7 2,7 5,7 2,1
Quelle: Wirtschaftswoche vom 16.3.2009 S. 66/67 Abb. 14-3: Top 10 Pharmaunternehmen 2008
Grundsätzlich lassen sich Pharmaunternehmen in drei Industriezweige unterteilen:1 Zum ersten Industriezweig gehören Unternehmen der forschende pharmazeutische Industrie, auch Originatoren genannt, deren Erfolg entscheidend davon abhängt, ständig neue und erfolgreiche Arzneimittel zu entwickeln. Hervorgehobene Bedeutung kommt hier der Produktpipeline zu, die keine großen Lücken aufweisen darf. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die hohen Kosten für Forschung und Entwicklung nicht mehr über die am Markt befindlichen Produkte gedeckt werden können. Als Faustregel gilt, dass ein Pharmakonzern ca. 1/10 seines Umsatzes aus neuen Arzneimitteln erlösen muss, um erfolgreich zu bleiben. Vor dem Hintergrund eines sehr hohen Niveaus der pharmazeutischen Forschung wird es daher für forschende Unternehmen immer notwendiger, hohe Anstrengungen zur Entwicklung von Innovationen vorzunehmen. Aus Forschung an ca. 6.000 Substanzen resultiert nach durchschnittlich etwa 12 Jahren Forschung lediglich ein marktreifes Medikament. Die durchschnittlichen F&E-Kosten werden dabei pro Medikament regelmäßig zwischen 500 und 800 Mio. Euro angegeben. Der Patentschutz beträgt in der Bundesrepublik Deutschland und den meisten Industrieländern 20 Jahre vom Zeitpunkt der Erteilung des Patents. Da ein Patent häufig sehr früh im Forschungsstadium angemeldet wird, beginnt die Patentlaufzeit bereits vor der Marktreife des Produkts, so dass nach Abschluss der klinischen Prüfung des Arzneimittels sowie des Zulassungs1
Vgl. Fischer, D.; Breitenbach, J. (2003): Die Pharmaindustrie: Einblick – Durchblick – Perspektiven, S. 15 ff.
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Heike Merk und Wolfgang Merk verfahrens dem Unternehmen häufig weniger als zehn Jahre effektive Patentlaufzeit zur Verfügung stehen, in denen die Forschungs- und Entwicklungskosten des Arzneimittels erwirtschaftet werden müssen. Ein weiterer Größenvorteil begründet sich häufig darin, dass weltweit agierende Unternehmen auf einen schlagkräftigen Außendienst zurückgreifen können und dadurch eine schnelle globale Marktdurchdringung gewährleisten können. Es verwundert daher nicht, dass sich insbesondere auf dem Bereich der forschenden pharmazeutischen Industrie sich in den letzten Jahren eine Vielzahl von Unternehmenskäufen und Zusammenschlüssen ergaben. So sind etwa die früheren eigenständigen Firmen Pharmacia, Warner-Lambert, Searle und Upjohn zwischenzeitlich alle im Pfizer-Konzern aufgegangen. Zum zweiten Industriezweig gehören Hersteller von Generika oder Nachahmerpräparaten, die Medikamente auf den Markt bringen, deren Patentschutz abgelaufen ist. Die Wirkstoffe, Dosierung und Arzneiform sind in der Regel identisch mit dem Originalpräparat. Generikaproduzenten wie Teva (Israel), Ranbaxy (Indien), ratiopharm oder Stada (beide Deutschland) profitieren insbesondere vom zunehmenden Finanzierungsproblemen in den einzelnen nationalen Gesundheitssystemen, da sie aufgrund wegfallender F&E-Aufwendungen deutlich billiger produzieren und anbieten können als die Originatoren. Entscheidend für Generikaunternehmen ist die Geschwindigkeit ein Präparat in der notwendigen Qualität „nachbauen“ zu können. In einzelnen Fällen verschaffen sich Generikaunternehmen einen Wettbewerbsvorteil, indem sie kurz vor Ende des Patentschutzes eine Lizenz des Originators (Early Entry) kaufen. Das Generikageschäft zeichnet sich des Weiteren durch vergleichsweise geringe Gewinnmargen und eine hohe Wettbewerbsintensität aus. Das Potenzial economies of scale zu generieren ist hier die Haupttriebfeder für Mergers & Acquisitions. Auch haben Originatoren erkannt, dass sie über die Akquisition einer Generikasparte, die Generierung von Gewinnen mit ihren Produkten verlängern können bzw. sich weitere Synergieeffekte, etwa bei der Auslastung von Produktionskapazitäten realisieren lassen. Zum dritten Industriezweig gehören Contract Research Organizations (CROs). Dies sind Unternehmen, die einzelne Bereiche der Arzneimittelentwicklung als Dienstleistung übernehmen. Diese Unternehmen haben sich auf präklinische (z.B. Quintiles) oder die klinische Entwicklung (z.B. Paraxel) spezialisiert. Durch die Beauftragung von CROs können Originatoren ihre eigenen F&E-Kapazitäten klein halten und ihr Risiko minimieren. In diesem Zusammenhang sollen auch Unternehmen genannt werden, die die Entwicklung von patentierten Darreichungssystem (drug delivery systems) übernehmen. Solche Unternehmen, wie z.B. ALZA entwickeln Systeme, die die Wirksamkeit und Effizienz bereits bekannter Wirkstoffe verbessern können (z.B. über eine verzögerte Wirkstofffreisetzung, das gezielte „Ansteuern“ von Organen oder die Reduktion von Nebenwirkungen). Durch die Entwicklung solcher Systeme (die selbst patentgeschützt werden können) wird es unter Umständen möglich, den Lebenszyklus eines Arzneimittels um weitere Jahre auszudehnen. Biotechnologie-Unternehmen gehören im weiteren Sinne ebenfalls zu den Industriezweigen der Pharmaindustrie. Auf diese soll jedoch an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden, da sich damit ein eigenständiger Beitrag dieses Werkes beschäftigt.
14.1.2 Der deutsche Pharmamarkt Bis in die 80er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts zählte Deutschland zu den führenden Pharmanationen und beherbergte mit Unternehmen wie Hoechst und Bayer die weltgrößten Pharmakonzerne. Die Zeiten in denen Deutschland als „Apotheke der Welt“ galt sind längst vorbei. In Deutschland sind gerade noch 334 pharmazeutische Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern beheimatet. Es herrscht hier weitgehend eine mittelständisch geprägte Struktur vor. Etwa 94 % der Pharmaunternehmen haben weniger als 500 Beschäftigte, der Großteil wird von den Eigentümern selbst geführt. Hinzu kommen noch ca. 200 Unternehmen im sogenannten Biomed-Sektor, die sich schwerpunktmäßig der Forschung und Entwicklung von Arzneimittel widmen.2 2
Vgl. hierfür und die weiteren gemachten statistischen Angaben: Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (Hrsg.): Pharmadaten 2008, S. 1 ff.
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14 Bewertung von Pharmaunternehmen Pharmabetriebe nach Größenklassen Bis 99 Mitarbeiter
76,8 %
100 bis 499 Mitarbeiter
17,3 %
500 und mehr Mitarbeiter
5,9 %
Abb. 14-4: Pharmabetriebe nach Größenklassen, Quelle: Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (Hrsg.): Pharmadaten 2008, S. 8
Im Jahr 2007 waren 127.036 Personen in der pharmazeutischen Industrie beschäftigt. Insgesamt gingen seit 1999 rund 4.600 der ursprünglich 131.631 Arbeitsplätze verloren. Dies entspricht einem Rückgang der Beschäftigtenzahl um 3,5 %. In der Bundesrepublik sind ca. 16.000 Pharmareferenten tätig, die pro Jahr ca. 25 Mio. Besuche absolvieren. Der überwiegende Anteil der Pharmaunternehmen erwirtschaftet den Großteil seines Umsatzes auf dem deutschen Heimatmarkt. Gleichwohl der Exportanteil wächst, signalisiert dies eine starke Anhängigkeit vom heimischen Gesundheitsmarkt und den hier vorherrschenden gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen. Der Produktionswert (bewertet zu Abgabepreisen) der Pharmazeutischen Industrie in Deutschland betrug 2007 ca. 26,2 Mrd. Euro, die Gesamtausgaben für Arzneimittel (inkl. Verbandsmittel) lagen im selben Jahr laut statistischem Bundesamt bei ca. 41,7 Mrd. Euro. Mit einem Drittel der Gesamtkosten sind die Ausgaben für die Krankenhausbehandlung (50,8 Mrd. Euro) der größte Ausgabenblock der GKV, gefolgt von den Arzneimitteln mit 25,59 Mrd. Euro und der ärztlichen Behandlung mit 23,11 Mrd. Euro. Der Ausgabenanteil für Arzneimittel (aus Apotheken ohne von Sonstigen) lag bei 16,66 % der Gesamtausgaben der GKV. Der hohe Anstieg der Ausgaben für Arzneimittel im Jahr 2007 ist auf die Erhöhung der Mehrwertsteuer und der verstärkten Inanspruchnahme von Impfstoffen zurückzuführen. Nach dem Umsatz ist der Marktführer auf dem deutschen Pharmamarkt 2008 Hexal. Damit liegt dieses Unternehmen vor seiner Muttergesellschaft Novartis und Sanofi-Aventis. Nachfolgend dargestellt ist ein Ranking der 10 umsatzstärksten Pharmaunternehmen in Deutschland 2008. Rang Unternehmen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
HEXAL NOVARTIS PHARMA SANOFI-AVENTIS BAYER PFIZER PHARMA ASTRAZENECA KOHLPHARMA RATIOPHARM GSK BOEHRINGER I.
Quelle: IMS PharmaScope National/GKV 3 Abb. 14-5: Top 10 Pharmaunternehmen in Deutschland 2008 3
Die Daten umfassen die Arzneimittelabgaben der Apotheken für den GKV-Markt, Privatrezepte und Barverkäufe auf Basis der Abgaben der öffentlichen Apotheken. Datenbasis für den GKV-Markt sind über 99 % der von den Apothekenrechenzentren getätigten GKV-Abrechnungen. Der Anteil der Privatrezepte und Abgaben ohne Rezept wird auf Basis einer Stichprobe von mehr als 4.000 Apotheken erhoben.
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Heike Merk und Wolfgang Merk Die Zahl der Arzneimittel in Deutschland, für die eine Zulassung oder Registrierung besteht, lag per Stichtag 15. Juni 2008 laut Statistik des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bei ca. 56.660. Diese hohe Zahl wird in internationalen Vergleichen häufig kritisiert. Die „Rote Liste®“, das das umfassendste Arzneimittelverzeichnis Deutschlands darstellt, nennt in seiner aktuellen Ausgabe jedoch nur eine Zahl von 8.764 Präparaten und macht dabei 35.774 Preisangaben (da die Präparate fast immer in verschiedenen Packungsgrößen zu unterschiedlichen Preisen gehandelt werden). Im Jahr 2007 wurden in Deutschland 1,38 Mrd. Packungseinheiten abgegeben, davon entfielen auf verschreibungspflichtige Medikamente 690 Mio. (50,0 %), rezeptfreie Verordnungen 140 Mio. (10,1 %) und Selbstmedikation 550 Mio. (39,9 %). Hinsichtlich der möglichen Vertriebswege ist zunächst auf die Präparate abzuheben. Diese können zunächst in freiverkäufliche und apothekenpflichtige Präparate unterschieden werden. Bei freiverkäuflichen Präparaten kann auch der normale Einzelhandel Distributor sein, wenn dort ein entsprechender Sachkundenachweis vorliegt. Weiter können Präparate danach unterschieden werden, ob sie rezeptpflichtig sind und ob die Kosten für den Versicherten erstattungsfähig sind. Der klassische Vertriebsweg von Arzneimitteln verläuft von den Herstellern über Großhändler und eine der ca. 21.600 Apotheken zum Endverbraucher. Über diesen Distributionskanal werden ca. 75 % des Marktes abgedeckt. Ein weiterer quantitativ bedeutsamer Weg geht von den Herstellern direkt an die ca. 2.100 Krankenhäuser. Die Krankenhäuser geben die Arzneimittel dann ohne gesonderte Berechnung an ihre Patienten ab. Darüber hinaus werden Arzneimittel an krankenhausversorgende Apotheken oder Krankenhäuser mit eigener Apotheke geliefert. Ein geringer Anteil des Marktes wird ohne Einbeziehung des Großhandels direkt vom Hersteller an den Apotheker abgegeben.4 Zunehmende Bedeutung gewinnt in der Pharmabranche auch der Versandhandel. Die Internetapotheken DocMorris und Easy haben hier bekanntlich neue Vertriebsstrukturen etabliert. Sie betreiben zwischenzeitlich auch Vor-Ort-Apotheken innerhalb eines Franchiseähnlichen Systems, jedoch unter Wahrung der apothekerbezogenen Besitzverhältnisse. Das Fremdbesitzverbot, dessen Rechtmäßigkeit in einer 1999 Apotheken (inkl. Filialapotheken)
2000
2001
2002
2003
21.590 21.592 21.569 21.465 21.305
Filialapotheken
–
–
–
–
–
Neueröffnungen
191
187
186
140
122
Schließungen
157
185
209
244
282
34
2
–23
–104
–160
2004
2005
2006
Apothekenentwicklung
Apotheken (inkl. Filialapotheken)
2007
2008
21.392 21.476 21.551 21.570 21.602
Filialapotheken
632
1.228
1.796
2.356
2.851
Neueröffnungen
343
326
346
370
360
Schließungen
256
242
271
351
328
87
84
75
19
32
Apothekenentwicklung
Abb. 14-6: Entwicklung Apothekenzahlen, Quelle: Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverband Zahlen, Daten, Fakten 2008 , S. 4 4
Vgl. hierzu Dambacher, E.; Schöffski, O. (2002): Vertriebswege und Vertriebswegeentscheidung. In: Schöffski, O. et. al. (Hrsg.): Pharmabetriebslehre, S. 243 ff.
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14 Bewertung von Pharmaunternehmen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes bestätigt wurde, besagt, dass nur Apotheker/innen mit Approbation bzw. Witwer und Witwen von Apotheker/innen Inhaber einer Apotheke sein können und dazu noch drei weitere Filialapotheken betreiben dürfen. Im Gegensatz zu anderen Ländern ist in Deutschland die Direktabgabe von Medikamenten durch Ärzte verboten (Dispensierverbot). Sie können zwar Maßnahmen zur Direktmedikation durchführen (z.B. eine Infusion, Injektion), ansonsten ist ihnen nur die Abgabe von Ärztemustern in geringen und geregelten Mengen erlaubt. Durch ihr Verordnungsmonopol für rezeptpflichtige Arzneimittel konzentriert sich das Marketing der Pharmahersteller natürlich bisher auf die deutsche Ärzteschaft. 2008 waren in Deutschland ca. 319.700 Ärzte berufstätig, davon im ambulanten Bereich ca. 138.300 und im stationären Bereich 153.800. In Behörden oder Körperschaften und anderen Bereichen sind 27.600 Ärzte tätig. Durch den zunehmenden Anteil von OTC-Produkten (over the counter) in Apotheken sowie der Erlaubnis, bestimmte verschriebene Medikamente durch wirkstoffgleiche, preisgünstigere Medikamente zu ersetzen (sog. Aut-idem-Regelung) werden zunehmen Apotheker zum Mittelpunkt von Marketingaktivitäten der Pharmahersteller. Durch den wachsenden Markt der Selbstmedikation rückt natürlich auch der Patient oder Endverbraucher selbst immer mehr in den Fokus des Marketinginteresses.
14.2 Besonderheiten bei der Bewertung von Pharmaunternehmen 14.2.1 Die Einbindung von Pharmaunternehmen in den Gesundheitsmarkt Wie bereits erwähnt, sind Unternehmen der pharmazeutischen Industrie in hohem Maße abhängig von den gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen eines Landes. Um ein Unternehmen der Pharmazeutischen Industrie zu bewerten, ist es daher absolut notwendig, dass ein Bewerter nicht nur über die notwendige Methodenkompetenz hinsichtlich der entsprechenden Bewertungsverfahren verfügt. Ebenso notwendig sind vertiefte Kenntnisse der Pharmabranche und hierbei insbesondere das entsprechende Grundverständnis über seine Einbettung in den Gesundheitsmarkt und das Gesundheitssystem eines Landes. Nur das Durchschauen der zahlreichen Interdependenzen zu anderen privaten und staatlichen Unternehmen und Institutionen im Health Care Markt ermöglicht die gesundheitssystemimmanenten Chancen und Risiken, denen ein einzelnes Pharmaunternehmen gegenübersteht, abzuschätzen. Durch die Spezifika des Gesundheitsmarktes und den hohen Grad der Regulierung, der diesem Bereich innewohnt, werden seriöse und fundierte Prognosen, etwa über zukünftig zu erzielende Cash Flows, zur besonderen Herausforderung. Nachfolgend werden wir beispielhaft einige dieser Besonderheiten skizzieren:
14.2.1.1 Allgemeine Besonderheiten des Gesundheitsmarktes „Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts“ oder „Gesundheit ist das höchste Gut“ sind häufig genannte Werturteile, die auf die Besonderheit von Gesundheit hinweisen. Aus theoretischer Sicht weist der Markt für Gesundheitsleistungen in der Tat eine Reihe von Besonderheiten auf, die dazu geführt haben, dass unter Gesundheitsökonomen weitestgehend Konsens darüber besteht, dass die klassische ökonomische Nachfragetheorie hier nur sehr eingeschränkt gelten kann. Es besteht jedoch große Uneinigkeit darüber, wie ein effizienter Einsatz der knappen Mittel auf diesem Markt herbeigeführt werden soll. Zwischen wettbewerblichen Lösungen bis hin zu einem vollkommen staatlich geplanten Gesundheitswesen schwanken die Ansätze. Insbesondere unterscheidet sich der Gesundheitsmarkt von anderen Märkten durch folgende Punkte:5 • Eingeschränkte Konsumentensouveränität, die aus der Informationsasymmetrie zwischen Anbietern von Gesundheitsleistungen und dem Nachfragern entsteht. • Möglichen Nichterreichung sozialpolitisch definierter Ziele, z.B. der Gleichbehandlung von Individuen bei gleichen Bedürfnissen (Zwei-Klassen-Medizin). 5
Vgl. ausführlich: Merk, W. (1999) Wettbewerbsorientiertes Management von Arztpraxen, S. 64. ff.
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Heike Merk und Wolfgang Merk • Hohes Risiko bei der Produktion von Gesundheitsleistungen, im Extremfall kann Marktversagen zu irreparablen körperlichen und/oder geistigen Defekten oder letztlich zum Tod führen. • Diskriminierender oder selektiver Wettbewerb, der dadurch entstehen kann, dass Anbieter von Gesundheitsleistungen versuchen, für sie nicht lukrative Behandlungsleistungen oder Patientengruppen vom Angebot auszuschließen (adverse-selection) und sogenannte Rosinenpickerei (cream-skimming) betreiben. • Externe Effekte, die dadurch entstehen, dass durch ökonomische Aktivitäten von Anbietern oder Nachfragern bei Dritten unbeabsichtigte Kosten und/oder Nutzeneffekte entstehen (z.B. die zwangsweise Impfung einer Person, um die Ansteckung für Dritte zu verhindern). Das Ergebnis dieser marktlichen Unvollkommenheiten besteht nun darin, dass der Gesetzgeber regulierend in den Gesundheitsmarkt eingreift, um die Sicherstellung seiner mehr oder weniger gut definierten gesundheitspolitischen Ziele zu verwirklichen. Diese waren in den letzten Jahre insbesondere darauf bezogen, eine Beitragssatzstabilität im komplexen System der Gesetzlichen Krankenversicherung zu gewährleisten.
14.2.1.2 Wichtige Steuerungsinstrumente in der Arzneimittelversorgung Nach dem maßgeblichen Paragrafen der gesetzlichen Krankenversicherung, dem § 12 des SGB V, dürfen nur Maßnahmen zur Behandlung der Versicherten getroffen werden, die „… ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich“ sind und „das Maß des notwendigen nicht überschreiten“. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen“. Für die Leistungserbringer und die Versicherten in der GKV (dies sind ca. 90 % der deutschen Bevölkerung) sind sollen die folgenden Regulierungen bzw. Institutionen als besonderes bedeutsam für die Preis- und Nachfrageentwicklung zu nennen: Arzneimittelbudgets: Nach § 84 SGB V vereinbaren Krankenkassen und die Kassenärztliche Vereinigung bis zum 30. November für das jeweils folgende Kalenderjahr eine Arzneimittelvereinbarung. Die Vereinbarung umfasst insbesondere ein Ausgabenvolumen für die insgesamt von den Vertragsärzten veranlassten Leistungen, Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitsziele und konkrete, auf die Umsetzung dieser Ziele ausgerichtete Maßnahmen (Zielvereinbarungen), insbesondere zur Information und Beratung und Kriterien für Sofortmaßnahmen zur Einhaltung des vereinbarten Ausgabenvolumens innerhalb des laufenden Kalenderjahres. Bei der Anpassung des Ausgabenvolumens sind eine Reihe von Einflussfaktoren zu berücksichtigen, z.B. die Veränderungen der Zahl und Altersstruktur der Versicherten, die Veränderungen der Preise der Arznei- und Verbandmittel oder Änderungen der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses. Für Über- und Unterschreitungen des Arzneimittelbudgets sind bestimmte Regelungen mit Anreizwirkung für die Beteiligten vorgesehen. Wirtschaftlichkeitsprüfungen: Nach § 106 SGB V wird die Verordnungsweise der einzelnen Vertragsärzte überwacht. Bei Überschreitung von Richtgrößen (Orientierungsgrößen für den einzelnen Vertragsarzt, die aus den Arzneimittelbudgets abgeleitet werden) sind Auffälligkeitsprüfungen vorgesehen, außerdem Zufälligkeitsprüfungen, die mindestens 2 % der Ärzte pro Quartal als Stichprobe beinhalten sollen. Festbeträge: Diese sind nach den §§ 35, 35a, 35b und 36 SGB V Erstattungshöchstbeträge für Arzneimittel zu Lasten der GKV. Die Differenz zwischen dem von den Spitzenverbänden der Krankenkassen (nach § 35 und § 36 SGB V) oder vom Bundesministerium für Gesundheit (nach § 35a SGB V) festgelegten Festbetrag und dem möglicherweise höheren Verkaufspreis des Arzneimittels oder des Hilfsmittels muss der Patient selbst tragen. In den Festbetragsgruppen sind Präparate mit denselben Wirkstoffen (Stufe 1), Präparate mit pharmakologisch-therapeutisch vergleichbaren Wirkstoffen (Stufe 2) und Präparate mit therapeutisch vergleichbarer Wirkung (Stufe 3) enthalten. Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV): Für verschreibungspflichtige Arzneimittel gilt derzeit die Formel: Apothekeneinkaufspreis + 3 % + 8,10 Euro + MwSt. = Apothekenverkaufspreis. Auf-
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14 Bewertung von Pharmaunternehmen grund einer Regelung in § 130 SGB V (Apothekenrabatt zugunsten der gesetzlichen Krankenkassen) vermindert sich die Vergütung der Apotheken bei Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen um 2,30 Euro. Zuzahlungsregelungen: Seit dem 1.1.2004 muss der gesetzlich versicherte Patient 10 % des Arzneimittelpreises zuzahlen, minimal jedoch 5.– Euro, maximal 10 Euro. Kinder und Jugendliche sind von den Zuzahlungen ausgenommen. Es gilt eine Belastungsgrenze von 2 % Familienbruttoeinahmen. Bei chronisch Kranken liegt diese Grenze bei 1 %. Anreiz zu Parallelimporten: Hier wird versucht, die Apotheker zu zwingen, Preisdifferenzen zwischen den einzelnen Ländern zu nutzen. Derzeit sollen von den Apothekern mindestens 5 % des Umsatzes durch Parallelimporte nach § 129 SGB V erzielt werden (sog. Importquote). Negativliste: Seit 1983 gilt in der GKV eine Negativliste, für erwachsene Versicherte sind Mittel bei Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten, Mund- und Rachentherapeutika, Abführmittel und Mittel gegen Reisekrankheiten von der Erstattung ausgeschlossen. Rabattverträge: Bereits zum Jahresbeginn 2003 trat das Beitragssatzsicherungsgesetz (BSSichG) in Kraft. Dieses beinhaltete das Recht, für Arzneimittelhersteller und gesetzliche Krankenkassen Rabattverträge auszuhandeln. Es handelt sich hierbei um Vereinbarungen, die über die Belieferung der Krankenversicherten mit bestimmten Arzneimitteln des Herstellers bestimmen. Sinn und Zweck dieser Reform war einzig und allein die Kostensenkung der Arzneimittelkosten. Die praktische Umsetzung erfolgte dann aber erst mit dem am 1.April 2007 in Kraft getretenen GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG). In den vergangen Jahren haben sich aufgrund der Tatsache, dass keine grundlegenden Reformbemühungen von der Politik unternommen wurden (sog. kurieren an Symptomen), verschiedene Gesundheitsökonomen sehr besorgt hinsichtlich der Beitragssatzentwicklung in den nächsten 20 bis 30 Jahren geäußert. Bei unveränderten Strukturen und gleichem Leistungskatalog wird eine Steigerung des Beitragssatzes bis auf ein Niveau von ca. 25 % um das Jahr 2030 vermutet. Bei einer wachsenden originären Nachfrage nach Gesundheitsleistungen, die insbesondere durch die absehbare demographische Veränderung und den medizinisch-technologischen Fortschritt verursacht wird, muss staatliche Budgetierung tendenziell zu Rationierung von Gesundheitsleistungen führen oder der Katalog der solidarisch finanzierten Leistungen in der GKV ausgedünnt werden. Unabhängig davon, welche „Kosten dämpfenden“ Maßnahmen sich die Politiker auch einfallen lassen werden, der Gesundheitsmarkt im allgemeinen und damit auch der Arzneimittelmarkt im speziellen wird langfristig in den meisten Industrienationen ein Wachstumsmarkt bleiben, weil die wichtigen makroökonomischen originären Nachfragetreiber sich zukünftig weiterhin positiv entwickeln werden und diese Nachfrage nicht dauerhaft durch staatliche Eingriffe unterdrückt werden kann.
14.2.1.3 Die demographische Entwicklung und der medizinische Fortschritt als originäre Nachfragedeterminanten der Arzneimittelnachfrage Ein erheblicher Einfluss auf die Nachfrage eines Gesundheitsmarktes geht von der Altersstruktur seiner Bevölkerung aus. Wie in fast allen anderen europäischen Ländern ist in der Bundesrepublik Deutschland eine Überalterung der Bevölkerung zu beobachten. Diese doppelte Überalterung (einerseits der Rückgang der Geburtenzahlen, andererseits die Erhöhung der Lebenserwartung) wird in der Bundesrepublik dazu führen, dass sich der Gesamtlastkoeffizient, der das Verhältnis zwischen den nicht oder nicht mehr Erwerbstätigen einerseits und den Erwerbstätigen andererseits angibt, von 78,4 % (1995) auf etwa 115 % (2030) erhöhen wird. Das bedeutet, dass auf jeden Erwerbstätigen statt 0,78 nicht erwerbstätige dann 1,15 nicht Erwerbstätige kommen. Für die Entwicklung der Nachfrage nach Gesundheitsleistungen ist jedoch nicht primär die Mortalitätskurve, also die Sterblichkeit, sondern die Morbiditätsentwicklung der Bevölkerung verantwortlich.
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Heike Merk und Wolfgang Merk
100%
Morbidität 75%
Mortalität 2000 50%
Mortalität 1889/92 25%
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10
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Lebensalter in Jahren Abb. 14-7: Rektangularisierung der Morbiditätskurve. In Anlehnung an: Köck, C. M. (1996), S. 22.
Die Fläche zwischen der Morbiditätskurve und der Mortalitätskurve ist demnach der ausschlaggebende Faktor für die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen. Für die Entwicklung dieser Fläche spielt der medizinische Fortschritt eine entscheidende Rolle. Er findet vor allem durch neue und bessere Einsichten in medizinische Zusammenhänge und Fortschritte im therapeutischen Bereich statt. Dies bedeutet heute in aller ersten Linie technologische und pharmakologische Innovationen. Den Löwenanteil dieser Innovationen stellen jedoch sogenannte. „halfway-technologies“ dar6. Dies sind neue Behandlungsverfahren, mit denen keine vollständige Heilung erzielt wird, der Verlauf von Krankheiten jedoch verlangsamt wird. Die Zeitspanne zwischen Erkrankung und Tod wird dadurch verlängert (z.B. Chemo- oder Strahlentherapie bei Krebserkrankungen, Proteasehemmer bei AIDS). Die Fläche zwischen Morbiditätskurve und Mortalitätskurve wird sich zukünftig also tendenziell ausdehnen, und damit die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen sowie den „Kostendruck“ in den Versicherungssystemen erhöhen. Für die forschenden Pharmaunternehmen ergibt sich hieraus eine gewaltige Herausforderung: Der immense Forschungsaufwand für neue Medikamente steht immer häufiger konträr zu den generellen zukünftigen Finanzierungsmöglichkeiten eines Gesundheitssystems. Die meisten der Innovation verschärfen durch die Belastung der Gesundheitssysteme eine Kostendämpfungspolitik. Werden die Preise aber etwa künstlich gedrückt, bedeutet dies für Pharmaunternehmen verminderte Renditeerwartungen für die Innovationen, so dass sich gegebenenfalls die hohen F&E Kosten nicht mehr amortisieren können.
6
Vgl. Weisbrod, B. A. (1991): The Health Care Quadrilemma: An Essay on Technological Change, Insurance, Quality of Care, and Cost Containment. In: Journal of Economic Literature, 29. Jg. (1991), S. 523 ff.
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14 Bewertung von Pharmaunternehmen
14.2.2 Markttransparenz durch Verfügbarkeit von Marktzahlen über Markforschungsunternehmen Eine Besonderheit des Pharmamarktes, im positiven Sinne für die Durchführung einer Unternehmensbewertung, ist seine außerordentliche Transparenz. Die Absatzmengen und damit erzielten Umsätze sämtlicher Arzneimittel aller konkurrierender Marktteilnehmer werden über Marktforschungsinstitute erfasst und können von interessierten Unternehmen von diesen bezogen werden. In Europa hat IMS Health, ein britisches Marktforschungsunternehmen, dabei die beste länderübergreifende Abdeckung. Hinsichtlich der Interpretierbarkeit der Zahlen ist jedoch zu beachten, dass in manchen Ländern Rabatte nicht von IMS Health gezeigt werden. Entsprechend hinken für solche Länder die Wettbewerbsvergleiche, da nicht von einer identischen Rabattpolitik aller Wettbewerber ausgegangen werden kann. Dennoch erleichtern solche Marktzahlen die Analyse von Unternehmenszahlen bei der Bewertung, die meist vom verkaufenden Unternehmen zur Verfügung gestellt werden. Auch wenn mit Hilfe dieser Marktzahlen noch lange keine Absicherung der Prognosen möglich ist, so sind zumindest die vergangenheitsbasierten IST-Umsätze, auf denen die Prognosen aufsetzen, zu einem hohen Maße extern verifizierbar.
14.2.3 Abhängigkeit von Pharmaunternehmen von bestehenden und zukünftigen Produkten Grundsätzlich sind die gängigen Unternehmensbewertungsverfahren der Betriebswirtschaftslehre brachenunabhängig anwendbar und somit auch für Unternehmen der Pharmaindustrie gültig. Eine Besonderheit der Pharmaindustrie ist jedoch, dass eine Bewertungen in drei Komponenten zu trennen ist7, die jeweils individuell betrachtet werden müssen. Diese Notwendigkeit rührt daher, dass der Wert eines Pharmaunternehmens signifikant von den zur Verfügung stehenden vermarktbaren Produkten bestimmt wird. D.h. welche Produkte hat das Unternehmen schon heute im Markt und wie sieht die zukünftige Produkt-Pipeline aus. Die erste Komponente, die Bewertung von bestehenden Produkten über zukünftig zu erwartende Cash-Flows, unterscheidet sich nicht von der Bewertung anderer Branchen, da die Problematik der Prognose zukünftiger Cash-Flows betriebswirtschaftlich Usus ist. Die zweite Komponente, die Einschätzung zukünftiger Cash-Flows von Produkten, die sich zum Zeitpunkt der Bewertung noch nicht im Markt befinden, erfordert jedoch eine zusätzliche Risikoanpassung bei Bewertungen in der Pharmaindustrie, da neben der Prognose zukünftiger Cash-Flows dieser Produkte auch eine Prognose der Erfolgswahrscheinlichkeit zu treffen ist, ob bzw. wie viele der sich in Forschung und Entwicklung befindlichen Produkte tatsächlich die Marktreife erreichen werden. Dieser Punkt wird im weiteren Verlauf des Artikels noch detaillierter diskutiert werden. Die dritte Komponente, die jeden Bewerter in der Pharmaindustrie vor Schwierigkeiten stellt, ist die Beurteilung des Fortführungswerts des Unternehmens gemäß des going-concern-Prinzips. Die Schwierigkeit der Beurteilung dieser Komponente bedeutet ein Triplizieren des Unsicherheitsfaktors. Die Beurteilung des Fortführungswertes beinhaltet neben der Prognose zukünftiger Produkt-CashFlows und der Einschätzung der Erfolgswahrscheinlichkeit von den in Forschung und Entwicklung befindlichen Produkten (die letztendlich auch vermarktet werden müssen), auch noch die Schwierigkeit der Prognose bezüglich einer zukünftigen F&E-Pipeline. Da dieser Punkt im Detail nicht abschätzbar ist, muss über investitionsrechnungstechnische Verfahren hier eine Lösung gefunden werden. Dies wird im Kapitel „Bewertungsverfahren“ detaillierter erläutert werden. 7
Vgl. Brandt, Stefan M. (2002): Die Berücksichtigung der Unsicherheit in der Planung bei der Bewertung von Pharma-Unternehmen, S. 29.
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Heike Merk und Wolfgang Merk
14.2.4 Geschäfts-Segmentierung als Mittel für mehr Bewertungs-Transparenz Die Basisdaten für eine Unternehmensbewertung, die Gewinn- und Verlustrechnung (kurz GuV) und die Bilanz des zu bewertenden Unternehmens, reichen in der Regel nicht aus, um eine fundierte Bewertung erstellen zu können. Es sollte auf jeden Fall immer auch ein analytischer Ansatz verfolgt werden, im Rahmen dessen zumindest die GuV des Unternehmens oder der Unternehmensgruppe – im optimalen Fall auch die Bilanz – segmentiert dargestellt wird. Handelt es sich um börsennotierte Unternehmen, so sind die GuV-Informationen meist in der Segmentberichterstattung ohnehin vorhanden. Unterliegt das zu bewertende Unternehmen nicht diesen rechtlichen Vorschriften, so sind die im Folgenden dargestellten Informationen zur Segmentierung zu beschaffen und in die Bewertung einzubeziehen.
14.2.4.1 Regionale Aufteilung Eine regionale Aufteilung der GuV und optimaler weise der Bilanz, d.h. eine Darstellung, wie sich Umsatz, Ebit und evtl. das Anlagevermögen und Working Capital (also die Summe von Beständen und Forderungen abzüglich Verbindlichkeiten) auf einzelne Länder verteilen, ist notwendig, wenn es sich bei dem zu bewertenden Unternehmen um ein multinationales Unternehmen handelt. In einem solchen Fall sind differenzierte Länderinformation von Bedeutung, um Länderrisiken wie Währungskursstabilität, Inflationsraten, kulturelle Barrieren und politische Stabilität bei der Prognose zukünftiger Cash-Flows in die Bewertung eingehen lassen zu können. So zeigte beispielsweise die Russland-Krise 1999, dass Unternehmen, die in diesem Land ungesicherte Forderungsausstände hatten, diese de facto abschreiben mussten. Ist ein Unternehmen zu bewerten, das nur in einem Land tätig ist (lokales Unternehmen bzw. eine lokale Tochtergesellschaft eines Konzerns), kann eine regionale Aufteilung auf bestimmte Regionen des Landes hilfreich sein. Eine solche Segmentierung beschränkt sich dann in der Regel jedoch auf den Umsatz bzw. je nach Datenverfügbarkeit des zu bewertenden Unternehmens auf einen unternehmensspezifisch berechneten Deckungsbeitrag. Um diesen zu ermitteln können beispielsweise vom segmentierten Umsatz der entsprechenden Wareneinsatz und die Außendienst-Kosten (Personalkosten und andere personenabhängige Kosten wie Reisekosten) abgezogen werden. Anhand dieses DBs ist dann eine Aussage über die Außendienststärke und die Profitabilität der einzelnen Regionen möglich.
14.2.4.2 Aufteilung des Produkt-Portfolios Informationen zum Produktportfolio – Umsatz und Gross Margin (Umsatz abzüglich Wareneinsatz) – sind hinsichtlich mehrerer Kriterien von Bedeutung. Zum einen sollte eine Unterteilung in die verschiedenen Indikationsgebiete vorliegen. Unter Indikationen werden Gruppen von Arzneimitteln zur Therapie bestimmter (meist Organ-bezogener) Krankheitsbilder verstanden. Beispiele dafür sind die Indikationsgruppen „Magen/Darm“, „Herz/Kreislauf“, aber auch Gruppen wie „Onkologie“ (also Arzneimittel zur Krebstherapie). Zudem von Bedeutung ist eine Unterteilung des Geschäfts, das häufig in die Bereiche Verordnungen, OTC- und Klinik vorgenommen wird. Das Verordnungsgeschäft beinhaltet alle Arzneimittel, die der Patient per Verschreibung vom Arzt erhält. OTC beinhaltet alle Produkte, die ein Patient frei verkäuflich in der Apotheke, also ohne Rezept, erhält. Das Klinikgeschäft zeigt den Anteil, der direkt vom Pharmaunternehmen an Krankenhäuser geliefert wird. Die Gross Margin, also die Profitabilität dieser drei Geschäftszweige unterscheidet sich in der Regel stark. Zudem ist diese Unterteilung wichtig für die Beurteilung der Qualität des Außendiensts des zu bewertenden Unternehmens. Eine wichtige zu beurteilende Frage ist hier beispielsweise, wie viele Außendienstler, die Krankenhäuser kontaktieren, welchen Umsatz und welche Gross Margin erwirtschaften. Außerdem können so Aussagen zur Qualität des Marketings getroffen werden. Häufig geht es dabei um die Frage, wie effizient die Endverbraucherwerbung beim Patient ist, der für den Kauf von OTC-Produkten in der Apotheke umworben wird.
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14 Bewertung von Pharmaunternehmen
14.2.4.3 Lohnfertigungsanteil Handelt es sich bei dem zu bewertenden Unternehmen um ein produzierendes Unternehmen, so ist aus Umsatz und Gross Margin auch der Anteil des Lohnfertigungsgeschäfts separat darzustellen. Hierbei handelt es sich um die Produktion von Produkten, die vom zu bewertenden Unternehmen im Auftrag eines Mitwettbewerbers mit dessen Verpackung produziert und entsprechend an diesen verkauft werden. Solche Produkte erscheinen im Markt (also beim Arzt, Apotheker und Patienten) dann als Produkt des Wettbewerbers. Die entsprechenden Umsätze sind also unabhängig von der Stärke und Qualität des Außendienstes des zu bewertenden Unternehmens. Bei der Bewertung des Lohnfertigungsgeschäfts ist entsprechend zu hinterfragen, ob dieser Geschäftszweig im Falle eines Verkaufs des Unternehmens vom potenziellen zukünftigen Käufer übernommen werden kann oder dann entfällt. Der Wegfall dieses Geschäfts ist häufig bei internationalen Konzernen zu finden, die eine Tochtergesellschaft zum Verkauf anbieten. Der Fall stellt sich dann meist so dar, dass die zum Verkauf stehende Tochtergesellschaft bisher auch für andere Konzernunternehmen bestimmte Produkte produziert hat. Wird die Tochtergesellschaft verkauft, verlagert der Konzern dieses Lohnfertigungsgeschäft häufig an andere konzerninterne Standorte, so dass die Abhängigkeit von einem potenziellen Käufer der zum Verkauf stehenden Tochtergesellschaft reduziert wird.
14.2.4.4 Verteilung der Funktionskosten Unter Funktionskosten werden alle Aufwendungen in der GuV verstanden, die zwischen Gross Margin und Ebit dargestellt werden (z.B. Personalkosten, Reisekosten, Marketingaufwendungen, etc.). Diese Aufwendungen sind in die Funktionen des zu bewertenden Unternehmens aufzuteilen. Normalerweise wird in der Pharmaindustrie in die Funktionen „Forschung und Entwicklung“, „Marketing und Vertrieb“, „Finanzen und Administration“ und im Falle eines produzierenden Unternehmens zusätzlich in „Produktion“ unterschieden. Wichtig für das Verständnis bezüglich der Funktion „Produktion“ ist, dass in den Funktionskosten, also den Aufwendungen unterhalb der Gross Margin, nur die Aufwendungen dargestellt werden, die nicht bereits in die Herstellkostenkalkulation der Produkte und damit in der Darstellung des Wareneinsatzes eingehen. Wenn gleichzeitig zur Aufteilung der entsprechenden GuV-Positionen in Funktionen noch eine entsprechende Darstellung der Mitarbeiteranzahl pro Funktion erfolgt, kann die Qualität der einzelnen Funktionen, auch im Vergleich zum Industriestandard, sehr gut beurteilt werden. So kann beispielsweise über die Bildung von Kennzahlen, wie durchschnittliche Personalkosten pro Funktionsmitarbeiter, erkannt werden, wie die Gehaltsstruktur ist, ohne im Detail die Gehaltslisten analysieren zu müssen. Eine solche Information ist für Entscheidungen wertvoll, wenn durch einen Unternehmenskauf zwei Unternehmen fusioniert werden und entsprechende Synergien gesucht werden. Nach der Darstellung der allgemeinen Besonderheiten der Bewertung von Pharmaunternehmen werden im Folgenden nun spezielle Probleme bei der Bewertung von Originatoren und Unternehmen in der Generika-Industrie dargestellt. Diese Differenzierung ist notwendig, da sich diese beiden Unternehmensgruppen stark hinsichtlich ihrer Kernkompetenzen und Produktlebenszyklen unterscheiden, die sich dann auf die Organisations- und Risikostruktur sowie die finanziellen Darstellung, also die Struktur der GuV entsprechend unterschiedlich auswirken.
14.2.5 Besonderheiten bei der Bewertung von Originatoren 14.2.5.1 Bewertung von F&E als Kernkompetenz von Originatoren Im Unterschied zu Unternehmen in der Generikaindustrie liegt die Kernkompetenz von Originatoren im Bereich der Forschung und Entwicklung (F&E). Der F&E-Prozess eines Originators bis zur Vermarktung des Produktes und damit der ersten Zahlungsrückflüsse, unterteilt sich in 6 Phasen (siehe Abb. 14-8). In der Wirkstoff-Findungsphase wird mit unterschiedlichen Verfahren, auf die nicht weiter eingegangen werden soll, nach neuen Wirkstoffsubstanzen gesucht. Die Erfolgswahrscheinlichkeit dieser Phase
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Wirkstoff-Findungsphase
Präklinische Phase
Klinische Entwicklung I
Klinische Entwicklung II
Klinische Entwicklung III
Zulassung Abb. 14-8: Der F&E-Prozess von Originatoren, Eigene Darstellung
ist sehr gering. So hat beispielsweise Merck & Co. Im Jahre 1990 mehr als 40.000 neue Substanzen anhand eines Screening-Verfahrens untersucht8. Ist eine neue Substanz gefunden, werden in der Präklinischen Phase Versuche an lebenden Organismen (Pflanzen, Tiere) durchgeführt. Hat ein Wirkstoff diese Phase erfolgreich bestanden, erfolgen in der Klinischen Entwicklung I erste Versuche an gesunden, sich freiwillig zur Verfügung stellenden Menschen in noch geringer Test-Anzahl (10–80 Personen) mit Hauptfokus auf pharmakologische und pharmakinetische Eigenschaften und Verträglichkeit der Substanz. In der Klinischen Entwicklung II wird dann an einer größeren Anzahl Patienten (30–500 Personen) die therapeutische Wirksamkeit untersucht, bis letztendlich in der Klinischen Entwicklung III Wirksamkeit und Verträglichkeit in einer groß angelegten Studie (2000–4000 Personen) überprüft werden. Als letzte Hürde müssen die Unterlagen des so entwickelten neuen Produkts, die alle F&E-Phasen dokumentieren, bei den stattlichen Zulassungsbehörden eingereicht werden. Erst wenn die staatliche Zulassung vorliegt, kann das Produkt Cash-Flow bringend im Markt verkauft werden. Grundsätzlich besteht das Risiko in jeder der 6 F&E-Phasen, dass das Projekt die Marktreife nicht erreicht. Aus diesem Grund werden Meilensteine definiert, an denen überprüft wird, ob das Projekt noch im zeitlichen Plan und im finanziellen Rahmen liegt. Abhängig davon wird dann die „Stop-orGo“-Entscheidung gefällt. Diese Entscheidung ist von extremer Bedeutung, da neben den eventuell nie erzielbaren Zahlungsrückflüssen – in Abhängigkeit davon, in welcher Phase die Stop-Entscheidung getroffen wird – bereits immense, Zahlungen abgeflossen sein können oder noch hohe Zahlungen zu tätigen sind, da die einzelnen F&E-Phasen sich hinsichtlich der Höhe der getätigten bzw. zu erwartenden Zahlungsabflüsse unterscheiden. Bei jeder „Stop-or-Go“-Entscheidung ist also abzuwägen, ob das individuelle F&E-Risiko einer jeden Substanz in der entsprechenden F&E-Phase eine Weiterverfolgung des Projekts rechtfertigt oder nicht. Im Hinblick auf die Bewertung von Originatoren ist es demzufolge wichtig zu berücksichtigen, dass ein gewisses „Risikokapital“ (d.h. verfügbarer Cash-Flow) notwendig ist, um letztendlich das „Produkt-Stop“-Risiko in der Entwicklung finanziell verkraften zu können, um letztendlich die Chance auf die zukünftige Vermarktung eines neuen Wirkstoffs zu haben. 8
Vgl. Herzog, R., (1995) F&E-Management in der Pharma-Industrie, S. 80.
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14 Bewertung von Pharmaunternehmen Berücksichtigt man darüber hinaus, dass der skizzierte F&E-Prozess im Erfolgsfall durchschnittlich 11,1 Jahre beträgt9, so muss zusätzlich zum F&E-Erfolgsrisiko dieser lange Zeitraum hinsichtlich der Liquidität überbrückt werden können, bis schließlich Zahlungsrückflüsse erwartet werden können. Zusätzlich zur ohnehin langen durchschnittlichen F&E-Zeitspanne eines neuen Produktes bis zur Markteinführung ist zudem das Risiko der zeitlichen Volatilität des F&E-Prozesses zu berücksichtigen. So ist beispielsweise die durchschnittliche Dauer der Klinischen Entwicklung III mit 34 Monaten beziffert. Erfahrungswerte zeigen jedoch, dass allein diese Phase 20 bis 46 Monate in Anspruch nehmen kann10. Über alle F&E-Phasen hinweg kann es somit leicht zu Verzögerungen um mehrere Jahre kommen, die aus Cash-Flow-Sicht überbrückbar sein müssen Grundsätzlich ist es bei der Bewertung von Originatoren demzufolge wichtig, die F&E-Qualität zu beurteilen. Am naheliegendsten ist es, dies aus vergangenen F&E-Erfolgen abzuleiten. Hat jedoch ein hoher personeller Wechsel bzw. ein Personalabbau in diesem Bereich stattgefunden, bei dem evtl. die besonders zum Erfolg beitragenden Mitarbeiter das Unternehmen verlassen haben, lassen sich darüber nur schwer Aussagen für die Zukunft treffen. Generell können jedoch Rückschlüsse auf die F&E-Qualität eines Originators anhand der Anzahl der Mitarbeiter im F&E-Bereich und deren Betriebszugehörigkeitsdauer bzw. deren berufsspezifischer Erfahrung (z.B. F&E-Erfolge in anderen Unternehmen oder Institutionen) getroffen werden. Im Rahmen einer Bewertung der F&E-Qualität eines Originators muss allerdings immer noch zu den oben erwähnten Punkten die Abhängigkeit des F&E-Erfolgs von einzelnen Personen berücksichtigt werden. Ist der Erfolg von einer oder sehr wenigen Personen (z.B. Forscher mit hochspeziellen Kenntnissen) abhängig, so muss in die Bewertung des F&EErfolgs ein Risikoabschlag für den Fall eingehen, dass diese Personen dem Unternehmen nicht mehr zur Verfügung stehen sollten. Anders herum kann – wenn es individuell realistisch erscheint – jedoch diesem Risiko Rechnung auch getragen werden, indem zusätzliche Zahlungsabflüsse in den Personalkosten-Prognosen dieses Bereichs berücksichtigt werden. Dem würde dann der Gedanke zu Grunde liegen, das Gehaltspaket für die entscheidenden F&E-Mitarbeiter so attraktiv zu gestalten, dass über
Unternehmen
Anteil F&E-Ausgaben vom Umsatz
Anzahl Blockbuster in F&E-Pipeline (2008)
Pfizer
18,2%
1
GlaxoSmithKline
16,7%
1
Sanofi-Aventis
17,6%
7
Novartis
19,9%
1
AstraZeneca
17,8 %
11
Johnson & Johnson
21,2%
8
Merck
20,2%
1
Hoffmann-La Roche
33,0%
1
Wyeth
16,7 %
3
Eli Lilly and Company
19,9%
1
Schnitt
20,1%
3,5
Quelle: www.pharmexec.com (Report über die Top 50 Pharmaunternehmen – Mai 2008), Wirtschaftswoche vom 16.3.2009 Abb. 14-9: F&E-Ausgaben von Originatoren und erwarteter F&E-Erfolg, 2007/2008 9 10
Vgl. Pharma Daten ’98, S. 52, Herzog, R. (1995): F&E-Management in der Pharma-Industrie, S. 252. Vgl. Brockhoff, K. (1995): Der Innovationsaufwand in Unternehmen der forschenden Pharma-Industrie, S. 293. In: Herzog, R. (Hrsg.)(1995): F&E-Management in der Pharma-Industrie.
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Heike Merk und Wolfgang Merk diese Bindung des Mitarbeiters an das Unternehmen die zukünftige F&E-Erfolgswahrscheinlichkeit für den Originator so weit als möglich positiv beeinflusst wird. Abb. 14-9 zeigt den Anteil der Forschungsausgaben von Originatoren (basierend auf dem Jahre 2007) und wie viele Blockbuster-Produkte (basierend auf dem Jahre 2008), d.h. Produkte mit einem Umsatzpotenzial von mindestens einer Milliarde US-Dollar, in deren Entwicklungspipeline (in der Klinischen Entwicklung II oder III) derzeit sind11. Die Übersicht verdeutlicht das Risiko der Originatoren durch deren Abhängigkeit von wenigen Produkten, deren Entwicklungserfolg recht wahrscheinlich, jedoch immer noch risikobehaftet ist, im Vergleich zu den sehr hohen F&E-Aufwendungen.
14.2.5.2 Produktlebenszyklus bei Originatoren Der Produktlebenszyklus eines Originators hat für die Prognose zukünftiger Cash-Flows eine entscheidende Bedeutung. Wie bereits erwähnt, sind pharmazeutische Entwicklungen in der Regel durch Patente geschützt. Bei Ablauf des Patents ist es den Generika-Unternehmen erlaubt, mit den „Nachahmer-Produkten“ auf den Markt zu kommen. Da die Generika-Unternehmen nur auf diesen Zeitpunkt warten und alles unternehmen, um bis dahin das Produkt „nachgekocht“ und verfügbar zu haben, wird die Umsatz- und Profitabilitätskurve des Originators zu diesem Zeitpunkt einen starken Knick nach unten bekommen. Die Preise gehen nach unten, da generischer Wettbewerb mit „Preiskampf“ gleichzusetzen ist. Gleichzeitig werden die Absatzmengen der Originators dezimiert. Man spricht hier von einer Generisierungsrate, also dem Anteil des Marktes der dem Originator von den Generikaunternehmen abspenstig gemacht wird. Abhängig davon wie viele Generika-Unternehmen zu welchem Zeitpunkt nach Patentablauf in den Markt eintreten, verliert der Originator im Laufe der ersten 2–3 Jahre nach Patentablauf ca. 80 % seines ursprünglichen Absatzvolumens. Eine solche Entwicklung muss entsprechend in den Cash-Flow Prognosen berücksichtigt werden. Die Schwierigkeit der Berücksichtigung dieses Effekts in der Bewertung ist dabei zudem, dass der Patentschutz in der Regel länderspezifisch unterschiedlich ist und deswegen eine länderindividuelle Berücksichtigung erfordert. Ein Extrembeispiel, das jedoch auf keinen Fall repräsentativ ist, ist Indien. Bis vor wenigen Jahren gab es in Indien gar keine Patente auf pharmazeutische Entwicklungen, so dass in diesem Land jederzeit Generika entwickelt, produziert und vertrieben werden konnten. Die neuerliche Einführung eines Patentschutzes in Indien bezieht sich jedoch nur auf Neuentwicklungen und wurde nicht retrospektiv auf bereits im Markt befindliche Entwicklungen angewandt. Dadurch stellt Indien für Originatoren immer noch einen schwierigen Markt dar.
14.2.5.3 Hohes Risiko der Produkthaftung Trotz der hohen Anforderungen, die an die Zulassung eines Arzneimittels gestellt werden, lässt sich nie gänzlich ausschließen, dass bestimmte Risiken der Arzneimitteleinnahme erst nach der Markteinführung eines Produktes evident werden. Unter Umständen können Arzneimittel kausal für schwere Gesundheitsschäden oder Missbildungen sein und im Extremfall zum Tode führen. Der Conterganskandal der 1960er Jahre kann hier beispielhaft genannt werden, ebenso die jüngst aufgetretenen Schlagzeilen hinsichtlich der Medikamente Lipobay von Bayer oder Vioxx von Merck & Co. Aufgrund der hohen Schadensersatzsummen, die Geschädigte insbesondere in den USA erstreiten können, besteht hier ein erhebliches Geschäftsrisiko für Originatoren. So sank der Börsenwert von Merck & Co. in den Monaten nach dem Vioxxskandal um ca. ein Drittel, da die möglichen Kosten in Milliardenhöhe durch tausende Schadensersatzprozesse den Handlungsspielraum des Konzerns erheblich einschränken können. Am 3.11.2005 konnte der Anwalt eines Vioxx-Geschädigten die Richter eines US-Gerichts in New Jersey aber nicht davon überzeugen, dass der Arzneimittelhersteller Patienten und Ärzte falsch über die Risiken informiert hat. Die Aktie legte daraufhin in wenigen Stunden um ca. 7 % zu. 11
Vgl. o.V. (2002): Nicht wieder zu beleben. In: Wirtschaftswoche Nr. 45, v. 31.10.2002, S. 53.
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14 Bewertung von Pharmaunternehmen
14.2.6 Besonderheiten bei der Bewertung von Generikaunternehmen 14.2.6.1 Bewertung der Entwicklungsstrategie und -fähigkeit als Kernkompetenz von Generikaunternehmen Auch wenn Generika-Unternehmen nicht forschen, so kommt der Entwicklung bzw. der Entwicklungsstrategie auch bei Generika-Unternehmen hohe Bedeutung zu. Unter Entwicklung von Generika versteht man das „Nachkochen“ der Rezeptur eines Originalpräparats, verbunden mit einem „Upscaling“, d.h. der Erhöhung von Pilot-Produktionschargen auf industrielle Maßstäbe, dem Erbringen von Bioäquivalenzstudien (d.h. dem Nachweis, dass im Rahmen bestimmter gesetzlich erlaubter Abweichungstoleranzen die Wirkstofffreisetzung des generischen Präparats im Körper von Patienten identisch mit der des Originalpräparats ist, und letztendlich der Erlangung der behördlichen Zulassung des Produktes zur Vermarktung. Grundsätzlich gibt es zwei Entwicklungsstrategien, die Generikaunternehmen in der Regel verfolgen. Die erste Möglichkeit ist, mit einer unternehmensinternen Entwicklungsabteilung die oben beschriebenen Schritte einer generischen Entwicklung durchzuführen. Die zweite Möglichkeit besteht darin, externe, auf generische Entwicklungen spezialisierte Unternehmen mit der Entwicklung zu beauftragen. Ähnlich dem F&E-Prozess der forschenden PharmaIndustrie werden dann zwischen Generika-Unternehmen und Entwickler, Meilensteine definiert, an denen der Projektfortschritt gemessen, Teilzahlungen fällig werden und Projekt-Stops bzw. ein Ausstieg des Generikaunternehmens aus dem Entwicklungsvertrag möglich sind. Man spricht hier von einer Einlizensierungsstrategie. Aufgabe der Entwicklungs-Mitarbeiter eines Generikaunternehmens ist dann die Auswahl der Entwicklungspartner, die entsprechende Vertragsgestaltung, die Nachverfolgung des Projekt-Fortschritts und letztendlich die Einreichung der Zulassungsunterlagen bei den Behörden. Wenn sich ein Generikaunternehmen für die Aufnahme eines Produktes in das Produktportfolio entschieden hat (ca. 5 Jahre vor Patentablauf bzw. geplanter Markteinführung), wird Produkt für Produkt entschieden, ob das Produkt selbst entwickelt oder einlizensiert werden soll. Der Großteil eines generischen Portfolios wird in der Regel über den Weg der Einlizensierung entwickelt. Auch wenn das Risiko eines generischen Entwicklungsprozesses deutlich geringer ist als das eines forschenden Pharmaunternehmens, so kann es dennoch zu zeitlichen Verzögerungen kommen, bis das Produkt vermarktungsfähig ist. Solche zeitlichen Verzögerungen sind für die Generikaindustrie geschäftskritisch, da der Kernerfolgsfaktor von Generikaunternehmen darin liegt, am Tag des Patentablaufs das Produkt vermarkten zu können. Dies wird auch als „Time to market“ bezeichnet. Denn, je mehr Zeit zwischen diesem Tag und dem tatsächlichen Markteintritt verstreicht, desto mehr Wettbewerber sind bereits auf dem Markt und desto schwieriger wird es, mengenmäßig Marktanteile zu gewinnen, zumal in der Regel mit der Anzahl der Wettbewerber gleichzeitig die erzielbaren Verkaufspreise sinken. Um letztendlich das Risiko, nicht zum Zeitpunkt des Patentablaufs vermarkten zu können, zu reduzieren, werden Entwicklungsaufträge von Generikaunternehmen bei BlockbusterProdukten oft an mehrere Entwickler vergeben. Zwar bedeutet dies dann deutlich höhere Entwicklungsaufwendungen (durch die Zahlung von Meilensteinen an mehrere Entwickler), der „Time to market“-Vorteil überkompensiert dies jedoch. Für die Cash-Flow Prognose zukünftiger Produkte, d.h. Produkten, die in der generischen Entwicklungsphase sind, ist es entsprechend von Bedeutung die Qualität der Entwicklungsabteilung des Generikaunternehmens zu beurteilen. Dies kann über die gleichen Ansätze erfolgen, wie bei den Originatoren für die F&E-Qualität beschrieben. Entscheidend ist jedoch zusätzlich zu berücksichtigen, ob die Produktneueinführungen zum Patentablauf vermarktbar sind oder erst später zur Verfügung stehen. Diese Information muss in die Prognose der Marktanteils- und Verkaufspreis-Annahmen, die den Cash-Flow Prognosen zu Grunde liegen, eingehen.
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14.2.6.2 Produktlebenszyklus eines generischen Produktes Wie für Originatoren bereits erläutert, ist auch für Generikaunternehmen die Berücksichtigung des Produktlebenszyklus von Bedeutung. Mit dem Patentablauf steigen die Generisierungsraten, bezogen auf Verkaufsmengen, in den ersten 2–3 Jahren in der Regel auf ca. 80 % des Gesamtmarktes an. Der gleichzeitig einsetzende Preisverfall ist weit schwerer zu prognostizieren, da dies von der Aggressivität des generischen Wettbewerbs abhängt, und produktindividuell beurteilt werden muss. Da es sich bei generischen Produkten ja um Wirkstoffe handelt, die rund 20 Jahre vorher entwickelt worden sind, ist im Rahmen einer Bewertung immer auch produktindividuell zu prüfen, ob Neuentwicklungen seitens der Originatoren in naher Zukunft auf den Markt gebracht werden, die einen exorbitanten therapeutischen Zusatznutzen bei der Behandlung der gleichen Krankheitsfälle im Vergleich zum Generikum haben, so dass das Generikum obsolet wird. Entsprechend müsste die Absatzmengenentwicklung des Generikums als stark rückläufig prognostiziert werden. In vorsichtigen Prognosen wird deshalb mit einem nur 5-jährigen Produktlebenszyklus für generische Produkte gerechnet, was jedoch sicherlich als „worst case“ anzusehen ist.
14.2.6.3 Außendienst-Stärke und Key-Account Management als Werttreiber in der Generikaindustrie Im Unterschied zu Originatoren ist der Außendienst von Generikaunternehmen kein wissenschaftlicher Außendienst, da ja keine neuen Produkte im engeren Sinn bzw. keine neuen Wirkmechanismen erklärt werden müssen. Aus diesem Grund ist es auch nicht verwunderlich, dass ein Generika-Außendienst eine weit breitere Produktpalette bewerben kann als ein Originator-Außendienst. Entscheidend für den Vermarktungserfolg in der Generika-Industrie – mangels wissenschaftlicher Neuheiten – ist entsprechend die Außendienststärke, die durch die richtige Positionierung des Außendienstes beim Kunden bestimmt wird (auch „Targeting“ genannt). In Abhängigkeit von den länderspezifischen gesetzlichen Regelungen im Gesundheitswesen darf jedoch nicht allein über die Anzahl der Außendienstmitarbeiter beim zu bewertenden Unternehmen auf dessen Stärke geschlossen werden. Vielmehr muss detailliert betrachtet werden, wie viele Außendienstmitarbeiter sich welchen Kundengruppen (Arzt, Apotheker, Kliniken, Großhändler) mit Hilfe welchen Vertriebsansatzes zuwenden. Diese Struktur muss dann im Zusammenhand mit den geltenden Gesetzen beurteilt werden. Für Zukunftsprognosen zur Bewertung sollten zudem gesundheitspolitische Trends mit Einfluss auf das Targeting berücksichtigt werden und beurteilt werden, ob die bestehende Außendienststruktur auf eventuell bevorstehende gesundheitspolitische Änderungen vorbereitet ist. So ist beispielsweise in vielen Ländern ein Trend festzustellen, dass die Ärzte immer weniger Einfluss darauf haben, welches Präparat der Apotheker letztendlich an den Patienten abgibt (z.B. Substitutionspflicht oder – Möglichkeit des Apothekers innerhalb gleicher Wirkstoffgruppen). Generikaunternehmen mit einem reinen Arztaußendienst sind auf eine solche Entwicklung sicherlich nur unzureichend vorbereitet, wohingegen andere, deren Arztaußendienst mit zusätzlichen Kontakten zu Apothekern bereits begonnen hat oder die einen separaten Apothekengroßhändler- oder Krankenhausdienst haben, hier sicherlich positiver zu bewerten ist. In Ländern (wie zum Beispiel Deutschland), in denen der Krankenkassen Rabattausschreibungen vornehmen, ist zudem ein darauf ausgerichtetes Key-Account-Management wichtig. Da letztendlich das Unternehmen mit dem günstigsten Preis den Zuschlag erhält, ist wichtig, genau zu kalkulieren und abzuwägen, ob eventuell eine geringere Verkaufsmenge zu einem höheren Preis nicht einem hohen Verkaufsvolumen zu einem „Kampfpreis“ im Falle des Erhalts des Zuschlags einer Ausschreibung vorzuziehen wäre. Entsprechend ist die Qualität eines darauf ausgerichteten Key-Account-Managements ein entscheidender Einflussfaktor auf den Unternehmenswert. Wichtig festzuhalten ist jedoch auch, dass in einer Marktkonstellation, die ein auf Krankenkassen ausgerichtetes Key-Account-Management notwendig macht, meist trotzdem nicht auf einen klassischen Außendienst verzichtet werden kann. Ein Beispiel dafür ist der Stada: Kurz nachdem von den deutschen Krankenkassen Ausschreibungen angekündigt wurden, entließ Stada zu großen Teilen seinen Außendienst. Die Marktanteilsentwicklung gestaltete sich dann jedoch so verheerend, dass die Strategie schnellstmöglich wieder auf einen Außendienst hin umgestellt wurde.
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14 Bewertung von Pharmaunternehmen
14.2.6.4 Tiefe der vertikalen Integration eines Generikaunternehmens als Werttreiber Wenn in der Generikaindustrie von vertikaler Integration gesprochen wird, wird dies auch als Vorwärts- und Rückwärtsintegration bezeichnet. Rückwärtsintegration meint, die Integration vorgelagerter Wertschöpfungsstufen. Konkret bedeutet dies für Generikaunternehmen, den Zugang zu Entwicklern und Wirkstoffproduzenten durch Kapitalverflechtungen (Zugehörigkeit zum Konzern oder Joint Venture). Dies ist insofern von Vorteil, als Entwicklungsverträge in der Regel mit 5-jährigen Lieferbindungen verknüpft sind. D.h. das Generikaunternehmen ist verpflichtet, die ersten 5 Jahre nach Markteinführung das Produkt vom Entwickler produzieren zu lassen. Führt man sich den marktseitigen Preisdruck vor Augen, kann man sich leicht die unglückliche Abhängigkeit von Generikaunternehmen vom Entwickler und dessen Warenpreisgestaltung vorstellen. Im schlechtesten Fall verdient der Entwickler durch die Produktion des Produktes sehr gut und das Generikaunternehmen nichts mehr. Durch eine kapitalmäßige Verflechtung könnten Margen zwischen den an der Wertschöpfung beteiligten Parteien besser verteilt werden bzw. das Generikaunternehmen könnte im Kampf um Marktanteile mit den niedrigeren Verkaufspreisen des Wettbewerbs mitziehen. Gleiches gilt für eine kapitalmäßige Beteiligung an Wirkstoffproduzenten. Da rund 70 % des Warenbezugspreises eines generischen Produkts Wirkstoffkosten sind, könnten auch an dieser Stelle durch Rückwärtsintegration bessere Wareneinsatzpreise erzielt werden, die mehr preisliche Flexibilität am Markt ermöglichen würden. Erfolgreiche Generikaunternehmen wie Teva und Sandoz sind bereits stark rückwärtsintegriert und sind in Besitz eigener Rohstoff- und Entwicklungsquellen sowie der entsprechenden eigenen Produktionsmöglichkeiten. Da Generikaunternehmen jedoch meist ein breit gestreutes Produktportfolio haben, kann nicht für jeden Wirkstoff eine Rückwärtsintegration stattfinden. Eine solche Strategie ist nur sinnvoll, wenn einige wenige Wirkstoffe die Haupttreiber des Geschäftes sind. Eine Rückwärtsintegration für solche Produkte ist im Rahmen einer Unternehmensbewertung sicherlich als vorteilhaft zu bewerten. Vorwärtsintegration mein, die Integration nachgelagerter Wertschöpfungsstufen. Konkret bedeutet dies für Generikaunternehmen, den Zugang zu Großhändlern und über diese zu Apotheken, also Zugang zum Distributionskanal. Der Vorteil einer solchen Verflechtung wäre, dass Wettbewerber „kontrolliert“ werden können. Da Wettbewerb von den Gesundheitsbehörden in der Regel gewünscht ist, beschränken sich die Vorwärtsintegrationsmöglichkeiten vornehmlich auf Kooperationsvereinbarungen („preferred partnership agreements“). In manchen Ländern ist es sogar gesetzlich verboten, dass diese Wertschöpfungsstufen in einer Hand sind, um echten Wettbewerb aufrecht zu erhalten. Für die Bewertung von Generikaunternehmen ist es entsprechend von Bedeutung, die Integrationstiefe des zu bewertenden Unternehmens zu analysieren und in die Bewertung eingehen zu lassen. Im Grundsatz gilt: Je höher bzw. besser das Maß an vertikaler Integration, desto besser strategisch positioniert ist das Unternehmen. Dieser Grundsatz ist jedoch insofern zu relativieren, da speziell bei einer Rückwärtsintegration bei jedem einzelnem Wirkstoff die Wirtschaftlichkeit gegeben sein muss.
14.3 Unternehmensplanung in der Pharmabranche am Beispiel von Generikaunternehmen Wenn Unternehmen zum Kauf angeboten werden, werden in der Regel Ist- und Prognose-Zahlen (meist eine verkürzte GuV und eine ebenso verkürzte Bilanz) in den Verkaufsdossiers gezeigt. Meist sind die sogenannten „Hockey-stick“-Prognosen zu finden, d.h. die IST-Zahlen sind zwar relativ verhalten, es wird jedoch ein ambitionierter Wachstumsschub erwartet, so dass die zukünftig zu erwartenden Geschäftsergebnisse tadellos aussehen. Allein diese Erfahrung zeigt, dass den Prognoseplanungen in Verkaufsdossiers nicht blind zu trauen ist, da es sich meist um „eine geschmückte Braut“ handelt. Da die Bewertung des Unternehmens grundsätzlich aus Käufersicht zu erfolgen hat, gemäß der Maßgabe, welchen Wert das zum Verkauf stehende Unternehmen für den potenziellen Käufer hat, muss auf jeden Fall – unabhängig davon, ob vom Verkäufer Prognoseplanungen vorliegen oder
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Heike Merk und Wolfgang Merk nicht – eine eigene Prognose erstellt werden. Bevor diese Prognose in Zahlen gefasst wird, ist es jedoch wichtig, sich über die strategische Intention des potenziellen Kaufs im Klaren zu sein. Im Folgenden wird nun beschrieben, welche Punkte bei der Erstellung einer Prognoseplanung zur Bewertung eines Unternehmens in der Pharmaindustrie zwingend berücksichtigt werden sollten. Die Erläuterungen beschränken sich dabei auf Prognoseplanungen für Generikaunternehmen.
14.3.1 Das Produktportfolio als Determinante der Umsatz- und Margen-Entwicklung in der Pharmaindustrie Da Produkte – bestehende wie zukünftige – das A und O in der Generikaindustrie sind, erfolgt eine Prognoseplanung hinsichtlich Umsatz und Gross Margin grundsätzlich auf Produktebene. Zunächst ist das Produktportfolio des zu bewertenden Unternehmens auf eventuelle Überlappungen mit einem beim Käufer bereits vorhandenen Produktportfolio zu überprüfen. Nur nicht-überlappende Produkte dürfen in die Bewertung einfließen. Außerdem ist zu prüfen, ob die bei der Segmentierung gewonnenen Erkenntnisse (vgl. Kapitel 2.4) zur strategischen Intention passen oder ob bestimmte, existierende Geschäftsfelder in Falle eines Kaufs zukünftig nicht mehr fortgeführt werden können oder sollen. Auch Produkte dieser Geschäftsfelder sind aus der Prognoseplanung zu eliminieren. Steht dann inhaltlich das bestehende und zukünftige Produktportfolio des zu bewertenden Unternehmens, so sind anhand von IMS-Marktzahlen diese Produkte hinsichtlich Absatzmengen und Verkaufspreisen zu quantifizieren.
14.3.1.1 Absatzmengen- und Verkaufspreisplanung von bestehenden Produkten Bei bestehenden Produkten wird in der Regel auf den von IMS ausgewiesenen IST-Zahlen aufgesetzt. Um Prognosen bezüglich einer zukünftigen Mengenentwicklung treffen zu können, werden üblicherweise die Mengenwachstumsraten der letzten 3 Jahre von IMS herangezogen und Wachstumstrends, auch negativer Art, daraus abgeleitet. Zudem müssen alle produktspezifischen Sonderinformationen dabei verwertet werden, wie beispielsweise das Wissen um eine zukünftige Produkteinführung eines starken Wettbewerbers. Um einen zukünftigen Preisverfall planen zu können, werden in der Regel die aktuellen Generikapreise im Verhältnis zum Preisniveau des Originators vor Patentablauf betrachtet, um daraus Rückschlüsse zu ziehen, basierend aus Erfahrungen von Preisverfallskurven bereits seit längerer Zeit generischer Produkte, ob die Talsohle des Preisverfalls bereits erreicht ist, oder nicht. In Ländern, in denen Ausschreibungen üblich sind, gestaltet sich sowohl die Preis- als auch die Mengenprognose häufig extrem schwierig.
14.3.1.2 Absatzmengen- und Verkaufspreisplanung von zukünftigen Produkten Zur Prognose von Umsätzen zukünftiger Produkte wird von der Systematik her gleich vorgegangen wie bei bestehenden Produkten, indem Absatzmengen- und Preisentwicklungen abgeschätzt werden. Da für zukünftige Produkte des zu bewertenden Unternehmens noch keine IST-IMS-Zahlen vorliegen, auf denen Prognosen aufsetzen könnten, werden für zukünftige Produkte zunächst das jeweilige Absatzmengenvolumen des Gesamtmarkts dieses Produkts und der durchschnittliche Verkaufspreis des Gesamtmarktes aus IMS gezogen. Unter der Annahme, dass das Produkt noch unter Patentschutz steht, stellen die IMS-Gesamtmarkt-Zahlen die Mengen und Preise des Originators dar. Um zukünftige Absatzmengen eines Produktes des zu bewertenden Unternehmens zu prognostizieren, wird über eine typisierte Generisierungsratenkurve die Generikamarktentwicklung (in Mengen) abgeleitet. Auf Basis dieser Entwicklung wird eine für das zu bewertende Unternehmen typische Generikamarktanteilsentwicklungskurve angelegt, mit Hilfe derer die Absatzmengen des zu bewertenden Unternehmens dann berechnet werden können. Zu berücksichtigen ist dabei auch der bereits beschriebene
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14 Bewertung von Pharmaunternehmen „Time to market“-Aspekt. Wird die Produkteinführung zum Zeitpunkt des Patentablaufs erwartet, sind höhere Marktanteile erzielbar, als wenn die Einführung zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt. Hinsichtlich der Prognose des Preises von zukünftigen Produkten wird mit einem %-Satz vom Originatorpreis zum Patentablauf gearbeitet (meist 20–30 % Abschlag). In Abhängigkeit der Anzahl erwarteter Wettbewerber kann dieser Prozentsatz auch niedriger sein bzw. muss mit zusätzlichen Preisabschlagssätzen in den Folgejahren gerechnet werden. Dies kann unter Umständen zu Preisprognosen 3 Jahre nach Patentablauf in Höhe von nur noch 10 % des Originatorpreises führen. Auch bei der Prognose der Verkaufspreise muss wieder der „Time to market“-Aspekt berücksichtigt werden. Je später die Einführung nach Patentablauf, desto geringer der Preis. Sind pro Produkt die Absatzmengen und Verkaufspreise prognostiziert, ergibt sich aus der Multiplikation der beiden Faktoren der zu planende Umsatz. Wichtig ist allerdings noch, dass zusätzlich eventuell notwendige Erlösschmälerungen (z.B. Naturalrabatte) Umsatz reduzierend in der Prognose berücksichtigt werden müssen. Zum einen bildet IMS diese Erlösschmälerungen in manchen Ländern nicht korrekt ab. Zum anderen muss der Bewerter die seitens des potenziellen Käufers richtige Rabattstrategie in die Prognose einbeziehen, unabhängig von der bisherigen Strategie des zu bewertenden Unternehmens.
14.3.1.3 Planung der Gross Marge Neben der Umsatz-Prognose kommt der Bestimmung des jeweiligen Wareneinsatzes größte Bedeutung zu, der abhängig von den jeweiligen Ländergegebenheiten normalerweise zwischen und 10 und 75 % des Umsatzes liegen kann. Für bestehende Produkte ist es wichtig im Rahmen der Erstellung der Prognoseplanungen eine Segmentierung der Produkte nach Eigenproduktion und Fremdbezug vorzunehmen. Die Höhe der Herstellkosten der selbst produzierten Waren kann über die Prüfung der Produktionseffizienz und -auslastung beurteilt und wenn nötig angepasst werden. Für Produkte, die von Dritten produziert werden (Fremdbezug) und somit eingekauft und dann vertrieben werden, sollten die Lieferverträge überprüft werden, um Anhaltspunkte über die Höhe der richtigen Bezugspreise zu erhalten. Häufig beinhalten solche Verträge mittlerweile (aufgrund der signifikanten Verkaufspreiserosion) Vereinbarungen über flexible Warenbezugspreise. D.h. der Warenbezugspreis ist als Prozentsatz des Verkaufspreises definiert, der jedoch meistens nach unten mit meinem Minimumbezugspreis (auch „floor price“ genannt) gedeckelt ist. Auch für die Prognose des Wareneinsatzes von fremdbezogenen Produkten gilt, dass für den Fall, dass die Bezugspreise vom Bewerter als zu schlecht verhandelt angesehen werden und zukünftig bessere Bezugspreise durch Nachverhandlungen realistisch sind, diese besseren Wareneinsatzbeträge für die Bewertung angesetzt werden können. Mangels besserer Informationen wird zur Prognose des Wareneinsatzes zukünftiger Produkte meist der durchschnittliche Wareneinsatz (in Prozent vom Umsatz) von vergleichbaren Produktpaletten bestehender Produkte des zu bewertenden Unternehmens angesetzt. Ist der Wareneinsatz prognostiziert, ergibt sich durch Subtraktion desselben vom Umsatz (nach Erlösschmälerungen) die Prognose der Gross Marge.
14.3.2 Planung der Funktionskosten Bedeutend sind in diesem Zusammenhang die Prognosen der folgenden Positionen: • Personalkosten und Personalnebenkosten (wie z.B. Reisekosten), am besten nach Funktionsbereich, basierend auf einer Planung der jeweiligen Anzahl Mitarbeiter • Marketingkosten (z.B. für Anzeigen in Zeitschriften, Fernsehwerbung, Werbematerial für Arztbesuche, Kongressteilnahmen etc.) • Distributionskosten: diese werden meist als Prozentsatz vom Umsatz prognostiziert (3–5 % in Abhängigkeit der Länderspezifika) sind hierfür realistisch
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Heike Merk und Wolfgang Merk • Lizenzgebühren: Lizenzgebühren können für fremd entwickelte Produkte vertraglich fixiert worden sein, in der Regel als Prozentsatz vom Umsatz (in der Regel 3–5 %). Sind solche Verträge vorhanden, müssen die entsprechenden Aufwendungen berücksichtig werden. • Miete und andere allgemeine Aufwandspositionen sind ebenfalls für die Prognose anzusetzen, es handelt sich dabei jedoch nicht mehr um als pharmaspezifisch zu erwähnende Positionen. Als Ergebnis der Gross Margin- und Funktionskostenprognose erhält man dann die für die Bewertung notwendige Ebit-Prognose. Auf die Diskussion der Prognoseschwierigkeiten des für eine Cash-FlowBetrachtung notwendigen Finanzergebnisses und der Berücksichtigung von Steuern soll an dieser Stelle verzichtet werden, da sich die dort auftretende Problematik für die Pharmaindustrie nicht von den anderen Branchen unterscheidet.
14.3.3 Planung der Cash-Flow relevanten Bilanzpositionen Auch hinsichtlich der Cash-Flow relevanten Bilanzpositionen soll an dieser Stelle keine umfassende Darstellung gegeben werden, sondern nur auf die Vorgehensweise zur Prognose generikaspezifischer Bilanzpositionen eingegangen werden. Alle drei folgenden Bilanzpositionen werden über die Verwendung von Kennzahlen indirekt geplant: • Warenbeständen: Die Prognose erfolgt über die Kennzahl „Lagerumschlagshäufigkeit pro Jahr“, die als Verhältnis des Wareneinsatzes zur Warenbestandshöhe berechnet wird. Ein Lagerumschlag von ca. 3 bis 4 mal im Jahr ist für die Generikaindustrie normal. Ist der Wareneinsatz geplant, kann über die Lagerumschlaghäufigkeit von 3 bis 4 die Prognose für die Warenbestände berechnet werden. • Forderungen aus Lieferungen und Leistungen: Die Prognose erfolgt über die Kennzahl „Außenstände von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen in Tagen“, die als Verhältnis der entsprechenden Forderungen zum Umsatz multipliziert mit 365 Tagen berechnet wird. Die Außenstandsdauern unterscheiden sich in verschiedenen Ländern stark. In Italien kann man beispielsweise mit der Zahlung von Forderungen in ca. 120–150 Tagen rechnen, in Deutschland hingegen ist ein automatischer Zahlungseinzug innerhalb von 2 Tagen üblich. Ist der Umsatz geplant, kann über die länderspezifische Außenstandsdauer die Prognose für die Forderungen aus Lieferungen und Leistungen berechnet werden. • Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistung: Wie bei den Forderungen aus Lieferungen und Leistungen erfolgt die Prognose über die Kennzahl „Verweildauer von Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen in Tagen“, die als Verhältnis der entsprechenden Verbindlichkeiten zum Wareneinsatz multipliziert mit 365 Tagen berechnet wird. Üblicherweise wird hier mit 30 Tagen gerechnet, um über die Prognose des Wareneinsatzes auch die Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen ableiten zu können. Zudem sind Liquiditätswirksame Veränderungen des Anlagevermögens (Investitionen) zu planen. Es handelt sich dabei vorwiegend um Produktlizenzen (Intangibles) sowie im Falle von produzierenden Unternehmen um Maschinen- und Gebäudeinvestitionen.
14.4 Bewertungsverfahren 14.4.1 Umsatz- und Ebit-Multiples in der Pharmaindustrie Wie in anderen Industrien auch werden Umsatz- und Ebit-Multiples (also Vielfache von Umsatz und Ebit) verwendet, um Anhaltspunkte über bezahlte Unternehmenspreise zu erhalten. Die folgende Abbildung zeigt ausgewählte Fusionen bzw. Akquisitionen der letzten Jahre und deren bezahlte Umsatz-Multiples. Eine große Welle von Fusionen und Akquisitionen hat um die Jahrtausendwende stattgefunden. Hierbei hat es sich immer um Originatoren gehandelt. Eine neue Fusions- und Akquisitionswelle, diesmal der Generikaindustrie, hat im Jahr 2005 begonnen und wird sich sicherlich noch fortsetzen.
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14 Bewertung von Pharmaunternehmen Käufer
Kaufobjekt
Kaufjahr 2009
Kaufpreis in UmsatzvielMrd. US$ faches 3,6
Ebit Multiples
Glaxo-Smithkline
Stiefel
4x
unb.
Pfizer
Wyeth
2009
68,0
3x
11x
Merck & Co.
Schering-Plough
2009
41,1
2x
20x
Roche
Genentech
2009
100,0
7x
19x
Mylan
Merck-Generics
2007
6,6
2,5x
unb.
Schering-Plough
Organon
2007
14,7
3x
unb.
Astra-Zeneca
Med-immune
2007
15,2
11,5x
40x
Teva
Baar
2007
7,5
3,5x
15x
Tanabe Seiyaku
Mitsubishi Pharma
2007
4,7
unb.
unb.
Merk KGaA
Serono
2006
12,5
4,5x
22x
Nycomed
Altana
2006
5,8
2x
unb.
UCB
Schwarz Pharma
2006
5,3
4x
unb.
Bayer
Schering
2006
20,4
unb.
18x
Johnson & Johnson
Pfizer-Consumer
2006
16,6
4x
unb.
Teva
Ivax
2005
7,4
4x
24x
Sandoz/Novartis
Hexal
2005
8,4
6,5x
unb.
Sanofi-Synthélabo
Aventis
2004
55,3
unb.
unb.
Bayer
Roche (CHG)
2004
2,9
2,5x
unb.
Stada
Nizhpharm OJSC
2004
0,1
2x
unb.
Abbott
Knoll Pharma
2001
6,9
4x
unb.
SmithKline Beecham
Glaxo Wellcome
2000
unb.
5,5x
unb.
Pfizer
Warner-Lambert
2000
90
7x
unb.
Quelle: eigene Darstellung auf Basis diverser Veröffentlichungen Abb. 14-10: Ausgewählte Fusionen/Akquisitionen und Umsatzmultiples
Bemerkenswert ist dabei der bezahlte Übernahmepreis bei der Übernahme von Hexal durch Sandoz, dessen Höhe doch deutlich über das bisher als branchenübliche betrachtete hinausgeht. Generell muss bei der Verwendung von Umsatz- und Ebit-Multiples bekanntlich mit extremer Vorsicht vorgegangen werden. Diese Indikatoren können keine fundierte Bewertung ersetzen, sondern können lediglich einen Anhaltspunkt für einen zu zahlenden Preis sein. An dieser Stelle soll noch ergänzt werden, dass auch in der Pharmabranche ein bezahlter Preis normalerweise nicht dem Wert eines Unternehmens entspricht, da im bezahlten Preis strategische Prämien beinhaltet sind, die nicht im Detail bei der Bewertung spezifizierbar sind.
14.4.2 DCF-Verfahren Das in der Generikaindustrie geläufigste Verfahren zur Unternehmensbewertung ist das DCF (Discounted Cash Flow)-Verfahren. Hierbei wird üblicherweise der FCF (Free Cash Flow) verwendet, der die Veränderung des NCE (Net Capital Employed) berücksichtigt, d.h. der Veränderung des Anlagevermögens (beweglich und unbeweglich), der Bestände, Forderungen und Verbindlichkeiten. Grundsätzlich möglich wäre auch, die Veränderung von Darlehen (Aufbau und Rückführung) noch
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Heike Merk und Wolfgang Merk zusätzlich zu den Komponenten des FCF in einem modifizierten FCF zu berücksichtigen. Diese Betrachtungsweise hat sich allerdings nicht durchgesetzt. Die Diskussion des Abzinsungsfaktors unterscheidet sich in der Pharmaindustrie nicht von denen anderer Industrien. Befürwortet wird allerdings der Ansatz eines Zinssatzes, der eine Finanzierung allein mit Eigenkapital zu Grunde legt. Häufig werden Zinssätze im Bereich von ca. 12 % angesetzt. Bezüglich des für eine Bewertung zu verwendenden Prognosezeithorizonts werden in der Generikaindustrie üblicherweise zwei Bewertungsansätze parallel zueinander verwendet. Zum einen wird ein 10-jähriger Prognosezeitraum zur Berechnung des Barwerts verwendet und als Fortführungswert zusätzlich eine ewige Rente, basierend auf dem FCF des letzen Prognosejahres, angesetzt. Zum anderen wird ein Prognosezeitraum von 25 Jahren zur Ermittlung des Barwerts verwendet, verbunden mit der Annahme der Unternehmensliquidation nach dem letzten Prognosejahr und der entsprechenden Berücksichtigung eines Liquidationserlös. Durch die Verwendung beider Bewertungsansätze und dem Vergleich derer Bewertungsergebnisse ist eine Art Sensitivitätsanalyse möglich, indem Ursachen für unterschiedliche Bewertungsergebnisse analysiert werden. Durch diese Sensitivitätsanalyse kann die alles entscheidende Qualität der Prognose nochmals verifiziert und evtl. adaptiert werden. Durch dieses zweigleisige Vorgehen wird die Problematik der Bestimmung des Fortführungswerts (normalerweise über die ewige Rente) relativiert.
14.4.3 Value Added-Verfahren Unter „Value added“-Verfahren wird im folgenden ein Verfahren verstanden, das sich anstelle abdiskontierter Prognose-Cash-Flows an der abzudiskontierenden Quantifizierung der zukünftigen Wertgenerierung eines Unternehmens für den Eigentümer bzw. die Aktionäre orientiert. Bekannt ist dabei der von einer amerikanischen Unternehmensberatung per Marke geschützte Economic Value Added (EVA). Im Rahmen dieses Bewertungsverfahrens werden „Return on Capital“ und „Cost of Capital“ des zu bewertenden Unternehmens verglichen und mit dem „Capital“, meist definiert als Net Capital Employed (NCE) multipliziert. Im Ergebnis erhält man dann einen Wert, der zeigt, um wie viel sich das investierte Kapital im Vergleich zur erwarteten Rendite im Laufe eines Jahres vermehrt bzw. reduziert hat. Zur Ermittlung des „Return on Capitals“ wird im ersten Schritt der „Return“ berechnet, d.h. das Ergebnis vor Zinsen, aber nach Steuern. Dabei muss auch der Steuerminderungseffekt abzugsfähiger Zinsen, der in einem „Ergebnis nach Zinsen und Steuern“ üblicherweise berücksichtigt wird, eliminiert bzw. das „Ergebnis vor Zinsen, aber nach Steuern“ entsprechend verringert werden. Hintergrund der Ermittlung des „Ergebnisses vor Zinsen, aber nach Steuern“ ist, dass bei diesem Ansatz zunächst eine absolute Trennung zwischen operativ-betrieblichen und finanziellen Ergebnissen erfolgt. Ist der „Return“ berechnet, wird dieser ins Verhältnis zum NCE, also dem gebundenen Kapital gesetzt. Man erhält einen Prozentsatz, der eine Aussage zur Rendite des eingesetzten Kapitals zulässt. Zur Ermittlung der „Cost of Capital“ werden die Fremdfinanzierungskosten nach Steuern (als Prozentsatz) sowie die erwarteten Eigenkapitalkosten (üblicherweise derzeit 12 %) mit der entsprechenden Fremd- bzw. Eigenkapitalquote gewichtet, um die durchschnittlichen Cost of Capital des gebundenen Kapitals zu ermitteln. Die Differenz zwischen „Return on Capital“ und „Cost of Capital“ wird als „Spread“ bezeichnet. Dieser gibt an, um wie viel Prozent die Wertgenerierung über bzw. unter der notwendigen bzw. der erwarteten Rendite des Unternehmens liegt. Beträgt der „Return on Capital“ beispielsweise 11 % und die „Cost of Capital“ 9 %, so beläuft sich der „Spread“ und damit die Wertsteigerung auf 2 %. Wird der „Spread“ letztendlich mit dem gebundenen Kapital multipliziert, erhält man einen absoluten Wert, der die Wertsteigerung bzw. -minderung innerhalb eines Jahres angibt. Zur Ermittlung des Barwertes zukünftiger Wertsteigerungen/-minderungen und damit des Unternehmenswertes wird der jeweilige „Cost of Capital“-Satz des jeweiligen Jahres als Diskontierungssatz herangezogen.
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14 Bewertung von Pharmaunternehmen Da in Zeiten, in denen die Maxime „Liquidität, vor Profitabilität, vor Wachstum“ für die meisten Unternehmen gilt und damit ein klarer Fokus auf dem Cash-Flow liegt, konnte sich das „Value Added“Verfahren in der Pharmaindustrie nicht als Bewertungsverfahren durchsetzen.
14.5 Schlusswort Ein Unternehmen der Pharmazeutischen Industrie zu bewerten ist aufgrund der hohen Komplexität, der zunehmenden Internationalisierung und der starken Regulierung sowie den Besonderheiten des Gesundheitsmarktes ein vergleichsweise schwieriges Unterfangen. Das Unternehmen und die Unternehmensumwelt im Hinblick auf Chancen und Risiken zu untersuchen und erfordert hier ganz besondere Anstrengungen und Kenntnisse. Die „technische“ Seite, welches Bewertungsverfahren in der Pharmaindustrie anzuwenden ist, ist entsprechend nicht der entscheidende Punkt. Vielmehr geht es um die inhaltlich richtige Einschätzung der Risiken und deren adäquater Abbildung in finanzieller Hinsicht. Häufig gibt es dafür keine Standard-Regeln, sondern es hängt allein von der Informationsqualität ab, die der Bewerter hat bzw. wie gut er den Markt und das Unternehmen kennt. Demzufolge zeigt die Praxis der Unternehmensbewertung in der Pharmabranche den Wahrheitsgehalt unseres abschließenden Zitats: „Valuation is 95 % research and analysis. The actual calculation takes about 30 seconds on a calculator“12
14.6 Literatur Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (Hrsg.): Pharmadaten 2008 Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (Hrsg.): Pharmadaten 2005 Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (Hrsg.): Pharmadaten 1998 Brandt, S. M. (2002): Die Berücksichtigung der Unsicherheit in der Planung bei der Bewertung von Pharma-Unternehmen, Berlin 2002. Brockhoff, K.(1995): Der Innovationsaufwand in Unternehmen der forschenden Pharma-Industrie. In: Herzog, R. (Hrsg.): F&E-Management in der Pharma-Industrie, Aulendorf 1995, S. 287–300. Born, K. (1995): Unternehmensanalyse und Unternehmensbewertung, Stuttgart 1995 Dambacher, E.; Schöffski, O. (2002): Vertriebswege und Vertriebswegeentscheidung, S. 243–256, In: Schöffski, O. et. al. (Hrsg.): Pharmabetriebslehre, Berlin 2002 Fischer, D.; Breitenbach, J. (2003): Die Pharmaindustrie: Einblick – Durchblick – Perspektiven, Heidelberg 2003. Herzog, R. (1995): F&E-Management in der Pharma-Industrie, Aulendorf 1995 Köck, C. M. (1996): Das Gesundheitssystem in der Krise: Herausforderung zum Wandel für System und Organisation. In: Heimerl-Wagner, P.; Köck, C. M. (Hrsg.): Management in Gesundheitsorganisationen. Wien 1996, S. 17–71. Merk, W. (1999): Wettbewerbsorientiertes Management von Arztpraxen, Wiesbaden 1999. o.V. (2002): Nicht wieder zu beleben. In: Wirtschaftswoche Nr. 45, v. 31.10.2002, S. 52–56 Salz, J (2009): Der Pillen-knick. In: Wirtschaftswoche Nr. 12, v. 16.3.2009, S. 66–67 Weisbrod, B. A. (1991): The Health Care Quadrilemma: An Essay on Technological Change, Insurance, Quality of Care, and Cost Containment. In: Journal of Economic Literature, 29. Jg. (1991), S. 523–552.
12
zitiert nach Born, K. (1995): Unternehmensanalyse und Unternehmensbewertung, S. 65
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15 Unternehmensbewertung von Krankenhäusern Von Georg A. Teichmann 15.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.1.1 Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.1.2 Problemstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2 Rahmenbedingungen im Umbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2.1 Krankenhausmarkt im Umbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2.2 DRG-Einführung – Regulatorische Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2.3 Finanzierung – Rechnungslegung – Besteuerung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.3 Wesentliche Erfolgsfaktoren im Krankenhaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4 Besondere Aspekte bei der Bewertung von Krankenhäusern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4.1 Vorbemerkung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4.2 Erlösplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4.2.1 Externe Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4.2.2 Interne Faktoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4.3 Planung der Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4.3.1 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4.3.2 Personalaufwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4.3.3 Sachkostenaufwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4.3.4 Ableitung der Free Cashflows . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4.4 Diskontierungsfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4.5 Vergleichende Marktbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.6 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
335 335 336 337 337 338 340 342 343 343 343 343 344 344 344 344 346 346 347 348 349 349
15.1 Einleitung1 15.1.1 Ausgangssituation Der Gesundheitssektor besitzt einen hohen Stellenwert im deutschen Wirtschaftsleben und hat mit mehr als 4 Mio. Erwerbstätigen auch arbeitsmarktpolitisch eine große Bedeutung.2 Der seit Jahren steigende Bedarf an Gesundheitsleistungen ist u.a. auf die demographische Entwicklung und die Veränderung der sozialen Bedürfnisse der Bevölkerung, den medizinisch-technischen Fortschritt sowie auf die Einkommensentwicklung zurückzuführen. So hat Deutschland nach den USA, der Schweiz und Frankreich die vierthöchsten Ausgaben für Gesundheit im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt weltweit. Gleichzeitig wird mit Hilfe staatlicher Eingriffe versucht, die stetig steigenden Gesundheitsausgaben zu begrenzen mit dem Ziel, die Beitragssätze des umlagefinanzierten Sozialversicherungs1 2
Für die Unterstützung bei der Entstehung dieses Beitrags möchte ich mich bei Franziska Bienz und Nadja Becker bedanken. Vgl. Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2008.
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Georg A. Teichmann systems stabil zu halten bzw. zu senken. So wurde in der Vergangenheit durch den Gesetzgeber eine Vielzahl an Maßnahmen zur Kostendämpfung durchgeführt. Den wirtschaftlich bedeutendsten Bereich innerhalb des Gesundheitswesens nimmt der Krankenhaussektor mit rd. 25,6 % der Gesamtkosten ein.3 Aufgrund des zunehmenden Kostendrucks, der sich verstärkenden Marktorientierung und der Einführung des fallpauschalorientiertenVergütung ssystems im Jahr 2004, den so genannten German Diagnosis Related Groups (G-DRG), befindet sich der Krankenhaussektor in strukturellen Veränderungen. Diese Veränderungen haben öffentliche Träger von Krankenhäusern in der Vergangenheit dazu veranlasst, sich von den Krankenhäusern zu trennen oder aber über regionale Verbünde eine verbesserte Markt- und Kostenposition zu erreichen.4 In beiden Fällen ist regelmäßig der Wert des Krankenhauses, sei es als Kaufpreis oder zur Bestimmung der Beteiligung an einer Krankenhausholding, entscheidungskritisch.5
15.1.2 Problemstellung Der Krankenhaussektor ist durch eine vergleichsweise umfangreiche Regulierung hinsichtlich seiner Finanzierung gekennzeichnet. Die Krankenhäuser sind aufgrund der dualen Finanzierung zur Tätigung von Investitionen, auf Fördermittel der öffentlichen Hand angewiesen. Jedoch befinden sich die öffentlichen Haushalte selbst in angespannter finanzieller Situation. Des Weiteren arbeiten Krankenhäuser verschiedener Träger mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen. So sind Krankenhäuser in öffentlicher oder freigemeinnütziger Trägerschaft regelmäßig nicht gewinn-, sondern sachzielorientiert.6 D.h. das Ziel liegt in einer Nutzenmaximierung im Sinn des Sachziels unter der Nebenbedingung der zur Verfügung stehenden Mittel. Dies wurde in der Vergangenheit häufig mit dem Ziel eines periodisch ausgeglichenen Ergebnisses gleichgesetzt. Die Veränderungen im Gesundheitswesen haben aber bereits viele dieser Anbieter zu einer temporär weiter gefassten Definition der sachzielorientierten Geschäftsmodelle bewegt. Diese Neudefinition sieht die Erwirtschaftung periodischer Überschüsse vor, um auch bei sinkenden Förderquoten für Investitionen mittel- und langfristig Investitionen aus der eigenen Ertragskraft durchführen zu können. Insoweit nähern sich die Geschäftsmodelle der in öffentlicher und freigemeinnütziger sowie privater Trägerschaft geführten Krankenhäuser an. Die Unterschiede liegen daher nicht in der Intensität und dem Nachdruck der Einkommenserzielung, sondern in der Art der Einkommensverwendung.7 Der Wert eines Krankenhauses bestimmt sich wie bei Unternehmen anderer Branchen aus dem Nutzen, den dieses aufgrund seiner im Bewertungszeitpunkt vorhandenen Erfolgsfaktoren, seines Dienstleistungsangebots und Stellung am Markt, inneren Organisation, Mitarbeiter und seines Managements in Zukunft erwirtschaften kann. Unter der Voraussetzung, dass ausschließlich finanzielle Ziele, definiert als bewerteter Nutzen, verfolgt werden, wird der Wert eines Unternehmens aus seiner Eigenschaft abgeleitet, durch Zusammenwirken aller, die Ertragskraft beeinflussenden, Faktoren finanzielle Überschüsse für den Eigner/Träger des Krankenhauses zu erwirtschaften. Für die Ermittlung des Werts eines Krankenhauses als Zukunftserfolgswert stehen grundsätzlich neben dem Ertragswert- und dem Discounted-Cashflow-Verfahren (DCF-Verfahren) marktwertorientierte Verfahren zur Verfügung8. Das Ertragswert- und DCF-Verfahren sind grundsätzlich gleichwertig und führen bei entsprechender Prämissensetzung zu identischen Ergebnissen, da sie auf derselben investitionstheoretischen Grundlage (Kapitalwertkalkül) fußen. Ergänzt werden diese Verfahren regelmäßig durch eine vergleichende Marktbewertung.9 3 4 5 6 7 8 9
Vgl. Statisches Bundesamt, Gesundheitsausgaben 2007. Vgl. auch Saure, C. (2004), S. 2 f. Vgl. zur Alternative einer Privatisierung die kommunale Holdingstruktur Teichmann, G./Döring, St. (2007), S. 11. Vgl. Teichmann, G. (2006a), S. 8 f. Vgl. Wagner, F. W. (1997), S. 22–23. Zu den Verfahren vgl. Drukarczyk, J. (2003); Ballwieser, W. (2004) sowie IDW ES 1 n.F. Soweit die Annahme der Verfolgung finanzieller Zielsetzungen nicht unterstellt werden kann, führt die Ableitung eines Zukunftserfolgswerts zu nicht mehr interpretierbaren Unternehmenswerten.
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15 Unternehmensbewertung von Krankenhäusern Allen Bewertungsmethoden ist gemein, dass sie auf künftigen finanziellen Erfolgsgrößen basieren. Die Prognose der künftigen finanziellen Überschüsse stellt das Kernproblem jeder Unternehmensbewertung dar. Die in der Vergangenheit erwiesene Ertragskraft dient im Allgemeinen als Ausgangspunkt für Plausibilitätsüberlegungen. Sofern die Ertragsaussichten aus unternehmensbezogenen Gründen bzw. aufgrund veränderter Markt-, Wettbewerbs- und regulatorischen Bedingungen zukünftig andere sein werden, sind die erkennbaren Unterschiede zu berücksichtigen. In der Bewertungspraxis kommt vor dem Hintergrund der besonderen Finanzierungssituation von Krankenhäusern häufig die DCF-Methode zum Einsatz. Trotz der stark eingeschränkten Verfügbarkeit von Daten über Krankenhaustransaktionen und sehr wenigen börsennotierten Krankenhäusern erfreut sich auch die vergleichende Marktbewertung in der Praxis großer Beliebtheit. Ziel ist hierbei meist eine erste indikative Wertabschätzung eines Krankenhauses bzw. einer Klinik-Kette. Je nach Bewertungszweck variieren der Grad der tolerierten Fehlervermeidung, die Nachprüfbarkeit der Ergebnisse sowie die Offenlegung der Vorgehensweise. Im Rahmen der Vorbereitung einer Entscheidung steht die Nachprüfbarkeit der Vorgehensweise weniger im Vordergrund als bei einer Vermittlung zwischen streitigen Parteien.10 Im Folgenden werden die betriebswirtschaftlich relevanten regulatorischen Rahmenbedingungen im Krankenhausmarkt sowie die aktuellen Veränderungen erläutert, die wesentlichen Einfluss auf die künftigen finanziellen Überschüsse und damit auf den Wert eines Krankenhauses haben.11
15.2 Rahmenbedingungen im Umbruch 15.2.1 Krankenhausmarkt im Umbruch Die Veränderungen in der Unternehmens- und Aufgabenumwelt für Krankenhäuser, beispielsweise in der Entwicklung der Patientenstruktur, der Intensität des medizinischen Fortschritts und dem steigenden Druck auf Effektivität sowie Effizienz des betrieblichen Handels, führen zu einem starken Anstieg der Wettbewerbsintensität.12 Der Marktzugang im Krankenhaussektor ist im Sozialgesetzbuch (SGB) manifestiert. In § 108 SGB V ist geregelt, dass Krankenkassen Krankenhausbehandlungen lediglich durch Hochschulkliniken, so genannte Plankrankenhäuser13 oder durch Krankenhäuser mit einem gesonderten Versorgungsauftrag mit den Krankenkassen erbringen lassen dürfen. Aus der Situation, dass lediglich Hochschulkliniken und Plankrankenhäuser Aussicht auf Investitionsförderung haben, die bestehenden Überkapazitäten auf dem Krankenhausmarkt den Abschluss gesonderter Versorgungsaufträge durch Krankenkassen nicht erwarten lässt, sowie der profitable Betrieb einer Privatklinik die Ausnahme darstellen dürfte, ist das Interesse an der Übernahme oder der Fusion von bzw. mit Hochschulkliniken und Plankrankenhäusern zu erklären. Die Regulierung im Krankenhauswesen betrifft neben dem Marktzugang im Wesentlichen deren Finanzierung, die seit Inkrafttreten des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) 1972 diversen Reformbemühungen der jeweiligen Bundesregierung unterlag.14 Grundsätzlich werden in Deutschland Krankenhäuser dual finanziert. Die Finanzierung der Investitionen liegt bei der öffentlichen Hand, während die in den Krankenhäusern anfallenden laufenden Betriebs- und Behandlungskosten von den Krankenkassen getragen werden. Diese duale Finanzierung der Krankenhäuser wird seit Jahren diskutiert und ein Übergang zur sogenannten Monistik erwartet.15 10 11 12 13 14
15
Vgl. zum Bewertungszweck Ballwieser, W. (2004), S. 1–5. Vgl. zum Status eine Krankenhauses Bohle, T./Grau, U. (2003), S. 698–699. Zu Veränderungen im Unternehmens- und Aufgabenumfeld vgl. Saure, C. (2004), S. 23–38. Plankrankenhäuser sind in dem Krankenhausplan eines Bundeslandes aufgenommen. Aufgeführt seien hier das Krankenhaus-Neuordnungsgesetz 1985, der Grundheitsstrukturgesetz 1993 und das Gesetz zur Stabilisierung der Krankenhausausgaben 1996; vgl. darüber hinaus Tuschen, K.-H./Quaas, M. (1998), S. 9–24 sowie Goedereis, K. (1999), S. 11–32. Beispielhaft für viele Diskussion vgl. Rürup, B. (2008).
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Georg A. Teichmann
Krankenkassen (GKV + PKV)
BetriebskostenBetriebskostenfinanzierung
Beiträge
Beiträge
Zahlungen
Krankenhausträger Krankenhausträger Krankenhausträger
Gewinne/ Verluste
Steuern/ Beiträge/ Einlagen
Steuerzahler/Mitglied/ Steuerzahler/ Mitglied/ Anteilseigner
Arbeitgeber (öffentlich + privat)
Krankenhaus Leistungen
Versicherte Patienten
Investitionskostenfinanzierung
Steuern/ Abgaben
Bundesländer
Abb. 15-1: Struktur der Krankenhausfinanzierung (in Anlehnung an Janssen, Dirk, 1999, S. 62)
Die letzte wesentliche Änderung ist die Einführung eines einheitlichen, pauschalierenden und diagnoseorientierten Vergütungssystems zur Deckung der Betriebs- und Behandlungskosten. Die frühere Mischfinanzierung stationärer Krankenhausleistungen aus mit den Krankenkassen verhandelten tagesgleichen Pflegesätzen, Sonderentgelten und Fallpauschalen wurde im Jahr 2004 durch die German Diagnosis Related Groups (G-DRG) abgelöst.16 Hierdurch erweitert sich die Fokussierung des Vergütungssystems neben der Leistungs- bzw. Erlösmaximierung zusätzlich auf eine Kostenminimierung. Das Fallpauschalen-System sieht ein Entgelt zur Abdeckung der mit einem Behandlungsfall im Zusammenhang stehenden Kosten vor, das im Wesentlichen von der Verweildauer des Patienten im Krankenhaus unabhängig ist. Es zielt damit auf mehr Effizienz und Bedarfsgerechtigkeit im stationären Sektor. Damit soll die Qualität, Transparenz und Wirtschaftlichkeit der Krankenhausbehandlung verbessert werden.17 Im Folgenden wird zunächst das DRG-System kurz erläutert und ausgewählte Aspekte zur Finanzierung, Bilanzierung sowie der Besteuerung angesprochen.
15.2.2 DRG-Einführung – Regulatorische Änderungen Durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz im Jahr 2000 wurden die Selbstverwaltungspartner im Krankenhaussektor (Spitzenverbände der Krankenkassen, der Verband der privaten Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft) beauftragt ein durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes Vergütungssystem für den stationären Krankenhaussektor einzuführen, zunächst mit Ausnahme von psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen. Als Grundlage für das deutsche DRG-System wurde das australische AR-DRG-System gewählt.18 Das DRG-System ordnet die gesamten medizinischen Leistungen kostenhomogenen Fallgruppen (DRG) zu. Umfasste der Fallpauschalen-Katalog 2005 845 kalkulierte Fallpauschalen, sieht der Fallpauschalen-Katalog 2009 insgesamt 1.192 DRGs vor. Die Zuordnung zu einer Fallpauschale erfolgt anhand mehrerer Merkmale wie z.B.: • Vorliegende Erkrankungen, • diagnostische und therapeutische Maßnahmen, • Alter, 16 17 18
Vgl. Schlottmann, N. (2002), S. 26. Vgl. Bundesministerium für Gesundheit (2002). Vgl. www.dkgev.de/pub/newpdf/RS17502-Anlage-ref-Entw_Begründung.pdf.
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15 Unternehmensbewertung von Krankenhäusern • Geschlecht, • Gewicht etc. Eine DRG besteht aus drei verschiedenen Teilen, wie das nachfolgende Beispiel zeigt: B
70
A
=
Hirnschlag mit äußerst schweren Komplikationen
Die erste Stelle gibt an, welcher der 25 Hauptdiagnosekategorie die DRG zu geordnet wird. Die beiden nachfolgenden Zahlen geben die Partition an: 0 – 39 = chirurgische Behandlung 40 – 69 = andere, diagnostische Behandlung 70 – 99 = konservative Behandlung Die letzte Stelle ist ein Buchstabe, der die DRG in unterschiedliche Schweregrade gliedert. Insgesamt werden bis zu neun Schweregradstufen unterschieden. Jeder DRG wird ein Relativgewicht19 (Kostengewicht) in Form eines Punktwerts zugeordnet. Die zuvor dargestellte DRG B70A beispielsweise besitzt im Fallpauschalenkatalog 2009 ein Relativgewicht von 2,992. Das Relativgewicht nimmt mit Höhe des Schweregrads einer DRG zu. So hat die DRG B70B, die einen niedrigeren Schweregrad besitzt, z.B. ein Relativgewicht von 2,415. Eine wichtige Kennzahl des DRG-Systems ist der so genannte Case-Mix-Index, der den durchschnittlichen Schweregrad von Fällen in einem Krankenhaus oder einer Abteilung angibt. Dieser wird ermittelt, indem die Summe an Relativgewichten durch die Summe an Fallzahlen dividiert wird.20 Aus der Multiplikation des Relativgewichts und dem krankenhausindividuellen Basisfallwert21 ergibt sich der Erlös, den ein Krankenhaus für einen Patienten erhält. Die zurzeit noch krankenhausspezifischen Basisfallwerte werden nach Ende der so genannten Konvergenzphase im Jahr 201022, durch landesweite Basisfallwerte ersetzt.23 Erstmalig wurden für das Jahr 2005 landesweite Basisfallwerte bestimmt, deren Höhe maßgeblichen Einfluss auf die Budgets
% Anpassung Basisfallwert des Vorjahres (Konvergenzquote) Höhe Kappungsgrenze
2005
2006
2007
2008
2009
15 %
23,5 %
30,8 %
44,4 %
100 %
1,0 %
1,5 %
2,0 %
2,5 %
3,0 %
Abb. 15-2: Stufenweise Anpassung krankenhausindividueller Basisfallwerte an landesweiten Basisfallwert 19
20 21 22 23
Das Relativgewicht stellt den durchschnittlichen Behandlungsaufwand einer DRG-Fallgruppe in Relation zum Behandlungsaufwand für einen durchschnittlichen Fall mit der standardisierten Messgröße 1,0 dar. Die Ermittlung der Relativgewichte erfolgt indem bei einer Stichprobe an Krankenhäusern eine Kalkulation der Rohfallkosten durchgeführt wird. Dabei werden alle DRG-relevanten Kosten unter Beachtung aller DRGrelevanter Leistungen vollständig auf die DRG-Fälle verteilt. Momentan erfolgt jedes Jahr zur Anpassung der bestehenden Relativgewichte eine Nachkalkulation. Somit stellt das DRG-System ein lernendes System dar, das sich ständig weiterentwickelt. Es ist anzumerken, dass bei den bisher durchgeführten Kalkulationen zur Ermittlung der Relativgewichte die Anzahl der teilnehmenden Universitätsklinika niedrig war. Vgl. Thiex-Kreye, M./Kalbitzer, M./Von Collas, T. (2003), S. 34. Der krankenhausindividuelle Basisfallwert wird durch Division des Budgets durch die Summe der Relativgewichte des jeweiligen Krankenhauses ermittelt. In Anlehnung an: Breßlein, S. (2004), S. 327. In der so genannten Konvergenzphase werden die krankenhausindividuellen Basisfallwerte stufenweise, jeweils zum 1. Januar eines Jahres, an einen landesweit geltenden Basisfallwert angepasst. Ursprünglich war das Ende der Konvergenzphase für das Jahr 2007 vorgesehen, mit dem Ergebnis einer Abflachung der stufenweisen Anpassung der krankenhausindividuellen Basisfallwerte an den landeseinheitlichen Basisfallwert.
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Georg A. Teichmann der Krankenhäuser hat. Ferner sind ab 2005 periodische Anpassungen des krankenhausindividuellen Basisfallwerts bis zur vollen Geltung der landeseinheitlichen Basisfallwerte vorgenommen worden. Die Funktion der Kappungsgrenze besteht darin, die Höhe des maximal möglichen Verlusts eines Krankenhauses auf 1 % des Budgets zu beschränken. Mit dem Krankenhausfinanzierungsreformgesetz vom Dezember 2008 wurde die Konvergenzphase um ein Jahr bis Ende 2010 verlängert, so dass sich die konvergenzbedingten Budgetzuwächse bzw. Budgetminderungen des Anpassungsschrittes aus dem Jahr 2009 nunmehr auf zwei Jahre verteilen. Darüber hinaus werden die unterschiedlichen Landesbasisfallwerte in einem Zeitraum von fünf Jahren, beginnend im Jahr 2010, schrittweise auf einen bundeseinheitlichen Basisfallwertkorridor angenähert. Wie bereits erwähnt, erfolgt durch die Einführung der DRG die Vergütung eines Krankenhauses nicht mehr, wie bisher, auf Basis der vom Krankenhaus verursachten Kosten, sondern auf Basis der Kosten, die im statistischen Mittel aller Krankenhäuser für die jeweilige Behandlung anfallen. Zur Sicherung und Weiterentwicklung der medizinischen Qualität hat der Gesetzgeber parallel zum DRG-System flankierende Regelungen eingeführt. Beispielsweise könnte mit dem DRG-System für Krankenhäuser der Anreiz bestehen, Patienten verfrüht zu entlassen, da Krankenhäuser einen Festpreis für die medizinische Behandlung eines Patienten erhalten. In diesem Zusammenhang ist auch der Begriff „blutiger Patient“ entstanden. Eine weitere Auswirkung, die aufgrund der DRGEinführung entstehen könnte, ist eine mangelnde qualitative medizinische Versorgung von Patienten. Dies wäre z.B. der Fall, wenn auf die Durchführung von angemessenen Teilleistungen aufgrund von überbetontem wirtschaftlichem und effizientem Handeln verzichtet werden würde. Um solche Folgen zu vermeiden wurden durch den Gesetzgeber nach § 137 SGB V regulatorische Maßnahmen zur Qualitätssicherung eingeführt. Auf Bundesebene wurde ein Katalog planbarer Leistungen aufgestellt, bei dem eine Abhängigkeit der Ergebnisqualität besonders von der Menge der erbrachten Leistungen unterstellt wird. Für solche Leistungen wurden Mindestmengen je Arzt oder Krankenhaus bestimmt. Im Falle, dass die festgelegte Mindestmenge für planbare Leistungen nicht eingehalten werden kann, dürfen ab dem Jahr 2004 diese Leistungen nicht mehr erbracht werden. Eine Abweichung von dieser Regelung ist möglich, wenn dadurch andernfalls eine Gefährdung der flächendeckenden medizinischen Versorgung der Bevölkerung besteht.24 Des Weiteren legt § 137 SGB V fest, dass sämtliche Krankenhäuser in einem Turnus von zwei Jahren einen Qualitätsbericht, der Informationen über den Stand der Qualitätssicherung beinhaltet, vorzulegen haben. Falls die Krankenhäuser diesen Qualitätsbericht nicht fristgerecht veröffentlichen, droht eine Sanktion in Form einer jährlichen Prüfung durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen.25
15.2.3 Finanzierung – Rechnungslegung – Besteuerung Seit 1972 ist das Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) in Deutschland die bedeutendste rechtliche Grundlage für die Krankenhausfinanzierung und die Krankenhausplanung. Mit § 1 Abs. 1 KHG wird die Absicht verfolgt, die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser zu sichern, um eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen und eigenverantwortlich wirtschaftenden Krankenhäusern zu gewährleisten. Das KHG ist auf Bundesebene der äußere Rahmen für die Krankenhausplanung und -finanzierung, der auf Bundesländerebene durch die individuellen Landeskrankenhausgesetze ergänzt wird.26 Mit dem In-Kraft-Treten des Krankenhausfinanzierungsgesetzes wurde die duale Finanzierung der Krankenhäuser eingeführt. Diese beruht auf einer Trennung der Finanzierung der Investitions- und Betriebskosten. Die Investitionskosten werden grundsätzlich über öffentliche Fördermittel der Bundesländer finanziert. Voraussetzung ist, dass das Krankenhaus Bestandteil des Krankenhausbedarfsplans ist, den die Länder nach § 6 Abs. 1 KHG aufzustellen haben.27 24 25 26 27
Vgl. § 137 Abs. 1 Nr. 6 SGB V. Vgl. Lüngen, M./Lauterbach, K. W. (2003), S. 22 ff. Vgl. Deutsche Krankenhausgesellschaft (2003), S. 3. Vgl. Sattlegger, C. (2001), S. 28.
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15 Unternehmensbewertung von Krankenhäusern Unter Investitionskosten sind die Kosten für die Errichtung oder Erstausstattung eines Krankenhauses und die Anschaffung der zum Krankenhaus gehörenden Wirtschaftsgüter (keine Verbrauchsgüter) zu verstehen. Die Abgrenzungsverordnung (AbgrV) nimmt eine genaue Trennung von Wirtschaftsgütern in Anlage- und Verbrauchsgüter vor. So sind gemäß der AbgrV Verbrauchs- und Gebrauchsgüter pflegesatzfähig, Anlagegüter zur Errichtung und Erstausstattung von Krankenhäusern, sowie wiederbeschaffte Anlagegüter mit einer Nutzungsdauer länger als 3 Jahre sind dagegen durch Fördermittel zu finanzieren.28 Die Finanzierung der Investitionskosten wird in zwei Bereiche, in Einzelförderung29 und in Pauschalförderung30, unterteilt. Des Weiteren bestehen gesonderte Bestimmungen zur Investitionsförderung von Universitätsklinika. Deren Investitionskosten teilen sich Bund und Länder zu gleichen Teilen. Die Bereitstellung von Investitionsfördermitteln durch die Bundesländer ist seit Jahren rückläufig, mit der Folge, dass ein erheblicher Investitionsstau bei den Krankenhäusern entstanden ist. Schätzungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft über die Höhe des Investitionsstaus liegen mittlerweile bei rd. 50 Milliarden Euro.31 Aus diesem Grund sind Krankenhäuser gezwungen sich neue Finanzierungsquellen zur Tätigung von Investitionen zu suchen. Neben der Finanzierung aus Gewinnrücklagen ist die Kreditfinanzierung eine Finanzierungsmöglichkeit. Bei der Finanzierung mit Hilfe langfristiger Darlehen kann die Bewilligungsbehörde des jeweiligen Bundeslands den Schulddienst32 übernehmen. Parallel werden erste alternative Finanzierungswege, wie beispielsweise Public-Private-PartnershipModelle umgesetzt. Darüber hinaus wird teilweise auch das Instrument der Forfaitierung von Krankenhausforderungen eingesetzt. Erwartet werden weiterhin Börsengänge von Krankenhausbetreibern zur Finanzierung nicht aufschiebbarer Investitionen.33 Die laufenden Betriebskosten werden den Krankenhäusern über die Krankenkassen finanziert. Unter den laufenden Betriebskosten sind die Kosten zur medizinischen und pflegerischen Versorgung von Patienten sowie die Aufwendungen für deren Unterbringung und Verpflegung zu verstehen. Zur Finanzierung der laufenden Betriebskosten findet jährlich zwischen den Leistungsträgern (Krankenhaus) und den Kostenträgern (Krankenkasse) eine Verhandlung über die Aufstellung der Entgelte und Budgetermittlung statt. In diesem Vertrag werden für einen festgelegten Zeitraum die zu erbringenden Leistungen und die dabei entstehenden Kosten festgelegt.34 Für die krankenhausspezifische Finanzierung sind zugleich besondere Rechnungslegungsvorschriften erforderlich geworden, um eine Abbildung der Krankenhausfinanzierung in der Rechnungslegung zu ermöglichen. Diese sind in der Krankenhaus-Buchführungsverordnung (KHBV) geregelt. Nach § 3 KHBV hat ein Krankenhaus seine Bücher nach den Regeln der kaufmännischen doppelten Buchführung zu führen. Der Jahresabschluss eines Krankenhauses besteht aus einer Bilanz, einer Gewinn- und Verlustrechnung und einem Anhang einschließlich eines Anlagennachweises. Die Aufstellung und der Inhalt des Jahresabschlusses richten sich nach den Bestimmungen des HGB. Daneben beinhaltet die KHBV auch Einzelvorschriften zum Jahresabschluss, von denen die wichtigsten hier genannt werden. – Nach § 5 Abs. 2 sind nicht auf dem KHG beruhende Fördermittel der öffentlichen Hand für Investitionen in aktivierte Vermögensgegenstände des Anlagevermögens auf der Passivseite der Bilanz 28 29
30
31 32 33 34
Vgl. Goedereis, K. (1999), S. 89. In § 9 Abs. 1 und 2 KHG wird die Einzelförderung eines Krankenhauses geregelt. Danach fördern die Länder auf Antrag des Krankenhausträgers besonders entstehende Investitionskosten für die Errichtung von Krankenhäusern einschließlich der notwendigen Erstausstattung an Anlagegütern für den Krankenhausbetrieb. Des weiteren wird die Wiederbeschaffung von Anlagegütern finanziert, vorausgesetzt diese haben eine durchschnittliche Nutzungsdauer von mehr als 3 Jahren. Unter einer Pauschalförderung gemäß § 9 Abs. 3 KHG sind jährliche Pauschalbeträge zu verstehen, über die die Krankenhäuser frei verfügen können. Diese Pauschalbeträge werden zur Wiederbeschaffung kurzfristiger Anlagegüter sowie für kleine bauliche Maßnahmen verwendet. Vgl. Flintrop, J. (2004), S. A-3438. Der Schulddienst bezieht sich auf die Verzinsungen, Tilgung und die Verwaltungskosten des Kredits. In Anlehnung an: ebenda. S. A-3438. Vgl. Bandey, U./Fitzner, V. (2002), S. 852. Vgl. Lüngen, M./Lauterbach, K. W. (2003), S. 3.
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Georg A. Teichmann als „Sonderposten aus Zuweisungen und Zuschüssen der öffentlichen Hand“ auszuweisen, wie z.B. Betriebskostenzuschüsse. – Fördermittel für Investitionen gemäß dem Krankenhausfinanzierungsgesetz werden in der Bilanz als Sonderposten aus Fördermitteln nach KHG passiviert, wie z.B. notwendige Anlagegüter zur Erstausstattung eines Krankenhausbetriebs. Der wesentliche Zweck der Bildung dieser Sonderposten liegt in der erfolgsneutralen Verbuchung der Fördermittel sowie der korrespondierenden Abschreibungen auf die aktivierten Wirtschaftsgüter. Hinsichtlich steuerlicher Besonderheiten ist zu beachten, dass Krankenhäuser in öffentlicher oder freigemeinnütziger Trägerschaft i.d.R. Steuerbegünstigungen aufgrund ihrer gemeinnützigen Tätigkeit besitzen. Diese Krankenhäuser sind aufgrund des § 67 Abgabenordnung (AO) steuerbegünstigter Zweckbetrieb. Dadurch werden die Krankenhäuser von der Körperschaftssteuer (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG), der Gewerbesteuer (§ 3 Nr. 6 GewStG), der Umsatzsteuer (§ 4 Nr. 16 UStG), der Erbschaftssteuer (§ 13 ErbStG) sowie der Grundsteuer (§ 3 Abs. 1 und § 4 Nr. 6 GrStG) befreit. Dies gilt jedoch ausschließlich für die angebotenen ärztlichen und pflegerischen Leistungen. Darüber hinaus erbrachte Dienstleistungen stellen entweder einen eigenständigen Zweckbetrieb dar oder unterliegen als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb wie beispielsweise ein Kiosk der Steuerpflicht.
15.3 Wesentliche Erfolgsfaktoren im Krankenhaus Der Erfüllungsgrad der beeinflussbaren Erfolgsfaktoren eines Krankenhauses hat maßgeblichen Einfluss auf den Wert eines Krankenhauses. Im Folgenden werden die wesentlichsten Erfolgsfaktoren eines Krankenhauses dargestellt, die in die Plandaten zum Teil explizit und zum Teil implizit Niederschlag finden und damit den Wert eines Krankenhauses bestimmen. Zu den wesentlichen Erfolgsfaktoren beim Betrieb eines Krankenhauses werden die folgenden Punkte gezählt: • Stringente Fokussierung der Organisation auf den Patienten, • eine gute Zusammenarbeit mit vor- und nachgelagerten Sektoren, • die Qualität der medizinischen Leistung, • eine zielorientierte in- und externe Kommunikationsstrategie insbesondere in Ballungsräumen, • ein effizientes und effektives Prozessmanagement mit optimierten Prozesskosten, • zeitnahes Controlling sowie • kurze Reaktionszeiten bei veränderten Rahmenbedingungen und schnelle Entscheidungswege bei Strukturentscheidungen. Da die zentrale Aufgabe eines Krankenhauses in der medizinischen Behandlung von Patienten liegt, ist eine gute Reputation in Bezug auf die Qualität der medizinischen Versorgung und eine gute Zusammenarbeit mit den einweisenden Ärzten (Multiplikatoren) ein entscheidender Erfolgsfaktor für die Entwicklung der Patientenzahlen. Im medizinischen Bereich ist die Qualität gegenüber anderen Branchen schwerer messbar. Im Gegensatz zu anderen Branchen soll eine gute medizinische Leistung die Rückkehr eines Kunden vermeiden. Hinzu kommt, dass lediglich eine geringe Anzahl von Patienten die medizinische Qualität qualifiziert beurteilen kann.35 „Altkunden“ haben deshalb im Krankenhausbereich eine deutlich geringere Bedeutung als in anderen Branchen. Ferner sind die Lage und die Verkehrsanbindung des Krankenhauses wichtige Kriterien. Diese Aspekte sind in eine externe Kommunikationsstrategie einzubeziehen und den potenziellen Patienten bzw. Multiplikatoren regelmäßig transparent zu machen. Bei vergleichsweise begrenztem Erlössteigerungspotenzial ist ein effizientes und effektives Prozessmanagement, verbunden mit optimierten Prozesskosten36, der wesentliche Bestimmungsfaktor für 35 36
Vgl. Von Eiff, W. (2003), S. 961. Vgl. Knorr, G. (2003), S. 679–680.
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15 Unternehmensbewertung von Krankenhäusern positive Renditen im Krankenhausbetrieb. Die Optimierung des Prozessmanagements setzt bei der Schaffung von Transparenz in der Ablauforganisation an, definiert klare Zuständigkeiten und reicht über die Standardisierung von Kernprozessen bis zu einer bedarfsgerechten Ressourcensteuerung. Darüber hinaus können mit einer zielgerichteten Patientensteuerung, die bereits bei der Aufnahme beginnt, ergänzt um standardisierte Behandlungsabläufe, Wartezeiten und Doppeluntersuchungen vermieden werden. Letztlich können damit schnellere Durchlaufzeiten erreicht werden, die zu einer Verbesserung der Deckungsbeiträge pro Fall führen. Des Weiteren sind gut ausgebildete, kosten- und qualitätsbewusste sowie flexible Mitarbeiter für ein Krankenhaus ein entscheidender Erfolgsfaktor, um die Chancen aus den anstehenden Veränderungen zeitnah nutzen zu können.
15.4 Besondere Aspekte bei der Bewertung von Krankenhäusern 15.4.1 Vorbemerkung In Krankenhäusern ist ein ausführliches und belastbares Planungswesen, welches einen Zeitraum von mehreren Jahren abdeckt, noch nicht etabliert. Üblich sind Budgets für das laufende Jahr mit Fortschreibungen für weitere zwei bis drei Jahre. Aus diesem Mangel an bottom-up-Planungen sind bei Wertermittlungen für Krankenhäuser regelmäßig Planzahlen neu zu ermitteln. Der Planungszeitraum sollte mindestens drei Jahre nach der Konvergenzphase umfassen, um eine belastbare Grundlage für die Ableitung eines nachhaltigen Ergebnisses für die Zeit nach 2010 zu legen. Im Rahmen der Erstellung der Unternehmensplanung sollten mit Hilfe einer Sensitivitätsanalyse die wesentlichen wertrelevanten Treiber identifiziert und einer gesonderten Analyse unterzogen werden.37
15.4.2 Erlösplanung 15.4.2.1 Externe Faktoren Die wesentliche Erlösgröße „Erlöse aus Krankenhausleistungen“, die regelmäßig über 95 % der Gesamterlöse repräsentiert, setzt sich nach der Einführung des DRG-Systems aus zwei Faktoren zusammen, die nicht durch das Management des Krankenhauses beeinflusst werden können. Diese Parameter, die zusammen den Preis der medizinischen Dienstleistung darstellen, sind zum einen die künftigen landesweiten Basisfallwerte und zum anderen die im Fallpauschalen-Katalog für jede DRG hinterlegten Relativgewichte. Für beide Parameter sieht sich das Management vor der Herausforderung, dass das DRG-System ein lernendes System darstellt und dass es zu fortlaufenden, insbesondere in der Übergangsphase zu schwer abschätzbaren, Veränderungen kommen kann. Die Relativgewichte unterliegen jedes Jahr einer Nachkalkulation, um pro DRG einen möglichst aktuellen durchschnittlichen Ressourcenaufwand ermitteln zu können. Beispielsweise hatte die DRG B70A (Hirnschlag mit äußerst schweren Komplikationen und Komorbiditäten) im Fallpauschalen-Katalog 2008 ein Relativgewicht in Höhe von 2,825. In dem für das Jahr 2009 geltendem FallpauschalenKatalog hat dieselbe DRG ein Relativgewicht von 2,992. Daraus ergibt sich eine Punktwertdifferenz von 0,167, die sich je nach Höhe des krankenhausindividuellen Basisfallwerts unterschiedlich auf die Erlöshöhe auswirkt. Bei einem geschätzten krankenhausindividuellen Basisfallwert in Höhe von 2.700 € ergibt sich ein höherer Erlös von 450,90 € bzw. 5,9 % pro DRG B70A. Verbesserte Behandlungsmethoden können dabei dazu führen, dass die Relativgewichte steigen, wie im dargestellten Fall. Auf der anderen Seite können durch etablierte und ressourcenschonendere Behandlungsmethoden die Behandlungspreise auch sinken. Die landesweiten Basisfallwerte werden zwischen den Krankenhausgesellschaften und Krankenkassenverbänden auf Landesebene vereinbart. Der sich durch die Parameter Relativgewicht und Basisfallwert ergebende Preis für Gesundheitsleistungen ist damit im DRG-Zeitalter, wie in anderen Branchen 37
Vgl. Teichmann, G. (2006b), S. 14.
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Georg A. Teichmann auch, extern gegeben und somit im Gegensatz zur alten Vorgehensweise von den Aufwendungen des jeweiligen Krankenhauses unabhängig.
15.4.2.2 Interne Faktoren Der bedeutendste interne Faktor durch den die Erlösplanung eines Krankenhauses beeinflusst werden kann, ist die Veränderungsrate und die Struktur der Fallzahlen. Dabei kann zwischen den Fallzahlen der stationären und ambulanten Krankenversorgung unterschieden werden. Durch die DRG-Einführung und die Öffnung der Krankenhäuser für ambulante Leistungen, wie beispielsweise ambulante Operationen38, wird künftig weiterhin eine Abnahme der stationären Fallzahlen und gleichzeitig eine weitere Zunahme der Fallzahlen im ambulanten Sektor erwartet.39 Eine Möglichkeit für Krankenhäuser ihre Fallzahlen im ambulanten Bereich zu steigern ist beispielsweise die Errichtung von medizinischen Versorgungszentren (MVZ).40 Diese MVZ können auch Einfluss auf die stationären Fallzahlen haben, da sie eine geeignete Maßnahme zur Patientenbindung sind. Weiterhin können mittels MVZ Doppeluntersuchungen zur Diagnose von Krankheiten, wie z.B. mehrmaliges Röntgen, vermieden werden und Patienten als Kunden langfristig für mögliche weitere ambulante oder stationäre medizinische Behandlungen gebunden werden. Des Weiteren haben Erträge aus Wahlleistungen wesentlichen Einfluss auf die Erlös- und Ergebnisplanung, da diese kein Bestandteil des vereinbarten Budgets sind bzw. neben den DRGs generiert werden können. Die Erträge aus Wahlleistungen lassen sich in drei Gruppen unterteilen. Dazu zählen die Erlöse aus wahlärztlichen Leistungen z.B. die Behandlungen durch den Chefarzt, die Erlöse aus sonstigen nichtärztlichen Leistungen, wie z.B. die Unterbringung von Begleitpersonen und schließlich die Erlöse aus Unterbringung im Ein- oder Zweibettzimmer.41
15.4.3 Planung der Aufwendungen 15.4.3.1 Vorbemerkung Vor dem Hintergrund der weitreichenden Regulierung oder außerhalb des Einflussbereichs der Klinik liegender Parameter der Einnahmeseite sind die Aufwendungen die wesentliche Steuerungsgröße, um positive Renditen von bis zu 15 % zu erzielen. Den größten Aufwandsblock stellen die Personalkosten mit einem Anteil von rd. 2/3 der Gesamtkosten dar. Der verbleibende Teil entfällt auf Sachkosten inklusive Zinsen und Steuern. Im Weiteren werden die Personal- und Sachkosten sowie die Investitionstätigkeit angesprochen.
15.4.3.2 Personalaufwand Der Personalaufwand stellt mit einer Quote von 60 bis 80 % der Umsatzerlöse den größten Aufwandblock im Krankenhaus dar und beinhaltet damit auch das größte Einsparpotenzial vor dem Hintergrund der bevorstehenden Veränderungen. 38 39 40
41
Vgl. § 115 b SGB V Vgl. Strehlau-Schwoll, H. (2002), S. 997. Medizinische Versorgungszentren (MVZ) können gemäß § 95 SGV V seit dem 01.01.2004 an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen. Unter MVZ sind fachübergreifende ärztlich geleitete Einrichtung zu verstehen, in denen Ärzte, die über eine Zulassung als Vertragsarzt verfügen, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind. Die medizinischen Versorgungszentren können sich aller zulässigen Organisationsformen bedienen. Sie können von den Leistungserbringern, die aufgrund von Zulassung, Ermächtigung oder Vertrag an der medizinischen Versorgung teilnehmen, gegründet werden, darunter fallen auch zugelassene Krankenhäuser. Ziel dieser neuen Versorgungsform soll es sein, eine ambulante und fachübergreifende Versorgung aus einer Hand in einheitlicher Trägerschaft anzubieten. Damit sollen medizinische Versorgungszentren eine wichtige Ergänzung zur ambulanten ärztlichen Versorgung durch Einzel- und Gemeinschaftspraxen werden. Vgl. Hentze, J./Kehres, E. (1998), S. 99–104.
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15 Unternehmensbewertung von Krankenhäusern In der Vergangenheit ist der Personalaufwand im Vergleich zu den Krankenhausbudgets überdurchschnittlich gestiegen.42 Die Folge war zum Teil unterfinanzierte Krankenhäuser.43
Personalkosten im Krankenhaus, 2007
Kosten im Krankenhaus, 2007
Sonstige Dienste 3,54% Verwaltung 6,56% Wirtschafts-, Versorgungs-und Technischerdienst 6,10%
Sachkosten insgesamt + Zinsen 38,30%
Personalkosten 61,70%
Ärztlicher Dienst 27,32%
Medizinischtechnischer Dienst und Funktionsdienst 23,13%
Pflegedienst 33,35%
Quelle: Statistisches Bundesamt 2009. Abb. 15-3: Personalkosten im Krankenhaus
Im Verhältnis zu den Gesamtkosten beträgt der Anteil der Personalkosten rund 62 %. Innerhalb der Personalkosten stellen die zwei Dienstarten Pflegedienst und ärztlicher Dienst mit zusammen rund 60 % den größten Personalkostenanteil, gefolgt vom medizinisch-technischen Dienst mit rund 23 % und dem Funktionsdienst mit rund 6 %. Hier hat sich in den letzten Jahren eine Verschiebung der Personalkosten zu Gunsten des technischen Dienstes ergeben. Wesentliche Anknüpfungspunkte, die letztendlich zur Reduzierung des Personalaufwands z.T. unabhängig von Prozessoptimierungen führen sollen, sind: • die Einführung eines Haustarifs • die Veränderung der Personalstruktur • Outsourcing • Arbeitsverdichtung • Zusammenlegung von Fachabteilungen, Apotheken, Labors, Verwaltungs- und Wirtschaftsdiensten bei Krankenhaustransaktionen und Holdinggründungen Die Vergütung der Mitarbeiter nach BAT/TVöD oder ähnlichen Tarifen wird seit Jahren diskutiert. Die Struktur des BAT/TVöD ermöglicht durch seine vergleichsweise starren Regelungen und fehlenden bzw. begrenzten Leistungsanreize keine ausreichende wettbewerbsorientierte Steuerung der Krankenhausbetriebe. Soweit die Einführung eines Haustarifvertrags nicht möglich ist, versuchen viele Krankenhäuser Einsparungspotenziale durch Outsourcing von Teilleistungen, wie z.B. Reinigung, Wäscherei, Catering an externe Dienstleister zu realisieren, die ihre Beschäftigten nicht nach BAT/TVöD bezahlen. Diese haben somit niedrigere Personalkosten und erreichen z.T. durch andere Anreizsysteme eine höhere Produktivität. Ein weiterer Faktor, der im Rahmen einer Personalkostenplanung zu analysieren ist, ist die Beitragsentwicklung der betrieblichen Altersversorgung der Mitarbeiter. Gemäß § 46 BAT haben Arbeitnehmer des öffentlichen Diensts Anspruch auf betriebliche Altersversorgung, die über Zusatzversorgungskas42 43
Im Jahr 2004 lag der Anstieg der Personalkosten im Westen bei 2,8 %, im Osten bei 4,5 %. In Anlehnung an Flintrop, J./Clade, H./Stüwe, H. (2004), S. A-3303. Vgl. ebenda, S. A-3303.
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Georg A. Teichmann sen des Bundes und der Länder (VBL/ZVK) gewährt wird.44 Die Beitragsentwicklung unterlag in den letzten Jahren, nicht zuletzt aufgrund von Sanierungszuschlägen, wesentlichen Steigerungen. Die Beteiligungsvereinbarung kann unter Berücksichtigung von bestehenden Fristen gekündigt werden, jedoch muss dann ein finanzieller Ausgleich zur Deckung der nach dem Ausscheiden zu erfüllenden Leistungsansprüche gezahlt werden. Unter anderem aufgrund der Höhe des zu zahlenden Ausgleichs ist der Ausstieg aus einer Zusatzversorgungskasse nur selten möglich.45 Darüber hinaus können Anpassungen der Personalstruktur in der Regel parallel zur Neuorganisation von Arbeitsabläufen sowie Arbeitsinhalten46, zu Einsparungen bei den Personalkosten führen. Inwieweit die den Planungen zugrunde liegenden Maßnahmen nachvollziehbar und belastbar sind, und damit in einer Unternehmensbewertung berücksichtigt werden können, hängt grundsätzlich vom Bewertungszweck ab. Die Planungsannahmen des Personalaufwandes enthalten häufig Maßnahmen zur Aufwandsreduktion, deren Plausibilität und Erfolgsaussicht im Rahmen von Unternehmensbewertungen aufgrund der hohen Bedeutung im Krankenhausbereich und vor dem Hintergrund bereits erfolgter struktureller Änderungen sowie der Tarifentwicklungen im ärztlichen und pflegerischen Bereich in den letzten Jahren kritisch hinsichtlich ihrer Plausibilität zu hinterfragen sind. Hierzu eigenen sich regelmäßig Benchmark-Vergleiche.
15.4.3.3 Sachkostenaufwand Im Krankenhaussektor nehmen die Sachkosten einen Anteil von rd. 1/3 der Gesamtkosten ein. Wie in der nachfolgenden Abbildung zu erkennen ist, besitzt innerhalb dieses Kostenblocks der medizinische Bedarf mit dem Posten Arznei-, Heil- und Hilfsmittel, die wirtschaftlich größte Bedeutung. Im Bereich der Sachkosten können Einsparungspotenziale besonders durch die Reorganisation des Einkaufs erzielt werden. Hierzu bestehen verschiedene Möglichkeiten, wie z.B. durch die Zentralisierung des Einkaufs, die Bündelung von Bestellvorgängen/Belieferung, die Bildung von Einkaufverbänden oder die Sortimentskonzentration.47 Zudem verbessert sich aufgrund des größeren Einkaufsvolumens die Betreuung durch die Lieferanten und die Bonussituation.48 Eine weitere Maßnahme, die Krankenhäuser mittlerweile vermehrt anwenden, ist die Kooperation mit Logistikdienstleistern. Die Krankenhäuser können dadurch ihre klinikeigenen Lager auflösen oder verkleinern und steigen bei bestimmten Produkten, für die in Art und Menge ein konstanter Bedarf besteht, wie z.B. Lebensmittel, planbares OP-Material, auf Just-in-Time-Lieferung um. Mit der Folge, dass diese Krankenhäuser nicht nur Kosteneinsparungen realisieren können, sondern auch aufgrund einer geringeren Kapitalbindung über mehr liquide Mittel verfügen.49
15.4.3.4 Ableitung der Free Cashflows Aus der Erlös- und Aufwandsplanung ergibt sich der Jahresüberschuss, der zu den Free Cashflows übergeleitet wird. Zu modifizieren ist der Jahresabschluss daher um Abschreibungen auf Investitionen, die aus Eigenmitteln finanziert wurden, Investitionen und Veränderungen des Nettoumlaufvermögens sowie der Rückstellungen. Die Planung der nicht aufwands- aber zahlungswirksamen Positionen „Investitionen“ und den „Veränderungen des Nettoumlaufvermögens sowie der Rückstellungen“ kommt im Rahmen der Unternehmensbewertung eine große Bedeutung zu. Diese Auszahlungen reduzieren unmittelbar die den 44 45 46 47 48 49
Vgl. Rocke, B. (2003), S. 450. Vgl. ebenda, S. 450. Beispielsweise die weitgehende Entlastung des medizinischen Dienstes von Verwaltungsaufgaben. Vgl. Rocke, B. (2002), S. 534. Vgl. ebenda, S. 534. Ein aktuelles Beispiel ist die DRK-Kinderklinik Siegen gGmbH, die seit 1998 mit einem Logistikpartner ein prozessorientiertes Logistikkonzept umsetzt und dadurch pro Jahr Kosteneinsparungen in Höhe von 127.823 € erzielte. In Anlehnung an: wds: Der strategische Einkauf macht an Boden gut, in: MTD (2002), S. 34.
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15 Unternehmensbewertung von Krankenhäusern
Sachkosten der Krankenhäuser, 2007
Lebensmittel 5,51%
Übrige Sachkosten 18,96% Pflegesatzfähige Instandhaltung 11,81%
Medizinischer Bedarf 47,57%
Wirtschaftsbedarf 9,37% Wasser, Energie, Brennstoffe 6,78%
Quelle: Statistisches Bundesamt 2009 Abb. 15-4: Sachkosten der Krankenhäuser 2007
Unternehmenswert bestimmenden Cashflows. Die Besonderheiten aus der dualen Finanzierung der Krankenhäuser und die damit verbundene Aussicht auf Fördermittel für Investitionen, sind bei den Planungen zu berücksichtigen. Zudem ist eine Abschätzung der Entwicklung der seit einigen Jahren kontinuierlich sinkenden Förderquote vorzunehmen. Ggf. ist ein Verzicht der Inanspruchnahme in Erwägung zu ziehen, wenn damit ein schnellerer Beginn des Bauprojektes sowie eine kürzere Bauphase erreicht werden kann, was eine frühzeitigere Nutzung optimierter Abläufe möglich macht. Durch eine Minimierung des Nettoumlaufvermögens, dass sich aus den Vorräten, Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, betriebsnotwendigen liquiden Mitteln sowie Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen und sonstigen Verbindlichkeiten zusammensetzt, kann die Kapitalbindung reduziert und damit werterhöhende Cashflows generiert werden. Dabei sind geplante Veränderungen der medizinischen Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Entwicklung des Vorratsvermögens sowie Maßnahmen zur Reduzierung der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen zu berücksichtigen.
15.4.4 Diskontierungsfaktor Die abgeleiteten Free Cashflows sind mit einem risikoadäquaten Zinssatz zu diskontieren. Als Kapitalisierungszinssatz werden die mit den Kapitalanteilen der Eigen- und der Fremdkapitalgeber gewichteten Eigen- und Fremdkapitalkosten herangezogen (WACC = Weighted average cost of capital = gewogener Gesamtkapitalkostensatz). Der gewogene Gesamtkapitalkostensatz bildet zusammengefasst die Mindestverzinsung ab, die das zu bewertende Unternehmen für die Gesamtheit der Kapitalgeber zu erwirtschaften hat. Der gewogene Gesamtkapitalkostensatz repräsentiert damit die gewichteten Alternativrenditen der Eigen- und Fremdkapitalgeber, die diese jeweils bei vergleichbarer, äquivalenter Kapitalanlage erzielen könnten. Die Bestimmung von Eigenkapitalkosten erfolgt regelmäßig mit Hilfe des Capital Asset Pricing Model (CAPM). Die dafür erforderlichen vergleichbaren börsennotierten Unternehmen stellen bei
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Georg A. Teichmann Krankenhausbewertungen das zu lösende Problem dar, da in Deutschland lediglich ein reiner Krankenhausbetreiber börsennotiert ist. Die zinsfrei zur Verfügung gestellten Fördermittel sind grundsätzlich nicht rückzahlungspflichtig und bleiben deshalb bei der Ableitung des Diskontierungsfaktors unberücksichtigt.50 Fremdkapital dessen Zins- und Tilgungsleistungen durch Fördermittel gedeckt sind, die nicht in den geplanten Fee Cashflows enthalten sind, bleiben bei den Bestimmung des Diskontierungsfaktors ebenfalls unberücksichtigt.
15.4.5 Vergleichende Marktbewertung Die vergleichende Marktbewertung ermittelt den Unternehmenswert aus Marktwerten vergleichbarer Krankenhäuser. Die so genannten Multiplikatoren setzen die beobachtbaren tatsächlich gezahlten Preise am Kapitalmarkt oder bei Transaktionen ins Verhältnis zu Erfolgsgrößen des Krankenhauses bzw. einer Krankenhauskette.51 Die vergleichende Marktwertbewertung basiert demnach auf der Annahme, dass das Verhältnis zwischen dem Marktwert eines Unternehmens und einer Erfolgsgröße (bspw. Umsatz oder Ergebnis vor Zinsen und Steuern) bei vergleichbaren Unternehmen ähnlich ist. Zur Unternehmenswertermittlung wird der Multiplikator eines oder mehrerer Vergleichsunter-nehmen (so genannte Peer Group) mit der Erfolgsgröße des zu bewertenden Unternehmens multipliziert. Die Auswahl geeigneter Multiplikatoren zur Wertbestimmung von Krankenhäusern hängt entscheidend von den verfügbaren Informationen und der finanziellen Lage der Häuser ab. So ist die Anwendung des Kurs-Gewinn-Verhältnisses aufgrund der notwendigen Börsennotierung der Vergleichsunternehmen sowie positiver Jahresergebnisse bei Krankenhäusern nur selten möglich. Das Problem niedriger positiver oder sogar negativer Erfolgszahlen zeigt sich ebenso bei EBIT- und EBITDA-Multiplikatoren von Krankenhäusern. Der Umsatz-Multiplikator wird in der Praxis am häufigsten eingesetzt, da er auch bei der Bewertung von Unternehmen mit negativen Erfolgsgrößen angewendet werden kann. Nachteilig wirkt sich jedoch aus, dass eine einheitliche Margenstruktur von den Vergleichsunternehmen und dem zu bewertendem Unternehmen unterstellt wird, was im deutschen Krankenhausmarkt aufgrund unterschiedlicher Kostenstrukturen, Leistungsportfolios und Größen der Einzelhäuser bzw. Klinik-Ketten nicht gegeben ist. Daher kommt es um so mehr auf die Auswahl der geeigneten Vergleichsunternehmen bzw. Transaktionen an. Generell ist die freie Verfügbarkeit von Transaktionsdaten auf dem deutschen Krankenhausmarkt sehr eingeschränkt, da häufig Transaktionspreise (Barkaufpreis + übernommene Verbindlichkeiten + Investitionszusagen) und Krankenhauskennzahlen nicht oder nur teilweise veröffentlicht werden. Damit lassen sich in der Regel nur wenige Multiplikatoren aus frei zugänglichen Daten berechnen, wodurch die Aussagefähigkeit der vergleichenden Marktbewertung eingeschränkt wird. Ihre Anwendung sollte demnach auf eine erste indikative Wertermittlungen beschränkt bleiben und die Ergebnisse durch eine Ertragswert- bzw. DCF-Bewertung gestützt werden. Häufige in der Praxis verwendete Ansätze unterstellen ein 0,4- bis 0,6-fachen Umsatzmultiplikator, wobei für Akutkliniken der Maximalversorgung sowie Universitätskliniken aber auch Klinikketten auch deutlich höhere Multiplikatoren bezahlt wurden. Bei kleineren Krankenhäusern sind auf der anderen Seite auch negative Kaufpreise nicht unüblich.52
50 51 52
Zu einer Rückforderung der Fördermittel kann es kommen, wenn die geförderte Investition nicht zweckentsprechend eingesetzt wird. Vgl. zum folgenden auch Teichmann, G./Becker, N. (2006), S. 6 ff. sowie Ruh, H. (2006), S. 194 ff. Vgl. Teichmann, G./Becker, N. (2006), S. 8 f.
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15 Unternehmensbewertung von Krankenhäusern
15.5 Zusammenfassung Bei der Bewertung von Krankenhäusern sind zunächst der Zweck der Bewertung und das dem Bewertungsobjekt zugrunde liegende Geschäftsmodell festzustellen. Soweit das Geschäftsmodell des Krankenhauses die Annahme einer finanziellen Zielsetzung erlaubt, kann ein Zukunftserfolgswert ermittelt werden. Aus der Sicht eines privaten Krankenhausbetreibers mit dem Ziel der Gewinnmaximierung ist das regelmäßig der Fall. Im Rahmen der Wertableitung sind neben den rechtlichen Rahmenbedingungen die wesentlichen Werttreiber die Entwicklung der geplanten Umsatzerlöse sowie die Planung der Personalkosten. Ein weiterer wertbestimmender Faktor sind die erforderlichen Investitionen sowie der Umfang der erwarteten Förderung. Bei der Ableitung und/oder Plausibilisierung dieser Planungen empfiehlt es sich regelmäßig Sensitivitäts- sowie Benchmark-Analysen vorzunehmen. Eine parallele Anwendung von Diskontierungsverfahren und vergleichender Marktbewertung kann demnach sinnvoll sein. Durch diesen Methodenpluralismus kann eine Plausibilisierung des Unternehmenswertes vorgenommen und eine verbesserte Validität der Ergebnisse erreicht werden. Ausschlaggebend für die Aussagekraft des Unternehmenswertes bleibt jedoch – unabhängig vom angewendeten Verfahren – die Qualität der Datenbasis.
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16 Bewertung von Arztpraxen, Zahnpraxen und Medizinischen Versorgungszentren Von Wolfgang Merk* 16.1 Überblick über den ambulanten Versorgungssektor. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.1.1 Allgemeiner Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.1.2 Arztpraxen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.1.3 Zahnarztpraxen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.1.4 Medizinische Versorgungszentren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.2 Besonderheiten bei der Bewertung von Arzt- und Zahnarztpraxen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.2.1 Betriebswirtschaftliche Spezifika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.2.2 Starke Heterogenität der Bewertungsobjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.2.3 Hohe Relevanz des konkreten Bewertungsanlasses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3 Bewertungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3.1 Faustformeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3.2 Bundesärztekammermethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3.2.1 Richtlinie der Bundesärztekammer aus dem Jahre 1987 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3.2.2 Empfehlungen der Bundesärztekammer aus dem Jahre 2008. . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3.3 Die Indexierte Basis-Teilwert-Methode. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3.4 Die Ertragswertmethode. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3.5 Die Discounted Cash-Flow-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.4 Der Markt für Arzt- und Zahnarztpraxen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.5 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
353 353 354 356 357 358 358 359 361 362 363 363 363 365 367 371 373 373 379
16.1 Überblick über den ambulanten Versorgungssektor 16.1.1 Allgemeiner Überblick Das deutsche Gesundheitswesen kann im Hinblick auf die Art der medizinischen Versorgung der Bevölkerung als zweigeteilt bezeichnet werden. Die stationäre Versorgung der Bevölkerung wird von 2.087 Krankenhäusern gewährleistet, hinzukommen noch ca. 1.239 Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen.1 Die ambulante Versorgung obliegt weitestgehend niedergelassenen Ärzten und Zahnärzten, die zu einem weit überwiegenden Teil in Praxen freiberuflich tätig sind.2 Seit dem * 1
2
Prof. Dr. Wolfgang Merk, Duale Hochschule Baden-Württemberg, Sachverständiger zur Bewertung von Unternehmen und Praxen im Gesundheitswesen, Betriebsanalysen und Betriebsunterbrechungsschäden. Vgl. Online-Informationen des Statistischen Bundesamtes, Tabellen, http://www.destatis.de/jetspeed/ portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Navigation/Statistiken/Gesundheit/Krankenhaeuser/Tabellen.psml vom 18.4.2009. Vgl. zu einer detaillierten Übersicht zur Teilnahme an der ambulanten Versorgung Schirmer, H. D.: Vertragsarztrecht kompakt. 2005, S. 215 ff.
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Wolfgang Merk Wirksamwerden des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) zum Jahresbeginn 2004 sind zudem Medizinische Versorgungszentren (MVZ) als neue Entität innerhalb des Kanons der ambulanten medizinischen Leistungserbringer entstanden.3 Bis auf wenige Ausnahmen sind alle unternehmerisch selbständig tätigen Ärzte und Zahnärzte berechtigt, gesetzlich Versicherte zu behandeln und die vorgenommenen Leistungen zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abzurechnen. Es handelt sich dann um eine vertragsärztliche bzw. vertragszahnärztliche Tätigkeit, die jedoch einer vorherigen Zulassung der Leistungserbringer durch einen Zulassungsausschuss bedarf. Durch die Erteilung einer Zulassung werden die ärztlichen und zahnärztlichen Leistungserbringer Teil des Systems der GKV, in dem ca. 85 % der deutschen Bevölkerung, sei es als Pflicht- oder als freiwillige Mitglieder, versichert sind. Die Einbindung in dieses komplexe System der GKV manifestiert sich für Vertragsärzte und -zahnärzte insbesondere dadurch, dass sie qua Zulassung Mitglied einer von 17 Kassenärztlichen bzw. 17 Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (KV bzw. KZV) werden und damit in ein kollektivvertragliches Rechts- und Organisationsgefüge eingebunden werden, das insbesondere für die Honorierung ihrer erbrachten Leistungen an GKV-Patienten verantwortlich ist. Spätestens seit Verabschiedung des GKV-Wettbewerbsstärkungesetzes (GKV-WSG) zeichnet sich jedoch ab, dass das bisherige kollektivvertragliche System durch Selektivverträge zumindest ergänzt wird. So wurden z.B. in Baden-Württemberg und Bayern sog. Hausarztverträge nach § 73 b SGB V zwischen der AOK und alternativen Vertragspartnern (Medi-Verband e.V. und/oder Hausärzteverband) abgeschlossen. Die Anzahl der in einer Praxis rein privatärztlich tätigen Ärzte und Zahnärzte hat allerdings in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Gab es bei den Ärzten im Jahre 2001 ca. 5.700 reine Privatärzte, so hat sich diese Zahl um 1.600 bis zum Jahresende 2007 auf 7.300 erhöht.4 Dies entspricht einer Steigerungsrate um knapp 40 % in sechs Jahren. Auch hat sich der Anteil der Leistungen erhöht, die zwar von zugelassenen Vertragsärzten erbracht werden, die jedoch nicht durch die GKV erstattet werden und dem sog. Privat- oder Selbstzahlermarkt zuzurechnen sind. Dies ist dann der Fall, wenn es sich um einen privat- oder nicht versicherten Patienten handelt, ebenso bei GKV-Versicherten, bei denen die erbrachten Leistungen nicht im versicherten Leistungsumfang enthalten sind. So lag der Anteil der Umsätze bei niedergelassenen Vertragszahnärzten, die über die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen vereinnahmt wurden, in den alten Bundesländern 1988 noch bei 71,6 %. Bis zum Jahr 2006 war der Anteil der GKV-Honorare auf 49,8 % vom Gesamtumsatz gefallen.5
16.1.2 Arztpraxen Zum Jahresende 2007 waren in der Bundesrepublik 118.858 Vertragsärzte zugelassen. Zusammen mit ermächtigten Ärzten, Partner-Ärzten und angestellten Ärzten nahmen insgesamt 134.172 Ärzte an der vertragsärztlichen Versorgung der gesetzlich Versicherten teil.6 Die Anzahl der vertragsärztlichen Einzelpraxen lag zu Jahresbeginn bei ca. 74.458, die von Gemeinschaftspraxen lag bei 20.405, davon waren ca. 3.567 fachübergreifend.7 Zusammen mit den reinen Privatpraxen ergeben sich damit ca. 100.000 ärztliche Praxen in der Bundesrepublik, die als Unternehmen zu kategorisieren sind und Gegenstand einer Unternehmensbewertung werden können. Eine Klassifikation der Praxen lässt sich etwa hinsichtlich der Fachdisziplinen oder der vorherrschenden Rechts- bzw. Praxisformen vornehmen. Die vertragsärztliche Niederlassung setzt seit 1994 den Abschluss einer abgeschlossenen fachärztlichen Weiterbildung voraus.8 Die (Muster-)Weiterbildungsordnung (MWBO) der Bundesärztekammer 3 4 5 6 7 8
Vgl. BGBl. 2003 I, S. 2190. Vgl. Online-Informationen der Bundesärztekammer, Ärztestatistik, http://www.bundesaerztekammer.de/ downloads/Stat07Abbildungsteil.pdf vom 18.4.2009. Vgl. Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (Hrsg.) KZVB Jahrbuch 2007, S. 125 ff. Vgl. Kassenärztliche Bundesvereinigung (Hrsg.) Grunddaten 2008, S. 9 ff. Vgl. Online-Informationen der Bundesärztekammer, Ärztestatistik, http://www.bundesaerztekammer.de/ downloads/Stat07Abbildungsteil.pdf vom 18.4.2009, eigene Berechnungen. Es bestehen jedoch Ausnahmeregelungen, wie z.B. bei praktischen Ärzten.
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16 Bewertung von Arztpraxen, Zahnpraxen u. Med. Versorgungszentren mit Stand März 2008 sieht 32 (Fach-) Gebietsbezeichnungen und 43 Facharztbezeichnungen vor. Allgemeinärzte, Internisten, Frauenärzte, Kinderärzte, Augenärzte, Orthopäden und Nervenärzte sind dabei am zahlreichsten vertreten. Darüber hinaus kann von einem Arzt zusätzlich zur Facharztbezeichnung eine Schwerpunktbezeichnung geführt werden. Eine Schwerpunktbezeichnung weist darauf hin, dass in einem rechtlich und tatsächlich verselbständigten Teilgebiet innerhalb eines medizinischen Hauptgebietes (Gebietsbezeichnung) besondere Kenntnisse vorhanden sind. Die Führung der Schwerpunktbezeichnung ist nur mit der Facharztbezeichnung zulässig. Nach der MWBO vom März 2008 gibt es 18 Schwerpunktbezeichnungen. Ein Arzt, der umgangssprachlich als Kardiologe bezeichnet wird, ist demnach in entsprechender Terminologie ein „Facharzt für Innere Medizin“, der zusätzlich die Schwerpunktbezeichung „Kardiologie“ besitzt. Eine Zusatzbezeichnung weist dagegen auf zusätzlich erworbene Kenntnisse hin, die selber keine medizinischen Hauptgebiete oder verselbständigte Teilgebiete sind. Zusatzbezeichnungen dürfen nur mit der Berufsbezeichnung Arzt oder mit einer Facharzt- bzw. Gebietsbezeichnung geführt werden. Es gibt 46 führbare Zusatzbezeichnungen, Beispiele hierfür sind Akupunktur, Homöopathie, Plastische Operationen oder Sportmedizin. Neben diesen, in der MWBO vorgesehenen Bezeichnungen, kann ein Arzt nach dem sog. „ImplantologieUrteil“ des Bundesverfassungsgerichts vom Juli 2001 zudem sog. Tätigkeitsschwerpunkte ausweisen.9 Voraussetzung hierfür ist, dass der Arzt bestimmte Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat und seinen Tätigkeitsschwerpunkt nachhaltig ausübt. Durch die Novellierung der (Muster-)Berufsordnung (MBO) anlässlich des 107. Deutschen Ärztetages vom 18.–21. Mai 2004 sind die unternehmerischen Freiheitsgrade für Ärzte stark erweitert worden. So dürfen nach § 18 Abs. 2 der MBO vom 24.11.2006 Ärztinnen und Ärzte ihren Beruf einzeln oder gemeinsam in allen für den Arztberuf zulässigen Gesellschaftsformen ausüben, wenn ihre eigenverantwortliche, medizinisch unabhängige sowie nicht gewerbliche Berufausübung gewährleistet ist. Damit besteht grundsätzlich die Möglichkeit eine Arztpraxis als GmbH oder AG zu betrieben,10 das Vertragsarztrecht zieht jedoch hier einen deutlich engeren juristischen Rahmen und knüpft die Tätigkeit als Vertragsarzt grundsätzlich weiterhin an eine freiberufliche Tätigkeit. Daher sind Vertragsärzte in eigener Einzelpraxis bisher ausschließlich als Einzelunternehmer freiberuflich tätig. Vertragsärztliche Gemeinschaftspraxen sind aus selbigem Grund weit überwiegend Gesellschaften des bürgerlichen Rechts, gelegentlich finden sich auch Partnerschaftsgesellschaften (Ärztepartnerschaft). Im Rahmen einer Teilgemeinschaftspraxis bringen niedergelassene Ärzte nur einen Teilbereich ihrer Leistungen in eine Berufsausübungsgemeinschaft ein. Im Arztrecht findet sich zudem der Terminus Praxisgemeinschaft. Dies bezeichnet eine reine Organisationsgemeinschaft, bei der die Ärzte nach außen hin nicht gemeinschaftlich auftreten, sondern lediglich eine Kostengemeinschaft bilden. Jeder Arzt in einer Praxisgemeinschaft hat daher seine eigene Abrechnungsnummer, über die er mit der Kassenärztlichen Vereinigung abrechnet, es besteht daher nur eine „Innengesellschaft“, üblicherweise eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung ist ein durch den Zulassungsausschuss11 für Ärzte oder Zahnärzte erlassener Verwaltungsakt, der Voraussetzung für die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ist. Jeder Arzt, der die persönlichen Zulassungsvoraussetzungen erfüllt, hat einen persönlich öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Zulassung an dem Ort der eigenen Wahl durch den Zulassungsausschuss aufgrund der formalen Regelungen der Zulassungsverordnung. Etwas anderes gilt jedoch seit 1993 im Falle von Zulassungsbeschränkungen. Wird für einen Planungsbereich eine Überversorgung durch den Landesausschuss festgestellt, müssen Zulassungsbeschränkungen angeordnet werden. Im vertragsärztlichen Planungsbereich wird dann Ärzten der entsprechenden Facharztgruppe der Zugang zur vertragsärztlichen Versorgung durch eine Neuniederlassung verweigert (sog. gesperrtes Gebiet). Die Feststellung der Überversorgung erfolgt dabei nach vorgegebenen Arzt-/Einwohner-Relationen. Zulassungsbeschränkungen werden dann angeordnet, wenn der 9 10 11
Vgl. BVerG, 1 BvR 873/00 vom 23.7.2001. Dies ist der Fall, sofern nicht die Heilberufekammergesetze der einzelnen Bundesländer hier entgegenstehen Der Zulassungsausschuss ist ein Ausschuss der gemeinsamen Selbstverwaltung der Kassenärztlichen Vereinigung und der Landesverbände der Kassen und wird paritätisch von beiden Seiten besetzt.
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Wolfgang Merk bedarfsgerechnete Versorgungsgrad um 10 % überschritten wird. Für die meisten Ballungsräume in der Bundesrepublik waren zum Jahresbeginn 2009 für alle der Bedarfsplanung unterliegenden Arztgruppen Niederlassungsbeschränkungen angeordnet. In einzelnen Facharztgruppen bestehen dadurch de facto bundesweite Niederlassungsverbote. Für fachärztliche Internisten etwa war lediglich in einem von 395 bestehenden Planungsbereichen eine Neuniederlassung möglich, bei Radiologen waren ganze 4 Planungsbereiche „geöffnet“.12 Seit dem 1.1.2007 ist das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz in Kraft. Dieses Gesetz schafft nach der berufsrechtlichen Liberalisierung des Arztrechts nun auch deutlich erweiterte unternehmerische Spielräume im vertragsärztlichen Sektor. Vertragsärzten und -zahnärzten ist es nun z.B. erlaubt, andere Ärzte auch anderer Facharztzugehörigkeit anzustellen und hierzu Zulassungen bereits niedergelassener Ärzte zu übernehmen, Filialpraxen zu gründen und Teilzulassungen inne zu haben. Die wohl wichtigste Neuerung hinsichtlich möglicher Strukturveränderungen bestand jedoch in der Tatsache, dass nun auch im vertragsärztlichen Bereich überörtliche Berufsausübungsgemeinschaften begründet werden können, unter bestimmten Voraussetzungen auch KV-Bezirksübergreifend. Seither haben sich durch Zusammenschlüsse, Zukäufe und Anstellungen eine Reihe von Großpraxen gebildet, in denen teilweise bis zu 40 Ärzte an mehreren Standorten unter einem gesellschaftsrechtlichen Dach praktizieren.
16.1.3 Zahnarztpraxen Zum Jahresende 2006 waren in der Bundesrepublik 65.463 behandelnde Zahnärzte tätig, davon waren 55.634 vertragsärztlich niedergelassen.13 Wie bei den Ärzten praktiziert die überwiegende Anzahl der Zahnärzte in Einzelpraxen, Ende 2006 existierten 39.823 Einzelpraxen 79,5 % und 7.669 Gemeinschaftspraxen 20,5 %. Von den Gemeinschaftspraxen bestehen 84,5 % zwischen zwei Ärzten, nur 15,5 % haben mehr als zwei Teilhaber. Damit ist ca. ein Drittel aller niedergelassenen Vertragszahnärzte in einer Gemeinschaftspraxis tätig.14 Nach der MWBO der Bundeszahnärztekammer existieren für Zahnärzte nur 2 Gebietsbezeichnungen, nämlich der Zahnarzt für Kieferorthopädie und der Zahnarzt für Oralchirurgie15. Zahnärzte für Oralchirurgie waren am 31.12.2007 im Bundesgebiet insgesamt 2.130 tätig, davon waren 1.725 niedergelassen.16 Zahnärzte für Kieferorthopädie waren 3.437 tätig, hiervon niedergelassen tätig 3.153.17 Wie bei Ärzten besteht bei Zahnärzten die Möglichkeit, Tätigkeitsschwerpunkte auszuweisen, dabei sind Implantologie, Paradontologie und Zahnärztliche Prothetik wohl die gebräuchlichsten. Insgesamt existieren damit in der Bundesrepublik zusammen mit den reinen zahnärztlichen Privatpraxen ca. 52.000 Zahnarztpraxen als unternehmerische Einheiten und stellen damit potenzielle Objekte einer Unternehmensbewertung dar. Hinsichtlich des Leistungsspektrums können Zahnarztpraxen auch insbesondere danach unterschieden werden, ob sie ein zahntechnisches Labor besitzen bzw. einen oder mehrere Zahntechniker angestellt haben. In den alten Bundesländern besaßen 2006 17,2 % aller Praxen ein Labor und hatten mindestens einen Techniker angestellt, der Anteil von Praxen mit Labors ohne angestellten Techniker lag bei 15,1 %. In den neuen Bundesländern lagen diese Anteile zwischen 10,4 % (Praxen mit Labor und Zahntechniker) und 11,2 % (Praxen mit Labor ohne Zahntechniker).18 Hinsichtlich der möglichen Rechtsformen unterscheiden sich Zahnarztpraxen nicht wesentlich von Arztpraxen. Auch bei Zahnärzten hat wie bei den Ärzten eine Liberalisierung der Berufsordnung 12 13 14 15 16 17 18
Vgl. Kassenärztliche Bundesvereinigung (Hrsg.) Grunddaten 2008, S. 29 f. Vgl. Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (Hrsg.): KZBV Jahrbuch 2007, S. 162 ff. Vgl. Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (Hrsg.): KZBV Jahrbuch 2007, S. 166. Im Bereich der Zahnärztekammer Nordrhein existiert als Besonderheit die Gebietsbezeichnung Paradontologie, außerdem gibt es noch vereinzelt Zahnärzte für das öffentliche Gesundheitswesen. Vgl. Online-Informationen der Bundeszahnärztekammer: http://www.bzaek.de/, am 15.4.2009. ebenda. Vgl. Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (Hrsg.): KZBV Jahrbuch 2007, S. 136 f.
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16 Bewertung von Arztpraxen, Zahnpraxen u. Med. Versorgungszentren stattgefunden, es finden sich in § 16 Abs. 1 der MBO für Zahnärzte vom 16.02.2005 die entsprechenden Bestimmungen analog der ärztlichen Berufsordnung. Wie für Ärzte galt für Zahnärzte seit 1993 eine Bedarfsplanung, diese wurde jedoch zum 01.04.2007 von Gesetzgeber wieder aufgehoben, so dass es dann für jeden Zahnarzt, der die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt, wieder möglich ist, am Ort seiner Wahl eine vertragszahnärztliche Zulassung zu erhalten. Die oben angeführten Änderungen durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz gelten ab dem 1.1.2007 grundsätzlich auch für Vertragszahnärzte, sie wurden jedoch durch abweichenden Regelungen in den Bundesmantelverträgen teilweise divergierend ausgestaltet.
16.1.4 Medizinische Versorgungszentren Seit Anfang 2004 besteht für Leistungserbringer in der GKV die Möglichkeit, Medizinische Versorgungszentren (MVZ) zu gründen.19 Die Legaldefinition eines MVZ ist in § 95 Abs. 1 SGB V enthalten: „Medizinische Versorgungszentren sind fachübergreifende ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte, die in das Arztregister (…) eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind. Die medizinischen Versorgungszentren können sich aller zulässiger Organisationsformen bedienen; sie können von den Leistungserbringern, die aufgrund von Zulassung, Ermächtigung oder Vertrag an der medizinischen Versorgung teilnehmen, gegründet werden“. Zu unterscheiden ist in diesem Kontext zwischen den Gründern und den Leistungserbringern. Bei den Gründern handelt es sich üblicherweise um die Gesellschafter bzw. Träger eines MVZ. Potenzielle Gründer eines MVZ sind z.B. Vertragsärzte, Vertragspsychotherapeuten und Vertragszahnärzte aber auch Krankenhausträger nach § 108 SGB V und Apotheken. Ein MVZ kann auch ohne die Beteiligung eines Arztes, z.B. durch einen Krankenhausträger gegründet werden, in dem MVZ müssen aber Ärzte als Leistungserbringer tätig sein, um die ärztliche Versorgung sicherzustellen. Ärzte können als Vertragsärzte Träger eines MVZ sein oder aber lediglich als Angestellte in einem MVZ tätig sein. Dadurch entsteht folgende MVZ-Typologie: • Vertragsärztliches MVZ: Die Träger eines MVZ sind ausschließlich Vertragsärzte, die im MVZ ihre vertragsärztliche Tätigkeit im Rahmen einer Personengesellschaft freiberuflich ausüben. • Reines Angestellen-MVZ: Die Gründung eines MVZ erfolgt hier üblicherweise durch einen oder mehrere Leistungserbringer, die selbst keine Vertragsärzte sind. Es hat sich gezeigt, dass die weit überwiegende Anzahl dieser MVZ-Gründungen durch Krankenhäuser erfolgt. Grundsätzlich besteht auch die Möglichkeit, dass ein oder mehrere Vertragsärzte ein MVZ gründen, in „ihrem“ MVZ aber nicht als Vertragsärzte, sondern als Angestellte tätig sind. • Mischformen: Ein Misch-MVZ besteht dann, wenn sowohl freiberufliche Vertragsärzte als auch angestellte Ärzte im MVZ tätig sind. Die Zulassung für die vertragsärztliche Versorgung erfolgt nicht für einen einzelnen Arzt, sondern als „institutionelle“ Zulassung für das gesamte MVZ. Da ein MVZ jedoch grundsätzlich der Bedarfsplanung unterliegt, ist die Tätigkeit als Vertragsarzt oder angestellter Arzt im MVZ nur dann möglich, wenn die leistungserbringenden Ärzte bereits eine „individuelle“ vertragsärztliche Zulassung besitzen oder eine Anstellung von Ärzten im Rahmen der Bedarfsplanung noch möglich ist. Ein MVZ kann jedoch Zulassungen bzw. Praxen von Vertragsärzten erwerben, um damit die Voraussetzung zu schaffen, weitere Ärzte in einem gesperrten Planungsbereich anstellen zu dürfen. Zum Ende des 4. Quartal 2008 waren in Deutschland 1.206 MVZ zugelassen. Darin waren insgesamt 5.536 Ärzte tätig, in einem Anstellungsverhältnis arbeiteten davon 4.270. In der Trägerschaft von Vertragsärzten befanden sich 54,1 % der MVZ, in reiner Trägerschaft eines Krankenhauses waren 19
Vgl. ausführlicher zu diesem Thema z.B. Altendorfer, R.; Merk, W.; Jentsch, I.: Das medizinische Versorgungszentrum: Rechtliche, wirtschaftliche und steuerliche Aspekte, Frankfurt am Main 2004 sowie aus rechtlicher Sicht Dahm, F.-J.; Möller, K.-H.; Ratzel, R.: Rechtshandbuch Medizinische Versorgungszentren, Berlin u.a. 2005.
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Wolfgang Merk 37,4 %. Sonstige Trägerschaften bestanden in 8 % der Fälle. Von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) wird die durchschnittliche MVZ-Größe mit ca. 4,6 Ärzten angegeben, die häufigsten Rechtsformen von MVZ sind die GbR, die GmbH und die Partnerschaftsgesellschaft.20
16.2 Besonderheiten bei der Bewertung von Arzt- und Zahnarztpraxen 16.2.1 Betriebswirtschaftliche Spezifika Bereits 1961 bezog Erich Kosiol21 als einer der Nestoren der deutschsprachigen Betriebswirtschaftslehre den freien Beruf des Arztes explizit in das Forschungsgebiet der Wirtschaftswissenschaften ein. Den Forschungsgegenstand der Betriebswirtschaftslehre stellt dabei die wirtschaftliche Dimension von Entscheidungen dar, die bezüglich einer Arztpraxis getroffen werden. Eine Arzt- oder Zahnarztpraxis lässt sich dabei problemlos unter den betriebswirtschaftlichen Unternehmensbegriff subsumieren. Insbesondere durch die Verschlechterungen der allgemeinen Rahmenbedingungen innerhalb der GKV hat sich die Betriebswirtschaftslehre in Forschung und Praxis zunehmend der Arztpraxis zugewandt. So existiert zwischenzeitlich eine Reihe von Dissertationen zum Thema.22 Zudem sind eine große Anzahl von betriebswirtschaftlichen Ratgebern, insbesondere zu betrieblichen Funktionalbereichen (wie z.B. Marketing, Organisation, Kostenmanagement, Controlling etc.) erschienen. Seminare und gar Zusatzstudiengänge, in denen niedergelassenen Ärzten betriebswirtschaftliches Wissen vermittelt wird, können besucht werden, auch hat sich eine Vielzahl von betriebswirtschaftlichen Beratern auf die Lösung von ökonomischen Problemstellungen bei Arzt- und Zahnarztpraxen spezialisiert. Zusätzlich zu der bereits entstandenen bzw. sich in weiterer Entstehung befindlichen speziellen Betriebswirtschaftslehre von Arztpraxen ist es möglich, sich den Besonderheiten dieses Unternehmenstyps dadurch zu nähern, dass aus Sicht der Betriebswirtschaftslehre eine Arztpraxis in fünf bereits bestehende spezielle Betriebswirtschaftslehren eingeordnet werden kann. Jede der fünf Perspektiven eröffnet dabei den Blick auf betriebliche Besonderheiten, die ein sachverständiger Bewerter explizit berücksichtigen muss:23 • Perspektive Dienstleistungsbetrieb • Perspektive freiberuflich geführter Betrieb • Perspektive öffentlich gebundener Betrieb • Perspektive Mittel- und Kleinbetrieb • Perspektive Medizin- oder Gesundheitsbetrieb So resultieren bewertungsrelevante Besonderheiten von Arztpraxen z.B. dadurch, dass aus dem konstitutiven Merkmal der Immaterialität von Dienstleistungen Probleme für die Betriebsführung durch die fehlende Lagerfähigkeit und der notwendigen Simultaneität von Leistungserstellung und Konsum (uno-actu-Prinzip) erwachsen. Eine Einordnung in die Perspektive eines freiberuflich geführten Betriebes ergibt sich nicht nur durch die Regelungen des § 18 EStG, sondern insbesondere auch dadurch, dass es sich bei Arzt- und Zahnarztpraxen um Unternehmen handelt, bei denen der Freiberufler, der eine komplexe und divergierende Leistung erstellt, als personengebundener Produktionsfaktor agiert und dominiert. Für einen Unternehmensbewerter ist es hier folglich sehr bedeutsam, eine vorliegende hohe Personenbezogenheit adäquat zu würdigen. Durch eine partielle Instrumentalisierung 20 21 22 23
Vgl. Online-Information der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, http://www.kbv.de/koop/9173.html vom 16.5.2009. Vgl. Kosiol, E.: Erkenntnisstand und methodologischer Standort der Betriebswirtschaftslehre. In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 31. Jg. (1961), Heft 3, S. 129–136. Vgl. hierzu ausführlich Merk, W.: Wettbewerbsorientiertes Management von Arztpraxen, Wiesbaden 1999, S. 10 ff. Vgl. Merk, W.: Wettbewerbsorientiertes Management von Arztpraxen, Wiesbaden 1999, S. 10 ff.
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16 Bewertung von Arztpraxen, Zahnpraxen u. Med. Versorgungszentren von Arzt- und Zahnarztpraxen durch den Gesetzgeber kann dieser Unternehmenstyp zudem als öffentlich gebundener Betrieb bezeichnet werden. Diese öffentliche Bindung manifestiert sich z.B. durch die Festlegung von Gebührenordnungen durch den Gesetzgeber, sowie im Bereich der GKV durch die Zwangseinbindung in ein korporatistisches Verhandlungssystem. Für einen Bewerter sind dadurch vertiefte Kenntnisse insbesondere der persönlichen Qualifikationen des Arztes, der Abrechnungssystematik incl. der ggf. vorliegenden Honorarbudgetierungssysteme sowie des Arzt- bzw. des Vertragsarztrechtes als unternehmerischem Handlungsrahmen unabdingbar. Fast ausnahmslos kann eine Arztpraxis auch als Klein- oder Mittelbetrieb bezeichnet werden, denen typischerweise etwa eine gering formalisierte Ablauforganisation oder ein nur rudimentär vorhandenes Rechungswesen zugeschrieben werden kann. Letztlich kann eine Arzt- oder Zahnarztpraxis unter den Überbegriff des Medizin- oder Gesundheitsbetrieb subsumiert werden. Bei diesem Betriebstypus sind üblicherweise ökonomisch relevante Besonderheiten wie z.B. das Vorliegen von Informationsasymmetrien und dadurch resultierende Principal-Agent-Beziehungen oder die übliche Zweistufigkeit bei der Input/ Output-Betrachtung des Medizinbetriebsprozesses bedeutsam. Überblicksweise sind die wichtigsten betriebswirtschaftlichen Besonderheiten von Arzt- und Zahnarztpraxen sowie von MVZ nachstehend tabellarisch aufgeführt:
Perspektive
Öffentlich gebun- Klein- und MittelDienstleistungsFreiberuflich betrieb dener Betrieb betrieb geführter Betrieb • Erstellung immaterieller Produkte
Konstitutionelle Charakteristika
• Integration eines externen Faktors
• Dominanz eines personengebundenen Produktionsfaktors • Hohe Komplexität und Divergenz der Leistung • § 18 EStG
• fehlende Lagerfähigkeit
Betriebswirtschaftlich relevante Auswirkungen für Arztpraxen
• Simultaneität und Standortgebundenheit von Leistungserstellung und Konsum (uno-actuPrinzip) • Festlegung einer Faktorvorkombination, die Fixkosten prädeterminiert • „Spezifische“ Rationalisierungspotentiale
• Zentrale Rolle des dominierenden Faktors in der betrieblichen Organisation • Qualitätssicherung des dominierenden Produktionsfaktors • Wissensspezialisierung bewirkt starken Kooperationsdruck • Physische und psychischeLimitationen des Leistungsvermögens
• Steuerlicher Sonder-
• Partielle Instrumentalisierung
• Quantitative Kriterien
• Kontrolle durch eigene „ständische“ Kontrollstellen
• Qualitative Kriterien
• Bindung auf Dauer angelegt, mit Intensität und Tiefenwirkung • Beschränkung betrieblicher Entscheidungsautonomie hinsichtlich Preisfestlegung, Qualitäts- und Konditionenfestsetzungen, Kontrahierung, Expansion, Gewinnerzielung, Werbung etc.
• Unternehmerpersönlichkeitals „generalmanager“ • begrenzte Risikostreuung • hohe Transparenz undFlexibilität des Betriebsgeschehens
• Gefahr der Übertragung • begrenzte Marktmacht „exogener Shocks“ durch Einbindung in • Anfälligkeit gegenüber neokorporatistisches familiären Einflüssen Verhandlungssystem kollektiver Rationalitäten • Gering formalisierte Organisation
Medizin- oder Gesundheitsbetrieb • Erstellung einer Leistung, die den Gesundheitszustand einer Personerhalten, wiederherstellen oder verbessern soll.
• Durch Meßprobleme Outputorientierung an intermediären Einzelleistungen • Spezifische Besonderheiten von Gesundheitsleistungen wie z.B. Informationsasymmetrien zwischen Anbietern und Nachfragern
status
Quelle: Merk, W. (1999), S. 42 Abb. 16-1: Betriebswirtschaftliche Spezifika von Arzt- und Zahnarztpraxen aus der Perspektive spezieller Betriebswirtschaftslehren.
16.2.2 Starke Heterogenität der Bewertungsobjekte Unternehmen, die mit dem Terminus Arztpraxis, Zahnarztpraxis oder MVZ bezeichnet werden, unterscheiden sich bei näherer Betrachtung exorbitant voneinander. Von der psychotherapeutischen Kleinstpraxis mit einem Jahresumsatz von € 10.000 über radiologische Gemeinschaftspraxen mit 10 und mehr Partnern bis hin zu Laborarztpraxen, die bundesweit in einer stark kartellisierten Branche
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Wolfgang Merk agieren und Umsätze im mehrstelligen Millionenbereich realisieren, reicht das Spektrum der potenziellen Bewertungsobjekte. Zu unterscheiden sind Praxen etwa danach, ob eine Praxis eher auf den „Patientenmarkt“ oder den „Überweisungsmarkt“ ausgerichtet ist. Während z.B. Allgemeinärzte nahezu ausnahmslos vom Patienten direkt konsultiert werden, werden Radiologen oder Laborärzte nur „im Auftrag“ von anderen Ärzten tätig. Es ergibt sich dadurch eine vollständig unterschiedliche Ausrichtung des Praxismarketings. Für eine Bewertung hochrelevant ist auch die Anzahl der gemeinschaftlich praktizierenden Ärzte. Je mehr Ärzte gemeinsam in einer Praxis tätig sind, desto eher tritt das Merkmal der Personenbezogenheit bei einer Bewertung in den Hintergrund et vice versa. Es ist evident, dass bei einer Arztpraxis mit 10 und mehr Partnern, die z.B. de facto als „Radiologie X-Stadt“ firmiert, eine geringere Personenbezogenheit vorherrscht als bei einem Arzt in einer Einzelpraxis, der von vielen Patienten konsultiert wird, weil er es geschafft hat, eine höchst individuelle Reputation auf dem Gebiet von alternativen Behandlungsmethoden zu erreichen. Dass hier eine Praxis völlig losgelöst von der Person des einzelnen Behandlers wahrgenommen werden kann, zeigt sich an Franchiseanläufen wie der „Zahnarztkette“ McZahn. Einzelne Zahnärzte konnten hier gegen Entrichtung einer Gebühr Franchisenehmer bzw. Partnerärzte werden und als MacZahn-Partnerärzte auftreten. Ähnliche Konzepte existieren bereits auch für Apotheken (DocMorris). Gleichwohl McZahn Ende 2008 Insolvenz anmelden musste, sind kurzfristig für den ärztlichen Bereich weitere Franchiseinitiativen zu erwarten. Weiterhin bewertungsrelevant sind bei Arzt- und Zahnarztpraxen sowie bei MVZ Umsatzgröße und -zusammensetzung sowie die Kostenstruktur. Wie oben erwähnt, unterscheiden sich hier Arztpraxen nicht nur vom erzielten Umsatz immens, auch die Umsatzstruktur weicht stark voneinander ab. Während in den neuen Bundesländern der Anteil der Privatumsätze vom Gesamtumsatz bei Vertragsarztpraxen häufig unter 10 % liegt, finden sich besonders bei hochspezialisierten Praxen in den alten Bundesländern, die etwa ein umfassendes Spektrum von Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeLLeistungen) anbieten, Privatumsatzanteile von bis 70 %. Auch innerhalb der über die KV oder KZV vereinnahmten Umsätze bestehen starke Unterschiede. Zwischen den maßgebenden Regelungen der Honorarverteilungen der einzelnen KVen bzw. KZVen bestehen starke Differenzen. Die Aufteilung der von den gesetzlichen Krankenkassen erhaltenen Gesamtvergütung in sog. Honorartöpfe sowie die Anwendung von Budget- und Punktwertsteuerungsregelungen wurde von jeder KV bzw. KZV höchst unterschiedlich praktiziert. Im ärztlichen Bereich gelten seit dem 1.1.2009 so genannte Regelleistungsvolumen, die für die niedergelassenen Ärzte zwar einen festen Punktwert vorsehen, die abrechenbaren Leistungen aber strikt kontingentieren. Zudem wurden von einer Reihe von KVen sog. Strukturverträge zur Förderung bestimmter Leistungen mit einzelnen Krankenkassen oder Kassenverbänden für begrenzte Zeiträume geschlossen. Für eine Bewertung einer Praxis ist daher stets zu hinterfragen, ob ein bestimmter Umsatzanteil aus strukturvertraglich geförderten Leistungen stammt. Von hervorgehobener Bedeutung ist auch die große Unterschiedlichkeit der durchschnittlichen Kostensätze. Während bei geräteintensiven radiologischen Großpraxen regelmäßig Umsatzrenditen von weniger als 25 % erzielt werden, können bei Arztgruppen, die typischerweise geringere Praxiskosten bzw. -ausgaben aufweisen, Umsatzrenditen von ca. 75 % erzielt werden. Die Umsatzrenditen unterscheiden sich aber auch innerhalb der einzelnen Arztgruppen immens. Ursachen hierfür sind etwa regional unterschiedliche Faktorpreise, wie Personal- und Raumkosten (Stadt- vs. Landpraxen), aber auch der Effizienzgrad der Ablauforganisation. Prozessoptimierte Praxen weisen teilweise dauerhaft eine um eine 10–15 % höhere Umsatzrendite auf, als durchschnittlich geführte Praxen unter gleichen oder ähnlichen Rahmenbedingungen. Hingewiesen sei auch auf Veränderungen hinsichtlich der gesellschaftsrechtlichen Organisationsstruktur von Arzt- und Zahnarztpraxen, die sich in den letzten Jahren ergeben haben. So finden sich des Öfteren von den beteiligten Ärzten gegründete Betreibergesellschaften, die z.B. aus umsatzsteuerlichen Gründen die Praxisräume angemietet haben und die notwendigen medizintechnischen Großgeräte besitzen. Die Infrastruktur wird dann häufig an die eigentliche Praxis vermietet oder verleast. In vielen Fällen finden sich auch (steuer-) rechtlich eigenständige Gesellschaften wie z.B. Ernährungsberatun-
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16 Bewertung von Arztpraxen, Zahnpraxen u. Med. Versorgungszentren gen, Kontaktlinsenhandlungen, Forschungsinstitute oder Privatkliniken als Annex der eigentlichen Praxis. Je nach Bewertungsanlass kann es notwendig werden, diese rechtlich selbständigen Gesellschaften in eine umfassende Unternehmensbewertung mit zu integrieren. Mit dem Wirksamwerden des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes zum 1.1.2007 besteht wie oben erwähnt für Vertragsärzte und Zahnärzte insbesondere auch die Möglichkeit, überörtliche Gemeinschaftspraxen zu gründen oder „Filialen“ zu eröffnen. Daraus ergeben sich häufig auch gewerbeund/oder umsatzsteuerliche Konsequenzen. Die ohnehin bereits starke Heterogenität der Arzt- und Zahnarztpraxen sowie von MVZ als Objekten einer Unternehmensbewertung wird daher noch zunehmen. Durch die Summe dieser Betrachtungen wird deutlich, dass es bei der Bewertung von Arztpraxen nicht darum gehen kann, eine typische Arztpraxis nach einem speziell für Arztpraxen entwickelten Bewertungsverfahren zu bewerten. Es geht vielmehr, wie bei jeder Unternehmensbewertung darum, ein einzelnes Unternehmen, das sich in einer Vielzahl seiner bewertungsrelevanten Charakteristika von anderen stark unterscheiden kann, zusammen mit seiner Umwelt eingehend zu analysieren und darauf aufbauend mit Hilfe von wissenschaftlich anerkannten Methoden, breiten wirtschaftlichen Kenntnissen, Urteilskraft und Erfahrung, Aussagen über dessen voraussichtliche Entwicklung zu machen und unter Darlegung von Chancen und Risiken in einem Wert zu bündeln.24
16.2.3 Hohe Relevanz des konkreten Bewertungsanlasses Wie bei Unternehmensbewertungen in anderen Branchen, determiniert der konkrete Bewertungsanlass in entscheidender Weise, wie ein Bewertungsmodell aufzubauen bzw. anzuwenden ist. Bei Arzt- und Zahnarztpraxen ergeben sich auch hier einige Spezifika. Nachfolgend sollen die wichtigsten Bewertungsanlässe in diesem Bereich genannt und kurz angesprochen sein: • Praxisabgabe bzw. -übernahme Zu beachten ist hier, dass Vertragsarztpraxen in einem gesperrten Planungsbereich nur nach den Regelungen des § 103 Abs. 4 SGB V sowie den weitergehenden Regelungen der Zulassungsverordnung übergeben werden können. Es besteht hier u.U. eine Interessenskollision zwischen einem privatrechtlichen Veräußerer der Praxis und der Übertragung der vertragsärztlichen Zulassung auf einen potenziellen Käufer als öffentlich-rechtlicher Verwaltungsakt durch den Zulassungsausschuss. Innerhalb der Regelungen des § 103 SGB V findet sich zudem folgender Passus: „Die wirtschaftlichen Interessen des ausscheidenden Vertragsarztes oder seiner Erben sind nur insoweit zu berücksichtigen, als der Kaufpreis die Höhe des Verkehrswertes der Praxis nicht übersteigt.“ Diese Regelung soll ausschließen, dass ein Bewerber (unter mehreren Anderen) eine Zulassung nur deswegen erhält, weil er bereit ist, einen Preis für die Praxis zu bezahlen, der höher liegt, als ihr Verkehrswert. Bei diesem Bewertungsanlass ist auch zu prüfen, ob die Praxis abrupt zu einem bestimmten Stichtag, mit kurz- oder mittelfristiger Zusammenarbeit, oder gar im Rahmen einer längeren zeitlich befristeten Übergangskooperation übertragen werden soll. Dies ist insbesondere bei stark personenbezogenen Praxen von hoher Relevanz, da bei einem plötzlichen Behandlerwechsel das Risiko einer Patientenabwanderung oftmals stark ansteigt. Speziell zu berücksichtigen sind hier auch der Verkauf einer Praxis bzw. die Übertragung einer vertragsärztlichen Zulassung an ein MVZ oder wie seit dem 1.1.2007 an eine Vertragsarztpraxis. • Gründung und Auflösung ärztlicher Kooperationen Durch gesellschaftsrechtliche Fragestellungen wird bei der Aufnahme eines Partners oder mehrerer Partner in eine Praxis in der Regel der Wert der Praxis und die Beteiligung am Gesellschaftsvermögen zum Thema. Zu berücksichtigen ist hier insbesondere, ob eine ärztliche Gemeinschaftspraxis im Rahmen des sog. Jobsharing nach § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 3 SGB V unter Inkaufnahme einer vergangenheitsbezogenen Budgetierung gegründet wird oder die Ärzte über eine vertragsärztliche „Vollzulassung“ verfügen. Seit Jahresbeginn 2009 ist es möglich, auch vertragsärztliche Teilzulas24
Vgl.: Born, K.: Unternehmensanalyse und Unternehmensbewertung, Stuttgart 1995, S. 9.
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Wolfgang Merk sungen auszuschreiben. Dadurch haben sich häufig Gemeinschaftspraxen gebildet, bei denen jeder der Partner nur noch über eine „halbe“ Zulassung verfügt. Dies geht in aller Regel auch mit einer Halbierung der vertragsärztlichen Abrechungsmöglichkeiten einher. Genauso wird es häufig notwendig, Abfindungsansprüche zu beziffern, wenn Gesellschafter aus der Praxis wieder ausscheiden. Hierbei muss auf vertraglich bestimmte Abfindungsklauseln geachtet werden, insbesondere ist hier zu berücksichtigen, ob in einem gesperrten Gebiet die Zulassung des ausscheidenden Partners der Praxis zur Neuausschreibung hinterlassen wird, oder ob die Zulassung der Praxis verloren geht. Es stellt einen signifikanten Unterschied dar, ob eine Praxis als vertragsärztliche Einzelpraxis oder als Gemeinschaftspraxis fortgeführt werden kann. Zunehmend wird auch die Fusion von mehreren Praxen zum Bewertungsanlass, dabei sind i.d.R. die Verschmelzungsverhältnisse zu berechnen. • Ehescheidung Da die meisten Praxisinhaber in gesetzlicher Zugewinngemeinschaft leben, kommt es im Scheidungsfall fast immer zu diametral entgegenstehenden Auffassungen über den Praxiswert. Bei „Scheidungsgutachten“ wird es sehr häufig notwendig, stichtagsbezogen praxisbezogene Forderungen und Verbindlichkeiten festzustellen sowie die latente Ertragssteuerlast zu berechnen. Zu berücksichtigen sind hierbei insbesondere Bewertungsprämissen von Arztpraxen, die sich durch die Rechtssprechung entwickelt haben.25 • Sonstige Bewertungsanlässe Darüber hinaus kommen wie in anderen Branchen noch eine Vielzahl von Sonderfällen vor, z.B. Todesfälle und Erbregelungen, Schadensereignisse oder wie die bereits oben erwähnte vertragsarztrechtlich bestimmte Verkehrswertfeststellungen nach § 103 SGB V26. Wie bei jeder Unternehmensbewertung sind natürlich auch bei der Bewertung von Arztpraxen insbesondere Annahmen darüber zu treffen, ob die Praxis fortgeführt wird (going concern-Annahme) oder ob sie zerschlagen wird (Liquidations- oder Zerschlagungsannahme). 27
16.3 Bewertungsmethoden Bezogen auf Arzt- und Zahnarztpraxen hat es sich unabhängig von dem Bewertungsanlass und von der Bewertungsmethode eingebürgert, zwischen ideellem Wert und materiellem Wert zu unterscheiden.28 Dabei kann der ideelle Wert als der Wert definiert werden, der sich aus der Zusammenfassung der bisher erworbenen Positionen und Beziehungen einer gut eingeführten, allgemein bekannten Praxis mit festem Patienten-/Überweiserstamm und gut geführter Dokumentation und der daraus folgenden Möglichkeit einer Auswertung und Weiterarbeit für einen Praxisübernehmer ergibt.29 Es sei vorsorglich darauf hingewiesen, dass es sich, mit Ausnahme der Ertragswertmethode und der DCF-Verfahren, bei allen der nachfolgend beschriebenen Methoden nicht um theoretisch fundierte Bewertungsmethoden auf Basis eines investitionstheoretischen Kalküls handelt, sondern viel eher um mehr oder weniger vereinfachte Methoden zur Kaufpreisfindung. Da sie aber im Zusammenhang mit 25 26 27 28 29
Vgl. hierzu Boos, F. : Bewertung von Arztpraxen im Rahmen des Zugewinnausgleichs. In: MedizinRecht, Heft 4 (2005), S. 203–208. Henkel, M. P.; Merk, W.: Zur Bedeutung des Verkehrswerts einer Praxis bei der Nachfolgezulassung. Eine Besprechung des Urt. v. 30.05.2001 des SG Dortmund – S 9 Ka 60/01, In: MedizinRecht (2002), Heft 6. Diese altbekannte Prämissenbildung ist insbesondere zu berücksichtigen, wenn es darum geht, den „Wert“ einer vertragsärztlichen Zulassung zu bestimmen. Vgl. grundsätzlich auch die erste umfangreichere betriebswirtschaftliche Veröffentlichung zum Thema: Gatzen, M.: Bewertung von Arztpraxen, Bergisch Gladbach; Köln 1992; zugleich Köln, Univ. Diss. 1991. Vgl. hierzu OLG Karlsruhe, Urt. vom 24.5.1989.
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16 Bewertung von Arztpraxen, Zahnpraxen u. Med. Versorgungszentren der Bewertung von Arzt- und Zahnarztpraxen häufig als Bewertungsmethode diskutiert werden, sollen sie nachfolgend auch unter diesem Terminus thematisiert werden.30
16.3.1 Faustformeln Wie in anderen Branchen haben sich auch bei Arzt- und Zahnarztpraxen Faustformeln (Rules of Thumb) gebildet. Die gängigen Faustformeln beziehen sich dabei ausnahmslos auf den ideellen Wert einer Praxis und schlagen diesem den materiellen Wert der Praxis (üblicherweise als Zeitwert unter Fortführungsgesichtspunkten) zu. Zu berücksichtigen ist natürlich immer, welche Institution welche Faustformeln vertritt oder verbreitet. So sind Praxismakler üblicherweise an höheren Kaufpreisen interessiert, während die Kassenärztlichen Vereinigungen, Ärztekammern oder ärztlichen Berufsverbände aus standespolitischen Gründen die Preise niedrig halten wollen, um ihren zukünftigen Mitgliedern einen vergleichsweise unbelasteten Einstieg in die Selbständigkeit zu ermöglichen und in der honorarpolitischen Diskussion keine hohen Einkommen durch hohe Praxiswerte zu signalisieren. Umsatzbezogene Faustformeln geben den ideellen Wert als Verhältnis zum zuletzt erzielten Jahresumsatz an. Die Spanne der „umlaufenden“ Faustformeln reicht je nach Verfasser und regionaler Lage von einem Quartalsumsatz als ideellem Wert bis hin zum 1,5 fachen des Jahresumsatzes für Praxen in gefragter Ballungsraumlage. Bei Zahnärzten wird ebenfalls häufig ein Quartalsumsatz oder Halbjahresumsatz genannt, als Variante hört man auch vereinzelt einen Bruchteil des Jahresumsatzes abzüglich der Laborkosten, die als durchlaufender Posten charakterisiert werden. Gewinnbezogene Faustformeln versuchen, den letzten Jahresgewinn vor Steuern, üblicherweise ermittelt auf Basis der steuerlichen Gewinnermittlung, mit einem Faktor zu multiplizieren. Gegebenenfalls werden noch Korrekturen am steuerlichen Gewinn als Berechungsbasis vorgenommen. Es werden hier je nach Aussage Multiplikatoren von 0,5 bis 5,0 genannt. Insgesamt kann konstatiert werden, dass es heute bei Arzt- und Zahnarztpraxen keine branchenweiten bzw. facharztbezogenen relevanten Faustformeln gibt, die als marktrelevant bezeichnet werden könnten. Man könnte die Situation auch so beschreiben, dass jeder am Verkauf einer Praxis interessierte „Bewerter“ sich je nach Bedarf seine eigene Faustformel konstruiert und für allgemeingültig erklärt.
16.3.2 Bundesärztekammermethode 16.3.2.1 Richtlinie der Bundesärztekammer aus dem Jahre 1987 Die sog. Bundesärztekammermethode wurde von der ständigen Konferenz der Rechtsberater der Bundesärztekammer erarbeitet und im Jahr 1987 verabschiedet. Sie berechnet den ideellen Wert und Sachwert einer Praxis getrennt voneinander.31 Laut der Richtlinie ist der Substanzwert unter dem Gesichtspunkt der Fortführung zu Wiederbeschaffungswerten anzusetzen. Die Berechnung des ideellen Wertes einer Praxis erfolgt dadurch, dass zunächst ein so genannter Basiswert ermittelt wird. Dieser bestimmt sich aus 1/3 des um einen kalkulatorischen Arztlohn nach Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) korrigierten Durchschnittsumsatzes der letzten 3–5 Jahre nach folgender Formel: Basiswert = (durchschnittlicher Umsatz – kalkulatorischer Arztlohn) x 1/3. Für die Festlegung des kalkulatorischen Arztlohnes besteht eine genaue Vorgabe, sie bemisst sich am Jahresgehalt eines Oberarztes nach BAT I b, brutto, verheiratet, 2 Kinder, Endstufe, ohne Mehr30
31
Bemerkenswert ist sicherlich die Tatsache, dass sich die Bewertung von Arzt- und Zahnarztpraxen eine ganze Reihe von Menschen zutrauen, die mit Bewertungen anderer Unternehmen keinerlei Erfahrung haben und dazu häufig keinen akademischen Abschluss auf ökonomischem Gebiet vorweisen können. Ebenso bemerkenswert ist, dass immer wieder versucht wird, „neue“ und „spezielle“ Bewertungsverfahren für die Bewertung von Arzt- oder Zahnarztpraxen zu kreieren. Insbesondere Finanzdienstleister aus Strukturvertrieben, ärztliche Standesorganisationen wie die KVen, Rechtsanwälte oder Berater diverser Couleur machen sich so kreativ um die Fortschreibung der Betriebswirtschaftslehre redlich verdient. Vgl. hierzu und zu folgenden Ausführungen über die Bundesärztekammermethode: Bundesärztekammer, Richtlinie zur Bewertung von Arztpraxen, in: Deutsches Ärzteblatt (1987), A-926 bis A-929. Die Ursprünge der Bundesärztekammermethode reichen allerdings bis zum Ende der 1950-iger Jahre zurück.
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Wolfgang Merk arbeitsvergütung. Die Höhe des kalkulatorischen Arztlohnes ist aber abhängig von der jeweiligen Umsatzgröße. So ist von einem Umsatz in Höhe von 50.000 DM/100.000 DM/200.000 DM/ 300.000 DM jeweils 25 %/50 %/75 %/100 % des kalkulatorischen Arztlohnes anzusetzen. Unterhalb eines Umsatzes von 50.000 DM entfällt ein Ansatz. Dieser Basiswert ist dann in einem zweiten Schritt durch eine Reihe von objektiven und subjektiven Faktoren zu korrigieren. Hier werden von der Bundesärztekammer z.B. genannt: Arztdichte, Lage der Praxis, Alter des abgebenden Arztes, Patientenstruktur. In der Richtlinie werden diese Faktoren zwar genannt, eine Aussage über die konkrete Berücksichtigung dieser Faktoren erfolgt jedoch nicht. Aufgrund ihrer offensichtlichen übergroßen Komplexitätsreduzierung und der groben Missachtung betriebswirtschaftlicher Bewertungsgrundsätze wird die Bundesärztekammermethode von nahezu allen mit der Bewertung von Arztpraxen vertrauten Personen als Bewertungsmethode abgelehnt. Seit Beginn der 1990-iger Jahre besitzt sie außerdem keinen signifikanten Einfluss mehr auf das Preisbildungsgeschehen bei Arztpraxen. Dennoch hat sich die Richtlinie aufgrund ihrer Einfachheit und der Tatsache, dass sie durch eine ärztliche Standesorganisation verabschiedet wurde, weit verbreitet. Sie wird insbesondere häufig von Juristen und Steuerberatern „wiederbelebt“, die fallspezifisch in der Literatur auf die Methode stoßen und diese dann in Ermangelung detaillierter Kenntnisse kritiklos übernehmen. In der gängigen Bewertungspraxis findet man zwischenzeitlich kaum noch ein Gutachten, das den Wert einer Arztpraxis über diese Methode entwickelt. Dies liegt insbesondere daran, dass es sich dabei um ein sog. Kombinationsverfahren handelt, bei dem der Gesamtwert einer Praxis aus der Summe von Substanzwert und ideellem Wert (Goodwill) entwickelt wird, wobei beide Werte weitestgehend isoliert voneinander bestimmt werden.32 Diese Verfahren werden wie bekannt, von der Betriebswirtschaftslehre seit langem als überholt betrachtet, da für ein Unternehmen die Substanz lediglich ein Hilfsmittel zur Erzielung von Erträgen darstellt und keinen eigenständigen Wert besitzt.33 Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist neben der generellen Kritik, dass es sich um ein Kombinationsverfahren handelt insbesondere anzumerken, dass die Berechnung des Goodwill rein vergangenheitsorientiert erfolgt, indem die Methode den durchschnittlichen Umsatz der Vergangenheit als entscheidend für die Bewertung betrachtet. Eine Prüfung, ob ein Übernehmer die bisher vom Praxisabgeber erzielten Umsätze auch weiterführen kann, ist nicht vorgesehen. Des Weiteren ist auszuführen, dass der reine Umsatzbezug dieser Methode bekanntlich wenig betriebswirtschaftliche Aussagekraft hat. Letzten Endes spielt für die Bewertung einer Praxis der zukünftige, nachhaltig entnehmbare Überschuss die zentrale Rolle für eine Wertbestimmung. Dies bedeutet, dass die Kosten- bzw. die Ausgabenstruktur einer Praxis bei einer Bewertung unbedingt Berücksichtigung finden muss. Mit der Ärztekammermethode wird jedoch eine allgemeinärztliche Praxis, die einen Kostensatz von 40 % vom Umsatz besitzt, gleich bewertet wie eine radiologische Praxis, deren betriebswirtschaftlicher Gewinn ggf. nur 10 % vom Umsatz beträgt. Insofern wird die Ärztekammermethode der stattgefundenen und oben beschriebenen Heterogenisierung der ärztlichen Praxen sowohl innerhalb als auch zwischen den einzelnen Fachgruppen längst nicht mehr gerecht. Auch ist es mit der Ärztekammermethode unmöglich, die spezifischen Bewertungsprämissen, die durch den einzelnen Bewertungsanlass vorgegeben werden, ausreichend zu berücksichtigen. Eine Praxis wird nach dieser Methode gleich bewertet, unabhängig davon, ob diese als Einheit an einen Nachfolger verkauft wird oder ob mit einem „Juniorpartner“, der eine eigene vertragsärztliche Zulassung besitzt, eine Sozietät gebildet wird. Der Mulitplikationsfaktor von 1/3 außerhalb der Klammer wird von der Bundesärztekammer nicht ökonomisch begründet und soll wohl eine gewisse Marktorientierung in die Formel einbringen. Auch dürften bei der Wahl des Faktors standespolitische Interessen hinsichtlich der Gestaltung moderater Kaufpreise für Praxen eine Rolle gespielt haben. Letztlich ist die Bemessung der Zu- und Abschläge auf den Basiswert aufgrund der von der Bundesärztekammer genannten Faktoren betriebswirtschaftlich nicht isoliert ohne Bezug zur Gesamtbewertung kalkulierbar und auch nicht ökonomisch begründbar. Der Ansatz von prozentualen Zu- und Abschlägen muss damit immer willkürlich erscheinen. 32 33
Vgl. Pilz, D.: Die Unternehmensbewertung in der Rechtsprechung, 3. Aufl. 1994, S. 250. Vgl. Münstermann, H.: Wert und Bewertung der Unternehmung, Wiesbaden 1966, S. 18.
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16 Bewertung von Arztpraxen, Zahnpraxen u. Med. Versorgungszentren
16.3.2.2 Empfehlungen der Bundesärztekammer aus dem Jahre 2008 Aufgrund der massiven Kritik an der übergroßen Komplexitätsreduktion und groben Missachtung betriebswirtschaftlicher Bewertungsgrundsätze wurde die Methode nach rund 20 Jahren durch die Bundesärztekammer reformiert. Hierzu wurde eine Arbeitsgruppe bestehend aus Juristen der Ärztekammern und betriebswirtschaftlichen Beratern der Kassenärztlichen Vereinigungen beauftragt, die oben erläuterten Richtlinien zu überarbeiten. Die neue Bundesärztekammermethode ist dabei in ihrer Verbindlichkeit herabgestuft worden, es handelt sich nicht mehr um Richtlinien sondern nur noch um „Hinweise“ zur Bewertung von Arztpraxen.34 Dadurch soll insbesondere die fehlende rechtliche Verbindlichkeit unterstrichen werden. Die Hinweise sollen nur Anhaltspunkte sein und keine Grundlage für eine abschließende Bewertung im Einzelfall darstellen. Nach der den Hinweisen vorstehenden Erläuterungen die die Bundesärztekammer nun von einer „ertragswertorientierten Methode unter Berücksichtigung von Kosten“ aus. Unveränderter sei jedoch, dass die Arztpraxis kein Gewerbebetrieb sei und sich von einem solchen in wesentlichen Punkten und Funktionen insbesondere durch die Personengebundene Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patienten unterscheiden würde.35 Laut den neuen Hinweisen der Bundesärztekammer soll der Substanzwert gesondert festgestellt und zu „Marktwerten“ angesetzt werden. Basis für die Berechnungen sind die mit den Anschaffungsund Herstellkosten aufgeführten Wirtschaftsgüter im Anlageverzeichnis der jeweils zu bewertenden Arztpraxis. Außerdem sollen technische Neuerungen, amtliche Auflagen und Preisentwicklungen Berücksichtigung finden. Der ideelle Wert des Bewertungsobjekts ist unter Berücksichtigung von Umsatz- und Kostenstrukturen, sowie einem alternativen Arztgehalt zu ermitteln. Im Ergebnis soll der nachhaltig erzielbare Gewinn für einen Prognosezeitraum festgestellt werden, wodurch eine in die Zukunft gerichtete Analyse angestellt wird. Für den Umsatz wird der um nicht übertragbare Umsatzanteile bereinigte, durchschnittliche Umsatz der letzten drei Kalenderjahre (vor dem stichtagsbezogenen Kalenderjahr) herangezogen. Ebenso gehen nur die übertragbaren durchschnittlichen Kosten der letzten drei Kalenderjahre in das Bewertungskalkül mit ein, wobei nicht übertragbare Kosten aus nicht übertragbaren Umsatzanteilen resultieren. Die Differenz der ermittelten Größen ergibt schließlich den übertragbaren Gewinn. Für die Berechnung des ideellen Wertes muss ferner ein alternatives Arztgehalt berücksichtigt werden, das in seiner Höhe durch den übertragbaren Umsatz determiniert wird. Dabei gilt: ab einem übertragbaren Umsatz von 40.000 €/65.000 €/90.000 €/115.000 €/140.000 €/165.000 €/190.000 €/215.000 € /240.000 € sind jeweils 20 %/30 %/40 %/50 %/60 %/70 %/80 %/90 %/100 % des Arztgehaltes in Abzug zu bringen, wobei als Ausgangswert 76.000 € die Basis bilden sollen. Liegt der übertragbare Umsatz unter 40.000 € ist kein Abzug vorgesehen. Der ermittelte übertragbare Gewinn ist in einem dritten Schritt um einen so genannten Prognosemultiplikator zu ergänzen, der multiplikativ die Anzahl der Jahre der Patientenbindung an die Praxis durch den bisherigen Praxisinhaber abbilden soll. Die Hinweise geben hier für die Einzelpraxis einen Wert von zwei Jahren vor, für Berufsausübungsgemeinschaften einen Wert von 2,5 Jahren. Formal stellen sich die Hinweise zur Bewertung von Arztpraxen damit wie folgt dar: PW = IW + SW PW = [((U – K) – A) · P] · x + SW mit: PW = Praxisgesamtwert IW = ideeller Wert SW = Substanzwert U = übertragbarer Umsatz (durchschnittlicher bereinigter Jahresumsatz der letzten drei Kalenderjahre K = übertragbare Kosten (durchschnittliche bereinigte Kosten der letzten drei Kalenderjahre) 34 35
Vgl. Bundesärztekammer, Hinweise zur Bewertung von Arztpraxen, in: Deutsches Ärzteblatt (2008), 105 (51–52): A-4 bis A-6. Dabei ignoriert die Bundesärztekammer, dass immer häufiger Arztpraxen Gewerbesteuerpflichtig werden.
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Wolfgang Merk A = kalkulatorisches Arztgehalt x = wertbeeinflussender Faktor (Abweichung von max. 20 % des ideellen Wertes) P = Prognosemultiplikator (2,0 oder 2,5) Der Faktor x soll wertbeeinflussenden Faktoren Rechnung tragen, durch die eine Erhöhung oder Verringerung des ideellen Wertes um max. 20 % erreicht werden kann. Als zu berücksichtigende Faktoren werden beispielsweise angeführt: Ortslage der Praxis, Praxisstruktur, Arztdichte, Qualitätsmanagement, regionale Honorarverteilung für den Vertragsarzt, Dauer der Berufsausübung des abgebenden Arztes, ggf. die öffentlich-rechtliche Zulassung u.s.w. Die Ärztekammer hat ihren neuen Hinweisen zur Bewertung von Arztpraxen die gravierende Mängel der Vorgängermethode keinesfalls behoben. Auch wenn laut den Hinweisen ein „ertragswertorientiertes“ Kalkül die Basis der Bewertung bilden soll, so stellt die Methode eben kein Ertragswertverfahren dar. Es handelt sich immer noch um ein Kombinationsverfahren, das den Substanzwert losgelöst von dem ideellen Wert (Goodwill) betrachtet. Völlig befremdlich ist dabei die Vorgabe der Ärztekammer, dass der Substanzwert sich aus den „Marktwerten“ für jedes einzelne Wirtschaftsgut zusammensetzen soll. Damit impliziert die Methode eine „Vermarktung“ jedes einzelnen Wirtschaftsgutes und dadurch zwangsläufig eine Zerschlagung des Sachwertes und damit auch einer Praxis. Bekanntlich ergibt sich der Ertragswert eines Unternehmens grundsätzlich aus der Summe der an den Unternehmenseigner künftig zufließenden, abgezinsten finanziellen Überschüsse (Zukunftserfolge).36 Eine Abzinsung (Diskontierung) sehen die Hinweise der Bundesärztekammer jedoch nicht vor, wodurch die Zeitpräferenz des Geldes vollkommen ausgeblendet wird. Damit ergibt sich keine Vergleichbarkeit der Investition zu einer alternativen Anlageform. Bei Anwendung der Methode wird auch kein Wert aus einer dem Bewertungsanlass entsprechenden Zukunftsplanung abgeleitet. Es wird hingegen zunächst ein „übertragbarer Umsatz“ kalkuliert, der den durchschnittlichen Jahresumsatz der letzten drei Jahre vor dem Jahr des Bewertungsfalles abzüglich „nicht übertragbarer Umsatzanteile“ entsprechen soll. Eine Durchschnittsbildung für die letzten drei Jahre erfolgt auch zur Kalkulation der „übertragbaren Kosten“, wobei diese dann um nicht übertragbare Kosten, kalkulatorische Kosten und zukünftig entstehende Kosten zu korrigieren sind. Die Erkenntnis, dass eine einfache vergangenheitsorientierte Durchschnittsbildung keineswegs positiv zur prognostischen Fundierung einer konkreten Umsatz- und Kostenplanung beitragen muss, bleibt unerkannt. Aktuelle Entwicklungen bleiben dadurch untergewichtet oder gänzlich außen vor. Der sich so ergebende übertragbare Gewinn ist dann ein Vorsteuergewinn, von dem noch ein umsatzadjustiertes kalkulatorisches Arztgehalt in Abzug zu bringen ist. Als Ausgangswert für das Jahr 2008 werden unter der Besichtigung von Facharztgehältern im Krankenhaus, bei Verbänden und der Pharmaindustrie 76.000 € angesetzt. Der sich dann ergebende Residualbetrag wird als „nachhaltig erzielbarer Gewinn“ bezeichnet. Durch dieses Vorgehen werden die persönlichen Ertragssteuern vollständig aus dem Modell ausgeblendet. Die Höhe des alternativen Arztgehaltes muss natürlich je nach Bewertungsanlass und Bewertungsobjekt individuell festgelegt werden und kann nicht in ein unzulängliches Umsatzschema gepresst werden. Für Einzelpraxen wird diese Gewinngröße dann mit einem „Prognosemultiplikator“ von 2 und für Berufsausübungsgemeinschaften mit einem Multiplikator von 2,5 Jahre vervielfacht. Das Ergebnis dieser Multiplikation ist dann der (vorläufige) ideelle Wert. Von der Bundesärztekammer wird dabei die These aus der Luft gegriffen, dass die Patientenbindung durch die Tätigkeit des bisherigen Praxisinhabers in Regelfall bei einer Einzelpraxis zwei Jahre betrage. Eine fundiert Begründung für die Festlegung der anzunehmenden Prognosemultiplikatoren bleiben die Hinweise schuldig, objekt- und anlassbezogene Konkretisierungen werden damit verhindert, so würde z.B. eine psychotherapeutische Gemeinschaftspraxis mit 2 Partnern bei einer Trennung genauso behandelt wie eine radiologische Großpraxis mit 10 Partnern bei der ein weiterer Arzt hinzutritt, der „nachhaltige Gewinn“ würde nämlich mit dem Faktor 2,5 multipliziert werden. 36
Vgl. IDW S1 i.d.V. 2008, Tz. 102.
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16 Bewertung von Arztpraxen, Zahnpraxen u. Med. Versorgungszentren Zu guter letzt kann dann noch ein „Fine-Tuning“ des ideellen Wertes um bis zu 20 % nach oben oder unten vorgenommen werden, wobei wie bei der Vorgängermethode wertbeeinflussende Faktoren zur Begründung herangezogen werden. Wie bereits oben kritisiert, lassen sich damit willkürliche Zu- und Abschläge festlegen. In der Gesamtschau handelt es sich bei der neuen Bundesärztekammermethode keinesfalls um ein ertragswertorientiertes Verfahren. Vielmehr wird mit der Methode versucht, anhand von Vergangenheitszahlen mechanistisch eine als nachhaltig zu betrachtende Vorsteuergewinnsgröße zu berechnen und diese mittels starren Multiplikatoren zu einem ideellen Wert zu vervielfachen. Insofern ist die Methode schlicht ein simpler Gewinnmultiplikator, bei dessen Gewinnfestlegung offenbar bereits versucht wird, Aspekte eines zukünftigen Unternehmenserfolges abzubilden. Dadurch soll offenbar der Nutzen einer konkreten und anlassbezogenen Unternehmensplanung für eine Bewertung erreicht werden, die Mühe, eine solche Planung aufzustellen möchte man aber vermeiden. Einer solchen Simplifizierung ohne die Berücksichtung von Zinseffekten und Steuern in Verbindung mit einer Vielzahl von ökonomischen Denkfehlern das Etikett „ertragswertorientiert“ anzuhängen, ist terminologisch höchstbedenklich. Nach der kritischen Betrachtung der Methode wäre es sicherlich sehr begrüßenswert, wenn die Bundesärztekammer als Standesorganisation ihre zweifelsfrei fehlerhaften Hinweise für die Bewertung von Arztpraxen rasch aufheben würden. Sie erweist nicht nur ihren Mitgliedern (wohl aufgrund vorliegender standespolitischer Interessen, die den Wert der Praxen begrenzen sollen) einen Bärendienst, sondern steuert zudem unbedarfte professionelle Anwender der Ärztekammermethode auch direkt in ein Haftungsrisiko. Denn von der Beachtung von Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Unternehmens- bzw. Praxisbewertung kann bei der Anwendung dieses Konstruktes mit Sicherheit nicht ausgegangen werden.
16.3.3 Die Indexierte Basis-Teilwert-Methode Bei der Indexierten Basis-Teilwert-Methode handelt es sich um ein sog. Kombinationsverfahren, das 1989 von Frielingsdorf37 veröffentlicht wurde. Die Methode soll besonders dafür geeignet sein, den Wert von Arzt- und Zahnarztpraxen berechnen zu können. Der Substanzwert der Praxis wird dabei unabhängig vom Goodwill der Praxis als Summation der Zeitwerte der einzelnen Wirtschaftsgüter einer Praxis festgestellt. Der ideelle Wert einer Praxis wird hingegen mit Hilfe der folgenden Formeln berechnet:38 x
x
Un
B
n
1
K
x
Pu 100
Gn n
1
x
PG 100
S 2
und x
Un
B
37
38
n V
1
x
x
Pu 100
n
g 100 PG x 100
Un 1
S 2
Vgl. Frielingsdorf, G.: Praxiswert – Der Wert zur richtigen Bestimmung in Arzt- und Zahnarztpraxen, Neuwied 1989. Die Veröffentlichung von Frielingsdorf stellt allerdings keinen wissenschaftlichen Beitrag dar – so fehlen in ihr z.B. jegliche Literaturhinweise. Das Buch ist vielmehr als „Ratgeber“ für Ärzte konzipiert. Vgl. Frielingsdorf, G. (1989), S. 22 f.
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Wolfgang Merk sowie
D B B K
V
mit Bk = konkreter Basiswert, Bv = Vergleichsbasiswert, Un = (objektivierter) Jahresumsatz in €, Gn = (objektivierter) Jahresgewinn in €, Pu = Quote vom Umsatz, PG = Quote vom Gewinn, g = Gewinnanteil Durchschnittspraxis der Fachrichtung, S = Sättigungsgrad, D = Differenz zwischen Bk und Bv, x = Anzahl betrachteter Jahre, n = Laufvariable. Mit der ersten Formel wird zunächst ein „Basiswert“ (Bk) einer Praxis festgestellt, der dann einem „Vergleichswert“ (Bv) gegenübergestellt wird. Letzterer entspricht einer Art von historischem, durchschnittlichem Goodwill von Praxen gleicher Fachrichtung. Bk soll dann nach einem Vergleich zwischen Bk und Bv in Teilwerte und Unterteilwerte zerlegt werden, deren Umfang sich nach Art und Ausprägung der Goodwill bildenden Faktoren einer Praxis richten soll. 39 Diese Teilwerte werden sodann mit Zu- und Abschlägen versehen. Die mit Zu- und Abschlägen versehenen Teilwerte werden dann wiederum addiert. Durch Summation der mit Zu- und Abschlägen versehenen Teilwerte entsteht schließlich der ideelle Wert der Praxis. Der ideelle Wert Bk berechnet sich nach der angegebenen IBT-Formel zunächst aus zwei Komponenten: dem durchschnittlichen (als übertragbar eingeschätzten) Jahresumsatz der letzten Jahre und dem durchschnittlichen (um außergewöhnliche Einflüsse bereinigten) Gewinn der letzten Jahre. Der durchschnittliche Jahresumsatz wird mit einem Faktor multipliziert, der eine Umsatzquote repräsentieren soll. Der durchschnittliche Gewinn wird mit einem Faktor multipliziert, der eine Gewinnquote darstellt. Weiter wird dann zur Berechnung von Bk die so ermittelte Summe halbiert und mit einem Faktor, dem so genannten Sättigungsgrad S multipliziert. Der so berechnete ideelle Wert Bk wird dann in „Teilwerte“ aufgespalten, die einen unterschiedlich großen Beitrag zum Gesamtgoodwill der Praxis leisten sollen. Nach Zu- und Abschlägen auf diese Teilwerte wird der ideelle Wert als Summe der korrigierten Teilwerte neu berechnet. Nach den Berechnungsformeln und den gegebenen Erläuterungen kann die IBT-Methode daher in die nachfolgenden Schritte eingeteilt werden: x Un • Basis der Bewertung des Goodwills stellen der Durchschnittsumsatz der letzten Jahre und der n 1 x Gn
x
Durchschnittsgewinn der Praxis n 1 dar. Durchschnittsumsatz und Durchschnittsgewinn werden x grundsätzlich addiert. • „Verfeinerung 1“ (in der Klammer) erfolgt dadurch, dass eine Multiplikation des Durchschnittsumsatzes mit einer „Umsatzquote“ und eine Multiplikation des Durchschnittsgewinnes mit einer „Gewinnquote“ vorgenommen werden. Bei einer angenommenen Umsatzrendite von 50 % muss der ermittelte Durchschnittsumsatz mit 0,5 multipliziert werden, der Durchschnittsgewinn ebenfalls mit 0,5.40 Die Faktoren Pu und Pg dienen damit letztendlich als Gewichtungsfaktoren für die Addition von Durchschnittsumsatz und Durchschnittsgewinn. Ist z.B. Pu/100 = 0,6 und Pg/100 = 0,4 wird dem Umsatz bei der Addition in der Klammer ein höheres Gewicht beigemessen als dem Gewinn. Bei Pu = 0,5 und Pg = 0,5 würde die Hälfte des Durchschnittsumsatzes zur Hälfte des Durchschnittsgewinnes addiert werden. 39 40
Vgl. Frielingsdorf, G. (1989), S. 25 ff. Umsatzquote + Gewinnquote müssten per definitionem immer = 1,0 sein.
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16 Bewertung von Arztpraxen, Zahnpraxen u. Med. Versorgungszentren • Als „zweite Verfeinerung“ wird dann der als Sättigungsgrad bezeichnete Faktor eingeführt. Dieser Sättigungsgrad der „mitunter nur durch aufwendige Recherchen zu ermitteln ist“41, wird nach den Erläuterungen zur IBT-Methode u.a. anhand der Arztdichte und dem Angebot bzw. der Nachfrage nach Arztpraxen gleicher Fachrichtung festgelegt. Bei einer „relativ hohen“ Arztdichte liegt er nach den Ausführungen unter 1,0 und vice versa.42 Unter der Annahme, dass eine normale Arztdichte vorhanden ist sowie Angebot und Nachfrage nach Arztpraxen als üblich zu bezeichnen sind, müsste S daher 1,0 sein. Die ermittelte Summe aus gewogenen Durchschnittsumsatz und gewogenem Durchschnittsgewinn x
x
Un n
1
x
Pu 100
Gn n
1
x
PG 100
würde in diesem Fall mit ½ (außerhalb der Klammer) multipliziert werden. Damit wäre dann Bk als vorläufiger ideeller Wert berechnet. • Als „dritte Verfeinerung“ wird der (vorläufige) ideelle Wert Bk anhand von „Goodwill bildenden Faktoren“ aufgeteilt. Berücksichtigung finden sollen hier z.B. die Ertragskraft, die Wettbewerbssituation im Planbereich, Lage und Umfeld der Praxis, die Praxisorganisation sowie die Funktionalität des Sachanlagevermögens. Je nachdem, ob diese Faktoren ausgeprägter sind als beim üblichen Goodwill der Fachgruppe, der durch Bv und D repräsentiert wird, sind Zu- und Abschläge auf die Teilwerte zu machen. Ist die Summe aus Zu- und Abschlägen > 100 %, hat sich ein Erhöhung von Bk ergeben, ist sie < 100 %, muss eine Verminderung des Goodwill stattfinden. Dem IBT-Verfahren können damit gravierendste betriebswirtschaftliche Mängel bescheinigt werden: Natürlich liegt eine methodische Schwäche aller Kombinationsverfahren darin, den Gesamtwert eines Unternehmens über die Addition der einzeln und unabhängig voneinander berechneten Werte für Substanzwert und Goodwill zu ermitteln. Dieser Sachverhalt wurde bereits oben im Zusammenhang mit der Bundesärztekammermethode kritisiert. Zur Ermittlung des ideellen Wertes werden bei der IBT-Methode die Durchschnittsumsätze und Durchschnittsgewinne mit Umsatzquoten und Gewinnquoten multipliziert. Diese sollen wohl üblich bzw. durchschnittlich für eine ärztliche Fachgruppe sein. Die Berechnung eines Praxiswertes mittels IBT-Methode setzt daher zwangsläufig voraus, dass ein Bewerter kostenrechnerisch bereinigte, valide und reliable Vergleichszahlen für alle Bewertungsobjekte vorliegen hat. Da dies niemals der Fall sein kann, werden Äpfel immer mit Birnen verglichen werden müssen. Aber auch falls tatsächlich auf solche Vergleichszahlen zurückgegriffen werden könnte, macht dieses Vorgehen wenig Sinn. Bei einer Unternehmensbewertung primär auf Durchschnittswerte von Vergleichsunternehmen abzuheben, ist insbesondere deswegen nicht Ziel führend, weil jedes Unternehmen seine individuelle Kostenstruktur besitzt. Es spielt hierbei auch z.B. eine Rolle, ob eine Praxis in einer Großstadtlage oder auf dem Land liegt (Mietkosten), welche Umsatzklasse vorliegt (Kostendegressionsvorteile), wie viele Partner vorhanden sind (Synergieeffekte), ob in die Praxis ausreichend Reinvestitionen vorgenommen wurden, wie verbucht wurde (einheitlicher Kontenrahmen) etc. Zudem ist fraglich, wie effizient die Prozesse der Vergleichsobjekte organisiert sind. Zutreffend kann hier Erich Schmalenbach, einer der Begründer der Betriebswirtschaftslehre, mit den Worten zitiert werden, dass bei solchen Betriebsvergleichen stets „Schlendrian mit Schlendrian“ verglichen wird. Völlig sinnfrei stellen sich die Multiplikation des Durchschnittsumsatzes mit einer Umsatzquote und die Multiplikation des Durchschnittsgewinnes mit einer Gewinnquote als Gewichtungsfaktoren vor einer Addition dar. Da der Durchschnittsumsatz maximal mit 1,0 multipliziert werden kann und der Gewichtungsfaktor für den Gewinn dann 0 sein muss, kann sich als Wert in der Klammer maximal 41 42
Vgl. Frielingsdorf, G. (1989), S. 23. Vgl. Frielingsdorf, G. (1989), S. 23 f.
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Wolfgang Merk der Durchschnittsumsatz ergeben. Bei einem Sättigungsfaktor von S = 1,0 könnte sich für Bk als ideellem Wert rechnerisch maximal ein halber Durchschnittsumsatz ergeben. Durch Ansatz von S = 2,0 könnte der theoretische Maximalwert für Bk allerdings auf den Durchschnittsumsatz erhöht werden, bei einem Ansatz von S = 3,0 auf das 1,5fache etc. p.p. Es zeigt sich dadurch, dass der in der IBT-Methode anzunehmende Sättigungsgrad S, der innerhalb der betriebswirtschaftlichen Literatur ja ansonsten gänzlich unbekannt ist, eine willkürliche Manipulationsmöglichkeit des ideellen Wertes Bk darstellt.43 Unabhängig davon, dass eine auch nur annähernd genaue und objektive Bestimmung von S als Indikator von Arztdichte sowie von Angebot und Nachfrage nach Praxen unmöglich ist, würde es auch keinen Sinn ergeben, aufgrund einer 50 %igen höheren Arztdichte und S = 0,5 den ermittelten Wert von Bk um 50 % zu vermindern. In der Realität werden gerade für Praxen in Gebieten mit hoher Arztdichte üblicherweise höhere Preise erzielt als in Gegenden mit geringer Arztdichte. Ebenso ökonomisch fragwürdig ist die Berechnung von Bv als einem Vergleichswert. Die oben genanten Schwächen für die Berechnung von Bk gelten prinzipiell alle auch für Bv. Aus der Differenzbildung D folgert sich lediglich, dass, wenn D > 0, der vorläufige ideelle Wert der Praxis Bk höher sein muss als Bv als Vergleichswert et vice versa. Es fragt sich hier, welcher für eine Unternehmensbewertung ertragversprechende Erkenntnisgewinn dadurch abgeleitet werden kann? Letztlich ist eine Zerlegung eines ideellen Wertes in einzelne Faktoren (im Sprachgebrauch der IBTMethode „Teilwerte“) gänzlich abzulehnen. Eine Bestimmung, welchen Anteil die „Organisation“ am gesamten ideellen Wert besitzt oder welchen Anteil „Lage und Umfeld der Praxis“ repräsentieren, ist für die rechnerische Bestimmung eines Gesamtunternehmenswertes, sofern diese Aufteilung überhaupt ökonomisch fundiert begründbar wäre44, auch gar nicht notwendig, da ja üblicherweise vom Fortbestand des Unternehmens als Einheit ausgegangen wird und keine Zerschlagung in einzelne Unternehmensteile unterstellt wird. Daher macht es folglich auch keinerlei Sinn, einen Gesamtwert zuerst zu zerlegen, die Einzelfaktoren mit Zu- und Abschlägen zu versehen (wie sollen sich diese begründen?) und erneut zusammenzusetzen. Resümierend kann konstatiert werden, dass die IBT-Methode keinen Zukunftserfolgswert aus einer spezifischen Unternehmensplanung ableitet und daher kein investitionstheoretisch fundiertes Kalkül besitzt. Auch ist nicht erkennbar, wie durch die Anwendung der Methode einem spezifischen Bewertungsanlass Rechnung getragen werden könnte. Mit der Anwendung der IBT-Methode werden in hochproblematischer Weise aus dem Gesamtkontext losgelöste Gedanken der Unternehmensbewertung mit historischen Kostenstrukturen und Marktdaten von Vergleichsobjekten vermischt und anhand von laienökonomischen Überlegungen zusammengeführt. Letztlich bleibt die Erkenntnis, dass die IBT-Methode, ähnlich wie die Bundesärztekammermethode, als stark vereinfachtes Preisfindungsverfahren einzustufen ist, wobei der Basiswert für den ideellen Wert vereinfacht wie folgt berechnet werden kann: Basiswert = (gewog. Durchschnittsumsatz p.a. + gewog. Durchschnittsgewinn p.a.) * 0,5 Sämtliche weiteren Berechnungsschritte und Verfeinerungen werden zwar in Formeln gekleidet, stellen aber letztlich nur höchst subjektive Stellschrauben dar, mit denen der errechnete Basiswert an bekannt geglaubte, historische Kosten- und Marktverhältnisse angepasst werden soll. Die „Bewertung“ wird nicht zukunftsorientiert, sondern anhand des früheren Marktes vorgenommen. Von einer nachvollziehbaren Unternehmensbewertung auf betriebswirtschaftlich fundierter Basis ist die IBT-Methode damit Lichtjahre entfernt.45 43
44 45
Vgl. hierzu Schmidt von Rhein, Gisela: Bewertung von Freiberuflerpraxen, Wiesbaden 1997. Sie führt über die die IBT-Methode aus: „Die Isolierung des Standortfaktors mag als Vereinfachung bei der Goodwillermittlung mehrerer Arztpraxen der gleichen Fachrichtung am gleichen Standort betrachtet werden, zu einer ökonomischen Fundierung der Methode führt sie allerdings nicht.“ Vgl. hierzu die Probleme, die in der aktuellen betriebswirtschaftlichen Literatur unter der Thematik Bewertung von Intangibles diskutiert werden. Vgl. auch Goetzke, W.: Der Verkehrswert der Zahnarztpraxis – die Bewertungsmethodik muss stimmen, in: Niedersächsisches Zahnärzteblatt NZB Nr. 5/1993. Goetzke bezeichnet die IBT-Methode als „nicht nachvoll-
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16 Bewertung von Arztpraxen, Zahnpraxen u. Med. Versorgungszentren Zwischenzeitlich hatte sich auch der BGH in einem Zugewinnausgleichsverfahren mit der IBT-Methode zu beschäftigen46. Der Senat hat die Methode darin zu Recht streng kritisiert und verworfen. Sie kann damit für Bewertungen innerhalb eines gerichtlichen Verfahrens als unbrauchbar bezeichnet werden.47
16.3.4 Die Ertragswertmethode Zur Berechnung des Gesamtwertes einer Arztpraxis wird heute üblicherweise die Ertragswertmethode herangezogen. Dies erfolgt unter weitmöglichster Berücksichtigung der Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensbewertung und den Besonderheiten von ärztlichen und zahnärztlichen Praxen, wie sie oben dargestellt wurden. Der Ertragswert eines Unternehmens ergibt sich grundsätzlich aus der Summe seiner abgezinsten künftigen Überschüsse (Zukunftserfolge). Die grundsätzliche Methodik dieses Verfahrens kann natürlich auch für die Ermittlung von Werten von Arzt- und Zahnarztpraxen übernommen werden.48 Der Ertragswert einer Arztpraxis entspricht somit grundsätzlich dem Wert, der sich aus der Summe der auf den Stichtag abgezinsten zukünftigen Überschüsse ergibt. Anders als in der „klassischen“ Unternehmensbewertung, die ja in der Regel eine unendliche Lebensdauer des Unternehmens unterstellt, muss nun aber die oftmals stark ausgeprägte Personengebundenheit der Praxis an den bisherigen Inhaber berücksichtigt werden. Um diese Personenbezogenheit adäquat zu würdigen, wurde in der Bewertungspraxis, zunächst abzielend auf den Bewertungsanlass des Kaufs/ Verkaufs einer Einzelpraxis, folgender Grundgedanke entwickelt: Beim Kauf (einer Einzelpraxis) erwirbt der Praxisnachfolger in erster Linie die Chance, im Rahmen der bestehenden Praxisorganisation das Vertrauen der Patienten bzw. der Überweiser des ausscheidenden Arztes oder Zahnarztes zu gewinnen und die Erfolge des Praxisabgebers zukünftig in seiner Person zu verwirklichen. Diese Chance ist zeitlich begrenzt. Bei der Anwendung des Ertragswertverfahrens muss daher die zeitliche Dauer dieser Chance prognostiziert werden, in dem der Nachfolger von dem durch den Übergeber aufgebauten Patienten- bzw. Überweiserstamm profitiert und das Erfolgspotenzial auf seine Person verlagern kann. Diese zeitliche Befristung wird als Ergebniszeitraum bezeichnet. Daraus ergibt sich, dass der Ertragswert für solche Bewertungsobjekte nicht aus einer abgezinsten unendlichen Zahlungsreihe entsteht, sondern aus einer begrenzten Anzahl von zukünftigen Überschüssen, die bis zum Ende des Ergebniszeitraum, d.h. dem Ende der zeitlichen Chance des Käufers, reichen. Diese Adaption der Ertragswertmethode wird auch als modifizierte Ertragswertmethode bezeichnet. Die Begrenzung des Ergebniszeitraums stellt dabei faktisch die Einführung eines (zusätzlichen) Risikoparameters dar, der der hohen Personenbezogenheit der Patienten oder Zuweiser als besonderem betriebswirtschaftlichem Spezifikum bei Arzt- und Zahnarztpraxen Rechung trägt. Dieses Vorgehen darf jedoch nicht mit einer Unternehmenswertberechnung durch Multiples anhand der zuletzt verfügbaren Überschüsse verwechselt werden. Letztlich ist für den gesamten Ergebniszeitraum eine möglichst fundierte Unternehmensplanung zu erstellen, aus der die zukünftigen Gewinne abgeleitet werden. Die Festlegung des Ergebniszeitraums ist dabei abhängig von dem der Bewertung zugrunde liegenden Bewertungsanlass, dem Bewertungsobjekt und den Ergebnissen der Analyse von Unternehmen und Unternehmensumwelt. Eine Übernahme einer psychotherapeutischen Einzelpraxis, die einem
46 47
48
ziehbaren Dogmatismus in pseudowissenschaftlichem Gewand.“ Behringer, S.: Unternehmensbewertung der Klein- und Mittelbetriebe, Berlin 2009, S. 268, bezeichnet die IBT-Methode als ungeeignet, eine freiberufliche Praxis sachgerecht zu bewerten. „Besonders problematisch erscheint die Scheinobjektivität, die durch die Aufteilung des Gesamtwertes in Teilwerte entsteht“. Vgl. BGH-Urteil vom 6.2.2008, Xll ZR 45/06. Wehmeier, W.: Zugewinnausgleich: Praxiswert ist zu berücksichtigen – Urteilbesprechung des BGH v. 6.2.2008, XII ZR 45/06 –, in: Die Steuerberatung, 4/2008, S. 173–177, kommt in seiner Urteilsbesprechung zum folgendem Ergebnis (S. 177): „Den Anspruch der intersubjektiven Nachprüfbarkeit für einen sachkundigen Dritten, das Bewertungsergebnis nachvollziehen und die Auswirkungen der getroffenen Annahmen auf den Unternehmenswert abschätzen zu können, erfüllt diese Methode Marke ,,Eigenbau“ weder nach BGH-Auffassung, noch den allgemeinen fachlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Berichterstattung.“ Vgl. z.B. Küntzel, W.: Bewertung von Arztpraxen, in: Deutsches Steuerrecht, Heft 26 (2000), S. 1104 ff.
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Wolfgang Merk intensiven Wettbewerb ausgesetzt ist, wird regelmäßig mit einem höheren personenbezogenen Risiko verbunden sein als der Anteilserwerb einer radiologischen Großpraxis, die zum Bewertungsstichtag ein Angebotsmonopol für eine bestimmte Region inne hat und in der 10 bereits etablierte Partner tätig sind. Demzufolge wäre der Ansatz des Ergebniszeitraums für den zweiten Fall deutlich höher zu bemessen als im erstgenannten Beispiel. Der Ergebniszeitraum kann damit nicht willkürlich gewählt werden, sondern ist vom Bewerter sorgfältig argumentativ zu begründen. Je nach Bewertungsobjekt kann sich dabei die Bewertung einer Arztpraxis der klassischen Unternehmensbewertung annähern. Bei Praxen oder Medizinischen Versorgungszentren, die ein weitestgehend selbständiges Unternehmen ohne besonderen Personenbezug auf die darin tätigen Behandler darstellen, kommt auch eine Bewertung nach der „klassischen“ Ertragswertbewertung mit unendlicher Lebensdauer, ggf. unter Anwendung der 2 Phasenmethode in Frage. Eine Berücksichtigung des unternehmerischen Risikos erfolgt dann ausschließlich über einen Risikozuschlag auf den Basiszinssatz. Während des Ergebniszeitraums wird mit der Vergütung des Barwerts der Praxiserfolge auch die Nutzung der Praxissubstanz abgegolten, da die Zukunftserfolge nur unter Verwendung des vorhandenen betriebsnotwendigen Vermögens erzielt werden können. Nach Ablauf des Ergebniszeitraums kann aber nicht von der Zerschlagung einer Praxis ausgegangen werden. Ein Übernehmer müsste das betriebsnotwendige Vermögen nach Ablauf des Ergebniszeitraums anschaffen, um weiterhin die ärztliche Tätigkeit ausüben zu können. Daher stellen die Wiederbeschaffungszeitwerte für die Gegenstände der Praxissubstanz aus der Sicht des übernehmenden Arztes ersparte Ausgaben in dem Zeitpunkt dar, in dem die Zukunftserfolge dem Übernehmer zugeordnet werden können. Deshalb weisen die Ausstattungsgegenstände nach Ablauf des Ergebniszeitraums für den Übernehmer einen Gebrauchswert (Übernahmewert) auf, da sie von ihm auch in der Zukunft genutzt werden können. Dieser Übernahmewert ist als Bestandteil des Praxiswertes zum Barwert der Zukunftserfolge hinzuzurechnen, da dieser dem Übernehmer nach Abgeltung des ideellen Wertes weiterhin zur Verfügung steht.49 Zur Ermittlung des Praxisgesamtwertes kann damit folgende Strukturgleichung herangezogen werden.50 n
W
pr
[Et Se (G t )] q
t
EnV q
1
W q
n
t 1
mit Wpr = Praxisgesamtwert, Env = Liquidationserlös des nicht betriebsnotwendigen Vermögens, W = Wiederbeschaffungswert der Praxissubstanz am Ende des Ergebniszeitraums, Et = Einnahmenüberschuß des Jahres t, Se (Gt) = Persönliche Ertragssteuern, Gt = Steuerlicher Praxisüberschuss, q–t = Abzinsungsfaktor. Die Ermittlung des Ertragswertes einer Praxis hängt daher u.a. von den wesentlichen Größen ab: • erwarteter Zukunftserfolg • Länge des Ergebniszeitraums • Kalkulationszinssatz • Persönlicher Ertragssteuersatz. Wie erwähnt, hat sich diese Methodik seit Beginn der 1990er Jahre für die Bewertung von Arztpraxen sukzessive durchgesetzt. Sie wird auch von den meisten von einer Industrie- und Handelskammer für die Bewertung von Unternehmen und Praxen im Gesundheitswesen speziell öffentlich bestellten und 49 50
Vgl. etwa Kupsch, P.: Bewertung von Arztpraxen mittels Ertragswertverfahren – Zusammenfassung eines Gutachtens, in: Bayerisches Zahnärzteblatt, Heft 2/1994, S. 14–20. Vgl. Kupsch, P. (1994), S. 14 ff.
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16 Bewertung von Arztpraxen, Zahnpraxen u. Med. Versorgungszentren vereidigten Sachverständigen angewandt. Bereits seit 1994 wird sie seitens der Bayerischen Landeszahnärztekammer ihren Mitgliedern zur Anwendung empfohlen.
16.3.5 Die Discounted Cash-Flow-Verfahren Bei der Anwendung von Discounted Cash-Flow-Verfahren (DCF) wird der Unternehmenswert durch die Diskontierung von zukünftigen Cash-Flows ermittelt. Der Diskontierungssatz ergibt sich dabei aus den Renditeforderungen der Kapitalgeber (Fremd- und Eigenkapitalgeber). Grundsätzlich können 3 Verfahren unterschieden werden: Entity-Approach (Brutto-Verfahren), Equity-Approach (Netto-Verfahren) und Adjusted Present Value-Verfahren. Die Unterschiede zwischen den Verfahren bestehen vor allem in Art und Umfang der Einbeziehung der Fremdfinanzierung sowie der daraus resultierenden Steuerwirkung und der Änderung der Kapitalstruktur im Zeitablauf. Die Renditeforderung der Kapitalgeber fungiert als Basis zur Feststellung des Diskontierungssatzes und wird in den Verfahren aus kapitalmarkttheoretischen Modellen abgeleitet, im Allgemeinen aus dem Capital Asset Pricing Model (CAPM). Das CAPM kann direkt für börsennotierte Unternehmen verwendet werden, da aus der Entwicklung der historischen Börsenkurse des Unternehmens und deren Gegenüberstellung zu Vergleichsindizes der Risikozuschlag auf einen Basiszinssatz abgeleitet werden kann. Für nicht börsennotierte Unternehmen können die kapitalmarkttheoretischen Annahmen des CAPM grundsätzlich durch analytisch ermittelte Modellannahmen ersetzt werden. Damit sind die DCFVerfahren grundsätzlich auch für die Bewertung von Arztpraxen anwendbar. Den spezifischen Besonderheiten, insbesondere der hohen Personengebundenheit bei Arztpraxen, müssen jedoch analog der Anwendung des Ertragswertverfahrens Rechnung getragen werden. Bewertungsgutachten, in denen das DCF-Verfahren zur Bewertung von Arzt- und Zahnarztpraxen sowie von MVZ angewendet wird, sind in Deutschland noch sehr selten. Vereinzelt findet man solche Gutachten für die Bewertung von größeren radiologischen Praxen und von MVZ in der Rechtsform einer juristischen Person. In den Vereinigten Staaten haben sich die DCF-Verfahren zur Bewertung von Arztpraxen dagegen bereits auf breiter Ebene durchgesetzt. In der einschlägigen US-amerikanischen Literatur findet sich eine Vielzahl von Autoren, die den Wert von Arztpraxen über DCF-Verfahren bestimmen.51 Durch die weitere zunehmende Verbreitung der DCF-Verfahren im Bereich der Unternehmensbewertung ist damit zu rechnen, dass diese Methoden auch für die Bewertung für Arztpraxen in Deutschland weitreichendere Anwendung finden werden. Da die meisten Arztpraxen in Deutschland ihren steuerlichen Gewinn auf Basis einer Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG feststellen, die ja primär aus periodenbezogenen Ein- und Auszahlungen gebildet wird, besteht bereits häufig eine zahlungsflussorientierte Berechnungsbasis für den Aufbau eines Bewertungsmodells. Von der Ertragswertmethode zu den DCF-Verfahren ist es damit nur ein kleiner Schritt.
16.4 Der Markt für Arzt- und Zahnarztpraxen Der Markt für Arzt- und Zahnarztpraxen in Deutschland gestaltet sich insbesondere durch große regionale und fachgruppenspezifische Besonderheiten sehr heterogen. Die einzigen regelmäßig erscheinenden „Marktstudien“ werden von der Apotheker- und Ärztebank in Kooperation mit dem Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland (ZI) für Arztpraxen und dem Institut der deutschen Zahnärzte (IDZ) für Zahnarztpraxen erhoben. Für Arztpraxen wurden in der Vergangenheit jeweils Durchschnitte für die ideellen Werte und die Sachwerte je Facharztgruppe bei der Übernahme von Einzelpraxen festgestellt. Seit dem Erhebungszeitraum 2004/2005 werden für Ärzte in den westlichen Bundesländern die Werte danach unterschieden, 51
Vgl. z.B. Tinsley, R.; Sides, R.; Anderson, G.D.: Valuation of a Medical Practice, New York u.a. 1999 oder Dietrich, M. O.: Medical Practice Valuation, Guidebook 2001/2002, San Diego 2001.
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Wolfgang Merk ob eine Übernahme einer Einzelpraxis, die Überführung einer Einzelpraxis, die Übernahme einer Gemeinschaftspraxis oder ein Eintritt in eine Gemeinschaftspraxis vorliegt. Für die östlichen Bundesländer wird weiterhin lediglich eine Differenzierung nach ideellem Wert und Substanzwert für den Fall einer Einzelpraxisübernahme ausgewiesen. Für den Erhebungszeitraum 2005/2006 liegen der Studie rund 2.900 von der Deutschen Apotheker und Ärztebank durchgeführten Finanzierungen von Praxisgründungen nach einer einheitlichen Systematik zugrunde. Die Ergebnisse der Studie sind nachfolgend in den folgenden Abbildungen dargestellt.
Ideeller Wert
Arztgruppen
Einzelpraxisübernahme
Überführung EP in GP
in € GemeinschaftspraxisGemeinschaftsübernahme praxisbeitritt
Allgemeinärzte
53.627
55.676
65.093
71.353
Anästhesisten
46.667
–
Augenärzte
94.286
152.251
90.833
134.833
Ch i r u r g en
136.706
103.350
128.000
132.750
165.421
Der m at o l o g en
81.839
172.471
–
Gy n äk o l o g en
74.074
67.667
110.965
119.182
HNO-Är zt e
86.443
82.645
107.300
–
In t er n i s t en
84.245
115.249
109.591
97.515
K i n d er är zt e
86.517
34.833
74.890
68.183
Nervenärzte/Neurologen
53.950
57.789
69.000
65.866
128.567
107.878
169.525
261.889
35.955
48.600
34.465
–
Ur o l o g en
160.119
88.935
140.000
153.250
A l l e Ä r zt e
78.847
87.056
97.748
112.660
Or t h o p äd en Psychotherapeuten/Psychiater
Quelle: Apotheker- und Ärztebank, Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.): Existenzgründungsanalyse Ärzte 2005/2006, Düsseldorf, Berlin 2007, S. 10. Abb. 16-2: Ideeller Praxiswert in Euro bei Einzelpraxisübernahme und -überführung sowie bei Gemeinschaftspraxisübernahme und -beitritt in Westdeutschland nach Arztgruppen 2005/2006.
Im Zeitvergleich hat sich in den westlichen Bundesländern der durchschnittliche ideelle Wert der Praxen bei einer Einzelpraxisübernahme seit 1988/89 von 44.420 € auf 78.847 € deutlich erhöht. Der in der Erhebung festgestellte durchschnittliche Substanzwert blieb seit 1988/89 nahezu unverändert. Ein Anstieg des durchschnittlichen ideellen Werts hat sich insbesondere nach der Einführung der Bedarfsplanung eingestellt.52 52
Anzumerken ist, dass es sich bei den in den Untersuchungen gebrauchten Begriffen „ideeller Wert“ bzw. „Substanzwert“ streng genommen nicht um betriebswirtschaftliche fundierte Werte handelt, die aus einer Planrechung abgeleitet wurden. Vielmehr handelt es sich um tatsächlich realisierte Preise für Arzt- und Zahnarztpraxen. Vgl. hierzu auch Merk, W.: Preis und Wert der Praxis: Die Kluft wird größer, in: Deutsches Ärzteblatt, 94. Jg. (1997), Heft 10 vom 7.3.1997, S. A-608.
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16 Bewertung von Arztpraxen, Zahnpraxen u. Med. Versorgungszentren Substanzwert
Arztgruppen
Einzelpraxisübernahme
Überführung EP in GP
375 in €
Gemeinschaftspraxisübernahme
Gemeinschaftspraxisbeitritt
Allgemeinärzte
22.284
30.187
26.231
31.962
An äs t h es i s t en
46.000
–
–
112.590
Au g en är zt e
48.861
81.838
72.500
87.500
Ch i r u r g en
68.439
103.350
125.222
107.500
Der m at o l o g en
45.652
–
51.543
–
Gy n äk o l o g en
40.732
47.429
39.153
73.000
HNO-Är zt e
37.603
44.933
42.333
–
In t er n i s t en
39.135
94.138
62.604
48.809
K i n d er är zt e
33.366
26.750
28.178
13.317
Nervenärzte/Neurologen
28.148
60.461
25.300
100.000
Or t h o p äd en
59.482
37.400
72.400
145.160
Psychotherapeuten/Psychiater
12.800
20.000
10.735
–
Ur o l o g en
54.100
76.049
20.000
41.500
Al l e Är zt e
36.898
59.057
48.084
62.335
Quelle: Apotheker- und Ärztebank, Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.): Existenzgründungsanalyse Ärzte 2005/2006, Düsseldorf, Berlin 2007, S. 10. Abb. 16-3: Sachwert in Euro bei Einzelpraxisübernahme und -überführung sowie bei Gemeinschaftspraxisübernahme und -beitritt in Westdeutschland nach Arztgruppen 2005/2006.
Einen ähnlichen Aufbau besitzt die jährliche Untersuchung des Investitionsverhaltens bei Zahnärzten. Die Datenbasis bilden die von der Deutschen Apotheker- und Ärztebank durchgeführten Finanzierungen zahnärztlicher Existenzgründungen. Diese werden seit 1984 nach einer einheitlichen Systematik erfasst und ausgewertet. Im Jahr 2006 belief sich die Zahl der auswertbaren Finanzierungsfälle auf 654, die sich im Verhältnis 9 zu 1 auf die alten und neuen Bundesländer aufteilten. Für die alten und neuen Bundesländer ergaben sich für die Jahre 2002 bis 2006 folgende Werte (s. Abb. 16-4). Leider gehen aus den Untersuchungen keine weiteren Differenzierungen der Praxen hinsichtlich der erzielten Verkaufspreise hervor. So wird insbesondere keine Unterscheidung nach dem zuletzt erzielten Umsatz bzw. der zuletzt realisierten Gewinne der Praxen getroffen. Auch findet zwischen Praxen, die zwar der gleichen Fachrichtung angehören, sich aber hinsichtlich des spezifischen Leistungsspektrums und des notwendigen Investitionsbedarfs erheblich unterscheiden können, keine weitere Unterscheidung statt. Lediglich innerhalb der Untersuchung über das Investitionsverhalten bei Zahnärzten wird eine Aussage über den Zusammenhang zwischen zuletzt erzieltem Umsatz und dem realisierten Goodwill getroffen. Das Verhältnis zwischen Goodwill und dem Vorjahresumsatz der übernommenen Praxen liegt demnach in 29 % der erfassten westdeutschen Existenzgründungen zwischen 0,21 und 0,30, in 21 % der Finanzierungsfälle zwischen 0,11 und 0,20 und in 20 % der Finanzierungsfälle zwischen 0,31 und 0,40. Für Arztpraxen existiert lediglich eine Veröffentlichung von Barthel53 aus dem 53
Vgl. Barthel, C. W.: Unternehmenswert – Der Markt bestimmt die Bewertungsmethode, in: Der Betrieb (1996), S. 149–163.
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Wolfgang Merk
Ideeller Wert Arztgruppen
Substanzwert
in €
Einzelpraxisübernahme
Allgemeinärzte Anästhesisten
32.102
Gesamtwert
16.536
48.638
–
–
–
Au g en är zt e
33.583
35.417
69.000
Ch i r u r g en
91.833
37.200
129.033
–
–
Der m at o l o g en
–
G y n äk o l o g e n
34.973
12.030
47.003
HNO-Är zt e
37.917
14.917
52.834
In t er n i s t en
47.888
17.155
65.043
K i n d er är zt e
36.071
7.357
43.428
Nervenärzte/Neurologen
30.750
11.250
42.000
O r t h o p äd en
47.750
14.500
62.250
Psychotherapeuten/Psychiater
11.728
2.932
14.660
Ur o l o g en
75.000
47.200
150.333
A l l e Ä r zt e
39.649
18.164
57.813
Quelle: Apotheker- und Ärztebank, Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.): Existenzgründungsanalyse Ärzte 2005/2006, Düsseldorf, Berlin 2006, S. 11. Abb. 16-4: Ideeller Wert und Sachwert in Euro bei Einzelpraxisübernahme in Ostdeutschland nach Arztgruppen 2005/2006.
+ + + = + =
Übernahme einer Einzelpraxis (ABL) Substanzwert Neuanschaffungen Substanzwert zzgl. Neuanschaffungen Goodwill Bau- und Umbaukosten Praxisinvestitionen Betriebsmittelkredit Finanzierungsvolumen
2002 64 46 110 82 13 205 55 260
2003 60 43 103 73 9 185 52 237
2004 59 50 109 82 10 201 54 255
2005 62 54 116 76 10 202 62 264
2006 47 54 101 76 14 191 55 246
Quelle: Institut der Deutschen Zahnärzte (Hrsg.): Investitionen bei der zahnärztlichen Existenzgründung 2006, IDZ-Information Nr. 3/2007 v. 3.9.2007, S. 13. Abb. 16-5: Investitionsvolumen bei Einzelpraxisübernahme in den alten Bundesländern bei Zahnärzten 2005/2006.
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16 Bewertung von Arztpraxen, Zahnpraxen u. Med. Versorgungszentren
+ + + = + =
Übernahme einer Einzelpraxis (NBL) Substanzwert Neuanschaffungen Substanzwert zzgl. Neuanschaffungen Goodwill Bau- und Umbaukosten Praxisinvestitionen Betriebsmittelkredit Finanzierungsvolumen
2002 50 36 86 50 3 139 35 174
2003 42 36 78 50 2 130 35 165
2004 36 31 67 50 5 122 37 159
2005 38 33 71 46 7 124 38 162
2006 42 48 90 51 5 146 39 185
Quelle: Institut der Deutschen Zahnärzte (Hrsg.): Investitionen bei der zahnärztlichen Existenzgründung 2006, IDZ-Information Nr. 3/2007 v. 3.9.2007, S. 24. Abb. 16-6: Investitionsvolumen bei Einzelpraxisübernahme in den neuen Bundesländern bei Zahnärzten 2005/2006.
Jahr 1996, die Erfahrungsrelationen zwischen Umsatz und Goodwill von Arztpraxen ausweist. Nach dem Autor wurden diese Relationen durch Informationen von Finanzdienstleistern, Kassenärztlichen Vereinigungen und Praxisvermittlungsdiensten ermittelt. Dabei wurde zwischen einem Mindestsatz, einem Mittelsatz und einem Höchstsatz unterschieden. Unabhängig von der Tatsache, dass es bei der Untersuchung nicht um eine wissenschaftliche Erhebung, sondern wohl eher um eine Umfrage unter stark interessengeleiteten Probanden mit enormer Subjektivität gehandelt hat, denen außerdem eine stark unterschiedliche Marktkenntnis unterstellt werden muss, sind seit der Veröffentlichung von Barthel über 14 Jahre vergangen. Die Ergebnisse von Barthel, sollten diese jemals die Marktverhältnisse auch nur annähernd reflektiert haben, sind daher sicherlich nach heutigen Marktgesichtspunkten stark zu revidieren. Um einen aktuellen Marktüberblick zu liefern, sind in der nachfolgenden Tabelle Preise für Gesamtpraxen, die bei unterschiedlichen Transaktionen (Verkauf Einzelpraxis und Gemeinschaftspraxis, Erfahrungssätze zur Ermittlung des Goodwill einer Arztpraxis (in Prozent vom Umsatz) Allgemeinarzt Augenarzt Frauenarzt HNO-Arzt Dermatologie Innere Medizin Kinderarzt Labormedizin Neurologie Orthopädie Praktischer Arzt Radiologie Urologie Zahnarzt Heilpraktiker Tierarzt
Mindestsatz Mittelsatz 30% 44% 25% 37% 26% 42% 27% 36% 18% 27% 25% 36% 25% 38% 24% 36% 26% 32% 15% 29% 24% 40% 20% 24% 22% 34% 20% 34% 21% 35% 18% 35%
Höchstsatz 60% 48% 56% 46% 42% 48% 47% 50% 38% 42% 56% 28% 46% 50% 54% 52%
Quelle: Barthel, C. W. (1996), S. 163. Abb. 16-7: Goodwill als Erfahrungssatz in Prozent des letzten Umsatzes.
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Wolfgang Merk Anteilsveräusserung, Sozietätsgündung durch Neuaufnahme eines Partners, Fusion) realisiert bzw. vertraglich festgelegt wurden, aufgeführt. Der Tabelle liegen ca. 350 Transaktionen in den Jahren 2006 – 2008 zugrunde. Beim Großteil der Transaktionen erfolgte die Preisfestlegung auf der Basis eines vorliegenden Bewertungsgutachtens, das den Praxiswert mit der Ertragswertmethode bezifferte. Die Statistik enthält sowohl “Stadt-” als auch “Landpraxen” mit unterschiedlichster Gewinnsituation. Eliminiert wurden Sonderfälle, wie z.B. stark defizitäre Praxen, für die kein ideeller Wert realisiert werden konnte. Goodwill in Prozent vom letzten Jahresumsatz 2006-2008 Untergrenze Obergrenze 22% 103% Augenärzte Allgemeinärzte / Hausärzte 10% 75% Chirurgen 45% 95% Gynäkologen 38% 83% HNO-Ärzte 35% 75% Hautärzte 30% 92% F.ä. Internisten mit Schwerpunkt 42% 122% Kinderärzte 33% 65% Neurologen 40% 92 % Orthopäden 40% 118 % Urologen 35% 80 % Radiologen 26% 78 % Zahnärzte 15% 72 %
Abb. 16-8: Goodwill in Prozent des letzten Umsatzes des Bewertungsobjektes bei Arzt- und Zahnarztpraxen 2006–2008. Eigene Darstellung
Es zeigt sich, dass teilweise erhebliche Schwankungsbreiten vorliegen, sowohl innerhalb, als auch zwischen den Facharztgruppen. Im Vergleich zu der Statistik von Barthels ist außerdem auffällig, dass sich die Obergrenzen bzw. Höchstsätze deutlich erhöht haben. Dies ist sicherlich auch darauf zurückzuführen, dass die Umsatz- und Gewinnsituation zwischen den Praxen im Vergleich zu 1996 weitaus stärker schwankt. Renditestarke Praxen, die Größenvorteile durch economies of scale und/ oder economies of scope realisieren können, sind daher in der Lage, bei Transaktionen insbesondere für Praxisanteile, weit überdurchschnittliche Sätze betriebswirtschaftlich zu begründen und am Markt zu realisieren. In den stark angestiegenen Obergrenzen spiegelt sich daher auch die angestiegene Heterogenität der Bewertungsobjekte und Bewertungsanlässe wider. Hinzuweisen ist aber auch auf die insbesondere in den Neuen Bundesländern feststellbare Differenz zwischen betriebswirtschaftlich begründbaren Werten und den tatsächlich erzielbaren Verkaufserlösen. Für eine allgemeinärztliche Landpraxis in Mecklenburg-Vorpommern kann unter Umständen durchaus ein nennenswerter Ertragswert unter Fortführungsgesichtspunkten ermittelt werden. Es ist aber aufgrund der derzeitigen Marktverhältnisse häufig fraglich, ob überhaupt eine Nachfrage für diese Praxis besteht. Die starke Schwankungsbreite macht aber auch deutlich, dass die bisher häufig von Bewertern implizierte Auffassung, dass Arzt- und Zahnarztpraxen weitestgehend homogene Bewertungsobjekte sind und eine Bewertung nicht auf Basis einer spezifischen betrieblichen Planungsrechung, sondern vergleichsweise einfach (retrograd) über den Markt erfolgen kann, nicht zutrifft. Letztlich muss eine fundierte Bewertung immer aus einer betrieblichen Planungsrechung abgeleitet werden, deren Ergebnis dann gegebenenfalls unter bekannten Markt- bzw. Verkehrswertaspekten zu plausibilisieren ist. Eine Bewertung, die lediglich anhand von mehr oder weniger guten Kenntnissen über in der Vergangenheit erzielte Marktpreise vorgenommen wird, kann den Anforderungen, die an eine ordnungsgemäße Unternehmensbewertung gestellt werden, im Regelfall nicht gerecht werden. Dies gilt natürlich auch – oder wenn man so will ganz besonders – für die Bewertung von Arzt- und Zahnarztpraxen.
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 378
16 Bewertung von Arztpraxen, Zahnpraxen u. Med. Versorgungszentren
16.5 Literatur Altendorfer, R.; Merk, W.; Jentsch, I.: Das medizinische Versorgungszentrum: Rechtliche, wirtschaftliche und steuerliche Aspekte, Frankfurt am Main 2004. Apotheker- und Ärztebank, Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.): Existenzgründungsanalyse Ärzte 2004/2005, Düsseldorf, Berlin 2006. Barthel, C. W.: Unternehmenswert – Der Markt bestimmt die Bewertungsmethode. In: Der Betrieb (1996), S. 149–163. Behringer, Stefan: Unternehmensbewertung der Mittel- und Kleinbetriebe. 4., neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Berlin 2009. Boos, F.: Bewertung von Arztpraxen im Rahmen des Zugewinnausgleichs. In: MedizinRecht, Heft 4 (2005), S. 203–208. Born, K.: Unternehmensanalyse und Unternehmensbewertung, Stuttgart 1995. Bundesärztekammer: Richtlinie zur Bewertung von Arztpraxen. In: Deutsches Ärzteblatt (1987), A-926 bis A-929. Bundesärztekammer: Hinweise zur Bewertung von Arztpraxen. In: Deutsches Ärzteblatt (2008), Heft 51–52, A-4 bis A-6. Dahm, F.-J.; Möller, K.-H.; Ratzel, R.: Rechtshandbuch Medizinische Versorgungszentren, Berlin u.a. 2005. Dietrich, M.O.: Medical Practice Valuation, Guidebook 2001/2002, San Diego 2001. Frielingsdorf, G.: Praxiswert – Der Wert zur richtigen Bestimmung in Arzt- und Zahnarztpraxen, Neuwied 1989. Gatzen, M.: Bewertung von Arztpraxen, Bergisch Gladbach; Köln 1992; zugleich Köln, Univ. Diss. 1991. Goetzke, W.: Der Verkehrswert der Zahnarztpraxis – die Bewertungsmethodik muss stimmen. In: Niedersächsischen Zahnärzteblatt NZB, Nr. 5/1993, o.S. Henkel, M. P.; Merk, W.: Zur Bedeutung des Verkehrswerts einer Praxis bei der Nachfolgezulassung. Eine Besprechung des Urt. v. 30.5.2001 des SG Dortmund – S 9 Ka 60/01, In: MedizinRecht (2002), Heft 6. Institut der Deutschen Zahnärzte (Hrsg.): Investitionen bei der zahnärztlichen Existenzgründung 2006, IDZ-Information Nr. 3/2007 v. 03.09.2007 Kassenärztliche Bundesvereinigung (Hrsg.): Grunddaten zur vertragsärztlichen Versorgung in Deutschland 2007. Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (Hrsg.): KZBV Jahrbuch 2007 – Statistische Basisdaten zur vertragsärztlichen Versorgung. Kosiol, E.: Erkenntnisstand und methodologischer Standort der Betriebswirtschaftslehre. In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 31. Jg. (1961), Heft 3, S. 129–136. Küntzel, W.: Bewertung von Arztpraxen, in: Deutsches Steuerrecht, Heft 26 (2000), S. 1103–1110. Kupsch, P.: Bewertung von Arztpraxen mittels Ertragswertverfahren – Zusammenfassung eines Gutachtens. In: Bayerisches Zahnärzteblatt, Heft 2/1994, S. 14–20. Münstermann, H.: Wert und Bewertung der Unternehmung, Wiesbaden 1966. Merk, W.: Preis und Wert der Praxis: Die Kluft wird größer. In: Deutsches Ärzteblatt (1997), Heft 10 vom 7.3.1997, S. A-608. Merk, W.: Wettbewerbsorientiertes Management von Arztpraxen, Wiesbaden 1999. Pilz, D.: Die Unternehmensbewertung in der Rechtsprechung, 3. Aufl. 1994. Schirmer, H. D.: Vertragsarztrecht kompakt. Köln 2005, S. 215 ff.
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Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 380
17 Bewertung von Fußballunternehmen Von Vera-Carina Elter* 17.1 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 17.2 Die objektivierte Ermittlung von Marktwerten für Spielervermögen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 17.2.1 Allgemein. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 17.2.2 Das Recht auf Transferentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 17.2.2.1 Das – abtretbare – geldwerte Recht am Spieler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 17.2.2.2 Das föderative Recht am Spieler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 17.2.2.3 Das Bosman-Urteil. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 17.2.2.4 Das Webster-Urteil. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 17.2.3 Die Bilanzierung des Spielervermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 17.2.3.1 Die bilanzielle Bedeutung des Spielervermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 17.2.3.2 Die Bilanzierung nach HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 17.2.3.3 Die Bilanzierung nach International Financial Reporting Standards . . . . . . . . . . . 386 17.2.3.4 Unterschiede zwischen Buch- und Marktwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 17.2.3.5 Unterschiede zwischen Wert und Preis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 17.2.4 Bewertungsanlässe beim Spielervermögen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 17.2.5 Bewertungsmethoden für Spielervermögen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 17.2.5.1 Der kapitalwertorientierte Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 17.2.5.2 Der kostenorientierte Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 17.2.5.3 Der marktpreisorientierte Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 17.2.6 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 17.3 Markenbewertung bei Fußballunternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 17.3.1 Bedeutung der Marke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 17.3.2 Ökonomische Messung der Marke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 17.3.3 Marke versus Trademark. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 17.3.4 Bilanzierung von Marken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 17.3.5 Bewertungsanlässe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 17.3.6 Allgemein anerkannte Verfahren zur Markenbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 17.3.7 Abgrenzung zu Medienanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 17.3.8 Markenbewertung von FutureBrand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 17.4 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400
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Prof. Dr. Vera-Carina Elter ist Partnerin bei der KPMG AG im Bereich Corporate Finance, Düsseldorf.
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Vera-Carina Elter
17.1 Vorbemerkung Sportvereine werden zu umsatzstarken Wirtschaftsunternehmen, die sich zu großen Teilen aus der Vermarktung des Sports und nur noch zu einem geringen Teil aus Mitgliederbeiträgen finanzieren. Sportveranstaltungen werden immer häufiger zu kommerziellen Events, die durch den Verkauf von medialen Rechten sowie Werbe- oder sonstigen Rechten refinanziert werden. Vor diesem Hintergrund gehören mediale Verwertungs-, Werbe-, Marken- und Vermarktungs-, Transfer-, Hospitality- sowie Ticketingrechte (siehe hierzu Abb. 17-1) und zu den wesentlichen Vermögenswerten der Vereine und sind gleichzeitig wichtige Werttreiber und Erfolgsfaktoren im operativen Geschäft. Durch das wachsende Interesse von Wirtschaft und Medien und den damit einhergehenden Steuerungsmechanismen gewinnt demnach auch die Bewertung dieser zentralen Rechte zunehmend an Bedeutung und praktischer Relevanz. Nachfolgend ist daher beispielhaft die Bewertung von Markenund Transferrechten (= Spielervermögen) für Fußballunternehmen1 dargestellt.
Mediale Rechte Alle Rechte im Zusammenhang mit den Verwertungssystemen Fernsehen, Hörfunk, Internet und Neue Medien (z.B. Mobil Devices).
Transferrechte Namens- und Logorechte – im Wesentlichen klassische Merchandisingund Lizenzrechte – Namensrechte an Stadien
Rechte im Umfeld des Sports
Transferrechte beinhalten das Recht von einem anderen Verein eine Ablösesumme für das vorzeitige Herauskaufen eines Spielers aus seinem Arbeitsvertrag zu verlangen.
Ticketing-und Hospitalityrechte
Werbe- und Marketingrechte
– Eintrittskarten – Vermarktung von Business Seats, Logen – Catering
Alle Werbe- und Marketingrechte rund um das Stadion und den Verein, z.B. – Trikotsponsoring – Werbebanden
Quelle: Eigene Darstellung Abb. 17-1: Beispielhafte Rechte eines Fußballunternehmens
17.2 Die objektivierte Ermittlung von Marktwerten für Spielervermögen 17.2.1 Allgemein Durch die Ausgliederungen von Lizenzmannschaften der Fußballunternehmen in Kapitalgesellschaften wird der Kreis der bisherigen Bilanzadressaten (Verband, Steuerbehörden, Kreditinstitute) um Aktionäre und potenzielle Investoren vergrößert. Die Aufnahme von Eigen- und Fremdkapital erfordert eine größere Transparenz der Vermögenssituation im externen Rechnungswesen sowie Kapitalmarktfähigkeit (insbesondere durch die Implementierung von Planungs- und Controlling1
Der Begriff Fußballunternehmen wird im Folgenden als Oberbegriff unabhängig von der Rechtesform für Fußballvereine und Fußballkapitalgesellschaften verwendet.
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17 Bewertung von Fußballunternehmen systemen) und eine stärkere Kapitalmarktkommunikation. Dies bedingt für die Fußballunternehmen teilweise eine große Umstellung, da in der Vergangenheit die Offenlegung der Finanzinformationen oftmals nur sehr zurückhaltend betrieben wurde. Jedoch können die mit der Ausgliederung in Kapitalgesellschaften zwangsläufig verbundenen Publizitätspflichten nicht nur als Belastung sondern auch als Chance verstanden werden, den Zugang zu externem Kapital zu erleichtern und den Marktauftritt zu unterstützen. Angesichts sinkender Fernseheinnahmen (bis zur Saison 2005/06 einschließlich) und steigender Personalkosten in der Vergangenheit haben Fußballunternehmen häufig noch heute erhebliche finanzielle Probleme, die sie oftmals an den Rand einer bilanziellen Überschuldung führen. Da die Fußballunternehmen häufig ein geringes, teilweise sogar ein negatives Eigenkapital aufweisen, erhält das Spielervermögen als potenzieller Träger von stillen Reserven und Lasten bzw. zur Aufstellung eines Überschuldungsstatus eine hohe Bedeutung. Der Wert des Spielervermögens stellt das zentrale Vermögen eines Fußballunternehmens dar. Dieser kann bisweilen 50 % der Bilanzsumme übersteigen. Das Spielervermögen dient folglich häufig als Sicherheit zur Unterlegung von Kreditengagements, da den Fußballunternehmen alternativ nur wenige bilanzielle Sicherheiten mit hoher Bonität (Sach- oder Finanzanlagen) zur Verfügung stehen. Aus Sicht aller Stakeholder besteht daher die Notwendigkeit eines objektivierbaren Bewertungsverfahrens von Spielervermögen, da dieses den entscheidenden Werttreiber darstellt und somit erhebliche bilanzielle und finanzielle Wirkung besitzt. Die Implementierung bzw. Anwendung eines objektivierbaren Bewertungsverfahrens für Spielervermögen kann unter den derzeitigen Bedingungen einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung der Transparenz und Glaubwürdigkeit der Fußballunternehmen leisten.
17.2.2 Das Recht auf Transferentschädigung 17.2.2.1 Das – abtretbare – geldwerte Recht am Spieler Unter dem Recht auf Transferentschädigung (= Transferrecht) ist das – abtretbare – geldwerte Recht am Spieler zu verstehen, das bei dem Fußballunternehmen liegt, bei dem der Spieler unter Vertrag steht. Es beinhaltet hauptsächlich das Recht, von einem am Spieler interessierten Fußballunternehmen eine Ablösesumme (Vertragsrauskaufsumme) für die vorzeitige Entlassung des Spielers aus dem Arbeits-/ Vertragsverhältnis zu verlangen. Über ein solches Recht auf eine Entschädigung verfügt jeder Arbeitgeber (nicht nur im Bereich des Fußballs), der mit einem Arbeitnehmer ein befristetes Arbeitsverhältnis eingegangen ist, da ein Arbeitgeber bei vorhandenem Interesse an einer Verpflichtung des Arbeitsnehmers durch einen Dritt-Arbeitgeber für das Einverständnis einer vorzeitigen Vertragsaufhebung eine Entschädigung (Ablösesumme) verlangen kann.
17.2.2.2 Das föderative Recht am Spieler Vom – abtretbaren – geldwerten Recht ist das föderative Recht (verbands- und fußballspezifische Recht) an einem Spieler zu unterscheiden, welches gemäß den einschlägigen Verbandsvorschriften immer bei dem Fußballunternehmen liegt, das den Spieler unter Vertrag hat, und somit als unabtretbar zu bezeichnen ist. Das föderative Recht an einem Spieler beinhaltet das Recht des Fußballunternehmens, im Zusammenhang mit dem Wechsel des Spielers die Freigabe zu erteilen, da dieser beim neuen Fußballunternehmen grundsätzlich erst registriert (Ausstellen der Spielberechtigung) werden kann, wenn die Freigabeerklärung erfolgt ist.
17.2.2.3 Das Bosman-Urteil Das Transfergeschäft wurde durch das sog. Bosman-Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 15. Dezember 1995 stark beeinflusst. Der EuGH erklärte die damaligen Transferbestimmungen und die Ausländerklauseln in den Regeln der professionellen Fußballverbände für unvereinbar mit dem Freizügigkeitsrecht gemäß Art. 48 EG-Vertrag. Dieses Recht gewährt den EU-Ausländern die
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Vera-Carina Elter Gleichbehandlung mit Inländern als Arbeitnehmer, also in Bezug auf Arbeitsplatzwahl und Beschäftigungsbedingungen. Das Urteil gilt nur für Transfers nach Vertragsende, so dass ein Fußballunternehmen den Spieler nach wie vor herauskaufen muss, wenn zwischen dem Spieler und einem anderen Fußballunternehmen noch ein laufender Vertrag besteht Als Folge setzte sich eine Transferpraxis durch, nach der regelmäßig langfristig befristete Verträge geschlossen wurden, um die Spieler an das Fußballunternehmen zu binden. Eine ordentliche Kündigung war i.d.R. während der Laufzeit des befristeten Vertrags ausgeschlossen. In dieser Transferpraxis sah die EU-Kommission jedoch eine Umgehung des Bosman-Urteils. Im März 2001 haben sich daher die Fédération Internationale de Football Association (FIFA) und die Union des Associations Européennes de Football (UEFA) mit der EU über die Prinzipien eines internationalen Transfersystems geeinigt. Die FIFA hat daraufhin auf Basis dieser Grundsätze das Reglement bezüglich Status und Transfer von Spielern überarbeitet und die Neufassung mit Wirkung zum 1. September 2001 (ersetzt durch aktuelles Reglement zum 1. Juli 2005 mit Modifizierungen zum 1. Januar 2008) in Kraft gesetzt. Hiernach dürfen Vertragslaufzeiten von Lizenzspielern 5 Jahre nicht überschreiten. Die Ablösesumme ist zwischen den beiden Fußballunternehmen – unter dem Vorbehalt zu beachtender vertraglicher Abmachungen – frei verhandelbar, wobei ein vorzeitiger Vereinswechsel das Einverständnis des Spielers voraussetzt. Das Bezahlen einer Ablösesumme kommt grundsätzlich unabhängig vom Alter für sämtliche Spieler, die aus dem bestehenden Vertrag herausgelöst werden sollen, zum Tragen. Bei einem Wechsel eines Spielers unter 23 Jahren während der Laufzeit eines Vertrages wird gemäß des FIFA-Reglements – neben der Ablösesumme – zusätzlich auch eine Ausbildungsentschädigung fällig. Diese hat das den Spieler verpflichtende Fußballunternehmen an alle Fußballunternehmen, die zwischen dem 12. und 21. Lebensjahr des Spielers bzw. dem Lebensjahr des Spielers in dem die Ausbildung abgeschlossen wurde, zu seinem Training und zu seiner Ausbildung beigetragen haben, gemäß bestimmter Parameter zu leisten.
17.2.2.4 Das Webster-Urteil Im Fall des schottischen Fußballprofis Andy Webster hat der Internationale Sportgerichtshof (CAS) am 30. Januar 2008 bestätigt, dass Spieler bis zu einem Alter von 28 Jahren nach einer „Schutzzeit“ von drei Jahren und ältere Spieler nach einer „Schutzzeit“ von zwei Jahren gegen eine Ablösesumme in Höhe der dann noch ausstehenden Gehaltszahlungen grundsätzlich ins Ausland wechseln dürfen. Auslöser für das Urteil war der im Jahr 2001 auf Druck der EU vom Weltverband eingeführte Artikel 17 der FIFA-Transferbestimmungen. Dieser besagt, dass ein Fußballprofi bei einem Wechsel ins Ausland seinen Kontrakt nach einer „geschützten“ Laufzeit von drei (bis zum 28. Lebensjahr) bzw. von zwei Jahren (nach dem 28. Lebensjahr) einseitig auflösen kann. Nach dem CAS-Urteil im Fall Webster muss der Spieler selbst oder der aufnehmende Verein allerdings nicht – wie von der FIFA gefordert – eine hohe Konventionalstrafe, sondern lediglich das noch ausstehende Gehalt zahlen. Für eine Analyse der konkreten Auswirkungen dieses Urteils ist es derzeit noch zu früh, es scheint jedoch klar, dass dieses CAS-Urteil ähnlich – wie der Fall Bosman – weit reichende Folgen auf den Profifußball und damit auch auf die Bilanzierung und Bewertung von Humankapital haben kann.
17.2.3 Die Bilanzierung des Spielervermögens 17.2.3.1 Die bilanzielle Bedeutung des Spielervermögens In den Jahren vor 2003 ist ein deutlicher Anstieg der durchschnittlichen Bilanzsumme der Fußballunternehmen der 1. Bundesliga festzustellen, der zum größten Teil auf die Entwicklung des aktivierten Spielervermögens zurückzuführen ist. Gründe für den kontinuierlichen Anstieg des durchschnittlich aktivierten Spielervermögens in dieser Zeit könnten Verschiebungen in der Bilanzierungspraxis der Fußballunternehmen sowie die möglicherweise im Zusammenhang mit einer Ausgliederung vorgenommene Hebung von stillen Reserven im Spielervermögen sein.
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17 Bewertung von Fußballunternehmen Zwischen 2003 und 2005 war das durchschnittlich aktivierte Spielervermögen jedoch rückläufig. Diese Entwicklung spiegelt die seit 2002 sinkenden Transferausgaben, die steigende Anzahl von ablösefreien Transfers, die zunehmende Zahl an Ausleihungen der Fußballunternehmen sowie den Anstieg der Verpflichtungen von Eigengewächsen wider. Mit dieser Entwicklung sinken gleichzeitig auch die bilanziellen immateriellen Vermögenswerte der Fußballunternehmen, die für Fremd- und Eigenkapitalgeber von wesentlicher Bedeutung sind. Der erneute Anstieg des aktivierten durchschnittlichen Spielervermögens in der 1. Bundesliga ab dem Jahr 2006 ist möglicherweise Ausdruck der verbesserten Finanz- und Ertragslage der Fußballunternehmen.
18.921
20.000 18.000 16.000 13.255 12.683
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14.000 12.000
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0
Quelle: DFL, Bundesliga Report 2006, 2007, 2008, 2009 Abb. 17-2: Durchschnittlich aktiviertes Spielervermögen in der 1. Bundesliga
17.2.3.2 Die Bilanzierung nach HGB In der deutschen bilanzrechtlichen Literatur wird seit vielen Jahren darüber diskutiert, ob das Spielervermögen eines Fußballunternehmens einen aktivierungsfähigen Vermögensgegenstand darstellt oder nicht. Die Diskussion wurde insbesondere durch ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26. August 1992 beeinflusst, nach dem die Spielerlaubnis – nicht die Transferzahlung als solche – als immaterieller Vermögensgegenstand, welcher selbständig verkehrsfähig und bewertbar ist, im Sinne eines konzessionsähnlichen Rechts zu aktivieren ist. Zu berücksichtigen ist, dass diese Entscheidung zu einer Zeit getroffen wurde, als der DFB die Lizenzierungsbestimmungen noch mit der Zahlung einer Transferentschädigung durch das aufnehmende Fußballunternehmen an das abgebende Fußballunternehmen als notwendige Voraussetzung zur Erteilung der Spielerlaubnis verbunden hat. Zumindest in der steuerlichen Gewinnermittlung ist seit dem von einer Aktivierungspflicht der entgeltlich erworbenen Spielerlaubnis auszugehen. Nach dem Bosman-Urteil des EuGH wurden auch die Lizenzbestimmungen des DFB geändert. Transferzahlungen fallen seit dem nur noch dann an, wenn ein Spieler vor dem Ende der Vertragslaufzeit zu einem anderen Fußballunternehmen wechselt. Die Erteilung der Spielerlaubnis durch die DFL ist hiernach nur noch an formale Voraussetzungen wie z.B. das Bestehen eines Arbeitsvertrags mit dem neuen Fußballunternehmen gebunden. Derzeit wird nur das erworbene Spielervermögen nach den Vorschriften des HGB mit den gezahlten Anschaffungskosten (entspricht der Transferentschädigung) in der Bilanz aktiviert. Der immaterielle
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Vera-Carina Elter Vermögensgegenstand wird planmäßig über die Laufzeit des Arbeitsvertrages abgeschrieben, da die Spielerlaubnis mit Ablauf der Vertragsdauer ihre Gültigkeit verliert. Bei einer dauerhaften Wertminderung des Spielers (z.B. Sportinvalidität) muss darüber hinaus eine außerplanmäßige Abschreibung vorgenommen werden. Bei nur vorübergehender Wertminderung besteht für die Fußballunternehmen ein Abschreibungswahlrecht. Eventuell gezahlte Spielervermittlungskosten werden bei einem Transfer mit der gezahlten Transferentschädigung i.d.R. als Anschaffungsnebenkosten ebenfalls aktiviert. Im Falle direkter Zahlungen an Spieler im Zusammenhang mit Vereinswechseln (sog. Signing Fee) werden diese dagegen nicht als Anschaffungsnebenkosten im Anlagevermögen sondern als aktiver Rechnungsabgrenzungsposten aktiviert. Spieler aus den eigenen Jugend- und Amateurmannschaften dürfen handels- und steuerrechtlich nicht bilanziert werden, da für selbsterstellte immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens ein Aktivierungsverbot besteht.
17.2.3.3 Die Bilanzierung nach International Financial Reporting Standards Die IFRS erfordern die Bilanzierung von Humankapital unter bestimmten Bedingungen, insbesondere muss die hierfür häufig fehlende Verfügungsmacht im Sinne der Kontrolle über den aus der Verfügbarkeit des Humankapitals erwachsenden Nutzens gegeben sein. Diese ist durch entsprechende Gestaltung von Arbeitsverträgen erreichbar. Erworbenes Spielervermögen stellt auch nach IFRS einen aktivierungsfähigen immateriellen Vermögenswert dar (IAS 38). Zu bilanzieren ist mit Zugang des Spielers der wirtschaftliche Vorteil aus der exklusiven Einsetzbarkeit des Spielers und damit dessen Motivation und Fähigkeiten im Spielbetrieb, ab einem bestimmten Zeitpunkt (der vor Ablauf des bisherigen Arbeitsvertrags liegt) und für einen festgelegten Zeitraum. Darüber hinaus kann aus einem möglichen künftigen Verkauf des Spielers dem Fußballunternehmen ein zusätzlicher wirtschaftlicher Nutzen zufließen. Die Bewertung erfolgt bei Zugang zu Anschaffungskosten, soweit sie dem Zugang des Vermögenswertes direkt zurechenbar sind. Hierzu zählt insbesondere eine Transferzahlung an das abgebende Fußballunternehmen. Provisionszahlungen an Spielervermittler/-berater sowie an den Spieler gezahlte Signing Fees sind hinsichtlich ihrer Zurechenbarkeit zu den Anschaffungskosten im Einzelfall zu beurteilen. Diese Zahlungen können insbesondere Bestandteil der Anschaffungskosten sein, wenn sie nur im Hinblick auf den Vertragsschluss mit dem Spieler erfolgen, d.h. keine weiteren Gegenleistungen oder Rückforderungsmöglichkeiten für das Fußballunternehmen vereinbart werden. Die Folgebewertung erfordert planmäßige lineare Abschreibungen, wobei der Restwert am Ende der Nutzungsdauer zu berücksichtigen ist. Die alternative Neubewertungsmethode ist mangels Erfüllung der Kriterien eines aktiven Marktes nicht zulässig. Im Rahmen der Folgebewertung sind ggf. auch außerplanmäßige Wertminderungen (impairments) zu berücksichtigen, wobei zur Bestimmung des Zeitwerts (Fair Value less costs to sell) das auf einem Marktansatz basierende objektivierte Bewertungsmodell herangezogen werden kann, das auf Basis einer hinreichend großen Grundgesamtheit an Spielern und Spielerkriterien aus vergangenen Transferpreisen durch Clusterung Transaktionspreise für Spieler vergleichbarer Qualität ermöglicht. Ist die Ermittlung des Nutzungswerts (Value in use) erforderlich, muss mangels Zuordenbarkeit von Cash Flows zu einzelnen Spielern der Impairment Test auf Ebene der Cash Generating Unit, d.h. für das gesamte Fußballunternehmen/die Lizenzspielerabteilung, durchgeführt werden. Die Bilanzierung von selbst ausgebildeten Nachwuchsspielern als selbsterstellte immaterielle Vermögenswerte wird durch das Kriterium der Verfügungsmacht stark eingeschränkt; mangels zuverlässiger Bestimmung der Herstellungskosten ist die Bilanzierung im Regelfall nicht zulässig. Da das Vorliegen eines aktiven Marktes für Humankapital im vorliegenden Fall zu verneinen ist, ist die Inanspruchnahme der Erleichterungsregel des IFRS 1 zur Übernahme der immateriellen Vermögenswerte des Spielervermögens mit Zeitwerten in die IFRS-Eröffnungsbilanz bei erstmaliger Anwendung der IFRS nicht möglich.
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17 Bewertung von Fußballunternehmen
17.2.3.4 Unterschiede zwischen Buch- und Marktwerten Der bilanzierte Buchwert entspricht i.d.R. (Ausnahme: aktueller Zugang) nicht dem Marktwert des Spielervermögens, sondern den fortgeführten Anschaffungskosten (Anschaffungskosten abzüglich planmäßiger und außerplanmäßiger Abschreibungen) der von anderen Fußballunternehmen erworbenen Lizenzspieler. Der Buchwert ist somit abhängig von den jeweiligen Rechnungslegungsvorschriften, von der Art des Zugangs sowie von der Restlaufzeit des Arbeitsvertrags. Der Marktwert kann in Anlehnung an die Definition nach IFRS2 wie folgt beschrieben werden: „Der Marktwert eines Vermögenswertes ist der Betrag, zu dem dieser Vermögenswert zwischen sachverständigen, vertragswilligen und voneinander unabhängigen Geschäftspartnern („at arm’s length“) getauscht werden könnte.“
Aus Sicht des Vereins
Buchwerte von Spielervermögen in der Bilanz
Abhängig von
Rechnungslegungsvorschriften und Art des Zugangs
Marktwerte von Spielervermögen nicht in der Bilanz
≠
Spezifischen Merkmalen und sportlicher Leistung des Spielers (innerer Wert des Spielers)
Vertragsrestlaufzeit und Angebots- und Nachfrageverhältnisse (äußere Rahmenbedingungen)
Quelle: Eigene Darstellung Abb. 17-3: Buch- und Marktwert
Der Marktwert des Spielervermögens wird daher zum einen von der erbrachten Leistung und den spezifischen Merkmalen eines Spielers („innerer Wert“) und zum anderen von dessen Vertragslaufzeit sowie dem Marktumfeld und damit von der wirtschaftlichen Situation der Anbieter bzw. Nachfrager beeinflusst. Der Buchwert ist daher nur in einigen wenigen Fällen (bei relativ aktuellen Spielertransfers mit gezahlter Entschädigung) ein Indikator für den Marktwert. I.d.R. besteht jedoch eine große Diskrepanz zwischen Buch- und Marktwert, insbesondere bei Eigengewächsen bzw. unentgeltlich (ablösefrei) erworbenen Spielern, möglicherweise aber auch bei Spielern, die in einer „Hochphase des Transfermarktes“ zu relativ hohen Preisen und vice versa gekauft worden sind.
17.2.3.5 Unterschiede zwischen Wert und Preis Ausgangspunkt einer marktorientierten Bewertung von Spielervermögen sind Einzel-Preise, die am Markt durch individuelle Ertrags- und Risikoerwartungen von Anbietern und Nachfragern zustande gekommen sind. 2
Vgl.: IAS 38, Nr. 8b.
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Vera-Carina Elter Durch die Bildung eines repräsentativen Branchendurchschnittes kann von spezifischen Bewertungskomponenten für einzelne Spieler und den damit verbundenen individuellen Ertrags- und Risikoaussichten abstrahiert werden. Aus den beobachtbaren Einzel-Preisen wird ein Marktkonsens im Hinblick auf das aktuelle Bewertungsniveau von Vergleichsspielern abgeleitet und diese Preisinformation auf ein konkretes Bewertungsobjekt („Spieler“) angewendet. Der somit ermittelte objektivierbare Wert für Spieler spiegelt die aggregierten Wertvorstellungen einer Vielzahl von Marktteilnehmern bei einer Vielzahl von Transaktionen wider. Wert
Preis Subjektive Einschätzungen
Theoretisch fundierte Bewertungsmethodik
Isolierte Betrachtung eines einzelnen Spielers
Bildung eines repräsentativen Branchendurchschnitts
Bildung eines Preises resultierend aus den aktuellen Angebots- und Nachfrageverhältnissen am Markt Wertvorstellung eines einzelnen Marktteilnehmers bei lediglich einer Transaktion
Ableitung eines Marktkonsens über das Bewertungsniveauvon Vergleichsspielern
Preis
Verhandlung
≠
Wert
Wertvorstellungen einer Vielzahl von Marktteilnehmern bei einer Vielzahl von Transaktionen
Methodik
Ermittlung eines subjektiven Wertes
Ermittlung eines objektiven Wertes
Quelle: Eigene Darstellung Abb. 17-4: Wert und Preis
Daneben existieren jedoch auch individuelle subjektive Einschätzungen bezüglich eines Vermögenswertes („Spielers“), die zu einem Marktpreis führen, der sich aus den Angebots- und Nachfrageverhältnissen am Markt einstellt. Der Marktpreis eines Spielers stellt die Grenzeinschätzung der Marktteilnehmer hinsichtlich des Wertes des Spielers dar und kann daher von einem typisierten ermittelten Wert abweichen. Es zeigt sich aber auch, dass für Finanzierungs- oder Rechnungslegungszwecke unabhängig von einzelnen Transaktionspreisen und damit verbundener subjektiver Einflüsse ein objektivierbarer nachprüfbarer Wert ermittelt werden muss.
17.2.4 Bewertungsanlässe beim Spielervermögen Die Bewertungsanlässe für eine monetäre Wertermittlung von Spielervermögen können vielfältigster Natur sein. Durch das Instrument eines objektivierbaren Bewertungsverfahrens erhalten Kreditinstitute und andere Stakeholder (Versicherungen, Steuerbehörden, Verband) mehr Transparenz und die Fußballunternehmen gewinnen an Glaubwürdigkeit. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der Baseler Eigenkapital-Vereinbarung (Basel II) wesentlich, nach deren Einführung die Kreditvergabe an die individuelle Risikoeinstufung des Kreditnehmers mittels Rating geknüpft wird. Das Spielervermögen als Sicherheit wird bisher auf Grund der hohen Abhängigkeit vom sportlichen Erfolg und Gesundheitszustand der Akteure sowie der vorhandenen Intransparenz bei Kreditgebern oftmals nur als „second best“ Lösung angesehen. Darüber hinaus verbinden Kreditinstitute mit dem Spielervermögen i.d.R. einen unter Risikogesichtspunkten intransparenten und eher subjektiv bewertbaren Vermögenswert, dessen Marktwertermittlung sich schwierig gestaltet.
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17 Bewertung von Fußballunternehmen „Eine objektivierbare einheitliche Bewertung der Lizenzspieler wäre aus versicherungstechnischer Sicht sehr zu begrüßen. Insbesondere würde dann eine allgemeingültige und von der Versicherungswirtschaft akzeptierte Grundlage für die Ermittlung der Marktwerte der einzelnen Lizenzspieler bestehen. Diese würde bei der Ermittlung der Versicherungssummen, die der Klub bei der Marktwertdeckung aufgeben muss, herbeigezogen und stellt für die Versicherer gleichzeitig die vom Versicherungsnehmer zu erbringende Rechtfertigung der Versicherungssumme dar (justification of Sum Insured).“ Kai Bockelmann, Leiter der Abteilung Sport, Recreation & Entertainment, Aon Jauch & Hübener. Ein objektivierbares Bewertungsverfahren ist nicht nur für Fremdkapitalgeber notwendig, sondern in gleichem Maße auch für die Gewinnung von Eigenkapitalgebern (strategische oder Finanzinvestoren) sowie für alternative Finanzierungsformen wie z.B. Mezzanine Kapital, Anleihen oder auch Asset Back Securities. Außerdem haben Methoden zur Bewertung von „Spielervermögen“ durch die Einführung des europäischen Lizenzierungsverfahrens, das ein sog. Impairment of Assets vorschreibt, an Bedeutung gewonnen. Hierbei wird das „Spielervermögen“ jährlich auf eine mögliche Wertbeeinträchtigung überprüft. Liegt der aktuell ermittelte Marktwert eines Spielers unter dem bilanzierten Buchwert, ist eine Abschreibung vorzunehmen. Die Werthaltigkeit des Buchwertes ist jährlich für jeden einzelnen bilanzierten Akteur nachzuweisen und vom Wirtschaftsprüfer zu testieren. Auch im Rahmen einer bilanziellen Überschuldung müssen Marktwerte ermittelt werden, da der Bilanzposten Spielervermögen für die Fußballunternehmen oftmals die einzige Möglichkeit darstellt, stille Reserven zur Vermeidung eines Insolvenztatbestandes aufzudecken. Darüber hinaus müssen europaweit ab dem 1. Januar 2005 bis auf wenige Ausnahmen alle kapitalmarktorientierten Unternehmen ihre Rechnungslegung für den Konzernabschluss auf IFRS umstellen. Zu beachten ist, dass diese Verpflichtung nicht nur Unternehmen trifft, deren Anteile an einer Börse in einem geregelten Markt gehandelt werden, sondern auch solche, die z.B. eine öffentliche Anleihe am Kapitalmarkt platziert haben (für letzteres galt eine Übergangsfrist bis 2007). Aufgrund der zunehmenden Bedeutung internationaler Vergleichbarkeit könnte die Anwendung der IFRS künftig insbesondere beim europäischen Lizenzierungsverfahren zum Tragen kommen, so dass die bilanzielle Behandlung des Spielervermögens nach IFRS an Relevanz gewinnt. Des Weiteren wurde auch im Bilanzrechtsreformgesetz für nicht börsennotierte Unternehmen in Deutschland ab 2005 ein Wahlrecht implementiert. „Ein einheitliches objektivierbares Bewertungsverfahren der Marktwerte von Lizenzspielern schafft Transparenz und sorgt somit für erhöhtes Vertrauen in die Managementfähigkeiten der Clubführung. Das erleichtert die Bereitschaft der Sport-Versicherungsbranche zur Zeichnung von höhersummigen D&O-Policen (directors & officers liability/Organhaftung der Clubs bzw. deren Kapitalgesellschaften), die schließlich für Schadensersatzansprüche Dritter aufgrund von Managementfehlern aufkommen müssen. Auch würde sich die latente Sorge der Branche um den moral hazard bei der Sportinvaliditätsversicherung („Marktwertdeckung“) reduzieren. D.h., die Branche gewinnt mehr Sicherheit, dass die Versicherungssumme dem tatsächlichen Wert entspricht – im Invaliditätsfall also nur der tatsächliche Schaden des Clubs ersetzt wird. Während ohne dieses Verfahren die Gefahr einer „Über“Versicherung von Spielern besteht, deren Potenzial sich eher dem Ende zuneigt.“ Jürgen Görling, Geschäftsführer, Hamburg-Mannheimer Sports GmbH Ein objektivierbares Bewertungsverfahren kann für die Fußballunternehmen auch wertvolle Unterstützung bei der internen wertorientierten Unternehmenssteuerung leisten, z.B. in Form von Orientierungshilfen für Kauf- und Verkaufspreise von Spielern, Leihgebühren sowie für eine Gehaltsanalyse der Spielergehälter.
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17.2.5 Bewertungsmethoden für Spielervermögen Die Bewertung von Spielervermögen hat generell nach denselben theoretischen Grundsätzen und Methoden wie die Bewertung von Unternehmen und sonstigen Vermögenswerten zu erfolgen. Werte können somit grundsätzlich auf Basis historischer Anschaffungs- und Herstellungskosten bzw. Entwicklungskosten (kostenorientierter Ansatz), mit Hilfe des Discounted Cashflow Verfahrens (kapitalwertorientierter Ansatz) sowie mittels unterschiedlicher Marktpreisverfahren (marktorientierter Ansatz) ermittelt werden.
17.2.5.1 Der kapitalwertorientierte Ansatz Beim kapitalwertorientierten Ansatz erfolgt die Ableitung des Wertes aus dem zukünftigen finanziellen Nutzen des jeweiligen Vermögenswertes. Da der Einzelspieler in eine Mannschaftssportart „eingebettet“ ist und deren Gesamtleistung die Erträge (neben mannschaftsunabhängigen Erträgen) des Fußballunternehmens bestimmen, müssten für eine Einzelbewertung zunächst die Erträge auf die einzelnen Spieler separiert werden. Diese Einzelallokation erscheint nur in Ausnahmefällen sowie durch eine Vielzahl von kaum nachprüfbaren Annahmen möglich. Der kapitalwertorientierte Ansatz scheidet daher zur Ermittlung der Marktwerte von Spielervermögen aus.
17.2.5.2 Der kostenorientierte Ansatz Auch der kostenorientierte Ansatz erscheint für die Spielerbewertung mit Problemen behaftet zu sein. Zur Ermittlung des Rekonstruktions- bzw. Wiederbeschaffungswertes müssen die relevanten Kosten angesetzt werden, die zur Beschaffung eines gleichwertigen Spielers bzw. eines Spielers, der dem Fußballunternehmen denselben Nutzen stiftet, notwendig sind. Dies bedeutet für einen erworbenen Spieler, dass die historisch gezahlte Ablösezahlung, bereinigt um die bisher eingetretenen Wertminderungen, sowie weitere Kosten, die während der Vertragslaufzeit angefallen sind, rekonstruiert werden müssten. Diese Rekonstruktion der Kosten dürfte regelmäßig schwierig ausfallen. Auch bei Spielern, die aus der eigenen Jugend- bzw. Amateurmannschaft („Eigengewächse“) kommen, erscheint der kostenorientierte Ansatz problematisch zu sein. Bei den „Eigengewächsen“ ist eine Kostenträgerrechnung auf Basis jedes einzelnen Spielers notwendig, die neben den direkt zuordenbaren Kosten auch alle Gemeinkosten nach bestimmten Verteilungsschlüsseln erfassen muss. Diese Kostenträgerrechnung dürfte in den wenigsten Fußballunternehmen vorhanden sein. Darüber hinaus erscheint eine Ermittlung des Marktwertes auf Basis der angefallenen Kosten nicht aussagefähig. Demnach hätte möglicherweise ein nicht so talentierter Spieler auf Grund seines höheren Trainingsaufwandes einen höheren Wert, als ein talentierter Spieler mit einem geringeren Trainingsaufwand.
17.2.5.3 Der marktpreisorientierte Ansatz Demnach erscheint nur der marktpreisorientierte Ansatz für die Ermittlung eines Marktwertes für Spielervermögen möglich zu sein, da bei diesem Ansatz auf Marktpreise, die zwischen fremden Dritten in der Vergangenheit realisiert worden sind, abgestellt wird. Durch die Definition von Kriterien bzw. Ausprägungsmerkmalen (z.B. Alter, Spielposition, Nationalität, Spieleigenschaft, gewichtete Leistungskriterien etc.) können im Rahmen einer Clusteranalyse bzw. eines Scoringsmodells Ähnlichkeiten zwischen den Vergleichsspielern, für die bereits eine Transaktion auf dem Markt zustande gekommen ist, und dem Bewertungsobjekt („zu bewertender Spieler“) hergestellt werden. Die realisierten Transferpreise der Vergleichsspieler aus der Vergangenheit sind jedoch zwingend auf das heutige Marktniveau hinsichtlich des Preises und der Transferwahrscheinlichkeit anzupassen. Darüber hinaus sind bei den zu bewertenden Spielern individuelle Besonderheiten, die sich auf den Wert des Spielers auswirken (z.B. langfristige Verletzung), in Form von Abschlägen bzw. Zuschlägen zu berücksichtigen.
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17 Bewertung von Fußballunternehmen Die Ableitung einer Wertvorstellung erfolgt bei dieser Methode durch die Bildung eines repräsentativen Branchendurchschnittes von beobachtbaren Marktpreisen und bildet damit einen Marktkonsens über das Bewertungsniveau von Vergleichsspielern. Somit spiegelt der Marktpreisansatz die Wertvorstellung einer Vielzahl von Marktteilnehmern bei einer Vielzahl von Transaktionen wider und kommt dem Wertgedanken (im Rahmen eines Market Approach) nahe. Schwieriger ist die Einordnung in solchen Fällen, in denen für einen sehr jungen Spieler der wesentliche Anteil des bezahlten Preises offensichtlich durch sein vermutetes Zukunftspotenzial und nicht durch seine bisher erbrachte Leistung gerechtfertigt wird (siehe Abb. 17-5). Es handelt sich um eine sogenannte „Talentprämie“, also einen Vorschuss auf erwartete zukünftige Leistungen und Ergebnisse.
Zusammensetzung Ablösesumme
Anteil Zukunftspotenzial
Anteil erbrachte Leistung
Alter des Spielers
Quelle: Eigene Darstellung Abb. 17-5: Beispielhafte Zusammensetzung von gezahlten Transferentschädigungen in Abhängigkeit des Alters eines Spielers
Die Abb. 17-5 soll verdeutlichen, dass eine eventuelle Transferentschädigung für einen „sehr jungen“ Spieler im Wesentlichen auf dem ihm zugeschriebenen Zukunftspotenzial basiert, für welches es noch keine beobachtbare Historie gibt, während eine eventuelle Transferentschädigung für einen „älteren Spieler“ zwar auch für seine zukünftige Leistung bezahlt wird, diese aber im Wesentlichen Spiegel seiner bereits in der Vergangenheit erbrachten Leistung ist. Diese Betrachtung soll ausschließlich die Anteilsverhältnisse einer eventuellen Transferentschädigung darstellen und enthält keine Aussage zur Höhe einer eventuellen Transferentschädigung. Die Abb. 17-5 zeigt, dass eine eventuelle Transferentschädigung für einen sehr jungen und talentierten Spieler nicht durch bisher beobachtbare bzw. erbrachte Leistungen zu rechtfertigen ist. Dieses Zukunftspotenzial wird sich vielmehr erst in zukünftigen Leistungen widerspiegeln. Vor diesem Hintergrund muss bei der Bewertung dieses Spielers eine Klassifizierung zum Bewertungsstichtag auf Basis eines Scoringmodells zu einer sehr niedrigen Anzahl an Scoringpunkten führen, obwohl eine möglicherweise gezahlte Transferentschädigung einen höheren Wert impliziert. Das heißt zwar nicht, dass der in der Regel gezahlte Preis per se zu hoch ist, aber zumindest, dass ein höheres Risiko
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Vera-Carina Elter der Realisierung durch zukünftige Leistungen des Spielers besteht. Daher müssen in einem solchen Fall immer wieder die impliziten Erwartungen über das zukünftige Leistungspotenzial in der ursprünglich getätigten Transferentschädigung mit den erbrachten Leistungen des Spielers in dem Zeitraum nach dem Transfer (der eine „Talentprämie“ beinhaltete) verglichen werden.
17.2.6 Ausblick Die Bilanzierung und Bewertung von Spielervermögen wird bei Rechnungslegungs- sowie Finanzierungsfragen der Fußballunternehmen und Verbände eine zunehmend bedeutendere Rolle spielen, da durch das Spielervermögen ein erheblicher Einfluss auf das Bilanzbild und somit auf die Vermögenssituation der Fußballunternehmen resultiert. Für alle Stakeholder werden Branchenkenntnisse bei der Beurteilung von Sicherheiten immer bedeutender. Die Unsicherheiten auf Seiten der Investoren bzw. Fremdkapitalgeber können von den Fußballunternehmen z.B. durch die Einführung eines objektivierbaren Bewertungsmodells für Spielervermögen aktiv gestaltet bzw. reduziert werden. Einheitlich angewendete objektivierbare Bewertungsverfahren zur Ermittlung des Marktwertes von Spielervermögen existierten in Deutschland bisher nicht. Der auf Bewertungen aller Art spezialisierte Bereich Corporate Finance der KPMG hat sich sehr intensiv mit dem Thema Bewertung von Spielervermögen beschäftigt. Dabei wurde ein objektivierbares Bewertungsverfahren für Spielervermögen entwickelt, das auf dem marktpreisorientierten Ansatz basiert und bereits mehrfach in der Praxis eingesetzt wurde. Ein derartiges einheitlich objektivierbares Verfahren zur Ermittlung von Marktwerten für Spielervermögen kann nicht nur für rechnungswesenbasierte Bewertungsanlässe eine wertvolle Unterstützungsfunktion leisten, sondern auch die für die Inanspruchnahme von innovativen Finanzierungsinstrumenten notwendige Transparenz wesentlich verbessern sowie als Unterstützung für ein internes Wertmanagement dienen.
17.3 Markenbewertung bei Fußballunternehmen 17.3.1 Bedeutung der Marke Bedingt durch ein ständig steigendes Freizeitangebot sowie dem damit einhergehenden zunehmenden Konkurrenzdruck zwischen diesen Angeboten müssen sich die Fußballunternehmen zu modernen Dienstleistungsunternehmen mit entsprechender Kundenorientierung wandeln. Der Wettbewerb zwischen den Fußballunternehmen findet inzwischen zunehmend international statt. Gleichermaßen sind auch die Absatzmärkte der Fußballunternehmen internationaler geworden. Die damit verbundene Erschließung neuer Absatzmärkte und die Steigerung des Markenbekanntheitsgrades stehen in der Regel im Vordergrund bei Entscheidungen von Fußballunternehmen ihre Trainingslager bzw. Freundschaftsspiele in attraktiven Märkten wie Asien oder Amerika auszurichten. So nutzen inzwischen eine Reihe von Fußballunternehmen die freien Zeiten zwischen den Ligaspielen um Tourneen in Asien oder Amerika durchzuführen. Es handelt sich hierbei im Wesentlichen um strategische Überlegungen zur Stärkung der Marke.
17.3.2 Ökonomische Messung der Marke Vor diesem Hintergrund erlangt die Marke des Fußballunternehmens und ihre Messung bzw. ihre ökonomische Dimension eine zunehmende Bedeutung. Profisportvereine sind Markenartikelunternehmen, d.h. das Markenpotenzial bestimmt gleichzeitig auch das ökonomische Potenzial. Je höher die Markenattraktivität eines Fußballunternehmens ist, desto größer ist sein Ertragspotenzial. Sämtliche qualitativen und quantitativen Kriterien fließen direkt oder indirekt in den Markenwert der Fußballunternehmen ein. Erst durch ihr komplexes/interdependentes Zusammenwirken entsteht eine vermarktbare Einheit. Die Marke ist daher ein wichtiger Vermögenswert der Fußballunternehmen. Die Markenattraktivität oder Markenstärke hat einen direkten Einfluss auf die Einnahmen aus dem Ticketing, dem Merchandising-Geschäft und der Verwertung der Marketingrechte sowie der zentralen/
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17 Bewertung von Fußballunternehmen dezentralen medialen Rechte. Auch wenn derzeit der größte Teil der medialen Rechte (Bundesligarechte für In- und Ausland) zentral durch den Ligaverband/die DFL vermarktet, spielt auch bei diesen die Markenstärke eine wichtige Rolle. Die Markenstärke ist wesentliche Grundlage für die medial generierte Reichweite, denn über attraktive Marken und somit über „Marken-Fußballunternehmen“ wird in der Regel unabhängig vom sportlichen Erfolg im Rahmen von Hintergrundberichterstattungen intensiver und länger berichtet. Dies trifft für Deutschland aber auch für die anderen europäischen Kernmärkte sowie für die Zukunftsmärkte in Asien zu. Eine höhere mediale Reichweite hat wiederum große Auswirkung auf alle anderen Einkunftsarten. Welchen Wert haben Marken eigentlich und wie ermittelt man diesen? Diskussionen um die Markenbewertung werden schon lange nicht mehr nur von den Marketingabteilungen der Unternehmen geführt, sondern erhalten insbesondere durch Regelungen der internationalen Rechnungslegung einen hohen Stellenwert in der „Finanzwelt“. In den letzten Jahren haben sich Marken auf Grund einer allgemein zunehmenden Bedeutung von immateriellen Vermögenswerten zu einer der zentralen Wertdeterminanten von Unternehmen allgemein entwickelt.
17.3.3 Marke versus Trademark Grundsätzlich wird zwischen der rechtlichen und der ökonomischen Dimension von Marken unterschieden.
Marke
trademark
brand
Existenz einer Marke an Erfüllung juristischer Kriterien festgemacht
Existenz einer Marke an Akzeptanz im Markt festgemacht
Lebensdauer der Marke bestimmt durch Dauer des rechtlichen Schutzes
Lebensdauer der Marke bestimmt durch Dauer der ökonomischen Nutzbarkeit
Quelle: KPMG/WGZ Bank Studie, S. 95 Abb. 17-6: Rechtliche und ökonomische Dimension einer Marke
Die rechtliche Dimension einer Marke betrifft den generellen (rechtlichen) Markenschutz. Der Markenschutz entsteht formal durch die Anmeldung und Eintragung einer Marke – unabhängig von ihrer Benutzung – für bestimmte Produkte und Dienstleistungen in nationalen und internationalen Markenregistern oder – ohne Eintragung – durch eine so lang andauernde, umfangreiche Verwendung eines Zeichens im Geschäftsverkehr, dass bei Abnehmern und Kunden dieses Produktes im Verletzungsfall durch teure Meinungsumfragen die erworbenen Verkehrsgeltung nachgewiesen werden kann. Die wirtschaftliche Dimension einer Marke wird vielmehr an der Akzeptanz und Wahrnehmung der Marke bzw. der mit ihr versehenen Produkte im Markt festgemacht. Markenprodukten wird in der Regel ein größeres ökonomisches Potenzial beigemessen als „No Name Produkten“. Der Wert selbst geschaffener Marken darf wie auch der Wert anderer selbst geschaffener immaterieller Vermögenswerte nicht in der Bilanz von Fußballunternehmen aktiviert werden, der Wert entgeltlich
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Vera-Carina Elter erworbene Marken dagegen schon. Bei Fußballunternehmen stellen die Marken-, Namens- und Logorechte in der Regel zunächst einmal in der Rechtsform des e.V. selbst geschaffene Vermögenswerte dar.
17.3.4 Bilanzierung von Marken Häufig sind Sportvereine dergestalt strukturiert, dass unter einem Vereinsnamen (Markennamen)3 mehrere Sportarten angesiedelt sind. Profisportvereine haben z.B. neben der ersten Fußball-Lizenzmannschaft vielfach weitere Fußball-Mannschaften sowie weitere Abteilungen wie Bob, Rodeln, Handball, Tennis, Turnen etc., die in der Regel nicht dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des Vereins zugerechnet werden.
17.3.5 Bewertungsanlässe Marken sind bei einer Vielzahl von Unternehmen Gegenstand eines Wertermittlungsprozesses geworden. Die Bewertungsanlässe für eine monetäre Wertermittlung von Marken können unterschiedlichster Natur sein. Nachfolgende Abbildung zeigt exemplarisch verschiedene Bewertungsanlässe für Markenbewertungen auf, die alle gleichermaßen für Fußballunternehmen zutreffend sein können.
Niederswerttest/ Impairment Test
Kaufpreisallokation
rechnungswesenbasiert Kauf bzw. Verkauf
Beleihung
Bewertungsanlässe wirtschaftlich orientiert Wertmanagement
Asset Transfer
steuerlich motiviert Betriebsprüfung
Verrechnungspreise/ Lizenzvergabe
Quelle: KPMG/WGZ Bank Studie, S. 96 Abb. 17-7: Bewertungsanlässe für Marken
Je nach Bewertungsanlass können unterschiedliche Markenwerte Ergebnis der Bewertung sein. Analog zur Bewertung von Unternehmen und Unternehmensanteilen gilt auch für die monetäre Bewertung von Marken, dass der ermittelte Markenwert nicht losgelöst vom jeweiligen Bewertungszweck ermittelt werden kann. Dabei sind die Anlässe einer Markenbewertung ebenso vielfältig wie die Versuche seitens der Literatur, diese zu klassifizieren. Es erscheint daher zweckmäßig, eine prinzipielle Differenzierung in unternehmensintern und -extern motivierte Bewertungsanlässe vorzunehmen. Für Zwecke der internen Steuerung und Kontrolle sind Informationen über den Wert von Marken von erheblicher Bedeutung. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass Marken in vielen Unternehmen so auch in Fußballunternehmen mittlerweile zu den zentralen Werttreibern des Unternehmenserfolgs zählen. Zunehmend wird die Bedeutung von Markenwerten auch im Rahmen 3
In der Industrie vergleichbar mit einer Dach- oder Unternehmensmarke.
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17 Bewertung von Fußballunternehmen eines unternehmenswertorientierten Controllings betont. Auf der Basis einer monetären Bewertung lässt sich der Einfluss von markenbezogenen Aktivitäten auf die gesamtunternehmerische Zielsetzung darstellen. Ein unternehmensinterner Bewertungsanlass kann ebenfalls aus der Übertragung von Markenrechten innerhalb des Fußballunternehmens resultieren. Dies kann im Rahmen eines Verkaufs des (originären) Markenrechtes des Vereins zu Marktwerten an eine Kapitalgesellschaft innerhalb der „Fußballunternehmensgruppe“ möglich sein, aber auch bei der Ausgliederung der Lizenzmannschaft in eine Kapitalgesellschaft. Eine Vielzahl der Fußballunternehmen hat in der Zwischenzeit ihre Lizenzmannschaft (Profibereich) sowie teilweise auch Amateurmannschaften in die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft ausgegliedert. Die restlichen Fußballmannschaften (z.B. Jugendmannschaften) sowie die anderen Sportarten verbleiben in der Regel im Verein (nachfolgend Alt- oder Mutterverein genannt). Bei der Ausgliederung sind zwei Möglichkeiten in Bezug auf das Markenrecht (und potenzielle andere Rechte) denkbar bzw. üblich. Zum Einen kann bei einer Ausgliederung das Markenrecht (Logo- und Namensrecht) bei dem Mutterverein verbleiben und die Fußball-Kapitalgesellschaft erwirbt ein sog. entgeltpflichtiges Lizenzrecht. Zum Anderen ist auch die entgeltliche Übertragung der Marke z.B. im Rahmen einer Sacheinlage möglich. Im Falle der Übertragung muss von der Fußball-Kapitalgesellschaft ein Betrag an den Mutterverein gezahlt werden, der bei diesem als Veräußerungspreis und bei der Fußball-Kapitalgesellschaft als Anschaffungskosten behandelt wird. Der Mutterverein behält sich bei einer derartigen Übertragung in der Regel ein einfaches (unentgeltliches) Nutzungsrecht für die zurückbleibenden sportlichen Vereinsaktivitäten vor. Die Übertragung der Marke kann zu Buchoder zu Teilwerten erfolgen. Auf Grund dieser beiden Alternativen können sich die Bilanzbilder von Fußballunternehmen unterscheiden, da in einem Fall nur eine aufwandswirksame Lizenzgebühr von der Fußball-Kapitalgesellschaft entrichtet wird, und im anderen Fall ein immaterieller Vermögenswert bei der FußballKapitalgesellschaft entsteht, der über die Nutzungsdauer der Marke aufwandswirksam abgeschrieben wird. Fußballunternehmen, die bisher mindestens ihre Lizenzmannschaft ausgegliedert haben, müssten mit dem Alt- bzw. dem Mutterverein eine derartige Regelung vereinbart haben. Darüber hinaus kann es weitere Kapitalgesellschaften der Fußballunternehmen geben, wie z.B. Marketing- oder Merchandisinggesellschaften, die ebenfalls Markenrechte vom Altverein in Form von Lizenzen erwerben müssen. Durch den Transfer ist die Marke bei der erwerbenden Gesellschaft als derivativ erworbener Vermögenswert zu bilanzieren. Hierdurch kann eine Aufdeckung von stillen Reserven erreicht werden. Unternehmensexterne Bewertungen können dadurch erforderlich werden, dass Gesellschaftsanteile an Fußballunternehmen von Investoren übernommen werden. Wenn bspw. wie in England ein Fußballunternehmen mehrheitlich – mehr als 50 % der Anteile – übernommen wird (z.B. gehören 100 % der Anteile am FC Chelsea London der Einzelperson Roman Abramowich) müsste der Erwerber bei Anwendung internationaler Rechnungslegung (IAS/IFRS oder US-GAAP) den Gesamtkaufpreis der Anteile des Fußballunternehmens auf alle erworbenen Vermögenswerte im Rahmen einer Kaufpreisallokation aufteilen. Folglich müsste eine Bewertung der Marke des Fußballunternehmens sowie aller anderen Vermögenswerte vorgenommen werden. Derzeit ist ein mehrheitlicher Verkauf von Gesellschaftsanteilen von Fußballunternehmen in Deutschland nicht möglich, da nach den gültigen Statuten mindestens 50 % der Anteile sowie eine Stimme bei der Muttergesellschaft des Fußballunternehmens verbleiben müssen. Dies ist in anderen europäischen Fußball-Ligen teilweise nicht der Fall. Gleiches gilt, wenn Fußballunternehmen selbst Anteilsmehrheiten an anderen Unternehmen erwerben und im Rahmen einer Kaufpreisallokation (bei Anwendung internationaler Rechnungslegung) auch eine mit erworbene Marke bewerten müssen. Marken können auch als Kreditsicherheit herangezogen werden sowie Gegenstand von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sein. Auch Markenrechtsverletzungen können unter den externen Bewertungsanlässen subsumiert werden. Sind Schadenersatzansprüche
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Vera-Carina Elter Fußballunternehmen BV Borussia Dortmund 09 e.V.
Ausgegliederte
Gesellschafter/Aktionäre
Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA Börsennotiert 16,25% Morgan Stanley International Limited 9,99% Blue Bay Asset Management 7,24% BV. Borussia 09 e.V. Dortmund 7,33% Bernd Geske 59,19 % Streubesitz
TSV Bayer 04 Leverkusen e.V.
Bayer 04 Leverkusen Fußball GmbH
100 % Bayer AG
FC Bayern München e.V.
FC Bayern München AG
90 % FC Bayern München e.V.
Herta BSC Berlin e.V.
Herta BSC KG mbHaA
100 % Herta BSC Berlin e.V.
FC Schalke 04 e.V.
FC Schalke 04 AG 100 % FC Schalke e.V. (Ausgliederung noch nicht vollzogen)
VfL Wolfsburg e.V.
VfL Wolfsburg Fußball-GmbH
90% Volkswagen AG
Borussia Mönchengladbach e.V.
VfL 1900 Mönchengladbach GmbH
100 % Borussia Mönchengladbach e.V
Hannover 96 e.V.
Hannover 96 GmbH & Co. KGaA
100 % Hannover 96 e.V.
Arminia Bielefeld e.V.
Arminia Bielefeld GmbH Co. KGaA
100 % Arminia Bielefeld e.V
1. FC Köln e.V.
1. FC Köln GmbH Co. KGaA
100 % 1. FC Köln e.V.
Eintracht Frankfurt e.V.
Eintracht Frankfurt Fußball AG
72 % Eintracht Frankfurt e.V.
10 % adidas Salomon AG
10 % VfL Wolfsburg e.V.
28 % „Freunde“ des Eintracht Frankfurt e.V. BHF Bank AG, DZ Bank AG, Landesbank HessenThüringen, Bankhaus Metzler, Fraport AG, Wisser und Ehringer (beides Privatpersonen) MSV Duisburg e.V.
MSV Duisburg GmbH & Co. KGaA
VfB Stuttgart e.V.
k.A.
Hamburger SV e.V.
k.A.
100 % MSV Duisburg e.V.
SV Werder Bremen e.V.
Werder GmbH & Co. KGaA
100% SV Werder Bremen e.V.
TSV 1860 München e.V.
TSV 1860 München KGaA
100% TSV 1860 München e.V.
Alemania Aachen e.V.
Alemania Aachen GmbH
100 % Alemania Aachen
1. FC Kaiserslautern e.V.
k.A.
Quelle: Eigener Research, Stand März 2009 Abb. 17-8: beispielhafte Fußballunternehmen mit ausgegliederter Kapitalgesellschaft
infolge von Markenrechtsverletzungen („Plagiate“) zu bemessen, stellt der entgangene Gewinn, der vom Schädiger erzielte Gewinn oder die Erhebung eines angemessenen Lizenzentgelts den Ausgangspunkt der Markenbewertung dar.
17.3.6 Allgemein anerkannte Verfahren zur Markenbewertung Die Bewertung immaterieller Vermögenswerte, wie zum Beispiel einer Marke, hat generell nach denselben theoretischen Grundsätzen und Methoden wie die Bewertung von Unternehmen zu erfolgen. Jedoch weisen die für die Bewertung von immateriellen Vermögenswerten diskutierten Verfahren auf Grund der Eigenarten des Bewertungsobjekts bestimmte Besonderheiten auf. Der Wert kann somit grundsätzlich auf Basis historischer Anschaffungs- und Herstellungskosten bzw. Entwicklungskosten (kostenorientierter Ansatz), mittels unterschiedlicher Marktpreisverfahren (marktpreisorientierter Ansatz) sowie mit Hilfe des Discounted Cashflow Verfahrens (kapitalwertorientierter Ansatz), ermittelt werden. Der Wertansatz nach dem kostenorientierten Verfahren basiert auf der Annahme, dass der Betrag, der aufzuwenden wäre, wenn die betreffende Marke wieder erstellt werden müsste (Reproduktionswert bzw. Wiederbeschaffungswert) den Wert der Marke vollständig widerspiegelt. Allerdings ist zu beachten, dass nicht zwingend ein Zusammenhang zwischen Kosten und Marktwert bestehen muss,
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17 Bewertung von Fußballunternehmen
monetäre Ansätze der Markenbewertung
Kostenorientierter Ansatz
Marktpreisorientierter Ansatz
Wiederbeschaffungskosten
Marktpreise auf aktivem Markt
Reproduktionskosten
Analogiemethoden
Kapitalwertorientierter Ansatz Residualwert Mehrgewinn unmittelbare Cashflow-Prognose Lizenzpreisanalogie
Quelle: IDW Standard: Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte (IDW S 5) Abb. 17-9: Methoden zur Markenbewertung
da der zukünftige Nutzen, ausgedrückt als zukünftiger finanzieller Überschuss, in den Kosten nicht berücksichtigt wird. Die Wertermittlung nach dem marktpreisorientierten Verfahren basiert grundsätzlich auf einer Analyse von Markttransaktionen und der damit verbundenen Feststellung der Transaktionspreise für vergleichbare Marken. Kritik erfährt das marktpreisorientierte Verfahren dabei insbesondere hinsichtlich der Homogenität und der eindeutigen Vergleichbarkeit von Bewertungs- und Vergleichsobjekten sowie der Handelbarkeit der betrachteten Marken. Auf Grund der genannten Kritik in der Wissenschaft, Praxis und Rechtsprechung wird für immaterielle Vermögenswerte oftmals der kapitalwertorientierte Ansatz bevorzugt. Hierbei werden grundsätzlich Bewertungsverfahren herangezogen, die auf dem erzielbaren zukünftigen finanziellen Nutzen basieren, der von dem Bewertungsobjekt erwirtschaftet wird. Dieser zukünftige finanzielle Nutzen zeigt sich dabei grundsätzlich im Einzahlungsüberschuss, der als Überschuss der Einzahlungen über die Auszahlungen in der auf den Bewertungsstichtag folgenden Zukunft zu erwarten ist. In Analogie zur Unternehmensbewertung bestimmt sich der Wert von immateriellen Vermögenswerten als die Summe der Barwerte aller dem Eigentümer in der Zukunft aus dem zu bewertenden immateriellen Vermögenswert zufließenden Einzahlungsüberschüsse. Bei jeder Bewertung von immateriellen Vermögenswerten aber auch von Unternehmen ist jedoch die jeweilige Bewertungsmethode im Einzelnen zu prüfen und festzulegen. Während z.B. bei der Bewertung von Spielervermögen der marktpreisorientierte Ansatz zum Tragen kommt, ist bei Markenbewertungen in der Regel der kapitalwertorientierte Ansatz am besten geeignet. Bei dem kapitalwertorientierten Verfahren gibt es verschiedene Methoden zur Bewertung. Nach der Incremental Cashflow Methode wird gedanklich der Cashflow aus einem Unternehmen mit der zu bewertenden Marke dem Cashflow aus einem fiktiven Unternehmen ohne Marke gegenübergestellt. Der Wert der Marke entspricht dann dem Unterschiedsbetrag zwischen dem Barwert des Unternehmens mit Marke und dem Barwert des Unternehmens ohne Marke bzw. dem Barwert der auf dem Wege einer Differenzbetrachtung direkt abgeleiteten markenbedingten Einzahlungsüberschüsse. Das in der Praxis üblicherweise verwendete Verfahren für die Ermittlung von Marktwerten stellt die Relief from Royalty Methode dar. Danach ergibt sich der Wert der Marke aus der Summe der Barwerte zukünftiger Lizenzzahlungen, die ein Unternehmen aufwenden müsste, wenn es die Mar-
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Vera-Carina Elter Markenprodukt
„no name“ Produkt
„Marken Fußballunternehmen“
„No NameFußballunternehmen“
Unternehmenswert mit Marke
Finanzieller Wert der Marke
= zusätzlicher, diskontierter, zukünftiger Cashflow, aufgrund spezifischer Assoziationen zur Marke
Unternehmenswert ohne Marke
Quelle: KPMG/WGZ Bank Studie, S. 101 Abb. 17-10: Beispiel für den Wert einer Marke
ke von einem Dritten lizenzieren würde. Der Wert der Marke ergibt sich als Barwert der zukünftig ersparten Lizenzgebühren. Die übliche Bezugsbasis für die Bestimmung der Lizenzgebühr stellt der mit der Marke generierte Umsatz dar.
17.3.7 Abgrenzung zu Medienanalysen Steigende Anforderungen in einem zunehmend anspruchsvollen Markt, Wettbewerbsdruck und enger werdende Budgetrahmen zwingen Unternehmen zu Effizienzsteigerungen. Zusätzlich vor dem Hintergrund des zunehmenden Corporate Governance Drucks werden die im Bereich des Sponsorings aktiven Unternehmen ihre Engagements stärker auf Effektivität überprüfen und objektivierbare Bewertungen hinsichtlich der investierten Beträge vornehmen. Gezielte und individuelle Informationen, sind daher von zentraler Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Anerkannte und vielfach angewendete Methoden zur Messung der Effizienz von Sponsoringmaßnahmen sind sog. Medienanalysen. Unter der Medienanalyse versteht man die Ermittlung des Medienechos (Medien- und Nutzerinteresse) bspw. auf eine bestimmte Sponsoringmaßnahme. Die Medienanalysen werden in der Regel für die Medien TV, Print, Hörfunk oder Online Medien durchgeführt und sind häufig Bestandteil von Sponsoring-Vereinbarungen. Derartige Analysen sollen auf Grundlage von komplexen Ergebnissen eine objektive Bewertungsgrundlage für Sportevents und Sponsorships für den Sponsor ergeben. Dabei werden Kennziffern berechnet, die einen Vergleich von Sportevents und Sponsorships unter (Media-) Leistungsgesichtspunkten ermöglichen. Ausgangspunkt ist in der Regel der sog. Tausender-KontaktPreis (TKP), auf dessen Grundlage eine Vergleichbarkeit zu anderen Kommunikationsinstrumenten des Sponsors möglich ist. Derartige Analysen bzw. Instrumente errechnen einen Werbe- bzw. Leistungswert z.B. eines bestimmten Sponsoringengagements, der im Wesentlichen darauf ausgerichtet ist, den Erfolg von Marketingmaßnahmen aus Sponsorensicht zu messen. Der monetäre Wert der Marke bildet jedoch eine andere Betrachtungsweise ab und bleibt bei derartigen Medienanalysen unberücksichtigt. Der ökonomische Wert der Marke basiert auf der Tatsache, dass die Marke einen wesentlichen nachhaltigen Beitrag zur Nachfrage der von ihr markierten Produkte und
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17 Bewertung von Fußballunternehmen Dienstleistungen schafft. Um den Nutzen der Marke für ihren Eigentümer zu erfassen, wird der Markenwert daher bei den gängigen Markenbewertungsmethoden als gegenwärtiger Wert der zukünftigen Erträge definiert, die sich ausschließlich auf das Vorhandensein der Marke zurückführen lassen.
17.3.8 Markenbewertung von FutureBrand Die einzigen bisher veröffentlichten Markenwerte für Fußballunternehmen stammen von der Firma FutureBrand in England, ein Tochterunternehmen der internationalen Werbeholding Interpublic Group of Companies, Inc., New York. Diese veröffentlicht in unregelmäßigen Abständen eine Studie der „wertvollsten Fußball-Marken in Europa“. Future Brand ist eine internationale Markenberatungsgesellschaft und ermittelt nach öffentlichen Informationen den Markenwert auf Basis von folgenden drei Faktoren:
Quelle: FutureBrand & BBDO Studie Abb. 17-11: Markenbewertung Football Brands
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Vera-Carina Elter 1. Bedeutung der Marke bei der Gewinnung von Kunden oder Fans sowie der Erzeugung von Loyalität 2. Markenstärke im Vergleich zu anderen Marken von Fußballunternehmen (Titel, Größe und Reichweite der Fanbasis, Zahl der Stars) 3. Finanzstärke der Marke (Anteil der Marke an den Umsatzerlösen) Eine detaillierte Beschreibung zur Ableitung der veröffentlichten Markenwerte ist öffentlich nicht bekannt. Daher kann an dieser Stelle keine Aussage getroffen werden, inwieweit die zugrunde liegende Bewertungsmethodik für Rechnungslegungs- oder Finanzierungszwecke in Deutschland anerkannt bzw. anwendbar ist. Die bisher veröffentlichten Markenwerte von europäischen Fußballunternehmen der Firma FutureBrand aus den Studien der Jahre 2004 und 2006 zeigen das Manchester United und Real Madrid die werthaltigsten Marken unter den europäischen Fußballunternehmen sind. Der FC Bayern München ist nach dieser Studie das Fußballunternehmen mit dem höchsten Markenwert in Deutschland.
17.4 Literatur DFL, Bundesliga Report 2006, 2007, 2008, 2009 DFL, Die wirtschaftliche Situation im Lizenzfussball 2005 und 2004 Elter, Vera-Carina: Vorbild Schwacke-Liste, in Horizont Sport Business Oktober 2003 Elter, Vera-Carina: Wie viel ist ein Fußballer in der Bilanz wert?, Börsen-Zeitung vom 28.11.2003 Elter, Vera-Carina: Brands am Ball, Horizont Sport Business, 3/2004 Galli, Albert: Individuelle finanzielle Spielerbewertung im Teamsport, Finanzbetrieb 2003 Horizont Sportbusiness Online: BBDO Studie ermittelt die wertvollsten Fußballclubs, 20. September 2007 IDW, IDW Standard: Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte (IDW S 5), Stand 12. Juli 2007 KPMG, Corporate Finance, München: Valuation Snapshot; Der Fußball-Transfermarkt in Deutschland, Januar 2006 KPMG, Corporate Finance/WGZ-Bank; FC €uro AG – Fußball und Finanzen, September 2004 FutureBrand: The most valuable football brands in Europe – The 2004, 2006 report
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18 Bewertung von Energieversorgungsunternehmen Von Sven Beyer und Günther Keller* 18.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 18.2 Bewertungsverfahren und Bewertungsanlässe in der Energieversorgerbranche . . . . . . . . . . 406 18.2.1 Bewertungsobjekte und -verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 18.2.2 Gesellschaftsrechtliche und vertragliche Bewertungsanlässe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 18.2.3 Rechnungslegungsbezogene Bewertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 18.3 Gesamtbewertung von Energieversorgungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 18.4 Bewertung von Netzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 18.4.1 Strom- und Gasnetze als Bewertungsobjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 18.4.2 Grundstruktur eines DCF-Kalküls für eine Netzbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 18.4.3 Ableitung der Cash Flows eines Netzbetreibers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 18.4.4 Bewertung auf Basis des Sachzeitwertverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 18.5 Bewertung von Kraftwerken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 18.5.1 Kraftwerke als Bewertungsobjekte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 18.5.2 Grundstruktur eines DCF-Kalküls für eine Kraftwerksbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . 434 18.5.3 Ableitung der Cash Flows eines Kraftwerks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 18.6 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 18.7 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443
18.1 Einführung Unter Energieversorgung wird im allgemeinen Sprachgebrauch die Wertschöpfungskette von der Erschließung von Energiequellen, deren Wandlung in vielseitig verwendbare Energieträger sowie der anschließende Transport zu den Endverbrauchern verstanden. Nach der Definition des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) versteht man unter Energieversorgungsunternehmen (EVU) „natürliche oder juristische Personen, die Energie an andere liefern, ein Energieversorgungsnetz betreiben oder an einem Energieversorgungsnetz als Eigentümer Verfügungsbefugnis besitzen“1. Energie ist nach § 3 EnWG, Nr. 14 als „Elektrizität und Gas, soweit sie zur leitungsgebundenen Energieversorgung verwendet werden“ definiert. EVU umfassen in der Praxis aber häufig auch die Geschäftsfelder Versorgung mit Fernwärme, Wasser, die (Abfall-)Entsorgung sowie die Bereitstellung von verwandten Dienstleistungen. Die Bezeichnung Energieversorger bzw. Energieversorgungsunternehmen ist dann deckungsgleich mit der des Multi-Utility-Unternehmens.
* 1
Dr. Sven Beyer ist Partner im Bereich Corporate Finance und Dr. Günther Keller ist als Director im Bereich Corporate Finance der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft tätig. Vgl. EnWG vom 7. Juli2005, BGBl. I S. 1970, ber. S. 3621, zuletzt geändert am 25. Oktober 2008, BGBl. I S. 2101, § 3, Nr. 18.
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Sven Beyer und Günther Keller Die exponierte Stellung der Branche in Bezug auf ihre gesellschaftliche Bedeutung in allen Lebensbereichen, der Charakter ihrer Produkte als Bestandteil der Deckung menschlicher Grundbedürfnisse zum Einen und als gesamtwirtschaftlich strategisches Basiselement der modernen Industrie- und Wissensgesellschaft zum Anderen sichern ihr eine hohe politische und mediale Aufmerksamkeit und sorgen für eine hohe Sensibilität gegenüber allen Entwicklungen, von der Diskussion über Verbrauchspreise bis zur Veräußerung von Unternehmen oder Unternehmensteilen, wie aktuell z.B. dem deutschen Höchstspannungsnetz. Gleichzeitig waren in vielen Ländern und auch in Deutschland die Energiemärkte durch Monopolstrukturen gekennzeichnet. Diese waren im Hinblick auf das Oberziel „Versorgungssicherheit“ teils staatlich begründet oder resultierten aus historisch gewachsenen Umständen, wie es z.B. bei den Versorgungsnetzen der Fall ist. Die Energieversorgung ist durch eine vergleichsweise hohe Anlagenintensität, den in gewissem Umfang vorhandenem Zwang zur räumlichen Nähe zum Endverbraucher, die stark eingeschränkte Speicherfähigkeit des Endprodukts im Fall von Strom und Wärme sowie eine Vielzahl von technisch bedingten bewertungsrelevanten Besonderheiten gekennzeichnet. Dies kommt auch in der relativen Bedeutung materieller und immaterieller Werttreiber zum Ausdruck. Im Unterschied zu vielen anderen Industrien, bei denen zwischenzeitlich die immateriellen Faktoren, wie Marken, Kundenbeziehungen oder technologiebasierte Werte eine maßgebliche Rolle spielen, sind für Versorgungsunternehmen nach einer Studie der KPMG neben den materiellen Werten, wie Kraftwerke oder Netze auch vertraglich basierte immaterielle Werte, wie z.B. Betriebslizenzen, Leistungs- und Betriebsführungsverträge sowie vorteilhafte Verträge für den Bezug von Rohstoffen, von Relevanz. Eine weitere Besonderheit für die Bewertung von Energieversorgern resultiert aus den Liberalisierungsbemühungen der Europäischen Union (EU), die seit 1998 zu einer massiven Veränderung der Markt- und Wettbewerbsverhältnisse geführt haben. In der sogenannten Pre-Deregulierungsphase lag in den national abgegrenzten europäischen Teilmärkten quasi kein Wettbewerb vor und die Unternehmensziele waren insbesondere auf die Themen Versorgungssicherheit und ein hohes technisches Niveau ausgerichtet. Die erste Deregulierungsphase von 1998 bis 2001 wurde eingeleitet durch die Öffnung der nationalen Strommärkte durch die EU und die damit einhergehende Energierechtsnovelle. Diese Phase war insbesondere durch einen hohen Preiswettbewerb gekennzeichnet. Eine Besonderheit in Deutschland war der Abschluss einer privatwirtschaftlich erstellten Verbändevereinbarung für die Festlegung der Durchleitungsentgelte für Netze an Stelle eines institutionalisierten Regulierers. Als Beginn der zweiten Deregulierungsphase, die durch einen differenzierten Wettbewerb auf den jeweiligen Wertschöpfungsstufen gekennzeichnet ist, kann das Jahr 2002 gesehen werden. In der dritten Phase ab dem Jahr 2005 wurde die Verbändevereinbarung durch das EnWG und entsprechende Verordnungen, wie die Strom- und Gasnetzentgeltverordnung (StromNEV und GasNEV), ersetzt und, wie in anderen Ländern bereits geschehen, ein Regulierer für den Strom- und Gasmarkt eingesetzt. Verhandelte Netzentgelte wurden durch kostenbasierte Netzentgeltkalkulationen auf Basis von Verordnungen ersetzt. Als vierte Phase kann das Jahr 2009 mit dem Start der Anreizregulierung (ARegV) und der damit einhergehenden Ablösung der kostenbasierten Entgeltkalkulation durch anreizgesteuerte Vorgaben in Form von Erlösobergrenzen durch die Bundesnetzagentur angesehen werden. Abb. 18-1 zeigt exemplarisch die Entwicklung für den Strommarkt. Die in vielen Industriestaaten vorherrschende fast vollständig vertikal integrierte Wertschöpfungskette von Energieversorgungsunternehmen entwickelt sich im Zeitablauf seit Start der Liberalisierung in den Bereichen Strom und Gas zu einer vielfältigen und überwiegend wettbewerbsorientierten Aktivitätenkette mit separaten Marktsegmenten. Die Entwicklung im, aus Bewertungssicht ebenfalls sehr aktiven, Gasmarkt verläuft ähnlich aber zeitlich verzögert. Im weiteren Verlauf der Darstellung wird daher ausschließlich das Segment „Strom“ berücksichtigt. In Abb. 18-2 werden die Wertschöpfungsstufen für Strom von der Erzeugung bis zur Lieferung an den Endkunden graphisch dargestellt. In der Pre-Deregulierungsphase wurde der Prozess in die vier Stufen Erzeugung (Power Plant ➀), Handel, Transport (Transmission Grid TSO2 ➁) 2
TSO = Transmission System Operator.
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18 Bewertung von Energieversorgungsunternehmen Bis 1997
PreDeregulierung
Marktumfeld
Kein Wettbewerb (Gebietsmonopole)
1998–2001
1. Welle
Hoher Preiswettbewerb Deregulierung
Reguliert
2002–2004
2. Welle
2005–2008
3. Welle
Differenzierter Wettbewerb je Wertschöpfungsstufe
Übergang vom verhandelten zum regulierten Netzzugang
Hohe Renditeanforderungen
Errichtung der Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde Kostenbasierte Netzentgeltkalkulation auf Basis von Verordnungen
Gesetzlicher und regulatorischer Rahmen
Verbändevereinbarungen (VV) Erstes Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts (EnWG) (24.4.1998) Erneuerbare-EnergienGesetz (EEG) (29.3.2000) Kraft-Wärme-KopplungsGesetz (KWK-G) (12.5.2000)
Verbändevereinbarungen (VV)
Zweites Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts (07.07.2005) Verordnung über die Entgelte für den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen (Stromnetzentgeltverordnung – StromNEV) (25.7.2005)
Ab 2009
4. Welle
Start der Anreizregulierung Ablösung der kostenbasierten Entgeltkalkulation durch anreizorientierte Regulierung Vorgabe von Erlösobergrenzen durch die Bundesnetzagentur
Verordnung über die Anreizregulierung der Energieversorgungsnetze (Anreizregulierungsverordnung – ARegV) (29.10.2007)
Verordnung über die Entgelte für den Zugang zu Gasversorgungsnetzen (Gasnetzentgeltverordnung – GasNEV) (25.7.2005)
Quelle: KPMG-Analyse Abb. 18-1: Entwicklungswellen im Strommarkt
und Verteilung (Distribution Grid DSO3 ➂) sowie Vertrieb (Large und Small scale industry, Private households ➃) unterteilt. Der überwiegende Teil der Stromerzeugung (➀) stammt von den vier überregional agierenden Verbundunternehmen E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW. Diese sind an das internationale Stromnetz angebunden4 und betreiben auch die Höchstspannungs- bzw. Übertragungsnetze der 380 kV/220 kVEbene (➁). Für die Analyse der Erzeugung ist der Mix der für die Verstromung zum Einsatz kommenden Energieträger von Bedeutung, da für diese unterschiedliche gesetzliche Rahmenbedingungen und (steuerliche) Förderprogramme existieren. Unterschieden werden die klassischen Energieträger Kernenergie, Steinkohle, Braunkohle und Gas sowie die Erneuerbaren Energien5 Wind, Sonne, Biomasse, Wasserkraft einschließlich Gezeitenkraftwerke sowie Geothermie.6 Damit in engem Zusammenhang steht der Einsatz des Kraftwerks hinsichtlich der Lastverteilung. Kernkraftwerke sowie Wasserkraftwerke zählen zu den sog. Dauerläufern und werden dementsprechend für die Bereitstel3 4
5
6
DSO = Distribution System Operator. Es handelt sich um einen europäischen Netzverbund. In der Union for the Co-ordination of Transmission of Electricity (UCTE) sind für die Koordinierung des Netzbetriebes auf europäischer Ebene derzeit 34 Übertragungsnetzbetreiber aus 22 Ländern zusammengeschlossen. Der Begriff „Erneuerbare Energien“ steht allgemein für Energie von nicht-fossilen Energieträgern, wie z.B. Wind, Wasser und Biomasse. Aus Gründen des Klimaschutzes und der begrenzten Verfügbarkeit unserer Ressourcen gewinnen erneuerbare Energien zunehmend an Bedeutung. In Deutschland weist der Markt für erneuerbare Energien hohe Wachstumsraten auf. Dies ist insbesondere auch auf das Erneuerbare-EnergienGesetz (EEG) zurückzuführen, das die Förderung des Ausbaus der erneuerbaren Energien zum Ziel hat. Aufschluss über die erwarteten Entwicklungen der Energiemärkte bis 2030 gibt der vierte Energiereport von Prognos und dem Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität zu Köln. Demnach wird der Anteil erneuerbarer Energien am Primärenergieverbrauch bis 2030 auf 11,5 % ansteigen. Mehr als die Hälfte sollen dabei in die Stromerzeugung gehen, die im Jahr 2030 zu ca. 25 % auf erneuerbaren Energien basieren soll. Vgl. Energiewirtschaftliches Institut an der Universität zu Köln/Prognos AG (2005), S. VII.
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Sven Beyer und Günther Keller
Quelle: RWE AG (Hrsg.) (2008), S. 214 Abb. 18-2: Wertschöpfungskette Strom
lung der Grundlast herangezogen.7 Kohlekraftwerke werden häufig im Mittellastbereich eingesetzt während insbesondere kleinere Gaskraftwerke für den Spitzenlastbereich geeignet sind. Strom aus den Erneuerbaren Energiequellen wird entsprechend den verfügbaren Kapazitäten in das Netz eingespeist.8 Seit 1998 existiert für Strom ein Großhandelsmarkt, an dem Strom entweder direkt zwischen zwei Händlern oder an einer speziellen Börse, der European Energy Exchange AG (EEX) mit Sitz in Leipzig, gehandelt werden.9 Die EEX stellt die umsatz- und teilnehmerstärkste Energiebörse in Kontinentaleuropa dar. Neben Strom werden hier auch Erdgas, Kohle und CO2-Emissionsberechtigungen gehandelt. Am Stromhandelsmarkt wird vorwiegend Spot- und Terminhandel für Energieprodukte und energienahe Produkte betrieben.10 Die Verteilnetzbetreiber (➂) sind quasi das Ergänzungsstück zu den Übertragungsnetzbetreibern (➁). Sie betreiben auf regionaler und kommunaler Ebene teils Hochspannungsnetze (110 kV-Ebene), schwerpunktmäßig aber die Mittelspannungsnetze (10 kV- bis 30 kV-Ebene) und Niederspannungs7 8 9 10
Vgl. Bundesnetzagentur (2008c), S. 69. Vgl. E.ON AG (2009a). Vgl. EnBW AG (2007), S. 27 ff.; vgl. weiterhin European Energy Exchange AG (EEX) (2009). Vgl. Konstantin, P. (2009), S. 44.
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18 Bewertung von Energieversorgungsunternehmen netze (400 V/230 V) bis zum Übergabepunkt an den Endkunden oder einen sog. Weiterverteiler.11 Als Verteilnetzbetreiber agieren neben den Verbundunternehmen insbesondere regionale Stromversorger und Stadtwerke. Der Vertrieb von Strom (➃) umfasst den Absatz an den Endkunden innerhalb der örtlichen Versorgungsgebiete. Als Endverbraucher kommen sowohl private Haushalte als auch gewerbliche und industrielle Abnehmer in Frage, die über die örtlichen Verteilnetze mit Strom versorgt werden. Seit der Deregulierung des Strommarktes und der Beendigung der Gebietsmonopole kann heutzutage jeder Stromkunde den Stromversorger frei wählen.12 Vertikal integrierte Energieversorger decken insbesondere im Strom- und Gasbereich sämtliche Wertschöpfungsstufen beginnend mit der Stromerzeugung bzw. dem Gasimport bis hin zum Endkundengeschäft im Strom- und Gasbereich ab. Einen besonders hohen Grad an vertikaler Integration weisen auf dem deutschen Markt die vier großen Verbundunternehmen E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall auf. Daneben gibt es auf den meisten Wertschöpfungsstufen weitere spezialisierte Unternehmen, die nur bestimmte Bereiche der Wertschöpfungskette anbieten. Eine besondere Bedeutung im deutschen Markt kommt der großen Anzahl an Stadtwerken und weiteren Regionalversorgern zu, die oftmals auch ein hohes Maß an vertikaler Integration aufweisen können, da sie neben den Verteilnetzen und dem Vertrieb teils auch eigene Erzeugungskapazitäten (oftmals Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung, die eine Kombination mit dem Geschäftsbereich Wärme ermöglichen) besitzen. Einen Überblick für den derzeitigen deutschen Strommarkt zeigt Abb. 18-3.
4 Großkraftwerkbetreiber
Größere Stadtwerke mit eigenen Kraftwerken
Unabhängige Großstromerzeuger
Stromhandel
> 200 Teilnehmer an der Strombörse EEX (davon rund 140 ausl. Teilnehmer)
Bilateraler Stromhandel
Energiemakler
Übertragung
4 große Übertragungsnetzbetreiber
Stromerzeugung
Verteilung
900 lokale und regionale Verteilnetzbetreiber
Ausländische Betreiber in Grenzregionen
Vertrieb
900 „traditionelle“ Stromlieferanten
„Neue“ Stromlieferanten
Industrie, private Betreiber
Ökostromanbieter
Quelle: RWE Trading 2007, MVV Factbook 2008, VDEW Abb. 18-3: Akteure im deutschen Strommarkt
Die gegenwärtige Marktstruktur der Anbieter ist auch Ausdruck der starken Veränderung durch die Liberalisierungswellen seit 1998. Diese haben zwischenzeitlich zu einer starken Veränderung der Wertschöpfungsstufen aus Sicht der integrierten Versorger geführt. Abb. 18-4 zeigt die Des- und Reintegration am Beispiel Strom. Dieser Prozess ist noch nicht zum Abschluss gekommen und in den einzelnen Bereichen stark unterschiedlich ausgeprägt. Wesentliche Differenzierung unter Bewertungsgesichtspunkten ist die Frage, ob das jeweilige Segment einer Regulierung unterliegt (z.B. Strom- oder Gasnetz) oder ob es sich um einen Bereich handelt, in dem Wettbewerb vorhanden ist (z.B. im Bereich der Stromerzeugung oder im Endkundenmarkt).
11 12
Vgl. EnBW AG (2007), S. 33; Konstantin, P. (2009), S. 395. Vgl. Ridder, N. (2007), S. 91.
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Sven Beyer und Günther Keller
Transport und Verteilung
Handel
Erzeugung
Großhandelsmarkt (Wettbewerb) Erzeugung
Endkundenmarkt (Wettbewerb) Haushaltskunden
Broker
Händler
Verteilung
Buyer Agent
Börse
Industriekunden New Entrants
Netze (Reguliert) Transport Asseta Transport Operation
Verteilung Asset
ISO
Verteilung Operation
Quelle: Bausch, A./Raiffeiner, T. (2003), S. 8 Abb. 18-4: Des- und Reintegration der Wertschöpfungsstufen
18.2 Bewertungsverfahren und Bewertungsanlässe in der Energieversorgerbranche 18.2.1 Bewertungsobjekte und -verfahren Vorbemerkung Die Durchführung einer Bewertung erfordert eine sorgfältige Abgrenzung des Bewertungsobjekts sowie die Auswahl einer für den Bewertungszweck angemessenen Bewertungsmethode. Eine Besonderheit im Zusammenhang mit Bewertung im Bereich der Energieversorgungsbranche liegt in der Frage begründet, ob die zu bewertende Einheit als Geschäftsbetrieb analog einem Unternehmen zu bewerten ist, oder ob der Bewerter die Perspektive einnehmen soll, dass es sich um ein Bündel einzelner Vermögenswerte handelt, die in Summe den Gesamtwert der Einheit ausmachen. Diese Fragestellung tritt insbesondere bei Kraftwerken und Netzen auf. Gleichzeitig ist vor dem Hintergrund der oftmals großen Bedeutung des Sachanlagevermögens ein Abgleich der Ergebnisse, die bei Anwendung der markt-, kapitalwert- und kostenorientierten Verfahren gewonnnen werden, zu empfehlen. Wahl des Bewertungsverfahrens Bei der Bewertung von Energieversorgern kommen regelmäßig alle drei Bewertungsverfahren zum Ansatz.13 Alle drei Verfahren sind dabei grundsätzlich anwendbar auf ganze Unternehmen oder Unternehmensteile bzw. auf Bündel von Vermögenswerten oder auch einzelne Vermögenswerte (z.B. örtlich abgegrenzte Teile eines Netzgebiets, einzelne Erzeugungsanlagen, Konzessionsvertrag, o.ä.). In der Praxis nehmen die kapitalwertorientierten Verfahren eine dominierende Stellung ein, da sie regelmäßig bei allen Bewertungsanlässen in der Energiebranche zum Einsatz kommen. Eine Sonderstellung in der 13
Vgl. zu den Verfahren ausführlich Beyer, S. (2008a) und Beyer, S./Mackenstedt, A. (2008).
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18 Bewertung von Energieversorgungsunternehmen Verfahren zur Bewertung von Kraftwerken und Netzen
Marktorientierte Verfahren
Kapitalwertorientierte Verfahren
Kostenorientierte Verfahren
Bewertung als Geschäftsbetrieb
Marktwert des operativen Geschäfts (abzgl. Schulden)
DCF-/Ertragswert Wert des Eigenkapitals bzw. Equity Value
Net Asset Value (Sachzeitwert abzgl. Schulden)
Bewertung als Bündel von assets
Marktwert aller assets
DCF-Wert Gesamtwert bzw. Entity Value
Sachzeitwert
Vorgehensweise
Am Markt beobachtbare Preise: t auf aktivem Markt t auf Basis vergleichbarer Transaktionen
DCF-/Ertragswert als Barwert künftiger finanzieller Überschüsse aus dem Geschäftsbetrieb bzw. der Nutzung des Netzes
Sachzeitwert als Wiederbeschaffungs-bzw. Reproduktionskosten: t auf Basis indizierter AHK t auf Basis Bepreisung des technischen Mengengerüsts
Bedeutung
Verwendung marktorientiert abgeleiteter Wertbandbreiten als Vergleichsgröße zur Plausibilisierung von DCF-/ Ertragswerten
DCF-/Ertragswert ist der relevante Wert, da er den erwarteten finanziellen Nutzen aus dem Betrieb bzw. asset widerspiegelt
Keine eigenständige Funktion, aber wesentliche Orientierungsmarke aufgrund der Wechselwirkungen zwischen Sachzeitwert und DCF-/Ertragswert
Verfahren
Quelle: KPMG-Analyse Abb. 18-5: Verfahren zur Bewertung von Kraftwerken und Netzen
Energiebranche nimmt allerdings aufgrund der Anlagenintensität und der Logik der Netzregulierung die Sachzeitwertermittlung ein. Sachliche Abgrenzung des Bewertungsobjekts: Asset versus Geschäftsbetrieb In Abhängigkeit vom Bewertungsanlass ist zu beurteilen, ob ein Unternehmen, Unternehmensbereiche oder einzelne Vermögenswerte zu bewerten sind, da je nach Bewertungsebene bei der Ableitung der Überschussgröße sowie der Bestimmung der Kapitalkosten differenziert vorzugehen ist. Bei der Bewertung von Unternehmensteilen oder einzelnen Vermögenswerten ist insbesondere die Abgrenzung des dem Bewertungsobjekts zuzurechnenden Vermögens und des Anteils der Schulden zu untersuchen. In der Praxis relevant ist dies beispielsweise, wenn einzelne Vermögenswerte wie z.B. Teile eines größeren Versorgungsgebiets oder einzelne Kraftwerke aus einem Portfolio an Kraftwerken herauszulösen sind. Besonderes Augenmerk ist hierbei auf die Behandlung von Verbundeffekten zu legen. Zeitliche Abgrenzung des Bewertungsobjekts: Bewertungsstichtag und Bewertungshorizont Eng mit der sachlichen Abgrenzung zusammen hängt die zeitliche Abgrenzung. Grundsätzlich ist diese durch die Festlegung des Bewertungsstichtags gegeben, d.h. die Vermögenswerte und Schulden sind wie zum Bewertungsstichtag vorhanden als Ausgangspunkt zu nehmen. Bei der Bewertung eines Unternehmens bzw. eines selbständigen Unternehmensteils kann grundsätzlich – wie bei Bewertungen üblich, sofern nicht eine Liquidation vorteilhafter ist – von einer unterstellten unendlichen Fortführung der Geschäftstätigkeit ausgegangen werden.
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Sven Beyer und Günther Keller Bewertung bei unterstellter unendlicher Fortführung Phase I: Detailplanungsphase i.d.R. 3–5 Jahre (auf Basis der Mittelfristplanung)
Phase II: Grobplanungsphase z.B. bis 2018 (Ende zweite Regulierungsperiode) zur vereinfachten Fortschreibung wesentlicher Werttreiber
Phase III: Fortführungsphase (Ewige Rente)
…
Ansatz nachhaltiger Überschüsse bei unendlicher Fortführung der im Jahr des Eintritts in die ewige Rente vorhandenen Anlagensubstanz (mit Annahme zu nachhaltigen Wachstum)
Quelle: KPMG-Analyse Abb. 18-6: Bewertung bei unterstellter unendlicher Fortführung
Durch den Ansatz einer ewigen Rente erfolgt neben der Einbeziehung des zeitlich begrenzten Ertragspotenzials der vorhandenen Anlagen auch die Berücksichtigung des künftigen Ertragspotenzials bei unterstellter unendlicher Fortführung. Dies setzt allerdings die Berücksichtigung von Investitionen zur nachhaltigen Erhaltung der Anlagensubstanz (nachhaltige Reinvestitionsrate) voraus, die für die Bewertung meist eine maßgebliche Rolle spielt. Vor dem Hintergrund der großen Bedeutung der zeitlichen Entwicklung des Anlagenbestands für die Reinvestitionsrate und auch für die Ableitung der nachhaltig zu erwartenden Netzentgelte ist dieser für Bewertungszwecke über mehrere Investitionszyklen unter Berücksichtigung von technischen Entwicklungen fortzuentwickeln. Weiterhin ist in Abhängigkeit vom Bewertungszweck und vom angewendeten Bewertungskonzept (typisierter Wert versus subjektiver Entscheidungswert) zu überlegen, inwieweit Erweiterungsinvestitionen in die Bewertung Eingang finden (können). Zum Beispiel ist in diesem Zusammenhang an die erforderlichen Netzausbauinvestitionen in den Übertragungs- und Verteilnetzen aufgrund des vermehrten Anschlusses von Windparks (insbesondere Off-Shore-Windparks) zu denken. Diese Form von Netzausbau ist ggf. in einer verlängerten Detailplanungsphase abzubilden. Eine mögliche Ausnahme von der unendlichen Fortführung bilden beispielsweise Projektgesellschaften, die in der Energiebranche in der Entwicklungs- und/oder Bauphase von Neuprojekten eine Rolle spielen. Hier ist zu überlegen, ob nicht ein auf die Laufzeit des Projekts begrenzter Bewertungszeitraum zugrunde zu legen ist. Vor allem bei der Bewertung einzelner Vermögenswerte kann von einer unendlichen Nutzungsdauer im Regelfall nicht ausgegangen werden, da das Nutzenpotenzial eines Netzabschnitts oder einer Erzeugungsanlage zeitlich begrenzt ist. Bewertung von Vermögenswerten mit begrenzter (Rest-)Nutzungsdauer Phase I: Detailplanungsphase
Phase II: Grobplanungsphase bis Ende Nutzungsdauer
Phase III: Liquidation
Quelle: KPMG-Analyse Abb. 18-7: Bewertung von Vermögenswerten mit begrenzter (Rest-) Nutzungsdauer
In diesem Fall ist die Fortführung bis zum Ende der Restnutzungsdauer (z.B. Restlaufzeit eines Kraftwerks) abzubilden. Danach ist der Nettoveräußerungserlös als Saldo aus Veräußerung verwertbarer Anlagenbestandteile abzüglich Abbruch- und/oder Rekultivierungs- bzw. Wiederherstellungskosten zu ermitteln. Bewertungen auf der Grundlage von Kapitalmarktmultiplikatoren und Kennziffern Wie in vielen anderen Branchen werden zur Plausibilisierung der Bewertungsergebnisse kapitalmarktorientierte Bewertungsverfahren herangezogen.
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18 Bewertung von Energieversorgungsunternehmen
409
Auswahl europäischer Versorger im Vergleich Währung
Marktkapitalisierung
Enterprise Value
Multiplikatoren Enterprise Value zu Umsatz
EBITDA
E.ON AG (D)
Mio. €
88.764
112.212
1,5
8,4
MVV Energie AG (D)
Mio. €
2.073
3.539
1,4
8,7
EnBW (D)
Mio. €
13.198
20.729
1,5
7,0
British Energy (UK)
Mio. GBP
7.349
6.855
2,5
8,6
United Utilities (UK)
Mio. GBP
6.286
9.935
4,5
9,6
Severn Trent (UK)
Mio. GBP
3.279
6.449
4,2
9,1
Iberdrola (E)
Mio. €
48.339
83.594
3,7
11,8 8,5
Aguas de Barcelona (E)
Mio. €
3.723
5.004
1,7
Enel (I)
Mio. €
44.133
108.604
2,1
8,3
Electricité de France (F)
Mio. €
127.406
157.482
2,5
9,8
Suez SA (F)
Mio. €
59.578
75.862
1,5
9,4
Verbund (A)
Mio. €
14.390
16.803
4,8
12,8
Union Fenosa (E)
Mio. €
13.095
19.544
2,9
8,6
Fortum (FI)
Mio. €
22.273
28.449
5,2
11,8
Veolia (F) Maximum Median Average Minimum
Mio. €
22.030
39.245
1,1 5,2 2,5 2,7 1,1
8,3 12,8 8,7 9,4 7,0
Quelle: Bloomberg (2008); KPMG-Analyse Abb. 18-8: Beobachtete Multiplikatoren bei europäischen Versorgern im Vergleich
Die am Kapitalmarkt beobachtbare große Bandbreite der Multiplikatoren spiegelt insbesondere die Besonderheiten bzw. Unterschiede der Unternehmen hinsichtlich der Geschäftsfelder und der regional geprägten Märkte, in denen sie tätig sind, wider. Der in der Einführung dargestellte Umbruch in der Wertschöpfungskette mit der teils sehr unterschiedlichen Fokussierung der integrierten Versorger führt zu stark unterschiedlichen Rendite-/Risikoprofilen und damit einhergehend einer entsprechenden Spreizung der Bewertungskennziffern. Ihre Übertragung auf das zu bewertende Unternehmen ist daher stets kritisch zu analysieren und zu hinterfragen. Neben den kapitalmarktorientierten Multiplikatoren auf Basis von Umsatz, EBITDA, EBIT oder Jahresüberschuss finden vereinzelt branchenspezifische Kennziffern wie EUR pro MW oder MWh in der Erzeugung, EUR pro km bei den Höchstspannungsnetzen oder EUR pro Kunde im Vertrieb Anwendung. Ein Beispiel hierfür sind die Tagesneuwerte von Kraftwerksanlagen. Diese werden regelmäßig ins Verhältnis zur Leistung gesetzt und bieten damit z.B. einen Anhaltspunkt bzw. eine Grundlage für die Bewertung bestehender Kraftwerke (Abb. 18-9). Einordnung der Bewertungsergebnisse Für eine Einordnung der gewonnenen Bewertungsergebnisse bietet es sich an, Entscheidungsbäume zu formulieren, wie am Beispiel der Kraftwerksbewertung für rechnungslegungsbezogene Zwecke in Abb. 18-10 gezeigt. Ausgangssituation ist die getrennte Bewertung mit Hilfe des kostenorientierten Ansatzes und einem DCF-Verfahren14. Prinzipiell können drei Konstellationen unterschieden werden: Im ersten Fall ist der Buchwert kleiner als der DCF-Wert und dieser wiederum kleiner als der Wert 14
Das marktorientierte Verfahren bleibt aus Gründen der Übersichtlichkeit in diesem Beispiel unberücksichtigt.
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Sven Beyer und Günther Keller
Quelle: Konstantin, P. (2009), S. 288 Abb. 18-9: Investitionsausgaben für Kraftwerke, Richtwerte
Step 1: Valuation
Cost approach
and
DCF approach
Case 1:
Book value
<
DCF-value
<
Cost value
Apply DCF-value
Case 2:
Book value
<
DCF-value
>
Cost value
Apply cost value
Significant difference?
no
yes Intangible assets identified?
Apply values pro rata according to cost approach
Goodwill no
yes
MEEM
Case 3:
Book value
>
DCF-value
Apply DCF-value
Quelle: KPMG-Analyse Abb. 18-10: Entscheidungsbaum für die Einordnung der Bewertungsergebnisse
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18 Bewertung von Energieversorgungsunternehmen nach dem kostenorientierten Verfahren. Für den Gesamtwert ist damit der DCF-Wert relevant. Die einzelnen Komponenten des Kraftwerks sind allerdings bilanziell pro-rata auf der Basis des kostenorientierten Verfahrens anzusetzen. Im zweiten Fall übersteigt der DCF-Wert den Wert nach dem kostenorientierten Verfahren sowie den Buchwert. Für den Fall, dass die Differenz gering wäre, erfolgt die Wertbestimmung auf Grundlage der Ergebnisse des kostenorientierten Verfahrens. Ist die Wertabweichung allerdings signifikant und nicht auf das Vorliegen von Goodwill sondern auf nach IFRS 3 bilanzierbare immaterielle Werte zurückzuführen, kommt das DCF-Verfahren für die identifizierten immateriellen Vermögenswerte in der Ausprägung der Multi-Period-Excess Earnings-Methode zur Anwendung.15 Im letzten Fall übersteigt der Buchwert den DCF-Wert mit der Konsequenz, dass dieser den Buchwert ersetzt.
18.2.2 Gesellschaftsrechtliche und vertragliche Bewertungsanlässe Bei Energieversorgern spielen neben den gesellschaftsrechtlichen Bewertungsanlässen, wie Verschmelzungen, Squeeze-Out-Verfahren oder der Abschluss von Ergebnisabführungsverträgen, die aus Sicht der Wirtschaftsprüfung verpflichtend auf der Grundlage von IDW S 1 erfolgen, häufig auch vertragliche Bewertungsanlässe eine Rolle. Bewertungen aus gesetzlich normierten Anlässen nach IDW S 1 bei Energieversorgungsunternehmen unterscheiden sich inhaltlich nicht von vergleichbaren Bewertungen in anderen Branchen.16 Neben den im Standard hinterlegten Anforderungen in Bezug auf entsprechende Typisierungen ist die zwischenzeitlich etablierte Vorgehensweise für die Ableitung des Kapitalisierungszinssatzes sowie die Berücksichtigung von thesaurierungsbedingtem Wachstum relevant. Allerdings ist für die Phase der ewigen Rente in Bezug auf die Thesaurierung zu berücksichtigen, ob der Ansatz einer aus der Vergangenheit abgeleiteten „branchenspezifischen“ Ausschüttungs- bzw. Thesaurierungsquote im Einklang mit den Vorgaben zur Kapitalstruktur aus der Regulierung steht. Von besonderer Bedeutung sind weiterhin gutachtliche Bewertungen im Zusammenhang mit Endschaftsklauseln in Konzessionsverträgen zwischen Energieversorgern und Kommunen im Netzbereich, in denen regelmäßig Ertragswerte und Sachzeitwerte parallel ermittelt werden.17 In der Vergangenheit wurde in den Konzessionsverträgen regelmäßig eine Übertragungsoption der Netzanlagen zum Sachzeitwert vereinbart. Nach dem sog. Kaufering-Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) aus dem Jahr 199918 ist der Sachzeitwert durch den Ertragswert zu ersetzen, sofern dieser unterhalb des Sachzeitwertes liegt19: „Prohibitiv wirkt der Netzkaufpreis, wenn er die Übernahme der Stromversorgung durch einen nach den Maßstäben wirtschaftlicher Vernunft handelnden anderen Versorger ausschließt und die Kommune dadurch faktisch an den bisherigen Versorger gebunden bleibt. Diese Grenze ist erreicht, wenn der Sachzeitwert den Ertragswert des Versorgungsnetzes nicht unerheblich übersteigt.“20 In diesem Fall ist ein objektivierter Ertragswert bzw. ein DCF-Wert zu ermitteln. Das OLG München hat in der Sache Kaufering im Jahr 2005 entschieden, dass der Netzkaufpreis in Höhe des Sachzeitwertes nicht prohibitiv wirkt, wenn der Sachzeitwert den Ertragswert um etwa 7,0 % übersteigt.21
15 16 17 18 19 20 21
Vgl. Beyer, S. (2008), S. 171–172. Vgl. entsprechend die Analyse von Gampenrieder, P. (2004) und Gampenrieder, P./Wiese, J. (2006). In der Vergangenheit wurde in Konzessionsverträgen regelmäßig ein Wertmaßstab vereinbart nach dem der Netzbetreiber entschädigt wird, sofern nach Auslaufen des Konzessionsvertrages keine Verlängerung erfolgt. Vgl. „Kaufering Urteil“, BGH 16.11.1999, KZR 12/97, OLG München, LG München I. Für eine Diskussion der juristischen und wirtschaftlichen Implikationen vgl. Büdenbender, U./Rosin, P./ Bachert, P. (2006); Lecheler, H. (2007) und Ballwieser, W. (2007). BGH-Urteil (1999) BGHZ 143,157. Vgl. Oberlandesgericht München (2005).
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Sven Beyer und Günther Keller
18.2.3 Rechnungslegungsbezogene Bewertungen Die rechnungslegungsbezogenen Bewertungen sind vor allem bei kapitalmarktorientierten Energieversorgern im Rahmen der IFRS- und US-GAAP-Bilanzierung relevant.22 Ein Beispiel ist die Zugangsbewertung im Falle eines Unternehmenszusammenschlusses. Dabei sind im Rahmen der Kaufpreisallokation alle einzelnen erworbenen Vermögenswerte, Schulden und Eventualschulden mit dem beizulegenden Zeitwert zu bewerten. Wesentliche Bewertungsobjekte im Rahmen einer Kaufpreisallokation eines Energieversorgers sind das zu übernehmende Sachanlagevermögen (Erzeugungs- und Netzanlagen, Gasspeicher u.a.) sowie immaterielle Vermögenswerte, wie Kundenverträge und -beziehungen, Konzessionen und behördliche Genehmigungen, Emissionsrechte, Handelsbücher u.a. Im Rahmen der Folgebewertung sind je nach Sachverhalt entweder auf Vermögensebene oder auf Ebene zahlungsmittelgenerierender Einheiten Werthaltigkeitsprüfungen oben genannter Vermögenswert(-klassen) sowie von bilanzierten Geschäfts- und Firmenwerten vorzunehmen. In Abb. 18-11 wird die Bedeutung von vertragsbezogenen immateriellen Vermögenswerten in der Energieversorgungsbranche deutlich.23 Hinsichtlich der Werttreiber ist grundsätzlich zwischen den Wertschöpfungsstufen Erzeugung/Beschaffung, Handel sowie Übertragung, Verteilung und Vertrieb („Netz/Vertrieb“) zu unterscheiden, wobei eine klare Abgrenzung beim Erwerben integrierter Energieversorger nicht immer möglich ist. Dieses Problem stellt sich auch bei Erwerben von Stadtwerken, die oft nennenswerte eigene Erzeugungskapazitäten besitzen. Immaterielle Werte haben insgesamt über die Branche hinweg einen Anteil von 7,3 % am Kaufpreis bzw. den Kosten des Unternehmens-
Energy & Power Generation – Anteil der einzelnen immateriellen Vermögenswerte an den Kosten des Unternehmenszusammenschlusses (Median) Technologiebezogene immaterielle Vermögenswerte/ Purchase Price
0%
Vertragsbezogene immaterielle Vermögenswerte/ Purchase Price
49,90%
Kundenbezogene immaterielle Vermögenswerte/ Purchase Price Marketingbezogene immaterielle Vermögenswerte/ Purchase Price
5,30%
2,90%
Sonstige immaterielle Vermögenswerte/ Purchase Price 0%
4,70%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
Quelle: KPMG (2009), S. 47 Abb. 18-11: Anteil immaterieller Werte an den Kosten des Unternehmenszusammenschlusses 22 23
Vgl. zu den bilanziellen und Bewertungsfragen im Zusammenhang mit der Abbildung von Unternehmenszusammenschlüssen nach IFRS bzw. US-GAAP ausführlich Ballwieser, W./Beyer, S./Zelger, H. (Hrsg.) (2008). Vgl. hierzu KPMG Studie (2009).
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18 Bewertung von Energieversorgungsunternehmen zusammenschlusses. Die Prozentangaben für die einzelnen immateriellen Werttreiber beziehen sich jeweils nur auf solche Transaktionen, bei denen der jeweilige Werttreiber zum Ansatz kam. In den Bereichen Erzeugung und Netz/Vertrieb geben unsere Auswertungen einen ersten Anhaltspunkt über eine charakteristische Struktur identifizierbarer immaterieller Vermögenswerte. Für die Wertschöpfungsstufe Handel liegen aufgrund der erst in den letzten Jahren zunehmenden Bedeutung dieses Bereichs noch verhältnismäßig wenige Transaktionen vor. Zentrale Werttreiber Erzeugung
Klassifizierung
Betriebslizenzen
Vertragsbezogene immaterielle Vermögenswerte
Leistungs- und Betriebsführungsverträge
Vertragsbezogene immaterielle Vermögenswerte
Vorteilhafte Verträge für Stromlieferung oder den Bezug von Rohstoffen
Vertragsbezogene immaterielle Vermögenswerte
Quelle: KPMG (2009), S. 48 Abb. 18-12: Zentrale immaterielle Werttreiber im Bereich Erzeugung
Zentrale Werttreiber Netz/Vertrieb
Klassifizierung
Kundenverträge mit Endabnehmern
Kundenbezogene immaterielle Vermögenswerte
Firmenmarke
Marketingbezogene immaterielle Vermögenswerte
Quelle: KPMG (2009), S. 48 Abb. 18-13: Zentrale immaterielle Werttreiber im Bereich Netz/Vertrieb
Zentrale Werttreiber im Bereich Erzeugung stellen vor allem Betriebslizenzen für Erzeugungsanlagen dar.24 Die Betriebslizenz ist dabei umso wichtiger und werthaltiger je strenger die derzeitige Regulierung für die Entwicklung eines Kraftwerksprojektes ist. Der Umfang regulatorischer Vorschriften sowie die Stringenz der Anwendung dieser Vorschriften können dabei je nach Kraftwerkstyp und dem Land in dem das Kraftwerk entwickelt werden soll, sehr unterschiedlich sein. Sofern ein Kraftwerksbetreiber eine Erzeugungsanlage nicht selbst besitzt, sondern lediglich den Betrieb der Anlage übernimmt, sind hingegen regelmäßig Leistungs- und Betriebsführungsverträge als Vermögenswert zu aktivieren. Vorteilhafte Verträge können sich beispielweise ergeben, wenn vertraglich festgelegte Konditionen für Leistungen oder den Bezug von Rohstoffen wie Kohle oder Gas im Vergleich zu aktuellen Marktkonditionen vorteilhaft sind. Versorgungsnetze stellen in der Regel ein natürliches Monopol dar, da ein Aufbau paralleler Netze durch konkurrierende Anbieter (wie etwa im Mobilfunkbereich) unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht sinnvoll ist. Aufgrund der Monopolstellung des Netzbetreibers hat der Bestand an Netzkunden per se keine wertbestimmende Funktion. Stattdessen ermöglicht das Eigentum des Netzes den Zugang zu den Kunden. Der zentrale Werttreiber sind in diesem Zusammenhang daher die Verteilungsanlagen und damit materielle Vermögenswerte. Im Vertriebsbereich stellen vertraglich basierte Kundenbeziehungen bei Versorgungsunternehmen regelmäßig einen wesentlichen Werttreiber dar. 24
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die ausgewertete Grundgesamtheit zu diesem Zeitpunkt insbesondere durch Transaktionen im Bereich der erneuerbaren Energien, vor allem durch Windparks, geprägt war. Die Übernahme von Teilen der Endesa Europe, Enel Viesgo und weiterer Kraftwerkskapazitäten der Endesa in Spanien durch E.ON ist darin bspw. noch nicht enthalten und würden das Bild ggf. verändern.
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Sven Beyer und Günther Keller Dabei wird oftmals zwischen Tarifkunden und Sondervertragskunden unterschieden. Tarifkunden beinhalten Privatkunden und kleinere Gewerbekunden. Sondervertragskunden sind typischerweise Abnehmer mit einem hohen Mengen- bzw. Leistungsbedarf. Sofern für einen Kunden, wie beispielsweise im Bereich Wasser in Deutschland, ein Wechsel des Versorgers aufgrund bestehender Regulierungen nicht möglich ist, werden regelmäßig auch keine Kundenbeziehungen bilanziert. Dies begründet sich vor dem Hintergrund der monopolartigen Stellung des Anbieters. Ein typisierter Erwerber des operativen Geschäftsbetriebes würde den Kundenstamm zwar als immateriellen Vermögenswert entsprechend den Ansatzkriterien des IFRS 3 und SFAS 141 identifizieren, diesen aber keinen Wert zuweisen, da die regulatorischen Gegebenheiten Ursache der Wertschaffung sind und der Kunde mangels Wettbewerb von dem Versorgungsunternehmen Leistungen beziehen muss. Aus diesem Grund, sowie aufgrund der im Vergleich zum Netzbetrieb regelmäßig relativ geringen operativen Margen, entfällt bei Erwerben integrierter Energieversorgungsunternehmen bzw. von Stadtwerken oftmals nur ein geringer Anteil des Kaufpreises auf Kundenbeziehungen. Vorteilhafte Verträge beziehen sich in diesem Bereich regelmäßig auf Bezugsverträge für Strom, Gas, Wasser oder Wärme. Marken sind derzeit im Vertrieb noch von untergeordneter Bedeutung. Dies liegt zum einen an der hohen Preissensitivität der Kunden in Bezug auf Energie und zum anderen an dem in Untersuchungen festgestellten geringen Zusatznutzen der Markierung für den Kunden.
18.3 Gesamtbewertung von Energieversorgungsunternehmen Energieversorgungsunternehmen zeichnen sich meist durch ein breites Produkt- und Dienstleistungsportfolio aus. Neben den sog. leitungsbezogenen Versorgungsleistungen mit Strom, Gas, Fernwärme und Wasser bieten insbesondere größere Stadtwerke häufig eine breite Palette an begleitenden Dienstleistungen an, die von der Abfallentsorgung über den Personennahverkehr und verschiedene Telekommunikationsdienstleistungen bis hin zum Betrieb von Parkgaragen reichen. Für eine Gesamtbewertung eines Energieversorgungsunternehmens ist daher entsprechend den bekannten Überlegungen zur Konzernbewertung25 in einem ersten Schritt die Entscheidung zu treffen,
CommodityProdukte
nicht traditionell
traditionell
Energieversorgung
Bündelung von Utility-Funktionen
Nicht energiebezogene Versorgung
Andere versorgungsbezogene Dienstleistungen
Gas
Wasser
Telekommunikation
Elektrizität
Abwasser
Kabel TV
Wärme
Abfallentsorgung
Energiemanagementberatung
Dezentrales Gebrauchtwassermanagement
Kogenerationvon Energie mit Industrieunternehmen
Beratungsleistungen
„versorgungsnah “
Andere infrastruktur / versorgungsbezogene Dienstleistungen
Gebäudemanagement
Keine CommodityProdukte Andere Dienstleistungen
Fakturierungsservice Kapitalbeschaffung
Infrastrukturwartung
Internetzugang Multimedia
Off-Site Sicherheitsmanagement
Call-Center Management
Inhalte
Umzugsservice
Finanzmanagement von Großprojekten
„versorgungsfern“
Quelle: Vielhaber, C. (2005) Abb. 18-14: Produkt- und Dienstleistungsangebot von Versorgungsunternehmen 25
Vgl. Meichelbeck, A. (2005), S. 437–457.
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18 Bewertung von Energieversorgungsunternehmen ob ein Wert durch Addition der Einzelwerte von Segmenten bzw. Geschäftsbereichen oder auf Basis einer Gesamtbewertung ermittelt wird. Ein Kriterium für diese Entscheidung ist der Grad der Verbundenheit der jeweiligen Geschäftsbereiche. Daneben determiniert aber selbstverständlich auch die Granularität der zur Verfügung stehenden Datenbasis den Bewertungsansatz und diese wiederum die Intensität und den denkbaren Umfang einer Plausibilisierung der Bewertung.
Bewertungskonzept
Gesamtbewertung
Bewertung auf Basis abgrenzbarer Einheiten
Grad der Verflechtung
Hoch
Niedrig
Konzernabschluss und/oder -Planungsrechnungen
Einzelabschlüsse und /oder detaillierte Teilplanungsrechnungen
Bewertungseinheiten
Eine Bewertungseinheit
Mehrere/viele Bewertungseinheiten
Vorgehensweise
1. Aggregation 2. Wertermittlung
1. Wertermittlung 2. Aggregation
Datenbasis
Quelle: In Anlehnung an Meichelbeck, A. (2005) Abb. 18-15: Aspekte der Gesamtbewertung
Eine Bewertung auf Basis einer konsolidierten Unternehmensplanung ist prinzipiell dann vorzuziehen, wenn der Grad der Verbundenheit der Geschäftsbereiche sehr hoch ist. Mit der Konsolidierung können auch die Verbundwirkungen in Form von Synergien unmittelbar berücksichtigt werden. Die relevante Datenbasis wäre dann der Konzernabschluss und/oder die Konzernplanungsrechnungen. Ein Manko dieser Gesamtbetrachtung ist, dass sich die zukünftigen Umsatz- und Ergebnisentwicklungen und die Einflussfaktoren für diese Entwicklung mitunter stark unterscheiden. Dies betrifft bei Energieversorgungsunternehmen bereits die Wertschöpfungskette innerhalb der traditionellen Versorgungsbereiche Strom und Gas selbst. So sind bspw. die Erzeugung und der Vertrieb im Strombereich dem freien Wettbewerb ausgesetzt, die Netzentgelte und damit die Umsätze im Netzbetrieb dagegen reguliert und nur phasenweise Anpassungen ausgesetzt. Zumindest sind diese Bereiche aber noch mehr oder weniger abhängig von einer gemeinsamen übergeordneten Einflussgröße „Stromverbrauch“. Eine derartige Abhängigkeit bzw. ein derartiger Bezug kann bei Geschäftsbereichen, wie „Dezentrales Gebrauchtwassermanagement“ oder „Off-Site Sicherheitsmanagement“, nicht ohne weiteres hergestellt werden. Im Vergleich zu Unternehmen mit nur einem Geschäftsbereich, stellt daher die Analyse von Unternehmen mit mehreren Geschäftsbereichen, wie es bei Energieversorgungsunternehmen meist der Fall ist, den Bewerter vor eine Vielzahl von Herausforderungen. Durch die Aggregation von Finanzdaten für Geschäftsbereiche mit tatsächlich unterschiedlichen Kapitalstrukturen, Risikograden und spezifischen Werttreibern, würden die charakteristischen Merkmale der einzelnen Segmente verschleiert.26 26
Vgl. White, G./Sondhi, A. C./Fried, D. (2002), S. 711f.
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Sven Beyer und Günther Keller Wenngleich selbstverständlich auch bei Energieversorgern in gewissen Umfang Verbundwirkungen vorhanden sind, können regelmäßig für die wesentlichen Geschäftsfelder Teileinheiten identifiziert werden, die quasi-selbstständig Zahlungsströme generieren, eigenständig vom Management gesteuert und damit aus Bewertungssicht auch eigenständig analysiert werden sollten.27 Dies wird im Folgenden am Beispiel des Geschäftsfeldes „Strom“ dargestellt. Die Geschäftsbereichsanalyse im Strombereich kann in die Ertrags- sowie die Aufwandsplanung unterteilt werden.28 Hinsichtlich der Ertragsplanung gründet die Prognose der zukünftigen Umsätze letztendlich auf einer detaillierten Analyse der bestehenden bzw. potenziellen Kundenbeziehungen. Da nicht alle Kunden das gesamte Produkt- bzw. Dienstleistungsangebot nutzen, kann es hinsichtlich der Rentabilität einzelner Kundensegmente zu erheblichen Unterschieden kommen. Insofern ergeben sich je nach Zuordnung der Kunden zu den verschiedenen Segmenten unterschiedliche Prognosefelder. So kann etwa der zukünftige Absatz von privaten Haushalten aufgrund vergangener Verbrauchsprofile sowie vorliegender Einschätzungen zur demographischen Entwicklung der Gesellschaft vergleichsweise genau bestimmt werden. Anders stellt sich die Lage im Bereich der Nachfrage der gewerblichen Kunden dar. Diese wird in erheblichem Umfang durch die gesamtwirtschaftliche Entwicklung geprägt. Dies erschwert die mittel- bis langfristige Prognose der Umsätze in diesem Kundensegment. Die Aufwandsseite der Energieversorgungsunternehmen wird vorrangig durch die Entwicklung der Rohstoffpreise zur Energiegewinnung sowie den Investitionskosten im Bereich des Kraftwerks- bzw. Netzausbaus geprägt. Gerade beim Kraftwerksneubau handelt es sich um langfristige, sehr kapitalintensive Investitionen, die eine nachhaltige Planung erfordern. An dieser Stelle wirkt sich insbesondere ein stabiles regulatorisches Umfeld positiv auf die Planungssicherheit aus. Dies zeigt sich beispielsweise an der unterschiedlichen Haltung europäischer Länder zur langfristigen Nutzung von Kernenergie. Aufgrund des vergleichsweise kapitalintensiven Baus sowie Betriebs von Kernkraftwerken ist eine realistische Prognose der Restnutzungsdauern für eine aussagekräftige Planung absolut zwingend. Darüber hinaus soll die Geschäftsplanung eine entsprechende Datenbasis liefern, um die staatlich regulierten Bereiche, wie etwa im Bereich der Übertragungsnetze, zu planen bzw. zu bewerten. In Ergänzung zu den Vorgaben zur Segmentberichterstattung nach den IFRS und US-GAAP muss daher vor dem Hintergrund einer objektivierten Bewertung ein höherer Detaillierungsgrad gefordert werden. Für die Ableitung der Kapitalkosten wird üblicherweise eine Peer Group kapitalmarktorientierter Vergleichsunternehmen gebildet, im vorliegenden Fall also inländische börsennotierte Energieversorgungsunternehmen, welche möglichst ausschließlich Strom über die gesamte Wertschöpfungskette abbilden. In Abb. 18-16 finden sich alternativ zu einer Ableitung mit Hilfe von Kapitalmarktdaten die in den Geschäftsberichten abgebildeten Kapitalkosten großer Energieversorgungsunternehmen, die ebenfalls zur Orientierung herangezogen werden können. Konzernkapitalkosten deutscher Energieversorger 2008 E.ON G es c häfts jahr 2008
RWE 2008
EnBW 2008
MVV 2007 / 2008
Eigenkapitalkosten nach Steuern
8,0%
8,1%
10,0%
8,0%
Fremdkapitalkosten nach Steuern
4,2%
3,9%
4,2%
4,1%
Anteil Eigenkapital
65,0%
50,0%
40,0%
50,0%
Anteil Fremdkapital
35,0%
50,0%
60,0%
50,0%
Kapitalkosten nach Steuern
6,7%
6,0%
6,5%
6% *
Kapitalkosten vor Steuern * eigene Berechnung
9,1%
8,4%
9,1%
8,5%
Quelle: Geschäftsberichte für das Geschäftsjahr 2008 bzw. 2007/2008 Abb. 18-16: Konzernkapitalkosten ausgewählter deutscher Energieversorger 2008 27 28
Vgl. Chen, P. F./Zhang, G. (2003), S. 397 ff. Eine Abweichung von dieser „klassischen“ Vorgehensweise findet sich bspw. bei der Ableitung des nachhaltigen Ergebnisses im Rahmen der Netzbewertung, wie sie im folgenden Kapitel 4 näher dargestellt wird.
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18 Bewertung von Energieversorgungsunternehmen Der Blick auf die Bandbreite des Produktportfolios und die Wertschöpfungskette im Energieversorgungsmarkt hat bereits gezeigt, dass Energieversorger einzelne Wertschöpfungsstufen verschieden abdecken und auf jeder Stufe unterschiedliche Geschäftsmodelle zum Tragen kommen. Die Geschäftsmodelle zeichnen sich durch jeweils spezifische Chancen-/Risikostrukturen aus. Allein aus diesem Grund scheidet die mechanische Übertragung vorstehender Konzernkapitalkosten in konkreten Bewertungsfällen aus, da die Marktdaten keinerlei Aufschluss über geschäftsbereichsspezifische bzw. vermögenswertspezifische Kapitalkosten geben können. Dennoch bilden diese einen Ausgangspunkt für die weitere Analyse. Die im Rahmen von Konzernkapitalkosten ermittelten Risikozuschläge sind nur als Ausgangsgröße verwendbar. Dies bedeutet, dass eine eigenständige Risikoeinschätzung des Bewerters unabdingbar ist. Abb. 18-17 veranschaulicht hierbei die Abhängigkeit des Risikos des Bewertungsobjekts von Art und Zusammensetzung der Geschäftsbereiche.
Erzeugung konventionell
Erzeugung erneuerbar
Trading
Übertragung/ Verteilung
Vertrieb
Marktrisiko - Absatzmengen – - Absatzpreise –
Operatives Risiko - Capex – - Beschaffungspreise – - Sonstige – SonstigeOpex Opex
Finanzierungsrisiko Regulierungsrisiko Umweltrisiko Geringes Geschäftsrisiko
Mittleres Geschäftsrisiko
Hohes Geschäftsrisiko
Quelle: KPMG-Analyse Abb. 18-17: Tendenzaussagen zum Risikoprofil unterschiedlicher Geschäftsfelder
Man sieht, dass in der konventionellen Erzeugung aber auch im Trading insbesondere die Preisrisiken bezüglich Strom, Brennstoffe und CO2 im Vordergrund stehen. In hohem Grade unsicher sind im konventionellen Kraftwerksbereich weiterhin auch die Investitionskosten für neue Kraftwerke. Ein völlig unterschiedliches Risikoprofil weisen im Rahmen des EEG geförderte Erzeugungsanlagen auf, da diese aufgrund der regulierten Einspeiseverpflichtung sowie den regulierten Tarifen zumindest im garantierten gesetzlichen Förderzeitraum (i.d.R. 20 Jahre) faktisch keinem Marktrisiko unterliegen. Stattdessen besteht nach Ablaufen des geförderten Zeitraums ein Regulierungsrisiko, da künftige gesetzliche Regelungen im Bereich der erneuerbaren Energien noch nicht absehbar sind. Im Bereich der Übertragungs- und Verteilungsnetze ist ebenfalls aufgrund der Regulierung faktisch kein Marktrisiko vorhanden. Demgegenüber sind allerdings verstärkt Regulierungsrisiken zu beachten. Diese bestehen beispielsweise in der Anerkennung von Investitionen und Kosten sowie in der zeitlich verzögerten Berücksichtigung von Kosten im Netzentgelt. Ein weiteres Risiko besteht in der künftigen Festsetzung des Eigenkapitalzinssatzes, dessen Höhe maßgeblichen Einfluss auf die Profitabilität eines Netzbetreibers aufweist. Der Vertrieb von Strom und Gas ist im Gegensatz zu den vorgenannten Bereichen sehr stark durch ein hohes Marktrisiko gekennzeichnet. Dieses bezieht sich zum einen auf Mengenrisiken (z.B. wettbewerbsbedingte Kundenabgänge, Verbrauchsabsenkung
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Sven Beyer und Günther Keller durch Erhöhung der Energieeffizienz oder Substitutionsgefahren im Gasvertrieb). Zum anderen aber spielen im Strom- und Gasvertrieb Preisrisiken im aufkommenden Wettbewerb eine bedeutende Rolle, da bei zunehmend preissensiblen Endkunden und Konkurrenzdruck unter den Strom- und Gasanbietern ein Abschmelzen der Handelsmargen drohen kann. Ausgehend vom Detaillierungsgrad der vorgelegten (Segment-)Planung bzw. des Bewertungsanlasses stellt sich die Frage nach der geeigneten Bewertungsmethode. Hier bietet sich zunächst die Bewertung des gesamten Unternehmens an, was in der Regel nur die Anwendung einer einzelnen Bewertungsmethode zulässt. Andererseits bietet sich auf Basis einer detaillierten Geschäftsbereichs- bzw. Segmentplanung die Möglichkeit, die einzelnen Geschäftsbereiche bzw. Vermögensgegenstände des Unternehmens getrennt voneinander zu bewerten und anschließend durch eine entsprechende Addition der Einzelwerte einen Gesamtunternehmenswert abzuleiten. In diesem Fall können verschiedene Bewertungsmethoden angewandt werden, die jeweils den spezifischen Anforderungen der einzelnen Bewertungsobjekte gerecht werden. Im Vergleich zur Gesamtunternehmensbewertung stellt diese sog. „Sum-of-the-parts“-Betrachtung auf die Bewertung einzelner Geschäftsbereiche bzw. Vermögensgegenstände ab, um diese etwa im Rahmen einer Transaktion mit unabhängigen Dritten jeweils einzeln zu veräußern. Dies kann zum einen dazu führen, dass die Summe der Werte der einzelnen Geschäftsbereiche oder Vermögensgegenstände über dem Gesamtunternehmenswert bei Fortführung des Unternehmens liegt. Zum anderen kann der Gesamtunternehmenswert über der Sum of the Parts liegen. Letzteres ist in der Regel bei größeren Energieversorgern der Fall, indem durch die entsprechende Nutzung von Synergien und Skaleneffekten die Rentabilität erhöht werden kann.29 Dies zeigt sich auch am Beispiel von Stadtwerken,
Verbundeffekte? Sonstiges
Gesamtportfolio
Entsorgung Wärme Wasser Vertrieb Strom
Netz Erzeugung
Vertrieb Gas
Netz Beschaffung
Quelle: KPMG-Analyse Abb. 18-18: „Sum of the Parts“ vs. Gesamtbewertung 29
Vgl. Farsi, M./Fetz, A./Filippini, M. (2008), S. 141.
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18 Bewertung von Energieversorgungsunternehmen die in den vergangenen Jahren Minderheitsbeteiligungen mit strategischen Kooperationspartnern, in der Regel mit einem der überregionalen Energieversorger, eingegangen sind, um entsprechende Synergie- und Verbundeffekte zu realisieren.30 Diese vertikale Integration von Energieerzeugung und -vertrieb führt einerseits auf gesellschaftsrechtlicher Ebene zu komplexen Gesellschafterstrukturen, die insbesondere vor dem Hintergrund des Kaufs bzw. des Verkaufs von einzelnen Gesellschaftsanteilen sorgfältig zu durchleuchten sind. Anderseits erfordert die Bewertung der Gesellschaftsanteile eine genaue Aufteilung der jeweiligen Zahlungsströme, die insbesondere im Bereich der kommunalen Dienstleistungen defizitäre Geschäftsbereiche mit einschließen können.
18.4 Bewertung von Netzen 18.4.1 Strom- und Gasnetze als Bewertungsobjekte Vorüberlegung Wie bereits vorstehend angedeutet kommen bei der Bewertung von Netzen bzw. Netzgesellschaften regelmäßig das DCF-Verfahren und parallel hierzu das Sachzeitwertverfahren zum Einsatz. Beide Verfahren werden im Folgenden im Rahmen der Anwendung bei der Bewertung eines Stromnetzbetreibers erläutert. Grundsätzlich unterscheidet sich die Vorgehensweise bei der Bewertung von Netzgesellschaften nicht von der gängigen Vorgehensweise im Rahmen einer Unternehmensbewertung. In den Einzelheiten aber sind in signifikantem Umfang Besonderheiten zu beachten. Neben den regulatorischen Einflüssen, die die Ertragslage der Netzbetreiber ganz entscheidend prägen, liegt dies zum Teil auch an den strukturellen Besonderheiten von Netzen. Netzstrukturen in Deutschland In Bezug auf Stromnetze muss zunächst zwischen Übertragungsnetzen und Verteilungsnetzen unterschieden werden. Übertragungsnetze umfassen Höchstspannungsleitungen (380 kV- bzw. 220 kVLeitungen) und dienen der Fernübertragung von Strom. Stromverteilungsnetze umfassen hingegen den Abschnitt vom Hochspannungsnetz mit 110 kV zum Hausanschluss mit 220 V. Je nachdem, ob es sich beim Bewertungsobjekt um das Netz eines großen Regionalversorgers mit einem erheblichen Anteil von Hochspannungsanlagen oder ein auf das Ortsgebiet einer Kommune beschränktes Netz eines Stadtwerks handelt, kann die Netzstruktur bei Verteilnetzen somit sehr unterschiedlich sein. In Abb. 18-19 wird die geographische Netzstruktur in Deutschland unterteilt nach Übertragungs- und Verteilungsnetz dargestellt. Netze bestehen aus einem komplexen Bündel an Sachanlagen unterschiedlichen Typs, mit unterschiedlichen Nutzungsdauern und Alter (z.B. Freileitungen, Kabel, Umspannwerke, Verteilerstationen, …). Trotz der langen Nutzungsdauern wesentlicher Anlagenklassen ändern sich die Zusammensetzung und der Zustand des Netzes kontinuierlich. Durch Netzersatzinvestitionen und Instandhaltungsmaßnahmen erfolgt eine fortlaufende Erhaltung des Netzes. Davon zu unterscheiden sind Netzausbauinvestitionen z.B. zur örtlichen Netzerweiterung bzw. Erhöhung der Netzkapazität oder anderen technisch oder rechtlich erforderlichen Investitionen zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit.31 Im Rahmen der Bewertung sind daher detaillierte Untersuchungen zu Restnutzungsdauern und Altersstruktur sowie zu den erforderlichen Reinvestitionen und Instandhaltungsaufwendungen vorzunehmen.32 30 31
32
Vgl. Fraquelli, G./Piacenza, M./Vannoni, D. (2004), S. 2045 ff. sowie Jandik, T./Makhija, A. K. (2005), S. 61 ff. Siehe zum Zustand der Übertragungsnetze beispielsweise den „Bericht gem. § 63 Abs. 4 a EnWG zur Auswertung der Netzzustands- und Netzausbauberichte der deutschen Elektrizitätsübertragungsnetzbetreiber“ der Bundesnetzagentur vom 8. Januar 2008. Lt. dem Bericht liegt das Durchschnittsalter in den wesentlichen Anlagenklassen zwischen 20 und 30 Jahren, allerdings weisen beispielsweise die 220 kV-Maste ein Durchschnittsalter von knapp 50 Jahren auf. Vgl. Bundesnetzagentur (2008a), S. 18f. Aus diesen strukturellen Besonderheiten folgt auch wie in Kapitel 2.1. dargestellt das Erfordernis, eine sorgfältige sachliche und zeitliche Abgrenzung des Bewertungsobjekts (siehe in Kapitel 2.1.) vorzunehmen.
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Sven Beyer und Günther Keller
Quellen: VDN (2007) Abb. 18-19: Das deutsche Übertragungsnetz und das deutsche Verteilungsnetz
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18 Bewertung von Energieversorgungsunternehmen
18.4.2 Grundstruktur eines DCF-Kalküls für eine Netzbewertung Der Wert eines Netzbetriebs wird durch das Potenzial bestimmt, zukünftig aus dem Netzbetrieb finanzielle Überschüsse erzielen zu können. Bei der Bewertung dieser finanziellen Überschüsse von Netzbetreibern sind die vielfältigen Beziehungen, die zwischen den das Netzentgelt bestimmenden Faktoren und den finanziellen bzw. bilanziellen Größen (im Wesentlichen Plan-GuV und PlanBilanzen) bestehen, zu beachten. Abb. 18-20 gibt einen schematischen Überblick über wesentliche Werttreiber, welche die bewertungsrelevanten Überschüsse im Startzeitpunkt der Anreizregulierung zu Beginn des Jahres 2009 maßgeblich beeinflussen:
Kalkulatorische Restwerte des Anlagevermögens
Kalkulatorische Abschreibungen
Nutzungsdauer
+
Erlöse aus Netznutzung
+
Bilanzwerte der Finanzanlagen und des Umlaufvermögens
-
Kalkulatorische EK Verzinsung inkl. kalkulatorischer GewSt.
=
Operative Kostenpositionen*
=
+
Betriebsnotwendiges Vermögen
Kalk. EKKosten Zinssatz
Abzugskapital
EBITDA
Aufwandsgleiche Kostenpositionen (inkl. FK Zinsen)
Adjustierte Steuern
-
+/-
Kostenmindernde Erlöse und Erträge
(Des-) Investitionen AV
+/-
(Des-) Investitionen WC
Verzinsliches Fremdkapital
+/+/-
Weitere Positionen
Sonstige Bilanzposten
=
=
Betriebsnotwendiges Eigenkapital
=
Netzkosten
Cash Flow
* Materialaufwand, Personalaufwand, Sonstige betriebliche Aufwendungen
Basiszins
Abbildung der Regulierungsperioden**
Marktrisiko Investitionsrisiko
Cash Flows 2009 – 2013
Finanzierungsrisiko
Cash Flows 2014 – 2018 DCF-/ Ertragswert eines Netzbetreibers
Eigenkapitalkosten
Cash Flows 2019 ff.
** Die Dauer der beiden Regulierungsperioden bezieht sich auf den Bereich Strom
Quelle: KPMG-Analyse Abb. 18-20: Werttreibermodell im Netzgeschäft 33 33
Im Folgenden wird vereinfachend einheitlich von Cash Flows gesprochen und auf die weitere Differenzierung im Hinblick auf Free Cash Flows oder Total Cash Flows verzichtet.
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Sven Beyer und Günther Keller Die Graphik visualisiert ausgewählte Zusammenhänge der Netzentgeltkalkulation (gem. StromNEV § 4 ff.) wie sie im Rahmen der von der Bundesnetzagentur im Jahr 2008 ergangenen Netzentgeltbescheide zum Tragen gekommen sind. Im Rahmen der Entgeltkalkulation sind die Netzkosten zu ermitteln. Hierzu werden als wesentliche Basisgrößen die kalkulatorischen Restwerte für das Sachanlagevermögen sowie unter Berücksichtigung weiterer Aktiv- und Passivpositionen das kalkulatorische Eigenkapital benötigt. Die kalkulatorischen Restwerte sind Grundlage für die kalkulatorischen Abschreibungen, die unter Zugrundelegung von Nutzungsdauern abgeleitet werden. Das kalkulatorische Eigenkapital stellt grundsätzlich die Verzinsungsbasis dar, auf deren Basis unter Verwendung einer differenzierten Berechnungsmethodik für Alt- und Neuanlagen die kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung ermittelt wird. Neben diesen beiden kalkulatorischen Bestandteilen der Netzkosten werden im Wesentlichen aufwandsgleiche Kosten berücksichtigt und sonstige kostenmindernde Erlöse und Erträge abgezogen. Zieht man von dem so ermittelten Erlösen aus Netzzugang die operativen Kostenpositionen ab, ergibt sich das Betriebsergebnis vor Abschreibungen (EBITDA). Wesentlich bei dieser Ableitung ist zum einen, dass die kalkulatorischen Abschreibungen und die kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung zum Start der Anreizregulierungsphase auf die gleichen Basisdaten (insbesondere die kalkulatorischen Restwerte des Sachanlagevermögens) zurückgreifen und dadurch die Unternehmensbewertung stark von der vorhandenen Anlagensubstanz beeinflusst wird. Zum anderen ist ersichtlich, dass die Ertragslage des Netzbetreibers auch davon abhängt, in welchem Verhältnis die tatsächlichen operativen Kosten zu den genehmigten aufwandsgleichen Kosten stehen. Weitere Einzelheiten der Netzentgeltermittlung werden im folgenden Kapitel ausgeführt. Ausgehend von dem Entgeltniveau 2008 erfolgt, verteilt über zwei Anreizregulierungsperioden im Rahmen der mit Beginn des Jahres 2009 in Kraft getretenen Anreizregulierungsverordnung, eine Vorgabe von Erlösobergrenzen durch die Bundesnetzagentur. Dies bedeutet wirtschaftlich eine partielle Entkopplung der genehmigten Erlöse aus Netznutzungsentgelten (Erlösobergrenze oder „EOG“) von den unternehmensspezifischen Kosten während der Dauer einer Anreizregulierungsperiode. Die Festsetzung der Erlösobergrenze erfolgt mit der folgenden Formel (sogenannte Anreizregulierungsformel):34
EOt KA dnb,t EOt KAdnb,t
KAvnb,0 Vt KAb,0 VPIt VPI0
34
KA vnb,0
1 V t * KA b,0 *
VPI t VPI 0
PF t * EFt
Q t St
= Erlösobergrenze aus Netzentgelten, die im Jahr t der jeweiligen Regulierungsperiode nach Maßgabe des § 4 ARegV Anwendung findet. = Dauerhaft nicht beeinflussbarer Kostenanteil nach § 11 Abs. 2 ARegV, der für das Jahr t der jeweiligen Regulierungsperiode unter Berücksichtigung der Änderungen nach § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 ARegV Anwendung findet. = Vorübergehend nicht beeinflussbarer Kostenanteil nach § 11 Abs. 3 ARegV im Basisjahr. = Verteilungsfaktor für den Abbau der Ineffizienzen, der im Jahr t der jeweiligen Regulierungsperiode nach Maßgabe des § 16 ARegV Anwendung findet. = Beeinflussbarer Kostenanteil nach § 11 Abs. 4 ARegV im Basisjahr. Er entspricht den Ineffizienzen nach § 15 Abs. 3 ARegV. = Verbraucherpreisgesamtindex, der nach Maßgabe des § 8 S. 2 ARegV für das Jahr t der jeweiligen Regulierungsperiode Anwendung findet. = Durch das Statistische Bundesamt veröffentlichter Verbraucherpreisgesamtindex für das Basisjahr.
Vgl. § 7 ARegV i.V.m. Anlage 1.
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18 Bewertung von Energieversorgungsunternehmen PFt
= Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor nach Maßgabe des § 9 ARegV, der die Veränderungen des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors für das Jahr t der jeweiligen Regulierungsperiode im Verhältnis zum ersten Jahr der Regulierungsperiode wiedergibt. In Analogie zu dem Term VPIt/VPI0 ist PFt dabei durch Multiplikation der einzelnen Jahreswerte einer Regulierungsperiode zu bilden. = Erweiterungsfaktor nach Maßgabe des § 10 für das Jahr t der jeweiligen Regulierungsperiode (nur bei Verteilnetzen). = Zu- und Abschläge auf die Erlösobergrenze nach Maßgabe des § 19 ARegV im Jahr t der jeweiligen Regulierungsperiode. = Im letzten Jahr einer Regulierungsperiode wird nach Maßgabe des § 5 Abs. 4 ARegV
EFt Qt St
der Saldo (S) des Regulierungskontos inklusive Zinsen ermittelt. Da nach § 5 Abs. 4 S. 2 ARegV der Ausgleich des Saldos durch gleichmäßig über die folgende Regulierungsperiode verteilte Zu- oder Abschläge zu erfolgen hat, wird im Jahr t jeweils 1/5 des Saldos in Ansatz gebracht (St). Das Basisjahr bestimmt sich jeweils nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 ARegV. Abb. 18-21: Regulierungsformel zur Bestimmung der Erlösobergrenze in der Anreizregulierung
Neben der Abschmelzung der Netznutzungsentgelte („NNE“) um identifizierte Ineffizienzen des Netzbetreibers bei einem Effizienzwert von unter 100 % erfolgt eine jährliche Absenkung der Erlösobergrenze um den erwarteten sektorspezifischen Produktivitätsfortschritt im Netzbereich.35 Abb. 18-22 stellt die Effekte der Anreizregulierung in den beiden Anreizregulierungsperioden und die dazwischen erfolgende erneute Kostenüberprüfung auf die Netzentgelte schematisch dar:
Vorgabe von Erlösobergrenzen
Kostenbasierte Entgeltregulierung
2009
Anreizregulierung Phase 1
Erlösobergrenze für Netznutzungs-Entgelte
Effizienter Netzbetreiber Produktivitätsfortschritt
Erlösobergrenze für Netznutzungs-Entgelte
Absenkung NNE um
Netznutzungs-Entgelte
Kalkulatorische Abschreibung Eigen-Kapital-Verzinsung Steuern
Kalkulatorischer Restwert
Aufwandsgleiche Kosten
Effizienzvergleich (60%–100%)
2013 Anreizregulierung
2018
Ineffiziente Kosten Produktivititätsfortschritt
Yardstick-Competiton
Phase 2
Quelle: KPMG-Analyse Abb. 18-22: Schematische Darstellung der Effekte der Anreizregulierung
35
In der ARegV wurde dieser Faktor für die erste bzw. zweite Regulierungsperiode auf 1,25 % bzw. 1,5 % festgesetzt. Vgl. § 9 ARegV.
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Sven Beyer und Günther Keller Man sieht, dass die Anreizregulierung darauf abzielt, von einem reinen Cost-Plus-Prinzip auf eine effizienzorientierte Regulierung durch die Vorgabe von Erlösobergrenzen überzugehen. In die Erlösobergrenzen fließen entsprechend oben dargestellter Regulierungsformel Effizienzvorgaben und Produktivitätsfaktoren ein. Die Effizienzvorgaben werden hierbei aus einem bundesweiten Effizienzvergleich der Netzbetreiber vor Beginn der Regulierungsperiode abgeleitet.36 Da vor jeder Regulierungsperiode nach § 6 ARegV zur Bestimmung des Ausgangsniveaus der Erlösobergrenze eine erneute Kostenüberprüfung stattfindet, behält die in der StromNEV bzw. GasNEV niedergelegte Entgeltkalkulation weiterhin ihre Relevanz.
18.4.3 Ableitung der Cash Flows eines Netzbetreibers Netznutzungsentgelte Grundlage für die Genehmigung der Netznutzungsentgelte durch die Bundesnetzagentur sind die erlassenen Netzentgeltverordnungen Strom und Gas. Die für die Entgeltbildung zu berücksichtigenden Kosten setzen sich wie in Abb. 18-22 dargestellt grundsätzlich aus den aufwandsgleichen Kosten, den kalkulatorischen Abschreibungen und der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung zusammen. Netzentgeltmindernd wirkt der Posten „kostenmindernde Erlöse und Erträge“. Die genannten Komponenten werden nachfolgend näher erläutert. Davor ist kurz auf das betriebsnotwendige Vermögen einzugehen, da dieses eine wesentliche Eingangsgröße in der Netzentgeltkalkulation ist. Es ermittelt sich aus der Summe von kalkulatorischem Sachanlagevermögen (kalkulatorischer Restwert) für Alt- und Neuanlagen37 und der Buchwerte des betriebsnotwendigen Finanzanlage- und Umlaufvermögens. Das kalkulatorische Sachanlagevermögen ergibt sich aus der Summe des mit Eigenkapital finanzierten Anteils auf Basis von Tagesneuwerten und des mit Fremdkapital finanzierten Anteils auf Basis der historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten. Zur Ermittlung der Tagesneuwerte ist eine Indizierung der ursprünglichen Anschaffungs- und Herstellungskosten mit Hilfe geeigneter Indexreihen vorzunehmen.38 Typisierend wird dabei vom Regulierer angenommen, dass die Eigenkapitalquote für Netzbetriebe maximal bei 40 % liegt. Liegt die tatsächliche Eigenkapitalquote über diesem Wert, wird der übersteigende Teil der Altanlagen so behandelt, als würde er fremdfinanziert. Vom betriebsnotwendigen Vermögen sind die nicht zinstragenden Verbindlichkeiten (das sog. Abzugskapital) und das verzinsliche Fremdkapital in Abzug zu bringen, um als Residualgröße das betriebsnotwendige Eigenkapital zu erhalten. Auf das betriebsnotwendige Eigenkapital erfolgt dann die Verzinsung mit den kalkulatorischen Eigenkapitalkosten. Das Netznutzungsentgelt wird auf Basis der Netzkosten gem. den Regelungen der Entgeltverordnung ermittelt. Diese bestehen aus den in Abb. 18-20 dargestellten Komponenten.39 Die aufwandsgleichen Kosten umfassen unter anderem Instandhaltungskosten des betriebenen Netzes, Personalkosten und sonstige betriebliche Aufwendungen. Fremdkapitalzinsen sind in Ihrer tatsächlichen Höhe zu berücksichtigen, sofern die Zinsen kapitalmarktübliche Zinsen für einen vergleichbaren Kreditbetrag nicht übersteigen. Als kalkulatorische Abschreibung ist die auf Basis linearer Abschreibung ermittelte Wertminderung des betriebnotwendigen Anlagevermögens zu berücksichtigen. Für Altanlagen gilt das Prinzip der Nettosubstanzerhaltung. Aus diesem Grund sind die kalkulatorischen Abschreibungen für den mit 36 37 38
39
Vgl. § 12 ARegV Bei der Ermittlung ist zwischen Anlagen, die vor dem 1. Januar 2006 angeschafft wurden, Altanlagen, und solchen, die nach diesem Stichtag angeschafft wurden, Neuanlagen, zu unterscheiden. Während in der Vergangenheit regelmäßig die von der Wibera Wirtschaftsberatung AG auf Grundlage der Fachserie 16 und 17 des Statistischen Bundesamtes entwickelten Indexreihen zur Anwendung kamen hat die BNetzA im Jahr 2007 in Übereinstimmung mit § 30 StromNEV und § 30 GasNEV eigene Indexreihen entwickelt und als verbindlich vorgeschrieben. Vgl. hierzu bspw. für Gasnetze: Bundesnetzagentur (2007). Der in Abb. 18-20 dargestellte Block „Weitere Positionen“ umfasst u.a. die Periodenübergreifende Saldierung, Kosten für vorgelagerte Netze oder die Weitergabe der EEG Einspeisung an übergelagerte Netzbetreiber.
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18 Bewertung von Energieversorgungsunternehmen Eigenkapital finanzierten Anteil des betriebsnotwendigen Vermögens auf Basis von Tagesneuwerten abzuleiten. Die kalkulatorischen Abschreibungen für den verbleibenden, fremdfinanzierten Anteil sind hingegen auf Basis der historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten zu ermitteln. Analog zur Ableitung der kalkulatorischen Restwerte des Sachanlagevermögens wird angenommen, dass die Eigenkapitalquote für Netzbetriebe maximal bei 40 % liegt. Für Neuanlagen gilt hingegen das Prinzip der Realkapitalerhaltung. Die kalkulatorischen Abschreibungen werden allein auf Basis historischer Anschaffungskosten ermittelt. Ein Anstieg der Wiederbeschaffungskosten des Sachanlagevermögens aufgrund von Inflationseffekten wird somit in den kalkulatorischen Abschreibungen nicht mehr vergütet. Die für die Ermittlung der kalkulatorischen Abschreibung zu Grunde zu legenden Nutzungsdauern sind von der Bundesnetzagentur auf Basis normierter Anlageklassen jeweils in Anlage 1 der Netzentgeltverordnungen vorgegeben. Während die Einbeziehung aufwandsgleicher Kosten und kalkulatorischer Abschreibungen in die Netznutzungsentgelte lediglich zur Deckung der tatsächlichen Kosten des Netzbetriebes führen, erfolgt mit der Berücksichtigung kalkulatorischer Eigenkapitalkosten eine Vergütung des im Netzbetrieb eingesetzten Kapitals und des damit verbundenen unternehmerischen Risikos. Das betriebsnotwendige Eigenkapital ist auf Alt- und Neuanlagen aufzuteilen, wobei sich die Eigenkapitalverzinsung unter Berücksichtigung der von der Bundesnetzagentur am 7. Juli 2008 festgelegten Eigenkapitalzinssätze für Altanlagen (7,56 %) und Neuanlagen (9,29 %) errechnet. 40 Zu den kostenmindernden Erlösen und Erträgen zählen im Wesentlichen die sonstigen betrieblichen Erträge und die netzspezifischen Ertragszuschüsse. Da beide für den Netzbetreiber einen Ertrag darstellen, werden sie vom Netznutzungsentgelt in Abzug gebracht. Netzspezifische Ertragszuschüsse setzen sich aus den Baukostenzuschüssen (BKZ) und den Netzanschlussbeiträgen zusammen. BKZ sind dabei der vom Kunden im Fall von Neuanschlüssen zu tragende Anteil an den Kosten für die Erstellung und Verstärkung von Verteilungsanlagen im Versorgungsbereich. Netzanschlussbeiträge umfassen die anteilig vom Netzkunden zu entrichtenden Kosten für die Verbindung des bestehenden Netzes mit dem anzuschließenden Gebäude. Sowohl BKZ als auch Netzanschlussbeiträge sind entweder im Anlagevermögen aktivisch von den Anschaffungskosten abzusetzen oder als empfangener Ertragszuschuss zu passivieren und analog der Nutzungsdauer der Verteilungsanlagen ertragswirksam aufzulösen und zu versteuern. Operative Kostenpositionen Die operativen Kostenpositionen entsprechen im Wesentlichen den aufwandsgleichen Kosten als Bestandteil des Netznutzungsentgeltes und werden vom Netzbetreiber im Rahmen der Netzentgeltermittlung vereinnahmt. Ein wesentlicher Bestandteil sind hier regelmäßig die Instandhaltungskosten des betriebenen Netzes, deren Höhe im Rahmen von Planungsrechnungen im Zusammenhang mit den Reinvestitionen zu würdigen ist. Da die Kostenprüfung eines Netzbetreibers von der Regulierungsperiode auf Basis der tatsächlichen Ist-Kosten mit einem Zeitversatz von zwei Jahren erfolgt41, führt eine Verbesserung der operativen Kostenstrukturen innerhalb einer Regulierungsperiode zu temporären Übergewinnen und vice versa. Als Reaktion auf die Kürzungen der beantragten Netznutzungsentgelte in den ersten beiden Genehmigungsrunden 2006 und 2007 sowie auf die erwartete Abschmelzung der Erlöse im Zuge der Anreizregulierung implementieren Energieversorger zunehmend Effizienzsteigerungsprogramme zur Optimierung der Kostenbasis. Maßnahmen in diesem Bereich umfassen regelmäßig Optimierungen bei der Beschaffung von Fremdleistungen, Anpassungen der Investitions- und Instandhaltungsstrategie sowie die Optimierung interner Prozesse. Diese Maßnahmen zur Effizienzsteigerung sind vom Bewerter auf Plausibilität zu überprüfen. 40
41
Vgl. zur Thematik der Kapitalkosten insbesondere auch die Beiträge von Pedell, B. (2007), Gampenrieder, P. (2005), Gampenrieder, P./Wiese, J. (2006), Wiese, J./Gampenrieder, P (2007) und Wiese, J./Gampenrieder, P (2008). Z.B. liegen den genehmigten Netzentgelten des Jahres 2008 die Ist-Kosten des Jahres 2006 zugrunde, das Jahr 2011 stellt das Ausgangsjahr zur Kostenprüfung für die zweite Regulierungsperiode dar.
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Sven Beyer und Günther Keller Übersicht über wertbestimmende Faktoren in der Phase der ewigen Rente Da der Großteil des Vermögens eines Netzbetreibers aus langlebigen Wirtschaftsgütern besteht, die über einen langen Zeitraum42 Mittel im Unternehmen binden, sind insbesondere hinsichtlich der nachhaltigen Entwicklung der Netznutzungsentgelte in der Phase der ewigen Rente besondere Anpassungen vorzunehmen. Eine reine Fortschreibung der zur Verfügung gestellten Planzahlen im Rahmen eines mittelfristigen Planungshorizontes kann zu einer Fehleinschätzung des Unternehmenswertes eines Netzbetreibers führen. Im Folgenden werden insbesondere die Effekte der Anreizregulierung auf die Erlösobergrenze sowie die nachhaltige Anpassung der kalkulatorischen Entgeltbestandteile, die nachhaltige Reinvestitionsrate sowie Abbildung von Ertragszuschüssen dargestellt. Nachhaltige Netznutzungsentgelte Für die nachhaltig anzusetzenden Netzentgelte im Rahmen einer Bewertung ist die nachhaltige Entwicklung des betriebsnotwendigen Eigenkapitals zur Bestimmung der nachhaltigen kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung und der kalkulatorischen Abschreibungen zu würdigen. Diese beiden Komponenten sind im Wesentlichen von der Alterstruktur und dem Reinvestitionsbedarf der bestehenden Anlagenbasis und damit vom nachhaltig anzusetzenden Reinvestitionsbetrag abhängig. Für die Ableitung der nachhaltigen Anlagenbasis stellt der genehmigte Netzentgeltantrag einen möglichen Aufsatzpunkt dar, da dieser das Anlagengerüst sowie die Altersstruktur und damit die Vermögensstruktur des Netzbetreibers widerspiegelt. Jedoch werden entsprechend der Vorgabe der BNetzA regelmäßig nur Vermögenswerte bis zu einem gewissen Alter erfasst, so dass bei einem unreflektierten Rückgriff auf diese Datenbasis die Gefahr besteht, dass nicht erfasste, aber noch im Gebrauch befindliche und damit potenziell in Zukunft zu ersetzende Anlagegüter nicht bei der Bestimmung des nachhaltigen Anlagenbestandes berücksichtigt werden. Eine Alternative zum genehmigten Netzentgeltantrag stellt ein mit aktuellen Wiederbeschaffungswerten bewertetes technisches Mengengerüst dar, sofern die Daten beim Bewertungsobjekt hierfür verfügbar sind. Nachhaltige aufwandsgleiche Kosten Hinsichtlich der aufwandsgleichen Kosten sind Annahmen dahingehend zu treffen, inwieweit im Rahmen von Gegensteuerungsmaßnahmen geplante Kosteneinsparungen im Zuge künftiger Absenkungen der Netzentgelte an die Netzkunden weitergegeben werden müssen. Nachhaltige Reinvestitionsrate Da der Betrieb von Versorgungsnetzen äußerst anlage- bzw. investitionsintensiv ist, hat der nachhaltige Reinvestitionsbetrag grundsätzlich einen Einfluss auf den Wert von Versorgungsnetzen. Die Reinvestitionsrate beinhaltet die nachhaltigen jährlichen Ausgaben für Investitionen, die die Erhaltung der zum Ende des Detailplanungszeitraums geplanten Anlagensubstanz gewährleistet. Bei dem Ansatz der Reinvestitionsrate sind im Rahmen eines integrierten Planungsmodells aber auch Rückkopplungseffekte auf die nachhaltigen Netznutzungsentgelte zu beachten, da beispielsweise ein Anstieg der Reinvestitionsrate gegenüber den Investitionen im Planungszeitraum auch langfristig zu einer Erhöhung der kalkulatorischen Abschreibungen und damit der Netznutzungsentgelte führen wird. Diese Interdependenzen mildern den Werteinfluss der Reinvestitionsrate. Eine Möglichkeit zur Ableitung der Reinvestitionsrate ist, auf Basis des technischen Anlagegitters für die einzelnen Anlagegüter Wiederbeschaffungskosten zum Ende der Detailplanungsphase zum jeweiligen erwarteten Reinvestitionszeitpunkt für das geplante Anlagevermögen abzuleiten. Diese erwarteten Auszahlungen für Reinvestitionen sind dann in eine barwertäquivalente Annuität zu überführen.43 Diese Annuität ersetzt in der Phase der ewigen Rente die Abschreibungen. Abhängig von der Altersstruktur des bestehenden Netzbetriebs und den geplanten Investitionen im Planungszeitraum kann 42
43
Betriebsgewöhnliche Nutzungsdauen bei Fortleitungs- und Verteilungsanlagen im Bereich Strom liegen laut den Bestimmungen der BNetzA in den jeweiligen Entgeltverordnungen zwischen 30 und 50 Jahren, bei Gas sind i.d.R. noch höhere Nutzungsdauern zu beobachten. Vgl. Institut der Wirtschaftsprüfer (Hrsg.) (2007), Abschnitt A, Tz. 262 f.
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18 Bewertung von Energieversorgungsunternehmen sich die Reinvestitionsrate erheblich von den im Detailplanungszeitraum geplanten Investitionen und Abschreibungen unterscheiden. Zusätzlich zu dieser rechnerischen Ableitung ist bei der Festlegung der Reinvestitionsrate zu untersuchen, ob insbesondere vor dem Hintergrund des technischen Fortschritts von einer vollständigen Reinvestition des bestehenden Anlagevermögens auszugehen ist. Auch kann das zugrunde liegende Datenmaterial (genehmigter Netzentgeltantrag oder technisches Mengengerüst) die Vermögensstruktur in einigen Fällen nur unzureichend abbilden. Eine isolierte Würdigung der erwarteten Investitionen und damit der Reinvestitionsrate kann zudem zu Fehlschlüssen führen, da der Umfang von Investitionen in Netzvermögen im Zusammenhang mit dem Umfang der geleisteten Instandhaltungen zu sehen ist. Schließlich ist auf eine konsistente Ermittlung der nachhaltigen Wachstumsthesaurierung im Verhältnis zur Ableitung der Reinvestitionsrate zu achten.44 Wird die Reinvestitionsrate nicht preisgestoppt ermittelt, ist eine Finanzierung zukünftigen Wachstums der enthaltenen Anlagegüter bereits enthalten. Insofern ist das zu Grunde liegende Anlagevermögen nicht in die Ableitung der Wachstumsthesaurierung mit einzubeziehen. Abbildung von Ertragszuschüssen in der Phase der ewigen Rente Neben der Reinvestitionsrate ist die Behandlung von netzspezifischen empfangenen Ertragszuschüssen von Bedeutung für die Bewertung von Netzen. In der Bewertungspraxis wird zur Berücksichtigung der Ertragszuschüsse regelmäßig die Annahme getroffen, dass nachhaltig keine Zuschüsse mehr vereinnahmt werden können, da das Versorgungsgebiet als vollständig erschlossen angesehen wird. Die nachhaltig verbleibenden passivierten Ertragszuschüsse werden über ihre Restlaufzeit aufgelöst und die Ertragsreihe in eine barwertäquivalente Annuität umgewandelt und in der Gewinn- und Verlustrechnung berücksichtigt. Da die Erträge aus der Auflösung die Netzentgelte mindern, ist zu prüfen, ob eine entsprechende Anpassung der nachhaltigen Netzentgelte vorzunehmen ist. Gegenüberstellung von regulatorischem Eigenkapitalzinssatz und den Kapitalkosten für Bewertungszwecke Die Eigenkapitalkosten im Rahmen von Unternehmensbewertungen werden regelmäßig unter Anwendung des Capital Asset Pricing Models (CAPM) abgeleitet. Insbesondere bei der Ableitung des angemessenen Risikozuschlages und damit des angemessenen Beta-Faktors ergeben sich bei Versorgungsnetzen Besonderheiten. Neben dem Marktrisiko, dem operativen Risiko und dem Finanzierungsrisiko ist bei Versorgungsnetzen insbesondere auch das Regulierungsrisiko zu berücksichtigen. Aufgrund der durch das Versorgungsgebiet definierten und damit weitestgehend stabilen Kundenbasis ist das Marktrisiko für Versorgungsnetze regelmäßig als unterdurchschnittlich einzuschätzen. Das Finanzierungsrisiko wird über eine Anpassung des Beta-Faktors an die zu Marktwerten ermittelte Kapitalstruktur des Netzunternehmens berücksichtigt. Das Regulierungsrisiko ergibt sich aus der Unsicherheit über die zukünftige Ausgestaltung der Regulierung. In der Bewertungspraxis wird das systematische Risiko regelmäßig über die Ermittlung von Beta-Faktoren auf Basis von Renditen vergleichbarer börsennotierter Unternehmen abgeleitet. Da in Deutschland keine börsennotierten Netzbetreiber existieren, muss für die Ableitung des systematischen Risikos auf eine Näherung zurückgegriffen werden. In der Bewertungspraxis tritt vielfach die Frage auf, ob eine differenzierte Ableitung des Kapitalisierungszinssatzes für die Bewertung eines Netzbetriebs zum jeweiligen Bewertungsstichtag überhaupt notwendig ist. Schließlich seien seitens des Regulierers für die Ableitung der Netznutzungsentgelte bereits dem Risiko eines durchschnittlichen Netzbetriebes in Deutschland angemessene Kapitalkosten abgeleitet worden. Die Bundesnetzagentur hat in der Tat am 7. Juli 2008 für die erste Periode der Anreizregulierung für Strom- und Gasnetze einheitliche Eigenkapitalzinssätze von 9,29 % für Neuanlagen und 7,56 % für Altanlagen bestimmt. Grundlage des Beschlusses sind sowohl von der BNetzA 44
Grundlegende Überlegungen für die Wachstumsthesaurierung finden sich bei Beyer, S. (2008b).
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Sven Beyer und Günther Keller als auch von anderen beteiligten Parteien in Auftrag gegebene Gutachten45 sowie im Rahmen des Konsultationsprozess eingegangene Eingaben und Stellungnahmen. Die in den Gutachten dargestellten Ergebnisse beruhen dabei im Wesentlichen auf Analysen von Kapitalmarktdaten. Für eine Gruppe von zwölf „reinen Netzbetreibern“ wurde der Beta-Faktor auf Basis täglicher Renditen46 über einen Zeitraum von einem Jahr abgeleitet und die beobachteten Beta-Faktoren der sog. Vasicek-Korrektur unterworfen.47 Aus dieser Berechnung resultiert ein verschuldeter Beta-Faktor in Höhe von 0,79. Der für die Ableitung der Eigenkapitalkosten anzuwendende Basiszinssatz wird als 10-Jahresmittel der Umlaufrendite festverzinslicher Anleihen inländischer Emittenten zu 4,23 % ermittelt. Die Marktrisikoprämie wurde mit 4,55 % festgesetzt. Es resultieren somit Nachsteuer-Eigenkapitalkosten in Höhe von 7,82 %. Diese Nachsteuerkapitalkosten werden dann in Eigenkapitalkosten vor Körperschaftssteuer in Höhe von 9,29 % (für Neuanlagen) umgewandelt.48 Die von der BNetzA festgelegten Eigenkapitalkosten nach Unternehmenssteuern in Höhe von 7,82 % werden aus verschiedenen Gründen regelmäßig von den für Bewertungszwecke maßgebenden Eigenkapitalkosten abweichen. Für die Unternehmensbewertung ist ein laufzeitäquivalenter risikoloser Zinssatz anzusetzen.49 Die von der BNetzA verwendete Umlaufrendite erfüllt diese Anforderungen nicht. Zum Einen beinhaltet sie Industrieobligationen und Bankschuldverschreibungen und ist somit nicht als risikolos anzusehen, zum Anderen beinhaltet die verwendete Umlaufrendite Papiere mit einer mittleren Restlaufzeit von mehr als drei Jahren und entspricht somit in Ihrer Fristigkeit nicht der für eine Bewertung eines Netzbetreibers regelmäßig zu Grunde gelegten unendlichen Laufzeit. Darüber hinaus ist der Basiszinssatz nach anerkannten Bewertungsstandards ausgehend von der zum Bewertungsstichtag gültigen Zinsstrukturkurve und zeitlich darüber hinausgehender Prognosen abzuleiten.50 Der zentrale Unterschied zwischen der von der BNetzA angewendeten Methodik und der Vorgehensweise bei Unternehmensbewertungen liegt jedoch in den Annahmen hinsichtlich der Kapitalstruktur. So erfolgt die Umrechnung des unverschuldeten in einen verschuldeten Beta-Faktor (sog. „Relevering“) in der Berechnung der BNetzA unter Anwendung der Kapitalstruktur aus der Netzentgeltverordnung von 40 % Eigenkapital zu 60 % Fremdkapital zu Buchwerten. Die Modigliani-Miller-Formel sieht für das Relevering jedoch die Anwendung unternehmensspezifischer Marktwerte des Eigen- und Fremdkapitals vor. Eine Vermischung von Buchwerten und Marktwerten ist demnach nicht sachgerecht.51 Darüber hinaus ist diese Anpassung im Rahmen von Unternehmensbewertungen nicht nur einmalig, sondern für jede Bewertungsperiode vorzunehmen.52 Sofern also die Kapitalstruktur des zu bewertenden Netzunternehmens gemessen zu Marktwerten nicht für alle Planjahre inklusive des nachhaltigen Jahres einen Verschuldungsgrad von 1,5 aufweist, ergeben sich zwangsweise von den Berechnungen der BNetzA abweichende Kapitalkosten. Darüber hinaus ist der Kapitalisierungszins für Bewertungszwecke stets stichtagsbezogen abzuleiten. Eine einmalige Ableitung für die prospektive Anwendung in einem mehrjährigen Zeitraum erfüllt nicht die Anforderungen des Stichtagsprinzips.
45 46 47
48 49 50 51 52
Vgl. u.a. Frontier Economics (Hrsg.) (2008) sowie NERA Economic Consulting (Hrsg.) (2008). In der Bewertungspraxis sind demgegenüber wöchentliche oder monatliche Renditen üblich. Es konnte in der Vergangenheit anhand statistischer Analysen gezeigt werden, dass Beta-Faktoren über längere Zeit gegen den Marktdurchschnitt konvergieren. Vgl. hierzu Blume, M. E. (1971) und Blume, M. E. (1975). Die Vasicek-Anpassung geht von einem Zusammenhang zwischen der Stärke der Beta-Konvergenz gegen den Marktdurchschnitt und der Qualität der Regression aus. Vgl. Vasicek, O. A. (1973). Vgl. hierzu Bundesnetzagentur (2008b), S. 9 f., S. 17 ff. und S. 45. Die Eigenkapitalkosten für Altanlagen ergeben sich durch Abzug des 10-Jahresmittels der Inflationsrate. Vgl. Wagner, W./Jonas, M./Ballwieser, W./Tschöpel, A. (2006), S. 1006. Vgl. IDW S 1 i.d.F. 2008, Tz. 117. Vgl. Ballwieser, W. (2008), S. 352 f. Vgl. IDW S 1 i.d.F. 2008, Tz. 100.
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18 Bewertung von Energieversorgungsunternehmen
18.4.4 Bewertung auf Basis des Sachzeitwertverfahrens Vorüberlegung Die Bewertung auf Basis des Sachzeitwertverfahrens stellt keine gesamthafte Bewertung des Netzes anhand zukünftig zu erwartender Cash Flows dar, sondern eine additive Einzelbewertung aller Anlagengegenstände des Netzes auf Basis einer Einschätzung von Wiederbeschaffungskosten. Die Ermittlung des Wertes von Netzanlagen basiert auf Tagesneuwerten unter Berücksichtigung des Alters und Zustands sowie der aktuellen und erwarteten künftigen Preisentwicklungen am Markt.53 Der Sachzeitwert stellt den Restwert eines Vermögenswerts im Sinne eines Bruttorekonstruktionswerts (d.h. vor Abzug von Schulden) dar. Vorgehensweise bei der Ermittlung von Sachzeitwerten Ausgangspunkt für die Sachzeitwertermittlung sind die Tagesneuwerte bzw. Wiederbeschaffungsneukosten, da für gebrauchte Netze oder Netzteile aufgrund des Fehlens eines aktiven Marktes keine Gebrauchtpreise (etwa im Vergleich zu Kraftfahrzeugen) vorliegen. In Abb. 18-23 ist die Systematik des Verfahrens dargestellt:
Kosten; Wert Wiederbeschaffungsneukosten Lineare Alterswertminderung
Altersabhängige Marktpreiskurve
Cut-offvalue-Anhaltewert Ggf. Obsoleszenz Sachzeitwert Alter wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer
erwartete Restnutzungsdauer Bewertungsstichtag
Quelle: KPMG-Analyse Abb. 18-23: Systematik des Sachzeitwertverfahrens
Die Ableitung der Tagesneuwerte kann grundsätzlich anhand der direkten Methode durch Bepreisung der vorhandenen Anlagen erfolgen. Datengrundlage hierfür sind die von Netzbetreibern oftmals unabhängig von der Anlagenbuchhaltung geführten technischen Mengengerüste, in denen für die 53
Vgl. Ballwieser, W. (2001), S. 1519; Eiber, A./Fuchs, M. (1994), S. 1176.
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Sven Beyer und Günther Keller unterschiedlichen Anlagenklassen (Netz auf unterschiedlichen Spannungsebenen, Transformatoren, Hausanschlüsse, etc.) die jeweiligen Mengen z.B. Leitungslängen in km oder Anzahl von Anschlüssen hinterlegt sind. Diese werden anhand aktueller Bauangebote bzw. -abrechnungen bepreist. Alternativ kann die Ermittlung der Tagesneuwerte indirekt erfolgen, d.h. die in der Anlagenbuchhaltung geführten historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten des Sachanlagevermögens werden durch Anwendung anlagengruppenspezifischer Preisindizes ausgehend vom jeweiligen Anschaffungsjahr bis zum Bewertungsstichtag inflationiert.
Bilanzielles Anlagengitter
Bestand Asset 1 Asset 2 Asset 3 Asset 4 Asset 5 Asset 6 Asset 7 Asset 8 Asset 9 Asset 10 ...
Historische Anschaffungskosten ... ... ... ... 120 ... ... ... ... ... ...
Anschaffungsjahr ... ... ... ... 1990 ... ... ... ... ... ...
Wirtschaftl. Tagesneuwerte Nutzungsdauer (Mio. €) ... ... ... ... ... ... ... ... 50 140 ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ...
Quelle: KPMG-Analyse Abb. 18-24: Beispielhafte Ermittlung der Tagesneuwerte anhand des bilanziellen Anlagengitters
Da die Anlagen bereits im Gebrauch sind, erfolgt im nächsten Schritt i.d.R. eine lineare Alterswertminderung aufgrund des Anteils der verstrichenen Nutzungsdauer an der geschätzten wirtschaftlichen Nutzungsdauer der Anlage. Diese lineare Alterswertminderung soll hierbei eine Approximation der altersabhängigen Marktpreiskurve darstellen. Zusätzlich sind, soweit erforderlich, funktionale oder ökonomische Obsoleszenzabschläge vorzunehmen. Falls die Anlage nach Auslaufen der Nutzungsdauer weiter genutzt wird und der Wert aufgrund der linearen Alterswertminderung einen Wert von Null aufweisen müsste, wird in der Praxis häufig mit Anhaltewerten (oftmals als %-Wert des Ausgangswerts definiert) gearbeitet, nach deren Erreichen keine weitere Abschreibung erfolgt. Aus diesen Modifikationen der Tagesneuwerte ergibt sich der Sachzeitwert als Wiederbeschaffungswert, der den aktuellen Anlagenzustand widerspiegeln sollte. Wesentliche Diskussionspunkte Da bei der Ermittlung der Tagesneuwerte unterschiedliche Datenbasen (bilanzielles versus technisches Anlagengitter) zugrunde gelegt und unterschiedliche Methoden (direkt, indirekt) angewendet werden, führt die Ermittlung von Sachzeitwerten oftmals nicht zu eindeutigen Ergebnissen. Häufig ist auch die Datenqualität der technischen Anlagengitter nicht zufriedenstellend. Andererseits ist beim bilanziellen Anlagevermögen zu beachten, dass dieses auch durch die Abgrenzung von Instandhaltungsaufwendungen und aktivierungsfähigen Kosten beeinflusst ist, sodass das bilanzielle Anlagengitter nicht immer das vollständige technische Mengengerüst widerspiegelt. Auch die Höhe der Restnutzungsdauern können teilweise nicht eindeutig aus dem im Anlagenverzeichnis gegebenen Anschaffungszeitpunkt
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18 Bewertung von Energieversorgungsunternehmen abgeleitet werden. Ursache hierfür sind insbesondere der Umfang getätigter Instandhaltungsmaßnahmen, die nicht separat aktiviert wurden. Eine weitere Schwierigkeit besteht in den erheblichen Schätzunsicherheiten bezüglich der zu Grunde liegenden Preisindizes (BNA-Indizes, Wibera-Indizes, aktuelle Wiederbeschaffungspreise) für die Bestimmung der Tagesneuwerte der einzelnen Anlagengruppen. Insbesondere durch die Inflationierung älterer Anlagen über lange Zeiträume können sich Schätzfehler vervielfachen. Schließlich ist zu beachten, dass der Sachzeitwert auf einer vergangenheitsorientierten Betrachtung fußt. Damit ist gemeint, dass ein über Jahrzehnte organisch gewachsenes Strom- oder Gasnetz aus technischen und wirtschaftlichen Gründen nicht identisch rekonstruiert werden würde (Freileitungen versus Verkabelung, optimierte Netzkonfiguration, Auswahl Materialien, etc.), d.h. eine Schätzung der Bruttorekonstruktionskosten auf Basis des vorhandenen Anlagenbestands ist auch insofern problematisch. Wechselwirkung zwischen Ertragswert und Sachzeitwert Aufgrund der Knüpfung der beiden Netzentgeltbestandteile kalkulatorische Abschreibungen und kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung an die Anlagenbasis besteht eine wichtige Interdependenz zwischen dem Ertrags- und Sachzeitwert von Netzen. So fließen die Tagesneuwerte neben den historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten in die Berechnung des kalkulatorischen Restwertes des Sachanlagevermögens ein. Der Restwert ist im Rahmen der Netzentgeltkalkulation gemäß StromNEV und GasNEV maßgeblich für die Bestimmung der Höhe der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung sowie der kalkulatorischen Abschreibungen. Die Höhe der Erlöse eines Netzbetreibers ist somit direkt durch die Höhe der aktuellen Wiederbeschaffungswerte beeinflusst.
18.5 Bewertung von Kraftwerken 18.5.1 Kraftwerke als Bewertungsobjekte Kraftwerkstypen Kraftwerke zur Erzeugung von Elektrizität lassen sich prinzipiell in Wärmekraftwerke, Wind- und Wasserkraftwerke sowie Photovoltaikanlagen unterscheiden. Wärmekraftwerke wandeln die vorwiegend in nicht-erneuerbaren Brennstoffen enthaltene chemische Energie zunächst in thermische Energie (Wärmeenergie), anschließend in kinetische Energie (Bewegungsenergie) und zuletzt in elektrische Energie (Strom) um. Die meisten Wärmekraftwerke erzeugen die benötigte Wärme, indem sie fossile Brennstoffe54 verbrennen (konventionelle Wärmekraftwerke) oder wie in Kernkraftwerken die Abwärme von nuklearen Prozessen nutzen.55 Die Wärmeenergie wird zumeist zunächst in Wasserdampf überführt um mittels einer Dampfturbine Bewegungsenergie zu erzeugen.56 Die Bewegungsenergie wird abschließend durch einen an die Turbine angekuppelten Generator in elektrische Energie umgewandelt. Wasser- und Windkraftwerke unterscheiden sich von Wärmekraftwerken dadurch, dass die Bewegungsenergie nicht aus der Umwandlung von Wärmeenergie sondern direkt aus der kinetischen 54 55 56
Alternativ zu fossilen Brennstoffen werden zur Verbrennung auch bioenergene Energieträger eingesetzt. Wärme kann außer aus einer Verbrennung auch aus natürlichen Wärmequellen wie Erdwärme, Meereswärme und Sonnenstrahlung gewonnen werden. Abweichend wird bei Gasturbinen die durch die Verbrennung erzeugte Wärmeenergie ohne die Überführung in Wasserdampf in Bewegungsenergie umgewandelt. Bei sog. Gas- und Dampf-Kraftwerken (GuD-Kraftwerke) wird das Prinzip eines Gasturbinenkraftwerks mit dem eines Dampfkraftwerks kombiniert. Die Abwärme aus der Gasturbine wird genutzt um mittels eines Kessels Dampf zu erzeugen und eine Dampfturbine anzutreiben. Diese Kraftwerke weisen den höchsten Wirkungsgrad (Effizienz) unter den konventionellen Wärmekraftwerken auf. GuD-Kraftwerke sind nicht mit Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK-Anlagen) zu verwechseln. Bei KWK-Anlagen wird die Abwärme nicht zum Antrieb einer weiteren Turbine verwendet sondern in ein Fernwärmenetz eingespeist, um sie als Heiz- bzw. Prozesswärme nutzen zu können.
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Sven Beyer und Günther Keller
Quelle: Wikipedia Abb. 18-25: Funktionsweise eines Wärmekraftwerks am Beispiel eines Kohlekraftwerks
Energie des Wassers bzw. des Windes gewonnen wird. Bei Wasserkraftwerken wird z.B. Flusswasser durch eine Wasserturbine geleitet, um einen Generator anzutreiben. Bei Windkraftanlagen versetzt der Wind über Rotorblätter einen Rotor in Bewegung, der wiederum mit einem Generator verbunden ist. Photovoltaikanlagen wandeln mittels Solarzellen die im Sonnenlicht enthaltene Strahlungsenergie direkt in elektrische Energie um. In Deutschland bestanden die Stromerzeugungskapazitäten (gemessen in Watt) zum Ende des Jahres 2007 zu ca. 88 % aus Wärmekraftwerken. Die Anteile von Wind- und Wasserkraftanlagen betrugen ca. 6,5 % respektive 4,5 %. Auf Photovoltaikanlagen entfielen weniger als 1 % der Gesamtkapazität.57 Besonderheiten des Strommarkts aus Sicht der Kraftwerksbewertung Eine Besonderheit des Strommarktes ist, dass Strom bislang kaum effizient lagerbar ist. Stromerzeugung und -verbrauch müssen daher zu jedem Zeitpunkt in Ausgleich gebracht werden, da es andernfalls zu Stromausfällen kommen kann. Erschwert wird die Stromerzeugung dadurch, dass der Stromverbrauch im Zeitablauf Schwankungen unterliegt und diese Schwankungen zumeist nicht vollständig vorhergesagt werden können. Betrachtet man beispielsweise den Strombedarf einer Industrienation während eines Tages, so stellt sich typischerweise folgender in Abb. 18-26 dargestellter Verlauf ein, der als Tageslastkurve bezeichnet wird. Als Grundlast wird der Stromverbrauch klassifiziert, der während eines Tages in einem Stromnetz nicht unterschritten wird. Die normalen über die Grundlast hinausgehenden Schwankungen werden als Mittellast bezeichnet. Sehr kurze Spitzen des Stromverbrauchs werden als Spitzenlast eingestuft. Einflussfaktoren auf den Stromverbrauch im Tagesverlauf sind z.B. Gewohnheiten bzgl. der Nahrungsmittelzubereitung, Nutzung von elektrischem Licht und Unterhaltungselektronik sowie Produktionsabläufe in der Industrie. Der Energiebedarf ist aber nicht nur abhängig von der Tageszeit, 57
Vgl. Energiestatistik des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie.
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18 Bewertung von Energieversorgungsunternehmen
Quelle: Wikipedia Abb. 18-26: Typischer Verlauf des Stromverbrauchs während eines Tages
sondern auch beispielsweise vom Wochentag (Werktag/Wochenende), von Ferienzeiten, Jahreszeiten, Außentemperaturen, Schlechtwetter und konjunkturellen Entwicklungen. Aufgrund des schwankenden Strombedarfs ist es aus technischer und volkswirtschaftlicher Sicht für ein Land oder eine Region sinnvoll, einen Kraftwerkspark mit unterschiedlich flexiblen Kraftwerken vorzuhalten. Unterscheiden lassen sich Grund-, Mittel- und Spitzenlastkraftwerke. Die Einstufung eines Kraftwerks ist für seine Bewertung bedeutsam, da sie maßgeblich die Stromerzeugungsmenge und den durchschnittlich erzielbaren Strompreis determiniert. Grundlastkraftwerke weisen die niedrigsten spezifischen Erzeugungskosten auf. Anforderungen hinsichtlich einer schnellen Regelbarkeit werden an diese Kraftwerke nicht gestellt. In Deutschland werden insbesondere Laufwasserkraftwerke, Kernkraftwerke und Braunkohlekraftwerke als Grundlastkraftwerk eingesetzt. Mittellastkraftwerke lassen sich mit einer gewissen Trägheit besser als Grundlastkraftwerke über einen weiten Leistungsbereich regeln. Sie variieren ihre Leistung zumeist entsprechend der Tageslastkurve nach einem vorher festgelegten Fahrplan. Technisch betrachtet können sämtliche Wärmekraftwerke mit Ausnahme von Kernkraftwerken in Mittellast betrieben werden. In Deutschland werden zur Zeit insbesondere Steinkohlekraftwerke als Mittellastkraftwerke eingesetzt, da sie höhere variable Erzeugungskosten als die oben genannten Grundlastkraftwerke aufweisen. Verbrauchsspitzen und unvorhergesehene Schwankungen des Stromverbrauchs (z.B. bei Ausfällen anderer Kraftwerke) werden von Spitzenlastkraftwerken gedeckt. Diese werden meist nur wenige Stunden pro Tag eingesetzt und können sehr kurzfristig angefahren werden. Als Spitzenlastkraftwerke werden vor allem Gaskraftwerke, Pumpspeicherkraftwerke und z.T. Ölkraftwerke eingesetzt. Sie weisen die höchsten variablen Erzeugungskosten auf. Betrachtet man für Deutschland die Stromerzeugung, differenziert nach Energieträgern so wird insbesondere die hohe Bedeutung von Kern- und Kohlekraftwerken deutlich. In der Zukunft werden sich die Anteile der einzelnen Energieträger z.T. deutlich verändern. Der Anteil der erneuerbaren Energien und von Gas werden sich sehr wahrscheinlich erhöhen, der Anteil der Kernenergie dagegen abnehmen.
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Sven Beyer und Günther Keller Sonstige 4% Biomasse 4% Windkraft 6%
Kernenergie 23%
Wasserkraft 4% Mineralöl 1%
Erdgas 13%
Braunkohle 24% Steinkohle 21%
Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Statistisches Bundesamt, Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien-Statistik Abb. 18-27: Bruttostromerzeugung nach Energieträgern – Deutschland 200859
18.5.2 Grundstruktur eines DCF-Kalküls für eine Kraftwerksbewertung Zahlungsstrombasierte Barwertkalküle stellen heutzutage für Kraftwerksbewertungen im Rahmen von Kauf- bzw. Verkaufsentscheidungen den Standard dar. Im Regelfall wird man für die Gesamtbewertung eines Kraftwerks auf ein DCF-Modell zurückgreifen. Hierbei werden prognostizierte Cash Flows mit den gewogenen Kapitalkosten sämtlicher Kapitalgeber (Eigen- und Fremdkapitalgeber) auf den Bewertungsstichtag diskontiert. Als Bewertungshorizonte kommen eine begrenzte oder eine unendliche Nutzungsdauer unter Berücksichtigung von Ersatzinvestitionen in Frage. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf ausgewählte Besonderheiten der Ableitung von zukünftigen Cash Flows aus einem Kraftwerk im Rahmen einer Fair Value Bewertung, die typischerweise im Rahmen einer Transaktion oder im Zusammenhang mit der Purchase Price Allocation oder Impairment Tests nach IFRS durchgeführt werden (siehe Abb. 18-28). Für die Bestimmung geeigneter Diskontierungszinssätze wird auf die Ausführungen in Kapitel 18.3 verwiesen. Zur Veranschaulichung wird im Folgenden von einem bestehenden konventionellen Wärmekraftwerk (z.B. Kohle- oder Gaskraftwerk) ausgegangen. Die Ausführungen gelten allerdings unter Anpassung auch für andere Kraftwerkstypen.
58
Die Bruttostromerzeugung beinhaltet den Eigenverbrauch der Kraftwerke.
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18 Bewertung von Energieversorgungsunternehmen Schema Cash Flows – konventionelles Wärmekraftwerk Strommenge (MWh) Durchschnittlicher Strompreis (€/MWh) Umsatzerlöse (€) Brennstoffmenge (t) Durchschnittlicher Brennstoffpreis (€/t)
Jahr X A B C=AxB D E
Brennstoffkosten CO 2 Emissionen (t) Kostenlos zugeteilte Zertifikate (t) Zugekaufte Zertifikate (t) Durchschnittlicher CO 2 -Zertifikatepreis (€/t) CO2 -Kosten gesamt (€) Sonstige operative Kosten (€)
F=DxE G H I=G-H J K=IxJ L
Abschreibungen (€) Operatives Ergebnis (€) Steuern (€) Gewinn nach Steuern (€) Abschreibungen (€) Investitionen (€) Working Capital Veränderungen (€) Cash Flow (€)
M N=C-F-K-L-M O=txN P=N-O M Q R S=P+M-Q-R
Quelle: KPMG-Analyse Abb. 18-28: Ableitung der Cash Flows für ein konventionelles Wärmekraftwerk
18.5.3 Ableitung der Cash Flows eines Kraftwerks Umsatzerlöse Zur Planung von Umsatzerlösen aus der Stromerzeugung sind erzielbare durchschnittliche Strompreise und absetzbare Strommengen zu prognostizieren. Für eine Fair Value Bewertung eines Kraftwerks kann im ersten Schritt von der Fiktion ausgegangen werden, dass alle erzeugten Netto-Strommengen an einer Strombörse veräußert werden können. Hierdurch können Börsenpreise als Aufsatzpunkt für erzielbare Strompreise verwendet werden.59 Für eine Bewertung eines Kraftwerks mit Standort in Deutschland bietet sich die European Energy Exchange (EEX) als Referenzbörse an.60 An der EEX zustande kommende Preise stellen Großhandelspreise dar.61 In Abhängigkeit vom Bewertungsanlass und vom Bewertungszweck kann zusätzlich ein Abstellen auf Konditionen in vorhandenen Absatz59
60
61
Alternativ zur Börse werden erzeugte Strommengen von Erzeugungsunternehmen in ganz überwiegendem Maße im Rahmen bilateraler Verträge abgegeben. Der Börsenpreis ist aber auch für diese Fälle zumeist die zentrale Referenzgröße für die Preisbildung. Im Jahr 2008 betrug das Handelsvolumen an der EEX 1.319 TWh und unterteilt sich in physische Lieferungen im Spotmarkt (154 TWh) und gehandelte Kontrakte im Terminmarkt (1.165 TWh), die entweder physisch und in Form eines Barausgleichs erfüllt werden. Für eine Einführung in den Stromhandel an der EEX vgl. EEX (2008). Grundsätzlich wird mit einem Großhandelspreis als Bezugsgröße erreicht, dass Margen aus dem Stromvertrieb (z.B. an Haushaltskunden) nicht in die Bewertung eines Kraftwerks eingehen.
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Sven Beyer und Günther Keller verträgen relevant sein. Die erzeugten Strommengen eines Kraftwerks hängen sowohl von der NettoLeistung62 als auch von der tatsächlichen Kraftwerkssteuerung ab. Im Folgenden wird zunächst auf die Marktpreisbildung für Strom eingegangen. Anschließend wird dargestellt, wie auf Basis historischer Preisdauerlinien in Kombination mit an der Strombörse beobachtbarer Terminpreise kraftwerksspezifische zukünftige Börsenpreise für eine Kraftwerksbewertung prognostiziert werden können. Diese können im Rahmen eines Bewertungsmodells direkt für die Prognose der Stromerlöse zugrunde gelegt werden oder zu Plausibilisierungszwecken mit den vorgelegten Planungsrechnungen bzw. Prognosedaten aus den Marktmodellen des Unternehmens verglichen werden. Börsenpreis als Referenzgröße Der Preis im Strombörsenhandel (Spotmarkt) ist aufgrund von Arbitragemöglichkeiten von zentraler Bedeutung für die Preise in bilateralen Großhandelsverträgen außerhalb der Strombörse.63 Weder ein Stromkäufer noch ein Stromverkäufer wird einen Preis außerhalb der Strombörse akzeptieren, wenn er glaubt, an der Strombörse zu besseren Konditionen handeln zu können. Folglich ist in einem Wettbewerbsumfeld der Börsenpreis ökonomisch zwangsläufig der maßgebliche Referenzpunkt auch für den Handel außerhalb der Börse, da es sich bei Strom um ein homogenes Gut handelt. Preisbildung im Stromgroßhandel: Das Grenzkraftwerk-Prinzip Das Angebot im Stromgroßhandel und damit der Börsenpreis werden wie in allen wettbewerblich organisierten Märkten durch die Grenzkosten der Erzeugung bestimmt.64 Grenzkosten sind dabei die Kosten, die einem Anbieter entstehen, wenn er eine zusätzliche Einheit Strom produziert. Es besteht deshalb immer dann ein Anreiz in einem bestehenden Kraftwerk Strom zu erzeugen, wenn der Strompreis die variablen Erzeugungskosten übersteigt. In Märkten ohne Marktmacht stellt sich ein Preis in Höhe der Grenzkosten ein. Bei oligopolistischer Wettbewerbsstruktur ist auch ein Preis oberhalb der Grenzkosten möglich. Aber auch bei oligopolistischer Struktur kann davon ausgegangen werden, dass die Grenzkosten den Strompreis wesentlich beeinflussen. Das Verständnis für das sog. Grenzkraftwerk-Prinzip ist somit elementar. Die Grenzkosten in der Stromproduktion werden für Wärmekraftanlagen in Deutschland in Abhängigkeit vom Kraftwerkstyp insbesondere durch Brennstoffpreise für Kohle, Uran oder Gas sowie durch Preise für Emissionsberechtigungen determiniert.65 Laufwasser-, Kern- und Braunkohlekraftwerke weisen die niedrigsten Grenzkosten auf gefolgt von Steinkohlekraftwerken sowie Gas- und Ölkraftwerken. Aus der heterogenen Kostenstruktur eines Kraftwerksparks ergibt sich typischerweise eine Angebotskurve (Grenzkostenkurve) im Strommarkt, die im Grundlastbereich flach verläuft und mit Annäherung an die Kapazitätsgrenze immer steiler ansteigt. Die höheren Grenzkosten der Mittelund Spitzenlastkraftwerke machen einen höheren Preis erforderlich, andernfalls wären Betreiber nicht bereit weiteren Strom anzubieten. Die Grenzkosten des letzten erforderlichen Kraftwerks zur Deckung des Strombedarfs bestimmen maßgeblich den Marktpreis an einer Strombörse. Dieser Preis gilt unabhängig vom Kraftwerkstyp für alle produzierenden Kraftwerke in der betrachteten Angebotsperiode. 62
63 64 65
Ein Kraftwerk verfügt über eine installierte Bruttokapazität (in Megawatt), die die maximale Stromerzeugungsmenge determiniert. Im Rahmen der Stromerzeugung werden Aggregate benötigt, die ihrerseits Strom verbrauchen. Durch den Eigenverbrauch reduziert sich die Bruttostromerzeugung zur Nettostromerzeugung, die für den Absatz zur Verfügung steht. Die maximal für den Absatz bereitstehende Strommenge wird somit durch die Netto-Leistung festgelegt. Vgl. Ockenfels, A./Grimm, V./Zoettl, G. (2008), S. 4. Vgl. Ockenfels, A./Grimm, V./Zoettl, G. (2008), S. 71 f. Weitere variable Herstellungskosten sind laufende Instandhaltungskosten und Kosten für das Hochfahren eines Kraftwerks.
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18 Bewertung von Energieversorgungsunternehmen Für den deutschen Strommarkt wird in Abb. 18-29 auf Basis der Einsatzreihenfolge (engl. merit order) der unterschiedlichen Kraftwerkstypen eine Stromangebotskurve skizziert.66 Dabei ist zu beachten, dass es sich hierbei um eine vereinfachte idealtypische Darstellung handelt.67
Strompreis Spanne der Stromnachfrage
Grenzkraftwerke
Ölkraftwerke
Gaskraftwerke
P2
Steinkohlekraftwerke
P1
Laufwasserkraftwerke
Kernkraftwerke
Braunkohlekraftwerke
Strombedarf während einer Stunde in der Grundlast
installierte Strombedarf während einer Stunde Netto-Kapazität in der Mittellast
Quelle: KPMG-Analyse Abb. 18-29: Beispielhafte Stromangebotskurve für den deutschen Strommarkt
An der Strombörse EEX spiegelt sich die Stromangebotskurve in den jeweils am Vortag abgegebenen stündlichen Preis-Mengen-Geboten der Stromanbieter für den folgenden Tag wider.68 Die Kraftwerke erhalten beginnend mit dem niedrigsten Preis von der Börse einen Zuschlag bis die prognostizierte Nachfrage gedeckt ist. Das letzte Gebot, das noch einen Zuschlag erhält, bestimmt den Strompreis, der dann für alle zustande gekommenen Lieferverträge für eine bestimmte Stunde bezahlt wird. Aus der Darstellung in Abb. 18-29 wird deutlich, warum sich an der Strombörse typischerweise im Zeitablauf stark schwankende Strompreise ergeben. Abb. 18-30 zeigt exemplarisch Stundenpreise wie sie sich für einen Tag an der EEX eingestellt haben.
66
67
68
Aufgrund von Durchleitungskapazitäten wird das Angebot auf dem deutschen Markt auch durch Kraftwerke im benachbarten Ausland beeinflusst, insbesondere aus Frankreich, Polen und der Tschechischen Republik. Vgl. Bundesnetzagentur (2008c), S. 11. In der Realität verläuft die Kurve eher stufenförmig. Zudem sind die einzelnen Kraftwerkstypen aufgrund unterschiedlicher Entwicklungsstufen nicht zwangsläufig eindeutig aufzureihen wie dargestellt. So weisen neuere Steinkohlekraftwerke z.B. aufgrund höherer Effizienz und damit auch niedrigerem CO2-Ausstoß teilweise niedrigere Grenzkosten auf als alte Braunkohlekraftwerke. Die Grenzkosten neuerer Braunkohlekraftwerke liegen dagegen in der Regel weiterhin unterhalb derer sämtlicher Steinkohlekraftwerke. Es handelt sich hier um den sog. Day-ahead-Markt (Spotmarkt) der EEX.
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Sven Beyer und Günther Keller
Quelle: European Energy Exchange AG (EEX) (2009)69 Abb. 18-30: Preise und Handelsvolumina am Day-ahead Markt der EEX (Phelix) am 23. April 2009
Preisdauerlinie Für eine Kraftwerksbewertung auf Basis jährlicher Cash Flows ist die Strompreisbetrachtung auf ganze Jahre auszudehnen und in die Zukunft zu richten. Einen möglichen Aufsatzpunkt können hierzu historische Preisdauerlinien bilden. Eine historische Preisdauerlinie beinhaltet hierbei historische Stundenstrompreise für ein Kalenderjahr, die in absteigender Reihenfolge gemäß Abb. 18-31 in einem Diagramm abgetragen werden.70 Bildet man zusätzlich den Durchschnitt aus sämtlichen Stundenpreisen, so erhält man den Grundlastpreis (auch Baseloadpreis genannt) für das Jahr. Dieser Preis sagt aus, wie viel für eine Megawattstunde im Durchschnitt im betrachteten Jahr bezahlt werden musste, wenn eine konstante Strommenge über das gesamt Jahr, d.h. über 8.760 Stunden, bezogen wurde. Der Baseloadpreis wird in der weiteren Betrachtung als Referenzpreis benötigt. Geht man für die Zukunft von einem ähnlichen Verlauf der Preisdauerlinie wie in der Vergangenheit aus, so lässt sich mittels an der Strombörse beobachtbarer Terminbaseloadpreise für ein Jahr die historische Preisdauerlinie fortschreiben, indem man den Terminpreis ins Verhältnis zu dem zuvor berechneten Referenzpreis setzt und die sich ergebende Veränderungsrate auf sämtliche historischen Stundenpreise anwendet.71 Die Verwendung historischer Preisdaten für Prognosezwecke unterliegt hierbei den gleichen Einschränkungen hinsichtlich der 69
70 71
Die in der Grafik eingezeichneten Geraden geben den Preis für einen Baseloadkontrakt (24 Stunden) bzw. einen Peakloadkontrakt (9–20 Uhr) wieder. Die Preise dieser Kontrakte ergeben sich jeweils aus dem Durchschnitt der jeweils relevanten Stundenkontrakte. Für ein Jahr mit 365 Tagen handelt es sich somit um 8.760 Preise (= 24 x 365). An der EEX lassen sich Preise für sog. Phelix Baseload Year Futures für mehrere Jahre beobachten. Aktuell existieren bereits geschlossene Phelix Baseload Year Futures für das Jahr 2015, allerdings ist ein liquider Handel z.Z. nur für Kontrakte bis maximal einschließlich 2012 zu beobachten. Ein belastbarer Preishorizont beträgt somit ungefähr drei bis vier Jahre. Für anschließende Jahre sind Prämissen für die Baseloadstrompreisentwicklung unter Verwendung aller zur Verfügung stehender Informationen zu setzen.
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18 Bewertung von Energieversorgungsunternehmen Strompreis [€/MWh]
geschätzte Preisdauerlinie FutureJahresbaseloadpreis
BP F Veränderungsrate BPF /BPH
BP H
historischer Jahresbaseloadpreis
historische Preisdauerlinie
8.760
Stunden
Quelle: KPMG-Analyse Abb. 18-31: Preisdauerlinien
Übertragbarkeit der Daten auf zukünftige Entwicklungen wie dies im Rahmen der Bewertung an vielen Stellen anzutreffen ist. Insofern ist die Verwendung der Daten für Prognosezwecke zu hinterfragen. Bei erwarteten erheblichen Veränderungen in der Zusammensetzung des für die Strompreisbildung relevanten Kraftwerksparks sowie der Veränderung weiterer Einflussfaktoren der Stromerzeugung kann die Annahme eines gleichbleibenden Verlaufs der Preisdauerlinie kritisch sein. Prognose des durchschnittlichen Strompreises und der Strommenge Um aufbauend auf prognostizierten Preisdauerlinien durchschnittliche Jahresstrompreise und jährliche Erzeugungsmengen für ein Kraftwerk bestimmen zu können, sind variable Erzeugungskosten pro MWh zu schätzen. Diese werden im Wesentlichen durch Brennstoffpreise, Preise für CO2-Emissionszertifikate und die kraftwerksspezifische Effizienz (sog. Wirkungsgrad72) bestimmt. Konsistent zu den verwendeten Strom-Futurepreisen sind zeitlich vergleichbare Futurepreise für Brennstoffe und CO2-Emissionszertifikate zu verwenden.73 Bis einschließlich 2012 erhalten Kraftwerksbetreiber einen Großteil der benötigten CO2-Emissionszertifikate noch gratis zugeteilt. In diesem Zusammenhang ist über eine Berücksichtigung der Opportunitätskosten dieser Zertifikate bei der Grenzkostenermittlung zu entscheiden.74 Zeichnet man eine Gerade für die variablen Erzeugungskosten pro MWh in das Diagramm mit der Preisdauerlinie ein, so lässt sich durch den Schnittpunkt der beiden Linien feststellen, in wie vielen Stunden eine Erzeugung einen positiven Deckungsbeitrag ergeben würde. Bildet man den Durchschnitt aus den Preisen dieser Stunden, so erhält man den nach dem Modell durchschnittlich erzielbaren Strompreis, der gegebenenfalls an die Konditionen der tatsächlichen Abnehmer anzupassen ist. 72 73 74
Der Wirkungsgrad eines Kraftwerkes gibt an, in welchem Maße die darin eingesetzte Primärenergie als Nutzenergie verfügbar gemacht wird. Auf Brennstoffkosten und Zertifikatekosten wird weiter unten noch detaillierter eingegangen. Vgl. zur Diskussion bspw. Deutscher Bundestag, Drucksache 16/10715 vom 28.10.2008.
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Sven Beyer und Günther Keller Strompreis [€/MWh] geschätzte Preisdauerlinie in Jahr X durchschnittlich erzielbarer Strompreis in Jahr X = Deckungsbeitrag FutureJahresbaseloadpreis
variable Erzeugungskosten des Kraftwerksin Jahr X
Anzahl Stunden mit Strompreis > variable Kosten
8.760
Stunden
Quelle: KPMG-Analyse Abb. 18-32: Preisdauerlinie und Durchschnittspreis
Für die Planung der zukünftigen Strommengen pro Planjahr ist die oben ermittelte Stundenzahl noch um geplante und ungeplante Ausfallzeiten des Kraftwerks aufgrund von Revisionen und ungeplanten Reparaturen zu adjustieren. Informationen über Ausfallzeiten können den Planungsrechnungen (z.B. Instandhaltungsplanung) entnommen werden bzw. aus Vergangenheitsdaten abgeleitet werden. Die angepasste Stundenzahl, die die geplante Laufzeit des Kraftwerks in einem Planjahr darstellt, multipliziert mit der Netto-Leistung des Kraftwerks ergibt die geplante Stromabsatzmenge in diesem Planjahr. Die angepasste Stundenzahl dividiert durch 8.760 Stunden ergibt den sog. Auslastungsfaktor (engl. load factor). Soweit Informationen zu historischen Erzeugungsmengen vorliegen, sollten diese mit den geplanten Mengen verglichen werden. Wesentliche Abweichungen zu den geplanten Strommengen sind kritisch zu hinterfragen. Brennstoff kosten Bei der Planung der Brennstoffkosten kann grundsätzlich auf Terminmarktpreise für die relevanten Energieträger zurückgegriffen werden, soweit nicht abweichende vertraglich fixierte Bezugskonditionen vorliegen, die ggf. in der Bewertung zu berücksichtigen sind. Für langfristige Fortschreibungen im Rahmen eines Bewertungsmodells sind insbesondere Annahmen hinsichtlich der relevanten Inflationsrate zu treffen. Neben den Brennstoffpreisen sind darüber hinaus die erforderlichen Brennstoffmengen zu bestimmen. Hierbei ist neben der geplanten Stromerzeugungsmenge insbesondere der kraftwerksspezifische Wirkungsgrad als auch der spezielle Brennwert75 des konkreten Brennstoffs zu berücksichtigen. Wirkungsgrade einzelner Kraftwerke weichen in Abhängigkeit von der verwendeten Technologie und dem Alter der Anlage zum Teil erheblich voneinander ab. 75
Der Brennwert ist ein Maß für die spezifisch je Bemessungseinheit in einem Brennstoff enthaltene thermische Energie.
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18 Bewertung von Energieversorgungsunternehmen Darüber hinaus sind bei der Ermittlung der Brennstoffkosten zusätzliche im Brennstoffpreis noch nicht enthaltene Transportkosten bis zum Kraftwerksstandort zu berücksichtigen. Kosten für CO2-Zertifikate Neben den Brennstoffkosten sind bei mit fossilen Brennstoffen betriebenen Wärmekraftwerken darüber hinaus Zahlungsmittelabflüsse für zuzukaufende Emissionsberechtigungen zu berücksichtigen. Gemäß dem seit dem Jahr 2005 eingeführten EU-Emissionsrechtehandel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen werden jedem Wärmekraftwerk mit einer Leistung von mindestens 20 MW eine bestimmte Menge Emissionsberechtigungen, sog. European Union Allowance Units (EUA) zugeteilt, die zur Emission von je einer Tonne Kohlendioxid berechtigen. Stößt ein Kraftwerk mehr Kohlendioxid aus, hat der Anlagenbetreiber die fehlenden Zertifikate am Markt zuzukaufen. Preise für Zertifikate können sowohl am Spot- als auch am Terminmarkt der EEX beobachtet werden. Zurzeit läuft die zweite Phase des Emissionsrechtehandels (2008 bis 2012). In Deutschland erhalten Wärmekraftwerksbetreiber gemäß dem nationalen Allokationsplan währenddessen die Anfangsausstattung zu 90 % kostenfrei. Fehlende Zertifikate sind über die Börse kostenpflichtig zu erwerben.76 Seit Beginn der zweiten Phase können fehlende CO2-Emissionsberechtigungen auch durch Emissionsreduzierungen in Drittländern (sog. Certified Emission Reductions (CER)) aus sogenannten Clean Development Mechanism (CDM) oder Joint Implementation (JI) Projekten ausgeglichen werden. In Deutschland wurde die zulässige Höhe der so ausgleichbaren Emissionen auf 22 % der jeder einzelnen Anlage zugeteilten Emissionszertifikate begrenzt.77 Preise für CER können ebenfalls an der EEX beobachtet werden. In der am 6. April 2009 von der EU beschlossenen dritten Handelsphase (2013–2020) kommt es zu einschneidenden Veränderungen. Hiernach müssen Stromproduzenten bereits ab dem Jahr 2013 alle benötigten Zertifikate käuflich erwerben. Ausgenommen von dieser Regelung sind allerdings Kraftwerke mit hohem Kohleanteil. Sie erhalten zu Beginn noch bis zu 70 % der Zertifikate gratis zugeteilt, müssen diese jedoch spätestens 2019 ebenfalls vollständig ersteigern.78 Für die Planung der Cash Flows sind im Einklang mit der geplanten Stromerzeugungsmenge die CO2Emissionsmengen des jeweiligen Kraftwerks zu bestimmen. Anschließend sind bestehende Gratiszuteilungen in Abzug zu bringen. Die Zahl der zuzukaufenden Zertifikate ist mit Preisen für Zertifikate zu multiplizieren. Hierbei ist der mögliche Einsatz von (günstigeren) CERs zu berücksichtigen. Preise können zurzeit an der EEX für die Jahre 2009 bis 2013 beobachtet werden, wobei das Handelsvolumen für spätere Jahre deutlich niedriger ausfällt. Analyse von Spreads in der Stromerzeugung Für die Plausibilisierung der Planung der Stromerlöse und Brennstoffkosten sollte eine Analyse der sich ergebenden Energiemargen pro erzeugte Stromeinheit vorgenommen werden. Bestimmt man die durchschnittliche Energiemarge pro erzeugte Stromeinheit (MWh) so spricht man für Kohlekraftwerke von Dark Spreads bzw. für Gaskraftwerke von Spark Spreads. Beim Vergleich von Spreads unterschiedlicher Kraftwerke sind insbesondere die Datengrundlagen detailliert zu prüfen, da Abweichungen u.a. aufgrund unterschiedlicher Brennstoffe, Effizienzgrade und Auslastung bestehen können. Energiemargen unter Berücksichtigung von Brennstoffkosten und Kosten für Emissionsberechtigungen werden als Clean Spreads bezeichnet.79 Abb. 18-33 stellt die unterschiedlichen verwendeten Spreadbegriffe gegenüber. 76 77 78 79
Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.) (2006). Vgl. § 18 Gesetz zur Änderung der Rechtsgrundlagen zum Emissionshandel im Hinblick auf die Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 vom 22. Juni 2007. Vgl. Rat der Europäischen Union, Pressemitteilung vom 6. April 2009. Veröffentlichte Spreads beziehen sich zumeist auf einen Grundlaststrompreis und gehen von einem standardisierten Wirkungsgrad des Kraftwerks aus. Publizierte Clean Spreads berücksichtigen zudem keine Gratiszuteilungen von Emissionszertifikaten. Eine unmittelbare Vergleichbarkeit zu den oben beschriebenen Spreads ist somit zumeist nicht gegeben.
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Sven Beyer und Günther Keller Energiemarge vor Abzug CO2 -Kosten nach Abzug CO2-Kosten Brennstoff
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Kohle
Dark-Spread
Clean-Dark-Spread
Gas
Spark-Spread
Clean-Spark-Spread
Quelle: KPMG-Analyse Abb. 18-33: Spreads in der Stromerzeugung
Investitionen/Instandhaltung Als weitere wesentliche Komponente bei der Ableitung der Cash Flows sei auf die Berücksichtigung von Instandhaltungsaufwendungen und Investitionen hingewiesen. Hierbei sind sowohl planmäßige Instandhaltungszyklen als auch außerplanmäßige Reparaturen zu beachten. Historische Auszahlungen können regelmäßig nur einen ersten Anhaltspunkt für die Planung zukünftiger Aufwendungen und Investitionen darstellen, da die zunehmende Alterung der Anlage zu berücksichtigen ist. Wesentliche Einflussfaktoren sind neben dem Alter der Anlage insbesondere die Laufzeiten sowie Häufigkeit und Dauer von Betriebsunterbrechungen. Für Bewertungen mit unendlichem Bewertungszeitraum sind zudem entsprechende Reinvestitionen im Rahmen einer Reinvestitionsrate in der ewigen Rente zu berücksichtigen. Dabei ist ein annuitätischer Investitionsbetrag zu schätzen, der den Reinvestitionsbedarf der gesamten Anlage unter Beachtung der relevanten Reinvestitionszeitpunkte sowie der Entwicklung der Anlagenpreise quantifiziert (zur Problematik der Ableitung einer angemessenen Reinvestitionsrate vgl. die analogen Ausführungen in Abschnitt 4.3).
18.6 Zusammenfassung und Ausblick Das Beispiel Energieversorgungsunternehmen zeigt eindrucksvoll die Notwendigkeit einer intensiven Auseinandersetzung mit branchenspezifischen Besonderheiten bei Unternehmensbewertungen. Das auf den ersten Blick einfach erscheinende Geschäftsmodell, wie im Beitrag im Detail am Beispiel von Strom gezeigt, ist geprägt durch betriebswirtschaftliche, technische und regulatorische Besonderheiten, die für den Bewerter in einer Fülle von Herausforderungen münden. Die Bandbreite an Dienstleistungen und Produkten erschwert die Vergleichbarkeit der Energieversorgungsunternehmen untereinander mit der Folge, dass Kennzahlen und Kapitalkosten nur eingeschränkt zur Verfügung stehen bzw. auf das jeweilige Bewertungsobjekt übertragen werden können. Die durch die Liberalisierungswellen verursachte starke Veränderung der Wertschöpfungsstufen der vielfach noch über die gesamte Wertschöpfungskette vollständig integrierten Energieversorgungsunternehmen reduziert gleichzeitig die Vergleichbarkeit im Zeitablauf. Dieser Effekt wird durch die permanente Änderung der gesetzlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen noch verstärkt. Energieversorgungsunternehmen zeichnen sich durch eine hohe Kapitalintensität aus. Dadurch und auch aufgrund der Regulierung, die mittels der Netzentgeltverordnung eine Verbindung von Anlagevermögen, Kapitalausstattung, durch den Regulierer festgesetzte Verzinsung des eingesetzten Kapitals und den zukünftigen Netzentgelten definiert, spielt neben dem etablierten DCF-Verfahren der Substanzwert in Form des Sachzeitwertes eine maßgebliche Rolle. Ähnliches gilt für die Bewertung von Kraftwerken. Für die Bewertung eines einzelnen Kraftwerks mit der Prämisse einer zeitlich begrenzten Laufzeit darf eine Analyse des Sachzeit- bzw. des Wiederbeschaffungzeitwertes nicht unterbleiben. Dennoch haben sich sowohl für Netze als auch für Kraftwerke die DCF-Verfahren als maßgeblich etabliert. Dies gilt auch für die Zugangsbewertung im Rahmen einer Kaufpreisallo-
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18 Bewertung von Energieversorgungsunternehmen kation nach IFRS 3. Allerdings ist in diesen Fällen noch zu berücksichtigen, dass dabei nur das im Erwerbszeitpunkt bereits bestehende Leistungspotenzial, z.B. eines Stromnetzes, bei der Bewertung berücksichtigt werden darf. Die Annahme einer unbegrenzten Nutzungsdauer kann daher bei vielen materiellen Vermögenswerten nur in Ausnahmefällen zum Ansatz kommen. Die Liberalisierung im Energieversorgungsmarkt, wie sie über die letzten Jahre im Strom und Gasmarkt begonnen wurde, wird weiter gehen und damit ein Treiber für Umstrukturierungen bleiben. Die Bewertungsanlässe werden in diesem Bereich aus diesem Grund eher noch zunehmen. Ein wesentlicher Treiber für die Veränderung der heute beobachtbaren Strukturen ist die zunehmende Europäisierung bzw. Internationalisierung der großen Energieversorgungsunternehmen. Ein weiterer Treiber wird das zunehmende Wachstum im Bereich der erneuerbaren Energien werden, da sich gerade in diesen Märkten eine Vielzahl neuer Investitionsmöglichkeiten ergeben, die sowohl das Interesse etablierter Energieversorger aber auch von Finanzinvestoren auf sich ziehen werden. Die damit einhergehenden vielfältigen transaktionsbezogenen und rechnungslegungsbezogenen Bewertungen werden die Diskussion im Bewertungsbereich für die kommenden Jahre prägen.
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19 Bewertung von Logistikdienstleistern Von Michael Salcher, Susanne Kuhn, Dominik Eckstein* 19.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2 Abgrenzung von Logistikdienstleistungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2.1 Logistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2.2 Abgrenzungsmerkmale logistischer Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2.2.1 Leistungsspektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2.2.2 Wertschöpfungsintegration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2.2.3 Kapitalintensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2.3 Einteilung von Logistikdienstleister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2.3.1 Transportdienstleister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2.3.2 Speditionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2.3.3 Systemdienstleister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2.3.4 Netzwerkintegratoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2.4 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.3 Marktumfeld und Trends der Logistikbranche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.3.1 Markt für Logistikdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.3.2 Trends in der Logistikbranche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.4 Bewertung von Logistikdienstleister auf Basis von ertragswertorientierten Verfahren . . . . 19.4.1 Grundgedanke der überschussorientierten Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.4.2 Arten überschussorientierter Bewertungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.4.3 Branchenbedingte Charakteristika der abgeleiteten Zahlungsüberschüsse. . . . . . . . . . . 19.4.3.1 Operationalisierung von wertbestimmenden Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.4.3.2 Abbildung finanzwirtschaftlicher Werttreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.4.4 Branchenbedingte Kapitalkostenermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.4.5 Bewertung und bilanzielle Abbildung von Unternehmenskäufen in der Praxis. . . . . . . 19.4.5.1 Unternehmensbewertung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.4.5.2 Bilanzielle Abbildung von Unternehmenskäufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.5 Bewertung von Logistikdienstleister auf Basis von marktorientierten Verfahren. . . . . . . . . 19.5.1 Charakteristika der marktorientierten Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.5.2 Durchführung der Bewertung mittels Multiplikatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.5.3 Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.7 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Michael Salcher, Susanne Kuhn, Dominik Eckstein, Bereich Corporate Finance, KPMG AG.
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448 448 448 449 449 450 451 452 452 452 453 454 455 455 455 457 458 458 458 459 459 461 466 469 469 469 472 472 472 474 474 475
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19.1 Einleitung Logistikdienstleister befinden sich im Wandel. Globale Produktionsnetzwerke, Beschaffungs- und Distributionsstrukturen sowie die stetige Weiterentwicklung von Information- und Kommunikationstechnologien führten zu einer stetig zunehmenden Bedeutung von Logistikaktivitäten. Gleichzeitig machten die konjunkturellen Entwicklungen der Jahre 2008 und 2009 die immense Abhängigkeit der Logistikbranche von insbesondere internationalen Güter- und Warenströmen deutlich. Die Logistikbranche ist einer der Industriebereiche, die unter der Finanz- und Wirtschaftskrise am meisten litten. Der Markt für Logistikdienstleistungen entwickelte sich dynamisch und forderte kontinuierliche Anpassungen der Marktteilnehmer. Transportdienstleister und Speditionen erbringen klassische Logistikdienstleistungen wie Transport, Umschlag und Lagerung (kurz „TUL“). Sie konzentrieren sich auf den reinen Gütertransport oder erweitern ihr Leistungsangebot mit umfangreichen Mehrwertleistungen. Durch die zunehmende Integration in innerbetriebliche Prozesse von Unternehmen entwickeln sich Logistikdienstleister auch zu Systemdienstleistern, koordinieren logistische Aktivitäten oder übernehmen das Management ganzer Logistiknetzwerke. Nicht nur durch die EU-Osterweiterung und die Möglichkeiten zur Erschließung neuer Märkte nahm in Europa die Anzahl an Übernahmen von Logistikdienstleistern in den vergangenen Jahren stetig zu. Auch Marktbereinigungen, Größenüberlegungen und sonstige strategische Überlegungen führten zu einer Zunahme von M&A-Aktivitäten. Allein im Zeitraum 07/2007 bis 03/2009 konnten 27 Transaktionen beobachtet werden, die ein durchschnittliches Transaktionsvolumen von über € 300 Mio. aufwiesen.1 Viele Anlässe erfordern die Bewertung von Logistikdienstleistern: Nicht nur strategische Unternehmenserwerbe, Verkäufe und Übernahmen, auch Restrukturierungen, Notverkäufe, Steuerungssysteme und rechnungslegungsorientierte Anlässe veranlassen Unternehmen, Berater, Wirtschaftsprüfer und Gutachter sich mit der Frage zu beschäftigen, wie Unternehmen dieser Branche sachgerecht zu bewerten sind. Die Abgrenzung zu verwandten Bereichen des Transportsektors wie Personentransportunternehmen, z.B. Fluglinien, Reedereien, Bahnunternehmen, oder Infrastrukturunternehmen wie Häfen und Flughäfen, ist noch relativ einfach. Sind Geschäftsmodelle von Logistikdienstleistern untereinander jedoch dazu noch relativ heterogen, so stellt sich bei Bewertungen im Allgemeinen die Frage nach geeigneten Vergleichsmaßstäben, z.B. in Form von Peer Groups. In den folgenden Ausführungen werden nach einer Charakterisierung des Sektors einige wichtige Themen der Planung und Bewertung von Logistikdienstleistungsunternehmen verdeutlicht, die in der Bewertungspraxis regelmäßig auftreten. Auch folgt auf dieser Basis eine Würdigung der Anwendbarkeit von Bewertungsverfahren für Unternehmen dieser Branche.
19.2 Abgrenzung von Logistikdienstleistungsunternehmen 19.2.1 Logistik In Wissenschaft und Praxis ist zu beobachten, dass der Begriff „Logistik“ nicht eindeutig definiert ist. Nach Ansicht vieler Autoren ist der Begriff Logistik aus dem französischen Verb „loger“ (unterbringen, wohnen) abgeleitet, beziehungsweise „logis“ (Unterbringung), das von dem lateinischen „logistrare“ (vermieten, verpachten, unterbringen) stammt.2 Es steht im Zusammenhang mit der historischen Militär-Logistik, die in Kriegszeiten die Versorgung, Quartierung und den Transport der Truppen und ihrer Ausrüstung sicherstellte. 1
2
Die Daten beruhen auf einer unveröffentlichten KPMG Studie. Anzahl und Transaktionsvolumen beruhen auf Übernahmen, die zu dem Zeitpunkt der Erfassung eine ausreichende Datenbasis gewährleisteten und stehen nicht unter der Gewähr der Vollständigkeit. Vgl. Arnold, D./Isermann, H./Kuhn, A./Tempelmeier, H. (2008), S. 4.
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19 Bewertung von Logistikdienstleistern Der logistische Prozess beschreibt alle Transport- und Lagerungsprozesse sowie das entsprechende Be- und Entladen, Ein- und Auslagern und das Kommissionieren von logistischen Objekten. Dies können Sachgüter, wie Material oder Produkte, Personen und Informationen sein. Aus der Bündelung logistischer Prozesse entstehen Netzwerke, die als logistisches System bezeichnet werden. Jedes logistische System benötigt ein Informations- und Kommunikationssystem, um optimales Funktionieren zu gewährleisten. Die Logistik steuert Objektflüsse innerhalb logistischer Netzwerke zwischen Lieferanten, Produzenten, Händlern und Kunden. Sie steht dabei für eine neue Führungsphilosophie der Unternehmung.
19.2.2 Abgrenzungsmerkmale logistischer Dienstleistungen 19.2.2.1 Leistungsspektrum Das Leistungsspektrum von Logistikdienstleistungen hat sich in den letzten Jahrzehnten signifikant erweitert. In den 70er Jahren umfasste es im Wesentlichen den Transport, Umschlag und die Lagerhaltung von Gütern. Dieses enge Spektrum gilt heute jedoch nicht mehr. So finden sich zunehmend ganzheitliche Leistungen, die nicht nur logistische Abläufe koordinieren, sondern auch die Übernahme verwandter Elemente der Wertschöpfungsketten der Produzenten umfassen. Eine Einteilung des Leistungsspektrums kann somit nach operativen, organisatorischen, koordinierenden und strategischen Elementen erfolgen. Abb. 19-1 gibt eine Übersicht über typische Elemente der Wertschöpfungskette produzierender Industrieunternehmen im Einzelnen und teilt diese in ihr Outsourcing-Potenzial ein. Dabei wird zwischen logistischen Kernaufgaben und Mehrwertdiensten unterschieden. Wie aus der Abbildung ersichtlich ist, besitzen die meisten logistischen Kernaufgaben ein hohes Potenzial zur Vergabe an Logistikdienstleister.3
Value Added Services
Kernaufgaben
Logistische Leistungen
Outsourcing-Potenzial Niedrig Hoch
Transport, Umschlag und Lagerhaltung (TUL)
X
Kommissionierung
X
Produktionssynchrone Materialzuführung
X
Transport- und Logistikplanung
X
Lager- und Bestandsmanagement
X
Supply-Chain-Planung und -Optimierung
X
Disposition
X
Auftragsabwicklung und Dokumentenverwaltung
X
Qualitätskontrolle
X
Verpackung und Etikettierung
X
Verzollung
X
Tourenplanung und -optimierung
X
Transportbehältersteuerung, Tracking & Tracing
X
Planung und Implementierung von IT-Systemen
X
Regalservice und Kundendienst
X
Abb. 19-1: Logistische Leistungen in Unternehmen und Outsourcing-Potenzial4 3 4
Vgl. Wildemann, H. (2007) zu Entscheidungsprozessen beim Outsourcing komplexer logistischer Aufgaben. Eigene Darstellung in Anlehnung an Zadek, H. (2004), S. 17 und Langley, C. J. (2008), S. 13.
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19.2.2.2 Wertschöpfungsintegration In den vergangenen Jahren konnte über alle Branchen hinweg die Bildung von globalen Produktionsund Dienstleistungsnetzwerken beobachtet werden. Ein sehr ausgeprägtes Wertschöpfungsnetzwerk findet sich beispielsweise in der Automobilindustrie.5 Die beteiligten Logistikdienstleistungsunternehmen sind aufgrund ihrer strategischen und operativen Ausrichtung und ihrer Prozesskompetenzen unterschiedlich stark in das Netzwerk integriert. Sie können in singulärer Leistungsbeziehung mit dem Automobilhersteller beziehungsweise deren Lieferanten stehen oder multilateral im Netzwerk agieren. Logistikdienstleister können dabei viele Stufen der Wertschöpfungskette abdecken, indem sie über mehrere Wertschöpfungsstufen Lieferanten und Produktion koordinieren. Je stärker sie in das Wertschöpfungsnetzwerk eingebunden sind, desto stärker sind die Verflechtungen mit dem Produzenten auf Produktionsebene. Abb. 19-2 zeigt mögliche Integrationsgrade in einer Leistungsbeziehung mit einem Produzenten. Produzent TUL
Beschaffungslogistik
Transport
Produktionslogistik
Beschaffung
Produktion
Vertriebslogistik
Vertrieb
TUL
Transport
Einfache Transportdienstleistungen Kombinierte Logistikdienstleistungen Integrierte Logistikdienstleistungen
Abb. 19-2: Integrationsgrade von Leistungsbeziehungen in der unternehmerischen Wertschöpfungskette6
Einfache Transport-, Umschlag- und Lagerungsleistungen finden sich an den äußeren Schnittstellen des produzierenden Unternehmens. Der Grad der Integration in der unternehmerischen Wertschöpfungskette ist hierbei sehr gering. Logistikdienstleister, die Aktivitäten der Beschaffungslogistik7 übernehmen, sind vor allem für Unternehmen mit regional unterschiedlichen Produktionsstandorten von Bedeutung. 5 6 7
Vgl. Schorb/Halsband/Anders (2007) zu Kontraktlogistik in der Automobilindustrie. Eigene Darstellung in Anlehnung an Zimmermann, B. (2004), S. 31. Vgl. Schulte, C. (2009), S. 267 ff. für eine Einführung in die Beschaffungslogistik.
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19 Bewertung von Logistikdienstleistern Produktionslogistik8 als weiteres Element der betrieblichen logistischen Abläufe beinhaltet die Planung, Steuerung und Kontrolle der innerbetrieblichen Transport-, Umschlag- und Lagerprozesse, und stellt das Bindeglied zwischen Beschaffungs- und Distributionslogistik dar.9 In produzierenden Unternehmen übernehmen Logistikdienstleister einfache Produktionsprozesse wie routinierte Funktionstests und bedarfsnahe Belieferung der Produktion mit anschließenden Montagetätigkeiten. In komplexen Produktionsprozessen wie der Automobilproduktion arbeiten Lieferanten, Produzent und Logistikdienstleister eng zusammen. Der Logistikdienstleister wird als Bindeglied in die unternehmerische Wertschöpfungskette integriert und synchronisiert die logistische Kette zwischen Lieferant und Produzent. Er bestimmt die vom Produzenten angestrebte Effizienz (Produktionsausfallrisiko), Flexibiliät (Durchlaufzeit) sowie Kostenoptimierung (Lagerhaltung, Material- und Fertigungsgemeinkosten) der Wertschöpfungskette. Der unternehmerische Vertrieb wird durch eine wachsende Anzahl direkt belieferter Endkunden, u.a. als Folge von eBusiness Lösungen, als Distributionslogistik10 verstanden. Dies kann eine logistische Einzelleistung oder auch mehrere Aufgaben einer Prozesskette umfassen, wie z.B. Verpackung, Kommissionierung und finale Qualitätskontrolle der Waren. Hinzu kommen die Leistungen, die der Entsorgung und Rückführung von Produkten und Abfällen dienen (Entsorgungslogistik)11. Die Vertriebs- und Entsorgungslogistik nimmt vor allem im Handel einen hohen Stellenwert ein. Die Wertschöpfungsintegration unterscheidet sich somit in der Möglichkeit der Einflussnahme auf logistische Abläufe.
19.2.2.3 Kapitalintensität Die Kapitalintensität misst den Anteil langfristiger Sachanlagen am Gesamtvermögen. Grundsätzlich können sog. Logistik-Assets erworben oder geleast werden. In der Regel werden diese langlebigen Vermögenswerte fremdfinanziert. Auch im Rahmen des Finanzierungsleasings geht je nach Art der Leasingverträge der Logistikdienstleister eine Verbindlichkeit in Höhe des Barwertes der zukünftigen Leasingzahlungen ein. Die Kapitalintensität erhöht sich mit dem Wert der Logistik-Assets. Durch die resultierenden Abschreibungen und Finanzierungskosten entstehen einem Logistikdienstleister hohe Fixkosten sowie Aufwendungen, die das finanzielle Risiko des Unternehmens erhöhen. Grundsätzlich ist die Kapitalintensität abhängig vom Leistungsspektrum des Logistikdienstleisters. Reine Transportdienstleister haben in der Regel eigene Logistik-Assets wie LKWs und Umschlageinrichtungen und weisen eine hohe Kapitalintensität auf. Anders ist es bei Logistikdienstleistern, die überwiegend Mehrwertdienste anbieten und eine vermehrt koordinierende Funktion innerhalb der Transportkette übernehmen. Sie haben in der Regel einen geringeren Anteil an Logistik-Assets und führen den Gütertransport mit Hilfe von Sub-Logistikdienstleistern durch. Die optimale Kapitalintensität eines Logistikdienstleisters ist nur schwer ermittelbar und variiert stark zwischen einzelnen Logistikdienstleistern. Ein Grund dafür ist vor allem die notwendige kritische Menge an eingesetztem Kapital, um eine angemessene Rentabilität zu erreichen bei einer gleichzeitigen Möglichkeit, auf Nachfrageveränderungen flexibel zu reagieren. 8 9 10 11
Vgl. Schulte, C. (2009), S. 345 ff. für eine Einführung in die Produktionslogistik. Vgl. Klaus, P./Winfried, K. (2008b), S. 458. Vgl. Schulte, C. (2009), S. 455 ff. für eine Einführung in die Distributionslogistik. Vgl. Schulte, C. (2009), S. 503 ff. für eine Einführung in die Entsorgungslogistik.
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19.2.3 Einteilung von Logistikdienstleister Es sei eigens darauf hingewiesen, dass eine eindeutige Abgrenzung der Segmente für Logistikdienstleister nur aus Sicht der Theorie möglich ist, da es in der Praxis zumeist zu Überschneidungen zwischen den einzelnen Segmenten kommt.
19.2.3.1 Transportdienstleister In Deutschland sind ca. 55.000 Unternehmen des gewerblichen Güterverkehrs registriert.12 Rund 90 % davon agieren als reine Transportdienstleister. Ihr Leistungsspektrum umfasst hauptsächlich Straßen-, Schienen- oder Schifffahrttransporte sowie Umschlag und Lagerung. Der Grad der Integration in das Wertschöpfungsnetzwerk bei Kunden ist in den meisten Fällen gering, da die Logistikdienstleistungen auf singulären Aufträgen beruhen und sich auf TUL-Elemente beschränken. Der Zeitraum zur Erstellung der Leistung ist in der Regel kurzfristig. Da die Logistikdienstleistungen größtenteils durch den eigenen Fuhrpark und Lagereinrichtungen ausgeführt werden, ist die Kapitalintensität als vergleichsweise hoch anzusehen.
19.2.3.2 Speditionen Der Deutsche Speditions- und Logistikverband e.V. (DSLV) hat nach seinen Angaben ca. 4.000 Spediteure als aktive Mitglieder13, die als Verbunddienstleister Transporte disponieren. Im Gegensatz zu Transportdienstleistern steht nicht der Einkauf einzelner Beförderungsleistungen im Mittelpunkt, sondern die Organisation von Dienstleistungspaketen, die Logistikeinzelleistungen zu einer größeren Verbundleistung bündeln. Durch eine verkehrsträgerneutrale Arbeitsweise, setzen Spediteure das für den jeweiligen Transport am besten geeignete Verkehrsmittel ein – LKW, Bahn, Flugzeug oder Schiff.14 Dieser als intermodaler Verkehr15 gestaltete Gütertransport erfolgt dabei in derselben Ladeeinheit (wie Wechselbehälter, Container oder Sattelanhänger). Inwieweit diese Verkehrsträger von in Deutschland ansässigen Spediteuren genutzt werden, zeigt Abb. 19-3. Danach sind etwa 73 % aller Spediteure als Befrachter für den gewerblichen Straßengüterverkehr tätig, per Bahn verladen 13 %. Etwa 10 % fertigen Transporte über die Binnenschifffahrt ab, rund 38 % organisieren als Seehafenspediteure Verschiffungen über See. 30 % der Spediteure koordinieren Luftfrachten. Der hohe Anteil der Straßentransporte lässt sich an der klassischen Transportkette eines Spediteurs erkennen: • Transport der Ware per LKW zum Umschlagterminal („Vorlauf“) • Umschlag im Quellterminal • Transport per Bahn, Schiff oder Luft zum Zielterminal („Hauptlauf“) • Umschlag im Zielterminal • Transport per LKW zum Empfänger („Nachlauf“) Innerhalb der unternehmerischen Wertschöpfungskette werden Spediteure meist zwischen dem Vorlauf und Nachlauf tätig. Die Schnittstelle zum Produzenten erfolgt über die Beschaffungs- und Vertriebstätigkeit. 12 13 14 15
Vgl. BGL (2009). Vgl. DSLV (2009). Vgl. Schieck, A. (2008) für eine weiterführende Einführung der Verkehrsträger Seegüterverkehr, Luftfrachtverkehr, Straßengüterverkehr, Schienengüterverkehr und Binnenschifffahrtsverkehr. Vgl. Schulte, C. (2009), S. 135.
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19 Bewertung von Logistikdienstleistern Anteil Spediteure 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Transportträger
Abb. 19-3: Anteil der in Deutschland ansässigen Spediteure nach Zusammenarbeit mit einzelnen Verkehrsträgern16
Einige Spediteure setzen im Straßengüterverkehr eigene LKWs ein, jedoch werden viele Transporte auch durch Subunternehmer durchgeführt. Im Schifffahrtsverkehr werden eigene Schiffe u.a. für Auto- oder Containertransporte verwendet. Verschiedene Paket- und Expressdienste verfügen über eine eigene Flugzeugflotte. Grundsätzlich ist jedoch davon auszugehen, dass die Kapitalintensität von Spediteuren tendenziell geringer ausfällt als die der reinen Transportdienstleister. Das Leistungsspektrum heutiger Spediteure hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend um angebotene Mehrwertdienste erweitert. Die Erstellung von Zoll- und Frachtdokumenten gehört u.a. heutzutage zum Standardleistungsangebot. Bei Spediteuren ist die Tiefe ihrer Netzwerkintegration in der Regel an ihrer Unternehmensgröße und regionaler Ausrichtung zu erkennen. Während große Speditionen oftmals ein nationales, europäisches oder globales Netzwerk selbst oder durch Kooperationen17 aufgebaut haben, sind kleine Spediteure eher regional und national tätig, oftmals mit einem spezialisierten Leistungsangebot.
19.2.3.3 Systemdienstleister Mit der Tendenz zu einem zunehmenden Outsourcing von Nicht-Kernaktivitäten produzierender Unternehmen übernehmen Logistikdienstleister weitere Aktivitäten wie das Management des Supply Chains im Rahmen der sog. Kontraktlogistik. Diese Dienstleistungsunternehmen werden Systemdienstleister oder Third Party Logistics Provider (3PL) genannt.18 Systemdienstleister sind spezifisch auf die jeweiligen Kundenbedürfnisse ausgerichtet. Ihre Leistungen reichen von der Entwicklung, Planung und Bearbeitung einzelner Teilbereiche der Logistik über die Übernahme der gesamten Unternehmenslogistik bis hin zum Supply Chain Management zwischen 16 17 18
Eigene Darstellung in Anlehnung an DSLV (2005), S. 6 f. Vgl. Steckler, N./Held, T. (2007) zu Kooperationen zwischen Logistikdienstleistern. Vgl. Arnold, D./Isermann, H./Kuhn, A./Tempelmeier, H. (2008), S. 586. Ergänzende Literatur dazu in Stölze, W./Weber, J./Hofmann, E./Wollenburg, C. M. (2007).
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Michael Salcher Unternehmen.19 Auf Grundlage mittel- oder langfristiger Rahmenverträge übernehmen sie Elemente der Beschaffungslogistik, Produktionslogistik, Distributionslogistik und Entsorgungslogistik.20 Systemdienstleister haben tendenziell einen geringen Anteil eigener Transportmittel am Gesamtvermögen. Sie besitzen jedoch häufig große Umschlagplätze, sog. Hubs, die einen hohen Kapitalanteil einnehmen. Die Kapitalintensität fällt jedoch tendenziell geringer aus als die von Transportdienstleistern und Speditionen. Die Hauptaufgabe liegt nun nicht mehr im reinen Gütertransport, sondern ist vielmehr durch eine Netzwerkbildung und Koordination von Beziehungen zwischen Produzenten, Lieferanten und anderen Logistikdienstleistern geprägt. In den vergangenen Jahren ist jedoch zu erkennen, dass die Kapitalintensität bei Systemdienstleistern zunimmt. Dies resultiert aus der individuellen Bündelung von logistischen Leistungen, die durch den Dienstleister aus einer Hand anzubieten sind.
19.2.3.4 Netzwerkintegratoren Der Netzwerkintegrator oder Fourth Party Logistics Provider (4PL) stellt eine Erweiterung des Systemdienstleisters dar. Er gilt als „Dienstleister, der ohne Rückgriff auf eigene physische Infrastruktur oder Kapazitäten (non-asset-based intermedia) Supply Chains im Auftrag des Herstellers steuert“.21 Er übernimmt eigenverantwortlich die Planung, Steuerung und Durchführung aller logistischer Aktivitäten innerhalb der Supply Chain des Kunden. Auf diese Weise kommt ihm eine führende Rolle im logistischen Netzwerkmanagement zu, die über die reine Koordination logistischer Aktivitäten hinausgeht. Netzwerkintegratoren steuern und synchronisieren über durchgängige und leistungsfähige Informationssysteme die Material- und Informationsflüsse aller beteiligten Akteure. Da Netzwerkintegratoren reine Managementaufgaben übernehmen, ist ihr Anteil an Logistik-Assets gering. Ihre Tätigkeiten im operativen Gütertransport reduzieren sich auf die Vergabe von Transportaufträgen an fremde Logistikdienstleister. Durch die komplexe Gestaltung der Logistiknetzwerke, ist die Beziehung zum Auftraggeber in der Regel langfristig. Die folglich fehlende Wertschöpfungsintegration innerhalb der Transportkette kompensieren die Netzwerkintegratoren durch ganzheitliche Supply Chain Management-Konzepte, die vom Rohstofflieferanten bis zum Endkunden die gesamte Wertschöpfungskette abbilden. Reine Netzwerkintegratoren sind in der Praxis noch selten zu finden. Im Sprachgebrauch werden sie häufig mit Systemdienstleistern gleichgesetzt. Darüber hinaus „glauben nur wenige Fachleute an die Zukunft von eigenständigen 4PL-Anbietern, auch haben Untersuchungen in der Praxis gezeigt, dass sich das Konzept in seiner reinen Form bisher nicht durchsetzen konnte“.22
19 20 21 22
Vgl. Arnold, D./Isermann, H./Kuhn, A./Tempelmeier, H. (2008), S. 586f. Vgl. Zadek, H. (2004), S. 23. Vgl. Muchna, C. (2001), S. 394. Arnold, D./Isermann, H./Kuhn, A./Tempelmeier, H. (2008), S. 588.
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19 Bewertung von Logistikdienstleistern
19.2.4 Zusammenfassung Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, wie unterschiedlich die Ausgestaltung von Logistikdienstleistungen ist. Abb. 19-4 stellt die Ergebnisse vergleichend gegenüber.
Merkmale logistischer Leistungen Leistungsspektrum Segmente für Logistikdienstleister
Wertschöpfungsintegration
Kapitalintensität
Transportdienstleister
Gütertransporte als Einzelleistungen
Sehr gering
Sehr hoch
Speditionen
Organisation von Gütertransporten mit verketteten Einzelleistungen
Mittel
Hoch
Systemdienstleister
Koordination von Gütertransporten und Supply Chain Management als Teil der Unternehmenslogistik
Hoch
Mittel
Netzwerkintegratoren
Steuerung der Unternehmenslogistik
Sehr hoch
Sehr gering
Abb. 19-4: Zusammenfassende Gegenüberstellung von Merkmalen logistischer Dienstleistungen und Segmente der Logistikdiensleister23
19.3 Marktumfeld und Trends der Logistikbranche 19.3.1 Markt für Logistikdienstleistungen Das Gesamtvolumen von Logistikdienstleistungen in Europa im Jahr 2007 betrug € 905,8 Mrd. oder 7 % des kumulierten Bruttoinlandsprodukts europäischer Länder. 24 Im Vergleich zu 2006 ergibt sich damit ein Wachstum an Logistikdienstleistungen in Höhe von ca. 15 %. Schätzungen gehen davon aus, dass bis heute weniger als 50 % der potenziell übertragbaren Logistikdienstleistungen von Industrie und Handel fremdvergeben werden.25 In Statistiken ist der Markt für logistische Dienstleistungen weitaus weniger homogen strukturiert als klassische Industriezweige wie Maschinenbau oder Chemie. In der Wirtschaftszweigklassifikation der europäischen Union (NACE) findet sich kein Sektor mit der Bezeichnung Logistik. Betrachtet man die einzelnen europäischen Länder, so unterscheiden sich deren Logistikmärkte in ihrer Größe wesentlich. Abb. 19-5 zeigt die größten europäischer Länder und ihr Logistikmarktvolumen.26 23 24
25 26
Eigene Darstellung. Vgl. Klaus, P./Kille, C. (2008a), S. 152. Europa bezieht sich auf die 15 westeuropäischen Länder der Europäischen Union, erweitert um die 12 in den Jahren 2004 und 2007 beigetretenen Länder zuzüglich der Schweiz und Norwegen. Vgl. Klaus, P./Kille, C. (2008a), S. 160. Eigene Darstellung in Anlehnung an Klaus, P./Kille, C. (2008a), S. 160.
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455
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Michael Salcher 205
46,1
31,9 Belgien
Italien
82,6
Niederlande
82,7
Spanien
108,3
Großbritannien
Frankreich
Deutschland
113,2
Abb. 19-5: Logistikmarktvolumen nach europäischen Ländern (in € Mrd.)
Das Leistungsspektrum logistischer Dienstleistungen lässt sich in Transportleistungen und logistischen Unterstützungsleistungen differenzieren. Auf die europäischen Transportleistungen fällt ein Anteil von ca. 69 %. Der reine Gütertransport nimmt davon einen Anteil von 44 % ein, siehe die folgende Abbildung.27
Transportleistungen
Lagerwirtschaft & Kommissionierung
25% 5%
Gütertransport
5%
44%
Auftragsabwicklung Logistikplanung & Administration
21% Beständekosten Logistische Unterstützungsleistungen
Abb. 19-6: Verteilung von Logistikdienstleistungen nach Leistungsspektrum
Die Verteilung des europäischen Gütertransports auf Transportträger zeigt, dass der Straßentransport mit einem Umsatzwert von € 275,1 Mrd. mit 70,1 % den größten Anteil einnimmt, gefolgt vom Schifffahrttransport mit € 78,7 Mrd. (20,1 %), Schienentransport (5,1 %) und Lufttransport (4,7 %).28 27 28
Eigene Darstellung in Anlehnung an Klaus, P./Kille, C. (2008a), S. 159. Vgl. Klaus, P./Kille, C. (2008a), S. 157.
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19 Bewertung von Logistikdienstleistern Die Unterscheidung zwischen den Transportträgern ist insbesondere bedeutend in Bezug auf die generierbaren Umsatzerlöse je transportierter Frachttonne. Abb. 19-7 stellt europäische Transportträgerumsatzwerte sowie deren Durchschnittserlöse gegenüber. Umsatzwert (Mrd. €)
Durchschnittswerte €/To
€/ToKm
Straße
275,1 (70,1 %)
16,20
0,20
Schifffahrt
78,7 (20,1 %)
39,90
n.a.
Schiene
20,0 (5,1 %)
15,00
0,09
Luftftracht
18,6 (4,7 %)
1.291,70
n.a.
Summe
392,3 Abb. 19-7: Europäische Umsatzwerte sowie Durchschnittserlöse nach Art des Transportträgers29
19.3.2 Trends in der Logistikbranche Die zunehmende Globalisierung der Produktion und des Wirtschaftsverkehrs erhöht grundsätzlich die Möglichkeiten für internationale Handelsaktivitäten. Gefördert wird dies durch die Gründung von überregionalen Handelsorganisationen (wie z.B. NAFTA, MERCOSUR, ASEAN) sowie die Bemühungen zum Abbau von Handelsbarrieren im internationalen Wirtschaftsverkehr (z.B. GATT, OECD). Daneben ermöglichen Fortschritte in der Informations- und Kommunikationstechnologie eine zunehmende globale Vernetzung der einzelnen Marktteilnehmer. Begünstigt wird diese Entwicklung durch eine fortschreitende Standardisierung auch im Bereich der Verpackungen und Ladegefäße durch die International Standards Organization (ISO). Die durch diese Entwicklungen ermöglichte Senkung der Transaktionskosten im weltweiten Wirtschaftsverkehr macht es für Industrieunternehmen zunehmend attraktiver, ihre Wertschöpfungsaktivitäten weiträumig zu verlagern und auf diese Weise den Produktionsprozess zu optimieren. Infolge der zunehmenden Globalisierung ist zu erwarten, dass die Nachfrage nach Logistikdienstleistungen stetig zunehmen und sich noch stärker als wesentlicher Erfolgsfaktor für Produzenten entwickeln wird. Schwankende Rohstoffkosten und Abhängigkeiten von Ölpreisen haben auf die Logistikbranche einen wichtigen Einfluss. Unternehmen müssen flexibel auf Schwankungen insbesondere der Treibstoffkosten reagieren. Ein aktives Kostenmanagement ist zukünftig ein entscheidender Erfolgsfaktor von Logistikdienstleistern. Wachsende Umweltbedrohungen und eine erhöhte Umweltsensibilität werden zudem Einfluss auf die Nachfrage nach Logistikdienstleistungen haben. So nahm in den letzten Jahren nicht nur die Bedrohung logistischer Systeme durch politische und terroristische Eingriffe zu, auch die Umweltsensibilität erhöhte sich im Bewusstsein der Gesellschaft. Viele Unternehmen erkennen, dass der sparsame Umgang mit Rohstoffen und Energie nicht nur ökologisch, sondern auch betriebswirtschaftlich sinnvoll sein kann. Dazu dienen z.B. Energieanalysen in der industriellen Fertigung, Recycling-Konzepte oder die bewusste Vermeidung der Überproduktion und Lagerkosten. Dies trifft ebenso auf die Logistikdienstleister zu, deren energieeffiziente Gütertransporte im Rahmen der sog. Green Logistics einen wichtiger werdenden Erfolgsfaktor darstellt. Durch klimapolitische Maßnahmen entstehen für die Logistik neue Herausforderungen, wie die zunehmend politisch geforderte Verlagerung des Straßengüterverkehrs auf den Bahnverkehr. „So 29
Eigene Darstellung in Anlehnung an Klaus, P./Kille, C. (2008a), S. 157.
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Michael Salcher verbraucht der Straßengüterverkehr in Deutschland für die gleiche Transportleistung mehr als dreimal so viel Energie wie die Schiene und verursacht für die gleiche Transportleistung mehr als viermal so hohe CO2-Emissionen.“30 Die Effizienz- und Umweltvorteile des Schienengüterverkehrs rücken daher stärker in den Fokus von Logistikdienstleistern. Somit bedarf es einer effizienten Transportkette, die unter Beachtung der Marktentwicklung Transportträger in bester Weise miteinander kombiniert. Der multimodale Gütertransport wird in seiner Bedeutung steigen.
19.4 Bewertung von Logistikdienstleister auf Basis von ertragswertorientierten Verfahren 19.4.1 Grundgedanke der überschussorientierten Bewertung Überschussorientierte Bewertungsverfahren basieren auf den zu erwartetenden finanziellen Überschüssen eines Bewertungsobjekts, die seinen aktuellen oder potenziellen Kapitalgebern zufließen werden. Im Mittelpunkt der Betrachtung steht die zukünftige Leistungskraft eines Unternehmens in seiner Gesamtheit.31 Der Unternehmenswert als Zukunftserfolgswert wird durch Diskontierung der prognostizierten finanziellen Überschüsse auf den Bewertungsstichtag ermittelt. Bei diesem aus der Investitionstheorie bekannten Kapitalwertkalkül wird durch die Diskontierung ein zukünftiger Zahlungsstrom mit einem heutigen Zahlungsstrom vergleichbar gemacht.32
19.4.2 Arten überschussorientierter Bewertungsverfahren Innerhalb der überschussorientierten Bewertungsverfahren lassen sich im Wesentlichen zwei Arten von Verfahren unterscheiden. Wird der Marktwert des Eigenkapitals (Equity Value) direkt ermittelt, so spricht man von Nettoverfahren. Im Falle von Bruttoverfahren wird zunächst ein Unternehmensgesamtwert (Entity Value) ermittelt, der dann durch Abzug des Marktwerts des Fremdkapitals ebenfalls zum Equity Value führt.33 In Abhängigkeit des gewählten Bewertungsverfahrens unterscheiden sich die im Kapitalwertkalkül zu berücksichtigenden Parameter, d.h. die zu kapitalisierende Überschussgröße und der darauf anzuwendende Kapitalisierungszinssatz. So bilden im Rahmen von Nettomethoden lediglich die Zahlungen an die Eigenkapitalgeber, d.h. nach Abzug der an die Fremdkapitalgeber zu leistenden Zinsen, die bewertungsrelevante Überschussgröße. Der zur Diskontierung dieser Überschüsse erforderliche Kapitalisierungszinssatz entspricht einer Alternativrendite nur der Eigenkapitalgeber. Die bewertungsrelevante Überschussgröße der Bruttoverfahren (Entitymethoden) ist der finanzielle Zufluss an Eigen- und Fremdkapitalgeber. Darüber hinaus unterscheidet sich bei den Entitymethoden auch der Diskontierungssatz durch Berücksichtigung der Kapitalkosten sowohl der Eigen- als auch der Fremdkapitalgeber.34 Innerhalb der Entitymethoden stellt das Konzept der Weighted Average Cost of Capital (WACC) das gängigste Bewertungsverfahren in der Praxis dar. Aus diesem Grund steht dieser Ansatz auch in den nachfolgenden Ausführungen im Mittelpunkt.35 30 31 32 33 34 35
Geissler, A. (2008). Vgl. Drukarczyk, J./Schüler, A. (2007), S. 105 ff. Siehe grundlegend auch Moxter, A. (1983), S. 79. Darstellungen zum Kapitalwertkalkül als eines der dynamischen Verfahren in der Investitionstheorie finden sich z.B. in Kruschwitz, L. (2009), S. 43 ff. Vgl. in diesem Zusammenhang z.B. auch Weber, T. (2000), S. 464 und 468 ff. Eine Übersicht der wesentlichen Annahmen der einzelnen Bewertungsverfahren liefert Drukarczyk, J./Schüler, A. (2007), S. 144 f. Zu einer umfangreichen Darstellung der einzelnen Bewertungsverfahren einschließlich des in diesem Artikel vertieften WACC-Ansatzes siehe Drukarczyk, J./Schüler, A. (2007), S. 165 ff.
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19 Bewertung von Logistikdienstleistern Im Rahmen des WACC-Ansatzes wird der Free Cashflow als bewertungsrelevante Überschussgröße üblicherweise nach folgendem Schema ermittelt:
+
Earnings before Interest and Tax (EBIT) Erhaltene Zinsen
– + –/+ –/+ –/+ +/– +/–
EBIT für Bewertungszwecke Steuern auf EBIT für Bewertungszwecke Abschreibungen Investition/Desinvestition ins Anlagevermögen Investition/Desinvestition ins Net Working Capital Erhöhung/Verringerung der liquiden Mittel Erhöhung/Verringerung der Pensionsrückstellungen Erhöhung/Verringerung der sonstigen Passiva (sonstige Rückstellungen, Steuerrückstellungen, Sonderposten)
=
Free Cashflow Abb. 19-8: Ableitung des Free Cashflow 36
19.4.3 Branchenbedingte Charakteristika der abgeleiteten Zahlungsüberschüsse 19.4.3.1 Operationalisierung von wertbestimmenden Faktoren In der Unternehmensplanung werden Unternehmensstrategie sowie -ziele des Logistikdienstleisters abgebildet und die relevanten finanzwirtschaftlichen Werttreiber operationalisiert.37 Entscheidend ist hierbei, dass die Unternehmensplanung nicht lediglich eine Fortschreibung der Gewinn- und Verlustrechnung in die Zukunft darstellt. Vielmehr soll die Unternehmensplanung eine Abbildung der für das Unternehmen Wert bestimmenden Faktoren beinhalten. Vollständig integrierte Planungsrechnungen, die aufeinander abgestimmte Gewinn- und Verlustrechnungen, Planbilanzen und Kapitalflussrechnungen umfassen, sind in der Praxis nur selten umgesetzt. Liegen Planbilanzen seitens des zu bewertenden Logistikdienstleisters nicht vor, so bedarf es zumindest einer Working Capital- und einer Investitionsplanung um aussagekräftige Bewertungsergebnisse zu erzielen. Letztere ist insbesondere im Falle von Logistikdienstleistern mit umfangreichen LogistikAssets wichtig. Grundsätzlich erfolgt eine Unternehmensbewertung auf Basis eines Zweiphasen-Modells. Eine Unternehmensplanung, die sich üblicherweise über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren erstreckt, bildet die Grundlage für die Ableitung der bewertungsrelevanten Überschüsse in der ersten Phase. Aufgabe des Bewerters ist es zu beurteilen, ob die erstellte Detailplanung konsistent zu der Entwicklung in der Vergangenheit sowie den erwarteten Marktentwicklungen ist. Diese Beurteilung schließt mit einer Stellungnahme zur Plausibilität der Planung und ggf. mit einer Plananpassung. Ausgangsbasis hierfür bildet die Analyse des zu bewertenden Logistikdienstleisters und das Verständnis über dessen spezifisches Geschäftsmodell. Eine Analyse der wirtschaftlichen Verhältnisse der Vergangenheit und die Festlegung von Kennzahlen sind Grundlage für Beurteilung und Nachvollziehbarkeit der Planungsprämissen. 36 37
Eigene Darstellung. Eine Analyse der relevanten finanzwirtschaftlichen Werttreiber sowie der damit in Zusammenhang stehenden Erfolgsfaktoren eines Logistikdienstleisters findet sich in Kapitel 19.4.3.2.
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Michael Salcher Relevante Kennzahlen sind in nachfolgender Tabelle exemplarisch dargestellt: Bereich
Kennzahl
Rentabilität
• Durchschnittserlöse pro Tonne: Gesamterlöse/Abgewickelte Tonnen • Durchschnittserlöse pro Tonnenkilometer: Gesamterlöse/ Abgewickelte Tonnenkilometer • Logistikkostenanteil am Umsatz: Logistikkosten/Umsatz x 100 % • Rohertragsmarge: (Umsatz – Logistikkosten)/Umsatz x 100 %
Lieferservice
• Lieferzeit: Lieferzeit in Tagen • Lieferzuverlässigkeit/-treue: Anzahl termingerechter Aufträge/ Gesamtaufträge x 100 % • Lieferbereitschaftsgrad: Abgewickelte Aufträge/Gesamtaufträge x 100 % • Lieferflexibilität: Anzahl abgewickelter Kundensonderanforderungen/Gesamte Kundensonderanforderungen x 100 %
Kapitalintensität
• Kapitalumschlag: Umsatzerlöse/Aktiva x 100 % • Anteil der Logistik-Assets: Logistik-Assets/Aktiva x 100 %
Auslastung
• Volumenauslastung: Genutztes Ladevolumen/Maximales Ladevolumen x 100 % • Entfernungsauslastung: Fahrzeug-Lastkilometer/FahrzeugGesamtkilometer x 100 % • Zeitauslastung: Ist-Fahrzeit des Fahrzeugs/Minimal mögliche Fahrzeit x 100 % Abb. 19-9: Exemplarische Kennzahlen in der Logistikbranche38
Mögliche Einmaleffekte können einzelne Kennzahlen verzerren und sind zu bereinigen. Nicht betriebsnotwendige Vermögenswerte, die in der Planung nicht beinhaltet sind, sind in Rahmen der Bewertung separat in Form eines Sonderwerts zu berücksichtigen. Die Ergebnisse der Planungsanalyse dienen vor allem der Plausibilität der erstellten Unternehmensplanung. Wichtig ist die Schlussfolgerung, ob das Gesamtbild der Planung Chancen und Risiken gleichermaßen abbildet und eine geeignete Grundlage für die Ableitung von Erwartungswerten bildet. Zudem kann eine Aussage darüber getroffen werden, wie sich Kennzahlen und wertbestimmende Faktoren nachhaltig darstellen werden. Unterstützt wird diese Aussage mit einer Markt- und Wettbewerbsanalyse sowie mit einer Analyse der Kapazitätsgrenzen im Hinblick auf vorhandene technische, personelle und finanzielle Spielräume sowie auf entsprechende geplante Maßnahmen. Eine solche Einschätzung ist deshalb notwendig, da die Unternehmensbewertung in der Regel unter Going Concern-Aspekten durchgeführt wird, d.h. im Rahmen der Bewertung wird von einer zeitlich unbegrenzten Unternehmensfortführung ausgegangen. Soll ein Logistikdienstleister unter dieser Prämisse bewertet werden, sind auf Basis der detaillierten Mittelfristplanung Annahmen zu treffen, wie sich die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Logistikdienstleisters im Anschluss an die Detailplanungsphase entwickeln wird. In dieser Planungsphase, auch als zweite Phase oder ewige Rente bezeichnet, wird implizit unterstellt, dass sich die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Logistikdienstleisters im Gleichgewichts- oder Beharrungszustand befindet, so dass sich die jährlichen Überschüsse nicht mehr ändern oder aber durch eine Durchschnittsgröße, z.B. bei unternehmensbedingten zyklischen Entwicklungen, repräsentiert werden können.39 38 39
Eigene Darstellung in Anlehnung an Schulte, C. (2009), S. 640 ff.; Gollwitzer, M./Karl, R. (1998), 74 ff.; Aberle, G. (2003), S. 235. In der Bewertungspraxis erfolgt üblicherweise eine Erweiterung dieses Zweiphasenmodells (Detailplanungs-
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19 Bewertung von Logistikdienstleistern In der Praxis ist dabei gerade die Bestimmung des nachhaltigen Wachstumspotenzials mit Schwierigkeiten verbunden. Aufgrund der Annahme, dass es nur wenigen Unternehmen gelingt, langfristig schneller als die Branche zu wachsen, wird als Schätzwert zumeist die erwartete langfristige Wachstumsrate der Logistikbranche, ggf. die der von Logistikdienstleistern fokussierte Branche, herangezogen. Alternativ fließen Inflationsgrößen in die Betrachtung ein. Wie in Kapitel 19.2 jedoch bereits deutlich wurde, zeichnet sich gerade die Logistikbranche durch einen hohen Diversifizierungsgrad aus. Dies beschränkt sich dabei nicht auf die dargestellten Merkmalsausprägungen angebotener Logistikdienstleistungen; eine weitere Differenzierung kann auch hinsichtlich einer möglichen Branchenfokussierung getroffen werden. In Hinblick auf die anzusetzende Wachstumsrate bedeutet dies, dass auch hier – je nach Grad der Branchenspezialisierung des Logistikdienstleisters – die langfristigen Wachstumserwartungen der jeweils zu Grunde liegenden Branche in den Überlegungen Berücksichtigung finden müssen.
19.4.3.2 Abbildung finanzwirtschaftlicher Werttreiber Von finanzwirtschaftlichen Werttreibern sind zunächst unternehmensspezifische Erfolgsfaktoren abzugrenzen. Letztere besitzen zwar einen bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung einzelner Werttreiber, sind jedoch für sich allein nicht operationalisierbar. Finanzwirtschaftliche Werttreiber und Erfolgsfaktoren stehen in einer Ursache-Wirkungs-Beziehung. So liegen beispielsweise der finanzwirtschaftlichen Werttreibergröße Auftragsgröße (Wirkung) solche Erfolgsfaktoren zugrunde (Ursache), die das Preis-Mengen-Gerüst und damit das Umsatzwachstum des Logistikdienstleisters maßgeblich beeinflussen. Analog können darüber hinaus insbesondere die finanzwirtschaftlichen Werttreibergrößen Kostenquoten, Investitionsquoten, Kennzahlen des Working Capital Management, effektive Steuerquote und Kapitalkosten unterschieden werden.40 Einf lussfaktoren auf die Umsatzentwicklung Die Umsatzerlöse eines Logistikdienstleisters basieren auf einem Preis-Mengen-Gerüst, das sich aus mehreren Komponenten ergibt: Bestehende Dienstleistungsverträge, Anzahl der Aufträge, Anzahl an Teilposten, Auftragsgröße und preispolitische Maßnahmen. Entsprechend ergibt sich das Umsatzwachstum aus einer Veränderung des Preises und/oder der Menge. Die Mengen, die hier erfasst werden, beziehen sich üblicherweise auf die transportierten Einheiten gemessen z.B. in Kilogramm oder Tonnen, Kubikmeter, Palettenanzahlen, Anzahl der Container („TEU“ = Twenty-feet Equivalent Unit; „FEU“ = Forty-feet Equivalent Unit), Ladungen, Aufträgen oder Sendungszahlen. Am häufigsten wird in der Praxis die Anzahl an Teilposten verwendet, wobei sich ein Teilposten auf die kleinste erfasste Mengeneinheit eines Auftrags bezieht.41 Aus diesem Grund findet auch im Folgenden die Mengenbezeichnung „Anzahl der Teilposten“ einheitlich Anwendung. Mengeneffekte über eine Veränderung der Anzahl der Teilposten stellen den bedeutendsten finanzwirtschaftlichen Werttreiber eines Logistikdienstleisters dar. Dies gilt sowohl für reine Transportdienstleister als auch für Spediteure sowie Systemdienstleister. Unterschiede ergeben sich jedoch hinsichtlich der dahinterliegenden Erfolgsfaktoren, wie sich im Folgenden zeigt. Die Kundenbindung gilt als einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren und spiegelt sich damit auch in den der Unternehmensplanung zugrunde liegenden Annahmen wider. So ist in der Planung neben der Neukundengewinnung insbesondere auch das Risiko einer möglichen Abwanderung bestehender Kunden zu berücksichtigen.
40 41
phase + ewige Rente) um eine Grobplanungsphase (Dreiphasenmodell), in der sich die einzelnen Planparamter graduell an den Gleichgewichtszustand annähern. Vgl. zur Phasenmethode auch IDW (2008), Tz. 75 ff. Vgl. in diesem Zusammenhang auch das Wertreibermodell bei Holderied, C. (2005), S. 217. Vgl. Holderied, C. (2005), S. 219.
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Michael Salcher
Erfolgsfaktoren
t,VOEFOBO[BIMCJOEVOH t/FU[XFSL t,PPQFSBUJPO t.BSLUEVSDIESJOHVOH t6OUFSOFINFOTNBSLF ty
Finanzwirtschaftliche Werttreiber
Free Cashflow
Anzahl an Teilposten Umsatz Umsatz Preis –
t3PITUPGGQSFJTF t7FSIBOEMVOHTNBDIU t7FSUSBHTHFTUBMUVOH t3FDIUMJDIF3BINFOCFEJOHVOHFO t,BQB[JUÊUTBVTMBTUVOH ty
Fixe Kosten Aufwendungen Aufwendungen Variable Kosten = EBIT
+ Abschreibungen Investitionen in Logistik-Assets (Investitions-/Abschreibungsquote) t,BQJUBMCJOEVOH t/JDIUCFUSJFCTOPUXFOEJHFT7FSNÚHFO t,BQB[JUÊUTBVTMBTUVOH t4UFVFSVOHEFS,BQJUBMCJOEVOH ty
= EBITDA
Sonstige Investitionen (Investitions-/Abschreibungsquote)
+/– (Des-)/Investitionenins (Des-)/Investitionen ins Anlagevermögen Anlagevermögen
t8PSLJOH$BQJUBM.BOBHFNFOU ty
Vorratsumschlag
+/–
Lieferantenziele
(Des-)/Investitionen (Des-)/Investitionenins ins Working Capital
Forderungsziele
t4UFVFSCFNFTTVOHTHSVOEMBHF t4UBOEPSU ty
Effektiver Steuersatz
–
Steuerzahlung =
Eigenkapitalkosten Free Cashflow t0QFSBUJWFT3JTJLP t'JOBO[JFMMFT3JTJLP ty
Fremdkapitalkosten
Kapitalstruktur
(1 + Kapitalkosten) t
Wachstumsabschlag
Abb. 19-10: Erfolgsfaktoren und finanzwirtschaftliche Werttreiber in der Logistikbranche 42 42
Eigene Darstellung in Anlehnung an Coenenberg (2005), S. 1021 ff.; Schultze (2003), S 98 ff.; Baetge, J./Niemeyer, K./Kümmel, J. (2005), S. 281 ff.
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19 Bewertung von Logistikdienstleistern Um die Abwanderungsraten bestehender Kunden möglichst gering und die Quote der Neukundengewinnung möglichst hoch zu halten, ist es vordringliche Aufgabe, durch die optimale Erfüllung der Kundenanforderungen die Kundenzufriedenheit und -bindung zu steigern. Der wichtigste Faktor für die Kundenzufriedenheit ist die Qualität der erbrachten Dienstleistung insbesondere in Form der Lieferzuverlässigkeit beziehungsweise Liefertreue. Zeitliche Verzögerungen in der Lieferung führen zu zusätzlichen Kosten des Vertragspartners. Schließlich wird die Kundenzufriedenheit auch positiv durch eine Reduktion der Lieferdurchlaufzeiten, d.h. der Reduktion der Zeiten zwischen Bestellung und Empfang durch den Kunden, beeinflusst. Die Lieferdurchlaufzeit steht hierbei in unmittelbarem Zusammenhang zum Lieferbereitschaftsgrad, d.h. je größer der Lieferbereitschaftsgrad ist, umso kürzer sind die Lieferdurchlaufzeiten. Darüber hinaus stellt auch die Lieferflexibilität eines Logistikdienstleisters eine entscheidende Komponente für die Kundenbindung dar.43 Neben den Kundenbeziehungen bildet das Netzwerk, über das der Logistikdienstleister verfügt, einen weiteren Erfolgsfaktor. Durch die zunehmende Nachfrage nach internationalen Logistikdienstleistungen44 wird es für einen Logistikdienstleister immer wichtiger, über ein breites und internationales Netzwerk zu verfügen, um internationalen Güterprozessen gerecht zu werden. Der Aufbau eines solchen Netzwerks kann über eigene Investitionen oder über Kooperationen erfolgen. Insbesondere für mittelständische Unternehmen, die über geringe finanzielle Kapazitäten verfügen, stellen Kooperationen mit anderen Logistikdienstleistern die Chance dar, die eigene Marktabdeckung zu erweitern und so gegenüber den großen internationalen Logistikdienstleistern konkurrenzfähig zu bleiben.45 Der Aufbau eines solchen Netzwerks ist hierbei insbesondere für Systemdienstleister sowie international agierende Spediteure von entscheidender Bedeutung. Im Falle von ausschließlich regional tätigen Spediteuren sowie Transportdienstleister spielen Netzwerke eine etwas untergeordnete Rolle. Neben Mengensteigerungen kann Umsatzwachstum auch über höhere Preise erreicht werden. Die Möglichkeit zur Erzielung solcher Preiseffekte ist jedoch gerade bei reinen Transportdienstleister sehr gering. Aufgrund der Homogenität reiner Transportleistungen und der geringen Kundenbindung in diesem Geschäftsfeld unterliegen Transportdienstleister Preiskämpfen. Mit zunehmendem Komplexitätsgrad und Leistungsumfang der erbrachten logistischen Leistungen steigt jedoch die Möglichkeit der Generierung von Preiseffekten; der Logistikdienstleister hat hier die Chance, sich erfolgreich am Markt als Qualitätsführer in einem bestimmten Bereich zu positionieren. Abschließend sei noch die Unternehmensmarke erwähnt. Infolge der untergeordneten Markenrelevanz in der Logistikbranche besitzt diese jedoch nur eine geringe Bedeutung als Erfolgsfaktor. Attribute wie Zuverlässigkeit, Schnelligkeit, Servicebereitschaft u.ä. werden zwar mit einer Marke verbunden, doch dominiert der Preis als maßgebliches Entscheidungskriterium die Auftragsvergabe. Die Kundengewinnung und -bindung hat sich darüber hinaus durch den erfolgreichen Abschluss von Projekten gebildet und zum Abbau der Unsicherheit seitens des Kunden über die Qualität der angebotenen logistischen Dienstleistung beigetragen. Kosten- und Aufwandskomponenten Je nach Ausprägung des Geschäftsmodells des Logistikdienstleisters unterscheiden sich die Kosten- und Aufwandsstrukturen deutlich. Der Einfluss der Kostenstrukturen auf den Unternehmenswert hängt entscheidend davon ab, welche Margen im Allgemeinen erzielt werden können und ob Preis- und Kostenerhöhungen an die Kunden weitergegeben werden können. Selbst im Falle einer möglichen Überwälzbarkeit bestimmter Kostenkomponenten besteht jedoch noch ein gewisses Restrisiko, da die Effekte einer Veränderung in den Kostenstrukturen meist nur mit zeitlicher Verzögerung an den Kunden weitergegeben werden können. Zu den klassischen Kos43 44 45
Vgl. Sennheiser, A./Schnetzler, M. J. (2008), S. 65 ff. Vgl. hierzu auch 0. Vgl. Jauernig, C./Leschek, U./Reisch, H.-P./Stoll, M. (2005), S. 84.
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Michael Salcher tenblöcken, die üblicherweise direkt an den Kunden weitergegeben werden, zählen insbesondere Einfuhrumsatzsteuern, Zölle und Abgaben.46 Die Kosten zur Erbringung logistischer Dienstleistungen in der Transportwirtschaft lassen sich in zwei grundsätzliche Kategorien unterteilen: die Kosten für die Vorhaltung und den Betrieb der benötigten Transportinfrastruktur einerseits sowie die Kosten für die Vorhaltung und den Betrieb der gewählten Verkehrsmittel andererseits.47 Transportdienstleister verfügen über einen eigenen Fuhrpark sowie Lagerkapazitäten und wickeln ihre Aufträge unter Rückgriff auf eigene personelle Kapazitäten ab. Entsprechend stellen Personal-, Fuhrpark- und Gebäudekosten – zumeist als fixe Gemeinkosten – für den Transportdienstleister den Großteil der Gesamtkosten dar. Eine genauere Betrachtung zeigt jedoch, dass die Kostenstruktur eines Transportdienstleister auch im Hinblick auf die Beschäftigungsabhängigkeit der Kosten von der gewählten Transportart abhängt. Im Straßengüterverkehr bestehen die beschäftigungsunabhängigen Kosten – vor Berücksichtigung von Personalkosten – im Wesentlichen aus Abschreibungen, kalkulatorischen Zinsen sowie Versicherungs- und Verwaltungsaufwendungen. Kosten für Treibstoff, Reparatur und Wartung stellen die wichtigsten variablen Kostenbestandteile dar. Im Gegensatz zum Straßengüterverkehr ist der Anteil der Fixkosten in der Binnenschifffahrt weitaus höher und beinhaltet neben den Personalkosten insbesondere auch beschäftigungsunabhängige Abschreibungen, kalkulatorische Zinsen, Liegegelder, Wartungskosten sowie Versicherungsprämien. Zu den beschäftigungsabhängigen Kostenkomponenten gehören im Wesentlichen Treibstoffkosten (ca. 20 % bis 25 % der Gesamtkosten) sowie Gebühren für die Nutzung der Seewege, fahrtabhängige Abschreibungen und Lotsenentgelte. Auch im Luftverkehr machen die Treibstoffkosten einen hohen Anteil der variablen Kosten aus, zu denen daneben insbesondere auch Flughafengebühren, flugzeugabhängige Abschreibungen sowie Reinigungs-, Entsorgungs- und Flugsicherungskosten zählen. Zu den beschäftigungsunabhängigen Kosten zählen neben den Personalkosten insbesondere auch technische Prüfungen der Flugzeugflotte und kalkulatorische Zinsen.48 Neben den Personalkosten stellen insbesondere die Energiekosten in Form von Treibstoffkosten über alle Transportmittel hinweg die wichtigste Kostenart zum Betrieb der jeweiligen Verkehrsmittel dar.49 Besonders treibstoffintensiv ist hierbei der Flugverkehr, bei dem die Treibstoffkosten ca. 19 Cent/ Tonnenkilometer betragen. Der Straßenverkehr liegt bereits deutlich darunter (ca. 2 Cent/Tonnenkilometer), gefolgt vom Seeverkehr mit rund 0,12 Cent/Tonnenkilometer.50 Neben den Rohstoffpreisen können jedoch auch Veränderungen in den rechtlichen Rahmenbedingungen Auswirkungen auf die Kostenstrukturen von Transportdienstleister haben. Hier sei beispielsweise die in Deutschland eingeführte Lkw-Maut erwähnt sowie der geplante Einbezug des Luftverkehrs in den CO2-Emissionshandel. Angesichts der dargestellten Kostenstrukturen wird deutlich, dass insbesondere die optimale Auslastung der vorhandenen Kapazitäten sowie der personellen Ressourcen und damit die Realisierung von Skaleneffekten im Fokus der Bemühungen des Transportdienstleister stehen. Im Gegensatz zu Transportdienstleistern verfügen Systemdienstleister typischerweise über weitaus geringere eigene Kapazitäten. Sie beziehen die Transportleistungen meist fremd von Subunternehmern. Diese Fremdleistungen umfassen dabei alle zugekauften Dienstleistungen, die zur Erstellung der Gesamtleistung des Kundenauftrages notwendig sind. 46 47 48 49 50
Vgl. Holderied, C. (2005), S. 218. Vgl. Aberle, G. (2003), S. 273. Vgl. Aberle, G. (2003), S. 277 ff. mit einer detaillierten Darstellung der einzelnen Kostenkomponenten. Vgl. Aberle, G. (2003). S. 274. Vgl. Kiani-Kress, R. (2008), S. 108.
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19 Bewertung von Logistikdienstleistern Die Höhe der Kosten für die in Anspruch genommenen Fremdleistungen wird in den Verträgen zwischen Systemdienstleister und Subunternehmer festgelegt. Diese Kosten stehen damit im direkten Zusammenhang mit der Verhandlungsposition des Systemdienstleisters. Letztere wiederum ist abhängig von der zu verhandelnden Auftragsgröße und dem Marktanteil des Systemdienstleisters in dem relevanten Geschäftsfeld. Hierbei gilt: je größer das Einkaufsvolumen und je größer der Marktanteil, desto höher ist die Verhandlungsmacht des Systemdienstleisters und tendenziell geringer sind die Kosten der Fremdleistung.51 Aus diesem Grund ist bei Systemdienstleistern ein umfangreiches Lieferantennetzwerk notwendig. Dabei geht es nicht darum, ein möglichst hohes Transportvolumen generieren zu können, sondern vielmehr die eigene Verhandlungsmacht zu stärken und Preiseffekte zu optimieren. Investitionen Um die Verfügbarkeit der vom Kunden geforderten logistischen Leistung sicherzustellen, werden Systemdienstleister sowie – je nach Ausprägungsgrad – auch Spediteure typischerweise zusätzliche Fremdleistungen zukaufen, wodurch sich die operativen Kosten erhöhen. Der Investitionsbedarf ist damit vergleichsweise niedrig und beschränkt sich im Wesentlichen auf IT- und Büroausstattung. Erstere kann ein hohes Investitionsbudget erfordern. Anders stellt sich dies für Logistikdienstleister dar, die über eigene Transportkapazitäten verfügen, d.h. Transportdienstleister sowie – je nach spezifischem Ausprägungsgrad – auch Spediteure. Investitionsbedarf entsteht insbesondere bei technischen Ressourcen und Humankapital. Technische Ressourcen umfassen dabei die Infrastrukturen im Lager sowie die Kapazitäten des eigenen Fuhrparks. Darüber hinaus zählen auch die Betriebs- und Geschäftsausstattung im administrativen Bereich, im Wesentlichen für die Informations- und Kommunikationstechnologie, zu den relevanten technischen Ressourcen.52 Investitionen binden jedoch Kapital und erhöhen die Kapitalintensität. Auch werden sie direkt zum Zeitpunkt ihres Anfalls als Auszahlung berücksichtigt und wirken sich somit unmittelbar auf den Unternehmenswert aus. (Net) Working Capital Management Das Working Capital Management ist für Logistikdienstleister wesentlich. Dies ergibt sich daraus, dass in etwa zwei Drittel des Vermögens eines Logistikdienstleisters im Umlaufvermögen gebunden sind. Dieses wiederum besteht zu einem Großteil aus Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, da Vorräte nur ca. 1 % zum Wert des Umlaufvermögens beitragen.53 In der Praxis bezeichnet Working Capital üblicherweise das so genannte Net Working Capital, das sich durch Abzug der Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen vom Umlaufvermögen ergibt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass mit zunehmendem Bezug von Fremdleistungen der Wert der Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen steigt. Aus diesem Grund muss das Net Working Capital Management darauf abzielen, den Forderungsbestand zu verringern sowie den Forderungsumschlag zu erhöhen und gleichzeitig die Zahlungsziele gegenüber den Lieferanten zu verlängern. Analog zu den Investitionen in das Anlagevermögen spiegeln sich auch die Investitionen in das Net Working Capital direkt in den Zahlungsüberschüssen wider. Eine Optimierung des Net Working Capital Management zeigt sich damit unmittelbar in den zu diskontierenden Zahlungsüberschüssen und damit im Unternehmenswert. Ertragsteuern Abschließend seien noch die Ertragsteuern als weiterer finanzwirtschaftlicher Werttreiber genannt. Die Höhe der zu leistenden Ertragsteuern eines Logistikdienstleisters wird im Wesentlichen durch den Standort des Logistikdienstleisters und die ebendort geltenden steuerrechtlichen Rahmenbedingungen bestimmt.54 51 52 53 54
Vgl. Holderied, C. (2005), S. 220 f. Vgl. Holderied, C. (2005), S. 221 f. Vgl. Schneider, C. (2002), S. 541. Vgl. Holderied, C. (2005), S. 227.
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19.4.4 Branchenbedingte Kapitalkostenermittlung Nachdem die zukünftigen Free Cashflows aus der zugrunde liegenden Planung abgeleitet wurden, sind diese mit den gewichteten Kapitalkosten (WACC) auf den Bewertungsstichtag zu diskontieren, wobei die anzusetzenden gewichteten Kapitalkosten die Renditeerwartung der Eigen- und Fremdkapitalgeber in eine äquivalente Alternativanlage darstellen: WACC r EK
(1) rEK: rFK: MWEK: MWFK: MWGK: s:
MWEK MWFK r FK (1 s ) MWGK MWGK
Kapitalkosten des Eigenkapitals Kapitalkosten des Fremdkapitals Marktwert des Eigenkapitals Marktwert des Fremdkapitals Unternehmensgesamtwert Unternehmensteuersatz (Definitivbelastung)
Bei der Ermittlung der Kapitalkosten ist entscheidend, den Risikogehalt der geplanten Free Cashflows durch die Kapitalkosten adäquat berücksichtigen.55 Die Eigenkapitalkosten bestimmen sich durch einen Risikozuschlag zum sicheren Kapitalmarktzins (Basiszinssatz), wobei durch den zu addierenden Risikozuschlag dem Sachverhalt Rechnung getragen wird, dass die künftigen finanziellen Überschüsse aufgrund der Ungewissheit der Zukunft nicht mit Sicherheit prognostiziert werden können.56 Zur Ermittlung dieses Risikozuschlags greift die Bewertungspraxis in Anlehnung an die Empfehlung des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) heute üblicherweise auf das Kapitalmarktmodell Capital Asset Pricing Model (CAPM) zurück.57 Der Basiszinssatz wird in der Praxis aus aktuellen Zinsstrukturkurven für Staatsanleihen abgeleitet. Wichtig ist hierbei, dass die länderspezifische Risikostruktur auch die zugrunde liegende Planung und deren Währung widerspiegeln müssen.58 Dies ist insoweit schwierig, als dass bei international agierenden Logistikdienstleistern in verschiedenen Ländern Cash Flows erwirtschaftet werden. Die Marktrisikoprämie umfasst alle Einflussfaktoren, die dem generellen gesamtwirtschaftlichen und politischen Umfeld zugerechnet werden können (systematisches Risiko) und drückt die zusätzliche Renditeerwartung aus, die ein Anleger bei einer Investition in das entsprechende Marktportfolio im Vergleich zu einer risikolosen Investition fordert.59 Je nach betrachtetem regionalem Markt unterscheiden sich jedoch die bestehenden systematischen Risiken und damit die von einem Anleger geforderte Prämie. Bei der Bestimmung der angemessenen Marktrisikoprämie ist deshalb zu analysieren, auf welchen regionalen Märkten ein Logistikdienstleister operativ tätig ist und welchen Risiken die einzelnen Bestandteile der Zahlungsüberschüsse unterliegen. Eine solche Analyse, in die neben der Absatz- auch die Beschaffungsseite zu integrieren ist, ist in der Praxis jedoch meist sehr aufwendig. Auch sind in vielen Fällen die erforderlichen Daten seitens des zu bewertenden Unternehmens oftmals nicht verfügbar. Aus diesem Grund werden üblicherweise – je nach Verfügbarkeit und Qualität der Daten – die Marktrisikoprämien der einzelnen Länder, in denen der Logistikdienstleister 55 56 57
58 59
Vgl. Baetge, J./Krause, C. (1994), S. 433. Vgl. Baetge, J./Niemeyer, K./Kümmel, J. (2005), S. 288 f. und 293. Vgl. IDW S1, Tz. 92. Auf eine ausführliche Darstellung der Annahmen und Implikationen des CAPM soll an dieser Stelle verzichtet werden. Umfangreiche Darstellungen hierzu finden sich jedoch z.B. in Baetge, J./ Niemeyer, K./Kümmel, J. (2005), S. 290 ff. Als Originalquellen siehe Sharpe, W. F. (1964); Lintner, J. (1965); Mossin, J. (1966). Vgl. hierzu IDW (2008), Tz. 117; Baetge, J./Niemeyer, K./Kümmel, J. (2005), S. 286 ff. Vgl. Baetge, J./Niemeyer, K./Kümmel, J. (2005), S. 290f.
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19 Bewertung von Logistikdienstleistern tätig ist, mit den in den einzelnen Regionen erwirtschafteten Umsätzen, EBITDA, EBIT oder Cash Flows gewichtet. In einem nächsten Schritt ist die ermittelte Marktrisikoprämie durch Gewichtung mit dem unternehmensindividuellen Betafaktor an die spezifische Risikostruktur des zu bewertenden Logistikdienstleisters anzupassen. Der Betafaktor ist eine statistische Größe60 und drückt sowohl das leistungswirtschaftliche Risiko der operativen Tätigkeit (Operating Leverage) als auch das finanzwirtschaftliche oder Kapitalstrukturrisiko (Financial Leverage) des Logistikdienstleisters aus.61 In der Praxis erfolgt die Ermittlung des Betafaktors üblicherweise unter Zugriff auf Datenanbieter (z.B. Bloomberg), die mittels statistischer Verfahren Betafaktoren für einzelne Unternehmen und Zeiträume auf Basis von Aktienkursentwicklungen bestimmen. Informationen zu Betafaktoren sind grundsätzlich für börsennotierte Unternehmen verfügbar. Soll ein nicht an einer Börse gelisteter Logistikdienstleister bewertet werden, so wird der Betafaktor regelmäßig unter Rückgriff auf börsennotierte branchenverwandte und damit vergleichbare Unternehmen (Peer Group) erfolgen.62 Die Ermittlung einer solchen Peer Group erfolgt anhand unternehmensorientierter- sowie kapitalmarktorientierter Kriterien, wie in nachfolgender Übersicht dargestellt:63
Unternehmensspezifische Kriterien • Geschäftsmodell: – Leistungsspektrum – Wertschöpfungsintegration – Kapitalintensität • Umsatzrealisierung (Modalsplit; Branchenfokus) • Kapitalstruktur • Regeln
Kapitalmarktorientierte Kriterien • Börsennotierung (Grundvoraussetzung) • Marktkapitalisierung • Free Float/Fungibilität/Liquidität
Abb. 19-11: Auswahlkriterien zur Bestimmung von Vergleichsunternehmen64
In einem ersten Schritt sind zunächst Logistikdienstleister als potenzielle Vergleichsunternehmen zu identifizieren, die ein gleiches Geschäftsmodell aufweisen.65 Neben dem Segment schließt die Analyse der Vergleichbarkeit auch die Betrachtung der Umsatzrealisierung mit ein, denn selbst zwei Logistikdienstleister desselben Segments können sich deutlich in ihrer Profitabilität unterscheiden. Unterschiede können hierbei nicht nur hinsichtlich einer möglichen Branchenfokussierung, sondern auch hinsichtlich des gewählten Modalsplits, d.h. der Art des verwendeten Transportmittels, bestehen. Von den erläuterten unternehmensorientierten Vergleichskriterien lassen sich kapitalmarktorientierte Kriterien abgrenzen. Wie bereits erwähnt, ist die Börsennotierung die Grundvoraussetzung für die Auswahl von Vergleichsunternehmen, da nur für diese die notwendigen Kapitalmarktdaten zur Verfügung stehen. Neben der Börsennotierung ist die Berücksichtigung der Unternehmensgröße des Logistikdienstleisters von entscheidender Bedeutung. Dies geschieht in der 60 61 62 63 64 65
Zur finanzmathematischen beziehungsweise statistischen Ableitung des Betafaktors siehe z.B. Baetge, J./Niemeyer, K./Kümmel, J. (2005), S. 293 ff. Vgl. Baetge, J./Niemeyer, K./Kümmel, J. (2005), S. 303. Zum leistungswirtschaftlichen Risiko vgl. z.B. auch Brealey, R. A./Myers, S. C./Allen, F. (2006), S. 225. Die Analyse der Betafaktoren einer Peer Group empfiehlt sich jedoch auch im Falle der Bewertung eines börsennotierten Logistikdienstleisters zu Plausibilisierungszwecken. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Wagner, T. (2005), S. 13 ff. Eigene Darstellung. Vgl. hierzu auch die Ausführungen zu den Logistiksegmenten in Kapitel 19.2.3.
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Michael Salcher Praxis üblicherweise über den Maßstab der Marktkapitalisierung. Bei der Auswahl von Vergleichsunternehmen ist darüber hinaus auf einen ausreichend hohen Streubesitz (Free Float) der Unternehmensanteile zu achten. Mit wenigen Ausnahmen sind nur große Systemdienstleister börsennotiert, wodurch sich die Auswahl an potenziellen Vergleichsunternehmen bereits deutlich einschränkt. Spezifische Vergleichsunternehmen, die in gleichen Ländern tätig sind und die eine gesonderte Aufteilung in Transporteure, Spediteure und Systemdienstleister erlauben, existieren nicht. Insbesondere in osteuropäischen Ländern ist es nahezu unmöglich, Peer Groups zu identifizieren. Es kann demnach sinnvoll sein, in einem ersten Schritt eine weitere Vergleichsgruppe zu definieren und diese um Unternehmen zu erweitern, die eine wesentliche Zielbranche für Logistikdienstleister darstellen, um eine bestmögliche Vergleichbarkeit herzustellen. Gegebenfalls sind die Kapitalkosten durch Bewertungsexperten anzupassen. Basierend auf der nun identifizierten Peer Group wird das operative Risiko, dem der zu bewertende Logistikdienstleister unterliegt, bestimmt. Es wird über einen um Kapitalstrukturrisiken bereinigten Durchschnittsbetafaktor abgebildet. Diese Bereinigung ist notwendig, da das spezifische Kapitalstrukturrisiko des zu bewertenden Logistikdienstleisters in der Bewertung Eingang finden soll, und nicht das Durchschnittsrisiko einer Peer Group. Vor diesem Hintergrund ist der aus der Peer Group abgeleitete unverschuldete Betafaktor in einem letzten Schritt um das spezifische Kapitalstrukturrisiko des Bewertungsobjekts anzupassen (verschuldeter Betafaktor).66 Ergebnis ist ein Betafaktor, der sowohl das operative als auch das finanzielle Risiko des zu bewertenden Logistikdienstleisters abbildet. Zur Ermittlung des WACC sind neben den soeben dargestellten Eigenkapitalkosten auch die Fremdkapitalkosten des Logistikdienstleisters zu bestimmen. Diese ergeben sich zum Beispiel durch additive Berücksichtigung der spezifischen Fremdkapitalrisikoprämie (Credit Spread) des zu bewertenden Logistikdienstleisters auf den Basiszinssatz.67 Der Credit Spread drückt hierbei die Bonität des Logistikdienstleisters aus. Idealerweise wird der Credit Spread aus bestehenden Kreditverträgen des Logistikdienstleisters abgelesen. Sofern jedoch der Bewerter – z.B. im Rahmen der Erstellung von Wertindikationen – nur einen eingeschränkten Zugang zu diesen Daten besitzt, kann der Credit Spread auch über ein von Analysten veröffentlichtes Rating und/oder den Zinsdeckungsgrad (Interest Coverage Ratio) des zu bewertenden Logistikdienstleisters bestimmt werden (der Zinsdeckungsgrad gibt hierbei an, inwieweit die Ergebnisgröße EBIT die angefallenen Zinszahlungen decken kann). Wie gezeigt wurde, ist die Ableitung der Fremdkapitalkosten weitaus weniger komplex als die Bestimmung der Eigenkapitalkosten. Schwierigkeiten können sich jedoch dann ergeben, wenn der Credit Spread basierend auf Ratings ermittelt werden soll. So sind beispielsweise Transportdienstleister und Spediteure nur selten Gegenstand von Analysen. Analysten-Ratings liegen daher oftmals nicht vor. Eine Bestimmung des Credit Spread über den alternativen Zinsdeckungsgrad ist dann zwar möglich, jedoch ist hierbei Vorsicht geboten. So ist trotz vermeintlicher Einfachheit dieses Verfahrens sicherzustellen, dass die resultierenden Ergebnisse plausibel sind. Im Hinblick auf die Gewichtung der Eigen- und Fremdkapitalkostenkomponente ist die Kapitalstruktur des zu bewertenden Logistikdienstleisters maßgeblich. Hierbei sind Kapitalstrukturmaßnahmen in den Planjahren zu berücksichtigen, um für die Phase der ewigen Rente eine adäquate Zielkapitalstruktur zu unterstellen. Abschließend sei noch erwähnt, dass in Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs beziehungsweise der seit 2008 herrschenden Finanz- und Kreditmarktkrise konstante Kapitalstrukturen nicht mehr per se unterstellt werden können. Die Verknappung von Kreditmitteln wie auch die Verteuerung von Fremdkapital ist bei der Planung des Zinsergebnisses, der Struktur der Passivseite wie auch in den Kapitalkosten zu berücksichtigen. 66 67
Vgl. Baetge, J./Niemeyer, K./Kümmel, J. (2005), S. 296 f. Vgl. hierzu z.B. Drukarczyk, J./Schüler, A. (2007), S. 272 ff.
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19 Bewertung von Logistikdienstleistern
19.4.5 Bewertung und bilanzielle Abbildung von Unternehmenskäufen in der Praxis 19.4.5.1 Unternehmensbewertung Am Beispiel von Unternehmenskäufen kann verdeutlicht werden, dass in der Praxis üblicherweise mehrere Bewertungsszenarien mit dem Ziel durchgeführt werden, das Risikoprofil des Bewertungsobjekts und ganzer Transaktionsstrukturen zu erfassen und den Einfluss einzelner Größen transparent zu machen. Auf dieser Basis werden in der Regel Wertbandbreiten für Kaufverhandlungen ermittelt und Grenzpreise aus Sicht des Käufers oder Verkäufers festgelegt. Zunächst wird dabei in der Regel eine Bewertung des zum Kauf stehenden Logistikdienstleisters unter Stand alone-Gesichtspunkten vorgenommen. Hierbei werden echte Synergieeffekte zwischen dem übernehmenden Unternehmen und dem Zielunternehmen weder in der zugrunde zu liegenden Planung noch in der Ermittlung der Kapitalkosten berücksichtigt. Denkbare echte Synergieeffekte sind insbesondere Marktzugang, Erhöhungen der Marktanteile, Ausweitung des Netzwerks und der bestehenden Transportwege, verbesserte Möglichkeiten der Kapazitätsauslastung und Realisierung von Skaleneffekten (z.B. Fixkostendegression). Neben diesen positiven Synergien können insbesondere auch negative echte Synergien auftreten, wie beispielsweise Kundenabwanderungen oder aufzugebende Geschäftsbereiche, sofern diese nach der Akquisition nicht weiterzuführen sind. Sämtliche Synergieeffekte, die zwischen dem Käuferunternehmen und dem Zielunternehmen realisiert werden können, werden anschließend im Bewertungskalkül berücksichtigt. Der daraus resultierende Wert stellt im Rahmen der Unternehmenstransaktion für den Käufer den Grenzpreis dar und bildet für ihn damit grundsätzlich die Preisobergrenze in den Verhandlungen. Abschließend wird im Rahmen von Unternehmenstransaktionen typischerweise auch ein so genanntes Worst-case-Szenario der Bewertung zugrunde gelegt. In diesem werden insbesondere die aus der Transaktion resultierenden Risiken herausgestellt. So konnte beispielsweise bereits dargestellt werden, dass die Kundenbeziehungen als wesentlicher Vermögenswert in der Logistikbranche gelten. Gerade bei der Übernahme eines Logistikdienstleisters besteht die Gefahr, dass Kunden abwandern werden, da sie noch nicht das notwendige Vertrauen zu dem übernehmenden Unternehmen aufbauen konnten. Derartige Risiken müssen im Rahmen von Unternehmenskäufen in der Bewertung Berücksichtigung finden, damit die möglichen Auswirkungen dieser Risiken auf den Unternehmenswert und damit auf den Grenzpreis transparent werden. Eben dies geschieht durch die Ableitung eines solchen Worst-caseSzenarios. Wettbewerbsverbote können zu einem gewissen Teil risikovermindernd wirken.
19.4.5.2 Bilanzielle Abbildung von Unternehmenskäufen Überschussorientierte Bewertungsverfahren spielen auch bei sog. Purchase Price Allocations eine erste Rolle. Wurde ein Logistikdienstleister schließlich von einem anderen Unternehmen erworben, so können sich hieraus auch Konsequenzen auf die bilanzielle Abbildung dieser Transaktion im Konzernabschluss des erwerbenden Unternehmens ergeben68. Nach internationalen Rechnungslegungsvorschriften (IFRS 3 beziehungsweise SFAS 141) ist zur Abbildung von Unternehmenszusammenschlüssen die Erwerbsmethode anzuwenden. Hiernach ist der Kaufpreis im Rahmen der Erstkonsolidierung auf die erworbenen Vermögenswerte, Schulden und Eventualschulden entsprechend ihrem Fair Value aufzuteilen. Zielsetzung ist hierbei, dass erworbene Firmenwerte nicht mehr abzuschreiben sind, während sämtliche Vermögenswerte und Schulden, soweit diese entsprechende Ansatzvorschriften erfüllen, vom Firmenwert zu separieren sind. Der Prozess der Kaufpreisaufteilung (so genannte Purchase Price Allocation) ist demnach nicht nur durch die Bestimmung der Anschaffungskosten und Identifikation der stillen Reserven in den bilanzierten Vermögenswerten und Schulden geprägt, sondern insbesondere durch die Identifikation und 68
Sofern das erwerbende Unternehmen konzernabschlusspflichtig ist.
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Michael Salcher Bewertung bislang nicht bilanzierter, vom Firmenwert zu separierender immaterieller Vermögenswerte69. Diese stellen in der Regel die wertbildenden Faktoren dar, soweit sie die rechnungslegungsspezifischen Identifikations- und Ansatzkriterien erfüllen. In der Logistikbranche stellen immaterielle Vermögenswerte zentrale wertbestimmende Einflussfaktoren dar.70 Abb. 19-12 zeigt die im Rahmen von Kaufpreisaufteilungen typischerweise identifizierten immateriellen Vermögenswerte. Immaterieller Vermögenswert
Klassifizierung
Vertragliche Kundenbeziehung
Vertraglicher Vermögenswert
Langfristige, nicht vertraglich basierte Kundenbindung, jedoch loyaler Kundenstamm
(Analog) Vertraglicher Vermögenswert
Unternehmensmarke
Marketingbezogener Vermögenswert
Unterstützende Werttreiber Wettbewerbsverbote
Vertraglicher Vermögenswert
Softwarelösungen
Technologiebezogener Vermögenswert
Abb. 19-12: Identifikation immaterieller Vermögenswerte und Klassifizierung zentraler Werttreiber
Die Bedeutung immaterieller Vermögenswerte bei Logistikdienstleistern anhand deren Wertanteils im Verhältnis zum Kaufpreis ist wie folgt (Abb. 19-13):
Technologiebasierend
Kundenbeziehungsbasierend
Marketingbasierend
Andere
0,0%
2,0%
4,0%
6,0%
8,0%
10,0%
12,0%
14,0%
16,0%
Abb. 19-13: Anteil der einzelnen immateriellen Vermögenswerte am Kaufpreis von ausgewählten Unternehmenszusammenschlüsse in den Subbranchen Transportwesen, Fracht und Logistik aus den Jahren 2003 bis 200771 69 70
71
Vgl. hierzu Castedello, M./Beyer, S. (2009), Castedello, M. (2008). Zu grundlegenden Wert- und Kostentreibern der Logistikbranche wie beispielsweise Handelsvolumina, Rohstoff- und Energiekosten, Personalkosten sowie Kosten des Unterhalts von Standorten und der Transportflotte vergleiche Kapitel 0. Eigene Darstellung in Anlehnung an KPMG (2009), S. 86. Eine Studie der KPMG über immaterielle Vermögenswerte und Goodwill in Unternehmenszusammenschlüssen.
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19 Bewertung von Logistikdienstleistern Zentraler immaterieller Werttreiber sind vertragliche Kundenbeziehungen. Diese finden bei nahezu jedem Unternehmenszusammenschluss in der Logistikbranche bilanziellen Niederschlag. Im klassischen Transportgeschäft verfügen Unternehmen in der Regel nicht über langfristige Kundenverträge oder Rahmenverträge. Hier sind die Kundenbeziehungen geschäftsbedingt von kurzer Dauer. Eine Analyse des Kundenverhaltens in der Vergangenheit lässt allerdings häufig auf Kundenbeziehungen schließen, die durch einen sich wiederholenden Leistungsaustausch geprägt sind und somit vertraglich basierten Kundenbeziehungen gleichzusetzen sind. Systemdienstleister auf der anderen Seite verfügen üblicherweise über mehrjährige Rahmenverträge mit ihren Kunden. Die Identifikation und Bilanzierung erfolgt als vertraglich basierte Kundenbeziehung. Einmalkunden oder sog. als Laufkundschaft anzusehende Kunden erfüllen nicht die Identikations- und Ansatzkriterien. Die Unternehmensmarke spielt aufgrund der untergeordneten Markenrelevanz in der Logistikbranche in der Regel keine wesentliche Rolle. Die Geschäftsbeziehung zwischen Unternehmen ist vielfach historisch und durch Faktoren wie Verlässlichkeit, Preis, Pünktlichkeit und Kundenorientierung geprägt. Für die Gewinnung neuer Kunden werden diese Attribute allerdings durch die Marke reflektiert, so dass bedingt durch die jeweilige Markenstärke die Entscheidung für die Inanspruchnahme von Logistikdienstleistungen durch die Unternehmensmarke durchaus beeinflusst werden kann. Wettbewerbsverbote spielen insbesondere in kleinen, überschaubaren Märkten eine bedeutende Rolle. So kann bei Fehlen einer entsprechenden vertraglichen Regelung nicht ausgeschlossen werden, dass die ehemaligen Gesellschafter ein vergleichbares Geschäftsmodell starten und auf diese Weise die Kundenbeziehungen transferieren. Häufig werden von Logistikdienstleistern Spezialsoftwaresysteme eingesetzt, um den Warenfluss kontrollieren zu können. Mitunter sind Softwaremodule von Logistikdienstleistern sogar an die ITSysteme ihrer Kunden angebunden. Komplexer werdende Logistikdienstleistungen können nicht ohne entsprechende Informationstechnologie bewältigt werden. Deswegen wurde bei einigen Transaktionen im Unternehmen selbst entwickelte Software identifiziert und bilanziert. Für die in einem ersten Schritt identifizierten immateriellen Vermögensgegenstände ist anschließend, ebenso wie für die anderen erworbenen Vermögenswerte, Schulden und Eventualschulden, der Fair Value entsprechend vorgegebener Bewertungsverfahren und Methoden zu ermitteln.72 Die in der Praxis am häufigsten verwendeten Verfahren sind in diesem Zusammenhang die kapitalwertorientierten Verfahren. Stellt man das so ermittelte Nettovermögen zu Zeitwerten, soweit es auf den Erwerber entfällt, dem Kaufpreis gegenüber, ergibt sich nach Berücksichtigung latenter Steuern der Firmenwert beziehungsweise negative Unterschiedsbetrag. Der Firmenwert besteht grundsätzlich aus Vermögenswerten, die nicht bilanziert werden dürfen, und Synergien des Unternehmenszusammenschlusses. In der Logistikbranche sind Synergien insbesondere Faktoren wie Marktzugang, Markteintrittsbarrieren und Kostensenkungspotenziale, die aufgrund von Skaleneffekten realisiert werden können. Auffallend ist, dass der Firmenwert in der Logistikbranche, insbesondere bei der Übernahme von Transportdienstleistern, eine im Vergleich zu anderen Branchen bedeutende Größe einnimmt. So kann dieser bis zu 59 % des Kaufpreises betragen.73 Während Systemdienstleister über eine enge Kundenbindung verfügen und infolgedessen diese bilanziell erfasst werden, ist die Übernahme klassischer Transportdienstleister durch Synergien geprägt.
72
73
In diesem Zusammenhang sei auf den RS HFA 16 des IDW verwiesen. In diesem werden die zulässigen Bewertungsverfahren und die Hierarchie ihrer Anwendung genannt sowie die einzelnen Bewertungsverfahren beschrieben. Vgl. hierzu KPMG (2009).
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19.5 Bewertung von Logistikdienstleister auf Basis von marktorientierten Verfahren 19.5.1 Charakteristika der marktorientierten Bewertung Neben den bereits beschriebenen überschussorientierten Bewertungsverfahren finden in der Praxis insbesondere so genannte marktorientierte Verfahren im Rahmen der Bewertung von Unternehmen Anwendung. Bei der markorientierten Bewertung wird auf Preise, die am Kapitalmarkt für vergleichbare Unternehmen oder am Transaktionsmarkt für ähnliche Bewertungsobjekte beobachtet werden, zurückgegriffen. Auf dieser Basis werden Bewertungsrelationen, so genannte Multiplikatoren, erhoben. Multiplikatoren ergeben sich hierbei aus dem Verhältnis des beobachtbaren Marktpreises des jeweiligen Vergleichsunternehmens zu einer ebenfalls bekannten Bezugsgröße dieses Unternehmens wie beispielsweise Umsatz oder Gewinn. Wendet man die ermittelten Multiplikatoren auf die entsprechende Bezugsgröße des zu bewertenden Unternehmens an, erhält man dessen Unternehmenswert.74 Grundlage für die Übertragung der abgeleiteten Bewertungsrelationen auf das zu bewertende Unternehmen ist der im „law of one price“ verankerte Gedanke, dass vergleichbare Vermögenswerte ähnliche Preise aufweisen müssen, damit Arbitrage-Möglichkeiten ausgeschlossen sind.75 In der Bewertungspraxis werden verschiedene Arten von Multiplikatoren unterschieden. Trading Multiplikatoren beruhen auf an der Börse bezahlten Kursen und werden demnach auch als Börsenmultiplikatoren bezeichnet. Werden Trading Multiplikatoren zur Bewertung nicht börsennotierter Unternehmen herangezogen wird oftmals ein Fungibilitätsabschlag auf den abgeleiteten Unternehmenswert vorgenommen, der der fehlenden Marktgängigkeit Rechnung trägt. So genannte Transaction Multiplikatoren basieren auf den bei vergleichbaren Transaktionen bezahlten Kaufpreisen. Vorteil bei diesen Multiplikatoren ist, dass Vergleiche auch zu nicht börsennotierten Unternehmen vorgenommen werden können. Da im Rahmen von M&A-Prozessen in der Regel Mehrheitsbeteiligungen verkauft werden, schließen die darauf basierenden Transaction Multiplikatoren oftmals eine Prämie für die Unternehmenskontrolle mit ein. Daher führen sie im Regelfall zu höheren Unternehmenswerten als die Anwendung von Trading Multiplikatoren.
19.5.2 Durchführung der Bewertung mittels Multiplikatoren Die Übertragung der ermittelten Bewertungsrelationen auf das zu bewertende Unternehmen setzt voraus, dass die verwendeten beobachtbaren Marktpreise den Unternehmenswert der Vergleichsunternehmen adäquat reflektieren. Ansonsten werden bestehende Fehlbewertungen des Kapital- oder Transaktionsmarktes gegebenenfalls auf das zu bewertende Unternehmen übertragen.76 Die Auswahl von Vergleichsunternehmen setzt eine detaillierte Analyse des zu bewertenden Unternehmens voraus, im Rahmen derer die charakteristischen Eigenschaften des Bewertungsobjekts zu analysieren sind. In diesem Zusammenhang sind Kriterien wie beispielsweise Branche, Geschäftsmodell, Größe, Wettbewerbssituation, Absatz, Wachstumsaussichten oder Kapitalstruktur zu untersuchen77 und insbesondere die wesentlichen Werttreiber zu identifizieren. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen sind passende Vergleichsunternehmen auszuwählen. Dies stellt eine besondere Herausforderung dar, da völlig identische Unternehmen naturgemäß nicht existieren, die Vergleichsunternehmen jedoch eine möglichst hohe Ähnlichkeit bezüglich der charakteristischen Eigenschaften des Bewertungsobjekts aufweisen sollten. Werden Trading Multiplikatoren verwendet,78 74 75 76 77 78
Vgl. hierzu z.B. Drukarczyk, J./Schüler, A. (2007), S. 473 ff. Vgl. Wagner, T. (2005), S. 5; Küting, K./Eidel, U. (1999), S. 228. Vgl. Creutzmann, A./Deser, N. (2005), S. 2. Vgl. hierzu insbesondere auch die Unternehmensorientierten Kriterien zur Identifizierung von Vergleichsunternehmen in Kapitel 4. Siehe auch Böcking, H.-J./Nowak, K. (1999), S. 171. Vgl. Kapitel 0.
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19 Bewertung von Logistikdienstleistern
Analyse
Auswahl
Multiplikatorenbildung
Wertermittlung
Informationsverdichtungsprozess
Ziele Identifikation der charakteristischen Eigenschaften des Zielunternehmens
Identifikation von Vergleichsunternehmen
Identifikation von Bezugsgrößen und Bildung von Multiplikatoren
Ermittlung einer Wertbandbreite
Abb. 19-14: Übersicht über die Phasen der marktorientierten Bewertung79
sind neben den unternehmensspezifischen auch kapitalmarktorientierte Kriterien – insbesondere die Börsennotierung – bei der Auswahl der Vergleichsunternehmen zu berücksichtigen. Nach der Festlegung der Vergleichsunternehmen sind in der dritten Phase geeignete Bezugsgrößen zu identifizieren und die Multiplikatoren zu ermitteln. Hierbei gilt es die Besonderheiten der Logistikbranche und des zu bewertenden Unternehmens zu beachten. Multiplikatoren ergeben sich aus dem Verhältnis des Marktwerts zu einer Bezugsgröße. Bei der Bildung der Multiplikatoren ist zwingend auf die Konsistenz zwischen betrachtetem Marktwert und der Bezugsgröße zu achten. Zu unterscheiden sind hierbei Equity- und Entity-Multiplikatoren. Entity-Multiplikatoren verweisen auf den Gesamtwert80 eines Unternehmens, dem entsprechend sind die Bezugsgrößen Erfolgsgrößen vor Bedienung der Eigen- und Fremdkapitalgeber,81 also vor Zinsen. Equity-Multiplikatoren verweisen hingegen auf den Wert des Eigenkapitals. In der Praxis typischerweise verwendete Erfolgsgrößen vor Zinsen sind Umsatz, EBIT und EBITDA, nach Zinsen typischerweise der Jahresüberschuss. Generell sind bei der Ermittlung der Bezugsgrößen Sondereinflüsse zu beachten, d.h. außergewöhnliche und einmalige Effekte möglichst zu bereinigen. Ebenso sind bezugsgrößenspezifische Bilanzierungsunterschiede der Rechnungslegungssysteme zu korrigieren, da sonst ein Vergleich wenig aussagekräftig ist. Problematisch ist vor diesem Hintergrund, dass die notwendigen Informationen häufig nicht verfügbar sind. Somit empfiehlt es sich nur Unternehmen einzubeziehen, die nach dem gleichen Rechnungslegungsstandard bilanzieren. Aus den ermittelten Multiplikatoren der Vergleichsunternehmen wird in der Regel ein Durchschnitt beispielsweise als arithmetisches Mittel oder Median gebildet. Daraufhin wird zur Ermittlung des Eigen- beziehungsweise Gesamtkapitalwerts der abgeleiteten Multiplikatoren mit der entsprechenden Bezugsgröße des Zielunternehmens multipliziert. Durch den parallelen Einsatz verschiedener Multiplikatoren wird abschließend eine Wertbandbreite ermittelt. 79 80
81
Eigene Darstellung. Der Gesamtwert eines Unternehmens ergibt sich aus dem Wert des Eigenkapitals zuzüglich des Werts der Nettofinanzverbindlichkeiten (Net debt), die sich aus den zinstragenden Verbindlichkeiten abzüglich der liquiden Mittel zusammensetzen. Vgl. Seppelfricke, P. (1999), S. 300 ff.
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19.5.3 Kritische Würdigung Multiplikatoren kommen häufig in frühen Phasen von M&A-Prozessen zur Anwendung, um erste Werteinschätzungen und Preisindikationen vornehmen zu können. Dies ist gerade auch im Logistikbereich ein vorrangiges Anwendungsgebiet. Zum anderen werden sie zur Plausibilisierung der sich nach dem Ertragswert- beziehungsweise den DCF-Verfahren ergebenden fundamentalen Unternehmenswerten herangezogen.82 Oftmals wird durch eine auf dieser Basis ermittelte Bandbreite von Werten eine marktabgeleitete Objektivierung von fundamentalen Werten angestrebt. Für die Verwendung von marktorientierten Bewertungsmethoden sprechen ihre Objektivität und die Möglichkeit, die aktuelle Situation am Kapital- und Transaktionsmarkt berücksichtigen zu können. Die Zielsetzung fordert jedoch die zwingende Voraussetzung, dass Vergleichsunternehmen und das zu bewertende Unternehmen vergleichbare Vermögens-, Finanz- und Ertragsverhältnisse aufweisen. Auch sind vergleichbare Zielmärkte und regionale Spezifika zu fordern. Der generelle Kritikpunkt der mangelnden Vergleichbarkeit zwischen Bewertungsobjekt und Vergleichsmaßstäben trifft für die Logistikbranche in besonderem Maße zu. So sind im Falle von Trading Multiplikatoren insbesondere nur wenige, global agierende Logistikdienstleister börsennotiert, die oftmals durch ihre breite Kundenbasis und ihre überregionalen Aktivitäten diversifiziert sind. Sie sind mit Unternehmen, die sich z.B. auf reine TUL-Dienstleistungen in einer Region spezialisieren, nicht vergleichbar. Dies trifft umso mehr zu, als dass im Multiplikator sämtliche wertbildenden Einflussgrößen verdichtet sind. In der Bewertungspraxis zeigt sich zudem, dass enorme Bandbreiten an Multiplikatoren resultieren. Eine der Hauptgründe hierfür ist sicher die Unterschiede in den spezifischen Geschäftsmodellen als auch die jeweiligen Abhängigkeiten einer individuellen Zielbranche. Transaktions-Multiplikatoren bieten die Möglichkeit, erste Einschätzungen zum Unternehmenswert über Vergleichspreise anstellen zu können. Voraussetzung ist jedoch, geeignete Informationen erheben zu können. Erfahrungen der Praxis zeigen, dass es zum einen über spezifische Transaktionen nur begrenzt Informationen, insbesondere zum Kaufpreis und den finanziellen Verhältnissen des Zielunternehmens, veröffentlicht sind, zum anderen existieren signifikante Unterschiede zwischen einzelnen Logistikdienstleistern, die auch durch eine Mehrzahl an Transaktionen nicht geglättet werden können. Oftmals ist in geeigneten Datenbanken die Art der Zielunternehmen nicht klar abgegrenzt, da Flughäfen, Reedereien, Transportunternehmen, Briefdienstleistungsunternehmen u.ä. nur gemeinsam erhoben werden können. Die Essenz der reinen Logistikdienstleister bietet dann regelmäßig eine geringe Anzahl von Vergleichstransaktionen. Marktorientierte Methoden bieten zwar die Möglichkeit eine erste Einschätzung über die Branche zu geben, können aber eine Bewertung von Logistikdienstleister im Sinne einer Fundamentalanalyse nicht ersetzen. Bei der Fundamentalanalyse können Wertbeiträge u.a. aus positiven wie negativen Synergien und Abhängigkeiten gegenüber Kunden durch Margenszenarien in nachvollziehbarer Weise sachgerecht separat voneinander analysiert werden.
19.6 Zusammenfassung Die Logistikbranche wandelt sich stetig. Reine Transportdienstleistungen genügen heute nicht mehr, Kundenanforderungen zu erfüllen und ein tragfähiges Geschäftsmodell in der Logistikbranche zu entwickeln. Geschäftsmodelle werden komplexer, die Unternehmen passen sich zunehmend an ihre Auftraggeber an und unterscheiden sich zunehmend voneinander. Viele Anlässe führen zur Bewertung dieser Unternehmen. Viele Methoden basieren auf unternehmensinternen Plandaten und auf Kapitalmarktparametern. Die Würdigung der Planung und die Ermittlung von relevanten Parametern erfordert geeignete Vergleichsmaßstäbe in Form vergleichbarer Unternehmen. 82
Vgl. auch IDW (2008), Tz. 143.
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19 Bewertung von Logistikdienstleistern Analysen für die Ermittlung von Unternehmenswerten sind in nachvollziehbarer Weise nur über eine Sensitivitätsrechnung fundamental ermittelter Bewertungen durchzuführen. Dies mag für alle Branchen gelten, für Logistikdienstleister gilt dies in besonderem Maße unter dem Aspekt der Vergleichbarkeit und Nachvollziehbarkeit der Geschäftsplanung. Ein Maßstab in Form eines Multiplikators, der sämtliche Vergleichsmaßstäbe in einer Zahl verdichtet, birgt die Gefahr von Verzerrungen und Anomalien, die auf das Bewertungsobjekt fälschlicherweise übertragen werden. Es konnte gezeigt werden, dass die fundierte Auseinandersetzung mit der Unternehmensplanung und eine darauf aufbauende Bewertung nebst Szenarioanalyse zu aussagekräftigeren Ergebnissen führt als eine vergleichende Marktbewertung. Letztlich kommt es entscheidend darauf an, die einem Geschäftsmodell inhärenten Risiken und Chancen über die operationalisierten Wertbestimmenden Einflussgrößen in einem Bewertungskalkül abzubilden, das nur als Fundamentalanalyse durchführbar ist.
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477
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20 Bewertung von Infrastrukturprojekten am Beispiel des Eurotunnels von Andreas Schüler* 20.1 Projektfinanzierung: Definition und empirische Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 20.2 Zur Finanz- und Risikoanalyse von Infrastrukturprojekten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 20.3 Hintergrund der Projektfinanzierung Eurotunnel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 20.4 Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 20.4.1 Kapitalbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 20.4.2 Fremdkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 488 20.4.3 Eigenkapital. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 20.5 Finanzplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 20.5.1 Umsatzplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 20.5.2 Weitere Planungsannahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 20.5.3 Vorteilhaftigkeitsprüfung und Sensitivitätsanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 20.6 Bewertung der Eigenkapitalanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 20.7 Zur Analyse der Gläubigeransprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 20.8 Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 20.9 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501
20.1 Projektfinanzierung: Definition und empirische Relevanz Im Zentrum des Beitrags stehen die Bewertung und die finanzielle Analyse von Infrastrukturprojekten insbesondere aus dem Bereich „Verkehrsinfrastruktur“, die als sogenannte Projektfinanzierungen konzipiert sind. Als Beispiel dient das Projekt Eurotunnel. Projektfinanzierung ist die Bereitstellung von Kapital – eine bekannte, aber unvollständige Definition aus der Literatur spricht an dieser Stelle nur von Fremdkapital1 – für eine eigenständige Wirtschaftseinheit, bei der vorrangig die Zahlungsüberschüsse des Projektes ggf. ergänzt um die Aktiva der Projektgesellschaft den Kapitalgebern zur Erfüllung ihrer Ansprüche dienen.2 Anders als bei der Finanzierung von Projekten, die als eines von mehreren Projekten in einem Unternehmen oder einem Unternehmensverbund durchgeführt werden, stehen keine Vergangenheitsdaten zur Finanzkraft eines Unternehmens zur Verfügung und die Kapitalgeberansprüche können nicht durch andere Projekte oder Vermögensgegenstände abgesichert werden. Damit tragen die Cashflows des eigenständigen Projekts und nicht die eines Projektportfolios die Verantwortung für die Bedienung der Financiers. * 1 2
Prof. Dr. Andreas Schüler, Inhaber des Lehrstuhls für Finanzwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Universität der Bundeswehr, München. Vgl. Nevitt/Fabozzi (2000), S. 1. Vgl. neben der Definition von Nevitt/Fabozzi auch die von Backhaus/Köhl (2001), Sp. 1716, oder Gatti (2008), S. 2.
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480
Andreas Schüler Weiteres Merkmal einer Projektfinanzierung, das man auch als Vorteil der Konstruktion empfinden kann, ist die Möglichkeit, unternehmensübergreifend in einer Projektgesellschaft Kompetenzen zu bündeln. Projektfinanzierungen können danach unterschieden werden, ob der Rückgriff auf Vermögen außerhalb der Projektgesellschaft vollständig (full recourse), teilweise (limited recourse) oder – obiger Definition folgend – gar nicht möglich ist. Ein anderes Differenzierungsmerkmal ist der u.U. erfolgende Vermögensübergang an den Staat: Bei BOOT (Build, Own, Operate, Transfer)-Projekten besitzen private Anteilseigner oder privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen während der Bau- und Betriebsphase die Eigentumsrechte, bis diese nach Ablauf einer Frist an den Staat übergehen. Im Rahmen einer BTO (Build, Transfer, Operate)-Konstruktion geht das Eigentum bereits nach Fertigstellung an den Staat über. Und bei einem BOO(Build, Own, Operate)-Projekt schließlich wird das Eigentum nicht an den Staat transferiert.3 Die empirische Relevanz von Projektfinanzierungen, insbesondere im Bereich Transport und Infrastruktur verdeutlichen Tab. 20-1 und Tab. 20-2.4 Erstere stellt das Volumen an Projektfinanzierungen über Kredite dar, zweitere das (deutlich kleinere) Volumen an Projektfinanzierungen über Anleihen. Transportprojekte, zu denen man das Eurotunnelprojekt zählen kann, stellen bemessen am Kreditvolumen nach Energieprojekten die zweitgrößte Gruppe. Gatti berichtet im Zuge einer empirischen Erhebung von Public Private Partnerships (PPP), dass entsprechende Projekte im Bereich „Transportation Infrastructure“ in Europa sogar etwa 75 % seiner Stichprobe repräsentieren.5 Das Gesamtvolumen an kreditfinanzierten Projekten steigt von 1998 bis 2008 – lediglich unterbrochen von den Rückgängen im Zeitraum 2001 bis 2003 – kontinuierlich von rund 57 auf 251 Mrd. US-$ an. Diesen klaren Trend kann man bei den im Rahmen von Projektfinanzierung begebenen Anleihen nicht beobachten.
20.2 Zur Finanz- und Risikoanalyse von Infrastrukturprojekten Die Projektfinanzierungen in Form der Non- oder Limited-Recourse-Variante kennzeichnende Fokussierung auf den Projekt-Cashflow reduziert die Befriedigungsmöglichkeiten für die Gläubiger. Zudem wird berichtet, dass die Verschuldungsquote gemessen in Buchwerten für Projektfinanzierungen mit durchschnittlich 70 % deutlich über der Verschuldungsquote vergleichbar großer „Nicht“Projektgesellschaften liegt.6 Die nachfolgenden Abbildungen zeigen, welchen Ratingkategorien Fremdkapitalansprüche aus Projektfinanzierungen zugeordnet werden.7 Zweierlei fällt auf: das relativ häufige AAA-Rating und das am häufigsten zu beobachtende BBB-Rating,8 welches noch die Einstufung als Investment Grade erlaubt. Die relative Dominanz der Ratingkategorien BBB (und auch BB) kann man als Indiz dafür interpretieren, dass die Beschränkung auf den Projekt-Cashflow das Risiko für die Gläubiger erhöht. Wie solche Ratingeinschätzungen für Infrastrukturprojekte zustande kommen könnten, illustriert Tab. 20-3, die die eingesetzten Kriterien und deren Gewichtung am Beispiel von Mautstraßen auflistet.9 Die Key Credit Metrics sind Finanzkennzahlen, die – etwas verallgemeinernd formuliert – auf die Relation von Ist-Verschuldung zu Verschuldungskapazität, interpretiert als Barwert der Cashflows, bzw. Cashflow zu Soll-Kapitaldienst abstellen und damit einmal mehr die Relevanz des ProjektCashflows als konstituierendes Merkmal einer Projektfinanzierung klar machen. 3 4 5 6 7 8 9
Vgl. Yescombe (2002), S. 10–11. Quelle der Daten sind die Financial League Tables von Project Finance International; abgefragt im April 2009 unter: http://www.pfie.com/hybrid.asp?typeCode=39. Vgl. Gatti (2008), S. 29. Vgl. Esty (2003), S. 7, 37. Vgl. Standard & Poor’s (2007), S. 7. So auch Gatti (2008), S. 213. Moody’s (2006), S. 7.
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Infrastructure Oil & Gas Power Mining Leisure & Property Social Infrastructure Petrochemicals Industrial Telecoms Total
2.212,0 9.792,0
1998
1.307,0 1.330,0 4.458,0 485,0
Sector/Year
5.227,0 19.966,0
672,0
299,0
3.676,0 2.822,0 7.270,0
1999
8.997 72.392
7.699 56.651
176,0 2.036,0 20.811,0
3.394,0 3.285,0 11.920,0
2000
13.361 110.885
9.267 1.638 3.337 3.362 629 34.699
4.970 1.274 4.684 1.396 1.377 19.702
2000
369 3.129 2.641 2.209 14.063
1999 44.592
17.205 9.336
29.992
1998
Power Transportation Oil & Gas Leisure & Property Petrochemicals Industry Mining & Metals Telecommunications Water & Sewerage Waste & Recycling Agriculture & Forestry Infrastructure Total
Sector/Year
2002 20.202 13.592 6.441 4.759 5.708 824 997 7.286 157 1.347 250 610 62.173
24.071 14.988 9.026 4.435 5.880 3.179 1.110 4.985 1.043 284 365 192 69.557
2003
1.487,0 15.003,0
2.430,0 3.813,0 7.273,0
2001
13.788,0
250,0
120,0
6.471,0 2.632,0 4.315,0
2002
864,0 32.164,0
2.130,0
9.801,0 7.023,0 12.346,0
2003
Tab. 20-2: Project Finance Bonds
108.478
47.255 11.279 8.825 6.530 3.898 3.646 2.323 23.958 764
2001
Tab. 20-1: Project Finance Loans
28.647,0
3.066,0 734,0 128,0
8.016,0 5.159,0 11.376,0 168,0
2004
116.440
35.257 23.510 22.522 7.008 8.800 5.230 3.566 7.342 2.169 968 70
2004
27.462,0
5.024,0 400,0
4.382,0 9.677,0 7.261,0 718,0
2005
138.781
44.422 28.732 24.036 13.282 6.966 4.129 2.457 10.193 3.727 726 112
2005
28.673,0
6.780,0 9.074,0 2.453,0 680,0 512,0 8.574,0 600,0
2006
180.609
57.106 44.596 26.371 17.254 20.260 4.227 3.307 3.137 3.821 321 210
2006
26.823,0
1.300,0 6.115,0
10.308,0 2.100,0 7.000,0
2007
219.986
76.518 44.027 32.211 21.459 10.514 17.473 4.607 5.556 4.181 2.989 452
2007
11.885,0
6.940,0 4.537,0 378,0 30,0
2008
250.557
89.858 54.789 38.423 20.836 13.413 11.979 11.456 6.260 2.933 550 61
2008
20 Bewertung von Infrastrukturprojekten am Beispiel des Eurotunnels
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 481
481
482
Andreas Schüler 82 80
70
60
Anzahl
50
40
30
60 41
20
25
10
15
10 1
0
2
10
20
23 12
12
12
8 2
1
2
0
0
1
Abb. 20-1: Rating von Projektfinanzierungen (Anzahl)
40
35 Volumen (1000 Mio. US-$)
Breite 30
25
20
15
Zahl
10
5
0
Abb. 20-2: Rating von Projektfinanzierungen (Volumen)
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4
20 Bewertung von Infrastrukturprojekten am Beispiel des Eurotunnels Tab. 20-3: Moodys’ Kennzahlenkatalog (Operational Toll Roads) Factors
Sub-Factors
Asset Type Fundamentals of Service Area Traffic Profile
Concession and Regulatory Framework
Stability of Business Model and Financial Structure
Key Credit Metrics (Historical & Projected)
Weighting
Asset Features
10,00 %
Competing Routes Robustness and Diversity of Service Area GDP/Capita in Service Area User Profile Track Record and Stability of Tolled Traffic Annual Average Daily Traffic per Lane Km Risk of Adverse Changes to Concession Terms and Conditions Ability to Increase Tariffs Protection against Events outside the Concessionaire’s Control Ability and Willingness to Pursue Opportunistic Corporate Activity Ability and Willingness to Increase Leverage Targeted Proportion of Revenues outside Core Concession Cash Interest Coverage FFO/Debt Moody’s Debt Service Coverage Ratio RCF/Capex Debt/PV Base Cash Flows or Concession Life Coverage Ratio
10,00 % 5,00 % 5,00 % 3,33 % 3,33 % 3,33 % 3,33 % 3,33 % 3,33 % 3,33 % 3,33 % 3,33 % 8,00 % 8,00 % 8,00 % 8,00 % 8,00 %
Moody’s berichtet die für eine Ratingkategorie typischen Ausprägungen der Finanzkennzahlen, die – wie Tab. 20-3 zeigt – 40 % des Gesamturteils ausmachen. Tab. 2-04 enthält die entsprechenden Werte; die – wie oben gezeigt – empirisch besonders bedeutsamen Kategorien Baa und Ba werden durch Schattierung hervorgehoben.10 Tab. 20-4: Key Credit Metrics nach Ratingkategorien Aaa
Aa
1 Cash Interest > 10,0x 7,0–10x Coverage 2 FFO/Debt > 40 % 25–40 % 3 Moody’s Debt > 8,0x 5,0–8,0x Service Coverage Ratio 4 RCF/Capex > 3,5x 3,5–2,5x 5 Debt/PV Base < 10 % 10–20 % Cash Flows or Concession Life > 10,0x 10,0–5,0x Coverage Ratio
10
A
Baa
Ba
B
Caa
Subweighting Factor
4,5–7,0x 2,5–4,5x 1,8–2,5x 1,5–1,8x
< 1,5x
20 %
14–25 % 8–14 % 6–8 % 4–6 % 3,0–5,0x 1,8–3,0x 1,3–1,8x 1,0–1,3x
<4% < 1,0x
20 % 20 %
1,5–2,5x 1,0–1,5x 0,5–1,0x 20–30 % 30–40 % 40–60 %
< 0,5x > 80 %
20 % 20 %
< 0,5x 60–80 %
5,0–3,3x 3,3–2,5x 2,5–1,7x 1,7–1,25x < 1,25x
Vgl. Moody’s (2006), S. 28.
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483
484
Andreas Schüler Die Kennzahlen sind wie folgt definiert:11 Cash Interest Coverage =
Funds from Operations (FFO) + Interest Expense Interest Expense - Non-Cash Interest
Mit: FFO Cash Flow from Operations (ohne Veränderung Net Working Capital) FFO / Debt =
Funds from Operations (FFO) Debt
Debt Service Coverage Ratio =
FFO + Interest Expense - Maintenance Capex Debt Service Annuity
Die Debt Service Annuity ist der annuitätische Kapitaldienst, der nötig wäre, um den Fremdkapitalbestand bis zum Projektende unter Beachtung von Zinsen zurückzuführen. Alternativ wird für Projektfinanzierungen folgende Version vorgeschlagen: Debt Service Coverage Ratio =
Cash Available for Debt Service (CAFDS) Interest and Repayment
Mit: CAFDS Cash Available for Debt Service = Cash Flows from Operations after tax – Transfers to maintenance and timing reserves – Capex RCF / Capex Ratio =
FFO - Dividends Paid Capex Debt
Debt / PV Base Cash Flows Available for Debt Service = 1 iV g
CCF 1
1 g 1 iV
T
Mit: CCF Current Cash Flow = FFO + Interest Expense – Maintenance Capex g Growth rate Vertragszinssatz iV T (Verbleibende) Projektlaufzeit PV Present Value Oder für Projektfinanzierungen: Concession Life Cover Ratio =
PV CAFDS Debt
Es könnte nun interessieren, ob der Kennzahlenmix überschneidungsfrei definiert ist. Eine abschließende Analyse dazu kann hier nicht erfolgen. Unbeachtet bleibt dabei die Kennzahl RCF/Capex, da sie keinen direkten Bezug zum Fremdkapital oder Kapitaldienst aufweist, obwohl sie unzweifelhaft ein Liquiditätssignal liefert. Die verbleibenden Kennzahlen setzen alle eine Überschußgröße im Zähler in Relation zu einer Fremdkapital-Größe im Nenner. Die folgende Matrix klassifiziert die Kennzahlen:
11
Vgl. Moody’s (2006), S. 24–27.
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20 Bewertung von Infrastrukturprojekten am Beispiel des Eurotunnels Tab. 20-5: Klassifikation der Key Credit Metrics Einperiodig Statisch
Mehrperiodig
Cash Interest Coverage (CIC) Debt Service Coverage Ratio (DSC)
FFO/Debt
Dynamisch
Concession Life Cover Ratio (CLC)
Das Feld „Einperiodig & Dynamisch“ bleibt unbesetzt, da diese Kombination nicht möglich ist. Die Ratio FFO/Debt wird wegen ihres Nenners, des gesamten FK-Bestands, als mehrperiodig eingeordnet. Betrachtet man zunächst das Feld 1 (Einperiodig & Statisch), so ist klar, dass die DSC Ratio bei rückläufigem Cashflow früher als die CIC Werte kleiner 1 annimmt, da der Zähler der DSC kleiner und der Nenner größer ist. Der Zusammenhang zwischen der Relation FFO/Debt und der CLC kann wie folgt dargestellt werden: T
T
CAFDS 1 i V Concession Life Cover Ratio =
t 1
FFO
Capex
1 iV
t 1
Debt t
Debt t
Unterstellt man vereinfachend konstante operative Cashflows und Investitionsauszahlungen, folgt: Concession Life Cover Ratio =
RBFiTV
t
FFO Debt t
Capex
= RBFiTV
t
FFO Debt t
Capex Debt t
Nun lassen sich die in Tab. 20-4 berichteten Ausprägungen je Ratingkategorie ansatzweise auf ihre Plausibilität hin prüfen: Für ein Aaa-Rating werden beispielsweise ein FFO/Debt-Verhältnis von mindestens 40 % und eine CLC von mindestens 10 % genannt. Nach Einsetzen in die CLC-Formel erhalten wir: 10
RBFiTV
t
0,4
Capex Debt t
Selbst wenn man die Investitionsauszahlungen (Capex) – an der Realität vorbei – auf Null setzt, muss ein Rentenbarwertfaktor von 25 (10/0,4) vorliegen, damit diese Gleichung gilt. Klar ist, dass z.B. bei einem Zinssatz von 6 % der maximale RBF, der bei unendlicher Laufzeit (T → ∞) erreicht wird, 1/0,06 = 16,67 beträgt. Damit kann also ein Projekt, dass eine – ohnehin beeindruckende – FFO/Debt-Ratio von 40 % aufweist, das dort resultierende Aaa-Rating für die CLC nicht bestätigen: 10 > 16,67 (0,4 – 0) Unabhängig von den in Tab. 20-4 genannten Ausprägungen, liefert die CLC bei rückläufigen Cashflows früher Werte unter 1 als die FFO/Debt, wenn man bei letzterer den einzelnen FFO durch die Summe der FFO bis zum Konzessionsende interpretiert, weil die CLC auf Barwerte der Cashflows setzt und zudem die Investitionen abgezogen werden. Letztlich entspricht die CLC der Definition einer ökonomischen Überschuldung bei unterstellter Fortführung: Ist der Barwert der Cashflows kleiner als die Nominalansprüche der Kreditgeber, liegt Überschuldung vor – die IstVerschuldung übersteigt die Verschuldungskapazität. Sucht man weitere Analogien zu den Insolvenztatbeständen, wird man schnell fündig: Eine Debt Service Cover Ratio kleiner 1 signalisiert Zahlungsunfähigkeit.
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Andreas Schüler Um diese Überlegungen zur finanzwirtschaftlichen Analyse durch eine Diskussion der Spezifika einer Bewertung von Infrastrukturprojekten zu erweitern, greifen wir in der Folge auf das EurotunnelProjekt zurück.12
20.3 Hintergrund der Projektfinanzierung Eurotunnel Von November 1984 bis Februar 1985 bereitete eine Kommission im Auftrag der britischen und der französischen Regierung die Ausschreibung einer festen Verbindung zwischen Großbritannien und dem europäischen Kontinent vor. Anfang April 1985 wurde das Projekt ausgeschrieben. Bis zum Ende der Ausschreibungsfrist, hatten neun Bewerber Angebote abgegeben, von denen vier weiter berücksichtigt wurden: 1. EuroRoute: Eine Autobahn führt von beiden Seiten des Ärmelkanals über Brücken bis zur Schifffahrtrinne und geht dort in einen Tunnel über. Die Kosten werden auf etwa 6,5 Mrd. £ veranschlagt. 2. Channel Expressway: Zunächst sind zwei Tunnelröhren von großem Durchmesser geplant, durch die sowohl Straßen- als auch Schienenverkehr im Einbahnsystem fließen sollen. Nach erheblichen Zweifeln an der technischen Machbarkeit wird der Vorschlag dann abgeändert in vier kleinere Tunnelröhren (je zwei Tunnel für Straße und Schiene). Hinter diesem Angebot steht James Sherwood; er ist Fährenbesitzer und Mitglied von Flexilink, einer Vereinigung von Fährgesellschaften und Häfen, die sich gegen eine feste Verkehrsanbindung engagiert. 3. Eurobridge: Eine Brücke über den Kanal für den Schienen- und Straßenverkehr. 4. Eurotunnel: Zwei Eisenbahntunnel vorgeschlagen von der Channel Tunnel Group Limited (gebildet aus fünf britischen Baufirmen und zwei britischen Banken) und France Manche SA (gebildet aus fünf französischen Baufirmen und drei französischen Banken). Die Kosten sollen 4,8 Mrd. £ betragen. Am 20. Januar 1986 bekamen Channel Tunnel Group Limited und France Manche SA den Zuschlag. Gründe hierfür waren die bei Channel Expressway und Eurobridge erwarteten technischen Schwierigkeiten und die vergleichsweise hohen Kosten des EuroRoute-Vorschlags. Außerdem sprach für Eurotunnel, dass die Finanzierung durch die Einbindung namhafter Banken bereits über eine reine Planungsphase hinauszugehen schien. Am 12. Februar 1986 unterzeichneten die britische Premierministerin Margaret Thatcher und der französische Staatspräsident François Mitterand das Abkommen (Treaty of Canterbury) über dieses Projekt. In Article 1 dieses Abkommens wurde auf Drängen der britischen Seite unmissverständlich festgelegt, dass das Projekt zu finanzieren ist „without recourse to government funds or to government guarantees of a financial or commercial nature“. Vereinbart wurde weiter die Einsetzung einer Kommission aus Regierungsvertretern beider Staaten (Intergovernmental Commission, IGC), der die Kontrolle der Erstellung und des Betriebs des Tunnels obliegt; in Sicherheitsfragen unterstützt sie eine Sicherheitsaufsicht (Safety Authority). Am 14. März 1986 wurde der Konzessionsvertrag zwischen den beiden Regierungen und der Channel Tunnel Group Limited (CTG) und France Manche SA (FM) unterzeichnet. Die Konzession gilt gemäß Clause 3.2 für 55 Jahre. U.a. fordert der Konzessionsvertrag in Clause 6 die Einsetzung eines unabhängigen Projektmanagers (Maitre d’Oeuvre, MdO). Dieser soll die Entwicklung und Errichtung der Tunnel überwachen und die IGC beraten. Der Maître d’Oeuvre ist ein Gemeinschaftsunternehmen von zwei Konstruktionsbüros (W.S. Atkins & Partners und Société d’Etudes Techniques et Economiques) und zwei Beratungsunternehmen (Sir William Halcrow & Partners Ltd. und Tractionel Electrobel Engineering). Nach Ablauf der Konzession fallen die für die Errichtung und den Betrieb nötigen Immobilien und Mobilien entschädigungslos den Staaten zu (Clause 39.2). Clause 34 enthält die Option für CTG und FM, einen zweiten Tunnel für den Straßenverkehr zu errichten. Falls diese Option bis zum Jahr 2010 nicht ausgeübt wird, kann die Regierung einem anderen Vertragspartner Bau und Betrieb des zweiten Tunnels gestatten; dieser darf nicht vor dem Jahr 2020 eröffnet werden. 12
Vgl. zu diesem und anderen Projekten Drukarczyk, J./Schüler, A. (2008), Akquisitionen, Börsengänge und Restrukturierungen. Fallstudien zur Unternehmensbewertung, Kapitel 13 u. 14.
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20 Bewertung von Infrastrukturprojekten am Beispiel des Eurotunnels Am 13. August 1986 unterzeichneten CTG und FM sowie das Baukonsortium Transmanche Link (TML), bestehend aus den zehn Baufirmen, die auch im Anbieterkonsortium vertreten waren, das Construction Agreement. Im September 1986 stellten die 15 Mitglieder des Anbieterkonsortiums die erste Tranche Eigenkapital i.H.v. 46 Mio. £ bereit (EK 1). Im Oktober 1986 brachten institutionelle Investoren die zweite Tranche über 206 Mio. £ auf (EK 2). Im Sommer 1987 wurden in Frankreich die Declaration d‘Utilité Publique und in Großbritannien der Channel Tunnel Act verabschiedet, in denen sich die Staaten u.a. verpflichteten, das zum Tunnelbau benötigte Land zu erwerben. Konzessionsvertrag und Treaty wurden am 15. Juni 1987 von der französischen und am 29. Juli 1987 von der britischen Legislative ratifiziert. Dies war der Startpunkt der Konzessionslaufzeit. Am 29. Juli 1987 wurde der Benutzungsvertrag (Railway Usage Contract) mit den Eisenbahngesellschaften British Railways und SNCF abgeschlossen, der diesen Gesellschaften die Nutzung der halben Tunnelkapazität ermöglicht. Im August 1987 sicherten 50 Banken ihre Bereitschaft für die Bereitstellung eines Kredits i.H.v. 5 Mrd. £ durch ein Underwriting Agreement zu. Nach Syndizierung Anfang November 1987 wurde der Kreditvertrag durch 198 Banken aufgebracht. Die Europäische Investitionsbank (EIB) stellte eine Kreditlinie i.H.v. 1 Mrd. £ und die Credit National eine Kreditlinie über 4 Mrd. Französische Francs (FF) bereit; diese beiden Kredite wurden nicht zusätzlich ausgereicht, sondern sind über Letters of Credit aus o.g. Kreditvolumen zu besichern. Abb. 20-3 gibt einen Überblick über das Vertragsgeflecht. Im November 1987 wurde das Eigenkapital durch einen Börsengang um 770 Mio. £ erhöht.
EIB / Crédit National Bankenkonsortium Aktionäre
Kreditvertrag
Dividenden
Beförderungsverträge Baukonsortium TML
Kontrolle
Eigenkapital Konstruktionsvertrag
Kontrolle MdO
Eurotunnel & FM t
Benutzungsvertrag
Eisenbahngesellschaften
Konzession Gesetzgebung
Kontrolle Beratung
Benutzer
IGC
Franz./Brit. Staat
Abb. 20-3: Vertragliche Beziehungen
20.4 Finanzierung 20.4.1 Kapitalbedarf Das Finanzierungspaket muss den Bau, die Inbetriebnahme und den anfänglichen Betrieb von Eurotunnel abdecken. Zum Zeitpunkt des Börsengangs geht man von insgesamt 4.874 Mio. £ aus. Darin enthalten sind die Konstruktionskosten, die Kosten der Eurotunnel Group (für Management, Verwaltung usw.), sogenannte andere Kosten (z.B. für den MdO), ein Inflationsausgleich und die Nettofinanzierungskosten. Letztere bestehen aus dem Zinsaufwand zuzüglich der Gebühren für Eigen- und Fremdkapital abzüglich des Zinsertrages.
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Andreas Schüler Tab. 20-6: Kapitalbedarf Mio. £ Tunnel
1.367
Terminals & Fixed Equipment
1.169
Shuttles Ges. Konstruktionskosten
252 2.788
Kosten von Eurotunnel und andere Kosten
642
Inflationsausgleich
469
Nettofinanzierungskosten Gesamt
975 4.874
20.4.2 Fremdkapital An dem Konsortialkredit beteiligen sich 198 Banken. Die Funktion von sog. Arranging Banks übernehmen die fünf Banken, die auch am Anbieterkonsortium beteiligt sind (Banque Nationale de Paris, Crédit Lyonnais, Banque Indosuez, National Westminster Bank, Midland Bank). Der Kredit hat ein Volumen von umgerechnet 5 Mrd. £ (bestehend aus 2,6 Mrd. £, 21 Mrd. FF und 450 Mio. US $13) und soll im November 1987 unterzeichnet werden. 1 Mrd. £ davon sind als StandBy-Fazilität vorgesehen, die nur bei Kostenüberschreitungen in Anspruch genommen werden darf und deshalb teurer als der Hauptkredit ist (Marge 1,75 % für die Stand-By-Fazilität im Vergleich zu 1,25 % des Hauptkredites vor Fertigstellung; 1,25 % im Vergleich zu 1 % nach Fertigstellung). Die Rückzahlung bzw. Refinanzierung des Kredites soll bis spätestens November 2005 erfolgen. Der Berechnung der Zinszahlungen liegen Referenzzinssätze wie LIBOR oder PIBOR zuzüglich der Marge an die Banken zugrunde. Das Management erwartet, dass der durchschnittliche Referenzzinssatz während der gesamten Laufzeit 9 % beträgt. Wie bereits erwähnt, stellt die Europäische Investitionsbank (EIB) 1 Mrd. £ des Hauptkredites bereit. Dies sind keine zusätzlichen Mittel, sondern die Inanspruchnahme muss über Letters of Credit, die von Banken des Konsortiums ausgegeben werden, in gleicher Höhe gedeckt sein. Die Laufzeit dieser Kreditlinie beträgt 25 Jahre. Im Dezember 1987 wird eine ähnliche Vereinbarung mit der Crédit National über 4.000 Mio. FF getroffen. Eine Voraussetzung für die Kreditziehung ist, dass zunächst mindestens 700 Mio. £ Eigenkapital aufgebracht werden müssen. Das erfordert einen erfolgreichen Börsengang, da bis zum November 1987 erst ca. 250 Mio. £ Eigenkapital eingesammelt worden sind. Eine weitere Voraussetzung ist, dass die Banken mit dem Baufortschritt, den Ergebnissen von Design- und Erschließungsstudien, dem prognostizierten Fertigstellungstermin sowie mit den Kostenprognosen von Eurotunnel einverstanden sind. Als Sicherheiten dienen die Projektaktiva. Der Kreditvertrag enthält weitere Auflagen für Eurotunnel in Form von Covenants. Diese beziehen sich z.B. auf die Organisationsstruktur, die Projektentwicklung und die Einschränkung des Tätigkeitsfelds von Eurotunnel auf dieses Tunnelprojekt. Eine Negativklausel verbietet die Sicherheitenstellung an und die Kreditaufnahme bei Banken, die nicht im Bankenkonsortium vertreten sind. Weiterhin wird die periodische Durchführung sog. Banking Cases vereinbart, bei denen Cashflow-Prognosen aufgestellt und anhand derer Kennziffern (Cover Ratios) errechnet werden, die z.B. das Verhältnis des Barwerts der Cashflows zu den Verbindlichkeiten messen. Diese Kennzahlen müssen bestimmte Mindestwerte erreichen, bevor eine Kreditziehung, Refinanzierung oder Dividendenzahlung zulässig ist. Bei Unterschreiten bestimmter Werte liegt ein Kündigungsgrund vor. Weitere Kündigungsgründe sind eine Tunneleröffnung nach dem 29. Juli 13
Es werden folgende Wechselkurse angenommen: 1£ = 10 FF, 1£ = 1,5 US $.
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20 Bewertung von Infrastrukturprojekten am Beispiel des Eurotunnels 1994, ein Anstieg der Kostenschätzungen über die zur Verfügung stehenden Kreditmittel, ein Bruch der Verpflichtungen von Eurotunnel oder die Nichteinhaltung des Tilgungsplans. Das Eintreten eines Kündigungsgrundes berechtigt die Banken, weitere Kreditziehungen zu untersagen, die ausstehenden Tilgungszahlungen fällig zu stellen und ihre Sicherheiten zu verwerten.
20.4.3 Eigenkapital Wie in Tab. 20-7 zusammengefasst, wird das EK 1 durch die Mitglieder des Anbieterkonsortiums und das EK 2 v.a. durch institutionelle Investoren aufgebracht (z.B. die Versicherungsgesellschaften Standard Life, Legal & General oder die Compagnie Financiére de Suez); es beteiligen sich aber auch EK 1-Aktionäre. Ende September 1987 wird beschlossen, die ursprünglichen Units des EK 1 und EK 2 in 10 Units aufzusplitten; diese Entscheidung ist in Tab. 20-7 berücksichtigt. Nun, im Herbst 1987, soll der Börsengang (EK 3) erfolgen. Investoren, die Aktien zeichnen, erhalten je nach Aktienzahl (gegen eine geringe Gebühr) Freifahrten. Im Folgenden blenden wir diese Gutscheine aus. Aufgrund des binationalen Projektcharakters sollen die Anteile an Eurotunnel als Units, die aus je einer Aktie von Eurotunnel PLC und Eurotunnel SA bestehen, in London und Paris gelistet werden. Tab. 20-7: Eigenkapital
Zeitpunkt
EK 1
EK 2
EK 3 (Börsengang)
Sept. 86
Okt. 86
Nov. 87
Preis p. Unit (£)
1,74
2,4
3,5
Units in Mio.
26,52
85,8
220
46
206
770
29 % Banken 65 % Baufirmen (Founding Shareholders)
Institutionelle Investoren
Breite Streuung
Betrag (Mio. £) Zeichner
Ein erfolgreicher Börsengang vorausgesetzt, kann Eurotunnel Ende 1987 auf ein Finanzierungspaket aus rund 1 Mrd. £ Eigenkapital – abzüglich der bereits erfolgten Auszahlungen – und 5 Mrd. £ Fremdkapital zurückgreifen. Der Kapitalbedarf von rund 4,9 Mrd. € wäre mehr als gedeckt. Vor dem Börsengang sind den EK 1-Aktionären und Banken Warrants zugeteilt worden. Auch die EK 3-Aktionäre sollen Warrants erhalten. Werden diese ausgeübt, fließt Eurotunnel weiteres Eigenkapital zu. Tab. 20-8 listet die Details auf. Tab. 20-8: Weitere potenzielle Eigenkapitalbeiträge EK 3Aktionäre Anzahl (Mio.)
EK 1Aktionäre
Banken
220
2,652
7,142
10 : 1,1
1 : 10,78
1 : 1,07
1:1
für 4,6 £
für 19,72 £
für 3,5 £
für 5 £
15.11.1992
30.6.1995
offen
30.6.2000
Bezugskurs
4,18
1,83
3,27
5
EK-Beitrag bei voller Ausübung (Mio. £)
101
52
25
37
Ausübungsverhältnis (Warrants: Units) Ende der Ausübungsfrist
7,403
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20.5 Finanzplanung 20.5.1 Umsatzplanung Die Umsatzprognosen sind von entscheidender Bedeutung für die Kapitalgeber. Denn sollten sie deutlich unterschritten werden, fällt das Finanzierungskonzept in sich zusammen. Den Umsatzschätzungen liegen Verkehrsprognosen zugrunde, für deren Erstellung man die Entwicklung der Vergangenheit analysiert und unter Annahmen in die Zukunft fortschreibt. Die Annahmen betreffen die qualitativen (z.B. Umwelt, Technik und Organisation des Verkehrs), sozioökonomischen (Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung) und verkehrspolitischen Rahmenbedingungen. Die Berater von Eurotunnel entwickelten ein Nachfragemodell für den Kanalverkehr auf Basis historischer Daten. Sie schätzen, dass das zukünftige Verkehrsaufkommen vornehmlich vom Anstieg des Bruttosozialprodukts im UK und Kontinentaleuropa abhängen wird, da dieser Faktor historisch die Zahl der Kanalüberquerungen britischer Staatsbürger, die 1985 zwei Drittel dieses Marktes ausmachten, und das Volumen von Im- und Exporten nach und von Großbritannien am besten erklärt. Die prognostizierten BSP-Wachstumsraten sind mit 2 bis 2,15 % geringer als die 2,25 % p. a., die zwischen 1960 und 1985 durchschnittlich erreicht wurden. Als weitere signifikante Variable wurde das Wachstum des Pro-Kopf-Konsums identifiziert, das auf 1,9 bis 2,05 % geschätzt wird. Daneben ist auch die künftige Wettbewerbssituation auf dem Kanalverkehrsmarkt relevant. Eurotunnel nennt als Wettbewerbsvorteile seines Systems die Verlässlichkeit, interpretiert als Wetterunabhängigkeit, den regelmäßigen Betrieb, die Bequemlichkeit und die relativ kurze Reisedauer. Die Berater bezogen diese Argumente in ihr Modell ein, um den Marktanteil von Eurotunnel zu prognostizieren. Sie schätzen das zusätzliche Verkehrsaufkommen, das durch die Existenz der TunnelLösung geschaffen wird, vorsichtig ein. Einige historische und geplante Daten zum Personenverkehr zeigt Tab. 20-9. Tab. 20-9: Personenverkehr (Mio. Überquerungen p.a.)
Marktvolumen Zusätzlich durch den Tunnel geschaffenes Marktvolumen Gesamtes Marktvolumen Eurotunnelvolumen ∅ jährliche Wachstumsrate des gesamten Passagieraufkommens
Historie 1975 1985
1993
25,7 – 25,7 – 6,5 %
64,3 88,1 111,9 2,8 5,5 6,8 67,1 93,6 118,7 29,7 39,5 46,6 3,4 % 2,4 %
48,1 – 48,1 – 4,2 %
Prognose 2003 2013
Die Prognosen für den Güterverkehr zeigt Tab. 20-10. Man erwartet, dass die Frachtshuttles etwas weniger als 25 % des sog. Roll-on-Roll-off-LKW-Verkehrs anziehen werden und die Non-Stop-Zugverbindungen etwas unter 6 %. Letztere sollten auch für etwa 1/3 der Container- oder Eisenbahnfracht interessant sein. Von nicht standardisierten Gütern oder Gefahrengütern, wie zum Beispiel Öl oder Chemikalien, erwartet man künftig nur ungefähr 7 % durch den Tunnel zu transportieren. Tab. 20-10: Frachtverkehr (Mio. Tonnen p.a.)
Marktvolumen Zusätzlich durch den Tunnel geschaffenes Marktvolumen Gesamtes Marktvolumen Eurotunnelvolumen ∅ jährliche Wachstumsrate des gesamten Frachtverkehrs
Historie 1975 1985
1993
37,2 – 37,2 – 5,0 %
84,4 122,1 169,8 – 0,5 0,6 84,4 122,6 170,4 14,8 21,1 27,8 3,8 % 3,3 %
60,4 – 60,4 – 4,3 %
Prognose 2003 2013
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20 Bewertung von Infrastrukturprojekten am Beispiel des Eurotunnels Die Berater nehmen weiterhin an, dass die Preise für Shuttletickets nicht über den Fährpreisen liegen dürften. Ihrer Meinung nach werden die Fährgesellschaften ihre inflationsbereinigten Preise gegenüber den 1986 gültigen senken, um im Geschäft zu bleiben. Tab. 20-11 zeigt den für 1993 prognostizierten Preis (ohne inflationsbedingte Preissteigerungen). 14, 15 Tab. 20-11: Preise pro Fahrzeug Luftkissenboot
Fähre
Fähre oder Shuttle
£
1986
1986
1993
PKW inkl. Personen13
64,6
58,7
55,8
–
147,7
118,2
LKW14
Man erwartet, dass die Preise für Flüge auf den relevanten Strecken teilweise wegen der zu erwartenden Deregulierungen im Luftverkehr und aufgrund der Konkurrenz durch den Eurotunnel fallen werden. Die Prognosen hierzu wiederum in Preisen von 1987 zeigt Tab. 20-12. Tab. 20-12: Preise pro Person Flug
Flug
Non-Stop-Züge
£
1986
1993
1993
Geschäftsreisen
80,0
64,0
39,9
Tourismus
52,1
49,5
23,9
Paketangebote
37,0
37,0
14,4
Für die Nutzung des Tunnels durch Zugreisende oder Frachtzüge entrichten British Rail und SNCF Nutzungsgebühren an Eurotunnel in Abhängigkeit von der Zahl der Züge, der Anzahl der Passagiere und dem Frachtvolumen. Für die ersten zwölf Jahre garantieren die Bahngesellschaften eine monatliche Benutzungsgebühr von mindestens 9 Mio. £. Weitere Cashflows können insbesondere durch Duty-Free-Verkäufe generiert werden. Dieses Einkommen wird sich aber beträchtlich verringern, falls Duty-Free-Privilegien für Reisende innerhalb der EG abgeschafft werden. Aus den vorangegangenen Überlegungen leitet die Gesellschaft die in den Plan-Gewinn- und-Verlustrechnungen (Tab. 20-13) und in den Finanzplänen (Tab. 20-14) zugrundegelegten Umsätze der drei Geschäftsbereiche Shuttle, Rail und Ancillary (Nebengeschäft) ab. Es wird eine sog. „post money“Perspektive eingenommen, d.h. die Planungen werden unter der Annahme eines erfolgten Börsengangs formuliert. Eurotunnel unterstellt dabei eine Inflationsrate von 6 % für den gesamten Planungszeitraum. Die Jahre 1993 bis 2003 werden vollständig dokumentiert; ab 2003 wird nur in 10-Jahresschritten berichtet. Das letzte volle Betriebsjahr ist 2041. Mitte 2042 erfolgt die entschädigungslose Übertragung aller Assets auf den britischen und den französischen Staat. Die aus den Prognosen ableitbare Wachstumsrate für z.B. den Shuttleumsatz sinkt bis 2003 auf real 2,5 %. Aus der Gegenüberstellung der Shuttleumsätze für die Jahre 2003 bis 2013 lässt sich ein jährliches Nominalwachstum von 7,7 % bzw. ein jährliches Realwachstum von 1,6 % ableiten. Letzteres sinkt bis 2023 auf 1,1 %, bis 2033 auf 0,6 % und schließlich bis 2041 auf 0 %. Analog kann man die Entwicklung der Umsätze in den Bereichen Rail und Ancillary nachzeichnen. Da Eurotunnel annimmt, dass die realen Preise konstant bleiben, ist das Realwachstum allein durch Mengenwachstum bedingt. Bei der Umsatzplanung wird unterstellt, dass die vertraglich vereinbarte Option auf Eröffnung einer zweiten festen Verbindung nicht ausgeübt wird. 14 15
Mit durchschnittlich 2,55 Personen besetzt. Durchschnittlich 11,7 t Fracht pro LKW.
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20.5.2 Weitere Planungsannahmen Die operativen Aufwendungen betragen in der Detailplanungsphase 1993 bis 2003 durchschnittlich 18,7 % der Umsätze. Im weiteren Verlauf steigt dieser Anteil auf etwa 20 %. Diese Aufwendungen werden in einen variablen und einen fixen Bestandteil zerlegt. Die Fixkosten steigen ab 2003 i.H.d. Inflationsrate. Die variablen Kosten in Prozent des Umsatzes steigen über die Konzessionslaufzeit von ca. 7,5 % auf etwa 11 %. Die Abschreibungen auf die Investitionen bis zur Eröffnung und alle nachfolgenden Investitionen steigen kontinuierlich bis zum Ende der Konzessionslaufzeit. Man kann annehmen, dass das Anlagevermögen zum Zeitpunkt der Verstaatlichung vollständig abgeschrieben ist. Die vor Eröffnung aufgelaufenen Auszahlungen für z.B. Personal oder Zinsen sorgen für den Aufbau eines steuerlichen Verlustvortrags, der in den ersten Betriebsjahren abgebaut wird. Laut Emissionsprospekt wird ein Unternehmensteuersatz von 39 % unterstellt. Dieser Satz ist plausibel, da alle Erträge und Aufwendungen zu gleichen Teilen zwischen der britischen und der französischen Zwillingsgesellschaft aufgeteilt werden. Damit erfolgt die Besteuerung je zur Hälfte unter Anwendung des britischen Unternehmensteuersatzes (35 %) und des französischen Steuersatzes auf einbehaltene Gewinne (39 %). Die verbleibende Differenz zu den o. g. 39 % ist durch andere Steuerarten bedingt. Der Unterschied in der Angabe zwischen der Besteuerung des Gewinns (taxation) und der tatsächlich zu zahlenden Steuern (tax paid) erklärt sich aus den Modifikationen der Steuerschuld bei Ausschüttungen. Gemäß den britischen Vorschriften zum Zeitpunkt des Börsengangs hat Eurotunnel eine Advance Corporation Tax (ACT)-Zahlung in Höhe von 25 % der ausbezahlten Dividende zu leisten, gemäß den französischen müssen auf Ausschüttungen 42 % Körperschaftsteuer gezahlt werden. Der Anteilseigner kommt aufgrund der ACT-Zahlung von Eurotunnel nach britischem Steuerrecht in den Genuss einer Steuergutschrift in Höhe von einem Drittel der ausbezahlten Dividende. Nach französischem Recht beträgt diese 50 % der Ausschüttung. Dies ergibt einen Faktor von 1 + (0,33 + 0,5)/2 = 1,415, der unten auch im Rahmen der Sensitivitätsanalyse zur Berechnung der Dividenden bzw. Renditen inklusive Steuergutschrift zum Einsatz kommt. Der ab 2013 ausgewiesene negative Zinsaufwand verdeutlicht zusammen mit den offensichtlich die residualen Dividenden unterschreitenden Dividendenzahlungen (bzw. der Erhöhung der Liquid Funds), dass Eurotunnel Finanzanlagen aufbaut, die gegen Ende der Laufzeit ein beträchtliches Volumen angenommen haben werden. Ein Grund für dieses Vorgehen ist eine entsprechende Vorgabe der Gläubiger. Der risikolose Zinssatz wird auf 8,5 % gesetzt. Der Finanzplan macht weiter deutlich, dass eine Refinanzierung des Konsortialkredits und eine Ausübung der ausgegebenen Warrants eingeplant sind. Tab. 20-13: Plan-GuV Mio. £ Shuttle Rail Ancillary Turnover Operating costs Fixed expenses Variable expenses Depreciation Operating profit Interest, net Profit before taxation Taxes Profit after taxation Transfer to reserves Profit for the year available fDividends di ib payable i Number of units (shares) Per unit
1993 251 194 43 488 86 53 33 103 299 229 70 7 63 1 62
1994 384 314 64 762 145 88 57 158 459 351 108 18 90 2 88 149 383 0,39
1995 423 341 71 835 155 92 63 159 521 322 199 38 161 3 158 169 390 0,44
1996 463 368 77 908 168 99 69 160 580 307 273 53 220 3 217 217 390 0,56
1997 505 396 85 986 183 107 76 162 641 291 350 69 281 4 277 277 390 0,71
1998 551 430 91 1.072 206 117 89 167 699 277 422 88 334 6 328 328 390 0,85
1999 599 459 100 1.158 216 126 90 169 773 265 508 198 310 7 303 303 390 0,78
2000 652 493 109 1.254 235 137 98 171 848 234 614 240 374 9 365 365 390 0,94
2001 709 530 117 1.356 255 148 107 173 928 212 716 279 437 5 432 432 390 1,11
2002 770 569 127 1.466 277 161 116 176 1.013 190 823 321 502 0 502 502 390 1,29
2003 836 612 138 1.586 304 174 130 184 1.098 171 927 361 566 0 566 566 390 1,46
2013 1.763 1.191 282 3.236 631 314 317 234 2.371 -39 2.410 934 1.476 0 1.476 1.476 390 3,80
2023 3.527 2.105 552 6.184 1.207 562 645 271 4.706 -173 4.879 1.893 2.986 0 2.986 2.986 390 7,70
2033 6.682 3.641 1.033 11.356 2.246 1.006 1.240 328 8.782 -370 9.152 3.547 5.605 0 5.605 5.605 390 14,44
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 492
2041 10.650 5.526 1.648 17.824 3.604 1.604 2.000 383 13.837 -616 14.453 5.573 8.880 0 8.880 8.880 390 22,88
20 Bewertung von Infrastrukturprojekten am Beispiel des Eurotunnels
493
Tab. 20-14: Finanzplan Mio. £ Source of funds Profit before taxation Depreciation Issue of long-term debt Issue of share capital Application of funds Purchase of fixed assets Repayment of long-term debt Dividends paid Tax paid
1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2013 2023 2033 70 103 321 49 4
199 159 776 52 25 318 1.159
262
37
26 2 Movement in working capital
-3
Movement in net liquid funds 229
108 158
422 167 452
273 160 352
350 162 361
508 169
614 171
716 173
823 176
7 85
873 1.041 677
78 5
88 9
999 1.111 2.644 5.150 9.480 14.836
15 52
799 181 84 1.064
493 173 103 7 69
39 478 561 229 290 128 158 835 1.048
102 308 192 60 2
111 377 251 73 9
9 108 122 133 442 513 290 331 863 1.085
-7
-11
-11
-10
-12
-7
-14
-10
-12
-20
-24
-40
-49
-50
259
84
5
28
-19
66
169
140
124
6
-10
-712
-142
704
111 318 175 604
927 184
2041
2.410 4.879 9.152 14.453 234 271 328 383
227 97 1.387 919 2.630
1.042 55 2.857 1.868 5.822
650 55 55 5.340 8.453 3.528 5.574 9.573 14.082
20.5.3 Vorteilhaftigkeitsprüfung und Sensitivitätsanalysen Zur Prüfung der Stabilität zentraler Ergebnisse werden Sensitivitätsanalysen durchgeführt. Tab. 20-15 zeigt, wie der Barwert der Dividenden berechnet zum Jahresende 1995 – in diesem Jahr soll die erste Dividende gezahlt werden –, der interne Zinsfuß des Projektes bei einem Emissionspreis von 3,5 £ je Unit, die Dividende und die Dividendenrendite in Prozent dieses Kurses zu bestimmten Stichtagen auf Änderungen des Umsatzes, der Betriebskosten, der Investitionsauszahlungen (Konstruktionskosten) und des Eröffnungstermins reagieren. Die Net Dividend entspricht dabei der Dividende ohne Steuergutschrift. Die Gross Dividends bzw. die Gross Dividend Yields sind inklusive Steuergutschrift definiert. Die ausgewiesenen internen Zinsfüße (Gross dividend yield over life of project) erwecken einen robusten Eindruck. Die Dividendenrendite, definiert als Dividende ausgewählter Jahre bezogen auf den Emissionspreis 3,5 £ (die sog. Gross dividend yield per Unit at the UK offer price) ist eigenwillig definiert, da die Inflation die Vergleichbarkeit der z.T. mehrere Jahrzehnte auseinander liegenden Renditebestandteile erheblich beeinträchtigt. Zudem zeigt Tab. 20-16, wie die Umsätze auf Änderungen der makroökonomischen Parameter wie die Wachstumsrate des britischen Bruttosozialprodukts und die Konsumausgaben reagieren. Tab. 20-15: Sensitivitätsanalyse gemäß Börsengang-Prospekt I 1994
1998
2003
2013
2023
2033
Net dividend per Unit - £ (Gross dividend yield per Unit at the UK Offer price - %) Sensitivities
Eurotunnel’s projections:
Increased revenue
assuming an increase in revenues of 10 per cent. and in operating costs of 5 per cent. assuming a decrease in revenues of 10 per cent. and in operating costs of 5 per cent. assuming construction costs increased by 10 per cent.
Reduced revenue Increased construction costs Delay
assuming a delay in commencement of operations of six months and an increase of £30 million (at July 1987 prices) in corporate and other costs
Net value in 1995 of gross dividends per Unit discounted at 12 per cent. £24
Gross dividend yield over life of project 17,7%
£28
18,8%
£0,39 (16%) £0,67 (27%)
£0,85 (34%) £0,82 (33%)
£1,46 (60%) £1,67 (68%)
£3,80 (155%) £4,21 (172%)
£7,70 (315%) £8,53 (349%
£14,44 (591%) £16,13 (660%)
£0,15 (6%)
£0,67 (27%)
£1,22 (50%)
£3,32 (136%)
£6,77 (277%)
£12,75 (522%)
£20
16,6%
£0,17 (7%)
£0,76 (31%)
£1,38 (56%)
£3,74 (153%)
£7,63 (312%)
£14,37 (588%)
£23
17,3%
£0,81 (33%)
£1,42 (58%)
£3,77 (154%)
£7,67 (314%)
£14,43 (590%)
£23
17,4%
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494
Andreas Schüler Im Ausgangsfall beläuft sich der interne Zinsfuß einschließlich Steuergutschrift auf 17,7 %; der Barwert der Dividenden inkl. Gutschrift beträgt 24 £ im Jahr 1995. Diskontiert man diesen Wert mit der von Eurotunnel genannten Rendite von 12 % auf das Jahr 1987, folgt bei unterstellter Ausübung des Warrants ein Barwert von etwa 10 £ per Unit. Zwar sind die diskontierten Überschüsse noch der Einkommensteuer zu unterwerfen, der zu zahlende Emissionspreis – unabhängig von der einkommensteuerlichen Behandlung des Diskontierungssatzes – wird aber durch den Barwert der erwarteten Dividenden deutlich überschritten. Gemäß Prospekt lohnt die Zeichnung wohl. Tab. 20-16: Sensitivitätsanalyse gemäß Börsengang-Prospekt II 1985–1993 Rates of growth in UK (% per annum) Eurotunnel’s projections Lower growth Higher growth Changes in revenue projections Lower growth Higher growth
GDP
Consumer expenditure
2,15 1,50 2,50
2,05 1,50 2,30
1993–2003
2003–2013
GDP
Consumer expenditure
GDP
Consumer expenditure
2,15 1,50 2,50
2,05 1,50 2,30
2,00 1,40 2,35
1,90 1,40 2,15
1993
2003
2013
–7% +3 %
– 13 % + 5%
– 16 % + 8%
20.6 Bewertung der Eigenkapitalanteile Eine grobe Schätzung des internen Zinsfußes, dessen methodische Schwächen zurecht beklagt werden, ermöglicht noch kein abschließendes Urteil über die Vorteilhaftigkeit des Projekts aus Eigentümersicht. Erforderlich ist vielmehr eine explizite Ableitung bewertungsrelevanter Überschüsse bei Eigen- und Fremdfinanzierung, um so die konsistente Anwendung der DCF-Varianten – einschließlich der Ermittlung risikoäquivalenten Alternativrenditen – zu ermöglichen und die Sensitivitäts- bzw. Simulationsanalysen vorzubereiten. Die Umsätze können nach Sparten getrennt und unter Beachtung des kontinuierlichen Rückgangs der realen Wachstumsraten auch für die nicht explizit genannten Jahre rekonstruiert werden. Die Fixkosten wachsen jährlich in Höhe der Inflationsrate. Die variablen Kosten können auf Basis der Stichtagsinformationen für die fehlenden Jahre geschätzt werden, indem man z.B. den Anteil der variablen Kosten am Umsatz kontinuierlich bis auf etwa 11 % erhöht. Stellt man die in den Gewinn- und Verlustrechnungen berichteten Vorsteuergewinne und Unternehmensteuern der ersten Betriebsjahre gegenüber, kann man bei einem angenommenen Unternehmensteuersatz von 39 % den Verlustvortrag ermitteln (722 Mio. £). Anlagevermögen 1993 (dem Jahr der geplanten Eröffnung), Abschreibungen und Investitionsauszahlungen sollten so aufeinander abgestimmt sein, dass am Ende der Konzessionslaufzeit das abschreibbare Anlagevermögen Null beträgt. Eine mögliche Lösung könnte wie folgt aussehen: Der Bestand des Anlagevermögens in 1993 entspricht den gesamten Konstruktionskosten abzüglich Verlustvortrag; die Abschreibungen werden linear interpoliert und die Investitionsauszahlungen werden so gewählt, dass die Bedingung der Abschreibung des Anlagevermögens auf Null erfüllt wird. Für unsere Berechnung unterstellen wir, dass die Investitionsauszahlungen in den nicht aufgedeckten Prognosejahren konstant 168,2 Mio. £ betragen. Die im Prospekt genannten Veränderungen des Nettoumlaufvermögens werden zwar übernommen; für die nicht explizit ausgewiesenen Perioden unterstellen wir aufgrund ihres geringen Volumens aber, dass das Nettoumlaufvermögen konstant bleibt. Abb. 20-4 stellt die resultierenden Cashflows bei Eigenfinanzierung (FCF U) zerlegt in Umsätze und operative Auszahlungen einschließlich Investitionen in Sachanlagen und Net Working Capital dar.
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20 Bewertung von Infrastrukturprojekten am Beispiel des Eurotunnels 18.000 16.000 14.000 12.000 10.000 Millionen £
8.000 6.000 4.000 2.000 0 –2.000 –4.000 –6.000 –10.000
1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 2021 2023 2025 2027 2029 2031 2033 2035 2037 2039 2041
–8.000
+ Revenues
– (Cost + Capex + Change NWC -Taxes)
= FCF U
Abb. 20-4: Cashflows bei Eigenfinanzierung im Zeitablauf
Nicht zuletzt aufgrund der hier vorliegenden autonomen Finanzierungsstrategie bietet sich die Anwendung des APV-Ansatzes zur Bewertung dieses Infrastrukturprojekts unter Beachtung der geplanten Fremdfinanzierung an. Für den ersten Bewertungsschritt relevant sind die eben diskutierten Überschüsse bei Eigenfinanzierung. Wir nehmen eine residuale Ausschüttungspolitik an. Die geforderte Bildung von Finanzanlagen berücksichtigen wir aus Vereinfachungsgründen weder bei Eigenfinanzierung noch bei (anteiliger) Fremdfinanzierung. Von einer Berücksichtigung der Steuergutschriften sehen wir ebenfalls ab. Für die Bauphase ist zu beachten, dass bei unterstellter Eigenfinanzierung weitere Eigenkapitalaufnahmen an die Stelle der Kreditaufnahmen (verringert um den Zinsaufwand) treten müssen. Mangels Umsätzen können in diesen Jahren die Steuervorteile der Fremdfinanzierung nicht realisiert werden, sondern sind Teil des Verlustvortrags. Höhe und Zeitpunkt der Kreditziehungen in der Bauphase müssen angenommen werden. Unterstellt man einen Verschuldungszinssatz (iV) von 10 % (= Referenzzinssatz 9 % zuzüglich 100 Basispunkte) liefert der für das erste volle Betriebsjahr 1994 berichtete Zinsaufwand (351 Mio. £) einen Anhaltspunkt über die Höhe des ausstehenden Kreditvolumens zum Zeitpunkt der Eröffnung (3.510 Mio. £). Bei unterstellter Eigenfinanzierung treten (hypothetische) Eigenkapitalerhöhungen an die Stelle der Kreditaufnahmen. Wir berücksichtigen sowohl bei Eigen- als auch bei Fremdfinanzierung alle EK-Tranchen sowie die Ausübung der Warrants. Als Diskontierungssatz bei Eigenfinanzierung (k) verwenden wir hier 11,7 %. Damit ist – ausgehend vom risikofreien Zins (i) i.H.v. 8,5 % – eine Prämie für das Investitionsrisiko i.H.v. 3,2 % unterstellt. Wir wählen diesen Zins, da er mit dem im Emissionsprospekt genannten Diskontierungssatz bei anteiliger Fremdfinanzierung (k F) i.H.v. 12 % im Jahre 1995 korrespondiert.16 16
Es gilt bei einem Verschuldungszinssatz, der den risikolosen Zins übersteigt: ; vgl. Drukarczyk J./Schüler A. (2009), Kapitel 9.
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495
496
Andreas Schüler Der Unternehmenswert bei Eigenfinanzierung (V E) beträgt 1986 gemäß unseren Annahmen 1.209 Mio. £. Bezogen auf das Ende des Jahres 1987, also nach erfolgtem Börsengang, ist das Projekt bei Eigenfinanzierung dann 2.120 Mio. £ wert. Nun ist der Barwert der Unternehmensteuervorteile aus der Fremdfinanzierung (VSt) zu ermitteln. Einkommensteuern blenden wir vereinfachend aus. Den Verschuldungszinssatz haben wir auf 10 % gesetzt.17 Wir übernehmen die prognostizierten Tilgungen aus dem Finanzplan. Die Lücken in der Prognose schließen wir, indem wir z.B. die für 2003 genannte Tilgung bis zum Jahr 2012 verwenden und für die Folgejahre auf die genannte Tilgung für 2013 solange zurückgreifen, bis der Kreditbetrag vollständig zurückgeführt ist. Die periodischen Steuereffekte (WBF) können durch Gegenüberstellung der Steuern bei Eigen- und Fremdfinanzierung abgeleitet werden. So ist die Berücksichtigung der Verlustvorträge möglich. Diskontiert man die resultierenden Steuereffekte mit dem risikolosen Zins (8,5 %), folgt der Barwert der Steuereffekte in 1986 (1987): 667 (724) Mio. £. Der resultierende Unternehmensgesamtwert bei Fremdfinanzierung (V F) entspricht 1986 (1.876 Mio. £) und 1987 (2.944 Mio. £) dem Wert des Eigenkapitals (EF), da die erste Kreditziehung erst 1988 erfolgt. Auf Basis der Resultate der APV-Bewertung können nun auch WACC- und Flow-to-Equity (FTE)Ansatz angewandt werden. Der WACC ist dabei definiert mit:18 k Ft
WACCt
EFt 1 VtF 1
iV
Ft 1 VtF 1
WBtF VtF 1
k 1
VtSt1 VtF 1
iVtSt1 WBFt VtF 1
Die Ansätze haben aber lediglich bestätigenden Charakter. Dass sich die Anwendung des WACC- und FTE-Ansatzes – bei aufgeklärter Anwendung der Ertragswertmethode entspricht diese dem FTEAnsatz – für die Bewertung von Projektfinanzierungen nicht gerade aufdrängt, illustriert Abb. 20-5.
0,40 0,35
Verschuldungsquote
0,30 0,25 0,20 0,15 0,10 0,05 0 1988
1998
2008
2018
2028
2038
Abb. 20-5: Verschuldungsquote im Zeitablauf 17 18
Eine dem Kreditvertrag folgende Differenzierung der Margen nach Projektphase und Kreditlinie ist aber durchaus erhellend. Vgl. Drukarczyk J./Schüler A. (2009), Kapitel 9; vereinfachend setzen wir hier die erwartete Rendite der Gläubiger gleich dem Vertragszinssatz.
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20 Bewertung von Infrastrukturprojekten am Beispiel des Eurotunnels
497
Denn aufgrund der endlichen Projektlaufzeit steigt die Verschuldungsquote, definiert als Relation von Fremdkapital zu Unternehmensgesamtwert, in der Bauphase und sinkt dann aufgrund der Tilgungen in der Betriebsphase. Zwar sinkt auch der Barwert der Cashflows mit zunehmender Nähe des Projektendes, regelmäßig werden die Gläubiger aber wohl auf vollständige Rückzahlung deutlich vor Projektende drängen. Unsere Rekonstruktion basierend auf den Prospektdaten bestätigt die versprochene Vorteilhaftigkeit der Zeichnung der 220 Mio. Aktien zu je 3,5 £ im November 1987, da der Wert des Eigenkapitals pro Aktie Ende 1987 7,5 £ beträgt. Tab. 20-17: DCF-Bewertung Eurotunnel Mio. £ CF bei Eigenfinanz.
1986 -252
1995 441
1996 503
1997 543
VE
1.209 2.120 2.668 3.350 4.372 5.544 7.063 7.754 8.155 8.668
9.179
9.710 10.304 10.876
Steuereffekt p.a. VSt
667
1987 -770 0 724
1988 -300 0 785
1989 -370 0 852
1990 -630 0 925
1991 -660
1992 -870
1993 135
1994 507
0 0 0 14 203 1.003 1.088 1.181 1.267 1.172
226 1.045
221 913
1998 542
1999 634
126 865
122 816
VF
1.876 2.844 3.454 4.202 5.297 6.547 8.151 8.935 9.422 9.840 10.225 10.623 11.168 11.692
F EF (APV) F/EF
0 0 300 700 1.400 2.200 3.189 3.510 3.510 3.487 3.346 3.229 3.120 3.009 1.876 2.844 3.154 3.502 3.897 4.347 4.962 5.425 5.912 6.353 6.879 7.394 8.048 8.683 0,0% 0,0% 9,5% 20,0% 35,9% 50,6% 64,3% 64,7% 59,4% 54,9% 48,6% 43,7% 38,8% 34,7%
CF bei Fremdfinanz. -252 -770 0 0 0 0 -101 137 170 270 239 313 236 332 kF 10,6% 10,9% 11,1% 11,3% 11,6% 11,8% 12,1% 12,1% 12,0% 12,0% 12,0% 12,0% 12,0% EF (Equity) WACC VF (WACC)
1.876 2.844 3.154 3.502 3.897 4.347 4.962 5.425 5.912 6.353 6.879 7.394 8.048 8.683 10,6% 10,9% 11,0% 11,1% 11,1% 11,2% 11,3% 11,1% 9,1% 9,0% 9,2% 10,2% 10,4% 1.876 2.844 3.454 4.202 5.297 6.547 8.151 8.935 9.422 9.840 10.225 10.623 11.168 11.692
Tab. 20-18: DCF-Bewertung Eurotunnel (Forts.) Mio. £ CF bei Eigenfinanz. VE
2000
2001
2002
2003
2033
2041
674
729
773
726
4.986
8.605 3.826
11.474
12.087
12.729
13.492
36.394
Steuereffekt p. a.
117
113
109
104
0
0
VSt
768
720
673
626
0
0
VF
12.243
12.808
13.401
14.118
36.394
3.826
F
2.907
2.796
2.674
2.541
0
0
EF (APV)
9.336
10.012
10.727
11.577
36.394
3.826
F/EF
31,1 %
27,9 %
24,9 %
21,9 %
0,0 %
0,0 %
CF bei Fremdfinanz.
389
441
480
430
4.986
8.605
kF
12,0 %
12,0 %
11,9 %
11,9 %
11,7 %
11,7 %
EF (Equity)
9.336
10.012
10.727
11.577
36.394
3.826
WACC
10,5 %
10,6 %
10,7 %
10,8 %
11,7 %
11,7 %
V F (WACC)
12.243
12.808
13.401
14.118
36.394
3.826
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498
Andreas Schüler
20.7 Zur Analyse der Gläubigeransprüche Die Werthaltigkeit der Gläubigeransprüche hängt an den Cashflows des Projekts. Im Kreditvertrag sind eine Reihe von Covenants vereinbart; Tab. 20-19 enthält einige davon. Tab. 20-19: Covenants für Eurotunnel Covenant
Definition lt. Kreditvertrag
Sanktionen lt. Kreditvertrag
Bank Debt Cover Ratio
This is the present value of forecasted net cash flow (after deducting inter alia, payments to refinancing creditors and, once the letters of credit in its favour have been released, the European Investment Bank) to 15th November, 2005 or (for certain purposes) to the current estimated maturity date of the facilities, and certain cash balances and a proportion of the interest reserve mentioned above, divided by the expected maximum amount of debt due to the banks lending under the Credit Agreement, all calculated as at a particular date.
Eurotunnel will not be entitled to make drawings under the facilities if, at the relevant time, the bank debt cover ratio is below 1.2, or to refinance borrowings under the facilities if the ratio is less than 1.3, or to pay dividends if the ratio is less than 1.25. If the ratio remains below 1.0 for 90 days or more this will be an event of default.
Total Debt Cover Ratio (TDC)
This is the present value of forecasted net cash flow to 31st December, 2020 and certain cash balances and the interest reserve divided by the aggregated expected maximum amount of debt due to the banks, refinancing creditors and (once the letters of credit in its favour have been released) the European Investment Bank, all calculated as at a particular date.
Eurotunnel will not be entitled to make drawings under the facilities if, at the relevant time, the total debt cover ratio is below 1.9, or to refinance borrowings under the facilities if the ratio is less than 1.95. If the ratio remains below 1.3 for 90 days or more this will be an event of default.
Debt Service Cover Ratio (DSC)
This is the ratio of forecasted net cash flow during any annual period to the estimated interest and principal repayments on both the credit facilities and refinancing debt during the same year.
A ratio of at least 1.1 must be satisfied to permit refinancing to take place.
Die Bank Debt Cover Ratio unterscheidet sich von der Total Debt Cover Ratio insbesondere dadurch, dass ausschließlich die Ansprüche der kreditgebenden Banken ohne die Europäische Investitionsbank und die refinanzierenden Banken eingeschlossen werden. In der Folge werden auch andere Fristigkeiten und andere kritischen Schwellen vereinbart. Wir wollen uns auf die Total Debt Cover Ratio beschränken, da sie umfassender definiert ist. Formal läßt sich diese – unter Ausblendung der nicht aufgedeckten „Cash balances“ und „Interest reserves“ – und die Debt Service Cover Ratio schreiben mit: 2020
FFOt Capex t 1 i V Total Debt Cover Ratiot =
t 1988
t 1988
Debt Service Cover Ratiot =
Debt t
FFOt Capext Interestt + Repayment t
In Anlehnung an die entsprechende Definition gem. Moody’s wird unterstellt, dass der Barwert der Cashflows mit dem Verschuldungszinssatz vor Steuern berechnet wird. Gemäß unserer DCF-Rekonstruktion des Projekts erhalten wir den in Abb. 20-6 dargestellten Kennzahlenverlauf beginnend
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20 Bewertung von Infrastrukturprojekten am Beispiel des Eurotunnels mit dem gem. Planung ersten vollen Betriebsjahr (1994). Es überrascht nicht, dass die o.g. kritischen Werte im Basisfall nicht unterschritten werden. Ordnet man die anfänglichen Ausprägungen in die risikoklassenspezifischen Werte gem. Tab. 20-5 ein, scheint ein anfängliches Rating im Bereich BB bis BBB plausibel. Beinahe erstaunlich ist, dass die im Kreditvertrag festgeschriebenen kritischen Werte 1,1 (DSC) bzw. 1,3 (TDC) empirisch für mit lediglich „B“ geratete Projektfinanzierungen gelten.
7
6
5
4
3
2
1
0 1994
1996
1998
2000
2002
2004
2006
Debt Service Cover Ratio
Total Debt Cover Ratio
Kritischer Wert DSC
Kritischer Wert TDC
2008
2010
Abb. 20-6: Covenants Eurotunnel
Man kann nun die Robustheit des Finanzplans z.B. durch Sensitivitätsanalysen testen, wie es Eurotunnel getan hat (vgl. Tab. 20-15 und Tab. 20-16). Möglich sind auch Monte-Carlo-Simulationen. Man könnte z.B. annehmen, dass die Inflationsrate und die realen Wachstumsraten für die drei Geschäftsbereiche normalverteilt sind; hilfsweise verwenden wir die Durchschnitte und Standardabweichungen unseres Basisfalls als Normalverteilungsparameter. Wir nehmen auch an, dass die Wachstumsraten des Shuttle- und Rail-Umsatzes positiv korreliert sind mit ρ = 0,8. Unterstellt man zudem, dass der variable Kostensatz in % der Umsätze dreiecksverteilt ist mit dem für 1994, dem ersten vollen Betriebsjahr, geplanten Kostensatz als wahrscheinlichstem Wert, resultiert – beispielhaft – die nachstehend abgebildete Verteilung des Cashflows bei Fremdfinanzierung für das Jahr 1996. Die Wahrscheinlichkeit eines negativen Cashflows und damit die Wahrscheinlichkeit, dass vertragliche Zins- und Tilgungsverpflichtungen nicht erfüllt werden können, beträgt dabei immerhin 13 %. Informativ ist auch die Simulation der Covenants Debt Service Cover Ratio (kritischer Wert 1,1) oder Total Debt Cover Ratio (kritischer Wert 1,3). Die Wahrscheinlichkeit für ein Unterschreiten der Mindestwerte mindestens in einem beliebigen Planjahr beträgt unter den genannten Annahmen etwa 33 % für die Debt Service Cover Ratio und über 40 % bei der Total Debt Cover Ratio. Diese Simulationen verdeutlichen die Anfälligkeit des Finanzierungskonzeptes.
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499
500
Andreas Schüler CF Fremdfinanzierung 96 2500
Häufigkeit
2000 1500 1000 500 0 –132,7
–36,9
58,9
154,7
250,5
Abb. 20-7: Cashflow-Verteilung
20.8 Folgerungen Zentrales Element der Bewertung von Infrastrukturprojekten ist die Planung und Plausibilisierung der operativen Cashflows nach Investitionsauszahlungen, also der Cashflows bei Eigenfinanzierung. Denn diese determinieren die Vorteilhaftigkeit und die Verschuldungskapazität des Projekts. Aufgrund des Mangels an anderen Sicherheiten einschließlich des begrenzten oder ausgeschlossenen Rückgriffs auf Assets außerhalb der Projektgesellschaft kommt cashflow-bezogenen Kennzahlen aus Sicht der Fremdkapitalgeber eine zentrale Signalfunktion zu. Wir haben gezeigt, wie diese Kennziffern definiert sind und welche kritischen Werte für bestimmte Risikoklassen unterstellt werden, und haben einige Überlegungen zur Plausibilitätsprüfung angestellt. Darauf aufbauend haben wir zwei anfänglich für das Eurotunnelprojekt vereinbarte Covenants etwas genauer betrachtet. Deutlich wurde dabei, dass die zunächst vereinbarten kritischen Werte im Vergleich zu den Moody’s-Daten als nicht besonders streng scheinen. Hilfreich für die Analyse der Kennzahlen und der Cashflow-Verteilung sind MonteCarlo-Simulationen. Unsere Simulationsrechnung zeigt viel deutlicher als die im Emissionsprospekt enthaltene Sensitivitätsanalyse, dass das finanzielle Fundament von Beginn an feine Risse aufweist. Dass die Cashflow-Analyse bei Projektstart für die Kapitalgeber von herausragender Bedeutung für Infrastrukturprojekte ist, macht auch folgende Überlegung klar: Während der regelmäßig mehrjährigen Bauphase fallen Investitionsauszahlungen an, denen noch keine Einzahlungen gegenüberstehen. Stellt sich nach Inbetriebnahme heraus, dass die geplanten operativen Cashflows nicht erzielt werden können, ist die Liquidationsoption bereits nicht mehr werthaltig, da die getätigten Investitionen für die Entscheidung zwischen Projektabbruch und -fortführung irrelevant sind – sie haben den Charakter von Sunk Costs – und der Liquidationswert häufig den Fortführungswert, den Barwert der operativen Cashflows nach Investitionszahlungen, unterschreitet.19 Die Bewertung der Eigenkapitalanteile (nicht nur) von Infrastrukturprojekten haben wir am Beispiel des Eurotunnels auf Basis des APV-Ansatzes durchgeführt. Für diesen Ansatz spricht dabei, dass er die operative Leistungsfähigkeit unabhängig von den Einflüssen der Finanzierungspolitik darstellt. Eine Anwendung z.B. des WACC-Standardansatzes wird darüberhinaus behindert durch nicht konstante Verschuldungsquoten und die Relevanz von Verlustvorträgen in den Anfangsjahren. 19
Genau dieses Problem ist im weiteren Verlauf des Eurotunnelprojekts aufgetreten; vgl. dazu und zum jüngsten Versuch der Restrukturierung dieses Projekts die Kapitel 15 und 16 in Drukarczyk/Schüler (2008), Akquisitionen, Börsengänge und Restrukturierungen.
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20 Bewertung von Infrastrukturprojekten am Beispiel des Eurotunnels
20.9 Literatur Backhaus, K./Köhl, T. (2001): Projektfinanzierung. In: Handwörterbuch des Bank- und Finanzwesens, hrsg. v. Gerke, W./Steiner, M., 3. A., Stuttgart, Sp. 1715–1735. Drukarczyk, J./Schüler, A. (2009): Unternehmensbewertung, 6. A., München. Drukarczyk, J./Schüler, A. (2008): Akquisitionen, Börsengänge & Restrukturierungen, München. Esty, B. (2003): The Economic Motivations for Using Project Finance, Working Paper Harvard Business School. Eurotunnel (1987): Offer for Sale Prospectus. Gatti, S. (2008): Project Finance in Theory and Practice – Designing, Structuring, and Financing Private and Public Projects, Amsterdam u.a. Her Majesty’s Stationery Office (1986a): Treaty between the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland and the French Republic concerning the Construction and Operation by Private Concessionaires of a Channel Fixed Link with Exchange of Notes, Cmnd. 9745, London. Her Majesty’s Stationery Office (1986b): The Secretary of State for Transport/Le Ministre de l’Urbanisme, du Logement et des Transports/The Channel Tunnel Group Limited/France-Manche SA: Concession Agreement; Cmnd. 9769, London. Inselbag, I./Kaufold, H. (1997): Two DCF Approaches for Valuing Companies under Alternative Financing Strategies. In: Journal of Applied Corporate Finance, Vol. 10, S. 114–122. Luehrmann, T. A. (1997): Using APV – A better tool for valuing operations. In: Harvard Business Review, Vol. 75, S. 145–154. Moody’s (2006): Rating Methodology – Operational Toll Roads, December 2006. Nevitt, P. K./Fabozzi, F. J. (2000), Project Financing, 7th ed. Sorge, M./Gadanecz, B. (2004): The term structure of credit spreads in project finance, BIS Working Papers No. 159. Standard & Poor’s (2007): 2008 Global Project Finance Yearbook, October 2007. Wilson, N. (1990): Big, black hole. In: The Banker, Vol. 140, S. 44–46. Yescombe, E. R. (2002): Principles of Project Finance, Amsterdam u.a.
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21 Bewertung von Immobilien von Karl-Werner Schulte und Gerrit Leopoldsberger* 21.1 Charakterisierung der Immobilienbranche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.1.1 Marktvolumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.1.2 Markteigenschaften und Trends . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.1.3 Marktteilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.2 Grundlagen der Immobilienbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.2.1 Bewertungszweck und Wertbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.2.2 Bewertungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.2.3 Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.3 Marktdaten als Bewertungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.4 Bewertungsbeispiel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.5 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
503 503 504 505 506 506 507 516 519 520 521
21.1 Charakterisierung der Immobilienbranche 21.1.1 Marktvolumen Gemäß dem im Jahr 2005 vorgestellten Gutachtens zur volkswirtschaftlichen Bedeutung der Immobilienwirtschaft des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung e.V. belief sich das zu Wiederbeschaffungspreisen bewertete Nettoanlagevermögen in Deutschland Anfang 2003 auf 6.526 Mrd. Euro. Auf das Nettobauvermögen entfielen hiervon 5.533 Mrd. Euro, also rund 85 %. Betrachtet man das so genannte „erweiterte Nettoanlagevermögen“, welches auch die Werte der bebauten Grundstücke als „nichtproduzierte Vermögensgüter“ einbezieht, so vergrößert sich das Immobilienvermögen um 1.684 Mrd. Euro auf 7.217 Mrd. Euro und repräsentiert nun rund 88 % des erweiterten Nettoanlagevermögens. Bedenkt man die Größenordnung dieser Zahlen, wird schnell klar, dass die volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienbranche weitgehend unterschätzt wird. Neben dem Nettobauvermögen als Bestandsgröße ist auch die Bruttowertschöpfung als Stromgröße relevant. Die Bruttowertschöpfung der Immobilienbranche kann aus der Dienstleistungsstatistik des Statistischen Bundesamtes abgeleitet werden. Die relevanten Kategorien sind hierbei „Grundstücksund Wohnungswesen“ sowie „Baugewerbe“. Die Bruttowertschöpfung des Wirtschaftszweigs Grundstücks- und Wohnungswesen, in dem sämtliche von Unternehmen mit einschlägigem Schwerpunkt über den Markt abgewickelte immobilienbezogene Leistungen wie Käufe und Verkäufe, Vermietung und Verpachtung, Vermittlung und Verwaltung erfasst werden, erreichte 2002 in jeweiligen Preisen rund 249 Mrd. Euro; das Baugewerbe brachte es auf etwa 89 Mrd. Euro. Der Anteil des Grundstücksund Wohnungswesens an der gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung von 1.960 Mrd. Euro lag 2002 bei etwa 12,7 %, der des Baugewerbes bei rund 4,5 %. Summiert man die beiden Kategorien, so erreicht die dadurch erzielte Bruttowertschöpfung der Immobilienbranche mit über 17 % der gesamten Bruttowertschöpfung ein beachtlich hohes Gewicht (vgl. ifo Institut für Wirtschaftsforschung). *
Prof. Dr. Karl-Werner Schulte, Universität Regensburg, und Prof. Dr. Gerrit Leopoldsberger, Hochschule für Wirtschaft und Umwelt, Nürtingen-Geislingen.
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Karl-Werner Schulte und Gerrit Leopoldsberger Tab. 21-1: Erweitertes Nettoanlagen- bzw. Immobilienvermögen 2003 Jahresanfangswerte in Mrd. Euro nach VGR Bauten / Immobilien Ausrüstungen und sonstige Anlagen insgesamt
Anteil
5.533
84,8
993
15,2
6.526
100,0
+ Wert der bebauten Grundstücke 1.684
1.684
gesamt
Anteil
7.217
87,9
993
12,1
8.210
100,0
Quelle: Berechnungen und Schätzungen des ifo Instituts auf der Grundlage von Daten des Statistischen Bundesamtes (VGR) 2004
21.1.2 Markteigenschaften und Trends Der Immobilienmarkt weist eine Reihe von Besonderheiten auf, die ihn von anderen Märkten unterscheiden. Als erstes ist hier seine Gliederung in räumliche Teilmärkte zu nennen, die sich auf verschiedenen Aggregationsebenen manifestiert. Das bedeutet, dass Regionen, Städte, aber auch einzelne Stadtteile durch unterschiedliche immobilienbezogene Angebots- und Nachfrageparameter bestimmt werden und daher unterschiedlich strukturierte Immobilienteilmärkte ausbilden. Die räumlichen Teilmärkte können zusätzlich in sachliche Teilmärkte gegliedert werden. Dies ist darauf zurückzuführen, dass eine bestimmte Nutzungsart meist an einen bestimmten Immobilientyp gebunden ist. Unterschieden wird hierbei zwischen Wohnimmobilien, Gewerbeimmobilien (z.B. Büro- und Handelsimmobilien), Industrieimmobilien sowie Sonderimmobilien (z.B. Hotels). Anders als beispielsweise in Frankreich oder Großbritannien verfügt der deutsche Immobilienmarkt über eine polyzentrische Struktur anstelle einer dominanten Metropole, in welcher sich das Marktgeschehen konzentriert. Auch die größeren regionalen Märkte weisen dadurch jeweils eine relativ geringe Bedeutung für den deutschen Anlagemarkt auf. Nicht zuletzt wegen der polyzentrischen Struktur ist die hiesige Immobilienbranche entsprechend fragmentiert, tätig sind zum großen Teil regionale Unternehmen mit mittelständischer Prägung. Speziell in den Bereichen Asset Management oder Projektentwicklung gibt es nur wenige unabhängige Marktteilnehmer von nationalem Format. Die Immobilienteilmärkte weisen eine Reihe von Gemeinsamkeiten auf. Zunächst ist hier die geringe Markttransparenz auf dem deutschen Immobilienmärkten anzuführen. Gemäß dem von Jones Lang LaSalle ermittelten Real Estate Transparency Index 2008 liegt Deutschland nur auf Platz 14 von 81 untersuchten Staaten und damit deutlich hinter den europäischen Wettbewerbern Großbritannien (5), Niederlande (6) und Frankreich (7) (Vgl. Jones Lang LaSalle, S. 2). Dies liegt hauptsächlich darin begründet, dass ein großer Teil der Immobilientransaktionen privat, also von der Öffentlichkeit unbemerkt, abgewickelt werden. Selbst wenn einzelne Details bekannt werden, ist aufgrund der generellen Heterogenität von Immobilien noch keine unmittelbare Vergleichbarkeit der gezahlten Preise gewährleistet. Darüber hinaus funktioniert der Preismechanismus anders als auf effizienten Märkten. Während beispielsweise auf dem Aktienmarkt gleichzeitig eine große Anzahl von Anbietern auf eine große Zahl von Nachfragern stößt, vollzieht sich auf dem Immobilienmarkt meist ein sequenzieller Bietungsprozess, bei dem der resultierende Preis nur selten dem Wert entspricht. Ein weiterer Grund für die geringe Markttransparenz ist die bereits angesprochene Gliederung in räumliche und sachliche Teilmärkte. Schließlich gibt es auch eine Reihe von gesetzlichen Vorgaben (z.B. Bundesdatenschutzgesetz), die die Veröffentlichung von Vertragsmieten, Kaufpreisen und sonstigen Konditionen – wie sie im Ausland üblich sind – erschweren. Es gibt jedoch einige Unternehmen wie die IPD Investment Property Databank GmbH und die BulwienGesa AG, deren Ziel die Verbesserung der Transparenz auf dem Immobilienmarkt ist und die daher hilfsweise Informationen in aggregierter Form zur Verfügung stellen. Wie bei anderen Branchen besteht seitens der Immobilienbranche eine Abhängigkeit von volkswirtschaftlichen Entwicklungen. So hängt die lokale Nachfrage nach Wohnflächen in erster Linie von
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21 Bewertung von Immobilien Anzahl und Einkommen der Haushalte ab, die lokale Nachfrage nach Büroflächen von der Anzahl der im Dienstleistungssektor beschäftigten Arbeitnehmer. Die Nachfrage nach Handelsflächen wird hauptsächlich vom Einkommen der Haushalte bestimmt, die Nachfrage nach Industrieflächen von der Produktion. Die letztgenannten Parameter wiederum werden durch die konjunkturelle Entwicklung bestimmt. Der Immobilienmarkt weist eine geringe Anpassungselastizität an Marktveränderungen auf, denn durch die Dauer des Entwicklungsprozesses kann die Angebotsmenge zumindest kurzfristig als fix betrachtet werden. Dies verursacht eine ausgeprägte Zyklizität. Wird ausgehend von einem Marktgleichgewicht die Nachfrage nach z.B. Büroflächen durch einen exogenen Schock erhöht, so steigen aufgrund der kurzfristig fixen Angebotsmenge zunächst die Mietpreise. Dies erhöht die Rendite der Gebäudeeigentümer und steigert die Attraktivität eines entsprechenden Immobilieninvestments für Dritte. Die dadurch induzierte höhere Nachfrage nach Immobilieneigentum steigert die Kaufpreise, was wiederum die Projektentwickler auf den Plan ruft. Erst jetzt wird die Angebotsmenge ausgedehnt, allerdings mit erheblicher Zeitverzögerung. Falls die Flächennachfrage nicht weiter gestiegen oder gar gesunken ist, sinken aufgrund der ausgedehnten Angebotsmenge zunächst die Miet- und dann die Kaufpreise. Die Projektentwickler schränken daraufhin ihre Tätigkeit ein, und der Zyklus beginnt von neuem (vgl. Bone-Winkel/Schulte/Focke, S. 21–23). Im Vergleich zu ausländischen Märkten wies der deutsche Immobilienmarkt in den letzten Jahrzehnten eine relativ hohe Beständigkeit hinsichtlich der Miet- und Wertentwicklung auf. Die Marktmieten und Anfangsrenditen als wesentliche wertbeeinflussende Parameter unterlagen historisch nur relativ geringen Schwankungen. Allerdings hat sich die Volatilität in den letzten Jahren tendenziell verstärkt. Wie die übrigen Immobilienmärkte auch stecken die deutschen Büromärkte 2009 in einer Krise. Im 1. Quartal sind die Immobilientransaktionen gegenüber dem 1. Quartal des Vorjahrs um rund 80 % eingebrochen. Dies ist insofern bemerkenswert, da bereits 2008 gegenüber 2007 die Büromarkttransaktionen von 31,4 Mrd. € auf 7,0 Mrd. € zurückgegangen waren. Während die Maklergesellschaften bereits jetzt den Zeitpunkt für weitere Investitionen für günstig erachten, halten sich Investoren, bedingt durch die Finanzierungsrestriktionen, noch zurück. Erst bei einem absehbaren Ende der aktuellen Wirtschaftskrise wird mit einem Ansteigen der Markttransaktionen gerechnet. Die boomenden Märkte der Jahre 2006 bzw. 2007 werden vermutlich jedoch auf längere Zeit nicht wieder erreicht. (Vgl. Thomas Daily, 15.4.2009)
21.1.3 Marktteilnehmer Es lassen sich folgende Teilnehmer auf dem Immobilienmarkt identifizieren: • Immobilien-Projektentwickler • Immobilieninvestoren • Bauunternehmen • Immobilienfinanzierer • Immobiliendienstleister • Immobiliennutzer Immobilien-Projektentwickler konzipieren und verwirklichen Neubauprojekte und widmen sich in zunehmendem Maße auch der Revitalisierung von Bestandsobjekten. Es kann unterschieden werden zwischen Trader-Developern und Investor-Developern, die auf eigenes Risiko Projekte für den Verkauf bzw. für den eigenen Bestand entwickeln, sowie Service-Developern, die als Dienstleister für Dritte agieren. Ein großer Teil der Projektentwickler in Deutschland ist mittelständisch organisiert. Als Immobilien-Investoren betätigen sich Privatanleger, institutionelle Anleger, „Non-PropertyCompanies“, Wohnungsunternehmen, Kirchen und Stiftungen sowie der Staat. Der BulwienGesa AG zufolge waren von den 9.699 Mrd. Euro des Privatvermögens deutscher Haushalte in 2007 rund 975 Mrd. Euro (10 %) in Gebrauchsvermögen investiert, 4.564 Mrd. Euro (47 %) in Geldvermögen und 4.160 Mrd. Euro (43 %) in Immobilienvermögen.
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Karl-Werner Schulte und Gerrit Leopoldsberger Als institutionelle Investoren treten Kapitalanlagegesellschaften, Fondsinitiatoren, Immobilienaktiengesellschaften, Versicherungen und Pensionskassen, Immobilienleasinggesellschaften sowie ausländische Investoren und Opportunity Funds auf. Offene Immobilien-Publikumsfonds verfügen Ende 2008 über ein Anlagevolumen von rund 84,3 Mrd. Euro,. Offene Spezialfonds haben ein Volumen von insgesamt rund 14 Mrd. Euro (Quelle: Deutsche Bundesbank, ZEW-Berechnungen; vgl. Becker et al., S. 110, 113). Die Geschlossenen Immobilienfonds verfügten 2003 über ein Gesamtinvestitionsvolumen von 159,6 Mrd. Euro in Immobilien, davon 127,2 Mrd. Euro in deutschen Objekten (vgl. Loipfinger, S. 12). Die im DIMAX Aktienindex für deutsche Immobilienaktiengesellschaften vom Bankhauses Ellwanger & Geiger erfassten Unternehmen wiesen Ende 1. Quartal 2009 eine Marktkapitalisierung von 6.612 Mio. Euro auf (vgl. Ellwanger & Geiger). Non-Property Companies sind Unternehmen, deren Kerngeschäft außerhalb der Immobilienwirtschaft angesiedelt ist. Viele von diesen Unternehmen verfügen dennoch über einen erheblichen Immobilienbestand. So wiesen in 2002 alleine die 30 im Deutschen Aktienindex DAX gelisteten Firmen in ihren Konzernbilanzen Immobilien mit einem Buchwert von 113,4 Mrd. EUR aus (vgl. Bone-Winkel/Müller, S. 32). Bauunternehmen übernehmen die Produktion der Immobilien nach den Vorgaben der Eigentümer bzw. des Entwicklers und erbringen einen wesentlichen Bestandteil der immobilienwirtschaftlichen Wertschöpfung. Unterschieden werden Unternehmen des Bauhauptgewerbes (Bauindustrie und Bauhandwerk) und des Baunebengewerbes (z.B. Fertigteilproduktion und Baustoffhandel). Als Immobilienfinanzierer werden (im Gegensatz zu den Eigenkapital gebenden Immobilieninvestoren) die Fremdkapitalgeber der Immobilienbranche verstanden. Sie sind bemüht, keine direkten wirtschaftlichen Risiken zu tragen. Ihr Kerngeschäft liegt in der Kapitalbeschaffung für die Herstellungs- und Nutzungsphase von Immobilien. Da die Finanzierungsstrukturen in Deutschland sehr fremdkapitalgeprägt sind, kommt den Immobilienfinanzierern eine große Bedeutung zu. Während in den Jahren 2006 und 2007 viele internationale Immobilienfinanzier mit bis dahin eher unüblichen Finanzierungskonditionen auf den deutschen Markt drängten, ist der Markt Anfang 2009 als eher verhalten zu bezeichnen. Sofern überhaupt finanziert wird, werden wieder die traditionellen Finanzierungsformen angeboten und die Eigenkapitalanforderungen an die Investoren haben sich deutlich verschärft. Bei einer von Cushman & Wakefield durchgeführten Umfrage unter 83 europäischen Großbanken war nur jede vierte Bank bereit, Finanzierung für Neukunden durchzuführen; 59 % der Banken sind aktuell gar nicht bereit Gewerbeimmobilien zu finanzieren (vgl. Cushman & Wakefield, S. 1) Als Immobiliendienstleister betätigt sich eine Vielzahl von Marktteilnehmern. Hierzu gehören Planer (z.B. Stadtplaner, Architekten und Ingenieure), Projektsteurer, Sachverständige, Makler, Berater (z.B. Marktforscher, Juristen, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Strategieberater), Facility, Property, Portfolio und Asset Manager sowie Immobilienbetreiber (z.B. Hotel- oder Altenheimbetreiber). Der Immobiliennutzer schließlich entscheidet durch seine Nachfrage über den Wert der zur Verfügung stehenden Immobilien und sollte daher im Fokus der Aufmerksamkeit beim unternehmerischen Handeln aller Marktteilnehmer stehen. Vor dem Hintergrund der demographisch und wirtschaftlich bedingt stagnierenden bis sinkenden Nutzerzahlen wird eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Bedürfnissen der Nutzer in Zukunft immer stärker an Bedeutung gewinnen (vgl. Bone-Winkel/ Müller, S. 29–30; Schulte/Holzmann, S. 169–202).
21.2 Grundlagen der Immobilienbewertung 21.2.1 Bewertungszweck und Wertbegriffe Es gibt unterschiedliche Anlässe, die eine Immobilienbewertung erforderlich machen. Als wichtigste sind Transaktionen, Finanzierung und Rechnungslegung zu nennen. Bevor eine Immobilie oder ein Immobilienportfolio den Besitzer wechselt, müssen sich Käufer und Verkäufer eine Preisvorstellung machen. Zu diesem Zweck werden häufig Wertgutachten in Auftrag gegeben. Auch bei einer Immobilienfinanzierung ist ein Wertgutachten erforderlich, welches der Gläubiger für die Ermittlung eines
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21 Bewertung von Immobilien akzeptablen Kreditvolumens benötigt. Schließlich führt die marktwertorientierte Rechnungslegung nach IAS/IFRS zu zusätzlichen Wertgutachten. Für Deutschland – beispielsweise im Unterschied zu Großbritannien – ist jedoch festzustellen, dass zahlreiche Gutachten für die Rechnungslegung In-House erstellt werden. Bei den verschiedenen Bewertungszwecken sind unterschiedliche Wertbegriffe zugrunde zu legen. Für Transaktionen am Markt ist meist der Verkehrswert ausschlaggebend. Der Verkehrswert ist im § 194 des Baugesetzbuches definiert: „Der Verkehrswert (Marktwert) wird durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstands der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre.“ Der Verkehrswert ist also stichtagsbezogen und reflektiert alle relevanten Eigenschaften des Grundstücks. Er entspricht dem Preis, zu dem das Grundstück am wahrscheinlichsten am Markt gehandelt würde. Von besonderen Umständen ist dabei abzusehen; hierzu zählen beispielsweise besondere Finanzierungsmodalitäten oder ein unter Zwang stehender Verkäufer. Zwischen den Begriffen Wert und Preis ist sorgsam zu unterscheiden. Wert ist ein objektivierter, intersubjektiv nachprüfbarer Begriff, der sich aus dem funktionalen Zusammenhang zwischen Angebot und Nachfrage am Markt ergibt. Der Preis einer Sache liegt in jedem konkreten Einzelfall zwischen den Wertvorstellungen von Käufer und Verkäufer, wobei die endgültige Festlegung des Preises durch unterschiedliche Verhandlungspositionen und andere subjektive Faktoren beeinflusst werden kann. Neben der Information von potenziellen Käufern bzw. Verkäufern über den objektivierten Wert von Grundstücken findet der Verkehrswert auch Anwendung bei der Bemessung der Entschädigung bei Enteignungen und dient zur Orientierung bei Zwangsversteigerungen. Des Weiteren ist der Verkehrswert bei der Wertermittlung von Beständen offener Immobilienfonds maßgeblich (vgl. Leopoldsberger/Thomas/Naubereit, S. 460–462). Im europäischen Raum hat sich mittlerweile das vom International Valuation Standards Committee (IVSC) und der European Group of Valuers Associations (TEGoVA) entwickelte Konzept des „Market Value“ durchgesetzt. Auch die Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS) hat den „Market Value“ übernommen und damit das von ihr zuvor gebrauchte Konzept des „Open Market Value“ aufgegeben. Der „Market Value“ ist wie folgt definiert (vgl. RICS, S. 51): „Der Marktwert ist der geschätzte Wert, für welchen ein Immobilienvermögen am Tag der Bewertung zwischen einem verkaufsbereiten Veräußerer und einem kauf bereiten Erwerber, nach angemessenem Vermarktungszeitraum, in einer Transaktion im gewöhnlichen Geschäftsverkehr ausgetauscht werden sollte, wobei jede Partei mit Sachkenntnis, Umsicht und ohne Zwang handelt.“ Wie der direkte Vergleich der Definitionen zeigt, unterscheiden sie sich lediglich in der Wortwahl, in den inhaltlichen Anforderungen und im Wertergebnis sind die beiden Definitionen gleich. Beide Werte sind unabhängig von den besonderen Interessen der Käufer bzw. Verkäufer und unter Annahme eines gewöhnlichen Geschäftsverkehrs zu ermitteln. Für die Rechnungslegung nach IAS/IFRS ist der beizulegende Zeitwert (Fair Value) von Bedeutung. Der beizulegende Zeitwert ist definiert als „der Betrag, zu dem ein Vermögenswert zwischen sachverständigen, vertragswilligen und voneinander unabhängigen Geschäftspartnern getauscht werden könnte“ (IASB 2002, IAS 40.4). Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass Verkehrswert (Marktwert) und Fair Value im Regelfall zu identischen Werten führen.
21.2.2 Bewertungsmethoden Neben den vom Gesetzgeber in der Immobilienwertverordnung (ImmoWertV) und Wertrichtlinien (WertR) vorgeschriebenen und nur in Deutschland gültigen Bewertungsmethoden gibt es noch weitere Standards zur Wertermittlung. So gibt es die im „White Book “ zusammengefassten International Valuation Standards (IVS) des IVSC. Ziel des IVSC ist die Harmonisierung von Bewertungsstandards auf
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Karl-Werner Schulte und Gerrit Leopoldsberger internationaler Ebene. Des Weiteren gibt es das „Blue Book “ mit den European Valuation Standards (EVS) der TEGoVA. Hierbei handelt es sich um internationale Qualitätsstandards, die sich an den Richtlinien der EU orientieren. Bei den im „ Red Book “ zusammengefassten Valuation Standards der RICS handelt es sich um britische Qualitätsstandards, die jedoch auch international, insbesondere in den ehemals britisch dominierten Gebieten, Anwendung finden. Daneben existieren die von der Appraisal Foundation herausgegebenen Uniform Standards of Professional Appraisal Practice (USPAP), welche vorwiegend in Nordamerika Anwendung finden. Bei den in Deutschland angewandten Bewertungsmethoden kann zwischen klassischen Verfahren und nicht normierten Verfahren unterschieden werden. Zunächst widmen wir uns den drei in der ImmoWertV – der Nachfolgerin der Wertermittlungsverordnung (WertV) – geregelten klassischen Verfahren: • Vergleichswertverfahren (§ 15 ImmoWertV) • Ertragswertverfahren (§§ 17 bis 20 ImmoWertV) • Sachwertverfahren (§§ 21 bis 23 ImmoWertV) Beim Vergleichswertverfahren erfolgt die Bewertung von Grundstücken und Gebäuden mittels geeigneter zeitnaher Vergleichspreise. Das Vergleichswertverfahren ist gegenwartsbezogen. Es findet hauptsächlich Anwendung bei der Ermittlung des Verkehrswertes unbebauter Grundstücke und des Bodenwertes bebauter Grundstücke. Wenn in allen wertrelevanten Merkmalen eine große Übereinstimmung besteht, kann das Vergleichswertverfahren auch auf Ein- und Zweifamilienhäuser, Reihenhäuser sowie Eigentumswohnungen angewandt werden. Schematisch stellt sich das Vergleichswertverfahren wie folgt dar:
Vergleichspreise hinreichend übereinstimmender Vergleichsgrundstücke
Bodenrichtwert (nur bei unbebauten Grundstücken)
§ 15 ImmoWertV
§ 10 ImmoWertV
+–
+–
Berücksichtigung von Abweichungen a) bez. Zustand des Grundstücks § 15 ImmoWertV b) bez. allgemeiner Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt § 3 ImmoWertV Prüfung bez. ungewöhnlicher oder persönlicher Verhältnisse § 7 ImmoWertV = Vergleichswert +– Berücksichtigung der Marktverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt § 8 ImmoWertV +– Berücksichtigung objektspezifischer Grundstücksmerkmale § 8 ImmoWertV = Verkehrswert
Abb. 21-1: Schematischer Ablauf des Vergleichswertverfahrens
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21 Bewertung von Immobilien Der Preisvergleich bildet das zentrale Element des Vergleichswertverfahrens, wobei zwischen dem mittelbaren und dem unmittelbaren Preisvergleich unterschieden werden kann. Beim unmittelbaren Preisvergleich wird der Verkehrswert aus zeitnahen Transaktionen gleichartiger Grundstücke abgeleitet. Da die am Markt gehandelten Grundstücke jedoch selten in allen Merkmalen übereinstimmen und zudem die Transaktionen meist länger zurückliegen, findet in der Praxis meist der mittelbare Preisvergleich Anwendung. Die relevanten Vergleichsmerkmale sind hier Lage, Art und Maß der baulichen Nutzung, Bodenbeschaffenheit, Größe, Grundstücksgestalt und Erschließungszustand. Die aus den Unterschieden abgeleiteten Zu- bzw. Abschläge dürfen 30 bis 35 % nicht übersteigen, weil ansonsten eine hinreichende Vergleichbarkeit nicht mehr gegeben ist (vgl. Kleiber/Simon/Weyers 2002, S. 1030 f.). Bei fehlenden Vergleichspreisen können zur Wertermittlung von unbebauten Grundstücken ersatzweise auch Bodenrichtwerte eingesetzt werden, welche von den Gutachterausschüssen ermittelt werden. Es ist hierbei der Bodenrichtwert anhand von Umrechnungskoeffizienten an die jeweils zulässige Grundflächenzahl (GRZ), Geschossflächenzahl (GFZ), Baumassenzahl (BMZ) und die zulässige Anzahl der Vollgeschosse anzupassen. Außerdem sind individuelle Wertmerkmale des Grundstücks, wie besondere Lagemerkmale, Größe und Zuschnitt des Grundstücks sowie die Bodenbeschaffenheit, zu berücksichtigen. Wenn auf Basis der zuvor beschriebenen Verfahren unter Ausschluss von ungewöhnlichen oder persönlichen Verhältnissen ein Vergleichswert ermittelt worden ist, können weitere Anpassungen erforderlich werden. So sind Korrekturen des Vergleichswertes vorzunehmen, wenn die Lage auf dem Grundstücksmarkt im Rahmen des Bewertungsverfahrens nicht hinreichend berücksichtigt worden ist. Eine Veränderung gegenüber der Wertermittlungsverordnung (WertV) weist die ImmoWertV aus: Hinsichtlich der Überleitung vom Vergleichswert zum Verkehrswert (Marktwert) ist die Reihenfolge der Anpassungen vorgegeben. Gemäß § 8 Absatz 2 sind zunächst die allgemeinen Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt und dann die objektspezifischen Besonderheiten zu berücksichtigen. Wobei ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass die Anpassungen nur in dem Maße zu erfolgen haben, wie sie auch vom Grundstücksmarkt berücksichtigt werden. Beim Ertragswertverfahren (§ 17–20 ImmoWertV) erfolgt die Bewertung von Grundstücken und Gebäuden auf Grundlage der zukünftig zu erzielenden Nettoerträge. Das Ertragswertverfahren ist zukunftsbezogen. Es findet Anwendung auf Grundstücke, die zur Ertragserzielung durch Vermietung und Verpachtung bestimmt sind, so dass der Grundstückswert im Wesentlichen durch den nachhaltig erzielbaren Grundstücksertrag bestimmt wird. Diese Kriterien treffen meist auf Mietwohngrundstücke, Geschäftsgrundstücke, Bürohäuser, Ladengeschäfte, gemischt genutzte Grundstücke, Garagen und Hotels zu. Schematisch stellt sich das Ertragswertverfahren wie in Abbildung 21-2 dar. Das Ertragswertverfahren kann mit folgender Formel beschrieben werden: EW (RoE BewK i BW)
mit: EW RoE BewK BW i n
= = = = = =
(1 i)n 1 BW (1 i)n i
Ertragswert des Grundstücks Jahresrohertrag Bewirtschaftungskosten Bodenwert Liegenschaftszinssatz Restnutzungsdauer bauliche Anlagen
Ausgangspunkt zur Ermittlung des Ertragswertes ist der Rohertrag, welcher alle Einnahmen umfasst, die bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung nachhaltig aus dem Grundstück erzielbar sind (Marktmietansätze). Umlagen, die zur Deckung von Betriebskosten gezahlt werden, sind nicht zu berücksichtigen. Ist das Grundstück zum Zeitpunkt der Wertermittlung ungenutzt, müssen üblicherweise erzielbare Einnahmen zugrunde gelegt werden. Dies gilt auch für Fälle, in denen die gezahlte Miete ober- oder unterhalb der üblicherweise erzielbaren Miete liegt.
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Bodenwert
x
Liegenschaftszins
Jahresrohertrag – Bewirtschaftungskosten = Grundstücksreinertrag – =
Bodenwertverzinsung = Reinertrag der baulichen Anlagen x Barwertfaktor (§ 20 ImmoWertV) +– Abschläge/Zuschläge wegen sonstiger wertbeeinflussender Umstände =
+
+ =
Ertragswert der baulichen Anlagen
Ertragswert +– Berücksichtigung der Marktverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt § 8 ImmoWertV +– Berücksichtigung objektspezifischer Grundstücksmerkmale § 8 ImmoWertV = Verkehrswert
Abb. 21-2: Schematischer Ablauf des Ertragswertverfahrens
Vom Rohertrag sind die Bewirtschaftungskosten abzuziehen. Als Bewirtschaftungskosten sind die Kosten anzusetzen, welche bei gewöhnlicher Bewirtschaftung nachhaltig entstehen. Hierzu zählen Verwaltungskosten, Instandhaltungskosten und Betriebskosten, sofern diese nicht auf den Mieter umgelegt werden. Ein Mietausfallwagnis ist ebenfalls anzusetzen. Die Verwaltungskosten machen bei Mietwohngrundstücken etwa 2 bis 4 % des Rohertrages aus, bei Geschäftsgrundstücken etwa 3 bis 8 %. Die Instandhaltungskosten werden im Rahmen des Ertragswertverfahrens in der Regel mit 7,50 bis 12,50 Euro pro m² bei Wohnungen und mit 6 bis 9 Euro pro m² bei Büros angesetzt. Die nicht auf die Mieter umgelegten Betriebskosten belaufen sich erfahrungsgemäß auf 5 bis 12 % des Jahresrohertrages. Das Mietausfallwagnis bei Wohngrundstücken wird üblicherweise mit 2 % bis 4 % des Rohertrages angesetzt und bei gewerblich genutzten Objekten mit 2,5 bis 7 %. Der Jahresrohertrag abzüglich der Bewirtschaftungskosten ergibt den Grundstücksreinertrag (vgl. Leopoldsberger/ Thomas/Naubereit, S. 480–483). Vom so ermittelten Grundstücksreinertrag ist die Bodenwertverzinsung abzuziehen, welche als Produkt aus Bodenwert und Liegenschaftszins errechnet wird. Der Bodenwert wird mithilfe des bereits beschriebenen Vergleichswertverfahrens ermittelt. Die Liegenschaftszinssätze sollen vom örtlichen Gutachterausschuss ermittelt und veröffentlicht werden. Höhere Risiken resultieren in einem höheren
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21 Bewertung von Immobilien Liegenschaftszins, niedrigere Risiken in einem niedrigeren Liegenschaftszins. Die folgende Tabelle zeigt die Bandbreite auf, in welcher Liegenschaftszinssätze typischerweise liegen: Tab. 21-2: Beispielhafte Liegenschaftszinssätze Gebäudetyp Fabriken Lagerhallen Hotels Büro- und Geschäftshäuser Geschosswohnungshäuser Zweifamilienhäuser Einfamilienhäuser
Liegenschaftszins 7,5 6,0 6,5 6,0 4,0 3,5 2,5
bis bis bis bis bis bis bis
9,0 8,0 7,5 7,0 5,0 4,0 3,5
Der Grundstücksreinertrag abzüglich der Bodenwertverzinsung ergibt den Reinertrag der baulichen Anlagen. Dieser wird nun mit dem Barwertfaktor (bisherige Bezeichnung in der WertV: Vervielfältiger) multipliziert, in welchen der Liegenschaftszins und die Restnutzungsdauer der baulichen Anlagen eingehen: (1 i)n 1 (1 i)n i
mit: i = Liegenschaftszinssatz n = Restnutzungsdauer bauliche Anlagen Die wirtschaftliche Restnutzungsdauer der baulichen Anlagen bestimmt sich im Regelfall aus der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer abzüglich des Gebäudealters. Sie kann jedoch durch Modernisierung verlängert bzw. durch unterlassene Instandhaltung verkürzt werden. Die folgende Tabelle zeigt die Bandbreite auf, in der die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer von baulichen Anlagen typischerweise liegt: Tab. 21-3: Beispielhafte wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauern Gebäudetyp Einfamilienhäuser (in entsprechener Qualität) Fertighäuser in Massivbauweise Siedlungshäuser Mietwohngebäude Gemischt genutzte Gebäude (Gewerbe = 80%) Verwaltungs- und Bürogebäude Gewerbe- und Industriegebäude Tankstellen Einkauf szentren/SB-Märkte
GND in Jahren 60 bis 100 60 bis 80 50 bis 60 60 bis 80 50 bis 70 50 bis 70 40 bis 60 10 bis 20 30 bis 50
Quelle: Leopoldsberger/Thomas/Naubereit, S. 487
Um zum Ertragswert zu gelangen, muss der entsprechen vervielfältigte Reinertrag der baulichen Anlagen mittels Zu- oder Abschlägen an sonstige wertbeeinflussende Umstände angepasst werden. Hierunter fallen unter anderem Abweichungen der tatsächlich gezahlten Miete von der nachhaltig erzielbaren Miete, welche in Höhe ihres Barwertes zu- oder abgeschlagen werden. Auch vorhandene Baumängel bzw. Bauschäden müssen mit ihren Beseitigungskosten berücksichtigt werden, wenn die Beseitigung marktüblich ist. Schließlich wird der Bodenwert addiert. Die Aufteilung in Ertragswert der baulichen
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Karl-Werner Schulte und Gerrit Leopoldsberger Anlagen und Bodenwert wird vorgenommen, da Grund und Boden ein unvergängliches Gut darstellen, während die aufstehenden Gebäude auch bei ordnungsgemäßer Instandhaltung nur eine begrenzte Nutzungsdauer haben. Unter Berücksichtigung der Lage am Grundstücksmarkt und unter Heranziehung der Ergebnisse anderer Wertermittlungsverfahren wird schließlich der Verkehrswert abgeleitet. In der ImmoWertV werden in § 17 zwei weitere Ausgestaltungen des Ertragswert aufgeführt, die rechnerisch zum gleichen Ergebnis führen, das sogenannte vereinfachte Ertragswertverfahren und das Ertragswertverfahren mit periodisch unterschiedlichen Erträgen. Letztes erinnert zwar an DCFBerechnungen, jedoch erfolgt zum einen die Diskontierung mit Hilfe des Liegenschaftszinssatzes zum anderen wird auch bei dieser Methode der Bodenwert separat berücksichtigt, was für die üblichen DCF-Berechnungen sehr ungewöhnlich ist. Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass das vereinfachte Ertragswertverfahren keine Vereinfachung enthält, da auch hier der Bodenwert zu berücksichtigen ist und das DCF-Verfahren nach ImmoWertV den Ansprüchen der Marktteilnehmer an DCF-Berechnungen nicht gerecht wird. Beim Sachwertverfahren (§§ 21–23 ImmoWertV) erfolgt die Bewertung von Grundstücken und Gebäuden auf Grundlage der historischen, jedoch auf den Bewertungsstichtag abgeschriebenen Herstellungskosten. Das Sachwertverfahren ist vergangenheitsbezogen. Es wird eingesetzt bei Grundstücken, für deren Werteinschätzung es nicht in erster Linie auf den Ertrag ankommt. Dies gilt überwiegend bei eigengenutzten Ein- und Zweifamilienhäusern. Bei anderen Immobilien sind die vom Sachwert repräsentierten Kosten für den Erwerber oftmals nur von untergeordnetem Interesse. Schematisch stellt sich das Sachwertverfahren wie folgt dar: Herstellkosten der baulichen Anlagen § 22 ImmoWertV
Wert der sonstigen Anlagen
Bodenwert
= Normalherstellungskosten der baulichen Anlagen
Herstellkosten der baulichen Außenanlagen sofern im Bodenwert berücksichtigt
Wert sonstiger Einrichtungen sofern marktgerecht
– Lineare Wertminderung wegen Alters = +
Wert der baulichen Anlagen +
=
+
Sachwert des Grundstücks +– Berücksichtigung der Marktverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt § 8 ImmoWertV +– Berücksichtigung objektspezifischer Grundstücksmerkmale § 8 ImmoWertV = Verkehrswert
Abb. 21-3: Schematischer Ablauf des Sachwertverfahrens
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21 Bewertung von Immobilien Das Sachwertverfahren steht im Gesetz gleichrangig neben dem Vergleichs- und dem Ertragswertverfahren. Während die vorhergehenden Verfahren jedoch Werte ausweisen, die aus dem Markt abgeleitet werden, resultieren aus dem Sachwertverfahren meist sehr marktferne Werte. Das Sachwertverfahren ist daher in der Regel nur dann angebracht, wenn es um die Ermittlung von Wiederherstellungskosten (z.B. für Versicherungszwecke) geht. Wie beim Ertragswertverfahren sind Bodenwert und der Wert der baulichen Anlagen getrennt zu ermitteln und anschließend zu summieren, wobei der Bodenwert im Vergleichswertverfahren zu ermitteln ist. Das Sachwertverfahren gliedert die baulichen Anlagen in Gebäude, bauliche Außenanlagen sowie sonstige Vorrichtungen. Zur Ermittlung des Herstellungswertes von Gebäuden wird von den Normalherstellungskosten ausgegangen. Die derzeit maßgebliche Quelle für Normalherstellungskosten sind die Tabellenwerke der NHK 2000, welche vom Bundesministerium Verkehr, Bau- und Wohnungswesen herausgegeben worden sind und den Preisstand von 2000 widerspiegeln. Die NHK 2000 sind u.a. nach Gebäudetyp, Ausstattungsstandard und nach Errichtungszeitpunkt differenziert. Bezugsgröße der Normalherstellungskosten sind entweder die Brutto-Grundfläche oder der Brutto-Rauminhalt gemäß DIN 277. Der aus den NHK 2000 resultierende Wert wird anschließend unter Bezugnahme auf den Baupreisindex des Statistischen Bundesamtes auf den Wertermittlungsstichtag umgerechnet. Nicht erfasste oder fehlende Bauteile werden anschließend durch Zu- bzw. Abschläge erfasst. Baunebenkosten werden mittels eines prozentualen Zuschlags berücksichtigt, der sich im Regelfall auf 8 bis 22 % beläuft. Eine Neufassung NHK 2000 ist in Vorbereitung. Alternativ zu den NHK können auch Angaben des Baukosteninformationssystem (BKI) herangezogen werden. Zu den Außenanlagen werden alle baulichen Maßnahmen gerechnet, die nicht Gebäude sind. Hierzu zählen beispielsweise Wege und Stellflächen, Tore und Türen sowie Ver- und Entsorgungsleitungen bis zur Grundstücksgrenze. In der Regel wird der Wert der Außenanlagen als Zuschlag auf den Gebäudewert ermittelt, wobei die gleiche Restnutzungsdauer wie beim Gebäude unterstellt wird. Zu den Einund Vorrichtungen zählen beispielsweise Personen- und Lastenaufzüge, Müllbeseitigungsanlagen und Gleisanlagen. Deren Herstellungswerte sind analog zu denen von Gebäuden zu berechnen. Die Wertminderung wird als Verhältnis von Gesamtnutzungsdauer und Restnutzungsdauer ausgedrückt. Ein linearer Werteverzehr ist gemäß ImmoWertV zu unterstellen. Bei der Schätzung der Gesamtnutzungsdauer kann auf tabellierte Werte für verschiedene Immobilienarten zurückgegriffen werden. Die Restnutzungsdauer des Gebäudes wird ausgehend vom baulichen Zustand geschätzt. Die errechnete Wertminderung wegen Alters ist von den Normalherstellungskosten abzuziehen. Des Weiteren sind Baumängel und Bauschäden mit ihren Beseitigungskosten in Abzug zu bringen. Während dies gemäß bisheriger WertV noch vor der Ermittlung des Werts der baulichen Anlagen erfolgt ist, geht die ImmoWertV einen anderen Weg. Wie beim Vergleichs- und Ertragswertverfahren auch erfolgt die Anpassung an die Objektbesonderheiten – hier also die Baumängel und -schäden – erst unmittelbar vor der Ermittlung des Verkehrswerts. Der Begriff „Sonstige Anlagen“ bezieht sich hierbei auf Nutz- und Ziergärten. Sofern es sich jedoch nicht um besonders wertvolle Anpflanzungen handelt, sind diese bereits im Bodenwert enthalten, so dass ihr Wert nicht gesondert festgestellt werden muss (vgl. Leopoldsberger/Thomas/Naubereit, S. 491–495). Auch der Sachwert des Grundstücks muss an die Lage am Grundstücksmarkt angepasst werden. Dazu sollen von den Gutachterausschüssen regional spezifische Marktanpassungsfaktoren ermittelt werden. Da dies nicht überall geschieht sind verschiedentlich auch bundesweite Anpassungsfaktoren veröffentlicht worden. Diese sind – da eben gerade nicht aus dem tatsächlichen Marktgeschehen abgeleitet als nicht anwendbar abzulehnen. Verallgemeinernd kann daher gesagt werden, dass dem Vergleichswertverfahren und dem Ertragswertverfahren der Vorzug zu geben ist, weil sich diese näher am Markt orientieren. Die nicht normierten Verfahren stammen aus dem angelsächsischen Raum und sind daher nicht in der ImmoWertV geregelt. Ähnlich wie in Deutschland existieren ein Direct Value Comparison Approach, ein Income Approach und ein Cost Approach. Der Direct Value Comparison Approach und der Cost
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Karl-Werner Schulte und Gerrit Leopoldsberger Approach sind dem deutschen Ertragswertverfahren bzw. Sachwertverfahren sehr ähnlich, weshalb hier nicht näher darauf eingegangen werden soll. Der Income Approach bietet jedoch im Vergleich zum Ertragswertverfahren erweiterte Möglichkeiten, weshalb er auch in die Bewertungspraxis in Deutschland Einzug erhalten hat, insbesondere wenn Bewertungen durchzuführen sind, bei denen nicht nur nationale Marktteilnehmer involviert sind. Eine Unterscheidung zwischen Gebäude- und Bodenwert wird bei den britischen Methoden nicht vorgenommen. Zunächst sollen die Growth Implicit Models vorgestellt werden, bei denen die gegenwärtig und zukünftig erzielbaren Nettoerträge entsprechend einer ewigen Rente als im Zeitablauf konstant angenommen und kapitalisiert werden. Bei der Ermittlung des Kapitalwertes können drei Anwendungsfälle unterschieden werden. Bei rack-rented properties entspricht die vertraglich vereinbarte Miete der Marktmiete. Bei under-rented properties liegt die gezahlte Miete unter der Marktmiete, und bei over-rented properties über der Marktmiete. Die Annahme bei allen drei Szenarien ist, dass die Immobilie bei Anpassung bzw. nach Auslauf des laufenden Mietvertrages zur Marktmiete neuvermietet wird. Bei rack-rented properties ergibt sich der Kapitalwert aus der Nettomiete multipliziert mit dem Kehrwert des all risks yield (ARY). Beim ARY handelt es sich um einen Diskontierungszinssatz, der von verschiedenen Einflussgrößen abhängig ist. Höhere Risiken resultieren in einem höheren ARY, niedrigere Risiken in einem niedrigeren ARY. Es drängt sich nicht zufällig der Vergleich zum Liegenschaftszinssatz auf, da auch dieser die Mietwachstumserwartung berücksichtigt also einen Growth Implicit Yield darstellt. Aufgrund der nicht expliziten Berücksichtigung des Bodenwertes und der Restnutzungsdauer beim ARY sind der Liegenschaftszinssatz und sein internationales Pendant jedoch betragsmäßig nicht identisch. Bei under-rented properties muss zwischen mehreren Mietniveaus differenziert werden, wobei sich zwei Ansätze abgrenzen lassen: das Term and Reversion Model sowie das Top Slicing Model. Beim Term and Reversion Model wird die unter Marktniveau liegende Miete über deren vertraglich vereinbarte Laufzeit kapitalisiert („Term“). Für den nachfolgenden Zeitraum wird eine Vermietung zum Marktniveau angenommen, als ewige Rente kapitalisiert („Reversion“) und anschließend auf den Wertermittlungsstichtag diskontiert. Da eine unter Marktniveau liegende Miete als relativ sicherer Ertrag anzusehen ist, wäre für den Term ein niedrigerer ARY angebracht als für die Reversion.
Rental Value
Current Rent Reversion Term
Zeit
Quelle: Leopoldsberger/Thomas/Naubereit, S. 505 Abb. 21-4: Term and Reversion Model
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21 Bewertung von Immobilien Beim Top Slicing Model wird das niedrigere Mietniveau („Core“) als ewige Rente kapitalisiert. Die Differenz zwischen dem höheren und dem niedrigeren Mietniveau („Top Slice“) wird ebenfalls als ewige Rente kapitalisiert und anschließend auf den Wertermittlungsstichtag diskontiert. Die Wahl des Diskontierungszinssatzes des Top Slice ist äußerst problematisch, sie lässt sich jedoch aus den subjektiv festgesetzten ARY für die beiden Mietniveaus mathematisch herleiten.
Rental Value
Top Slice
Current Rent Core
Zeit
Quelle: Leopoldsberger/Thomas/Naubereit, S. 505 Abb. 21-5: Top Slicing Model
Beide beschriebenen Verfahren führen zu ähnlichen Ergebnissen und sind analog auch für over-rented properties anzuwenden (vgl. Leopoldsberger/Thomas/Naubereit, S. 503–511). Anpassungen bei über oder unter Marktniveau liegender Miete werden auch in den deutschen Verfahren vorgenommen und fließen bei den sonstigen wertbeeinflussenden Umständen ein. Ihre Anwendung ist auch bei Bewertungen nach WertV bzw. ImmoWertV unter dem Stichwort „Sonderwertermittlung“ üblich. Bei den Growth Explicit Models wird die (Miet-)Wachstumserwartungen nicht implizit im Diskontierungszinssatz berücksichtigt, sondern explizit in den Mietansätzen ausgedrückt. Da dies unterschiedliche Mietansätze für verschiedene Jahre erfordert ist klar, dass diese Zinssätze für die sogenannten Discounted Cash Flow Berechnungen (DCF) zur Anwendung kommen, mit denen sich Einkommensströme sehr differenziert darstellen lassen. Voraussetzung für die Durchführung solch detaillierter Analysen ist die Verfügbarkeit entsprechenden Datenmaterials. Das DCF-Verfahren soll anhand eines einfachen Beispiels mit einem Betrachtungshorizont von fünf Jahren verdeutlicht werden. Wir gehen von einer Immobilie aus, die potenzielle jährliche Mieteinnahmen (Potential Gross Income, PGI) in Höhe von 1.000.000 Euro generiert. Es wird angenommen, dass das PGI pro Jahr um 3 % steigt. Es wird mit bonitätsbedingten Mietausfällen und Leerstand (Vacancy and Credit Allowance) in Höhe von 10 % des PGI gerechnet. Von den daraus resultierenden tatsächlichen Mieteinnahmen (Effective Gross Income, EGI) werden im ersten Jahr 425.000 Euro Bewirtschaftungskosten (Operating Expenses) abgezogen. Es wird angenommen, dass die Operating Expenses pro Jahr um 6 % steigen. Die Differenz aus dem EGI und den Operating Expenses ergibt das Net Operating Income (NOI). Es wird angenommen, dass die Immobilie am Ende des fünften Jahres zu einer Kapitalisierungsrate (Exit Cap Rate) von 11 % verkauft wird. Die Cap Rate entspricht dem Verhältnis vom NOI zum Verkaufspreis. Von Transaktionskosten wird aus Vereinfachungsgründen abgesehen. Der Cash Flow in den ersten vier Jahren entspricht den Mieteinnahmen aus der Immobilie, der Cash Flow des fünften Jahres entspricht der Summe aus Mieteinnahmen und Verkaufspreis. Wir nehmen an, dass die so ermittelten Cash Flows vergleichsweise hohen Risiken unterliegen und diskontieren sie daher mit 9 % auf den Wertermittlungsstichtag. Es ergibt sich ein Marktwert als Barwert (Present Value) von rund 4,67 Mio. Euro.
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Karl-Werner Schulte und Gerrit Leopoldsberger Tab. 21-4: Beispielhafte DCF-Analyse Valuation Date Potential Gross Income Vacancy + Credit Allowance Effective Gross Income Operating Expenses Net Operating Income Selling Price @ Cash Flow Discounted Cash Flow @ Present Value
Period Period Period Period Period 1 2 3 4 5 1.000.000 1.030.000 1.060.900 1.092.727 1.125.509 100.000 103.000 106.090 109.273 112.551 90 0. 00 0 9 27 .0 0 0 954.810 983.454 1.012.958 42 5. 00 0 4 5 0 .5 0 0 4 7 7 .5 3 0 50 6. 18 2 5 3 6. 55 3 47 5. 00 0 4 7 6 .5 0 0 4 7 7 .2 8 0 47 7. 27 3 4 7 6. 40 5 1 1% 4 .3 3 0 . 9 5 7 47 5. 00 0 4 7 6 .5 0 0 4 7 7 .2 8 0 4 7 7 . 2 7 3 4 .8 0 7 . 3 6 2 9% 435.780 401.061 368.548 338.112 3.124.455 4.667.955
Durch das DCF-Verfahren lässt sich eine Reihe von Faktoren explizit berücksichtigen. Unter Einbeziehung von Finanzierungsmodalitäten und steuerlichen Gesichtspunkten entspricht das DCF-Verfahren einer Investitionsrechnung. Die explizite Berücksichtigung der Mieterträge darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein großer Teil des Wertes (in unserem Beispiel 60 %) durch den diskontierten Verkaufspreis bestimmt wird. Dieser hohe Anteil am Gesamtwert ist nicht nur für obiges Bewertungsbeispiel gegeben, sondern bei den üblichen Detailbetrachtungszeiträumen – in der Regel zehn Jahre – regelmäßig in dieser Höhe. Man muss sich also immer wieder bewusst machen, dass trotz der Detailbetrachtungen mehr als die Hälfte des Ergebnisses aus dem unterstellten Verkauf am Ende der Detailperiode herrührt.
21.2.3 Rechnungslegung Spätestens seit 2007 besteht für börsennotierte Unternehmen innerhalb der EU die Pflicht, ihre Konzernabschlüsse gemäß den Internationalen Rechnungslegungsvorschriften (IAS/IFRS) aufzustellen. Die Umstellung der Rechnungslegung auf IAS/IFRS eröffnete die Möglichkeit, Teile oder die Gesamtheit des konzerneigenen Grundbesitzes zum beizulegenden Zeitwert („Fair Value“) periodisch neuzubewerten. Für nicht börsennotierte Unternehmen gelten weiterhin folgende HGBBestimmungen: Immobilien-Rechnungslegungsnormen nach HGB Nach § 253 Abs. 1 HGB sind Immobilien mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen. Immobilien, die dauerhaft dem Geschäftsbetrieb dienen sollen, werden dem Anlagevermögen zugeordnet (§ 247 Abs. 2 HGB) und ansonsten dem Umlaufvermögen zugerechnet. Immobilien des Anlagevermögens (ausgenommen Grund und Boden) werden über ihre betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer planmäßig abgeschrieben. Bei voraussichtlich dauernder Wertminderung wird eine außerplanmäßige Abschreibung erforderlich (§ 253 Abs. 2 HGB). Bei Wegfall des Grundes für die außerplanmäßige Abschreibung muss eine Zuschreibung vorgenommen werden, jedoch nur bis maximal zu den fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten. Immobilien des Umlaufvermögens sind nicht planmäßig abzuschreiben. Es gilt jedoch hier in besonderem Maße das Gebot zu außerplanmäßigen Abschreibungen bei voraussichtlich dauernder Wertminderung (§ 253 Abs. 3 HGB). Immobilien-Rechnungslegungsnormen nach IAS/IFRS Während in der Rechnungslegung nach HGB das Vorsichtsprinzip die entscheidende Rolle spielt, steht nach HGB/IFRS die Vermittlung von investorrelevanten Informationen im Vordergrund (vgl. Achleitner/Behr, S. 55 ff.). Die Bilanzierung und Bewertung von zum Verkauf bestimmten Immobilien ist im IAS 2 geregelt. Dies betrifft in erster Linie Unternehmen, deren gewöhnliche Geschäftstätigkeit auf die Entwicklung
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21 Bewertung von Immobilien und den Verkauf von Immobilien gerichtet ist. Diese Immobilien werden wie nach HGB zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Umlaufvermögen bilanziert. Im IAS 16 ist die Bewertung und Bilanzierung von betrieblich genutzten Immobilien festgelegt. Als solche werden diejenigen Immobilien bezeichnet, die ein Unternehmen für Zwecke der Herstellung und Lieferung von Gütern und Dienstleistungen oder für Verwaltungszwecke besitzt, und die voraussichtlich länger als eine Periode genutzt werden. Die Eingangsbewertung erfolgt zu Anschaffungsund Herstellungskosten. Anschaffungskosten umfassen den Anschaffungspreis abzüglich etwaiger Anschaffungspreisminderungen und zuzüglich aller Anschaffungsnebenkosten. Herstellungskosten umfassen alle herstellungsbezogenen Kosten. Für die Folgebewertung von betrieblich genutzten Immobilien gibt es zwei Möglichkeiten: • Benchmark-Methode • Alternativ-zulässige Methode Nach der Benchmark-Methode erfolgt die Folgebewertung zu fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten analog zum HGB. Die planmäßigen Abschreibungen der Immobilie (ausgenommen Grund und Boden) können linear, degressiv oder leistungsabhängig erfolgen. Es ist eine den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechende Methode zu wählen. Bei dauerhaften Wertminderungen sind außerplanmäßige Abschreibungen zu tätigen. Nach Wegfall der Wertminderung ist eine Zuschreibung nur bis maximal zu den fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten möglich. Die Bildung von stillen Reserven ist also möglich. Die Alternativ-zulässige Methode ermöglicht eine Neubewertung zum beizulegenden Zeitwert abzüglich kumulierter Abschreibungen sowie Wertminderungsaufwendungen am Tage der Neubewertung. Bei einer Erhöhung des Buchwerts einer Immobilie durch die Neubewertung wird die Differenz erfolgsneutral in eine Neubewertungsrücklage eingestellt. Bei einer Reduzierung des Buchwerts einer Immobilie durch die Neubewertung wird die Differenz als Aufwand erfasst. Von den planmäßigen Abschreibungen ist nur derjenige Teil erfolgswirksam, der sich auf die (evtl. außerplanmäßig geminderten) Anschaffungs- und Herstellungskosten bezieht. Eine möglicherweise vorhandene Neubewertungsrücklage wird gemäß der Restnutzungsdauer des Gebäudes anteilig erfolgsneutral aufgelöst. Es besteht die Pflicht zur regelmäßigen Neubewertung alle 3–5 Jahre. Bisher tendieren die deutschen Unternehmen dazu, die Benchmark-Methode anzuwenden. Die Bewertung und Bilanzierung von als Finanzinvestition gehaltenen Immobilien ist im IAS 40 festgelegt. Unternehmen haben das Wahlrecht zwischen zwei Verfahren: • Kostenmodell (Cost Model) • Marktwertmodell (Fair Value Model) Das Kostenmodell entspricht der Benchmark-Methode des IAS 16. Beim Marktwertmodell sind alle als Finanzinvestitionen gehaltenen Immobilien zum Zeitwert zu bewerten und auszuweisen. Im Unterschied zur Alternativ-zulässige Methode des IAS 16 sind jedoch alle Änderungen des beizulegenden Zeitwertes erfolgswirksam zu berücksichtigen. Das Wahlrecht zwischen den beiden Methoden muss einheitlich auf alle Anlageimmobilien des Unternehmens angewandt werden (vgl. Schulte/Pitschke/ Raethel, S. 1013–1039). Auch für Immobilien-Finanzanlagen wird von deutschen Unternehmen bisher überwiegend das Kostenmodell angewandt, so dass im Ergebnis die IAS/IFRS-Werte den „alten“ HGB-Werten stark ähneln. Britische Unternehmen neigen dagegen eher dazu, das Fair Value Model zu wählen.
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Karl-Werner Schulte und Gerrit Leopoldsberger Das folgende Diagramm dient zur Veranschaulichung der Anwendung von IAS:
Quelle: IASB 2002, IAS 40, Anhang A Abb. 21-6: Entscheidungsbaum für die Immobilienbilanzierung
Während man vor der Einführung der IAS/IFRS davon ausging, dass die Unternehmen in weiten Teilen von den neuen Möglichkeiten der regelmäßigen Bewertung Gebrauch machen würden, ist zwischenzeitlich etwas Ernüchterung eingekehrt. Während es beispielsweise für britische Unternehmen üblich ist, die Immobilien sogar unterjährig bewerten zu lassen, sind die deutschen Unternehmen ihrer Tradition weitestgehend Treu geblieben und haben ein Abschreibungsmodell auf die Buchwerte gewählt. Auch der im Ausland üblichen Bewertung durch externe Gutachter ist man bisher in Deutschland kaum gefolgt. Stattdessen werden die Werte
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21 Bewertung von Immobilien durch hauseigene „unabhängig“ Tätige festgestellt oder fortgeschrieben. Die aktuelle Wirtschaftskrise, die insbesondere auch auf den Immobilienmärkten ihre Spuren hinterlässt, gibt wenig Hoffnung, dass die deutschen Unternehmen demnächst Marktwerte ihrer Immobilien offensiver ermitteln und veröffentlichen werden.
21.3 Marktdaten als Bewertungsgrundlage Unabhängig davon, ob die Bewertung auf Basis des DCF-Verfahrens oder auf Basis des Ertragswertverfahrens gemäß der Immobienwertermittlungsverordnung erfolgt, ist der Bewerter auf marktadäquate Bewertungsparameter angewiesen. Diese sind nur durch die – entweder eigene oder fremde – Analysen von Markttransaktionen zu gewinnen. Als Fremddaten kommen regelmäßig in Betracht: (a) Auszüge aus der Kaufpreissammlung der örtlichen Gutachterausschüsse Gemäß den Bestimmungen des Baugesetzbuches erhalten die Gutachterausschüsse von allen Kaufverträgen innerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches Kopien, aus denen sie die wesentlichen Marktdaten abzuleiten haben. Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige oder ihnen gleichgestellte Gutachter haben die Möglichkeit, bei Nachweis eines berechtigten Interesses, d.h. eines Auftrages, Auskünfte aus der Kaufpreissammlung mit Nennung der Objektanschrift und weiterer Parameter zu erhalten. Sofern die ausgewerteten Transaktionen noch den Verhältnissen am Grundstücksmarkt entsprechen, können diese Vergleichstransaktionen herangezogen werden. Eine Nennung der Vergleichsdaten im Gutachten unter Angabe der Anschrift ist aus datenschutzrechtlichen Gründen jedoch ausgeschlossen. (b) Marktbericht der Gutachterausschüsse Neben den Primärdaten der Kaufpreissammlung veröffentlichen viele Gutachterausschüsse auch Grundstücksmarktberichte mit aggregierten Daten. Sofern die Auswertungsdauer es zulässt, können diese Daten im Rahmen der Bewertung Verwendung finden. (c) Marktberichte von Maklerhäusern Für eine ganze Reihe von Städten und Objektarten werden auch von Privatunternehmen regelmäßig Marktberichte veröffentlicht. Es ist zu berücksichtigen, dass diese – meist kostenlos zu Verfügung gestellten – Informationen unter Umständen mit einem gewissen Selbstzweck veröffentlicht worden sind und nicht in jedem Fall allen Anforderungen, die die Statistik fordert, entsprechen. Allerdings ist der Grundstücksmarkt in den wenigsten Regionen so umfangreich, dass man von statistisch abgesicherten Daten sprechen könnte. (d) Marktberichte der Wirtschaftsförderung Zum Teil werden von den öffentlichen Wirtschaftsförderungsgesellschaften selbst Marktdaten erhoben oder aufgrund von durchgeführten Maßnahmen ausgewertet. Häufig sind die genannten Daten allerdings auch unverhandelte Angebotspreise. (e) Mietdaten der IPD, Wiesbaden Die Mietdatenbank der Investment Property Database (IPD) in Wiesbaden enthält Daten von tatsächlich abgeschlossenen Mietverträgen bzw. von durchgeführten Mietpreisanpassungen. Die Qualität der Aussagen hängt von dem Umfang der bekannten Verträge an den Standorten ab. Aus Datenschutzgründen müssen mindestens drei Verträge bekannt sein, bevor Daten bezogen werden können. (f) ReBase-Datenbank des BIIS, Frankfurt am Main Für einen beschränkten Benutzerkreis, namentlich für die Mitglieder des Bundesverbandes der Immobilien-Investment-Sachverständigen und der Kapitalanlagegesellschaften, steht eine Mietpreisdatenbank, gespeist aus den Daten der Wertgutachten der beteiligten Sachverständigen, zur Verfügung. Bei
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Karl-Werner Schulte und Gerrit Leopoldsberger der Verwendung dieser Daten ist zu beachten, dass sie zum Teil nicht auf Verträgen beruhen, sondern auf Ansätze aus den genannten Gutachten. (g) Immobilienbörse In gewissem Umfang können auch die Immobilienbörsen des Internets herangezogen werden. Auch hier ist zu beachten, dass keine Abschlussdaten, sondern natürlich nur Angebotsdaten gespeichert sind. (h) Rechenschaftsberichte von den Immobilienfonds Bei einer Reihe von Fonds werden objektspezifische Daten veröffentlicht, die für vergleichbare Objekte unter Umständen herangezogen werden können. Inhaltlich kann es hier zu Überschneidungen mit den Datenbeständen der ReBase-Datenbank oder der IPD-Zahlen kommen. (i) Weiter Informationsquellen Neben den Mietpreis- und Investitionsdaten (Rendite, Kaufpreisfaktoren) sind auch Auswertungen zu Bewirtschaftungskosten verfügbar.
21.4 Bewertungsbeispiel Das nachfolgende Beispiel geht von folgenden Annahmen aus: Es handelt sich um ein Einmieterobjekt mit einem zehnjährigen Mietvertrag über eine Fläche von 5.050 m² zu 11,50 €/m². Allerdings ist das Gebäude in einem Zustand, der die Annahme wahrscheinlich sein lässt, dass eine Vermietung über diesen Zeitraum hinaus nicht gegeben ist. Die wirtschaftliche Restnutzungsdauer wird daher mit 10 Jahren angenommen. Die Instandhaltungskosten betragen für den gesamten Zeitraum schätzungsweise 10,00 €/m²/Jahr. Die Verwaltungskosten, der Anteil der Betriebskosten, die vertragsgemäß vom Vermieter zu tragen sind, und das Mietausfallwagnis betragen in Summe 10 %. Der Bodenwert beträgt nach sachverständiger Einschätzung rund 1.500.000 €. Unter Berücksichtigung des objektspezifischen Risikos wird ein marktgerechter Liegenschaftszinssatz von 7,5 % ermittelt. Der Ertragswert des Grundstücks entspricht in etwa dem Ergebnis der beispielhaften DCF-Analyse gemäß Tab. 21-4, obwohl der Jahresrohertrag nicht 1.000.000 € beträgt, die Bewirtschaftungskosten deutlich geringer sind und der verwandte Liegenschaftszinssatz mit 7,5 % deutlich unter den Diskontierungszinssätzen von 11 % respektive 9 % liegt. Dennoch könnten sich beide Rechnungen auf das gleiche Objekt beziehen: Das DCF Beispiel geht den US-amerikanischen Marktgeflogenheiten folgend von einer Bruttobruttomiete aus, wohingegen das oben stehende Beispiel die zusätzlich zur Miete zu zahlenden Betriebskosten weder bei den Erträgen noch bei den Aufwendungen berücksichtigt. Der Umstand, dass beide Rechnungen mit unterschiedlichen Diskontierungssätzen operieren, ist nicht mit einer unterschiedlichen Risikoeinschätzung zu begründen, sondern zum einen dadurch, dass ein Teil der Risiken und Chancen hier implizit und dort explizit berücksichtigt wird. Zum anderen lassen sich die unterschiedlichen Diskontierungssätze auch dadurch begründen, dass das DCFVerfahren Mietpreissteigerungen unterstellt hat, die zum Teil auf Inflationsannahmen beruhen, und Inflationsannahme in der Bewertung gemäß Immobilienwertermittlungsverordnung nicht explizit berücksichtigt werden, sondern implizit im Liegenschaftszinssatz berücksichtigt sind. Schließlich hat die Berücksichtigung des Bodenwertes bei dieser kurzen Restnutzungsdauer ein stabilisierendes Element. Ein Bodenwertansatz wie im oben stehenden Beispiel setzt aber voraus, dass – aus heutiger Sicht – eine Verkaufsmöglichkeit des geräumten Grundstücks nach Ablauf des Zehnjahresvertrages besteht. Eine Annahme, die man – ebenfalls aus heutiger Sicht – nicht für jeden Standort, insbesondere in wirtschaftlichen schwachen Regionen, machen sollte.
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21 Bewertung von Immobilien
21.5 Literatur Bankhaus Ellwanger & Geiger (Hrsg.): DIMAX Titelliste, , Abrufdatum: 23. April 2009 Becker, M./Bone-Winkel, S./Sotelo, R./Väth, A.: REITs, in: Bundesministeriums der Finanzen (Hrsg.): Staatliche Rahmenbedingungen für neue Assetklassen im internationalen Vergleich – Private Equity und REITs, Mannheim 2005 Bone-Winkel, S./Müller T.: Bedeutung der Immobilienwirtschaft, in: Schulte, K.-W. (Hrsg.): Immobilienökonomie, Bd. 1., 3. Aufl., München 2005 Bone-Winkel, S./Schulte, K.-W./Focke, C.: Begriff und Besonderheiten der Immobilie als Wirtschaftsgut, in: Schulte, K.-W. (Hrsg.): Immobilienökonomie, Bd. 1., 3. Aufl., München 2005 Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (Hrsg.): Normalherstellungskosten (NHK) 2000, Berlin 2001 BVI Bundesverband Investment und Asset Management: Zeitreihe Fondsvermögen nach Fondsgruppen 1950 – Dezember 2008, Frankfurt am Main 2009. , Abrufdatum: 23. April 2009. Cushman & Wakefield: Pressemitteilung von 1. April 2009, http://www.cushwake.com/cwglobal/jsp/ newsDetail.jsp?Language=DE&repId=c24000007p&Country=DE, Abrufdatum 23. April 2009 ifo Institut für Wirtschaftsforschung e.V.: Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft – Studie für die gif – Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung e.V., Wiesbaden, in: Zeitschrift für Immobilienökonomie, Sonderausgabe 2005, Wiesbaden 2005 International Accounting Standards Board (Hrsg.): International Accounting Standards (IAS) 2002: Deutsche Ausgabe, Stuttgart 2002 Jones Lang LaSalle (Hrsg.): From Opacity to Transparency. The Diverse World of Commercial Real Estate: Real Estate Transparency Index, Chicago; London; Singapur 2008. Kleiber, W./Simon, J./Weyers, G.: Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 4. Aufl., Köln 2002 Leopoldsberger, G./Thomas, M./Naubereit, P.: Immobilienbewertung, in: Schulte, K.-W. (Hrsg.): Immobilienökonomie, Bd. 1., 3. Aufl., München 2005 Loipfinger, S.: Marktanalyse der Beteiligungsmodelle 2004, Griesstätt 2004, , Abrufdatum: 20.5.2005 RICS Royal Institution of Chartered Surveyors: Wertermittlungsstandards der RICS. Deutsche Ausgabe, 6. Aufl., Coventry 2008 Schulte, K.-W./Holzmann, C.: Institutionelle Aspekte der Immobilienökonomie, in: Schulte, K.-W. (Hrsg.): Immobilienökonomie, Bd. 1., 3. Aufl., München 2005 Schulte, K.-W./Pitschke, C./Raethel, J.: Rechnungswesen, insbesondere Immobilien-Rechnungslegung, in: Schulte, K.-W. (Hrsg.): Immobilienökonomie, Bd. 1., 3. Aufl., München 2005 Thomas Daily: TD Morning News vom 15. April 2009, Email-Newsletter, Freiburg 2009
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22 Bewertung von Immobilienunternehmen Von Wolfgang Schäfers und Frank J. Matzen* 22.1 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.2 Besonderheiten der Immobilienwirtschaft als Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.2.1 Definition des Geschäftsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.2.2 Immobilienmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.2.3 Leistungswirtschaftliche Merkmale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.2.4 Finanzwirtschaftliche Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.3 Vergleichsbewertungsverfahren zur Bewertung von Immobilienunternehmen. . . . . . . . . . 22.3.1 Überblick über die Vergleichsbewertungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.3.2 Darstellung gängiger Vergleichsbewertungsverfahren zur Bewertung von Immobilienunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.3.2.1 Vergleichsbewertung nach den Empfehlungen der NAREIT . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.3.2.2 Vergleichsbewertung nach immobilienorientierten Erfolgskennzahlen . . . . . . . . . 22.3.3 Kritische Würdigung der Vergleichsbewertungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.3.3.1 Einsatz bei beschränkter Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.3.3.2 Eingeschränkte Vergleichbarkeit der Vergleichsunternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . 22.3.3.3 Zuordnung operativer und finanzieller Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.3.3.4 Vernachlässigung von Abschreibungen bei EBITDA, FFO und AFFO . . . . . . . . . 22.3.3.5 Komplexitätsreduktion durch Multiplikatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26.3.3.6 Ermittlung des Enterprise Values der Vergleichsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . 22.3.3.7 Berücksichtigung von Veräußerungsgewinnen/-verlusten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.4 Net Asset Value-Verfahren zur Bewertung von Immobilienunternehmen. . . . . . . . . . . . . . 22.4.1 Überblick über das Net Asset Value-Verfahren zur Bewertung von Immobilienunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.4.2 Überblick über das Net Asset Value-Verfahren nach EPRA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.4.2.1 Adjusted EPRA NAV. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.4.2.2 Triple Net Asset Value nach EPRA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.4.3 Kritische Würdigung des Net Asset Value-Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.4.3.1 Mangelnde Berücksichtigung der Ausschüttbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.4.3.2 Unvereinbarkeit der Wertkonzeptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.4.3.3 Mangelndes Publizitätsverhalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.4.3.4 Marktwertermittlung sonstiger Vermögensgegenstände und Schulden . . . . . . . . . 22.4.3.5 Konzeptionelle Schwächen des EPRA NNNAV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.4.3.6 Fehlende Eindeutigkeit der Bewertung mittels des Net Asset Values . . . . . . . . . . . 22.5 Discounted Cashflow-Verfahren zur Bewertung von Immobilienunternehmen . . . . . . . . . 22.5.1 Überblick über die Discounted Cashflow-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Prof. Dr. Wolfgang Schäfers, Universität Regensburg, und Dr. Frank J. Matzen, Ernst & Young AG, Frankfurt am Main.
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Wolfgang Schäfers und Frank J. Matzen 22.5.2 Ausgewählte Aspekte der Anwendung der DCF-Verfahren zur Bewertung von Immobilienunternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 22.5.2.1 Einschätzungen des regionalen Immobilienmarktes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 544 22.5.2.2 Planung der Bestandsmiete und der Erlösschmälerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 544 22.5.2.2.1 Abgrenzungen von Mieterträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 544 22.5.2.2.2 Wohnimmobilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 544 22.5.2.2.3 Gewerbeimmobilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545 22.5.2.3 Planung der Betriebskosten und Umlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545 22.5.2.3.1 Wohnimmobilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545 22.5.2.3.2 Gewerbeimmobilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546 22.5.2.4 Planung der Instandhaltungs- und Modernisierungskosten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546 22.5.2.5 Planung der Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 22.5.2.5.1 Wohnimmobilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 22.5.2.5.2 Gewerbeimmobilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 22.5.2.6 Planung der Ertragsteuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 22.5.2.6.1 Erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 22.5.2.6.2 Verlustvorträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 22.5.2.6.3 Zinsschranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 22.5.2.7 Entwicklung eines integrierten Planungsmodells. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548 22.5.2.8 Ermittlung der Kapitalkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549 22.5.2.8.1 Ermittlung der Eigenkapitalkosten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549 22.5.2.8.2 Ermittlung der Fremdkapitalkosten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551 22.5.3 Kritische Würdigung des Discounted Cashflow-Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551 22.5.3.1 Unternehmensplanung als Voraussetzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551 22.5.3.2 Hohe Informationsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551 22.5.3.3 Ermittlung des Diskontierungszinsfusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 552 22.5.3.4 Mangelnde Berücksichtigung stiller Reserven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 552 22.6 Fallstudie zur Bewertung eines Immobilienunternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 552 22.6.1 Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 552 22.6.2 Ermittlung des Wertes bei vollständiger Eigenkapitalfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . 554 22.6.3 Ermittlung des Wertes der finanzierungsbedingten Steuervorteile . . . . . . . . . . . . . . . . 557 22.6.4 Ermittlung des Wertes der Fremdfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561 22.6.5 Ermittlung des Wertes des Eigenkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 562 22.7 Bedeutung der unterschiedlichen Bewertungsverfahren in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . 563 22.8 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 564
22.1 Einleitung Die letzten Jahre waren zunächst durch einen starken Anstieg spektakulärer Immobilientransaktionen mit anwachsenden Transaktionsvolumina sowie das verstärkte Engagement internationaler Investoren in den nationalen Immobilienmärkten geprägt. Vor allem Private-Equity Fonds mit Fokus auf den Immobilienbereich gewannen an Bedeutung und beteiligten sich bei dem Verkauf und der Ausgliederung mehrerer Immobilienunternehmen mit weit reichenden Immobilienbeständen sowohl im Bereich von Unternehmen als auch im Bereich der öffentlichen Hand. Bedingt durch das das starke Ansteigen der Transaktionsvolumina und das Hinzukommen von bisher nicht mit Immobilien vertrauten Finanzinvestoren, wurde in zunehmendem Masse die Diskussion um die „richtige“ Bewertung von Immobilienunternehmen geführt. Hierbei wurden durch die Finanzinvestoren die klassische Immobilienbewertung sowie das daraus resultierende Net Asset Value
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22 Bewertung von Immobilienunternehmen Bewertungsverfahren in Frage gestellt. Diese Situation hat zu einer mit grosser Intensität geführten Diskussion von Bewertungsverfahren, insb. Net Asset Value vs. Discounted Cashflow, geführt. Dieser positiven Entwicklung stand in den letzten 18 Monaten im Zuge der Banken- und Finanzkrise eine eingetrübte Lage am Immobilienmarkt gegenüber, die sich auch auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Immobilienunternehmen nachhaltig auswirkte. Auch wenn bedingt durch die gegenwärtige Situation an den Finanzmärkten die Transaktionsvolumina im Vergleich zu den vorherigen Jahren zurückgegangen sind, werden Transaktionen mit Immobilienunternehmen auch in Zukunft wieder eine erhebliche Rolle spielen und damit auch damit zusammenhängende Bewertungsfragen relevant bleiben. Der Grundgedanke der modernen Unternehmensbewertung besteht darin, den zu bestimmenden Wert eines Unternehmens auf der Grundlage erwarteter Zahlungsströme herzuleiten. Auf dieser Basis erfolgt auch die Bewertung von Immobilienunternehmen. Im Gegensatz zu anderen Branchen beschränken sich die Fragestellungen bei der Bewertung von Immobiliengesellschaften jedoch nicht allein auf die Identifizierung und adäquate Berücksichtigung von branchenspezifischen Charakteristika, sondern sind – wie noch zu zeigen wird – grundsätzlicher1. Denn die Bewertung von Immobiliengesellschaften ist mit zahlreichen spezifischen theoretischen und praktischen Problemen verbunden, die bereits Anlass zu Diskussionen geben hat2. Zunächst ist der Begriff des Immobilienunternehmens weiter gefasst, als dieses auf den ersten Blick erscheint3. Auch sind sich die Beteiligten uneinig, ob zur Bewertung von Unternehmen mit großen Immobilienbeständen die Methoden der Immobilienbewertung oder auch der Unternehmensbewertung heranzuziehen sind4. Aber auch die heranzuziehenden Methoden zur Unternehmensbewertung sind strittig. Es herrscht jedoch Einigkeit darüber, dass „der richtige Unternehmenswert“ im Sinne eines objektiven Wertes nicht existiert, sondern vielmehr die Ermittlung des Unternehmenswertes von dem bei der Bewertung verfolgten Zweck abhängig ist. Grundsätzlich muss zwischen Wert und Preis unterschieden werden: Nach Sicht der Unternehmensbewertungslehre resultiert der Wert eines Objektes aus den Eigenschaften, insbesondere aus der Nutzung, die das Bewertungssubjekt dieser Sache beimisst5. Diese – aus Sicht der Unternehmensbewertung einfach erscheinende Feststellung – ist jedoch keinesfalls selbstverständlich, steht sie doch im Widerspruch zu der Verkehrswertdefinition der Immobilienbewertung nach Baugesetzbuch (BauGB), die vor allem die Abstraktion von persönlichen Verhältnissen fordert. Der realisierte Preis wird in der Regel weder mit dem subjektiven Entscheidungswert des Verkäufers noch dem des Käufers übereinstimmen, da in diesem Falle beide Parteien bezüglich ihrer Entscheidung indifferent wären. Der tatsächliche gezahlte Preis wird durch eine Vielzahl von Faktoren geprägt, die weit über die Parameter einer Wertermittlung hinausreichen und nicht Gegenstand dieses Artikels sind. Im Rahmen des vorliegenden Beitrags wird daher versucht, durch verschiedene theoretische und praktische Ansätze den Anteilen eines Immobilienunternehmens einen Wert zuzuordnen und damit eine Preisfindung zu unterstützen, wobei die Besonderheiten der Geschäftstätigkeit, des Immobilienmarktes und des -portfolios eine determinierende Rolle einnehmen und den Wert eines Immobilienunternehmens nachhaltig beeinflussen6.
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Vgl. zu Unternehmensbewertung Achleitner, A.-K. (2002), S. 166–177. Vgl. Schäfers, W./Siepmann, A./Stock, A. (2002), S. 377; Schäfers, W./Hörner, C. (2002), S. 537 ff.; Schulte, K.-W./Matzen, F. J. (2003), S. 384. Vgl. Cadmus, A. (2003), S. 197; Väth, A. (2002), S. 817; Block, R. L. (2002), S. 52. Vgl. Zoller E./Kiesl, B. (2002), S. 202. Vgl. Born, K. (1995), S. 21. Vgl. Schäfers, W./Siepmann, A./Stock, A. (2002), S. 375–402.
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Wolfgang Schäfers und Frank J. Matzen
22.2 Besonderheiten der Immobilienwirtschaft als Rahmenbedingungen 22.2.1 Definition des Geschäftsmodell Bei der Diskussion um die Bewertung von Immobilienunternehmen ist zunächst zu klären, wodurch sich Immobilienunternehmen als Unternehmenstypus auszeichnen. In der Literatur existieren verschiedene Begriffsfassungen und Abgrenzungen, die sich von Unternehmen, die ihr Kapital ausschließlich in Immobilien investieren und aus der Vermietung und Verwaltung dieses Immobilienbestandes ihre Erträge erzielen7, bis hin zu Unternehmen die alle Leistungen „rund um die Immobilie“ anbieten, erstrecken. Hierzu zählen neben der Bestandsverwaltung auch die Projektentwicklung sowie mit Immobilien zusammenhängende Dienstleistungen. Dieses weite Spektrum der Definitionen von Immobilienunternehmen spiegelt die empirisch zu beobachtenden unterschiedlichen Ausprägungen der Immobilienunternehmen wider8. In der folgenden Betrachtung wird jedoch primär auf bestandshaltende Immobiliengesellschaften fokussiert, da vor allem hier in der Fachliteratur verschiedene bewertungstheoretische Ansätze diskutiert werden9.
22.2.2 Immobilienmarkt Dabei ist der Markt für das Wirtschaftsgut „Immobilie“ nicht mit dem Idealbild eines vollkommenen Marktes vergleichbar, sondern stellt vielmehr einen Spezialmarkt dar10. Dies ist durch die physischtechnischen Eigenschaften der Immobilie selbst bedingt wie bspw. der Standortgebundenheit und Heterogenität und der damit verbundenen Aufspaltung in verschiedene Teilmärkte, die nur bedingt miteinander im Zusammenhang stehen und auf denen Angebot und Nachfrage erheblich differieren können11. Aber auch die mangelnde Liquidität von Immobilienmärkten führt zu einer eingeschränkten Markttransparenz und damit verbundenem hohen Informationsbedarf12. Aufgrund der Länge des Entwicklungs- und Nutzungszyklus von Immobilien passen sich Angebot und Nachfrage auf Immobilienmärkte nur relativ langsam an13. Die dargelegten Besonderheiten des Immobilienmarktes sowie die im Verhältnis zu anderen Märkten hohen Transaktionskosten erschweren die Bildung von Gleichgewichtspreisen und damit die Möglichkeit, Immobilienunternehmen ohne Berücksichtigung der Lage der sich im Bestand befindlichen Immobilien zu bewerten. In der hohen Bedeutung regionaler Märkte ist ein wesentlicher Unterschied zur Bewertung Unternehmen anderer Branchen zu sehen.
22.2.3 Leistungswirtschaftliche Merkmale Vielfach handelt es sich bei Immobilienunternehmen i.d.R. nicht um Einobjektgesellschaften, sondern es wird eine Vielzahl von Objekten zu einem Portfolio zusammengefasst. Hierdurch ergeben sich Verbundeffekte zwischen den einzelnen Objekten, die sowohl eine Risikostreuung als auch Effizienzvorteile bei der Verwaltung ermöglichen14. Die Risiko-Rendite-Struktur z.B. eines Wohnungsportfolios wird dabei vor allem durch folgende Merkmale determiniert15: 7 8 9
10 11 12 13 14 15
Vgl. Scharpenack, F./Nack, U./Haub, C. (1998), S. 666. Vgl. zu möglichen weiteren Formen der Immobilienunternehmen Rehkugler, H. (2003), S. 6. Vgl. Rehkugler, H. (2003), S. 17; Thomaschowski, D./Rehkugler, H./Nack, U. (2003), S. 55–70; Cadmus, A. (2000), S. 96; Haub, C. (1998), S. 150; Schäfers, W./Siepmann, A./Stock, A. (2002), S. 379 ff.; Schulte, K.-W./ Matzen, F. J. (2003), S. 384–387; Schäfers, W./Haub, C./Stock, A. (2002), S. 313 ff. Vgl. Bals, W. (1993), S. 14; Schäfers, W. (1997), S. 74–80. Vgl. Heuer, J. H. B./Nordalm, V. (2001), S. 116; Engels, R. (2002), S. 329. Vgl. Dubben, N./Sayce, S. (1991), S. 27; Abromeit-Kremser, B. (1986), S. 127. Vgl. Fraser, W. D. (1984), S. 120; Schäfers (1997), S. 76 ff. Vgl. Rehkugler, H. (2003), S. 11. Vgl. Schnapp, M. (2002), S. 616.
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22 Bewertung von Immobilienunternehmen Region: Bedingt durch die bereits diskutierte Heterogenität der Immobilienmärkte, beeinflussen die
regionale Lage und die Streuung des Immobilienportfolios das gegenwärtige und zukünftige Mietniveau, die Stabilität der Mieterlöse, den Leerstand aufgrund von z.B. Wanderungsbewegungen, den Modernisierungsbedarf sowie das erforderliche Personal Die Altersstruktur des Portfolios beeinflusst die Instandhaltungskosten und den Investitions- bzw. Modernisierungsbedarf von Immobilien Mieterstruktur: In Abhängigkeit von der Diversität und Bonität der Mieter und ggf. Branchen, in denen die Mieter aktiv sind, tritt eine Risikostreuung ein, die bei der ausschließlichen Vermietung an einen Mieter nicht vorhanden ist Mietniveau: Das bestehende Mieterhöhungspotenzial im Verhältnis zum Marktmietniveau ist von
der bisher verfolgten Mietpreispolitik abhängig Nutzung: Vermietung von Wohnraum unterliegt starken gesetzlichen Regulierungen zum Schutze der Mieter, wohingegen Gewerberaumvermietungen von Vertragsfreiheit profitieren Öffentliche Förderung: Geförderter Wohnraum ist zur Kostenmiete zu vermieten und darf erst nach
der Förderung – unter Berücksichtigung der Kappungsgrenze – angepasst werden Die Bildung und Umstrukturierung von Portfolien von mehreren Immobilien stellt somit eine marktwertbeeinflussende Transformationsleistung der Immobilienunternehmen dar, die – im Gegensatz zur Immobilienbewertung nach BauGB bzw. WertV – Gegenstand der Unternehmensbewertung ist.
22.2.4 Finanzwirtschaftliche Merkmale Die Herausforderungen einer adäquaten Bewertung spiegeln sich aber auch in der Finanzierung von Immobilienunternehmen wider. Zu unterscheiden ist dabei zwischen der i.d.R. grundschuldlich besicherten Immobilien- oder Objektfinanzierung und der durch Negativklauseln oder Covenants besicherten allgemeinen Unternehmensfinanzierung. Neben der Besicherung unterscheiden sich diese beiden Finanzierungsarten aber auch in der Fristigkeit, Verzinsung und Rückzahlbarkeit. Objektfinanzierungen haben lange Laufzeiten und i.d.R. Zinsbindungfristen mit festvereinbarten Zinsen. Eine außerplanmäßige Rückzahlung führt i.d.R. zu Verfälligkeitsentschädigungen. Anders verhält es sich mit den Unternehmensfinanzierungen, die i.d.R. variabel verzinslich und rückzahlbar sind. Typischerweise zeichnen sich die Objektfinanzierungen, welche den größten Anteil an der Gesamtfinanzierung von Immobilienunternehmen ausmacht, durch lange Tilgungsdauern und Zinsbindungsfristen aus16. Kehrseite dieser zur Planungssicherheit führenden Modalitäten sind die daraus resultierenden Einschränkungen bei einer von der geplanten Tilgung abweichenden Rückzahlung. So kann eine vorzeitige Rückzahlung grundsätzlich nur nach Ablauf der Zinsbindungsfrist erfolgen. Soll diese dennoch vorgenommen werden, so ist von dem Darlehensnehmer i.d.R. insbesondere bei – nach Vertragsabschluß – sinkenden Zinsen eine Vorfälligkeitsentschädigung zu leisten. Aber auch aus der hypothekarischen Besicherung der Darlehen, die zu Zinsvorteilen gegenüber unbesicherten (Unternehmens-) Darlehen führen, resultiert eine Einschränkung in der Verfügung über das Immobilienportfolio. Da die hypothekarische Besicherung die Ermittlung von Beleihungswerten der zu finanzierenden Immobilien voraussetzt, kann der Verkauf von Objekten während der Darlehenslaufzeit nicht nur aufgrund etwaig zu leistender Vorfälligkeitsentschädigungen, sondern auch aufgrund einer erforderlichen Umbesicherung und einer damit notwendig werdenden erneuten Beleihungswertermittlung zu erheblichen Nebenkosten führen. Diese Eigenschaften der Objektfinanzierung lassen unmittelbare Schlüsse auf die von Immobilienunternehmen verfolgte Gestaltung der Kapitalstruktur – im Folgenden als Finanzierungspolitik bezeichnet – zu. Hierbei kann grundsätzlich zwischen einer wertorientierten und einer autonomen Finanzierungspolitik unterschieden werden17: 16 17
Vgl. Paschedag, H. (2002), S. 70. Vgl. Richter, F. (1998), S. 379–389.
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Wolfgang Schäfers und Frank J. Matzen Wertorientierte Finanzierungspolitik: Die Kapitalstruktur wird an dem Marktwert des Unterneh-
mens ausgerichtet. Diese Annahme führt dann zu – in Abhängigkeit vom Unternehmensgesamtwert – schwankenden Fremdkapitalbeständen18, was bei einem gegebenen Investitionsrisiko zu einem konstanten Ausfallrisiko des Gläubigers führt19 Autonome Finanzierungspolitik: Der Finanzierungsverlauf ist unabhängig von der Wertentwicklung des Unternehmens, was im Zeitablauf zu variablen Verschuldungsgraden und damit zu einer Veränderung des Finanzierungsrisikos führen kann20, bspw. erfolgt die Rückzahlung der Kredite gemäß eines Tilgungsplans Während eine autonome Finanzierungspolitik intuitiv nahe liegt, ist die Bestimmung der Finanzierungspolitik in der Literatur zur Unternehmensbewertung Gegenstand von Diskussionen, da in Abhängigkeit der Finanzierungspolitik unterschiedliche Bewertungsmethoden unterschiedlich gut geeignet sind.21 Insbesondere im Hinblick auf die Immobilienfinanzierung erscheint jedoch – aufgrund der mit einer vorfälligen Tilgung verbundenen hohen Kosten – die Annahme einer wertorientierten Finanzierungspolitik abwegig.22 Aber auch in anderen Zusammenhängen nehmen in der Literatur die Stimmen zu, welche die Annahme einer autonomen Finanzierungspolitik in Deutschland generell für angemessener halten23. Im Zusammenhang mit der Bewertung von Immobilienunternehmen werden drei grundlegende Konzepte diskutiert und in der Praxis in Abhängigkeit von dem verfolgten Bewertungszweck angewandt: die Bewertung mittels marktwertorientierter Verfahren, mittels substanzwertorientierter Verfahren und mittels fundamentalwertorientierter Verfahren. Die Anwendung dieser Konzepte bei der Bewertung von Immobilienunternehmen soll in den folgenden Kapiteln diskutiert werden, wobei vor allem auch auf die Sichtweise potenzieller Investoren bei der Bewertung eingegangen wird24.
22.3 Vergleichsbewertungsverfahren zur Bewertung von Immobilienunternehmen 22.3.1 Überblick über die Vergleichsbewertungsverfahren Bei den Vergleichsbewertungsverfahren wird der Wert eines zu bewertenden Unternehmens aus den Marktpreisen eines anderen Unternehmens im Rahmen eines Analogieschlusses abgeleitet25. Dieses Vorgehen basiert auf der Annahme, dass alle Unternehmen einer Branche relativ gleich zu bewerten seien26. Das Ergebnis einer Bewertung nach einem Vergleichsverfahren ist demnach als potenzieller Marktpreis zu verstehen, zu dem ein Unternehmen erworben werden kann27. Im Rahmen der Vergleichsbewertungsverfahren wird der Unternehmenswert bzw. der Kurs je Aktie durch Multiplikation einer Bezugsgröße mit einem Multiplikator ermittelt28. Aufgrund dieser Vorgehensweise werden die Vergleichswertverfahren z.T. auch als „Multiple-Verfahren“ bezeichnet29. Die Bezugsgröße ist i.d.R. eine Ertrags- oder Zahlungsgröße, die z.B. aus der Gewinn- und Verlustrechnung der zu bewertenden Immobiliengesellschaft abgeleitet wird. Verbreitetet sind aber auch operative Kennzahlen wie Wohn- und Nutzfläche oder Wohneinheiten. 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29
Vgl. Krolle, S. (2001), S. 25. Vgl. Drukarczyk, J. (2003), S. 276. Vgl. Löffler, A. (2002), S. 296; Drukarczyk, J./Honold, D. (1999), S. 343. Vgl. Kruschwitz, L./Löffler, A. (2003a), S. 731. Vgl. Matzen, F. J. (2005), S. 31. Vgl. u.a. Baetge, Jörg/Niemeyer, Kai/Kümmel, Jens (2002), S. 255; Castedello, M./Davidson, R./Schlumberger, E. (2004), S. 370; Schumann, J. (2005), S. 26; Schüler, Andreas (2000), S. 1531. Vgl. Leopoldsberger, G./Thomas, M. (1998), S. 152. Vgl. Bausch, A. (2000), S. 451; Schäfers, W./Siepmann, A./Stock, A. (2002), S. 380. Vgl. Rams, A. (1999), S. 350. Vgl. Moser, U./Auge-Dickhut, S. (2003), S. 11. Vgl. Mandl, G./Rabel, K. (1997), S. 44. Vgl. Benninga, S./Sarig, O. H. (1997), S. 305.
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22 Bewertung von Immobilienunternehmen Im Hinblick auf die Auswahl der Bezugsbasis werden die Vergleichsbewertungsverfahren in die Comparable Transaction Method30, bei der Preise aus abgeschlossenen Transaktionen herangezogen werden und in die Comparable Company Method, deren Bewertung auf Börsenkursen vergleichbarer Unternehmen basiert, unterteilt31. Ein Sonderfall des Vergleichs mit börsennotierten Unternehmen ist der Vergleich mit Emissionspreisen bei Börseneinführungen vergleichbarer Unternehmen, im Folgenden als Comparable IPO Method bezeichnet32. Im Rahmen der Comparable Transaction und der Comparable Company Bewertung kommen jedoch nicht nur unterschiedliche Bezugsgrößen zum Ausdruck: So liegen bei vergleichbaren Transaktionen in der Regel der Erwerb von Mehrheitsanteilen vor, in dessen Preisfindung ebenfalls strategische Prämien eines Investors berücksichtigt werden, während der Börsenkurs lediglich Auskunft über den Preis für einen Minderheitsanteil gibt, in dem i.d.R. keine strategischen Prämien berücksichtigt sind.
22.3.2 Darstellung gängiger Vergleichsbewertungsverfahren zur Bewertung von Immobilienunternehmen Bei der Unternehmensbewertung werden i.d.R. verschiedene Multiplikatoren verwendet, damit ein ausgewogenes Bild des Unternehmenswertes und seiner zu erwartenden zukünftigen Entwicklung dargestellt werden kann. Im Folgenden werden die gegenwärtig durch Kapitalmarktexperten für Immobiliengesellschaften häufig verwendeten Multiplikatoren näher dargestellt und erläutert: das Kurs-Gewinn-Verhältnis, das P/FFO-Verhältnis, der Wohnflächen-, der Miet- und der EBITDAMultiplikator. Bedingt durch die Notwendigkeit kapitalmarktorientierter Gesellschaften nach IFRS zu bilanzieren, ist mittlerweile die Bedeutung der DVFA Bereinigung33 und der entsprechenden DVFA Ergebniskennzahlen zurückgegangen und es erfolgt mittlerweile die Ermittlung der entsprechenden Erfolgskennzahlen auf Basis der IFRS Rechnungslegung. Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über die Vorgehensweisen und den Zusammenhang dieser Verfahren:
Abb. 22-1: Bewertung anhand von Multiplikatoren34 30 31 32 33 34
Vgl. Weston, J. F./Siu, J. A./Johnson, B. A. (2001), S. 225. Vgl. Löhnert, P. G./Böckmann, U. J. (2002), S. 412. Vgl. Mandl, G./Rabel, K. (1997), S. 264; Achleitner, A.-K. (2002), S. 290–296. Zur Übersicht der DVFA Bereinigungen insb. Für Immobilienunternehmen vgl. DVFA/SG (2000), S. 3; Rehkugler, H. (2003), S. 38 ff., Krolle, S. (2003), S. 39; Schäfers, W./Siepmann, A./Stock, A. (2002), S. 381 f. In Anlehnung an Seppelfricke, P. (1999), S. 300–307; Schäfers, W./Siepmann, A./Stock, A. (2002), S. 381.
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Wolfgang Schäfers und Frank J. Matzen
22.3.2.1 Vergleichsbewertung nach den Empfehlungen der NAREIT Aufgrund der Kritik an dem durch Abschreibungen beeinflussten Jahresüberschuss als Erfolgskennzahl für amerikanische Immobilienunternehmen mit REIT-Status einerseits und der mangelnden Ausschüttungsorientierung des NAV anderseits haben US-amerikanische REITs frühzeitig mit der Veröffentlichung von cashflow-orientierten Ergebniskennzahlen wie „Funds From Operations“ (kurz: FFO) bzw. „Adjusted Funds From Operations“ (kurz: AFFO) begonnen. Hierbei ist allerdings zu bemerken, dass die FFO und AFFO-Kennzahlen ebenso wenig einen operativen Cash Flow repräsentieren, wie das EBITDA, sondern lediglich eine Näherungsgrösse.35 Da diese Ergebniskennzahlen uneinheitlich definiert waren, hat die NAREIT, die amerikanischen Standesorganisation der REITs, einen einheitlichen Definitionsvorschlag zur Ermittlung von FFO und AFFO geschaffen, um einen Vergleich zwischen den REITs zu ermöglichen.36 US-amerikanische Analysten verwenden die Kenngröße FFO, wenn bei einem zu bewertenden Immobilienunternehmen nicht von einem nennenswerten nutzungsbedingten Werteverzehr ausgegangen werden kann, der die Berücksichtigung von Abschreibungen rechtfertigt.37 Gibt es hingegen Ausstattungsmerkmale, wie Inventar etc., die einem Wertverzehr unterliegen, so wird die Kerngröße AFFO genutzt, in dem entsprechend den benötigten Investitionsauszahlungen statt der Abschreibungen berücksichtigt werden.38 Es ist dabei wichtig zu berücksichtigen, dass die Definitionsvorschläge der NAREIT die Bedürfnisse der US-amerikanischen REITs adressieren und damit auf der US-GAAP Rechnungslegung basieren, die sich insbesondere im Hinblick auf die Bilanzierung von „Investment Properties“ erheblich von der IFRS Rechnungslegung unterscheidet. Ausgehend von dem „Net income“ nach US-GAAP wird bei der Ermittlung der FFO und des AFFO wie folgt vorgegangen (vgl. Abb. 22-2): Net Income nach US-GAAP ± Ertrag/Verlust aus dem Verkauf von abschreibbaren Immobilien + Abschreibung von Immobilien – Ergebnisbeitrag nicht fortgeführter Geschäftsbereiche – Außerordentliches Ergebnis – Ergebnis von Bewertungsänderungen = Funds from Operations (FFO) – wiederkehrende Investitionsauszahlungen – Abschreibung von aktivierten Anschaffungsnebenkosten, wie z.B. Maklercourtagen – Abschreibung von Zuschüssen für Mietereinbauten – Nicht einzahlungswirksame Abgrenzung von Mieterträgen = Adjusted Funds from Operation (AFFO) Abb. 22-2: Ermittlung von FFO und AFFO nach US-GAAP 39 35 36
37 38 39
Vgl. Mulford, C. W./Comiskey, E. E. (2005), S. 15. Vgl. NAREIT (2002), S. 2. Neben dem FFO werden in der Literatur werde Kennzahlen wie Funds for Distribution (kurz: FAD) oder Adjusted Funds for Operation (kurz: AFFO) diskutiert. Hierbei handelt es sich um Kennzahlen, die von Wertpapieranalysten vor allem zur Beurteilung der Dividendenausschüttungsfähigkeit definiert wurden und nicht Gegenstand des NAREIT White Papers zur Ermittlung des FFOs sind. Darüber hinaus werden die Definitionen von FAD und AFFO uneinheitlich verwendet. Vgl. NAREIT (2002), S. 6. Zu weiteren Informationen vgl. u.a. Krolle, S. (2003), S. 41 f.; Funk, B./Schulz-Eickhorst, T. (2002), S. 805 f. Vgl. Schäfers. W./Heller, N./Puhl, O./Körner, J. (2008), S. 172. Vgl. Cadmus, A./von Bodeckerf, M. (2005), S. 136 f. Vgl. NAREIT (2004), S. 2 ff., Block, R. L.(2002), S. 165.
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22 Bewertung von Immobilienunternehmen Der Ertrag bzw. Verlust aus dem Verkauf von abschreibbaren Immobilien ist ebenfalls zu bereinigen, da durch die Adjustierung der Abschreibungen die FFO praktisch so gestellt werden, als sei zu Marktwerten bilanziert worden. In diesem Fall würden dann bei Verkauf von Immobilien keine Ergebniswirkungen auftreten. Darüber hinaus führen Ergebnisse aus dem Verkauf von Immobilien auch zu Einmaleffekten, die die bei Multiplikatorverfahren heranzuziehenden Ergebnisgrößen verzerren würden. Abschreibungen von Immobilien werden aus dem „Net Income“ bereinigt, da es sich bei den Abschreibungen um eine rechnungslegungsbedingte Aufwandsposition handelt, die nicht im Verhältnis zur tatsächlichen Wertveränderung der Immobilien stand. Tatsächlich tritt jedoch bei gut instand gehaltenen und gut gelegenen Immobilien keine Verringerung im Marktwert ein, sondern es kommt in vielen Fällen zu einer Steigerung des Marktwertes.40 Gleiches gilt für die Ergebnisbeiträge nicht fortgeführter Geschäftsbereiche, das außerordentliches Ergebnis sowie das Ergebnis von Bewertungsänderungen, weshalb diese Ergebniskomponenten des „net incomes“ ebenfalls bereinigt werden. Bei der Ermittlung der außerordentlichen Ergebniskomponenten wird auf die Definition außerordentlicher Ergebnisse nach Maßgaben der US-GAAP Rechnungslegung rekurriert und es werden keine ergänzenden Sachverhalte definiert. Wiederkehrende Investitionsauszahlungen werden abgezogen, um die zum Erhalt des Immobilienportfolios notwendigen Zahlungsausflüsse in der AFFO-Kennzahl zu berücksichtigen. Durch die Hinzuaddierung der Abschreibungen bei der Ermittlung des FFO werden ebenfalls Abschreibung auf aktivierte Anschaffungsnebenkosten wie z.B. aktivierten Maklercourtagen hinzugerechnet. Bei der Abschreibung der aktivierten Anschaffungsnebenkosten handelt es jedoch im Grunde genommen lediglich um die Abgrenzung der Anschaffungsnebenkosten auf die erwartete Nutzungsdauer. Da dieser Effekt im operativen Ergebnis berücksichtigt werden soll, wird die Abschreibung auf aktivierte Anschaffungsnebenkosten bei der Ermittlung des AFFO wieder abgezogen. Da aktivierte Zuschüsse für Mietereinbauten sich i.d.R. auf mieterspezifische Einbauten beziehen, die keinen Einfluss auf den Wert der Immobilie haben, werden die Abschreibungen auf diese aktivierten Zuschüsse für Mieteinbauten analog zu den aktivierten Anschaffungsnebenkosten ebenfalls wieder hinzugerechnet. Aufgrund von Rechnungslegungskonventionen werden mehrjährige Mieterträgen über ihre erwartete Laufzeit abgegrenzt. Dieses „Straight Lining“ wird z.B. für mietfreie Zeiten, Mieterzuschüsse im Zusammenhang mit dem Abschluss des Mietvertrages, aber auch für die vertraglich vereinbarte nicht lineare Steigerung des Mietzinses vorgenommen. Diese Vorgehensweise führt zu einem höheren Ausweis von Mieterträgen in den ersten Jahren und zu einem niedrigen Ausweis von Mieterträgen in den letzten Jahren des Mietvertrages. Die zahlungswirksame Vereinnahmung der Miete verläuft jedoch nicht entsprechend dieser Rechnungslegungskonventionen, sondern entsprechend des vertraglich vereinbarten Zahlungsprofils, weshalb diese Abgrenzung der Mieterlöse für die Zwecke der FFO und AFFO Ermittlung bereinigt wird. Aufgrund der US-amerikanischen Herkunft basieren die FFO und die AFFO-Definitionen auf US-GAAP und adressieren insbesondere die Ergebnisverzerrung des Jahresüberschusses durch die Bilanzierung von Immobilien zu fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten abzüglich von Abschreibungen. Diese Problematik existiert jedoch lediglich für die nach US-GAAP und HGB bilanzierenden Unternehmen. Da nach § 315a HGB ab 2005 alle börsennotierten Unternehmen nach IFRS bilanzieren müssen, ist die Bereinigung der Auswirkung von Abschreibungen auf Immobilien auf solche Immobilienunternehmen begrenzt, die von dem Wahlrecht nach IAS 40.56 Gebrauch machen und gemäß IAS 16 zu fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten bilanzieren. In allen anderen Fällen ist die Bereinigung der Auswirkung von Abschreibungen auf Immobilien irrelevant. Sollen die Kennzahlen FFO und AFFO für eine nach IFRS bilanzierenden Immobilienunternehmen genutzt werden, so sind aufgrund der nicht existenten Abschreibung Modifikationen in dem 40
Vgl. Block, R. L. (2002), S. 161.
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Wolfgang Schäfers und Frank J. Matzen Berechnungsschema vorzunehmen, die in der folgenden Abbildung zusammengefasst werden (vgl. Abb. 22-3). Net Income nach IFRS ±
Ertrag/Verlust aus dem Verkauf von Immobilien
+
Abschreibung von Immobilien nach IAS 16
–
Ergebnisbeitrag nicht fortgeführter Geschäftsbereiche nach IAS 35
–
Außerordentliches Ergebnis
+
Ergebnis von Bewertungsänderungen nach IAS 8
=
Funds from Operations (FFO)
–
wiederkehrende Investitionsauszahlungen
–
Abschreibung von aktivierten Anschaffungsnebenkosten, wie z.B. Maklercourtagen
–
Abschreibung von Zuschüssen für Mietereinbauten
–
Nicht einzahlungswirksame Abgrenzung von Mieterträgen
=
Adjusted Funds from Operation (AFFO) Abb. 22-3: Ermittlung von FFO und AFFO nach IFRS 41
Entsprechend der aufgrund der Verkehrswertbilanzierung nach IAS 40.33 ff. kann auf die Bereinigung von Abschreibungen auf Immobilien, Abschreibung von aktivierten Anschaffungsnebenkosten sowie Abschreibung von Zuschüssen für Mietereinbauten verzichtet werden. Die Ergebnisbeiträge nicht fortgeführter Geschäftsbereiche sind nach IAS 35.27 bzw. 35.31 entweder in der Gewinn- und Verlustrechnung oder im Anhang auszuweisen. Diese Ergebnisbeiträge sind analog zur US-GAAP-Vorgehensweise zu berücksichtigen. Gleiches gilt für das außerordentliche Ergebnis sowie die Ergebniswirkung von Methodenänderungen. Da es auch bei der Verkehrswertbilanzierung nach IAS 40.33 ff. zu Abweichungen zwischen Verkaufserlösen und bilanzierten Verkehrswerten kommen kann, sind aus Konsistenzgründen diese Erträge bzw. Verluste aus Abgang von Immobilien weiterhin in der Ermittlung des FFO und AFFO zu berücksichtigen. Die Abgrenzung von Mieterträgen findet in IFRS analog zu US-GAAP statt, so dass diese Abgrenzung ebenfalls bei der Ermittlung von FFO und AFFO zu berücksichtigen ist.
22.3.2.2 Vergleichsbewertung nach immobilienorientierten Erfolgskennzahlen Neben der Vergleichsbewertung nach den Empfehlungen der DVFA/SG und der NAREIT haben sich in der Praxis Vergleichsbewertungsansätze herausgebildet, die insbesondere die Anlehnung an die Immobilienbewertung suchen. Hierzu zählen Bewertungen auf Basis von Wohn- bzw. Nutzflächen, Mieterlösen und dem EBITDA. Ein wesentliches operatives Maß eines bestandshaltenden Immobilienunternehmens ist die Wohnbzw. Nutzfläche, also der Teil der Bruttogeschoß- bzw. Wohnfläche, die vermietbar ist42. Von der Wohn- und Nutzfläche hängt nicht nur die erzielbare Miete, sondern auch die Höhe der Bewirtschaftungs- und Instandhaltungskosten als wesentlichste Aufwandskomponenten eines bestandshaltenden Immobilienunternehmens ab. 41 42
In Anlehnung an Matzen, F. J./Schäfers, W./Trübestein, M. (2008), Abb. 7, S. 390. Vgl. Mietflächendefinition der gif – Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung.
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22 Bewertung von Immobilienunternehmen Ein weiteres Maß ist dabei die jährliche Miete. Hierbei kommen in praxi unterschiedliche Bezugsgrößen wie z.B. Brutto- und Nettomieten, vor oder nach Berücksichtigung von Erlösschmälerungen zur Anwendung. Verbreitet ist dabei die Anwendung der Nettokaltmiete als Bezugsgröße. In der modernen Finanzanalyse werden zunehmend operative Ergebnisgrößen z.B. in Form des EBITDA-Multiplikators (Earnings before interest, taxes, depreciation and amortization = Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen auf immaterielle und materielle Wirtschaftsgüter) betrachtet. Damit entspricht der EBITDA im Grundsatz dem Reingewinn vor Abschreibung, der bei der Ermittlung des Ertragswertes nach WertV seine Berücksichtigung findet43. Diese Ergebnisgröße stellt die Ertragskraft der eigentlichen Geschäftstätigkeit einer Immobiliengesellschaft heraus. Im Gegensatz zu dem FFO wird hierin jedoch nicht die Erfolgswirkung der Kapitalstruktur berücksichtigt, während der Gewinn bzw. Verlust aus der Veräußerung von Immobilien ergebniswirksam sind. Die Berücksichtigung des Gewinn bzw. Verlust aus der Veräußerung von Immobilien kann z.T. zu erheblichen Verzerrung von EV/EBITDA-Multiplikatoren führen, die vermieden werden kann, wenn der Gewinn bzw. Verlust bereinigt bzw. aus Vergleichbarkeitsgründen gesondert ausgewiesen wird. Insbesondere die Rentabilitätsgröße EBITDA/EV erscheint für den Immobilienbereich geeignet, da diese am ehesten der Nettoanfangsrendite auf Unternehmensebene entspricht, die zu den wichtigsten Indikatoren zur Performancemessung im Immobilienbereich zählt44. Da mit den bereits genannten immobilienorientierten Kennzahlen eine Betrachtung vor Berücksichtigung der Verschuldung angestellt wird, wird im Gegensatz zum KGV und FFO-Verfahren nicht der Marktwert des Eigenkapitals als Unternehmenswert, sondern der „Enterprise Value“ (kurz: EV), die Summe der Marktwerte des Eigen- und Fremdkapitals (sog. „Marktwert des Gesamtkapitals“), herangezogen. Der Enterprise Value eines Vergleichsunternehmens errechnet sich dabei durch die Addition des verzinslichen Fremdkapitals abzüglich der verzinslichen Vermögensgegenstände zum Wert des Eigenkapitals. Der Wert des Eigenkapitals ergibt sich entweder aus der Marktkapitalisierung börsennotierter Unternehmen oder dem Kaufpreis für die Anteile aus Unternehmenstransaktionen. Der Enterprise Value der zu bewertenden Gesellschaft errechnet sich damit aus dem Produkt der operativen Ergebnisgröße der zu bewertenden Immobiliengesellschaft und dem Multiplikator (EV/ EBITDA) eines Vergleichsunternehmens bzw. der sog. Peer-Group. Der Marktwert des Eigenkapitals ergibt sich nach Abzug der zinstragenden Verbindlichkeiten zuzüglich der zinstragenden Vermögensgegenstände vom Enterprise Value. Aus der Kombination des Enterprise Values mit den Maßzahlen zur Wohn- bzw. Nutzfläche und zur Miete lassen sich z.B. aus vergleichbaren Transaktionen bewertungsrelevante Informationen über das zu bewertende Immobilienunternehmen ableiten.
22.3.3 Kritische Würdigung der Vergleichsbewertungsverfahren 22.3.3.1 Einsatz bei beschränkter Information Vergleichsbewertungsverfahren werden in praxi vor allem bei beschränkter Information über das zu bewertende Unternehmen angewandt. Diese Situation tritt vor allem in dem anfänglichen Stadium einer Unternehmenstransaktion auf, in dem es noch – vor der Entscheidung über die Durchführung einer Transaktion – zu aufwendig wäre, eine integrierte Unternehmensplanung, wie sie für die Bewertung mittels einer Discounted Cashflow Methode notwendig wäre, zu erstellen. Vor diesem Hintergrund stellen die Bewertungsverfahren zu bestimmten Zeitpunkten keine gleichwertigen Alternativen dar, über deren Verwendung anhand von Vor- und Nachteilen entschieden werden könnte. Die folgende kritische Würdigung der Vergleichsbewertungsverfahren soll insofern lediglich Anhaltspunkte für zu berücksichtigende Schwäche dieser Bewertungsmethode geben. 43 44
Vgl. Krolle, S. (2003), S. 49. Schäfers, W./Siepmann, A./Stock, A. (2002), S. 384.
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Wolfgang Schäfers und Frank J. Matzen
22.3.3.2 Eingeschränkte Vergleichbarkeit der Vergleichsunternehmen Für die Anwendung der Vergleichsbewertungsverfahren ist die Existenz von vergleichbaren Immobilienunternehmen notwendig. Die Identifikation vergleichbarer börsennotierter Unternehmen bzw. vergleichbarer Transaktionen wird in praxi jedoch durch eine Vielzahl von Faktoren erschwert45: Geringe Anzahl von börsennotierten Immobilien-AGs, insbesondere in Deutschland Nicht vergleichbare Umstände von Unternehmenstransaktionen Unterschiedliche Steuer- und Rechnungslegungssysteme (HGB, IFRS oder auch US-GAAP)46 Belastung des Jahresüberschusses nach HGB oder US-GAAP47 durch planmäßige Abschreibungen obwohl der Wert der Immobilien im Laufe der Zeit Wertschwankungen unterworfen ist. Vor diesem Hintergrund wird der Jahresüberschuss z.T. nicht als adäquate Darstellung des operativen Erfolgs eines Immobilienunternehmens angesehen48. Bedingt durch diese Umstände können erhebliche Probleme bei der Bildung der sog. Peer-Group und der Ermittlung der relevanten Multiplikatoren auftreten, so dass der ermittelte Unternehmenswert stark verzerrt sein kann.
22.3.3.3 Zuordnung operativer und finanzieller Aufwendungen Trotz umfangreicher Bereinigungen kann die Vergleichbarkeit operativer Ergebnisgrößen stark eingeschränkt sein, da die Zuordnung der Aufwendungen zur operativen oder finanziellen Ebene in der deutschen Rechnungslegung im Vergleich zu international üblichen Standards nicht immer eindeutig ist. Erschwerend kommt der Einsatz von off-balance Finanzierungen wie Immobilien-Leasing z.B. in Form von Sale-and-Leaseback oder Buy-and-Lease, Erbbaurechten und Miet- und Pachtverträgen hinzu. Die Qualität der Bereinigungen sowie die Qualität der Zukunftsprognosen, die im Rahmen der Anwendung von Multiplikatorverfahren erstellt werden, sind stark von den dazu veröffentlichten Informationen abhängig.
22.3.3.4 Vernachlässigung von Abschreibungen bei EBITDA, FFO und AFFO Bei den Erfolgsgrößen EBITDA, FFO und AFFO wird die Abschreibung als Maß des Werteverzehrs des Anlagevermögens nicht mit in die Bewertung einbezogen. Hieran wird kritisiert, dass durch die Vernachlässigung des Wertverzehrs von dem Management des Immobilienunternehmens suboptimale Investitionsentscheidungen getroffen werden.49 Allerdings wird von Befürwortern dieses Vorgehens eingewandt, dass die herkömmliche bilanzielle Abschreibung nicht die Wertentwicklung der Immobilien, die häufig im Gegensatz zum Buchwert zunehmend ist, nicht hinreichend reflektiert und somit Ergebnisgrößen, welche die Abschreibung einbeziehen, verzerrt seien.50 Weiterhin ist gegen die genannten Ergebnisgrößen einzuwenden, dass sie insbesondere bei zunehmendem Working Capital oder bei Investitionen in das Anlagevermögen den operativen Cash Flow nur unzureichend reflektieren, da dieser entsprechend niedriger ist als die sogenannten Cashflow orientierten Ergebnisgrößen.51 45 46 47
48 49 50 51
Vgl. grundsätzlich zur Kritik an dem Vergleichsbewertungsverfahren Schäfers, W./Siepmann, A./Stock, A. (2002), S. 387 f. Vgl. Krolle, S. (2003), S. 38 und 44; Schäfers, W./Siepmann, A./Stock, A. (2002), S. 387 f. Im Gegensatz zu IFRS gibt es nach US-GAAP kein Investment Property und dementsprechend keine Bewertung zu Verkehrswerten. Analog zu HGB erfolgt die Bilanzierung zu historischen Anschaffungskosten gemindert um Abschreibungen. Vgl. NAREIT (2002), S. 2. Vgl. Mulford, C. W./Comiskey, E. E. (2005), S. 16. Vgl. Mulford, C. W./Comiskey, E. E. (2005), S. 71. Vgl. Mulford, C. W./Comiskey, E. E. (2005), S. 70.
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22 Bewertung von Immobilienunternehmen
22.3.3.5 Komplexitätsreduktion durch Multiplikatoren Durch die Anwendung von Multiplikatoren wird die Unternehmensbewertung auf wenige Ergebniskennzahlen und Bewertungsmultiplikatoren verdichtet. Dieses Vorgehen kann die Bewertung zum Zwecke von Indikationen vereinfachen und die Kommunikation über Bewertungsergebnisse erleichtern. Gleichzeitig besteht aber auch die Gefahr, dass die Bewertungsergebnisse aufgrund der starken Komplexitätsreduktion verzerrt werden. So kann das Ergebnis bei Miet- und Flächenmultiplikatoren bspw. durch die uneinheitliche Verwendung von Flächen und Mietdefinitionen erheblich beeinträchtigt werden.
26.3.3.6 Ermittlung des Enterprise Values der Vergleichsunternehmen Die grundsätzliche Ermittlung des Enterprise Values eines Vergleichsunternehmens bei bekanntem Wert des Eigenkapitals durch Addition des verzinslichen Fremdkapitals und Abzug der zinstragenden Vermögensgegenstände erscheint zunächst trivial. In der praktischen Umsetzung ergeben sich aufgrund der i.d.R. nur unzureichenden Informationen über Vergleichsunternehmen jedoch erhebliche Schwierigkeiten. Da nicht nur das Eigenkapital sondern auch das Fremdkapital zu Marktwerten zu berücksichtigen ist, ergeben sich in diesem Zusammenhang besondere Schwierigkeiten bei bestandshaltenden Immobilienunternehmen. Aufgrund einerseits langer Restlaufzeiten und damit erheblicher Abweichungen von kontrahierter und marktüblicher Verzinsung, aber auch durch ggf. bestehende zinsgünstige Darlehen können erhebliche Abweichungen zwischen Markt- und Buchwerten resultieren52, die i.d.R. aus veröffentlichten Informationen nicht ermittelbar sind. Weitere Probleme können sich bei der Berücksichtigung des Marktwertes von off-balance Finanzierungen wie Immobilienleasing, Miet- und Pachtverträgen sowie Erbbaurechten oder Finanzanlagen ergeben. Aufgrund unzureichender Informationen über den Marktwert des Fremdkapitals und der verzinslichen Aktiva kann es bei der Ermittlung von Enterprise Value basierten Multiplikatoren bereits zu erheblichen Verzerrungen kommen, die sich dann bei einer Anwendung im Rahmen der Vergleichsbewertung auf das Bewertungsresultat übertragen.
22.3.3.7 Berücksichtigung von Veräußerungsgewinnen/-verlusten Im Hinblick auf die Gewinne bzw. Verluste aus dem Verkauf von Immobilien besteht ein Dilemma hinsichtlich der Bereinigung. Erfolgt keine Bereinigung, so wie nach DVFA/SG bei branchenüblicher Bestandspflege empfohlen, kann der Jahresüberschuss erheblich durch Erträge aus dem Verkauf von Immobilien verzerrt sein und repräsentiert ggf. nicht den nachhaltig erzielbaren Gewinn. Werden die Gewinne bzw. Verluste hingegen bereinigt, so ist die wirtschaftliche Ertragskraft nur unvollständig dargestellt. Dieses Bereinigungsdilemma erschwert beispielsweise die Analyse und die Prognose der Finanz- und Ertragskraft des (originären) Immobiliengeschäfts und damit die Bewertung von bestandshaltenden Immobilienunternehmen. Diese Bereinigungsproblematik ergibt sich für alle Ergebniskennzahlen wie EBITDA, Jahresüberschuss und FFO. Da bei Miet- und Wohn-/Nutzflächenmultiplikatoren die Ergebniswirkung aus Verkäufen nicht berücksichtigt wird, sind diese Multiplikatoren hiervon nicht betroffen.
22.4 Net Asset Value-Verfahren zur Bewertung von Immobilienunternehmen 22.4.1 Überblick über das Net Asset Value-Verfahren zur Bewertung von Immobilienunternehmen Im Kern handelt es sich bei der Ermittlung des Net Asset Values um eine Einzelbewertung, die den Wert des Unternehmens durch eine isolierte Bewertung einzelner Vermögensgegenstände (z.B. 52
Vgl. Krolle, S. (2003), S. 47.
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Wolfgang Schäfers und Frank J. Matzen Immobilien) und Schulden zu einem bestimmten Stichtag ermittelt53. Dabei ist die Bewertung der einzelnen Vermögenspositionen in der Regel zukunftsorientiert, dennoch wird durch die isolierten Betrachtungen der einzelnen Aktiva und Passiva Kombinationseffekte, welche sich aus dem Zusammenwirken der einzelnen Elemente ergeben, nicht in Betracht gezogen54. Die folgende Abbildung gibt einen vereinfachten Überblick über die Vorgehensweise zur Berechnung des Net Asset Values („NAV“) wieder. Berechnung des Net Asset Value Buchwerte der Immobilien +
Stille Reserven der Immobilien
=
Verkehrswerte der Immobilien
–
Finanzschulden
+ –
Sonstige Vermögensgegenstände und Schulden (sog. Net working capital)
=
Net Asset Value
Abb. 22-4: Berechnung des Net Asset Value (vereinfachte Darstellung)
Wesentlich für die Ermittlung des Net Asset Values ist die Ermittlung der Verkehrswerte der Immobilien, bspw. durch das Vergleichswert- oder das Ertragswertverfahren nach WertV bzw. durch nicht normierte Bewertungsverfahren.55. Für Immobilien, die der Ertragserzielung dienen, wird der Verkehrswert mit dem Ertragswertverfahren nach §§ 15–20 WertV oder – im internationalen Rahmen – Discounted Cashflow-Verfahren der Immobilienbewertung ermittelt. Hierbei wird von den persönlichen Verhältnissen und Strategien des Investors abstrahiert, so dass der ermittelte Verkehrswert nicht zur Ermittlung eines Entscheidungswertes heranzuziehen ist56. Aufgrund dieser von der Unternehmensbewertung abweichenden Wertkonzeption liegen der Immobilienbewertung i.d.R. andere Einnahmeüberschüsse zu Grunde als der Unternehmensbewertung57.
22.4.2 Überblick über das Net Asset Value-Verfahren nach EPRA Zur Erhöhung der Transparenz und der Einheitlichkeit der Bewertung wurde von der European Public Real Estate Association (EPRA), der Vereinigung der gelisteten europäischen Immobilienunternehmen, eine „Best-Practice Recommendation“ ausgearbeitet, die die Berechnung des NAVs definiert. Diese kann einerseits – so wie in den Best-Practice Recommendation beschrieben – auf den NAV je Aktie oder in Anlehnung an die dort beschriebenen Prinzipien zur Ermittlung des NAVs auf das gesamte Immobilienunternehmen bezogen werden. Dabei handelt es sich um die Bereitstellung zusätzlicher Informationen für die Kontinuität und Vergleichbarkeit der Ergebnisse und nicht um den 53 54
55 56 57
Vgl. Matzen, F. J. (2005), S. 34; Spremann, K. (2002), S. 142. Vgl. zur Vorgehensweise bei der Bewertung von Immobilien Kleiber, W./Simon, J./Weyers, G. (2002), Rz. 18, S. 100; Thomaschowski, D./Rehkugler, H./Nack, U. (2003), S. 59; Cadmus, A. (2000), S. 97; Schäfers, W./ Siepmann, A./Stock, A. (2002), S. 389 f. Zur detaillierten Darlegung der verschiedenen Verfahren zur Immobilienbewertung vgl. den Beitrag von Schulte in diesem Buch. Vgl. Matzen, F. J. (2005), S. 46; Tillmann, A. (2003), S. 336; Paul, E. (2002), S. 568. Vgl. Schulte, K.-W./Matzen, F. J. (2003), S. 393.
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22 Bewertung von Immobilienunternehmen Ersatz der Informationen aus den Vorschriften der Rechnungslegung. Grundsätzlich gilt heutzutage für börsennotierte Immobiliengesellschaften die Veröffentlichung des Net Asset Values als zusätzliche Anhangsangabe als unverzichtbar.58 Die Empfehlungen der EPRA zur Vereinheitlichung der NAV Ermittlung richten sich an die Bestimmung des „Adjusted Net Asset Value“ (EPRA NAV) und des „Triple NAV“ (EPRA NNNAV). Während sich die EPRA Definitionen des Adjusted EPRA NAV und des NNNAV auf einen NAV je Aktie beziehen und somit mögliche Verwässerungen aus der Ausübung von Optionen, Wandelanleihen und ähnlichen Instrumenten einbeziehen,59 wird in der folgenden Betrachtung auf die Ermittlung des Wertes des Eigenkapitals fokussiert und somit von möglichen Dilutierungseffekten, die lediglich eine Auswirkung auf den Wert je Aktie haben, abstrahiert. Der Adjusted Net Asset Value unterstellt dabei die Unternehmensfortführung, wohingegen der Triple Net Asset Value einen vollständigen Verkauf aller Immobilien im Sinne eines Liquidationswertes unterstellt.60
22.4.2.1 Adjusted EPRA NAV Der Adjusted EPRA NAV geht von dem Net Asset Value, d.h. dem bilanziellen Eigenkapital nach IFRS Bilanz aus. Es wird – im Gegensatz zu dem nachfolgend beschriebenen NNNAV – eine Fortführung des Immobilienunternehmens unterstellt. Hierbei wird unterstellt, dass das Immobilienunternehmen entsprechend der EPRA Best Practise Recommandations von dem Wahlrecht IAS 40.24 des Ausweises Anlageimmobilien zu Verkehrswerten Gebrauch macht.61 Weiterhin werden folgende Bereinigungen zur Ermittlung des „Adjusted EPRA NAV“ vorgenommen:62 NAV laut Jahresabschluss (Buchwert Eigenkapital nach IFRS) +
Hinzurechnung Mehrwert aus Neubewertung der zu Anschaffungs- und Herstellungskosten bilanzierten Anlageimmobilien, der nach IAS 11 bilanzierten Entwicklungsimmobilien und sonstiger Finanzanlagen
+
Hinzurechnung Mehrwert aus Neubewertung der als finance lease bilanzierten Immobilien
+
Hinzurechnung Mehrwert aus Neubewertung der Anschaffungs- und Herstellungskosten bilanzierten Handelsimmobilien
±
Bereinigung der Wertanpassung zum Wert der Finanzinstrumente, die wirksame Hedges darstellen, aber nicht für eine Hedgeaccounting im Sinne IAS 39 qualifizieren
+
Hinzurechnung der bilanzierten latenten Steuern für die Neubewertung der Immobilien, da diese latenten Steuern erst bei Verkauf der Immobilien wirksam werden
=
Adjusted EPRA NAV
–
wiederkehrende Investitionsauszahlungen
–
Abschreibung von aktivierten Anschaffungsnebenkosten, wie z.B. Maklercourtagen
–
Abschreibung von Zuschüssen für Mietereinbauten
–
Nicht einzahlungswirksame Abgrenzung von Mieterträgen
=
Adjusted Funds from Operation (AFFO) Abb. 22-5: Berechnung des Adjusted EPRA Net Asset Value63
58 59 60 61 62 63
Vgl. Matthey, D. (2005), S. 158 Vgl. EPRA (2006), S. 37. Vgl. Cadmus, A./von Bodeckerf, M.: Immobilien-Aktiengesellschaften und REITs, in: Schulte, K.-W./BoneWinkel, S./Thomas, M.(Hrsg.): Handbuch Immobilieninvestition, 2. Aufl., Köln 2005, S. 137. Vgl. Zur Beegründung der Empfehlung der Bilanzierung der Anlageimmobilien zu Verkeherswerten EPRA (2006), S. 12. Vgl. EPRA (2006), S. 38. In Anlehung an EPRA Berechnung je Aktie EPRA (2006), S. 37.
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Wolfgang Schäfers und Frank J. Matzen Sollte das Immobilienunternehmen nicht von dem Wahlrecht nach IAS 40.30 Gebrauch gemacht haben, die Anlageimmobilien zu Verkehrswerten zu bilanzieren, sondern entsprechend nach IAS 16 die Immobilien zu fortgeführten Herstellungs- und Anschaffungskosten zu bewerten, so ist in Ergänzung der obengenannten Adjustierungen der Mehrwert aus einer Neubewertung der Anlageimmobilien dem NAV hinzuzurechnen.64 Der Verkehrswert der Immobilien ist aus dem Anhang ersichtlich, da nach IAS 40 bei der Bilanzierung von Anlagenimmobilien die Angabe des Verkehrswertes im Anhang zwingend notwendig ist.65 Die Bilanzierung von Entwicklungsprojekten im Rahmen der Auftragsfertigung wird in IAS 11 geregelt. Hierbei sind zwei Varianten der Bilanzierung in Abhängigkeit der Verlässlichkeit der Ergebnisschätzung des Fertigungsauftrages möglich: Kann das Ergebnis des Fertigungsauftrages verlässlich geschätzt werden, so sind nach IAS 11.22 im Rahmen der „Percentage of completion-Method“ die Auftragserlöse und Auftragsaufwendungen nach dem Projektfortschritt zu erfassen. Es kommt hierdurch einer dem Auftragsfortschritt entsprechenden Gewinnrealisierung. Andernfalls ist sind nach IAS 11.32 die Erlöse nur in Höhe der Auftragskosten einer Periode („zero-profit margin method“) zu erfassen, so dass es erst bei Projektabschluss zu einer Gewinnrealisierung kommt. Unabhängig von der zu Grunde liegenden Bilanzierung der Entwicklungsprojekte spiegeln jedoch beide Methoden nicht den Verkehrswert der Entwicklungsprojekte wieder. Der Verkehrswert der Entwicklungsprojekte ist jedoch keine Verpflichtende Anhangsangabe nach IFRS noch wird die Angabe des Verkehrswertes in den EPRA Best Practise Recommandations empfohlen. Vor diesem Hintergrund bedarf es unternehmensinterner Informationen, da andernfalls die geforderten Adjustierungen für die Neubewertung von Entwicklungsprojekten nur bedingt auf Basis grober Schätzungen möglich sind. Ist ein regulärer Mietvertrag für eine Anlageimmobilie so gestaltet, dass die Chancen und Risiken, die mit dem Eigentum verbunden sind auf den Mieter übertragen werden, so ist die Immobilien nicht nach IAS 40 als Anlageimmobilie, sondern gemäß IAS 17.8 als Finance lease zu berücksichtigen.66 In der Praxis kann dieser ggf. unbeabsichtige Zustand beispielsweise entstehen, wenn ein unkündbarer Mietvertrag sehr langen Grundmietzeit im Verhältnis zu der Restnutzungsdauer des Gebäudes oder Sale-and-Leaseback-Konstruktionen vereinbart werden oder wenn ein Tripple Net Lease abgeschlossen wird, bei dem der Mieter im Wesentlichen in alle Chancen und Risiken des Eigentümers während der Laufzeit des Tripple Net Leases eintritt.67 Hierbei steht bei der Beurteilung nach IAS 17.4 die Übertragung der mit dem Eigentum verbundenen Chancen und Risiken im Vordergrund und nicht die Frage des tatsächlichen Eigentumsüberganges. Kommt es unter solchen Umständen zu einer Qualifizierung als finance lease, so wird nicht der Verkehrswert der Immobilie, sondern nach IAS 17.36 i.V.m. IAS 17.4 eine Leasingforderung aus dem Verkauf der Immobilie mit dem Nettoinvestitionswert aus. Da der Ausweis des Verkehrswertes einer als finance lease qualifizierte Immobilien nach IAS keine zwingende Anhangsangabe ist, bedarf es zur Adjustierung des Wertes dieser Immobilien ebenfalls unternehmensinterner Informationen.68 Immobilien, die zu Handelszwecken gehalten werden, („Trading Properties“) sind nach IAS 2 im Vorratsvermögen zu Anschaffungskosten inklusive Anschaffungsnebenkosten zu bilanzieren. Da der Ausweis des Verkehrswertes einer zu Handelszwecken gehaltenen Immobilie nach IAS keine zwingend Anhangsangabe ist, bedarf es zur Adjustierung des Wertes dieser Immobilien ebenfalls unternehmensinterner Informationen. Allerdings ist davon auszugehen, dass bedingt durch den Kurzfristcharakter dieser Position die positive Wertdifferenz zwischen Verkehrswert und bilanziertem Buchwert tendenziell relativ gering ausfallen sollte. 64 65 66 67 68
Bei einem G-REIT ist dieses IFRS Wahlrecht faktisch ausgeschlossen, da nach § 12 Abs. 1 REITG die Bilanzierung der Anlageimmobilien zu Verkehrswerten gefordert wird. Vgl. Völker, E/Enzenhofer, G. (2004), S. 319. Vgl. Dettmeier, M./Pöschke, M. (2008), S. 310. Vgl. Matzen, F. J./Schäfers, W./Trübestein, M. (2008), S. 376. Vgl. EPRA (2006), S. 38.
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22 Bewertung von Immobilienunternehmen Bei der Bereinigung der Wertanpassung des Wertes der zu Grunde liegenden Finanzinstrumente, welche durch wirtschaftlich effektive Sicherungsgeschäfts abgesichert sind, aber nicht den Voraussetzungen zum Hedgeaccounting im Sinne IAS 39 genügen, sind marktbedingten Wertminderungen der Vermögensgegenständen und die marktbedingten Erhöhungen der Schulden zu bereinigen, da aufgrund des effektiven Sicherungsgeschäftes weiterhin der ursprüngliche Wert maßgeblich ist. Nach IAS 12 sind in der IFRS Rechnungslegung sämtlich zeitlich befristete Bewertungsunterschiede zwischen IFRS Bilanz und Steuerbilanz bei der Ermittlung der latenten Steuern zu berücksichtigen. Hierunter fallen allerdings nicht nur die Unterschiede zwischen den steuerbilanziell fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten der Anlageimmobilien und es nach IAS 40 angesetzten Verkehrswertes, Entwicklungsimmobilien sowie Immobilien zu Handelszwecken und andere Finanzinvestitionen. Um der im Falle des adjustierten NAVs unterstellten Fortführungsannahme Rechnung zu Tragen, sind die latenten Steuerverbindlichkeiten, die aus der Bilanzierung der Anlageimmobilien resultieren entsprechend dem NAV wieder hinzuzurechnen.69 Alle weiteren latenten Steueransprüche und -verpflichtungen, die nicht aus der Neubewertung von Immobilien resultieren, sind hingegen auch nicht zu bereinigen.70
22.4.2.2 Triple Net Asset Value nach EPRA Zur Ermittlung des Triple Net Asset Values nach EPRA Definitionsvorschlag (NNNAV) werden ausgehend von dem Net Asset Value, d.h. dem bilanziellen Eigenkapital nach IFRS Bilanz folgende Bereinigungen vorgenommen:71 Adjusted EPRA NAV ±
Bereinigung der Wertanpassung zum Wert der Finanzinstrumente, die wirksame Hedges darstellen, aber nicht für eine Hedgeaccounting im Sinne IAS 39 qualifizieren
±
Marktwertanpassung alle Finanzverbindlichkeiten, die nicht entsprechend IAS 39 zu Marktwerten bilanziert werden
–
Latente Steuern auf potenzielle Ertragssteuern, die bei einem Verkauf zum angesetzten Verkehrswert resultieren
=
EPRA NNNAV Abb. 22-6: Berechnung des EPRA NNNAV 72
Im Gegensatz zum Adjusted NAV wird beim NNNAV nicht der Fortführungsfall, sondern der Zerschlagungsfall unterstellt. Zunächst wird die bei der Ermittlung des Adjusted NAV vorgenommene Bereinigung Wertanpassung des Wertes der zu Grunde liegenden Finanzinstrumente, welche durch wirtschaftlich effektive Sicherungsgeschäfts abgesichert sind, wieder eliminiert, da im Falle der angenommenen Zerschlagung des Immobilienunternehmens die tatsächlichen Marktwerte zum Bilanzstichtag relevant sind. Weiterhin wird für alle Finanzverbindlichkeiten, die nach IAS 39 nicht zu Marktwerten sondern zu fortgeführten Anschaffungskosten bilanziert sind, eine Marktwertanpassung berücksichtigt. Da lediglich die im Rahmen von Cash Flow- oder Fair Value Hedges73 abgesicherten Finanzverbindlichkeiten 69 70 71 72 73
Vgl. EPRA (2006), S. 38. Vgl. EPRA (2006), S. 38. Vgl. EPRA (2006), S. 38. In Anlehung an EPRA Berechnung je Aktie EPRA (2006), S. 37. Der auch zum hedge accounting qualifizierenden „hedge of a net investment“ wird an dieser Stelle vernachlässigt, da in dem EPRA Gliederungsschema lediglich die Finanzverbindlichkeiten diskutierten werden und nicht Nettoinvestition in einen ausländischen Geschäftsbetrieb gemäß IAS 21.
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Wolfgang Schäfers und Frank J. Matzen zum hedge accounting nach IAS 39 qualifizieren und damit zu Marktwerten abgebildet werden, sind somit alle übrigen Finanzverbindlichkeiten entsprechend an Marktwerte anzupassen. Zu diesen zählen die ungesicherte Finanzverbindlichkeiten und die gesicherten Finanzverbindlichkeiten, die nicht im Rahmen des hedge accountings berücksichtigt werden. Grundsätzlich sind beim NNNAV die nach IAS 12 anzusetzenden latenten Steuern zu berücksichtigen. Hierin ist bereits der Unterschied zwischen der in der IFRS Bilanz dargestellten Marktbewertung und den steuerbilanziellen Werten vorgenommen. Wurden hingegen im Rahmen der NNNAV Ermittlung zu fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten bilanzierte Vermögensgegenstände zu Verkehrswerte ausgewiesen, wie z.B. Immobilien, die als finance lease qualifizieren oder zu Handelszwecken gehalten werden oder auch Entwicklungsprojekte, so sind diese Unterschiede zwischen Verkehrswert und bilanziertem Wert zusätzlich zu den latenten Steuern nach IAS 12 zu berücksichtigen.
22.4.3 Kritische Würdigung des Net Asset Value-Verfahrens Das NAV-Konzept stellt den Bezug zwischen Marktwert des Immobilienvermögens und Wert der Immobiliengesellschaft her, wobei der Vorteil dieser Methode in der Eliminierung von zufälligen Sondereinflüssen aus den jeweiligen Abrechnungsperioden liegt und daher in der Fachliteratur zahlreiche Befürworter findet74. Als Vorzug der NAV-Methode wird insbesondere die Berücksichtigung der individuellen Chance/Risikostruktur der einzelnen Immobilien gesehen75. Jedoch gibt es bei der Anwendung des NAV-Konzeptes auch bewertungstechnische Nachteile.
22.4.3.1 Mangelnde Berücksichtigung der Ausschüttbarkeit Aufgrund der mangelnden Cashflow- und Ergebnisorientierung des Net Asset Value Ansatzes wird zwar ein Wert ermittelt, der jedoch keinen Bezug zur Ausschüttungsfähigkeit des Immobilienunternehmens hat.76 So können Wertsteigerungen allein aus der nicht realisierten Steigerung des Wertansatzes von Immobilien resultieren, die insbesondere für den Anteilseigner, der an Ausschüttungen interessiert ist, nicht maßgeblich sind.
22.4.3.2 Unvereinbarkeit der Wertkonzeptionen Aufgrund der Wertkonzeption der Immobilienbewertung, die unabhängig von der tatsächlichen Situation eine marktübliche, gewöhnliche bzw. nachhaltige Nutzung der Immobilien unterstellt, werden nicht die von dem Investor geplante Bewirtschaftung, sondern die bei einer marktüblichen, nachhaltigen Bewirtschaftung anzunehmenden Cashflows unterstellt77. Darüber hinaus werden Unternehmensteuern der Gesellschaft sowie Synergiewirkungen zwischen den Immobilien nicht berücksichtigt, so dass die wertsteigernde Transformationsleistung der Portfoliobildung und -umschichtung durch das Immobilienunternehmen nicht in die Bewertung einfließt78. Bedingt durch diese Vorgehensweise spiegelt die Immobilienbewertung systematisch nicht die vom Management geplante oder die von Investoren erwartete Unternehmens- und Portfolioentwicklung wider, so dass dieser Wert weder für Kapitalmarkttransaktionen noch für individuelle Kaufentscheidungen geeignet ist79. Der für Unternehmensbewertungen wesentliche Mangel der Verkehrswertdefinition, nämlich die Abstraktion von den entscheidungsrelevanten persönlichen Verhältnissen des Investors, wird selbst durch die Bilanzierung nach IFRS und dem Ansatz von Zeitwerten für investment properties nach IAS 40.33 ff. nicht behoben. Im Gegensatz zu dem value in use der nach IAS 36 für Ermittlung der Wertminderung von Vermögensgegenständen – ausgenommen von den dort genannten Sachverhalten wie 74 75 76 77 78 79
Vgl. Rehkugler, H. (2003), S. 15 ff. Vgl. Plein, C. (1999), S. 469. Vgl. Moeller, S./Brady, C. (2007), S. 194. Vgl. Tillmann, A. (2003), S. 336; Pensel, J. (1993), S. 369. Vgl. Mansch, H. (1979), S. 64. Vgl. Schulte, K.-W./Matzen, F. J. (2003), S. 399.
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22 Bewertung von Immobilienunternehmen z.B. vermietete Immobilien, die zu Zeitwerten nach IAS 40.33 ff. zu bewerten sind – Anwendung findet, ist nach IAS 40.59 bei der Ermittlung des fair values von unternehmens- oder investorenspezifischen Nutzenpotenzialen, wie z.B. positiven Wertbeiträgen aus der Portfoliobildung, Synergien mit anderen Vermögensgegenständen und Geschäftsbereichen sowie rechtlichen und steuerlichen Vorteilen, abzusehen80.
22.4.3.3 Mangelndes Publizitätsverhalten Eine weitere Problematik bei der Ermittlung entscheidungsrelevanter Werte ist das Publizitätsverhalten von Immobiliengesellschaften. Aufgrund eingeschränkter Veröffentlichung notwendiger, zukunftsorientierter Informationen, die Bezug auf die tatsächlich geplanten Mieterträge und Bewirtschaftungskosten nimmt, wird selbst die entscheidungsrelevante Wertermittlung von Einzelimmobilien erschwert, von der Ermittlung des Portfoliowertes ganz abgesehen81. Ebenso problematisch ist, dass die Nutzung des NAV und NNNAV nach EPRA Definition eine entsprechende Datenbereitstellung durch die Immobiliengesellschaft voraus setzt. Dies gilt insbesondere für die Bereitstellung der Marktwerte von Entwicklungsprojekten, zu Handelszwecken gehaltenen Immobilien, Immobilien, die als finance lease qualifizieren, aber auch für die Ermittlung der Marktwerte des Fremdkapitals. Führt diese die Betrachtung nicht oder nicht sachgerecht durch, so ist es für den externen Bilanzadressaten kaum möglich einen Adjusted NAV oder NNNAV zu ermitteln.
22.4.3.4 Marktwertermittlung sonstiger Vermögensgegenstände und Schulden Zur Ermittlung des Net Asset Values ist nicht nur die Ermittlung des Marktwertes der Immobilien, sondern auch des Marktwertes aller sonstigen Vermögensgegenstände und Schulden erforderlich82. Hierbei stellen sich für den unternehmensexternen Bewerter die bereits bei der Ermittlung des Enterprise Values im Rahmen der Vergleichsbewertung diskutierten Probleme, wodurch der Net Asset Value ebenfalls verzerrt werden kann. Auch ist fraglich wie der Wert der aus der Verzögerungen von Ein- und Auszahlungen resultierenden Forderungen und Verbindlichkeiten von den im Rahmen der Immobilienbewertung ermittelten Werten der Anlageimmobilien bereits berücksichtigt wurde. Hier besteht eine erhebliche Unschärfe, da im Rahmen der Immobilienbewertung tatsächliche Zahlungsverzögerungen weder analysiert noch berücksichtigt werden.
22.4.3.5 Konzeptionelle Schwächen des EPRA NNNAV Bei der Ermittlung des NNNAV wird durch Annahme entsprechender latenter Steuern ein Liquidationswert unterstellt.83 Diese Annahme der EPRA weist zwei konzeptionelle Schwächen auf, die jedoch im Einzelfall von erheblicher Wertrelevanz sein können: Durch die EPRA wird weder definiert, ob bei der Ermittlung der latenten Steuern eine Diskontierung vorzunehmen ist noch über welchen Zeitraum eine solche Diskontierung vorzunehmen ist. Hierdurch besteht erheblicher Ermessensspielraum, den NNNAV zu beeinflussen.84 Ebenso wird bei der Marktwertermittlung der Darlehen und Zinssicherungsinstrumente nicht die bei einer vorfälligen Tilgung von festverzinslichen Darlehen die ggf. zu leistenden Vorfälligkeitsentschädigung bzw. bei Zinssicherungsinstrumente ggf. resultierende Swap-breakage Costs berücksichtigt. Insbesondere wenn der Marktwert der festverzinslichen Darlehen aufgrund eines seit Abschluss des 80 81 82 83 84
Vgl. Beck, M. (2004), S. 500. Vgl. Schäfers, W./Siepmann, A./Stock, A. (2002), S. 389 f.; Schulte, K.-W./Matzen, F. J. (2003), S. 403. Vgl. Thomaschowski, D./Rehkugler, H./Nack, U. (2003), S. 61. Vgl. Cadmus, A./von Bodecker, M. (2005), S. 137. Vgl. Matzen, F. J./Schäfers, W./Trübestein, M. (2008), S. 396.
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Wolfgang Schäfers und Frank J. Matzen Darlehens gesunkenen Zinsniveaus gestiegen ist, kommen zusätzliche Verfälligkeitsentschädigungen in Betracht.85 Weiterhin werden in dem Liquidationsszenario nicht die Kosten einer Unternehmensliquidation wie z.B. Rechts- und Beratungskosten aber vor allem auch Abfindungen für betriebsbedingt zu kündigende Mitarbeiter berücksichtigt.
22.4.3.6 Fehlende Eindeutigkeit der Bewertung mittels des Net Asset Values Wird akzeptiert, dass der Wert eines Immobilienunternehmens aufgrund der abweichenden Wertdefinitionen von Immobilien- und Unternehmensbewertung i.d.R. über oder unter dem Net Asset Value liegt, so bleibt unklar wie der Wert des Eigenkapitals aus einem festgestellten Net Asset Value ermittelt werden soll. In Anbetracht der jeweils unternehmensspezifischen Abweichungen der Bewertungsannahmen bei Immobilien- und Unternehmensbewertung erscheint eine Ableitung von NAV-Discounts oder -Premiums aus vergleichbaren Unternehmen eher schwierig86.
22.5 Discounted Cashflow-Verfahren zur Bewertung von Immobilienunternehmen 22.5.1 Überblick über die Discounted Cashflow-Verfahren Die Discounted Cashflow (kurz: DCF)-Verfahren basieren auf dem Barwertkalkül. Zur Ermittlung des Unternehmenswerts werden die zukünftig erwarteten Cashflows des Unternehmens diskontiert, d.h. eine Einbeziehung anderer Unternehmen in die Bewertung kann vermieden werden87. Die Discounted Cashflow-Methoden unterscheiden sich – wie in der folgenden Abbildung dargestellt – auf den ersten Blick vor allem in der Ermittlung des Wertes des Eigenkapitals88. Die Discounted Cashflow-Methoden lassen sich anhand der unterschiedlichen Berücksichtigung von Zahlungsströmen an Fremdkapitalgeber in Brutto- bzw. Entity- und Netto- bzw. Equity-Ansätze unterscheiden89. Während bei Brutto- bzw. Entity-Ansätzen zunächst der Unternehmensgesamtwert ermittelt wird, in einem zweiten Schritt die Ansprüche der Fremdkapitalgeber berücksichtigt werden und als Residualgröße der Wert des Eigenkapitals berechnet wird90, erfolgt die Ermittlung des Wertes des Eigenkapitals im Equity-Ansatz in einem Schritt91. Weitere Differenzierungen der Entity-Ansätze basieren auf der unterschiedlichen Berücksichtigung der aus der Absetzbarkeit der Fremdkapitalzinsen resultierenden Steuerersparnis („Tax Shield“). Bei dem Entity-Ansatz wird das Tax Shield im Diskontierungszins berücksichtigt, in der Total-Cashflow und dem APV-Ansatz hingegen direkt im zu diskontierenden Cashflow92. Im Gegensatz zum Total Cashflow-Ansatz wird das Tax Shield im APV-Ansatz jedoch separat bewertet93.
85 86 87 88 89 90 91 92 93
Vgl. Matzen, F. J. (2006), S. 272. Zur vertieften Diskussion der Discount- bzw. Prämienproblematik beim NAV-Konzept vgl. Schefrin, H. (2002), S. 175–191; Schäfers, W./Siepmann, A./Stock, A. (2002), S. 390 ff.; Haub, C. (1998), S. 132–202. Vgl. Leopoldsberger, G./Thomas, M. (1998), S. 145–151. Vgl. Hachmeister, D. (1996), S. 256; Steiner, M./Wallmeier, M. (1999), S. 3. Vgl. Ballwieser, W. (1995), S. 121. Vgl. Steiner, M./Wallmeier, M. (1999), S. 3. Vgl. Copeland, T. E./Koller, T./Murrin, J. (2000), S. 146. Vgl. Steiner, M./Wallmeier, M. (1999), S. 4 f., Richter, F. (1997), S. 228. Vgl. Drukarczyk, J. (2003), S. 231; Wallmeier, M. (1999), S. 1474.
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22 Bewertung von Immobilienunternehmen DCFVerfahren
APVAnsatz
Total CFAnsatz
WACCAnsatz
EquityAnsatz
Brutto-Methoden (Entity-Ansatz)
Wert b.vollst. Eigenkapitalfinanzierung
+
Wert der Steuervorteile
=
Unternehmensgesamtwert
Netto-Methoden (Equity-Ansatz)
–
Wert des Fremdkapitals
=
Wert des Eigenkapitals
Abb. 22-7: Übersicht über die DCF-Methoden94
22.5.2 Ausgewählte Aspekte der Anwendung der DCF-Verfahren zur Bewertung von Immobilienunternehmen Der Anwendung der DCF-Verfahren bei Immobilienunternehmen ist gemeinsam, dass sie zunächst eine integrierte Unternehmensplanung voraussetzen. Dabei ist die Planung der erwarteten Unternehmensentwicklung eines Immobilienunternehmens zunächst die Vergangenheitsanalyse vorausgeschaltet. Dieser integrative Bestandteil einer Unternehmensplanung dient dem grundlegenden Verständnis der Erfolgsmechanik und Werttreiber des zu bewertenden Unternehmens. Hierzu werden i.d.R. die Entwicklung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der letzten 3 Jahre analysiert. Bei geplanten Unternehmensakquisitionen ist diese Analyse Gegenstand der Financial Due Diligence.95 Auf der Grundlage dieses Verständnisses wird in einem nächsten Schritt die Unternehmensplanung entwickelt bzw. kritisch analysiert. Hierbei sind zunächst die angestrebten Unternehmensziele sowie geeignete Strategien, Maßnahmen und Zeitpläne zur Realisierung dieser Ziele zu definieren. Im Weiteren werden Tendenzen in der Vergangenheit, die nicht von einer ggf. veränderten Unternehmenspolitik betroffen sind, sowie die Auswirkungen einer veränderten Unternehmenspolitik modelliert. Besonders problematisch und deshalb fehlerträchtig ist die Berücksichtigung von erheblichen Veränderungen der strategischen Ausrichtung eines Immobilienunternehmens wie bspw. die Veränderung von reiner Bestandshaltung zu einem aktiven Portfoliomanagement. Da die Auswirkungen dieser veränderten Unternehmenspolitik sich nicht aus der Vergangenheit ableiten lassen, kann in diesem Fall die Analyse der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage von Unternehmen, welche dieser Strategie folgen, weiterhelfen. Branchenspezifisch für die Planung von Immobilienunternehmen ist vor allem die Prognose der Entwicklung der Marktmiete und -entwicklung der jeweiligen Region, die Entwicklung der Mieterfluktuation, die Neuvermietungsdauer bei Mieterwechsel sowie die Entwicklung der Betriebs-, Instandhaltungs- und Modernisierungskosten. Bei einem im Hinblick auf die regionalen Immobilienmärkte, die Alterstruktur oder den baulichen Zustand u.ä. heterogenen Immobilienportfolio des zu 94 95
In Anlehnung an Schultze, W. (2003), S. 89; Steiner, M./Wallmeier, M. (1999), S. 3. Vgl. hierzu Matzen, F. J. (2006), S. 255–282.
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Wolfgang Schäfers und Frank J. Matzen bewertenden Unternehmens sollte diese Prognose anhand von Teilportfolien erfolgen, die im Hinblick auf diese Merkmale jeweils homogen sind. Darüber hinaus sind übrige nicht branchenspezifische Kosten wie Personal- und sonstiger betrieblicher Aufwand zu planen.
22.5.2.1 Einschätzungen des regionalen Immobilienmarktes Zunächst ist die Entwicklung des relevanten regionalen Immobilienmarktes zu prognostizieren. Aufgrund der Ortsgebundenheit der Immobilien kommt dieser Prognose besondere Bedeutung zu. Hierbei sind zunächst Nachfrage beeinflussende Aspekte wie z.B. die erwartete Bevölkerungsentwicklung, Entwicklung beschäftigter und erwerbsloser Arbeitnehmer oder Kaufkraftentwicklung zu betrachten. Weiterhin ist die Entwicklung der Angebotssituation im Hinblick auf Neubauten, Abrisse sowie Leerstände und Ausstattungsstandards der konkurrierenden Vermieter zu beurteilen96. Auf Basis dieser Analyse der Makrostandortfaktoren kann eine Prognose der Entwicklung der Marktmiete erfolgen.97 Während typischerweise von einer inflationsbedingt steigenden Marktmiete ausgegangen wird, kann es insb. in Regionen mit abnehmender Bevölkerung – wie z.B. dem Ruhrgebiet oder Ostdeutschland angezeigt – zu rückläufigen Mieten kommen98.
22.5.2.2 Planung der Bestandsmiete und der Erlösschmälerungen Bei der Planung der Bestandsmieten und Erlösschmälerungen ist grundsätzlich zwischen Wohn- und gewerblichen Mietverträgen zu unterscheiden. 22.5.2.2.1 Abgrenzungen von Mieterträgen Bei mehrjährige Mieterträgen können seitens des Immobilienunternehmens Mietinzentivierungen wie mietfreie Zeiten, Mieterzuschüsse im Zusammenhang mit dem Abschluss des Mietvertrages eingesetzt werden oder auch bei Abschluss des Mietvertrages eine Steigerung des Mietzinses („Staffelmietvertrag“) vereinbart werden. Bei der Berücksichtigung in der Planung ist hierbei zwischen der handelsbilanziellen und der internationalen Rechnungslegung zu unterscheiden. Tab. 22–1: Übersicht Abgrenzung von Mieterträgen nach IFRS und HGB HGB
IFRS
Mietfreie Zeit
Keine Berücksichtigung der mietfreien Zeit, Verbuchung der gezahlten Mieterlöse
Abgrenzung der Mieterlöse über aktiven Rechnungsabgrenzungsposten
Staffelmietvertrag
Berücksichtigung der Miete wie im jeweiligen Jahr gezahlt.
Linearisierung der Miete durch Abgrenzung über aktiven Rechnungsabgrenzungsposten
Das in IFRS vorgenommene „Straight Lining“ ist entsprechend planerisch bei der Planung von den Mieterlösen und dem resultierenden Cash Flow nachzuvollziehen. 22.5.2.2.2 Wohnimmobilien Im Falle der Wohnraumvermietung, ist die Entwicklung der Bestandsmiete auf Basis der gesetzlichen bzw. mietvertraglichen Regelungen zur Steigerung der Miete sowie der Entwicklung der Marktmiete zu planen. Während im Rahmen der gewerblichen Vermietung weitestgehende Vertragsfreiheit herrscht und somit vor allem die Vereinbarungen im Mietvertrag zur Anpassung der Miete relevant 96 97 98
Vgl. Paschedag, H. (2002), S. 79; Schneider, W./Völker, A. (2002), S. 48–59; Muncke, G./Dziomba, M./Walther, M. (2002), S. 141–150. Vgl. Heller, Norbert J./Matzen, Frank J./Schäfers, Wolfgang (2006), S. 378. Vgl. Bulwien, H. (2004), S. 48; Schneider, W./Völker, A. (2002), S. 64 ff.; Muncke, G./Dziomba, M./Walther, M. (2002), S. 161 ff.
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22 Bewertung von Immobilienunternehmen sind99, kommen bei der Wohnraumvermietung aus Gründen des Mieterschutzes vor allem gesetzliche Regelungen zum Zuge. Bei der Wohnraumvermietung kann z.B. die Bestandsmiete nach § 558 BGB nur dann an die Marktmiete angepasst werden, wenn seit der letzten Mieterhöhung mindestens 12 Monate vergangen sind und eine 3-monatige Ankündigungsfrist eingehalten wurde. Darüber hinaus darf die Mieterhöhung gemäß § 558 BGB nicht mehr als 20 % innerhalb von 3 Jahren betragen. Diese auch als Kappungsgrenze bekannte Restriktion beschränkte die Mieterhöhungen auf durchschnittlich 6,7 % p. a. Bei fluktuationsbedingten Neuvermietungen kann die Miete unmittelbar an die Marktmiete angepasst werden. Unter Berücksichtigung der Entwicklung der Marktmiete und der Mieterfluktuation einerseits und der möglichen Anpassung der Bestandsmiete unter Berücksichtigung der insgesamt fünfzehnmonatigen Wartefrist sowie der Kappungsgrenze andererseits, kann dabei die Entwicklung der Bestandsmiete als Residualgröße geplant werden. Die Entwicklung der Erlösschmälerungen ist von der Entwicklung der Mietminderungen und von der Entwicklung des Leerstandes abhängig. Während die Mietminderungen i.d.R. eine geringe Bedeutung haben, ist die Entwicklung des Leerstandes genauer zu beleuchten, so kann dieser strukturell, fluktuationsbedingt oder modernisierungsbedingt sein. Bei nachhaltigem strukturellen Leerstand ist dieser unter Berücksichtigung der erwarteten Bevölkerungsentwicklung und dem Wohnungsangebot in der Region fortzuschreiben. Der fluktuationsbedingte Leerstand ist eine Funktion der Mieterfluktuation und der Neuvermietungsdauer, wohingegen der modernisierungsbedingte Leerstand von geplanten Großmodernisierungen und deren Dauer abhängig ist. Aus dem sich aus diesen Aspekten ergebenden Leerstand ergibt sich die Erlösschmälerung von der sich bei Vollvermietung ergebenden Sollmiete. 22.5.2.2.3 Gewerbeimmobilien Im Fall von gewerblichen Mietverhältnissen ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass die Anzahl der Mietverhältnisse je Unternehmen häufig im Verhältnis zu Wohnungsunternehmen geringer sind, so dass dem einzelnen Mietverhältnis eine größere Bedeutung zukommt als im Falle der Wohnraumvermietung. Auch sind die gewerblichen Mietverträge in der Regel nicht standardisiert, sondern werden individuell zwischen Vermieter und Mieter ausgehandelt. Vor diesem Hintergrund sind im Rahmen der Unternehmensbewertung – analog zu dem Vorgehen im Rahmen der Immobilienbewertung – die erwarteten Mieterlöse vertragsspezifisch zu planen. Ob hierzu die Planung aller Vertragsverhältnisse notwendig ist oder beispielsweise Mietverträge zu Clustern mit vergleichbaren Bedingungen zusammengefasst werden können hängt vom spezifischen Einzelfall ab. Im Fall von Einzelhandelsflächen ist zu berücksichtigen, dass die Höhe der Mieterlöse häufig als Prozentsatz des erzielten Einzelhandelsumsatzes bemessen werden. In einem solchen Fall ist die Prognose der jeweiligen Einzelhandelsumsätze in die Planung des Immobilienunternehmens mit einzubeziehen.
22.5.2.3 Planung der Betriebskosten und Umlagen Auch bei Betriebskosten und Umlagen ist zwischen der Wohnraumvermietung und der gewerblichen Vermietung zu unterscheiden. 22.5.2.3.1 Wohnimmobilien In Abhängigkeit von der Ausgestaltung des Mietvertrages werden mit der Miete bereits die anfallenden Betriebskosten vergütet („Warmmiete“) oder sind Umlagenvorauszahlungen zu leisten, die mit den tatsächlich anfallenden Betriebskosten im Nachhinein verrechnet werden („Kaltmiete“). Eine Kaltmiete mit Umlagenvorauszahlung ist in der Wohnraumvermietung üblich und auch im Bereich der Vermietung an gewerbliche Mieter verbreitet. Bei der Planung der Betriebskosten ist zu berücksichtigen, dass diese häufig aufgrund stark steigender Kosten für Energie, Strom und öffentliche Abgaben stärker zunehmen als die generelle Entwicklung 99
Vgl. Kleiber, W./Simon, J./Weyers, G. (2002), Rz. 28, S. 1529.
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Wolfgang Schäfers und Frank J. Matzen aller Lebenshaltungskosten. Weiterhin ist bei der Planung der Umsatzerlöse aus Umlagenabrechnungen zu beachten, dass diese – aufgrund der Umlagenabrechnung am Ende eines Betriebsjahres – erst im Folgejahr erfolgt. In diesem Zusammenhang sind dann sowohl die Bestandserhöhungen für noch nicht abgerechnete Betriebskosten sowie die Bestandsminderungen bei Abrechnung zu berücksichtigen100. Auch wenn im allgemeinen aufgrund der monatlich konstanten Mieterlöse unterstellt wird, dass bei Immobilienunternehmen keine Cash Flow Saisonalität vorliegt, ist zu berücksichtigen, dass insbesondere die „warmen“ Betriebskosten für Heizung und Warmwasser in stärkerem Maße im Winter als im Sommer anfallen, wohingegen die monatlichen Vorauszahlungen in gleichbleibenden Höhe geleistet werden. Typischerweise erfolgt dann die Umlageabrechnung im Sommer. In Abhängigkeit ob die Vorauszahlungen der Mieter zu hoch oder zu niedrig waren, kommt es zusätzlich im Sommer dann zu außerordentlichen Liqiditätsbewegungen aufgrund der Rückzahlung oder Zusatzzahlungen von Mietern, Diese Saisonalität ist insbesondere bei unterjährigen Bewertungsstichtagen zu berücksichtigen. 22.5.2.3.2 Gewerbeimmobilien Bei gewerblichen Mietverträgen hängt es von dem jeweiligen Einzelfall ab, in welchem Umfang dem Vermieter überhaupt Betriebskosten entstehen und ob diese an den Mieter weiterbelastet werden können.
22.5.2.4 Planung der Instandhaltungs- und Modernisierungskosten Bei der Planung der Instandhaltungs- und Modernisierungskosten ist zwischen folgenden Aspekten zu unterscheiden: Instandhaltungsaufwendungen im Zusammenhang mit der Beseitigung eines Instandhaltungsstaus Laufende Instandhaltungsaufwendungen zur Beibehaltung des ordnungsgemäßen Zustandes Modernisierungsaufwendungen und -investitionen zur Verbesserung des Zustandes
Bei einem vorliegenden Instandhaltungsstau – also unterlassener laufender Instandhaltung in den vergangenen Jahren – ist zu planen, über wie viele Jahre dieser Instandhaltungsstau beseitigt werden soll. Bei der Planung der laufenden Instandhaltungen ist zu berücksichtigen, dass die Instandhaltungsintensität vom Alter der Gebäude abhängig ist und zyklisch verläuft. Typischerweise sind bspw. bei Wohnimmobilien alle 20 bis 30 Jahre Großinstandhaltungen wie z.B. Erneuerung des Dachstuhls, Wechsel der Fenster, Austausch der Heizungen vorzunehmen101. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass sich der Geschmack der Mieter in 10 bis 20 Jahreszyklen verändert, so dass in kompetitiven Mietermärkten eine verstärkte Anpassung der Räumlichkeiten an aktuelle Wohntendenzen erfolgen sollte. Bei Gewerbeobjekten kann dieser Zyklus aufgrund der generell kürzeren Nutzungsdauer von Gewerbeimmobilien durchaus kürzer sein. Wurde eine solche Großinstandhaltung abgeschlossen, so sind die für dieses Objekt notwendigen laufenden Instandhaltungsaufwendungen in den Folgejahren wieder niedriger. Modernisierungsaufwendungen und -investitionen können einerseits durch gesetzliche Auflage wie z.B. die Umsetzung der Energieeinsparverorderung bis 2007 bedingt sein und anderseits durch veränderte Marktanforderungen notwendig werden. Die Planung der Instandhaltungs- und Modernisierungskosten erfordern i.d.R. die Unterstützung von Immobiliensachverständigen, die entsprechende Schätzungen vornehmen. Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass die Instandhaltungs- und Modernisierungskosten in der Phase der Planrealisierung ein Potenzial zur Kompensation von Planabweichungen bei anderen Ertrags- und Aufwandsabweichungen aufweist, da ein großer Teil der Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen – ausgenommen der akut notwendigen Maßnahmen – in einem gewissen Umfang bis zu zwei Jahren verschoben werden können, ohne dass hierdurch ein nachhaltiger Schaden eintritt. 100 Vgl. 101
Leopoldsberger, G./Thomas, M. (1998), S. 146 f. Vgl. Rottke, N./Wernecke, M. (2005), S. 217 f.
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22 Bewertung von Immobilienunternehmen
22.5.2.5 Planung der Umsatzsteuer Grundsätzlich ist die Umsatzsteuer für Unternehmen ein durchlaufender Posten und insofern Cashflow neutral, wenn von den Verzögerungen zwischen Anfall und Erstattung bzw. Zahlung ausgegangen wird. 22.5.2.5.1 Wohnimmobilien Im Falle der Wohnraumvermietung unterliegen die Mieterlöse nicht der Umsatzsteuer, so dass die auf Einkäufen liegende Umsatzsteuer ebenfalls nicht erstattbar ist. Hierdurch stehen entstehen dem Immobilienunternehmen entsprechend höhere Aufwendungen. Eine Veränderung des Umsatzsteuersatzes ist deshalb neben der allgemeinen Teuerung in der Unternehmensplanung mit zu berücksichtigen. 22.5.2.5.2 Gewerbeimmobilien Bei gewerblichen Mietverträgen kann der Mieter unter bestimmten Voraussetzungen zur Umsatzbesteuerung seines Mietvertrages optieren. Dieses wird er typischerweise dann tun, wenn er selbst über umsatzsteuerbare Umsatzerlöse verfügt. Bspw. werden typischerweise Ärzte und Banken nicht zur Umsatzsteuer optieren, da bei ihnen keine und nur in geringem Umfang umsatzsteuerbare Umsätze vorliegen. In allen anderen Fällen stellt sich die Situation jedoch wie bei Unternehmen anderer Branchen dar, so dass die Umsatzsteuer in der Unternehmensplanung und bei der Unternehmensbewertung nicht berücksichtigt werden muss.
22.5.2.6 Planung der Ertragsteuern Grundsätzlich unterliegen Immobilienunternehmen in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft der Gewerbe- und Körperschaftbesteuerung. Im Hinblick auf Immobilienunternehmen sind insbesondere die erweiterte Kürzung, die eingeschränkte Nutzung von Verlustvorträgen bei Unternehmensakquisitionen sowie die Regelung zum beschränkten Zinsabzug („Zinsschranke“) planerisch zu berücksichtigen. 22.5.2.6.1 Erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung Bezüglich der Gewerbebesteuerung besteht jedoch für bestandshaltende Immobilienunternehmen das Wahlrecht von der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2–5 GewStG. Wird von der Möglichkeit der erweiterten Kürzung Gebrauch gemacht, so wird der aus der Immobilienbewirtschaftung resultierende Gewerbeertrag vollständig durch die Kürzung neutralisiert, so dass für die Gewerbesteuer keine Bemessungsgrundlage vorliegt, was grundsätzlich der pauschalierten Kürzung vorzuziehen ist. Allerdings ist die Nutzung der erweiterten Kürzung daran gebunden, dass keine schädlichen Maßnahmen wie z.B. gewerblicher Grundstückshandel durchgeführt werden. 22.5.2.6.2 Verlustvorträge Durch das Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 wurde die Regelung zur Nutzung von Verlustvorträgen erheblich eingeschränkt: Für (unmittelbare oder mittelbare) Anteilsübertragungen nach dem 31. Dezember 2007 entfallen nach 8c KStG alle Verlustvorträge , wenn innerhalb von fünf Jahren mehr als 50 % der Anteile an einen Erwerber oder an eine diesem nahestehende Person übertragen werden. Werden innerhalb von fünf Jahren unmittelbar oder mittelbar mehr als 25 % der Anteile übertragen, entfallen die Verlustvorträge entsprechend anteilig. Mithin ist insbesondere in Akquisitionssituationen zu prüfen, inwieweit bestehende Verlustvortraege im Rahmen der Unternehmensbewertung zu berücksichtigen sind. 22.5.2.6.3 Zinsschranke Ebenfalls durch das Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 wurde die Abzugsfähigkeit der Zinsaufwendungen neu geordnet.102 Die Neuregelungen, im Wesentlichen durch § 4 h EStG und § 8a KStG bestimmt, sieht eine Beschränkung der Abzugsfähigkeit der Netto-Zinsaufwendungen (d.h. die die 102
Kritisch hierzu u.a. Eilers, S. (2007), S. 733–735, Homburg, S. (2007), S. 717–728; Thiel, J. (2007), S. 729– 733.
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Wolfgang Schäfers und Frank J. Matzen Zinserträge übersteigenden Zinsaufwendungen) auf 30 % des steuerlichen Gewinnes vor Zinsen, Steuern und Abschreibung (steuerliches EBITDA) vor („Zinsschranke“).103 Nicht abzugsfähige Zinsaufwendungen sind vortragsfähig und können unter Berücksichtigung der Beschränkung durch die Zinsschranke in den Folgejahren genutzt werden. Allerdings ist zu beachten, dass bei Unternehmensverkäufen der Zinsvortrag ganz oder teilweise entfällt. Von der grundsätzlichen Beschränkung des Zinsabzugs auf 30 % des steuerlichen EBITDA gibt es nach § 4 h Abs. 2 Satz 1 EStG drei wesentliche Ausnahmen: Freigrenze von 1 Mio. €: Wenn die Nettozinsaufwendungen pro Jahr diesen Betrag nicht übersteigen, wird der Zinsabzug nicht beschränkt. Soweit der Zinsaufwand jedoch diese Freigrenze übersteigt, gelten die Beschränkungen jedoch für alle Zinsaufwendungen. Keine Konzernzugehörigkeit: Wenn der fremdfinanzierte Betrieb nicht zu einem Konzern gehört, dann kommt es nicht zu den Beschränkungen der Zinsabzugsfähigkeit. Diese Beschränkung kommt jedoch bei einem Unternehmenserwerb durch eine andere Gesellschaft nicht in Betracht.104 Eigenkapitalquote des Betriebs entspricht mindestens der Konzerneigenkapitalquote. Aufgrund der hohen Kapitalintensität der Immobilienwirtschaft und dem hohen Fremdfinanzierungsanteil ist davon auszugehen, dass die Zinsschranke eine erhebliche Auswirkung auf die Besteuerung und damit auf die Bewertung von Immobilienunternehmen hat. Insbesondere wird hierdurch der Wert des sogenannte „Tax Shields“ verringert. Deshalb erscheint die häufig im Rahmen von Unternehmensbewertung vorgenommene Annahme, dass das EBITDA stets so hoch sei, dass sämtliche Zinsaufwendungen auch geltend gemacht werden können, im Hinblick auf die Bewertung von Immobilienunternehmen ohne die Prüfung des konkreten Einzelfalls nicht zulässig.105
22.5.2.7 Entwicklung eines integrierten Planungsmodells Unter Berücksichtigung dieser Vorüberlegungen sollten bei der Unternehmensplanung des Immobilienunternehmens folgende Aspekte berücksichtigt werden106: Preis-Mengengerüst: Die Abbildung des Geschäftsbetriebes und der dafür notwendigen Produktionsfaktoren erfolgt in wesentlichen Zügen durch das Preis-Mengengerüst. Ein Beispiel für das PreisMengengerüst der Ertragsseite ist die Berechnung der Mieteinnahmen aus Miete pro m² multipliziert mit der vermieteten Fläche. Je gründlicher das Preis-Mengengerüst aufgeschlüsselt wird, desto transparenter wird die Bewertung, daher sollte ein detailliertes Preis-Mengengerüst für alle wesentlichen Positionen der Gewinn- und Verlustrechnung und der Bilanz aufgestellt werden Integrierte Bilanz-, Gewinn und Verlustrechnungs- und Cashf low-Planung: Die Planung der Gewinn- und Verlustrechnung, der Bilanz und der Cashflows erfordert eine Verknüpfung miteinander und eine Integration ineinander. Es bestehen beispielsweise wechselseitige Beziehungen zwischen der Entwicklung des Anlagevermögens und der Abschreibungen, der Finanzverbindlichkeiten, des Zinsergebnisses, des Jahresüberschusses und des Eigenkapitals usw. Steuerliche Nebenrechnung: Eine steuerliche Nebenrechnung zur Ermittlung des steuerlichen Ergebnisses und der sich daraus ableitenden steuerlichen Belastung ist unabdingbar, da die Nutzung steuerlicher Vorteile bzw. die unterschiedliche Besteuerung von Immobilien den Cashflow einer Immobiliengesellschaft in hohem Maße beeinflusst107. Bestehende Verlustvorträge und steuerliches Mehrkapital gehen als separate Sondervermögenswerte in die Unternehmensbewertung ein Aus der Kapitalflussrechnung lässt sich der zur Unternehmensbewertung benötigte Free-Cashflow ermitteln (vgl. die nachfolgende Abb. 22-8)108. Die Position der Free Cashflow Rechnung können mit 103
Vgl. Homburg, S. (2007), S. 718. Vgl. Otto, M. (2008), Rz. 222, S. 71. 105 Vgl. zu dieser Annahme u.a. Streitferdt, F. (2008), S. 268. 106 Vgl. Schäfers, W./Siepmann, A./Stock, A. (2002), S. 395. 107 Vgl. Bone-Winkel, S./Schulte, K.-W./Sotelo, R./Allendorf, G. J./Ropeter-Ahlers, S.-E. (2005), S. 639 f. 108 Vgl. Jürgensonn, I. v./Schäfers, W. (1998), S. 827 ff. 104
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22 Bewertung von Immobilienunternehmen Ausnahme der Steuern auf das operative Ergebnis aus der Kapitalflussrechnung entnommen werden. Da sowohl im WACC- als auch im APV-Ansatz die Steuern nicht auf das Ergebnis bei realisierter Finanzierung zu beziehen sind, sondern auf das Ergebnis bei angenommener vollständiger Eigenkapitalfinanzierung, sind die relevanten Ertragsteuern aus der steuerlichen Nebenrechnung zu entnehmen.
22.5.2.8 Ermittlung der Kapitalkosten Die nach Abb. 22-8 ermittelten Free Cashflows werden mit einem angemessenen Diskontierungszinssatz abgezinst. Der Diskontierungszinssatz entspricht dabei dem Verzinsungsanspruch – der sog. „hurdle rate“ – der Eigenkapital- bzw. Fremdkapitalgeber und korrespondiert mit dem Risiko, das die Eigen- und Fremdkapitalgeber dem Portfolio beimessen. Gemäß des Shareholder-Value-Ansatzes werden die Renditeanforderungen als Kapitalkosten interpretiert und steigen mit dem bereichsspezifischen Investitionsrisiko. Folglich ist das Ziel der Immobiliengesellschaft eine – die Kapitalkosten übersteigende – Cashflow Rendite zu erzielen. Die Ableitung der Eigen- und Fremdkapitalkosten erfolgt im Folgenden jeweils in getrennten Schritten109.
Operatives Ergebnis (vor Zinsen und Steuern) (EBIT) −
Steuern auf operatives Ergebnis (Cash Taxes)
=
Operatives Ergebnis nach Steuern (NOPLAT)
+/− Veränderung der langfristigen Rückstellungen + Abschreibungen +/− Gewinne/Verluste aus Abgängen des Anlagevermögens =
Operatives Cash-Flow nach Steuern
+/− + − +/−
Veränderung Working Capital* Einzahlungen von Abgängen des Anlagenvermögens Auszahlungen für Investitionen in das Anlagevermögen Veränderung sonstiger Vermögensgegenstände
=
Operativer freier Cash-flow
+
Nicht operativer Cash-flow
=
Gesamter freier Cash-flow
* Umlaufvermögen − kurzfristige Verbindlichkeiten (weniger als 1 Jahr) − kurzfristige Rückstellungen (weniger als 1 Jahr) = Working Capital
Abb. 22-8: Schema zur Berechnung eines Free Cashflows110
22.5.2.8.1 Ermittlung der Eigenkapitalkosten Die Eigenkapitalkosten und damit die individuelle Risikoprämie errechnet sich nach dem „Capital Asset Pricing Model“ (kurz: CAPM).111 Dabei wird zu einer risikolosen Rente ein Risikozuschlag addiert und dieser dann mit dem Eigenkapital multipliziert. Der Risikozuschlag selbst ergibt sich aus der Multiplikation der Renditedifferenz von Aktien und Anleihen – der sog. Marktrisikoprämie – mit einem Risikomaß – dem sog. Beta-Faktor. Die so erhaltenen Eigenkapitalkosten werden mit dem benötigten Eigenkapitalanteil multipliziert. 109
Vgl. Schäfers, W./Haub, C. (2004), S. 506 ff. Vgl. Schäfers, W./Siepmann, A./Stock, A. (2002), S. 396. 111 Zur Entwicklung der CAPM vgl. u.a. Bernstein, P. L. (2005), S. 188–191. 110
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Wolfgang Schäfers und Frank J. Matzen
kEK =
i
+
(kM − i)
×
β
Basiszins + Marktrisikoprämie × Unternehmensbeta
Abb. 22-9: Eigenkapitalkostensatz nach dem Capital Asset Pricing-Model
Der Betafaktor gibt Auskunft über das systematische Risiko einer Aktie im Vergleich zum marktrepräsentativen Aktienindex, einer Gruppe von Referenzunternehmen (der sog. Peer-Group) oder auch des gesamten Marktes – bspw. des Immobilienaktienmarktes – in der Historie112. Ein Betafaktor von 1 bedeutet somit ein marktidentisches Risiko, während ein Betafaktor größer 1 für überproportionale Schwankungen steht; bei einem Betafaktor zwischen 0 und 1 liegt eine unterproportionale Entwicklung vor, die jedoch in die marktgleiche Richtung erfolgt113. Gesellschaften mit einem höheren operativen Risiko (z.B. aufgrund ausgeprägter Branchenzyklen) erfahren größere Schwankungen des Aktienkurses und weisen damit definitionsgemäß einen höheren Betafaktor auf. Problematisch ist die Herleitung von Beta-Faktoren für nicht börsennotierte Gesellschaften.114 Die exakte Bestimmung des Unternehmenswertes für Immobilienunternehmen kann – bedingt durch die multiplikative Verknüpfung des Betafaktors – nur mit Hilfe eines möglichst genau bestimmten Betafaktors durchgeführt werden. Daher wird an dieser Stelle auf die empirischen Ergebnisse einer Studie von Schäfers/Haub zurückgegriffen, die anhand verschiedener europäischer Immobilienaktiengesellschaften Betawerte für die verschiedenen Sektoren des Immobiliengeschäftes ermittelt haben115. Es konnte festgestellt werden, dass die durchschnittlichen Betawerte börsennotierter Immobiliengesellschaften in Europa – und im speziellen in Deutschland – immer kleiner als 0,5 ist – wie folgende Abbildung verdeutlicht – und dabei sehr geringen Schwankungen unterliegt: Deutschland
Durchschnittlicher Beta-Wert
Anzahl der Gesellschaften
Bestandshaltung Gewerbe
0,13
8
Bestandshaltung Wohnen
0,16
8
Projektentwicklung
0,12
4
Bestandshaltung Gewerbe
0,18
38
Bestandshaltung Wohnen
0,13
14
Projektentwicklung
0,28
17
Gesamtbetrachtung Europa
Unverschuldete Beta-Werte Berechnung auf Basis von Monatswerten Betrachtungszeitraum: 5 Jahre Vergleichsindex: jeweils lokaler Marktindex, in Deutschland CDAX Doppelzählung einzelner Gesellschaften aufgrund mehrfacher Zuordnung zu Sparten Abb. 22-10: Betafaktoren europäischer Immobilien-Aktiengesellschaften116 112
Vgl. Schäfers, W./Haub, C. (2004), S. 516. Vgl. Mandelbrot, B. B. (2004), S. 265. 114 Kritisch zur Anwendung des Betafaktors u.a. Mandelbrot, B. B. (2004), S. 70. 115 Vgl. Schäfers, W./Haub, C. (2004), S. 517 f.; Copeland, T./Koller, T./Murrin, J. (1993), S. 274. 116 In Anlehnung an Schäfers, W./Haub, C. (2004), S. 520 f.; Schäfers, W./Siepmann, A./Stock, A. (2002), S. 399. 113
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22 Bewertung von Immobilienunternehmen Dies bestätigt zum einen die These, dass Immobilienaktivitäten mit wesentlich weniger operativem Risiko behaftet sind als der Durchschnitt anderer Branchen, und dass in der Tat Projektentwicklung am risikoreichsten, Bestandshaltung Gewerbe mit mittlerem und Bestandshaltung Wohnen mit dem niedrigsten Risiko angesetzt werden kann. 22.5.2.8.2 Ermittlung der Fremdkapitalkosten Bei der Ermittlung der Fremdkapitalkosten kann nicht unmittelbar von den kontrahierten Nominalzinsen der aufgenommenen Kredite ausgegangen werden, sondern es sind die zum Bewertungsstichtag marktüblichen Zinsen heranzuziehen117. Insbesondere bei langen Restlaufzeiten wie z.B. bei Immobilienfinanzierungen kann der Einfluss von Abweichungen zwischen den kontrahierten und marktüblichen Zinsen auf den zu ermittelnden Wert des Fremdkapitals erheblich sein. Bei der Ermittlung des marktüblichen Zinssatzes ist jedoch nicht nur das Kreditvolumen, sondern auch die Kreditbesicherung zu berücksichtigen und zwischen unterschiedlichen Finanzierungsformen zu differenzieren118. Aber auch die zunehmend vorgenommene risikoabhängige Bestimmung der Kreditzinsen und der damit im Zusammenhang stehende Einfluss des Ratings von Immobilienunternehmen ist ein weiterer zu beachtender Aspekt bei der Bestimmung der marktüblichen Zinssätze119. So ergeben sich erhebliche Unterschiede zwischen unbesicherten Kontokorrentdarlehen und grundschuldlich besicherten Realdarlehen. Zur Ermittlung der marktüblichen Fremdkapitalkosten können bspw. Statistiken der Bundesbank herangezogen werden120.
22.5.3 Kritische Würdigung des Discounted Cashflow-Verfahrens 22.5.3.1 Unternehmensplanung als Voraussetzung Die Anwendung von Discounted Cashflow Methoden setzt eine Unternehmensplanung voraus, um die zukünftig erwarteten Cash Flows zu diskontieren. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Unternehmensplanung („Koordination durch Planung“) lediglich eine Form der Koordination im Hinblick auf die Unternehmensziele ist. Alternative werden in der betriebswirtschaftlichen Literatur noch die Koordination durch persönliche Weisung, durch Selbstabstimmung sowie durch Programme diskutiert.121 Welche Koordination die effizienteste ist, hängt von dem jeweiligen Unternehmenskontext ab. Festzuhalten bleibt aber, dass die Koordination durch Planung nicht notwendigerweise die effizienteste Koordination im Hinblick auf die Unternehmensziele sein muss.122 So kann in kleinen Inhaber geführten Unternehmen, die in einem dynamischen Unternehmensumfeld tätig sind die Koordination durch persönliche Weisung weitaus effizienter sein. Besteht in einem Unternehmen kein formaler Planungsprozess, da die Koordination nicht durch Planung erfolgt, so ist die Unternehmensplanung einzig für die Bewertung zu erstellen. Sowohl aus Mangel an Erfahrung als auch vor allem aufgrund der nicht notwendigen Planungsdisziplin, ist davon auszugehen, dass es zwischen Planrealisierung und Planung Abweichungen geben wird und dass die eigens für die Bewertung erstellte Planung auch nicht der Erwartung des Planenden zwangsläufig entsprechen muss, da das Unternehmen nicht in dieser Art geführt wird. Gerade in solchen Fällen, stehen die auf dieser Basis ermittelten Bewertungsergebnisse unter erheblichen Vorbehalten.
22.5.3.2 Hohe Informationsanforderungen Die Anwendung von Discounted Cashflow Methoden setzt erhebliche Informationen über das zu bewertende Unternehmen voraus und führt häufig zu komplexen Modellen. Dieser nicht von der Hand 117
Vgl. Copeland, T. E./Koller, T./Murrin, J. (2000), S. 210 ff. Vgl. Schäfers, W./Haub, C. (2004), S. 508. 119 Vgl. Breitenbücher, U./Ernst, D. (2004), S. 77. 120 Vgl. Bäzner, B./Timmreck, C. (2004), S. 13. 121 Vgl. u.a. Weber, J. (1995), S. 36–40. 122 Vgl. zur kritischen Diskussion des jährlichen Budgetierungsprozesses u.a. Hope, J./Frazer, R. (2003), S. 3–17. 118
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Wolfgang Schäfers und Frank J. Matzen zu weisende Nachteil ist jedoch gleichzeitig der Vorzug der DCF-Methoden. Wird die DCF-Analyse als iterativer Prozess verstanden, so kann eine anfänglich weitestgehend auf Annahmen des Bewerters beruhende Bewertung sukzessive durch neue Informationen angereichert werden, so dass das Bewertungsmodell mit zunehmendem Erkenntnisstand verfeinert werden kann. Dabei führen die fehlenden Informationen notwendigerweise zu den für die Akquisitionsentscheidungen relevanten Fragen, so dass methodenbedingt einer intensivere Auseinandersetzung mit dem zu bewertenden Unternehmen erfolgt, als dieses bei einer Anwendung von Vergleichsbewertungsmethoden notwendig ist. Diese zeitaufwendige Analyse des Unternehmens kann damit helfen, Fehlentscheidungen zu vermeiden.
22.5.3.3 Ermittlung des Diskontierungszinsfusses Darüber hinaus stellt die Ermittlung eines risikoadäquaten Diskontierungszinssatzes in der Regel eine große Herausforderung dar. Hierbei ist insbesondere die Ermittlung des risikoadäquaten Diskontierungszinssatzes vor dem Hintergrund der geringen Anzahl börsennotierter Immobilienunternehmen in Deutschland sowie deren in der Regel geringer Marktliquidität eine wesentliche Schwierigkeit bei der Durchführung von DCF-Bewertungen von Immobilienunternehmen123.
22.5.3.4 Mangelnde Berücksichtigung stiller Reserven Weiterhin wird von Kritikern häufig beklagt, dass die DCF-Methode die den Immobilien innewohnenden (handelbilanziellen) stillen Reserven bei der Wertermittlung nicht berücksichtigt124. Dieser Sichtweise ist jedoch zu entgegnen, dass im Rahmen der DCF-Bewertung lediglich die von einem Bewertungssubjekte angestrebte Entwicklung und nicht alle potenziell möglichen Entwicklungen berücksichtigt werden, da nur die geplante Fortführung zu dem für den Investor verfügbaren Einkommen führt. Wird dementsprechend nicht die Realisierung der stillen Reserven geplant, so steht dem Anteilseigner dieses zusätzliche daraus resultierende Einkommen auch nicht zur Verfügung. Vor diesem Hintergrund erscheint die Kritik an der mangelnden Berücksichtigung stiller Reserven unberechtigt.
22.6 Fallstudie zur Bewertung eines Immobilienunternehmens 22.6.1 Ausgangssituation Im Folgenden wird aufgrund der langfristigen Immobilienfinanzierung und der damit einhergehenden autonomen Finanzierungspolitik der APV-Ansatz als eine DCF-Methode zur Bewertung eines Immobilienunternehmens herangezogen. Im ersten Schritt wird der Wert des Immobilienunternehmens bei einer angenommenen vollständigen Eigenkapitalfinanzierung ermittelt. Nachfolgend wird der Wert der finanzierungsbedingten Steuervorteile und der Wert der Fremdfinanzierung errechnet. Aus der Addition des Wertes bei vollständiger Eigenkapitalfinanzierung sowie des Wertes finanzierungsbedingter Steuervorteile ergibt sich der Enterprise Value. Wird von diesem der Wert des Fremdkapitals subtrahiert, so resultiert der Wert des Eigenkapitals.125 Es handelt sich um eine Kapitalgesellschaft, die ein Portfolio von 38.513 Wohneinheiten mit einer Wohnfläche von 2.618.884 m² (68 m²/WE) hält. Um den Verkäufer einen Preis bieten zu können, der über dem Wert bei Fortführung im bisherigen Konzept liegt, plant der potenzielle Investor die nachfolgend aufgezählten Maßnahmen: Das derzeitig bestehende Mieterhöhungspotenzial von rd. 1,50 €/m² p.a. wird einerseits durch Neuvermietung zur Marktmiete und anderseits durch 3 % Erhöhung der Bestandsmieten sukzessive ausgeschöpft. 123 Vgl.
Arthur Andersen/European Business School (1999); Schäfers, W./Haub, C. (2004), S. 518 und S. 523 f. Vgl. Cadmus, A. (2000), S. 96–106. 125 Vgl. Drukarczyk, J. (2003), S. 214. 124
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 552
22 Bewertung von Immobilienunternehmen
553
Tab. 22-2: Ermittlung des Free Cashflows Planung FY2008a
FY2009e
FY2010e
FY2011e
Wohneinheiten Wohnflächein in 000 m²
38.513 2.619
38.513 2.619
38.513 2.619
38.513 2.619
38.513 2.619
38.513 2.619
Mieterlöse Kaltmiete in €/m² Umlagen Umlagen in €/m² Erlösschmälerung in % der Mieterlöse
161.847,0 5,15 €/m² 42.810 1,36 €/m² -4.855,4 3,0%
168.446,6 5,36 €/m² 43.991 1,40 €/m² -5.053,4 3,0%
175.046,2 5,57 €/m² 45.173 1,44 €/m² -5.251,4 3,0%
181.331,5 5,77 €/m² 46.650 1,48 €/m² -5.439,9 3,0%
187.616,8 5,97 €/m² 48.127 1,53 €/m² -5.628,5 3,0%
187.616,8 5,97 €/m² 48.127 1,53 €/m² -5.628,5 3,0%
Umsatzerlöse aus Hausbewirtschaftung Bestandsveränderungen Betriebskosten Betriebskosten in €/m² Instandhaltung Instandhaltung in €/m²
FY2012e FY2012e ff.
199.801,6 207.384,2 214.967,8 222.541,6 230.115,3 230.115,3 1.181,0
1.182,0
1.477,0
1.477,0
0,0
0,0
-44.625,8 -45.882,8 -47.139,9 -48.711,2 -50.282,6 -50.282,6 1,42 €/m² 1,46 €/m² 1,50 €/m² 1,55 €/m² 1,60 €/m² 1,60 €/m² -29.960,0 -30.562,4 -31.164,7 -31.793,3 -32.421,8 -33.076,5 11,44 €/m² 11,67 €/m² 11,90 €/m² 12,14 €/m² 12,38 €/m² 12,63 €/m²
Aufwand aus Hausbewirtschaftung
-74.585,8
Rohgewinn in % der Umsatzerlöse
126.396,8 132.121,0 138.140,2 143.514,1 147.410,9 146.756,2 63,3% 63,7% 64,3% 64,5% 64,1% 63,8%
Personalaufwand je Mitarbeiter Sonstiger Aufwand in % der Umsatzerlöse Grundsteuer
-3.000,0 37,5 -7.132,9 3,0% -916,6
-76.445,2
-3.104,0 38,8 -7.403,6 3,0% -916,6
-78.304,6
-3.216,0 40,2 -7.674,4 3,0% -916,6
-80.504,5
-3.328,0 41,6 -7.944,7 3,0% -916,6
-82.704,4
-3.448,0 43,1 -8.215,1 3,0% -916,6
-83.359,1
-3.448,0 43,1 -8.215,1 3,0% -916,6
EBITDA in % der Umsatzerlöse
115.347,3 120.696,8 126.333,2 131.324,8 134.831,2 134.176,5 57,7% 58,2% 58,8% 59,0% 58,6% 58,3%
Abschreibung in % der Umsatzerlöse
-60.145,2 -60.954,4 -61.771,5 -62.597,0 -63.430,9 -64.273,1 22,97 €/m² 23,27 €/m² 23,59 €/m² 23,90 €/m² 24,22 €/m² 24,54 €/m²
EBIT in % der Umsatzerlöse
55.202,1 27,6%
59.742,4 28,8%
64.561,7 30,0%
68.727,8 30,9%
71.400,3 31,0%
69.903,4 30,4%
Zinsertrag Zinsaufwand
911,6 -31.823,2
226,2 -31.816,0
507,7 -31.808,6
799,3 -31.800,8
1.117,0 -31.792,7
1.425,9 -31.788,6
Ergebnis vor Steuern in % der Umsatzerlöse
23.378,9 11,7%
27.926,4 13,5%
32.753,1 15,2%
36.927,0 16,6%
39.607,6 17,2%
38.114,8 16,6%
Gewerbesteuern
-2.974,6
-3.511,5
-4.226,4
-4.851,3
-5.270,8
-5.104,9
Körperschaftsteuern
-3.837,9
-4.448,1
-5.255,2
-5.960,8
-6.434,5
-6.247,4
16.566,4 8,3%
19.966,8 9,6%
23.271,5 10,8%
26.114,9 11,7%
27.902,3 12,1%
26.762,5 11,6%
Jahresüberschuss in % der Umsatzerlöse
Annahmegemäß wird der Bestand erhalten. Es sind keine Verkäufe z.B. aufgrund von Mieterprivatisierung oder dem Verkauf von Teilportfolien geplant. Es wird von einer leerstandsbedingten Erlösschmälerung in Höhe von 3 % ausgegangen, die auf einer Fluktuation von 9 % p.a. und einer Neuvermietungsdauer von 4 Monaten beruht. Die Instandhaltungsaufwendungen (einschl. Modernisierungsmaßnahmen) liegen bei 11 €/m² zuzüglich 19 % Umsatzsteuer und werden auf diesem Niveau in der Planung konstant gehalten. Ein Instandhaltungsstau liegt nicht vor. Der bestehende Wohnungsbestand von 38.513 Wohneinheiten wurde bisher mit 80 Mitarbeitern bewirtschaften (rd. 481 Wohneinheiten je Mitarbeiter). Für Planungszwecke wird davon ausgegangen,
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554
Wolfgang Schäfers und Frank J. Matzen dass diese Relation aufrecht erhalten werden kann. Pensions- und Fluktuationsbedingte Abgänge sollen durch entsprechende Neueinstellungen aufgefüllt werden. Gleichzeitig wird von einer Lohnerhöhung von durchschnittlich 3 % p. a. ausgegangen. Der sonstige betriebliche Aufwand wird mit 3 % der Umsatzerlöse zuzüglich 19 % Umsatzsteuer angenommen Es wird von einem Gewerbesteuerhebesatz von 400 % und entsprechend bei einer Messzahl von 3,5 % von einem Gewerbesteuersatz von 14 % ausgegangen. Aufgrund diverser Sachverhalte, ist trotz der nicht geplanten Veräußerung von Wohnungen keine Berücksichtigung der sogenannte Erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2–5 GewStG möglich. Der Körperschaftsteuersatz beträgt 15 % zuzüglich 5,5 % Solidaritätszuschlags, so dass sich ein Körperschaftsteuersatz inklusive Solidaritätszuschlag von 15,825 % ergibt. Auf Ebene der Anteilseigner wird eine natürliche Person unterstellt, deren Einkommensteuersatz größer 26,375 % ist und deren Anteil an der Gesellschaft weniger als 1 % beträgt.126 Mithin ist lediglich die Abgeltungssteuer zu berücksichtigen und es wird deshalb statt des persönlichen Einkommensteuersatzes der Abgeltungssteuersatz sA = 25 % ∙ 1,055 0 = 26.375 % unterstellt.127 Die Bewertung wird zum 1. Januar 2009 („Bewertungsstichtag“) durchgeführt. Unter Beachtung der vorgestellten Planungsprämissen des Investors ergibt sich die folgende Gewinnund Verlustrechnung für die Jahre 2008 bis 2012.
22.6.2 Ermittlung des Wertes bei vollständiger Eigenkapitalfinanzierung Der Wert bei vollständiger Eigenkapitalfinanzierung ergibt sich aus der Diskontierung des Free Cashflows unter Berücksichtigung der ab dem 1. Januar 2009 für den Investor zu leistenden Abgeltungssteuern in Höhe von 25 % zuzüglich 5,5 % Solidaritätszuschlag. Dieser Zahlungsstrom wird zur Ermittlung des Wertes mit der Renditeforderung der Anteilseigner bei vollständiger Eigenkapitalfinanzierung diskontiert128:
VE
T 1
FCFt 1 s A
t 1
1 rEK
t
FCFT 1 g 1 s A rEK g 1 rEK
T 1
wobei die Variablen wie folgt definiert sind: V EM Wert bei vollständiger Eigenkapitalfinanzierung; FCFt Freier Cashflow im Jahr t; sA Abgeltungssteuersatz inklusive Solidaritätszuschlag; rt,EK Renditeforderung der Eigenkapitalgeber bei vollständiger Eigenkapitalfinanzierung; g erwartetes Wachstum der ewigen Rente; t laufende Periode; T letzte Periode. Zur Ermittlung der Renditeforderung der Eigenkapitalgeber bei angenommener vollständiger Eigenkapitalfinanzierung sind seitens des Investors Annahmen bezüglich des risikofreien Zinses, der Marktrisikoprämie, des Betafaktors und für die Fortführungsphase bezüglich des erwarteten Wachstums notwendig. Nach dem Capital Asset Pricing Model (CAPM) ergibt sich die Renditeforderung der Eigenkapitalgeber wie folgt129: 126
Durch die Annahme eines Einkommensteuersatzes von mehr als 26,38 % greift die Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG bei der Abgeltungssteuer nicht und sämtliche Ausschüttungen und Kursgewinne der Kapitalgesellschaft unterliegen dem Abgeltungssteuersatz sA. Durch die Annahme einer Beteiligung von weniger als 1 % ist § 17 EStG nicht anzuwenden und der persönliche Steuersatz ist bei der Besteuerung des Veräußerungsgewinnes auch nicht anzunehmen. 127 Für einen Überblick zur Abgeltungssteuer vgl. Bruch, F. (2007), S. 999–1004. 128 Vgl. Drukarczyk, J./Richter, F. (1995), S. 560. 129 Vgl. Bayer, S./Gaar, A. (2005), S. 242; Matzen, F. J. (2005), S. 211.
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22 Bewertung von Immobilienunternehmen rEK
i 1 sA
rMvSt i 1 s A
555
ßU
Markt risiko prämie
mit: rEK Renditeforderung bei vollständiger Eigenkapitalfinanzierung; i risikofreien Zins vor Einkommensteuern; βU unleveraged Beta; r vStM erwartete Bruttorendite des Marktportfolios; dM Dividendenrendite des Marktportfolios; sA Abgeltungssteuersatz inklusive Solidaritätszuschlag. Unter dem Begriff Risiko wird hier grundsätzlich die Gefahr von Renditeschwankungen verstanden. Folglich wird die Rendite der risikofreien Anlage auch als konstant angesehen. Die Rendite der einzelnen Anlage des Marktportfolios kann von der Marktrendite abweichen. Dieser Zusammenhang zwischen der Rendite der einzelnen Anlage und der Marktrendite wird durch den Betafaktor ausgedrückt. Die Risikoprämie, die ein einzelner Anleger für ein Wertpapier erwartet, ergibt sich dann durch Multiplikation des Betafaktors und der Marktrisikoprämie. Für börsennotierte Unternehmen kann der Betafaktor grundsätzlich direkt aus der Rendite der Aktie des betrachteten Unternehmens im Vergleich zum Gesamtmarkt ermittelt werden. Ist das zu bewertende Unternehmen hingegen nicht börsennotiert oder sind die ermittelten Betafaktoren aufgrund z.B. geringer Marktliquidität nicht nutzbar, so können Betafaktoren lediglich im Wege des Analogieschlusses aus Betafaktoren von börsennotierten Unternehmen mit vergleichbaren Geschäftsrisiken ermittelt werden. Bezogen auf das Beispiel geht der Investor von folgenden Annahmen bezüglich der zur Ermittlung der Renditeforderung notwendigen Parameter aus: Risikofreier Zins vor Einkommensteuern 4,50 % Risikofreier Zins nach Abgeltungssteuer inkl. Solidaritätszuschlag 3,31 % Bruttorendite des Marktportfolios 9,80 % Marktrisikoprämie 5,30 % Unleveraged Beta 0,3 Abgeltungssteuer inkl. Solidaritätszuschlag 26,375 % Ein weiteres wichtiges Element in der Ermittlung der Renditeforderung der Eigenkapitalgeber ist das angenommene Wachstum in der Ewigen Rente, das der Investor mit 0,5 % p.a. einschätzt. Unter Beachtung der Annahmen wird die Renditeforderung der Eigenkapitalgeber für die Detailprognosephase (2009–2012) und für die Fortführungsphase ab 2012 ff. wie folgt ermittelt. Tab. 22-3: Ermittlung Renditeforderung der Eigenkapitalgeber DetailprognosePhase 09 e – 12 e Risikofreier Zinssatz Abgeltungssteuer inkl Solidaritätszuschlag
FortführungsPhase 12 e ff.
4,50%
4,50%
26,375%
26,375%
Risikofreier Zinssatz nach Steuern
3,31%
3,31%
Marktrendite
9,80%
9,80%
Marktrisikoprämie
6,49%
6,49%
Betafaktor
0,3
0,3
Risikoprämie
1,95%
1,95%
Renditeforderung der Eigenkapitalgeber vor Einkommensteuern
5,26%
Wachstum Ewige Rente Renditeforderung der Eigenkapitalgeber nach Einkommensteuern
5,26% -0,50%
5,26%
4,76%
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556
Wolfgang Schäfers und Frank J. Matzen Aus den Annahmen des Investors ergeben sich 5,26 % Renditeerwartungen in der Detailprognosephase 2009–2012 und 4,76 % in der Fortführungsphase 2012 ff., die im Folgenden zur Unternehmensbewertung herangezogen werden. Die Adjustierten Ertragssteuern auf Basis des EBITs wurden wie folgt ermittelt: Tab. 22-4: Ermittlung der Adjustierten Ertragssteuern bei vollständigen Eigenkapitalfinanzierung Planung FY2008a
FY2009e
FY2010e
FY2011e
55.202,1 -10.999,3 0,0 44.202,8
59.742,4 -10.999,3 0,0 48.743,1
64.561,7 -10.999,3 0,0 53.562,4
68.727,8 -10.999,3 0,0 57.728,5
71.400,3 -10.999,3 0,0 60.401,0
69.903,4 -10.999,3 0,0 58.904,1
14,0% 6.188,4
14,0% 6.824,0
14,0% 7.498,7
14,0% 8.082,0
14,0% 8.456,1
14,0% 8.246,6
EBIT Anrechnung Gewerbesteuer Anrechenbare Gewerbesteuer KöSt Bemessungsgrundlage Körperschaftsteuer inkl. Solidaritätszuschlag Körperschaftsteuer
55.202,1 Nein 0,0 55.202,1 15,8% 8.721,9
59.742,4 Nein 0,0 59.742,4 15,8% 9.439,3
64.561,7 Nein 0,0 64.561,7 15,8% 10.200,7
68.727,8 Nein 0,0 68.727,8 15,8% 10.859,0
71.400,3 Nein 0,0 71.400,3 15,8% 11.281,2
69.903,4 Nein 0,0 69.903,4 15,8% 11.044,7
Gewerbesteuer Körperschaftsteuer Adjustierte Ertragsteuern in % des EBIT
6.188,4 8.721,9 14.910,3 27,0%
6.824,0 9.439,3 16.263,3 27,2%
7.498,7 10.200,7 17.699,4 27,4%
8.082,0 10.859,0 18.941,0 27,6%
8.456,1 11.281,2 19.737,3 27,6%
8.246,6 11.044,7 19.291,3 27,6%
EBIT – Kürzung gem. § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG – Erweiterte Kürzung gem. § 9 Nr. 1 S. 2–5 GewStG Gewerbeertrag Gewerbesteuersatz Gewerbeertragsteuer
FY2012e FY2012e ff.
Bei der Ermittlung der adjustierten Ertragssteuern bei vollständiger Eigenkapitalfinanzierung wird einerseits die Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG und anderseits die ab dem 1. Januar 2008 nicht mehr mögliche Abzugsfähigkeit der Gewerbesteuer auf die Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer berücksichtigt. Für die betrachtete Kapitalgesellschaft130 ergeben sich folgende Free Cashflow-Rechnungen sowie folgende Werte bei vollständiger Eigenkapitalfinanzierung im Planungszeitablauf: Tab. 22-5: Ermittlung des Wertes bei vollständiger Eigenkapitalfinanzierung Planung FY2008a
FY2009e
FY2010e
FY2011e
FY2012e
FY2012e ff.
EBIT in % der Umsatzerlöse
55.202,1 27,6%
59.742,4 28,8%
64.561,7 30,0%
68.727,8 30,9%
71.400,3 31,0%
69.903,4 30,4%
Adjustierte Ertragsteuern in % des EBIT
-14.910,3 27,0%
-16.263,3 27,2%
-17.699,4 27,4%
-18.941,0 27,6%
-19.737,3 27,6%
-19.291,3 27,6%
NOPLAT in % der Umsatzerlöse
40.291,8 20,2%
43.479,1 21,0%
46.862,3 21,8%
49.786,8 22,4%
51.663,0 22,5%
50.612,1 22,0%
Abschreibung
60.145,2
60.954,4
61.771,5
62.597,0
63.430,9
64.273,1
Veränderung des Netto Working Capitals
-3.141,8
172,7
-121,3
188,0
1.665,1
0,0
-40.068,9 15,30 €/m²
-40.461,8 15,45 €/m²
-40.854,6 15,60 €/m²
-41.273,6 15,76 €/m²
-41.692,6 15,92 €/m²
-42.111,7 16,08 €/m²
Free Cash Flow vor ESt
57.226,3
64.144,4
67.657,9
71.298,2
75.066,4
72.773,5
– Einkommensteuern
-10.014,6
-16.918,1
-17.844,8
-18.804,9
-19.798,8
-19.194,0
47.211,7
47.226,3 91,8%
49.813,1 10,5%
52.493,3 7,4%
55.267,6 5,8%
53.579,5 1,0%
1.101.376,0 5,26%
1.112.082,1 5,26%
1.120.764,5 5,26%
1.127.223,4 5,26%
1.131.247,8 4,76%
Investitionen in das Anlagevermögen in €/m²
Einkommen des Anteilseigners nach ESt Wachstum in % Wert bei vollständiger Eigenkapitalfinanzierung Diskontierungszinssatz
130 Zu
den Besonderheiten der DCF-Bewertung von Personenunternehmen vgl. Husmann, S./Kruschwitz, L./ Löffler, A. (2002), S. 25–42.
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 556
22 Bewertung von Immobilienunternehmen Unter Berücksichtigung der operativen Annahmen und Renditeerwartungen des Investors ergibt sich zum Bewertungsstichtag 1. Januar 2009 ein Wert bei vollständiger Eigenkapitalfinanzierung in Höhe von 1.101.4 Mio. €. In diesem Wert wurden bereits die geplanten Maßnahmen des Investors zur Steigerung des Unternehmenswertes berücksichtigt.
22.6.3 Ermittlung des Wertes der finanzierungsbedingten Steuervorteile Der Wert der Unternehmensteuervorteile resultiert aus den Unternehmensteuerersparnissen, die aus der Finanzierung resultieren. Da diese aus der Finanzierung resultierende Steuerersparnis zu einer Erhöhung des Ausschüttungspotenzials führt, sind gleichzeitig Abgeltungssteuern des Anteilseigners zu berücksichtigen:131 T
V USt
0,75sGewSt sKSt
iFU,t 1 s A
1 i 1 sA
t 1
t
mit: V USt Wert des Unternehmensteuervorteils; i Fremdkapitalzinssatz; Ft Fremdkapital im Jahr t; sGewSt Gewerbesteuersatz; sKSt Körperschaftsteuersatz; sA Abgeltungssteuersatz inklusive Solidaritätszuschlag; i risikofreier Zinssatz; t laufende Periode; n Anzahl der Perioden. Der Wert des gewerbesteuerlichen Zinsfreibetrages (§ 8 GewStG) wird wie folgt ermittelt: V GewSTFB
0,25sGewSt FBt 1 s ESt
T
1 i 1 s ESt
t 1
Mit FBt
t
min 100.000€;FU,t-1 i
mit: VGewStFB Wert des gewerbesteuerlichen Freibetrages; FBt gewerbesteuerlicher Freibetrag im Jahr t; sGewSt Gewerbesteuersatz; sA Abgeltungssteuersatz inklusive Solidaritätszuschlag; i risikofreier Zinsatz; t laufende Periode; n Anzahl der Perioden. Von den beiden positiven Werteffekten, dem Unternehmenssteuereffekt und dem Wert des gewerbesteuerlichen Zinsfreibetrages in Höhe von 100.000 € ist wertmindernd der Wert der Zinsschranke abzuziehen: V
Zinsscrhanke
T t 1
Mit ZK t
0,75sGewSt sKSt
ZK t 1 s A
1 i 1 sA
t
0,3 EBITDA t FU,t-1 i wenn i FU,t 1 ZVt 1.000.000€
mit: VZinsschranke Wert der Zinsschranke; i Fremdkapitalzinssatz; ZKt Zinskorridor im Jahr t; Ft Fremdkapital im Jahr t; sGewSt Gewerbesteuersatz; sKSt Körperschaftsteuersatz; sA Abgeltungssteuersatz inklusive Solidaritätszuschlag; i risikofreier Zinssatz; t laufende Periode; n Anzahl der Perioden; EBITDAt EBITDA im Jahr t; ZVt Zinsvortrag im Jahr t. Unter der Annahme, dass die Rückzahlung der Darlehen planmäßig erfolgt und diese Unternehmensteuervorteile damit risikolos sind, werden diese mit dem risikolosen Zinssatz nach Einkommensteuern i (1 – sA), hier 3,31 %, diskontiert. Da die Anleger bei alternativer risikoloser Anlage Zinserträge 131
Vgl. Streitferdt, F. (2008), S. 272; Drukarczyk, J./Richter, F. (1995), S. 560; Kruschwitz, L./Löffler, A. (2003b), S. 243.
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Wolfgang Schäfers und Frank J. Matzen erzielen, die ebenfalls dem Abgeltungssteuersatz unterliegen, wird der Abgeltungssteuersatz sA im Diskontierungszins berücksichtigt132. Die gewerbesteuerliche und körperschafsteuerliche Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen ist seit dem 1. Januar 2008 eingeschränkt und ist dementsprechend bei der Ermittlung der finanzierungsbedingten Steuerersparnisse zu berücksichtigen. Die anderorts vorgeschlagene Vernachlässigung der Zinsschranke133 bei der Unternehmensbewertung ist insbesondere in der Immobilienwirtschaft aufgrund des i.d.R. hohen Verschuldungsrades nicht von vornherein zu unterstellen. Vielmehr ist im Einzelfall zu prüfen, ob eine solche Vereinfachung zulässig ist. Im gegebenen Fallbeispiel erfolgt diese Überprüfung anhand des folgenden Schemas: Tab. 22-6: Ermittlung der zinsinduzierten Gewerbesteuerersparnis unter Berücksichtigung der Zinsschranke134 Planung
EBITDA Zinsertrag Zinsaufwand Zinsvortrag Zinsaufwand inkl. Zinsvortrag Zinsschranke Summe Zinsertrag/aufwand > 1 Mio. €? 30% vom EBITDA Basis Zinsaufwand GewSt Nicht abzugsfaehiger Zinsaufwand Erhöhung abzugsfähiger Zinsaufwand wg. Verlustvortag GewSt Hinzurechnung Zinsaufwand (zunächst 100%) – Freibetrag GewSt verbleibender Zinsaufwand Anrechenbarkeit davon tatsächliche Hinzurechnung GewSt abzugsfähiger Zinsaufwand abzüglich Zinsertrag GewSt abzugsfähiger Netto-Zinsaufwand in % des Zinsaufwandes Gewerbesteuersatz Gewerbesteuerersparnis
FY2008a
FY2009e
FY2010e
FY2011e
115.347,3 911,6 31.823,2 0,0 30.911,6 Ja Ja 34.604,2 31.823,2 -911,6 0,0 31.823,2 0,0 31.823,2 25,0% 7.955,8 23.867,4 -911,6 22.955,8 72,1%
120.696,8 226,2 31.816,0 -911,6 30.678,2 Ja Ja 36.209,0 31.816,0 -1.137,8 0,0 31.816,0 -100,0 31.716,0 25,0% 7.929,0 23.887,0 -226,2 23.660,8 74,4%
126.333,2 507,7 31.808,6 -1.137,8 30.163,1 Ja Ja 37.900,0 31.808,6 -1.645,5 0,0 31.808,6 -100,0 31.708,6 25,0% 7.927,2 23.881,4 -507,7 23.373,7 73,5%
131.324,8 799,3 31.800,8 -1.645,5 29.356,0 Ja Ja 39.397,4 31.800,8 -2.444,8 0,0 31.800,8 -100,0 31.700,8 25,0% 7.925,2 23.875,6 -799,3 23.076,3 72,6%
134.831,2 1.117,0 31.792,7 -2.444,8 28.230,9 Ja Ja 40.449,4 31.792,7 -3.561,8 0,0 31.792,7 -100,0 31.692,7 25,0% 7.923,2 23.869,5 -1.117,0 22.752,5 71,6%
FY2012e FY2012e ff. 134.176,5 1.425,9 31.788,6 -3.561,8 26.800,9 Ja Ja 40.253,0 31.788,6 -4.987,7 0,0 31.788,6 -100,0 31.688,6 25,0% 7.922,2 23.866,4 -1.425,9 22.440,5 70,6%
14,0% 3.213,8
14,0% 3.312,5
14,0% 3.272,3
14,0% 3.230,7
14,0% 3.185,4
14,0% 3.141,7
In diesem Beispiel können lediglich 74 % der Zinsaufwendungen in 2009 gewerbesteuerlich berücksichtigt werden. Dieser Umstand resultiert jedoch nicht aus der Anwendung der Zinsschrankenregelungen, da 30 % des EBITDA höher sind als der Zinsaufwand. Allerdings kommt es aufgrund der im Vergleich zur Vergangenheit reduzierten Hinzurechnung der gewerbesteuerlichen Dauerschuldzinsen und der Anrechnung der Zinsaufwendung zu einer Anrechenbarkeit von 74 % und bedingt durch die steigenden Zinserträge im Detailplanungshorizont 2009–2012 zu einer abnehmenden Anrechenbarkeit.
132
Vgl. Streitferdt, F. (2008), S. 268. Vgl. zu den Detailregelungen der Zinsschranke Kapital 5.6.3.4 dieses Beitrages. 134 In Anlehnung an Kniest, W. (2008), Tabelle 6, S. 4. 133
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22 Bewertung von Immobilienunternehmen
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Analog wird die körperschaftsteuerliche Zinsersparnis ermittelt: Tab. 22-7: Ermittlung der zinsinduzierten Körperschaftsteuerersparnis unter Berücksichtigung der Zinsschranke135 Planung FY2008a
FY2009e
FY2010e
FY2011e
115.347,3 911,6 31.823,2 0,0 30.911,6 Ja Ja 34.604,2 31.823,2 -911,6 0,0 100,0%
120.696,8 226,2 31.816,0 -911,6 30.678,2 Ja Ja 36.209,0 31.816,0 -1.137,8 0,0 100,0%
126.333,2 507,7 31.808,6 -1.137,8 30.163,1 Ja Ja 37.900,0 31.808,6 -1.645,5 0,0 100,0%
131.324,8 799,3 31.800,8 -1.645,5 29.356,0 Ja Ja 39.397,4 31.800,8 -2.444,8 0,0 100,0%
134.831,2 1.117,0 31.792,7 -2.444,8 28.230,9 Ja Ja 40.449,4 31.792,7 -3.561,8 0,0 100,0%
134.176,5 1.425,9 31.788,6 -3.561,8 26.800,9 Ja Ja 40.253,0 31.788,6 -4.987,7 0,0 100,0%
abzüglich Zinsertrag Anrechnung Gewerbesteuer Anrechenbare Gewerbesteuer KöSt abzugsfähiger Netto-Zinsaufwand
-911,6 Nein 0,0 30.911,6
-226,2 Nein 0,0 31.589,8
-507,7 Nein 0,0 31.300,9
-799,3 Nein 0,0 31.001,5
-1.117,0 Nein 0,0 30.675,7
-1.425,9 Nein 0,0 30.362,7
Körperschaftsteuer inkl. Solidaritätszuschlag Körperschaftsteuerersparnis
15,8% 4.884,0
15,8% 4.991,2
15,8% 4.945,5
15,8% 4.898,2
15,8% 4.846,8
15,8% 4.797,3
EBITDA Zinsertrag Zinsaufwand Zinsvortrag Zinsaufwand inkl. Zinsvortrag Zinsschranke Summe Zinsertrag/aufwand > 1 Mio. €? 30% vom EBITDA KöSt abzugsfähiger Zinsaufwand Nicht abzugsfaehiger Zinsaufwand Erhoehung abzugsfaehiger Zinsaufwand wg Verlustvortag in % des Zinsaufwandes
FY2012e FY2012e ff.
Auch im Hinblick auf die körperschaftsteuer ergibt sich eine vollständige Abzugsfähigkeit der Zinsaufwendungen, da aufgrund der geringen Fremdverschuldung der Spielraum in Höhe von 30 % des EBITDAs nicht ausgeschöpft ist. Bezogen auf das Beispiel, in dem das Fremdkapital im Jahr 2008 getilgt wird und somit kein nachhaltiger Zinsaufwand resultiert, ergibt sich der Wert der Unternehmensteuervorteile wie folgt: Tab. 22-8: Ermittlung des Wertes der Unternehmensteuervorteile Planung FY2008a
FY2009e
FY2010e
FY2011e
Gewerbesteuerersparnis mit Zinsschranke
3.213,8
3.312,5
3.272,3
3.230,7
3.185,4
Körperschaftsteuerersparnis mit Zinsschranke
4.884,0
4.991,2
4.945,5
4.898,2
4.846,8
4.797,3
8.097,8
8.303,7
8.217,8
8.128,9
8.032,2
7.939,0
-1.417,1
-2.190,1
-2.167,4
-2.144,0
-2.118,5
-2.093,9
6.680,7
6.113,6
6.050,4
5.984,9
5.913,7
5.845,1
Unternehmensteuerersparnis vor ESt – Einkommensteuern Unternehmensteuerersparnis nach ESt Wert des Unternehmensteuereffektes
3,31%
FY2012e FY2012e ff. 3.141,7
177.228,4 176.981,0 176.788,7 176.655,5 176.589,1
Bezüglich des Wertes der Unternehmensteuervorteile spiegelt sich die geringe Tilgung der Bankverbindlichkeiten während des Detailplanungshorizontes 2009–2012 wieder, welche dazu führt, dass die Gewerbesteuer- und Körperschaftsteuerersparnisse leicht abnehmen. Von 2007 zu 2008 ist der durch die Steuerreform 2008 indizierte Strukturbruch erkennbar: Einerseits wirkt nach 2008 die sogenannte Zinsschranke, die zinsinduzierte Gewerbesteuerersparnis ist nicht mehr auf die Bemessungsgrundlage der Körperschaftssteuer anrechenbar und der Körperschaftsteuersatz wurde von 26,4 % inklusive Solidaritätszuschlag auf 15,8 % herabgesetzt. Insbesondere die Reduktion des Körperschafsteuersatzes hat zu einer deutlichen Verminderung des Unternehmenssteuervorteils p.a. nach 2007 geführt. 135
In Anlehnung an Kniest, W. (2008), Tabelle 5, S. 3.
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Wolfgang Schäfers und Frank J. Matzen Grundsätzlich stellt der Wert der finanzierungsbedingten Steuervorteile einen Mehrwert dar, der von einem Anteilseigner, der sich an einem vollständig eigenkapitalfinanzierten Unternehmen beteiligt, nicht auf privater Ebene dupliziert werden kann. Der Einkommensteuereffekt I ist insofern eine Korrektur der Einkommensteuern, die erforderlich wird, um die der DCF-Bewertung zugrunde liegenden Bedingungen der Arbitragefreiheit zu gewährleisten136: V ESt I
s A iFU,t 1
T
1 i 1 sA
t 1
t
mit: V ESt I Wert des Einkommensteuereffektes I; i Fremdkapitalzinssatz; Ft Fremdkapital im Jahr t; sGewSt Gewerbesteuersatz; sKSt Körperschaftsteuersatz; sA Abgeltungssteuersatz inklusive Solidaritätszuschlag; i risikofreier Zinssatz; t laufende Periode; n Anzahl der Perioden. Da auch hier die Annahme der planmäßigen Rückzahlung der Darlehen gilt, wird auch der Einkommensteuereffekt I mit dem risikolosen Zinssatz nach Einkommensteuern i (1 – sA), hier 3,31 %, diskontiert. Im Hinblick auf das Bewertungsbeispiel werden die Einkommensteuereffekte I wie folgt ermittelt: Tab. 22-9: Ermittlung des Wertes des Einkommensteuereffektes I Einkommensteuereffekt I Planung FY2008a
FY2009e
FY2010e
FY2011e
FY2012e FY2012e ff.
Zinsaufwand
31.823,2
31.816,0
31.808,6
31.800,8
31.792,7
31.788,6
Einkommensteuern
5.569,1
8.391,5
8.389,5
8.387,5
8.385,3
8.384,2
Wert des Einkommensteuereffektes I
3,31%
253.315,1 253.308,3 253.303,3 253.300,2 253.299,1
Aufgrund der Veränderung des Fremdkapitals durch Tilgungen oder Kreditaufnahmen, wird die zur Ausschüttung zur Verfügung stehende Liquidität beeinflusst. Aus dieser Veränderung der Ausschüttungen ergeben sich unmittelbare Auswirkungen auf die Einkommensbesteuerung des Anteilseigners137: V ESt II
T t 1
T A s A FU,t s A FU,t
1 i 1 sA
t
mit: V ESt II Wert des Einkommensteuereffektes II; ΔFTU,t Tilgung des Fremdkapitals im Jahr t; ΔFAU,t Aufnahme von Fremdkapitals im Jahr t; sGewSt Gewerbesteuersatz; sKSt Körperschaftsteuersatz; sA Abgeltungssteuersatz inklusive Solidaritätszuschlag; i risikofreier Zinssatz; t laufende Periode; n Anzahl der Perioden. Analog zu den Unternehmensteuervorteilen, werden die aus der Veränderung des Fremdkapitals resultierenden Einkommensteuereffekte mit dem risikofreien Zins nach Einkommensteuern i (1 – sA), hier 3,31 %, berücksichtigt, da bei einem geplanten Finanzierungsverlauf diese Einkommensteuereffekte ebenfalls risikofrei sind. Im Falle von Tilgungen ist dieser Effekt positiv, da die tilgungsbedingte Thesaurierung von Ausschüttungen die Einkommensteuerbelastung der Anteilseigner des anteilig fremdfinanzierten Unternehmens senkt, wohingegen die Aufnahme von Fremdkapital zu einer Erhöhung der entziehbaren Mittel und somit zu einer Einkommensteuerbelastung der Anteilseigner führt. 136 137
In Anlehnung an Drukarczyk, J. (2003), S. 251. In Anlehnung an Baetge, J./Niemeyer, K./Kümmel, J. (2002), S. 329.
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22 Bewertung von Immobilienunternehmen
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Tab. 22-10: Ermittlung des Wertes des Einkommensteuereffektes II Einkommensteuereffekt II Planung
Tilgung der Objektfinanzierung Tilgung der Unternehmensfinanzierung Tilgungszahlungen Einkommensteuern Wert des Einkommensteuereffektes I
FY2008a
FY2009e
FY2010e
FY2011e
176,8
184,0
191,4
199,2
207,3
0,0
0,0
0,0
0,0
0,0
0,0
0,0
176,8
184,0
191,4
199,2
207,3
0,0
30,9
48,5
50,5
52,5
54,7
0,0
189,9
147,7
102,1
52,9
0,0
3,31%
FY2012e FY2012e ff.
Aufgrund der Tilgungen ergibt sich ein Einkommensteuervorteil II in Höhe von 0,2 Mio. €, der jedoch erwartungsgemäß aufgrund der abnehmenden Tilgung sukzessive leicht abnehmen wird. In der Fortführungsphase 2012 ff. ergibt sich kein tilgungsbedingter Einkommensteuereffekt II, da es aufgrund der Annahme der Ewigen Rente keine Tilgungen ab 2012 mehr gibt.
22.6.4 Ermittlung des Wertes der Fremdfinanzierung Grundsätzlich entspricht der Wert des Fremdkapitals bei identischen Nominal- und Diskontierungszins seinem Buchwert. Vor diesem Hintergrund wird in der Unternehmensbewertung üblicherweise das Fremdkapital grundsätzlich mit seinem Buchwert angesetzt138. Aber gerade bei langfristiger Finanzierung und sich in der Zwischenzeit stark verändernden Marktzinsen, kann es z.T. zu erheblichen Unterschieden zwischen dem Markt- und Buchwert der Finanzierung kommen.139 Aus diesem Grunde sollte gerade bei Immobilienunternehmen, bei denen langfristige Objektfinanzierung typisch ist, nicht leichtfertig von dieser allgemeinen Annahme ausgegangen werden, sondern der tatsächliche Wert ermittelt werden. Der Wert der Fremdfinanzierung wird durch Diskontierung der den Gläubigern zufließenden Zinsund Tilgungszahlungen ermittelt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Zinszahlung auf Ebene der Gläubiger der Einkommensbesteuerung unterliegt. Da es sich um Zinserträge handelt, ist der volle Einkommensteuersatz anzusetzen. Die Tilgungszahlungen werden hingegen keiner Einkommensteuerbesteuerung unterworfen, da die Rückführung des Nominalkapitals durch Tilgungszahlung kein zu versteuerndes Einkommen aus Sicht der Gläubiger darstellt. T
FU t 1
A FU,t
T FU,t i U FU,t 1 1 s A
1 i 1 sA
t
mit: FU Wert des Fremdkapitals; ΔFTU,t Tilgung des Fremdkapitals im Jahr t; ΔFAU,t Aufnahme von Fremdkapitals im Jahr t; Ft Fremdkapital im Jahr t; sGewSt Gewerbesteuersatz; sKSt Körperschaftsteuersatz; sA Abgeltungssteuersatz inklusive Solidaritätszuschlag; i risikofreier Zinssatz; t laufende Periode; n Anzahl der Perioden. Grundsätzlich wird in der Immobilienwirtschaft zwischen Objekt- und Unternehmensfinanzierung unterschieden. Im konkreten Beispiel wurde die Unternehmensfinanzierung jedoch Ende 2008 bereits getilgt und es besteht lediglich eine Objektfinanzierung im Planungszeitraum 2009–2012 und während der Fortführungsphase 2012 ff. Insofern wird im Folgenden lediglich der Wert der Objektfinanzierung wie folgt ermittelt: 138 139
In Anlehnung an Bäzner, B./Timmreck, C. (2004), S. 14. Vgl. Matzen, F. J. (2005), S. 162.
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Wolfgang Schäfers und Frank J. Matzen Tab. 22-11: Ermittlung des Wertes der Objektfinanzierung Planung FY2008a Tilgung Zinsaufwand
3,98%
– Einkommensteuern Cash Flow der Darlehensgeber Wert der Objektfinanzierung Buchwert des Fremdkapitals
FY2009e
FY2010e
FY2011e
FY2012e FY2012e ff.
176,8
184,0
191,4
199,2
207,3
0,0
31.823,2
31.816,0
31.808,6
31.800,8
31.792,7
31.788,6
-11.138,1
-8.391,5
-8.389,5
-8.387,5
-8.385,3
-8.384,2
20.861,9
23.608,5
23.610,5
23.612,5
23.614,7
23.404,4
3,31%
702.951,9 705.360,1 707.845,6 707.666,8 707.480,1 799.836,8 799.666,9 799.490,1 799.306,1 799.114,7
Aus der Bewertung der Objektfinanzierung ergibt sich zum Bewertungsstichtag 1. Januar 2009 ein Wert in Höhe von 702,9 Mio. €. Dieser Wert der Objektfinanzierung liegt unter dem Buchwert der Objektfinanzierung. Der Wert der Objektfinanzierung ist geringer als der Buchwert der Objektfinanzierung zum 1. Januar 2009, da der Finanzierungszinssatz mit 3,98 % niedriger ist als der Diskontierungszinssatz in Höhe von 4,5 % vor Berücksichtigung der Abschlagssteuer.
22.6.5 Ermittlung des Wertes des Eigenkapitals Der Wert des Eigenkapitals ergibt sich aus dem Wert des Eigenkapitals, der Hinzurechnung des Wertes der Unternehmensteuerersparnis sowie des tilgungsbedingten Einkommensteuereffektes II abzüglich des Einkommensteuereffektes I und des Wertes des Fremdkapitals140: VE
E V EW V USt V EStI V EStII F
Bezogen auf das Fallbeispiel wird der Wert des Eigenkapitals der Kapitalgesellschaft wie folgt ermittelt: Tab. 22-12: Ermittlung des Wertes des Eigenkapitals FY2008a
FY2010e
FY2011e
FY2012e
1.101.376,0 654 €/m²
1.112.082,1 662 €/m²
1.120.764,5 668 €/m²
1.127.223,4 674 €/m²
1.131.247,8 678 €/m²
0,0 0 €/m²
0,0 0 €/m²
0,0 0 €/m²
0,0 0 €/m²
0,0 0 €/m²
0,0 0 €/m²
34.725,5 250.589,7 213,7 285.528,9 109 €/m² 40%
28.746,0 253.315,1 189,9 282.251,0 108 €/m² 40%
23.487,1 253.308,3 147,7 276.943,1 106 €/m² 39%
17.994,0 253.303,3 102,1 271.399,4 104 €/m² 38%
12.256,5 253.300,2 52,9 265.609,6 101 €/m² 38%
6.261,0 253.299,1 0,0 259.560,1 99 €/m² 0%
1.376.720,0 526 €/m²
1.383.627,0 528 €/m²
1.389.025,2 530 €/m²
1.392.163,9 532 €/m²
1.392.833,0 532 €/m²
1.390.807,9 531 €/m²
Marktwert des Objektfinanzierung Marktwert des Unternehmensfinanzierung Verzinsliche Verbindlichkeiten Wert je m²
-705.360,1 0,0 -705.360,1 -269 €/m²
-707.845,6 0,0 -707.845,6 -270 €/m²
-707.666,8 0,0 -707.666,8 -270 €/m²
-707.480,1 0,0 -707.480,1 -270 €/m²
-707.285,2 0,0 -707.285,2 -270 €/m²
-707.081,6 0,0 -707.081,6 -270 €/m²
Liqudität Netto Finanzverbindlichkeiten Wert je m²
72.326,0 -633.034,1 -242 €/m²
23.293,1 -684.552,5 -261 €/m²
43.821,4 -663.845,4 -253 €/m²
65.057,9 -642.422,2 -245 €/m²
88.178,2 -619.107,0 -236 €/m²
110.400,7 -596.680,9 -228 €/m²
743.685,9 284 €/m²
699.074,5 267 €/m²
725.179,8 277 €/m²
749.741,7 286 €/m²
773.726,0 295 €/m²
794.127,0 303 €/m²
Unternehmenswert bei Eigenkapitalsfinanzierung 1.091.191,1 Wert je m² 417 €/m² Unternehmensteuereffekt - Erweiterte Kürzung Wert je m² Unternehmensteuereffekt - Verschuldung Einkommensteuereffekt I Einkommensteuereffekt II Finanzierungsbedingte Steuereffekte Wert je m² in % des verzinslichen Fremdkapitals Unternehmensgesamtwert Wert je m²
Wert des Eigenkapitals Eigenkapital je m²
140
FY2009e
FY2012e ff.
Vgl. Drukarczyk, J. (2003), S. 252.
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22 Bewertung von Immobilienunternehmen Zum Bewertungsstichtag 1. Januar 2005 ergibt sich aus Sicht des Investors ein Wert des Eigenkapitals in Höhe von 699,1 Mio. €. Von 2008 zum 2009 kommt es zu einer Minderung des Wertes des Eigenkapitals aufgrund der Ausschüttung einer Sonderdividende und einer entsprechenden Abnahme der Liquidität. Aufgrund des gleichbleibenden Immobilienbestandes von 38.513 Wohneinheiten kommt es zu einer kontinuierlichen Wertsteigerung des Unternehmenswert bei vollständiger Eigenkapitalfinanzierung sowie des Wertes des Eigenkapitals. Diese Wertsteigerung resultiert einerseits durch die operative Ergebnissteigerung und anderseits durch den Aufbau von Liquidität. Trotz einer angenommen handelsbilanziellen Vollausschüttung kommt es aufgrund der langfristigen Tilgung der Objektfinanzierung zu einem Aufbau von Liquidität, die nach Ablauf der Zinsbindungsfristen der Objektfinanzierungen jedoch zu Sondertilgungen herangezogen werden kann. Aus den ermittelten Unternehmenswerten lassen sich ebenfalls so genannte implizite Multiplikatoren, die das Verhältnis zwischen dem ermittelten Wert und einer Bestands- oder Erfolgsgröße ausdrücken, ermitteln, die in der folgenden Tabelle zusammengefasst werden: Tab. 22-13: Ermittlung impliziter Multiplikatoren Implizite Multiplkatoren
EV/Wohnfläche EV/Mieterlöse EV/EBITDA EV/EBIT EV/Capital Employed KGV
FY2008a
FY2009e
FY2010e
FY2011e
FY2012e FY2012e ff.
526 €/m² 8,50 x 11,90 x 24,90 x 1,30 x 42,50 x
528 €/m² 8,20 x 11,50 x 23,20 x 1,30 x 34,60 x
530 €/m² 7,90 x 11,00 x 21,50 x 1,30 x 30,50 x
532 €/m² 7,70 x 10,60 x 20,30 x 1,30 x 27,90 x
532 €/m² 7,40 x 10,30 x 19,50 x 1,40 x 26,70 x
531 €/m² 7,40 x 10,40 x 19,90 x 1,40 x 28,20 x
Anhand der impliziten Multiplikatoren lässt sich eine Plausibilitätsprüfung durch eine Rückkopplung der Bewertungsergebnisse zu vergleichbaren Transaktionen durchführen.
22.7 Bedeutung der unterschiedlichen Bewertungsverfahren in der Praxis Die Bewertung von Immobiliengesellschaften ist – wie dargestellt – mit einer Vielzahl unterschiedlicher Verfahren möglich und erfordert eine genaue Betrachtung und Diskussion über die optimale Wertbestimmung. Die Durchführbarkeit der einzelnen Verfahren wird dabei in hohem Maße von den vorhandenen Informationen geprägt sowie den Anforderungen des Bewertens. Vergleichsbewertungsverfahren können bei Immobilienunternehmen angewendet werden, um basierend auf limitierten Informationen erste Wertindikationen vorzunehmen. Auch in der Praxis wird allgemein anerkannt, dass die Methoden der Vergleichsbewertung lediglich die Funktion einer Wertindikation oder Marktpreiseinschätzung haben können. Derzeit ist die Anwendung des FFO insbesondere bei US-amerikanischen Aktienanalysten zur Bewertung von REITs verbreitet141. Mit der Diskussion um die Einführung von REITs in Deutschland ist festzustellen, dass diese für REITs typischen Kennzahlen ebenfalls in Deutschland in zunehmendem Maße erörtert wird. Die auf immobilienorientierte Erfolgskennzahlen basierende Vergleichsbewertung findet insbesondere im Rahmen von Comparable Transaction Analysen ihre Anwendung, wenngleich sie im Rahmen von Comparable Company Analysen ebenfalls nicht unüblich sind. Bezüglich der Anwendung der Net Asset Value- und der DCF-Methode sind in praxi zwei Strömungen zu beobachten. Immobilienwirtschaftliche Investoren, die ausgehend von ihrer Erfahrung mit Assetund Portfoliotransaktionen in zunehmendem Maße sich mit Immobilienunternehmen auseinandersetzen, nutzen vielfach Immobilienbewertungen bzw. das damit verbundene Net Asset Value Verfahren. 141
Vgl. Krolle, S. (2003), S. 41.
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Wolfgang Schäfers und Frank J. Matzen Cashflow-orientierte Finanzinvestoren versuchen hingegen, DCF-Immobilienbewertungs- und Unternehmensbewertungsmodelle miteinander zu integrieren. Hinsichtlich der Verbreitung der DCF-Ansätze sind in praxi immer noch der WACC- aber auch der Equity-Ansatz sehr verbreitet, während der APV-Ansatz – trotz seiner Vorzüge im Hinblick auf in der Bewertungspraxis von Immobilienunternehmen vorzugsweise anzutreffende autonome Finanzierungspolitik – bisher noch untergeordnete Bedeutung hat. Ursache hierfür scheint das mangelnde Problembewusstsein bezüglich der Berücksichtigung der Finanzierungspolitik in der Unternehmensbewertung zu sein. Diese substanzielle Fragestellung erscheint vielen Praktiker esoterisch und wird von dem Mantra „Alle Methoden führen unter gleichen Annahmen zu gleichen Ergebnissen“ übertönt.
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23 Besonderheiten der Bewertung von Hotelimmobilien von Matthias Schröder und Ulrike Schüler* 23.1 Branchenüberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.1.1 Internationaler Tourismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.1.2 Marktüberblick Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.1.3 Preis und Belegung – europäische Großstädte im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.1.4 Betriebsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.1.5 Markttendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.2 Bewertung von Hotels. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.2.1 Besonderheiten der Bewertung von Hotels im Überblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.2.2 Zunehmende Bedeutung internationaler Bewertungsstandards und Bewertungsmethoden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.2.3 Zusammensetzung der relevanten Cash-flows . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.2.4 Ableitung des Kapitalisierungszinsfußes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.2.5 Berücksichtigung der Instandsetzungs- und Renovierungsrückstände . . . . . . . . . . . . . 23.2.6 Berücksichtigung des Reinvestitionszykluses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.2.7 Beispiel aus der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.2.8 Verkürzte Bewertungsmethoden der Branchenpraxis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.3 Exkurs: Die Bewertung von Hotelgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.4 Schlusswort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.5 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
571 571 573 575 576 577 577 577 579 580 584 585 585 585 593 594 595 595
23.1 Branchenüberblick 23.1.1 Internationaler Tourismus Die Tourismusindustrie konnte in den vergangenen Jahren weltweit kontinuierliche Zuwächse verzeichnen. Die weltweiten Einkünfte aus dem Tourismus werden für das Jahr 2007 auf US$ 856 Milliarden geschätzt, ein Wachstum von ca. 15,4 % gegenüber dem Jahr 2006.1 Je nach Größe und wirtschaftlichem Entwicklungsstand der Länder sind die Einkünfte und Gästeankünfte jedoch sehr unterschiedlich verteilt. Die höchsten Einkünfte konnte mit 96,7 Milliarden US$ die USA, gefolgt von Spanien (57,8 Milliarden US$), Frankreich (54,2 Milliarden US$) und Italien (42,7 Milliarden US$) verzeichnen. Deutschland rangiert mit 36 Milliarden US$ weltweit auf Platz 7. * 1
Dipl.-Kfm. Matthias Schröder, Wirtschaftsprüfer, und Dipl.-Kff. Ulrike Schüler, PKF hotelexperts, München. Diese Einkünfte beziehen sich auf die Ausgaben von internationalen Besuchern im Einreiseverkehr und berücksichtigen noch keine Einnahmen aus dem internationalem Flugverkehr, vgl. UNWTO World Tourism Barometer (Nr. 2, 2008), S. 11.
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Matthias Schröder und Ulrike Schüler Rang
Land
Mrd. USD
1
USA
96,7
2
Spanien
57,8
3
Frankreich
54,2
4
Italien
42,7
5
China
41,9
6
Großbritannien
37,6
7
Deutschland
36,0
8
Australien
22,2
9
Österreich
18,9
Türkei
18,5
10
Quelle: UNWTO Tourism Barometer Juni 2008 Abb. 23-1: Einkünfte aus dem internationalen Tourismus in 2007
Die Anzahl der weltweiten Gästeankünfte haben mit rund 924 Mio. im Jahr 2008 einen vorläufigen Höchststand erzielt. Nach einem weltweiten Anstieg der Gästeankünfte um 5 % im ersten Halbjahr 2008 wurde im zweiten Halbjahr ein Rückgang von 1 % verzeichnet. Dies entspricht einem Wachstum von 1,8 % gegenüber dem Vorjahr. Zu den Regionen mit den höchsten Wachstumsraten zählen im Jahr 2008 gegenüber 2007 der Mittlere Osten mit 11 %, gefolgt von Afrika mit 5 % und Amerika mit 4 %. Die Region Asien-Pazifik konnte trotz eines Rückgangs im zweiten Halbjahr um rund 3 % eine Wachstumsrate von 2 % erzielten. Das Wachstum in Europa belief sich nur auf 0,1 %. Der Anteil Europas an den weltweiten Gästeankünften lag bei knapp 53 %.2 Rang
Land
Anzahl der Gästeankünfte in Mio.
1
Frankreich
81,9
2
Spanien
59,2
3
USA
56,0
4
China
54,7
5
Italien
43,7
6
Großbritannien
30,7
7
Deutschland
24,4
8
Ukraine
23,1
9
Türkei
22,2
10
Mexiko
21,4
Quelle: UNWTO Tourism Barometer Juni 2008 Abb. 23-2: Internationale Ankünfte in 2007
Bis zum Jahr 2020 prognostiziert die WTO in Bezug auf die weltweiten Gästeankünfte eine Vergrößerung der Marktanteile der Länder im asiatisch-pazifischen und afrikanischen Raum sowie im Mittleren Osten um über 5 % jährlich bei rückläufigen Marktanteilen der Länder in Europa und Amerika. Der Marktanteil Europas wird im Jahr 2020 auf nur noch 46 % geschätzt. Das durchschnittliche jährliche Wachstum bis zum Jahr 2010 wird von der WTO mit 4,1 % angegeben. Die Dynamik des 2
Vgl. UNWTO (Nr. 1 2009).
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23 Besonderheiten der Bewertung von Hotelimmobilien weltweiten Tourismus ist sowohl das Ergebnis von Globalisierungsprozessen als auch ein Beschleuniger dieser Prozesse.
23.1.2 Marktüberblick Deutschland Der Tourismus ist in Deutschland mit einem Anteil von rund 3,2 % des Bruttoinlandsprodukts ein Wirtschaftsfaktor von wesentlicher Bedeutung. Die Deutsche Zentrale für Tourismus e.V. prognostiziert bis zum Jahr 2015 über 400 Mio. Übernachtungen, davon ca. 66 Mio. Übernachtungen von Ausländern.3 In Deutschland lag der Anteil der Übernachtungen von Ausländern im Jahr 2007 bei ca. 15 % bei durchschnittlichen jährlichen Zuwachsraten von ca. 1,6 % zwischen 1998 und 2007. In Deutschland ist die Nachfrage nach Hoteldienstleistungen somit in erster Linie national motiviert, jedoch mit starken regionalen Unterschieden.4 Die nachfolgende Tabelle zeigt die Entwicklung der Gästeankünfte und Übernachtungen in Beherbergungsbetrieben in Deutschland von 1994 bis 2007:
Quelle: Statistisches Bundesamt Deutschland Abb. 23-3: Gästeankünfte und -übernachtungen in Deutschland von 1994 bis 20075
Die Anzahl der Gästeankünfte konnte im Beobachtungszeitraum bis auf die Jahre 2001 und 2002 (u.a. aufgrund der Auswirkungen des 11. September und SARS) einen kontinuierlichen Anstieg verzeichnen, während hinsichtlich der Anzahl der Übernachtungen Schwankungen und geringere Wachstumsraten verzeichnet wurden. Darin spiegelt sich insbesondere der Trend zu einer niedrigeren durchschnittlichen Aufenthaltsdauer wider, die von 3,5 Tagen im Jahr 1994 kontinuierlich auf 2,8 Tage im Jahr 2007 sank. Die Struktur des deutschen Beherbergungsangebots6 ist traditionsgemäß durch kleinbetriebliche und mittelständische Betriebe geprägt. Im November 2007 wurden in Deutschland 36.735 Betriebe mit 3 4 5 6
Vgl. DZT (2008, 2009) Presseinformation. Vgl. Statistisches Bundesamt Deutschland. In Betrieben ab neun Betten und auf Campingplätzen. Die Beherbergungsbetriebe beinhalten Hotels, Hotels garnis, Pensionen und Gasthöfe.
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Matthias Schröder und Ulrike Schüler rund 1,6 Mio. angebotenen Betten gezählt. Das entspricht einer durchschnittlichen Betriebsgröße von ca. 44 Betten pro Betrieb.7 Wie in anderen Ländern der Welt ist auch in Deutschland eine Tendenz zu größeren Betrieben und zum Anschluss an nationale und internationale Hotelgesellschaften (Markenhotellerie) 8 erkennbar. Im Jahr 2007 waren auf dem deutschen Markt 139 agierende Hotelgesellschaften bekannt.9 Insbesondere in Primärdestinationen, wie Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und München, findet ein Verdrängungswettbewerb zu Ungunsten kleiner Betriebe ohne Anschluss an eine Hotelkette statt. Weltweit verfügen die zehn größten Hotelgesellschaften im Jahr 2007 über 32.040 Hotels (+ 1 % im Vergleich zum Vorjahr).10 Acht der zehn größten Hotelgesellschaften sind in den USA beheimatet. Auf dem elften Platz rangiert die deutsche TUI AG mit 278 Hotels. Die folgende Tabelle stellt die weltweit größten Hotelgesellschaften nach der Anzahl der Zimmer dar: Rang
Zimmer Anzahl
Hotels Anzahl
1
InterContinental Hotels Group plc Windsor, Berkshire, England
Name und Sitz
556.246
3.741
2
Wyndham Worldwide Corporation Parsippany, New Jersey, USA
543.237
6.473
3
Marriott International Inc Washington D.C., USA
502.089
2.775
4
Hilton Hotels Corporation Beverly Hills, Kalifornien, USA
497.738
2.901
5
Accor S.A. Paris, Frankreich
486.512
4.121
6
Choice Hotels International Silver Spring, Maryland, USA
429.401
5.316
7
Best Western International Phoenix, Arizona, USA
315.401
4.164
8
Starwood Hotels & Resorts worldwide Inc White Plains, New York, USA
265.598
871
9
Carlson Hospitality Worldwide Minneapolis, Minnesota, USA
145.933
945
10
Global Hyatt Corp. Chicago, Illinois, USA
141.011
733
11
TUI AG/TUI Hotels & Resorts Hannover, Deutschland
82.111
278
12
Sol Meliá S.A. Palma de Mallorca, Spanien
78.452
306
Quelle: IHA (2008) Abb. 23-4: Die weltweit größten Hotelgesellschaften
Im Vergleich zu den USA ist die Marktdurchdringung der internationalen Hotelgesellschaften bzw. die Markendurchdringung in Deutschland mit rund 30 % der Hotels gering, so dass in Zukunft mit 7 8
9 10
Vgl. IHA (2008). Unter dem Oberbegriff Markenhotellerie werden Hotelgesellschaften und Hotelgruppen zusammengefasst, die mindestens vier Hotels besitzen und die mit einer eigenen Dachmarkenstrategie am deutschen Hotelmarkt operieren, die sich u.a. im Hotelnamen dokumentiert. Vgl. Dehoga (2006). Vgl. IHA (2008). Vgl. IHA (2008).
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23 Besonderheiten der Bewertung von Hotelimmobilien einer weiteren Expansion der Markenhotellerie im Rahmen von Neubauprojekten oder/und Unternehmenskäufen und Unternehmensverschmelzungen zu rechnen ist.
23.1.3 Preis und Belegung – europäische Großstädte im Vergleich Zu den wichtigsten Indikatoren der Hotelbranche in Bezug auf die Beurteilung eines Hotelmarktes und eines einzelnen Hotelobjektes zählen: • Kapazitäten (Anzahl der Betriebe und Zimmer) • Hotelprojekte (zusätzliches kurz-, mittel- und langfristiges Angebot) • Anzahl der Ankünfte und Übernachtungen • Zimmerauslastung • Netto-Zimmerpreis • Revpar (Ertrag pro verfügbarem Zimmer) Die Entwicklung des Angebotes (bestehende und zukünftige Kapazitäten) und der Nachfrage (Ankünfte und Übernachtungen) spiegelt sich u.a. in der durchschnittlichen Auslastung der Zimmer und dem Netto-Zimmerpreis als eine der wichtigsten Kennzahlen zur Beurteilung eines Hotelmarktes wider. Der Revpar, definiert als Produkt aus Auslastung und Netto-Zimmerpreis, stellt den Ertrag pro verfügbarem Zimmer dar. Die durchschnittlichen Auslastungen und Netto-Zimmerpreise variieren in Deutschland je nach Stadt und Region deutlich. Noch auffälliger sind die Unterschiede im europäischen Vergleich. Die folgende Abbildung stellt die im Jahr 2007 realisierten durchschnittlichen Zimmerbelegungen, Netto-Zimmerpreise und den Revpar in Form einer Stichprobe von Hotels in ausgewählten Städten Europas dar. Stadt
Belegung in %
Durchschnittlicher Netto-Zimmerpreis in €
Revpar in €
Amsterdam
79,5
171,93
136,68
Athen
68,7
172,61
118,62
Barcelona
66,8
163,85
109,44
Berlin
72,8
112,85
82,10
Frankfurt
67,9
114,48
77,72
London1)
81,8
188,63
154,36
München
77,8
114,01
88,72
Paris
75,9
197,73
150,04
Rom
75,5
251,95
190,34
Quelle: PKF Country trends 2008 Umrechnung der Währung von englischen Pfund in Euro zum Stichtag 31.12.2007
1)
Abb. 23-5: Europäische Städte im Vergleich
Im Vergleich zu den dargestellten anderen europäischen Städten bewegen sich die durchschnittlichen Netto-Zimmerpreise in deutschen Hotels auf vergleichsweise niedrigem Niveau. Dies hängt einerseits mit dem föderalen System in Deutschland zusammen: eine Metropole wie London, Paris oder Rom gibt es in Deutschland nicht und auch nicht zwei oder drei dominierende Großstädte (wie z.B. Rom und Mailand oder Madrid und Barcelona). Andererseits weist der deutsche Hotelmarkt zum Teil Überkapazitäten auf. In den vergangenen Jahren ist das Angebot an Hotelzimmern insbesondere im gehobenen Segment deutlich gestiegen, was unter anderem zu einem Rückgang der Erträge und Betriebsergebnisse führte.
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Matthias Schröder und Ulrike Schüler
23.1.4 Betriebsformen Bis in die fünfziger Jahre waren Eigentümer und Betreiber des Hotels in der Regel identisch. Dadurch wurde Kapital gebunden, das für den Betrieb nicht eingesetzt werden konnte und eine Expansion erschwerte, so dass – ausgehend von den USA – eine Trennung von Eigentum und Betrieb auf zwei Gesellschaften – Verpächter und Pächter – erfolgte. Als Pachtzins wurde ein fester Pachtzins oder ein fester Pachtzins zuzüglich einer gewinnabhängigen Komponente vereinbart (Profit-Sharing Lease bzw. Operating Lease). Die beim Pächter verbleibenden Risiken sind bei einem Pachtvertrag insbesondere in Ländern mit einer politischen und wirtschaftlichen Instabilität hoch, da der Pächter die Betriebsverluste trägt und das Personal bei der Gesellschaft des Pächters angestellt ist. Daher entstanden Ende der 1960er/Anfang der 1970er Jahre die ersten Managementverträge, die das unternehmerische Risiko auf den Eigentümer verlagerten. In Deutschland konnte sich der Managementvertrag bislang nur begrenzt durchsetzen. Die weiterhin bevorzugte Vertragsart von deutschen Investoren und finanzierenden Banken ist der Pachtvertrag, der fest kalkulierbare Einnahmen zusichert. Bedingt durch die starke Marktstellung amerikanischer Ketten, die die internationale Hotellerie in großem Maße beeinflussen, und weiterer Konsolidierungsund Konzentrationstendenzen auf den Hotelmärkten ist die Bereitschaft der Hotelgesellschaften zum Abschluss von Pachtverträgen in der Regel nur noch an strategisch wichtigen und begehrten Standorten gegeben. In der Praxis setzen sich so genannte Hybrid-Verträge durch, die einen Managementvertrag mit pachtvertragsähnlichen Varianten zugrunde legen und welche die unterschiedlichen Interessen von Eigentümer und Betreiber ausgewogener berücksichtigen. In der folgenden Tabelle sind die wesentlichen Vor- und Nachteile von Pacht- und Managementverträgen aus Eigentümersicht dargestellt:
Pachtvertrag
Managementvertrag
Vorteile: • kalkulierbare Einnahmen • begrenztes Risiko • Personal verbleibt beim Pächter • einfacher Ausstieg (wenn keine Zahlung erfolgt) • nur begrenzt spezifisches HotelKnow-How erforderlich • Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung • Klare Interessenlage
Vorteile: • Betriebsgewinn verbleibt beim Eigentümer, der Betreiber erhält lediglich ein Entgelt für seine Dienstleistungen • Mitsprache- und Kontrollrecht
Nachteile: • Zementierung historischer (u.U. niedriger) Konditionen • keine Mitspracherechte • Konfliktpotenzial bei Rückgabe des Mietobjektes (Instandhaltung) • kann gewerbesteuerfreie Einkünfte und unter bestimmten Umständen steuerfreie Veräußerungsgewinne generieren
Nachteile: • keine garantierte Deckung der Verzinsung des eingesetzten Kapitals • Personal ist beim Eigentümer • Hohes Streitpotenzial • Abhängigkeit des Betriebsergebnisses von der Kompetenz des Betreibers • Einkünfte aus Gewerbebetrieb
Abb. 23-6: Vor- und Nachteile von Pacht- und Managementverträgen
In Zukunft ist zu erwarten, dass auch in Deutschland Managementverträge aufgrund des Drucks internationaler Hotelketten weiter an Bedeutung gewinnen. Eine Sonderstellung nimmt das in der Hotellerie weit verbreitete Franchising ein, das auch in Deutschland immer mehr an Bedeutung gewinnt. Während beim Managementvertrag der Betrieb durch eine Hotelgesellschaft geführt wird, verbleibt beim Franchising die Betriebsführung beim Eigentümer
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23 Besonderheiten der Bewertung von Hotelimmobilien oder Pächter. Der Abschluss eines Franchisevertrages hat für den Franchisenehmer (Eigentümer oder Pächter eines Hotels) folgende Vorteile: • Unterstützung durch die Hotelgesellschaft in der Projektierungs-, Bau- und Voreröffnungsphase des Hotels (technische und betriebswirtschaftliche Unterstützung) • Betreuung und Beratung des laufenden Betriebs sowie im Rahmen eines Franchisevertrages mit einer internationalen Hotelgesellschaft die Anbindung an eine leistungsstarke Verkaufs- und Marketingorganisation • Franchisenehmer erhält Markenrechte, Betriebskonzepte und sonstige Leistungen vom Franchisegeber Für die Hotelgesellschaft (Franchisegeber) bietet Franchising die Möglichkeit zur flächendeckenden Marktdurchdringung ohne wirtschaftliches Risiko. Ein Beispiel für ein erfolgreiches Franchisesystem ist die Marke Best Western.
23.1.5 Markttendenzen Die Tourismusindustrie gehört weltweit zu den Wachstumsbranchen. Während in Deutschland bereits Marktsättigungstendenzen erkennbar sind, bieten Märkte wie z.B. der osteuropäische oder asiatischpazifische Raum aufgrund des noch unterentwickelten Hotelmarktes und der mangelnden Präsenz der Markenhotellerie ein hohes Potenzial. In der deutschen Hotellerie werden sich die Konzentrations- und Verdrängungsprozesse zu Gunsten großer international operierender Hotelkonzerne weiter fortsetzen. Einhergehend mit den gesellschaftlichen Veränderungen ist auch eine zunehmende Polarisierung (Budget – Luxus) in der Hotelindustrie erkennbar. Die Nachfrage nach Hoteldienstleistungen wird sich – wie in den vergangenen Jahren bereits erkennbar – weiter auf das Budgetsegment konzentrieren. Es ist zu erwarten, dass dieses Segment von der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise profitiert und gestärkt daraus hervorgehen wird. Nicht klar positionierte Hotelprodukte und unprofessionell geführte Betriebe werden vor dem Hintergrund zunehmender Gästeansprüche und gesättigter Märkte kurz- bis mittelfristig nicht überleben. Somit wird der zukünftige Erfolg stärker von einer Spezialisierung im Hinblick auf Hotelkonzeption und zielgruppengerechter Ansprache abhängen. Die zunehmende Marktmacht internationaler Hotelkonzerne wird sich zukünftig auch verstärkt auf die Betriebsformen auswirken. Managementverträge und Vertragsmodelle mit einem Profit-RiskShare werden den klassischen Pachtvertrag ablösen.
23.2 Bewertung von Hotels 23.2.1 Besonderheiten der Bewertung von Hotels im Überblick Die Bewertung von Immobilien ist in dem Kapitel 21 dieses Buches bereits ausführlich von Prof. Dr. Karl-Werner Schulte und Herrn Prof. Dr. Gerrit Leopoldsberger dargestellt. Aus diesem Grund wird in diesem Buchabschnitt auf eine redundante Darstellung der Standards und Methoden der allgemeinen Bewertung von Immobilien verzichtet und lediglich zu den Besonderheiten der Bewertung von Hotels – im Unterschied zur Bewertung anderer Immobilienformen – Stellung genommen. Die wesentlichen Besonderheiten der Hotelbewertung sind: • Komplexe Werteinf lussfaktoren Der Wert von Hotels bestimmt sich maßgeblich durch langfristig abgeschlossene Pacht- und dinglich gesicherte11 Managementverträge sowie durch das Ergebnispotenzial des Hotelbetriebes. Allgemeine Kriterien der Immobilienbewertung treten deshalb in den Hintergrund. 11
Durch Eintragung als Dienstbarkeit in die Abteilung II des Grundbuches.
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Matthias Schröder und Ulrike Schüler Die Laufzeit von Hotelpachtverträgen ist in der Regel sehr langfristig angelegt. Häufig schließt sich an die erste Laufzeit von zehn bis zwanzig Jahren eine Option des Pächters auf ein- oder mehrmalige Verlängerung des Pachtvertrages an. Maximal können die Konditionen für einen Pachtvertrag nach deutschem Recht auf 30 Jahre fest abgeschlossen werden12. Aufgrund des dinglichen Charakters der Pachtverträge13 knüpft die Bewertung der Hotelimmobilie grundsätzlich an die Höhe der objektspezifischen Pacht an, auch wenn diese außerhalb der Bandbreite marktüblicher Pachten liegt. Die Praxis zeigt jedoch, dass sich die Vertragspartner bei nicht marktgerechten Konditionen häufig gezwungen sehen, die Verträge den Marktgegebenheiten anzupassen. Aus diesem Grund ist bei einer Hotelimmobilienbewertung immer auch die Analyse der erwirtschaftbaren Cash-flows erforderlich. Die allgemein zu beobachtende Tendenz zum Abschluss von Managementverträgen anstelle von Pachtverträgen wird künftig eine immer größere Rolle bei der Bewertung von Hotels spielen. Im Vergleich zu Pachtverträgen, bei denen für Bewertungszwecke Pachten vergleichbarer Hotelbetriebe als Basis herangezogen werden können, sind bei der Bewertung von Hotels, die auf der Grundlage von Managementverträgen geführt werden, die betriebsrelevanten Cash-flows heranzuziehen. Der Ansatz von Vergleichswerten wird dadurch deutlich schwieriger. Bei der Bewertung ist weiterhin zu beachten, dass mit der gleichen Hotelimmobilie, je nach deren Positionierung im Markt (Produkt, Kategorie, Brand der Hotelgesellschaft) und der Qualität des Managements, sehr unterschiedliche Ergebnisse erzielt werden können. Auch die Vertragsarten führen bei einem gleichen Hotelbetrieb zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen für den Eigentümer. Bei Pachtverträgen kommt es darauf an, an welche Bemessungsgrundlage die Pacht anknüpft (Umsatz und/oder Ergebnis oder Festpacht). Dies führt infolgedessen auch zu unterschiedlichen Werten. Die Bewertung von Hotels steht also im Spannungsfeld zwischen der Bewertung einer Immobilie, eines Vertrages und eines Hotelbetriebes. • Stark eingeschränkte Dritt-/Nachverwendungsmöglichkeit Eine weitere Besonderheit der Hotelimmobilie besteht darin, dass Hotels aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften und des Gebäudelayouts in ihrer Drittverwendungsmöglichkeit stark eingeschränkt sind. Sofern einer Umnutzung aus rechtlichen Gegebenheiten nichts entgegensteht – zum Beispiel zur Nutzung als Altenheim oder Bürogebäude – ist diese in vielen Fällen mit erheblichen Umbaukosten verbunden, die den Investitionskosten für einen Gebäudeabriss und Neuerrichtung nahe kommen. Selbst eine Nachverwendung erweist sich oft als schwierig bzw. unmöglich, da Hotelbetreibergesellschaften zum Teil sehr unterschiedliche Gebäudekonzepte hinsichtlich Zimmergröße, Angebot an Restaurants, Bars sowie Einrichtungen für Fitness und Wellness fordern. Die eingeschränkte Dritt- und/oder Nachverwendungsfähigkeit ist deshalb immer dann ein wesentlicher wertbestimmender Einflussfaktor, wenn das Hotel unrentabel oder ein Betreiberwechsel in der Zeit nach dem Bewertungsstichtag unvermeidbar sein sollte. • Maßgeblichkeit des Wertschöpfungspotenzials des Hotelbetriebes für die Bewertung Pachten für Hotelimmobilien sind weitgehend abhängig von dem Wertschöpfungspotenzial des Hotelbetriebes. Dadurch unterscheidet sich die Hotelimmobilie zum Beispiel wesentlich von Büroimmobilien, für die Marktmieten bezahlt werden, die grundsätzlich unabhängig von der Wertschöpfung des Mieters sind. Dem steht die verschiedentlich von Sachverständigen vertretene Meinung gegenüber, auch für Hotels seien Pachten pro Zimmer für unterschiedliche Hoteltypen bekannt, aus denen mit Hilfe des Vergleichswertverfahrens die marktübliche Pacht für das Bewertungsobjekt abgeleitet werden 12 13
§ 544 BGB (Vertrag über mehr als 30 Jahre) i.V.m. § 581 BGB (Vertragstypische Pflichten beim Pachtvertrag). § 566 BGB – Kauf bricht nicht Miete/Pacht –.
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23 Besonderheiten der Bewertung von Hotelimmobilien könne. Es bleibt jedoch die Frage offen, ob die Vergleichspacht von dem Bewertungsobjekt auch erwirtschaftet werden kann. Ist die Pacht overrented, wird sie nach allgemeiner Erfahrung keinen dauerhaften Bestand haben. Deshalb ist für die sachgerechte Bewertung immer auch die Kenntnis der erzielten oder erzielbaren Hotelbetriebsergebnisse notwendig. Die Bewertung von Hotels kann daher nicht auf der Grundlage von aus dem Markt abgeleiteten Pachten erfolgen, sondern bedarf immer einer auf das Bewertungsobjekt bezogenen Marktuntersuchung. • Geringe Transparenz der Hotelmärkte Hotelmärkte (erzielte Zimmerpreise und Zimmerbelegungen) und Hoteltransaktionsmärkte (erzielte Verkaufspreise und die mit dem Kaufvertrag mit erworbenen Rechte und Pflichten aus dinglichen oder nicht dinglich gesicherten Verträgen) weisen eine vergleichsweise niedrige Transparenz auf. Die Informationsbeschaffung im Rahmen einer Bewertung einer Hotelimmobilie ist schwieriger und komplexer als die für Büro- oder Einzelhandelsimmobilien. Bekannte Immobilienmakler veröffentlichen laufend aktuelle Marktberichte über die Höhe von Mieten für Büro- und Einzelhandelsflächen, differenziert nach Städten und Lagen.14 Die veröffentlichten Marktdaten von Hotels liegen meist nur als Durchschnittswerte vor, die für das Bewertungsobjekt in der Regel nur wenig relevant sind. Voraussetzung für die Bewertung eines Hotels ist deshalb in der Regel eine Standort- und Marktuntersuchung und eine langjährige Branchenerfahrung.
23.2.2 Zunehmende Bedeutung internationaler Bewertungsstandards und Bewertungsmethoden Die Bewertung von Hotels ist nach deutschem Recht überwiegend ein Unterfall der Immobilienbewertung nach den Vorschriften des § 194 BauGB15 in Verbindung mit der Wertverordnung (WertV bzw. ImmoWertV). International (und national auch für Zwecke betrieblicher Entscheidungen, wie die Ermittlung von Preisober- und Untergrenzen) stehen die Bewertungsmethoden kodifizierter Bewertungsvorschriften (EVS16, RICS17, IVS18) im Vordergrund. Für Hotelimmobilien dominiert dabei die DCF-Methode (Discounted-Cash-Flow-Methode), nach der die prognostizierten, dem Eigentümer aus der Nutzung der Immobilien netto zufließenden Cash-flows auf den Bewertungsstichtag diskontiert werden. Im Gegensatz zu den Bewertungsvorschriften der deutschen WertV, die eine bis ins Detail gehende Struktur und Vorgehensweise für die Bewertung von Immobilien vorgibt, sind die zuvor genannten international gebräuchlichen Bewertungsvorschriften nicht allein auf die Bewertung von Immobilien beschränkt. Ein wesentlicher Teil dieser Vorschriften befasst sich mit den Rahmenbedingungen und Definitionen, die einer Bewertung zugrunde zu legen sind. Einzelheiten der Durchführung der Bewertung stehen im sachgemäßen Ermessen des jeweiligen Gutachters. 14 15
16
17 18
Z.B. CB Richard Ellis und DIP Deutsche Immobilien Partner. Kleiber, W., Simon, J. (2007), S. 430: „Die mit § 194 BauGB gegebene materiell-rechtliche Definition des Verkehrswerts (Marktwerts) ist von zentraler Bedeutung für das gesamte Wirtschafts- und Rechtsleben. Es handelt sich hierbei zwar um eine dem Städtebaurecht zugeordnete Definition; sie hat aber eine allgemeine Anerkennung gefunden. Infolgedessen findet auch die WertV, die die Ermittlung des Verkehrswertes regelt, breite Anwendung. Sie kann auch im Rahmen der Bilanzierung von Grundstücken und im Rechnungswesen herangezogen werden, soweit dort auf den Marktwert bzw. den beizulegenden Zeitwert (Fair Value) Bezug genommen wird …“. Die Europeam Valuation Standards (EVS) sind in der Praxis unter dem Begriff Blue Book bekannt. The European Group of Valuers’ Association (TEGoVA) entwickelte diese mit dem Ziel, einheitliche Bewertungsstandards für Europa zu schaffen. RICS steht für: Royal Institution of Chartered Surveyors. Das Institut stellt nicht nur in Großbritannien, sondern auch international eine anerkannte Institution hohen Qualitätsstandards dar. Herausgeber der International Valuation Standards (IVS), auch das so genannte White Book, ist das International Valuation Standard Committee (IVSC) der Vereinten Nationen.
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Matthias Schröder und Ulrike Schüler Internationale Finanzinvestoren bestimmen zunehmend die in Deutschland angewendeten Bewertungsvorschriften. Infolgedessen erwarten auch international operierende Kreditinstitute immer häufiger Bewertungen, die diesen Vorschriften entsprechen.
23.2.3 Zusammensetzung der relevanten Cash-flows Voraussetzung für die Bewertung eines Hotels ist – wie zuvor begründet – die Kenntnis seiner Ergebnissituation. Die Ergebnisse von Hotels werden von den großen nationalen und internationalen Hotelgesellschaften weltweit neben den jeweiligen Ausweisvorschriften des Landes (Deutschland zum Beispiel nach den Vorschriften des § 275 HGB) auch nach einer in der Hotelindustrie üblichen profitcenterorientierten Deckungsbeitragsrechnung pro Hotelbetrieb und gegebenenfalls auch mehrerer Hotelbetriebe zusammengefasst dargestellt. Diese Ausweisvorschriften, das „Uniform System of Accounts for the Lodging Industry“, kurz auch USALI genannt, liegt zurzeit in der 10. Fassung vor19. Die neunte Fassung des USALI liegt in einer überarbeiteten deutschen Fassung vor.20 Die nachfolgende Tabelle zeigt einen schematischen Überblick bei Unterstellung der Betriebsführung auf der Grundlage eines Managementvertrages: Erträge
Wareneinsatz
Personal-
sonstige
Ergebnis
aufwend. Aufwend.
T€
T€
T€
T€
T€
Logis
x
---
x
x
Σ
Speisen & Getränke
x
x
x
x
Σ
sonstige operative Abteilungen
x
x
x
x
Σ
Vermietung und Sonstiges
x
---
---
x
Σ
Summe operative Abteilungen
Σ
Σ
Σ
Σ
Σ
Verwaltung und Allgemeines
x
x
Σ
Marketing
x
x
Σ
Reparaturen und Instandhaltung
x
x
Σ
Energie und Wasser
---
x
Σ
Σ
Σ
Σ
operative Abteilungen
Serviceabteilungen
+ Summe Serviceabteilungen (Gemeinkosten) = Betriebsergebnis nach Gemeinkosten
Σ
./. Rücklagen für Erneuerungen (FF&E und Dach und Fach)
x
./. Managementvergütung
x
./. Objektsteuern und Versicherungen
x
./. sonstige nicht operative Verwaltungsaufwendungen
x
= Relevante Cash-flows Managementvertrag
Σ
Abb. 23-7: Schematische Darstellung nach USALI
19 20
Hotel Association of New York City, Inc: Uniform System of Accounts for the Lodging Industry, Tenth Revised Edition. Pannell Kerr Forster GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft: Einheitliche Betriebsabrechnung die Erfolgssteuerung für Hotels; 1. Auflage 2000.
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 580
23 Besonderheiten der Bewertung von Hotelimmobilien Das Ausweisschema bildet zunächst die Ergebnisse der operativen Hotelabteilungen ab. Die wesentlichen Hotelabteilungen sind: • Logis • Speisen und Getränke • Sonstige operative Abteilungen • Vermietung und Sonstiges Der durchschnittlich erzielte Netto-Zimmerpreis21 (net average room rate) und die durchschnittliche Zimmerbelegung (average occupancy) sind die wichtigsten Ausgangsgrößen für die Bewertung des Hotels. Den entsprechenden Abteilungserträgen werden die Personal- und Sachkosten zugeordnet. Die prozentuale Zusammensetzung der Erträge und das Verhältnis der Aufwendungen zu den Abteilungserträgen bilden wichtige Kennzahlen, die im Rahmen von Benchmarkanalysen mit Kennzahlen vergleichbarer Hotels verglichen werden können22. Aus den Abweichungen ergeben sich Rückschlüsse auf die Rentabilität des zu bewertenden Hotelbetriebes. Die aus den Relationen entwickelten Kennzahlen sind, je nach Hoteltyp, Größe des Hotels und Professionalität der Hotelbetriebsführung, sehr unterschiedlich. Von der Summe der Abteilungsergebnisse werden die Aufwendungen der so genannten Serviceabteilungen (Gemeinkosten) abgezogen. Diese Positionen beinhalten sowohl Personal- als auch Sachkosten. Eine der wesentlichsten Aufwandsarten sind die Personalkosten, die bezogen auf die gesamten Erträge in der gehobenen Hotellerie in der Regel 30 % bis 40 % betragen. Von dem Betriebsergebnis nach Gemeinkosten, in der Praxis als GOP (Gross Operating Profit) bezeichnet, sind noch folgende ergebniswirksame Aufwandspositionen abzuziehen: • Zuführung zur Rücklage für Instandsetzung, Modernisierung und Ersatzbeschaffung des FF&E23 und Dach&Fach • Managementvergütung • Objektsteuern und Versicherungen • sonstige nicht operative Verwaltungsaufgaben Die Rücklagenbildung dient der periodengerechten Aufwandsverteilung künftiger Instandsetzungs-, Modernisierungs- und Ersatzbeschaffungsmaßnahmen. Da die Hoteleinrichtung während der gesamten Lebenszeit eines Hotels ständig wieder erneuert werden muss – entweder weil sie abgenutzt (z.B. Teppiche) und/oder nicht mehr zeitgemäß ist (z.B. Zimmereinrichtung) – sind aus dem Ergebnis einer Abrechnungsperiode Rücklagen in ausreichender Höhe zu bilden. Instandsetzungs-, Modernisierungsund Ersatzbeschaffungsmaßnahmen werden in den folgenden Jahren aus diesen Rücklagen – ohne ergebniswirksame Belastung der Abrechnungsperiode, in der sie angeschafft werden – bezahlt. Der schlechte Erhaltungszustand vieler Hotels ist daraus zu erklären, dass diese Rücklagen nur buchmäßig gebildet werden, ohne die entsprechenden Mittel auch liquide vorzuhalten. Der großen Bedeutung dieser Rücklagen für die marktgerechte Ausstattung wird heute sowohl in Pachtverträgen als auch in Managementverträgen durch entsprechende Regelungen Rechnung getragen. Die Rücklage beträgt in der Regel nach Einführung eines neuen Hotels im Markt mindestens 4,5 % (3 % für FF&E und 1,5 % für Dach&Fach) der Erträge. Im Rahmen der Ermittlung der für die Bewertung relevanten Cash-flows wird unterstellt, dass es sich um Mittelabflüsse der Rechnungsperiode handelt. Tatsächlich erfolgt die Auszahlung – und nur diese sind eigentlich Cash-flow wirksam – in späteren Perioden. 21 22 23
Das heißt ohne nicht ergebniswirksame Abgaben und Steuern; am bedeutendsten ist in der Regel die Mehrwertsteuer. Z.B. veröffentlicht in PKF Countrytrends 2006. FF&E bezeichnet Fittings, Furniture and Equipment und ist ein in der Hotellerie weit verbreiteter Begriff, der „den Inhalt“ des Hotels, wie Mobiliar, Einrichtungsgegenstände, technische Ausrüstung wie TV, Radio etc. bezeichnet. Nicht im FF&E enthalten, sind Verbrauchsgüter und Betriebsausstattung („Special operating equipment) wie z.B.Wäsche, Besteck etc.
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 581
581
582
Matthias Schröder und Ulrike Schüler Die Managementvergütung setzt sich in der Regel aus einer ertragsbezogenen Basisgebühr (Basic oder Base Management Fee) und einer ergebnisabhängigen Erfolgsvergütung (Incentive Fee) zusammen. Nach Abzug der Grundsteuer und Versicherungen sowie der Ausgaben für die Objektverwaltung (Asset Management) verbleibt der für die Bewertung relevante Cash-flow. Für den Fall, dass das Bewertungsobjekt verpachtet ist, sind Grundlage für die Bewertung die vereinbarten Pachten. Die nachfolgende Tabelle zeigt eine Gegenüberstellung der relevanten Cash-flows. Zum besseren Verständnis des Lesers wurde dabei auf ein Beispiel aus der Praxis24 zurückgegriffen: Betrieb durch
Betrieb durch
Hotelgesellschaft
Pächter
(Management) T€ Gesamterträge
Betriesergebnis nach Gemeinkosten
%
T€
%
12.253
100
12.253
100
4.102
33
4.102
33
Rücklage für FF&E
-368
-3
-368
-3
Managementvergütung
-741
-6
2.993
24
Ergebnis Pächter vor Pacht, Zinsen und Ertragsteuern
3.734
30
Pacht
2.206
18
-245
-2
Betriebserg. nach Gemeink., Rücklage FF&E u. Managementverg.
Rücklage für Dach & Fach
-245
-2
Grundsteuer, Gebäudeversicherungen und sonstiger Verwaltungsaufwand = Bewertungsrelevante Cash-flows
-123
-1
-123
-1
2.626
21
1.838
15
Abb. 23-8: Gegenüberstellung relevanter Cash-flows
Bei dem Fallbeispiel handelt es sich um ein 330-Zimmer Hotel mit der typischen Ausstattung und Einrichtung eines Vier-Sterne-Hotels im Zentrum einer deutschen Großstadt. Der Bewertungsstichtag ist der 1. Januar 2004. Dieser Stichtag repräsentiert eine Zeit noch ausgeglichener Transaktionsmärkte. In den Jahren beginnend 2005 bis 2007 waren starke Nachfrageüberhänge zu verzeichnen. Ende 2007 bis zur Drucklegung der 3. Auflage dieses Buches war der Markt zunächst durch die Finanzkrise und in Folge dessen der weltweiten Rezession gekennzeichnet. Die Hoteltransaktionsmärkte kamen weitgehend zum Erliegen. Die abgebildeten Zahlen sind eine Prognose der Erträge des Hotels in einem repräsentativen Jahr nach Einführung des Hotels im Markt auf der Preisbasis 2004 unter zwei alternativen Annahmen: • Führung des Hotels auf der Grundlage eines Managementvertrages • Führung des Hotels durch einen Pächter Das Modell unterstellt, dass Gesamterträge und Betriebsergebnisse nach Gemeinkosten in gleicher Höhe erwirtschaftet werden. Auch die Höhe der Zuführungen zu den Rücklagen für FF&E und für Dach&Fach sind gleich, da sie sich auf die gleiche Bemessungsgrundlage (Gesamterträge) beziehen. Die Ergebnisrechnung des Pachtbetriebes ist kursiv dargestellt. Sie ist für die Bewertung des gepachteten Betriebes von sekundärer Bedeutung und dient lediglich der Beurteilung, ob die vertraglich vereinbarte Pacht auch tatsächlich vom Pächter erwirtschaftet werden kann. Liegt ein Pachtvertrag vor, ist zunächst die Pacht Grundlage für die Ableitung des relevanten Cash-flows. Die Pacht ist allerdings 24
Schröder, Forstnig, Widmann (2005), S. 70 ff.
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 582
23 Besonderheiten der Bewertung von Hotelimmobilien noch um die Aufwendungen zu kürzen, die typischerweise vom Eigentümer getragen werden. Es gibt jedoch auch Pachtvertragsvarianten, in denen sich der Pächter verpflichtet, diese Aufwendungen (bis auf die Aufwendungen des Asset Managements) zu tragen25. In einem solchen Fall ist die bezahlte Pacht nach Abzug der Aufwendungen für das Asset Management auch gleichzeitig die für die Bewertung relevante Grundlage. Liegt ein Managementvertrag vor, fließt dem Eigentümer das Betriebsergebnis nach Abzug der Vergütung der Managementgesellschaft zu. Von dem verbleibenden Ergebnis sind vom Eigentümer noch dieselben Aufwendungen abzuziehen wie bei dem Modell Pachtvertrag. Die dem Eigentümer verbleibenden Überschüsse sind je nach Vertragsart unterschiedlich hoch und von unterschiedlicher Risikostruktur. Bei Unterstellung eines reinen Managementvertrages trägt der Eigentümer alle Chancen und Risiken des Betriebes. Als Verpächter kann der Eigentümer mit einer vertraglich vereinbarten Pacht rechnen, die bei einem Festpachtvertrag unabhängig von dem Ergebnis ist, das der Pächter mit dem gepachteten Betrieb erwirtschaftet. Das Risiko des Eigentümers bei einem Pachtvertrag liegt im Fall einer vereinbarten Festpacht nur in einem vertragsbedingten oder von der Bonität des Pächters abhängenden Ausfallrisiko. Der Ausgleich der unterschiedlichen Risiken der Ergebnisse aus einem Management- oder Pachtvertrag erfolgt im Markt durch unterschiedlich hohe Diskontierungszinssätze. Bei Neuabschlüssen von Pachtverträgen für Hotels in deutschen Großstädten ist zu beobachten, dass in vielen Fällen die Pacht vom Pächter nicht verdient werden kann. Dies ist auf unterschiedliche Beweggründe der Pächter zurückzuführen. Immer noch wollen sich national und international operierende Hotelgesellschaften mit Produkten an guten Standorten etablieren (strategische Entscheidung) und nehmen in Kauf, dass sie auf absehbare Zeit damit ein hohes Risiko eingehen. Um festzustellen, ob die objektspezifische Pacht Grundlage für die Bewertung sein kann, ist wie folgt vorzugehen: S ze n a r i o
Folge
Grundlage für die Bewertung
Die vereinbarte Pacht kann von dem Pächter nicht oder nicht in voller Höhe erwirtschaftet werden bzw. das Ergebnis des Pächters nach Pachtzahlung ist relativ gering und liegt unter dem Branchendurchschnitt.
Der Pachtvertrag führt beim Pächter zu Verlusten. Die Vertragsfortführung ist durch Insolvenz des Pächters oder Auflösung des Pachtvertrages gefährdet (Vertrag ist overrented ).
Die Bewertung wird sich im wesentlichen an einer Pacht orientieren, die an die künftige Ertragskraft des Hotels anknüpft.
Die vereinbarte Pacht wird von dem Pächter in voller Höhe erwirtschaftet
Der Pächter erwirtschaftet Überschüsse: a) Das Pächterergebnis ist marktüblich. Es kann von einer Vertragserfüllung während der Laufzeit des Vertrages ausgegangen werden.
Die Bewertung wird sich an der vertraglich vereinbarten Pacht orientieren.
b) Das Pächterergebnis nach Pachtzahlungen ist überdurchschnittlich hoch.
Die Bewertung wird sich für die Laufzeit des Vertrages an der vereinbarten Pacht und für die Zeit nach Ablauf des Pachtvertrages an der für dieses Hotel dann marktüblichen Pacht orientieren.
Abb. 23-9: Pachtszenarien26 25
26
Dabei handelt es sich um die in der Praxis mit „triple net“ bezeichneten Verträge. Triple bezieht sich auf die drei Aufwandsarten, die in diesen Vertragsgestaltungen vom Pächter zu tragen sind: Grundsteuer, Gebäudeversicherung und Unterhalt von Dach und Fach. In Anlehnung an Schröder, Forstnig, Widmann (2005), S. 36.
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 583
583
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Matthias Schröder und Ulrike Schüler
23.2.4 Ableitung des Kapitalisierungszinsfußes Der für die Bewertung relevante Kapitalisierungszinsfuß zum Bewertungsstichtag ist aus den im Markt bekannt gewordenen Vervielfältigern abzuleiten. Dabei handelt es sich um das Verhältnis aus Transaktionspreis durch die erzielbare nachhaltige Anfangspacht oder das erwirtschaftete EBITDA 27. Die Ableitung bedarf intensiver Branchenkenntnis, da dabei der Hotelstandort, der Hoteltyp und die Vertragskonditionen der wesentlichen an die Hotelimmobilie dinglich oder tatsächlich gebundenen Verträge28 zu berücksichtigen sind. Da Einzelheiten der Bedingungen erfolgter Hoteltransaktionen nur selten im Detail bekannt sind, sind die in Mitteilungen von Maklergesellschaften und Investmentbanken veröffentlichten Zahlen nur eingeschränkt aussagefähig. Dennoch sind diese Informationen marktgerechter als Liegenschaftszinssätze der Gutachterausschüsse für die Bewertung nach § 194 BauGB, da diese nicht die zum Bewertungsstichtag aktuelle Marktsituation widerspiegeln. Gerade in den Jahren 2005 und 2006 schossen die Vervielfältiger in die Höhe. Laut einer Veröffentlichung der EUROHYPO betrugen diese noch Anfang 2005 10 und lagen bereits Ende 2006 bei 15. Der aus dem Vervielfältiger umgerechnete Kapitalisierungszinsfuß29 gibt auch Rückschluss auf die Höhe des Risikozuschlages zur Rendite quasi sicherer Kapitalanlagen bzw. bei Anwendung des WAAC30 auf die Renditeerwartung des Eigenkapitals. Ermittlung Risikozuschlag Vervielfältiger entspricht Kapitalisierungszinsfuß abzüglich Zinssatz quasi risikofreier Kapitalanlagen Risikozuschlag
16,5 6,06% –4,25% 1,81%
Ermittlung der erwarteten Eigenkapitalrendite bei Annahme einer Finanzierung des Objekts Vervielfältiger entspricht Kapitalisierungszinsfuß (WAAC)
Eigenkapital Fremdkapital
16,5 6, 0 6 %
Anteil % 30
Kapital Mio. € 30
Rendite/ Zins % 10,29
70 100
70 100
4,25 6,06
Rendite/ Zinsen Mio. € 3,1 3,0 6,1
Abb. 23-10: Interpretation im Markt erzielter Vervielfältiger bei Hoteltransaktionen
Der aus einem Multiplikator umgerechnete Zinssatz (100/Multiplikator) in Höhe von 6,06 % liegt in diesem Beispiel um 1,81 Prozentpunkte über der Verzinsung so genannter quasi risikofreier Kapitalanlagen zu einem bestimmten Stichtag. Anfang 2009 lag diese wesentlich darunter, was auf die außergewöhnliche, weltweite Krisensituation zurückzuführen ist. Der Zinssatz quasi risikofreier Kapitalanlagen entspricht den stichtagsbezogenen Zerobond-Zinssätzen der Deutschen Bundesbank31. Bei Unterstellung einer 70 %igen Fremdfinanzierung zum Zinssatz in Höhe von 4,25 % und einer Gesamtkapitalrendite in Höhe von 6,06 % errechnet sich eine Eigenkapitalrendite in Höhe von 10,3 %. 27 28 29 30 31
EBITDA: gebräuchliche Abkürzung für das Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (earnings before interest, tax, depreciation and amortisation). Insbesondere der Pachtvertrag oder Managementvertrag. Die Umrechnung in eine Rendite erfolgt durch Teilung von 100 durch Vervielfältiger. WACC: gebräuchliche Abkürzung für gewichtete durchschnittliche Kapitalkosten (weighted average cost of capital) Zur Berechnung: Kniest, W. in: BewertungsPraktiker Nr. 1/2005, S 9 ff. und Deutsche Bundesbank: Schätzung von Zinsstrukturkurven, Monatsbericht Oktober 1997.
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 584
23 Besonderheiten der Bewertung von Hotelimmobilien
23.2.5 Berücksichtigung der Instandsetzungs- und Renovierungsrückstände Außerordentlich Wert mindernd können sich bei älteren Hotels unterlassene Instandhaltungs- und Erneuerungsmaßnahmen auswirken, da sich diese in der Regel mindernd auf die erzielbaren Cash-flows auswirken. Da die Prognose der bewertungsrelevanten Cash-flows auf der Prämisse eines marktgerechten Erhaltungszustandes erfolgt, sind die unterlassenen Investitionen in ihrer geschätzten Höhe als Bewertungsabschlag vom Ertragswert abzusetzen. Für die Bewertung ist deshalb eine gutachterliche Beurteilung des Zustandes des Hotels vorzunehmen. Gegenstand der Begutachtung ist: • „Dach und Fach“ • Hoteleinrichtung (FF&E) • Gebäudetechnik Diese Schätzung bleibt besonderen Sachverständigen (Architekten, Gebäudetechniker) vorbehalten.
23.2.6 Berücksichtigung des Reinvestitionszykluses Die der Bewertung eines Hotels zugrunde gelegten Cash-flows berücksichtigen alle Einnahmen und Ausgaben der Rechnungsperioden nach dem Bewertungsstichtag. Eine Ausnahme bilden die Ersatzbeschaffungen von abnutzbaren Wirtschaftsgütern. Diese sind aus Rücklagen zu bezahlen, die durch Zuführungen nach dem Bewertungsstichtag gebildet werden. Diese Rücklagen reichen jedoch nicht aus für Ersatzbeschaffungen von Wirtschaftsgütern, die vor dem Bewertungsstichtag angeschafft wurden. Dies sei an dem stark vereinfachten Beispiel der Reinvestition „Teppich“ gezeigt: Anschaffung des Teppichs: 31.12.2004 für 200.000 € Erneuerungsbedürftig nach vier Jahren zum 31.12.2008 Bewertungsstichtag: 31.12.2006. Zuführung zur Reserve in 2007 und 2008: jeweils 50.000 € (als Ausgabe in der Cash-flow Prognose berücksichtigt) Reserve für Teppich zum 31.12.2008: 100.000 € Der für die Reinvestition notwendige Betrag in Höhe von 200.000 € ist nur zur Hälfte vorhanden. Die andere „fehlende“ Hälfte ist als Bewertungsabschlag auf den ermittelten Ertragswert zu berücksichtigen. Betriebswirtschaftlich handelt es sich um den Werteverzehr des Teppichs in den zwei Jahren vor dem Bewertungsstichtag. Hilfsweise kann sich die Schätzung dabei an der Höhe des zum Bewertungsstichtag in der vorliegenden oder fiktiven Bilanz eines Pächters auszuweisenden Pachterneuerungsrückstellung orientieren. Das Volumen ist unter Berücksichtigung der Zuführungen und Entnahmen vor dem Bewertungsstichtag zu schätzen. Dem zuvor erläuterten Bewertungsabschlag wird in der Praxis im Allgemeinen wenig Bedeutung beigemessen, obwohl es sich, gerade bei älteren Hotels, um erhebliche Beträge handeln kann.32
23.2.7 Beispiel aus der Praxis Im Rahmen des Fallbeispiels33 werden die Ertragswerte eines Vier-Sterne-Hotel mit 330 Zimmern und Suiten sowie gastronomischen Einrichtungen, Konferenz- und Wellnessbereich in der Stadtmitte einer deutschen Großstadt auf der Grundlage eines Management- und eines Pachtvertrages ermittelt. Bewertungsstichtag ist der 1.1.2004. Zum Zeitpunkt der Wertermittlung besteht ein Pachtvertrag, in 32 33
Beispiel: 200-Zimmer Vier-Sterne-Hotel im 6. Betriebsjahr: Rückstellung bei ca. 5 % der Umsätze der letzten vier Jahre. Das sind rund 2,1 Mio. €. Schröder, Forstnig Widmann (2005), S. 70 ff.
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585
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Matthias Schröder und Ulrike Schüler dem eine Pacht von 3.168 T€ vereinbart wurde. Hintergrund der Wertermittlung ist die Überprüfung der Werthaltigkeit des Restbuchwerts zum 31.12.2003 in Höhe von 35,0 Mio. €. Nach einer eingehenden Analyse des Bewertungsobjektes sowie einer Standort- und Marktuntersuchung ergibt sich für das Objekt – unabhängig ob Pacht- oder Managementvertrag – folgendes Betriebsergebnis für ein repräsentatives Jahr34 nach Rücklagen für FF&E: Erträge T€
Waren-
Personal-
einsatz
aufwend. Aufwend.
T€
T€
---
sonstige T€
Ergebnis T€
operative Abteilungen Logis
8.094
-1.664
-809
5.621
Speisen
2.791
-810
-1.305
-278
398
Getränke
1.059
-191
-244
-106
518
-123
-31
154
-3.336
-1.224
6.691
Verwaltung und Allgemeines
-712
-367
-1.079
Marketing
-246
-367
-613
Reparaturen und Instandhaltung
-161
-307
-468
sonstige operative Abteilungen
308
Summe operative Abteilungen
12.252
-1.001
Serviceabteilungen
+
Energie und Wasser
---
Summe Serviceabteilungen (Gemeinkosten)
-1.119
=
Betriebsergebnis nach Gem einkosten
./.
Rücklagen für Erneuerungen FF&E 1)
=
-429
-429
-1.470
-2.589
Betriebsergebnis nach Rücklagen für Erneuerungen FF&E
Hinweis
4 .1 0 2 368 3 .7 3 4
1) bezogen auf Hoteleinrichtung/-ausstattung (Furniture, Fittings & Equipment)
Quelle: In Anlehnung an: Schröder, Forstnig, Widmann (2005), S. 36 Abb. 23-11: Schematisierte Ergebnisrechnung des Fallbeispiels
Die Personalaufwendungen wurden anhand einer Einzelstellenkalkulation unter Berücksichtigung der Tarifverträge und anhand von Vergleichswerten ermittelt. Die sonstigen Aufwendungen wurden mit dem branchenüblichen Prozentsatz von den entsprechenden Erträgen angesetzt. Das Ergebnis setzt sich im Einzelnen wie folgt zusammen: • Logis Für die Ermittlung der Logiserträge wurde ein durchschnittlicher Netto-Zimmerpreis von 105 € und eine nachhaltig erzielbare Zimmerbelegung von 64 % zu Grunde gelegt. Die folgenden Tabellen zeigen von unserem Beispielhotel die für ein repräsentatives Jahr prognostizierten Erträge und Aufwendungen sowie Branchendurchschnittswerte (Aufwendungen zu den Erträgen in Prozent) der Stadthotels in Deutschland der Zwei- bis Vier-Sterne-Kategorie:
34
Dabei handelt es sich um ein voraussichtlich nachhaltiges Ergebnis zu den Preisverhältnissen des Bewertungsstichtages.
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23 Besonderheiten der Bewertung von Hotelimmobilien Branchendurchschnitt Deutschland
Fallbeispiel
Hotelkategorie
**
***
****
bei Anzahl von Zimmern
120
200
300
%
%
%
(Stadthotellerie)
587
**** 330 T€
%
100
Erträge Logis
100
100
100
8.094
Personalaufwendungen
-17
-17
-19
-1.664
-21
sonstige Aufwendungen
-8
-8
-10
-809
-10
Abteilungsergebnis Logis
75
75
71
5.621
69
Quelle: In Anlehnung an: Schröder, Forstnig, Widman (2005), S. 36 Abb. 23-12: Erträge und Aufwendungen Logis
Im Vergleich zum Branchendurchschnitt liegen die Personalaufwendungen im Fallbeispiel über dem Durchschnitt. Gründe hierfür könnten z.B. in der Architektur des Gebäudes (z.B. lange Wege, Verteilung der Zimmer auf mehrere Gebäudeeinheiten) oder an ungünstigen Betriebsabläufen liegen. • Speisen und Getränke Nach der neuen Fassung des USALI werden die Abteilungen Speisen und Getränke wieder zusammengefasst dargestellt: Branchendurchschnitt Deutschland
Fallbeispiel
Hotelkategorie
**
***
****
****
Bei Anzahl von Zimmern
120
200
300
330
%
%
%
T€
%
100
100
100
3.750
100
(Stadthotellerie)
Erträge Speisen und Getränke Wareneinsatz
-28
-27
-28
-1.001
-27
Personalaufwendungen
-39
-38
-41
-1.549
-41
sonstige Aufwendungen
-8
-9
-10
-384
-10
Abteilungsergebnis Speisen und Getränke
25
26
21
816
22
Quelle: In Anlehnung an: Schröder, Forstnig, Widmann (2005), S. 36 Abb. 23-13: Erträge und Aufwendungen Speisen und Getränke
Die Ergebnisse der Abteilung Speisen und Getränke können aufgrund unterschiedlicher Gastronomiekonzepte in den Hotels erheblich variieren. Ein Gourmetrestaurant z.B. bedingt einen deutlich höheren Wareneinsatz und Personalaufwand als ein Hotelrestaurant, dass Frühstück, Mittag- und Abendessen anbietet. Tagungshotels z.B. weisen oft eine bessere Kostenstruktur auf, da sie besser kalkulieren können. Einen Vorteil weisen auch die Hotelrestaurants, -cafés und -bars auf, die auch von Passanten frequentiert werden. Das Ergebnis des Fallbeispiels liegt aufgrund eines niedrigeren Wareneinsatzes geringfügig besser als der Durchschnitt vergleichbarer Hotels.
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588
Matthias Schröder und Ulrike Schüler • sonstige operative Abteilungen Die Ergebnisse aus den sonstigen operativen Abteilungen machen grundsätzlich nur einen geringen Anteil am Gesamtergebnis aus und umfassen in einem Stadthotel in der Regel die Erträge und Aufwendungen aus Telekommunikation, Wäsche, Parkplätzen und Kiosk.
Branchendurchschnitt Deutschland
Fallbeispiel
Hotelkategorie
**
***
****
Bei Anzahl von Zimmern
120
200
300
%
%
%
T€
%
Erträge sonstiger operativer Abteilungen
100
100
100
308
100
sonstige Aufwendungen
-43
-41
-39
-154
-50
57
59
61
154
50
(Stadthotellerie)
Abteilungsergebnis sonstige operative Abt.
**** 330
Quelle: In Anlehnung an: Schröder, Forstnig, Widmann (2005), S. 36 Abb. 23-14: Erträge und Aufwendungen sonstige Abteilungen
Die Ergebnisse können in den unterschiedlichen Hotels stark variieren und hängen von der Positionierung und dem Angebot des Bewertungsobjektes ab. Hotels mit einer Tiefgarage, die vergleichsweise geringe Aufwendungen verursacht, werden über eine bessere Ergebnisstruktur verfügen als Hotels, die keine Parkplätze anbieten, dafür jedoch einen Wäscheservice zur Verfügung stellen. Dies verdeutlicht auch das Ergebnis des Fallbeispiels, dass deutlich unter dem Branchendurchschnitt liegt. • Ertragsstruktur Das Fallbeispiel weist eine für ein Stadthotel typische Ertragsstruktur auf. Branchendurchschnitt Deutschland
Fallbeispiel
Hotelkategorie
**
***
****
Bei Anzahl von Zimmern
**** 330
120
200
300
(Stadthotellerie)
%
%
%
T€
%
Logis
82
60
56
8.094
66
Speisen
13
24
25
2.791
23
Getränke
4
12
12
1.059
9
sonstige operative Abteilungen/Aufwendungen
1
4
7
308
3
100
100
100
12.252
100
Gesamterträge
Quelle: In Anlehnung an: Schröder, Forstnig, Widmann (2005), S. 36 Abb. 23-15: Zusammensetzung der Erträge
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 588
23 Besonderheiten der Bewertung von Hotelimmobilien
589
Bei Hotels der Ein- bis Drei-Sterne-Kategorien ist aufgrund des eingeschränkten Gastronomieangebots (Frühstücksrestaurant, Bistro, Bar) ein deutlich höherer Anteil an Logiserträgen festzustellen als bei Hotels der gehobenen Kategorie, die oft über mehrere Restaurants und Bars verfügen. Ferienhotels und Hotels mit vielen Veranstaltungsräumen weisen zum Teil höhere Erträge aus Speisen und Getränken als aus Logis aus. • Abteilungsergebnisse Die Summe der Abteilungsergebnisse im Verhältnis zu den Gesamterträgen sinkt grundsätzlich mit zunehmendem Standard und Dienstleistungsangebot, da die Deckungsbeiträge in der Abteilung Logis in der Regel am höchsten sind.
Branchendurchschnitt Deutschland
Fallbeispiel
Hotelkategorie
**
***
****
Bei Anzahl von Zimmern
120
200
300
%
%
%
T€
%
Gesamterträge
100
100
100
12.253
100
Summe Abteilungsergebnisse
56
55
53
6.691
55
(Stadthotellerie)
**** 330
Quelle: In Anlehnung an: Schröder, Forstnig, Widmann (2005), S. 36 Abb. 23-16: Summe Abteilungsergebnisse
Die Summe der Abteilungsergebnisse des Fallbeispiels liegen bedingt durch den höheren Anteil an Logiserträgen leicht über dem Branchendurchschnitt. • Gemeinkosten Von der Summe der Abteilungsergebnisse werden die Gemeinkosten abgezogen: Branchendurchschnitt Deutschland
Fallbeispiel
Hotelkategorie
**
***
****
Bei Anzahl von Zimmern
**** 330
120
200
300
(Stadthotellerie)
%
%
%
T€
%
Erträge gesamt
100
100
100
12.253
100
Verwaltung und Allgemeines
8
8
8
1.079
9
Marketing
4
5
5
613
5
Reparaturen und Instandhaltung
5
5
5
468
4
Energie und Wasser
4
4
4
429
4
Gemeinkosten gesamt
21
22
22
2.589
21
Quelle: In Anlehnung an: Schröder, Forstnig, Widmann (2005), S. 36 Abb. 23-17: Zusammensetzung der Gemeinkosten
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 589
590
Matthias Schröder und Ulrike Schüler Die Gemeinkosten im Fallbeispiel bewegen sich im Rahmen vergleichbarer Hotels. Insbesondere die Höhe der Aufwendungen für Reparaturen und Instandhaltung sowie Energie und Wasser ist stark abhängig vom Angebot (z.B. Wellnessbereich) sowie Zustand und Alter (z.B. Isolierung, Wärmedämmung) des Hotels. • Betriebsergebnis nach Gemeinkosten Das Betriebsergebnis nach Gemeinkosten stellt sich dann wie folgt dar: Branchendurchschnitt Deutschland
Fallbeispiel
Hotelkategorie
**
***
****
Bei Anzahl von Zimmern
120
200
300
%
%
%
T€
%
100
(Stadthotellerie)
**** 330
Gesamterträge
100
100
100
12.253
Summe Abteilungsergebnisse
56
55
53
6.691
55
Gemeinkosten
-21
-22
-22
-2.589
-21
Betriebsergebnis nach Gemeinkosten
35
33
31
4.102
33
Quelle: In Anlehnung an: Schröder, Forstnig, Widmann (2005), S. 36 Abb. 23-18: Betriebsergebnis nach Gemeinkosten
• Cash-flows Unter Berücksichtigung der Varianten Management- und Pachtvertrag sowie dem Abschluss marktgerechter Vertragskonditionen ergeben sich folgende Cash-flows: Betrieb durch
Betrieb durch
Hotelgesellschaft
Pächter
(Management) T€%
Gesamterträge
T€%
12.253
100
12.253
100
4.102
33
4.102
33
Rücklage für FF&E
-368
-3
-368
-3
Managementvergütung
-741
-6
2.993
24 3.734
30
2.206
18
-245
-2
Betriesergebnis nach Gemeinkosten
Betriebserg. nach Gemeink., Rücklage FF&E u. Managementverg. Ergebnis Pächter vor Pacht, Zinsen und Ertragsteuern Pacht Rücklage für „Dach & Fach”
-245
-2
Grundsteuer, Gebäudeversicherungen und sonstiger Verwaltungsaufwand = Bewertungsrelevante Cash-flows
-123
-1
-123
-1
2.626
21
1.838
15
Quelle: In Anlehnung an: Schröder, Forstnig, Widmann (2005), S. 36 Abb. 23-19: Relevante Cash-flows nach Vertragsvarianten
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 590
23 Besonderheiten der Bewertung von Hotelimmobilien
591
In beiden Varianten wurde eine Rücklage für FF&E in Höhe von 3 % der Erträge in Abzug gebracht. Beim Managementvertrag wurde eine Managementvergütung von 6 % berücksichtigt. Nach Abzug der eigentümerrelevanten Aufwendungen ergibt sich ein betriebsrelevanter Cash-flow in Höhe von 2.626 T€ (21 %). Dem steht ein betriebsrelevanter Cash-flow bei der Variante Pachtvertrag von 1.838 T€ (15 %) gegenüber. Hierbei wurde unterstellt, dass der Pächter ein Ergebnis von 12 % der Erträge für sich beansprucht, so dass eine Pacht vor Abzug der eigentümerrelevanten Aufwendungen in Höhe von 2.206 T€ bzw. 18 % der Erträge für den Eigentümer verbleibt. Die marktübliche Pacht zum Zeitpunkt der Bewertung liegt erheblich unter der vereinbarten Pacht (3.168 T€). Die für das Fallbeispiel prognostizierten, bewertungsrelevanten Cash-flows im zehnjährigen Prognosezeitraum setzten sich je nach Vertragvariante, wie folgt zusammen:
Gesamterträge
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
Tsd. €
Tsd. €
Tsd. €
Tsd. €
Tsd. €
Tsd. €
Tsd. €
Tsd. €
Tsd. €
Tsd. €
11.079 12.405 13.003 13.263 13.566 13.799 14.075 14.357 14.684 14.937
Cash-flows: Managementvertrag
1.321
2.550
2.786
2.842
2.902
2.957
3.016
3.076
3.142
3.201
Pachtvertrag
1.917
1.923
1.951
1.990
2.028
2.070
2.112
2.154
2.195
2.241
Cash-flows in % der Gesamterträge bei Managementvertrag
11,9%
20,6%
21,4%
21,4%
21,4%
21,4%
21,4%
21,4%
21,4%
21,4%
bei Pachtvertrag
17,3%
15,5%
15,0%
15,0%
14,9%
15,0%
15,0%
15,0%
14,9%
15,0%
Quelle: In Anlehnung an: Schröder, Forstnig, Widmann (2005), S. 36 Abb. 23-20: Relevante Cash-flows nach Vertragsvarianten im Prognosezeitraum
Aufgrund der unterstellten Repositionierung und Neueinführung des Hotels am Markt wurden für die Jahre 2004 und 2005 eine niedrigere Ertrags- sowie eine höhere Aufwandsituation berücksichtigt.
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 591
592
Matthias Schröder und Ulrike Schüler • Ertragswert Die folgende Tabelle zeigt die Ertragswertermittlung für die Varianten Management- und Pachtvertrag: Betrieb durch Hotelgesellschaft
Betrieb durch Pächter
(Management) Jahr
Cashflows
Kapital „ewige“ Rente
Einnahmen gesamt
Diskontierungsfaktor
Barwert 1.1.2004
Cashflows
Kapital „ewige“ Rente
Einnahmen gesamt
Diskontierungsfaktor
Barwert 1.1.2004
T€
T€
T€
Faktor
T€
T€
T€
T€
Faktor
T€
2004
1.321
1.321
0,9160
1.210
1.917
1.917
0,9346
1.791
2005
2.550
2.550
0,8391
2.140
1.923
1.923
0,8734
1.680
2006
2.786
2.786
0,7687
2.142
1.951
1.951
0,8163
1.593
2007
2.842
2.842
0,7042
2.001
1.990
1.990
0,7629
1.518
2008
2.902
2.902
0,6450
1.872
2.028
2.028
0,7130
1.446
2009
2.957
2.957
0,5909
1.747
2.070
2.070
0,6663
1.380
2010
3.016
3.016
0,5413
1.633
2.112
2.112
0,6227
1.315
2011
3.076
3.076
0,4958
1.525
2.154
2.154
0,5820
1.254
2012
3.142
3.142
0,4542
1.427
2.195
2.195
0,5439
1.194
2013
3.201
42.401
0,4161
17.642
2.241
39.591
0,5083
20.126
39.201
37.350
Summe Barwerte/Ertragswert
33.339
33.295
Ertragswert gerundet
33.300
33.300
Kapitalisierungszinsf. Diskontierungszinsfuß
8,2%
6,0% 9,2%
7,0%
Quelle: In Anlehnung an: Schröder, Forstnig, Widmann (2005), S. 36 Abb. 23-21: Ertragswertermittlung
Die Cash-flows auf der Grundlage der Vertragsvarianten Managementvertrag und Pachtvertrag werden mit unterschiedlichen Diskontierungszinssätzen, die – wie zuvor beschrieben – aus am Markt beobachteten Hoteltransaktionen abgeleitet werden, abgezinst. Durch den Ansatz unterschiedlicher Kapitalisierungs- und Diskontierungszinsfüße trägt der Markt in der Regel dem unterschiedlichen Risiko der Vertragsarten Rechnung. Bei beiden Vertragsvarianten wird der gleiche Ertragswert in Höhe von 33.300 T€ erzielt. Die Höhe des Diskontierungszinssatzes der Vertragsvariante Managementvertrag wurde in dem Beispielsfall mit Absicht in der Höhe bestimmt (als abhängige Variable), so dass sich der Ertragswert der Variante Managementvertrag mit der Variante Pachtvertrag deckt. Dies unterstellt eine Risikoeinschätzung, die zufällig marktgerecht sein kann aber nicht sein muss. • Überleitung zum Market Value Die Überleitung zum Market Value erfolgt durch Abzug noch festgestellter, unterlassener Instandhaltungs-, Renovierungs- und Modernisierungsmaßnahmen sowie durch Berücksichtigung der Stellung des Bewertungsstichtages im Instandhaltungs-, Renovierungs- und Modernisierungszyklus.
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 592
23 Besonderheiten der Bewertung von Hotelimmobilien
593
Betrieb durch
Betrieb durch
Hotelgesellschaft
Pächter
(Management) T€ Ertragswert
T€ 33.300
33.300
-1.650
-1.650
./. Unterlassene Instandhaltungs-, Renovierungs- und Modernisierungsmaßnahmen lt. Gutachten ./. Bewertungsabschlag Rücklagen für Ersatzbeschaffungen, Instandhaltungen, Renovierungen und Modernisierungen nach dem Bewertungsstichtag – FF & E
-1.000
-1.000
– Dach & Fach
-1.500
-1.500
Market Value
29.150
29.150
Market Value (gerundet)
29.000
29.000
Quelle: In Anlehnung an: Schröder, Forstnig, Widmann (2005), S. 36 Abb. 23-22: Überleitung zum Market Value
In jedem Fall ist zu prüfen und entsprechend zu berücksichtigen, ob für den Fall der Bewertung eines Hotels mit einem Pachtvertrag der Pächter die unterlassenen Instandhaltungen zu tragen hat. Der Market Value in unserem Fallbeispiel beträgt somit rund 29 Mio. € und liegt damit unter dem Buchwert von 35 Mio. €. Die Gesellschaft wird eine Wertberichtigung vornehmen müssen.
23.2.8 Verkürzte Bewertungsmethoden der Branchenpraxis Zur überschlägigen Schätzung des Wertes eines Hotels oder zur Plausibilisierung eines vorliegenden Wertes wird in der Praxis gelegentlich die so genannte 1.000stel Methode angewendet. Die Grundlage für diese Bewertung geht vom Ertragspotenzial des Hotels aus. Die Bewertung basiert auf der Unterstellung, dass das Hotel pro Zimmer so viel wert ist wie das Tausendfache des zu erwartenden durchschnittlichen Netto-Zimmerpreises. Bei einem durchschnittlich erzielbaren Netto-Zimmerpreis in Höhe von beispielsweise 120 € beträgt der geschätzte Wert pro Zimmer rund 120.000 €. Auch wenn dieser Wert nicht weit von aktuellen Marktpreisen entfernt sein mag, ist diese Methode angesichts einer einfachen Überschlagsrechnung, in der auch die Belegung, die sonstigen Erträge, die Kostenstruktur, die erzielbare Pacht und zum Bewertungsstichtag erzielten Vervielfältiger Eingang finden, nicht anzuraten: Beispiel für eine genauere Überschlagsrechnung: Zimmeranzahl Öffnungstage durchschnittlicher Netto-Zimmerpreis durchschnittliche Zimmerbelegung
200 360 120 € 61,5% T€ 5.314 2.861 8.175
Erträge Logis sonstige Erträge Gesamtumsatz Pacht Vervielfältiger Wert Wert/Zimmer
1.717
% 65 35 100 21
14,0 24.034 120
Abb. 23-23: Beispiel einer Überschlagsrechnung (1.000stel Methode)
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 593
594
Matthias Schröder und Ulrike Schüler Nur mit Eingabe von sieben Annahmen (Eingabe in gelb hinterlegte Felder) lässt sich der Wert mit einem relativ hohem Genauigkeitsgrad schätzen. Im vorliegenden Beispiel wird der gleiche Wert erzielt, wie bei der 1.000stel Methode. Schon bei einer Belegung von 75 % steigt der Wert auf 147 T€ oder bei einer Pacht von 23 % und ansonsten unveränderten Annahmen auf 132 T€.
23.3 Exkurs: Die Bewertung von Hotelgesellschaften Unternehmensbewertungen sind von Wirtschaftsprüfern und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften nach dem für den Berufsstand bindenden IDW Standard S 135 durchzuführen. Über die Bewertung von Immobilienunternehmen liegt im gleichen Band bereits ein Beitrag von Prof. Dr. Wolfgang Schäfers und Dr. Frank J. Matzen vor. Auch in diesem Abschnitt wird deshalb auf die allgemeinen Aspekte der Bewertung von Immobilienunternehmen verzichtet. Die bei der Bewertung von Hotelgesellschaften auftretenden und von anderen Unternehmen möglicherweise abweichenden Fragestellungen betreffen die Prognose der Cash-flows aus: • dem Betrieb eigener Hotels • dem Betrieb gepachteter und verpachteter Hotelbetriebe • dem Betrieb von Hotels Dritter auf der Basis von Managementverträgen • den Ergebnissen aus Franchiseverträgen Die Finanzbuchhaltung von Hotelgesellschaften (Eigenbetriebe und Pachtbetriebe) erfolgt grundsätzlich für jeden Betrieb gesondert. Dies betrifft alle dem Betrieb direkt zurechenbaren Aufwendungen und Erträge. Die Aufwendungen der zentralisierten Abteilungen, wie beispielsweise Rechnungswesen, Gebäudetechnik, Sales & Marketing werden üblicherweise im Rahmen der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung auf die Hotelbetriebe umgelegt. Im Idealfall verbleiben als nicht umgelegte Ausgaben nur solche, die nicht den operativen Hotelbetrieb betreffen, wie Zinsen, Abschreibungen, Asset Management, Hotelentwicklung und Geschäftsleitung. Die Ergebnisse der eigenen und gepachteten Hotels lassen sich deshalb auf der Basis vorgelegter Budgets anhand von Branchenkennzahlen plausibilisieren. Diese sind gegebenenfalls an die sachverständig zu ermittelnden Marktgegebenheiten anzupassen. Insofern gleichen die Bewertungsschritte grundsätzlich denen der Bewertung einer Hotelimmobilie. Eine Unschärfe bei der Ermittlung relevanter Cash-flows ergibt sich daraus, dass die im Cash-flow berücksichtigten Zuführungen zu den Rücklagen für Ersatzbeschaffungen Mittelabflüsse erst künftiger Perioden darstellen. Eine periodengerechte Zuordnung der Reinvestitionen, die theoretisch möglich wäre, wird in der Regel in der Bewertungspraxis aufgrund des hohen rechnerischen Aufwandes nicht durchgeführt. Die sich daraus ergebende Wertminderung wird vernachlässigt. Unterschiede ergeben sich jedoch aus der unterschiedlichen steuerlichen Behandlung der Zuführungen zu den Rücklagen für Erneuerung von FF&E und Dach&Fach. Bei gepachteten Betrieben ist, wenn laut Pachtvertrag die Substanzerhaltungsverpflichtung dem Pächter obliegt, die Zuführung zur Rücklage36 eine steuerlich voll abzugsfähige Betriebsausgabe.37 Bei Eigenbetrieben ist die Zuführung zur Rücklage weder handels- noch steuerrechtlich ergebniswirksam sondern ein Teil der zweckgebundenen Ergebnisverwendung. Handels- und steuerrechtlich werden Ersatzbeschaffungen erst in dem Jahr ergebniswirksam, in dem die Ausgabe erfolgt. In der Regel ergeben sich bei unveränderter Steuerrechtslage lediglich ergebniswirksame Zinswirkungen, die aber, je nach Gesamtsteuerquote, bewertungserheblich sind. Diese Zinswirkungen sind daher in einer Nebenrechnung überschlägig zu ermitteln und bei der Ermittlung der relevanten Cash-flows zu berücksichtigen. 35 36 37
IDW Standard: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S 1), Stand 28.6.2000 Im Jahresabschluss des Pächterunternehmens sind es Zuführungen zu Rückstellungen, da es sich um eine Nebenverpflichtung aus dem Pachtvertrag handelt, die Dritten geschuldet wird. Vgl. hierzu: Beck’scher Bilanzkommentar, 6. Auflage, TZ 100 (Substanzerhaltung), zu § 249 HGB.
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 594
23 Besonderheiten der Bewertung von Hotelimmobilien Ein schwerwiegendes Problemfeld liegt in der Ermittlung der Ausgaben für Reinvestitionen in die Hoteleinrichtung (FF&E) und Dach&Fach, sofern zum Bewertungsstichtag in der Bilanz keine ausreichenden Rückstellungen bzw. Rücklagen gebildet wurden. Die Problematik wurde bereits unter dem Blickwinkel der Bewertung einer Hotelimmobilie erläutert. Obwohl hierfür für den Pächter eine handelsrechtliche Passivierungspflicht besteht, fehlen die entsprechenden Rückstellungen oftmals in Bilanzen kleiner, aber auch namhafter Unternehmen bzw. sind nicht in ausreichender Höhe berücksichtigt. In den Bilanzen von Konzernunternehmen fehlen die Rückstellungen meist mit der Begründung, dass diese steuerlich nicht anerkannt werden. Hinzuweisen ist auf Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Pachtverträgen. In diesen werden die Verluste aus Pachtverträgen nach dem Bilanz-Bewertungsstichtag bereits antizipiert. Bei der Prognose der zu erwartenden Cash-flows ist darauf zu achten, dass diese Verluste nicht ein weiteres Mal berücksichtigt werden. Das heißt, die prognostizierten Pachtzahlungen sind entsprechend zu korrigieren. Auch die Bewertung der erwarteten Ergebnisse aus Managementverträgen setzt voraus, dass für jedes Hotel, das auf der Grundlage eines Managementvertrages geführt wird, eine Ergebnisrechnung aufgestellt wird. Nur dann lässt sich mit hinreichender Genauigkeit die Incentive Fee ermitteln, die in der Regel 8 % bis 10 % des bereinigten Betriebsergebnisses beträgt. Die Vergütung von Franchiseverträgen knüpft in der Regel an den Umsatz des Unternehmens des Franchisenehmers an. Grundlage für die erwartete Cash-flow-Schätzung sind deshalb die prognostizierten Erträge dieser Hotels.
23.4 Schlusswort Wie in den vorhergehenden Abschnitten dieses Beitrags dargestellt, lässt sich eine Bewertung nur schwer nach einem Schema durchführen. Aufgrund der hohen Komplexität der Werteinflussfaktoren erfordert eine Bewertung der Spezialimmobilie Hotel eine hohe Kenntnis der Branche und der Märkte. Die zunehmende Marktmacht internationaler Hotelgesellschaften wird sich nicht nur auf die Struktur der Hotelmärkte sondern auch verstärkt auf die Betriebsformen auswirken. Managementverträge oder Verträge mit einer umsatz- und/oder ergebnisabhängigen Komponente werden die in der Vergangenheit vorherrschende Vertragsform des Festpachtvertrages ablösen. Diese Entwicklung, verbunden mit einer vergleichsweise geringen Transparenz der Hotelmärkte, erfordert eine erhöhte Markt- und Branchenkenntnis des Bewerters.
23.5 Literatur C.H. Beck Verlag (Hrsg.) Beck’scher Bilanz Kommentar, 6. Auflage, München, 2006 EUROHYPO (Hrsg.): The European hotel sector: New territory for the property hunters?, Issue 6, January 2007 DEHOGA Bundesverband (Hrsg.): Das Gastgewerbe im Zahlenspiegel IV/2005, März 2006 Deutsche Zentrale für Tourismus e.V. (Hrsg.): Presseinformation – Deutschland-Tourismus wieder mit positiver Tendenz, 15.1.2009 Deutsche Zentrale für Tourismus e.V. (Hrsg.): Presseinformation – Deutschland-Tourismus wächst das fünfte Jahr in Folge, 10.2.2009 Deutsche Zentrale für Tourismus e.V. (Hrsg.): Presseinformation – Deutschland-Tourismus bleibt auf Wachstumskurs, 3.12.2008 Hotel Association of New York City, Inc. (2006): Uniform System of Accounts for the Lodging Industry, Tenth Revised Edition, New York, 2006 IHA (Hrsg.): Hotelmarkt Deutschland 2008
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 595
595
596
Matthias Schröder und Ulrike Schüler IDW (Hrsg.): IDW-Fachnachrichten, Nr. 8, August 2000 Jones Lang Lasalle (Hrsg.): Presseinformation – Deutscher Hotelinvestmentmarkt 2008: MilliardenMarke knapp verfehlt. Weiterer Rückgang in 2009 erwartet, 21.1.2009 Kleiber, W. Simon J. (2007): Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 5. vollständig neu bearbeitete und erweiterte Auflage 2007 Kniest, W. (2005): Quasi-risikolose Zinssätze in der Unternehmensbewertung, in: BewertungsPraktiker Nr. 1/2005 Schmidt, L. (2005): EstG Einkommenssteuergesetz Kommentar, 24. Auflage, 2005 Schröder M., Forstnig J., Widmann M. (2005): Bewertung von Hotels und Hotelimmobilien, München, 2005 PKF Pannell Kerr Forster: Einheitliche Betriebsabrechnung – Die Erfolgssteuerung für Hotels – Deutsche Bearbeitung des Uniform System of Accounts for the Lodging Industry, 1. Auflage, März 2000 PKF Pannell Kerr Forster (2008): PKF Country Trends 2008 PKF Pannell Kerr Forster (2008): Monthly German trends (2008) Statistisches Bundesamt Deutschland: Ankünfte und Übernachtungen von Gästen in Beherbergungsstätten,
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 596
24 Bewertung von Beteiligungen an Containerschiffen Von Michael Ketterl* 24.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 598 24.2 Besonderheiten von Beteiligungen an Containerschiffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 598 24.2.1 Aufbau eines Schiffsfonds. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599 24.2.2 Gesellschaftsrechtliche Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599 24.2.3 Steuerliche Besonderheiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 600 24.2.4 Der Markt für Containerschifffahrt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 601 24.2.5 Der Markt für Beteiligungen an Containerschiffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603 24.3 Einflussfaktoren auf den Wert eines Containerschiffes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 604 24.3.1 Charterraten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 604 24.3.2 Kosten der Einschiffsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 604 24.3.3 Schiffsbetriebskosten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 604 24.3.4 Kapitaldienst und Fremdfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 604 24.3.5 Restverkaufserlös . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 604 24.3.6 Diskontierungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 605 24.4 Probleme der Bewertung von Beteiligungen an Containerschiffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 605 24.4.1 Anzuwendender Bewertungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 605 24.4.1.1 Zugrunde liegende Annahmen der Modellwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 605 24.4.1.2 Mögliche theoretische Konzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606 24.4.1.3 APV als Fundament der Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 608 24.4.2 Charakter der Steuerzahlungen und Berücksichtigung der Einkommenssteuer . . . . . . 609 24.4.2.1 Steuervorteil aus der Fremdfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609 24.4.2.2 Berücksichtigung der Einkommenssteuer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 610 24.4.3 Ermittlung der richtigen entziehbaren Überschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611 24.4.4 Risikoäquivalente Diskontierungssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611 24.4.4.1 Problem und Einordnung in den Bewertungskontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 612 24.4.4.2 Grundzüge der Portfoliotheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 612 24.4.4.3 Darstellung des Kapitalmarktmodells CAPM. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 612 24.4.4.4 Bewertung von Investitionsprojekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 613 24.4.4.5 Bestimmung von Risikoprämien für Charterraten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 614 24.4.5 Zur Diskontierung der Charterraten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 616 24.4.6 Risikoprämien für Schiffsbetriebskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 621 24.4.7 Ermittlung des Restverkaufserlöses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 622 24.4.7.1 Die Problematik des Restverkaufserlöses. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 622 *
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Michael Ketterl 24.4.7.2 Empirische Restverkaufserlöse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.4.7.3 Optimale Nutzungsdauer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.5 Beispielbewertungen der „NV Portugal Senator“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.5.1 Aufbau der Bewertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.5.2 Bewertung der „NV Portugal Senator“ – Variante I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.5.3 Bewertung der „NV Portugal Senator“ – Variante II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.6 Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang 1: Entziehbare Überschüsse der „NV Portugal Senator“ Variante I . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang 2: Entziehbare Überschüsse der „NV Portugal Senator“ Variante II. . . . . . . . . . . . . . . . 24.7 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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24.1 Einleitung Die Beteiligung an geschlossenen Fonds ist oft Bestandteil der Anlagestrategie vermögender Privatinvestoren in Deutschland. Dabei beteiligen sie sich typischerweise an Immobilien- oder Schiffsfonds. Diese Anlagealternativen hatten lange Zeit einen gravierenden Nachteil: der Ausstieg während der Laufzeit war teilweise nur schwer möglich. Das hatte zwei Gründe. Zum einen verfielen regelmäßig steuerliche Verlustvorträge, die das Investment oft erst attraktiv machten, zum anderen fanden sich nur wenige Käufer, die bereit waren, in den Fonds einzusteigen. Durch die Verschärfung der Mindestbesteuerung trat die Eigenschaft von geschlossenen Fonds als Steuersparmodell in den Hintergrund. Die Beteiligung an Schiffsfonds geht nun einen anderen Weg. Durch die Optierung zur Tonnagesteuer sind nahezu steuerfreie Ausschüttungen möglich. Am zweiten Problem, nämlich einen Käufer für die bereits bestehende Beteiligung zu finden, setzen Konzepte für Zweitmarktfonds an. Diese bündeln die Liquidität von Investoren und kaufen bestehende Beteiligungen an. Diese Fonds stellen die Mehrheit der Ankäufer dar. Es haben sich mittlerweile Fondsbörsen etabliert, die Anbieter und Nachfrager zusammen bringen. Ebenso kaufen viele Emissionshäuser Beteiligungen an. Diese Ankäufer müssen ihre Grenzpreise kennen, um rational entscheiden zu können. Es ist das Anliegen dieses Beitrages, Lösungsmöglichkeiten für die Ermittlung eines solchen Grenzpreises aufzuzeigen. Dazu werden zuerst die Besonderheiten der Bewertungssituation und die wesentlichen Einflussfaktoren auf den Wert einer Beteiligung an einem Containerschiff analysiert. Danach soll dargestellt werden, wie sich die Kernprobleme der Bewertungssituation lösen lassen und wie diese Lösungsansätze Eingang in ein Bewertungskalkül finden können. Zur Veranschaulichung schließt sich eine Beispielbewertung an. Die Arbeit basiert grundsätzlich auf der Rechtslage zum 1.1.2009. Im Verhältnis zur vorherigen Auflage ergeben sich Änderungen aufgrund der Einführung der Abgeltungssteuer. Freundlicher Dank gebührt den Verantwortlichen und Mitarbeitern des Emissionshauses Salomon Invest, Hamburg und dessen Tochterunternehmen Deutsche Fondsresearch, Hamburg für die tatkräftige Unterstützung dieses Beitrags durch Informationen und Daten.
24.2 Besonderheiten von Beteiligungen an Containerschiffen In diesem Kapitel sollen die Besonderheiten der Bewertungssituation dargestellt werden, die sich bei der Bewertung von Containerschiffen ergeben. Obwohl die Bewertung der Beteiligung an einem Containerschiff viele Gemeinsamkeiten mit der „normalen“ Unternehmensbewertung einer Kapitalgesellschaft hat, so gibt es doch einige wichtige Besonderheiten.
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24 Bewertung von Beteiligungen an Containerschiffen
24.2.1 Aufbau eines Schiffsfonds In der vorliegenden Bewertungssituation soll der Wert eines Anteils an der Einschiffsgesellschaft bewertet werden. Das ist die Gesellschaft, die das Schiff betreibt. Sie hat meist die Rechtsform einer Kommanditgesellschaft. An dieser Gesellschaft sind in der Regel ein Reeder als persönlich haftender Gesellschafter und die Investoren als Kommanditisten beteiligt. Die Bewertung erfolgt aus der Sicht eines Investors, der eine Beteiligung an einer Einschiffsgesellschaft erwerben möchte. Aus diesem Grund möchte er seinen Grenzpreis ermitteln. Die folgende Darstellung verdeutlicht diesen Sachverhalt.
Verkauf der Beteiligung Investor Investor
Einschiffsgesellschaft
Abb. 24-1: Aufbau eines Schiffsfonds
Da die Einschiffsgesellschaft nur ein Schiff betreibt, ist der Wert der Beteiligung maßgeblich vom Wert dieses Schiffes abhängig. Die Bewertung der Beteiligung konzentriert sich also auf die Frage, welchen Wert das Schiff verkörpert. Dabei steht allerdings nicht der Materialwert im Vordergrund, sondern der Ertragswert. Darunter wird die Auffassung verstanden, dass sich der Wert eines Unternehmens oder Projektes aus den an die Kapitalgeber fließenden Zahlungen ergibt.
24.2.2 Gesellschaftsrechtliche Besonderheiten Die Einschiffsgesellschaften haben die Rechtsform der GmbH&Co.KG, sind also Personengesellschaften. Dies stellt eine erste Besonderheit im Vergleich zur Standardsituation der Unternehmensbewertung, der Bewertung von Kapitalgesellschaften, dar. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass es keine Ausschüttungsrestriktionen zu beachten gilt, da es für Personengesellschaften keine analogen Vorschriften zur Ausschüttungsbemessung und Kapitalherabsetzung wie bei Kapitalgesellschaften1 gibt. Bei Personengesellschaften kann jederzeit Kapital im Wege der Entnahme aus dem Unternehmen entzogen werden. Die Entnahmen müssen somit lediglich finanzierbar sein. 1
Relevant sind hier die §§ 58 AktG, 158 AktG, 222–228 AktG, 29 GmbHG, 58 GmbHG.
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24.2.3 Steuerliche Besonderheiten Die Einschiffsgesellschaften sind Personengesellschaften, d.h. sie sind steuerlich transparent. Das bedeutet, sie sind kein eigenständiges Steuersubjekt wie Kapitalgesellschaften, sondern es werden die dahinter stehenden Gesellschafter besteuert2. Es werden ausschließlich inländische Investoren betrachtet. Zwar würden auch ausländische Gesellschafter im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht3 in Deutschland besteuert, Aussagen über den Durchschnittssteuersatz lassen sich jedoch leichter treffen, wenn nur Inländer betrachtet werden. Die Investoren erzielen Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S.d. § 15 EStG, da sie als Kommanditisten Mitunternehmer sind4. Grundsätzlich wird der steuerliche Gewinn nach § 5 EStG unter Beachtung des Maßgeblichkeitsprinzips ermittelt. Es sollen nur Beteiligungen an Containerschiffen betrachtet werden, deren Gesellschaften schon zur so genannten Tonnagesteuer optiert haben. Dies ist die Mehrheit der Einschiffsgesellschaften. Unter dem Begriff Tonnagesteuer versteht man die pauschale Gewinnermittlung für Handelsschiffe im internationalen Verkehr nach § 5a EStG. Der Gewinn wird dabei nach Betriebstagen pro Jahr und gestaffelt nach Tonnage – gemessen in der dimensionslosen Einheit Nettoraumzahl – ermittelt. Ein Beispiel soll die Gewinnermittlung verdeutlichen: Betrachtet wird das Containerschiff MS „Annabelle Schulte“ mit einer Nettoraumzahl (NT) von 15.048. Der Gewinn errechnet sich nach § 5a Abs. 1 EStG wie folgt: 0,92 € * 1000 NT/100 NT = 9,20 € 0,69 € * 9000 NT/100 NT = 62,10 € 0,46 € * 5048 NT/100 NT = 23,22 € Gewinn pro Tag 94,52 € Somit errechnet sich für 350 Einsatztage im Jahr ein Gewinn von 94,52 € * 350 = 33.082,28 €. Dieser Gewinn ist auf Ebene des Gesellschafters anteilig der Einkommenssteuer zu unterwerfen. Mit Wirkung vom Veranlagungszeitraum 2009 besteht für jeden Gesellschafter die Möglichkeit, auf Antrag die Steuerbelastung auf einbehaltene Gewinne anstelle des persönlichen Steuersatzes auf 28,25 % zu begrenzen5. Diese so genannte Thesaurierungsbegünstigung ist im vorliegenden Fall nicht relevant, da Schifffonds in der Regel hohe Ausschüttungen anstreben. In diesem Fall ergibt sich durch die Belastung des Nachversteuerungsbetrages mit 25 % ein steuerlicher Nachteil. Es wird daher im Folgenden davon ausgegangen, dass der zu betrachtende Investor die Thesaurierungsbegünstigung nicht beantragt. Mit der pauschalen Gewinnermittlung ist nach § 5a Abs. 2 S. 2 EStG auch ein etwaiger Gewinn aus der Veräußerung des Schiffes abgegolten. Bei der Gewerbesteuer ergeben sich ebenfalls Abweichungen. Die Gewerbesteuerpflicht der Einschiffsgesellschaft ergibt sich sowohl aus der gewerblichen Tätigkeit (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG) als auch aus der Rechtsform der GmbH&CoKG (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG). Der nach der Tonnagesteuer ermittelte Gewinn bildet auch die Grundlage für die Ermittlung der Gewerbesteuer, Hinzurechnungen oder Kürzungen kommen nicht in Betracht6. Auch die Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG kommt nicht zur Anwendung7. In oben dargestellten Beispiel ergibt sich somit ein vorläufiger Gewerbeertrag in Höhe von 33.082,28 €. Dieser ist nach § 11 Abs. 1 GewStG auf volle 100 € nach unten abzurunden und bei Personengesell2 3 4 5 6 7
Vgl. Djanani, C./Brähler, G. (2004), S. 49–50. Vgl. § 1 Abs. 4 EStG, § 49 Abs. 1 Nr. 2 b EStG i.V.m. § 15 EStG. Vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Vgl. § 34a EStG. Vgl. BMF-Schreiben vom 12.6.2002, Rz. 37. Vgl. § 5a Abs. 5 S. 2 EStG.
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24 Bewertung von Beteiligungen an Containerschiffen schaften um einen Freibetrag i.H.v. 24.500 € zu kürzen. Es ergibt sich für einen Hebesatz von 400 % eine Gewerbesteuerschuld von 1.190 €. Wie oben dargestellt, gibt es keine gesellschaftsrechtlichen Ausschüttungsrestriktionen; eine solche könnte jedoch in den Regelungen zum Verlustausgleich für Kommanditisten nach § 15a EStG existieren. Dabei wird dem Kommanditisten der Betrag als Gewinn zugerechnet, in dessen Höhe durch Entnahmen ein negatives Kapitalkonto entsteht oder um den es sich erhöht8. Dies gilt jedoch nicht, falls die ins Handelsregister eingetragene Haftsumme die geleistete Einlage übersteigt. Durch eine Eintragung in das Handelsregister lässt sich diese Ausschüttungsbegrenzung überwinden9. Erwähnenswert ist eine weitere Besonderheit. Beim Wechsel zur Tonnagesteuer ist für jedes Wirtschaftsgut, das unmittelbar dem Betrieb von Handelsschiffen dient, der Unterschiedsbetrag zwischen Buchwert und Teilwert in ein besonderes Verzeichnis aufzunehmen und für jeden Gesellschafter gesondert festzustellen10. Dieser Unterschiedsbetrag ist in den Fällen des § 5a Abs. 4 S. 3 EStG, insbesondere bei Ausscheiden des Gesellschafters, dem Gewinn dieses Jahres hinzuzurechnen. Somit können für den ausscheidenden Gesellschafter beträchtliche Steuerzahlungen entstehen, falls die Anschaffungskosten wesentlich niedriger waren als der Marktpreis zum Zeitpunkt der Optierung zur Tonnagesteuer. Der Käufer der Beteiligung, also der eintretende Gesellschafter, ist von der Problematik des Unterschiedsbetrages nicht betroffen. Da die Bewertung aus Käufersicht erfolgt, soll darauf auch nicht mehr weiter eingegangen werden; ein Grenzpreiskalkül aus Sicht des Verkäufers müsste die Steuerzahlungen aus dem Unterschiedsbetrag genauer betrachten. Die Tonnagesteuer stellt eine steuerliche Subvention der Schifffahrt dar. Sie sorgt dafür, dass die Steuerzahlungen sehr gering ausfallen. Darüber hinaus sind die Steuerzahlungen unabhängig von der wirtschaftlichen Situation der Einschiffsgesellschaft. Solange das Schiff betrieben wird, ist die Höhe der Steuerzahlung sicher. Im Vergleich zur Bewertung von Kapitalgesellschafen fallen einige Besonderheiten ins Auge. Zum einen gibt es keine Besteuerung von Ausschüttungen, da nur ein einziges Steuersubjekt, nämlich der Investor, vorhanden ist. Es entstehen also keine Einkommenssteuereffekte11 durch Ausschüttungen oder Tilgungen. Eine andere steuerliche Belastung durch Thesaurierung der Gewinne soll wie oben ausgeführt nicht betrachtet werden. Zum anderen sind Zinsen auf Fremdkapital wegen der pauschalen Gewinnermittlung nicht von der steuerlichen Bemessungsgrundlage abzugsfähig, ein Steuervorteil aus der Fremdfinanzierung kann daher nicht erzielt werden.
24.2.4 Der Markt für Containerschifffahrt Im Folgenden sollen die wesentlichen Eigenschaften und Zusammenhänge des Marktes für Containerschifffahrt dargestellt werden. Die Einführung des Containers hat das Transportwesen in den vergangenen 30 Jahren entscheidend geprägt. Unter einem Container wird ein standardisierter Einheitsbehälter verstanden, durch den heterogene Ladung homogen wird. Dies spart nicht nur viel Zeit beim Löschen der Ladung, auch die Gefahr von Verlust oder Beschädigung der Waren wird durch den Transport im Container entscheidend verringert. Das zeitraubende Umstauen der Ladung beim Wechsel des Transportmittels, etwa vom Schiff auf den Lkw entfällt ganz. So lässt sich viel Zeit einsparen und die Produktivität ist um ein Vielfaches höher als beim konventionellen Stückgutverkehr, d.h. Ware, die nicht in standardisierten Containern befördert wird.12 8 9 10 11
12
Vgl. § 15a Abs. 3 EStG. Vgl. König & Cie (2005), S. 62. Vgl. § 5a Abs. 4 S. 1+2 EStG. Unter Einkommenssteuereffekten werden die Steuerzahlungen verstanden, die durch den Zufluss der Dividende beim Anteilseigner entstehen: Bei einer Ausschüttung wird die Dividende im Rahmen der Abgeltungssteuer gem. § 32d EStG mit 25 % besteuert. Bei der Tilgung entfällt diese Steuerbelastung. Vgl. Nordcapital (2004), S. 16.
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Michael Ketterl Daher ist auch nicht verwunderlich, dass es innerhalb des Seeverkehrs einen starken Trend zum Containerverkehr gegeben hat. Während zwischen 1980 und 2000 die durchschnittliche Wachstumsrate des Containerverkehrs fast 10 % p.a. betrug, so wuchs der gesamte Welt-Seeverkehr nur mit ungefähr 2 % p.a.13 Die hohen Zuwächse im Containerverkehr begünstigten den Einsatz größerer Schiffe und erhöhten die Produktivität weiter. Dadurch kam es zu immer weiter sinkenden Preisen im Seetransport. Zusammen mit einer Verbesserung der Transportqualität (schneller, sicherer und zuverlässiger) führte dies dazu, dass immer mehr Warenarten im Container über See transportiert wurden, selbst solche, die früher aufgrund von zu hohen Transportkosten nicht wettbewerbsfähig waren.14 Seit Beginn der neunziger Jahre wird in den meisten Ländern der Welt der Außenhandel dereguliert und liberalisiert15. Selbst mittelständische Unternehmen handeln heute global. Für den Containerhandel bedeutet dies, dass die Warenströme weitgehend unabhängig von konjunkturellen Einflüssen konstante Wachstumsraten aufweisen16. Containerschiffe lassen sich nach Größenklassen einteilen. Diese werden nach der Anzahl der Container unterschieden, die sich mit dem Schiff maximal transportieren lassen. Je nach Größe haben die Schiffe unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten. Während kleine Schiffe hauptsächlich Zubringerdienste zu großen Containerumschlaghäfen leisten, werden die großen im Liniendienst zwischen den Hauptumschlagplätzen eingesetzt17. Die Einschiffsgesellschaft versucht in der Regel nicht, das Schiff selbst auszulasten, sondern stellt nur den Betrieb sicher. Die Transportkapazität wird im Ganzen an einen Charterer vermietet. Dafür erhält die Einschiffsgesellschaft die Charterrate. Sie wird üblicherweise pro Tag und in US-$ fakturiert. Die folgende Abbildung zeigt den historischen Verlauf der Charterraten für verschiedene Größenklassen. Bis 1995/96 herrschte auf den Märkten für Containerschifffahrt ein Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage. Durch den Ausbau der Flottenkapazität, der zu einem Großteil steuerlich motiviert war, sanken ab 1996 die Charterraten und erreichten im Januar 1999 durch die Asienkrise einen Tiefpunkt. In Folge der wirtschaftlichen Entwicklung nach den Terroranschlägen des 11. Septembers brachen die Chartermärkte erneut ein und erreichten ihr Minimum im Januar 2002. Seitdem stiegen die Charterraten wieder bis sie im März 2005 ihr vorläufiges Maximum erreichten18. Danach sanken die Raten bis Anfang des Jahres 2006. Seitdem zeichnen die Ratenniveaus die Entwicklung der Weltkonjunktur nach. Im Jahr 2006 und der ersten Hälfte des Jahres 2007 stiegen die Charterraten an, während sie im Zuge der sich verschärfenden Finanz- und Weltwirtschaftskrise seitdem stark fallen. Die hohen Rateniveaus der Jahre 2003 bis 2007 waren maßgeblich von der wirtschaftlichen Entwicklung Chinas beeinflusst19. Durch massive Neubauten stieg daraufhin das Angebot an Transportkapazität, was zu sinkenden Raten führte. Dies trifft die großen Schiffe umso stärker, wie in Abb. 24-2 zu erkennen ist. Mit sinkenden Charterraten werden kleinere Schiffe wieder vermehrt nachgefragt, da sie sich auch noch bei gesunkenem Transportaufkommen auslasten lassen. Wie Abb. 24-2 auch zeigt, hat die Volatilität der Charterraten in den letzten Jahren zugenommen. Dies ist auf eine Art „Schweinezyklus“20 zurückzuführen. Ausgehend von einem steuerlich motivierten Bestellboom für Containerschiffe sanken nach der Auslieferung die Charterraten deutlich, da die Transportkapazität stark gestiegen war. Die Nachfrage nach Transportkapazität hingegen stagnierte 13 14 15 16 17 18 19 20
Vgl. Volk, B. (2001), S. 1. Vgl. Volk, B. (2001), S. 5. Vgl. Volk, B. (2001), S. 5. Vgl. Nordcapital (2004), S. 17. Vgl. Nordcapital (2004), S. 20. Vgl. Zachcial, M. (2001), Nordcapital (2004), S. 19. Vgl. Nordcapital (2004), S. 19. Vgl. Hanau, A. (1927), S. 5–41.
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24 Bewertung von Beteiligungen an Containerschiffen 55000
Charterrate pro Tag in US-$
45000
35000
25000
15000
5000
1993-
-5000 01
199401
199501
199601
199701
199801
199901
200001
200101
200201
200301
200401
200501
200601
200701
200801
Abschlussdatum des Chartervertrages Jahr-Monat 1100er
1700er
2800er
3500er
4700er
Abb. 24-2: Charterraten für Containerschiffe verschiedener Größenklassen
bzw. sank21. Dadurch waren viele alte Schiffe nicht mehr kostendeckend zu betreiben und wurden verschrottet. Durch die Verknappung der Transportkapazität stiegen die Charterraten wieder und der Bau neuer Schiffe wurde wieder attraktiver. Zusammen mit den Schwankungen und Ausschlägen der Weltkonjunktur ergibt sich eine Entwicklung der Charterraten mit hoher Schwankungsbreite. Die Höhe der Charterrate ist für den Wert eines Containerschiffes die zentrale Größe, da sie – abgesehen vom Restverkaufserlös des Schiffes – die einzige Einnahmequelle darstellt. Alle anderen Parameter lassen sich zudem gut schätzen, die hohe Volatilität der Charterraten erschwert dies.
24.2.5 Der Markt für Beteiligungen an Containerschiffen Geschlossene Fonds haben in der Regel einen festen Gesellschafterkreis. Ein Ausstieg vor Ende der Laufzeit ist schwierig und wenn, dann nur unter Abschlägen beim Verkaufspreis möglich. Dennoch kann es für den einzelnen Inhaber einer Beteiligung wünschenswert sein, seinen Anteil zu verkaufen. Dies kann viele Gründe haben, z.B. Scheidung, Erbfall oder Umschichtung des Portefeuilles.22 Der Markt für den Wiederverkauf von Beteiligungen wird allgemein als Zweitmarkt bezeichnet. Die schwierige Kaufpreisfindung und drohende einseitige Übervorteilung schreckten lange Zeit Käufer und Verkäufer ab. Dem Zweitmarkt fehlte es an informierten Marktteilnehmern, Transparenz und Liquidität. An diesem Punkt setzten Konzepte für Zweitmarktfonds an. Die Liquidität kaufbereiter Investoren wird in einem Fonds gebündelt und mit diesen Mitteln Schiffsbeteiligungen von anderen Anlegern angekauft. Seit dem Jahr 2003 nimmt die Anzahl dieser Fonds stetig zu. Mittlerweile haben sich Plattformen, wie z.B. die Deutsche Zweitmarkt, Fondsbörse Deutschland Beteiligungsmakler oder Deutsche Sekundärmarkt herausgebildet, auf der „gebrauchte Beteiligungen“ gehandelt werden. Ebenso unterhalten viele Emissionshäuser einen Handel mit solchen Beteiligungen, oder vermitteln zumindest Direktgeschäfte. 21 22
Vgl. Nordcapital (2004), S. 19. Vgl. Salomon & Partner (2005).
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Michael Ketterl Es handelt sich um einen Markt mit Angebotsüberschuss. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei den von den Käufern – hauptsächlich Zweimarktfonds und andere institutionelle Anleger – genutzten Bewertungssystemen zu. Diese Anleger beobachten und analysieren eine Vielzahl von Schiffen, um bei einem Verkaufsangebot einen Ankaufspreis ermitteln zu können. Die zunehmende Anzahl von Ankäufern sorgt für mehr Markttransparenz, weil sich Angebot und Nachfrage eher ausgleichen. Insbesondere bei Versteigerungen von Beteiligungen werden die Grenzpreise offenkundig.
24.3 Einflussfaktoren auf den Wert eines Containerschiffes In diesem Kapitel werden die Einflussfaktoren auf den Wert eines Containerschiffes vorgestellt. Die Betrachtung konzentriert sich dabei auf die wesentlichen Bewertungsparameter. Diese lassen sich wie bei anderen Situationen der Unternehmensbewertung grob in Einzahlungen, Auszahlungen und Diskontierungssatz unterteilen. Im Rahmen der Bewertung eines Containerschiffes sind als Einzahlungen Charterrate und Restverkaufserlös zu nennen. Auszahlungen treten in Form von Kosten der Einschiffsgesellschaft, Schiffsbetriebskosten, Zinsen und Tilgungen auf.
24.3.1 Charterraten Bei Ankauf der Beteiligung besteht ein fester Chartervertrag, die Höhe der Charter ist während der Vertragslaufzeit festgelegt. Da die Charterrate meist in US-$ fakturiert wird, schwankt die vereinnahmte Charterrate aufgrund des flexiblen Wechselkurses. Endet der Chartervertrag, so ist eine Annahme über die Anschlusscharter zu treffen. Aufgrund der hohen Volatilität der Chartermärkte bietet es sich an, als Anschlusscharter auf eine Durchschnittscharterrate, z.B. auf Basis eines gleitenden 8-Jahresdurchschnitts zurückzugreifen. Es kann angenommen werden, dass ein Schiff an ungefähr 350 Einsatztagen im Jahr betrieben wird. An den verbleibenden Tagen werden keine Chartereinnahmen erzielt, weil das Schiff entweder repariert wird oder gerade nicht verchartert werden kann (sog. Off-Hire Zeiten).
24.3.2 Kosten der Einschiffsgesellschaft Unter diesen Kosten werden die Aufwendungen der Einschiffsgesellschaft für Bereederung, Befrachtung, Treuhandgebühren, Geschäftführungs- und Gesellschaftskosten verstanden. Sie betragen erfahrungsgemäß ca. 10 % der Chartereinnahmen.
24.3.3 Schiffsbetriebskosten Die Schiffsbetriebskosten fallen im Wesentlichen für Personal, Versicherungen und Instandhaltung des Schiffes an. Große Ausgaben fallen auch an, wenn das Schiff zur Reparatur oder Wartung in ein Trockendock muss. Die Schiffsbetriebskosten fallen an jedem Tag im Jahr an, also auch, wenn das Schiff gerade nicht verchartert ist. Schätzungen für Schiffbetriebskosten sollten somit die unregelmäßigen, aber hohen Ausgaben für Dockungen berücksichtigen
24.3.4 Kapitaldienst und Fremdfinanzierung Im Rahmen der Bewertung von Beteiligungen an Containerschiffen stellt das Fremdkapital den Anspruch der Fremdkapitalgeber dar. Die realen Auszahlungen an die Kommanditisten sind um den Kapitaldienst zu kürzen. Die Bewertung des Fremdkapitals ist kein Kernproblembereich der Bewertung von Beteiligungen an Containerschiffen und wird deshalb auch nicht detailliert behandelt.
24.3.5 Restverkaufserlös Die Nutzungsdauer eines Containerschiffes beträgt im Regelfall mehr als 30 Jahre. Für die Laufzeit von geschlossenen Fonds ist diese Zeitspanne zu lang. Deshalb verkaufen die Einschiffsgesellschaften die Schiffe in der Regel nach 12–18 Jahren nach Infahrtsetzung. Das Bewertungskalkül ist somit
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24 Bewertung von Beteiligungen an Containerschiffen grundsätzlich endlich. Ein wesentlicher Teil der Einzahlungen fällt durch den Restverkaufserlös an, so dass dieser später genauer betrachtet werden soll. Wie oben schon ausgeführt braucht die Problematik des steuerlichen Unterschiedsbetrages nicht berücksichtigt werden, da dieser schon beim Ankauf der Beteiligung aufgelöst wird.
24.3.6 Diskontierungssatz Wie bei allen Ertragswertkalkülen kommt der Ermittlung risikoäquivalenter Diskontierungssätze große Bedeutung zu. Sie stellt den Schwerpunkt dieses Beitrags dar, genauer soll auf den Diskontierungssatz später eingegangen werden.
24.4 Probleme der Bewertung von Beteiligungen an Containerschiffen In diesem Kapitel sollen einzelne Punkte des Bewertungsproblems einer kritischen Analyse unterzogen und Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Zuerst wird untersucht, welche Unterart der DCFMethoden sich für das Bewertungsproblem eignet. Danach werden einzelne Einflussfaktoren genauer betrachtet; neben der Ermittlung des Restverkaufserlöses gilt das Hauptaugenmerk vor allem dem Diskontierungssatz und der Berücksichtigung der Einkommenssteuer der Investoren.
24.4.1 Anzuwendender Bewertungsansatz Zunächst soll der Hintergrund der Modellwelt beschrieben werden, vor dem die Analyse des Bewertungsproblems stattfindet. Anschließend werden verschiedene DCF- Methoden kurz vorgestellt und analysiert, auf welcher Unterart der DCF- Methoden zurückgegriffen werden sollte.
24.4.1.1 Zugrunde liegende Annahmen der Modellwelt Die zugrunde liegende Modellwelt ist durch folgende Eigenschaften gekennzeichnet:23 (1) Steuern und Transaktionskosten bestehen nicht. (2) Investoren sind risikoscheu. Die geforderte Rendite bei Unsicherheit ist größer als der sichere Zinssatz i. (3) Fremdmittelaufnahmen kosten den Zinssatz i. Zu diesem Zinssatz können sich sowohl Unternehmen als auch Investoren verschulden. (4) Illiquiditätsrisiken sind ausgeschaltet. (5) Die Investitionsprojekte der Unternehmen sind gegeben bzw. unabhängig von der Kapitalstruktur. Die Annahmen (1) und (4) sind zusätzlich zu erläutern. Steuern bestehen zwar, jedoch sind die Steuerzahlungen zustandsunabhängig und Zinszahlungen von der steuerlichen Bemessungsgrundlage nicht abziehbar. Durch die Fremdfinanzierung ändert sich somit der an Eigen- und Fremdkapitalgeber fließende Zahlungsstrom nicht. Illiquiditätsrisiken sind deshalb vernachlässigbar, weil der Verschuldungsgrad aufgrund regelmäßig hoher anfänglicher Tilgungen niedrig ist sowie die Substanzwerte der Schiffe im Vergleich hoch sind. In der dargestellten Modellwelt ist der Einfluss der Kapitalstruktur auf den Unternehmensgesamtwert Null. Diese Aussage beruht auf dem berühmten Aufsatz von Modigliani/Miller24 Der erwartete Strom an Überschüssen wird durch die Kapitalstruktur nur in Teilströme zerlegt. Die Zerlegung hat aber auf den Gesamtwert keinen Einfluss. 23 24
Vgl. Drukarczyk, J. (2003), S. 183, Drukarczyk, J. (1993), S. 131–132. Modigliani, F./Miller, M. H. (1958).
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Michael Ketterl Diese Überlegung gilt rechtsformunabhängig, ist also nicht auf Kapitalgesellschaften beschränkt, sondern lässt sich auch auf Personengesellschaften anwenden25. Die realisierte Kapitalstruktur ist für den Gesamtwert des Unternehmens somit irrelevant.
24.4.1.2 Mögliche theoretische Konzepte Nun sollen drei Unterarten der DCF-Methoden dargestellt werden. Allen DCF-Methoden ist die Annahme gemein, dass sich der Wert eines Unternehmens aus den entziehbaren Überschüssen ableitet. Unterschiede ergeben sich lediglich bei der Frage, welche entziehbaren Überschüsse mit welchem Diskontierungssatz zu bewerten sind und bei den Annahmen, die den einzelnen Ansätzen zugrunde liegen. Equity-Ansatz Zuerst soll der Equity-Ansatz vorgestellt werden26. Der Equity-Ansatz stellt ein reines Zuflusskalkül dar: Es werden die an die Eigentümer fließenden Zahlungen unter Beachtung der realisierten Kapitalstruktur mit einem Diskontierungssatz kF bewertet, der nicht nur eine Prämie für das Investitionsrisiko des Unternehmens, sondern auch eine Risikoprämie für das Finanzierungsrisiko beinhaltet. Die Formel für kF lautet: kF
k (k i)
EF
X iF kF
F EF
(1) (2)
Für einen im Zeitablauf konstanten Diskontierungssatz müssen folgende Annahmen erfüllt sein: 1) konstantes Investitionsrisiko F 2) konstanter Verschuldungsgrad L* VF 3) keine Insolvenzrisiken Ein kurzes Beispiel soll die Anwendung verdeutlichen: Es gelten folgende Daten: X = 100 i = 0,1 k= 0,12 F = 200 L*= 0,315789 Im Rentenfall ergibt sich pro Periode ein Nettozufluss von X – iF = 100 – 0,1 *200 = 80 kF = 0,126316 Somit ergibt sich für EF ein Wert von 633,33. Die Problematik des Equity-Ansatzes liegt darin, dass zur Berechnung von EF der Quotient F/EF bekannt sein muss. Damit wäre aber die Lösung des Problems schon bekannt. Im Fall der unendlichen Rente lässt sich dieses Problem lösen, wie folgende Umformung zeigt: EF
25 26
X iF F k (k i) F E
X F VE F k
Vgl. Drukarczyk, J. (1993), S. 143. Vgl. Drukarczyk, J. (2003), S. 199–200, 204–206.
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(3)
24 Bewertung von Beteiligungen an Containerschiffen Diese Formel entspricht dem APV-Ansatz. Falls die Annahme der unendlichen Rente aufgegeben wird, so ist der Equity-Ansatz auf das Ergebnis eines anderen Ansatzes angewiesen, um EF berechnen zu können. Wenn der periodische Wert des Eigenkapitals EFt bekannt ist, können periodische Diskontierungssätze kFt berechnet werden. Eine eigenständige Herleitung des Bewertungsergebnisses kann der Equity-Ansatz jedoch nicht leisten. Die Ertragswertmethode27 stellt eine Unterart der Equitymethode dar. In Bezug auf die Definition der entziehbaren Überschüsse sind beide Ansätze identisch. Unterschiede ergeben sich bei der Herleitung des Diskontierungssatzes. Die Equitymethode benutzt marktdeterminierte Risikoprämien, während die Ertragswertmethode auf die individuelle Risikoeinstellung des Investors abstellt. Sie ermittelt durch eine Risikonutzenfunktion Sicherheitsäquivalente für gegebene Überschussverteilungen. Das vorhandene Vermögen eines Investors bleibt bei der Anwendung oft außer Acht, obwohl dieses Einfluss auf die Bewertung der Verteilung hat. Ein kurzes Beispiel soll dies veranschaulichen. Es soll das Sicherheitsäquivalent für die folgende Verteilung von Nettoeinzahlungen in t = 1 ermittelt werden. Die Risikonutzenfunktion lautet u(NE j ) ln(NE j ) . Tab. 24-1: Verteilung der Nettoeinzahlungen Zustände
z1
z2
z3
Wahrscheinlichkeit
0,3
0,4
0,3
NEj
100
160
200
Der Erwartungswert beträgt 154. Es errechnet sich ein Sicherheitsäquivalent von 148,5828 und ein Barwert von 140,17. Daraus lässt sich ein Zuschlag zum sicheren Zinssatz i = 0,06 in Höhe von 3,87 %29 ableiten. Besitzt der Investor ein Vermögen von 10.000, das er zum Zinssatz i anlegen kann, so ergibt sich für die Summe aus Projekt und Vermögensanlage ein Sicherheitsäquivalent von 10.753,9330. Der Wert des Projektes beträgt somit 153,93. Die Risikoaversion des Investors ist gesunken. Ebenso wie das Vermögen des Investors werden auch dessen bereits realisierte Projekte und ihre Zahlungsverteilungen nicht berücksichtigt. Zwischen verschiedenen Projekten treten jedoch Verbundwirkungen auf, die – je nach Wirkungsrichtung – die Einschätzung von Projekten positiv oder negativ beeinflussen können. Weitere Probleme treten auf, wenn mehrere Investoren ein Unternehmen erwerben wollen. Die Risikonutzenfunktionen sind investorspezifisch und für ein Kollektiv schwer zu ermitteln. Für die hier vorliegende Bewertungssituation ist die Ertragswertmethode nicht geeignet. Die Ermittlung einer, für eine Vielzahl von wohlhabenden Investoren gültigen, Risikonutzenfunktion ist schwierig. Diese kann zudem den investorenspezifischen Vermögenshintergrund nicht berücksichtigen, da sich dieser für jeden Investor anders darstellt. APV-Ansatz Als nächstes soll der APV-Ansatz vorgestellt werden31. Der APV-Ansatz zerlegt das Bewertungsproblem in mehrere, einzeln zu bewertende Komponenten. Zuerst wird die Kapitalstruktur ausgeblendet und der Wert des Unternehmens unter der Fiktion der reinen Eigenfinanzierung ermittelt. Dieser Wert entsteht durch das von dem Unternehmen realisierte Investitionsprogramm. Im zweiten Schritt 27 28 29 30 31
Vgl. Drukarczyk, J. (2003), S. 310–314. e0,3ln100 0,4ln160 0,3ln 200 148,58 . 154 *1,06 z 1 0,06 0,0387 . 148,58 e0,3ln(100 10.600) 0,4ln(160 10.600) 0,3ln( 200 10.600) 10.753,93 . Vgl. Drukarczyk, J. (2003), S. 199–201, 207–214.
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Michael Ketterl werden die Wertbeiträge der Finanzierungsseite, insbesondere Steuervorteile aus der Fremdfinanzierung, ermittelt. Die Summe aus V E und den Wertbeiträgen ergibt V F. Der Wert des Eigenkapitals ist eine Restgröße, die sich aus V F abzüglich der Werte der Ansprüche der Nicht-Eigenkapitalgeber errechnet. Der Wert bei Eigenfinanzierung ergibt sich, indem die Überschüsse unter der Fiktion der Eigenfinanzierung mit der geforderten Rendite der Eigentümer k abdiskontiert werden. Diese ist konstant, wenn die oben genannten Annahmen 1) und 3) erfüllt sind. Auf einen konstanten Verschuldungsgrad kommt es nicht an. Mit den Daten des obigen Beispiels errechnet sich nach Gleichung (3) ein Wert von EF
X 100 F 200 633,33 . k 0,12
Im Gegensatz zum Equity-Ansatz ist der APV-Ansatz in der Lage ein eigenständiges Bewertungsergebnis abzuleiten. Zur Berechnung von V E muss nur die geforderte Rendite der Eigentümer bekannt sein. WACC-Ansatz Im Grundmodell ohne Steuern besteht kein Unterschied zwischen dem APV-Ansatz und dem nun vorzustellenden WACC-Ansatz32. Beide diskontieren die Größe X mit dem Diskontierungssatz k. Dies macht die folgende Umformung deutlich. WACC i VF
F VF
kF
EF VF
(4)
X WACC
(5)
Mit Gleichung (1) ergibt sich: WACC i
F VF
k (k i)
F EF EF V F
k.
(6)
Dieses Ergebnis passt zu den obigen Ausführungen zur Kapitalstruktur. Wenn die Finanzierung wertneutral ist, kann WACC auch nicht von k verschieden sein.
24.4.1.3 APV als Fundament der Bewertung Nun sollen die verschiedenen Bewertungsansätze daraufhin überprüft werden, welcher Ansatz sich am besten für die vorliegende Bewertungssituation eignet. Entscheidend für diese Frage ist die Finanzierungsstrategie der Einschiffsgesellschaft. Für den Fall einer atmenden Finanzierungsstrategie wäre der WACC-Ansatz am besten geeignet, für den Fall einer autonomen Finanzierungspolitik wäre der APV-Ansatz die erste Wahl. Der Equity Ansatz ist lediglich in der Lage ein Bewertungsergebnis zu rekonstruieren, er scheidet somit aus, da es auf diese Fähigkeit nicht ankommt. Auch die Ertragswertmethode – wie oben ausgeführt eine Unterart der Equitymethode – ist nicht geeignet, das Bewertungsproblem in praktikabler Weise zu lösen. F Eine atmende Finanzierungsstrategie bedeutet einen konstanten Verschuldungsgrad L* . VF F Der Fremdkapitalbestand F „atmet“ mit dem Unternehmensgesamtwert V . Steigt der Wert des Unternehmens, so steigt auch F, fällt er, so wird die Verschuldung zurückgefahren. Für die Tilgung 32
Vgl. Drukarczyk, J. (2003), S. 207.
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24 Bewertung von Beteiligungen an Containerschiffen
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stehen nur residuale Überschüsse zur Verfügung: Die Charterraten werden um die Kosten der Einschiffsgesellschaft und die Schiffsbetriebkosten verkürzt. Der Unternehmensgesamtwert wird hauptsächlich von der Entwicklung der Charterraten beeinflusst. Bei sinkenden Raten sinkt auch die Tilgung, nicht aber der Fremdkapitalbestand, da weniger Mittel zur Tilgung zur Verfügung stehen. Eine Ausweitung des Fremdkapitalbestandes bei steigenden Charterraten und damit Unternehmenswerten findet ebenfalls nicht statt, im Gegenteil die Tilgung erhöht sich sogar. Ein konstanter Verschuldungsgrad liegt also nicht vor, diese Bedingung ist somit nicht erfüllt. Aufgrund dieser Überlegungen ist dem APV-Ansatz klar der Vorzug vor dem WACC-Ansatz zu einzuräumen. Typisch für den APV-Ansatz ist sein modularer Aufbau. Im Standardanwendungsfall, der Bewertung von Kapitalgesellschaften wird zuerst der Wert des Unternehmens unter der Fiktion reiner Eigenfinanzierung V E ermittelt. Zu diesem wird der Werteffekt der Kapitalstruktur, also der Steuervorteil aus der Fremdfinanzierung ΔV addiert. Damit erhält man den Gesamtwert des Unternehmens V F. Subtrahiert man hiervon den Wert des Fremdkapitals, so erhält man als Residualgröße den Wert des Eigenkapitals. Dieser Zusammenhang wurde schon in Formel (7) dargestellt.33 EF
VE
V F
(7)
Die Besonderheit bei der Anwendung des APV-Ansatzes auf die Bewertung von Containerschiffen liegt darin, dass das Bewertungskalkül endlich ist. Die Nutzungsdauer eines Containerschiffes ist auf Grund des Verschleißes begrenzt. Die Nutzungsdauer muss daher zuerst bestimmt werden. Wie sich diese bestimmen lässt wird später dargestellt. Danach können die entziehbaren Überschüsse ermittelt und zum Unternehmensgesamtwert diskontiert werden. Der Wert des Eigenkapitals ergibt nach Abzug der Ansprüche aller anderen Gruppen als Restgröße. Bei der Bewertung von Containerschiffen sind zwei Phasen zu unterscheiden: In der ersten Phase besteht ein fester Chartervertrag; die Höhe der Charterrate ist sicher. In der zweiten Phase muss die erzielbare Charterrate geschätzt werden. Wie oben schon ausgeführt, müssen für die beiden Phasen unterschiedliche Diskontierungssätze verwendet werden. Wie sich diese ableiten lassen, soll später beschrieben werden. Bei der Bewertung von Containerschiffen sind folgende Bewertungsprobleme zu lösen: Zuerst müssen die entziehbaren Überschüsse bei Eigenfinanzierung ermittelt werden. Diese setzen sich aus der Differenz von Chartereinnahmen, Schiffsbetriebskosten und Kosten der Einschiffsgesellschaft zusammen. Danach muss untersucht werden, wie die Besonderheiten der Tonnagesteuer Eingang in die Bewertung finden können. Ein weiterer Problembereich ist die Ableitung der geforderten Rendite der Eigentümer nach Steuern ks.
24.4.2 Charakter der Steuerzahlungen und Berücksichtigung der Einkommenssteuer 24.4.2.1 Steuervorteil aus der Fremdfinanzierung Die Steuerzahlungen ergeben sich aus dem persönlichen Steuersatz der Gesellschafter und dem pauschal ermittelten Gewinn nach der Tonnagesteuer. Kennzeichnend dafür ist, dass keine Betriebsausgaben die steuerliche Bemessungsgrundlage kürzen. Dies gilt insbesondere für die Zinsaufwendungen. Es gibt somit keinen Steuervorteil aus der Fremdfinanzierung. Auch Einkommenssteuereffekte existieren nicht, da die Einkommenssteuer auf den Gewinn unabhängig von den getätigten Entnahmen und Tilgungen anfällt.
33
Vgl. Drukarczyk, J. (2003), S. 214.
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Michael Ketterl Die Steuerzahlungen fallen zustandsunabhängig, d.h. unabhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung an. Ihre Höhe hängt von der Größe des Schiffes ab; diese ist unveränderlich, die Steuerzahlungen lassen sich somit genau vorhersagen. Sie sind sicher und daher mit dem sicheren Zinssatz abzudiskontieren. Ferner stellen die Steuerzahlungen einen Anspruch des Staates gegen die Gesellschafter der Einschiffsgesellschaft dar. Der Barwert der Steuerzahlungen mindert daher den Wert des Eigenkapitals, da für die Eigentümer weniger bleibt. Formel (8) beschreibt diesen Zusammenhang. EF
VE F S
(8)
24.4.2.2 Berücksichtigung der Einkommenssteuer Die Einkommensbesteuerung wirkt aufgrund der Tonnagesteuer zwar nur sehr schwach auf die Schiffsgesellschaften, die alternativen Anlageformen der Investoren unterliegen hingegen in größerem Umfang der Besteuerung. Für die Ermittlung der Diskontierungssätze ist die Einkommenssteuer somit relevant. Durch die Tonnagesteuer wird der Gewinn pauschal ermittelt und mit dem persönlichen Einkommenssteuersatz des Investors belastet. Um komplizierte Berechnungen der Steuerwirkungen im indirekt-progressiven Tarif zu vermeiden, wird im Folgenden nach Maßgabe des IDW34 ein typisierter Steuersatz von 35 % unterstellt. Die alternative Anlage des Investors wird durch die Einkommensteuer berührt, auch unter der Tonnagesteuer herrscht kein finanzierungsneutrales Steuersystem. Die zur Bestimmung der Alternativrendite herangezogenen sicheren Anlageformen und typisierten Aktienportefeuilles unterliegen sowohl hinsichtlich der laufenden Zinsen und Dividenden als auch der Kapitalgewinne der Abgeltungssteuer. Sie werden daher mit 25 % Einkommenssteuer belastet35. Der persönliche Steuersatz des Investors wirkt nicht mehr auf die Nachsteueralternativerendite36. Durch die Berücksichtigung der Einkommenssteuer werden alternative Anlageformen weniger attraktiv und der Wert des betrachteten Projektes steigt. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen. Betrachtet wird ein Investitionsobjekt mit der Anschaffungsauszahlung A0 = 100. Die Einzahlungen des Projektes unterliegen nicht der Besteuerung. Es gilt ein Steuersatz von 25 %. Der sichere Zinssatz i beträgt 12 %. Die Einzahlungen sind sicher und lauten wie folgt: Tab. 24-2: Zahlungsverteilung des Investitionsprojektes t A0 NEt
0
1
2
3
40
40
40
– 100
3,927. Das Projekt ist nicht vorteilhaft. Ohne die Berücksichtigung der Steuer ergibt sich NKWi 0,12 Wird die Einkommensteuer berücksichtigt, so ergibt sich ein NKWi 0,09 1,252. Durch die Wirkung der Steuer auf die alternative Anlage wird das Projekt vorteilhaft.
34 35 36
Vgl. IDW (2000), S. 842. Die aktuelle Fassung des IDW S 1 enthält keinen quantifizierten, typisierten Einkommenssteuersatz. Vgl. §§ 20 (1) Nr. 1, 7, (2), 32d EStG. Aus Vereinfachungsgründen wird unterstellt, dass der Investor kein Altportefeuille unterhält, dessen Kapitalgewinne nach § 23 (1) Nr. 2 EStG a.F. außerhalb der Spekulationsfrist steuerfrei wären.
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24 Bewertung von Beteiligungen an Containerschiffen
24.4.3 Ermittlung der richtigen entziehbaren Überschüsse Der Ermittlung von V E liegen die entziehbaren Überschüsse unter der Fiktion reiner Eigenfinanzierung zugrunde. Das bedeutet, dass Zinsen und Tilgungen nicht beachtet werden37. Sie werden später durch den Abzug des Fremdkapitals vom Unternehmensgesamtwert berücksichtigt. Als entziehbarer Überschuss bleibt pro Periode: Charterrate – Kosten der Einschiffsgesellschaft – Schiffsbetriebskosten = entziehbarer Überschuss Am Ende der Nutzungsdauer fällt zusätzlich der Schrottpreis des Containerschiffes an. Bei der Diskontierung der entziehbaren Überschüsse wird eine sehr „puristische“ Form des APVAnsatzes vorgeschlagen. Die Wertbeiträge von Charterraten und Kosten der Einschiffsgesellschaft sowie Schiffsbetriebskosten sollen getrennt ermittelt werden. Die Annahme, dass die Schiffsbetriebskosten sicher sind, ist vermutlich nicht realitätsgetreu. Bei sehr niedrigen Charterraten wird die Reederei versuchen, diese zu senken, sei es durch Verringerung der Mannschaftsstärke, der Wartung oder ähnlichem. Umgekehrt steigen die Schiffsbetriebskosten bei hohen Charterraten, da Dockungen vorgezogen werden oder schlicht die Ausgabendisziplin nicht so stark ausgeprägt ist. Die Unsicherheit ist jedoch sehr gering. Wie sie sich einfangen lässt, soll im nächsten Kapitel beschrieben werden. Der Wert bei Eigenfinanzierung setzt sich – im Fall der Periodenabhängigkeit – folgendermaßen zusammen: V E (1 c)
n t 1
Ct (1 k sC )
n
t
K(1 k sK )
t
RVE n (1 k sC ) n.
t 1
Dabei steht der Ausdruck (1–c) für den Anteil der Charterraten der nach Abzug der Kosten der Einn
schiffsgesellschaft verbleibt;
n
Ct (1 k sC ) t ist der Barwert der Charterraten und
t 1
K(1 k sK ) t der
t 1
Barwert der Schiffsbetriebskosten. Der Ausdruck RVEn (1 k sC ) n steht für den Barwert des Schrottpreises in der Periode 0, also im Bewertungszeitpunkt. Die Barwerte werden durch die Diskontierung mit risikoäquivalenten Diskontierungssätzen ermittelt. Diese abzuleiten ist das Anliegen des nächsten Kapitels.
24.4.4 Risikoäquivalente Diskontierungssätze „Keine Größe scheint in der Praxis so umstritten zu sein wie der Kalkulationszinsfuß. (…) Sein Hebeleffekt ist bekannt und berüchtigt: Schon geringe Verminderungen des Zinssatzes können den Wert überproportional erhöhen; Erhöhungen senken den Unternehmenswert. Diese Effekte machen ihn bei Parteien, die Einfluß auf den Wert nehmen wollen, so beliebt.“38 Dieses Zitat von Wolfgang Ballwieser macht deutlich, dass der Diskontierungssatz zum einen große Wirkung auf den Unternehmenswert hat und zum anderen leicht angreifbar ist, falls er unbegründet ist. Um Fehlentscheidungen vorzubeugen, sollte der Wahl eines geeigneten Diskontierungssatzes große Beachtung geschenkt werden. Geeignet heißt in diesem Zusammenhang risikoäquivalent. Die geforderte Rendite orientiert sich nicht nur an der der zum Vergleich herangezogenen Alternative, sondern am Risikogehalt des zu bewertenden Projektes. 37 38
Vgl. Drukarczyk, J. (2003), S. 217. Ballwieser, W. (2002), S. 736.
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611
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Michael Ketterl In diesem Kapitel soll gezeigt werden, wie sich anhand der Botschaften des Kapitalmarktmodells CAPM risikoäquivalente Diskontierungssätze für die Bewertung von Containerschiffen bestimmen lassen.
24.4.4.1 Problem und Einordnung in den Bewertungskontext Um den Unternehmensgesamtwert zu ermitteln, müssen die entziehbaren Überschüsse diskontiert werden. Da diese unsicher sind, muss der Diskontierungssatz den gleichen Risikogehalt aufweisen wie die entziehbaren Überschüsse. Dieser Risikogehalt besteht jedoch nicht nur aus dem Risiko der Charterraten, sondern es muss das Umfeld des Investors mitbetrachtet werden. Investoren halten in der Regel diversifizierte Positionen, d.h. ihr Vermögen ist auf mehrere Anlagealternativen verteilt. Auf Ebene des Investors bereits realisierte Projekte können zusammen mit dem betrachteten Investitionsobjekt „Containerschiff“ ein höheres oder niedrigeres Risiko beinhalten als das Investitionsobjekt „Containerschiff“ alleine. Ein Beispiel soll dies veranschaulichen: Betrachtet werden zwei einperiodige Investitionsprojekte I1 und I2. Diese haben die folgenden Zahlungsverteilungen. Tab. 24-3: Zahlungsverteilungen von I1 und I2
z p I1
1 0,5 –10
2 0,5 50
Var
I2 4
60
40
100
50
90
400
900
Investitionsprojekt 1 sei das Containerschiff. Die Varianz der Zahlungsverteilung ist 900. Falls der Investor schon Investitionsprojekt 2 realisiert hat, so ist die Varianz der Summe der Einzahlungen aus beiden Projekten (400) kleiner als der Durchschnitt der Varianzen beider Projekte (500).
24.4.4.2 Grundzüge der Portfoliotheorie Die Portfoliotheorie geht auf Harry M. Markowitz39 zurück. Sie besagt, dass rationale Anleger Portefeuilles aus solchen Anlagetiteln bilden sollen, die möglichst wenig miteinander korreliert sind. Das liegt daran, dass das Risiko eines Portefeuilles maßgeblich von der Kovarianz der Renditen der enthaltenen Aktien und Projekte bestimmt wird40. Durch Mischung von wenig korrelierten Anlagetiteln lässt sich Risiko abbauen.
24.4.4.3 Darstellung des Kapitalmarktmodells CAPM Das CAPM41 baut auf der Annahme auf, dass alle Anleger ihre Portefeuilles nach den Regeln der Portfoliotheorie zusammenstellen. Alle Anleger halten Abbilder des Marktportefeuilles M. Für die geforderte Rendite einer Aktie j gilt: 39 40
Markowitz, H.M. (1959): Portfolio Selection. Diversification of Investments, New York. Für ein Portfolio aus n Aktien gilt für die Portfoliovarianz: 2 P
n j 1
41
x 2j
2 j
n
n
x jx i
ji
mit j≠i.
j 1 i 1
Die Zahl der Kovarianzen steigt schneller als die Zahl der Varianzen. Die Zahl der Varianzen beträgt n, die Zahl der Kovarianzen n²–n. Somit sind die Kovarianzen der Aktien entscheidend für die Varianz des Portfolios. Eine genauere Darstellung des CAPM findet sich z.B. in Drukarczyk, J. (1993), S. 234–239.
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24 Bewertung von Beteiligungen an Containerschiffen rj i
rM i
cov(rj;rM ) i
2 M
cov(rj;rM ) i ( rM i) j .
613 (9)
Im Nachsteuerfall wird daraus: kS
(10)
i(1 sI ) ( rM i)(1 sI )
Der Term rM i bezeichnet die Marktrisikoprämie vor persönlichen Einkommenssteuern. Sie wird für den deutschen Aktienmarkt auf Basis des CDAX mit 4,5 % geschätzt42. Aufgrund der Abgeltungsteuer ist s mit 25 % anzusetzen. Die Marktrisikoprämie nach Steuern beträgt somit 3,375 %.
24.4.4.4 Bewertung von Investitionsprojekten Bei der praktischen Anwendung der Botschaften des CAPM bereitet die Ermittlung der relevanten Risikomenge cov(rj;rM ) die größten Schwierigkeiten. Die Berechnung der Rendite r j legt den Marktwert des Projektes j V0 als Bezugspunkt zugrunde: NE j
rj
Vj,0
1.
(11)
Dieser ist aber gerade die gesuchte Größe bei der Bewertung des Investitionsprojektes. Um dieses Problem zu lösen, muss die Kovarianz umformuliert werden. Mit (18) ergibt sich: cov(rj;rM )
1 cov(NE1;rM ). Vj,0
(12)
Für die Berechnung von V0 gilt dann unter Verwendung von (16) und (19) die folgende Formel: Vj,0
1 i
NE1 cov(rj;rM )
NE1
cov(NE1;rM ) (1 i) 1 .
(13)
Der Term in der eckigen Klammer ist das marktdeterminierte Sicherheitsäquivalent der Zahlungsverteilung NE . Vom Erwartungswert wird ein Risikoabschlag vorgenommen. Dieser setzt sich aus Risikopreis und Risikomenge zusammen. Der Risikopreis ist λ, die relevante Risikomenge ist cov(NE1;rM ) . Diese Parameter sind aus dem Kapitalmarkt abgeleitet, deshalb ist das Sicherheitsäquivalent marktmäßig objektiviert. Um den Barwert zu ermitteln ist das Sicherheitsäquivalent mit dem sicheren Zinssatz abzudiskontieren, die Unsicherheit wird durch die Ermittlung des Sicherheitsäquivalents berücksichtigt.43 Ein Beispiel soll die Anwendung verdeutlichen. Die Tabelle gibt die Zahlungsverteilung eines Investitionsprojektes an. Der Erwartungswert der Einzahlungen beträgt 11,8; die erwartete Marktrendite rM ist 0,102, ihre Varianz 0,000576. Der sichere Zinssatz i beträgt 5 %.
42
43
Stehle, R. (2004), S. 921. Durch die Anpassung an die Abgeltungssteuer wird vom CDAX ohne Berücksichtigung der Einkommenssteuer ausgegangen und eine Steuer von 25 % im zweiten Schritt berücksichtigt. Auf die historische Risikoprämie von 5,46 % ist ein Abschlag von 1–1,5 % vorzunehmen. Hier erfolgt ein Abschlag um 0,96 %, weil das als Begründung für den Abschlag angeführte niedrigere Risiko von Kursschwankungen aktuell nicht zu beobachten ist. Vgl. Drukarczyk, J. (2003), S. 368–369.
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614
Michael Ketterl Tab. 24-4: Zahlungsverteilung und Berechnung der Kovarianz (1) zj
(2) pj 1 2 3
(3) rM,,j
0,2 0,4 0,4
0,07 0,09 0,13
(4) NEj 7 15 11
(5) (6) rM,,j-E(rM,,j) NEj- E(NEj) -0,032 -0,012 0,028
(7) (2)(5)(6)
-4,8 3,2 -0,8
0,0307 -0,0154 -0,0090
cov(rM,j;NEj)=
0,0064
Der Risikopreis λ beträgt: rM i 2 M
0,102 0,05 90,28 . 0,000576
Somit lässt sich nach Formel (20) ein Wert des Investitionsprojektes von 10,69 ermitteln. Dies entspricht – analog zu Gleichung (18) – einem Diskontierungssatz von E(NE1 ) 11,8 1 1 10,41% . V0 10,69
k
24.4.4.5 Bestimmung von Risikoprämien für Charterraten In diesem Kapitel soll gezeigt werden, wie sich aus der Korrelation von Charterraten und Aktienrenditen Risikoprämien für verschiedene Größenklassen von Containerschiffen ableiten lassen. Dies erfolgt exemplarisch für Containerschiffe der Größenklasse von 4.700 TEU, da sich die Beispielbewertung auf ein Schiff dieser Größenordnung bezieht. Für andere Größenklassen kann die die Ermittlung der Risikoprämien analog erfolgen. Die Daten zu den Aktienrenditen stammen aus einer Untersuchung von Prof. Dr. Richard Stehle zur Festlegung der Risikoprämie von Aktien44. Als Marktportefeuille dient der CDAX, der alle im amtlichen Handel an der Börse in Frankfurt befindlichen Aktien umfasst. Die Aktienrenditen werden durch Prof. Dr. Richard Stehle auch für einen Einkommenssteuersatz von 35 % angegeben. Die Charterraten45 wurden nicht um Steuerzahlungen verkürzt. Die Steuerzahlungen nach der Tonnagesteuer treten zustandsunabhängig auf und haben deshalb keinen Einfluss auf die Höhe der Risikoprämie. Dies beruht auf der Additivität von Marktwerten46 und der Additivitätseigenschaft der Kovarianz47. Bei sicheren Zahlungen entspricht der Erwartungswert dem Sicherheitsäquivalent. Die Kovarianz der Steuerzahlungen mit rM ist Null. Es wird ein Investor betrachtet, der ein hoch diversifiziertes Aktienportefeuille hält. Für die Zielgruppe von wohlhabenden Kapitalanlegern für die eine Beteiligung an einem Containerschiff in Frage 44 45 46
Stehle, Richard (2004), „Die Festlegung der Risikoprämie von Aktien im Rahmen der Schätzung des Wertes von börsennotierten Kapitalgesellschaften“, in WPg, 57 Jg, 2004, S. 906–927. Die Daten zu den Charterraten wurden dem Autor von Salomon Invest, Hamburg, einem Emmissionshaus für Zweitmarktfonds und dessen Tochterunternehmen Deutsche Fondsresearch, zur Verfügung gestellt. Additivität der Marktwerte bezeichnet den Zusammenhang, dass sich der Gesamtwert V durch Addition der Teilwerte Vi ermitteln lässt: n
Vi.
V i 1
47
Der Wert der Charterraten und der Wert der Steuerzahlungen lassen sich getrennt voneinander ermitteln. Der Gesamtwert ergibt sich durch Addition. Es gilt: cov((X1 X j,1 );rM ) cov(X1;rM ) cov(X j,1;rM ) .
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24 Bewertung von Beteiligungen an Containerschiffen kommt, ist diese Annahme realistisch. Der Investor bewertet die Einzahlungen, die ihm das Projekt „Containerschiff“ bringt, vor dem Hintergrund der aus seinem – als existent unterstelltem – Portefeuille resultierenden Aktienrenditen. Tab. 24-5: Verteilung der Charterraten und Ermittlung der Kovarianz (1) zj 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
(2) Jahr
(3) pj
(4) rM,,j
(5) Cj
1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008
0,06250 0,06250 0,06250 0,06250 0,06250 0,06250 0,06250 0,06250 0,06250 0,06250 0,06250 0,06250 0,06250 0,06250 0,06250 0,06250
0,46710 -0,05940 0,04590 0,21980 0,40670 0,15420 0,31540 -0,10000 -0,18030 -0,40130 0,36940 0,08080 0,27650 0,23600 0,19920 -0,42890
32.760 33.233 34.199 33.814 29.838 26.019 27.825 32.550 24.728 19.953 30.125 43.375 43.000 32.417 34.375 29.708
(6) (7) (8) rM,,j-E(rM,,j) Cj- E(Cj) (3)(6)(7) 0,3670 1015,17 -0,1595 1487,77 -0,0542 2453,67 0,1197 2069,37 0,3066 -1906,98 0,0541 -5725,83 0,2153 -3919,83 -0,2001 805,17 -0,2804 -7017,33 -0,5014 -11792,17 0,2693 -1619,83 -0,0193 11630,17 0,1764 11255,17 0,1359 671,83 0,0991 2630,17 -0,5290 -2036,50
23,29 -14,83 -8,31 15,49 -36,55 -19,37 -52,75 -10,07 122,97 369,51 -27,27 -14,01 124,11 5,71 16,30 67,33
cov(rM,s,j;Cj)=
561,54
Der Erwartungswert der Marktrendite nach Einkommenssteuern rM,s betrug historisch 10,01 %, die Varianz 0,06893. Der sichere Zinssatz vor Steuern betrage für eine Laufzeit von 28 Jahren 4,00 %48. Bei einem Steuersatz von 25 % ergibt sich ein sicherer Nachsteuerzinssatz von 3,0 %. Der Korrelationskoeffizient zwischen den Charterraten C und den Aktienrenditen beträgt 0,371. Als Risikopreis λ ergibt sich: rM i 2 M
0,1001 0,03 1,01742 . 0,06893
Das marktdeterminierte Sicherheitsäquivalent beträgt nach Gleichung (20): SÄ C1
cov(C1;rM ) 31.744,81 1,01742 * 561,54 31.173,49.
Der Risikoabschlag ist somit klein. Das Sicherheitsäquivalent wird mit dem sicheren Zinssatz iS auf den Zeitpunkt 0 diskontiert. Für die oben gegebene Zahlungsverteilung ergibt sich damit ein Wert von: Vj,0
C
cov(C1;rM ) (1 i)
1
31.173,49 * (1,03)
1
30.265,52.
Aus dem Sicherheitsäquivalent und dessen Diskontierung mit dem sicheren Zinssatz lässt sich auch ein Diskontierungssatz berechnen, in dem die Unsicherheit der Zahlungsverteilung abgebildet ist. Es gilt: 48
Zinssatz für Staatsanleihe der Bundesrepublik Deutschland, ISIN DE0001135275, Laufzeit bis 4.1.2037. Der interne Zinsfuß dieser Anleihe beträgt zum Bewertungszeitpunkt 3,82 %. Es wird mit 4 % gerechnet.
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Michael Ketterl Vj,0
E(C1 ) 1 kS
SÄ 1 i
(14)
Daraus folgt: kS
E(C1 ) SÄ(1 i)
1
1
31.744,81 1 0,0489 . 30.265,52
Er beträgt 4,89 %. Dies entspricht einem β-Wert von 0,26949. Bei einer langfristig gültigen Marktrisikoprämie nach Steuern rM,s von 3,375 %50 ergibt sich nach Formel (9) ein Diskontierungssatz von 0,0390851.
24.4.5 Zur Diskontierung der Charterraten Zunächst sind drei Phasen im Bewertungsmodell zu unterscheiden. In der ersten Phase besteht ein fester Chartervertrag, d.h. die Höhe der Charterrate ist sicher. In der zweiten Phase wird als Charterrate der Durchschnitt vergangener Perioden angesetzt. In Phase 3 fällt der Restverkaufserlös des Schiffes an. Das Risiko steigt von Phase 1 auf Phase 2, dies muss sich auch im Diskontierungssatz niederschlagen. Je nachdem wie der Restverkaufserlös ermittelt wird, muss auch dafür ein eigener Diskontierungssatz ermittelt werden. Die folgende Abbildung soll diese Überlegung veranschaulichen.
Diskontierungssatz
k
i
t
Phase 1
Phase 2
Phase 3
Abb. 24-3: Phasen und Diskontierungssätze
Wie in Kapitel 24.2.4 beschrieben wurde, schwanken die Charterraten unterschiedlicher Größenklassen von Containerschiffen unterschiedlich stark. Die Schwankungen sind umso größer, je größer das Schiff ist. Das Risiko – gemessen an der Streuung der Charterraten um den Erwartungswert – steigt mit der Größe des Schiffes. Die Diskontierungssätze für Phase 2 müssen das Risiko der jeweiligen Größenklasse des Schiffes widerspiegeln. Die folgende Abbildung veranschaulicht diese Überlegung. 49 50 51
cov(rj;rM,s ) 2 M,s
cov(C j;rM,s ) Vj,0
2 M,s
561,54 0,269. 30.265,52 * 0,06893
Vgl. Stehle, R. (2004), S. 921, sowie die Ausführungen oben. Nach Formel (16) ergibt sich: k = 0,03 + 0,03375 * 0,269 = 0,03908.
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24 Bewertung von Beteiligungen an Containerschiffen
Diskontierungssatz
k3 k2 k1
Klasse 1
Klasse 2
Größenklasse
Klasse 3
Abb. 24-4: Größenklassen und Diskontierungssätze
Ebenso sind die Zahlungen, die an Eigentümer und Fremdkapitalgeber fließen unterschiedlichen Risikogehalts. Die Ansprüche der Fremdkapitalgeber sind denen der Eigentümer bevorrechtigt. Die Eigentümer erhalten nur den Teil der operativen Überschüsse, der nach Bedienung der Fremdkapitalgeber verbleibt. Während die Ansprüche der Fremdkapitalgeber unter dem Ausschluss von Illiquiditätsrisiken52 sicher sind, so sind die Ansprüche der Eigentümer unsicher. Die Eigentümer tragen daher ein größeres Risiko. Somit müssen auch die risikoäquivalenten Diskontierungssätze unterschiedlich sein. Die folgende Rechnung soll dies verdeutlichen. Die Einzahlungen der Periode t werden wie folgt geschätzt. Tab. 24-6: Risikogehalt der Ansprüche der Eigentümer z
1
2
p
0,5
0,5 120 50 70
X
80
iFt–1
50
D
30
Der Erwartungswert der operativen Überschüsse ist 100, das Risiko, gemessen an der Varianz ist 400. Die Gläubiger erhalten in jedem Zustand 50, ihre Ansprüche sind risikolos. Der Erwartungswert der Zahlungen ist 50, das Risiko null. Die Eigentümer erhalten die Residualzahlungen. Deren Erwartungswert ist 50, ihr Risiko, wiederum gemessen an der Varianz ist 400. Bevor die Charterraten für ganze Zeitabschnitte nun diskontiert werden können, muss beurteilt werden, ob zwischen den einzelnen Perioden eine Abhängigkeit besteht, d.h. ob die Höhe der Charterrate in der Periode t+1 von der Höhe der Charterrate in der Periode t abhängt. Die Charterrate ist der Preis für Transportkapazität. Bei hohen Charterraten werden sich viele Investoren überlegen, ob sie in den Markt für Containerschifffahrt einsteigen. Dadurch werden mehr Schiffe gebaut, das Angebot an Transportkapazität steigt. Dadurch sinken die Charterraten, der Betrieb der Schiffe 52
Mit dem Ausschluss von Illiquiditätsrisiken ist gemeint, dass keine Zustände auftreten können, in denen die Ansprüche der Gläubiger nicht voll befriedigt werden können, da dies die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO nach sich ziehen würde.
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Michael Ketterl wird unattraktiver und viele alte Schiffe werden verschrottet. Dadurch tritt eine Verknappung der Transportkapazität ein und die Charterraten steigen. Dieser Schweinezyklus53 – oder besser Schiffbauzyklus54 – wird von einer, in Bezug auf den Schiffsbau exogenen, Konjunkturbewegung55 überlagert. Die Weltkonjunktur beeinflusst den Zyklus, so z.B. in jüngerer Vergangenheit die Asienkrise, der wirtschaftliche Abschwung nach den Terroranschlägen des 11.9.2001 und die Finanzkrise, die sich zu einer Weltwirtschaftskrise ausweitet. Dadurch wird die Schwankung teilweise verändert. Aktuell sind zunehmende Schwankungen beobachtbar, während bis 1996 die Schwankungen gering waren bzw. sich langsam verjüngten. Nun ist zusätzlich zu beachten, dass die Charterrate abschnittsweise in gleicher Höhe anfällt, weil sie für eine bestimmte Zeit vertraglich fixiert ist. Erst bei Neuabschluss des Vertrages wird sie an das aktuelle Marktniveau angepasst und für die Dauer des Vertrages fixiert. Es sind verschiedene Zustände bzw. Ratenniveaus denkbar, zu denen der Neuabschluss des Vertrages erfolgt. Jeder Zustand repräsentiert den Barwert eines Vertrages. Es werden 8 Zustände mit gleicher Eintrittswahrscheinlichkeit unterstellt, die acht historische Ratenniveaus beinhalten. Acht Jahre entsprechen in etwa der Wellenlänge des Tinbergen’schen Schiffbauzyklus56. Bei jedem Vertragsabschluss ergibt sich somit eine Verteilung von acht Zuständen. Die Verteilungen der Raten driften im Zeitablauf. Die Drift folgt folgender Regressionsgerade: y(t) = 170,59 t +30.295 mit t = Jahr – 1993. Die Gerade beruht auf den Jahresdurchschnitten der Charterraten für Containerschiffe der Klasse von 4700 TEU im Zeitraum von 1993–2008. Die folgende Abbildung zeigt den Verlauf der Charterraten und die Regressionsgerade. 50.000 45.000
Charterrate in US-$
40.000 y = 170,59x + 30295
35.000 30.000 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000
19 93 19 94 19 95 19 96 19 97 19 98 19 99 20 00 20 01 20 02 20 03 20 04 20 05 20 06 20 07 20 08
0
Zeit
Abb. 24-5: Charterraten und Regressionsgerade 53
54 55 56
Vgl. Hanau, A. (1927), S. 5–41. Der Schweinezyklus beschreibt die verzögerte Angebotsreaktion auf hohe Preise für Schweinefleisch. Bei hohen Preisen werden vermehrt Schweine gezüchtet. Wenn diese zur gleichen Zeit schlachtreif werden, sinkt der Preis für Schweinefleisch aufgrund des Überangebots. Daher werden weniger Schweine gezüchtet und der Preis steigt aufgrund des Nachfrageüberschusses wieder. Der Zyklus beginnt von vorne. Vgl. Tinbergen, J. (1931), S. 152–164. Vgl. Tinbergen, J. (1931), S. 163. Vgl. Tinbergen, J. (1931), S. 163.
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24 Bewertung von Beteiligungen an Containerschiffen
619
Die Struktur der Zahlungen kann also folgendermaßen dargestellt werden:
Charterrate
Trend
Vertragsabschlüsse
Zeit
Abb. 24-6: Verteilungen von Verträgen
Die Zahlungen innerhalb der Vertragslaufzeiten sind sicher, soweit man die Insolvenz des Charterers ausschließt. Sonst besteht Unsicherheit. Eine Verlängerung der Vertragslaufzeit senkt die Unsicherheit. Dies ist auch plausibel, da durch längerfristige Verträge die Reeder mehr Sicherheit über die Höhe der Einnahmen erhalten. Die Vertragslaufzeit hat keinen Einfluss auf die Höhe der Risikoprämie, sondern nur darauf, wie oft der Diskontierungssatz kS zur Anwendung kommt. Die Verteilungen der Barwerte der Charterraten aus den möglichen Verträgen müssen mit dem unsicheren Zinssatz kS diskontiert werden. Dies entspricht der Ermittlung eines Sicherheitsäquivalents und seiner Diskontierung um eine Periode. Die restlichen Perioden dürfen dann nur mit dem risikolosen Zinssatz auf den Zeitpunkt 0 bezogen werden.57 Die Diskontierung einer Verteilung von Verträgen erfolgt also nach der Formel: Vo (Vertrag) EW(C j ) * RBFmis * (1 k S ) 1 (1 iS )
n 1
mit: m Vertragslaufzeit n Periode des Vertragsabschlusses.
57
Vgl. Drukarczyk, J. (2003), S. 340–343.
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(15)
620
Michael Ketterl Die folgende Graphik soll die Diskontierung veranschaulichen: t
5 Vertrag 1: C1 – C1 – C1 – C1 – C1
Vertrag 2: C2 – C2 – C2 – C2 – C2
Vertrag 3: C3 – C3 – C3 – C3 – C3
V0 =
(1+iS )–4
(1+k S )–1 × E(Verträge)
×
Abb. 24-7: Diskontierung von Verträgen
Ein Beispiel soll die Diskontierung veranschaulichen. Es werden drei Ratenniveaus gleicher Wahrscheinlichkeit betrachtet: C1 = 80 C2 = 100 C3 = 120. Die Vertragslaufzeit sei 5 Jahre, der Abschluss erfolgt in t = 5. Der Erwartungswert beträgt 100. Nach Formel (22) beträgt der Wert der Verteilung von Verträgen58: V0 (Verträge) 100 * 4,5797 * (1,03908) 1 * (1,03)
4
391,57 .
Eine weitere Frage ist, ob der Diskontierungssatz kS im Zeitablauf konstant bleibt. Die Vertragslaufzeit hat lediglich Einfluss auf den Rentenbarwertfaktor. Dieser ist jedoch irrelevant für die Höhe der Risikoprämie, weil er auf den Erwartungswert der Charterratendes Vertrages und auf die Kovarianz als gleich hoher Faktor wirkt. Gleiches gilt für den Faktor, der die Driftbewegung repräsentiert. Die Risikoprämie bleibt von diesen Faktoren unberührt, da gilt59: E( C j ) E(C j )
cov( C j;rM,s, j ) (1 i s )
1
cov(C j;rM,s, j ) (1 i s )
1
(16) .
Der Faktor α kann dabei sowohl für den Rentenbarwertfaktor also auch für einen Faktor zur Berücksichtigung der Drift stehen. Auch die Bewertung einer Endwertverteilung würde an der Risikoprämie nichts ändern. Sie lässt sich ebenfalls durch einen (Endwert)Faktor α ausdrücken. 58 59
(1 iS )n 1 4,5797 . (1 iS )n * iS Mit Hilfe von: E(aX) aE(X) und cov(X;Y) E(XY) E(X)E(Y) .
Mit RBFniS 50,03
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24 Bewertung von Beteiligungen an Containerschiffen
621
Der Diskontierungssatz kS bleibt also konstant. Mit ihm wird die Unsicherheit einer Verteilung von Barwerten bewertet. Er beträgt – wie oben abgeleitet – für Containerschiffe der 4.700 TEU-Klasse 3,9008 %. Die restlichen Perioden werden mit dem sicheren Zinssatz iS diskontiert.
24.4.6 Risikoprämien für Schiffsbetriebskosten Bisher wurden die Schiffsbetriebskosten als zustandsunabhängig angenommen. Es ist jedoch plausibel, dass die Schiffsbetriebskosten bei hohen Charterraten steigen, weil z.B. Dockungen vorgezogen werden oder einfach die Ausgabendisziplin der Reedereien nicht so stark ausgeprägt ist. Umgekehrt sinken die Schiffsbetriebskosten bei sinkenden Charterraten, da Dockungen verschoben werden und Personal eingespart wird. Die Entwicklung der Schiffsbetriebskosten ist also an die Entwicklung der Charterraten gekoppelt. Sie ist unsicher. Die Risikoprämie lässt sich analog zu der der Charterraten ermitteln. Die folgende Tabelle zeigt die Ermittlung der Kovarianz für den Fall, dass eine Erhöhung der Charterraten über den Erwartungswert von einer Erhöhung der Schiffsbetriebskosten um 30 % der prozentualen Erhöhung der Charterraten begleitet wird. Umgekehrt gehen die Schiffsbetriebskosten in gleichem Maße bei sinkenden Charterraten zurück. Der Wert für das Jahr 2008 errechnet sich also folgendermaßen: C2008 C * 0,3 C
1 K
29.708 31.745 * 0,3 31.745
1 * 9.860 9.669,70 .
Tab. 24-7: Risikoprämien für Schiffsbetriebskosten
(1) zj
(2) Jahr 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008
(3) pj 0,06250 0,06250 0,06250 0,06250 0,06250 0,06250 0,06250 0,06250 0,06250 0,06250 0,06250 0,06250 0,06250 0,06250 0,06250 0,06250
(4) rM,,j 0,46710 -0,05940 0,04590 0,21980 0,40670 0,15420 0,31540 -0,10000 -0,18030 -0,40130 0,36940 0,08080 0,27650 0,23600 0,19920 -0,42890
(5) Cj 9.955 9.999 10.089 10.053 9.682 9.326 9.495 9.935 9.206 8.761 9.709 10.944 10.909 9.923 10.105 9.670
(6) rM,,j-E(rM,,j) 0,4671 -0,0594 0,0459 0,2198 0,4067 0,1542 0,3154 -0,1000 -0,1803 -0,4013 0,3694 0,0808 0,2765 0,2360 0,1992 -0,4289
(7) Cj- E(Cj)
(8) (3)(6)(7)
94,59 138,63 228,63 192,82 -177,69 -533,54 -365,25 75,03 -653,88 -1098,80 -150,94 1083,71 1048,76 62,60 245,08 -189,76
2,76 -0,51 0,66 2,65 -4,52 -5,14 -7,20 -0,47 7,37 27,56 -3,48 5,47 18,12 0,92 3,05 5,09
cov(rM,s,j;Cj)=
52,33
Der Erwartungswert der Schiffsbetriebskosten beträgt 9.860 $. Die anderen Parameter entsprechen denen der Ermittlung der Risikoprämie für Charterraten. Der Wert der Verteilung der Schiffsbetriebs-
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622
Michael Ketterl kosten ist nach Formel (13) 9.521,1860. Es ergibt sich ein β-Wert von 0,0861. Daraus lässt sich bei einer Marktrisikoprämie von 3,375 % und einem sicheren Nachsteuerzinssatz von 3 % ein Diskontierungssatz kSK von 3,3 % ermitteln62.
24.4.7 Ermittlung des Restverkaufserlöses 24.4.7.1 Die Problematik des Restverkaufserlöses Ein großer Anteil der Mittelrückflüsse an die Gesellschafter eines Schifffonds entsteht durch den Verkauf des Schiffes. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die meisten Schiffe weit vor Ende ihres Lebenszyklus an andere Reedereien, meist im Ausland verkauft werden. Die Lebensdauer eines Containerschiffes beträgt bei guter Wartung mehr als 25 Jahre. Im Jahr 2004 war beispielsweise das jüngste verschrottete Containerschiff 35 Jahre alt, das zu dieser Zeit vorherrschende Ratenniveau erhöhte jedoch den Anreiz, ein Schiff länger zu betreiben63. Als Laufzeit für Schiffsfonds ist diese Zeitspanne zu lang. Daher werden die Schiffe meist nach 12–16 Jahren verkauft. Viele Emissionshäuser kalkulieren den Restverkaufserlös auf Basis einer linearen Abschreibung der Anschaffungskosten über Laufzeiten von 19–28 Jahren64. Die Schiffe haben also nach 12 Jahren Laufzeit Restbuchwerte zwischen 37 % und 57 % der ursprünglichen Anschaffungskosten. Für die Bewertung der Einzahlung eines Containerschiffes bedeutet dies, dass die Charterraten nicht bis zum Ende der Nutzungsdauer des Schiffes anfallen, sondern dass prinzipiell Schätzungen für den Verkaufszeitpunkt und den dann anfallenden Verkaufserlös vorzunehmen wären. Wie diese Bewertungsprobleme gelöst werden können, soll im Folgenden beschrieben werden.
24.4.7.2 Empirische Restverkaufserlöse Die folgende Tabelle zeigt die empirischen Restverkaufserlöse für gebrauchte zehn Jahre alte Containerschiffe verschiedener Größenklassen im Durchschnitt der letzten vier Jahre. Die Daten wurden dem Autor vom Emmisionshaus Salomon Invest, Hamburg und dessen Tochterunternehmen Deutsche Fondsresearch zur Verfügung gestellt. Tab. 24-8: Empirische Restverkaufserlöse Durchschnittsbetrachtung Basis 4 Jahres-Durchschnitt per Dezember 2008 Größenklasse Neubaupreis Secondhandpreis in TEU in Mio US-$ in Mio US-$ 1100er 25 18 2000er 42 31 2500er 50 40 3600er 61 45 4700er 70 49
Weiterhin muss berücksichtigt werden, dass ein gebrauchtes Schiff sofort verchartert werden kann, während ein neu zu bauendes Schiff erst nach der Fertigstellung zur Vercharterung zur Verfügung steht. 60 61
V0
(9.860 1,01651* 52,33)(1,03) cov(rj;rM,s ) cov(K j;rM,s ) 2 M,s
62 63 64
V0
2 M,s
1
9.521,18.
52,33 0,080. 0,06893 * 9.521,18
Nach Formel (9) ergibt sich: kSK = 0,03 + 0,0375 * 0,080 = 0,033. Vgl. Molitor, A., (2005), S. 117. Vgl. Nordcapital (2004), S. 39, König&Cie. (2005), S. 11.
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24 Bewertung von Beteiligungen an Containerschiffen
623
Der Preis für ein gebrauchtes Schiff spiegelt also auch das Charterratenniveau wieder. Bei hohen Raten sind die Wartezeiten länger, also steigt der Preis für gebrauchte Schiffe. Auch der Wert des gebrauchten Schiffes ist somit ein Ertragswert, für eine Wertermittlung auf Basis historischer Preise fehlt somit die Grundlage, da in ihnen nur vergangene Ertragswerte widergespiegelt sind. Der aktuelle Ertragswert ist – von den Ansprüchen der Fremdkapitalgeber einmal abgesehen – der Wert der Beteiligung.
24.4.7.3 Optimale Nutzungsdauer Der Wert der Beteiligung an einem Containerschiff hängt zum einen von den bis zur Verschrottung erzielbaren Überschüssen und zum anderen vom zum Zeitpunkt der Verschrottung vorherrschenden Schiffsstahlpreisniveau ab65. Der vorgezogene Verkauf spielt nur eine untergeordnete Rolle, da der Verkäufer einen Preis fordern wird, zu dem er sich nicht schlechter stellt, als wenn er das Schiff selbst weiter betreiben würde. Der Zeitpunkt der Verschrottung ist nicht genau vorhersagbar. Bei hohen Charterraten werden auch hohe Betriebskosten noch gedeckt, der Weiterbetrieb ist vorteilhaft. Bei niedrigem Ratenniveau hingegen ist der weitere Betrieb des Schiffes nicht mehr vorteilhaft; die Schiffsbetriebskosten, die mit zunehmendem Alter ansteigen, können nicht mehr gedeckt werden. Der erzielbare Schrottpreis hängt jedoch auch wiederum von den Charterraten ab. Sind diese hoch, so werden viele neue Schiffe gebaut, der Preis für Schiffsstahl ist hoch. Sind die Charterraten niedrig, so ist auch der Schrottpreis niedrig. Der Schrottpreis richtet sich nach den Tonnen Stahl, die in dem Containerschiff verbaut sind, nicht nach dessen Alter66. Die optimale Nutzungsdauer eines Containerschiffes lässt sich folgendermaßen bestimmen67. Verglichen werden die erzielbaren Nettokapitalwerte, falls das Schiff bis zur Periode n (Formel (17)) oder bis zur Periode n+1 (Formel (18)) betrieben wird. Die Differenz (18)–(17) ergibt die Bedingung zur Bestimmung der optimalen Nutzungsdauer (Formel (19)): Die optimale Nutzungsdauer ist erreicht, wenn der zeitliche Grenzgewinn (Formel 19) negativ wird und bleibt. n
NKW(n)
X t (1 i)
t
RVEn (1 i)
n
(17)
A0
t 1 n 1
NKW(n 1)
X t (1 i)
t
RVEn 1 (1 i)
( n 1)
A0
(18)
t 1
Xn
1
RVEn
1
(19)
RVEn (1 i) 0
Ein kurzes Beispiel soll dies verdeutlichen. Die folgende Tabelle zeigt die erzielbaren Überschüsse Xt und die Restverkaufserlöse RVEt, sowie die zeitlichen Grenzgewinne. Der Zinssatz i ist im Beispiel 10 %. Tab. 24-9: Bestimmung der Restnutzungsdauer t Xt RVE t Summe RVE t-1(1+i) Grenzgewinn
15 3,0 14,0 17,0
16 2,7 13,0 15,7 15,4 0,3
17 2,4 12,0 14,4 14,3 0,1
18 2,1 11,5 13,6 13,2 0,4
19 1,8 11,0 12,8 12,7 0,2
20 1,8 10,0 11,8 12,1 -0,3
21 1,5 9,0 10,5 11,0 -0,5
22 1,2 7,0 8,2 9,9 -1,7
Die optimale Nutzungsdauer beträgt 19 Perioden. 65 66 67
Vgl. Molitor, A. (2005), S. 118. Vgl. Molitor, A. (2005), S. 118. Vgl. Zimmermann, G. (2000), S. 351–352.
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624
Michael Ketterl
24.5 Beispielbewertungen der „NV Portugal Senator“ Um die vorangegangen Überlegungen zu veranschaulichen, wird nun die Beispielbewertung des Containerschiffes „NV Portugal Senator“ präsentiert. Es werden zwei Varianten vorgestellt. Die erste Variante hat vorrangig didaktischen Wert. Sie entspricht hinsichtlich der Zahlungsstruktur eher klassischen Unternehmensbewertungen, da Periodenabhängigkeit unterstellt wird. Die zweite Variante folgt den Überlegungen des Kapitels 4.5. Die Zahlungsstruktur berücksichtigt die Vertragslaufzeit sowie einen Trend in der Entwicklung der Charterraten. Dabei treten Unterschiede zur Variante I auf. Durch den steigenden Trend der Charterraten erhöht sich wegen steigender Grenzgewinne die optimale wirtschaftliche Nutzungsdauer des Containerschiffes. Der Übergang von Periodenabhängigkeit zu Periodenunabhängigkeit senkt die Unsicherheit und erhöht damit den Wert.
24.5.1 Aufbau der Bewertungen Um den Wert bei Eigenfinanzierung V E zu ermitteln, muss zuerst die optimale Nutzungsdauer bestimmt werden. Anschließend werden die Barwerte der Charterraten, Kosten der Einschiffsgesellschaft und der Schiffsbetriebskosten errechnet. Die Differenz ergibt V E und stellt den Wert des Containerschiffes losgelöst von steuerlichen Besonderheiten wie der Tonnagesteuer dar. Um den Wert des Eigenkapitals zu erhalten müssen noch der Barwert der Steuerzahlungen und der Wert des Fremdkapitals abgezogen werden. Die wichtigsten Daten zur Portugal Senator lauten wie folgt: Der aktuelle Chartervertrag läuft bis zum 2.3.2013 zu einer Tagescharter von 31.600 US-$. Danach wird eine Durchschnittscharter von 32.210 US-$ pro Tag angenommen. Die Charterrate fällt an 350 Tagen im Jahr an. Die Kosten der Einschiffsgesellschaft betragen 10 % der Chartereinnahmen. Die Schiffsbetriebskosten betragen in 2009 9.860 US-$ pro Tag und werden jährlich mit 3 %, ab dem Jahr 2016 mit 6 %, ab dem Jahr 2026 mit 8 % gesteigert, um den mit zunehmendem Alter des Schiffes steigenden Schiffsbetriebskosten Rechnung zu tragen. Der Wechselkurs sei 1,40 $/€. Der Bewertungszeitpunkt ist der 1.1.2009. Am Ende der Nutzungsdauer wird das Containerschiff an eine Abwrackwerft verkauft. Sie bezahlt dafür den Schrottpreis. Dieser ist unabhängig vom Alter des Schiffes; er richtet sich nach der Menge an Schiffsbaustahl, die in dem Schiff verbaut ist, und nach dem Stahlpreis. Genaue Werte über den zu erwartenden Schrottpreis am Ende der Nutzungsdauer der „NV Portugal Senator“ liegen nicht vor, er könnte aber folgendermaßen geschätzt werden. Das Schiff hat eine maximale Tragfähigkeit von 63.645 t. Maximal kann es 3.361 Container à 14 t tragen. Somit bleibt für das Schiffsgewicht ein Wert von 16.591 t. Davon sind die Teile abzuziehen, die nicht als Schiffsstahl verwertet werden können, dies wird in der Preisangabe in ldt berücksichtigt. Der Preis für Schiffstahl wird mit 300 $/ ldt angenommen. Dies ergibt einen Schrottwert von 4.977.300 US-$. Bei einem angenommenen Wechselkurs von 1,40 $/€ sind dies 3.555.214 €. Es wird angenommen, dass die Verteilung der Preise für Schiffsbaustahl der Verteilung der Charterraten gleicht. Somit ist die Risikoprämie k identisch. Die Diskontierung erfolgt wie bei den Charterraten. Je nach Variante wird Abhängigkeit bzw. Unabhängigkeit unterstellt. Der Gesellschaftsvertrag der „NV Portugal Senator“ liegt nicht vor. Daher soll angenommen werden, dass bei der Vereinnahmung des Schrottpreises keine Provision für das Emissionshaus anfällt. Der gesamte Erlös steht somit den Kapitalgebern zu.
24.5.2 Bewertung der „NV Portugal Senator“ – Variante I In der Variante I wird nach Ende des aktuellen Chartervertrages eine Durchschnittscharter von 32.210 $ pro Tag angesetzt. Die daraus resultierende Zahlungsreihe ist uniform. Es wird Abhängigkeit zwischen den Perioden unterstellt. Daher erfolgt die Diskontierung über alle Perioden mit dem Diskontierungssatz ks.
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24 Bewertung von Beteiligungen an Containerschiffen Die prognostizierten Überschüsse für Variante I finden sich im Anhang 1. Die folgende Tabelle zeigt den Verlauf der Grenzgewinne. ks beträgt wie oben abgeleitet 3,9008 %. Die wirtschaftliche Restnutzungsdauer beträgt 20 Perioden. Tab. 24-10: Ermittlung der Restnutzungsdauer – Variante I t Jahr
17 2 02 5
18 20 26
19 202 7
20 2 02 8
21 202 9
entziehbarer Überschuss RVEt Summe - RVEt-1 (1+ks)
2.395.447 4.977.300 7.372.747 5.171.807
1.933.701 4.977.300 6.911.001 5.171.807
1.281.101 4.977.300 6.258.401 5.171.807
576.292 4.977.300 5.553.592 5.171.807
-184.902 4.977.300 4.792.398 5.171.807
= Grenzgewinn
2 .2 00. 941
1 .73 9 .1 9 5
1 .0 86. 594
38 1.7 8 5
- 379 .40 9
Nun können die einzelnen „Baussteine“ diskontiert werden. Die Charterraten, die bereits vertraglich vereinbart sind, gelten als sicher. Die Risikoprämie für die unsicheren Charterraten wurde oben abgeleitet. Die sicheren Chartereinnahmen werden mit dem sicheren Zinssatz iS diskontiert. Die Kosten der Einschiffsgesellschaft betragen 10 % der Chartereinnahmen. Die Verteilung der Kosten der Einschiffsgesellschaft gleicht somit der Verteilung der Charterraten bis auf einen Faktor α. Der Diskontierungssatz ist nach Formel (16) deshalb ebenfalls ks. Der Restverkaufserlös fällt am Ende von Periode 30 an. Die Risikoprämie für die Schiffsbetriebskosten wurde oben abgeleitet. Der Wert des Fremdkapitals entspricht dem Buchwert im Bewertungszeitpunkt von 8.205.128 US-$. Die Steuerzahlungen sind sicher und werden folgendermaßen ermittelt: Die „NV Portugal Senator“ hat eine Nettoraumzahl von 30.816. Der steuerliche Gewinn pro Tag beträgt nach § 5a EStG: 0,92 € * 1000 NT/100 NT = 9,20 € + 0,69 € * 9000 NT/100 NT = 62,10 € + 0,46 € * 15000 NT/100 NT = 69,00 € + 0,23 € * 5816 NT/100 NT = 13,38 € 153,68 € Ausgehend von 350 Betriebstagen pro Jahr ergibt sich ein Gewinn von: 350 * 153,68 € = 53.787 €. Bei einem Einkommenssteuersatz von 35 % ergibt sich eine Steuerzahlung von 18.825 € pro Jahr. Zusätzlich fällt Gewerbesteuer an. Sie beträgt bei einem Hebesatz von 400 % und unter Anwendung der Rundung des § 11 Abs. 1 S. 3 GewStG, des Freibetrags (24.500 €) für Personengesellschaften und der gestaffelten Messzahlen nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 GewStG: (53.700 – 24.500)* 0,035 * 4 = 4.088 € Die gesamte Steuerzahlung beträgt daher 19.029 € pro Jahr. Sie wird mit dem sicheren Zinssatz is=0,04*(1–0,25)= 0,03 abdiskontiert. Die folgende Tabelle zeigt die Barwerte der einzelnen Elemente und ihre Verrechnung. Für den Wert des Eigenkapitals der „NV Portugal Senator“ ergibt sich zum Bewertungszeitpunkt 1.1.2009 ein Wert von 60.837.883 US-$, bei einem Kurs von 1,40 $/€ somit 43.455.631 €.
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625
626
Michael Ketterl Tab. 24-11: Ermittlung von EF – Variante I Barwert der Charterraten feste Vertragslaufzeit DKS = 0,0300
42.701.184
26%
Durchschnittscharter DKS = 0,03908 Summe
119.258.121 161.959.305
74% 100%
Barwert der Kosten der Einschiffsgesellschaft feste Vertragslaufzeit DKS = 0,0300
-4.270.118
-3%
Durchschnittscharter DKS = 0,03908 Summe
-11.925.812 -16.195.931
-7% -10%
1.575.941
0,97%
Barwert des Restverkaufserlöses DKS = 0,03908 Barwert der Schiffsbetriebskosten -78.013.201
-48%
Wert bei Eigenfinanzierung
69.326.114
43%
Wert des Fremdkapitals
-8.205.128
-5%
-283.103
-0,17%
60.837.883
38%
DKS = 0,033
Barwert der Steuerzahlungen DKS = 0,0300 Wert des Eigenkapitals
Empirische Werte für Containerschiffe sind kaum zu erhalten. Daher soll versucht werden, den oben errechneten Wert zumindest zu verplausibilisieren. In Tab. 24-8 ist für die Größenklasse der Portugal Senator (4.700 TEU) ein Secondhandpreis von 49 Mio. US-$ angegeben. Dieser ist mit V E zu vergleichen, da der sich der angegebene Schiffswert auf Gebrauchtpreise des Vermögensgegenstandes „Containerschiff“ bezieht. Schulden der Einschiffsgesellschaft werden beim Verkauf des Schiffes getilgt und nicht mit übertragen. Der genannte Secondhandpreis bezieht sich zudem nicht auf die Portugal Senator selbst, sondern auf Schiffe der Größenklasse von 4.700 TEU, der auch die Portugal Senator angehört. Es ergibt sich eine Differenz von ca. 20 Mio. US-$. Auf die Gründe für Unterschiede zwischen empirischen Verkaufspreisen und den errechneten Werten wird am Ende des nächsten Kapitels eingegangen.
24.5.3 Bewertung der „NV Portugal Senator“ – Variante II Die in Variante I angenommene Zahlungsstruktur ist vermutlich nicht realitätsgetreu. Die empirischen Vertragslaufzeiten betragen für Containerschiffe von 4.700 TEU ungefähr fünf Jahre. Danach wird ein neuer Vertrag abgeschlossen. Während des Vertrages ist die Höhe der Charterrate sicher. Unsicherheit besteht nur beim Abschluss des neuen Vertrages. Das bedeutet dass die Unsicherheit durch einmalige Anwendung eines risikoäquivalenten Diskontierungssatzes k Cs berücksichtigt werden muss. Alle anderen Perioden werden mit dem sicheren Zinssatz iS diskontiert. Bei einem Chartervertrag über 10 Jahre gilt bei konstanter Rate Ct:
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24 Bewertung von Beteiligungen an Containerschiffen 10
V0
Ct (1 i)
t 1
(1 k)
1
Ct RBFni 9 (1 k) 1.
627 (24)
t 1
Bei zwei aufeinander folgenden Charterverträgen über jeweils 5 Jahre gilt: 5
V0
Ct (1 i)
t 1
(1 k)
1
t 1 10
Ct (1 i)
10
Ct (1 i)
t 1
(1 k)
1
(25)
t 6 t 1
(1 k)
1
Ct RBFni 9 (1 k) 1 .
t 1
Die Vertragslaufzeit wird erst relevant, wenn die Entwicklung der Charterraten einem Trend folgt. Dieser Trend wurde in Kapitel 5.4.7. beschrieben. Der erste Vertrag wird zur Durchschnittscharter von 32.210$/Tag abgeschlossen, der zweite zu 32.210 $ + 170,59 $/Jahr * 5 Jahre = 33.063 $, usw. Die für die Ermittlung der Durchschnittscharter angenommenen Ratenniveaus werden aus Vereinfachungsgründen als gleichwahrscheinlich unterstellt. Tatsächlich dürfte die Wahrscheinlichkeit je nach Startpunkt im Zyklus bei Auslaufen des Vertrages für bestimmte Ratenniveaus höher sein. Falls z.B. ein Vertrag mit einer Laufzeit von 5 Jahren im Maximum des Zyklus abgeschlossen wird, ist die Wahrscheinlichkeit für ein niedrigeres Ratenniveau bei Auslaufen des Vertrages bzw. Neuabschluss des Anschlusskontrakts bei unterstelltem 8-Jahreszyklus der Schwankungen der Charterraten größer als die für ein hohes Ratenniveau. Wie bei Variante I muss auch jetzt zuerst die wirtschaftliche Nutzungsdauer ermittelt werden. Es wird unterstellt, dass die Charterverträge ab 2039 nur noch für ein Jahr abgeschlossen werden, da in jeder Periode abgewogen wird, ob sich ein Weiterbetrieb lohnt. Der Zinssatz k Cs beträgt wie oben abgeleitet 3,908 %. Die folgende Tabelle zeigt die Entwicklung der Grenzgewinne. Sie nehmen aufgrund der sinkenden entziehbaren Überschüsse ab. Deren Sinken ist auf die Steigerung der Schiffsbetriebskosten und die driftenden Ratenniveaus zurückzuführen.
Tab. 24-12: Ermittlung der Restnutzungsdauer – Variante II t Jahr
18 2026
19 2027
20 2028
21 2029
22 2030
entziehbarer Überschuss RVEt Summe - RVEt-1 (1+ks)
2.503.085 4.977.300 7.480.385 5.171.807
1.850.484 4.977.300 6.827.784 5.171.807
1.145.675 4.977.300 6.122.975 5.171.807
653.161 4.977.300 5.630.461 5.171.807
-168.928 4.977.300 4.808.372 5.171.807
= Grenzgewinn
2.308.578
1.655.977
951.169
458.654
-363.435
Die wirtschaftliche Restnutzungsdauer beträgt 21 Perioden. Die entziehbaren Überschüsse übrigen Perioden sind in Anhang 2 dargestellt. Nicht nur die Charterraten verändern sich abschnittsweise. Auch die Schiffsbetriebskosten können sich konsequenterweise nur an die Charterratenentwicklung anpassen, wenn die Einschiffsgesellschaft von der Ratenentwicklung durch Abschluss eines neuen Vertrages betroffen ist. Unsicherheit besteht also nur bei Abschluss eines Vertrages. Die Schiffsbetriebskosten betragen in 2009 9.860 US-$ pro Tag und werden jährlich mit 3 %, ab dem Jahr 2016 mit 6 %, ab dem Jahr 2026 mit 8 % gesteigert, um den mit zunehmendem Alter des Schiffes steigenden Schiffsbetriebskosten Rechnung zu tragen. Für die
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628
Michael Ketterl Zahlungsreihe der Schiffbetriebskosten ist also jede Zahlung einmal mit dem Zinssatz k sK zu bewerten, ansonsten erfolgt die Diskontierung mit dem sicheren Zinssatz iS. Die folgende Tabelle zeigt die an Variante II angepassten Barwerte und ihre Addition zu EF. Tab. 24-13: Ermittlung von EF – Variante II Barwert der Charterraten feste Vertragslaufzeit DKS = 0,0300
42.701.184
22%
Durchschnittscharter DKS = 0,03908 Summe
149.949.912
78%
192.651.095
100%
Barwert der Kosten der Einschiffsgesellschaft feste Vertragslaufzeit DKS = 0,0300
-4.270.118
-2%
Durchschnittscharter DKS = 0,0391 Summe
-14.994.991
-8%
-19.265.110
-10%
1.860.177
0,97%
-84.861.096
-44%
Wert bei Eigenfinanzierung
90.385.066
47%
Wert des Fremdkapitals
-8.205.128
-4%
-331.234
-0,17%
81.848.704
42%
Barwert des Restverkaufserlöses DKS = 0,0391 Barwert der Schiffsbetriebskosten DKS = 0,033
Barwert der Steuerzahlungen DKS = 0,0260 Wert des Eigenkapitals
Der Wert bei Eigenfinanzierung beträgt 90.385.066 US-$; bei einem unterstellten Wechselkurs von 1,40 US-$/€ 64.560.761. Der Wert des Eigenkapitals ist 81.848.704 US-$. Der Barwert des Restverkaufserlöses ist aufgrund des Übergangs von Periodenabhängigkeit zur Periodenunabhängigkeit höher als bei Variante I. Diese Einschätzung teilt der Markt nicht. Der ermittelte Wert liegt deutlich über den empirischen Preisen für gebrauchte Schiffe, wie in Tab. 24-8 dargestellt von 49 Mio. €. Als Grund wäre denkbar, dass die Käufer ganzer Schiffe – und nicht Beteiligungen – aufgrund ihres Bewertungshintergrundes eine andere Risikoeinschätzung haben. Schließlich ist der Wert eine subjektive Größe. Aus der Sicht unterschiedlicher Investoren kann sich der Wert eines Projektes auch bei rationaler Betrachtung unterschiedlich darstellen68. Die vorliegende Bewertung unterstellt einen Investor, der das Investitionsobjekt „Containerschiff“ vor dem Hintergrund seines hoch diversifizierten Aktienportefeuilles beurteilt. Die Käufer ganzer Secondhandschiffe haben vermutlich einen anderen Bewertungshintergrund. Sie betrachten die Einzahlungen des Containerschiffes vor leerem Hintergrund bzw. vor dem Hintergrund bereits erworbener Containerschiffe. Die Risikoeinschätzung und der damit verbundene Wert werden 68
Vgl. Drukarczyk, J. (2003), S. 132.
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24 Bewertung von Beteiligungen an Containerschiffen sich für solche Käufer anders darstellen als für die Investoren im Beispiel. Die in Kapitel 24.2 dargestellte hohe Volatilität der Charterraten trifft sie in vollem Umfang, während sie bei den Investoren im Beispiel risikostreuend wirkt.
24.6 Zusammenfassung der Ergebnisse Die Bewertung von Beteiligungen an Containerschiffen ist besonders vor dem Hintergrund eines wachsenden Interesses am Zweitmarkt für Beteiligungen an geschlossenen (Schiffs)Fonds interessant. Die DCF-Methoden sind auch auf die Bewertung von Containerschiffen anwendbar. Der APVAnsatz ist dem Equity- Ansatz aus überlegen, da er in der Lage ist, unter der gegebenen autonomen Finanzierungspolitik ein eigenständiges Bewertungsergebnis abzuleiten. Ein Steuervorteil aus der Fremdfinanzierung besteht aufgrund der Besonderheiten der Tonnagesteuer nicht. Sie erlaubt keinen Abzug von Zinszahlungen von der steuerlichen Bemessungsgrundlage. Die für die Überschüsse der Einschiffsgesellschaft resultierende Steuerbelastung ist zustandsunabhängig und sehr gering. Daraus folgt jedoch nicht, dass die Bewertung ohne die Berücksichtigung von Steuern auskommen kann, da die Alternativrendite in der Regel der Besteuerung unterliegt. Es wurde gezeigt, wie sich die Bewertungssituation im APV- Ansatz modellieren lässt. Dabei wurde eine sehr puristische Version gewählt, die die Wertbeiträge der einzelnen Einflussfaktoren deutlich macht. Der größte Problembereich ist die Bestimmung von risikoäquivalenten Diskontierungssätzen. Durch eine Ausweitung der Grundidee des CAPM auf Schiffsbeteiligungen als Teil des Portefeuilles der zu betrachtenden Investoren lässt sich die Unsicherheit im Bewertungskalkül jedoch einfangen. Die ermittelten Risikoprämien sind erstaunlich niedrig – die errechneten Werte liegen um 4 % – befinden sich jedoch in der Region der langfristig mit Schiffsbeteiligungen erzielten Renditen. Somit bleibt weiter festzuhalten, dass sich die Anlage in Schiffsbeteiligungen zur Risikostreuung im Rahmen einer rationalen Portfeuillebildung eignet. Ein Vergleich der Bewertungsergebnisse mit empirischen Verkaufspreisen für gebrauchte Schiffe ergibt deutliche Unterschiede: Die errechneten Werte liegen deutlich über den empirischen Preisen. Der Grund dafür liegt in der unterschiedlichen Risikoeinschätzung der Investoren, die ganze Containerschiffe erwerben und derer, die lediglich Beteiligungen daran als Teil ihres hochdiversifizierten Portefeuilles halten.
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 629
629
630
Michael Ketterl
Anhang 1: Entziehbare Überschüsse der „NV Portugal Senator“ Variante I Die folgende Tabelle gibt die entziehbaren Überschüsse der „NV Portugal Senator“ für die Variante I der Beispielbewertung an. Tab. 24-14: Entziehbare Überschüsse der „NV Portugal Senator“ – Variante I t Jahr
1 200 9
2 2 010
3 20 11
4 2 012
5 20 13
11.060.000 -3.598.900 -1.106.000 -22.913
11.060.000 -3.706.867 -1.106.000 -22.913
11.060.000 -3.818.073 -1.106.000 -22.913
11.060.000 -3.932.615 -1.106.000 -22.913
11.237.917 -4.050.594 -1.123.792 -22.913
=entziehbarer Überschuss
6.332.187
6.224.220
6.113.014
5.998.472
6.040.618
t Jahr
6 2014
7 2 0 15
8 20 16
9 20 1 7
10 2 01 8
Charterrate/ Verkaufserlös - Schiffsbetriebskosten - Kosten der Einschiffsgesellschaft - Steuer
11.237.917 -4.172.111 -1.123.792 -22.913
11.237.917 -4.297.275 -1.123.792 -22.913
11.237.917 -4.555.111 -1.123.792 -22.913
11.237.917 -4.828.418 -1.123.792 -22.913
11.237.917 -5.118.123 -1.123.792 -22.913
=entziehbarer Überschuss
5.919.101
5.793.937
5.536.101
5.262.794
4.973.089
t Jahr
11 2019
12 2 0 20
13 20 21
14 20 2 2
Charterrate/ Verkaufserlös - Schiffsbetriebskosten - Kosten der Einschiffsgesellschaft - Steuer
15 2 02 3
11.237.917 -5.425.210 -1.123.792 -22.913
11.237.917 -5.750.723 -1.123.792 -22.913
11.237.917 -6.095.766 -1.123.792 -22.913
11.237.917 -6.461.512 -1.123.792 -22.913
11.237.917 -6.849.203 -1.123.792 -22.913
=entziehbarer Überschuss
4.666.002
4.340.489
3.995.446
3.629.700
3.242.009
t Jahr
16 2024
17 2 0 25
18 20 26
19 20 2 7
20 2 02 8
Charterrate/ Verkaufserlös - Schiffsbetriebskosten - Kosten der Einschiffsgesellschaft - Steuer
Charterrate/ Verkaufserlös - Schiffsbetriebskosten - Kosten der Einschiffsgesellschaft - Steuer =entziehbarer Überschuss
11.237.917 -7.260.155 -1.123.792 -22.913
11.237.917 -7.695.765 -1.123.792 -22.913
11.237.917 -8.157.511 -1.123.792 -22.913
11.237.917 -8.810.111 -1.123.792 -22.913
11.237.917 -9.514.920 -1.123.792 -22.913
2.831.057
2.395.447
1.933.701
1.281.101
576.292
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24 Bewertung von Beteiligungen an Containerschiffen
Anhang 2: Entziehbare Überschüsse der „NV Portugal Senator“ Variante II Die folgende Tabelle gibt die entziehbaren Überschüsse der „NV Portugal Senator“ für die Variante II der Beispielbewertung an. Tab. 24-15: Entziehbare Überschüsse der „NV Portugal Senator“ – Variante II t Jahr
1 2009
Charterrate/ Verkaufserlös - Schiffsbetriebskosten - Kosten der Einschiffsgesellschaft - Steuer
11.060.000 -3.598.900 -1.106.000 -22.913
11.060.000 -3.706.867 -1.106.000 -22.913
11.060.000 -3.818.073 -1.106.000 -22.913
11.060.000 -3.932.615 -1.106.000 -22.913
11.237.917 -4.050.594 -1.123.792 -22.913
6.332.187
6.224.220
6.113.014
5.998.472
6.040.618
7 20 1 5
8 2016
9 2017
10 2018
=entziehbarer Überschuss
t Jahr
6 2 01 4
2 201 0
3 20 11
4 2 012
5 2013
11.273.500 -4.172.111 -1.127.350 -22.913
11.273.500 -4.297.275 -1.127.350 -22.913
11.273.500 -4.555.111 -1.127.350 -22.913
11.273.500 -4.828.418 -1.127.350 -22.913
11.273.500 -5.118.123 -1.127.350 -22.913
=entziehbarer Überschuss
5.951.126
5.825.962
5.568.126
5.294.819
5.005.114
t Jahr
11 2 01 9
12 20 2 0
13 2021
Charterrate/ Verkaufserlös - Schiffsbetriebskosten - Kosten der Einschiffsgesellschaft - Steuer
14 2022
15 2023
11.572.033 -5.425.210 -1.157.203 -22.913
11.572.033 -5.750.723 -1.157.203 -22.913
11.572.033 -6.095.766 -1.157.203 -22.913
11.572.033 -6.461.512 -1.157.203 -22.913
11.572.033 -6.849.203 -1.157.203 -22.913
=entziehbarer Überschuss
4.966.706
4.641.193
4.296.150
3.930.404
3.542.713
t Jahr
16 2 02 4
17 20 2 5
18 2026
Charterrate/ Verkaufserlös - Schiffsbetriebskosten - Kosten der Einschiffsgesellschaft - Steuer
Charterrate/ Verkaufserlös - Schiffsbetriebskosten - Kosten der Einschiffsgesellschaft - Steuer =entziehbarer Überschuss
t Jahr
19 2027
20 2028
11.870.565 -7.260.155 -1.187.057 -22.913
11.870.565 -7.695.765 -1.187.057 -22.913
11.870.565 -8.157.511 -1.187.057 -22.913
11.870.565 -8.810.111 -1.187.057 -22.913
11.870.565 -9.514.920 -1.187.057 -22.913
3.400.440
2.964.831
2.503.085
1.850.484
1.145.675
21 202 9
Charterrate/ Verkaufserlös - Schiffsbetriebskosten - Kosten der Einschiffsgesellschaft - Steuer =entziehbarer Überschuss
12.169.098 -10.276.114 -1.216.910 -22.913 653.161
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Michael Ketterl
24.7 Literatur Ballwieser, Wolfgang (2002): Der Kalkulationszinsfuß in der Unternehmensbewertung – Komponenten und Ermittlungsprobleme, in WPg, 55. Jg. (2002), Nr. 14, S. 736–743. Brealey, Richard A./Myers, Stewart C. (2003): Capital Investment and Valuation, New York 2003. Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.)(2002): BMF-Schreiben vom 12.6.2002: Gewinnermittlung bei Handelsschiffen im internationalen Verkehr, sog. Tonnagesteuer § 5a EStG, http://www. bundesfinanzministerium.de/lang_de/DE/Aktuelles/BMF_Schreiben/Veroffentlichungen_zu_ Steuerarten/einkommensteuer/040,templateId =raw,property=publicationFile.pdf, abgerufen am 12.5.2005. De Levie (Hrsg.) (2005): Emissionsprospekt „Vier plus Vier Jahre“, http://www.delevie.de/schiffsbeteiligungen/alcas/prospekt-vier-vier.pdf, abgerufen am 22.6.2005. Djanani, Christiana/Brähler, Georg (2004): Umwandlungssteuerrecht, 1. Auflage, Wiesbaden 2004. Drukarczyk, Jochen (2003): Unternehmensbewertung, 4. Auflage, München 2003. Drukarczyk, Jochen (1993):, Theorie und Politik der Finanzierung, 2. Auflage, München 1993. Hanau, Arthur (1927): Die Prognose der Schweinepreise, in: Vierteljahreshefte zur Konjunkturforschung, Sonderheft 2 (1927), S. 5–41. IDW (Hrsg.)(2000): IDW Standard: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S1), in: WPg, 53. Jg. (2000), Nr. 17, S. 825–842. König & Cie (Hrsg.) (2005): Emissionsprospekt MS „Cape Melville“, http://www.cool-is.de/MWF_ PHP/files/HP%20Cape%20Melville.pdf, abgerufen am 27.4.2005. Modigliani, F./Miller, M.H. (1958): The Cost of Capital, Corporation Finance and the Theory of Investment, in American Economic Review, Bd. 48, S. 261–297. Molitor, Andreas (2005): Verschrotten? Es fährt doch noch!, in Brand eins, 6.Jg. (2005), Nr. 3, S. 117– 119. Nordcapital (Hrsg.) (2004): Emissionsprosekt MS “E.R. TIANSHAN” http://www.nordcapital.com/ main/nca/de/daten/093_E.R._Tianshan_Prospekt_BE_Formul_Fernabsatz_ext.pdf, abgerufen am 18.4.05. Salomon & Partner (Hrsg.) (2005): Zweitmarkt, http://www.maritim-invest.de/beteiligungsankauf/ zweitmarkt, abgerufen am 3.5.2005. Stehle, Richard (2004): Die Festlegung der Risikoprämie von Aktien im Rahmen der Schätzung des Wertes von börsennotierten Kapitalgesellschaften, in: WPg, 57. Jg (2004), Nr. 17, S. 906–927. Tinbergen, Jan (1931): Ein Schiffbauzyklus?, in: Weltwirtschaftliches Archiv, Bd. 34 (1931 II), S. 152– 164. Uttich, Stefan (2004): Bewegung im Zweitmarkt für Schifffonds, in FAZ v. 21.10.2004, Nr. 246/43, Frankfurt 2004. Volk, Berthold (2001): Der Containerverkehr – eine Erfolgsstory, Elsfleth 2001 http://www.nordcapital. com/main/nca/de/daten/marktstudien_VolkErfo.pdf abgerufen am 18.4.05. Zimmermann, Gebhard (2000): Investitionsrechnung, Fallorientierte Einführung, 1. Auflage, München 2000. Zachcial, Manfred (2001): Ratenentwicklung in der Weltschifffahrt, in Hansa Maritime Journal 5/2001, Bremen 2001, http://www.hansa-online.de/print.asp?artikelID=84 abgerufen am 2.5.2005.
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 632
Die Herausgeber Prof. Dr. Dr. h.c. Jochen Drukarczyk machte nach dem Abitur eine
kaufmännische Lehre bei Farbwerke Hoechst AG. Nach einem sechsmonatigen Praktikum in einem kunststoffverarbeitenden Unternehmen bei Paris folgte das Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt/Main. 1966 wurde er Assistent am Seminar für Treuhandwesen bei Adolf Moxter. 1969 promovierte er zum Dr. rer. pol., 1973 folgte die Habilitation. 1974 erhielt Jochen Drukarczyk Rufe an die Fernuniversität Hagen und an die Universität Regensburg auf den Lehrstuhl für Finanzierung. Trotz mehrerer ehrenvoller Rufe an die Universitäten Trier, Augsburg und Linz hat er Regensburg die Treue gehalten. Jochen Drukarczyk hat mehrere Gastprofessuren in England und Frankreich (Aston University; Université de Bordeaux; Ecole Supérieure de Caën; Ecole Supérieure de Nantes; INSEAD) wahrgenommen. 1999 hat die European Business School Jochen Drukarczyk durch die Verleihung des Ehrendoktors gewürdigt. Seine Arbietsgebiete sind Finanzierung, Unternehmensbewertung, Wertorientierte Steuerung, Institutionelle Regelungen auf Kapitalmärkten und Sanierung. Er ist Autor zahlreicher Lehrbücher und 110 wissenschaftlicher Beiträge. Prof. Dr. Dr. Dietmar Ernst ist Professor für International Finance an der
European School of Finance (ESF) der HfWU in Nürtingen und Direktor des Deutschen Instituts für Corporate Finance (DICF). Er ist Studiendekan und leitet den Masterstudiengang International Finance. Zuvor war er Investment-Manager bei einer Private Equity Gesellschaft und über mehrere Jahre Projektleiter im Bereich Mergers & Acquisitions. Dietmar Ernst hat an der Universität Tübingen Internationale Volkswirtschaftslehre studiert und sowohl in Wirtschaftswissenschaften als auch Naturwissenschaften promoviert. Er lehrt an namhaften internationalen Universitäten und Hochschulen. Seine Arbeitsgebiete sind Unternehmensbewertung, Corporate Finance und Investment Banking. Er ist Autor von Büchern und zahlreichen Veröffentlichungen.
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Die Autoren Dr. Helmuth Adam studierte nach Abitur und Brauerlehre an der TU München-Weihenstephan mit Abschluss 1966 Dipl.-Ing. für Brauwesen. Von 1966 bis 1976 war er als wissenschaftlicher Assistent und Oberingenieur am Institut für Wirtschaftslehre der Brauerei in Weihenstephan tätig, wo er auch 1970 zum Dr.-Ing. promovierte. Gleichzeitig war er freier Mitarbeiter bei der Landestreuhand Weihenstephan GmbH, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft-Steuerberatungsgesellschaft und dort in erster Linie mit der Bewertung von Brauereien und Erfrischungsgetränkebetrieben befasst. In diesen Zeitraum fällt auch eine Dozententätigkeit an der Lehr- und Versuchsanstalt für Brauerei in München-Gräfelfing für die Fachgebiete Wirtschaftslehre und Kostenrechnung sowie der Erwerb des Wirtschaftsdiploms (Betriebswirt VWA). 1973 wurde Dr. Adam von der Industrie- und Handelskammer München und Oberbayern zum öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von Brauereien, Mälzereien und Erfrischungsgetränkebetrieben bestellt und 1977 von der IHK Regensburg neu bestellt. Ab 1976 arbeitete er als Verwaltungsdirektor und Controller bei den Fürstlichen Brauereien Thurn und Taxis Regensburg, Schierling und Berchtesgaden, zu deren Geschäftsführer für Verwaltung und Technik er ab 1981 bestellt wurde. Nebenbei hatte er einen Lehrauftrag für das Fach Controlling an der FH-Regensburg inne. Von 1985 bis 1996 war er Alleinvorstand der Innstadt-Brauerei AG in Passau sowie im Rahmen eines Joint Ventures Vorstandsmitglied der Ilzer Brauerei AG Monor (Ungarn). 1997 und 1998 war er als Unternehmensberater und Sachverständiger u.a. mit der Erstellung von Bewertungsgutachten für Brauereien, Mineralbrunnen und Erfrischungsgetränken beschäftigt. Von 1998 bis 2002 arbeitete er bei der Gräflichen Brauerei Arco Valley GmbH und dem Gräflichen Mineralbrunnen GmbH Adldorf als Direktor für Marketing und Vertrieb und ist seit 2003 ausschließlich selbständig als Sachverständiger und Berater für die Getränkeindustrie tätig. Martin Beck studierte nach einer Ausbildung zum Industriekaufmann an
der Fachhochschule Würzburg Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Controlling und Rechnungswesen. Seit 2001 ist er Mitarbeiter bei der BDO Deutsche Warentreuhand AG, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, München. Sein Aufgabenschwerpunkt im Financial Advisory ServicesBereich sind Unternehmens- und Immobilienbewertungen. Im Rahmen seiner Tätigkeiten bei BDO hat er u.a. eine der größten europäischen Immobilienaktiengesellschaften bei der IFRS-Umstellung beraten. Zur Bilanzierung nach IFRS und Bewertung von Unternehmen sowie Immobilien sind von ihm zahlreiche Veröffentlichungen erschienen.
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 635
636 Dr. Sven Beyer studierte Wirtschaftsingenieurwesen mit technischer
Fachrichtung Elektrotechnik an der TU Darmstadt. Seine betriebswirtschaftlichen Schwerpunkte waren Controlling, Steuern und Finanzierung. Seit 1991 ist Herr Dr. Beyer Investmentanalyst (DVFA), promovierte 1996 zum Dr. rer. pol. im Bereich Finanzierung und ist derzeit Lehrbeauftragter an der Universität Augsburg. Nach Tätigkeiten im Corporate Finance von PricewaterhouseCoopers in Frankfurt leitete er diesen Bereich bei der Haarmann Hemmelrath-Gruppe und ist seit 2006 Partner im Bereich Corporate Finance der KPMG. Themenschwerpunkte sind transaktionsbezogene Unternehmensbewertungen, die Durchführung von Kaufpreisallokationen, die Beratung bei Impairment-Fragestellungen sowie die Erstellung von Business Plänen insbesondere auch im Energiesektor. Darüber hinaus ist ein weiterer Schwerpunkt von Herrn Dr. Beyer die Bewertung und das wertorientierte Management von immateriellen Werten. Er ist Mitglied des IDW-Arbeitskreises „Bewertung immaterielle Vermögenswerte“ und der GEFIU – Gesellschaft für Finanzwirtschaft in der Unternehmensführung. Dominik Eckstein studierte Technologie- und Managementorientierte Be-
triebswirtschaftslehre an der Technischen Universität München. Seit 2008 ist er bei KPMG AG WPG im Bereich Advisory Corporate Finance tätig und Mitglied des Valuation Teams. Seine Erfahrungen umfassen Unternehmensanalysen und -bewertungen, Purchase Accounting und Financial Modelling verschiedener Anlässe und Branchen. In diesem Zusammenhang war er mehrfach für Mandanten in der Logistikbranche tätig.
Prof. Dr. Vera-Carina Elter studierte von 1990 bis 1996 Wirtschaftswissenschaft an der Universität Essen. Ihre berufliche Laufbahn begann Frau Dr. Elter 1996 im Geschäftsbereich Audit bei der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, wo sie im Wesentlichen mit klassischen Prüfungstätigkeiten betraut war. Nach einem Jahr als Beraterin bei Dr. Wieselhuber & Partner, kehrte sie im Jahr 2000 zu KPMG zurück. Seit dem 1. Oktober 2008 ist sie Partnerin im Bereich Corporate Finance/Valuation. Dort verantwortet sie mit ihrem Team die Branchen Media & Publishing und Sport sowie als Standortleitung für den Valuation Standort Düsseldorf verantwortlich. Insbesondere Unternehmensbewertungen aller Art, die Bewertungen von immateriellen Vermögenswerten, die Purchase Price Allocations, Impairment-Tests sowie die Erstellung und Plausibilisierung von Business Plänen bilden dabei den Schwerpunkt ihrer Tätigkeiten. Frau Dr. Elter hat in der Vergangenheit eine Vielzahl von Sport- und Medienunternehmen im Rahmen von Kapitaltransaktionen beraten. 2003 hat sie ihre Promotion mit dem Themenschwerpunkt mediale Sportrechte abgeschlossen. Darüber hinaus hat Frau Elter seit dem 1. Oktober 2007 eine Professur für Sportmanagement/Fakultät für Wirtschaft an der SRH Hochschule in Heidelberg.
Vahlen ALLGEMEINE REIHE; Drukarczyk/Ernst; Branchenorientierte Unternehmensbewertung (3. Auflage); Hersteller: Frau Deuringer; Stand: 10.03.2010 Seite 636
637 Dr. Werner Gleißner ist Vorstand der FutureValue Group AG, Leinfelden-
Echterdingen und Leiter der Risikoforschung der Marsh GmbH, Frankfurt am Main. Er ist Diplom Wirtschaftsingenieur und hat an der Universität Karlsruhe in Volkswirtschaftslehre promoviert. Seine Forschungs- und Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Bereich Risikomanagement, Rating und Strategieentwicklung sowie der Weiterentwicklung von Methoden der Risikoaggregation und der wertorientierten Unternehmenssteuerung und im Kapitalanlage- und Portfoliomanagement. Im Bereich Rating hat Dr. Werner Gleißner viele Forschungs- und Entwicklungsprojekte betreut (u.a. die Entwicklung prognosefähiger Ratingsoftware, www.risiko-kompass.de), ist Autor von Rating-Literatur (u.a. „Leitfaden Rating“, „Rating Lexikon“, „Rating-Software“) und für die RatingAnalyst-Ausbildung der Universität Augsburg tätig. Darüber hinaus vermittelt er sein Wissen im Rahmen von Lehraufträgen an der TU Dresden, der Universitäten Stuttgart und Hohenheim sowie an der European Business School. Dr. Werner Gleißner ist Autor zahlreicher Fachbücher und Artikel. Zudem ist er Vorstand des Bundesverbandes der Ratinganalysten und Ratingadvisor e.V. (BdRA) und im Beirat der Risk Management Association e.V. (RMA). Petra Glinski ist Geschäftsführerin und Redaktionsleiterin der Süddeut-
sche TV GmbH. Von 1987 bis 1988 betreute sie den Aufbau einer Produktionsgesellschaft in den USA. Im Anschluss daran studierte Petra Glinski Kommunikationswissenschaften, Jura und Psychologie an der LudwigMaximilians-Universität in München. Gleichzeitig arbeitete sie als freie Mitarbeiterin für das ZDF und diverse Hörfunksender. Nach Abschluss ihres Studiums verantwortete Petra Glinski den Aufbau einer Außenredaktion der in Köln ansässigen TV-Produktion R.1. Seit 1998 ist Petra Glinski für die Süddeutsche TV GmbH tätig. Die Gesellschaft konzipiert und produziert zahlreiche Formate für öffentlich-rechtliche und private TV-Sender. Zu den Auftraggebern gehören u.a. VOX, 3Sat, ZDF, MDR, Kabel1, DMAX, Super RTL und Deutsche Welle TV. Die erfolgreiche Eigenmarke „Süddeutsche Zeitung TV“ wird ebenfalls im eigenen Hause hergestellt und seit 1993 erfolgreich bei VOX ausgestrahlt. Einen zusätzlichen Sendeplatz besetzt „Süddeutsche Zeitung – Das TV Magazin“ bei n-tv. Präsentiert werden beide Formate von Petra Glinski. WP/StB Konrad Göller begann nach dem Abschluss seines wirtschaftswissenschaftlichen Studiums an der Universität Hohenheim 1995 seine Karriere bei KPMG München im Bereich Audit. Er hat aus der Betreuung weltweit tätiger Konzerne umfassende Kenntnis in der Prüfung von Einzel- und Konzernabschlüssen unter HGB, IFRS und US-GAAP. Herr Göller ist spezialisiert auf die Betreuung von Leasing- und Absatzfinanzierungsunternehmen. Er betreute mehrere IFRS Conversions für die Leasingbereiche großer Konzernen und hält Schulungen zur internationalen Rechnungslegung insbesondere im Bereich Leasing. Weiterhin war er an vielen Unternehmensbewertungen und Due Diligence-Prüfungen im Leasingbereich maßgeblich beteiligt. Seine Prüfungs- und Beratungsmandate umfassen bedeutende Leasingunternehmen, Anbieter strukturierter Finanzierung und Fonds sowie Immobilienunternehmen. Er ist Mitglied des
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638 Arbeitskreises Factoring und Leasing des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V., Düsseldorf. Seit 2006 leitet er das Segment Leasing und strukturierte Finanzierungen bei der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. WP/StB Alfred Graßl wurde 1985 als Steuerberater und 1987 als Wirtschaftsprüfer bestellt und verfügt über langjährige Erfahrungen im Prüfungs- und Rechnungswesen nationaler und internationaler Konzerne, insbesondere auch von Versicherungsunternehmen. Nach seiner Tätigkeit für ein Tochterunternehmen der KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft AG trat Herr Graßl 1993 als leitender Mitarbeiter in die BDO Deutsche Warentreuhand AG, Niederlassung München, ein und betreut unter anderem Unternehmen der deutschen und internationalen Versicherungswirtschaft. In der Vergangenheit hat er verschiedene größere Fusionen und Bewertungen im Rahmen von Beherrschungsverträgen und Squeeze Out Verfahren in der Versicherungswirtschaft als Wirtschaftsprüfer betreut. Zu seinen Aufgaben gehören die Durchführung von Unternehmensbewertungen, die Betreuung und Beratung bei Umstrukturierungen im Konzern und gleichgelagerte Problemlösungen im Financial Advisory Services Bereich, die Erstellung von Schiedsgutachten und die Beratung bei der Transformation auf IFRS. Dr. Joachim M. Greuel ist Mitgründer der Firma Bioscience Valuation BSV GmbH. Er unterstützt sowohl private als auch öffentliche Biotechnologiefirmen in Europa und in den USA in Bewertungsfragen. Dazu zählt sowohl die Bewertung von Firmen vor Finanzierungsrunden und die Kommunikation der Bewertungsergebnisse vor Investoren, als auch die Ausarbeitung von wertmaximierenden Term Sheets für Lizenzprojekte und die beratende Begleitung der Verhandlungen. Ferner unterstützt Dr. Greuel Firmen bei der Aquisition von Eigenkapital und berät Investment-Fonds. Nach seinem Studium leitete er eine Forschungsgruppe bei der Bayer AG. Vor der Gründung von Bioscience Valuation war er als Investmentmanager bei einem Schweizer Venture Capital Fond beschäftigt. Dr. Greuel studierte Biologie an der Universität Marburg und an der Cambridge University in England. Seine Dissertation verfasste er summa cum laude am Max-PlanckInstitut für Hirnforschung. Zusätzlich absolvierte Dr. Greuel einen MBAStudiengang and der Wharton School der University of Pennsylvania. Er ist Mitglied der American Finance Association und des Institute of Operations Research and Management Science in den USA. Dr. Kerstin M. Bode-Greuel ist Mitgründerin der Firma Bioscience Valu-
ation BSV GmbH. Mit ihrer über zehnjährigen Erfahrung als Consultant berät sie Pharma- und Biotechnologie-Unternehmen in den Bereichen Projekt- und Portfoliobewertung und im Risikomanagement. Sie ist Expertin für finanzielle Bewertung von Forschung und Entwicklung (F&E), für Analyse und Management von Entwicklungsrisiken, Optimierung von Entwicklungsprozessen sowie für wertmaximierende Portfoliooptimierung. Zudem unterstützt sie ihre Kunden bei der Implementierung effizienter Portfoliomanagementprozesse. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Bewertung von realen Optionen. Dr. Bode-Greuel hat über 20 Jahre F&E-Erfahrung in nahezu allen therapeutischen Fachgebieten. Vor Beginn
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639 ihrer Beratertätigkeit arbeitete sie bei der Bayer AG, u.a. als internationaler Projektmanager. Dr. Bode-Greuel studierte Medizin in Marburg, Nottingham und Cambridge (England) und promovierte im Fachgebiet Entwicklungsneurobiologie. Sie erhielt ihre Ausbildung in Corporate Finance an der Wharton School (University of Pennsylvania, USA). Dr. Bode-Greuel ist Mitglied des Decision Sciences Institute in Atlanta (USA) und publiziert in renommierten Fachzeitschriften. U.a. verfasste sie zwei Fachbücher für Scrip (PJB Publications). Dr. Markus Habbel hat an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt und an der Ruprecht Karls Universität Heidelberg Volkswirtschaftslehre studiert und anschließend an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Halle-Wittenberg promoviert. Nach seinem Studium war er als Analyst in der Investment Banking Division bei Morgan Stanley tätig. Seit 1998 ist er als Berater bei McKinsey & Company, Inc. im Bereich Banken und Versicherungen und seit 2004 ist er Partner. In 2007 übernahm er die Leitung der deutschen Corporate Finance Practice bei McKinsey & Company, Inc. Zu seinen Themenschwerpunkten gehören Strategieentwicklung und Corporate Finance. Er ist u.a. Mitautor des Buchs „Performance ist kein Schicksal“ (erschienen 2002). Dr. Günther Keller studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität
Erlangen-Nürnberg und politische Wissenschaften am Institut d’Études Politiques Strasbourg. Seit 1998 ist Herr Dr. Günther Keller bei der KPMG AG im Bereich Corporate Finance tätig. 2002 promovierte er zum Thema „Risikomanagement bei Unternehmensakquisitionen“. Schwerpunkt der Tätigkeit bei KPMG bilden die Durchführung von gutachtlichen und transaktionsbezogenen Bewertungen sowie die Durchführung bzw. Prüfung von Bewertungen im Rahmen von Purchase Price Allocations und Impairment Tests. Herr Dr. Keller spezialisierte sich auf den Energiesektor und arbeitete in der Vergangenheit für eine Vielzahl von Energieversorgungsunternehmen in allen relevanten Segmenten des Energiemarkts sowie im Zusammenhang mit Transaktionen im nationalen und internationalen Kontext. Michael Ketterl, Diplom-Kaufmann und Steuerberater, studierte Be-
triebswirtschaftslehre an der Universität Regensburg. Seit 2005 ist er Mitarbeiter einer großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in München. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der Prüfung von Einzel- und Konzernabschlüssen sowohl nach HGB als auch nach internationalen Normen. Besonders letztere erfordern regelmäßig die Lösung von Bewertungsproblemen, sei es in der Bewertung von Beteiligungen oder einzelnen Vermögenswerten. Er ist Co-Autor des Buches „Zweitmarkt für geschlossene Fonds“, das in Zusammenarbeit mit dem Hamburger Fondshaus Salomon& Partner entstand.
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640 Dr. Marcus O. Klosterberg, Diplom-Kaufmann, studierte Betriebswirt-
schaftslehre an den Universitäten in Duisburg und Tübingen, mit den Schwerpunkten Marketing und Wirtschaftsinformatik. An der Universität Hohenheim promovierte er in Wirtschaftsinformatik. Dr. Klosterberg blickt auf 20 Jahre Erfahrung in der IKT-Branche zurück. Er begann als selbständiger Systementwickler und Dozent an verschiedenen Akademien und Hochschulen. Erfahrungen im internationalen Geschäft und in leitenden Positionen sammelte er in der Forschung der Daimler AG sowie im Vertrieb der Brokat AG. Als Mitglied des Vorstands der Excelsis AG und später als Alleingeschäftsführer der International SOS Deutschland GmbH gelang es Dr. Klosterberg, die jungen Unternehmen zu profitablen und international aufgestellten Firmen zu entwickeln. Als geschäftsführender Gesellschafter der dccg Deutsche Consulting & Coaching GmbH in Stuttgart berät Dr. Klosterberg mit seinem Team IKT-Unternehmen bei der Formulierung und Umsetzung ihrer Wachstumsstrategien in den Bereichen Marketing & Vertrieb sowie M & A. Er ist Autor mehrerer fachbezogener Bücher und Co-Autor des Lexikons der Wirtschaftsinformatik. Dr. Jan Krause hat an den Universitäten Jena, Münster und Norwich
Rechtswissenschaften studiert. Nach seinem Referendariat hat er an der Universität Hamburg promoviert (Abschluss: Dr. jur.). Ab 2004 war er als Rechtsanwalt bei Shearman & Sterling, LLP in den Bereichen M+A und Gesellschaftsrecht tätig. Seit 2007 ist er Kernmitglied der Corporate Finance Practice von McKinsey & Company, Inc. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit als Projektleiter liegt in der Beratung bei Transaktionen und in Kapitalmarktfragen.
Sigrid Krolle hat Volkswirtschaftslehre in Bonn studiert und eine Ausbil-
dung als DVFA-Investmentanalyst abgeschlossen. Sie war über 10 Jahre als Senior Managerin bei PricewaterhouseCoopers in Frankfurt im Bereich Advisory tätig. Zuletzt verantwortete sie den Bereich Qualitätsmanagement bei innovativen Fragestellungen und war als Produktspezialist für den Bereich kapitalmarktorientierte Unternehmensbewertung tätig. Zuvor war sie für die Commerzbank AG, Frankfurt, als Finanzanalystin, bei der Treuhandanstalt als Gruppenleiterin im Bereich Vertragsverhandlungen und beim Prüfungsverband Deutscher Banken. Frau Krolle ist Mitglied verschiedener Arbeitskreise der DVFA-Methodenkommission und hat mehrere Beiträge zur Bewertung von Unternehmen und Realoptionen veröffentlicht. Frau Krolle hat sich aus gesundheitlichen Gründen aus der aktiven Projektarbeit zurück gezogen, steht jedoch fallweise für fachliche Unterstützung zur Verfügung.
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641 Susanne Kuhn studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Bay-
reuth. Seit 2007 ist sie Mitarbeiterin im Bereich Advisory Corporate Finance bei KPMG AG WPG in München. Als Mitglied des Valuation Teams umfassen ihre Erfahrungen im Bereich Corporate Finance insbesondere Bewertungen von Unternehmen und immateriellen Vermögenswerten, Purchase Price Allocations, Fairness Opinions sowie Financial Modelling. In diesem Zusammenhang war sie mehrfach für Mandanten in der Logistikbranche tätig.
Prof. Dr. rer. pol. Dr. Gerrit Leopoldsberger FRICS MAI promovierte nach dem Studium der Betriebwirtschaftslehre an den Universitäten von Paderborn, Lock Haven, USA und Puebla, Mexiko an der European Business School in Oestrich-Winkel mit dem Thema „Kontinuierliche Wertermittlung von Immobilien“. Nach Gründung der Grundstückssachverständigengesellschaft Dr. Leopoldsberger + Partner, Frankfurt am Main und Berlin ist er überwiegend mit der Bewertung von Renditeimmobilien und Immobilienportfolios befassst. Unter anderem ist der Vorsitzender des Sachverständigenausschuss der Schroder Property Kapitalanlagegesellschaft, Wiesbaden und Mitglied der Sachverständigenausschüsse der UBS Real Estate Kapitalanlagegesellschaft, München und der RREEF Spezial Invest GmbH, Frankfurt am Main. Darüber hinaus ist der Chartered Surveyor Inhaber der Stiftungsprofessur für Immobilienbewertung an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt, Geislingen und lehrt darüber hinaus an der European Business School, Oestrich-Winkel und der Technischen Universität Wien. Professor Dr. Leopoldsberger ist Vorsitzender der Valuation Faculty Boards der RICS Deutschland und Mitglied des Arbeitskreises Wertermittlung der Deutschen Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung. Als Mitglied von Expertenkommissionen bei Bundesbauministerium und bei der EU Kommission beriet er unter anderem zu Fragen der Neuordnung des Immobilienbewertungsrechts und der europaweiten Harmonisierung der offenen Immobilienfonds. Dr. Frank J. Matzen studierte im Anschluss an seine Banklehre Wirtschaftsinformatik an der Otto-Friedrich Universität Bamberg. Seit 1998 ist er im Bereich Corporate Finance/Transaction Advisory Services – zunächst bei Arthur Andersen und seit 2002 bei Ernst & Young – tätig. Heute betreut er als Assistant Director der Ernst & Young LLP in London Finanzinvestoren bei Fragestellungen im Zusammenhang mit Unternehmensakquisitionen und -desinvestitionen in allen Branchen, insbesondere aber dem Immobiliensektor. Seine Beratungsschwerpunkte umfassen Financial Due Diligence, Unternehmensbewertung, Unternehmensplanung und Financial Modeling. Ferner wurde Herr Dr. Matzen bei Prof. Dr. Karl-Werner Schulte mit dem Thema „Unternehmensbewertung von Wohnungsbauunternehmen“ promoviert und ist als Dozent an der EUROPEAN BUSINESS SCHOOL (ebs) Schloss Reichartshausen im Fachbereich Immobilienwirtschaft tätig.
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642 Heike Merk studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität Stuttgart-Hohenheim. Ihren Berufseinstieg fand sie als Controllerin bei der Clariant Deutschland GmbH in Leinfelden-Echterdingen, einer Tochtergesellschaft des Schweizer Clariant-Konzerns (Chemie). 1998 erfolgte der Wechsel zur ratiopharm Gruppe, Ulm, wo sie zunächst als verantwortliche Controllerin für das Deutschlandgeschäft tätig war. Im Jahr 2000 wurde sie Leiterin des internationalen Beteiligungs-Controllings (Tochtergesellschaften in 24 Ländern). Anfang 2005 übernahm sie zusätzlich die Verantwortung der Leitung der Abteilung Produktions- und Versandkoordination (Supply Chain Management). Seit Dezember 2007 ist sie Leiterin der Abteilung Finanzwirtschaft der Merckle-Unternehmensgruppe. Prof. Dr. rer. pol. Wolfgang Merk studierte Betriebswirtschaftslehre
mit dem Schwerpunkt Krankenhausmanagement an der Berufsakademie Stuttgart sowie Wirtschaftswissenschaften an der Universität StuttgartHohenheim. Nach Abschluss des Studiums war er zunächst betriebswirtschaftlicher Berater und Projektleiter bei einer Kassenärztlichen Vereinigung. Nebenberuflich promovierte Wolfgang Merk an der Universität der Bundeswehr München. Seit 1997 ist er freiberuflich tätig und von der IHK München öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Bewertung von Unternehmen und Praxen im Gesundheitswesen, Betriebsanalysen und Betriebsunterbrechungsschäden. Im Jahr 2001 wurde er zum Professor an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (damals Berufsakademie Stuttgart) berufen. Ferner ist er in diversen anderen Studiengängen als Lehrbeauftragter und als Aufsichtsrat für Unternehmen im Healthcare Sektor tätig. Dr. Michael Ollmann hat an den Universitäten Münster und Hamburg
studiert und an der Uni Hamburg mit dem Diplom-Kaufmann abgeschlossen; anschließend war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Ausländisches und Internationales Finanz- und Steuerwesen der Universität Hamburg tätig und hat dort promoviert (Abschluss: Dr. rer. pol.). Seit 1985 ist er als Berater bei McKinsey & Company, Inc. Er ist in ganz Europa vor allem in Banken und Versicherungen sowie in der Gesundheitswirtschaft tätig. In diesen Industrien hat er viele seiner Klienten auch bei M+ A Fragen unterstützt. Michael Ollmann gehört zu den europäischen Führungsgremien von Mc Kinsey für Finanzdienstleister sowie für Risk Management. Seit 1991 ist er Partner, und seit 1998 Director bei McKinsey & Company, Inc. Von 1991 bis 2000 hat er das Hamburger Büro von McKinsey geleitet. Matthias Pohl leitet die Aktivitäten der Landesbank Baden-Württemberg
(LBBW) im Bereich Fokusbranchen Automobil/Maschinenbau. Als Ansprechpartner kümmert er sich um branchenrelevante Fragestellungen hinsichtlich Marktentwicklung, technologischen Trends, Wettbewerbsumfeld, Kundenund Auftragsstrukturen, etc. Die Ergebnisse der Analysen fließen in Finanzierungsprojekte mit ein und sind Bestandteil von Kundengesprächen. Zuvor war er über mehrere Jahre im Bereich Mergers & Acquisitions und bei einer internationalen Unternehmensberatung tätig. Matthias Pohl hat ein Diplom im Bereich Elektrotechnik (BA) und Wirtschaftingenieurwesen (FH).
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643 Dr. Matthias Popp, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, studierte Be-
triebswirtschaftslehre an der Universität Erlangen-Nürnberg und promovierte berufsbegleitend über die Bewertung ertragsteuerlicher Verlustvorträge. Er war fünf Jahre in mittelgroßer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft tätig. Seit 1998 ist Dr. Matthias Popp Mitarbeiter bei Ebner Stolz. 1998 erfolgte die Bestellung zum Steuerberater, 2000 die Bestellung zum Wirtschaftsprüfer. Seit 2002 ist Dr. Popp Partner bei Ebner Stolz. Dr. Matthias Popp hat sich neben der praktischen Bewertungstätigkeit in zahlreichen Veröffentlichungen und Vorträgen mit dem Thema Unternehmensbewertung befasst. In den vergangenen Jahren war er intensiv mit aktien- und umwandlungsrechtliche Bewertungen sowie Angemessenheitsprüfungen befasst. Seit 2005 ist er Mitglied der Prüfungskommission für Wirtschaftsprüfer und wurde 2006 in den Fachausschuss für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft (FAUB) des IDW berufen. Er ist ferner Lehrbeauftragter der Universität Erlangen-Nürnberg am Lehrstuhl für Prüfungswesen. Sonia Rabussier ist von ihrer Ausbildung Dipl.-Kfm., D.E.S.S., CEFA.
Paris und Frankfurt kennzeichnen ihren Weg. Aufgewachsen in der SeineMetropole studierte sie dort nach ihrem Schulabschluss BWL und Germanistik. Nach dem Doppelstudium absolvierte sie das „Diplôme d´études supérieures spécialiseés“ im Bereich Banken-Finanzen-Versicherungen – unter anderem bei dem ehemaligen Wirtschaftsminister Prof. Dominique Strauss-Kahn und dem Präsident des Rückversicherungskonzerns SCOR, Denis Kessler. Danach zog es sie nach Frankfurt, wo sie ihre Karriere als Kreditanalystin bei der BNP Bank begann. Anschließend wechselte sie zu Independent Research, wo sie als Aktienanalystin unter anderem zahlreiche Börseneinführungen im Auftrag verschiedener Banken eng begleitete. Seit Juli 2000 ist sie bei Sal. Oppenheim im Bereich Telekommunikation und Medien als Aktienanalystin tätig. Michael Salcher, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, wurde 1970 in
München geboren. Von 1992 bis 1997 studierte er nach kaufmännischer Ausbildung Betriebswirtschaftslehre an der Universität Augsburg und war anschließend bei der Deutschen Bank AG (Corporate and Investment Banking) tätig. Im Januar 2000 wechselte er zu KPMG Corporate Finance. Er ist Mitglied des Valuation Teams und war in den Niederlassungen in München, Frankfurt und London tätig. Seine Tätigkeitsschwerpunkte umfassen Unternehmens- und Assetbewertungen insbesondere für Transaktionen und rechnungslegungsorientierte Anlässe. Er verantwortet zudem das Produkt „Fairness Opinions“ und leitet den Arbeitskreis „Fairness Opinions“ der IDW. Als Partner von KPMG ist er für Mandanten insb. im Energie- und Logistikbereich weltweit tätig. Als Spezialist für Unternehmensbewertungen, Purchase Accounting, Impairment Tests sowie Fairness Opinions hielt er zahlreiche Vorträge und veröffentlichte mehrere Fachpublikationen.
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644 Prof. Dr. Wolfgang Schäfers studierte Betriebswirtschaftslehre an der
Universität Mannheim und promovierte zum Dr. rer. pol. an der EUROPEAN BUSINESS SCHOOL bei Prof. Dr. Karl-Werner Schulte. Er arbeitete bis zum Jahr 2002 als Partner bei Arthur Andersen (heute Ernst & Young), wo er für den Bereich Real Estate Corporate Finance in Frankfurt verantwortlich war. In 2002 wurde er mit der Führung des Bereichs Real Estate Investment Banking beim Bankhaus Sal. Oppenheim betraut. Im Oktober 2004 erhielt Dr. Schäfers einen Ruf auf den Lehrstuhl für Immobilienmanagement am IREBS Institut für Immobilienwirtschaft der Universität Regensburg. Seit 2009 ist er zudem Mitglied des Vorstandes und CFO der IVH Immobilien AG. Er ist Autor und (Mit-)Herausgeber diverser Veröffentlichungen zu immobilienwirtschaftlichen Themen wie des Handbuchs „Corporate Real Estate Management“ (1998/2004), des Handbuchs „Immobilien-Banking“ (2002) oder des Handbuchs „Real Estate Investment Trusts“. Ferner ist Professor Schäfers Gründungsmitglied der Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung (gif), Mitglied der European Real Estate Society (ERES) und Mitglied im Editorial Board der „Zeitschrift für Immobilienökonomie“. WP/StB Dr. Erik Schlumberger studierte Betriebswirtschafslehre an der Universität Regensburg, an der Ecole Supérieure de Commerce Nantes (F) und an der Murray State University (USA). Er promovierte zum Dr. rer. pol. an der Universität Regensburg bei Prof. Dr. Dr. h. c. Jochen Drukarczyk. Seine berufliche Laufbahn begann Herr Dr. Erik Schlumberger 1997 im Corporate Finance Bereich der KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft AG, München. Dort bildeten, neben der klassischen Prüfungstätigkeit, insbesondere Unternehmensbewertungen, Due Diligence-Prüfungen, die Bewertung von immateriellen Vermögenswerten, die Durchführung und die Prüfung von Purchase Price Allocations sowie das Einrichten von Planungs- und Value Based Management-Systemen den Schwerpunkt seiner Tätigkeit. Im Jahr 2001 erfolgte die Bestellung zum Steuerberater sowie die Promotion. Im Jahr 2002 die Bestellung zum Wirtschaftsprüfer. Herr Dr. Erik Schlumberger ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Unternehmensbewertungen der IHK für München und Oberbayern und in dieser Eigenschaft u.a. als Gerichtssachverständiger tätig. Seit 1. Januar 2006 ist Herr Dr. Erik Schlumberger Partner bei Transaction & Advisory Partners in München und dort im Wesentlichen mit Beratungen im Corporate Finance-Bereich befasst. Matthias Schröder absolvierte nach seiner Ausbildung zum Bankkauf-
mann bei Schröder Gebrüder & Co. Privatbankiers, Hamburg, ein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität München. Es folgte die berufsbegeleitende Ausbildung zum Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. In den Jahren 1977 bis 2008 war Herr Schröder zunächst Mitarbeiter und später geschäftsführender Gesellschafter bei der PKF Industrie- und Verkehrstreuhand GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in München, eigenständiges und unabhängiges Mitglied des internationalen PKF-Netzwerks. Seit Anfang 2009 baut Herr Schröder ein Unternehmen zur Sammlung und Verarbeitung von Informationen rund um die Hotelimmobilie auf. Herr Schröder hat sich in diversen Vorträgen und Veröffentlichungen zum Thema Bewertung von Hotels und Hotelimmobilien geäußert und ist Autor des gleichlautenden Fachbuchs.
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645 Prof. Dr. Andreas Schüler ist Inhaber des Lehrstuhls für Finanzwirtschaft
und Finanzdienstleistungen an der Universität der Bundeswehr in München. Nach einer Ausbildung zum Bankkaufmann studierte er zunächst Betriebswirtschaftslehre an der Universität Regensburg und an der Murray State University, die er 1993 mit einem MBA-Titel verließ. Anschließend promovierte und habilitierte er an der Universität Regensburg bei Prof. Dr. Dr. h.c. Jochen Drukarczyk. Seine Dissertations- und Habilitationsschrift wurden mit Forschungspreisen ausgezeichnet. Seine Arbeitsgebiete sind Unternehmensbewertung, wertorientierte Unternehmenssteuerung, Leasing und betriebliche Altersversorgung. Zu all diesen Gebieten liegen Veröffentlichungen vor. Zusammen mit Jochen Drukarczyk ist er Autor der Bücher „Unternehmensbewertung“ und „Akquisitionen, Börsengänge & Restrukturierungen: Fallstudien zur Unternehmensbewertung“. Ulrike Schüler studierte Betriebswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximi-
lians-Universität in München. Sie war zehn Jahre im Development einer internationalen Hotelgesellschaft tätig und ist seit 2004 Geschäftsführerin und seit 2008 geschäftsführende Gesellschafterin der PKF hotelexperts GmbH, München. Ihr Tätigkeitsschwerpunkt liegt in der Beratung internationaler Mandanten bei der Entwicklung von Hotelimmobilien. Sie unterstützt Investoren bei der Suche und Auswahl von Hotelbetreibergesellschaften und beim Abschluss von Hotelverträgen. Weitere Aufgaben sind die Ausarbeitung von Wirtschaftlichkeitsanalysen für Hotel- und Tourismusprojekte, die Repositionierung von Hotels, die Bewertung von Hotelimmobilien und das Unternehmens-Controlling. Professor Dr. Karl-Werner Schulte schloss sein Studium der Betriebswirtschaftslehre als Diplom-Kaufmann im Jahre 1970 an der Universität Münster ab und promovierte 1974 zum Dr. rer. pol. Im Jahre 1986 wurde er von der European Business School (ebs) auf eine Professur für Investition und Finanzierung berufen. Im Jahre 1990 gründete er die ebs Immobilienakademie und war deren Wissenschaftlicher Leiter und Geschäftsführender Gesellschafter bis 2006. Im Jahre 1994 übernahm er den Stiftungslehrstuhl Immobilien-ökonomie, der durch Berufung weiterer Professoren zum ebs Department of Real Estate ausgebaut wurde. Im Herbst 2006 wechselten das Department of Real Estate und die Immobilienakademie an die IRE|BS International Real Estate Business School der Universität Regensburg; diese ist inzwischen eines der drei größten universitären Immobilienzentren weltweit. Hier hat Professor Dr. Schulte die ECE Stiftungsprofessur für Immobilienwirtschaft am IRE|BS Institut für Immobilienwirtschaft inne und ist wissenschaftlicher Leiter der IRE|BS Immobilienakademie. Professor Dr. Karl-Werner Schulte war Gründungspräsident der gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung, Präsident der ERES European Real Estate Society und der IRES International Real Estate Society. Derzeit ist er als IRES Director für die Fortentwicklung von Real Estate Education und Research in Afrika zuständig. Prof. Dr. Schulte wurde als Ehrenmitglied der RICS Royal Institution of Chartered Surveyors (HonRICS), der Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e.V. (gif) und der Ehemaligenvereinigung IMMOEBS gewählt.
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646 Für seine besonderen Verdienste wurde ihm 1999 der IRES Service Award, 2001 der ERES Achievement Award, 2005 der Award of Excellence des German Council of Shopping Centers e.V., 2008 der ULI Germany Leadership Award und 2009 der immobilienmanager Lifetime Award verliehen. Die renommierte amerikanische Immobilienvereinigung CRE Counselors of Real Estate nahm ihn als ersten Deutschen als Mitglied auf. Als Mitglied in zahlreichen Beiräten namhafter Immobilienunternehmen und (Mit-) Herausgeber immobilienökonomischer Bücher und Zeitschriften verbindet Professor Dr. Karl-Werner Schulte die praktische und theoretische Seite der Immobilienökonomie. Jan-Dirk Sommerkamp, hat Volkswirtschaftslehre in Bonn studiert und anschließend die Ausbildung zum DVFA-Investmentanalyst abgeschlossen. Er war mehr als 10 Jahre bei PricewaterhouseCoopers in Frankfurt tätig, zuletzt als Projektleiter im Bereich Transaktionsberatung. Tätigkeitsschwerpunkte bildeten neben der Analyse von Unternehmen im Rahmen von Due Diligence Prüfungen insbesondere die Bewertung von Unternehmen sowie kapitalmarktbezogene Beratungsthemen in verschiedenen Branchen. Zur Zeit lebt er in Peking, China, und ist als Gutachter und Berater für chinesische Unternehmen tätig, die sich insbesondere in Europa unternehmerisch engagieren wollen. Dr. Georg A. Teichmann studierte nach der Ausbildung zum Finanzwirt
Betriebswirtschaftslehre an der Universität Augsburg. Er war als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Dr. Dr. h.c. Franz W. Wagner, Universität Tübingen tätig. In seiner Promotion beschäftigte er sich mit steuerlichen Einflüssen auf grenzüberschreitende Finanzierungen. Seit dem Jahr 1999 ist er im Bereich Advisory bei PricewaterhouseCoopers tätig. Sein Beratungsschwerpunkt liegt auf dem Gebiet der transaktionsorientierten Unternehmensbewertung und Beratung. Spezialisiert hat er sich auf die Branchen Healthcare, Pharma, Biotechnologie und Chemie.
Bjoern Thielen ist im Bereich Corporate Finance der Landesbank BadenWürttemberg (LBBW) tätig. Sein Tätigkeitsschwerpunkt ist die Analyse und Bewertung wirtschaftlicher sowie rechtlicher Risiken von Leveragefinanzierungen. Zuvor arbeitete er im Beteiligungsgeschäft und im Investment Research der LBBW sowie bei einer M&A Gesellschaft. Er studierte Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt Unternehmensfinanzierung in Tübingen sowie in St.Andrews, Schottland, und ist CFA-Charterholder. Bjoern Thielen verfügt über langjährige praktische Erfahrung in den Bereichen Unternehmensanalyse und -bewertung sowie in der Unternehmensfinanzierung. Sein fachlicher Schwerpunkt liegt auf marktorientierten sowie kapitalwertbasierten Bewertungsverfahren und dem Aufbau integrierter Planungs- und Bewertungsmodelle.
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647 Dr. Karl Ulrich ist Geschäftsführer der Süddeutscher Verlag GmbH. Dort
verantwortet er u.a. die crossmediale Entwicklung und Vermarktung medialer Inhalte der Verlage und Marken des Süddeutschen Verlags. Er studierte Philosophie, Kommunikationswissenschaften und Betriebswirtschaft und promovierte anschließend zum Dr. oec. publ. In den vergangenen Jahren hat Karl Ulrich intensiv mit TV-Sendern, Entertainment-Produzenten, printgetriebenen Medienkonzernen und Verlagen und Electronic-Media-Gruppen sowie Dienstleistern rund um Druck und Direktmarketingleistungen gearbeitet. Dabei lag ein Schwerpunkt in der Unterstützung von Redaktionen in der Entwicklung neuer Produkte, Formate und Features und im Aufsetzen schlagkräftiger Organisationsformen, um die kreative und wirtschaftliche Entwicklung medialer Inhalte zu ermöglichen.
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Stichwortverzeichnis Symbole 3-Faktoren-Modell 214 A Abfindung 243 Abschreibung – außerplanmäßig 124 – planmäßig 124 Abwicklungsquote 154 Adjusted Funds From Operations (AFFO) 530 Adjusted Net Asset Value 537 Adjustierten Ertragssteuern 556 Aktiengesellschaft 143 all risks yield (ARY) 514 alternative Netzanbieter 278 Alternativ-zulässige Methode 517 Analysemodell Structure-ConductPerformance (SCP) 14 Andere Rückstellungen 147 Angebots- oder Entwicklungsrisiko 44 Anlageimmobilie 538 Anwendung der Erwerbsmethode 123 Anzahlungsaval 46 Apache Open Source Lizenz 260 Application Service Providing 262 Appraisal Value 144 APV-Ansatz 552, 607 Arbeitseinsatzäquivalenzprinzip 242 Art der Leistungsabrechnung 41 Arzneimittelbudget 316 Arzneimittelpreisverordnung 316 Arztpraxen 354 Asset Backed Securities 170 atmende Finanzierungsstrategie 608 Auftragsbuch 28 Auftragsrückstellungen 46 Auftrags- und Projektbuches 26 Aufwendungen für den Versicherungsbetrieb 157 Aufwendungen für den Versicherungsbetrieb brutto 148 Aufwendungen für Versicherungsfälle 157 Aufwendungen für Versicherungsfälle brutto 148 Ausschüttungsfähigkeit 540 Ausschüttungspolitik 269
Außendienst 326 Ausweisschema 581 Aut-idem-Regelung 315 Autonome Finanzierungspolitik Avalkredit 46 Avalverbindlichkeit 38
528
B Barwertfaktor 511 Barwertkalkül 49 Barwertmarge 179 Basel II 266 Basic Engineering 39 Basisjahr 50 Bauunternehmen 506 Beiträge 155 Beitragsüberträge 145 beizulegende Zeitwert (Fair Value) 507 Benchmark-Methode 517 Betafaktor 467, 550 Beta-Faktor 210 Beteiligung 202 Betriebskosten 510, 545 Bewertungsanlass 230, 388 Bewertungsansatz – einkommensbasiert 91 – marktbasiert 92 – vermögensbasiert 92 Bewertungsmethode 88 – relativ 116 Bewertungsmethoden 143 Bewertungsmodell 202 Bewertungstechnik 11 Bewertungsverfahren 49, 264 – Discounted-Cash-Flow-Verfahren 143 – Ertragswertverfahren 143 – kapitalwertorientiert 124 Bewertung von Hotels 577 Bewertung von Krankenhäusern 343 Bewertung von Marken- und Transferrechten 382 Bewirtschaftungskosten 510 Bezugsrisiko 45 Bilanzierung des Spielervermögen 384 Bilanzstruktureffekt 168 Blue Book 508 Bodenwertverzinsung 510
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Stichwortverzeichnis BOO(Build, Own, Operate)-Projekt 480 BOOT (Build, Own, Operate, Transfer)Projekten 480 Bosman-Urteil 383 BOT-Vertrag 40 Branche 10 Branchenanalysen 9, 12 Branchenperformance 16 Branchenstruktur 14 Branchenverhalten 15 Breitband-Bereich 281 Breitband-Internetanschluss 281 Brutto- bzw. Entity-Ansatz 542 Brutto-Version 53 Bruttowertschöpfung 503 BTO (Build, Transfer, Operate)Konstruktion 480 Buch- und Marktwert 387 Build-Operate-Transfer-Vertrag 40 Bundesärztekammermethode 363 Bundesnetzagentur (BNetzA) 278 Business Combinations 123 Businessplan 128 Business Software Alliance 260 C Capital Asset Pricing Model 265 Capital Asset Pricing Model (CAPM) 466, 549 Capital-Asset-Pricing-Modell 209 CAPM 210, 612 Carrying Amount 133 Cash-Cost-Diagramm 45 Cash-Cost-Kurve 53 Cash Flow 266, 268 Cash Generating Unit 133 Charterraten 602 Combined Ratio 153 Completed-Contract-Method 47 Contract Research Organizations (CROs) 312 Corporate Performance Analysis Tool (CPAT) 16 Cost-plus-Vertrag 41 Covenants 499 Credit Spread 468 Crossmediale Synergien 99 D DAXsector Software PerformanceIndex 265 Demographische Entwicklung 13 Detail Engineering 39
Dichtefunktion der Eigenkapitalrendite 223 Digital Rights Management 260 Direct Value Comparison Approach 513 Discounted Cashflow 542 Discounted-Cashflow-(DCF)-Methode 49 Discounted Cash Flows 124 Discounted Cash Flow Verfahren 268 Diskontinuität 42 Diskontinuität der Aufträge und der Zahlungseingänge 45 Dividend Discount Verfahren 269 Dow Jones 266 Dow Jones US Software Index 265 DRG-Einführung 338 DSL 281 E EBITDA 114 EBIT Multiples 120 Effektivverzinsung 178 Eigenkapital 46 – betriebswirtschaftlich erweitert 183 Eigenkapitalbedarf 211, 214 Eigenkapitalkosten 214, 549 Eigenkapitalquote 168 Eigenkapitalquoten 114 Eigenkapitalrendite 206 Einkommenssteuereffekte 609 Einkommensteuereffektes I 560 Einkommensteuereffektes II 560 Einproduktunternehmen 262 Einzelförderung 341 Embedded Value 144 Energieversorgungsunternehmen (EVU) 401 Engineering-Procurement-ConstructionVertrag 40 Entity-Ansatz 11, 542 Entity Value 118, 458 Entity Verfahren 269 Entity-Verfahren 286 Entwicklungskosten 261 EPC-Vertrag 40 EPRA 536 Equity-Ansatz 11, 606 Equity Value 118, 458 Equity Verfahren 269 Erbfall 244 Erfolgsfaktoren im Krankenhaus 342 Ergebnisgestaltung 52 Erlösplanung 343 Ermittlung eines objektiven Wertes 388 Ermittlung eines subjektiven Wertes 388 Erstversicherung 142
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Stichwortverzeichnis Ertragsteuer 547 Ertragswert 202, 511 Ertragswertmethode 371 Ertragswert-Methode 49 Ertragswertverfahren 267, 509 – modifiziert 236 Erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung 547 EuroStoxx 266 ewigen Rente 268 Ewige Rente 50 Expand your Brand 111 Expand your Business 111 exponentielle Ertragspotenzial 259 F Fahrzeugsegment 24 Fair Value 130 Fair Value less Cost to Sell 134 F&E-Ausgaben von Originatoren 323 F&E-Prozess 322 Fertigungsgarantie, Aval 46 Fertigungsrisiken 45 Festbetrag 316 Festnetzbereich 279 Festnetz- und Mobilfunkumsatz 277 Feuer- und Sachversicherung 141 Financial Due Diligence 543 Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) 167 Finanzergebnis 176 Finanzierung 113 Finanzierungs-Leasing 168 Finanzierungs-Leasingverhältnisse 174 Finanz- und Kreditmarktkrise 468 Finanz- und Risikoanalyse 480 Finanzverbindlichkeit 539 finanzwirtschaftliche Werttreiber 461 First-of-its-kind-Anlagen 39 Flow To Equity 269 Forderungen aus dem selbstabgeschlossenen Versicherungsgeschäft 145 forfaitierte Leasingvertrag 182 Forfaitierungsquote 179 Formatbibliothek 95 Formate und Formatentwicklung 99 forschende pharmazeutische Industrie 311 Free Cash Flow 269 Fremdbesitzverbot 314 Fremdkapital 458 Fremdkapitalfinanzierung 167 Fremdkapitalkosten 214, 551 Fuhrparkmanagement 172 Funds From Operations (FFO) 530 Funktionskosten 329
G Gebäudeversicherung 142 Gebrauchsüberlassung 172 Generika 312 Generikaunternehmen 327 Geringe Transparenz der Hotelmärkte 579 Gesamtleistung 48 Geschäftsjahresschadenquote 153 Geschäftsmodell 201 Geschäfts- oder Firmenwert Goodwill 133 Geschäftswert 124 Gesundheitssektor 335 Gewerbeimmobilien 545, 546, 547 GKV-Gesundheitsreformgesetz 338 Gläubigeranspruch 498 Globales Sourcing 261 GNU Open Source Lizenz 260 Goodwills 124 Gordon-Wachstumsmodell 216 Gross Marge 329 Growth Implicit Models 514 Grundmietzeit 178 Grundstücksreinertrag 510 GSO Index von Goldman Sachs 265 H Haftpflichtversicherung 141 halfway-technologies 318 Haltedauer 207 Hausratversicherung 142 HGB 259 Hotelabteilungen 581 Hotelgesellschaften 574, 594 Hotelimmobilien 571 I IDW 466 IDW RS HFA 16.19 131 IFRS 531 IFRS 3 124 immaterieller Entwicklungsleistung 259 immaterieller Vermögensgegenstand 268, 385 immaterielle Vermögenswerte 267 Immobilienbewertung 506 Immobilienbranche 503 Immobiliendienstleister 506 Immobilienfinanzierer 506 Immobilien-Investoren 505 Immobiliennutzer 506 Immobilien-Projektentwickler 505 Immobilienwertverordnung 507 Impairment Test nach IAS 36 132
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Stichwortverzeichnis impliziter Multiplikatoren 563 Income Approach 513 Indexierte Basis-Teilwert-Methode 367 Indikatoren – interne und externe 134 Individualversicherung 141 Infrastrukturprojekt 479 Innovation 12, 263 Innovationshöhe 260 Innovationsrate 258 Insider-Informationen 211 Insolvenz 202, 205 Insolvenzwahrscheinlichkeit 214 Instandhaltungskosten 510 Instandhaltungs- und Modernisierungskosten 546 Instandsetzungs- und Renovierungsrückstände 585 integrierte Unternehmensplanung 543 Intellectual Property 87, 94 Investitionskosten 341 Investitionsstaus 341 K Kabelmodem 281 Kalkulationsrisiko 44 Kapitalanlage 145 Kapitalanlageergebnis 148, 157 Kapitalbeteiligungsgesellschaft 199, 216 Kapitalbindung 168 Kapitalintensität 451 Kapitalisierungszinssatz 458 Kapitalkosten 466, 549 Kapitalkostensatz 213 Kapitalmarktinformation 221 Kapitalstruktur 468 Kappungsgrenze 340 Kaufpreisallokation 124 Key-Account Management 326 klassische Telefonanschlüsse (PSTN/ISDN) 279 Komplexe Werteinflussfaktoren 577 Kompositversicherung 141 Konventionalstrafen 45 Konvergenz 258 Konvergenzphase 339 Konzeption 39 Konzernbürgschaft 38 Konzernbürgschaften 46 Konzernfinanzierung 54 Kopierschutz 261 Körperschaft und Anstalt des öffentlichen Rechts 143
Kostenmodell 517 Kostensatz 153 Kostenteilung 155 Kraftfahrzeugversicherung 141 Kraftwerk 431 Krankenhausfinanzierung 338 krankenhausindividuellen Basisfallwert 339 Krankenhausmarkt 337 Krankenhaussektor 336 Krankenversicherung 141 Kritik 210 Kundenbeziehung 471 Kunden/Modell-Mix 28 Kundenzufriedenheit 463 Kurs Gewinn Verhältnis 271 L landesweite Basisfallwerte 339 latenten Steuern 540 Leasing 165, 262 Leasing-Branche 165 Leasingergebnis 174 Leasingforderung 178 Leasing-Quote 166 Leasingrate 179 Lebensversicherungsunternehmen 141 Lebenszyklen 234 Lebenszyklus 272 Letter of Comfort 47 Liberalisierung der Telekombranche 277 Liquidationswert 181 Liquidationswertverfahren 144, 267 Liquide Mittel 49 Liquiditätssituation 45 Lizenzierungspolitik 270 Lizenzierungsverfahren 389 Lizenzschlüsselsystem 261 Lizenzverkauf 262 Logistik 448 Logistikdienstleister 448 Lokalisierung 261 LSTK-Vertrag 40 Lump-Sum-Turn-Key-Vertrag 40 M Managementvertrag 576 Markenbewertung 392 Markennamen 127 Marketmultiple 270 Market Value 507 Marktbewertung 116 Marktdaten 519 Marktkapitalisierung 132
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Stichwortverzeichnis marktorientierten Bewertung 472 Marktrisiko 42 Marktrisikoprämie 266, 467, 613 Marktumfeld 12 Marktwert 507 Marktwerten für Spielervermögen 382 Marktwertmodell 517 Maßgeblichkeit des Wertschöpfungspotenzials 578 Mediale Rechte 382 Medienbranche 91, 107 Medienkonvergenz 108 Medienlandschaft 88 Medienunternehmen 93, 105 medizinischen Versorgung 353 Medizinische Versorgungszentren 357 Medizinische Versorgungszentren (MVZ) 354 Mietausfallwagnis 510 Mietertrag 544 Mietsonderzahlung 178 Mietverlängerungsoptionen 178 Mindestmengen 340 Mittelwertverfahren 267 Mobilfunkbereich 283 Moore’schen Gesetzes 258 Morbiditätsentwicklung 317 Mortalitätskurve 317 Motivation 264 Multiplikator 116, 290 Multiplikatoren 472 Multiplikatormethode 49, 116 Multiplikatorverfahren 116, 144, 269 MVZ 344 N Nachahmerpräparaten 312 Nachvermarktungserlöse 183 NASDAQ 266 Negativlist 317 Net Asset Value 535 Nettoanlagevermögen 503 Netto-Fremdkapital 52 Nettoverfahren 458 Netto-Version 52 Netzanbieter – virtuell 278 Netzentgeltkalkulation 422 Netznutzungsentgelt 424 Netzwerkintegratoren 454 Neugeschäftsvolumen 179 Neuvertragsvolumen 187
Nicht betriebsnotwendiges Vermögen – Nicht betriebsnotwendiges 159 nicht normierten Verfahren 513 nicht proportionale Verträge 142 Nicht versicherungstechnisches Ergebnis Non-Property Companies 506
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154
O Objektfinanzierung 527 objektivierbaren Bewertungsverfahren 383 objektivierbares Bewertungsverfahren 389 Off-balance-Wirkung 168 Open Source 270 Open Source Software 260 Operating Leasing 171 Operating-Leasingverhältnisse 174 Operatives Risiko 42, 44 optimale Nutzungsdauer 623 OTC-Produkt 315 over-rented properties 514 P Pachtszenarien 583 Pachtvertrag 576 Parallelimport 317 Patentsituation 259 Patronatserklärung 46 Peer Group 151, 467 Percentage of completion-Method 538 Percentage of Completion-Methode 47 Performance and financial assurances 46 Personalkosten 261 Personengesellschaften 599 Pharmaindustrie 328 Planungsmodell 548 Plausibilisierung von Businessplänen 128 polyzentrische Struktur 504 Pönale 45 Portfoliorendite 206 Portfoliotheorie 612 Praktikerverfahren 267 Präparate – apothekenpflichtige 314 – freiverkäufliche 314 Praxisabgabe bzw. -übernahme 361 Praxiswert 235 Preis 388 Preis/Mengengerüst 28 Preisrisiken 45 Preistrend 116 Price Earnings Growth Ratio 271 Private Equity 199 Private Equity Investitionen 263
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Stichwortverzeichnis Procurement 39 Produkthaftung 324 Produktlebenszyklus bei Originatoren 324 Produktportfolio 328 Professional Service 262 Prognoserechnung 154 Programmvermögen 122 Projektbuch 29 Projektfinanzierung 41, 479 Projektgesellschaft 480 Projekthistorie 49 Projektkalkulation 48 Projektportfolios 479 Projekt- und Auftragsbestand 48 proportionale Verträge 142 Public Private Partnerships (PPP) 480 Purchase Price Allocation 469 Q Quotenverträge
142
R Rabattvertrag 317 rack-rented properties 514 Rating 266 Realoptionsverfahren 11, 271 Rechnung – nichtversicherungstechnischen 147 – versicherungstechnischen 147 Rechnungsabgrenzungsposten 178 Recht auf Transferentschädigung 383 Recoverable Amount 133 Red Book 508 Refinanzierung 170, 181 Regulierung 13 Reinvestitionsrate 426 Reinvestitionszyklus 585 REITs 530 Relativgewicht 339 Renditeprognose 222 Renditeprognosemodell 204 Rendite-Risiko-Profils 201 Restbuchwert 179 Restwert 178, 179 Restwertrisiken 171 Risiken – systematische und nicht diversifizierte unsystematische 211 Risikodeckungsansatz 211 Risikoergebnis 175 Risikofaktor 203 Risikokosten 182 Risikomaß 209
Risikoprämie 214 Risikoprämien 614 Risikostruktur 263 Risikotragfähigkeit 213 Risikozuschlag 151 Rote Liste 314 Rückversicherung 142 – fakultative 142 – obligatorische 142 Rückversicherungsergebnis 148, 157 Rückversicherungsunternehmen 142 S Sachwertverfahren 512 Sachzeitwert 411 Sachzeitwertverfahren 429 Sale-and-leaseback 169 Sales Multiple 119 Schadenexzedentenverträge 142 Schadenrückstellung 146 Schaden-/Unfallversicherungen 141 Schiffbauzyklus 618 Schiffsbetriebskosten 604 Schuldenmultiplikator 114 Schwankungsrückstellung und ähnliche Rückstellungen 146 Schweinezyklus 618 Scoringmodell 391 Scoringpunkt 391 Seed Finanzierung 271 Sensitivitätsanalysen 493 Serviceergebnis 175 Sicherheitsäquivalent 613 Simulationsverfahren (Monte-CarloSimulation) 211 Single-Source-Beziehung 25 Software-Entwicklung 258 Softwaremarkt 256 Softwarepiraterie 260, 270 Software-Unternehmen 255 Solvabilität 148 Sonderentwicklungen 42 Sonstige Aktiva 145 Sonstige Passiva 147 Sonstige versicherungstechnische Rückstellungen 146 Sozialversicherung 141 Spedition 452 Spezialsoftwaresystem 471 Spezialversicherungen 142 Spielerlaubnis 385 Spin-Off 263 Spread 179
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Stichwortverzeichnis Stark eingeschränkte Dritt-/Nachverwendungsmöglichkeit 578 Steuervorteil aus der Fremdfinanzierung 609 Strategie 110 Strategievariante 208 Stromnetze 419 Substanzwert 180, 235 Substanzwertrechnung 180 Substanzwertverfahren 266 Summenexzedentenverträge 142 Sum-of-the-Parts-Bewertung 289 Support 262 Synergieeffekte 264 Systemdienstleister 453 T Talentprämie 391 Tax Shield 542 TecDAX 266 Technisches Risiko 45 Technizität 259 Technology Packaging 39 Teilmarkt – räumlich 504 – sachlich 504 Telekommunikationsdienst 275 Telekommunikationsdienstmarkt 276 Telekommunikationsgesetz (TKG) 278 Telekommunikationsunternehmen 275 Term and Reversion Model 514 Terminal Value 268 Time to Market 259 Tonnagesteuer 600 Top Slicing Model 514, 515 Tourismus 571 Trading Multiples 118 Trading Multiplikatoren 472 Trading Properties 538 Transaction Multiples 118 Transaction Multiplikatoren 472 Transaktion 116 Transferrechte 382 Transportdienstleister 452 Triple NAV 537 Triple Net Asset Value 539 Triple-Play 281 U überschussorientierte Bewertungsverfahren 458 Übriges Ergebnis 148
Übriges versicherungstechnisches Ergebnis 148 Umsatz 47 Umsatz-Multiplikator 119 Umsatzquelle 262 Umsatzsteuer 547 under-rented properties 514 Unfallversicherung 141 Uniform Standards of Professional Appraisal Practice (USPAP) 508 Unternehmensbewertung – kanzleidimensional 234, 235 Unternehmensbewertungsmodell 203 Unternehmensfinanzierung 113 Unternehmensmarke 471 Unternehmens-Peers 18 Unternehmensplanung 11 Unternehmensrating 114 Unternehmenszusammenschluss 122 Unternehmenszusammenschlüsse 469 Unternehmerlohn 242 unvollkommenen Kapitalmärkte 209 US-GAAP 530 V Value-at-Risk 212 Value in Use 134 Venture Capital 199 Veräußerungsgewinnbesteuerung 248 Verbindlichkeiten aus dem selbst abgeschlossenen Versicherungsgeschäft 147 Verbundunternehmen 405 Verfahren – barwertorientiert 131 – kostenorientiert 132 – marktpreisorientiert 131 – zahlungsstromorientiert 268 Verfügungsbeschränkung 244 Vergangenheitsanalyse 152 Vergleichsbewertungsverfahren 528 Vergleichsunternehmen 50 Vergleichsverfahren 269 Vergleichswertverfahren 508 Verkehrswert 507 Verlags-, Titel- und Belieferungsrecht 121 Verlustrückstellungen 46 Verlustvorträge 547 Vermarktung – weltweit 261 Vermarktungsergebnis 175 Vermietung 262 Vermögenswert – immaterieller 105
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Stichwortverzeichnis Verschuldungsgrad 114 Versicherungstechnische Rückstellung 145 Versicherungsunternehmen 139 – Aktiengesellschaft 143 – Körperschaft und Anstalt des öffentlichen Rechts 143 – Rechtsformen 142 – Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit 143 Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG) 143 Versicherungswirtschaft 141 Verteilung des Kaufpreises 124 Vervielfältiger 511 Verwaltungskosten 510 Verwässerungseffekt 248 Verwertungsspektrum 99 Voice over IP (VoIP) 279 Volatilität 266 Vollausschüttungshypothese 269 Vollreproduktionswert 266 Vorteilhaftigkeitsprüfung 493 W WACC 209, 466 WACC-Ansatz 608 WACCmod 213 Wachstumsabschlag 151 Wachstumstreiber 109 Wagniskapital 263 Wanderzirkus-Effekt 43 Webster-Urteil 384 Weighted Average Cost of Capital 266 Weltpharmamarkt 310 weltweiten Kostenwettbewerb 261 Weltwirtschaftskrise 44
Wert 388 Wertbandbreite 58 Wertbeitrag 54 Wert der Fremdfinanzierung 561 Wert des gewerbesteuerlichen Zinsfreibetrages 557 Wertes bei vollständiger Eigenkapitalfinanzierung 554 Werthaltigkeitstest Impairment Test 133 Wertorientierte Finanzierungspolitik 528 wertorientierten Unternehmenssteuerung 389 Wertschöpfungskette 106 Werttreiber 114, 202, 207 Wettbewerbsstruktur 264 Wettbewerbsverbot 471 Wiederbeschaffungskosten 429 Wirtschaftlichkeitsprüfung 316 Wohnimmobilien 544, 545, 547 Z Zahlungsverflechtungen 49 Zahnarztpraxen 356 Zielkapitalstruktur 266 Zinsmarge 170 Zinsschranke 547, 557, 559 Zugewinnausgleich 241 Zulassungsbeschränkungen 355 Zulieferpyramide 23 Zulieferunternehmen 24 Zurechnung 166 Zusammenschluss von Kanzleien 243 Zuzahlungsregelung 317 Zweitmarkt 603 Zyklik 49, 50
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