Francisco Pi na Polo
Contra arma verbis Der Redner vor dem Volk in der späten römischen Republik
Franz Steiner Verlag Stuttgart
Heidelberger Althistorische Beiträge und Epigraphische Studien herausgegeben von Geza Alföldy Band 22
Francisco Pina Polo
Contra arma verbis Der Redner vor dem Volk in der späten römischen Republik
Aus dem Spanischen von Edda Liess
Franz Steiner Verlag Stuttgart 1996
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Pina Polo, Francisco: Contra arma verbis : der Redner vor dem Volk in der späten römischen Republik I Francisco Pina Polo. Aus dem Span. von Edda Liess. - Stuttgart : Steiner, 1996 (Heidelberger althistorische Beiträge und epigraphische Studien; Bd. 22)
ISBN 3-515-06854-6 NE:GT
§ ISO 9706
Jede Verwertung des Werkes außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und stratbar. Dies gilt insbesondere für Übersetzung, Nachdruck, Mikroverfilmung oder vergleichbare Verfahren sowie für die Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. © 1996 by Franz Steiner Verlag Wiesbaden GmbH, Sitz Stuttgart. Druck: Druckerei Proff, Eurasburg. Printed in Germany
INHALT VORWORT VORWORT DES HERAUSGEBERS EINLEITUNG 1. POLmK UND REDEFREIHEIT Demokratie und Volksbeteiligung Redefreiheit und gleiches Rederecht Redner und Zuhörer in Athen und Rom Publikation und schriftliche Verbreitung der Reden 2. DIE POLmSCHEN REDNER Privati als Redner in Volksversammlungen Vermittler in Volksversammlungen Producere in contionem Volkstribunat und contiones Die Zeit der Spezialisten: imperatores, Soldaten und Juristen Gerichtsredner und politische Redner 3. DIE LEHRE DER RHETORIK Novitas und Rhetorik Die Reaktion der Aristokratie: das censorische Edikt von 92 Ciceros Ideal eines Politiker-orator 4. CONTIO LOCVS INVIDIAE EST Das Gerücht als politische Waffe: subrostrani und susurratores Invidia und Volksversammlungen in Pro Cluentio Cicero und die contiones 5. CONTIO LOCVS SEDITIONIS EST Der politische Einfluß der plebs urbana und die plebs contionalis Die Führungsrolle der Elite Politische Ziele der Mobilisierungen des Volkes 6. WORTE GEGEN WAFFEN Reden und Waffen nach den Iden des März Die Überzeugungskraft Octavians SCHLUSSBETRACHTUNG TABELLEN LITERATUR REGISTER Stellenregister Sachregister Personenregister
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Für Romana
VORWORT
Dieses Buch wurde während eines Aufenthalts im Seminar für Alte Geschichte der Universität Heidelberg in den Jahren 1993-1994 verfaßt. Der Aufenthalt wurde vom Spanischen Ministerium für Bildung und Wissenschaft (DOICYT) gefördert. An erster Stelle möchte ich Prof. Dr. Geza Alföldy für seine Förderung meiner Arbeit herzlich danken. Thm bin ich auch für die Veröffentlichung dieses Buches in der Reihe HABES verbunden. Die Hilfsbereitschaft vieler Freunde hat zur Verwirklichung dieses Forschungsprojekts beigetragen. Mein Dank gilt insbesondere Prof. Dr. Johannes Hahn, Dr. Gurli Jacobsen, Dr. Manfred G. Schmidt, Estrella Velasco, M.A., Priv.-Doz. Dr. Jens-Uwe Krause, Dr. Anne Kolb, Dr. Laszl6 Borhy und Prof. Dr. Michael Peachin. Besonders wertvoll war die Zusammenarbeit mit Edda Liess, der bei der Übersetzung des Textes ins Deutsche keine Mühe zu groß war. Ohne die oben genannten Helfer wäre das vorliegende Buch nie zustandegekommen. Zahlreiche spanische Kollegen und Freunde trugen mit ihren Anregungen zur Verbesserung des Originaltexts bei: Prof. Dr. Antonio Dupla (Universität des Baskenlandes, Vitoria), Prof. Dr. Jose Remesal (Universität Barcelona) und vor allem meine Kollegen an der Universität Zaragoza, Prof. Dr. Francisco Beltran und Prof. Dr. Francisco Marco. Auch ihnen gilt mein aufrichtiger Dank. Für die Überprüfung und Verbesserung des deutschen Manuskriptes möchte ich Frau Claudia Kramer, M.A., und Herrn Christi an Witschel, M.A., insbesondere aber Frau Priv.-Doz. Dr. Andrea Scheithauer und Frau Heike Niquet, M.A. (alle Heidelberg), die mir eine unschätzbare Hilfe geleistet haben, herzlich danken.
Vorwort des Herausgebers Im Dialogus de oratoribus des Tacitus lesen wir, daß die Redekunst im kaiserlichen Rom vom Niedergang gekennzeichnet gewesen sei. Als Ursache hierfür wird der Übergang von der Republik zur Monarchie ausgemacht: Die öffentliche Diskussion über politische Fragen habe ihre Bedeutung eingebüßt. In der Tat waren die Zeiten, in denen das freie Wort auf der Rednerbühne das politische Leben in Rom bestimmte und sogar "Worte gegen Waffen" mit Erfolg eingesetzt werden konnten, in der Epoche, in der Tacitus lebte, vorbei. Es gehört freilich zu den oft scheinbar irrationalen Entwicklungen der Geschichte, daß für diesen Wandel der Marm, der seine Machtstellung nicht zuletzt gerade seiner Fähigkeit zu verdanken hatte, das freie Wort als politische Waffe mit durchschlagendem Erfolg einzusetzen, die Hauptverantwortung trug: Augustus, der Begründer des Prinzipats. Die Frage nach der Bedeutung des freien Wortes für ein freies Bürgertum, aber auch die Frage, wie diese Freiheit verlorenging, ist faszinierend. Welche Rolle die politische Redekunst im republikanischen Rom spielte, auf we~chen Voraussetzungen die Möglichkeit beruhte, daß die Oratoren starken Einfluß auf das öffentliche Leben ausübten, und wie die Redner diese Möglichkeit für die Durchsetzung ihrer politischen Ziele nutzten - diese Probleme bilden das Thema des vorliegenden Buches. Behandelt wird somit ein Gegenstand, der für die Erfassung der politischen Struktur und Praxis der römischen Republik von fundamentaler Bedeutung ist, in der althistorischen Forschung jedoch noch nicht hinreichend untersucht wurde. Der Verfasser, Professor für Alte Geschichte an der Universität Zaragoza in Spanien, zeichnete sich bereits durch mehrere seiner früheren Arbeiten als ein Kenner der Geschichte der römischen Republik aus; seine Monographie Las contiones civiles y militares en Roma (Zaragoza 1989) darf als unmittelbare Vorarbeit für sein hier vorgestelltes Werk betrachtet werden. Dieses Werk verfaßte er zu gutem Teil während seiner Forschungsaufenthalte am Heidelberger Seminar für Alte Geschichte, unter dessen vielen ausländischen Gästen in den beiden letzten beiden Jahrzehnten die spanischen Forschungsstipendiaten die stärkste Gruppe bildeten. Die meisten von ihnen kamen nach Heidelberg, um sich - mit gutem Erfolg - der Erforschung der Geschichte der römischen Kaiserzeit und insbesondere der lateinischen Epigraphik zu widmen. Francisco Pina Polo, der sich zwar auch für das römische Hispanien, vor allem aber für die Geschichte der politischen Kultur der römischen Republik interessiert, stellt unter ihnen nicht nur mit seiner wissenschaftlichen Ausrichtung eine Ausnahme dar, sondern auch deshalb, weil er bisher als einziger seiner Landsleute weder Kosten noch Mühe scheute, sein im wesentlichen in Heidelberg entstandenes Werk in deutscher Sprache und in einer Heidelberger Publikationsreihe vorzulegen.
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Vorwort des Herausgebers
Dem Wunsch des jungen spanischen Kollegen, seine Untersuchung über die politische Redekunst der römischen Republik in der Reihe HAB ES zu veröffentlichen, wurde auch deshalb sehr gerne entsprochen, weil diese Bitte zugleich ein besonderes Zeichen seiner Verbundenheit mit Heidelberg ist. Er hat unserem Seminar durch seine Vorträge, seine Beteiligung an vielen wissenschaftlichen Gesprächen und seine ständige Hilfsbereitschaft viel gegeben und hat hier auch enge Freundschaften geknüpft. Möge sein Beispiel auch für andere anspornend wirken. Geza Alföldy
"The end of rhetoric is victory" Thomas Hobbes
EINLEITUNG Die Beredsamkeit vor dem Volk als Element der politischen Strategie der Politiker sowie die Art und Weise, wie ihre Reden die Bevölkerung erreichten und sie beeinflußten, sind die Hauptthemen dieses Buches. Das Szenarium ist Rom, die politische Hauptstadt eines Imperium mediterranen Ausmaßes, das in den Augen eines Römers einem Weltreich gleichkam. Akteure sind die Bewohner der Urbs. Dazu gehört einerseits die Elite, bestehend aus Aristokraten - Angehörigen jahrhundertealter angesehener und mächtiger Familien - sowie Emporkömmlingen aus ganz Italien, die zum Wettstreit mit den Aristokraten bereit waren. Sie agieren als Redner. Auf der anderen Seite steht das Volk, bestehend vor allem aus Handwerkern und Händlern; Sie bilden das Publikum. Zeit der Handlung ist das letzte Jahrhundert der römischen Republik. In den rund hundert Jahren zwischen den Reformversuchen des Tiberius Sempronius Gracchus und dem endgültigen Sieg Octavians bei Actium herrschte ein Kampf der Worte gegen Waffen in der Politik Roms. Obwohl die Waffen allmählich den Worten den Rang abliefen, blieb die Funktion des gesprochenen Wortes bei der Bildung der öffentlichen Meinung stets erhalten. Im Rahmen einer Untersuchung der Verbindung von Politikern und Volk durch das gesprochene Wort muß das Ausmaß der tatsächlichen Beteiligung der römischen Bürger an der Politik der res publica bestimmt werden; insbesondere muß die Frage der Redefreiheit und des Rederechtes geklärt werden. Inwiefern war es dem Volk möglich, seine Meinung auszudrücken? Wer konnte vor dem Volk Reden halten? Wer waren die politischen Redner? War eine Spezialisierung als politischer Redner möglich? Erst nach der Klärung dieser Fragen kann die Stellung der Redekunst vor dem Volk in der Politik Roms verstanden werden. Wie wir sehen werden, beschränkten bestimmte gesetzliche Normen den freien Zugang der Bürger zur Rednerbühne. Die Häufigkeit, mit der die Politiker in Volksversammlungen auftraten, wurde aber auch in hohem Maße von ihrem eigenen Willen, vor dem Volk zu sprechen - und damit von der Bedeutung, die sie dem Volk im politischen Kampf beimaßen - mitbestimmt. Ihre verächtliche oder respektvolle Haltung gegenüber dem Volk nahm dieses zweifelsohne wahr - sie war ein Faktor, der sich erheblich auf die Popularität und Glaubwürdigkeit der Politiker auswirkte. In der späten Republik erreichte die römische Redekunst ihren Höhepunkt. Mehr Menschen als je zuvor konnten nun Rhetorik studieren, da zu Beginn des 1.
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Einleitung
Jahrhunderts v.Chr. die ersten Rhetorikschulen mit Unterricht in lateinischer Sprache entstanden und lateinische Handbücher der Rhetorik: veröffentlicht wurden. Die Ablehnung dieser Schulen und Handbücher in manchen Kreisen der Aristokratie macht deutlich, daß das Wort als eine politische Waffe angesehen wurde, die nicht jedem überlassen werden durfte. Dies muß im Kontext des Konflikts zwischen novitas und nobilitas betrachtet werden. Die homines novi erkannten in der Rhetorik ein Mittel zum Einstieg in die Politik Roms. Zudem stand hinter den geschichtlichen Ereignissen der späten Republik eine Debatte über den idealen Typus des Politikers, der die res publica regieren sollte. Cicero ist hierfür unsere ergiebigste Quelle, wenn auch die Tatsache, daß er ein wichtiger Akteur jener Zeit war, seiner Berichterstattung jegliche Objektivität nimmt Von ihm ist ein Handbuch der Rhetorik bekannt, das aus seiner Jugendzeit stammt, und seine auf uns gekommenen Werke spiegeln seine Ansichten über die Rolle der Beredsamkeit und des orator in der römischen Politik und Gesellschaft wider. Vor allem aber die Kenntnis seiner politischen Laufbahn und einige der Reden, die er in Volksversammlungen gehalten hat, ermöglichen es uns, den Redner vor dem Volk in Aktion zu sehen. Da die Hauptfigur dieser Arbeit der politische Redner vor dem Volk ist, richtet sich unser Augenmerk vor allem auf seinen Wirkungsbereich, die contiones. Diese waren die einzigen Volksversammlungen, in denen Reden gehalten werden konnten l . Hier sollen die contiones als Schauplatz der politischen Debatte. als Rahmen für eine direkte Verbindung mit den Mitbürgern, als Quelle der Popularität des Redners sowie einer politischen Propaganda herausgearbeitet werden. Kennen wir die Haltung der verschiedenen Politiker gegenüber den Volksversammlungen und die Rolle, welche die dort erforderliche Überzeugungskraft in ihrer Strategie spielte, so können wir darauf schließen, in welchem Maße der römische Politiker seine Ideen den Mitbürgern vermitteln und deren Zustimmung erhalten konnte. Das Streben nach Kommunikation mit dem Volk zeigt, daß den Politikern die öffentliche Meinung sehr wichtig war. Das Studium der uns bekannten contiones der späten Republik gibt Aufschluß über die verschiedenen Strategien, die von den einzelnen Rednern angewandt wurden, um eine positive oder negative Meinung zu erzeugen. Das Publikum der römischen Volksversammlungen bestand hauptsächlich aus Bewohnern der Urbs - größtenteils aus der plebs urbana. Es waren höchstens einige hundert und in Ausnahmefällen einige tausend Menschen anwesend, aber diese verbreiteten das Gehörte unter der Bevölkerung der Stadt, so daß sich schließlich eine bestimmte öffentliche Meinung herausbilden konnte.
1Die in iudicia publica gehaltenen Reden waren zwar auch öffentlich - Ciceros Prototyp eines orator hatte gleichermaßen den politischen wie den forensischen Redner im Blick -, aber in den Gerichten war das unmittelbare Ziel der Redner nicht die Überzeugung des Volkes, sondern die der Geschworenen, d. h. Senatoren und Ritter. Daher werden in diesem Buch die Reden vor Gericht nicht den Reden vor dem Volk subsumiert. Allerdings trugen auch erstere zur Bildung der öffentlichen Meinung bei. Mit den forensischen Rednern der späten Republik hat sich erst kürzlich David, Patronatjudiciaire, passim, eingehend befaßt.
Einleitung
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Die Redner benutzten also Volksversammlungen, um für ein Programm zu werben, einen Gegner zu verunglimpfen, auf eine Mobilisierung des Volkes hinzuarbeiten usw. Der Erfolg eines Politikers in den Volksversammlungen hing davon ab, ob er seine Zuhörer überzeugen konnte. Somit stellt sich zwangsläufig die Frage nach der Beteiligung des Volkes. War es ein bloßes Instrument im Dienste der Politiker oder ein mitbestimmender Faktor in der Politik jener Zeit? Die contiones dienten als Medium, um die plebs urbana zum Handeln zu bewegen, und mehrere Politiker machten von ihm Gebrauch - allen voran Clodius. Das Wort war das Instrument, mit dem ein Anführer politische Ziele vorstellte, die nur durchgesetzt werden konnten, wenn das Volk sie als seine eigenen akzeptierte und sich für sie einsetzte. War die Beherrschung der Technik der Rhetorik für den Erfolg und das Durchsetzungsvennögen eines Politikers vor dem ungebildeten Volk ausreichend? Oder gab bei der Entscheidung der plebs über Unterstützung oder Ablehnung jeweils den Ausschlag, wie glaubwürdig ein Politiker war und wieviel Interesse sie selbst dem von ihm dargelegten Vorhaben entgegenbrachte? Im letzten Kapitel wird die Redekunst vor dem Volk von den Jahren nach Caesars Tod bis zur Machtübernahme Octavians als Alleinherrscher des Imperium untersucht. In diesen Jahren lag das Schicksal der res publica und derer, die um die Macht kämpften, in den Händen des Heeres. Waffen liefen den Worten den Rang ab, aber die Redekunst wurde weiterhin in Militärlagern und auf dem Forum in Rom praktiziert. Octavian z.B. nutzte in den dreißiger Jahren seine Auftritte in Volksversammlungen auf geschickte Weise für die Herausbildung einer öffentlichen Meinung zugunsten seiner Interessen. Der geschickte Einsatz von Waffen und Worten verhalf ihm zur Alleinherrschaft. Von dem Zeitpunkt an, zu dem die Macht in den Händen einer einzigen Person lag, büßte die Redekunst vor dem Volk im Rahmen der Auseinandersetzungen der Politiker ihre Bedeutung ein und wurde zu einem Instrument der Propaganda im Dienste des Kaisers. Während des Prinzipats wurde das Wort von einem Monopol der Elite zu dem einer einzigen Person, des Kaisers, zu einem weiteren Pfeiler, der seine umfassende Macht stützte.
1. POLITIK UND REDEFREIHEIT Demokratie und Volks beteiligung Häufig wird die Staatsform der Römischen Republik als "demokratisch" oder "von demokratischen Zügen geprägt" bezeichnet, oder man spricht zu einem bestimmten Zeitpunkt ihrer Geschichte von "demokratischen Reformen". Dabei wird im allgemeinen implizit oder explizit ein Vergleich mit heutigen Demokratien eigenen Merkmalen zugrundegelegt1. Ein Überprüfen der Literatur der letzten Jahre zeigt, wie aktuell diese Kontroverse auch heute noch ist. So ist beispielsweise Nicolet der Ansicht, das römische Volk habe sich für die öffentlichen Belange interessiert und sich aktiv am Gemeinschaftsleben beteiligt, was ihn auf ein hohes kulturelles Niveau der Bevölkerung Roms schließen läßt. Seiner Meinung nach war die Staatsform Roms trotz einiger demokratischer Charakteristika (in den Volksversammlungen wählte das Volk, die Volkstribunen sprachen in seinem Namen) nichtsdestoweniger eine Aristokratie, und als solche stellt Roms Staatsform ja auch Polybios lobend dar. Dieser spricht jedoch noch nicht von einer "Mischverfassung" - ein eher moderner Begriff. Tatsächlich regierte sich das Volk nie selbst, sondern trat nur als Zuschauer auf, was in erster Linie auf die timokratische Verfassung zurückzuführen ist2 . Erst kürzlich zeigte Millar, daß der feste Bestand der Klientelbindungen eine gewisse politische Rolle des Volkes nicht verhindern konnte, und verwies dabei auf ein demokratisches Element der "römischen Verfassung", das der Demokratie Athens vergleichbar ist. Das bedeutet jedoch noch lange nicht, daß es in Rom tatsächlich eine Demokratie gegeben hat3 . North akzeptiert zwar die Grundidee Millars und sieht eine gewisse Entscheidungsfreiheit des Volkes im politischen System Roms gegeben, aber er hält sie eher für mit der in Sparta als mit der im klassischen Athen vergleichbar und warnt davor, den Begriff Demokratie unserem heutigen Verständnis gemäß pau-
1Zu diesem Thema im allgemeinen siehe Nicolet, DemokIatia et Aristokratia, 7-11, mit weiterer Litemtur. 2Nicolet, Le m~tier de citoyen, 517-518 und 522; ders., Polybe et Ja "constitution" de Rome,
31. 3Millar, Political Character, 2: "We cannot understand Roman politics if our view does not encompass, along with the power of individuals holding office and the collective power of the Senate as a body, the power of the people as represented, however imperfectly, in their assemblies. This is not to say that it is worth trying to argue that Rome was a democracy. It is to say that in many respects it was more like, say, the classical Athenian democmcy than we allowed ourselves to think". Vgl. Millar, Politics, Persuasion, passim; ders., Popular Politics at Rome, passim. Eine Kritik der These; Millars findet sich in Burckhardt, Political Elite, 89-98. Zur Diskussion zusammenfassend Jehne, Zur Debatte um die Rolle des Volkes, 1-9. Da der von M. Jehne herausgegebene Sammelband, der diese und weitere Beiträge zur Rolle des Volkes in der Politik der römischen Republik enthält, erst während der Drucklegung meiner Arbeit erschienen ist, war eine eingehende Auseinandersetzung mit ihnen nicht mehr möglich.
Demokratie und VolkSbeteiligung
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schal auf Rom anzuwenden4• Lintott, der sich mit der klassischen Republik beschäftigt, empfiehlt, den Terminus Demokratie flexibel zu verwenden, und behauptet, das "Volkselement" habe eine gewisse Bedeutung und das Volk: durchaus Handlungs- und Entscheidungskompetenzen gehabt, nämlich durch die Beteiligung an der Gesetzgebung und an Volksgerichten sowie über sein Repräsentativorgan, das Volkstribunat5. Der Begriff Republik, mit dem wir uns auf die Zeit zwischen dem 5. Jahrhundert v.Chr. und Augustus beziehen, verweist auf Parlamentarismus, Wahlen usw. Die römischen Bürger besaßen das Wahlrecht, ein entscheidendes Merkmal der heutigen Demokratien. Der lateinische Terminus res publica kann aber nicht ohne weiteres mit Republik: im heutigen Sinne übersetzt werden, und das bloße Vorhandensein von Wahlen bedeutet nicht automatisch eine demokratische Staatsform. Wenn die Römer von res publica sprachen, bedeutet das nicht, daß es sich um eine demokratische Staatsform handelte6• Eines der bedeutendsten Merkmale der Demokratie, wichtiger sogar als die Ausübung des Wahlrechts selbst, ist die Beteiligung der Bürger an den politischen Entscheidungen - oder mehr noch die Bedeutung, die die Gemeinschaft dieser Beteiligung beimißt. Dazu kommen die institutionellen Mechanismen, die eingesetzt werden, um eine massive Beteiligung der Bevölkerung herbeizuführen. In diesem Bereich gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen Athen und Rom. Ein theoretischer Grundzug des demokratischen Systems in Athen war das Vertrauen in die Urteilskraft des Volkes, in den Vorrang der kollektiven Meinung vor der individuellen7. Eine logische Folge davon war, daß in Athen trotz der bestehenden Censusbeschränkungen während des 5. und 4. Jahrhunderts die aktive Beteiligung von möglichst vielen Bürgern an öffentlichen Institutionen durch verschiedene Einrichtungen gefördert wurde: durch das Losverfahren, das als die objektivste Methode für die Verteilung von öffentlichen Ämtern galt; durch das Recht eines jeden Bürgers, einen Gesetzesentwurf einzubringen; durch die Vergütung der an Gerichten, Ratsversammlungen und Volksversammlungen Beteiligten u. a. m. Damit wurde der Bürger nicht nur an den Entscheidungen der Gemeinschaft beteiligt; er war auch gehalten, aktiv daran mitzuwirken. Das bedeutete, daß es eine kollektive politische Bildung gab: Jeder vierte Athener über dreißig gehörte im Laufe eines Jahrzehnts der ßOUA~ an, und etwa sechstausend besuchten die EKKAT]O'LU regelmäßig8. Ein Zeichen für dieses Vertrauen in die Bürger ist, daß die
4North, Democratic Politics, passim. 5Lintott, Democracy, passim. 6Vgl. Larsen, Demokratia, 45-46. 7Arist., Polit., 1281 a 42. Vgl. Larsen, Judgement of Antiquity on Democracy, 4 und 13: "The greatest contribution of Greece was the theory of the superiority of the collective judgment of the people - a doctrine without which, expressed or implied, democracy is impossible". 8Sinclair, Dem<X."facy and Participation, 196; Hansen, Athenian Democracy, 130-132: Im 4. Jahrhundert war für viele Beschlüsse der Volksversammlung die Ratifikation durch mindestens
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1. Politik und Redefreiheit
in der Volksversammlung zu besprechenden Themen einige Tage zuvor vor dem Altar der eponymen Heroen in Schriftform ausgelegt wurden9 , damit jeder Bürger sich seine eigene Meinung darüber bilden und mit Sachverstand an der Debatte beteiligen konnte. Dies war insofern wichtig, als die ßOUA~ häufig rrpoßouAEVIlQTQ an die Volksversammlung schickte und es somit allen in der EKKATjUlQ Anwesenden ermöglichte, einen eigenen Antrag einzubringen oder den der ßOUA ~ abzuändern. In den Schriften athenischer Autoren findet man nicht selten die Aussage, ein guter Bürger habe Aufgaben innerhalb der Gesellschaft zu übernehmen. Wohlbekannt ist die Totenrede des Perikles bei Thukydides, in der Athen als "Schule Griechenlands" gepriesen wird. Ein zentrales Element dieser Lobrede ist die Aufforderung der Bürger zum Dienst für die Gemeinschaft: "Wir vereinigen in uns die Sorge um unser Haus zugleich und unsere Stadt, und den verschiedenen Tätigkeiten zugewandt, ist doch auch in staatlichen Dingen keiner ohne Urteil. Denn einzig bei uns heißt einer, der daran gar keinen Teil nimmt, nicht ein stiller Bürger, sondern ein schlechter, und nur wir entscheiden in den Staatsgeschäften selber oder denken sie doch richtig durch. Denn wir sehen nicht im Wort eine Gefahr fürs Tun, wohl aber darin, sich nicht durch Reden zuerst zu belehren, ehe man zur nötigen Tat schreitet"10. Und dies ist keine vereinzelte Meinung, wir finden sie auch in anderen Texten als Grundlage der Demokratie von Athen ll . Die institutionelle und politische Struktur Athens förderte die Volksbeteiligung an den politischen Institutionen 12, und so ist es nicht verwunderlich, daß die Bürger, die sich mit Reden und für die Gemeinschaft vorteilhaften Vorschlägen hervorgetan hatten,jährlich mit öffentlichen Ehren und Goldkränzen ausgezeichnet wurden13 . Im Gegensatz zum demokratischen Athen wurde im republikanischen Rom die aktive Beteiligung der Bürger an der Politik nie gefördert 14. Nur die angesehensten Bürger waren in der Praxis befugt, Entscheidungen zu treffen, obwohl sich an ihnen theoretisch alle beteiligen konnten. Nur die Inhaber von Ämtern,
6.000 Personen erforderlich, und dies war gewöhnlich die Anzahl der Teilnehmer, obschon die Pnyx ein Fassungsvermögen von bis zu 8.000 Sitzen haben konnte.
9Vgl. Hansen, Athenian Democracy, 133 und 142. lOThuk., II 40 (Übersetzung von G. P. Landmann). llDemosthenes z.B. kritisiert die Bürger, die nicht von ihrem Recht, im Rat und in der Volksversammlung zu sprechen, Gebrauch machen (Demost., XXII 30 und 36). 12Meier, Athen, 478: "Diese Demokratie folgte vor allem zwei Grundsätzen: Erstens sollten alle Entscheidungen möglichst in der Öffentlichkeit, aufgrund öffentlicher Diskussion, gefällt werden, und zwar jeweils vom größtmöglichen Gremium. Zweitens sollten die Bürger, soweit es ging, an der Politik, auch an den Ämtern beteiligt sein". 13Aeschin., m 49-50; IG 112 223 A 11-12. Vgl. Hansen, Athenian Democracy, 145. 14North, Democratic Politics, 15: "lf there was such a thing as Roman democracy, it was nonparticipatory 10 an extreme degree, and therefore in many ways at the opposite pole 10 Athenian democracy".
Demokratie und Volksbeteiligung
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Mitglieder der Elite, waren befähigt, Gesetzesinitiativen einzubringen, und die römischen Bürger konnten in den comitia lediglich mit Ja oder Nein auf einen Gesetzesvorschlag des Magistraten antworten, ohne eine Abänderung oder Ergänzung einer rogatio herbeiführen zu dürfen. Da es keine im voraus festgelegte Tagesordnung gab, konnte man nicht voraussehen, was in den politischen contiones diskutiert werden wUrde. Die Themen hingen allein vom einberufenden Magistraten ab (nicht so in den legislativen contiones, in denen der Text der zu debattierenden rogatio schon während des trinundinum bekannt war). Und während in Athen eine Volksversammlung am selben Tag zuhörte, diskutierte und entschied, was die Anwesenheit der Bürger erleichterte, die sich mithin nicht an verschiedenen Tagen einfinden mußten, um sich über den aktuellen Stand einer für sie wichtigen Frage zu informieren, existierte in Rom eine strenge Trennung zwischen beschließenden und nichtbeschließenden Volksversammlungen (comitia und contiones). Cicero verteidigt diese Trennung energisch und nimmt sie zum Vorwand, die Griechen herabzuwürdigen: Die römischen Vorfahren hätten tatsächlich im Gegensatz zu den comitia den contiones kein Gewicht (vis) eingeräumt, da die Zusammensetzung der comitia zweckmäßig an der Klasse und dem Alter der Teilnehmer orientiert gewesen sei1 5• So würden, während in den griechischen Versammlungen die Entscheidung in den Händen der politisch unbedeutenden Masse (multitudo, der gleiche Begriff, mit dem Cicero häufig die Teilnehmer an contiones bezeichnet) lag, in Rom die Entscheidungen von Bürgern der herrschenden Schicht getroffen. Der Gegensatz zwischen der Entscheidungsbefugnis, die die Elite tatsächlich in den comitia besaß, und der der Theorie nach passiven Rolle der plebs in den contiones entspricht genau der Rollenverteilung, von der die römische Politik de facto geprägt war. Alföldi behauptet, der populus habe in Rom eine sehr weitgehende Souveränität genossen. Diese Volkshoheit sei aber nicht schrankenlos gewesen. Faktisch habe der Senat, der Anspruch auf einen Anteil an der Volkssouveränität erhob, sie lange Zeit großenteils wahrgenommen 16 . Wohl eher trifft aber Lübtows Meinung zu, nach der ein Vergleich mit der Demokratie in Athen deutlich zeigt, daß es in Rom "keine Volkssouveränität" gab. Während der Amtszeit eines Magistraten war es unmöglich, von diesem Rechenschaft zu fordern; an Gesetzesvorschlägen der Magistrate konnten die Bürger keine Änderungen herbeiführen; zur Beschlußfassung war keine Stimmenmehrheit erforderlich; im Gegensatz zu den Athenern konnten die römischen Bürger nicht in den Volksversammlungen debattieren 17. Die römische Elite tat somit alles, um die Kontrolle der Regierungsorgane durch das Volk so stark wie möglich einzuschränken.
15 Cic., Flacc., 15. 16Alföldi, Caesar in 44 v.Chr., I 93-103. 17Von Lübtow, Das römische Volk, 248-250. An anderer Stelle (315. 469-470) behauptet von Lübtow, der Grundstein des römischen Staates sei der populus gewesen und das politische Le-
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1. Politik und Redefreiheit
Redefreiheit und gleiches Rederecht In Gesellschaften wie der römischen oder athenischen, in denen die Kommunikation vorwiegend mündlich stattfand, war für die Beteiligung an der Politik im allgemeinen und für die politische Willensbildung im besonderen die Möglichkeit, öffentlich das Wort zu ergreifen, d.h. in Volksversammlungen zu sprechen, von größter Bedeutung. Bezeichnenderweise benutzt Polybios mehrfach und in verschiedenen Kontexten die Wörter 'lTapPTJaLa und LO'TJyopLa gleichzeitig, als äußere Kennzeichen der Demokratie, als Ecksteine einer solchen politischen Staatsform 18 . In seiner Definition der Aristokratie ersetzt er L01lYopLa durch 'lTOAL TLKTt taoTTjS, betrachtet jedoch 'lTapPTJaLa auch als ein Merkmal dieses Systems. Die 'lTapPTJaLa muß als "freedom of speech" oder "freies Reden", als das Recht, alles sagen zu dürfen; verstanden werden 19. Wie seine Etymologie zeigt - das Wort wird von 'lTÜV ("alles") und (rfiaLS ("sprechen") abgeleitet -, bezeichnet es die Möglichkeit, in einer Rede frei zu sprechen20 . Die Bedeutung des Wortes L(nrYOpLa ist eine ganz andere, nämlich "gleiches Recht zu reden", und geht gewöhnlich mit politischer Gleichheit einher21 . In Athen stellte der Ausrufer am Anfang jeder EKKATJaLa die Frage: "Wer will sprechen?" (TLS ayopEuELV ßOUAETaL;)22. Aeschines formuliert den Unterschied zwischen oligarchischer und demokratischer Staatsform wie folgt: In einer Oligarchie spricht nicht jeder zum Volk, sondern nur derjenige, der regiert; in ei-
ben habe auf dem Zusammenwirken aller Bürger beruht, der Grundlage ihrer Freiheit. Wie von Lübtow jedoch zugibt. war die angebliche Mitwirkung der niederen Bevölkerungsschichten durch das System selbst beschränkt. 18Beide Begriffe erscheinen gemeinsam in der Beschreibung der Demokratie der Achäer (ll 38,6; 42,3) und der Rhodier (XXVII 4,7) sowie zusammen mit üEv9Ep[U, hier anstelle von l:hllloKpuTLa (IV 31,4); im allgemeinen in VI 9,4-5. Vgl. Nicolet, Polybe et la "constitution" de Rome, 26-31. 19H.G. LiddelI - R. Scott. A Greek English Lexicon, Oxford, 91948, 1TUPPlj(JLa: "outspokenness", "frankness", "freedom of speech"; W. Pape, Griechisch-Deutsches Handwörterbuch, Braunschweig, 1888, 1Tappl](JLa: "freies Reden", "Freimütigkeit", "Offenheit im Reden und Handeln"; Raaflaub, Des freien Bürgers Recht. 18, definiert sie als "das Recht, alles sage~ zu dürfen"; Scarpat. Parrhesia, 29: "libertll del privato cittadino di dire quanto crede, come crede, contro chi crede". 20Schlier, 1TapPl](Jla, 869, Anm.l. 21Liddell- Scott. ta1l/,opla: "equal right of speech", im allgemeinen ''polilical equality"; Pape, L(Jl]/,opla: "gleiche Freiheit, gleiche BereChtigung zu reden"; Mauersberger, Polybios-Lexikon, LOTJ/,opla: "gleiches Recht, zu sprechen". Raaflaub, Des freien Bürgers Recht. 17, bezeichnet L(J1l"Yopla als die "größte Gleichheit", als "nicht 'freies', sondern 'gleiches' Rederecht"; Meier, Alben, 479: "gleiches Rede- und Antragsrecht". Dazu siehe Bleicken, Die albenische Demokratie, 195-201 und 370. 22Demost., XVIII 170; 191; Aeschin., I 23; 27; Ar., Ach.• 45; Ec., 130; TlI., 379; Alkid., Soph .• 11.
Redefreiheit und gleiches Rederecht
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ner Demokratie tut es der erste, der kommt, und wann er will23 . Indem Euripides Theseus die Demokratie gegen die Tyrannei verteidigen läßt, identifiziert er seinerseits Freiheit und Demokratie mit der Beteiligung der Bürger am politischen Leben: "Freiheit ist jener Ruf des Herolds: 'Wer will der Polis einen nützlichen Ratschlag erteilen?', und dann ist der, der es tut, hochgeehrt, wer es nicht will, schweigt: Wo wäre gleicheres Recht in einer Polis?,,24. Obwohl die modemen Historiker die laOvOIJ.La als wichtigsten Grundzug der demokratischen Verfassung Athens hervorheben, scheinen die athenischen Bürger tatsächlich der taTr yoptu, die es ihnen ennöglichte, aktiv von ihren politischen Rechten Gebrauch zu machen, als Symbol der Gleichheit einen höheren Wert beigemessen zu haben 25 . So ist für Herodot, wenn er auf den Ursprung der Demokratie in Athen Bezug nimmt, die taTl'Yopta und nicht die taovolJ.tu Hauptbestandteil der Gleichheit der Bürger26 . Natürlich nahmen nicht alle athenischen Bürger aktiv als Redner an Volksversammlungen teil, da nicht alle genügend vorbereitet waren, um es zu wagen, öffentlich das Wort zu ergreifen. Nur eine Minderheit hielt regelmäßig Reden und machte Gesetzesvorschläge; andererseits gab es aber auch Bürger, die gelegentlich den Gang zur Rednerbühne wagten. Wie dem auch sei, ein Bürger wurde, wenn er zur Rednerbühne ging, zum rhetor, und als solcher trug er eine Krone wie die Magistrate. Rhetor zu sein war eine ad hoc-Funktion wie die Mitgliedschaft in der Volksversammlung27. In Athen hatte also der Ausdruck der Volksmeinung einen ganz anderen Stellenwert als in Rom. Ein Bürger konnte der Volksversammlung jederzeit einen Vorschlag unterbreiten und vor ihr sprechen (tatsächlich waren diese beiden Prärogativen eng miteinander verbunden), und auch die Diskussion war immer möglich und erwünscht. Eine politische Führungsposition setzte die Bekleidung einer Magistratur nicht notwendig voraus; wichtiger waren die Initiative und die Überzeugungskraft eines Bürgers. Das führte dazu, daß einerseits ein führender Politiker danach streben konnte, seine Stellung für den größten Teil seines Lebens zu behalten, ob er nun ein öffentliches Amt bekleidete oder nicht, und daß andererseits der freie Zugang zur Rednerbühne die Spezialisierung einer Person zum politischen rhetor ennöglichte.
23 Aeschin., m 220. VgI. m 2, über die Freiheit eines jeden Bürgers, in der Versammlung zu sprechen, anscheinend jedoch in einer altersabhängigen Reihenfolge. 24Eurip., Supp., 438-441. Vgl. Meier, Athen, 479. 25Bleicken, Die athen ische Demokratie, 195: "Die Möglichkeit der freien Rede für alle Bürger... bedeutete den Athenern in der Tat das Kernstück der Demokratie"; Scarpat, Parrhesia, 22: "l'ultima e piu ambita meta della libertfl... L'isegoria costituisce la prerogativa principale deI cittadino ateniense". VgI. Hansen, Athenian Democracy, 83. 26Hdt., V 78,1. 27Hansen, Athenian Democracy, 144. Über die Debatte in der EKKA1\a[a siehe Bleicken, Die athenische Demokratie, 102ff.; Hansen, Athenian Assembly, SOff.
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1. Politik und Redefreiheit
Da es in Rom die bereits erwähnte Trennung zwischen beschließenden und nichtbeschließenden Volksversammlungen gab, waren contiones das ausschließliche Forum für Reden vor dem Volk28 . Dabei handelte es sich um offizielle Versammlungen, die immer von einem Magistraten einberufen wurden. In ihnen wurden Mitteilungen an das Volk gemacht, das nicht nach Tribus oder Centurien gegliedert teilnahm, oder es wurden eine oder mehrere Reden gehalten, jedoch gab es nie Abstimmungen. In diesen Versammlungen wurde über eine rogatio debattiert, bevor darüber in den comitia abgestimmt wurde. Ebenso konnten Anklage und Verteidigung eines Beschuldigten Gegenstand von contiones sein, bevor in comitia über seine Schuld oder Unschuld entschieden wurde, eine Funktion, die allerdings mit der Einrichtung von Geschworenengerichten in der späten Republik verschwand. Wesentlich häufiger waren die contiones, die nicht wie oben beschrieben zur Vorbereitung von comitia abgehalten wurden. In contiones wurde das Volk mündlich über alle Fragen informiert, die für die Gemeinschaft von Interesse waren, wie über Senatsbeschlüsse, Edikte, Anweisungen zum Census usw. In den contiones legten zudem die Magistrate vor Antritt ihres Amtes und am Ende ihres Mandats einen Eid ab, es wurden öffentliche laudationes funebres gehalten, die triumphatores berichteten von ihren Ruhmestaten. All dies diente der Selbstdarstellung der Politiker; dahinter stand das Bemühen, die Volksgunst zu gewinnen. Häufiger waren jedoch die politischen contiones, in denen vor dem Volk aktuelle Themen diskutiert, politische Gegner in Verruf gebracht, Kampagnen für oder gegen jemand geführt wurden. Da die contiones in Rom das einzige legale Medium darstellten, mit dem ein Politiker seine Beredsamkeit beweisen und einen direkten Kontakt zum populus herstellen konnte, war es nur hier möglich, eigene Ideen zu verfechten und gegnerische in Frage zu stellen, politische Propaganda mit direkter Wirkung zu erzielen. Die contiones wurden zum Informationskanal für die gesamte Gemeinschaft, die Magistrate waren die Verbindungsglieder zwischen Senat und populus. Daher rührt die enorme politische Bedeutung, die diesen Volksversammlungen im konfliktgeladenen letzten Jahrhundert der Republik zukam. In den römischen Volksversammlungen war eine Frage wie die des athenischen Ausrufers undenkbar. Allein der einberufende Magistrat konnte in einer Versammlung reden, und ausnahmsweise dazu berechtigt waren die Bürger, denen er das Wort erteilte. Unter diesen Umständen wäre es für einen Athener im 5. oder 4. Jahrhundert offenkundig gewesen, daß Rom keinesfalls als Demokratie bezeichnet werden konnte. Auch ist es nicht verwunderlich, daß Polybios, der die römischen Institutionen und die griechischen Staatsverfassungen aufs beste kannte, niemals die Begriffe TI'aPPlluia oder tUT]'Yopia verwendete, wenn er von Rom sprach. Allerdings existierte in Rom wie in den Aristokratien, von denen 28Zu dieser Art von Versammlung, Ablauf, Einberufung, Redner, Funktionen und historischer Entwicklung siehe Pina Polo, Contiones, passim; ders .• Procedures and Functions. passim.
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Polybios berichtet, lfapPllO"ta, so daß man, hatte man einmal das Wort erteilt bekommen, de facto alles sagen konnte, was man wollte. Überhaupt nicht vorhanden war LO"TJ'Yopta, das Schlüsselelement einer Demokratie. Syme hat durchaus recht, wenn er behauptet: "Freedom of speech was an essential part of the Republican virtue of libertas"29. Tatsächlich hat es im republikanischen Rom offensichtlich keine Beschränkung des Sprachgebrauchs, kein Gesetz gegen Schmähschriften und keinerlei Strafe für Verleumdungen gegeben 3o • Einem Redner stand es frei zu sagen, was er wollte, und so waren Invektiven und Herabwürdigungen von Männem des öffentlichen Lebens an der Tagesordnung. Auf diese Weise trat das Gerücht als politische Waffe in den Vordergrund, denn da jegliches gesetzliche Verbot fehlte, mußte derjenige, der ein Gerücht gegen einen anderen in Umlauf setzte, nur darauf achten, daß dieses glaubwürdig genug war, um für wahr gehalten zu werden. In Rom bedeutete also "freedom of speech" im Sinne der griechischen lfaPPllO"La die Freiheit der Elite zu sprechen, zu schreiben und sich gegenseitig anzugreifen. Dementsprechend lassen sich in den Quellen Ausdrücke wie libera vox oder libera oratio finden31 , die sich jedoch keineswegs auf die Freiheit des populus oder gar der plebs beziehen32. Die Redefreiheit blieb der Elite vorbehalten, die nur Mitgliedern ihrer eigenen Klasse die Fähigkeit und das Recht zu reden zuerkannte.' Entsprechend gab es im Lateinischen kein Wort, das iO"ll'Yopta gleichbedeutend war, weil es keinen Sinn gehabt hätte33 . 29Syme, RR, 152. 30Robinson, Freedom of Speech, 42, behauptet, im republikanischen Rom habe es keine Gesetze gegen Schmähschriften und Verleumdungen gegeben und die Politiker hätten Kritik und Beschuldigungen ertragen, weil "the habits of democracy still prevailed in Rome". Für sie ist "freedom of speech" ein Charakteristikum der Republik, und da Gerichte, Senat und VersammllDlgen dem Volk gehörten, haUe es den Anspruch, darin frei zu sprechen. Offensichtlich spricht sie allen Bürgern ein Recht zu, das nur die Elite genoß, und zieht schließlich die falsche Schlußfolgef1D\g, Rom sei eine Demokratie gewesen. 31Zur Übersetzung von 'lTupp1]<Jla ins Lateinische siehe Scarpat, Parrhesia, 109-116. Die überkommenen Wiedergaben des griechischen Begiffs hatten zum Ziel, eine lateinische Bezeichnung für die als 'lTuppl)<Jlu bekannte rhetorische Figur zu liefern. So übersetzen sie der Autor der Rhetorica ad Herennium (IV 48) mit /icentia; Quintilian (Inst.orat., IX 2,27) und Rufinianus (Rhet.Lat.min., p.46,17 Halm) mit Iibera oratio; Rutilius Lupus (Rhet.Lat.min., p.20,25 Halm) und Cicero (De orat., III 205; Or., 138) mit Iibera vox, und Isidor (Etym., II 21,31) definiert sie wie folgt: Parrhesia est oratio libenatis et jiduciae plena. V gl. Barabino, P. Rutilii Lupi Schemata, 65-67. 32Momigliano, La liberIA di parola, 432: "L'impressione generale ehe si riceve sulI'ultimo secolo della Repubblica ~ che nella vila politica come in quella intellettuale le lingue si muovessero liberamente". Momigliano irrt jedoch, wenn er behanptet, in Rom habe keine 'lTUpp1]<JLa existiert, da nur frei sprechen durfte, wer auctoritas hatte. V gl. in diesem Zusammenhang auch Nicolet, Polybe et la "constitution" de Rome, 29. Das würde bedeuten, es hätte in Rom keine L<J1)'Yoplu gegeben. Vgl. dazu Wirszubski, Libertas, 18: "freedom of speech, in the sense that any citizen had the right to speak, did not exist in the Roman Assemblies" . 33Finley, Politics, 139. Vgl. KIoesel, Libertas, 26: "Redefreiheit hat nur, wer auctoritas besitzt; diese übt er jedoch unbestritten. Daher hat die lateinische Sprache kein Won für 'Redefreiheit' geprägt".
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Obwohl der Begriff libertas, verstanden als die Freiheit des Bürgers innerhalb des traditionellen Rahmens der res publica, ihres gesetzlichen Schutzes und ihrer Souveränität, nicht aber im Sinne von aktiver Beteiligung an der politischen Willensbildung34, von verschiedenen Politikern als Slogan benutzt wurde, schloß er in der späten Republik nie den freien Zugang zur Rednerbühne ein. In den letzten Jahrzehnten des 2. und zu bestimmten Zeitpunkten des 1. Jahrhunderts gab es Bestrebungen, in verstärktem Maße die Gesamtheit der Bürger, ja sogar die niedrigsten Klassen an Fragen der Gemeinschaft zu beteiligen (leges tabellariae, die Zulassung der Freigelassenen zu tribus, conjusio sujfragiorum35 ). Sie bezogen sich alle direkt oder indirekt auf Abstimmungen in den Komitien. Andererseits wissen wir von keinem Refonnversuch, dessen Ziel es gewesen wäre, dem ganzen Volk in contiones das Recht auf Redefreiheit zu gewähren. Niemand bestritt, daß dies das exklusive Privileg und ein inhärenter Bestandteil der potestas der Magistrate war. Die Redefreiheit gehörte also in Rom weder zur libertas, noch war sie ein Bürgerrecht, ein ius populi; sie war vielmehr ein Vorrecht der Magistrate36 . So gab es kein ius contionandi, das Recht aller Bürger, in Volksversammlungen zu sprechen, sondern nur eine potestas contionandi der Amtsinhaber37• Sie beinhaltete die Befugnis, das Volk einzuberufen, in der Versammlung zu sprechen und den Vorsitz zu fUhren, den Zeitpunkt ihres Anfangs und ihre Dauer festzulegen
34Bleicken, Staatliche Ordnung, 64: "Es wurde oben dargelegt, daß die politische libertas in Rom weitgehend eine aristokratische libertas war, jedenfalls insoweit es sich um aktive politische Rechte, nicht lediglich um Schutzgarantien handelte. Die Massen der Bürger besaßen effektiv libertas als Gleichheit vor dem Gesetz und als Schutz vor ungerechtfertigter Willkür der politischen Justiz, aber in nur sehr bescheidenem Maße als Anteil an der politischen Willensbildung". 35Die con.{usio sUffragiorum, die anscheinend in den cornitia eenturiata angewandt wurde, ein bereits von Caius Gracchus formuliertes Projekt, ist ein Vorschlag, den Sallust Caesar in der frühesten seiner Epistulae ad Caesarem, die wohl aus dem Jahr 50 stammt, gemacht hat. Ihr Zweck war es, den niedrigsten Bevölkerungsschichten, die de faclO davon ausgeschlossen waren, das Wahlrecht zu gewähren, da das vorhandene System den höheren Klassen ein Vorrecht gab. Dies ermöglichte wenigstens, daß auch die niedrigen Klassen ihre Stimmen abgaben, und vergrößerte den Wählerkreis tatsächlich, wenn diese Stimmen auch keine Entscheidungskraft hatten. Hätte man die comitia demokratisieren wollen, so hätten alle sozialen Klassen proportional zu ihrer Stärke das Wahlrecht bekommen müssen, was wirklich eine radikale Neuerung gewesen wäre. Es handelt sich also um die Integration einer Reihe von Bürgern in das Staatsgeschehen, die sozial und politisch ausgegrenzt und somit von den Verpflichtungen der Gemeinschaft ausgeschlossen gewesen waren. Man versuchte, Spannungen abzubauen, ohne aber das politische System grundlegend zu ändern; die Regierung blieb in den gleichen Händen. Vgl. dazu Duph1 - FatAs - Pina, Rem publicam restituere, 125ff. Zu den leges tabellariae siehe zuletzt Jehne, Geheime Abstimmung, passim. 36Cicero behauptet am Anfang des dritten Buches von De legibus (III 1,2), ein Magistrat sei lex
loquens: Ut enim magistratibus leges, sie populo praesunt magistratus, vereque dici potest, magistratum legem esse loquentem. legem autem mutum magistratum. Wie Finley, Politics, 65, behauptet, galt die Unterwerfung unter die Magistrate als notwendige Bedingung für eine gerechte Gesellschaft Die Reden der Amtsträger hatten für das Volk Voroildcharakter. 37Zur potestas eontionandi siehe Pina Polo, Contiones, 43-53.
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sowie zu bestimmen, wer außer dem Einberufenden selbst zu Wort kam. Obwohl in erster Linie die Volkstribunen und hohen Magistrate die potestas contionandi ausübten, existierte sie für alle Magistraturen, sogar für die niedrigen und außerordentlichen, wie für den dictator, magister equitum und die triumviri, aber wir kennen nur wenige von quaestores und aediles einberufene Versammlungen38 . Ausgeschlossen waren sowohl die Promagistrate als auch die Mitglieder der verschiedenen Priesterkollegien als auch die privati. Diese potestas contionandi blieb während der ganzen Römischen Republik unverändert ein Vorrecht der Amtsinhaber. Aus den siebziger Jahren sind trotz der Behauptung Ciceros, die Rostra blieben leer und die Volkstribunen ergriffen nicht das Wort39, etliche Reden bekannt. Das beweist, daß sowohl die Magistrate als auch die Tribunen trotz der lex Comelia de tribunicia potestate aus dem Jahr 82 ihre potestas contionandi behielten40. Andererseits beklagt Cicero am Anfang seines Brutus die Einschränkung der Freiheit und meint, die Redekunst werde nicht mehr praktiziert. Dies muß im Kontext seiner Kritik am Regime Caesars und darf nicht zu streng gesehen werden; denn kennen wir aus den Jahren 46-44 auch kaum eine contio, so hat es doch zweifelsohne einige gegeben41 . Es ist durchaus nicht erwiesen, daß die potestas contionandi zu irgendeinem Zeitpunkt eingeschränkt oder abgeschafft worden wäre, obwohl die politischen Umstände sie bisweilen sicherlich berührten. Während der Diktaturen Sullas und Caesars schränkte die Konzentration der Macht auf eine einzige Person die politische Debatte stark ein, was sich notwendig auf die Häufigkeit und Bedeutung der Volksversammlungen niederschlug, die ja als Schauplatz dieser Debatte dienten42. In einer so hierarchisch gegliederten Gesellschaft wie der römischen hing die Wirkung einer Rede weitgehend vom sozialen Status des Redners und von
38Mommsen, Röm. Staatsrecht, I 200, dachte, außer den Volkstribunen bätten nur Prätoren, Konsuln und Censoren die potestas contionandi besessen; wir haben jedoch Kenntnis von contiones, die (wenn auch in geringer Zahl) auch von niederen Magistraten einberufen wurden. Über die potestas der quaestores, contiones einzuberufen, Var., L.L., VI 90: ... unde vocare
posset ad contionem, non solum ad consules et censores, sed etiam qu
estores, commentarium indicat vetus anquisitionis M. Sergii, Mani jilii, questoris ... 39Cic., Cluent., 110. 40Im Jahre 78 veranlaßte der Konsul Lepidus in contiones eine Änderung der SuDanischen Verfassung (Sa11., Hist., I 55; Flor., 11 11,5); 76 v.Chr. startete der Tribun Sicinius eine Kampagne zur Rückerstattung aller Macht an das Volkstribunat (Cic., Brut., 217; Sall., Hist., III 48,8), genau wie Quinctius im Jahre 74 (Cic., Cluent., passim). VgI. Pina Polo, Contiones, 127-128, und Thommen, Das Volksttibunat, 174: "Die Verbandlung mit dem Volk gehörte zu den Grundelementen des Tribunats und konnte als solches nicht ohne weiteres abgeschafft werden". 41Cic., Brut., 6. Siehe dazu Thommen, Das Volkstribunat, 175. 42Während der Diktatur Sullas sind nur contiones bekannt, die vom Diktator geleitet wurden. Er wandte sich an das Volk, um die Beschlagnahmung der Güter seiner Feinde zu rechtfertigen (App., B.C., I 89), um die Proskriptionen bekannlZugeben (Liv., Per., LXXXIX; App., B.C., 1101) und sogar, um seinen Rücktritt als Diktator zu rechtfertigen (App., Re., I 104; Quint., Inst.orat., III 8,53).
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den zivilen und militärischen Ämtern ab, die er bis dahin bekleidet hatte43 . Somit wurde das Wort selbst im Senat, dessen Mitglieder als patres conscripti alle auctoritas besaßen, allerdings in unterschiedlichem Ausmaß, nach hierarchischen Kriterien erteilt. Tatsächlich kamen einige Senatoren gewöhnlich gar nicht zu Wort (die sogenannten pedarii, deren Einfluß äußerst gering war)44. In den Volksversammlungen war es ebenfalls die Verquickung von potestas und auctoritas, aus der sich ergab, wer sprechen durfte und wer lediglich das Recht hatte zuzuhören45 . Cicero drückt diesen Sachverhalt deutlich aus, wenn er am Anfang seiner ersten vor dem Volk gehaltenen Rede, De imperio Cn. Pompei, rechtfertigt, weshalb er nie in einer Volksversammlung aufgetreten sei, bevor er Praetor wurde: einerseits, weil er bis dahin seine Aktivitäten vorzugsweise auf die Gerichte beschränkt habe, wo er seine Freunde eifrig verteidigte. Andererseits aber, weil er in seinem Alter nicht mit der nötigen auctoritas ausgestattet gewesen sei, um eine Rede in einer contio zu halten: Nam cum antea per aetatem nondum huius auctoriratem Iod attingere auderem46• Jetzt hingegen, da er seine Redekunst in den iudida publica ausreichend perfektioniert und genug Prestige erlangt habe und ihn die Bürger einstimmig zum Praetor gewählt hätten, sei er überzeugt, die erforderliche auctoritas zu besitzen, um auf die Rednerbühne zu steigen47 . Aus seiner Argu-
43Vanderbroeck, Popular Leadership, 105; Schulte, Orator, 37-38: Die Wirkung und Aussagekraft des Redners gründen sich auf seine Persönlichkeit, die auetoritas, die regelmäßig durch Handlungen erneuert werden muß. 44Zur auetoritas von eonsulares und praetorii gegenüber der einfachen vo/untas der pedarii und im allgemeinen zur Vorgehensweise bei Senatssitzungen siehe Bonnefond-Coudry, Le renat de la republique romaine, 593ff., besonders 683-695. Die Rolle des prineeps senatus als ersten Redners und Gestalters der Senatssitzungen, des Zentrums der Willensbildung der Senatoren, ist von Meier, Die Ersten unter den Ersten des Senats, bes.191-204, untersucht worden. Dazu siehe Bonnefond-Coudry, Le princeps senatus, passim. 45Momigliano, Libertll. dl parola, 432; ders., Besprechung von Robinson, Freedom of Speech, 124. Tatsächlich emden wir einige Beispiele von Reden vor dem Volk, von denen ausdrücklich behauptet wird, nicht allein die oratio, sondern vor allem die auetoritas des Redners habe das empörte Volk zu besänftigen vermocht: Cic., Brut., 56: Marcus Popillius, Konsul des Jahres 359, schlägt eine seditio in einer contio nieder; Val.Max., III 7,3: Scipio Nasica bringt das Volk, das mit ihm unzufrieden ist, mit der Erklärung zum Schweigen, er wisse besser, was gut für die res publica sei, und er überzeugt es durch seine auctoritas; Sall., lug., 33,3-4: Memmius beruhigt das Volk und stellt die Ruhe wieder her; Plut., Cie., 13,2-4; Cic., Mi/., 58: Im Jahre 52 beschwichtigt M. Cato, damals ein privatus, eine turbulenta contio gegen Mi10 kraft seiner auctoritas. Zur Bedeutung der auctoritas des Redners in Verbindung mit seiner Überzeugungskraft im allgemeinen, Quint., lnst.orat., IV 2,125: Ne illud quidem praeteribo,
quantam adferat fidem expositioni narrantis auctoritas, quam mereri debemus ante omnia quidem vita, sed et ipso genere orationis: quod quo fuerit gravius ac sanctius, 11oc plus habeat necesse est in adfirmando ponderis; eic., De orat., II 333: ... ut mente providere, auctoritate probare, oratione persuadere possis. 46Cic., De imp.Cn.Pomp., 1. 47Cic., De imp.Cn.Pomp., 2: Nunc cum et auctoritatis in me tantum sit, quantum vos IIonoribus mandandis esse voluistis, et ad agendumfacultatis tanturn, quantum homini vigilanti ex jorensi usu prope cotidiana dicendi exercitatio potuit adferre, cene et, si quid auctoritatis in me
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mentation wird die enge Verbindung deutlich, die zumindest in der traditionellen Mentalität der römischen Elite zwischen Redefreiheit, Magistratur und auctoritas bestand48 . Der politische Auftritt eines Redners besaß zudem einen gewissen religiösen Aspekt49 . Darauf weist schon die Etymologie des Wortes orator hin, das von orare abgeleitet ist, was soviel bedeutet wie "sich an die Götter richten". Dieser Wortsinn ist bezeichnendeIWeise in allen romanischen Sprachen erhalten geblieben. Somit gibt es implizit eine Verbindung zwischen dem Gebrauch des Wortes und dem Bezug zu den Göttern, und sie ist im Redner verkörpert50 . Obschon es nicht nötig war, im voraus auspicia einzuholen, begannen alle contiones mit einem Gebet, das von dem einberufenden Magistraten gesprochen wurde5t , und der Ort der Veranstaltung, die Rostra, war ein templum, eine den Göttern geweihte Stätte (auch andere Plätze, an denen contiones abgehalten wurden, waren templa52 ). Die Rede des Magistraten hatte somit eine religiöse Wirkung; dem Wort wohnte eine schöpferische Kraft inne53 • Die Annäherung an das Heilige war nur dem Magi-
est, apud eos utar, qui eam mihi dederunt, et, si quid in dicendo consequi possum, iis ostendam potissimum, .qui ei quoque reifructum suo iudicio tribuendum esse duxerunt. 48 Aus einem anderen Text Ciceros (Vat., 24) wird deutlich, daß, wollte jemand das Wort ergreifen, eine moralische Qualifizierung erforderlich war. Cicero behauptet, es sei üblich gewesen, daß principes civitatis von Volkstribunen zu den Roslra geführt wurden, um durch deren auetoritas erhöht zu werden: auctoritatis exquirendae causa. Vatinius aber habe diesen heiligen Ort entehrt, indem er Vettius zur Tribüne führte, einen gewöhnlichen Bürger und dieses Ortes unwürdigen Angeber, der nicht der Elite angehörte und eindeutig keine auetoritas besaß, weshalb er es nicht verdiente, zu seinen Mitbürgern zu sprechen. 49Achard, Communication ~ Rome, 35 und 106. 5ÜMichel, RMtDrique et philosophie, 6-7: Der orator spricht feierlich im Namen der Stadt und wurde ursprünglich mit religiösen Tätigkeiten und Heiligem in Verbindung gebracht, da der Begriff orator auf diefetia/es angewandt wurde. 51Liv., XXXIX 15,1: ... consu/es in rostra escenderunt, et eontione advoeata cum sollerone carmen precationis, "quod praefari, priusquam populum adloquantur, magistratus solent, peregisset consul, ita coepit. Die Formulierung dieses Gebets konnte variieren: ... quod bonum, faustum, felix fortunatumque esset ... (Cic., De div., I 102); ... quod bonum faustumIelixque sit ... (Liv., I 17,10); ... quod bonumfortunatumfelix salutareque siet populo Romano Quiritibus reique publicae populi Romani Quiritium millique collegaeque meo,jidei magistratuique nostro ... (Var., L.L., VI 86). 52Uv., VIII 14,12: Naves Antiatium partim in navalia Romae subductae, partim ineensae, rastrisque earum suggestum infora exstructum adomari placuit, rostraque id templum appellatum (vgl. II 56,10; m 17,1); Cic., Vat., 24: ... in contionem produxeris, indieem in rostris, in illo, inquam, augurato templo ae loco conlocaris ... ; De imp.Cn.Pomp., 70: .., testorque omnis deos et eos maxime qui huic loco temploque praesident, qui omnium mentis eorum qui ad rem pub/icam adeunt maxime perspiciunt ... Dazu siehe Pina Polo, Contiones, 189-191. 53 Aper spricht positiv von der Beredsamkeit im Werk des Tacitus (Dia/., 8,2): ... ipsa eloquentia, cuius numen et caelestis vis multa quidem omnibus saeculis exempla edidit, ad quam usque fortunam homines ingenii viribus pervenerint ... Und als Popillius die seditio der plebs durch seine Anwesenheit besänftigt (eie., Brut., 56), zeigt sich der Konsul vor der Versammlung als flamen Carmentalis gekleidet, da er sich in diesem Augenblick gerade anschickt, ein Opfer zu begehen. Obwohl dies, wie die alten Quellen berichten, Zufall war, besteht doch kein Zweifel,
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straten möglich; er allein bestimmte, wer würdig war, an diesem geweihten Ort seine Stimme erklingen zu lassen54. Das öffentlich gesprochene Wort war somit ein Instrument sozialer Kontrolle, und in diesem Zusammenhang bedeutet auctoritas - ein wegen seiner starken Subjektivität nicht übersetzbarer Terminus55 - in erster Linie Glaubwürdigkeit Auctoritas setzt die stillschweigende Akzeptanz einer politisch höheren Stellung voraus, die durch den charismatischen Charakter eines führenden Politikers legitimiert ist, und zwar weniger durch seine individuelle Eigenart als durch seine Zugehörigkeit zur Aristokratie. Neben wirtschaftlicher Überlegenheit gab das von der Aristokratie Jahrhunderte zuvor gebildete ideologische Gerüst, das aus den Mitgliedern der Elite boni cives, Besitzer von virtutes, machte, ihrer auf Charisma gegründeten Macht eine Grundlage und rechtfertigte "selbstverständlich" ihre Herrschaft56 . Dieses aristokratische Charisma wirkte jedoch nicht automatisch und wurde im Laufe des letzten Jahrhunderts der Republik immer schwächer. Der Erfolg des Redners hing von den konkreten Umständen, von Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft sowie vom Inhalt der Rede ab. Laut Aristoteies sind vor allem drei
daß die auctoritas des Konsuls und seiner Worte durch seine prunkvolle Erscheinung im Priestergewand wie von selbst bekräftigt, ja gewissermaßen geheiligt wurde. 54David, Patronat judiciaire, 487-488, interpretiert die Beschränkung der Redefreiheit in Rom als Überbleibsel einer archaischen Vorstellung, nach der das an einem inaugurierten Ort gesprochene Wort als Vorzeichen gesehen wurde, welches' eine solche Kraft besaß, daß es eine neue und für die Stadt gefährliche Situation herbeiführen konnte und somit nicht jedem zu gestatten war. In diesem Sinn vgl. auch Achard, Rbeteurs sous la R~publique, 186 und 188: Das Wort "est porteur de pouvoir", ihm wohnt etwas Göttliches inne. Zu dieser äußerst engen Beziehung zwischen Wort und Macht, insbesondere auf rechtlichem Gebiet, Schiavone, Giuristi e nobili, 8: "In una cultura orale, iI controllo exercitato sulla 'forma' delle parole, sulla loro successione, sullo stile e sul ritmo deI linguaggio, significa anche un dominio sul pensiero, sui suoi contenuti, e sulla 'forma' delle relazioni interpersonali", 55Nach Giovannini, Auctoritas patrum, 33, ist der Begriff auctoritas so komplex, daß er kaum genau defmiert werden kann. Er faßt seinen irrationalen und subjektiven Charakter wie folgt zusammen: "L'auctoritas ne s'analyse ni s'explique, elle s'impose ou elle ne s'impose pas". Vgl. Heinze, Auctoritas, passim: Für den Begriff auctoritas läßt sich keine genaue griechische Übersetzung finden (Cass.Dio, LV 3,4-5, gibt zu, daß auctoritas nicht ins Griechische übersetzt werden kann). Er prägt alle Bereiche des Lebens in Rom, den privaten (paterfamilias) wie den öffentlichen (Senat, Magistrate). Der Römer sucht immer den Rat einer Person, deren auctoritas er anerkennt. Von Lübtow, Das römische Volk, 240, ist der Ansicht, weniger die potestas als vielmehr die auctoritas sei das Element, das am besten die Unterordnung des Volkes unter die Magistraten erklärt, und er defmiert sie wie folgt: "Es bezeichnet die geheimnisvoll-charismatische Wirkung der großen Persönlichkeit". 56 Von Lübtow, Das römische Volk, 84-87 und 251; David, Patronatjudiciaire, 657. Zur Legitimation des Status der Elite durch das Volk und einer gewissen Ungleichheit als Grundlage der politischen Stabilität der Staaten im Altertum und insbesondere in der römischen Republik siehe Finley, Politics, 27: "Because no city-state was genuinely egalitarian and many were not democratic either, political stability res ted on the acceptance in all classes of the legitimacy of status and status-inequality in some measure, not only of the existence of boni but also of their right to greater wealth, greater sodal standing and political authority".
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Faktoren für eine wirkungsvolle Überzeugung notwendig: die Persönlichkeit des Redners, der Gemütszustand der Zuhörer und die Rede selbst57 . Ebenso wichtig wie die Beredsamkeit des Sprechers waren also die Bereitwilligkeit und Aufnahmebereitschaft der Hörer, deren Haltung nicht zuletzt von dem in den Redner gesetzten Vertrauen beeinflußt wurde. Jedenfalls war er nur erfolgreich, wenn er es verstand, Argumente zu vermitteln, welche die Hörer begreifen und als eigene annehmen konnten. Innerhalb des politischen Systems Roms waren die Teilnehmer einer Versammlung vollkommen in die passive Rolle der zu Überzeugenden gedrängt58 . Jahrhundertelang waren die contiones für das römische Volk der Ort, an dem es sich über die für die Gemeinschaft wichtigen Ereignisse informierte, aber es waren die Magistrate und der Senat, die entschieden, was wichtig war, und so lernte der populus, daß seine Rolle die eines Zuhörers war. Das entsprach dem rrws maiorum und war gesetzlich festgelegt: Das Volk sollte als Zuhörer Spiegel der dignitas und fama der herrschenden Klasse sein. Gefangen in diesem politischen Rahmen konnten die römischen Bürger bei weitem keine so vortreffliche politische Bildung genießen wie die Athener. Diejenigen, die eine aktive Beteiligung der plebs an contiones erlaubten oder sogar förderten, galten als seditiosi. Die Teilnehmer einer contio sollten zuhören, nicht sprechen, und so war es unakzeptabel, eine Frage an die Versammelten zu richten (interrogare contionem), denn die direkte Anrede galt als rhetorische Strategie, die auf eine gefühlsbetonte Kommunikation mit dem Volk ausgerichtet war. Cicero kritisiert zweimal diese von seinen Gegnern angewandte Taktik. Der Praetor Ap. Claudius pflegte zu der Zeit, als die Debatte um die Heimkehr Ciceros aus der Verbannung aktuell war, die Anwesenden in seinen Versammlungen zu fragen, ob sie seine Rückkehr wünschten, was sie verneinten. Das wiederum versuchte Claudius als eine Art Volksbefragung darzustellen59 . Während im Jahre 56 der Prozeß gegen Milo im Gange war, fragte Clodius in einer Volksversammlung seine Zuhörer, wer die plebs den Hungertod sterben lasse, und erwartete als Antwort den Namen Pompeius6o . Cicero prangert diese neue Gewohnheit als demagogisch und den Graeculi eigen an, da sie nicht nur unnötig sei - was zählt
57 Arist., Rhet., 1356 a. 58Wie Cicero mehrfach äußert, gibt es natürlich ohne Publikum keinen Redner, da dieser in einem solchen Fall sein Hauptziel, die Überzeugung der Zuhörer, nicht erreichen könne. Vgl. De orat., 11 338; Brut., 192; De orat., I 138: Primum oratoris officium esse dicere ad persuaden-
dum accornmodate. 59Cic., Sest., 126: At vero ille praetor, qui de me non patris, avi, proavi, maiorum denique
suorum omnium, sed Graeculorum instituto contionem interrogare solebat, velletne me redire, et, cum erat reclamatum semivivis mercennariorum vocibus, populum Romanum negare dicebat. 6oCic., Q.fr., 11 3,2: Ille furens et exsanguis interrogabat suos in clamore ipso quis esset qui plebemfame necaret. Respondebant operae: 'Pompeius'. Quis Alexandriam ire cuperet. Respondebant: 'Pompeius'. Vgl. Val.Max., VIII 15,9 über eine contio des Q. Lutatius Catulus.
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schon die Meinung des Pöbels? -, sondern auch gefährlich. Sie konnte einen Schritt in Richtung kollektive Beteiligung an Versammlungen bedeuten, konnte möglicherweise gar zu einem von der Elite unvorhergesehenen und unerwünschten Druckmittel werden. Trotz dieser Kritik emdet sich in der vierten Philippica ein vergleichbares Vorgehen Ciceros; allerdings stellte er keine fonnelle Frage. Er leitete seine Rede mit der Behauptung ein, der Senat habe, wenn auch nicht explizit, Antonius zum hostis erklärt. An dieser Stelle legte er wahrscheinlich eine Pause ein, damit die Anwesenden seine Aussage geistig verarbeiten konnten. Seine eigenen Wortt: lassen vennuten, daß sie in Wehgeschrei ausgebrochen sind 61 . Als handelte es sich um ein Plebiszit, deutete er die Klagen als Zustimmung zu der Erklärung des Antonius zum hostis. Während also der Mehrheit der Bürger nur das Recht zukam, sich über die öffentlichen Geschehnisse zu infonnieren, lag die Entscheidungskompetenz in den Händen einer sehr kleinen Minderheit. Dies ist selbstverständlich in einer Staatsfonn wie der römischen, die in ihrer Essenz aristokratisch war, mit verstärkt oligarchischen Tendenzen im Laufe des 2. Jahrhunderts v.Chr. und oligarchisch mit zunehmend monarchischen Tendenzen im letzten Jahrhundert der Republik. Als Teil der institutionellen Maschinerie der Republik waren die contiones einerseits ein Mittel zur Selbstdarstellung der Elite und andererseits ein Kommunikationsweg; allerdings war es eine einseitige Kommunikation, die sich immer nur in eine Richtung vollzog: von der Elite zum Volk. Bleicken stellt fest, daß das "freie politische Mandat" in Rom undenkbar war62. Er ist jedoch der Ansicht, daß die Klientel dem Bürger erlaubte, sich zumindest in den politischen Prozeß zu integrieren und indirekt durch die Wabl eines Patrons seine Meinung kundzutun, wenn auch nicht, politische Initiativen zu entwickeln 63 . Das würde bedeuten, daß in der späten Republik die Klientel die Volksversammlungen in der Mitbestimmung am Staatsgeschehen abgelöst hätte. In den Volksversammlungen wurden aber weiterhin Mitteilungen sowohl an die nobilitas als auch an das Volk öffentlich kundgegeben. Meiner Meinung nach existierte eine Integrierung des Bürgers in die Politik oder eine Mitwirkung am Staatsgeschehen, wie sie Bleicken beschreibt, nicht, und gerade das ist einer der Faktoren, die das Scheitern des Systems im 1. Jahrhundert herbeiführten, eines Systems, in dem die Mehrheit der Bevölkerung der Urbs (und selbstverstän<Jlich
61Cic., Phil., IV 2: ... tantoque clamore approbavistis. Ein anderes Mal bezeichnet Cicero den Applaus der Menge, obwohl er beim Nennen seines Namens erklang, als mos insulsus (Cic., Att., IV 1,6). 62Bleicken, Staatliche Ordnung, 65. 63Ibid., 74: ''Die 'Freiheit' äußerte sich also weniger in politischer Willensmeinung als in der Wahl des' Patrons"; 79-80: "Ihr Niedergang (der Niedergang Volksversammlungen in der späten Republik) war ebenso offensichtlich wie die Übernahme von Teilen ihrer Funktion durch das spätrepublikanische Clientelwesen". Zur Existenz weniger straffer Klientelbindungen der Zeit siehe die treffende Analyse von Brunt, CIientela, passim.
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der des restlichen Imperium) nicht die Möglichkeit besaß, ihre Wünsche mittels eines patronus auszudrücken; es fehlte dafür jegliches institutionelle Mittel. Es ist nichtsdestoweniger offensichtlich, daß, selbst wenn das politische System in Rom allmählich die Form einer Oligarchie annahm, die Elite auf die Plebs und ihre Zustimmung angewiesen war, und das erklärt die Notwendigkeit der Rede- und Überzeugungskunst64. .
Redner und Zuhörer in Athen und Rom Die unterschiedliche Einstellung zur aktiven politischen Beteiligung des Volkes in Athen und Rom am öffentlichen Leben fand einen symbolischen Ausdruck in der räumlichen Anordnung von Sprecher und Zuhörern. In Athen war der Redner ein Mitglied der Gemeinschaft. Aufgrund dieser Eigenschaft hatte er das Recht, vor ihr zu sprechen, um anschließend die Beschlußfassung der gesamten Gemeinschaft zu überlassen. Während der Dauer seiner Rede stand er daher EV IlEO"41, an der Stelle, an der alle Reden gehalten wurden, und trat nach Beendigung seiner Ansprache als Zeichen der Gleichheit, die theoretisch alle Anwesenden auszeichnete, seinen Platz an einen anderen Bürger ab 65 . In der Pnyx nahm die Rednerbühne (ßiilla) einen zentralen Platz ein. Im 5. Jahrhundert befand sie sich im Norden des Versammlungsortes. Er wurde gegen 400 v.ehr. umgebaut, so daß sich seine Anordnung völlig veränderte und das ßiilla in den Süden verlegt wurde 66. In beiden Fällen saßen die Anwesenden während der Veranstaltung dem Redner gegenüber. Im 5. Jahrhundert befanden sie sich wegen der Neigung des Hügels im Vergleich zum Redner in etwas erhöhter Position; im 4. Jahrhundert, als die Erhöhung abgetragen wurde, saßen sie in etwa gleicher Höhe' wie der Sprecher67 . In den wenigen griechischen Städten, von denen man Reste eines ekklesiastirion kennt (Argos, Delos, Akragas, Metapont, Kassope68 ), hatte es die Form eines Theaters, genau wie die Pnyx; die Rednerbühne befand sich
64Nicolet, Le m~tier de citoyen, 525, verteidigt seine Meinung, im politischen System Roms habe es eine gewisse Kommunikation zwischen Masse und politischer Klasse gegeben, u.zw. nicht nur in eine Richtung. Wenn er jedoch von Anlässen spricht, bei denen das Volk im l. Jahrhundert in Anwesenheit führender Politiker seine Meinung stürmisch kundtat, so bezieht er sich auf Triumphzüge, Spiele und andere Aufführungen (513), d.h. auf Veranstaltungen, die andere Ziele hatten. Das schloß freilich nicht aus, daß sie den Rahmen für eine effiziente Kommunikation boten. 65Bereits in den homerischen Versammlungen tritt Telemachos in die Mitte des von Kriegern gebildeten Kreises, nimmt das Zepter in die Hand und beginnt erst dann zu sprechen. Nachdem er seine Rede beendet hat, tritt er aus der Mitte zurück, und ein anderer nimmt seinen Platz ein. Vgl. Vemant, Mythe et pens~ chez les Grecs, 211. 66Laut Plutarch (Them., 19,6) vollzog sich der Ortswechsel während der Machtübernahme durch die Oligarchen im Jahre 404, damit die Tribüne zum Festland und nicht mehr zum Meer, dem Symbol des Imperium und der Demokratie Athens, zeigte. 67Hansen, Athenian Democracy, 128 und 323-324; McDonald, Political Meeting Places, 67-80; Thompson, The Pnyx in Models, passim. 68Hansen, Athenian Democracy, 129, mit weiterer Literatur.
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immer den Stufen gegenüber, zentral und niedriger gelegen. Wenn kein spezieller Ort für Volksversammlungen vorhanden war, wurden sie im Theater der Stadt abgehalten, wobei die räumliche Anordnung von Rednern und Zuhörern dieselbe blieb. Etwa seit dem Jahr 300 v.Chr. wurde in Athen zusätzlich das Theater des Dionysos als Schauplatz für Verhandlungen benutzt69. Auch in Italien kennen wir einige Beispiele von comitia, die infolge griechischen Einflusses eine Kreisform besitzen, mit rundherum angelegten Stufensitzen, in denen der Redner vom tiefer gelegenen Inneren des umgrenzten Platzes aus sprechen mußte (Cosa, Alba Fucens)1°. In Rom wurden contiones gewöhnlich bei den Rostra abgehalten, die zwischen dem Comitium und dem Forum lagen, bis Caesar sie in den äußersten westlichen Teil des Forums verlegte. Es gab auch andere, viel weniger gebräuchliche Versammlungsorte, wie die Tempel von Castor und Bellona, das Capitolium und den Circus Flaminius 71 . Jedenfalls stand der Redner - ob auf den Rostra oder auf dem Podium eines Tempels - immer an erhöhter Stelle. Die römische Expansion brachte eine Verbreitung dieses Modells in zahlreichen Städten des Mittelmeerraums mit sich. In einigen fand man auf dem Forum Rednerbühnen, die speziell zu diesem Zweck errichtet worden waren, in anderen wurden die bereits vorhandenen Podien der Tempel als Tribünen genutzt72. Sogar auf der Agora griechischer Städte wie Korinth und Philippi wurden nach der Eroberung durch Rom Rednerbühnen errichtet, zu denen die Zuhörer aufblicken mußten73 . Die Neuerung griff selbst auf Athen über. Athenaios berichtet, daß Athenion während des ersten Krieges gegen Mithridates zu den Athenern von dem ßiil1a aus gesprochen hat, das die römischen Feldherren gegenüber der Stoa des Attalos errichtet hatten 74. Es handelte sich auch in diesem Fall um eine Tribüne, von der der Redner, anders als im demokratischen Athen, aus erhöhter Position
69Zur Verwendung der Theater griechischer Städte als Schauplatz von Volksversammlungen siehe KOlb, Agom und Theater, 88ff.; 92-96 (insbesondere zu Athen). 7°Krause, Zur baulichen Gestalt ... , passim; ders .. Comizio, passim, ist der Ansicht, das Comitium in Rom habe die ekklesiasteria der griechischen Städte im Süden Italiens zum Vorbild gehabt, mit den lateinischen Kolonien Cosa und Alba Fucens' als Zwischenformen. Somit wäre das Comitium kreisförmig und hätte in der Mitte eine Art orchestra und rundherum Stufensitze. Für Coarelli, COmizio, 203-205; ders., Foro Romano, II 20-21, war die Form des Comitium der von Krause beschriebenen ähnlich, aber die ekklesiasteria sind ein Modell sowohl des Comitium in Rom als auch der genannten lateinischen Kolonien. Anders Pina Polo, Contiones, 191-194. 71Zu den Orten, an denen die zivilen contiones in Rom stattfanden, Pina Polo, Contiones, 182198. 72Pina Polo, Contiones en la parte occidental, passim. 73McDonald, Political Meeting Places, 84-86. 74Athen., V 212.
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sprach. Diese Tribüne entstand zwischen der Mitte des 2. Jahrhunderts und dem Jahr 88 v.Chr., in dem die Rede des Athenion gehalten wurde75 . Die Gewohnheit, in Athen, in anderen griechischen und einigen italischen Städten EV IlEa~, in Rom dagegen e superiore loco zu sprechen, stand somit symbolhaft für die verschiedenen politischen Systeme. Im ersten Fall drückt sich die angestrebte demokratische Gleichheit aus; im Sinne der tarrYopta sollte sich niemand höher als die anderen stellen. Bei den Bürgern von Athen konnten die Angelegenheiten der Gemeinschaft nur in einer öffentlichen Debatte besprochen werden, in der das Wort, logos, ein unverzichtbares Instrument war76 . Jeder Redner war aufgrund seines Bürgerrechtes berechtigt zu sprechen; von der Person des Redners wurde abgesehen, und EV IlEa~ (symbolisch inmitten der Bürger) blieb nur noch der Wortlaut der Rede. Erst die eventuelle Akzeptanz oder Ablehnung von seiten der Mitbürger verlieh dem Gesagten letztendlich einen Sinn77. In Rom hingegen symbolisierte die höhere Stellung des Redners die aristokratische oder oligarchische Ungleichheit; der Redner befand sich niemals im Kreis der Anwesenden, sondern stand immer über ihnen. Die Gleichheit, auf die die Athener stolz waren, bezeichnet Cicero als iniqua, da sie nicht die dignitas berücksichtige, die die Bürger voneinander unterscheide und die jedem einen anderen Platz innerhalb der Gemeinschaft zuweise78• Einige Bürger waren befähigter als andere, \lnd das Wort hatte soviel Bedeutung wie die Person, die es aussprach. Das machte das Wort zum Privileg derer, die mit besonderen Tugenden ausgestattet waren, und stellte diese Privilegierten über die anderen.
75Shear, Excavations in the Athenian Agora, 324: Im Jahre 1937 wurden vor der Stoa des Attalos die Reste rechteckiger Grundmauern gefunden, die zu der Rednerbühne gehören müssen, die im 3. Jahrhundert n.Chr. zerstört wurde. 76Vernant, Mythe et pens~e chez les Grecs, 208 und 210. Ders., Die Entstehung des griechi· sehen Denkens, 102: "Die polis erscheint nun als ein homogenes Universum ohne Hierarchie, ohne Abstufung und ohne Differenzierung. Die arche ist nicht mehr in den Händen eines Einzelnen an der Spitze der sozialen Organisation konzentriert, sondern vielmehr gleichmäßig unter denen verteilt, die sich auf dem allen gemeinsamen öffentlichen Platz versammeln, der der Mittelpunkt der Stadt, ihr meson, ist. In einem festgelegten Zyklus wandert die Souveränität von einer Gruppe zur anderen, von einem Individuum zum anderen, und Befehlen und Gehorchen stellen keinen absoluten Gegensatz mehr dar, sondern bezeichnen als komplementäre Begriffe dasselbe umkehrbare Verhältnis. Unter dem Gesetz der isonomia nimmt die Gesellschaft die Gestalt eines kreisförmig um seinen Mittelpunkt angeordneten Kosmos an, in dem jeder Bürger, weil er allen anderen gleicht, die ganze Kreisbahn durchlaufen und dabei in zeitlicher Ordnung nacheinander alle jene symmetrischen Positionen einnehmen und wieder verlassen muß, die dies Universum des Stadtbürgers ausmachen". 77Vgl. Dupont, Sujet du discours politique, 269·270.
De rep., I 43: ... cum omnia per populum geruntur quamvis iustum ac moderatum, tamen ipsa aequabilitas est iniqua, cum habet nullos gradus dignitatis. Nach dem Tod waren
78Cic.,
selbst den Seelen je nach der Stellung des Individuums in der Gesellschaft verschiedene Orte zugedacht: ... quae in claris viris et feminis dux in caelum soleret esse, in ceteris humi retinere-
tur et permaneret tamen (eie., Tusc., 127).
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1. Politik und Redefreiheit
Publikation und. schriftliche Verbreitung der Reden Die in den letzten Jahrzehnten des 2. Jahrhunderts v.ehr. verabschiedeten leges tabellariae führten dazu, daß die Wähler mehr Freiheit genossen - sie waren frei von der Kontrolle, die die Elite bei der mündlichen Abstimmung über ihre Klientelen ausgeübt hatte. Aber die geheime Wahl galt für alle Bürger, auch für die Elite, so daß sie bei der Stimm abgabe nicht mehr familiären Verpflichtungen oder Übereinkünften mit anderen Mitgliedern der Elite auf der Basis von Klientelund Freundschaftsbeziehungen Rechnung tragen mußten. Die Wahl per tabellam bewirkte eine Verminderung der Kontrolle der Aristokratie nicht nur über die plebs, sondern auch über die ambitiösen Neureichen, die aus verschiedenen Teilen Italiens im Streben nach politischem Aufstieg in die Urbs kamen. Dazu kam später noch die Verleihung des Bürgerrechts an die Italiker. Da die entscheidenden Stimmen in den comitia, vor allem in den comitia centuriata, also bei den Wahlen für die Magistraturen mit imperium, von den Vermögenden abgegeben wurden, war es wichtig, die Elite von den Vorzügen eines Kandidaten oder von der Zweckmäßigkeit seiner Ideen zu überzeugen. Mit verschiedenen Mitteln wurde um die Gunst der Elite geworben, unter anderem mit der Redekunst. Je nach der politischen Rolle der Mitglieder der Gesellschaft und ihrer sozialen Position kann man bei den in contiones vorgetragenen Reden zwei Kommunikationsformen unterscheiden79. Die eine war die mündliche Kommunikation, die an die Anwesenden der Versammlung, also hauptsächlich an Mitglieder der Plebs, gerichtet war. Für sie kam nur oder vorwiegend mündliche Kommunikation in Frage, und sie fungierten als Verbreiter der Nachrichten und Ideen. Andererseits gab es die schriftliche Kommunikation, die - mittelbare oder unmittelbare - Veröffentlichung und selektive Verbreitung derselben Rede in der Elite, also unter den Einflußreichen, die in der Praxis im Kontext der jeweiligen politischen Debatte eine Entscheidung zu fällen hattenSO. Im Laufe des 1. Jahrhunderts bewirkten die Verbesserung und Ausbreitung des schriftlichen Mediums, daß die im Senat oder vor dem Volk gehaltenen Reden immer häufiger schriftlich festgehalten und von ihren Autoren absichtlich bekanntgegeben wurden. Das war allerdings nichts Neues. In einem Text von FrontoS1 , der einen Teil der Rede De sumptu suo von Cato wiedergibt, erwähnt dieser eine seiner schriftlich fixierten orationes, woraus wir schließen, daß die 79 Auch in den in iudicia publica gehaltenen Reden gab es zwei Hörerschaften: einerseits die Geschworenen, Mitglieder der Elite, Senatoren und Ritter, andererseits das Publikum, das aus interesse zu der Veranstaltung kam, ein Großteil davon aus der plebs urbana. Aus den noch erhaltenen forensischen Reden Ciceros wird allerdings deutlich, daß sie ausschließlich darauf ausgerichtet waren, die Geschworenen zu überzeugen, da sie reichlich Erniedrigungen und Demütigungen des Volkes und von der Plebs geschätzter Männer enthalten. 8~s ist anzunehmen, daß, wie Rawson, Intellectual Life, 35, schreibt, verschiedene schriftliche Versionen der in Rom gehaltenen Reden auch in den municipia Italiens verbreitet wurden, mit dem Ziel, deren Einwohner, insbesondere die Aristokraten, zu beeinflussen. 81pront., n 44-46, Haines: Iussi caudicem proferri, ubi mea oratio scripta erat de ea re ...
Publikation und schriftliche Verbreirung der Reden
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Redner die Texte ihrer Ansprachen in einer Art Archiv zu verwahren pflegten. Von Cato ist bekannt, daß über hundertfünfzig seiner orationes veröffentlicht wurden und daß Cicero noch die Möglichkeit hatte, sie zu lesen82 . Neu an diesem phänomen ist seine Intensivierung in dieser Zeitspanne. Denken wir nur an das Interesse Ciceros an der adäquaten Publikation seiner Reden während seines Konsulats, sowohl der im Senat als auch der vor dem Volk gehaltenen83 , und an der Verbreitung seiner zweiten Philippica, obwohl sie nie vorgetragen worden war, oder daran, daß Brutus in einem für ihn und für das Schicksal der res publica kritischen Moment für die technische Verbesserung seiner sogenannten contio Capitolina zum Zweck ihrer Veröffentlichung sorgte. Laut Sueton84 schrieb Augustus alle seine Reden, sowohl die im Senat als auch die ad populum oder apud milites gehaltenen, auf, und um Fehler und das Auswendiglemen von Reden zu vermeiden, pflegte er sie abzulesen. Es konnte auch vorkommen, daß ein anerkannter Redner eine Rede verfaßte, die dann ein anderer vortrug. Atticus z.B. bat Cicero einige Wochen nach dem Tod Caesars, für Brotus eine Rede für eine Volksversammlung zu schreiben und sie nach Rom zu schicken. Cicero erklärte seinem Freund, er werde das nicht tun, da er wisse, daß Brotus das nicht akzeptieren werde, weil er sich selbst für einen ausgezeichneten Redner halte. Cicero wies diese Bitte nicht aus ethischen Gründen zu.rück, was uns vermuten läßt, daß das Verfassen von politischen Reden für andere durchaus gängig war. Auch ist bekannt, daß diese Praxis in Gerichten üblich war85. Da es den Beruf des Herausgebers nicht gab, war es in der· Regel der Autor selbst, der Kopisten, sogenannte librarii, mit dem Abschreiben des Textes beauftragte und die Kopien an Freunde verschenkte, die sie wiederum für andere abschreiben lassen konnten. So kam es allmählich zur Verbreitung des Textes, allerdings unter einem Publikum, das ausschließlich der sozialen Elite angehörte 86 . 82Cic., Brut., 65: Refertae sunt orationes amplius centum quinquaginta, quas quidem adhuc invenerim et legerim. Cicero las die Reden vieler anderer MlInner, die er in seinem Brutus erwähnt die des Ti. Gracchus, des Konsuls von 177 (Brut., 79), des Sero Sulpicius Galba, des Laelius und des Scipio Aemilianus (Brut., 82). Crassus ließ die Rede herausgeben, die er in einer contio für die rogatio Servilia gehalten hatte (Brut., 161). Augustus hingegen las im Senat Reden von Rutilius und Metellus Macedonicus, dem Censor des Jahres 131 (Suet., Aug., 89,5). Vgl. HaIlis, AncientLiteracy, 172, Anm. 111. 83Zur Publikation der Ciceronianischen Reden im allgemeinen SetUe, Publication, passim, und Crawford, Lost and Unpublished Orations, passim. Von Cicero sind noch folgende in contiones gehaltene Reden vorhanden: De imperio Cn. Pompeji, De lege agraria 11 und m, die zweite und dritte seiner Catilinariae, Post reditum ad Quirites und die vierte und sechste seiner Philippicae. 84Suet., Aug., 84,2-3. 85Cic., Art., XIV 20,3. Plutarch behauptet, Lucius Caesar habe von Cato verlangt, ihm beim Verfassen einer überzeugenden Rede behilflich zu sein, die er vor Caius Iulius Caesar halten wollte, um für Cato und die Dreihundert einzutreten (Cat.min., 66,1). Im juristischen Bereich wissen wir von einer Rede, die Plotius Gallus im Jahre 56 schrieb und mit der Sempronius Atratinus vor Gericht Caelius anklagen sollte (Suet, Gramm. et rhet., 26). 86 Achard, Communication l\ Rome, 129; Citroni, I destinatari contemporanei, 72.
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1. Politik: und Redefreiheit
Eine Publikation implizierte den ausdrücklichen Willen des Autors, den der Ehrgeiz leitete, von der Nachwelt als ein herausragender Redner angesehen zu werden, und der beabsichtigte, die Bürger von seinen Ideen und Taten genau in Kenntnis zu setzen. In der Regel handelte es sich um eine Neufassung des Textes, und zwar nicht nur in Hinsicht auf die Form, sondern bisweilen auch auf die Argumentation. Daher konnten Monate oder sogar Jahre bis zur Veröffentlichung vergehen (die ciceronianischen Reden während seines Konsulats wurden vermutlich erst drei Jahre, nachdem sie gehalten worden waren, in Umlauf gebracht87 ). Auf diese Weise waren zwar die Verbreitung und die Fortdauer seiner Worte gewährleistet. aber der Einfluß auf seine Mitbürger blieb - zumindest unmittelbar nach den Reden - relativ beschränkt, da sich die politische Konstellation zwischen Vortrag und Veröffentlichung der Rede wesentlich ändern konnte. Zahlreiche Quellen lassen verlauten, daß ganze Reden oder deren Grundideen mit großer Geschwindigkeit aus der Urbs in verschiedene Teile Italiens und sogar in feme Orte des Imperium übermittelt wurden. Diese Form der Verbreitung, auch als "unauthorized publication" bezeichnet88 , war ein sehr direkter Prozeß, der es selbst der Elite aus den villae in Latium oder Kampanien und denjenigen, die in einer Provinz des Imperium ein Amt innehatten, ermöglichte, aufs beste darüber informiert zu sein, was in Rom geschah. Dieser Umlauf der Reden wurde im Gegensatz zur Veröffentlichung nicht immer vom Autor bezweckt, obzwar ihm sicherlich bewußt war, daß seine Worte bis in die entlegensten Winkel des Imperium gelangen würden und daß er somit nicht nur für das Auditorium einer Versammlung sprach, sondern für ganz Rom und insbesondere für die gesamte herrschende Klasse89•
87McDermott, Cicero's Publication, 284, ist hingegen der Ansicht, sie seien sofort herausgege· ben worden, nachdem sie gehalten worden waren, u.zw. alle im Iahre 63. 88SettIe, Publication, 288-293. 89Acbard, Communication ~ Rome, 90-91. Ial, Guerre civile, 208-216, greift einige Beispiele schriftlicher Reden auf und betont die Schnelligkeit, mit der sie seiner Meinung nach während der Bürgerkriege veröffentlicht wurden, um nicbt vom Feind entkräftet zu werden und um in einer Zeit, in der die Propaganda einen breiten Raum einnahm, der größtmöglichen Leserschaft zugänglich zu sein. Hat die Überzeugung durch Reden vor dem Volk während der Bürgerkonflikte auch einen hoben Stellenwert gehabt, so wurden anscheinend doch fast alle der genannten schriftlich bekanntgegebenen Reden, zumindest am Anfang, inoff"lziell verbreitet und nicht publiziert. Die Verbreitung von politischen Meinungen innerbalb weniger Tage oder Wochen gescbah bauptsächlieb durch Briefsendungen, und falls es eine Veröffentlichung gab, fand sie nachträglich statt. Außer den Philippicae Ciceros, deren Publikation sehr schnell erfolgt sein muß (Ial, op.cit., 216), wissen wir tatsächlich nur von dem Wunsch des Brutus, seine contio Capitolina (und anscbeinend auch seine anderen Reden) zu publizieren, aber als es einige Wochen, nachdem er die Rede gehalten batte, dazu kam, hatte sich die politische Situation scbon merklich verändert, und der Text hatte eher einen literarischen als einen propagandistischen Wert. Auch Octavian schickte Cicero eine seiner in contiones gehaltenen Reden (Cic., Att., XVI 15,3) und ließ sie mit aller Wahrscheinlichkeit auch anderen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zukommen.
Publikation und schriftliche Verbreitung der Reden
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Möglicherweise gab es schon im 1. Jahrhundert Leute, die speziell dazu ausgebildet waren, während einer Rede Notizen zu machen, die nachträglich transkribiert wurden, so daß die Rede rekonstruiert oder zumindest eine Zusammenfassung der wichtigsten Ideen geliefert werden konnte. Laut Isidor war Tullius Tiro, ein Freigelassener Ciceros, der erste, der ein Stenographiesystem entwickelte, mit dem man in Gerichtsverhandlungen und in contiones Aufzeichnungen machen konnte9o. Plutarch gibt an, Cicero habe in der Curia mehrere Schreiber beauftragt, mit Hilfe von Abkürzungen und Zeichen die gesamte Rede Catos vom 5. Dezember des Jahres 63 abzuschreiben. Cicero selbst spricht davon, eine Mitschrift veranlaßt zu haben, jedoch nicht durch Schreiber, sondern durch vier Senatoren mit gutem Gedächtnis und Fertigkeit im Schnellschreiben91 . Sueton berichtet, der Triumvir Octavian habe einen gewissen Pinarius, einen eques Romanus, überrascht, als dieser Aufzeichnungen machte, während Octavian in einer Heeresversammlung, zu der auch Zivile zugelassen waren, zu seinen Truppen sprach. Daraufhin ließ er Pinarius hinrichten92 • Ob es nun ausgebildete Stenographen gab (was man mit Sicherheit für den Prinzipat weiß) oder nicht, mag dahingestellt bleiben; sicher ist, daß einige Reden in Senat und Volksversammlungen ganz oder in Auszügen von anderen Leuten als dem Redner selbst schriftlich festgehalten wurden93 . Seit dem Jahr 59 gab es noch eine weitere Möglichkeit, sich über die täglichen Ereignisse in der Urbs zu informieren. Laut Sueton rief Caesar in diesem Jahr, während seines ersten Konsulats, eine Art Tageszeitung, die acta diurna (acta populi oder acta urbis), ins Leben, die, sicherlich unter der Kontrolle eines Magistraten, wie die Edikte in einem album oder in Pamphleten bekanntgegeben wurde94 . Jedenfalls konnten selbständige librarii sie abschreiben, die Kopien ver-
90lsid., Etym., I 22,1: Notarum usus erat ut, quidquid pro contione aut in iudiciis diceretur, li-
brarii scriberent conplures simul astantes, divisis inter se partibus, quot quisque verba et quo ordine exciperet. Romae primus Tullius Tiro Ciceronis /ibenus commentus est notas, sed tantum praepositionum. Eine hypothetische Rekonstruktion dieses Systems stammt von Mentz, Die Entstehungsgeschichte der römischen Stenographie, passim, nach dem bereits Tiro die Stenographie entwickelt hat. Im selben Sinn vgl. Boge, Die Tironischen Noten, 43. Andererseits wird dies von McDermott, Cicero and Tiro, 271-272, Marshali, Excepta oratio, 735, und Settle, Trial of Milo, 276-277, heftig bestritten. 91Plut., Cat.min., 23,3; Cic., Sull., 41-42 (es handelt eigentlich um eine gegen Catilina gehaltene Rede vom 3. Dezembe;-). McDermott, Cicero and Tiro, 272, Marshali, Excepta oratio, 733, und Settle, Trial of Milo, 276-277, sehen darin eine Bearbeitung von Plutarch ohne historischen Wert. 92Suet., Aug., 27,6. 1a1, Guerre civile, 210, nennt diese Episode als ein Beispiel für Spionage und dafür, wie wichtig es für einen Rivalen war, die Einstellung seines Feindes zu kennen. 93Settle, Trial of Milo, 277. 94S uet., lul., 20,1: Inito Iwnore primus omnium instituit ut tarn senatus quam populi diurna acta conjierent et publicarentur. Zu den acta diurna, Hübner, De senatus ... , passim, dem sich Humbert, Acta populi; De Ruggiero, Acta urbis, und Kubitschek, Acta urbis, anschließen. Vgl. auch Mommsen, Röm. Staatsrecht, III 1017-1018, und Riepl, Nachrichtenwesen, 396ff. In neuerer Zeit Baldwin, The acta diuma, speziell über die Ciceronianische Zeit, 189-194.
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öffentlichen und verbreiten. In den acta diuma waren die wichtigsten täglichen Ereignisse, darunter auch die vor dem Volk gehaltenen Reden, vermutlich in Form einer Zusammenfassung oder einer Aufzählung der wichtigsten Aussagen, außerdem Auszüge aus senatus consulta, wichtige Gerichtsurteile, die Provinzen betreffende Entscheidungen usw. enthalten. Das bedeutete, daß sich die in Rom Anwesenden direkt und die Abwesenden durch Berichte anderer über alle aktuellen Fragen informieren konnten95 . Der Redner selbst konnte auch Personen, an deren Meinung er aus politischen Gründen ein besonderes Interesse hatte, Kopien seiner Reden schicken. Den Briefen, die sich die Angehörigen der Elite gewöhnlich zusandten, lagen häufig Reden bei. Cicero verdanken wir die meisten Kenntnisse über das System der Verbreitung solcher Reden. Da die Briefsendungen normalerweise privat erfolgten - außer in einigen wenigen Fällen, in denen in der Provinz die öffentliche Post oder die der publicani benützt wurde 96 - und da natürlich nur gut situierte Leute diese Dienstleistung bezahlen konnten, blieb das Übermitteln von Reden aus Rom in die villae oder in andere Städte und Provinzen der Elite vorbehalten. Mit dieser Aufgabe waren die tabellarii beauftragt, meist Sklaven oder Freigelassene, die für eine bestimmte Person arbeiteten und sich ausschließlich dieser Tätigkeit widmeten97 . Die Häufigkeit, mit der die tabellarii in Ciceros Korrespondenz erwähnt werden, erweckt den Eindruck, daß sie fast ununterbrochen unter~ wegs gewesen und jeden Tag als Postboten eingesetzt worden sind, so daß die Nachrichten - und damit auch eventuell die Reden - mit ziemlicher Schnelligkeit übermittelt wurden 98 . Im Jahre 51 brachte der tabellarius Apellas und Freigelassene eines Freundes von Cicero (der sich zur Zeit in Kilikien aufhielt), M. Fabius Gallus, nach einer vierundsiebzigtägigen Reise Cicero einen Brief von Atticus aus Rom nach Kybistra in Kappadokien 99 . Die Übermittlung eines Schreibens von Rom nach Arpi95Jal, Guerre civile, 159, hält die acta diuma (in Anlehnung an Carcopino) in erster Linie für ein Mittel politischer Propaganda, ein Druckmittel zur Lenkung der öffentlichen Meinung, da es den Machthabern in Rom zu Diensten stand. Tatsächlich fällt es schwer, über ihre Objektivität oder Parteilichkeit zu urteilen, da wir nicht wissen, wer mit ihrem Erscheinen beauftragt war und unter welchen Umständen dies geschah, aber grundsätzlich sollten die acta diuma nicht als propagandistisches Element, sondern vielmehr als allgemeines Informationsmedium gesehen
werden. 96Aus Laodicea schickt Cicero im Jahre 51 Atticus einen Brief über einen[amiliaris Jwmo ae 00· mestieus, C. Andronieus Puteo/anus, seinem Freund aber teilt er mit, ihm stünden die tabel/a· rii der publieani in seinem Verwaltungsbezirk zur Verfügung (Cic., Alt., V 15,3). Bei einer an· deren Gelegenheit benützt Cicero selbst diese Boten, um Atticus aus Anatolien einen Brief zu senden (Cic., Alt., V 16,1). 97Zu den tabellarii, Desjardins, Tabellarii, passim. Zur Sendung von Briefen im Altertum im allgemeinen Riepl, Nachrichtenwesen, passim. 98Cic., Att., XVI 15,3: ... eotidie tabel/arios habebis ... (auch nachts: Cic., Alt., XII 1,2; XIII 46,5). Als Cicero sich im Jahre 49 in sein Landbaus in Formiae flüchtet, beauftragt er seine Frau, ihm jeden Tag einen Brief mit Nachrichten aus der Urbs zu schicken (Farn., XIV 18,2). 99Cic., Att., V 19,1.
Publikation und schriftliche Verbreitung der Reden
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num dauerte knapp einen Tag H)(), und Cicero behauptet, häufig Briefe bekommen haben, die nur einen oder zwei Tage zuvor geschrieben worden waren. Natürlich war eine Briefsendung den Unwägbarkeiten der jeweiligen politischen und militärischen Gegebenheiten ausgesetzt, die den Postverkehr zeitweilig ins Stocken oder völlig zum Erliegen bringen konnten. So dauerte es lange, bis Cicero die Nachrichten über Mutina empfing, da Lepidus seine tabellarii neun. Tage lang aufgehalten hatte 101 • Auch der Absender selbst konnte einen Brief zurückhalten, wenn er der Ansicht war, der Inhalt sei zu heikel, um einer unbekannten Person anvertraut zu werden 102. Auch war es üblich, die Hin- oder Rückreise des Boten eines Freundes auszunutzen, um einen Brief mitzuschicken. Der glückliche Umstand, nicht nur auf den eigenen tabellarius angewiesen zu sein, ermöglichte eine Verbilligung, Ausweitung und Beschleunigung des Übermittlungssystems. Und da eine Mitteilung gelegentlich nicht nur privaten Charakter besaß und für Absender wie Empfanger politisch brisant sein konnte, setzte das gemeinsame Benutzen von tabellarii ein großes Vertrauen, gewisse Freundschaftsbeziehungen u'nd häufig eine Übereinstimmung in politischen Fragen voraus 103 . Die Monate nach der Ermordung Caesars sind ein gutes Beispiel dafür, wie dieses Netz der Überbringung von Botschaften funktionierte. Während dieser Zeit waren Cicero, obwohl er sich fern von Rom aufhielt, die wichtigsten in der Hauptstadt gehaltenen politischen Reden bis ins Detail bekannt. So drückt er Anfang April seine Verachtung über das Lob aus, das die Anhänger des ermordeten Diktators diesem entgegenbringen 104. Aus einem Brief vom 1 L Mai desselben Jahres 105 wissen wir, daß er beiseiner Ankunft in Puteoli im Hause seines ZU
l00Cic., Att., XIII 19,1. Der tabellarius des Sestius behauptet, an einem einzigen Tag von PuteoH nach Rom gehen zu können: Cic., AU., XVI 14,2. 101Cic., Fam., X 33,1; XII 12,1. l02Cic., Att., I 13,1; 18,2; XV 4,4. l03Citroni, I destinatari eontemporanei, 63: Das Austragen von Briefen ging über den Kreis von Empfllngem, die eine persönliche Beziehung der amicitia zu dem Absender unterhielten, hinaus, und in gewissem Sinne bezeugte das Empfangen eines Textes die Integration einer Person in dieses private Netz. Für die Benutzung fremder Boten sind viele Beispiele bekannt: Cicero empfllngt in Bmndisium einen Brief von Atticus über einen tabellarius des L. Comelius Balbus (Cie., Att., XI 22,1); der tabellarius des Q. Fufius bringt ihm eine Botschaft von Fufius und zwei von Atticus nach Arpinum (Cic., Att., XV 4,1); der Bote des Bmtus befördert Briefe von ihm selbst und von Cassius (Cic., Alt., XV 5,1) und ein anderes Mal einen von Atticus (Cic., Att., XVI 2,1); einmal erhält er gleichzeitig drei Briefe von Bmtus, einen von Flaccus Volumnius persönlich, einen vom tabellarius des T. Vibius und einen dritten von Lupus (Fam., XI 12,1); Cicero schickt mit demselben Boten Atticus ein Schreiben und Sestius ein weiteres (Cie., Att., XV 27,1), ein anderes Mal sendet er mit Cassius' Boten Attieus einen Brief (Cic., Att., XIV 20,5; 21,1). Wie man sehen kann, zählten die genannten Personen zum Freundeskreis Ciceros und standen ihm im allgemeinen in ideologischer Hinsicht nahe. I04Cic., Alt., XIV 11,1: Cum equidem contionem lego de 'tanto viro', de 'clarissimo civi', ferre nonqueo. 105Cic., Alt.• XIV 20.
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1. Politik und Redefreiheit
Freundes Lucullus drei Briefe von Atticus vonand. Im Antwortschreiben auf den ersten Brief bezeichnet er eine contio des Tribuns L. Antonius als horribilis und eine contio des Konsuls Dolabella als praeclara 106• Zweifellos waren beide Reden - vollständig oder als Zusammenfassung - im Schreiben des Atticus enthalten gewesen. Weiter schreibt Cicero, daß er, falls die Angaben seines Freundes stimmten und L. Antonius tatsächlich Octavian zu einer Rede verholfen habe, sehr neugierig auf den Inhalt dieser contio sei. In einem anderen, vom gleichen Tag datierten Brief schreibt er, er warte auf die Rede Octavians vor dem VOlk 107 . Als er eine Woche später Atticus erneut schreibt, hat er die Rede nicht nur gelesen, sondern weiß auch durch dessen Brief und die Botschaften anderer, daß L. Antonius contionatum esse ... sordide, obwohl er nicht die Gelegenheit hatte, dessen Rede in Schriftform einzusehen 108 . Währenddessen hatte Cicero von Brutus die sogenannte contio Capitolina, die dieser vor dem Volk im Capitolium am Tag nach dem Tod des Diktators gehalten hatte, erhalten. Fast zwei Monate, nachdem er sie vorgetragen hat, bittet ihn Brutus, sie zu verbessern, da er sie veröffentlichen wolle, was er schließlich auch tut 109 • Cicero lobt den technischen Aspekt der Rede, kritisiert jedoch ihren Mangel an Durchschlagskraft und schickt sie Atticus, damit auch er sie lesen und ihm seine Meinung zu ihr mitteilen kann; sie stimmte offensichtlich mit seiner eigenen überein11O• Monate später, im August, erfährt Cicero in Rhegium von Bewohnern dieser Stadt (municipes Regini), die gerade aus Rom zurückgekommen sind, daß M. Antonius eine Rede in einer contio gehalten hat. Er liest sie, und da sie ihn zufriedenstellt, erwägt er die Möglichkeit, in die Urbs zurückzukehren lll . Es ist anzu_nehmen, daß die gerade Angekommenen den Text der Rede mitgebracht haben. In einem anderen Brief vom November nimmt Cicero Bezug auf eine Rede Octavians in einer contio in Rom, die der Tribun Ti. Cannutius einige Tage zuvor für ihn einberufen hat. Er zitiert einen Satz aus der Rede, die ihm der Autor geschickt hat (est missa mihi) und ruft aus: ... at quae contio 112 •
106In einem anderen Brief, der direkt an Dolabella ging, lobt Cicero seine Rede: ... legi enim contionem tuam. Nihil illa sapientius ... (Cic., Fam., IX 14,7 =At!., XIV 17 A,7). 107Cic., Alt., XIV 21,4. 108Cic., Alt., XV 2,2. Über Octavian: De Octavi eontione Ufem sentio quod tu (2,3). 109Cic., Att., XV la,2: Brutus noster misit ad me orationem suam llabitam in eontione CapitoUna petivitque a me, ut eam me ambitiose eorrigerem antequam ederet. Offensichtlich waren die Reden des Bmtus in den Tagen nach den Iden des März noch in Umlauf 1IIId konnten in der Kaiserzeit noch gelesen werden: Tac., Ann., IV 34: Antomi epistulae, Bruti eontionesfalsa quidem
in Augustum probra, sed multa eum acerbitate habent. llOCic., Art., XV 3,2. l11Cic., Phil., I 8: A quibus primum accipio M. Antoni eontionem, quae mihi ita plaeuit ut, ea
leeta, de reversione primum coeperim cogitare. 1l2Cic., Art., XVI 15,3. Nicht nur die zivilen, sondern auch die in militärischen eontiones gehaltenen Reden waren Cicero bekannt, wie die des Antonius vor seinen Soldaten Ende April oder Anfang Mai des Jahres 43: ... contio eius ad me est adlata ... (Cic., Fam., XI 13,3).
Publikation und schriftliche Verbreitung der Reden
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Sicherlich war Cicero nicht der einzige, der ein so effizientes Nachrichtensystem benutzte. Ebenso wie ihm lag auch anderen Männem, die sich außerhalb Roms und Italiens aufhielten, viel daran, über die Geschehnisse in der Hauptstadt des Imperium genau informiert zu sein. Der damalige Statthalter von Mrika, Cornificius, wird z.B. von Cicero im Dezember in einem Brief darüber informiert, daß Antonius in einer contio von ihm gesprochen hat, aber er verzichtet auf Einzelheiten, da er annimmt, Comificius habe bereits auf anderem Wege davon erfahren 1l3 . Zusammenfassend können wir feststellen, daß die römische Elite über ein gut ausgebautes System zur Übermittlung von Botschaften verfügte, das es ihr ermöglichte, sich immer über die Ereignisse in Rom auf dem laufenden zu halten, selbst wenn sie sich außerhalb der Urbs oder von Italien aufhielt. Dieses private Netz von Klientelen und Freundschaften ermöglichte die Verbreitung von Briefen, literarischen Texten und Neuigkeiten. Hierzu zählen auch die politischen Reden in Schriftform, deren Kenntnis für alle unerläßlich war, die eine einflußreiche Stellung im öffentlichen Leben Roms innehaben wollten.
113Cic., Farn., XII 22,1: Al (Antonius) etiam de le contionatur '" Ego autern acta ad te omnia arbitror perscribi ab aliis. Wir kennen andere Reden, die vor dem Volk gehalten wurden und teilweise oder vollständig nachträglich niedergeschrieben wurden, z.B. eine contio des Clodius, die Cicero nicht persönlich gehört, sondern gelesen hat (Cic., Har.resp., 8; 51); eine andere, die M. Antonius an dem Tag seines Amtsantritts als Volkstribun im Dezember des Jahres 50 hielt, in der er Pompeius angriff und die Cicero zwei Wochen später vorlag (Cic., Alt., VII 8,5); die Reden des P. Sestius während seines Tribunats im Jahre 57, von denen vermutlich Vatinius seinem Ankläger, AJbinovanus, zwei Exemplare zukommen ließ, damit sie vor Gericht vorgelesen wurden (Cic., Val., 3); schließlich die des Bibulus während seines Konsulats im Jahre 59 (Cic., Att., 11 20,4). Bibulus entschloß sich wegen der Meinungsverschiedenheiten mit seinem Kollegen Caesar, sich aus dem öffentlichen Leben zurückzuziehen, höfte aber nicht auf, seine Ideen in Edikten und contiones in schriftlicher Form in Umlauf zu setzen, obwohl die Reden, die offensichtlich für Volksversammlungen bestimmt waren, möglicherweise nie vor dem Volk gehalten wurden.
2. DIE POLITISCHEN REDNER
Privati als Redner in Volksversammlungen Die Tatsache, daß in Rom die Redefreiheit als potestas contionandi ein Vorrecht ausschließlich der Magistrate war, hatte zur Folge, daß ein privatus in Volksversammlungen nicht frei reden konnte. Diese Einschränkung wirkte sich stark auf das politische Leben in Rom zur Zeit der späten Republik aus. Wollte ein privatus auf legalem Wege in der Öffentlichkeit sprechen, so mußte er einen Verbündeten unter den Magistraten haben, der ihm entweder in einer contio, an der er selbst auch teilnahm, das Wort erteilte, oder für ihn ex projesso eine Versammlung einberief (contionem dare). Andererseits konnte ein Magistrat eine PersonMagistrat oder privatus - auch speziell vorladen, damit sie sich vor einer Versammlung vorstellte (producere in contionem). Wir kennen eine Reihe von Privatpersonen, die im letzten Jahrhundert der Römischen Republik in contiones sprachen (siehe Tabelle 1). In gut einem Viertel der uns bekannten Versammlungen zwischen den Jahren 133 und 28 v.Chr. l hielten Leute, die augenblicklich über keine potestas contionandi verfügten, Reden in gesetzgebenden sowie hauptsächlich in politischen contiones. In den anderen Versammlungen trat entweder nur der einberufende Magistrat auf, oder es kamen zusätzlich noch andere Magistrate hinzu (Tabelle 2). So war also die Beteiligung von Privatpersonen an Volksversammlungen, stellten sie auch lediglich eine Minderheit dar, durchaus nicht unüblich. Die Reden wurden gewöhnlich von der Rednerbühne aus gehalten, obwohl der einberufende Magistrat den Rednern nicht immer die Genehmigung erteilte, auf die Tribüne hochzusteigen, so daß sie zuweilen gezwungenermaßen ex.injeriore loco sprachen2• Sobald ihnen das Wort erteilt worden war, gab es keine Einschränkung mehr für sie, es sei denn, der Vorsitzende hatte im voraus eine genaue Zeitspanne für ihre Ansprache festgelegt3 . Obschon der verantwortliche Magistrat häufig Leute auf die Tribüne rief, von denen er wußte, daß sie seine politischen Ideen oder seine rogatio unterstützen und somit die Anwesenden zu seinem Vorteil beeinflussen würden, gab es auch Versammlungen, bei denen voneinander abweichende Meinungen diskutiert wurden. lEin vollständiges Verzeichnis dieser Versammlungen unter Bezugnahme auf die jeweiligen antiken Quellen und eine Zusammenfassung der Ereignisse finden sich bei Pina Polo, Contiones, Anhang A, 276-313. 2Caesar lud während seiner Praetur im Jahre 62 Q. Lutatius Catulus vor, damit er über die Restawierung des Capitoliurn Rechenschaft gebe, und befahl ihm, ex inferiore loco zu sprechen (Cic., AU., II 24,3). Andererseits ließ er Vettius, einen einfachen privatus ohne politische Laufbahn, auf die Rostra hochsteigen. 31m Jahre 55 wurde Cato von der Rednerbühne vertrieben, als er weitersprechen wollte, nachdem die Zeit, die ihm der Tribun Trebonius gewährt hatte, verstrichen war: Plut., Cat.min., 43; CassDio, XXXIX 34.
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Die Quellen geben an, daß die privati meist nicht unbekannt, sondern wichtige politiker waren, die bereits in früheren Jahren öffentliche Ämter innegehabt hatten und somit Mitglieder des Senats waren. Von den insgesamt sechzig Versammlungen mit Beteiligung von Privatpersonen traten in vierzig Ex-Konsuln auf. In acht Fällen war der Redner nicht nur mindestens einmal Konsul gewesen, sondern auch Censor und Mitglied des Priesterkollegiums der augures oder der pontifices. In zwanzig Fällen war der Ex-Konsul gleichzeitig Priester. Für vier der Redner war die höchste bis dahin erlangte Magistratur die Praetur (zwei von ihnen gehörten auch einem Priesterkollegium an), für einen Redner die Aedilität, fur wahrscheinlich fünf die Quaestur (wobei der Quaestor auch pontifex war) und fUr sieben das Volkstribunat (einer von ihnen gehörte zum Kollegium der quindecemviri sacris faciundis). Andere Quellen infonnieren ohne weitere Details darüber, daß Senatoren und Priester an Volksversammlungen teilnahmen. Zu erwähnen sind noch ein gewesener magister equitum, der auch augur war (M. Antonius), ein gewesener praefectus urbi, der pontifex war (Octavian), ein Prokonsul (Pompeius) und ein gewesener tribunus militum a populo und pontifex (Caesar). Da das gesprochene Wort in Rom einen gewissen sakralen Charakter hatte, ist es interessant festzustellen, daß eine große Zahl der privaten Redner einem Priesterkollegium angehörte. Das Priestertum verstärkte die auctoritas all dieser Ex-Magistrate oder ließ sie denen zukommen, die eben erst ihren cursus honorum begonnen hatten. Caesar war, als er im Jahre 70 die erste von ihm bekannte Rede vor dem Volk hielt, zugunsten der rogatio Plautia, bis dahin nur als tribunus militurn tätig gewesen (er war Quaestor im Jahre 69), obwohl sein Amt in diesem Fall einer richtigen Magistratur gleichkam, da er vom Volk gewählt worden war4. Seine uneingeschränkte Aufnahme in den Kreis der Elite wurde jedenfalls gutgeheißen, weil er schon damals pontifex war und dieses Amt ihm implizit genügelld auctoritas verlieh, um eine Rede halten zu können5. Ebenso seltsam ist die Stellung des Octavian im Jahre 44, denn man kann bei ihm, obschon er 47 zumpraefectus urbi ernannt worden war6, wegen seines jugendlichen Alters noch nicht
4Suet., Iul., 5,1: Tribunatu militum, qui primus Romam reverso per sujfragia populi honor op· tigit ... Sie wurden von den comitia tributa für die Dauer eines Jahres zu Magistraten gewählt. Andere bekannte tribuni militum a populo neben Caesar waren Manus und Cato Uticensis. VgI. dazu Enßlin, Tribunus militum, 2441-2442. 5Caesar wurde im Jahre 87 zumjlamen DiaUs ernannt, konnte aber offensichtlich das Alnt nicht antreten, weil SulIa alle von Manus und Cinna durchgesetzten Maßnahmen autbob. VgI. Vell., 11 43,1; Suet., Iul., 1,1. 6Nic.Dam., Vit.Aug., 5. Eigentlich handelte es sich nicht um eine Magistratur, da das Amt nicht durch eine Volkswahl, sondern durch Ernennung durch einen Magistmten vergeben wurde, und die Aufgaben -die Verwaltung der Urbs - wurden nur während der Zeit übernoJIlUlen, in der die Magistrate dieses Jahres sich bei den traditionellen Feriae Latinae außerhalb der Stadt aufhielten. Die meisten bekannten praefecti urbi waren jung und hatten keinerlei politiscben Einfluß; es handelte sich lediglieb um ein Ehrenamt. Dazu siehe Sacbers, Praefectus urbi, 2512.
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2. Die politischen Redner
von politischer Karriere sprechen. Trotzdem war er wie sein Adoptivvater Mitglied eines Priesterkollegiums7. Außergewöhnlich ist auch die Lautbahn des Pompeius. Als er im Jahre 71 seine erste Rede vor dem Volk hielt, hatte er noch keine zivile Magistratur bekleidet, war jedoch in den Jahren zuvor bis zur Abhaltung dieser Versammlung ohne Unterbrechung Prokonsul gewesen und zudem für das kommende Jahr schon zum Konsul designiert Von M. Favonius und C. Porcius Cato ist nicht bekannt, ob sie bereits eine Rede gehalten hatten, bevor sie eine Magistratur bekleideten. M. Favonius sprach im Jahre 61 für die rogatio Pupia 8 . Im folgenden Jahr fiel er bei den Wahlen zum Volkstribunat durch, was sich 59 wiederholte. Wir wissen jedoch, daß er sich in diesem Jahr bis zum Schluß weigerte, im Senat dem von Caesar vorgeschlagenen Agrargesetz eidlich zuzustimmen. Der Zeitpunkt der Erlangung seiner Quaestur, der formalen Zugangsberechtigung zur Curia, ist nicht genau zu bestimmen, aber da er sich im Jahre 60 schon legal um das Tribunat bewerben konnte, hatte er sie höchstwahrscheinlich schon versehen, als er die Rede zugunsten der rogatio Pupia hielt9 • Das erste Faktum, das wir zu Catos Aktivität und Beteiligung am öffentlichen Leben kennen, ist eine Rede in einer politischen contio im Jahre 59, in der er Pompeius als privatus dictator bezeichnet und damit den Zorn der Anwesenden heraufbeschwört lO . Über den Beginn seiner politischen Karriere wissen wir nichts, nur, daß er später, im Jahre 56, Volkstribun wurde. Das läßt vermuten, daß er die Quaestur bereits einige Jahre davor bekleidet hat, und wie bei Favonius ist es sehr wahrscheinlich, daß er Senator war, als er 59 auf die Rednerbühne stieg. Wenn also privati Reden hielten, so hatten sie gewöhnlich schon eine Magistratur hinter sich. Uns sind nur fünf Ausnahmen bekannt. Eine bildet M. Aemilius Philemon, ein Freigelassener des Lepidus, der vom Tribun Munatius Plancus vorgeladen wurde, damit er als Zeuge über die Ermordung des Clodius aussagtell. Des weiteren wissen wir von zwei Frauen, den einzigen, deren Beteiligung an Volksversammlungen die Quellen erwähnen. Es handelt sich um Sempronia, die die von Equitius behauptete Verwandtschaft mit ihrem Bruder Ti.
7Dies war tatSächlich sein einziger Verdienst zwn Zeitpunkt von Caesars Tod, wie die Bauinschrift von Brixia verlauten läßt Sie wird in die Zeit zwischen den Iden des März des Jahres 44 und dem zweiten Januar des Jahres 43 datiert, als Octavian in den Senat aufgenommen und zwn imperator ernannt wurde. Ihr lapidarer Text lautet: C(aius) Iulius Caesar pon/if(ex) (CIL 12 794 '= V 4305'= ILS 75 '= Jll.RP 415'= lnser.!!., X 5,84). Vgl. Alfilldy, Augustus und die Inschriften, 293-294. 8Cic., Alt., I 14,5. 9Münzer, Favonius, 2074; Broughton, MRR, II 190; Ryan, The Quaestorship of Favonius, 516: Favonius sei vor 61 Qnaestor gewesen, wahrscheinlich im Jahre 62. IOCic., Q.fr., I 2,15. llAscon., In Mil., 32 c.; Cic., Mil., 12; SchoI.Bob., In Mit., 12.
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Gracchus bestrittl2 , und um Hortensia, die sich offenbar einem Edikt der Triumvirn widersetzte und zur Bekundung ihres Protests sogar auf die Rednerbühne stieg, von der sie vertrieben wurde - eine Episode, die mit zweifelhaften Details ausgeschmückt ist l3 . Auch wurde im Jahre 102 ein phrygischer Priester der Mater Magna mit Namen Batakes zur Rednerbühne gebracht, der forderte, in Rom müßten im Namen des Staates Riten zur Reinigung des Heiligtums der Göttin vollzogen werden 14. Keiner der Genannten konnte jemals auf legalem Wege den cursus honorum einschlagen. Ein anderes Beispiel eines privatus, der eine Rede hielt, ohne je eine Magistratur zu bekleiden, ist L. Vettius. Seine Aufgabe war der des Freigelassenen Philemon ähnlich und daher vollkommen gerechtfertigt: Er wurde vorgeladen, um öffentlich die angeblich an einem Komplott gegen Caesar und Pompeius Beteiligten anzuklagen 15 . Auf jeden Fall belegen die Infonnationen über an Volksversammlungen der späten Republik als Redner beteiligte privati die Feststellung, daß die Rede ein Privileg der Elite war. Mit wenigen Ausnahmen, die durch die jeweiligen Umstände erklärbar sind, waren alle uns bekannten Redner Magistrate oder Ex-Magistrate und besaßen somit genügend Prestige, um sich an das Volk wenden zu können. Wenngleich grundsätzlich jeder aufgefordert werden konnte zu sprechen, waren infolge der Hierarchie der römischen Gesellschaft doch die meisten Privatpersonen, die als Redner in einer contio auftraten, consulares, denn je umfangreicher ihre auctoritas war, desto größer waren auch Wirkung und Effizienz ihrer Ansprache. Das Monopol der Rede wird noch deutlicher durch die Feststellung, daß viele dieser privati im Lauf ihrer politischen Karriere in verschiedenen Versammlungen Reden gehalten haben. Obwohl wir sechzig contiones mit Beteiligung von privati kennen, umfaßt die Liste der privaten Redner während der hundert Jahre der späten Republik achtundzwanzig (die Zahl der uns bekannten Redner in contiones aus dieser Zeit beträgt knapp neunzig), und die meisten von ihnen waren auch während der Bekleidung ihrer Magistraturen vor dem Volk aktiv. In der Liste dieser achtundzwanzig Redner finden sich die Namen der wichtigsten Politiker, der principes civitatis der späten Republik: Pompeius, der neun uns bekannte Reden als Privatmann und eine weitere als Magistrat hielt, Caesar (vier bzw. sieben Reden), Cicero (neun bzw. zwölf), Cato Uticensis (fünf bzw. drei), Clodius (drei bzw. vierzehn), außerdem Scipio Aemilianus, C. Gracchus, Metellus Numidicus, C. Marius, Sulla, Catulus, Hortensius, Crassus, M. Antonius, Octavian usw. 12Val.Max., III 8,6. Über die Reden von Fmuen in contiones schreibt Valerius Maximus: Quid
jeminae cum contione? si patrius mos servetur, nihil. 13App., B.C., IV 32-34. 14Diod., XXXVI 13,2. Unter besonderen Umständen konnten auch Ausländer in contiones sprechen, falls sie vom einberufenden Magistraten vorgestellt wurden (Sall., lug., 33-34). 15Cic., Sest., 132; Vat., 24; Att., II 24,3; Suet., lul., 20; Cass.Dio, XXXVIII 9,4.
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2. Die politischen Redner
Das relativ häufige Auftreten dieser Männer in Volksversammlungen läßt sich leicht erklären. Einerseits zwang sie ihr Streben nach politischer Einflußnahme, zu bestimmten Zeitpunkten vor dem Volk zu sprechen, und so ihre führende Position in der res publiea zu demonstrieren. Andererseits machte ihr politischer Einfluß sie zu begehrten Sprachrohren für die Vorhaben anderer (die Zustimmung zu einem Gesetz, das Fällen eines Urteils über einen Feind usw.). Im ersten Fall ging es ihnen darum, ihre fama und auetoritas unter Beweis zu stellen, im zweiten führten ihre Popularität und Glaubwürdigkeit sie zur Rednerbühne.
Vermittler in Volksversammlungen Die auctoritas eines politischen Führers lag allein in seiner Persönlichkeit begründet und mußte sich permanent im Alltag bewähren und durch die Antwort des Volkes bekräftigen 16 . Da der Erfolg von der Handlungen des Volkes im wesentlichen von Persönlichkeit, Glaubwürdigkeit und Popularität ihres Anführers abhing, war es für einen Politiker unerläßlich, persönlich an den Versammlungen teilzunehmen, um seine Ideen zu verteidigen, auf ein Gerücht oder eine Beschuldigung zu antworten, die Argumente eines anderen Redners zu widerlegen. Bisweilen waren die Anwesenheit eines Politikers in Rom und seine Reden in contiones entscheidende Faktoren seiner politischen Strategie und Schlüsselelemente, die seinen Erfolg oder Mißerfolg erklären. Wer gerade keine Magistratur bekleidete, war, wie bereits dargelegt, auf die Hilfe eines Amtsträgers angewiesen, der ihm den Zugang zur Rednerbühne ermöglichte. Eine andere Strategie bestand darin, daß ein Magistrat als Vermittler für einen Politiker eintrat und in der V olksversammlung die Ideen des Abwesenden darlegte und verteidigte. Einen Unterschied zwischen imperatores und oratores gab es in der späten Republik jedoch nicht, so daß beispielsweise Pompeius und Caesar die Nähe zum Volk suchten, um ihm ihre Ideen direkt auszudrücken und um die Früchte ihrer durch Siegeszüge erlangten Popularität zu ernten. Die Vermittler hatten lediglich die Aufgabe, die Versammlung einzuberufen. Sowohl, als er für das Jahr 70 zum ersten Mal zum Konsul gewählt wurde, als auch bei seiner siegreichen Rückkehr aus dem Orient Ende 62 oder Anfang 61 zählte zu den ersten Aktivitäten des Pompeius bezeichnenderweise sein Auftritt in einer contio, die für ihn einberufen worden war. Die erste, die mit aller Wahrscheinlichkeit gegen Ende des Jahres 71 auf die Initiative des Tribuns M. Lollius Palicanus hin außerhalb der Stadt abgehalten wurde, damit Pompeius als Prokonsul daran teilnehmen konnte, wird von Cicero detailliert beschrieben 17 • Pom16Schulte, Orator, 38. 17Cic., Verr., 145: Ipse denique Cn. Pompeius cum primum contionem ad urbem consul
designatus habuit, ubi, id quod maxime exspectari videbatur, ostendit se tribuniciam potestatem restituturum, Jactus est in eo strepitus et grata contionis admurmuratio. Idem in eadem contione cum drosset populatas vexatasque esse provincias, iudicia autem turpia ac jlagitiosa jieri; ei rei se providere ac consulere velle; tum vero rwn strepitu, sed maximo c/amore suam popu-
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peius, der bereits zum Konsul ernannt war, nutzte diese. erste Gelegenheit, um sich an das römische Volk: zu wenden. Damit wollte er sich einerseits der Hingabe des Volkes vergewissern, die ihm wegen seines Anteils am Sieg über Sertorius in Hispanien und wegen der Beendigung der Sklavenunruhen in Italien entgegengebracht wurde. Andererseits kündigte er den Anwesenden im Hinblick auf sein bevorstehendes Konsulat ein regelrechtes Maßnahmenprogramm an. Er gab bekannt, daß er die Kompetenzen der Volkstribunen, die von Sulla stark eingeschränkt worden waren, wiederherstellen werde, was in der Hörerschaft ein zustimmendes Murmeln hervorrief, und deutete an, daß er eine Reform der Gerichte durchsetzen werde (was im Jahre 70 auch tatsächlich geschah) womit er in der Versammlung ein regelrechtes Jammergeschrei auslöste. Pompeius versuchte auf diese Weise, seine Führungsposition zu festigen, die zwar aus militärischer Sicht eindeutig war, aber nicht durch einen zivilen cursus honorum gestützt wurde. Seine Beredsamkeit und die Darlegung konkreter Maßnahmen vor den Bürgern mußten die Glaubwürdigkeit des imperator stärken. Von Cicero wissen wir auch, daß Pompeius, nachdem er im Dezember 62 oder Januar 61 aus dem Orient nach Brundisium gekommen war, in Rom Hauptakteur einer contio war, nachdem er freiwillig sein Heer entlassen hatte, ohne daß ein Befehl von seiten des Senats oder der comitia vorausgegangen wäre. Wir wissen weder, wer diese Versammlung für ihn einberief, noch kennen wir den Inhalt der Rede, da der Brief, in dem Cicero Atticus von dem Geschehen berichtet, nicht mehr erhalten ist, und so erfahren wir nur von der Gleichgültigkeit, mit der die Rede offenbar aufgenommen wurde18 . Wir können annehmen, daß sich der siegreiche Feldherr wie schon im Jahre 71 die ihm gebührende Popularität und seine Vormachtstellung in der Stadt sichern wollte. Außerdem beabsichtigte er wahrscheinlich die Aufmerksamkeit seiner Mitbürger darauf zu lenken, daß er als gewissenhafter Bürger seine Veteranen entlassen und damit auf eine eventuelle Verwendung des Heeres zum eigenen Nutzen verzichtet hatte 19.
lus Romanus signijicavit voluntatem. Ps.Ascon., Ad Verr., I 45 (= p.220,18 Slangi): Pompeius autem pro consule de Hispania victo nuper vene rat, et struim hab~rat contionem de restituenda tribunicia potestate, Palicano tribuno plebis. 18Cic., Att., 114,1: Prima contio Pompei qualisjuisset scripsi ad te antea: non iucunda miseris, inanis improbis, beruis non grata, bonis non gravis. Itaque frigebat. 19P1ul, Pomp., 54,1, spricht von einer zeitlich nicht genau festzumachenden Volksversammlung (in jedem Falle vor dem 3. Konsulat des Pompeius), in der Pompeius behauptet hat, zwar all seine Ämter früher erhalten, aber auch flÜher auf sie verzichtet zu haben als erwartel Der griechische Autor bringt diese Aussage mit der Entlassung der Truppen in Verbindung. Eine Aussage wie diese ist in der von Cicero erwähnten contio durchaus denkbar. Auch im Jahre 59 trat Pompeius als Privatperson in einer contio auf, die von einem Tribun, möglicherweise von Vatinius, einberufen wurde, mit dem Ziel, öffentlich alle von Bibulus erlassenen Edikte gegen Caesar zurückzuweisen, jedoch vor allem diejenigen, die die Konsulwahlen hinauszögerten (Cie., Att., n 21,3).
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2. Die politischen Redner
Von Caesar als privatus sind wenige Reden bekannt. Nur Cassius Di0 20 berichtet von einer Versammlung, die im April 49 für den Prokonsul während seines kurzen Aufenthalts in Rom außerhalb des pomerium einberufen wurde und in der Caesar eine Getreideverteilung und eine Spende von 75 Denaren pro Person versprach. Davor hatte außerhalb der Stadt eine Senatssitzung stattgefunden. Diese Tatsachen weisen auf sein Streben nach dem Wohlwollen des Volkes zur Zeit des Ausbruchs des Bürgerkrieges hin. Auch Cicero, der nach seinem Konsulat im Jahre 63 keine potestas contionandi mehr besaß, war von diesem Zeitpunkt an auf die Einladung eines Magistraten angewiesen, um vor dem Volk sprechen zu können. So hielt er im September 57 nach seiner Rückkehr aus dem Exil (Post reditum ad Quirites) mit der Ermächtigung durch die Konsuln eine Dankesrede, mit der er sein rentree in das öffentliche Leben einleiten wollte. Auch die Praxis des contionem dare erlaubte ihm in den Jahren 44 und 43, eine erbitterte Kampagne gegen Antonius zu führen, im Zuge der er im Senat und in contiones die sogenannten Philippicae hielt. Dafür nahm er die Hilfe zweier Tribunen des Jahres 43 in Anspruch. M. Servilius berief zwei Versammlungen für ihn ein, eine am 20. Dezember 44, in der er die Rede vortrug, die als die vierte Philippica bekannt geworden ist, und eine weitere Anfang März 43; diese Rede wurde nicht veröffentlicht oder blieb zumindest nicht erhalten21 . P. Appuleius, ein anderer Tribun, rief die contio ein, in der Cicero im Januar 43 seine sechste Philippica hielt Zweimal bediente sich Cicero befreundeter Magistrate, um von der Rednerbühne aus auf Reden politischer Gegner antworten zu können. Anfang 62 hielt Cicero eine Rede als Antwort auf die des Tribuns Metellus Nepos, Contra contionem Q. Metelli, von der Fragmente erhalten sind22 . Aus den Quellen und den Textstücken selbst geht nicht eindeutig hervor, ob diese Rede im Senat oder vor dem Volk gehalten wurde. Da es darum ging, einen Angriff zu erwidern, der in einer Volksversammlung stattgefunden hatte - eigentlich eine Kampagne gegen den Ex-Konsul wegen der Hinrichtung der Catilinarier ohne vorheriges Urteil -, ist es denkbar, daß die Antwortrede im selben Umfeld gehalten wurde, um der gegnerischen Propaganda Einhalt zu bieten. In diesem Fall wurde die Versammlung möglicherweise vom Tribun M. Porcius Cato einberufen, der mit Metellus
20Cass.Dio, XLI 16,1. 21Cic., Fam., xn 7,1-2. In ihr verteidigte Cicero wie zuvor in der Senatssitzung seinen Vorschlag, Cassius Longinus solle im Osten den Oberbefehl gegen Dolabella übemehmen.Vgl. Crawford, Lost and Unpublished Orations, 251. 22Gell., xvm 7,9: ... id autem quod potissimum expetebat, 'contionem' esse dictam pro verbis et oratione, docui titulo Tulliani libri, qui a M. Cicerone inscriptus est 'contra contionem Q. Metelli', quo nihil pro/ecto signijicatur aliud, quam ipsa, quae a Metello dicta est, oratio (Vgl. XVIII 7,7). Vgl. Cic .• Alt.• 113.5; Quint., Inst.orat., IX 3,50; Gramm.Lat.. Prise .. 11 487,6. Textfragmente in Müller (ed.). IV,3, 269ff. Vgl. Crawford, Lost and Unpublished Orations, 9596.
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Nepos verfeindet war und Cicero und sein Konsulat bis zum letzten verteidigte 23 . Im folgenden Jahr reagierte Cicero ebenfalls auf contiones des Clodius, die das Volk gegen ihn aufbringen sollten, vermutlich mit einer Rede vor dem Volk, in der er nicht nur Clodius, sondern auch all seine Anhänger angriff24 . Entscheidend für die Bestätigung Octavians als des politischen Erbens Caesars erwies sich die Tatsache, daß er in zwei wichtigen Momenten des Jahres 44 Reden vor dem Volk halten konnte, um eine Popularität zu erlangen, die er bis dahin nicht besessen hatte. Im Mai dieses Jahres berief der Tribun L. Antonius sofort nach Octavilms Ankunft in Rom eine contio für ihn ein, in der dieser öffentlich bekanntgab, der legitime Erbe Caesars zu sein25 . Und im Herbst, als Octavian mit einem in Kampanien rekrutierten Heer vor Rom lagerte, erlaubte ihm der Tribun Ti. Cannutius, in einer Volksversammlung zu sprechen und so die Abwesenheit des Antonius auszunutzen 26 . Zweifellos wirkten sich beide Reden auf die öffentliche Meinung aus und trugen dazu bei, im Volk ein vorteilhaftes· Bild des künftigen Princeps zu propagieren. Die Tatsache, daß Octavian zu diesem Zeitpunkt noch nicht Mitglied des Senats war, bestimmte sicherlich seine politische Strategie in der Urbs, die darin bestand, erst einmal vor dem Volk zu sprechen, um sich so der Gemeinschaft zu erkennen zu geben und seine Ideen und Ziele offenzulegen27 . Als privatus konnte er nur in einer contio sprechen, wenn er explizit dazu ermächtigt wurde, und zudem mußte er dies möglichst schnell tun, um die nach den Iden des März entstandenen U nrohen des Volkes zu nutzen. Clodius wandte eine neue Strategie an. Er konnte als privatus dank seinem Bruder, dem Praetor Appius Claudius, im Jahre 57 und wahrscheinlich auch im Jahre 53 regelmäßig an contiones teilnehmen 28. So vermochte Clodius persönlich und sofort auf die kurz zuvor gehaltene Rede Ciceros vor den pontifices (De domo sua) einzugehen, dessen Argumente zuwiderlegen und das Volk umzu-
23Plut., Cie., 23,6. 24Cic., Att., I 16,1. Cicero sagt nicht explizit, daß er in einer Volksversammlung gesprochen hat, aber der Kontext, das Erwähnen der Wehklagen der Menge, läßt darauf schließen. Die eontio kann von einem seiner politischen Verbündeten dieses Jahres einberufen worden sein, z.B. vom Konsul Valerius Messalla oder vom Tribun Caecilius Comutus. Die antiken Quellen berichten von zwei weiteren, möglicherweise in Volksversammlungen gehaltenen Reden Ciceros. In der einen muß Cicero über Crassus gesprochen haben (plut., eie., 25,2), die andere stand im Kontext der Ereignisse, die auf die Iden des März 44 folgten (App., Re., 11 142-143). 25Cic., Att., XIV 21,4; XV 2,2. 26Cass.Dio, XLV 6,3; 12,4; XLVIII 14,4; App., B.C., III 41-42. 270ctavian erkannte bald, daß außer der Redekunst auch die Inschriften als Kommunikationsmittel für politische Propaganda dienen konnten, wie die bereits erwähnte Inschrift von Brixia aus dem Jahr 44 zeigt, in der zum ersten Mal ein privatus als Bauherr eines öffentlichen Gebäudes erscheint. Vgl. Alföldy, Augustus und die Inschriften, 314-315. 280bschon Cicero hofft, die Hälfte der Tribunen des Jahres 57 möge ihm gutgesinnt sein, befürchtet er die politische Agitation, die Clodius in eontiones gegen ihn auslösen könne, wenngleich er in jenem Jahr ein privatus war (Cic., Q.fr., 14,3).
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stimmen 29. Auch konnte er von der Rednerbühne aus ein günstiges Umfeld für die Wahl der Aedile des Jahres 56 schaffen, in denen Clodius kandidieren wollte, um sich durch seine Wahl, zu der es tatsächlich kam, der Milos Beschuldigung de vi zu entziehen3o• Schließlich leitete er laut Cicero Ende 53 oder Anfang 52 eine Kampagne gegen Milo selbst ein, in der er ihm im Senat wie in Volksversammlungen den Tod androhte, kurz bevor er selbst auf der via Appia ermordet wurde3 !. All diese Beispiele zeigen, wie wichtig ein persönlicher Auftritt vor dem Volk war. Demgegenüber waren imperatores, die sich ab den sechziger Jahren häufig mehrere Jahre außerhalb der Urbs aufhielten, auf politische Verbündete als Vermittler angewiesen. Gemäß den leges Liciniae Aebutiae de magistratibus extraordinariis konnte niemand in eine außerordentliche Magistratur gewählt werden, wenn er selbst, seine Kollegen oder Verwandten die Einführung dieser Magistratur vorgeschlagen hatten32. Es mußte also ein anderer Mann, vorzugsweise ein Volkstribun, einen Gesetzesvorschlag einbringen und ihn im trinundinum in contiones verteidigen, bevor darüber in den comitia abgestimmt wurde. In den sechziger, fünfziger und vierziger Jahren haben mehrere Volkstribunen und andere Magistrate Gesetze und Dekrete zugunsten von imperatores durchgebracht, u.zw. hauptsächlich für Caesar und Pompeius33 . Auch in den politischen contiones wurden gelegentlich Vermittler eingesetzt. Die Volkstribunen C. Scribonius Curio und M. Antonius traten in den Jahren 50 und 49 für Caesar ein. Curio schlug ein Agrar- und ein Getreidegesetz vor und griff Pompeius an, da sich dieser mit den optimates verbündet und während seines Konsulats Gewalt angewandt hatte, und sprach in anderen Volksversammlungen zugunsten von Caesar34. Plutarch berichtet, daß ihn Curio in einer Senatssit-
29Cic., Au., IV 2,3. 30Cic., Att., IV 3,4, bezeichnet diese contiones als turbulentae, temerariae,juriosissimae. Es handelte sich um Versammlungen, die vom Praetoc Ap. Claudius und vom Konsul Metellus Nepos einberufen wurden. 31Cic., Mit., 26. Es ist sehr wahrscheinlich, daß Clodius in dieser Zeit Reden hielt, da er die Praetur anstrebte. Allerdings muß man die Aussage Ciceros über eine angebliche Kampagne gegen Milo im Kontext der Verteidigung Milos im Prozeß nach dem Tode des Clodius sehen. Das Ziel Cicecos war es zu zeigen, daß Milo in Selbstverteidigung gehandelt habe und daß es eigentlich Clodius gewesen sei, der Milo habe lÖten wollen. Aus diesem Grund ist der Wahr-. heitsgehalt der Aussagen Ciceros zweifelhaft 32Rotondi, Leges Publicae, 290, datiert die Gesetze in das Jahr 154. Jedenfalls waren sie in der späten Republik gültig. 33Vgl. die Liste derer, die Vanderbroeck, Popular Leadership, 198ff., als "assistant leaders" bezeichnet. 34Cicero behauptet, Curio sei im Jahre 50 durch seine zahlreichen Auftritte in contiones zu einem großen politischen Akteur geworden: Sollicitus equidem eram de rebus urbanis: ita tumultuosae contiones, ita molestae Quinquatrus adferebanlur (Farn., II 12,1). Vgl. Cic., Fam., VIII 6,5: Levissime enim, quia de intercalando non optinuerat, Iransjugit (CurioJ ad populum et pro
Caesare loqui coepit legemque viariam non dissimilem agrariae Rulli et alimentariam, quae iubet aedilis metiri, iaclavit. Zur Rolle von Curio und Antonius als Propagandisten Caesars im
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zung erfolgreich verteidigt habe35 . Danach habe der Tribun die Curia verlassen und sich an das Volk gewandt, das ihn mit Applaus empfangen habe. Obwohl der griechische Autor nicht angibt, daß es sich um eine contio handelte, ist dies sehr wahrscheinlich. Ihr Zweck war es, wie in der Curia den Abwesenden vor Gerüchten und gegen ihn gerichteten Meinungen, die von seinen Feinden in Umlauf gebracht wurden, zu schützen und so seine Popularität wiederherzustellen. Dies ist PlutarCh zufolge vollkommen gelungen. Im nächsten Jahr nahm nach Curio M. Antonius die Rolle von Caesars Beschützer sowie die des Übennittlers seiner Ideen an. Er las vor dem Volk einen Brief Caesars vor, obwohl sich die Konsuln und der Senat dem widersetzten. Darin schlug Caesar vor, sowohl er selbst als auch Pompeius sollten ihre Provinzen und Heere aufgeben und ihre Taten vor dem Volk offenlegen36• In beiden Fällen wird das Interesse Caesars und seiner Gefolgsleute deutlich, dem Volk seine Pläne zu unterbreiten und sich dessen Beistand zu sichern. Tatsächlich war. ein Schlüsselelement dafür, daß der künftige Diktator sich einer größeren Beliebtheit erfreute als sein ebenfalls bedeutender Gegner, eine Taktik, die darin bestand, daß er sich vor der plebs als Freund darstellte, sie durch gleichgesinnte Volkstribunen über wichtige Ereignisse informierte und sie somit in die aktuelle politische Debatte einbezog37. Wenngleich dies keine übliche Strategie war, bilden solche Vorfalle keine Ausnahme. Im Jahre 41, im Vorfeld des Krieges von Perusia, hielt der Konsul L. Antonius eine Rede, einerseits, um den Krieg zu rechtfertigen, andererseits, um die öffentliche Meinung auf die Seite seines abwesenden Bruders zu bringen. In der Ansprache ließ er verlauten, dieser verzichte freiwillig auf das Amt des Triumvirn und nehme stattdessen das des Konsuls an. Gleichzeitig beschuldigte er Lepidus und Octavian, das Triumvirat nicht abg~ben zu wollen~ was er als regelrechten casus belli interpretierte38• Bisweilen wurden auch beide Strategien, die Vermittlung durch einen Magistrat und der persönliche Auftritt eines Politikers, miteinander kombiniert. Das
allgemeinen, vgI. Taylor, Party Politics, 159, und Martin, Die Popularen, 110-114. Für letzteren bedeutet Ciceros Ausspruch transfugit ad popu[um nicht unbedingt, daß Curio zu den popu[ares überwechselte, sondern daß er nach seinem Mißerfolg im Senat wahrscheinlich die Volksversammlung als Medium politischer Agitation nutzte. 35Plu!', Pomp., 58.6-9. 36Plut., Pomp., 59,3; Caes., 30,3. 37Zur Bedeutung, die Caesar der öffentlichen Meinung beimaß, Collins, Propaganda, Ethics .... passim. Ausgehend von einer Analyse des Bellum Gallicum und des Bel/um Civile ist die Hauptthese des Autors. daß Caesar den psychologischen Faktoren Vorrang gab und von der Gewalt nur als Komplement zur Überredung und Führerschaft Gebrauch machte; als höchstes Ziel strebte er die Gewinnung der öffentlichen Meinung und nicht die Vernichtung seiner Gegner an (125). Niemand erkannte wie er die Bedeutung eines guten Rufes, niemand wog so vorsichtig die Auswirkung seiner Worte und Taten auf die öffentliche Meinung ab (130). 38App., B.C., V 30; CassDio, XLVIII 13,5. Vgl. Scott, Political Propaganda, 26-27.
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geschah im Jahre 108, als C. Marius kurz vor den Konsulwahlen für das kommende Jahr eilig nach Rom zurückkehrte, wo er dank der Kampagne, die ZUVOr mehrere Magistrate zu seinen Gunsten geführt hatten, vom Volk freudig empfangen wurde39 . Nachdem also der Weg für ihn geebnet war, trat Marius persönlich in einer Volksversammlung auf, die ein Tribun für ihn einberufen hatte4o. Darin . griff er Metellus an, beanspruchte da~ Konsulat für sich selbst und verpflichtete sich, für den Fall seiner Wahl, Iugurtha zu beseitigen oder gefangenzunehmen. Seine Pläne kamen geradezu einem Wahlprogramm gleich. Sallusts Bericht ist zu entnehmen, daß Marius mit dieser Kampagne eine breite Unterstützung der plebes erhielt - mit diesem Begriff umfaßt er offenbar sowohl die plebs urbana als auch die plebs rustica -, da er später erklärt, er genieße vor allem die Anerkennung der opijices agrestesque otr/lles41 • Obschon bei seiner Wahl zum Konsul die entscheidenden Stimmen sicherlich nicht die der plebes, sondern die der Elite waren, heben sowohl Sallust als auch Plutarch hervor, wie wichtig die Beliebtheit beim Volk als indirektes Druckmittel zur Bildung einer bestimmten öffentlichen Meinung war. Um den propagandistischen Effekt dieser Kampagne abzuschwächen, hielt Metellus im darauffolgenden Jahr nach seiner Rückkehr aus Afrika eine Rede in einer contio, in der er den Tribun Manlius Mancinus wegen seines Vorschlags, den Oberbefehl im Krieg gegen Iugurtha Marius zu übertragen, angriff und auf die persönlichen Attacken des Mancinus gegen sich antwortete42 . Gerade die Unmöglichkeit, auf legalem Weg die Rednerbühne zu betreten, war ein häufiger Grund für den Mißerfolg eines Politikers, wie er im Falle der Verschwörung des Catilina im Jahre 63 zu beobachten ist. Einer der Faktoren, auf die ihr Scheitern zurückzuführen ist, dürfte sicherlich die fehlende Legitimation Catilinas und seiner Verbündeten sein43 . Catilina war ein privatus, und somit entbehrte die von ihm angestrebte Führerschaft vollständig der Legalität. Zudem hinderte ihn sein Status, seine Ideen persönlich in einer Volksversammlung zu ver-
39Sall., lug., 73,5-6: Praeterea seditiosi magistratus volgum exagitare. Metellum omnibus eon-
tionibus eapitis areessere, Mari virtutem in maius eelebrare. Denique plebes sie aeeensa. uti opijiees agrestesque omnes, quorum res jidesque in manibus silae erant. relietis operibus frequentarent Marium et sua neeessaria post illius honorem ducerent. Möglicherweise haben Volkstribunen ähnliche "Wahlkampagnen" auch für andere imperatores geführt (vgl. Thommen, Das Volkstribunat, 253: "Die Feldberrn nutzten das ius eontionandi der Volkstribunen, um vor der Gemeinde ihre Anliegen publik zu machen und besonders, um sich für das Konsulat zu bewerben") oder für jemanden, der keinen Zugang zur Rednerbühne hatte. Plutarch (C.Cr., 8,1) erwähnt, daß eaius Gracchus in einer Versauunlung vor einer Wahl Unterstützung für C. Fannius verlangt habe, der dann für das kommende Jahr, 122, zum Konsul gewählt wurde. 40Plut., Mar., 8,9 . . 41paul, Bellum Jugurtbinum, t88-189, meint, der von Sallust verwendete Terminus plebes müsse außer der plebs urbana auch die equites einschließen. Der Kontext scheint jedoch niebt dafür zu sprechen. 42Gell .• VII 11.2-3; Gramm.Lat., Prise., II 382,6. 43Vanderbroeck, PopularLeadership, 128-129.
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teidigen und eine Mobilisierung vor allem der plebs urbana herbeizuführen; ebensowenig hatte er einen Amtsträger hinter sich, der ihm den Zugang zum Volk ermöglicht hätte. Die Quellen liefern nur ungenaue Infonnationen über die Reden Catilinas gegen Cicero im Jahre 64, kurz vor den Konsulwahlen 44, bei denen Catilina Cicero seine novitas zum Vorwurf machte. Aus dem Jahre 63 sind außer zwei Reden im Senat45 nur ein paar coetus in den Häusern Catilinas und des M. porcius Laeca bekannt46 • Zwar ist es verständlich, daß im Vorfeld einer Verschwörung die Pläne geheim gehalten werden mußten, aber fest steht auch, daß weder Catilina noch seine Anhänger im entscheidenden Moment ihre Absichten dem Volk vennitteln konnten, so daß sie auch keinen festen Rückhalt in der plebs urbana fanden - und genau das war ein wichtiges Ziel der Verschwörer gewesen. Catilina besaß die Unterstützung des Praetors P. Cornelius Lentulus Sura, der den Brief an die Allobroger unterschrieb, mit dem Cicero den ersten Schritt zur Niederwerfung der Verschwörung rechtfertigte. Hätte Lentulus Sura die Verschwörung in Rom angeführt, so hätte er als Praetor ihr eine gewisse Legitimität verleihen und gleichzeitig eine Kommunikation mit der plebs urbana herstellen können. Aber er wurde verhaftet, aus seinem Amt entlassen und hingerichtet. In den Berichten Sallusts und Ciceros findet sich offenbar ein weiteres, ebenso bedeutsames Faktum. Calpurnius Bestia, der für das Jabr 62 zum Volkstribunen gewählt war und somit am 10. Dezember sein Amt antreten sollte, scheint die Aufgabe gehabt zu haben, kurz nach seinem Dienstantritt eine contio einzuberufen, in der er den Noch-Konsul Cicero herabzuwürdigen und damit das Zeichen zur Auslösung der Verschwörung zu geben41. Diese wurde aber vorzeitig zerschlagen, und der gesamte Handlungsablauf vollzog sich anders als geplant. Die Beteiligung Bestias an der Verschwörung wurde nicht bewiesen, und er wurde nicht als Komplize verurteilt, obwohl er sich gemeinsam mit dem Tribun Metellus Nepos einige Tage später Cicero widersetzte und ihn öffentlich in Volksversammlungen angriff48 • Es ist bezeichnend, daß die Verschwörung gerade mit einer contio anfmg. Darin sollte ein für die Revolte günstiges Klima geschaffen- und gleichzeitig der Hauptgegner angegriffen werden. Ebenfalls charakteristisch ist, daß dafür ein Volkstribun ausgewählt wurde, also jemand, der mit dieser Art von Versammlung 44Ascon., In toga eand., 72,17 C.; Sehol.Bob., In Sull., 80,13; App., B.C., II 2. Vgl. Maleovati, ORF, 1367·371. 45Cie., Mur., 51; SalI., Cat., 31,5. 46Cic., Mur., 50: eontio domestiea; Cat., 19: eoetus; Sall., Cat., 27,3. 41Sall., Car., 43,1: ... quom Carilina ... eum exereitu venisset, L. Besria tribunus plebis eonrione habira querererur de aetionibus Cieeronis bellique gravissumi invidiam optumo eonsuli
inponeret; eo signa proxuma noete eetera multitudo eoniurationis suom quisque negotium exequeretur. Cie., Cat., m 10, sagt, der Anfang der Versehwönmg sei bereits auf den 16. oder 17. Dezember, also die Zeit der Satumalia, festgelegt. Zum Text des Sallust vgI. Ramsey, Bellum Catilinae, 177-178. 48Cie., Sull., 31; Ad Brut., I 17,1; Plut., Cie., 23,1.
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am engsten verbunden war und dem Volk am nächsten stand. Jedenfalls wird dadurch die Bedeutung klar, welche die Verschwörer der öffentlichen Meinung in der Urbs beimaßen. Auch die Haltung Ciceros wurde von diesem Gedanken bestimmt - er wußte die legalen Mittel zu ihrer Steuerung, die ihm aufgrund seiner Magistratur zur Verfügung standen, vortrefflich zu nutzen. Als Konsul trug er zwei seiner Catilinariae in contiones vor, in denen er das Volk darüber informierte, was im Senat geschah und beschlossen wurde. Um zu verhindern, daß die plebs urbana die Verschwörung unterstützte, weckte der Konsul die Erinnerung an die Grausamkeiten früherer Bürgerkriege, beschrieb Catilina aber in seinen Reden als noch geHihrlicher als die principes, die um Macht und um eine Veränderung der res publica gekämpft hatten; verglichen mit ihnen sei Catilina viel mehr zu fürchten, da er Sklaven rekrutiere, Rom in Brand setzen und die res publica zerstören wolle49 , Laut Cicero drohte die Verschwörung nicht nur die Grundprinzipien der Gemeinschaft im sozialen und gesetzlichen Bereich zu untergraben, sondern gefährdete selbst die nackte Existenz der Einwohner Roms, ihre Familien, Häuser und Einrichtungen. Keine dieser Beschuldigungen war fundiert, aber sie weckten unter den Zuhörern den Überlebensinstinkt, vor allem innerhalb der plebs, die gerade wegen ihrer Armut Angst hatte, auch noch ihren geringen Besitz zu verlieren. So kam es, daß die plebs nicht gewillt war, sich in politische Abenteuer hineinziehen zu lassen, deren Ausgang nicht feststand. Eindeutig wollte Catilina weder den Staat zerstören noch dessen politische und soziale Struktur verändern; was er tatsächlich bezweckte, war, sich an die Spitze der res publica zu stellen5o. Den Einsatz von Sklaven in seinen Reihen lehnte er sogar entschieden ab; dies hätte ihn zu sehr von den freien Bürgern distanziert. Deshalb verbreitet Cicero das Gerücht über eine angebliche Rekrutierung51 • Daß Catilina plante, Rom in Brand zu setzen, scheint völlig abwegig, aber die häufigen Brände, die weite Teile der Stadt verwüsteten, machten die aus der Luft gegriffene Aussage des Konsuls glaubhaft, da die Stadt das Tätigkeitsfeld der opijices und der tabernarii war5 2• Weder Catilina noch einer seiner Anhänger konnte auf diese Beschuldigungen reagieren (Cicero hatte Catilina so stark eingeschüchtert, daß dieser Rom verließ; Ciceros erste Catilinaria war vornehmlich darauf ausgerichtet gewesen, dieses Ziel zu erreichen), und die plebs urbana, die sich nun führerlos sah, zog es 49Cic., Cat., III 25: Non illi nullam esse rem publicam sed in ea quae esset se esse principes, neque hanc urbem conj/agrare sed se in hac urbe florere voluerunl. 50Gruen, Last Generalion, 417ff. 51/bid., 428-429; Anneqllin, Esclaves et affranchis, passim; Loposzko, Propagande politique, 381-391; Bradley. Slaves, passim, glaubt an eine Beteiligung von ländlichen Sklaven, die aber nicht von den Verschwörern rekrutiert worden seien, sondern sich ihnen alsfugitivi spontan angeschlossen hätten. Entschieden für die Beteiligung von Sklaven plädiert Kühne, Zur Teilnahme von Sklaven, 200-202. 52Yavetz, Failllre ofCatiline, 493; Loposzko, Propagande politique, 387; Schaffer, Catiline and Clodius, 110-112.
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vor, kein Projekt mehr zu unterstützen, zu dem sie sich anfänglich wegen des Versprechens von tabulae novae hingezogen gefühlt hatte, wenngleich der Konsul den Anschein erwecken wollte, er habe von Anfang an die volle Unterstützung des Volkes besessen. Seine Anstrengungen, durch Reden zu erreichen, daß die plebs urbana auf seine Position umschwenkte oder sich wenigstens passiv verhielt, sprechen dagegen53 . Obwohl Cicero mit seinen Reden (vor allem der Androhung einer blutigen Niederschlagung der Verschwörung, die mit der Hinrichtung der wichtigsten Anführer in die Tat umgesetzt wurde) zumindest Zweifel und Unsicherheit in den Reihen des Volkes aufkommen ließ und viel dazu beitrug, daß die Verschwörung in der Urbs wenig Echo fand, bedeutet das nicht, daß die plebs urbana das Lager gewechselt, Cicero als ihren Wohltäter aktiv unterstützt oder der Gefangennahme und dem Tod der Verschwörer zugestimmt hätte54 . Im Gegenteil, die Tatsache, daß Metellus Nepos ihm wenige Wochen später untersagte, am Ende seiner Amtszeit eine Rede zu halten, außerdem die Angriffe gegen Cicero, die Nepos wegen der Bestrafung von Bürgern ohne vorheriges Urteil gemeinsam mit Bestia unternahm55 , und schließlich die Erhebung, die den Ex-Konsul Jahre später ins Exil trieb, lassen uns vermuten, daß seine Handlungen nicht von der öffentlichen Meinung getragen waren. Der Bericht Plutarchs56 , wie Cicero die wichtigsten Anführer hinrichten ließ, zeigt, wer in Wirklichkeit hinter dem Konsul stand. Cicero führte Lentulus über das Forum zum Carcer Tullianus, wo dieser zusammen mit Cethegus hingerichtet wurde. Dabei gaben ihm Aristokraten als persönliche Wache das Geleit, während das Volk den Zug stumm beobachtete. Als Cicero auf seinem Rückweg sah, daß noch viele Anhänger der Verschwörer auf dem Forum versammelt waren und dachten, die Gefangenen vielleicht befreien zu können, rief er ihnen kurz und bündig zu: "Sie lebten". Darauf schritt er unter den Beifallsrufen der Leute zu seinem Haus empor, umgeben von aristoi.
53Die Rolle, die Catilinas Versprechen der tabulae novae bei der Planung der Verschwörung spielte, ist Ciceros erster Rede vor dem Volk (Cic., Cat., 11 8) sowie einer Stelle in seinem Werk De officiis zu entnehmen: Numquam vehementis aetum est quam me eonsule, ne solveretur (11 84). Sallust sagt ausdrücklich, daß die plebs Catilina unterstützte: Neque solum iIlis
aliena mens erat qui eonscii coniurationis juerant, sed omnino euneta plebes novarum rerum studio Catilina incepta probabat (Cat., 37,1). Er erklärt, gerade die plebs urbana habe Gründe dafür gehabt: Sed urbana plebs, ea vero praeeeps erat de multis eausis (37,4). Vgl. Gruen, Last Generation, 425-427; Yavetz, Failure of Catiline, 490492; Havas, Plebs romana, 23-29; Loposzko, Propagande politique, 390. 54Gruen, Last Generation, 431; Yavetz, Failure of Catiline, 489. 55Cic., Farn., V 2,7: (Metellus Nepos) ea me eonsulem adleeit, eum rem publieam eonservassem, atque abeuntem magistratu eontionis habendae potestate privavit. Vgl. Pis., 6-7; Sull., 34; De rep., I 7; Mur., 81; Plut., Cie., 23,2-3; Cass.Dio, XXXVII 38,2; Gell., XVIII 7,7-9; Quint., Inst.orat., IX 3,50. 56Plut., Cie., 22.
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Dieser Vorfall zeigt deutlich, daß Cicero uneingeschränkt von denjenigen unterstützt wurde, die er boni nannte, von Senatoren und Rittern57 , jedoch nicht von der Masse des Volkes, das sich aber auch nicht aktiv seinen Taten widersetzt zu haben scheint. Offenkundig waren Anfang Dezember in Rom noch viele dazu bereit, mit Catilina zusammenzuarbeiten. Jedenfalls verlagerten sich die Unruhen von der Urbs in den Norden Italiens, bis sie im Jahre 62 endgültig niedergeschlagen wurden.
Producere in contionem Eine relativ gebräuchliche und allgemein anerkannte Strategie in der Politik der späten Republik bestand darin, einen Politiker mit dem Ziel vor eine Volksversammlung zu laden, daß er zu einem Problem von allgemeinem Interesse öffentlich seine Meinung vorbrachte. Die Quellen nennen diese Praxis producere in contionem58 • Es scheint keine gesetzliche Regelung gegeben zu haben, die die Bürger verpflichtete, auf die Aufforderung von seiten eines Beamten hin in einer contio zu erscheinen, aber es war nicht üblich, sich zu verweigern, wahrscheinlich, weil das als stillschweigende Hinnahme einer Anschuldigung oder der These eines Gegners interpretiert werden konnte. Das Erscheinen in einer contio barg freilich auch ein gewisses Risiko, da man sich dort unter Umständen unmittelbar mit seinen Feinden konfrontiert sah. Wie dem auch sei, in einigen Fällen ist es schwer festzustellen, ob die Einberufenen unter Zwang zur Versammlung gingen oder ob es eine vorherige Abmachung mit dem Einberufenden gab. Das bedeutet, daß producere in contionem nicht immer eine feindliche Handlung des Einberufenden darstellte, und das Ergebnis ist trotz unterschiedlicher Termini das gleiche wie beim sogenannten contionem dare5 9. Die Vorladung war ein Vorrecht des Präsidenten der Versammlung, eines beliebigen Amtsträgers, sie wurde jedoch am häufigsten von den Volkstribunen ausgesprochen, und in den Quellen wird producere in contionem sogar untrennbar mit dem Tribunat verbunden 6o • Sowohl Magistrate als auch Privatpersonen
57Cicero behauptet, ex auctoritate senatus consensu bonorum omnium pro salute patriae gehandelt zu haben (Dom., 94). 58Pina Polo, Contiones, 78-80. Andere Bezeichnungen mit der gleichen Bedeutung sind: produ-
cere Gd populum, traducere in contionem, perducere in rostra, subducere in contionem, in contionem vocari iubere, producere in conspectum populi Romani, producere in rostra oder pro rostris oder einfach praducere. 59Cicero behauptet beispielsweise, von Servilius zur Rednerbühne gebracht worden zu sein (Fam., XII 7,1: ... ea sententia dicta productus sum in contionem a tribuno pI. M. Servitio). Da dieser schon zuvor die Versammlung für ihn einberufen hatte, in der Cicero die vierte Philippica vortrug, ist es selbstversUindlich, daß er auch jetzt Cicero erlaubte, öffentlich seine Meinung auszudrücken, die er bereits im Senat formuliert hatte, so daß Cicero sicherlich freiwillig in dieser Versammlung sprach. 6OGell., XIII 12,6: In magistratu habent alii vocationem alii prensionem, alii neutrum; ... tri-
buni plebis vocationem habent nullam, neque minus multi imperiti, proinde atque haberent ea sunt usi; nam quidam non modo privatum, sed etiwn consulem, in rostra vocari iusserunt.
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konnten einberufen werden, und es gibt viele Beispiele für beide Fälle. Der Zweck konnte variieren; gewöhnlich aber ging es darum, daß ein einflußreicher politiker seine Meinung zu einem Gesetzesentwurf oder zu einer Streitfrage äußerte. Wie Cicero behauptet, suchte man meist die Zustimmung der principes civitans mit Blick auf ihren auctoritas zu gewinnen61 . Deshalb brachte Clodius, der diese Strategie auch häufig anwandte, während der Diskussion seiner rogatio de capite civis Romani eine Reihe berühmter Redner auf die Tribüne des Circus Flaminius. Sie alle - Piso und Gabinius, die Konsuln des Jahres 58, der Prokonsul Caesar und der privatus Crassus, Ex-Konsul und Ex-Censor - sprachen sich offen oder indirekt für seinen Gesetzesentwurf aus 62• Selbstverständlich verstärkten die Glaubwürdigkeit und der Ruhm, die sie aufgrund ihrer derzeitigen oder früheren Ämter genossen, die Wirkung ihrer Worte auf die öffentliche Meinung außerordentlich, und genau das hatte Clodius bezweckt. Wenig später versuchte Clodius auf indirektem Wege, Caesars gewichtiges Wort für ein anderes seiner Gesetze in die Waagschale zu werfen, diesmal in dessen Abwesenheit. Zu diesem Zweck las er einen privaten Brief Caesars in einer Volksversammlung vor. Darin beglückwünschte Caesar ihn, Cato aus Rom entfernt zu haben, indem er ihn für eine außerordentliche Mission in Zypern einsetzte63 • Dasselbe Ziel, nämlich, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, verfolgte im darauffolgenden Jahr auch der Konsul Lentulus, als er Pompeius und einige Senatoren vor das Volk zitierte, damit sie für das Gesetz stimmten, das Ciceros Rückkehr aus dem Exil ermöglichen sollte. Als Cicero später ausführlich von dieser Versammlung berichtet, hebt er vor allem die auctoritas in Pompeius' Rede hervor 64 • Es kam auch vor, daß jemand gezwungen wurde, öffentlich zu einer konkreten Frage Stellung zu nehmen. So mußte der eingeladene Redner manchmal seine ganze Redegewandtheit und Eloquenz aufbieten, um überzeugend zu antworten, ohne sich damit zu etwas zu verpflichten. Als im Jahre 61 der Tribun Fufius Calenus, vom Konsul Piso angeregt, den Prokonsul Pompeius in eine cantia berief, um ihn wegen des geplanten Gerichtsverfahrens im Fall der Bana dea auszufragen, in dem Clodius angeklagt war, hoffte er auf eine für Clodius günstige 61Cic., Vat., 24.
62Cic., Sest.• 33: Eide""lue consules ... produeti in cireo Flaminio in contionem ab illa juria. Vgl. Pis., 14; P.red.Sen., 13 und 17; Plut., Cie., 30-31; CassDio, XXXVllI 16,6-17. 63Cic., Dom., 22: Litteras in contione recitasti, quas tibi a C. Caesare missas dieeres: Caesar
Pulchro ... dein gratulari tibi, quod M. Catonem a tribunatu tuo removisses et quod eidem in posterum de extraordinariis potestatibus Ubertatem ademisses. Cicero bezweifelt, daß Caesar diesen Brief latsächlich geschrieben hat, und glaubt jedenfalls, er habe mit Sicherheit nicht gewollt, daß sein Brief in einer contio vorgelesen werde. 64Cic., Sest., 107: Habuit de eodem me P. Lentulus consul eontionem .. , Productus est ab eo
Cn. Pompeius ... Huius oratio ut semper gravis et grata in contionibus jUit, sie eontendo numquam neque sententiam eius auetoritate neque eloquentiam iueunditate juisse maiore.
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Aussage. Pompeius jedoch vennied in seiner langen Rede geschickt, allzu konkret zu werden; er beschränkte sich auf die vage Aussage, er habe die auctoritas des Senats immer respektiert65 . Im Kontext der Kampagne, die in den siebziger Jahren mehrere Volkstribunen für die Wiederherstellung der beschnittenen tribunizischen Kompetenzen führten, lud Sieinius die beiden Konsuln des Jahres 76 vor. Während es Octavius vorzog, sic.h in der Öffentlichkeit nicht dazu zu äußerri, sprach sich Curio entschieden dagegen aus, den Tribunen ihre frühere Machtvollkommenheit wiederzugeben 66 . Und im Jahre 67 fragten Volkstribunen, möglicherweise Comelius und Gabinius, den Konsul Piso, ob er die Kandidatur des Palicanus für das Konsulat akzeptiere, was er vemeinte67. Manchmal war die Absicht des Einberufenden eindeutig die, jemanden vor der plebs herabzuwürdigen. hn Zusammenhang mit der Ermordung des Tiberius Sempronius Gracchus kennen wir zwei Vort1ille dieser Art. Diodor erzählt, wie die Volkstribunen verschiedene Senatoren einluden, damit sie vor dem Volk aussagten, wer dessen Mörder sei. Vor den erzürnten Anwesenden wagte außer Seipio Nasica niemand zu sprechen, der sich nicht nur zum Mord an Gracchus bekannte, sondern seine Tat sogar noch mit der Erklärung rechtfertigte, dieser habe die Tyrannei angestrebt68 . Zwei Jahre später wurde Scipio Aemilianus sofort nach seiner Rückkehr aus Hispanien von dem ihm feindlich gesinnten Tribun Carbo auf die Rednerbühne zitiert. Auch er wurde zu Gracchus' Ennordung befragt. Mit seiner Antwort, dieser sei zu Recht gewaltsam gestorben, löste er in der Zuhörerschaft laute Schreie aus 69 . Eine ähnliche Taktik wandte auch Clodius während seines Tribunats häufig an. Einmal lud er Hortensius und Curio vor das Volk, nachdem sie die Kundgebung der equites zugunsten Ciceros angeführt hatten. Die Menge empörte sich darüber und pfiff sie aus 70.1n einer anderen Versammlung waren die Geladenen einige Auguren und der Ex-Konsul Bibulus71 . Diesen fragte Clodius, ob er während seines Konsulats tatsächlich den Himmel beobachtet habe, was er bejahte. Hierzu befragte er die Auguren, die aussagten, in diesem Falle hätte man während dieses Jahres nicht mit dem Volk verhandeln dürfen. Mit seinem Vorgehen beab65Cic., Att., I 14,1-2: Tum Pisonis consulis impulsu levissimus tribunus pI. Fufius in contio-
nem producit Pompliium. Res agebatur in circo Flaminio ... Pompeius ... locutus est senatusque auctoritatem sibi omnibus in rebus maximi videri semperque visam esse respondit, et id multis verbis. Wenngleich Shackleton Bailey, Leiters to Atticus, I 307, zugibt, daß eine Person auch gegen ihren Willen von einem Amtsträger geladen werden konnte, glaubt er, in diesem Fall habe Pompeius im Einvernehmen mit dem Konsul gehandelt 66Cic., Brut., 217; SalI., Hist., III 48,8. 67Yal.Max., III 8,3. Zu den Namen der Tribunen vgl. Yanderbroeck, Popular Leadership, 226. 68Diod., XXXIV-XXXV 33,7. 69Yal.Max., YI 2,3. Ygl. Cic., Mit., 8; Yell., 11 4,4. 70Cass.Dio, XXXYIII 16,5. 7lCic., Dom., 40; Har. resp., 48.
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sichtig te Clodius zu zeigen, daß Caesar die obnuntiatio seines Kollegen nicht respektiert hatte und daß seine Amtshandlungen als Konsul folglich für nichtig erklärt werden müßten. M. Antonius wurde mindestens zweimal von feindlich gesinnten Volkstribunen vor Volksversammlungen gerufen. Dem Bericht Ciceros zufolge, der allerdings im Kontext seiner Philippicae betrachtet werden muß, hatte ein Volkstribun verlangt, Antonius solle öffentlich über den Grund seiner Rückkehr aus Gallien sprechen, der offenbar in der Kandidatur für das Konsulat lag. Antonius antwortete, die Gründe seien persönlich, und zog damit den Hohn der Zuhörer auf sich72• Im Oktober 44 lud der Tribun Cannutius, ein erbitterter Gegner des Antonius, den Konsul vor einer contio, in der Antonius sich gegen die Angriffe des Tribuns verteidigen mußte73. Schließlich war es möglich, Zeugen von Straftaten zwecks öffentlicher Befragung vorzuladen, damit die Schuldigen offiziell angeklagt und eventuell verurteilt werden konnten. In solchen Fällen war nicht die auctoritas oder die Popularität der Redner entscheidend - obwohl die Glaubwürdigkeit der Einberufenden und der Bekanntheitsgmd des Opfers auch eine Rolle spielten, wie Z.B. nach der Ermordung Clodius' -, sondern die Wahrscheinlichkeit der Aussagen. Daher waren die meisten Zeugen unbekannte privati ohne politische Karriere. So ließ erst der Konsul Caesar und danach der Tribun Vatinius im Jahre 59 Vettius, der nie eine Magistratur bekleidete, vor das Volk treten. Damit bezweckten die Einberufenden, daß er öffentlich ein Komplott aufdeckte, das die Ermordung Caesars und Pompeius' zum Ziel hatte74• Darüber befragt zählte Vettius, wie bereits 'zuvor im Senat, eine Reihe von Staatsmännern auf, die angeblich die Fäden gezogen hatten, und fügte noch einige Namen hinzu: Lucullus, Domitius, Piso, Laterensis und selbst Cicero wurden mit den Vorfallen in Verbindung gebracht, wenngleich sein Name nicht fiel. Es ist unklar, wem die Aufdeckung des Skandals politische Vorteile gebracht haben könnte; jedenfalls waren genügend wichtige Männer in ihn verwickelt, so daß die Angelegenheit schnellstmöglich vertuscht wurde. Vatinius schlug eine spezielle quaestio vor, aber es kam nie zu deren Durchführung, da Vettius auf mysteriöse Weise im Gefängnis starb und die Affäre offensichtlich schnell in Vergessenheit geriet Im Zusammenhang mit der Kampagne gegen Milo nach dem Tod des Clodius zitierten die Tribunen mehrere Männer vor verschiedene Volksversammlungen: Pompeius, um zu beweisen, daß sein Leben von Milo bedroht werde75 ; den Freigelassenen Philemon. der angeblich zwei Monate lang von Milo in einer villa
72Cic., Phil., 11 78. 73Cic., Fam., XII 3,2: Itaque ante diem VI. Non. OCI. productus in contionem a Cannutio turpissime ille quidem discessit ... Vgl. Fam., xn 23,3; Phil., m 23. 74Cic., Sest., 132; Val., 24; Att., 1124,3; Suet, lul., 20; Cass.Dio, XXXVIII 9,4. 75 Ascon .• In Mit., 45 C.
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versteckt gehalten worden war, damit er nicht als Zeuge über den Mord aussagen konnte76 ; einen triumvir capitalis, der auch als mutmaßlicher Zeuge des Verbrechens aussagen sollte77 • All diese Auftritte dienten dazu. der Bevölkerung, vor allem der plebs urbana, die Clodius in den Jahren zuvor unterstützt hatte, zu suggerieren, Milo habe den Tod Clodius' absichtlich herbeigef"tihrt. Unter dem Druck der öffentlichen Meinung kam es dann einige Monate später zum Prozeß MiIos.
Volkstribun at und contiones Die Einberufung von contiones und die Beteiligung an ihnen war kein Vorrecht ausschließlich der Volkstribunen. Allerdings belegen die Quellen, daß weitaus mehr Versammlungen von Tribunen einberufen wurden als von allen anderen Magistraten zusammen (fast doppelt so viele)78. In der späten Republik jedenfalls kamen etwa 50 % aller contiones auf Initiative von Tribunen zustande, und einige andere nahmen als Redner an ihnen teil (Tabelle 3)79. Aus Tabellen I und 2 wird deutlich, daß von den etwa 90 Rednern mehr als 50 Tribunen waren und bezeichnenderweise 41 von ihnen nur während ihres Tribunats in contiones auftraten. Dagegen kennt man nur knapp 30 Konsuln (Tabelle 4), weniger als· zehn Praetoren (Tabelle 5) und nur ausnahmsweise andere Magistrate als Redner (vgl. Tabellen 6 und 7). Natürlich müssen diese Daten mit Vorbehalt bewertet werden, da die verfügbaren Quellen nicht hinreichend Aufschluß geben. Dies um so mehr, als es außer politischen auch gesetzgebende Versammlungen mit Beteiligung von Tribunen gab, von denen wir nur wenige kennen. Am häufigsten brachten die Tribunen Gesetzesvorschläge ein, und da eine rogatio in contiones debattiert werden mußte, bevor sie in die comitia kam, mußte ein rogator mehrere Reden zu ihrer Verteidigung halten (suasiones). Für die Vormachtstellung der Volkstribunen in contiones hat Cicero eine ideologische Erklärung geliefert. Er sieht eine enge Verbindung zwischen den contiones und dem Volkstribunat. Ausgehend von dieser Idee greift er all jene Tribunen an, die seiner Meinung nach die Versammlungen mißbrauchten, um die res publica zu schwächen; aber auch die Versammlungen selbst und ihre Besucher bleiben nicht vor Kritik verschont. Ihm zufolge sind Demagogie, Volkstribunat und contiones untrennbar miteinander verbunden und bilden die Grundsäulen der Politik der Popularen und der improbi. So ist es nicht verwunderlich, daß er den Terminus contionator pejorativ in der Bedeutung "Demagoge" verwendet und den
76Ascon., In Mil., 32 C.; Cic., Mit., 12. 77 Ascon., In Mil., 32 C. 78Als der Biograph Severus Alexanders in der Historia Augusta behauptet, der Kaiser sei in vielen contiones der Urbs aufgetreten, stellt er dem die Gewohnheit der Tribunen und Konsuln der Republik gegenüber: Contiones in urbe multas habuit more veterum tribunorum et consulum (H.A., Sev.Alex., 25,11). 79Pina Polo, Contiones, 51-53 und Anhang A, 276-313. Über die enge Verbindung von Volkstribunat und contiones vgl. Thommen, Das Volkstribunat, 171-179.
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contionatores jene populares gegenüberstellt, die seiner Ansicht nach wirklich zUI1l Wohl des Volkes handelten80 . Die contiones wurden hauptsächlich von populares besucht, die ihre Ideen und pläne voranbringen und die Unterstützung des Volkes erlangen wollten. Sie unternahmen derartige Vorstöße zumeist während ihres Tribunats, über das hinauS die meisten populares keine Magistratur erreichten81 • Wir besitzen einige Daten für die populares, die Meier die "klassischen" nennt82. So sind uns fünf Reden des Tiberius Gracchus bekannt, sieben seines Bruders Caius. In einer Zusammenfassung am Ende seines Brutus nennt Cicero sie unter den größten Rednern; nur ihnen ordnet er einen konkreten Bereich zu, in dem sie ihre Redekunst übten, nämlich die contiones 83 • Cicero behauptet, daß P. Sulpicius Rufus während seines Tribunats jeden Tag in seiner Anwesenheit in contiones gesprochen hat 84. Einer contio angemessen findet Cicero den Stil des Satuminus85 , des Carbo, des M. Marius und des L. Quinctius, der während seines Tribunats im Jahre 74 Kampagnen in contiones führte 86. Clodius erwies sich während seines Tribunats sogar als noch aktiver als seine Vorgänger (für ihn besitzen wir die reichlichen Daten, die Cicero liefert); wir wissen von neun Versammlungen, in denen er gesprochen hat87 • In seiner politischen Strategie war ein anhaltender, direkter Kontakt mit dem Volk ebenso wie für Scribonius Curio im Jahre 50 und für die Tribunen des Jahres 52 nach dem Mord an Clodius wichtig 88 • Weitere Tribunen, die als populares galten und contiones einberiefen, sind etwa Fufius, Vatinius, Norbanus, C. Comelius und A. Gabinius. Die rege Aktivität der Tribunen in contiones läßt sich auch aus' dem cursus honorum heraus erklären. Wegen der hierarchischen Starrheit der Regelung der
80Cic., Cat., IV 9: Intelleetum est, quitt interesset inter levitatem eontionatorum et animum vere popularem saluti populi eonsulentem. Als Augustinus von als populares anerkannten Politikern der späten Republik spricht, beschreibt er sie als eontionatores: LaborarUnl enim deinceps eonlionatores non exemplum devilare Gracehorum, sed superare propositum, L. Satuminus tribunus plebis et C. Servilius praetor et multo post M. Drusus ... (De eivit.D., III 26,1). Über die Bedeutung des Begriffes eontionator, siehe Pina Polo, Contiones, 12-13. Weisehe, Studien zur politischen Sprache, 33, behauptet: "ein Ausdruck wie 'contionatores improbi et audaces' könnte gar nicht ciceronischer sein". 8lÜher das Tribunat als Instrument der populares. Martin. Die Popularen, 213-214. 82Eine Liste der populares erstellt Meier, Populares, 572-583, eine der Volkstribunen mit Angabe ihrer popularen oder nicht-popularen Gesinnung, Thommen, Das Volkstribun at, 257-263. 83Cie., Brut., 333: ... nam Graeehi in eOnlionibus multo faeiliore et liberiore genere dieendi, quorum tamen ipsorum ad aetatem laus eloquentiae peifeeta nondum tuit ... Ti. Gracehus: Plut., Ti.Gr., 9; 12; 14-15; App., B.C., 19-12; Cic., Nat.deor., 1106; Liv., Per., LVIII; C. Gracchus: Plut., C.Gr., 3; Cie., Font., 39; Tuse., III 48. 84Cic., Brut., 306. 85Cic., Brut.• 224; vgl. Har.resp., 41. 86Cic., Cluent., passim; Verr., ß 1,122. 87Cass.Dio, XXXVIII 16; 30; Cic., Dom., 22; 40; 124; Har.resp., 48-49; 55; Plane., 96; Alt., III 23,4; Sest., passim; Plut., Cie., 30-31. 88Curio: Cic .• Farn., 11 12,1; über die Tribunen von 52, Ascon., In Mit., passim.
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Rede im Senat kam die Mehrheit der Senatoren (die pedarii) insbesondere in der Zeit nach Sulla, als der Senat aus 600 oder noch mehr Mitgliedern bestand, nie zu Wort. Diese stille Mehrheit bildeten die gewesenen Quaestoren, Aedile und Volkstribunen, von denen die meisten eine politische Karriere anstrebten. Viele von ihnen waren homines novi, die durch Gerichtsreden der Anonymität entkommen ware 89 . Theoretisch konnten sie nun ihre Redekunst, die ihnen die Türen zum cursus honorum geöffnet hatte, im politischen Bereich unter Beweis stellen, jedoch blieb ihnen einer der Schauplätze der Politik, die Curia, praktisch verschlossen. Somit waren die contiones das einzige legale Medium, mit dem sie sich als politische Redner zu erkennen geben konnten, allerdings meist nur während ihrer Magistraturen. Selten erwähnen die Quellen Reden von Quaestoren und Aedilen (Clodius ist wohl eine Ausnahme), vielleicht deshalb, weil ihre Amtsgeschäfte sie viel weniger als die Tribunen mit dem Volk in Verbindung brachten90 • Die Figur des Tri89Den Daten, die Vanderbroeck, Popular Leadership, 38, liefert, ist zu entnehmen, daß 40% der zwischen den Jahren 78 und 49 bekannten Volkstribunen homines novi waren. Ich verstehe den Begriff homo novus im weiteren Sinne, wie er von Brunt, Nobilitas and novitas; Wiseman, New Men, und Vanderbroeck, Homo novus again, passim, eingeführt wurde, im Gegensatz zu dem meiner Ansieht nach zu eingeschr:ilnlcten von Dondin-Payre, Homo novus, passim, für die homines novi nur diejenigen Aufsteiger sind, die Konsuln oder wenigstens Kandidaten waren (eine Kritik ihrer These in Pani, Potere e valori, 193-2(0). Einen Beitrag zu dieser Debatte liefen Burckhardt, Political Elite, 77-84, der die Thesen Brunts zu dem Begriff nobilitas kritisien und jene Gelzers verteidigt, Brunts Definition eines homo novus hingegen übernimmt, wobei er aber wiederum mit Dondin-Payre darin übereinstimmt, daß die Bezeichnung kein politischer Slogan war und daß die novitas im politischen Leben keine herausragende Rolle spielte. Tatsächlich ist homo novus ein vager Begriff, der in den antiken Quellen nie definiert wurde, unterschiedliche Interpretationen zuläßt und auf verschiedene Männer zutrifft (Shackleton Bailey, Nobiles and novi, 260: "terms are governed by usage, not by legal definition"). Der homo novus par excellence, der große "self-made man", ist natürlich deIjenige, der es schafft, ohne einen Magistraten oder Senator als wegbahnenden Vorfahren Konsul zu werden. Cicero ist so ein Mann, und er ist zu Recht stolz darauf. Ebenfalls homines novi sind Mitglieder einer Familie von eQuites, die über eine niedrige Magistratur zum ersten Mal in den Senat kommen, oder auch diejenigen, die einen Senatoren als Vorfahren haben und nun eine der höheren Magistraturen erlangen, sowie Mitglieder einst einflußreicher Familien, die sich während der letzten Generationen nieht an der Politik beteiligten. Sie alle können zu den homines novi gezählt werden, und sie alle hatten einen harten Konkurrenzkampf durchzustehen, einerseits unter ihresgleichen, um sieh aus der Anonymität zu befreien, und andererseits gegen die alteingesessenen Aristokraten, die sie nicht als ebenbürtig anerkannten. 90Während der späten Republik wissen wir nur von Volksversammlungen, die wahrscheinlich der quaestor Clodius im Jahre 61 leitete (Cic., Att., I 14,5; 16.1; 11 1,5; Schol.Bob., In Clod. et Cur., 21,14 H; 24 H), und die Verteidigung Cieeros durch Trebonius, die während dessen Quaestur stattgefunden haben könnte (Cie., Farn., XV 21,2. Broughton, MRR 11, 184, datiert das Ereignis in das Jahr 60, in den Kontext der Debatte über die rogatio, deretwegen Clodius zur plebs übemat), sowie Caesars laudationes /Unebres während seiner Quaestur (Suet., lul., 6,1; Plut., Caes., 5). Was die aediles betrifft, so hielt Clodius offensichtlich häufig Reden in eontiones, die er als politische Plattform benutzte (Cic., Har.resp., 8; 51; Fam., V 3,1: Cass.Dio, XXXIX 29,1). Ebenso gilt dies für Caesar Strabo im Jahre 90: C. etiam lulius aedilis euru/is cotidie fere accuratus contiones habebat (Cie., Brut., 305). Daneben erwähnen die Quellen nur noch die Rede De aquis des Aedils M. Caelius Rufus im Jahre 50 (Frontin., AQ., 11 76), in der es eher um die Aufgaben der Magistratur als um Politik geht.
Volkstribunat und contiones
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buns brachte dem Volk indessen eine jahrhundertelange Tradition nahe, und daher rUhrt z.B. auch die symbolische Gewohnheit dieser Amtsträger, die Türen ihrer Häuser immer offen zu lassen. So war also der Kontakt zum Volk mittels contiones für einen Tribun so wünschenswert wie legitim91 . Das bedeutet nicht, daß alle Tribunen in Volksversammlungen aktiv waren, aber wer als politischer Redner anerkannt werden wollte, bevor er sich um eine Praetur bewarb, d.h. bevor er das Alter von vierzig Jahren erreicht hatte, mußte bereits die niedrigeren Magistraturen, vor allem aber das Tribunat, nutzen, um vor dem Volk zu sprechen. Daraus folgt, daß die Mitglieder plebejischer Familien eher als die Patrizier Reden halten und somit schon im ersten Abschnitt ihrer politischen Karriere Popularität erlangen konnten. Natürlich waren nicht alle Plebejer aktive Redner in contiones. Einerseits haben laut Cicero weder Cn. Octavius noch Piso, beide Plebejer, vor ihrem Konsulat jemals vor dem Volk gesprochen, und im Falle vieler Praetoren und Konsuln, Patrizier wie Plebejer, gibt es keinen Beweis ihrer politischen Redekunst. Andererseits sprach der Pauizier Caesar Strabo als Aedil - dem höchsten Amt, das er bekleidete - in vielen contiones92 , kennen wir aber keine Reden anderer Patrizier, die nicht über Quaestur oder Aedilität hinauskamen, vor dem Volk. Sicherlich sind genaue Daten knapp und verallgemeinernde Schlußfolgerungen daher bedenklich; wir wissen nur wenig über die niedrigeren Magistraturen während der späten Republik und kennen nur einen Teil der in Volksversammlungen gehaltenen Reden. Trotzdem können wir annehmen, daß die meisten Patrizier, die keine höhere Magistratur erreichten, wohl nie in einer contio sprachen. Die institutionellen Schranken, die einen Patrizier an der Rede vor dem Volk hindern konnten, ließen sich jedenfalls überwinden. Caesar hielt seine erste bekannte Rede als Privatperson in einer contio des Jahres 70 zur Verteidigung der rogatio Plautia, nachdem er schon in Gerichten aufgetreten war, sein Amt des tribunus militum ausgeübt und auf Rhodos bei Apollonios Molon Rhetorik studiert hatte93 . Seine Standeszugehörigkeit verstellte ihm zwar das Volkstribunat, aber im Jahre 70 wie drei Jahre später fand er einen Weg, in der Volksversammlung zu sprechen. Clodius, der auch Patrizier war, bemühte sich eifrig um seine transitio ad plebem. Die antiken Quellen beschreiben diesen Übertritt als wohlgeplanten Schritt vor seinem Volkstribunat, tiber das er seinen Rachefeldzug gegen Cicero 91 Tatsächlich verbot die lex Jcilia de tribunicia potestate (Dion.Hal., VII 17,5), daß ein Magistrat das ius contionem avocandi gegen einen Volkstribun ausübte. Vgl. PUn., Ep., I 23,2: ... quem (tribunum) inteifari nefas esset ... ; Cic., Sest., 79; Liv., XLill 16, 8-11; Vir.iIl., 65,S; 73,2; Val.Max.., IX 5,2. Über die lex Icilia siehe Pina Polo, Contiones, 65-67, sowie zuletzt mit weiterer Literatur Flach, Gesetze, 79-82, der die Vorlage in Anlehnung an Dionysios von Halicamass Spurlus Sicinius zuschreibt und die Durchbringung der lex im 5. Jahrhundert für unwahrscheinlich hält. 92Cic., Brut., 305. 93Rawson, Intellectual Life, 10.
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führen wollte94. Es handelt sich hierbei jedoch um eine zu einseitige Interpretation aus Ciceros Sicht. Clodius' Übertritt zur plebs und später sein Tribunat hatten eine tiefere politische Bedeutung als die bloße Feindschaft gegen Cicero; sie waren Teil seiner Strategie, unter anderem mit Hilfe der Redekunst vor dem Volk die Gunst der plebs urbana zu gewinnen und sie für sich zu mobilisieren. Dasselbe gilt für Sulpicius Rufus, einen anderen Patrizier, der den Übertritt zur plebs anstrebte, um Volkstribun zu werden95 . Die Gesetze, die er während seines Tribunats im Jahre 88 verabschieden ließ, galten als populares und riefen eine gewalttätige Reaktion der Optimaten gegen ihn hervor, die zu seiner Ermordung führte; danach wurden sie aufgehoben. Von seiner politischen Aktivität zeugen die vielen Reden in contiones, die er während seiner Amtszeit hielt96 . Clodius' Vorbild folgend zog es auch P. Cornelius Dolabella in den vierziger Jahren vor, zur plebs überzutreten, um so im Jahre 47 Volkstribun zu werden. Während seines Tribunats führte er eine Reihe von Reformen betreffs der Mieten und Schuldentilgung durch, die von der plebs urbana uneingeschränkt unterstützt wurden und Kontroversen auslösten, die in Straßenunruhen endeten 97• In Falle Dolabellas erwähnen die Quellen nur Reden vor dem Volk nach der Ermordung Caesars. Wahrscheinlich hatte er seine rogationes auch in anderen contiones vorgestellt, denn die Gunst, die er in der Öffentlichkeit genoß, wurde so groß, daß der magister equiturn M. Antonius die Abstimmung über sie verhindern mußte. Dieser Haltung steht jene Ciceros kontrastierend gegenüber, der, obwohl er Plebejer war, bewußt auf das Tribunat verzichtete und stattdessen die Aedilität wählte, eine weniger verantwortungsvolle Magistratur, zumal die von Pompeius aufgeworfene Diskussion um die vollständige Wiederherstellung der potestas tribunicia noch im Gange war. Cicero verzichtete so auf die Ausübung seiner Redekunst vor dem Volk und maß damit dem direkten Kontakt zum Volk offenbar eine geringe Bedeutung bei.
Die Zeit der Spezialisten: imperatores, Soldaten und Juristen Um das unverzichtbare otium zu besitzen, das es einem römischen Bürger ermöglichte, die für einen Politiker notwendigen Kenntnisse zu erwerben bzw. zu vervollständigen, und um für längere Zeit ein öffentliches Amt in der Urbs oder in irgendeinem Teil des Imperium bekleiden zu können, mußte ein römischer Politi94Vell., II 45,1; Plut., Caes .. 14,9; App., B.C., 11 14; usw. Über die transitio ad plebem des Clodius, siehe Tatum, Clodius, 156ff. 95Mommsen, Röm. Forschungen, 120. 96Cic., Brut., 306: Tum P. Sulpici in tribunatu cotidie contionantis ... ; Iul.Exuper., 3: ... seditiosis contionibus rem publicam disturbans; Auson., Grat.act., 15: Non enim Sulpicius acrior in contionibus ... 97Als Zeichen seiner Verbundenheit mit Clodius, der bei der plebs urbana bellebtesten Figur dieser Zeit, wollte Dolabella in Rom eine Statue dieses Politikers aufstellen lassen (Cic., AU., XI 23,3: Audimus enim de statua Clodi). Über die Gesetzesvorscbläge Dolabellas siehe Cass.Dio, XLII 29-33. Vgl. Will, Der römische Mob, 132-133.
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ker in gesicherten fmanziellen Verhältnissen leben. Daher ist es selbstverständlich, daß die Politik ein der Elite vorbehaltener Bereich war9 8• Bis zur späten Republik: fehlte in Rom jegliche berufliche Spezialisierung; ein politiker war gleichzeitig Redner, Militär, Kenner des Rechts, der Geschichte und der Philosophie, bisweilen sogar Agronom 99. Obgleich ein römischer Politiker niemals ein vollkommener Spezialist war, da von jemandem, der die höchste Stufe des cursus honorum anstrebte, per se erwartet wurde, daß er ein fähiger Heerführer, Verwalter einer Provinz usw. war, geriet dieses Modell des vielseitig begabten Politikers angesichts der neuen Erfordernis, ein ganzes Imperium zu kontrollieren, allmählich in Auflösung. In dem Maße, in dem die soziopolitische Struktur komplexer wurde, verlangten die Umstände nach einer stärkeren Spezialisierung, und beginnend mit den letzten Jahrzehnten des 2. Jahrhunderts v.ehr. vollzog sich in der römischen Elite ein Prozeß der Differenzierung von Aufgaben und Funktionen, ja in einigen Bereichen sogar eine teilweise oder vollständige Professionalisierung 100. Eindeutig war dies auf militärischem Gebiet der Fall. Einerseits machten die immer schlechteren sozioökonomischen Bedingungen der adsidui bei der Aufstellung der Legionen den Rückgriff auf proletarii nötig, für die der Heeresdienst zum einzigen Weg der Unterhaltssicherung wurde. Andererseits widmeten sich immer mehr Feldherren und Legaten für längere Zeit dem Heer. So wurde beginnend mit dem 2. Jahrhundert in dem Maße, in dem dem römischen Imperium neue Gebiete einverleibt wurden, und von Marius' Reformen im Jahre 107 beschleunigt in einem langen Prozeß schließlich ein Heer ausgehoben, das hauptsächlich aus Berufssoldaten bestand und dessen hierarchisch gegliederte Befehlshaberposten homines militares bekleidet wurden 101 . Wie das caesarianische Heer zeigt, war der Professionalisierungsprozeß in der Mitte des 1. Jahrhunderts abgeschlossen.
98Pinley, Politics, 64: "Politics at the leadership level, in short, was a full·time activity, a way oflife". 99Cato, der Censor, wurde für die nachfolgenden Generationen zum Vorbild: Liv., XXXIX 40,4-
7: Nulla ars neque privarae neque publicae rei gerendae ei (Caro) defuir; urbanas rusricasque res pariter calZebat. Ad summos Iwnores alios scienria iuris, alios eloquemia, alios gloria miliraris provexit '" in beUo manu fortissimus multisque insignibus clarus pugnis .,. summus imperator, idem in pace, si ius consuleres, peritissimus, si causa oranda esset, eloquentissimus, nec is tantum, cuius lingua vivo eo viguerit, manumentum eloquentiae nullum exstet: vivit immo vigetque eloquenria eius sacrata scriptis onmis generis; Nep., Cat., 3,1: In omnibus rebus singulari fuit industria: nam er agricola sollers et rei publicae pe ritus, bonus iurisconsultus, et magnus imperator, et probabilis orator, et cupidissimus litterarumfuit. Vgl. Cic., Brut., 293. l000as erkannte bereits Boissier, Ciceron et ses amis, 312. Vgl. De Blois, Roman Army, 1718; Beard - Crawford, Late Republic, 71; Rawson, Intellectuai Life, 4-5 und 98, zählt die Berufsbilder der Redner und Juristen zu denjenigen, die zur Professionalisierung tendierten. 101De Blois, Roman Army, 13-16, unterscheidet zwischen den großen Spezialisten, wie Sulla, Lucullus, Crassus, Pompeius und Caesar, und den halbprofessionellen Offtzieren, die jenen zu Diensten stehen, wie z.B. Afranius und Petreius dem Pompeius. Über den Professionaiisierungsprozeß des Heeres im allgemeinen siehe Harmand, L'armee et le soldat, passim; Gabba,
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Begünstigt wurde diese Entwicklung durch die immer häufigeren außeror_ dentlichen Kommandos und die Verlängerung des Mandats der Provinzstatthalter. So war die Verweildauer auf verantwortungsvollen Militärposten viel länger als im zivilen Bereich. Im Heer konnte man als Militärtribun, als Legat, als Magistrat mit imperium oder als Promagistrat dienen. Marius beispielsweise wurde zWischen 107 und 101 sechsmal zum Konsul gewählt, und darüber hinaus bekleidete er noch weitere Promagistraturen. Pompeius und Caesar hatten lange Zeit spezielle Militärkommandos in den Provinzen inne, die ihre zivilen Ämter nur kurzfristig unterbrachen; mit anderen Worten: Sie machten vornehmlich außerhalb der Urbs als Feldherren Karriere 102. Auch im Rechtswesen gab es zwei Strömungen der Spezialisierung. Einerseits kamen die Gerichtsredner auf, andererseits vollzog sich in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts die Professionalisierung der Juristen. Diese systematisierten als Kenner der Theorie des römischen Rechts die bereits bestehenden Normen des Gewohnheitsrechts, leiteten daraus Grundprinzipien ab und wandten diese als Standard für neue Gesetze an. So kam es, daß die Juristen die einzigen waren, die das Gesetz interpretieren konnten. Das Recht wurde zu einem autonomen Bereich und a11 denen unzugänglich, die nicht dem engen Kreis der Spezialisten angehörten 103. Nun muß man dem jedoch gegenüberstellen, daß die Tätigkeit an den Gerichten unprofessionell blieb. Dies gilt für die Richter, da sie eine zeitlich eng begrenzte Magistratur bekleideten, und für die Geschworenen, weil sie durch Losverfahren aus den Reihen der obersten Bevölkerungsschichten bestimmt wurden. Somit waren weder die einen noch die anderen Rechtsexperten. Die Anwälte und Ankläger übten ihren Beruf ihrerseits nicht auf der Grundlage einer profunden Kenntnis der Gesetze aus, sondern setzten vor allem auf ihre Überzeugungskraft. Vor dem Hintergrund dieser Rechtssituation wurden die Juristen zu unverzichtbaren gesetzlichen Beratern der Magistrate wie der Privatpersonen, für die sie gelegentlich sogar Reden abfaßten, die diese während der iudicia als ihre eigenen vortrugen 104. Ihre Stabilisierung als Gruppe wurde durch die Zunahme der Rechtsstreitigkeiten während der späten Republik begünstigt 105 .
Le origini delI' esercito professionale in Roma, passim; ders., Ricerche sull' esercito professionale romano, passim. 102Pompeius war von 83 bis 79 und 77 Propraetor, Prokonsul von 77 bis 71,67 bis 61, 54 bis 49. Caesar amtierte von 61 bis 60 als Promagistrat, als Prokonsul von 58 bis 49. Dazu kommt natürlich der Bürgerkrieg zwischen beiden. 103Frier, Roman Jurists, 269-272; Schiavone, Giuristi e nobili, bes.109ff.; Bretone, Diritto e pensiero, 29-30. l04Über die iuris prudentes als Berater von Magistraten, Richtern und Prozeßparteien siehe Hopkins, Conquerors and Slaves, 86-87. 105Frier, Roman Jurists, 282, nennt drei Faktoren, die diese Zunahme erklären: die Verleihung der StaatsbürgersChaft an die Italiker, die die Anzahl möglicher Streitparteien erheblich erhöhte, die Zunahme des Handels und des persönlichen Reichtums sowie die politische Instabilität dieser ZeiL Daß die quaestiones für viele Neulinge zum politischen Sprungbrett wurden, war si-
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Andererseits ging mit der Spezialisierung auch eine schrittweise Distanzierung von der. Politik einher: Die Juristen. von denen viele nicht mehr von der nahilitas. sondern aus Ritterstand stammten und aus den Municipien Italiens kamen106, bekleideten (selbst niedrige) Magistraturen immer seltener und wurden nur in Ausnahmefällen Konsuln. Die meisten waren offensichtlich keine Senatoren, was eine radikale Abkehr von den bisherigen Verhältnissen darstellte. Bis zum Konsulat Scaevolas im Jahre 95 waren von den 30 Personen, die man als Rechtskenner bezeichnen kann. 19 Konsuln und 5 Praetoren gewesen\07. Dagegen erreichten seit jenem Zeitpunkt nur Servius Sulpicius Rufus im Jahre 51 (nach Niederlagen in zwei vorangegangenen Wahlen) und Alfenus Varus im Jahre 39 das Konsulat. Aquillius Gallus erhielt die Praetur, verzichtete jedoch auf das Konsulat und gab dafür gesundheitliche Gründe an; Cascellius bekleidete nur die Quaestur. A. Ofilius zog es vor, nicht den cursus honorum einzuschlagen und weiterhin eques zu bleiben. Kurzum, während es bis auf Scaevola außergewöhnlich war; wenn ein Rechtsexperte nicht in der Politik Karriere machte. war es im 1. Jahrhundert genau umgekehrt: Ein Jurist durchlief nicht mehr notwendigerweise auch den cursus honorum.
Gerichtsredner und politische Redner Trotz der zunehmenden Spezialisierung einzelner Angehöriger der römischen Elite als homines militares oder als Juristen gab es eine Fertigkeit, die kein Politiker geringschätzen konnte: die Redekunst Ein guter Rechtsanwalt oder Ankläger zeichnete sich vor allem durch die Beherrschung der Redekunst aus, da er mit seinen Worten die Geschworenen zu überzeugen hatte. Wollte sich ein Feldherr der Loyalität seiner Truppen versichern, so war seine Fähigkeit, die Soldaten von der RechtJDäßigkeit seiner Sache zu überzeugen, entscheidend, vor allem, wenn von ihnen verlangt wurde, gegen ihre eigenen Mitbürger zu kämpfen. Desgleichen konnte niemand, der danach strebte, princeps civitatis zu werden, auf politische Reden verzichten 108• Daneben verband sich mit einigen Aufgaben in öffentlichen Ämtern die Rede vor dem populus (Mitteilung der Senats beschlüsse an das Volk, Diskussion von Gesetzesvorschlägen usw.), und auch das Bestreben,
eherIich auch ein Grund für die Zunahme der Prozesse, die oft aus dem übermäßigen Streben ehrgeiziger junger Politiker resultierten, sich zu profilieren. I06Prier, Roman Jurists, 253-255. Siehe im allgemeinen Kunkel, Herkunft und soziale Stellung, passim. I07Die Daten stammen von Bauman, Lawyers in Roman Transitional Politics, 23-24, und Prier, Roman jurists, 253. Vg1. Nicolet, L'ordre equestre, 1445, und generell über die Trennung von Rechtskennmis und politischer Praxis, Schiavone, Giurlsti e nobili, XllI. l08Wie Achard in Communication II Rome, 78, behauptet, mußten alle Politiker in der Öffentlichkeit sprechen können. Selbst Marlus habe dies tun müssen, wenn auch nur, um zu sagen, daß er die Redekunst verabscheue: Non sunt conposita verba mea: parvi idfacio. lpsa se virtus satis ostendit: illis artijicio opus est, ut turpia facta oratione tegant eSal1., lug., 85,31). Vg1. HÖlkeskamp, Oratoris maxima scaena, 16ff.
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seine Popularität zu steigern, zwang den Politiker, persönlich von dem Ruhm seiner Vorfahren (folglich auch von seinem eigenen) in laudationes funebres und Von seinen militärischen Erfolgen (Triumphreden) zu sprechen. In Rom war die mündliche Ausdrucksform ein wichtiges Instrument zur Verbreitung von Ideen. In einer Gesellschaft, die wie sie "face-to-face" lebte 109, ·war die Anwesenheit des Anführers essentiell, Reden sollten von ihm persönlich gehalten werden, und schon allein, daß jemand öffentlich sprach, zeigte an, daß der Redner der Elite angehörte. Eben deshalb konnte kein karrierebewußter Römer auf die Redekunst verzichten 110. Kann man aber in Analogie zu den im l. Jahrhundert zum Teil oder vollständig professionalisierten Juristen und Militärs. von einem berufsmäßigen Redner sprechen? Mit Sicherheit gab es den Politiker-orator, dessen wichtigste politische Strategie in der rednerischen Überzeugung lag. Die beiden großen Rivalen Cicero und Clodius mögen dafür als Beispiel dienen. So unterschiedlich ihre politischen Anschauungen auch waren, haben sie doch eines gemeinsam: Keiner von ihnen erzielte Triumphe auf dem Schlachtfeld (obwohl beide als Pflichtteil ihrer politischen Karriere zu verschiedenen Zeitpunkten und mit unterschiedlich hoher Verantwortung Kriegszüge führten); auch hatten sie keine militärischen Klientelen. Ihren Aufstieg verdankten beide hauptsächlich ihrer Redegewandtheit (auch wenn Cicero die Beredsamkeit seines Gegners verschwieg), wobei die Schauplätze auch in Abhängigkeit von ihren unterschiedlichen politischen Anschauungen variierten. Cicero trat vorzugsweise im Senat und in den Gerichten und nur, falls nötig oder wenn sich eine Gelegenheit bot, auch in Volksversammlungen auf; Clodius hingegen hielt seine Reden hauptsächlich in contiones. Allerdings griffen sowohl Cicero als auch Clodius bisweilen selbst auf Gewalt zurück, um ihre Ziele zu erreichen. Dem Politiker-orator steht der Politiker-imperator gegenüber, der sich in erster Linie auf seine militärischen Erfolge und auf ein treues Heer stützt. Beispiele hierfür sind Marius, Sulla, Pompeius und Caesar. Die meisten dieser imperatores verzichteten jedoch keineswegs völlig auf die Redekunst als politische Waffe. Vor allem Caesar vermochte mit seiner Beredsamkeit die Unterstützung des Volkes und die Treue seiner Soldaten zu gewinnen, und auch Pompeius sprach häufig vor Volksversammlungen. Nun stellt sich folgende Schlüsselfrage: Konnte sich ein Redner auf einen bestimmten Bereich, d.h. auf Senat, iudicia publica oder contiones, spezialisieren? Der einzige Bereich, in dem ein Redner seine Redekunst frei entfalten
109Finley, Politics, 28. 110Cicero behauptet (Mur., 30), der politische Aufstieg sei entweder über das Militär oder durch die Redekunst möglich. Wiseman, New Men, 118, meint, Cicero vergesse im Kontext des Kampfes zwischen Murena und Sulpicius Rufus während der Konsulwahlen des Jahres 62 aus taktischen Gründen das Rechtswesen, aber vielleicht ist dieser Aspekt von Cicero absichtlich ignoriert worden, da sich ja zu jener Zeit die Juristen ohne cursus honorum zu spezialisieren begannen.
Gerichtsredner und politische Redner
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konnte, waren die Gerichte. So wurde die forensische Redekunst zu einem sprungbrett in die Politik, und dies vor allem für die homines novi. Am Ende des 2. und zu Beginn des 1. Jahrhunderts V.ehr. stand jedem Menschen, Bürger oder peregrinus, das Recht der Anklage vor Gericht zu. Das hatte zur Folge, daß die Zahl der Ankläger erheblich anstieg. Wenngleich junge nobiles vor dem Durchlaufen oder am Anfang ihres cursus honorum an Gerichtsverhandlungen teilnahmen, waren die Ankläger größtenteils homines novi und stammten aus Familien ganz Italiens, die bis dahin in der römischen Politik vollkommen unbekannt gewesen waren ll1 . Die öffentliche Rede ermöglichte ihnen, ihre Fähigkeiten zu beweisen, sich zu erkennen zu geben und sich sozial besserzustellen. Waren sie keine Senatoren, bildeten die iudicia publica für sie die einzige Gelegenheit, zu Wort zu kommen. Cicero ist das beste Beispiel eines Politikers, der durch Gerichtsreden den politischen Aufstieg schaffte. In den siebziger Jahren nahm er als Verteidiger an verschiedenen Prozessen teil, was seinen Ruf als Redner festigte und ihm sofort zur Quaestur und später zur Aedilität verhalf. So wenig der cursus honorum Neulingen ohne weiteres offenstand, so wenig strebten ihn alle Aufsteiger an. Wir kennen eine Anzahl von Gerichtsrednem, bisweilen Angehöriger einer höheren sozialen Schicht, die nie eine Magistratur bekleideten, sondern den Ritterstand beibehielten112. Ihre Tätigkeit als Gerichtsredner brachte ihnen einen guten Ruf ein, aber sie machten nicht Karriere in der Politik. Der höchste Grad der Spezialisierung im Bereich der Redekunst war damit erreicht; es fehlte nicht mehr viel an einer Professionalisierung. Jedoch sah die lex Cincia de donis et muneribus aus dem Jahre 204113 vor, daß Anwälte kein Entgelt für ihre Arbeit bekamen, so daß es zu keiner vollständigen Professionalisierung wie in der griechischen Welt kam 114. Wollte man im Senat oder in Volksversammlungen als politischer Redner auftreten, so mußte man anders als im Gerichtswesen vorher in der Politik Karriere machen: Die Magistraturen boten Möglichkeiten, sich als politischer Redner zu profilieren; die in iudicia publica gehaltenen Reden konnten eventuell den Weg zu einer Magistratur ebnen. Tabelle 8 enthält eine Liste der siebenundzwanzig Redner, die in der späten Republik mehr als einmal und in verschiedenen Ab-
lllDavid, Promotion civique, passim; ders., Patronatjudiciaire, 280-320; Nicolet, L'ordre equestre, I 446. Sicherlich spielt Crassus im Dialog Ciceros verächtlich auf diese homines novi an:
Neque enim, si multitudo litium, si varietas causarum, si haec turba et barbaria forensis dat 10cum vel vitiosissimis oratoribus (De orat., I 118). Aber auch Angehörige bekannter Familien gaben durch Auftritte in iudicia publica ihr Debüt in der Öffentlichkeit. Caesar kam als erst Dreiundzwanzigjähriger nach der Anklage Dolabellas als Redner zu Ansehen (Suet., Iul., 55). l12Nicolet, L'ordre equestre, 1446-447 und 450-456; David, Patronat judiciaire, 541-556. 113Rotondi, Leges Publicae, 261-263. 114David, Patronat judiciaire, 364. Das schloß allerdings nicht aus, daß der Gerichtsredner von seinen Klienten unter der Hand Geschenke erhielt Cicero (Off., I166) spricht von den beneficia et patrocinia, die man bekommen konnte, wenn man bereitwillig und unentgeltlich viele Mandanten verteidigte.
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2. Die politischen Redner
schnitten ihrer politischen Karriere Reden vor dem Volk hielten, sei es kraft der potestas contionandi, die ihnen eine Magistratur verlieh, sei es als Privatpersonen. Durch einen Vergleich mit Tabellen 1 und 2 wird deutlich, daß die meisten römischen Politiker nur gelegentlich die Rednerbühne betraten, gewöhnlich nur in dem Jahr, in dem sie ein Amt (vor allem das Volkstribunat oder das Konsulat) innehatten. ~inige Politiker ergriffen sogar erst in ihrem Konsulat erstmals das Wort. Dies ist bei Octavius der Fall, von dem Cicero behauptet, daß seine Eloquenz bis zu seinem Konsulat im Jahre 87, in dem er zahlreiche Reden in contiones hielt, unbekannt gewesen sei. Auch L. Calpurnius Pisos Stimme ist laut Cicero vor seinem Konsulat im Jabre 58 nicht auf dem Forum zu hören gewesen 1l5 . Obwohl Ciceros Behauptung in den Kontext seiner Herabwürdigung Pisos eingebettet ist, kann sie durchaus wahr sein. Das bestätigt, wie sicherlich auch im Falle anderer Politiker, daß die Redekunst zwar ein Mittel zur Besserstellung in der Politik sein konnte, Reden vor dem Volk aber verzichtbar waren - dies für einen Angehörigen der nobilitas gewiß eher als für einen homo novus l 16. Da viele Politiker nie Konsuln oder Praetoren wurden und die Wiederholung eines Amtes nicht üblich war (im 1. Jahrhundert wurden einige wenige führende Köpfe mehrmals zum Konsul gewählt), übte ein Magistrat nach Erreichen des Konsulats oder der jeweils höchsten Magistratur seine Beredsamkeit nicht mehr vor dem Volk. Andererseits garantierte eine höhere Magistratur ein aktiveres und einflußreicheres Auftreten in Senatssitzungen, abgesehen von der Teilnahme an allen iudicia publica, zu denen der Politiker aufgerufen wurde. All diese Chancen wußte Cicero zu nutzen~ Er trat für die Überlegenheit jenes Politikers in der Gemeinschaft ein, der in erster Linie ein guter orator war. Zweifellos maß er sich selbst Modellcharakter bei, denn gerade er, ein homo novus, hatte die höchste dignitas in Rom dank seiner Redekunst erreicht. Er setzte sie jedoch allein vor Gericht kontinuierlich ein; vor dem Volk sprach er außerhalb der zwei Jahre, in denen er Praetor und Konsul war, nur sporadisch. Es ist bekannt, daß er bereits vor dem Jahr 81 als Anwalt auftrat (wenn auch nicht, in welchen Prozessen), und im Jahre 81 hielt er die erste von ihm selbst überlieferte Gerichtsrede, Pro Quinctio. Danach sprach er in vielen Gerichtsverfahren (mehr als fünfzig seiner Reden in quaestiones sind bekannt); seine erste Rede vor dem Volk hielt er allerdings erst fünfzehn Jahre später, im Jahre 66, zugunsten der rogatio-
II5Z U Octavius. Brut.• 176. zu Piso. Pis.• 1: Numquam erat audita vox in foro ... Außer diesen Reden des Octavius. die Cicero erwähnt, ist keine weitere bekannt; was Piso angeht. nur diejenige. die er während seines Konsulats zur Verteidigung der lex Clodia de capite civis Romani hielt. 116Im gleichen Abschnitt behauptet Cicero, Piso sei aus Versehen Konsul geworden. sein einziger Vorzug sei der, berühmte Vorfahren zu haben. Diese Auffassung ist typisch für einen Iwmo novus: Obrepsisti ad honores errore hominum, commendatione jumosarum imaginum (Pis .• I).
Gerichtsredner und politische Redner
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Manilia, als er Praetor und vierzig Jahre alt war117• Er sprach also weder während seiner Quaestur noch während der Aedilität in einer contio, und anscheinend verlangte niemand nach seiner Anwesenheit oder lud ihn als privatus ein. Von dem Jahre 66 an kennen wir über eine Zeitspanne von dreiundzwanzig Jahren einige Reden von Cicero in contiones; die letzte hielt er im Jahre 43 im Zusammenhang mit seiner Kampagne gegen Antonius 118 . Da er jedoch nach seinem Konsulat keine weitere Magistratur bekleidete, waren seine Reden vor dem Volk hinfort alles andere als zahlreich. Zwischen den Jahren 66 und 43 kennen wir nur fünf, darunter die Rede anläßlich seiner Rückkehr aus dem Exil (Post rellitum ad Quirites). Er selbst bestätigt sein langes Schweigen am Ende seiner vierten Philippica, als er sagt, er sei den Rostra lange femgeblieben 119• Unterdessen waren seine Reden in der Curia viel zahlreicher (von den vierzehn erhaltenen Philippicae wurden zwölf im Senat gehalten). Dafür, daß der Senat für Cicero deutliche Priorität vor der Volksversammlung hatte, gibt es neben konjunkturbedingten Gründen und Ciceros schwankendem politischen Einfluß praktische Gründe: In seiner Eigenschaft als consularis konnte Cicero in der Curia in jeder Sitzung sprechen; in einer ~ontio hing dies von der Bereitschaft des einberufenden Magistraten ab. So erhielt er in seinem Konflikt mit Antonius die Unterstützung von Appuleius und Servilius, aber viele Jahre lang hatte Cicero entweder kein Interesse gehabt, vor dem Volk zu sprechen, oder es keinen Magistraten gegeben, der hinter ihm stand. Cicero zog also den politischen Reden in Volksversammlungen jene vor Gericht und in der Curia vor, wo die Zuhörer der Elite angehörten, also jene boni cives waren, die seiner Ansicht nach die res publica regieren sol1ten l20 • Da uns die Aktivitäten Ciceros, dessen Karriere als Redner vor dem Volk spät begann und sich nicht durch Regelmäßigkeit auszeichnete, relativ gut bekannt
117Als Cicero zum ersten Mal wagte, vor dem Volk zu sprechen, stand schon beinahe fest, daß der rogatio zugestimmt würde, da sich bereits andere bedeutende Politiker dafür ausgesprochen hatten, so daß er kein Risiko einging. Nach Fuhnnann, Cicero, 80, beabsichtigte Cicero damit, angesichts seiner geplanten Kandidatur für das Konsulat die Aufmerksamkeit Pompeius' auf sich zu lenken. 118Dabei handelt es sich um die sechste Philippiea, seine letzte erhaltene Rede in einer eontio. Es ist jedoch bekannt, daß er Anfang März des Jahres 43 noch eine andere Rede gehalten hat (Cic., Film., XII 7,1). 119Cic., Phil., IV 16: Hodiemo autem die primum rejerente viro jonissimo vobisque amicissi-
mo, Me M. Servilio, eollegisque eius, omatissimis viris optimis civibus, longo intervallo me auctore et principe ad spem libenatis exarsimus. 120Von Hortensius, der als bester Redner des zweiten Viertels des 1. Jahrhunderts gilt, mit dem sich Cicero öfter vor Gericht auseinandersetzen mußte, kennen wir nur drei Reden in eontiones, die er alle als Privatperson, also nicht während einer Magistratur, vortrug. Höchstwahrscheinlich hielt er mehr Reden vor dem Volk, aber als Cicero von ihm und den mehr als vierzig Jahren seiner Beredsamkeit spricht, greift er lediglich den Aspekt seiner Reden vor Gericht heraus:
ls (Honensius) L. Crasso Q. Scaevola eonsulibus primum in foro duit '" Undeviginti annos natus erat eo tempore, est autem L. Paulla C. Mareello consulibus monuus; ex qua videmus eum in patronorum numero annos quattuor et quadragintajuisse (Cie., Brut., 229).
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2. Die politischen Redner
sind, ist es nicht verwunderlich, daß die Tätigkeit der meisten Politiker, die keinen ähnlichen Einfluß wie Cicero hatten und von denen wir bei weitem nicht so viel wissen wie von ihm, generell sehr kurz währte oder zumindest sehr kurz gewesen zu sein scheint. Ebensowenig überraschend ist, daß die meisten Reden von so einflußreichen Männern wie Caesar, Pompeius, M. Antonius, Cato Uticensis, Clodius und Cicero gehalten wurden. Allerdings bedeutete die Redekunst vor dem Volk, sieht man einmal von Clodius ab, für den sie die Grundlage seiner Strategie darstellte (wie davor schon für Ti. und C. Gracchus), für alle lediglich ein Komplement zu ihrer politischen Tätigkeit Jeder Politiker maß ihr eine andere Bedeutung bei, bisweilen erwies sie sich als entscheidendes Instrument, um die öffentliche Meinung für eine These, einen Plan oder eine Person zu gewinnen, aber zu keiner Zeit kann man von einer Spezialisierung politischer Redner vor dem Volk sprechen.
3. DIE LEHRE DER RHETORIK
Novitas und Rhetorik Im republikanischen Rom hat es nie eine wirkliche Alternative zu dem bestehenden Regierungssystem gegeben. Die einzige Frage, die entschieden werden mußte, lautete: Staat oder nicht Staatl . Die Schlüssel zur Staatsform der res publica waren gerade ihre Unabänderlichkeit, symbolisiert in dem Begriff mos maiorum, und das Fortbestehen der res publica2. Im Ständekampf zwischen Patriziern und Plebejern - zumindest wie wir ihn aus den Quellen kennen - und in erheblichem Maße auch in den politischen Konflikten des 1. Jahrhunderts v.ehr. ging es weniger darum, wie Rom regiert wurde - obwohl arn Ende der Übergang zur Monarchie stand -, als vielmehr darum, wer Zugang zu den Regierungsorganen hatte oder sich aktiv an der Politik beteiligen konnte. Die Frage nach politischer Beteiligung war in den letzten Jahren des 2. Jahrhunderts und vor allem zu Beginn des 1. Jahrhunderts v.ehr. besonders aktuell. Familien, die nicht der traditionellen Aristokratie angehörten, nutzten die Möglichkeiten eines Weltreiches aus, um sich zu bereichern. Das geschah in einem solchen Ausmaß, daß diese Familien einen ähnlichen oder gar größeren Wohlstand als die alten Adelsfamilien erlangten. Viele dieser Neureichen, die dem Ritterstand und der italischen Aristokratie angehörten, begnügten sich nicht mit materiellem Reichtum, sondern strebten auch einen privilegierten sozialen und politischen Status an. Den Zugang zum cursus honorum und zum Senat suchten sie auf verschiedenen Wegen. Einerseits konnte sich das Patronat einer aristokratischen Familie als weg bereitend erweisen. Andererseits ermöglichte militärischer Ruhm den sozialen Aufstieg. Die Angehörigen der Aristokratie bemühten sich nun vor Beginn ihrer politischen Laufbahn kaum noch um ein Militärtribunat3. Viele Neulinge strebten hingegen nach militärischem Ruhm, wobei sie sich zunehmend auf die Seite der imperatores stellten. Auf diese Weise entstand eine neue Art Klientel, die sich auf militärische Beziehungen stützte. Waffengewalt verdrängte die Rede als wichtigste politische Strategie. Mächtige Klienteie und militärische Erfolge entsprachen der Tradition und waren während des gesamten Bestehens der Republik eine Grundlage sozialen und politischen Aufstiegs. Hinzu karn die bereits im vorangegangenen Kapitel
1Meier, RPA. 1. 2Finley, Politics, 24-25: Die Stabilität des republikanischen Rom habe auf der Akzeptanz seiner politischen Institutionen und der Politiker basiert, die es regierten. Daß dies ohne Zwangs gewalt geschehen sei, wird "with the psychological need for identity through a feeling of continuity, and with its concomitant feeling that the basic structure of social existence and the value-system inherited from tbe past are fundamentally tbe only right ones for tbat society" erklärt. 3De Blois. Roman Army. 16-17.
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3. Die Lehre der Rhetorik
erwähnte Tätigkeit junger Politiker als Ankläger oder Verteidiger in Gerichten. Der politische Erfolg vieler equites und Italiker hing weitgehend von ihrer Beredsamkeit ab. In den iudicia publica mußten die Geschworenen überzeugt werden, und bisweilen galt es, sich mit berühmten Anwälten auseinanderzusetzen (Cicero stand mehrmals dem großen Hortensius gegenüber); dafür mußte man ein guter Redner sein 4. Die Redekunst hatte in Rom zwar immer schon existiert, jedoch war die Rhetorik bis zur späten Republik von geringer Bedeutung5 . Im letzten Jahrhundert der Republik hingegen mußte sich jeder Redner durch das Studium der Rhetorik eine Redetechnik aneignen. Dafür gab es verschiedene Methoden. Im Jahre 161 waren die rhetores und Philosophen durch ein senatus consultum aus Rom vertrieben worden 6. Die Vertreibung der rhetores kam aber nicht der Abschaffung der Rhetorik gleich, denn die Reichen konnten private Lehrer bezahlen und taten dies auch. Diese Art privater Ausbildung wurde von der römischen Aristokratie im Laufe des 2. Jahrhunderts endgültig akzeptiert und praktiziert, die Rhetorik nach und nach zu einer unverzichtbaren Disziplin. Wir wissen, daß in Rom einige Angehörige der Elite in den letzten Jahrzehnten des 2. Jahrhunderts von griechischen Lehrern im eigenen Haus privat unterrichtet wurden, wie z.B. Ti. und C. Gracchus 7. Ungeachtet dessen befanden sich offenbar in der Generation nach Panaitios und Polybios wenige bedeutende griechische Persönlichkeiten in Rom, und nur vereinzelt reisten junge Römer vor den siebziger Jahren nach Griechenland, um sich dort ausbilden zu lassen 8. Unter diesen Umständen mußten die ehrgeizigen homines novi, die eine politische Karrierre anstrebten und die eine herkömmliche Erziehung in der Familie und innerhalb der Aristokratie nicht erhalten konnten, auf andere Mittel zurückgreifen, um die Redetechnik zu erlernen, die es ihnen ermöglichen würde, ihre politische Laufbahn vor Gericht zu beginnen. Als Antwort auf diese Nachfrage entstanden am Anfang des 1. Jahrhunderts die ersten lateinischen Handbücher der Rhetorik, und die ersten Rhetorikschulen lehrten diese Disziplin in lateinischer Sprache9. Sowohl die Lehrbücher
4Cic., De orat., n 72: Cicero läßt Antonius die Schwierigkeiten hervorheben, welche die Reden in den iudicia mit sich bringen konnten, wo man immer einen armatus adversarius vor sich hatte. 5Kennedy, Art of Rhetoric, 7; Clarke, Rhetoricat Rome, 11; Philodemos nenne Rom und Sparta als Ausnahmestaaten, die ohne die Rhetorik regiert wOrden. 6S uet., Gramm. et rhet., 25. 7Cic., Brut., 104: Puit Gracchus diligentia Comeliae malris a puero doctus et Graecis litteris
eruditus. Nam semper habuit exquisitos e Graecia magistros, in eis iam adulescens Diophanem Mytilenaeum Graeciae temporibus illis disertissimum. 8Rawson, Intellectual Life, 6-11: Den Wendepunkt häUen die Kriege gegen Mithridates gebildet, in denen sich Griechen und Römer gegenseitig kennenlernten. Seit diesem Zeitpunkt verbrachten bedeutende Politiker wie Cicero (79) und Caesar (75) eine Zeitlang auf Rhodos, um bei ApoHonios Molon in die Lehre zu gehen. In der darauffolgenden Generation sei dies sogar zu einer Pflicht geworden. Brutus studierte bei zwei verschiedenen rhetores in Athen, Cassius auf Rhodos, Antonius in Griechenland oder KIeinasien, Asinius PoIlio in Griechenland, usw. 9navid, Promotion civique, 158-159; Narducci, Pratiche letterarie, 889.
Noviras und Rhetorik
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als auch die schulische Ausbildung war in erster Linie auf homines novi ausgerichtet Das rief in den Reihen der herrschenden Klasse eine Debatte hervor lO , die das Wesen der Rhetoriklehre zum Thema hatte, der aber auch eine Auseinandersetzung um die Beibehaltung bzw. Veränderung der Machtstruktur zugrundelag. Auf dem Spiel standen das Rederecht und die damit verbundene Macht von Neulingen, die den privilegierten Status der Elite gefährden und die politische Karriere von Angehörigen der oberen Bevölkerungsschicht durch eine Verurteilung vor Gericht oder, indem sie in contiones invidia gegen sie schürten, zum Scheitern bringen konnten. Letztlich ging es in der Politik Roms um die Mitsprache oder den Ausschluß neuer Personen. Oligarchisierung oder Öffnung des öffentlichen Lebens für Neulinge - so lautete die Schlüsselfrage dieses Konflikts. Wahrscheinlich kurz nach der Herausgabe des ersten bekannten Handbuchs, jenem des Antonius, wurde in Rom die Schule der rhetores Latini gegründet. In Ciceros De oratore ist Crassus' Worten zu entnehmen, daß sie im Jahre 93 eröffnet wurdell. Von der Schule selbst wissen wir wenig. Bekannt ist die negative Reaktion auf sie: das censorische Edikt von 92. Diese erste und anscheinend wichtigste Schule wurde von L. Plotius Gallus geleitet12. Ihre wesentliche Neuerung lag wohl darin, daß zum ersten Mal in Rom Rhetorik in lateinischer Sprache unterrichtet wurde. Allerdings war es wahrscheinlich lediglich die erste "öffentliche" Rhetorikschule 13 • Aus Ciceros Rede für Archias 14 erfahren wir, daß Marius einen gewissen L. Plotius hochschätzte und als Berichterstatter über seine militärischen Erfolge ins Auge faßte. Es wird angenommen, daß es sich bei dieser Person umPlotius lOaezeichnenderweise legt Cicero die Handltmg seines Dialogs De oratore in das Jahr 91, genau in die Zeit nach dem censorischen Edikt von 92, die Blütezeit der lateinischen Rhetorik, als seiner Meinung nach die lateinische Redekunst ihre prima maturitas (Brut., 161) erreichte. Es war Cicero somit bewußt, daß diese Jahre einen Wendepunkt darstellten. l1Cic., De orat., ßI 93: ... etiam Latini, si dis placet, hoc biennio magistri dicendi exstiterunt ... Hieronymus (Chron., 150, Helm) datiert ihre Eröffnung in das Jahr 88. Das ist jedoch zu spät, wenn wir uns an dem Edikt der Censoren orientieren, das mit Sicherheit im Jahre 92 erlassen wurde. 12Hieron., Chron., 150, Helm: Plotius GaUus primus Romae Latinam rhetoricam docuit. De
quo Cicero sie re/ert: memoria teneo pueris nobis primum Latine docere coepisse Plotium quendam; Quint., Inst.orat., TI 4,42: Latinos vero dicendi praeceptores extremis L. Crassi temporibus coepisse Cicero auctor est, quorum insignis maxime Plotius fuit; Schol.Bob., Cic.Arch. 20 (= p.178,l1 Stangl): Hic (L. Plotius) primus Romae studia Latina docuisse ; Sen., Contr., TI praef" 5: Habuit (Fabianus) et Blandum rhetorem praeceptorem, qui <primus> eques Romanus Romae docuit; '" ante illum intra libertinos praeceptores pulcherrimae disciplinae continebantur .,. Nam primus omnium Latinus rhetor Romae fuit puero Cicerone Plotius. Man ist sich darüber einig, daß Plotius Gallus als Gründer der Schule der rhetores Latini anzusehen ist. Allein Manfredini, L' editto, 123, zweifelt daran und meint, es handle sich um einen unbekannten Plotius. 13Schmidt, Die Anfänge der institutionellen Rhetorik, 191-193. 14Cic., Arch., 20: Itaque ille Marius item eximie L. Plotium dilexit, cuius ingenio putabat ea, quae gesserat, posse celebrari.
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3. Die Lehre der Rhetorik
Gallus, den Leiter der Rhetorikschule, handelte, daß ihn und Marius nicht nUr Freundschaft, sondern auch eine gemeinsame Ideologie verband und daß die rhetores Latini somit nur eine Einzelerscheinung einer umfassenden "demokratischen Bewegung" der populares waren, die von Marius geleitet wurde oder doch zumindest unter seiner Schirmherrschaft stand 15 . Plotius überlebte allerdings die Niederlage des Marius und seiner Anhänger ebenso wie die Diktatur Sul1as und dessen Proskriptionen, denn im Jahre 56 war er noch aktiv. Das läßt ernsthafte Zweifel daran aufkommen, ob seine Verbindung zu Marius wirklich so eng war. Was die Rhetoriklehrbücher angeht, so wurde das älteste vor dem censorisehen Edikt von 92 von Antonius geschrieben16 . Er spricht in Ciceros De aratore von ihm als einem schon eine Weile existierenden Werk 17 . Calboli schließt daraus, daß das Buch um das Jahr 100 veröffentlicht wurde, in einer Zeit, in der Antonius Marius und "philodemokratischen" Kreisen nahestand, bevor er sich den optimates annäherte 18 . Scholz hingegen ist der Ansicht, das Buch sei zwischen 96 und 91 entstanden, da die verschiedenen aufeinanderfolgenden Magistraturen (die Praetur im Jahre 102, das Konsulat 99 und die Censur 97) Antonius voll beansprucht hätten 19 . Achard schließlich deutet Antonius' libellus als Aus-
15S0 die von Marx, Incerti auctoris, passim, aufgestellte These, die seither von vielen Forschern fortgeführt wurde. Diese Annahme ist für den Sinn ausschlaggebend, der dem censorischen Edikt von 92 zugeschrieben wird. V gl. Bloch, De I' authenticit6 de I' 6dit censorial, 72; Ziegler, Plotius, 599; Gabba, Politica e cultura, 188. 16Cic., Brut., 163: Hoc loco Brutus 'Quando quidem tu istos oratores' inquit 'tanto opere laudas,
vellem aliquid Antonio praeter illum de ratione dicendi sane 'exilem libellum. plura Crasso Iibuisset scribere; Quint., lnst.orat., In 1,19: Romanorum primus, quantum ego quidem sciam, eondidit aliqua in liane materiam M. Cato, post M. Antonius [ille censorius] inchoavit: nam hoc solum opus eius atque id ipsum inper[eetum manet. Die knappe Anspielung des Quintilian bezüglich Catos hat die Frage aufgeworfen, ob dieser ein Rbetorikbuch geschrieben haben könnte, das in Form einer "Enzyklopädie" für seinen Sohn verlaßt wurde. Wir wissen, daß Cato als erster mindestens zwei Reden, die er selbst gehalten hatte, in sein Werk Origines einschloß. Es ist aber unwahrscheinlich, daß er ein Buch schrieb, das speziell der Theorie der Rhetorik gewidmet war; allenfalls könnte es einzelne Anweisungen für die Abfassung von Reden enthalten haben. Allerdings erwähnt Cicero, für den Cato in vielerlei Hinsicht ein Vorbild war und als solches aucb in Ciceros Werken anerkannt wird, nie die Existenz dieses Buches. Vgl. dazu Astin, Cato the Censor, 148 und 333. Laut Calboli, La retorica preciceroniana, 43-45, muß es ein Werk Catos mit rhetorischen Anweisungen gegeben haben, da das Zeugnis des Quintilian nicht obne weiteres übergangen werden könne. Es dürfte sich dabei eher um eine Einführung als um ein spezielles Sachbuch gehandelt haben, so daß Antonius zu Recht als Begründer der lateinischen Rhetorik gelte. Wie dem auch sei, Cato war lange Zeit das Modell eines hOl/ln novus, so daß auch bei ibm ein Zusammenhang zwischen Rhetorik und novitas nicbt zu übersehen ist. 17Cic., De orat., I 94: ltaque ego llac eadem opinione adductus scripsi etiam illud quodam in li-
bello, qui me imprudente et invito excidit et pervenit in manus IlOminum. 18Calboli, La retorica preciceroniana, 85 und 98; ders., L'oratore M. Antonio, 149-150. Calboli nennt als Grund für seine Entscheidung, die Entstehung des Buches in diese Zeit zu datieren, daß die Abneigung der Censoren von 92 gegen die lateinisch verfaßte Rhetorik bereits einige Jahre zurückgelegen habe. Das Edikt richtet sich jedoch weder gegen die Rbetorik an sich nocb gegen die Lehrbücher, sondern gegen spezielle Schulen. Auch Narducci, Pratiche letterarie, 893, glaubt, Antonius habe sein Buch geschrieben, als er Marius ideologisch nabestand. 19Scholz, M. Antonius, 98.
Novitas und Rhetorik
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druck des Widerstandes gegen Crassus und datiert ihn daher in die Zeit unmittelbar nach dem Edikt von 92, in der wegen des Verbots der Schulen (mit denen sich Antonius ideologisch identifizierte) eine schriftliche Einführung in die Rhetorik nützlich zu werden begonnen habe 2o. Dieses Datum steht jedoch im Widerspruch zu Ciceros Text, in dem einerseits deutlich gesagt wird, daß das Lehrbuch bereits vor dem Jahre 91 im Umlauf gewesen sei, andererseits aber Antonius als politischer Verbündeter des Crassus dargestellt wird2I . Die uns zur Vetfügung stehenden Angaben sind jedenfalls zu fragmentarisch, als daß wir eindeutige Schlüsse daraus ziehen könnten. Fest steht nur, daß es in den neunzig er Jahren vor dem Erlaß des censorischen Edikts bereits ein Handbuch de ratione dicendi in lateinischer Sprache gab, dessen Autor bezeichnenderweise kein rhetor, sondern ein herausragender Politiker und Redner war. Dieser hatte bereits die höchsten Magistraturen bekleidet und genoß großes Ansehen, und Cicero machte ihn in De oratore später sogar zum Helden. In diesem Werk läßt Cicero Antonius sagen, sein libellus sei gegen seinen Willen veröffentlicht worden. Es ist schwierig abzuschätzen, ob diese Aussage zutrifft - es würde bedeuten, Antonius hätte nicht beabsichtigt, seine Lehre einem breiten Publikum zu öffnen - oder ob dies nur Ciceros Ansicht war, bedingt durch seine Reue, De inventione geschrieben zu haben22. Unser Wissen über Antonius erlaubt es uns, ihn als homo novus einzuordnen, der seine politische Karriere weitgehend der Redekunst verdankte, vor allem seinen Reden in zahlreichen Prozessen, die ihn berühmt machten 23 • Anders als Crassus verneint Antonius in Ciceros De oratore, daß ein Redner' eine umfangreiche Bildung haben müsse, und behauptet, selbst nie Rhetorik studiert und sein Opusculum nur aufgrund seiner Etfahrung geschrieben zu haben 24. Was seine Ideologie angeht, so unterstützte er im allgemeinen die Politik der Aristokratie ge-
20Achard, Rhttorique a Herennius, IX-X: Damit dieses Bedürfnis bis zur erneuten Öffnung der Schulen befriedigt werde, seien in den achtziger Jahren die beiden anderen bekannten Lehrbücher entstanden, dasjenige Ciceros und die Rhetorica ad Herennium. 2ICic., De orat., 124: ... M. Antonius homo et consiliorum in re publica socius et summa cum
Crasso !amiliaritate coniunctus. 22Leeman - Pinkster, De Oratore, 94, bezeichnen dies als "Ciceronisierung" des Antonius. Andererseits [mdet es Meier, literariscbe Fiktion, 114, logisch, daß Antonius die Veröffentlichung seines Buches wegen dessen Unzulänglichkeiten bedauert habe. 23Scholz, M. Antonius, 5 und 52. Alexander, Trials, 22, 33, 43 und 57 faßt alle zwölf Gerichtsverhandlungen zusammen, an denen Antonius sich beteiligt hat: an sieben als Verteidiger, an einer als Ankläger, an zwei anderen als Angeklagter sowie an je einer weiteren als Zeuge und als einfacher Zuschauer. Davon fanden vier vor seiner Praetur statt. Es ist nicht bekannt, ob er davor Ädil oder Tribun war; Scbolz (19) nimmt an, daß Antonius als homo novus schrittweise vorging und sicher mindestens eine dieser Magistraturen - wenn nicht beide - bekleidete. 24Cic., De orat., I 208; 213; 219; 250; 256.
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3, Die Lehre der Rhetorik
genüber den bedeutendsten populares, was ihn jedoch nicht daran hinderte, sein Handbuch zu schreiben 25 • Die Rhetorica ad Herennium ist das älteste vollständig überlieferte Handbuch in lateinischer Sprache. Es wird jedoch erst sehr spät erwähnt, nämlich im 5. . Jahrhundert, als Hieronymus es als ein Werk Ciceros zu lesen empfiehlt. Die Tatsache, daß in den ältesten erhaltenen Handschriften Cicero als Autor angegeben wird, hat sicherlich dazu beigetragen, daß dieses Werk bis in unsere Tage erhalten geblieben ist26 . Heute wird die These, Cicero sei der Autor, allgemein verworfen. Trotz deutlicher Gemeinsamkeiten mit De inventione - die nicht überraschen, berücksichtigt man, daß beide Werke dasselbe Thema behandeln - gibt es doch gewichtige Unterschiede. Weiter ist undenkbar, daß Cicero die Rhetorica später nie als sein eigenes Werk erwähnte. Ausgehend von diesen Feststellungen lassen sich die verschiedensten Hypothesen formulieren. Calboli behauptet, der Autor sei derselbe Comificius, von dem Quintilian mehrfach spricht, nämlich der Etymologe, der bei Macrobius, Festus und Amobius genannt wird. Dies begründet er damit, daß eine Reihe rhetorischer Figuren, die Quintilian Comificius zuordnet, auch in der Rhetorica ad Herennium anzutreffen sei27. Quintilian ist jedoch zu entnehmen, daß dieser Comüicius lediglich eine Abhandlung über die Redefiguren, aber kein vollständiges Lehrbuch schrieb. Vor allem aber ordnet Quintilian diesen Autor chronologisch nach Cicero und vor sich selbst ein, etwa um die augusteische Zeit, so daß Comificius wohl kaum der Verfasser eines Werkes sein kann, das aller Wahrscheinlichkeit nach in den achtziger Jahren geschrieben wurde 28 .
25Scholz, M. Antonius, 17ff. und 53, beschäftigt sich mit seiner politischen Karriere und folgert, daß es gerade seine Stellungnahme für die optimates war, die ibm einen schnellen Aufstieg ermöglichte. Für Calboli, La retorica preciceroniana, 85, stand Antonius Marius bis etwa ins Jahr 95 nabe. Allerdings habe, so Calboli, in jener Zeit selbst Marius die Nähe der optimates gesucht. Calboli, L'oratore M. Antonio, 121-122, geht von technischen Ähnlichkeiten zwischen Antonius' Lehrbuch und der Rhetorica ad Herennium aus, und da das letztgenannte Werk in Marius wohlgesinnten "philodemokratischen" Kreisen entstanden sei, müsse auch Antonius' Buch, eine wichtige Quelle für die Rhetorica, aus diesen Kreisen stammen und nicht aus der traditionellen Aristokratie, vertreten durch die Censoren des Jahres 92 (op.cit., 149). 26Hieron., Ruf., II 471: Lege ad Herennium Tullii libros, lege rhetoricos eius. Vgl. Achard, Rh~torique aHerennius, XIV. 27Quint., Inst.orat., IX 3,98, führt an, daß Comificius zehn neue Redefiguren benutze, die in der Rhetorica ad Herennium, IV 22-41, in derselben Reihenfolge erscheinen. Calboli, Comificiana 2, passim, zieht in Erwägung, daß der Autor Comificius, der Volkstribun des Jahres 69, sein könne. In der Einleitung zu seiner Rhetorica ad Herennium, 7-9, neigt er jedoch zu Comificius, dem Grammatiker, stellt aber selbst die Inkohärenz fest, die sich daraus ergibt, daß das dritte Buch De etymis deorum dieses Grauunatilcers nach 44 geschrieben wurde, so daß zwischen diesem Buch und der Rhetorica ad Herennium über dreißig Jahre lägen. Trotzdem SChließt er diese Möglichkeit nicht aus. Mit der These, daß Comificius der Autor sei, zeigt sich Cousin in seiner Besprechung von Calboli, Comificiana 2, einverstanden. Bereits vor Calvoli vertrat sie Kroll, Der Text des Comificius, passim. 28Quint., Inst.orat., III 1,8; IX 3,91; 3,98-99, datiert Comificius nach Cicero und vor die Schriftsteller aetatis nostrae, und in IX 3,89 wird er gemeinsam mit den Autoren der augustei-
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In neuester Zeit hat Achard versucht, den Autor der Rhetorica ad Herennium ausgehend von den Angaben zu identifizieren, die sich aus dem Werk selbst über ihn erschließen lassen29 . Aus ihnen stellt er ein Phantombild her und nimmt an, der Autor könne wegen seiner Verwandtschaft mit den Herennü, einer bekannten samnitischen Familie, aus Mittel- oder Süditalien stammen, weil die einzigen im Text erwähnten Städte in jener Gegend liegen. Der Hinweis auf seine negotia könne implizieren, daß es sich um ein Mitglied des Ritterstandes handle. Jedoch lasse die im Lehrbuch erklärte Absicht des Autors, weiter über militärische Angelegenheiten und über die Verwaltung der res publica zu schreiben3o, die Vermutung zu, daß dieser sich an den letzten Kriegszügen aktiv beteiligte und eine niedere Magistratur bekleidete. In diesem Fall würde es sich um einen Senator niederen Ranges handeln - jedenfalls nicht um einen professionellen Rhetor3l ; er wäre zum Zeitpunkt der Fertigstellung seines Buches zwischen dreißig und vierzig Jahre alt gewesen. Legt man diese Charakteristika und die von Achard postulierte deutliche Tendenz zugunsten Marius' und der Popularen zugrunde, so ließen sich in den achtziger Jahren einige Personen finden, die diesem Profil entsprächen. Einer von ihnen wäre L. Hirtuleius, Quaestor etwa um 86, Gegner von Sulla und Anhänger des Sertorius, für den er in Hispanien kämpfte, wo er mit einem gewissen C. Herennius angetroffen wird. In kursiver Schrift könnte laut Achard der Name Hirtuleius mit Tullius verwechselt worden sein und so die Verwirrung gestiftet haben, in der Cicero für den Autor des Lehrbuches gehalten wurde32; dies zu beweisen ist jedoch nicht möglich. Weiterhin kämen noch der Konsul des Jahres 81, M. Tullius Decula, oder - wegen seiner Verwandtschaft mit dem Adressaten - ein Unbekannter namens Herennius in Frage33 . Wie dem auch sei, der unbekannte Autor der Rhetorica ad Herennium 34 scheint in keinem Fall ein wichtige Persönlichkeit gewesen zu sein, und alles deutet darauf hin, daß er ein homo novus war. sehen Zeit genannt. Calboli ist der Ansicht, Quintilian habe in seinem Werk bei der AufzähIWlg der verschiedenen Personen keine chronologische Reihenfolge befolgt, aber das bleibt eine Vermutung. Caplan, Introduction, 5-6, nimmt an, es handle sich um einen Zeitgenossen aus der augusteischen Zeit, weshalb er nicht die Rhetorica ad Herennium, sondern ein spezielles Buch über Redefiguren habe schreiben können, aus dem Quintilian zitiert. Im gleichen Sinne Achard, L'auteur de la Rh~torique, 57, und Rh~torique h Herennius, XVIlI-XX sowie Trillitzsch, 153, und Hellegouarc'h, 556 in ihren Besprechungen von Calboli, Cornificiana 2. 29Achard, L'auteur de Ja Rh~torique, 58ff.; ders., Rhetorique 11. Herennius, XXllff.
30Rhet.Her., III 3: ... si quando de re militari aut de administratione rei publicae scribere velimus. 3lUngern-Sternberg, Die populareD Beispiele, 148, ist der Ansicht, es handle sich um einen Rhetoren. Caplan, Introduction, 13-14, wendet sich dagegen. 32Achard, L'auteur de Ja Rh~torique, 65-68. 33Achard, Rhetorique h Herennius, XXXß. 34Es gibt noch weitere, viel unwahrscheinlichere Vorschläge (vgl. Achard, L'auteur de la Rh~to rique, 57): L. Aelius Stilo und M. Antonius Gnipho, Lehrer Ciceros; den Sohn Ciceros oder seine Freigelassenen M. Tullius Tiro und M. Tullius Laurea; L. Ateius Praetextatus aus der augusteischen Zeit; Papirius Fabianus aus der tiberischen Zeit; Verginius Flavus aus der Zeit
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Der Zeitpunkt der Entstehung des Handbuches muß auf jeden Fall nach 88, dem Todesjahr des Tribunen Sulpicius, liegen, da dieses Ereignis darin erwähnt wird. Andererseits werden weder Reden aus der Zeit nach der Diktatur Sullas noch die Diktatur selbst oder die Niederlage der Anhänger Marius' aus dem Jahre . 82 erwähnt. Somit muß das Buch zwischen den Jahren 88 (oder eher 86) und 82 entstanden sein - die vier Bände wurden nicht gleichzeitig verfaßt35 . Die Entstehungszeit der rhetorischen Schrift De inventione ist nicht bekannt. Cicero selbst sagt, er habe sie geschrieben, als er puer oder adulescentulus war36 . Einige Autoren schlagen deshalb einen früheren Zeitpunkt, nämlich das Jahr 91, vor37 . Das würde jedoch bedeuten, daß sein Verfasser erst fünfzehn Jahre alt war - ein zu gewagtes Unterfangen für einen Unerfahrenen, der gerade seine ersten Versuche als Rhetorikschüler unternimmt, es sei denn, es handelt sich lediglich um die schriftliche Ausformulierung der von seinem Lehrer empfangenen lektionen. Cicero verleugnet später sein Werk, weniger wegen dessen Qualität als vielmehr, weil es mit seiner späteren hartnäckigen Verteidigung der nicht in der Schule gelehrten Rhetorik inkohärent wurde. In diesem Sinne muß seine Aussage, er habe das Buch geschrieben, als er puer oder adulescentulus war, verstanden werden; er versucht, es als einen in seiner Jugend begangenen Fehler abzutun. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde aber das Handbuch später geschrieben,
Neros; Timolaus aus der aurelianischen Zeit. Eine aktuellere Interpretation ist jene Herrmanns, L. Annaeus Cornutus, passim, derzufolge das Lehrbuch Herennius Senecio von dessen Lehrer L. Annaeus Cornutus während der Herrschaft Neros gewidmet wurde. 35 Achard, RMtorique II Herennius, VII, datiert es in die Zeit zwischen Mitte 86 und Ende 83, da die Römer in ihren Büchern üblicherweise nur bereits verstorbene Personen erwähnten. Da Antonius und C. lulius Caesar Strabo, die im Werk genannt werden, 87 starben, könne es nicht vor 86 verfaßt worden sein. Die gleiche Chronologie befürworten Caplan, Introduction, 17; Clarke, Rhetoric at Rome, 14; Calboli, Cornifici, 17; Leeman, Orationis ratio, I 25. Douglas, Clausulae, passim, nennt als Entstehungsdatum die fünfziger Jahre, wobei er sich ausschließlich auf die clausulae stützt. Diese Theorie wird später von Winkel, Some Remarks ..., passim, aufgenommen. Ihm zufolge weist ein Abschnitt der Rhetorica ad Herennium eine Ähnlichkeit mit einem Text Aristoteies' auf, den Cicero in De inventione nicht erwähnt, obgleich er den griechischen Autor gerne zitiert Der Grund dafür sei, daß der aristotelische Text in den achtziger Jahren nicht bekannt gewesen, später jedoch wieder publiziert worden sei und somit dem Autor der Rhetorica ad Herennium bekannt gewesen sein könnte, so daß wir daraus schließen diiIften, daß diese später geschrieben wurde. 36Cic., De orat., I 5: Vis enim, ut mihi saepe dixisti, quoniam quae pueris aut adulescentulis nobis ex commentariolis nostris incohata ae rudia exciderunt vix hac aetate digna et hoc usu, quem ex causis quas diximus tot tantisque eonsecuti sumus, aliquid isdem de rebus politius a nobis perjectiusque projerri; Quint., Inst.orat., III 1,20: M. Tullius ... nisi et rhetoricos suos
ipse adulescenti sibi elapscfs diceret.
. .
37Calboli, La retorica preciceroniana, 108. Caplan, Introduction, 17, erscheint es wahrscheinlich, jedoch nicht sicher, daß De inventione vor der Rhetorica ad Herennium geschrieben wurde, da es darin keine Anspielung auf das bellum sociale gebe. Cicero könnte das Material aber auch später überarbeitet, jedoch sein Werk nicht viel später als 86 veröffentlicht haben.
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irgendwann in den achtziger Jahren 38 . Jedenfalls hatte Cicero bis dahin noch keine Magistratur bekleidet und war jung und unbekannt. Wegen ihrer zeitlichen Übereinstimmung und thematischen Ähnlichkeit wurden die Rhetorica ad Herennium und De inventione oft gemeinsam untersucht, wobei auf technische und ideologische Ähnlichkeiten und Unterschiede geachtet wurde. Die Rhetoriktheorie in den beiden Büchern ist sehr ähnlich; möglicherweise liegt ihnen sogar dieselbe Quelle zugrunde, die vielleicht schon in lateinischer Sprache verfaßt war, denn keine neue aus dem Griechischen übersetzte Begriffe wurden in beiden Werke eingeführt39 . Abgesehen von einigen technischen Details besteht der Hauptunterschied wohl darin, daß sich in der Rhetorica ad Herennium das Augenmerk auf die Anwendung der Redetechniken richtet, wodurch die Beredsamkeit zu einer bloßen Technik der Überredung herabgestuft wird, im Gegensatz zu der philosophischen Grundlage, die laut Cicero für die Ausübung der Redekunst notwendig war4°. Das läßt auf eine enge Beziehung zwischen der Rhetorica ad Herennium und den Schulen der rhetores Latini schließen, deren rhetorische Prinzipien ähnlich waren (die exercitatio und die actio, d.h. die Art und Weise, wie die Reden gehalten wurden, galten als wichtigste Aspekte), und so bezieht sich der Autor der Rhetorica mit der Bezeichnung noster doetor auf niemand anderen als auf L. Plotius Gallus41 .
38Clarke, Rhetoric at Rome, 14, gibt als Hypothese die Jahre 87-86 an. Achard, Rhetorique ~ Herennius, VIß, datiert es zwischen 84 und 82 und postuliert, daß es wegen der Ereignisse des Jahres 82 unvollendet geblieben sei. MacKendrick, Philosophical Books, 30, legt das Datum zwischen 87 und 81. In diesen beiden Jahren hielt sich der Rhodier Apollonios Molon in Rom auf, und Cicero besuchte seine Lektionen. Der Einfluß Molons schlägt sich im ersten Buch von De inventione sowie auch in n 87 und 98 nieder, wo Cicero rhodische exempla zitiert 3!Tuhrmann, Die antike Rhetorik, 48; Clarke, Rhetoric at Rome, 13. In diesem Zusammenhang glaubt Michel, Rhetorique et philosophie, 72, daß die Rhetorica ad Herennium nicht Plotius zuzuschreiben sei, sondern eventuell Antonius, da dieser als einziger bis dahin schon ein lateinisches Lehrbuch geschrieben hatte. Auch Calboli, Cornifici, 25, sieht eine Verbindung zwischen der Rhetorica ad Herennium und Antonius; er nimmt an, De inventione und die Rhetorica ad Herennium hätten eine gemeinsame Quelle, die lateinisch und in Schriftform verfaßt war und der ein hermagorisches Modell zugrnndelag. Für Adamietz, Ciceros de inventione, passim, sind sowohl De inventione als auch die Rhetorica ad Herennium lateinische Überarbeitungen einer griechischen Arbeit über Rhetorik. Dagegen verneint Caplan, Introduction, 18-19, aufgrund ihrer Unterschiede, daß die beiden Werke eine gemeinsame Quelle - ob nun griechischen Ursprungs oder nicht - hatten, obgleich sowohl Cicero als auch der Autor der Rhetorica ad Herennium (oder ihre Lehrer) sicherlich von Antonius' Handbuch beeinflußt waren. MacKendrick, Philosophical Books, 31, schließlich nennt als gemeinsame Quelle Hermagoras von Temnos, der ansführIich über die inventio berichtete. 40De inventione beginnt wie folgt: ... ut existimem sapientiam sine eloquentia parum prodesse
civitatibus, eloquentiam veTO sine sapientia nimium obesse plerumque, prodesse numquam (I 1). Eine Theorie MacKendricks, Philosophical Books, 13, besagt, daß in allen philosophischen Welken Ciceros ein Einfluß der rhetorischen Grundlagen seines Denkens zu spÜlen sei. 41Rhet.HeT., I 18: Causarum constitutiones alii quattuorJecerunt: noster doctor tres putavit esse. V gl. Achard, Rhetorique ~ Herennius, XXIß-XXIV und 229. Selbstverständlich wird in Ciceros Abhandlungen die sapientia, die umfassende Allgemeinbildung des Redners, immer über die exe rcitatio und die actio gestellt, die freilich nicht außer acht gelassen werden dürfen, und auch
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Obwohl das erste Buch der Rhetorica ad Herennium mit der Aufforderung zur exercitatio beginnt und das vierte mit ihr aufhört, wird auch auf die Notwendigkeit der Philosophie hingewiesen. Der Verfasser läßt uns wissen, daß er wegen seiner negotia wenig Zeit habe und sein otium hauptsächlich der Philosophie widme, aber Herennius zu Ehren dieses Lehrbuch de ratione dicendi zu schreiben gedenke42 . Er beendet sein Werk mit der Feststellung, seine Freundschaft mit Herennius sei durch beider Verwandtschaft (cognatio) zueinander bedingt, habe sich aber durch ihre philosophische Reflexion (philosophiae ratio) gefestigt43 • Was die politische Grundhaltung angeht, so läßt sich bei dem Autor der Rhetorica ad Herennium eine populare Tendenz feststellen, die jedoch nicht so ausgeprägt ist, wie man seit F. Marx anzunehmen geneigt ist. Was nun Cicero betrifft, so bewegte er sich mit einer gewissen ideologischen Unbestimmtheit im Kreise der homines novi, bevor er sich schließlich offen zu einer konservativeren Haltung bekannte. Als besonders interessant erweist sich in diesem Kontext ein Vergleich zweier Textabschnitte, die trotz thematischer Ähnlichkeit wesentliche Unterschiede aufweisen. Der Autor der Rhetorica ad Herennium gibt einem Redner folgenden Rat: Um im Volk Feindseligkeit (invidia) gegen einen politischen Gegner zu schüren, solle er dessen Eigenschaften, die der nobilitas eigneten, als Unzulänglichkeiten darstellen44• Schon allein die Angehörigkeit zur nobilitas wird negativ dargestellt, ebenso deren divitiae, Reichtum, Klientelen und Beziehungen, die den nobiles Macht verleihen: das hospitium, die sodalitates und affinitates. All diese Charakteristika brächten ihnen vis und potentia, ein Machtmonopol, ein, so daß der Nobilität sogar vorgeworfen wird, eine jactio gegründet zu haben. Im Gegensatz dazu gibt es in De inventione, wo auch Cicero die Ursachen aufzählt, die invidia erzeugen können, erheblich weniger negative Merkmale der Gegner. Er wirft ihnen divitiae, cognatio, vis und potentia vor, nennt aber vorsichtshalber die nobilitas nicht als einen Feindseligkeit stiftenden Faktor45 . auf die Körpersprache, die Mimik, Gestik und den Stimmklang und Tonfall wird Wen gelegt (Cic., De orat., I 18; 156). 42Rlzet.Her., I 1: Etsi negotiis familiaribus inpediti vix satis otium studio suppeditare possumus
et id ipsum quod datur otii libentius in philosophia eonsumere eonsuevimus. 43Rlzet.Her., IV 69: Nam et simullibenter exereemur propter amieitiam, cuius initium cognatio fecit, ceteraphilosophiae ratio conjirmavit. 44Rhet.Her., J 8: In invidiam trahemus, si vim, potentiatn, factionem, divitias, ineontinentiam, nobilitatem, c/ientelas, hospitium, sodalitatem, affinitates adversariorum proferemus et his adiumentis magis quam veritate eos eonjidere aperiemus. In eontemptionem addueemus si inertiam, ignaviam, desidiatn, luxuriam adversariorum proferemus. 45Cic.• De inv.• I 22: Ab adversariorum autem, si eos aut in odium aut in invidiam aut in eontemptionem adducemus. In odium ducentur. si quod eorum spurce, superbe, crudeliter, malitiose factum proferetur; in invidiam, si vis eorum, potentia, divitiae, cognatio [peeuniae J proferentur atque eorum usus arrogans et intolerabilis, ut his rebus magis videantur quam causae suae conjidere; in contemptionem adducentur, si eorum inertia, neglegentia, ignavia, desidiosum studium et luxuriosum otium proferetur. In den Angriffen gegen einige Politiker (zum Beispiel gegen die Anhänger Catilinas oder des Clodius) hebt Cicero hervor, daß sie nobiles seien, um zu unterstreichen, wie verwerflich ihre Aktionen gerade wegen ihrer Abstammung
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Vergleicht man die beiden Texte weiter, so elWeist sich die Rhetorica ad Herennium als eindeutig nobilitas-feindlich, während Cicero diesbezüglich viel zurückhaltender ist. Die Stimmung und das Vokabular der Rhetorica erinnern an jene der Popularen 46 , jedenfalls sind sie die eines homo novus. Vor allem ein homo novus mochte einem Feind vOlWerfen, ein nobilis zu sein oder Klienten und einflußreiche VelWandte zu haben. Dies ist auch die Grundstimmung der Rede des Marius, von der saUust berichtet. Obschon es sich dabei um eine Überarbeitung durch Sallust handelt, vennittelt sie möglichelWeise die Essenz des von Marius Gesagten oder zumindest Grundideen seines Denkens. Daher muß die Rede im Kontext der Debatte zwischen novitas und nobilitas am Ende des 2. und Anfang des 1. Jahrhunderts gesehen werden47 . Der Grundgedanke ist, daß die Aristokraten nicht regieren dürften, nur weil sie glorreiche Vorfahren hätten, denn die virtus sei nicht vererbbar. Die nobilitas dürfe nicht durch Geburt oder Reichtum bestimmt werden, sondern müsse sich aus den persönlichen Fähigkeiten eines Individuums, aus seiner virtus, ergeben. Die Rede ist typisch für einen homo noVUS, der sich seinen Weg in der römischen Politik erkämpft und dabei das Hindernis, nicht als Sohn einer mächtigen Familie geboren worden zu sein, überwunden hat. Obwohl Cicero nicht die Ideologie der populares vertrat, teilte er diese Anschauungen der homines novi, denn er war sich stets des Mankos bewußt, das seine novitas bedeutete48. Sein Status muß ihm während seiner Ausbildung vor dem Durchlaufen des cursus honorum sehr wichtig erschienen sein. Den Aufsteigerkreisen nahestehend hat er als ehrgeiziger homo novus auf der Suche nach dem besten Weg zur politischen Reifung ein Lehrbuch über Rhetorik wohl nützlich geseien, aber er verurteilt die nobilitas nie generell, da er ihr seit seinem Konsulat selbst angehört und ihre Ideen unterslÜtzt Vgl. Cic., Cat., TI 4; Dom., 46. Achard, Pratique rh~torique, 199. 461n seinem Kommentar zu diesem Auszug meint Achard, Rh~lDrique II Herennius, ad loc.cit., es handle sich um die Waffen eines popularis gegen einen optimus vir. 47Sall., lug., 84,5: ... hortandi causa, simul et nobilitatem, uti consueverat, exagitandi contionem populi advocavit (Marius). Vgl. Büchner, Sallust, 196-199. Über die Glaubwürdigkeit der Rede, siehe Paul, Bellum Iugurthinum, 207: Wahrscheinlich sei der Angriff Marius' gegen die nobiles gut bekannt gewesen und wenigstens das Wesentliche seiner Rede von einem zeitgenössischen Historiker, z.B. von Sempronius Asellio, bewahrt worden. Skeptischer zeigt sich Syme, Sallust, 169, der bezweifelt, daß die Rede annäherungsweise Marius' Worte wiedergibt, obwohl er einräumt, daß sie von Marius formulierte Ideen oder solche, von denen man behauptet, sie stammten von ihm, aufnehme. Ebenfalls skeptisch ist Koestermann, Bellum Iugurthinum, 293-294. 48Vgl. dazu den im Commentariolum petitionis seines Bruders Quintus oft wiederholten Spruch Novus sum, consulatum peto, Roma est und andere Texte, in denen Cicero virtus mit novitas in Verbindung bringt: Sest., 136, Mur., 17 u.a. In einem Abschnitt seiner Rede gegen Piso (Pis., 2) verherrlicht Cicero die tugendhafte novitas gegenüber der nobilitas ohne persönliche Verdienste: Aedilis es tactus: Piso est a populo Romano tactus, non iste Piso; praetura item
maioribus delata est tuis; noti erant illi mortui: te vivum nondum noverat quisquam. Me cum quaestorem in primis. aedilem priorem. praetorem primum cunctis sujfragiis populus Romanus [aciebat. homini ille honorem. non generi. moribus. non maioribus meis, virtuti perspectae. non auditae nobilitaJi fk[erebat.
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funden. Er hörte jedoch auf, die Schule des Plotius Gallus zu besuchen, um nicht die wichtigen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens Roms zu erzürnen, deren Unterstützung er für seine politische Karriere noch benötigte. Wahrscheinlich War das censorische Edikt von 92 dafür ausschlaggebend, denn damals hatte Cicero genau das richtige Alter, um eine Ausbildung zum Redner zu beginnen. Allerdings gibt er später zu, es hätte ihn gereizt, die Schule zu besuchen. Wenn wir den Autor der Rhetorica ad Herennium als homo novus sehen, der versuchte, Herennius die notwendigen Voraussetzungen für eine politische Besserstellung zu vennitteln, leuchtet auch die ideologische Perspektive einiger Teile seines Werkes ein. Darin kommen Beispiele aus der Geschichte,Roms vor, die implizit und manchmal auch explizit eine popularenfreundliche Gesinnung ausdriicken 49. An anderen Stellen jedoch werden die optimates gelobt und sogar als Erneuerer der res publica bezeichnet, ebenso wird die Beseitigung eines so bedeutenden popularis wie Satuminus gerechtfertigt und der Senat als zentrales und grundlegendes Element des politischen Systems Roms dargestellt50• Schon seit F. Marx wird die venneintlich populare Tendenz der geschichtlichen Beispiele in der Rhetorica ad Herennium als unwiderlegbarer Beweis dafür angesehen, daß ihr Autor selbst ein popularis und somit ein Anhänger des Marius gewesen sei, was seine Beziehung zu Plotius Gallus und den rhetores Latini erklärteS 1• Wie jedoch Ungem-Stemberg - und vor ihm Gelzer und Caplan - richtig argumentierten, handelt es sich in Wirklichkeit um Auszüge von Reden, die der Autor des Handbuches nicht zum Zweck politischer Propaganda oder aus ideologischen Überlegun-
49Calboli, Comifici, 41, macht im Werk sechs "philodemokratische" Passagen (ll45; IV 3; 22; 31; 46; 68) aus, acht mit unklarer Einstellung (I 21; 24-25; II 17; IV 12; 38; 47; 67) und nur eine zugunsten der opti11UJJes (IV 45), was er auf den Einfluß der Ars des Antonius zuriiclüllhrt. Achard, Rh6torique aHerennius, XXIX-XXXI, verweist auf die Verbindung des Autors zu Sulpicius Rufus, dem Tribun des Jahres 88, dem meistzitierten, was für einen Anhänger Marius' verständlich ist (z.B. 1145). An anderer Stelle werden der Tod des Sulpicius, daneben jener von Ti. und C. Gracchus (letzterer wird als afTlilntissimus rei publicae bezeichnet) sowie jener des Drusus und des Saturninus (IV 31) beklagt. 50Rhet.Her., IV 45: Aliquando rei publicae rationes, quae malitia nocentium exaruerunt, virtute optifTliltium revirescent; I 21 (vgl.1I 17 und IV 67): Cum Lucius Saturninus legemfrumentariam de semissibus et trientibus laturus esset, Q. Caepio ... docuit senatum aerarium pati non posse largitionem tantam. Senatus decrevit, si eam legem ad populumferat, adversus rem publicam videri eafacere. Saturninusferre coepit. Collegae intercedere, ille nihilominus sitellam detulit. Caepio ... cum viris bonis impetumfacit; pontes disturbat, cistas deicit ... ; IV 47: Qui vestrum, iudices, nomen senatus diligit, hunc oderi/ necesse est; petulantissime enim semper isle oppugnavit senatum .. , Senatus est oJJicium consilio civitatem iuvare; fTIilgistratus est offici um opera et diligentia consequi senatus voluntatem; populi est ojJicium res optUfTlilS et homines idoneos ma:cime suis sententiis deligere et probare . 51Achard, L'auteur de Ja Rh6torique, 61; ders., Rhetorique a Herennius, XXIX-XXX: Der Autor tendiere zu den populares, sei aber nicht unbedingt ein Extremist gewesen. Calboli, Comifici, 35; ders., La retorica preciceroniana, 75: Der Autor sei der Wortfiihrer der rhe/ores Latini.
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gen ausgesucht hat, sondern aus stilistischen und didaktischen Gründen, um Deftnitionen von Stilfiguren zu veranschaulichen52. Die Widmung der Arbeit an Herennius als ein sicheres Indiz für die populare Tendenz des Autors zu werten ist unzulässig. Aus dem Klientelverhältnis zwischen Marius und der gens Herennia, das eine Textstelle bei Plutarch belegt53 , darf nicht notwendig auf eine enge wechselseitige Beziehung und die populare Gesinnung der gens geschlossen werden 54. Jedenfalls ergreift der Autor der Rhetorica ad Herennium weder ftir Popularen noch für Optimaten eindeutig Partei, aber da man in den Kreisen der populares für die Öffnung der Gesellschaft und der Politik für homines novi und gegen die zunehmende Abschließung der factio nobilitatis eintrat, könnte er diesen nahegestanden haben. Man darf nicht vergessen, daß das Erscheinen von Handbüchern der Rhetorik schließlich dem Wunsch der Neulinge entsprach, Zutritt zu Ämtern zu erlangen, so daß ihre Veröffentlichung einen Schlag gegen die traditionelle Ausbildung der Aristokraten und die darin verkörperten Prinzipien sozialer und politischer Starrheit darstellte55 . Wie wir gesehen haben, liegt in den Argumentationen, die die Rhetorikhandbücher - besonders das des Antonius und die Rhetorica ad Herennium - und die Schule der rhetores Latini mit einer "demokratischen Bewegung" in Verbindung bringen; das Hauptaugenmerk auf Marius' angeblicher Führerschaft. Marius soll, als Antonius sein Buch schrieb, dessen Verbündeter gewesen sein und Klientelbindungen zu Herennius, dem Adressaten der Rhetorica ad Herennium, unterhalten haben. Dieser Theorie zufolge sympathisierte der Autor des Buches mit Marius, der ein Freund des Plotius Gallus war. Plotius Gallus soll nicht nur die erste Rhetorikschule ins Leben gerufen, sondern auch den Verfasser der Rhetorica ad Herennium inspiriert haben. Somit hätten sich Antonius, der Autor der Rhetorica ad Herennium, ihr Adressat und die rhetores Latini - eventuell sogar der
52Ungem-Stemberg, Die popularen Beispiele, passim; Gelzer, Die angebliche politische Tendenz, 220-221; Caplan, Introduction, 15; Cousin, Besprechung von Calboli, Comificiana, 846. Vgl. Michel, Rh~torique et philosophie, 71-72. 53Vgl. Plut., Mar., 5,4. Für die Beziehung zwischen den Herennii und Marius sowie für ihre "demokratische" Haltung nennt Calboli, Comifici, 11-12, drei Gründe: Die Familie hätte ihre meisten Magistraturen in der Zeit zwischen 101-90 innegehabt, in der Marius seinen stärksten Einfluß ausübte; außerdem sei im Jahre 80 ein Herennius Volkstribun gewesen und dieser oder ein anderes Familienmitglied im Kampf für Sertorius gestorben. Vgl. Clarke, Rhetoric at Rome, 14. 54Ungem-Stemberg, Die popularen Beispiele, 147; Gelzer, Die angebliche politische Tendenz, 215: C. Herennius, Volkstribun während Sullas Diktatur im Jahre 80, war ebensowenig wie der gleichnamige Senator, der zwischen 80 und 70 angeklagt wurde (Cic., Verr., I 38), ein Anhänger des Marius. Auch fehlt jeglicher Beweis dafür, daß einer der beiden mit dem im Jahre 75 verstorbenen Anhänger des Sertorius oder jenem Herennius zu identifizieren wäre, dem das Handbuch gewidmet ist. 55Vgl. Levi, Gli esempi storid, 360-364.
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junge Cicero56 - an einer popularen Bewegung beteiligt, die gegen die Aristokraten gerichtet gewesen wäre und innerhalb der die Lehre der Rhetorik in lateinischer Sprache eine zentrale Stellung eingenommen hätte. Marius hätte sie "naturgemäß" angeführt57. Diese Theorie basiert im Grunde auf bloßen Vermutungen und Hinweisen, die wie feststehende Tatsachen behandelt werden, die wiederum zu neuen Schlüssen führen. Dabei wird von einer verengten Sicht der politischen Struktur der Zeit ausgegangen, derzufolge es zwei gut strukturierte, gegnerische Parteien gab, die optimates und die populares, die nicht nur ideologische Aspekte, sondern auch Familien-, Klientel- und Freundschaftsbeziehungen untereinander verbanden. Bei der Untersuchung der sozioökonomischen und politischen Konflikte der späten Republik lassen sich nicht nur verschiedene Strategien, sondern auch unterschiedliche ideologische Tendenzen feststellen. Letztere polarisieren sich im Gegensatz optimates vs. populares, wobei jedoch berücksichtigt werden muß, daß diese keine stabilen Gruppen und erst recht keine Parteien im heutigen Sinne mit einem Programm, einer Organisation und einer eindeutigen Führung waren so etwas gab es in Rom nie. Die populares können generell als Neuerer angesehen werden, aber nicht als Umgestalter. Bestimmte strukturelle Probleme der römischen Gesellschaft und Politik im 1. Jahrhundert v.ehr. konnten wegen des Widerstandes konservativer Kräfte nicht gelöst werden. Deshalb schlugen populare Politiker für diese im Laufe der Zeit wiederholt auftretenden Probleme immer wieder ähnliche Lösungen vor. Die optimates verband eine ideologische Übereinstimmung bei der Verteidigung ihrer Interessen gegen die wiederholten Re c formversuche der Popularen, die sie als Gefahr für die res publica zurückwiesen, deren Wohlergehen sie mit ihrem eigenen gleichsetzten. Aber die Beziehungen zwischen den Politikern waren keinesfalls dauerhaft, sondern variierten in Ab-
56Leeman, Orationis ratio, I 26 und 92. Ausgehend von der Tatsache, daß Cicero Ti. und C. Gracchus vorteilhaft einschätzt, meint Leeman, Cicero habe zum Zeitpunkt der Abfassung der Schrift De inventione dem Marius nahegestanden, habe sich im selben politischen Umfeld bewegt wie der Autor der Rhetorica ad Herennium und sei von den rhetores Latini stärker beeinflußt worden, als er zugebe. Daß Cicero Marius, einem ebenfalls aus Arpinum stammenden, erfolgreichen ho17W novus, eine gewisse Bewunderung entgegenbrachte, ist einigen Kommentaren Ciceros und einem Gedicht zu entnehmen, das er Marius widmete. So lautet jedenfalls die These Gnauks, Die Bedeutung des Marius, passim, die sich vor allem auf die Zeit unmittelbar nach der Rückkehr Ciceros aus dem Exil bezieht. Wenn sich Cicero freilich auch mit Marius vergleicht, so tut er das verächtlich und verurteilt Marius' Rückkehr mit Waffengewalt, denn er selbst bevorzugte den Kampf mit Worten (P.red.Quir., 20). Das legt nichtsdestoweniger den Gedanlcen nahe, die beiden hätten sich in den neunziger und achtziger Jahren nahegestanden, jedoch fehlen dafür glaubwürdige Beweise. Rawson, L. Crassus and Cicero, 76-77, verneint ein enges Verhältnis zwischen Cicero und Marius und meint, Ciceros Vorbild eines Politikers und Redners sei Crassus gewesen (86-87). Die Nähe zu Marius sieht sie dadurch widerlegt, daß Cicero die Schule der rhetores Latini nicht besuchte, was jedoch durchaus andere Gründe gehabt haben kann. 57Ziegler, Plotius, 599: "Naturgemäß hat er also die Latini rhetores begönstigt". Aber weshalb naturgemäß?
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hängigkeit von den jeweiligen politischen Gegebenheiten, und die wechselhafte Haltung einiger Politiker ist ein Beispiel dafür. Die römischen Politiker gruppierten sich - den Umständen und dem speziellen Fall entsprechend - immer wieder neu, um eine Meinung oder einen Vorschlag zu unterstützen. Das bedeutet, daß es weder eindeutige Programme noch stabile Parteien gab. Ein wichtiges Merkmal der Politik der späten Republik ist die Instabilität der Bündnisse, die einer vorwiegend auf Konkurrenz ausgerichteten Gesellschaft entspricht58• Eine vereinfachende, schwarzweißmalerische Sichtweise, bei der von zwei deutlich abgegrenzten Gruppen ausgegangen wird, führte automatisch zu einer Identifikation der homines novi - und somit auch des Marius - mit den populares, bisweilen gar mit einer hypothetischen "demokratischen Bewegung", was die politischen Verhältnisse verzerren müßte. Ein homo novus war nicht unbedingt ein Neuerer und erst recht kein Revolutionär. Die Beispiele jener, die aus ihrer novitas heraus zu Konsuln gewählt wurden (Marius, Cicero, Antonius, der Konsul des Jahres 99), machen es deutlich: Wenngleich die Wahl ihrer Mittel unterschiedlich ausfiel, wünschten und erreichten sie doch alle eine herausragende Stellung in der römischen Politik, ohne den traditionellen Rahmen jemals zu hinterfragen oder zu zerstören, und dies erst recht nicht, wenn sie sich einmal in der nobilitas etabliert hatten. Sie kämpften somit nicht gegen die herrschende Gesellschaftsordnung, sondern um einen Platz in ihr59 . Bei Cicero ist das eindeutig. Was Marius betrifft, so war sein Angriff in seiner Rede bei Sallust (lug., 85) nicht gegen das Regierungssystem gerichtet, sondern gegen die nobiles, die sich trotz ihrer Schwächen immer über die oft gebildeteren homines novi stellen wollten. Und als er dem popularis Satuminus und dessen Anhängern gegenübertreten mußte, war es für ihn ein Leichtes, die Bewegung im Namen der Staatssicherheit gewaltsam niederzuschlagen. Untersuchen wir den politischen Werdegang des Marius, des homo novus par excellence am Ende des 2. und Anfang des 1. Jahrhunderts v.Chr., so zeigt sich, daß er den traditionellen Weg ging, indem er militärischen Ruhm mit dem Einfluß politischer Klientelen verband. Obwohl einige von ihm in Volksversammlungen gehaltenen Reden bekannt sind6o, berichtet SaUust von dem geringen In-
58Vgl. Meier, Introduction ~ I' Anthropologie politique, 60; Wiseman, Competition, passim; Brunt, Factions, passim; Pina Polo, Ideologfa y pr4ctica polftica, 69-76. Auch in anderen Bereichen der römischen Gesellschaft zeichneten sich die Beziehungen zwischen den Menschen durch Flexibilität und zeitliche Begrenztheit aus, zum Beispiel im Handel. Eine societas läßt sich als ein gewöhnlich zeitlich beschränktes Abkommen charakterisieren, das heiden Partnern Vorteile versprach und auf dem consensus der beteiligten Parteien beruhte. Für die Kontinuität der societas war eine günstige Stimmung der Partner notwendig, und sie konnte aufhören, wenn der consensus wegfiel (vgl. Arangio-Ruiz, La socie~ in diritto romano, 63-70). 59Schneider, Die Entstehung der röm. Militärdiktatur, 95; Passerini, Caio Mario, 43-44. 60Seine wichtigste Rede ist jene bei SaUust, die Marius zum Antritt seines Konsulats im Jahre 107 hielt (lug., 85). Zuvor hatte er das Angebot der Tribunen des Jahres 108 genutzt, um sich im Volk Unterstützung für seine Kandidatur zum Konsul zu verschaffen (SaH., lug., 73,5-7;
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teresse, das Marius an der Technik der Rhetorik zeigte 61 . Auch Cicero erwähnt ihn im Brutus nicht, und ebensowenig weisen andere antike Quellen auf seine Fähigkeit als Redner hin. Im Gegenteil, Plutarch behauptet ausdrücklich, Marius habe keine Popularität genossen, und führt dies auf dessen Schwierigkeiten zurück, in Versammlungen vor dem Volk zu sprechen, was Marius zu vermeiden gesucht habe. Zwar hätte er sich volksfreundlich (8TjJlOTLKWS) zeigen wollen, aber es habe seiner Natur widersprochen: Sein in Schlachten erkämpfter Ruhm sei verblaßt, sobald er vor dem Volk stand62. An dieser Stelle stellt sich die Frage, ob Marius die Rhetoriklehre wirklich fdrderte. Die Tatsache, daß er Plotius Gallus zum Berichterstatter seiner Heldentaten bestimmte, macht ihn noch lange nicht zum Mittelpunkt einer kohärenten ideologischen Strömung, deren Schwerpunkt auf der Lehre der Rhetorik in Schulen mit lateinischer Unterrichtssprache lag. Als homo novus mag er die Schule des Plotius Gallus und die Rhetorikhandbücher begrüßt haben, aber seine politische Karriere baute nicht auf Redekunst und erst recht nicht auf Reden vor dem Volk auf. So erweist sich Marius gerade als Gegenteil des Politikers, den die Lehre der lateinischen Rethorik hervorgebracht hat, als jemand, dessen politischer Aufstieg in der gleichen Weise ablief wie jener vieler anderer Politiker aus früherer Zeit, ob sie nun homines novi oder nobiles waren. Marius, der vor allem ein imperatorPlut., Mar., 8). Und schließlich versuchte er im Jahre 100, nach den durch die Ermordung des Memmius ausgelösten Zwischenfällen, das Volk mit einer Rede zu besänftigen (Oros., V 17, 6). 61Sall., lug., 85,31. Die Quellen stimmen darin überein,-daß der Werdegang des Marius vornehmlich militärisch war und die RhetorikIehre für ihn eine geringe oder gar keine Bedeutung hatte (Plut., Mar., 2; SaU., lug., 63,3), und die rusticitas des Marius wurde im Altertum zu einem Gemeinplatz. Allerdings kann man nicht behaupten, er habe keine in jener Zeit übliche Bildung besessen; er war sicherlich nicht "wholly uneducated" (Carney, Caius Marius, 9; 00teghem, Caius Marius, 66-67). 62P1ut., Mar., 28,1-4. Passerini, Caio Mario, passim, weist die Biographie Plutarchs als parteilich zurück, da sie von Marius feindlichen Quellen ausgehe, vor allem von seiner angeblichen Untauglichkeit in Volksversammlungen. Wahrscheinlich erlangte Marius in der plebs urbana nie einen Beliebtheitsgrad, der jenem der Gracchen oder des Clodius gleichgekommen wäre, erst recht nicht nach der Niederschlagung der Anhänger des Satuminus. Carney, Cicero' sPicture of Marius, 105 und 122, ist der gegenteiligen Ansicht, Marius habe sich durch die Ausschaltung des Saturninus nicht unbeliebt gemacht, räumt aber ein, daß er damit sein Ziel, von der nobilitas anerkannt zu werden, erreicht habe. Und er bezieht sich auf die Beliebtheit des "falschen" Marius, wenn er behauptet: "By the end of Cicero' s Iifetime Marius had become the hero of tbe people". Allein die Tatsache, daß Cicero Marius für einen großen Politiker halte, weil er zur Beibehaltung des status quo beigetragen habe, und daß er ihn gemeinsam mit anderen Angehörigen der nobilitas den aufständischen Elementen gegenüberstelle (Carney, op.cit., 121), zeige deutlich, wie Marius' Verhalten zu bewerten sei. Cicero hätte sich nie mit jemandem verglichen, den er als aufständisch einstufte, und er lehnte immer das Modell jener Politiker ab. die die Unterstützung durch das Volk in ihre Strategie einbezogen. Der von Amatius in der Zeit Caesars erworbene Ruf scheint die Popularität des Marius zu erklären (App., B.C., III 2, behauptet, dies läge daran. daß Amatius angeblich ein Neffe des Marius gewesen sei). Es scheint allerdings, daß vielmehr der Wunsch des Amatius, Caesar zu ehren und ihm einen Altar zu errichten. ihm die Unterstützung durch die plebs einbrachte, wobei er die Kritik des Volkes an der Ermordung Caesars vorzüglich ausnützen konnte.
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politiker war, ist weit davon entfernt, ein neues Modell eines Politikers zu verkörpern. Im Gegensatz dazu waren Antonius und Cicero, beide homines novi, aber keine populares, nicht nur Vorkämpfer in der Abfassung von Rhetorikhandbüehern, sondern vor dem Durchlaufen des cursus honorum auch die ersten homines novi, die nicht durch militärische Erfolge, sondern dank ihrer Reden in iudicia publica schließlich die höchste Magistratur Roms erlangten63 • In diesem Sinne waren sie beide Neuerer. Sie ebneten den Weg in Richtung politischer BesserstelJung. Vor allem Antonius muß das Vorbild vieler Neulinge gewesen sein. Die Tatsache, daß neben dem militärischen Ruhm nun auch die Rhetorik zu einem Mittel politischen Aufstiegs wurde, stellte einen Wandel im Vergleich zu den vorangegangenen Jahrhunderten dar. Zusammenfassend können wir feststellen, daß die Lehre der Rhetorik vor allem in den Kreisen der homines novi als Mittel zum politischen Aufstieg gewertet wurde und zu Beginn des 1. Jahrhunderts weniger die optimates und populares als die nobiles und homines novi beschäftigte. Es ist sicherlich kein Zufall, daß die drei Verfasser von Rhetorikhandbüchern dieser Zeit homines novi waren. Was ihren sozialen Status betrifft, so waren einige gemeinsame Interessen vorhanden, während ihre politische Gesinnung jedoch nicht unbedingt übereinstimmte. Zur Debatte stand die Öffnung des öffentlichen Lebens für equites und italische Aristokraten, die eine einflußreiche Stellung in der Gesellschaft beanspruchten, wie sie sie bereits im Wirtschaftsleben innehatten. Inwieweit aber war die Aristokratie, die an einer von traditionellen Werten getragenen Gesellschaft festhielt, die sie moralisch zur herrschenden Klasse machte, bereit, die novitas als dynamisches Element in der Gesellschaft zu akzeptieren?64.
Die Reaktion der Aristokratie: das censorische Edikt von 92 Die Handbücher der ersten beiden Jahrzehnte des 1. Jahrhunderts und die Schule der rhetores Latini konnten nicht dem Zweck dienen, die Rhetorik allen sozialen Klassen nahezu bringen, denn das dafür erforderliche otium besaßen nur die wohlhabenden Bevölkerungsschichten. Aber immerhin ermöglichten sie das Erlernen der Rhetorik einer viel größeren Anza:hl von Schülern, wodurch die Kosten gesenkt wurden, denn ein Lehrer konnte gleichzeitig mehrere Schtiler unterrichten. Die Aristokratie sah sich dadurch bedroht - nicht nur, weil die Beredsamkeit zu einer politischen Vormachtstellung führen konnte, sondern auch, weil jeder nicht der Aristokratie Zugehörige sie sich ohne ihre Kontrolle anzueignen vermochte. Das konnte eine Verschärfung der Konkurrenz mit sich bringen und
63Leeman, Orationis ratio, I 59: Antonius sei möglicherweise der erste gewesen, der dank seiner Funktion als patronus in den iudicia Konsul und Censor wurde. 64Dazu siehe Pani, Potere e valori, 200.
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die politische Spitzenposition der ehrwürdigen Familien gefährden. Die soziale Hierarchie war also in Gefahr65 . Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich die römische Aristokratie mit dem Staat und der Politik identifiziert. Innerhalb der Familie wurden nicht nur das im Laufe von Jahrhunderten gewonnene Prestige, sondern auch das politische Wissen und die traditionellen Ansichten, verkörpert in dem Konzept des mos maiorum, von Generation zu Generation weitergetragen 66 . In diesem Sinne war die Redekunst ein "Besitz" der Aristokratie, denn nur diese besaß dank ihrer virtutes die unerläß. liche auctoritas, die sie über die anderen Mitglieder der Gemeinschaft erhob. Dazu sind folgende Aussagen Catos bekannt: Für den Censor mußte ein orator in erster Linie ein vir bonus sein, der zudem redegewandt war (Orator est, Marce fili, vir bonus dicendi peritus)67. Kannte sich jemand in einem bestimmten Bereich gut aus, so ergaben sich die Worte von selbst: Rem tene, verba sequantur68 • Cato maß dem Inhalt einer Rede höchste Bedeutung bei; die Technik ergab sich für ihn gewissermaßen von selbst. Der charismatischen Beredsamkeit wurde nun eine erlernbare und somit schwer kontrollierbare, potentiell gefährliche Beredsamkeit gegenübergestellt69 . Somit mußte der Rhetoriklehre in Schulen ein Riegel vorgeschoben werden, denn mit ihr konnte das Monopol der Aristokratie und damit die hierarchische Struktur der Regierung der römischen res publica hinterfragt werden. Innerhalb des Teils der Aristokratie, der am meisten abgeneigt war, Gesellschaft und Politik neuen sozialen Gruppen zu öffnen, entstand eine starke Opposition gegen die Rhetorikschulen, die schließlich in dem im Namen der Tradition erlassenen Edikt der Censoren des Jahres 92, Crassus und Domitius Ahenobarbus, ihren Ausdruck fand. Den genauen Text des Edikts kennen wir durch Sueton
65Vgl. David, Patronatjudiciaire, 660. 66Clemente, Polilica romana, 240, beschreibt diesen Sachverhalt treffend: "La struttura familiare dell'aristocrazia romana ... rappresentava in primo luogo I'elemento della trasmissione deI sapere polilico; I' educazione alla polilica ... era il compito fondamentale deI gruppo aristocra· lico, edella struttura familiare che ne rappresentava I' aspetto rilevante. L' aristocrazia come gruppo di governo si idenlificava con la polilica ... non si trattava di una carriera, ma di una autoidentificazione ... L' educazione alla polilica comportava I' adesione ai valori prevalenti ... La struttura familiare aristocralica em in grado di garantire Ja trasmissione di valori ... Ci si attendeva da! giovane ... un comportamento analoga a quello dei familiari che I'avevano preceduto, [' emulazione, in def'mitiva I' abilitA necessaria a svolgere le funzioni della classe politica". Genau das bezeichnet David, Patronatjudiciaire, 339, als "mod~le d'~ucalion initiatique". 67Sen., Contr., Ipraef. 9. Michel, Rh610rique et philosophie, 17: Wenn er von vir bonus spreche, meine Cato, daß sich die römische Gesellschaft außer durch Beredsamkeit noch durch eine Reibe anderer Tugenden auszeichne. Dazu siehe Hölkeskamp, DralOris maxima scaena, 15-16 und20ff. 68Rhet.Lat.min., p.374,16-18 Halm. 69Narducci, Le risonanze deI potere, 532 und 553. Diese charismatische Beredsamkeit fordert Scipio Nasica implizit, als er die Teilnehmer einer contio mit dem Argument zum Schweigen bringt, er selbst wisse viel besser als sie, was vorteilhaft flir die res publica sei. Es sei eine Wahrheit, die keinen Widersprucb dulde (VaI.Max., Ill7,3).
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und Aulus Gellius70. Er lautet wie folgt: RenUntiatum est nobis esse homines qui novum genus disciplinae institu"erunt ad quos iuventus in ludum eonveniat: eos sibi nomen imposuisse latinos rhetoras. Ibi homines adoleseentulos dies totos desidere. Maiores nostri quae liberos suos diseere et quos in ludos itare vellent instituerunt. Haee nova quae praeter eonsuetudinem ae marem maiorumfiunt neque plaeent neque reeta videntur. Quapropter et his qui eos [udos habent et his qui eo venire eonsuerunt vldetur faciundum ut ostenderemus nostram sententiam nobis non plaeere. Die Existenz des Edikts wird von Tacitus bestätigt71 und sein Erlaß von Crassus, einem seiner Urheber, in Ciceros De oratore verteidigt12. Die Handlung dieses Werkes spielt genau im darauffolgenden Jahr, nämlich 91. Der Censor rechtfertigt die Maßnahmen gegen die magistri dicendi: Es soll verhindert werden, daß die jungen Römer zur impudentia verleitet werden. In diesen Schulen werde nichts Nützliches gelehrt, die Schüler lernten nur, "sich alles zu trauen" (nisi ut auderent). Dies sei gefahrlich und müsse unterdrückt werden. Auf jeden Fall sei die Schule ein impudentiae ludus. Die Wortwahl Ciceros zum Thema rhetores Latin; - er benützt die Begriffe audere und impudentia - spricht für sich73 • Von dem Verb audere werden audax und audacia abgeleitet, Wörter, die Cicero oft in Zusammenhang mit seinen politischen Gegnern anwendet. Für ihn bezeichnen sie Eigenschaften der improbi, denen er die prudentia der bon; gegenüberstellt74• Andererseits ist improbus das am häufigsten gebrauchte Synonym für popularis75 • So ist es nicht verwunderlich, daß im Verzeichnis der Politiker, die Cicero als audaces bf:zeichnet, seine ärgsten Feinde und die seiner Meinung nach gefahrlichsten populares erscheinen:
70Suet., Gramm. et rhet., 25; Gell., XV 11,2-3. An seiner Authentizität gibt es keine Zweifel. Blocb, Oe l'authenticitt de l'Mit, passim; Manfredini, L'editto, 104, ist der Ansicbt, Sueton babe den Text direkt aus den kaiserlichen Archiven entnommen, was seine Authentizität bestätige. Vor ibm sei der Text IUlbekannt gewesen. 71 Tac., Diai., 35,1: At nunc adulescentuli nostri deducuntur in scholas istorum, qui rhetores vo-
cantur, quos paulo ante Ciceronis tempora extitisse nec placuisse maioribus nostris ex eo manifestum est, quod a Crasso et Domitio censoribus claudere, ut ait Cicero, ludum impudentiae iussi sunt. 72Cic., De orat., III 93-94: ... quos ego censor edicto meo sustuleram, non quo, ut nescio quos dicere aiebant, acui ingenia adulescentium nollem, sed contra ingenia obtund; nolui, conroborari impudentiam. Nam apud Graecos, cuicuimodi essent, videbam tamen esse praeter hanc exercitationem linguae doctrinam aliquam et humanitate dignam scientiam, hos vero novos magistros nihil intellegebam posse docere, nisi ut auderent; quod etiam cum bonis rebus coniunctum per se ipsum est magno opere /Ugiendum: hoc cum unum traderetur et cum impudentiae ludus esset, putavi esse censoris, ne longius id serperet, providere. 73Martin, Die Popularen, 192. 74Weische, Studien zur politiscben Sprache, 28-29. Bereits in De inventione (14) verwendet Cicero das Wort audaces gemeinsam mit temerarii, um die scblechten Herrscber abzuwerten, und bisweilen erscbeint es gemeinsam mit improbi oder mali (Cic., Phil., XlV 7; Verr., 11 3,176; Mur., 17; Sest., 139; usw.). 75Hellegouarc'b, Le vocabulaire latin, 529.
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Saturninus, Catilina, Clodius, Piso, Antonius und andere 76 . Der Begriff impudentia gehört wie impudicus und impudicitia zum Wortschatz der Invektiven Ciceros gegen seine politischen Rivalen77. Audere und impudentia erscheinen nicht in dem bis heute erhaltenen Text des Edikts, sondern nur in jenem Ciceros. Wenngleich die Grundideen dieses Auszugs aus De oratore wohl in etwa . mit jenen des Crassus zur Zeit der Verkündung des Edikts übereinstimmen, geben sie doch vorwiegend Ciceros Ansicht wieder, und die darin gewählte Ausdrucksweise entspricht weitgehend seinem politischen Vokabular. Einige Jahre nach dem Edikt sah Cicero das Risiko, das die Schule der rhetores Latini bedeutete, darin, daß sich junge Männer, die frei von der Unterstützung und Kontrolle der boni waren und sich somit eventuell zu den improbi hingezogen fühlten, die Technik der Rhetorik aneignen konnten. Für Cicero brachte diese Schule also eine Gefahr durch die Popularen mit sich. Dabei muß allerdings berücksichtigt werden, daß dieser Begriff für ihn alles beinhaltete, was eine Auseinandersetzung mit der Anschauung der boni sowie der von ihm verteidigten Staatsfonn und Gesellschaft bedeutete. War dies nun die Ursache des Edikts? Seit dem Erscheinen von F. Marx' Buch über die Rhetorica ad Herennium ist eine Diskussion darüber entbrannt, ob außer pädagogischen auch politische Beweggründe eine Rolle spielten. Da weder die Verfasser des Edikts noch Cicero von politischen Ursachen sprechen, sind einige Forscher der Ansicht, es habe keine gegeben oder sie seien unbedeutend gewesen. Nach dieser Auffassung war die Lehre, innerhalb der der Philosophie kein Platz eingeräumt wurde, in der es keine humanitate dignam scientiam gab und in der das Wesentliche die exercitatio war, dem mos maiorum entgegengesetzt. Dies sei das Hauptargument des Crassus in De oratore gewesen, von dem das Edikt selbst getragen seF8. Andere Historiker gehen davon aus, daß die rhetores Latini ihre Schüler nicht bloß in Rhetorik unterrichteten, sondern daß sie dies aus dem ideologischen Blickwinkel der popula76Wirszubski, Audaces, 21-22: Bei den römischen Historikern würden annähernd die gleichen Personen als atuiaees bezeichnet. Der erste in den Quellen erwähnte audax sei Satuminus, und wahrscheinlich sei dieser Begriff zur Zeit der Gracchen in das politische Vokabular Roms eingegangen. 77Audacia und impudentia erscheinen gemeinsam in Cic., Rose., 95, und in Phil., III 1,8, als von Antonius die Rede ist Über die Herabwürdigung Clodius' durch Cicero, bei der die Adjektive impudieus, impudens, audax und audacia eine wichtige Rolle spielen, siehe Pina Polo, Cicer6n contra Clodio, 134 und 144ff. 78Boissier, Introduction de la rMtorique grecque, 15, meint, die Ursache des Edikts sei die Einführung der Deklamation als Übungsfach in der Schule der rhetores LaJini gewesen. Gelzer, Die angebliche politische Tendenz, 21; Clarke, Rhetoric at Rome, 12-13; Schmidt, Die Anfänge der institutionellen Rhetorik, 199ff.: Im wesentlichen gehe es um eine Diskussion innerhalb der führenden Gesellschaftsschicht über eine bessere Ausbildung des Politikers; das Edikt habe eine Zunahme der Demagogie verhindern (was jedoch nichts mit Marius oder mit einer Parteilinie zu tun gehabt habe) und die Zerstörung der traditionellen Ordnung aufhalten sollen. Manfredini, L'editto, 148: Die Censoren hätten persönlich ein traditionelles pädagogisches Modell im Gegensatz zur Deklamation befürwortet, die tatsächlich die wichtigste Neuerung dieser Schule dargestellt habe.
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res taten; für sie hat das Edikt notwendigerweise eine politische Komponente: Es war ein Mittel der optimates zur Beseitigung des Brennpunkts der Agitation der populares und letztlich gegen Marius, ihren politischen Anführer, gerichtet79. Auch Marx sah eine Antithese zwischen den "nationalistischen" populares, die für eine Ausbildung in lateinischer Sprache eintraten, und den griechenfreundlichen optimates, welche die Idee einer griechischen Lehre verfochten, die jenen vorbehalten blieb, die diese Sprache beherrschten8o. Dies war ein weiteres Element im Widerstreit zwischen optimates und populares, den man auch in der Rhetorica ad Herennium widergespiegelt sah. In diesem Werk glaubten einige Historiker eine Ablehnung des Griechischen zu erkennen, da alle exempla der römischen Geschichte entnommen seien81 • Es ist freilich äußerst zweifelhaft, ob es klar defmierte und differenzierte kulturelle Programme gegeben hat, die hypothetische politische Programme überlagerten 82. Andererseits darf man nicht vergessen, daß die Gracchen griechische Privatlehrer hatten, daß Cicero und Caesar in Griechenland studierten, ebenso wie viele andere junge Römer unabhängig von ihrer politischen Einstellung. Bei den rhetores wie in der Rhetorica ad Herennium ist die Anpassung der griechischen Rhetorik an die lateinische Sprache und die römische Ausbildung eher ein Beweis für Hellenismus, da eine griechische Disziplin übernommen wurde. Das einzige wirklich Neue waren die exempla und der Unterricht in .der eigenen Sprache. Nicht Nationalismus, sondern die U nterrichtssprache ist der Grund, weshalb die rhetores als Latini bezeichnet wurden 83 . Ein weiteres Ziel des Edikts könnte auch der Versuch gewesen sein, der zunehmenden Spezialisierung in der Elite Einhalt zu gebieten. In De oratore läßt Cicero Crassus diese Spezialisierung kritisieren, die im Gegensatz zu der ganzheitlichen Ausbildung des Politikers stehe - die Lehre der Rhetorik in Schulen hätte wohl zur Heranbildung von Spezialisten geführt, wie es im Bereich der forensischen Redekunst tatsächlich geschah.
79Marx, Incerti auctoris, 145ff.; Bloch, De l'authenticit6 de l'fdit, 72; Pichon, L'affaire des rhetores Latini, 41; Ziegler, Plotius, 599; Gabba, Politica e cultura, 188; Perl, Die Stellung der Latini Rhetores, 284; Martin, Die Popularen, 193: Es habe sich nicht um eine antidemokratische oder gegen Marius gerichrere Maßnahme gehandelt, sie sei vielmehr allgemein gegen die Demagogen gerichtet gewesen, die diese Lehre habe hervorbringen können. Calboli, La retorica preciceroniana, 76ff. und 101: Crassus habe als Repräsentant der factio nobilium gehandelt, und die politischen Ursachen seien unleugbar (das Edikt sei gegen Marius gerichtet), obwohl sie als kulturelle getarnt worden seien. 80Ygl. Perl, Die Stellung der Latini Rhetores, 284; Calboli, La retorica preciceroniana, 102. 81 Die Theorie des Antihellenismus der Rhetorica ad Herennium vertrat auch Marx. Ygl. CaIboli, Comifici, 6-8. 82Schmidt, Die Anfange der institutionellen Rhetorik, 197-198. Leeman, Orationis ratio, 16466, verneint diesen Nationalismus der rhetores Latini, da nach seiner Auffassung die Redekunst der Popularen griechischer als jene der nobiles war; er begeht damit den gleichen Fehler wie Marx, aber im entgegengesetzten Sinn. 83Leeman, Orationis ratio, 163; Caplan, Introduction, 16; Narducci, Pratiche leuerarie, 889.
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Schließlich stellt sich noch die Frage, ob mit dem Edikt tatsächlich die Schließung der Schule bezweckt wurde und inwiefern das Edikt Erfolg hatte. Aulus Gellius spricht im Zusammenhang mit dem Edikt von coercitio, und Tacitus führt ausdrücklich an, die Censoren hätten die Schließung der Schule angeordnet84. Manfredini hingegen versucht zu zeigen, daß es sich lediglich um eine an "die Gemeinschaft gerichtete Empfehlung und nicht um ein Verbot oder einen Befehl zur Abschaffung der Schule gehandelt habe, wofür die Censoren seiner Ansicht nach gar keine Kompetenz besaßen8s . Aller Wahrscheinlichkeit nach war das Edikt aber mehr als eine bloße Empfehlung. Jedenfalls war sein Ziel die Schließung der Schule mit den entsprechenden Folgen, sowohl aus pädagogischer als auch aus politischer und sozialer Sicht. Eine andere Frage ist die, ob die censorische Maßnahme tatsächlich ihr Ziel erreichte, was durchaus zweifelhaft ist86. Obwohl Männer wie Cicero sich moralisch verpflichtet fühlten, solchen Schulen fernzubleiben, scheinen diese zumindest über lange Zeit hinweg weiterbestanden zu haben. Hieronymus berichtet, daß im Jahre 81 ein rhetor Latinus, ein Freigelassener des Pompeius Strabo, eine Schule in Rom eröffnete87 . Der Prozeß der Verbreitung der Rhetoriklehre war unaufhaltsam, und Crassus' Rechtfertigung der Maßnahme bestätigt dies implizit. Aus dem Text des Edikts selbst und aus den Erklärungen, die Cicero den Crassus abgeben läßt, ist zu entnehmen, daß es weder gegen die Rhetorik als Technik noch gegen die Beredsamkeit als politische Waffe gerichtet war8 8• Cicero weist die Rhetoriklehre in lateinischer Sprache nicht grundsätzlich zurück, meint jedoch, daß dafür homines eruditi notwendig seien, die es bis dahin nicht gab. Sicherlich dachte Cicero bei dieser Argumentation an sich selbst, denn er war einer dieser homines eruditl, die nach dem Jahre 92 Abhandlungen über Rhetorik und Beredsamkeit in lateinischer Sprache schrieben. Meiner Ansicht nach führte ein Konglomerat kultureller und politischer Beweggründe zu dem Edikt: Tatsächlich beabsichtigten die Censoren, eine pädago-
84Gell., XV 11,2: Aliquot deinde annis post id senatuseonsultum Cn. Domitius Ahenobarbus et L. Lieinius Crassus eensores de eoereendis rhetoribus Latinis ita edixerunt; vgl. Tac., Diai., 35,1. 8SManfredini, L'editto, 111-114. Dem stellt sich Calboli, La retorica preciceroniana, 80-82, entgegen, für den kein Zweifel an der Zwangsgewalt der Censoren besteht 86Ziegler, Plotius, 600, glaubt, Ciceros Gebrauch des unüblichen Plusquamperfekts sustulerant (De orat., III 93) bedeute, das Edikt habe das Ziel der Schließung der Schule verfehlt. 87Hieron., Chron., 151 HeIm: Vultaeilius Plotus Latinus rhetor Cn. Pompei libertus et doetor seholam Romae aperuit. Vgl. Suet, Gramm. et rhet., 27. Achard, RMtorique A Herennius, 231, glaubt, der richtige Name sei M'Otacilius. 88Cic., De orat., m 95: Quamquam non haee ita statuo atque deeemo, ut despe rem Latine ea, de
qUibus disputavimus, tradi ae perpoliri posse, patitur enim et lingua nostra et natura rerum veterem illam exeellente1lUJue prudentiam Graecorum ad nostrum usum more1lUJue transfe"i, sed hominibus opus est eruditis, qui adhue in hae quidem genere nostri nulli fuerunt,' sin quando exstiterint, etiam Graecis erunt anteponendi. Crassus findet jedoch die Rhetorik für einen guten Redner nicht unerläßlich, da diese von der Beredsamkeit abgeleitet wurde und nicht umgekehrt, aber er gibt zu, daß die Rhetorik von Vorteil sein könne (De orat., I 146).
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gisehe Praxis zu vereiteln. die mit dem mos maiorum unvereinbar war. aber das war sicherlich nicht die einzige Ursache; es muß auch politische Gründe gegeben baben. Es ging um die Heranbildung eines Politikers. der von diesem Zeitpunkt an Vorbild sein sollte. sowie um den Zugang einer größeren Zahl von homines novi zu Regierung und Kontrolle der res publica. Sollte eine neue Art der Rhetoriklehre zugelassen werden. die dem mos maiorum widersprach? Sie würde sicherlich politische und soziale Auswirkungen haben. Die Gefahr bestand darin. die Erziehung der zukünftigen Politiker Personen zu überlassen. deren ideologische Orientierung nicht kontrollierbar war. Die traditionelle Aristokratie forderte. daß die einzige Lehnnethode der Redekunst der Privatunterricht durch Rhetoriklehrer und das tirocinium jori bleiben solle. das auch homines novi praktizieren konnten; dabei standen sie freilich unter der Kontrolle der traditionellen Machthaber. Das tirocinium jori bestand darin. daß ein junger Politiker einen berühmten Redner für einige Zeit begleitete. Dabei erlernte der Unerfahrene die Redetechnik des Älteren, wurde von dessen Ideen geprägt und erhielt praktische Ratschläge. Das tirociniumjori war nur in iudicia publica und in contiones möglich; der Zugang zum Senat blieb einem jungen Mann. der noch keine Magistratur bekleidet hatte. verwehrt89 . Somit wurde eher die Autorität eines patronus als die eines Spezialisten anerkannt9°. was zur Entstehung eines Redner-Patronats führte. Wie in Ciceros De oratore sollten die Älteren die Jüngeren unterrichten. So, wie Cicero in seiner Jugend berühmte Lehrer hatte. unterrichtete er später, in fortgeschrittenem Alter, Caelius. Hirtius und Pansa. Die traditionelle Ausbildung. auf der mit dem Edikt beharrt wurde. spiegelt Grundzüge der römischen Gesellschaft wider vor allem die Anerkennung der auctoritas. eines Konzepts, das immer eng mit der Rede verbunden war. und die Entstehung hierarchischer Patronatsbeziehungen. Das Scheitern dieses Modells schwächte die Klientelbindungen als Fundament des politischen Systems und gereichte den alten aristokratischen Familien zum Nachteil. Somit wurde jedes Modell der Rhetoriklehre von den jeweiligen sozialen Gruppen verteidigt und gefördert: das traditionelle von einem Teil der nobilitas, die immer mehr zu einer Oligarchie wurde, und das Schulmodell von homines novi. Allerdings darf nicht von einer Auseinandersetzung zweier streng entgegengesetzter Gruppen ausgegangen werden. Antonius, der Konsul des Jahres 99, ein homo novus. der zu einem nobilis geworden war und den optimates ideologisch nahe stand. aber dessenungeachtet das Buch De ratione dicendi schrieb, rät in Ciceros De oratore Sulpicius, dem Tribunen des Jahres 88, das Forum als Schule
89Tac., Diai., 34,2: Hunc sectar~ hunc prosequi, huius omnibus dictionibus interesse sive in iudiciis sive in contionibus adsuescebat ... ; 34,6: ... iuvenis ille, de quo loquimur, oratorum
discipulus, lori auditor, sectator iudiciorum ... frequens in oculis consuetudo contionum ... 9llMichel, RMtorique et philosophie, 20.
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3. Die Lehre der Rhetorik
der Redekunst zu benutzen und sich einen Lehrer auszusuchen, nämlich Crassus, den Censor, der versucht hatte, die Tätigkeit der rhetores Latini zu unterbinden. Er empfiehlt ihm also, sich seine Beredsamkeit durch das tirociniumfori anzueignen. Später fügt er hinzu, man müsse dem Schüler immer einen Politiker als Modell zum Nacheifern nennen91 . Natürlich sind dies Aussagen, die Cicero Antonius . in den Mund legt Es ist zwar nicht möglich, ihre Richtigkeit zu überprüfen, aber sie scheinen zumindest sehr glaubwürdig92 . SuIpicius war zum ersten Mal als Jugendlicher in einem unbedeutenden Prozeß öffentlich aufgetreten und stand _ wenn auch erfolglos - im Prozeß des Norbanus dem Antonius gegenüber. Cicero zufolge scheint er den angeblichen Rat Antonius' befolgt und Crassus nachgeeifert zu haben, was ihn nicht daran hinderte, durch seine Tätigkeit während seines Tribunats zu einem der wichtigsten pojJulares zu werden93 . In Ciceros Werk empfiehlt also die Person, die die lateinischen Lehrbücher eingeführt hat, eine traditionelle Ausbildung, und ein homo novus popularis empfängt diese Ausbildung, wie sie in seiner Jugend der homo novus Cicero selbst erfahren hatte. Das zeigt einerseits, daß sich die römische Gesellschaft und die damalige Politik nicht in starre ideologische Formen pressen ließen. Andererseits ist es ein Indiz dafür, daß die traditionelle Ausbildung und die damit verbundene Nähe zu einflußreichen Politikern ein Prestige mit sich brachten, dem zumindest einige homines novi nicht widerstehen konnten, falls sie einen guten Redner und bedeutenden Politiker als Vorbild hatten.
Ciceros Ideal eines Politiker-orator Das censorische Edikt des Jahres 92 zeigt deutlich, daß es eine Debatte über die Art, Politik zu machen, und über das Modell des Politikers gab, der für die Regierung der res publica benötigt wurde. In dieser Debatte war die Redekunst ein wichtiges Thema. Ciceros Gesamtwerk erweist sich als dafür äußerst ergiebig, da er, wenn er von Rhetorik spricht, nicht nur eine technische Betrachtung der Schulen vornimmt, sondern auch das Modell eines Redners und Politikers entwickelt. Es ist bezeichnend, daß Cicero nach der Abfassung seiner Schrift De inventione weniger über Rhetorik als über die Persönlichkeit des orator schrieb, also 91Cic., De orat., II 89: Vidi statim irulolem neque dimissi tempus et eum (Sulpicius) sum cohortatus, utforum sibi ludum putaret esse ad dicerulum, magistrum autem quem velkt eligeret: me quidem si audiret, L. Crassum. Vgl. 1190. 92Über Wirklichkeit und Fiktion in De oratore meinen Leeman - Pinkster, De oratore, I 90-96, der Inhalt könne als im allgemeinen glaubhaft betrachtet werden, aber nicht unbedingt als wirklichkeitsgetreu. Laut Meier, Literarische Fiktion. 194-199, wurden die Personen so dargestellt, wie sie in der Realität waren, nur Antonius sei stärker idealisiert worden, und die Textabschnitte, in denen er auftrete, seien "ciceronisch geprägt". 93 Antonius höete Sulpicius zum ersten Mal in einem Prozeß: Cic., De orat .• II 88. Über die Nachahmung von Crassus' Stil. Cic., Brut .• 203. Zum Tribunat des Sulpicius siehe Powell. The Tribune Sulpicius, passim.
Ciceros Ideal eines Politiker-orator
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darüber, was für ihn das Idealmodell eines Politikers war, und über dessen Rolle in der Gemeinschaft. Schon der Titel seines Hauptwerkes über Rhetorik, De oratore, weist auf dessen programmatischen Charakter hin, und in seinem Orator schreibt er, er wolle sich weniger mit Rhetorik und Redekunst als mit dem bestmöglichen Redner beschäftigen94• Der Politiker, für den Cicero eintritt. mußte vor allem ein guter Redner sein. Seine wichtigste Waffe sollten seine Worte, seine Überzeugungskraft sein. Der vollkommene Redner mußte über jedes beliebige Thema sprechen können und dafür Kenntnisse in Philosophie, Recht, Geschichte und sogar Physik besitzen. Er sollte das Thema, über das er zu sprechen beabsichtigte, gut kennen und sich erst dann Gedanken über die Wahl der rhetorischen Mittel machen95 . Dies entspricht dem Modell eines Redners, der Catos Worten rem tene, verba sequantur Rechnung trägt. In diesem Punkt läßt sich eine Gemeinsamkeit zwischen dem Censor und Cicero feststellen, insofern sie beide für einen solchen vielseitigen Politiker eintreten. Jedoch verbirgt sich hinter Catos Ausspruch die Verachtung einer Rhetoriktheorie, die zur Zeit Ciceros in der Gesellschaft gänzlich anerkannt war. Cicero geht noch weiter. Für ihn sollte ein Politiker ein Redner mit philosophischer Ausbildung sein, jedoch kein Philosoph - letzterer wäre einem perfekten Redner stets unterlegen 96 . Diese Überlegung ist vorwiegend praktischer Natur, der Redner wird als an der Politik aktiv beteiligt gesehen. In den Jahren nach seinem Konsulat hatte Cicero den Ausdruck consul togatus verwendet, um den zivilen Charakter des Regierenden gegenüber der Macht der imperatores hervorzuheben97 . Später entwickelte er diese Theorie weiter, und in der Schrift De oratore, die 55 entstand, als die Macht de facto bei den großen imperatores jener Zeit lag, erscheint der Redner immer als Führer der res publica98 • Cicero war bewußt, daß
94Cic., Or., 7: Atque ego in summo oratore jingendo talem informabo, qualis fortasse nemo tuit. Gemeint ist hier ein Redner, der sowohl in Gerichten als auch vor dem Volk spricht ... in foro atque in ocu/is civium (De orat., II 41). Achard, Pourquoi Cic~ron ... , 324, der in diesem Werk eine tiefe politische Bedeutung sieht, bezeichnet Ciceros De oratore nicht als eine Abhandlung über die Beredsamkeit, sondern als einen politischen Akt. In diesem Sinne auch Paladini, Cicerone retore e oratore, 139. 95Cic., De orat., 118; 59; 64; 166ff.; 11 5; Or., 118-120. 96Cic., De orat., III 143: ... sin quaerimus quid unum excellat ex omnibus, docto oratori pa/ma
danda est. Quem si patiuntur eundem esse philosophum, sub/ala controversia est; sin eos diiungent, hoc erunt inferiores, quod in oratore peifecto inest i/lorum omnis scientia, in philosophorum autem cognitione non continuo inest eloquentia ... Vgl. Douglas, Intellectual Background, 97: Der römische sapiens (der Redner als Staatsmann) müsse an die Stelle des griechischen sapiens (des Philosophen) treten. 97Cic., Dom., 99. Dazu siehe Nicolet, Consul togatus, passim. 98Er spricht von einem eloquenten Mann wie folgt: ... auctorem publici consilii et regendae civitatis ducem et sententiae atque eloquentiae principem in senatu, in populo, in causis publicis esse volumus (De orat:, III 63); ... illa vis ... autem eloquentiae tanta est, ut ... rem publicam regat ... (De orat., m 76). Vom vollkommenen Redner hänge die Gesundheit des Staates ab: ... sie enim statuo, peifecti oratoris moderatione et sapientia ... universae rei publicae salutem maxime contineri (De orat., I 34). Achard, Pourquoi Cic~ron ..., 322, macht zu Recht darauf
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3. Die Lehre der Rhetorik
dies eine Neuerung bedeutete. Deshalb beginnt er sein Werk mit der rhetorischen Frage, ob es nicht logisch sei, den imperator über den orator zu stellen: Quis enim
est qui, si clarorum hominum scientiam rerum gestarum vel utilitate vel magnitudine metiri vetit, non anteponat oratori imperatorem?9 9 • Die drei Bücher De oratore sind ein Versuch, diese Frage zu beantworten, die Überlegenheit des orator gegenüber dem militärischen Anführer herauszusteIlen und ihm die höchste Stelle in der Gesellschaft zuzuordnen 100. Zudem sollte der Politiker-orator den Jüngeren die Kunst der Rede beibringen und sie nicht nur in die Rhetorik, sondern vor allem auch in die traditionellen Ideen Roms einweisen, wie das bis Anfang des 1. Jahrhunderts üblich gewesen war. Eine solche Ausbildung hatte Cicero erhalten, der vor seiner aktiven Beteiligung an iudicia publica das tirociniumfori durchlief, von Scaevola in Recht untenichtet wurde und in aristokratischen Kreisen verkehrte, in denen er praktische Informationen und Erkenntnisse in Verfassungsfragen durch einen entsprechenden ideologischen Filter erhielt, Philosophie studierte und Schüler des Apollonios Molon von Rhodos war lOl . Cicero verteidigte diese traditioneIle nichtschulische Erziehung, die auf einer persönlichen Vonnundschaft der Aristokratie beruhte und mit dem censorischen Edikt in Einklang stand, nicht nur, weil er selbst diesem Modell entsprach, sondern auch, weil er es als das Geeignetste für ein gutes Funktionieren der res publica erachtete. Im Gegensatz zu Athen (und im allgemeinen zur griechischen Welt), wo die Rhetorik als Technik der freien Rede von professionellen Lehrern unterrichtet wurde, mußte diese Lehre in Rom, in dem das Wort traditionsgemäß ein Monopol der Aristokratie war, konsequenterweise in den Händen angesehener Politiker bleiben, welche die Rhetorik im Einklang mit den Prinzipien des mos maiorum zu vennitteln vermochten. In einem Exkurs des Orator Ciceros wird die Bedeutung der Rhetoriklehre ausdrücklich hervorgehoben, aber statt der Lehre in Schulen der unmittelbare Untenicht gepriesen, in dem ein Lehrer, der selbst ein Redner sein und eigene Reden halten muß, Ratschläge erteilt und mit seinem Schüler Ideen austauscht l02. Aus diesem Grund maßen die Römer, die zwischen rhetor, dem professionellen Rhetoriklehrer, und orator, dem die Redekunst Ausübenden, un-
aufmerksam, daß Crassus (der "Sprecher" Ciceros) den orator dux, princeps und rector nennt, und Schulte, Orator, 38 und 44, hebt hervor, daß der orator als princeps dargestellt werde; sein principatus "beruht auf der auctoritas". 99Cic., De oral., I 7. lOOCic., Brut., 256: ... multo magnus orator praestat minutis imperatoribus. Nicolet, L'ordre ~questre, I 447, bezeichnet diese Auffassung Ciceros als revolutionär. VgJ. David, Patronat judiciaire, 376; Achard, Pourquoi Cic~ron ..., 322. lOICic., Brut., 305-307. 102Cic., Or., 142-144.
Ciceros Ideal eines Politiker·orator
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terschieden 103, den rhetores eine geringe soziale Bedeutung beL Wenngleich sie in der Urbs und in Griechenland eingesetzt wurden, ist kein von rhetores verfaßtes Rhetorikhandbuch bekannt, das in Rom verbreitet gewesen wäre 104• Die Lehrbücher wurden von Angehörigen der Elite, von Senatoren oder equites geschrieben. Die Aristokratie versuchte, nicht nur die Rede, sondern auch ihre Lehre zu monopolisieren, da aus ihrer Sicht Rede gleichbedeutend mit Macht war. Thr Bestreben, diese Kontrolle aufrechtzuerhalten, drückt nicht nur Vorsicht, sondern auch Angst vor den rhetores und vor deren Lehre auslOS. In Ciceros De oratore sind die Diskutierenden nicht Philosophen, sondern politiker, die als Magistrate am öffentlichen Leben aktiv beteiligt waren. Es handelt sich um berühmte Politiker-oratores, die auch über das Modell des Politikerorator sprechen 106. Die drei wichtigsten Gesprächspartner sind consulares: L. Licinius Crassus, Konsul des Jahres 95 und Censor des Jahres 92; M. Antonius, der im Buch nicht auftritt, weil er der Autor des ersten Rhetorikhandbuches in lateinischer Sprache, sondern weil er 99 Konsul und 97 Censor war, und Q. Mucius Scaevola, Konsul des Jahres 117. Vor allem die ersten beiden - am häufigsten läßt Cicero den Crassus seine eigenen Theorien aussprechen - sollen als Lehrer die Doktrin Ciceros vom vollkommenen orator jungen Rednern darlegen, die später zu Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens werden: P. Sulpicius Rufus, dessen politi!!che Aktivitäten Cicero nicht gutheißt, dem er aber eigenen Aussagen zufolge in contiones zugehört hat lO7 ; C. Aurelius Cotta, dem Konsul des Jahres 75; Q. Lutatius Catulus, dem Konsul des Jahres 78; schließlich C. Iulius Caesar Strabo, dem Ädilen und aktiven Redner in contiones des Jahres 90. Sie alle traten als Redner auf und standen als Magistrate zudem im Dienst der res publica. Jeder von ihnen besaßen genügend Prestige, um seinen W:orten durch auctoritas Nachdruck zu verleihen. Als Cicero später sein Werk Brutus schreibt, wählt er dafür die Form des aristotelischen Dialogs, in dem er die Rolle des Lehrers einnimmt, der seinen Schüler, Brutus, durch seine auctoritas belehrtlO8• Diese Rolle bean-
103Michel, RMtorique et philosophie, 4. Jedoch bezeichnet sich Cicero einmal als rhetor: De orat., II 10. Leeman - Pinkster - Nelson, De Oratore, II 200, interpretieren die Stelle dahingehend, Cicero meine damit einen "Redner Ala grecque". 104Während von Grammatikern verschiedene Bücher über die Sprache verl'aßt wurden, kennen wir außer De gestu des Plotius Gallus (Quint., Inst.orat., XI 143), das kein allgemeines Handbuch war, sondern ein Opuseulum über einen konkreten Aspekt der Redetechnik, kein weiteres von rhetores verfaßtes Werk über Rhetorik. 105Achard, Les IMteurs, 186-187; Boissier, Introduction de la rh6torique grecque, 14. 106Cic., De orat., I 23: Eher als seine eigenen Ideen will Cicero die Prinzipien der herausragend· sten Redner und der durch a1l ihre Verdienste und Ansehen Ersten darlegen (... nostrorum hominum eloquenrissimorum et omni dignitate). Vgl. Michel, La pedagogie de Cie6ron, 76. 107Cie., Brut .• 305. . 108Rathofer, Ciceros 'Brutus', 274-276. ÜberCiceros Selbstdarstellung als Redner, Graff, Ciceros Selbstauffassung, 63-76.
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3. Die Lehre der Rhetorik
sprucht er aufgrund seiner politischen Karriere und der Tatsache, daß er sich selbst als Höhepunkt der römischen Redekunst einschätzt. Unausgesprochen präsentierte sich Cicero als detjenige, der geeignet ist, die Geschicke des Staates zu lenken; er war der optimus orator und daher der perfekte Politiker-orator. Sich selbst als Retter der res publica darzustellen, war letztlich ein unerklärtes Ziel Ciceros in De oratore lOO • In einer Zeit, in der er wenig Einfluß besaß, war es ein gewagtes Unterfangen, Worte vor Waffen zu stellen. Die folgenden Jahre sollten zeigen, daß Ciceros Vorhaben unrealisierbar war. Bis zu seinem Lebensende blieb Cicero seinem Standpunkt treu. In dem offenbar letzten Versuch - man könnte fast von einem koordinierten Programm sprechen - , das Ideal eines vielseitigen Politikers zu retten, widmete Cicero in den Jahren 46 und 45 dem Brutus zwei Werke über die Redekunst, Orator und Bru00, sowie drei philosophische Werke, De Finibus, die Tusculanae disputationes und De natura deorum llO . Gleichzeitig schrieb der größte Jurist jener Zeit, Servius Sulpicius Rufus, ein Experte in Recht, Grammatik, Rhetorik und Philosophie, der im Jahre 51 sogar Konsul wurde, für ihn ein Buch über Rechtslehre. Ad Brutum lll . Fast zur gleichen Zeit wurden Brutus also Werke über die drei Disziplinen gewidmet, die ein Politiker gemäß Cicero beherrschen mußte: Redekunst, Philosophie und Recht. Im Brutus stellt Cicero sich als Erbe einer langen und ruhmvollen Tradition der Redekunst dar, deren Krönung er selbst darstellt, und Brutus als seinen geistigen Nachfolger, den Erben des orator-Ideals 1l2 • Die Widmung des Buches läßt sich nicht als bloßer Versuch erklären. Brotus davon zu überzeugen, er möge in der Auseinandersetzung mit den Attizisten den Redestil Ciceros übernehmen. Sie muß im Kontext des politischen Geschehens in Rom gesehen werden und gewinnt hierin eine eindeutig politische Dimension. Deshalb rühmt Cicero Brutus in zweien seiner Werke über die Redekunst, Brutus und Orator. Dieses Lob erscheint sogar etwas übertrieben, stellt man es der bisweilen scharfen Kritik in Ciceros Briefen gegenüber. Möglicherweise wollte er in Werken, die zum Zweck der Veröffentlichung geschrieben wurden, vor allem unter der herrschenden Klasse die Vorzüge herausstellen. die Brotus zu seinem Nachfolger auf dem Forum prädestinierten 1l3 . Folgender Auszug ist bezeichnend: Tuum enimforum, tuum erat illud curriculum, tu illuc veneras unus, qui non linguam modo acuisses exercitatione dicendi, sed et ipsam eloquentiam locupletavisses graviorum artium
109Achard. Pourquoi Ciceron ... , 324. ll00ber die Beziehung zwischen Cicero und Brotus vor 44 siehe Ortmann, Cicero, Brotus und Octavian, 37-81. III Narducci, Le risonanze dei potere, 557: Er sei der letzte Vertreter der politischen Juristen, denen die technischen Juristen gegenüberstünden, die sich nun durchsetzten. Über die Figur des Servius Sulpicius Rufus, Schiavone, Giuristi e nobili, 109ff. 112Klingner, Römische Geisteswelt, 145. Vgl. Rathofer, Ciceros 'Brotus', 33 und 147-149. 113Clarke, The Nohlest Roman, 23.
Ciceros Ideal eines Politiker-orator
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instrumenta et isdem artibus decus omne virtutis cum summa eloquentiae laude iunxisses. Ex te duplex nos afficit sollicitudo, quod et ipse re publica careas et illa te 1l4.Was Ciceros These vom Politiker-orator als dem idealen Herrscher betrifft, so schien Brotus die letzte Hoffnung, der letzte Kandidat zu sein, der sie verwirklichen konnte. Daher die Notwendigkeit einer Allgemeinbildung gemäß dem Modell Catos - es darf nicht vergessen werden, daß Cicero im Jahre 46 auch sein Werk Cato schrieb. Diese Hoffnung, die im März des Jahres 44 nach dem Tod Caesars genährt wurde, zerschlug sich jedoch endgültig mit dem gescheiterten Bestreben der "Tyrannerunörder', eine breite Unterstützung von seiten der Bevölkerung der Urbs zu erlangen.
114Cic.• Brut.• 331-332.
4. CONTIO LOCUS INVIDIAE EST Das Gerücht als politische WatTe: subrostrani und susurratores Sir Ronald Syme zufolge ist die Geschichte Roms diejenige der Oberschicht, und so erwähnt er in "The Roman Revolution" die plebs kaum; jedenfalls wird ihr dort keine Bedeutung eingeräumt, sie ist lediglich ein Objekt der Manipulation. Wenn Syme von der Bildung einer öffentlichen Meinung spricht - er widmet ihr im Zusammenhang mit Augustus ein eigenes Kapitel -, so bezieht er sich immer auf schriftliche Propaganda, Pamphlete und Gedichte oder auf Reden in der Curia, aber er erwähnt nie Reden, die vor dem Volk gehalten wurden 1. Offenkundig ist für Syme nur die Meinung der Elite von Belang. Einige Jahre später gab L. R. Taylor einem Kapitel ihres Buches "Party Politics in the Age of Caesar" den Titel 'Propaganda and Public Opinion from 58 to 53 B.e. '2. Darin beschäftigt sie sich vor allem mit der schriftlichen Propaganda und mit einigen politischen Ausdrucksformen der optimates, wie Z.B. dem Tragen von Trauerkleidung während der Diskussion des Gesetzes über die Verbannung Ciceros oder dem begeisterten Empfang des Cato Uticensis bei seiner Rückkehr aus Zypern. Während dieser Zeit entstanden Gedichte als Propagandamittel, wie jene des Catullus; ebenso Pamphlete, wie dasjenige des Brutus gegen Pompeius, genannt De dictatura Pompeii, oder dasjenige des Metellus Scipio, in dem die Quaestur des Cato auf Zypern angegriffen wurde; auch verschriftlichte Reden, die in Umlauf gebracht wurden, und die Edikte des Bibulus usw. Außerdem gab es die acta diurna, die erst kurz zuvor von Caesar ins Leben gerufen worden waren und in denen die Senatsentscheidungen mitgeteilt wurden. So hatten die boni nun ein verstärktes Interesse daran, ihre Ansichten publik zu machen. Taylor unterstreicht die Bedeutung dieser Propaganda - sie erwähnt zwar auch Reden, räumt ihnen jedoch keinen hohen Stellenwert ein - für die Bildung einer öffentlichen Meinung. Allerdings entsteht der Eindruck, daß für Taylor die öffentliche Meinung gleich derjenigen der Elite ist. Taylor teilt die Auffassung Symes, die plebs habe in der Politik keine Rolle gespielt, und lediglich die herrschende Klasse habe in Senat und comitia entschieden. Obwohl dies grundsätzlich zutreffen mag, nimmt sie demgegenüber nicht zur Kenntnis, daß das Volk auch auf andere Weise Einfluß nehmen konnte.
1Siehe dazu die Seiten 276-277 und 459-460. Es ist bezeichnend, daß in einem Werk über das 1. Jahrhundert v.ehr., einer Zeit, in der viele Quellen von Ereignissen in contiones sprechen, dieses Wort nicht einmal im Sachregister aufgeführt ist. Syme spricht beispielsweise nur davon, daß Octavian Antonius' Testament im Senat vorlas, und läßt die Tatsache unerwähnt, daß Octavian dies auch öffentllcb in einer contio tat; es zählt allein die Meinung der Senatoren. 20p.cit., 142-148.
Das Gerücht als politische Waffe
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Yavetz hingegen hat das Thema auf andere Weise in Angriff genommen und die politische Bedeutung der plebs urbana in der späten Republik· und in der Kaiserzeit herausgestellt. Jedoch nennt er als Mittel zur Erzeugung einer bestimmten öffentlichen Meinung oder eines Gerüchts sowie der Verteidigung gegen ein solches hauptsächlich Pamphlete und "politische" Gedichte, also verschiedene Formen schriftlicher Propaganda3. Da die niederen Bevölkerungsschichten kaum Geschichtsbücher oder politische Pamphlete lesen konnten, wurde seiner Ansicht nach diese Art von Literatur auf indirektem Wege durch gebildete Leute mündlich verbreitet. In jüngerer Zeit hat Vanderbroeck, der von einer politischen Bedeutung der plebs ausgeht, versucht, deren Beziehung zu den politischen Kräften zu erläutern. Ausgehend von der Annahme, daß die tabemarii und opijices im allgemeinen lesen und schreiben konnten, postuliert er, an sie sei eine schriftliche Propaganda gerichtet gewesen, der jedoch als Mobilisierungsfaktor keine so große Bedeutung wie der mündlichen zugekommen sei4. Seiner Meinung nach konnten diese Leute, die er "intermediate leaders" nennt, eine Kommunikation zwischen den politischen Häuptern und der plebs bewirken. Das sind einige der in der Forschung angestellten Überlegungen zu der Frage, mit welchen Mitteln in Rom Einfluß auf die öffentliche Meinung genommen wurde. Obwohl die Ansatzpunkte sehr verschieden sind, liegt doch das Hauptgewicht - mit der Ausnahme von Vanderbroeck - immer auf dem Einfluß des Geschriebenen. Zweifelsohne hat die schriftliche Propaganda im Laufe des 1. Jahrhunderts zugenommen, vor allem während der Bürgerkriege, als die gegnerischen Gruppen um eine möglichst breite Unterstützung kämpften5. Es entstanden Gedichte, die für die einen oder anderen Partei ergriffen, Pamphlete, in denen Gegner in Verruf gebracht oder Anschuldigungen abgewehrt wurden, und sogar geschriebene Reden. Allerdings zirkulierten diese verschiedenen Formen schriftlicher Propaganda meiner Ansicht nach innerhalb der Elite und hatten den Zweck, in diesen Kreisen eine bestimmte Meinung zu bilden. Die breite Masse dagegen hatte wohl kaum Zugang zu diesen Schriftstücken, die sicher nur in geringer Anzahl in Umlauf waren - die dazu benötigten Materialien machten die Veröffentlichung teuer. Zudem war der größte Teil des Volkes des Lesens nicht unkundig. Diese Überlegungen werfen die Frage auf. wie es um die Lesefähigkeit der Bevölkerung Roms stand. Es besteht kein Zweifel darüber, daß jedes Mitglied der Aristokratie, jedermann. der in Politik. Verwaltung oder Wirtschaft mitwirken wollte. nicht nur perfekt lesen und schreiben konnte, sondern auch Kenntnisse in
3Ygl. Yavetz, Cesar et son image. 241-256, Anhang über existimatio undfama in Rom. 4Yanderbroeck, Popular Leadership, 110·112. 5Über die politische Propaganda während der Bürgerkriege und über Geruchte·siehe Jal, Guerre civile, 82ff. und 122ff.
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4. Contio locus invidiae est
der Grammatik, Mathematik, Philosophie, im Griechischen und eventuell in der Rhetorik: besaß. Da es aber keine öffentlichen Schulen gab und es die sozioökonomische Situation der unteren Bevölkerungsschichten nicht erlaubte, blieb deren Mitgliedern selbst die grundlegendste Stufe der Bildung verwehrt, so daß die Mehrheit des Lesens und Schreibens wohl nicht mächtig war;. Sicherlich gewann im spätrepublikanischen Rom die Verschriftlichung an Bedeutung. Die Veröffentlichung von Büchern und Reden sowie die Zahl der Inschriften nahmen zu, die Gesetze und Edikte wurden anscheinend regelmäßig in Schriftform verfaßt, und die acta diuma kamen als Informationsmedium der in der Urbs vorgefallenen Ereignisse auf. Aber auch das gesprochene Wort war aus der römischen Gesellschaft nicht wegzudenken. Jede Kommunikation zwischen Staat und Bürgern spielte sich mündlich in contiones ab. In ihnen wurden Siege und Niederlagen des römischen Heeres bekanntgegeben, leisteten die Magistrate ihren Amtseid, fanden Leichenreden, Censusformalitäten, Ermahnungen der Censoren bezüglich der öffentlichen Moral und religiöse Angelegenheiten statt7 . Sogar Mitteilungen, die als so wichtig erachtet wurden, daß sie schriftlich ausgehängt wurden, gab man zusätzlich noch mündlich bekannt. Obgleich die Gesetze öffentlich aushingen, wurde eine rogatio in mehreren contiones erklärt und diskutiert, bevor man über sie abstimmte, und ihr Inhalt wurde vor der Abstimmung in comitia erneut vorgelesen 8. Den Text der senatus consulta und der Edikte veröffentlichte man nicht nur an einem häufig besuchten Ort, sondern las ihn auch in einer contio vor. Sicherlich konnten auch Angehörige der plebs lesen oder zumindest einfache, häufig wiederholte Botschaften verstehen9 und auf den tabellae die wenigen Zeichen machen, die nach der Verabschiedung der leges tabellariae zum Wählen erforderlich waren. Als Argument dafür, daß die plebs im großen und ganzen lesen konnte, fUhrt Vanderbroeck die Tatsache an, daß man beim Triumphzug des Pompeius Inschriften mit den Namen der eroberten Gebiete sehen konnte; auf ihnen habe man lesen können, daß er tausend Festungen, neunhundert Städte usw. besiegt hatte - eine komplexe Botschaft lO • Man muß sich jedoch vor Augen halten, daß am Tag nach dem Triumphzug oder einige Tage später immer eine contio 6Finley, Politics, 31. In jüngerer Zeit hat Harris, Ancient Literacy, passim, die optimistischen Schätzungen anderer Forscher, denen zufolge es in dieser Zeit einen hohen Grad an Alphabetisierung gegeben haben soll, nach unten hin korrigiert Wenngleich die von ihm angeführten Prozentzahlen wegen der extremen Knappheit der verfügbaren Daten nicht sehr aussagekräftig sind, scheint seine These, "the majority of people were always illiterate", durchaus akzeptabel. 7Pina Polo, Contiones, 139-170. 8/bid., 92-103. 9Corbier, L'ecnture, 59, nennt es "alfa~tisation pauvre" und meint, in den GenuB von Literatur seien nur "happy few" gekommen (57). lOPlut., Pomp., 45,1-4. Siehe dazu Vanderbroeck, Papular Leadership, Ill. Auch beim Triumph des Lucullus im Jahre 63 wurden Inschriften zur Schau getragen (plut., Luc., 37,4).
Das Gerücbt als politische Waffe
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stattfand, in welcher der Triumphator eine Rede über seine Ruhmestaten hielt, und dieses Medium war es, das tatsächlich dazu diente, einer großen Zuhörerschaft von den Siegen Kunde zu geben. Die plebs erhielt also vorwiegend mündliche Informationen über die öffentlichen Angelegenheiten, und hauptsächlich auf diesem Wege sollte auch die politische Propaganda das Volk beeinflussen. Eher als mit Hilfe von Büchern und Pamphleten wurde die plebs durch ein subtileres Medium gelenkt, nämlich durch Graffiti mit Sprüchen auf Wänden oder Denkmälern, die einfach zu lesen waren und leicht in der Stadt verbreitet werden konnten. Während der Diktatur Caesars beispielsweise schrieb jemand auf den Sockel der Statue des Brutus, des Begründers der Republik, der Tarquinius Superbus vertrieben hatte, einen einzigen Satz, der ein politisches Programm in sich barg, das später die Mörder Caesars in die Tat umzusetzen versuchten: Utinam viveres!ll. Die Auswirkungen sind nicht bekannt. aber da der Sachverhalt von Sueton festgehalten worden ist - gleichzeitig erschien eine längere Botschaft auf der Statue Caesars - und auch weitere Graffiti von anderen Geschichtsschreibern überliefert sind. können sie nicht als unwichtig abgetan werden. Das bedeutet aber noch nicht, daß es eine massive Alphabetisierung der plebs gegeben hat12• Was die öffentliche Meinung betrifft, so ist es falsch, sie darauf zu beschränken, was Senatoren und Ritter dachten, und den Rest der Bevölkerung außer Acht zu lassen, da dies bedeuten würde, Fakten zu vernachlässigen, die aus den antiken Quellen hervorgehen. Aus der Sicht der herrschenden Klasse sollte der Wille des ungebildeten Volkes nicht ins Gewicht fallen werden; dieser galt als unmaßgeblich. Dessenungeachtet versuchten Angehörige der Elite die Anwesenden in Volksversammlungen von ihren Anliegen zu überzeugen. In einer Reaktion auf die Untersuchungen, die die römische Politik ausgehend von strengen persönlichen Klientelbeziehungen analysieren, hat Millar darauf hingewiesen, daß der römische Politiker als Redner vor dem Volk eine anonyme Menge überzeugen mußte 13• Q. Cicero hebt in seinem Commentariolum petitionis hervor, daß die Personen, die einem Kandidaten am nächsten stünden (auch seine Sklaven), ihn achten sollten, so daß sie zu einer guten fama forensis des Kandidaten beitrügen 14• llSuet., lul.• 80,6. 12Vgl. Corbier, L'&:riture, 53; Harris, AncientLiteracy, 216 und 260. 13MiIlar, Political Character, passim; ders., Politics, Persuasion, passim. Im gleichen Sinne Nicolet, Le m6tier de citoyen, 517; North, Democralic Politics, 12-13, und Yavetz, Plebs sordida, 309, mit Bezug auf die Mobilisierungen im Zirkus und Theater der Kaiserzeit. 14Q.Cic., Comm.pet., 17: ... ut tribules, ut vicini, ut clientes, ut denique liberti, postremo
etiam servi tui: nam fere omnis sermo ad forensem famam a domesticis emanat auctoribus. Später verwendet er den Begrifffamapopularis in der gleichen Bedeutung wiefamaforensis (49). Pompeius beklagt, daß nicht nur die nobilitas, der Senat und die iuventus sich gegen ihn gewandt hätten, sondern auch, daß er die Unterstützung des contionarius populus verloren habe:
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Die Angehörigen der Elite fürchteten das Gerede und die invidia, die in Volksversammlungen gegen sie erzeugt werden konnte; sie bangten also um ihren Ruf. Das zeigt, daß die kollektive Meinung über eine Person einen gewissen Einfluß auf dessen politische Karriere hatte. Dem Volk jeden politischen, wenn auch auf unregelmäßige Weise ausgeübten Einfluß abzusprechen, es vom Schauplatz der Politik zu verdrängen, würde bedeuten, die Wirklichkeit zu verfälschen und ein Zeitbild zu schaffen, wie es die Zeitgenossen wohl kaum empfunden haben. Das Konzept der "öffentlichen Meinung" muß also, obwohl von der Elite geprägt, als Meinung der Mehrheit der Gemeinschaft verstanden werden. In den antiken Quellen treten Begriffe auf, die in ihrer Bedeutung den heute verwendeten nahekommen, wie consensus hominum,jama, existimatio vulgi oder opinio 15 • Da es in Rom eine Trennung zwischen beschließenden und nicht-beschließenden Versammlungen gab, hatten die vor dem Volk gehaltenen Reden nicht so sehr das Ziel, konkrete Entscheidungen herbeizuführen (außer im Falle der gesetzgebenden contiones, denen die Abstimmung einer rogatio folgte), als vielmehr, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Mit anderen Worten, mit der Überredungskunst wurde nicht direkt auf Stimmen abgezielt, sondern auf die Schaffung einer Atmosphäre, die in eine bestimmte Richtung schwenken konnte 16 . In den contiones wurde am häufigsten und effizientesten auf die öffenliche Meinung der Urbs eingewirkt, und das wichtigste Instrument hierfür war das Gerücht 17 • Wenn es darum ging, eine kollektive Haltung zu erzeugen, so war der günstigste Schauplatz dafür die Volksversammlung; die dahinter verborgene Absicht war, das Gerede möge anschließend diese Haltung in öffentliche Meinung umwandeln. Das Gerücht als Mechanismus sozialer Kontaminierung, das von Mund zu Mund weitergegeben wurde, war in der römischen plebs sicher der wirksamste Kommunikationsweg 18 . Auch die Tatsache, daß es sich um eine mediterrane Gesellschaft mit einem Klima handelte, welches das Leben auf der Straße begünstigte, förderte die Verbreitung von Nachrichten und Infonnationen
... contionario illo populo a se prope alienato (Cic., Q. fr., II 3,3·4). In Zusammenhang mit seiner sechsten, vor dem Volk gehaltenen Philippica sagt Cicero, daß cuncta contio ihm ihre Unterstützung gegeben habe, und er versichert: ... me invidia liberaret (Phil., XIV 16). Vgl. Cic., Verr., II 5,175: ... te liberatum iam existimationis melu. 15YavelZ, Plebs and Princeps, 134, Anm. 1; ders., C~sar et son image, 251. Vgl. Cic., Cluent., 90. 16Nippel, Plebs urbana, 84, nennt dies "Stimmungsmache". 17Vgl. Laurence, Rumour and Communication, passim. Über die Rolle der Gerüchte im Werk des Tacitus, in dem diese außerordentlich häufig auftreten, siehe Ries, Gerücht, Gerede, öffentliche Meinung, passim. 18Turner - KilIian, Colleclive behavior, definieren das Gerücbt wie folgt: " ... it must be understood as a form of group interaction that involves a network of communicators wbo engage in a collective decision-making process" (42); "... it is tbe characteristic mode of communication in collective behavior"(32).
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vor allem in den änneren Stadtteilen, in denen die unzulänglichen Wohnverhältnisse die Bewohner auf die Straße trieben. Demnach trug bereits die Tatsache, daß in der Urbs viele Menschen eng zusammengedrängt leben mußten, zur Verbreitung von Gerüchten bei. Ein Gerücht kann spontan entstehen, sich unkontrolliert verbreiten und unvorhersehbare Folgen haben. Über ein und denselben Sachverhalt können mehrere Versionen im Umlauf sein. Es kann aber auch eine bestimmte Version, die nicht unbedingt der Wahrheit entspricht, lanciert werden und sich durchsetzen. Naturgemäß verbreitet sich ein Gerücht durch informelle Kommunikationskanäle innerhalb einer bestimmten Gruppe, kann aber auch bewußt durch formelle Kanäle der Massenkommunikation erzeugt werden. Da das Massenverhalten in der römischen Gesellschaft und Politik ein gelenktes Verhalten war, trug die Tatsache, daß ein Gerücht von einem Magistraten oder einer von ihm autorisierten Person in die Welt gesetzt wurde, dazu bei, dieses Gerede glaubhafter zu machen. Da der formelle Kommunikationskanal in Rom die contio war, konnte ein Gerücht erzeugt werden, indem öffentlich von der Rednerbühne aus eine subjektive Version der Fakten, die Meinung oder Kritik einer Person geäußert wurden. Wenn der Redner die zu mehreren Hundert Anwesenden in ausreichendem Maße überzeugen konnte, verbreiteten diese die Botschaft anschließend in weite Teile der Gesellschaft. . Aus diesem Grund erscheint das Wort rumor in den antiken Quellen manchmal in Verbindung mit contiones als Gefahr für die boni. Cicero behauptet, der rumor sei von den Kandidaten für eine Magistratur besonders gefürchtet, denn jede übelrneinende Anspielung, die den sensus und die voluntas der Bürger gegen ihn zu richten vermochte, konnte seine Kandidatur gefahrden. Hier zeigt sich eine gewisse Empfmdlichkeit der Politiker gegenüber der öffentlichen Meinung 19. Horaz drückt diesen Vorgang prägnant in einem einzigen Satz aus: Frigidus a rostris
manat per compita rumor20• Deshalb war es günstig, nicht nur über die Ereignisse, sondern auch darüber informiert zu sein, was in der Stadt geredet wurde 21 . Ein Brief des Caelius Rufus aus dem Jahre 51 an den abwesenden Cicero verdeutlicht, wie das Gerede
19Cic., Mil., 42: ... cum honoris amplissimi contentio et dies comitiorum subesset, quo quidem tempore ... omnia non modo quae reprendi palam, sed etiam obscure quae cogitari possunt li-
memus, rumorem, fabulam fictam, levem perhorrescimus ... Nihil est enim tam molle, tam tenerum, tam aut fragile aut jlexibile quam voluntas erga nos sensusque civium ... Und Quintus Cicero behauptet, das Gerücht sei ein wichtiges Mittel, um die persönliche fama zu festigen: Sequitur enim, ut de rumore dicendum sit, cui maxime serviendum est. Sed quae dicta sunt omni superiore oratione, eadem ad rumorem concelebrandum valent, dicendi laus, studia publicanorum et equestris ordinis ... (Comm.pet., 50). 2oHor., Sat., 11 6,50. 21Cicero, der sich fern von Rom aufhält, schreibt Atticus, er erwarte non modo res omnis sed etiam rumores (Alt., V 5,1) aus der Urbs.
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sich verbreiten konnte. Caelius kündigt in seinem Brief an, er wolle wie versprochen über omnes res urbanas berichten, unter anderem auch über die zur Zeit umgehenden Gerüchte. Er schreibt, von Caesar werde gesagt, er habe mit seinen Truppen Niederlagen erlitten, und das Gerücht, Cicero sei während seiner Reise nach Kilikien von Q. Pompeius ermordet worden, habe sich urbe ac foro verbrei.tet. Das Gerede über Caesar sei von susurratores in Umlauf gebracht worden, jenes über Cicero von subrostrani22• Das Wort subrostrani ist ein hapax, da es in der lateinischen Literatur an keiner anderen Stelle erwähnt wird. Laut Manutius wird es de hominibus injimi ordinis sub rostris versari solitis gebraucht23 • Daraus wird deutlich, daß es die Rostra sind, auf denen die Gerüchte vor allem in Umlauf gebracht werden, und daß diejenigen, die sich in der Nähe der Rednerbühne aufhalten, sie in der ganzen Stadt verbreiten. Die Vermutung liegt nahe, daß diese susurratores und subrostrani zu bestimmten Gelegenheiten im Interesse des einen oder anderen Politikers handelten, da ihre soziale Stellung ihnen den direkten Kontakt zur plebs ermöglichte und sie so für eine effiziente Verbreitung von Gerüchten sorgen konnten24. Vielleicht waren bei dieser mündlichen Verbreitung diejenigen wichtig, die Vanderbroeck "intermediate leaders" nennt, Mitarbeiter politischer Anführer, die als Mittelsmänner zum Volk hin fungierten. Insbesondere Clodius hat wohl die magistri vici benutzt, um sich mit den Bewohnern aller Stadtteile Roms in Verbindung zu setzen25 • Jedenfalls verbreiteten diese susurratores und subrostrani durch Mund-zu-Mund-Propaganda und durch Gerüchte Ideen und Ziele der führenden Politiker26 und trugen so zur Bildung einer bestimmten Meinung innerhalb der Bevölkerung bei, die unter Umständen zu einer Mobilisierung des Volkes führen konnte.
vrn 1,4: Quod oLl Caesarem, crebri et 11011 belli de eo rumores, sed susurratores dumtaxat, veniunt ... Te a.d. VflII Kai. fun. subrostrani - quod illorum capiti sit! - dissiparant pe risse. Urbe ac foro toto maximus rumor fuit ... 23Manut., Comm., 325. VgI. Cavarzere, Cello Rufo. Lettere, 208. 24Livius bringt die Verbreitung von Gerücbten mit der plebs in Verbindung: Otium, ut solet, excitavit plebis rumores (XXV126,lO). Nacb dem Tode Agricolas wird auf dem Forum darüber gesprocben, und es gebt das Gerücbt um, er sei vergiftet worden: ... vulgus quoque et hic aliud agens populus et ventitavere ad domum et per fora et circulos locuti sunt ... Augebat miserationem constalls rumor venello interceptum ... (Tac., Agric., 43,1). Allerdings konnte aucb die 22Cic., Farn.,
Elite aktiv zur Verbreitung eines Gerücbts beitragen. Im bereits zitierten Brief sagt Caelius, Domitius beschäftige sich damit, die Gerücbte gegen Caesar cum manus oLl os apposuit zu verbreiten. Über die Gescbwindigkeit der Verbreitung von Gerüchten Cic., Cluent., 28. Laurence, Rumour and Communication, 64-67, betont, daß die Klienten, die gewöhnlicb Angehörige der Elite besuchten, in der Stadt als Übermittler von Nachricbten und Gerüchten fungierten. 25Vgl. Laurence, Rumour and Communication, 68-72. 26Yavetz, C~sar et son image, 251: Die subrostrani bracbten die Botschafteh zum solarium, zu den Thermen, usw .. und die Gerüchte, zumal, wenn sie verleumderisch waren, verbreiteten sich wie ein Lauffeuer. .
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Obschon ein Charakteristikum der Volksmasse ihre credulitas war und das Volk geneigt war, auch sehr unglaubwürdige Gerüchte zu glauben27 , fielen nicht alle auf fruchtbaren Boden. Einige wurden als irrelevant empfunden, andere als inakzeptabel, da sie nicht mit dem Allgemeinempfmden der Empfänger vereinbar waren. Natürlich war ein entscheidender Faktor die Glaubwürdigkeit desjenigen, von dem das Gerücht ausging. Für die plebs war es wichtig, daß die Aussage von jemandem stammte, dem sie vertraute. Ein Politiker mußte unter den Zuhörern genügend Glaubwürdigkeit besitzen, treffende Aussagen machen und darauf bauen können, daß die Anwesenden für sein Anliegen empfänglich waren. Es war in Rom schwierig, eine bestimmte Version nachzuprüfen, da es keine Massenmedien gab. Tatsächlich standen nur die zum Teil konträren Äußerungen der Angehörigen der Elite im Raum. Somit war die Überzeugungskunst essentiell. Eine Diskussion innerhalb des Volkes oder mit dem Volk, die eine bestimmte Meinung etabliert hätte, fand nicht statt. In Rom waren diejenigen, die eine Meinung durchsetzten, immer die politischen Anführer. Für das Erreichen eines bestimmten Ziels war es - wie bei der Fonnulierung politischer Ziele - wichtig, in leicht verständlicher Fonn darauf hinzuleiten. Eine Mitteilung mußte plausibel sein. Dadurch konnte aus dem rumor geradezu eine einprägsame Redewendung werden. So vermochte Octavian vor dem Volk seine größten politischen Feinde in Verruf zu bringen, indem er von der Rednerbühne aus deklamierte, Sextus Pompeius sei für die Überfälle der Seeräuber verantwortlich und Antonius ein Vaterlandsverräter28 . Er überzeugte so die Bürger, daß beide Politiker ihnen wirtschaftlich schadeten, und gewann sie für sich. Wie wir bereits gesehen haben, behauptete Cicero in den Reden gegen Catilina in contiones - und das war ein wichtiger Teil seiner Propaganda -, der Anführer der Verschwörung wolle Rom in Brand setzen 29. Cicero wußte sehr gut, daß eine solche Behauptung bei der plebs urbana Wirkung zeigen würde. Sobald die Anschuldigung ausgesprochen war, wurde sie zu einem Gerücht, das Catilina zu einem Brandstifter machte. Wer hätte es nun noch gewagt, sich ihm anzuschließen? Daß die Anschuldigung falsch war, zählte im Grunde nicht; wichtig war nur ihr Einfluß auf die öffentliche Meinung. Zur Demonstration der politischen Bedeutung der Gerüchte widmet der Autor der Rhetorica adHerennium ihnen einen Abschnitt, um seinen Schüler zu unterrichten, wie man sich durch seine Redekunst gegen das Gerede zur Wehr setzen kann. Er empfiehlt ihm, zunächst die Verbreitung von Gerüchten zu skizzie27Yavetz, Plebs and Princeps, 134. Die imperiti waren am ehesten geneigt, ein Gerücht zu glauben und weiterzuleiten: Tum per idoneos et secreti eius socios crebrescit vive re Agrippam,
occultis primum sermonibus, ut vetita solent, mox vago rumore apud imperitissimi cuiusque promptas aures aut rursum apud turbidos eoque nova cupiemes (Tac., Ann., n 39,3). 28Über Sextus Pompeius: App., B.C., V 77; über Antonius: Cass.Dio, L 3-4. 29Cic., Cat., III 25.
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ren. Sie entstünden nie grundlos und durch Zufall: In dem konkreten Fall, von dem die Rede sei, habe niemand einen Anlaß, das Gerücht zu erfmden3o . Weiter rät der Autor, Beispiele falscher Gerüchte mit der Erläuterung zu zitieren, sie seien von böswilligen Gegnern ausgedacht worden, und jeder könne niederträchtiger_ weise ein Gerücht gegen eine andere Person in die Welt setzen. Der Redner solle ein Gerücht über einen seiner Gegner, gleichgültig ob wahr oder falsch, vorbringen und bekräftigen, er glaube nicht, daß es wahr sei. Und zum Schluß meint der Autor der Rhetorica ad Herennium, auch wenn das Gerede noch so plausibel erscheine, könne man noch dagegen argumentieren3l • Diese Ratschläge zeigen einerseits, daß, sobald sich ein Gerücht oder eine öffentliche Meinung über einen Sachverhalt oder vor allem über eine Person gebildet hatte, dies von dem Betroffenen kaum ignoriert werden konnte. Andererseits ist trotz dieser Empfehlungen klar, daß die Verbreitung kaum aufgehalten werden konnte. Da das Gerede in der Öffentlichkeit entstand und sich auf ein aktuelles Ereignis bezog, ob nun wahr oder erfunden, hatte es einen dynamischen Charakter32. Die beste Methode, es zu widerlegen, war natürlich, denselben Weg zu beschreiten, auf dem es entstanden war - im Zuge einer contio von der Rednerbühne aus. Für eine angegriffene Privatperson war dies jedoch oft unmöglich, wenn sie keinen Verbündeten unter den Magistraten des betreffenden Jahres hatte. Damit erhöhte sich die Effektivität des Gerüchts und seiner Auswirkungen; es verfestigte sich umso mehr, je weniger dem Volk die Gegenposition vennittelt wurde. So konnte sich der Angriff gegen einen Politiker, der sich außerhalb Roms aufhielt, als besonders wirksam erweisen. In den oben erwähnten Beispielen leistete die Abwesenheit des M. Antonius, des Sextus Pompeius und des Catilina ihrer Verunglimpfung Vorschub, und sie waren keine Einzelfälle. Auch M. Antonius sprach in einer contio gegen den damaligen Statthalter der Provinz Africa, Q. Cornificius, und der Prokonsul der Hispania Citerior, Q. Metellus Nepos, wurde im Jahre 56 von Clodius in einer contio angegriffen33 . Selbstverständlich wurden für einen Politiker vorteilhafte Charakteristika wie gloria, gratia und auctoritas von den Bürgern aufgegriffen, wenn sie dem 30Rhet.Her., 11 12: A rumoribus dicemus: si negabimus temere famam nasei solere, quin subsit aliquid; et si dicemus causam non jilisse, quare quispiam eonjingeret et eminisceretur; et praeterea, si ceteri [alsi soleant esse, argumentabimur hunc esse verum. 3l/bid.: Contra rumores dicemus: primum, si doeebimus multos esse falsos rumores, et exemplis utemur, de quibusfalsafamajilerit; et aut inimieos nostros aut homines natura molivolos et maledicos conjinxisse dieemus; et aliquam aut jictam fabulam in adversarios adferemus, quam dieamus omnibus in ore esse, aut verum rumorem proferemus, qui illis aliquid turpitudinis adferat, neque tamen ei rumori nos jidem habere dicemus, ideo quod quivis unus homo possit quamvis turpem de quolibet rumorem proferre et eonjictam fabulam dissipare. Verumtamen si rumor vehementer probabilis esse videbitur, argumentando famae jidem poterimus abrogare. 32Ries, Gerücht, Gerede, öffentliche Meinung, 8. 33Cic., Fam., XII 22; V 3,1.
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Politiker wohlgesinnt waren. Die contiones stellten ein Medium dar, mit dem der gute Ruf einer Person gefördert werden konnte, sei es durch Redner, die lobend von ihr sprachen, sei es durch geschickte Selbstdarstellung, also durch einen persönlichen Auftritt, bei dem der Politiker versuchte, von sich selbst ein positives Bild zu vermitteln. Gelegenheit dafür boten Reden zur Selbstverherrlichung, wie sie gewöhnlich nach dem triumphalen Einzug eines imperator gehalten wurden, oder laudationes junebres, bei denen - gewöhnlich von einem Verwandten - nicht nur der Verstorbene gepriesen wurde, sondern mit ihm seine Vorfahren und seine ganze Familie, die möglicherweise zu diesem Zeitpunkt um eine einflußreiche Position in der Politik kämpfte34. Die Reden des Metellus Numidicus und Ciceros unmittelbar nach ihrer Rückkehr aus der Verbannung sind gute Beispiele für diese unerläßliche Selbstdarstellung eines Politikers35 . Cicero bereitete seine Rede Post reditum ad Quirites sorgfältig vor, nicht nur, was den Text betraf, sondern er wählte auch den Zeitpunkt des Vortrages überlegt: Er wartete bis zu den ludi Romani, um sich eine größere Zuhörerschaft zu sichern, die seine Wiederkehr feierte 36 . Um nicht den Anschein zu erwecken, sein Auslandsaufenthalt sei ein Schuldeingeständnis gewesen, mußte Cicero beweisen, daß er sich dazu durch die Gewalt des Clodius gezwungen gefühlt habe. Gleichzeitig stellte er sich als Opfer einer ungerechten Verschwörung und als Sieger über seine Feinde dar. Sein Ziel war es, die existimatio vulgi und seine auctoritas sowie seine dignitas nach der Erniedrigung der Verbannung wiederzuerlangen37. Letztendlich handelte es sich um eine Reaktion auf die Schmutzkampagne, die Clodius im Jahre 58 in contiones gegen ihn geführt hatte. Um seine Glaubwürdigkeit und seinen Ruf zurückzugewinnen, mußte Cicero beweisen, daß ihm Unrecht widerfahren war. Also versuchte er, das Ereignis, das seine Verbannung herbeigeführt hatte, nämlich die Niederschlagung der Catilinarierim Jahre 63, zu rechtfertigen38 , und behauptete, daß er, wie schon einmal während seines Konsulats, die res publica gerettet habe, als er freiwillig
34In ihrem Versuch der Selbstverherrlichung gingen die Redner manchmal so weit, nie stattgefundene Siege, nicht vorhandene Konsulate oder eine falsche Abstammung zu erfinden, um ihre Zuhörerschaft zu beeindrucken (Cic., Brut., 62). 35Metellus Numidicus hielt nach seiner Rückkehr eine Rede, nach der er von einer Menschenmenge begleitet zum Capitolium hochstieg: Contione dimissa Metellus in Capitolium venit cum mortalibus multis: inde domum projiciscitur, tota civitas eum reduxit (Gell., XIII 29,1). Details der Rede sind nicht bekannt, aber er hat sich sicherlich als Triumphator dargestellt, wie Velleius Paterculus verlauten läßt: Nec triumphis honoribusque quam aut causa exilii aut exilio aut reditu clariortuit Numidicus (II 15,4). Dazu siehe Ooteghem, Caecilii Metelli, 176. 36Grimal, Chronologie ciceronienne, 136. Cicero beschreibt seine triumphale Rückkehr nach Rom in einem Brief an Atticus (Att., IV 1,4-5). 37Nicholson, Cicero's Return from Exile, XI und 23-24. 38Bezeichnenderweise benutzt er nie das Wort exilium, wenn er über seine Abwesenheit von Rom spricht, sondern, sowohl in der Rede im Senat als auch vor dem Volk, nur Euphemismen wie discessus, profectio oder calamitas. Vgl. Nicholson, Cicero' s Return from Exile, 30.
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ins Exil gegangen sei und lieber hinnehmen wollte, daß sich das odium von seelerati homines et audaces gegen ihn alleine als gegen den ganzen Staat und gegen alle boni richtete39 . Er habe es vorgezogen, zu einem Märtyrer zu werden, statt ein Blutbad auszulösen, obwohl omnes boni bereit gewesen seien, für ihn zu s~rben40. So identifiziert er sich selbst mit der res publiea und setzt sein eigenes Wohlergehen mit dem der Gemeinschaft gleich, denn seine Feinde seien die des Staates und des Volkes. Er behauptet, mit ihm sei der ganze Staat in die Verbannung gegangen und mit seiner Rückkehr wiederhergestellt worden. Er sei demnach die Verkörperung des Staates, das Symbol für Gesetz, Ordnung und Frieden41 . Somit entspreche seine dignitas derjenigen der Gemeinschaft, er habe sie im Übermaß durch die einmütige Begeisterung, mit der er von allen Bürgern empfangen worden sei, wiedererlangt, und mit ihm habe auch die res publiea ihre dignitas zurückgewonnen42 • Seine IdentifIkation mit der res publica als Strategie gegen seine Feinde hatte auch noch ein anderes Motiv, das nicht nur in dieser Rede vor dem Volk, sondern vor allem in seiner Rede De doma sua deutlich wird. Wegen der Verbannung sah sich Cicero nicht nur seiner dignitas und auetoritas beraubt, sondern es wurde auch sein gesamter persönlicher Besitz beschlagnahmt; sein Haus am Palatin ließ Clodius abreißen und an dessen Stelle einen Tempel bauen, der der Libertas geweiht wurde. Diese wohlüberlegte politische Handlung hatte einen hohen Symbol gehalt. Cicero wurde vor dem Volk als öffentlicher Feind und Tyrann dargestellt, der denjenigen gleichkam, die in den antiken Quellen als Anwärter auf das regnum genannt werden: Spurius Cassius, Spurius Maelius und Marcus Manlius, deren Ermordung als Strafe für unrechtmäßige Ansprüche gerechtfertigt erschien und deren Häuser ebenfalls niedergerissen worden waren. Mit dieser Tat stellte sich Clodius selbst als Verfechter der Freiheit des Volkes dar und erhöhte seine Popularität, da er einen gewagten Angriff gegen ein bekanntes Mitglied des ordo P.red. Quir., I: ... quod odium scelerati homines et audaces in rem pub/icam et in omnes bonos conceptum iam diu continerent, id in me uno potius quam in optima quoque et universa civitate dejigeret. Auch bei anderen Gelegenheiten stellt er sich als der alleinige Retter des
39Cic.,
Vaterlandes dar (vgl. 5 und 17).
4oP.red.Quir., 13: ... armis deeertare pro mea salute nolui, quod et vincere et vinci luetuosum rei publieae fore putavi. 41P.red.Quir., 14: Itaque, dum ego absum. eam rempublicam habuistis ut aeque me atque Wam restituendam putaretis ... In seiner Abwesenheit rem pub/icam esse nullam putavi. Itaque neque. re publica exterminata, mihi locum in hae urbe esse duxi, nec, si illa restitueretur. dubitavi quin me secum ipsa redueeret. Vgl. Nicholson, Cicero's Return from Exile, 34-35. Glucker, As has been rightly said ... by me, 9, analysiert auf ironische Weise die Beziehung, die Cicero hier und in anderen Texten zwischen sich selbst und der res publica herzustellen versucht; er präsentiert sich als ihr Vater oder bevorzugter Sohn, der sie in die Verbannung mitnimmt, mit ihr wieder zurückkehrt und von dessen Schultern ganz Italiens getragen wird.
42P.red.Quir., 25: ... dignissimus ea civitate videar quae suam dignitatem non posse se tenere, nisi me reciperasset ... ; 6: ... tum in studiis vestris tanta animo rum declarata est voluntas ut non solum calamitatem mihi detraxisse. sed etiam dignitatem auxisse videamini.
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senatorius unternahm. Cicero, der sich des darin verborgenen Symbolwerts bewußt war, konnte diese Handlung, die ihn zum Feind der res publica machte, nicht übergehen; er mußte die Angelegenheit als eine Folge seiner persönlichen inimicitia gegen Clodius erklären und diesen als Dieb entlarven, der sich seine Besitztümer habe aneignen wollen. Mit der Verbannung Ciceros wie mit der Zerstörung seines Hauses bezweckte Clodius, daß das Volk, nicht ein senatus consultum ultimum, durch Willensentscheid einen Staatsfeind für vogelfrei erklären sollte43 . Aber die Verbindung contiones - Gerüchte diente vor allem dazu, die Unbeliebtheit einer Person, eines ordo oder einer Institution zu bewirken, und um dieses Leitmotiv auszudrucken, verwenden die Quellen den Begriff invidia44• Als politisches Konzept wird sie mit odium und infamia in Verbindung gebracht und bedeutet das negative Urteil einer Gemeinschaft über einen Mitbürger45. Finley hat darauf aufmerksam gemacht, daß im Altertum der politische Kampf nicht darin bestand, die Argumente der Gegner zu widerlegen, sondern die Feinde durch politische Prozesse, Verbannung oder Mord zu beseitigen 46. Dies galt vor allem für eine auf Wettstreit ausgerichtete Gesellschaft wie die römische im 1. Jahrhundert v.Chr., in der die Glaubwürdigkeit eines Politikers eine so große Bedeutung hatte, daß eS nahezu unmöglich oder zumindest nicht sinnvoll war, die Argumente des Gegners anzufechten, ohne diesen selbst anzugreifen. Die moralische Disqualifizierung ging mit der politischen einher oder dieser sogar voraus47 • Genau sie 43Nippel, Policing Rome, 28; Allen, Cicero's House, 8·9; Dunkle, Greek TYfant, 166; Tatum, Clodius, 235-236; Pina Polo, Cicer6n contra Clodio, 137. 44Laut Cicero war nichts so sehr zu fürchten wie die invidia: ... ut intellegatis nihil esse homini
tam timendum quam invidiam, nihil innocenti suscepta invidia tam optandum quam aequum iudicium ... (Cluent., 7). Cic., Dom., 69, nennt sie popularis invidia. 45pöschl, Invidia, passim. Dieses Wort kann nicht ins Griechische oder in eine moderne Sprache übersetzt werden, da es einen Zustand beschreibt, der nur in Rom herrschte, Die Macht war nicht nur eine Frage von Gewalt, sie wurde vielmehr von einem Gemeinschaftsgefühl der Gunst oder Feindseligkeit mitbestinunt. Über die Bedeuttmg von invidia, Stiewe, Invidia, passim; Hellegouarc'h, Le vocabulaire latin, 195-198. Im allgemeinen über die Beziehung zwischen invidia und contio, Cic" Ac., Ill44. Wie wir bereits gesehen haben, war der Volkstribun Bestia damit beauftragt, eine contio als Startzeichen für die Verschwörung des Catilina einzuberufen, in der er invidia gegen Cicero wecken sollte (Sall., Cat., 43,1). 46Finley, Politics, 118: "Why in antiquity was it necessary to 'destroy' political opponents and not just !heir political positions?". Im selben Sinne Syme, RR, 149: "Persons, not programmes, came before !he People for !heir judgement and approbation ... !he best of arguments was personal abuse", 47Dunkle, Greek Tyrant, 171: "To!he Romans, personalities always were more irnportant!han political prograrns. For !his reason it was politically more expedient to defame !he character of a political opponent !han to attack his political principles", Als Cicero vor das Volk tritt, um die Niederschlagung der Catilinarier zu rechtfertigen, zeichnet er als erstes ein Bild Catilinas mit sämtlichen vorstellbaren Lastern: Quid enim mali aut sceleris jingi aut cogitari potest quod
non ille conceperit? Quis tota Italia venejicus, quis gladiator, quis latro, quis sicarius, quis parricida, quis testamentorum subiector, quis circumscriptor, quis ganeo, quis nepos, quis adulter, quae mulier in/amis, quis corruptor iuventutis, quis corruptus, quis perditus inveniri potest
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wurde in contiones des öfteren angestrebt: Ein Gegner sollte erniedrigt, als politische Persönlichkeit vernichtet werden - und dies eher mit Angriffen auf seine Person als mit ideologischen Argumenten. Diese Strategie hatte sehr oft Erfolg. Gegen einen Mann des öffentlichen Lebens invidia zu erzeugen war auf jeden Fall eine zulässige und häufig angewandte Taktik. Der Autor der Rhetorica ad Herennium und Cicero sprechen von den Mitteln, mit denen dieses Gefühl unter den Zuhörern erzeugt werden kann. Es sind richtiggehende Kampagnen zur Erniedrigung einer Person bekannt, in denen die verschiedensten Argumente, wahre und falsche, und Beschuldigungen ins Feld geführt wurden 48 . Wie wir später noch sehen werden, warnt Cicero vor allem in Pro Cluentio vor der invidia, die in contiones gegen bon; und gegen den Senat geschürt werde. Dabei identifiziert er die Teilnehmer dieser Versammlungen mit den improbi und den Staatsfeinden. Es ist jedoch bekannt, daß nicht nur populares und diejenigen, die Cicero als improbi und seditiosi bezeichnet, in contiones invidia gegen politische Feinde erzeugten. Cicero selbst nutzte contiones, um die öffentliche Meinung gegen Antonius und dessen Anhänger aufzubringen - einige seiner Philippicae trug er in Volksversammlungen vor. Laut Finley gab es drei Arten, einen Feind zu vernichten: die Verbannung, das politische Gericht und den Tod. Alle drei wurden von contiones aus vorbereitet oder gerechtfertigt. Das senatus consultum ultimum führte gewöhnlich zum "gesetzlichen" Tod und wurde bei Bürgern angewandt, die als Gefahr für den Staat galten, mit dem sich der Senat indirekt identifizierte, ob nun eine hostis-Erklärung vorlag oder nicht49 • Ungern-Sternberg nimmt an, das Einverständnis der öffentlichen Meinung sei eine Voraussetzung rur ein senatus consultum ultimum gewesen. Dabei stützt er sich auf die Behauptung Ciceros, die Niederschlagung der Verschwörung des Catilina sei von der auctoritas patrum und vom consensus bonorum omnium getragen gewesen50. Mit dieser Behauptung zielt Cicero jedoch
qui se cum Catilina non familiarissime vixisse fateatur? Quae caedes per hosce annos sine ilfo facta est, quod nefarium stuprum non per illum? (Cie., Cat., II 7). 48Rhet.Her., I 8; Cic., De inv., 122; De orat., II 208-209. Obwohl die uns bekannten Kampagnen gewöhnlich gegen römische Bürger gerichtet waren, konnte ihr Ziel auch sein, invidia gegen einen Ausländer zu schüren. So führte beispielsweise im Jahre 111 der Volkstribun C. Memmius eine Kampagne, um den Krieg gegen Iugurtha einzuleiten, wofür er Reden in Volksversammlungen hielt und vor eine von ihnen sogar den König selbst zitierte, aber ein anderer Tribun, Baebius, legte sein Veto ein und gebot ihm zu schweigen (SaH., lug., 30-34). 49über die Bedeutung des senatus consultum ultimum siehe Dupl6 Ansuategui, Las medidas de excepci6n, passim. 50ungern-Sternberg, Notstandsrecht, 131: "Auctoritas senatus und consensus bonorum omnium werden also in enger Verbindung als wesentliche Voraussetzungen für die Anwendung von Notstandsrecht genannt, wobei der zweite Begriff zum Ausdruck bringen soll, daß außerordentliche Maßnahmen der Magistrate nicht nur der Deckung durch den Senat, sondern auch des Einverständnisses der öffentlichen Meinung bedurften". eie., Dom., 94: Ego vero etiam rei publicae
semper interesse putavi me illius pulcherrimifacti, quod ex auctoritate senatus consensu bo-
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nicht auf die gesamte Bevölkerung und erst recht nicht auf das Volk ab. Die boni sind Angehörige der herrschenden Schicht, die seinen politischen Standpunkt teilen, und ihre Zustimmung ist für ihn von Interesse, da das senatus consultum ultimum immer von der Elite beantragt, abgestimmt und durchgeführt wurde, ohne daß dabei auf die öffentliche Meinung, das heißt die Unterstützung der gesamten Bevölkerung Roms, Gewicht gelegt wurde. Trotzdem suchte man manches Mal sicherlich auch die Zustimmung des Volkes oder war wenigstens bemüht, die Maßnahme vor dem Volk zu rechtfertigen. Dieses Ziel verfolgte Cicero in den zwei Catilinariae, die er vor dem Volk vortrug und in denen er versuchte, ein günstiges Klima für sein Vorgehen gegen die Aufständischen zu schaffen. Dies bedeutet nicht, daß tatsächlich die Mehrheit der Bevölkerung diese außerordentliche Maßnahme als notwendig empfand und aktiv unterstützte. Im Fall der Verschwörung des Catilina muß trotz der Passivität der plebs urbana am Ende ernsthaft bezweifelt werden, ob es einen allgemeinen Konsens bezüglich der Verkündung des senatus consultum ultimum gab, dessen Realisierung letztendlich die Ursache für die anschließende Verbannung des ExKonsuls war. Die Tatsache, daß Cicero schon während seines Konsulats gelegentlich seine Handlungen rechtfertigte, zeigt, daß ein großer Teil der Bevölkerung sein Vorgehen mißbilligte. Der Prozeß gegen Rabirius, der eindeutig politisch motiviert war und im Jahre 63 - nahezu vierzig Jahre nach den Ereignissen, die den Prozeß auslösten - stattfand, macht deutlich, daß das Volk eher zur Ablehnung des senatus consultum ultimum als Gewaltmaßnahme neigte. Das ist gar nicht erstaunlich, wenn man bedenkt, daß derartige Senats beschlüsse gegen einige der populärsten und bei der plebs beliebtesten Politiker der Zeit, wie z.B. Saturninus, gerichtet wurden. Was das Exil betrifft, so hörte der Betroffene von jenem Zeitpunkt an, zu dem die Verbannung ausgesprochen wurde, für seine Zeitgenossen als Bürger zu existieren auf. Vor allem aber bedeutete es sein politisches Ende, da er nun nicht mehr persönlich in Senat und Volksversammlungen auftreten konnte, was seinen Einfluß auf die Ereignisse stark beeinträchtigte, sowie den Verlust seines Ansehens, da der Verbannung gewöhnlich eine intensive Verleumdungskampagne von seiten der Gegner des Politikers vorausging. Die Verbannung Ciceros verursachte in wesentlichen die Haltung des Clodius in contiones: Cicero zufolge nährte sein Opponent Tag für Tag die invidia gegen ihn, einerseits in den Volksversammlungen, in denen seine rogatio de capite civis Romani diskutiert wurde5t und zu
norum omnium pro salute patriae gessissem. Über die UnterstütZung Ciceros bei der Unterwerfung der Verschwörung Catilinas, siehe Plut, Cie., 22. 5ICic., Sest., 33; Pis., 14; P.red.Sen., 13; 17; Plut., Cie., 30-31; Cass.Dio, XXXVIll 16-17. Über die rogatio, Vorschlag, Abstimmung und Inhalt, siehe Moreau, La lex Clodia, passim.
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denen er angesehene Politiker einlud und um ihre Unterstützung warb, andererseits in den parallel dazu abgehaltenen Versammlungen52. Den Angaben Ciceros ist zu entnehmen, daß die Kampagne Erfolg hatte und daß die öffentliche Meinung für seine Bestrafung optierte, was sich in der Zustimmung zu der rogatio des Clodius niederschlug. Dies war nicht das erste Mal, daß sich ein römischer Politiker gezwungen sah, Rom unter solchen Umständen zu verlassen. Bereits im Jahre 123 hatte C. Gracchus eine lex de provocatione gegen P. Popillius Laenas, den Konsul des Jahres 132, eingebracht, der sich aktiv an der Niederschlagung der Anhänger seines Bruders beteiligt hatte. Um dem Prozeß und einer eventuellen Strafe zu entkommen, mußte Popillius ins Exil nach Nuceria gehen, bevor die rogatio verabschiedet wurde. Das über die Ermordung des Tiberius Gracchus bestürzte Volk war für die Reden seines Bruders zweifellos sehr empfanglich53 . Erst nach dem Tode des C. Gracchus konnte Popillius im Jahre 121 nach Rom zurückkehren. Laut Cicero war Popillius' Verbannung auf den durch invidia erzeugten Druck des Volkes zurückzuführen, und deshalb zieht er eine Parallele zu seinem eigenen Exil, wobei er das beiden widerfahrene Unrecht hervorhebt54 . Auch die Verbannung des Metellus Numidicus, ausgelöst durch die Kampagne des Tribuns Satuminus, nennt Cicero als Beispiel für Ungerechtigkeit gegenüber einem guten Bürger. Gruen rekonstruiert die Ereignisse wie folgt: Metellus weigerte sich, dem Agrargesetz des Tribuns Satuminus im Jahre 100 eidlich zuzustimmen. Daraufhin strengte dieser ein Gerichtsverfahren gegen ihn an, jedoch nicht vor einem iudicium publicum, sondern vor dem Volk, um die Dynamik zu nutzen, die in den vorangegangenen Jahren in zahlreichen Volksversammlungen entstanden war. Metellus vermied den Prozeß durch den Rückzug ins Exil, aus dem er im Jahre 99 zurückkehrte 55 . Es gibt keinen konkreten Beweis dafür, daß eine Kampagne ge-
Zur Verbannung Ciceros, vor allem aus juristischer Perspektive, Grasmück, Exilium, 110-127; ders., Ciceros Verbannung aus Rom, passim. 52Cicero behauptet, der populus Romanus sei ineitatus iraeundia aut invidia (Dom., 88) zum Verfechter seiner Verbannung geworden. Über contiones des Clodius gegen ihn, Cic., Sest., 39; 42-43; Plane., 96. Nicht zum ersten Mal stiftete Clodius das Volk in eontiones zu invidia gegen Cicero an, er hatte es schon zur Zeit des Skandals um die Bona dea getan: Cum ille (ClodiusJ ad eontiones confugisset in iisque meo nomine ad invidiam uteretur ... (Cic., Att., I 16,1). 53Wir kennen keine Einzelheiten der Geschehnisse. Von drei Reden des Gracchus gegen Popillius sind Teile bekannt Allerdings wurde nur eine dieser Reden mit Sicherheit vor dem Volk gehalten: Oecisitantur saepe oeciduntur. Sie C. Graeehus pro rostris in P. Popillium: homines ... oeeisitantur (Fest., p.218, 220 Lindsay). Vgl. Malcovati, ORF, I 184-185. Vgl. Gell., I 7,6; Plut., c.Gr., 4,1-3. Über die Verbannung des Popillius, siehe Grasmück, Exilium, 92-93. 54Cic., Cluent., 95; Dom., 82; 87; P.red.Sen., 37; P.red.Quir., 6. 55Cic., Cluent., 95. Nach Appian (B.C., I 28-32) verurteilte das Volk Metellus zu förmlicher und verschärfter Verbannung. Über die Verbannung des Metellus und den geschichtlichen Rahmen, siehe Gruen, The Exile, passim, und Grasmück, Exilium, 94ff., dem zufolge Metellus,
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gen ihn stattgefunden hatte, aber dies ist sehr wahrscheinlich, da Saturninus offenbar ein sehr aktiver Redner vor dem Volk war. Gmens Rekonstruktion ist im Zusammenhang mit dem von dem Tribun in comitia veranlaßten Prozess zu verstehen, dem mehrere Sitzungen in contiones vorausgegangen waren, in denen Satuminus die meiste Unterstützung gefunden hatte. Der Prozeß gegen P. Sestius, den Volkstribunen des Jahres 57, in dem dieser Cicero offen gegen die Angriffe des Clodius verteidigte und sich für seine Rückkehr aus dem Exil einsetzte, fand im Jahre 56 statt. Er wurde sowohl de vi belangt, da er sich während seines Tribunats einer persönlichen Wache bedient hatte, als auch de ambitu, wahrscheinlich in Zusammenhang mit seiner Wahl zum Tribun. Als Cicero nach seiner Rückkehr in die Urbs versuchte, Einfluß gegen Pompeius, Caesar, Crassus und Clodius geltend zu machen, stellte seine Rede zugunsten des Sestius eine Art Grundsatzerklärung dar. Darin legt Cicero seine politischen Anschauungen so deutlich wie in keiner anderen Rede offen. Vor allem in seiner Verteidigungsschrift versucht er wiederholt, die Unrechtmäßigkeit seiner Verbannung und die Umstände, die zu ihr geführt hatten, aufzuzeigen. Dabei benutzt er ähnliche Argumente wie in Post reditum ad Quirites, und greift diejenigen - vor allem Clodius -, die sein Exil provozierten, jene also, gegen die Sestius tapfer kämpfte, um nun dafür angeklagt zu werden, und deren Politik an. Diese seien homines seditiosi ac turbulenti, die Zwietracht und Konflikte in contiones heraufbeschwören, in denen sie so wenige Zuhörer anziehen könnten, daß sie die Anwesenden erkaufen müßten, was echte populares wie die Gracchen und Saturninus nicht nötig gehabt hätten56• Der Kampf Ciceros und seiner Anhänger hätte sich gegen Leute wie Clodius, Gabinius und Piso gerichtet, die durch ihre Taten die res publica und die optimi cives in Gefahr brächten57 . Im Gegensatz zu diesen sei Sestius ein guter quaestor und ein guter Volkstribun gewesen und habe seine Tätigkeiten immer in den Dienst der res publica gestellt58 . Auch Cicero selbst zog es vor, sich dem Clodius nicht zu widersetzen und stattdessen Rom zu verlassen, denn wenn er gestorben wäre, neminem umquamfore, qui auderet suscipere contra improbos civis salutem rei publicae. Indem er sich in Sicherheit gebracht habe, habe er den Staat zum zweiten Mal geret-
Popillius und Cicero ihre libertas nutzen, um Rom freiwillig zu verlassen und sich auf diese Weise der Justiz zu entziehen, um einer Gefllngnisstrafe oder dem Tod zu entgehen. 56Sest., 104-105: ... gravissimis seditionibus ac discordiis otium amplexatur, conductas habent
contiones ... Num vos existimatis Gracchos aut Satuminum aut quemquam Worum veterum, qui populares habebantur, ullum umquam in contione habuisse conductum? Nema habuil. 57 Sest., 2; 38. 58Sest., 31: ... omnia consilia P. Sesti mentemque totius tribunatus hanc fuisse, ut adflictae et perditae rei publicae, quantum posset, mederetur.
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tet59 • Und das, obwohl sich Cicero wie Sestius einer breiten Unterstützung von seiten der Bürger erfreute. Ciceros Sache sei die des Senats, des ordo equester, ganz Italiens, jedenfalls die der orrmes boni gewesen 60 . Um Cicero zu verteidigen, hätte sich im Capitolium eine incredibilis multitudo ex tota urbe cunctaque [taUa eingefunden61 . Kein Bürger, der integer oder bonus war, hätte sich jemals . die Reden des Clodius angehört, aber als der Konsul Lentulus eine Volksversammlung einberufen habe, um über Cicero zu sprechen, concursus est populi Romanifactus, orrmes ordines, tota in illa contione [talia constitit, und die Anwesenden hätten in stiller Anerkennung zugehört; diese sei keine contio conducta, sed vera gewesen62. Ebenso hätte die Gesamtheit des römischen Volkes (universus populus Romanus) während Sestius' Tribunat auf dessen Seite gestanden, wie bei Gladiatorenkämpfen deutlich geworden sei, die Sestius besucht habe und bei denen er sehr wohlwollend von den Anwesenden empfangen worden sei, die in so großer Zahl gekommen seien, wie man es weder in contiones noch in comitia je erlebt habe. Wo, so Cicero, waren dann diejenigen, die Volksversammlungen und Gesetzgebung in ihrer Gewalt hatten und die Bürger in die Verbannung trieben?63. Ciceros Argumentation gipfelt in der Schlüsselbotschaft an die Geschworenen, die folgendennaßen lautet: Zwischen populus Romanus und contio gäbe es eine Diskrepanz, so daß die domini contionum nur den Haß des wahren Volkes ernteten, während jene, die zu diesen Versammlungen nicht zugelassen seien, vielerlei Anerkennung vom Volk erhielten64 • Mit anderen Worten, die Feinde Ci59Sest., 49: Quis enim umquam me a senatu populoque ROmlmo tanto omnium bonorum studio non restituto, quod cer/e, si essem inter/ectus, accidere non potuisset, ul!am rei publicae par/em cum sua minima invidia auderet attingere? Servavi igitur rem publicam discessu meo, iudices ... unus bis rem publicam servavi, semel gloria, iterum aerumna mea. 60Sest., 36; 38. 6lSest., 26. In diesem Abschnitt benützt Cicero das Wort multitudo, um die Anwesenden dieser contio zu bezeichnen, aber hier hat es keine negative Implikation, wie das bei den Versammlungen seiner Gegner der Fall ist (vgl. 125: innumerabilis hominum multitudo). Andererseits verwendet er das Verb convenire, nicht concitare, weil die Bürger, die kommen, um seine eige· nen Reden zu hören, dies spontan tun, ohne daß ihre Anwesenheit erkauft werden müßte.
62Sest., 106-107. 63Sest., 124·125: Tantus est ex omnibus spectaculis usque a Capitolio, tantus ex fori cancellis plausus excitatus, ut numquam maior consensio aut aper/ior populi Romani universi fuisse ulla in causa diceretur. Ubi erant tum illi contionum moderatores, legum domini, civium expulsores? 64Sest., 127: Videtisne igitur, quantum inter populum Romanum et contionem? dominos contionum omni odio populi notari; quibus autem consistere in operarum contionibus non liceat, eos omni populi Romani significatione decorari? Diese domini contionum sind die gleichen, qui incitarunt aliquando populi animos ud seditionem, aut qui largitione caecarunt mentes imperitorum, aut qui fortis et daros viros et bene de re publica meritos in invidiam aliquam vocaverunt (139. Vgl. 140). Aber das Volk (nostri homines) hielt sie immer für audaces et malos et pemiciosos cives (139). Der Volkstribun des Jahres 59, C. Alfius Ravus, vir bonus et innocens, scheiterte gerade wegen seiner falschen Annahme, die Zuhörerschaft in contiones bilde der populus Romanus (114).
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ceros, der boni und der res publica erhielten ihre alleinige Unterstützung in contiones und durch operae, ihr Erfolg beim verus populus Romanus bliebe jedoch aus 65 • Die Anwesenden in den Versammlungen seiner Feinde seien bestochen worden, und ihre Meinung verdiene keine Beachtung (sie seien imperiti und conducti), denn der verus und universus populus Romanus sei immer auf der Seite Ciceros sowie detjenigen gewesen, die ihn wie Sestius verteidigt hatten. Mit der Herabwürdigung der contiones bezweckte Cicero, alle Beschuldigungen, die in diesen Volksversammlungen gegen ihn und gegen seinen Klienten erhoben worden waren, zu entkräften. Während der gesamten Rede identifiziert er sich mit Sestius66 . Dieser habe immer wie ein guter Bürger gehandelt, und infolgedessen müsse sein Freispruch als Sieg der boni über die improbi, als Ablehnung deren politischer Strategie und der von contiones aus in Gang gesetzten Volksmobilisierung gewertet werden 67. Was die politischen Prozesse betrifft, so ging manchmal der Anklage einer Person eine heftige Kampagne in contiones voraus, was schließlich nicht nur den Prozeß, sondern auch die Verurteilung notwendig nach sich zog68. Nach der Ermordung des Clodius im Januar 52 kam es zu einer der heftigsten Aktionen der späten Republik. Veranlaßt wurde sie von den Volkstribunen T. Munatius Plancus und Q. Pompeius Rufus sowie in geringerem Maße von C. Sallustius Crispus, dem späteren Geschichtsschreiber. Ihr Ziel war es, den geistigen Urheber des Mordes, Milo, den Cicero verteidigte, vor Gericht zu bringen. Die politische Strategie des Clodius wurde von dessen Anhängern in täglich stattfindenden con-
65Cicero verdeutlicht dies mit der Feststellung, der Praetor Ap. Claudius werde, obwohl er jeden Tag zu den Spielen gehe, im Gegensatz zu Sestius nie beachtet. Als jedoch Claudius in einer contio die Anwesenden befragt hätte, ob sie die Rückkehr Ciceros wünschten, hätten seine mercennarii Nein geschrien, was Claudius als die Meinung des römischen Volkes dargestellt hätte (126). Andererseits bezeichnet Cicero die Zuhörerschaft als verus populus, die Clodius auf den Marsfeld Gehör schenkte, also diejenigen, die später in den comitia centuriata der rogatio zustimmten, die Cicero erlaubte, aus seinem Exil zurückzukehren. Seiner gewohnten Zuhörerschaft beraubt, war Clodius gescheitert; seine Überzeugungskraft nützte ihm nur in contiones conductae (108. Vgl. Dom., 89-90). 66Cicero stellt sein eigenes Schicksal als mit dem des Sestius so eng verbunden dar, daß er seine Rede mit folgenden Worten beendet: Quare vos obtestor atque obsecro, ut, si me salvom esse
voluistis, eos conservetis, per quos me recuperavistis (147). Vos hoc iudicio omnium bonorum mentes conjirmare, improborum reprimere potestis, vos his civibus uti optumis, vos me rejicere et renovare rem publicam. 68Wir wissen, daß Nigidius Figulus gegen Ende des Jahres 60 in contiones ein Gerichtsverfahren gegen den Konsul des Jahres 63, C. AnlOnius Hibrida (Cie., Att., 11 2,3), anregte und daß Ci-
67Sest., 147:
cero im Jahre 66 in einer Volksversammlung kundgab, es sei nicht der richtige Zeitpunkt, den Prozeß gegen Faustus Sulla zu führen, da seiner Ansicht nach im Volk eine zu starke Agitation festzustellen sei, die das Urteil der Geschworenen beeinflussen könnte. Er verlangte eine Vertagung des Gerichtsverfahrens, zu der es dann auch tatsächlich kam (Ascon., In Comel., 64 C. Vgl. MarshalI, Asconius, 253).
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tiones fortgesetzt, in denen von Mal zu Mal mehr versucht wurde, das Volk gegen Milo und Cicero aufzuwiegeln69 • Anfangs zog es Milo vor, die Urbs zu verlassen, da die Stimmung ihm gegenüber feindselig war und sich durch die Niederbrennung der Curia bei der Leichenfeier des Clodius noch verschlechtert hatte. Später entschloß er sich jedoch zurückzukehren, um persönlich in einer Volksversammlung aufzutreten. Seine Absicht war es, auf die gegen ihn gerichteten Anschuldigungen zu reagieren und so die Öffentlichkeit günstiger zu stimmen, bevor sie sich unwiderruflich gegen ihn wandte. Dazu bediente er sich der Hilfe eines Volkstribuns, des M. Caelius Rufus, der eine contio für ihn einberief und darin selbst eine Rede zugunsten Milos hielt70• Milo rechtfertigte sich, indem er Clodius angriff: Clodius habe seine Ermordung geplant, und er selbst habe in Notwehr gehandelt. Dieses Argument benutzte später auch Cicero bei der Verteidigung Milos. Laut Asconius ging Milo sogar so weit, die Bevölkerung zu bestechen, um den Gerüchten, die in der Urbs gegen ihn zirkulierten, ihre Wirkung zu nehmen71. Wie dem auch sei. einige Monate nach der Ermordung des Clodius war die Stimmung im Volke immer noch gegen Milo eingestellt, und ein Prozeß wurde unvermeidlich. Während des Gerichtsverfahrens gingen die Invektiven gegen ihn in contiones weiter. Nach einer der Sitzungen rief der Volkstribun Munatius Plancus eine Versammlung ein, in der er die Anwesenden dazu aufrief, die folgende Sitzung zu besuchen, um ihre Meinung kundzugeben72. Unter diesen Umständen war ein Freispruch des Angeklagten ohne die Gefahr eines Tumults undenkbar,
69 19. Januar: Ascon., In Mil., 29 c.: Ibi pro contione Plancus et Pompeius qui competitoribus Milonis studebant invidiam MiloniJecerunt; CassDio, XL 49,1; Schol.Bob., In Mil. 12; 23. Januar: Ascon., In Mil.• 45 C.; zwischengeschalteter Monat: Ascon., In Mit .• 45 C.: ... tres tribuni ... cum cotidianis contionibus suis magnam invidiam Miloni propter occisum Clodium excitarent ... ; März: Ascon., In Mil., 32 C.; 33 C.: ... Q. Pompeius et C. Sa/lustius et T. Munatius Plancus tribuni plebis inimicissimas contiones de Milone habebant, invidiosas etiam de Cicerone, quod Mitonem tanto studio deJenderet; Cic., Mil., 12; Schol.Bob., In Mit., 12. Eine Studie der Vorfälle zwischen dem Tod des Clodius und dem Urteil Milos findet sieh bei Ruebel. Trial of Milo, passim; Lintott, Cicero and Milo, passim; Dupont, L'affaire Milon, passim. 70 Ascon., In Mil., 29 C.: Contionem ei post aliquot dies dedit M. Caelius tribunus plebis atque ipse etiam causam egit ad populum. Dicebant uterque Miloni a Clodio Jactas esse insidias. Die Konjektur Clarks, der atque ipse durch ac Cicero ipse ersetzt, elWeist sich als unnötig. Es ist unwahrscheinlich, daß Cicero in dieser Versammlung auftrat, da er dies nicht elWähnt, als er von ihr spricht: Caedi vidistis populum Romanum, contionem gladiis disturbari, cum audiretur silentio M. Caelius tribunus plebis ... (Cie., Mit., 91). Vgl. Cic., Brut., 273; App., B.C., II 22. Appian behauptet, Milo habe Caelius' Unterstützung erkauft, aber der Tribun hätte persönliche Motive gehabt, um gegen Clodius und dessen Anhänger zu handeln, da er im Jahre 56 von Clodius angeklagt worden war (Cie., Q.fr., II 12,2), was ihre Feindschaft erklärte. Über diesen Text siehe Marshali, Aseonius, 171. 71Aseon., In Mil., 30 C. 72Ascon., In MiI .• 35 C.; 37 C.; 46 C.; Cie., Mil., 3; 71.
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und so ging Milo ins Exil nach Massilia. Die Kampagne ging erfolgreich zu Ende, und es zeigte sich, daß die Volksmeinung nicht ignoriert werden konnte. In seiner Rede zur Verteidigung Milos73 stellt sich Cicero - wie bereits zuvor in Pro Sestio - gemeinsam mit dem Angeklagten auf die Seite der boni gegen die perditi und die improbj14. Diese hatten in Volksversammlungen eine Verleumdungskampagne gegen Milo gestartet, die nun Cicero in seiner Rede widerlegt75 • Ihm zufolge hatten außer vier oder fünf inimici die Senatoren Milo unterstützt. Er war sicher, daß sich vor Gericht die Wahrheit durchsetzen würde, so daß weder salus noch gloria seines Klienten in Gefahr seien76 • Iudicia und Senat bedeuteten somit die Rettung der boni, im Gegensatz zu den contiones, in denen ihre Feinde agierten. Die Geschworenen sollten bedenken, daß, lebte Clodius noch, ihr Leben und ihr Besitz in Gefahr wären und daß somit sein Tod nicht nur für die res publica im allgemeinen, sondern auch für omnes boni einen Vorteil bedeutete77 . Wenn also dessen Tod vollkommen gerechtfertigt war, so müßte Milo entlastet werden - die Geschworenen dürften dem Druck von seiten der Volksversammlungen nicht nachgeben und sollten Milo freisprechen 78.
Invidia und Volksversammlungen in Pro Cluentio Eine Rede Ciceros vor einem iudicium publicum, nämlich Pro Cluentio, illustriert die Handlungsabläufe, die aus Ciceros Sicht eine contio zu einem locus invidiae machen. Quintilians Aussage, Cicero habe sich damit gebrüstet, die Geschworenen im Prozeß gegen Cluentius verwirrt zu haben, erstaunt nicht79. Letzterer war von 73Einer cicerofeindlichen Tradition zufolge hat dieser die Rede aus Angst vor der Gewalt der Clodianer zumindest ohne die Ansprache, die er für diesen Anlaß geschrieben batte. also nicbt in der heute überlieferten Form. gehalten. obwohl der Ort von den Truppen des Pompeius geschützt war (Plut., Cie., 35,4; Cass.Dio, XL 54,2. Vgl. Will, Der römische Mob. 109: Die überlieferte Rede Pro Milane sei "ein akademisches Produkt"). Asconius ist zu entnehmen. daß Cicero sehr wohl vor Gericbt gesprocben habe. aber von den Schreien der Clodianer unterbrochen worden sei. Marshall. Excepta oratio. passim; Settle, Trial of Milo. passim; Stone, Pro Milone, passim, vermuten. dap es im Altertum zwei Reden mit dem Titel Pro Milone gegeben hat, eine, die während des Vortrags mitgeschrieben wurde. und eine weitere. die von Cicero publiziert wurde. Zum Prozeß gegen Milo siehe Dupont, L'affaire Milon. 261-270. 74Cic .• Mi/.. 5: (Milo) semper pro bonis contra improbos senserat. Vgl. 12. 75Mil.• 5: Equidem ceteras tempestates et procellas in illis dumtlIXilt jluctibus contionum semper putavi Milani esse subeundas ... ; 7: ... videntur ea mihi esse refutanda quae et in senatu ab
inimicis saepe iaetata sunt et in contione ab improbis et paulo ante ab accusatoribus '" 76Mil.• 5: ... in iudieio vero ... in quo ex eunetis ordinibus amplissimi viri iudicarent '" Vgl. 7; 12.
77Mil., 30-31; 78. 78Mil .• 71. 79Quint., Inst.orat.• 1l17,21: Nec Cicero, cum se tenebras ojJudisse iudicibus in causa Cluenti gloriatus est, nihil ipse vidit. Zur Rede Ciceros. insbesondere zu rhetorischen und juristischen Fragen. siehe Classen, Recht, Rhetorik .... 15-119; Stroh, Taxis und Taktik. 194-242; Kirby. Rhetoric of Pro Cluentio. passim.
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dem jungen Oppianicus beschuldigt worden, dessen Vater vergiftet zu haben. Der Prozeß fand im Jahre 66 statt. In seiner Verteidigungsrede sprach Cicero allerdings sehr wenig über diese Beschuldigung; stattdessen widmete er drei Viertel seiner Rede dem sogenannten iudicium Iunianum. Dieser Prozeß hatte im Jahre 74 stattgefunden, und Cluentius war darin der Ankläger des Vaters des Oppianicus gewesen, der schließlich schuldig gesprochen wurde. Damals war der Verdacht aufgekommen, die Geschworenen seien bestochen worden. Daraufhin startete L. Quinctius, der Verteidiger des Oppianicus und Volkstribun des Jahres 74, in contiones eine Kampagne der Volks agitation gegen Iunius, den Vorsitzenden des Gerichts, sowie gegen andere am Prozeß Beteiligte. Vor dem Hintergrund dieser Ereignisse bot Cicero seine ganze Beredsamkeit auf, um seine Zuhörer zu überzeugen, daß Oppianicus in Wirklichkeit ein Verbrecher gewesen und somit zu Recht - und nicht etwa wegen der Bestechung der Geschworenen - verurteilt worden sei. Mit einer Reihe von Argumenten versuchte er zu beweisen, daß die in der öffentlichen Meinung anscheinend fest verankerte Ansicht, Cluentius sei korrupt, falsch sei. Die These Ciceros, auf die er immer wieder zurückkommt und mit der er seine Rede beendet, besagt, daß alles bloß in contiones Erfundenes Gerede sei. In diesen werde invidia gegen den Senat und gegen gute Bürger wie beispielsweise gegen diejenigen, die ihm in diesem Moment als Geschworene zuhörten, genährt. Glücklicherweise verfüge man in Rom über iudicia publica, in denen Recht und Wahrheit herrschten, um die in Volksversammlungen verübten Ungerechtigkeiten auszugleichen. Nachdem nun die Geschehnisse bekannt sind, können wir die Argumente und die Sprache Ciceros unter die Lupe nehmen. Zu Beginn seiner Rede erklärt der Autor, er werde seine Ausführungen genau wie der Ankläger in zwei Teile gliedern: in einen wollte er die invidia gegen das iudicium Iunianum erörtern, im anderen auf die Vergiftung, deren Cluentius bezichtigt wurde, eingehen 8o• Die Debatte zwischen Ankläger und Verteidiger sei einem gesetzlich festgelegten Gericht eigen, während die invidia in den gemäßigten Gelichten undenkbar, dafür aber in den aufrührerischen Volksversammlungen zu beobachten sei 81 • Er versucht, den Geschworenen eine Vorstellung zu vennitteln, die den weiteren Verlauf seiner Rede prägt: Wenngleich in diesem Prozeß nur Cluentius Gefahr drohe, sei die invidia eine causa communis, und niemand könne ihr entgehen ohne die Hilfe von Leuten, wie sie ihm gerade zuhörten82 • 80Cluent., 1: Itaque mihi cenum est hanc eandem distributionem invidiae et criminum sie in defensione servare. 81 Cluent., 2: ... quae eontionibus seditiose coneitatis aecommodatior est quam tranquillis moderatisque iudieiis ... 82Cluent., 3: Agitur enim in criminibus A. Cluenti proprium perieulum, in invidia causa communis ... Nemo est enim qui invidiae sine vestro ae sine talium virorum subsidio possit resistere. Cluentius sei ein eques, und seit dem Jahr 70 seien die Geschworenen Senatoren, Rit-
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Cicero räumt ein, es sei nicht zu leugnen, daß so viel von der angeblichen
infamia iudicii corrupti gesprochen worden sei, daß sie sich in der opinio fest verankert habe. Er nimmt jedoch eine deutliche Abstufung der Bereiche vor, in denen diese infamia entstanden ist: Negem esse Wam rem agitatam in contionibus, iactatam in iudiciis, commemoratam in senatu? So sei einefama calamitosa zustande gekommen, die allein die Geschworenen zu beseitigen vermöchten, bevor diese gefährliche Flamme einen großen Brand auslöse, von dem sie selbst betroffen sein könnten83 . Er fährt mit einer abwertenden Beurteilung der contiones fort, in denen die falsa invidia siegen könne, da das Gesagte von den Anwesenden, den imperiti, geglaubt werde. Aus den iudicia jedoch, deren Geschworene sich durch Klugheit und Umsicht auszeichneten, müsse die invidia verbannt werden84 • Daher fordert er die Geschworenen auf, jede vorgefaßte Meinung über den Angeklagten zu vergessen und seine Argumentation bis zum Ende zu verfolgen85. Nachdem er die ganzen Geschehnisse der invidia zugeschrieben hat86 - dem Begriff, der in der Rede am häufigsten gebraucht wird -, wählt er eine andere Argumentation für die Verteidigung des Cluentius. Durch sie versucht er, die Geschworenen zu überzeugen, Oppianicus, der Vater, sei eine pemiciosa bestia und eine pestis gewesen, die unzählige Verbrechen begangen und die Vergiftung des Cluentius geplant habe. Dieser habe ihn nur deshalb vor Gericht gebracht, weil sein eigenes Leben bedroht gewesen sei. In jenem Gerichtsverfahren sei Oppianicus nicht wegen der falsa invidia oder Korruption, sondern weil genügend Beweise gegen ihn vorlagen, verurteilt worden. Wenn jemand ein Motiv gehabt habe, das Gericht zu bestechen, so sei es nicht Cluentius, sondern Oppianicus gewesen. Dieser sei sich seiner Strafe gewiß gewesen und habe es deshalb mit Korruption versucht, jedoch ohne Erfolg87• Daraufhin habe der Volkstribun Quinctius, ein auf die Volksgunst versessener Mann, der sich jeden Wind der Stadtgespräche und Volksversammlungen zunutze zu machen pflegte, die Situation genutzt, um in zahlreichen Reden vor dem Volk, in denen er die Richter beschuldigte, Geld für die Verurteilung eines Unschuldigen angenommen zu haben, die Mißstimmung gegen die Senatoren zu
ter und tribun; aerarii, also Männer, die den gleichen oder einen höheren sozialen Status als Cluentius hätten. Vgl. Kirby, Rhetoric of Pro Cluentio, 58. 83Cluent., 4: ... quasi in aliqua pemiciosissima flamma atque in eommuni ineendio subvenire. 84Cluent., 5: ... sie in hoc loeojalsa invidia imbeeilla esse debet; dommetur in eontionibus. ia-
eeat in iudiciis; valeat in opinionibus ae sermonibus imperitorum, ab ingeniis prudentium repudietur ... 85Cluent., 6. 86Cluent., 7-9. 87Cluent., 9-76.
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schüren 88 • Indirekt erkennt Cicero die Wirksamkeit der contiones als Mittel Zur Bildung einer bestimmten öffentlichen Meinung an. Schließlich hatte Quinctius ja erreicht, daß seine Zuhörer glaubten, ein Unschuldiger sei zu Unrecht bestraft worden. Das führte zu einem zunehmenden 'Drängen nach Wiederaufnahme des Falles. Quinctius erzeugte eine solche invidia und infamia gegen das Gericht, daß dessen Vorsitzender, C. Iunius, der im Jahre 75 Ädil gewesen war und von dem 'man schon als vom zukünftigenPraetor sprach, wegen der Klagen des Volkes von einer Fortsetzung seines cursus honorum Abstand nehmen mußte 89. Obwohl die Praetoren in den von der Elite kontrollierten comitia centuriata gewählt wurden, konnte die Bildung einer unvorteilhaften Meinung einen Politiker zwingen, sich aus der Politik zurückzuziehen. Ein anschauliches Beispiel ist die vermeintliche moralische Verwerflichkeit des Iunius. Sie ist die Ursache dafür, daß von Iunius nach dem Jahr 74 kein öffentliches Amt bekannt ist Cicero betont, Iunius sei nur deshalb abgeurteilt worden, weil die öffentliche Meinung es so wollte. Seine Verurteilung sei eher politisch als gesetzlich begründet, da er der invidia und den contiones des Quinctius preisgegeben gewesen sei. Quinctius habe ihn in Volksversammlungen wie vor Gericht angeklagt und parallel zum Gerichtsverfahren eine politische Kampagne gegen ihn geführt. Laut Cicero sei er im Anschluß an eine contio gleich vor Gericht gegangen und habe sich dabei von seinen Zuhörern begleiten lassen, die wie in einem Theater die gradus Aurelii besetzten. So hätten diese concitati homines niemandem erlaubt, zugunsten des Angeklagten zu sprechen, da sie Druck auf die Geschworenen ausübten, um die Verurteilung des Iunius zu erzwingen9o., Im weiteren Verlauf der Rede berichtet Cicero von der Gefahr, die die contiones "für jeden von uns" (uni cuique nostrum) bedeuten, da in ihnen invidia er88Cluent., 77: Condemnato Oppianico statim L, Quinctius, homo milXime popularis qui omnes rumorum et contionum ventos colligere consuesset, oblatam sibi facultatem putavit ut ex invidia senatoria posset crescere, quod eius ordinis iudicia minus iam probari populo arbitrabatur. Habelur una atque altera contio vehemens et gravis: accepisse pecuniam iudices, ut innocentem reum condemnarent, tribunus plebis c/amabat ... ; 90: Est haec opinio. Später bezeichnet Cicero Quinctius als acerbus, criminosus, popularis homo ac turbulentus (94). 89Cluent., 79: L. Quinctius, homo cum summa polestate tum ad inflammandos animos multitudinis accommodatus, summam illi iudicio invidiam injamiamque esse conflatam. Atque in hanc flammam recentem tum C. Iunium, qui illi quaestioni praefuerat, esse iniectum memini, et i/lum hominem aedilicium, iam praetorem opinionibus omnium constitutum, non disceptalione dicendi, sed clamore hominum de foro atque adeo de civitate esse sublatum Später werden die Umstände der Strafe des Iunius erklärt, die nicht auf Korruption, sondern auf einen Formfehler zurückzuführen war - er hatte den Schwur nicht in legem geleistet und deshalb eine Geldbuße erhalten (90-91). 90Cluent., 93: Quia tum in causa nihil erat praeter invidiam, errorem, suspicionem, contiones
cotidianas seditiose ac populariter concitatas. Accusabat tribunus pie bis idem in contionibus, idem Gd subsellia: Gd iudicium non modo de contione, sed etiam cum ipsa contione veniebat. Gradus illi Aurelii turn novi quasi pro thealro illi iudicio aedijicati videbantur: quos ubi accusator concitatis hominibus comp/erat, non modo dicendi ab reo, sed ne surgendi quidem potestas erat.
Invidia W1d Volksversammlungen
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zeugt werde. Der Grund dafür sei die vis tribunicia, und allein die Geschworenen könnten mit ihrer sapientia diese den boni drohende Gefahr abwenden. Cicero stellt also die iudicia als Zufluchtsort der boni dem Konglomerat aus tribuni plebis, contiones, invidia und seditio entgegen. Als Beispiele für die Folgen solcher Handlungsweisen nennt er die Verbannung des von C. Gracchus angegriffenen Popillius und das von Satuminus veranlaßte Exil des Metellus; beide Opfer seien clarissimi viri atque amplissimi gewesen91 • Weiter werden die von Quinctius herbeigeführten Prozesse gegen andere Geschworene, die im iudicium gegen Oppianicus der Bestechlichkeit beschuldigt wurden, aufgezählt. Sie seien iniqua, falsa, turbulenta, popularia, seditiosa iudicia92, und wie im Fall des Iunius spricht Cicero auch von einer parallelen Kampagne des Quinctius gegen die Geschworenen in Volksversammlungen. Er behauptet, über Fidiculanius Falcula sei zweimal gerichtet worden, in einem gewaltlosen Prozeß, in dem er freigesprochen wurde, und in täglichen Volksversammlungen, in denen Aufruhr und Empörung herrschten93 . Laut Cicero war die Demagogie des Quinctius die Ursache dafür, denn als dieser Tage später sein Amt abgab und sich ins Privatleben zurückzog, seien die Volksunruhen abgeklungen 94• Die Voreingenommenheit der Öffentlichkeit gegen das iudicium Iunianum hatte aber dennoch zur Folge, daß die Censoren einige der Geschworenen der Korruption bezichtigten und mit einer Rüge bedachten95 • Cicero fragt sich, was die Censoren wohl zu diesem Verhalten bewogen habe, und antwortet, sie hätten den ventus popularis und den plausus popularis vernommen und dem Gerücht Glauben geschenkt, demzufolge diese Geschworenen in contiones schon vor dem Prozeß vom Volk für schuldig befunden worden seien, obgleich es keine Beweise
91Cluent., 95: Quam quidem ratinnem vos, iudices, diligenter pro vestra sapientia [et humanitate] cogitare et penitus perspieere debetis, quid maU. quantum perieuli uni cuique nostrum inferre possit vis tribunicia eoriflata praesertim invidia et contionibus seditiose eoncitatis. Optimis hereule temporibus. tum eum homines se non iactatione populari sed dignitate atque innocentia tuebantur. tarnen nee P. Popillius neque Q. MeteUus clarissimi viri atque amplissimi vim tribuniciam sustinere potuerum. An anderer Stelle, als erneut vom Prozeß des Iunius die Rede ist, bringt er seditio W1d vis multitudinis, also eontio mit impetus tribunicius in VerbindWig (103).
92Cluent .• 113. 93Cluent .• 103: ... L Quinctius invwiam contionibus eum cotidianis seditiosis et turbulentis adduxerat; vgl. 113. 94Cluent., 108: Paucis enim diebus illis et ipse privatus est factus et hominum studia defervisse intellegebat. Das römische Volk sei naturgemäß friedliebend, könne aber durch die Worte aufrührerischer Personen beunruhigt werden: ... sic populum Romanum sua sponte esse placatum, hominum seditiosorum vocibus ut violentissimis tempestatibus concitari (138); ... ex hominum rumore proferrem, istam rem, quae tam populariter esset agitata, praeterire non potui (139).
95Cluent.• 119: Video igitur, iudiees. animadvenisse eensores in iudices quosdam illius eonsili Iuniani. cum istam ipsam causam subseriberent.
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4. Conlio locus invidiae est
gegeben habe 96 . Hinzu kam, daß die Gerichte sehr unbeliebt geworden waren_ magna invidia hatte sich breit gemacht -, und erst im Jahre 70 traten ihnen die Ritter wieder bei. Damit gaben die Censoren zu verstehen, daß sie die iudicia von jedem Verdacht der Korruption entlasteten. Wie bereits im Falle des Iunius und der vermeintlich bestochenen Geschworenen erwies sich die Rüge der Censoren aJs Fehlentscheidung; denn sie richtete sich gegen ehrwürdige Männer. Dieses Urteil war von der öffentlichen Meinung erzwungen worden, die in contiones in einer ungebildeten multitudo auf irrationale Weise und ohne glaubwürdige Beweise entstanden war. Zum Schluß gibt Cicero zu bedenken, daß sogar der senatus universus die Korruption im iudicium Iunianum für wahr gehalten hat. Seine Erklärung für diese Ungerechtigkeit der Senatoren ist wieder die gleiche: Der Senat hat die Überzeugung der multitudo, ein Unschuldiger sei von korrupten Geschworenen unrechtmäßig verurteilt worden, nicht ignorieren können, ohne dabei die res publica zu gefahrden. Gegen den ganzen ordo senatorius sei invidia erzeugt worden, so daß dieser davon ausgehen mußte, die angebliche Korruption habe tatsächlich existiert97• Erst nach diesem weitläufigen Exkurs über den Prozeß aus dem Jahr 74 und dessen Folgen kommt Cicero auf die Anklage gegen Cluentius im gerade stattfindenden Gerichtsverfahren zu sprechen. Er beendet seine Rede in Übereinstimmung mit seiner Argumentation mit folgenden Worten: Vt omnes intellegant in contionibus esse invidiae locum, in iudiciis veritatj98. In dieser Rede argumentiert Cicero wie in Pro Sestio und in Pro Milone; seine Beweisführung kann wie folgt zusammengefaßt werden: Eine Idee, die in contiones entstehe und verbreitet werde, also an einem Ort; der für gute Bürger gefährlich sei und an dem ungebildete Leute anwesend seien, dürfe nicht als Beweismittel berücksichtigt werden. Cluentius sei ein ehrwürdiger Mann, und damit sollten sich die Geschworenen auseinandersetzen. Dabei müßten sie beachten, daß es für sie als Angehörige der Elite gefährlich sei, dem Gerede Glauben zu schen-
96Cluent., 130: Verum omnes intellegimus in istis subscriptionibus ventum quendam popularem esse quaesitum. lactata res erat in contione a tribuno seditioso: incognita causa probatum erat illud multitudini; 131: ... ex tota ista subscriptione rumorem quendam et plausum popularem esse quaesitum. 97 Cluent., 136: At enim senatus universus iudicavit illud corruptum esse iudicium Quo modo? ... An potuit rem delatam eius modi repudiare? cum tribunus pie bis populo concitato rem paene ad manus revocasset, cum vir optimus et homo innocentissimus pecunia circumventus diceretur, cum invidia jlagraret ordo senatonus, potuit nihil decemi? Über die invidia gegen den Senat: Nunc in ipso discrimine ordinis iudiciorumque vestrorum, cum sint parati qui contionibus et legibus hanc invidiam senatus injlammare conentur (Ge., Verr., I 1,2). 98Cluent., 202. Davor hatte er erneut betont, die invidia dürfe sich in den Gerichten nicht durchsetzen: Orat vos Habitus, iudices, et jlens obsecrat, ne se invidiae, quae in iudiciis valere non debet ... (201).
Cicero und die contiones
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ken, das aus Volksversammlungen stamme, da sich eines Tages diese Verleumdungen gegen sie selbst richten könnten. Die invidia wird als Gefahr für alle boni dargestellt, als causa communis (34). Diese entstehe in contiones (2, 5,202), denen imperiti beiwohnten (5), eine multitudo (79, 103, 108, 110, 130, 136), die concitata sei (2, 90, 93, 95, 108, 136,138). In contiones herrsche vor allem die vis tribunicia (95), und die Volkstribunen träten darin populariter auf (agere oder agitare) (93, 134, 139), so daß die contiones turbulentae (103) und seditiosae seien (2, 93, 95, 103, 138). Aus diesen Gründen könne von einer contio nur iniquitas ausgehen (80, 113). Anschauliche Beispiele für die verderbliche Wirkung von invidia und rumor seien der Prozeß des lunius (93), die nota censoria (130), die Verurteilung durch den Senat (136) und die Anklage anderer Geschworener - vor allem die Beschuldigung des Fidiculanius Falcula (103, 113). Sowohl die iudicia publica (130) als auch der Senat (77) und der ordo senatorius (136), kurzum alle Angehörigen der Elite, seien Opfer der gegen sie gerichteten invidia. Ebenso habe Cluentius' Ruf jahrelang unter invidia (1, 7, 8, 9,134) oder falsa invidia (200,201) gelitten. Cluentius könne von dieser invidia allein in den iudicia befreit werden (3, 5, 201), die sich durch moderatio (2), dementia (202), dignitas (202), aequitas (81, 156, 159, 199,200, 202),jides (81, 159), sapientia (159) und prudentia (5) auszeichneten. In den iudicia herrsche schließlich veritas (200, 202). Oppianicus sei zu Recht und nicht aufgrund von invidia (61) verurteilt worden, da es Beweise gegen ihn gegeben habe. Cluentius hingegen müsse freigesprochen werden, da gegen ihn kein Beweis, sondern nur invidia (202) vorläge.
Cicero und die contiones Wie wir bereits festgestellt haben, verurteilt Cicero in seiner Korrespondenz sowie in den Reden vor Gericht die contiones und deren Teilnehmer aufs schärfste. Sein Urteil hängt allerdings immer von der Person des Redners ab. Wenn er selbst oder ein bonus der Redner ist, also jemand, der seine Ansichten teilt, bezeichnet Cicero die Versammlung als maxima, gravis,praeclara, honestissima, magna, celeberrima, vera oder gratissima99 • In diesen Fällen sind die Teilnehmer
99Maxima: die vierte und sechste Philippica (Fam., XI 6,3; Phil., XIV 16); De lege agraria n (Leg.agr., n 103); eine Versammlung, die von Crassus, dem Censor des Jahres 92, einberufen wurde (De orat., 1225); gravis: die für die res publica vorteilhaften Reden des M. Caelius Rufus, des Volkstribuns des Jahres 52, (Brut., 273). Allerdings wird gravis auch mit pejorativer BedeulUDg als Bezeichnung einer contio des L. Quinctius verwendet (Cluent., 77); praeclara: die Rede des Dolabella im Mai des Jahres 44 (AU., XIV 20,2); hollestissima: jene des VoIkstribuns Ti. Cannutius gegen M. Antonius im Jahre 44 (Phii., ru 23); vera: jene des LentuIus zugunsten Ciceros (Sest., 106); magIla: Ciceros Reden während seines Konsulats (Phil., VI 18); celeberrima und gratissima: jene des P. LeDlulus und des Cn. Pompeius zugunslen der Rückkehr Ciceros aus der Verbannung (Pis., 34).
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4. Contio locus invidiae est
Bürger (cives), der verus populus Romanus, der universus populus Romanusu)O. Die Bürger eilen in bis dahin noch nie dagewesener Zahl aus ganz Italien herbei (tota oder cuncta Italia)lOl und hören respektvoll der Rede zu 102. Sie nehmen nicht nur freiwillig an diesen Versammlungen teil, sondern fordern auch das Auftreten eines Redners 103 : Wenn der Redner ein Gegner der boni ist, wird die conno geringschätzig als turbulenta, misera, horribilis, tumultuosa usw. bewertet104 ; diese contiones conductae bestehen angeblich hauptsächlich aus bestochenen Zuhörern. Diese Unterstellung hat zum Ziel, die in solchen contiones vorgebrachten Proteste abzuschwächen, womit Cicero implizit andeutet, seine politischen Rivalen könnten kein breites Publikum für ihre Reden begeistern 105 • Den Volksversammlungen vonperditi und seditiosi wohne nur die plebs bei, eine multitudo, die unkultiviert und dumm seP06, die sich aggressiv verhalte, schreie und den Redner unterlOOCives: eine Versammlung des Crassus (De orat., I 225); unus populus Romanus: die sechste Philippica (Phil., XIV 16); universus populus Romanus: eine Versammlung, in der Cicero bei der Niederlegung seines Konsulats einen Eid ablegte und das Volk diesen Schwur mitsprach
(Pis., 7). 101Phil., IV 1: Frequentia vestrum incredibiles, Quirites, contioque tanta quantam meminisse non videor ... (ebenso in Phil., VI 18); Sest., 125: Equidem existimo nullum tempus esse frequentioris populi quam illud gladiatorium, neque contionis ullius neque vero ullorum comitiorum. Allgemein zur Übertreibung der von Cicero empfangenen Unterstützung, siehe Achard, Pratique rMtorique, 67-71. Einige Reden hielt Cicero bewuBt an den Tagen, an denen in der Urbs Festspiele stattfanden, um sich eine gröBere Zuhörerschaft zu sichern (Achard, op.cit., 28). Tota und cuncta Italia: Ganz Italien kommt nach Rom, um die prillcipes civitatis zugunsten Ciceros Rückkehr aus der Verbannung Z\I hören (P.red.Sen., 26. Vgl. Sest., 36; 38; 107). 102Sest., 107-108. 1m Jahre 52 hörlen in einer Volksversammlung des Tribuns Caelius, eines Befürworters der res publica, der boni und der auctoritas senatus, die Teilnehmer still zu, als plötzlich Aufständische hereinstürmten und die Anwesenden mit Schwertern angriffen (Mi/., 91). l03Ciceros Aussagen zufolge verlangte das gesamte römische Volk, ihn sprechen zu hören, worauf zwei seiner Philippicae entstanden (Phil., VII 22). Und bei seiner Heimkehr aus der Verbannung war es der Applaus der Menge bei seinem Namen, der ihn bewog, die Rede Post reditum ad Quirites zu halten (Att., IV 1,6). Für seine Versammlungen und die der boni verwendet er das Verb convenire, da die Anwesenden freiwillig daran teilnehmen. l04Die contiones seiner Gegner im Jahre 57 werden als turbulentae, temerariae, [uriosissimae bezeichnet (Att., IV 3,4); die des L. Antonius im Jahre 44 als horribilis (Alt., XIV 20,2); die, in denen Clodius unterstützt wird, als sceleratae und turbulentae (Dom., 55; Mil., 27); die des Clodius im Jahre 61 als miserae (Art., I 14,5); die des M. Antonius, in der tiber Cicero verhandelt wurde, als acerbissimae (Phil., XII 19). Bisweilen verwendet er contiuncula abschätzig, z.B. als er sagt, es reiche eine contiuncula, um die vicesima als Einkommensquelle Roms zu verlieren (Au., II 16,1). Vgl. De orat., 146. 105Vgl. Yavetz, Plebs and Princeps, 43: "What politician in Rome did not accuse his opponent of bribing the masses?". 1m allgemeinen verharmlost Cicero die Volksunterstützung seiner Gegner und verschweigt jedwede Massenkundgebung, an der sie teilgenommen haben. V gl. Achard, PratiquerMtorique,130-131 und 137. l06Vgl. Sest., 127, wo Cicero contio und populus Romanus als unvereinbar darstellt. Allgemein über die mangelnde Bildung der Anwesenden: Contio, quae ex imperitissimis constat (Amic., 95). Das meistgebrauchte Wort bei Cicero ist multitudo, aber manchmal drückt er seine Verachtung der Teilnehmer an contiones noch deutlicher aus: ... iIla contionalis hirudo
Cicero Wld die contiones
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breche 107. Contio wird oft gemeinsam mit den Begriffen seditiosi und improbi, aber auch mit manus und operae verwendet. Vor allem für contiones von Gegnern der boni benutzt er die Verben concitare und incitare statt convocare, um den Eindruck der Unregelmäßigkeit und Gewalt zu vermitteln 108• Der herkömmlichen Ordnung, dem mos maiorum, widersetzten sich in contiones Böse und Aufrührerische, Angehörige der niedrigsten Bevölkerungsschichten, die aufgrund ihrer Unwissenheit leicht manipulierbar seien und daher unreflektiert gegen boni gerichtete Thesen verteidigten. Cicero verdanken wir eine Fülle von Daten über contiones. Eine vergleichende Auswertung dieser Informationen ist aber schwer, da von keinem Zeitgenossen Ciceros Briefe oder forensische Reden erhalten sind, in denen contiones erwähnt werden. In den Geschichtswerken Sallusts finden sich jedoch ähnliche Ansätze wie bei Cicero, da er ebenfalls der Ansicht ist. die plebs müsse die Empfehlungen des Senats befolgen 109• Sallust nennt die an Volksversammlungen Beteiligten unterschiedslos populus,plebs oder multitudo und schreibt ihnen die gleichen Eigenschaften wie Cicero zu; seiner Meinung nach würden sie mit ihrem Geschrei Tumult auslösen und könnten nur durch die Worte eines Magistraten beruhigt werden 110. Einmal werden contiones mit seditiosi magistratus sowie mit einer Kampagne gegen Metellus in Verbindung gebracht; Marius habe sich in einer Rede in einer contio vornehmlich gegen die nobilitas gewandt, und eine contio des Volkstribuns Bestia sei wohl der Ausgangspunkt der Verschwörung des Catilina gewesen und gleichzeitig ein Mittel. um invidia gegen Cicero zu erzeugen 111 • Somit verbindet auch Sallust contiones mit seditio, mit Volkstribunen und Kampagnen der invidia gegen Angehörige der nobilitas.
aerari, misera ae ieiuna plebecula (Au., I 16,11). Von der multi/udo in den eontiones des Clodius sagt er, sie sei zusammengesetzt ex servis, ex conductis, ex facinerosis, ex egentibus (Dom., 89). Um die quantitative Bedeutung des Wortes multitudo abzuschwächen, benutzt er es meist in Verbindung mit imperita Wld vor allem ineitata, concitata und eonducta. Vgl. Achard, Pratique rMtorique, 125. Die mangelnde Bildung der Teilnehmer an contiones ist in den antiken Quellen schon ein Topos. So bezeichnet Valerius Maximus, wenn er von der Versammlung spricht, in der Sempronia abstreitet, Equitius sei ein Sohn des Ti. Gracchus, die Zuhörer als imperita multitudo (III 8,6). l07Cic., Q.fr., 11 5,1: Sed eodem die vehementer actum de agro Campano clamore senatus prope contionali. Nicht nur das Volk verhalte sich so, auch die Redner, die Cicero seditiosi nennt, schrieen mehr, als daß sie sprächen: Tu (Clodius), cumfuriales in contionibus voees miUis (Har.resp., 39). 108Zur Gewalt in Volksversammlungen im allgemeinen Cic., Leg., III 11: Vis in populo abesto; III 42: Deinceps sunt cum populo ac/iones, in quibus primum et maximum: vis abesto. I09Sall., Ep. ad Caes., 11 10. 1l0SalI., lug., 33-34. lllSall., lug., 73,5; 84,5; Ca/., 43,1.
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4. Contio locus invidiae est
Ciceros Urteil über contiones und die darin gehaltenen Reden ist politischideologisch geprägt. Er steckt wohlüberlegt und mit politischer Zielsetzung den Wirkungsbereich der boni und der improbi ab. Die Thesen der boni fänden Geltung im Senat, in den iudicia publica und in den Versammlungen, die laut Cicero der verus populus Romanus besuche, insbesondere in den comitia centuriata - nur gelegentlich gelte das für eine contio, die vera contio. Die contiones werden gewöhnlich als Symbol der Unordnung und des Aufruhres dargestellt und stehen somit im Gegensatz zur Ordnung und Mäßigung von Senat und boni. Sie seien ein Nährboden für Demagogie und Gerüchte, da es einfach sei, eine ungebildete multitudo zu überzeugen. Cicero entwickelt somit eine Strategie der Verteidigung seiner Klienten in iudicia: Wenn er die contiones herabwürdigt, so bringt er damit gleichzeitig die Bürger in Verruf, die sie als politische Strategie benutzen. Die Feinde der herkömmlichen Ordnung werden mit diesen Versammlungen identifiziertl12. Cicero versucht dadurch, seine Gegner aus der Gemeinschaft auszugrenzen. Gleichzeitig fordert er auch die boni und vor allem die Geschworenen in Prozessen auf, dasselbe zu tun, d.h. die Aussagen zu mißachten, die aus diesem locus invidiae stammten und gegen die boni, den ordo senatorius, den Senat als Institution, die iudicia und ihre Geschworenen gerichtet seien und den Staat in seinen Grundfesten zu erschüttern drohten. Diesen Gedanken fonnuliert er in Pro Sestio am prägnantesten, wenn er sich dafür ausspricht, die optimates müßten die fundamenta der res publica verteidigen l13 . Bemerkenswert ist, daß die Volksversammlungen nicht zu diesenfundamenta gerechnet werden. Die schärfste Kritik an den Volksversammlungen übt Cicero in den Reden, in denen er zu Geschworenen spricht, die dem Senatorenstand oder dem Ritterstand angehörten. Cicero geht in seiner Argumentation davon aus, daß die Zuhörer die contiones als Ort der gegen sie gerichteten Aggression empfinden. Er appelliert an einen gewissen "Klassengeist", um gegen die invidia popularis Stimmung zu machen. Trotz seiner zahlreichen geringschätzigen Äußerungen lehnt Cicero weder die contiones als Institution ab, noch theoretisiert er deren institutionelle und politische Rolle. Seine Verachtung gilt nicht den Volksversammlungen an sich, sondern nur denen, die seiner Ansicht nach aufrührerisch sind. Ebenso hält er die Institution des Volkstribunats als nützlich für den Staat, prangert jedoch die Volkstribunen an, welche die Prinzipien untergraben, die er als grundlegend für die Bewahrung des status quo in der res publica erachtet.
112Cie., Sest., 34: Eine Strategie des Clodius sei die Rekrutierung bewaffneter Gruppen und Sklaven sowie die Festigung seiner Maeht auf dem Forum und in contiones (... armati homines forum et contiones tenebant ... ). Die Volksversammlungen seien Clodius' einziger Zufluchtsort (Cie., Att., I 16,1). 113Cie., Sest., 98: Huius autem otiosae dignitatis haec fundamenta sunt ... religiones, auspicia,
potestates magistratuum, senatus auctoritas, leges, mos maiorum, iudicia. iuris dictio, jides, provinciae, socii, imperi laus, res militaris, aerarium.
Cicero W1d die contiones
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Andererseits nutzt er jede Gelegenheit, vor Volksversammlungen zu sprechen, wenn ihm dies für seine politischen Interessen günstig erscheint. Er vertritt die Meinung, die Aufmerksamkeit der Zuhörer dieser Versammlungen zu gewinnen, sei eine unabdingbare Fähigkeit jedes Politikers, und bezeichnet die contio sogar als maxima quasi oratoris scaena 114• Die zahlreichen Versammlungen, die er während seiner Praetur und seines Konsulats einberief, sind ein Zeichen seiner Anerkennung der contiones als Medium zur Vermittlung von Ideen und zur Bildung einer öffentlichen Meinung. Verstärkt wird dies noch durch sein großes interesse, in den Jahren 44 und 43 während seiner Kampagne gegen Antonius vor dem Volk zu sprechen. Aus dem Commentariolum petitionis geht hervor, daß Cicero die Gunst der multitudo urbana und der Teilnehmer an contiones durch sein Lob des Pompeius, seine Unterstützung der Sache des Manilius und die Verteidigung des Comelius gewonnen hat; dies zeigt laut Quintus Cicero, daß die petitio seines Bruders popularis war 115. Und Cicero war so stolz auf seine Konsulatsreden vor dem Volk, daß er sie gemeinsam mit den im Senat gehaltenen Reden veröffentlichte. Der Zufall, bedingt durch seinen cursus honorum, wollte es, daß er seine erste Rede im Jahre 66 in einer contio hielt, im selben Jahr, in dem der Prozeß gegen Cluentius stattfand, in dem Cicero diese Volksversammlung und deren Teilnehmer ausdrücklich kritisierte. Wie dem .auch sei, wenn Cicero im Senat und vor dem Volk Reden über dasselbe Thema hielt, gingen die Reden im Senat den in contiones vorgetragenen immer voraus und bedingten siel 16 • Dies gilt für die Reden De lege agraria, Post reditum ad Quirites, zwei der Catilinariae, die beiden vor dem Volk gehaltenen Philippicae, die noch erhalten sind, und für eine dritte, inzwischen verlorene. Im Senat legte Cicero die politischen Grundlagen fest, und vor dem Volk suchte er Unterstützung für diese Ziele. Der Senat und die Meinung der Senatoren hatten jedoch bei ihm immer Vorrang. Nach Macks vergleichender Studie der Reden Ciceros im Senat und in Volksversammlungen läßt sich in ihnen ein deutlicher Stilunterschied feststellen 117. Cicero betont, die charakteristischen Eigenheiten des Publikums müßten immer berücksichtigt werden; es sei nicht das gleiche, vor weisen Senatoren oder
114cic., OjJ., I 121: ... si igitur non poterit sive causas de/ensitare sive populum contionibus tenere sive bella gerere ... ; De orat., n 338: ... fit autem ut, quia maxima quasi oratoris scaena videatur contionis esse, natura ipsa ad omatius dicendi genus excitemur. Dazu siehe Hölkeskamp, Oratoris maxima scaena, 27ff. 115Q.Cic., Comm.pet., 51: lam urbanam illam multitudinem et eorum studia, qui contiones
tenent ... 116Mack, Senatsreden und Vo1ksreden, 10. Diese Vorgehensweise war nicht Cicero allein vorbehalten. Auch Volkstribunen und andere Politiker informierten das Volk in contiones darüber, was in vorangegangenen Senatssitzungen besprochen worden war. 117Mack, Senatsreden und Volksreden. 114-115.
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4. Contio locus invidiae est
vor dem ungebildeten Volk zu sprechen 118 . Daher zeichnen sich die Reden Ciceros in contiones durch einfache, leicht verständliche Argumente aus, die bisweilen einem Slogan gleichkommen; es herrschen Emotionen, Leidenschaft, Gewalt und Subjektivität vor119. Um zu überzeugen, betont er alles, was seine Zuhörer persönlich betrifft, ihre Sicherheit, ihr Eigentum, und vermeidet abstrakte Begriffe. Die vor dem Volk gehaltenen Reden fallen deutlich kürzer aus als die in der Curia zum selben Thema vorgetragenen. Dadurch sollte wohl die Aufmerksamkeit der Zuhörer erregt werden, ohne daß sie durch lange Argumentation ermüdet wurden. Die einzige Ausnahme hiervon ist die erste Rede zur rogatio des Rullus in einer
contio. Mit einer captatio benevolentiae bemüht sich Cicero schmeichlerisch um die Gunst des Volkes. Man beachte den Anfang seiner RedeDe imperio Cn. Pompei, in der er die contio als die bedeutendste Stätte für Verhandlungen, als die ehrenvollste für Reden apostrophiert (loeus ad agendum amplissimus, ad dicendum ornatissimus) und seine Genugtuung bekundet, in ihr sprechen zu dürfen 120 . Im gleichen Sinne ist die Bezeichnung der Versammlung zu verstehen, in der er seine Rede über das Agrargesetz des Rullus hielt und deren Teilnehmer offensichtlich sehr wohl fähig waren zu erkennen, was gut für sie und für den Staat war: Cicero nennt sie maxima contio 121 • 118Cic., De orat., I 44: Überzeugungskraft sei in Volksversammlungen wie im Senat gefragt, aber während die Senatoren vom eigenen Talent überzeugt werden müßten, sei es nötig, die stulti auch glauben zu machen, man sage die Wahrheit. Cicero vergleicht die eontio mit einer seaena, also mit dem Theater, in dem die Fiktion eine wichtige Rolle spielt. Auch durch Schauspielern könne erreicht werden. daß die Wahrheit ans Licht gebracht werde: ... in seaena,
id est in eontione, in qua rebus fietis et adumbratis loei plurimum est, tamen verum valet ... (Amie., 97). Viele in Volksversammlungen gemachte Aussagen seien aber falsch: Comitiorum et eontionum signijieationes sunt interdum verae, sunt non numquam vitiatae atque corruptae (Sest., 115). Vgl. De orat., I 31; 221; 11 210-211. Desgleichen Quint., lnst.orat., XlI 10,70: ... in senatu et eontionum et privatorum eonsiliorum servabit discrimina ... 119Cic., De orat., 11 333-334: Atque haee (suade re et dissuadere) in senatu minore apparatu agenda sunt; sapiens enim est consilium multisque aliis dieendi re/inquendus [oeus ... Contio capit omnem vim orationis et gravitatem et varietatemque desiderat. Zur didaktischen Zielsetzung der Rede und zur Lenkung der Zuhörer äußert sich Cicero folgendermaßen: ... maximaque pars orationis admovenda est ad animorum motus ... (De orat., 11 337). Eindeutig werden in der vierten Philippiea die gleichen Argumente wie in der dritten verwendet, jedoch mit unterschiedlichen Gewichtungen, mit mehr Beschwörungen und Fragen, die das Publikum fesseln sollen: Es ist eine gefühlsbetonte Rede (vgl. MacIe, Senatsreden und Volksreden, 51-73). AIs Charakteristika der Reden Ciceros vor dem Volk nennt Mack, op.eit., 75ff., die Wiederholung, Übertreibung, Spannung und Verwendung von Vergleichen und Bildern, die das Wesentliche verständlich machen sollen, sowie die Vermeidung juristischer und sachlicher Fragen. Da die Veröffentlichung der Reden bereits bei ihrer Abfassung angestrebt wurde, konnten sie die Spontaneität der mündlichen, wohl eher umgangssprachlich gefärbten Version verlieren. Allerdings wissen wir nicht. inwieweit die uns bekannten Fassungen mit den tatsächlich gehaltenen Reden übereinstimmen. Für Laurand, Btude sur le style, passim, sind sie identisch oder zumindest sehr ähnlich; für H umber!, Les plaidoyers t!crits, passim, gibt es große Unterschiede. 120Cic., De imp.Cn.Pomp., 1. 121Cic., Leg.agr., II 103.
Cicero und die contiones
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Eine subtile Art, seine Verbundenheit mit den Zuhörern zu bekunden, ist die häufige VelWendung des Begriffs Quirites, die sich selbstverständlich nicht nur bei Cicero beobachten läßt. Jeder Redner vor dem Volk ist geradezu gezwungen, die Anwesenden als Quirites anzusprechen - dies ist bei Sallust beispielsweise in den Reden des Memmius und des Marius der Fall. Bei Cicero fällt jedoch die überaus häufige Wiederholung auf. In seiner zweiten Rede De lege agraria verwendet er den Begriff einundfünfzigmal, in der dritten, viel kürzeren, achtmal. Diese Taktik wandte Cicero höchstwahrscheinlich bewußt an, um den Anwesenden das Gefühl zu vermitteln, sie seien vollständig in die Gemeinschaft integriert. So suggerierte er ihnen beispielsweise, die rogatio des Rullus sei f"tir ihre Interessen und die der Stadt Rom, deren Bürger sie waren, von Nachteil. In der vorangegangenen Rede über die rogatio im Senat gab er an, de periculo salutis ac libertatis sprechen zu wollen; in seiner Ansprache an das Volk wählte er aber schlagkräftigere Beispiele aus dem Bereich der Wirtschaft, um die Gefahr des Gesetzes für den Staat und f"tir das Wohl der Bürger hervorzuheben 122• Noch deutlicher läßt sich diese Taktik in der vierten Philippica nachweisen, in der das Wort Quirites achtzehnmal fällt; und in der sechsten wird es fünfzehnmal gebraucht, vor allem am Ende, als er in jedem einzelnen Satz die Bürger ermahnt, seine Empfehlungen zu befolgen 123. In den Reden vor dem Volk vermeidet er Ausdrücke, die Feindseligkeit hervorrufen könnten, wie z.B. boni oder optimi viri l24 ; er versucht, beliebte Personen wie Pompeius, Caesar oder Clodius nicht zu kritisieren. Letzteres tut er sehr wohl im privaten Bereich, vor allem in seinen Briefen. Wenn er seine Gegner vor dem Volk angreift, warnt er vor der Gefahr, die sie für die Häuser der Bürger, für die Getreideversorgung und andere staatliche Gelder darstellten 125. Als popularis dictio oder eloquentia popularis kann also die Redeweise, die das Volk am besten zu erreichen vermochte, bezeichnet werden. Die popularis dictio war naturgemäß den contiones eigen, jedoch nicht ausschließlich den popularen Politikern, obgleich diese häufiger in contiones auftraten l26. Cicero be-
122Cic., Leg.agr., I 21. 123Das gleiche gilt für die Catilinariae, in denen Quirites vorwiegend am Ende der Rede verwendet wird: Cat., II 28-29 (insgesamt vienehomal); III 23-29 (fünfundzwanzigmal). In seiner ersten Rede in einer contio zugunsten der rogatio ManiJia und in Post reditum ad Quirites wird das Wort weniger häufig verwendet 124Achard, L'emploi de boni, 212. Eine Ausnahme ist die Rede Post reditum ad Quirites, wo wegen der ludi Romani eine ungewöhnlich hohe Anzahl von Rittern und Italikern unter den Zuhörern war. 125Zu dieser unterschiedlichen Ausdrucksweise siehe Achard, Pratique rh6lOrique, passim. 126Achard, Pratique rh6torique, 10: Ausdrücke wie eloquentia popularis, dietia popularis. populare dicendi genus, verba popularia. oratio popularis bedeuten nicht Beredsamkeit der populares, sondern die Redekunst, die an die einfachsten Bürger gerichtet ist. Vgl. Narducci, Pratiche letterarie, 888: Die Art der Redekunst hing vom Publikum ab. Dagegen defmiert David, Eloquentia
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4. Contio locus lnvidiae est
hauptet beispielsweise von Crassus, dem Censor des Jahres 92, und von einigen Volkstribunen, sie seien hervorragend in der popularis dictio, während die Redekunst des Antonius besser für forensische Reden geeignet sej127. Als gefährlich und verachtenswert galt also nicht grundsätzlich dieses genus dicendi; vielmehr wurde der Person und dem Inhalt der Rede Ablehnung entgegengebracht. Während Cicero Crassus' Beherrschung der popularis dictio lobt, kritisiert er sie bei den seditiosi tribuni. Cicero selbst gibt bei seinem ersten Auftritt in einer contio zu, er sei die an diesem Ort übliche Redekunst nicht gewohnt (... quod in hac insolita mihi ex hoc loco ratione dicendi causa taUs oblata est in qua oratio deesse nemini possit), da sie sich von jener in iudicia unterscheide 128 . Später, als er diese Technik ebenso beherrschte, sprach auch er bisweilen populariter, um Pompeius' Aufmerksamkeit auf sich zu lenken 129.
popularis, passim, die eloquemia popularis als ein gezieltes Verhalten, durch welches das Volk dem Anschein nach verteidigt wird; er ordnet es in erster Linie den Popularen zu. 127Zu Crassus und Antonius, dem Konsul des Jahres 99, siehe Cic., Brut., 165: Et veTO .tuit (Crassus) in hoc etiam popularis dictio excellens; Antoni genus dicendi multo aptius iudiciis quam contionibus. Die Beredsamkeit des Crassus wird wie folgt beschrieben: ... tanta vis animi, tantus impetus, tantus dolor oculis, voltu, gestu, digito denique isto tuo signijicari solet (De orat., II 188). In Brut., 223-224, stellt Cicero eine Liste von Rednern auf, die er als seditiosi einstuft (Carbo, Saturninus, usw.) und die ihre Beredsamkeit nur in turbulentis contionibus ausübten; ihre Reden seien für die Ohren von imperiti bestimmt. Dasselbe gilt für Brut., 178: (Ofella) contionibus aptioT quam iudiciis. Ferner soll sich C. FIaminius als Redner vor dem Volk hervorgetan haben: ... ad populum valuisse dicendo ... (Brut., 57). Mitunter kam es vor, daß ein Redner auch für einen Vortrag in einer contio den gehobenen Stil wählte. Das tat beispielsweise Pompeius, von dem Cicero sagt, er habe einmal in einer contio "aristokratisch" gesprochen (Att., I 14,2). 128Cic., De imp.Cn.Pomp., 3. 129Q.Cic., Comm.pet., 5: ... nos sempeT cum optimatibus de Te publica sensisse, minime popularis foisse; si quid locuti populariter videamur ...
s. CONTIO
LOCUS SEDITIONIS EST
Der politische Einfluß der plebs urbana und die plebs contio-
nalis Ciceros De re publica enthält die Forderung, der Staat solle von den besten Bürgern, also von den Reichen (locupletes) regiert werden. Diese hatten in den comitia centuriata immer die Entscheidungskompetenz gehabt. Der plebs blieb keine Wahl, als sich der herrschenden Schicht zu unterwerfen!. Cicero trat für eine Staatsform ein, in der es keiner Änderung bedurfte, solange alle Bürger den für sie vorgesehenen Platz einnahmen: Non est enim causa conversionis, ubi in suo quisque est gradufirmiter collocatus2• Die plebs sollte natürlich den niedrigsten Rang in der Gesellschaft innehaben. In der antiken Gesellschaft schrieb man den Magistraten potestas, den principes und Senatoren auctoritas, dem Volk libertas zu3 • Allerdings bedeutete dies keine gleichmäßige Verteilung von Rechten, denn das Volk genoß theoretisch zwar libertas, entbehrte aber tatsächlich jedes politischen Einflusses; Umfang und Inhalt der libertas wurde von den boni bestimmt4. Nur die Macht und libertas der Magistrate und Senatoren schlugen sich in Befugnissen und Privilegien nieder. Cicero versucht mit diesen Argumenten, die politischen und sozialen Privilegien der wohlhabenden Stände zu legitimierens. Solche Ansichten vertrat Cicero nicht allein. Sallust behauptete in seinem frühesten Brief an Caesar, die durch schlechte Gewohnheiten gekennzeichnete multitudo sei nicht geeignet, den Staat zu regieren: Haec igitur multitudo ... parum: mihi quidem idonea videturad capessendam rem publicam6. Das Volk müsse dem Senat gehorchen wie der Körper der Seele, und deshalb brauche es keinerlei Be-
lCic., De rep., II 39-40; VI 1. Ygl. die Untersuchung zu De re publica und De legibus in Schneider, Wirtschaft und Politik, 428-450. Zu Ciceros sozialer und politischer Haltung siehe Wood, Cicero's Social and Political Thought, passim. 2Cic., De rep., I 69. 3Cic., De rep., II 57: ... ut et potestatis satis in magistratibus et auctoritatis in principum consi-
lio et libertatis in populo sit ... 4Cicero äußert sich in seinen Ausführungen zu geheimer Wabl folgendermaßen: ... ita libenatem istam largior populo, ut auctoritate et valeant et utantur boni (Leg., m 38). 5Ygl. Schneider, Wirtschaft und Politik, 437. Das beweist folgende Argumentation Ciceros: Obgleich der Besitz ursprünglich ein Gemeingut war, sei Privatbesitz etwas der menschlichen Gesellschaft Eigenes; die sich daraus ergebenden Ungleichheiten seien unabänderlich, und jeder müsse sich mit dem ihm Zustehenden zufriedengeben (Off., I 21: Ex quo, quia suum cuiusque
fit eorum, quae naturaj'uerant communia, quod cuique obtigit, id quisque teneat; e quo si quis sibi appetet, violabit ius humanae societatis). Dem Staat komme letztlich die Funktion zu, den Privatbesitz schützend zu verwalten (Off., n 73: Hane enim ob causam maxume, ut sua tenerentur, res publicae civitatesque constitutae sunt). 6Sall., Ep. ad Caes., n 5,6.
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5. Contio locus seditionis est
fähigung: ... patres consilio valere decet, populo supervacuanea est calliditas7. Während also den herrschenden Bevölkerungsschichten die Aufgabe zukam, tatkräftig und ehrenhaft den Staat zu regieren, solle die plebs freiwillig die ihr zukommende unterwürfige Position gegenüber den besten Bürgern einnehmen. Laut Sallust könne der Staat nur auf diese Weise zufriedenstellend funktionieren. Trotz dieser Ansichten Ciceros und Sallusts kann nicht behauptet werden, die Geschichte Roms sei ausschließlich die der Elite und die plebs habe keinen Einfluß auf die Ereignisse gehabt. Er war lediglich unregelmäßig und äußerte sich in Aufruhr und Unruhen. Yavetz drückt dies wie folgt aus: "Democracy did not exist in Rome, but popular pressure did"s. Die Tatsache, daß nur Gewaltanwendung der plebs Geltung zu verschaffen schien, sowie die besonders in wirtschaftlichen Krisen:zeiten zunehmenden sozialen Spannungen trugen sicher erheblich zu politischen Mobilisierungen und der Zunahme von Ausschreitungen im 1. Jahrhundert v.Chr. bei. Ein Angehöriger der plebs war als einzelner politisch bedeutungslos, aber als geschlossene Menge vermochte das Volk sehr wohl, kollektiv zu handeln, und das konnte kein Politiker ignorieren. Im Prozeß der politischen Willensbildung konnte die plebs urbana nicht einfach übergangen werden. Ebensowenig darf ein so komplexes Phänomen wie die Krise der Republik nur unter Berücksichtigung der Elite untersucht werden - das Volk muß als soziale Gruppe mit politischem Einfluß einbezogen werden9. Während der gesamten späten Republik bemühten sich die politischen Anführer - je nach ihren Vorstellungen, Strategien und den geschichtlichen Gegebenheiten - mehr oder weniger stark um die Gunst und Unterstützung der plebs urbana. Die Redner taten schon durch ihr Auftreten in der Öffentlichkeit ihren Willen zu überzeugen kund. Damit erkannten sie ihre Zuhörer in contiones als Kommunikationspartner an und akzeptierten sie - unabhängig von ihrer Anzahl - als Ver-
7Ibid., 11 10,6. SYavelZ, Plebs and Princeps, 39. Er mahnt zu Recht, bei der Untersuchung von Massenverhalten im Altertum vorsichtig zu sein: "Nous devons donc consid~rer toute investigation sur les conduites de masses, dans I'antiqui~, comme une recherche historique et sociologique, et non anthropologique ... les historiens de I' antiquit6 ... ne connaitront jamais Ja composition des popuJaces romaines ... devront se r~igner arechercher ce que fut la conduite g~n6raIe des masses, a Rome, et a y ~couvrir, si possible, certains traits g~n~raux" (Plebs sordida, 307). V gl. Finley, Politics, 91; Schneider, Die Entstehung der röm. Militärdiktatur, 168. 9Schneider, Die Entstehung der röm. Militärdiktatur, 168, 200 und 242, macht zu Recht darauf aufmerksam, daß in der vorindustriellen Zeit, als die ländliche Bevölkerung wegen mangelnder Kommunikationsmöglichkeit von politischer Einflußnahme ausgeschlossen war, das Geschehen in den großen Städten wichtiger für die geschichtliche Entwicklung war als in der darauffolgenden Zeit. Dies traf insbesondere auf Rom, die Hauptstadt eines Imperium, zu, einen Ort, an dem Beschlüsse gefaßt wurden, die Millionen von Menschen betrafen.
Der politische Einfluß der plebs urbana
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treter des gesamtenpopulus Romanus 10• Ein Redner stellte sich vor das Volk, um einen Konsens mit ihm zu erzielen. Er war sich des Risikos bewußt, das sein Versuch der Überzeugung implizierte. Obwohl die Einstellung der herrschenden Schichten Roms gegenüber den Teilnehmern an contiones gewöhnlich mit der Ciceros übereinstimmte - sie fühlten sich der plebs vollkommen überlegen -, machten es sich die Redner zur Aufgabe, die plebs zu überzeugen. Davon versprachen sie sich einen politischen Vorteil im Machtkarnpf oder bei der Gestaltung des institutionellen Rahmens der Gesellschaft. Wie Veyne feststellt. suchte die Elite nicht nur Macht, sondern mit Hilfe ihres Prestiges auch die Anerkennung des Volkes 11. Im Laufe des 1. Jahrhunderts v.Chr. wurde die öffentliche Meinung in zunehmendem Maße nicht nur zu einem Indiz der Billigung der Macht, sondern auch zu einem Mittel, um Einfluß zu erlangen. So erklärt sich auch die Angst vor Gerüchten und vor der in Volksversammlungen erzeugten invidia. Die Klientelen hatten traditionsgemäß die Politik auf einen persönlichen Bereich beschränkt, aber ihre zunehmende Schwächung, die häufiger abgehaltenen contiones und die wachsende Rolle der plebs urbana - Faktoren, die alle miteinander zusammenhingen - bewirkten, daß die Politik breiteren Kreisen zugänglich allerdings nie zu "everybody's business" - wurde12• Da die Politiker die Unterstützung der plebs brauchten, vergrößerte sich in den fünfziger Jahren die politische Bedeutung der contiones - vorangetrieben durch die Strategie des Clodius immer mehr. Trotz der Knappheit der zur Verfügung stehenden Daten stellt sich die Frage, inwieweit im 1. Jahrhundert v.Chr. die Zunahme von Freigelassenen die wachsende Teilnahme der plebs urbana an der Politik beeinflußte l3 . Viele von ihnen stammten aus Griechenland, wo die Bürger sich traditionsgemäß viel aktiver am politischen Leben beteiligten und häufiger eine politische Ausbildung genossen. Diese Tradition blieb in den Städten selbst im Zeitalter der hellenistischen Monarchien weitgehend erhalten. Diese Menschen konnten somit den Mitgliedern der plebs das Gefühl geben, daß sie als Bürger auch das Recht auf eine aktive lOVgl. Meier, Besprechung von Adcock, Roman Political Ideas, 37-52. Ebenso RPA, 52, Anm. 148: Trotz beträchtlicher Unterschiede wurde jede Art von Volksversammlung als "das Volk" verstanden. Siebe zur Sache zuletzt Hölkeskamp, Oratoris maxima scaena, 36-38. llVeyne, Pain et cirque, 406. 12Vgl. Schneider, Die Entstehung der röm. Militärdiktatur, 168. North, Democratic Politics, 18, stellt fest, daß in einem System wie dem römischen, in dem die politische, juristische und religiöse Kontrolle ausschließlich in den Händen der Elite lag, der Wille des Volkes nur im Falle der Spaltung innerhalb der Elite zum Ausdruck kam. Die Widersprüche erreichten nach der Diktatur Sullas ihren Höhepunkt; daher gewann das Volk in dieser Zeit an politischer Bedeutung. l3Q.Cic., Comm.per., 54: Roma esr, civiras ex narionum convenru consrirura. Taylor, Foreign groups, passim, die ihre Ergebnisse teilweise aus Ciceros Werken gewinnt, ist der Ansicht, die Ausländer seien von demagogischen Tribunen vorwiegend in con/iones eingesetzt worden. Es handle sich um Juden und Anhänger alexandrinischer Kulte, die nicht als ethnische Gruppen auftraten, da sie aus verschiedenen Orten stammten, sondern hauptsächlich als religiöse Gruppen. Vgl. Meier, RPA, 113.
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5. Contio locus seditionis est
Beteiligung an der Gemeinschaft hatten. In seiner Rede zur Verteidigung des Flaccus hebt Cicero die Rolle der Juden hervor und behauptet, diese hätten an einer Bestrafung des Flaccus ein besonderes Interesse. Im allgemeinen kritisiert er den übermäßigen Einfluß der Ausländer in contiones: scis ... quantum vaLeat in contionibus 14. Diese Aussage mag zwar übertrieben sein, jedoch ist es durchaus möglich, daß die Peregrinen in contiones - unter die Bürger gemischt - innerhalb der pLebs urbana Druck ausüben konnten. Cicero konkretisiert diese These zwar nicht weiter, möglicherweise aber fürchtete er, daß das Volk dem schlechten Einfluß der Ausländer erliege und eine stärkere Beteiligung an der Politik fordern könne. Jedenfalls läßt sich nicht genau klären, wer die Teilnehmer an den Volksversammlungen waren. Die Quellen geben keinen Aufschluß darüber, da sie nur allgemeine Termini enthalten. Cicero benützt die Bezeichnungen pecuLiaris populus, contionarius populus und turba et barbariajorensis15 • Meier prägte den Begriff plebs contionalis, um die üblichen Teilnehmer an contiones und an bisweilen von ihnen ausgehenden Mobilisierungen des Volkes zu bezeichnen, also den politisch aktivsten Anteil der pLebs. Es habe sich dabei vor allem um tabemarii und opijices, also um kleine Krämer und Handwerker gehandelt, die in der Umgebung des Forums arbeiteten und größtenteils Freigelassene waren 16. Eine Beteiligung von Sklaven an contiones ist sehr unwahrscheinlich. Wegen der großen sozialen Unterschiede bestand grundsätzlich nicht die Gefahr, daß sich Bürger und Sklaven verbrüderten, um gemeinsame Interessen zu verteidigen. Hätte ein Anführer aus politischen Gründen um Sklaven geworben, hätte er vor der Elite und
14Cic., Flacc., 66. Vgl. Flacc., 17: Nostras contiones illarum nationum homines plerumque perturbant. Da es in contiones keine Anordnung der Anwesenden nach Tribus oder Centurien gab, konnten die Teilnehmer nicht kontrolliert werden. Somit nahmen neben Bürgern sicher auch Freigelassene und Ausländer teil. Andererseits ist es unmöglich abzuschätzen, inwieweit unterschiedliche Herkunft, Kultur und Muttersprache die Kommunikation im Volk stören und kollektive Aktionen verhindern konnten. 15Cic., Sest., 125: Aliusne est aliquis improbis civibus peculiaris populus, cui nos offensi invisique fuerimus?; Q.fr., 11 3,4: ... contionario illo populo ase (Pompeius) prope alienato ... ; De orat., I 118: ... si haec turba et barbariajorensis dat locum vel vitiosissimis oratoribus .. . Vgl. Alt., I 16,11: ... quod illa contionalis hirudo aerarii, misera ae ieiuna plebecula ... In Q.Cic., Comm.pet., 51 werden die Teilnehmer an eontiones mit der multitudo urbana identifiziert. Zur Bedeutung der kontextbezogenen Analyse der Begriffe populus, plebs, multitudo usw. siehe Yavetz, Plebs sordida, 308; ders., Plebs and Princeps, 7. 16Meier, RPA, 114-115: Von der Gesamtheit der plebs urbana könne deutlich eine plebs contionalis unterschieden werden, die immer bereit gewesen sei, sich aufiührerisch gegen den Senat zu erheben. Vanderbroeck, Popular Leadership, 86-93: Die plebs contionalis bildete die clientela publica, eine gehobenere Schicht der plebs urbana, die aufgrund ihrer sozial und politisch unabhängigen Position oft an Unruhen beteiligt war. Der einzige Grund, weshalb sie aktiver als die restliche Bevölkerung war, sei der, daß ihre Beziehungen zur Elite schwächer gewesen seien. Will, Der römische Mob, 45-46, verneint, daß es eine Klientel aus "lumpenproletarischen Elementen" gegeben habe, die auf Abruf jederzeit bereit gewesen sei, sich in Versammlungen zusammenzurotten, und betrachtet den Tertninus plebs contionalis als einen "historiographisehen Trick".
Der politische Einfluß der plebs urbana
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vor den Bürgern sofort seine Legitimation verloren; zudem hätten ihm die Sklaven in den Comitien keinerlei politische Unterstützung zuteil werden lassen 17 . Cicero bringt jedoch Aktionen seiner Gegner, vor allem die des Clodius, immer wieder mit Sklaven in Verbindung. Mit dem Wort servus und dessen Ableitungen bezeichnet er Personen, die in Wirklichkeit Freigelassene waren, um sie und die von ihnen geförderten Politiker zu erniedrigen. Die Möglichkeit, Sklaven könnten an der Politik beteiligt sein, wurde von den B ürgem seit jeher gefürchtet und war ein gutes Propagandamittel gegen diejenigen, die Sklaven heranzogen. Cicero wandte diese Taktik an, um die Anhänger eines Politikers herabzuwürdigen, indem er sie mit ehrlosen und gemeinen Sklaven gleichstellte l8. Aus den Quellen geht hervor, daß contiones häufig - bisweilen sogar täglich - abgehalten wurden und daß die Versammlungen oft unmittelbar nach ihrer Ankündigung begannen 19. Diese Verfahrensweise machte es den Bauern unmöglich, contiones häufig beizuwohnen, da sie sich weder rechtzeitig über die Abhaltung von Versammlungen infonnieren noch täglich den Weg nach Rom antreten konnten. Somit nahmen sie nur zufallig an politischen contiones teil, etwa wenn sie zum Wochenmarkt in die Stadt fuhren oder wenn gerade Spiele abgehalten wurden. Bei den gesetzgebenden contiones war das anders. Da sie im voraus angekündigt wurden, gewöhnlich gleichzeitig mit nundinae stattfanden und das zu erörternde Thema bekannt war, variierten die Teilnehmer in Zahl und Zusammensetzung, je nachdem, für wen die rogatio von Interesse war. Die Teilnehmer an politischen contiones waren Einwohner Roms, die Zeit dafür aufbringen konnten, also Leute, die ihre Arbeitszeiten selbst bestimmten, und solche, die in der Nähe des Forums wohnten, arbeiteten oder sich zufallig in der Gegend aufhielten. Senatoren und Ritter, die in großer Anzahl am nahe gelegenen Palatin ihr Heim hatten, verfügten sicherlich über die nötige Zeit und pflegten das Forum auch aufzusuchen. Allerdings besuchten sie Volksversammlungen höchstwahrscheinlich nur, wenn sie ein persönliches Interesse daran hatten20 . Zweifelsohne besaßen sie Mittelsmänner, die sie über die Reden infonnier-
17Vanderbroeck, Popular Leadership, 91-92. Etwas anderes ist die Verwendung von Sklaven in den operae in den fünfziger Jahren, sowohl in jenen des Clodius als auch in jenen des Sestius und Milo (vgl. Favory, Classes dangereuses, passim). 18Vgl. Favory, Clodius et le pm! servile,passim; Pina Polo, Cicer6n contra Clodio, 139. 19Als Brutus und Cassius nach der Ennoroung Caesars zum ersten Mal vor dem Volk sprachen, machten sie von ihrer potestas als Praetoren Gebrauch, um die Versammlung sofort zu eröffnen und auf die Gerüchte zu antworten, die sich in der Stadt zu verbreiten begannen. Gewöhnlich erfolgte die Einberufung von Volksversammlungen offiziell durchpraecones, die auf den Straßen der Urbs die Abhaltung einer Versammlung ankündigten: Liv., IV 32,1: Cum trepidam civitatem praeconibus per vicos dimissis dictator ad contionem advocatam increpuit. Vgl. Liv., I 59,7; Dion.Hal., IV 37,1; 76,4; V 57,1; Var., L.L., VI 87-88. Dazu siehe Pina Polo, Contiones, 87-88. 20Cicero behauptet, daß er während seiner Ausbildungszeit im Rahmen des tirocinium fori berühmte Redner sprechen gehört habe. Später wohnte er nur noch selten contiones bei; eine Ausnahme ist die Versammlung, in der die Leichenrede auf Caesar gehalten wurde. Cicero
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5. Contio locus seditionis est
ten, und Kopien oder schriftliche Zusammenfassungen der Reden wurden wie bereits erwähnt sehr schnell verbreitet. Somit gehörte wohl die Mehrheit der bei Volksversammlungen Anwesenden der plebs urbana an. Diese Leute nannte Caelius subrostrani und susurratores. Für sie gab es keine andere Möglichkeit, sich an der Politik der Gemeinschaft zu beteiligen, als von contiones aus Druck auszuüben. In den Comitien galt ihre Stimme nicht, sie hatten keinen Einfluß auf die Beschlußfassung. Die Freigelassenen durften keine Ämter bekleiden, und selbst der übrige Teil der plebs konnte das in der Praxis nicht tun. Auf jeden Fall war immer nur ein sehr geringer Teil des Volkes, vielleicht einige hundert oder höchstens einige tausend, in der Lage, an einer contio teilzunehmen. Er bildete eine in Zusammensetzung und Zahl sehr inkohärente Menge. Nur in Kenntnis dieser Gegebenheiten kann der Begriff plebs contionalis verwendet werden. Das Verhalten einer Volksrnasse wird durch scheinbare Gleichförmigkeit gekennzeichnet; sie erweckt den Anschein, als seien all ihre Angehörigen von einem gemeinsamen Impuls geleitet. Daher neigt man sogar dazu, die Gruppe zu personifizieren und ihr sie eine einzige Meinung zuzuschreiben21 . Diese Gefahr bei der Untersuchung von Massenverhalten gibt es auch noch in unserer Zeit, in der wir doch über vielfältige Informationen über die Zusammensetzung von Gruppen verfügen. Viel größer ist die Gefahr, die Besucher von Volksversammlungen im Altertum als homogene Gruppe hinsichtlich ihres sozialen Status und ihrer Zusammensetzung anzusehen - ein Postulat, das ebenso unbeweisbar wie unwahrscheinlich ist. Die Zuhörerschaft politischer Versammlungen baute sich vielmehr jeweils unterschiedlich auf, da sie von der Persönlichkeit und Bedeutung des Redners, der Häufigkeit seines Auftretens, seiner Führungsrolle und der Erwartungshaltung vor einer bestimmten Rede abhing. Auch die Schließung der tabemae vor einer Volksversammlung konnte durchaus zu einer größeren Zuhörerschaft beitragen22 . Dies war jedoch die Ausnahme; denn es ist sehr unwahrscheinlich, daß tabemarii und opijices häufig und für längere Zeit - eine contio
schildert seine Eindrücke folgendermaßen: ... ego, quo die audivi illum tyrannum in contione 'clarissimum virum' appellari, subdijfidere coepi (Cic., Alt., XV 20,2). Wenn er die Anwesenheit angesehener Leute bei einigen seiner contiones hervorhebt, so handelt es sich dabei um Ausnahmen; aber gerade damit will Cicero zeigen, daß er wie kein anderer Redner in der Gunst der Senatoren und Ritter stand. 21Tumer - Killian, Collective Behavior, 102, sprechen von "mob mind" und "mob psychology". 22Cic., Dom .• 54 und 89, wirft Clodius vor, er habe die tabemae sperren lassen, um eine ausreichend große Anzahl Zuhörer für seine Reden zu versammeln. Diese Behauptung ist allerdings Teil der Invektiven Ciceros und nicht unbedingt wahr. An anderer Stelle (Ac., II 144) bringt er contio mit seditiosi tribuni und mit deren Sitte, die tabernae vor Volksversammlungen zu schließen. in Verbindung. AIs Asconius (ln Mil .• 35 c.; 46 C.) von der Kampagne des Munatius Plancus spricht, die Milos Bestrafung zum Ziel hatte. behauptet er. Munatius habe das Volk aufgerufen, am kommenden Tag zum Gerichtsprozeß zu erscheinen, und folglich seien an jenem Tag alle tabemae der Stadt nicht geöffnet worden.
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konnte mehrere Stunden dauern - ihre Verkaufsstände und Werkstätten schließen konnten, da sie sich in erster Linie um die Sicherung ihres Lebensunterhaltes kümmern mußten. Im Gegensatz zu Athen sah der römische Staat nie eine fmanzielle Entschädigung der Teilnehmer für ihren Arbeitsausfall vor, was sich zweifellos in einer geringeren Beteiligung an contiones niederschlug 23 . Aber war diese sogenannte plebs contionalis homogen genug, um eine aus politischer Sicht lohnende Mobilisierung zu gestatten, und inwieweit war sie sich ihres möglichen Einflusses bewußt? Für solch ein Aktivieren war sicher die Persönlichkeit des Anführers entscheidend, und der einzige Ort in Rom, an dem einer großen Anzahl Menschen gleichzeitig etwas mitgeteilt werden konnte, war die contio. Selbst wenn der Redner einen besonderen Ruf genoß, konnte seine Botschaft nie so viele Empfänger erreichen, wie es heutige Medien vermögen. Wichtig ist aber, daß im Gegensatz zu den Hörern einer Radiosendung, den Zuschauern eines Fernsehprogramms und den Lesern einer Zeitung, die die Botschaft getrennt voneinander empfangen, in den Volksversammlungen das Mitgeteilte von allen Anwesenden gleichzeitig aufgenommen wurde - sie alle waren direkte Empfänger. Dadurch wurden die Entstehung eines Gefühls der Gruppenzugehörigkeit und die eventuelle Identiflkation mit der Botschaft, die anschließend von den Beteiligten breiten Kreisen der Bevölkerung übermittelt werden konnte, gefördert Dies wurde in den fünfziger Jahren des 1. Jahrhunderts v.Chr. besonders deutlich, als das regelmäßige Auftreten des Clodius in contiones zu einer Identifikation seiner Zuhörer als Gruppe führte. Während dieser Zeit können wir vielleicht von einer plebs contionalis mit einem Gruppenbewußtsein sprechen. Zur Strategie des Clodius gehörte es, der plebs urbana eine besondere Bedeutung zukommen zu lassen und sie zu einem Druckmittel gegen die Elite zu machen. In jener Zeit muß die plebs urbana das Gefühl gehabt haben, eine gewisse Macht zu besitzen und damit de facto politischen Einfluß auszuüben. In dieser Hinsicht hat Will wohl recht, wenn er behauptet: "Für die plebs urbana stellte die Zeit des Clodius die freieste der römischen Geschichte dar"24. Aus der Sicht derer, die Cicero boni nennt, muß die Empfindung, daß die plebs zu viel Geltung erlangt habe, ebenfalls existiert haben. So kam es zur Niederschlagung der Unruhen nach dem Tod des Clodius. Mit dieser Einstellung lassen sich auch die Versuche Ciceros während seiner Verteidigung Milos erklären, die Ermordung seines Rivalen als vorteilhaft für die Öffentlichkeit zu rechtfertigen25 . Das Konsulat des Pompeius sine collega bereitete dieser zeitweiligen lllusion ein jähes Ende. Mit der Unter23Will, Der römische Mob, 46. 24Ibid., 145. 25Nippel, Plebs urbana, 88: Diese Unruhen bezeugen, daß in den fünfziger Jahren anders als gegen Ende des 2. Jahrhunderts v.ehr. die plebs urbana sich angesichts der Ermordung eines beliebten Politikers nicht passiv verhielt, sondern ihren Protest gegen den Tod ihres Idols zum Ausdruck brachte.
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drückung jeglichen Einflusses des Volkes sollte verhindert werden, daß seine Ansprüche mit den im mos maiorum verankerten Prinzipien in Widerstreit gerieten. Natürlich konnte jeder Angehörige der römischen Aristokratie zu Recht behaupten, jede kollektive Aktion der plebs verstoße gegen den mos maiorum, denn traditionsgemäß hatte die plebs eine passive Rolle in der res publica einzunehmen. Die Elite hatte die richtige politische Gesinnung vorgegeben, und eine andere, die damit nicht in Einklang stand, wurde abgelehnt26. Unter diesen Umständen war es aus Ciceros und Sallusts Sicht gerechtfertigt, contio mit seditio zu assoziieren. Alle Handlungen, die gegen die herrschende Ordnung gerichtet waren, wurden als aufrührerisch und revolutionär betrachtet, ihre Urheber als Verräter der res publica und als Demagogen verurteilt und die daran Beteiligten als ungebildet sowie als unfähig zu entscheiden, was vorteilhaft für die Gemeinschaft war, abgetan.
Die Führungsrolle der Elite In Rom gab es - von einigen Unruhen wegen Unzulänglichkeiten in der Lebensmittelversorgung der Urbs abgesehen - nie eine spontane Mobilisierung des Volkes. Solch eine Aktion erforderte die Führerschaft eines Politikers, der gerade ein Amt bekleidete. Nur selten nahm ein privatus aktiv daran teil oder leitete gar eine politische Kampagne, wie dies Cicero in den Jahren 44 und 43 gegen Antonius tat27 . Jedenfalls gehörte der Initiator einer Mobilisierung des Volkes immer der sozialen Elite an. Wenngleich die auctoritas ein Mittel sozialer Kontrolle durch die Elite war, erwies sie sich doch als ambivalente Erscheinung; denn die auctoritas eines Anführers, seine Glaubwürdigkeit und sein Prestige beim Volk bestimmten in erheblichem Maße seinen Ruf und seinen Erfolg. Tatsächlich mußte das Volk fast immer von einem Führer zum Handeln "aktiviert" werden. Beispielsweise war das Volk unmittelbar nach der Ermordung Caesars erschreckt und eingeschüchtert. Viele Läden wurden spontan geschlossen, und die Leute eilten in ihre Häuser, als die Nachricht bekanntgegeben wurde; sie warteten die Ausrufung der neuen Machthaber ab 28 . Das bedeutet nicht, daß die plebs keine eigene Meinung gehabt hätte. Wie sich später zeigte, war ihre Haltung den Verschwörern gegenüber größtenteils feindlich; vor allem aber lehnte sie einen neuen Bürgerkrieg ab. Aber erst nachdem sie in verschiedenen Versammlungen die Mörder sowie Dolabella, Cinna, Antonius und Lepidus sprechen
26Fioley, Politics, 31. 27Vanderbroeck, Popular Leadership, 34: "Characteristically, popular leadership in Rome was by defmition a formalleadership. The higher level leaders who were involved in collective behavior all held a magistracy. In Ibis we discover a distinctive Roman modality which distinguishes the Roman Republic from other periods. Only Clodius was able to develop into an informal leader, Le. he was able to mobilize the crowd also beyond his magistracies". 28App., B.e., II 118; Cass.Dio, XLIV 20,1-3; Plut., Caes., 67,1; Brut., 18,7.
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gehört hatte, erklärte sich die plebs offen für die Caesarianer, noch bevor das Testament des Diktators verlesen worden war29. Gewöhnlich blieb die Führerschaft für die Dauer der Mobilisierung konstant und war von kurzer Dauer, da die Amtszeit nur jeweils ein Jahr betrug. Daher konnte sich ein neuer Anführer gegen den Initiator einer solchen Unternehmung kaum durchsetzen. Wir haben bereits gesehen, wie Cicero in Pro Cluentio von der Kampagne des Volkstribuns Quinctius spricht, der schließlich sein Ziel erreichte, einige Geschworene verurteilen zu lassen und Iunius in die Verbannung zu treiben. Er erwähnt jedoch, daß Quinctius wenige Tage danach sein Amt aufgab und sich ins Privatleben zurückzog. Laut Cicero ließen von jenem Moment an der Groll und die Erbitterung des Volkes über diese Angelegenheit nach3o. Die Kurzlebigkeit der Führung erschwerte das Koordinieren einer Politik, die unter dem Druck des Volkes möglicherweise in eine soziale Bewegung mit einem Programm, einer Führung und bestimmten Zielen umschlagen konnte. Tatsächlich können wir zu keinem Zeitpunkt der späten Republik in Rom von einer sozialen Bewegung sprechen, die diese Merkmale besaß31. Das Konzept der "sozialen Bewegung" wird von Soziologen auf unterschiedliche Weise definiert; sie gehen häufig von der heutigen Zeit aus und beziehen die Konflikte der Arbeiterklassen der beiden letzten Jahrhunderte in ihre Betrachtungen ein32. Die dort beschriebenen Probleme weichen aber sehr stark von denen der römischen Gesellschaft im 1. Jahrhundert v.Chr. ab. Jedenfalls liegt der Betrachtung neuzeitlicher sozialen Bewegungen die Prämisse zugrunde, daß eine Kontinuität in der Handlung, bestimmte Ziele, eine gewisse Organisation und ein Programm vorliegen müssen, also Bedingungen, durch die Veränderungen in der Gesellschaft und den Institutionen erzielt oder verhindert werden sollten. Im Rom der späten Republik hatte dagegen keine der uns bekannten Mobilisierungen das Ziel, die soziale Ordnung oder das politische System grundlegend 29Als das Testament bekannt wurde, verstärkte das Volk seine Unterstützung der Caesarianer noch, änderte aber seine ablehnende Haltung den Mördern gegenüber nicht. Vgl. Yavetz, Plebs and Princeps, 64; Jehne, Der Staat des Diktators Caesar, 287-288. 30Cic.. Cluent., 108. 31 Vanderbroeck, Popular Leadership, 168. 32Einige Defmitionen des Begriffs "soziale Bewegung" sind folgende: Heberle, Social Movements, 438: ..... denote a wide variety of collective altempts to bring about a change in certain social institutions or 10 create an entirely new order". Als Charakteristika der sozialen Bewegung führt er ihre lange Dauer, das Bewußtsein der Gmppenzugehörigkeit, die Suche nach einer neuen Ordnung, das Vorhandensein einer "Ideologie" und eines Programms sowie einer Organisation an. McCarthy - Zald, Resource Mobilization, 1217: "(a social movement) is a set of opinions and beliefs in a population which represents preferences for changing some elements of the social structure and/or reward disbibution of a society"; dazu gehören Ziele, eine Organisation und finanzielle Mittel. Die Mobilisation des Volkes in den Städten wird im klassischen Werk Hobsbawms, Primitive Rebels, 108, wie folgt beschrieben: "The (city) mob may be defined as the movement of all classes of the urban poor for the achievement of economical or political changes, by direct action (riot or rebellion) but as a movement which was yet inspired by no specific ideology".
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zu ändern. Generell wurde der gesetzliche Rahmen akzeptiert, und es wurden höchstens einige Details in Frage gestellt. Ein Anführer verfolgte immer konkrete Ziele, die nonnalerweise kein politisches Programm aber darstellten. Zwar gab es im Laufe des 1. Jahrhunderts v.Chr. immer wieder Forderungen der sogenannten populares, um soziale und politische Probleme zu lösen, aber es handelte sich bei diesen Aktionen um keine anhaltende Mobilisierung. Die Wiederholung dieser Bemühungen über einen längeren Zeitraum hin bezeugt deren Wirkungslosigkeit. Ebensowenig gab es eine Organisation, die mehrere Gleichgesinnte zu einer Bewegung vereint hätte - die collegia konnten diese Aufgabe nur zu bestimmten Zeitpunkten erfüllen, vor allem in den fünfziger Jahren -, noch gab es eine Aufteilung der Pflichten unter den Beteiligten, welche die Verwirklichung der Vorhaben erleichert hätte. Hinzu kam die bereits erwähnte Kurzlebigkeit solcher Aktionen, bedingt durch die einjährige Amtszeit, den Mindestabstand von zwei Jahren zwischen zwei Magistraturen sowie die Tatsache, daß nur mittels eines Magistraten mit potestas contionandi der Zugang zur Rednerbühne möglich war. All diese Faktoren erschwerten die Kontinuität einer Strategie und verhinderten eine langfristige Politik33 • Dieses Problem erkannten einige Politiker; sie versuchten, durch Wiederwahl ihre Amtszeit als Volkstribunen zu verlängern, um so weiter vor dem Volk sprechen, neue Gesetze vorschlagen und Refonnen einbringen zu können. Eine Fortdauer der Amtszeit oder Wiederwahl von Volkstribunen ist nur im Fall von Caius Gracchus und Saturninus bekannt. Tiberius Gracchus versuchte es vergeblich, und der Vorstoß seines Freundes Papirius Carbo, mit der rogatio de tribunis pIe bis reficiendis zu erreichen, daß Tribunen beliebig oft wiedergewählt werden konnten, stieß auf den Widerstand bedeutender Aristokraten wie Scipio Aemilianus und Laelius Sapiens34. Die Elite sah den Status quo gefährdet und verhinderte auf gesetzlichem Weg oder mit Gewalt jeden Versuch einer kontinuierlichen Aktion, die eventuell zu einer sozialen Bewegung hätte anwachsen können35 . Mehrere Jahrzehnte später nahm Clodius diese Idee wieder auf, ohne die geltenden Gesetze jemals in Frage zu stellen. Er nutzte seine Magistraturen -
33Die meisten bekannten Mobilisierungen der späten Republik dauerten nicht länger als einen Tag, unabhängig davon, ob das gewiinschte Ziel erreicht wurde oder nicht. Vgl. Vanderbroeck, PopularLeadership, 167-168. 34Liv., Per., LIX; Cic., Amic., 96. Vgl. Thommen, Das Volkstribunat, 30-33. 35Die antiken Quellen überliefern Fälle von Volkstribunen, die ihr Amt während mehrerer aufeinanderfolgender Jahre ausgeübt haben, bis sie die Zustimmung zu bestimmten Reformen erhielten. Diese Berichte stammen alle aus der Zeit der Konflikte zwischen Patriziern und Plebejern, also aus dem 5. und 4. Jahrhundert v.Chr. - von Licinius und Sextius beispielsweise ist bekannt, daß sie zehn Jahre lang Volkstribunen waren, bis sie erreichten, daß ihre Gesetzesvorschläge angenommen wurden -, doch die Einzelheiten sind aller Wahrscheinlichkeit nach erfunden. Sie zeigen aber, daß ununterbrochene Propaganda und Druck von seiten des Volkes die einzige aussichtsreiche Taktik zur Durchsetzung eines bestimmten Programmes waren. Wahrscheinlich waren sich die Zeitgenossen der späten Republik dieses Problems ebenfalls bewußt.
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Quaestur, Volkstribunat und Aedilität - optimal, um Auftritte in contiones und Gesetzesvorschläge in seine Strategie einzubeziehen36. Statt jedoch eine Wiederwahl oder eine erneute Bekleidung einer Magistratur anzustreben, gelang es ihm, sein programm und seine Popularität durch Erscheinen vor dem Volk aufrechtzuerhalten. Er besaß die Unterstützung anderer Magistrate, die es ihm gestatteten, auch in den Jahren, in denen er kein Amt bekleiden konnte, Reden zu halten. Das hinderte seine Gegner daran, ihn des Vorsatzes zu beschuldigen, tyrannisch die Macht zu ergreifen, und seinen gewaltsamen Tod zu rechtfertigen, wie es im Falle der Gracchen und des Saturninus geschehen war. Das verhinderte jedoch nicht, daß Clodius schließlich wie sie ermordet wurde, da seine konservativsten Zeitgenossen die Gefahr erkannten. die seine Tätigkeit für die politische und soziale Ordnung darstellte. Clodius wurde in zweifacher Weise aktiv. In einer legalen Institution, der contio, konnte er als politischer Anführer Ziele propagieren37 , und auf der Straße baute er seine Macht in den collegia aus, die er selbst neu organisiert hatte und die von Personen von niedrigem sozialem Status geleitet wurden38• Das wiederholte Bemühen der konservativsten Kreise der Elite, die collegia zu verbieten, zeugt von deren politischer Bedeutung. Clodius führte zwar nie eine soziale Bewegung an, aber seine Aktionen kamen einer solchen Bewegung sehr nahe. Er nahm im Volk mehrere Jahre lang eine unbestreitbare Führungsposition ein, organisierte die plebs39 und konnte wegen seiner Glaubwürdigkeit auf den Straßen mit einer starken Unterstützung des Volkes rechnen, die im Jahre 52 nach seinem Tod in der Urbs eine der gewalttä-
36Nippel, Plebs urbana, 84, ist der Ansicht, Clodius habe sich ungewöhnlich häufig der contiones bedient, um mit Hilfe des Volkes die Anwendung von Gewalt zu rechtfertigen. 37Clodius, der von contiones aus agierte und damit so großen Erfolg hatte, kann kein mittelmäßiger Redner gewesen sein. Leider sind keine Reden von ihm erhalten, die uns Aufschluß darüber geben könnten. Cicero ignoriert ihn als Redner vollkommen; in seinem Werk Brutus erwähnt er ihn gar nicht. An anderer Stelle behauptet er, Clodius sei unflihig, eine Rede zu halten: ... respondebo hominis furiosi non arationi, qua ille uti non po test, sed convicio '" (Dom., 3). Dagegen überliefert Plutarch (Caes., 9,2), Clodius sei wegen seines Vermögens und seiner Beredsamkeit berühmt gewesen. 38Schneider, Die Entstehung der röm. Militärdiktatur, 199. Nippel, Plebs urbana, 87, weist darauf hin, daß nach der Neuorganisierung der collegia die plebs urbana unabhängig von der Initiative eines wichtigen Aristokraten aktiviert werden konnte. Obwohl die collegia sicherlich eine bessere Koordination des Volkes im Falle einer Mobilisierung ermöglichten, handelte das Volk nie ohne die Führung eines einflußreichen Aristokraten. Zu den collegia, ihrer Organisation und ihren Mitgliedern siehe Flambard, Clodius, les coll~ges, passim; ders., Collegia CompitaIicia,
passim. 39Ciceros eindeutig parteiischen Berichten zufolge war die Unterstützung des Clodius immer auf Bestechung und Gewalt zurückzuführen. Um den Eindruck zu vermitteln, Clodius habe militärisch organisierte Gruppen herangezogen, verwendet Cicero Ausdrücke, die dem militärischen Bereich entstammen: exercitus Clodianus (Sest., 85), exercitus suus (Sest., 88), exercitus peritorum (Dom., 13). Er behauptet, Clodius' Anhänger seien rekrutierte Soldaten: dilectus habebatur (Sest., 34; Pis., 11). Vgl. Favory, Classes dangereuses, passim; Pina Polo, Cicer6n contra Clodio, 133-140. Zur Verzerrung der Fakten bei Cicero im allgemeinen siehe Rundell, Cicero and Clodius, passim.
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tigsten Massenkundgebungen der Zeit sowie eine Erhebung, die lange genug anhielt, um die Vemrteilung Milos herbeizuführen, auslöste4o. Zudem wurde sein politisches Programm mit der Zustimmung zu seiner tribunizischen Gesetzgebung in die Tat umgesetzt41 . Selbst nach Clodius' Tod wurde versucht, seine Pläne zu verwirklichen. Während der Vorfälle, die zur Verbrennung seiner Leiche in der Curia führten, hob Sextus Clodius ein librarium in die Höhe, das angeblich die Gesetzesentwürfe enthielt, die der Verstorbene während der von ihm angestrebten Praetur vorzuschlagen beabsichtigt hatte42. Es war eine wichtige Neuerung, zwischen Programm und Anführer zu unterscheiden, da das Programm bis dahin immer der Persönlichkeit des Politikers, seiner Popularität und Glaubwürdigkeit untergeordnet war43 • Wenngleich ein Programm theoretisch fortgeführt werden konnte, war es doch nicht möglich, die Glaubwürdigkeit eines politischen Hauptes auf ein anderes zu übertragen. Wie zuvor bei anderen Politikern verschwand demnach mit dem Tod des Clodius auch sein Programm; ohne ihn war es nicht durchführbar. Das Neue der Strategie des Clodius war, daß er den politischen Willen der plebs urbana deutlich formuliert und ihr das Gefühl gegeben hat, aktiv am Gemeinschaftsgeschehen beteiligt zu sein. Die plebs urbana war jedoch nicht auf sich selbst gestellt, sondern durch eine enge und gefühlsbetonte Bindung einem einzigen Anführer zugetan 44 • Clodius gelang durch seine Reden vor dem Volk eine ununterbrochene Kommunikation mit einer Gruppe, die ihm treu war und ihn bei der Verteidigung seiner Ziele unterstützte. Durch die Wiederbelebung der collegia förderte Clodius außerdem die Verständigung innerhalb der plebs und somit die Entstehung eines Gefühls der Gruppenzugehörigkeit und Solidarität. Darin bestand die große Gefahr seiner Strategie für die Elite: Er konnte das zumeist passive Volk in einen aktiven Teilnehmer am politischen Leben Roms verwandeln und ihm Ziele vor Augen stellen, für die es sich zu kämpfen lohnte45 . 40Yanderbroeck, Popular Leadership, 168: Diese Mobilisierung dauerte sogar länger an als jegliche Unruhe wegen mangelnder LebensmittelversorgWlg. 41Zu den tribunizischen Gesetzen des Clodius siehe die zutreffende Analyse Tatums, Clodius, 195ff., aus der hervorgeht, daß der Yolkstribun entgegen dem von Cicero aufgebauschten IQischee nicht nur für die plebs vorteilhafte Maßnahmen ergriff, sondern auch andere Bevölkerungsschichten zu befriedigen suchte und sich mit der Lösung institutioneller und politischer Probleme befaßte. Clodius und seine politische Karriere haben in den letzten Jahren ein großes Interesse geweckt, was aus den detaillierten Berichten von Tatum, op.cit.; Benner, Die Politik des P. Clodius, passim, und Will, Der römische Mob, 47-111, hervorgeht. 42Cic., Mi!., 33: Exhibe, quaeso, Sexte Clodi, exhibe librarium illud legum vestrarum, quod te
aiunt eripuisse e domo et ex mediis armis turbaque noctuma tamquam Palladium sustulisse ... 43Ygl. Yanderbroeck, PopularLeadership, 168. 44Ygl. Nippel, Plebs urbana, 88. 45Das bedeutet keineswegs, daß Clodius eine "proletarian reorganization of politics" zum Ziel gehabt hätte, wie Schaffer, Catiline and Clodius, 160, schlußfolgert. Benner, Die Politik des P. Clodius, passim, interpretiert Clodius' Politik in ihrer Gesamtheit als einen Versuch, eine neue, stabile und kollektive Beziehung zwischen ihm Wld der plebs urbana herzustellen, die die traditionelle, individuelle Bindung zwischen patronus und cliens ersetzen sollte. Benner nennt
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Wie andere populares erkannte Clodius die Notwendigkeit, das Volk in einer Zeit, in der der Einfluß von Politikern wie Pornpeius und Caesar überhandnahm, an politischen Entscheidungen der Gemeinschaft teilhaben zu lassen46. Der Widerstand konservativer Kreise der Elite verhinderte jedoch erneut eine stärkere Beteiligung des Volkes und ebnete unfreiwillig dem Prinzipat den Weg. Tatsächlich wurde Pompeius unmittelbar nach der Ermordung des Clodius im Jahre 52 zum consul sine collega ernannt - durch dieses Verfahren wurde alle Macht einer einzigen Person übertragen, ohne daß sie dictator genannt wurde. Außerdem kam es im Vorfeld des Bürgerkrieges zu einer gewaltsamen Unterdrückung der Clodianer und anderer Gruppen, die die herrschende Ordnung hätten gefahrden können47 . Die Mobilisierung der plebs urbana, die ein Mann namens Amatius oder Herophilus, der auch Pseudo-Marius genannt wurde, organisierte, verlief äußerst ungewöhnlich. Einem Bericht Appians zufolge leitete er unter der Vorgabe, für Caesar einen Kult gründen und sich an seinen Mördern rächen zu wollen, eine Volksbewegung. Damit erschlich er sich das Wohlwollen des Volkes und erfreute sich so großer Beliebtheit, daß er von den Verschwörern wie von den Caesarianern als Gefahr empfunden wurde48 . Die Quellen machen sehr widersprüchliche Angaben über ihn: In den Periochae des Livius wird er als humillimae sortis homo, von Valerius Maximus als ocularius medicus bezeichnet49. Jedenfalls handelte es sich um einen privatus, der sicher reich und einflußreich war50, jedoch keine Magistratur bekleidete, so daß er nie Zugang zur Rednerbühne hatte und seine Ziele nicht in contiones verkünden konnte. Außerdem hatte er sich während der letzten Monate nicht in der Urbs aufgehalten, da ihn Caesar im Jahre 45 in die Verbannung geschickt hatte und er erst nach den Iden des März nach Rom zurückkehrte. Trotz all dieser Unannehmlichkeiten gelang es ihm, zum Initiator einer Mobilisierung der plebs zu werden und eine beträchtliche Anhängerschaft um sich zu versammeln.
das "Denaturierung des Clientelwesens". Bereits Linton, Clodius-Felix Catilina, 159 und 167. führt als wichtigstes Merkmal der politischen Karriere des Clodius sein Patronat über die plebs urbana an. Jedenfalls sprechen beide Autoren von ihr. als handle sie als eine Einheit, während jedoch feststeht, daß nur ein Teil. wenngleich ein wichtiger, sich zusammenrottete und eine
enge Beziehung zu Clodius hatte (vgl. Briscoe. Besprechung von Benner, op.cit., 659). 46Schneider. Die Entstehung der röm. Militärdiktatur, 214. 47Zu den ZusUinden nach der Ermordung des Clodius und der Bedeutung des Konsulats sine collega des Pompeius siehe Will. Der römische Mob. 93-106. 48Zu Pseudo-Marius und seiner Tätigkeit in Rom siehe App., B.C., nr 2-3. Vgl. Yavetz, Plebs and Princeps, 70-72; Scardigli. TI falso Mario. passim. 49Liv .• Per.• CXVI: Chamates. humillimae sortis homo, qui se C. Mari jilium jerebat, cum apud credulam plebem seditiones moveret. necatus est (Chamates statt Amatius ist wahrscheinlich ein Fehler in der Überlieferung des Texts); Val.Max., IX 15,1: Herophilus ocularius medicus C. Marium VII consulem avum sibi vindicando extudit ... 5Oyavetz, Plebs and Princeps. 60-61.
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Die Stimmung in der plebs urbana war günstig, das Ziel klar definiert und konkret, der Erfolg der Aktion vorhersehbar. Nach dem Tode des Amatius verlangte das Volk weiterhin den Kult des Diktators. Das beweist, daß Amatius der Anführer, aber nicht die eigentliche Triebkraft des Unternehmens war5l . Wie dem ~uch sei, diesmal galt die Prämisse, daß der Führer ein Magistrat sein mußte, wenn er überzeugen wollte, nicht - es handelte sich um eine ungewöhnliche Situation. So erklärt sich auch die Vorsicht, mit der die herrschenden Schichten die Ereignisse verfolgten. Denn die Mobilisierung durch einen aufrührerischen Tribun war gefährlich, aber eine unkontrollierte Aufstachelung des Volkes, die nicht von einem Magistraten angeführt wurde, drohte die Stadt ins Chaos zu stürzen. Der Pseudo-Marius wurde am 13. April ermordet und seine Leiche in den Tiber geworfen. Dies geschah laut Appian mit dem expliziten Einverständnis des Antonius und wahrscheinlich mit der unausgesprochenen Zustimmung des größten Teils der Elite. Das Volk reagierte darauf mit der Besetzung des Forums und mit der Forderung an die Magistrate, den von Amatius errichteten Altar offiziell Caesar zu widmen. Es kam zu Unruhen, die Antonius durch das Heer unterdrücken ließ.
Politische Ziele der Mobilisierungen des Volkes Da Mobilisierungen des Volkes während der späten Republik üblicherweise durch Reden in contiones eingeleitet wurden, dürfen diese Volksversammlungen als Ausgangspunkt solcher Unternehmungen gelten52. Dem initüerenden Redner oblag somit die Formulierung von Zielen. Da nur die Elite Zutritt zum Senat hatte, in den comitia nur dem Gesetzesvorschlag eines Magistraten zugestimmt werden konnte und für die contiones eine hierarchische Struktur und einseitige Kommunikation charakteristisch waren, konnte die plebs auf institutionellem Wege keine Forderungen an die Mitglieder der vornehmen Gesellschaft richten. ledwede Aktion war vom Willen der Elite abhängig, d.h. davon, ob sich einer ihrer Vertreter einer der Ansprüche des Volkes annahm oder es überzeugen konnte, seine eigenen zu unterstützen. Nun stellt sich die Frage, ob die plebs urbana in den Volksversammlungen ein bloßes Instrument im Dienste der Interessen der herrschenden Schichten war.
51 Jehne, Der Staat des Dictators Caesar, 288·289. 52Yon allen kollektiven Aktionen, von denen Yanderbroeck, Popular Leadership, 218-267, berichtet, hat in den Jahren 80-50 etwa ein Yierlel in contiones stattgefunden, also viel mehr als beispielsweise bei Beerdigungen, vor Gericht, im Theater und bei Spielen (dazu siehe zuletzt Flaig, Entscheidung und Konsens, bes.1OO-127). Hinzu kommt, daß einige der Ereignisse, die sich nicht in contiones zutrugen, zuvor von der Rednerbühne aus eingeleitet worden waren. So kritisierte im Jahre 59 der Konsul Caesar in einer Volksversammlung die Edikte seines Kollegen Bibulus und forderte seine Zuhörer auf, zu dessen Haus zu gehen, um ihn unter Druck zu setzen, daß er sie zurückzöge (Cic., Att., 11 21,S: '" impelli contionem, ut iret ud Bibulum). Und während des Prozesses gegen Milo brachte der Tribun Munatius die Anwesenden einer contio dazu, am folgenden Tag die Gerichtsverhandlung zahlreich zu besuchen, um einen Schuldspruch zu fordern (Ascon., In Mil., 35 c.; 37 C.; 46 c.; Cic., Mil., 3; 71).
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Diese Ansicht vertritt Meier, für den die plebs urbana, die nicht imstande war, die Initiative zu ergreifen, den Senat und seine principes hoch schätzte und sich freiwillig ihrer Herrschaft unterwarf53. Schenkt man den antiken Quellen Glauben, so ist das Volk eine leicht zu überredende, unbeständige Masse, unfähig, den Gang der Ereignisse zu beeinflussen. Entspricht dieses Bild aber tatsächlich der Wirklichkeit? In den vorherigen Kapiteln war bereits von in Volksversammlungen verfolgten Zielen die Rede. Einige von ihnen erforderten eine kollektive Aktion, eine möglichst breite Beteiligung des Volkes, also Konstellationen, wie sie beim Gerichtsverfahren Milos, bei der Verurteilung der Geschworenen im iudicium Iunianum und bei der Verbannung Ciceros zu beobachten waren. Andere Ziele waren auch ohne kollektive Aktion zu verwirklichen. Sie bestanden in der Verbreitung einer Idee, die von der Mehrheit der Gemeinschaft übernommen wurde und so zur öffentlichen Meinung werden sollte. Ein anschauliches Beispiel ist das kurz vor dem Ende der Republik entstandene Gerücht, demzufolge Antonius ein Verräter, Octavian hingegen der Beschützer Roms und des ganzen Westens sei. Selbstverständlich war die Akzeptanz dieser Propaganda als öffentliche Meinung durch die Mehrheit ein Schritt in Richtung des tatsächlich angestrebten Ziels, das darin bestand, Antonius aus dem Weg zu räumen und Octavian zum alleinigen Herrscher des Imperium.zu machen. Die Überzeugungskraft eines Redners war natürlich von grundlegender Bedeutung. Er mußte aber nicht nur seine rhetorische Technik vor unkundigen, arglosen Zuhörern, die imperiti und creduli waren, korrekt anwenden. Entscheidend für den Erfolg einer Mobilisierung des Volkes waren vielmehr glaubwürdige und konkrete Vorhaben, die verständlich vorgetragen werden mußten, um vom Volk akzeptiert zu werden. Schließlich vermochte auch die plebs sich frei für die Ziele und Personen, die sie unterstützte, zu entscheiden. Die wirtschaftliche Lage der plebs urbana war beklagenswert: Charakteristisch waren unzulängliche, enge Wohnungen, bisweilen unerschwingliche Mieten, Schulden, das Risiko, alles durch einen Brand oder eine Überschwemmung
53Meier, RPA, 109-116. Nach Meier habe sich vor allem die plebs contionalis aus Aufwieglern und Ruhestörern zusammengesetzt, die bereit waren, immer dort zu erscheinen, wo sich etwas ereignete, und sich an aggressiven Handlungen gegen den Senat zu beteiligen, angeblich.mit dem Zweck, nicht nur Nutzen zu haben, sondern auch Unterhaltung und Abwechslung zu suchen: "Sie gewannen an der popularen Politik besonderes Vergnügen und zogen Vorteile daraus" (115). Dies ist auch die Meinung von Metaxaki-Mitrou, Violence in the contio, passim, die Ciceros Ansicht kritiklos akzeptiert und zu der Schlußfolgerung kommt, die Klienten popularer Politiker hätten in contiones Unruhen hervorgerufen, während das Volk in Cliquen zusammengeschlossen gewesen sei, die einige Politiker für ihre eigenen Zwecke organisiert hatten. Vgl. Wistrand, BOllus the Tyrannicide, 7: "Only the aristocrats play an active role in politics. The common people serve as recruits to the followings of aristocratic leaders, to be won by personal or political benejicia and to be remunerated after victory".
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zu verlieren, häufig nur Gelegenheitsarbeit54. Daher erschiene es logisch anzunehmen, daß sich das Volk ausschließlich aus Grunden des Überlebens ZUSaIn_ menrottete. Tatsächlich rief der Mangel an Lebensmitteln in Rom häufig Unruhen und allergrößte Aufregung in der plebs urbana hervor, und somit wurden Ge,treide- oder Versorgungsgesetze vom Volk aktiv unterstützt55 . Untersucht man jedoch die Ziele, die in den bekannten politischen contiones verfolgt wurden, so stellt man fest, daß es in vielen Fällen eher um einen Machtkampf in der Elite oder um die persönliche Konfrontation zwischen Politikern als um die sozioökonomisehen Interessen des Volkes ging. Und wirklich wurden in einigen der bereits erwähnten großen, dauerhaften und erfolgreichen Mobilisierungen nicht, winschaftliche, sondern politische Ziele verfolgt: die Verteidigung eines beliebten Politikers oder Negativpropaganda, um jemanden zu veruneilen oder in die Verbannung zu treiben. In den siebziger Jahren fand eine Kampagne zur Wiederherstellung der gesamten tribunizischen Kompetenzen statt, die zum Teil in contiones gefühn wurde. Sie wurde von dem Konsul M. Aemilius Lepidus im Jahre 78 begonnen, von den Tribunen Sicinius, Quinctius und Licinius Macer fortgesetzt und im Jahr 70 von Pompeius zu Ende gefühn56• Augenscheinlich verhielt sich das Volk teilnahmslos, und keinem dieser Politiker gelang eine richtiggehende Mobilisierung. Uns sind keine Unruhen oder Demonstrationen bekannt wie bei anderen Gelegenheiten, als das Volk bestimmte politische oder gesetzliche Maßnahmen ohne Vorbehalt unterstützte. Im Gegenteil, bei Sallust bedauert Licinius Macer die Passivität des Volkes angesichts der Beseitigung des Sicinius, den die Menge seinem Schicksal überließ, obwohl er sich für die Wiederherstellung der vollständigen tribunizischen Gewalt eingesetzt hatte. Licinius Macers Rede ist ein Appell an das Volk, ein bis zum Zeitpunkt seiner Rede vergeblicher Versuch, es in den Kampf um das Volkstribunat einzubeziehen57 . Wie ist diese Teilnahmslosigkeit des Volkes zu erklären? Fehlte es an Zielen oder an der Überzeugungskraft und Glaubwürdigkeit der Anführer? Einer der vehementen Verteidiger der Wiederherstellung tribunizischer Kompetenzen war L. Quinctius, Volkstribun des Jahres 74. In seinen Bemühungen, um die Kompetenzen der Volkstribunen wiederherzustellen, wurde er zwar vom Volk nicht unterstützt. Wie Cicero in Pro Cluentio berichtet, war seinen in-
54Yavetz, Living Conditions, passim; Brunt, Roman Mob, 84-92; Schneider, Die Entstehung der röm. Militärdiktatur, 166-168; Will, Der römische Mob, 29-35; Kiihnert, Die plebs urbana, 33-61. 55Brunt, Social Conflicts, 138; ders., Roman Mob, 100, meint, Hunger sei die Ursache der anhaltenden Gewalt besonders in den fünfziger Jahren des 1. Jahrhunderts gewesen. Vgl. Yavetz, Plebs and Princeps, 33. 56Lepidus: Sall., Hist., I 55; Flor., 11 11,5; Sicinius: Cic., Brut., 217; Sall., Hist., III 48,8; Quinctius: Cic., Cluent., 110-111; Licinius Macer: Sall., Hist., III 48. 57Sall., Hist., III 48,8. Vgl. Martin, Die Popularen, 22.
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tensiven und lang anhaltenden Bemühungen, um die Mobilisierung des Volkes in den contiones, in denen er die Empörung über das Urteil des Oppianicus zunutze machte, doch Erfolg beschieden. Hier scheint nicht die fehlende Glaubwürdigkeit des Anführers der hemmende Faktor gewesen zu sein, sondern einfach die Tatsache, daß das Volk die Restituierung der tribunizischen Gewalt nicht als unmittelbares Ziel sah und nicht dafür kämpfen wollte. Die plebs konnte mobilisiert werden, um bestimmte Volkstribunen zu verteidigen, betrachtete jedoch das Tribunat als Institution mit einer gewissen Skepsis, da es vornehmlich die herrschenden Schichten begünstigte58 . Allerdings rottete sich das Volk zusammen und akzeptierte die Meinung des Quinctius, als eine ungerechte Gerichtsentscheidung gefällt wurde, die der wirtschaftlichen und sozialen Lage des Volkes in keiner Weise Rechnung trug und von der es sich daher keinen direkten Nutzen versprach. Im Falle der Ermordung Caesars erklärt sich das Scheitern der "Tyrannenmörder" dadurch, daß sie der plebs und den Veteranen keine konkrete Alternative zu den Vorschlägen Caesars in Aussicht stellten und ihr politisches Programm auf Mißtrauen stieß. Sie glaubten, es reiche aus, den Tod des "Tyrannen" und die Wiederherstellung der libertas zu verkünden, um die plebs urbana für sich zu gewinnen59 . Aber dieser Appell an das republikanische Bewußtsein blieb ohne Echo, denn das Volk ahnte, daß die versprochene libertas für Brutus und Cassius gleichbedeutend mit der libertas der boni war. Die plebs erhielt weder politische Rechte noch soziale Vorteile, sondern mußte vielmehr befürchten, in einen neuen Bürgerkrieg verwickelt zu werden. Daher näherte sie sich den Caesarianern, anfänglich vor allem Antonius, an. Dieser wußte trotz des Mißtrauens, das er zuvor bisweilen hervorgerufen hatte, nun gut mit dem Volk umzugehen, denn er verfolgte eine Politik der Übereinstimmung. Außerdem behielt er die acta Caesars bei, zu denen später noch die Versprechungen aus dem Testament des Diktators
58Thommen, Das Volkstribunat, 24-25. Ciceros bekannter Rede über das Volkstribunat (Leg., III 24-26) ist zu enblehmen, daß seiner Ansicht nach die Vorteile dieser Institution die Nachteile überwögen, da es dazu beitrage, die Gewalt des Volkes einzudämmen und dessen Forderungen im gesetzlichen Rahmen zu halten; außerdem seien nur wenige Tribunen als sediliosi zu bezeichnen. Für Cicero war es wichtiger, daß sie das Volk von sediliones abschreckten; mit dem Tribunat würden die Leute niederen Standes den Angehörigen der sozialen Elite gleichgestellt: ... inventum est temperament um. quo tenuiores cum principibus aequari se putarent ... Somit stellt Cicero das Tribunat als ein Instrument der Überwachung und Kontrolle der Forderungen des Volkes dar; es hatte den Zweck zu verhindern, daß diese Ansprüche das geltende System gefährdeten. Zu dieser Ansicht Ciceros siehe Thommen, Das Bild vom Volkstribunat,
passim. 59Brunt, Social Conflicts, 143; Yavetz, Plebs and Princeps, 63·64; Jehne, Der Staat des Dictators Caesar, 326-328. Die Ursache des Scheitems der "Tyrannenmörder" war nicht Brutus' übermäßige Rücksichblahme auf das unbeständige Volk, wie Wistrand, Brutus the Tyrnnnicide, 25, behauptet: "Brutus cherished illusions about the strength of republican tradition and sentiments among the urban plebs, but the fickle populace had in itself no decisive importance". Der wahre Grund war der, daß die Vorschläge des Brutus für das Volk kein Ziel darstellten, für das es zu kämpfen bereit war.
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kamen. Wenn man sich diese Gegebenheiten vor Augen hält, ist die Entscheidung des Volkes logisch und kein Zeichen venneintlicher Wankelmütigkeit6o. Die plebs urbana war zwar wie jede Volksmasse lenkbar und beeinflußbar, orientierte sich jedoch nicht ausschließlich an wirtschaftlichen Interessen und am bloßen Überlebenstrieb. Ihren Angehörigen fehlte es auch nicht an einer eigenen Meinung; anderenfalls hätten sie sich nicht für bestimmte Ziele eingesetzt. Dadurch, daß sie für eine bestimmte politische Meinung eintraten, ergriffen sie in den Auseinandersetzungen der herrschenden Schichten Partei. Handelte es sich dabei um eine bloße Manipulation der Masse im Dienst der Elite? Übernahm das Volk Ziele eines Anführers und machte sie dadurch zu Zielen der Gemeinschaft? Wie Vanderbroeck darlegt, ist diese Haltung des Volkes auf eine Lockerung der traditionellen Klientelbindungen und auf die Entstehung einer "public clientele" zurückzuführen 61 . Sie kam dadurch zustande, daß Personen, die genügend Handlungsspielraum besaßen, dem einen oder anderen Politiker ohne vorherige Verpflichtung ihre Unterstützung zukommen ließen. Das bedeutet natürlich nicht, daß man von einer Ideologie der plebs sprechen kann. Das Volk bildete keine homogene Gruppe und verfügte weder über die notwendige politische Bildung noch über Mittel, eigene Ideen öffentlich bekannt zu machen. Stellen wir uns jedoch eine plebs vor, die sich nur für panem et circenses interessierte, so lassen sich diese Handlungen nicht erklären. Es muß vielmehr davon ausgegangen werden, daß das Volk ein politisches Bewußtsein besaß, das sich an den tatsächlichen realen Gegebenheiten orientierte62. Die plebs war zweifellos fähig zu erkennen, welches ihre Interessen waren und wer sich am besten dafür einsetzen konnte. Sie akzeptierte einen Anführer aus den Reihen der Elite als eine Bedingung sine qua non des institutionellen Systems von Rom. Natürlich hatten nicht alle politischen Häupter die gleiche Gesinnung, und das war den Zeitgenossen auch bewußt63 .
6Owm, Der römische Mob, 147: "Das vulgus der späten Republik war nicht mobile". 61 Vanderbroeck. Popular Leadership, 81-82: "The enormous population growth of Rome during the late Republic rendered personal contact between patron and dient increasingly difficult ... the introduclion of the secret ballot .. , resulted in a reduced control of the dient by the patron. Consequently, the vertical ties relaxed and it can be surmised that parts of the Roman plebs were even entirely free from such relationships with the ruling 6lite ... That is why politicians, operating as popuIar leaders, were able to ralIy behind them large groups of the plebs, composed of plebeians who were free from vertical lies and of dients who were drained away from other members of the 6lite. Thus developed what could be called a public clientele, since the popuIar leader (the patron) was almostper defmition amagistrate". 62Yavetz, Plebs and Princeps, 34. 63Cic., Cluent., 151: ... L. Sulla, homo a populi causa remotissimus. Daß L. Equitius (der falsche Sohn des Ti. Gracchus) sich bei der plebs urbana einer solchen Popularität erfreute (er wurde vom Volk im Jahre 101 aus dem Gefangnis befreit und im folgenden Jahr zum Volkstribun gewählt), läßt sich nur dadurch erldären, daß die Gracchen bei der Stadtbevölkerung immer noch große Sympathie genossen (vgl. Schneider, Die politische Rolle der plebs urbana, 212213). Das gleiche gilt später für den vermeintlichen Sohn des Clodius, TrebeIlius Calca (Val.Max., IX 15,4).
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Die plebs urbana Roms blieb immer den Anführern treu, die sie für wirkliche populares hielt, sogar nach deren Tod. Populare Politiker wie Tiberius und Caius Gracchus, Saturninus und Clodius galten im Volk als Identiftkationsfiguren. Volksrnassen lassen sich bekanntlich oft von Sinnbildern leiten, und zudem legitimieren diese Symbole die Aktionen der Gruppe64 • Dies war vor allem nach der Tötung der vier genannten Politiker der Fall, die in den Augen des Volkes zu Märtyrern wurden, aber auch schon zu Lebzeiten beim Volk beliebt waren. Daß die plebs urbana ihnen ein gewisses Charisma zuerkannte, zeigte sich aposteriori in den spontanen Ehrerbietungen und im Erweisen kultischer Ehren nach ihrem Tod. Für die Gracchen wurden beispielsweise Statuen am Ort ihrer Ermordung errichtet, an denen jedes Jahr die ersten FlÜchte dargebracht wurden. Diese charismatischen Politiker erfreuten sich einer außerordentlichen Beliebtheit und konnten auf die Treue des Volkes zählen. Somit gab die Glaubwürdigkeit einer Person und nicht eine kollektive Ideologie den Ausschlag dafür, daß die plebs einen Anftihrer unterstützte 65 • Yavetz versucht zu erglÜnden, wie es zur Popularität einiger römischer Politiker, insbesondere zu der Caesars, kam. Er erklärt sie in erster Linie damit, daß Caesar dem Volk das Gefühl geben konnte, er sei dessen Freund. Nach dem Tod Caesars forderte das Volk von dem zukünftigen Herrscher die Fähigkeit, eine stabile Ordnung aufrechtzuerhalten, den Frieden zu sichern und sich um die Belange der plebs zu kümmern. Yavetz fügt hinzu: 'They also demanded of the ruler he show respect towards them"66. Ein Politiker, der beliebt sein wollte, mußte also öffentlich zeigen, daß er das Volk nicht verachtete und sich 'ihm gegenüber nicht arrogant benahm. Dies gilt für die ganze späte Republik. Die plebs urbana stellte sich auf die Seite der Politiker, die ihr nicht nur - und nicht notwendigerweise - largitiones und andere Vorteile versprachen, sondern unterstützte vor allem diejenigen, die sie als aktiven Bestandteil der Gemeinschaft, also mit Respekt behandelten. Die plebs mußte als Kommunikationspartner anerkannt werden. Dazu bedurfte es eben der Reden in Volksversammlungen, die in einem bestimmten Stil verfaßt sein mußten.
64Tumer - Killian, Collective Behavior, 120-122. 65Völlig übertrieben ist die Schlußfolgerung von Hahn, Der Klassenkampf der plebs urbana, 146, die plebs habe "in ihrem Klassenkampf gegen die Aristokratie eine eigene soziale und politische Konzeption, ein konkretes Programm und eigene politische Organe, eigene Kampfmittel" gehabt Vielmehr trifft die Meinung von Yavetz, Plebs and Princeps, 35, zu: "The masses of Rome were not motivated by an ideology or by some written politicaI programme. It C3Dnot, however, be stated absolutely that crowds neither reason nor are influenced by reasoning". 66Yavetz, Plebs and Princeps, 76 (im gleichen Sinne 98 und 138). B. Levick behauptet zu Recbt in ihrer Debatte über Yavetz, The Urban Plebs, 185: "Because in certain addresses, sucb as those of Ti. Gracchus, they (the plebs) bad been treated with the respect that tbeir constitutional position demanded, tbey came to see tbat respect as their due: dignitas operated even at tbe lowest level of society".
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Cicero behauptete in seiner Zusammenstellung der wichtigsten Redner in seinem Werk Brutus, daß die Redekunst von Tiberius und Caius Gracchus hervorragend für Reden in contiones gewesen war67 . Die Einberufung von Volksversammlungen als politische Strategie sowie bestimmte Vorschläge der Gracehen, d.h. vor allem des Caius, die am stärksten Benachteiligten aus den Unterschichten ins öffentliche Leben einzubinden, bedeuteten eine große politische Neuerung, die von nun an Volkstribunat und contiones als wichtige Elemente popularer Politik verband. Plutarch zufolge soll Caius Gracchus der erste gewesen sein, der im Jahre 123 v.Chr. von den Rostra zum Forum und nicht zur Curia hin sprach, und dadurch eine wichtige Neuerung eingeführt haben. In dieser Innovation kam deutlich zum Ausdruck, daß die Meinung des Volkes künftig über die des Senats gestellt wurde68 . Möglicherweise waren es aber eher praktische als ideologische Gründe (die Einberufung der Versammlung in einen größeren Raum als ins traditions gemäße Comitium), die in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts v.Chr. die Redner bewogen, zum Forum hin zu sprechen. Daß diese Änderung C. Gracchus zugeschrieben wird, stimmt jedoch mit seiner respektvollen Haltung dem Volk gegenüber überein. In Ciceros Liste der Redner, die vor dem Jahr 70 häufig in contiones gesprochen haben und die er aus diesem Grund stark kritisiert, finden sich auch Cn. Papirius Carbo, L. Quinctius und Lollius Palicanus sowie die bekanntesten populares des letzten Drittels des 2. Jahrhunderts, die Gracchen, Satuminus und Servilius Glaucia69 . Obwohl die antiken Quellen keine der Reden des Satuminus erwähnen, behauptet Cicero, dieser sei ein Meister im Aufpeitschen und Anstacheln unerfahrener Gemüter gewesen: ... ad animos imperitorum excitandos inflammandosque peifectus70 . Diese Wendung muß sich auf die Teilnehmer an Volksversammlungenbeziehen. Offensichtlich nahm sich der Volkstribun die Strategie der Gracchen zum Vorbild; ebenso verwies er auf sie, um seine eigene Politik zu
67Cic., Brut., 333: Nam Gracchi in contionibus multo faciliore et liberiore genere dicendi ... 68Plut., C.Gr., 5,3. Dazu siehe Pina Polo, Contiones, 194-196. Zu den von Caius Gracchus eingeführten Neuerungen und der Art, vor dem Volk zu sprechen, siehe David, L'action oratoire de C. Gracchus, passim. 69Cic., Brut., 223-224: Cn. Carbonem, M. Marium et ex eodem genere compluris minime
dignos elegantis conventus auribus aptissimos cognovi turbulentis contionibus. Quo in genere, ut in his perturbem aetatum ordinem, nuper L. Quinctius fuit; aptior etiam Palicanus auribus imperitorum Et quoniam huius generis facta mentio est, seditiosorum omnium post Gracchos L. Appuleius Satuminus eloquentissumus visus est, magis specie tamen et motu atque ipso amictu capiebat homines quam aut dicendi copia aut mediocritate prudentiae. Longe autem post natos homines improbissimus C. Servilius Glaucia, sed peracutus et ca/lidus cum primisque ridiculus. Palicanus beriefzumindest eine Volksversammlung ein, damit Pompeius darin sprechen konnte (Cic., Verr., I 45). Zu L. Quinctius siehe Cic., Cluent., passim, und supra die Seiten 114ff. Zur Chronologie und politischen Karriere dieser Männer siehe Sumner, Orators, 118ff. 7oCic., Har.resp., 41. An anderer Stelle behauptet Cicero, Satuminus sei ein bedeutender Vertreter der volksfreundlichen Richtung: ... jlorentem hominem in papulari ratione ... (Sest., 101).
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rechtfertigen 71. Wie die Gracchen erfreute sich Saturninus einer außergewöhnlichen und dauerhaften Popularität sowohl bei der städtischen als auch bei der ländlichen plebs72 • Dies zeigte sich auf indirekte Weise dadurch, daß ein Volkstribun des Jahres 98, C. Appuleius Decianus, die Ermordung des Saturninus in contione beklagte, am einzigen Ort, an dem eine solche Erklärung mit Beifall aufgenommen werden konnte. Sie hatte zur Folge, daß er den Prozeß gegen P. Furius verlor, da die Geschworenen solch eine Voreingenommenheit für den "aufrührerischen" Tribun nicht guthießen. Daraus wird deutlich, daß Saturninus bei Senatoren und Rittern unbeliebt, bei der plebs urbana jedoch sehr populär war73 . Später wurde über Decianus gerichtet, und er sah sich gezwungen, in die Verbannung zu gehen. Die fast vierzig Jahre nach dem Tod des Saturninus im Prozeß gegen dessen mutmaßlichen Mörder Rabirius geweckte Leidenschaft zeigt, daß sein Andenken bei den Bewohnern der Urbs noch lebendig war. Einer der Männer, die Cicero in seiner Liste aktiver Redner vor dem Volk anführt, ist M. Marius Gratidianus, Praetor des Jahres 85. Er gewann während seiner Amtszeit große Popularität, da er im Einvernehmen mit allen Volkstribunen ein Edikt zur Abschaffung der Münzen verfaßte, die aufgrund des Gesetzes des Livius Drusus im Jahre 91 allmählich an Wert verloren 74 . Marius Gratidianus beeilte sich, die Nachricht persönlich in einer contio zu übermitteln, und griff damit offenbar einer gemeinsamen Ankündigung durch alle Volkstribunen vor. Der Praetor bezweckte damit sicher, sein eigenes Verdienst als das maßgebliche vor dem Volk, dem größten Nutznießer dieser Maßnahme, darzustellen. Im Jahre 82 wurde er von den Anhängern Sullas ermordet, aber seine Populatität war Cicero zufolge so groß, daß er vom Volk verehrt wurde, das für ihn Statuen in allen vici errichten ließ und ihm Weihrauch und Wein als Opfergaben darbrachte 75. Es verblüfft, daß das Volk einer Person, die in jener Zeit keine besonders große Bedeutung hatte, zugetan war; zumindest konnte Gratidianus nicht mit anderen, viel einflußreicheren Politikern verglichen werden, die ebenfalls populär waren. Was machte Marius Gratidianus bei der plebs urbana so beliebt, daß ihm eine Behand-
71Cic., Ac., 11 75. 72Dazu siehe Schneider, Die politische Rolle der plebs urbana, passim, der zeigt, daß die plebs urbana Satuminus während seines Tribunats und nicht die nobilitas unterstützte, womit er der von Gabba fomlUlierten und von Badian, Gruen und LinlDtt übernommenen Meinung widerspricht. 73Cic., Rab.perd., 24. 74Ascon., In toga canti., 75 C.: M. etiam Mari Gratidiani summe popularis hominis ... 75Cic., Off.. m 80: Et ea res, si quaeris, ei magno honori fuit,' omnibus vicis statuae. ad eas tus, cerei. Vgl. Plin.• N.H., XXXIII 132; Sen .• De ira, m 18.1. Dazu siehe Taeger. Charisma. 11 42-43: Die Statuen bedeuten zwar nicht unbedingt, daß er zur "Kullfigur" erhoben wurde. Daß die Standbilder in den vom Volk bewohnten Stadtteilen aufgestellt wurden. läßt jedoch an eine Verbindung zum Kult der Lares denken. Dabei liegt keine Vergottung nach hellenistischem Muster vor. :raeger zufolge handelt es sich aber um eine neue Tendenz in Rom. die wohl von den vielen Fremden eingeführt wurde. die der plebs urbana angehörten.
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lung zuteil wurde, die man offensichtlich nur den größten der populares angedeihen ließ? Sicherlich trug das Edikt von 85 dazu bei, aber möglicherweise waren seine respektvolle Haltung dem Volk gegenüber und sein Interesse, in Volksversammlungen aufzutreten, entscheidend. Dagegen konnten ein hochmütiges Gebaren in einer contio wie die verächtliche Bemerkung des Nasica, er selbst wisse besser als das Volk, was vorteilhaft für die res publica sei, und Aemilianus' Herabsetzung der sicher zahlreich anwesenden Freigelassenen das Mißfallen des Volkes hervorrufen76. Cicero war stets darauf bedacht, sich dem Volk gegenüber in seinen Reden achtungsvoll zu verhalten. Nie richtete er ein verächtliches Wort gegen das Volk oder die von ihm am meisten geschätzten Personen. Seine Reden vor Gericht, die zwar an Geschworene, also an Angehörige der Elite, gerichtet waren, aber öffentlich gehalten wurden und denen jeder Interessierte zuhören konnte, verraten die Geringschätzung, die Cicero für die multitudo empfand, und das konnte die plebs nicht überhören. Häufige Reden waren somit wichtig für das Volk, reichten aber nicht aus. Cicero und Cato Uticensis sprachen zwar in contiones, wurden aber vom Volk nicht als Freunde betrachtet. Dazu bedurfte es einer ehrerbietigen Haltung sowie symbolischer Handlungen, die dem Volk das Gefühl gaben, seine Meinung werde beachtet. Solche symbolischen Handlungen waren die transitio plebem des Sulpicius Rufus, Clodius und Dolabella77 und der Umzug des Caius Gracchus von seinem luxuriösen Haus am Palatin in die Nähe des Forums (Cicero tat das Gegenteil davon), Taten, die von der plebs sicher gerne gesehen wurden78 . Die plebs rechnete es einem Politiker hoch an, wenn er sich für das Volk einsetzte, ohne auf die Risiken zu achten, die sein Engagement für seine Karriere oder sein Leben bedeuten könnte. Man behauptet oft, die populares seien Emporkömmlinge, die das Volk als Instrument zum Erreichen eigener Ziele benutzten, d.h., um im cursus honorum aufzusteigen. Es muß jedoch ernsthaft bezweifelt werden, ob das Volkstribunat einem mit den boni verfeindeten Tribun als Sprungbrett in die Politik dienen konnte. Schließlich war es ja nicht das Volk, sondern die Elite, die die Wahlen für Praetur und Konsulat entschied. Die Analyse, die von einer unbändigen Ambition dieser Politiker ausgeht, läßt außer acht,
an
76Zu Nasica siehe Val.Max., III 7,3. Als Aemilianus vom Tribun Papirius Carbo in einer contio zum Tod des Ti. Gracchus befragt wurde, rechlfertigte Aemilianus ihn und fügte unter dem Protest der Anwesenden hinzu: ... hostium, inquit, armatorum totiens clamore non territus, qui possum vestro moveri, quorum noverca est Italia? (yell., 11 4,4. Vgl. ValMax., VI 2,3). 77 Cicero gibt unausgesprochen zu, daß die transitio ad plebem zur Popularität beilrage, wenn er berichtet, daß einige Redner in laudationes junebres vorgaben, in ihrer Familie habe eine transitio ad plebem stattgefunden, um damit ihre Zuhörer zu beeindrucken: ... falsi triumphi, plures consulatus, genera etiamfalsa et ad plebem transitiones ... (Cic., Brut., 62). 78Yavetz, Plebs and Princeps, 98-99; Vanderbroeck, Popular Leadership, 116-118. Die antiken Quellen nennen diese Haltung levitas, die der gravitas der Senatoren gegenübersteht. Cicero bringt levitas mit häufiger Teilnahme an contiones in Verbindung (Cat., IV 9: Intellectum est
quid interesset inter levitatem contionatorum et animum vere popularem ... ).
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daß all diejenigen, die nicht nur populariter handelten, sondern sich auch tatsächlich für soziale und politische Refonnen einsetzten, ennordet wurden: die Gracehen, Saturninus, Sulpicius, Clodius. Keinem von ihnen gelang es, ein höheres Amt als das des Volkstribuns zu bekleiden. Diese Tatsache war sowohl den Politikern als auch der plebs bewußt. Es ist schwierig, die Ehrlichkeit dieser Refonner nachzuweisen. Optimates wie populares stellten sich, wie es von Personen des öffentlichen Lebens erwartet wurde, immer als Verteidiger des Allgemeinwohls dar. Die populares - zumindest diejenigen, die vom Volk als populares anerkannt wurden - begriffen, daß die vorhandenen sozialen Probleme Unstimmigkeiten und Gewalt erzeugten und dadurch das republikanische System untenninierten. Diese Erneuerer wollten weder den Staat abschaffen noch der plebs zur Macht verhelfen, noch die soziale Struktur oder den Privatbesitz in Frage stellen. Im Gegenteil, sie bemühten sich, Spannungen zu mildem, damit das jeweilige politische System und die Gesellschaft, in der sie in der herrschenden Schicht ihren Platz hatten, erhalten bleiben konnten. Keiner von ihnen - nicht einmal Clodius - wollte eine Demokratie einführen. Sie versuchten vielmehr, das republikanische System zu stabilisieren. Das geschah einerseits durch die Verringerung der sozialen Ungerechtigkeiten (was jedoch noch lange keine soziale Angleichung bedeutet) durch eine "Strategie der Krisenreduktion"19 ·und andererseits durch eine stärkere Beteiligung des Volkes an den politischen Entscheidungen. Das Volk vertraute den populares und unterstützte sie. Im Gegensatz zu den populares sahen die selbsternannten optimates die sozialen und ökonomischen Probleme sowie die Unzulänglichkeiten des politischen Systems nicht als Gründe der Krise. Ein typischer Vertreter solcher Ansichten ist Cicero, der dazu neigt, diese Krise der Gesellschaft zu personalisieren und einige wenige Verantwortliche für die inneren Schwierigkeiten zu suchen; dadurch vereitelt er eine Lösung der tatsächlichen Probleme8o. Konkret äußerte sich dies darin, daß die Not des größten Teils der Bevölkerung nicht beachtet wurde und im politischen Bereich das Interesse fehlte, einen Anreiz zur Beteiligung des Volkes am gesellschaftlichen Leben zu schaffen. Die unterschiedlichen politischen Sichtweisen kommen in der Haltung der einzelnen Redner vor dem Volk zum Vorschein. Unabhängig von ihrer politischen Ansichten traten alle Politiker in contiones in Erscheinung. Diese Auftritte waren für einige die wichtigste Strategie - am deutlichsten war dies bei Clodius, es trifft
19Schneider, Die Entstehung der röm. Militärdiktatur, 241. Vgl. Pina Polo, Ideologia y practica poUtica, 76-84. 80Schneider. Wirtschaft und Politik, 409. Ganz anders nimmt SaUust in der ältesten seiner Epistulae ad Caesarem diese Frage in Angriff. Er analysiert die sozioökonomischen und politischen Probleme der Zeit und präsentiert verschiedene Lösungen zur Umgestaltung der res publica ohne ihre Grundstruktur zu verändern. Siehe dazu Dupla - Fatas - Pina, Rem publicam restituere. 134-151.
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aber auch auf andere populares zu. Für andere - beispielsweise für Cicero - waren sie ein obligatorisches Komplement zum Kontakt zum Senat, dem stets der Vorrang eingeräumt wurde. Für andere wieder - letztendlich für diejenigen, die die politische Szene beherrschten - war der wichtigste Schauplatz der Krieg; contiones benutzten sie, um sich ihre Popularität bestätigen zu lassen: Pompeius und Caesar sind Beispiele hierfür. Die von der plebs wirklich gern gesehenen Politiker sprachen jedoch häufig zum Volk. Thre Beliebtheit und Glaubwürdigkeit verdankten sie der Verteidigung von für die plebs vorteilhaften Maßnahmen, aber vor allem auch der Empathie zwischen den Zuhörern und dem Redner, der als Anführer anerkannt wurde.
6. WORTE GEGEN WAFFEN Reden und Waffen nach den Iden des März In einigen Reden Ciceros sowie in seinen theoretischen Werken über Redner und Staat ist ein Konflikt zwischen Wort und Überzeugung als politisches Mittel auf der einen Seite und Gewalt und Krieg auf der anderen festzustellen. Wie bereits dargelegt, wollte Cicero den orator-Politiker vor den imperator-Politiker stellen. Für ihn galt die Redekunst als wichtigstes Instrument eines Politikers sie sollte Vorrang vor dem Einsatz von Waffen haben. Der orator-Politiker sollte die res publica regieren, während dem imperator die Verteidigung des Imperium und das Erringen militärischen Ruhms oblagen. Aus Ciceros Perspektive war die Beredsamkeit in jedem friedlichen, freien Gemeinwesen nützlich l . Er lehnte die Gewalt als politisches Mittel nicht grundsätzlich ab, vorausgesetzt, sie wurde von ihm selbst oder von den boni zum Wohl der res publica geübt. Sie war legitim, war der Staat in Gefahr; jedoch wiederum nur die boni durften entscheiden, wann eine solche Notlage bestand. Somit konnten nur sie die Gewalt, die ihrer Meinung nach eine reinigende Wirkung entfaltete und folglich als Dienst am Staat verstanden wurde, anwenden. Cicero lehnt die Volksversammlungen der Clodianer und a1l derer, die er improbi nennt, ab; er bezichtigt sie, bewaffnete Banden zum Erreichen ihrer Ziele zu organisieren. Andererseits rechtfertigt er die operae des Sestius und Milo und lobt letzteren sogar daflir, daß er Gladiatoren für den Einsatz gegen Clodius rekrutierte. Diese Vorgehensweise stellt er als großmütig der res publica erbrachte liberalitas dar2. Eines der Hauptargumente seiner Verteidigung in Pro Milone ist die Legitimität von Gewalt gegen staatsgefahrdende Elemente wie Clodius. Demnach müßten die boni Milo für seine Tat dankbar sein, statt ihn vor Gericht zu verurteilen. Damit bleibt Cicero seiner Auffassung treu, daß der Staat - d.h. die Gruppe der boni - das Recht habe, sich gegen diejenigen zu verteidigen, die die althergebrachte Ordnung bedrohten. Folglich verteidigt er in seinem Werk Pro Rabirio perduellionis reo (die überlieferte Rede ist eine spätere Bearbeitung) das senatus consultum ultimum als Waffe der boni. So konnte Cicero, als er die Unterdrückung der Anhänger des Saturninus im Jahre 100 v.Chr. pries, auch die Niederschlagung der Catilinarier ohne vorausgehende Verurteilung während seines eigenen Konsulats rechtfertigen3 . Aus dieser Reaktion wird deutlich, daß die optimates das senatus consultum ultimum rechtfertigten. Ciceros widersprüchliches Verhältnis zur Gewalt schlägt sich auch in seinem Handeln nieder. Zeit seines Lebens sah sich Cicero immer wieder vor die lCie., De orat., 11 33: Nam ut usum dicendi omittam, qui in omni pacata et libera civitate dominatur ... Vgl. Brut., 45. 2Cie., Off., 11 58. 3Duplä Ansualegui, Las me<1idas de excepci6n, 112-118.
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6. Wone gegen Waffen
Wahl zwischen Worten und Waffen gestellt, und diese ausschließende Trennung liegt den politischen Konflikten des gesamten 1. Jahrhunderts v.Chr. zugrunde. Nach seinem Konsulat, das den Höhepunkt seiner Karriere - und in seinen Augen ein Vorbild für die zukünftigen Konsuln - darstellte, erscheint in seinen Schriften zur Hervorhebung des zivilen Charakters die Formulierung consul togatus4. In diesen Worten ist ein Ideal verkörpert, durch das sich ein Herrscher auszeichnen solle; dieses Vorbild hätte auch seine eigene Magistratur charakterisiert. Mit dieser Formulierung bezweckt er, sein gewaltsames Eingreifen bei der Niederschlagung der Hauptakteure der Catilinarischen Verschwörung zu verbrämen. Dieser Vorfall blieb jedoch im kollektiven Bewußtsein lebendig und führte Jahre später zu Ciceros Verbannung. Als er im Jahre 57 aus dem Exil heimkehrte, stellte Cicero diese Rückkehr als persönlichen Triumph der boni dar. Sich selbst sah er als Anführer der besten Bürger und erwartete, als solcher anerkannt zu werden5 • In seinen Reden Post reditum drückte er seinen Dank und seine Zufriedenheit aus und formulierte einige seiner politischen Grundideen. Eine war der Vorrang der Worte vor den Waffen. Stolz verglich er seine Rückkehr mit der des C. Marius, erachtete sie aber als ruhm voller. Während jener die gleichen Mittel benutzt habe, mit denen ihn seine Feinde aus Rom vertrieben hatten, d.h. Waffengewalt, habe er bewußt darauf verzichtet und sich stattdessen mit Worten Gehör verschafft Während die Waffen für Krieg und Aufruhr nützlich seien, dienten die Worte dem Frieden6• Knapp zwei Jahre später nahm Cicero in seiner Schrift De oratore seinen Standpunkt wieder auf. Er ging sogar noch weiter und stellte den Redner als idealen Herrscher der res publica dar. Im gleichen Jahr zitierte er in seiner Rede gegen Piso aus seinem GedichtDe consulatu suo, das er zur Verherrlichung seines eigenen Konsulats geschrieben hatte. Der Ausspruch cedant arma togae symbolisiert gerade das Überwiegen des zivilen Bereiches, für das er einstand: Die Toga steht für pax und otium, die Waffen dagegen versinnbildlichen tumultus und bellum7 • Als sich Caesars Macht nach dem Bürgerkrieg gegen Pompeius durch seine Diktatur gefestigt hatte, versuchte Cicero erneut, für das Ideal des orator-Politikers einzutreten. Um den vollkommenen Redner zu beschreiben, verfaßte er sein Werk Orator. Im Bewußtsein, daß er seit zehn Jahren keine Möglichkeit mehr be4Cic., Dom., 99. Vgl. Nicolet, Consul togatus, passim. 5Wie sich die Macht des Metellus Numidicus nach seiner Rückkehr nach Rom gefestigt hatte (vgl. Vell., II 15,4), so hegte auch Cicero ähnliche Erwartungen und erhoffte für sich eine größere Anerkennung (Cic., Fam., 19,16). Vgl. Nicholson, Cicero's Return from Exile, 34. 6Cic., P.red.Quir., 20: Sed hoc inter me atque illum interest quod il/e (e. Marius) qua re pluri-
mum potuit ea ipsa re inimicos suos ultus est, armis, ego qua consuevi, , utar, quoniam illi arti in beUo ac seditione locus est, huic in pace atque otio. 7Cic., Pis., 73: Cedant arma togae ... quia pacis est insigne et otii toga, contra autem arma tumultus atque belli poetarum more locutus, hoc intellegi volui bellum ac tumultum paci atque otio concessurum.
Reden und Waffen nach den Iden des Män
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saß, selbst diesen Redner zu verkörpern, pries er Brutus als seinen Nachfolger und "Erben". Ihm, seinem bevorzugten Schüler, widmete Cicero zu Beginn der Diktatur Caesars eine Geschichte der römischen Beredsamkeit und gab ihr den Namen "Brutus"8. Am Anfang dieses Werkes klagt Cicero darüber, daß der Redner auf dem Forum nicht mehr zur Geltung komme9. Ansonsten enthält das Buch in erster Linie die Verherrlichung der Redekunst als vornehmstes Instrument der politischen Praxis. Es endet mit dem Appell an Brutus, der Redekunst den ihr gebührenden Stellenwert einzuräumen. Dazu müsse selbstverständlich eine Situation geschaffen werden, in der die Verwirklichung dieses Ideals möglich sepo. Dem Triumph Caesars, des imperator-Politikers, zum Trotz verteidigte Cicero weiterhin den Vorrang der Worte vor den Waffen. Nach der Ermordung des Diktators, die ihn mit Genugtuung und mit der Hoffnung erfüllte, die libertas - gemeint ist die libertas der Elite - könne wiedererlangt werden, hatte Cicero sich mit dem Konflikt zwischen der Verteidigung seines alten Ideals vom Triumph der Worte und der oratores und der harten Wirklichkeit auseinanderzusetzen, nämlich der unumstrittenen Priorität der Waffen und imperatores. Bereits zu Beginn des Bürgerkrieges im Jahre 49 hatte er sich gefragt, wie ein Politiker handeln müsse, falls sein Vaterland von Tyrannei bedroht werde. Sollte er eingreifen oder gleichgültig bleiben, Gewalt oder Überzeugungskunst walten lassen?ll. Nun stellte sich diese Frage erneut, da Cicero sich entschlossen hatte einzugreifen, um die res publica abermals zu retten. Er setzt sich wiederum für das Prinzip cedant arma togae ein. In seinem Werk De officiis, das gegen Ende des Jahres 44 entstand, behaupteter aufs Neue, die zivilen Aktivitäten überträfen die militärischen 12. Weiterhin vergleicht er bekannte Griechen und Römer und behauptet, Solon sei nicht weniger ruhmreich gewesen als Themistokles; gleiches gilt für Lykurg, Pausanias und Lysander. Bereits in seiner Kindheit schien es Cicero, als seien M. Scaurus und Q. Catulus trotz mangelnder Ruhmestaten ebenso bedeutend wie C. Marius und Cn. Pompeius: ... parvi enim sunt joris arma, nisi est consilium domi 13 • Sein Grundsatz 8Siehe dazu Klingner, Römische Geisteswelt, 145. 9Cic., Brut., 6: ... hunc autem aut praeter ceteros aut cum paucis sustineret dolorem. cumforum populi Romani, quod fuisset quasi theatrum illius ingeni (Q. Hortensii), voce erudita er Roma-
nis Graecisque auribus digna spoliatum atque orbatum videret. 10Siehe Rathofer, Ciceros 'Brutus', 147-149. llCic., Att., IX 4,2. 12Cic., Off., I 74: Sed cum plerique arbirrentur res bellicas maiores esse quam urbanas, minuen-
da est haec opinio ... vere autem si volumus iudicare, multae res exstiterunt urbanae maiores
clarioresque quam bellicae. 13Cic., Off., 176. Das bedeutet jedoch nicht, daß Cicero Gewalt verschmähte, falls sie erforderlich war. Er behauptet, die Zerstörung Numantias durch Aemilianus sei ebenso vorteilhaft für die res publica gewesen wie die Ermordung des Ti. Gracchus durch Nasica. Obgleich Cicero einräumt, der Mord sei eine Gewalttat gewesen, begrüßt er, daß der Beschluß zur Durchführung des Mordes im zivilen Bereich und nicht im Heer gefaßt wurde: ... sed tamen id ipsum est gestum consilio urbano sine exercitu (Off.. 176).
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6. Worte gegen Waffen
cedant arma togae, der an dieser Stelle erscheint, sei ab improbis et invidis ZU Unrecht kritisiert worden. Während seines Konsulats sei es ihm gelungen, mit der Toga die Waffen zu besiegen und so einen unvergleichlichen Triumph zu erleben. Er fährt fort: Sunt igitur domesticae fortitudines non inferiores militaribus '" und '" in quo non minorem utilitatem afferunt qui togati rei publicae praesunt, quam qui bellum gerunt14. In der zweiten Philippica, die nie vorgetragen wurde, aber etwa zu der Zeit veröffentlicht wurde, als Cicero an seinem Werk De officiis arbeitete, verteidigt er sein Konsulat und die Toga, beklagt aber, daß die Waffen des Antonius an die Stelle ziviler Macht getreten seien lS . Während Cicero in seinen philosophischen Werken und Reden noch für sein Ideal eintritt, ist seine Korrespondenz bereits von Mutlosigkeit und Pessimismus hinsichtlich der Situation Roms geprägt Im Oktober des Jahres 44 teilt er Q. Cornificius in einem Brief mit, daß er noch immer gegen M. Antonius kämpfe, und beklagt die Diskrepanz zwischen den von beiden verwendeten Mitteln: '" contra arma verbis 16• Obwohl er sich der Schwierigkeit seines Unterfangens bewußt ist, zeigt er sich bereit, weiter mit Worten zu kämpfen, was er in seinen Philippicae auch wirklich tat. Der Ausdruck contra arma verbis faßt die politische Realität der späten Republik zusammen und weist auf das Scheitern von Ciceros Forderung cedant arma togae. Ebenso unrealistisch war seine These, der oratorPolitiker solle die res publica regieren. Wenn Cicero im oben erwähnten Brief darüber klagt, im Kampf gegen Antonius benachteiligt zu sein, so zeigt er sich in einem Brief an Brutus im April des Jahres 43, wenige Tage vor dem Vortrag seiner letzten Philippica, unzufrieden mit der Wirkungslosigkeit der oratio als solcher. Er wirft Brutus vor, er habe nur mit der oratio einen Frieden erlangen wollen, der nicht möglich war. Er tritt offen dafür ein, daß nur mit Waffen ein Frieden erkämpft werden könne, der die von ihm verfochtene libertas mit sich bringe l7 . Selbst Cicero, der immer ein Streiter für den Frieden gewesen war lS , leitete so in seinen Philippicae eine Kampagne zugunsten des Krieges gegen Antonius ein - ein Beweis für die Ohnmacht ausschließlich ziviler Strategie und eine Begründung für die Verlagerung des Kampfes in den militärischen Bereich. Schließlich sah auch Cicero ein, daß seine 14Cic., Off., I 78-79. 15Cic., Phil., II 20: 'Cedant arma togae.' Quid? tum nonne cesserunt? At postea tuis armis cessit toga. 16Cic., Fam., XII 22,1: Nos hic cum homine gladiatore omnium nequissimo, co/lega nostro, Anlonio, bellum gerimus, sed non pari condicione, contra arma verbis. 17Cic., Ad Brut., II 5,1: Scis mihi semper placuisse non rege solum sed regno liberari rem publicam ... Recenti illo tempore tu omnia ad pacern, quae oratione confici non poterat, ego omnia ad libertatem, quae sine pace nulla est; pacem ipsam bel/o atque armis effici posse arbitrabar. Vgl. Phil., 122; II 113. Siehe auch Wistrand, Brutus the Tyrannicide, 17, Anm. 54, über die Beziehung zwischen libertas, pax und Krieg bei Cicero. Wistrands These laute!, der Radikalismus von Republikanern wie Cicero und die mangelnde Akzeptanz eines Kompromisses mit den Caesarianern hätten zum Scheitern der Verschwörer geführt. ISphil., VII 7: Ego ille, qui semper pacis auctor jUi.
Reden W1d Waffen nach den Iden des März
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Ideale in einer Gesellschaft, in der imperatores und Soldaten offen die Kontrolle übernommen hatten, zum Scheitern verurteilt waren. Sein geliebter Spruch cedant arma togae war wertlos geworden. Die Macht des Heeres in und außerhalb der Urbs nahm zu. Ein Zeichen der überhandnehmenden Militarisierung der römischen Gesellschaft war die Notwendigkeit von Heereseinsätzen, um Volksunruhen in der Urbs niederzuschlagen. Sie wurden in erster Linie durch den Mangel an Lebensmitteln ausgelöst, beispielsweise während des Krieges von Perusia. Ein großer Teil der plebs erhob sich. Octavian betrat das Forum mit der Absicht, sie zu besänftigen, wurde jedoch von der Menge mit Steinen beworfen. Auch Antonius konnte den Tumult nicht abwenden. Er ließ Truppen gegen die hungernden Massen vorrücken, und es gab zahlreiche Tote. Octavian konnte nur mit Mühe gerettet werden 19 . Bereits zuvor, bei der Niederschlagung der von Amatius hervorgerufenen U nrohen und nach dessen Ermordung, ließ Antonius viele Aufwiegler töten und die beteiligten Sklaven kreuzigen. In beiden Fällen hatte Antonius ohne jegliche Legitimation gehandelt, während früher für ein solches Eingreifen ein senatus consultum ultimum notwendig war, wie z.B. im Jahre 52 für Pompeius2o• Das bedeutete eine grundlegende Änderung, zeigte es doch, daß im Laufe des 1. Jahrhunderts die auctoritas der Magistrate und sogar die der mächtigen Triumvirn nicht mehr ausreichten, um das Volk durch Reden zu beruhigen, und daß stattdessen zunehmend auf Gewalt zurückgegriffen wurde. Die letzten wichtigen zivilen contiones fanden nach dem Tod Caesars statt Gemäß der Verlagerung der Entscheidungsfmdung vom Forum auf.das Schlachtfeld nahmen die militärischen contiones zu. Da die Meinung der Soldaten zählte (viel mehr als es die der plebs je getan hatte), mußten sie durch Reden beeinflußt werden, um für den jeweiligen orator-imperator zu kämpfen21 . So wurde die Redekunst zunehmend militärisch geprägt Ein Beispiel für das Übergreifen des militärischen in den zivilen Bereich, wenngleich nur symbolisch, ist die Tatsache, daß der Konsul L. Antonius im Jahre 41 bei einer zugunsten seines Bruders, des Triumvirn, in einer contio gehaltenen Rede in militärischer Kleidung auftrat. Das hatte laut Cassius Dio niemand zuvor getan22. In einigen von Ciceros Philippicae erscheinen viele Formulierungen aus dem militärischen Bereich, so daß Mack die dritte und vierte Philippica
19App., B.C., V 68; Vell., TI 77; Cass.Dio, XLVm 31,6. 2OWm, Der römische Mob, 135. Zu weiteren Fällen militärischer UnterdrückWig in jener Zeit siehe Yavetz, Plebs and Princeps, 24ff. 21Wenn das Studium der Rhetorik anch anf die Redekunst im zivilen Bereich, das heißt auf Volksversammlungen, Gerichte W1d Senat - die drei Bereiche, von denen Cicero spricht - ausgerichtet war, mußte ein römischer Politiker damit rechnen, daß er irgendwann im Laufe seiner Karriere ein Heer anführen und dann zu seinen Soldaten sprechen mußte. Dabei hatte sich ein Redner auf die Zuhörer und auf die für militärische Reden gebräuchlichen Themen einzustellen. 22Cass.Dio, XLVm 13,5. Vgl. App., B.C., V 30.
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6. Worte gegen Waffen
den adhortationes vor einem Heer gleichstellt23 . Nach seiner Auffassung war die dritte Philippica, da sie im Senat gehalten wurde, für Offiziere, die vierte wegen ihrer unkomplizierten Sprache für einfache Soldaten bestimmt. In beiden Reden erinnert die verwendete Terminologie an militärische Ansprachen. So heißt es, der .Krieg sei notwendig, der Sieg sei sicher, der Zeitpunkt des Handelns sei gekommen, die erforderlichen Waffen seien vorhanden, die Werte der Vorfahren, die Italien erobert und Carthago und Numantia zerstört hatten, müßten gerettet werden. Der Ton der im Senat gehaltenen Rede ist gemäßigter, obwohl Cicero dazu aufruft, die Waffen zu ergreifen, um den Sieg zu erringen: Mea autemfestinatio
non vietoriae solum avida est sed etiam celeritatis. Quo enim usque tantum bellum, tam crudele, tam nefarium privatis eonsiliis propulsabitur?24. In der Rede vor dem Volk steigert sich der Ton jedoch zu dem einer militärischen Ansprache vor dem Kampf: Reliquum est, Quirites, ut vos in ista sententia quam prae vobis
fertis perseveretis. Faciam igitur ut imperatores instrueta acie solent, quamquam paratissimos milites ad proeliandum videant, ut eos tamen adhortentur; sie ego vos ardentis et ereetos ad libertatem reciperandam cohortabor25. Ab dem Jahr 43 v.Chr. sind weit mehr militärische als zivile eontiones bekannt, vornehmlich, weil in den antiken Quellen jener Zeit der militärische Bereich vorherrscht, aber auch, weil die Bedeutung der Beredsamkeit ad milites zunimmt. Wie in einer zivilen contio war für die Überzeugung der Anwesenden in einer militärischen Versammlung die Glaubwürdigkeit wichtig, vor allem wenn ein politisches Ziel verfolgt wurde 26 . Feldherren, die ihre Soldaten zu politischen Zwecken einsetzen wollten, mußten nicht nur gute Militärs und siegreiche Heerführer sein, sondern auch ihre Soldaten davon überzeugen können, daß sie für einen "guten Zweck" kämpften, für den es sich einzusetzen lohnte27. Darauf zie-
23Mack, Senatsreden und Volksreden, 48-73. Levi, Ottaviano capoparte, I 139, hält die dritte und vierte Philippica aus juristiscber Sicbt für Beispiele gewagter Argumentation. Darin wirft Cicero Antonius vor, gegen das Gesetz zu verstoßen, obwohl dieser nur seine konsularische Macht benutzte. Gleichzeitig versucht Cicero, die Rekrutierung eines privaten Heeres durch Octavian und die Weigerung des Decimus Iunius Brutus, sich der maior potestas des Konsuls zu unterwerfen, zu rechtfertigen. Cicero preist das illegale Verbalten Octavians, die Undiszipliniertbeit der Legionen und die Unbeugsamkeit des D. Brutus, während er das Benehmen des Antonius, das durchaus legitim war, als Verletzung des Gesetzes bezeicbnet. 24Cic., Phil.• m 2-3. Vgl. m 33: 1am 11011 solum lieet sed etiam neeesse est, lIisi servire malu-
mus quam ne serviamus armis animisque decemere. 25Cic.• Phil.• IV 11. Vgl. IV 13: Quamquam mortem quidem lIatura omllibus proposuit; erude-
litatem mortis et dedeeus virtus propulsare solet, quae propria est Romani gelleris et semillis. 26Sueton lobt Caesars militärische und rednerische Befähigung. Er behauptet, das Unbehagen der Soldaten sei verschwunden, sobald Caesar vor ihnen gestanden und sie Quirites genannt habe. Dieses der zivilen Beredsamkeit entnommene rhetorische Mittel ist ein Beispiel strategischen Geschicks - Caesar erwies sich damit den Zuhörern gegenüber als besonders respektvoll (Suet.. 1ul., 70). Zur Entwicklung der militärischen Redekunst in der späten Republik siehe Harmand. L'arm~e et le soldat, 303-313; Pina Polo. Contiones, 199-218. 27Vgl. Oe Blois. Roman Army, 20.
Reden und Waffen nach den Iden des Män
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len viele militärische Reden der späten Republik ab, besonders wenn es darum ging, Soldaten in einen Krieg gegen römische Bürger zu führen. Cicero beschuldigt M. Antonius, der zu jenem Zeitpunkt Volkstribun war, Caesar im Jahre 49 eine causa belli geliefert zu haben, als er Rom verlassen und Caesars Lager aufgesucht habe2S . Aber die bloße Tatsache, daß einige Volkstribunen aus der Urbs gingen, um sich mit Caesar zu treffen, rechtfertigte noch nicht den Beginn eines Bürgerkrieges. Die Soldaten mußten zuvor überzeugt werden, daß die Flucht der Volkstribunen vor Pompeius schwerwiegend genug war, um als Vergeltungsmaßnahme einen Krieg zu legitimieren. Caesar gab in einer contio seinen Soldaten die unvenneidbare Flucht der Tribunen, die während dieser Ansprache für die Soldaten sichtbar neben Caesar auf der Rednerbühne standen, als Rechtfertigung des Krieges an. In dieser Rede nannte er einen persönlichen Grund - den Schaden, den seine Feinde ihm zugefügt hatten - und einen öffentlichen - die tribunizische Intervention sei verhindert und die Volkstribunen seien schmachvoll behandelt worden. Dafür wählte er eine für die sogenannte eloquentia popularis typische Szenographie, die sicherlich dem Publikum angemessen war, und zerriß sogar seine Kleider in der Öffentlichkeit29 . Caesar begann die Aktion erst, als er sicher war, daß die Soldaten von der Rechtmäßigkeit seines Handelns überzeugt waren. Auch in den folgenden Jahren mußten imperatores ihre Soldaten zu Kriegseinsätzen überreden. So gab im Frühjahr des Jahres 43 Antonius in seinem Lager in Norditalien den Soldaten seine Absicht bekannt, sich in Gallien mit Lepidus zu treffen. Der Plan wurde von den Truppen mit Protestschreien aufgenommen; sie forderten umzukehren30. Lepidus erklärte in militärischen contiones, Antonius zu unterstützen. Auf diese Nachricht reagierten die Soldaten mit Enthusiasmus31 . Einige Monate später, im August, beklagte Octavian in seinem Lager in der Gallia Cisalpina vor seinen Truppen die Kränkung durch den Senat, der angeblich alles beseitigen wollte, was von Caesar stammte. Deshalb forderte er seine Soldaten auf, ihm zum Konsulat zu verhelfen, und verpflichtete sich, als Konsul die Mörder Caesars zu bestrafen, den Soldaten ihren Lohn auszuzahlen und die verspro2SCic., Phil., 11 53. 29S uet., lul., 33: Atque ita traiecto exercitu, adhibilis tribunis plebis ... pro contione jidem militum flens ac veste a pectore discissa invocavit. Vgl. Caes., Civ., 17; App., B. C., 11 33; Cass.Dio, XLI 4,1. Auch Sulla (App., B.C., I 57) hatte im Jahre 88 seinen Soldaten erklärt, ihr Gang nach Rom sei durch die Niederträchtigkeit des Sulpicius und des Marius gerechtfertigt. Vgl. De Blois, Roman Army, 47, Anm. 142 und 55. 30Cic., Fam, XI 13,3: ... contio eius (M. Antonius) ad me est adlata, in qua petere coepit a militibus, ut se trans Alpes sequerentur; sibi cum M. Lepido convenire. Ausführliche Untersuchungen der kriegerischen Auseinandersetzungen und der in den antiken Quellen belegten militärischen Versammlungen dieser Zeit finden sich bei Botermann, Die Soldaten und die römische Politik, passim; Aigner, Die Soldaten als Machtfaktor, bes. 75ff. 31Cic., Fam., X 21,4: Accessit eo, ut milites eius cum Lepidus contionarelur ... Aus Ciceros Korrespondenz geht hervor, daß er während dieser ereignisreichen Monate die vor den Truppen gehaltenen Reden der verschiedenen imperatores bis ins Detail kannte.
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6. Worte gegen Waffen
chenen Kolonien zu gründen32• Im gegnerischen Lager versuchte Brutus, seine !ruppen mit der Behauptung, Octavian habe im Jahre 43 zu Unrecht viele Privilegien genossen, zur Fortführung des Kampfes zu bewegen33 . Vor der entscheidenden Schlacht bei Philippi stiegen Cassius und Brutus, begleitet von den anWesenden Senatoren, auf die Rednerbühne ihres Lagers, um die republikanische libertas, die sie verkörperten, zu verteidigen und so gegen die Soldaten des Antonius und Octavian, die sie als Feinde der Republik darstellten, anzutreten34. Eine hinreichende Information der Soldaten über die politischen Ereignisse erwies sich also für die Gewinnung ihrer Unterstützung als erforderlich. Zu diesem Zweck beeilten sich im Herbst des Jahres 43 die neuen Triumvirn, Lepidus, Antonius und Octavian, ihre im Lager am fluß Lavinus versammelten Truppen von ihrem zuvor geschlossenen Abkommen, in dem sie die Machtverteilung geregelt hatten, in Kenntnis zu setzen35 . Die letzte rednerische Auseinandersetzung in der Republik, über die die Quellen informieren, fand nicht auf dem Forum, sondern in den Feldlagern des Octavian und Antonius statt. Die Zuhörer gehörten nicht der plebs urbana an, sondern waren milites, die über den Princeps des Imperium mitbestimmen sollten. In den Reden der beiden imperatores im Voifeld der Schlacht von Actium besteht Antonius' Taktik nach Cassius Dio darin, Octavian in Verruf zu bringen, während dieser seine bereits vor dem Volk und im Senat vorgebrachten Argumente wiederholt36 . Octavian zufolge geht der Kampf um eine ausländische Frau, Kleopatra, die Antonius zu einem Sklaven gemacht und ihn sogar dazu gebracht habe, ihr Gebiete des römischen Reiches zu schenken. Diese Reden leiten die entscheidende Schlacht ein, die das Ende der zivilen Beredsamkeit bedeutete. In all diesen Versammlungen dienten Reden dazu, die Entscheidungen politischer Angelegenheiten mit Waffengewalt voranzutreiben. Die Soldaten übernahmen die Rolle der plebs urbana als politischer Faktor. Ihnen wurden Pläne bekanntgegeben, die die Gemeinschaft betrafen, sie erfuhren von der verletzten dignitas und von den politischen Ideen bedeutender Männer usw. Der Hauptunterschied zur plebs bestand darin, daß die Soldaten bewaffnet waren und letztlich über den Herrscher des Staates mitentscheiden konnten. Während jede politische Aktivität im zivilen Bereich - bedingt durch die Normen des cursus honorum diskontinuierlich war, erlaubten im militärischen Bereich die außerordentlichen Kommandos, Promagistraturen und seit dem Jahr 43 das Triumvirat, d.h. der mehrjährige Befehl über dieselbe Truppe, eine Kontinuität. Da die Homogenität der Soldaten einer militärischen Einheit viel größer war als die der plebs, war es
32App., B.C., m 86-87. 33Tac., Ann., IV 34. 34App., B.C., IV 89-100. 35Cass.Dio, XL VI 56,2. 36Cass.Dio, L 15,4-22 (Antonius); 23,3-30 (Octavian).
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durchaus denkbar, daß den Soldaten bestimmte Ziele vermittelt wurden, die sie zu einer sozialen Macht mit einer gewissen Autonomie werden ließen. In den letzten Jahren der römischen Republik, zwischen den Iden des März 44 und der Schlacht von Actium, wurde der Lauf der politischen Ereignisse zunehmend von Waffen statt von Worten bestimmt. In dieser Zeit fanden in der Urbs jedoch einige contiones statt, deren Redner sich um die Unterstützung der plebs urbana bemühten oder politische Gegner verunglimpften. Zwar wurde die politische Debatte von Soldaten und im Senat entschieden, aber auch die öffentliche Meinung der Urbs, die invidia, die Gerüchte und die Überzeugungskraft der politischen Anführer trugen entscheidend zur Etablierung des Octavian als alleinigen Herrschers des Imperium bei. In den Monaten nach der Ermordung Caesars bis zur Gründung des Triumvirats versuchten einige Politiker, die Gemeinschaft zu überzeugen, auf eine bestimmte Weise zu handeln. Cicero war mit seinen Philippicae einer der Hauptredner. Einige dieser Reden wurden vor dem Volk gehalten, die meisten jedoch im Senat37• Cicero war aber auch der große Verlierer. Brutus' Versagen bedeutete in gewissem Sinne auch fiif Cicero einen Mißerfolg, denn dieser hatte das Überleben des Staates von Brutus' Erfolg abhängig gemacht38 • Paradoxerweise scheiterte Brutus, in dem Cicero das Ideal des von ihm verfochtenen orator-Politikers sah, als unerfahrener imperator auf dem Schlachtfeld, nachdem es ihm als Redner nicht gelungen war, das Volk für sich zu gewinnen. In den Stunden und Tagen nach dem Tod des dictator bemühten sich die Mörder Caesars wiederholt um die Unterstützung des Volkes, jedoch ohne Erfolg 39 . Daß die Kommunikation mit dem Volk unverzichtbar war, zeigen einige Aussagen Ciceros, der der Haltung des Volkes Brutus und Cassius gegenüber nach den Iden des März große Bedeutung beimißt. Wenngleich Cicero einige W 0ehen später nicht bereit war, für Brutus eine Rede zu verfassen, damit dieser sie als seine eigene vortrug, drückte er seine Hoffnung aus, Brutus werde in einer Volksversammlung sprechen können4o• Für Cicero hatte das Auftreten im Senat
37Außer der vierten und sechsten Philippiea, den letzten erhaltenen Reden in lateinischer Spra-
che, die vor dem Volk gehalten wurden, hielt Cicero noch mindestens eine weitere Rede in einer eontio, in der er sich dafür einsetzte, Cassius Longinus solle mit der Leitung der militärischen Operation gegen Dolabella betraut werden (Cic., Farn., XII 7,1). 381n einem im Mai 44 verfaßten Brief schreibt Cicero: Quod errare me putas. qui rem pub/icam putem pendere in Bruto. sie se res habet: aut nulla erit aut ab isto istisve servabitur (Cic., At!.• XIV 20,3). Das steht in Einklang mit seiner bereits im Jahre 50 ausgedrückten Hoffnung, Brutus werde zum "ersten Mann der Gemeinschaft": ... alterius (Brutus) iam pridem iuventutis. ee-
leriter. ut spero. civitatis (Cie., Fam., m 11,3).
39Von der Rede, die Brotus vor dem Volk hielt, nachdem er mit Cassius vom Capitolium herabgestiegen war, meint Radin, Marcus Brotus. 154, es sei die gleiche Ansprache, die Brotus im Senat zu halten beabsichtigt haue. die jedoch durch die Rucht der Senatoren vereitelt wurde. Sie weise zahlreiche Vorzüge auf, jedoch fehle ein entscheidender, nämlich die Überzeugungskraft.
40Cic., Att., XIV 2.1; 3,2; 20,3.
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6. Worte gegen Waffen
Vorrang vor den Reden in contiones. Am Tag der Ennordung Caesars riet er Brutus und Cassius - da beide Praetoren waren -, eine Senatssitzung einzuberu_ fen, um die Senatoren für sich zu gewinnen. Tatsächlich eilten beide unmittelbar nach dem Mord in die bereits zuvor anberaumte Senatssitzung. Thre Absicht war .es, diese Tat als 'Tyrannenmord" und "Befreiung" der res publica anerkennen zu lassen41 . Da jedoch die meisten Senatoren geflohen waren, wurde solch eine Billigung unmöglich. Erst dann hielten die Mörder ihre erste Rede vor dem Volk und stiegen anschließend zum Capitolium empor4 2• Nach der Überlieferung in den antiken Quellen traten die Ereignisse spontan ein; die contio scheint durch die Anwesenheit einer erwartungsvollen Menge erzwungen 43 . Wahrscheinlich War die contio jedoch Teil des Plans der Mörder, beachtet man Brutus' Bestrebungen, immer im Rahmen der Legalität zu bleiben. Ziel der Praetoren war wohl in erster Linie die Zustimmung der Senatoren; aber auch die des Volkes. In einer Gesellschaft wie der römischen, in der Führerschaft und Magistratur untrennbar waren, kam es darauf an, den Bürgern ein Gefühl der Legalität zu vennitteln, das jede Handlung rechtfertigen und die Zustimmung des Volkes herbeiführen konnte. Obwohl die erste Ansprache der Verschwörer vom Volk teilnahmslos und passiv hingenommen wurde. stiegen Brutus und Cassius später erneut vom Capitolium herab und beriefen eine zweite conno auf dem Forum ein. Brutus hielt eine Rede. in der er das Volk. aufrief. wie seine Vorfahren zu handeln, die die Könige vertrieben hatten. Er verlangte. daß Sextus Pompeius aus Hispanien zurückgerufen werde und daß die beiden abgesetzten Tribunen, Caesetius und Marullus. ihre Ämter wieder bekommen sollten. Die Antwort der Anwesenden war so gleichgültig wie die Reaktion auf Brutus' erste Rede44 . Noch ein weiteres Mal versuchten die Verschwörer, die Gunst des Volkes und der Veteranen Caesars, die sich noch in Rom aufhielten, zu erlangen: Brutus hielt in Anwesenheit des Cassius die sogenannte contio Capitolina, in der er den Mord an dem "Tyrannen" rechtfertigte, 41Levi. Ottaviano capoparte, I 5. 42Cass.Dio, XLIV 20-21. Die Darstellung der Ereignisse des 15. und 16. März in Rom in den erhaltenen Quellen stimmt nicht überein, aber alles deutet darauf hin, daß bereits am selben Tag, am 15. März, eine contio der Mörder stattfand (Jehne, Der Staat des Dictators Caesar, 287). Zu den Reden vor dem Volk an den Tagen nach dem Mord, siehe Motzo, Le contiones, passim. Detaillierte Berichte über die Ereignisse finden sich in Radin, Marcus Brotus, 152-161; Stewens, Marcus Bmtus, 23ff.; Frisch, Cicero's Fight, 47-85; AIföldi, Caesars Monarchie, 5382. Letzterer hebt die Reaktion der plebs und den Druck des Volkes hervor, das Caesars Divinisienmg forderte. Das Eingreifen der Soldaten untersucht Botermann, Die Soldaten und die römische Politik, 1-14. 43Levi, Ottaviano capoparte, I 6, Anm. 4, nimmt an, es habe sich nicht um eine richtige contio gehandelt, sondern um eine Mitteilung vor einer Menschenmenge, die auf der Suche nach Neuigkeiten ins Comitium gekommen war. 44App., B.C., 11 121-122. Auch Dolabellahielt eine Rede vordem Volk, in der er Caesar angriff und vorschlug, die Iden des März zum Tag der Wiedergeburt Roms zu erklären. Danach stieg er zum Capitolium empor (CassDio, XLIV 22,1). Der Praetor Cinna wagte es, den Mord vor dem Volk gutzuheißen, und entledigte sich seiner Praetorenkleidung, um zu zeigen, daß er alles ablehnte, was vom "Tyrannen" stammte. Er wäre fast gesteinigt worden, konnte jedoch mit Mühe durch den Einsatz der Soldaten des Lepidus gerettet werden (App., B.C., 11 121).
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die Landzusagen für die Veteranen wiederholte und die angebliche Befreiung des Staates hervorhob. Auch diese Rede löste eine feindselige Haltung der Zuhörer aus 45 . Als Brutus die Rede später Cicero schickte, um dessen Zustimmung zur Veröffentlichung zu erhalten, meinte dieser, sie sei elegant und in vorzüglichem Stil verfaßt, aber es fehle ihr an Überzeugungskraft. Brotus habe dem Volk seine Theorien in dieser Rede nicht nahezulegen vermocht, und Cicero selbst hätte sie überzeugender und mitreißender verfaßt. In einem Brief an Atticus zeigt er sich erfreut darüber, daß dieser seine Meinung über Brotus' oratiuncula teile. Diese Bezeichnung läßt Ciceros wahres Urteil über die Rede seines Schülers erkennen46. Der übermäßige Optimismus der Verschwörer, ihr Vertrauen darauf, daß nach der Ermordung Caesars alles automatisch nach ihren Wünschen ablaufen werde, war sicher einer der Gründe für ihr Scheitern. Brotus beging den Fehler anzunehmen, wenn er selbst nur ausreichend von den Motiven der Tötung Caesars überzeugt sei, werde sich auch die Menge - wenngleich sie ihm anfänglich feindlich gesinnt gewesen sei - überzeugen lassen. Die Mörder dachten möglicherweise, daß die der plebs angehörigen imperiti leicht gewonnen werden könnten, aber es gelang ihnen nicht, dem Volk ihre Botschaft zu vermitteln. Lepidus und vor allem Antonius vermochten dies, indem ihre Soldaten die Urbs kontrollierten und sie Reden vor dem Volk hielten, in die sie Verunglimpfungen der Mörder und Aufrufe zur Versöhnung und zur Verhinderung eines neuen Bürgerkrieges einfließen ließen. Mit dieser Botschaft und dem Versprechen, die acta Caesars beizubehalten, glückte es ihnen, die plebs für sich zu gewinnen und jede Unterstützung der Verschwörer zu verhindern47. Sie waren glaubwürdiger als die Mörder. Deshalb sahen sich Brutus und Cassius gezwungen, das Forum zu verlassen und sich aufs Capitolium zurückzuziehen. Später mußten sie aus der Urbs und schließlich aus Italien weichen. Brutus wagte aus Angst vor dem Volk und vor den Veteranen nicht einmal, nach Rom zu kommen, um den ludi Apollinares, die er bezahlte, vorzusitzen. Die Mörder verloren also jedwede Möglichkeit, direkt mit dem Volk zu kommunizieren und ihre Führungsposition wahrzunehmen, obwohl sie beide als Praetoren potestas contionandi besaßen. Dieser fehlende Kontakt zum Volk erwies sich trotz der Bemühungen Ciceros 48 als entscheidend und 45Plut., Brut., 18,10; Caes., 67,7; Cass.Dio, XLIV 34,1-3; App., B.C., 11 137-141. Vgl. CIarke, The Noblest Roman, 41. 46Cie., Att., XV 1a,2; XV 3,2. An anderer Stelle beklagt er, daß die Mörder das Volk nicht stärker zu begeistern vermocht hätten: ... populum ardentem studio vehementius incitare (AU., XV 11,2). Vgl. Rathofer, Cieeros 'Brutus', 272-273. 47Cass.Dio, XLIV 22,2; App., B.C., 11 130-132; 142-143. Die von Antonius Leichenrede auf Caesar gehaltene verstllrkte die Abneigung des Volkes gegen Caesars Mörder und die Treue der plebs zum dictator sowie zu denen, die seine Aktionen verteidigten und sein Andenken aufrechterhielten (App., B.C., II 143-145; Cass.Dio, XLIV 35; Suet., Iul., 84; Plut., Caes., 68,1; Ant., 14,3; Brut., 20,4; Cie., Phi!., 11 90; Att., XIV 10,1). 48Brutus kritisiert Ciceros Annäherung an Oetavian und beschuldigt ihn, sein Leben um jeden Preis retten zu wollen (Cie., Ad Brut., I 16-17). Allerdings hielt sich Brutus, nachdem er Italien verlassen haue, offenbar in sein Philosophiestudium vertieft, einige Zeit in Griechenland
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wurde von Antonius und später von Octavian im Kampf um die Gunst der plebs urbana ausgenützt.
Die Überzeugungskraft Octavians Da sich die Mörder Caesars im Volk nicht als Befreier darzustellen vermochten und da einer der beliebtesten Anführer der letzten Jahre, Dolabella, sich ihnen anschloß, blieb der plebs urbana nichts anderes übrig, als Antonius als Führer zu akzeptieren. Dieser war unter Caesar magister equitum gewesen und bemühte sich, als Anführer der Caesarianer in contiones vor dem Volk zu erscheinen; vor allem aber hielt er die Leichenrede auf Caesar. Im Jahre 47 hatte Antonius jedoch die Bezwingung der plebs nach dem Aufruhr, der auf Dolabellas Gesetzesvorschläge gefolgt war, angeordnet. Im April des Jahres 44 schlug er die Unruhen des Amatius nieder, so daß er bei einem Teil des Volkes sicherlich kein Vertrauen genoß49. Caesars Testament, in dem der junge Octavian deutlich besser abschnitt als Antonius, brachte eine entscheidende Änderung der politischen Situation mit sich. Octavian, der erst achtzehn Jahre alt war, hatte bis dahin außer dem kurzen Amt des praefectus urbi im Jahre 47 noch keine Magistratur bekleidet. Er war kein Senator, war noch durch keine Waffentat aufgefallen und in keiner Volksversammlung aufgetreten; nur auf seine Großmutter Iulia hatte er im Jahre 51 eine laudatio funebris gehalten5o• Octavian hatte also keinen cursus honorum durchlaufen und war nahezu unbekannt. Sein einziger politischer Vorteil war, daß er der legale Erbe Caesars war - und er wußte diesen Vorsprung vortrefflich zu ~utzen51. In den Tagen nach seiner Ermordung wurde deutlich, daß das Volk Caesar und seinen Anhängern wohlgesinnt war. Das Testament des Diktators52 , in dem jedem Bürger dreihundert Sesterzen und die freie Benutzung seiner Gärten am Tiauf, statt gegen Antonius vorzugehen, während Cicero seine persönliche Redeschlacht gegen Antonius begann, die ihm den Tod einbringen sollte. Vgl. CIarke, Tbe Noblest Roman, 57-58. 49Yavetz, Plebs and Princeps, 64-65 und 70-73, ist der Ansicht, Antonius habe Soldaten und Senatoren dem Volk vorgezogen. Damit habe er die Bahn für Octavian freigemacht, dessen Beliebtheit eher den Fehlern des Antonius als seinem eigenen Verdienst zuzuschreiben sei. 50Suet.. Aug., 8; Quint., Inst.orat., XII 6,1. Außerdem hatte er die griechischen Spiele Caesars im Herbst des Jahres 46 geleitet. Zu Octavians Einstieg ins öffentliche Leben siehe Alföldi, Oktavians Aufstieg, 17ff. 51 Wie Levi, Ottaviano capoparte, I 64, feststellt, überrascht die freundliche Aufnahme, die Octavian auf seinem Weg nach Rom in den Städten und durch Caesars Veteranen zuteil wurde. Wenn jedoch schon Amatius bei seiner Verteidigung Caesars so stark unterstützt wurde, dann war dies im Fall Octavians noch mehr gerechtfertigt, da er den Namen Caesars trug, dessen legitimer Sohn und Erbe er war. Unstrittig war der testamentarische Wille Caesars ausschlaggebend dafür, daß das Volk von Rom und die Veteranen Octavian als dessen Sohn anerkannten. Dazu siehe Alföldi, Oktavians Aufstieg, 24. Pr~vost, Adoptions politiques, 29-33, ist der Ansicht, die Adoption Octavians sei eine Maßnahme dynastischer Natur, da er vom Diktator als politischer Nachfolger gewählt wurde. So erkläre sich auch die Opposition des Antonius. 52Jehne, Der Staat des Dictators Caesar, 328-329. Zum Testament und seiner Bedeutung für die politische Karriere Octavians siehe Schmitthenner, Oktavian und das Testament Caesars,
passim.
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ber versprochen wurden, hatte dem Volk gezeigt, daß das Interesse Caesars für die plebs nicht nur von politischem Opportunismus getragen war. Das Volk sah nun bestätigt, daß der Diktator kein Feind und Tyrann war, der nach der libertas der plebs trachtete. Das erhöhte die Glaubwürdigkeit Caesars und stimmte die plebs seinem Erben gegenüber günstig. Cassius Dio berichtet, daß Octavian bei seiner Ankunft in Rom nach Caesars Tod gewahr wurde, daß infolge seiner Unerfahrenheit und seines mangelnden Einflusses sein politischer Aufstieg davon abhing, daß er sich die Gunst des Volkes sicherte, genau wie es sein Adoptivvater getan hatte53 . Unter diesen Umständen war es entscheidend, vom Volk als Erbe des Diktators anerkannt zu werden, nicht nur wegen der Propaganda und Symbolik, die der Name C. luHus Caesarmit sich brachte54 , sondern auch wegen der Kontrolle der Reichrumerdes Adoptivvaters. Vom Willen des Octavian hing schließlich die Erfüllung der testamentarisch festgelegten Versprechen ab, die die plebs unmittelbar betrafen. Da Octavian kein Senator war und somit keinen freien Zutritt zur Curia hatte, sprach er im Mai kurz nach seiner Ankunft in Rom in einer cantia, die der Volkstribun L. Antonius, der Bruder des Konsuls, für ihn einberufen hatte. Darin stellte er sich als alleiniger Erbe Caesars vor und versicherte, er werde das Testament achten. Damit erhob er seine Adoption zu einem Staatsakt55 . Als Sohn des vergöttlichten Caesar förderte er dessen Kult in der Gewißheit, daß ihm dies für seine bevorstehende Führungsposition Beliebtheit, Charisma und Ansehen verleihen werde56. Das Volk hegte die Erwartung, Octavian werde ähnlich wie sein Vater handeln, da dieser ja gerade ihn zum Nachfolger gewählt hatte. Der freundliche Empfang des Octavian in vielen Munizipien Italiens, die von den Bewohnern der Urbs entgegengebrachte Sympathie und seine Anerkennung als politisches Haupt durch einen Teil der Soldaten Caesars festigten in den folgenden Monaten seine Stellung und machten ihn zu einer tatsächlichen politischen Größe. Um diese Position zu bestätigen und seine Bestrebungen offen darzulegen, nutzte Octavian die Abwesenheit des Antonius und beschloß, nach Rom zu gehen57 . Dort wählte er für die Mitteilung seiner Absichten an die Gemeinschaft erneut die Volksversammlung. In einer contia, die der Volkstribun Ti. Cannutius, 53CassDio, XLV 6,1-2. 54Vg1. Scbmitthenner, Oktavian und das Testament Caesars, 65-76. 55Cic., Att., XIV 20; 21; XV 2,2-3. Vg1. Yavetz, Plebs and Princeps, 76. Laut Scbmitthenner, Oktavian und das Testament Caesars, 75-76, war die Bekanntgabe seines neuen Namens Octavians wichtigstes Anliegen für den Auftritt vor dem Volk. 56Alföldi, Caesars Monarchie, 76, nimmt an, Octavian habe bereits in seiner ersten Rede vor dem Volk die Zuerkennung göttlicher Ehren für Caesar gefordert. 571n einem Anfang November geschriebenen Brief behauptet Cicero, Octavian habe ihn um Rat gefragt und er habe ihm empfohlen, nach Rom zu gehen, da er dort sicher die Unterstützung der plebs urbana und der boni viri erhalten werde, wenn es ihm gelänge, sie zu überzeugen (Att., XVI 8,2: Videtur enim mihi et plebeculam urbanam et, si ./idem feeerit, etiam bonos viros secum habiturus). Anschließend stellt er die rhetorische Frage, wo Brutus sei, und beklagt, daß dieser die sich bietende Gelegenheit nicht für sich zu nutzen gewußt habe. Damit macht er deutlich, daß er der persönlichen Anwesenheit in der Urbs eine große Rolle beimißt
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der selbst gerade eine Kampagne gegen Antonius führte, im November für ihn einberief, verunglimpfte Octavian den letzteren, und auch der Volkstribun hielt eine Rede in diesem Sinne. Octavian erklärte sich zum politischen Nachfolger Caesars, verkündete, er strebe die gleiche Position wie jener an, und um jeden Zweifel über seine Absichten auszuschließen, deutete er auf die Statue seines Vaters58 . In dieser Volksversammlung stellte sich Octavian offen auf die Seite derer, die die Politik des Antonius mißbilligten, und gewann dadurch Anhänger unter den Leuten, die in Antonius einen neuen Tyrannen sahen. Auch Cicero gehörte zu ihnen59 . Dadurch, daß Octavian sich selbst als Alternative zum Konsul präsentierte, vollzog sich eine Spaltung in den Reihen der Caesarianer, die ihm gefahrIich werden konnte. Eine Konfrontation der beiden Widersacher war unvermeidlich geworden. Als Antonius nach Rom zurückkehrte, berief er ebenfalls eine contio ein, um auf die Beschuldigungen Octavians zu antworten. Darin griff er letzteren an und erklärte, er werde die Kontrolle der Stadt behalten6o . Die darauffolgenden Ereignisse sind bekannt: die Kampagne Ciceros gegen Antonius, die sicherlich den Aufstieg Octavians begünstigte und zum Tod Ciceros führte, die endgültige Niederlage der Mörder Caesars und die Gründung des Triumvirats. Nachdem das politische Umfeld abgesteckt war, mußte die Frage der Machtübernahme geklärt werden. Sie stellte sich vor allem auf dem Schlachtfeld, aber parallel dazu fand in der Urbs ein Kampf um die Unterstützung von seiten der plebs urbana statt. Wie Jal darlegt, konnte in der Antike ein Krieg gegen einen ausländischen Feind mühelos legitimiert werden, aber ein Bürgerkrieg mußte von den beteiligten Parteien sehr genau erklärt und gerechtfertigt werden, damit die Zivilbevölkerung sie unterstützte oder zumindest als unvermeidlich ak:reptierte61 • Wie frühere Auseinandersetzungen war auch diese keine ideologische Debatte, sondern eine Folge persönlicher Angriffe. Der Gegner wurde moralisch und persönlich in Verruf gebracht - das war eindeutig Ciceros Absicht in den gegen Antonius gerichteten Philippicae. In der Stadt waren mehr Pamphlete, Broschüren, private Briefe und Lobgedichte in Umlauf als je zuvor, und sie finden in den antiken Quellen Erwähnung 62 • Aber auch die contiones dienten dazu, die eine 58Cass.Dio, XLV 6,3; 12,4; XLVIII 14,4; App., B.C., III 41-42. Cicero gibt an, eine Kopie dieser Rede erhalten zu haben, und zitiert einen Satz daraus: Jurat, ita sibi parentis honores consequi liceat. Der Redner habe zugleich seine Rechte nach der Statue ausgestreckt: ... et simul dextram intendit ad statuam (Att., XVI 15,3). 59Die Beziehungen zwischen Cicero, Octavian und Brutus in den Jahren 44 und 43 untersucht Ortmann, Cicero, Brotus und Octavian, passim. 6oCic., Phil., V 21; vgl. III 27. 61 Jal, Guerre civiJe, 82ff. 62Tac., Ann., IV 34,10, erwähnt die Existenz von Antonii epistulae mit Angriffen auf Octavian. Zu den Pamphleten, die seiner Ansicht nach während der Bürgerkriege in Rom gehäuft zirkulierten, siehe JaI, Guerre civile, 202-208, ebenso Syme, RR, 276-277. Scott, Political Propaganda, passim, betont die Rolle der Propaganda, vor allem der schriftlichen, und glaubt sogar, jeder Anführer habe seine eigenen Werbeleute gehabt, die viele Pamphlete verfaßten. In diesen wird Octavjan unter anderem der Feigheit, des Ehebruchs und der Abstanunung von einer unbe-
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oder andere Seite bzw. Person vorteilhaft darzustellen. Octavian war deIjenige, der seine Anwesenheit in Rom am besten zu nutzen und seine Überredungskunst geschickt einzusetzen wußte, um in entscheidenden Momenten das Wohlwollen des Volkes auf seiner Seite zu haben. Dabei würdigte er die herab, die in den dreißiger Jahren seine ärgsten Rivalen waren, Sextus Pompeius und Antonius. Am Anfang der dreißiger Jahre war Sextus Pompeius für die Triumvirn, insbesondere für Octavian, ein Konkurrent. Nach Auffassung von Yavetz war Pompeius beim Volk beliebt63 . Das muß aber meiner Meinung nach bezweifelt werden. Sextus Pompeius hatte nur militärische Ämter bekleidet und sich daher immer fern von Rom aufgehalten. Er war nie ein aktiver Redner vor dem Volk gewesen und hatte weder seine auctoritas demonstrieren noch seinen Respekt vor dem Volk jemals äußern können. Jedenfalls war seine Popularität nicht groß genug, um seinen Tod zu überdauern; sie wurde von Octavian schließlich auf geschickte Weise zerstört. Im Jahre 38 häuften sich die Überfälle der Seeräuber; es kam zu einer Beeinträchtigung der Getreideversorgung Roms und zu einer Lebensmittelknappheit, unter der das Volk am meisten litt64 • Wie Appian berichtet65 , bezichtigte Octavian in einer contio Sextus Pompeius, für diese Raubzüge verantwortlich zu sein. Octavian rechtfertigte seine Beschuldigung mit der Erklärung, er habe Seeräuber gefangengenommen, die unter Folter gestanden hätten, von Pompeius beauftragt worden zu sein. Wichtig war dabei nicht, ob die Behauptung der Wahrheit entsprach, sondern daß sie von der plebs für wahr gehalten wurde. Angesichts der unzulänglichen Lebensbedingungen des größten Teils der Bevölkerung war diese Beschuldigung hart genug, um in die öffentliche Meinung einzugehen. Die Lösung lag auf der Hand: Die Beseitigung' des Pompeius würde auch das Ende der Versorgungsprobleme bedeuten66 . Es gelang Octavian auf diese Weise, die Öffentlichkeit von der Notwendigkeit einer bewaffneten Auseinandersetzung mit seinem Gegner Sextus Pompeius zu überzeugen. Damit wurde die entscheidende Schlacht von Naulochus vorbereitet, nach der Octavian sich dem Volk als Befreier und als Garant der Getreideversorgung Roms präsentieren konnte. Obwohl der Erfolg eher Agrippas Verdienst war, stellte sich Octavian in Rom als Sieger dar, berief sofort außerhalb des pomerium eine contio ein, wie es für einen imperator nach einem Triumph üblich deutenden Familie beschuldigt. Antonius wird der Hang zum Trinken vorgewoIfen, der ihn dazu gebracht haben soll, die Veneidigungsscbrift De sua ebrietole zu veIfassen, um diese Beschuldigung abzuwehren (Plin., N.H., XIV 148. Vgl. hierzu Scott, Octavian's Propaganda, passim). Charlesworth, Propaganda ofMark Antony. 173-176. stellt eine Liste von Textfragmenten zusammen, die von Sueton überliefert wurden und die seiner Ansicht nach zur Propaganda des Antonius gegen Octavian gehören. 63Yavetz, Plebs and Princeps, 86-87. 64Siehe Levi, Ottaviano capoparte, II 52ff. 65App., B.C., V 77. 66In seiner Ansprache an sein Heer vor der Schlacht gegen Sextus Pompeius war Octavians Hauptargument, Pompeius betreibe Seeräuberei und aus diesem Grund sei ein Kampf gegen ihn gerechtfertigt (App., B.C., V 77).
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war. Darin hob er die Vorteile seines Sieges für die Bevölkerung hervor, kündigte für das Volk vorteilhafte Maßnahmen an und verzichtete aus taktischen Gründen auf einige Ehrentitel, die ihm zuteil geworden waren 67. Die Strategie erwies sich als erfolgreich: Octavian hatte die Notwendigkeit e.ines Bürgerkrieges zu rechtfertigen und hatte sich selbst als einzig möglichen Retter darzustellen vennocht Nachdem er sein Ziel auf diese Weise erreicht hatte, trat er erneut vor das Volk, um sich der Popularität, die ihm die Ereignisse eingebracht hatten, zu vergewissern. Dadurch wurde seine Glaubwürdigkeit untennauert. Er konnte nicht nur seine Absichten präzise fonnulieren, sondern war auch in der Lage, sie durchzusetzen. Die offizielle Version der Geschehnisse, die der Sieger der Nachwelt hinterließ, ist in den Periochae des Livius kurz zusammengefaßt:
CumSex. Pompeius rursus latrociniis mare infestum redderet)nec pacem quam acceperat praestaret, Caesar necessario adversus eum bello suscepto duobus navalibus proeliis cum dubio eventu pugnavit68• Von nun an standen sich nur noch Octavian und Antonius im Machtkampf gegenüber. Ein Schlüsselelement zum endgültigen Triumph des Octavian war, daß er Antonius wegen seines Verhältnisses mit Kleopatra als Verräter Roms darstellte. Dies ennöglichte Octavian, zum Repräsentanten der ganzen res publica zu werden und auch die Unterstützung des Senats zu erlangen69. Zu diesem Zweck hatte Octavian bereits im Jahre 32 eine Kampagne gestartet; er wollte die Senatoren überzeugen, daß Antonius wegen seiner Beziehung zu Kleopatra eine Gefahr für Rom darstelle und daß er selbst deshalb über den gesetzlich festgelegten Zeitpunkt hinaus Triumvir bleiben müsse. Den endgültigen Beweis für seine Anschuldigungen konnte er allerdings erst im darauffolgenden Jahr liefern, als Munatius Plancus und M. Titius, zwei der engsten Vertrauten des Antonius, diesen verließen und nach Rom gingen. Durch sie erfuhr Octavian, daß das Testament des Antonius im Tempel der Vestalinnen hinterlegt war. Octavian verschaffte sich das Dokument und las es im Senat und danach in einer contio vor. Was bis dahin ein Gerücht war, wurde nun zum Faktum: Kleopatras Kinder sollten die rechtmäßigen Erben des Antonius sein, und er selbst wollte in Alexandria begraben werden7o. Nachdem diese Nachricht bekannt geworden war, entstanden in der 67Cass.Dio, XLIX 15,3. 68Liv., Per., CXXVllI. Ebenfalls Hor., Epod., 4,19: ... contra latrones atque servilem manum ... ; und Res Gest., 25: ... mare pacavi a praedonibus. Wenn die literarische Überlieferung durch die Sicht des Siegers geprägt wird, können auch hier die wahre Persönlichkeit des Sextus Pornpeius und die tatsächlichen Ereignisse dieser Jahre nicht nachgewiesen werden, da die Quellen entweder die Sichtweise des Octavian oder die entgegengesetzte des Antonius wiedergeben. Jedenfalls kommt darin die propagandistische Stimmung der Konfrontation zwischen den drei Anführern zum Ausdruck. Vgl. Senatore, Sexto Pornpeo, 138-139. 69Meier, C. Caesar Divi filius, 64-65; Eder, Augustus and the Power of Tradition, 99. 7oCassDio, L 3,5. Vgl. Eder, Augustus and the Power ofTradition, 98-99. Die Bevölkerung der Urbs hatte offensichtlich an der Echtheit des Testaments keinen Zweifel, und wahrscheinlich entspricht die Version, welche die antiken Quellen liefern, der Wahrheit. Vgl. Scott, Political Propaganda, 4143; Syme, RR, 282-283; Levi, Ottaviano Capoparte, II 173.
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Urbs Gerüchte, die sicherlich von Octavian genährt wurden; ihnen zufolge planten Antonius und Kleopatra die Eroberung des Westens und die Verlegung der Hauptstadt des Imperium nach Alexandria71 • Octavian gelang es somit, invidia gegen Antonius zu erzeugen; er stellte ihn vor der gesamten Bevölkerung der Stadt als einen Verräter dar, gegen den man kämpfen müsse, um nicht nur Rom, sondern auch den ganzen Westen zu retten. Von Ägypten aus konnte Antonius auf die Beschuldigungen nur mit schriftlicher Propaganda, Briefen und Pamphleten antworten, so daß die direkte Wirkung, die seine Anwesenheit gehabt hätte, ausblieb. Aus Plutarchs Bericht geht hervor, daß die verschiedenen Propagandamittel der beiden unterschiedliche Reaktionen hervorriefen. Hiernach erklärte Octavian öffentlich, Antonius habe bereits den Osten des Imperium unter den Kindern, die er von Kleopatra hatte, aufgeteilt; zudem habe Octavian Antonius' Verachtung für seine Frau Octavia im Senat und vor dem Volk kritisiert und damit das Volk gegen Antonius aufgewiege1t72 . Letzterer sandte daraufhin Agenten nach Italien, die ihrerseits Anschuldigungen gegen Octavian erhoben und Gerüchte über dessen öffentliches und privates Leben in Umlauf setzten73 . Als Octavian später das Testament seines Rivalen veröffentlichte, versuchten laut Plutarch nur einige Freunde des Antonius in Rom, die Meinung des Volkes zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Sie konnten jedoch nicht von der Rednerbühne aus zum Volk sprechen74 . Unter diesen Umständen vermochte Antonius seine Popularität und Glaubwürdigkeit sowie seinen Einfluß im Volk unmöglich aufrechtzuerhalten. Er verlor nicht nur den Kampf um die öffentliche Meinung, sondern wurde nach und nach auch von den Angehörigen der Elite verlassen, die ihn unterstützt hatten. In der Bilanz von Propaganda und Gegenpropaganda ging Octavian infolge seiner Anwesenheit in Rom und wegen seiner Auftritte in Volksversammlungen als der erfolgreiche hervor. Wollte man die politische Meinung der Bevölkerung kennen und beeinflussen, erwies sich die Präsenz in Rom als entscheidend75 . So bildete sich eine öffentliche Meinung gegen Antonius und zugunsten von Octavian, dessen Ziel letztlich die Rechtfertigung einer neuen bewaffneten Auseinandersetzung war, die in der Schlacht von Actium gipfelte. Mitte des Jahres 32 kam es zum sogenannten consensus universorum: Die Bewohner Italiens und der westlichen Provinzen legten einen Schwur ab, in dem sie sich verpflichteten, Octavian gegen die vermeintliche Gefahr aus dem Osten zu unterstützen, und die Senatoren pflichteten diesem Schwur bei. Octavian wurde de facto zum alleinigen 71Cass.Dio, L 4,l. 72Plut., Ant., 54-55. 73Jal, Ouerre civile, 126, ist der Ansicht, diese Kuriere hätten vom Untergrund aus agiert; daher konnten sie auf die öffentliche Meinung weniger einwirken als Octavian, der offiziell seinen Einfluß in Volksversammlungen und Senat geltend machen konnte. 74Plut., Ant., 58-59. 75Vg1. JaI, Ouerre civile, 154-158.
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Herrscher und politischen Anführer. Erneut lieferte er der Bevölkerung einen guten Grund, sich an einem Bürgerkrieg zu beteiligen. Aus wohlüberlegten, taktischen Gründen bezeichnete er ihn nicht als Bürgerkrieg, sondern als Krieg gegen einen ausländischen Feind - schließlich wurde nicht Antonius, sondern der Königin von Ägypten der Krieg erklärt76 , Aus der Verunglimpfung sowohl des Sextus Pompeius als auch des Antoniusvor dem Volk wird folgendes deutlich: Wichtig für Octavians Triumph war, daß er in den dreißiger Jahren der einzige in Rom anwesende politische Führer war, der sich beim Volk der Beliebtheit und Glaubwürdigkeit erfreute, der einzige, der in entscheidenden Momenten durch Reden die öffentliche Meinung der Urbs formen konnte und nicht von der Rednerbühne aus angegriffen wurde, da seine Gegner abwesend waren, Es waren sicher nicht seine Reden in contiones, die Octavian zum endgültigen Sieg verhalfen, und die plebs urbana trat zu jedem Zeitpunkt hinter dem Heer zurück77 ; aber in diesen Reden vermöchte er seine persönlichen Feinde zu Feinden des Volkes und der res publica zu machen und gleichzeitig sich selbst als einzigen Freund und Beschützer Roms, Italiens und des ganzen Westens darzustellen. Damit war ein militärisches Vorgehen gegen diese Feinde legitimiert - es war keine persönliche Unternehmung Octavians, sondern eine kollektive, der sich die Senatoren schwerlich widersetzen konnten, ohne gegen die öffentliche Meinung zu handeln. Es reichte also nicht aus, Gewalt anzuwenden, man mußte sie auch rechtfertigen, und Octavian gelang dies weitgehend mit seinen Reden vor dem Volk78 . Yavetz argumentiert, daß sich wegen der wachsenden Feindseligkeit des Volkes gegen die Oligarchie und aufgrund der Angst vor Bürgerkriegen in der plebs die Vorstellung breit machte, die Herrschaft einer einzigen Person - das Prinzipat - sei der alleinige Ausweg aus der anhaltenden Krise der Republik79. Seiner Ansicht nach war die plebs bereit, sich für die Einführung des Prinzipats einzusetzen, aber nicht gewillt, einen beliebigen Princeps zu akzeptieren, sondern nur den, der sich als der beste Anführer erwies, Es läßt sich nicht nachvollziehen, inwieweit das Volk die geistige Kapazität besessen haben kann, mehr oder weni76Meier, C. Caesar Divi filius, 64-66; Eder, Augustus and the Power of Tradition, 100; Syme,
RR,284-285. 77YavelZ, Plebs and Princeps, 90-91, ist der Ansicht, Octavian habe das völlige Vertrauen des _ Volkes erst im Jahre 23 errungen, als er die tribunicia potestas annahm. Er unterstreicht die im Vergleich zu der UnterstiilZung Octavians durch das Heer und die Elite Italiens sowie der westlichen Provinzen geringe Bedeutung des Volkes in der coniuratio ltaliae. Ein Beweis für dieses Vertrauen ist, daß laut Cassius Dio (LIV 1) das Volk von Rom im Jahre 22 von Augustus forderte, er solle die Diktatur annehmen, um die Probleme zu lösen, von denen die Urbs heimgesucht wurde. Augustus weigerte sich und war nur bereit, sich um die Getreideversorgung zu kümmern, wie es Jahre zuvor Cn, Pompeius Magnus getan hatte (vgl. Syme, RR, 339). 78Syme, RR, 279: "For the moment violence bad given Octavianus an insecure control of Rome and Italy. But violence was not enough: be stililacked the moral justification for war, and the moral support of the Roman People", 79Yavetz, Plebs and Princeps, 36.
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ger bewußt die Ablösung der Republik durch eine Monarchie als vorteilhaft anzusehen. In diesem Konflikt ging es vielmehr um konkrete Persönlichkeiten. Für eine bestimmte Person, die eine Machtposition besaß, zu kämpfen war konkret und für die plebs eher vorstellbar, als für etwas so Abstraktes und Unbekanntes wie eine neue politische Ordnung einzutreten. Somit hing alles von der Persönlichkeit dieses Individuums ab, von dem Bild, welches das Volk von ihm hatte, und von seiner Glaubwürdigkeit. Deshalb war ein persönliches Auftreten vor dem Volk ausschlaggebend. Während der dreißiger Jahre schien schließlich Octavian der einzige zu sein, der als Herrscher in Frage kam und dem man Vertrauen schenken konnte, weil er der einzige war, den man sehen und dem man zuhören konnte. Während seiner Entwicklung vom Außenseiter zum Princeps hielt Octavian von Anfang an Reden vor dem Volk. Mit jeder Rede kam er seinem Ziel, das Volk für sich zu gewinnen, näher. Als er noch ein Unbekannter mit unvorhersehbarer Zukunft war, wurde er als gesetzlicher Erbe Caesars anerkannt Damals bedeutete schon allein die Tatsache, daß er ermächtigt war, vor dem Volk zu sprechen, seine Anerkennung als Angehöriger der Elite, obwohl er noch keine Leistung erbracht hatte, die ihm fama, dignitas oder gar auctoritas eingebracht hätte - erst Anfang des Jahres 43 wurde er durch adlectio in den Senat aufgenommen. Monate später, von der plebs. und von Caesars Veteranen bereits als Erbe des Diktators anerkannt, konnte er sich in einer Volksversammlung auch als politischer Erbe präsentieren. Als er in den dreißiger Jahren als Triumvir eine legale Machtposition innehatte, führte er im Senat und in Volksversammlungen schlagende Argumente gegen seine beiden größten Rivalen, Sextus Pompeius und Antonius, an und rechtfertigte vor der Öffentlichkeit zwei Bürgerkriege, die mit den Schlachten von Naulochus und Actium endeten. Er bemühte sich jedoch, nicht als Initiator eines Krieges, sondern als Befreier der Gemeinschaft zu erscheinen. Den Namen Augustus konnte er von Rechts wegen annehmen, denn er hatte nicht nur Rom gerettet, sondern auch die res publica wiederhergestellt. Sein Sieg und der damit verbundene Beginn eines neuen Regimes bereiteten der größten Epoche der Redekunst in Rom ein jähes Ende. Seine Reden in Volksversammlungen in diesem letzten Abschnitt der Republik waren ein Muster an Überzeugungskraft, Propaganda und Kontrolle der Urbs sowie ein Beweis für die Notwendigkeit der Anwesenheit und Aktivität eines Politikers als Redner vor dem Volk8o. Die in contiones praktizierte Redekunst ermöglichte es Octavian, politische Ziele zu erreichen, die im erhabensten - dem Prinzipat - gipfelten. Der Erfolg Octavians führte aber zum endgültigen Untergang der Rede als politischer Strategie.
80ßezeichnenderweise gibt Starr, Civilization and the Caesars, dem Kapitel, das von dieser Zeit handelt, die Überschrift' Augustus: winning of Men' s Minds' .
SCHLUSSBETRACHTUNG Nie nahm die Redekunst in Rom eine so herausragende Stellung ein wie in .der späten Republik. Die Bevölkerung der Urbs war sehr stark gewachsen, in den Comitien war die geheime Wahl eingeführt worden, und die Beziehungen zwischen patronus und cliens hatten viel von ihrer früheren Starrheit eingebüßt. Hinzu kamen das Streben neuer sozialer Gruppen nach politischem Aufstieg und eine daraus resultierende Verschärfung des Wettstreits innerhalb der Elite. All dies führte dazu, daß im politischen Kampf nun mehr als früher bestimmte Fähigkeiten erforderlich waren. Eine davon war die Redekunst In den Institutionen, in denen in Rom der politische Wille gebildet wurde, konnte sie allerdings nie völlig frei ausgeübt werden. Im letzten Jahrhundert der Republik versuchte ein Teil der Aristokratie zu verhindern, daß andere soziale Gruppen (equites, Aristokraten aus den Städten Italiens und die plebs) sich stärker an der Regierung der res publica beteiligten. In diesem Konflikt erwiesen sich die Beherrschung der Rede und die Kenntnis der Rhetorik als grundlegend für jede Person des öffentlichen Lebens und damit auch als entscheidend für die Öffnung der Politik für mehr Bürger. So entflammte ein Kampf zwischen homines novi und' der konservativeren nobilitas, die befürchtete, ihre Privilegien einzubüßen. Viele homines novi nutzten ihre Reden in iudicia publica als Sprungbrett für ihren cursus honorum oder zumindest, um sich als Rechtsanwälte soziales Prestige zu verschaffen. Da Erfolg oder Scheitern vor Gericht davon abhing, ob der Redner die Geschworenen von der Schuld bzw. Unschuld des Angeklagten überzeugen konnte, war das Erlernen der Rhetorik für diese Neulinge unentbehrlich. Somit waren sie wohl die wichtigsten Besucher der Schule der sogenannten rhetores Latini, und vornehmlich an sie waren die Rhetoriklehrbücher gerichtet, die im ersten und zweiten Jahrzehnt des 1. Jahrhunderts v.ehr. herausgegeben und ausnahmslos von homines novi verfaßt wurden. Daß die Beredsamkeit nicht mehr als eine natürliche Gabe angesehen wurde, sondern als eine Fähigkeit, die mittels einer Technik erlernbar und nun auch leichter zugänglich war, da sie in lateinischer Sprache gelehrt wurde, sah ein Teil der nobilitas als Gefahr an. Nicht nur das aristokratische Monopol der Rede stand auf dem Spiel, sondern auch ein ganzes, im Laufe von Jahrhunderten geschaffenes Wertesystem, demzufolge die Aristokratie naturgemäß eine Reihe von Tugenden besaß, die ihre Herrschaft über die res publica rechtfertigte und denen zufolge ihre Reden alles ausdrückten, was die Gemeinschaft für ihr Fortbestehen benötigte. Solange die Republik bestand, hatte nur das Wort der Aristokratie eine Wirkung. Sie präsentierte die Vorbilder von Rednern und Politikern, und demzufolge war sie allein befähigt, den richtigen Gebrauch der Rede in der Öffentlichkeit zu lehren. Die Unterweisung einer beliebigen anderen Person zu überlassen barg eine Gefahr für das althergebrachte Modell und konnte zum Aufkommen von
Schlußbetrachtung
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politikern führen, die audaces und impudentes waren. Die soziale Ordnung war gefährdet. Die Folge dieses Unbehagens eines Teils der nobilitas war das censorische Edikt des Jahres 92, das im Namen des mos maiorum gegen die Schule der rhetores Latini, d.h. gegen die uneingeschränkte Rhetoriklehre, jedoch nicht gegen die Rhetorik als Disziplin gerichtet war. Aus den antiken Quellen und aus Crassus' Rechtfertigung in Ciceros De oratore geht hervor, daß das Edikt umstritten war. Seine abschreckende Wirkung war wohl gering oder zumindest von kurzer Dauer. Einige Jahre danach gab es wieder Rhetorikschulen, in denen in lateinischer Sprache unterrichtet wurde, und es wurden neue Handbücher über diese Disziplin geschrieben. Das bedeutet jedoch nicht, daß all diejenigen, die in der Lage waren, die Redetechnik zu erlernen, sie auch frei praktizieren konnten. Obwohl es in Rom Redefreiheit gab, schloß der Begriff libertas nicht auch gleiches Rederecht ein. Die gesetzlich festgelegten Beschränkungen für das Halten von Reden im Senat oder in Volksversammlungen blieben bestehen, so daß die Elite eine zuverlässige Kontrolle ausübte. Ob man eine Rede halten konnte, war von der sozialen Hierarchie abhängig. hn Senat waren Senatoren, die bereits ein höheres Amt bekleidet hatten, die einzigen Redner, die gewöhnlich in einer Sitzung zu Wort kamen. In contiones war es unüblich, daß niedrige Magistrate sprachen, und viele Politiker hielte!l nur im Jahr ihres Volkstribunats oder als Konsuln Reden vor dem Volk. So stieg zwar in der späten Republik die Zahl der Personen mit Rhetorikkenntnissen stark an, aber die der politischen Redner blieb gering. In einer Zeit zunehmender Spezialisierung im militärischen wie im juristischen Bereich, mit Rednern, die besser vorbereitet waren alsje zuvor, war eine Spezialisierung oder gar Professionalisierung im Bereich der politischen Beredsamkeit nicht möglich. Schließlich war die Ausübung der letzteren ja nur möglich. wenn der Redner eine Magistratur bekleidete oder von einem Amtsträger zum Reden ermächtigt wurde; somit war sie vorübergehender Natur. Im Gegensatz zu den Gerichten konnte in den Volksversammlungen nicht jeder sprechen. Wer Politiker werden wollte, mußte die Redekunst beherrschen, aber wer sie ausüben wollte. mußte zumindest seinen cursus honorum angefangen haben. Außerdem hatten nahezu alle privati, die zum Volk sprachen. zuvor eine Magistratur bekleidet und waren bekannte Personen der römischen Gesellschaft. Der Schlüssel. der in Rom den Zugang zur politischen Beredsamkeit ermöglichte, war somit die Verbindung von potestas und auctoritas, und die öffentliche Rede war de facto ein Monopol der Elite. Daher war die politische Rede vor dem Volk einem Römer zu Beginn seiner politischen Karriere in viel geringerem Maße förderlich als'die forensische Rede. Dessen ungeachtet traten einige Volkstribunen sehr häufig in contiones auf, so daß die politische Rede vor dem Volk in engem Zusammenhang mit dem Volkstribunat stand. In Rom konnte keine politische Institution ohne die~Initiative und Autorisation eines Magistraten funktionieren. Die Redner hielten ihre Ansprachen vor dem
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SChlußbetrachning
Volk immer e superiore loeo, das heißt, sie standen auf der erhöhten Rednerbühne oder am Podium eines Tempels. Diese räumliche Anordnung symbolisierte die kulturelle Erhabenheit sowie die politische und moralische Autorität der Aristokratie. Weder nobiles noch homines novi ließen an dieser Überlegenheit Zweifel aufkommen, wie den Werken Ciceros und Sallusts zu entnehmen ist. Dieser Aspekt der institutionellen Struktur Roms stellte eine konstitutionelle Basis dar die niemals von der herrschenden Schicht hinterfragt wurde, selbst von den popu~ lares nicht. Letztere versuchten, dem Volk eine größere Rolle zukommen zu lassen, jedoch stets in einer von ihnen abhängigen, untergeordneten Position. In den Volksversammlungen gehörten diejenigen, die eine Botschaft mitteilten, immer der Elite an. Die Zuhörer waren Mitglieder der plebs urbana. Zusätzlich wurde die Nachricht indirekt in Schriftform insbesondere in der Oberschicht oder mündlich durch Vermittler unter den Einwohnern der Urbs verbreitet. In diesem Sinne können die eontiones als Instrument zur Erzeugung einer öffentlichen Meinung angesehen werden. Die Politiker waren darauf bedacht, über die Gerüchte und Details der gehaltenen Reden, von denen Kopien und Zusammenfassungen durch private tabel/arii verbreitet wurden, auf dem laufenden zu sein. Daraus geht hervor, wie stark die öffentliche Meinung die Beschlüsse und die Karriere eines Politikers beeinflussen konnte. Einige der forensischen Reden Ciceros, wie Pro Milone, Pro Sestio und vor allem Pro Cluentio, zeigen, daß die in eontiones erzeugte invidia die fama und existimatio eines Politikers zerstören konnte. Aus diesem Grund verunglimpft Cicero die eontio. Er bezeichet sie als [oeus invidiae, an dem seditio herrsche und die improbi agierten. Diese fänden nur unter den imperiti, die gewöhnlich an Volksversammlungen teilnahmen, Anerkennung, bei den boni, die im Senat und in Gerichten Zuflucht vor den Feinden der res publiea suchten, würden sie auf Ablehnung stoßen. In Rom wurde das Volk im Unterschied zum demokratischen Athen nie zur Beteiligung am politischen Leben angeregt, und in den eomitia besaß es lediglich ein geringes Gewicht, aber es konnte zumindest auf der Straße Druck ausüben. Die Schriften Ciceros zeigen, daß die Elite sehr wohl wußte, daß eine Mobilisierung des Volkes eine politische Karriere zerstören und sogar zur Verbannung oder Verurteilung einer Person führen konnte. Metellus Numidieus, Milo und Cicero waren Opfer von Kampagnen, die in eontiones wochen- oder gar monatelang gegen sie geführt wurden und schließlich die öffentliche Meinung so stark beeinflußten, daß diese nicht mehr ignoriert werden konnte. Ciceros Post reditum ad Quirites ist ein Versuch, auf die Kampagne der Verunglimpfung zu antworten, die ihn in die Verbannung getrieben hatte. Die contiones waren das Medium, in dem kollektive Aktionen und Mobilisierungen der plebs urbana zur Verfolgung konkreter politischer Ziele ins Leben gerufen wurden. Diese Ziele wurden immer von einem Redner formuliert, welcher der Elite angehörte. Damit die Projekte vom Volk akzeptiert wurden, mußten sie dessen Interessen Rechnung tragen und klar und konkret von einem eloquen-
Schlußbetrachtung
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ten und vor allem glaubwürdigen Politiker vorgetragen werden. Die plebs urbana konnte zwar manipuliert, aber nicht überredet werden, sich für jedes beliebige Ziel einzusetzen. Aus diesem Grund scheiterten rede technisch perfekte Politiker, wie Brutus anscheinend einer war, vor dem Volk. Weder waren seine Versprechungen für die plebs attraktiv, noch wollte sie ihm als Anführer vertrauen. Eine respektvolle Behandlung war dem Volk wichtig. Wollte ein Politiker der plebs Achtung erweisen, so mußte er in Volksversammlungen auftreten und durch seine Haltung zeigen, daß er sie als bedeutenden Teil der Gemeinschaft akzeptierte. Dieses Benehmen war der Schlüssel zum Erfolg all der Politiker, die sich in der späten Republik großer Beliebtheit erfreuten. Im 1. Jahrhundert v.Chr. nahm die Bedeutung der plebs urbana zu, und gleichzeitig wurden die contiones häufiger als Wirkungsraum politischer Strategie benutzt. Thren Höhepunkt erreichten diese Volksversammlungen in den fünfziger Jahren durch Clodius. Direkter Kontakt mit dem Volk, Beliebtheit in der Bevölkerung und die Fähigkeit einiger Politiker, das Volk als Druckmittel im politischen Kampf zu mobilisieren, prägten zwar den Verlauf des 1. Jahrhunderts, aber die plebs urbana entschied nie, von wem und wie Rom regiert wurde. Das Heer besaß faktisch die Entscheidungsgewalt. Da sich die römische plebs fast nie ohne einen aus der Elite stammenden Anführer als politische Kraft formieren konnte und ihre Ziele·nicht frei formulieren durfte, kam es nie zu einer echten sozialen Bewegung. Alle Unruhen waren von kurzer Dauer. Nur Clodius gelang es, in einer kontinuierlichen politischen Aktion durch seine Reden vor dem Volk und die Organisation der plebs urbana in collegia dem Volk das Gefühl zu geben, politischen Einfluß zu haben. Nach seiner Ermordung wurde mit dem Konsulat sine collega des Pompeius der Status quo ante wiederhergestellt Die römischen Politiker waren darauf bedacht. sooft wie möglich persönlich in Volksversammlungen aufzutreten, um sich gegen Beschuldigungen zu verteidigen, Gerüchte zu entkräften, Programme vorzustellen oder politische Pläne zu rechtfertigen. Das war jedoch nicht immer möglich. Einige imperatores, z.B. Caesar, waren wegen ihrer Kriege und langer Abwesenheit von der Urbs gezwungen, Mittelsmänner einzusetzen. Es waren Magistrate, oft Volkstribunen, die zwischen Volk und Anführern vermittelten. Sie riefen Volksversammlungen für diese Politiker ein oder hielten bisweilen auch selbst eine Rede in deren Namen oder zu deren Verteidigung. Ein Politiker benötigte also Verbündete unter den Amtsträgem. So war auch die Tatsache, daß keiner der Verschwörer von der Rednerbühne aus dem Volk seine Ziele darlegen konnte, einer der Gründe für die fehlende Unterstützung der Catilinarier durch die plebs urbana. Im anderen Lager hingegen nutzte Cicero geschickt seine potestas contionandi, um die Angst des Volkes zu manipulieren, das die Folgen früherer Bürgerkriege unmittelbar erlebt hatte. Auch verunglimpfte Cicero Catilina und dessen Anhänger und versuchte, deren gewaltsame Niederschlagung zu rechtfertigen. In den dreißiger Jahren konnte Octavian ebenfalls eine Propagandakampagne gegen seine Gegner führen, der diese wegen
174
Schlußbetrachtung
ihrer Abwesenheit von Rom nicht persönlich entgegentreten konnten, so daß die in den Volksversammlungen vorgetragenen Anschuldigungen in die öffentliche Meinung eingingen. Die Fähigkeit Octavians, die Meinung des Volkes für sich zu gewinnen und seine eigenen persönlichen Ziele als die der Gemeinschaft zu präsentieren, trug sicher zu seinem endgültigen Triumph bei. Trotz der Zunahme von Gewalt als politischer Strategie war, wie Achard feststellt, die späte Republik "une epoque exceptionelle Oll l'on a l'illusion que la parole detient tout pouvoir, qu'elle peut triompher des armes et de l'argent"l. Diese illusion ließ Cicero das Ideal des orator-Politikers, als dessen Verkörperung er sich selbst betrachtete, heraufbeschwören. Die geschichtlichen Gegebenheiten erwiesen dieses Ideal als unrealisierbar, da Ciceros Theorien mit der Wirklichkeit erheblich kontrastierten: Worte hatten ohne Unterstützung durch Waffen keine Wirkung. Bis zum Ende seines Lebens blieb Cicero seinem Standpunkt treu und kämpfte mit Worten gegen Antonius. Dieses Wagnis mußte er mit dem Leben bezahlen. Nach seiner Ermordung ließ Antonius den Kopf Ciceros ein letztes Mal zur Rednerbühne bringen als Zeichen der Niederlage des letzten orator2 . Die Redekunst starb damit jedoch nicht aus. Auch nach der Ermordung Caesars trug die politische Beredsamkeit dazu bei, das Volk für die eine oder andere der streitenden Parteien zu gewinnen. Doch die Entwicklung war unwiderruflich: Die Redner blieben hinter den Militärs zurück, und unter dem Prinzipat wurde lediglich diese Situation bestätigt. Im Altertum herrschte die Auffassung, mit der Schlacht von Actium sei der Glanz der römischen Beredsamkeit erloschen. In der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts v.Chr. war das Studium der Rhetorik zwar ein verbreitetes Phänomen, und die Zahl der römischen rhetores nahm zu. Es war nun nicht mehr nötig, diese Disziplin auf Griechisch oder in Griechenland zu studieren. Während des Prinzipats gehörte sie weiterhin zur Bildung jedes Angehörigen der römischen Elite. Die Schulen, die im Jahre 92 v.Chr. von den Censoren geschlossen worden waren, ohne daß dadurch die beabsichtigte Wirkung erzielt wurde, erlebten nun in Rom, Italien und den Provinzen des Imperium einen Aufschwung, jedoch konnte das Gelernte meist nicht praktisch angewandt werden. Cicero trug mit seinen Schriften und Reden weitgehend dazu bei, daß das Studium der Rhetorik unverzichtbar wurde. In der Kaiserzeit war allerdings ein Trend zu verzeichnen, der dem Ideal Ciceros widersprach, nämlich ein Rückzug der Rhetorik aus der Politik3 . Da keine politische Debatte mehr stattfand und die Entscheidungen vom Princeps oder einigen ihm nahestehenden Personen getroffen wurden, war es überflüssig 1Achard. Communication ~ Rome. 79.
2S en., Suas., VI 21: Ut vero iussu Antonii inter duos manus positum in rostris caput conspectum est, quo totiens auditum erat loco, tkltae gemitu et fletu maximo viro inferiae, nec, ut solet, vitam depositi in rostris corporis contio audivit sed ipsa narravit; Cass.Dio, XL vn 8,3-4. 3Puhnnann, Die antike Rhetorik, 61.
Schlußbetrachtung
175
geworden, Senat und Volk zu überzeugen; das Urteil des Princeps, des obersten Bürgers, galt als das beste4 • Die Redner waren somit nicht mehr gefragt. Bei Tacitus wird dies besonders deutlich. Er fangt sein Werk Dialogus de oratoribus wie folgt an: '" nostra potissimum aetas deserta et laude eloquentiae orbata vix nomen ipsum oratoris retineat; neque enim ita appellamus nisi antiquos, horum autem temporum diserti causidici et advocati et patroniet quidvis potius quam oratores vocantu,s. Mit anderen Worten, der politische Redner besaß nun kein Publikum mehr, und seine Anwesenheit hatte keinen Sinn mehr. Wer nach der Schlacht von Actium mit Ambitionen im Bereich der Rhetorik und der Beredsamkeit in die Urbs kam, mußte feststellen, daß es kaum noch aktive Redner gab. Auch die Praxis des tirocinium jori war nicht mehr möglich, so daß die Lehre der Redekunst zu bloßer Theorie verblaßte und sich auf Deklamationsübungen beschränkte. In der Kaiserzeit dienten die contiones weiterhin der Information des Volkes, in ihnen fanden laudationes funebres statt, wurden gelegentlich Amtseide von Magistraten vor oder nach ihrer Amtszeit abgelegt und bisweilen politische Mitteilungen gemacht. Diese Volksversammlungen wurden fast ausschließlich von den Kaisern veranstaltet und dienten ihnen zur Selbstdarstellung, waren sie doch immer noch das offizielle Kontaktmittel zwischen Herrscher und Volk und ein Instrument der Einflußnahme auf die Bevölkerung Roms. Die Kaiser konnten die in der Urbs herrschende öffentliche Meinung nicht außer acht lassen. Der Princeps mußte als Beweis seiner auctoritas Reden vor dem Volk halten und sich damit seine Glaubwürdigkeit und Popularität bestätigen lassen. Das aktive Auftreten der Herrscher in der Urbs war also auch in der Kaiserzeit ein Zeichen ihrer Führer~ schaft und ein Mittel zur Rechtfertigung ihrer Herrschafi6• Natürlich blieb die politische Rolle des Volkes hinter jener der Legionen, die in allen Provinzen des Imperium aufgestellt waren, und jener der Prätorianer in Rom zurück. Entsprechend dem zunehmenden Einfluß des Heeres berichten die Quellen der Kaiserzeit viel häufiger von militärischen contiones als von zivilen. Die Reden der Kaiser vor den Soldaten waren oft entscheidend für ihre Unterstützung im Machtkampf. Das geht auch aus den Szenen hervor, in denen ein Kaiser Ansprachen an seine Truppen hält; sie sind sehr häufig auf Münzen - meist mit der
4Syme, RR, 246: "OrafOry would degenerate infO tbe private practice of rhetoric: in public, the official panegyric. Freedom of speech could never retum". 5Tac., Dial., 1,1. Vgl. 41,4. 6Sünskes Thompson, Demonstrative Legitimation, verficht "die politische Rolle des Volkes als öffentlicher Meinungsbildner und Verleiher demonstrativer Herrschaftslegitimität" (75). Sie äußert sich wie folgt zur Republik und zur Kaiserzeit: "Die politische Rolle des Volkes bestand in beiden Epochen darin, einem Thronaspiranten oder einem bereits proklamierten Kaiser für die Dauer seiner Regierung in Form von öffentlich demonstrierter Akzeptanz eine gesicherte Basis für die Legitimität seiner Herrschaft zu verleihen" (55).
176
Schlußbettachnmg
Umschrift adlocutio - und auf den Reliefs von Denkmälern wie der Trajanssäule und der Mark-Aurel-Säule abgebildet7 • Einige Kaiser legten auch auf die direkte Berührung mit dem Volk in zivilen Versammlungen Wert und versuchten, durch Propaganda die Vorstellung zu vermitteln, daß es einen solchen Kontakt gab. So wurden während Trajans und Hadrians Herrschaft zivile contiones auf Münzen und Reliefs abgebildet8• In der Propaganda, mit der die Darstellung eines optimus princeps bezweckt wurde, wird unterstrichen, daß sich der Kaiser herabließ, vor dem Volk zu erscheinen. Die Münzen und Reliefs geben genau den Augenblick wieder, in dem sich der Kaiser dem Volk zuwendet. Letzteres hat den Princeps wohl in solchen Momenten als parens und patronus der Gemeinschaft anerkannt und sich ihm nahe gefühlt. Wichtig war nicht die Volksversammlung, sondern die Haltung des Kaisers, seine bloße Gegenwart, als Zeichen seines Respekts vor dem Volk und seiner civilitas. Das bedeutet jedoch nicht, daß der plebs eine reale politische Bedeutung beigemessen wurde. In den Szenen, in denen der Kaiser zum Volk spricht, erscheint er immer höhergestellt, genau wie der Redner zur Zeit der Republik. Die Aufgabe des Volkes besteht darin, ihm zuzuhören und zu applaudieren, ihm die Arme als Zeichen des Dankes für seine Großzügigkeit entgegenzustrecken. Das Volk war passiv und durfte nur anhören, was der Herrscher ihm mitzuteilen hatte. Der Princeps stand immer über dem Volk. Alles lag in seinen Händen: die Macht und das Monopol der Rede. Dies war eine logische Fortführung der republikanischen Verhältnisse. Wenn damals die Rede ein althergebrachtes Privileg der "besten Bürger" war, so war sie während des Prinzipats konsequenterweise das des "besten Bürgers", des Princeps. Wenn Cicero damals vorschlug, der optimus orator solle der Herrscher der res publica sein, und ihn als princeps bezeichnete. so war nun der optimus princeps der einzige legitime orator.
7Siehe dazu Pina Polo, La representaci6n de contiones militares, passim. 8Dazu kommt auch die zivile contio auf dem Bogen des Konstantin. In den Szenen auf den sogenannten Anaglypha Traiani, auf einem Relief Hadrians, das zum Bogen von Portogallo gehörte und heute in den Musei Capitolini aufbewahrt wird, sowie auf Sesterzen aus trajanischer und hadrianischer Zeit erscheint der Herrscher in der Toga zum Volk sprechend. In der Szene auf dem Konstantinsbogen, in welcher der Kaiser in militärischer Uniform umgeben von Personen in der Toga oder Tunika erscheint, ist das Volk nicht dargestellt. Entscheidend ist hier nicht, daß der Regierende vor dem Volk spricht, sondern die Macht des Herrschers, die sich auf seinen militärischen Triumph gründet. Zu den Details dieser Szenen und ihrer Bedeutung siehe Pina Polo, Civilitas Principis, passim, mit Quellenangaben.
TABELLEN
...... -.J
TABELLE 1. PRIVATE REDNER IN CONTIONES
Jahr
Einberufende Magistrate
133 133
Ti. Gracchus. Tr.pI. Tribuni plebis
Private Redner 1
00
Art der contio 2
T. Annius Luscus. Cos.153 leg.? (183) Senatoren pol. P. Comelius Scipio Nasica Serapio. Cos.138. Pontmax. 131 C. Papirius Carbo. Tr.pI. P.C. Scipio Afr. Aemilianus. Cos.147 und 134. Cens.142. Augur leg. (186) C. Laelius Sapiens. Cos.140. Augur 1311130 C. Papirius Carbo. Tr.pI. P.C. Scipio Afr. Aemilianus. Cos.147 und 134. Cens.142. Augur pol. (189) 124 ? C. Sempronius Gracchus. Q.126. Proq.124 pol. (191) 123 C. Sempronius Gracchus. Tr.pI. L. Calpumius Piso Frugi? Cos.133 leg. (193) 123 C. Sempronius Gracchus. Tr.pI. L. Calpurnius Piso Frugi? Cos.133 Frumentatio (194) 108 Seditiosi magistratus C. Marius. Pr.1l5 pol. (203) 107 ? Q. Caecilius Metellus Numidicus. Cos.109. Procos.107. Augur pol. (205) 106 Q. Servilius Caepio. Cos. L. Licinius Crassus. Tr.p1.107 leg. (206) 102 Tribunus plebis Batakes. Priester der Mater Magna in Phrygia pol. 101 Tribunus plebis Sempronia pol. (210) 98 Q. Calidius? Tr.pI. Q. Caecilius Metellus Numidicus. Cos.109. Censor 102. Augur pol. (214)
1Den privaten Rednern wurden auch die Priester und Prokonsuln subsumiert, da sie keine potestas contionandi besaßen. Für alle Redner wird das jeweils höchste Amt, das sie bis zum Abhalten der Rede innehatten, und gegebenenfalls die Promagistratur oder das Priesteramt angegeben. :!pol. =politisch; leg. =legislativ. Nicht berücksichtigt wurden die vor iudicia populi abgehaltenen contiones, laudationes funebres und contiones de triumpho. Die Zahl in Klammem verweist auf Anhang A in Pina Polo, Contiones, 244-313, der eine Auilistung aller zivilen contiones der römischen Republik umfaßt
Jahr
Einberufende Magistrate
82
?
L. Comelius Sulla. Cos.88. Procos.82. Augur
71 70 67 67
M. Lollius Palicanus. Tr.pl. Plautius? Tr.pl. A. Gabinius. Tr.pl. A. Gabinius. Tr.pl.
66
C. Manilius. Tr.pl.
62 62 62/61 61 61
M. Porcius Cato? Tr.pl. C. lulius Caesar. Pr. ? Q. Fufius Calenus. Tr.pl. M. Pupius Piso. Cos.
61 60 59
? L. Flavius. Tr.pl. C. luHus Caesar. Cos.
Cn. Pompeius Magnus. Procos.71 C. luHus Caesar. Tribunus militum a populo 71. Pontifex C. luHus Caesar. Q.69-68. Pontifex Cn. Pompeius Magnus. Cos.70 Q. Lutatius Catulus. Cos.78. Pontifex Q. Hortensius Hortalus. Cos.69. Augur Q. Lutatius Catulus. Cos.78. Censor 65. Pontifex M. Tullius Cicero. Cos.63 Q. Lutatius Catulus. Cos.78. Censor 65. Pontifex Cn. Pompeius Magnus. Cos.70. Procos.62/61. Augur Cn. Pompeius Magnus. Cos.70. Procos.61. Augur M. Porcius Cato. Tr.pl.62. XV sacris faciundis Q. Hortensius Hortalus. Cos.69. Augur M. Favonius. Q.?3 M. Tullius Cicero. Cos.63 M. Tullius Cicero. Cos.63 Cn. Pompeius MagnuS. Cos.70. Augur M. Licinius Crassus. Cos.70. Censor 65. Pontifex? M. Porcius Cato. Tr.pl.62. XV sacris faciundis
Private Redner
Art der contio
Anktindigung eines Edikts (226) pol. (241) leg. (243) leg. (245) leg. (246) leg. (252) pol. (270) pol. (271) pol. (275) leg.-pol. (276) leg. (278)
pol. (280) leg. (281) leg. (285)
3Gemäß Broughton, MRR. II 190, war M. Favonius vor dem Jahr 59 Quaestor. Ryan, The Quaestorship of Favonius, 516, ist der Ansicht, er sei wahrscheinlich im Jahr 62 -jedenfalls nicht nach dem Jahr 61 - Quaestor gewesen.
!::i 1.0
.....
Jahr
Einberufende Magistrate
Art der contio
Cn. Pompeius Magnus. Cos.70. Augur pol. (287) C. Porcius Cato. Vor diesem Zeitpunkt kein Amt bekannt. Q.? pol. (290) L. Vettius. Keine Magistratur pol. (291) L. Vettius. Keine Magistratur pol. (291) Q. Hortensius Hortalus. Cos.69. Augur pol. (295) C. Scribonius Curio. Cos.76. Censor c.61. Pontifex 58 P. Clodius Pulcher. Tr.pl. M. Licinius Crassus. Cos.70. Censor 65. Pontifex? leg. (296) C. Iulius Caesar. Cos.59. ProcOS.58. Pontifex maximus P. Clodius Pulcher. Tr.pl. M. Calpurnius Bibulus. Cos.59 pol. (301) 58 Auguren 58/57 Ap. Claudius. Pr. M. Calpumius Bibulus. Cos.59 pol. (305) 57 ? L. Gellius Poplicola. Cos.72. Censor 70 pol. (307) P. Servilius Vatia Isauricus. Cos.79. Pontifex P. Comelius Lentulus Spinther. Cos. Cn. Pompeius Magnus. Cos.70. Procos.57. Augur 57 leg. (308) Senatoren P. Comelius Lentulus Spinther M. Tullius Cicero. Cos.63 57 pol. (309) Q. Caecilius Metellus Nepos. Coss. Ap. Claudius. Pr. 57 P. Clodius Pulcher. Tr.p1.58 pol. (310) Q. Caecilius Metellus Nepos. Cos. 57 P. Clodius Pulcher. Tr.pl.58 pol. (311) und/oder Ap. Claudius. Pr. 56 C. Porcius Cato. Tr.pl. Priester pol. (313) 55 Tribunus plebis M. Porcius Cato. Tr.pI.62. XV sacris faciundis pol. (319)
59 59 59 59 58
P. Vatinius? Tr.pl. Tribuni plebis C. Iulius Caesar. Cos. P. Vatinius. Tr.pl. P. Clodius Pulcher. Tr.pl.
Private Redner
00
0
Jahr
Einberufende Magistrate
Private Redner
Art der contio
55
C. Trebonius. Tr.pl.
M. Porcius Cato. Tr.pl.62. XV sacris faciundis M. Favonius. Q. vor 59 Cn. Pompeius Magnus. Cos.70 und 55. Procos.54. Augur M. Tullius Cicero. Cos.63 P. Clodius Pulcher. Aed.56 T. Annius Milo. Pr.55 M. Porcius Cato. Pr.54. XV sacris faciundis Cn. Pompeius Magnus? Cos.70 und 55. Procos.52. Augur M. Aemilius Philemon, libertus des M. Lepidus C. luHus Caesar. Cos.59. Procos.49. Pontifex maximus M. Antonius. Mag.eq.48-47. Augur M. Tullius Cicero? Cos.63. Augur
leg. (320)
C. luHus Caesar (Octavian). Praef.Urb.47. Pontifex C. Vibius Pansa. Pr. 48? Cos.desig. für 43. Augur C. luHus Caesar (Octavian). Praef.Urb.47. Mag.eq.suff.44. Pontifex M. Tullius Cicero. Cos.63. Augur M. Tullius Cicero. Cos.63. Augur M. Tullius Cicero. Cos.63. Augur Hortensia
pol. (355) pol. (358) pol. (360)
D. Laelius? Tr.pl. 54 Vor 53 ? 53/52 ? 52 M. Caelius Rufus. Tr.pl. 52 ? Tribuni plebis 52 T. Munatius Plancus. Tr.pl. 52 49 ? Tribunus plebis 45 M. Antonius 44 P. Cornelius Dolabella. Coss. 44 L. Antonius. Tr.pl. 44 ? Ti. Cannutius. Tr.pl. 44 44 43 43 43
M. ServiIius. Tr.pl.43 P. Apuleius. Tr.pl. M. Servilius. Tr.pl.
Triumviri.
pol. (321) pol. (324) pol. (325) pol. (329) pol. (330) pol. (331) pol. (333) pol. (342) pol. (344) pol. (351)
pol. (362) pol. (363) pol. (364) Ankündigung eines Edikts (367)
..... 00 .....
ZUSAMMENFASSUNG TABELLE 1. PRIVATE REDNER IN CONTIONES Ma~ und EriesteL~ahl der Versammlururen Redner Consul, Censor und Priester 7 5: Q. Lutatius Catulus (2), M. Licinius Crassus (2), C. Seribonius Curio (cos.90), Q. Caec. Metellus Numidicus, P. C. Scipio Africanus Aemilianus Consul + Censor 1 1: L. Gellius Poplieola 10 : C. Iulius Caesar (2), Q. Lutatius Catulus, M. Tullius Cicero (4), Q. Consul + Priester (augur, pontifex) 22 Hortensius Hortalus (3), C. Laelius Sapiens, Q. Caeeilius Metellus Numidieus, Cn. Pompeius Magnus (7), P. Cornelius Scipio Nasica, L. Cornelius Sulla, P. Servilius Vatia Isaurieus 5: T. Annius Luscus, M. Calpurnius Bibulus (2), M. Tullius Cicero (5), L. 11 Consul Calpurnius Piso Frugi (2), Cn. Pompeius Magnus 2: M. Porcius Cato Uticensis, C. Vibius Pansa Praetor + Priester (augur, pontifex) 2 2: C. Marius, T. Annius Milo 2 Praetor 1 1: Cn. Pompeius Magnus Proconsul 1: M. Antonius 1 Magister equitum + Priester (augur) 1: C. Iutius Caesar (Octavian) 2 Praefeetus urbi + Priester (pontifex) 1: M. Porcius Cato Uticensis (4) Trib.pL + Priester (XV sacris faeiundis) 4 2: P. Clodius Pulcher (2), L. Licinius Crassus 3 Tribunus plebis 1: P. Clodius Pulcher 1 Aedil 1: C. Iulius Caesar 1 Quaestor + Priester (pontifex) 3: C. Porcius Cato, C. Sempronius Gracchus, M. Favonius (2) 4 Quaestor 1: C. Iulius Caesar Trib.militum a populo+Priester (pontifex) 1 Gesamtzahl der privaten Redner mit cursus honorum : 28 5: Batakes, Hortensia, M. Aemilius Philemon, Sempronia, L. Vettius (2) 6 Private Redner ohne cursus honorum Gesamtzahl der privaten Redner ohne cursus honorum: 5.
00
N
183
TABELLE 2. MAGISTRATE ALS REDNER IN CONTIONES ~R~edn~e~r
____________________~~~a~&i~stt~a~m~re~nl________________
Aemilius Lepidus, M. Aemilius Lepidus, M. Antonius, L. Antonius, M. Appuleius Decianus, C. Appuleius Saturninus, L. Aufeius Aurelius Cotta, C. Baebius, C. Caecilius Metellus Celer, Q. Caecilius Metellus Nepos, Q. Caelius Rufus, M. Calidius, Q. Calpurnius Bibulus, M. Calpumius Piso, C. Calpurnius Piso, L. Cannutius, Ti. Cassius Longinus, C. Claudius, Ap. Clodius Pulcher, P. Comelius, C. Comelius Cinna, L. Comelius Cinna, L. Comelius Dolabella, P. Comelius Lentulus Marcellinus. Cn. Comelius Lentulus Spinther, P. Comelius Sulla. L. Duronius, M. Fannius, C. Flavius, L. Fufius Calenus, Q. Furius, P. Gabinius, A.
Cos.78 Mag.eq. 44 (2),Triumvir 43 (2) Tr.pI. 44, Cos. 41 Tr.pI. 49, Cos. 44 (6), Triumvir 43 (3) Tr.pI. 98 Tr.pI. 103-100 Tr.pI. 123 Cos.75 Tr.pI. 111 Tr.pI. 90 Tr.pI. 62 (2), Cos. 57 (2) Tr.pI. 52, Aed. 50 Tr.pI. 98 (2) Cos. 59 (2) Cos.67 Cos.58 Tr.pI. 44 Pr. 44 Pr. 57 Q. 61 (2), Tr.pI. 58 (9), Aed. 56 (3) Tr.pI. 67 (2) Cos.87 Pr. 44 Cos. 44 (3) Cos.56 Cos. 57 (2) Cos. 88, Dictator 82-79 (5) Tr.pI. 97 Cos. 122 Tr.pI. 60 Tr.pI. 61 Tr.pI. 99 Tr.pI. 67 (3), Cos. 58 (3)
tHier sind Reden, die in contiones vor iudicia populi, in laudationes funebres, contiones de triumpho und consecrationes bonorum gehalten wurden, nicht subsumiert Für alle Redner wird die Magistratur des Jahres angegeben, für das Reden vor dem Volk bekannt sind. Nach der Angabe des Amtes und der Jahreszahl erscheint in Klammem die Anzahl der bekannten Reden des Politikers, falls es sich um mehr als eine handeil
184 Redner
Magistraturen
IuHus Caesar, C. IuHus Caesar (Octavian), C. IuHus Caesar Strabo, C. Iunius Brutus, M. Licinius Crassus, L. Licinius Crassus, M. Licinius Maeer, C. Livius Drusus, M. Lollius Palicanus, M. Manilius, C. Marcius Philippus, L. Marius, C. Marius Gratidianus, M. Memmius, C. Minucius Rufus, M. Munatius Planeus, T. Nigidius Figulus, P. Norbanus, C. Novius, L. Octavius, Cn. Papirius Carbo, C. Papirius Carbo Arvina, C. Plautius Pompeius Magnus, Cn. Pompeius Rufus, Q. Pompeius Rufus, Q. Pomponius, Cn. Porcius Cato, C. Porcius Cato, M. Porcius Cato Utieensis, M. Pupius Piso, M. Quinctius, L. Roscius Otho, L. Sallustius Crispus, C. Seribonius Curio, C. Seribonius Curio, C. Sempronius Gracchus, C. Sempronius Gracchus, Ti. Servilius Caepio, Q.
Pr. 62 (2), Cos. 59 (4), Dictator 46 Triumvir 43-32 (5) Aed.90 Pr. 44 (3) ?, Censor92 Cos.70 Tr.pI. 73 Tr.pI. 91 Tr.pI. 71 Tr.pI. 66 Cos.91 Cos. 107-100 (3) Pr. 85 Tr.pI. 111 (2) Tr.pI. 121 Tr.pI. 52 (6) Aed. oder Tr.pI. 60-59 Tr.pI. 103 Tr.pI. 58 Cos.87 Tr.pI. 131 (2) Tr.pI. 90 Tr.pI. 70 Cos.70 Tr.pI. 100, Cos. 88. Tr.pI. 52 (4) Tr.pI. 90 Tr.pI. 56 Tr.pI. 100 Tr.pI. 62 (2), Pr. 54 Cos.61 Tr.pI. 74 (3) Tr.pI. 67 Tr.pI. 52 Tr.pI. 90, Cos. 76 Tr.pI. 50 Tr.pI. 123-122 (7) Tr.pI. 133 (5) Cos. 106
185 Redner
Magistraturen
Servilius Globulus, P. Servilius Rullus, P. Sicinius, Cn. Sulpicius Rufus, P. Titius, P. Trebellius, L. Trebonius, C. Tullius Cicero, M. Varius Severus Hibrida, Q. Vatinius, P. Vibius Pansa, C.
Tr.pI. 67 Tr.pI. 63 Te.pI. 76 Tr.pI. 88 Tr.pI. 43 Te.pI. 67 Q. 60, Te.pI. 55 Pe. 66 (4), Cos. 63 (9) Te.pI. 90 Tr.pI. 59 Cos.43
186 TABELLE 3. VOLKSTRIBUNEN ALS REDNER IN CONTIONES Jahr 13~ (5) 131 (2) 123-122 (7) 123 121 111 111 (2) 103-100 103 100 100 99 98 98 (2) 97 91 90 90 90 90 90 88 76 74 (3) 73 71 70 67 (2) 67 (3) 67 67 67 66 63 62 (2) 62 (2) 61
Redner Sempronius Gracchus, Ti. Papirius Carbo, C. Sempronius Gracchus, C. Aufeius Minucius Rufus, M. Baebius, C. Memmius,C. Appuleius Saturninus, L. Norbanus, C. Pompeius Rufus, Q. Porcius Cato, M. Furius, P. Appuleius Decianus, C. Calidius, Q. Duronius, M. Livius Drusus, M. Caecilius Metellus Celer, Q. Papirius Carbo Arvina, C. Pomponius, Cn. Scribonius Curio, C. Varius Severus Hibrida, Q. Sulpicius Rufus, P. Sicinius, Cn. Quinctius, L. Licinius Macer, C. Lollius Palicanus, M. Plautius Cornelius, C. Gabinius, A. Roscius Otho, L. Servilius Globulus, P. Trebellius, L. Manilius, C. Servilius Rullus, P. Caecilius Metellus Nepos, Q. Porcius Cato Uticensis, M. Fufius Calenus, Q.
187 Jahr
Redner
60 60-59? 59 58 (9) 58 56 55 52 52 (6) 52 (4) 52 50 49
Flavius, L. Nigidius Figulus, P. Vatinius, P. Clodius Pulcher, P. Novius, L. Poreius Cato, C. Trebonius, C. Caelius Rufus, M. Munatius Planeus, T. Pompeius Rufus, Q. Sallustius Crispus, C. Seribonius Curio, C. Antonius, M. Antonius, L. Cannutius, Ti. Titius, P.
44 44
43
188
TABELLE 4. KONSULN ALS REDNER IN CONTIONES Jahr
Redner
12~
Fannius, C. Marius, C. Servilius Caepio, Q. Marcius Philippus, L. Comelius Sulla, L. Pompeius Rufus, Q. Comelius Cinna, L. Octavius, Cn. Aemilius Lepidus, M. Scribonius Curio, C. Aurelius Cotta, C. Licinius Crassus, M. Pompeius Magnus, Cn. Calpumius Piso, C. Tullius Cicero, M. Pupius Piso, M. Calpumius Bibulus, M. Iulius Caesar, C. Calpurnius Piso, L. Gabinius, A. . Caecilius Metellus Nepos, Q. Comelius Lentulus Spinther, P. Comelius Lentulus Marcelinus, Cn. Antonius, M. Comelius Dolabella, P. Vibius Pansa, C. Antonius, L.
107-100 (3) 106 91 88 88 87 87 78 76 75
70 70 67 63 (9) 61 59 (2) 59 (4)
58 58 (3) 57 (2) 57 (2) 56 44 (6)
44 (3) 43 41
189
TABELLE S. PRAETOREN ALS REDNER IN CONTIONES
Jahr
Redner
85
Marius Gratidianus, M. Tullius Cicero, M. lulius Caesar, C. Claudius, Ap. Porcius Cato Uticensis, M. Cassius Longinus, C. Comelius Cinna, L. lunius Brutus, M.
66 (4) 62 (2)
57 54 44 44 44 (3)
190
TABELLE 6. QUAESTOREN UND AEDll..EN ALS REDNER IN CONTIONES Jahr
Redner
90 61 (2) 60 60-59 56 (3) 50
Iulius Caesar Strabo, c., Aed. Clodius Pulcher, P., Q. Trebonius, C., Q. Nigidius Figulus, P., Aed.? Clodius Pulcher, P., Aed. Caelius Rufus, M., Aed.
191
TABELLE 7. CENSOREN, DICTATOREN UND TRIUMVIRN ALS REDNER IN CONTIONES
Jahr
Redner
92 82-79 (5) 46 44 (2) 43 (2) 43 (3) 43-32 (5)
Licinius Crassus, L., Censor Comelius Sulla, L., Dictator Iulius Caesar, C., Dictator Aemilius Lepidus, M., Mag.eq. Aemilius Lepidus, M., Triumvir Antonius, M., Triumvir Iulius Caesar (Octavian), C., Triumvir
192
TABELLE 8. MAGISTRATE UND PRIVATE, DIE IN MEHREREN JAHREN REDEN IN CONTIONES HIELTENl Redner
Reden
Mag.eq. 44 (2), Triumvir 43 (2) Tr.pI. 44, Cos. 41 Tr.pI. 49, Priv. 45, Cos. 44 (6), Triumvir 43 (3) Caecilius Metellus Nepos, Q. Tr.pI. 62 (2), Cos. 57 (2) Caecilius Metellus Numidicus, Q. Priv. 107 und 98 Tr.pI. 52, Aed. 50 Caelius Rufus, M. Calpumius Bibulus, M. Cos. 59 (2), Priv. 58 und 57 Clodius Pulcher, P. Q. 61 (2), Tr.pI. 58 (9), Priv. 57 (2), Aed. 56 (3), Priv. 53 Cornelius Sulla, L. Cos. 88, Priv. 82, Dictator 82-79 (5) Favonius, M. Priv. 61 und 55 Tr.pI. 67 (3), Cos. 58 (3) Gabinius, A. Priv. 66, 61 und 58 Hortensius Hortalus, Q. Iulius Caesar, C. Priv. 70 und 67, Pr. 62 (2), Cos. 59 (4), Priv. 58 und 49, Dictator 46 Iulius Caesar (Octavian), C. Priv. 44 (2), Triumvir 43-32 (5) Licinius Crassus, L. Priv. 106, Censor 92. Licinius Crassus, M. Cos. 70, Priv. 59 und 58 Priv. 67, 66 und 62 Lutatius Catulus, Q. Priv. 108, Cos. 107-100 (3) Marius, C. Priv. 71, Cos. 70, Priv. 67, 62, 61, 59 (2), Pompeius Magnus, Cn. 57,54 und 52 Tr.pI. 100, Cos. 88 Pompeius Rufus, Q. Priv. 59, Tr.pI. 56 Porcius Cato, C. Tr.pi. 62 (2), Priv. 61, 59 und 55 (2), Pr. 54 Porcius Cato Uticensis, M. Tr.pl. 90, Cos. 76, Priv. 58 Scribonius Curio, C. Priv. 124, Tr.pI. 123-122 (7) Sempronius Gracchus, C. Q. 60, Tr.pI. 55 Trebonius, C. Pr. 66 (4), Cos. 63 (9), Priv. 62,61, 60, 57, Tullius Cicero, M. 44 (2) und 43 (2) Priv. 44, Cos. 43 Vibius Pansa, C. Aemilius Lepidus, M. Antonius, L. Antonius, M.
lDiese Tabelle umfaßt die Politiker, von denen bekannt ist, daß sie in mehreren Jahren in contiones aufgetreten sind, sei es, da sie verschiedene Ämter bekleideten, sei es als Magistrate und privali oder nur als privati. In Klammem ist die Anzahl ihrer Reden der jeweiligen Jahre angegeben.
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REGISTER
REGISTER STELLENREG ISTER
1.ANIIKE AUTOREN AESCHINES 123: 1222 127: 1222 III 2: 1323 III 49-50: 1013 III 220: 13 23
ALKIDAMAS Soph. 11: 1222 APPIAN B.C. 19-12: 53 83 128-32: 10855 157: 15729 189: 1742 1101: 1742 1104: 1742 11 2: 45 44 11 14: 5694 11 22: 11270 11 33: 15729 11 118: 13428 11 121: 16044 n 121-122: 16044 n 130-132: 161 47 11 137-141: 161 45 n 142-143: 41 24,161 47 11 143-145: 161 47 II12: 80 62 III 2-3: 13948 II141-42: 41 26 ,16458 III 86-87: 15832 IV 32-34: 37 13 IV 89-100: 15834 V 30: 4338 ,155 22 V 68: 155 19 V 77: 10128,16565-66 ABISIQPHANES Ach. 45: 1222
Ec. 130: 1222 Th. 379: 1222
ARISTQ1ELES Polit. 1281 a 42: 9 7 Rhet. 1356 a: 21 57 ASCONIUS In Corne/. 64 C.: 111 68 In Mi/. 29 C.: 11269 -70 30 C.: 11271 32 C.: 3611,5276-77,11269 33 C.: 11269 35 C.: 11272,13222,14052 37 C.: 11272 ,140 52 45 C.: 51 75 ,112 69 46 C.: 11272,13222,14052 In toga canti. 72,17 C.: 45 44 75 C.: 14774 PS ASCONflJS AdVerr. 145 = p. 220,18 St.: 38 17 ATIIENAIQS V 212: 2474 AUGUSTINUS De civit.D. III26,1: 5380 AUSONIUS Grat.act. 15: 5696 CAESAR Civ. 17: 15729 CASSIUS DIO XXXVII 38,2: 4755 XXXVIII 9,4: 37 15 ,51 74 XXXVIII 16: 53 87 XXXVIII 16,5: 5070 XXXVIII 16-17: 10751 XXXVIII 16,6-17: 4962 XXXVIII 30: 53 87 XXXIX 29,1: 5490 XXXIX 34: 343
XL 49,1: 11269 XL 54,2: 11373 XLI 4,1: 15729 XLI 16,1: 40 20 XLII 29-33: 5697 XLIV 20,1-3: 13428 XLIV 20-21: 16042 XLIV 22,1: 16044 XLIV 22,2: 161 47 XLIV 34,1-3: 16145 XLIV 35: 161 47 XLV 6,1-2: 16353 XLV 6,3: 41 26 ,16458 XLV 12,4: 41 26 ,16458 XLVI 56,2: 15835 XLVII 8,3-4: 1742 XLVIII 13,5: 43 38 ,155 22 XLVIII 14,4: 41 26 ,16458 XLVIII 31,6: 155 19 XLIX 15,3: 16667 L 3-4: 101 28 L 3,5: 16670 L 4,1: 16771 L 15,4-22: 15836 L 23,3-30: 15836 LIV 1: 16877 . LV 3,4-5: 2055 CICERO Ac. 11 75: 14771 11 144: 10545 ,13222 AdBrut. 116-17: 161 48 I 17,1: 45 48 11 5,1: 154 17 Amic. 95: 120[06 96: 13634 97: 124 118 Arch. 20: 67 14 Att. I 13,1: 31 102 113,5: 40 22 I 14,1: 39 18 I 14,1-2: 5065 I 14,2: 126127 I 14,5: 368,5490,120104
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Stellenregister I 16,1: 4124,5490,10852, 122 112 I 16,11: 120106 ,13015 I 18,2: 31 102 TI 1,5: 5490 TI 2,3: 111 68 11 16,1: 120 104 II 20,4: 33 113 TI 21,3: 39 19 n 21,5: 14OS 2 11 24,3: 342,3715,5174 m 23,4: 53 87 IV 1,4-5: 10336 IV 1,6: 2261 ,120 103 IV 2,3: 4229 IV 3,4: 4230,120 104 V 5,1: 99 21 V 15,3: 3096 V 16,1: 3096 V 19,1: 3099 VII 8,5: 33 113 IX 4,2: 153 11 XI 22,1: 31 103 XI 23,3: 5697 XII 1,2: 3098 . XIn 19,1: 31 100 XIII 46,5: 3098 XIV 2,1: 15940 XIV 3,2: 15940 XIV 10,1: 16147 XIV 11,1: 31 104 XIV 17 A,7: 32 106 XIV 20: 31 105 ,163 55 XIV 20,2: 11999 ,120 104 XIV 20,3: 2785,15938,15940 XIV 20,5: 31 103 XIV 21: 16355 XIV 21.1: 31 103 XIV 21,4: 32107,4125 XV 1302: 32109.16146 XV 2,2: 32108,4125 XV 2,3: 32108.16355 XV 3.2: 32 110 .161 46 XV 4.1: 31 103 XV 4,4: 31 102 XV 5,1: 31 103 XV 11,2: 161 46 XV 20.2: 131 20 XV 27.1: 31 103 XVI 2,1: 31 103 XVI 8,2: 16357 XVI 14,2: 30 100
XVI 15.3: 28 89 .30 98 , 32 112,16458
Brut. 6: 1741 .153 9 45: 151 1 56: 1845 ,19 53 57: 126127 62: 10334.148 77 65: 2782 79: 27 82 82: 27 82
104:667 161: 27 82 ,67 10 163: 68 16 165: 126127 176: 62 115 178: 126 127 192: 21 58 203: 8893 217: 1740.5066.14256 223-224: 126127,14669 224: 53 85 229: 63 120 256: 90100 273: I1270.I1999 293: 5799 305: 5490,5592.91107 305-307: 90101 306: 53 84 .5696 331-332: 93 114 333: 5383,146 67 Ca!. 19: 45 46 II 4: 7445 II 7: 10547 II 8: 4753 11 28-29: 125 123 II 84: 47 53 III 10: 4547 m 23-29: 125 123 III 25: 4649 ,101 29 IV 9: 5380,14878
Cluent. 1: 11480,119 2: 11481 ,118-119 3: 11482.118-119 4: 11583 ,118 5: 115 84,118-119 6: 115 85 7: 10544 ,119 7-9: 11586 ,119 9-76: 115 87
28: 10024 61: 119 77: 11688 .11999 79: 11689,119 80: 119 81: 119 90: 98 15 .11688.119 90-91: 11689 93: 11690,119 94: 11688 95: 10854-55,11791.119 103: 11791 ,93,119 108: 11794 .13530.119 110: 1739.119 110-111: 14256 113: 11792 -93 ,119 119: 11795 130: 11896 ,119 131: 11896 134: 119 136: 11897.119 138: 11794,119 139: 11794.119 151: 14463 156: 119 159: 119 199: 119 200:119 201: 11898 .119 202: 11898 .119
Dediv. I 102: 1951
De imp.Cn.Pomp. 1: 1846.124120 2: 18 47 3: 126 128 70: 1952
De inv. 11: 73 40 14: 83 74 122: 7445 .10648 II 87: 73 38 II 98: 73 38
Deorat. 15: 7236 17: 9099 . I 18: 73 41 ,89 95 123: 91 106 124: 6921 131: 124118 134: 8998 144: 124 118 146: 120104
Register
208 159: 8995 164: 8995 194: 68 17 1118: 61 111 ,130 15 I 138: 21 58 1146: 8688 I 156: 73 41 I 166ff.: 8995 1208: 6924 1213: 69 24 1219: 69 24 I 221: 124118 I 225: 11999,120100 1250: 69 24 1256: 69 24 II 5: 89 95 II 10: 91 103 II 33: 151 1 II 41: 89 94 II 72: 664 II 88: 88 93 II 89: 88 91 II 90: 88 91 II 188: 126127 II 208-209: 10648 II 210-211: 124 118 II 333: 1845 II 333-334: 124119 II 337: 124119 II 338: 21 58 ,123 114 m 63: 8998 m 76: 8998 m 93: 67 11 ,8686 m 93-94: 8372 m 95: 8688 m 143: 8996 III 205: 1531
Derep. 17: 4755 143: 25 78 169: 1272 II 39-40: 1271 II 57: 1273 VII: 127 1
Dom. 3: 13737 13: 13739 22: 49 63 ,53 87 40: 49 71 ,53 87 46: 7445 54: 13222 55: 120104
69: 10544 82: 10854 87: 10854 88: 10852 89: 120106,13222 89-90: 111 65 94: 48 57 ,10650 99: 89 97 ,152 4 124: 5387
Farn. 19,16: 1525 II 12,1: 4234 ,53 88 IIll1,3: 15938 V 2,7: 4755 V 3,1: 5490 ,10233 VIII 1,4: 10022 vm6,5: 4234 IX 14,7: 31 106 X 21,4: 15731 X 33,1: 31 101 XI 6,3: 11999 XI 12,1: 31 103 XI 13,3: 32112,15730 XII 3,2: 51 73 XII 7,1: 4859,63118.15937 XII 7,1-2: 4021 XII 12,1: 31 101 XII 22: 10233 XII 22,1: 33 113 ,154 16 XII 23,3: 51 73 XIV 18,2: 3098 XV 21,2: 5490
Flacc. 15: 11 15 17: 13014 66: 13014 Fant. 39: 5383
Har.resp. 8: 33 113 ,5490 39: 121 107 41: 53 85 ,14670 48-49: 49 71 ,53 87 51: 33 113 ,5490 55: 5387
Leg. In 1,2: 1636 III 11: 121 108
m 24-26: 14358 In 38: 1274 III 42: 121 108
Leg.agr. 121: 125 122 11 103: 11999,124121
Mit. 3: 11272 ,14052 5: 113 74 -76 7: 113 75 -76 8: 5069 12: 361l,5276,11269, 113 74 •76 26: 4231 27: 120104 30-31: 113 77 33: 13842 42: 99 19 58: 1845 71: 11272,11378,14052 78: 113 77 91: 11270 ,120 102
Mur. 17: 30: 50: 51: 81:
75 48 ,83 74 60 110 45 46 4545 47 55
Nat.deor. 1106: 53 83 Off. ~ 21: 1275 174: 153 12 176: 153 13 I 78-79: 15414 1121: 123 114 II 58: 151 2 II 66: 61 114 II 73: 1275 III 80: 14775 Or. 7: 89 94 118-120: 8995 138: 1531 142-144: 90 102
P.reciQuir. 1: 10439 5: 10439 6: 10442 ,108 54 13: 10440 14: 10441 17: 10439 20: 78 56 ,1526 25: 10442
209
Stellenregister
P.red.Sen. 13: 17: 26: 37:
49 62 ,107 51 49 62 ,10751 120101 10854
Phil. 18: 32 111 122: 15417 11 20: 15415 11 53: 15728 11 78: 51 72 11 90: 161 47 11 113: 15417 III 1,8: 8477 III2-3: 15~4 III 23: 51 73 ,119 99 III27: 16460 111 33: 15624 IV 1: 120 101 IV 2: 22 61 IV 11: 15625 IV 13: 15625 IV 16: 63 119 V 21: 16460 VI 18: 11999,120101 VII 7: 15418 VII 22: 120103 XII 19: 120 104 XIV 7: 83 74 XIV 16: 9714,11999,120100
Pis, 1: 62 115 - 116 2: 75 48 6-7: 4755 7: 120 100 11: 13739 14: 49 62 ,107 51 34: 11999 73: 1527
Rosc.
Comm.pet.
Sest.
5: 126 129 17: 97 14 49: 97 14 50: 99 19 51: 123 115 ,130 15 54: 129 13
2: 109 57 26: 11061 31: 10958 33: 49 62 ,107 51 34: 122 112,137 39 36: 110 60 ,120 101 38: 10957,11060,120101 39: 10852 42-43: 10852
49: 1105 9 79: 55 91 85: 13739 88: 13739 98: 122113 101: 14670 104-105: 10956 106: 11999 106-107: 11062 107: 4964,120101 107-108: 120 102 108: 111 65 114: 11064 115: 124118 124-125: 11063 125: 11061,120101,13015 126: 21 59,111 65 127: 11064,120 106 132: 37 15 ,51 74 136: 7548 139: 83 74 ,110 64 140: 11064 147: 111 66 -67
Sull. 31: 45 48 34: 47 55 41-42: 29 91
Plane.
Tusc.
96: 5387 ,10852
127: 25 78 11148: 53 83
Q.jr. 12,15: 3610 14,3: 41 28 II 3,2: 21 60 II 3,3-4: 97 14 11 3,4: 13015 11 5,1: 121 107 11 12,2: 11270
Rab.perd. 24: 14773
Ql JIN11!S CICERQ
95: 8477
Val. 3: 33 113 24: 1948,52,3715,4961,5174
Verr. 11,2: 11897 138: 7754 145: 38 17 ,146 69 II 1,122: 5386 II 3,176: 83 74 II 5,175: 97 14
DEMOSTHENES XVIII 170: 1222 XVIII 191: 1222 XXII 30: 1011 XXII 36: lO ll DIODQR XXXIV-XXXV 33,7: '!Iß8 XXXV113,2: 37 14 DIQNYSIQS VON HALICARNASS IV 37,1: 131 19 IV 76,4: 131 19 V 57,1: 131 19 VII 17,5: 5591 EURIPIDES
Supp. 438-441:'13 24
EES.ll1S. p.218, 220 Lindsay: 10853 Fl.ORUS II 11,5: 1740,14256 ERONIINI!S
Aq. II 76: 5490 FRONTQ 11 44-46, Haines: 2681 AULUS OELIJ11S 17,6: 10853 VII 11,2-3: 4442 XIII 12,6: 48 60 XIII 29,1: 10335 XV 11,2: 8684 XV 11,2-3: 83 70 XVIII 7,7-9: 4022 ,47 55
210
Register
QRAMMAIK:I LATINI
MANITTIUS
Priscianus
Camm. 325: 10023
II 382,6: 4442 II 487,6: 4022 HERODOT V 78,1: 13 26 HIERQNYMl IS
Chran. 150 Helm: 67 11 - 12 151 Helm: 8687 Ruf II 471: 702 6 mSTQR1A AliGUSTA Sev.Alex. 25,11: 5278
NEIDS Cat. 3,1: 5799
NICQI,AUS DAMASCENlLS Vit.Aug. 5: 35 6 OROSmS V 17,6: 79 60
HQRAZ
PLINIUS d. Ä. N.H. XIV 148: 16462 XXXIII 132: 14775
Epod. 4,19: 16668 Sat. II 6,50: 9920
PUNIUSd J Ep. 123,2: 5591
!SID.Qß Etym. 122,1: 2990 II 21,31: 1531
.!l1!J!lS. EXIlfERANrnJS 3: 5696
LIYII1S. I 17,10: 1951 159,7: 131 19 II 56,10: 1952 III 17,1: 1952 IV 32,1: 131 19 VIII 14,12: 1952 XXVI 26,10: 10024 XXXIX 15,1: 1951 XXXIX 40,4-7: 5799 XLIII 16,8-11: 55 91 Per., LVIII: 53 83 Per., LIX: 13634 Per., LXXXIX: 1742 Per., CXVI: 13949 Per., CXXVIII: 16668
PLIITARCH Ant. 14,3: 161 47 54-55: 16772 58-59: 16774 Brut. 18,7: 134 28 18,10: 161 45 20,4: 161 47 Caes. 5: 5490 9,2: 13737 14,9: 5694 30,3: 43 36 67,1: 13428 67,7: 161 45 68,1: 161 47 C.Gr. 3: 5383 4,1-3: 10853 5,3: 146 68 8,1: 4439 Cat.min. 23,3: 29 91 43: 343 66,1: 27 85 Cie. 13,24: 1845
22: 4756,10650 23,1: 45 48 23,2-3: 4755 23,6: 41 23 25,2: 41 24 30-31: 4962,5387,10751 35,4: 11373 Lue. 37,4: 96 10 Mar, 2: 80 61 5,4: 7753 8: 79 60 8,9: 4440 28,1-4: 8062 Pomp. 45,1-4: 96 10 54,1: 39 19 58,6-9: 43 35 59,3: 43 36 Them. 19,6: 23 66 Ti.Gr. 9: 53 83 12: 53 83 14-15: 53 83 POLYBIOS 12 18 II 42,3: 1218 IV 31,4: 12 18 VI 9,4-5: 12 18 XXVII 4,7: 1218
IJ 38,6:
Ql JlNTILIAN Inst.orat. JI 4,42: 67 12 II 17,21: 11379 III 1,8: 7028 III 1,19: 68 16 III 1,20: 7236 III 8,53: 1742 IV 2,125: 1845 IX 2,27: 15 31 IX 3,50: 4022 ,4755 IX 3,89: 70 28 IX 3,91: 7028 IX 3,98: 70 27 IX 3,98-99: 7028 XI 143: 91 104 XII 6,1: 16250 XII 10,70: 124118
Slellenregisler RES GESTAE rnYI Al IGl JSTI 25: 16668 RHETORES LATINI MINQRES p.20,25 Halm: 1531 p.46,17 Halm: 1531 p.374,16-18 Halm: 8268 RHETQRICA AD
HERENNIUM 11: 7442 I 8: 7444,10648 118: 73 41 121: 7649 I 24-25: 7649 II 12: 10230-31 II 17: 7649 -50 II 45: 7649 III 3: 71 30 IV 3: 7649 IV 12: 7649 IV 22: 7649 IV 22-41: 7027 . IV 31: 7649 IV 38: 7649 IV 45: 7649 -50 IV 46: 7649 IV 47: 7649 -50 IV 48: 1531 IV 67: 7649 -50 IV 68: 7649 IV 69: 7443 SAllIJST Cat. 27,3: 45 46 31,5: 4545 37,1: 4753 37,4: 4753 43,1: 4547,10545,121111 Ep. adCaes. II 5,6: 1276 11 10: 121 109 II 10,6: 1287 Hist. 155: 1740 ,14256 III 48: 14256 III 48,8: 1740,5066,14256-57 lug. 30-34: 10648
33,3-4: 1845 33-34: 37 14,121 110 63,3: 80 61 73,5: 121 111 73,5-6: 4439 73,5-7: 7960 84,5: 75 47,121" 1 85: 79 60 85,31: 59108,8061 SCHQLIA BQBlENSIA Cic.Arch. 20 = p.178,11 St.: 67 12 In C/od. et Cur. 21,14 H: 5490 24 H: 5490 In Mil. 12: 36",11269 In Sull. 80,13: 45 44 SENE<;Ad Ä Contr. I praef., 9: 8267 II praef., 5: 67 12 Suas. VI 21: 1742 SENECAd.J. Deira III 18,1: 14775 SUETON Aug. 8: 16250 27,6: 29 92 84,2-3: 2784 89,5: 2782 Iul. 1,1: 35 5 5,1: 35 4 6,1: 5490 20: 37 15 ,51 74 20,1: 29 94 33: 15729 55: 61 111 70: 15626 80,6: 97 11 84: 16147 Gramm. er rhel. 25: 66 6,83 70 26: 2785 27: 8687
211 TACIWS Agric. 43,1: 10024 Ann. II 39,3: 101 27 IV 34: 32109,15833 IV 34,10: 16462 Dial. 1,1: 1755 8,2: 1953 34,2: 8789 34,6: 8789 35,1: 83 71 ,8684 41,4: 1755 TIillKYDIDES II 40: 10 10 VALERlUS MAXIMlIS
m 7.3: 1845,8269,14876 m 8,3: 5067 m 8,6: 37 12 ,120106 VI 2,3: 5069 ,148 76 VIII 15,9: 21 60 IX 5,2: 5591 IX 15,1: 13949 IX 15,4: 14463
YAßlill
L.L.
VI 86: 1951 VI 87-88: 131 19 VI 90: 1738 VELLEllJS PATERCUUIS II 4,4: 5069 ,148 76 II 15,4: 10335 ,1525 1143,1: 355 II 45,1: 5694 11 77: 155 19 DEYIRIS ILLUSTRIBUS 65,5: 5591 73,2: 55 91 2.INS CHRIFTEN CIL 12 794 = V 4305 = ILS 75 = ILLRP 415 = Inscr.It., X 5,84: 367 IG 112 223 A 11-12: 1013
212
Register
SACHREGISTER
acta diurna: 29,94,96 adlocutio: 176 Aristokrntie: 8,12,14 Athen: 8-l3,23-25,90,l33,172
auctoritas: 1532 ,18-20,35,37-38,49-51,87, 91,102-104,106,127,134,155,165,169, 171,175 Ausländer in Rom: 129-130 ~fjlJu: 23-24 Beredsamkeit: 5,14,21,39,60,62,66,73,82, 86,114,151,153,156,158,170-171,174175 boni: 48,63,84,94,99,104,106-107,111, . 1l3, 117, 121-122,125,127, l33,143,148, 151-152,16357 ,172 ~OUA~: 9-10 censorisches Edikt von 92: 67-69,76,8lff., 90,171,174
civilitas: 176 collegia: l37 -138,173 comitia (s. VOlksversammlung): 11,14,16, 26,39,42,52,94,96,109-110,l31-132, 140,170,172
comitia centuriata: 1635 ,26,116,122,127 conjusio suffragiorum: 1635 contio (s. Volksversammlung): 6,11,14, 16-19,21-22,24,26-29,32-34,36-46,4849,51-56,60-63,67,87,91,96,98-99,101103,105-107, 109-l34, l37 ,l39-143, 146150,155-157,159-160,162-166,168-169, 171-173,175-176
contionator: 52 contionem dare: 34,40,48 Demokrntie: 8-14,149
dignitas: 21,25,62,103-104,119,158,169 ElClCArJoi.a: 9-10,12 EAEuBEpi.a: 1218
eloquentia popularis: 125,157 equites (s. Ritter): 50,66,81,91,110,170 existimatio: 98,103,172 factio nobilitatis: 74,77 fama: 21,38,97-98,115,169,172 Feldherr (s. imperator): 57-58,156 Freigelassene: 129-132,148 Führerschaft: 134ff.,I60,175 Gerichte (s. iudicia publica): 39,55,58,6062,66-67,106,108,111-119,141,143, 148,151,155 21 ,171-172 Gerichtsredner: 61,58ff. Gerücht (u. Gerede): 15,38,43,46,94ff.,114, 117-118,129,141,159,166-167,172-173
Glaubwürdigkeit: 5,20,38-39,49,51,101, 103, 105,l34, 137-138,143, 145, 150,156, 161,163,166-169,173,175 gloria (s. Ruhm): 102,113 homo novus (s. novitas): 6,5489,61-62,6567,69,71,74-77,79-81,87-88,170,172 imperator (s. Feldherr): 38-39,42,4439 ,56, 60,65,81,89-90,103,151,153,155,157159,166,173 improbi: 52,83-84,106,111,113,121-122, 151,172 interrogare contionem: 21 invidia: 67,74,98,105-108,113-119,121122,129,159,167,172 i.orJyopl.a: 12-15 LoovolJi.a: 13 iudicia publica (s. Gerichte): 6 1,18,2679, 60-62,66,81,87,90,108,113-119,122, 126,170 Kampagne: 40,42,44,50-51,53,63,103, 106,108,111,114,116-117,121,123,l34135,142,154,164,166,172-173 Klientel: 8,22,26,33,60,65,74,77-79,87, 129,144,170 Kommunikation mit dem Volk: 6,14,2122,26,45,95-96,98-99,128,138,140,145, 159,161,173,175-176
leges tabellariae: 16,26,96 libertas: 15-16,127,143,153-154,158, 163,171
librarii: 27,29 Meinung, öffentliche: 5,3095 ,41,43,49, 64,94-95,97-101,106-108,114-116,118, 123,129,141,159,167-168,172,174-175 nobilitas: 6,22,59,62,74-75,79-80 62 ,87, 121,170-172
novitas: 6,45,68 16 ,75,79,81 operae: 111,121,131 17,151 opijices: 46,95,130,l32 optimates: 42,56,68,70 25 ,76,78,81,85,87, 94,122,149,151
orator (s. Redner): 6,19,38,60,62,82,88,9092,151-155,159,174 1fUPPIlOI.U: 12,14-15
plebs: 43,46,50,56,94-98,100-101,107, 120-121,127-130,132-135,137-141,143145,147-150,155,158,161-163,165,168170,173,176 plebs contionalis: 127,l30,l33,141 53
plebs urbana: 6,44-47,52,56,8062 ,95,101, 107,127-130,l32-l33,138-147 ,158-159, 162,164,168,172-173
Sachregister
populares: 52,56,68,70-71,75-79,81,84-85, 88,106,109,125 126,139,148-150,172 popularis dictio: 125-126 Popularität: 5,38-39,41,43,51,55,60,80, 104,137-138,145,147,150,165-167,175 potestas: 16,18,127,131 19,171 potestas contionandi: 16-17,34,62,136,161, 173 Princeps: 158,168-169;174-176 principes civitatis: 1948 ,37,49,127 Prinzipat: 7,168-169,174 privatus: 17,34-37,40-41,44,49,51,62-63, 102,134-135,139,171 producere in contionem: 34,48ff. Propaganda: 6,14,3095 ,40,76,94-95,97, 100-101,131,13635,142,163-16462,167, 169,173,176 Redefreiheit: 5,12,15-16,19,34,171 Redekunst: 5,17-18,26,53-56,59-62,64,66, 69,73,80,87-90,92,101,125 126_126,151, 153,155-15626 ,169-171,174-175 Rederecht: 5,12ff.,67,171 Redner (s. orator): 5,13,15,17,19-20,23-25, 27-30,34-35,37-38,49,51-55,57,59-61, 63,66,69,74,76,80,87-91,99,102-103, 109,119-120,125,128-129,132-133,140141,146-147,149-153,15521 ,159,165, 169-172,174-175 Rednerbühne (s. Rostra): 5,13,16,18,23-24, 34,36-38,42,44,62,99-102,136,139,157158,167-168,172-174 Respekt vor dem Volk: 5,145-146,165; 173,176 res publica: 5,9,16,27,38,46,52,65,71,76, 78,82,87-92,103-104,109-111,113,118, 122,134,148,151-154,160,166,168-170, 172,176 rhetor. 13,66,90-91,174 rhetores Latini: 67-68,73,76-77,81,84-85, 88,170-171 Rhetorik: 5,55,65-67,69,72,80-81,96, 15521 ,170-171,174-175 Rhetorikhandbücher: 6,66ff.,91,170-171 Rhetoriklehre: 67,80-82,85-87,90,171 Rhetorikschulen: 6,66-69,72-73,76-77, 80ff.,90,171,174 Ritter (u. Ritterstand I s. equites): 48,59, 61,65,71,97,118,122,131,147 Rostra (s. Rednerbühne): 17,19,24,63,100, 146 Ruhm (s. gloria): 49,60,65,79-81,151,153 seditio (u. seditiosl): 1953 ,21,106,109, 117,119-121,126,134,172
213
Senat: 14,18,21,26-27,29,35-36,39-42,4546,50-51,54,60-63,65,76,87,94,106-107, 110,113-114,118-119,121-123,125,141, 146,150,15521 _160,166-167,169,171172,175 Senatoren (u. patres conscriptl): 17,29,3536,48-50,54,61,71,91,97,113,118,122123,127,131,147,158,160,166-168,171 senatus consultum ultimum: 106-107,151, 155 soziale Bewegung: 135-137,173 Stenographie: 29 subrostrani: 94,100,132 susurratores: 94,100,132 tabel/arii: 30-31,172 tabemarii: 46,95,130,132 tirociniumfori: 87-88,90,131 2°,175 transitio ad plebem: 55-56,148 Überzeugung (u. Überredung): 6 1,23,60, 129,151,156,161,165 Überzeugungskraft: 6,13,20,58,89,111 65 , 141-142,159,161-162,169 Unterstützung des Volkes: 7,44,47,53,60, 95,107,109-111,128-129,137-138,141ff., 149,159-161,164,173 Verbannung (u. Exil): 21,103-110,117, 135,139,141-142,147,152,172 Vermittler in contiones: 38ff.,173 virtus: 75,82,170 Volksbeteiligung: 5,7-10,IV6,21-23, 129-130,138-139,141-143,149,172 Voikserhebung: 47,138 Volksmobilisierung: 7,45-56,95,100,111, 128,130,133ff.,I72-173 Volkstribunen (u. Volkstribunat): 8-9,171948 ,35-36,39,42-45,48,50-52,54-56, 117,121-122,136,143,146-149,157,171, 173 Volksunruhen: 48,128,133,140,142,155, 162,173 Volksversammlung (s. contio u. comitia): 5,9-14,16-18,21-22,27-29,34-42,44-45, 48-51,55,60-61,63,80,97-98,106-108, 110-124,129,131-133,140-141,145,148, 151,15521 ,159,164,167,169,171-176
214
Register
PERSONENREGISTER Aelius S Iilo, L.: 71 34 Aemilius Lepidus, M. (cos. 78): 142 Aemilius Lepidus, M. (cos. 46): 31,36,43, 134,157-158,16044-161 Aemilius Philemon, M.: 36-37,51 Aemilius Scaurus, M. (cos. 115): 153 Afranius, L. (cos. 60): 57 101 Albinovanus: 33 113 Alfius FIavus, C. (Ir. pI. 59): 11064 Annaeus Comutus, L.: 71 34 Annius Milo, T. (pr. 55): 1845 ,21,42,5152,111-113,131 17 -13222 ,133,1405 2141,151,172 Antonius, L. (cos. 41): 32,41,43,120 104, 155,163 Antonius, M. (cos. 99): 664,68-69,77,79, 81,87-88,91,126 Antonius, M. (cos.44): 22,32,35,37,40, 42-43,51,56,63-64,66 8,84,941,101-102, 11999_120104,123,134,140-141,143, 154-158,161-169,174 Antonius Gnipho, M.: 71 34 Antonius Hibrida, C.: 111 68 Aper, M.: 1953 ApoUonios Molon: 55,668,73 38,90 Appuleius, P. (lr.pI. 43): 40,63 Appuleius Decianus, C. (lr.pI. 98): 147 Appuleius Satuminus, L. (lr.pI. 103/100): 53,7649,84,107-109,117,126127 ,136137,145-147,149,151 . Aquillius Gallus, C. (pr. 66): 59 Aristoteies: 7235 Amobius: 70 Asinius Pollio, C. (cos. 40): 668 Ateius Praetextal.Us, L.: 71 34 Athenion: 24 Attalos: 24 Aurelius Cotta, C. (cos. 75): 91 Baebius, C. (lr.pI. 111): 10648 Batakes: 37 Caecilius Comutus, C. (pr. 57): 41 24 Caecilius Metellus Macedonicus, Q. (cens. 131): 27 82 Caecilius Metellus Nepos, Q. (cos. 57): 40-4230,45, 47,102 Caecilius Metellus Numidicus, Q. (cos. 109): 37,44,103,108,117,121,1525,172 Caecilius Metellus Pius Scipio Nasica, Q. (cos. 52): 94 Caelius Rufus, M. (lr.pI. 52; pr. 48): 2785,5490,87,99-100,112,11999 _120 102 Caesetius Flavus, L. (lr.pI. 44): 160
Calpumius Bestia, L. (lr.pI. 62): 45,47,121 Calpumius Bibulus, M. (cos. 59): 33 113 , 39 19,50,94,14052 Calpumius Piso, C. (cos. 67): 50 Calpumius Piso, L. (cos. 58): 49,55,62, 75 48 ,84,109,152 Cannutius, Ti. (lr.pI. 44): 32,41,51,11999 , 163 Cascellius, A. (q. vor 73): 59 Cassius Longinus, C. (pr. 44): 31 103 , 4021,668,13119,143,158-161 Cassius Vicellinus, Sp. (cos. 502): 104 Claudius PuIcher, Ap. (tos. 54): 21,414230,111 65 Clodius, Sex.: 138 Clodius Pulcher, P. (lr.pI. 58): 7,21, 33113,36-37,41-42,49-56,60,64,7445, 8062,84,100,102-105,107-113,120104, 122112.125,129,131-13222,133.136139.14463 .148-149.151,173 Cluentius Habitus. A.: 113-115,118-119, 123 Comelius. C. (lr.pI. 67): 50,53.123 Comelius Balbus, L. (cos.suff. 40): 31 103 Cornelius Cethegus, C. (sen. 63): 47 Comelius Cinna, L. (cos. 87-84): 355 Comelius CinDa, L. (pr. 44): 134,16044 Cornelius DolabeUa, CD. (cos. 81): 61 111 Comelius DolabeUa, P. (cos.suff. 44): 32, 4021.56.11999.134.148.15937,16044 •. 162 Comelius Lentulus Spinther, P. (cos. 57): 49.110,119 99 Cornelius Lentulus Sura, P. (cos. 71; pr. II 63): 45,47 Comelius Scipio Africanus Aemilianus. P. (cos. 147; cos. II 134):2782 ,37,50,136, 148.153 13 Cornelius Scipio Nasica Serapio, P. (cos. 138): 1845.50,8269,148,15313 Cornelius S uUa, Faustus (q. 54): 111 68 Comelius SullaFelix. L. (dict. 82-79): 17, 355,37,39,54,57101.60.68,71-72.12912. 147,157 29 Comificius, Q. (procos. 44-42): 33,102, 154 Comificius Longus. C.: 70 Domitius Ahenobarbus, Co. (cens. 92): 82 Domitius Ahenobarbus, L. (cos. 54): 51, 10024 Epidius Marullus, C. (lr.pI. 44): 160 Equitius. L. (tr.pl. 99): 36.120106,14463
Personenregister
Fabius Gallus, M.: 30 Fannius, C. (cos. 122): 4439 Favonius, M. (pr. 49): 36 Fidiculanius Falcula, C. (sen. 74): 117,119 Flaccus Volumnius: 31 103 Aaminius, C. (cos. 223): 126127 Fufius Calenus, Q. (cos. 47): 31 103 ,49,53 Furius, P. (lr.pI. 99): 147 Gabinius, A. (cos. 58): 49-50,53,109 Hadrian: 176 Herennius: 71,74,76-77 Herennius, C. (tr.pI. 80): 71,7754 Herennius Senecio: 71 34 Hermagoras von Temnos: 7339 Hirtius, A. (cos. 43): 87 Hirtuleius, L. (q. 79): 71 Hortensia: 37 Hortensius Hortalus, Q. (cos. 69): 37,50, 63 120 ,66 Iugurtha: 44,10648 Iutia: 162 Iutius Agricola, Cn.: 10024 Iulius Caesar, C. (diet 44): 7,1~5,27, 342-43,49,51,5490_55,58,60-61111,64, 66 8,85,93-94,97,100,109,125,127, 131 19 -20 ,134;139-140,143,145,150, 152-153,155-15626 ,157,159-164,169, 173-174 Iulius Caesar, C. (Octavian, AuguslUS): 5, 7,9,27 -28 89,29,32,35-367,37 ,41,43, 94 1,101,141,155-15623 ,157-159,162169,173-174 Iulius Caesar, L. (proq. 47): 27 85 IuHus Caesar Strabo, C. (aed. 90): 549055,7235 ,91 Iunius, C. (iud.quaest. 74): 114,116-119, 135 Iunius Brutus, L. (eos. 509): 97 Iunius Brutus, M. (pr. 44): 27-2889,3110332,66 8,91-94,131 19 ,143,153-154, 158161,16357 ,173 Iunius Brutus Albinus, D. (pr. 45): 15623 Iuventius Laterensis, M. (pr. 51): 51 KJeopatra: 158,166-168 Konstantin: 1768 Laelius Sapiens, C. (eos. 140): 27 82,136 Licinius Arehias, A.: 67 Licinius Crassus, L. (eens. 92): 27 82, 61111,67,69,7856,82-86,88,91,11999120100,126,171 Licinius Crassus DiveS, M. (cos. II 55): 37,41 24 ,49,109 Licinius Lueullus, L. (eos. 74): 51,96 10
215
Licinius Lucullus, M.: 32 Licinius Macer, C. (lr.pI. 73; pr. 68): 142 Licinius Murena, L. (cos. 62): 60 110 Licinius Stolo, C. (eos. 364): 13635 Livius Drusus, M. (tr.pI. 91): 7649 ,147 LoIIius PaIicanus, M. (tr.pI. 71; pr. 69): 38,50,146 Lupus: 31 103 Lutatius Catulus, Q.. (cos. 102): 153 Lutatius Catulus, Q. (eos. 78): 21 6°,342, 37,91 Lykurg: 153 Lysander. 153 Macrobius: 70 MaeHus, Sp. (lr.pI. 436): 104 Manilius, C. (tr.pI. 66): 123 Manlius, M.: 104 ManIius Mancinus, T. (tr.pI. 107): 44 Marius, C. (cos. 107-100): 35 4-5 ,37,44, 57-58,60,67-68,71-72,75-80,85,121,125, 152-153,157 29 Marius, Pseudo (Amatius, Herophilus): 80 62 ,139-140,155,162 Marius Gratidianus, M. (pr. 85): 53,147 Memmius, C. (tr.pI. 111): 1845 ,79 60, 10648 ,125 Mithridates: 24,66 8 Mucius Scaevola, Q. (cos. 95): 59,90-91 Munatius Plancus, L. (eos.42): 166 Muoatius Plancus, T. (tr.pI. 52): 36,111-
112,13222 ,1405 2 Nero: 71 34 Nigidius Figulus, P. (pr. 58): 111 68 Norbanus, C. (tr.pI. 103; cos. 83): 53,88 Octavia: 167 Octavius, Co. (cos. 76): 50,55,62 OfiIius, A.: 59 Oppianicus: 114-115,117,119,143 Panaitios: 66 Papirius Carbo, C. (tr.pI. 131; cos. 120): 50,53,126 127,136,146,148 76 Papirius Fabianus: 71 34 Pausanias: 153 Perikles: 10 Petreius, M. (pr. 64): 57 101 Philodemos: 6@ Pinarius: 29 Plotius Gallus, L.: 27 85 ,67-68,73,76-77, 80,91 104 Polybios: 66 Pompeius, Sex. (cos.desig. 35): 101-102, 160,165,168-169 Pompeius Festus, Sex.: 70
216 Pompeius Magnus, Co. (eos. 70): 21, 33113,35-39,42,49-51,56-57101,58,60, 64,94,96-9714,109,11373,11999,123, 125-126,133,139,142,14669 ,150,152153,155,157,16877 ,173 Pompeius Rufus, Q. (Ir.pl. 52): 100,111 Pompeius Strabo, Co. (eos. 89): 86 Pomponius Attieus, T.: 27,30-31 103 ,32, 39,161 Popillius, M. (eos. 359): 1845 _19 53 Popillius Laenas, P. (eos. l32): 108,117 Porcius Cato, C. (Ir.pl. 56): 36 Porcius Cato, M. (eens. 184): 26-27,82, 89,93 Porcius Cato, M. (Utieensis) (pr. 54): 1845,2785,29,343 -35 4,37 ,40,49,64,94,
148 Porcius Laeca, M. (sen. 63): 45 Pupius Piso Frugi Calpurnianus, M. (eos. 61): 49 Quinetius, L. (Ir.pl. 74): 1740 ,53;114-117, 11999 ,135,142-143,146 Rabirius, C. (sen. e.l00): 107,147 Rutilius Rufus, P. (eos. 105): 2782 Sallustius Crlspus, C. (lr.pI. 52; pr. 46): 111,172 Scribonius Curio, C. (Ir.pl. 50): 42-43,50, 53 Sempronia: 36,120 106 Sempronius Asellio: 75 47 Sempronius Alratinus, L. (eos.suff. 34): 27 85 Sempronius Graeehus, C. (Ir.pl. 123-122): 1635,37,4439,53,64,66,7649,7856, 8062 ,85,108-1O9,117,l36-l37,145-149 Sempronius Gracchus, Ti. (Ir.pl. 133): 5, 2782,37,50,53,64,66,7649,7856,8062, 85,108-109,120 106,l36-l37,145-147, 149,153 13 Sergius Catilina, L. (pr. 68): 44-48,7445 , 84,101-102,105 47 _107,121,173 Sertorius, Q. (pr. 83): 39,71,7753 -54 Servilius, M. (Ir.pl. 43): 40,4859 ,63 Servilius Glaueia, C. (pr. 100): 146 Servilius Rullus, P. (Ir.pl. 63): 124 Sestius, P. (fr.pl. 57): 31 100,103,33 113 , 109-111,131 17 ,151 Sextius Sextinus Lateranus, L. (eos. 366): 13635 Sicinius, Cn. (Ir.pl. 76): 1740 ,50,142 Sicinius, Sp. (lr.pI. 492): 55 91 Solon: 153 Sulpicius GaIba, Sero (eos. 144): 27 82
Register
Sulpicius Rufus, P. (Ir.pl. 88): 53,56,72, 7649 ,87-88,91,148-149,157 29 Sulpicius Rufus, Sero (eos. 51): 59_60 110, 92 Tarquinius Superbus, L.: 97 Telemachos: 23 65 Themistokles: 153 Theseus: 13 Timolaus: 71 34 Titius, M. (eos.suff. 31): 166 Trajan: 176 Trebellius Calca: 14463 Trebonius, C. (Ir.pl. 55; eos.suff. 45): 343 , 5490 Tullius Cicero, M. (eos. 63): 6,11,17-18, 21,25-33,37-42,45-53,55-56,60-64,6676,78-81,83-94,99-101,103-135,141, 14358,146-157,159,161,164,171-174 Tullius Decula, M. (eos. 81): 71 Tullius Laurea, M.: 71 34 Tullius Tiro, M.: 29,71 34 Valerlus Catullus, C.: 94 Valerlus F1aeeus, L. (pr. 63): l30 Valerius Messalla Niger, M. (eos. 61): 41 24 Vatinius, P. (Ir.pl. 59; eos. 47): 1948 , 33 113 ,39 19 ,51,53 Verginius F1avus: 71 34 Vettius, L.: 1948 ,342,37,51 Vibius, T.: 31 103 Vibius Pansa, C. (eos. 43): 87 Vipsanius Agrippa, M. (eos. 37): 165