WISSENSCHAFTLICHE UNTERSUCHUNGEN ZUM NEUEN TESTAMENT herausgegeben von ]. ]eremias und O. Michel
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HANS BIETENHARD
Die llimmlisme Welt im
Urmristentum und Spät judentum
1951
j.C.B.MOHR (PAUL SIEBECK) TOBINGEN
WISSENSCHAFTLICHE UNTERSUCHUNGEN ZUM NEUEN TESTAMENT HERAUSGEGEBEN VON D. Dr. JOACHIM JEREMIAS UND D. OTTO MICHEL
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Die himmlische Welt im Urchristentum und Spätjudentum von
Dr. theol. Hans Bietenhard Pfarrer, Privatdozent an der Universität Bem
195 1 VERLAGJ.C. B. MOHR (PAUL SIEBECK) TÜBINGEN
Alle Rechte vorbehalten Printed in Germany
Druck von H. Laupp jr in Tübingen
INHALT Vorwort.
V
I. Einführung
1
A. "Überblick über die Quellen B. Die Namen der Himmel . C. Die religionsgeschichtliche Herkunft der spätjüdischen Kosmologie .
11
H. Der g e s t i r n t e Hirn m e 1. Kosmologische Traditionen des Spätjudentums
19
IH. Z e ich e n a m Hirn m el .
43
A. Astrologie . B. Kosmische Erschütterungen bei der Parusie IV. Der Hirn m e I als W
0
h n s tat t G
3 8
0
t t es
A. Gottes Thron . B. Die Thronvision in Apk 4 f. . C. Der zum Throne Gottes erhöhte Christus D. Die Traditionen der jüngeren Midraschim über Gottes Thron E. Der Vorhang vor Gottes Thron F. Der Feuerstrom . G. Spätere Traditionen über die Chajjioth . H. Die Bezeichnung Gottes als "Vater im Himmel" I. Das Wort "Himmel" als Ersatzwort für Jahve . K. Jesu Abstieg vom Himmel . L. Beurteilung der Rabbinischen Spekulationen über Gottes Thron Exkurs: Die Schöpfungserzählung von 2 Hen 24-33
43 49 53 53 56 63 71 73 75 76 77 80 82 86 95
V. Die Eng el i m Hirn m e I .
101
Die Engel und ihre Aufgaben Engelklassen . Die Völkerengel . Der "Fürst der Welt" . Der himmlische Gerichtshof Der himmlische Kult . Der himmlische Lobgesang .
101 104 108 113 116 123 137
A. B. C. D. E. F. G.
IV Metatron
143
VII. Der H i m m e I als 0 r t der Sei i g k e i t
161
VI. Henoch -
A. Das himmlische Paradies B. Die himmlische Akademie C. Die Paradiesesvorstellungen in späteren Midraschim
VIII. Das h i m m I i s c h e J e r usa I e m .
.
161 186 188 192
IX. Der H i m m e I als 0 r t der S t r a f e
205
A. Die Hölle im Himmel. . . . . B. Der Satan als himmlisches Wesen
205 209
X. Die h i m m I i s c h e n S c hat z kam m ern XI. Die himmlischen Bücher und Tafeln
XII. Z usa m m e n f ass u n g
222 231 255
Z ur Literatur
273
Register
275
.
VORWORT Die vorliegende Arbeit wurde im Jahre 1946 in einer ersten Fassung der evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Bern als Habilitationsschrift vorgelegt unter dem Titel: "Die Vorstellungen vom Himmel im Urchristentum und Spätjudentum" . Mannigfache äußere Umstände verzögerten die Drucklegung der Studie. Diese Verzögerung kam der Sache jedoch insofern zugute, als die Arbeit in manchen Punkten ergänzt und im Aufbau straffer gefaßt werden konnte. Für manchen Ratschlag in dieser Hinsicht habe ich Herrn Prof. D. W. Michaelis in Bern und Herrn Prof. D. O. Michel in Tübingen zu danken. Der Titel der hier vorgelegten Studie steckt in seinem Wortlaut auch das Gebiet ab, auf das sich meine Arbeit erstreckt hat: die spätjüdischen Apokalypsen und Pseudepigraphen, die Talmude und die größeren Midraschim in ihren Beziehungen zum Neuen Testament, sofern diese Schriften Traditionen und Lehren über den Himmel darbieten. Dabei wurde gelegentlich auch außerjüdische und außerneutestamentliche Literatur in den Kreis der Betrachtung gezogen, um zu zeigen, wie die behandelte Literatur mit ihrer religionsgeschichtlichen Umwelt zusammenhängt. Dagegen mußte ich es mir versagen, die gnostische, mandäische und hellenistische Literatur in vollem Umfang heranzuziehen. Damit soll die Wichtigkeit dieser Beziehungen nicht geleugnet, sondern im Gegenteil unterstrichen sein. Aber um ihrer Wichtigkeit willen verdienten die Beziehungen der jüdischen Literatur zu der genannten außerjüdischen eine gesonderte Behandlung, gerade auch was unser Thema betrifft. Erst wenn diese Beziehungen einmal erforscht sind, kann genau gesagt werden, wie sich das Weltbild des Spät judentums in den allgemeinen Rahmen des spätantiken Weltbildes einfügt und wie es sich davon abhebt 1). 1) Da bis heute ein allgemein anerkanntes und durchgeführtes System zur Transskription hebräischer Namen und Wörter fehlt, mußte ich meinen eigenen Weg gehen. Ein Kompromiß zwischen philologischer Genauigkeit und Lesbarkeit ließ sich dabei nicht vermeiden.
VI Die "Stiftung zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung an der bernischen Hochschule" gewährte mir im Jahre 1945/46 ein Stipendium zur weiteren Ausbildung. Dem Kuratorium dieser Stiftung sei auch an dieser Stelle bestens gedankt. Bern, im Juli 1949. Hans Bietenhard
I
EINFüHRUNG Im Neuen Testament (NT) ist an zahlreichen Stellen vom Himmel die Rede. Wenn wir uns aber fragen, was für Vorstellungen im einzelnen allen diesen neutestamentlichen (nt.lichen) Aussagen zugrunde liegen, geraten wir bald in gewisse Schwierigkeiten. Denn der Mensch von heute hat sein bestimmtes Weltbild und merkt, daß sich die Vorstellungen des NT mit seinen eigenen in diesem Punkte nicht im Einklang befinden. Gerade der aufmerksame Bibelleser wird diese Dinge bemerken und in Schwierigkeiten des Verständnisses kommen, besonders dann, wenn ihn die herkömmliche Auslegung im Stiche läßt, indem sie entweder das hier vorliegende Problem gar nicht sieht, oder in traditionellen Kategorien stehen bleibt. Der Leser fragt sich z. B., was es heißt, wenn von einer Türe im Himmel die Rede ist, wie das der Verfasser der Offenbarung (Apk) tut (Apk 41). Was für eine Vorstellung steht hinter dem Ausdruck "die Himmel öffneten sich" (Mt 3 16)? Was will es sagen "die Kräfte der Himmel werden erschüttert werden" (Mt 24 29) ?Was meint Paulus, wenn er 2 K 12 2 vom "dritten Himmel" und gleich darauf vom "Paradiese" redet ?Was meint derselbe Apostel, wenn er an zahlreichen Stellen von "Mächten und Gewalten" redet, die auch im Himmel sind? Wie ist die große Vision vom Throne Gottes in Apk 4 f. ZU verstehen? Hat es etwas zu bedeuten, wenn im NT bald vom Himmel in der Einzahl, bald von den Himmeln in der Mehrzahl geredet wird? Meint das Wort "Himmel" bei allen Männern, die im NT zu uns reden, dasselbe, oder gibt es hier Unterschiede? Diese Fragenreihe ließe sich sehr leicht noch beträchtlich verlängern. Die Annahme ist wohl berechtigt, daß die Männer des NT in bezug auf ihr Weltbild von ihrer Umgebung und Zeitgenossenschaft abhängig und beeinflußt waren; sie setzen offenbar einfach jeweils ein Weltbild voraus, wenn sie vom H i m m e I reden, bedeute dies Wort nun das sichtbare "H i m me I s z el t" mit den Ge s t ir ne n Bietenhard, Himmlische Welt
2 daran, oder bezeichne es das "J e n sei t s" und die We I t Go t te s. In diesem Weltbild leben die nt.lichen Schriftsteller, und sie setzen sein Vorhandensein auch bei ihren Lesern und Hörern voraus. Zu dieser Annahme werden wir vor allem geführt durch die Beobachtung, die sich sehr bald einmal machen läßt, daß im NT an k ein er S tell e ein e Bel ehr u n g übe r das We I t bi I d geboten wird. Von hier aus ist die Hoffnung erlaubt, daß bei einer Pr ü fun g und Darstellung der dem NT zeitgenössischen Ans c hau u n gen übe r den K 0 s mo s sich auch manche Aussagen des NT besser verstehen lassen, d. h. wir müssen auch hier das NT in seine Zeit hineinstellen und es aus seiner Zeit heraus zu verstehen suchen. Ob wir dann auf alle Fragen, die wir in dieser Beziehung an das NT stellen, eine befriedigende Antwort bekommen, ist eine Frage für sich. Es wird daher in dieser Arbeit der Versuch gemacht, die Vorstellungen vom Himmel, die das NT möglicherweise oder wahrscheinlicherweise gehabt hat, vom Spätjudentum aus zu untersuchen und zu beleuchten. Wir stellen uns damit eine historische, exegetische und religionsgeschichtliche Aufgabe, deren Lösung auch einen Beitrag zur Theologie sowohl des NT wie des Spät judentums liefern soll. Daß wir das Spät judentum vor allen Dingen untersuchen, hat seinen Grund darin, daß mit wenigen Ausnahmen die Männer des NT geborene Juden waren. Wir verhehlen uns dabei nicht, daß das Judentum jener Zeit starken äußeren Einflüssen unterlag; wir werden deshalb auf solche Einflüsse immer zu achten haben, richten aber doch unsere Hauptaufmerksamkeit auf das dem NT zeitgenössische Judentum. Es soll also das We I tb i I d jener Zeit im jüdisch-christlichen Bereich untersucht werden, d. h. wir fragen nach der Form und der Gestalt, welche Juden und Christen in den Jahrhunderten um die Zeitwende der Welt, dem sichtbaren und dem unsichtbaren Kosmos, gaben; vor allem aber fragen wir, wie sich Juden und Christen die unsichtbare Welt Gottes, das "Jensei t s" vor s tell t e n. Diese Frage ist zu trennen von der Frage nach der Weltanschauung; denn man kann in einem Weltbild die Erde in den Mittelpunkt setzen und dabei Idealist wie Platon oder Materialist wie Demokrit sein, oder man kann die Sonne in den Mittelpunkt stellen und genau gleich derWeItanschauung nach Idealist wie Fichte oder Materialist wie Büchner sein. Ein bestimmtes Weltbild präjudiziert keine bestimmte Weltanschauung. So viel zur Klärung der Terminologie.
3 A. Überblick über die Quellen
Die Schriften und Überlieferungen des Spätjudentums in der Zeit von etwa 170 v. Ohr., da die ältesten Teile des 1. 0 der ä t h i 0 p is ehe n H e n 0 c h (1 Hen) verfaßt wurden, bis zum Abschluß der Talmude im 4. bis 6. Jhdt. n. Ohr. und weiter in die Zeit der Kabbala hinein, haben fast durchwegs das gemeinsam, daß sie neben gesetzlichen, ethischen, geschichtlichen, apokalyptischen und erbaulichen Belehrungen und Vorschriften auch Bilder und Beschreibungen des Jenseits, des Himmels und der Hölle bieten. Die literarisch wohl älteste Stelle, an der von einer Mehrzahl von Himmeln die Rede ist, steht in Kapitel 2 f. des T e s t am e n t e s L e v i (tLevi). Leider sind gerade an dieser Stelle die textlichen Verhältnisse dieser Schrift infolge von Überarbeitungen und Einschüben überaus kompliziert. Ich bin deshalb gezwungen, gerade am Anfang etwas näher auf diese Schrift einzugehen und sie ausführlicher zu behandeln. Textkritik und sachlicher Bericht müssen sich hier deshalb stark überschneiden. In den andern Schriften werden wir in dieser Beziehung weniger Schwierigkeiten haben. In tLevi 2 f. scheint sich nun folgendes Bild herausschälen zu lassen. Der ursprüngliche Text!) dieser Schrift kennt nur drei Himmel. Durch Redaktion(en) wurde der Text später in der Weise erweitert, daß aus den drei Himmeln deren sieben wurden. Doch ist der ursprüngliche Text noch erkennbar und wurde von R. H. 0 h a l' I e s in seiner Textausgabe hergestellt. "Levi" erzählt hier, wie er in den ersten Himmel und von dort in den zweiten entrückt wurde. Dort sieht er ein großes Meer hängen (2 7f.). Im dritten Himmel thront Gott, den Levi schauen soll. Levi soll den Menschen Gottes Geheimnisse verkündigen (2 10). Der erste Himmel ist düster; denn er sieht alle ungerechten Taten der Menschen 2). Im zweiten Himmel befinden sich Feuer und Eis, die für den Tag des Gerichtes aufbewahrt werden (3 H.) 3). Im dritten Himmel thront, wie gesagt, Gott, der von allen Heeren der Engel umgeben ist, 1) Ich folge der Textausgabe von R. H. Charles, The Testaments of the twelve Patriarchs, 1908. 2) gr Bar 84 wird dasselbe von der Sonne ausgesagt: ihre Krone muß jeden Tag erneuert werden, da ihre Strahlen und damit sie selbst auf Erden unrein werden. 3) Engel, die geschaffen sind, um die künftige Bestrafung der Sünder zu vollstrecken, begegnen Sir 3928-80. Hier werden die Instrumente der Bestrafung erwähnt: Feuer, Hagel, Hunger, Tod, Raubtierzähne, Skorpionen,Schlangen und Schwerter. 1*
4
die ihm dienen (3 H.). Die Engel sind Gottes Boten (37), im Himmel lassen sie den Lobgesang zu Gottes Ehre erschallen (38). Vor Gottes Angesicht erzittert der ganze Kosmos. Ist in der Rezension (Rez.) Aoc der erste Himmel leer 1), so befindet sich nach der Rez. oc das große Meer in ihm, das in Aoc im zweiten Himmel ist. Nach Rez. ßAßS 1 befindet sich dieses Meer zwischen dem ersten und dem zweiten Himmel. Nach Rez. oc ist der zweite Himmel weit heller als der erste; in ihm befindet sich ein ungeheuer großer Berg (oder ein ungeheuer helles Licht) 2). Nach Rez. ßAßS1 ist dieser Berg im dritten Himmel. Auch nach der Rez. oc (2 9f. und 3 4) wohnt Gott im dritten Himmel. Nach dieser Rez. befinden sich die Strafmittel für das Endgericht im ersten Himmel. Zu diesen Strafmitteln gehören Geister der Vergeltung, die bestimmt sind, dereinst an Beliar und seinen bösen Geistern Rache zu nehmen. Nun folgt in der Rez. oc eine Beschreibung der nächsten Himmel, und zwar in der Weise, daß erklärt wird, welche Engelklasse sich in jedem Himmel befindet. Ursprünglich 3) wird es sich wohl so verhalten haben, daß der Verfasser einfach von den einzelnen Engelklassen geredet hatte; bei der Überarbeitung wurden zunächst die Himmel auf sieben vermehrt, dann versuchte man, den einzelnen Sphären dadurch Anschaulichkeit zu geben, daß man jeder eine Engelklasse zuwies. Nach 34 thront Gott im höchsten aller Himmel, also im siebenten. (Der Gedankengang der Schrift ist dadurch kompliziert, daß zuerst vom ersten zum zweiten Himmel aufgestiegen wird, dann aber eine absteigende Reihenfolge - also vom siebenten Himmel abwärts - eingeschaltet wird.) So befinden sich im sechsten Himmel die dienenden Erz eng e I (3 5), die bei Gott Fürbitte einlegen für alle Sünden, welche die Gerechten aus Unwissenheit begehen. Sie bringen Gott einen süßen Geruch, einen ver n ü n f t i gen (Aoyt"~V) 4) und u n b I u t i gen G 0 t t e s die n s t dar (36). Im fünften Himmel befinden sich die Engel, die den Engeln der Gottesgegenwart die Bitten 5) der Gerechten zutragen (37). Im 1) V gl. die im Talmud begegnende Vorstellung vom Himmel Wilon, S. 20 f. 2) Nach Charles, tLevi, S. 29, Anm. zu 38, ist die Stelle verderbt. Das Wort fhpor; im Text geht danach zurück auf hebr. ~~~, das aus ~,j = tpsyyor; oder tpror;, verlesen wurde. Nur so erklärt sich der Glanz, der in diesem Himmel herrscht. 3) So Charles, Anm. zur Stelle. ~) Vgl. Rm 1216) So nach der Textverbesserung von Charles an der Stelle.
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vierten Himmel sind die "Throne" und die "Herrschaften", welche Gott beständig loben. Nach Rez. ßAßS 1 sind die Strafmittel Gottes - Eis, Schnee und Feuer - im zweiten Himmel (32). Vom ersten Himmel heißt eS nur, er sei düsterer als die andern. Im dritten Himmel sind dann die Engelheere, die zur Bestrafung der bösen Geister bestimmt sind (35). Von den Engeln im vierten Himmel wird nur gesagt, daß sie heilig seien (33). In dieser Rez. des Textes wird nach der Erwähnung des vierten gleich vom siebenten Himmel geredet, in dem Gott wohnt (34). Von da ab gehen die Rezensionen CI. und ßAßS 1 zusammen. Die reichsten Ausführungen über die Himmel bietet der sogenannte SI a v i sc h eHe n 0 c h (2 Hen) 1), eine Apokalypse, die aus den ersten Jahrzehnten des ersten christlichen Jahrhunderts stammt 2). Die Schrift kennt und beschreibt sieben Himmel, durch die "Henoch" auf seiner Himmelsreise geführt wird. Ebenso kennt die Apo k a I y p s e des A b rah a m (Apok Abrah) sieben Himmel. Diese Schrift dürfte etwa aus der gleichen Zeit wie 2 Hen stammen. Die g r i e chi s c h e Apo kaI y p s e des Bar u c h 3) (gr Bar), aus dem zweiten Jahrhundert stammend, kennt dagegen nur fünf Himmel. Von sieben Himmeln redet wieder die r a b bin i s c h e Übe r I i e f er u n g der t ha n n a i t i s c h e n Z e i t. Hauptfundstellen sind hier: M(ischna) Chagiga H, 1; b(abylonischer Talmud, Traktat) Chagiga llb-16a. Dieselben Traditionen mit mancherlei Varianten und Erweiterungen finden sich im j (erusalemischen oder palästinischen Tal mud, Traktat) Chagiga 7 a-8a. Sehr viel Material ist aber auch in den andern Traktaten beider Talmude vorhanden, wie es bei der assoziativen Gedankenführung dieser Werke nicht anders zu erwarten ist. Dasselbe ist von den M i d ras chi m zu sagen. Ohne weiteres verständlich ist, daß der Midrasch Be res chi t h r (a b b a), d. h. die haggadische Auslegung der Genesis, sehr viel Material liefert, vor allem in den ersten Paraschen. Jüngere Midraschim, wie M i d ras c h K ö n e n, "F rag m e n t e zuG an' E den", der "T r akt a t 1) Zur Ausgabe von Charles (vgl. Anm. I S. 7) kommt als jetzt maßgebende hinzu: G. N. Bonwetsch, Die Bücher der Geheimnisse Henochs, 1922 (in: Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur, hrsg. von A. v. Harnack und C. Schmidt, Bd. 44, 2). Der slavische Henoch ist in zwei Rezensionen überliefert, einer längeren (A) und einer wesentlich kürzeren (B). 2) So Charles, 2 Hen, S. XXVI (vgl. Anm. I S.7 dieser Arbeit, Ende). 3) V. Ryssel bei E. Kautzsch, Die Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments, Bd.2, 1921, S. 448.
6
von den H i m m I i s ehe n Hall e n" sind ganze kosmologische Abhandlungen. Der heb r ä i s ehe H e n 0 eh, bei dem R. J i s c h m a' el b. EI i s c h a' die Rolle des Offenbarers spielt (3 He n), beschäftigt sich vor allem mit dem siebenten Himmel und hier vor allem wieder mit der Lehre von den Engeln. Zwischen 2 Hen 21 und 22 fügten spätere Interpolatoren zu den ursprünglichen sieben Himmeln noch drei weitere hinzu: den achten Himmel, genannt Muzaloth, den "Veränderer der Zeiten, der Trockenheit und Feuchtigkeit, der zwölf Zodien, welche sind über dem siebenten Himmel"; den neunten Himmel, genannt Kuchavim, wo die zwölf Zodien sind; den zehnten Himmel, genannt 'Araboth, in welchem Gott thront. Zehn Himmel hat auch der von kabbalistischen Lehren beeinflußte Midrasch Be m i d bar r. in par. 14 zu Num 7 78: die hier genannten zehn S ephiroth (von griech. apa'iea) stammen aus der Kabbala. Nach 3 Hen 481 (A) befinden sich über dem siebenten Himmel noch weitere 955 Himmel, welche Gott allein vorbehalten sind. Andere Schriften, die ebenfalls Spekulationen und Belehrungen über den Himmel enthalten, erwähnen nur ein e n Himmel, so z. B. 1 Hen, das vierte Buch Esra ([4 Esr] um 100 n. Chr.) und die s y r i sc h e Apo kai y ps e des Bar u c h ([s Bar] um 130 n. Chr.). Diese jüdischen kosmologischen Anschauungen sind z. T. auch ins Christentum übergegangen. Im NT ist da die bekannteste Stelle 2 K 12 2-4. Hier redet Paulus von einem ekstatischen Erlebnis, bei dem er in den dritten Himmel, in das Paradies, entrückt worden sei. Wir werden zu untersuchen haben (vgl. S. 162-167), was für kosmologische Anschauungen Paulus an dieser Stelle vertritt, ob er nach der Art von tLevi 2 f. meinte, es gebe nur drei Himmel, oder ob er etwa mit 2 Hen annahm, es gebe sieben Himmel. Ferner finden sich im NT Beschreibungen himmlischer Orte und Wesen in der Offenbarung des Johannes, vgl. Apk 4 f.; 69-11; 83-5; 913; 1115-19; 12 10-12; 141-5 (?); 1414-20; 156-8. Dabei ist bemerkenswert, daß Apk keine eigentliche kosmologische Belehrung gibt, ferner, daß sie auch nicht von einer Mehrzahl von Himmeln redet; an fast 60 Stellen der Apk, an denen das Wort "Himmel" vorkommt, ist immer nur von ein e m Himmel die Rede. Einfach von einer Mehrzahl von Himmeln, ohne daß deren Zahl ausdrücklich angegeben wäre, redet der Hebräerbrief in bekenntnisartigen Stellen: Hebr 414; 726; 81 (?); 1223 (?). Gleich steht es in einigen Stellen aus den paulinischen Briefen: Eph 410; 6 9; Koll 5. Diese und andere Stellen sind allerdings jeweils daraufhin
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zu prüfen, ob der Ausdruck ovea'Po{ tatsächlich eine Mehrzahl von Himmeln meint. An sich könnte es sich nämlich auch um semitisierende Ausdrucksweise, also um Übersetzungsplural, handeln 1). 1) Das Wort oveap6,' kommt im NT fast 280mal vor. Jedoch sind nicht alle Stellen für die Darstellung der nt.lichen Himmelsvorstellungen verwertbar. Anderseits müssen für die Darstellung der Himmelsvorstellungen auch Stellen herangezogen werden, an denen die Vokabel oveap6, nicht begegnet. Wie Apk so braucht auch J an gegen 20 Stellen nie den Plural oveapot. Von den über 20 Stellen bei Paulus haben 10 das Wort oveap6, im Plural. In den Katholischen Briefen ist das Verhältnis 19 zu 6, im Hebr 11 zu 9. Mt braucht das Wort 80mal, wozu noch an 7 Stellen das Wort oved.PtO' kommt. Von diesen 80 Stellen bei Mt steht das Wort an 55 im Plural, wobei auf den Ausdruck ßaUtÄeta 'lroP oveaprov 31 und auf den Ausdruck ci na'l-YJe ev 'loi, oveavoi, 14 Stellen entfallen. Mk hat 15 Stellen mit oVeav6" wobei nur 3 die Pluralform haben (110.11; 1225). Die zuletzt genannte Stelle ist deshalb interessant, weil die Parallele bei Mt 22 30 den Singular hat. In Mk 1021 par Mt 1921, Mk 1327 par Mt 2431 und Mk 1332 par Mt 2436 hat Mk jeweils den Singular, während Mt den Plural setzt. In Lk findet sich oveav6, etwa 30mal, wobei nur 3 Stellen den Plural haben. Von diesen ist Lk 10 20 durch keine Parallele bei Mt gedeckt, und Lk 12 83 hat den Plural, wo in Mt 620 der Singular steht. In Ag kommt das Wort 25mal vor, wobei es nur in 234 und in 756 im Plural steht; beide Stellen sind Reden von Juden (Petrus und Stephanus). Dazu kommen im lukanischen Doppelwerk noch 2 Stellen, an denen oveavto, steht: Lk 213 (?) und Ag 2619. Die 14 Mt-Stellen, die na'l-YJe ev Toi, oveapoi, haben, sind wohl wörtliche Ubersetzung von C'CI:'~1:' ~N (vgl. Str B I, S. 393. 410). Nicht anders wird es mit dem Ausdruck ßaUtÄBta 'lroV oveavrov stehen: oveav6, ist Ersatzwort für Gott, den zu nennen man sich scheute, und der Plural geht wohl wieder auf das Hebr. bzw. Aramäische zurück (vgl. Str B I, S.172; vgl. auch S. 80f. dieser Arbeit). In Mt 316 kann der Plural oveavot auf die Vorstellung von mehreren Himmeln hinweil:len: der Geist kommt von Gott, der im höchsten Himmel wohnt; darum öffnen sich die Himmel, wenn der Geist herabkommt. Mt 512 und 1921 kann oveavot Ubersetzungsplural sein; es könnte aber auch gemeint sein, daß der "Lohn" in verschiedenen Himmelsräumen bereit liegt. Gleich steht es in Mt 1619: des Petrus Binden und Lösen gilt in allen Himmeln; bemerkenswert ist allerdings, daß die Parallelstelle in Mt 1818 den Singular hat; das könnte ein Hinweis darauf sein, daß wir es in Mt 1619 mit semitisierender Ausdrucksweise zu tun haben, worauf der Sprachcharakter der Stelle ohnehin weist. Bemerkenswert ist Mb 24 29: einmal heißt es, daß die Sterne vom Himmel fallen werden - damit ist das sichtbare Firmament gemeint;. dann heißt es, daß die Kräfte der Himmel erschüttert werden, d. h. daß der ganze Kosmos mit allen Himmeln bei der Parusie berührt werden wird. Der Plural in Mt 2431 ist Zitat aus Deut 304 und also Übersetzungsplural. Mt 2436 werden die Engel der Himmel erwähnt; da sich nach spätjüdischer Auffassung in allen Himmeln Engel befinden, ist es möglich, daß auch dieser Stelle die Vorstellung von mehreren Himmeln zugrunde liegt. So erklärt sich wohl auch der Plural in Mk 12 25, obwohl gerade hier merkwürdigerweise die Parallelstelle Mt 22 30 den Singular
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In die Zeit nach dem Abschluß des nt.lichen Kanons führt uns die Vi s ion des Je s a j a 1) (Ascens Jes), ein christlicher Einschub in eine ursprünglich jüdische Schrift, Kap. 61-11 40; da finden wir wieder eine ziemlich ausführliche Beschreibung der sieben Himmel. B. Die Namen der Himmel Nur in rabbinischer, nicht aber in pseudepigrapher 2) oder christlicher Tradition, finden sich bestimmte Namen für die verschiedenen Himmel. In bChagiga 12 b sagt R. Je h u d a 3), daß es zwei Himmel gebe. Er beruft sich für diese Lehre auf Deut 10 14: "Siehe, dem Herrn, deinem Gott, gehört der Himmel und aller Himmel Himmel ... " Ihm widersprach Res c h L a q i s c h 4), indem er erklärte, es gebe sieben Himmel. Ihre Namen sind: 1. Wilon. Das Wort kommt vom lateinischen velum = Vorhang. Als Schriftgrund dafür, daß einer der setzt. Ganz einheitlich ist also der Sprachgebrauch, und damit wohl auch die ihm zugrunde liegende Vorstellung, nicht. Dasselbe läßt sich an Lk 1233 par Mt 620 beobachten. Unklar ist auch Lk 1020: liegt hier Übersetzungsplural oder die Vorstellung mehrerer Himmel vor? Ag 234 und 756 liegt der Fall ähnlich wie Mt 3 16f. Paulus kennt nach 2 K 121-4 zum mindesten 3 Himmel. Trotzdem ist auch sein Sprachgebrauch nicht einheitlich, indem er bald den Singular, bald den Plural von oveav6, setzt. 2 K 51 f. zeigt das deutlich: zweimal wird hier vom "Haus" im Himmel geredet; das erste Mal steht oveav6, im Plural, das zweite Mal dagegen im Singular. Kol 41: der Herr ist im Himmel; Phil 320: unser Bürgerrecht ist in den Himmeln; 1 Th 110: Gottes Sohn wird aus den Himmeln erwartet; 1 Th 416 (vgl. 2 Th 17; 1 Pt 112): er wird vom Himmel herabsteigen; Kol 15 (vgl. 1 Pt 14): die Hoffnung der Christen ist in den Himmeln. - 2 Pt 118: die Stimme tönte vom Himmel herab; 2 Pt 313 (mit deutlicher Reminiszenz an Jes 6517): neue Himmel, obschon die LXX der Jes-Stelle den Singular hat; ob hier Kenntnis des Urtextes vorliegt oder die Vorstellung mehrerer Himmel? - Zum sprachlichen Problem vgl. Frederik Torm, Der Pluralis oveavo{ 1934 (in: ZNW 33), S.48-50; The book of the secrets of Enoch, translated from the slavonic by W. R. Morfill, M. A., and edited with introduction, notes and indices by R. H. Charles, M. A., 1896, S. XLff. 1) Vgl. J. Flemming und H. Duensing, Die Himmelfahrt des Jesaja, 1924, S.303 (in: Neutestamentliche Apokryphen', hrsg. von Edgar Hennecke). 2) Nach 4 Esr 64 haben die Himmelsräume Namen, welche aber nicht genannt werden. 3) Nach Bacher, Tannaiten H, S. 65 3 wäre es R. Jehuda b. EI'ai. ~) Nach Bacher, Tannaiten H, S. 65 3 wäre es R. Merr gewesen. So auch R. Meyer, Hellenistisches in der rabbinischen Anthropologie, 1937, S. 53 6 (in: Beiträge zur Wissenschaft des AT und NT, 4, 22).
9 Himmel "Vorhang" genannt werde, beruft man sich auf Jes 4022: " ... der den Himmel ausbreitet wie einen Flor (hebr. doq)." Weshalb nun aber der Himmel nicht "doq" hieß, sondern mit dem Fremdwort "Wilon" bezeichnet wurde, ist undeutlich. 2. Raqi'a 1). Das Wort bedeutet "Veste, Firmament". Es bezeichnet in Gen 1 6-8 die Scheidewand, welche den himmlischen vom irdischen Ozean trennt. Nach Gen 117 sind in den "Raqi'a des Himmels" die Sterne eingesenkt. Schon dieser Ausdruck ist nach rabbinischer Exegese Belegstelle für die Existenz von zwei Himmeln; da nun vom Wilon nicht gesagt wird, daß an ihm die Sterne sich befinden, ist der Raqi'a eben der zweite Himmel. 3. Schechaqim 2). Das Wort kommt von hebr. scha.chaq = zerreiben; schachaq bedeutet "Zerreibung, Zerriebenes; Stäubchen; Federwolke". Von dieser letzten Bedeutung aus bezeichnet es metonymisch den Himmel, so etwa in Ps 897.38. R. Levi berief sich auf Ps 78 23f.: "Und er gebietet den schechaqim von oben, und des Himmels Pforten tut er auf und läßt auf sie Manna regnen zur Speise und gab ihnen Himmelskorn. " Aus dieser Stelle schloß man, daß der dritte Himmel eben "Schechaqim" heiße. Zugleich erfuhr man hier, daß sich in diesem Himmel das Manna befinde, und man schloß weiter, daß sich deshalb in diesem Himmel die Mühlen befinden müßten, die das Manna mahlen (schachaq). 4.Zebii,l3). Das Wort bedeutet "Wohnung". Daß einer der Himmel so heiße, ergab sich aus der Kombination von zwei Schriftstellen: "Gebaut habe ich dir ein Hltus zur Wohnung (zebül), einen Ort zu deinem Sitz in Ewigkeit" (1 Kön 8 13); "Blicke vom Himmel und siehe von deiner heiligen und herrlichen Wohnung (Inizzebül) ... " (Jes 63 15). Gott hat eine Wohnung, (einer) der Himmel wird "Wohnung" genannt, also ist "Zebül" ein Name für einen Himmel. 1) Nach Wajjiqra r., par. 29 zu Lev 2324 heißt er "scheme schämajim ", d. h. "Himmel des Himmels"; so auch Bemidbar r., par. 2 zu Num 64. 2) Nach Wajjiqra r., par. 29 zu Lev 2324 heißt dieser Himmel "Raqi'a". Vgl. Midrasch Qohelet r., zu Pred 17: "Warum heißen die Himmel in der angezogenen Stelle (seil. Ps 1812) schechaqim? Weil sie die Wasser zermahlen, ähnlich wie R. Abba b. Kahana meint, wie der Rindsdarm, oder wie R. Schemuel b. Nachman lehrt, wie die kleinen engen Gedärme des Viehs" - eine etymologische Spielerei mit den Bedeutungen von schächaq. Die Stell\" will sagen: die Wolken steigen von der Erde auf und nehmen ihr Wasser von den oberen Wassern wie mit einem Schlauche auf. Beide Rabbinen sind Amoräer! 3) Nach den in Anm. 1 S. 9; Anm. 1. 2 S. 10 angegebenen Stellen heißt er schechaqim.
10 5. Mä'Qnl). Das Wort ist deriviert von 'ün = wohnen. Den Schriftgrund dafür, daß ein Himmel so heiße, fand man in Deut 26 15: "Blicke herab von deiner heiligen Wohnung, vom Himmel." Daraus ergab sich eben wieder, daß ma:ön ein Name für einen Himmel sei. 6. MäkOri., 2). DasWort ist Derivat von kün = feststehen, herrichten. Daß Mäkhön ein Name für einen Himmel sei, ergab sich aus 1 Kön 8 38: "So wollest du hören im Himmel, der Stätte (mäkhön), da du thronst." 7. 'Araboth 3 ). 'araba bedeutet "Steppe". Nun heißt es in Ps 685: "Machet Bahn dem, der auf 'araboth einherfährt, Jah ist sein Name", und in Deut 3326 heißt es: "Der am Himmel einherfährt, sei deine Hilfe." In beiden Versen kommt das Wort "einherfahren" (räkab) vor. Da aber Jahve nach rabbinischer Anschauung seinen Ort im Himmel hat und nicht über "Steppen" - auf der Erde! - einherfährt, so ergibt sich, daß '~aboth ein Name für einen der Himmel ist. Es spielt in diesem Zusammenhang natürlich keine Rolle, daß die angeführten Schriftauslegungen und -gründe für unsere Begriffe sehr künstlich sind. Die Rabbinen folgten eben andern exegetischen Regeln. Auch ist es klar, daß die Lehre von den sieben Himmeln nicht aus solchen Kombinationen von Schriftstellen herauswuchs, sondern die Siebenzahl der Himmel stand traditionell fest oder wurde von außen übernommen. Die Aufgabe für die Rabbinen bestand dann nur darin, für die einzelnen Himmel in der 8chrift begründete Namen zu finden, oder auch darin, zu zeigen, daß sich aus der Schrift tatsächlich sieben verschiedene Namen für die Himmel beibringen lassen 4). Ich habe keine Stelle im rabbinischen Schrifttum gefunden, welche ausdrücklich die Siebenzahl der Himmel mit einer Schriftstelle begründet. 1) So auch Bemidbar r., par. 2; na.ch Wajjiqra r. par. 29 aber heißt er zebUl.
2) Nach Wajjiqra r., par. 29 heißt er mä'ön; nach Bemidbar r., par. 2 aber zebul. 3) Nach Bemidbar r., par. 2 heißt dieser Himmel 'aräphel = Wolkendunkel. Mit geringen Abweichungen steht dieser Bericht über die 7 Himmel auch im "Midrasch der 10 Worte", bei Wünsche, Lehrhallen IV, 1, S. 72 ff. ') "Sieben Maße des Dienstes sind vor dem Thron der Herrlichkeit, diese sind: Weisheit, Gerechtigkeit, Recht, Gnade, Erbarmen, Wahrheit, Friede. Wie es heißt (Hos 219f.). R. Meir sagte: Wie? sagt die Lehre: ,Und mit Erkenntnis Jahves'? Vielmehr sie lehrt, daß jeder Mensch, der alle diese Maße in sich hat, der kennt die Erkenntnis des Ortes (d. h. Gottes). - Sieben Wohnstätten gibt es, diese sind: die obere Wohnstätte, die untere Wohnstätte, und die Luft der Welt und vier höhere. R. Meir sagte: 7 Himmelsvesten (reqi'in) gibt es, diese sind: Wilon, Raqi 'a, Schechaqim, Zebiil, Mä 'ön, Makön, 'Araboth. Ihnen entsprechend nennt er 7 Namen der Erde, diese sind: EreQ, Adama, Arqa,
11 C. Die religionsgeschichtliche Herkunft der spätjüdischen Kosmologie
Die Anschauung, daß es drei Himmel gebe, begegnet wie in tLevi 2 f. auch in 1 Hen 1 4; 711. 5, ohne daß jedoch eine nähere Beschreibung der Himmel gegeben würde. Möglicherweise geht diese Anschauung z. T. wenigstens zurück auf das Alte Testament. So heißt es etwa in Deut 10 14: "Jahve, deinem Gott, gehört der Himmel und der Himmel des Himmels." Hier werden deutlich zwei Himmel unterschieden: die Erde hat einen Himmel, das ist der, welchen wir sehen, aber dieser uns sichtbare Himmel ist wiederum von einem Himmel überwölbt. Eine ähnliche Anschauung liegt im Tempelweihgebet Salomos (1 Kön 827) vor: "Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel mögen dich nicht fassen." Streng genommen ist da von mindestens drei Himmeln die Rede. Aber wir können nicht ganz genau sagen, welche Anschauung diesem Ausspruch zugrunde liegt; vielleicht ist die Ausdrucksweise auch einfach plerophorisch. Wenn man das hebräische Wort "schämajim" nicht nur formal, sondern auch sachlich als Plural faßte 1), dann konnte sich leicht die Anschauung von einer Mehrzahl von Himmeln bilden. Doch fragt es sich sehr, ob dieser mehr äußerlichformale Grund genügt hätte, um so weittragende kosmologische Anschauungen entstehen zu lassen. Außerbiblische Herkunft der ganzen Vorstellungen von den mehreren Himmeln scheint da viel wahrscheinlicher zu sein. Schon das Weltbild des AT ist ja in den Grundzügen das des alten Orientes, stammt aus dem Zweistromland mit seinen alten und hochentwickelten Kulturen. Die Erlebnisse der Juden im babylonischen Exil mögen das Thre zur weiteren Übernahme altorientalischer Anschauungen beigetragen haben. Es ist deshalb wahrscheinlich, daß die Charaba, Jabascha, Thebel, Chel€d. Weswegen wird ihr Name Thebel genannt? Weil sie mit allem gewürzt ist. Eine andere Meinung: weil sie die Art hat, hineinzubringen, aber ihre Art ist nicht, hinauszubringen" (Aboth deRabbi Nathan 37, ed. S. Schechter, 1945, S. UO). Man sieht hier einmal die Bedeutung der Siebenzahl für die Rabbinen, dann aber auch, daß auch in bezug auf die Erde mit der Siebenzahl operiert worden ist, und zwar schon in thannaitischer Zeit. Vgl. auch S. 39 f. 1) Charles, 2 Hen S. XXXIV hält es sogar für wahrscheinlich, daß schon die pluralische Form des hebr. Wortes auf die Vorstellung einer Mehrzahl von Himmeln hinweist. Nur auf Grund der Annahme, daß es mehrere Himmel gebe, können Stellen wie die angeführten (vgl. auch 48, 4) wirklich verstanden werden.
12 im Spätjudentum herrschend gewordene Vorstellung, daß es mehrere Himmelsphären gibt, aus Babylonien stammt. Wir haben deshalb im folgenden das alt 0 r i e n tal i s c h eWe I t bi I d zu betrachten. Dabei genügt es für unsern Zweck, wenn wir von der babylonischen Wissenschaft und Religion nur eine Skizze!) geben. Nun sind in der babylonischen Kultur die beiden Begriffe "Wissenschaft" und "Religion" eng miteinander verflochten. Das eine bedingt das andere; denn die Religion des Zweistromlandes ist weithin Gestirnreligion. Die exakte Beobachtung des gestirnten Himmels und seiner mannigfaltigen Erscheinungen erreichte in Babylonien schon früh eine beachtliche Höhe. Die Beobachtungen wurden aber spekulativ und mythologisch ausgewertet und zu einem geschlossenen Weltbild zusammengefügt. Die überragende Höhe der Kultur in den Staaten von Assur und Babel, verbunden mit der politischen Hegemonie dieser einander ablösenden Reiche, bewirkte, daß altorientalisches Geistesgut den ganzen vorderen Orient weithin beherrschte und durchdrang. Die Juden kamen, wie gesagt, vor allem in der Zeit des Exils in den engsten Kontakt mit dieser Kultur und wurden von ihr auch nachhaltig beeinflußt. Die Rabbinen waren sich dieses Einflusses auch durchaus bewußt. So sagte R. eh a ni n a , daß die Israeliten die Namen der Monate aus BabyIon gebracht hätten, und nach Resch Laqisch brachten sie auch die Namen der Engel- wie Michael, Gabriel, Raphael- aus BabyIon mit nach Palästina 2). Ein kurzer Vergleich der kosmologischen Vor1) Die folgende Skizze - denn um mehr kann es sich im Rahmen dieser Arbeit nicht handeln, da schon die Auswahl des Stoffes durch das vorliegende spätjüdische Material bestimmt ist- stützt sich vor allem auf folgende Literatur: P. Jensen, Die Kosmologie der BabyIonier, 1890. H. Winckler, Das Himmels- und Weltenbild der BabyIonier als Grundlage der Weltanschauung und Mythologie aller Völker, 1903 (in: Der alte Orient III, 2/3). Morris Jastrow jr., Die Religion Babyloniens und Assyriens, Bd. 11905; Bd. II 1912. H. Winckler, Die babylonische Weltschöpfung, 1906 (in: Der alte Orient VIII, 1). Erich Bischoff, Babylonisch-Astrales im Weltbild des Talmud und Midrasch, 1907. Friedrich Jeremias, Semitische Völker in Vorderasien, 1925 (in: Chantepie-de la Saussaye, Lehrbuch der Religionsgeschichte" Bd. I, hrsg. v. A. Bertholet und Edvard Lehmann). Bruno Meißner, Babylonien und Assyrien, Bd. II 1925 (Kulturgeschichtliche Bibliothek, hrsg. v. W. Foy, 1. Reihe, 4). Alfred Jeremias, Handbuch der altorientaIischen Geisteskultur 2, 1929. 2) Bereschith r., par. 58, zu Gen 181.
13 stellungen des Spätjudentums mit denen Babyions zeigt die enge Verwandtschaft beider und damit die Priorität der babylonischen Lehre vor der des Judentums. Der Grundgedanke der alt orientalischen Weltanschauung ist die Lehre von der Entsprechung zwischen Himmel und Erde. Alles, was auf Erden ist, hat sein Ur- und Vorbild am Himmel. Jedes irdische Sein und Geschehen ist in einem himmlischen Sein und Geschehen präfiguriert. Dabei ist alles, was am Himmel ist und geschieht, dem Irdischen gegenüber primär. Jedes Land, jeder Fluß, jede Stadt jeder Tempel, ja die ganze Erde haben ihr Vorbild am Himmel. Diesem himmlischen Urbild sind die irdischen Dinge von den Menschen oder den Göttern nachgebildet worden. Man möchte vielleicht sagen, daß dies eine nachträglich an die Sache herangetragene Theorie sei; denn es verhalte sich doch in Wirklichkeit gerade umgekehrt: zuerst habe man das Irdische gesehen, und einer Spekulation zuliebe habe man dann alles auf den Himmel transponiert. Es dürfte aber gerade von modernen Erkenntnissen auf dem Gebiete der Psychologie aus geraten sein, hier den alten BabyIoniern recht zu geben. Denn, betrachtet man die religiösen Inhalte, die Götter und Mythen als Manifestationen des kollektiv Unbewußten, die durch Projektion in die Außenwelt bewußt werden, dann ist leicht einzusehen, daß diese Inhalte eben in der Außenwelt wahrgenommen werden. Die Frühzeit der Kultur projiziert ihre unbewußten seelischen Bilder auf die äußerste Grenze der Außenwelt - auf den Himmel. Bo wird am Himmel und seinen Bildern bewußt, was in der Seele des Menschen unbewußt vorgeht. Werden mit fortschreitender Kultur die Projektionen immer näher zum Menschen selbst herangeholt, dann ergeben die entfernten Dinge "Objekte" der verstandesmäßigen Forschung. So werden die Sterne und ihre Bilder mythologisch leer, {}ffenbaren aber Zahl, Maß und rational erfaßbares Gesetz. So entsteht folgerichtig als erste Wissenschaft die Astronomie. Das Beharrungsvermögen macht sich allerdings auch hier geltend: trotz der wissenschaftlichen Betrachtung bleiben die Sterne Götter oder doch Manifestationen des Göttlichen oder des Schicksals - von welcher Tatsache die bis auf den heutigen Tag blühende Astrologie beredtes Zeugnis ablegt. Aber ebenso folgerichtig wie die Astronomie die erste Wissenschaft ist, ist die Psychologie der jüngste Zweig der Forschung: es sind alle Projektionen zurückgenommen worden, der Mensch ist bei sich und sich selbst das Objekt. - Von da her gesehen ist es nicht
14 unverständlich, daß im alten Orient der Plan zu einem Tempel oder zu einer Stadt tatsächlich am Himmel "gesehen" werden konnte: was in der Seele unbewußt dalag, wurde am Himmel bewußt und nahm von dort her konkrete Gestalt an. Nach babylonischer Lehre ist das Weltall im Großen gesehen dreigeteilt: Himmel - Erde - Ozean bilden die Teile der Welt. Die Erde ist eine Aufschüttung, ein Damm, im Ozean. Die Erde ruht auf dem Ozean, auf der Urflut, die sich durch Grundwasser und aufspringende Quellen bekundet. Nach dem vorhin Gesagten ist es klar, daß es auch am Himmel eine Erde, die "himmlißche Erde" gibt. Es ist der Tierkreiß der zwölf Tierkreisbilder, der auch als "Aufschüttung" bezeichnet wird: suppuk same - "Himmelsdamm" . Er grenzt den himmlischen Ozean ab 1). So sind also das himmlische wie das irdische All als auf dem Waßser schwimmend gedacht. Es erhebt sich die Frage, wie sie befestigt sind. Der BabyIonier läßt sie durch "Pfähle" verankert sein. Wenn die Fenster des Himmels geöffnet werden, dann strömt das Wasser aus dem himmlischen Ozean auf die Erde herab als Regen. Auf dem Himmelsdamm befinden sich die himmlischen Orte mit den himmlischen Tempeln und Städten als den Urbildern der entsprechenden irdischen Tempel und Städte. Als Prototypen der beiden Hauptflüsse des Landes, Euphrat und Tigris, gelten wohl die heiden Arme der Milchstraße. Ein himmlisches BabyIon entspricht dem irdischen, so wie später bei Juden und Christen dem himmlischen J erusalem das irdische entspricht. Über der himmlischen Erde wölbt sich der Himmel, der aus einer wechselnden Anzahl von Sphären besteht. Es scheint, daß man trotz des Widerspruchs von Jensen (a. a. O. S. 11) - von mehreren Himmelssphären bei den BabyIoniern sprechen darf. Es sind nach Alfr. Jeremias (a. a. O. S. 137) alle Zahlen von 3-10 mit Ausnahme von 6 belegt als Zahl. der Himmel 2). Die babylonischen Stufentürme, die Zikkurat, mit ihrer verschiedenen Stufenzahl sind kosmische Raumsymbole, die das Weltall darstellen. Die Himmel werden dabei als feste Gewölbe, als Halbkugeln, die konzentrisch übereinander gelagert sind, vorgestellt. So entspricht es dem auf das Konkrete gerichteten altorientalischen Denken. Die Himmelsgewölbe bestehen aus kostbarem Stein: Luludanitu-Stein, Saggilmut (= Lazur)-Stein und Lapislazuli (blauer Jaspis). Aus dem blauen Jaspis besteht der unterste 1) Vgl. Apk 46 - das "kristallene Meer" im Himmel vor Gottes Thron. 2) So auch Meißner, a. a. O. S. 108.
15 Himmel, auf dem des Nachts die Sterne aufleuchten. Der oberste Himmel ist jeweils der Sitz des höchsten Gottes (A. Jeremias, a. a. O. S. 137; Meißner, a. a. O. S. 108 f.). Der unterste Himmel ist wie eine Schüssel oder wie ein runder babylonischer Kahn auf die Erde gesetzt. Vom Himmel sieht der Mensch nur die Außenseite. In das Innere verschwinden die in ihren Gestirnen sich manifestierenden Götter, wenn sie für eine Zeitlang unsichtbar werden: der Mond jeweils für drei Tage, die Sonne während der Nacht, die Venus, wenn sie an der Sonne vorüberzieht und so unsichtbar wird in der Zwischenzeit ihres Wechsels vom Abend- zum Morgenstern. Entscheidend wichtig für das babylonische Himmelsbild sind die sieben Planeten: Mond, Sonne, Venus, Merkur, Mars, Jupiter, Saturn. Sie laufen in sieben Bahnen am Tierkreis dahin, d. h. in sieben Umlaufstufen. Wahrscheinlich kommt die Lehre von den sieben Himmeln von diesen sieben Umlaufstufen der Planeten am Tierkreis her. Diesen sieben Umlaufkreisen der Planeten entsprechen auf der Erde die sieben Welt-Etagen, tubukati, die sieben Klimata, welche Lehre - durch die Araber vermittelt - auch die christliche Geographie des Mittelalters beherrscht hat. In Verbindung mit der Vorstellung von der Erde als einem Berg, über den sich der - innen hohle - Himmelsberg wölbt, sprach man entsprechend den sieben Himmelssphären auch von sieben Erden. Der höchste Punkt des Erd-Berges ist der Zugang zum Himmelsberg. Wo der Himmel dreifach vorgestellt wurde, gab es ihm entsprechend auch drei Erden: die oberste Erde ist der Sitz der Menschen, die mittlere ist das Reich des Wassergottes. Ea, die unterste, ist das Reich der 600 Anunnaki, der Götter der Unterwelt. Von da her gesehen sind die Stufen der Zikkurat auch Abbilder der sieben Erden und somit ist sie wirklich ein kosmisches Symbol l ). Auf der obersten Stufe der Zikkurat befindet sich der Tempel Anus, des höchsten Gottes, als Abbild seines himmlischen Wohnsitzes im obersten Himmel, im Himmelsnordpol. Von diesem Herrschaftspunkt aus wird der ganze Kosmos regiert. Hier versammeln sich die Götter am Neujahrstage zur Bestimmung des Schicksals im kommenden Jahre. Nach Meißner (a. a. O. S. 111) allerdings läge dieser Versammlungsort der Götter und das Schicksalsgemach im Osten, im Berge des (Sonnen)Aufgangs. Im Osten und Westen befindet sich je ein Berg: der "Berg des Aufgangs" und der "Berg des Untergangs", die von einem "Tore an beiden 1) Wenn Winckler, Baby!. Weltschöpfung, S. 15 und Alfr. Jeremias, S.130, Recht haben. Gegen sie ist Friedr. Jeremias, S. 514.
16 Seiten" verschlossen sind. Der Sonnengott öffnet des Morgens das Tor des Aufgangs, um zum Himmel herauszugehen, am Abend tritt er durch das andere in das Innere des Himmels ein. Schamasch, der Sonnengott, fährt wie der griechische Helios mit Roß und Wagen am Himmelsgewölbe einher. Im Westen befindet sich bei dem Berge des Untergangs der Eingang zur Unterwelt, die im übrigen den untersten 'Teil der Erde einnimmt. Die Unterwelt ist von einer siebenfachen Mauer umgeben, durch die sieben (resp. 14) Tore hindurchführen. Aus der schon erwähnten Lehre von der Entsprechung von Himmlischem und Irdischem ergibt sich für die altbabylonische Religion ;als Gestirnreligion eine wichtige Folgerung. Die Götter offenbaren sich in den Gestirnen. So hat der oberste Gott die Götter Sin, Schamasch und Ischtar zu den drei vornehmsten Herrschern des Tierkreises be.stellt. Zwar sind die Götter nicht einfach mit den Gestirnen identisch, -sie sind hinter den sichtbaren Erscheinungen verborgen. Jedoch sind Jie Gestirne die vornehmste Offenbarung der Götter. Die Götter walten in den Gestirnen, und diesem Walten entspricht das der Götter in den Erscheinungen der Welt. Daraus ergibt sich, da das Himmlische immer primär ist, daß das Geschehen auf der Erde durch die Kreisläufe und die Stellungen der Gestirne vorausbestimmt ist. Es besteht ;auch in der Zeit eine Harmonie zwischen dem Himmlischen und dem Irdischen (Friedr. Jeremias, a. a. O. S.504). So besteht ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Ereignissen am Himmel und denen auf der Erde; diese spiegeln jene wider und sind durch sie gewirkt. Folglich ist es möglich, kommende Ereignisse aus den Gestirnen zum voraus zu lesen. Die Gestirne sind sitri same, "Schrift des Himmels". Daraus ergibt sich die "Wissenschaft" der Astrologie, die in BabyIon in hohem Ansehen stand und später um die Wende der Zeitrechnung die ganze Mittelmeerwelt eroberte. Hier durchdringen sich Mythos und Logos, Wissenschaft und Religion. Nach Alfr. Jeremias (a. a. O. S. 140 f.) sind jedoch auch die Götter im Weltregiment nicht frei und nicht letzte Instanz. Über allem stand schon für die Sumerer der Urgrund der Dinge, der das Schicksal wirklich lenkt und dem auch die Götter gehorchen. So wäre die babylonische Religion letztlich Schicksalsreligion. Wir werden auch im Judentum Spuren dieser Gestirns-und Schicksalsreligion finden (vgl. S. 44 ff.). Ob dabei freilich immer 'streng getrennt wurde zwischen dem Gestirn und dem in ihm erscheinenden Gott, ist fraglich. Jastrow Ca. a. O. Bd. II S.205) ver:neint diese Frage und präzisiert seine Auffassung dahin, daß er erklärt
17 (S. 419): "Es liegt in der Natur des Animismus ... keinen scharfen Unterschied zwischen dem Sitz einer Gottheit und deren Erscheinungsform zu machen. Die Sonne am Himmel ist daher zugleich der Sitz des Sonnengottes, der Sonnengott selbst und dessen Kund· gebung." Eine spekulativere Betrachtung wird getrennt haben zwi' schen dem Gott und dem Gestirn als dem Ort, wo er sich kundgibt, während die mehr primitive Betrachtung wohl einfach identifiziertedas Gestirn ist der Gott. Man kann in jüdischen Quellen 1) oft kaum sagen, ob sie meinen, die Sterne seien belebte Wesen, oder ob gemeint ist, die Sterne seien Himmelskörper; denn oft haben sie Persönlich· keit, oft aber wird gesagt, daß Engel über sie gesetzt sind. So können sogar im Endgericht Sterne bestraft werden, was nur einen Sinn hat, wenn sie als persönliche Wesen angesehen werden. So wirkte der baby· Ionische Gestirnpolytheismus im Engelglauben des Spätjudentums nach. Vom Himmel her wirken nach babylonischer Auffassung nicht nur die Götter, sondern auch die Dämonen, vor allem die gefährlichen BeaU, auf die Menschen und Tiere ein. - Die Welt diesseits und jenseits des Himmelsgewölbes ist von Licht durchflutet. Die lichte Himmelswelt ist erfüllt von Scharen von Geistern, die im Dienste der Götter stehen. Die Götter senden Genien zur Hilfeleistung an die Menschen auf die Erde. Genien gießenWasser auf die Erd e. Die bösen sedu sind rächende Geister, die zur Strafe auf die Erde gesandt werden. Man kennt sogar in der baby. Ionischen Religion schon die Vorstellung von Schutzengeln der einzelnen Menschen. "Auf dieser Engellehre beruht ein gutes Stück der sumerischbabylonischenFrömmigkeit" (AlfredJeremias,a. a. O. S.140). Es scheint, daß die Lehre von den sieben Himmeln auch in der Mithras-Religion nachweisbar ist. Der bekannte Ohristenfeind 0 eIs u s sagt in seinem "Wahren Wort" 2) davon folgendes: "Wir haben dort nämlich eine sinnbildliche Darstellung der zwei Kreisläufe am Himmel, nämlich des Kreislaufes der Fixsterne und des den Planeten zugewiesenen Umlaufes, und des Durchgangs der Seele durch diese. Von solcher Art ist das Sinnbild: eine Leiter mit sieben Toren, und an ihrer Spitze ein achtes Tor. Das erste Tor ist von Blei, das zweite von Zinn, das dritte von Bronze, das vierte von Eisen, das fünfte von gemischtem Metall, das sechste von Silber, das siebente von Gold. Das erste 1) Vgl. dazu 1 Hen 751; 80; 1812-16. 2) Vgl. Origenes, contra Celsum VI, 22; übersetzt von P. Koetschau in der
"Bibliothek der Kirchenväter", hrsg. von O. Bardenhewer, K. Weymann, J. Zellinger, Bd.53 (Origenes Bd.3). Bietenhard, Himmlische Wel t
2
18 eignen sie dem Kronos (= Saturn) zu und bezeugen durch das Blei die Langsamkeit dieses Sternes; das zweite der Aphrodite (= Venus), indem sie mit ihr den Glanz und die Weichheit des Zinns vergleichen; das dritte, das eine eherne Schwelle hat und fest ist, dem Zeus (= J uppiter); das vierte dem Hermes (= Merkur), denn beide, sagen sie, Hermes und das Eisen, sind ausdauernd in allen Arbeiten, schaffen Gewinn und können vieles ertragen; das fünfte, das wegen der Metallmischung ungleich und buntfarbig ist, dem Ares ( = Mars) ; das sechste das von Silber, dem Mond; das siebente, das von Gold, der Sonne, wobei sie ihre Farben nachbilden." Diese "Leiter", welche in den Mithräen aufgestellt war, erinnerte die Adepten der Mithrasmysterien daran, daß ihre Seele nach dem Tode durch sieben Himmelssphären hinaufsteigen mußte, um in die oberste Sphäre der Fixsterne und damit ins Lichtreich des höchsten Gottes ZU gelangen. Tore führten von den einzelnen Himmelsstockwerken zu den nächsthöheren. An diesen Toren standen Engel des Ahura Mazda als Wächter. Der Myste kannte nun, weil er "eingeweiht" war, das Stichwort, welches er jedem dieser Wächter geben mußte, damit er ihn in seine Sphäre hineinließ 1). Bei jeder Sphäre mußte die Seele ihre irdischen Eigenschaften und Fähigkeiten ablegen, so wie sie umgekehrt diese Qualitäten angenommen hatte, als sie aus ihrer vorweltlichen Existenz durch alle diese Sphären hinunter auf die Erde gestiegen war, um dort geboren zu werden. Beim Mond ließ sie die Lebens- und Erneuerungskraft, beim Merkur die Habgier, bei Venus die sexuelle Begierde, bei der Sonne den Intellekt, bei Mars den Kriegsrnut, bei Juppiter den Ehrgeiz, bei Saturn die Neigung zur Trägheit. So kam die Seele völlig befreit, "nackt", aller Erdenschwere ledig in den achten Himmel, in die reine Lichtwelt. Offenbar dienten die Mithras-Mysterien dazu, den Mysten mit den Geheimnissen dieses Seelenweges vor und nach dem Tode bekannt zu machen und ihn für alle Fährnisse zu feien 2). 1) Wir werden auch in der christlichen Tradition solche Vorstellungen kennenlernen, vgI. S. 217. 2) Vgl. dazu: Wilhelm Bousset, Himmelsreise der Seele, 1901 (in: Archiv für Religionswissenschaft IV), S. 237 f. Franz Cumont, Die Mysterien des Mithra, ein Beitrag zur Religionsgeschichte der römischen Kaiserzeit. Autorisierte deutsche Ausgabe von Georg Gehrich. 3. AufI. von Kurt Latte, 1923, S. 129 f. Walter Wili, Die römischen Sonnengottheiten und Mithra, 1944 (in: EranosJahrbuch 1943, Bd. X: Alte Sonnenkulte und die Lichtsymbolik in der Gnosis und im frühen Christentum, hrsg. von Olga Fröbe-Kapteyn), S. 125-168, speziell über Mithra S. 145-168.
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DER GESTIRNTE HIMMEL Kosmologisme Traditionen des Spätjudentums Die E n t f ern u n g des H i m m e 1 s g e w ö 1 b e s von der Erd 0 b e r f 1 ä c h e scheint in der spät jüdischen Spekulation nicht immer als sehr groß angenommen worden '?:u sein. Denn nach gr Bar 36 f. hatten die Leute von Babel ihren Turm 363 Ellen hoch gebaut und nahmen schon einen Bohrer mit, um zu sehen, aus welchem Material der Himmel bestehel). Die Zahl 363 in dieser Distanzangabe wird wohl auf die Zahl der Tage des Sonnenjahres anspielen. Bestimmte Angaben über die in Frage kommenden Entfernungen geben uns vor allem rabbinische Quellen. Nach bpesachim 94 ab (cf. auch jSchabbath 34 a) sagte Ra b ban J 0 c ha n a n b. Z a k kai, daß die Entfernung von der Erde zum Himmel so groß sei wie ein Weg von 500 Jahren 2). Ebenso groß sei die Dicke des Firmamentes. Die ") Auch in späterer Zeit hat man derartige Ansichten gehabt. Rabba bar bar Chana berichtet von Seefahrern, die ihm erzählt hätten, sie seien auf dem Meere gefahren, da habe sich eine Welle mit ihnen so hoch erhoben, daß sie den Aufenthaltsort des kleinsten Sterns sahen; dieser Stern sei so groß, daß man darauf 40 Kor Senfkörner streuen könne; wenn die Welle sie noch ein wenig weiter emporgehoben hätte, dann wären sie von der Hitze des Sterns verbrannt worden! (bBaba Bathra 73 a). 2) "Die Lebensjahre Abrahams waren 175, die Isaaks 180 und die Jakobs 147. Wenn du sie alle zusammenzählst, so gibt das 502 Jahre und so viele Jahre dauert eine Reise vom Himmel zur Erde ... " (Bemidbar r., par. 18 zu Num 1635); dasselbe Debarim r., par. 2 zu Deut 324; Bereschith r., par. 6 zu Gen 117). Bei diesen Angaben, daß von Himmel zu Himmel der Weg 500 Jahre betrage, und daß jede Himmelskuppel so dick sei, ist offenbar der "Wilon" nicht als Vorhang gewertet. - Eine Reise von der Erde bis in den 7. Himmel dauert demnach 7000 Jahre. Das ist dieselbe Zahl, die in der jüdischen und christlichen Spekulation die Dauer der ganzen Weltzeit von der Schöpfung bis zum Anbruch des neuen Aeon bezeichnet. Die D i m e n s ion end e r W e I tin Rau m und Z e i t e n t s p r e c h e n s ich. 2*
20 Entfernung zwischen den übrigen Himmeln und die Dicke jeder folgenden Himmelssphäre beträgt wiederum je eine Reise von 500 Jahl·en. Nach jBElrakoth 5 a entspricht die Zahl 500 der Summe der Lebensjahre der drei Erzväter Abraham, Isaak und Jakob. Offenbar hat man da für eine fremde Tradition einen Schrift grund gesucht und gefunden 1). Vielleicht steht dahinter letztlich der Gedanke, daß die drei Patriarchen kosmische Gestalten sind; oder, daß die Väter Israels in direkter Beziehung zum Universum stehen: seine Dimensionen spiegeln sich in der Zahl ihrer Erdenjahre. - Nach Ascens Jes 718 ist die Entfernllng zwischen, den einzelnen Himmeln so groß wie die von der Erde zum Himmel eider auch größer (728). Nun läßt sich aber gleich beim ersten Himmel - wie in bezug auf die Namen der Himmel - eine D i ver gen z z w i s ehe n den pseudepigraphen und den rabbinischen Nachr ich t e n fes t s tell e n. In bChagiga 12 b heißt es vom ersten Himmel (Wilon): "Der Wilon 2) dient zu nichts, sondern er tritt morgens an und tritt abends ab und erneuert an jedem Tag das Werk der Schöpfung, wie es heißt (Jes 40 22): ... der den Himmel ausbreitet wie einen Flor und ihn ausspannt wie ein Zelt zum Wohnen." Der Gedanke, daß die Schöpfung täglich erneuert werde, begegnet m. W. sonst im jüdischen Schrifttum nicht. Es könnte hinter diesem Ausspruch der tiefe Gedanke stehen, daß Gott seine Welt täglich neu schafft, sie in jedem Augenblick erhält. Wenn der Wilon am Morgen kommt und am Abend geht, dann ist er es, der tagsüber die Sterne verdeckt. Die Sterne sind ja fest in den Raqi'a eingefügt und würden auch am Tage sichtbar sein, wenn kein Vorhang 3) da wäre. Auch dreht sich der Himmel nach dieser Auffassung nicht, so daß die Sterne tagsüber verschwinden könnten infolge der Rotation (vgl. aber S. 331.). So muß aus beiden Gründen etwas da sein, das die Sterne am Tage verschwinden läßt; den Gedanken, daß es einfach das Sonnenlicht 1) Daß dieser Schriftgrund sehr künstlich ist, ergibt sich schon daraus, daß die beiden Zahlen nicht miteinander übereinstimmen, vgl. Anm. 2 S. 19. 2) Zur ganzen Vorstellung vgl. Robert Eisler, Weltenmantel und Himmelszelt. Religionsgeschichtliche Untersuchungen zur Urgeschichte des antiken Weltbildes, 1910, 2 Bde. E. findet im W i Ion die jüdische Form der weitverbreiteten Anschauung vom "k 0 s m i s ehe n Man tel", vom Himmel als einem g ö t t 1 ich enG e w a n d. 3) Nach dem "Midrasch der 10 Worte" hat der Wilon Fenster, durch welche die Dienstengel das Treiben der Menschen beobachten; erwähnt bei Meyer, Hellenistisches, 8. 52 9 •
21 sein könnte, hat man nicht konzipiert. Vielleicht ist die Vorstellung vom Himmel Wilon aus der Beobachtung des am frühen Morgen verschwindenden Erdschattens, der am Abend wieder aufsteigt, entstanden; dann wäre letztlich der Wilon doch ein Lichtsymbol. Im pseudepigraphen und christlichen Schrifttum ist diese Vorstellung vom Himmel Wilon nicht vorhanden. Gehen wir in der natürlichen Ordnung weiter, dann müssen wir zunächst die Anschauungen über die Gestirne mit ihren Gesetzen uns vergegenwärtigen. Die aus f ü h r I ich s t e B e s c h r e i b u n g des g e s t ir n t e n Hirn m eIs im spät jüdischen Schrifttum findet sich im astronomischen Buch des äthiopischen Henoch, 1 Hen 72-82. Auch diese Ausführungen, die recht "wissenschaftlich" anmuten, werden - wie alle andern Belehrungen über die Kosmologie in den Pseudepigraphen - als Offenbarungen von Geheimnissen verkündet. Die Fiktion, übernatürliches Wissen zu vermitteln, wird gerade auch hier aufrecht erhalten. Auch das, was nach uns ern Begriffen in das Gebiet der Naturkunde gehört, hat hier den Wert von Offenbarungswissen. So empfängt der Verfasser dieser Kapitel seine Belehrungen vom Erzengel Uriel (1 Hen 721). Das heißt offenbar, daß der Autor seinen Lesern etwas Neues und Ungewohntes zu sagen hat. Dem Mißtrauen, das sich diesen neuen Lehren gegenüber einstellen könnte, wird begegnet, indem die neue Kunde auf einen hohen Engel zurückgeführt wird. Sog e hör tau c h die Ast r 0 n 0 mi e zur Ver k ü n d i gun g cl e rAp 0 kaI y p t i k. Man könnte sagen, daß schon diese Art der Darbietung des Wissens keine günstigen Vorurteile weckt in bezug auf den Wert dieses Wissens. Geht man ins einzelne, dann wird dieses Mißtrauen bestätigt. Es soll hier zwar nicht schulmeisterlich von der Höhe moderner naturwissenschaftlicher Erkenntnis her der Stab über die Belehrungen "Henochs" gebrochen werden. Immerhin dürfte es interessant sein, einen kurzen Blick auf die w iss e n s c h a f t li c h e Hirn me I sb e t r ach tun g der G r i e c h e n jener Zeit zu werfen. Man sieht dann, was in jen erZ ei t faktisch möglich war, und was demgegenüber der Verfasser von 1 Hen 72-82 bietet. Die Griechen 1) E k p h a n tos und H i k eta s lehrten, daß der Wechsel von Tag und Nacht aus der Drehung der Erde um die eigene 1) Vgl. zum folgenden: A. Bertholet, Welt- und Himmelsbild im Zeitalter Christi, 1909 (in: Preußische Jahrbücher 137, 3).
22 Achse sich erklären lasse. Allgemein lehrten die Pythagoräer die Ku c geigest alt der Erde. Herakleides, der Schüler Platons, entdeckte, daß die Planeten Venus und Merkur sich um die Sonne drehen. Ar is ta r c h von Samos (um 270 v. Ohr.) stellte die Sonne in den Mittelpunkt des Weltalls. Begreiflich, daß man deswegen den kühnen Neuerer und Revolutionär verfolgte und vor Gericht stellte. Hatte er seine Lehre mehr philosophisch begründet, so brachte etwa 100 Jahre nach ihm der Astronom Sei e u k 0 saus Seleukia Beweise für die Theorie des Philosophen bei. Offenbar aber waren die Beweise nicht restlos überzeugend; denn der nächste große Astronom, Hip par c h, lenkte wieder zum geozentrischen Weltbild zurück. Die Erkenntnisse des Seleukos blieben verßchollen, bis Kopernikus sie wieder entdeckte. Pt 0 I e m a eu s (im 2. Jhd. n. Ohr.) gab dem antiken geozentrischen Weltbild die endgültige Fassung. - Hipparch hatte seinerzeit einen Fixsternkatalog verfaßt, hatte die Exzentrizität der Sonnenbahn berechnet, ferner berechnete er die Präzession der Sonne durch den Tier,kreis auf 36000 Jahre. Die richtige Zahl ist ca. 26000 Jahre. Gemi nos aus Rhodos behauptete, daß sich nicht alle Fixsterne in gleicher Entfernung von der Erde befinden, daß sie also nicht auf der Fixsternsphäre sind. Pos eid 0 ni 0 s , der stoische Philosoph, gab die Entfernung des Mondes von der Erde mit 26 1/ 5 Erddurchmessern an. Die wirkliche Zahl ist ca. 30 1 / 5 ! Derselbe sagte, die Entfernung von der Erde zur Sonne betrage 6550 Erddurchmesser; in Wirklichkeit sind es ca. 11 726. Man sieht aus alledem, daß das späte Griechentum schon zu beachtlichen Erkenntnisßen vorgestoßen war auf dem Gebiete der Astronomie. Es fehlten natürlich die mß,thematischen und technischen Hilfsmittel, um diesen tastenden Versuchen zu voller Sicherheit zu verhelfen, darum vermochte Ptolemaeus doch wieder durchzudringen. Kehren wir nach diesem Exkurs in die griechische Wissenschaft jener Zeit wieder zu den jüdischen Schriften zurück! Auch hier wird der Himmel mit seinen Erscheinungen beobachtet. Es wird jedoch, so weit wir sehen, wenig oder gar nicht gerechnet. Es fehlt den Beobachtungen gegenüber die kritische Prüfung und die mathematische Theorie. Demgemäß werden auch die Schlußfolgerungen aus den Beobachtungen sehr rasch und nß,iv gezogen. Nach dieser Naturbetrachtung ist der Himmel ein aus festem Stoff bestehendes Gewölbe über der Erde. Daran fahren Sonne, Mond und Sterne dahin. Sonne und Mond gehen jeden Tag im Osten auf und im Westen unter. Der Ver-
23 fasser von 1 Hen 72-82 1) hat sich offenbar die Frage gestellt, wie das zugeht. Wie gelangen Sonne und Mond immer wieder nach Osten, nachdem sie im Westen untergegangen sind? Er gibt darauf die Antwort, d. h. Uriel zeigt ihm den Sachverhalt auf einer Himmelsreise, daß im H i m me I s g e w ö I be Tor es i nd, durch die Sonne und Mond ein- und ausgehen. Er hat ferner beobachtet, daß die beiden Gestirne nicht immer an ein und demselben Punkt des Horizontes auf- und untergehen. Darum schließt er, daß sich im Osten und Westen am Rande der Erde je 6 Tore befinden. Durch das Osttor tritt die Sonne aus dem Himmel heraus, wandert dem Gewölbe des Himmels entlang und geht durch das entsprechende Tor im Westen wieder unter; denn jedem Tor im Osten entspricht genau ein Tor im Westen. Der Ausdruck "Sonnenuntergang" ist ungenau: die Sonne geht in den Himmel hinein. Während der Nacht kehrt die Sonne an der Nordseite innerhalb des Himmelsgewölbes wieder nach Osten zurück. Die 12 Tore entsprechen wohl den 12 babylonischen Tierkreiszeichen 2). Durch die Annahme, daß es verschiedene Tore am Himmel gibt, durch die die Sonne ein- und ausgeht, findet die verschiedene Länge der Tage ihre Erklärung. Im ersten Monat (Nisan) , dem Monat der Frühlingstagundnachtgleiche, geht die SonIle im 4. östlichen Tore auf und im 4. westlichen Tore unter. Dasselbe geschieht zur Herbsttagundnachtgleiche. Im April und Juli geht die Sonne durch die 5. Tore. Im Mai und Juni geht sie durch die 6. Tore. Durch die 3. Tore geht sie im Februar und September. Durch die 2. Tore im Januar und Oktober. Durch die 1. Tore im November und Dezember. Der einzelne Tag wird - wegen der 6 Tore! - in 18 Teile geteilt; je nachdem aber die Sonne durch das eine oder das andere Tor aufund untergeht, hat der Tag mehr oder weniger Teile. An den Tagen 1) Der Gedankengang des 73. Kapitels ist, wie auch Charles feststellt, ziemlich schwierig zu verfolgen. Offenbar wechselt der Mondmonat zwischen 29 und : 0 Tagen; denn in v. 7 heißt es, der Mond nehme während 15 Tagen zu. In 7413-16 scheint der Autor mit dem 8.Jahr-Zyklus der Griechen bekannt zu sein, so Beer bei Kautzsch Anm. z. St. und Charles. Dieses Kap. gibt übrigens den monatlichen Positionswechsel des Mondes im Hinblick auf die Sonne und die Sternbilder an. In 789 - verbunden mit 74 - findet Charles eine Beziehung auf den 76-Jahr-Zyklus des Kallipus, der den 19-Jahr-ZykluB des Meton verbesserte. Diesen zuletzt genannten Zyklus kannten schon die Babyionier. - In 1 Hen 784, wird auch ausdrücklich erklärt, daß der Mond sein Licht von der Sonne empfange. 2) Vgl. gr Bar 37; S. 14 dieser Arbeit.
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der Tag- und Nachtgleichen beträgt das Verhältnis von Tag und Nacht 9: 9; zur Zeit des längsten Tages ist das Verhältnis von Tag und Nacht 12: 6 usw. (1 Hen 72 1-34). S 0 n ne, Mon dun d S t ern e s in d run d e K ö r per. "Die Sonne ist mit leuchtendem und warmem Feuer erfüllt" (1 Hen 724). Die Sonne fährt, wie bei den Babyioniern Schamasch und bei den Griechen Helios, in einem Wagen am Himmel dahin, der nach 1 Hen 732 durch Winde getrieben wird. Nach 1 Hen 732 fährt auch der Mond in einem solchen Wagen, und nach 758 auch die Sterne. Der Mon d geht durch dieselben Tore auf und unter wie die Sonne, ebenso auch die Sterne (1 Hen 723). Seine P h ase n werden daraus erklärt, daß ihm Lichtteile zugelegt und wieder weggenommen werden. Im ganzen sind es 14 Lichtteile. Bei der Zu- und Abnahme wird ihm täglich 1/14 der ganzen Lichtmenge, die er hat, zugelegt oder weggenommen (1 Hen 73) 1). In 1 Hen 7410-17 wird der Unterschied zwischen Sonnen- und Mondjahr erläutert. Der Autor kennt ein Sonnenjahr von 364 Tagen, d. h. von 52 Wochen. Nach 1 Hen 7815 beträgt das Mondj ahr 354 Tage. Das S 0 n n e n j a h r hat 12 Monate zu je 30 Tagen, zu denen noch 4 Schalttage kommen. Diese Tage stehen unter den Führern der Chiliarchen ; denn das Sternenheer ist wie eine irdische Armee gegliedert, und die Abteilungen sind ChiIiarchen usw. unterstellt. Mißachtung der 4 Schalttage führt zu falscher Zeitrech~ nung (1 Hen 751 f.). Der Autor beobachtet ferner, daß die Sonne im Verlaufe des Jahres nicht immer dieselbe Wärme spendet; das kommt daher, daß in der Sonnenkugel 12 Öffnungen sind, von denen je nach Jahreszeit mehr oder weniger geöffnet werden (1 Hen 754). Abgesehen von den Sonnentoren gibt es im Himmel noch 12 weitere Tore, je 3 in jeder der 4 Himmelsgegenden (1 Hen 76). Das sind die Öffnungen, aus denen die W i n d e wehen. Durch 4 Tore wehen Winde des Heils und des Segens, durch 8 dagegen Winde der Plagen. Der O-S-O-Wind bringt Trockenheit und Hitze; der O-N-O-Wind bringt Regen, Fruchtbarkeit, Glück und Tau; durch das 3. (= nördliche) Osttor kommt Kälte und Trockenheit; der S-O-S-Wind bringt Hitze; der S-Wind bringt Wohlgerüche, Tau, Regen, Glück und Leben; der S-W-S-Wind bringt Tau, Regen, Heuschrecken und Verheerung gleich wie der N-O-N-Wind; aus dem mittleren Nordtor kommt der Wind mit Regen, Tau, Leben und Glück; der N-W-N-Wind bringt 1) Vgl. Beer bei Kautzseh, Anm. z. St. Bertholet. a. a. 0., S.420. Charles, Anm. zu 1 Hen 72 2.
25 Nebel, Reif, Schnee, Tau und Heuschrecken; der W-N-W-Wind bringt Tau, Regen, Reif, Kälte, Schnee und Frost; das mittlere Westtor entläßt einen Wind mit Wohlgedeihen, Tau, Regen und Segen; der W- und der W-S- W-Wind bringen Trockenheit, Verheerung, Brand und Verderben. Diese Kapitel des 1 Hen bieten wohl das Wissenschaftlichste und Genaueste, das wir an astronomischen Belehrungen aus dem Spätjudentum kennen. Begreiflich, daß der Verfasser auf seine Kenntnisse stolz ist und dem Stolz Ausdruck gibt. Immerhin rühmt er sich nicht direkt, sondern läßt den Erl';engel Uriel zu sich sagen: "Siehe, ich habe dir alles gezeigt, Henoch, und dir alles enthüllt, damit du es sehen möchtest: diese Sonne, diesen Mond, die Führer der Sterne des Himmels; alle die, welche sie drehen, ihre Beschäftigung, ihre Zeiten und Ausgänge" (1 Hen 801). Es folgt darauf eine ethische Mahnung: in den Tagen der Sünder werden die Tage verkürzt werden, Saat und Ernte werden verzögert, der Regen bleibt aus, die Gestirne verlassen ihre Bahn und Ordnung, die ganze Ordnung der Natur kommt ins Wanken, die Menschen werden die Sterne für Götter halten (1 Hen 802-8). Zum Abschluß der astronomischen Belehrungen bringt der Verfasser noch die Namen der Chiliarchen und Taxiarchen der Sternenheere (1 Hen 82 10-20). W iss e n s c h a f t I ich e E r k e n n t nisse, Phantasie und Mythologie verschlingen sie h h i erz u ein e m w und e r I ich enG a n zen. Die S t ern e s i n d, wenn nicht selbst Engel, so doch Eng eIn u n t e r s tell t und in Formationen geordnet wie ein Kriegsheer . Jahve ist ja auch im AT "Jahve Qebaoth", der Herr der himmlischen Heere, unter denen wohl ursprünglich die Sternenheere zu verstehen sind und die sie repräsentierenden Engel oder Geister 1). "Oberste und Herrscher der Ordnungen der Sterne" 2) kennt auch der 2 Hen. Vor allem werden dem Seher 200 Engel gezeigt, die Macht über die Sterne und die "Kompositionen der Himmel haben" (2 Hen 4). Diese Engel fliegen mit ihren Flügeln "und umgehen alle Umherirrenden", d. h. die Planeten. Auch der Verfasser der Bi 1 der red end e s 1 He n (1 Hen B) bietet astronomische und meteorologische Belehrungen: "Danach sah ich alle Geheimnisse der Himmel und wie das Reich verteilt wird 1) Vgl. W. Eichrodt, Theologie des AT, Bd. II, 1935, S.104. 2) CharIes, 2 Hen, S. XXXVI, vermutet, es seien ihrer 12, entsprechend den babylonischen Tierkreiszeichen; er verweist auch auf die 24 Ältesten in Apk 44.
26 und wie die Handlungen der Menschen auf der Waage gewogen werden" (1 Hen 411). Aus Kammern im Himmel werden Blitz und Donner, Hagel, Winde, Wolken, Nebel und Tau über die Erde verteilt 1). Wahrscheinlich besorgen dies Engel. Dort ist auch die Wolke zu sehen, die seit Urzeit über der Erde lagert (1 Hen 41 3f.). Auch Sonne und Mond haben ihre Kammern, aus denen sie hervorgehen, und in die sie zurückkehren (1 Hen 411-5). Sonne und Mond stehen einander gegenüber vor Gott; sie werden wohl als persönliche Wesen gedacht; denn es wird von ihnen ~er schöne Satz geprägt: "Sie danken und loben unaufhörlich; denn für sie bedeutet ihr Danken Ruhe" (1 Hen 41 7). Die Bahn der Sonne bringt Segen und Fluch; so auch die Bahn des Mondes: für die Gerechten bringt seine Bahn Licht, für die Sünder Finsternis. So werden K 0 s molo g i e und Par ä n e sem i t ein a n der ver b und e n. Die Sterne rufen bei ihrem Umlauf Blitze hervor (1 Hen 43 H.). Die Sterne haben aber auch eine sinnbildliche Bedeutung: sie sind die 1) Schon in Hiob 3822.34 H. ist die Rede von Speichern des Schnees und des Hagels; nach Hiob 3839 H. haben Licht und Finsternis Wohnungen. 2 Hen 5 f. verlegt die Schatzkammern des Schnees, des Eises, der Wolken und des "Taus wie Olivenöl" in den 1. Himmel. Über alle Schatzkammern sind Engel gesetzt, die viel lieblicher aussehen als alle Blumen der Erde. Eine ähnliche Vorstellung scheint in 1 Hen 33-36 vorzuliegen: aus den 3 nördlichen Himmelstoren wehen Nordwinde, Kälte, Hagel, Reif, Schnee, Tau und Regen. Aus einem Tor wehen sie als gute, aus den andern als verderbliche Mächte (1 Hen 34). Aus den 3 Toren im Süden dea Himmels kommen Südwinde, Tau und Regen (1 Hen 361). Im Talmud, bChagiga 12 b, heißt es, daß die Schatzkammern des Schnees, des Hagels, die Söller der bösen Taue und der Söller der Wasserteiche, das Gemach des Sturmwindes und die Höhle des Nebels, deren Türen aus Feuer bestehen, sich im 6. Himmel befinden. Wir sehen, daß es zu den Auf gab end e s Apo kaI y p t i k e r s und des R a b b i gehörte, übe r die Her k u n f t der met e 0 r 0 log i sc h e n Er s c h ein u n gen Aus k u n f t zu geben. Vgl. 2 Hen 408 f. (A): "Und die Wohnungen der Wolken und ihre Gesetze und ihre Flügel und wie sie Regen bringen und Regentropfen habe ich alle erforscht. Ich habe aufgeschrieben das Getöse des Donners und das Wunder des Blitzes. Und man hat mir gezeigt ihre Schlüssel und ihre Bewahrer und ihren Aufgang, wohin sie gehen. In ein Maß werden sie mit einer Kette emporgehoben und mit einer Kette herabgelassen, damit sie nicht durch eine schwere Krankheit und Wut Wollren des Zornes herabwerfen und verderben alles auf der Erde. Ich habe aufgeschrieben die Schatzhäuser des Schnees und die Behältnisse des Eises und die frostigen Lüfte und habe beobachtet ihre Zeiten, wie ihre Schlüsselinhaber mit ihnen die Wofren anfüllen und nicht erschöpfen ihre Schatzhäuser. Ich habe aufgeschrieben die Lager der Winde und habe beobachtet und gesehen, wie ihre Schließer
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Namen der Heiligen, der Gläubigen auf Erden (1 Hen 434). In 1 Hen 44 wird gelehrt, daß die Blitze aus Sternen entstehen. Das Feuer der Sterne stammt aus einem Feuer, das am Ende der Erde lodert, rastlos hin- und herläuft und so alle Sterne mit Feuer und Licht versorgt (1 Hen 23). Die Naturkräfte Blitz und Donner stehen im Dienste Gottes und wirken je nach seinem Befehl Segen oder Fluch (1 Hen 59). Nach dem 2 He n (Kap. 11) ist es der 4. Himmel, an dem sich die Gestirne befinden. Der. Seher erhält hier auf seiner Himmelsreise Aufschluß über die Läufe und Gänge von Sonne und Mond. Er berichtet, daß das Licht der Sonne 7mal größer sei als das des Mondes. Die Sonne fährt auf einem Wagen dahin, wobei sie rechts und links von 4 großen Sternen begleitet wird. Diese Sterne wiederum sind die Kommandanten von je 1000 andern Sternen. So wird die Sonne auf ihrer Bahn von 8000 Sternen begleitet. Dazu kommen aber noch 15 Myriaden Engel, die die Sonne des Tags führen, und 1000 Engel, die sie des Nachts geleiten. Jeder dieser Engel hat 6 Flügel wie die Seraphim von Jes 62. Weitere 100 Engel geben der Sonne Feuer. Hier begegnen im weiteren mythische Tiere als Begleiter der Sonne Phönix und Chalkedrius 1). Es sind Chimären mit der Ge,; stalt eines Löwen, dem Schwanz, den Füßen und dem Kopf eines Krokodils; ihre Farbe ist purpurn wie die des Regenbogens; ihre Größe beträgt 900 Maß. Sie haben 12 Flügel wie EngelflügeI, die den Sonnenwagen durch ihre Bewegungen treiben und Tau und Hitze auf die Erde tragen (2 Hen 12). Im Osten und im Westen befinden sich je 12 Tore, durch die die Sonne je nach dem Monat auf- und untergeht. Hier steht auch die - in diesem phantastischen Zusammenhang überraschend genaue Angabe, daß der ganze J a h res lau f der S 0 n n e 3 6 5 % Tag e beträgt (2 Hen 13). Wenn die Sonne im Westen untergegangen ist, dann nehmen ihr 4 (nach Rez. A 400) Engel ihre Krone ab und bringen tragen Waagen und Maße, und zuerst zwar legen sie in die Waagen hinein, zuzweit aber in Maße, und mit dem Maß lassen sie heraus kunstvoll auf die ganze Erde, damit sie nicht durch schweres Schnauben die Erde schwanken machen." Zur Vorstellung von den Toren im Himmel vgl. Th W III, S. 176 f., .Art. {}vea von Joachim Jeremias. 1) Diese Wesen begegnen auch in 1 Hen 207. Charlcs, 2 Hen, .Anm. z. St. erklärt den Namen als xaAuVÖeW = Erzhydras, Erzschlangen. Nach ihm wären sie eine Klasse von Seraphen, vgl. Jes 62. G; 1429; 306; Num 21 G• .Als Eng e 1k 1 ass e begegnen diese ursprÜ):lglichen Feuerschlangen zuerst in l' Hen 61 10 . .Auf iranische Parallelen verweist Bousset-Greßmann, S. 498.
28 sie zu Gott. Dann wendet die Sonne den Wagen und zieht ohne Licht nach Osten zurück; da wird ihr dann in der 8. Stunde der Nacht die Krone wieder aufgesetzt. Bei Sonnenaufgang stimmen die Phönixe und Chalkedren einen Lobgesang an (2 Hen 15 H. A). Von den 24 Himmelstoren heißt es, Gott habe sie geschaffen "zur Zeitbestimmung und Zählung nach Sonnenjahren" (2 Hen 15 4). Durch das 1., 2., 5., 6., 8., 9., 11. Tor geht die Sonne je 31 Tage, durch das zwölfte Tor 28 Tage und durch die übrigen je 30 Tage (2 fIen 16 2 f. A) 1. In 2 Hen 154 wird ein Sonnenzyklus von 28 Jahren angegeben, den die Sonne in immer gleicher Weise durchläuft. Verwirrlieh ist die Angabe in 2 Hen 16 6, nach der das Jahr nach dem Monde berechnet wird. Auch der Mond fährt auf einem Wagen, der von sechsflügeligen Geistern gezogen wird (2 Hen 167). Es kommt in diesen Angaben über Sonnen- und Mondjahre eine i n n er e S pan nun g im d a mal i gen J u d e nt um z um Aus d r u c k. Die beiden älteren Henochbücher sind offensichtlich an der Zeitrechnung auf Grund des Sonnenjahres interessiert, obschon sie auch die Dauer des Mondjahres angeben. Das Rabbinl1t von Jerusalem berechnete aber das Jahr nach dem Mondlauf. Allerdings war auch bei den Rabbinen die Kenntnis des Sonnenjahres erforderlich; denn bei der Rechnung nach dem Mond müssen regelmäßige Schaltmonate eingeführt werden, damit die Feste an ihrem Ort im Jahreslauf bleiben, und damit die Jahres7:eiten einigermaßen mit dem Stand der Sonne übereinstimmen. Einfacher wäre es gewessen, ohne weiteres nach dem Sonnenjahr zu rechnen, aber das wollte man in Jerusalem und später an den andern Zentren der Schriftgelehrsamkeit nicht. Kalenderberechnung nach der Sonne wurde wohl als heidnischer Brauch angesehen. "Darum hat Gott den Israeliten das Geheimnis der Mondberechnung überliefert, daß sie nämlich nach dem Monde zählen, während die Völker nach der Sonne zählen, um damit anzudeuten, wie die Sonne nur am Tage scheint, so herrschen sie auch nur in dieser Welt, und wie die Sonne ein Feuer ist, so werden sie auch einst mit Feuer gerichtet werden ... und wie der Mond am 1) Im Text steht zwar, der Mond gehe durch diese Tore. Doch ist Charles, 2 Hen, Anm. z. St. Recht zu geben, daß hier die Tage des Sonnenjahres aufgezählt werden. Man muß hier konjizieren und den Mond durch die Sonne ersetzen. In 164 (A) wird '/, Tag nachgetragen. In 165 wird die Dauer des Mondjahres mit 354 Tagen angegeben. Jedes 4. Sonnenjahr ist ein Schaltjahr, in dem die 'I, Tage zu einem ganzen Tag zusammengezogen werden.
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Tage und in der Nacht sichtbar ist, so herrscht auch Israel in dieser und in der künftigen Welt, und wie der Mond Licht ist, so verbreiten auch die Israeliten Licht .. ." 1). Es kam im 2. Jhd. zwischen den Lehrern Palästinas und R. 0 h a na n j a in Babylonien zu ernsten Differen;?ien, weil dieser angefangen hatte, selbst einen Kalender auf;?iustellen und die Feste zu bestimmen. Es drohte damit eine Spaltung nicht nur in der Lehre und Überlieferung, sondern im Volke überhaupt. Die Palästinenser machten damals aUe Anstrengungen, um die BabyIonier wieder unter ihre Botmäßigkeit zu bringen und die drohende Spaltung zu verhindern (bBerakoth 63 ab). Ausdrücklich bekämpft das Buch der Jubiläen 2) die Berechnung des Jahres nach dem Mond und setzt sich für das Sonnenjahr ein (Jub 630-38). Mehrfach wird da eingeschärft, daß die Israeliten das Jahr von 52 Wochen halten sollten, daß ein volles Jahr 364 Tage umfasse; denn so sei es "auf den himmlischen Tafeln" geschrieben. Wenn sie das nicht täten, dann würden sie die Jahreszeiten verwirren und die Jahre in Unordnung bringen. Ausdrücklich heißt es da, daß es Leute gebe, welche den Mond beobachten, daß dieser aber die Jahreszeiten verwirre, da er von Jahr ;?iU Jahr 10 Tage vorgehe. Mose wird darauf hingewiesen, daß die Israeliten später, nach seinem Tode, in der Kalenderberechnung Verwirrung anrichten würden. Schon Jub 421 heißt es, daß dem Henoch die Herrschaft der Sonne gezeigt worden sei. Wir haben hier wohl einen Grund mehr dafür, weshalb am Ende des 1. Jhds. n. Ohr. solche Schriften wie die Jubiläen und die Henochbücher nicht kanonisch wurden: 8ie widersprachen der Autorität der Rabbinen, deren Macht zu einem guten Teil im Recht der Kalenderfestsetzung bestand; ferner befürworteten diese Schriften das "heidnische" Sonnenjahr. Für den g r Bar b e f i n den s ich die G e s t i r n e a m 3. H i m m e 1. "Baruch" sieht die Sonne sich erheben. Sie fährt in einem vierräderigen Wagen, unter dem Feuer lodert. Im Wagen sitz~ ein Mann, der eine Feuerkrone trägt 3). Diese Krone muß täglich im Himmel er') Schemoth r., par. 15 zu Ex 1212. 2) Vgl. A. Schlatter, Geschichte Israels von Alexander dem Großen bis Ha-
drian 3, 1925, S. 318. 3) Die Vorstellung ist wohl griechischen Ursprungs, vgl. das Zitat aus einem Papyrus bei A. Dieterich, Abraxas. Studien zur Religionsgeschichte des späteren Altertums, 1891, S. 49 f.: (J1jJU {}sov vsdn:s(!ov sveu'Hj :ltv(!tVOT(!tXa' sv XtTW1Jt ASV11: 0 11:at r)aflvi'it 11:011:11:{vu l X 0 V T a :It v (! t V 0 V (] T erp a v 0 v •
30 neuert werden, da sie selbst und ihre Strahlen durch die Unreinheit auf der Erde beschmutzt werden: I r dis ehe s wir k tau f H i m m 1 i s ehe s zurück!)! Vor der Sonne läuft auf ihrer Bahn ein 9 Ellen großer Vogel dahin, der sich im Kreis bewegt. Es ist der Vogel P h ö nix, der "Wächter der Erde". Er heißt so, weil er, vor der Sonne herlaufend, mit seinen ausgebreiteten Flügeln die verderblichen, todbringenden Sonnenstrahlen auffängt, so daß sie nur gedämpft zur Erde niederfallen (66; 87). Mit ungeheuer großen Goldbuchstaben ist auf seinen rechten Flügel geschrieben: "Mich bringt die Erde nicht hervor und nicht der Himmel, mich schaffen nur die Feuerflügel" (6 8). Damit wird wohl auf die Entstehung des Phönix aus der eigenen Asche im Zyklus von 500 Jahren angespielt. Der Phönix, so wird hier erzählt, nährt sich vom Manna des Himmels und vom Tau der Erde. Dieser Tau starnmt übrigens (1010) aus dem Teich, der in der Ebene des 4. Himmels sich befindet. Aus den Exkrementen des Phönix entsteht ein Wurm und aus diesem wiederum der Zimt. Nach gr Bar 614 ist es der Phönix selber, der der Erde das Licht spendet. Diese Ansicht steht unausgeglichen neben der andern, die in 613 ausgesprochen wird, daß durch das Öffnen der 365 (!) Himmelstore am Morgen das Licht von der Finsternis geschiedm werde. Das L ich tau f der Erd e s t a m m t als 0 aus dem H i m me 1, der Welt des Lichtes. Der Phönix erhält durch lauten Zuruf (von wem?) den Befehl, der Welt das Licht zu spenden. Seine Flügel beginnen zu rauschen, und dieses Rauschen weckt die Hähne auf der Erde, so daß sie zu krähen beginnen. Der Hahn ist also hier ein Sonnentier wie in anderen Religionen auch 2). Wir sahen, daß die Strahlen der Sonne und die Sonne selbst am Abend erneuert werden müssen. Aber auch am Phönix geht der Tageshtuf nicht spurlos vorbei; die verderblichen Strahlen der Sonne, die er auffangen muß, zehren an seiner Kraft, so daß er am Abend ganz ermattet ist und die Flügel einzieht (8 2. 6 f.). Am 3. Himmel befindet sich nach dem gr Bar auch der Mond, der 1) Gleiches sagt die griechische Anschauung, nach der Sonne und Mond die Menschen beaufsichtigen; vgl. L. Radermacher, Das Jenseits im Mythus der Hellenen, 1903, S. 26 f. 2) Hier und im My t h u s vom P h ö nix liegen g r i e chi s c h e Einf I ü s s e vor. Wahrscheinlich gehen die Traditionen vom Phönix durcheinander mit solchen über die himmlischen Hähne als Sonnentiere; so Hughes bei Charles Bd. II, S. 537, Komm. z. St., wo auch religionsgeschichtliche Parallelen zur Phönixvorstellung gegeben werden.
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in einem von Rindern, Lämmern und Engeln (die "Schäfchenwolken"?) gezogenen Wagen einherfährt. Hat die Sonne männliche Gestalt, so der Mond weibliche (93). Die Mon d p h ase n wer den als S t r a fee r k I ä r t , die den Mond dafür getroffen habe, daß er sich beim Sündenfall Adams nicht versteckte; eben deshalb drückte Gott den Mond zusammen und verkürzte seine Tage (97) 1). - Die Tatsache, daß man den Mond und die Sterne am Tage nicht sehen kann, wird mit einem Gleichnis erklärt: wie angesichts des Königs die Hofleute ihre Meinung nicht offen äußern dürfen, so können auch Mond und Sterne nicht vor der Sonne glänzen, "und von der Sonnenhitze wird der Mond verzehrt, auch wenn er unverletzt bleibt" (98). Ich muß hier gestehen, daß es mir nicht ganz klar geworden ist, wie der Verfasser des gr Bar es sich vorgestellt hat - wie übrigens auch die andern Schriften -, daß die Gestirne auf die Erde scheinen, trotzdem sie sich am 3. Himmel befinden. Die Himmel sind doch kompakte Schalen, die übereinander gelegt sind, und in denen sich allerlei befindet. Wie kommt es dann, daß wir die Gestirne trotzdem sehen? Sind die Himmel als durchsichtige Sphären zu denken? Aber davon steht jeweils nichts im Text. Vielleicht aber ist mit dieser Frage der Apokalyptiker überfordert. Diese Frage haben sich allerdings einige Rabbinen gestellt. "Nach R. Je h ud a beträgt die Dicke des Raqi'a einen Weg von 50 Jahren, und da ein Mensch von mittleren Kräften in einem Tage 40 Mil und, bis die Sonne durch die Veste bricht, 4 Mil weit gehen kann, so folgt daraus, daß die Zeit des Durchbruchs durch die Veste den zehnten Teil von einem Tag beträgt. Wie dick aber die Veste ist, so dick ist auch die Erde und der Abgrund (Thehom)" (jBerakoth 4 b). Wir treffen hier einmal eine andere Tradition über die Dicke des Raqi'a: nur eine Reise von 50 Jahren statt der verbreiteten Tradition von 500 Jahren 2). Dann zeigt sich hier, daß die Sonne durch den Raqi'a hin1) Dazu sagt der slavische Text (zitiert bei Rießler, S. 1270): "Als die Schlange den Adam und die Eva verführte ... wurden die Engel und die Kräfte erschüttert. Der Mond aber lachte. Deshalb ... verdunkelte Gott sein Licht, ... von Anfang an war es nicht so; er war leuchtender als die Sonne und hatte die Dauer eines Tages." Der Mond war also einst das herrschende Gestirn. Spiegelt sich in diesem Mythus der Übergang von einer Mond-Mutterreligion zu einer SonneVaterreligion wieder? Der Mond hat hier ja weibliche Gestalt, und sein Wagen wird von Tieren - Rindern und Lämmern - gezogen. Das alles scheint darauf hinzuweisen, daß sich hier eine Mondgöttin verbirgt. 2) Wie uneinheitlich die Traditionen über die Dicke der Himmelskuppel wa-
32 durchbrechen muß, um in die Welt zu scheinen; offenbar ist gemeint, daß die Morgendämmerung den.Beginn dieses Durchbrechens anzeigt. Ferne:r geht aus der Stelle hervor, daß die Sonne mit ganz gewaltiger Geschwindigkeit durch den Raqi'a bricht, wenn sie den Weg von 50 Jahren im zehnten Teil eines Tages zurückzulegen vermag. In der pesiqtha des Kahana lPisqa 29) heißt es dagegen, daß die Sonne einen Weg von 1500 Jahren machen müsse, damit ihre Strahlen den Geschöpfen nicht mehr schaden können. Wie wir eben .sahen, befinden sich die G e s t i r n e n ach den Zeugnissen des rabbinischen Schrifttums am 2. H i m me 1, am Raqi'a (bChagiga 12 b; pesiqtha Kahana [Pisqa 29]). Die Z a h 1 der S t ern e wird in bBerakoth 32 b als ungeheuer groß angegeben: es soll insgesamt 12 .305• 365000 .104 Sterne geben, das ist eine Zahl, die in die Trillionen geht 1). Diese Sterne sind in 12 Sternbilder, dann in Abteilungen und Unterabteilungen gegliedert wie eine Armee. Alle diese S t ern e hat G 0 t t u m I s r a eis will e n er s c h a f fe n. Ähnlich wird in Schemoth r. (par. 15 zu Ex 121) Israel, das Zwölfstämmevolk, mit den 12 Tierkreisbildern in Zusammenhang gebracht. Es wird sich auch hier die Lehre vom Parallelismus zwischen Himmel und Erde geltend machen; vielleicht soll durch diese Betrachtung aber auch Israel zu einer himmlischen oder kosmischen Größe gemacht werden. Auch die Amoräerzeit hat die G e s t ir neo f tal sie ben d e Wes e n betrachtet. Nach R. L e v i weigern sich Sonne und Mond jeden Tag, in der Welt ZU leuchten, da die Geschöpfe sich über sie beklagen. Darum muß Gott täglich über sie zu Gericht sitzen und sie zum Dienst zwingen (Wajjiqra r., par. 31 zu Lev 242). Etwas freundlicher lautet die an derselben Stelle mitgeteilte Ansicht R a b s , daß ren, zeigt die Nachricht in jBerakoth 5 a: Da sagt R. Jehoschu'a, die Veste habe eine Dicke von zwei Fingern; R. Acha beruft sich auf R. Chanina und sagt mit Bezug auf Hiob 3718, sie sei nur so dick wie ein Blech. Trotzdem, sagt er, sei sie solid; denn sie sei wie ein gegossener Spiegel. Auch andere Rabbinen betonen an dieser Stelle die Festigkeit und Dauerhaftigkeit des Raqi'a. 1) E. Bischoff, Babylonisch.Astrales im Weltbild des Talmud und Midrasch, 1907, 8. 43 1 und S. 44 1 vergleicht damit den Sternkatalog Hipparehs (t 125 v. Chr.), der in 49 Sternbildern 1022 Sterne zählte. Der Unterschied liegt darin, daß Hipparch einen wissenschaftlichen Katalog gab, während der Rabbi zu Ehren seines Schöpfers und Israels hemmungslos phantasierte. Man kann da nicht wohl einen gegen den andern ausspielen; denn die Interessen sind allzu verschiedenartig.
33 Sonne und Mond vor Gott treten und ihn um die Erlaubnis bitten, in die Welt hinaus gehen und leuchten zu dürfen. Sie werden aber von der göttlichen Herrlichkeit geblendet, und Gott muß ihnen mit feurigen Pfeilen den Weg weisen. Ob Rab damit gewisse Strahlenerscheinungen kurz vor Sonnenaufgang erklären wollte? Ganz merkwürdig ist der dem R. N a t h an zugeschriebene Gedanke, daß die Sonne sich (nach Ps 195) in einem Futteral befinde, und daß sie täglich von Gott im Wasser gekühlt werde. Beim Endgericht ,,·;erde beides wegfallen, so daß die Sonne dann die Frevler verbrennen werde; sie würde eben die Menschen schon jetzt schädigen, wenn sie kein Futteral und keine Wasserkühlung hätte! (Qohelet r., zu Pred 1 5). Endlich wird in bBaba Bathra 84 a auch erklärt, weshalb die Sonne am Morgen und am Abend rot ist: am Morgen, weil sie da beim Paradies vorbeigeht und den Schimmer der Rosen reflektiert, die dort stehen, am Abend aber geht sie am Gehinnom vorbei, und die Flammen dort lassen sie rot aufstrahlen. Die Sonne macht übrigens bei ihrem Gang am Himmel ein starkes Geräusch, das man hören könnte, wenn in der Stadt kein so großes Getümmel wäre, und umgekehrt würde man das Getümmel der Stadt hören, wenn das Geräusch der Sonne nicht wäre (b J oma 20 b). Die Sünde der ersten Menschen bewirkte eine Veränderung auch in der periodischen Umlaufzeit der Gestirne: bevor Adam sündigte, liefen die Gestirne auf kurzen Bahnen schnell um die Welt, nachher aber verlangsamte Gott ihre Bahn. Die Sonne braucht für ihren Umlauf 1 Jahr, der Mond 30 Tage, der Juppiter 12 Jahre, der Saturn 30 Jahre, Venus und Mars haben eine Umlaufzeit von 480 Jahren (Bereschith r., par. 10, zu Gen 2 1). Mehr griechischer Kosmologie - allerdings nicht derjenigen der Neuerer Aristarch und Seleukos! - wird es entsprechen, wenn R a b ban Ga mal i eIl 1. einem Leugner sagt, daß der H i m m el mit den S tel' n e n sie h d reh e; daß es also etwas Großes sei, wenn von Gott in Ps 1474 gesagt werde, daß er die Sterne zähle. Der Leugner ist ja nicht einmal imstande, die Quitten in einem sich drehenden Sieb zu zählen (bSanhedrin 39 a). Eine ähnliche Ansicht vertrat ein babylonischer Amoräermit Namen R a b b a bar bar eh a n a, den man als den Münchhausen des Talmuds bezeichnen könnte. Er berichtet, daß ihn ein Tajjite (Araber) mit sich an das Ende der Welt genommen habe. Rabba stellte seinen Brotkorb in die Luke des Himmels und betete. Als er sein Gebet gesprochen hatte, war der BrotBiBtenhard, Himmlisc hB IV BIt
34 korb verschwunden. Rabba befürchtete schon Diebstahl, aber der Tajjite erklärte ihm, daß die Himmelssphäre rotiere; wenn er 24 Stunden warte, werde er wieder zu seinem Eigentum kommen (bBaba Bathra 74a). Philo von Alexandrien deutet in deCherubim 21-25 das "zuckende Schwert" (eig. "das sich drehende oder wälzende Schwert) von Gen 3 24 auf die Drehung der Himmelssphären. Die Fixsternsphäre schwingt rechts herum, die Planeten aber nach links. Im ganzen zählt Philo 8 Sphären: die 7 Planetensphären und die Fixsternsphäre. Die Planeten haben nach ihm eine doppelte Bewegung: wie die Fixsternsphäre drehen sie sich täglich von Osten nach Westen, daneben aber haben sie noch eine Eigenbewegung von Westen nach Osten. Die Planeten sind in ihren Sphären dem Wagenlenker in seinem Wagen zu vergleichen, mit dem Unterschied allerdings, daß Gott selbst die Zügel in der Hand behält. Daneben aber kennt Philo noch 7 andere Kreise am Himmel: den nördlichen und den südlichen Polarkreis, den Frühjahrs- und Herbstwendekreis, den Äquator, den Tierkreis und die Milchstraße (de opificio mundi 111 f.). Die Griechen, denen Philo hier folgt, haben aber diese Sphären nur als gedachte, ideelle Kugeln aufgefaßt. Wenn der jüdische Apokalyptiker in das Innere des Himmels gelangen will, dann muß er Tore durchschreiten, die sich im Himmelsgewölbe befinden. Sie werden zwar nicht immer erwähnt, wie z. B. im 2 Hen, sind in diesem Fall aber doch als vorhanden zu denken. In gr Bar 2 1 wird der Seher an den Ort geführt, "wo der Himmel sitzt und wo ein Fluß dahinfließt" . Kein Mensch vermag diesen Strom -- es ist der Ok€anos der babylonischen und griechischen Kosmologie - zu durchschreiten. An diesem Ort herrscht völlige Windstille. Ein riesiges Tor tut sich auf als Eingang in den ersten Himmel. Diese Himmelspforte ist so dick wie der Abstand von der Erde zum Himmel. Der Seher durchschreitet jedes der Himmelsgewölbe durch ein Tor, genau wie "Jesaja" in Ascens Jes. Nach 1 Hen 33-36 sind in jeder der 4 Himmelsrichtungen je 3 Tore im Himmel. Über den 3 östlichen Toren sind 3 kleinere angebracht, durch die die Sterne gehen (1 Hen 362 f.). Im Te s t am e n tAb rah a m s (tAbrah) ist die Vor s tell u n g vom Himmelstor verbunden mit dem Gerichtsg e dan k e n: am Weltenstrom (Okeanos) sieht der Seher zwei Tore, ein großes und ein kleines. Zwischen beiden Toren sitzt auf einem herrlichen Thron ein Mann, umgeben von einer Engelschar. Bald weint der Mann, bald aber lacht er; doch weint er siebenmal mehr als daß
35 er lacht. Es ist Adam, der die Seelen der Menschen beobachtet, wie sie zu den Toren eingehen: die gerechten Menschen gehen durch das kleine enge Tor, die Sünder aber durch das große weite. Sieht Adam einen Gerechten, dann lacht er, einen Sünder, so weint er {tAbrah 8; vgl. Mt 713 f.). Wer weder ein Sünder noch ein Gerechter ist, der kommt an einen Zwischenort (tAbrah 9). Neben der in 1 Hen 33 ff. belegten Vorstellung von den Toren im Himmel, aus denen die Winde wehen, hat 1 Hen 18 3 f. die Ansicht, daß die W i n d e das H i m m eIs g e w ö I b e aus s pan n e n und so als Säulen des Himmels dienen. Die Winde drehen den Himmel, drehen und bewegen die Sonne, den Mond und die Sterne. Man erinnert sich bei dieser Lehre der ägyptischen Kosmologie, nach der der Gott der Luft den Himmel trägt. Als Träger der ganzen Schöpfung nennt R. J 0 s e den Wind in bOhagiga 12 ab: "R. Jose sagte: Wehe den Geschöpfen, welche sehen und nicht wissen, was sie sehen, die stehen und nicht wissen, worauf sie stehen. Worauf steht die Erde? Auf Säulen, wie es heißt (Hiob 96): ,Er macht erzittern die Erde von ihrem Ort aus daß ihre Säulen erzittern'. Die Säulen stehen auf den Wassern, wie es heißt (Ps 136 6): ,Der die Erde befestigt über den Wassern'. Die Wasser stehen auf den Bergen, wie es heißt (Ps 1046): ,Auf Bergen stehen die Wasser'. Die Berge stehen auf dem Winde, wie es heißt (Amos 413): ,Denn siehe, er bildet Berge und schaffet den Wind'. Der Wind steht auf dem Sturmwind, wie es heißt (Ps 1488): ,Der Sturmwind, der sein Wort ausrichtet'. Der Sturmwind wieder hängt an dem Arm des Heiligen, gepriesen sei er! wie es heißt (Deut 3327): ,Von unten die ewigen Arme'. Die Weisen aber sagen: der Sturmwind steht auf zwölf Säulen, wie es heißt (Deut 33 8): ,Er setzt die Grenzen der Völker fest nach der Zahl der Kinder Israels'. Manche sagen: er steht nur auf sieben Säulen, wie es heißt (Prov 9 1): ,Er hauet sich sieben Säulen'." Nach R. EIe' a zar b. Sc h a m m u' a steht der Sturmwind nur auf einer Säule, deren Name "Gerechter" (I,laddiq) heißt, nach Prov 10 25: "Der Gerechte ist eine ewige Grundfeste." Die spätere Zeit hat im großen und ganzen die Anschauungen der älteren Zeit festgehalten; allerdings tauchen in der Kosmologie da und dort Sondermeinungen auf, die sich für die frühere Zeit noch nicht belegen lassen. Es ist natürlich möglich, daß altes Überlieferungsgut, welches bis dahin nur mündlich tradiert wurde, erst in später Zeit schriftlich fixiert wurde. Die älteren Quellen könnten in dieser Hinsicht also einfach lückenhaft sein. Man könnte daher versucht sein, 3*
36 Lücken in den älteren Anschauungen durch Belege aus den jüngeren Quellen auszufüllen, um auf diese Weise zu einem geschlossenen Gesamtbild zu kommen. Doch ist auch zu überlegen, daß da, wo wir heute Lücken in den älteren Texten sehen, diese sehr wohl von Anfang an lückenhaft gewesen sein können. Es hätte sich demnach bald einmal das Bedürfnis geregt, durch weiteres Spekulieren diese Lücken der Überlieferung zu vervollständigen. In diesem Falle wäre eben das geschlossene Bild, das die jüngerenTexte bieten, wirklich das Resultat späterer Arbeiten. Es dürfte von diesen Überlegungen her richtig sein, die in den jüngeren Midraschim begegnenden Traditionen im folgenden gesondert darzustellen. In den "F rag m e n t e n zuG an:' E den" 1) wird der Kosmos mit einem Baum verglichen, der 12 schrägwachsende Äste (Diagonalen) hat, über die je ein Aufseher gesetzt ist; weitere 12 Aufseher befinden sich im Tierkreis, und weitere 12 im "Herzen", d. h. wohl im Innern des Himmels oder am höchsten Punkt des Himmelsgewölbes, so daß zusammen 36 Aufseher sich am Himmel befinden. Der "M i d ras c h T h a d s ehe" 2) erwähnt für jede der vier Himmelsrichtungen 3 Sternbilder, denen die 12 Rinder unter dem ehernen Meere des salomonischen Tempels entsprachen (vgl. 1 Kön 725). Hier handelt es sich um die Tierkreisbilder, die nach den vier Jahreszeiten gruppiert sind. Hier wird auch erklärt, die Sonne habe im Osten und im Westen je 365 Fenster im Himmel, durch die sie ein- und ausgeht. Hier ist die Genauigkeit um einen Tag übertrieben; 364 Fenster würden genügen, denn an der Tag- und Nachtgleiche im Frühjahr und im Herbst ist der Tag gleich lang. Diese Angabe soll ja doch wohl zeigen, daß kein Tag im Jahre gleich lang ist wie der andere. In Schemoth r. (par. 15, zu Ex 1212) sind diese 365 Himmelsfenster auf den Osten und Westen verteilt: 183 im Osten und 182 im Westen. Der Mond geht durch dieselben Fenster aus und ein, mit Ausnahme von 11 Fenstern, da das Mondjahr um so viele Tage kürzer ist als das Sonnenjahr. Alte Tradition gibt der "T r akt a t von den hirn m 1 i s c h e n Hall e n" 3), wenigstens da, wo er die Entfernung von der Erde zum Himmel mit einer Reise von 500 Jahren angibt, und dieselbe Zahl nennt für den Weg von einem Himmel zum andern. Im weiteren geht 1) Wünsche, Lehrhallen III, 1, S. 25. Hier sind zu dieser Anschauung auch babylonische Parallelen angegeben. 2) Wünsche, Lehrhallen IV, 2, S. 90 f. 3) Wünsche, Lehrhallen III, 1, S.37-39.
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die Angabe der Größe der Chajjioth auf Rabban Jochanan ben Zakkai zurück (vgl. S. 56). Anderes, vor allem über den 7. Himmel Gesagtes, scheint dagegen spätere ausmalende Spekulation zu sein. Die ausgeführteste kosmologische Spekulation, die mir bekannt ist, findet sich im Mi d ras c h K ö n e n 1). Auch hier werden (S. 194 f.) alte Traditionen über die 7 Himmel wiedergegeben. Weiter wird nun aber die ganze Kosnwlogie in einem strengen Parallelismus zwischen Himmel und Erde durchkomponiert (S. 187 ff.). Den 7 Himmeln entsprechen 7 Erden. Das k a n n natürlich alte babylonische Überlieferung sein! Die Länge der Erde beträgt wie ihre Breite eine Reise von 500 Jahren. Die Erde ist rund; man darf also sagen, daß die Erde eine Kreisfläche ist, deren Durchmesser eine Reise von 500 Jahren beträgt. Diese runde Scheibe ist umgeben vom Okeanos. Es wird wohl angenommen, daß der Okeanos auch unter der EI·de ist, wie in der alten Kosmologie; denn es heißt: "Das große Meer steht auf den Floßfedern des Levjathan" , der in den "untersten Wassern" wohnt. Diese sind so groß, daß sich der ungeheure Levjathan in ihnen ausnimmt wie ein kleiner Fisch im Meer. Anderseits nimmt sich der Okeanos den "untersten Wassern" gegenüber aus wie eine kleine Quelle am Meeresufer. Unklar ist freilich, daß es gleich darauf heißt, daß der Okeanos an die "Wasser der Schöpfung" grenze. Sind die "Wasser der Schöpfung" gleich den "untersten Wassern"? Oder sind hier zwei verschiedene Annahmen durcheinander geraten? Die "Wasser der Schöpfung" grenzen an die "weinenden Wasser" und sind ihnen gegenüber so groß wie eine Quelle am Meeresufer im Verhältnis zum Meere. Von den "weinenden Wassern" heißt es, sie seien aufgehängt und stünden auf der "untersten Erde", die nach Ps 136 6 . über den "Wassern" ausgespannt ist. Diese wiederum sind ausgespannt über den Säulen des "Chaschmal" (Glam;erz), diese über den "Hagelbergen", diese über den "Speichern des Schnees", diese über den "Speichern des Wassers und Feuers", diese über dem "Meer'~, dieses über der Thehom. Die Thehom ist doppelt: es gibt eine obere und eine untere Thehom, wohl nach Gen 1, wo die unteren Wasser von den oberen geschieden werden. Zwischen den beiden Thehomoth steht der "Fürst der Th c_ hom", der seine Befehle an die obere Thehom gibt, nach Ps 42 8. Die Thehom steht auf dem Thohu, der einer grünen Meß-Schnur gleicht 1) Wünsche, Lehrhallen 111,2, S. 170-201. Der Midrasch stammt aus dem Buche Raziel und ist wohl kabbalistisch beeinflußt.
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(J es 34 11), die ganze Welt umgibt und die Mitte bildet "zwischen den Enden des Himmels und den Enden der Erde". Von hier geht die Finsternis aus". Der Thohu steht über dem Bohu. Nach Jes 3411 seien die feuchten Steine in der Tehom. Der Bohu steht auf dem "Meere", dieses auf den "süßen Wassern", diese auf den "Bergen", diese auf dem "Winde", diese auf den "Fittichen des Sturmes". Die "Fittiche des Sturmes" sind an den Rand der "untersten Erde" geknüpft. Ich gestehe, daß mir die ganze Anschauung hier nicht restlos klar ist, vor allem darum nicht, weil im folgenden offenbar eine neue Beschreibung der 7 Erden und der damit korrespondierenden Himmelssphären folgt - in aufsteigender Reihenfolge -, die mit der eben besprochenen wenig übereinstimmt. Hier werden wir also folgendermaßen belehrt: Die "Unterste Erde" (1) ist gehängt und geknüpft an den Sturm; dieser ist gehängt und geknüpft an das Gewölbe Adama (2); Adama ist an den Sturrn gehängt, welcher wiederum an das Gewölbe Oharaba (3) gehängt und geknüpft ist; dieses ist anden Sturm gehängt; dieser ist gehängt und geknüpft an das Gewölbe Jabascha (4); die Jabascha ist an den Sturm gehängt, und dieser ist gehängt und geknüpft an das Gewölbe Arqa (5); dieses ist an den Sturm gehängt, der wiederum gehängt und geknüpft Ült an das Gewölbe Thebel (6); das Gewölbe Thebel ist an den Sturm gehängt, der gehängt und geknüpft ist an das Gewölbe Oheled (7); der Cheled ist unsere bewohnte Erde. Diesen 7 Erden entsprechen 7 Himmel; an je eine Erde ist eine Himmelssphäre gehängt - "befestigt an ihre Ringe wie die Wölbung einer Schüssel, welche umgestürzt auf dem Tische ist". So ist der Cheled an die Wölbung des Raqi'a gehängt. Der Thebel ist mit dem Raqi'a verbunden. Die Arqa ist mit dem Himmel Schechaqim verknüpft. Die Jabascha ist mit dem Himmel Zebül verbunden. Die Charaba ist an den Himmel Mä'on gebunden. Die Adama ist mit dem Himmel Makon verbunden. Die "Unterste Erde" ist an den Himrnel ,Araboth gebunden. Der Text des Berichtes ist nicht ganz in Ordnung. Einiges hat A. Wünsche in seiner Übersetzung verbessert und ergänzt. Verwirrlieh wird die Sache auch dadurch, daß der Hirnmel Raqi'a zwei Erden zugeordnet ist, der Cheled und dem Thebel. Vielleicht ist hier der Name eines Himmels ausgefallen, wahrscheinlich Wilon, dessen Struktur zu einer so massiven Anschauung nicht recht Pf\ßte. Aber es wären genügend andere Namen zur Verfügung gestanden, so daß diese Annahme unsicher bleibt.
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Bei jedem der 7 Himmel heißt es in dem Midrasch ferner, daß er "an den Sturm gehängt" und mit seinen "Ringen" an die "Ringe" des nächstfolgenden Himmels befestigt sei. So ist die Anschauung wohl die, daß der ganze Kosmos aus 7 konzentrischen Kugeln besteht; jeder dieser Kugeln besteht oben aus einer Himmelshalbkugel und unten aus einer Erdhalbkugel. Vielleicht ist die Meinung auch die, daß die Himmelshalbkugeln nach unten hin je durch eine Erdhalbkugel abgeschlossen werden, welche ihrerseits wieder aus mehreren Schichten besteht. Der "Sturm" trägt die einzelnen Sphären; da diese durch "Ringe" miteinander verbunden sind, so entsteht ein massives Weltgebäude. Natürlich erhebt sich die Frage, woran denn das ganze befestigt sei. Die Antwort heißt: "Der 'Araboth ist an den Arm des Heiligen, gepriesen sei er! gehängt, wie es heißt" (Deut 33 27 wird zitiert; vgl. oben S. 35). G 0 t t der Her r seI b er t r ä g t den g a n zen K 0 s m 0 s - mit dem rechten Arm die Oberen, mit dem linken die Unteren. Auf diese Weise läßt sich die Kosmologie dieses Abschnittes einigermaßen klar erfassen. Eine weitere Beschreibung des Kosmos gibt derselbe Midrasch Könen auf S. 192-195 der Übersetzung von Wünsche. Zunächst werden die 7 Erden beschrieben, dann die 7 Himmel. Allerdings werden die 7 Erden hier nicht mit den 7 Himmeln verbunden. Von der Untersten Erde (1) kommen: Thehom - Thohu - Bohu - Meer - süße Wasser; Adama ~2), "die Größe und der Ruhm des Heiligen, g. s. er! seine Kraft und seine Stärke" (Joel 221). "Bis hier der zweite Thehom". Dann - immer in aufsteigender Reihenfolge - : Thehom - Thohu Bohu - Finsternis - die Wasser, Oharaba (3), Jeorim (vgl. Ez 2012); "bis da der dritte Thehom". Thohu - Bohu - Wasser, Jabascha (4); "bis hier der vierte Thehom". Thehom - Thohu - Bohu - Finsternis und Wasser, Arqa (5). "Der fünfte Thehom". Thehom - Thohu - Bohu - Finsternis - Wasser, Thebel (6). "Der sechste Thehom". Thehom Thohu - Bohu - Finsternis - Meer - Wasser, Oheled (7). "Der siebente Thehom". Verwirrlich ist in diesem Bilde der sieben Erden, daß offensichtlich ein doppelter Sprachgebrauch von Thehom vorliegt: einerseits bezeichnet das Wort eine der sieben Erden als Ganzes mit allen ihren Teilen, jede Erde ist "Thehom". Dann bezeichnet dasselbe Wort aber auch einen der Teile, aus denen die einzelnen Erden bestehen. Jede E.rde (Thehom) besteht somit aus: Thehom - Thohu - Bohu (Finsternis) - (Meer) - (Flüsse) - (süße) Wasser. Das sind insgesamt wieder sieben Teile, die jedoch nicht überall angegeben sind. Es ent-
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40 spricht wohl der ursprünglichen Meinung des Textes, wenn man jeden Thehom als aus diesen sieben Teilen bestehend annimmt. Es dürfte auch richtig sein, die "süßen Wasser" als obersten Teil jedes Thehom anzunehmen, da nach der alten Kosmologie die Erde ja auf dem Wasser schwimmt. Wir sehen hier, wie die 7 Namen der Erde, die wir bei R. M el r trafen (vgl. S. 104) hier "'u 7 Erden geworden sind. Es ist weiter zu beachten, daß in allen diesen Beschreibungen Thohu, Bohu, Finsternis usw. nicht als Begriffe oder als bloße Namen vorkommen, sondern als konkrete Teile der Welt: Finsternis ist ein mat,erieller Bestandteil jeder der 7 Erden! Wenn ich eben die Vermutung aussprach, daß wohl jede der 7 Erden aus 7 Teilen bestehe, auch da, wo es nicht ausdrücklich angegeben ist, so führt darauf auch folgende Beobachtung. In Arqa wird der Gehinnom lokalisiert. Auch er besteht aus 7 Teilen: 1. Scheol; 2. Thachthith; 3. Abaddon; 4. Gn/'be des Verderbens; 5. Kot des Schlammes; 6. Tore des Todes; 7. Tore des Todesschattens . Engel des Verder bens sind über die Frevler gesetzt, die dort gerichtet werden. Im Gehinnom befinden sich die "Speicher der Finsternis". Die verschiedenen Teile des Gehinnom - "Wohnungen" genannt - liegen übereinander. Die Reihenfolge der "Wohnungen", die ich vorhin aus dem Texte angab, stimmt nicht mit der folgenden überein, die die einzelnen "Wohnungen" des Gehinnom von oben nach unten so aufführt: Scheol - Abaddon Grube des Verderbens - Kot des Schlammes - Tore des Todes - Tore des Todesschattens - "Siebente Wohnung". Hier fehlt der Name, es muß sich aber - schon wegen der Wortbedeutung - um Thachthith handeln, die oben ja genannt wird. Jede "Wohnung" des Gehinnom ist je eine Reise von 500 Jahren lang, breit und hoch. Das Maß der 500 Jahrreisen ist offenbar in der ganzen Kosmologie stHeotyp. "Somit ergibt sich, daß der Weg des Gehinnom 10500 Jahre ausmacht", scI. um jede einzelne Abteilung der Hölle nach ihrer Länge, Breite und Höhe zu durchwandern, braucht man so viel Zeit. Schon in bpesachim 94a wird die ungeheure Größe des Gehinnom angegeben: die ganze Welt verhält sich zu ihm wie der Deckel zum Topf. Aus diesen Angaben über die Hölle darf geschlossen werden, daß die Tendenz der kosmologischen Spekulation dahinging, alle Teile des Kosmos in siebenfacher Gliederung anzunehmen. Von da aus ist es mir wahrscheinlich, daß auch die einzelnen Erden als aus 7 Teilen bestehend gedacht wurden. Von Thebel wird gesagt, daß auf ihm 365 (!) Arten von Geschöpfen
41 leben; darunter sind Menschen, die aussehen wie Ochsen (!!), aber menschliche Stimme haben. Ob hier ein Nachklang der Sage vom Minotaurus vorliegt? Andere Wesen haben alle menschlichen Glieder doppelt. Wir werden dabei' an die Kugelmenschen des Symposions VQn Platon erinnert. "Zur Zeit, wenn sie essen und trinken, zanken sie sich miteinander, indem sie sagen: du issest mehr als ich, und du trinkst mehr als ich! Vielleicht wirst du sagen, daß es Frevler sind? Gott behüte! es sind vollkommene Gerechte." Gott wird dereinst beim Endgericht auf dem Thebel stehen. - Auf dem Cheled ist u. a.: "Israel, die Thora und Gebote, gute Werke, die Furcht des Ewigen und die 70 Völker, Frevler, Gerechte und die Redlichen." Im "A b s c h n i t t für C h a n u k a" 1) werden jenseits der 7 Himmel noch 390 Reqi
an die Lehre von Leibniz, nach welcher umi'ere Welt die beste aller möglichen Welten sei; nach Abbahu waren solche Welten nicht nur möglich, sondern wirklich einmal vorhanden, um der besten aller möglichen Welten Platz zu machen: "Siehe, es war alles sehr gut."
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der Ort ist bei mir', so geht daraus hervor, daß Gott der Ort der Welt, aber nicht die Welt sein Ort ist" (Bereschith r., par. 68, zu Gen 2811) 1). Ähnlich sagte der babylonische Amora R abC h a n i n a: "Die Weise des Heiligen, gepriesen sei er! ist nicht wie die Weise von Fleisch und Blut. Ein König von Fleisch und Blut sitzt inwendig, und seine Diener hüten ihn von außen; die Weise des Heiligen, gepriesen sei er! aber ist nicht so, seine Diener sitzen inwendig, und er behütet sie von außen" (vgl. Ps 1215). Anderseits wird aber, wohl auf Grund von Jer 23 24, gesagt, daß Gott die Welt erfüllt wie die Seele den Leib (bBllrakoth 10 a; vgl. Str B III S. 598). 1) Unmittelbar anschließend folgen noch zwei weitere ähnliche Aussprüche von Amoräern. Bacher, Tannaiten II, S. 185 bringt denselben Ausspruch in etwas kürzerer Fassung aus Thanchuma als· Wort des R. Jose..
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ZEICHEN AM HIMMEL A. Astrologie "Tu ne quaesieris, scire nefas, quem mihi, quem tibi finem di dederint, Leuconoe, nec Babylonios temptaris numeros, ut melius, quidquid erit, pati" (Horaz, carm. I, 11).
Wenn Horaz in diesen Versen die babylonische Zeichendeuterei erwähnt und es ablehnt, aas ihr das Schicksal zu erforschen, so spielt er damit auf eine geistige und religiöse Bewegung an, die in der hellenistischen Zeit immer stärker geworden war: das Einströmen östlicher Ge\ltirnreligion in den westlichen Kulturkreis 1). Schon Platon war Anhänger der Astrologie gewesen, und nach ihm ergriff dieser Glaube Besitz von den Philosophenschulen von Rom bis zum Euphrat. Der Glaube, daß in den Sternen das Schicksal zu lesen sei, ist jedoch nur Ausdruck des andern Glaubens, daß über allem Geschehen in der Welt die Heimarmene walte, d. h. daß eine von Ewigkeit her unabänderlich waltende Macht absoluter Notwendigkeit die Geschicke des Kosmos, der Völker und der einzelnen nach ihrem Willen zwinge. Offenbar aber wird dieser Wille am gestirnten Himmel. Durch die Sterne und ihre Bilder und Konstellationen wirkt die Heimarmene auf die Welt. Wer in der Schrift des Himmels lesen kann, der kann deshalb die Zukunft wissen. So wird der Sternkundige, der Astrologe, der Magier, der Chaldäer, zu einem wichtigen Faktor im staatlichen und privaten Leben. Der griechische Logos, der in der Astronomie des Seleukos von Seleukia bis zum kopernikanischen Weltbild vorge') Vgl. zum folgenden: F. Boll und G. Bezold, Sternglaube und Sterndeutung; die Geschichte und das Wesen der Astrologie', 1931, hsgg. von W. GundeI. - Franz Cumont, Die orientalischen Religionen im römischen Heidentum. Deutsche Ausgabe 2 von H. Gehrich, 1914, S.187-225. - Hugo Greßmann, Die hellenistische Gestirnreligion, 1925.
44 stoßen war, stellte sich in den Dienst des geheimnisvollen östlichen Wissens, der Gnosis und der Astrologie. Des Claudius Ptolemaeus Werk, in dem er das geozentrische Weltbild für mehr als 1000 Jahre fixierte, ist zugleich eine Fibel der Astrologie, in der diese mit aristotelischer Physik begründet wurde. Es wäre merkwürdig, wenn diese Grundwelle östlicher Schicksalsund Gestirnreligion nicht auch im Judentum und Christentum ihre Spuren hinterlassen hätte. Über die Planeten als Herrscher über die einzelnen Wochentage liegen uns Aussprüche aus der Amoräerzeit vor. Dabei sind die Planeten in gleicher Weise auf die einzelnen Wochentage verteilt wie bei den andern Völkern des Altertums: 1. Tag - Sonne; 2. Tag - Mond; 3. Tag - Mars; 4. Tag - Merkur; 5. Tag - Juppiter; 6. Tag - Venus; 7. Tag - Saturn. Dazu kommt, daß jede Stunde des Tages im Turnus je einem der Planeten unterstellt ist, beginnend mit der ersten Stunde des ersten Schöpfungstages (Mittwoch), die dem Merkur zufiel; oder man begann mit der Stundenzuteilung am Abend des dritten Schöpfungstages um 6/7 Uhr - da der jüdische Tag am Vorabend beginnt -, dessen Herrscher der Saturn war. Die Tagesherrscher blieben bei dieser Zählweise dieselben (Str B II, S. 404 f.)_ Der Geburts tag, d. h. der Planet, der ihn beherrscht, bestimmt den Charakter des Menschen. Dagegen sagen andere Rabbinen, es komme auf das Gestirn der S tun d e an, in der einer geboren wurde. Von da her kommt natürlich die Tagewählerei: "R. Schemuel (t 254). hat gesagt: der Aderlaß soll am Sonntag, Mittwoch oder Freitag vorgenommen werden, aber nicht am Montag oder Donnerstag, weil es Gerichtstage sind, auch nicht am Dienstag, weil der Planet Mars an ihm herrscht" (bSchabbath 129 b). Schon Paulus hat aber Gal 410 gegen die Beobachtung von "Tagen, Neumonden, Festzeiten und Neujahrstagen" gekämpft, da er in diesen Dingen mit Recht einen Rückfall in jüdische - und damit, wie der Zusammenhang zeigt, auch heidnische - Religion erblickt, in der die Tage beobachtet wurden. Nach jüdischen Aussagen reicht der Einfluß der Sterne weit: "Rabba hat gesagt: langes Leben, Kinder und Nahrung hangen nicht vom Verdienst, sondern vom Gestirn ab" (bMo'ed qatan 28 a). Der Todesengel wirkt dann, wenn "das Gestirn eingetreten ist" (ebda.). Mit dieser Lehre schneidet sich allerdings die andere, die von bedeutenden Thannaiten (z. B. ' A q i b a) und Amoräern (z. B. Rab, t 247; Schemuel, t 254; Jochanan, t 279 u. a.) vertreten wird, daß Israel im Gegensatz zu andern Völkern nicht unter dem Einfluß eines Gestirns
45 stehe (eine Parallele dazu ist die Ansicht, daß Israel Gott unmittelbar unterstellt ist, und keinen Völkerengel über sich hat !). Jochanan beruft sich dafür auf Jer 1012. Nach Rab hatte Abraham Gott gegenüber sein Horoskop geltend gemacht, auf Grund dessen er keinen Sohn zu erwarten habe. "Gott sprach zu ihm: geh hinaus mit deiner Astrologie! denn Israel ist keinem Gestirn unterstellt." Es werden Erlebnisse von Rabbinen berichtet, aus denen hervorgeht, daß der Israelit, der Wohltätigkeit übt, dem Todesgeschick entfliehen kann (Str B H, S. 402 f.). "Zeichen" im Sinne von astrologischen Vorzeichen sind natürlich dann auch die Finsternisse, die schon in der Naturreligion der Primitiven ihre Bedeutung haben. So wird allgemein gelehrt, daß eine Sonnenfinsternis ein böses Zeichen für die ganze Welt sei. Das wird dahin eingeschränkt, daß eine Sonnenfinsternis ein böses Zeichen für die Völker der Welt sei, da sie das Jahr nach der Sonne zählen; eine Mondfinsternis dagegen ist ein böses Zeichen für die gottlosen Israeliten, da Israel den Mondkalender hat. Eine Sonnenfinsternis im Osten oder Westen ist unheilvoll für die betreffende Gegend der WelP), während eine Sonnenfinsternis in der Mitte des Himmels nichts Gutes für die ganze Welt verheißt. Sieht die Sonne dabei aus wie Blut, dann wird es in der Welt Krieg geben; sieht sie aus wie ein Sack, dann kommt Hungersnot. Anderseits können irdische Ereignisse eine Sonnenfinsternis bewirken: 1. wenn ein Gerichtsvorsteher starb und nicht nach der Regel betrauert wurde; 2. wenn ein verlobtes Mädchen in der Stadt vergeblich um Hilfe rief; 3. Päderastie; 4. wenn zwei Brüder gleichzeitig ums Leben gebracht werden. Sonne und Mond werden gleichzeitig verfinstert (!): 1. wegen solchen, die falsche Schriften verfertigen; 2. wegen Leuten, die falsches Zeugnis ablegen; 3. wegen solchen, die im jüdischen Lande Kleinvieh züchten; 4. wegen solchen, die gute Bäume fällen (bSukka 29 ab). R. Schemuel rühmte sich, daß er sich am Himmel so gut auskenne \vie in den Straßen von Nehardea - nicht etwa weil er in den Himmel hinaufgestiegen wäre, sondern weil er so weise war; d. h. natürlich, 'weil er in der Astronomie (-logie?!) bewandert war. Er sagte auch, daß die Welt zugrunde gehen werde, wenn ein Komet in das Stern') Ähnlich die Mekiltha (par. Bo, Abschnitt 1, zu Ex 122), wo z. T. andere Rabbinen erwähnt werden. Nach dieser Stelle sind auch Verfinsterungen der Planeten unheilvoll für die Völker der Welt, während die Israeliten solchen Zeichen nicht unterworfen sind. Vg. auch Th Sukka 2 ß (Z. S. 194).
46 bild des Orion eintreten werde 1). Als man ihm einwendete, man habe das schon beobachtet, ohne daß nachher die Welt zugrunde gegangen sei, erklärte er: "Er kann vielleicht darüber oder darunter vorbeigegangen sein" ; denn den Ort der. Kometenbahnen am Himmel kenne er nicht. Nach alledem kann es nicht verwundern, daß man auch in der jüdischen Tradition Legenden astrologischer Natur findet. Die Geburt bedeutender Persönlichkeiten war begleitet vom Aufleuchten von Sternen am Himmel. Als Abraham geboren wurde, "erhob sich ein Stern und verschlang vier andere Sterne". Als Isaak geboren wurde, machte Gott, daß die Sonne 48mal heller leuchtete als sonst (Str B I, S. 77 f.). In diesen zuletzt visierten Zusammenhang hinein gehört nun auch die Erzählung von den Magiern Mt 2 1-12. Wir haben es hier mit einer astrologischen Legende im NT zu tun 2), die der Evangelist aus der Tradition in sein Evangelium eingefügt hat. Der ao..t~e ist nicht ein Sternbild oder eine Konstellation, sondern ein einzelner Stern, wie Boll erwiesen hat. Man glaubte im Altertum weithin, daß jeder Mensch seinen Stern habe. So schon Platon im Timaios 41 E; ferner Plinius, NH H, 28: "Sidera quae adfixa diximus mundo, non illa ut existimat vulgus, singulis attributa nobis, et clara divitibus, minora pauperibus, obscura defectis, ac pro sorte cuiusque lucentia admunerata mortalibus, nec cum suo quaeque homine oriuntur nec aliquem extingui decidua significant"; ferner Julian von Halikarnassos: "a,VI., 8uaaup, gJ'fJatv, av{}edm;q> um:e6v ünt avyyev'lJ(hpevov .. , ei . " 8UaaTq> aaTru! avyyevvä-rat, MjÄov Sn aa-rne 0 a~peeov avyyevv'fJ{}et~ -ri[>~e lße~ ovx v:rcijexev u-rÄ. (die Zitate aus Boll, vgl. Anm. 2). Bei der Geburt Alexanders des Großen und des Königs Mithridates sollen ebenfalls Sterne aufgeleuchtet sein 3). Diese hellenistischen Parallelen stehen unserer Geschichte zeitlich bedeutend näher als die oben erwähnten jüdischen Legenden über Abraham und Isaak, die spät entstanden sind. - Magier sind von Beruf und Herkunft Sternkundige, die die 1) Das erinnert an die Lehre der BabyIonier. Berossus erzählt, daß die Welt durch Feuer untergehen werde, wenn sich alle Planeten im Sternbild des Krebses zusammenfinden werden, treffen sie aber im Steinbock zusammen, werde eine große Flut die Welt vernichten. Cicero, nato quaest. IH, 29. ') Zum Ganzen vgl. F. Boll, Der Stern der Weisen, 1917/18 (in: ZNW 18). 3) E. Klostermann, Das Matthäusevangelium 3, 1938 (in: Handbuch zum NT, hsgg. von H. Lietzmann 4) S. 12.
47 Zeichen am Himmel beobachten und daraus Rückschlüsse auf kommende Ereignisse ziehen. Ihre Heimat ist der "Osten", d. h. die Länder um den Euphrat und Tigris (v. 2). Sie beobachten dort einen Stern "im Aufgang", d. h. einen Stern, der aufzuleuchten beginnt 1). Ihre Deutekunst befähigt sie, aus diesem Himmelsereignis zu schließen, daß den Juden im Westen ein König geboren wurde. Daß sie kommen, um ihn anzubeten, zeigt, daß die Hoffnung der Juden auch für sie eine Bedeutung haben wird, ferner, daß eben dieser Judenkönig kein gewöhnlicher Herrscher sein wird. Der Judenkönig ist der Heiland der Juden und der Magier, der Heiden - so meint es die Geschichte Das Auftreten der Magier, ihr Wille, den Judenkönig anzubeten steht im Kontrast zum Verhalten des Herodes. - Bezeichnend für die Erzählung ist, daß die Magier durch den Stern nach Jerusalem geführt werden, daß aber dort die Schriftgelehrten aus der Schrift (Micha 5 1-3) angeben müssen, wo der Messias zur Welt kommen soll Dann geht der Stern den Magiern wieder voran und steht über Bethlehem still (v. 9); aus diesem Vers soll doch wohl hervorgehen, daß der Stern den Magiern schon auf dem Wege nach Jerusalem vorangegangen ist. Das Stern-Motiv und das Weissagungsmotiv überschneiden sich in der Geschichte. Im Grunde genommen genügte der Stern, um die Magier zu führen, aber im Sinne des Erzählers ist, es, daß erst die Schrift die genaue Auskunft gibt, nach der sich der Stern dann auch verhält 2). Wenn in v. 7 Herodes die Magier nach der genauen Zeit fragt, zu der der Stern erschien, so darum, weil nach astrologischer 1) Der Satz sagt nicht, daß sie den Stern sahen, als sie selber im Osten waren; denn das ist selbstverständlich und in v. 1 schon erwähnt, sondern es heißt, daß der Stern im Osten aufging wie alle andern Sterne, und daß sie ihn damals als neuen erkannten. 2) Zum Stern, der voranzieht, vgl. die bei Klostermann Komm. zu v. 9 zitierte Stelle aus .Aeneis II 694 ff. und Servius in .Aeneid. II 801. - Schlatter, Der Evangelist Matthäus 2, 1933, Komm. zu v. 2 und Klostermann erwähnen die Vermutungen, die in dem Stern die K 0 n j unk t ion von J u pp i te r und S a t u rn sehen. Ich erinnere daran, daß diese Konjunktion im Jahre 1940/41 zu sehen war; damals tauchte in der Presse gelegentlich die Meldung auf, es handle sich bei dieser Erscheinung um den "S t ern von Be t h I ehe m". Ich kann nicht nachrechnen, ob diese - übrigens seltene - Konjunktion zur Zeit der Geburt Jesu wirklich eingetreten ist. Sollte das der Fall gewesen sein, dann bleibt das Legendenhafte in der Geschichte doch insofern bestehen, als der Stern" vorangegangen" sein soll. - Bei Kometen kommen rasche Ortsveränderungen vor, vgl. Boll, S. 46 f . .Auch in diesem Fall bliebe das .Astrologische: der Stern zeigt die Geburt des Königs der Juden an! Zum Stern der
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Anschauung der Stern eines Menschen in der Stunde der Geburt (oder der Empfängnis) aufleuchtet 1). Nicht in den Zusammenhang der Gestirnreligion und der Astrologie dagegen 2) gehört die Zeichenforderung ~er Pharisäer (und Sadduzäer) Mk 8 11 f. par. Bei allen vier Evangelisten folgt die Forderung nach einem "Zeichen vom Himmel", damit Jesus sich wirklich als der Messias ausweise. Sie machen ihre Bereitschaft zum Glauben davon abhängig, daß J esus nicht nur imstande sein soll, Brot zu schaffen, sondern er soll auch den Himmel bewegen können. Es ist schwer zu sagen, woran die Frager im einzelnen gedacht haben bei ihrer Forderung: ob Jesus sollte Blitze aufleuchten lassen, ob er bewirken sollte, daß die Gestirne ihre Bahn änderten, ob Feuer vom Himmel fallen, oder ob gar der Himmel geöffnet werden sollte. Jesus lehnt das Ansinnen ab: solcher" Glaube" ist dicht bei der abergläubischen Scheu und damit beim Unglauben. Die Juden trauten im Übrigen auch den heidnischen Zauberern zu, daß sie am Himmel Zeichen zu tun vermöchten, daß sie "Sonne und Mond, Sterne 3) und Tierkreisbilder zum Stillst ehen bringen" könnten; aber deswegen war der Glaube an sie doch verboten, sagte R. Jas e der Ga 1 i 1 ä er [um 119J; Str B I, S.727. Von da aus gesehen ist die Ablehnung der Zeichenforderung durch Jesus nur um so verständlicher. Wenn er das Zeichen täte, so wäre der Glaube noch erst recht nicht sicher - die Rabbinen hätten schon irgend etwas daran auszusetzen gefunden, um doch nicht zu glauben. Der Glaube hat seinen Grund nicht in Zeichen und Wundern 4). - Von da aus erklärt es sich, daß Jesus sich dem Ansinnen Weisen vgl. auch Alfred Jeremias, Die außerbiblische Erlösererwartung, 1927, S.86-88; Oswald Gerhard, Der Stern des Messias. Geburts- und Todesjahr Jesu Christi nach astronomischer Berechnung, 1922. 1) In pesiqtha sut. wird eine Sternerscheinung für die Geburtsstunde des Messias erwartet: "Ein Stern wird aufsteigen im Osten, welcher der Stern des Messias ist, und im Osten wird er bleiben 15 Tage" (Zu Num 2417). 2) Eine midraschartige Ausgestaltung der Sternerscheinung von Mt 2 bietet Ignatius, Eph 192, wobei er beifügt, daß durch die Sterne die Magie zunichte gemacht worden sei. Nach H. W. Bartsch, Gnostisches Gut und Gemeindetradition bei Ignatius von Antiochien, 1940, S. 151, besteht allerdings kein direkter Zusammenhang zwischen Ignatius und der Mt-Stelle; mir scheint ein solcher Zusammenhang zu bestehen. 3) Zur Vorstallung von den Sternen und ihren Beziehungen zu Engeln, Geistern und ihrer Symbolik im NT und Judentum cf_ ThW I, S_ 50ff. aa'~e von Foerster. 4) Über jüdische Wetterregeln (Mt 163!) cf. Str B I, S. 727f.
49 der Jünger widersetzt, die Feuer auf das ungastliche Samariterdorf wollen fallen lassen, um es zu vertilgen (Lk 952-56). Die Erzählung zeigt, daß die Jünger sich - wohl kraft ihres Gebetes - solche Macht zutrauen. Sie wollen das göttliche Strafmittel, das Feuer, in ihre Hand bekommen, um ihr eigenes Urteil zu vollstrecken. Sie wollen in Gottes richterliches Walten eingreifen. Jesus weist sie aber ab: die Jünger könnten das Feuer nur herabfallen lassen, wenn er es erlaubte; er aber reißt Gottes Gerichtsurteil nicht an sich. Dagegen werden am Ende der Weltzeit Gog und Magog mit Feuer vom Himmel vernichtet 1). - Das Tier in Apk 13 13 erweist sich auch d!1rin als Gegenbild Jesu, daß sein Prophet für es solche Wunderzeichen am Himmel tut. Es braucht sie zu seiner Legitimation vor der Welt. B. Kosmische Erschütterungen bei der Parusie
Der Anbruch des Reiches Gottes, des neuen Aeon, der neuen Schöpfung, bedeutet das Vergehen der gegenwärtigen Schöpfung, dieses Aeon. Unmittelbar vor dem Kommen des Menschensohnes tritt eine kosmische Katastrophe ein. Diese ist in Mk 13 24-26 kurz geschildert. Beachtenswert ist, daß alles, was hier gesagt wird, in der Form von Zitaten und Reminiszenzen aus dem AT auftritt. Mk 13 24 b lehnt deutlich an Jes 1310 an, Mk 1325 an Jes 344 (vgl. auch Apk 612). Das Kommen des Menschensohnes mit den Wolken des Himmels wird in den Worten von Dan 713 geschildert. Was die Schrift sagt, wird nicht midraschartig ausgemalt, sondern in ihren eigenen Worten wiederholt. Dabei wird, wie ein Vergleich der Worte von Mk 13 mit ihren Vorlagen zeigt, nicht einmal alles mitgenommen, was die Texte sagen, und was schließlich auch "apokalyptisch" wäre. Nur das Allernötigste wird mitgeteilt, so daß der Verfasser in gleicher Weise von der phantasievollen Ausmalung wie von der Sklaverei des Buchstabens frei ist. Was Mk in freien Zitaten 'lagt, hat Lk kurz zusammengefaßt (21 25): "Und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen". Was er darüber hinaus noch bringt - die Bewegung unter den Völkern, die Erschütterung des Meeres und der Erde -, lehnt an LXX Ps 648 f. an. Die Furcht, die diese Ereignisse erregt, hat den Tod vieler Menschen zur Folge (2126a). Dann folgt Lk wieder Mk. Unter den Zeichen am Himmel, die der Parusie unmittelbar vorangehen, 1) Belege dafür, daß Gott die Frevler, seine und Israels Feinde, durch Feuer vernichtet, bei Str B Irr, S. 837. Bietenhard, Himmlische Welt
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50 erscheint Mt 2430 das "Zeichen des Menschensohnes". Nach den Belegen, die Billerbeck (Str B I, S. 9541.) beibringt, ist nach der jüdischen Tradition das Licht das Zeichen des Messias. Allerdings ist dort gemeint, daß der Messias das Licht als sein Zeichen bringt und darauf hinweist, nicht daß es vor seinem Erscheinen sichtbar wird. Eine ähnliche Schwierigkeit besteht übrigens auch bei der Erklärung des Ausdrucks a'YJfhelov BxncraaBwr; Sv oveavl{> in Didache 16 6, das als Zeichen vor der Auferstehung erscheinen wird. Ist es das Kreul':eszeichen? Wenn ja, ist Mt 24 30 damit identisch? - Unter Anlehnung an Hag 26 verkündet auch der Hebräerbrief das Vergehen des Kosmos: "Noch einmal werde ich nicht nur die Erde, sondern auch den Himmel erschüttern" (1226). Dieser vergänglichen Welt steht das Reich gegenüber, das nicht mehr erschüttert werden wird, auf das die Christen warten (Hebr 1228). Nach 2 Petr 3 12 f. werden die Himmel im Feuer aufgehen 1) und die Elemente verbrannt werden. Dieser kosmischen Katastrophe steht positiv die Neuschöpfung von Hini.mel und Erde gegenüber: "Wir erwarten neue Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt." So setl':t auch die neue Schöpfung von Apk 211 das Vergehen der alten Welt voraus: Himmel und Erde fliehen ins Nichts vor Gott, der zum Endgericht erscheint (Apk 2011). Auch da ist an das AT erinnert (vgl. LXX Ps 1133.7). Ganz in die Nähe der synoptischen Apokalypse rückt das, was Apk 612 f. beschrieben wird. Bei der Öffnung des 6. Siegels entsteht ein großes Erdbeben, die Sonne wird schwarz wie ein härener Sack, der Mond wird wie Blut, die Sterne fallen vom Himmel wie Feigen vom Baume fallen, wenn ihn der Wind schüttelt, der Himmel weicht I':urück wie eine gerollte Buchrolle (man erinnert sich hier des Himmels Wilon der rabbinischen Tradition !). Zu den bei Mk 13 erwähnten Stellen aus dem AT kommen hier noch dazu: Jes 344; 503; Joel3 3 f. - Bei der Parusie erscheint der Christus aus seinem gegenwärtigen Wohnsitz, dem Himmel; darum öffnet sich dann das Himmelsgewölbe, Apk 19 11. In dem Hinweis, daß vor dem Kommen des Endes eine große Erschütterung durch den Kosmos geht, stellt sich das NT zur Schrift und zu ihrer traditionellen Auslegung: "Wenn Gott Se'ir (= Rom) vergelten wird, wird er die ganze Welt erbeben machen gegen die, die 1) Parallelen dazu, vor allem aus der Sibyllen-Literatur, bei Bousset-Gressmann, S. 281.
51 sie bewohnen" I). In Ascens Mos 10 ist Gottes Kommen zum Gericht mit der Erschütterung des Kosmos verbunden: Verfinsterung der Sonne, Zerbrechen des Mondes, der Mond verwandelt sich in Blut, die Sterne verwirren sich (v. 5). Wir treffen da z. T. die gleichen Reminiszenzen an at.liche Stellen wie in Mk 13. Nach 1 Hen 83 3 f. bricht der Himmel am Ende zusammen, stürzt auf die Erde und verschwindet in einem Abgrund. Etwas anders ist das Bild 1 Hen 80: der Himmel gibt vor dem Ende keinen Regen, der Mond erscheint nicht zur festgesetzten Zeit, die Sonne wird "in den letzten großen Wagen nach Westen ziehen und sie leuchtet dann stärker als gewöhnlich". Die Engel, die über die Sterne gesetzt sind, überschreiten ihre Ordnung und ändern die Bahnen der Sterne. Das bewirkt auf der Erde Abgötterei unter den Sündern; denn diese halten die Sterne dann für Götter. - 4 Esr 54 weissagt für das Ende die Umkehrung dernatürlichen Ordnung: der Mond scheint am Tage, die Sonne in der Nacht; die himmlischen Bücher erscheinen am Raqi'a, so daß alle sie sehen (620). Die sibyllinischen Orakel weissagen IU, 796-806 das Erscheinen von Schwertern am Himmel, Staub fällt vom Himmel auf die Erde; der Glanz der Sonne verschwindet am Tage, dafür scheint der Mond; in den Wolken wird eine Schlacht zwischen Reiterheeren und Fußvolk sichtbar werden. Ich habe mich, was die Vorzeichen der Parusie betrifft, bewußt auf die Z ei c h e n am Hirn me I beschränkt. Sie bi I den we der im NT no chi n der T rad i ti 0 n die Hau p t s ach e. Vor allem das NT beschränkt sich, mit wenigen at.lichen Worten zu erklären, was das Wort bedeutet: "Himmel und Erde werden vergehen". Nicht das ist die Hauptsache, daß im einzelnen beschrieben wird, wie dies vor sich geht, wichtiger ist die Parusie als solche und das, was ihr voran in der Menschenwelt vor sich geht. Ferner die Gewißheit, daß die Gemeinde bei der Parusie mit dem Herrn verbunden wird, 1 Th 4 15-18. Gerade an dieser zuletzt erwähnten Stelle zeigt sich, daß Paulus an das Ende denken kann, ohne mit einem Wort auf Ereignisse im Kosmos der Natur anzuspielen. Nicht anders ist es in 1 K 15: nicht die kosmische Katastrophe ist wichtig, sondern die Gewißheit der Auferstehung und der Parusie. Die Worte der Apk deuten Katastrophen in der Natur als Zeichen des göttlichen Gerichtshandelns an der Welt, das die Menschen zur Buße leiten will. 1) Siphre Deut zitiert bei Schlatter, AT in der joh. Apk, S. 80. 4*
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In den jüdischen Überlieferungen ist das Interesse zum mindesten geteilt, wenn nicht wie in 1 Hen 80 und 83, ganz auf das Katastrophenhafte verlagert. Das kommt natürlich daher, daß das Zen t rum der n t. I ich e n E s c hat 0 log i e, der ehr ist u s, fes t ist, während das Messiasbild des Spät judentu m s s c h w a n k t. Das NT kann auf die großen Taten Gottes zurückblicken, die schon geschehen sind - das gibt auch der Hoffnung ein anderes Gepräge als im Judentum. Das NT berührt sich mit dem Judentum darin, daß seine Eschatologie an den Untergang dieser und an das Kommen der neuen Schöpfung glaubt. Da beiden die gleiche Schrift heilig war und beide in derselben Tradition der Auslegung standen, ergibt sich manche Berührung ohne weiteres.
IV DER HIMMEL ALS WOHNSTATf GOITES A. Gottes Thron
Für Apokalyptiker und Rabbinen ist das Wichtigste, dem SIe 1m Himmel bei ihren Himmelsreisen begegnen können, Gott und seine Herrlichkeit. Gott wohnt im Himmel - das ist ausgesprochen oder unausgesprochen die Antwort auf die Frage, wo Gott sich befinde; der Himmel ist wesentlich Wohnstatt Gottes. Wo mehrere Himmel erwähnt weiden, da ist es immer klar, daß Gott sich im höchsten Himmel befindet; "im Himmel" wird Gott einfach da vorgestellt, wo nur von einem, nicht von mehreren Himmeln die Rede ist. Dabei ist man sich nicht immer der Tatsache bewußt, daß sich an die Redeweise "Gott ist im Himmel" ganze Reihen von Fragen philosophischer und theologischer Art heften müSsen. Wir sahen aber anderseits schon (vgl. S. 35, 39, 41), daß sich gewisse Rabbinen solche Fragen offenbar gestellt haben, wenn sie erklären, Gott trage die ganze Schöpfung, er werde nicht vom Kosmos als seiner Schöpfung eingeschlossen. Das Bedeutungsvollste im Himmel Gottes ist G 0 t t e s T h r 0 n. Apokalyptiker und Rabbinen geben immer wieder kürzere oder längere Beschreibungen und Belehrungen über den Thron des Herrn. Die Rabbinen haben einen besonderen terminus technicus für diese Spekulationen: Ma'asse Merkaba = "Werk des Wagens" 1). Sie knüpfen bei diesem Ausdruck an Ez 1 f. an, wo beschrieben wird, wie Hesekiel den göttlichen Thronwagen schaut. Aber auch Jes 6, die Berufungsvision J esaias, Ex 249-11, das Mahl der Ältesten Israels auf dem 1) In MChagiga 11 1 wird bestimmt, worüber man lehren dürfe. Zu den verbotenen Dingen gehört "das WaS oben ist", d. h. Gottes Thron. Spekulationen über die Schöpfung und das vorweltliche Sein heißen Ma'asse Bereschith.
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Sinai, 1 Kön 2219 ff., das Gesicht Michas und Dan 79-10 spielen in diesen Spekulationen eine Rolle. Eine der ä 1t e s t e n n ach k a non i s c h e n B e s c h r e i b u n gen von Go t t e s T h r 0 n steht in 1 He n 149-23. Der Seher nähert sich im Himmel einer Mauer aus Kristall, die von feurigen Zungen umgeben ist. Er betritt eine Vorhalle l ), deren Wände und Fußboden aus Kristall bestehen. Die Decke der Halle ist "wie die Bahn der Sterne und Blitze, dazwischen feurige Oherube, und ihr Himmel bestand aus Wasser". Das ist wohl ein Nachklang aus Ez 122; 101: die feste Platte, die über den Tieren ist, die den Thron tragen. Die Wände der Halle sind von einem Feuermeer umgeben und die Türen brennen von Feuer. Das Haus selbst ist heiß wie Feuer und kalt wie Schnee. Darauf sieht der Seher ein anderes Haus 2), das größer ist als das erste und ganz aus Feuerzungen gebaut ist. Seine Herrlichkeit ist so groß, daß es nicht möglich ist, es ZU beschreiben. Der Boden des Hauses ist von Feuer, den oberen Teil bilden Blitze und kreisende Sterne, die Decke ist loderndes Feuer. In diesem Hause nun befindet sich ein "hoher Thron" (vgl. Jes 6 1). Er sieht aus wie Reif, ist also wohl von weißer Farbe. Um den Thron herum ist etwas, das der Sonne gleicht und das Aussehen von Oheruben hat. Von unterhalb des Thrones brechen Ströme lodernden Feuers hervor. Feuer ist auch unter dem Thron, zwischen den Tieren, in Ez 1. Der Feuerstrom (Nehar di-nür) stammt aus Dan 7 10. Gott, "die große Majestät" genannt, sitzt auf dem Throne; sein Gewand ist glänzender als die Sonne und weiß wie Schnee. Keiner der Engel kann das Haus betreten und Gott ansehen. Rings um Gott lodert Feuer. Zehntausend mal Zehntausend stehen vor ihm und rings um ihn, entsprechend Dan 7 10. In Gottes Nähe stehen die "Heiligsten der Heiligen", die ihn niemals verlassen; es sind die Erzengel, deren Zahl hier nicht genannt wird. Nicht ganz klar ist, daß einmal gesagt wird, kein Engel dürfe sich Gott nahen, dann aber, daß Engel ihn umgeben und die Erzengel nicht von seiner Seite weichen. "Henoch" war von den gefallenen Wächterengeln zu Gott als ihr Fürbitter gesandt worden. Gott erteilt ihm nun die Antwort, indem er die gefallenen Engel an ihre frühere Herrlichkeit erinnert und an ihre spätere Sünde. Gottes Beschluß über sie ist endgültig: es gibt für sie kein Er1) Vgl. Beer, bei Kautzsch II, S.245, Anm. z. St. 2) Vgl. Beer, bei Kautzsch II, S.245, Anm. z. St.: "Das Allerheiligste",
seI. des himmlischen Tempels.
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barmen. In diesem Botengang Henochs zu Gott scheint sich der Sinn dieser Thronvision zu erschöpfen. In 1 Hen 39 12--40 10 befinden wir uns ebenfalls in der Nähe von Gottes Thron, doch wird keine Beschreibung von ihm gegeben. Das Interesse ist bei den Engeln, die Gottes Thron umgeben. In 1 Hen 39 12 ,heißen die Engel die "nie Schlafenden". Ihr Lobgesang, den qie vor Gott singen, lautet: "Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Geister, er erfüllt die Erde mit Geistern." Das Trishagion von J es 6 ist hier geändert im Blick auf Gottes Walten im Kosmos, das durch Engel sich vollzieht 1). Darauf sieht der Seher tausendmal Tausende und zehntausendmal Zehntausende vor Gott (Dan 7 10 !). Auf allen 4 Seiten Gottes befindet sich je ein Engel; sie sind von den "nie Schlafenden" verschieden an Aussehen - es sind die 4 Erzengel 2). Gott selbst wird 1 Hen 461 beschrieben als der, der "ein betagtes Haupt hat und sein Haupt war weiß wie Wolle". Damit ist Dan 7 9 zitiert. Wie in 1 Hen 39 ff. liegt das Hauptinteresse auch in 2 Hen 21 f. bei den Engeln, so daß auch hier keine Beschreibung des göttlichen Thrones gegeben wird. Eine polehe gibt dagegen Apok Abrah 17 f. Abraham singt zum Lobe Gottes ein Lied, als sich ihm im Himmel ein Feuer nähert, aus dessen Mitte eine Stimme wie Meeresbrausen tönt. Dann sieht er, wie das Feuer sich vom Firmament hebt (188). Unter dem Feuer ist ein Feuerthron, umgeben von "Vielaugigen". Das sind Engel; die s p ä tjüdische Spekulation sah nämlich in den mit Augen bedeckten Rädern der Vision Hesekiels (Ez 118) Engel, deren Körper ganz mit Augen bed eck t ist. Das mochte auch von den KETubim in Ez 10 u veranlaßt sein, von denen es heißt, ihr Körper sei ganz mit Augen bedeckt. Unter dem Throne singen 4 feurige Lebewesen; jedes hat 4 Gesichter: je ein Gesicht wie ein Löwe, ein Mensch, ein Stier und ein Adler. Die Lebewesen haben 16 Köpfe auf ihrem Leibe, d. h. jedes Gesicht ist vieI'fach vorhanden. Es sind die 4 Tiere aus E~ 110, deren Gesichter hier noch vervierfacht sind. Sie haben 6 Flügel; mit 2 bedecken sie die Gesichter, mit 2 aber die Füße, mit dem dritten Flügelpaar aber fliegen sie. Hier ist Jes 62 mit Ez 16.10; 1012 kombiniert. Wenn die 4 KETubim ihr Loblied beendigt haben, blicken sie sich an und be1) Vgl. dagegen Beer, bei Kautzsch II, S.259, Anm. z. St.: er bezieht den Lobgesang auf die Geister der abge~chiedenen Gerechten. 2) Vgl. über sie S. 106 ff.
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drohen sich. Der Engel, der "Abraham" begleitet, begibt sich aber schnell zu ihnen, dreht ihre drohenden Gesichter weg und lehrt sie "das Lied des Friedens, der in dem Ewigen seinen Ursprung hat". Hin t erden Kerubim erblickt der Seher einen Thronwagen auf Feuerrädern; die Räder sind ringsum mit Augen bedeckt (vgl. Ez 118). Auf dem Wagen steht ein Thron bedeckt mit Feuer und umgeben von Feuer. Ferner heißt es recht unklar: "Es war ein unbeschreibliches Feuer auch um eine Feuerschar. " Wahrscheinlich ist hier eine Engelscha;r gemeint, die als feurige Wächter Gottes Thron umgeben. Eine interessante Angabe über die Größe des göttlichen Thronwagens wird bChagiga 13 a auf Rabban Jochanan b. Zakkai zurückgeführt. Sie steht im Zusammenhang einer haggadischen Auslegung von Jes 14 13-15. Eine kürzere Fassung findet sich bpesachim 94 ab: eine Himmelsstimme habe dem übermütigen Frevler, der den Himmel stürmen wollte, die Größe des Universums klar gemacht: 500 Jahre dauere eine Reise von der Erde zum Himmel; dessen Dicke betrage ebenfalls eine Reise von 500 Jahren und ebenso groß sei der Abstand von einer Himmelsveste zur andern. Darauf folgt in bChagiga 13 a eine Ausführung über die Tiere, die Ohajjioth von Ez 1. "Über der Veste sind die heiligen Chajjioth. Die Füße der Chajjioth sind so groß wie alles Frühere zusammen". D. h. wohl so groß wie Erde und Himmel bis zum 7. Himmel! Dann wird ausgeführt, daß die Unterschenkel, die Oberschenkel, die Hüften, die Rumpfe, die Hälse, die Köpfe, die Hörner der Chajjioth je immer so groß sind wie alles Vorangehende zusammen. "Über ihnen ist der Thron der Herrlichkeit. Die Füße des Thrones der Herrlichkeit sind so groß wie alles Frühere zusammen, der Thron der Herrlichkeit selbst ist so groß wie alles Frühere zusammen, und über allem thront ein König, ein Gott, lebendig und unveränderlich, hoch und erhaben." Der Ausspruch erhebt Gottes Größe, Macht und Erhabenheit ins Unermeßliche und Unausdenkbare, das menschlichem Zugriff - auch dem gedanklichen - nicht erfaßbar ist. Der Schöpfer des riesigen Kosmos ist selbst g r ö ß er als der g a n z e K 0 s m 0 s, den er als "König" souverän beherrscht.
B. Die Thronvision von Apk 4 f. In Apk 2 f. bringt der Seher das Sendschreiben an die Kirche. Bevor die Gerichte über die ganze Welt ergehen, richtet der Herr der Kirche
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die Seinen. Das Gericht beginnt beim Hause Gottes (1 Petr 4 17). Auch das Wort über die Kirche wird, wie das Wort über die Welt in der Endzeit, in einer Vision empfangen. Apk 110-20 steht in deutliche;r Parallele zu Apk 4 f. Dort sieht Johannes den Herrn und Richter der Kirche, hier aber Gott als den Herrn und Richter der Welt. Beide ViBionen werden eingeleitet durch: sYSYOfl'YJY SY 'TlYmJ fla:n 1 10; 4 2. Dagegen erscheint J esus Christus als Herr der Kirche nicht als der thronende Kyrios, wohl aber erscheint Gott als Herr des Kosmos auf seinem Throne. Wie in jüdischen Thronvisionen lehnt sich auch Apk 4 f.1) deutlich an Ez 1 f. 10 an. Gott, der auf dem Throne sitzt, sieht aus wie ein Jaspis und Karneol. Seine Gestalt, sein Aussehen aber wird im Gegensatz zur Beschreibung Jesu in Apk 1 nicht beschrieben. Es wird nur vom Glanz geredet, der von dem auf dem Throne Sitzenden ausgeht. Nicht die Gestalt Gottes wird geschildert, sondern seine Lichthülle. Bezeichnend ist, daß die Worte Ez 1 26: " ••• und auf dem, was wie ein Thron aussah, war eine Gestalt, wie ein Mensch anzusehen ... " hier fehlen 2). Wie in Ez 1 28 ist der Thron umgeben von einem Regenbogen 3), daß dieser aussieht wie ein Smaragd, steht nur hier. Über Apk 44 f. herrscht unter den Exegeten allgemeine Verlegenheit: wer sind und was bedeuten die 24 Presbyter, die auf Thronen rings um Gottes Thron sitzen? Man hat von Babyion über das AT, die Apokalyptik und die Rabbinen alle möglichen Parallelen zur Erklärung dieser Gestalten herangezogen "). Der religionsgeschichtliche Hintergrund dieser Gestalten scheint noch nicht geklärt zu sein. Gunkel 5 ) 1) Zum Folgenden vgl. Schlatter, AT in der joh. Apk, S. 12 ff.
2) Vgl. W. Radorn, Die Offenbarung des Johannes, 1928 (Theol. Handkommentar zum NT, Bd. 18), Komm. z. St. 3) Der "Regenbogen" erinnert an das "Bundeszeichen" von Gen 913. Ez 128 wird durch den Regenbogen Gottes Herrlichkeit gezeigt. Hier erscheint der Regenbogen, wo Gott sich zum Gericht aufmacht. Für die Seinen ist er aber auch im Gericht der gnädige Gott, der den Bund und die Treue wahrt. Dies kommt im Regenbogen zum Ausdruck. Gott hat in Christus, im Lamm von Apk 5, seine Gnade gewährt. So ist der Regenbogen Zeichen gewährter Gnade und des geschlossenen Bundes, nicht nur der verheißenen Gnade (so Rengstorf, Art. lr;w; im ThW III, S. 342 f.). 4) Die Deutung auf himmlische Repräsentanten der irdischen Gemeinde ist ziemlich allgemein aufgegeben worden. E. Peterson, Das Buch von den Engeln 1935, S. 22, hält noch daran fest. 6) In: H. Gunkel, Schöpfung und Chaos in Urzeit und Endzeit, 1894. Die von ihm herangezogene Stelle des Diodorus Siculus ist bei W. Bousset, Die
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zieht für diese 24 Presbyter die babylonische Lehre von den 24 Göttern des Tierkreises herbei, von denen 12 im Norden, 12 aber im Süden des Himmels ihren Sitz haben. Mißlich ist dabei nur, daß sich von 24 Sternen als Weltherrschern im Spätjudentum keine Spur findet 1). 2 Hen 41, das von Bousset ;11s Parallele beigezogen wurde, erklärt nur, daß es im Spätjudentum eine Tradition gab, die "Alte" (newßv-reeOt) als Herrscher der Sternenheere kannte 2). Woher kommt dann die Verbindung der Zahl 24 mit dem Namen? Ist sie auf Grund der vorigen Parallelen das Werk des Apokalyptikers? Läßt sich nachweisen, daß Johannes diese babylonische Tradition gekannt und verwertet hat? Die 24 Herrscher des Tierkreises sind ja offenbar auch nicht um den Thron Gottes gruppiert gewesen. Etwas weiter führen at.liche Stellen. In 1 Kön 2219 schaut Micha ben Jimla Gott auf seinem Throne sitzend und das Heer des Himmels zu seiner Rechten und Linken. Ferner ist heranzuziehen LXXJes l' , ,'\', " ' 1BeOvaaA'Yjft l' , 24 23 b: ßa(1tACVaBt xvew~ B'V ~tW'jl xat B'V xat"B'Vwnw'V "rW'V nQwßv-riew'V ()o~a(J{}~aBTm. Die Stelle steht in· eschatologischem Zusammenhang; nach der Niederwerfung aller Feinde wird Gott allein herrschen in Zion und Jerusalem und von den Ältesten verherrlicht werden. Auch unsere Stelle ist eschatologischer Art: die Thronvision steht am Anfang der Endgerichte. Was in Jes 2423 Abschluß ist, das ist hier Voraussetzang. Die Presbyter verherrlichen durch ihren Offenbarung Johannis (Kritisch-exeget. Komm. z. NT von H. A. W. Meyer 5.6 1896. 1906) im Komm. z. St. zitiert und da von mir benützt. Diese Sterngötter heißen bei den Babyloniern "Richter des Alls" (&:>eaa7:u, 7:WV 8AWV). H. Gunkel, . Zum religionsgeschichtlichen Verständnis des NT, 1903, S. 42 fügt noch die Analogie aus den Verhältnissen altorientalischer Königshöfe hinzu: der Großkönig sitzt auf seinem Thron im Thronsaal umgeben von den Vasallenkönigen: Gott als "König der Könige" umgeben von den Königen der Welt! Ähnlich Schmitz, ThW III, S. 165 f., Art. 1fe6vo,. Alfr. Jeremias, Babylonisches im NT, 1905, S. 15, denkt an Repräsentanten der 24 Teile der Zeit im Tierkreis; das würde die Charakterisierung der 24 Gestalten als "Greise" erklären; denn die Zeit erscheint oft im Bilde des Greises. 1) Schlatter, AT in der joh. Apk, S. 16 2. - Nicht viel weiter führt die Nachricht Plutarchs, de Iside et Osiride 47, daß A.huramazda 24 Götter geschaffen und sie in ein Ei gesetzt habe. 2) Doch scheint auch das nicht ganz sicher zu sein. Die Version A bei Charles, 2 Hen hat: "D er Alte, der Herrscher der Sternenheere". In der Übersetzung von Bonwetsch lautet 2 Hen 41 (A): "Und sie brachten vor mein Angesicht die Obersten und Herrscher der Ordnungen der Sterne." Ist die Übersetzung· genau, dann fehlt hier der Ausdruck "Alte" (:neeaßVTBeOt). Immerhin wäre so ein Anschluß an die in Anm. 5 S. 57 genannte babylonische Tradition gewonnen.
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Lobgesang Gott, Apk 49-11. Gott thront im Himmel und wird von den himmlischen Ältesten verherrlicht. Es ist möglich, daß Johannes diese Jesajastelle (mit 1 Rön 22) vor Augen hatte, als er sein Gesicht aufschrieb. Unerklärt bleibt dann noch die Zahl der Presbyter. Bousset und Hadorn erklären in ihren Kommentaren zur Stelle, daß Johanne8 da etwas in sein Gesicht aufgenommen habe, was er selbst nicht mehr verstanden habe. Es handele sich hier um ein rein traditionelles Element. Für Bousset vor allem wird das noch dadurch bewiesen, daß diese Presbyter priesterliche Funktionen haben, Apk 58. Diese Auskunft ist sehr mißlich. Es könnte doch gerade sein, daß Johannes eben das sagen will, was wir nicht verstehen - diese Presbyter sitzen als Kö· nige und Prie'lter auf den Thronen um den Thron Gottes! Warum sollte Johannes nicht gewußt haben, wer die 24 Presbyter sind? Sonst weiß er doch sehr gut, was er sagt! Die ganze Komposition der Apk zeigt, daß der Verfasser alles andere als gedankenlos vorgegangen ist. Und wenn Johannes auch nicht gewußt haben sollte, wer die 24 Presbyter sind, dann ist die Frage noch einmal die, ob dieses Nichtwissen davon herkommt, weil er im Geiste etwas gesehen hat, das er sich nicht deuten konnte, oder ob er am Schreibtisch eine Offenbarungsschrift zusammenschrieb und dazu traditionelles Material verwendete, auch wenn er es nicht begriff. Kurz gesagt: die Fra gen ach der Bedeutungder 24PresbyterhängtmitderFrage na c h der Er leb ni sec h t h e i t der A p k zu sam me n. Dabei ist natürlich, daß - wenn er Gesichte gehabt hat - er diese auf Grund des ihm vorliegenden Vorstellungsmaterials aufschrieb, soweit das eben reichen mochte. Es ist aber immer damit zu rechnen, daß einer etwas Neues sieht, so daß die religionsgeschichtliche Rechnung nicht so glatt aufgeht, wie gerade unser Beispiel zeigt. Auf jeden Fall ist es mißlich, unsere Unfähigkeit, eine befriedigende Erklärung der 24 Presbyter zu geben, auf Johannes zurückzuprojizieren! Was wir hier wissen, ist, daß die 24 Pr e s b y te 1.' nächst den "Lebewesen" (= Chajjioth) die nächste Umgebung Gottes bilden. Sie sind der hirn m I i s c h e Hof s t a a t G 0 t t e s. Sie sind höchste Diener Gottes, deren Aufgabe zunächst im Lobpreis Gottes besteht. Sie tragen goldene Kränze und sind so als Könige oder Fürsten gekennzeichnet. Daraus ist zu schließen, daß sie wohl im Auftrage Gottes Regie;rungsdienste ausüben im Kosmos 1). Wir erfahren aber 1) Die exegetische Tradition der Synagoge ließ die Ältesten
60 darüber nichts. Nach altsynagogaler Tradition ist Gott im Himmel von einem himmlischen Gerichtshof umgeben, den Engel bilden. "R. Meir sagt in bezug auf die Worte: ,und dies sind die Rechtsvorschriften', Gott hat den Ältesten Israels die Handhabung des Rechts gegeben, so wie das Synedrium in der Höhe vor Gott sitzt. ,Ich schaute, bis daß Stühle aufgestellt wurden und der Alte sich setzte ... , das Gericht nahm Platz und Bücher wurden geöffnet' (Dan 79 f.). Ebenso sitzt Gott, welcher der ,Alte' heißt und vergilt denen, die sich stolz gegen ihn erheben" (Schemoth r., par. 30, :z;u Ex 221) 1). Daß aus dem Throne GO"Ltes Blitze, Donner und Stimmen hervorgehen, hat sein Vorbild in Ez 113, vor allem aber in Ex 1916: Gott erscheint auf dem Berge Sinai unter Donner, Blitz und Posaunenschall. - Vor dem Throne Gottes brennen 7 Fackeln, die als die 7 Geister Gottes bezeichnet werden (v. 5). Die Vorstellung geht vielleicht zurück auf Sach 4 lob und Ez 1 13 : 7 Augen Gottes schweifen durch die ganze Welt (Sach) und Fackeln fahren zwischen den Kerubim unter dem Throne Gottes hin und her (Ez). Das Neue den at.lichen Stellen gegenüber ist, daß diese Fackeln als Geister bezeichnet werden. Nach Bousset 2) hätten wir es bei den 7 Geistern mit den 7 Erzengeln zu tun, die "als letzte blasse Erinnerung" an die ursprünglichen 7 Gestirngötter hier als 7 Geister vor Gottes Thron erscheinen. Restlos über:z;eugend ist das nicht. Wieso heißt es hier ,,7 Geister" und nicht ,,7 Erzengel" oder ,,7 Engel"? Mit einem Verblassen der ursprünglichen Vorstellung, mit einer Sublimierung, ist nicht zu rechnen; denn in Apk 82 tritt die Vorstellung von den 7 Erzengeln vor Gottes Thron in durchaus nicht verblaßter Form auf, war also Johannes gegenwärtig. Johannes kannte die Vorstellung von den 7 Erzengeln und verwechselte Israels in der neuen Welt Gottes sich an dem Regimente Go t t e s be t eil i gen. Schlatter, AT in der joh. Apk, S. 14 f. 1) In einer Überlieferung aus der Amoräerzeit, die durch das vorige Zitat als alt erwiesen wird, heißt es jSanhedrin 1 b: "Richte nicht allein; denn nur einer richtet allein. Nach R. Jehuda ben Pasi richtet auch Gott nicht allein, weil es heißt (1 Kön 2219): ,Und das ganze Himmelsheer stand zu seiner Rechten und zu seiner Linken', d. h. die einen stimmten für: unschuldig, die andern für: schuldig. Wenn nun aber auch Gott nicht allein richtet, so besiegelt er doch allein das Urteil (vgl. Dan 1021). Überhaupt tut Gott nichts in seiner Welt, wie R. Jochanan sagte, ohne sich mit dem oberen Gerichtshof zu beraten. R. Eli'ezer fügte hinzu: überall, wo es heißt: ,Der Ewige, Gott, so ist darunter er und sein Gerichtshof zu verstehen. Die Hauptstelle von allen ist (2 Chron 1822): ,Der Ewige hat b öse über dich gesprochen'." 2) Komm. z. Apk 114 und 45.
61 sie nicht mit der von den 7 Geistern. Wenn die Anschauung von den 7 Geistern vor Gottes Thron ursprünglich auf die 7 Erzengell) zurückgehen sollte, dann müßte erklärt werden, wie einmal diese Idee so verblassen und dann doch bei demselben Schriftsteller in voller Ursprünglichkeit auftreten konnte. Si c her ist auf j e den Fall, daß diese 7 Geister für Johannes etwas durchaus anderes und der Erzengelvorstellung g e gen übe r Neu e s dar s tell t e n. Dieses Neue wird mit der urchristlichen Erfahrung der Geistbegabung zusammenhängen. Durch die Erfahrung, daß der Christenheit die Gabe des Geistes verliehen war, unterschied sie sich vom Judentum. Ich habe in keiner jüdischen Himmelsbeschreibung den Gei s t G 0 t t e s e r w ä h n t g e fun den als eine himm1ische Wesenheit. Hier wird das Unanschauliche des Geistes bildhaft und anschaulich durch die brennenden Fackeln dargestellt. Die Zahl 7 ist die Zahl der heiligen Ganzheit - die ganze Fülle des göttlichen Geistes befindet sich vor dem Throne Gottes 2). Das kr ist a 11 e ne Me e r (v. 6) ist sicher ursprünglich der himmlische Ozean der aItorientalischen Kosmologie. Auch für diese Vorstellung, daß sich die oberen Wasser in unmittelbarer Nähe 3) des göttlichen Thrones befinden und ihren Charakter als himmlischen Ozean eigent"lich verloren haben, gibt es m. W. keine jüdische Analogie. Die Anschauung fehlt auch bei Hesekiel. Immerhin kann die "Platte", die aussah "wie Eis", hier nachgewirkt haben 4). Auch sagen die Pirqe d. R. Eli'ezer 4, daß die Veste von Ez 122 die oberen Wasser von den unteren trenne (Str B IH, S. 799). In Apk 152 erscheint dieses Meer wieder, doch heißt es diesmal von ihm, es sei mit Feuer gemengt. Die Geretteten stehen an ihm und singen das "Lied Moses" (vgl. Ex 15, ') So auch Gunkel, Zum relig.-gesch. Verständnis des NT, S. 40 f. 2) 1 Hen 6111 loben die Engel Gott "im Geiste des Glaubens, der Weisheit, Geduld, Barmherzigkeit, des Rechts, des Friedens und der Güte" - es sind 7 Prädikationen! - Daß wir es mit dem Gei s t eGo t t e s und n ich t mit den Erz eng ein zu tun haben, sagt auch Billerbeck, Str B III, S. 788. 3) Nach Rengstorf (vgl. Anm. 3 S. 57) würde das Meer hier die Ferne Gottes bedeuten, im Gegensatz zum Regenbogen, der die Nähe Gottes hervorhebt. 4) Schlatter, AT in der joh. Apk, S. 15 zieht die Mekiltha heran, wo es zu Ex 1416 heißt, Gott habe beim Durchzug durch das Meer den Israeliten das Meerwasser gerinnen lassen, daß es ähnlich wurde wie Glasgeschirr. - Nach R. Mei'r "schweben" die oberen Wasser, gehalten durch das Schöpferwort Gottes (Bereschith r., par. 4, zu Gen 16).
62 Deut 33). Feuer und Wasser als Bestandteile des Raqi'a, die einander nicht schädigen, ist alte rabbinische Tradition, die auf R. Schim'on b. Jochai zurückgeführt wird (Bemidbar r., par. 12 zu Num 7 1). Die Vorstellung konü:nt wohl daher, daß man beobachtet, daß der Himmel den Regen spendet und an ihm die Gestirne leuchten. Derselbe R. Schim'on b. Jochai erklärte, daß der Raqi'a in Ez 1 22 aus Eis bestehe, die Kerubim aber aus Feuer, und daß trotzdem die beiden Dinge sich nicht schädigen oder hindern (Schir r., zu Cant 311). Bei der B e s ehr e i b u n g der "L e b ewe sen" (Cwa = Chajjioth) weicht unser Text in einigen Punkten von seiner Vorlage in Ezechiel ab: es fehlen die Menschenhände und die Menschengestalt (Ez 15. 8), die Fußsohlen des Kalbes (Ez 17); die Lebewesen laufen nicht hin und her (Ez 114), und sie tragen den Thron nicht (Ez 122. 25 f.). Dazu kommt, daß der Thron nicht beweglich ist, er ist kein Thronwagen wie bei Hesekiel. Darin unterscheidet sich Apk 4 von der jüdischen, vor allem von der synagogalen Tradition, die an diesem Zug des Gesichtes Hesekiels nichts änderte. Die 4 Lebewesen haben in Apk 4 je ein e Gestalt: sie sehen aus wie ein Löwe, ein Stier, ein Mensch, ein fliegender Adler. Bei Hesekiel hat jeder der 4 Kerubim 4 Gesichter. Eine Ubergangsvorstellung zwischen Hesekiel und J ohannes fanden wir in Apok Abrah (vgl. S. 55). Vermutlich hat auch die synagogale Tradition aus den Kerubim mit den 4 Gesichtern 4 verschiedengest-.,ltige Lebewesen gemacht 1). Johannes folgt der Tradition darin, daß er die Kerubim Hesekiels nicht nur mit der Bezeichnung des Textes benennt, sondern mit dem Namen Cwa = Chajjioth). Haben die Kerubim bei Hesekiel 4 Flügel, so die Lebewesen in Apk 4 deren 6; damit sind Ez 1 und Jes 62 miteinander verbunden: die Kerubim Hesekiels sind für den Seher von Apk 4 identisch mit den Seraphim von Jes 6. Aus Jesaja stammt auch der Lobgesang, den die Lebewesen singen. Dabei ist das" Jhvh yebaöth" des Trishagion mit "VelO~ ofhd~ 0 navrouea:r:we sinngemäß, aber frei vom hebräischen Ausdruck im einzelnen wiedergegeben. Dazu kommt die Bezeichnung Gottes als "Der war und der ist und der kommt". Diese Prädikation bezeichnet die Ewigkeit Gottes, sein Sein in Vergangenheit und in der Gegenwart und sein Kommen in der Zukunft: G 0 t t ist nie h t der s tat i s c h Ruh end e, so n der nd erd y n ami s eh "K 0 Inmende". 1) Vgl. Schlatter, AT in der joh. Apk, S. 17. Aus der amoräischen Tradition in bChagiga 13 b scheint das auch hervorzugehen.
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Der Thron Gottes ist im weiteren Umkreis umgeben von Millionen von Engeln (Apk 511); hier hat Johannes wie die Tradition mit ihm Dan 7 10 wiederholt. Im ganzen sehen wir, daß die Thronvision gestaltet ist nach traditionellen Vorbildern, die dem Seher aus dem AT geläufig waren. E r ist a b erd e m Tex t g e gen übe r, bei all erG e b und e n h e i tim g a n zen, d 0 chi m ein z e I n e n fr e i. Dasselbe muß von seinem Verhältnis zur Auslegung der Texte gesagt werden: er s t e h tin ein e r T rad i t ion d r in, s t e h t ihr a b e rau c h wie der f r e i g e gen übe r. So entsteht trotz aller Anklänge an schon Vorhandenes doch ein Neues das sich wohl nur recht verstehen läßt, wenn man erkennt, daß der Vi si 0 n ei gen e s Erle ben zug run deI i e g t. Von hier aus müssen die Züge der Vision auch erklärt werden, die sich in keine überlieferte Anschauung glatt einfügen lassen. C. Der zum Throne Gottes erhöhte Christus
In die mehr statisch gehaltene Beschreibung des Thrones Gottes von Kap. 4 kommt mit Kap. 5 eine lebendige Bewegung hinein. Der Seher sieht in der rechten Hand Gottes 1) ein siebenfach versiegeltes Buch, das beidseitig beschrieben ist. Dadurch ist es als Testament 1) In 3 Hen 44 7 f. ruht die rechte Hand Gottes hinter ihm auf seinem Throne; sie ist dort untätig. Ihre Betätigung würde bedeuten, daß Israel von seinen Feinden befreit würde, aber die Sünder in Israel hindern das Kommen des Gerichts, der Befreiung Israels und der Heilszeit. Gottes rechte Hand schuf den Kosmos und wird einst, wenn Israel Buße tut, die Erlösung schaffen, aber jetzt ist sie untätig. - Nach 3 Hen 481 (A) ist Gottes rechte Hand untätig seit der Zerstörung des Tempels. Die Engel können die rechte Hand Gottes nicht ansehen bis zum Tage der Erlösung; Metatron zeigt dem Jischma'el aber die Herrlichkeit von Gottes schöpferischer Hand (v. 2); die Seelen der Gerechten stehen bei Gottes rechter Hand und preisen sie und sagen (Jes 519): "Wach auf! Wach auf! Waffne dich mit Kraft, du Arm des Herrn", wie geschrieben steht Jes 6312: "Der seinen glorreichen Arm einherziehen ließ zur Rechten Moses" (v. 3). Dann sieht Jischma'el, wie die rechte Hand Gottes weint, so daß 5 Ströme von Tränen in das große Meer fallen und die Welt erschüttern (v. 4). Doch wird Gott trotz des Fehlens von Gerechten und Fürbittern, wie Samuel einer war, dereinst seine rechte Hand selbst befreien aus ihrer Untätigkeit und Israel erretten (v.5ff.). - Bemerkenswert ist hier immerhin die starke Betonung der gegenwärtigen Inaktivität Gottes. - Nach Pirqe R. Eli'ezer 48 (28 a; Str B III, S. 507 f.) haben Gottes Finger in der Vergangenheit Erlösungen für Israel gewirkt; der Daumen und die rechte Hand werden in der Zukunft die Söhne Esaus (= die Römer) vernichten und so Israel befreien.
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gekennzeichnet. Es enthält den Willen und Plan Gottes über den Kosmos in der Endzeit. Niemand hat Vollmacht, das Buch ZU entsiegeln und damit die in ihm aufgeschriebenen und also beschlossenen Ereignisse herbeizuführen, außer Jesus Christus. Er heißt hier das "Lamm", der "Löwe aus dem Stamme Juda" und die "Wurzel David". Johannes hat also die Weissagung von Gen 499 auf Jesus Christus bezogen; in ihm hat sich Judas Königtum erfülltI). Ebenso erfüllt sich in Jesus Christus die Weissagung von Jes 111 2). Jesus hat "gesiegt" - damit wird auf Kreuz und Auferstehung hingewiesen, durch die Christus seine Vollmacht errungen hat. Das geht auch daraus hervor, daß das Lamm "wie geschlachtet" ist (v. 6), d. h. es trägt das Zeichen der Schächtung, die Wunde am Halse. Der Löwe aus Juda ist das geschlachtete Opferlamm (J 129)3), das die Sünde der WeIt wegnimmt. Der Löwensieg Jesu Christi besteht in seinem Opfer am Kreuz und in seiner Auferstehung. Das Lamm hat 7 Hörner als Zeichen seiner Allmacht und 7 Augen. Unter deutlicher Anlehnung an Sach 4 10 werden diese Augen als die 7 Geister Gottes beschrieben, die in die WeIt gesandt sind. Der C h r ist u s ist im voll e n B es i tz e des Gei s t e s G 0 t t e s. Hier zeigt sich ein ganz g run d sät z 1 ich e rUn t e r s chi e d zum J u den turn und seinem Messiasbild: Je s u s C h r ist u s ist dur c h den Tod und die Auferstehung zum Throne Gottes erhöht worden. Dort übt e r s c h 0 n i n der G e gen war t die Her r sc h a f t übe r die We 1 tau s (Apk 2 26-28) und hat die Vollmacht, die Ereignisse herbeizuführen, die das Ende bringen. Das bestätigt der Lobgesang von Apk 5 13. Es ist allgemeine nt.liche Anschauung, daß J esus Christus zum 1) Vgl. Schlatter, AT in der joh. Apk, S. 47. Ebenda auch die andere Deutung, die das Rabbinat Gen 499 gab. 2) Schlatter, AT in der joh. Apk, S. 48 f., vermutet, daß mit f] r}t~a Llavtt5 ausgesprochen werde, daß David durch den Präexistenten die Verheißung bekam. Vgl. Apk 2216: "Ich bin das Geschlecht Davids": das Geschlecht Davids beruht auf Christus, nicht umgekehrt! Wie Jesus in Mt 2241-46 erklärt hat, er sei nicht Davids Sohn, sondern er sei Davids Herr. 3) Bousset, Komm. z. St., bringt als Pitrallele tJoseph 19 bei: "Und ich sah, daß aus Juda eine Jungfrau geboren wurde, die ein linnenes Kleid hatte. Und aus ihr ging ein untadeliges Lamm hervor und zu seiner Rechten wie ein Löwe. Und alle Tiere stürmten gegen es an, und das Lamm besiegte sie (svtur]O'8v)." Die Stelle ist aber k ein e Par alle I e, so n der n ein c h ri s t li c her Ein s c hub i n t J 0 s e p h 19; die armenische Übersetzung hat einen andern Text (vgl. Schnapp, bei Kautzsch 11, S. 459 d und S. 502).
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Throne Gottes erhöht ist, daß er auf dem Throne Gottes sitzt. In Apk 321 verheißt Christus dem Sieger, daß er mit ihm auf seinem Throne sitzen werde, wie er selbst gesiegt und sich auf den Thron des Vaters gesetzt habe. Auch da ist seine Erhöhung die Folge seines Sieges in Kreuz und Auferstehung. Als der erhöhte Herr führt Jesus den Titel "König der Könige und Herr der Herren" (Apk 1916), der sonst Gott gebührt (vgl. 1 Tm 616). Sachlich dasselbe sagt der "Christuspsalm" (Phil 2 5-11) aus: der Gehorsam führte Christus zum Tode am Kreuz, aber von da aus wurde er erhöht, da Gott ihm den "Namen über alle Namen" gab - Jesus Christus ist Herr der ganzeIl Schöpfung. Wenn Paulus Phil 2 11 sagt, "daß sich in dem Namen Jesu jedes Knie der Himmlischen, Irdischen und Unterirdischen beuge", so berührt sich diese Aussage eng mit Apk 513. Nicht direkt ausgesproehen, jedoch mitzudenken , ist in Phil 2 das Sitzen J esu zur Rechten Gottes. Auch Rm 834 stehen Tod, Auferstehung und Sein Jesu zur Rechten Gottes nebeneinander. Sitzt Christus zur Rechten Gottes im Himmel, dann gilt es für die Christen 'ttl avw q;eoveiv f-l~ 'ttl enl 'tij;; yfj;;, dem Willen Christi gemäß zu leben; denn die Christen sind in der Taufe gestorben, und ihr Leben ist mit Christus verborgen in Gott, wird aber in der Parusie Christi offenbar werden (Kol 31-4). In Beziehung auf die Herrschaft Christi über die Engelmächte 1) sagt Eph 1 20-23: "Dies hat er an Christus wirksam werden lassen, als er ihn von den Toten auferweckte und z u sei n e r R e c h t e n i n der H i m me I s w e I t set z te über jede Gewalt und Macht und Kraft und Hoheit und jeden Namen, der genannt wird nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen. Und alles hat er seinen Füßen unterworfen und hat ihn zum Haupt über alles der Kirche gegeben, die sein Leib ist, die Fülle dessen, der alles mit allem erfüllt" (vgl. 1 Petr 3 22). Der Hebräerbrief, der die Lehre vom Sitzen Christi zur Rechten Gottes auch kennt (Kap. 1; vor allem 113; 122), verbindet damit die Lehre vom hohepriesterlichen Amt Christi 2). Entscheidend wichtig wurde hier für das Urchistentum die messia1) Vgl. zu dieser für das NT zentral wichtigen Vorstellung von der gegenwärtigen Herrschaft Christi über diesen Aeon: O. Cullmann, Christus und die Zeit, 1945, und die dort angegebene Literatur. - Str B I, S. 9-11: auf Grund von Ps. 13217 ist der Messias ein "Horn der Hilfe" für Israel. Das Bi I d von den7 Hörnernistinderspätjüdischen Tradition nicht bel e g t. 2) Vgl. Kap. 5 (F) S. 123 ff. Bietenhard, Himmlische Welt
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nische Deutung des 110. Psalmes; denn da sah man den Schriftgrund für die gegenwärtige Herrschaft Christi. J esus selbst hat in seinem Pro~eß vor dem Hohenpriester in Anschluß an Ps 110 1 und Dan 7 13 gesagt, er werde ~ur Rechten Gottes sitzen und auf den Wolken des Himmels kommen. Seine Erhöhung zum Throne Gottes findet ihren eschatologischen Abschluß für diese Welt darin, daß er als der endzeitliche Richter kommt. Diesen Gedanken verdeutlicht z. B. sein Wort in Mt 25 31 ff. Die Begleiter Christi bei der Parusie sind überall im NT die Engel, die dienend seinen Thron umgeben. Der Gedanke; den das Wort vom Sitzen "auf dem Throne (oder zur Rechten Gottes)" bildhaft ausdrückt, spricht Mt 28 18 ohne Bild aus: "Mir ist gegeben alle Vollmacht im Himmel und auf Erden." Von da aus kann der Auferstandene den Jüngern den Befehl ~ur Mission geben: er sendet die Seinen in sein Herrschaftsgebiet und ist ihnen gegenwärtig. Im Hinblick auf sein zukünftiges Herrschen im Reiche Gottes verheißt Jesus den 12 Jüngern (Mt 1928): "Ihr, die ihr mir nachgefolgt seid, werdet in der Wiedergeburt, wenn der Sohn des Menschen auf dem Throne seiner Herrlichkeit sitzen wird, auch auf 12 Thronen sitzen, um die 12 Stämme Israels zu richten." J esus verweigert jedoch die Zuteilung der Ehrenplätze, da dies allein Gott zukommt (Mt 20 23). Im neuen J erusalem ist der "Thron Gottes und des Lammes" die Mitte der neuen Welt Gottes (Apk 223). Jesu Erhöhung zum Throne Gottes überdauert diese Welt und währt ewig. - Eine kleine Differenz zu dieser Lehre des NT bietet Ag 755 f.: Stephanus ·sieht Jesus zur Rechten Gottes s t ehe n. Wir werden sehen, daß dieser kleine Zug nicht unwichtig ist in bezug auf die jüdische Tradition (vgl. S. 71 f.). Neben der nt.lichen Botschaft von der Auferstehung Jesu hat die sogenannte "Himmelfahrt" J esu keine selbständige Bedeutung. Denn an keiner Stelle, wo von der Kyrios-Würde J esu geredet wird, steht die Himmelfahrt selbständig neben der Auferstehung. Es ist vielmehr so, daß die Auferstehung als solche auch die Erhöhung Christi zur himmlischen Herrscherwürde bedeutet. Es ist auch nicht so, daß irgendwo im NT beschrieben würde, wie Jesus die Himmel durchschreitet, bis er zu Gottes Thron gelangt (vgl. S. 215 H.). Gnostische Schriften aus späterer Zeit sind da wesentlich anders interessiert; denn in ihnen bildet die Beschreibung des Abstiegs und Wiederaufstiegs des Erlösers das Eine große Hauptthema, gehört das zur Verkündigung. Es ist auch bezeichnend für das NT, daß von einem Abstieg J esu vom Himmel herab nur selten geredet wird; und da, wo es
67 geschieht, wird seinWeg nicht im einzelnen beschrieben. Ebensowenig gibt es im NT eine eigentliche "Himmelsgeogrl1phie" (besser Uranographie) im Zusl1mmenhl1ng mit der Erhöhung J esu 1). Wie Ascens J es zeigt, wird 1111 dl1s im llI1chkanonischen Schrifttum I1nders (vgl. S. 215 ff.) 2). Dem Gesagten widerspricht letztlich auch Ag 1 9-11 nicht. Beim Abschluß dieser letzten Erscheinung des Auferstandenen heißt es, daß er "emporgehoben" wurde (bt~ef}'f}), daß eine Wolke ihn aufnahm, daß die Jünger zum Himmel "emporblickten" (a;tevtcovrs~ i}aav sl~ TOV OVeo,vov). Deutlich ist hier das uns bekannte Weltbild vorausgesetzt: der Himmel ist "oben", Jesus geht zu Gott, der im Himmel und also oben ist; wenn man den Herrn dorthin gehen sieht, dann geht er eben "nach oben". Es handelt sich bei dieser Erscheinung deutlich um eine Abschiedserscheinung, d. h. um die letzte, welche vor der Parusie erfolgen soll, wie es die Quelle, der Lukas folgt, ausdrücklich in v. 11 erklärt. In derselben Weise, so heißt es, wird Jesus bei der Parusie wieder erscheinen: vom Himmel her, von oben, in der Wolke. Deutlich haben hier also Parusiemotive auf die Gestaltung des "Himmelfahrtsberichtes" eingewirkt. Durch diese Motive soll aber auch der Abschiedscharakter der Erscheinun"{ recht deutlich markiert werden 3). An sich ist in diesem Text nicht die Beschreibung des Auffahrens ZUllt Himmel wichtig, sondern die Botschaft, daß der so Entschwundene wiederkommen wird; w ich t i gis t a l s 0 die eschatologische Botschaft und nicht die Bes c h r ei b u n gei n er "H im m elf a h r t". Zu deutlich werden die Jünger durch die Botschaft der Engel auch davon abgelenkt, zum Himmel hinauf zu starren. Im übrigen hat auch Lukas oder seine Quelle nicht daran gedacht, daß der Auferstandene etwa auf der Erde sich aufgehalten hätte, bevor er auf dem Ölberg in den Himmel fuhr. Die Meinung ist auch hier die, daß Jesus bei der Auferstehung zu Gott erhöht wurde, daß die Erscheinungen des Auferstandenen also vom Himmel her erfolgten. 1) Vgl. W. Michaelis, Die Erscheinungen des Auferstandenen, 1944, S. 80.
2) " .•. nicht nur für Paulus ... sondern auch noch für die Evangelien und die Apostelgeschichte, somit für das ganze NT, sind alle Erscheinungen Jesu Erscheinungen eines schon zu Gott in die himmlische Herrichkeit Entrückten" (Michaelis, Erscheinungen, S. 86). "Nach der einhelligen Überzeugung des NT ist die Himmelfah-rt eben nicht neben oder nach der Auferstehung noch eine weitere Änderung der Existenzform des Auferstandenen" (Michaelis, a. a. 0., S.88). 3) Vgl. W. Michaelis, Erscheinungen, S. 86-89. 5*
68 Auch an den übrigen nt.lichen Stellen ist der e n t s ehe i den d e Gedanke der, daß Jesus zu Gottes Thron erhöht ist. E r s t von d a aus erg e ben sie h dan n a 11 ewe i t er e n Aus sag e n: daß er alle Himmel durchschritten hat, daß er Herr über alle Mächte und Gewalten ist usw. Diese Aussagen werden je und je gemacht im Gegensatz zu allerhand außerchristliühen oder halbchristlichen Botschaften, gegen Engelverehrung und dergleichen Dinge, so im Eph und Kol. Motive aus solchen Theorien werden dann aufgenommen, die Erhöhung Christi wird ihnen gegenübergestellt und dann gezeigt, daß durch die Erhöhung Christi zu Gottes Thron alle diese "interessanten" Dinge überholt und überboten sind. Auch Paulus kann reden von Mächten und Gewalten im Himmel, auch der Hebräerbrief weiß von einem himmlischen Kult, aber all das wird Christus unterworfen und auf ihn bezogen. Die Männer des NT reden in den Anschauungsformen ihrer Zeit und der Kreise, in denen sie leben oder an die sie schreiben; mit H i 1 f e die ses Anschauungs- und Begriffsmaterials verkündigen sie die Christusbotschaft vom erhöhten Her r n. Weil Christus bei Gott ist, darum ist er über allen Himmeln und über allen Mächten. Die H i m m e I und die M ä c h t e s e 1 ber verlieren damit ihre selbständige Bedeutun g und auch ihr Interesse, weshalb sie auch nicht beschrieben werden. Dieser einhelligen Anschauung des NT von der Erhöhung J esu durch die Auferstehung steht J 2017 gegenüber. Maria Magdalena begegnet hier dem aufserstandenen Herrn, der sie warnt, ihn zu berühren: "Ich bin noch nicht aufgestiegen zum Vater". Wir haben hier die einzige Erscheinung des Auferstandenen, welche ihn "unterwegs" zum Himmel zeigt, eine Erscheinung also, die nicht vom Himmel her geschieht. Weiteres über den "Aufstieg" Jesu zu Gott wird aber auch hier nicht gesagt. Es wird anzunehmen sein, daß die andern von Johannes erzählten Erscheinungen des Auferstandenen vom Himmel her erfolgen. Nichts deutet darauf hin, daß es anders sein könnte 1). Die nächste Parallele zu diesen Aussagen über die Erhöhung Christi bieten die Bilderreden des 1 Hen (Kap. 37 H.). Die Heilspersönlichkeit heißt hier durchgängig "der Auserwählte" oder "der Menschensohn" 2) 1) Vgl. W. Michaelis, Erscheinungen, S. 78-81. 2) Erst nach Abschluß dieser Arbeit wurde mir die umfassende und gründliche Studie bekannt, die E. Sjöberg über das Thema veröffentlicht hat: Erik
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oder "der Gesalbte" (so nur 52 4). Er ist eine präexistente Gestalt, die aussieht wie ein Engel (461). Er ist aber kein Engel: der Name Menschensohn - Dan 713 f. ist auf eine Person gedeutet - weist gerade auf die menschliche Natur dieser Gestalt hin; darauf weist ferner hin, daß er mit der Gemeinde der vollendeten Gerechten im Himmel dauernd verbunden ist. Er ist eine Art Urmensch oder Uradam, der am Ende der Zeit wieder auf der Erde erscheint 1). Vor der Weltschöpfung wurde sein Na m e vor dem Herrn der Geister genannt (483) ; über diese Aussage geht 49 1 f. hinaus: er steht vor dem Herrn der Geister und seine Herrlichkeit währt von Geschlecht zu Geschlecht (ähnlich 486).463 dagegen scheint es, daß der Unterschied des Auserwählten von den Auserwählten nur ein quantitativer ist: er ist gerechter als die andern. Wie die Auserwählten und Gerechten im Himmel sind, so auch er; er befindet sich in besonderer Gottesnähe : unter den Fittichen des Herrn der Geister hat er seine Wohnung (397). In ihm ist Weisheit und Herrlichkeit (491 f.); auf Grund von Jes 11 2, das hier anklingt, ist er im Besitz des Geistes Gottes und wird darum die geheimen Dinge richten können (494). Er wird in der Zukunft der Gerichtsherr sein: er wird am Jüngsten Tage auf Gottes Thron sitzen und das Gericht ausüben. Er wird den •Azazel und seine Scharen richten (554; 561-4; 68; 6927). Er wird aber auch die Werke der Heiligen und Gerechten mit der Waage abwägen (618). Sein Mund wird, wenn er auf Gottes Thron sitzen wird, alle Sünder töten (622 f.). Er vernichtet die irdischen Herrschaften und Könige, wenn er beim Anbruch der Heilszeit erscheint; vor ihm vergehen die Weltmächte wie Wachs vor dem Feuer (514; 52; 537). Bei der Auferstehung sitzt er auf dem Throne Gottes und ist Herrscher der Heilszeit (51). Er läßt die Gemeinde der Auserwählten in der Heilszeit erscheinen: sie erscheint mit ihm vom Himmel her (453 ff.), um das Reich des Heils einzunehmen (536; 453-5; 515; 628; 381). Unter seiner Herrschaft werden die Kriegswaffen verschwinden (528 f.). Doch nach Kap. 47 hält Gott das Endgericht. So ist wie im AT und im NT bald Gott, bald die Heilspersönlichkeit ("Messias") der Richter am Ende der Tage. Auch nach s Bar 722 hält der "Gesalbte" das Endgericht über die Völker. Wir haben es in den Bilderreden des 1 Hen mit einer Sjöberg, Der Menschensohn im äthiopischen Henochbuch, 1946 (in: Acta Reg. Societatis Humaniorum Litterarum Lundensis XLI). 1) So Volz, S.21. - Zum Problem Menschensohn-Urmensch vgl. Sjöberg a. a. 0., S. 190-198.
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midraschartigen Ausgestaltung von Stellen des AT zu tun, die sich auf die Heilspersönlichkeit beziehen; diese Haggada gründet sich vor allem auf Jes 11 und Dan 7. Es muß aber hier betont werden, daß im Unterschied zum NT der "Auserwählte" von 1 HenB in der Gegenwart nicht der Throngenosse Gottes ist; von einer gegenwärtigen Herrschaft des "Auserwählten" ist nicht die Rede. Der "Auserwählte" gehört nicht auf die Seite Gottes, sondern auf die Seite der gerechten Menschen. Das Rabbinat ist der hohen Schätzung der Heilspersönlichkeit, die wir in 1 HenB und im N T finden, das n 0 c h übe r 1 H e n B hin aus geh t, nie h t ge f 0 I g t. So sehr die Rabbinen in gespannter Erwartung nach dem "König, dem Messias" Ausschau hielten, haben sie ihn in keiner Weise an die Seite Gottes gerückt. Nach Schim'on ben Laqisch ist der Geist Gottes, der nach Gen 12 über den Wassern schwebte, der Geist des Königs Messias, auf Grund von Ps 1395 (Bereschith r., par. 2, zu Gen 12 f.; als Belegstelle führt er noch Jes 112 an). Doch ist hier nicht eine Aussage über die Urzeit gemacht, sondern R. Schim'on b. Laqisch findet in den Versen von Gen 1 einen Hinweis auf die Endzeit: Thohu und Bohu bedeuten die Israel feindlichen Weltreiche, der "Geist über den Wassern" ist der Messias, der nach den Weltreichen kommtl). - Nach Ruth t. (zu Kap. 214 [= Wajjiqra r. zu Lev 349]) zeichnet jetzt der M e s s i a s zusammen mit Elia die Taten der Menschen auf, ist also himmlischer Schreiber. Die Thannaiten rückten geflissentlich den Messias von Gott ab. R. 'Aqiba deutete die "Throne" von Dan 79 als für Gott und den Messias bereitet. R. Jose der Galiläer warf aber dem R. 'Aqiba vor, er ziehe mit seiner Deutung die Schekina ins Profane: da der Messias eine menschliche Gestalt ist, bedeutet es für Gott eine Erniedrigung, wenn man ihm einen Thron neben einem Menschen anweist. R. Jose deutete die "Throne" von Dan 7 beide auf Gott: ein Thron ist für das Recht, der andere für die Milde. R. Eli' ezer b. 'Azarja sekundierte den R. J ase: er gab R. 'Aqiba den Rat, er 'möge sich besser nicht mit der Haggada befassen, sondern mit mehr Aussicht auf Erfolg mit den Aussatzschäden und den Zelten, also 'mit der Halaka. R. Eli'ezer meinte, der Plural "Throne" beziehe sich auf den Thron Gottes und auf Gottes Fußschemel, also auf die Erde (bSanhedrin 38 b) 2). 1) Bacher, Amoräer I, S. 389 f.; Str B II, S. 349 f.
2) Die Überlieferung ist hier nicht ganz einheitlich. Nach Bacher, Tannaiten
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Es wurde schon gesagt (vgl. S. 66), daß Stephanus in seiner Vision Jesus Christus zur Rechten Gottes s t ehe n sah. Die Rabbinen m ..,chten einen bedeLltenden Unterschied zwischen rlem Stehen und dem Sitzen im Himmel. Im H i m m eIs i t z t nur G 0 t t a 11 ein, zum Zeichen seiner Herrschermacht und Gottheit. All e üb r i gen H i In m 1 i s ehe n ab er s te he n, zum Zeichen dafür, daß sie nut Geschöpfe Gottes und seine Diener sind. Wenn neben Gott noch jemand als sitzend angesehen wird, so besteht die Gefahr des Dualismus und damit der Häresie. Das mußte Elischoa b. Abuja erfahren, der "ins Paradies eingegangen" war und dort Metatran sitzend erblickt hatte. Nun hatte nach jüdischer Ansicht Metatran die Erlaubnis, täglich eine Stunde zu sitzen, um Israels Verdienste aufzuschreiben. Unglücklicherweise kam Elischoa b. Abuja gerade zu dieser Zeit in den Himmel. Seine Frage war folgerichtig die: "Sollte es etwa, Gott behüte t !Zwei Mächte geben?" Metatran wurde zur Strafe dafür, daß er nicht aufstand, als er Elischoa sah, mit 60 Feuerschlägen bestraft; Elischa ° selbst fiel ab in Häresie 1) bChagiga 15 a. Es ist zu vermuten, daß die s tal' k e T ren nun g des M e s s i a s von G 0 t t bei den Rabbinen bedingt war durch den Gegensatz g e gen das C h r ist e n t um, das J esus Christus zum Throne Gottes erhöht sein ließ; man wollte bei den Juden auch den Schein des Ditheismus meiden und verstand es nicht, daß die Christen in der Vereinigung J esu Christi mit Gott keine Gefahr für den Monotheismus sahen. D. Die Traditionen der jüngeren Midraschim über Gottes Thron
Unter den jüngeren Midraschim, deren Lehren über den Thron Gottes hier noch 7U erwähnen sind, steht der Midrasch Könen wohl obenan. Er gibt (auf S. 189 f. der Ausgabe von Wünsche) eine recht I, S. 216. 316f., hat 'Aqiba zuerst die Deutung der Throne für Gott und den Messias vertreten, dann hat er von R. Jose die Deutung auf Recht und Milde angenommen. - Zum ganzen Problem vgl. Str B IV, S. 452-465, Exkurs 18: "Der llO. Psalm in der altrabbinischen Literatur." Das 8 c h w e i gen der ältesten Zeit über die messianische Bedeutung des 110. Ps alm s wird hier ausdrücklich (8.458 f.) aus dem Ge gen 8 atz der S y na g 0 g e g e gen die 0 h r i 8 t e n erklärt. Die messianischen Deutungen beginnen erst mit dem Jahr 260 n. Ohr. bei R. Ohama b. Ohanina; dabei wird der Psalm bald auf den Messias, bald auf David als der zukünftigen Heilspersönlichkeit gedeutet, oder auch einfach auf die messianische Zeit als solche. 1) Vgl. dazu Hirsch Grätz, Gnostizismus und Judentum, 1846, S. 63 ff.
72 dunkle Beschreibung des Ortes, wo Gott thront. Es heißt von die'lem Ort, er befinde sich "hinter der untersten Erde". Er ist umgeben von 11 Umkreisungen, d. h. wohl Sphären: 1. Feuer und Wasser; 2. Erdbeben und Erzittern; 3. Blitze und Donner; 4 Brandpfeile und Erschütterungen; 5. die Gestalten der Chajjioth; 6. Hin- und Herlaufen; 7. Worte des Getümmels; 8. Stimme leisen Lispelns; 9. diejenigen, die das Trishagion sprechen; 10. diejenigen, die sprechen: "gepriesen sei die Herrlichkeit Jahves von ihrem Orte aus"; 11. diejenigen, die sagen: "gepriesen sei die Herrlichkeit Jahves immer und ewig". Man bemerkt ohne weiteres, daß hier Motive aus Jes 6; Ez 1 f. und 1 Kön 199-12 verwertet sind. Die at.lichen Beschreibungen werden aber nicht al'l solche beibehalten, sondern ihre einzelnen Elemente werden auseinandergenommen und zu verschiedenen Sphären gemacht, welche den Ort Gottes umgeben. Damit wird Gott noch weiter in die Ferne, in die Unzugänglichkeit und in das Geheimnis entrückt, als es sonst in der Tradition der Fall war. Noch dunkler ist die nachfolgende Beschreibung des Ortes, da Gott selbst thront (S. 190 f.). Einmal heißt es, daß die Chajjioth, die Seraphim und die Ophannim auf dem
73 1. Mauern von Feuer und Wasser; 2. Hagelberge ; 3. Speicher d6s Schnee<;; 4. Wände der Windsbraut; 5. Wölbungen des Sturms; 6. die fliegenden Kerubim; 7. Fittiche des Windes; 8. tausendmal tausend Lager; 9. Myriaden mal Myriaden von Heerscharen; 10. tausende der "Schinan" (vgl. Ps 6818); 11. Sänger der Lieder; 12. Jubelnde der Jubellieder; 13. die, welche in die Posaune stoßen; 14. die, welche "Pracht" sprechen; 15. die, welche "gepriesen" sprechen; 16. die, welche sagen "Jahve wird König sein"; 17. Kot des Schlammes; 18. "von hier an und weiter Thohu und Bohu ohne Erforschen, Zahl, Maß und Ende". Hier haben offenbar die Schlußkapitel Ezechiels, in denen das Jerusalem der Heilszeit beschrieben wird, befruchtend auf die Kosmologie gewirkt; man t r ans po nie r ted a s Zu k ü n ft i gei n s g e gen w ä r t i g - Jen sei t i g e und machte aus dem, was Hesekiel über die Stadt Gottes sagt, ein Bild und eine Beschreibung des Ortes Gottes; dabei verband man mit der im geheimnisvoll-mystischen Sinne verstandenen Zahl 18 000 in Ez 48 35 allerlei Aussagen von Dingen und Wesen, die im AT sonst mit Jahve in Beziehung gebracht werden. Es heißt ja in der Ezechielstelle, der Name der Stadt werde sein: "Der Herr allhier." Nun wohnt Gott im Himmel, das ist feststehender Grundsatz, folglich sind die 18 000 Ellen, die ringsherum sind, 18000 Sphären um den Ort Gottes herum. Wer Ma'asse Merkaba treibt, der schließt eben aus solchen Angaben der Schrift mit andern Stellen zusammen weiter und erhält so eine phantastische TheoKosmologie. Das heißt dann auch weiter, daß die 7 Himmel, die dem freien Spekulieren zugänglich sind, nicht alle Welten Gottes umfassen. Was Gott geschaffen und zu eigen hat, übersteigt 1 e t z t li c h m e ns c h li c h e s W iss e n und Forschen - und ist ihm doch wieder zugänglich durch geschickte Kombination und Ausdeutung von Schriftstellen. Gott, so heißt es hier noch, durchfährt täglich diese 18000 Welten, wobei er auf dem Kerub oder auf den Fittichen des Windes reitet (vgl. Ps 18 11). Es klingt dann fast wie eine Ironie, wenn dann hier, nach solchen Spekulationen, Sir 3 20-22 zitiert wird! E. Der Vorhang vor Gottes Thron
Verbreitet ist in der spätjüdischen Tradition die Vorstellung, daß vor dem Thron Gottes ein Vorhang ausgespannt ist. Das geht wohl l ) zurück auf Ps 1812. Gott ist im Himmel 'Araboth "und Finsternis 1) bChagiga 12 bund Str B I, S. 976.
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und Gewölk und Wolkennacht umgeben ihn: ,Er macht Finsternis zu seiner Hülle.' Aber gibt es denn Finsternis vor Gott? Es heißt doch: ,Er offenbart Tiefes und Verborgenes ... und Licht hat bei ihm seine Wohnstätte' (Dan 222). Darin liegt kein Widerspruch: Das eine gilt von den innern Gemächern, das andere von den äußern" 1). Ich möchte allerdings vermuten, daß zu dieser Vorstellung auch die Erinnerung an den Tempel mitgewirkt hat, in dem ein Vorhang das Heilige vorn Allerheiligsten trennte. Von diesem Vorhang heißt es im Targum zu Hiob 269 (Str B I, S. 976): "Er hält fest das Dunkel, das seinen Thron umgibt; damit ihn die Engel nicht sehen, breitet er über ihn wie einen Vorhang die Wolke seiner Herrlichkeit." Dieser Vorhang dient also dazu, Gott auch vor den Blicken der Hirn m I i s ehe n zu ver be r gen; die Engel wissen nicht, wo Gott ist. Das steht auch ausdrücklich bChagiga 13 bund Siphra Lev 11. Im Gegensatz dazu steht Apk 4 f. - Gott ist von seinem Hofstaate umgeben, ohne daß er noch besonders vor den Blicken der Himmlischen verborgen wäre. Da Gott nach jüdischer Lehre hinter dem Vorhange thront, können die Himmlischen, oder auch Geister von Verstorbenen, ihr Ohr an den Vorhang legen und erlauschen, was Gott beschließt (vorausgesetzt, daß er laut denkt !), und dieses Wissen den Menschen mitteilen. Eine solche Geschichte ist bBerakoth 18 b erzählt. Nach dem Midrasch "Q u eIl e der We i s h e i t" 2) hat der Engel Raziel das Amt, auf die Beschlüsse zu lauschen, die "hinter dem Vorhang" beschlossen werden, und sie an Elia weiterzugeben, der auf dem Berge Horeb steht; Elia aber macht sie in der Welt bekannt. - Der Todesengel hört "hinter dem Vorhang", daß den Gerechten eine Wohnung im Gan 'Eden bereitet ist, und sagt das den Sterbenden in der Todesstunde 3). Nach dem"T ra k tat von den hirn m I i sc h e n Hall e n" 4) besteht aber die Würde der Erzengel darin, daß sie hinter dem Vorhang unmittelbar bei Gott stehen. Die Würde Metatrons über alle Himmlischen wird damit beschrieben, daß er nach 3 Hen 101 einen Vorhang aus Licht(!)erhält, wie ihn auch Gott besitzt. 1) 2) 3) 4)
bChagiga 12 bund 13 a. Wünsche, Lehr hallen I, S. 131. Wünsche, Lehrhallen III, I, "Traktat von den Grabesleiden", S. 5. Ebenda, S. 46. So auch Pirqe R. Eli'ezer 4.
75 F. Der Feuerstrom
Reich bewegt wurde die Phantasie auch durch den F e u e r s t rom (Nehar di-Nur), der nach Dan 710 vom Throne Gottes ausgeht 1). "Hadrian, dessen Gebeine zermalmt werden mögen! fragte den R. Jehoschu'a b. Chananja: Ihr sagt, die obere Engelschar stimme einen Gesang an und wiederhole ihn nicht, sondern Gott schaffe an jedem Tage eine heue Engelschar; wenn sie den Lobgesang gesprochen haben, so gehen sie wieder fort? R. Jehoschu' a: Ja, so ist es! Hadrian: Wohin gehen sie? Sie gehen dahin, von wo sie erschaffen sind. Hadtian: Woher sind sie erschaffen? Jehoschu' a: Vom Feuerstrome. Hadrian: Was hat es mit diesem FeIlerstrom für eine Bewandtnis? Jehoschu'a: Es verhält sich mit ihm wie mit dem Jordan, der weder bei Tag noch bei Nacht stillsteht. Hadrian: Woher kommt er? Jehoschu'a: Vom Schweiße der Chajjioth, welchen sie von sich geben, wenn sie den Thron Gottes tragen" (Bereschith t., par. 78, zu Gen 3226). Etwas abgewandelt erscheint derselbe Gedanke im Midrasch "Q u e 11 e der We i s h ei t" 2). Da heißt der Feuerstrom Rigjon. Die Dienstengel tauchen jeden Morgen in diesen Strom und erneuern sich dadurch. Belegstelle dafür ist Threni 323: "Neu sind sie an jeglichem Morgen, groß ist deine Treue." Im Namen Rabs (t 247) sagte R. Z u t r a b. Tob j j i a, daß dieser von den Chajjioth ausgehende Feuerstrom ins Gehinnom hinab ströme und sich dort über die Köpfe der Sünder ergieße (bChagiga 13 b). - Im "Traktat von den himmlischen Hallen" 3) ist Gottes Thron u. a. von 7 Feuerströmen umgeben. Ähnlich sagt 3 Hen 334, daß von den Chajjioth 7 Feuerströme ausgehen. Jeder von ihnen ist 365 000 Parasangen breit und 248 000 Myriaden Parasangen tief. Die Länge der 7 Ströme ist unmeßbar. Die Feuerströme fallen von Himmel zu Himmel hinab bis hinunter ins Gehinnom auf die Köpfe der Sünder, nach J er 23 19 (3 Hen 335). Bevor die Dienstengel den Lobgesang sprechen, tauchen sie in den Nehar di -Nur; sie tauchen Mund und Zunge 7 mal in den Strom, dann ordnen sie sich in 4 Glieder und sind bereit für den Gesang (3 Hen 36) 4). Aus diesem tägliehen Tauchbad im Feuerstrom haben die Engel wohl ihre feurigen Körper . 1) Zu dieser Vorstellung vgl. Carl-Martin Edsman, Le Bapteme de Feu (Acta Seminarii Neotestamentici Uppsaliensis, edenda curavit A. Fridrichsen IX), 1940, S. 19-31. 2) Wünsche, Lehrhallen I, S. 130. 3) Wünsche, Lehrhallen III, 1, S. 40-43. 4) .Nach 3 Hen 194 sind es nur 4 Ströme, die unter der Merkaba hervorbrechen.
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G. Spätere Traditionen über die Chajjioth
Nach den Pirqe R. Eli ezer (Str B III, S.799) schauen die Menschengesichter der Chajjioth unter der Merkaba nach Osten, die Löwengesichter nach Süden, die Stiergesichter nach Westen, die Adlergesichter nach Norden. Auch nach dieser Tradition sehen die Chajjioth Gott nicht. Sie preisen darum Gott und sagen: "An jedem Ort, da seine Herrlichkeit weilt, sei gepriesen die Herrlichkeit des Ewigen von ihrem Orte aus". Die 2 Seraphim, die bei Gott stehen nach J es 6, haben Kalbsfüße wie nach Ez 17 die Chajjioth. Immer vermischen sich die Seraphim mit den Kerubim Hesekiels! Auf R. Abi n wird die Ansicht zurückgeführt, daß Gott die 4 mächtigsten Wesen der Schöpfung - den Menschen unter den Geschöpfen, den Ochsen unter den Landtieren, den Adler unter den Vögeln, den Löwen unter den Raubtieren - unter seinem Thron angebracht habe, damit sie sich nicht überheben, sondern wissen, daß "das himmlische Reich über ihnen stehe" (Schemoth r., par 23, zu Ex 151). Ohne direkte Beziehung auf die Merkaba, aber mit Anspielung auf Gottes Herrschaft über die Welt, steht oin ähnlicher Ausspruch Mar's in bChagiga 13 b. - Aus der Identifikation der Seraphim von Jes 6 mit den Kerubim von Ez 1 ergab sich für die Rabbinen eine Schwierigkeit hinsicht· lieh der Zahl der Flügel. Man erklärte sich den Widerspruch so, daß man erklärte: die Wesen hatten 6 Flügel, solange der Tempel bestand, dann aber nur noch 4. - Der "Traktat von den himmlischen Hallen" 1) erhöht die Zahl der Gesichter und der Flügel der Kerubim auf je 24. Nach 3 Hen 21 haben die Chajjioth je 4 Gesichter und Flügel. Allerdings heißt es auch 3 Hen 211: "Jedes hat Gesichter in der Mitte von Gesichtern und Flügel in der Mitte von Flügeln" (wohl nach Ez 116: "Ein Rad in der Mitte eines Rades"). Jedes der Chajjioth ist so groß wie die Welt, und ihre Flügel sind so groß wie das Dach der Welt. Sie sind gekrönt mit 2000 herrlichen Kronen. Über die 4 Chajjioth ist der gewaltige Fürst Chajjliel H' gesetzt; seine Macht wird dadurch veranschaulicht, daß er imstande sein soll, die ganze Welt auf einmal zu verschlingen (3 Hen 20) 2). Von den Chajjioth wird im 3 Hen nicht O
') Wünsche, Lehrhallen IH, 1, S. 41; das Stück ist identisch mit 3 Hen 21! 2) Die Kronen und der Fürst gehen über Ezechiel hinaus. Wenn es 3 Hen 211 heißt: C'El~~ :'10'1.:' C't~~'1.:' C"»'I.:" O'~t n'c~'~ O'~t'l.:' 0"»'1.:', so ist mir diese ganze Anschauung nicht ganz klar im Vergleich mit den vorhergehenden Angaben über die Größe der Gesichter und der Flügel, und der Angabe: ,n~, ,n~ ,~, O'El~~ 1'li~ O't~~ " 1.:" ,n~, ,n~ ,~, O'~t 1m:l O';t " 1.:". Klar ist hier nur, daß die
77 ausdrücklich gesagt, daß sie den Thron Gottes tragen. Über ihnen stehen noch andere Klassen von Engeln, womit der Text über Hesekiel hinausgeht. Die ganze Beschreibung hat im 3 Hen vor allem angelologisches Interesse; ferner soll dadurch die Größe, Ferne, Erhabenheit und Macht Gottes veranschaulicht werden. Dazu dient vor allem die Angabe der ungeheuren Größe der Tiere; ihre Funktion besteht im Singen des Qeduscha, d. h. der Worte: "Heilig! Gepriesen sei die Herrlichkeit Jahves von ihrem Orte aus" (3 Hen 21 2). Endlich ist zu erwähnen, daß der 3 Hen den 7. Himmel noch einmal in 7 Teile, Hallen, teilt. Am Eingang jeder Halle ist ein hoher Engelfürst, der an Rang immer höher ist als der Fürst der vorangehenden Halle. In der innersten Halle ist die Wohnung Gottes zu denken (3 Hen 18 3 H.). H. Die Bezeichnung Gottes als "Vater im Himmel"
Jahve wird schon im AT als Vater bezeichnet: in Deut 326.18 als der, welcher das Volk Israel geschaffen und :z;u seinem Volk gemacht hat, vgl. auch Jer 319. In Hos 11 1 heißt Israel der "Sohn" Jahves, ohne daß Jahve selbst exp1i:z;it "Vater" genannt würde, vgl. auch Ex 422 f.; Jes 4511. Den Israeliten werden Gebote gegeben, weil sie "Kinder Jahves eures Gottes" sind, Deut 141. Jahve erwartete, daß Israel ihn als seinen Vater dadurch nennen würde, daß es nicht von ihm abfalle, Jer 39. Doch schon Jes 1 2 wird festgestellt, daß die Kinder, die Jahve großzog, von ihm abgefallen sind. Der nachexilische Prophet ruft zu Jahve, der der Vater des Volkes ist, weil es außer ihm keinen Erlöser und Helfer gibt: Jes 6316; 648. Weil Jahve der Vater Israels ist, darum sucht er seine Ehre im Volke: Mal 1 6. Entsprechend leitet Mal 2 10 die Mahnrede ein mit dem Hinweis darauf, daß die Israeliten alle Einen Vater und Einen Gott haben. In diesen angeführten Stellen bezieht sich GottesVaterschaft auf das Volk als Ganzes oder auf die Gemeinschaft der Israeliten. Der einzelne wird nicht "Sohn Gottes" genannt, oder umgekehrt, Jahve ist nicht der "Vater" des einzelnen. In Ps 27; 89 27; 2 Sam 7 17 wird der König der Sohn Jahves genannt; aber auch da kommt der König nicht als Einzelperson, sondern als Repräsentant des Volkes in Frage. Auf das Zahlen 248 und 365 den Zahlen der Gebote und Verbote derThora entsprechen nach rabbinischer Zählung (Odeberg, Anm. z. St.). Überdies ist 365 wieder die Zahl der Tage eines Sonnenjahres.
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Individuum bezogen wird der Begriff Gottes als des Vaters erst in den Apokryphen. Sir 231: ,,0 Herr, Vater und Herr meines Lebens"; Sir 23 4: ,,0 Herr, Vater und Gott meines Lebens" ; Sir 5110 (hebr.!): "Und ich verkündigte: Jahve, mein Vater bist du." Sap Sa1210: der Gottlose nennt Gott in prahlerischer Weise "Vater"; in Sap Sal 143 wird Gott einfach als "Vater" angeredet. Gott als Vater des Volkes und Bezeichnung Gottes als Vater in individueller Gebetsanrede finden sich nebeneinander in 3 Makk 6 3. Man wir d i n die s e r I n d iv i d u a I i sie run g des N a m e n s "Va t e r" für G 0 t t wohl Einfluß griechischer Philosophie zu sehen hab e n 1). Dabei wirkt der alte Sprachgebrauch noch nach, so spricht Jub 1 ~4 f. von Gott als dem Vater des ganzen Volkes. Bei den Rabbinen nun kommt der Ausdruck "Vater im Himmel" sehr häufig vor 2). Dabei ist zu beachten, daß der Ausdruck immer mit einem Personalpronomen verbunden ist: "unser (euer, mein, dein, sein) Vater im Himmel." "R. Eli' ezer der Ältere (= R. E: b. Hyrkan, um 90 nach Ohr.) sagte: Seit dem Tage, da das Heiligtum zerstört wurde, begannen die Gelehrten zu sein wie die Kinderlehrer, die Kinderlehrer wie die Synagogendiener, ein Synagogendiener wie das gesetzesunkundige Volk, und dieses geht hin und verkommt, und niemand fragt danach. Auf wen sollen wir uns stützen? Auf unsern Vater, der im Himmel ist'(3). "A b b a Gor j 0 n aus Sidon (um 180 n. Ohr.) sagte: Seitdem die geliebten Kinder (= Israel) ihren Vater im Himmel erzürnten, setzte er einen gottlosen König über sie. Und wer war das? Achaschverosch" 4). "R. Ele'azar b:Azarja hat gesagt: Woher, daß man nicht sagen soll: ,Ich mag kein Schweinefleisch essen, ich mag keiner verwandten Frau beiwohnen'; sondern: ,Ich möchte es wohl, aber was soll ich tun, da es mein Vater, der im Himmel ist, also über mich beschlossen hat?' Die Schrift sagt lehrend: ,Ich habe euch von den Völkern abgesondert, daß ihr mir gehört' (Lev 2026)"5). "R. 'Aqiha hat gesagt: heil euch, Israeliten, vor wem 1) Vgl. W. Michaelis, Das Urchristentum, 1942, S. 320 d. (in: Mensch und Gottheit in den Religionen. Kulturhistorische Vorlesung, hsgg. von der Univer· sität Bern). 2) Vgl. Moore, Judaism II, S. 204. Vgl. Gustav Dalman, Die Worte Jesu 1 ~, 1930, S. 150-159. 3) MSota IX, 15; Str B I, S.394. 4) Midrasch Abba Gorjon 1; Str B I, S. 394 f. ö) Siphra Lev 2026; Str B I, S.395.
79 reinigt ihr euch, wer reinigt euch? Euer Vater, der im Himmel ist" 1). "R. Jischma< el (t 135) hat gesagt: wenn, um Frieden zu stiften zwischen Mann und Weib, die Schrift sagt, mein Name, der in Heiligkeit geschrieben ist, soll ausgewischt werden in das Wasser (vgl. Num 5 23) - um wie viel mehr gilt es dann von den Schriften der Häretiker, die Feindschaft, Eifer und Streit zwischen Israel und ihrem Vater im Himmel stiften, daß sie samt ihren Gottesnamen beseitigt werden dürfen" 2). "R. Je h ud a b. Te m a sagte: sei kühn wie ein Leopard, leicht wie ein Adler, schnell wie ein Hirsch und stark wie ein Löwe, den Willen deines Vaters, der im Himmel ist, zu tun" (Pirqe Aboth 520). R. Na t h a n (um 160) sagte von den Märtyrern der hadrianisehen Verfolgungszeit : "Jene Wunden haben es mir bewirkt, daß ich von meinem Vater, der im Himmel ist, geliebt werde" 3). Rabban Jochanan b. Zakkai (t um 80 n. Ohr.) redet von den Steinen des Altars, die Frieden stiften zwischen Israel und seinem Vater, der im Himmel ist (Mekiltha Ex 2026). Die Wendung, daß Gott der "Vater im Himmel" ist, kommt auch in Gebeten vor, so im Qaddisch des Gottesdienstes: "Es möge euer Gebet aufgenommen und euer Wunsch samt dem Wunsche das ganzen Hauses Israel erfüllt werden vor unserem Vater, der im Himmel ist" 4). Auch ist die Wendung in die Targume übergegangen: "Mein Volk, ihr Kinder Israel, wie unser Vater barmherzig ist im Himmel, so sollt ihr barmherzig auf Erden sein" 5). "Sie bitten um Erbarmen vor eurem Vater im Himmel" 6). Wir bemerken, daß diese Wend u n g "Va t er im H i m m e 1" bei den R a b bin e n 8 c h 0 n im 1. J h d. dur c hau s ü b I ich war. Ferner stellen wir fest, daß G 0 t t d ami t s 0 w 0 h 1 als Vater des Volkes wie auch als Vater des Einz eIn e n bezeichnet wird. Man fügte das Wort "im Himmel" zu "Vate r", um jede Verwechslung mit dem irdischen Vater eines Menschen zu vermeiden. Ferner sollte durch diese Hinzufügung sicher auch die Erhabenheit und Majestät Gottes betont werden. Es wird so vermieden, daß durch den Vaternamen Gott als allzu menschlich-irdisch vorgestellt wird; so w a h r t der Z usa t z "i m H i m m e 1" die 1) 2) S) 4) 5) 6)
bJoma 8, 9; Str B I, S.395. Th Schabbath 135 (Z. S. 129). Mekilta Ex 20 6; Str B I, S. 395. Vgl. Str B I, S. 395. Targum Jeruschalmi I zu Lev 2226; Str B I, S.395. Targum Jeruschalmi I zu Ex 119; Str B I, S.396.
80 W ü r d eGo t t e s. Gott unterscheidet sich von allen irdischen Vätern dadurch, daß er hoch über allem Irdischen im Himmel thront. Im NT ist es vor allem Matthäus, der den Ausd r u c k "Va te r im H im m e 1" als Gottesbezeichnung braucht. Bei Mk steht der Ausdruck nur in 11 25; Lk 1118 liest 6 'Jta:r~e B~ oV(!a:voii tJehaBt 'Jt'VeVfl,a (i,yw'V. So läßt sich hier beobachten, daß Mt die jüdisch-palästinensische Redeweise stärker zum Ausdruck bringt als die andern Evangelien. Dabei ist aber zu beachten, daß im Gottesgedanken Jesu nicht so sehr die Ferne und Erhabenheit Gottes dominiert als vielmehr seine Nähe: Gott ist zwar im Himmel, aber er ist der Vater. Dazu kommt, daß Jesus Gott mit der vertraulichen Anrede ,:abba." angeredet hat, die direkt der Alltagssprache entnommen ist, während der Jude Gott nicht mit dem aramäischen ,,'abba." anredete 1), weil er die kindlich-vertrauliche und familiäre Bezeichnung Gottes aus Scheu vor Profanierung vermied 2). I. Das Wort "Himmel" als Ersatzwort für Jahve
Das Judentum hat schon relativ früh begonnen, das Aussprechen des Eigennamens Gottes (Jahve) zu vermeiden. "Du sollst den Namen Jahves, deines Gottes, nicht mißbrauchen (Ex 207)" - dieses Verbot des Dekalogs wurde mit Energie beobachtet. Das war um so nötiger, als die Zeit erfüllt war von Zauberbräuchen und Magie aller Art. Die Zauberpapyri bieten uns massenhaft Belege dafür, daß mit allen bekannten Götternamen gezaubert wurde. So hat man im Judentum streng und konsequent jeden Gebrauch des Jahve-Namens verboten; verboten war überhaupt jedes Aussprechen dieses Namens 3). In der freien Rede, d. h. nicht bei Schriftzitaten oder bei Schriftlesungen, brauchte man statt des Wortes "Jahve" mancherlei Ersatzworte. Ein sehr gebräuchliches Ersatzwort war "Himmel". Der Ursprung dieser Bezeichnung Jahves ist wohl imAusdruck" Gott des Himmels" ZU suchen, der in denBüchernEsra und Daniel häufig vorkommt: Gott und Himmel gehören zusammen, und von da aus konnte leicht" Himmel" ein Ersatzwort für Jahve werden 4). 1) Str B II, S. 50 zu Mk 1486 gibt ein einziges Beispiel.
S) Vgl. Moore, Judaism II, S.205; Michaelis, Urchristentum, S. 321 f.; W. G. Kümmel, Die Gottesverkündigung Jesu und der Gottesgedanke des Spätjudentums, 1945, S. 53 f. (in: Judaica. Beiträge zum Verständnis des jüdischen Schicksals in Vergangenheit und Gegenwart I, 1). 8) Vgl. ThW III, S. 93 f., Art. ife6r; von Kuhn. ThWV, Art. övop.a. ') Vgl. Kuhn a. Anm. 1 a.O., Anm. 148.
8~
Zu den ältesten Belegen gehören die Stellen aus 1 Makk. So heißt es 1 Makk 318 f.: "Und es ist vor dem Himmel kein Unterschied, zu retten durch viele oder durch wenige; denn nicht auf der Menge der Macht beruht der Sieg im Kriege, sondern aus dem Himmel ist die Kraft." 1 Makk 410 f.: "Und nun wollen wir zum Himmel rufen. Vielleicht daß er uns gewogen ist und des Bundes mit unsern Vätern gedenkt und dies Heer heute unterliegen läßt, damit alle Heiden erkennen, daß es einen gibt, der Israel erlöst und errettet." 1 Makk 12 15: "Denn wir haben die Hilfe vom Himmel her, die uns beisteht." An zahlreichen Stellen im rabbinischen Schrifttum begegnet uns dieselbe Redeweise. Dabei wurde darauf aufmerksam gemacht 1), daß o:o~ als Gottesbezeichnung fast nie durch den Artikel determiniert ist, weil das Wort dann als Eigenname empfunden wurde. Steht dagegen die Präposition jt; VDr o:~~, so steht der Artikel, da hier die ursprünglich lokale Bedeutung des Wortes noch durchschlägt. Aus der großen Fülle der rabbinischen Belegstellen seien hier einige angeführt. "A n ti gon 0 saus Socho hat gesagt: die Furcht Gottes (O'OCl N"~O) sei auf euch" (pirqe Aboth 13). "A b tal j 0 n sagte: ihr Gelehrten, seid vorsichtig mit euren Worten, ihr möchtet euch verschulden mit einer Verschuldung, die zur Verbannung führt, und hinausziehen müssen an einen. Ort schlechten Wassers, und die Schüler, die nach euch kommen, würden davon trinken und sterben, und die Folge wäre, daß der Name des Himmels (O'OCl OCl) entheiligt würde" (pirqe Aboth 1 11). Diese Beispiele führen in die Zeit vor der Entstehung des NT. Sie zeigen, daß schon im 2. und 1. vorchristlichen Jhd. dieser Sprachgebrauch befestigt war. Von da aus ist es sehr gut verständlich, daß auch im NT, vor allem bei Matthäus, häufig das Wort "Gott" ersetzt wird durch "Himmel". Zunächst sei erinnert an den Ausdruck ßaat'Acta '((J)'JJ ovea'J!{!)'/J, der an Stelle von ßaatAs{a TOV f}sov gebraucht wird. Der Plural oveavo{ scheint hier wörtliche Übersetzung von O'OCl zu sein, das an sich eine Pluralform ist. Weiter gehört zu dieser verhüllenden Redeweise Mt 21 25f.: "Die Taufe des Johannes, woher war sie, vom Himmel oder von Menschen? Sie aber überlegten und sagten: wenn wir sagen vom Himmel, wird er uns sagen: warum habt ihr ihm nicht geglaubt?" Die Formulierung der Frage und der Antwort wird bei allen drei Synoptikern einheitlich überliefert, indem es überall heißt "vom Himmel" (l~ oveavov). Beim Ausdruck ßaat1) Str B I, S. 862. Bietenhard. Himmlische Welt
6
82 Asta 'twv ovqavwv des Mt haben die Seitenreferenten immer ßaeftAela 'tov {}eov. "Himmel" an Stelle von "Gott" steht wohl auch in Lk 1518. 21: "Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel (eir; 'tov ov(!avov) und vor dir". Ferner J 3 27: "Ein Mensch kann sich nichts nehmen es sei denn, es sei ihm gegeben worden vom Himmel (lx 'tov ov(!avov)." Der Ersatz von "Jahve" durch "Himmel" wurde vom Judentum auch in der folgenden Zeit beibehalten. Allmählich aber wurde auch das Wort "Himmel" vermieden, und man ersetzte es durch CI'PCM = der Ort. Erhalten blieb "Himmel" in einigen Wendungen wie z. B. CI'Ct:I ',':l = durch Gott, CI'Ct:I Clt:I~ = um Gottes willen, CI'Ct:I rll~~c = Gottesherrschaft 1). K.
J esu Abstieg vom Himmel
Vor allem das J 0 h a n n e s eva n gel i u m läßt J esus seine Sendung so beschreiben, daß Jesus gelegentlich sagt, er sei "vom Himmel gekommen". Keiner ist in den Himmel hinaufgestiegen als der, der aus dem Himmel herabgestiegen ist, der Menschensohn" (J 318). "Alles, was mir der Vater gibt, wird zu mir kommen, und den, der zu mir kommt, werde ich nicht hinausstoßen, denn ich bin aus dem Himmel herabgestiegen (xa'taßeß'YJ"a &,;0 t'ov oveavov), nicht um meinen Willen zu tun, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat" (J 688). "Wie sagt er nun: ich bin aus dem Himmel herabgestiegen" (lx 'tov o'Öeavov xat'aßeß'YJxa; J 6 42). Das Lebensbrot ist aus dem Himmel herabgestiegen; "denn das Brot Gottes ist das, das aus dem Himmel herabsteigt (0 xat'aßatvwv lx 'tov oveavov) und der Welt Leben gibt" (J 688). Da Jesus in J 685 sich als Lebensbrot bezeichnet, kann er sagen: "Ich bin das Brot, das aus dem Himmel herabgestiegen ist (0 xat'aßar; l" 'tov ov(!avo-o; J 6 41). "Dies ist das Brot, das aus dem Himmel herabsteigt (0 e-x t'aU ov(!avo-o xat'aßatvwv), daß jeder, der davon ißt, nicht stirbt. Ich bin das lebendige Brot, das aus dem Himmel herabgestiegen ist" (l" t'oV oveavov ~at'aßur;; J 6 50 f.; vgl. 658). Auch das Spätjudentum kennt an sich diese Redeweise: "In jener Stunde stieg ein Engel vom Himmel herab" (tQ 'j~ CI:~~!:I = xadß'YJ lx t'ov ov(!avov; Thanch 17'~ 8 66 ;); "ein Wächter ... stieg vom Himmel herab" (l"lt:11 N~~~ ,~ "'3/ = ö.yye},or; (e: te) &,;eO't'uÄ'YJ lx t'oV oVeavov (xat'eß'YJ &,;0 [eJ 2). 1) Kuhn a. a. O. S. 94; Str B I, S. 172. 862 ff. 2) Vgl. Schlatter, Matthäus, Komm. z. 282, S. 793.
83 Da der Himmel nach diesem Weltbild "oben" ist, kann statt "vom Himmel kommen" auch gesagt werden "von oben kommen": "Der von oben kommt (6 a../JW{}BV eeX6/-lBVOI;) ist über allen" (J 331). In diesem Vers steht durchaus synonym der vorhin erwähnte Ausdruck 6 ex 'tov ovea.vov eeX6/-lBVO~. "Du hättest keine Vollmacht über mich, wenn es dir nicht von oben gegeben wäre" (avW{}Bv JBb6W;vov; J 19 11). Auch dieser Ausdruck ist gut rabbinisch: "Die Seele kommt von oben" (;'7V,~~~ x';:r l!i~~) 1). "Keine böse Sache steigt von oben herab" (1I1 "11 i'~ ;'?~~7~ ''11'); Bereschith r. 51 5). "Gott läßt nichts Böses von oben h;rabsteigen" (1I1 '11 :"I7V,~7~ "".i~':"1 i'~) 2). J 19 11 zeigt, daß aVW{}Bv gleichbedeutend ist mit ex 'tov OV(!a.vov und also auch gleichbedeutend mit ex 'tov {}BOV. Auch die rabbinischen Stellen wollen letztlich nichts anderes ausdrücken, was gerade an dem zuletzt zitierten Beispiele deutlich ist. Die Logik des Sprachgebrauchs verlangte nun eigentlich, daß auch das aVW{}Bv in J 33 so verstanden wird: "Wenn einer nicht von oben her geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen." Immerhin hat Schlatter 3) Beispiele aus rabbinischen Quellen beigebracht, in denen das :"I7V,~7~ auch "von neuem" bedeutet. J 113 allerdings weist nicht in diese Richtung, vielmehr daraufhin, daß das aVW{}BV in 33 "von oben" d.h. von Gott bedeutet 4 ). Johannes läßt aber Jesus nicht nur in dieser verhüllten Form davon reden, daß er von Gott ausgegangen sei, J esus spricht das auch ausWajjiqra r. 42. Thanchuma x.", 18. 95; diese Beispiele aus Schlatter, Johannes, S. 109. Schlatter, Johannes, S.87. Bultmann, Johannes, S. 95 entscheidet sich für avwi}Sv = von neuem; auch Schlatter scheint dieser Bedeutung des Wortes zuzuneigen. Diese Möglichkeit soll hier nicht bestritten werden. Immerhin muß darauf hingewiesen werden, daß an den andern Stellen des J, an denen avwDev vorkommt, es "von oben" bedeutet; warum sollte es in 33 nicht dasselbe bedeuten? Um so mehr als in 35 f. diese Geburt als eine Geburt aus dem Geist erklärt wird, der von Gott und also "von oben" kommt; hinzuweiseu ist auch auf J 113. Vielleicht aber haben wir es hier nicht mit einem Entweder-Oder zu tun, sondern mit einem Sowohl-Als auch: die Ge bur t von 0 ben ist ein e neu e Ge bur t , die neu e Ge bur t ist ein e Ge bur t von 0 ben. Wir hätten es dann mit einem d 0 p p eId e u t i gen Aus d r u c k zu tun, analog dem Begriff der "Erhöhung" in J, bei dem sowohl an die Erhöhung Jesu ans Kreuz wie auch an seine Erhöhung zu Gott zu denken ist. - Vgl. zum Problem der doppeldeutigen Ausdrücke bei Johannes O. Cullmann, Der johanneische Gebrauch doppeldeutiger Ausdrücke als Schlüssel zum Verständnis des vierten Evangeliums, 1948 (in: Theologische Zeitschrift, hsgg. von der Theol. Fakultät der Universität Basel, 4, 5). 1) 2) a) 4)
6*
84 drücklich aus: "Denn ich bin von Gott ausgegangen (eu -rov (}sov e!;fp.{}ov) und gekommen" (J 842); wo er doch wußte, daß "er von Gott ausgegangen sei" (und {}wv l!;fj}.{}c;v; J 133); " ... weil ihr ... geglaubt habt, daß ich von Gott ausgegangen bin (nuea {}wv e!;fj}.{}ov; J 1627); "ich bin vom Vater ausgegangen (e!;fj}.{}o~! eu -ro15 nu-reoc;) und in die Welt gekommen" (J 1628); "sie haben erkannt, daß ich von dir ausgegangen bin" (O-rl nuea O'ov e!;fj}.{}ov; J 178). Jesus sagt damit, daß er seinen Ursprung und seine Herkunft in Gott hat. Es kommt Johannes nicht daraufan, ein Bild oder ein e Ans c hau u ng vom H i m me 1 zug e ben, sondern um die immer erneute Entfaltung des Gedank e n s , daß Je s u s und sei n He i 1 - dies etwa ausgedrückt mit dem Gedanken des "Lebensbrotes" - von Go t t kom me n. Die r ä u.m 1 ich e n Kat ego r i e n - avw{}c;v, eu -rov oveuvo15 woll e n a u c h nur die seE i n e W a h r h e i tau s d r ü c k e n. Sie wollen keine spekulative Kosmologie geben. Da aber das antike Weltbild den Himmel "oben" sieht, da der Himmel der Ort Gottes ist, so kann eben der Ursprung Jesu in diesen räumlichen Kategorien dargelegt werden. Demgemäß sagt J 823: "Ihr seid von unten (eu -rwv ua-rw), ich bin von oben (eu iWV avw); ihr seid aus dieser Welt (eu iOViOV -rov UOO'fhOV), ich bin nicht aus dieser Welt." Dem entspricht, daß Jesu Lehre von Gott (e~ -rov {}wv) ist (J 717). Gleichbedeutend mit dem e!;SeXW{}Ul ex ist das c;tVUl ex, wie ein Vergleich von J 842 mit 844 lehrt (vgl. auch J 3 31). Mit beiden Ausdrücken wird das Wesen Jesu beschrieben. In J 3 31 sind die Ausdrücke oveuvoc; und yfj einander gegenübergestellt wie in 8 23 avw und xaiw. In gleicher Weise sind die Gläubigen nicht aus Fleisches c oder Manneswillen gezeugt, sondern ex {}c;ov eyc;yy~{}'YJ O'uv (J 113). Auch sie sind nicht aus dieser Welt: J 1519; 1714. Sie sind vielmehr aus Gott (sx-rov {}c;ov): 1 J 44; vgl. 1 J 229, oder sie sind s" -rov nu-reoc;: 1 J 2 16.' Weil Jesus vom Himmel kommt, darum kann er bezeugen, was er gehört und gesehen hat; wäre er nur von der Erde, könnte er nur ex -rfjc; yfjc; }.u}.c;iv J 3 31 f. So aber, weil er von Gott ausgegangen ist, ist er göttlicher Art, und ist deshalb wie Gott "über allem" (enavw naYiwv eO'i{v; J 3 31). So bezeichnen diese Ausdrücke, wie BultmannI) bemerkt, den Ursprung, das Wesen, den "Wesenscharakter" des Offenbarers wie der Gläubigen. Immerhin muß ergänzend zu Bultmann festgestellt werden, daß von den 1) Bultmann, Komm. z. J 3, 4, S. 97 3.
85 GI ä u b i gen k ein He ex Baß all x 7: 0 fJ ß Bov (lx nnv avw, lx 7:~V oveavov, avwßBv) aus g e sag t wir d, im d e u t 1 ich e n U n te r sc h i e d zu Je s u s seI b s t, der vom Vater "ausgeht"; denn J esus ist prä existent, und das kann von den einzelnen Gläubigen nicht ausgesagt werden. A u c h die See 1 end erG 1 ä u b i gen si nd im J 0 h a n n e s eva n gel i u mn ich t prä e xis t en t, s ehr im G e gen s atz zur G nos isoder auch zu gewissen rabbinischen Lehren. Johannes kann die erwähnten Gedanken auch so ausdrücken, daß er Jesus sagen läßt, er sei in die Welt gekommen (leXBaßalBlr;nlv xoaflov): J 939; 1127; 1246; 1628; 1837. Dieser Ausdruck begegnet in ganz gleicher Weise recht oft im rabbinischen Schrifttum und bedeutet dort "erscheinen, auftreten", von Menschen gesagt auch "geboren .werden". Als Beispiele nenne ich: "Pest kommt in die Welt (071117 Nf) wegen der in der Thora genannten todeswürdigen Verbrechen, die nicht dem Gerichtshof übergeben sind ... " "Schwert kommt in die Welt (C713'~ Nf) wegen Verzögerung des Rechtes und wegen Beugung des Rechtes ... " (Pirqe Aboth 58). "Wilde Tiere kommen in die Welt (07'3'7 ~~f ~n ~;Q) wegen vergeblichen Schwures ... " "Verbannung kommt in die Welt (07'3'7 ~~f l'11'~) wegen Götzendienst ... " (pirqe Aboth 59). "Wenn sie (scl. die Gestirne) verändert werden (, daß sie) wie Blut (aussehen), kommt Strafe des Schwertes in die Welt (l'11)V",lS 0;'3'7 ~l$~ ~"!n 'W). (Wenn sie) wie Trauergewand (p~; aussehen) kommt Strafe von Pest und Hunger in die Welt" (~~f ~V1 '~1 "~"l, ,~ l'11)~",lS c,I3'7) 1). "Seitdem Abraham unser Vater in die Welt kam" (c::t'\~lo!. N",W~ C;ill; l?~~) 2). "Der erste Mensch kam in die Welt" (rll!iN"!~ C"l,l$ N~ 0;'3'7 3). "Manasse war noch nicht in die Welt gekommen" (~W ~~ N~ N·~ i'~jV, C~'3'~) 4). In alle n die sen Z i tat e n ist 1 e tz t 1 ich an die M e n s c h h e i t ge d ach t, ni c h t a n den "R a u m" der We 1 t , in der man oder etwas von außen hineinkommt. Es zeigt sich, daß sich J ohannes auch hier bei dieser Wendung an die entsprechenden Ausdrücke im semitischen Sprachgebiet anlehnt. Gnostischer Sprachgebrauch oder Anlehnung an solchen scheint mir hier nicht vorzuliegen 5), so sehr dieser Sprachgebrauch auch in der Nähe 1) Th Sukka 26 (Z. S.194).
2) Sifre Deut 311. 312. 313. 3) pesiqtha Kahana 32 (198 b). ') QoheL t r. zu Pred 3 2. - Dies und die drei vorangehenden Beispiele aus Schlatter, Johannes, S. 232. 5) Gegen Bultmann, Johannes, S.30 3•
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ist. J 18 37 liegt ein Hendiadyoin vor: "Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen (el~ 'toi57:o yeysvv'YJfhat "ai el~ 'tov'tO eJ..~J..vf}a el~ 'tov ,,6afhov), um für die Wahrheit Zeugnis abzulegen." Damit soll nicht gesagt werden, daß der johanneische ,,6afho~ Begriff überhaupt nichts mit der Gnosis zu tun hat. Es ist im Gegenteil so, daß a n ein e r R e i h e von S tell end erB e g r i f f des K 0 sm 0 s dem der ,,0 b er e n We I t" g e gen übe r ge s tell t ist, nicht etwa wie im älteren Urchristentum dem der kommenden Welt, so z. B. J 823; 131, wo "dieser Welt" der "Vater" gegenübergeßtellt ist. Von der G nos isa b e r t ren n t s ich Johannes wieder, indem für ihn der Kosmos n ich t e 0 i p s 0 von G 0 t t g e s chi e den und n a t u rnotwendig böse ist, sondern gottfeindlich wird der Mensch in der Welt, weil er sündigt, und die Sünde ist nicht Verhängnis, sondern Schuld!). L. Beurteilung der Rabbinischen Spekulationen über Gottes Thron
Die Auslegung der Kapitel 1-3 und 10 des Ezechielbuches bot dem Rabbinat reiche Möglichkeit zur Betätigung. Handelte es sich doch hier um die Erscheinung von Gott selber - um die Mitte aller Theologie und Frömmigkeit, um die das religiöse Leben kreist. Diese Mitte war hier offenbar und anschaulich geworden. Begreiflich, daß von diesen Kapiteln eine große Anziehungskraft ausstrahlte, die die Rabbinen in ihren Bann schlug. Begreiflich aber auch - es geht um Gott! -, daß nicht jeder Beliebige sich damit beschäftigen durfte. Dieses Allerheiligste der Schrift wurde sorgfältig vor Profanation behütet. Da wo sich das innerste Geheimnis erschließt, lauert die Gefahr des Irrtums am dringendsten; je näher beim Gipfel, desto exponierter wird der Weg. Wer hier fehlgriff, der griff am entscheidenden Orte fehl und brachte die ganze Religion von der Mitte her ins Wanken. Mysterium tremendum et fascinosum - höchstes Wunschziel des Weisen und ängstlich gehütetes und gefürchtetes Geheimnis. Deutlich läßt sich diese Ambivalenz der Gefühle der Vision Hesekiels ') Vgl. W. G. Kümmel, Das Bild vom Menschen im NT, 1948, S. 41-48 (in: Abhandlungen zur Theologie des Alten und Neuen Testaments, hsgg. v. Walther Eichrodt und Oscar Cullmann, Nr. 13).
87 gegenüber feststellen in den Quellen. Zu den höchsten Geheimnissen jüdischer Theologie gehörte neben den Kapiteln Hesekiels Gen 1 f. Die Betrachtungen darüber hießen Ma"asse Bereschith" Werk der Schöpfung", in denen es um die Geheimnisse der Kosmogonie und des vorweltlichen Seins ging. Die Spekulationen über den Thron Gottes, über Gott, den Kosmos, die Theosophie hießen Ma"asse Merkaba "Werk des Wagens". Als Warnung vor kosmologischer und theosophischer Spekulation verstand man das Wort in Sir 321: "Forsche nicht nach dem, was vor dir verborgen ist, grüble nicht nach dem, was dir verhüllt ist. Stelle Betrachtungen an, die dir erlaubt sind und befasse dich nicht mit Geheimnissen". Dieses Wort wird bOhagiga 13 a zitiert. Konkret formuliert die Mischna das Gebot: "Man trage nicht über Inzestgesetze vor dreien vor, noch über das Schöpfungswerk vor zweien, noch über die Sphärenkunde (Ma"asse Merkaba) vor einem, es sei denn, daß er ein Weiser ist und es aus eigener Erkenntnis versteht. Wer über vier Dinge, was oben, was unten, was vorn und was hinten (sich befindet), grübelt, für den wäre es besser, er wäre gar nicht zur Welt gekommen. Wer die Ehre seines Schöpfers nicht schont, für den wäre es besser, er wäre gar nicht zur Welt gekommen" (MOhagiga II, 1). Diese Vorschrift der Mischna nimmt mit der einen Hand, gibt aber mit der andern dem Weisen die Möglichkeit zu kosmologischen Spekulationen. Dementsprechend wird die Mischna von den Amoräern auch kasuistisch ausgelegt. R. Ohjjia erklärte, man dürfe einem Schüler die Hauptzüge anvertrauen, was R. Ze"era dahin einschränkt, daß der eine ein Gerichtspräsident (ab beth-din) und dazu auch demütig sein müsse. Nach R. Ami muß der Schüler ein Hauptmann, Hochangesehener, Ratsherr, Kunstverständiger und Zauberkundiger sein (bOhagiga 13 a; die 3 Amoräer leben um 300). "Hauptmann" wird in bOhagiga 14 a als "Hauptmann über das Fünfbuch", d. h. die Thora verstanden; er muß also einer sein, der über die 5 Bücher der Thora, zu disputieren versteht. Der "Hochangesehene" ist derjenige, auf den Gott oder die Obrigkeit Rücksicht nehmen. Der "Ratsherr" ist derjenige, der sich auf die Schaltjahre und Schaltmonate versteht. Der "Kunstverständige" ist einer, vor dessen Darlegungen alle verstummen. Der "Zauberkundige" ist einer, dem man die Geheimlehren der Thora anvertraute. Auf R. Jona geht jOhagiga 8 a das Verbot zurück, das sich einerseits auf Sir 3 21, anderseits aber auf den ersten Buchstaben der Thora
88 stützt: "Die Welt ist mit dem Buchstaben :l erschaffen worden; so wie nämlich die :l von 3 Seiten geschlossen und von einer Seite offen ist, so bist du nicht berechtigt zu forschen, was oben ... " usw. Wenn nur die Hauptzüge gelehrt werden durften, dann war damit der eine zeIne auf selbständiges Forschen angewiesen. Die Grenze der Spekulation wird verschieden angegeben. Allgemein frei ist die Spekulation über die 7 Himmel. Das eigentliche verbotene Gebiet ist der Thronwagen von Ez 1 f. Nach Rabbi (R. Je h ud aha nN a si ha q Q a dos c h, t 219?) darf man lehren bis Ez 14: "Und ich sah". R. J i y c h a q geht etwas weiter und erlaubt bis Ez 1 4: "Wie Glanzerz" . Andere sagen, man dürfe von "ich sah" an nur die Hauptzüge anvertrauen; von da an, wenn der Schüler ein Weiser ist und darum selbständig denken kann. Aus dem Satz in bChagiga 13 a: "Wir'haben sie gelernt bis zum Verse: ,Da sprach er zu mir: Menschenkind'," geht wohl hervor, daß es eine fixierte Ma
89 heiden verhüllen ihr Haupt während des Lehrvortrages. Wie Ele'azar lehrt, fällt Feuer vom Himmel, die Dienstengel tanzen vor ihnen und ein Engel tritt aus dem Feuer und bestätigt die Worte Ele'azars. Darauf brechen die Bäume in Jubel aus, vgl. Ps 9612 1). Man berichtete den Vorfall dem R. Jehoschu'a (um 90), der sich mit R. Jose dem Priester auf der Reise befand. Auch sie begannen sich mit dem "Wagenwerk" zu beschäftigen; trotzdem es Hochsommer war - die Wende des Thammuz - , überzog der Himmel sich mit Wolken, ein Regenbogen wurde sichtbar und die Dienstengel versammelten sich, um zu hören (bChagiga 14 b). Solche Wunderzeichen können aber auch geschehen, wenn sich Gelehrte mit der Thora überhaupt befassen, wie es beim Fest der Beschneidung Achers geschah (jChagiga 277 b, 32). Nach dem Thannaiten Jehoschu'a b. Qarcha tat Mose nicht gut daran, sein Angesicht zu verbergen (Ex 36). Wenn er es nicht getan hätte, dann hätte Gott ihm offenbart, "was oben und was unten ist, was gewesen ist und was sein wird". Als Mose dann sehen wollte und sagte: "Laß mich deine Herrlichkeit sehen", da wollte Gott nicht mehr; er hatte so die einzigartige Gelegenheit verpaßt (Schemoth r., par. 45, zu Ex 3312). Aus den Wunderzeichen, die die Spekulationen begleiten, geht hervor, daß Gott Wohlgefall e n hat an den Er ö r te run gen, die das R ich t i ge t re f f e n. "Kommt nun einer, welcher den Talmud inne hat, so spricht Gott zu ihm: Mein Sohn! weil du dich mit der Thora beschäftigt hast, hast du in die Merkaba Ezechiels geschaut? Hast du geschaut auf das Erhabene? Denn ich finde an meiner Welt keinen andern Genuß als in der Stunde, wo die Gelehrten sitzen und sich mit den Worten der Thora beschäftigen, und schauen und lugen und sehen und nachdenken über die Menge des Studiums, wie der Thron meiner Herrlichkeit steht, der erste Fuß, wozu er dient, der zweite, wozu er dient, der dritte, wozu er dient, der vierte, wozu er dient; das Glanzerz, wie es steht und auf wieviele Arten es sich in einer Stunde umdreht, nach welcher Seite hin von der Sonne; wie der Blitz steht, auf wie viele Arten der Glanz zwischen seinen Schultern sich gestaltet, nach welcher 1) jChagiga 2, 77 a (Str B II, S. 603 f.). Die Parallelfassung in bChagiga 14 b (auch als Baraitha zitiert bei Str B II, S. 371 f.) schmückt die Erzählung noch mehr aus. Man erkennt aus diesem Beispiel einmal das Wachsen der Legende, dann aber auch die Hochschätzung, die man diesen Spekulationen in immer reicherem Maße erwies.
90 Seite hin von der Sonne; wie der Kerub steht, nach welcher Seite hin er sich wendet von der Sonne. Und das Größte von allen ist die Betrachtung des Thrones der Herrlichkeit, wie er steht. Er ist rund wie ein Ziegelstein und ausgedehnt wie eine Art von Brücke, und wieviele von solchen es an ihm gibt; wie groß die Unterbrechung zwischen einer Brücke und der andern ist, und wenn ich vorüberfahre, über welche Brücke ich fahre, über welche Brücke die Ophannim fahren, über welche Brücke die Räder der Merkaba fahren. Das Größte von allem ist, wie ich selbst von meinem Nagel bis zu meinem Scheitel stehe; ferner wie viel das Maß des Knöchels meiner Hand, wie viel das Maß der Zehen meines Fußes beträgt. Das Größte von allen ist, wie der Thron meiner Herrlichkeit steht, nach welcher Seite hin von der Sonne er am 3. Tage der Woche, nach welcher Seite er am 4. Tage der Woche steht, und ist es nicht meine Pracht, meine Größe, die Pracht meiner Schönheit in diesem Maße meine Ehre zu erkennen?" (Midrasch Mischle zu Prov 11 s). Man sieht hier, um was es in diesen Spekulationen ging, an was die Leute Interesse hatten. Letztlich ging es um ein Erfassen der Person Gottes selbst. In der erwähnten Bestimmung der Mischna ist zu beachten, daß a u c h die L ehr e n übe r das "was n ach her ist" u n t erd i e Geh e i m I ehr e n fall e n , über die man nur im ver· trautesten Kreise reden durfte. Diese Bestimmung der Mischna wird durch einen Bericht des 4 Es r a be s t ä t i g t (4 Esr 14 3S-47): "Esra" wird ein Becher gereicht, dessen Inhalt ihm alle Weisheit schenkt. "Esra" diktiert sodann die gewonnenen Einsichten 5 Män· nern, die insgesamt 94 Bücher schreiben. Von diesen Büchern darf er 24 veröffentlichen "den Würdigen und Unwürdigen zum Lesen". 70 Bücher dagegen muß er zurückhalten: " ... gib sie nur den Weisen deines Volkes! In diesen fließt der Born der Einsicht, der Quell der Weisheit, der Strom der Wissenschaft", v. 46 f. Die 24 Bücher sind natürlich die kanonischen Bücher des AT, die 70 aber enthalten die esoterischen Geheimlehren, zu denen wohl vor allem unser 4 Esra gerechnet ist. Unter dem Bilde vom "Becher", der dem "Esra" gereicht wird, erscheint das Inspirationsdogma : AT und Ps eu d e p i g rap h e n s i n d ins p i r i e r tun d hab eng lei c h e Au tor i t ä tl) ! 1) Joachim Jeremias, Jerusalem zur Zeit Jesu, Kulturgeschichtliche Untersuchungen zur nt.lichen Zeitgeschichte, Bd.lI, 1929, S. 106-108. Fraglich dagegen bleibt, ob zu diesen Geheimlehren des J u den t ums auch die Erwartung eines leidenden Erlösers gehört hat.
91 Von da aus wird Joachim Jeremias 1) beizustimmen sein, wenn er im Gegensatz zu Bousset die apo k a ] y p t i s c heL i t e rat u r des S p ä t j u den t ums nicht als Zeugnisse für die Volksfrömmigkeit, sondern als Z eu g n iss e für die Geh e i ml ehr e n besonders erleuchteter Zirkel erklärt. Was wir in den Pseudepigraphen haben, sind die Lehren, die den "Wissenden und Weisen" im Volke reserviert waren. Was i m Tal mud und M i d ras c h nur vereinzelt und bruchstückhaft auftritt, das ist in den Pseudepigraphen reich entfaltet und sys te m a t i sie r t. Das erklärt auch, warum in den Pseudepigraphen - auch bei astronomischen Belehrungen und geographischen Exkursen - von "Geheimnissen" die Rede ist, die dem Verfasser enthüllt wurden als übernatürliches Wissen, und ebenso, weshalb in 2 Hen 24 ff. ein Schöpfungsbericht erzählt werden kann, der noch über den "Anfang" von Gen 11 zurückgeht und im ganzen mit dem Bericht der Bibel nichts mehr zu tun hat - das ist eben "Ma'asse Bereschith", kosmogonische Geheimlehre; es ist klar, daß nur im Glauben Gefestigte, nur Leute mit eigenem überlegenem Urteil, bei denen die Gefahr der Ketzerei gering war, sich solchen Dingen hingeben durften 1). In dieses Kapitel gehört nun auch die Nachricht bChagiga 14 b 2): "Vier traten ins Paradies ein, und zwar: Ben 'A z z a i , Ben Z 0 m a , Ach er und R. 'A q i b a. R. 'Aqiba sprach zu ihnen: wenn ihr an die glänzenden Marmorsteine herankommt, so sprecht nicht: ,Wasser, Wasser!', denn es heißt (Ps 101 7): "In meinem Hause soll keiner wohnen, der Falschheit übt; wer Lügen redet, kann nicht bestehen vor meinen Augen." Nach der herkömmlichen Deutung 3 ) ist unter dem "Eingehen ins Paradies" einfach die Beschäftigung mit metaphysischen Spekulationen gemeint. Grätz führt an, daß Philo, Clemens von Alexandrien und Hieronymus das Wort naeaoctcfOr; auf diese mystischen Spekulationen bezogen. Bacher zieht Sir 24 BO heran: ",ayeh wr; Otwev~ and n07:afhov ",at wr; vöeaywydr; e~fjAf}OY clr; naeaoctcfoy. 1) Nach Joach. Jeremias, a. a. O. S. 106 und S. lU würde das Ansehen der Rabbinen im Volk nicht zuletzt auf diesem Geheimwissen beruhen, das sie als Nachfolger der Propheten legitimierte. 2) Dasselbe in jChagiga 7 ab; Thosephtha Chagiga 2 (Z., S. 234); Schir r., zu Cant 14. 3) Grätz, Gnosticismus und Judentum, S. 59; Bischoff, Babylonisch-Astrales, S. 153 f.; Goldschmidt, a. a. O. S. 283 149; Bacher, Tannaiten I, S. 333 und Anm.l.
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Daß von Grätz neben Philo zwei Kirchenväter als Gewährsmänner für dieses Verständnis herangezogen wurden, ist methodisch nicht ganz überzeugend, wenn eine TalmudsteIle erklärt werden soll. Immerhin bleiben als jüdische Belege Sirach und Philo, von denen eventuell die Kirchenväter und der Talmud abhängig sind. Für Sir 24 30 könnte die Erwägung sprechen, daß in bChagiga 13 a Sir 3 21 zitiert wird. In Sir 2430 spricht ja die Weisheit! Doch werden bei dieser Deutung zwei Punkte nicht erklärt: Einmal der Satz' Aqibas: "Wenn ihr an die glänzenden Marmorsteine kommt ... " Grätz gesteht, daß er den Satz nicht erklären kann, und Bacher sagt, der Spruch sei noch nicht genügend erklärt, und meint, 'Aqiba wolle davor warnen, voreilig das Wasser als den Grundstoff der Welt zu erklären. Aber wo steht denn etwas davon, daß es hier um den Urstoff der Welt geht? Von der allegorischen Erklärung der Stelle her gibt es keine Deutung des Spruches. Das Zweite, das hier zu beachten ist: wir haben von andern Rabbinen gehört, daß sie sich mit Geheimlehren beschäftigten; warum wurde von diesen nicht gesagt, daß sie "ins Paradies eingegangen" seien? Ist das nur eine Laune der Überlieferungsbildung, oder verbirgt sich dahinter mehr? Die spätere Zeit hat auf jeden Fall angenommen, daß die vier genannten Rabbinen wirklich ins Paradies, in den Himmel, eingegangen seien. Das zeigt die Textänderung, die die Baraitha und der Text von bChagiga 15 b haben l ). Ob diese kleine Änderung allerdings genügt, um zu beweisen, daß die ältere Formulierung das "Eingehen ins Paradies" allegorisch verstand, ist mir immer noch fraglich. Die "Marmorsteine" werden damit so wenig erklärt wie die Tatsache, daß von den andern Rabbinen nicht gesagt wurde, sie seien "ins Paradies eingegangen". Mehr erklärt m. E. die Auffassung Boussets 2), der meint, es habe sich bei den erwähnten Rabbinen um Ekstatiker gehandelt. Dann würde 1) jChagiga 7 a und Thosephtha Chagiga 2 (Z., S. 234) heißt es: ,,'Aqiba ging im Frieden hinein und ging im Frieden wieder heraus", bChagiga 15 b: ,,' Aqiba stieg im Frieden hinauf und kam im Frieden herunter", so auch 2 Hss. der Thosephtha Chagiga 2; Bacher, a. Anm. 3 S. 91 a. O. 2) W. Bousset, Himmelsreise der Seele, 1901 (Archiv für Religionswissenschaft IV) S.146; vgl. auch Bousset-Greßmann S. 255 f. Wenn Bousset allerdings redet von "einer Kunst, ins Paradies zu fahren", so kann ich dem nicht folgen. Vor allem auch dann nicht, wenn er sagt (S. 147), Paulus habe aus einer Rabbinenschule übernommen, was er in 2 K 12 berichtet. Der Tenor der Stelle scheint mir nicht gerade darauf hinzuweisen, daß der Apostel hier von etwas Altgewohntem und Bekanntem redet.
93 der Bericht sagen, die Vier seien in verzückter Schau "ins Paradies eingegangen". R. 'Aqiba ist übrigens einer der ganz wenigen, denen die spätere Zeit die Gabe des h1. Geistes zugeschrieben hat (Wajjiqra r., par. 21 [120 cJ; Str B Ir, S. 128.133). DieEkstase oder Vision schließt natürlich nicht aus, daß man über das Erlebte später reflektiert und .es mit dem bekannten Anschauungs- und Begriffsmaterial darstellt und erzählt. So berichtet auch Paulus über sein Erlebnis in Anschauungsformen, die sich mit denen des 2 Heneng berühren. Das Ungeheure und Unbekannte des ekstatischen Erlebnisses wird mit den bekannten Kategorien rational perzipiert. So wird es auch mit den "glänzenden Marmorsteinen" 'Aqibas sich verhalten: sie werden in das Bild des Paradieses gehört haben, das' Aqiba geläufig war, oder er hat sie in der Ekstase geschaut. Der Ratschlag, den er erteilt, zeigt nur, daß er sein Erlebnis verallgemeinert: wer ins Paradies gelangt, wird das sehen, was er gesehen hat; es gibt ja nur Ein Paradies! Wenn Acher Gnostiker war, so schließt sein gnostisierendes Spekulieren natürlich keineswegs die Ekstase aus. Mystische Spekulation und Vision können ineinander übergehen. Vielleicht war Acher ein Erfahrener in der Geheimlehre, bei dem die beiden Erkenntnisweisen ineinander übergingen und sich gegenseitig stützten, so daß er dadurch in der Gnosis bestärkt wurde. Daß es sich um ekstatische Zustände gehandelt hat, bei denen das Bewußtsein getrübt wurde, geht aus den Nachrichten über Ben Zoma hervor: "Ben Zoma: ich dachte über den Zwischenraum der oberen und unteren Wasser nach und fand, daß derselbe nur 3 Finger beträgt, wie es heißt (Gen 1 2): ,Und der Geist Gottes schwebte über der Oberfläche der Wasser', gleich der Taube, die über ihren Jungen schwebt und sie nicht berührt. Da sprach R. Jehoschu'a zu seinen Schülern: Bis jetzt ist noch Ben Zoma draußen, da es doch heißt: 'Der Geist Gottes schwebte über der Oberfläche der Wasser'" (bOhagiga 15 a). Die beiden haben aneinander vorbei geredet: Ben Zoma redete über Gen 1 6 mit Bezug auf Gen 1 2, während R. Jehoschu'a nur an Gen 1 2 dachte. Aber abgesehen davon zeigt die Stelle, daß man offenbar die ekstatischen Zustände Ben Zomas kannte und wunderliche Aussprüche wie den zitierten darauf zurückführte, daß er "noch draußen" war, d. h. noch nicht bei klarem Verstande. Im weiteren berichtet ja der Talmud, daß Ben Zoma "getroffen" wurde, d. h. daß er infolge des "Eingehens ins Paradies" den Verstand verlor. Auch diese Nachricht veranlaßt mich, nicht der allegorischen Deutung zu folgen: die Psyche
94 Ben Zomas war offenbar den Spannungen der Ekstase nicht gewachsen, so daß er geisteskrank wurde. Noch weniger widerstandsfähig scheint Ben' Azzai gewesen zu sein; denn von ihm heißt es, daß er - infolge des Eingehens ins Paradies - vorzeitig starb!) (bChagiga 14 b). Nur von R. 'Aqiba wird berichtet, daß er ohne besonderen Schaden davon kam; das wird auf besondere göttliche Fürsorge und Gnade zurückgeführt: "Auch R. 'Aqiba wollten die Dienstengel zurückstoßen, da sprach der Heilige, gepriesen sei er! lasset diesen Greis, er ist würdig, sich meiner Ehre zu bedienen" (bChagiga 15 b). Acher dagegen "hörte hinter dem Vorhang eine Bath-Qol rufen: kehret um, abtrünnige Kinder außer Acher" (bChagiga 15 a), worauf Metatron die Erlaubnis bekommen habe, das Verdienst Achers auszuwischen. War Acher schon vor dieser Vision auf dem Wege zur Häresie, in der er eben durch die Ekstase bestär kt wurde? So scheint es mir, daß die A n nah m e, die 4 R a b bin e n sei e n E k s tat i k erg ewe sen, die beste Erklärung für ihre Erlebnisse und Schicksale bietet, daß sie mehr erklärt als das allegorischeVerständnis der Worte: "Vier sind in das Paradies eingegangen" 2). Der Bericht über die Vier zeigt, daß das J u den t u m jen e r Z ei t übe r r el i g i öse Er leb ni s s e ver füg t e. Die Rabbinen waren nicht nur trockene Denker, sondern Menschen mit lebendiger Religiosität, die sich in Visionen und Ekstasen ausdrückte. Die andern Berichte über das "Werk des Wagens" zeigen aber auch, daß die Rabbinen zur Schrift und der Kunst ihrer Auslegung volles Vertrauen hatten. Die Schrift enthält alles, alle Geheimnisse des Kosmos 1) Grätz, a. a. O. S. 71 f., glaubt, Schimo'n ben 'Azzai sei ein Anhänger der enkratitischen Gnosis gewesen, da er auch unverheiratet war (und blieb 1). Die Basis für diese Behauptung ist etwas schmal; denn Ben 'Azzai sagte von sich, er bleibe um der Thora willen unverheiratet; für alle andern Menschen stellte er das strenge Gebot auf, sie sollten sich verheiraten, da es so der Wille des Scböpfers sei. Das ist doch nicht enkratitisch! 2) Wenn Bacher, Amoräer II, S. 510 3 sagt: "Was ... unter ,,::1::1 10::1 verstanden wurde, ist nicht klar; jedenfalls sollte die Macht der über der Schöpfung und vor ihr waltenden Gottheit damit veranschaulicht werden ", so ist das eine modernistische Abstraktion des aufs Konkrete gerichteten jüdischen Denkens. Der Gedanke ist übrigens absurd: der Thron der Herrlichkeit gehört zu den präexistenten Dingen, die vor der Schöpfung geschaffen wurden. Wenn Bacher recht hätte, wäre Gottes Schöpfermacht von Gott geschaffen! Vgl. Bischoff, Babylonisch-Astrales, S. 14 f. Gottes Thron ist der Sitz, den sich Gott schuf, der Ort, von dem aus er die Welt ins Dasein rief, sie jetzt erhält, regiert und richtet. Man darf diese konkrete Anschauung nicht spiritualistisch überhöhen.
95 und Gottes. Dem denkenden, forschenden Verstande gibt die Schrift ihre Geheimnisse preis - deo concedente. Man ist s ich der Kraft des denkenden Verstandes bewußt: auf Grund des Buchstabens der Schrift vermag die Rat i 0 a 11 e s z u erg r ü n den. Dieser Zug führt in die Nähe des Griechentums. Mit dem Rat ion a 1 i s mus ist aber die Mys t i k verbunden, ein Zug, der auch sonst in rationalistischen Theologien begegnet. Die Religion spannte die ganze Kraft des Denkens an, sie ergriff aber auch die Tiefen der Seelei). Exkurs: Die Schöpfungserzählung von 2 Hen 24 - 33. Wir trafen schon den Ausdruck "Ma
96 lich der Schöpfer. Ein solcher Gedanke täte Gottes Majestät und Allmacht Abbruch. 2 Hen geht hier sicher mit bewußter Absicht über das in Gen 1 Berichtete :zurück und gibt Belehrungen über das vorweltliche Sein. Das Erste, das Gott schafft, ist ein geheimnisvolles Wesen namens "Adoel", das aus dem Unsichtbaren von oben herabgerufen wird. Dieser Adoel hat in seinem Leibe ein großes Licht. Auf Gottes Befeh,l löst sich der Adoel auf, das Licht tritt aus ihm heraus und umgibt Gott (25 1 f.). Dann bewegt sich das Licht "irgendwie" und aus ihrr;t geht ein großer Aeon hervor, der die ganze Welt enthält, die Gott zu schaffen gedenkt (25 3). Nun erschafft Gott zunächst seinen Thron, auf den er sich setzt, dann befiehlt er dem Licht, sich "hinauf" zu begeben über den Thron, sich dort zu befestigen und ein Fundament für die Obersten zu werden. Höheres als das Licht gibt es nichts (253-5). In gleicher Weise ruft Gott nun nach unten und läßt von dort etwas Festes und Sichtbares hervorgehen, nämlich den schweren, festen und völlig schwarzen "Archas". Wie dieser sich auf Gottes Befehl hin auflöst, geht ein dunkler, großer Aeon aus ihm hervor, der die ganze Schöpfung der Unteren enthält. Auf Gottes Befehl geht er "hinab" und wird das Fundament aller Unteren. Demgemäß gibt es unterhalb der Finsternis nichts (26). So ist die Schöpfung ausgespannt zwischen Licht und Finsternis und getragen von diesen beiden polaren Gegensätzen. Das Licht ist oben bei Gott, die Finsternis ist unten, unterhalb der Erde - eine sehr bezeichnende Deutung der Welt, die an iranische Lehren erinnert. Die weitere Schöpfung geht nun so vor sich, daß Licht und Finsternis miteinander gemischt werden. Dieses Gemisch verfestigt sich auf Gottes Geheiß, wird von Licht umgeben und wird endlich zu Wasser. Das Wasser wird über der Finsternis ausgebreitet (271-3). Nun folgt ein etwas dunkler Bericht, der offenbar von der Erschaffung der 7 Himmel handeln soll: "Und ich gt'ündete mit Licht um das Wasser und machte 7 Kreise von innen und bildete wie Kristall, feucht und trocken, das ist wie Glas aussehendes Eis, Umgehungen den Wassern und den andern Elementen, und ich zeigte einem jeden seinen Weg, den 7 Sternen, daß sie ein jeder von ihnen auf seinem Himmel so wandelten" (273). Wahrscheinlich sind hier die aus der griechischen Kosmologie bekannten 7 Planetensphären gemeint. Dann erst schafft Gott aus dem Lichte den Tag und aus der Finsternis die Nacht, uIid damit wird endlich Gen 13-5 erreicht.
97 Wahrscheinlich sind mit "Adoel" und "Archas" Thohu und Bohu als Weltelemente gemeint und wird gezeigt, wie Gott Thohu und Bohu und Finsternis schuf, von denen in Gen 11 f. die Rede ist. Gott hat diese Dinge nicht vorgefunden, sondern er hat sie geschaffen. In unserem Bericht bedeutet aber die Scheidung zwischen Licht und Finsternis zugleich die Scheidung zwischen den oberen und den unteren Wassern (274). Aus den unteren Wassern, die sich an ein em Ort sammeln mußten, schuf Gott das Gestein; aus diesem wiederum schafft er die Erde. Mitten in der Erde ist der Schlund, der Abgrund. Das Meer wird an ein e n Ort gesammelt und mit einem Joch zusammengebunden. Mit einem Befehlswort aus Ps 103 (104) 9 setzt Gott dem Meere eine ewige Grenze. Ferner schafft Gott an diesem Tage die Himmelsveste (28); am zweiten Tage schafft er die himmlischen Heerscharen; sie haben feurige Natur, weil Gott sie aus einem Stein gebildet hat, von dem er ein großes Feuer abschnitt. Im ganzen schuf er 10 Myriaden Engel (291-3). Sogleich wird der Fall eines Erzengels erzählt, der den Gedanken faßte, seinen Thron höher als den Thron Gottes zu setzen. Zur Strafe wird er mit seinen Engelscharen herabgestürzt und muß beständig über dem Abgrund fliegen (29 4 f.). Am dritten Tage schafft Gott wie in Gen 111 f. die Pflanzen und Bäume lman wird bemerken, daß die Sammlung der Wasser unter dem Himmel in Gen 1 9 auch auf den dritten Tag verlegt ist, aber in 2 Hen 28 auf den zweiten Tag). Ferner gehört zum dritten Tagewerk die Erschaffung des Paradieses (301). Am vierten Tag erschafft Gott die Gestirne entsprechend Gen 114 f. Diese "Lichter" werden an die verschiedenen Himmelskreise versetzt: an den ersten und höchsten Kronos (Saturn), an den zweiten Aphrodite (Venus), an den dritten Ares (Mars), an den vierten die Sonne, an den fünften Zeus (Jupiter), an den sechsten Hermes (Merkur), an den siebenten den Mond. Man vergleiche dazu den entsprechenden Bericht des Celsus über die Mithrasreligion (S. 17 f.). Die kleineren Sterne werden zum Schmuck an den "unteren Aer" gesetzt. Auch eine Anspielung auf die Tier kreis bilder findet sich: "Und daß die Sonne gehe gemäß einem jeden Tier und die 12 Tiere gemäß dem Umlauf des Mondes" (303-5). Der fünfte Schöpfungstag entspricht wieder Gen 120 H., nur daß hier auch die Vögel und die andern Tiere aus dem Meere hervorgehen; im Gegensatz zu Gen 1 24 f. werden hier auch die Landtiere am fünften Tage geschaffen (307). Ein Segen, wie er in Gen 122 über die Kreatur ausgesprochen wird, fehlt hier. Bietenhard, Himmlische Welt
98 Der nächste Tag ist der Erschaffung des Menschen vorbehalten. Der Mensch ist eine Art Mikrokosmos, der aus 7 Bestandteilen besteht: sein Fleisch stammt von der Erde, das Blut vom Tau, die Augen von der Sonne und vom Abgrund des Meeres, die Knochen aus Gestein, die Gedanken von der Schnelligkeit der Engel und von den Wolken, die Sehnen und Haare vom Kraut der Erde, die Seele des Menschen kommt vom Geiste Gottes und vom Wind. Diesen 7 Teilen entsprechen 7 "Wesenheiten", wohl Sinnesorgane: das Gehör entspricht dem Fleisch, das Sehen den Augen, das Riechen der Seele, das Fühlen den Sehnen, der Geschmack dem Blut, dem Gebein Geduld, dem Denken Süßigkeit. Ferner verleiht Gott dem Menschen die Gabe der Rede. So ist der Mensch geschaffen von der sichtbaren und von der unsichtbaren Natur, vom Tod und vom Leben. Als "zweiter Engel" wird er auf die Erde gesetzt mit großer Ehre und Herrlichkeit, damit er als König über sie herrsche. Sein Name besteht aus vier Bestandteilen von Osten, Westen, Süden und Norden, d. h. die Anfangsbuchstaben der vier Himmelsrichtungen in Griechischen werden zum Namen Adam vereinigt CAvaToA1}, Llvat~, "AeUTO~, MW'YJftße{a). Adam ist ein kosmisches, herrliches Wesen, der "Urmensch". Gott zeigt ihm zwei Wege, Licht und Finsternis, um zu erfahren, ob der Mensch Gott liebt oder nicht. Adam kennt aber seine Natur nicht und sündigt; Sünde ist Unwissenheit, so wird hier ausdrücklich erklärt (308-16). Dann schafft Gott die Eva, "damit durch das Weib ihm der Tod komme". Im Gegensatz zum biblischen Schöpfungsbericht wird der Mensch von Anfang an durch die Frau zum Tode hin geschaffen. Eva heißt "Mutter", da Gott den letzten Buchstaben aus Adams Namen nahm und daraus den Namen Evas bildete (M1}T'YJe; 3017). Adam und Eva haben ihre Namen von Erde und Leben - da kommt das Hebräische in den Namen der Ureltern zu seinem Recht! (311). Die bei den ersten Menschen werden in das Paradies im Osten gebracht, über dem die Himmeloffenstehen, so daß Adam beständig den Lobgesang der Engel hören kann. Im Paradies herrscht beständig Licht (312). Daß Gott etwa im Paradiese wandelt, wie in Gen 38, das ist dem Verfasser des 2 Hen ein unvollziehbarer Gedanke; darum muß der Himmel über dem Paradies offenstehen, damit Adam Gemeinschaft und Verbindung mit der göttlichen Welt haben kann. Weil der Teufel erkannte, daß Gott plante, noch eine andere Welt zu schaffen, machte er sich an Eva heran und verführte sie (31 3-6). Im Gegensatz zu Gen 314-19 heißt es, daß Gott den Menschen und die
99 Erde nicht verflucht habe, sondern nur "die bösen Früchte des Mensehen". "Deswegen ist gut die Frucht der Schöpfung, durch den Schweiß der Arbeit" (317 f.). Auch das könnte im Gegensatz zu gnostischen Gedanken gesagt sein, die die Erde als Werk böser Mächte erklären, und die sich für ihre Lehren auch auf Gen 3 17 berufen könnten. Ferner wird hier auf das "zweite Kommen Gottes" angespielt, bei welchem er den toten Leib Adams in der Erde beleben wird - eine Verheißung der Totenauferstehung ! Merkwürdig ist, daß auf den 7. Tag der Schöpfungswoche noch ein achter folgt: "Am (als) achten Tag aber setzte ich denselben achten Tag, daß er sei der erste, der ersterschaffene meines Nichttuns, und daß sie gewandelt werden zum Bilde des siebenten Tausend, und der achte werde zum Anfang der achttausend. Wie vom ersten Tage der Woche so auch der achte Tag der Woche sollen beständig wiederkehren" (331 f.). In diesen Ausführungen wird wohl auf die neue Schöpfung angespielt sein: der siebente Tag ist die messianische Zeit, der achte Tag ist die neue Welt Gottes. Allerdings wird im Text der Messias nicht erwähnt. Am Schluß dieses Schöpfungsberichtes wird dann betont, daß Gott keinen Berater noch Erforscher seiner Schöpfung habe. Gottes Allwissenheit und Allwirksamkeit werden hervorgehoben; er ist auch der Erhalter aller Dinge; denn wenn er sein Angesicht von etwas abwendet, wird es vernichtet (334). Henoch wird aufgefordert, den zu erkennen, der mit ihm redet (335), dann wird er mit den Büchern, die er schrieb, zu den Menschen gesandt, damit sie erkennen, daß alle Geschöpfe im Himmel und auf Erden Gott gehorchen. Durch diese Bücher sollen die Menschen Gott, den Schöpfer des Alls, erkennen, sie sollen erkennen, daß außer ihm kein anderer Gott ist. Zu Verwaltern der Henochbücher werden der Erzengel Michael, ferner die Engel Ariuch und Pariuch bestellt (337-10). Ein Vergleich mit dem Text der Genesis zeigt sowohl die Abhängigkeit wie die Freiheit unseres Verfassers von der biblischen Vorlage. Man wundert sich, in welcher Freiheit da mit dem Text der Bibel verfahren wird. Offenbar ist der Ver f ass e r w e i t e n t f ern t von ein emD 0 g m ade r Ver baI ins p i rat ion. Und es scheint, daß er seine Offenbarungen im Grunde höher wertet als die Schrift. Was Gott eigentlich zu sagen hat, das sagt er nicht in der Schrift, sondern das sagt er dem "Henoch", der es als Offenbarungsmittler den Menschen weitergibt. Wie Mose hat er seine Offenbarungen 7*
100 aus der Hand Gottes erhalten, als er in den Himmel hinaufstieg. Daß der Verfasser damit bestreiten wollte, daß Mose göttliche Offenbarungen gab, ist wohl nicht anzunehmen. Aber e r woll t e s ich er diese Offenbarung der Schrift authentisch int e r p r e t i e ren und d ami t doch wohl einen Schritt über sie hinausführen und das End gült i g e und Ei gen tl ich e sag e n.
v DIE ENGEL IM HIMMEL A. Die Engel und ihre Aufgaben
Eine umfassende Angelologie des Spätjudentums ist noch nicht geschrieben worden. Die religionsgeschichtlichen Hintergründe und Zusammenhänge sind hier noch nicht restlos geklärt; vor allem ist noch unerklärt das starke Umsichgreifen des Engelglaubens seit der Zeit des Exils 1). In der reivhen Angelologie des Spätjudentums liegt einer der Hauptunterschiede zwischen dieser Epoche und dem AT. Angesichts des großen und komplizierten Stoffes kann ich im Rahmen dieser Arbeit, was die Engel anbetrifft, nur summarisch verfahren und einige Punkte besonders herausheben. Ich muß hier auch verweisen auf Dinge, die in den vorangehenden Kapiteln schon gesagt wurden 2). , "Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Geister; er erfüllt die Erde mit Geistern" (1 Hen 3912) - dieser Lobgesang der Engel vor Gott gibt die Stimmung des Spätjudentums den Engeln (hier "Geister" = rüchöth genannt) gegenüber wieder. Hunderttausende von Engeln umgeben schon nach Dan 7 10 f. den Thron Gottes. Millionen von Engeln erfüllen die verschiedenen Himmel, der ganze Kosmos ist von Engeln durchwaltet. Sie sind Boten, Diener, Gefolge Gottes; sie richten über~ an auf der Welt Gottes Befehle aus. Die Welt ist nicht ein Kosmos strenger Gesetze und toter "Naturkräfte", sondern sie ist von den 1) Vgl. ThW I, S. 77; Art. ayysÄo" von v. Rad.
I) Die Bedrängnis durch die Fülle des Stoffes macht sich vor allem auch angesichts des 3 Hen geltend, der ja im wesentlichen nichts anderes ist als ein angelologischer Traktat. Doch hat Odeberg in seiner Ausgabe I, S.147.....:170 die Engellehre dieses Midrasch kurz resümiert. - Was die nt.liche Angelologie betrifft, verweise ich auf folgende Arbeiten: O. Everling, Die paulinische Angelologie und Dämonologie, 1888; Martin Dibelius, Die Geisterwelt im Glauben des Paulus, 1909; H. Schlier, Mächte und Gewalten im NT, 1930 (Theologische Blätter, Nov. 1930); die Artikel im ThW: dexn (Delling), ~vvap,l, (Grundmann), i;ovata (Foerster), 1}eovo, (Schmitz).
102 lebendigen Engeln belebt. Nichts in der Welt ist tot, sondern alles ist von Engeln regiert. "Es ist kein Ding auf der Welt, auch nicht einmal ein Kräutlein, über welches nicht ein Engel gesetzt ist; und alles wird nach dem Mund des Vorgesetzten regiert" 1). Auch wenn dieses Wort aus späterer Zeit stammen sollte, die Lehre, die es ausdrückt, ist alt und geht in vorchristliche Zeit zurück. Engel sind gesetzt über Sonne, Mond und Sterne, die sie regieren und auf ihrer Bahn am Himmel geleiten (1 Hen 72-82; 2 Hen 11. 19). Engel wägen die Leuchtkraft der Sterne (1 Hen 43 2); Blitz und Donner, Wind und Sturm befinden sich in Kammern, über die Engel als Verwalter und Aufseher gesetzt sind. Auch Regen, Schnee, Reif, Hagel, Tau und Nebel haben ihre Kammern und sind Engeln unterstellt. Alle meteorologischen Erscheinungen werden von Engeln nach genauen Maßen ausgeführt (1 Hen 60; Jub 22). Nach 2 Hen 19 befinden sich im 6. Himmel 7 Legionen von Erzengeln, die überaus herrlich anzuschauen sind; sie sind die Regenten der ganzen Natur, gesetzt über Sonne, Mond und Sterne; sie geben auch den Menschen Belehrungen und Gebote. Sie geben jedem Leben des Kosmos das Maß; sie regieren die Zeiten und Jahre, die Flüsse und Meere, die Kräuter und Speisen der Erde. Einige von ihnen sind über die Seelen der Menschen geseb:t: sie schreiben alle Taten der Menschen auf. Dann haben sie auch eine mehr Gott zugewandte Aufgabe: sie lobsingen beständig dem Herrn, in gleicher Weise wie die 7 Phönixe, die 7 Kerubim und die 7 "Sechsflügeligen" d. h. die Seraphim, die in der Mitte der Erzengel sind. Einstimmig singen sie alle, und der Herr freut sich über ihren Gesang (2 Hen 19). So geht nach dem 2 Hen das Regiment der Welt, vermittelt durch hohe Engel, vom 6. Himmel aus. Nicht anders ist es im 3 Hen, wo die Elementarengel Namen bekommen: Baradiel ist der Engel über den Hagel, Ruchiel ist der Windengel, Baraqiel regiert den Blitz, Ra
103 sind anders gebildet: von galgal und ophan, die beide "Rad" bedeuten. Für den Sonnenengel würde besser der Name Schimschiel passen, aber der Tagengel hat diesen Namen wohl erhalten, weil die Sonne das den Tag beherrschende Gestirn ist. Über alle Wasserkräfte sind ferher Engel gesetzt (1 Hen 66 2). Engel sind natürlich auch über die Menschen gesetzt, deren Tun und Treiben sie Gott melden (Jub 45 f.; 1 Hen 411 f.; 2 Hen 21). Von dieser Elementarengel- oder Naturengelvorstellung führt eine Brücke hinüber zu den rnolXe'ia,: 2 Hen 15; Ga143. 9; Kol2s. 20; 2 Pt 310. 12. Alles gehorcht so - durch Vermittlung der Engel - Gottes Befehl. "Die Engel der jüdischen Angelologie bleiben immer naiv Repräsentanten von Jahves allgegenwärtigem und allwissendem Wort und Willen" 1). Ich kann mich von da aus nicht der Ansicht von Bousset-Greßmann (S. 321. 329) anschließen, nach der die Angelologie eine Folge der stärkeren Betonung der Transzendenz Gottes in der spätjüdischen Frömmigkeit wäre: weil Gott fern ist von der Welt, darum bekommen die Engel das Regiment über sie. Dies ist kaum richtig. Die Freiheit der Engel, ihre Unabhängigkeit von Gott ist sehr beschränkt. Bei den Naturengeln ist sie gar nicht da. Relative Freiheit haben die Engel, die über die Menschenwelt gesetzt sind, deren Repräsentanten sie sind. Diese relative Freiheit ist eine Folge der bei den Menschen zu beobachtenden Freiheit, die sogar zum Ungehorsam und zur Auflehnung gegen Gott führen kann. Aber es ist gerade hier an die Lehre von der Prädestination zu erinnern, die eine völlige Trennung des Menschen vom Plane Gottes ausschließt. Der Dualismus wird durch den Engelglauben abgewehrt: es gibt keine Kraft in der Welt, keine Erscheinung, die nicht durch Fürsorge der Engel mit Gott verbunden wäre und ihm dient. So sind die Engel J..etrOvflYlUo.'JT/veVfl,a7:a, el~ CJwuo'JJ{a,'JJanoauJ..J..6fl,e'JJa,. Diese Ausführungen sind nicht aus einfachem Protest und Widerspruchsgeist gemacht worden, sondern stützen sich auf Quellenbelege. Man hat sich unter den Rabbinen Gedanken gemacht über Gottes Transzendenz und Nähe: "Aber Gott ist ferne und nah, wieso? R. Je h u d a b. R. S chi m'o n sagt: von hier bis zum Himmel hinauf ist ein Weg von 500 Jahren, folglich ist Gott ferne; und er ist nahe, nämlich wenn der Mensch steht und betet, und er sinnt nach in seinem Herzen, so ist Gott nahe, sein Gebet zu vernehmen" (Debarim r., par. 2, zu Deut. 3 24). Stammt dieser Ausspruch etwa aus dem Anfang des 4. Jhds., so zeigen andere, daß man schon in der Thannaitenzeit 1) ThW I, S. 84; Art. liyydoc; von Kittel.
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nicht anders gedacht hat: Rabban Gamaliel II. belehrte Hadrian darüber, daß Gott die ganze Welt erfüllt (bSanhedrin 39 a); R. Je ho sc h u'a b. Q a r c h a (um 150) sagte, daß es keinen von Gott leeren Ort in der Welt gebe, selbst nicht einen Dornbusch (Schemoth r., 2 68 c ; Str B II, S. 680). Gott erfüllte in der Wüste das Stiftszelt, aber er war nicht ganz im Stiftszelt, wie das Meer, das bei Flut eine Grube am Meeresrande füllt und doch nichts von seinem Wasser verliert (Schir r., zu Cant 310). Die Beispiele ließen sich vermehren. Das Spätjudentum hat auf Grund von Jer 23, 24 - "erfülle ich nicht den Himmel und die Erde?" - die Transzendenz Gottes und seine Trennung von der Welt abgewehrtl). Die Erschaffung der Engel wurde verschieden angesetzt. Nach Jub 22 sind sie am 1. Schöpfungstag erschaffen worden. Das schien später bedenklich; denn es hätten Minim kommen und sagen können, daß Gott einen Gehilfen bei der Schöpfung gehabt hätte. Darum verlegte Schemoth r. 15 (78 b 6; Str IV, S. 1085) die Erschaffung auf den 2. Tag der Schöpfung. Aus welchem Stoff bestehen die Engel? 2 Hen 29 sagt, die Engel seien aus dem Material des Raqi'a geschaffen worden; da der Raqi'a aus Feuer besteht, sind auch die Engel von feuriger Natur. Rabbinische Tradition sagt, daß Gott täglich eine neue Schar von Engeln aus dem Nehar di-Nür erschaffe und sie wieder dorthin zurückkehren lasse, wenn sie ihren Lobgesang gesungen habe. Davon ausgenommen sind nur Michael und Gabriel 2) (Bereschith r., par. 78, zu Gen 3226). In 3 Hen 40 3 f. heißt es, daß die Dienstengel durch den Finger Gottes verbrannt werden, wenn sie das "Heilig" nicht in der rechten Weise singen; dann spricht Gott ein Wort und schafft neue Scharen (nach Threni 323). Die Funktion Engel zu erschaffen ist aber in 3 Hen 27 3 dem hohen Engelfürsten Radueriel zugeschrieben.
B. Engelklassen Begreiflich ist, daß man die ungeheure Zahl der Engel zu ordnen und zu gliedern suchte. Vor allem ist hier das pseudepigraphische Schrifttum zu nennen. Die Rabbinen begnügen sich im allgemeinen mit 2 Engelklassen: Engel des Dienstes und Engel des Verderbens (Str B III, S. 581). Die Dienstengel haben bei den Rabbinen im all· gemeinen die Aufgaben, die in den Pseudepigraphen den Elementar1) Vgl. George Foot Moore, Judaism, Bd. I, 1927, S. 368. 370. 2) NachApkAbrah 19,6 f. sind die Engel im 6. Himmel reine Geister, ohne Leib.
105 und Naturengeln zukommen; sie bilden weiter den himmlischen Hofstaat Gottes, dem sie lobsingen. Vier Klassen von Engeln kennt bChagiga 12 b: Ophannim, Seraphim, Chajjioth und DienstengeP). - Der 2 Hen hat (Kap. 21) im 6. Himmel 4 Engelklassen: Engel aller Seelen der Menschen, 7 Phönixe, 7 Kerubim, 7 Sechsflügelige (wohl = Seraphim, nach Jes 62); im 7. Himmel dagegen stehen 10 Engelklassen auf 10 Stufen ihrem Range nach: 1. Erzengel; 2. leiblose Kräfte «(Jvvat-teu;); 3. Herrschaften (~vet67:r]7:ef:); 4. Prinzipien (agxal); 5. Mächte (e~ov(1lat); 6. Kerubim; 7. Seraphim; 8. Throne ({}e6vOt); 9. Vielaugige (Galgallim?); 10. Ophannim (nach Ez 115 - die Räder werden zu Engeln personifiziert I). Das Schema stimmt hier nicht ganz; denn es begegnen auch im 7. Himmel die "Sechsflügeligen", womit eigentlich 11 Klassen von Engeln erwähnt werden (2 Hen 20-22). Die Engel, Erzengel, Kräfte, Herrschaften, Mächte, Prinzipien und Throne des 2 Hen begegnen auch bei Paulus; er hat somit von den 11 Engelklassen deren 7 behalten (sofern er auch hier mit 2 Hen im Zusammenhang steht I). Im 2 Hen und bei Paulus wird nicht ganz deutlich, welchen Rang im einzelnen diese Engelklassen einnehmen. Hier ordnet das christlich überarbeitete "Testament Adams" in Kap. 4 genauer (von unten nach oben): 1. Engel (über die einzelnen Menschen); 2. Erzengel (sie geben auf Gottes Befehl allen Geschöpfen Leben) ; 3. Fürstentümer Caexal?, über die meteorologischen Erscheinungen gesetzt); 4. Mächte (über die Gestirne); 5. Kräfte (hindern die Dämonen an der Zerstörung der WeIt); 6. Herrschaften (über die Völker) 2); 7. Throne; 8. se_ S. 23 sieht darin einen gnostisierenden Zug. ') Engel, die "Herren" ("Vetot) genannt werden, erscheinen auch in dem Bruchstück aus einer S 0 P h 0 n i a s apo kaI y p se, das bei Clemens .Al., Strom. V, 11, 77 erhalten ist: "Und es nahm mich der Geist in die Höhe und trug mich in den fünften Himmel hinauf, und ich sah Engel, die Herren genannt wurden, und die Krone war ihnen vom Heiligen Geist aufs Haupt gesetzt, und der Thron eines jeden von ihnen leuchtete siebenmal heller als die aufgehende Sonne, und sie wohnten in Tempeln des Heils und priesen den unnennbaren höchsten Gott" (übersetzt von Otto Stählin, in der "Bibliothek der Kirchenväter", hsgg. von J. Zellinger und J. Martin, Bd. XIX, Clemens .Al. Bd. IV, 1937). Vgl. dazu W. Michaelis, Zur Engelchristologie im Urchristentum. Abbau der Konstruktion Martin Werners, 1942, S. 74 und Anm. 157. 158. Ich möchte in diesem Zusammenhang nicht auf alle historischen und exegetischen Probleme eingehen, die dieses Bruchstück bietet. Allerdings scheint mir, daß die Roll e, die der Heilige Geist darin spielt - er wird personhaft vo r g e s tell t - auf christlichen und nicht auf jüdischen Ursprun g des B r u c h s t ü c k e s hinweist. 1) Schlatter, AT in der joh. Apk,
106 raphim; 9. Kerubim. Die 3 zuletzt genannten Klassen versehen den Throndienst vor Jesus Christus. Der Verfasser hat hier die aus Paulus bekannten Engelklassen systematisiert und ihnen aus dem AT Seraphim und Kerubim zugefügt. Im tLevi 3 werden die einzelnen Engelklassen auf die verschiedenen Himmel verteilt. Im 2. Himmel befinden sich Strafengel, im 3. Himmel sind die "Mächte der Heerlager" (~Vrof1Sl~ TWV 1We,l3f1ßOJ"WV), die zur Rache am Satan bereit sind, im 4. Himmel sind die "Heiligen" (äywt), im 5. Himmel die "Engel des Angesichts des Herrn" (äyyeJ"Ot TOV neoaom;ov ;eve{ov), im 6. Himmel sind die Engel, die den Engeln die Antworten Gottes auf ihr Flehen für die Menschen geben, im 7. Himmel sind die Throne und Mächte ({}eOVOt, e~ova{at). - 1 Hen 6110 nennt "das ganze Heer der Himmel, alle Heiligen in der Höhe, das Heer Gottes, die Kerubim, Seraphim, Ophannim, alle Engel der Gewalt, die Engel der Herrschaften" 1). - Mindestens 5 Systeme von Engelklassen kennt der 3 Hen: 1. Kap. 17 8; 19-22; 25-28 6; 2. Kap. 171-7; 3. Kap. 18; 4. Kap. 28 7-48 A; 5. Kap. 3-16; 48 BCD; dazu Stücke in Kap. 23 f. Zu den höchsten Engeln gehören in der ganzen Tradition die Erzengel. Ihre Zahl schwankt zwischen 7 (6) und 4. Religionsgeschichtlich gehen sie zurück auf die 7 Planetengötter der BabyIonier. Schon in Ez 9 treten 6 Engel ("Männer") auf2), zu denen sich als siebenter ein. Schreiber gesellt. Als Gestirnengel treten die Erzengel noch 2 Hen 19 2 auf. Der Monotheismus des Judentums drückte die 7 Heidengötter zu Engeln und damit zu Dienern Jahves herab, als sie von der Religion rezipiert wurden. Die Siebenzahl von höchsten Engeln um Gottes Thron begegnet zum ersten Male Tob 1215. Hier erscheint Raphael, der sich als einer dieser 7 Engel vorstellt. Er ist über die Heilung der Krankheiten gesetzt. Nach der Rez. BA des Textes ist ihre Funktion die, die Gebete der Heiligen vor Gott zu bringen. Sie ragen über die Masse der andern Engel dadurch empor, daß sie Namen haben, wodurch sie individuellere Konturen bekommen. So werden in 1 Hen 20 1 ff. genannt: 1. Uriel, der über das Engelheer und den Tartarus gesetzt ist; 2. Raphael, der über die Geister der Menschen regiert; 3. Raguel, der Rache übt an der Welt der Lichter; 4. Michael, der 1) Über die verschiedenen Namen der Engel cf. Bousset-Greßmann, S. 3212) Nach Gunkel, bei Bousset-Greßmann, S.325 haben wir es hier mit den 6 babylonischen Planetengöttern zu tun, zu denen als 7. der Schreibergott Nabu tritt.
107 Engel Israels; 5. Sariel (oder Saraqiel), der über die Geister gesetzt ist ,die gegen den Geist sündigen (?); 6. Gabriel, der Fürst des Paradieses, der Schlangen (Seraphim?) und Kerubim; 7. Remie}!). Wie hier so schwanken auch in 1 Hen 9021 die Handschriften in der Zahl der Erzengel zwischen 6 und 7. Sieben höchste Engel kennt tLevi 8. Sechs höchste Engel dagegen der jerus. Targum zu Deut 34 6: Michael, Gabriel, Metatron, Jophiel, Uriel, Jephephia. Trotz der Namen haben aber nur zwei von diesen Erzengeln wirkIi9h individuelle Züge gewonnen in der Spekulation: Michael 2) und Gabriel. Sie sind die ständigen Begleiter Gottes. In Dan 8 16 und 9 21 ist Gabriel Gottes Bote an den Seher. Als Maleak Jahve wird Gabriel in Schemoth r. 268 c (Str B H, S. 91) bezeichnet. Eine Baraitha zu bJoma 37 a sagt, daß die 3 Engel, die zu Abraham kamen (Gen 18), Michael, Gabriel und Raphael gewesen seien. Gabriel ist in der talmudischen Tradition der Fürst des Feuers; er selber besteht ganz aus Feuer; im weiteren ist er Repräsentant der göttlichen Strafgerechtigkeit und Barmherzigkeit 3). Im NT begegnet er nur Lk 119. 26 als Bote, der die Geburt J ohannes des Täufers und J esu ankündigt. 7 Engel, die vor Gott stehen, werden kurz Apk 82 erwähnt, ohne daß jedoch ihre Namen genannt werden. Michael allein erscheint Juda 9 und Apk 12 4). 1) Er begegnet nur in der griech. Hs. G1; er ist über die .Auferstandenen ge· setzt. Vgl. Spitta, zitiert bei Str BIll, S. 806, der auf 4 Esr 436 hinweist, wo der Erzengel Jeremiel der Hüter der Seelen der Gerechten während des Zwischenzustandes ist. S) Die Traditionen über Michael sind gesammelt bei W. Lueken, Michael, 1898; Schlatter, .AT in der joh . .Apk rügt mit Recht (S. 23 1 ) in dieser .Arbeit die kritiklose Vermengung alter und junger Quellen. Wenn er dann aber sagt: "Michael tut einfach alles, was ein Engel tut", so übersieht er, daß Mi c h a e I la n g sam alle Funktionen der Engel an sich zieht, und daß er eben dadurch mehr wird als ein gewöhnlicherEngel. "Michael erscheint geradezu als der handelnde Untergott, dem für den untätig thronenden König die Regierung der Welt übertragen ist" (Lueken, S.213). Die Parallele mit Metatron ist auffällig; immerhin ist zu bedenken, daß es sich um eine über Jahrhunderte erstreckende Entwie k I u n g ha n deI t. - Die Gestalt Michaels als des Volksengels von Israel müßte einmal religionspsychologisch - etwa von der .Archetypenlehre von C. G. Jung aus - untersucht werden; wie es mir überhaupt scheint, daß wir es vor allem in den Völkerengeln (vgl. die folgenden .Ausführungen) mit .Archetypen zu tun haben. ') Belege dafür, sowie mannigfache Erzählungen über Gabriel bei Str B 11, S.93-97. ') .Andere Engelfürsten, die etwa genannt werden, sind: der Engelfürst des
108 Die 4 Thronengel· in 1 Hen 40 1 H. und 9 11) sind die 4 Erzenge I Michael, Gabriel, Uriel 2) und Raphael. (In 1 Hen 403 steht statt Uriel Phanue1.) 4 Heere der Schekina, über die je ein Fürst gesetzt ist, hat 3 Hen 35 3; 37 (vg1. Pirqe R. Eli' ezer 4). - In 2 Hen 20 ff. werden 3 Erzengel mit Namen genannt: Michael, Gabriel und Vrevoel der Schreiber. In der Ascens Jes wird gesagt, daß über jeden der Himmel ein Engel gesetzt ist, der in der Mitte der Engelscharen auf einem Throne sitzt. Wir haben es hier wohl mit einer Anschauung zu tun, die der von den Archonten der Gnostiker verwandt ist 3). In 3 Hen 17 3 wird jedem der Erzengel ein Himmel als Herrschaftssphäre zugewiesen (von oben nach unten): 1. Michael - 'Araboth; 2. Gabriel - Mäkön; 3. Schataqiel- Mä'ön; 4. Schachaqiel - Zebül; 5. Badariel- Schechaqim; 6. Baraqiel - Raqi'a; 7. Pazriel - Wilon (Schamajim).
c. Die Völkerengel Eine besondere und für den Engelglauben des SpätjudentuIUs bedeutungsvolle Engelklasse bilden die V ö I k e ren geL Hier verbinden sich wohl zwei Vorstellungsreihen miteinander: die von den Schutzengeln, die sich erweitert zur Vorstellung von Schutzengeln über die Völker, und ferner die Vorstellung, daß jedes Volk seinen besonderen Gott hat 4). Die Vorstellung liegt wohl schon in LXX Deut Meeres. Als Titus nach der Eroberung Jerusalems nach Rom fuhr, erhob sich ein gewaltiger Sturm, so daß Titus daraus schloß, Israels Gott sei ein Wassergott, da er schon den Pharao und den Sisera durch Wasser vernichtete. Sofort winkte Gott aber dem Engelfürsten des Meeres, daß er ablasse von seinem Sturm (Bereschith r. 10 [7 d]; Str BIn, S. 819). Eine andere, in bGittin 56 b erhaltene Tradition sagt, Gott habe bei der Erschaffung der Welt den Engelfürsten des Meeres getötet, da er sich weigerte, alles Wasser in sich zu schlingen; hier heißt der Engelfürst "Rahab" nach Hiob 2616. - Der Engelfürst des Regens heißt "Ridja"; in bTha'anith 25 b sagt Rabbah (t 331) von ihm, er gleiche einem Kalbe und seine Lippen seien gespalten. Als Rabbah ihn sah, sei er zwischen dem irdischen und dem himmlischen Ozean gestanden. - Ein Engelfürst des Hagels, mit Namen "Jurqemi" erscheint im Midrasch zu Ps 117 (Str BIn, S.820). 1) Nach griechischen Fragmenten bei Dillmann, zitiert bei Str BIn, S. 806. Str BIn, S. 807 sind die Namen der Erzengel erklärt; schon Schim'on b. Laqisch wies darauf hin, daß die Namen der Erzengel alle auf ,,'eI" enden. 2) In 1 Hen 827 f. ist Uriel der Herrscher über die Sterne. 3) Bousset, Hauptprobleme der Gnosis, S. 241. 4) Bousset-Greßmann, S. 324.
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Grenzen der Völker nach der Zahl der Söhne Israels", und ist damit nicht recht klar. Ist hier auf die 12 Söhne Jakobs angespielt oder sind damit die 70 Seelen gemeint, die nach Gen 4627 mit Jakob nach Ägypten zogen? Zahlen gibt freilich auch der Text der LXX nicht, ebensowenig die verwandte Stelle Sir 17 17: 8x&'a7:([1 l{}YSL uarea7:rjCJSY ~yovflSYOY, xal fleetr; xve{ov ']aear;A tar{y. Immerhin kommt hier die Anschauung von Fürsten über die Völker deutlicher zum Ausdruck 1). Bemerkenswert ist hier, daß Israel aus der Zahl der Völker herausgehoben wird als "Teil des Herrn". Gott ist darnach Israels Herr und nicht ein Völkerengel. Dasselbe sagt Jub 1531 f,: über die Völker sind "Geister" gesetzt, über Israel herrscht Gott. - In Dan 1013. 20 f. erscheinen die Engelfürsten von Persien und Griechenland; nach Dan 121 ist Michael der Engelfürst Israels, wie in 1 Hen 205. Ob hier die Sonderstellung Israels dadurch betont werden soll, daß Israel einem Erz eng e 1 unterstellt ist? In der Tradition wechselt beständig die Ansicht, daß Gott selbst der Schutzherr Israels ist mit der andern, nach der Michael dieses Amt hat 2). Die Zahl der Völkerengel wird von der Tradition mit 70 oder 72 angegeben. In 1 Hen 89 59 ff. wird Israel nacheinander den 70 Hirten überantwortet. Hier liegt wohl babylonischer Einfluß vor: die BabyIonier teilten das Jahr ein in 72 Wochen zu je 5 Tagen. Über die 5 Tage sowie über jede Woche herrschte ein Planetengott. Die Anschauung erweiterte sich zu der vom Weltenjahr, das nun auch 72 Weltenwochen hatte, über die Götter gesetzt waren 3). Man erkennt in den 70 Hirten von 1 Hen 89 unschwer die 70 Götter wieder, die die Zeiten regieren, während derer Israel den Heiden preisgegeben ist. Die 70 Hirten von 1 Hen 89 sind nicht einfach die Diener, die nur den göttlichen Strafwillen vollstrecken. Sie sind insofern frei, als sie das von Gott über Israel verhängte Maß der Strafe eigenmächtig überschreiten. Ob das eine "dualistische Idee" ist, wie Bousset-Greßmann (S. 2411) meinen, 1) Zur at.lichen Vorstellung vgl. Eichrodt, Theologie des AT, Bd. II, S. 105 f. 2) Zahlreiche Belege dafür, daß Israel Jahve persönlich unterstellt ist, bei Str B II, S. 359 f. 3) Bousset, Hauptprobleme der Gnosis, S. 358 f.; Bousset-Greßmann, S. 246 1; 326. Dabei ist 70 die abgekürzte Zahl 72, Bousset-Greßmann, S. 359. - Mit dieser babylonischen Anschauung hängen Jer 2511 und Dan 92 ff. zusammen.
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ist mir fraglich; denn auch Assur wird in Jes 10 5 ff. als Werkzeug der Strafe Gottes bezeichnet, das seine Kompetenz überschreitet und darum gezüchtigt werden wird. Ähnlich wird Jahve in Ps 82 dargestellt, wie er die Völkerengel rügt wegen ihres ungerechten Rißhtens. Die Anschauung von himmlischen Herrschern irdischer Völker liegt auch Jes 2421-23 vor: beim Gericht werden zuerst die himmlischen Herrscher bestraft und dann die irdischen Fürsten, die ihnen entsprechen. Im hebr. tNaphthali 84 f. steigt Gott mit 70 Engeln, über die Michael gesetzt ist, in den Tagen des Turmbaus herab und lehrt die Völker 70 Sprachen. Die hebräische Sprache als die heilige Sprache bleibt dem Geschlecht Sems und Ebers. Dieselbe Tradition findet sich im jerus. Targum 1. zu Deut. 32 8 f. (Str B IH, S. 49). Da wird nun die unbestimmte Zahl des LXX-Textes durch die bestimmte Zahl 70 ersetzt. Die Zuteilung der einzelnen Völker an die Völkerengel erfolgt durch Verlosung, wobei das Los Gottes zur großen Freude Michaels auf Israel fieP). Ich möchte vermuten, daß die AussEmdung der 70 Jünger durch J esus (Lk 10 1-12) mit dieser Vorstellung von den 70 Völkern zusammenhängt. Hatte die W a h I der 1 2 J ü n ger d e u t I ich e B e z i e h u n g zu I s r a e 1 als dem 12-Stämme-Volk, so li e g t h i er ein e B e z i e h u n g zur g a n zen M e n s c h h e i t vor. Das Evangelium ist Botschaft für die ganze Welt, für alle Völker.; dies kommt zeichenhaft dadurch zum Ausdruck, daß eben 70 Boten ausgesandt werden, für jedes der 70 Völker einer 2). Beim Weltgericht werden die Völkerengel dereinst Israel anklagen und darauf hinweisen, daß die Israeliten genau so wie die Weltvölker sich des Götzendienstes, der Unzucht und des Mordes schuldig gemacht haben; daß Gott also ungerecht handle, wenn er nur die Weltvölker bestrafe. So wird denn Gott auch Israel in das Gehinnom steigen las~en, es aber daraus erretten (E I e"a zar von Mo d e"i n t 135, im Midrasch zu Ps 1 § 20; Str B IV, S. 1064). Eine ähnliche Haggada wird in Schir r. (zu Cant 88) berichtet und R. Jeh uda b. Sc hirn" on (um 320) zugeschrieben. Die Anklage der Völkerengel findet da aber nicht am Ende der Welt, sondern jeweils am Versöhnungstag statt. 1) Dasselbe im "Midrasch der 10 Worte", Wünsche, Lehrhallen, IV, 1, S. 74.
I) Mit Rengstorf, Art. bn:a, sßr50f.'~"oV1:a, ThW II, S. 630 f. - Billerbeck denkt freilich an die 70 Ältesten von Num 11 16, auf die die Anzahl der Mitglieder des Synedriums zurückgeht. Jesus hätte dann dadurch seinen Anspruch auf Israel erneut geltend gemacht (Str B II, S. 166).
111 Zwischen dem Schicksal eines Volkes auf Erden und dem seines Fürsten im Himmel besteht das Gesetz der Entsprechung: "Und du findest kein Volk, das gestraft würde, ohne daß seine Gottheit zugleich mit ihm gestraft wird" (nach Ex 12 12; bSukka 29 a, Baraitha; Str B I, S. 1041; dasselbe: Midrasch Samuel bei Str B IH, S. 50). So sahen z. B. die Israeliten am Schilfmeer den Engelfürsten von Ägypten in der Luft fliegen als gestürzte Größe (Wkiltha zu Ex 15 1; Str B IU, S.50). Als Beleg gelten Schrift stellen wie Jes 2421 t!); 1412; 35 51). In der Zukunft, d. h. beim Endgericht, wird es sich nach der erwähnten Mekiltha-Stelle ganz gleich verhalten. Der Engelfürst Ägyptens heiße Mic;raiim, sagt Sch~oth r., par 21. Der Engelfürst Nebukadnezars habe Qol geheißen; so deutete nämlich R. Je_ h 0 s c h u 'a b. Abi n (4. Jhd.) die Stelle Dan 4 28 (Sch~oth r., par 21; Str B UI, S. 50). Übereinstimmung herrscht auch hier nicht. Im Midrasch Waiio8cha (Wünsche, Lehrhallen I, S. 89) heißt der Engelfürst Ägyptens ·Uza. 'Uzza aber ist in 3Hen 46 der Name eines der gefallenen Engel von Gen 6, der an der Stelle als Ankläger beschrieben wird. Die Engelfürsten der Völker waren bei der Gesetzgebung am Sinai dabei gewesen; das heißt offenbar, daß die Thora allen Völkern ange1) "Wenn die Völker auf der Erde Krieg führen, so führen auch die Fürsten im Himmel Krieg" heißt es in Emek hammelek 173, bei Eisenmenger I, S. 813. Die Belegstelle dafür ist natürlich Dan 10 18, die auch zeigt, daß die Anschauung trotz der jungenQuelle alt ist. Nach Jub 1580 ff. hat Gott alle Völker an Engel verteilt als ihr Herrschaftsgebiet, nur Israel ist Herrschaftsgebiet Gottes. - Im hebräischen Testament Naphthalis 8 ff. wird eine Haggada über die Geschichte vom Turmbau und die Verwirrung der Sprachen geboten: Gott stieg mit den 70 Völkerengeln, mit Michael an ihrer Spitze, herab, und jeder Völkerengel sollte ein Volk eine Sprache lehren. Die heilige hebräische Sprache blieb nur im Hause Sems und Ebers und im Hause Abrahams. Michael muß dann den Völkern die Frage vorlegen, wem sie dienen wollen und wer ihr Fürsprecher im Himmel sein solle. Da wählt sich Nimrod den Engel, der ihn die Sprache von Kusch gelehrt hatte, und entsprechend tun auch die andern Völker; nur Abraham wählt sich Gott zum einzigen Herrn. "Und seitdem waren alle Völker von dem Heiligen geschieden; nur das Haus Abrahams verblieb noch bei seinem Schöpfer, ihm zu dienen, und nach ihm Isaak und Jakob." Heb r ä i s chi s t dan n n ach jüdischer Tradition auch die Sprache Gottes und von da aus natürlich auch die Sprache, die im Himmel ger e d e t wir d (jMegilla 171 b, 44; Str B 11, S.443). Verbreitet ist die Lehre, daß auch in der Zukunft Gott zunächst die Engelfürsten der Völker bestrafen wird, bevor er die ihnen unterstellten Völker richtet. Man berief sich dafür auf Jes 1412; 2421; 345 (Mekiltha Ex 151 [43 b]; Str BIll, S. 50 f., wo noch weitere Beispiele angeführt sind).
112 boten wurde, aber nur Israel sie annahm. Die Haggada wird auf R. Jose b. Chalaphtha (um 150) zurückgeführt (pesiqtha r.21 [103 b]; Str B IH, S. 49). Bedeutsam ist, daß von R. Me'ir an {um 150) immer wieder die Himmelsleiter von Jakobs Traum (Gen 28 10-22) mit ihren Engeln auf die Völkerengel bezogen wurde. Die Meinung ist die, daß Jakob damals einen prophetischen - der moderne Traumdeuter sagt: einen "großen" - Traum gehabt habe. Er habe gesehen, wie die Weltvölker eines nach dem andern die Herrschaft erhielten, was durch das "Aufsteigen" der Engel symbolisiert wurde; Jakob sah aber auch Engel, die "hinabstiegen" - das bedeutete den Sturz eines Volkes aus seiner Stellung, seinen Niedergang. Dies sah Jakob von den Engelfürsten Babels, Mediens, Griechenlands und Edoms (= Rom). Gott habe Jakob aufgefordert, ebenfalls auf der Leiter aufzusteigen, er habe aber - auS der Furcht heraus, daß auch er wieder hinabsteigen müsse - sich geweigert, obschon Gott ihm zusagte, daß es für ihn kein Absteigen geben werde (pesiqtha 151 a; Str B IH, S. 49). R. Sc h emu el b. Na c h man (um 260) verband mit dieser Exegese Meirs eine chronologische Betrachtung. Nach ihm hätte Jakob den Fürsten Babels 70 Sprossen emporsteigen sehen, den Mediens 52, den Griechenlands 180, der Fürst Roms aber sei immer weiter und weiter emporgestiegen, ohne daß Jakob erkennen konnte wie weit 1). Jede Sprosse hinauf auf der Himmelsleiter entspricht einem Jahre Herrschaft des betreffenden Volkes. Jakob ist besorgt wegen Edom, doch wird er mit Obad 4 beschwichtigt. Die Stelle gibt einen interessanten Einblick in die Art, wie man sich damals mit Rom auseinandersetzte 2) - einerseits Furcht vor der langen Herrschaftsdauer dieses Reiches, anderseits aus der Schrift genährte Zuversicht über dessen endlichen 1) Aus pesiqtha 150 b bei Str B III, S. 49 f., dazu Anm. 1 auf S. 50: "Die Zahlen 70, 52 und 180 geben die Jahre der Herrschaft der einzelnen Reiche in Übereinstimmung mit der von der Synagoge rezipierten Chronologie des Seder 'mam R. an. Roms Herrschaft hatte zur Zeit des R. Schemuel b. Nachman noch kein Ende, daher des Engels immer weiteres Empot'steigen." - Mittelalterliche Traditionen, die sich z. T. mit den hier erwähnten berühren bei Eisenmenger I, S. 805 ff. - Soll t e a m End e a u c h die Leg end e von den 70 Übersetzern des AT ins Griechische mit der Annahme von 70 Völkern zusammenhängen?! 2) Man beachte, wie anders in J 1 51 die Stelle Gen 28 verwertet wird! Für Jesus ist der Himmel offen, er hat dauernde Verbindung mit Gott; die Engel kommen zu ihm und überbringen ihm Gottes Ratschluß und Gaben. Wie fa B t überall im NT sind auch hier die Engel an das Wirken des Menschensohnes gebunden.
113 Sturz). Um dieselbe Zeit wie R. Sch"muel b. Nachman deutete R. eh am a b. eh a ni na den Kampf Jakobs mit dem Engel (Gen 3222-29) so: Jakob habe damals mit dem Engelfürsten Edoms, seines Bruders also, gerungen. Da aber nun Edom = Rom ist, so präfigurierte der Kampf des Erzvaters den Kampf Israels mit Rom zur Zeit der ersten Jahrhunderte. Aus dem Sieg Jakobs konnte dann auch auf den Ausgang dieses Kampfes mit Zuversicht gescl}.lossen werden (Thanchuma 40 b; Str B I, S. 142). Die Stelle ist weiter darum interessant, weil sie den Engelfürsten von Rom mit Sammael, dem Satan, gleichsetzt: die I s r a elf ein d I ich eWe I t mac h t ist dem Te u f el u n t er t a nun d des sen Wer k z eu g! Nach dem Jalkut Chadasch 91 (Eisenmenger I, S. 851) dagegen war der Engel, der mit Jakob rang, Michael. - Auf Grund einer Kombination von Gen 155 und Sach 18 schloß R. Berekja (um 340), daß die Sünde des Engelfürsten von Edom = Rom darin bestand, daß er den Israeliten gleich sein wollte, die nach Gen 155 "Sterne" genannt werden (Aggadath Bereschith 56 [40 '1J; Str B I, S. 225). Die endliche Be'ltrafung des Engelfürsten von Rom wird darin bestehen, daß Gott ihn aus seiner MechiQa im Himmel herausführen wird (pesiqtha 40 b; Str B IU, S. 395) oder daß er ihn mit Aussatz bestrafen wird (Thanchuma B § 16; Str B IV, S. 866 f.). In 3 Hen 17 8 werden die 72 t!) Völker engel als Könige beschrieben: sie tragen Kronen und Szepter, sind in königliche Gewänder gehüllt und reitel! auf königlichen Rossen, königliche Diener laufen vor ihnen her - genau gleich wie es auf Erden ist. In 3 Hen 142 wird offenbar Sammael als Herr der Völkerengel betrachtet, während sie in 302 unter dem "Fürsten der Welt" stehen. In 3 Hen 2612 ist Sammael der Fürst von Rom, der zusammen mit Dubbiel, dem Fürsten von Persien, Oberster der Ankläger - gegen Israel! -- ist. In 3 Hen 18 3 stehen die Völkerengel im Range gleich über dem Fürsten des 7. Himmels und unmittelbar unter den Türhütern der 1. Halle im
Wir begegneten dieser Gestalt schon mehrmals und wollen hier die Traditionen über sie verfolgen. Im Martyrium des Jesaja, einer jüdi1) Nach Maarecheth haelohuth 206, bei Eisenmenger II, 4, sind die V ö 1 k e reng e 1 zugleich Her r s c her der P 1 a n e t e nun d S t ern e, durch welche sie die Völker regieren. Die V ö 1 k e ren gel ge ben den V ö 1 k ern die See 1 end e r M e n s c h e n, die in ihnen geboren werden. Bietenhard, HimmliBche Welt
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114 sehen Legende aus dem 1. Jhd. v. Ohr. 1) erscheint der Satan, hier "Beliar, dessen Name Matanbukus ist" genannt, als Fürst der Ungerechtigkeit, der diese Welt beherrscht (Ascens Jes 24; 42). Er beherrscht den König Manasse so, daß dieser den Propheten J esaja töten läßt. In der Apok Abrah (14 5 f.; 20 5; 22 6) erscheint der Satan, hier
115 ganzen Menschheit, ver tri t t, so n der n daß erd er Me n s c h h ei t fe i nd I ich ge s in n t ist. Er verklagt sie, um sie zum Bösen und zum Verderben in seine Gewalt zu bekommen. Er verklagt die Juden wegen ihres Ungehorsams, damit er sie in die Gewalt bekomme als Vollstrecker der göttlichen Strafe. Damit stimmt Apk 12 9 überein : wenn der Satan auf die Erde geworfen wird, wenn das "Wehe" über die Erde ergeht (Apk 1212), so wird noch einmal die Menschheit als Ganzes ins Auge gefaßt, die dem Wüten des Bösen preisgegeben istl). Seiner Macht als Ankläger der Welt vor Gott ist er allerdings entkleidet. - In plerophorischer Ausdrucksweise - sachlich aber durchaus mit den eben angegebenen Stellen übereinstimmend - nennt Paulus (2 K 4 4) den Satan den {} s d ~ 'tov alwvo~ 'tOVTOV. Schlatter vermutet 2), daß zu dieser Vorstellung vom "Fürsten der Welt" die politischen Verhältnisse jener Zeit beigetragen haben: Rom hatte die ganze Mittelmeerwelt unterworfen; das bedeutete, d'iß sein Engelfürst der Herr aller anderen geworden ist, daß er "Fürst der Welt" wurde. Roms Verhalten gegen Juden und Christen konnte leicht zur Identifikation des Fürsten von Rom mit dem Satan führen (vgl. S. 112 f.). Wichtig ist, daß in J 8 H der Teufel als Vater der Juden bezeichnet wird. Damit ist dem ungläubigen Judentum seine AusnahmesteIlung unter den Völkern der Welt - als nicht einem Völkerengel unterstellt - bestritten. Ihr Unglaube Jesus gegenüber stellt sie den Heiden gleich und bringt sie unter die Herrschaft Satans. Als Ungläubige werden sie Diener Satans auch dadurch, daß sie Jesus dem Tode überliefern; so besorgen sie die Geschäfte des Todfeindes des Erlösers. Indem aber der Satan Jesus tötet, bricht er selbst seine Herrschaft und Macht. Vom Ende der Thannaitenzeit an taucht in Aussprüchen der Rabbinen gelegentlich der Ausdruck "Fürst der Welt" auf. Er ist hier aber weder der Satan noch der oberste Völker engel, sondern der Eng el , der dem ga n zen Na t u r leb e n vor s t eh t (Str B I, S. 31). Die Rabbinen haben also alle Dienstengel, die ihre Aufgabe in den mannigfachen Naturereignissen haben, einem einzigen Herrn unterstellt sein lassen. Damit tritt der Kosmos als Einheit und Ganzheit auf, indem er in einer Spitze zusammengefaßt wird. Die Parallele zu den Demiurgen gnostischer Systeme drängt sich auf. Nur ist dieser "Fürst der Welt" durchaus keine gott feindliche Macht, auch kein zweiter ') Schlatter, AT in der joh. Apk, 8. 2l. 2) Schlatter, Johannes, S. 271, Komm. z. J 1231. 8*
116 Gott, dazu trägt er schon zu wenig individuelle Züge. Auf Bar Qappara (um 210) wird der Ausspruch zurückgeführt, der "Fürst der Welt" habe Gott gebeten, er möge den König Hiskia zum Messias machen (bSanhedrin 94 a; Str B I, S. 31). R. J 0 na t h a n b. E I e"a zar (um 220) sagte, den Vers Ps 3725 - "Ich bin jung gewesen, bin auch alt geworden" - habe der "Fürst der Welt" gesprochen; denn Gott altere ja nicht, und David sei nicht besonders alt geworden, also ... (bJebamoth 16 b; Str B Irr, S. 819). Ebenso wird Ps 104, 31 auf den Fürsten der Welt zurückgeführt und zwar von R. Be re k ja (um 340) im Namen des R. L e v i (um 300; Midrasch Ps 104 § 24; Str B IU, S.819). Einmal wird auch der Erzengel Michael als Fürst der Welt genannt: " ,Und es kam ein Entronnener und meldete es dem Hebräer Abraham' (Gen 1418). Michael, der Engelfürst der Welt, meldete es ... " (pirqe R. Eli" ezer 27; Str B I, S. 139). Die Bezeichnung Michaels als Fürst der Welt ist in der Tradition gam: singulär. Da alle Menschen in gleicher Weise dem Todesgeschick unterworfen sind, ist es nicht verwunderlich, wenn R. E I i " e zer b. R. J 0 S e Hag gel i I i (um 150) den Todesengel den Weltherrscher ("'-0(1#0"'-eaTWe) sein läßt. Am Sinai allerdings, als die Israeliten die Thora angenommen hatten, hatte Gott dem Tode die Macht genommen. Bedeutsam ist, daß der Todesengel in der rabbinischen Tradition gelegentlich mit Sammael identifiziert wird 1). Wenn man alle Aussagen über Sammael in der rabbinischen Tradition systematisieren dürfte, was kaum angeht, dann ergäbe sich folgende Reihe: Satan = Ankläger = Sammael = Fürst von Rom = Weltherrscher = Todesengel. Es ist mir aber keine Tradition bekannt, in der alle Glieder dieser Gleichung gleichzeitig vorhanden sind. E. Der himmlische Gerichtshof
Schon im AT ist die Lehre bezeugt, daß Jahve im Himmel von einem Rate hirrm lischer VI esen UII'gEben ist. In 1 Kön 2219-22 erzählt der Prophet Micha b. Jimla, wie er Jahve auf seinem Throne sitzen sah und das ganze Heer des Himmels zu seiner Rechten und zu seiner Linken. 1) Belege dafür bei Str B I, S. 144 ff. Hier wird auch der Name Sammael erklärt als "sam 'iil" = Gottesgift", da am Schwerte des Todesengels ein Tropfen Gift hängt. Interessant ist der Hinweis der rabb. Schriften, daß der Todesengel ganz voll Augen sei; interessant darum, weil in Träumen von todkranken Menschen alles mit Augen erfüllt erscheint, vgl. E. Äppli, Der Traum und seine Deutung, 1943, S. 111 f. Immerhin mag auch Ez ] 18 eingewirkt haben.
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Dabei wurde Rat gehalten, wie und wer den Ahab betören wolle, damit er in sein Verderben renne. Ebenso zeigt Ps 82 Jahve in einer Versammlung von Göttern, welche richterliche Funktion haben. Jahve erscheint hier aber als souveräner Herr und Richter dieser Richter und Götter. Endlich erscheint ein himmlisches Gericht in Dan 710: himmlische Wesen erscheinen als Gerichtsbeisitzer Gottes im Endgericht. Solche at.lichen Stellen geben den Grund, auf dem sich im rabbinischen Spätjudentum die Lehre von einem himmlischen Gerichtshof aufbaut. Wie es auf Erden in Israel einen Gerichtshof gibt, so gibt es auch im Himmel einen solchen: der Parallelismus von Himmel und Erde setzt sich auch bei dieser Lehre durch. "R. Yetr sagte in bezug auf die Worte: ,Und dies sind die Rechtsvorschriften', Gott hat den Ältesten Israels die Handhabung des Rechts gegeben, so wie das Synedrium in der Höhe vor Gott sitzt (vgl. Dan 79 f.): ,Ich schaute, bis daß Throne aufgestellt wurden und der Alte sich setzte ... und das Gericht setzte sich, und Bücher wurden geöffnet', ebenso sitzt Gott, welcher der Alte heißt, und vergilt denen, die sich stolz gegen ihn erheben" (Schemoth r., par. 30 zu Ex 22 1). Die Bezeichnung des himmlischen Gerichtshofes ist: 17.!.'~ ~~ 1''1 rI"~ d. h. "Oberes Gericht", im Unterschied zum Gerichtshof Israels auf Erden, dert~~ ~~ 1''1 rI'# d. h." Unteres Gericht" heißt. Gerichtsbeisitzer Gottes sind hohe Engel. Von da aus ist eine andere Bezeichnung des himmlischen Gerichtshofes :-t7V,~ ~~; N;7~~ d. h. ,,0 be re Fa m i 1 i e"; dieser Ausdruck kann aber auch ganz allgemein die Eng e 1 w e 1 t bezeichnen. Die "U n t e r e F ami 1 i e" ist dann Bezeichnung für I s r a el, s pe z i e 11 für die Gel ehr te n 1). Die Vorstellung 1) Str B I, S. 743. Nach Wünsche, bTalmud I, S. 46 3 sind unter der ,,0 b e ren Fa m i I i e" die V ö I k er eng e I gemeint. So erklärt sich das Gebet des Rab Saphra (bBerakoth 16 b) besser: "Möge es dein Wille sein, Ewiger, unser Gott! daß du Frieden machst unter der oberen und unteren Familie ... " Im 3 Hen, Kap. 272; 289; 30 1 f. besteht der h i m m I i s c h e Ger ich t s hof aus den 72 Völkerengeln unter der Führung des "F ü r s t end e r We I t"; sie umgeben Gott als Gerichtsbeisassen. Nach 3 Hen 28 9 f. sind sie mit den 'Irin und Qaddischin gleichgesetzt. Nach Schlatter, Matthäus, S.383, Komm. zu Mt 1126 gehört auch diese Stelle in den Vorstellungskreis vom himmlischen Rat: "Gott ist nicht einsam; darum wird sein Wille ,vor ihm' im Rat der Himmlischen festgestellt. Die Vorstellung, daß der göttliche Wille unbeweglich vor der Zeit als ,Prädestination' bestehe, liegt nicht vor. Jesus schrieb Gott eine den Ablauf der Ereignisse begleitende Gegenwart zu". Ist das richtig, dann gehören Stellen wie Lk 128 "Wer sich zu mir bekennt vor den Menschen, zu dem wird sich der Menschen"
118 wird, wie wir oben sahen, auf 1 Kön 22 19 und auf Hiob 1 f. zurückgeführt. Gott, so heißt es, beschließt nichts, ohne daß er sich vorher mit dem oberen Gerichtshof beraten hätte. Allerdings ist es dann Gott allein, der die gefaßten Beschlüsse besiegelt und damit rechtskräftig und wirksam macht (Str B I, S. 743 f.); auf diese Weise wird die Souveränität Gottes doch gewahrt. Zwischen unterem und oberem Gerichtshof bestehen· gewisse Beziehungen. So werden in der jüdischen Tradition Fälle aufgezählt, in denen der obere Gerichtshof Beschlüsse des unteren anerkannte. Nach R. Je ho s c h u'a b. L e v i (um 250) ist ein solcher Beschluß die Verlesung der Estherrolle gewesen, ferner das Entbieten des Friedensgrußes mit Aussprechen des Jahve-Namens und die Darbringung des Zehnten in der Neh 1039 f. festgesetzten Weise (bMakkoth 23 b; Str BI, S. 744). Eine Parallele dieses Ausspruches in jBerakoth 9 14 c, 13 gibt noch dazu: die Bannung J erichos. Die Beschlüsse des unteren Gerichtshofes werden aber nicht einfach mechanisch vom oberen angenommen. In der Regel verschärft der obere Gerichtshof die Beschlüsse des unteren. Ein Bann des unteren Gerichtshofes in der Dauer von 1, 3, 7, 30 Tagen zieht den Bann des oberen Gerichtshofes für je 3,7,30 Tage nach sich, wer aber vom unteren Gerichtshof für 30 Tage gebannt ist, der ist vom oberen in Ewigkeit gebannt (Seder Elijjahu r. 2, 7; Str B I, S. 744). Im Anschluß an diese Nachricht bringt Biller~ beck einen Ausspruch bei, der ganz allgemein die Strafgerechtigkeit des oberen Gerichtshofes als härter darstellt als die des unteren. Dagegen wird injBikkurin 64 c (Str BI, S. 744) von R. Abi n b. T h anc h u m b. T r y p h 0 n die Strafgerechtigkeit des oberen Gerichtshofes als milder dargestellt als die des unteren. R. Abin sagte nämlich, daß der Israelit vom oberen Gerichtshof erst mit 20 Jahren als strafmündig angesehen werde, während er beim unteren Gerichtshof schon mit 13 Jahren mündig wird. Hat der untere Gerichtshof als Körperschaft die Vollmacht, bindende Beschlüsse zu fassen, die im Himmel anerkannt werden, so kann gelegentlich auch gesagt werden, daß ein Einzelner diese Vollmacht sohn bekennen vor den Engeln Gottes"), Apk 35 ("Wer überwindet, der wird mit weißen Kleidern gekleidet werden, und ich will seinen Namen nicht auslöschen aus dem Buch des Lebens und will seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor seinen Engeln"), Ag 10 31 ("Corneli~s, dein Gebet wurde erhört und deine Barmherzigkeit wurde vor Gott erwähnt") und Apk 1619 (" .•• und der großen BabyIon wurde vor Gott gedacht") auch in diesen Zusammenhang hinein.
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habe. Das galt für Mose 1), dem Gott bei einigen Maßnahmen nachträglich zugestimmt hatte. Aber auch einzelne Gerechte der späteren Zeit können Beschlüsse Gottes aufheben. So sagte Abbahu (um 300) zu 2 Sam 233: "Ich (Gott) herrsche über den Menschen; wer herrscht über mich? Der Gerechte; denn ich treffe eine Verordnung, und er hebt sie auf" 2). In solchen und ähnlichen Aussprüchen kommt ein ganz erhebliches Selbstbewußtsein der Rabbinen in bezug auf ihre Gerechti~keit zum Ausdruck: der gerechte Mensch steht über Gottl Wie auf der andern Seite ein ebenso großes Selbstbewußtsein das Synedrium als Ganzes aus:z;eichnet. Wie die angeführten Beispiele :z;eigen, war man sich durchaus bewußt, daß z. B. mit der Verlesung der Estherrolle ein Brauch eingeführt worden war, der nicht von Gott im Gesetz angeordnet worden war, sondern vom irdischen Synedrium. Man war si c haI s 0 auch durchaus bewußt, daß nicht alle Tradition auf den Sinai und also auf Gott zurückgin g. Anderseits zweifelte man keinen Augenblick daran, daß solche synedrialen Beschlüsse ohne weiteres von Gott anerkannt werden. Dasselbe Selbst bewußtsein drückt sich auch aus bei R. J 6 hosc h u'a b. eh a n a n ja (um 90): man stritt sich einmal über die Reinheit des "Ofens des Aknai" (vgl. Kelim 510). R. EI i'e zer b. H y r k anmachte den andern Gelehrten gegenüber vergeblich zahlreiche Einwendungen. Endlich erging eine Himmelsstimme, welche die Ansicht des R. Eli'e:z;er guthieß. Aber R. J 6 hoschu'a stand aaf und sagte: "Nicht im Himmel ist sie" tscl. die Thora), vgl. Deut 30 12 (bBaba Me~i'a 59b). Das bedeutet, daß mi t derVer leih u ng der Thora an Israel auch ihre rechtmäßige Deutung und Aus leg u n g dem V 0 I k e, b z w. sei n e n R a b bin e n, übe rg e ben worden ist. Der J u dei s t G 0 t t g e gen übe rau ton 0 m auf Grund der gegebenen Thora, Gott kann die Beschlüsse des Synedriums Israels im Grunde nur noch sanktionieren. Nichts anderes als diese Autonomie drücken letztlich auch die angeführten rabbinischen Stellen über das Verhältnis zwischen unterem und oberem Synedrium aus (vgl. auch die folgenden Stellen über das Neujahrsfest I). Diese Autonomie wird auch da nicht aufgegeben, wo gelehrt wird, 1) Belege bei Str B I, S. 743. Bemerkenswert ist dabei aber, daß hier nur Gott allein erscheint, und der himmlische Gerichtshof nicht erwähnt wird. 2) Mo'ed q. 16 b; Str B I, S. 746; hier noch weitere Belege.
120 daß das obere Synedrium die Strafen des unteren verschärfe. Einmal hat diese Ansicht ihre Analogien, so etwa darin, daß statt der gesetzlich vorgeschriebenen 40 Schläge bei der Strafe der Geißelung nur 39 gegeben werden: man hütet sich, durch allzugroße Strenge das Gesetz zu übertreten; denn man könnte sich verzählen bei der Exekution! HilI e I hat im Widerspruch gegen das Gesetz den Prosbol eingeführt und damit dem Gesetz gegenüber eine Erleichterung geschaffen. Man bedenke nun schließlich, was für ein ungeheures Machtbewußtsein aus der Ansicht spricht, daß ein Bann von 30 Tagen vor dem himmlischen Gerichtshof einen ewigen Bann nach sich ziehe! Man hat t e· damit ein Instrument in der Hand, mit Hilfe dessen man über das zeitliche und ewige Heil ein e s M e n s ehe n e n t s ehe i den k 0 n n t e. Diese Dinge sind von um so größerer Tragweite, als sie ja nicht durch Schriftstellen, also durch Gottes Wort, gestützt sind. Sie beruhen vielmehr im besten Fall auf Tradition oder auf rabbinischer Exegese, die ihrerseits wieder keinen andern Grund hat als die Exegeten selber. Natürlich sind diese Dinge kein "Dogma" im Judentum, aber als Aussprüche Einzelner sind sie bezeichnend genug. Auch die ure h r ist 1 ich e G e m ein d e kennt die Anschauung von einem himmlischen Gerichtshof. Vor allem ist da die Stelle Mt 16 19 zu erwähnen: "Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreiches geben, und was du auf Erden binden wirst, wird im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösest, wird im Himmel gelöst sein" 1). Bekannt ist die Bedeutung der Worte "binden" und "lösen": Petrus bekommt von Jesus die Vollmacht der Lehr- und Disziplinargewalt; er darf verbieten (binden) und erlauben (lösen), er darf den Bann in der Gemeinde verhängen (binden) und wieder aufheben (lösen). Diese Vollmacht wird Mt 18 18 auf den ganzen Kreis der Jünger übertragen. Die Entscheidungen in Fragen der Lehre und Disziplin werden von Gott und dem himmlischen Gerichtshof anerkannt. Daß diese Ausdrücke so zu verstehen sind, zeigen wiederum rabbinische Parallelen. "Heil den Gerechten; denn sie werden auf Erden (r"~~) und im Himmel (o'CI:'~) gesegnet" 2). Im Unterschied zu den entsprechenden rabbi1) Dazu Str B I, S. 738-741; Joach. Jeremias, Golgotha, S. 72 f. Büchsel lehnt die hier zuerst genannte Bedeutung ab und beschränkt sich auf die Beziehung zum Bann, ThW H, S. 60, Art. IJero. So auch Schlatter, Der Evangelist Matthäus, 1933, S. 51lo 2) Bereschith r. 75 (48 cl; Str B I, s.. 742. - "Wie Menschen, die von Gott
121 nischen Vorstellungen ist aber bei Mt 16 19 zu bemerken, daß sich die urchristliche Gemeinde bewußt war, hier nicht autonom zu handeln, sondern daß sie die Kompetenz dazu von Jesus erhalten und zugesichert bekommen hatte. Die A u ton 0 m i e der j ü dis ehe n Synagogengemeinde wird ersetzt durch die ,,0 h r ist 0 n 0 m i e" der U r g e m ein d e. Eine der wie h t i g s t e n Fun k t ion end e s Ger ich t ':l hofes auf Erden ist die Festsetzung der Jahres a n f ä n g e, der Neu mon d e und S c haI t j a h r e und damit auch die Festsetzung der h eil i gen Fes t e im jüdischen Fest jahr. Ausdrücklich sagt R. Sc h i m'o n (um 280) auf Grund von Ps 40 6, daß Gott diese Kalenderberechnung dem unteren Gerichtshofe übertragen habe (pesiqtha 43 b; Str B I, S. 745). Da Gott am Neujahrstage die Welt richtet, ist er auch bei diesem Akt von dem unteren Gerichtshof abhängig: er befiehlt die Vorbereitung zur Gerichtssitzung im Himmel, sobald er den Beschluß des unteren Gerichtshofes vernimmt; er verschiebt die Sitzung aber, wenn er vernimmt, daß der untere Gerichtshof die Verschiebung des Neujahrstages beschlossen hat. So berichtet es R. Ho s c h'a ja aus thannaitischer Tradition (pesiqtha 53 b; Str BI, S. 745). Wenn die Engel Gott fragen, wann Neujahr sei, weist er sie an den unteren Gerichtshof. Auf R. Abbahu geht die Ansicht zurück, welche die eben genannte dahin abschwächt, daß Gott in der entscheidenden Sitzung der Gelehrten anwesend sei, um ihren Sinn zU erleuchten (pesiqtha 151; Str B I, S. 746). Gewissen Rabbinen wurde offenbar gelegentlich etwas bange bei ihrer Gottähnlichkeit ! Mit der Vorstellung vom Gericht am Neujahrstage treffen wir auf eine alte und bedeutsame Lehre. G 0 t t h ä I t a m Neu j a h r stag e Ger ich t übe r die ga n z eWe I t. Dazu sagte R. Meir, daß alles am Neujahrstage gerichtet werde, aber das Urteil werde erst am Versöhnungstage besiegeltl). Damit soll gesagt werden, daß der Sünder noch 10 Tage Frist hat, um Buße zu tun. R. Jehuda stimmt dem zu, sagt allerdings, die Besiegelung über das Getreide - denn auch der Ertrag des kommenden Jahres an Getreide und Früchten wird an Neujahr beschlossen - erfolge an Pesach, für die Baumfrüchte am Wochenfest, für das Wasser an Laubhütten; das Urteil über die Menin den Bann getan sind (1:l'~I:l' l'!llTJ), bis man sich über sie vom Himmel (l:l'l:l~ ll:l) erbarmt" (bTha'anith 14 b). 1) Eine gleiche Tradition in Schaare Ora 65, Eisenmenger I, S. 8l4f.
122 schen werde am Versöhnungstage besiegelt. So schimmert in diesem Ausspruch des Thannaiten die Bedeutung der israelitischen Feste als alter Naturfeste noch durch. Daß die 10 Tage zwischen Urteil und Besiegelung von Neujahr bis zum Versöhnungstag wirklich zur Buße bestimmt sind, sagte R. Kr u s pe d a i (um 300) im Namen des R. Jochanan (t 279): die völlig Gerechten werden am Neujahr zum ewigen Leben aufgeschrieben, die völligen Frevler zum Gehinnom, die Mittelmäßigen aber haben 10 Tage Frist zur Buße; je nachdem sie Buße tun oder sie versäumen, werden sie zu den Gerechten oder zu den Frevlern gezählt (jRosch Haschana 57 a; Str B II, S. 170; dasselbe bRosch Haschana 16 a). Am Neujahrstage werden nach R. Je h u d a b. Sc hai u m der Lebensunterhalt für jeden Menschen und die Strafen für die ganze Welt bestimmt im kommenden Jahr (bBaba Bathra 10 a). Eine Traditionsreihe, die auf R. Levi (um 300) zurückgeführt wird, erklärt, daß den Israeliten am Neujahrstag die Schulden erlassen werden (Thanchuma "I'~N 178 a; Str B I, S. 799). Daraufhin nehmen die Israeliten Feststräuße und loben und preisen Gott. Dem widerspricht allerdings b' Arakin 10 a bund bRosch Haschana 32 b, wo Abbahu sagt, daß die Israeliten am Neujahrstag und am Versöhnungsfest keinen Lobgesang anstimmen, da an diesen Tagen Gott auf dem Richterthron sitzt und die Bücher der Toten und der Lebendigen offen vor ihm daliegen. Nach Rab (t 247) wird am Neujahr beschlossen, welches Land im kommenden Jahr in Krieg verwickelt werden und welches Frieden haben, wo Hungersnot ausbrechen und wo Überfluß herrschen wird (jRosch Haschana 6 b). Andere Rabbinen meinen, daß Gott die Menschen täglich richte. R. Levi vertritt die Meinung, daß Gott die Völker der Welt des Nachts richte, wenn sie schlafen, die Israeliten dagegen am Tage, wenn sie mit der Erfüllung der Gebote beschäftigt sind (Bereschith r., par. 50, zu Gen 191). Nach R. Eli'ezer ergänzen sich irdisches und himmlisches Gericht: wird das Recht auf Erden geübt, dann nicht im Himmel, wird es aber auf Erden nicht geübt, dann doch im Himmel (Debarim r., par. 5, zu Deut 1618). Religionsgeschichtlich bedeutsam ist, daß die Vorstellung des Gerichts am Neujahrstage wohl zurückgeht auf das babylonische Neujahrsfestl). Am 8. und 11. Nisan versammelten sich die babylonischen Götter im heiligen Raum Ubschukinaku, um das Schicksal des komI) Vgl. dazu Heinrich Zimmern, Das babylonische Neujahrsfest, 1926 (Der alte Orient 25 3).
123 menden Jahres zu bestimmen. Die Götter versammelten sich um den Götterkönig Marduk, der das kommende Geschick bestimmt. Das Schicksalsgemach befand sich im Tempel Esagil, genauer in dessen Teil Ezida, der der Raum Nebos war. Nebo, der Schreibergott, hatte insofern eine besonders wichtige Aufgabe bei der Schicksalsbestimmung, als er auf seiner Tafel die guten und bösen Lose für das kommende Jahr aufzeichnete. Diese alljährlich wiederkehrende Schicksalsbestimmung wurde aufgefaßt als das Abbild jener, die nach dem Schöpfungsepos zu Beginn der Welt stattgefunden hatte. Eine zweite Schicksalsbestimmung für Marduk fand in dessen Kapelle nach der Erschaffung des Menschen statt. Dieser zweiten Zeremonie entsprach der Ritus, nach welchem jedes Neujahr dem König von Babel das Los für das kommende Jahr bestimmt wurde. So war das babylonische Neujahrsfest eine Erinnerung und gleichsam eine Wiederholung der Weltschöpfung. Dem entspricht genau die spät jüdische Nachricht in jRosch Haschana 6 b: "Im Gebetbuch Rabs fand sich folgendes Neujahrsgebet : Dieser Tag ist der Anfang deiner Schöpfung, eine Erinnerung an den ersten Tag der Schöpfung. An diesem Tag wird über die Länder verhängt, welches dem Schwerte anheimfallen und welches sich des Friedens erfreuen, welches von Hungersnot heimgesucht werden und welches sich des Überflusses erfreuen soll." F. Der himmlische Kult
Man kann den Begriff des Kultes enger oder weiter fassen. Die weitere Fassung schließt den Lobgesang und die Anbetung Gottes ein, die engere Fassung richtet ihr Augenmerk mehr auf das flewp81Joy in einem Tempel- und Altardienst. Die Quellen wissen von einem himmlischen Lobgesang zu berichten, der beständig zum Lobe Gottes erschallt (vgl. S. 137 ff.). Die Tradition spricht gelegentlich auch von bestimmten Gebetszeiten, die die Engel einzuhalten haben, so tAbrah 44 f., wo es heißt, daß die Engel Gott bei Tagesanbruch anbeten müssen. - Es soll in diesem Kapitel jedoch vor allem der himmlische Tempel- und Altardienst nach den spät jüdischen und urchristlichen Quellen untersucht werden. bChagiga 12 b: "Im Zebul befindet sich Jerusalem, der Tempel und ein gebauter Altar, und Michael, der große Fürst, steht und opfert darauf", nach 1 Kön 813. Deutlich ist hier!) die Lehre von der Ent1) Vielleicht liegt die Ans c hau u n g von ein e m h i m m li s ehe n
124 sprechung von Irdischem und Himmlischem erkennbar: dem irdischen J erusalem entspricht das himmlische, dem irdischen Tempel entspricht der himmlische Tempel, dem irdischen Altar der Altar im Himmel, dem irdischen (Hohe)Priester entspricht der himmlische (Hohe)Priester Michael1). R. Schim'on b. J ochai (um 150) sagte, daß das obere Heiligtum nur um 18 Mil höher sei als das untere; er schloß das aus dem Zahlenwert des Wortes "wzeh" in Gen 28 17 (Bereschith r., par. 68). Nach Bereschith r., par. 55 (Str B IU, S. 701) sagte R. Schim'on b. Jochai, Abraham habe den Isaak an dem Orte opfern sollen, der dem himmlischen Heiligtum gegenüber liegt, also wohl auf dem Tempelberg in Jerusalem. Genau das sagte R. Na t h a n (um 160): das untere Heiligtum liege gegenüber dem oberen und die Bundeslade liege genau dem Throne Gottes gegenüber (Thanchuma, ?:"1P" 124a, Str B IU, S. 701). Mithin ist auch für den Rabbi die Lade ein Gottesthron. Der Midrasch zum Hohen Lied (4,4) sagt, daß das Allerheiligste unten genau dem Allerheiligsten oben entspreche (108 a; Str B IU, S. 701). R. Sc h i m'o n (um 280) erklärte, daß beide Heiligtümer genau zur gleichen Zeit erbaut worden seien; aus Num 7 1 wird geschlossen - aus dem Worte ,,13th" -, es seien zwei Heiligtümer gebaut worden (pe_ siqtha R. 5 [22 b]; Str B IU, S. 701). Die aus dem Exil zurückkehrenden Exulanten wußten, wo der Altar vor dem Tempel stehen mußte; denn R. Ele'azar sagte (um 270): "Sie schauten einen gebauten Altar, und Michael, der große Fürst stand da und opferte darauf" (bZebachim 62 a). So entspricht der Altar unten auch topographisch genau dem Altar oben. Gelegentlich kann an die Stelle Michaels als Priester im Himmel Metatron treten (Bemidbar r. 12 [107 a]; Str B IU, S. 701). Der Lehre von der Entsprechung gemäß sind alle Kultgeräte auf Erden denen im Himmel nachgebildet: der Hohepriester opfert am Versöhnungstag in weißen Kleidern - genau wie es oben an demselben Tage auch geschieht, sagte R. 0 h j j i a b. Ab b a (um 280; j Joma 744 b 37; Str B IU, S. 7C2). Die vier Farben, in denen das irdische Heiligtum glänzt, entsprechen den vier Farben oben (pesiqtha R. 20 Te m pe I schon in I He n 7 18 f. vor: der Seher sieht Gott mit den Engeln aus einem "Haus" kommen; oder ist hier der himmlische Palast Gottes gemeint? 1) "Warum mußte der Hohepriester am Versöhnungstage das Amt in weißen Kleidern versehen? R. Chjjia b. Ba sagte: weil die Amtsverrichtungen oben den Amtsverrichtungen unten entsprechen sollen", vgl. Ex 92; Lev 64 (jJoma
VII, 2, 34 b).
125 [98aJ; Str B III, S. 702). Die himmlische Lade, der Tisch, der Leuchter, die Mose als Urbilder gezeigt wurden, bestanden aus Feuer, sagte R. J 0 s e b. Je h ud a (um 180; Menachoth 29 a Bar; Str B III, S. 702) 1). Die Seraphim oben entsprechen den Brettern aus Akazienholz unten (Ex 26 15), den Sternen am Himmel die Haken im Zelt (Ex 26 6. 11. Ss; 35 11; pesiqtha 4 b; Str B III, S. 704) 2). Eine, wie ich vermute, spätere Tradition verbindet mit dem Opferdienst Michaels in bChagiga 12 b eine dogmatisch-eschatologische Betrachtung 3). Es wird nämlich gesagt, daß Michael erst seit der Zerstörung des Heiligtums von J erusalem seines Amtes als himmlischer Hohepriester walte; er opfert dort die Seelen der Gerechten auf dem Altar. Dies dauert bis zur Zeit der Erlösung Israels; dann wird Gott den himmlischen Tempel nach Jerusalem herabsteigen lassen. Demnach ist also der gegenwärtige himmlische Kult nur ein Interim und eine Notlösung, die durch die Not der Zeit erzwungen wurde; die eigentliche Absicht Gottes ist der Kult im Heiligtum auf der Erde 4). Diese s p ä t j ü dis ehe Ans c hau u n g von ein e m h i mmI i s ehe n H eil i g turn, dem das irdische entspricht, f in d e t sie hau chi m NT. Vor allem ist hier an den Hebräerbrief 5) zu erinnern, dessen zentrale Lehre gerade die vom hohepriesterlichen Werk Christi auf Erden und im himmlischen Heiligtum ist. Christi Tod und Erhöhung werden hier als Erfüllung und Überbietung des Hohepriesteramtes des AT dargestellt. Ich fasse hier den Gedankengang der entscheidenden Kapitel des Hebräerbriefes kurz zusammen: Christi Amt ist Hohepriesteramt, durch das er die Sünden des Volkes sühnt. Voraussetzung dazu ist, daß er in allem den Menschen gleich war (217 f.). Damit ist das Hauptthema des Briefes formuliert. Ausgeführt wird es in 414-1018. 1) Ich kann hier aus der Fülle der Traditionen nur eine kleine Auswahl geben; weiteres Material bietet Str B IH, S. 700-704. 2) Daß auch diese Vor s tell u n g von ein e m h i m m ii s c h e n Heiligtum, dem das irdische entspricht, auf die bab y Ion i s c heR el i gi 0 n zur ü c k geh t, zeigt Alfr. Jeremias, Babylonisches im NT, S. 62. 3) Midrasch der 10 Worte, bei Wünsche, Lehrhallen, IV, 1, S.73. ') Auch das Buch Emek hammelek 121 hat die Lehre, daß der himmlische Tempel in der Endzeit auf die Erde kommen werde (Eisenmenger H, S. 848 f.). Die Ern eu e run g des irdischen Heiligtums in der Heilszeit ist alte jüdische Lehre: 1 Hen 9] 13; vgl. Str B IH, S. 852 f. 6) Vgl. Martin Dibelius, Der himmlische Kultus nach dem Hebräerbrief, 1942 (in: Theol. Blätter 21, 1).
126 Die Erhabenheit des Hohepriesters Jesus kommt dadurch zum Ausdruck, daß er durch die Himmel hindurch gegangen ist bis zum Throne Gottes, d. h. daß er im oberen, himmlischen Heiligtum seines Amtes waltet. Dort ist er gegenwärtig wirkend. Sein Werk auf Erden und sein Walten im Himmel sind eine Einheit. Daß er nicht nur ein Himmelswesen ist, sondern Mensch war wie wir und darum auch unsere Nöte kennt, ist der Grund zum vollen Vertrauen zu ihm. Durch seine Himmelfahrt hat er den Hohepriester des AT überboten. Der neue Bund steht auch, was Kult und Versöhnung betrifft, höher als der alte Bund. Da Christus bei Gott ist, wird Gottes Thron zum Thron der Gnade, dem wir uns nahen können (414 ff.). Im folgenden beweist der Verfasser, daß Jesus Christus den Anforderungen genügt hat, die nach dem Gesetz an einen Hohepriester gestellt werden müssen. Der Hohepriester muß Mensch sein und muß als Mensch für Menschen Gott Sühnopfer darbringen. Dabei läßt der aaronitische Hohepriester Milde walten, da er selber der Sühnung bedarf. Dieser letzte Punkt - Sühne für sich selbst - fällt bei J esus weg, da er ohne Sünden war. Dagegen hatte er Anteil an der menschlichen Schwachheit, was sich angesichts seines Todes in Bitten und Flehen, Geschrei und Tränen zeigte. Zu einem rechtmäßigen Hohepriester gehört aber auch die Einsetzung durch Gott. Auch diese Voraussetzung erfüllte Jesus; denn Ps 27 und 1104 sind zu ihm gesprochen. Als Mensch lernte er gehorchen; wer fortan ihm gehorcht, für den wird er der Urheber ewigen Heiles. Damit gibt er den Menschen das Höchste, was ein Priester den Menschen spenden kann. Dazu ist J esus Christus aber befähigt, weil er in die höchste Klasse der Priester gehört: er ist Hohepriester nach der Ordnung Melchisedeks (51-10). Diese geheimnisvolle Gestalt aus Gen 1417-20, die in Ps 110 erwähnt wird, ist Typus auf Christus hin. Wie die beiden Schriftstellen über Melchisedek zeigen, ist dessen Priestertum göttlicher Art und so dem Priestertum Levis überlegen. Melchisedek ist cbtal'We, afdrrwe, aysvsaMYfJl'ot;: das wird hier so aufgefaßt, daß er himmlischer Herkunft ist wie nach ihm und ihm entsprechend Jesus Christus. Typus auf Christus ist Melchisedek auch insofern, als sein Priesteramt nach Ps 110 4 ein ewiges ist (71-5). Die erhabene Größe Melchisedeks kommt auch dadurch zum Ausdruck, daß ihm Abraham, der hochverehrte Stammvater Israels, den Zehnten entrichtete, und ihn so als den Überlegenen anerkannte. Da Abraham aber auch der Stammvater Levis ist, hat in und durch Abraham auch Levi die Überlegenheit Melchisedeks an-
127 erkannt. Durch das alles ist das levitische Priestertum des Alten Bundes schon überboten, bevor es nur auftrat in der Welt. Es kommt dazu, daß Melchisedek lebt und nicht gestorben ist: sein Tod wird ja in der Bibel nicht erzählt. Darum ist er Priester in Ewigkeit. Melchisedek hat den Abraham gesegnet, in ihm also Levi, und hat sich dadurch als der Höhere erwiesen (76-10). Die Tatsache, daß ein Hohepriester nach einer andern Ordnung als der Aarons eingesetzt werden sollte (Ps 1104), zeigt, daß das levitische Priestertum nicht die Vollendung hat bringen können. Es sollte nach dem Priestertum Levis ein Priestertum nach der Ordnung Melchisedeks kommen. Damit ist aber ein Wechsel des Gesetzes verbunden. Dem Gesetz des Alten Bundes entsprach das levitische Priestertum, dem Priestertum nach der Ordnung Melchisedeks entspricht das Evangelium. So geht auch das Priestertum an einen andern Stamm, Juda, über; denn Christus, der Hohepriester nach der Ordnung Melchisedeks, stammt aus Juda. So ist vor und nach dem levit ischen Priestertum auf Grund des Gesetzes des AT selbst das Priestertum Melchisedeks in Kraft. (Das Gesetz ist somit "zwischenhineingekommen", Rm 520.) So ist in Jesus Christus das Alte, Vorgesetzliche, das eigentlich Gemeinte, wieder in Kraft gesetzt worden. Dieses Priestertum Christi hat die Wirkung, daß es uns zur Vollendung bringen kann (711-20). Eine weitere Überlegenheit des Priestertums Christi über das des Alten Bundes besteht darin, daß es durch einen Schwur Gottes eingesetzt wurde. Das war bei den andern Priestern nie der Fall. Christus hat auch ein besseres Opfer dargebracht als die andern Priester vor ihm - sich selbst. Damit greift seine Erhabenheit noch über die Größe Melchisedeks hinaus. Eine Schwäche des at.lichen Priestertums bestand auch darin, daß nacheinander viele Priester amtieren mußten, da ihnen der Tod ihr Amt nahm. Jesus aber hat ein ewiges Priesteramt, da er zur Unvergänglichkeit erhöht wurde. Darum auch kann er uns für immer retten; denn er kann immer für uns vor Gott eintreten (721-28). Der Hauptpunkt von allem ist der, daß Christus der zur Rechten Gottes erhöhte Herr ist. Dort verwaltet er das wahre, das himmlische Heiligtum. Der Opferkult im Tempel zu Jerusalem und vorher in der Stiftshütte war nur ein schwaches Nachbild der wahren Sache, die Christus ans Licht brachte (81-4). Aus der Schrift (Jer 31 31-34) wird die Stiftung des Neuen Bundes bewiesen. Im folgenden wird nun das Eingehen Christi ins himmlische Heiligtum parallelisiert mit dem
128 Eingehen des Hohepriesters ins Allerheiligste am Versöhnungstag. Was der Hohepriester bei dieser Gelegenheit tat, war Typus auf das Handeln Christi. Wenn der Hohepriester mit dem Opferblut das Allerheiligste betrat, so ist das nur unvollkommenes Abbild davon, daß Christus mit seinem eigenen Blut in das himmlische, wahre Heiligtum eintrat, das nicht von Menschenhand verfertigt, und darum unvergänglich ist. Dadurch ist aber auch die Zweiteilung der irdischen Kultstätte in Heiliges und Allerheiligstes aufgehoben und also auch die in dieser Zweiteilung sich offenbarende Unvollkommenheit. Indem Jesus ins himmlische Heiligtum eintrat und sein eigenes Blut als Sühnemittel darbrachte, hat er die Reinigung der Gewissen der Menschen vollbracht. So ist unser himmlischer Hohepriester beides: Opfertier und Priester. So hat Christus das wahre Opfer des Versöhnungstages (Lev 16) und der Bundschließung (Ex 24) vollbracht. Er hat damit das at.liche Opferwesen erfüllt. Dieses Selbstopfer Christi aber stiftet, in genauer Analogie zum Ritus des AT, den Neuen Bund. Diese Tat geschah ein für allemal. Christus mußte nicht wie der Hohepriester des AT jedes Jahr wieder ins Allerheiligste eingehen (91-14), sondern er ist ein für allemal ins himmlische Heiligtum gegangen. Wenn nach at.lichem Gesetz die Nachbilder der himmlischen Kultgeräte mit Blut gereinigt werden mußten, dann auch die Urbilder dieser Dinge im Himmel, und zwar nicht mit Tierblut, sondern mit dem viel wertvolleren Blut Christi (9 15-26). So hatte das Erscheinen Christi auf Erden und seine Erhöhung in den Himmel hohepriesterlichen Charakter, seine Parusie aber wird die Rettung an denen vollzeihen, die sein Werk für sich annehmen (9 27 f.). Kap. 10 1-18 nimmt schon gEäußerte Gedanken wieder auf: das Gesetz ist der Schatten, nicht das Ding selbst, das ja erst durch Christus gebracht wurde. Die ständige Wiederholung der Opfer zeigt, daß sie das Sündenbewußtsein nicht endgültig tilgen konnten. Das Tierblut kann keine Sünden tilgen. Christus hat seinen eigenen Leib als Opfer dargebracht. Gotte!? Wille zielte nicht auf Opfer, sondern auf Gehorsam, der das Opfer C h r ist i begehrte. - Bemerkenswert ist in 1021 die typologische Deutung des Vorhangs vor dem Allerheiligsten auf das Fleisch Christi. Hier gehen mehrere Gedanken durcheinander: der Gang in den Himmel, der Gang des Hohepriesters ins Allerheiligste und der Tod Christi - durch das alles hat er uns den Weg ins himmlische Heiligtum eröffnet. Ein Vergleich der zu Anfang dieses Kapitels beigebrachten Zeugnisse aus dem rabbinischen Schrifttum mit den Ausführungen des
129 Hebräerbriefes zeigt, daß die Anschauungswelt hier wie dort dieselbe ist. Beide kennen ein dem irdischen Heiligtum entsprechendes himmlisches; beide kennen einen himmlischen Kult; für beide sind die Kultgeräte auf Erden Abbilder der himmlischen; hier wie dort waltet ein himmlischer Hohepriester seines Amtes. Allerdings - das muß nun ebenso stark betont werden - sind die Unterschiede nicht zu übersehen. Der erste und wichtigste Unterschied liegt in der Christustatsache von Tod, Auferstehung und Erhöhung beschlossen, von der aus im Hebr die ganze Anschauung neu durchdacht wird. Der Hohepriester auf Erden war J esus am Kreuz; der Hohepriester im Himmel ist nicht ein Engel, sondern Jesus Christus der Sohn Gottes. Was jüdische Tradition übet einen himmlischen Engel-Hohepriester l ) sagen mochte, das wird alles auf Christus übertragen, wo es erfüllt und überboten wird. Die Christustatsache von Kreuz und Erhöhung hat dem at.lich-jüdischen Denken gegenüber auch insofern einen Unterschied zur Folge, als hier der Hoheprieseter zugleich Opfer ist. Die Aussagen vom Hohepriester gehen beständig mit denen vom Opfer durcheinander. So durchbrechen die erfahrenen und geschehenen Heilstatsachen die traditionellen Schemata. Konzediert wird, daß irdischer und himmlischer Kult sich verhalten wie Abbild und Urbild. Damit verschlingt sich der Gedanke, daß die irdischen Abbilder Typen auf das kommende Heilswerk Christi sind. Es liegt hier also nicht nur der einfache Parellelismus Himmel-Erde vor, sondern auch der von Altem und Neuem. Dabei ist das Neue und Himmlische mehr wert als das Alte und Irdische; denn es ist das Wesen, die Sache, während das andere nur Schatten und Abbild war. Dazu kommt als weiterer Gedanke: Christus ist Hohepriester nach der Ordnung Melchisedeks. Als solcher erfüllt er den ursprünglichen Plan Got1) Die Traditionen über Michael als Hohepriester im Himmel sind bei Lueken, Michael, S. 29 ff. zusammengestellt. - Mit der Übertragung der Funktionen Michaels auf Jesus Christus ist gerade ni c h t gesagt, daß der Hebr Christus als Engel darstelle. Vielmehr ist der Gedanke der: "Was ihr Juden da von Michael spekuliert, das gilt legitimerweise von Jesus Christus, was sich aus dem AT beweisen läßt". Es ist Polemik und Abwehr gegen die jüdischen Lehren von Michael (Lueken, S. 143). M ö gen au c h an gel 0 log i s ehe S p ekulationen auf Hebr eingewirkt haben, so zeigen sie eben nur, daß Christus alle Prädikate an sich zieht, die den k bar si n d: er ist Führer, Haupt, Logos, Hohepriester usw. Das a 11 e s a b e r ist Fun k t ion sei n erG 0 t t e s s 0 h n s c h a f t :vgl. t:!chrenk, Art. deX!sesV, ThW ur, S. 276 f. 280. Bietenhard, Himmlische Welt
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130 tes, während das levitische Priestertum sekundär und zwischenhineingekommen war. Aber indem Christus die Priesterordnung Melchisedeks erfüllt, erfüllt er zugleich die Kult ordnung des AT. So wird er ewiger Hohepriester im Himmel. Sein Hingang ins himmlische Heiligtum geschah - ein für allemal - auf Grund seines Blutes, kraft dessen er dort für uns eintritt. Dies alles steht wieder im deutlichen Unterschied zu Michael, dem himmlischen Hohepriester des Judentums. Das bedeutet, daß wir nun den Zugang zum oberen Heiligtum offen haben, während es im irdischen Heiligtum sogar dem Hohenpriester nur einmal im Jahre erlaubt war, ins Allerheiligste zu gehen. Von da aus gesehen kommt natürlich eine Restauration des irdischen Heiligtums nicht mehr in Frage, auch nicht für die Heilszeit. Damit ist aber grundsätzlich der Parallelismus von irdischem und himmlischemTempel und Kult aufgehoben. Dieser Parallelismus, der zugleich das Verhältnis von Urbild und Ab bild ist, g!1lt für den Alten Bund, im Neuen Bund gilt nur das Werk Christi am Kreuz und sein Wirken im Himmel, durch das er uns mit sich und seinem Heil verbindet 1). Der himmlische Tempel wird auch in der Apk erwähnt: 3 12; 7 15; 1119; 1415. 17; 1551. 8; 161. 17. Apk 312 ist ein Verheißungswort an 1) Ein eigentümlicher Gedanke liegt Hebr 9 23 vor; denn da heißt es, daß auch das himmlische Heiligtum durch Christus habe gereinigt werden müssen: "Müssen also die Nachbildungen der im Himmel befindlichen (Dinge) auf diese Weise gereinigt werden, so die im Himmel befindlichen (nI e:noveajlta) selbst durch sehr viel bessere Opfer als diese es sind." Der Text gibt zu einigen Fragen Anlaß (vgl. O. Michel, Der Brief an die Hebräer, 1949 [in Meyers Komm. s, 13. Abt.], Komm. z. St.). Daß e:noveajlta ein Plural ist, läßt sich verstehen: im irdischen Tempel, der ja eine Nachbildung des himmlischen Urbildes ist, gibt es viele Kultgeräte, die entsühnt werden müssen. Schwerer verständlich ist, daß auch von mehreren Opfern die Rede ist (,;;eetnoaw f}valatr;), durch die die himmlischen Dinge gereinigt werden müssen, obschon der Verfasser nur das Eine Opfer Christi kennt. Vielleicht ist dieser Plural einfach ein Nachklang des Plurals e:noveajlw, oder der Verfasser denkt an die vielen Opfer des irdischen Kultes. Sehr schwierig ist die Frage, woher es kommt, daß auch das himmlische Heiligtum entsühnt werden muß. Wir denken da (so auch Michel, a. a. 0.) an die spät jüdische Lehre, nach der Unreines und Böses auch im Himmel ist. Allerdings wissen wir nichts davon, daß z. B. der Satan sein Wesen auch im himmlischen Tempel treibt. Vielleicht ist auch an Stellen wie Hiob 1515 zu denken: "Die Himmel sind nicht rein in seinen Augen." Die Meinung des Textes wäre dann die: wie es das AT sagt, gibt es vor und außer dem Werke Christi weder auf Erden noch im Himmel Reinheit. Erst Christus hat durch sein Erlösungswerk Reinheit im Himmel und auf Erd eng e s c h a f f e n.
131 den Überwinder: er soll zum Lohn für seinen Glauben zu einer "Säule" im Tempel Gottes gemacht werden. Nach Analogie der andern Verheißungen in den Sendschreiben der Offenbarung wird sich auch diese Verheißung auf die Zeit der Vollendung beziehen; darauf führt auch die Erwähnung des neuen Jerusalem, das vom Himmel herabkommt: Da das Wort "Säule" hier bildlich gebraucht ist, wird dasselbe auch vom "Tempel" gelten, vgl. etwa Gal 2 9. Dieses bildliche Verständnis des Wortes ist um so eher angezeigt, als in Apk 2122 ausdrücklich gesagt wird, das neue Jerusalem habe keinen Tempel; denn Gott und das Lamm sind der Tempel. Nach meinem Dafürhalten bezieht sich auch Apk 712-17 auf die neue Schöpfung. Das Gesicht ist proleptisch: die Christen, welche im Kampfe gegen das Tier umgekommen sind, wer~ den hier als Vollendete geschaut. Darum kann ich mich der Auffassung Hadoms 1 ) nicht anschließen, der hier die himmlische Seligkeit der Märtyrer beschrieben sieht. Die recht unklaren Ausführungen Hadorns (S. 97, Z. 11-16) laufen darauf hinaus, daß es für die' Seligen keine Auferstehung gebe, ihre Vollendung beginne gleich nach ihrem Tc.de: Wie er dieses Verständnis des Textes mit Apk 69-11 zusammenl:>ringt, sagt er nicht (diese Stelle erklärt er m. E. richtig). Er hat auch die in Apk 7 13-17 - neben dem Präsens - vorkommenden Futura Ztl wenig beachtet: a"1]vwaSt, ov 7tsmlaovat'V, oVl'Je ~t'tpIJCfovat'V, 7totfw.'Vs'i, o~1]y~ast, e~aAst'tpst. Auch Hadorn gibt übrigens die Übereinstimmung des Stükkes mit Apk 211-5 zu. Eine Schwierigkeit bei meiner Auffassung des Textes bietet allerdings dann v. 15 a; denn hier kann der Tempel kaum als Bild für die Gemeinde der Vollendeten angesehen werden, es ist vielmehr der Wohnort Gottes in der neuen Schöpfung gemeint. Der Tempel wäre dann gleichbedeutend mit dem neuen J erusalem. Doch bleibt hier eine Spannung bestehen. Auf alle Fälle scheint mir die Annahme schwierig, die den Märtyrern aus der großen Trübsal einen Vorzug vor denen gibt, die in Apk 6 9-11 genannt werden. Warum sollen die einen "unter den Altar" im Himmel kommen und dort auf die Erlösung und Vollendung sehnsüchtig harren, während die andern im Tempel sind als Vollendete? Beide haben ja in gleicher Weise ihr Leben gelassen im Kampfe um den Glauben. Aber auch wenn dieser Unterschied bestehen sollte, bleiben eben in 7 13 u. 17 die futurischen Aussagen mit ihrer Entsprechung in 211-5 bestehen. Die andern Stellen der Apk sind leichter zu deuten; denn in ihnen 1) Hadorn, Offenbarung, S. 96 f. 9*
132 wird der himmlische Tempel als Wohnsit2' Gottes im Himmel bezeichnet. Nach 1119 enthält dieser Tempel die Bundeslade. In 155 ist der Tempel im Himmel "der Tempel des Zeltes des Zeugnisses", das ist wohl das Urbild der Stiftshütte des AT. Der Rauch der Herrlichkeit Gottes erfüllt den Tempel; er wird geschlossen, bis die 7 Zornschalen ausgegossen sind, 15 8. - Neben dem himmlischen Tempel steht - im Vorhof? - der himmlische Altar, {}vataen:f)eW'Jl. Unter ihm befinden sich die Seelen der Märtyrer (69); nach 913 hat er Hörner und ist von Gold (vgl. Ex 301-3). In 157 (und 9 13 b?) erscheint er personifiziert, denn er hat eine Stimme und redet: er preist die Wahrheit und Gerechtigkeit der göttlichen Gerichte. Auf diesem Altar 1 ) wird von einem Engel eine Kulthandlung vollzogen (82-5). Der Engel hat ein goldenes Weihrauchgefäß, und es wird ihm viel Weihrauch gegeben. Der Weihrauch steigt zusammen mit den Gebeten der Gemeinde zu Gott 5 8; die Gebete werden also von einem Engel Gott dargebracht. Nach Apk 58 haben die 24 Presbyter im Himmel Schalen voll Räucherwerk in den Händen; dieses Räucherwerk wird bezeichnet als "die Gebete der Heiligen". Dieser Zug im Bilde der Presbyter ist ein weiterer Hinweis darauf, daß es sich bei ihnen um Engel handelt. Die Anschauung von der Darbringung der Gebete im Himmel liegt schon Tob 12 15 vor, allerdings ohne Beziehung zu einem Altar im Himmel 2). - So ist auch in der Apk - abgesehen von der schwierigen Stelle Kap. 11 das Interesse ganz auf den himmlischen Tempel und Kult gerichtet. Von einem priesterlichen Werk Christi allerdings ist nicht die Rede, es sei denn, man wolle die immer wiederkehrende Erwähnung des Blutes Christi '11s einen Hinweis darauf verstehen. Aber hier liegt eher die Opferanschauung und nicht die Priesterfunktion des Christus im Blickfeld. Von jüdischen Hoffnungen ist Apk dadurch gAsehieden, daß für die neue Schöpfung die Erwartung eines Tempels abgelehnt wird. Hier muß man wohl annehmen, daß der Verfasser ähnliche Gedanken gehabt hat wie der Hebräerbrief. 1) Sofern hier nicht ein zweiter Altar, der Räucheraltar gemeint ist, der dem Räucheraltar des irdischen Tempels analog wäre, vgl. Hadorn, Offenbarung, S. 99; Joach. Jeremias, Golgotha, S. 85. 2) Schlatter, AT in der joh, Apk, S. 27 macht für den himmlischen Altar noch auf Jes 66 aufmerksam. Das ist richtig, hat aber zur Voraussetzung, daß Johannes meinte, Jesaja habe Gott in seinem himmlischen Heiligtum geschaut. Er hätte dann die Jesajastelle so verstanden wie die Rabbinen Ez 1 f.: als Blick des Propheten in den Himmel, vgl. bChagiga 13 a. Darauf führt auch Apk 158 im Vergleich mit Jes 64: "Und das Haus wurde mit Rauch erfüllt."
133 Die Lehre, daß die Gebete durch Engel im Himmel geopfert werden, findet in gr Bar 11-16 eine interessante Weiterung. Bemerkenswert ist zunächst, daß diese Schrift nur 5 Himmel kennt. Die Kapitel, die ich eben erwähnte, sind christlich überarbeitet worden. Die Hauptrolle spielt darin Michael; er hat die Schlüssel des 5. Himmels in Verwahrung und wird (11 2) "des Himmelreiches Schlüsselbewahrer" genannt. Michael ist als Erzengel der Führer einer Engelabteilung, zu der der angelus interpres des "Baruch" gehört. Michael steigt vom 5. Himmel in den vierten hinab und nimmt die Gebete der Menschen in Empfang. Er hält eine Schale in der Hand, die so tief ist wie der Abstand von der Erde zum Himmel, ihre Oberfläche entspricht der Oberfläche der Erde (11 8). Alle Verdienste und guten Werke der Gerechten werden in dieser Schale gesammelt und dann vor Gott gebracht (11 9). Die Schutzengel der Menschen tragen Körbchen herbei, die mit Blumen gefüllt sind; die Körbchen werden in die Schale Michaels geleert. Die Blumen sind die Tugenden der Frommen (121-5). Nicht alle Engel haben volle Körbchen: die einen bringen - sie sind traurig darüber - nur halbvolle, die andern sogar ganz leere (126-131). Die zuletzt genannten Engel bitten Michael, er möge sie aus ihrem Dienst an den gottlosen Menschen entlassen (131. 3 f.). Michael lehnt das zunächst ab, da der "Feind" sonst die Oberhand gewinnen könnte (132). Donnergetöse im Himmel zeigt an, daß Michael die Tugenden der Menschen vor Gott trägt (14). Wie der Erzengel wieder erscheint, hat er Öl bei sich, mit dem er die Körbchen der Engel füllt: es ist der Segen und der Lohn Gottes für die Tugend der Menschen (151-4). In v. 4 wird Mt 25 21 zitiert! Entscheidend ist nun Kap. 16: Michael gibt eine Botschaft Gottes an die Engel, deren Körbchen leer waren; er fordert sie auf, indem er sie wegen ihrer Trauer zurechtweist, die ihnen anvertrauten Menschen nicht fahren zu lassen 1), sondern ihnen zu dienen, bis sie Buße tun. Dazu droht Gott ihnen noch mit Gerichten mannigfacher Art. Eingefügt ist im griechischen Text: "Aber nachdem sie mich mit ihren Werken erzürnt haben, sollt ihr hingehen und sie eifersüchtig machen und erzürnen und erbittern gegen ein Nichtvolk, gegen ein unverständiges Volk." Der zweite Teil dieses Satzes ist deutliche Reminiszenz an Rm 1019 = Deut 3221. Damit ist die Tendenz des Abschnittes deutlich gemacht: es geht um den Kampf der 1) Der Lasterkatalog von 134 ist verwandt mit Rm 128
ff.
und Gal
519 f.
134 Kirche um Israel, um die Mission der Kirche an den Juden 1). Die Engel mit den vollen Körbchen sind die Schutzengel der Christen; die Engel mit den halbvollen Körbchen repräsentieren die nur halbbekehrten Juden; die Engel mit den leeren Körbchen vertreten die ungläubigen Juden. Ihnen wird das Gericht Gottes angedroht, wenn sie im Unglauben beharren. Wenn diese Deutung des Textes richtig ist - und die griechische Rezension muß wohl so gedeutet werden -, dann haben wir hier ein schönes Z eu g n i s für die Beziehungen der Christen zu den Juden zur Zeit der alten Kirche: ihre Hoffnung auf die Bekehrung des Volkes Israel zum Glauben an Jesus Christus und ihre mit der Gerichtsdrohung ver b und e n e B u ß pr e d i g t an cl a s V 0 1 k 2). Die Lehre, daß die Gebete durch Engel zu Gott emporgetragen werden, verbunden mit der Vorstellung von den BIumenkörbchen im gr Bar ruft eine verwandte Vorstellung in der jüdischen Tradition ins Gedächtnis. In bChagiga 12 b wird Ez 118 dahin verstanden, daß das "Ophan" auf der Erde neben den hl. Chajjioth ein Engel gewesen sei, der so riesengroß ist, daß er von der Erde bis zum Throne der Herrlichkeit reicht. Die Hesekielstelle wird also so erklärt, daß der Prophet Gott im 7. Himmel geschaut hat; darum sagt eine Baraitha dazu, daß der Engel einen Weg von 500 Jahren länger sei als seine Genossen. Der Name des Engels ist Sandalphon 3), und seine Aufgabe ist eß, Kränze (Kronen) für Jahve zu winden. Da aber auch er nicht weiß, wo Gott thront, spricht er den zauberkräftigen Jahve-Namen aus, Und die. Krone setzt sich von selber auf Jahves Haupt. Nach dem Midrasch Könen 4) ist dieser Sandalphon Vermittler zwischen Israel und Gott; denn er steht auf der Erde und reicht zu Gott empor. Hier wird nun auch berichtet, daß Sandalphon aus den Gebeten der Israeli1) Im folgenden ist der Text nicht einheitlich überliefert, d. h. der griechische Text hat dem slavischen gegenüber Lücken. Beide Texte sind mitgeteilt von Ryssel bei Kautzsch II, S.457. S) Ich folge hier Charles und seiner Erklärung der Stelle in Charles, Apocrypha Bd. II, S.530. 3) L. Goldschmidt erklärt in seiner Talmudübersetzung in einer Anmerkung zur Stelle den Namen mit avv&.t5e"rpot; = "Bruder habend" (I); A. Kohut, Über die jüdische Angelologie und Dämonologie in ihrer Abhängigkeit vom Parsismus, 1866, S.43, erklärt, das Wort sei persisch und bedeute: "Der Herr der Ausdehnung (oder Höhe)". &) Wünsche, Lehrhallen, III, 2, S. 176 f.
135 ten Kronen für Gott windet. Von da. her leiteten die "Weisen" ab, daß derjenige, der die Responsionen und den Lobpreis im Gottesdienst stört, die Kronen für Jahve vermindert und des Ba.nnes schuldig sei. Im Jalkut Chadasch 116 (Eisenmenger JI, S. 393 f.) haben 3 Engel dieses Amt: Sandalphon, Meta tron und Achtariel; hier wird beigefügt, daß nur die Gebete in hebräischer Sprache Kronen für Gott abgeben 1). Zum Schluß dieses Abschnittes muß ich noch auf einen Punkt eingehen, der bis jetzt zurückgestellt wurde: auf die j ü dis c h e n Pari:dlelen zur Lehre von der Interzession Christi für die Gläubigen. Nach tLevi 35 rJ. befinden sich im 5. Himmel, Erzengel die für die Gerechten auf der Erde Sühne und Fürbitte vor Gott leisten 2). In tLevi 56 erscheint ein Engel, der für Israel fürbittend eintritt. Dieser Fürbitteengel erscheint auch tDan 62; er wird hier der "Mittler zwischen Gott und Israel" genannt, der sich dem Reich des Feindes entgegenstellt. Diese Vorstellung ist übrigens schon Hiob 51 und 3323 belegt. - In 1 Hen 406. 9 ist es Gabriel, der für die Menschen fürbittet. 1 Hen 395,471 f. dagegen ist die Anschauung die, daß die verstorbenen Gerechten für ihre Brüder auf Erden fürbitten. In 3 Hen 447-10 bitten die Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob mü allen Gerechten 3) Gott, er möge Israel aus der Knechtschaft befreien und sein Königreich heraufführen. - So knüpft die 1) Die Tradition, daß man nur in hebräischer Sprache beten soll, geht in amoräische Zeit zurück: "Darf das Gebet denn in jeder Sprache verrichtet werden? R. Jehuda sagt ja, daß man seine Wünsche nicht in aramäischer Sprache vortrage; denn R. Jochanan sagte, daß, wenn man seine Wünsche in aramäischer Sprache vortragt, die Dienstengel ihm nicht zur Verfügung stehen, weil die Dienstengel die aramäische Sprache nicht verstehen?! Das ist kein Einwand; das eine gilt von einem einzelnen und das andere von einer Gemeinschaft" (d. h.: das Gebet einer Gemeinschaft steigt von selbst zu Gott empor, die Dienstengel sind dabei nicht nötig). Im folgenden werden dann Beispiele dafür gebracht, daß die Dienstengel offenbar doch aramäisch verstehen (bSota 33 a). Das ist im Interesse des einfachen Volkes auch zu erwarten; denn schließlich können nur die Gelehrten hebräisch; die Ansicht R. Jehudas hätte fast alle von der Gemeinschaft mit Gott abgeschnitten! 2) UI2XayyeÄOt oZ Alin:oVI2Yov'V'"Ce~ "ai i~tAaa,,6p,Ii'Vot nl2o~ "vewv ini naam, uyvotm, TW'V r'h"atw'V, neoaq!/3eOVUC; Trp "vetcp d{jp,Tj'V livw{jtac; AOYt"TjV "al avatp,a"Tov {}vatav. 3) Dieselbe Anschauung liegt wohl schon in 2 Makk 1512-14 vor; es ist hier allerdings nur ein Traum, in dem gesehen wurde, daß Onias und Jeremia für Israel Fürbitte einlegen; jedoch soll der Traum offenbar die tatsächlichen Verhältnisse wiedergeben.
136 nt.liche Anschauung, daß J esus Christus, nach Bm 8 26 f. der Heilige Geist, für uns vor Gott eintritt, an jüdische Vorstellungen an. Haben bei den Juden Engel oder vollendete Gerechte dieses Amt, so im NT vor allem Jesus Christus l ). - Ob im Hirten des Hermas, wie Windisch 2) will, dieselbe Anschauung vorliegt, ist zweifelhaft. Es ist da 1) Der Gedanke der Fürbitte liegt auch 1 Hen 13 ff. vor, ohne daß von einer Fürbitte im Himmel die Rede wäre. Da kündigt nämlich Henoch dem 'Azazel das göttliche Strafgericht an. Darauf bittet der böse Geist den Henoch, er möchte für ihn und seine Genossen eine Bittschrift abfassen, da sie selber ja nicht mehr zu Gott gehen können. Henoch tut das und liest dann die Bittschrift im Lande Dan, westlich des Hermon, vor, bis er einschläft. Im Traum wird ihm dann offenbart, daß jede Fürbitte für die gefallenen Engel zwecklos ist. Es wäre eigentlich Aufgabe der Wächterengel gewesen, für die Menschen im Himmel Fürbitte zu leisten (152 f.) Es ist unnatürlich, daß der Mensch Henoch für Engel bitbet. Der 2. Henoch versetzt die gefallenen Wächterengel in den zweiten und fünften Himmel (2 Hen 7 [A]; 18 [A]). 2 Hen 187 sagt Henoch, er habe für die gefallenen Wächterengel im zweiten Himmel vergeblich Fürbitte eingelegt vor Gott. Grundsätzlich wird in 2 Hen 53 (A) jede Fürbitte abgelehnt: "Jetzt nun, meine Kinder, wollet nicht sagen: unser Vater ist bei Gott und steht vor ihm für uns, er wird uns losbitten von Sünden. Es ist daselbst kein Helfer keinem einzigen Menschen, der gesündigt hat." Der Gedanke ist dann verbunden mit dem von den himmlischen Büchern: weil alles aufgeschrieben ist, was die Menschen tun, kann auch niemand das Getane und also Aufgeschriebene ungeschehen machen, auch Fürbitte ist aussichtslos - die Vergangenheit ist unwiderruflich. Er s tau f dem Hintergrund solcher Lehren läßt sich der Trost und die H i 1 f e der n t. 1 ich e n Aus sag e n von der Für bit t e C h r ist iod erd e s H eil i gen Gei s t e s g a n zer m e s sen. Da ist dieVergangenheitkein tödliches Gewicht mehr, das den Menschen erbarmungslos ins Verderben des Gerichtes zieht, ') H. Windisch, Der Hebräerbrief " 1931 (Handbuch z. NT, hrsg. v. H. Lietzmann 14), S. 71. Er macht hier und S. 70 zur hohepriesterlichen Himmelfahrt Christi auf tLevi 2-5 aufmerksam. Übereinstimmungen und Unterschiede werden herausgearbeitet. Wenn W. allerdings sagt, die H i m me 1 fa h r t L e v i s "e n t haI t e v i e 11 eie h t a u c h Die n s tim h i m m 1 i s ehe n Heiligtum", so ist dem zu widersprechen, weil davon nie h t s im Tex t s t e h t. (Offenbar ist hier der Wunsch nach einer Parallele der Vater des Gedankens gewesen!). - Ganz entschieden muß ich aberWindisch widersprechen, wenn er zu 1 Hen 7116 sagt: "Obwohl die Entrückung zunächst nur Henochs wegen erfolgt, hat sie doch auch Heilsbedeutung für andere"; denn die Stelle bedeutet doch nur: alle die, welche wie Henoch gerecht und fromm vor Gott lebten, werden zu ihm in den Himmel und in die Seligkeit versetzt werden. Daß H e n 0 c h s Ger e c h t i g k e i t a n der n M e n s ehe n zu kom m e, s t e h t nie h tim Tex t; He no chi s t ein f ach der Er s t ein ein e r Re i he von Ger e c h t e n, von denen jeder durch eigenes Verdienst in den Himmel kommt.
137 nur von einem Altar die Rede, auf dem der Engel die Stäbe - wohl im Feuer - prüfen will. Von einem Kult ist ausdrücklich nicht die Rede (Hermas, Sim VIII, 2, 5). Dagegen wird im Martyrium des Polykarp (143) Christus der "ewige, himmlische Hohepriester" genannt. G. Der himmlische Lobgesang
In den Theophanien, die J esaja und Ezechiel erleben, erscheint Gott von himmlischen Wesen umgeben, die ihm lobsingen. In einem Wechselgesang rufen die Seraphim von J es 6 3 einander zu: "Heilig, heilig, heilig ist Jahve (lbaoth! die ganze Erde ist seiner Herrlichkeit voll!" In Ez 3 12 - nach dem überlieferten Text - hört der Prophet ein gewaltiges Getöse: "Gepriesen sei die Herrlichkeit J ahves von ihrem Orte aus!" Spätjudentum und Christentum haben beide diesen himmlischen Lobgesang in ihrem Himmelsbilde festgehalten. Vor allem wurde wichtig Jes 6 3 - das Trishagion des christlichen Kulte'l. Jes 63 findet auch in 1 Hen 3912 Verwendung: "Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Geister, er erfüllt die Erde mit Geistern". Gott hat über jedes Ding im Kosmos Engel, Geister, gesetzt und wirkt so in der ganzen Welt. Diese Allwirksamkeit Gottes preist der Lobgesang der Engel hier. Offenbar wechselt dieser Lobgesang mit dem andern von 1 Hen 39 13: "Gepriesen seist du, und gesegnet des Herrn Name bis in alle Ewigkeit." Die Sänger werden hier als die "nie Schlafenden" bezeichnet; sie werden von den Erzengeln unterschieden; in 1 Hen 71 7 sind die "nie Schlafenden" die Kerubim, Seraphim und Ophannim. Von Michael heißt es 1 Hen 40 4, daß er immerdar den Herrn der Geister preist, von Raphael, daß er den Auserwählten und die Auserwählten preist, die bei dem Herrn der Geister aufbewahrt sind. - Am Gerichtstage, wenn Gott den Auserwählten auf den Thron der Herrlichkeit setzen wird, wird er die himmlischen Bewohner, die Engel und Gerechten, rufen, und sie werden Gottes Namen preisen; sie rufen dann "im Geiste des Glaubens, der Weisheit, der Geduld, der Barmherzigkeit, des Rechts, des Friedens und der Güte: Preis ihm, und der Name des Herrn der Geister werde bis in alle Ewigkeit gepriesen", 1 Hen 61 8-11. Voran geht ein Lobpreis des Auserwählten, der aber nicht im Wortlaut genannt wird 1). In 2 Hen 20 f. werden die verschiedenen Engelklassen aufgezählt, 1) Der ziemlich reiche und ausführliche Lobgesang in 1 Hen 632-4 wird von den irdischen Machthabern im S t r a f 0 r t gesungen.
138 die auf 10 Stufen stehen und Gott mit leiser und sanfter Stimme Loblieder singen. 2 Hen 21 3 A wird Jes 62 f. zitiert. - In Apok Abrah 182 f. singen die "Vielaugigen" und die h1. Chajjioth Gott zu Ehren ein Lied, dessen Wortlaut nicht mitgeteilt wird. Wenn sich die h1. Chajjioth bedrohen, dann lehrt sie der Engel "das Lied des Friedens". In gr Bar 10 7 lobsingen die Seelen der Gerechten im 4. Himmel Gott. In bChullin 91 b wird auf Rab (t 247) die Ansicht zurückgeführt, daß täglich 3 Scharen von Dienstengeln vor Gott ein Lied anstimmen. Die erste singt: "Heilig!", die zweite singt: "Heilig!", die dritte singt: "Heilig ist Jahve yebaoth." Doch bleibt diese Ansicht nicht unbestritten; denn andere Rabbinen nehmen an, daß jede Engelschar ein Lied nur einmal am Tage singen dürfe. Wieder andere glauben, nur einmal in der Woche, oder nur einmal im Monat, oder nur einmal im Jahr, oder nur einmal in 50 Jahren oder gar nur einmal in der Ewigkeit. Hier zeige sich auch, daß die Engel vor Gott weniger geachtet seien als die Israeliten; denn diese dürfen ein Loblied anstimmen, wann immer sie wollen. Die Israeliten dürfen auch Gottes Namen schon nach zwei Worten er", ähnen: "Höre, Israel: J ahve, unser Gott ... " (Deut 6 4), aber die Engel erst nach drei Worten: "Heilig, heilig, heilig ist Jahve yebaoth" (Jes 6 3). Ez 312 ist hier keine Gegeninstanz ; denn es sind Radengel, die den Spruch sagen, und diese dürfen - als Vorzug vor den andern - den Namen Gottes schon nach zwei Worten aussprechen. Aus den einzelnen Engeln in Jes 63 sind hier Scharen von Dienstengeln geworden! Der Parallelismus HimmelErde kommt hier in der Ansicht zum Ausdruck, daß die Dienstengel ihr Lied nicht eher anstimmen dürfen, als bis die Israeliten auf der Erde ein Loblied gesungen haben. - Der Engel, der nach Gen 32 mit Jakob gerungen hatte, verließ ihn deswegen (v. 27) zur Zeit der Morgenröte, da eben jetzt die Stunde gekommen war, wo er vor Jahve den Lobgesang zu singen hatte, und zwar zum ersten Male seit seiner Erschaffung. Von einem ununterbrochenen Lobgesang im Himmel redet Wajjiqra r. (par. 1, zu Lev 1 2): 496 000 Dienstengel rufen täglich von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang: "Heilig, heilig, heilig!," und von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang rufen sie: "Gepriesen sei die Herrlichkeit des Ewigen von seinem Orte aus!" Nach bChagiga 12 b und dem "Midrasch der 10 Worte" 1) sind im 6. Himmel (Mä'ön) Scharen von Dienstengeln, die nur des Nachts Lieder anstimmen, des Tags aber 1) Wünsche, Lehrhallen, IV, 1, S. 73.
139 schweigen "wegen der Ehre Israels". D. h. am Tage üben die Israeliten ihren Gottesdienst aus unter Lobgesang, daher ist der himmlische Lobgesang überflüssig. So sind hier Israel und die Engel zwei Chöre, die im Wechselgesang, jeder zu seiner Zeit, Gott loben. Wieder anders ist das Bild im Abschnitt für das Sukkothfest 1): an jedem Morgen steht ein Engel vor Gott und spricht: "Der Ewige war König, der Ewige ist König, der Ewige wird König sein für immer und ewig." Ihm antworten alle Scharen des Himmels, vor allem aber ein "Tier", das in der Mitte des Himmels steht und dessen Name "Israel" ist. Das ist wohl der himmlische Repräsentant des Volkes auf Erden. Dieses "Tier" sagt: "Preiset den Ewigen, der gepriesen ist." Die Responsion der Engel lautet: "Gepriesen sei der Ewige, der gepriesen ist für immer und ewig." Ihnen respondieren - bevor sie ganz fertig sind - die Seraphim mit dem Trishagion. Dann kommen die Chajjioth und singen: "Gepriesen sei die Herrlichkeit des Ewigen von seinem Orte aus." Endlich vereinigen sich alle Himmlischen zum gemeinsamen Schlußgesang : "Der Ewige wird König sein für immer und ewig, dein Gott, Zion, von Geschlecht zu Geschlecht. Halleluja. Der Ewige, Gott, ist der Ewige in Wahrheit" (vgl. Ps 14610). Eine gewisse Einförmigkeit im Lobgesang der Engel ist in den jüdischen Quellen nicht zu verkennen. Die Formulierungen halten sich eng an die Lobgesänge der at.lichen Theophanien und etwa der Psalmen. Etwas freier ist der Verfasser der Bilderreden des 1 Hen. Das NT schließt sich zunächst auch an at.liche Formulierungen an, geht dann aber mit großer dichterischer Kraft zu neuen Formen und Inhalten über, in denen Gottes konkretes Handeln an der Welt besungen wird. Damit kommt ein dynamisches Element zur Geltung, durch das sich das NT abhebt von seiner jüdischen Umgebung. Das läßt sich gleich beim ersten Lobgesang 2) feststellen, der im NT begegnet, in Lk 2 u 3): M~a e'/l fJ1pta-rOlt; {}eij>
ual enl rfjt; ele~V7J b av{}ewnOlt; eMoutat;.
Die beiden Zeilen sind symmetrisch gebaut: der "Herrlichkeit" ent1) Wünsche, Lehrhallen, V, 2, S.35.
I) über das "himmlische Heer" vgl. Eichrodt, Theologie des AT, Bd. H, S. 104; Str B H, S. 116 f.; Schlatter, AT in der joh. Aplr, S. 20 f. 8) Vgl. dazu Joachim Jeremias,"AII1}ewnot eiJt5metar; 1929 (ZNW 28). ThW H, S. 745 ff., Art. eiJt5o"ta von Schrenk.
140 spricht der "Friede", den "Höhen" die "Erde", "Gott" den "Menschen des Wohlgefallens". Die Aussagen in den beiden Zeilen entsprechen einander, indem der Verherrlichung Gottes in den "Höhen", d. h. im Himmel, der Friede auf der Erde unter den Auserwählten entspricht. Die Engel verkünden die Tatsache, daß durch die Geburt Jesu Gott im Himmel verherrlicht wird, und daß Friede auf Erden unter den Auserwählten herrscht. Gott wird Ehre zuteil für die abschließende, endgültige Sendung des Heiles in Jesus. Entsprechend ist mit der Sendung des Erlösers der Friede gegeben - das Gut der Endzeit, der Heilszeit. Das Christusgeschehen umfaßt Himmel und Erde, den ganzen Kosmos, es hat zugleich endzeitlichen Charakter. Der Friede als Heilsgut wird den von Gott Auserwählten gegeben. In der Geburt Jesu ist die Heilszeit schon angebrochen. Im eschatologischen Christusgeschehen entsprechen sich Himmel und Erde wieder, die sonst getrennt und im Gegensatz sind 1). Es ist von da her sachlich durchaus berechtigt, wenn Joachim Jeremias in dem erwähnten Artikel über Lk 214 das Vaterunser (Mt 69. 13; vor allem v. 10) in denselben Zusammenhang stellt. Das Kommen des Gottesreiches bedeutet, daß Gottes Wille im Himmel und auf Erden getan wird. Auch da ist, wie in Apk 211, die kosmische Weite der nt.lichen Eschatologie verkündet. Zugleich aber muß betont werden, daß der nt.liche Parallelismus von Himmel und Erde eschatologischer Art ist. Wir hab e n h i e r nicht das starre Verhältnis von Urbild und Abbild, sondern die volle Entsprechung von Himmel und Erde harrt der Verwirklichung im End g e s c h ehe n. Gottes eschatologisches Handeln besingen die meisten der Hymnen in der Apk. Wenn ich oben sagte, daß in den nt.lichen Hymnen ein dynamisches Element enthalten sei, so zeigt sich das schon in der Formulierung des Trishagion in Apk 4 8: "Heilig, heilig, heilig ist der Herr, der allmächtige Gott, der da war, und der da ist, und der da kom m t!" 2) Gott ist der ewige Herr, aber er ist der zum Gericht und zur Erlösung kommende Gott, er ist der aktiv handelnde Gott, nicht der ruhende. Dem Lobgesang der 4 Lebewesen respondieren in 1) Vgl. ThW I, S. 676-679, Art. yfi von Sasse. 2) Zu diesem und den folgenden Hymnen vgl. Schlatter, AT in der joh. Apk, S. 12 f., X. 62 f. O. Cullmann, Urchristentum und Gottesdienst, 1944, S. 7 f. (in: Abhandl. z. Theologie des AT u. NT, hilgg. v. W. Eichrodt u. o. Cullmann, Nr.3).
141 Apk 411 die 24 Ältesten: "Gott ist würdig zu ne h m e n Herrlichkeit, Ehre und Kraft; denn er hat das All erschaffen und gegründet." Der Gott der Erlösung ist identisch mit dem Gott der Schöpfung; die Schöpfung ist der Grund der Erlösung und damit der Verherrlichung Gottes. Schöpfung und eschatologische Erlösung sind aufeinander be:wgen. Auf Grund des Todes am Kreuz ist das Lamm würdig, das Buch zu ne h m e n; denn es hat aus allen Stämmen, Sprachen, Völkern usw. eine königliche Priesterschaft erkauft, die auf der Erde herrschen wird. Das singen die 24 Ältesten in Apk 5 9 f. als "neues Lied". Christi Heilstat, sein gegen~ärtiges Wirken durch die Mission der Kirche, bedingt sein eschatologisches Gerichtshandeln. Den Lobgesang auf das "geschlachtete Lamm" nehmen die Myriaden Engel auf, die um Gottes Thron stehen, Apk 5 12. Die Responsion darauf singt - an Gott und das Lamm sich richtend - jedes Geschöpf im ganzen Kosmos, Apk 513. Es gibt keine "stumme Kreatur", kein Geschöpf, das nicht fähig und willens wäre, Gott den Schöpfer und Jesus Christus den Erlöser zu loben; denn Gottes schaffendes und Christi erlösendes Handeln kommt jedem Geschöpf zu. Auf die 3 Lobgesänge in Apk 59-13 antworten die Tiere mit "Amen" und die 24 Ältesten fallen nieder und beten an. Damit erscheint das in Apk 4 f. Geschilderte als abgeschlossene kultische Handlung. Johannes hat in seiner Vision einem himmlischen Kultakt beigewohnt, der als solcher aber in das Getriebe der Welt eingreifen wird: dieser Kult im Himmel ist die Voraussetzung für Gottes und des Lammes richterliches und erlösendes Handeln an der Welt und Menschheit. Anlaß zum Lobe Gottes im Himmel geben Tod und Himmelfahrt der beiden Zeugen (Apk 1115): "Die Herrschaft über die Welt ist unserem Herrn und seinem Gesalbten zuteil geworden und er wird herrschen in alle Ewigkeit". Dieser Lobgesang im Himmel steht im Gegensatz zum Jubel, der auf Erden herrschte, als die beiden Zeugen umkamen und tot auf der Gasse lagen (11 9 f.). Er besingt den wirklichen Sieg gegenüber dem Scheinerfolg der Feinde Gottes. Wenn Gott die beiden Zeugen auferweckt und in den Himmel fahren läßt, dann offenbart sich in dieser Tat sein königliches Wirken. Das bestätigen (1117 f.) die 24 Ältesten, die mit ihrem Lobgesang auf den vorhin erwähnten antworten. Hier wird Gottes richterliches Walten herausgestellt: Gott antwortet auf den Zorn der Völker mit seinem Zorn, der sich im Gericht über die Toten manifestiert, aber auch in der Vernichtung derer,
142 die die Erde mit ihrer Tyrannei zerstören. Dem entspricht positiv, daß Gott den Propheten, den Heiligen und allen Gläubigen den Lohn zuteilt. Nach dem Fall der Weltstadt BabyIon wird Gottes gerechtes und wahrhaftiges Handeln gepriesen, das sich in der Bestrafung der mörderischen Stadt und in der Rache für das vergossene Blut der Gläubigen zeigt (Apk 191 f.). Auf den Gesang der "großen Menge im Himmel" antworten die 24 Ältesten mit "Amen, Halleluja" (Apk 19 4). Vor dem Anbruch des tausendjährigen Reiches und damit der Vollendung ertönt der letzte Lobgesang: "Halleluja! denn der Herr, unser Gott, der Allmächtige, hat die Herrschaft angetreten. Laßt uns fröhlich sein und frohlocken und ihm die Ehre geben! denn die Hochzeit des Lammes ist gekommen, und sein Weib hat sich gerüstet, und ihr wurde gegeben, sich in glänzen~es reines Linnen zu kleiden" Apk 19 6-8. Neben diesen Hymnen, die Gottes Handeln begleiten, das Schritt für Schritt zur Aufrichtung seines Reiches führt, stehen Lobeshymnen der Vollendeten. So z. B. in Apk 15 S f.. Hier singen die Sieger aus dem Kampfe gegen das Tier "das Lied Moses, des Knechtes Gottes und des Lammes". Deut 32 - das Danklied nach der Wüstenwanderung wird zum Typus für das Lied nach der Überwindung der Wüste der Endzeit und ihrer Schrecken. Dieselben Überwinder, die aus der großen Trübsal kommen, sieht und hört der Seher in Apk 7 9-11singen: "Heil unserm Gott, der auf dem Throne sitzt, und dem Lamm." Es ist ein Danklied, das alle Himmlischen, Engel, Älteste und die 4 Tiere, aufnehmen, indem sie vor Gott niederfallen. - Blicken diese Hymnen vorwärts in die Vollendung, so besingt Apk 12 10-12 ein vergangenes Ereignis: die Erhöhung des Christus, den Sturz des Drachen auf die Erde, den Sieg der Gläubigen durch das Blut des Lammes und ihren Todesmut ; zugleich aber ergeht der Weheruf über die Erde, die dem Wüten des Drachen preisgegeben wird. - Alle diese Hymnen sind frei gestaltet; sie lehnen sich z. T. mehr oder weniger an at.liche Psalmen und Prädikationen an. Alle sind der konkreten Situation des göttlichen HandeIns angepaßt und begleiten es. Ein Vergleich mit den jüdischen Hymnen im Himmel zeigt, daß die Überlegenheit um:weideutig auf seiten des Verfassers der Offenbarung liegt.
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VI
HENOCH - METATRON Die religiöse Spekulation des Spätjudentums beschäftigte sich intensiv mit Henoch. Grund dazu bot schon der kurze und geheimnisvolle Bericht in Gen 5 18-24: Der fromme Lebenswandel des Urvaters, die Zeit seines Lebens - 365 Jahre, die der Zahl der Tage des Sonnenjahres entspricht -, vor allem aber die Notiz, daß er plötzlich nicht mehr da war, da Gott ihn hinweggenommen hatte. Damit war wohl auf geheimnisvolle Weise seine Aufnahme in den Himmel angedeutet. So r a n k t e s ich u m die G e s tal t H e n 0 c h seI n e r e ich e Sag e n w e 1 t, die in zahlreichen Schriften gesammelt wurde, Nur wenige davon sind uns jedoch erhalten. Dabei ist es aber sehr wahrscheinlich, daß "Henoch" in diesen Schriften nur der Deckname für andere Sagenhelden ist, daß sich Sagen fremden Ursprungs im Judentum so legitimierten, daß sie mit Henoch in Verbindung gebracht wurden. Man übernahm fremdes religiöses Gut, glich es einigermaßen der jüdischen Religion an und deckte es durch den Namen des Heros, von dem die Thora berichtete!). Ein besonders lehrreiches Beispiel ist die Schöpfungs erzählung in 2 Hen 24 ff., die Henoch zugeschrieben wird, die aber mit dem in Gen 1 f. Erzählten nichts zu tun hat 2). He no c h ist der T r ä ger von a 11 e m geh e i m e n W iss e n i n Rau m und Z e i t. Er weiß schlechterdings alles, was auf der Erde, am Himmel und im Himmel vorhanden ist. Er weiß, was in grauer Vorzeit, in Gegenwart und Zukunft geschah, geschieht und geschehen wird. Im Reisebericht von 1 Hen 17-36 wird in seinem Namen eine halb mythische Geographie gegeben: von Palästina über Südarabien, Hadramaut, der Westküste Afrikas und von Spanien weiß "Henoch" zu berichten. Er 1) Bousset-Greßmann S. 491 verweisen auf babylonisches und persisches Lehngut. Es scheint, daß z. B. Sagen über Zarathustra auf Henoch übertragen wurden. Vgl. auch die Überlegungen Odebergs, 3 Hen I, S. 142-146. ') Vgl. dazu Bousset-Greßmann S. 497 f.
144 kennt die Engel, die vom Himmel her auf die Erde stiegen und von Gott abfielen samt ihren Namen (1 Hen 6-16). Er steigt auf zum Himmel und erfährt astronomische Geheimnisse (1 Hen 72-82). Er sieht Gottes Welt und die Engel (1 Hen 14; 2 Hen). Er weiß Bescheid über den Erlöser und das Kommen der Heilszeit (1 Hen B). Er überblickt die Geschichte Israels und der Welt von Anfang bis zum Schluß (1 Hen 83-90) usw. Die Verfasser und Kompilatoren dieser Schriften wollten wohl ihren Zeitgenossen allerhand Neues aus jedem Gebiet des Wissens vermitteln und deckten ihre Belehrungen mit der Autorität des Namens "Henoch". Was Henoch sagte, das mußte wohl stimmen. Vor allem mochte dieses Motiv eine Rolle spielen bei den Belehrungen über die Geheimnisse der Kosmologie und Eschatologie. Nach Jub 423 wird er in den Garten 'Eden geführt und dort zum S c h r e i b e r ein g e set z t. Er schreibt das Gericht und das Urteil über die Welt auf und verzeichnet alle Bosheiten der Menschen. Durch die Bücher, die Henoch führen muß, wird Gottes Urteil im Gericht durch Dokumente und Protokolle fundiert. Gottes Urteil wird damit als von der Willkür getrennt beschrieben. Henoch erhält damit eine Funktion, wie sie z. B. in Ez 92 f. der Schreiberengel hat. Im Hintergrund dieser Anschauung stehen dann alte Schreibergötter wie der babylonische Nabu und der ägyptische Thot. Im ganzen Kontext von Jub 417-23 erscheint Henoch auch als Kulturheros; denn es heißt in v. 17 von ihm, er sei der erste Mensch gewesen, der Schrift, Wissenschaft und Weisheit lernte. Er beschäftigte sich ferner mit Astronomie und schrieb die Himmelszeichen nach der Ordnung ihrer Monate in ein Buch. Das weist hin auf eine Beschäftigung mit den Tierkreiszeichen am Himmel. Henoch gab auch die Jahrwochen der Jubiläen kund wie auch die Zahl der Jahre. Er gab eine Ordnung der Monate und der Sabbathe in den Jahren, so wie er es von Gott erfahren hatte. Auf ihn wir d also die Kalenderberechnung zurückgeführt. Schon in dieser Stelle wird Henoch als g roß e r S ehe r beschrieben, der sowohl in die Vergangenheit wie in die Zukunft zu blicken vermag, wobei seine Zukunftsschau bis zum Jüngsten Gericht reicht. All das, so heißt es, habe er gesehen, verstanden und zu einem Zeugnis für die Menschen aufgeschrieben. Sein Wissen rührt daher, daß er sechs Jubiläen bei den Engeln Gottes zub r ach te, wobei diese ihm alles zeigten, was auf Erden und im Himmel ist. Er ist also Träger alles Wissens im Kosmos, des Sichtbaren und des Unsichtbaren. Endlich legt er Zeugnis
145 ab gegen die Wächterengel, die sich in seinen Tagen mit den Menschentöchtern vergangen hatten. Damit wird er gewissermaßen zu einem h i in m I i s c h e n A n k I ä ger vor Gott. Im Zusammenhang unserer Arbeit ist nun vor allem wichtig, daß im Spätjudentum die Lehre verbreitet ist, Henoch übe jetzt im Himmel gewisse Funktionen aus. Zur Hauptsache ist er der himmlische Schreibe r. Wir sahen soeben, daß er schon zu seinen Lebzeiten auf Erden als Schreiber bezeichnet wird. Dies und die Tatsache, daß er "mit Gott wandelte" zu einer Zeit, da sich sogar die Himmlischen versündigten, ließ aus ihm einen "Zeugen" gegen diese werden, und das wiederum erleichterte die übertragung des Schreiberamtes auf Henoch; seine Himmelfahrt wird ja schon im AT wenn nicht berichtet, so doch angedeutet. Farbenreich wird die Einsetzung Henochs zum himmlischen Schreiber in 2 Hen 22 ff. geschildert. Henoch beschreibt, wie er im 7. Himmel vor Gott geführt wird; Michael erhält den Auftrag, ihn mit einer herrlich leuchtenden Salbe zu salben und ihn in herrliche, weiße Kleider zu kleiden. Nachdem das geschehen ist, sieht Henoch aus wie einer von den Erzengeln. Der Erzengel Vrevoel erhält dann von Gott den Befehl, ihm die himmlischen Bücher und das Schreibzeug, "das Rohr der Schnellschreibung", zu übergeben. Nun soll Henoch in Ewigkeit vor Gott als Schreiber stehen. Die Erhöhung Henochs zum himmlischen Schreiber ist eine Versuchung, der die Engel durch Gott ausgesetzt werden, doch stimmen die Engel dem Plane bei. Henoch wird zuerst von einem Engel, dann von Gott in die Geheimnisse der Schöpfung (Ma'asse Bereschith) und des Kosmos (Ma'asse Merkaba) eingeweiht. Er ist nun ein "Wisser der Geheimnisse". In 1 Hen 12 4, 15 1 wird Henoch schon zu Lebzeiten auf Erden "Schreiber der Gerechtigkeit" genannt; Als solcher muß er den gefallenen Wächterengeln Gottes Strafe verkünden). In tAbrah 10 8-11 3 erscheint Henoch als riesiger Engel; er trägt eine Tiara auf dem Haupt und das goldene Schreibrohr in der Hand. Zwei Kerubim tragen ihm die Bücher nach, aus denen er die Seelen ihrer Sünden überführt. Seine 3 Kronen heißen - im Hinblick auf seine Funktion - "Zeugniskränze". - Beim Endgericht belegt Henoch Gottes Verdammungsurteil über die 70 Hirten aus den himmlischen Büchern (1 Hen 9021 ff.). Natürlich ist er einer der ganz Großen in der Endzeit (1 Hen 9031 f.) 1). 1) Nach Bousset-Greßmann S. 353 wäre der Schreiber, der 1 Hen 8970 alle Taten der Völkerengel aufschreibt, ebenfalls Henoch. Bietenhard, Himmlisohe Welt
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146 Weiter als die Funktion als Schreiber reicht sein Amt als Fürbit te r. 1 Hen 13 S ff. bitten die gefallenen Wächterengel den Henoch, er möge für sie eine Bittschrift an Gott richten. Henoch tut das, hat jedoch bei Gott keinen Erfolg damit. In der gleichen Linie liegt es wohl, wenn 2 Hen 614 Henoch boi seinem Abschied von der Erde von den Ältesten und dem Volk gebeten wird, er möge sie vor dem Angesichte Gottes verherrlichen; "denn der Herr hat dich erwählt, und dich zum Erlöser unserer Sünden gemacht" (Rez. B). Nach der Rez. A sagen die Menschen zu Henoch: "Denn der Herr hat dich erwählt mehr als alle Menschen auf der Erde und dich gesetzt zum Aufschreibenden seiner Kreaturen, der Sichtbaren und der Unsichtbaren, und zum Wegnehmer der Sünden der Menschen und zum Helfer deiner Hauskinder" (v. 5). Die höchste Ehre widerfährt Henoch in 1 Hen 71. Henoch wird hier geradezu zur Heilspersönlichkeit ; denn er wird zum Menschensohn eingesetzt. Das Kapitel fällt literarisch und sachlich durchaus aus dem Rahmen des 1 Hen, wenn es dem Henoch diese Würde zuerkennt. Henoch wird nach diesem Bericht in den Himmel hinauf entrückt, wo er die Engel sieht, weißgekleidete Gestalten, deren Gesichter weiß wie Schnee sind. Er sieht 2 Feuerströme (Dan 7 10 I), die leuchten wie Hyazinth. Dann wird er vom Geiste in den Himmel der Himmel entrückt. Dort sieht er den Kristallpalast Gottes, der von Feuerzungen und 4 Feuerströmen umgeben ist. Kerubim, Seraphim, Ophannim, die nie Schlafenden umgeben Gottes Haus im Himmel, ferner unendliche Scharen von Engeln. Die 4 Erzengel, Michael, Gabriel, Raphael und Phanuel, gehen im Hause Gottes ein und aus. Dann tritt Gott, "der Betagte", mit den 4 Erzengeln aus dem Hause. Bei seinem Anblick fällt Henoch vor Schreck nieder: "mein Leib schmolz zusammen und mein Geist verwandelte sich." Henoch lobt dann Gott, und Gott erklärt ihn durch Michael zum Menschensohn: "Du bist der Mannessohn, der zur Gerechtigkeit geboren wird; Gerechtigkeit wohnt über dir und die Gerechtigkeit des betagten Hauptes verläßt dich nicht. Dann sagte er zu mir: er ruft dir Frieden zu im Namen der zukünftigen Welt; dennvon dort geht hervor der Friede seit der Schöpfung der Welt, und also wird dir geschehen in Ewigkeit und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Alle, die auf deinem Wege wandeln werden - du, den die Gerechtigkeit nimmer verläßt -, deren Wohnungen und Erbteil werden bei dir sein, und sie werden sich bis in alle Ewigkeit nicht von dir trennen. So wird Länge der Tage auf jenem Menschensohn sein, und
147 die Gerechten werden Frieden haben und seinen geraden Weg (wandeln) im Namen des Herrn der Geister von Ewigkeit 7U Ewigkeit" (v. 14-17). H e n 0 c h ist also der Mit tel p unk t der Ger e c h t e n i m Hirn m e I , Herr einer Gemeinde von Gerechten im Jenseits bei Gott. Das Heil der Gerechten ist im Himmel und bleibt im Himmel. Von einer Herabkunft auf die Erde ist nicht die Rede. Der Sc hauplatz der Seligkeit ist jetzt schon der Himmel. Der Gerechte geht zu Henoch in den Himmel, um dort die Seligkeit zu genießen 1). Wir haben damit eine ähnliche Schilderung der Seligkeit, wie wir sie - etwas ausgeführter - inder Ascens Jes treffen. In dieser Schrift fehlt dann allerdings die Parusie Christi nicht. Allgemein anerkannt ist, daß wir uns mit 1 Hen 71 in der Nähe der christlichen Messianologie befinden. Die Frage ist nur, in welchem Verhältnis hier Jüdisches und Christliches stehen. Die Zeiten, da J. Oh. K. von Hofmann, Weiße und Philippi den ganzen 1 Hen als ein christliches Werk erklärten, sind wohl endgültig vorbei. Auch die Ansicht von Hilgenfeld, Volkmar und König, daß 1 Hen B christlichen Ursprungs sei, hat sich nicht durchgesetzt 2). Aber über 1 Hen 71 sind die Akten noch nicht endgültig geschlossen. Wenn Beer gegen die Hypothese vom christlichen Ursprung von 1 Hen B bemerkt: "Man bedenke auch, ein Ohrist unternähme es, in ein jüdisches Buch die neutestamentliche Ver kündigung von J esu, dem Menschensohn, in verhüllter Form einzutragen, in dasselbe Buch, in dem Kap. 71 Henoch als Menschensohn proklamiert wird", so trifft er damit nicht alle Einwände. Jüdische Schriften sind christlich interpoliert worden, trotzdem sich das Interpolierte nicht immer mit dem Text vertrug. So unerhört wäre eine christliche Interpolation . nun nicht. Gewichtiger ist Beers anderer Einwand, daß vom irdischen Leben Jesu, von seinem Tod und der Auferstehung nichts dasteht. Und doch meinte Volz (S. 198), daß 1 Hen 71 ein christliches Kapitel im sonst jüdischen 1 Hen sei 3)! Volz allerdings findet die Schwierig') Volz S. 198. 2) Beer bei Kautzsch II, S. 231. 3) Die gegenteilige Meinung vertritt Billerbeck, Str B IV, S. 807. Auch Sjö· berg tritt a. a. O. S. 25. 167 für jüdischen Ursprung des Kapitels ein. Eine gründliche, alle Probleme erwägende Auslegung gibt Sjöberg auf S. 147-189. Auch er gibt die Möglichkeit einer späteren Interpolation des Kapitels in den 1 Hen zu (S. 166 f.). Überzeugend hat er ferner dargetan, daß 1 Hen 71 - wie auch die übrigen Henochschriften - nicht vom Inkarnationsgedanken, sondern 10'
148 keit darin, daß in 1 Hen 71 H e n 0 c h der Menschensohn ist; wie verhält er sich dann - christlichen Ursprung angenommen -.:... zu J esus Christus? Ich möchte nun im Anschluß an Volz vermuten, daß wir es in 1 H e n 7 1 zu tun haben: entweder mit einer c h r ist li c h e n S c h r i f tin j ü dis c her B e a r bei tun g oder mit einer j ü d i sc h e n Pol e m i k g e gen c h r ist I ich e M e n s c h e n s 0 h n - T h e 0 log i e. Im ersten Fall wäre sofort die merkwürdige Nähe des Kapitels zur christlichen Lehre von der Erhöhung Christi erklärt. Man denke etwa an Apk 14, wo Christus erscheint umgeben von den Seligen; ähnlich ist in 1 Hen 71 Henoch das Haupt der Heilsgemeinde im Himmel. Es würde aber auch erklärt, warum auf Jesu Tod und Erhöhung kein Bezug genommen ist. Der Jude merzte das Ärgernis des Kreuzes aus! Immerhin gibt es auch dazu eine christliche Parallele: in Apk 125 wird von der Erhöhung Jesu in den Himmel geredet, ohne daß Tod und Auferstehung besonders erwähnt werden! Für den Juden könnte die Erhöhung Henochs in den Himmel gut aus Gen 5 begründet werden. Daß schließlich eine jüdische Schrift einmal christlich beeinflußt ist, ist kein so unerhörter Gedanke, sobald man sich einmal von dem Dogma freigemacht hat, daß im Falle von Parallelität immer das Christentum der empfangende, d. h. sekundäre Teil sein müsse. Im zweiten Falle hätte ein Jude der christlichen These die andere entgegengestellt: "Nicht Jesus, sondern Henoch ist der Menschensohn; denn von ihm berichtet die Thora eine Himmelfahrt." Er hätte dann seine These in Anlehnung an christliche Verkündigung in 1 Hen 71 bildhaft formuliert. Auch das würde erklären, daß jeder Hinweis auf Jesus von Nazareth und sein Erdendasein fehlt. So wäre sowohl die Verwandtschaft der Lehre von 1 Hen 71 mit der christlichen Lehre erklärt, sowie auch die Singularität der hier geäußerten Lehren innerhalb der spät jüdischen Überlieferungen. Merkwürdig ist ja, daß 1 Hen 71 in der späteren Spekulation über Henoch keine Rolle mehr spielt. vom Erhöhungsgedanken aus verstanden werden müssen (S. 185 f.). Er gerät dann allerdings in gewisse Interpretationsschwierigkeiten über der Frage, wie es möglich sei, daß der erhöhte Henoch mit dem präexistenten Menschensohn der Bilderreden identisch sein könne. M. E. lösen sich diese Schwierigkeiten am besten so, daß man annimmt, I H e n 7 0 f. sei ein Ein s c hub von a n derer Hand, der auf die Menschensohn-Theologie der B i 1 der red e n k ein e R ü c k 8 ich t n i m m t,
149 Weiter wird in der jüdischen Überlieferung He n 0 c h mit Metat r 0 n gl eich ge set z t. "Henoch ... wurde hinweggenommen und durch das Wort Gottes in den Himmel versetzt und er hieß fortan mit seinem Namen Metatron, der große Schreiber" 1). Über den Namen Metatron wurde eine sich über Jahrhunderte hinziehende Diskussion geführt, da die Etymologie des Wortes durchaus ungeklärt war und vielleicht immer noch ist 2). Als wahrscheinlichste B e d eu tun g des Na m e n s Met at r 0 n hat sich m. W. ergeben: der Name ist griechisches Lehnwort, ",era (rav) ffeovov, d. h. der "Nächste nach dem Throne" scil. Gottes 3); damit wird Metatron als Vizegott, Stellvertreter Gottes bezeichnet. Er ist der h i m m I i s c h e Ve z i er und K a n z I er, der nächst Gott die höchste Autorität im Kosmos hat. Damit stimmt überein, daß er vor allem im 3 Hen als der Kleine Jahve bezeichnet wird 4). Diese Bezeichnung geht für die Rabbinen zurück auf Ex 23 ~1, wo der "Engel Jahves" erwähnt wird, von dem es heißt: "Denn mein Name ist in ihm" 5). Er trägt wie ,Gott den Namen "Jahve". Im Targum zu Deut 346 wird Metatron zusammen mit den Erzengeln Uriel, Jophiel und Jephippjah erwähnt. Diese vier holen die Seele Moses bei dessen Tod in den Himmel. Diese Engel heißen hier "Meister (Herren) der Weisheit" 6). In der Erzählung von der Himmelfahrt des Elisch'a b. Abuja (Acher) begegnet Metatron als himmlischer Schreiber, der sich täglich eine ") Targum Ps.-Jonathan zu Gen 524; zitiert bei Bousset-Greßmann S. 353. Ein e der fr ü h e s t e n N ach r ich t e n übe r die Gleichsetzung von Henoch mit Metatron. 2) Über die verschiedenen Versuche zur Lösung dieses Problems berichtet, alle Möglichkeiten diskutierend, Odeberg, 3 Hen I, S.125-142. 3) Ich folge hier Ode berg, bin mir aber der immer noch herrschenden Unsicherheit der Forschung an diesem Punkte bewußt. Bousset-Greßmann leiten das Wort - in sehr apodiktischer Form! - von lat. meta tor =" Feldmesser, Schreiber, Gesandter, Quartiermacher" ab (S. 354). So auch Schmitz im ThW IU, S. 164 30, .Art. De6vor;. 4) Odeberg, a. a. O. S. 82 f. 5) bSanhedrin 38 b: "Es sprach jener Min zu Rab Idith: warum heißt es (Ex 241): ,Und zu Mose sprach er (Gott): Gehe hinauf zu Gott', es sollte doch heißen: steige herauf zu mir? Dieser antwortete: das hat Metatron gesagt, dessen Name wie der Name seines Herrn ist, wie es heißt (Ex 2321): ,Denn mein Name ist in ihm'. Darauf versetzte der Min: so sollte man ihn anbeten. R. Idith entgegnete: es heißt: 1:1 "~I'I ~N, ,sei nicht widerspenstig gegen ihn', was sagen will: 1:1 '~"'~I'I ~N, du sollst mich nicht mit ihm vertauschen'." 6) Odeberg, a.a. O. S.95, wo diese Stelle dem Inhalt nach angegeben ist. Hier finden sich auch Erläuterungen zum Namen "Herr der Weisheit".
150 Stunde setzen darf, um das Verdienst Israels aufzuschreiben (bChagiga 15 a). Acher glaubt, da er Metatron sitzen sieht, es gebe zwei Götter im Himmel, und wird in der Folge Apostat. Da es im Himmel Schulen gibt, gibt es auch Lehrer; wenn ein israelitisches Kind vorzeitig stirbt, geht seine Seele in die himmlische Schule und wird dort von Gott oder Metatron in der Thora unterrichtet; Gott unterrichtet während den vierten 3 Stunden des Tages, während Metatron ihn in der übrigen Zeit vertritt (b'Aboda Zara 3 b). Man beruft sich dafür auf Jes 289 1 ). Nach dem Midrasch Eka rabbathi (Einleitg 24) weinte Gott, als er den Tempel zerstörte; Metatron bittet Gott, er möge ihn an seiner Stelle weinen lassen. Gott antwortet ihm: "Wenn du mich nicht weinen lässest, gehe ich an einen Ort, zu dem du keinen Zutritt hast und will dort weinen." Daß es im Himmel Orte gibt, zu denen nur Gott Zutritt hat, wird aus Jer 1317 geschlossen. Nach Thanchuma (Waethchanan 6) 2) bittet Mose, nachdem er vergeblich Himmel und Erde um Fürsprache angegangen hat, damit er nicht sterben müsse, auch Metatron um seine Fürsprache. Dieser weist ihn darauf hin, daß es nutzlos sei; denn "er habe hinter dem Vorhange gehört", Mose müsse sterben. In derselben Parasche wird berichtet, Gott sei über den Tod Moses betrübt gewesen, da nun niemand mehr für Israel eintreten könne. Doch Metatron antwortete Gott, daß Mose ihm in seinem Leben gehört habe und darum ihm auch nach seinem Tode gehöre. Met at r 0 n übt auch die Funktionen eines h i m m I i s c h e n Pr i e s te r s aus wie nach bChagiga 12 b Michael: "Zur Zeit, als der Heilige, gepriesen sei er! den Israeliten befahl, das Stiftszelt zu errichten, schlossen seine Worte auch einen Befehl an die Dienstengel in sich, daß sie ein Stiftszelt in der Höhe errichten sollten. Dies ist das "Stiftszelt des Jünglings", dessen Name Metatron ist, und in ihm bringt er die Geister der Gerechten dar zur Entsühnung Israels in den Tagen ihres Exils (Bemidbar r., par. 12 zu Num 71) 3). Wenn ') Ob in Siphre zu Deut 3249 Metatron als selbständige Persönlichkeit vorkommt, ist nicht sicher, da der Text verderbt ist. Nach Bousset-Greßmann S. 353 war nach diesem Text Gott selbst "ein Metatron für Mose" und zeigte ihm auf dem Berge das Land Israel. Odeberg, a. a. O. S. 92 und Anm. 1 dazu korrigiert den Text nach einer Hs. und erhält so den Text: "Mit seinen Fingern zeigte Metatron dem Mose das ganze Land Israel". 2) Zitiert bei Odeberg, a. a. O. S. 93. 3) Vgl. dazu E. Käsemann, Das wandernde Gottesvolk, 1938, S. 116-151, bes. S. 124-140.
151 Bousset 1) recht hat, gehört hierher auch bJebamoth 16 b: "R. Schemuel b. Nachmani sagte im Namen R. J 0 n a t h ans: folgenden Vers sprach der Fürst des Weltalls: ,Jung war ich und bin alt geworden.' Wer sollte ihn sonst gesprochen haben? Wollte man sagen: der Heilige, gepriesen sei er! so gibt es ja bei ihm kein Altwerden, und wenn David, so ist er ja nicht sonderlich alt geworden. Vielmehr sprach ihn der Fürst des Weltalls." Wegen der Sünde der Nachkommen der Engel Schamchazai und 'Azazel kam Metatron vom Himmel herab und kündete das Kommen der Flut an 2). Nach dem Midrasch Die Mau ern und Hall e n von Ga n , E den und sei ne Be wo h n e r 3 ) ist die Leiter, die Jakob im Traume sah, "die Leiter des Jünglings Metatron, der höher ist als seine Genossen eine Reise von 500 Jahren, und alle Fürsten, die über die Völker gesetzt sind, nahen sich der Leiter ... " Diese Leiter verbindet das untere mit dem oberen Paradies. - Im Jalkut Chadasch 116 4 ) ist Metatron zusammen mit den Engeln Sandalphon und Achtariel derjenige, welcher aus den hebräisch gesprochenen Gebeten Kronen für Gott bindet. Eine sehr große Rolle spielt Met a t r 0 n im 3 He n. Doch sind die Anschauungen dieser Schrift über Metatron nicht einheitlich; ver s chi e den e B e t r ach tun g s w eis e n sind unverbunden und z. T. widerspruchsvoll aneinandergereiht. Durchgängig ist nur, daß Henoch-Metatron jeweils in den Einleitungen zu den einzelnen Kapiteln, im "Rahmen" der Schrift, als angelus interpres auftritt, der dem R. Jischma'el b. Elisch'a die Geheimnisse des 7. Himmels enthüllt. Zu diesem Amt ist er von Gott eigens delegiert worden (1 4-6). Durchgängig wird Metatron Sar-hapPanim, d. h. "Fürst des Angesichts", scI. Gottes, genannt. Metatron schaut Gott von Angesicht zu Angesicht und ist in seiner unmittelbaren Nähe. - Wie in der talmudischen Tradition wird er mit Henoch identifiziert: als die Generation der Flut sündigte und sich gegen Gott empörte, wurde Henoch 1) W. Bousset, Hauptprobleme der Gnosis, 1907 (in: Forschungen zur Religion und Literatur des .AT und NT, 10), 8.200. Es sei hier noch bemerkt, daß - vor allem in der .A m 0 r ä erz e i t - die Lehre aufkam, daß E I i a s der h i m m I i s c h e 8 c h r e i b e r sei. E r ist a u c h der Für bit t e r für I s r a e I und die Ger e c h t e n. 8tr B IV, 8. 766-769. 2) Wünsche, Lehrhallen I, 8.8. 3) Wünsche, Lehrhallen IH, 1, 8. 63. 4) Zitiert bei Eisenmenger H, 8. 393 f.
152 als ein Zeuge gegen sie zu Gott entrückt (43) 1). Er wurde zu einem Fürsten und Herrscher über die Engel gemacht (45), entgegen dem Protest, den die 3 Dienstengel 'Uzza, 'Azza und 'Azzael erheben (46). Weil Henoch-Metatron so nicht von Anfang der Schöpfung an ein hoher Engelfürst war, nennt man ihn im Himmel "Jüngling" (Na 'ar) (410; 3. 2). Nach Kap. 6 und 480 befand sich die Schekina bis in die Tage des Sintflutgeschlechts auf der Erde, dann aber fuhr sie in die Himmel auf (61; 4810; vgl. Ps 476). Henoch wurde damals zugleich mit der Schekina in den Himmel erhoben. In 3 Hen 6 1 wird berichtet, daß die Entrückung Henochs auf einem feurigen Wagen mit feurigen Pferden geschah (2 Kön 2 11). Lenker dieses Wagens war der Engelfürst 'Anaphiel H' 2). Auch hier protestieren die Engel gegen die Aufnahme Henochs in den Himmel: der Weibgeborne hat nichts unter den Himmlischen zu suchen (6 ~). Der Grund für die Erhöhung Henochs ist seine Gerechtigkeit, Vollkommenheit und sein Glaube, durch die er alle Menschen seiner Zeit übertraf. Darum ist er ein "Auserwählter", ein Tribut, den sich Gott aus der Zahl der Menschen nahm (63). Darum wohl wird er der "Eine Einzige aus den Kindern des Himmels" genannt (481 0). Neben "Jüngling" heißt er auch "der kleine Jahve" (125; 4870). Darüber hinaus trägt er 70 Namen - ein Reflex der 70 Namen Gottes, die auf Gottes Thron geschrieben 1) Nach dem hebräischen Text und nach den LXX hat Henoch die Generation der Flut nicht erlebt. Dagegen hat die samaritanische Übersetzung andere Zahlen für das Lebensalter der Urväter vor der Flut; nach diesen Angaben hat Henoch die Zeit der Flut erlebt. Dieser samaritanischen Chronologie folgt 1 Hen (vgl. Beer bei Kautzsch H, S. 234). Der 3 Hen ist demnach von dieser Chronologie abhängig. - Odeberg, 3 Hen I, S. 83. 188 hat vor allem auf Grund von 3 Hen 48 (C) geglaubt, die These vertreten zu können, daß Henoch eine Inkarna tion Metatrons sei. Wie mir scheint, hat Sjöberg (vgl. Anm. 3 S. 147) a. a. O. S. 172 bis 184 den Nachweis überzeugend geführt, daß das nicht der Fall ist, daß auch der 3 Hen nur den Erhöhungsgedanken kennt. Met a t r 0 n ist der e r h ö h t eHe n 0 c h. Richtig ist bei Odeberg allerdings, daß nach 3 Hen 111 Metatron ein Urzeitwesen ist: "Der Heilige, gepriesen sei er! offenbarte mir von Urzeit an alle Geheimnisse der Thora ... " (;,.,m ,.,no ,~ lN~ ;'":l~;' " ;,,~). Dieses Urzeitwesen Metatron wurde dann mit Henoch identifiziert, ähnlich wie 1 Hen 71 der Menschensohn mit Henoch identifiziert wurde. Voraussetzung dabei ist allerdings, daß TN~ in 3 Hen 111 oben richtig wiedergegeben wurde. Es könnte auch heißen "von jener Zeit an", nämlich nachdem Henoch erhöht worden war. In diesem zuletzt genannten Sinne hat es der Verfasser des 3 Hen auch verstanden (Odeberg, 3 Hen I, S. 142 ff.; Sjöberg, S. 179). 2) H' bedeutet in den Engelnamen des 3 Hen das TetriJ,gramm (Jahve). Viele Engel haben an ihren Namen noch das Tetragramm iJ,ngefügt.
153 sind; sie entsprechen den 70 Völkern der Welt (31; 4 1; 48 9 C; 48 1 D). An der zuletzt genannten Stelle werden die Namen aufgezählt. Entsprechend diesen Bezeichnungen kommt seine Herrlichkeit fast der Jahves gleich, und sie überragt alle Himmlischen. Er hat 72 Flügel, je 36 an jeder Seite, von denen jeder so groß ist wie die Welt (92). Er hat 365 Augen, von denen jedes so groß ist wie die Sonne (94). Jede Art von Glanz und Herrlichkeit ist an ihm (95), oder anders gesagt: er trägt ein überaus herrliches Gewand (12 1 f.). Nach seiner Aufnahme in den Himmel wurde er in eine Feuergestalt verwandelt (15 1; 48 6 C). Er sitzt auf einem Throne, der dem Throne Gottes ähnlich ist (101), am Eingange der 7. Halle des
154 ihm sind Sammael und die Schar der Ankläger unterstellt. Er ist Herr über die Naturengel, die die Natur lenken. Die einzelnen Herrscher der Welt sind ihm unterstellt (14). Er ist der Richter der "himmlischen Familie in der Höhe" (488 C). Er ist über die hl. Chajjioth gesetzt, denen er täglich Kronen windet, ferner über die Kerubim, die er in herrliche Gewänder kleidet; über die Seraphim, die er mit Hoheit bedeckt, über die Chaschmallim des Lichts, deren Glanz er erneuert und deren Thron er jeden Morgen bereitet; über die hellen Funken, damit sie leuchten und blitzen (484 C). Er ist Herr über die Sterne, die er am Himmel antreten läßt (462). Gott hat ihn übe r a 11 e S c h ätz e des •Ara bot h gesetzt (10 6) und ihm die Schlüssel dazu gegeben (483 C). Diese Schätze - des Lebens, der Erkenntnis, der Liebe, der Thora usw. - wurden ihm geöffnet und auf ihn übertragen (8). 5360 Segnungen wurden ihm gegeben (9 1). Durch Gott belehrt ist er im Be s i tz e all er Geh e im n iss e der T h 0 r a und der Weisheit; er kennt die Tiefen des vollkommenen Gesetzes und die Geheimnisse der Schöpfung (111), überhaupt alle Geheimnisse von Himmel und Erde (484 C). Er kennt die Gedanken der Menschen, bevor der Mensch selbst sie denkt (11 2). Zu alledem kommt, daß er täglich Gottes Thron bedienen muß (7; 81; 484 C). Endlich f ü h r t erd i e g ö t tl ich e n Besc h 1 ü s s e auf der Erd e aus (4810 C). Er ist der h i m m 1 i s ehe L ehr er: er sammelt alle Kinder, die im Mutterleib, als Säuglinge oder als Schüler starben, bringt sie unter den Thron der Herrlichkeit und lehrt sie Thora, Weisheit, Haggada und alte Überlieferung (48 12 C) 1). So hoch Metatron mit alledem gestellt wird, so fehlt es auf der andern Seite im 3 Hen nicht an e n t g e gen g e set z t e n T e n den zen, die darauf ausgehen, seine Bedeutung herab zudrücken. Im angelologischen Teil (3 Hen 17-28) hat Metatron in den 3 erwähnten Engelhierarchien keinen Platz. Das mag sich freilich aus dem kompilatorischen Charakter des 3 Hen erklären. So ist z. B. 302 und 383 der "Fürst der Welt" nicht Metatron. Die zwei Einschübe - Kap. 103 und Kap. 16 - jedoch verfolgen deutlich die Tendenz, Metatron an Würde herabzusetzen. So heißt es 103 von ihm: "Ich habe ihn zu einem Fürsten und Herrscher über alle Fürsten meines Reiches und über alle Kinder des Himmels gemacht, ausgenommen die acht 1) Nach b'Aboda zara 3 b unterrichtet Gott selber die Kinder im Himmel in der Thora.
155 großen Fürsten 1), die geehrten und verehrten, die "Jahve" genannt werden nach dem Namen ihres Königs". In Kap. 16 wird die bekannte Erzählung von Acher aus bChagiga 15 a berichtet. Mit 60 Feuerschlägen ist Metatron damals bestraft worden, weil er nicht aufstand und sich so als Diener zu erkennen gab. Seit jener Zeit steht auch Metatron im Himmel und sitzt nicht mehr auf einem Throne. Damit sind die sonstigen hohen Aussagen, die der 3 Hen über Metatron macht, vom Verfasser dieses Einschubes paralysiert worden 2). Wenn wir das vorliegende Material über Henoch - Metatron überblicken, so sehen wir, daß sich an diese Gestalt ver s chi e den e I d e e n k re i se angeschlossen haben. Ausgehend von Gen 5 machte man aus ihm den Ger e c h t e n , der unter seinen Zeitgenossen einzig dasteht. Er wird von Gott als Z eu ge gegen sündige Engel und Menschen in den Himmel geholt. Er erlebt nach der Tradition das Geschlecht der Flut, gegen das er Zeugnis ablegen muß. Als Z eu g e i m H i m m e I wird er bald zum h i m m I i s c h e n S c h r e i b er, der die Sünden der Menschen protokolliert. Damit ist der Anknüpfungspunkt gegeben dafür, daß man auf Henoch die Funktionen der heidnischen Schreibergötter, die in Ez 92 als Schreiberengel erscheinen, übertragen konnte. Er wird so im jüdischen Monotheismus der h im m I i s c h e K a n z I er. Als solcher schreibt er auch die Verdienste Israels auf. Mit der Funktion des himmlischen Schreibers hängt natürlich die des h i m ml i s ehe n L ehr er s zusammen. Zu alledem kommt, daß Henoch nach der Schrift einer der ganz wenigen Menschen war, von denen eine Himmelfahrt angenommen werden konnte und mußte. So wird er der T r ä ger übe r m e n s chI ich e n W iss e n s. Die Traditionen darüber erreichen ihren Höhepunkt im 3 Hen. Ein weiterer Schritt wird 1 Hen 71 getan, wo ein Anonymus den Henoch mit dem M e n s c h e n s 0 h n identifiziert. Damit zieht die Gestalt Henochs auch diesen wichtigen Ideenkreis an sich 3). Wohl schon im frühen 2. Jhd. wird ein weiterer wichtiger Schritt getan, als He n 0 c h mit Met a t r 0 n g lei c h g e set z t 1) Odeberg, a. a. O. S. 85 vermutet hier gnostische Einflüsse -
die
ol'ooa,!
2) Odeberg bezeichnet das Kapitel als einen Einschub. 3) Nach Bousset, Hauptprobleme, S. 199 ff., die Spekulationen über den
"Urmenschen". Doch vgl. Odeberg, a. a. O. S. 47 \ S. 78: der 3 Hen polemisiert gegen die Urmensch-Spekulationen, vor allem in Kap. 5. Henoch-Metatron wird im 3 Hen nie mit dem Urmenschen oder dem Menschensohn identifiziert.
156 wurde, mit einem der höchsten Engel also. Als solcher zieht HenochMetatron die Funktionen Michaels als des hirn m I i s ehe n H 0 h e pr i e s te r s an sich. Er wird mit dem Engel Jahves identifiziert. Auf die Spekulation über Metatron mögen vielleicht Gestalten eingewirkt haben, wie sie etwa in Jos 5 18 begegnet: der Kommandant des himmlischen Heeres (vgl. auch Ri 5 28; Mal 3 1; Num 20 16; Ex 1419). - Als Gerechter ist Henoch endlich geeignet, als Für s p r e ehe r für die anderen Menschen vor Gott zu fungieren. Das Erlebnis, das von Elisch'a b. Abuja berichtet wird, fügt zu alledem noch die g nos t i s ehe Z w e i g ö t t e r I ehr e hinzu, deren Gegenstand Metatron wird. Was Acher erlebte oder lehrte, das ist von der Überlieferung anschaulich konkret dargestellt worden; vielleicht war Acher auch Ekstatiker. Er sah im Himmel 2 Götter; d. h. Achers Forschungen und Spekulationen führten ihn - ob auf rationalem oder ekstatischem Wege - in die Zaubergärten der Gnosis mit ihrem Ditheismus. Er behielt seine Ideen nicht für sich, sondern fiel ab, brachte andere zum Abfall und wurde ein aktiver Gegner des Judentums. Er veranlaßte die Schüler zum Verlassen der Thol'aschulen; er selbst ergab sich einem liederlichen Lebenswandel. Grätz vermutetel), daß Acher der valentinianischen Gnosis in die Fänge gelaufen war, deren Demiurg eine besondere Vorliebe für das Judentum aufwies: Acher habe ja gesehen, daß Metatron das Verdienst Israels aufschrieb! Darnach hätte Acher das Judentum als das Werk des untergeordneten Weltgottes und Demiurgen betrachtet. Der Kampf der Gnosis gilt diesem Demiurgen und also auch dem von dem Demiurgen beschützten und gehegten Volke. Darum die Feindschaft Achers gegen Judentum und Gesetz. Der Abfall Achers wog für die Tradition um so'schwerer, als er einer der fähigsten und bedeutendsten Thannaiten gewesen sein soll. R. Melr hielt bis zu seinem Tode an den halakischen und haggadischen Lehren Achers fest; er hielt es mit seinem Meister wie mit einer Granatfrucht : man ißt den Kern und wirft die Schale fort! Auf jeden Fall zeigt das Beispiel Achers, daß eine religiöse Erschütterung auch und sogar die Schulhäupter ergriff in jener Zeit. Wenn ich schließlich noch an Markion erinnere, dessen gerechter und böser Demiurg auch eine besondere Vorliebe für die Juden hatte, so zeigt sich in allem, daß die Grundwelle gnostischer Religiosität antijudaistisch war. Acher zeigt, daß diese Grundwelle auch das Judentum ergriff. 1)
Grätz, Gnosticismus und Judentum, S. 44 f., S. 63-65.
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Zieht man dazu noch die Erschütterung in Betracht, welche die Kriege von 66-70 und 130-135 mit sich brachten, so wird das Irrewerden Achers am Glauben der Väter noch verständlicher. Gottes Einheit zerbrach diesem Thannaiten. Aber er war wohl nicht der Einzige in seiner Zeit. Nicht umsonst wird in 4 Esr 6 1-6 Gottes Alleinwirksamkeit so stark betont! Ein weiterer Beweis für die Erschütterung des Judentums ist wohl die B e z e ich nun g Met a t r 0 n s als des "k lei n e n Ja h v e". Dieser Ausdruck ist in gnostischen Schriften belegt!). Vor 1) So heißt es in der Pis t isS 0 phi a 7 (Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte, hsgg. v. d. Kirchenväterkommission der königlich-preußischen Akademie der Wissenschaften. Koptisch-gnostische Schriften, hrsg. v. earl Schmidt, Bd. I, 1905, S. 7 f.): "Ich (scl. Jesus) fand Elisabeth, die Mutter Johannes des Täufers (ßa:!T:rtG7:~r;), bevor sie ihn empfangen hatte, und ich säte eine Kraft in sie, welche ich von dem k lei n e n Ja 0 , dem guten (dyalMr;), dem in der Mitte (,ueaov) genommen hatte, damit erimstande sei, vor mir her zu predigen ... " S. 8: "Die Kraft aber (oe) des kleinen Jao, des von der Mitte, und die Seele (1pVx~) des Propheten (neorp~r1')r;) Elias, sie sind gebunden in den Körper (aw,ua) Johannes des Täufers (ßa1/:Ttar~r;)." In Kap. 134 S. 228 f. scheint Henoch mit Jeu (= Jao?) identifiziert zu werden; hier hat er auch die Funktion des Schreibers: "Jetzt nun, wegen der Sünder habe ich mich gezerrt (auV.V.Etv) und bin in die Welt (,,6a,uor;) gekommen, damit ich sie errette; denn selbst für die Gerechten (ot"atot), die niemals etwas Böses getan, und die überhaupt nicht gesündigt haben, ist es notwendig, daß sie die Mysterien (,uvar~eta) finden, die in den Büchern des Jeu, die ich Henoch im Paradiese (naeaoEwor;) habe schreiben lassen, indem ich mit ihm aus dem Baume der Erkennt· nis und aus dem Baume des Lebens redete, und ich ließ ihn sie auf den Felsen (nerea) Ararad niederlegen und stellte den Archon (äexwv) Kalapauroth, der über Cemmut, auf dessen Haupt der Fuß des Jeu und der alle Aeonen (alwvsr;) und Heimarmenen (el,uae,uevat) umgibt, jenen Archon (äexwv) stellte ich auf als Wächter über die Bücher des Jeu wegen der Sintflut ("ara".l.va,u6r;), und damit keiner von den Archonten (äexovur;) auf sie neidisch sei (rp{}ovsiv) und sie verderbe." Dieser Jeu wird als der große Oberarchont der Mitte der "große Jeu" genannt, Kap. 86, S. 126. Kap. 111, S. 185 wird Jeu mit dem Urmenschen gleichgesetzt. Kap. 130, S. 215 f. hat Jeu, der erste Mensch, die Funktion des Seelenrichters. - Im "Buch vom Großen "ara ,uvar~etoV .l.6yor;" (Das zweite Buch des Jeu; hsgg. v. Schmidt im oben angegebenen Bde.) begegnet Kap. 50, S. 318 die Vorstellung von den Vorhängen: "Wiederum (na.l.tv) werdet ihr in ihr Inneres bis zu der Ordnung (ragtr;) der Vorhänge ("aranSTaa,uara), die vor dem großen König des Lichtschatzes (-{}1')aave6r;) gezogen sind, hineinwandern. Sie werden euch ihr großes Mysterium (,uvar~etov), ihr Siegel (arpeaytr;) und den großen Namen des Lichtschatzes (-{}1')aave6r;) geben und sich zurückziehen, bis ihr hineinsetztund sie durchwandert, und bis ihr zu dem großen Menschen gelangt, d. h. zu dem König dieses ganzen Lichtschatzes (-{}'I]aave6r;), dessen Jame Jeu ist". In der Be-
158 allem zeigen die Aussagen des 3 Hen über Metatron, daß hier die G e f a h r des D i t h eis mus a k u t g e w 0 r den ist. Man stellt sich bei der Lektüre dieser Schrift füglich die Frage, welches denn nun der Unterschied zwischen Gott und Metatron sein möchte l ). Die Attribute werden in einem Maße auf Metatran gehäuft, er erhält so große Herrlichkeit, seine Kompetenzen und Qualitäten sind derart, daß der immer wiederkehrende Hinweis wirklich nötig ist, daß Metatron früher einmal Henoch war; er sei Geschöpf und nicht Schöpfer; Gott habe ihm das alles ge g e ben. Ohne diese dauernden Versicherungen sähe man hier ohne weiteres zwei Götter nebeneinander. Aber auch so ist Metatran nahe genug an Gott herangerückt. Er ist der faktische Herr über alle Engel und damit über alle Ordnung im KosmoS. Alle die hohen Mächte im Himmel, von denen das Regiment der Welt ausgeht, sind ihm unterstellt. Er ist der Oberste über die Völkerengel, damit also Herr der Völker und Fürst der Welt. Er ist der "Gott", der in seinem Wirken ganz dieser Welt zugekehrt ist, während Gott ihr ferne ist. Metatran greift tätig ins Getriebe der Welt ein, schreibung des Demiurgen im "Unbekannten altgnostischen Werk" (hsgg. v. Schmidt im oben angegebenen Bde) begegnet Kap. 3, S. 338 f. der "Knabe" als "Aufseher" (e:Jt[a"o:Jtor;). 1) Man kann sich diese Frage fügIich schon bei 2 Hen stellen. In dürren Worten wird 2 Hen 401 dem Henoch Allwissenheit zuerkannt, als 0 ein Go t t e s prä d i kat: "Jetzt nun, meine Kinder, ich weiß alles, das eine nun zwar aus dem Munde des Herrn, das andere aber haben meine Augen geschaut vom Anfang bis zum Ende und vom Ende bis zur Wiederkehr. Ich weiß alles und habe alles in die Bücher geschrieben ... " 2 Hen 43 1: "Ich, meine Kinder, habe jedes Werk und jedes Maß und jede gerechte Waage, ich ha be sie ausgemessen und aufgeschrieben ... " 472 f.: "Viele Bücher sind von Anfang der Kreatur und werden sein bis zum Ende der WeIt, aber keine einzigen werden euch kundtun wie meine Handschrift; sie festhaItend werdet ihr nicht dem Herrn sündigen." Als 0 n ich t die T h 0 r a , s 0 n der n die H e nochbücher sind die Offenbarung und weisen den Weg zum Leben! Die Thora wird hier geradezu ersetzt durch den 2 H e n! 2 Hen 501: "Ich habe das Werk eines jeden Menschen in einer Schrift niedergelegt, und keiner kann sich verbergen, der auf der Erde geboren, noch wird sein Werk verborgen bleiben. Ich sehe alles wie in einem Spiegel." Auch das ist sonst ein G 0 t t e s prä d i kat, daß vor ihm a II e s Tun un d T r e i ben der Me n s c h e n 0 f f e n bar ist, aber hier wird es auf Henoch übertragen. In 2 Hen 24 fordert Gott den Henoch auf, sich zu seiner Linken auf seinen Thron zu setzen zusammen mit dem Erzengel Gabriel: Hen 0 c h wir d G 0 t t e s T h r 0 n gen 0 s s e und erfährt von ihm die Geschichte der Erschaffung der Welt. Wir sehen damit, daß der 2 H end e u t I ich auf dem Weg e zum D i t h eis mus begriffen ist.
159 wenn er Gottes Befehle ausführt. Dieser ganze, der Welt zugekehrte Charakter Metatrons im 3 Hen erinnert lebhaft an die Demiurgen gnostischer Systeme. Darum ist es sicher richtig, wenn man in 3 Hen 103 und 16 polemische Einschübe gegen Metatron sieht: die Interpolatoren wollten der Gefahr des gnostischen Ditheismus begegnen; Gott drohte im Denken des Judentums zu zerb r e c he n und damit auch das Judentum selbst. Dieser Gefahr sollte durch die Einschübe begegnet werden 1). Allerdings muß hier sofort betont werden, daß im 3 Hen keine Spur davon vorhanden ist, daß Metatron, der "kleine Jahve", sich im Gegensatz zu Gott befindet. Dieser Untergott ist nicht der finstere Gegenspieler des höchsten guten Gottes und der Menschen, die dieser erwählt hat. Metatrons Charakter erscheint als durchaus gut. Liegt hier Gnosis vor, dann eine judaisierte Form dieser Religion. M e tatron ist im 3 Hen einfach eine Dublette Gottes. Er ist die der We I t zug e k ehr te Sei te Go t te s, wobei aber beide Seiten sich im Denken des 3 Hen verselbständigt haben. So sind die Metatron-Spekulationen der Beweis dafür, daß seit Elisch'a b. Abuja das J ud e n t u m in der Ge f a h r s ta n d, den Gottesbegriff zu zerspalten und sich damit seI b s t mit der Auf lös u n g zu b e d roh e n. Ansätze zur trinitarischen Gestaltung der Gotteslehre liegen nicht vor, im Gegensatz zum C h r ist e n t um, das gerade dur c h die Tri n i tätslehre imstande war, der gnostischen Gef a h r der S p alt u n g G 0 t t e s z u beg e g n e n; denn die Drei führt die Zwei zur Einheit zurück. Das Judentum überwand die im 3 Hen sich ankündigende Gefahr durch entschlossenen Rückgriff auf das AT, teils erlag es den gnostischen Gefahren aber auch in der Mystik der Kabbala. Denen aber, die nicht fähig oder willens waren, die Trinitätslehre zu erfassen, oder denen Gottes Einheit durch christliche oder jüdische Spekulation bedroht schien, denen brachte der 1) Das Verhältnis von 3 Hen zur Gnosis bedürfte eingehender Klärung in Einzeluntersuchungen. Daß hier Verbindungslinien laufen, hat Odeberg schon gezeigt, wenn er a. a. O. S. 64-77 Parallelen aus mandäischen Schriften zu Aussagen des 3 Hen zusammenstellt (vgl. auch S. 188-192). Die Frage ist natürlich die, wie weit man mit der Ansetzung der mandäischen Literatur zeitlich hinaufgehen darf; der 3 Hen scheint gegen gewisse mandäische Theorien zu polemisieren. - Die Lehren des Targum und des Talmud über Metatron brauchen noch keinem System anzugehören, wie dies wohl im 3 Hen der Fall ist. Fragen der Sache sind hier mit Fragen der Chronologie verknüpft.
160 Puritanersturm des Islam mit seiner sturen Betonung der Einzigkeit Gottes die Rettung aus den intellektuellen und religiösen Nöten durch einen radikalen Rückfall auf eine primitivere Stufe des Denkens. Womit zu allen Zeiten Vielen gedient ist ... 1). Als Herr übe r die Eng e I m ä c h t e s t eh t 1'11 eta t r 0 n in einer gewissen Parallele zu dem erhöhten C h r ist u s der n t.l ich e n Aus sag e n. Vor allem nach Phil 25-11, Eph 110. ~0-22 und Kol 2 10 wird Christus als der Herr der Welt bezeichnet, weil er Herr der Mächte ist. Eine Ähnlichkeit liegt hier unstreitig vor. Nur möchte ich vermuten, daß die Ausgestaltung der Lehre von Metatron im 3 Hen nicht ohne Beeinflussung durch die Gnosis und damit durch das Christentum vor sich gegangen ist. Es fehlt natürlich bei Metatron das Heilswerk, das den Christus des NT auszeichnet. Es fehlt auch der ursprüngliche Ausgang aus Gott, der vom Christus des NT ausgesagt wird. Bezeichnend ist auch der Unterschied zwischen dem Christus des NT und Metatron, daß von Jesus Christus gesagt wird, er sei zum Throne Gottes erhöht worden oder sitze zur Rechten Gottes. Von Metatron dagegen wird immer gesagt, er habe einen eigenen Thronsitz im Himmel. Damit ist für Christus die Einheit mit Gott, die Einheit des Sohnes mit dem Vater, bildhaft und realistisch dargestellt; eine Bedrohung des Monotheismus entstand für den Glauben daraus nicht. So ist schließlich dasselbe gesagt, was später das griechische Denken mit Begriffen formulierte. Metatron dagegen wird von Gott getrennt; die Gefahr des Ditheismus wird hier ebenso bildhaft als realistisch dargestellt. Met at r 0 n w u r d e in gnostisierender Weise von Gott getrennt, Christus wurde durch das dogmatische Denken der alten Kirche nur immer mehr mit Gott verein i g t. Wir haben hier zwei divergierende Linien des religiösen Denkens zur Zeit der alten Kirche vor uns, die auf den letl'iten Unterschied zwischen Christentum und Judentum hinweisen 2). ') Vgl. C. G. Jung, Zur Psychologie der Trinitätsidee (Eranos-Jahrbuch 1940/41, hsgg. v. Olga-Fröbe-Kapteyn) 1942, S. 43. 2) Leider war mir die Schrift von H. Ludin Jansen, Die Henochgestalt. Eine vergleichende reIigionsgeschichtIiche Untersuchung (Skrifter utg. av det Norske Videnskaps-Akademi i Oslo H. Hist.-fiIos. Kl. 1939. 1), Oslo 1939, erst nach Abschluß dieser Arbeit zugänglich.
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DER HIMMEL ALS ORT DER SELIGKEIT A. Das himmlische Paradies
Nach 2 Hen 81-8 befindet sich das Par a die s im d r i t t e n H i m m e 1. Es wird beschrieben als schöner Garten, der mit herrlich blühenden Bäumen bepflanzt ist; ihre Früchte sind reich und köstlich duftend, "alle Nahrung beständig sprudelnd". Der herrlichste von allen Bäumen ist der "Baum des Lebens", der in der Mitte des Paradieses steht. Unter ihm ruht Gott, wenn er in das Paradies kommt. Der Baum des Lebens sieht golden und purpurn aus, er ist so groß, daß er das ganze Paradies bedeckt. An dieser Stelle des 2 Hen wird auch das i r dis c h e Par a die s erwähnt, das sich am Ausgang der Erde befindet. In diesem irdischen Paradies hat der Baum des Lebens seine Wurzeln. Von beiden Paradiesen, dem himmlischen und dem irdischen, wird gesagt, sie seien "zwischen der Verweslichkeit und der Unverweslichkeit". Damit sollen diese Orte wohl als die Stätten des Zwischenzustandes bezeichnet werden, in denen die Gerechten wohnen, bis das Endgültige kommt. Vom himmlischen Paradies gehen zwei Quellen aus, von denen die eine Honig und Milch, die andere aber Öl und Wein führt. Diese Quellen strömen in das Paradies Edem, indem sie sich in vier Teile teilen! Eine ähnliche Vorstellung von dem Leb e n s bau mund den Par a die ses s t r ö m e n findet sich in Schir r. (zu Cant 6 9): "R. El'ai deutete den Vers auf den Garten 'Eden. Die 60 Königinnen sind die Vereine der Gerechten, die mit dem Gesetz beschäftigt im Garten Eden unter dem Lebensbaum sitzen. Es ist gelehrt worden: der Lebensbaum erfordert eine Reise von 500 Jahren, und alle Gewässer der Schöpfung teilen sich und fließen unter ihm hervor. Nach R. Jehuda b. R. El'ai gilt das nicht nur für seinen Stamm, sondern auch für den Umfang seiner Äste." Bietenhard, Himmlische Welt
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162 Daß das Paradies im dritten Himmel liegt, sagt auch Apok Mos 37. Adam wird nach dieser Stelle nach seinem Tode dorthin versetzt, und zwar gibt Gott dem Erzengel Michael den Auftrag dazu. Dort wird Adam bleiben bis zum Tage des Endgerichtes. Eine Übergangsvorstellung 1) zwischen den Anschauungen von einem himmlischen und einem irdischen Paradies gibt 2 Hen 42 3-5. Nach dieser Stelle liegt das Par a die s im 0 s t e n. Es ist geöffnet. bis zum dritten Himmel, jedoch vor der Erde verschlossen. Offenbar liegt es dicht bei den Toren der Sonne. Engel stehen da ulld singen - erfreut über das Kommen der Gerechten - Siegeslieder. Nach ~ Hen 9 ist das Para die s den Ger e c h te n ber e i t e t, die alle Schwierigkeiten des Lebens erduldet haben, die sich von der Ungerechtigkeit abwandten, die die Hungernden speisten, die Nackten kleideten, die Gefallenen aufrichteten und den Gekränk~ ten und Waisen halfen. Wir finden in den Vorstellungen von 2 Hen und Apok MOB die zeitlich und sachlich n ä c h s t e n Par a 11 eie n z u den Aussag end e s Apo s tel s Pa u 1 u s in 2 K 122-4. Dieses Stück führt die SeI b s t ver t eid i gun g des Apo s tel s den. Korinthern gegenüber auf den Höhepunkt. In 101-4 mußte er sich verteidigen gegen den Vorwurf, er wandle auf fleischliche Weise. Mit dem Hinweis darauf, daß er Christus angehört so gut wie die, welche sich selber rühmen, widerlegt er diesen Angriff (105-7). Dazu kommt, daß der Apostel von Christus die Vollmacht erhalten hat, die Gemeinde zu erbauen, wozu auch gehört, daß er in der Folge auch etwas kräftig auftreten kann, genau so wie er schreibt (108-11). Im Gegensatz zu den Gegnern aber empfiehlt er sich auch nicht selber, sondern er mißt sich an Christus; auch ist die Gemeinde von Karinth das Werk des Apostels, und er gedenkt die Arbeit von dort aus noch weiter voranzutreiben (1012-18). In 111-6 kommen die Gegner genauer in Sicht: es sind Leute, die einen ,,\1ndern Jesus" verkündigen als Pau~ lus; offenbar sind es auch Leute, die ihr Apostelamt stark in den Vor') Das Verhältnis zwischen himmlischem und irdischem Paradies wird mir auf Grund unserer Stelle nicht restlos klar. - Vgl. Bousset-Greßmann, S. 283 2 • - Über die verschiedenen Namen des Paradieses vgl. Volz, S. 413 f. Nach Volz wäre die Lehre von den zwei Paradiesen so zu verstehen, daß die spätere Zeit den Himmel als Ort der Seligkeit ansah und darum auch das Paradies in den Himmel verlegte, wobei die ältere Anschauung beibehalten wurde. Ich möchte vermuten, daß auch hier der Ge dan k e von der E n t s p r ec h u n g zwischen Himmlischem und Irdischem wirksam war;
163 dergrund rücken, die wohl auch auf ihre besonderen Erken,ntnisse pochen,wobei sie große Beredsamkeit entwickeln . .Man hat wohl dem Apostel den Vorwurf gemacht, er sei kein rechter Apostel, odßr er fühle sich seines Amtes nicht sicher; denn er habe sich seinen Lebensunterhalt nicht von der Gemeinde geben lassen, sondern selberve:rdient. Dieses Verhalten konnte auch als Mangel an Liebe ausgelegt werden. Aber Pauluswill es auch in Zukunft so halten. Die andern sog. Apostel sind Schwindler und "falsche Apostel" (11 e-15). Wenn nun aber einmal geprahlt sein muß, wenn allerlei Vorzüge herausgestrichen werden müssen, um in Korinth anerkannt zu werden, dann kann auch Paulus mithalten, obschon er dabei gar nicht im Sinne Christi, sondern als Narr redet (1116-21). Wie die andern ist auch er Hebräer, Israelit,. Nachkomme Abrahams und Diener Christi (11 22 ff.). Und daß er ein Diener Christi ist, das erweist sich aus dem, was er im Dienste Christi durchgemacht hat: es folgt die große Aufzählung a,ller Leiden, die er als Apostel auf sich genommen hat (11 2S-SS). Solche Leiden aber erweisen sich nach 2 K 64, gerade als Zeichen des echten Christusdieners und stehen deshalb in einer apostolischen Ehrentafel obenan. Mit 12 1 geht Paulus nun daran, eine neue Reihe von Ruhmes,titeln aus seinem Leben zu beginnen. Er redet von "Gesichten und Offenbarungen des Herrn", die ihm zuteil wurden. Es ist wohl anzunehmen, daß auch die Gegner, die der Apostel in der gan:z;en Auseinandersetzung visiert, sich auf solche Dinge berufen haben. Vielleicht haben sie sich (vgl. 2 K 11 6) auf besondere Erkenntnisse übernatürlicher Art berufen und dem Paulus vorgeworfen, er verfüge nicht über diese Erkenntnis. Es wäre möglich, daß die falschen Apostel sich auf solche ekstatischen Erlebnisse .berufen haben, in denen sie Einblicke in. die jenseitige Welt, Gottes wollten erhalten haben. Wir erfahren auch aus 1 K 12. 14, wie hoch in Korinth :z;. B. die Zungenrede geschätzt wurde. Aus 1 K 1 2,2 f.; 2 geht zudem hervor, daß wie der Grieche im allgemeinen,so auch die Korinther im besonderen die "Weisheit" und "Erkenntnis" (yvw(jt~) schätzten. Schon an diesen Stellen hat Paulus darauf hingewiesen, daß auch er Gottes Weisheit zu verkündigen hat, genau wie er sich auch darauf berufen hat, daß er die Fähigkeit zur Zungenrede habe (1 K 1418). Es würde in den sm:z;ierten Rahmen gut hineinpassen, wenn zu allen diesen Dingen noch· die .Berufung auf übersinnliche, jenseitige Offenbarungen käme. Die Gegner des Apostels hätten dann darauf 11*
164 verwiesen, daß zu allen and~rn Mängeln und Schwächen des Paulus auch noch diese dazu kämen, daß es ihm an solchen übersinnlichen Erlebnissen mangelte, daß er keinen Einblick in das "Jenseits" hätte. Demgegenüber stellt Paulus fest, daß er sich sehr wohl solcher Dinge rühmen kann, daß er auch hier nicht hinter seinen Gegnern zurücksteht, daß die Gemeinde auch an diesem Punkt keinen Anlaß hat, ihm die andern vorzuziehen; denn "worin aber einer auftrumpft, da - ich rede als Narr - halte ich mit" (2 K 1121). Der entscheidende Passus in unserem Zusammenhang lautet in 2 K 122-4: a. oMa. (1vf)ewnoy b xeunw neo f:rWY ~B~I1.'I:BC1C1aeWY b. BrTB SY C1wp,a;tt ov~ oltJa. BrTB s~o~ ToV C1Wp,a.TO~ ov~ ol~a., 0 f}BO~ ol~BY c. aena.yBY7:a. TowiJ7:oy gw~ TetTov ovea.yOV a.. ~a.l oltJa. TOY TOWVTOY (1yf}ewnoyß. e'l7:B SY C1wp,a.n BrU xwel~ TOV C1Wp,a.TO~ ov~ oMa., 0 f}BO~ oltJBY, y. fJTt ijenaY11 Bl~ TOY na,eatJBtC10Y, ~a.l 1}~OVC18Y (1ee117:(J, elJp,a.-ra., II ov~ S~OY avf)ewnq> ÄuÄfjC1a.t Wir sehen, daß sich von diesen sechs Gliedern immer zwei entsprechen. Es handelt sich nicht um mathematische Kongruenz des Ausdrucks, wohl aber um eine deutliche, bis ins Ein z ein e geh end e Par a 11 e I i t ä t des S atz bau s. In a schießt die Zeitangabe "vor 14 Jahren" über im Vergleich zu a.; das 7:0WV7:0Y in a. bezieht sich deutlich auf (1vf)ewnoy in a und auf dasselbe Wort in c; in ßfehlt gegenüber b nach dem SY C1Wp,a.7:t das ov~ oltJa.; s~o~in bist inß ersetzt durch gleichbedeutendes xwet~; die Partizipialkonstruktion in c ist in y durch verbum finitum ersetzt; statt dem "dritten Himmel" in c finden wir in y "das Paradies". Wir dürfen aus diesen Übereinstimmungen wohl schließen, daß P a u I u s z u n ä c h s tin a und a. und i n b und ß j e das sei b e sag t mit gleichem oder nur leicht verändertem Ausdruck. Die Parallelität in der sprachlichen Form weist auf ein und das sei b e E r leb ni s hin. Von da aus dürfen wir aber auch schließen, daß in c und y dasselbe gemeint ist: dem d r i t t e n Himmel entspricht das Paradies, das Paradies ist im d r i t.t e n H im m e 1. Paulus wurde in den dritten Himmel entrückt. Ferner dürfen wir schließen: indem Paulus in diesen Sätzen zwei Reihen von Ausdrücken sich miteinander verschlingen läßt, will er durch diese doppelte Ausdrucksweise, durch diesen parallelismus membrorum, ein und dasselbe Erlebnis in seinem Leben bezeichnen.
165 Paulus hat ja solche Doppelungen des Ausdrucks sehr häufig verwendet. So sagt Johannes Weiß 1): "Ein außerordentlich wesentliches Element der paulinischen Redeweise ist der Parallelismus des Ausdrucks und der Glieder". Weiß bringt in seiner Studie zahlreiche Beispiele dafür bei; von unserer Stelle sagt er (S. 29), sie sei "eine eigentümliche Doppelstrophe, die einen ganz merkwürdigen musikalisch-schwebenden Reiz hat." Auf Grund dieser stilistischen Erkenntnis fallen alle Versuche dahin, die in unseren Versen zwei verschiedene Erlebnisse des Paulus angedeutet finden wollen 2). Paulus bezeichnet das, was er erlebt hat, als omaata.q xat anoxaÄ{Jfpetq XV(!.tov "Gesichte und Offenbarungen des Herrn". Auch das wird ein Doppelausdruck sein, mit dem er übersinnliche Erfahrungen bezeichnet, die er gehabt hat. om(J,(fta ist "Erscheinung, Gesicht", anoxaÄ.tnptq bedeutet "Enthüllung, Offenbarung". Beide Worte bezeichnen eine Erfahrung dessen, was dem natürlichen Erfahrungsbereich in der Regel verschlossen und unzugänglich ist. Der Genetiv xvetov ist wohl genetivus subjectivus und bezeichnet den Urheber der Gesichte. Paulus will nicht sagen, und er tut es im folgenden auch nicht, daß er den Herrn gesehen habe. Paulus will vielmehr ausdrücken, der Herr habe ihm Gesichte und Offenbarungen geschenkt. Der Plural der beiden Worte zeigt, daß Paulus wohl ansetzt, um mehrere solche Erlebnisse zu berichten. Tatsächlich aber redet er dann nur von einem solchen, um sofort wieder abzubrechen. Er begründet das in 2 K 12 6 f.: er erspart sich weitere Ausführungen, da er nur nach dem beurteilt zu werden wünscht, was man an ihm sehen kann. Das aber ist bei diesen Gesichten nicht der Fall, sie sind nur ihm allein gegeben. Überdies hat er schon so als Narr 'geredet und will die Narrheit nicht weiter treiben. In der Sache selber sagt Paulus sehr wenig. Er wurde "entrückt" (aenaybn:a, ilenay'YJ) in den dritten Himmel, ins Paradies 3 ). Dieser Ortsangabe liegt natürlich eine bestimmte K 0 s molo g i e zugrunde. Paulus hat sein Erlebnis eingebaut in die ihm bekannte und geläufige Kosmologie; er hat sich der Gemeinde von Korinth gegen1) Vgl. Johannes Weiß, Beiträge zur paulinischen Rhetorik, 1897, S.6 (in: Festschrift Bernhard Weiß); F. Blaß, Grammatik des nt.lichen Griechisch, bearbeitet von A. Debrunner 7, 1943, S.221. 2) Vgl. z. B. H. D. Wendland, Die Briefe an die Korinther', 1938, Komm. z. St. (in: Das NT-Deutsch, 2). 3) Über den Ausdruck "ob im Leibe weiß ich nicht, ob außer dem Leibe weiß ich nicht, Gott weiß" vgl. S. 247 f.
166 über wohl auch so ausgedrückt, daß er verstanden werden konnte, ohne daß er nähere kosmologische Belehrungen gab. Ob er dabei auf volles Verständnis bei der Gemeinde rechnete, sei dahingestellt. Mochten sich die Korinther dabei denken, was sie wollten; was Paulus ihnen sagte, mußte ihnen genügen. Vor allem durch die oben mitgeteilten Texte und Anschauungen aus dem 2 Hen ist erwiesen, daß sich die Aussage des Apostels auf zeitgenössischem jüdisc h e m Hin t erg run d gebildet hat 1). Wie der 2 Hen, so denkt sich auch Pa u lu s das Par a die s im d r i t te n H i m me 1. Ob Paulus den 2 Hen selbst gekannt hat oder ob er einfach in derselben kosmologischen Tradition drin stand wie diese Schrift, läßt sich nicht sagen. Auch das läßt sich nicht sagen, inwieweit Paulus daneben auch die anderen Lehren des 2 Hen geteilt hat. Immerhin versteht man, daß Charles erklärt hat 2), Paulus habe an die Existenz von 7 Himmeln geglaubt. Die Parallelität zwischen 2 K 12 und 2 Hen ist wirklich so eng, daß man diesen Schluß fast ziehen muß. Dazu kommt noch, daß Paulus sagt, er habe a 1} r a ~ fl ar a gehört, die einem Menschen auszusprechen nicht erlaubt seien. Paulus braucht hier einen Ausdruck der antiken Mysterienreligionen: es sind dies Worte, die der Myste nicht ausplaudern darf ; denn das Erlebnis muß
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1) Diese Feststellung ist nicht unwichtig der gegenteiligen Behauptung eines katholischen Forschers gegenüber. P. Ildefons de Vuippens (0. M. Cap.), Lc paradis terrestre au troisieme ciel, 1925 (Theol. Diss. Freiburg i. Üe.) hat be· stritten, daß das Spät judentum die Vorstellung von einem Paradies im 3. Himmel kenne. Sein Hinweis auf die rabbinischen Vorstellungen, die das Paradies in den 7. Himmel verlegen, ist durchaus richtig; richtig ist auch, daß gelegentlich in den jüdischen Schriften das Paradies in noch andere Himmel verlegt wird. Das Judentum ist hier ja gar nicht einheitlich. Wenn er aber weiter schreibt (S. 114 f.), Paulus habe in seinem Brief an Griechen geschrieben, und er habe geschrieben "pour etre compris", so übersieht er einmal, daß es in der Gemeinde von Korinth auch Juden gab und daß gerade die Gegner des Paulus Juden sind. Zweitens ist sehr die Frage, ob Paulus in 2 K 12 wirklich ganz verstanden werden wollte, ob es ihm um Belehrungen zu tun war. Drittens ist zu fragen, ob der Rabbinen· schüler Paulus hier, wo er ein ganz persönliches Geheimnis seiner religiösen Er· fahrung lüftet, sich wirklich an griechische und nicht vielmehr an jüdische Vor· stellungen angeschlossen hat. Viertens - und das ist der entscheidende Einwand gegen die hellenistischen Theorien des gelehrten Kapuziners - hat de Vuippens mit keinem Wort den 2 Hen erwähnt; offenbar ist ihm diese Schrift unbekannt geblieben. Auch wenn der 2 Hen griechisch beeinflußt ist, ist er doch eine jüdische Schrift, die das Paradies in den 3. Himmel - die Himmel in der aufsteigenden Reihenfolge gezählt - verlegt. 2) Charles, 2 Hen, S. XL.
167 Geheimnis bleiben 1). Aber es findet sich auch für diesen Zug im 2 Hen eine Parallele: "Inmitten der Himmel sah ich bewaffnete Heerscharen, welche dem Herrn dienten mit Pauken und Instrumenten und ununterbrochener Stimme und schöner Stimme und mit schönem und unaufhörlichem und verschiedenartigem G e san g, we Ich e n aus z u s p r e ehe nun m ö gl ich ist" (2 Hen 17 [A J). Der Seher befindet sich hier allerdings im 4. Himmel. In der Schilderung des Paradieses im 3. Himmel heißt es dann, daß es bewacht werde von bewaffneten Engelscharen: "Und 300 überaus leuchtende Engel, welche das Paradies bewahren, und mit nie aufhörender Stimme und schönem Gesang dienen sie dem Herrn alle Tage und Stunden" (2 Hen 8 8 [A J) 2). Auf dem Hintergrunde solcher Anschauungen läßt sich ziemlich genau sagen, was Paulus erlebte: nach spät jüdischer Ansicht wurde er versetzt an den Ort der seligen Gerechten, denen nach 2 Hen 9 das Paradies bereitet ist und hörte dort die Engel den Lobgesang singen. P a u I u s hat s 0 mit ein e 0 f f e n bar u n g über das Jenseits, nicht eine solche über die Z u k u n f t, e m p fan gen. Nun hat ja wohl Paulus kaum angenommen, daß die verstorbenen "Gerechten", d. h. in seinem Falle die Christen, sogleich nach dem Tode in die Seligkeit versetzt werden. Aber damit kommt das schwierige Pro b I emd e r p a u li n i s ehe n An t h r 0 polo g i e in Sicht, das wiederum eng verbunden ist mit dem Problem der jüdischen Anthropologie seiner Zeit. Vielleicht wäre hier Phil 1 23 heranzuziehen, nach welcher Stelle Paulus nach dem Tode das avv xewTij) elvat erwartet hat, und es erhebt sich die Frage, ob dieses "Sein mit Christo" als ein Sein im Paradiese zu verstehen ist. Paulus gibt darüber keine nähere Auskunft. Die Meinung könnte auch die sein, daß Paulus hat sagen wollen, er sei bei seiner Entrückung im Paradies gewesen, d. h. an dem Ort, an den die Vollendeten nach der Auferstehung versetzt werden, der aber schon jetzt im Himmel existiere. Auch diese Anschauung ließe sich aus 2 Hen 424 ·f. belegen. Da berichtet nämlich "Henoch" , er habe das irdische Paradies im Osten gesehen, das bis zum dritten Him1) Vgl. H. Lietzmann, An die Korinther 1. H.2, 1926, Komm. z. St. (in: Handbuch zum NT, hsgg. von H. Lietzmann, Bd. 9); Kar! Kerenyi, Die Mysterien der Kabiren, 1945, S. 19 (in: Eranos-Jahrbuch Bd. 11, 1944, hsgg. von Olga Fröbe-Kapteyn). 2) Man erinnert sich auch an das "Lied des Mose" in Apk 14 3, das niemand lernen kann als die Vollendeten.
168 mel geöffnet sei. "Beim letzten Kommen wird er herausführen Adam mit den Vorvätern und wird sie hierherführen, daß sie sich freuen, wie ein Mensch seine Geliebten herbeiruft mit ihnen Mahl zu halten, und jene gekommen mit Freuden und reden vor dem Palast jenes Mannes, mit Freuden erwartend sein Mahl, das Genießen des Guten und des unmeßbaren Reichtums, und Freude und Fröhlichkeit im Licht und in ewigem Leben." Da die Ausführungen des Paulus in 2 K 12 so karg sind, und da er sonst nicht über das Schicksal der Seele nach dem Tode redet, vor allem auch nicht im Blick auf die Auferstehungslehre, und er auch sonst keine Belehrungen über das Paradies gibt, ist es unmöglich, hier über Vermutungen hinauszukommen. Erschwert wird das Ganze auch dadurch, daß sich Paulus in 2 K 12 wohl eng berührt mit dem 2 Hen, daß aber anderseits die Anschauungen des 2 Hen selbst in diesen Dingen nicht klar sind. Denn 2 Hen redet sowohl von einem Paradies im 3. Himmel, das den Gerechten offenbar gleich nach dem Tode als Ort der Seligkeit offensteht, aber anderseits redet er von einem irdischen Paradies, in das die Vorväter "beim letzten Kommen" gelangen sollen. Dabei ist wohl an die Auferstehung zu denken, ohne daß z. B. von einer Heilspersönlichkeit (Messias) die Rede wäre. Wie sich dann diese Vorstellung zu der vom Paradies im 3. Himmel als Ort der Seligkeit verhält, wird nicht gesagt. Diese Lücken und Unausgeglichenheiten bewirken, daß "die Rechnung nicht aufgeht", d. h. wir können Paulus nicht einfach auf den 2 Hen reduzieren und daraus erklären. Wir können das im Text des Paulus Fehlende nicht einfach aus dem 2 Hen ergänzen. Denn für P a u 1 u s ist e ben ehr ist u s zen t r a 1, und gerade eine solche Zen t r a 1vor s tell u n g , die a 11 e n P unk t e n ihr e n fes t e n P 1 atz a n w eis t , feh 1 tim 2 H e n. Aber man kann sich auch bei Paulus fragen, ob bei ihm die Kosmologie schon von der Christologie aus durchgebildet worden ist; das scheint nicht der Fall zu sein, denn so viel wir sehen, hat. die K 0 sm 0 log i e ni c h t zum pa u 1 i n i s c h e n K er y g m a gehört. Der griechische Baruch verlegt den Ort für die Gerechten in den 4. Himmel. Dort befindet sich eine große Ebene mit einem Teich in der Mitte. Wahrscheinlich liegt auch hier die alte Vorstellung vom himmlischen Ozean vor 1). Dieser Teich ist ein Wasserreservoir ; denn aus ihm stammt einmal der Himmelstau, dann aber auch ein Teil des 1) Der himmlische Ozean erscheint auch 2 Hen 3 1-3: er befindet sich hier im 1. Himmel. Auch I Hen 54 8 redet von dem oberen Wasser, das männlich
169 Regenwassers. Das Regenwasser stammt zwar aus dem Meere und den Gewässern der Erde. Dasjenige Wasser aber, das die Früchte an den Bäumen hervorbringt, stammt aus dem himmlischen Teich; denn das salzige Meerwasser könnte keine Früchte hervorbringen. Es ist dem Verfasser offensichtlich entgangen, daß alles Regenwasser süß ist! Der Teich im 4. Himmel nun ist belebt von einer großen Menge von Vögeln, die aber nicht irdischen Vögeln gleichen. Sie loben beständig den Herrn. Ferner sind dort Kraniche und Rinder zu sehen, die aber größer sind als ihre irdischen Vettern. Man kann sich fragen, ob das einfach "himmlische Tiere" seien, die die Phantasie des Verfassers dorthin versetzt, Tierseelen, die im Himmel sind. Wir lernen nämlich in 2 Hen 58 4-6 (A) eine Art U n s t erb li c h k e i t sIe h re für die Ti er e kennen. Es heißt da, daß Gott die Seelen der Menschen richte wegen der Seelen der Tiere. "Denn ein besonderer Ort ist den Menschen, und wie ist aller Seelen der Menschen nach der Zahl, so auch der Tiere, und nicht eine einzige Seele kommt um, die der Herr gemacht hat, bis zum großen Gericht. Und alle Seelen der Tiere klagen den Menschen an, der sie schlecht weidet." Es scheint, daß die Bestimmungen über den Schutz der Tiere in der Thora (vgl. Deut 22 1-4. 6 f.; Ex 23 4) im 2 Hen mit dem Hinweis auf die Unsterblichkeit der Tierseelen begründet werden sollen: die Seele des mi.ßhandeltenTieres verklagt den Tierschinder vor Gott! Von da aus kann es 2 Hen 59 1 (A) heißen: "Wer frevelt an den Seelen der Tiere, der frevelt an seiner eigenen Seele." Um zum gr Bar zurückzukehren: es heißt von den Seelen der Gerechten, daß sie sich auf der Ebene des 4. Himrp.els versammeln, wenn sie kommen, um in Ohören zu leben (105). Von dieser Ebene heißt es, in ihr sei "alles Wunderbare", sie ist also das Par a die s der See I e n. Dabei ist es nicht ausgeschlossen, daß die "Tiere" darin eigentlich Menschenseelen sind; denn die Vor s tell u n g von den "S e eI e n t i er e n" ist weitverbreitet. sei, während das untere weiblich sei, wenn sie sich wie bei der Sintflut vereinigen, dann kehrt die Welt in das Chaos des Uranfangs zurück. Nach Apk 46; 15 2 befindet sich im Himmel vor Gottes Thron ein kristallenes Meer. - Von Schim'on b. Zoma wird berichtet, er habe Betrachtungen über Ma'asse Bereschith angestellt, wobei sich ihm ergeben habe, daß zwischen den oberen und den unteren Wassern nur ein Zwischenraum von 1-2 Fingern sei (bChagiga 15 a; Bereschith r., par. 2, zu Gen 13; vgl. dazu Bacher, Tannaiten I', S. 422--424); nach der Mekiltha (par. Haschira [Beschallach] 5) zu Ex 155 vereinigten sich untere und obere Thehom, um das Heer Pharaos zu vernichten.
170 Neben die Vorstellung, daß das Par a die s sich im dritten oder vierten Himmel befindet, tritt in der jüdischen Überlieferung diejenige, nach der es sich im sie ben t e n H i m. m e I befindet. Diese Anschauung begegnet z. B. bChagiga 12 b.Das Paradies befindet sich demnach im Himmel Gottes. Darum können hier auch alle die Aussagen herangezogen werden, die einfach von einem Paradies im Himmel reden, ohne daß sie sagen, in welchem Himmel sich der Ort' befindet 1). Nach dem 1. jerusalemischen Targum zu Gen 324 ist das himmlische Paradies, wie das Paradies Adams, prä existent wie die Thora. "Man wollte mit dieser Lehre ausdrücken, daß die jenseitige Belohnung der Frommen seit Ewigkeit ein unverrückbares Ziel des göttlichen Weltplanes bilde" (Str B IV, S. 1131; 1137). Der Midrasch zu Ps 90 sagt, daß das Paradies sich zur Rechten des göttlichen Thrones befinde (Str B IV, S. 1084). Die älteren rabbinischen Quellen üben in der Beschreibung des himmlischen Paradieses große Zurückhaltung, da dieser Punkt der Lehre neu war und keine älteren Traditionen zur Verfügung standen (Str B IV, S. 1131 1). So sagt Siphre Deut 3329 (Str B IV, S. 1137): "Ich weiß nicht, was ich euch sagen soll, (aber) heil euch, was euch bereitet ist" - konkrete Angaben über das himmlische Paradies fehlen hier. Später sagte man, daß der h i m m I i sc h e Ga n 'E den 7 Abt eil u n gen habe, entsprechend den 7 Abteilungen des Gehilmom. Auch da bewährt sich die alte L ehr e von der E n t sprechung zwischen dem Oberen und dem Unt er e n. Siphre Deut 110 (Str B IV, S. 1138) zählt diese Abteilungen auf mit Berufung auf Bibelstellen .. Diese bedeuten zugleich Rangstufen der Seligkeit, in die die Gerechten je nach Verdienst von Gott versetzt werden. Im einzelnen werden die Belege aus der Schrift und die Rangstufen verschieden angegeben. Verständlich ist, daß die Rabbinen, die S ehr i f t - und M i s c h n ale h r e reinen h 0 h e n R a n g i n der Se I i g k e i t einnehmen. In einer h 0 h e n K las s e s i n d die M ä r t y r er, die in den Kämpfen gegen Rom um des Glaubens willen gefallen sind. Dem entspricht, daß diejenigen, die hier unterdrückt werden, dort einen hohen Rang einnehmen 2). Die 3. Abteilung wird z. B. bChagiga 14 b erwähnt:Wie Rabban Jochanan 1) Belege bei Str B IV, S. 1138 f. 2) Str B IV, S. 1130. - Auch nach Ascens Jes 9 7 befinden sich die Gerechten im 7. Himmel.
171 b. Zakkai berichtet wird, was für Wunder geschahen, als R. Jehoschu
172 in der erzählt wird, wie er den Todesengel überlistete (bKethuboth 77 b). Wo dagegen das Paradies von 1 Hen 70 zu suchen ist, ist mir nicht ganz durchsichtig. Es heißt zwar von Henoch, daß er "auf den Wegen des Geistes" erhoben wurde, dann aber auch: "Und er setzte mich zwischen zwei Himmelsgegenden nieder, zwischen Norden und Westen ... " Das kann ebensogut auf ein irdisches wie auf ein himmlisches Paradies gedeutet werden. Als Verheißung auf die Endzeit, auf das Reich Gottes, begegnet das Paradies auch in Apk 2 7: 'LqJ Vt"'WVTt (jwO'w a.vr:qJ IJ'ayeiv E'" 'LOV ~VAOV 'Lfk Cwfje;, Ö EO'TtV EV 'LqJ naea.(je{O'ep 'LOV ßeOV. Die Stelle ist Zitat aus Gen 29; 3 22. 24. Auch in der at.lichen Paradieserzählung spielt ja der "Baum des Lebens" eine große Rolle. Er kommt auch immer vor in den Paradiesesschilderungen der spät jüdischen Schriften. Er hat die Eigenschaft, daß seine Früchte die Kraft enthalten, ewiges Leben dem zu geben, der von ihnen genießt. Wer am Ende der Zeit oder nach dem Tode als Gerechter ins Paradies versetzt wird, der empfängt die Gabe des ewigen Lebens so, daß ihm von den Früchten des Lebensbaumes zu essen gestattet wird. So heißt es tLevi 1811: ",al, (jWO'et 'LOie; ay{ote; IJ'ayeiv E'" 'LOV NAOV 'Lfje; Cwfje;. 1 Hen 25 4 f.: ",al, 'LOV'LO 'La (jev(j(!ov evwMae;, ",al, ov(jef-lia. O'a(!~ E~ovO'tav fXet a1paaßat avr:ov f-leXet 'Lfk f-leydA1)e; "'e{O'ewe; .•. 'Ldu &",atote; ... (jo{)~O'er:at. 6 ",aenae; a.V'LOV 'Loie; EXAexr:oie; eie; Cwijv • . • xal, f-ler:aIJ'V'Lev{)~O'er:at lv 'Ldnep ayiep naea 'Lav ol",ov 'LOV ßeov.
Diese Stellen aus dem 1 H e n verlegen das Par a die s i n den Ost e n , entsprechend Gen 2 8, und lassen es auch in der Gegenwart noch dort sein. Die Endzeit bringt dann die Versetzung des Lebensbaumes in die Nähe von Jerusalem: Pa I äst i n a / Je ru s ale m wer den i n der H eil s z e i t zum Par a die s. tLevi 18 dürfte christlich beeinflußt sein. Es scheint, daß auch an der Stelle Apk 2 7 vorausgesetzt wird, daß das Paradies und mit ihm der Lebensbaum schon jetzt da sind. Der Anklang an Gen 2 9 legt die Vermutung nahe, daß es sich zugleich um das Paradies Adams handelt, welches jetzt noch vorhanden aber verborgen ist. Dieses Paradies wird in der neuen Schöpfung wieder erscheinen. Wer in dem Glaubenskampf siegreich überwindet, der wird in das Paradies eingehen können, der wird von den Früchten des Baumes des Lebens genießen dürfen und so das ewige Leben erhalten. Diese Verheißung wird in Apk 222 wieder aufgenommen. Mit dem Motiv vom Lebensbaum ist dort das Motiv vom Lebenswasser verbunden: zwei Lebensbäume stehen an den beiden Ufern des Stromes.
173 Hier ist die Weissagung Ez4712 wieder aufgenommen, in der ebenfalls der Strom und der Baum miteinander verbunden sind. Zugleich sind hier, wie in Ez 47 und 1 Hen25 Jerusalem, der Lebensbaum und der Lebensstrom miteinander verbunden. Vielleicht ist die Vorstellung in Apk 22 auch die, daß zwei Reihen von Lebensbäumen die Ufer des Stromes säumen; denn das Wort .;VAOV könnte kollektiv gemeint sein wie in Ez 47 7. Aus Ez 47 12 stammt auch die Angabe, daß die Bäume jeden Monat Früchte tragen 1). Endlich stammt aus Ezechiel die letzte Angabe, daß die Blätter des Lebensbaumes zur Heilung der Heiden dienen. Es ist bemerkenswert, daß in dieser Weissagung ni c h t u n t e r s chi e den wird z w i s c h e n neu e r S c h ö P fun g und Par a die s , wie man das noch auf Grund von Apk 2 7 erwarten könnte, vielmehr fall e n neu e S c h ö p fun gun d Par a die s zu sam m e n, aber au c h Par a die s und neu e s J e r usa I e m 2). Wir haben hier noch die T rad i ti 0 ne n übe r die Wo h nun gen der Ger e c h t e n im Par a die s weiter zu verfolgen. Neben dieser Vorstellung gibt es noch die weitere, die sagt, daß im Paradiese jeder Gerechte seine eigene Wohnung habe. Diese Lehre begegnet zum ersten Male bei der Frau des R. S chi m< 0 n b. C h a la p h t h a (um 190), aber es ist deutlich, daß die Frau nur etwas ausspricht, das längst allgemein anerkannte Lehre war 3). Da wird einmal dies berichtet, dann erfährt man auch, daß die Gerechten im Paradies auf Thronen sitzen, über welchen sich Baldachine spannen, die reich mit Perlen und Edelsteinen aller Art besetzt sind. Zugleich wird gesagt, daß die einzelnen Gerechten abgesondert voneinander leben, so daß ein gegenseitiger Verkehr nicht in Frage kommt 4). In der Parallele in Schemoth r. 52 (104 b, 28) heißt es sogar: "Rabbi, sieht denn ein Mensch den andern in der zukünftigen Welt (hier = Jenseits!) ? Hat nicht jeder Gerechte eine Welt für sich, wie es heißt (Qoh 125): ,Denn der Mensch zieht hin in sein ewiges Haus und auf der Straße gehen die Klagenden umher'? ,Die ewigen Häuser' steht hier nicht geschrieben, sondern ,sein ewiges Haus'." 1) Vgl. R. H. Charles, The Revelation of St. John II, 1920, S. 176 (in: The International critical Commentary, edd. S. R. Driver, A. Plummer, G. A. Briggs). 2) Parallelen aus dem jüdischen Schrifttum zu Apk 222, welche ihrerseits Exegesen von Ez 4712 sind, gibt Str B III, S. 856. 3) Str B IV, S. 499. 1141. 4) Midrasch Ruth r. zu 117.
174 R. . Jü s e p h (t333) berichtet als thannaitische Tradition: "Du hast keinen .Gerechten, der nicht eine Wohnung hätte (scil. im Jenseits) gemäß seiner .Ehre" (bBaba Me 9i'a 83 b). Resch Laqisch (um 210) sagte zu Pred 12 5: "Gleich einem König, der samt seinen Heerführern, Eparchen und Obersten in eine Stadt einzog. Obgleich sie alle durch ein. Tor einzogen, .80 ging doch jeder hin und wohnte entsprechend seiner Ehre. Ebenso, obwohl alle den Tod schmecken, so hat doch jeder eine Welt ffu sich" 1). Der Gedanke kann auch so gewendet werden, daß jedem Gerechten ein 'Eden für sich zugesprochen wird;· So lehrte R. E l' a z arb. M e n ach em (um 330) 2). Eine Parallelrezension dieses Ausspruches in Thanchuma (emor 174 a, 15) sagt, daß jeder Gerechte im Gan ·Eden. eine Wohnung für sich habe, und nach Midrasch Ps 34 § 2 soll R. El"azar b. Menachem sogar gesagt haben, jeder Gerechte habe· eine Welt für sich und einen Gan 'Eden für sich 3). Verwandt mit dieser Lehre von den Wohnungen der .Gerechten ist der Ausspruch des Resch Laqisch, der zu einem Handwerker sagte, er werde nicht mit ihm zusammen im Paradiese sein, sondern er werde zu seinen Handwerksgenossen kommen: "Denn man (= Gott) läßt jeden Menschen nur bei seinen Handwerksgenossen wohnen" 4). Ohne Beziehung zum Paradies wird im 1 Hen B von den "Wohnungen der Gerechten" geredet. 1 Hen 39 4 (vgl. 41 2; 2 Hen 61 2) werden diese Wohnungen an das Ende des Himmels verlegt; Engel, die bei Gott fürbitten, sind dabei.G0tt hat dem "Henoch" schon früher an diesem Ort eine Wohnung bereitet, 39 9. Die Sünder, die Gottes Namen leugnen, werden von diesen Wohnungen weggeschleppt, 412. Die Heiligen, die "im·Himmel wohnen", danken und loben Gott dafür, daß er das Gericht vollzieht und den Tod der Gerechten rächt, 472. Dort befindet sich auch der Brunnen der Gerechtigkeit und die vielen Brunnen der Weisheit, aus denen alle Durstigen trinken und sich so mit Weisheit erfüllen können, 481. Beim Endakt erscheint dann diese himmlische Gemeinde mit dem "Auserwählten" an der Spitze auf der Erde, um mit den Gerechten der letzten Generation die Heilsgemeinde des Reiches Gottes zu bilden. In 1 Hen 62 8 wird dafür der Ausdruck gebraucht, die Gemeinde der Gerechten und Auserwählten werde "gesät". Er will damit sagen, daß ihre Offenbarung mit dem Erschei1) 2) 3) 4)
Midrasch Qohelet r. zu Pred 125; Str B IV, S. 1141In Wajjiqra r. 27 (125 b,31); Str B IV, S. 1141 f. Str B IV, S. 1142. Midrasch Qohelet r., zu Pred 39; Str B IV, S. 1142.
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neu des Menschensohnes angebahnt wird 1). - In die Vorstellungsreihevon der himmlischen Wohnung der Gerechten gehört auch bSchabbat· 152 a: ,;Denn der Mensch geht in sein ewiges Haus' (Pred 125). Daraus geht hervor, daß jedem Gerechten eine Wohnung nach seiner Würde angewiesen wird, gleich einem König von Fleisch und Blut, der mit seinem Gefolge nach einer Stadt zieht; wenn sie einziehen, geschieht es durch ein Tor, verweilen sie aber in der Stadt; erhält jeder eine Wohnung nach seiner Würde." Diesen Anschauungen des 1 Hen von den himmlischen Wohnungen der Gerechten widerstreitet 1 Hen 511. Nach dieser· Stelle sind die Toten in der Erde, in der Untl;lrwelt und in der Hölle. Unter diesen gibt. es nach v. 2 auch "Gerechte und Heilige". Hier liegt wohl noch die ältere, at.liche Auffassung vom Aufenthaltsorte der Toten vor. Verbunden damit wird, wie in 1 Hen 62, die Auferstehungslehre. So geht hier beides durcheinander: die L ehr e .v 0 mAu f e n t haI t der Ger ec h t e n i m H i m m e I und die L ehr e vo mAu. f e n t haI t der Tot e n in d er Erd e usw., bei des verb und e n mit der Auf er s t e h u n g .s I ehr e. In diesen Vorstellungskreis von den himmlischen Wohnungen gehört irgendwie auch das Wort J 142 f. hinein: "In meines. Vaters Haus sind viele Wohnungen (!loyal = Bleibestätten) ; wenn aber nicht, hätte ich euch gesagt, daß ich gehe, um euch eine Stätte zu bereiten? Und wenn ich gegangen bin und euch einen Ort bereitet habe, komme ich wieder und nehme euch zu mir, damit ihr dort seid, wo ich bin." Nach allem, was wir aus den spät jüdischen Quellen gehört haben, lassen sich die diesem Ausspruch zugrunde liegenden Vorstellungen verstehen 2). Mit dem "H aus des V a, t e r s" ist der H i m me I als 0 r t Go t t e s gemeint, oder es ist daran gedacht, daß sich im H i m me I Go t te s Pa las t befindet, in dem viele Wohnungen sind. Zu dem Ausdruck ist der Eingang des 2 Hen zu verglei, chen: "Die Bücher der heiligen Geheimnisse des Henoch, des weisen Mannes und großen Schreibers, den der Herr aufnahm und ihn liebte, damit er sehe die Wohnungen des Höchsten ... " Da im folgenden vor allem die Himmelfahrt des Henoch beschrieben wird, sind mit diesen "Wohnungen" die verschiedenen Himmel gemeint. In 1 Hen 14 10 nähert sich der Seher im Himmel einem grpßen Haus; in v. 15-20 1) Die sprachlichen Probleme dieses Abschnittes müssen im Rahmen dieser Arbeit auf sich beruhen. J) Volz, S. 354.
176 sieht er im Gesicht ein anderes Haus, in welchem Gott wohnt. Die eine oder die andere von diesen Vorstellungen wird in J 14 vorliegen. Nun redet aber Jesus von den "vielen Wohnungen" nicht bloß im Stile des jüdischen Apokalyptikers oder Rabbinen, der den Gerechten eine Wohnung im Himmel oder im Paradies verheißt. Jesus selber weiß sich auf dem Wege zu Gott befindlich: sein Tod ist Hingang zum Vater und hat Heilsbedeutung für die Seinen. Ihnen will er in den Wohnungen in des Vaters Haus eine Stätte zubereiten. Damit verbindet er das Heilsgut mit seinem eigenen Wirken bei Gott. Man kann nach dieser Stelle nicht sagen, daß "es" im Himmel Wohnungen für die Gläubigen gibt, sondern man muß sagen: "Er", J esus, bereitet den Seinen die Wohnung. Damit wird auch diese in der damaligen Zeit verbreitete Hoff nun g c h r ist 0 log i s c hau s ger ich t e t. Die Hoffnung auf eine Wohnung bei Gott ist in der Kirche an Jesus gebunden und durch ihn garantiert, der durch Tod und Erhöhung zu Gott eingegangen ist. Damit ist aber diese Hoffnung aus der Sphäre der Wunschträume und der Phantasie herausgelöst und gewinnt festen Grund. Damit verbindet sich nun aber in eigentümlicher Weise ein zweiter Gedanke. Die jüdischen Quellen, die von "Wohnungen" der Gerechten im Himmel oder im Paradiese zu reden wissen, lassen die Seligkeit "im Jenseits" nach dem Tode beginnen. Sie setzen damit eine Anthropologie voraus, die in dualistischer Weise dem sterblichen Leib die unsterbliche Seele gegenüberstellt. Von einer solchen Anthropologie ist im Johannesevangelium nichts ZU bemerken. Dem entspricht, daß die Jünger nach unserer Stelle nicht nach dem Tode in diese Wohnungen oder an diese Stätte eingehen, sondern J esus verheißt, er werde wiederkommen, um die Jünger ZU sich zu holen. Der Gedanke der Parusie liegt vor, aber insofern verändert, als hier von einem "Wiederkommen" die Rede ist, da nach Johannes schon die irdische Wirksamkeit Jesu Offenbarung seiner Herrlichkeit war (114). So liegt nach unserer Stelle das Hoffnungsgut für die Jünger schon bereit, die Wohnungen sind da, Jesus bereitet die Stätte, aber erst bei seiner Parusie gibt es ein "Eingehen" in diese Wohnungen. Jesu Hingang zum Vater bereitet der Kirche das Heilsgut, das sie bei der Parusie empfängt. Man könnte diese Stelle sehr gut auch nach Apk213 interpretieren: Gottes Wohnung, die jetzt im (oder: der) Himmel ist, kommt in der neuen Schöpfung auf die neue Erde. So liegt wohl der Parusiegedanke vor, aber es ist zu beachten, daß die Stelle sagt: was die Par u sie bringen wird, das ist jetzt schon da, weil
177 Jesus es vor'bereitet. Damit berührt sich in der Lehre 1 J 32: "Geliebte, jetzt sind wir Kinder Gottes, und es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden; wir wissen, daß wenn er erscheint wir ihm gleich sein werden; denn wir werden ihn sehen, wie er ist." Auch da sind Gegenwart des Heilsguts und zukünftiges Offenbarwerden miteinander verbunden. Die Jünger werden in J 14 getröstet über das Weggehen Jesu durch die Verheißung der Wiederkunft und die Zusage, daß sie eingehen können in Gottes Wohnungen, die der Christus ihnen bereitetl). Nach diesem kurzen Gang ins NT kehren wir zum Pro b I e m der Unsterblichkeitshoffnung im Spät judentu m zurück, das mit der Vorstellung vom himmlischen Paradies verknüpft ist. Die Hoffnung auf Unsterblichkeit begegnet in dem apokalyptischen 23. Kapitel der Jubiläen. Nach dem Strafgericht, das Gott durch fremde Völker an den sündigen Israeliten vollziehen wird, bekehrt sich das Volk, und es folgt eine Heilszeit. Der Messias fehlt in der Schilderung. Der Satan wird verschwunden sein. Das Heil besteht einmal darin, daß die Frommen ein langes Leben, bis zu 1000 Jahren, leben werden in dauernder Jugend. Nach dem Tode aber: "Ihre Gebeine ruhen dann in der Erde, ihr Geist aber hat viel Freude", Jub 23 31. Diese Lehre wird als Botschaft aus den "himmlischen Tafeln" ausgegeben lV. 32). Auch die Paränesen des 1 Hen verkündigen die Lehre von der jenseitigen Vergeltung und damit von der Unsterblichkeit der Seele als 1) Man wird bemerken, daß ich mich mit dieser Auffassung des Textes in Gegensatz stelle zur Erklärung Bultmanns, die er auf S. 462 ff. seines Kommentars entwickelt hat. Ich kann mich nicht davon überzeugen, daß hier nicht die Eschatologie der jüdisch-urchristlichen Hoffnung, sondern diejenige des gnostischen Mythus vorliege, und daß das "Kommen" Jesu in v. 3 sein Kommen in der Todesstunde der Jünger bedeute. Ich sehe nicht, wo in unserem Text etwas vom Tode des einzelnen Jüngers gesagt sein soll; dieser Gedanke müßte doch irgendwie angedeutet sein. Gewiß wird auch in der Gnosis, deren Quellen Bultmann gerade auch zu unserem Text reichlich heranzieht, oft von den "Wohnungen" im Himmel oder bei Gott geredet. Aber bezeichnenderweise fehlt eben in unserem Text gerade der Gedanke, daß der Jünger diese Wohnungen nach dem Tode erlange. Wir hab e n aue hin die s e rAu s sag e des J 0 hannesevangeliums das Nebeneinander von Aussagen, die die Gegenwart des Heilsgutes wie auch seine Zuk u n f t b e ton e n. Die Zukunftsaussagen einfach zu streichen und damit die Eschatologie individualistisch und gnostisch umzudeuten, dürfte doch ein allzu vereinfachendes Verfahren sein. Bietenhard, Himmlisohe Welt
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178 Botschaft, die der Seher auf den "himmlischen Tafeln" gesehen haben will. Er verkündigt es als ein "Geheimnis", als etwas Neues also, 1 Hen 103 2. Er bekräftigt diese neue Lehre mit gewaltigen Schwüren und Beteuerungen, 1 Hen 103 1; 1041. Das :z;eigt, daß hier etwas bis dahin Unbekanntes und Unerhörtes gelehrt wird. Die Gerechten werden:z;u Mut und Standhaftigkeit aufgerufen; denn das Los der in Gerechtigkeit Verstorbenen wird besser sein als ihr Leben auf Erden, 1 Hen 1033 f. Die Sünder dagegen, die in Reichtum dahinlebten, fahren nach dem Tode zur Hölle, wo sie gequält werden, 1 Hen 103 6-8. Nach 1 Hen 1042 stehen den Gerechten die Himmelspforten offen, sie werden Genossen der himmlischen Scharen werden, 1 Hen 1046. Man wird sie auf Ehrenthrone set:z;en, 1 Hen 10812. Eine Verbindung von Unsterblichkeitshoffnung und Glauben an die Auferstehung zeigt das tAbrah. Der Erzengel Michael verkündigt dem Abraham den nahen Tod: "Du wirst in die Himmel aufgenommen. Dein Leib jedoch bleibt hier auf Erden, bis 7000 Zeiten sich erfüllt; dann nämlich wird ein jeder Körper auferweckt", tAbrah 716 f. In einen Traumzustand versetzt wird die Seele Abrahams in den Himmel aufgenommen (146). Gleich ist es in dem christlich überarbeiteten tIsaak: der Ort der Seligkeit ist der Himmel (Kap. 6; 8; 10), der Ort der Strafe aber die Hölle. Die Gerechten dürfen sich am tausendjährigen Gastmahl beteiligen (8 11; 8 20; 10 12). Es braucht in diesem Zusammenhang kaum erwähnt zu werden, daß Phi I 0 von Alexandrien ein Anhänger der griechischen Unsterblichkeitslehre war. Er sagt, daß die Sünde derer, die den Turm zu Babel bauten, darin bestand, daß sie sich in der Ebene niederließen wie in einem Vaterland, während doch der Himmel die wahre Heimat der Menschen sei. Mose habe die wahren Weisen beschrieben als Menschen, deren eigentliche Heimat der Himmel ist; so lebten die Er:z;väter als Beisassen und Fremdlinge auf der Erde. Nachdem sie die sinnliche Welt hier betrachtet hatten, kehrten sie wieder in den Himmel zurück. So halten es alle Weisen; denn die Erde ist für sie die Fremde (de conf. ling. 76-78). Derjenige Teil im Menschen, der vom Himmel ist, ist der Geist (voiJ~). Im irdischen Leben wird er an den Leib gekettet und steht in der Gefahr, von den irdischen Begierden überwältigt zu werden. Hat er aber durch die Wissenschaft und die Tugenden die Gefahren überwunden, dann wandert er wieder zurück in den Himmel; (quis rer. div. her. 274). Demgemäß ruht der wahre Schatz des Menschen im Himmel; er wird durch gerechtes Leben erworben. Philo
179 redet in diesem Zusammenhang auch vom "Schatz im Himmel", den Gott verwaltet und den Tugendhaften zuteil werden läßt. Der Ungerechte und Unfromme geht nicht nur dieses himmlischen Schatzes verlustig, er erwirbt sich auch kein irdisches Gut (de praem. et poen. 104 f.). Die Menschen sind nach Philo in 3 Klassen einzuteilen: die eine Klasse gehört zur Erde; es sind die, welche den Lüsten des Körpers nachjagen. Zum Himmel gehören alle Künstler, Verständigen und Lernbegierigen. Zu Gott endlich gehören die Priester und Propheten; diese nehmen überhaupt nicht Teil an den Tätigkeiten dieser sinnlichen Welt, sondern leben schon jetzt in der Welt Gottes (de gigant. 60). Das ganze Wesen des Menschen zerfällt in 3 Teile: in den sterblichen Leib, die vernunftlose und sterbliche Seele und in den vernunftbegabten Teil der Seele, der vom Himmel stammt und unsterblich ist (de conf. ling. 176) 1). Im 4. Buch der Makkabäer sind die Kapitel 9-12 ein Hohelied auf die Vernunft, die Treue zum Gesetz und die Unsterblichkeit der Seele. 1) Zahlreiche andere Stellen aus Philo bei Str B IV, S. 1020. - Das Einströmen griechischer Anthropologie und griechischer Jenseitsvorstellungen in Palästina läßt sich an den Es sen ern zeigen, von denen Josephus berichtet: "Die Essener sagen, daß die menschlichen Leiber vergänglich seien, und daß ihrer Stofflichkeit nichts Bleibendes eigne, daß aber die Seelen unsterblich seien und ewig bleiben. Aus dem feinsten Äther stammend hatten sich diese, durch natürliche Liebesneigung herabgezogen, mit den Leibern wie mit Gefängnissen verbunden; wenn sie aber die Fesseln des Fleisches abgelegt hätten, erhöben sie sich, wie aus langer Knechtschaft befreit, freudig in die Höhe. Den guten Seelen, so meinten sie weiter in Übereinstimmung mit den Griechen, sei ein Leben jenseits des Ozeans beschieden und ein Land, das weder von Regengüssen noch Schneefällen noch Hitze belästigt werde, das vielmehr beständig ein vom Ozean wehender sanfter Zephyr erquicke. Den schlechten Seelen aber lassen sie einen dunklen und kalten Winkel bestimmt sein, der erfüllt ist von unaufhörlichen Strafen" (Str B IV, S. 1021). J 0 s e p h u s selbst, der auch einmal eine Zeitlang mit einem Essener gelebt hatte, bezeugt als seine persönliche Ansicht ganz Ähnliches: "Die reinen und folgsamen Seelen dauern fort und erlangen den heiligsten Ort des Himmels. Von dort aus nehmen sie im Umschwung der Äonen wieder ihre Wohnung in heiligen Leibern. Die aber mit eigenen Händen gegen sich selbst wüteten, deren Seelen nimmt der finstere Hades auf" (B. J. III, 85). Die g r i e chi s c h e Unsterblichkeitslehre und die Hoffnung auf die Auferstehung der Toten sind hier miteinander verbunden wie i m tal mud i s c h e n S c h r i f t t u m. Der Himmel ist der Ort der Gerechten, die Scheol ist zum Strafort für die Frevler, vor allem der Selbstmörder, geworden. 12*
180 Endlich kennt 1 Hen 71 nur die Seligkeit der Gerechten im Himmel, wobei Henoch der Mittelpunkt dieser Heilsgemeinde ist. Interessant ist, daß der 4 E sr a nicht nur in der Frage nach dem Messiasreich in seinem Verhältnis zur Endvollendung einen Kompro m i ß ver s u c h zwischen älterer und jüngerer Lehre unternimmt, sondern auch in der Frage nach dem Ver h ä I t n i.s von der Uns t erb I ich k e i t sIe h r e z u rA u f e r S t e h u n g s I ehr e 1 ). Die Frage wird 4 Esr 775 so formuliert: "Jeder von uns muß nach dem Tode seine Seele wiederhergeben. Bleiben wir dann aufbewahrt, bis jene Zeiten kommen, in der du die Schöpfung erneuern wirst, oder sind wir sogleich der Pein verfallen?" Für die Gerechten ist ein Schatz von guten Werken aufbewahrt, der aber erst am jüngsten Tage gezeigt wird (777). Die Seelen der Ungerechten sind dazu verurteilt, ruhelos umherzuirren, wobei sie ein Siebenfaches erleiden: sie haben das Gesetz Gottes mißachtet; sie können keine Buße mehr tun; sie erblicken den Lohn, der für die Gerechten bereitet ist; sie erblicken die Qual, die in der zukünftigen Welt ihnen bereitet ist; sie sehen, wie Engel die Wohnungen der andern Seelen bewachen; sie sehen, daß sie jetzt schon der Pein verfallen sind; sie müssen die Herrlichkeit des Herrn schauen, von dem sie einst gerichtet werden, und dabei vergehen sie vor Angst (779-87). Die Gerechten aber genießen 7 Tage lang (7101) einen Vorgeschmack der zukünftigen Belohnungen im Reiche Gottes. Auch diese Vorfreude wird als siebenfach geschildert: sie haben den Sieg über den bösen Trieb errungen; sie schauen die Irrfahrt der Ungerechten; sie sehen, daß Gott sich zu ihnen bekennt; sie kennen die Ruhe, die ihnen bis zum jüngsten Tage gewährt und die Herrlichkeit, die ihnen am jüngsten Tage geschenkt wird; sie frohlocken, weil sie für immer von der Vergänglichkeit, Mühsal und Not befreit sind; sie sehen, daß sie dereinst wie die Sonne leuchten werden; endlich besteht ihre Freude darin, daß sie so zuversichtlich jubeln dürfen im Angesichte Gottes (792-98). Nachdem sie 7 Tage lang all dies geschaut und genossen haben, kommen sie in ihre Wohnstätten, in denen sie bis zur Auferstehung bleiben (7 101). Der Gedanke, daß der Himmel (das Paradies) der Aufenthaltsort der Gerechten in der Seligkeit ist, verbindet sich nun mit der Lehre von den zwei Aeonen in eigentümlicher Weise. Es wird nämlich in einigen spät jüdischen Schriften gelehrt, daß die Heilsgemeinde nach dem Gericht im Himmel sein werde. Das ist der Fall in Ass Mos 10: 1) Vgl. dazu Str B IV, S. 1026.
181 Beim Weltgericht wird der Satan versohwinden, die Heiden werden bestraft und die Göt:z:enbilder zerbrochen. Israel steigt dann zur Höhe auf, kämpft mit dem "Adler" und besiegt ihn. "Und Gott wird dich erhöhen, läßt dich am Sternenhimmel schweben, an seiner Wohnstatt. Von oben blickst du her, schaust in der Hölle deine Feinde .. " (109f:). Dabei ist die Meinung offenbar die, daß die Erde in der Heilszeit zur Hölle wird. Damit berührt sich eigentümlich die Stelle bei Philo (vita Mos. I, 217), in der Israel der "heiligste Aether" zum Erbteil gegeben wird, wie in Ass Mos der Himmel Ort des Heils ist. Die andern Völker werden dann nach Philo auf der· Erde und in den entferntesten Gebieten des Alls wohnen. Die Zehnwochenapokalypse des 1 Hen kennt in 1 Hen 9116 f. nur den neuen Himmel als Heilsstätte. Ebenso besteht nach dem syrischen Baruch (5110) die Herrlichkeit des Reiches Gottes darin, daß die Seligen engelgleich im Himmel wohnen. Unklar dagegen ist sBar 29 f. Nach Kap. 29 dauert die Messiaszeit ewig, nach 30 1 dagegen nicht. Nach dieser Stelle geht der Messias nach seiner Zeit wieder in den Himmel; es folgt in 302 die Beschreibung der Auferstehung, bei der die Seelen aus ihren "Kammern" hervorgehen. Man kann vermuten, daß der Grund für die Lehre, daß der neue Aeon gleich dem (neuen) Himmel ist, in der pessimistischen und dualistischen Anschauung von der Erde zu suchen ist. Die Erde ist und bleibt nach dieser Lehre der Ort der Not, der Mühsal, aller Ungerechtigkeit, des Leidens der Gerechten und Israels, .der Ort der Sünde und des Todes. Dieser Ort wird radikal verlassen. Er ist so belastet, daß auch eine "neue Erde" nur die unangenehme Erinnerung "Erde" wecken könnte. Wenn es wirklich "neu" werden soll in der Zukunft, dann so, daß nur der Himmel, die reine Welt des Lichts, Schauplatz des Heils sein kann. Ob wirklich diese Erwägungen bei der Gestaltung der Lehre vom Himmel als dem neuen Aeon maßgebend waren, ist freilich nur Vermutung; immerhin ist wahrscheinlich, daß sich g r i echischer Dualismus von oben und unten mit eschatologischem von Gegenwart und Zukunft h i e r m i s c h t e. In besondere Nähe Gottes werden die Ger e c h t e n nach der Auffassung gerückt, die ihnen den Platz in der "A b t eil u n g Go t t e s" zuweist 1). Gottes Thron ist von konzentrischen Kreisen umgeben, die teils von Engeln, teils eben von den Gerechten gebildet 1)
Nach Str B H, S. 266 f; IV, S. 1139 f.
182 werden. Je näher beim Throne Gottes ein Kreis ist, desto höher im Rang sind die, welche ihn bilden. So befindet sich die Abteilung Israels näher bei Gott als die der Engel. Darum erkundigen sich die Engel bei den seligen Israeliten nach Gottes Handeln. Damit Engel und Gerechte den Thron Gottes nicht sehen, zieht Gott einen Vorhang um ihn her. Die im Judentum beständig vorkommende Anschauung vom Vorhang fehlt bezeichnenderweise in A p k 4 f.: der D eu s a b sc 0 nd i tu s wir d in der Offenbarung, die der Christus gibt, zum D eu s l' e - v e I a tu s! Der Vorhang hindert nach jüdischer Lehre selbstverständlich nicht, daß Gott alles sieht, was im Kosmos geschieht. Noch näher zu Gott rückte R. EI{ezer (um 90) die Seelen der Gerechten, wenn er sagt: "Die Seelen der Gerechten werden verwahrt unter dem Thron der Herrlichkeit." Die Seelen der Gottlosen aber sind ein Spielball der Engel, die sie einander von einem Ende der Welt zum andern zuwerfen. Nach R. Abbahu (um 300) kommen die Seelen erst 12 Monate nach dem Tode unter den Thron der Herrlichkeit. Der Leib ist seiner Ansicht nach erst nach einem Jahr verwest, und bis dahin "steigen die Seelen auf und nieder" (bSchabbath 152 b; Str B II, S. 267 f.). In der zuletzt genannten Anschauung schimmert eine primitivere Anschauung noch durch: die Lehre, daß die Seele nach dem Tode an das Grab gebunden ist, wo der Leib sich befindet; das Grab ist der Ort des toten Körpers und der Seele; erst wenn der Leib zerfallen ist, ist auch die Seele wirklich von ihm frei und kann in den Himmel steigen 1). Si n g u I ä 1'2) ist die Stelle A p k 69, wo gesagt wird, daß die Seelen der Märtyrer unter dem himmlischen Altar ({}VC1lUCn:i}eWV) sich befinden. Die Anschauung erklärt sich vielleicht aus dem Opfergedanken : die Märtyrer haben ihr Leben für Christus geopfert, dar1) Unbestimmter lauten die Aussagen, daß die Seelen in den Himmel, und zwar ins "Schatzhaus" oder in den "Bund der Lebendigen".kommen, Str B II, S. 268 f. Für den ersten Ausdruck vgl. 4 Esr 71012) Die Parallelen bei Str B III, S. 803 zeigen andere Auffassungen und geben Bildworte wieder, d. h. sie sind wirkliche "Parallelen"! - Die weißen Kleider, die den Seelen gereicht werden, begegnen wieder in Ascens Jes 924. Die Vorstellung von den Seelen unter dem Altar wird klarer, wenn wir Joachim Jeremias, Golgatha, S. 86, folgen: das Spätjudentum suchte den Eingang in die Totenwelt unter dem Brandopferaltar im Tempel zu Jerusalem. Nach der Lehre von der Entsprechung von Himmel und Erde befindet sich dann folgerichtig die Totenwelt für die Märtyrer unter dem himmlischen Brandopferaltar.
183 gebracht; darum werden ihre Seelen nach dem Tode an die himmlische Opfel'stätte verbracht, in besondere Nähe Gottes. Ihr Zustand ist kein vollendeter; denn sie "schreien" und verlangen Gottes Gericht an ihren und seinen Feinden. In der L ehr e von der Uns t erb I ich k e i t der See I e sind die Pseudepigraphen den Rabbinen vorauS. Wenigstens sind wir aus den Quellen so unterrichtet. Der erste Rabbi, von dem wir sicher wissen, daß er die Unsterblichkeitslehre vertreten hat, ist Rabban Jochanan b. Zakkai (Str B IV, S. 1131). Die ergreifende Geschichte von seinem Sterben in bBerakoth 28 b zeigt ihn angesichts des ewigen Richters und der beiden Wege, von denen einer zum Gan 'Eden und der andere zum Gehinnom führt; und er, "die Leuchte Israels, die reohte Säule, der starke Hammer", weiß nicht, welchen Weg er gehen wird 1). Wenn man diese Erzählung auf sich wirken läßt und bedenkt, daß in dieser Weise nicht ein "Am ha-äref redete, sondern der anerkannte geistige Führer des Judentums seiner Zeit, und wenn man daneben Rm 8 liest, dann ermißt man die Tiefe des Gegensatzes, der Juden und Christen trennt. In dieser Stunde konnte sich J ochanan nicht seiner Thora und seiner Gelehrsamkeit trösten, auch nicht seiner kosmologischen Spekulationen und Träume, die ihm den Platz im Paradiese verhießen - er ist nur noch der arme und elende Mensch, der vor sich die "zwei Wege" sieht und die große Ungewißheit. - In der t ha n na i ti s ehe n Z ei t nach Jochanan b. Zakkai und vollends in der Am 0 r ä erz e i t setzte sich die Lehre von der Unsterblichkeit der See lei m J u den t u m dur c h. Mit dem allem stehen wir in einer für das Spätjudentum entscheidenden Problematik drin, Die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele, die mit der Vorstellung von einem himmlischen Paradies verbunden wird, ist natürlich ein entscheidend wichtiges a nt h r 0 polo gi s ehe s Pro b I e m. An die Stelle der at.lichen Lehre vom Menschen tritt im S p ä t j u den turn immer mehr die g r i e chi s ehe Auf f ass u n g vom M e n s ehe n, nach der der Mensch aus Leib und Seele besteht. Die See I e ist im Gegensatz zum Leib uns t erb I ich und unvergänglich. Es mögen hier auch parsische Ideen mithineingespielt haben. So ist das Spätjudentum nicht nur dadurch gekennzeichnet, daß in ihm die Lehre von den zwei Aeonen I} Spätere Amoräer sind da wesentlioh selbstbewußter, wie die von Str B IV, S. 1140 mitgeteilten Aussprüohe zeigen.
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und von der Auferstehung sich durchsetzt, sondern auch dadurch, daß über das Fortleben nach dem Tode andere Anschauungen zum Durchbruch kommen. Wir haben also z w eiL in i e n zu unterscheiden: 1. die s t ren g e Auf e r S t e h u n g sIe h r e, nach der der Mensch stirbt und am Ende der Tage aufersteht, wobei er im Gericht entweder für das Reich Gottes oder für den Gehinnom bestimmt wird; 2. die g r i e chi sc h e (p ars i sc h e) Vor s tel 1 u n g, nach der die uns t erb 1 ich e See 1 e gleich nach dem Tode ihr Los - Seligkeit oder Verdammnis - erhält. Nun gehen aber schon im Judentum die bei den Auf f a s s u n gen Ver bin dun gen ein: die griechische Anthropologie beginnt auch die Kreise zu bestimmen, die den Auferstehungsglauben vertreten. Daraus ergibt sich notwendig die L ehr e von ein e m Zwischen:z;ustand der Seele zwischen Tod und Auf er s te h u n g. Die weitere Folge ist die, daß das Geschick der Frevler von dem der Gerechten schon im Zwischenzustand verschieden ist: die Gerechten sind im Himmel, im Paradies, die Frevler im (zwischenzeitlichen !) Gehinnom. Ich folge in dieser Darstellung der Auffassung, wie sie von Billerbeck formuliert wurde (Str B IV, S. 1017. 1020 f.). Ich vertrete dabei auch die Meinung, daß in dieser ganzen Problematik die An t h r 0 polo gi e das Pr i m ä reist, nicht der Gerichtsgedanke, wie dies von Bousset-Greßmann (S. 400 f.) behauptet wurde. Ich glaube nicht, daß der "Gedanke der individuellen Vergeltung im Jenseits" die Voraussetzung ist für eine andere Anthropologie dem AT gegenüber (Bousset-Greßmann). Die Sache scheint mir eher umgekehrt zu liegen: weil die Auffassung vom Menschen und damit vom Zustand nach dem Tode sich infolge griechischer und anderer Einflüsse änderte, darum konnte die Lehre von der Vergeltung im Jenseits gleich nach dem Tode aufkommen. Die neu e A n t h r 0pologie mit ihrem Leib-Seele-Dualismus ist die Voraussetzung für den Gedanken an ein Tot eng e r ich t. , nicht umgekehrt!). Abgesehen davon kam die neue Anthropologie nicht ohne diesen Gerichtsgedanken ins Judentum herein. Wenn der Satz von BoussetGreßmann richtig ist: "Nach alttestamentlicher Auffassung gehörten heide, Seele und Leib des Menschen, durchaus der vergänglichen Welt an", dann mußte diese Anschauung eben zuerst durch eine andere ersetzt werden, bevor der Gerichtsgedanke aufkommen konnte. 1) Vgl. auch Billerbeck, Str B IV, S. 1036.
185 Wenn kein Objekt für das Gericht da ist, gibt es kein Richten. Man wird, wie ich oben bemerkte, annehmen dürfen, daß damals mit der Unsterblichkeitslehre auch Mythen in das Judentum einströmten, wie sie Platon am Ende der Politeia lehrt. Der Gerichtsgedanke schafft nicht eine neue Anthropologie - das beweist schließlich auch die Tatsache, daß die Auferstehungslehre mit ihrem Gerichtsgedanken sich ohne weiteres mit der at.lichen Anthropologie verträgt. Diese hier in aller Kürze aufgezeigte Problematik des Spätjudentums müßte nun auch in Rechnung gestellt werden bei der Frage nach der E n t s t e h u n g der ehr ist I ich e n L ehr e n über diesen Punkt. Das entstehende Christentum traf schon in Palästina auf eine Umgebung, in der verschiedene Anschauungen über das Schicksal der Seele nach dem Tode verbreitet waren. Die Fragen nach der Unsterblichkeit der Seele nach dem Tode, nach der Auferstehung, nach dem Zwischenzustand zwischen Tod und Endgericht waren schon in den Jahrhunderten um die Zeitwende im Judentum kontrovers. So hielten die Sadduzäer an der at.lichen Auffassung fest und suchten Jesus zU widerlegen. "Eine scharfe Abgrenzung zwischen palästinensischer und alexandrinischer Eschatologie ist also nicht nachweisbar" (Bousset- Greßmann, S. 273). Das Wort J esuan den Schächer am Kreuz (Lk 23 48) meint doch wohl jenen Ort der Seligkeit, der den Gerechten nach dem Tode aufnimmt, mag dieses Paradies nun im Himmel, auf der Erde oder unter der Erde sein. Ebenso hat Lk 16 19-81 einen Zwischenzustand, der alles andere als neutral ist: Seligkeit und Gericht stehen sich hier gegenüber, beide beginnen nach dem Tode. Die Fra gen ach dem Z w i s ehe n z u s t a n d stellte sich nicht erst da, wo das Evangelium auf griechischen Boden übertrat, sondern diese "griechische" Frage s tell te sie h sc h 0 n vor der Entstehung des Christentums auf dem B 0 den P a 1 äst i n a s, und zwar gerade auch i m Z usa m me n ha n g mit der Auf e r s t eh u n g sie h r e. Wo griechische Unsterblichkeitshoffnung mit der Auferstehungslehre zusammentraf, da stellte sich das Problem vom Zwischenzustand - das war in Palästina der Fall, ganz unabhängig davon, ob sich die Parusie Christi "verzögerte" oder nichtl). Der ganze Problemkomplex 1) Vgl. Martin Werner, Die Entstehung des christlichen Dogmas, problemgeschichtlich dargestellt, 1941, S. 693 ff. - Für die Durchsetzung der Unsterblichkeitslehre im Judentum des 1. Jhds. vgl. auch Joachim Jeremias, ThW I, S. 147, Art. q.ßrU;. Str B IV, S.1017.
186 wurde nicht durch die angeblich nicht eingetretene Parusie aufgeworfen, sondern er geh ö r t e :z; u den Vor aus set z u n gen der g a n zen L ehr e n t wie k 1 u n g. Wie kompliziert im ein:z;elnen die Verhältnisse hier sind, mag ein kleiner Hinweis :z;eigen. Wir sahen, daß Paulus in 2 K 12 so ziemlich dieselbe Anschauung hat wie der 2 Hen. Paulus teilte weithin die Anschauungen dieser Schrift. (Ob er gerade vom 2 Hen abhängig war, mag dahingestellt sein; denn beide könnten aus einer gemeinsamen dritten Quelle geschöpft haben.) Aber sofort muß hier beigefügt werden: Paulus teilte die Anschauungen dieser Schrift auch wieder nicht; denn der 2 Hen kennt wohl das endzeitliehe Gericht über die Menschen (2 Hen 40; 65), aber er hat weder die Auferstehungslehre (?) noch den Messias, die beide für die paulinische Theologie zentral sind; der 2 Hen begnügt sich mit der Unsterblichkeit der Seele und dem Gerichtsgedanken. Paulus wird kaum der ein:z;ige Christ gewesen sein, der den 2 Hen oder ihm verwandte Schriften und Anschauungen kannte. Man brachte solche Lehren von Haus aus in den Christenglauben mit oder wurde sonst mit ihnen bekannt. Die Konsequenzen liegen auf der Hand. Es mag deutlich geworden sein, daß die Dinge hier höchst komplex sind und sich auf keinen Fall durch ein einziges Erklärungsprin:z;ip bewältigen lassen. B. Die himmlische Akademie
Im Mittelpunkt des jüdischen Geisteslebens steht das Lehrhaus, die Akademie (~'9~~;, aram. NN~~9). In ihr kommen die Gelehrten zusammen :z;um Studium der Thora, der Mischna, der Halaka und Haggada; hier studieren die Schüler Theologie und Rechtswissenschaft, bis sie selbst als ordinierte Rabbinen das Lehr- und Richteramt in der Gemeinde ausüben dürfen. Trotz aller Dispute und Lehrgegensätz€ fühlten sich die Rabbinen untereinander als ein besonderer Stand verbunden, der den Laien gegenübersteht. Das ist schließlich in jedem Beruf auf der ganzen Welt so. Eine besondere Note erhält das jüdische Lehrhaus dadurch, daß ihm im Himmel ein himmlisches Lehrhaus, eine himmlische Akademie ("7~~ ~~ "~~IP;; aram. NV~~'1" N~=t~1)!?) entspricht. Der Gedanke von der Entsprechung von Himmlischem und Irdischem findet sich also auch da. Billerbeck sagt dazu, die Anschauung von einer himmlischen Akademie hänge mit dem Gedanken von dem Abteil ("~~r:~) Gottes.für die Gerechten zusammen (Str B H,
187 S. 267). Beides braucht sich ja nicht zu widersprechen. "Gott läßt jeden Menschen nur bei seinen Handwerksgenossen wohnen", sagte Resch Laqisch (um 250; Midrasch Qohelet, zu 3 9; Str B IV, S. 1142). So werden die Rabbinen wieder miteinander vereinigt und bilden die himmlische Schule; denn daß sie sich auch in der Ewigkeit mit etwas anderem beschäftigen könnten als mit der Thora, das ist ihnen ein unvollziehbarer Gedanke. Wie im Lehrhaus auf Erden jeder seinen besonderen Platz hat, so wird auch im Himmel bestimmt, wer neben wem sitzen darf (bBaba Meyi'a 85 b; Str B H, S. 267). Nun zeigt aber gerade diese Stelle eine beachtenswerte Eigentümlichkeit: die Fortsetzung der Erzählung :lleigt nämlich, daß dieses SitzeninderhimmlischenAkademiekein Dauerzu s t a n d ist. Die Seelen der Rabbinen steigen jeden Morgen aus dem Friedhof hinauf in den Himmel, um an der Sitzung teilzunehmen. Ihre Thronsessel werden dabei von Engeln getragen und geleitet. Nur vom Sessel des R. Chjjia heißt es, daß er von selbst hinaufsteige. Hier ist die ältere Anschauung von dem Grabe als der Wohnstätte der Seele mit der jüngeren von der himmlischen Akademie verbunden 1). Nicht anders ist es in der Erzählung bBerakoth 18 b: Die Seelen der Toten weilen auf dem Friedhof und können den Lebenden Auskünfte geben. Im weiteren wird gesagt, daß die Rabbinen ihre jüngst verstorbenen Kollegen in den Himmel hinauf tragen. R. L e vi b. Si s i hatte jahrelang die Lehrvorträge des R. A P h e s (um 210) geschwänzt; zur Strafe dafür bringen ihn die Rabbinen eine entsprechende Anzahl von Jahren nicht in die obere Akademie. So ein kleiner Denkzettel gehört dem, der notorisch das Kolleg schwän:llt und damit den Lehrer betrübt! Im übrigen hat nach bGittin 68 a (Str B IV, S. 510) auch der Fürst der Dämonen, Aschmedai, Zutritt zur himmlischen Akademie: er steigt täglich hinauf und lernt, dann fährt er zur Erde und lernt da in der irdischen Akademie 2 ). Man lehrte, daß :llwischen den Rabbinen unten und denen oben eine Beziehung bestehe. So wird erzählt, daß M arA b b a täglich, A b a j e am Vorabend des Sabbath und Raba jeweils am Vorab end desVersöhnungsfestes von der himmlischen Akademie einen Gruß empfingen 1) Die Belege bei Str B IV, S. 1035 f.; über die .Anthropologie orientiert Meyer, Hellenistisches; vgl. auch Schlatter, Geschichte Israelsi, 1901, S.44; J. Bonsirven, Le Judaisme palestinien au temps de Jeaus Christ, Bd. I 1935, S. 322 ff. 2) Jalkut Rubeni gadol 159, bei Eisenmenger I, S.7.
188 (bTha'anith 21 b). Wie in der irdischen Akademie, so kann es auch in der himmlischen zu Disputen kommen über die rechte Auslegung der Thora. Dabei ist das Ansehen der Rabbinen so groß, daß sogar Gott mit einer Lehrmeinung über eine Halaka nicht gegen die Lehrer aufkommen kann. In diesem Falle, wo man sich nicht einigen kann, zieht man einen Spezialisten bei, der die Sache entscheidet. So geschah es dem R a b b a bar N ach man i , der als Autorität in den Gesetzen über die Hautausschläge zur himmlischen Akademie abberufen wurde, als man sich dort in einer Frage über den Aussatz nicht mit Gott zu einigen vermochte (bBaba Me<;i'a 86 a). - Selbstverständlich kennt auch der 3 Hen die Vorstellung von der himmlischen Akademie. Sie wird hier (1815) von den hohen Engelfürsten Aschruilu H' präsidiert. Über ihm steht der Engel Gallit;ur H', der "alle Geheimnisse der Thora" enthüllt, d. h. die göttlichen Beschlüsse dem Kosmos bekanntmacht. In späteren Quellen wird die Ansicht vertreten, daß j e dem Lehrhaus auf Erden ein Lehrhaus im Himmel entspricht; so wird der Grundsatz "was oben ist, ist unten" konsequent durchgeführtl). Es kann dann auch gelehrt werden, daß die Seelen der Rabbinen schon vor der Geburt in der himmlischen Akademie sitzen und die Thora studieren. So sah Mose, als er in den Himmel ging, um die Thora zu holen, den R. 'Aqiba und seine Kollegen und Schüler, wie sie sich mit der Thora beschäftigten 2). Man erinnert sich hier der platonischen Lehre, nach der alle Erkenntnis Wiedererinnerung sei von Dingen, die man vor der Geburt in der Welt der Ideen gewußt und geschaut habe. C. Die Paradiesesvorstellungen in späteren Midraschim 3)
In den uns hier beschäftigenden Schriften - "Gan 'Eden", "Fragmente zu Gan 'Eden", die "Mauern und Hallen von Gan 'Eden und seine Bewohner", der "Garten 'Eden und der Gehinnom", "Gel) Schon nach b'Aboda zara 3 b unterrichtet Gott die Schulkinder im Himmel in der Thora. 2) Von R. Ji9chaq Lurja wird berichtet, er sei jede Nacht in den Himmel hinaufgestiegen, um in einer der dortigen Schulen zu studieren, wobei er sich ganz nach Belieben eine der Akademien ausgesucht habe (Emek hammelek 10 bei Eisenmenger I, S. 7). 3) Ich referiere hier kurz über den Inhalt der Midraschim, die Wünsche, Lehrhallen III, 1. 2 übersetzt hat.
189 schichte von R. Jehoschu'a b. Levi" - wird das Paradies in reichen und phantasievollen Farben ausgemalt. In diesen Schriften begegnet auch zum erstenmal die Bezeichnung "Unterer Gan 'Eden" und "Oberer Gan ·Eden". Nach diesen Berichten 1) ist das Paradies ein von Mauern - es sind 3,7 oder auch 56 - umgebener Garten. Die Mauern des Gartens bestehen aus Feuer. Zwischen den einzelnen Mauern schweifen Seelen und Geister von den Gerechten unter den Weltvölkern umher, die auf diese Weise den Duft des Gartens genießen können. Zwei Tore, über die je 60 Myriaden Dienstengel gesetzt sind, führen in den Garten. Im Innern des Gartens entspringen an einer Quelle 4 Ströme: je einer führt Öl, Balsam, Wein und Honig. Die Quelle ist von 800 Rosen und Myrten umgeben. Im ganzen Paradies gibt es 80 Myriaden verschiedenartige Bäume. Der Baum des Lebens ist in der Mitte. Er bedeckt den ganzen Garten. Am Baum des Lebens sind 500 000 Geschmacksarten. Die Früchte des Lebensbaumes sind nicht vergänglich wie die irdischen Früchte 2). 1) Ich muß hier systematisieren, bin mir aber bewußt, daß die Verfasser dieser Midraschim nicht alle diese Ansichten in gleicher Weise geteilt haben. Die starke Kürzung in diesem Referat bedeutet auch, daß nur einige. Punkte herausgegriffen werden können; leider wird dadurch auch der ästhetische Reiz dieser Schilderungen zerstört. 2) Eine schöne griechische Schilderung des Gartens der Seligen steht im pseudoplatonischen Axiochos 371 c: "Denjenigen nun, deren Lauf im Leben ein guter Schutzgeist lenkte, wird der Aufenthaltsort der Frommen zur Wohnstätte angewiesen, wo fruchtreiche Jahreszeiten von Erzeugnissen aller Art strotzen, lauterer Gewässer Quellen sprudeln, Wiesen. aller Farben im Frühlingschmucke bunter Blumen prangen, wo sich die Weisen besprechen, Dichter die Theater füllen, Reigentänze und der TonkUnst süße Klänge sich darbieten, wohlgeordnete Gastmähler und keine Vorbereitungen erheischende Festschmäuse sowie harmlose Freude und ein ergötzliches Leben. Denn hier tritt weder ein Ausmaß der Hitze noch eins der Kälte ein, sondern sie atmen eine in glücklicher Mischung von den Strahlen der Sonne erwärmte Luft. Hier führen die Eingeweihten eine Art von Vorsitz und vollziehen auch da die heiligen Weihungen" (Übersetzung von Hieronymus Müller). Die Näh e ge w iss e r ra b b i nischer Paradiesesgemälde zu dieser Schilderung ist beachtlich, vor allem die Hervorhebung der "Weisen" (und der "Eingeweihten "), die diskutieren, e n t s p r ich t den R a b binen, die sich in der himmlischen Akademie oder im Par a die s mit der T ho r a be s c h ä f t i gen. - In den "Fröschen" des Aristophanes wird der Garten der Seligen so geschildert:
XW(!WP.B'P ee; :noÄvee6t5ove; ÄBtp.w'Pae; a'P{}Bp.cMBte;
190 Kommt ein Gerechter in das Paradies, dann empfangen ihn die Engel, ziehen ihm die Kleider aus, die er im Grabe trug, kleiden ihn in ,,8 Kleider des Herrlichkeitsgewölks" und setzen ihm zwei Kronen auf das Haupt. Über dem Sitze der Gerechten befindet sich ein Baldachin, der überschattet wird von einem goldenen Weinstock, behängt mit 30 Perlen. Die Gerechten selbst werden zu überirdischer Schönheit verklärt. Es gibt im Paradiese keine Nacht. Sie wohnen in einer der 7 (oder 12) "Abteilungen der Gerechten", wie es ihr Verdienst ihnen bestimmt. Das Paradies enthält verschiedene Hallen (Hekaloth;) oft werden die "Abteilungen (oder Klassen) der Gerechten" in diese Hallen verlegt. Eine Halle heißt "Nest des Vogels" (qen c;ippör); in ihr werden die Kronen für den Messias bereitet. Ein anderer Hekal ist für den Messias reserviert; in ihm befindet er sich an den Monatsanfängen und an den Festzeiten. Gelegentlich wird dieser zuletzt genannte Hekal mit dem Hekal "Nest des Vogels" gleichgesetzt. Ein dritter Hekal heißt "He kaI des Nußbaums". In ihn geht Gott, wenn er mit den Gerechten die Thora studiert. Das Oberhaupt dieses Hekal heißt Rab Gadiel. 7 weitere Hekaloth sind für die gerechten Frauen aus Israel bestimmt. Mittelpunkt der Gemeinde der Gerechten ist der Messias. Wenn er und die Gerechten die Not ihrer Brüder sehen, dann schreien sie laut zu Gott und bitten ihn um die Erlösung Israels und um Rache an den Feinden des Volkes. - Die Gerechten wohnen sowohl im irdischen wie im himmlischen Paradies; sie fliegen zwischen beiden hin und her. Vom oberen Paradies heißt es, daß es sich im obersten Himmel befindet - wie in der talmudischen Tradition -, und ein Altar ist in ihm, auf dem Michael die Seelen der Gerechten opfert. Gott aber weht den Seelen seinen Geist zu und läßt sie im oberen Paradies wohnen. Die Paradiese sind präexistent. Vom irdischen heißt es: "Es berührt TOV fUJ,ETeeOV TeO:n:OV TOV 'WAAtXOeWTaTov :n:at~ovTer;, ÖV lJ}·ßtat Moieat ~vvdyovaw· p,ovatr; yae iJ,iiv fjAtor; "ai cpeyyor; lAaeov eanv. Saot p,elw~p,e1}' sVaeßfj Te t5tfjyop,ev TeO:n:OV :n:eei TOVr; ~evovr; "ai TOVr; la/wTar;·
191 sich und berij.hrt sich nicht mit dieser Erde; denn es ist höher als alle Länder". Eine Säule, die von ihm bis zum Throne der Herrlichkeit aufragt, verbindet den irdischen Gan 'Eden mit dem Himmel l ). Diese Säule ist beweglich; sie dreht sich, wenn der Messias ihre Ringe erfaßt, und singt. Vor allem um Mitternacht singt die Säule, wenn Gott sich zu den Gerechten begibt. In dieser Stunde paaren sich die Geister der männlichen und weiblichen Dämonen und erzeugen die Geister der Proselyten. Ein Teppich bedeckt den Garten; er besteht aus dem Tau, mit dem Gott dereinst die Toten beleben wird; von dem Tau ernähren sich die Gerechten im Paradiese. Vom oberen Paradiese heißt es, daß eS sich wie das himmlische Jerusalem an der Nordseite befinde. Es ist quadratisch. Sechs Erscheinungen des Glanzes umgeben es. Die 6. dieser Erscheinungen ist wie eine Art Strom, der sich in 4 Ströme ("Häupter"!) teilt. Nun werden diese 4 Häupter interessanterweise mit den 4 Erzengeln gleichgesetzt (Michael, Gabriel, Raphael und Nuriel). Ein Strom geht vom oberen Paradies in das untere und bewässert es. Ein anderer Strom, der von der 1. Mauer des oberen Paradieses ausgeht, ist der Nehar di-nür, an dem die Völkerengel sitzen. In seiner Nähe ist ein hoher Ort, an dem sich die Leiter befindet, die Jakob im Traume sah. Es ist die Leiter des "Jünglings Metatron". Die Völkerengel nähern sich dieser Leiter: die, welche hinaufsteigen, erhalten die Herrschaft, die Herabsteigenden tauchen in den Feuerstrom und die Herrschaft weicht von ihnen. - Andere Feuerströme im Paradies dienen - wie der Gesang und Tanz der Engel - der Ergötzung der Gerechten. In diesen Midraschen begegnet auch die Vorstellung vom Fegefeuer. Wenn ein Sünder seine Strafe im Gehinnom verbüßt hat, dann wird er durch Engel aus dem Strafort gebracht. Er geht dann durch eine der feurigen Mauern, wo er gereinigt wird und kann dann außerhalb des Gartens sich aufhalten und sich am Dufte des Paradieses erlaben. Das gilt aber nu,r für die, welche Buße tun. Für die andern, sowie für die, welche im Gehinnom sind, besteht die Strafe und Pein u. a. darin, daß sie die herrlichen Baldachine der Gerechten im Paradiese sehen müssen. Im übrigen werden sie im Feuer und durch Strafengel gequält. 1) Diese Lichtsäule geht wohl zurück auf Platon, Politeia 616 B.
VIII
DAS HIMMLISCHE JERUSALEM Der in der ganzen spät jüdischen Kosmologie zu beobachtende Parallelismus zwischen Himmel und Erde bestimmt auch die Anschauung von der heiligen Stadt Jerusalem. Wie es auf der Erde ein Jerusalem gibt, so auch im Himmel. Im Targum zu Ps 122 3 heißt es: "Jerusalem, das im Himmel erbaut ist wie eine Stadt, um (als Genossin) sich zu einem auf Erden zu gesellen. Und (Gott) schwur, daß seine Schekina nicht in das obere eingehen solle, bis das untere (wieder) erbaut sei. Wie geliebt sind doch die Israeliten bei Gott!" 1) Beide Jerusalem, das himmlische und das irdische, sind demnach auch in ihrem Schicksal miteinander verbunden: ist das irdische den Heiden preisgegeben und also nicht mehr "Stadt Gottes", betritt Gott auch das himmlische nicht mehr. Das irdische Jerusalem ist auch im NT "die Stadt des großen Königs" (Mt 5 35). Dort hat Gott den Ort auf Erden gewählt, wo er - oder seine Herrlichkeit oder sein Name wohnen will. Ist aber die irdische Stadt zerstört, dann hat Gott keinen Raum auf Erden mehr, wo er wohnen kann, und so verzichtet er auch nach R. J 0 c h a n a n (t 279) darauf, im himmlischen Jerusalem zu wohnen (bThaOanith 5a). R. Jochanan beruft sich für die Lehre, daß es ein himmlisches Jerusalem gebe, auf Ps 1223. Von diesem himmlischen Jerusalem gilt der Spruch J es 49 16: "In meine Hände habe ich dich gezeichnet" 2). Wenn Gott aus Liebe zum unteren Jerusalem ein oberes baut, so will das wohl sagen, daß er seinem Volke damit ein bleibendes, unvergängliches Heilsgut schenkt, das alle Wechselfälle der irdischen Geschichte nicht antasten können, wie das bei einer irdischen Stadt eben der Fall ist. Genauer lokalisiert wird das himmlische Jerusalem in bChagiga 12 b: es befindet sich wie der himmlische Tempel und der Altar im 1) Str B III, S. 573. 2) Thanchuma ''''~:l 125 b; Str BIll, S. 573.
193 4. Himmel (zebui). So entspricht der himmlische Ort Gottes dem irdischen 1). Zugleich enthält diese Angabe wohl auch die innere Begründung für den Namen des 4. Himmels: Zebul bedeutet ja "Wohnung", die Wohnung Gottes ist J erusalem; der Himmel, der die Stadt Jerusalem enthält, ist dann die "Wohnung" schlechthin. Das obere Jerusalem heißt ;,~~~ ,~ I:i~~l";. Nach s Bar 42 ist das himmlische J erusalem eine prä existente Größe. Gott sagt zu "Baruch" über Jerusalem: " ... die hier im voraus bereitet ist seit der Zeit, wo ich den Entschluß gefaßt hatte, das Paradies zu schaffen." Lohn und Strafe sind nach jüdischer Lehre präexistent, dem entsprechend auch der Ort des Lohnes und des Heils, also Paradies und Jerusalem. Weiter heißt es in s Bar 4 3: "Und ich zeigte sie dem Adam, bevor er sündigte, und als er das Gebot übertreten hatte, ward sie ihm entzogen ebenso wie auch das Paradies. Und darnach zeigte ich sie meinem Knecht, dem Abraham, in der Nacht zwischen den Opferhälften (vgl. Gen 15). Und weiter zeigte ich sie auch dem Mose auf dem Berge Sinai, als ich ihm das Abbild des Zeltes und aller seiner Geräte zeigte. Und so ist sie schon jetzt bei mir bereit gehalten, ebenso wie auch das Paradies." Paradies und himmlisches Jerusalem gehören zusammen. Die Sünde des ersten Menschen hat diese Güter verscherzt, aber den Frommen - als deren Typen Abraham, Mose und "Baruch" erscheinen - stehen sie als Lohn bereit. Ähnlich heißt es 4 Esr 8 52: "Denn für euch ist das Paradies geöffnet, der Lebensbaum gepflanzt, der zukünftige Aeon zugerüstet, die Seligkeit vorherbestimmt, die Stadt erbaut, die Heimat auserwählt, die guten Werke geschaffen, die Weisheit bereitet." In 4 Esr 726 erscheint "die unsichtbare Stadt" zusammen mit dem "verborgenen Land" in der Messiaszeit : immer wieder erscheinen Paradies und J erusalem als parallele Größen, welche zu Heilsgütern der Endzeit werden. Aus dieser engen Verbindung zwischen himmlischem Jerusalem und Paradies schließt Volz (S. 373 f.), daß beide ihreminnern Wesen nach ein und dasselbe seien; die verschiedenen Namen kommen darnach nur von der Verschiedenheit der eschatologischen Tradition her. Dieser Hinweis könnte noch durch die Beobachtung gestützt werden, daß auch das Paradies von einer oder mehreren Mauern umgeben ist, durch welche, wie in eine Stadt, Tore führen, die von Engeln bewacht sind. Das Paradies ist ein Garten, der aber charakteristische Merkmale einer Stadt aufweist. Wie das Paradies, so ist auch das h i m m 1 i 1) Volz, S. 375. Bietenhard, Himmlische Welt
13
194 sehe Jerusalem die Stätte der Gerechten nach dem Tod e. tDan 5 12: "Die Heiligen werden in Eden ruhen, und über das neue J erusalem (Bni-r;ij~ 'Via~'1 BeOV(jaA.~,u) werden die Gerechten frohlocken." Ebenso erscheint in 2 Hen 552 (Hs. P) das "höchste Jerusalem" als Wohnort der Seligen im Himmel; im "Rest der Worte Baruchs" ist es "die obere Stadt Jerusalem" (5 33) 1). Sehr selten wird in der jüdischen Überlieferun g davon gesprochen, daß das h i m m I i s ehe Je r usa I e m i n der H eil s z e i tau f die Erd e kommen werde. 4 Esr 726: "Siehe, Tage kommen, wenn die Zeichen, die ich dir früher gesagt, eintreffen, da wird die unsichtbare Stadt erscheinen." 4 Esr 13 36: "Zion wird erscheinen und allen offenbar werden, vollkommen erbaut." 4 Esr 1053 f.: "Darum befahl ich dir, auf das Feld zu gehen, wo noch kein Grund zu einem neuen Bau gelegt ist; denn es darf kein menschliches Bauwerk dastehen, wo die Stadt des Höchsten sich offenbaren soll." Dieser ausdrückliche Gegensatz gegen ein "menschliches Bauwerk" deutet darauf hin, daß diese Stadt der Endzeit präexistent und himmlischen Ursprungs ist. Im Midrasch Wajioscha 2) betet Mose zu Gott: "Als Mose Gottes Liebe sah, mit der er Israel liebte, sprach er vor ihm: Herr der Welt, bringe sie hinein und pflanze sie dort an, und möge es eine Pflanzung sein, für die es niemals ein Ausreißen gibt. Laß Jerusalem vom Himmel herabfahren und zerstöre es niemals; sammle die Zerstreuten Israels (!), daß sie daselbst wohnen in Sicherheit." In der Apokalypse des Elias 3) sagt der Prophet: "Ich sah eine schöne und große Stadt herabfahren vom Himmel, vollkommen erbaut." Eine andere Erwartung spricht aus, daß Jerusalem in den Tagen des Messias ben Joseph wiederaufgebaut sein werde, daß die jüdische Diaspora sich dort und in Palästina sammeln werde; dann werde Feuer vom Himmel herab') Das setzt sich auch später fort. Nach dem Jalkut chadasch (Eisenmenger I, S. 852) ist das himmlische Jerusalem die Städte der vollendeten Gerechten. An dieser Stelle heißt es, daß David von den Engeln nicht eher in das himmlische Jerusalem hineingelassen wurde, als bis Salomo den Tempel auf Erden gebaut hatte. Sam i t ist h i erd a s G e s c h ehe n auf Erd e n maß g e ben d für das, was i m H i m m e 1 g e s chi e h t. Oder vielleicht müßte man sagen: er s t mit dem Te m pe 1 bau ist die Par a 11 el ität zwischen H i m m li s c he m und Irdischem ganz er re ich t; sie durchzuführen hatte David Gott versprochen, und wie nun sein Sohn das Versprechen einlöst, kommt David an die Stätte der Seligkeit. 2) Beth ha-Midrasch 1, 55, 23; Str B UI, S. 796. 3) Beth ha-Midrasch 3, 67, 29; Str B IU, S.796.
195
fallen und dieses Jerusalem verzehren mit allen Fremden, Unreinen und Unbeschnittenen. "Dann wird Jerusalem vollkommen erbaut vom Himmel herabfahren mit 72 Perlen, welche strahlen von einem Ende der Welt bis zum andern ... und auch der Tempel, erbaut, wird vom Himmel herniederkommen, der sich im Zebül befindet" 1). Daneben findet sich auch die Erwartung, daß da,s himmlische Jerusalem das irdische ersetzen werde. Aber diese Erwartung ist nur an ein erStelle ausgesprochen: "An Stelle des zerstörten J erusalem wird das Jerusalem, das erbaut ist, aus dem Himmel herabkommen, und der Sproß aus dem Stumpf Isais, der Messias ben David, wird erscheinen" 2). In 1 Hen 90 26 ff. heißt es einfach, daß Gott nach dem Weltgericht "ein neues Haus" an die Stelle des alten bringen werde, und das alte werde weggeschafft werden. Hier gehen die Vorstellungen vom neuen Tempel und vom neuen Jerusalem ineinander über 3). Daß dieses Haus aus dem Himmel stammt, steht nicht im Text, sondern läßt sich nur vermuten. Diese Stellen, die vom himmlischen Jerusalem in eschatologischem Zusammenhang reden, zeigen, daß für das Judentum zu der neuen Zeit, zu der Heilszeit, zu rE rl ö s u n gau c h die neu e S t a d t geh ö r t. Die alte Stadt Jerusalem existiert entweder gar nicht mehr oder die Hoffnung auf einen Neubau wird radikal aufgegeben: keine irdische Stadt ist würdig und fähig, die erlösten Gerechten, das Volk Gottes aufzunehmen, das kann allein die himmlische Stadt Gottes. Man könnte den Gedanken radikal so formulieren: zur neuen Schöpfung gehört die Himmelsstadt, weil nichts Irdisches fähig ist, in der Welt der Erlösung zu sein. Wie wir sahen, wird in verschiedenen Aussprüchen von Rabbinen die Stelle Jes 4916 zitiert, indem sie auf das himmlische Jerusalem bezogen wird. Bezeichnenderweise wird diese Stelle auch in s Bar 4 angeführt - ein Beweis dafür, daß die Deutung von Jes 4916 auf das himmlische Jerusalem in die Zeit der Thannaiten hinaufreicht. Allerdings ist hier nun zu sagen 4), daß s Bar 4 innerhalb dieser Apokalypse singulär ist; denn sonst - z. B. s Bar 32 wird in dieser Schrift der Neubau Jerusalems in der Zukunft erwartet. Nun ist es aber für die j ü dis c h e E s c hat 0 log i e überhaupt be z ei c h ne nd , daß sie sonst durchwegs - mit Ausnahme 1) 2) 3) 4)
Beth ha-Midrasch 3, 80, 25; Str B III, S. 796. Ma'asse Daniel, Beth ha-Midrasch 5, 128, ll; Str B III, S.796. Volz, S. 375. Volz, S. 374. 13*
196 der· vorhin angeführten. Stellen - für die H eil s z e i t in i t dem Neubau .des irdischen Jerusalemrechnet. Die ra b bin i s ehe T he 0 log i e k e n n t die Er wa r tun g überhaupt nicht, daß das himmlische Jerusalem in der Heilszeit auf. die Erde hernieder~ kom m tl). Freilich wird dieses neue irdische Jerusalem in den glühendsten Farben geschildert, ganz ähnlich wie in Apk 21 das himmlische J erusalem beschrieben wird. Auch ist zu beachten, daß in der jüdischen Überlieferungeigentlichnir~ gends eine Beschreibung des himmlischen Je~ ru S ale m vorliegt. Kein Apokalyptiker, der eine Himrrielsreise unternimmt, kein Rabbi, der Ma'asse Merkaba vorträgt, beschreibt diese Stadt. Das ist um so erstaunlicher, als wir sonst über das Innere des oder der Himmel recht eingehende Beschreibungen erhalten. Man scheute sich nicht, den göttlichen Thron zu beschreiben bis in alle Einzelheiten, aber das himmlische Jerusalem wird höchstens erwähnt. Vielleicht hängt das mit den Erfahrungen des Exils und den jüdischen Kriegen von 66-70 und 132-'-135 zusammen. Durch diese Ereignisse wurde das Volk in Palästina zersprengt, der Zutritt zu "Aelia Capitolina" war den Juden während Jahrhunderten verboten. Es war höchster Wunsch der Judenschaft, wieder zum Volk und zum Staat werden zu können. Wiederherstellung von Volkstum und Staat wurde als messianisches Heilsgut vor allem ersehnt - und damit natürlich auch die Wiederherstellung der heiligen Stadt als der Hauptstadt des Volkes auf Erden. Die vorwiegend national bestimmte Eschatologie des Judentums erhoffte Wiederherstellung des alten Zustandes, freilich in verklärter Form. Es ist von da aus verständlich, da.ß die Energien der Juden sich vor allem auf die Wiederherstellung des irdischen Jerusalem konzentrierten in der Lehre von den letzten Dingen. Vielleicht aber kommt als weiteres Motiv für die fast ausschließliche E r war tung eines neuen irdischen Jerusalem noch der G e gen s atz g e gen die Kir c h e hinzu, die ja in ausgeprägter Weise das himmlische Jerusalem für die Heilszeit erwartete. Wir stehen damit bei der nt.lichen Redeweise vom himmlischen Jerusalem. Der Sprachgebrauch ist im NT nicht einheitlich. In Gal 424 heißt es: ~ a:pw 'I eeovaa'),:fJ/.l; Phil 3, 20: ~f1ijj'll yae 1'0 noÄtuvftU 8'11 oveu'IIo;:~ vnaexet; Hebr 1222: neoaeÄ'Y/Äv{}au Eu)J'/l 8eet ~al noÄet {}eov CW'JI'to~, 'I eeovaaÄ~ft lnov(!a'JIüp; Apk 3 12: yea'IjJw sn' amo'JI ... 1'0 8'J1ofta 1) Volz, S.375; Str BIll, S.796.
197 -rijr; :n:OAeWr; -rOV -880V f-WV, -rijr; uawifr; 'I 8eOV(faAitp, ~ ua-raßa{vov(fa iu -rov oveavov; Apk 21 2: xa;' -diV :n:OAtV -ritv ay{av ' IeeOV(faAYJP, uatvitv 8l~ov ua-raßa{vov(f(J,v lu -rov oveavov a:n:d -rov f}80V; Hebr 11 lO: i~8~SX8-rO yae -ritv -rovr; -88p,eAlOVr; exov(fav :n:OAtV, nr; Texvt-r'Yjr; ua~ b'YJIuov(!ydr; <5 -88or;; Hebr 13 14: ov yae exop,8v di~8 p,svov(fav :7ioAw, aAAa -rYJv p,SAAOV(f(J,V im''f}Tov#Sv . Die Stelle im Galaterbrief steht im Zusammenhang mit dem Kampf des Apostels Paulus gegen die gesetzlichen und judaistischen Neigungen der Galater. Aus dem Gesetz selber will Paulus den Leuten zeigen, wie unverständig und unzeitgemäß ihre Neigungen sind (v. 21). Zunächst verweist er sie auf die beiden Söhne Abrahams, d. h. auf die einzigen, die im AT eine Rolle spielen, auf Ismael, den Sohn der Hagar, und auf Isaak, den Sohn der freigebornen Sara (v. 22). Der Sohn der Sklavin Hagar ist "dem Fleisch gemäß" erzeugt, der Sohn der Freien wurde geboren gemäß der Verheißung Gottes (v. 23). Diese drei gegensätzlichen Bestimmungen - Ismael und Isaak, Sklavin und Freie, Geburt nach dem Fleisch und Geburt nach der Verheißung weisen allegorisch hin auf zwei Bündnisse Gottes. Der Reihe Ismael - Sklavin - Geburt nach dem Fleisch entspricht der Bund mit Israel am Sinai (v. 24). Daß sich dies so verhält; ist im Namen der Sklavin angedeutet; denn Paulus weiß, daß das Wort "Hagar" nicht nur der Name der Sklavin ist, sondern auch der Name des Berges Sinai in Arabien (v. 24 f.). Folglich ist Hagar eben Typus für den Sinaibund und das jetzige Jerusalem (~vvv' IeeOV(faA1}p,); denn Jerusalem in Palästina ist die heilige Stadt des Volkes, das sich auf eben diesen Sinaibund gründet, dessen Merkmal das Gesetz und also die Unfreiheit ist, so wie es auch Kennzeichen der Hagar war, daß sie unfrei, weil Sklavin war (v. 25). Dieser Reihe entspricht antithetisch die zweite: Freie (Sara) - Isaak - Geburt nach der Verheißung oberes Jerusalem (v. 26). Die weitere Parallelität muß der Leser ergänzen: dem Gottesbund am Sinai entspricht der Gottesbund in Jesus Christus. Dann setzt die Parallelität wieder ein: die Christen entsprechen dem freien Isaak, dem Sohn der freigebornen Sara (v. 28). Wie Hagar dem Berge Sinai und dem jetzigen Jerusalem entspricht, so entspricht Sara dem oberen Jerusalem, und dieses obere Jerusalem ist die Mutter der Christen. Es ist durch den Freiheitsbund Gottes in Christus die freie Stadt, und die Christen sind die freien Kinder dieser freien Stadt. Sie sind nicht mehr Sklaven des Gesetzes, sondern als Kinder der Verheißung wie Isaak (v. 28) frei von solcher Sklaverei.
198 Als Schriftbeweis dafür, daß die Christen Kinder der freien himmlischen Stadt sind, dient Jes 541 (v. 27). Der Hinweis auf diese Stelle ist um so mehr beweiskräftig, als auch Sara zunächst kinderlos war, während Hagar einen Sohn hatte. Indem Sara den Isaak bekommt, beginnt sich an ihr die Gottesverheißung zu erfüllen, daß ihre Nachkommenschaft zahlreich wie die Sterne sein werde. - Man sollte in v.25 eigentlich erwarten, daß dem 'tfi 'VV'V '1 sQovCfa').fl/J, ein ~ fJS'1 seOvCfa').rl/J, ~ p,e').').ovCfa, in v. 26 entspräche; der Gegensatz ist aber ~ a'VO) '1 S(!OVCfa').~f1,. Paulus erreicht durch diese nicht streng logische Durchführung des Parallelismus einmal, daß von dem 'VV'V aus der Gedanke doch auf das Eschatologische gerichtet wird, aber indem er dem 'VV'V ein a'VO) entsprechen läßt, zeigt er, daß das eschatologische Heilsgut nicht bloß Wunschtraum ist, sondern daß es jetzt schon bereit ist. Zugleich vermeidet er das Mißverständnis, als ob dem jetzigen irdischen Jerusalem ein zukünftiges irdisches J erusalem entsprechen würde. Damit lös t er die Hoffnung der Christen von aller irdischnationalen Bestimmtheit und verlegt sie ganz auf Go t t. Die Heimat des Christen, die er ersehnt, ist fortan nicht mehr ein irdisches Jerusalem, sondern die himmlische Gottesstadt. So entspricht dies'e Allegorie genau der paulinischen Freiheit vom Gesetz, welcher Gedanke sie auch hat entstehen lassen, und der Vereinigung von Juden und Heiden in der einen Kirche. Das irdische Jerusalem kann nur die Heimat von Juden und Judenchristen sein, dagegen kann die himmlische Stadt Gottes die Heimat aller werden, weil Gott in Christus die Unterschiede zwischen Sklaven und Freien, Heiden und Juden aufgehoben hat (vgl. Gal 326-29). Zugleich löst Paulus die innere, seelische und geistige Bindung der Christen an die Welt, indem er zeigt, daß die eigentliche Heimat nicht hier, sondern droben ist; er bewahrt den Christen davor, sich in der Welt zu verlieren und macht ihn frei. Das Zen t rum des Leb e n s ist nicht hier im Sichtbaren und Vergänglichen, s 0 n der n i m Uns ich t bar e nun d E w i gen ; damit ergibt sich eine innere Distanz zum Jetzt und Hier. Von dieser Freiheit von der Welt redet dann auch Phil 317 ff. Paulus fordert hier die Philipper auf, daß sie ihn selbst als Vorbild im Wandel ansehen (v. 17). Als warnendes Beispiel stehen ihm da die andern vor Augen, an die er nur mit Schrecken denken kann, die Feinde des Kreuzes Christi (v. 18). Deren Ende wird Schrecken sein, sie machen den Bauch zu ihrem Gott u,nd sehe ihre Ehre in einem
199 lasterhaften Lebenswandel; sie sind der Welt verhaftet (v. 19). Als Feinde des Kreuzes sind sie Sklaven der Triebe, gebunden an die Welt, und eilen dem Verderben zu. Aber der Christen Stadt oder Bürgertum (noA.tTevpa) ist im Himmel; von da her erwarten sie auch Jesus Christus den Erlöser (v. 20). Er wird den niedrigen, irdischen Leib der Gläubigen auch verwandeln, daß er dem Herrlichkeitsleib Jesu Christi gleich sein wird. Das entspricht seiner Vollmacht, sich alles untertan zu machen (v. 21). Die Probleme dieses Textes sind mannigfacher Art, vor allem auch hinsichtlich des Wortes noA.tuvpa in v.20 1). Luthers Übersetzung dieses Wortes schließt sich an das lateinische conversatio an, aber das Wort muß "politischer" gefaßt werden im Sinne von "Bürgertum", "Stadt" oder "Bürgerrecht". In starker Antithese zu denen, die der Erde verhaftet sind, redet Paulus hier. Daß er dabei vom Bürgerrecht im Himmel redet, deutet darauf hin, daß er Leute im Auge hat, die ihren Blick auf irdisches Bürgerrecht richten - in 3 2-10 setzt sich Paulus ja Init allerlei jüdischen Ansprüchen auseinander, die er zwar an sich auch für seine Person geltend machen könnte, die er aber um Jesu Christi willen aufgibt. Das Leben des Apostels und der Christen ist bestimmt durch die Zugehörigkeit zur himmlischen Stadt, so wie die Juden und die Heiden bestimmt sind durch die Zugehörigkeit zur irdischen. Das himmlische Bürgerrecht der Christen steht im Gegensatz zu Heiden und Juden: zu den Juden, weil deren Blick auf eine irdische Stadt gerichtet ist, zu den Heiden, weil sie ihrer Triebhaftigkeit unterworfen sind. Diese andere Ausrichtung der Christen ist aber nicht Flucht in eine Jenseitsmystik, sondern sie ist eschatologische Ausrichtung, Erwartung des Reiches Gottes. Denn die Christen erwarten nicht, irgendwie in den Himmel aufgenommen zu werden, sondern sie erwarten die Parusie Christi. Ein Problem für sich in diesem Text bildet der Ausdruck 19 0-0 in v. 20. Streng grammatikalisch muß er sich auf noA.tuvpa beziehen, da oveavot ein Plural ist. Dann bedeutet das, daß Christus - und daInit auch Gott, da Christus zu Gott erhöht ist -im himmlischen Jerusalem wohnt. Darauf liegt nun allerdings der Ton in diesem Texte nicht, sondern auf dem Gedanken der Parusie. Möglich wäre allerdings auch, daß no/iuvpa hier "Bürgertum" bedeutet, dann läge der Gedanke der "Stadt" nicht eigentlich vor. Auf jeden Fall ist hier der Gedanke deutlich, daß die Heimat der Christen nicht in dieser Welt zu suchen ist, sondern in der 1) Vgl. Kar! Ludwig Schmidt, Die Polis in Kirche und Welt. Eine lexikographische und exegetische Studie. Basler Rektoratsprogramm 1939, 1940, S. 21-24.
200 Zukunft,wenn das noAh:evpa. sv OV(!a.vo'i~ zur ßa.<1tAela. -rov fhov wird. Die Haltung des Christen im Blick darauf ist das Warten, das be(')sX13w. 'Diese Haltung des Wartens eignete nach Hebr.119 f. schon dem Vater des Glaubens, Abraham. Schon er wartete auf die himmlische Stadt. Schon an ihm, der in Zelten wohnte, wird deutlich, daß er - wie später die Christen als seine Kinder - sich hier auf Erden sogar im verheißenen Lande als Fremdling wußte. Des zum Zeichen wohnte er eben - wie Isaak und Jakob - in Zelten. Denn keine irdische Stadt hat Fundamente (#SpSAlOl) in dem Sinne, daß diese Bestand und Dauer verbürgten. Solche Fundamente dagegen hat die .Stadt, welche Gott bildet und baut, das himmlische Jerusalem, das Gott ihnen bereitet hat: r,rotpaasv yae airroi~ n6Aw (v. 16). Sie haben diese Verheißungen nur von ferne geschaut (v. 13; vgl. die verwandten jüdischen Vorstellungen S. 193 f.). In v. 14 ist mit dem Gedanken der himmlischen Stadt auch der Gedanke des Vaterlandes verbunden: die Erzväter sind "Fremdlinge" und "Beisassen" und zeigen damit, daß sie sich so nennen, daß sie das Vaterland erst suchen (8u na-re[(')a sn~'f}-rovaw). Auch die Frommen des alten Bundes waren Bürger dieser Stadt, wie die Christen als Glieder des neuen Bundes es sind, und beide, die Väter und die Christen, sind hier auf der Welt Fremdlinge und Beisa'lsen. Daß diese Stelle auch eschatologisch versta.nden werden muß, zeigt Hebr 1314: "Wir haben hier keine bleibende Stadt (n6Al~), sondern die zukünftige (-r~v pSAAovaav) suchen wir. Diese H~ltung des Christen allen irdischen Städten und Vaterländern gegenüber hat ihren Ursprung im Werke des Christus, der außerhalb des Tores gelitten hat (Hebr 1312) und so die at.liche Opferthora erfüllte (v. 11). Daraus ergibt sich der Aufruf an die Christen, die Schmach Christi auf sich zu nehmen und zu ihm hinauszugehen außerhalb des Lagers (v. 12)1). In unserem Zusammenhang ist wichtig, daß wir die Antithese des Hebräerbriefes gegen allen heidnischen und jüdischen Glauben festha.lten, daß es hier auf Erden keine bleibende Stadt gibt. Für den Heb r ä erb r i e f bezeichnet so letztlich die h i m m 1 i s c h e S t a d t das R e ich G 0 t t es, den neuen Aeon. Der Verfasser hat es vermieden, an den beiden Stellen das Wort "Jerusalem" zu gebrauchen 2). Das kann auf Zufall beruhen; denn Hebr 12 22 steht der Ausdruck 'lseovaa.A~p snOVl]avLO~. 1) Zu den exegetischen Einzelproblemen dieser Stelle vgl. O. Michel, Der Brief an die Hebräer 2, 1949 (Meyers Kommentar 13 8 ), Komm. z. St. 2) Das kann auch in der jüdischen Apokalyptik geschehen: "Der Name Jeru-
201 In diesem zuletzt genannten Zusammenhang werden in v. 18 einmal der Berg Zion und das himmlische Jerusalem miteinander verbunden und dem Berge Sinai gegenübergestellt. Man könnte fast annehmen, daß hier eine Beziehung zu Gal 4 24 ff. vorliegt. Mit dem Berge Zion ist wohl nicht der Berg Zion in Palästina gemeint, wie seine Zusammenstellung mit dem "himmlischen Jerusalem" zeigt, sondern der (himmlische?) Gottesberg (vgl. Apk 141), aber der "Berg Zion" ist für den Hebräerbrief nicht mehr eine irdische Örtlichkeit, die durch Gott verherrlicht wird, sondern ein eschatologisches Heilszeichen und eine "Wahrheit im Bildwort" 1). Daß die Millionen von Engeln, zu deren Festversammlung die Christen hinzugetreten sind, Bewohner des himmlischen Jerusalems sind, oder daß gar "fromme Menschen" diese Stadt bewohnen, ist im Text nicht gesagt 2); für die Menschen ist es geradezu ausgeschlossen: die Menschen, von denen hier die Rede ist, sind nur im Himmel aufgeschrieben, leben also nicht dort 3). Alle die bisher besprochenen nt.lichen Stellen über das himmlische Jerusalem stehen in mehr oder weniger deutlichem Zusammenhang mit der Eschatologie 4). Man könnte den Tatbestand zugespitzt so formulieren: das hirn m 1 i s c h e J e r usa 1 e m ist i m N T k ein e jen sei t i g e , s 0 n der n ein e z u k ü n f t i g e G r ö ß e. Dabei muß aber sofort auch gesagt werden, daß diese z u k ü n f t i g e S t a d t s c h 0 n jet z tex ist i e r t. In diesen Zusammenhang fügen sich dann auch die Aussagen der Offenbarung über das himmlische Jerusalem. Dieses Jerusalem heißt in Apk 3 12 das neu e Jerusalem, wobei der Gegensatz gegen das alte, das irdische Jerusalern in Palästina unüberhörbar ist. Es ist "neu", insofern es zum "neuen Himmel" und zur "neuen Erde" Apk 211 gehört. Es heißt inApk 3 12 und 212 sowohl xal'J!1} wie auchxa'taßalvovaa 8X 'tOV oV(2avov ano 'tOV 1}eov (+ f-lov 3 12). In Apk 21 3. 10 heißt es dazu noch nach at.licher Redeweise die n6At;- ~ ayla. Die Prädikate, die im AT dem irdischen Jerusalem zukommen, die salem kommt im ganzen überjüdisch gerichteten Henochbuch, so auch in den Bilderreden des Henoch nicht vor" (Volz, S.375). ') Vgl. Michel, Hebräerbrief, S. 315. 2) So Schmidt, Polis, S. 32. 3) Vgl. S.239; so auch Michel, Hebräerbrief, S. 316 f. 4) Wie der Vergleich mit den Stellen aus den Apokalypsen 4 Esr und s Bar zeigt, steht der Hebr offenbar in deren Tradition drin in bezug auf das himmlische Jerusalem. Hier wie dort ist die zukünftige Stadt jetzt unsichtbar, soll aber sichtbar werden. Vgl. Michel, Hebräerbrief, S. 261.
202 hat in der Offenbarung die himmlische Stadt. Nur Apk 11 2 heißt das irdische Jerusalem die ayEa n6At~, worauf sofort in v. 8 dieselbe Stadt n'VevflaTtu{jj~ "Sodom und Ägypten" genannt wird, weil sie Jesus Christus verworfen und getötet hat. In Apk 3 12 verheißt Jesus Christus dem "Sieger", daß er auf ihn den Namen dieser himmlischen Stadt schreiben werde: der Sieger erhält Bürgerrecht im zukünftigen J erusalem. Wieder ist, wie im Hebräerbrief, auch an dieser Stelle die Verbindung mit der Paränese wichtig. Die Bürgerschaft im neuen Jerusalern ist nicht einfach Geschenk, das ohne weiteres jedem zukommt, sondern sie ist Lohn für Standhaftigkeit. Im Blick auf das ganze NT müßten wir sagen: als Christen sind wir Bürger der Gottesstadt im Himmel, aber dieses Bürgerrecht haben wir durch Glauben und Standhaftigkeit zu bewähren, damit Christus uns das Bürgerrecht im neuen Jerusalem verleiht. A p k 2lf. gib t dan n die ein z i g e B e s ch re i b u n g des hirn m 1 i s c h e n J e r usa 1 e m s i m j ü dis c h - c h r i s tl ich e n B e r e ich. Diese Stadt ist identisch mit dem neuen Aeon, mit dem Reiche Gottes. Im Zusammenhang der ganzen Offenbarung ist sie das Gegenbild zu der christusmörderischen Stadt Jerusalem Apk 11 8, vor allem aber ist sie Gegenbild der Weltstadt Babyion Apk 17, welche voller Unreinheit und Sünde ist. "Babyion" hat sich mit dem "Tiere" verbündet, wurde von diesem aber zerstört. Das neue Jerusalem steigt vom Himmel herab auf die neue Erde - sehr im Gegensatz zu Babel, wo die Menschen einst einen Turm bauen wollten, dessen Spitze bis in den Himmel reichte (Gen 11)1). Es besteht hier aber auch ein deutlicher Gegensatz zu jüdischen Erwartungen, die den Neubau des irdischen Jerusalem ersehnen, und von ihm fabulieren, daß es bis zum Throne Gottes sich erheben werde 2). Sonst wird in Apk 21 f. von der neuen Schöpfung nichts weiter beschrieben als der Lebensstrom, der vom Throne Gottes und des Lammes ausgeht, und die Bäume des Lebens, die an seinen Ufern wachsen. Zu allen einzelnen Elementen in der Beschreibung des himmlischen Jerusalem in Apk 21 f. lassen sich sehr enge Beziehungen zu Stellen des AT und deren haggadischer Auslegung durch das Rabbinat beibringen 3). Bei allen diesen Parallelen muß allerdings genau beachtet werden: die jüdischen Beschreibungen beziehen sich auf den Neubau des ') Vgl. Schmidt, Polis, S. 35 f. 2) Str BIn, S. 796. 849. 3) Vgl. im einzelnen Str BIn, S.847-857.
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ir dis c h e n Jerusalem, von dessen Erhebung zu überirdischer Herrlichkeit man träumte!). Gewisse Unterschiede zwischen dem jetzigen und dem neuen Jerusalem werden dann auch im Judentum angegeben: "Das Jerusalem der zukünftigen Welt gleicht nicht dem Jerusalem dieser Welt. Nach Jerusalem dieser Welt kann jeder hinaufziehen, der will; nach Jerusalem der zukünftigen Welt können nur diejenigen hinaufziehen, die ausersehen sind" (bBaba Bathra 75 b). Dazu kommt noch ein weiterer sehr wesentlicher Unterschied zwischen Juden und Christen: das neue Jerusalem von Apk 21f. hat k ein e n T e m p e I, weil Gott selbst und das Lamm darin der Tempel sind (Apk 21 22). Das ist ein Ge dan k e, der für das J u den t u m v ö 11 i gun voll z i e h bar ist. Auch hier hat das K r e u z C h r ist i die Z u k u n f t s er war tun g e n t s c h eid end ge ä nd er t. Die Versöhnung ist ein für allemal geschehen, und so wird ein Tempelgebäude mit seinem Kult auch überflüssig. Als Merkwürdigkeit sei hervorgehoben, daß das neue Jerusalem nach Apk 2116 ein Kubus ist. Dadurch soll wohl das Ebenmaß, die Harmonie und die Vollkommenheit dieser Stadt ausgedrückt werden. Zusammen mit den leuchtenden, strahlenden Edelsteinen und dem Gold, aus dem die Stadt besteht, soll das alles menschliche Verstehen Übersteigende des Reiches Gottes angedeutet werden. Bei allem Gegensatz, der gerade auch in der Offenbarung gegen das irdische Jerusalem zum Ausdruck kommt, hat doch auch das neue Jerusalem des Reiches Gottes 12 Tore, auf denen die Namen der 12 Stämme Israels geschrieben stehen, Apk 2112. Auf den Grundsteinen der Mauer, die um die Stadt herumläuft, stehen die Namen der 12 Apostel des Lammes, Apk 2114. Die An f ä n ger des alt e nun d die An f ä n ger des neu e n V 0 I k e s G 0 t t e s s i n d ver ein i g t , wenn Gottes Werk und Geschichte mit der Menschheit und mit der Welt an ihrem Ziele angekommen ist. Go t t e s Ge s chi c h te im alt e nun d im neu e n B und eis t Ein e, und Go t te s V 0 I k im alte nun d im neu e n B und eis t Ein e s. Dem entspricht schon im Hebräerbrief, daß die Patriarchen und die Christen auf eine und dieselbe Stadt im Glauben warteten und warten. Ich fasse zusammen: im allgemeinen zeigt sich auch in dieser Vorstellung der Gegensatz, der die Kirche von der Synagoge trennt. Das Judentum erwartet in der herrschenden Tradition den Neubau des 1) Vgl. Schlatter, AT in der joh. Apk, S. 102.
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irdischen Jerusalem in Herrlichkeit, wie es auch die Erneuerung des Kultes und des Tempels in der Heilszeit.erwartet. Das NT dagegen hat sich vom irdischen Jerusalemgelöst: Gal 426; Apk 11 8; Hebr 12 2~. Der Parallelismus von Himmlischem und Irdischem ist durchbrochen. Das himmlische Jerusalem 1) ist die Heimat und Mutter der Christen: Gal 4 26; Phi1320, weil Christus darin wohnt, der in der Parusie die Christen zu sich holen wird 2), nach Apk 21 eben in diese himmlische Stadt. Wenn nach Apk 209 das irdische Jerusalem die "geliebte Stadt" heißt, so erscheint hier der Parallelismus von Irdischem und Himmlischem im Bereich der Vorvollendung des Millenniums. Damit hängt aber Gottes Heilshandeln an Israel zusammen: dem unbekehrten Judenvolk eignet das irdische Jerusalem als "Sodom und Ägypten", dem zu Jesus Christus bekehrten dagegen als die "geliebte Stadt". Als solche weist sie hin auf die Vollendung, in der mit der Trennung von Himmel und Erde auch die Dualität von irdischem und himmlischem J erusalem dahinfallen wird 3). Die j ü dis c h e Hoffnung hält hier offenbar an der Dualität und am Parallelismus fest; ihre Eschatologie ist Wiederherstellung des Parallelismus, die christliche Eschatologie erwartet die Aufheb u n g die ses Par a 11 e 1 i s mus. 1) Der Aus d r u c k "h i m m 1 i s c h e s J e r usa 1 e m" ist s p e z i fis c h n t.l ich. 2) Hier schließen sich die Aussagen an, die von der himmlischen Berufung der Christen oder auch vom himmlischen Erbe reden, vgl. ThW I, S. 376 f. Art. avru von Büchsel; ThW III, S. 762 f. Art. u).fjeor; von Foerster. 3) Obschon darauf hinzuweisen ist, daß in der j ü dis c h e n T rad ition nicht reflektiert wird über das himmlische Jerus ale m in der He i 1 s z e i t; man begnügt sich mit dem Ausmalen des irdischen J., wobei die andern Fragen ungeklärt bleiben.
IX
DER HIMMEL ALS ORT DER STRAFE A. Die Hölle im Himmel
Wir sahen schon mehrmals, daß der Himmel nicht durchwegs die reine Lichtwelt ist, als die wir ihn von unsern heutigen Vorstellungen her anzusehen gewohnt sind. Gut und Böse, Gehorsam und Ungehorsam gegenüber Gott kommen im Himmel so gut vor wie auf der Erde. Die himmlische WeIt ist hier gleich beschaffen wie die irdische. Der 1 Hen bringt lange Erörterungen über den Fall der Engel: diese Himmelswesen haben die Möglichkeit, sich im Ungehorsam von Gott los~ zusagen, Gottes Welt zu verlassen und ein eigenes Reich aufzurichten, das im Gegensatz zu Gott steht. Demgemäß ist das, was sie auf die Erde bringen, nicht durchweg gut: allerlei Geheimwissen dunkler Art, Kräuterkunde und Zauberei usw. wird auf die Tätigkeit solcher gefallener Engel zurückgeführt. Sie waren es auch, die die Menschen Kriegswaffen schmieden lehrten (1 Hen 7 1; 8; 69 6 f.). Nach einigen jüdischen Quellen befindet sich nun im Himmel auch die Hölle, der Ort der Strafe für die Seelen der Abgeschiedenen im Jenseits, so wie sich ja auch das Paradies im Himmel befindet. Die Ort e für Loh nun d S t r a f e b e f i n den s ich "i m Jensei t s", un d wo man den Hirn m e I als das "J e n sei t s' ansah, da versetzte man eben Paradies und H ö 11 e d 0 r t hin. "Dergleichen Ausführungen liegt immer der Gedanke zugrunde, daß Lohn und Strafe von Anfang an zum göttlichen WeItplan gehören" 1). Im 2 Hen ist mit dem Paradies im 3. Himmel die Hölle gegensätzlich verbunden. Sie liegt im Norden des 3. Himmels. Der Ort der Strafe und der Qual ist lichtlos: "Nicht ist daselbst Licht, sondern dunkles Feuer brennt beständig." Ein feuriger Strom fließt in die Hölle hinab. 1) Str B IV, S. 1084.
206 Feuer, Frost und Eis sind die Strafmittel für die Gottlosen. Engel, die scharfgeschliffene Waffen tragen, führen an den Verdammten die verhängten Strafen aus. Ein Lasterkatalog zählt diejenigen auf, welche hier bestraft werden; er hat somit den Sinn, vor den aufgezählten Sünden zu warnen: wer diese Sünden tut, kommt in die Hölle (2 Hen 101-5)! Wir sind dem Feuerstrom in der jüdischen Spekulation schon begegnet (vgl. S. 75); es ist wohl auch an dieser Stelle der Nehar di-Nür gemeint, der in Dan 710 erwähnt wird. Es ist zu beachten, daß im 2 Hen die Höllenvorstellung eine andere ist als im grBar: hier das die Sünder verschlingende Ungeheuer, dort die Feuerhölle. Auch die rabbinische Theologie läßt Hölle und Paradies einander entsprechen. So sagte R. Melr (um 150): "Zu allem, was der Heilige, gepriesen sei er! geschaffen hat, hat er ein Seitenstück geschaffen; er hat Meere, er hat aber auch Ströme erschaffen, er hat Berge, er hat aber auch Hügel erschaffen. Darauf sagte Acher (Elischa b. Abuja) : dein Lehrer R. •Aqiba hat nicht so gesagt, sondern: er hat Gerechte, er hat aber auch Frevler erscha.ffen, er hat das Paradies, er hat aber auch die Hölle erschaffen; für jeden gibt es zwei Teile, einen im Paradies und einen in der Hölle. Ist der Gerechte würdig, so nimmt er seinen Teil und zugleich den seines Genossen im Paradies; wird aber der Frevler für schuldig befunden, so nimmt er seinen Teil und den Teil seines Genossen i,n der Hölle" (bChagiga 15 a). Das Testament des Isaak (tIsaak) verlegt in Kap. 6 f. die Hölle in den Himmel. Der Seher sieht hier mißgestaltete Tiere, die einst Menschen waren, aber zur Strafe von Gott so verändert wurden 1). Er sieht, wie Löwen einen Sünder zerfleischen, der aber sogleich wieder zusammengesetzt und lebendig gemacht wird, bevor das Spiel von neuem beginnt. Ferner sind Dämonen da, welche die Sünder bestrafen. Die verhängten Strafen dauern jeweils ein Jahr. Die eigentliche Hölle besteht (Kap. 7) aus einem ungeheuren Feuerstrom, in den zur Strafe viele Seelen geworfen sind. Auf dem tiefsten Grunde der Hölle sind die Leute von Sodom. Hier walten Knechte ihres Amtes, die die Sün1) Eine entsprechende Vorstellung liegt gr Bar 23-7 vor: der erste Himmel enthält eine große Ebene, die so lang ist wie der Abstand von Norden nach Süden (seI. auf der Erdoberfläche). Hier sind tiergestaltige Menschen zu sehen, die Ge.sichter wie Rinder, Hörner wie Hirsche, Füße wie Ziegen und Hüften wie Lämmer haben. Es sind die Erbauer des Turms von Babel, welche Gott auf diese Weise verwandelt und zur Strafe hierher verbannt hat.
207 der zu quälen haben. Die Strafe dauert so lange, bis sieh Gott der Sünder erbarmt. Wir stehen hier also vor der Idee des Fegefeuers l ). Der Midrasch zu Ps 90 lehrt, daß der Gehinnom eines von den 7 Dingen ist, die Gott vor der eigentlichen Weltschöpfung geschaffen hat - wie die Thora, der Thron der Herrlichkeit, der Gan 'Eden, die Buße, das obere Heiligtum und der Name des Messias. Dabei befand sieh das Paradies' zur Rechten Gottes und der Gehinnom zur Linken (Str B IV S. 1084). Wie wir oben sahen, sagt Billerbeck, daß der Präexistenzgedanke die Ursache dafür gewesen sei, daß man die Hölle in den Himmel verlegt habe. Allein, man hat den Gedanken nicht konsequent durchgeführt, wie Zitate bei Str B IV, S. 1084 zeigen. Denn trotz des Präexistenzgedankens kommt es vor, daß man den Gehinnom unter die Erde verlegt hat. Auch hier wird sieh eben die ältere Ansieht gehalten haben: in älterer Zeit war die Welt der Toten der Hades unter der Erde; als dann der Gedanke der Unsterblichkeit der Seele und der Gerichtsgedanke dazu kamen, gestaltete man den alten Ort der Toten zum Strafort aus und ließ ihn unter der Erde (Belege dafür bei Str B IV, S. 1087-1089). Nicht eigentlich eine Hölle, aber doch ein Strafort ist der zweite Himmel nach 2 Hen 7 1-3. Der Seher sieht dort abgefallene Wächterengel ; sie sind düsteren Aussehens, wie der ganze zweite Himmel düster ist. Die Engel sind gefesselt und aufgehängt, wobei sie unablässig gepeinigt werden. So müssen sie das Jüngste Gericht erwarten. Es heißt von ihnen, sie seien mit ihren Fürsten und mit denen, die im fünften Himmel sind, vom Willen Gottes abgewichen. Als sterblicher Mensch kann Henoch keine Fürbitte für sie leisten, wie sie es wünschen. "Henoch" sieht solche Wächterengel auch im fünften Himmel. Sie sehen aus wie Menschen, sind aber größer als Riesen. Sie haben ein müdes Aussehen und sind immer stumm. Deshalb gibt es im fünften Himmel keinen Gottesdienst. Der Grund für ihr Verhalten ist der, daß sie einst mit ihrem Fürsten Satanail von Gott abgefallen sind. Deswegen sind sie in großer Dunkelheit im fünften Himmel eingeschlossen. "Henoch" mahnt die Engel, sieh zum Lobe Gottes zu sammeln und so ihre Pflicht zu tun. Sie gehorchen, stellen sieh in 4 Reihen auf und beginnen Gott zum Schalle von 4 Trompeten zu loben. Wir haben hier 1) Zur Vorstellung vom Fegefeuer vgl. Hans Bietenhard, Kennt das Neue Testament die Vorstellung vom Fegefeuer? Probevorlesung in Bern, 1947 (in: Theologische Zeitschrift, hsgg. von der Theologischen Fakultät der Universität Basel, 3, 2).
208 in 2 Hen 18 offenbar eine andere Tradition vom Falle der Engel als in 2 Hen 29 4, wo der Fall eines Erzengels geschildert war. In 2 Hen 18 sind mit Satanail 200 Myriaden Engel abgefallen, aber in 293 heißt es, Gott habe 10 Myriaden Engel geschaffen. Ferner heißt es, daß der gefallene und gestürzte Erzengel in der Luft über dem Abgrund fliege (29 5). Unausgeglichen mit dieser Vorstellung steht 2 Hen 4012 eine andere: "Ich (Henoch) habe ausgemessen die ganze Erde ... die Höhe von der Erde zum siebenten Himmel und abwärts bis zum untersten Hades, und den Ort des Gerichts; und ich sah den sehr großen Hades geöffnet und klagend. Und ich sah, wie leiden die Gefangenen, erwartend das Gericht ohne Maß." Es ist hier deutlich, daß der Straf ort , also die Hölle oder Gehinnom, sich unter der Erde befindet. Auch der Kompromißvorschlag, den Billerbeck (Str B N, S. 1086) zu dieser Stelle gemacht hat, läuft darauf hinaus, daß wir hier die Hölle unter der Erde zu denken haben. Angesichts der Tatsache, daß der 2 Hen auch in bezug auf den Ort des Paradieses keine einheitliche Vorstellung hat, ist der Widerspruch in bezug auf die Lage der Hölle nicht verwunderlich. Altere und jüngere Traditionen stehen hier eben unverbunden nebeneinander. Die ältere Ansicht läßt diese Orte auf der Erde sein, der 2 Hen hat die Tendenz, sie alle in den Himmel zu verlegen. Das zeigt sich auch an einem andern Punkt: 2 Hen 7 sind die Wächterengel, die bestraft werden, im Himmel, während 1 Hen 13 ihren Strafort noch auf der Erde gesucht hatte. So werden ältere Traditionen zwar festgehalten, geraten dann aber in Konflikt mit jüngeren Ansichten. Wieder eine andere Tradition über den Himmel als Strafort treffen wir gr Bar 3-9 an. Nach einer Reise von 185 Tagen gelangt der Seher mit seinem Begleiterengel in den dritten Himmel. Dort sieht er auf . einer Ebene eine ungeheure, 200 Plethren lange Schlange liegen. Zugleich sieht er die Unterwelt. Nun ist leider die Stelle gr Bar 44-6 ziemlich dunkel; denn einmal wird von der Schlange gesagt, sie fresse die Sünder. Nach v. 6 scheint es nämlich, die Schlange selber sei die Unterwelt. Aber anderseits heißt es in v. 4, daß ein Ungeheuer rings um die Schlange herum gelagert sei. Offenbar liegt die Schlange in der Unterwelt. Beide, Schlange und Unterwelt sind einander ähnlich (v. 6). Die Sache wird ferner dadurch kompliziert, daß es in 5 3 heißt, die Unterwelt sei der Bauch der Schlange 1). Diese Schlange hat ferner 1) Das Ungeheuer, das die Seelen verschlingt, stammt wohl aus der ägyptischen Mythologie, vgl. A. Erman, Die ägyptische Religion 2, 1909, S. 252.
209 die Aufgabe, täglich eine Elle hoch Wasser aus dem Meere zu trinken, in das 360 (!) Ströme münden. Damit ist erklärt, warum der Meeresspiegel immer gleich bleibt !Aber die Frage bleibt offen, wie die Schlange aus dem dritten Himmel auf die Erde gelangt, um aus dem Meere zu trinken. B. Der Satan als himmlisches Wesen
Die Vorstellung, daß sich auch der Satan im Himmel befindet, geht für das Judentum zunächst zurück auf das AT, wobei vor allem natürlich an das Buch Hiob zu denken istl). In der himmlischen Ratsversammlung der "Gottessöhne" erscheint unter allen andern auch der Satan. Er zweifelt die Echtheit von Hiobs Glauben an und erhält von Gott die Macht über Gut und Besitz des Hiob, aber es wird ihm untersagt, dem Hiob ans Leben zu gehen; d. h. offenbar kann Satan die Rolle des Todesengels übernehmen und Menschen töten. Der Satan hat im Hiobbuche keinen bösen Charakter, sondern er spielt im himmlischen Hofstaate Gottes die Rolle des Staatsanwaltes, des offiziellen Prüfers und Anklägers. Im Dienste der Glaubensprüfung stehen denn auch alle die Plagen, die er über Hiob bringt. Es ist durchaus nicht die "teuflische Lust am Bösen und am Übel", die den Satan zu seinen Handlungen gegen Hiob treibt. Dieser Charakter Satans ändert sich im J ud e n turn. Hier hat der S a t an - auch Beliar, Belial, bU1ßoAor;, °Azazel, Sammael genannt - nicht mehr nur die Funktion des Anklägers, sondern er ist die akt iv e bös e Mac h t geword en. Sein Charakter ist schlecht und böse, Gott und den Menschen, vor allem den Gerechten, feindlich gesinnt, er ist der Verfolger Israels als des Volkes Gottes. Mit allen Mitteln der Macht, der List und der Verführung setzt er den Menschen zu. Zweifellos liegen in dieser Wesensänderung Satans im Spätjudenturn fremde, und zwar wahrscheinlich iranische, Einflüsse vor 2). Doch muß hier betont werden, daß es im Judentum ni c h t zu einer d u a I ist i s c h e n B e t r ach tun g des Kosmos und der Geschichte gekommen ist, in dem Sinne, daß man einen Kampf von zwei Göttern angenommen hätte, bei dem der Ausgang umstritten hätte sein können. Im J u den t ums t e h t der Bös e n ich t ') Zu den at.lichen Vorstellungen vgl. Riwkah Schärf, Die Gestalt des Satans im Alten Testament, 1948 (in: C. G. Jung, Symbolik des Geistes. Studien über psychische Phänomenologie, mit einem Beitrag von Riwkah Schärf. Psychologische Abhandlungen, hsgg. von C. G. Jung, Bd. VI). 2) Bousset-Greßmann, S. 513 ff. Bietenhard, Himmlische Welt
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210 seI b s t ä n d i g ne ben Go t t, sondern der alles beherrschende Monotheismus und Schöpferglaube weist auch dem Satan als der bösen Macht seinen Platz im Gefüge der Welt an. Der Satan ist nach spätjüdischer Lehre ein gefallener Engel, der wohl unter andern abgefallenen Geschöpfen seinen Anhang hat und so eine beträchtliche Macht entfalten kann, aber das Schöpfer- und Herrentum Gottes steht nicht zur Diskussion. Das ist im NT genau gleich, auch da wo der Teufel der "Fürst der Welt" oder der "Gott dieses Aeons" heißt. - Es kann sich hier nicht darum handeln, eine vollständige Satanologie des Spätjudentums zu schreiben, ich muß mich vielmehr darauf beschränken, die Rolle zu schildern, die der Satan im Himmel spielt. "Wächterengel" haben sich nach spät jüdischer Mythologie auf Grund von Gen 6 mit den Töchtern der Menschen versündigt und zeugten mit ihnen die Riesen (Jub 422; 51 ff.), worauf die Welt und die Menschheit verderbt wurden. Auch 2 Hen 7 sind die gefallenen Engel solche aus der Kategorie der "Wächterengel" 1). - Das Buch der Jubiläen bezeichnet die Dämonen als die Nachkommen dieser gefallenen Engel (105). In Jub 10 heißt ihr Oberhaupt Mastema = Satan (v 11). Er bittet Gott, es möchten nicht alle bösen Geister vernichtet werden. Gott gewährt ihm die Bitte und es werden 9/10 in die Hölle gesperrt; 1/10 der Dämonen darf weiter wirken. Ihre Gegenspieler sind die Engel, die den Noah Arzneikunde lehren, damit er die Schäden abwehren kann - die Dämonen sind Krankheitsbringer (Jub 107-13). Mastema hat die Rolle des Anklägers der Israeliten vor Gott; so muß 1) In der Textausgabe von Bonwetsch heißt es: "Und die nach ihnen gingen in ihrer Nachfolge, die gebunden sind auf dem zweiten Himmel, umfangen von großer Finsternis." Das erklärt den in der Ausgabe von Charles unklaren Text. Die Vorstellung ist offenbar die, daß die Brüder dieser Wächterengel (" Gregoroi" im Text, was auf hebr. 'irim zurückgeht) von Gott abfielen und darum im zwei· ten Himmel ihre Strafe abbüßen. Vielleicht ist es auch so, daß die aufrührerischen Wächterengel mit ihrem Fürsten im 5. Himmel eingeschlossen sind, während die untergeordneten Engel, die ihnen folgten, sich im 2. Himmel befinden. Die Wäcbterengel, die nach Gen 6 sündigten, sind ja sonst auf der Erde im Gefängnis (1 Hen 6-16; 19; 67; 86, was vielleicht einfach ältere Tradition ist). Nach unserem Text sind nur 3 von ihnen solche, die bei dem in Gen 6 erzählten Falle dabei waren. So sind die Wächterengel hier wohl frühere Aufrührer gegen Gott, die Satane, worauf auch der Name ihres Führers weist. Vgl. die Anmerkung von Charles zu 2 Hen 18 (A), wo die Übereinstimmungen und Unterschiede unter· sucht sind, die in den Mythen vom Fall der Engel zwischen 1 Hen und 2 Hen bestehen. Nach 2 Hen 187 (A) sind die Brüder dieser Wächterengel von Gott unter die Erde verbannt worden, bis sie im Endgericht endgültig betraft werden.
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er beim Auszug des Volkes aus Ägypten für ein paar Tage eingesperrt werden, damit er Gottes Pläne nicht durchkreuzt mit dem Hinweis auf die Sündigkeit des Volkes (Jub 48 15). Der Ankläger hat so nur Vollmacht, wenn Gott es ausdrücklich zuläßt; denn nur weil Gott ihn und seine Scharen nicht vernichtete, kann er Unglück in die Welt bringen. Weitläufig ist im 1 Hen die Beschrei~ung vom Fall der Engel (Kap. 6 ff.). Der Verfasser weiß ihre Namen, die Künste, die sie den Menschen brachten und endlich ihre Bestrafung. In den Bilderreden des 1 Hen begegnen mehrere Satane als Ankläger der Menschen vor Gottes Thron (1 Hen 40 7), doch ist auch für Fürsprecher gesorgt: der vierte der Erzengel, Phanuel, wehrt die Satane ab, daß sie ihre Klagen nicht vor Gott bringen können. Im Himmel befinden sich Plageengel, die dem Satan Marterwerkzeuge bereit machen, mit denen er die Könige und die Mächtigen der Erde quält. Hier ist offenbar der Satan Oberhaupt über Scharen von Geistern, die im Dienste Gottes wirken. In 1 Hen 56 dagegen heißt das Oberhaupt der bösen Geister 'Azazel; er wird in der Endzeit in die Verdammnis geworfen. Im NT ist die einzige Stelle, die ausdrücklich von bösen Geistern im Himmel redet, Eph 6 12. Hier redet Paulus von ;n;V8V/-lara rfj~ ;n;ov'Yjf.!{a~ lvroi~ t;n;oveav{ot~. Böse Geisterrnächte befinden sich in den himmlischen Regionen 1). Der Gedanke steht hier in Verbindung mit der Ansicht, daß böse Geister die Welt beherrschen, gegen die der Christ zu kämpfen hat. 1) Daß beiden .Ausdrücken - lv Toi<; bwveuvtOt<; und lv(TOi<;) oveuvoi<; - dieselbe Vorstellung zugrunde liegt, zeigt ein Vergleich von Eph 6 9 mit Eph 120 und 2 6: Gott ist im Himmel - Christus ist zur Rechten Gottes im Himmel. Der .Ausdruck sv Toi<; bcoveuvtOt<; ist also im lokalen Sinne zu verstehen (mit E. Percy, Die Probleme der Epheser und Kolosserbriefe [Skrifter utgivna av Kungl. Humanistka Vetenskapssamfundet i Lund XXXIX] 1946, S. 181 5 gegen H. Odeberg, The view of the Universe in the Epistle to the Ephesians, 1934 [in: Lunds Universitets Ärsskrift. N. F . .Avd.1 Bd.29 Nr.6], S. 7-14). Die geistlichen Segensgüter, mit denen Gott die Christen gesegnet hat, sind "in Christo" vorhanden; Christus aber ist im Himmel. Diese .Anschauung deckt sich mit Kol3 3: "Denn ihr seid ja doch gestorben und euer Leben ist zusammen mit Christus verborgen in Gott." .Auch der Satz, daß Gott die Christen sv Toi<; enoveuvtOt<; mit Christus eingesetzt hat, bezeichnet den Ort, wo Christus jetzt ist. Indem aber die Christen in solcher Weise teilhaben mit Christus, der gegenwärtig im Himmel ist, haben sie .Anteil an den Heilsgütern des kommenden .Aeons; denn die Güter, die jetzt in Christus sind, werden sich ja bei der Parusie offenbaren, vgl. Kol 34. Dagegen sind die bösen Geistermächte lv Toi<; enoveuvtOt<; nicht "in Christo", weshalb sie auch nicht zum neuen, sondern zu diesem .Aeon gehören. Mit Recht 14*
212 Jesus hatte sein Wirken auf Erden verstanden auch als einen Kampf gegen den Satan und seinen Anhang von Dämonen und bösen Geistern. Er ist in das Reich des Satans eingebrochen und hat ihm den Hausrat geraubt (Mt 12 28 f.). In dem kurzen Bericht über die Rückkehr der 70 Jünger n/tch ihrer Aussendung Lk 10 17-20 steht in v. 18 der Spruch Jesu: "Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Him'mel fallen." Die Jünger, die voll Freude J esus berichten, daß sogar die Dämonen ihnen untertan sind, werden von Jesus in größere ZusaI;l1menhänge hineingestellt. Jesus antwortet ihnen auf ihren Bericht, er habe ihnen Vollmacht gegeben, auf Schlangen und Skorpione zu treten und auf alle Macht des Feindes. Der Satan, der "Feind", sendet nicht nur böse Geister gegen die Menschen aus, um sie zu schädigen, er mobilisiert auch giftiges Gewürm, um die Menschen zu töten. Aber vor diesen Dingen sind die Jünger gefeit, weil Jesus sie schütztl). Und anderseits hat der Satan seine Macht gegen die Jünger verloren. Jesus kann seinen Jüngern dies sagen, weil er ihn "wie einen Blitz" aus dem Himmel hat stürzen sehen. So schnell wie der Blitz fällt, so schnell fiel Satan. Wann Jesus dieses Gesicht vom Sturze Satans gehabt hat, ob vor oder während der Tätigkeit der Jünger, läßt sich nicht sagen. Was der erinnert Percy gegen Odeberg daran, daß die Gläubigen nicht EP Toi~ e:n;oveavlo,~ gegen die bösen Geistermächte kämpfen, sondern daß diese ev Toi~ e:n;oveavto,~ ihren Wohnsitz haben. Diese Geister haben um so größere Macht, die Gefahr für die Gläubigen ist um so größer, als die Geister eben in den himmlischen Regio. nen hausen; der Gläubige ist nur Fleisch und Blut, d. h. irdischer Mensch, während die bösen Mächte überirdisch und jenseitig sind. Der Aspekt in Eph 6 20 ist also ein anderer als in 1
213 Sturz des Satans hier bedeutet, läßt sich auf Grund der spät jüdischen Analogien leicht sagen. Wie die Jünger sich aufmachen, um im Namen und in der Kraft Jesu zu wirken, brechen sie ein in das Herrschaftsgebiet Satans; denn Dämonenaustreibungen z. B. sind direkter Angriff gegen Satans Reich. Aber Satan holt zum Gegenstoß aus: er macht sich auf, um die Jünger bei Gott zu verklagen, ihre Preisgabe durch Gott zu erwirken und so freie Hand gegen sie zu erhalten. Es ist nicht gesagt, und durch spät jüdische Analogien auch nicht belegt, daß der Satan seinen Platz dauernd im Himmel hätte. Dagegen kann der Satan, wie wir sahen, von Fall zu Fall aufsteigen und Menschen verklagen. So verklagte er z. B. die Israeliten beim Durchzug durch das Rote Meer, und als sie das goldene Kalb verfertigten. In solchen Fällen tritt wohl Michael als Verteidiger Israels auf, worauf der Satan mit seiner Klage abgewiesen wird und seinen Platz als Ver kläger räumen muß. An einen solchen Vorgang haben wir hier zu denken: der Satan ist - wohl kraft der Fürsprache Jesu - von Gott mit seiner Klage abgewiesen worden; das zeigt sich darin, daß er vom Himmel herabstürzt 1). Weil der Satan mit seiner Klage abgewiesen wurde, hatte er auch keine Vollmacht von Gott erhalten, die Jünger zu schädigen oder gar zu töten. Deshalb können die Jünger auf giftiges Gewürm treten, ohne Schaden zu nehmen. Mit Recht macht Schlatter 2) auf die Stelle Lk 2231 f. aufmerksam, weil sie in denselben Zusammenhang hinein gehört: "Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen. Ich aber habe für dich gebeten, daß dein Glaube nicht nachlasse." Wieder ist die Vorstellung die, daß der Satan vor Gottes Thron steht, wo er um Vollmacht ersucht, die Jünger zu "sieben", d. h. den Kreis der Jünger zu reinigen von unzuverlässigen und treulosen Elementen, die in der Stunde der Not versagen. Jesus aber hat KUhde von diesen Vorgängen vor Gottes Thron und ist für seine Jünger eingetreten. Er hat den Vater um Glaubenskraft für Simon ersucht, damit er in allen Anfechtungen ausharre. Ist der Satan "Ankläger" vor Gottes Thron, so ist Jesus "Fürsprecher" für die Seinen 3). Versuchungen werden für die Jünger nicht ausbleiben, aber durch Gottes Gabe und Gnade, die Jesus erbeten hat, wird der Glaube und die Treue sie nicht verlassen. 1) Vgl. Schlatter, Lk, S. 279; K. H. Rengstorf, Das Evangelium nach Lukas, 1937, S. 120 (in; Das NT-Deutsch. Neues Göttinger Bibelwerk I, 2). 2) Vgl. Schlatter, Lk, S. 279. 3) Vgl. Schlatter, Lk, S. 426.
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Das Johannesevangelium nennt den Satan - Eph 612 und 2 K 44 klingen an - den "Fürsten der Welt", der Jesus angreift. Der Kreuzestod Jesu bedeutet aber, daß der Satan "hinausgeworfen" wird, seil. aus dem Himmel, J 1231. Das bedeutet, daß der Satan gerichtet ist, J 1611. Dieselbe Heilstatsache wird Apk 12 in visionärer Schau beschrieben: das Kind, das in den Himmel entrückt wird, ist Jesus Christus; das ergibt sich aus einem Vergleich mit Apk 227 und 19 15. Auf die Erhöhung Christi folgt der Kampf Michaels mit dem Satan, der hier der "Drache" heißt. Der Drache, der Verleumder und Satan, wird auf die Erde geworfen 1) und für immer aus dem Himmel verbannt. Das Geschäft der kriegerischen Besiegung Satans und seiner Scharen ist hier auf Michael und seine Engelscharen übertragen; Voraussetzung dazu ist aber die Erhöhung des "Sohnes". Im Lobgesang der Engel nach diesem Sieg wird der Satan der "Ankläger" (xar'f/yo(!wv = Übersetzung des hebr. sätän; der griechische terminus begegnet als Fremdwort auch in rabbinischen Quellen) genannt. Er verklagte die Gläubigen auf Erden Tag und Nacht vor Gott (v. 10). An die Stelle des Verklägers im Himmel tritt nun in der Person des erhöhten Christus der Fürsprecher, der die Menschen vor Gott rechtfertigt. Von hier aus bekommen Stellen wie Rm 8 33 f. erst ihre konkrete Anschauung; es gibt seit J esu Tod und Erhöhung keine Anklage mehr. An ihre Stelle ist die Fürsprache des Christus getreten. Die Heilstat Christi bedeutet eine dauernde Abweisung Satans aus seinem Verklägeramt, nicht wie in der Synagoge, wo der Satan nur von Fall zu Fall beim Rechtsstreit im Himmel abgewiesen wird 2). Von diesem Zentrum des nt.lichen Heilsgeschehens aus ergibt sich nun für cl i e Ans c hau u n g vom Hirn m e 1 z w i s ehe n Juden und Christen ein tiefgreifender Unterschied: für die Christen ist seit Jesu Erhöhung der Satan und das Böse aus dem Himmel verban n t; der Hirn m e 1 wir d zur r ein e n L ich t w e I t , in der der Satan keine Stätte mehr hat. In den j ü dis ehe n Q u e 11 e n dagegen finden wir immer wieder den S a t a n i m Hirn m e 13 ). Wir stehen hier an dem Punkt, wo die ver s chi e1) Von einem "Kampf" Gottes und Michaels gegen den Satan kann ich - im Gegensatz zu Bousset-Greßmann,. S. 327 - in Ass MOB 10 nichts finden. 2) Vgl. Schlatter, Das .AT in der joh . .Apk, S. 67 f. 3) Diese sehr treffende und richtige Beobachtung machte Charles, 2 Hen, S. XLIII: "These events (seil. .Apk 12) ... studied in reference to their origin,
215 dene Auffassung vom Heil die Gestaltung der K 0 s molo gi e b e s tim m t. Man kann von hier aus sogar bej literarischen Untersuchungen feststellen, ob eine Schrift jüdisch, nur leicht christlich überarbeitet oder christlich ist - je nachdem der Satan im Himmel eine Rolle spielt oder nicht. Von hier aus fällt ein Licht auf die Beurteilung der A p k, die oft genug als die "jüdischste Schrift im NT" diffamiert wird: hier wurde der zen t r ale P unk t des christlichen Glaubens erfaßt - der Satan ist g e s tür z t dur c h das H eil s wer k C h r ist i , Christus ist Fürsprecher im Himmel vor Gottes Thron. Einen ganz frappanten Bel e g für die sen e u e K 0 s m 0 log i e , die aus dem christlichen Glauben herausgewachsen ist, gibt die Ase e n s J e s. Die Anschauung von 7 Himmeln ist beibehalten, aber alle Himmel sind reine Lichtwelten ohne Schatten; das Böse oder der Satan kommen in keinem der Himmel vor. Die ersten 5 Himmel sind gleich eingerichtet (das Fehlen 'des Bösen und Dunklen bringt eine gewisse Einförmigkeit!): in der Mitte jedes Himmels befindet sich ein Thron, auf dem der Herrscher-Engel des betreffenden Himmels sitzt; er leitet die Lobgesänge, die in dem Himmel erschallen (94). Zur Rechten wie zur Linken des Thrones steht je eine Schar von Engeln, wobei die Herrlichkeit der Schar zur Rechten größer ist als die der Schar zur Linken, doch ist die Herrlichkeit des Engels auf dem Throne größer als die der Schar zu seiner Rechten. Alle Engel loben Gott, der im 7. Himmel wohnt und dort die Lobgesänge aller Himmel hört und sieht (105; 713-36). Der 3. Himmel zeichnet sich dadurch aus, daß in ihm (und wohl auch in den folgenden Himmeln) diese Welt nicht erwähnt wird (72<1 f.). Die Entfernung der einzelnen Himmel voneinander ist so groß wie die von der Erde zum Firmament (718) oder auch größer (728). Der Engel, der Jesaja begleitet, verbietet ihm, einen der Engel auf they mark a revolutionizing of the old Semitic conceptions of heaven." Von da aus sagt Charles, daß die 7 - Z a h I der H i m m eie i gen t I ich übe r f I ü s si g wurde; die BeL ehr e hat tee i ne Hau pt Bt ü t z e daran, daß eben das Böse auch einen Platz im Himmel hatte, also in einem dualistischen Einschlag in der R e I i g ion. Ist der Mon 0 t h e iBm u s rad i kai dur c h g e f ü h r t, entfällt der Grund zur Beibehaltung der 7 Himmel. Darum haben die dualistischen Häresien mit Vorliebe die 7 Himmel beibehalten! Ich möchte den Akzent allerdings mehr auf das H eil s wer k C h r i Bt i leg e n.
216 den Thronen anzubeten; denn Jesajas Thron steht im 7. Himmel, also steht Jesaja höher im Rang als die Herrscher-Engel der unteren Himmel (721 f.; vgl. Apk 3 21 !). Auch für sich selbst lehnt der Engel es ab, sich "Herr" nennen zu lassen von Jesaja; denn er ist des Jesaja Genosse - wie in Apk 19 10; 22 8 (84 i.). Im 6. Himmel ist die Schar der Engel nicht mehr in zwei Chöre geteilt; denn die Ordnung des 7. Himmels wirkt sich schon weiter unten aus ~8 7. 16). " • . . daselbst nannten alle den ersten Vater und seinen Geliebten, Christus, und den heiligen Geist" (818). Im Luftkreis des 7. Himmels hört Jesaja, daß der Herrscher-Engel des 6. Himmels protestiert gegen seinen weiteren Aufstieg, da Jesaja "bei Fremden wohnt" (9 1. 4). Doch gibt ihm Jesus Christus (er wird hier Gott genannt!) die Erlaubnis zum weiteren Aufstieg (92. 5). Im 7. Himmel befinden sich zahllose Engel, ferner alle Gerechten seit Adam, z. B. auch Henoch. Sie sind ihres fleischlichen Gewandes entkleidet, d. h. des irdischen Leibes, und tragen ein höheres Gewand, so daß sie wie Engel aussehen (9 8 f.). Dagegen sitzen sie nicht auf ihren Thronen und tragen ihre Kronen nicht (910); denn beides wird ihnen erst gegeben werden nach Menschwerdung, Tod und Erhöhung Jesu (912). Immerhin dürfen sie die ihnen bestimmten Kronen und die Throne sehen (9 13). Auch für zahllose weitere Gerechte sind Throne, Kronen und Kleider aufbewahrt. Wer an Christi Wort und Kreuz glaubt, der wird gerettet werden ~9 24-27; 826). Auch Jesaja sieht die Krone, den Thron und das Kleid, das ihm bereitet ist, und das er erhält, wenn er dereinst als Geist, vom Leibe befreit, in den 7. Himmel steigen wird (722; 814). Beim Anblick Gottes verwandelt sich Jesaja und wird wie ein Engel (9 30; vgl. 1 Hen 7111). Kennzeichen der Himmelswelt ist das Licht, das von einem Himmel zum andern herrlicher wird, so daß das Licht der untern Himmel im Vergleich zu dem der oberen als Finsternis erscheint (821. 25). Es ist also ni",ht der Gegensatz von Licht und Finsternis, kein Gegensatz der Qualität, sondern nur ein Unterschied des Grades, der Quantität des Lichts, der die Himmel voneinander unterscheidet. Vor allem Gottes Herrlichkeit und Glanz überstrahlt alles andere (927); ihm, Gott, ist Jesus Christus gleich (933). Zur Linken Jesu Christi ist der "Engel des Heiligen Geistes", dem auch Lob und Anbetung gezollt werden (935 f.). Weder die Engel noch Jesaja ertragen den Anblick Gottes, nur die vollendeten Gerechten vermögen Gott zu schauen (937 f.). Christus und der Heilige Geist beten Gott an, der durch den HI. Geist "Vater des Herrn" genannt werden soll (940; 107). Im 7.
217 Himmel befinden sich die Schicksalsbücher für die Welt; es sind Bücher - nicht wie Bücher dieser Welt -, in denen alles aufgeschrieben ist, was in Israel und sonst überall geschehen wird. Jesaja ist es vergönnt, alles darin zu lesen (919-23). Alles ist hier offenbar, nichts ist verborgen. Der Aufstieg durch die Himmel mit nachfolgender Rückkehr auf die Erde ist ein einmaliger Vorzug Jesajas, der ihm durch das "Los des Herrn" (= "das Los des Kreuzesholzes") gegeben ist (811 f.), kein Fleischgeborner sonst kann es schauen, was ihm zuteil ward (11 34). Der ganze Midrasch ist wohl aus Jes 6 herausgesponnen worden! Als Krönung und Abschluß seiner Himmelfahrt sieht Jesaja den zukünftigen Abstieg Jesu durch die Himmel zur Vollendung des Erlösungswerkes (107-11 40; 9 14-18). Er hört die Stimme Gottvaters, der den Sohn auf den Weg sendet "bis zum Engel im Totenreich, aber bis zur Hölle sollst du nicht gehen" (108). Die Toten sind also an drei Orten: die Gerechten im 7. Himmel, die andern im Totenreich oder in der Hölle. Vom 5. Himmel an verwandelt sich Christus, er entkleidet sich der M~a und wird - bis zum Totenreich hinab - immer der jeweiligen Engelklasse gleich, in deren Bereich er kommt; sind zwei Chöre da, dann gleicht er sich dem niedrigeren an, so daß ihn keiner erkennen wird (1011). Der "Gott jener Welt" (der Erde!) wird seine Hand nach Jesus Christus ausstrecken und ihn töten, ohne zu wissen, wen er umbringt (914 f.; 1119); denn Jesus gleicht auf der Erde den Menschen (89 f.). Endlich aber wird Gottes Donnerstimme bis zum 6. Himmel laut werden und der Sohn wird "den Fürsten und seine Engel und die Götter dieser Welt, die von ihnen regiert wird", vernichten (10 12); "denn sie haben mich verleugnet und gesagt: wir allein und sonst niemand" (1013). Dann wird Christus, ohne sich zu verwandeln, durch die Himmel aufsteigen und alles wird ihn anbeten (10 14 f.). - Jesaja sieht nun, wie Jesus bei seinem Abstieg jedesmal am Tore eines Himmels dem dortigen Wächter das Losungswort geben muß, was er auch tut, um nicht erkannt zu werden (10 24). Nach dem untersten Himmel wird Jesus den Engeln der Luft gleich, gibt aber kein Losungswort mehr; "denn einer beraubte und vergewaltigte den andern" (10 80 f.). - Die Menschwerdung Christi wird in 111-17 stark doketisch beschrieben. Nach der Auferstehung bleibt Christus noch längere Zeit - 9 16 spricht von 545 Tagen - auf der Erde. Dann steigt er, angebetet von allen, auch vom Satan, durch die Himmel auf (11 23). Die ihn töteten, sind traurig über ihre Untat und Un.
218 kenntnis (11 24). Im 7. Himmel setzt sich Christus zur Rechten Gottes, der Engel des Hl. Geistes ist zur Linken (11 32 f.). An die Gnosis erinnert hier: der Abstieg des Erlösers durch die verschiedenen Himmel; die Wächter der Himmelstore, denen Jesus sein Losungswort sagen muß; die Herrscherengel der verschiedenen Himmel. Doch fehlt der Dualismus; denn die Engel sind hier nicht direkte Feinde Christi. Es sieht eher so aus, daß Christus das Losungswort gibt, damit er unerkannt bleibt, so daß sein Kommen nicht nach unten in die Welt gemeldet wird 1). So kann sich der Satan dann auch nicht vorsehen. Beim Aufstieg trifft Jesaja mit seinem Begleiter-Engel auf den Sammael (= Satan) und seine Scharen, die sich am Firmament aufhalten. Es herrscht unter diesen Scharen - aus Neid - wilder Streit, Kampf aller gegen alle (79; 1029. 31). Das steht im krassen Gegensatz zur Harmonie im Himmel und zum Gehorsam Christi Gott gegenüber. Dieser Kampf der Geister und Dämonen am Firmament dauert von der Schöpfung bis zur Parusie (7 11 f.). "Und so wie droben, ist es auch auf der Erde; denn das Abbild dessen, was im F'irmament ist, ist hier auf Erden." Die alte Lehre von der Entsprechung von Himmel und Erde ist auch hier deutlich formuliert: das Chaos und der Kampf unter den Menschen auf der Erde ist ein treues Spiegelbild dessen, was im Firmament, im Geisterreich vor sich geht. Diese Stelle ist wohl von Paulus abhängig: Eph 612 - die bösen Geister im Himmel; Eph 2 2 der Herrscher der Macht der Luft. Diese paulinische Anschauung läßt sich sehr schön aus 2 Hen 29 4 belegen. Gott redet hier über die Schöpfung der Erzengel. Ein Erzengel war mit seiner Schar von Gott abgefallen, wollte seinen Thron in den Himmel setzen und Gott gleich werden. Gott aber stürzte ihn mit seinen Engeln und er fliegt nun beständig in der Luft über dem Abgrund. Was Ascens Jes sagt, verrät keine Bekanntschaft mit 2 Hen 29 4. Abgesehen von der Angabe, daß unter den Geistern des Firmamentes Unordnung herrscht, geht Ascens Jes durchaus mit Eph 2 zusammen 2). Überhaupt ist der Eindruck der, daß wir es in Ascens Jes mit 1) Ich kann Dibelius, Geisterwelt, S. 95 f. nicht ganz folgen, wenn er die Engel vom 6. Himmel ab geradezu als "Feinde Christi" bezeichnet. Mir würde eher scheinen, daß hier ein e g nos t i s c h e l d e ein s C h r ist I ich e u m g e bog e n w u r d e. 2) Nach spät jüdischer Lehre ist die Luft der Aufenthaltsort der bösen Geister, vgl. ThW I, S. 165, Art. d1je von Foerster; Str B IV, S. 515 ff.
219 einem christlichen Midrasch1) über nt.liche Aussagen zu tun haben: der Abstieg Jesu durch die Himmel kann sehr wohl unter gnostischer Beeinflussung aus Phil 25-11 herausgesponnen sein. Die Lehre von der Kenosis Christi ist in das Schema von den 7 Himmeln eingefügt. Jeder Himmel entspricht einem Grad der Entäußerung von Herrlichkeit. Der "Fürst der Welt", der seine Hand nach Jesus ausstreckt, weist nach dem Johannesevangelium hin. Die Dämonen erkennen Jesus nicht, wie sie ihn töten; das weist auf 1 K 2 8 zurück. So sagt auch Ignatius (Eph 191), daß die Weltherrscher Jesus nicht kannten. Die himmlischen Kleider, die nach Ascens Jes für die Gerechten bereit liegen, die den Menschen den Engeln gleich machen - es ist der neue, geistliche Leib -, ergeben sich aus einer Kombination von Mt 2229 f. mit 1 K 15 38. 40. 44. 49-51 und 2 K 5 1-5. Mit dieser zuletzt genannten Stelle vor allem stimmt zusammen, daß die himmlischen Kleider schon bereit liegen. Nach 2 Hen 22 wird Henoch mit den "Kleidern der Herrlichkeit" bekleidet und mit einer wunderbaren Salbe gesalbt, . so daß er aussieht wie einer der Erzengel. Die Kronen, die die Gerechten nach der Himmelfahrt Christi tragen werden, könnten auf 1 Tm 48 zurückgehen, die Throne der Gerechten auf Mt 1928 und Apk 3 21. Es wurde schon erwähnt, daß der Engel die Anrede "Herr" ablehnt wie in Apk 1910 und 228 der Engel die Proskynese. Der 7. Himmel hat das hellste Licht, Gottes Lichtfülle halten die Engel nicht aus 1 Tm 616. Christus durchschreitet nach dem Erlösungswerk die Himmel und setzt sich zur Rechten Gottes - Hebr 81 f. Alle Geschöpfe beten ihn nach seiner Erhöhung an - Phil2 11. In der T rad i t ion der S y na g 0 g e hat der S a t an i m m erd e n Zug a n g zum H i m m e I, in die Nähe des göttlichen Thrones, behalten. "Es ist in einer Baraitha gelehrt worden: der Satan kommt herab und verführt, steigt hinauf und klagt an, nimmt die Vollmacht und nimmt die Seele" (bBaba Bathra 15 b). Kürzer und zugleich treffender könnte der Satan der jüdischen Religion nicht gekennzeichnet werden. Er ist Verführer zum Bösen - das geht über Hiob hinaus, stimmt aber mit der übrigen Tradition zusammen; er wird dann zum Verkläger vor Gott und dem himmlischen Ge1) Ich gehe damit über die Aussage von Dibelius, Geisterwelt, S. 94 f. hinaus und rede nicht von" Übereinstimmung" der Gedanken zwischen Paulus und der A s c e n s Je s, ich meine vielmehr, daß wir es hier mit erweiternder Exegese, also M i d ras c h, der n t. li c h e n S tell e n durch den pseudonymen Propheten zu tun haben.
220 richtshof, und endlich wird er zum Todesengel, der sich die Seele des Sünders als Beute holt, wenn er die Erlaubnis dazu bekommen hat. - Der Rechtsstreit im Himmel, denn um einen solchen handelt es sich bei der Gestalt Satans, dreht sich vor allem um Israel. Sammael macht vor Gott den Ankläger und Michael verteidigt vor Gott das Volk Israel und heißt den Satan schweigen, auf Grund von Ps 85 9 (Schemoth r., par. 18, zu Ex 1229). Doch ist die Zurückweisung des Satans keine dauernde und grundsätzliche, denn sobald die Israeliten sich versündigen, hat der Satan Grund zur Anklage. So war es, als nach dem Midrasch 18 500 Personen an der Tafel Hamans teilnahmen und sich dadurch versündigten. Sofort hatte der Satan Macht gewonnen, so daß Gott das Vernichtungsurteil über das Volk beschloß. Durch das Verdienst der Erzväter, Moses und Elias im Himmel, durch das Gebet des Mardochai und die Buße der Israeliten auf Erden wurde aber Gottes Mitleid erregt und er errettete das Volk vor Haman und Ahaschverosch (Midrasch Esther r., zu 3 9. 12; dasselbe bei Wünsche, Lehrhallen V, 2, "Purim", S. 55-57, zu Esth 118). Beim Tode des Mose stand Sammael da und lachte vor Freude, Michael dagegen, der Schutzherr Israels, weinte; doch tröstete er sich, da er Josua und den kommenden Messias sah l ). Gelegentlich macht Sammael seine Anklage der Israeliten vor Gott so gut, daß Michael verstummt und Gott selbst eingreifen muß, um sein Volk zu retten. Gott bringt ihn dadurch zum Schweigen, daß er auf die Annahme der Thora durch Israel hinweist. Hätten die Israeliten das nicht getan, dann hätte Gott die ganze Welt zerstört. Kraft dieses großen Verdienstes wird der Ankläger abgewiesen 2). Wir sahen schon, daß nach dem 3 Hen Sammael der Fürst von Rom ist; zusammen mit Dubbiel, dem Fürsten von Persien, und dem Satan sitzt er da, und die 3 Ankläger verfassen zusammen Anklageschriften, die sie zuhanden Gottes den Seraphim übergeben. Die se_ raphim wissen jedoch, daß Gott die Israeliten nicht aus der Welt vertilgen will, und darum verbrennen sie die Tafeln, damit sie gar nicht vor Gott kommen, wenn er auf dem Throne des Rechtes sitzt. Wegen dieser Tätigkeit haben die Seraphim auch ihren Namen (3 Hen 26 11)! Nach 3 Hen 142 gibt es im Himmel eine ganze Schar von Anklägern; ihr Haupt, der "Fürst der Ankläger" ist Sammael. Diese Vorstellung 1) "Moses Tod", Wünsche, Lehrhallen I, 1, S. 154 f. 2) Wünsche, Lehrhallen, III, 1, S. 126 f.
221 ist mit 26 11 nicht ausgeglichen. Sammael ist hier im Range noch höher als die Völkerengel. Nicht alle Zeit ist der Satan Israels Ankläger: wenn die Israeliten am Versöhnungstag ihm einen Ziegenbock geben (Lev 16 8), dann wird sein Zorn besänftigt, und er wird ihr Fürsprecher l ). Etwas anders gewendet heißt es 2): das Wort "hassatan" hat im Hebräischen den Zahlenwert 364; das Jahr aber hat 365 Tage; das bedeutet, daß der Satan an einem Tag im Jahr, am Versöhnungstag, keine Macht hat, die Israeliten anzuklagen. - Endgültig wird der Satan vom Messias vernichtet werden. Im Jalkut Schim'oni 56 (Eisenmenger H, S. 806) wird erzählt, daß der Satan den Messias und sein Licht unter Gottes Thron gesehen habe, da Gott den Messias dort verborgen halte. Als der Satan den Messias sah, sagte er: "Dieser ist gewiß der Messias, welcher mich und alle Völker in die Hölle stürzen wird", nach Jes 258. l)Jalkut Chadasch 118, bei Eisenmenger I, S. 808. 2) Jalkut Chadasch 100, bei Eisenmenger I, S. 834. Das geht zurück auf R. Rami bar Chama (um 320), bJoma 20 a; vgl. auch pesiqtha 175 bund Midrasch Ps 27 § 4 (112 b); Str B I, S. 143 f. Ohne Beziehung zum Zahlenwert des Wortes "Satan" ist die Lehre, daß Satan am Versöhnungstage keine Macht habe, schon um 250 belegt (Str B I, S. 143).
x DIE HIMMLISCHEN SCHATZKAMMERN Wir trafen schon die Anschauung, nach der die meteorologischen Vorgänge ihren Ursprung im Himmel haben; Wind und Regen, Nebel, Hagel und Schnee werden in himmlischen Kammern bereit gehalten, von wo aus sie von Engeln verteilt werden. Eine andere Vorstellung redete von den Vorratskammern der verstorbenen Menschen. Verwandt mit dieser Anschauung ist die in bChagiga 12 b erwähnte, nach der die Seelen der noch nicht geborenen Menschen bei Gott im 7. Himmel sich befinden und zwar in Vorratskammern. Wir haben hier zwei Gedankenkreise vor uns: einmal die aus dem Griechentum stammende dualistische Anthropologie 1) und zweitens die Lehre, daß Gott alles bei der Schöpfung der Welt geschaffen habe und nachher nichts mehr. Das bedingt natürlich, daß die Seelen der Menschen irgendwo aufgespeichert werden, bis sie in Erscheinung treten. Sie sind in möglichster Nähe Gottes, im 7. Himmel; denn Gott ruft die Menschen ins Dasein 2). Damit begnügt sich aber die jüdische Spekulation nicht. Es wird von ihr vielmehr solches als dinglich-konkret, real präexistierend gehalten, was wir als Begriffe, als Noumena, bezeichnen würden. So heißt es in bChagiga 12 b: "Im 'Araboth befinden sich Gerechtigkeit, Recht und Heil, die Schätze des Lebens, die Schätze des Friedens und die Schätze des Segens ... " Diese Lehre, nach der a 11 e s Wir k 1 ich e s t 0 f f 1 ich - k 0 n k r e t e rAr t ist, begegnet i n der stoischen Philosophie 3 ). Der Schluß liegt nahe, daß man ') Vgl. Meyer, Hellenistisches, S. 54 ff.; Str B II, S. 340 ff.; IU, S.4; 434; 450; 985. 2) Eine der ältesten Stellen, an denen die Präexistenz der Seelen ausdrücklich gelehrt wird, ist 2 Hen 234: "Setze dich, schreibe auf alle Seelen der Menschen, so viele ihrer noch nicht geboren und ihre vor der Welt bereiteten Orte. Denn alle Seelen sind bereitet vor der Bildung der Erde." 3) Vgl. Fr. Ueberwegs Geschichte der Philosophie, 1. Teil: Die Philosophie des Altertums, hsgg. von K. Praechter, 1926, S. 419 f.
223 hier eine Beeinflussung des jüdischen Denkens durch die Stoa annimmt. Gottes Schaffen ist ein wirkliches Schaffen, das dingliche Realitäten hervorbringt, nicht nur abstrakte Ideen. Dadurch wird auch der Glaube befestigt: Recht, Gerechtigkeit, Friede usw. si nd im Himmel und zwar in besonderer Nähe Gottes, sie sind nicht nur menschliche Gedankengebilde. Natürlich findet der Rabbi für diese Anschauungen die entsprechenden Begründungen in der Schrift, z. B. für das Recht in Ps 8915. Diese Vorstellung erweitert sich noch einmal, indem man sagt, daß die Wer k e des M e n s c h e n vor G 0 t tau f b e w a h r t seien. Nicht das ist gemeint, daß Gott an alles denkt, was der Mensch an Gutem und Bösem geleistet hat, sondern die Meinung ist wieder ganz konkret die: die Werke als solche sind bei Gott aufbewahrt. Das begegnet schon Tob 47-11: Wer Barmherzigkeit übt, der erwirbt sich einen guten Schatz auf den Tag der Not, der nicht in die Finsternis gehen läßt und vor dem Höchsten ein gutes Opfer ist. Deutlicher redet 1 Hen 382 davon, daß die Werke der Gerechten bei Gott aufbewahrt sind. Ebenso heißt es 4 Esr 7 77, daß den Gerechten am Jüngsten Tage dieser Schatz gezeigt werde. Das bedeutet aber eine eigentliche Rückerstattung der guten Taten für den Gerechten. Der Lohn der Gerechten beim Gericht besteht darin, daß sie ihre eigenen Werke wieder erhalten (4 Esr 8 33). Das von ihnen im Leben auf der Erde aufgehäufte Kapital an guten Werken wird Grundlage für das Leben im kommenden Aeon. Immerhin ist der Gedanke, daß der Mensch als Lohn genau das erhält, was er sich selbst erarbeitet hat, gerade in 4 Esr 836 durchbrochen: Gott hat Mitleid und ist barmherzig mit denen, die keinen Schatz guter Werke aufzuweisen haben. Von Vorratskammern, in denen die guten Werke aufbewahrt sind, redet s Bar 1412. Weil der Gerechte um diese Kammern weiß, darum stirbt er gerne und ohne Furcht. Beim Gericht werden diese Kammern geöffnet, s Bar 21l. Wenn ich vorhin das Bild vom Kapital brauchte, um die jüdische Vorstellung vom Schatz der guten Werke zu erläutern, so ist das nicht an die Sache herangetragen, sondern die Juden selbst brauchten das Bild. So heißt es in bPea 1 1 (Str B I, S. 430): "Von folgenden Dingen genießt der Mensch Zinsen in dieser Welt, während das Kapital für ihn stehen bleibt für die zukünftige Welt: Ehrfurcht vor Vater und Mutter, Erweisung von Liebeswerken, Friedensstiftung zwischen einem Menschen und seinem Nächsten und Thorastudium, das sie alle übertrifft." R. Jochanan (t 279) fügte hier noch hinzu: Aufnehmen
224 von Wanderern, Krankenbesuch, Gebetsandacht, frühzeitiges Erscheinen im Lehrhaus, Erziehung der Söhne zum Studium der Thora, Beurteilung des Menschen nach seiner verdienstlichen Seite (bSchabbath 127 a; Str B I, S. 430). Ohne Beziehung auf das Bild von Kapital und Zins sagte R. Schim'on b. Jochai (um 150), auf Grund von Jes 336, daß Gott in seinen Vorratskammern nur den Schatz der Gottesfurcht habe (bBerakoth 33 b; Str B I, S. 430). R. Jonathan (um 220) betont aber, daß die guten Werke in lauterer Gesinnung getan werden sollen; darum müssen Gerechte und Ungerechte sterben, während es ursprünglich nicht so war - da hätten nur die Ungerechten sterben müssen; in diesem Falle aber hätten sie gute Werke tun können, um dem Todesverhängnis zu entgehen. Gutes tun verlangt also eine Entscheidung und den Glauben an Gott, daß er dem Menschen trotz des Todes seinen Lohn nicht versagen wird (Bereschith r. 9 (7 a); Str B I, S. 430 f.). Wer sich gute Werke und Gebotserfüllungen als Schätze ansammelt, für den ist der Gan 'Eden da, für die andern aber der Gehinnom, wie entsprechend die Engel des Lebens und des Verderbens. Ganz auf Gott bezogen ist das Ansammeln von Schätzen im folgenden Ausspruch: "Alles, was Israel an Gebotserfüllungen und guten Werken ansammelt, sammelt es für seinen Vater im Himmel an" (Debarim r. 1 (195); Str B I, S. 431). Auch die Tränen, die einer um einen guten Menschen weint, werden von Gott gezählt und in seinem Schatzhaus niedergelegt (bSchabbath 105 b; Str B III, S. 657). Allgemein gehalten ist der Satz des R. Chi I P hai: "Der Mensch hat seine Mühe unter der Sonne, aber einen Schatz oben über der Sonne" (Qohelet r. zu 13). Wie realistisch die Anschauung von der Aufbewahrung der guten Werke war, geht aus folgender Anekdote hervor: "R. Schemuel b. Jillchaq nahm einen Myrtenbüschel und tanzte vor der Braut her ... als er gestorben war, donnerte und blitzte es drei Stunden, und eine Himmelsstimme ließ die Worte vernehmen: da R. S c h e m u e I b. J i 11 c h a q gestorben ist, sind die Liebeserweisungen ausgegangen. Es fiel Feuer vom Himmel, und man sah ein feuriges Büschel zwischen seiner Bahre und der Gemeinde. Da sprachen die Leute: seht, diesem Alten ist sein Myrtenbüschel aufbewahrt worden" (jPea 3 b). Das alles führt notwendigerweise zu einem Gegensatz gegen das Sammeln von irdischen Schätzen an Besitz, Geld und Gut. Offenbar ist es so, daß der, der von seinem Schatz an Arme und Bedürftige austeilt,
225 sich damit einen Schatz bei Gott ansammelt. Wer dagegen nach Reichtümern trachtet, der sammelt letztlich nicht für sich, sondern für andere - im besten Falle für die lachenden Erben. Entsprechend hat er dann in der Zukunft, beim Gericht nichts mehr an Lohn zu erwarten. So steht schon 2 Hen 50 5 die Mahnung, reichlich Gold und Silber für den bedürftigen Bruder zu geben, damit der Spender einen Schatz in jener Welt empfange. Das klassische jüdische Beispiel für diese Art mit Geld und Gut umzugehen ist der König Mon 0 b a z e s von Adiabene (um 50 n. Ohr.). Dieser trat mit seiner Mutter Helena und seinem Bruder Izates zum Judentum über. Er gab reichlich Almosen und verteilte seine Schätze unter die Bedürftigen. Von seinen Brüdern zur Rede gestellt sagte er: "Meine Väter haben Schätze für unten gesammelt, ich habe Schätze für oben gesammelt (vgl. Ps 8512). Meine Väter haben Schätze gesammelt an einer Stätte, über die die Hand Gewalt gewinnen kann, und ich habe Schätze gesammelt an einer Stätte, über die keine Hand Gewalt gewinnen kann (Ps 8515 ). Meine Väter haben Schätze gesammelt, die keine Zinsen tragen, und ich habe Schätze gesammelt, die Zinsen tragen (Jes 310). Meine Väter haben Schätze an Mammon gesammelt, und ich habe Schätze an Seelen gesammelt (Prov 11 30). Meine Väter haben Schätze für andere gesammelt, und ich habe Schätze für mich selbst gesammelt (Deut 2413). Meine Väter haben Schätze in dieser Welt gesammelt, und ich habe Schätze für die zukünftige Welt gesammelt (Jes 588)" (Thosephtha Pea 418 (24); Str B I, S.430). Je s u SI) hat dieses in seiner Umwelt geläufige Bi I d vom Sc h ätz es a m me I n aufgenommen; er warnt davor, sich irdische Schätze zu sammeln, die doch nur Motte und Rost fressen, und die Diebe stehlen. Er ruft auf, sich einen Schatz im Himmel zu sammeln - durch Gehorsam dem Liebesgebote Gottes gegenüber. Wer an irdischem Gut hängt, dessen Herz ist daran gekettet; weSSen Sinn dagegen ganz auf Gott gerichtet ist, dessen Herz hängt an Gott und damit an den Schätzen, die im Himmel aufbewahrt werden (Mt 619-21). Dieser Satz bewährt sich am reichen Jüngling (Mt 1916 ff.); denn der vermag sich nicht von seinem Besitz zu trennen. Sein Herz hängt - trotz aller Gebotserfüllung - nicht völlig an Gott. Darum ist er nicht fähig, sein Gut den Armen zu geben, dem Ruf Jesu zu gehorchen, und sich so einen Schatz im Himmel zu erwerben. Die Geschichte 1) Zu den nt.lichen Stellen vgl. ThW 111, S. 137 f., Art. 1}1')aavQ6" 1}1')aavQtCst'J/ von Hauck. Bietenhard, Himmlische Walt
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226 zeigt, daß es sich für Jesus nicht darum handelt, möglichst vielerlei anzuhäufen, also nicht um Werkgerechtigkeit, sondern es geht um die völlige Hingabe des Willens an Gottes konkrete Forderung. Es geht um die totale Entscheidung für oder gegen Gott, die hier unter dem Bilde des Schatzes im Himmel erscheint. Damit und durch das Fehlen des Verdienstgedankens ist aber das Bild zugleich überboten. In 1 Tm 6 17-19 ist die Warnung Jesu vor dem Reichtum ebenso aufgenommen wie die Meinung, sich "einen guten ,G run d' zu sammeln" für die Zukunft. Verwandt mit dieser Anschauung, daß die Belohnung schon jetzt bereit ist im Himmel, ist die Aussage des Paulus in 2 K 5 1-4. Paulus braucht hier das B i 1d von ein e m Hau se, das im H im m e 1 f ü:r uns b er ei t sei. Der irdische Leib ist das "Haus des Zeltes", das beim Tode des Menschen zerfällt. Dennoch dürfen wir getrost sein, "denn wir haben einen Bau von Gott, ein nicht mit Händen gemachtes ewiges Haus in den Himmeln". Nach dem Vorangehenden kann hier nur der neue Leib gemeint sein. Dieselbe Vorstellung von einem neuen Leib liegt in 1 K 1540.44 vor. Von diesem neuen, dem "geistlichen" Leib wird in 2 K 5 gesagt, daß er schon jetzt im Himmel bereit ist für uns. Gemeint ist an unserer Stelle nicht, daß wir den neuen Leib gleich nach dem Tode im Himmel tragen werden. Es muß vielmehr 2 K 5 nach 1 K 1540. 44-55 interpretiert werden. Paulus sehnt sich (2 K 5 2) den neuen Leib anzuziehen, was nach 1 K 15 58 bei der Parusie geschieht. Wenn Paulus seufzt und nicht "ausgezogen", sondern "überkleidet" werden möchte, so spricht er den Wunsch aus, er möchte den neuen Leib erhalten und also ins ewige Leben des Reiches Gottes eingehen. Bei der Parusie wird den zu der Zeit Lebenden der geistliche Leib gegeben, der den sterblichen verschlingt, 1 K 15 54. Das "Nackt-erfunden-werden" in 2 K 53 bedeutet dann, ohne Leib dastehen müssen bei der Parusie, welches Schicksal die Gottlosen haben werden. Dabei geht das Bild vom "Haus" in das vom "Kleid" über 1). 1) Vgl. ThW I, S. 680, .Art. bdyeto, von Sasse. - Diesem Bild liegt letztlich die uralte .Ansicht zugrunde, daß die See I e n K lei der t rag e n. Wir sahen (vgl. S. 18), daß nach den Vorstellungen der Mithrasreligion die Seelen bei ihrem .Aufstieg durch die Himmel in jeder Sphäre gewisse ihrer Eigenschaften ablegen müssen, so wie man Kleider ablegt; entsprechend hat die präexistente Seele bei ihrem .Abstieg zur Erde solche Eigenschaften angenommen, sie hat sich mit ihnen "bekleidet". ' AnoIWTBov li.(!a Totl, noÄ.Ä.otl, fJp,iv xmiiva, )Gd. (Porphyrios, de abstin. I, 31). "In singulis sphaeris aetherea obvolutione vestitur" (Macro-
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Eine Ausführung des Bildes vom himmlischen "Zelthaus" liegt in Ascens Jes 9 7 H. vor. Die Gerechterrim 7. Himmel tragen ihre himmlischen Gewänder, ,sitzen aber, bis Jesus sein Werk getan hat, nicht bius, Somn. Scipionis I, 11 § 12). "Exuendum autem nobis et tunicas, quas descendentes induti sumus" (Proclus, Opera, ed. Cousin 2, S. 222. Dies und die beiden vorigen Zitate aus Cumont, Orientalische Religionen, S. 312, Anm.54). Hip pol Y t berichtet von den Geheimnissen der Naassener, daß sie folgendes von den Ägyptern sagen: "Und diese seien nichts anderes als das geraubte, von der siebenfach gekleideten (bnacrroAo,), schwarzgewandeten Isis gesuchte Kleid des Osiris. Osiris nennen sie das Wasser. Die Natur in ihren sieben Gewändern, sie, die sieben ätherische Gewänder trägt - so nerinen sie allegorisch die Planeten und bezeichnen sie als ätherisch -, wird von ihnen als das veränderliche Werden, als die vom Unsagbaren, Unabbildbaren, Unbegreülichen und Gestaltlosen verwandelte Schöpfung dargetan. Und das bedeutet das Wort der Schrilt (Prov 2416): ,Siebenmal wird der Gerechte fallen und aufstehen'. Diese Fälle sind die durch den Beweger des Weltalls hervorgebrachten Veränderungen der Sterne." D. h.: so wie die Natur mit den 7 Planetenhimmeln wie mit Gewändern bedeckt ist, so ist auch Isis mit 7 Gewändern bedeckt. In der spätjüdischen Literatur begegnen die "Kleider der Herrlichkeit" in 1 Hen 6215, wo es heißt, daß nach der Auferstehung die Gerechten mit den "Kleidern der Herrlichkeit" werden bekleidet werden, welches die "Kleider des Lebens" sind; diese Kleider veralten nicht, sie bedeuten das ewige Leben im neuen Aeon. Auch 4 Esr 1412 f. klingt diese Vorstellung an: "Du selber (scl. Esra), entsage dem vergänglichen Leben, laß fahren die sterblichen Sorgen; wirf ab die Bürde der Menschlichkeit, zieh aus die schwache Natur, laß die quälenden Fragen beiseite und eile, hinüber zu wandern aus dieser Zeitlichkeit." Von einem' merkwürdigen Tau s c hz wis c h en Ab ra h a m un d rA z az e I berichtet Apok Abrah 13 15, wo der Engel Jaoel zu 'Azazel sagt: "Denn siehe, das Gewand, das dir im Himmel eigen war, ist ilim (Abraham) zurückgelegt, und die Verwesung, die ihm eignete, ging auf dich über." 'Azazel war vor seinem Fall und vor seiner Degradierung zu einem bösen Dämon ein Lichtengel; nach seinem Fall verliert er sein Lichtgewand, das aber für Abraham, den Stammvater des Gottesvolkes, aufgehoben wird. Das erinnert an die Stelle Bereschith r. 20 (14 a; Str B I, S. 97), wo berichtet wird, R. Meir habe eine Thorarolle gehabt, wo es bei Gen 321 hieß: "Jahve Elohim machte für Adam und sein Weib Röcke aus Licht' ('mt l'1"l'1~), nicht wie es im Texte sonst heißt: "Röcke von Fell" ("11 l'1"l'1~). Als Gab e der neu e n S c h ö P fun g erscheinen die K 1 eid erd e r Her r I ich k e i t in Midrasch Qoheletl 7: "R. Jirmeja b. Ele'azar (um 270) hat gesagt: ... wie er ihr Angesicht erneuert, so erneuert er auch ihre Kleider', heute halbseidene, morgen ganzseidene" (Str B I, S. 752). Vom Messias heißt es: "Den König, den Messias, bekleidet Gott mit seinem (Gottes) Gewand" (Schemoth r. 15 [179 b]; Str B I, S. 753). "Den Purpur eines Königs von Fleisch und Blut darf man nicht anlegen, aber Gott gibt ihn dem König, dem Messias ... " (Midrasch Ps 21 § 2 [89 b]; Str B I, S. 753). In allen diesen Stellen scheint das "K lei d" ni c h t den neu e n Lei b zu b e d eu t e n, e s ist vi e 115*
228 auf ihren Thronen und tragen ihre Kronen nicht. Hier mag neben 2 K 5 auch Apk 6 11 eingewirkt haben: den Seelen unter dem Altar wird als Angeld, zum Trost, ein weißes Kleid gegeben. Die nächste jüdische Parallele dazu steht in 2 Hen 22 8 f.: Henoch wird mit den Gewändern von Gottes Herrlichkeit bekleidet und mit herrlicher Salbe gesalbt, so daß er aussieht wie einer von den hohen Engeln. In 1 Hen 6215 f. gehört es. zu den Gaben der Heilszeit, die den Gerechten zuteil werden, daß sie Kleider der Herrlichkeit, Kleider des Lebens, erhalten. Näher an bChagiga 12 b führt der Gedanke in Kol 23, wo Paulus von den Schätzen der Weisheit und Erkenntnis redet, die in Christus verborgen sind. Diese Schätze der Weisheit in Christus stehen im Gegensatz zu der irdischen Weisheit der Philosophie, Kol 24-8. In den weiteren Zusammenhang dieser Vorstellung von den himmlischen Schatzkammern gehört wohl auch die in bChagiga 12 b belegte Vorstellung, daß es im dritten Himmel Mühlen gebe, die das Manna für die Gerechten mahlen (vgl. Ps 7823). Alte rabbinische Tradition sagt, daß das Manna zu den Dingen gehörte, die in der Abenddämmerung vor dem 7. Tag der Schöpfung geschaffen wurden 1). Zur Zeit der Wüstenwanderung erhielten die Israeliten das Manna aus dem Himmel: "Rabban Schim'on b. Gamaliel sagte: komm und siehe, m ehr ein wir k I ich e 8 G e w a n d gemeint, mit dem man den Leib bekleidet. Ähnlich scheint auch die Vorstellung in Apk 611 zu sein: die Seelen der christlichen Märtyrer schreien zu Gott nach Rache und Recht. Sie werden aber vertröstet, da die Zeit noch .nicht erfüllt ist; es müssen erst noch weitere Martyrien stattfinden. Unterdessen wird ihnen aber "ein weißes Kleid" gegeben. Auch da geht es wohl nicht um den Auferstehungsleib; es handelt sich um Seelen im Zwischenzustand, die vorerst noch in diesem Zustand bleiben sollen. Die Ver lei h u n g der K 1 eid e r ist hier ein Trosb, eine Art An gel d der Voll end u n g. Wieder anders gewendet ist der Gedanke von den Kleidern im "Lied von der Perle" in den christlich-gnostischen Thomasakten 108-113: da läßt der Königssohn - die Seele, oder der Erlöser - sein herrliches, mit Gold und Edelsteinen besetztes Kleid im Lande seiner Eltern zurück. In "Ägypten" zieht er ägyptische Kleider an, damit er nicht als Fremder erscheint; d. h. die Seele bekleidet sich mit einem irdischen Leib. Der Königssohn wird dann durch eine Botschaft aus dem Elternhause geweckt und an die herrlichen Kleider erinnert. Wie er sich aufmacht und heimgeht, erlangt er auch sein herrliches Gewand wieder, wird eins mit ihm und wird auch wieder in den Palast des Vaters aufgenommen - die Seele gelangt wieder in ihre himmlische Heimat zurück und erhält ihr Lichtwesen wieder. 1) Siphre Deut 355; j. Targum zu Ex 16 15 (zitiert bei Schlatter, Johannes, S.173).
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wie sehr beliebt die Israeliten vor Gott sind! Und weil sie vor ihm beliebt sind, änderte er für sie das Schöpmngswerk, er machte ihnen dieUnteren zu Oberen und die Oberen zu Unteren. In der Vergangenheit pflegte das Brot von der Erde emporzusteigen, und der Tau stieg vom Himmel herab, wie es heißt (Deut 33 28):, Eine Erde von Korn und Most, auch die Himmel träufeln Tau', und jetzt wurden die Dinge umgewandelt; das Brot fing an, von den Himmeln herabzusteigen, und der Tau stieg von der Erde empor; denn es heißt (Ex 16 n-14): ,Denn siehe, ich lasse euch Brot von den Himmeln regnen', und es heißt (ebenda) : ,Und es stieg hinauf die Lagerung des Taus' 1)." Man erwartete die Gabe des Manna für die Heilszeit, für die kommende Welt (Mekiltha, par. Wajassa. (Beschallach) Abschn. 2, zu Ex 16 4). Der Messias wird den Israeliten in der Wüste wiederum das Manna geben (Schir r.,zu Cant 29) 2). Nach s Bar 298 werden in der Messiaszeit wieder die Mannavorräte von oben herabfallen. Wer jene Zeit erleben wird, der wird \Ton dem Manna essen können. So wird die Messiaszeit die selige Wüstenzeit wieder bringen, in der Gott selbst sein Volk mit Himmelsspeise nährte. An diese Vorstellungen und Erwartungen knüpft die Abendmahlsrede Jesu in J 6 an. Jesus als der Messias wird sein Volk zum ewigen Leben speisen. Freilich tut er es nicht so, wie es in der Wüste war: da aßen die Israeliten vom Himmelsbrot und starben doch. Wer aber von dem Brote Jesu ißt, wird niemals sterben. Dabei wird aber die ganze Vorstellung entdinglicht und ganz ins Persönliche gewendet: Jesus selbst ist das Himmelsbrot, denn er ist vom Himmel herabgekommen als Erlöser für sein Volk, als die wahre lebendig machende Speise. Wer seinen Leib ißt und sein Blut trinkt, den wird er am jüngsten Tage auferwecken. So ist wie in den jüdischen Erwartungen von der zukünftigen Mannaspeisung durch den Messias auch in J 6 die Eschatologie gewahrt. Freilich ist dem Judentum gegenüber das Neue das, daß Jesus als Messias schon gekommen ist und sein Mahl gestiftet hat als eine Gabe, die jetzt gegeben wird und sich in der neuen Schöpfung erfüllen wird. Mit der persönlichen Wendung des Himmelsbrotgedankens verbunden ist der Hinweis auf Kreuz und Auferstehung, die das Zentrum des Heilswerkes des Christus ausmachen. Kreuz und Auferstehung und Ausblick auf die eschatologische Vollendung sind 1) Mekiltha, par. Wajassa (Beschallach), Abschn.2, zu Ex 164.
2) Schlatter, Johannes, S. 172, wo noch weitere Belege für die Entsprechung von Urzeit (= Wüstenzeit) und Endzeit gegeben sind.
230 im Gedanken von Jesus als dem Himmelsbrot verbunden. Die Hauptelemente jüdischer Mannaerwartung sind durch das Christusgeschehen aufgenommen, aber auch überboten. Doch findet Jesus nach dem Bericht des Evangelisten beim Volke kein Verständnis für diese personhafte, durch das Kreuz geprägte Art, mit der er des Volkes Erwartungen erfüllt. In Apk 217 wird dem Sieger verheißen, daß Jesus ihm von dem "verborgenen Manna" geben wird 1). Der Ausdruck "verborgenes Manna" spielt wohl auf die Sage an (2 Makk 2 4; S Bar 6 6-8), nach der beim Untergang des Tempels die heiligen Kultgeräte, darunter auch die Lade mit dem Manna, verborgen wurden: nach s Bar von einem Engel in der Erde, nach 2 Makk von Jeremia auf dem Sinai. In den "letzten Zeiten" werden diese Dinge nach jüdischer Erwartung wieder gebracht werden 2). Nach meinem Dafürhalten ist Apk 217 mit. Apk 3 20 zu verbinden; damit stehen wir aber wieder bei der Vorstellung vom Abendmahl und bei J 6. ') Vgl. Str B IU, S. 793 f. 2) Meyer, Hellenistisches, S. 53 ' deutet die Mannavorstellung aus den griechischen Anschauungen über die Götterspeise Nektar und Ambrosia, die Unsterblichkeit verleihen. - Vgl. auch ThW IV, S. 468 H., Art. l1a'll'l'a von R. Meyer.
XI
DIE HIMMLISCHEN BüCHER UND TAFELN Die Vorstellung von Büchern und Tafeln im Himmel, in denen zum voraus oder erst nachträglich die Geschicke und das Verhalten der Menschen aufgeschrieben werden, ist im Spät judentum und Urchristentum weit verbreitet. Die Vorstellung geht hier zurück aufat.liehe Aussagen, die ihrerseits wieder mit alt babylonischen Lehren zusammenhängen. Nach babylonischer Lehre!) wird alles göttliche Wissen über den Weltlauf, über die Regierungszeiten von Königen, die Namen der Herrscher, auf Tafeln oder in ein Buch geschrieben. Doch wird auch die Geschichte des gewöhnlichen Sterblichen zum voraus in dieser Weise fixiert. Die Gebote und Gesetze, nach denen die Menschen zu leben haben, sind ebenfalls im Himmel in Büchern oder Tafeln aufgezeichnet als unverbrüchliches göttliches Gesetz. Folgerichtig wird dann gelehrt, daß auch das Verhalten der Menschen nachträglich protokolliert werde. Der himmlische Schreiber, der Gott Nabu, verzeichnet auf die "Tafeln des Lebens" die Lebensdauer jedes Menschen. Die Texte der Bibliothek Assurbannipals reden von Tafeln; auf denen die Gebote über Opfer, Gebete und Freundschaft niedergeschrieben sind. Man redet von "Tafeln der Gnade" und von einer "Tafel der guten Werke". In Gebeten wird der Wunsch laut: "Es werde zerbrochen die Tafel meiner Sünden." Dieselbe Vorstellung kennen die Griechen. Auf sie spielt Euripides in einem aus "Melanippe" erhaltenen Fragment (506 N 2) an 2) : ooxei:rs n1]Mv -ra?'uxrJ/.1,m;' el~ Deov~ n-regoirn; xanet-r' BV Lluk OSAWV n-rvxal~ reacpew uv' av-ra, Z~va 0' elao(!wna ViV DV'YJ-roi~ olxaCew; ovo' 0 na~ a.~, oveavd~ 1) Das Folgende nach Älfr. Jeremias, Babylonisches im NT, S. 70 f. 2) Zitiert bei Ä. Dieterich, Nekyia, S. 126 1 /127.
232 .LIuk 'Yeacpo'jlr:o~ nl~ ßeor:wv &p,a(!r:{a~ B~ae~e(JstBV
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Wie so häufig polemisiert Euripides auch hier gegen Vorstellungen der überlieferten Religion, bezeugt aber mit dieser Polemik gerade das Vorhandensein des bekämpften Glaubens. Es ist wohl (mit Dieterich, a. a. 0.) nicht anzunehmen, daß babylonische Vorstellungen ins Griechentum oder griechische Vorstellungen ins Judentum eingedrungen sind; solche Vorstellungen können überall spontan entstehen aus der Analogie mit menschlichen Verhältnissen. Immerhin wird man stark damit rechnen müssen, daß babylonische Vorstellungen das AT und das Judentum beeinflußt haben. Derselbe Kulturkreis wurde von gleichen Gedanken beherrscht. Im AT werden an verschiedenen Stellen Gedenkbücher oder Chroniken erwähnt. So soll Ex 17 14 der Sieg über' Amaleq zum Gedächtnis in ein Buch geschrieben werden. In Num 21 14 wird ein "Buch der Kriege des Herrn" erwähnt; in Jos 10 13 das "Buch des Wackeren". Dem Verfasser der Chronik lag offenbar eine Reichschronik vor; denn er redet gelegentlich vom "Buch der Könige von Juda und Israel" (2 Chron 1611; 2526; 277). In diese Reichschronik werden Familienregister (1 Chron 9 1) und die Chronik J ehus des Sohnes Chananis aufgenommen (2 Chron 20 34). Entsprechend hat später der persische Großkönig ein "Buch der Denkwürdigkeiten", aus dem er sich in schlafloser Nacht vorlesen läßt (Esth 61). Verzeichnisse von Geschlechtsregistern werden Neh 75 f.; 12 ~2 f. erwähnt. In diese Geschlechtsregister sollen nach Ez 13 9 die falschen Propheten nicht aufgenommen werden und darum auch nicht aus dem Exil heimkehren dürfen. Haben so die Könige und Staaten auf Erden ihre Gedenkbücher und Chroniken, so hat auch Gott im Himmel seine Bücher, in denen er aufschreibt, was geschehen ist oder geschehen soll. In Ex 32 32 f. droht Jahve den aus seinem Buche zu tilgen, der sich an ihm versündigt. Mose bittet Gott, er möge ihn aus seinem Buche tilgen, wenn er dem Volke nicht gnädig sein wolle. Hier bedeutet offenbar der Ausdruck "aus dem Buche tilgen" dasselbe wie "töten". Alle lebenden Menschen sind darnach in einem Buche Gottes verzeichnet; wird einer aus dem Verzeichnis gestrichen, dann stirbt er. Dieses Streichen kann Straf- und Gerichtsakt Gottes sein, wenn er einen vorzeitig "aus dem Buche streicht", d. h. sterben läßt. Umgekehrt be-
233 deutet dann "am Leben bleiben": vor Gott als Gerechter gelten. Damit bekommt das Buch Gottes als Verzeichnis der lebenden Menschen eine Beziehung zur ethischen Beurteilung des Menschen durch Gott. Eine ähnliche Vorstellung liegt Ps 69 29 vor: der Psalmist wünscht, daß seine Widersacher aus dem "Buche der Lebenden" getilgt und nicht unter die Gerechten aufgeschrieben werden. Dabei ist die Vorstellung wohl die, daß es neben dem Verzeichnis der Lebenden bei Gott noch ein Verzeichnis der Gerechten gibt; es sei denn, der Psalmist stelle sich vor, daß der, der lebt, darin ein Zeichen seiner Gerechtigkeit vor Gott zu sehen habe, während der (vorzeitige) Tod ein Zeichen für Ungerechtigkeit und also für göttliche Strafe ist. Mal 3 16 werden die Gottesfürchtigen in das Merkbuch Gottes eingeschrieben, wenn er für die Gerechten eintritt und sich ihrer erbarmt. Dem entspricht negativ, daß auch die Sünder bei Gott aufgeschrieben werden (Jes 656), damit sie ihrer gerechten Strafe nicht entgehen.Weiter greift dieVorstellung Ps 139 16, nach der alle Tage des Menschen in Gottes Buch aufgeschrieben sind. Gottes Beschluß über König Chonja wird - zum Zeichen dafür, daß er endgültig ist - aufgeschrieben (Jer 22 so). Beim Gesicht, das Daniel sieht, werden Bücher aufgetan (710), wobei nicht gesagt ist, was diese Bücher enthalten. Sind in ihnen die göttlichen Beschlüsse enthalten, die nun zur Ausführung gelangen sollen (Volz, S. 292)? Wir hätten dann eine ähnliche Anschauung, wie sie 4 Esr 6 20 vorliegt: als Zeichen vor dem Ende erscheinen Bücher am Himmel, die das Ende ankünden. Klarer ist Dan 12 1: im Buche ist jeder verzeichnet, der im Gericht gerettet werden soll. Mit diesen zuletzt genannten Stellen stehen wir schon in der Apokalyptik. Das Verhalten der Menschen wird im Guten wie im Bösen nach spät jüdischer Anschauung von Gott im Himmel aufgeschrieben. Nach dem Buche der Jubiläen werden Abraham (199) und Levi (3019 f.) als "Freunde Gottes" auf die himmlischen Tafeln aufgeschrieben. In gleicher Weise wird die Tat der Söhne Jakobs an Sichem im Himmel als Verdienst aufgeschrieben (Jub 30 2s).Weranderseits Gottes Gebot übertritt, wird auf den "himmlischen Tafeln" als Feind Gottes aufgeschrieben, aus den "Büchern des Lebens" gestrichen, jedoch aufgeschrieben in das Buch derer, die vertilgt werden (Jub 30 22; 36 10). Engel gedenken der Gerechten zum Guten, und die Namen der Gerechten werden von Gott aufgeschrieben (1 Hen 1041). Alle Taten der Menschen werden durch Engel vor Gott aufgeschrieben (2 Hen 19 5; 40 lS). Nicht anders lehrten die Thannaiten: so erwähnt R. 'Aqiba die
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234 Schreibtafel, auf die alles geschrieben wird (Pirqe Aboth 3 16) und R. Jehuda hanNasi betont, daß alle Werke des Menschen aufgeschrieben werden (Pirqe Aboth 21). Dieselbe Anschauung begegnet Ascens Jes 922. In tAbrah 10 f. scheint eine eigentliche Buchhaltung vorzuliegen: es werden zwei Bücher gebracht, aus deren einem einer Seele ihre Sünden nachgewiesen werden; so muß die Seele erfahren, daß ihre Sünden im Himmel nicht vergessen sind, auch wenn sie selbst alles vergessen hat. Das Amt des Chronisten hat hier Henoch. Ebenso werden in Apok Soph 11 dem Seher alle seine Sünden 'gezeigt, die in einer Schriftrolle aufgeschrieben sind; trotzdem erfährt er (14 1), daß er ins "Buch des Lebens" eingeschrieben und also zum ewigen Leben bestimmt ist. Alle diese Vorstellungen und Lehren bekommen ihre Wichtigkeit und ihre Ausrichtung durch den Gerichtsgedanken. Beim Gericht - entweder gleich nach dem Tode oder dann am jüngsten Tage - werden die Bücher geöffnet, Schulden und Verdienste kommen ans Licht, und auf Grund der Schlußabrechnung wird über das endgültige ewige Los des Menschen bestimmt. So werden in 1 Hen 63 9 die Sünden "gezählt". Alle Sünden werden täglich im Himmel gebucht bis zum Gerichtstag (1 Hen 987 f.; 1047; 1087; 2 Hen 501; 5215; 532 f.; S Bar 241). Es werden sogar alle ungerechten Reden der Menschen am Gerichtstag ihnen zur Schande vorgelesen werden (1 Hen 97 f.). Dasselbe steht Wajjiqra r.,26 (124 c; Str B II, S. 171): "Selbst Dinge, an' denen nichts ist, selbst ein leichtfertiges Gespräch, das ein Mensch mit seiner Frau führt, werden auf die Tafel geschrieben, und man liest sie ihm in seiner Sterbestunde vor." Man erinnert sich hier, des Ausspruchs Jesu Mt 1236, nach dem die Menschen über jedes unnütze Wort werden Rechenschaft ablegen müssen. R. Jochanan (t 279) sagte, daß am Gerichtstage den Gottlosen ihre Schuldverzeichnisse vorgelesen werden, worauf sie in den Gehinnom hinabfahren (Midrasch Ps 1 § 22; Str B II, S. 171 f.). Doch ist es wichtig, hier den Ausspruch 'Aqibas anzumerken (Pirqe Aboth 319): "Nach Güte wird die Welt gerichtet und nicht nach der Menge der Werke." Auch der Rabbi vermochte gelegentlich über die Kasuistik hinaus vorzudringen und von der Gnade Gottes im Gericht zu reden! Doch ist diese Stimme nicht allgemein durchgedrungen. Verbreiteter ist der Verdienstglaube, der den selig preist, über den kein "Buch der Ungerechtigkeit" geschrieben wird im Himmel, und der darum auch kein Gericht zu fürchten hat (1 Hen 814). Die Sünder werden aus dem
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"Buche des Lebens" und aus den heiligen Büchern ausgelöscht werden am Gerichtstage; das bedeutet, daß sie in die Feuerhölle, an den Ort der Verdammnis kommen (1 Hen 1083). Es werden aber nicht nur über die Menschen solche Bücher geführt, sondern auch über die Engel. In der 70-Hirten-Vision des 1 Hen erhält der Oberengel den Befehl, alle ungerechten Taten der Hirten aufzuschreiben. Diese Register, von deren Existenz die Hirten nicht~ wissen, sollen Gott zum Zeugnis gegen sie vorgelesen werden, 1 Hen 89 61 ff. Jedes einzelne Schaf, das die Hirten töten, wird in einem Buche vermerkt, das Gott liest und: auf die Seite legt, 1 Hen 89 70 f. Aber auch die Sünden der Schafe werden gebucht, 1 Hen 89 76 f. Beim Weltgericht werden die versiegelten Bücher geöffnet und Gott schreitet zur Aburteilung der 70 Hirten, 1 Hen 90 17-20. Wir sahen schon, daß das Rabbinat den aus dem AT überlieferten Gedanken von den himmlischen Büchern festhielt. Die Anschauungen der ganzen Tradition decken sich hier l ). Steht zwar der Gerichtsgedanke im Vordergrund, so dient die Anschauung von den himmlischen Büchern doch auch dazu, um daraus Trost ;liU schöpfen: die Verdienste und guten Taten der Gerechten sind bei Gott nicht vergessen, sondern aufgeschrieben; Gott kann sie in seinen Büchern jederzeit nachlesen und des Menschen zum Guten gedenken. Dasselbe ist der Fall für Israel als Volk. So sagte R. Sc hel a aus Kephar Themarta (um 280) zu Esth 61: wenn das Buch von Israels Verdiensten auf Erden nicht ausgelöscht werde, dann um so weniger das Buch im Himmel (bMegilla 16 a; Str B II, S. 172). Im Targum zu J es 4 3 ist von denen die Rede, die "zum ewigen Leben aufgeschrieben" sind und die darum nach Zion zurückkehren und den Trost Jerusalems schauen werden (Str B II, S.125). Die Schuldtafeln des Menschen können jederzeit kontrolliert werden, und darum kann aus dieser Kontrolle für den Menschen plötzlich eine Strafe beschlossen werden. Darum soll man sich hüten, leichtfertig "Heilig" zu sprechen oder ein Gelübde zu tun; denn das ist der Augenblick, in dem oben das Konto revidiert wird (jNedarim 1 36 d, 34; Str B Ir, S. 172) 2). In 3 Hen 18 24 wird der hohe Engel Sopheriel H', der "Töter", erwähnt. "Er ist gesetzt über die Bücher der Toten": wenn ein Mensch sterben soll, ') Über die drei Tafeln der Gerechten, der Frevler und der Mittelmäßigen, die am Neujahrstag kontrolliert werden, vgl. S. 122 f. ") Über die himmlischen Schreiber vgl. das Kapitel über Henoch-Metatron; ferner Volz, S. 291.
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schreibt ihn dieser Engel in die Bücher, so daß dieses Eingeschriebenwerden gleichbedeutend ist mit dem Sterben. Vor allem ist natürlich die Thora, das Fundament der jüdischen Lehre, eine Schrift, die aus dem Himmel stammt. Nach verbreiteter jüdischer Tradition ist ja Mose am Sinai nicht nur auf den Gipfel dieses Berges hinaufgestiegen, sondern er stieg sogar in den Himmel hinauf. Es ist dieser Theologie ein une r t r ä g 1 ich erG e dan k e , daß Jahve einmal vom Himmel herabgestiegen sei n soll t e , um die Thora dem Volke zu geben. Eher vorstellbar war den Rabbinen, daß Mose in den Himmel stieg. Eine der at.lichen GrundsteIlen, die das Rabbinat als Beleg für diese Lehre heranzog, ist Ps 6819: "Du bist aufgefahren zur Höhe, hast Gefangenschaft gefangen geführt, hast Gaben empfangen unter den Menschen, und auch Widerspenstige zum Wohnen bei Jah, Gott." Das Targum paraphrasiert diese Stelle so: "Du bist zum Himmel emporgestiegen, das ist Mose, der Prophet. Du hast Gefangenschaft gefangen geführt, du hast die Worte der Thora gelernt, du hast sie den Menschenkindern als Gabe gegeben, und auch bei den Widerspenstigen, wenn sie in Buße umkehren, wohnt die Schekina der Herrlichkeit J ahve Elohims." 1) Mose hatte bei seiner Himmelfahrt zunächst den Widerstand der Dienstengel zu überwinden, die unwillig darüber waren, daß ein sterblicher Mensch in den Himmel hinaufstieg. "In der Stunde, da Mose zur Höhe hinaufstieg, um die Tafeln zu empfangen, welche geschrieben und aufbewahrt sind seit den 6 Schöpfungstagen ... in jener Stunde klagten die Dienstengel Mose an (wörtlich: knüpften die Dienstengel eine Anklage gegen Mose) und sagten: Herr der Welt, ,was ist der Mensch, daß du sein gedenkest, und des Menschen Kind, daß du dich seiner annimmst, du hast ihn wenig geringer als Gott gemacht, und mit Herrlichkeit und Pracht hast du ihn gekrönt' (Ps 85-9). Sie brummten hinter Mose her und sagten: Was ist Gutes an dem vom Weibe Geborenen, daß er zur Höhe emporgestiegen ist, wie es heißt: ,Du bist zur Höhe emporgestiegen, hast Gefangenschaft gefangen geführt, du hast Gaben empfangen' (Ps 6819). Er nahm sie (scil. die Tafeln) und stieg hinab und freute sich mit großer Freude. Als er sah, wie sie sündigten mit der Verfertigung des Kalbes, sagte er: wie kann ich ihnen die Tafeln geben, ich würde sie zu schweren Geboten verpflichten, und ich würde sie des Todes durch den Himmel für 1) Str B IH, S. 596.
237 schuldig machen; denn so ist auf ihnen geschrieben: ,Du sollst keinen andern Gott außer mir haben'" 1). Auch der Midrasch zu Ps 68 (§ 11 [160 aJ) liest "du hast Gaben empfangen für den Menschen" und versteht darunter die Thora, welche von Mose vom Himmel herabgebracht wurde 2). Die "Widerspenstigen" sind dann die Weltvölker, welche die Thora nicht annehmen wollten, oder auch die Israeliten, die widerspenstig waren. Andere parallele Stellen sagen, daß Mose die Thora kraft des Verdienstes Abrahams bekommen habe 3 ). An einer Stelle wird besonders betont, daß Mose die Tafeln aus der Hand Gottes selbst bekommen habe. R. Berekja weiß zu sagen, daß damals zwischen der Hand Gottes und der Hand Moses nur zwei Handbreiten Zwischenraum waren 4). R. Jehoschu'a b. Levi (um 250) weiß von einer Art halakischer Diskussion zwischen Mose und den Dienstengeln zu berichten, die aber Mose siegreich bestand, so daß er schließlich die Thora bekam (bSchabbath 88 b). Paulus hat in Eph 4 8 dieselbe PsalmsteIle zitiert, die von den Rabbinen mit der Himmelfahrt Moses in Zusammenhang gebracht wurde. Paulus deutet diese Stelle aber auf J esus Christus: "Was bedeutet ,er stieg hinauf' anderes als daß er auch hinabgestiegen war in die unteren Teile der Erde? Der hinabgestiegen ist, ist derselbe wie der, der hinaufstieg über alle Himmel hinaus, um das All zu erfüllen. Und er war es auch, der die einen als Apostel ,gab', andere als Propheten, andere als Evangelisten, andere als Hirten und Lehrer ... " Auf Grund von V7CSeavw 7CaV7:WV -rwv oveavwv in v.10 bedeutet das 151por; im Psalmzitat v. 8 den Himmel. Christus wurde zu Gott erhöht, dessen Thron sich ja über allen Himmeln befindet. Von dort her hat er allen Christen die Gnadengaben geschenkt, v.7. 11; v. 9 will dabei den Nachweis führen, daß sich die Psalmstelle auf Christus bezieht. Von einer Fahrt zum Hades ist aber dabei nicht die Rede, der Gedanke an sie wäre in diesem Zusammenhang auch überflüssig. So bezeichnet auch der Ausdruck ua.ufJTsea. /-lBe1J -rijr; yijr; nicht die Unterwelt, sondern die Erde, die im Kosmos "unter" dem Himmel ist 5). ') Aboth de Rabbi Nathan 2 (Schechter, S. 10). 2) Str B UI, S. 596. 3) Stellen bei Str B IU, S. 597. 4) Schemoth r. 28 (88 b); Str B IU, S. 597. 6) Vgl. Percy, Probleme der Eph und Kol, S. 273 26 ; Th W IU, S. 641 f., Art. ~a.dYl:8(!a von Büchsel.
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Christus, der zum Himmel hinaufstieg, war früher auf der Erde, d. h. er ist aus seinem vorweltlichen Sein auf die Erde herabgestiegen. Die Erwähnung vieler Himmel an dieser Stelle dient nicht dazu, irgendwelche kosmologische Belehrungen zu geben, sondern ist dazu da, die Erhabenheit des erhöhten Christus darzustellen. Die K 0 s molo g i e die n t h i e r als F 0 1 i e der C h r ist 0 log i e. Weder beim Abstieg noch beim Aufstieg Christi durch die Himmel haftet das Interesse an diesen. Im Blick auf die rabbinische Deutung von Ps 6819 auf Mose, der die Gesetzestafeln vom Himmel holte, ist hier die Feststellung wichtig, daß P a u 1 u s dem Mit t 1 erd e s Alt e n B und e s eine solche H i m m elf a h r t n ich t z u g e bill i g t hat. Der einzige, der vielmehr eine Himmelfahrt machte, war Jesus Christus, der Mittler des Neuen Bundes. Die "G a b e" ist dann auch nicht das Gesetz, sondern der Heili g e Gei s t , der sich in den verschiedenen Gnadengaben der Gemeinde äußert. Es sei hier aber noch angemerkt, daß es auch unter den Rabbinen Leute gab, die grundsätzlich bestritten, daß Mose in den Himmel hinaufgestiegen sei. So sagte R. Jose b. Chalaphtha (um 150): "Nie ist die Schekina herabgefahren, noch sind Mose und Elia zur Höhe emporgestiegen; denn ,der Himmel ist Himmel für Jahve' und die Erde hat er den Menschenkindern gegeben" (Ps 115 16; bSukka 5 a). Es kümmerte offenbar R. Jose nicht, daß er sich in bezug auf Elia in glatten Widerspruch zur Schrift stellte. Wahrscheinlich wollte er sowohl die Erhabenheit Gottes wie die Kreatürlichkeit der Menschen streng wahren. Ein Gegensatz gegen allerlei "Himmelsreisen" jüdischer und gnostischer Art, vielleicht auch gegen die Himmelfahrt Christi, ist unverkennbar. Das NT teilt die Vorstellungen von den himmlischen Büchern. Jesus 1 ) weist Lk 1020 die Jünger darauf hin, daß sie Ursache zur Freude darum haben, weil ihre Namen "im Himmel aufgeschrieben sind". Das kann hier nur heißen, daß die Namen der Jünger im "Buche des Lebens" aufgeschrieben sind, daß sie zum ewigen Leben bestimmt sind. Die Vorstellung hat sich dem AT gegenüber bedeutungsvoll dahin verschoben, daß das "Buch des Lebens" nicht mehr das Verzeichnis der lebenden Menschen ist, sondern daß es die Namen derer enthält, die zum ewigen Leben im neuen Aeon bestimmt sind. Wie in der 1) Zur nt.lichen Vorstellung von den himmlischen Büchern vgl. Th W I, S. 613 f., Art. ßißÄor;, ßtßÄlov von Schrenk.
239 Stelle aus Lk ist Hebr 12 23 die Rede von der Gemeinde der Erstgeborenen, die im Himmel aufgeschrieben ist, ohne daß ein Buch oder eine Tafel besonders erwähnt wäre. Ausdrücklich redet Paulus in Phil 4 3 in Anlehnung an Ps 69 29 vom "Buche des Lebens", in das die Mitarbeiter am Evangelium eingeschrieben sind. Christus verheißt dem Sieger, daß er seinen Namen nicht aus dem Buche des Lebens auslöschen werde, Apk 3 5. Die Gewißheit der Hoffnung auf das ewige Leben wird mit dieser realistischen Anschauung wiedergegeben. Den Versuchungen zur Anbetung des Tieres können die nicht widerstehen, deren Namen nicht seit der Schöpfung der Welt im "Buche des Lebens" geschrieben sind, Apk 13 8; 17 8. Man muß die zuletzt genannte Stelle neben Apk 3 5 halten, um zu sehen, daß der Fatalismus hier abgewehrt ist. Denn der Na m e k a n n wo h 1 aus d- e m Leb e n s b u c h e g e t i 1 g t wer den, wen n der C h r ist ni c h t w i der s t eh t. Prä des tin a t ion und Mahnung zum Gehorsam sind verbunden; man kann sich die Berufung zum ewigen Leben durch Ungehorsam und Abfall verscherzen 1). Im Endgericht erscheinen die geöffneten Bücher - Dan 7 10 wird zitiert -, die die Taten aller Menschen enthalten. Auf Grund dieser Bücher werden die Menschen dann gerichtet; nur ein "Buch des Lebens" wird erwähnt - wer in ihm aufgeschrieben ist, wird gerettet und kommt in die neue Schöpfung, die andern werden in den Feuerpfuhl geworfen, Apk 20 15-17. Im Buch des Lebens stehen, heißt also: leben dürfen; wird der Name abgelesen, dann aufersteht der Mensch. Die Namen in den Büchern garantieren die Kontinuität und Identität der Person. - Von dieser Vorstellung her gesehen gibt es im Leben der Menschen eigentlich k ein e e c h te "Ver g a n gen h ei t"; es ist nichts unwiderruflich dahin und erledigt, auch wenn Jahre und Jahrzehnte darüber hinweggegangen sind. Da im H i m me 1 all e s aufgeschrieben ist, ist dort alles irgendwie gegenwärtig. Im Gericht auf jeden Fall wird alles Gegenwart werden. Es steht in der Stunde des Gerichts nicht nur der letzte Augenblick oder die jüngste Ve~gangenheit vor dem Menschen, sondern sein ganzes Leben als eine Einheit. Es ist alles, was geschieht und getan wird, Hypothek auf die Zukunft, die einmal eingelöst werden muß. Ob das Gericht und die Abrechnung am Jüngsten Tage geschieht oder gleich nach dem Tode, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Man kann seinem eigenen ') Vgl. Schrenk, a. Anm. 1 S.238 a. a. O. S. 618 f.
240 Schatten, der eigenen Vergangenheit weder im Guten noch im Bösen entfliehen. Immerhin ist sogleich auch beizufügen, daß die M ö gl ichk e i t 21 u r B u ß e s t e t s g e g e ben ist; so kann die schlimme Vergangenheit getilgt und ein neuer Anfang gesetzt werden. Das wußte schließlich auch der Jude: R. EIi'ezer b. Hyrkan sagte: "Bekehre dich einen Tag vor deinem Tode" (pirqe Aboth 214). Neben die Vorstellung von Büchern, die das Tun der Menschen nachfolgend registrieren, stellte das Rabbinat die andere, daß Gottes Wille den Lauf der Welt und das Schicksal der Menschen zum voraus in Büchern festgelegt habe. Der Prä des t in a t ion s g edan k e verbindet sich mit der Anschauung von den himmlischen Büchern. Auf R. E I e'a 21 a r b:A 21 a r ja (um 100) wird die Lehre zurückgeführt, Gott habe dem ersten Menschen alle seine Nachkommen, die Generationen und die Einzelnen, aus einem Buche gezeigt; Adam sah damals jede Generation mit ihren Predigern, Gelehrten, Führern, Propheten, Königen, Helden usw. (Bereschith r., 24 [16 aJ; Str B II, S. 173). Man fand den Schrift grund für diese Lehre in der Kombination von Gen 5 1 mit Ps 139 16, wobei die zuletzt genannte Stelle auf Adam bezogen wurde. In demselben Buche will R. Jehuda hanNasi gelesen haben, daß es einem seiner Schüler nicht vergönnt sei, zum "Rabbi" ordiniert zu werden (bBaba Meyta 85 b; Str B II, S.174). Auch der Messias kommt erst dann, wenn alle Seelen der Menschen, die in Gottes Gedanken aufstiegen, daß er sie schaffe und die im Buche Adams aufgeschrieben sind, als Menschen geboren sein werden CR. T ha n c h u m b. Chi ja, um 300; Bereschith r. 24 (16 a); Str B II, S. 173). Nach Berekja (um 340) ist jedem Menschen von Gott seit Anbeginn der Welt bestimmt, was ihm im Leben begegnen wird (Midrasch Esther, Einleitung 82a ; Str B II, S. 174). Wir stoßen damit auf ein eminent theologisches Problem: auf die Frage nach dem Verhältnis von Prädestination und me n s chi ich er Fr ei h e i t nach jüdischer Lehre!). Ich kann im Rahmen dieser Arbeit nicht in umfassender Weise auf diese Frage eingehen, doch sei in aller Kürze folgendes bemerkt: 'Aqiba sagte, alles sei vorherbestimmt, aber die Freiheit sei doch gegeben (pirqe Aboth 319). Dem entspricht es, wenn R. Chanina (um 225) sagte: "Alles liegt in der Hand des Himmels mit Ausnahme der Gottesfurcht", wofür er sich auf Deut 1012 beruft. R. Chanina b. Papa (um 300) sagte: "Jener Engel, der über die Empfängnis gesetzt ist, 1) Vgl. J. Bonsirven, Le Judalsme palestinien I, S. 188-191; Volz, S. 109.
241 heißt Lajela 1). Er nimmt einen Samentropfen, stellt ihn vor Gott hin und spricht vor diesem: Herr der Welt! was soll aus diesem Tropfen werden? Ein Starker oder ein Schwacher? Ein Weiser oder ein Einfältiger? Ein Reicher oder ein Armer? Aber ob er ein Gottloser oder ein Gerechter werden soll, das fragt er nicht. Das entspricht den Worten des R. Chanina ... " (vgl. oben! bNidda 16 b) 2). Damit ist nach rabbinischer Lehre beidem Genüge getan: der göttlichen Allwissenheit, dem göttlichen Vorauswissen, und der menschlichen sittlichen Freiheit. Der Me n s c h k a n n si c h fr e i zuG eh 0 r sam oder Ungehorsam Gott gegenüber entscheiden - und damit auch über sein ewiges Schicksal nach dem Tode. Wenn wir nun eben sahen, daß himmlische Bücher das enthalten, was in der Zukunft geschehen soll, so gilt es nun, noch auf eine weitere Vorstellung zu achten. War die Thora - vor allem im Buche der Jubiläen - als himmlische Tafel angesehen worden, so werden nun auch neue theologische Einsichten als Offenbarungen aus himmlischen Tafeln ausgegeben. Der Verfasser der Paränesen des 1 Hen verkündigt als neue Lehre die Vergeltung nach dem Tode. Das ist ein "Geheimnis", das er auf den "himmlischen Tafeln" gelesen haben will (1 Hen 1031 f.; 108). Die dem AT noch fehlende Lehre von der Vergeltung nach dem Tode, von der Seligkeit der Gerechten und der Strafe der Sünder, muß, da sie neu ist, gleich der Thora eine Offenbarung aus "himmlischen Tafeln" sein und mit gewaltigen Schwüren bekräftigt werden. Man kann hier deutlich sehen, daß der Verfasser da den Sündern wie den Gerechten etwas bisher Unbekanntes und Neues verkündigt, eine Offenbarung von Dingen, die bis dahin unerhört waren. In 2 Hen 22 U-~3 muß der Engel Vretil dem "Henoch" aus den Büchern diktieren, bis er 360 Bücher geschrieben hat. Es handelt sich dabei wohl um die Schöpfungsgeheimnisse, die in Kap. 24-33 dargeboten werden, aber auch um den Inhalt der verschiedenen Himmel, die dem Seher gezeigt werden, 2Hen 40 1-12. So kann der Verfasser in 2 Hen40 1 sagen: "Jetzt nun, meine Kinder, ich weiß alles, das eine nun (zwar) aus dem Munde des Herrn, das andere aber haben meine Augen gesehen vom Anfang bis zum Ende und vom Ende bis zur Wiederkehr." 1) Das wird aus Hiob 33 geschlossen: "Lajela sprach: es ist ein Knäblein empfangen. " 2) Dasselbe, etwas erweitert, im "Midrasch von der Bildung des Kindes" in der 1. Rez. Wünsche, Lehrhallen IH, 2, S. 213 ff.; vgl. dazu Meyer, Hellenistisches, S. 37. Bietenhard, Himmlische Welt
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242 Mit der Vorstellung von den göttlichen Büchern, in denen alles zum voraus aufgeschrieben ist, hängt die andere von einem g ö t t I ich e n We I t P I a n zusammen 1). Aitch er ist in Bücher oder auf Tafeln geschrieben. Als "Buch der Wahrheit" begegnet er in Dan 10 21a; aus diesem Buche erhält der Seher Aufschluß über den Gang der kommenden Geschichte. Diese Vorstellung liegt auch in der 10-Wochen-Apokalypse des 1 Hen vor. Hier erzählt "Henoch", was er in den himmlischen Büchern oder Tafeln gelesen hat. Er bietet einen gedrängten Abriß der Weltgeschichte von Henoch bis zum Weltgericht. Die Weltgeschichte wird in 10 Wochen periodisiert; jede Woche erhält eine kurze, vor allem ethische, Charakteristik. Inhaltlich stammen die Angaben vor allem aus dem AT. Wenn der Verfasser aber "Henoch" vorausblickend reden läßt, dann ist die Meinung eben die, daß die Ereignisse im Himmel zum voraus schon bekannt und bestimmt sind (vgl. auch 1 Hen 811 ff.; 10619-1071). Wer einer Himmelfahrt gewürdigt wird, der kann u. U. eines Einblicks in den kommenden Weltlauf gewürdigt werden. Da man beim Erscheinen der Schrift kontrollieren konnte - an Hand des AT! -, ob der Verfasser die Wahrheit über die Vergangenheit sagte, konnte man ihm dann auch glauben, daß er aus "himmlischen Tafeln" gelesen hatte. Man konnte dann auch um so eher glauben, daß er über das noch nicht Eingetroffene die Wahrheit prophezeie. Nach dem Buche der Jubiläen (1 4 f.) zeigte Gott dem Mose auf dem Sinai die ganze vergangene und zukünftige Geschichte. Im einzelnen gibt dann der Angesichtsengel näheren Aufschluß über das Geschehen (21). Die Gebote der Thora sind auf "himmlischen Tafeln" fixiert: so in Jub 310 f. das Gesetz über die Wöchnerinnen aus Lev 12 1-5; Jub 45 steht der Fluch gegen den Totschläger aus Deut 27 24 in den himmlischen Tafeln, Jub 432 das ius talionis aus Ex 21 24 und Lev 24 19. Diese Stellen aus den Jubiläen, die die Gebote der Thora als Gebote aus himmlischen Tafeln ausgeben, ließen sich vermehren. Die Thora Israels, heißt das, ist eine Abschrift aus "himmlischen Tafeln". So wird der göttliche Ursprung der Thora mit dieser Anschauung gelehrt. Doch sind auch die geschichtlichen Ereignisse, von denen das AT redet und die das Buch der Jubiläen midraschartig ausgestaltet, 1) Dazu ist Str B II, S. 174 zu vergleichen: Israel schöpft aus dieser Lehre die Zuversicht, daß seine Erlösung so sicher kommen werde wie die ebenfalls vorausbestimmten und eingetretenen nationalen Katastrophen. Die Bücher von Dan 710 und 4 Esr 620 gehören demnach auch zu dieser Vorstellung.
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auf den "himmlischen Tafeln" geschrieben (Jub 239-32;3228-34). Wenn dabei der Abfall Israels von Jahve geschildert wird, der auch auf den himmlischen Tafeln steht, so fehlt jede Andeutung davon, daß dieser Ungehorsam ein Verhängnis sei; der Ungehorsam ist freie Tat des Volkes, für die es verantwortlich ist; Gott hat ihn aber vorausgesehen und zum voraus in die himmlischen Tafeln geschrieben. Auch das tLevi bezeichnet in 5 3 f. das in Gen 34 Erzählte als auf himmlischen Tafeln stehend. tAsser 75 steht der zukünftige Abfall Israels auf den himmlischen Tafeln; tAsser 210 ist die Unreinheit des Schweines ein Gebot aus den "himmlischen Tafeln" 1). In Apk 5 1-8 erscheint das Buch, das den göttlichen Weltplan für die Endzeit enthält, als Testament; denn es ist mit 7 Siegeln gesiegelt. Es geht dabei wohl nicht nur um die 7-Siegel-Vision, sondern um das Ganze der Endereignisse ; denn auch die 7-Posaunen-Vision und die 7-Schalen-Vision wachsen organisch aus den 7 Siegeln heraus (Schrenk, a. Anm.1, S. 238, a. 0., S. 617 f.). Der Ausdruck "Schicksalsbuch" ist hier abzulehnen; denn es geht nicht um die Heimarmene, sondern um den testamentarisch und also unabänderlich festgelegten Gotteswillen. Wenn die Siegel geöffnet werden, dann vollzieht sich Gottes richterlicher Ratschluß. Dabei ist es der gekreuzigte Herr, der zum Throne Gottes erhöht wurde, der die Vollmacht hat, die Siegel zu lösen, d. h. den Lauf der Geschichte nach Gottes Willen in Gang zu setzen. Neben die Vorstellung, daß die Zukunft in Büchern aufgeschrieben ist, tritt die allgemeinere andere, daß die Zukunft im Himmel zu sehen ist, wenn Gott einem Seher einen Blick in den Himmel gewährt. In 1 Hen 52 2 H. sieht der Seher alle Geheimnisse des Himmels, die noch 1) Der Inhalt der himmlischen Bücher stimmt weitgeh end mit der T h 0 r a übe r ein. Daher wird später erklärt, die Thora sei der präexistente göttliche Weltplan. Darum auch er w ä h n t das Rabbinat die himmlischen Tafeln und Bücher nicht me h r: Str B 11, S. 175. 356f . .Auf eine spezielle Vorstellung macht folgende Stelle aufmerksam: nach Seder 'Olam r. 17 schreibt Elias die Taten aller Generationen auf zusammen mit dem Messias, und Gott untersiegelt ihre Handschrift. Diese Tradition wird auf R. Levi (um 300) zurückgeführt. In bQidduschin 70 a wird auf Rab Hamnuna (um 290) die .Ansicht zurückgeführt, daß E 1 i a i m H i m m e 1 B u c h f ü h r e übe r alle ehe 1 ich e n Ver bin dun gen der I s r a e 1 i t e n, ob sie legitim oder illegitim geschlossen wurden, d. h. ob einer eine Frau aus Israel, aus einem Weltvolk oder gar aus einem Volke nahm, mit dem das Connubium verboten ist. Str B IV, S. 766 f. 16*
244 kommen sollen; es ist die Vision von den "Bergen", d. h. den Weltreichen, die einst vor dem Auserwählten vergehen sollen. Vom Himmel her schaut der Seher die Ereignisse der Endzeit, 1 Hen 53-57. Im Himmel ist das Kommende schon jetzt gegenwärtige Wirklichkeit. Was kommt, offenbart sich vom Himmel her; d. h. es wird auf der Erde so Wirklichkeit, wie es im Himmel ist. Prophetische, visionäre Schau ist nicht abstrakte Einweihung in Gottes Pläne, Gedanken und Absichten, sie ist vielmehr Vorwegnahme und Vorauserleben und -sehen dessen, was kommt. Das kann aber nur darum gesehen werden, weil es eben schon real im Himmel ist. Es handelt sich nicht um Ideen, die nur noetisch existieren, sondern um reales zum voraus Existierendes, das man im Sinne des Apokalyptikers auch nicht ins Bildhafte verflüchtigen darf. Das kann an einigen Beispielen noch verdeutlicht werden. Eine Schau in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bietet Apok Abrah 21 ff. 1). Hier schaut der pseudonyme Patriarch vom 7. Himmel herab auf die Erde, die er in ihrem ganzen Umkreis sieht. 21 9-227 sieht "Abraham" in Gottes Schöpfungsplan hinein, den Gott entworfen hat. Er sieht zwei Haufen von Menschen: links alle Menschen vor und nach Abraham, rechts das Volk Israel, d. h. die Nachkommen Abrahams. In Kap. 23 f. aber sieht er den Sündenfall: wie Adam und Eva von dem verbotenen Baume (einem Weinstock!) essen, und 'Azazel der Verführer bei ihnen steht. Er sieht auch Kain und den erschlagenen Abel, ferner alle Sünden der Menschen und alle Strafen, die sie treffen. Er sieht den Abfall des Volkes Israel von Jahve und den Götzendienst (25 1-4). In Kap. 27 sieht er, wie Israel 400 Jahre lang durch Fremdvölker unterdrückt wird, ferner wie Jerusalem und der Tempel geplündert und verbrannt werden und wie das Volk ins Exil kommt - die Ereignisse des Jahres 70 n. Ohr. Doch ebenso wie er das Gericht sah, kann er die Erlösung des Volkes schauen (29 13 ff.). In Kap. 321 hört und schaut Abraham die Sklaverei des Volkes in Ägypten. Man kann das alles als literarische Form und Fiktion erklären, zu der der Verfasser gezwungen war, wenn er aus Gen 15 12-16 einen allgemeinen Überblick Abrahams über die Geschichte machen wollte. Aber dann müßte erklärt werden, warum er gerade zu dieser Fiktion griff. Doch wohl darum, weil dahinter die Überzeugung stand, daß nichts vergangen ist, und daß Gott anderseits nichts Neues mehr schafft in dieser Welt, weil alles schon geschaffen ist. Das lehrte ausdrücklich R. Ne ehe m ja (um 150) in Bereschith r. (12 [8 d]; Str 1) Zu dieser Zukunftsschau ist J 8 56 zu vergleichen.
245 B II, S. 27). Nach s Bar 21 5 sieht Gott das Künftige seit der Schöpfung schon als gegenwärtig. In 3 Hen 45 treffen wir auf eine weitere Form der Weltschau. Hier wird R. Jischma'el von Metatron vor den Vorhang vor Gottes Thron geführt. Auf diesem Vorhang sind alle Generationen der Menschheit seit Adam und bis ans Ende der Welt aufgezeichnet mit allen ihren Taten und Erlebnissen. Er sieht jede Generation mit ihren Führern, Herrschern, Häuptern, Hirten, Fürsten, Bedrückern, Richtern, Schulhäuptern usw. - die oben (S. 240) angeführte Lehre des R. Ele'azar b. 'Azarja wird hier näher ausgeführt. (Dieselbe Tradition hat auch bSanhedrin 38 b.) Es folgt dann ein Überblick über die ganze Weltgeschichte, die Erzväter, die Patriarchen, die Geschichte Israels mit ihren Höhen und Tiefen bis hin zum Messias ben J oseph und Messias ben David, bis zum Kriege gegen Gog und Magog. Ich stelle mir diesen Vorhang vor dem Throne Gottes als eine Art Gobelin vor, auf dem die Ereignisse gestickt oder gemalt sind. Man sieht hier auch, daß die vergangenen Ereignisse nicht verschwunden sind, sondern daß sie nach ihrem Ablauf im Himmel immer noch da sind wie vorher. Wenn man eine moderne Analogie zu dieser ganzen Vorstellung heranziehen will, drängt sich einem der Vergleich mit dem Film auf. Nicht daß die Ereignisse im Himmel zuerst gespielt und photographiert werden; aber es ist gewissermaßen ein Filmstreifen da, der die Bilder seit der Schöpfung enthält. Zu seiner Zeit wird das Bild auf dem Streifen auf die Erde projiziert - und ein geschichtliches Ereignis vollzieht sich. Das Bild kann dann gut vor und nach der Projektion auf dem Streifen angeschaut werden 1). Der Vergleich hinkt insofern, als das auf der Erde sich vollziehende Ereignis nicht ein "Bild", sondern die Sache selbst ist. Von da her ist es aber möglich, zu erfassen, was für die Apokalyptiker Prophezeien ist: Schau des Bildes im Himmel, das später auf der Erde Wirklichkeit wird. Der Gedanke, daß alles vorherbestimmt sei, kommt auch in bMenachoth 29 b vor als Lehre Rabs (t 247): Mose habe im Himmel den R. 'Aqiba und seine Kollegen gesehen, wie sie die Thora auf eine Weise auslegten, die er nicht verstand (!); Mose beruhigte sich aber, als er sah, daß' Aqiba seine Autorität anerkannte. Mose sah dann auch, daß 'Aqiba und seine Kollegen wegen der Thora einen qualvollen Märtyrertod erlitten. 1) Ich hoffe, daß dieser Vergleich mit dem Film recht verstanden wird. Er bedeutet nicht mehr als einen Versuch, eine alte Vorstellung durch eine moderne Sache zu erläutern. Ich möchte nicht von daher" widerlegt" werden!
246 Wir treffen in der Apk in dieser Lehre ~um Teil auf dieselben Vorstellungen wie im Judentum. In Apk 41 f. gerät der Seher in Verzückung und schaut dann den Thron Gottes und die in der Zukunft folgenden Ereignisse im Himmel. Dabei liest oder sieht er aber das, was kommt, nicht im Himmel in Büchern oder auf Tafeln oder dergleichen. In Apk 109-11 muß er nach dem Vorbild von Ez 31-3 ein Büchlein verschlingen; d. h. der Ratschluß Gottes wird ihm einverleibt, so daß er ihn aussprechen kann. Das schließt aber ein, daß der Seher seine Gesichte auch im Himmel sieht (1115-19; 12). Die Vision von Kap. 13 spielt dagegen auf der Erde, wie auch Kap. 14. In Kap. 15 wiederum ist der Seher seinem Bewußtsein nach im. Himmel, auch in 19 1-10. In 17 3 wird er vom Geist in die Wüste entrückt. In 2110 ist er "im Geiste" auf einem hohen Berge. Nach alledem ist nicht der Ort entscheidend, an dem sich der Seher zu befinden meint, sondern die Begabung mit dem Geist. Ob er im Geist in den Himmel entrückt wird, in die Wüste oder auf einen Berg oder ans Meer, das spielt eine sekundäre Rolle für die Visionen über die Zukunft. Er schaut das Jenseitige und das Zukünftige im Geist, das ist das Entscheidende. Wenn er dabei dann einiges über die Zukunft im Himmel schaut, so berührt er sich da mit den Apokalyptikern. Dagegen fehlt in der Apk der Traum als Offenbarungsmittel im Gegensatz etwa zu 4 Esr 11-123; 131-13; s Bar 36 f.; 53. Die Träume werden dann in den Apokalypsen von Gott oder einem Engel gedeutet. In 4 Esr 142 ff. redet Gott aus dem Dornbusche zu Esra. Auf Träume und Gesichte beruft sich der Verfasser von 1 Hen 13 8 ff. Was er im Traume geschaut hat, das berichtet er im folgenden als himmlische Offenbarung. Traumgesichte bilden auch den Inhalt des Geschichtsbuches 1 Hen 83 3-6; 85 1; 86 1 ff. Auch tLevi 2 5 ist der Traum Offenbarungsmittel, durch das Aufschluß über die Himmel gegeben wird. In tLevi 81 gibt ein "Gesicht" dem pseudonymen Patriarchen Aufschluß über sein zukünftiges Priestertum. Andere Apokalyptiker machen Himmelfahrten 1), um Offenbarungen zu empfangen: Apok Abrah 15 1 H.; gr Bar 2 1 H.; tAbrah 8 2 ff.; 2 Hen 3 ff .. ; tIsaak 6 4 ff. Die Verfasser aller dieser Schriften geben vor, ihr Held sei leiblich in den 1) Die Phänomenologie und die religionsgeschichtlichen Parallelen dieser Anschauung sind zusammengestellt bei W. Bousset, Himmelsreise der Seele. Eine vor allem in methodischer Hinsicht sehr notwendige Kritik der Arbeit Boussets findet sich bei A. Dieterich, Eine Mithrasliturgie 3, 1923, hsgg. von O. Weinreich, S. 190 ff.
247 Himmel gefahren, ein Umstand, der z. B. tAb rah 82 noch ausdrücklich betont wird. Nun hat ja auch Paulus nach 2 K 12 2-4 eine Fahrt in den Himmel gemacht. Er erklärt an dieser Stelle, er wisse nicht, ob im Leibe oder außer dem Leibe (ehe sv (Jwfla-n OV" oMa, er-r:e s,,-r:Of: -r:ov (Jwfla-r:of: OV" olba, 0 {}eOf: olbev (v. 2 f.). Der Apostel kennt offenbar Erlebnisse, bei denen ein Seher leiblich in den Himmel entrückt wird; aber er kennt auch eine andere Form der Entrückung, bei der nur die Seele oder der Geist des Menschen in die himmlische Welt versetzt wird, während der Leib auf der Erde zurückbleibt. Welcher Art sein eigenes Erlebnis war, d. h. ob nur sein Geist (Seele) entrückt wurde, oder ob er eine leibliche Himmelfahrt machte, weiß er nicht zu sagen. Sein Bewußtsein war dabei so verändert, daß er "außer sich" war und nicht mehr angeben konnte, was ihm widerfahren war. Die ausführlichste Schilderung einer Himmelfahrt, bei der der Leib auf der Erde zurückbleibt, bietet Ascens Jes 610-12: "Und während er (scil. "Jesaja") durch den Heiligen Geist redete, indem alle zuhörten, schwieg er still, und sein Bewußtsein war von ihm genommen, und er sah die Männer nicht, die vor ihm standen, und seine Augen waren geöffnet, aber sein Mund war stumm, und das Bewußtsein seiner Körperlichkeit war von ihm genommen, aber sein Odem war in ihm, denn er sah ein Gesicht." Vielleicht steht diese Schilderung einer Ekstase dem am nächsten, was Paulus erlebt hat. Es ist zu beachten, mit welcher Scheu und Zurückhaltung Paulus von dieser ganzen Sache redet. Am liebsten würde er all das für sich behalten, so wie er es bis jetzt getan hat. Aber die Torheit der Korinther zwingt ihn, nun auch seinerseits töricht zu sein, so daß er sich Dinge rühmt, deren er sich eigentlich gar nicht rühmen dürfte. Wessen er sich rühmen dürfte, das sind die Leiden, die er als Apostel des Herrn auf sich genommen hat; sie sind der sichtbare Beweis seines Dienstes und die Legitimation seines Wirkens. Was ihm jedoch in dieser Vision widerfahren ist, das ist nicht seine Sache, sondern Gabe und Gnade des Herrn, die dem "Menschen in Christus" widerfahren ist. Wohl kann er sich dessen rühmen, aber indem er das kann und tut, darf er die Linie desWortes nicht verlassen: "Wer sich rühmen will, der rühme sich des Herrn." Dieses Verhalten des Apostels seinem Erlebnis gegenüber steht durchaus im Gegensatz zum Verhalten jüdischer Apokalyptiker ihren tatsächlichen oder nur vorgegebenen Erlebnissen gegenüber: denn hier bricht der unverhüllte Stolz durch, Erlebnisse über-
248 natürlicher Art gehabt zu haben. Der Visionär bläht sich auf, rühmt sich, daß er durch alle Himmel gewandert sei, daß er alles weiß, was im Himmel und auf Erden ist. Der jüdische Ekstatiker weiß auch im allgemeinen recht genau, in welcher Form sich sein Erlebnis oder das seines Helden vollzogen hat, ob im Leibe oder außer dem Leibe. Wir denklm bei dem Bericht des Paulus in 2 K 12 auch an andere nt.liche Berichte ähnlicher Art, so z. B. an Ag 755 f., an das Gesicht des Stephanus bei seinem Prozeß, oder an Ag 1010 ff., an das Gesicht, das Petrus hatte, bevor er zu Cornelius gerufen wurde, an Apk 4 1, wo der Seher eine offene Tür im Himmel sieht und den Befehl erhält: "Steige hier herauf." An dieser zuletzt genannten Stelle wird dann aber keine Himmelfahrt erwähnt, sondern es heißt: "Und sogleich war ich im Geiste", d. h. im Zustande der Verzückung. So sehr nun für unsere Begriffe diese Erlebnisse phänomenologisch und psychologisch zusammengehören, muß doch auf gewisse nicht unbedeutende Unterschiede aufmerksam gemacht werden. Stephanus befindet sich nach seinem eigenen Bewußtsein auf der Erde, wobei er im Gesicht den Himmel offen sieht. Dabei ist aber sein Bewußtsein nicht ausgeschaltet: er hat die Vision und kann gleichzeitig berichten, was er schaut. Um einen ähnlichen Vorgang scheint es sich in Ag 10 zu handeln. Ähnlicher Art scheint ferner das Ag 2217-21 berichtete Erlebnis des Paulus gewesen zu sein. Paulus weiß, was er hört, sein Bewußtsein scheint durch die Vision nicht ausgelöscht zu sein. In Apk 41 dagegen liegt eine gewisse Akzentverschiebung vor: die Tatsache, daß der Seher im Himmel eine Türe geöffnet sieht, zeigt schon, daß er eine Vision hat - wenigstens nach unseren Begriffen. Und doch beginnt für den Seher die Vision selbst erst dann, nachdem er auf den Befehl der Stimme hin "im Geiste" ist. Wir können, so wie der Bericht uns jetzt vorliegt, nicht mehr entscheiden, ob bei dieser Vision das Bewußtsein des Sehers ausgeschaltet war, oder ob es sich um Erlebnisse in der Art von Ag 755 f. gehandelt hat. Auf jeden Fall ist das Erinnerungsvermögen nicht getrübt gewesen: das Geschaute konnte später aufgeschrieben werden. Wer von jüdischen Apokalypsen her an Apk 4 1 herantritt, der erwartet, daß auf den Befehl "steige hier herauf" eine Himmelsreise erzählt wird. Davon steht aber in dieser "jüdischsten Schrift des NT" nichts. Statt dessen heißt es: "Ich wurde vom Geiste erfüllt", "ich geriet in den Zustand der Verzückung". Der Heilige Geist, der den Seher erfüllt, macht es überflüssig, daß weitläufig eine Himmelsreise des Visionärs beschrie-
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ben wird. Der Geist Gottes kommt aus dem Himmel; wenn er sich auf einen Menschen senkt, dann kann er ihm das offenbaren, was im Himmel ist. Auf diese Weise kann der vom prophetischen Geiste erfüllte Mensch das Gefühl haben, "im Himmel zu sein", auch wenn er sich nach Leib und Seele auf der Erde befindet. Sehr bemerkenswert ist in der jüdischen Apokalyptik, daß Offenbarungen fast immer durch die Vermittlung eines Engels gegeben werden. Schon im AT tritt gelegentlich der angelus interpres auf: Sach 19. 12. 19; 31; 41 usw. Dan 816 ff. deutet der Erzengel Gabriel den Traum; er erklärt auch die Schrift, Dan 921. Ferner ist der Offenbarungsmittler in Dan 10 1ff. ein Engel. Der (oder: die) Verfasser des 1 Hen wird auf seinen Reisen von dem Erzengel Uriel begleitet: 1 Hen 1814; 191; 215.9; 272; 3314; 72 ff. In 1 Hen 226; 326 hat Raphael dieses Amt, während es in 1 Hen 234; 241 Raguel und in 1 Hen 246 ff. Michael zufällt. Ein ungenannter Engel läßt den Seher die "Bilderreden" schauen (1 Hen 40 8; 462 U. ö.). Michael ist der Begleiter Henochs bei dessen Erhöhung, 1 Hen 71 8. Der 2 Hen wird von zwei Engeln geleitet bei seiner Himmelsreise. In der Ascens Jes, im tAbrah und im gr Bar werden die Seher von einem oder von mehteren Engeln geleitet. 4 Esr 41; 5 2,0. 81; 7 1 hat Uriel die Aufgabe des Offenbarungsmittlers. Singulär ist s Bar, denn da offenbart Gott selbst dem Seher die Zukunft 1). Wir haben also folgende Formen der Offenbarung im Spätjudentum: 1. Träume; 2. Himmelfahrten; 3. Berichterstattung durch Engel; 4. Berichterstattung durch Gott; 5. Gesichte; 6. Lektüre himmlischer Tafeln oder Bücher, oder Bericht aus solchen. Dabei können· mehrere dieser Punkte miteinander verbunden werden, z. B. eine Himmelfahrt mit der Lektüre von himmlischen Büchern. Es ist bezeichnend, daß keiner dieser Apokalyptiker sich auf eine Begabung mit dem Heiligen Geist beruft (1 Hen 70 2 und 71 1 gehören nicht hierher). Das ist verwunderlich, kleidet sich doch jeder dieser Visionäre in die Maske eines Heros der Vorzeit. Aber es wirkt sich hier die im Spätjudentum herrschende Überzeugung aus, daß seit den drei letzten Propheten Haggai, Sacharja und Maleachi der Heilige Geist dem Volke nicht mehr gegeben sei 2). A n die S tell e der Gab e des 1) Vgl. Bousset, Offenbarung, S. 6 f. 2) Thosephtha Sota 132 (Z. 318); Str BI, S.127.Dochrühmteman dem Rabban Gamalie~ H., R. 'Aqiba, R. Meir und R. Schim'on b. Jochai die Gabe des . Heiligen Geistes nach, Str B H, S. 128 ff.
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prophetischen Geistes trat die Himmelsreise und die durch Ordination erlangte Autorität des Ra b b i , der Traum und anderes 1). Der Rationalismus der Schriftgelehrten, der in die Tiefen und Geheimnisse der Thora eindringt und damit auch in alle Geheimnisse des Kosmos und Gottes, trat an die Stelle der freien Geistwirkung. So wird auch der Eingang der 4 Than· naiten ins Paradies nicht auf den Heiligen Geist zurückgeführt, trotzdem an andern Stellen dem R. •Aqiba die Gabe des Geistes von den Späteren zuerkannt wird. Demgegenüber wußten sich die Ohristen als die Träger des Heiligen Geistes, der als Zeugnis von J esus zum Geiste der Prophetie werden konnte (Apk 19 10). Das betrifft aber weiter den ganzen grundsätzlichen Unterschied zwischen Spätjudentum und Urchristentum, der mit der Person Jesu als des Messias gegeben ist. Mit J e s u s ist ein neu e s M 0 m e n tin die e s c h a tologische Erwartung gegeben worden: der kommende Erlöser ist identisch mit dem geschichtlichen Jesus von Nazareth und dem g e gen w ä r t i gen Her r n des K 0 s m 0 s. Es ist aber mit Jesus auch ein neues Moment in die Lehre von der 0 ff e n bar u n g ge kom me n: Je s u s s tell te si c h dem offenbarungsmächtigen Traditionsprinz i p und der E x e g e s e der R a b bin e n 2) e n t g e gen, indem er sein Wort, seine Taten, sein Leiden, seine Person als gültige Offenbarung Gottes hinstellte: Gott der Vater offenbart sich in sei ne m So h n e Je s usO h r ist u s. Für die Apostel ist Jesu Auferstehung die Beglaubigung seiner Sendun g , seiner Vollmacht und Autorität, und damit auch das Zentrum des Glaubens. Damit wird für die Männer des NT schon die äußere Richtung geändert, in der sich die Offenbarung vollzieht: die Hirn melfahrten spät jüdischer Apokalyptiker und 1) Die Ausführungen dieses Abschnittes betreffen natürlich das viel umfassendere Pro b 1 emd e r 0 f f e n bar u n g na c h F 0 r m und In haI t. Im Rahmen dieser Arbeit kann ich dazu nur einige allgemeine Bemerkungen machen. Weil es sich um das Problem der Offenbarung handelt, verzichte ich auch darauf, die sehr zahlreichen Stellen zu behandeln, die von der H i m m eIs s tim m e (Bath Qöl) reden; denn eine Anschauung vom Himmel geben alle diese Stellen nicht. 2) Vgl. W. G. Kümmel, Jesus und der spätjüdische Traditionsgedanke, 1934 (in: ZNW 33), S. 105 ff.
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R a b bin e n - mögen sie nun fiktive, nur literarische gewesen sein oder wirkliche Ekstasen - ver lau f e n von der E t dez u m Himmel. Die Offenbarung, die Jesus bringt, kom m t vom H i m m e lau f die Erd e. J esus steigt von dem Himmel auf die Erde herß,b. Er selbst ist die Offenbarung, so braucht er auch keine besonderen Ekstasen, Visionen und Träume mehr. Demgemäß beruht die Autorität der Apostel nicht auf der besonderen Kenntnis kosmologischer Geheimnisse und ekstatischer Erlebnisse - auch 2 K 12 1-4 begründet die Autorität Pauli nicht! sondern sie beruht darauf, daß sie Augenzeugen des Lebens, Sterbens und vor allem der Auferstehung Jesu waren. Sie haben den Heiligen Geist als Berufsausrüstung, der ihnen den Willen Jesu zeigt. Man mag sich dazu stellen wie man will, sicher ist, daß es im NT im wesentlichen so gemeint ist. Von da aus gesehen rücken natürlich Stellen wie Phil 2 5-11 in ein neues Licht. Jesus Christus als der "zweite Mensch" stammt aus dem Himmel im Gegensatz zu Adam, der von der Erde stammt (1 K 15 44-49). Hier entspricht dem Gegensatz von Erde und Himmel der von Urzeit und Endzeit, indem beides antitypisch aufeinander bezogen ist. Beides hat auch Bedeutung für die Menschheit, die zuerst Adam gleicht, dann aber - bei der Auferstehung - dem himmlischen Menschen Jesus. Dabei wird in 1 K 1548 Jesu himmlische Herkunft und seine Gegenwart im Himmel zusammengeschaut. Wesentlich sind hier aber nicht die kosmologischen Anschauungen, sondern die christologischen. Der Gegensatz ist hier nicht so sehr der von Erde und HImmel, als der von Adam und Christus. Der Gang der Heilsgeschichte, die Lehre von der Erlösung, von Christus, die Eschatologie ist im NT der Kosmologie gegenüber durchaus im Vordergrund. Im Spätjudentum dagegen gehören kosmologische Belehrungen auch zur Verkündigung!). Über das, was im Himmel ist, erfahren wir aus dem NT recht wenig. Was gesagt wird, das muß aus dem spät jüdischen Quellenmaterial amplifiziert werden. Dabei ist es aber gar nicht immer sicher, wie weit die Parallelen für die Männer des NT Auffassungen bieten, die sie teilten. Das I n t e res s e des N T ist nie h t w e I t f I ü c h t i gau f das Jen sei t s ger ich t e t, sondern man wartet auf das Reich Gottes-und arbeitet in1) Ich kann mich darum durchaus den Thesen anschließen, die Sasse im Th W IH, S. 887, Art. '}(;011/10r; formuliert hat, vor allem dem Satz: "Die Kosmologie gehört nicht zur Botschaft des Evangeliums."
252 t e n s i v i m Die n s t e C h r ist i , so daß der A b sag e a n die Spekulation der Kampf gegen die Passivit ä t e n t s p r ich t. Ausdrücklich wird es J 3 11-13 abgelehnt, über Himmlisches zu reden. Jesus lehnt solche Belehrungen ab, obschon er Vollmacht dazu hätte. Da aber sein Zeugnis über Gottes Heilshandeln auf der Erde nicht angenommen wird, kann er um so weniger über Himmlisches reden 1). Das Geschehen der Wiedergeburt vollzieht sich auf Erden, an irdischen Menschen, und Nikodemus hat bei der Botschaft davon Zweifel geäußert (J 3 4). Mit Recht weist Bultmann 2) darauf hin, daß in v.13 nicht von einem Aufstieg Jesu in den Himmel die Rede ist; denn Jesus ist - im Gegensatz zu andern "Offenbarern" - nicht zuerst in den Himmel gefahren, um von dort Kunde herabzubringen. Jesus ist vielmehr primär vom Vater ausgegangen, hat Offenbarung gebracht, und ist dann wieder zum Vater gegangen. Unter dem "Aufstieg" muß hier die Auferstehung und Erhöhung zu Gott gemeint sein. J 3 13 ist Polemik, die sich gegen zahlreiche, von Rabbinen und Apokalyptikern berichtete Himmelfahrten wendet 3). Der Satz kann sich auch sehr wohl gegen die Merkaba-Spekulationen der Rabbinen richten, die durch sie das Wesen Gottes zu erfassen trachteten und auch vorgaben, über Gott genau Bescheid zu wissen. Der Verfasser des Johannesevangeliums ist ja wohl ein älterer Zeitgenosse jener vier Rabbinen, von denen berichtet wird, sie seien "in das Paradies gegangen". Wir erinnern uns auch des Ausspruchs des R. J ose b. Chalaphtha (vgl. S. 238). R. Jose blieb aber bei der negativen Behauptung stehen, er ist auch ein einsamerWarner, der nur gelegentlich sekundiert ist von andern, wie z. B. von Rabban Gamaliel Ir. (um 90), der zum Kaiser sagte: "Was auf Erden ist, weißt du nicht, solltest du wissen, was im Himmel ist?" (bSanhedrin 39 a). Demgegenüber weist Johannes darauf hin, daß es tatsächlich legitime und echte Offenbarung gibt über Gott und das Himmlische, nämlich dort, wo Jesus redet und Kunde gibt. Das Wort in J 311 f. zeigt, daß die Botschaft Jesu legitimerweise Himmlisches enthalten könnte; Jesus sieht aber sein Ziel nicht darin, sondern in der Begründung des Glaubens 4). J
1) Der Zusatz in v. 13 oO)V 6V T0 oveav0 dürfte kaum echt sein; er ist wohl aus geflossen; vgl. die Kommentare. 2) Vgl. Bultmann, Johannes, S. 106 f. 3) Vgl. Bultmann, Johannes, S. 107 5. 4) Vgl. Schlatter, Johannes, S.92 f.
118
253 V. 13 zeigt, daß der Evangelist in einer Zeit lebte, in der allerlei von "Himmelfahrten" berichtet wurde, er zeigt aber auch, wie er diese Dinge beurteilte. Von v. 13 wird Apk nicht betroffen; denn diese ist im Heiligen Geiste geschenkte Prophetie. Mit diesem Verständnis von J 311-18 scheint mir auch der Zugang zu J 118 gegeben. Dem Satz, daß nie jemand in den Himmel gegangen sei, entspricht hier die Aussage: "Gott hat niemand jemals gesehen." Legitime Offenbarung von Gott hat der eingeborne Sohn gebracht 1), . von dem der Evangelist sagt - entsprechend J 3 13 c - , daß er im Schoße des Vaters ist. Auch das steht nicht im Widerspruch zu Apk 4; denn der Seher schaut Gott ja nicht, sondern nur seinen Lichtglanz. Das Wort Jesu begründet den Glauben, die Visionen des Johannes begründen als Gabe des Christus die Hoffnung. Das in J 118 angeschlagene Thema wird in J 8 12 ff. polemisch gegen die Juden entfaltet. Jesus stellt seinen Ursprung "von oben" (be 'twv avw) dem irdischen Ursprung (be 'twv "a'tw) seiner Gegner entgegen. Er ist im Gegensatz zu seinen Gegnern nicht "aus dieser Welt" (l" 'tOV,,6f1flOV'tOV'tov, 823). Damit ist jedoch nicht Jesu Herkunft aus dem Jenseits ganz allgemein behauptet, der Ton liegt vielmehr auf seinem Ausgang vom Vater und auf der Verbundenheit Jesu mit Gott (818 f. 26. 29). Im folgenden wird der Gegensatz von oben und unten noch verschärft: die ungläubigen Juden sind nicht nur von unten, aus dieser Welt, sie sind vielmehr Kinder des Teufels. So ist der Gegensatz nicht kosmologischer, sondern theologischer Art. Es geht nicht um die örtliche Herkunft, sondern um die Richtung des Willens: ob man im Glauben zu Gott und seinem Sohne sich stellt oder im Unglauben verharrt und damit sich zum Teufel gesellt. So wird im NT die Kosmologie zur Theologie und C h r ist 0 log i e. N ich t der H i m m e I ans ich ist in te res san tun d w ich ti g2), so n der n Go t t, der 1) Eine sehr lehrreiche Exegese des B~1J"~C1a.o in J 1 18 inl Blick auf den Schriftgebrauch des Rabbinats und dessen Anspruch auf Offenbarung gibt Schlatter, Johannes, S. 36. 2) Vgl. Th W I, S. 376 f., Art. IJ.7IW von Büchsel. - Über den "Himmelsmenschen" vgl. Bousset-Greßmann, S. 352-355; Lietzmann, Komm. z. 1 K 1547; Th W I, S. 141 ff., Art. ' A(i~ von Joachinl Jeremias; B. Murmelstein, Adam, ein Beitrag zur Messiaslehre, 1928 (in: Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes, Bd.35). Die von Murmelstein beigebrachten Belege zeigen, soweit ich sehe, zwar A d a mal s Ur m e n s ehe n, aber n i r gen d s als "Men s ehen vo m H i m m el".
254
Vater Jesu, steht in der Mitte der Verkündigun g. Nie h t der H i m m e I als 0 r t ist wie h t i g , sondern Gott, der von diesem Ort her regiert und sei n H eil b r i n g t. Der Christ ist mit seinen Gedanken darum zum Himmel gerichtet, weil Christus der Herr im Himmel ist, der von dort her in der Parusie erscheinen wird. Damit ist aber letzt. lieh gesagt, daß die Bot s c h a f t des NT abi ö s bar ist von ein e m b e s tim m t e n We I t b i I d. Die Aus sag e , daß Gott der Vater im Himmel ist, von wo aus er seinen Sohn uns zur Erlösung sandte, steht und fällt nicht mit einer bestimmten Kosmolog i e.
XII
ZUSAMMENFASSUNG Wenn wir uns fragen, was der Sinn und die Absicht der kosmolo· gischen Belehrungen und Spekulationen sind, dann gibt uns der 2 Hen Auskunft: in 2 Hen 40 rühmt sich der Verfasser der Allwissenheit (vgl. S.158 1 ). Sein Wissen erstreckt sich vom höchsten Himmel bis in die tiefste Tiefe der Erde, umfaßt jedes Gras und jeden Stein, enthält Dinge, die nicht einmal die Engel wissen. 360 Bücher will er geschrie· ben haben (2 Hen 266 [B]). Der menschliche Urtrieb nach Wissen und Forschen ist in diesen Schriften, Offenbarungen und Spekulationen am Werk. Beobachtung, Erfahrung, überkommene Belehrung und traditionelles Wissen sind hier vereinigt zu einer Gesamtansicht des Kosmos. Der Apokalyptiker und der Rabbi wollen, wie der Mensch aller Zeiten, wissen, woher die Dinge seiner alltäglichen Erfahrungs· welt kommen und wie sie beschaffen sind. Er sucht eine Antwort zu geben auf die Frage nach dem Wesen und dem Ursprung aller Dinge, aber er will auch "wissen, was die Welt im Innersten zusammenhält". Darum steigt er durch alle Himmel auf, wo er die Engelmächte am Werke sieht, die die Natur regieren, und am Ende dringt er durch bis zum Wohnsitz Gottes, wo er bevollmächtigt wird, sein Wissen und seine Erfahrungen weiterzugeben. "Ich bin heute zu euch auf des Herrn Befehl gesandt, euch alles zu sagen, was ist und was sein wird bis zum Tage des Gerichts" (2 Hen 39 1 [B]). Zu dem, "was ist", gehört eben auch die ganze "Naturwissenschaft", deren Kenntnis letztlich göttliche Gabe ist. Weil sie göttliche Gabe ist, darum gehört sie für den Apokalyptiker auch zur Verkündigung, die K 0 s mol 0 g i eis t ein T eil des "a p 0 kaI y p t i s ehe n K e r y gm a s". Und eben deshalb durchdringt den Verfasser solcher Werke ein starkes Sendungsbewußtsein. Anderseits aber bleibt solches Wissen doch immer streng auf Gott bezogen. Der Apokalyptiker weiß, daß er der Gnade übermenschlichen Wissens gewürdigt worden ist,
256 die ihn einerseits demütigt, die ihn anderseits doch wieder turmhoch über das gewöhnliche Volk heraushebt. Freilich kann auch er nicht in einsamer Höhe thronen, er braucht und hat auch eine Gemeinde um sich, die die Schriften kennt und verwaltet, die das in ihnen enthaltene Wissen weitergibt. "Und die Bücher, die er euch von Gott gab, verberget sie nicht! Sprecht davon zu allen, die es wünschen, daß sie dadurch des Herrn Werke kennen lernen!" (2 Hen 54 [B]). Es geht um Erkenntnis der "Werke des Herrn", der Schöpfermacht und des Schöpferreichtums Gottes und also um Erkenntnis Gottes selbst. Solche Erkenntnis ist wohl zunächst Geheimwissen, soll aber weiter verbreitet werden bei denen, die den Drang nach Wissen und Erkenntnis haben. Die Rabbinen freilich verbergen die größten Geheimnisse ängstlich und teilen sie nur einer auserlesenen Schar mit. Was nun durch Spekulation oder durch ekstatische Erlebnisse an kosmologischen Erkenntnissen erarbeitet und erworben wurde, das faßt der Apokalyptiker und der Rabbi zu einem System, ZU einet Gesamtansicht des Kosmos zusammen. Dabei ist freilich zu sagen, daß es im Spätjudentum keine einheitliche Ansicht über den Kosmos gegeben hat 1). Jede Schrift, vielleicht auch jeder Rabbi, hat ein eigenes "System". Durchgesetzt hat sich im Laufe der Zeit nur die Ansicht, daß es sieben Himmel gebe. Ferner läßt sich feststellen, daß mit der Zeit die Tendenz sich durchsetzte, alle Teile des Kosmos auf Grund der Zahl 7 durchzukomponieren: man redet von 7 Himmeln, 7 Erden, 7 Wohnungen des Gehinnom usw. Daß aber diese Dinge allgemein anerkannt worden wären, kann man nicht sagen. In allen Einzelheiten der Lehre herrschte hier volle Freiheit. Vor allem in vorchristlicher Zeit und auch zur Zeit der Thannaiten sind die Dinge auf diesem Gebiete durchaus im Fluß. Grundsätzlich gleich ist überall nur das geozentrische Weltbild: über der flachen Erde wölbt sich die Himmelskuppel, an der die Gestirne befestigt sind und ihre Bahn ziehen. Das ist bei Juden und Christen jener Zeit gleich. Mit dem entscheidenden Unterschied allerdings, daß bei den Apokalyptikern die Kosmologie zum K e r y g mag e hör t , daß sie bei den R a b bin e n zur G e heimlehre gerechnet wird, daß sie aber im NT n ich t zur Bot s c h a f t geh ö r t. Selbstverständlich ist auch das geozentrische Weltbild das Weltbild der Männer des NT - etwas anderes zu erwarten wäre Torheit. Aber 1) Vgl. Odeberg, View of the Universe, S. 15.
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wenn wir weiter fragen, welche Form im einzelnen dieses Welt bild bei den verschiedenen Persönlichkeiten gehabt hat, die im NT zu uns reden, dann sind wir sofort in der größten Verlegenheit. Wir haben gesehen, wie viele "vielleicht" und "wahrscheinlich" bei der Behandlung von 2 K 122-4 anzubringen waren, bei der Stelle also, die noch am deutlichsten redet, was die Kosmologie anbetrifft. So ist es einmal nicht möglich, von einem Weltbild des Spätjudentums zu reden, sondern nur von Einzelformen spät jüdischer Kosmologie, zum andern ist es ganz unmöglich, von einem Weltbild des NT zu reden. Die einzelnen Elemente, aus denen wir ein solches konstruieren könnten, fehlen uns einfach. Das mag für den Historiker zu bedauern sein, hat aber anderseits den großen Vorteil, daß das NT zwar natürlicherweise ein Weltbild voraussetzt, aber keines lehrt und sich an keines bindet. Um so weniger hätte in der Geschichte der Kirche ein Anlaß bestanden, das geozentrische Weltbild der Spät antike zu verabsolutieren und sich gegen neue Erkenntnisse zu sträuben. Die christliche Botschaft hängt nicht an ein e m b e s tim m t e n We I t b i I d , sie fällt darum auch nicht dahin, wenn die Weltbilder wechseln und sich wandeln. Nicht einmal die Lehre von der Himmelfahrt J esu Christi hängt am spätantiken Weltbild; denn wir sahen, daß bei dieser Aussage das Entscheidende ist, daß Jesus zu Gott erhöht wurde und nicht ein wie immer vorgestellter Gang J esu zum oder durch die Himmel. Es gibt zwar Leute, denen das in Ag 1 vorausgesetzte Weltbild ein willkommener Vorwand ist, um zu erklären, daß mit dem Fall dieses Weltbildes auch der Glaube an die Erhöhung Jesu dahinfalle. Aber diese Leute bestreiten die Lehre von der Erhöhung Jesu auf alle Fälle, die Berufung auf das Weltbild ist im Grunde nur ein Vorwand, den als solchen zuzugeben man sich aber scheut. Auch wenn Ag 1 nicht im NT stünde, würde man der Botschaft von der Erhöhung Christi den Glauben versagen. Man sollte sich aber darauf einigen können, daß primär der Glaubens~ satz ist, daß Jesus durch die Auferstehung zu Gott erhöht wurde, und daß erst sekundär diese Aussage durch die räumlichen Kategorien des spätantiken Weltbildes erläutert wurde, vor allem in apologetischen Zusammenhängen. Wie eben erwähnt, gehören die spät jüdischen und die nt.lichen Traditionen über den Kosmos hinein in den größeren Rahmen des spät antiken Weltbildes. Oswald Spengler hat in seinem Werk "Der Untergang des Abendlandes" (Bd. II, S. 283 ff.) das Welt gefühl des Bietenhard, Himmlische Welt
17
258 "magischen Menschen", d. h. der Völker des vorderen Orients in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung, als das "höhlenhafte Weltgefühl" bezeichnet. Der Kosmos wird von den Menschen dieses Kulturkreises als Höhle erlebt und empfunden. Über der Erde wölbt sich wie eine Kuppel der Himmel; er umgibt die Erde, schließt sie ein, schützt sie in einem Gehäuse, hält sie aber auch wie in einem Gefängnis fest. Engel und Dämonen, Mächte und .Archonten, Götter und Sterne bestimmen das .Dasein der Welt und der Menschen darin. Das Raumsymbol, das diese Kultur sich als Ausdruck ihres Weltgefühls schafft, ist der innenansichtige Kuppelbau, im Islam die Moschee (S. 303 f.). An Oswald Spengler schloß sich Hans Jonas an in seinem Werk "Gnosis und spätantiker Geist" (1934, S. 73 f.). Auch er betont, daß vornehmlich für die Gnosis die Welt in jener Zeit ein geschlossenes Gehäuse ist, in das man von außen hinein und aus dem man wieder hinaus gelangen kann (S. 101). Dabei ist aber die Welt nicht etwas neutral-Objektives, sondern sie ist als das Werk des bösen Demiurgen selber aktiv böse, Gott und den Menschen feindlich gegenübertretend (S. 116 f.). Der Mensch fühlt sich in dieser Welt unsicher, darum bricht die Welt angst mit Macht in diesen Menschen auf. Die Welt ist Finsternis, in die die Menschen gebannt und verbannt sind (S. 143 f.) Verkauft unter die Heimarmene, unter die dämonischen Mächte der Welt, sehnt sich der Mensch nach der reinen Welt des Lichtes, des höchsten Gottes, von dem der beste Teil in ihm stammt (S. 145). Der Kosmos als feste Ordnung wird gerade durch die feste Ordnung und Gesetzlichkeit dem Menschen eine Last und eine bedrohliche Gegenmacht (S. 148 f.). Wie stellten sich demgegenüber Juden und Christen ein? Auch sie fühlten sich als in der Welthöhle lebend. Doch machte schon Hans Jonas (S. 155 1) darauf aufmerksam, daß der alttestamentliche Schöpfungsgedanke es dem Juden - und mit ihm dem Christen - verbot, die Welt, den Kosmos, von Gott zu lösen, sie dem feindlichen Demiurgen zu überweisen und damit zu verneinen und zu verteufeln. Bei allem Gegensatz gegen die Welt, der bei Juden und Christen sichtbar wird, wird sie doch nie radikal dämonisiert, wird sie nie als positiv und aktiv "böse" Gott entgegengesetzt. Auch bei Juden und Christen redet man von verschiedenen Himmeln wie in der Gnosis, auch hier ist der Kosmos von Engeln und Dämonen durchwaltet, auch hier wirken "Mächte und Gewalten", auch hier weiß man von der Macht der
259 Sterne. Aber zu einem schroffen Dualismus kommt es, bei aller Verwandtschaft dieses jüdischen und christlichen Weltbildes zur Gnosis, doch nie. Mannigfach überschneiden und kreuzen sich Verwandtschaft und Unterschiede im Hinblick auf gnostische kosmologische Spekulationen. Oft genug ist die Terminologie derjenigen in den gnostischen Systemen sehr ähnlich; wir befinden uns auch hier im "magischen Raum". Doch wird der Kosmos hier nicht religiös gewertet, auch nicht im negativen Sinne wie in der Gnosis. Die Kosmologie ist nicht Gegenstand der Verkündigung des Neuen Testamentes. Das Weltbild ist nicht - auch in der positiven Wertung nicht - ein integrierender Bestandteil der biblischen Botschaft. Darum ist das Weltbild der Bibel von ihrer Verkündigung grundsätzlich ablösbar. Das muß besonders gegen Spengler(S. 283) betont werden. Dies ist eines der Resultate, das sich aus meiner hier vorliegenden Arbeit unzweideutig ergeben hat. Es ist zwar auch bei den Juden und den Christen etwas zu spüren von der WeIt angst und von der Verlorenheit im Kosmos. Aber der Jude weiß sich als Glied des Volkes Israel, im Besitze des Gesetzes, das ihm der Schöpfer die s er ganzen WeIt gegeben hat, unter dem besonderen Schutze des einzigen Gottes; er ist Gottes Eigentum, keiner Engelmacht und keinem Gestirn untertan. Der Christ weiß sich mitten in aller Bedrohtheit seiner Existenz durch die Heilstat Christi gerettet und aus dem Herrschaftsbereich der "Mächte und Gewalten" versetzt in das Reich des Sohnes Gottes, des Kyrios J esus Christus. So wird die Welt angst wohl immer wieder gespürt, aber ebenso oft wird sie überwunden und zurückgeworfen. Der Gott der Schöpfung ist der Gott der Erlösung, der Gott des Gesetzes ist der Gott der Gnade und der Liebe. Weil die WeIt in ihrem Sein nicht selbständig ist, darum ist die Angst nicht das beherrschende Gefühl des Lebens. Sie ist es auch darum nicht, weil der Erlöser für den Christen keine mythische Gestalt ist, die "einmal" kommen wird, sondern der Erlöser ist gekommen und wird wiederkommen. Diese geschichtliche Tatsache, die Jesus Christus ist, bestimmt das Welt gefühl, aber auch das Weltbild des Christen. Diese geschichtliche Heilstatsache bildet dann auch den letzten und feinsten Unterschied, der zwischen dem Weltbild des Juden und dem des Christen besteht. Die WeItangst ist nicht nur für den Menschen des magischen Raumes kennzeichnend. Als das antike Weltbild durch die Erkenntnisse von Nikolaus Kopernikus, Giordano Bruno, Galileo Galilei und Johannes 17*
260 Kepler u. a. gestürzt wurde, da weitete sich die Welt mit einem Male zur Unendlichkeit des Weltraumes. Da brach gleich am Anfang bei Blaise Pascal die Weltangst auf. Nun nicht als die Angst vor der lastenden Sc.hwere des Weltgehäuses, vor den Archonten und Dämonen, sondern jetzt ist es die Angst vor dem Grenzenlosen, Ungeheuren, vor der schauerlichen Leere des Alls, vor dem Nichts und der Verlorenheit in ihm: "Le silence eternel de ces espaces infinis m'effraie." Aber so wenig wie der Jude und der Christ im magischen Raume die Beute der Welt angst wurden, so wenig verlor sich Pascal im kopernikanischen Weltraum. Ihm tangiert das neue Weltbild den christlichen Glauben nicht, sondern er findet hier, er der geniale Mathematiker, ohne sacrificium intellectus den Halt im Leben und Denken, die Antwort auf Fragen, welche gerade die exakten Wissenschaften ihm aufgeben. Das ist wieder ein bedeutsamer Hinweis darauf, daß die Botschaft der Bibel nicht an ein bestimmtes Weltbild gebunden ist. Unser heutiges Weltbild hat sich seit den Tagen von Pascal noch einmal gewaltig verändert und erweitert. Die Räume unseres Kosmos haben sich zu unvorstellbarer Größe ausgedehnt. Wir messen die Distanzen nach Millionen von Lichtjahren. Aber wir werden auch darüber belehrt, daß das Raum-Zeit-Kontinuum gekrümmt ist, daß der Lichtstrahl nach hunderten von Millionen Lichtjahren wieder zurückbiegt. Wird so nach den allermodernsten Theorien das Weltall wieder zu einer "Höhle"? Zu einer Höhle freilich, die in bezug auf ihre Dimensionen in keinem Verhältnis mehr steht zur Welthöhle des magischen Raumes. Mag das so oder anders sich verhalten, die Frage bleibt bestehen, was denn das ganze All trägt un~ erhält. Wenn auf diese Frage im babylonischen Talmud und in alten Midraschen es heißt, daß "die Welt hängt am Arm des Heiligen, gepriesen sei er! wie geschrieben steht: und unterhalb ewige Arme" - wenn wir aus dem Studium all der Schriften aus dem jüdischen und christlichen Altertum dies gelernt haben, dann haben wir nicht nur eine Reihe von antiquarischen Merkwürdigkeiten zur Kenntnis genommen, sondern dann haben wir auch für unser heutiges Weltbild etwas ganz Entscheidendes gelernt. Und das Allerwichtigste, das uns über die Welt gesagt wird, ist wohl das, daß wir in der Welt Angst haben, daß wir aber getrost sein sollen, weil Jesus Christus diese Welt überwunden hat. Wie wir sahen, sind die spätjüdischen kosmologischen Vorstellungen auch Zeugnisse für den Synkretismus der Zeit; denn wir stellten immer
261 wieder fest, daß überall Lehren und Traditionen aus der ganzen Umwelt des Judentums verwertet wurden. Wohl das bedeutsamste Beispiel für solche Beeinflussung des Spätjudentums durch außerjüdisches Gedankengut ist die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele. An diesem Punkt können wir die Hellenisierung des Spätjudentums beobachten, die sich im 1. Jahrhundert rasch ausbreitet. Eingangspforten waren dabei die Essener, das Diasporajudentum, die Pseudepigraphen, während die Rabbinen etwas langsamer waren. Der große Bahnbrecher scheint auch hier Rabban Jochanan b. Zakkai gewesen zu sein, einer der ersten großen Meister in der Kunst der Ma
262 Betracht kommen könnte, ist er nicht geworden. Gefährlich kann der Satan nur unter den Geschöpfen werden. Der Monotheismus und vor allem der feste Glaube an Gott als den Schöpfer war und ist in Judentum und Christentum zu übermächtig, als daß ein Dualismus hätte aufkommen können. Aber das Böse und der Böse haben ihren festen Platz im ganzen der Welt. Über der Vorstellung vom Satan und am Gedanken des Bösen zerbricht die Welt nicht. Böses gibt es, weil es in der Welt freien Willen gibt, einen Willen, den die Geschöpfe auch gegen den Schöpfer stellen können. In der Urzeit haben Engel von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, sie wurden böse und zum Tun des Bösen verdammt. Und der Mensch kann zwischen Gott und 'Azazel wählen. So wird das Böse in der Welt nicht negiert oder unterdrückt durch die etwas verlegene und skurrile Auskunft, daß es das Nichts, das f1~ OV oder gar die privatio boni sei. Es hat vielmehr Realität, sogar personhafte Realität, der gegenüber auch persönliche, sittliche Entscheidung gefordert wird. Auch das Christentum unterdrückt und negiert das Böse nicht. Der Satan wird zwar aus dem Himmel gewiesen durch die Erhöhung Christi zu Gott, aber um so gefährlicher wird darum seine Wirksamkeit auf Erden. Diese Lehre vom Sturze des Satans hängt ja mit der zentralen Botschaft des NT, mit der Kreuzespredigt, zusammen: ist das Kreuz die erlösende Tat, ist Christus der Erlöser, zu dem Gott sich bekannte, indem er ihn zu sich erhöhte, dann führt das notwendig zu der Konsequenz, daß der Satan seines Platzes im Himmel beraubt wird. Denn der Satan hat seinen Platz vor dem göttlichen Richterthron darum, weil über das Heil des Menschen nicht definitiv entschieden ist; weil die Entscheidung so oder anders noch aussteht. Die Kreuzestatsache muß darum zur Folge haben, daß die spät jüdische Lehre vom Satan als dem himmlischen Ankläger beseitigt wird. An seine Stelle tritt Christus, der Erlöser und Versöhner, als Vertreter und Fürsprecher der Menschen bei Gott. Das führt dann wieder zu Konsequenzen: einmal sehen wir bei dieser Lehre, daß das Judentum keine Heilsgewißheit kennt und in dieser Frage über unsicheres Schwanken nicht hinauskommt; und in unserem Zusammenhang führt es dazu, daß der Himmel in nachkanonischen christlichen Schriften zur reinen Lichtwelt wird, aus der das Böse und der Böse verbannt sind. Wir haben gesehen, daß damit ein wesentliches Moment zur Weiterführung der Kosmologie im christlichen Bereich wegfällt: es fehlt der Kontrast im Himmelsbilde, die
263 Kosmologie wird eintönig und uninteressant. Das K r e u z ist die Überwindung des kOßillologischen Kerygmas der .Apokalyptik und des Rabbinats, es ist die Befreiung der ch;ristlichen Botschaft von der Bin dun g an ein b e s tim m t es We I t b i I d. Es ist ferner zu bemerken, daß im NT, vor allem im Epheser- und Kolosserbrief, die Einheit des Kosmos nicht nur durch den Schöpferglauben festgehalten wird, sondern ebensosehr durch die Chrißtologie. Durch Christuß, dessen Tat kosmische Weite und Bedeutung hat, wird alles zusammengefaßt, indem "er alles erfüllte" (Eph 4 10), indem alle denkbaren Mächte und Gewalten ihm unterworfen wurden. Aber das ist keine kosmologische Aussage mehr, sondern eine christologische. Die A s c e n s i 0 J e s a j aha t dan n den Ver s u c h gemacht, eine christozentrische Kosmologie zu sc h a f f e n. Der Versuch ist aber, soweit ich sehe, nicht durchgedrungen und nicht weitergeführt worden, und das ist, nach dem über die Bedeutung des Kreuzes in diesem Zusammenhang Gesagten nur folgerichtig. Dem Judentum fehlt eine solche Zentralvorstellung, und deshalb gelingt es nicht, im Rahmen des Spätjudentums eine einheitliche Kosmologie zu geßtalten. Es fehlt der Mittelpunkt, von dem aus alle die disparaten Elemente hätten geordnet und zentriert werden können. Das C h r ist e n t u m a b erz e i g t, daß eine alles dominierende Zentral vorstellung die K 0 s molo g i e :z; u r ü c k t r e t e n I ä ß t. Diese christologische Zentrierung zeigt sich im christlichen Bereich an zahlreichen Ein:z;elvorstellungen, die aus der Umwelt übernommen wurden. Als Beispiel greife ich nur die Vorstellung vom himmlischen Kult heraus. Diese Lehre wird zunächst mit der Kreuzestatsache verbunden und auf Jesus übertragen. Aber sofort fällt dann die Vorstellung weg, als ob es noch jet:z;t im Himmel einen Kult gäbe. Nur in der Offenbarung erscheint der himmlische Tempel, und es werden auf dem Altar noch die Gebete der Heiligen dargebracht, einen Versöhnungskult gibt es auch hier nicht mehr, und das neue Jerusalem hat kein Tempelgebäude mehr. So trennen sich auch hier Christentum und Judentum voneinander. Mit der C h r ist u s tat s ach e des Kreuzes hängt es auch zusammen, daß die Christen theologisch das ü"dische Jerusalem verlas sen: Jerusalem ist die Stadt, die Jesus kreuzigte und verwarf. So richtet sich fortan der Blick der Christen
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auf die himmlische Stadt, deren Bürger sie s i n d. Zug 1 e ich fäll tau c h die Bin dun g der Bots c h a f t a n ein b e s tim m t e s V 0 1 k. I m J u den. t um anderseits ist die gegenteilige Entwicklung festzustellen: da tr i t t die Hoff nun gau f das h i m m 1 isc h e J er usa 1 e m zur ü c k zug uns t end er Hof fnung auf einen Neubau des irdischen Jerusa1 e m, w eil V 0 1 k und G 1 a u b e .z usa m m eng e hör e n. Daß auch eine so wenig zentrale Vorstellung wie die von den "himmlischen Wohnungen" in J 14 christologisch zentriert ist, haben wir gesehen. Auch das zeigt die Macht der Christus erfahrung im Urchristentum,
Wenn wir von gnostischer Beeinflussung des Judentums reden, dann muß noch einmal von Henoch gesprochen werden. Die Henoch,Literatur ist Beweis dafür, daß gnostische Erfahrung auch im Judentum lebendig war. Bezeichnende Symptome sind der slawische und der hebräische Henoch. Verständlich genug, daß das Rabbinat am Ende des 1. Jahrhunderts die Pseudepigraphen abgestoßen hat. Aber es ist ebenso bezeichnend, daß nachher doch noch eine Schrift wie 3 Hen hat entstehen können. Ist der 2 Hen in gewissen Aussprüchen auf dem Wege zum Ditheismus, so ist diese Gefahr in 3 Hen akut geworden. Offenbar hat es im Judentum noch lange solche "Abbröckelungserscheinungen" gegeben, wo sich der Gottesgedanke und die Gottesvorstellung auflösten. Ein Hinweis darauf ist auch die Tatsache, daß im 3 Hen zahlreiche hohe Engel das Tetragramm als Bestandteil ihres Namens tragen. Wenn man weiß, wie streng und wie ängstlich das offizielle Judentum die Heilighaltung und die Geheimhaltung des Jahvenamens betrieb, dann kann man in dieser Tatsache nur eine polytheistische Strömung oder einen Zerfall der Gottesvorstellung sehen. Auch wenn es sich dabei nur um eine Randerscheinung gehandelt hat, so tut das ihrer geistesgeschichtlichen Bedeutung keinen Abbruch. Die christliche Kirche ist dieser Gefahr, die in der Gnosis und anderswo akut wurde, entgangen. Es ist ja auffällig, und diese Tatsache kann nicht genug betont werden, daß schon die Männer des NT, die fast alle geborene Juden sind, in der Erhöhung Christi zum göttlichen Thron keine Beeinträchtigung des Monotheismus gesehen haben. Man sage nicht, sie hätten es einfach nicht gemerkt, was für Konsequenzen diese Lehre gehabt habe - wer Mk 1462 f. par und Ag 755-57 tradiert, der weiß, um was es geht! Diese Tatsache ist um so auffälliger, als gerade
265 die Juden mit aller Leidenschaft und Eifersucht für den "reinen Monotheismus" eingetreten sind und eintreten. Daß im Bereich des NT aber an diesem Punkt weder Zweifel noch Probleme auftauchen, das läßt sich nur so erklären, daß zur Zeit des NT faktisch "binitarisch" gedacht wurde. Es bedeutet von da aus gesehen nicht einmal sehr viel, ob es im NT viele oder wenige Stellen gibt, die Jesus Christus explizit als Gott bezeichnen: wer als geborner Jude sagt, Jesus sei der Throngenosse Gottes, der denkt eben trinitarisch, auch wenn er es begrifflich noch nicht ganz streng und sauber formuliert. Daß aber die Trinitätslehre etwas anderes ist als Tritheismus, das kann man Juden, Mohammedanern und judaisierenden christlichen Theologen bis auf den heutigen Tag nicht klarmachen - ein Glück, daß es da und dort moderne Mediziner gibt wie C. G. Jung, denen wenigstens dieser Gedanke klar ist! Mit diesen Bemerkungen soll selbstverständlich nicht das ganze große Problem der Trinitätslehre mit ihren Anfängen und Gründen im NT vollständig gelöst· sein! Es ging mir vor allem darum, auf einige Punkte in diesem Zusammenhang hinzuweisen, die bisher m. W. noch zu wenig oder gar nicht beachtet wurden. Es scheint mir aber, daß diese hier vorgebrachten Überlegungen auch zur Debatte gestellt werden sollten. ·Daß damit das ganze Problem noch komplexer und vielschichtiger wird, ist klar. Aber es geht nun einmal nicht an, wie es etwa geschieht, das NT nach Stellen zu durchforschen, an denen Christus expressis verbis als Gott bezeichnet wird, dann festzustellen, daß es nicht allzuviele sind, und dann von da aus zu meinen, das Problem sei gelöst und die altkirchliche Trinitätslehre sei als unbiblisch erwiesen und erledigt. Es gibt im NT innere Gründe, aus denen heraus die Trinitätslehre gewachsen ist, und einen dieser innern Gründe wollte ich aufweisen. Ein g nos t i sie ren der Zug scheint mir i m j ü dis c h e n G 0 t t e s b i 1 d auch insofern vorzuliegen, als gerade in den späteren Midraschim G 0 t tin i m m e r w e i t e r e F ern eng e r ü c k t wird. Immer mehr Sphären aller Art werden zwischen die Erde und Gott eingeschoben, so daß es oft scheint, Gott drohe der Welt überhaupt zu entschwinden, oder psychologisch geredet: er entschwinde aus dem Bewußtsein, oder gnostisch geredet: er werde zum "fremden Gott". Dn doch ist gerade auch da zu sagen: so sehr G 0 t t dur. c h alle diese Spekulationen an Größe gewinnt und in die Ferne gerückt wird, so sehr ist er d 0 c h für den Menschen und sein Erkennen wieder verfüg-
266 bar, ist er dem m e n s chI ich e n Zug r i f f P r eis g e g e ben. Dem Rat ion a 1 i s mus und der Mys t i k, die ihre Stütze in der Schrift haben, sind letztlich k ein e G ren zen g e set z t. Und wenn man gelegentlich den alt kirchlichen trinitarischen Spekulationen mit Recht Mangel an Zurückhaltung vorwirft, so trifft dieser Vorwurf nicht minder die Spekulationen über das "Wagenwerk" des Rabbinats. Zwar haben die Autoren der Mischna hier die Gefahr gemerkt, aber man hat sich vorher und nachher kühn über ihre Verbote und Grenzzäune hinweggesetzt. Es mag vielleicht Anstoß erregen, wenn ich sage, die Spekulationen über "Wagenwerk" seien ein Zeichen dafür, daß für den Rabbi Gott "verfügbar" gewesen sei. Aber diese Spekulationen sind nicht das einzige Symptom in dieser Richtung. Man denke auch an die unwidersprochene rabbinische Lehre, daß die Festsetzung von Neujahr und Versöhnungstag ohne weiteres von Gott anerkannt werde, daß Gott im Himmel sich darnach richte. Man bedenke den Ausspruch "die Thora ist nicht im Himmel". Man bedenke die Lehre, daß der, welcher für 30 Tage gebannt sei, von Gott auf ewig gebannt werde. Man bedenke, daß der Rabbi den Gedanken fassen konnte, man könne dereinst in der himmlischen Akademie mit Gott diskutieren und gar anderer Meinung sein als er. Wenn man nicht sagen will, Gott werde hier als für den Menschen verfügbar angesehen, so muß man doch von einem sehr ausgeprägten Gefühl für die Autonomie des M e n s c h e n reden, das i m J u den t u m da und dort lebendig war. Ich weiß, daß diese Dinge nicht "Dogma" waren, daß man auch anders hat lehren können und gelehrt hat, aber mit alle dem ist doch eine sehr wesentliche Seite in der jüdischen Religion gesichtet, die sich nicht wegdiskutieren läßt, und über deren weite Wirksamkeit kein Zweifel ist. Selbstverständlich hängt all das auch zusammen mit der Lehre vom Heil und von der Erlösung: der Jude erlöst sich selbst durch gute Werke - und wird eben deshalb seines Heils nicht gewiß. Wie all das im NT aussieht, mag man sich etwa an J 118 klarmachen: "Gott selbst hat ja niemand jemals gesehen; doch der einzige Sohn, der an der Brust des Vaters liegt, der hat Offenbarung gebracht." Zu diesem Vers setze ich die Erklärung, die Bultmann in seinem Kommentar zum Johannesevangelium (S. 55) gegeben hat: "Es ist die Unmöglichkeit eines Gottesgedankens behauptet, kraft dessen Gott als Objekt menschlichen oder übermenschlichen Erkennens gedacht werden
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könnte. Gott ist nicht mehr Gott, wenn er als Objekt gedacht wird." "Die Unzugänglichkeit Gottes bedeutet Gottes Unverfügbarkeit für den Menschen. Das heißt aber nicht die zufällige Unverfügbarkeit eines unerreichbaren Seienden; sondern es bedeutet in einem die Unverfügbarkeit des Menschen über sich selbst. Das Verlangen, Gott zu sehen, schließt, als das Verlangen, Gott zum Objekt zu machen, das Grundrnißverständnis des Menschen von sich selbst ein, als ob er zu solchem Unternehmen je frei, von Gott entlassen wäre und das nov m:w finden könne, in dem er für solche Schau selbständig wäre. Der orientalisch-at.liche Gedanke von der Herrschaft und der Unverfügbarkeit Gottes ist hier radikal gedacht." Wir können von diesen Gedanken her die Henochgestalt noch von einer andern Seite her ansehen. Henoch ist der zu Gott erhöhte Mensch, der vergöttlichte Mensch, Gerechte und - Rabbi. Man wagte es zwar nicht, einem Menschen der Gegenwart oder der jüngsten Vergangenheit eine solche hohe Würde zuzuerkennen. Aber der Erste in der Reihe der Gerechten wird an die Seite Gottes gerückt und bekommt Teil an Gottes Eigenschaften und an Gottes Weltregiment. Damit wird der Gerechte als solcher der höchsten Ehre gewürdigt, die sich überhaupt denken läßt. Daß die Rabbinen gelegentlich ein geradezu ungeheures Selbstbewußtsein hatten, zeigt der in bSanhedrin 97 b überlieferte Ausspruch des R. Schim'on b. Jochai, der sagte, wenn es zwei "Kinder der Erhöhung" gebe, dann seien es er und sein Sohn! Man kann demgegenüber nicht auf J esus verweisen; denn J esus ist gestorben und hat sich gerade dadurch als wahrer Mensch erwiesen. Henoch ist eine mythische Gestalt, welcher der Tod erspart blieb. All das hängt im Judentum mit der Tatsache zusammen, daß man sich im Besitze der Thora wußte: sie und ihre Auslegung ist in die Hände des Menschen gelegt, sie und ihre Auslegung haben Offenbarungswert. Deshalb ist der, welcher Thora und Tradition zu handhaben versteht, Träger der Offenbarung, er hat Teil am göttlichen Geheimnis und am göttlichen Weltplan. Es ist kein Wunder, daß der mythische Prototyp des Schriftgelehrten, Henoch, zu Gott erhöht wird - ließ ihn nicht die Schrift von Gott hinweggenommen sein?! Wieder ist hier auf den Unterschied zum christlichen Glauben hinzuweisen. G run dIe gen d für a 11 e ehr ist I ich e G lau ben s e r f a h run g i m N T ist der H eil i g e Gei s t. Der Christ ist dadurch Christ, daß er den Heiligen Geist empfangen hat. Der Geist lehrt die Schrift verstehen, erinnert an die Worte Jesu,
268 tröstet und stärkt den Menschen, verleiht ihm allerlei Gnadengaben. Wenn es Einblick gibt in das Jenseitige und Zukünftige, dann nur kraft des Heiligen Geistes. I m J u den t u m d a g e gen ist das Bewußtsein lebendig, daß der Heilige Geist dem V 0 I k e n ich. t m ehr g e g e ben sei seit den letzten Propheten, und wenn noch ein Rabbi dieser Gabe würdig wäre, dann ist doch das Zeitalter derart, daß auch dieser den Heiligen Geist nicht bekommt. Die nt.liche Überlieferung weiß dagegen zu berichten, daß schon Jesus mit dem Heiligen Geiste begabt war und daß von dem erhöhten Herrn her der Geist über seine Gemeinde ausgegossen ist. Auch von da her wird im NT alle Offenbarung und neue Erkenntnis an Jesus Ohristus gebunden. Auch da, wo der Geist redet und offenbart, redet und gibt er aus dem, was Jesus hat und gibt. Die ältere Apokalyptik führt die Offenbarung auf Träume, Visionen, Himmelsreisen und Engel zurück. Es erhebt sich dabei die Fra g e nach der Legitimität solcher Offenbarung l ). Mit diesem Problem setzt sich der 1 Hen in fast allen seinen Teilen auseinander. Denn nach ihm haben auch die ungehorsamen gefallenen Engel den Menschen allerlei Geheimnisse offenbart, woraus allerlei Unglück in der Welt entstand: Kräuterkunde, Zauber, Magie, Eitelkeit, Götzendienst, Krieg und Ungerechtigkeit. An den verderblichen Folgen solcher Engeloffenbarung zeigt sich deren illegitimer Oharakter. Die Engel können zwar wirkliche und echte Geheimnisse offenbaren (vgl. 1 Hen 83), aber sie waren dazu nicht bevollmächtigt. Nach 1 Hen 657 f. werden von Engeln Dinge offenbart, die der Seher anerkennt und erklärt. Anderseits werden dem Seher selbst Dinge von Engeln offenbart, und solche Offenbarung ist dann legitim. So steht Offenbarungsanspruch gegen Offenbarungsanspruch. Kriterium für die Echtheit der Offenbarung ist wohl letztlich die sittliche Tat 2), die für den Offenbarungsempfänger aus der Erkenntnis folgt. Als d.as Rabbinat die Pseudepigraphen abstieß, hat es auch aller solchen Engeloffenbarung abgesagt. Unnötig zu sagen, daß das NT die ga n z e Off e n bar u n gau f J e s u s zurückführt; wo Engel erscheinen, bringen sie nicht Offenbarung, sondern sie sind dienende Geister, denen selbständige Bedeutung nicht zukommt. Offenbarungsmittler sind die Engel im NT nicht. 1) Vgl. dazu Sjöberg, Menschensohn, S. 111 f., ll4 f.
2) Vgl. dazu Sjöberg, Menschensohn, S. llO f., der diesen Gedanken stark herausgearbeitet hat.
269 Von hier aus ist ein Wort über die Be d eu tun g der Eng el nach spätjüdischer Auffassung zu sagen. Was die Naturengel anbetrifft, wird man ihre Bedeutung darin zu suchen haben, daß sie die Abhängigkeit der Natur und aller ihrer offenbaren und verborgenen Erscheinungen und Kräfte von Gott ausdrücken sollen. Gott greift durch die Engel direkt in den Lauf der Natur ein, so daß nichts ohne seinen Willen geschieht. Die Welt ist Gott gegenüber nicht selbständig oder autonom. Der G 0 t t des S p ä t j u den turn s ist k ein Go t t d e ß Dei s mus, der die Welt zwar geschaffen hat, sie dann aber sich selber überlassen hat. Die Schöpfung ist beständig durch die Engel mit ihrem Schöpfer verbunden und gehorcht seinen Befehlen. Daran kann auch die Tatsache nichts ändern, daß es gefallene Engel und Dämonen gibt, die im Kosmos ihr Unwesen treiben. Böse Engel und Dämonen erklären vielmehr die Existenz des Übels und des Bösen in der Welt. Ferner wird durch den Glauben an die Engel die Welt als ein lebendiger Kosmos, nicht als ein System mechanisch wirkender toter Kräfte aufgefaßt. Die Eng eIs i nd Reprä sen t a nt end e r leb end i gen G 0 t t e s w e I t. Indem sie in den verschiedenen Himmelssphären und -räumen beständig das Lob Gottes erschallen lassen, erfüllen sie das Psalmwort : "Alles, was Odem hat, lobe den Herrn" (Ps 1506). Die Eng eIs in d der Mund, durch den die stumme Kreatur ihren S c h ö P f erb e s t ä n d i g pr eis t. Dabei ist auch an Ps 103 20 f. zu erinnern, wo die Aufforderung zum Lobe Gottes direkt an die Engel ergeht. Es scheint, daß die Eng e I im NT es me h r zu tun haben mit dem Leben und der Geschichte der Me n s c h e n als mit der Natur. Demgemäß begleitet der Lobgesang der Engel vor allem in der Offenbarung das eschatologische Heilshandeln Gottes, das von Fall zu Fall sein Lob durch die Engelscharen im Himmel findet. Von da aus haben wir uns endlich zu fragen, was die Offenbarung kosmologischer Geheimnisse religiös bedeutet. In der 0 r d nun g und Harmonie des Kosmos offenbart sich die S c h ö P f e r her r I ich k e i tun d G r ö ß eGo t t e s. Gott in seiner Größe und Herrlichkeit erkennen heißt, ihn in seinen Werken erkennen. Diese Werke aber sind gesetzmäßig geordnet: die Gestirne laufen nach Ordnung und Gesetz ihre Bahn, auch die meteorologischen Erscheinungen unterliegen bestimmten Gesetzen und gehorchen so dem göttlichen Willen. Am Ende der Tage werden Sünder kommen,
270 die sich wider Gott empören, die Götzendienst und Gestirnkult treiben, und infolgedessen werden auch die Gesetze der Gestirne in Verwirrung geraten (1 Hen 82): die Sünde führt zum Chaos in der ganzen Schöpfung. Anderseits aber führt die Erkenntnis aller Gesetze der Welt zum Lobe und Dienste Gottes. Aber wir vermissen nun in der Apokalyptik doch, wenn wir vom AT herkommen, die Töne, die etwa Ps 104 anschlägt. Die Betrachtung der Natur in der Apokalyptik ist gewissermaßen rationaler, bei aller Phantastik "wissenschaftlicher" und distanzierter geworden. Das Lob Gottes ist mit der Naturbetrachtung nicht mehr organisch verbunden, sondern eher lose angefügt. Es wird dies zusammenhängen mit dem Ein s t r ö m eng r i e chi scher natürlicher Theologie in das Spät judenturn.
Ein besonders schönes Beispiel dafür gibt Apok Abrah 1 ). Sie zeigt, wie Abraham durch vernünftige Betrachtung dazu gelangt, zu erkennen, daß es nur Einen Gott gibt, daß der Götzendienst eine Torheit ist, daß nur Ein Gott der Schöpfer des Alls ist. Vernunft erkenntnis führt zur Gotteserkenntnis. Aber diese Erkenntnis ist nicht die ganze Wahrheit. Die ganze Wahrheit erlangt Abraham erst dadurch, daß er eine Himmelfahrt unternehmen kann, bei der er einmal alle Geheimnisse in Raum und Zeit schaut, anderseits aber mit eigenen Augen sich davon überzeugen kann, daß es außer dem Herrn keinen andern Gott gibt. Die Mys t i k ist das Kor r e 1 a t des R a t ion a I i s mus. Griechische Einflüsse machen sich dann auch in dem Zuge geltend, daß Abraham auf dem Throne Gottes kein menschenähnliches Wesen sieht, sondern nur Feuer, ferner darin, daß die Sünde Adams mit der Sexualität in Zusammenhang gebracht wird, endlich darin, daß alle Seelen seit der Schöpfung geschaffen sind. Durch solche und ähnliche Schilderungen zeigt der Apokalyptiker, daß es ihm nicht nur um Belehrungen aller Art oder gar um müßiges Spiel der Phantasie zu tun ist. Die Himmelsreise dient dazu, Aufschluß zu erhalten über die letzten Fragen und Geheimnisse des Kosmos, des Lebens und Gottes. Das Geh e i m n i s der W e 1 t e n t schleiert sich dem, der durch Gottes Gnade der H i m m eIs s c hau g e w ü r d i g t wir d , der eindringen kann in Gottes Rat und Plan. Der Himmel ist die Welt, in der alle Geheimnisse offen daliegen, in der alle Fäden, die sich hier so verwirrend verschlingen, entwirrt sind. Wenn einem Menschen das Böse 1) Vgl. Schlatter, Geschichte Israels 3, S. 320 f.
271 auf der Welt Not macht, so erfährt er hier, daß es im Jenseits eine Vergeltung gibt, daß Gott alles weiß und nichts vergißt : Bücher und Tafeln sind da, die alles festhalten. Die gute Tat wird nicht vergessen, sie vergeht auch nicht, sondern sie wird aufbewahrt in den himmlischen Kammern. Der Mensch selber tritt nach seinem Tode vor seinen ewigen Richter, der ihm Paradies oder Gehinnom zuteilt, je nach Verdienst. Und diese Erkenntnis gibt wiederum Anlaß und Grund für ausgedehnte Paränesen. Auf diesen Punkt hinzuweisen ist nicht unwichtig. Gewiß hat die Apokalyptik vor allem zwei Hauptinteressengebiete : die eschatologische Apokalyptik beschäftigt sich mit Gottes Geheimnissen in der Zeit und im Laufe der Geschichte, die kosmologische Apokalyptik hat es zu tun mit den göttlichen Geheimnissen im Raum. Über diesen beiden Hauptanliegen darf aber das untergeordnete dritte nicht vergessen werden: die Par ä n e s e. Gerade der 2 Hen ist in dieser Hinsicht ein typisches Beispiel: mitten in den kosmologischen Belehrungen finden sich immer wieder Mahnungen - zur Gottesfurcht, zum häufigen Tempelbesuch, zur Gerechtigkeit, zur Ehrfurcht vor dem Menschen als einem Geschöpfe und dem Ebenbilde Gottes, zur Verantwortung dem Tiere gegenüber. An den 1 Hen ist ein ganzes paränetisches Buch angehängt worden (1 Hen 91-108), aber auch in den übrigen Teilen finden sich immer wieder Paränesen. Zahlreiche Beispiele aus andern Schriften könnten genannt werden, und es könnte einmal eine lohnende Aufgabe sein, die Ethik und die Paränesen der Apokalyptik zusammenhängend zu untersuchen. Dabei zeigen besonders die Paränesen des 2 Hen eine ganz beträchtliche Höhenlage. Man tut gut, schon aus diesem Grunde die Apo kaI y p t i k e r nicht einfach als religiöse Schwärmer, Phantasten und Dummköpfe abzuschätzen. Sie wollten nicht nur wissen, sie wollten nicht nur phantasieren, sie woll t enG 0 t t e r k e n n e nun d den M e n s c h e n zum Tun des Gut e n erz i ehe n. Indem der Apokalyptiker Himmel und Erde erforscht, indem er himmlische Geheimnisse erfährt und sie den Menschen mitteilt, verbindet er Himmel und Erde, Gott und Mensch miteinander. Er zeigt, daß Gott über der Welt regiert und den Weltlauf seinem Ziele zuführtl), und daß der Mensch sich in diesen großen Plan und Zusammenhang einfügen soll, 1) Vgl. Eth. Stauffer, Das theologische Weltbild der Apokalyptik, 1930 (in: Zeitschr. f. syst. Theol. 8, 2), vor allem seine Ausführungen über die Bedeutung der Zeit und der Zeiten in der Apokalyptik.
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daß der Gerechte um der großen Heilsziele Gottes willen alle Widerwärtigkeiten des gegenwärtigen Daseins auf sich nehmen muß. Denn nur so kann er Teil bekommen an der endlichen Offenbarung der göttlichen Herrlichkeit. Einmal wird ja die Scheidewand zwischen Hier und Dort fallen, wird das Böse vertilgt, wird der verborgene Gott zum offenbaren, setzt sich Gott allen Widerständen gegenüber siegreich durch. Aber auch jetzt hat das Verhalten des Gerechten seine Wirkung, wie ja auch das Verhalten des Bösen kosmische Konsequenzen zeitigt. Das sittliche Verhalten hat kosmische Weite und E w i g k e i t s wer t. So bekommt das Weltbild der Apokalyptik sittlichen Gehalt und Ernst.
ZUR LITERATUR Der vollständige Titel eines Werkes wird nur bei der ersten Zitation angegeben. Die jüdischen Quellen aus Talmud und Midrasch zitiere ich aus folgenden Sammelwerken: August Wünsche, Der babylonische Talmud in seinen haggadischen Bestandtheilen, Bd. I 1886; Bd. rr, 11887; Bd, rr, 21888; Bd. rr, 31889; Bd. rr, 41889. August Wünsche, Der jerusalemischeTalmud in seinen haggadischen Bestandtheilen, 1880. Hier werden jeweils nur die Traktate mit der Zahl der Folie angegeben. J. Winter und A. Wünsche, Mechiltha; ein tannaitischer Midrasch zu Exodus, 1909. Hier wird die Parasche und die Bibelstelle angegeben. A. Wünsche, Bibliotheca Rabbinica, 8 Bde 1880-1885. Hier werden Paraschen und Bibelstellen angegeben; wo die Parascheneinteilung fehlt, wird nur die Bibelstelle angegeben. A. Wünsche, Aus Israels Lehrhallen, Bd. I 1907; Bd. II 1908; Bd. III, 11909; Bd. Irr, 2 1909; Bd. IV, 1 1909; Bd. V, 1 1910; Bd. V, 2 1910. - Zitiert als: "Wünsche, Lehrhallen" unter Angabe von Midrasch, Band und Seite. Johann Andreas Eisenmenger, Entdecktes Judenthum, 2 Bde. 1711. Zitiert als "Eisenmenger" unter Angabe von Band, Seite und Fundstelle. H. L. Strack und P. Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch, Bd. I 1922; Bd. II 1924; Bd. Irr 1926; Bd. IV 1928. Zitiert als "Str B" unter Angabe von Band, Seite und Fundort. Wilhelm Bacher, Die Agada der Tannaiten, Bd. 1" 1903; Bd. rr 1890. Zitiert als "Bacher, Tannaiten" unter Angabe von Band und Seite. W. Bacher, Die Agada der Palästinensischen Amoräer, Bd. I 1892; Bd. II 1896; Bd. III 1899. Zitiert als "Bacher, Amoräer" unter Angabe von Band und Seite. Wilhelm Bousset, Die Religion des Judentums im Späthellenistischen Zeitalter 3, 1926, hssg. v. Hugo Greßmann in: Handbuch zum NT hssg. v. Hans Lietzmann Bd. 21. Zitiert als: "Bousset- Greßmann". Paul Volz, Die Eschatologie der jüdischen Gemeinde im neutestamentlichen Zeitalter', 1934. Zitiert als "Volz". George Foot Moore, Judaism in the first centuries of the Christian Era. The Age of Tannaim, Bd. 1. rr, 1927; zitiert als "Moore, Judaism". 3 Enoch or the Hebrew book of Enoch, edited by Hugo Odeberg, 1928. Zitiert als ,,3 Hen". ThW = Theologisches Wörterbuch zum NT, hsgg. v. Gerhard Kittel, 1932 ff. Bietenhard, Himmlisohe Welt
18
274 Die Pseudepigraphen sind nach folgenden Ausgaben benutzt (Spezialausgaben einzelner Schriften in den Anmerkungen): E. Kautzsch, Die Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments. Bd. H, 1921. R. H. Charles, The Apocrypha and Pseudepigrapha of the Old Testament, Vol. H, 1913. Paul Rießler, Altjüdisches Schrifttum außerhalb der Bibel, 1928.
Register I. Stellen A. Altes Testament Genesis:
H. I, I lf. 2 3-5 5 6 6-8 9 II f. 14 f. 17 20 ff. 22 24f. 2, 8 9 3,8 14-19 17 22 24 5 5,1 ]8-24 6 9,13
87. 143 91 97 70. 93 96 41 93 9 97 97 97 9 97 97 97 172 172 98 98 99 172 34. 172 148 240 143 109. 210 57" 202 II 14,13 116 17-20 126 193 15 15,5 113 12-16 244 107 18 28, 10-22 112
17 32 32.22-29 27 34 46,27 49,9
124 138 113 138 243 109 64
Numeri: 5,23 7, I 11,16 20,16 21,6 14
79 124 1102 156 27 1 232
Exodus: 3,6 89 4,22f. 77 9,2 1241 12,12 111 14,19 156 61 15 16, 11-14 229 17,14 232 19,16 60 20,7 80 242 21,24 23,4 169 149 21 24,9-11 53 26, 6. ll. 15. 125 33 132 30, 1-3 232 32.32 f. 41 33,21 125 35, II Leviticus: 6,4 12, 1-5 16 20,26 24, 19
1241 242 128 78 246
Deuteronomium: 6,4 ]0,12 14 14, I 22, 1-4 6f. 24, 13 26,15 27,24 30,4 12 32 32,6 8 (LXX) ]8 21 33 33,8 26 27 28
138 240 8. II 77 169 169 225 10 242 71 119 142 77
108 f. 77
133 6lf. 35 10 35. 39 229
Josua: 5, 13 10,13
156 232 18'
276 Richter: 5,23
156
2. Samuel: 7,17 23,3
77 119
1. Könige:
7,25 8,13 27 38 19,9-12 22,19
36 9. 123 11 10 72 58. 59. 60 1 • 118 19 ff. 54 19-22 116
2. Könige 2,11
152
1. Chronik:
9,1
232
2. Chronik: 16,11 18,22 20,34 25,26 27,7
232 60 1 232 232 232
Nehemia: 7,5 f. 10,39 f. 12,22 f.
232 118 232
Esther: 6,1
232. 235
Hiob:
!f. 3,3 5,1 9,6 15,15 26,9 16 33,23
118 240 1 135 35 130 1 74 108 2 135
37,18 312 38, 22. 34ff. 39 ff. 26 1 Psalmen: 2,7 77. 126 8,5-9 236 18,11 73 12 9 2 • 73 19,5 33 37,25 116 40,6 121 42,8 37 . 152 47,6 64,8f. (LXX) 49 68,5 10. 72 18 73 19 236. 238 69,29 233. 239 78,23 228 23 f. 9 82 110. 117 85,9 220 12 225 15 225 89,7 9 15 223 27 77 38 9 96,12 89 101,7 91 103,20 f. 269 103 (104),997 104 270 104,6 35 31 116 110 66. 70". 126 110,4 126 f. 113,3. 7 (LXX) 50 115, 16 238 121,5 42 122,3 192 132, 17 65 1 136,6 35. 37 139,5 70 233. 240 16 146,10 139 147,4 33 148,8 35 150,6 269
Sprüche (Prov): 9,1 35 10,25 35 11,30 225 24, 16 227 Prediger: 12,5 Jesaja: 1,2 3,10 6
173. 174. 175
77 225 53. 72. 76 f. 217 6,1 54 27 1 • 55. 62. 2 105 2 f. 138 3 137. 138 4 132" 6 27 1 • 132" 10,5 ff. 110 11 70 11,2 69. 70 10 64 13,10 49 14, 12 111 13-15 56 29 27 1 24,21 lU 21-23 110 23 58 30,6 27 33,6 224 34,4 49. 50 5 llP 11 38 35,5 111 40,22 9. 20 45,11 77 49,16 192. 195 50,3 50 51,9 63 1 54,1 198 58,8 225 63,12 63 1 15 9 16 77 64,8 77 65,6 233 17 8 66,1 72
277 Jeremia: 3,9 10,12 13, 17 22,30 23,19 24 25, II 31,9 31-34
77 45 150 233 75 42. 104 109" 77 127
3,12 9 9,2 2 f. 10 10, I 12 13,9 47,7 12 48, 35
137. 138 106 155 144 86 54 55 232 173 173 72
75. 104
Ezechiel: I
H. 1-3 1,4 5 6 7 8 10 13 14 15 16 18 22 25 f. 26 28
10' 77
Joel: 3,3 f. 4, 13
50 35
Obadja: 4
112
Micha:
Klagelieder: 3,23
Hosea: 2,19 f. ll, I
62. 76 53. 57. 72. 88. 132 2 86 88 62 55 62. 76 62 55 60. 134 62 72. 73. 105 76 55. 56 54. 61. 62. 72 62 57 57
Daniel: 2,22 4,28 7 7,9 9 f. 10
IOf. 13 13 f. 8,16 16 ff. 9,2 ff. 21 10, I ff. 13 20f. 21 12, I
74 111 70 55. 70 54. 60 ll7 54f. 63. 72. 75. ll7. 146. 206. 233. 239. 242 1 101 49. 66 69 107 249 109" 107. 249 249 109. llP 109 60 1 • 242 109. 233
5, 1-3
47
Haggai: 2,6
50
Sacharja: 1,8 9 12 19 3, I 4, I 10
113 249 249 249 249 249 60. 64
Habakuk: 3,3
72
Maleachi: 1,6 2,10 3, ] 16
77 77 156 233
B. Apokryphen und Pseudepigraphen 1. Makkabäer:
Sirach: 3,21 22 f. 17,17 23, I 24,30 39,28-30 51,10
87. 92 52 109 78 92 3" 78
3,18 f. 4, 10 f. 12,15
81 81 81
2. Makkabäer: 230 2,4 15,12-14 135"
Tobit: 4,7-ll 12,15
223 106. 132
3. Makkabäer: 6,3
78
4. Makkabäer: 9-12
179 f.
Sapientia Salomonis: 2,10 14,3
78 78
Jubiläen: 1,4 f. 24 f. 2, I 2
242 78 242 102. 104
278 3, 10 4,5 5 f. 17 17-23 21 22 23 4,32 5,1 ff. 6,30-38 10,5 10,7-13 10,11 15,30 ff. 3If. 19,9 23 23,9-32 31 32 30,19 f. 22 23 32,28-34 36,10 48, 15
242 242 103 144 144 29 210 144 242 210 29 210 210 210
26 9,1 2 4 5 7 8f. 10 12 13 14f. 14-18 16 19-23 llP 22 109 24 233 24-27 177 27 243 30 177 33 177 35f. 233 37 f. 233 40 233 10 243 10,5 233 7 211 7-11,40 8 12 HimrneHahrt des Jesaja 13 (= Ascensio Jesajae): 14 f. 24 2,4 1I4 29 4,2 1I4 6,1-10,40 8 30 f. 31 10-12 247 218 1I,1-17 7,9 11 f. 19 218 23 13-36 215 20. 215 24 18 21 f. 32 216 34 22 216 24f. 215 28 20. 215 1. Henoch 8,4 f. 216 1,4 216 7 6 ff. 9f. 217 217 6-16 Ilf. 7,1 216 14 216 8 8,16 8,3 18 216 216 9,1 21 12,4 25 216
216 108. 216 216 215. 216 216 170 2 216 216 216 216 217 217 217 217 234 182 216 216 216 216 216 216 216 217 215 216 217 217 217 217 217 217 218 217 218 217 217 217 218 218 217
1I 210 144. 210 1 205. 249 205 268 108 145
13
208 136 1 13, 3 ff. 146 8 ff. 246 14 144 14,9-23 54f. 10 175 15-20 175 15,1 145 2 f. 136 1 17-36 136. 143 18, 3 f. 35 12-16 17 1 14 249 19 210 1 19, I 249 20, I fi. 106 5 109 7 271 21,5 249 9 249 22,6 249 23 27 23,4 249 24, I 249 6ff. 249 25 173 25,4f 172 27,2 249 32,6 249 26 1 • 34 33-36 33,14 249 34 26 1 36,1 26' 36,2 f. 34 37 ff. 68 38,1 69 2 223 39 ff. 55 39,4 174 5 135 9 174 12 101. 137 12-40,10 55 13 137 L10, 1 ff. 108 106 3 4 137 135 6 2Il 7 249 8 135 9
13 If.
279 41,1 1f 1-5 2 3 f. 7 43,1 f 2 4 44 45, 3 ff. 3-5 46,1 2 3 47 47, 1 f. 48,1 3 6 49,1 4 51 51,1 2 4 5 52 52,2 ff. 4 8f. 53-57 53,6 7 54,2 55,4 56 56, 1-4 59 60 60,8 61,8 8-11 10 11 21 62 62,2 f. 8 15 15 f. 63,2-4
26 103 26 174 26 26 26 102 27 27 69 69 55. 69 249 69 69 135 174 69 69 69 69 69 175 175 69 69 69 243 69 69 244 69 69 168 1 69 211 69 27 102 171 69 137 106 6P 27 1 175 69 69. 174 226 1 • 227 228 137
63,9 65,7 f. 66,2 67 68 69,6 27 70 70,2 71 71,1 3 5 7 71,8 f. 11
14-17 16 72 ff. 72-82 72,1 1-34 2 3 4 73 73,2 74 74,10-17 13-16 75, 1 lf. 4 8 76 78,4 9 15 80 80,1 1ff.
2-8 81,4 82 82,7 f. 10-20 83 83-90 83,3 f. 3-6
234 268 103 210 1 69 205 69 172 249 146 ff.152 1 • 155. 180 11. 249 249 11 137 121' 216 147 136 2 249 21-23. 102. 144 21 24 24 1 24 24 23. 24 24 23 1 24 23 1 17 1 24 24 24 24 23 1 23 1 24 17 1 • 51 f. 25 242 25 234 270 108 2 25 52 144 51 246
246 210 1 246 109 235 145 2 235 235 235 107 145 195 145 271 125' 181 234 234 178 lf. 241 178 2 3 f. 178 178 6-8 104, 1 178. 233 178 2 6 178 234 7 106,19-107,1242 108 241 108,3 235 7 234 12 178
85 86 86, 1 ff. 89, 59 ff. 61 ff. 70 89, 70 f. 76 f. 90,17-20 21 21 ff. 26 ff. 31 ff. 91-108 91,13 16 f. 97 ff. 98, 7 ff. 103,1
2. Henoch: 3 ff.
3, 1-3 4 4,1 5 f. 7 7, 1-3 8, 1 1-8 3 8,8 (A) 9 10, 1-5 11 12 13 15
246 168 25 58 26 1 1361 • 208. 210 207 171' 161 171' 167. 171' 162. 167 206 27. 102 27 27 103
280 15, 1 f. (A) 4 ]6,2 f. 4 (A)
5 6 7 17 (A) 18 18 (A) 18,7 19 19,2 5 20 ff. 20f. 20-22 2lf. 21 21,3 (A)
22 ff. 22 22,8 12-23 23,4 24 ff. 24-33 24 24,2-4 25,1 f. 25,3 3-5 26 26,6 27, 1-3 3 4 28 29 29,3 4 4 f. 5 1-3 30, 1 3-5 7 8-16 17 31,1 2 3-6
28 28 28 28 1 28 1 28 28 167 136 1 • 208 210 1 136 1 102 106 233 108 137 105 6. 55 103. 105 138 145 219 228 241 222" 91. 143 95 ff. 241 158 95 56 96 96 96 255 96 96 97 97 102 208 208. 218 97 208 97 97 97 97 98 98 98 98 98
7 f. 33,1 f. 4 5 7-10 39,1 40 40, 1 1-12 8 f. 12 13 42,3-5 4f. 43,1 47,2 f. 48,4 50, I 5 52,15 53 (A)
53,2f. 54 55,2 58,4-6 (A) 59 (A)
61,2 64,4 5 65 65, 10 66,7
99 99 99 99 99 255 186. 255 158 1 • 241 241 66 1 208 233 162 167 158 1 158 1 IP
158 1 • 234 225 234 136 1 234 256 194 169 169 174 145. 146 146 186 171 17P
3. Henoch: 1,4-6 3-16 3, I 2 4, I 3 6 8 10 6 6,1 2 3 7 8, I 9, I 2
151 106 153 152 153 152 111. 152 153 152 152 152 152 152 ]54
154 154 153
9,4 5 10,1 2 3 6 11,1 2 12, 1 f. 3 5 13,1 14 14,1 2 4 15,1 2 16 ]7-28 17,1-7 3 4-7 8 18 18.3 18, 3 H. 15 24 19-22 19,4 20 21 21, I 2 23 f. 25-28,6 26,11 12 27,2 3
153 153 74. 153 153 153. 154. 159 154 ]52 1 • 154 154 153 153 152 ]53 154 153 113. 220 102 153 153 154. 155. 159 154 106 108 102 106. 113 106 113 77
188 235 106 75' 76 76 76 77
106 106 220f. 113. 114 117 1 104 28,7-48 (A) 106 117 1 9 30,1 f. 117 1 2 113. 154 33,4 75 5 75 35,3 108 36 75 37 108
281 38,3 40,3f. 44,7-10 45 46,2 48 (BCD) 48 (C) 48, 1 (A) 48,1 (C) 48,1 (D) 48,3 (C) 48,4 (C) 48,5 (C) 48,6 (C) 48,7 (C) 48,8 (C) 48,9 (C) 48,10 (C) 48,12 (C)
154 104 135 245 154 106 152 6. 631 152 153 154 153. 154 153 153 152 154 153 154 154
Assumptio Mosis: 51. 180 f. 10 214 1 4. Esra: 4,1 5,4 20 31 6,1-6 4 20 7,26 75 77 79. 87 92--98 101 8,36 33 52 10,53 f. 11-12,3 13,1-13 36 14,2 ff. ]2 f. 38-47
249 51 249 249 157 8" 233. 193. 180 180. 180 180 180. 223 223 193 194 246 246 194 246 226 1 90
syrischer Baruch: 195 4 193 4,2
242 194 223 182 1
3 6,6-8 14,12 2],1 5 24,1 29f. 29,8 30,1 2 32 36 f. 53 72,2 griechischer 2 ff. 2,1 3-7 3-9 3,6 f. 7 4,4-6 5,3 6,6.8.13. 14 8,2 4 6 f. 7 9,3 7.8 10,5 7 10 11-16 11,2 8 9 12,1-5 12,6-13,1 13,1 2 3 f. 4 14 15, 1-4 16 t Levis: 2f. 2--5
193 230 223 223 245 234 18] 229 181 181 195 246 246 69 Baruch: 246 34 206 1 208 19 23 1 208 208 30 30 3" 30 30 31 31 169 138 30 133 ff. 133 133 133 133 133 133 133 133 133 1 133 133 133 3. 6. 11 136"
2,5 7 f. 9 10 3 3,1 f. 2 3 4 4f. 5 6 7 8 5,3f. 6 8 8,1 18,11
246 3 4 3 106 3 5 5 4. 5 4.5 4. 5. 135 4.5 4 4 243 135 107 246 172
t Dan: 5,12 6,2
194 135
t Naphthalis: 8 ff. 8,4f.
lIP 110
t Assers: 2,10
243
t Josephs: 19
64"
t Abrahams: 4,4f. 7,16 f. 8f. 8,2 2 ff. 10f. 10,8-11,3 14,6
123 178 34 f. 247 246 234 145 178
t Isaaks: 6 f. 6 6,4 8
206 178 246 178
282 8,11 20 10 10, 12
178 178 178 178
Apokalypse Abrahams:
13, 15 14,5 15, 1 ff. ] 7 f. 18,2 f.
227 114 246 55 138
3 19,6 f. 20,5 21 ff. 21,9-22,7 22,6 23 f. 25, 1-4 27 29,13 ff. 32,1
55 104 2 114 244 244 114 244 244 244 244 244
Apokalypse Mosis:
37
162. 1711
t Adams:
4
105
Apokalypse des Sophonias: Fragm.
234 234 105 2
29 51 2, 16 29 3,2 3 f. 4 11 f.~ ll-13 13 27 31 4,4 6 6,33 35 38 41 42 50 f. 58 7,17 8, 12 ff. 18 f. 23 26 29 42 44 56 9,39 ll,27 12,31 46 13,1 3 14
64 110' 84 84 177 83 252 252 252f. 82.252.253 82 83. 84 84 229f. 82 82 82 82 82 82 58 84 253 253 84. 86. 253 253 253 84 84.ll4.ll5 244 1 85 85 114. 214 85 86 84 177
11 14,1
C. Neues Testament Matthäus:
2, 1-12 3,16 4,8-10 5,12 35 6,9 10 13 19-21 20 7,13 f. 11,25 26 28 f. 16,3 19 18,18 19, 16ff. 21 8 20,23 21,25 f. 22,30 22,29 f. 41-46 24,29 24,30 31 36 25,21 31 ff. 28, 18
46 ff. 1. 71 114 71 192 140 140 140 225 71 35 80 15J1 212 48' 71 • 120. 12] 71 • 120 225 71 266. 192 66 81 71 219 64 2 1. 71 50 71 71 133 66 66
Markus:
1,10 II
71 71
8,11 f. 10,21 12,25 13 13,24 24-26 25 27 32 14, 36 62 f.
48 71 71 50f. 49 49 49 71 71 80 1 264
Lukas:
1,19 26 2,13 14 14f. 9,52-56 10, 1-12 17-20 20 11,13 12,8 33 15,18. 21 16, 19-31 21,25 22,31 f. 23,43
107 107 71 139 f. 139 f. 49 110 212 71 • 238 80 117 1 71 82 185 49 213 171. 185
Johannes:
1,13 14 18
83. 84 176 252 1 • 253. 266
283 14,2 f. 3 30 15,19 16,11 27 28 17,8 14 18,37 19,11 20, 17
175 177 1 114 84 214 84 84. 85 84 84 85. 86 83 68
Apostelgeschichte : 1 1,9-11 2,34 7, 55f. 55-57 7,56 10,10 ff. 31 22,17-21 26,19 Römerbrief: 1,28 ff. 5,20 8 8, 26f. 34 33 f. 10,19 12,1
257 67 71 66. 248 264 71 248 117 1 248 71 133 1 125 183 136 65 214 133 44
1. Korintherbrief: I, 22 f. 2 2,8 12 14 14, 18 15 15,38 40 44 44-49 44-55 48 49-51 53 54
163 163 219 163 163 163 51 219 219. 226 219. 226 251 226 251 219 226 226
2. Korintherbrief: 4,4 115. 214 226. 228 5 5,1 f. 71 1-4 226 1-5 219 2 226 226 3 6,4 163 10,1-4 162 5-7 162 8-11 162 12-18 162 11,1-6 162 6 163 8-15 163 16-21 163 21 164 22 ff. 163 23-33 163 12 186. 248 12,1 163 1-4 6. 7 1 • 251. 162. 247. 164 ff. 257 2 1 6f. 165 Galaterbrief: 2,9 3,26-29 4,3 9 10 21-28 24 24 ff. 25 26 27 5,19 f.
131 198 103 103 44 197 196 201 198 f. 198. 204 198 133
Epheserbrief: 1,3 2IP 1,10.20-22160 20 2IP 20-23 65 2,2 218 2111. 212 6 4,7 237 237 8
9 10 11 6,9 12 12 ff. 20
237 6. 237. 263 237 6. 2111 211. 214. 218 212 2111
Philipperbrief: 1,23 2,5-11 11 3,2-10 17 17 ff. 18 19 20 4,3
167 65. 160. 219. 251 219 199 198 198 198 199 71 . 196. 199. 204 239
KoloBserbrief: 1,5 2,3 4-8 8 10 20 3, 1-4 3 4 4,1
6. 7 1 228 228 103 160 103 65 2IP 21P 71
1. 'Ihessalonicherbrief:
1,10 4,15-18 16
71 51 71
2. Thessalonicherbrief: 1,7 6,15 16 17-19
71 65 219 226
1. Timotheus brief: 4, 8
219
284 Hebräerbrief : 65 1, 13 125 2,17 f. 6 4,14 14-10, 18 125 ff. 126 14 ff. 5,1-10 126 126 7, 1-5 127 6-10 127 11-20 127 21-28 6 26 6 8,1 219 If. 127 1-4 128 9, 1-14 128 15-26 130 1 23 128 27 f. 128 10,1-18 128 21 11, 9 f. 200 197 10 200 11 200 12 200 13 200 14 200 16 65 12,2 196. 200. 22 204 6. 239 23 50 26 28 50 13, 14 197. 200 1. Petrusbrief: 1,4 71 12 71 65 3,22 4,17 57 2. Petrusbrief: 1,18 71 3,10 103 12 103 12 f. 50 13 71 Judasbrief : 107 9
Offenbarung 1 1,10 10-20 2 f. 2,7 17 26-28 27 3,5 12 20 21 4 4 f. 4,1 If. 2 4 H. 5 6 8 9-11 11
5 5, 1-8 6 8 9 f. 9-13 11 12 13 6,9 9-11 11 12 12 f. 7,9-17 12-17 15 8,2 2-5 3-5 9,13 ]0,9-11 11
Jl,2 8
(Apk): 57 57 57 56 172. 173 230 64 214 117 1 • 239 130. 196. 201. 202 230 65.216.219 253 1.6.74.141. 182. 57 ff. 1. 248 246 57 25" 57 60" ]4.61. 168 1 140 59 141 63 ff. 243 64 59. 132 141 141 63 141 64. 65. 141 132. 182 6. 131 226 1 • 228 49 50 142 131 130. 131 107 132 6 6. 132 246 132 202 202. 204
9 f. 15 15-19 17 f. 19 12 12,5 9 10 10-12 12 13 13,8 13 14 14,1 1-5 3 14-20 15 17 15 15,2 3 f. 5 5 f. 6-8 7 8 16,1 17 19 17 17,3 8 19, I f. 1-10 4 6-8 10 11 15 16 20,11 9 15-17 21 21 f. 21,1 1-5
141 141 6. 246 141 130. 132 107. 214. 246 148 115 214 6. 142 115 246 239 49 148. 246 20] 6 167 6 130 130 246 168 1 142 132 130 6 132 130. 132 130 130 117 1 202 246 239 142 246 142 142 216. 219. 250 50 214 65 50 204 239 196 202 50.140.201 131
285 2 3 10 12
197. 201 176. 201 201. 246 203
14 16 22 22
203 203 131. 203 172 f.
22,2 3 8 16
172 66 216. 219 64 2
D. Talmud und Midrasch bBerakoth: 5a 10 a 18 b 28 b 33 b 63 a b
bpesachim: 20 42 74. 187 183 224 29
jBerakoth: 4b 5a 9, 14 c. 13 Pea: 1, I
jPea: 3b
bSchabbath: 88 b 105b 127 a 129 b 152 a 152 b
16 b 23 a
bSukka:
225
5a 29 a 29 a b
MChagiga: 79 1 2212 33 105
II,1
7,44 b, 37 124 7,2,34 b 1241
11 llb 11 b-16 a 12 a b 12 b
238 108 45
Th Sukka: 224
2,6
45 1 • 85 1
bRosch haschana: 118
237 224 224 44 175 182
jSchabbath: 34 a 19
16 a 32 b
122 122
jRosch haschana: 6b 57 a
122. 123 122
5a 14 b 21 b 25 b
192 120 2 188 107'
5. 53 1 • 87. 95
13 b 14 a 14 b 15 a
41 92 5 35 8. 20. 25 3 • 32.73 1 .105 123. 125. 134. 138. 150. 170. 192. 222. 228 56. 74 1 • 87. 132 2 62 1 • 74 7I'L 76. 87 87 89. 91. 94. 170. 171 71. 93. 150. 155. 169. 206 92. 94
Th Chagiga: 2
92 1
jChagiga:
bMegilla: 16 a
13 a
15 b
bTha'anith:
235
jMegilla: 171
119 2 44
bChagiga:
223
Th Schabbath: 13,5 79 2
b 'Erubin: 19 a
8 f. 20 a 20b 37 a jJoma:
jBikkurin: 64 c
bMo'ed qatan: 40 19. 56
bJoma:
31 312 118
Th Pea: 4, 18
94 a 94 a b
1,71 b, 44 11P
7a 7ab 7 a-8 a 8a 2,77 b, 32
88. 92 1 9P 5 87 89
286 bKethuboth: 77 b
172
b'Aboda zara:
Siphre Deut:
3b
§ 10 311 312 313 338 355 356
72 1 • 150. 1541 • 188 1
jNedarim: 1,36 d, 34 235
bJebamoth: 16 b
116. 151
bGittin: 56 b 68a
107' 187
MSota: IX, 15
78"
bSota: 33 a
1351
bZebachim:
Th Sota: 13,2
249 2
243
bBaba Me9i'a: 59b 83 b 85 b 86a
62a
119 174 187. 240 188
29a 29b
122
18 21 23 28 30 45 52
Kelim: 117
bNidda: 16 b
70.149.245 33.104.252 116 267
j Sanhedrin:
241
104 28 2 .29.32. 36.104.227 220 111 76 237' 60. 117 89 173
Wajjiqra r.: Ex 12, 2 14,16 15,1 5 16,4 20,6 26
45 1 61' 108 3 • 111 169 229 79 3 79
par. 1 4 21 26 27 29 31
138 83 1 93 234 174 2 9 1 • 9 2 • 101 • 10 2 32
60 1 Siphra:
bMakkoth: 23 b
70. 169 61' 19 41. 224 33. 107 1 244 226 1 240 122 83 124 12 2 42. 124 120 2 75. 104
Schemoth r.: par. 2 15
b 'Arakin:
5,10
BereBchith r.: par. 2 4 6 9 10 12 20 24 50 51 55 58 68 75 78
138
Mekiltha:
bSanhedrin:
Ib
125 245
bChullin: 91 b
10a b bBaba Bathra: 122 lOa 219 15 b 73 a 19 34 74a 203 75 b 33 84a
38 b 39 a 94a 97 b
124
bM6nachoth:
b QidduBchin: 70a
Pirqe Aboth: 1,3 81 81 11 2,1 234 14 240 3,19 234. 240 5,8 85 9 85 20 79
170 85 85 85 1501 228 1 170
118
Lev 1,1 20,26
Bemidbar r.: 74 78 6
par. 2 12
9 1 .10 1 • 2 • 8 62.124.150
287 14 18 Debarim r.: par. 1 2 5
224 19. 103 122
Ruth r.: zu 1,17 2, 14
173 70
zu Ps 1 11 21 27 34 68 90 104 117
21 22 b
240 220 220
110. 234
4 27 48
124 32 85 3 113 121 121 112 1 121 112 2212
Eka rabbathi: Einl. 24
Jalkuth Chadasch:
224 33 9 2 • 226 1 85 4 174'. 187 1741
48
912 229 104 62 124 161 110
83 2 82 110 111 150 174 122 124
zu Gen 3, 24 5,24 Ex 1, 19 Ex 16, 15 Lev 22, 26 Deut 32, 8 f. 34,6 1 Kön 19, 11 f. Jes 4, 3
170 149 1 79 6 228 79" 110 149 153 235
Seder 'Olam r.: 243 1
Aboth d e R. Nathan: 2 37
56
237 10'
221
Maarecheth haelohuth: 206
H3 I
Seder Elijjahu r.: 2,7
Targum:
17
187 2
Jalkuth Schim'oni:
18. 95 ,~,~ 8,66 40 b B § 16 r~nl'lN' 6 "~N 174a,15 178 a ~:'1i'" J24 a
Schir r.: zu Cant 1, 4 2,9 3,10 11 4,4 6,9 8,8
113 22J2 135. 151 22P 102 1
159
N'"
Qohelet r.:
112 124
91 100 116 118 147
zu Num 24,17 Thanchuma:
90
150
Jalkuth Rubeni gadol:
226 1 2211 174 237 170. 207 116 107'
zu Prov 11,8
74'. 108 116 63 1
pesiqtha sutartha:
171
Midr. Mischle:
zu Pred 1, 3 5 7 3,2 9 12,5
4b 29 32 40 b 43 b 53 b 150 b 151 151 a 175 b
pesiqtha rabbathi:
Midr. Esther: Einl. 82 a zu 3,9 12
Pirqe R. Eli'ezer:
pesiqtha:
6 19
118
Aggadath Bereschith: 56 (40 a)
113
Schaare Ora: 65
12P
Emek hammelek: 188 2 10 125' 121 11P 173 Für die späteren kosmologischen Midraschim vgl. das Inhaltsverzeichnis!
288 E. Weitere zitierte Schriften Oracula Sibyll.:
Philo Alex.: vita Mosis I, 217 de Cherubim 21-25 de opif. mundi llIf. deconf.ling.76-78 176 quis rer. div. heres 274 de praem. et poen. 104 f.
181 34 34 178f. 179 178 179
III 796-806
51
Origenes: contra Celsum VI, 22
17 2
108-113 Pistis Sophia
228 157 1
1791
Platon: Politeia 616 b
19P
Josephus: bellum judo I1I, 8, 5 Ignatius v. Ant.: Eph 19,1 2
219 48 2
MartyrIum des Polykarp: 14,3
Axiochos 371 c
189 2
Euripides: Melanippe, Fragm. 506 (N2)
23lf.
137
Porphyrios: de abstin. I, 31
226 1
Didache: 16,6
Ps. Platon:
137
Hermas: Sim. VIII, 2, 5
Thomasakten:
Macrobius: 50
Somn. Scip. I, 11
226 1
11. Namen, Begriffe, Sachen Aaron 127 Abadon 40. 171 3 Abaje, R. 187 Abba, Mar 187 Abba Gorjon 78 Abba b. Kahana, R. 9 2 Abbahu, R. 41. 119. 121. 122. 182 Abel244 Abendmahl 229 Abgötterei 51 Abgrund 97 Abin b. Thanchum b. Tryphon, R. 118 Abin, R. 76 Abraham 45 f. 107. 11P. 116.124.126. 135. 178. 193. ]97. 200. 226 1 .233. 244 Abtaljon, R. 81 Acha, R. 31 2 Acher, vgl. Elisch'a b. Abuja, R.
Adam 33. 35. 98f. 162. 168. 171. 172. 193. 216. 244. 25]. 253 2 Adama (Erde) 10 4 • 38 f. Adoel 96 f. Ahab 117 Ahasch verosch 220 Ahura Mazda 18. 58 1 Altar, himml. 131 f.. 182. 190. 192 'Amaleq 232 Ambrosia 230 2 Ami, R. 87 'Anaphiel H' 152 Ankläger (vgl. auch Satan!) 115. 145 Anthropologie 176. 183 f. 222 Antigonos aus Socho, R. 81 Anu (Gott) 15 Anunnaki 15 Aphes, R. 187 Apostel 203. 237. 250
289 'Aqiba, R. 44. 70. 78. 91 ff. 188. 206. 233. 240. 245. 249 2 • 250. 261 'Araboth (Himmel) 6. 10. 38 f. 72 f. 108. 113. 153 f. 'aräphäl (Himmel) 10 3 dexai 105 Archas 96f. Archetyp 107 8 Aristarch 21. 33 Ariuch (Engel) 99 Arqa (Erde) 10'. 38 ff. Aschmedai 187 Aschruilu H' (Engel) 188 Astrologie 16 Astronomie 2]. 91 Assurbannipal 231 Auferstehung 64 f. 67. 99. 167 f. 175. 178. 181. 184. 185. 251. 252. 257 Aufgang, Berg des 15 'Azazel (vgl. auch Satan!) 69.]] 4.136 1 • 151. 209. 211. 226 1 • 244. 262 'Azza (Engel) 152 'Azzael (Engel) 152 Babel 112 Babylonien 11 H. Badariel (Engel) 108 Bann 118 ff. Baradiel (Engel) 102 Baraqiel (Engel) 102. 108 Bath- Qol 94. 171. 250 1 Baum des Lebens 189 Belial 209 Beliar 4. 114. 209 Berekja, R. 113. 116. 237. 240 Blitz 26. 54. 60. 89 Bohu 37 ff. Brot, des Lebens, Gottes 82 Bruno, Giordano 259 Buch (himml.) 63 f. 99. 145.233.238 f. Bundeslade 132 Bürgertum, himml. 199 Buße 240 Celsus 17. 97 Chajjioth 37. 55. 71 ff. 75 f. 88. 105. 134. 138 ff. 154 Chajjliel H' (Engel) 76 Chalkedrius 27 Chama b. Chanina, R. 70 1 • 113 Chanina, R. 12. 29 8 • 42. 240 Chanina b. Papa, R. 240 f. Bietenhard, Himmlisohe Welt
Charaba (Erde) 10 4 • 30 f. Chaschmal 37. 88 Chaschmallim 154 Cheled (Erde) 10'. 38 f. Chijja, R. 87. 187 Chijja b. Abba, R. 124 Chilphai, R. 224 Chonja 233 Christologie 238. 253 Christus, vgI. J esus! Christuspsalm 65 Clemens Al. 91 Dämon(en) 17.105.114.210.212.218. 219. 226 1 • 258. 260. 269 David 116. 194 1 • Demiurg 95. 115. 156. 159. 258 &ri.ßoJ.o, (vgl. auch Satan!) 209 Dienstengel, vgl. Engel! Ditheismus 71. 156. 158 f. Donner 60 Drache (Satan) 142. 214 Dualismus 71. 103. 176. 218. 222. 259. 261 f. Dubbiel (Engel) 113. 220 Ea (Gott) 15 'Eden, vgl. Paradies! Ekphantos 21 Ekstase 92 f. 94. 163 'Elai, R. 161 Ele'azar R. 124 Ele'azar b. 'Arak, R. 88 Ele'azar b:Azarja, R. 70. 78.240. 245 Ele'azar b. Schammu'a, R. 35 Ele'azar b. M8 nachem, R. 174 Ele'azar v. Modein 110 Elia 74. 220. 238. 243 1 Eli'ezer, R. 60 1 • 122. 182 Eli'ezer b. Hyrkan, R. 78, 119. 240 Eli'ezer b., R. Jose HagG6 lili, R. 116 Elim (Engel) 153 Elisch'a b. Abuja, R. 71. 91 ff. 149 f. 155. 156. 206 Engel (Dienst-, Elementar-, Gestirn-, Naturengel) 4. 5. 12.25.27.50.52 f. 65. 67 f. 69. 72 f. 75 f. 82. 94. 115. 97.99.103. 104f. 132. 133. 135.138. 144. ] 82. 189. 201. 210. 218. 222. 233. 235. 236 f. 249. 258. 264. 268 f. Engel, Fall der 205. 211 Engelfürst 76 Engelglaube, 17 19
290 Engelklassen 137 f. 153 Entfernung v. Himmel u. Erde 36.103 Erdbeben 49 Erde, himmlische 14 Erden, sieben 10'. 37. 256 EreQ (Erde) 10' Erellim (Engel) 153 Erhöhung Jesu 66 f. 147 1 • 252 Erzengel 4. 53. 59. 74. 97. 102. 105 f. 107. 109. 133. 135 2 • 208. 218. 219 Eschatologie 52. 90 f. 251 Essener 1791 • 261 Ethik 271 f. Euripides 231 f. e;ovatat 98 Eva 98. 244 Familie, himml. 154 Fegefeuer 191. 206 f. Fenster im Himmel 36 Feuerstrom, vgl. Nehar di Nur Finsternisse 45. 96 f. Firmament 19. 218 Fixsterne 22. 135 f. 146 Fürsprecher 156 Fürst der Ankläger (Engel) 220 Fürst von Persien (Engel) 220 Fürst von Rom (Engel) 220 Fürst der Welt 117 1 • 151. 153. 154. 158. 210. 214. 217. 219 Gabriel (Erzengel) 12. 104. 107. 135. 146. 191. 249 Galgalliel (Engel) 102 Galgallim (Engel) 41. 105 f. Galilei 259 Galli~lUr H' (Engel) 188 Gamaliel II., R. 33. 104. 252 Garten der Seligen, vgl. Paradies! Gebete 132 f. Geburt von oben 84 Geheimlehre 90 f. 93 Gehinnom 33.40. 75. 122. 17P. 191. 224. 234. 256 Geist, hl. 61. 93. 136. 216. 218. 246. 248 f. 250. 267 f. Geister 74. 101. 109. Geister, böse 4. 5. 17. 211 f. 218 Geister Gottes, sieben 60 f. Geminos 22 Gerechte im Himmel 147
Gericht 4. 33. 49 f. 184 f. 186. 234. 235. 239 Gesang, himml. 167 Gestirnengel, vgl. auch Engel! 102. 106. 113 1 Gestirngott 17. 25. 29. 32 Glanzerz (Chaschmal) 89 Gnosis 66. 85 f. 115. 156. 163. 218. 261. 264f. Gnostiker 93 Gog und Magog 49. 245 Gorjon, Abba 78 Gott, s. Person 90 Gottes Reich 49. 66. 181. 200. 202 Gottessohnschaft 129 1 Gottesstadt 198 Griechenland 112 Hades 179 1 • 207. 208. 237 Hadrian 75. 101 Hagar 197 Haggai 249 Hallen, himml. 76 Haman 220 Hamnuna, R. 243 1 Hand Gottes 63 Hebräisch (als himml. Sprache) 111 1 Heerscharen, himml. 97 Heiligtum im Himmel 126 ff. 129. 136 2 Heilsgemeinde 174 Heilspersönlichkeit 146 Heilsreich 69 Heilszeit 69. 144. 177. 194 Heimarmene 43. 243. 258 Helena v. Adiabene 225 Helios (Gott) 16. 24 Henoch 136 1 • 143. 160. 207. 216. 234. 242. 249. 264 f. 267 Herakleides 21 Herrscher der Tage 44 Herrscherengel 216. 218 "Herrschaften" 5 Hieronymus 91 Hiketas 21 Hillel, R. 120 Himmel (Drehung) 33 f. Himmel, sieben 8 ff. 14. 37 ff. 96. 256 Himmelfahrt 66 f. 238. 242. 246 f. 249. 252. 257 Himmelsberg 15 Himmelsbrot 229 f. Himmelsdamm 14
291 Himmelsgewölbe 19. 20. 22. 34 Himmelsleiter 112 Himmelsreise 238. 248. 250. 268. 270 Himmelsschrift 16 Himmelssphären 14. 15. 18 Himmelsstimme 119 Himmelstore 34 Himmelszelt 1 Hiob 209 Hipparch 22. 32 1 Hippolyt 226 1 Hiskia 116 Hohepriester 65. 124 ff. 128 ff. 156 Horaz 43 Hosch'aja, R. 121 'Idith, R. 149 6 Inkarnation 147 1 Inspiration 90 f. Isaak 46. 1111. 124. 135. 197 f. 200 Isis 226 1 Ismael 197 Israel 44. 182. 203 Izates 225 Jabascha (Erde) 10'. 38 f. Jahve, kleiner 149 Jakob 111 f. 135. 200. 233 Jao 157 1 Jaoel (Engel) 226 1 Jehoschu'a, R. 312. 89. 93. 171 Jehoschu'a b. Chananja, R. 75. 119 Jehoschu'a b. Levi, R. 118. 171. 237 Jehoschu'a b. Qarcha, R. 89. 104 Jehu 232 Jehuda, R. 31. 12]. 1351 Jehuda b. El'ai, R. 8. 161 Jehuda HanNasi, R. 88. 234. 240 Jehuda b. Pasi 60 1 Jehuda b. Schalum, R. 122 Jehuda b. Schim'on, R. 103. 110 Jehuda b. Tema, R. 79 Jenseits 2 Jephephja (Engel) 107 Jephippjah (Erzengel) 149 Jeremia 135 3 • 230 Jerusalem 47. 58. 202 f. 263 f. Jerusalem, himml. 14. 123. 131. 191 Jesaja 114. 215 ff. Jesus 48. 49. 57. 64 f. 71. 82 f. 106. 107. 112 2 • 115. 125 ff. 129 ff. 134 f. 137. 140 f. 142. 147. 160. 171. 176 f. 182. 185. 200. 202. 211 1 • 212. 214.
216. 217. 218. 219. 225. 227. 229. 234. 237. 238. 239. 250. 251. 252. 253 f. 257. 259. 262 f. 268 Jeu 157 1 Ji9chaq, R. 88 Ji9chaq Lurja, R. 188 2 Jirmeja b. Ele'azar, R. 226 1 Jischm'ael, R. 63 1 • 79. 245 Jischm'ael b. Elisch'a. R. 6. 151 Jochanan, R. 44. 60 1 • 122 1351 • Jochanan b. Zakkai, R. 19. 37. 56. 79. 88. 170 f. 183. 192. 223. 234. 261 Johannes 57 f. Johannes der Täufer 107. 157 1 Jona, R. 87 Jonathan, R 151. 224 Jonathan b. Ele'azar, R. 116 Jophiel (Erzengel) 107. 149 J ose, R. 35. 70 Jose b. Chalaphtha, R. 41. 112. 238. 252 Jose der Galiläer, R. 48 Jose b. Jehuda, R. 125 Joseph, R. 174 Josephus 1791 Josua 220 Juda 127 Judenmission 133 f. Jünger Jesu 110 Jüngster Tag 69 Juppiter 18. 33. 44. 47 2 • 97 Jurqemi (Engel) 107' Kain 244 Kalender 121 Kammern im H. 25 Kanzler, himml. 155 Katastrophe, kosm. 49 f. Kepler 260 Kerubim 41. 54 f. 73. 76. 90. 102. 105f. 137. 145. 146. 154 Kirche 56 f. 120 Kleider, himml. 219. 226 1 • 228 Klimata 15 Kokbiel (Engel) 102 Komet 45 Kopernikus 258 Kosmogonie 91 Kosmologie 73. 84. 214 f. 238. 251. 253. 255 f. 259. 263. 271 Kosmos 50 f. 56. 72. 87 Kosmos als Baum 36 19*
292 Kosmos, Vergehen des 49 ff. Kräfte des Himmels I Kreuz 64. 214 f. 263 Krone Gottes 134 f. 151 Kronen der Gerechten 216. 219 Kronos 97 Kruspedai, R. 122 Kuchavim (Himmel) 6 Kult, himml. 68. 263 UVet6Trrrer; 105 f. Lailiel (Engel) 102 Lajela (Engel) 241 Lamm 64. 66 Leben, ewiges 238 Lebensbaum 161. 172 f. 193. 203 Lebenswasser 172 f. 202 Lehrer, himml. 154. 155 Leib, himml. 226 Levi 126. 233 Levi, R. 9. 32. 116. 122 Levi b. Sisi, R. 187 Levjathan 37 Licht 95 f. 216. 219 Lichtwelt 214 f. Lobgesang 4. 101 Logos 129 1 Lohn 223 Ma'asse Bereschith 41. 53 1. 85. 95 ff. Ma'asse Merkaba 53. 73. 87. 88. 261. 266 Mächte und Gewalten 68. 105 Magier 43. 46 f. 80 Mäkön (Himmel) 10. 108 Maleachi 249 Mammon 225 Manasse 114 Manna 9. 30. 228 ff. Mä'ön (Himmel) 10. 38. 108. 138 Mardochai 220 Marduk 123 Maria Magdalena 68 Markion 156 Mars (Ares) 18. 33. 44 Märtyrer 142. 182. 226 1 Mastema (Satan) 210 Matanbukus (Satan) 114 Matariel (Engel) 102 Medien 112 Meer im H., vgl. Ozean! Meir, R. 8 4 • 10 4 • 40. 60. 61 4 • 117. 121. 156. 206. 226 1. 249
Melchisedek 126 f. 130 Mensch, Schäpfung 98 Menschensohn 50. 69 f. 82. 146 ff. 175 Merkur 18. 21. 44. 97 Messias 47. 52. 69. 70 1. 116. 186. 220. 221. 226 1. 240 Messias b. David 195. 245 Messias b. Joseph 194. 245 messianische Zeit 99. 193. 229 Metatron 71. 74. 94. 107. 124. 135. 245 Micha b. Jimla 58. 116 Michael 12. 99. 106 f. HO. 113. 116. 123 f. 125 f. 128 f. 133. 137. 145 f. 150. 156. ] 62. ] 78. ] 90. 191. 213 f. 220. 249 Mission 66. 141 Mithras-Religion 17. 18 Mond 18. 22. 23 f. 25 f. 27. 29. 32. 44. 48 f. 50 f. 97. 102 Mondjahr 28 f. Mondphasen 30 Monobazes 225 Monotheismus 214 1 Mose 98 ff. 119. 149. 150. 188. 193. 194.220.232. 236f.238. 242. 245 Muzaloth (Himmel) 6 Mystik 95. 266. 270 Nabu (Gott) 123. 144. 231 Name Jahves 80 f. Nathan, R. 33. 79. 124 Naturengel (vgl. auch Engel!) 10] f. 105. 154 Naturkraft 101 f. Nebukadne9ar III Nechemja, R. 244 Nehar di-Nur 54. 74. 75. 104. 191. 206 Nektar 230' Neujahr 15. 122 f. 266 Nie-Schlafende (Engel) 146 Nikodemus 252 Nimrod 1111 Nisan 23 Noah 210 Nuriel (Erzengel) 191 Offenbarung 99 f. 249. 250 f. 253. 255. 268 Onias 135" Opfer Christi 126 ff. Ophanniel (Engel) 102 Ophannim (Engel) 41. 72. 90. 105. 106. 134. 146. 147
293 Ordnung, kosmische 25 Orion 46 Osiris 226 1 Ozean, himml. 3. 14. 34. 37. 61. 97. 107 4 • 168. 175 Paradies I. 6. 33. 74. 91 ff. 97. 98. 144. 170 f. 174. 183. 189. 194.205 ff. 208. 224 Parallelismus v. Erde und Himmel 13. 123 f. 129 f. 138. 162 1 • 182 2• 186. 192. 1941 • 197. 204. 218 Paränese 271 Pariuch (Engel) 99 Parusie 49 f. 51. 66. 128. 147. 176. 199. 254 Pascal 260 Paulus 44. 51. 68. 93. 105. 162 ff. 186. 197.199.211. 237f. 239.247 f. 251. Pazriel (Engel) 108 Petrus 120. 213 Phanuel (Erzengel) 108. 146 Philo .Al. 34. 92. 178 f. Philosophie 78 Phönix 27. 30. 102. 105 Planeten 15. 34. 44. 102 Planetengott 109 Planetenhimmel 226 1 Planetensphären 96 Platon 41. 43. 46 Plinius 46 Poseidonios 22 Prädestination 240. 245 Präexistenz 193. 207 Presbyter (24) 57 ff. 132. 141 f. Priester, himml. 150 Ptolemäus 22. 44 Bar Qappara, R. U6 Ra'amiel (Engel) 102 Ra'aschiel (Engel) 102 Rab (= Abba Arika, R.) 32. 44 f. 75. 122 f. 138 Raba (bar Joseph bar Chama, R.) 187 Rabba 107' Rabba bar bar Chana, R. 33 Rabba b. Nachmani, R. 188 Rabbi, vgl. Jehuda HanNasi! Radengel 138 Raguel (Erzengel) 106. 24-9 Rami b. Chama, R. 221 2
Raphael (Erzengel) 12. 106 f. 137. 146. 191 Raqi'a (Himmel) 9. 10.20.31 f. 38. 51. 72. 104. 108 Rationalismus 95. 250. 266. 270 Raziel (Engel) 74 Rechtsstreiti. Himmel 220 Regenbogen 57 Reichschronik 232 Remiel (Erzengel) 107 Resch Laqisch, vgl. Schim'on b. Laqisch, R.! Ridja (Engel) 107' Rigjon (Feuerstrom) 75 Rom U2f. Ruchiel (Engel) 102 Sacharja 249 Sadduzäer 185 Salomo 1941 Sammael (Satan, Todesengel) U3. U6. 154. 209. 218. 220 Sandalphon (Engel) 134 f. Saphra, Rab 117 1 Sara 197 f. Sariel (Engel) 107 Satan 98. U3. U4f. U6. 130 1 • 177. 181. 209 ff. 262 Satanail (Dämon) 207 Saturn 18. 33. 44. 47 2 Schachaqiel (Engel) 108 Schalgiel (Engel) 102. Schamasch (Gott) 16. 24 Schamchazai (Engel) 151 Schataqiel (Engel) 108 Schätze, himml. 154. 223 f. Schatzhaus 182 1 Schekina 72. 152. 153. 236. 238 Schechaqim (Himmel) 9. 10. 38. 108 Schedu, vgl. Dämon! Schela, R. 235 Schemuel, R. 44 Schemuel b. Jü;chaq, R. 224 Schemuel b. Nachman, R. 9 2 • U2. 151 Scheol 40. 171 3 Schicksal (-bestimmung, -glaube) 16. 43 H. 122 f. Schim'on, R. 121 Schim'on b. 'Azzai, R. 91 ff. Schim'on b. Chalaphtha, R. 173 Schim'on b. Gamaliel, R. 228 Schim'on- b. Jochai 124.224.249 2 .267
294 Schim'on b. Laqisch, R. 8. 12. 70. 108 1 • 174. 187 Schim'on b. Zoma, R. 91 f. 168 1 Schimschiel (Engel) 102 f. Schöpfung, neue 99. 131 f. Schöpfungsbericht 91 Schreiber, himml. 70. 144. 145. 149. 155 Schreibergott 155 Schutzengel 17. 108 Seele, Unsterblichkeit 176. 222. 226 1 • 240 Seleukos 22. 33. 43 Selige 131. 194. seraphim 27. 41. 76. 102. 105 f. 125. 137. 139. 146. 154. 220 Sin (Gott) 16 Sonne 22 H. 25 ff. 29. 32 f. 43. 49 ff. 90. 97. 102 f. Sonnenbahn 22. 27 Sonnengott 16 Sonnenjahr 19. 24. 28 f. Sonnenwagen 29 Sopheriel H' (Engel) 235 Sphären 72 Sprache i. Himmel UO f. 135 Stadt Gottes 73 Stephanus 66. 71. 248 "Stern von Bethlehem" 47 2 Sternbild 32 Sterne 97 Sterne, Zahl 32 Sternenheer 24 f. 32. 58 Sternglaube, vgl. auch Astrologie! 43 Stiftshütte 132 Stoa 222 (J'!:Otxeia 103 Strafmittel 3 ff. Synedrium, himml. U8 f. Synkretismus 260 f. Taphsanim (Engel) 153 Taufe 65 Tausendjähriges Reich 142. 201 Tempel i. Himmel 123 f. 130 ff. 192. 195. 263 Teufel, vgl. Satan! Thachthith (Gehinnom) 40 Thanchum b. Chijja, R. 240 Thebel (Erde) 38 ff. 104 Thehom 37 ff. 168 1 Theosophie 87
Thohu 37 ff. Thot (Gott) 144 Thron Gottes 1. 3 f. 41. 89. 94 2 • 96. 181 f. 202. 213. 218. 246 Throne 5. 105 f. 216 Thronwagen 56 Tierkreis. 14. 15. 22 f. 32. 34. 36. 58. 97. 144 Tierseelen 169 Titus 107 4 Todesengel 74. 116. 209 Totenreich 217 Traditionsprinzip 250 Transzendenz Gottes 103 Traum 135 3 • 246 f. 249. 251. 268 Trinitätslehre 159 f. 264 f. Trishagion 55 Tore .i. Himmel 1. 17 f. 23. 30. 248 Typus 197 Unsterblichkeit 177 ff. 183 ff. 207. 261 Untergang, Berg des 15 Unterste Erde 37 ff. Unterwelt 15 Urbild 129 f. Urbild/Abbild 140 Urflut 14 Uriel (Erzengel) 21. 23. 25. 106. 108. 149. 249 Urmensch 69. 155 3 • 253 2 Urstoff der Welt 92 Uzza (Engel) 111. 152 Venus 18. 21. 33. 44. 97 Verbalinspiration 99 Vergeltung n. d. Tod 241 Versöhnungstag 122. 124. 128.221. 266 Veste des Himmels 97 Vielaugige (Engel) 138 Vision 251 Völkerengel 114. 117 1 • 158. 191 Vorhang vor Gottes Thron 245 Vretil (Engel) 241 Vrevoel (Erzengel) 108. 145 Wächterengel 54. 145. 207. 210 Wasser, obere 61' Weltangst 258 ff. Weltanschauung 2. 13 Weltbild 2. 11 f. 67. 256 f. 259 f. 263 Welten, koexistente 72 f. Weltenjahr 109
295 Weltemeuerung 20 Weltgefühl 258 f. Weltgericht llO Weltherrschaft 64 Welthöhle 258 Weltplan, Gottes 242 Wilon (Himmel) 8. 10. 20. 50. 108 Wind 24. 35 Wohnungen der Gerechten 174. 175
Zebul (Himmel) 9.10.38.108.123.193. 195 ze'ira, R. 87 Zikkurat 14. 15 Zion 58. 201 Zutra b. Tobijja, R. 75 Zwischenzustand 185