Rudolf Schnackenburg
Rudolf Schnackenburg . Die lohannesbriefe
HERDERS THEOLOGISCHER KOMMENTAR ZUM NEUEN TESTAMENT Herausgegeben von Alfred Wikenhauser und Anton Vögtle
t
BAND XIII: FASZIKEL 3
DIE JOHANNESBRIEFE Auslegung von Rudolf Schnackenburg
1984
HERDER FREIBURG . BASEL · WIEN
DIE JOHANNESBRIEFE Auslegung von
Rudolf Schnackenburg Professor der Theologischen Fakultät der Universität Würzburg
Siebte Auflage
1984 HERDER FREIBURG · BASEL' WIEN
Alle Rechte vorbehalten - Printed in Germany © Verlag Herder KG Freiburg im Breisgau 1975 Imprimatur. - Freiburg im Breisgau, den 3. Januar 1963 Der Generalvikar: p. t. Vetter Herstellung: Freiburger Graphische Betriebe 1984 ISBN 3-451-01150-6
VORWORT ZUR NEUBEARBEITUNG In den Jahren, die seit der ersten Auflage dieses Kommentars (1953) verstrichen sind, ist die Erforschung und Diskussion der johanneischen Schriften weiter vorangeschritten, nicht nur durch unmittelbar exegetische Bemühung, sondern auch durch neue Fragestellungen und religionsgeschichtlichen VergleIch, zu dem die inzwischen größtenteils edierten Qumrantexte das meiste beigetragen haben. Darum erschien es geraten, diese Texte noch stärker heranzuziehen, wenn sich auch der in der 1. Auflage eingenommene Standpunkt einer Offenheit für alle Vergleichsmöglichkeiten bewährt hat und nicht preisgegeben wurde. Leider sind die gnostischen Texte aus dem Fund von Nag Hammadi noch nicht in gleicher Weise erschlossen und untersucht; sie wurden nur selten beigezogen. Außer der religionsgeschichtlichen Forschung verdankt die N eubearbeitung auch manches der inzwischen erschienenen Spezialliteratur zu den Johannesbriefen. In manchen Einleitungsfragen ist das Urteil auf Grund des kritischen Gesprächs vorsichtiger geworden, und für manche Stellen konnte ich in der Auslegung hinzulernen (meist ist das angemerkt). Im ganzen aber ist der Kommentar auf der früheren Linie geblieben und mag auch im Widerspruch zu anderen Auffassungen seinen Dienst leisten. Die Übersetzung wurde sorgfältigüberprüft, von unnötigen Zusätzen gereinigt und im sprachlichen Ausdruck verbessert. Auch in der äußeren Anlage und im Druckbild ist einiges entsprechend dem Kommentar von K. H. Schelkle zu den Petrusbriefen und dem Judasbrief verändert worden. Die von dem verewigten ersten Herausgeber, Prälat Prof. A. Wikenhauser, aufgestellten Richtlinien aber bleiben allen Mitarbeitern an diesem Kommentarwerk verpflichtender Auftrag. Dem neuen Herausgeber, Prof. Dr. A. Vögtle, sei für alle Mühe aufrichtiger Dank gesagt, ebenso dem Verlag und seinem verständnisvollen Sachbearbeiter Dr. R. Scherer. Die Register hat Herr P. Gerhard Dautzenberg OFM. angefertigt und sich dafür ebenfalls Dank verdient. Möge der vorliegende Kommentar letztlich jenes "Wissen" vertiefen, von dem in 1 J oh 5, 20 die Rede ist! Würzburg, im Mai 1962
RUDoLF SCHNACKENBURG
VORWORT ZUR 5. AUFLAGE Aus verlagstechnischen Gründen wurde die 5. Auflage dieses Bandes so gestaltet, daß der Text der letzten Auflage unverändert übernommen werden konnte. Die seit der Neubearbeitung dieses Kommentars (1963) erschienene wichtige Literatur und einige Bemerkungen zum Fortgang der Forschung sind am Schluß des Bandes (S. 333-340) zusammengestellt. Würzburg, im November 1974
RUDoLFSCHNACKENBURG
VORWORT ZUR 7. AUFLAGE Zur 5. Auflage (1975) hatte ich einen Nachtrag mit "Ergänzungen" beigegeben; die 6. Auflage (1979) stellte einen unveränderten Nachdruck dar. Inzwischen ist viel weitere Literatur, auch im Zusammenhang mit dem Johannesevangelium, erschienen, die manche neue Vorstöße in der "Johanneischen Frage", manche bedenkenswerte neue Perspektiven für den ganzen Problemkreis gebracht hat. Dazu darf ich auch auf meinen Ergänzungsband zum Johannesevangelium hinweisen: Das Johannesevangelium IV: Ergänzende Auslegungen und Exkurse, Freiburg i. Br. 1984. Für die Johannesbriefe ist inzwischen der große Kommentar von Raymond E. Brown, The Epistles of John (The Anchor Bible 30), Garden City, N. Y., 1982, erschienen, der die ganze neuere Literatur sorgfältig berücksichtigt und verarbeitet (812 Seiten). Im Hinblick auf seine Bibliographie (S. 131-146) und weitere Literaturhinweise zu einzelnen Abschnitten verzichte ich auf einen neuen Nachtrag. Brown steht im ganzen meiner Auslegung nicht fern, geht zum Teil aber auch eigene Wege. Eine Diskussion im einzelnen ist mir nicht möglich; es ist ein weiterführender Kommentar, der einen Höhepunkt der bisherigen Auslegung darstellt. Für den deutschsprachigen Raum sei auf den ansprechenden Kommentar von Klaus Wengst, Der erste, zweite und dritte Brief des Johannes (Ökumenischer Taschenbuchkommentar zum Neuen Testament, Bd. 16), GüterslohWürzburg 1978, sowie die Studie desselben Autors "Häresie und Orthodoxie im Spiegel des ersten Johannesbriefes", Gütersloh 1976, hingewiesen. Für die Leser, die sich mit den exegetischen, theologischen und religionsgeschichtlichen Fragen der Johannesbriefe beschäftigen und in die Einzelauslegung versenken, wird mein Kommentar, so hoffe ich, auch weiterhin einen Dienst tun. Würzburg, im April 1984
RUDoLFSCHNACKENBURG
INHALT
Texte und Literatur . Abkürzungsverzeichnis
XI XXII ERSTER JOHANNESBRIEF EINLEITUNG
1. 2. 3. 4. 5'. 6. 7. 8. 9.
Äußere Form und Art des Schreibens . . . . . . . Stil und Produktionsweise des Verfassers von 1 Joh Aufbau und Einheitlichkeit von 1 Joh . . . . . . Die geschichtlichen Voraussetzungen. Die bekämpfte Irrlehre Religionsgeschichtlicher Standort . . . . . . Verhältnis von 1 Joh zum Johannesevangelium . Leserkreis, Verfasser, Abfassungszeit. . . . . . Die Textüberlieferung - Das Comma J ohanneum 1 Joh in der Kanongeschichte . . . . . . . .
4 10 15 24 34 39 42 47
AUSLEGUNG ZU 1JOH Das Prooemium (1, 1-4) .
49
Erster Hauptteil. Die Gottesgemeinschaft als Wandel im Licht und ihre Verwirklichung in der Welt (1, 5 - 2, 17) . . . . . . . . . . . . . .
73
Die Botschaft: Gott ist Licht, und Finsternis ist keine in ihm (1, 5) .
75
I. Abschnitt.
Gottesgemeinschaft und Sünde (1, 6 - 2, 2)
1. Gottesgemeinschaft ist Wandel im Licht (1, 6-7). . . . . 2. Das Sündigen darf nicht geleugnet werden (1, 8-10) . . . 3. Für die Beseitigung der Sünden sorgt Jesus Christus (2, 1-2) II. Abschnitt.
Erkenntnis Gottes und Halten der Gebote (2, 3-11)
1. Erkenntnis Gottes verlangt, seine Gebote zu halten (2, 3-6) . . . . 2. Insbesondere handelt es sich um ein altes und doch neu es Gebot (2, 7-8) . . 3. Nur die Erfüllung dieses Gebotes, d. h. der Bruderliebe, gewährleistet das Sein im Licht, d. h. die Gottesgemeinschaft (2, 9-11). . . . . . . . . . . . . III. Abschnitt.
80 83 89
94 110 114
Anwendung auf die Leser: Versicherung ihres Heilsstandes in Gott und Mahnung, alle Weltliebe zu lassen (2, 12-17)
1. Beruhigung für die Leser: Sie besitzen die Gottesgemeinschaft und sind stark im Kampf mit dem "Bösen" (2, 12-14) . . . . . . . . . . . . 2. Mahnung an die Leser: Sie sollen die "Welt", und was in ihr ist, nicht lieben
123 127
Zweiter Hauptteil. Die gegenwärtige Situation der christlichen Gemeinden: ihr Abwehrkampf gegen die "Antichriste", ihre Heilserwartung und ihre religiös-sittliche Aufgabe (2, 18- 3,24) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
138
I. Abschnitt.
Die "letzte Stunde". Die Irrlehrer als Antichriste, ihr Ausscheiden und ihre Abwehr durch die Gemeinde der Christusgläubigen (2, 18-27)
1. Es ist "letzte Stunde", und die Irrlehrer sind "Antichriste" (2, 18). . . . . 2. Die Gemeinde hat die aus ihr hervorgegangenen Antichriste ausgeschieden und ist durch den Heiligen Geist in der Wahrheit gefestigt (2, 19-21) . . .
141 150
VII
Inhalt 3. Die Irrlehrer kennzeichnen sich durch die Leugnung des Christusbekenntnisses als Antichriste, berauben sich aber auch der Gemeinschaft mit dem Vater und der Verheißung des ewigen Lebens (2, 22-25) . . . . . . . 4. Die Adressaten sollen am wahren Christusglauben in der Erleuchtung des Heiligen Geistes festhalten (2, 26-27). . . . . . . . . . . . . . . .
155 160
H. Abschnitt. Die Heilserwartung der Christen (2, 28 - 3, 3) 1. Die Parusie ist zu erwarten und erfordert Heiligkeit (2, 28--29) . . . . . . 2. Den Christen ist die Gotteskindschaft geschenkt und noch größere Herrlichkeit verheißen (3, 1-3). . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
164 167
Hf. Abschnitt. Die religiös-sittliche Aufgabe der Gegenwart (3, 4-24)
1. Meiden der Sünde (3, 4-10) . . . . 2. Üben der Bruderliebe (3, 11-20). . . 3. Abschluß der Mahnrede (3, 21-24)
184 194 204
Dritter Hauptteil. Die Scheidung der Gottgehörigen von der" Welt" im wahren Christusglauben und in der Liebe (4, 1- 5, 12) . . . . . . . . . . . . .
216
f. Abschnitt. Unterscheidung der Geister durch das rechte Christus-
bekenntnis und Scheidung von der "Welt" (4, 1-6) 1. Unterscheidung der Geister ist notwendig gegenüber den Pseudopropheten, aber auch möglich durch das Christusbekenntnis (4, 1-3) . . . . . . . . 2. Tatsächlich sind die Christen von den Pseudopropheten im tiefsten Wesen verschieden (4, 4-6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
218 223
H. Abschnitt. Die Liebe als Kennzeichen der Gotterzeugten (4, 7 - 5, 4) 1. Die Liebe stammt wesenhaft aus Gott, der uns zuerst geliebt hat (4, 7-10) 2. Die Liebe der zu Gott Gehörigen ist Antwort auf seine Liebe und stellt in engste Gottesgemeinschaft (4, 11-16). . . . . . . . . 3. Die vollkommene Liebe ist ohne Furcht (4, 17-18) . . . . . 4. Die Gottesliebe zeigt sich in der Bruderliebe (4,19 - 5,2). . . 5. Die Gottesliebe ist für den Gottgezeugten nicht schwer (5,3-4) Hf. Abschnitt.
228 239 245 249 252
Der wahre ChristusgJaube als die "Welt" überwindende Kraft (5, 5-12)
1. Das rechte und volle Christusbekenntnis, aber auch nur dieses, gewährleistet den Sieg (5, 5-6) . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . 256 2. Dieser Glaube ist auf das Zeugnis von drei Zeugen gestellt (5, 7-8). . . . . 260 3. Gott selbst hat Zeugnis über seinen Sohn abgelegt, und die Annahme oder Ablehnung dieses Gotteszeugnisses entscheidet über das Heilsschicksal jedes Menschen (5, 9-12). . . . . 263 Der Briefabschluß (5,13-21) . . . . . . . . . . . . 272 ZWEITER UND DRITTER JOHANNESBRIEF EINLEITUNG 1. 2. 3. 4.
Briefcharakter Verfasser. . . Entstehungsverhältnisse 2 und 3 Joh in der Kanongeschichte
295 295 301 301
AUSLEGUNG ZU 2 JOH Das Präskript (VV 1-3) .
VIII
305
Inhalt
I. Abschnitt.
Der echte christliche Wandel erweist sich in der Befolgung der Gebote Gottes (VV 4-6). . . . . . . . . . . . . . . . I I. Abschnitt. Die Briefempfänger sollen sich vor den Anschauungen der Irrlehrer hüten CVV 7-9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Abschnitt. Praktische Anweisung: Die Adressaten sollen den Häretikern die Gastfreundschaft versagen (VV 10-11). . . Der Briefabschluß : Besuchsabsicht und Schlußgrüße (VV 12-13)
3lO 312 315 317
AUSLEGUNG ZU 3 JOH Das Präskript (V 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Abschnitt. Lob für Gajus und Bitte, zureisende Wanderprediger zu unterstützen (VV 2-8) . . . . . . . . . . II. Abschnitt. Das Verhalten des Diotrephes (VV 9-10) III. Abschnitt. Empfehlung des Demetrius (VV 11-12)
319
Der Briefabschluß (VV 13-15) . . . . . . . . .
331
320 326 329
EXKURS E 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.
Sinn und Tragweite der "Zeugen"-Aussagen von 1 Joh 1, 1ff. Gemeinschaft "mit Gott . . . . . . . . . . . . Häretische Gnosis und christliches "Gotterkennen" Zu den joh. Immanenzformeln . . . Bruderliebe . . . . . . . . . . . . . . . . Der "Welt"-Begriff in 1 Joh 2, 15-17 . . . . . Zur Vorgeschichte der "Antichrist"-Erwartung . Gotteskindschaft und Zeugung aus Gott . Zur Vorstellung vom Geist in 1 Joh . Die Liebe als Wesen Gottes . . . Das Gotteszeugnis und der Glaube • Christ und Sünde. . . . . .
Register . . . . . • . • . . • Register der griechischen Wörter
52 66 95 105 117 133 145 175 209 231 267 281 341 343
IX
TEXTE UND LITERATUR
Texte (Quellen und Übersetzungen) A. BIBEL Biblia hebraica, ed. R. Kittel (Stuttgart '1949). Septuaginta, ed. A. Rahlfs, 2 Bde. (Stuttgart 1935). Vetus Testamenturn Graecum. Auctoritate Societatis Litterarum Gottingensis ed. (Göttingen 1931 ff) (bisher 9 Bände). Novum Testamenturn graece, ed. E. Nestle et K. Aland (Stuttgart "'1960). Novum Testamenturn graece et laUne, ed. H. J. Vogels (Freiburg i. Br. '1955). Novum Testamenturn graece et latine, ed. A. Merk (Rom 81958). Novum Testamenturn Domini nostri Iesu Christi latine sec. ed.S. Hieronymi ed. J. Wordsworth et H. J. White (1-111 loh rec. A. W. Adams) (Oxford 1949). B. JUDENTUM Die Mischna, hrsg. von G. Beer, O. HOltzmann, fortgeführt von K. H. Rengstorf, L. Rost (Gießen 1912lT, Berlin 19561T). Der babylonische Talmud, 1(1. Ausgabe, übers. von L. Goldschmidt, 12 Bde. (Berlin 1929 lT). Rabbinische Texte, hrsg. von G. Kittel und K. H. Rengstorf, I. Reihe: Die Tosefta; 11. Reihe: Tannaitische Midraschim (Stuttgart 1952lT). Philo von Alex., Opera omnia, ed. L. Cohn et P. Wendland, 6 Bde. (Berlin 1896-1915) (dazu Bd. VII: Indices v. J. Leisegang [Berlin 1926-30]). Flavii losephi Opera, ed. B. Niese, 6 Bde. (dazu Bd. VII: Index [Berlin 1877-1904, Neudruck Berlin 1955)). Kautzsch, E., Die Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments, 2 Bde. (Tübingen 1900, Neudruck 1921). Charles, R. H., The Apocrypha and Pseudepigrapha of the Old Testament in English, 2 Bde. (Oxtord 1913). Riessler, P., Altjüdisches Schrifttum außerhalb der Bibel (Augsburg 1928). Aristeas to Philocrates (Letter of Aristeas), ed. and trans!. by M. Hadas (New York 1951). The Greek Versions of the Testaments of the Twelve Patriarchs, ed. R. H. Charles (Oxford '1908). Le Livre des Secrets d'H~noch. Texte slave et trad. franc. par A. Vaillant (Paris 1952). Die Apokalypsen des Esra und des Baruch in deutscher Gestalt, hrsg. von B. Violet (GCS 32) (Leipzig 1924). 3 Enoch or The Hebrew Book of Enoch, ed. H. Odeberg (Cambridge 1928). Le Livre de la Priere d'Aseneth, M. P. BatilTol in: Studia patristica 1-2 (Paris 1889-90). The Zadokite Documents, ed. Ch. Rabin (Oxford 21958). The Dead Sea Scrolls of St. Mark's Moriastery I: The Isaiah Manuscript and the Habakkuk Commentary; 11: The Manual of Discipline, ed. M. Burrows (New Haven 1950-51). The Dead Sea Scrolls of the Hebrew University, ed. E. L. Sukenik (Jerusalem 1955). Avigad, N., and Yadin, Y., A Genesis Apocryphon (Jerusalem 1956). Discoveries in the Judaean Desert I: Qumran Cave I, by D. BartMlemy and J. T. MiHk (Oxford 1955). Bardtke, H., Die Handschriftenfunde am Toten Meer (Berlin 21953)(mit Übs.). - Die Handschriftenfunde am Toten Meer: Die Sekte von Qumran (Berlin 1958) (mit weiteren Übs.). . Maier, J., Die Texte vom Toten Meer I: Übersetzung, 11: Anmerkungen (MünchenBasel 1960 )'.
XI
Literatur C. FRÜHCHRISTENTUM Acta Apostolorum apocrypha, ed. R. A. Lipsius et M. Bonnet, 2 Bde. (Leipzig 1891 bis 1903, Neudruck Darmstadt 1959). Hennecke, E., Neutestamentliche Apokryphen (Tübingen 21924). Hennecke, E., u. Schneemelcher, W., Neutestamentliche Apokryphen I: Evangelien (Tübingen 81959). Funk, F. X., u. Bihlmeyer, K., Die Apostolischen Väter I (Tübingen 1924). Die Apostolischen Väter, griechisch und deutsch, von J. A. Fischer (München 1956). Ignace d' Antioche, Polycarpe de Smyrne, Lettres. Martyre de Polycarpe. Texte grec, trad. fran~., par P. Th. Camelot (Sources chret.) (Paris 21951). Die Apostolischen Väter I: Der Hirt des Hermas, hrsg. von M. Whittaker (GCS 48) (Berlin 1956). Goodspeed, E. J., Die ältesten Apologeten (Göttingen 1914). S. Irenaei Libri quinque adversus Haereses, ed. W. W. Harvey, 2 Bde. (Cambridge 1857). Eusebius, Kirchengeschichte, hrsg. von E. Schwartz, Kl. Ausg. (Berlin "1952). Migne, Patrologia, series graeca (= PG); series latina (= PL). Griechische christliche Schriftsteller, hrsg. von der Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin (= GCS). Corpus Scriptorum ecclesiasticorum latinorum (Wien) (= CSEL). Corpus Christianorum (Turnhout-Paris 1953fT) (= CC). D. GNOSTIZISMUS UND HELLENISMUS Hermetica, ed. W. Scott, 4 Bde. (Oxford 1924-36) (Bd. IV mit Indices von A. S. Ferguson). Corpus Hermeticum, ed. A. D. Nock et A. J. Festugiere,4 Bde. (Paris 1945-54). Die Oden Salomos, hrsg. von W. Bauer (KIT 64) (Berlin 1933). Das Johannesbuch der Mandäer, hrsg. von M. Lidzbarski (Gießen 1915). Mandäische Liturgien, hrsg. von M. Lidzbarski (Berlin 1920) (Neudruck Berlin - Hildesheim 1962). Ginza, Der Schatz oder das Große Buch der Mandäer, von M. Lidzbarski (Göttingen Leipzig 1925). Drower, E. S., The Canonical Prayerbook of the Mandaeans (Leiden 1959). Evangelium Veritatis, ed. M. Malinine, H. C. Puech, G. Quispel (Zürich 1956). Till, W., Das Evangelium der Wahrheit. Neue Übersetzung des vollständigen Textes: ZNW 50 (1959) 165-185. - Die gnostischen Schriften des koptischen Papyrus Berolinensis 8502 (TU 60) (Berlin 1955). Labib, P., Coptic Gnostic Papyri in the Coptic Museum at Old Cairo I (Kairo 1956). Evangelium nach Thomas, hrsg. u. übers. von A. Guillaumont u. a. (Leiden 1959). Schenke, H.-M., Das Evangelium nach Philippus (übers.): ThLZ 84 (1959) 1-26. Quellen zur Geschichte der christlichen Gnosis, hrsg. von W. Völker (Tübingen 1932). Koptisch-gnostische Schriften I, hrsg. von C. Schmidt - W. Till (GCS 45) (Berlin "1954). Turchi, N., Fontes historiae mysteriorum (Rom 1930).
XII
Literatur A.ALLGEMEINE HILFSMITTEL Abel, F. M., Grammaire du Grec biblique (Paris 1927). Bauer, W., Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des NT und der übrigen urchristlichen Literatur (Berlin 61958). Blaß, E., u. Debrunner, A., Grammatik des nt!. Griechisch (Göttingen "1954). Feine, P., u. Behm, J., Einleitung in das NT (Heidelberg "1950). Gesenius, W., u. Buhl, F., Hebräisches und Aramäisches Handwörterbuch über das AT (Leipzig 17 1921). Hatch, E., u. Redpath, H. A., A Concordance to tbe Septuagint, 2 Bde. (Oxford 1897, Neudruck Graz 1954). Introduction a la Bible, sous la direction de A. Robert et A. Feuillet, 11: Nouveau Testament (Tournai 1959). Jülicher, A., u. Fascher, E., Einleitung in das NT (Tübingen '1931). Köhler, L., u. Baumgartner, W., Lexicon in Veteris Testamenti Libros (Leiden 1953). Kuhn, K. G., Konkordanz zu den Qumrantexten (Göttingen 1960). LiddelI, H. G., u. Scott, R., A Greek-English Lexicon (Oxford °1940). Mayser, E., Grammatik der griechischen Papyri aus der Ptolemäerzeit, 2 Bde. (Berlin Leipzig 1906-34). Meinertz, M., Einleitung in das NT (Paderborn 61950). Michaelis, W., Einleitung in das NT (Bern 81961). MouIton, J. H., Einleitung in die Sprache des NT, übers. von A. Thumb (Heidelberg 1911). MouIton, J. H., u. Milligan, G., The Vocabulary of the Greek Testament IlIustrated from the Papyri and Other Non-Literary Sources (London 1949). MouIton, W. F., u. Geden, A. S., A Concordance to the Greek Testament (Edinburg 81926) (Neudruck 1950 u. ö.). Passow, F., Handwörterbuch der griechischen Sprache, 4 Bde. (Leipzig "1841-57). Preisigke, F., Wörterbuch der griechischen Papyrusurkunden, 3 Bde. (Berlin 1925-31). Radermacher, L., Nt!. Grammatik (Lietzmann I) (Tübingen '1925). Robertson, A. T., A Grammar of the Greek NT in the Light 01 Historical Research (New York 1919). Theologisches Wörterbuch zum NT, hrsg. von G. Kittel und G. Friedrich (Stuttgart 1933tT). Trench, R. Ch., Synonyma des NT, übers. von H. Wernet (Tübingen 1907). Wikenhauser, A., Einleitung in das NT (Freiburg i. Br. (1961). Zerwick, M., Graecitas biblica exemplis illustratur (Rom '1949). ZoreII, F., Novi Testamenti Lexicon graecum (Paris '1931). ZoreII, F., u. Semkowski, L., Lexicon Hebraicum et Aramaicum Veteris Testamenti (Rom 1940tT). B. KOMMENTARE
I. Altertum Clemens von Alex., Adumbrationes (1 u. 2 Joh) (GCS, ed. O. Stählin, 111 206-215). Didymus (Fragm.) in PG 39, 1775-1812; besser bei F. Zoepfl, Didymi Alexandrini in Ep. canonicas brevis enarratio (NtA IV, 1) (Münster 1914) 37-88 (bestreitet die Echtheit). Theophylact in PG 126, 9-84. Ps.-Oecumenius in PG 119, 617-704. Catenae graecorum Patrum in NT VIII, ed. J. A. Cramer (Oxford 1844) 105-152. Zu den Katenen, die für die J ohannesbriefe wenig ergiebig sind, vgl. noch: Staab, K., Die griechischen Katenenkommentare zu den Kath. Briefen: Bb 5 (1924) 296-353, und R. Devreesse in DB Suppl I, 1224-1228.
XIII
Literatur Augustinus, In ep. S. Ioannis ad Parthos tr.l0 (PL 35,1977-2062). - übersetzung: F. Hofmann, Gott ist die Liebe. Die Predigten des hl. Augustinus über 1 Joh (Freiburg i. Br. 1938). Cassiodor, Complexiones (PL 70, 1369-1376). Beda Venerabilis in PL 93, 85-124.
II. Mittelalter Im Mittelalter gab es auch zu den Johannesbriefen mehr Kommentare, als bisher bekannt waren, wie jetzt aus dem großen Sammelwerk von F. Stegmüller : Repertorium biblicum medii aevi, 7 Bde. (Madrid 1950-62 1 ), ersichtlich ist. Unter ihnen sind zu nennen: Hilarius (Persönlichkeit unsicher; 5. Jh 1), vgl. Stegmüller 111, Nr. 3528-3530. Martin von Le6n (Priester und Augustinerchorherr von St. Isidor in Le6n, t 1221, seI.) schrieb einen größeren Komm. zu Jak, 1 Petr, 1 Joh. Abgedruckt in PL 209 Stephan Langton (Erzbischof von Canterbury, t 1226), Komm. ungedruckt. Vgl. Lacombe, G., u. Smalley, B., Studies on the Commentaries of St. L.: Archives d'hist. doctr. et litt. du moyen ftge 5 (1930) 1-266; Stegmüller V, Nr.7924-7926 und Nr. 7931-7933. Hugo a S. Caro (Dominikaner, t 1264). Sein Komm. zu den Kath. Br. ist handschriftlich in zwei Fassungen erhalten, vgl. Stegmüller 111, 3761-3766. Petrus de Tarantasia (Dominikaner, dann Papst Innozenz V., t 1276, sel.), Ep. Can., ungedruckt. Vgl. M. H. Laurent, Le bienheureux Innocent V (Pierre de Tarantaise) et son temps (Studi e testi 129) (Rom 1947); Stegmüller IV, 6910-6912. Nikolaus Gorran (Dominikaner, t c. 1295), Komm. zu Jak, Petr, Joh. Gedruckt unter dem Namen des hl. Thomas v. A. (Paris 1543; Rom 1570, Bd. 17; Paris 1876, Bd. 31); vgl. Stegmüller IV, 5806-5808. Petrus Johannis Olivi (Minderbruder, t 1298), Komm. zu 1-3 Joh, ungedruckt; vgl. Stegmüller IV, 6721-6723. Jakobus von Lausanne (Dominikaner, t 1322), Ep. Can., ungedruckt; vgl. Stegmüller IH, 3947-3949 und 3961-3963. Augustinus Triumphus de Ancona (Augustiner-Eremit, t 1328), Ep. Can., ungedruckt; vgl. Stegmüller 11, 1531-1533. Nikolaus von Lyra (Minderbruder, t 1349), Postillae perpetuae in Vetus et Novum Testamentum. Erste Ausgabe Rom 1471-72, dann oft, später meist mit der Glossa ,ordinaria und interlinearis, ferner den Zusätzen des Paulus von Burgos und den Repliken des Matthias Doering, zuletzt Antwerpen 1634. Johannes Wiclif (t 1384), Ep. Can., ungedruckt; vgl. Stegmüller III, 5114-5116. Johannes Hus (t 1415), Ep. Can.; vgl. Stegmüller III, 4574-4576. Ed. Monumenta Johannis Hus 11 (1558). Lambert von Geldern (Professor in Wien, t 1419), Komm. zu 1-3 Joh, ungedruckt; vgl. Stegmüller 111, 5361-5363. Dionysius der Kartäuser (t 1471), Komm. zur ganzen Heiligen Schrift. Opera omnia, 42 Bde. (Montreuil-Tournay 1896tT), Johannesbriefe: Bd. 14 (1901) 3-64. Ericus Olai .lProfessor in Uppsala, t 1486), kurze Glosse zu 1-3 Joh, ungedruckt; vgl. Stegmüller 11, 2249,5. Werner Rolevinck (Kartäuser, t 1502), Großer Komm. zu 1-3 Joh, ungedruckt; vgl. Stegmüller V, 8365-8367. Smuczben (wahrscheinlich Dominikaner; 15. Jh.1), Komm. zu Jak und I Joh, ungedruckt; vgl. Stegmüller V, 7696-7697. Anonyma: Basel A X, 40; vgl. Stegmüller VI, 8651 (1 Joh). Firenze, Laurenziana, Conv. Soppr. 465; vgl. Stegmüller VI, 9268-9270. 1 Die Register, die das ganze Werk erschließen sollen, stehen noch aus. Herr Prof. Stegmüller hatte die Freundlichkeit, selbst die Liste zu den Johannesbriefen zusammenzustellen. Dafür sei ihm gebührender Dank gesagt.
XIV
Literatur Lüneburg, Ratsbibl., Theol. Fol. 60; vgl. Stegmüller VI, 9730 (1 Joh). Paris, nato lat. 14798; vgl. Stegmüller VII, 10525-10527. Paris, nato lat. 15247; vgl. Stegmüller VII, 10552-10555. Paris, nato lat. 17289; vgl. Stegmüller VII, 10667-10669. Paris, Mazarine 179; vgl. Stegmüller VII, 10781 (1 Joh). Paris, Ste Geneviiwe 1207; vgl. Stegmüller VII, 10841-10843. Prag, Univ. 405; vgl. Stegmüller VII, 10895-10897. Troyes 1861; vgl. Stegmüller VII, 11357-11359. Vaticana, vat. lat. 996; vgl. Stegmüller VII, 11461-11463.
III. Neuzeit 1. Katholische: Aus dem 16.-18. Jh. sind hervorzuheben: Cajetan (t 1534), Notae in ep. 11 Petr., 1-111 loa., lud. (Rom 1532 u. ö.). Salmeron, A. (t 1585), Disputationes in ep. canonicas (Op. omnia XVI) (Köln 1630). Estius, W. (t 1613), Comm., letzte Ausg., 2 Bde. (Paris 1892). Justiniani, B. (t 1622), In omnes Ep. Cath. explanatio (Lyon 1621). Cornelius a Lapide (t 1637), Comm. (Mailand 1870). Calmet, A. (t 1757), Comm. liUeraire VIII (Paris 1726). Neuere Kommentare: Mayer, G. K., Comm. über die Briefe des Apostels Johannes (Wien 1851). Bisping, A., Erklärung der Kath. Briefe (Münster 1871). Poggei, H., Der 2. u. 3. Brief des Apostels Johannes (Paderborn 1896). Belser, J. E., Die Briefe des hl. Johannes (Freiburg i. Br. 1906). Calmes, Th., Epltres Catholiques (Paris 1907). Camerlynck, A., Comm. in Epistolas Catholicas (Brügge 1909). Vrede, W., Die Briefe des hl. Johannes (Bonner NT IX) (Bonn '1932). Chaine, J., Les Epltres Catholiques (Etudes bibliques) (Paris 1939). Lauck, W., Das Ev und die Briefe des hl. Johannes (Die Heilige Schrift für das L.b.n erklärt) (Freiburg i. Br. 1941). Charue,A., Les Epltres de S. Jean (La Sainte Bible XIII) (Paris 1938 [Ausg. 19.6]). Ambroggi, P. de, Le Epistole Cattoliche (La Sacra Bibbia, ed. S. Garofalo) (Turln Rom "1949). Michl,.J., Die Katholischen Briefe (RegNT 8) (Regensburg 1953). Bonsirven, J., Epltres de S. Jean (Verbum salutis IX) (Paris, nouv. M. 19M). Braun, F.-M., Les Epltres de S. Jean traduites (Bible de Jerusalem) (Paris "1960).
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D. Häufiger und abgekürzt
zitiert~
Literatur
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XXI
AB KüRZ U N GSVE RZE leHN IS
I. Biblische Bücher Gn Ex Lv Nm Dt Jos Ri Ruth 1,2 Sm 3,4 Kg 1,2 Chr Esr Neh Tob Jdt Est Job
Ps Spr Prd Hl Welsh Sir Is Jer KIgl . Bar E~
Dn Os Joel Am Abd Jon
Mich Nah Hab Soph
Agg
Mt Mk Lk Joh Apg ROm 1,2 Kor Gal Eph Phil Kol
1,2 Thess 1,2 Tim Tit Phm Hebr Jak 1,2 Petr 1,2,3 Joh Jud Apk
Zach Mal I. 2 Makk
11. Außerkanonische Schriften I. APOKRYPHEN (EINSCHLIESSLICH DER QUMRANSCHRIFTEN)
ActAndr ActAndrMatth ActBarn ActJoh ActPhil ActPI ActPlThecl ActPt ActPtPI ActThom ActVerc Apocrjo ApkAbr ApkBargr ApkBarsyr ApkElias ApkEliashbr ApkEliaskopt ApkMos ApkPt Arist AscIs AssMos
Andreasakten Andreas- und Matthiasaktell Barnabasakten J ohannesakten Philippusakten Paulusakten Paulus- und Theklaakten Petrusakten PetruS- und Paulusakten TMmasakten . Actus Vercellenses Apocryphon Joannis Apokalypse des Abraham griechische Apokalypse des Baruch syrische Apokalypse 'des Baruch . Apokalypse des Elias hebräische Apokalypse des Elias Apokalypse des Elias (koptisches Fragment) Apokalypse des Moses Apokalypse des Petrus Aristeasbrief Ascensio Isaiae Assumptio Mosis
Damask
(Calro-) Damaskusschrift
3 Esr 4 Esr
3. Buch Esdras 4. Buch Esdras
XXII
AbkOrzungeverzeichnis EvEb EvHebr EvNaz EvPhil EvPt EvThom Evver
Ebioniter.Ev:angelium '. Hebrier-Evangelium Nazorller-Evangelium Philippus-Evangelium Petrus-Evangelium Thomas-Evl!ngelium. Evangelium veritatis
Henllth Hengr Henhebr Henslav
äthiopisches Henochbuch griechisches Henochbuch hebräisches Henochbuch slavisches Henochbuch
JosAs Jub
J oseph und Aseneth Jubililenhuch
KgPt
KerygmaPetri
Laod
Laodicenerbrief
3 Makk 4 Makk MartIs MartMt Martpl Martpt MartPtPI
3. Makkabilerbuch 4. Makkabäerbuch Martyrium des Isaias Martyrium des Matthäus Martyrium des Paulus Martyrium des Petrus' ..Martyrium des Petrus und. Pauins
OdSal OrMan
Oden Salomons Oratio Manasse.
ProtEvJak
Protoevangelium des' Jakobus
1 QDeut" I QDeutb 1 QDM (= 1 Q 22) 1 QGnApoc 1 QH 1 QIs" 1 QIsb 1 QM 1 QMyst (= 1 Q 27) 1 QpHab 1 QpMich . 1 QpSoph (= 1 Q 15) 1 QS ' 1 QS' (= 1 Q 28") 1 QSb (= Q 28b) 4 QDeut 32 4 QEx" 4 QFlor 4 QPatr 4 QpIs" 4 QpIsb 4 QpIsc 4 QpIsd
1. Deuteronomium-Handschrift 2. Deuteronomium-Handschrift Reden des Moses Genesisapokryphon Hymnenrolle 1. Isaias-Handschrift 2. Isaias-Handschrift Kriegsrolle Buch der Geheimnisse Habakuk-Kommentar Michäas-Kommentar Sophonias-Kommentar Sektenregel Zusatzregel Buch der Segnungen DeuteronomiumHandschrift, .Kap. 32 Exodus-Handschrift Florilegium' Patriarchensegen Kommentar zu,Is 10, 28-11,14 Kommentar zu Is 5 Kommentar zu Is 30, 1Ii-18 Kommentar zu Is 54, 11-12
XXIII
Abkürzungsverzeichnis 4 4 4 4 4 4
QpNah QpOs' QpOsb QpPs 37 QPrNab QSama 4 QSamb 4 QTest 4 QTestLev 6QD
Nahum-Kommentar Kommentar zu Osee 4, 15 Kommentar zu Osee 2, 8 10 11-13 Kommentar zu Psalm 37 Gebet des Nabonid (Prayer of Nabonid) 1. Handschrift Samuel I und 11 2. Handschrift Samuel I und 11 Testimonia Testamenturn Levi Damaskusschrift
Sib
Oracula Sibyllina
TestXII As Benj Dan Gad Iss Jos Jud Lev Naph Rub Sim Zab TestAbr TestAd TestSal
Testamente der 12 Patriarchen Aser Benjamin Dan Gad Issachar Joseph Juda Levi Naphthali Ruben Simeon Zabulon Testament Abrahams Testament Adams Testament Salomons
VisIs VitAd
Visio Isaiae Vita Adae et Evae 2. RABBINICA
Es werden die üblichen Abkürzungen verwendet, also z. B.: Mischna, Sanh 1, 4 Tos, Sanh I, 4 bSanh 31a jSanh 2, 21b
Mischna, Traktat Sanhedrin, Kap. 1 § 4 Tosephta, Traktat Sanhedrin, Kap. 1 § 4 Babylonischer Talmud, Traktat Sanhedrin, Blatt 31 Spalte 1 Jerusalemer (palästinischer) Talmud, Traktat Sanhedrin, Kap. 2, Blatt 21, Spalte 2 3. APOSTOLISCHE VÄTER
Barn 1 Clem 2 Clem Did Diog Herrn Herrn (m) Herrn (s) Herrn (v) IgnEph IgnMagn IgnPhld IgnPol
XXIV
Barnabasbrief I. KIemensbrief 2. KIemensbrief Didache Diognetbrief Pastor Hermae Hermas, mandata Hermas, similitudines Hermas, visiones Ignatios, Epistula ad Ephesios Ignatios, Epistula ad Magnesios Ignatios, Epistula ad Philadelphenses Ignatios, Epistula ad Polycarpum
AbkUrzungsverzeichnis IgnRom IgnSm IgnTrall MartPol Pap Polyk
Ignatios, Epistula ad Romanos Ignatios, Epistula ad Smyrnaeos Ignatios, Epistula ad Trallianos Martyrium Polycarpi Papias Epistula Polycarpi 4. SONSTIGE QUELLEN
CC CHerm CIG CIJ
ConstAp CSCO CSEL Didask FlJos GCS Ginza IG MandLit Philo PistSoph PsClemHom PsClemRecog
Corpus Christianorum Corpus Hermeticum Corpus Inscriptionum Graecarum Corpus Inscriptionum Judaicarum Constitutiones Apostolorum Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum syrische Didaskalie Flavius Josephus (a = Antiquitates; I? = Bellum Judaicum) Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte Ginza' (Das Große Buch der Mandäer) Inscriptiones Graecae Mandäische Liturgien Philo von Alex. (Abk. d. Traktate wie bei W. VOlker, s. Lit. unter D) Pistis Sophia Pseudoklementinische Homilien Pseudoklementinische Rekognitionen
III. Zeitschriften, Sammelwerke usw. AABerlin' AAGott AAHdbg AALpg AAMainz AAMünch AASOR AAWien AbhThANT AJA AnBib AnBoll Ang Angelos AnglThR AnLov AnOr AntChrlst
Abhandlungen der Deutschen (bis 1944: Preußischen) Akademie der Wissenschaften zu Berlin Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in GOttingen Abhandlungen der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Heidelberg Abhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften in Leipzig Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften und Literatur, Mainz Abhandlungen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, München The Annual of the American Schools of Oriental Research Abhandlungen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien Abhandlungen zur Theologie des Alten und Neuen Testaments American J oumal of Archaeology Analecta Biblica Analecta Bollandiana Angelicum Angelos. Archiv für neutestamentI. Zeitgeschichte und Kulturkunde Anglican Theological Review Analecta Lovaniensia Biblica et Orientalia Analeeta Orientalia F. J. Dölger, Antike und Christentum
xxv
AbkOrzungsverzeichnis AntClass Antike Anton ArLitg ASNU ATD AThDan AtlAbh AustrBR BA Bardenhewer BASOR BauerWb BBB BEO BEvTh BFchTh BGeschEx Bib BlbJ6r BibParis
Antiquit6 Classique Die Antike. Zeitschrift für Kunst und Kultur des klassischen Altertums . Antonianum Archiv für Liturgiewissenschaft Acta Seminarii Neotestamentici Upsaliensis Das Alte Testament Deutsch. <;llltUngen 1949tr Acta Theologica Danica Alttestamentliche Abhandlungen Australian Blblical Review The Bibllcal Archaeologist O. Bardenhewer, Geschichte der altkirchllchen Literatur, 11913-32 The Bulletin of the American Schools of Orienta,I Research Bauer, W., Griechisch-Deutsches Wllrterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der übrigen urchristI. Literatur, Berlin "1958 Bonner Biblische Beiträge Bulletin d'Etudes Orientales Beitrll.ge zur Evangelischen Theologie Beitrilge zur Fllrderung christlicher Theologie Beiträge zur Geschichte der neutestamentlichen Exegese Biblica Bible de J6rusalem La Sainte Bible, begr. von L. Pirot, hrsg. von A. Clamer, Paris 1946tr
BIES Billerbeck BJRL BKATNoth Black~sNTComm
Blass-Debr BonnerNT BSt BWANT ByZ BZ BZAW BZNW BZRGg CAB Cath CathBibEnc CathCommScripl CBQ CharlesApocr ColBG ColBib CommduNT
XXVI
Bulletin of the Israel Exploration Society H. Strack - P. Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament , ., aus Talmud und Midrasch The Bulletin of the Joim Rylands Library , BibI. Kommentar. Altes Testament, hrsg. von M. Noth 1955ir Black's New Testament Commentaries, General Editor: H.Chadwick, London 1958 F. Blass, Grammatik des neutestamentlichen'Griechisch, bearb. von A. Debrunner, GlIttingen "1954 Die Heilige Schrift des NT, hrsg. von F. Tillmann, Bonn Biblische Studien Beitrllge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament Byzantinische Zeitschrift Biblische Zeitschrift Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft· Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft Beihefte zur Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte Cahiers d' Archeologie Biblique Catholica Catholic Biblical Encyclopedia, New York 1950 A Catholic Commentary on Holy Scriptures, Editor: B. Orchard;, London- Edinburgh 1955 ' Catholic Biblical Quarterly " , i The Apocrypha and Pseudoepigrapha of the Old Testament in English, ed. R. H. Charles, 1913 Collationes Brugenses et Gandavenses, Collectanea Biblica Commel).taire.du Nouveau Testament, hrsg. von P. Bonl/arp, O. Cullmann u. /I., NeuchAtel- Paris
Abküizungsverzeichnis CommNTKampen ConiNeol CSion CSS
Commentaar op het Nieuwe Testament, hrsg. von S. Greijdanus en F. W: Grosheide, Kampen 1954 Coniectanea Neotestamentlca Cahiers Sioniens Cursus Scripturae Sacrae
DAB DACL DACh Hastings DCGHastings DBibHastings DictBible DictBibleSuppl DLZ DThC
Dictionnaire d'Arch6ologie biblique Dictionnaire d' Arch6ologie chr~tienne et de Liturgie Dictionary oe the Apostolic Church, ed. J. Hastings Dictionary oe Christ and the Gospels, ed. J. Hastings A Dictionary oe the Bible, ed. J. Hastings Dictionnaire de la Bible Dictionnaire de la Bible, Supplemlmt Deutsche Literaturzeitung Dictionnaire de Th6ologie catholique
EchtBlb
Echter-Bibel, hrsg. von F. Nötscher und K. Staab, Würzburg 19471T . Encyclopaedia Biblica, ed. T. K. Cheyne and J. Black 18991T Encyclopaedia Biblica, Jerusalem 19501T Enchiridion Biblicum Encyclopaedia Judaica, hrsg. von .r. Klatzkin und J. Ellbogen, Charlottenburg 19281T Epworth Preacher's Commentaries, General Editor: G. P. Lewis, London 1957 Estudios Biblicos Etudes Blbliques Ephemerides Theologicae Lovanienses Etudes Theologiques et Religieuses Evangelische Theologie The Expositor The Expository Times
EncBib EncBibJer EnchBib EncJud EpworthPrComm EstBib EtBib EThLov EThRel EvTh Exp ExpT FGntlKan FreibThSt FRLANT FZThPh GallingBibRLex GeseniusHwb GGA Greg GregoryTextkr HaagBibLex HandbAT HandbNT HarpBibDict HarvThR HarvThSt Hatch-Redp
Forschungen zur Geschichte des neutestamentlichen Kanons Freiburger Theologische Studien Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Freiburger Zeitschrift für Theologie und Philosophie (bis 1954: Divus Thomas) . Biblisches Reallexikon, hrsg. von K. Galling W. Gesenius - F. Buhl, Hebräisches und Aramil.isches Halldwörterbuch über das Alte Testament Göttinger Gelehrte Anzeigen Gregorianum C. R. Gregory, Textkritik des Neuen Testamentes Bibellexikon, hrsg. von H. Haag Handbuch zum AT, hrsg. von O. Eisseeldt Handbuch zum NT, begr. von H. Lietzmann, hrsg. von G. Bornkamm Harper's Bible Dictionary The Harvard Theological Review The Harvard Theological Studies A Concordance to' the Septuagint and other Greek versions oe the Old Testament', by E. Hatch a'nd H. Redpath
XXVII
Abkürzungsverzeichnis HenneckeApokr HenneckeHdb HibJ HistZ HoltzmannNT HUCA ICC Interpr InterprBib IsExplJ IZBG
JAC JBL JBR JewEnc JJS JPOS JQR JR JSS JThSt Jud JüdLex KautzschApokr KeDog KommNTMeyer KommNTZahn Layman'sBibComm LevyWb LexThK LexVTL Liddell-Scott LumVi LumViBrug MandelkernConc
E. Hennecke, Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung E. Hennecke, Handbuch zu den neutestamentlichen Apokryphen The Hibbert Journal Historische Zeitschrift O. Holtzmann, Das NT nach dem Stuttgarter griech. Text übersetzt und erklärt Hebrew Union College Annual The International Critical Commentary on the Holy Scriptures of the Old and New Testament, ed. S. R. Driver Interpretation The Interpreter's Bible, Editor: G. A. Buttrick, New YorkN ashville 1952 Israel Exploration Journal Internationale Zeitschriftenschau für Bibelwissenschaft und Grenzgebiete Jahrbuch für Antike und Christentum Journal of Biblical Literature The Journal of Bible and Religion The Jewish Encyclopedia . The Journal 01 Jewish Studies The Journal ot the Palestine Oriental Society The Jewish Quarterly Review Journal 'ot Religion Journal of Semitic Studies Journal 01 Theological Studies Judaica Jüdisches Lexikon, hrsg. v. G. Herlitz u. B. Kirchner E. Kautsch, Die Apokryphen und Pseudepigraphen des AT Kerygma und Dogma Kritisch-exegetischer Kommentar über das NT, begr. von H. A. W. Meyer Kommentar zum NT, hrsg. von Th. Zahn The Layman's Bible Commentary, Editor: B. H. Kelly, Richmond, Virginia (USA) 1959 J. Levy, Wörterbuch über die Talmudim und Midraschim Lexikon für Theologie und Kirche, 2. Aufl. 19571T L. Koehler - W. Baumgartner, Lexicon in VT LibroB A Greek-English Lexicon, ed. H. G. LiddelI and R. Scott Lumiere et Vie, S. Alban Leysse Lumiere et Vie, Abbaye S. Andre les Bruges
MüThSt MüThZ
VT Concordantiae Hebraicae et Chaldaicae, hrsg. von S. Mandelkern Mitteilungen der Deutschen Orientgesellschaft Le Monde Oriental The MolTat New Testament Commentary J. H. Moulton and G. Milligan, The Vocabulary 01 the Greek Testament Münchner Theologische Studien Münchner Theologische Zeitschrift
NAG
Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen
MDOG MO MolTatNTC Moult-Mill
XXVIII
Abkürzungsverzeichnis
NorTT NRTh NSNU NT NTA NTCommHendr NTD NtiAbh NTSt Numen NV
The New International Commentary on the New Testament, hrsg. von N. B. Stonehouse, Grand Rapids 195111 Norsk Teologisk Tidsskrift Nouvelle Revue Th6ologique Nuntius Sodalicii Neotestamentici Upsaliensis Novum Testamentum New Testament Abstracts New Testament Commentary, by W. Hendriksen, GrandRapids Das Neue Testament Deutsch, Göttingen Neutestamentliche Abhandlungen New Testament Studies Numen. International Review for the History of Religion Nova et Vetera
OLZ Or OrChr OrChrAn OrChrP OTS
Orientalistische Literaturzeitung Orientalia. Commentarii Periodici Pontißcii Instltuti Biblici Oriens Christianus Orientalia Christiana Analeeta Orientalia Christiana Periodica Oudtestamentische Studien
Pauly-Wissowa
A. Pauly, Realencyklopä.die der klassischen Altertumswissenschaften Palestine Exploration Fund Annual Palestine Exploration Fund Quarterly Statement Palestine Exploration Quarterly Patrologia Graeca Palä.stina-Jahrbuch Patrologia Latina Patrologia Orientalis Patrologia Syriaca
NewICNT
PEFAnn PEFQSt PEQ PG PJ PL POr PS QumranKonk
Konkordanz zu den Qumrantexten, hrsg. von' K. G. Kuhn, Göttingen 1960
RAC RB RBen RQumran RechScR RegNT RepBib RES RGG RHE RHPhilRel RHR Rießler RQ RR RScPhTh RScR RThPh
Reallexikon für Antike und Christentum Revue Biblique Revue BimMictine Revue de Qumran Recherches de Science Religieuse Regensburger Neues Testament Repetitorium Biblicum Medii Aevi Revue des Etudes S6mitiques Die Religion in Geschichte und Gegenwart Revue d'Histoire Ecc\6siastique Revue d'Histoire et de Philosophie Religieuse Revue de l'Histoire des Religions P. RieBler, Altjüdisches Schrifttum außerhalb der Bibel Römische Quartalschrift ·Review of Religion Revue des Sciences Philosophiques et TMologiques Revue des Sciences Religieuses Revue de Theologie et de Philosophie Religionsgeschichtliehe Versuche und Vorarbeiten
RVV
'SABerlin
Sitzungsberichte der Deutschen (bis 1944: Preußischen) Akademie der Wissenschaften zu Berlin
XXIX
Abkürzungsverzeichnis SAHdbg SAMünch SAWien StAuNT StBibTh StCath StonyhScriptMan StTh SvBibU SvExA SyBibU SyOs ThBI ThGI ThHandkNT ThLBI ThLZ ThQ ThReV' ThRu ThSt ThStK ThStut ThStZoll ThWb ThZ TorchBibComm TrThSt TrThZ TU TyndNTComm
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, München Sitzungsberichte der österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien Studien zum Alten und Neuen Testament S.tudies in Biblical Theology Studia Catholica Stonyhurst Scripture Manuals, General Editor: Ph. Caraman, Westminster, Maryland (USA) 1956 Studia Theologica Svenskt Bibliskt Uppslagsverk Svensk Exegetisk Arsbok Symbolae Biblicae Upsalienses Symbolae Ogloenses Theologische Blätter Theologie und Glaube Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament, neu herausgegeben unter der Leitung von E. Fascher, Berlin 1957 . Theologisches Literaturblatt Theologische Literaturzeitung Theologische Quartalschritt Theologische Revue Theologische Rundschau Theological Studies Theologische Studien und Kritiken Theologische Studien, Utrecht Theologische Studien, Zollikon Theologisclles Wörterbuch zum NT Theologische Zeitschrift Torch Bible Commentaries, General Editors: J. Marsh, D. M. Paton, A. Richardson, London 1949 Trierer Theologische Studien Trierer Theologische Zeitschrift Texte und Untersuchungen The Tyndale New Testament Commentaries, General Editor: R. V. Tasker, Grand Rapids 1959
UNT
Untersuchungen zum Neuen Testament
VD VigChr VS VT
Verbum Domini Vigiliae Christianae Verbum Salutis, begr. von J. Huby, hrsg. von S. Lyonnet, Paris Vetus Testamentum
WissMonANT WO WUNT WZKM
Wissenschaftliche Monographien zum Alten und Neuen.Testament Die Welt. des Orients Wissenschaftliche Untersuchungen zum NT Wiener Zeitschrift für die Kunqe des Morgenlandes
ZA ZatW ZDMG ZDPV
Zeitschrift für l\ssyriologie und verwandte Gebiete Zeitschritt für die alttestamentliche Wissenschaft Zeitschrift der deutschen Morgenländischen Gesellschaft Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins
xxx
Abj{ürzungsverzeichnis ZKTh ZLThK ZntW ZoreliLex ZRGg ZThK
Zeitschrift für ka~holische Theologie Zeitschrift für lutherische Theologie und Kirche Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft F. Zorell et L. Semkowski, Lexicon Hebraicum et Aramaicum VT Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte Zeitschrift für Theologie und Kirche
Die Kommentare zu dem betreffenden biblischen Buch (das kommentiert wird) werden nur mit dem Namen des Verfassers und der Seitenzahl zitiert (z. B. Lagrange 125) oder auch mit z. St. (z. B. Lagrange, Lohmeyer, Schmid z. St.)
IV. Sonstige Abkürzungen Anm. AT atl. Bd. EV,Evv ev. f ff hap leg hrsg. Hs, Hss hschr. i. J. Jh, joh. LA,LAA luk.
LXX MT NF NR NS NT ntl. par, parr Past pln. s.
s. o. s. u.
s. v. Syn syn. u. a. u. Ö. usw. V,VV Verf. Vg vgl. v.1. z. St.
Anmerkung Altes Testament alttestamentlich Band Evangelium, Evangelien evangelisch folgende hapax legomenon herausgegeben Handschrift( en) handschriftlich im Jahre Jahrhundert johanneisch Leseart( en) lukanisch Septuaginta Masoretischer Text neue Folge neue Reihe neue Serie Neues Testament neutestamentlich Synoptische Parallele(n) Pastoralbriefe pauJinisch siehe siehe oben siehe unten sub voce Synoptiker synoptisch und andere und öfters und so weiter Vers(e) Verfasser Vulgata vergleiche varia lectio zur Stelle
XXXI
Erster J ohannesbrief
Einleitung 1. Äußere Form und Art des Schreibens 1. 1 Joh, der unter die "katholischen Briefe" Aufnahme gefunden hat (vgl. S. 3), ist formell·kein Brief nach hellenistischer Art; sonst müßte er am Kopf das "Protokoll": Namen des Absenders, der Adressaten und Begrüßung, und am Ende das "Eschatokoll" (Schlußgruß) aufweisen 1 . Gleichwohl handelt es sich bei ihm nicht um ein künstliches literarisches Produkt in Briefform (Epistel), "in der ein Unbekannter mit einem unbekannten Publikum Verkehr pflegt"". Denn inhaltlich z~igt sich der Verf. mit den religiös-sittlichen Zuständen seiner Leser, wenigstens in großen Zügen, vertraut (2, 18-27; 4, 1-6; 5, 21). Er selbst will als eine Persönlichkeit gelten, die für die Verkündigung der Christusbotschaft besonders qualifiziert ist (1, 1-4; 4, 14). Der Zweck seines Schreibens ist die Stärkung des wahren Glaubens und der brüderlichen Liebe und die damit gegebene freudige Gewißheit der Gottesgemeinschaft (1, 3) und des ewigen Lebens (5, 13). Dieses allgemeine christliche Heilsziel ist durch bestimmte Irrlehrer und Glaubensfeinde gefährdet. Die Bekämpfung dieser Gegner ist nicht auf die beiden Abschnitte 2, 18-27; 4, 1-6 beschränkt, sondern durchzieht das ganze Schreibens. Dieses handelt auch nicht - wie etwa Hebr, Barn, 1 Clem in ihrem Hauptteil- ein besonderes Thema systematisch ab und ist demnach keineswegs als ein "Traktat" zu bezeichnen. Schwieriger ist es, positiv darauf zu antworten, warum Proto- und Eschatokoll fehlen. Da damals eher die Neigung bestand (wie in der apokryphen Literatur zu beobachten ist), dem literarischen Erzeugnis durch die (fälschliche) Aufschrift eines autoritativen Namens Geltung zu verschaffen (Pseudonymität), ist das Fehlen des Absendernamens um so auffälliger, zumal bei einem "Brief" (vgl. Aristeasbrief, Laodizenerbrief, Epistola Apostolorum). Man kann den Grund nicht etwa in bewußter Geheimnistuerei erblicken, um den Blick auf den Apostel Johannes zu lenken, der 1 Vgl. O. ROLLER, Das Formular der pln. Briefe 55ft. 2 JÜLICHER-FASCHER, Ein!. 188. - Die These von der literarischen "Epistel" im Unterschied zum Brief wurde besonders von A. DEISSMANN, Licht vom Osten 195ft, aufgestellt; doch betrachtet er 1 Joh als eine "religiöse Diatribe" (207). Dagegen vg!. BONSIRVEN 10; VREDE 146; FEINE·BEHM, Ein!. 259. • Vg!. die Formeln Mv el7t
3 Schnackenburg, Johannesbriefe
Erster Johannesbrief
im Ev auch nicht genannt wird 1 . Im Unterschied zu anderen Schriftstellern (vgl. 2 Petr) bemüht sich der Autor von 1 Joh nicht darum, als einer der anerkannten "Apostel" aufzutreten. Er bleibt völlig anonym', beansprucht aber Autorität als Verkündiger (vgl. 1, 1-4; Exk. 1). Man kann noch fragen: Liegt der Grund für das Fehlen eines "Protokolls" etwa in einer anderen Briefsitte ? Auch Hebr besitzt kein "Protokoll", wohl aber ein "Eschatokoll". Die Vermutung einer austauschbaren Adresse scheitert an den Briefgewohnheiten des Altertums". An sich hätte die Ansicht Rollers viel für sich, daß das "vorderasiatische" Briefformular von dem hellenistischen abweiche und sich in (Hebr und) 1 Joh noch durchsetze'. Indes läßt sich kaum nachweisen, daß die altertümliche Au ff ass u n g des Briefes im Orient als fixierter, durch Boten übertragener mündlicher Botschaft wirklich ein anderes Brief f 0 r m u I a r veranlaßt hat, das noch für die hellenistische Zeit in Geltung war. Vielleicht wollte sich der Verf. nur durch das Prooemium als eine Autorität einführen, die allen bekannt war. Vielleicht wollte er seinem Schreiben, das einen kerygmatischen Charakter trägt, bewußt eine andere als rein briefliche Form geben. Letzthin bleibt diese Art für uns ein Rätsel. Zur These eines "Rundbriefes" s. u. 3, zur Frage einer die ursprüngliche Form verwischenden kirchlichen "Redaktion" s. u. S. 14f. 2. Da 1 Joh breite paränetische Partien besitzt (2, 15-17; 3, 11-24; 4,7-12; 4, 19 - 5, 3), könnte man ihn auch unter die predigtartige Literatur rechnen, die sich in lockerer Anreihung von Ermahnungen (vgl. Jak) oder im Kreisen um dasselbe Thema (vgl. 2 elem: Buße) an einen größeren Leserkreis wendet. Indes ist 1 Joh genausowenig Homilie 5 wie ein Traktat. Zwar mögen die reichlich verwendeten ,Apostrophen& dem Brauch des Predigers entspringen; aber der Brief will mehr als ein erbauliches Mahnschreiben sein. Er ist Glaubensverkündigung (1, 1-3) und Glaubensverteidigung (4, 4-6; 5,' 4-12) in einer kampfdurchwühlten, eschatologisch gedeuteten (2, 18;4, 1) Zeit. Der ruhige, bisweilen (1,1-3; 3, 1-3; 5, 18 bis 20) gehoben-feierliche Ton des Schreibens läßt noch überall den Ernst und Eifer des Kämpfers für den wahren Glauben heraushören und ist weniger der Salbung des Predigers als der Würde und Sicherheit des Offen, barungskünders zuzuschreiben (vgl. das häufige OraOt[J.€V bzw. OraOt't"€ 1 Vg!. dazu FR. TORM, Hermeneutik des NT (Göttingen 1930) 143f 151 fT; DERS., Die Psychologie der Pseudonymität im Hinblick auf die Literatur des Urchristentums (1932). • Vg!. K. ALAND, The Problem of Anonymity and Pseudonymity in Christi an Literature of the First Two Centuries, in: JThSt NS 12 (1961) 39-49, näherhin 41. • ROLLER a. a. O. 206fT. • ROLLER a. a. O. 213fT, näherhin zu Hebr und 1 .loh 237; ihm schließen sich FEINEBEHM (Ein!. 259) an. • W. SOLTAU, Die Verwandtschaft zwischen Ev Joh und dem 1 Joh 232, betrachtet den Hauptteil 3, 1 - 5, 5 als Homilie, deren Anfang gestrichen und durch 1, 1 - 2, 11 ersetzt sei; ähnlich sieht E. LOHMEYER in: ZntW 27 (1928) 256 fT 1 J oh als homiletische Schrift an; vg!. ferner DODD XXI. 62,1. 7. 12-14. 18. 28; 3,2.7.18.21; 4,1. 4. 7.11; 5,21.
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Einleitung
2, 20. 21; 3,2. 5. 14. 15; 5, 13. 15. 18-20). Die Tiefe solcher christlichen Glaubenspredigt, die sich freilich immer wieder in der Paränese ausströmt, erschließt sich im Vergleich mit verwandten Mahnreden aus dem jüdischen Raum, etwa den viel mehr ethisch gerichteten "Testamenten der zwölf Patriarchen". Ein "Ersatz für die Erbauungsrede vor der Gemeinde" (Büchsel) ist also 1 Joh schwerlich. 3. 1 Joh ist weder ein Brief an eine Einzelgemeinde (wie 2 Joh) noch ein Zirkularschreiben (vgl. Ko14, 16; 1 Petr). Für ein weiterzugebendes Rundschreiben wäre eine Adresse kaum entbehrlich'. Daß er sich an alle Christen in der Welt wende, ist nach der konkreten Situation, für die er geschrieben ist, unwahrscheinlich". Er setzt eine heidnische (5,21), gnostisch infizierte Gegend voraus, in der sich die wahren Christusgläubigen bestimmter christologischer Falschlehren (2, 22f; 4,2f. 15; 5, 1. 5f) zu erwehren haben. 1 Joh dürfte sich an einen örtlich begrenzten, in gleicher Lage befindlichen Kreis christlicher Gemeinden wenden'; man denkt dabei unwillkürlich an Kleinasien (Näheres dazu s. S.40). Wenn er ein Begleitschreiben zum Joh-Ev sein sollte', müßte er dies deutlicher verraten. Er gibt sich als ein selbständiges Schriftstück, das spontan aus Verkündigerfreude (1,4) und Sorge um Glaubensfestigkeit (2,27) und Heilszuversicht (5, 13) der Briefempfänger abgefaßt wurde. Dionysius von Alex. nennt ihn "den katholischen Brief"s; er gebraucht dieses später uneinheitlich verwendete Attribut wohl in dem Sinn "für die Allgemeinheit bestimmt". Sofern man darunter nicht sämtliche Christen in der Welt versteht, sondern nur den Blickkreis über die Einzelgemeinde erweitert sieht, ist das sicher zutreffend. 4. Einen neuen, positiv-konstruktiven Versuch, Charakter und Tendenz des 1 Joh zu bestimmen, hat W. Nauck unternommen". Die Beobachtung früherer Forscher aufgreifend, daß in dem Schreiben zwei unterschiedliche Redegattungen auftauchen, nämlich Antithesenreihen und Paränese (vgl. S.II-14), stellt er sich die Entstehung des uns vorliegenden Schriftstückes in zwei Etappen vor, die mit der jeweiligen Situation der Empfängergemeinde(n) zusammenhängen. Er hält es für sehr wahrscheinlich, daß der Verf. schon einmal in die Verhältnisse der Gemeinde oder Gemeinden, an die er sich wendet, eingegriffen hat, als die Situation noch kritischer war, als nämlich die Irrlehrer ihr Unwesen noch ungehindert und von vielen unerkannt trieben (125). Dazu habe er sich einer antithetischen Vorlage Zur Zirkularbriefhypothese vg!. ROLLER a. a. O. 200ff. , Gegen HARNAcK in: SABeriin 1923, 103; LOHMEYER in: ZntW (1928) 256; JÜLICHERFASCHER, Ein!. 226; WINDISCH 136. S So. ZAHN, Ein!. II, 575; BÜCHSEL, Johannesbriefe 1; VREDE 147; BONSIRVEN 15; CHAINE 123; FEINE-BEHM, Ein!. 259 u. a. • Vg!. BELSER 1 und 7; VREDE 146f; SICKENBERGER, Ein!. 163f; auch MEINERTZ (Ein!. 275) hält 1 Joh 2, 14f für einen direkten Hinweis auf das Ev. Doch vg!. z. St. 5 Bei EUSEBlUS, H. e. VII, 25, 7. 10. 6 Die Tradition und der Charakter des ersten J ohannesbriefes (Tübingen 1957) (darauf beziehen sich die oben in Klammern gesetzten Seitenzahlen). 1
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bedient, die er vor versammelter Gemeinde vorgetragen habe, und diese scharfe (aus der Proklamation des Gottesrechtes stammende) Sprache habe ihre Wirkung offensichtlich auch nicht verfehlt (126). Wenn der Verf. diese antithetische Vorlage dann noch einmal in seinen Brief aufgenommen und kommentiert habe, so deshalb, weil die Krise, in der die Gemeinde stand, noch nicht völlig überwunden und manche Gemeindemitglieder noch nicht zu völliger Klarheit gelangt seien. Darum sei 1 Joh auch kein Brief im eigentlichen Sinn, sondern ein amtliches Sendschreiben an einen Leserkreis, der nach einer kritischen Gefahr des Abfalls im überkommenen Glauben gestärkt werden müsse (126f). Diese ansprechende Hypothese, die stärker als gewöhnlich nach dem "Sitz im Leben" der Gemeinde fragt, verlangt die Anerkennung jener zwei "Schichten" in dem uns überkom:nenen Schreiben. Im Unterschied zu den bisherigen Versuchen will sie Nauck freilich auf den gleichen Verf. zurückführen. Wieweit man auf Grund stil- und gattungs geschichtlicher Kriterien die Einheitlichkeit des 1 Joh anfechten darf, ist später zu prüfen (s. u. S. 11 ff). Seine positive Beobachtung aber, daß der Autor "die Scheidung zwischen den Sündern und den Gerechten unter Hinweis auf das den Hörern in der Taufe zugeeignete Heilsgeschehen, das sie aus der Finsternis ins Licht versetzt hat, und unter Hinweis auf das beim Eintritt in den Christenstand gegebene Versprechen des Lichtwandels" (65) vornimmt ("reditus ad baptismum"), verdient festgehalten zu werden. Auch ohne die besondere literargenetische Hypothese tritt dadurch der Charakter von 1 J oh noch schärfer hervor: Er ist bei aller Situationsbedingtheit ein autoritatives Mahnschreiben, das eine zeitüberdauernde, gemeinchristliche ("katholische") Bedeutung erlangt.
2. Stil und Produktionsweise des Verfassers von 1 Joh Der Stil und die Ausdrucksformen des Autors von 1 Joh sollen hier nur insoweit untersucht werden, als sie für die Auslegung, für den Aufbau des Schreibens und den Gedankenfortschritt wichtige Hinweise liefern. 1. STILMITTEL
Sowohl im Vergleich mit dem schlichten Erzählungsstil der syn. Evangelien als auch mit der lebendigen, einfühlsamen, bisweilen stürmisch bewegten Ausdrucksweise Pauli und mit dem Kunststil eines höheren literarischen Anspruches, dem im NT am ehesten Hebr gerecht wird" zeigt das joh. Schrifttum Eigentümlichkeiten, die von jeher dazu rieten, wenigstens Ev und 1 Joh, aber auch 2 und 3 Joh stilistisch zusammenzunehmen.
Vgl. das Urteil von E. 499f.
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Die antike Kunstprosa (Leipzig u. Berlin '1909)
Einleitung
a) (Gegensätzlicher) Par alle li s mus. Derselbe Gedanke wird zuerst positiv, dann negativ oder umgekehrt ausgedrückt; vgl. den Abschnitt 1,5-10; ferner 2, 4.7. 10-11; 4, 7-8 u. a. Die zweite Wendung bringt keinen wirklichen Gedankenfortschritt, höchstens eine gewisse Steigerung. Dieses Stilmittel verleiht der Aussage Nachdruck, bewirkt aber auch für unser heutiges Empfinden eine gewisse Schwerfälligkeit. Ein griechischer oder römischer Redner würde bei aller Vorliebe für die Antithese so nicht schreiben' . Bultmann l möchte diesen Stil als charakteristisch für die von ihm angenommene Vorlage des Verf. ansehen. Doch ist er überhaupt typisch joh., vgl. Joh 3, 18 a-b. 20-21. 36a-b; 5,22-23.43-47; 6,53-54; 10,4-5; 12,44-49; 14,23-24; 15,6-7. 19a-b u. a. b) Die (echte) Antithese. Sie ist nicht einfach Umkehr derselben Aussage, sondern arbeitet mit gegensätzlichen Begriffspaaren, z. B. 3,7-10; 4,4-6; 5,18-19; 3 Joh 11. Wenn dies auch ein allgemein rhetorisches Mittel ist, von dem starke Rednerpersönlichkeiten stets reichen Gebrauch machen, so gründet es im joh. Schrifttum doch in der besonderen "dualistisch" orientierten theologischen Anschauungswelt. Wieder sind dadurch stärkste Berührungen mit dem Joh-Ev gegeben; vgl. Joh 3,3-5.11-13. 19-21. 31-32; 5,24-29; 8,21-23.41--47; 9, 39; 10, 25f.; 15,18-25; 16,20 bis 22; 17, 14-15; 18,36.37. (Vgl. im übrigen S. 35-38.) c) Die Wiederholung «) als kurze Rekapitulation der letzten Worte bzw. des letzten Gedankens, vgl. 2, 5c mit 6a; 2, 7b mit c; 2,13 mit 14; 2, 24a mit b (chiastisch); 2,27c mit 28; 3, 4a mit b u. a. Auch dies läßt sich im Joh-Ev oft beobachten, vgl. 1, 12 mit 11; 3, 33 mit 32; 5, 36 mit 37; 6, 38 mit 39; 8,15 mit 16. 55 a mit b u. a. Auffällig ist die gleiche Art im mandäischen Schrifttums. ~) als Inklusion (semitisches Stilmittel), d. h. Einschließung, Umrahmung eines oder mehrerer Verse einer Gedankeneinheit mit den nämlichen Worten: 1, 2 (~cp«ve:pw&1j); 2,3-5; 2, 18 (~O'X!X'"l <'i:!p«); 2, 19 (~~ ~/Lwv); 2,27 (/LeVe:L - /Leve:'re:); 3,9 (ö YEye:VVYj/LeVOt; - ye:ytVVYj'r«L); 4,7-8. (&y!X1t1) ~x &e:oü - &e:Ot; &y!X1t1)); 5, 10 (utOt; 'rOü &e:oü); 5, 16 (/L~ bzw. ou 7tPOt; &!Xv«'rov)'. Dies verleiht der Gedankenbewegung etwas Schleppendes und Kreisendes, für unser Empfinden eine gewisse (Alters[?]-)Müdigkeit, für damalige Ohren aber vielleicht Gemessenheit und Feierlichkeit. y) als Anaphora, d. h. Gleichheit der Anfangsworte : 1,6.8. 10 (~&.v e:t7tCll/Le:v); 2,4.6.9 (ö AtyCllV); 2,12. 13a. 13b (YP!XCPCll); 2, 14a b c (lyp«~«); 5, 18. 19.20 (ot8«/Le:v). Das ist ein auch in der klassischen Rhetorik häufig Vgl. zu diesem Unterschied des semitischen und hellenistischen Satz parallelismus E. NORDEN, Agnostos Theos 260f u. 355tT. Die Wiederholung derselben Worte im Satz parallelismus sei unhellenistisch. • Analyse 141. • Als typisches Beispiel sei angeführt MandLit 152f: "Hört nicht auf die Rede aller Völker, strauchelt nicht an ihren Anstößen! An ihren Anstößen strauchelt nicht, laßt euch bei ihrem Gericht nicht ausfragen! Laßt euch nicht ausfragen bei ihrem Gericht, nehmt die Wahrheit an! Nehmt an die Wahrheit, mit der ich euch belehrt" usw. • Ähnliche Beispiele Joh 1, 1-2.29-34; 3, 3-7; 5, 3lf; 8, 47. 1
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Erster Johannesbrief
begegnendes Mittel, das aber bei unserem Autor im Verein mit seinen anderen Eigentümlichkeiten den Eindruck ruhiger Gemessenheit oder auch Schwerfälligkeit erweckt. Im Ev werden öfter dieselben Schlußworte wiederholt (Antistrophe), vgI. 8,14.21-22.24; 6, 39-40; 10,28-29; 10, 15.17.18; 16,16.17.19; 17,21-22. d) Die Variation, d. h. Abwechslung im Ausdruck, Gebrauch von synqnymen Wendungen, die sachlich wesentlich das gleiche sagen. Wenn sie miteinander verbunden werden, entsteht gelegentlich auch ein Pleonasmus. Diese Stil eigentümlichkeit liefert der Auslegung oft wichtige Fingerzeige; vgI. : 1, 1 a twpeixocfLe:V XTA. - a E&e:OCO"eifLe:&oc 1,6 XOLVWV(OCV ~Xe:LV - 2, 3 EY\lWX~VOCL ocoT6v - 2, 5f EV OCOTij) e:!\lOCL (iJ.~Ve:LV) - 2, 9 EV Tij) cpwTi e:IVOCL 1,8; 2, 4 ~ OCA~&e:LOC EV ~fL~V - 1, 10; 2, 14c 0 A6yo~ TOU &e:ou EV ~fL~V 1, 9 c - 9 d OCCPL~VOCL Ta~ &fLOCpT[OC~ - xoc&OCp[~e:LV OC7tO 7teiO"1j~ OC3LX(OC~ 2,29 - 3, 1; 3,9-10; 5, 1-2 E:x .&e:ou ye:ye:\IV~O"&OCL - T~XVOC .&e:ou e:I\lOCL 3, 6b oc-ß tWPOCX~VOCL ocoT6v - EYVWX~VOCL ocoT6v 4, 6 a-b. 7 c-d EX TOU &e:ou e:IVOCL (ye:ye:\IV~O".&OCL) - EYVWX~VOCL ocoT6v. Bei diesem Stilmittel zeigt sich, daß die joh. Ausdrucksweise nicht der Kunstfertigkeit entbehrt. e) Die Assoziation, d. h. Anknüpfung an ein bestimmtes Wort oder einen bestimmten Gedanken. Dies erklärt manchmal die sonst überraschende Weiterführung der Gedanken. Dieses Verfahren liefert vielleicht den Schlüssel zu der uns z. T. fremden, weil "unlogischen", dispositionsschwachen joh. Gedankenproduktion. All.. der Fülle des Materials seien ein paar "Assoziationswörter" genannt, die jeweils neue Sätze hervorrufen: 1, 1 -+ 2 ~w~; 2, 8 -+ 9 cpw~; 2, 14 -+ 15 0 7tovllp6~ assoziiert 0 x60"fLo,; (vgI. 4, 4b; 5, 19); 2, 17 -+ 18 e:t.; TOV octW\lOC assoziiert EO"Xei't"1) &poc; 2, 21 -+ 22 ~e:u3o.; -~e:oO"'t"1)~; 3, 8 a -+ 8c o 3LeißOAO~ assoziiert 0 u[o~ TOU .&e:ou; 3, 22 ...... 23 Ta.; EVToM~ - .~ EVTOA~; 4, 8 ...... 9 ~ ocyei1t1l TOU &e:ou; 4, 12 ...... 13 vgl. 3, 24 a ...... b die Vorstellung vom Bleiben' Gottes in uns assoziiert jene von der Geistmitteilung ; 4, 15 ...... 16 OfLOAOye:~V assoziiert 7tLO"Te:Oe:LV; 5, 2 ...... 3 oc[ EVTOAOCi TOU .&e:ou; 5, 4 -+ 5 7t(O"TL'; - 7tLO"'t"e:Oe:LV; 5, 6 ...... 7 fLOCPTUpe:~V; 5, 9 ...... 10 0 uto~ TOU .&e:ou. Zu dem Abschnitt 5, 13-21, der unter dem Gesetz der Assoziation zu stehen scheint, vgI. den Komm. Der Verf. läßt sich also in gewisser Weise durch die assoziativ zuströmenden Gedanken "treiben", hält aber doch das Steuer in einer bestimmten Richtung fest. 2. STILCHARAKTER
Büchsel und Chaine sind der Ansicht, daß sich in diesen Stileigentümlichkeiten der geborene Semit zeige. Gewiß ist, daß der StiIcharakter weitab vom gewohnten hellenischen oder hellenistischen liegt; auch mit Philo un:d Fl. Josephus hat er keine Verwandtschaft. Die gleichen Stilmittel möge'n z. T. auch in der klassischen Literatur möglich sein (Antithese, Anaphora, Variation), werden von ihr aber anders eingesetzt. Das gilt namentlich 6
Einleitung
von der Antithese und dem Parallelismus ' . Wenn auch das Griechisch des Verf. keine Verstöße gegen die Grammatik der Koine aufweist2 , so kommen doch manche Einzelbeobachtungen hinzu, die die These der neueren Kommentatoren stützen: Gegenüber dem reichlichen und differenzierten Gebrauch de.r Präpositionen im Griechischen wirkt unser Verf. in diesem Punkte arm und einfach. Von den Partikeln macht er einen sehr spärlichen Gebrauch; er bevorzugt das Asyndeton und das xoc(, das wie das hebräische , die verschiedensten Beziehungen herstellen kann. Schwierigen Konstruktionen ist er abhold. Die Personalpronomina ~fLe:1:.:; und öfLe:1:.:; sind oft noch neben die Verbform gesetzt; dem substantivierten Partizip fügt er oft 1tCi.:; (vg1. ;~) bei. Verbindungen von Verb und Substantiv bzw. Adjektiv aus derselben Wurzel sind nicht selten; vg1. 1,5; 2,25; 3,7; 4,10; 5,4.10.15.16. Dazukommen viele besondere Phrasen, die gute Parallelen bei den Rabbinen finden, vg1. die Liste bei Schlatter, Sprache 144-151. Gute Beispiele für die semitische Grundlage sind 1tOLe:1:v -rYjv &:A~.fte:LOCV 1, 6, mcrTEue:LV TCjl öv6fLocTL 3, 23, T,x &:pe:crT,x EV6>mOV OCOTOU 3, 22, xAde:LV T,x cr1tA&.yx.VOC 3, 17, ~ &:y&.1t1l fLe:.ft· ~fLWV 4, 173 • Andere Eigentümlichkeiten, wie das häufige EV TOUTCP YLV6>crXe:LV 6TL bzw. (VOC, gehen auf das Konto des persönlichen Stils. Man kann an einen geborenen Juden mit Aramäisch als Muttersprache denken, der sich zwar das Koine-Griechisch fehlerfrei angeeignet hat, im übrigen aber semitisches Sprachgefühl bewahrt. Schwieriger ist darüber zu urteilen, ob wir es mit einem ausgesprochenen Altersstil zu tun haben'; das hängt sehr vom persönlichen Urteil und Geschmack ab. Paulus hätte wahrscheinlich in hohem Alter auch anders gesprochen. Eine gewisse Breite und eine rekapitulierende Art sind unverkennbar; doch kann diese auch Würde und Nachdrücklichkeit bezwecken. Auffällig ist freilich die häufige - im NT (außer Gal 4,19 v. 1.) einzig dastehende - Anrede Te:XVLOC (Joh 13,33; 1 Joh 2,1. 12.28; 3,7.18; 4, 4; 5, 21) bzw.1tocL8(oc (2, 14a. 18; vg1. Joh 21,5). Wenn sie auch einfach ein Ausdruck der Vertrautheit und Zärtlichkeit sein kann, so paßt sie doch besonders gut in den Mund eines älteren Mannes, der Vorrang und Autorität besitzt, und man denkt sofort an den 1tpe:cr~UTe:pO':; 2 Joh 1 und 3 Joh 1; die übliche Predigt- und Briefanrede unter den Christen war jedenfalls (nach jüdischem Vorbild) &:8e:AtjlOL.
Vgl. S. 5. Dagegen freiliCh DEISSMANN, Licht vom Osten 105fT: es sei volkstümlich hellenistischer Stil. • Auch tVot nach Demonstr.-Pron. (3,11.23; 5,3; 4,17.21, BLASS-DEBR § 394) oder mit konsekutivem Sinn (1,9; 2, 27; 3,1, BLASS-DEBR § 390, 5) ist in der Koine durchaus möglich, ebenso Mv mit Indikativ (5, 15) u. a. (vgl. z. st.). a Zu den Semitismen vgl. J. H. MOULTON - W. F. HOWARD, A Grammar of New Testa/Dent Greek 11 (Edinburgh 1929) Append. 411-485, näherhin die Beispiele auf S. 424, 429,434,437, 460fT; ferner J. BONSIRVEN, Les aramaismes de S. Jean l'EvangeIiste?, in: Bib 30 (1949) 405-431, bes. 425fT; J. HERING, Ya-t-ildesAramaismesdanslaPremiere Epltre J ohannique?, in: RHPhilRel 36 (1956) 113-121 (bejahend; aber mit Beispielen, die größtenteils nicht überzeugen). • Vgl. G. HOFFMANN, Das Joh-Ev als Alterswerk (Gütersloh 1933). 1
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Er.ter J ohannesbrief 3. RHYTHMUS
Für den Sprachrhythmus sind sowohl der Parallelismus als auch dreigliedrige Figuren wie 1, 6. 8. 10; 2, 4. 6. 9; 2, 13 f. 14; 5, 18-20 bestimmend. Dadurch entsteht eine Komposition im Zwei- und Dreitakt, wie er deutlich z. B. in 2, 12-14 zu vernehmen ist: zwei Dreiergruppen sind durch den gleichlautenden Anfang yp,xCP(i)O!J.LV bzw. ~YPOtIjiOt O!J.LV zusammengenommen. Ä.hnliches läßt sich für den Prolog von Joh beobachten: eine wohlklingende Abfolge von Zweier- und Dreiergruppen1 • Solche rhythmischen Gesichtspunkte helfen ein längeres Gefüge kompositionell durchgliedern. Für 1 Joh kommt dafür vor allem das Prooemium in Frage. Die Zweigliedrigkeit beherrscht VI: 1, 1 a ~v &'7t' &'px'ije;, b &.x1)x6Ot!J.tv, ECUp,xXOt!J.EV 't"OLe; Ocp'&OtA!J.OLe; ~!J.wv, c ~.&EOtO",x!J.E.&Ot XOtL Ot! xe:i:pEe; ~!J.wv elji1)A,xcp1)O"OtV, d 7tEPL 't"Oü A6you -rije; ~(i)~e; V 2 wird wirkungsvoll im Mittelteil durch Dreigliedrigkeit (in den Verben) belebt: 1, 2 a XOtL ~ ~(i)~ ecpOtVEpw.&1j b XOtL E(i)p,xXOt!J.EV XOtL !J.Otp't"UpOÜ!J.EV XOtL &'7tOtyytMO!J.EV O!J.LV ~v ~(i)~V
a a a
a
~VOttWVtOV,
C ~'t"te; ~v 7tpOe; 't"ov 7tOt't"tpOt XOtL ~CPOtVEpW.&1) ~!J.LV. Nach der ruhigen, lastenden Hauptaussage (a) folgt das bewegte Zwischenstück eb), um wieder zur Hauptaussage zurückzukehren, die, nun wieder zweigliedrig, den Akzent auf 7tpOe; 't"ov 7tOt't"tpOt und ~!J.LV setzt (c). V 3 ist wieder deutlich im gewichtigen Zweitakt komponiert: 1, 3 a Ot a E(i)p,xXOt!J.EV XOtL &'X1)X6Ot!J.EV, ß &'7tOtyyeAAo!J.Ev XOtL O!J.LV b [VOt XOtL O!J.ELe; XOtV(i)v(OtV ~X1)'t"E !J.E.&' ~!J.wv. c XOtL ~ xOtV(i)v(Ot (8t) ~ ~!J.E't"tpOt !J.E't"IX 't"oü 7tOt't"poe; XOtL !J.E't"IX 't"OÜ u[oü Otö't"oü 'I1)O"Oü XptO"'t"Oü. Viele Einzelbeobachtungen, die hier zu weit führen würden, könnten bestätigen, daß der Stil des Verf. auch rhythmisch nicht kunstlos ist. Unhaltbar dagegen ist die These Lohmeyers', daß sich I Joh in Siebener-Gruppen aufbaut. Bei ihrer Durchführung ergeben sich mancherlei Pressungen und willkürliche Abteilungen. Im Gesamtaufriß L.s zeigen sich sehr ungleiche Gruppen; Prolog (I, 1-4) und Epilog (5, 13-21) rangieren als gleichwertige Teile neben dem langen Abschnitt 2, 18 - 3,24. Soll nach 2,6 ("erstes Offenbarungswort" 1,5 - 2,6) wirklich eine solche markante Zäsur sein ("zweites Offenbarungswort" 2,7-17)? - Auch in der Untergliederung waltet viel Willkür. Schon im Prooemium wird die :parenthese V 2 auseinandergerissen (vor ij"L~ Absatz) und so die als Inklusion geformte Einheit zerstört. Diese Beispiele mögen genügen; L. hat auch kaum Zustimmung erfahren. BULTMANN (Joh 2ft) läßt nur den Parallelismus gelten, bei Dreigliedrigkeit klammert er meist (nicht in VI) ein Glied quellenkritisch ein. 2 ZntW 27 (1928) 225-263.
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Einleitung 4. GEDANKENFORTSCHRITT
a) Die Stileigentümlichkeiten sind auch nicht ohne Einfluß auf die Gedankenbewegung. Im kleinen wirkt das Gesetz der Antithese. Typisch sind dafür übergänge wie von 1,6 zu 1,7, von 1,8 zu 1,9, von 2, la zu Ib, von 2, 4 zu 2,5, von 2,10 zu 2, 11, von 2, 15a zu 15b usw. Größere Abschnitte können durch Assoziationen aufgebaut werden, vgl. zu 5, 13-21, aber meist doch so, daß eine Generallinie festgehalten wird (4,7 - 5, 2 das Wesen der Liebe). b) Charakteristisch für die Gedankenbewegung in einem größeren Raum ist sodann, daß der Verf. um verhältnismäßig wenige, aber ihm wesentliche Grundgedanken kreist. Solche sind vor allem der rechte Christusglaube und die Liebe, die sich praktisch in der Bruderliebe erweist. Die These jedoch, daß .sich diese beiden Komplexe in einem bestimmten Rhythmus ablösten, läßt sich nicht durchführen. In dem ersten Hauptabschnitt 1, 5 - 2, 17 durchdringen sie einander, und mitten in der thematischen Behandlung der Liebe 4, 7ff greift der Verf. auf den Glauben zurück (4, 14---16a). Kleinere assoziativ auftauchende Gedankeneinheiten, wie die Garantie der Gottesgemeinschaft durch die Geistverleihung (3, 24b; 4, 13), die Erhörungsgewißheit der Gottgezeugten (3, 21f; 5, 14f), die Unsündlichkeit der Gottgezeugten (3,6.9; 5, 18), die Siegesgewißheit der Gottgehörigen (2,14; 4, 4; 5, 4f) verraten ein gefestigtes Vorstellungsgut des Verf. bzw. der christlichen Gemeinde. Der Verf. prägt es immer tiefer ein, indem er es bei jeder passenden Gelegenheit anführt. c) Eine Eigentümlichkeit der Gedankenproduktion dürfte einen wertvollen Hinweis auf die "Nahtstellen" kleinerer und größerer Sinnabschnitte liefern: Der Verf. weist gern mit einer Wendung am Ende eines Abschnittes schon auf das Thema des folgenden hin, schafft damit eine "ü b e r lei tun g", verwischt aber auch die Grenzen. Auffällig wird das dort, wo eine solche "Anfügung" weder logisch noch stilistisch zu erwarten ist: 1, 7 xod ,,0 ocI!Loc bis cX.(.locp,,(ocl:; soll das Thema von der "Sünde" 1, 8 ff vorbereiten; 2, 29 steuert mit E~ ocö"oü ye:ye\l\l1J"oc~ schon auf "Kindschaft Gottes" 3, 1 ff hin; in 3, 10 ist xocl b !L~ ocYOC1'CWV "ov oc3e:}..rpov ocö"oü angehängt, um zur Paränese über die Bruderliebe 3, 11 ff überzuleiten; in 3,22 dient wohl der ganze, an sich entbehrliche 6,,~-Satz dazu, um auf Ev"o}..~ "oü &e:oü zu kommen. Das Ende von 3, 24 EX "oü rcve:O!LOC"OI:; ist vielleicht schon ein Vorklang für das Thema der "Unterscheidung der Geister" 4, 1 ff; 5, 3-4 sind typische Überleitungsverse, um noch einmal das Thema vom Glauben anzuschlagen. (Vgl. im übrigen den Komm.)
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Erster J ohannesbrief
3. Aufbau und Einheitlichkeit von 1 Joh a)AUFBAU
In der Frage der Gliederung von 1 Joh stehen sich zwei extreme Auffassungen gegenüber. Die einen wollen einen recht kunstvollen Aufbau entdecken, die anderen vergleichen das Schreiben mehr dem "Wogenspiel des Meeres" (Hauck). Kunstvoll ist die Konstruktion von Th. Häring1 , der sich u. a. Brooke anschließt. Danach wechsle - in drei aufeinanderfolgenden Durchführungen - immer die "ethische" mit der "christologischen" These ab; auch wird jeder Abschnitt noch reichlich untergegliedert. Das Hauptprofil ist etwa folgendes: Vorrede 1, 1-4. A. 1. Ethische These: 1,5-2,17 Wandel im Licht das wahre Zeichen der Gemeinschaft mit Gott. 2. Christologische These: 2, 18-27 Glaube an Jesus als den Christus die Grundlage der Gemeinschaft mit Gott. B. 1. Ethische These: 2, 28 - 3, 24 Tun der Gerechtigkeit das Zeichen für die Geburt aus Gott. 2. Christologische These: 4, 1-6 Der Geist, der aus Gott ist, bekennt, daß Jesus Christus im Fleische gekommen ist. C. Beide Thesen miteinander verbunden: 1. 4, 7-21 Liebe auf der Grundlage des Glaubens. 2. 5, 1-12 Der Glaube als die Grundlage der Liebe. Abschluß 5, 13-21. Dieses Gliederungsprinzip wird durch den Text und die Gedankenfolge aber nicht voll gerechtfertigt, wenn auch der Wechsel von ethischer und christologischer These, vom Thema der Liebe und des Glaubens bzw. ihre Verbindung (3,23), bis zu einem gewissen Grade das schriftstellerische Gefühl des Verf. bestimmt haben mag. Vor allem ist der starke Einschnitt nach 3, 24 nicht beachtet; 3, 23-24 stellen einen deutlichen Abschluß dar. Dadurch gerät dieser ganze Aufbau ins Wanken. Die Befürworter einer ganz lockeren Gliederung sehen in allen systematischen Einteilungen" nur subjektive Versuche, die Gefahr laufen, entweder das formal-ästhetische Element zu stark zu betonen oder einer dogmatischen Tendenz Zu verfallen". Diese Warnung ist berechtigt. Eine systematische Darstellung, wie etwa Paulus in Röm oder Gal, will der Gedankengang und Grundgedanke des 1 Joh (1892); ferner vgI. seinen Komm. (1927). • Zur Geschichte dieser Versuche vgI. R. SCHWERTSCHLAGER, Der 1 Joh in seinem Grundgedanken und Aufbau 9-16. - Sein eigener Vorschlag dürfte sich aber ebenfalls nicht halten lassen: I. Jesu Verkündigung und sein sündentilgendes Blut I, 5 -2,27; 11. Jesus, der vorbildliche Gottessohn 2,28 - 4,6; 111. Jesus die OlTenbarung der Liebe Gottes 4, 7 - 5, 17. - E. NAGL, Die Gliederung des 1 JOh, in: BZ 16 (1924) 77-92, will einen rhythmischen Aufbau in Dreigliedrigkeit erkennen: 1. These: Gott ist Licht 1, 5 - 2, 28; 2. These: Gott ist gerecht 2, 29 - 4, 6; 3. These: Gott ist Licht 4, 7 - 5, 19. Alle solchen Versuche muten wie moderne Predigtdispositionen an. a BÜCHSEL, Johannesbriefe 9.
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Einleitung
Verf. nicht bieten. Er gibt am Beginn (1, 1-4) seine Absicht kund, die grundlegende Heilsbotschaft von der Gemeinschaft mit Gott auf Grund der Verbindung mit Jesus Christus zu künden; aber er läßt sich dabei durch die Abwehr der Irrlehrer und das Bemühen um innere Festigung der christlichen Gemeinde treiben. So setzt er zu Belehrungen und Mahnungen an und immer wieder neu an. Dadurch entstehen gewisse größere Abschnitte, in denen ein Gedanke den anderen hervorruft. Diese Ansätze bzw. Abschlüsse einer gedanklichen Einheit sind aber doch zu erkennen, und so sollte wenigstens über die Hauptzäsuren eine Einigung unter den Exegeten erzielt werden. Deutliche Einschnitte liegen 2, 18 und 4, 1 vor, beidesmal veranlaßt durch die bewußte Hinlenkung des Blickes auf die "Antichriste" bzw. "Pseudopropheten"'. Der nähere Gedankenfortschritt in den so entstehenden Hauptabschnitten ist nicht durch ein logisches, vorher genau überlegtes Schema bedingt, viel eher durch schriftstellerische Eigenart und bestimmte Assoziationen (vgl. S. 6). Das ist aber kein planloses Dahinsegeln. Was der Exeget, die Gedankenführung nachtastend, als Inhalt und Ordnung der Gedanken feststellt, muß er als Meinung des Verf. einleuchtend machen. Anders - also nicht etwa als bewußter vorher festgelegter Entwurf des Verf. - soll auch die in diesem Kommentar versuchte Untergliederung nicht verstanden werden. Das einzelne ist vor den jeweiligen Hauptabschnitten geboten und kurz begründet. b) EINHEITLICHKEIT
Eine völlig andere Grundanschauung des literarischen Charakters von 1 Joh gewinnt man, wenn man eine quellenkritische Scheidung vornimmt und eine feste, dem Verf. vorgegebene Vorlage herauslöst, die dieser dann auf seine Weise bearbeitet und zu unserem 1 Joh gestaltet hätte. Diesen Versuch hat nach stilkritischen Gesichtspunkten für das ganze Schreiben R. Bultmann unternommen', nachdem schon vorher E. v. Dobschütz einen Vorstoß in derselben Richtung gemacht hatte s. Er will einen doppelten Stilcharakter feststellen, einen lehrmäßigen, thesen-(und antithesen-)haften der Vorlage und einen homiletisch-paränetischen des bearbeitenden Verf. Er gibt auch am Ende seines Aufsatzes eine Rekonstruktion der Vorlage, soweit si"e nach der Einarbeitung in 1 Joh noch möglich sei. Sie enthält (mit Abstrich kleinerer Versteile) folgende 1 Deswegen ist auch die Gliederung von CHAINE: I. Die Gemeinschaft mit Gott 1, 5 bis 2, 28; II. Die Gotteskindschaft 2,29 - 5, 13 unzulänglich. Den Abschnitt 2,28 - 4, 6 ,unter das Thema der Gotteskindschaft zu stellen (so Wikenhauser, Einleitung 374f; vgl. F.-M. BRAUN in der Bible de Jerusalem und A. FEUILLET in Introduction 688) empfiehlt sich auch nicht. Wenngleich dieses Thema in 2, 29 - 3, 10 am stärksten hervortritt (vgl. zu 2, 28 - 3,3 unten S. 163f), so klingt es auch später noch an (4,7; 5, 1 f. 4. 18); dagegen gehören der paränetische Abschnitt 3, 11-24 und die Auseinandersetzung mit den Pseudopropheten 4, 1-6 nicht ausgesprochen darunter. 2 Analyse des 1 Joh, in: Festg. f. A. Jülicher (Tübingen 1927) 138-158. 3 Joh-Studien I, in: ZntW 8 (1907) 1-8.
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Verse: 1,5-10; 2,4-5.9-11. 29; 3, 4. 6-10. 14-15 (24); 4, 7. (8).12.16; 5, 1. 4; 4,5.6 (?); 2,23; 5, 10. 12; (2 Joh 9). Man sieht schon aus dieser rohen Zusammenstellung, daß ihm selbst das Urteil oft nicht leicht wurde. Auf jeden Fall hätte der Verf. seine Vorlage in seine Paränese stark eingeschmolzen. Der Spott Jülichers, daß solche stilkritischen Bemühungen geeignet seien, sich gegenseitig aufzuhebenl, schießt sicher über das Ziel hinaus. Indes erheben sich tatsächlich ernstliche Bedenken gegen Bultmanns Verfahren und seine Ergebnisse: 1. Ob ein Zusammenhang der von B. für 1 Joh angenommenen Vorlage mit den "Offenbarungsreden" des Ev besteht, müßte noch sehr sorgfältig geprüft werden. Die Stileigentümlichkeiten sind rein formaler Natur und lassen noch nicht auf eine "Quelle" von Offenbarungsreden schließen. 2. Der an sich gut beobachtete Stilwechsel in 1 Joh erklärt sich positiv z. T. aus dem doppelten Anliegen des Schreibens: dem lehrhaft-polemischen gegenüber den Irrlehrern (z. B. 1,'6-10) und den homiletisch-paränetischen gegenüber der Gemeinde (z. B. 2, 1-2). 3. Die Abteilung zwischen angeblicher Vorlage und homiletischer Bearbeitung ist an bedeutsamen Stellen oft schwer festzustellen. So z. B. wäre viel gewonnen, wenn sich die im Zusammenhang nicht einfachen Verse 2, 29b; 3, 4a durch Zuweisung zur "Vorlage" erklären ließen. Nach Bultmann hätten sie zusammen einen Doppelvers gebildet (147). Doch ist sowohl ihre Herausschälung (2, 29b) wie ihre Zuordnung zueinander über das gewichtige Stück 3, 1-3 hinweg problematisch. In 3, 6-9 erkennt B. wieder ein Stück der Vorlage, "freilich homiletisch glossiert" (147). Ähnliches gilt für den schwierigen Zusammenhang von 3, 19f (150f) und für 3, 24a (151). 4. Die Lösung theologischer Spannungen, namentlich in der Frage "Christ und Sünde", auf dem Boden dieser Quellenscheidung 2 ist fraglich und kann auch bei der Voraussetzung eines einheitlichen Ursprungs angestrebt werden (vgl. Exk. 12). 5. Vor allem wäre die "Vorlage" ein sehr eigenartiges Gebilde: eine ermüdende Aufeinanderfolge von Antithesen, stereotypen Mv-Sätzen oder substantivierten Partizipien. Entsprechendes läßt sich in der spätjüdischen Literatur, aber auch in gnostischen Texten kaum finden". Dem Inhalt nach EinL 225, - Zur Kritik an Bultmann vgL F. BOcHsEL, Zu den Johannesbriefen, in: ZntW 28 (1929) 235-241; ferner, obwohl grundsätzlich zustimmend, H. BRAUN, Literar-Analyse und theologische Schichtung im 1 Joh, in: ZThK 48 (1941) 262-292; E. KÄsEMANN : ebd. 306-308, Anm.-Text, • "Der SündenbegriIY der Vorlage und des Ver!. ist verschieden" (148);. dazu H. BRAUN a. a. O. 276f; E. KÄsE MANN a. a. O. (vor. Anm.). - Braun untersucht noch andere Themen und will nicht eine außerchristliche, sondern eine genuin christliche Vorlage feststellen, die der Verf. mit einer anderen ("frühkatholischen") Einstellung bearbeitet habe. • H. BECKER, Die Reden des Johannesevangeliums und der Stil der gnostischen Offenbarungsrede (FRLANT, NF 50) (Göttingen 1956) 24, verweist auf eine hermetische xö'l'OCAouot-Sammlung, die sich bei Stobaeus (Frgm. XI; NOCK-FESTUGIERE III, 54-57) erhalten hat. Das sind aber nur kurze Zusammenfassungen; zur Kritik vgL HAENCHEN in: ThRu 26 (1960) 251. 1
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Einleitung
brächte die Vorlage weder Weisheitssprüche noch Mahnungen, doch schwerlich auch "Offenbarungsreden" . Diesen Versuch, dem auch Windisch in seinem Kommentar freundlich gegenübersteht, hat Preisker weiterzuführen unternommen!. Seiner Meinung nach bringt der Bearbeiter die Eschatologie der Urkirche, die der von Bultmann eruierten Vorlage fremd ist, wieder zur Geltung. In 3, 13-14 (das er anders als Bultmann dem Bearbeiter zuspricht) sieht er eine eschatologische Situation angedeutet, in 3, 19-21 findet er ein Stück ursprünglicher eschatologischer Predigt verarbeitet, 5, 18b - 20a ist ihm eschatologische Weisheitsrede, eingeleitet durch dreifaches ot8IXfL&v. Besonders schöpft er 2, 18ff und 4, 1 ff für seine Hypothese aus. Schließlich meint er, der Verf. unseres heutigen 1 Joh habe zwei Vorlagen benutzt, eine in Form der Offenbarungsrede (Bultmann) und eine andere mit einem eschatologischen Text. Doch das heißt überscharfsichtig die einheitlich zu verstehende Gedankenwelt von 1 Joh zerreißen. Methodisch muß man dem Grundsatz folgen, nur dann zu solchen Hypothesen zu greifen, wenn sich eine einheitliche Erklärung des Werkes als unmöglich erweist. Hauptsächlich aus gattungsgeschichtlichen Gründen will auch Na u c k zwischen Vorlage und Bearbeitung unterscheiden, allerdings beide demselben Verf. zuschreiben (vgl. oben S. 3f). Typisch für die Formstruktur der lapidaren, apodiktischen, zu Reihen zusammengewachsenen Antithesen dünken ihm die Abschnitte 2,29 -3, 10; 1,6-10; 2,4-11 2 • Gattungsgeschichtlich will er sie an die Proklamation des Gottesrechts im AT und deren dualistisch gefärbte Fortführung in Qumran (vgl. das Ritual des "Bundeserneuerungsfestes" in 1 QS I, 1 - 111, 12) anschließen". Die formale, aus der jüdischen Tradition stammende Stilgebung, aber auch inhaltliche, in Qumran hervortretende Motive (Licht und Finsternis, Weg und Wandel, Sündenbekenntnis u. a.) seien in der urkirchlichen Taufparänese aufgenommen worden und noch weiter in der altchristlichen Taufunterweisung zu verfolgen'. - So verdienstlich der Nachdruck ist, den Nauck auf die Taufparänese legt, und so beachtlich die von ihm beigebrachten Parallelen aus den Qumrantexten sind, seine Hauptthese von einer kontinuierlichen gattungsgeschichtIichen Tradition ist nicht wirklich erhärtet, wie E. Haenchen gezeigt hat 5 • Auch die Hypothese, daß der Verf. von 1 Joh die ursprünglichen Antithesenreihen nochmals aufgegriffen und in ein zweites Schreiben eingearbeitet hat, unterliegt schweren Bedenken. Die Antithesenreihen, rhythmisch-strophisch gegliedert, sauber herauszuarbeiten ist auch Nauck nicht gelungen'; vor allem läßt sich
Anhang zu WINDISCH, Kath. Briefe ("1951) 168-171. 'Tradition und Charakter 1-26. " Ebd. 29-41. • Ebd. 41-66. • In ThRu 26 (1960) 22fT. • Vgl. HAENCHEN ebd. 101.
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schwer begreifen, daß sie jemals für sich bestanden haben sollen. So wird man doch an der Einheitlichkeit des Schreibens festhalten und den Stilwechsel von kategorisch-wuchtigen und paränetisch-homiletischen Sätzen aus der Tendenz des Verf. erklären dürfen, die Irrlehrer abzuweisen und die Gläubigen in ihrem Christenstand und sittlichen Streben stark zu machen. Zu dem Gliederungsversuch von E. Lohmeyer vgl. o. S. 8. c) DIE FRAGE REDAKTIONELLER ZUSÄTZE
Von der Frage, ob in 1 Joh eine literarische Vorlage bearbeitet und zu dem eigentümlichen Werk, das uns heute vorliegt, umgeformt worden sei, ist ein Problem abzuheben, dem R. Bultmann in einer neuerlichen Untersuchung ' nachgegangen ist: Unterlag nicht das an sich fertige (also aus Vorlage und Bearbeitung entstandene) literarische Erzeugnis noch einer Redaktion, die für die endgültige Form unseres 1 Joh verantwortlich ist? Da nach Joh 21,24 an einer solchen redaktionellen Tätigkeit für das Joh-Ev (in welchem Umfange, ble~be dahingestellt) kaum gezweifelt werden kann, gewinnt diese Frage erhebliches Gewicht. Bultmann greift zu dieser Hypothese, um ein Zweifaches zu erklären: 1. die Zerstörung des Briefcharakters durch Anfügung von 5, 14--21; 2. theologische Spannungen durch kleinere Interpolationen. Die Zuweisung von 5, 14--21 an eine Redaktion weiß B. mit guten Grün-! den zu stützen: Der eigentliche Briefschluß sei schon in 5, 13 gegeben (vgl. Joh 20,31); V 14 habe keinen Anschluß an das Vorangehende. Die Fragestellung in den letzten acht Versen sei teils neu, teils andersartig als im Briefcorpus. So werde der Reichweite des Gebetes durch, xor:roc ...b .&kA1)!LO( wJ...oü eine Grenze gezogen (V 14); in der Unterscheidung von zwei Klassen von Sündern (VV 16f) offenbare sich ein pädagogisches (kirchliches) Interesse; VV 18-20 sollten sichtlich einige Hauptgedanken des Schreibens zusammenfassen; den Schluß bilde eine schlagwortartige Warnung vor den Götzenbildern (V 21). Auch der Stil sei z. T. unjohanne-. isch, vor allem 8k8cuXEV ~!Lr:v 8~IXvo~O(v (V 20), das absolute (; &A1).&~v6<; (V 20), q;\)M~o("'E EO(\) ...IX (V 21). - Die Spannungen, die B. zwischen diesem letzten Abschnitt und den übrigen des Schreibens herausllrbeitet, sind nicht unüberwindlich. W. Nauck hat demgegenüber gezeigt, daß diel' Situation des Christen in der Welt und die Stellung zur Sünde (zu der auch der Schlußvers zu rechnen ist, vgl. Komm.) in diesem Abschnitt nicht anders als im gesamten Schreiben gesehen und beurteilt werden". Das Rätsel der literarischen Form von 1 Joh und der Eigenart von 5, 14--21 würde sich nach der Hypothese B.s freilich leichter lösen. Ungeklärt bliebe aber immer noch die Frage des Schlußgrußes : Fehlte er ganz, oder wurde er
Die kirchliche Redaktion des 1 Joh: In memoriam Ernst Lohmeyer (Stuttgart 1951) 189-20l. 2 Tradition und Charakter 136-146.
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Einleitung
absichtlich weggebrochen, um diesen Teil anzuschließen? Aber warum steht er dann nicht am Ende? Noch skeptischer wird man den "Interpolationen" gegenüberstehen, die B. wegen angeblicher stilistischer Härten und theologischer Spannungen der Redaktion zuweist. Drei betreffen die Eschatologie: a) in 2, 28 E!XV <:plXvepw-llij und (&7t' IXIJTOÜ) EV T'jj 7tIXPOUO't~ IXOTOÜ; B. bezieht die Mahnung und Warnung auf Gott: Bei Gott sollen wir Freimut haben und von· ihm nicht beschämt werden; b) in 3, 2 E!XV <:pcxvepw-llij; c) in 4, 17 streicht er EV -r'ii ~lLep~ TIj<; KptO'ew<; und vermutet einen ursprünglich anderen Text: "Damit wir Freimut haben in dieser Welt, weil, so wie jener (in der Liebe des Vaters ist), auch wir in der Liebe sind." Eine so starke Änderung ist recht mißlich. Sodann nimmt B. Interpolationen für den Sühnegedanken an: a) in 1,7 Kcxt Tb IX!ILIX 'I'Y)O'Oü KTA.; b) den ganzen Vers 2, 2; c) 4, lOb. Doch diese nach B. verdächtigen theologischen Vorstellungen gehören, wenn man nicht das Ev in ähnlicher Weise "reinigt", sicher zur joh. Theologie ' . Es sei noch darauf aufmerksam gemacht, daß B. selbst das Entstehungsbild von 1 Joh durch seine neue Hypothese noch komplizierter gemacht hat. So muß er jetzt z. B. für 2, 1-3 eine doppelte Überarbeitung annehmen: die redaktionellen Zusätze des Verf. von 1 Joh zu seiner Vorlage und Zusätze der "kirchlichen Redaktion" (nämlich 2,2)2. Diese "Entwirrung" der Entstehungsverhältnisse, die B. an einem an sich gut lesbaren,wenn auch nicht ganz glatten Text nur mit den Mitteln der Stilund Sachkritik vornimmt, erweckt wenig Vertrauen.
4. Die gesehiehtli ehen Voraussetzungen. Die bekämpfte Irrlehre Zum Verständnis von 1 Joh ist es unerläßlich, sich ein möglichst klares Bild vom zeitgeschichtlichen Hintergrund zu machen, namentlich von den Anschauungen und dem Treiben der in diesem Schreiben bekämpften Gegner. I. Das Bild der Zeitlage, das sich aus dem Brief ergibt, führt in ein schon fortgeschrittenes Stadium der christlichen Gemeindebildung. Der wiederholte Rückblick auf das "von Anfang an" Verkündete (2,7. 24; 3, 11; vgl. 2 Joh 5) setzt ein längeres Vertrautsein mit dem Christusglauben voraus. Der Abfall und das Ausscheiden der "Antichriste" (2,19), die intensive Wirksamkeit der "Pseudopropheten" (4,1) und der Selbstbehauptungskampf der christustreuen Gemeinden (4,4-6) füllen schon ein Blatt Kirchengeschichte. Der Verf. spricht als Vertreter eines qualifizierten Kreises von Zeugen des großen Heilsereignisses (1, 1-3) zu
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Vgl. unten S. 36f, ferner den Komm. z. A. a. 0.201.
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einer Generation, die nicht mehr in unmittelbarer Fühlung mit diesem Geschehen steht, sondern ihren Glauben allein auf dem "Hören" aufbaut (3, 11). In starkem Aufblühen befindet sich die gnostische Bewegung. Ihre Vorstellungswelt und Terminologie hat gegenüber den paulinischen Briefen an Eindruckskraft gewonnen. Die Parusie wird erwartet (2, 28), aber mit einer gewissen Gelassenheit. Probleme scheinen daraus nicht zu erwachsen. Das alles setzt eine Entwicklungsstufe voraus, die erst am Ende des 1. christlichen Jahrhunderts erreicht wird. Da konkrete Hinweise so gut wie gänzlich fehlen, müssen wir uns bei dieser allgemeinen Charakteristik bescheiden. Nur die Auseinandersetzung mit bestimmten Gegnern, die sich durch den ganzen Brief hindurchzieht, verlangt noch eine schärfere Beleuchtung. 11. Die bekämpfte Irrlehre kann nach den knappen Andeutungen und Formeln des Briefes, auf die allein wir angewiesen sind, kaum noch völlig rekonstruiert werden. 1. Ziemliche Übereinstimmung ist bei diesem oft behandelten und noch heute umstrittenen Problem etwa in folgenden Punkten erreicht: a) Der Verf. kämpft gegen eine einzige Front. Mögen auch verschiedene Gruppen unter den vielen "Antichristen" (2, 18) bzw. "Pseudopropheten" zu finden seint, so treffen sie sich doch in der Leugnung des Christusbekenntnisses der Kirche (2,22; 4, 2f). "Antichriste" und "Pseudopropheten" sind nur verschiedene Benennungen, die sich aus dem jeweiligen Gesichtspunkt ergeben", nämlich dem eschatologischen (letzte Stunde, Antichrist) und dem pneumatischen (Unterscheidung der Geister). Die nochmalige gesonderte Behandlung erklärt sich aus der literarisch lockeren Art des Verf., der auch noch an anderen Stellen auf die christologischen Differenzen Bezug nimmt (4, 15; 5, 15f). b) Die bekämpften Irrlehrer vertreten sowohl eine christologische "Lüge" wie irrige moralische Anschauungen (1,5 - 2, 11; zu erschließen auch aus 3,4-24; 4,20 - 5,3). Die Glaubenshäresie und der sittliche Indifferentismus entstammen dem gleichen Quellgrund und werden zu einer einheitlichen unchristlichen Haltung. c) Die bekämpfte religiös-sittliche Abweichung vom Christentum ist gn 0 s ti s c h orientiert. Das bedarf nach der ganzen Terminologie und Anschauungswelt keines näheren Beweises. d) Die Gegner sind überwiegend in heidenchristlichen Kreisen zu suchen. Das ergibt sich aus der Argumentationsweise, die keinerlei Schriftbeweis kennt, der Bevorzugung des Titels "Sohn Gottes" für Jesus So BROOKE XXXIXIT, der deswegen fälschlich den Brief "gegen verschiedene For· men der Lehre gerichtet" sein läßt. Drei verschiedene Gruppen von Häretikern nimmt M. GOGUEL an: La Naissance du Christianisme 400, 444f. • Vgl. auch das älteste Zitat von 4, 2 bei Polyk 7, 1: 7tii~ y&p, &~ &v fL~ 0fLOAOY'ij ...
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&v"l"(XP~O""I"6~ 1:00"I"~v.
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u. a. Die These von A. Wurm, daß es sich um jüdische Gegner handle, denen gegenüber die Messianität Jesu verteidigt werde, hat fast überall Ablehnung erfahren. Ein wichtiger Gegengrund ist, daß solche grundsätzlichen Messiasleugner niemals zur christlichen Gemeinde gehören konnten (vgl. 2,19). 2. Der wissenschaftliche Streit bewegt sich heute vor allem um die Frage, was für eine Art von Gnosis es war, die gefährlich zu werden drohte, näherhin, ob sie ein "Doketismus" war, ob sie konkret mit der Irrlehre Kerinths zu identifizieren sei oder ob eine andere, uns nicht näher bekannte gnostische Richtung die feindliche Front bildete. Ein neu es Moment hat Büchsel in die Diskussion gebracht; er behauptet, daß es sich weniger um eine Irrlehre als eine "verwilderte christliche Prophetie", ein "verwildertes pneumatisches Christentum" handle, das in die "gnostischpneumatische Bewegung" gehöre, die "seit den korinthischen Kämpfen des Paulus nachweisbar ist" (4f). Was zunächst diese letzte Hypothese betrifft, so ist die Verquickung der pneumatischen Unruhen, die die Ordnung des Gemeindelebens störten (1 Kor 12-14), mit den glaubensgefährdenden Anschauungen der Antichriste von 1 Joh, die sich lehrmäßig äußern (daher die entgegengehaltenen Glaubensformeln in 1 Joh), recht bedenklich. Gnostische' Ideen treiben aus sich heraus zur Schwärmerei, indem sie den schlichten Heilsweg des Glaubens leugnen; die Verkündigung der Gnostiker wird demgemäß auf pseudoprophetisch-schwärmerische Weise erfolgt sein. Indes, die Quelle der Schwarmgeisterei ist jeweils eine andere: bei den Charismatikern die ungezügelten und falsch beurteilten praktischen pneumatischen Erscheinungen, bei den Gnostikern eine verkehrte geistige Einstellung, man kann wohl sagen: eine falsche religiöse "Weltanschauung". Von dem charismatischen Überschwang, der das Zusammenleben der Christen und die Gemeindezucht gefährdete, findet sich in 1 Joh keine Spur. Der Brief kämpft tatsächlich gegen falsche Lehren und die praktischen Konsequenzen daraus: Man wird deswegen auch weiter von "Irrlehrern" sprechen dürfen. 3. Die christologische Irrlehre A. Für die Erkenntnis der christologischen Grundanschauung der Irrlehrer bieten sich zunächst die oppositionellen christlichen Bekenntnisformeln an; es sind folgende: a) 2,22; 5, 1 'I"y)croüt; tcr'"nv /:; Xptcr-r6t;. b) 4, 15; 5, 5 'I"y)croüt; tcr-rw /:; u!Ot; -roü '&EOÜ, vgl. auch denselben Titel in 2, 23; 3,23; 5, 13 sowie 5, 11 f. 20. c) 4, 2 'I"Y)croüv Xptcr-rov tv crlXPKt tA"Y)AU,&6-rIX, vgl. 2 Joh 7 'I. Xp. tpx.6(J.Evov tv crIXpKL d) 5,6 oo-r6t; t
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nis abgewehrt werden müßte, und zwar entweder schon für die Inkarnation (c) oder erst für die Kreuzigung (d). Der Christustitel hätte dabei jeweils eine andere Bedeutung: das erstemal im Sinne des "Heilbringers" (a, aber auch d), das andere Mal im Sinne eines himmlischen, präexistenten "Geistwesens" (c und d, vgl. den Christus spiritalis des Kerinth). Dazwischen aber steht die überaus reiche Verwendung des Titels "Sohn Gottes" (b u. ö.), mit dem alle drei anderen Aussagen gekoppelt werden: Mit "Christus" wird er geradezu ausgewechselt (vgl. 2, 22a mit 22b und 23); zur Formel 4,2 sind ad vocem ~AllAU&6't'Ot 5, 20 (~xeL), die Aussagen vom "Senden des Sohnes Gottes" (4,9. 10. 14) und "Erscheinen" (3,8) zu vergleichen; mit der Formel 5,6 schließlich steht er in nächster Nachbarschaft (5,5). Soll nun b ulo~ 't'Oü &e:oü die Messianität oder die Präexistenz oder die göttliche Wesenheit ansagen? Auf dieser Basis allein kann also der Streit nicht ausgetragen werden. B. Zur Ergänzung müssen die positiven christologischen Glaubensaussagen hinzugenommen werden, die sich zwar nicht betont gegen die Irrlehrer wenden, aber in ihrer Gesamtheit ein Glaubensbild entwerfen, das in seiner Licht- und Farbensetzung der christlichen Gemeinde den stärksten Schutz gegen jene gefährlichen Einflüsse bieten soll. Dafür kommen vor allem folgende Aussagen (etwas schematisiert) in Frage: a) die Hervorhebung der Präexistenz durch g ijv ci,,' cipxYj~ 1, 1; b ci,,' &pXYjI;2, 13a. 14b; b) die Darstellung des großen Heilsereignisses der Inkarnation: 1, 2 ~CPOtve:p&>&1j; 3, 8a; vgl. 4, 9; c) die Betonung des Sühnetodes Jesu kraft seines Blutes für uns (bzw. für unsere Sünden): 1, 7 Ott!LOt; 2, 2; 4, 10 lAOta!LO~; 4, 14 b aw-rljp 't'oü xoa!L0u; 3,8b Man 't'« ~P'YOt 't'oü 3LOt~OAOU; 3, 16 ö,,~p ~!L(;')V; 2, 12 Ver~ gebung der Sünden: 3L« 't'o ISvo!LOt Otö't'Oü; d) das Bekenntnis der einzigartigen Gottessohnschaft und Göttlichkeit Jesu: 4, 9lLovo'Ye:v~~; 2,22.23.24; 4,14; 5, 12; 2 Joh 9 b ulo~, absolutt; 5, 20 b &.All&LVO~ &e:o~ XOtl ~w~ Otl&>VLO~; vgl. b A6'Yo~ 't'1j~ ~wYj~ 1, 1. Alle diese Punkte sind dem Verf. gleich wichtig; dabei wird man d mit a innerlich verknüpfen müssen. Weil der "Gottessohn" (Logos) präexistent, &,,' &PXYj~ ist, darum ist er göttlichen Wesens und Gottessohn in einem ganz exklusiven und einzigartigen Sinn (vgl. Joh 1, 1). C. Diese volle und an keiner Stelle auftrennbare joh. Christologie setzt der Verf. den Irrlehrern entgegen. WerlD sich die antihäretischen Aussagen unter A auf den einen oder anderen Punkt unter Bzu beziehen scheinen, so wird man dies so verstehen müssen, daß die Häretiker alle diese entscheidenden Sätze über Jesus Christus leugneten und der Verf. jeweils auf das eine oder andere den Finger legt. Die Christologie ist aufs engste mit der Soteriologie verbunden. Der ewige, präexistente Gottessohn 1st "er1 In diesem Lieht sind dann natürlich auch die interpretieren: 1,3; 3,23; 5, 9.10.11. 12. 13.
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ander~n 6-u1bc;-'t'Oü~oü-Auss9.gen
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Einleitung
schienen", um uns das Gottesleben zu schenken (vgl. 4,9; 5,11), und dazu ist es notwendig, daß er uns durch seinen blutigen Sühnetod von den Sünden befreit. Daraus ergeben sich: a) die Inkarnationsformeln 4, 2; vgl. 1, 2; 3, 8; b) die Identitätsaussagen "Jesus ist (wirklich) der Christus bzw. der Gottessohn" 2,22; 5, 1; - 4,15; 5, 15; c) die soteriologischen Aussagen 5, 6; vgl. die Stellen unter B, c. Alle drei Gruppen, die sich z. T. eng berühren (vgl. 5, 5f), bilden ein Ganzes: a) Die Inkarna tion des Präexistenten ist Voraussetzung der wirklichen ~rlösung. Nur so "kommt" der Gottessohn wirklich zu uns, "erscheint" das Gottesleben wirklich unter uns und wird "greifbar". Nur so empfängt der Logos das Fleisch, mit dem er das blutige Sühnewerk vollbringt. b) Jede Aussage über die geschichtliche Persönlichkeit Jesu, die seine Präexistenz und volle göttliche Dignität oder seinen Heilstod leugnet, wird ihr nicht gerecht (vgl. Me:L TOV 'I1jO"Oüv 4, 3). c) Die Leugnung des sündetilgenden Blutes Jesu zerstört das gesamte Glaubensbild von ihm, da dieser soteriologische Zweck, unlöslich an sein Kommen gebunden (3,8; 4,9. 14), schon mit der Inkarnation gegeben ist. Daraus läßt sich folgern, daß die Irrlehrer eine Erlösergestalt im christlichen Sinne überhaupt ablehnten und daß sie speziell Jesus diese Bedeutung aberkannten. Was sie positiv von s'einer geschichtlichen Persönlichkeit hielten, wird nicht recht deutlich. Sehen sie in ihm einen Geistträger, zu dem er durch die Taufe (5,6) wurde? Erblicken sie in ihm den Prototyp des echten Gnostikers, ohne seine sittlichen Qualitäten (vgl. 2, 6. 29; 3, 3. 7) zu betonen? Nicht erweisen läßt sich, daß sie von einem Christus spiritalis sprachen un,d diesen nur für eine Zeitlang mit Jesus verbanden. Der Christustitel hat noch seine Bedeutung als "Heilbringer" gewahrt (vgl. b O"w't""ljp 4, 14)1; aber er soll doch zugleich die Präexistenz und das göttliche Wesen des Gottessohnes zum Ausdruck bringen. Diese Tendenz läßt sich schon im Ev 'beobachten, wo, zu "der Christus" gern der Sohnestitelhinzugesetzt wird!; im Brief, der es nicht mehr mit den "Juden" zu tJ,ln hat, wird diese Verschmelzung ohne weiteres vollzogen (2,22, vgl. 23). 4. Danach ist die bekämpfte Irrlehre kaum mit den uns bekannten'
So auch im Joh-Ev 1, 41; 4, 29; 7, 26. 27. 31. 411; 9, 22; 12,34, aber universell geweitet als "Welterlöser" 4, 42. • 11, 27; 20, 31; vgl. auch I, 34.49. • Hauptquellen: IRENÄus, Adv. haer. 1,21 (= HIPPOLYT, Ref. VII, 33; vgl. X, 21); 111, 11, 7; EPIPHANIUS, Pan. 51, 2, 3f; 12,3; HIERONYMUS, Vir. ill. 9. - Zur Debatte über seine Lehre vgl. H. CLADDER, Cerinth und unsere Evv, in: BZ 14 (1917) 317-332; C. SCHMIDT, Gespräche Jesu mit seinen Jüngern nach seiner Auferstehung, in: TU 43 (1919) 403-452 726-731; G. BARDY, in: RB (1921) 344-373; LAGRANGE, S. Jean LXXIIf.
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speziellen christologischen Ansichten Kerin ths völlig gleichzusetzen', wenn auch bestimmte Berührungen bestehen. a) Von einem doppelten Gottesbegriff, einer höchsten Macht (principalitas, quae est super universa, oder deus super omnia) im Unterschied zu einer niederen, davon getrennten Macht (virtus quaedam valde separata et distans)2 gibt es in 1 Joh keine Spur. b) Mit, dieser Gotteslehre hängt bei Kerinth aber auch die Trennung des aus Joseph und Maria geborenen Menschen Jesus und des bei der Taufe auf diesen herabkommenden "geistigen" Christus zusammen. Denn an anderer Stelle bezeugt Irenäus, daß Kerinth (wie schon die Nikolaiten) diesen "Jesus" für den Sohn der niederen göttlichen Macht, des Weltbildners (fabricator), gehalten und nur dem "Christus" höheren Ursprung zugebilligt habe·. Deswegen darf man 1 Joh 5, 6 nicht voreilig im kerinthischen Sinne interpretieren. c) Die Ablehnung der Inkarnation, in der sich Kerinth und die Irrlehrer von 1 Joh begegnen, geschieht bei Kerinth, weil ihm insbesondere die Jungfrauengeburt als unmöglich erscheint', bei den Häretikern von 1 Joh aus allgemein christologisch-soteriologischen Gründen. d) Auch die Ablehnung des Erlöserblutes Jesu scheint bei den Gnostikern von 1 Joh mehr von prinzipiellen Gründen auszugehen, nämlich der Verwerfung der ganzen christlichen Heilslehre (Sünde und Sühne), nicht von der besonderen christologischen Sicht Kerinths (der Christus spiritalis sei impassibilis gewesen). e) Was schließlich die äußeren Traditionszeugnisse betrifft5, so besagen sie zunächst nur, daß sich das Joh-Ev gegen Kerinth wende, und sind sodann überhaupt mit Vorsicht aufzunehmen". 5. Stärkere Beachtung (als in der 1. Aufl.) verdienen die von Ignatius von Antiochien bekämpften doketischen Irrlehrer. Wenn sie auch So KNOPF, Nachapost. Zeitalter 328fT; ZAHN, Einl. II, 583; BARDY, LAGRANGE (s. vor. Anm.), VREDE, CHAINE, FEINE-BEHM (Einl. 260), WIKENHAUSER (Ein!. 377), FEUILLET (Introd. 700f) u. a. Contra: C. CLEMEN in: ZntW 6 (1905) 27lf; BücHsEL 65f; H. BRAuN, Literar-Analyse 290; zurückhaltend auch W. MICHAELIS, Ein!. 298. • IRENÄus, Adv. haer. I, 21. • Adv. haer. III, 11, 7: "alium quidem fabricatoris fIlium, alterum vero de superioribus Christum ... descendentem in Iesum fIlium fabricatoris". Die genaue Genealogie des "Christus" wird nicht klar; den Anfang bildet der "Monogenes", dessen Sohn der "Logos" ist (ebd.). • IRENÄus, Adv. haer. I, 21: "Iesum autem subiecit non ex virgine natum (impossibile enim hoc ei visum est), fuisse autem eum Ioseph et Mariae fIlium, similiter ut reliqui omnes homines." • IRENÄus, Adv. haer. III, 11, 7; EPIPHANIUS, Pan. 51, 2, 3f; 12,3; HIERONYMUS, Vir. ill. 9. o Besonders das Zeugnis des Epiphanius ist umstritten, vg!. BARDY a. a. O. 362fT. Kerinths Gegnerschaft gegen Johannes wurde bald legendär ausgeschmückt (vg!. die Geschichte vom ZusammentrefTen im Bad, IRENÄus, Adv. haer. III, 3, 4). Das JohEv wird sich gegen mehr als eine Front wenden (HIERONYMUS: adversus Cerinthum aliosque haereticos); schon IRENÄus nennt III, 11, 7 noch die Nikolaiten (nach Apk 2,6. 151). 1
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mit den christologischen "Lügnern" in 1 Joh nicht gleichgesetzt werden können, so weist doch die von dem Martyrerbischof gegen sie geführte Sprache auffällige Berührungspunkte mit unserem Autor auf und richtet sich offenbar gegen verwandte Auffassungen: a) Die besonders im Brief an die Smyrnäer abgewehrten Irrlehrer nehmen Jesu Menschlichkeit und Geschichtlichkeit, seine Gebundenheit an die a,xp~, nicht ernst. Ignatius wirft ihnen vor, daß sie Jesus Christus nicht als O"rlpxorp6po~ bekennen (Sm 5, 2), und betont, daß sein Sterben am Kreuz (ebd. 1,2) und seine Auferstehung (ebd. 3, 1, vgl. 3) EV O"rlpx( erfolgten. Seine Geburt, sein Leiden und seine Auferstehung erfüllten sich in geschichtlicher Zeit und wurden so wirkliche und zuverlässige Heilstaten (Magn 11); darum zählt sie der Bischof - wie im Apostolicum - wiederholt als Gegenstand des Bekenntnisses auf (Trall9; Sm 1). b) Der Grund dafür, daß Ignatius einen solchen Nachdruck auf die "fleischliche" Natur der gottmenschlichen Person Jesu (die er oft durch O"ap~ Xrlt 7tVe:ü(lorl charakterisiert) legt, ist die soteriologische Konsequenz: Nur dadurch sind wir wirklich erlöst worden. "Für uns" wurde Jesus Christus ans Kreuz geheftet, und "von 'dieser Frucht, von diesem seinem gottseligen Leiden leben (sind) wir" (Sm 1,2). "Das alles hat er unsertwegen gelitten, damit wir gerettet würden" (ebd. 2). Darum nennt Ignatius auch eigens das BI u t J esu; wer an das Blut Christi nicht glaubt, dem droht das Gericht (Sm 6, 1). Durch sein Blut sind wir in der Liebe fest gegründet (ebd. 1,1). Der Glaube kann geradezu als das Fleisch Christi, die Liebe als sein Blut bezeichnet werden (Trall 8, 1). Damit erlangen das "Fleisch" Jesu Christi und sein "Blut" eine ähnliche Bedeutung wie in 1 Joh (4,2; - 1,7; 5,6). c) Die Erlösungsfrucht des blutigen Kreuzestodes Christi wird in besonderer Weise durch die Eucharistie zugewendet, für die Ignatius die gleiche joh. Terminologie O",xp~ und rl!(lorl Jesu Christi (vgl. Joh 6,53-56) verwendet (Phld 4; vgl. Rom 7,3; Sm 12,2). Die Heilstaten des im Fleische erschienenen Erlösers, sein in Liebe vergossenes Blut werden an den Empfängern wirksam - ein Gedanke, der für den "sakramentalen" Hintergrund von Joh 19, 34f und 1 Joh 5, 7f (s. z. St.) beachtlich ist. Die von Ignatius bekämpften Irrlehrer aber "halten sich von Eucharistie und Gebet fern, weil sie nicht bekennen, daß die Eucharistie das Fleisch unseres Erlösers Jesus Christus ist, das für unsere Sünden gelitten hat" (Sm 7, 1). d) Die gleichen Leute kümmern sich auch nicht um die &:y,x1t1j, um Witwen und Waisen, um Bedrängte, Gefangene und Befreite, Hungernde und Dürstende (Sm 6,2; vgl. Trall 8,2). Also auch hier die Verbindung der christologischen Irrlehre mit der moralisch indifferenten Haltung,der Mißachtung der Bruderliebe wie in 1 Johl - Nimmt man diese Beobachtungen zusammen, so wird sich eine Verwandtschaft der hier und dort bekämpften häretischen Erscheinungen nicht leugnen lassen 1 . 1 Vgl. P. Th. CAMELOT, Ignace d'Antioche, Lettres (Sources chretiennes) (Paris "1951) 27: "C'est le milieu, que revelent les epltres de saint Jean, adressees, elles aussi, 11 des
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Freilich gibt es auch nicht zu übersehende Unterschiede. Die vom antiochenischen Bischof abgewehrten Irrlehrer sind offenbar wirkliche "Doketen", die die irdische Existenz und Wirksamkeit J esu Christi zu einem bloßen Schein verflüchtigen. Ignatius setzt diesem "scheinbar" (Sm 2; 4,2) immer wieder sein "wirklich" (&1.1).&&<;) entgegen: Jesus Christus ist wirklich aus dem Geschlechte Davids dem Fleische nach, geboren aus der Jungfrau, getauft von Johannes, wurde wirklich ans Kreuz geheftet, hat wirklich gelitten und sich selbst auferweckt (Sm 1-2; ähnlich Trall 9; Magn 11). Dieser Akzent fehlt in 1 Joh; eine ausgesprochen "doketische" Christologie wird nicht erkennbar. Im übrigen tritt der Doketismus in mancherlei Spielarten aufl, die doch sämtlich mit einer "gnostisierenden" Geisteshaltung zusammenhängen, einer Abwertung der geschichtlichen, einmaligen Erlösungstat Jesu Christi durch sein Fleisch und Blut. - Ferner haben die im Brief an die Magnesier (9f) charakterisierten Irrlehrer starke Beziehungen zum Judentum, halten an jüdischen Anschauungen und Sitten (z. B. dem Sabbat) fest. Auch davon findet sich in den Johannesbriefen keine Spur. Nach allem müssen wir feststellen, daß sich die in 1 und 2 Joh abgewehrte Irrlehre mit keiner der uns sonst aus jener Zeit bekannten häretischen Erscheinungsformen gleichsetzen läßt, wohl aber mit mehr als einer verwandte Züge aufweist. Gemeinsam ist allen jenen Irrgeistern die Entwertung der geschichtlichen Person Jesu als des einzigen und wirklichen Erretters und die Leugnung des Erlösungsweges durch sein Fleisch und Blut. In der näheren "christologischen" Deutung der Gestalt Jesu gingen die gefährlichen, die Substanz des christlichen Glaubens auflösenden Häretiker offenbar verschiedene Wege, wie ein Vergleich der Anschauungen Kerinths mit denen der Doketen in den Ignatiusbriefen (deren genaue Lehre auch dunkel bleibt) erkennen läßt. Die christologische Lehre der "Antichriste" in den Johannesbriefen kann nicht mehr sicher und präzis ermittelt werden; aber auch sie gehört zu jener bedrohlichen, pseudochristlichen Geistesrichtung, die dann im Gnostizismus offen zutage trat. 6. Da die christologische "Lüge" das Hauptinteresse beansprucht, ist über die sonstigen Vorstellungen der Irrlehrer wenig auszumachen. Nur über eine Seite der Irrlehrer sind wir noch näher orientiert: die ethischpraktische. Die moralischen Fehlanschauungen und -haltungen sind mit der christologischen "Lüge" ideologisch verknüpft: a) Diese Gnostiker glauben, der Erlösung durch das Blut Jesu nicht zu bedürfen, vgl. 1,7; 5,6; ferner 2, 2; 3, 8c-d; 4, 10. 14. b) Der tiefere Grund dafür ist, daß sie sich über das Sündigen erhaben dünken und persönliche Sünden abstreiten: 1, 8-10; vgl. 3, 6. 8; 5, 18.
Eglises d'Asie ... " Ferner vg!. TILLMANN, Joh-Ev 7f; DIBELIUS in RGG" III, 347; JÜLICHER-FASCHER, Ein!. 227f. Zu weit geht W. LÜTGERT, Amt und Geist im Kampf lOff (Jesus sei ein Geistwesen). 1 Vg!. A. GRILLlIIEIER in: LexThK 3, Sp. 470f.
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Einleitung
c) Sie fühlen sich überhaupt durch die Gebote nicht verpflichtet: 2, 3 f; 5, 2 f; vgl. 3, 22. 24. d) Sie mißachten insbesondere das Gebot der Bruderliebe: 2, 9-11 ; 3,10. 14f; 4,8.20; 5,2; vgl. 3,23; 4, 7. 11f. Als Libertinismus kann man, strenggenommen, diese Haltung nicht bezeichnen. Es fehlt die typische Formel: "Mir ist alles erlaubt" (1 Kor 6,12; 10,23). Vollends liegt die spätere Perversion, absichtlich zu sündigen, um die Kraft des eigenen pneumatischen Wesens unter Beweis zu stellenI, noch· gänzlich fern. Es ist ein moralischer Indifferentismus, in dem freilich die Keime zum Libertinismus und Amoralismus bereitliegen. Ein Zusammenhang mit den Nikolaiten der Apk, die sich ohne Hemmung auch an den heidnischen Opfermahlzeiten beteiligten (Apk 2, 14), ist nicht nachzuweisen. Insbesondere wird den Gnostikern von 1 Joh niemals Unzucht und Ausschweifung zum Vorwurf gemacht. Mahnungen wie 2, 15-17 können aus rein seelsorglichen Gründen an die Gemeinden gerichtet sein. Auch ein Antinomismus der Irrlehrer läßt sich aus dem Schreiben nicht herauslesen. Im Gegenteil bildet avofL(oc 3, 4 eine Nachrede, der man nicht verfallen möchte, und die EVTOA~ Gottes ist für die Gemeinde 3, 23, aber als Myot; TOÜ &e:oü offenbar auch für die Häretiker 2, 5 ernsthafter Beweggrund. Dagegen nehmen die doketischen Irrlehrer, die Igmrtius v. Ant. bekämpft, eine ähnliche, gegen das Liebesgebot gleichgültige Haltung ein wie die "Antiehriste" von 1 Joh (s. o. unter 5, d). 7. Mit den im J 0 h - E v bekämpften zeitgenössischen Gegnern bestehen sicherlich Zusammenhänge sowohl in christologischer (1,14; 20,31) als auch in moralischer Hinsicht (13, 34f; 14,15.21'; 15,10.12.17). Jedoch setzt sich das Ev noch vordringlich mit den jüdischen Gegnern Jesu auseinander und kämpft nur versteckt gegen die zeitgenössischen Widersacher des Verf. und seiner Glaubensbrüder. Es wendet sich gegen mehr als nur eine Front; seine Abwehr einer überschätzung des Täufers Johannes ist in 1 Joh (etwa in 5, 6) nicht zu finden. 8. Was die Praxis der Glaubenskämpfe betrifft, so müssen die Gnostiker eine besorgniserregende Propagandatätigkeit entfaltet haben, die nicht ohne äußeren Erfolg blieb (vgl. 4,5). Ihre Selbstansprüche und ihre Verachtung der Brüder passen zu dem Bilde hochmütiger Pneumatiker, das wir aus der späteren Geschichte der Gnosis, des eigentlichen "Gnostizismus", noch besser kennen. Den Abwehrkampf führt der Verfechter des . orthodoxen Christentums vor allem im Vertrauen auf die göttlichen Kräfte (4,4), die Erleuchtung des Heiligen Geistes (2,27) und die Macht der Wahrheit (4,6) und will so in seinen Lesern die Zuversicht auf ihren Sieg (2, 14; 5,4) und die Heilsgewißheit (3, 14; 5, 13) stärken.
Vgl. IRENÄus, Adv. haer. I, I, 12; 20, 2; 28, 9; CLEMENS ALEx., strom. III, 4, 34, 3f; EPIPHANIUS, Pan. 25, IIT; 26, 1fT. Dazu BOUSSET, Hauptprobl. der Gnosis 74f; JONAS a. a. O. 235fT; H. J. SCHOEPS, Aus frühchristlicher Zeit 2551T (gnostischer Nihilismus).
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5. Religionsgeschichllicher Standort Heute herrscht weitgehend darin übereinstimmung, daß es keine joh. Forschung ohne religionsgeschichtliche Fragestellung gibt. Aber über den Platz, der den joh. Schriften in der religiös so vielgestaltigen, von den mannigfachsten Einflüssen bestimmten Umwelt des jungen Christentums anzuweisen ist, wird noch leidenschaftlich diskutiert. Es ist unmöglich, dieses Problem hier aufzurollen, und es muß auf andere orientierende übersichten verwiesen werden l . Nur soll der religionsgeschichtliche Standort, den der vorliegende Kommentar einnimmt, kurz fixiert werden. Nach den Ergebnissen, zu denen die Forschung in den letzten Jahrzehnten geführt hat, wäre es einseitig, die Erklärung nur vom Judentum oder vom Hellenismus her anzusetzen'. Dieses Entweder-Oder hat sich zwar in der Diskussion als fruchtbar, in der Sache aber als verfehlt erwiesen. Das Problem ist tiefgründiger und verwickelter, da sich auch das Judentum nicht als völlig immun gegen Einflüsse von außen gezeigt hat (vgl. den jüdischen Hellenismus, Essenismus·, Gnosti-
L. SCHMID, Joh-Ev und Religionsgeschichte (Diss. Tübingen 1933); W. F. HOWARD, The Fourth Gospel in Recent Criticism and Interpretation (London '1955); Ph.-H. MENOUD, L'Ev. de Jean d'apres les recherehes recentes (Neuchatel-Paris '1947) 30-50; DERS., Les etudes johanniques de Bultmann a Barrett, in: L'Evangile de Jean. Etudes et problemes (Rech. bibI. 3) (Louvain 1958) 11-40, näherhin 26-30; J. BEHM, Der gegenwärtige Stand der Erforschung des Joh-Ev, in: ThLZ 73 (1948) 21-30; F.-M. BRAUN, Oil en est l'etude du 4< Evangile?, in: EThLov 32 (1956) 516-531; E. HAENCHEN in: ThRu 26 (1960) 20-29. , Nach allen Seiten offen zeigt sich C. H. DODD in seinem wertvollen Werk The Interpretation of the Fourth Gospel (Cambridge 1953). Einen gewissen Vorzug räumt er (neben dem hellenistischen und rabbinischen Judentum, Gnostizismus und Mandäismus) der hermetischen Literatur ein ("höhere Religion des Hellenismus"); die Qumranschriften sind noch nicht berücksichtigt. Ferner vgl. C. K. BARRETT, The Gospel According to St John (London 1955) 22-33 (am meisten wird der Hintergrund des 4. Ev vom hellenistischen Judentum erhellt; über die Qumranschriften noch kein Urteil). Besonnen und ausgewogen im Urteil sind die Studien von F.-M. BRAUN, u. a. Hermetisme et Johannisme, in: Revue Thomiste 55 (1955) 22-42; 259-299; L'arriere-fond judaIque du quatrieme evangile et la communaute de l'AlIiance, in: RB 62 (1955) 5-44; L'arriere-fond du quatrieme ev., in: Rech. bibI. 3 (vor. Anm.) 179-196; L'Ev. de Jean et les grandes traditionsd'Israel, in: Rev. Thom. 59 (1959) 421-450; 60 (1960) 1
165-184; 325-363.
• Zum Essenismus vgl. W. BAUER in: Pauly-Wissowa Suppl. 4 (1924) 386-430; BOUSSET-GRESSMANN, Rel. des Jud. 456-465; L. MARCHAL in: DictBibleSuppl 2, Sp. 1109-1132; F.-M. BRAUN; Essenisme et Hermetisme, in: Rev. Thom. 54 (1954) 523-558; S. WAGNER, Die Essener in der wissenschaftlichen Diskussion vom Ausgang des 18. bis zum Beginn des 20. Jh. (Berlin 1960). - Die überzeugung, daß die Essener, die Damaskus- und Qumrangemeinde verwandte Gruppen sind und die in den Berichten und Originaldokumenten erkennbaren Unterschiede nur Entwicklungsstufen, verschiedene Zweige und örtliche Besonderheiten innerhalb der gleichen Bewegung betreffen, hat sich in der Forschung weithin durchgesetzt, vgl. J. T. MILIK, Dix ans de decouvertes dans le desert de Juda (Paris 1957) 40-62; M. BURRows, Mehr Klarheit über die Schrirtrollen (München 1958) 228-238; F. M. CROSS JR., The Ancient Library of Qumrll.n and Modern Biblical Studies (London 1958) 36-79; K. SCHUBERT,
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zismus 1 ) und wiederum unverkennbare Einflüsse vom Judentum und Christentum auf den (orientalischen) Hellenismus ausgegangen sind. Oft ist es schwierig, zu entscheiden, welche Schicht die Priorität im Vorstellungsgehalt beansprucht'. Insbesondere' ist in der neueren Forschung die Frage einer umfassenden gnostischen Geistesströmung, die alle damaligen Kulturbezirke in ihren Bann zog, zur Debatte gestellt. Wann und wo immer diese Strömung ihren Ursprung hat - nicht wenige Forscher nehmen heute eine starke jüdische Komponente an -, braucht hier nicht untersucht zu werden a; irgendwie gehören auch die in 1 J oh bekämpften Irrlehrer (vgl. S. 16), ähnlich wie die im Kol und in den Pastoralbriefen abgewehrten jüdisch-gnostischen Häretiker,.in sie hinein. Angesichts der Tatsache, daß manche Forscher gnostische Texte in weitem Maß zur Erklärung des Joh-Ev heranziehen" müssen wir aber fragen, ob und in welchem Umfang man dazu berechtigt ist. Hier ist, namentlich im Hinblick auf das mandäische Problem 5, große Vorsicht geboten. Bei dieser reichhaltigen Literatur wird die Frage nach dem Alter und den AbDie Gemeinde vom Toten Meer (München-Basel 1958) passim ("essenistisch"). - Zum Verhältnis der joh. Schriften zu den Qumrantexten s. u. unter I, 2. 1 Ob man von "jüdischem Gnostizismus" sprechen darf, ist freilich umstritten; scharf dagegen H. J. SCHOEPS, Urgemeinde, Judenchristentum, Gnosis (Tübingen 1956). Doch vgI. L. GOPPELT in: ThLZ 82 (1957) 429ff; K. SCHUBERT in: LexThK 4, Sp. 1024ff. - Zur jüd. Mystik s. H. ODEBERG, 3 Enoch or the Hebrew Book of Enoch (Cambridge 1928); G. SCHOLEM, Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen (ZÜ'rich 1957'); DERS., Jewish Gnosticism, Merkabah Mysticism and Talmudic Tradition (New York 1960). • Ein typisch "synkretistisches" Werk mit gnostischer Grundhaltung sind die Oden Salomos; s. über sie zuletzt J. DANIELOU in: DictBibleSuppl 6, Sp. 677-684; F.-M. BRAUN, Jean le Theologien 224-251; S. SCHULZ in: RGG" 5, 1339-1342. In der Frage der Abhängigkeit wird sich eine Kenntnis des Joh-Ev und des 1 Joh (Vgl. OdSal 3, 3f mit I Joh 4, 19 u. 4,8) durch den Ver!. der Oden nicht leugnen lassen, vgI. LAGRANGE, Ev. selon s. Jean XXVIII; STAUFFER, TheoI. 242, Anm. 77; F.-M. BRAUN, Jean le Theologien 242-245; anders BARRETT, Gospel Acc. to St. John 55. " VgI. aus der reichen Lit.: H. JONAS, Gnosis und spätantiker Geist; G. QUISPEL, Gnosis als Weltreligion (Zürich 1951); E. PETERSON, Gnosi, in: Enc. Catt., ItaI. 6 (1951) 84H82; E. HAENCHEN, Gab es eine vorchristliche Gnosis?, in: ZThK 49 (1952) 316-349; W. FREI, Geschichte und Idee der Gnosis (Teildruck) (Zürich 1958); R. McL. WILSON, The Gnostic Problem (London 1958); R. M. GRANT, Gnosticism and Early Christianity (New York 1959); S. SCHULZ, Die Bedeutung neuer Gnosisfunde für die nU. Wissenschaft, in: ThRu 26 (1960) 209-266; 301-334. • Vgl. die Kommentare von W. BAUER und R. BULTMANN ; ferner E. SCHWEIZER, Ego eimi (FRLANT, NF 38) (Göttingen 1939); H. BECKER, Die Reden des Joh-Ev und der Stil der gnostischen Offenbarungsrede (FRLANT, NF 50) (Göttingen 1956); S. SCHULZ, Komposition und Herkunft der Johanneischen Reden (Stuttgart 1960) (nur· teilweise). - Große Reserve dagegen in der englischen Forschung, vgI. dazu R. SCHNACKEN BURG in: BZ (NF) 2 (1958) 148ff. • Zum heutigen Stand vgI. W. BAUMGARTNER in: ThZ 6 (1950) 401-410; R. MACUCH in: ThLZ 82 (1957) 401-408; F.-M. BRAUN, Le Mandeisme et la secte essenienne de Qumran (Orient. et BibI. Lov. 1) (Löwen 1957); S. SCHULZ in: ThRu 26 (1960) 301-329; RUDOLPH, Die Mandäer, I Prolegomena: Das Mandäerproblem (FRLANT, NF 56) (Göttingen 1960) (Standardwerk); DERS., Die Mandäer, 11 Der Kult (ebd. 1961); C. COLPE in: RGG" 4, Sp. 709-712; J. SCHMID in: LexThK 6, Sp. 1343-1347.
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hängigkeitsverhältnissen der einzelnen Stücke besonders dringlich, und dazu fehlt noch viel Vorarbeit. Anderseits muß der Exegese daran liegen, die Atmosphäre der gnostischen Geisteswelt, ihre Anschauungen und Ausdrucksformen kennenzulernen, auch wenn sie in viel späteren Literaturerzeugnissen eingebettet und durch eine jahrhundertelange Entwicklung überarbeitet sind. Deswegen nimmt der Kommentar auch auf die mandäischen Schriften als Zeugnisse einer nichtchristlichen gnostischen Sekte Rücksicht, soweit man darin alte gnostische Anschauungen vermuten darf. Im übrigen sind jetzt die Qumrantexte in den Vordergrund des Interesses getreten und verdienen in der Tat besondere Beachtung. Nach der Veröffentlichung der hauptsächlichen Texte können die sprachlichen und theologischen Parallelen jetzt stärker berücksichtigt werden als in der 1. Aufl. Freilich muß man auch hier vor einer Überschätzung und einer ausschließlich auf diese Texte gebannten Sicht warnen (vgl. weiter unter 1,2). I. BEZIEHUNG ZUM JUDENTUM
1. Außerhalb der Qumrantexte
Das Bemühen jener Forscher, die die starke Verwurzelung des Verf. von Joh-Ev und Johannesbriefen im jüdischen Denken zu erhärten suchten, dürfte in zweifacher Hinsicht von bleibender Bedeutung sein: a)'ln sprachlicher Hinsicht Manche Termini und Phrasen sind nur im Munde eines Juden, der mit dem AT vertraut war und auch mit dem Rabbinismus Fühlung besaß, verständlich (vgl. S. 7). Das Material, das A. Schlatter in "Sprache und Heimat des 4. Evangelisten" (1902) und "Der Evangelist Joh" (1930) sowie Billerbeck in seinem Kommentar (1922-28) zusammenstellten, kann man auch heute noch nicht beiseite schieben. b) In gedanklicher Hinsicht Auch nach der inhaltlichen Seite sind manche Vorstellungen nur im jüdischen Boden zu verankern. Sie zeigen den Ausgang dieses christlichen Theologen vom Judentum, und zwar nicht so, als habe er sich diese Gedanken erst als Christ angeeignet, sondern sO,daß sie ihm von früh auf vertraut gewesen sein müssen. Das trifft insbesondere auf den ganzen Kreis von Sünde und Sühne zu: Sünde als Übertretung des Gottesgebotes, Sünde zum Tode und nicht zum Tode (5, 16f), leichte und schwere Gebote (5,3), Notwendigkeit der göttlichen Verzeihung (1,9), Sühne durch das Blut (1,7). Eng verbunden ist damit der Gerichtsgedanke (2, 28; 4, 17), und dies führt wieder zu anderen apokalyptisch-endzeitlichen Vorstellungen, wie der "letzten Stunde" (der letzten bösen Zeit) (2, 18) und dem Auftreten gottfeindlicher Gestalten und Mächte. Freilich zeigt sich gerade bei dem Problem des bzw. der "Antichriste" (2, 18) und der "Pseudopropheten" (4, 1) die Fortbildung jüdischer Ansätze durch die christliche Glaubensgemeinde (vgl. Exk. 7), und in vielen Punkten dürfte der Verf. von 1 Joh primär dieser urchristlichen Verkündigung und Gemeindekatechese verpflichtet sein. Aber die selbst26
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verständliche Aufnahme und Fortführung dieser Gedanken, die ihren jüdischen Mutterboden nicht verheimlichen, setzt einen Mann voraus, der selbst in dieser Gedankenwelt von klein auf zu Hause war. Beispiele dafür sind der Vorstellungskreis vom Teufel (dem "Bösen" 2, 13.14; 5, 18. 19) und seiner Wirksamkeit (vgl. noch 3,8; 4,4), nicht im Sinne heidnischer Dämonologie, aber auch nicht eines dualistischen Urprinzips, sondern als des Verführers und sittlichen Verderbers, und die Anschauungen über Bittgebet (3, 22; 5, 14f), Fürbitte (5, 16), Paraklet (2,1). All dies ist schon in christliches Gewand gehüllt: Christus ist der große Gegenspieler Satans, der eine große Gerechte in der Parakletenrolle beim Vater; aber für solche Vorstellungen beim Synkretismus anfragen hieße unbegreifliche Umwege machen. Hinzu kommen kleinere Züge, die aus dem semitischen Denken stammen: das Herz als Sitz des inneren Lebens (3, 20f), die Zeugenschaft durch drei Zeugen (5, 7f). Demgegenüber sind Anspielungen auf atl.-biblische Erzählungen sehr gering, nämlich nur auf die Paradiesgeschichte (3, 8) und die Geschichte von Kain und Abel (3, 12). Das könnte Rücksicht auf den Leserkreis sein, entspricht aber wahrscheinlich auch der entschiedenen Hinwendung des Verf. zum Kerngehalt der christlichen Lehre, d. h. der Christusbotschaft. Schließlich stehen manche Vorstellungen in einem eigentümlichen Doppellicht. Sie sind ohne .die jüdische Grundlage nicht zu begreifen, aber offenbar auch vom Synkretismus her beeinflußt, wenigstens terminologisch. Dazu sind so führende Vorstellungen wie die von der Gotteskindschaft, vom ewigen Leben (2,25), von der Gottesschau (3,2), vom Wandel im Licht (1, 7), vom Erlöser (crw-rljp 4, 14) zu rechnen. 2. Die Qumrantexte Die Bedeutung der Qumrantexte für die joh. Schriften ist in den letzten Jahren genügend gewürdigt worden 1, ohne daß man sich über die konkreten "Verwandtschafts"-Beziehungen einigen konnte. Ist das Phänomen zahlreicher sprachlicher und theologischer Berührungen allein durch das "Milieu", die Welt des Spätjudentums zu erklären, oder müssen nähere Kontakte des vierten Evangelisten (und des Verf. von 1 Joh) mit der Gemeinde von Qumran angenommen werden? Stand er dem "heterodoxen"
Vgl. u. a. L. MOWRY, The Dead Sea Scrolls and the Background for the Gospel of St. John, in: BA 17 (1954) 78-94; F.-M. BRAUN, L'arriere-fond ... , in: RB 62 (1955) 5-44; R. E. BROWN, The Qumran Scrolls and the Johannine Gospel and EpistIes, in: CBQ 17 (1955) 403-419; 559-574; W. F. ALBRIGHT, Recent Discoveries in Palestine and the Gospel of st. John, in: The Background of the New Testament and its Eschatology (Festschr. für C. H. DOdd) (Cambridge 1956) 153-171; G. BAUMBACH, Qumran und das .Joh-Ev (Teildruck) (Berlin 1957); F. M. CROSS JR., The Ancient Library 153-162; J. SMIT SIBINGA, 1 Joh tegen de achtergrond van de teksten van Qumran, in: Vox theolog. 29 (1958-59) 11-14. - Kritik an den angeblichen Parallelen übt H. M. TEEPLE, Qumran and the Origin of the Fourth Gospel, in: NT 4 (1960) 6-25 (doch wenig überzeugend).
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Judentum nahe, zu dem noch andere Erscheinungen, wie die Apokalyptik und die Taufbewegung, gehörten?l Oder führen die Verbindungslinien zwischen qumranischem und joh. Schrifttum weniger über den Verfasser persönlich als über die christlichen Gemeinden, sei es in Palästina, Syrien oder Kleinasien, die (besonders nach 70) Qumran-Essener in ihre Reihen aufnahmen? Alle diese Fragen sind noch nicht spruchreif; so wollen wir uns begnügen, wieder einige Berührungspunkte, auf die der Kommentar noch näher eingeht, zusammenzustellen. a) Manche sprachlichen Parallelen haben der Erklärung gute Dienste geleistet. Neben "die Wahrheit tun" (1,7) und dem "Wahrheits"-Begriff überhaupt sind dazu vor allem Ausdrücke aus dem Sündenbereich zu nennen, für den die Qumrantexte eine reiche Terminologie aufweisen. Was &VO!J.LOC (3, 4) und 1tAOCV"fJ (4,6) ist, wird durch diese Texte gut erläutert und erhellt; aber es scheint auch, daß die im letzten Vers des Briefes genannten tt8WAOC (5, 21) gar nicht "Götzen(bilder)" im eigentlichen Sinn, sondern übertragen die Abscheulichkeiten der Sünde meinen (s. z. St..) b) Andere durch das Qumranschrifttum reichlich zu belegende Begriffe wird man besser in größere gedankliche Zusammenhänge stellen, da sie starke theologische Relevanz haben. Dazu gehören vor allem jene Gegensatzpaare, die für das joh. Denken charakteristisch sind und nun ihre nächste Entsprechung in Qumran finden: Licht - Finsternis, Wahrheit Lüge, Gott - Teufel (Beliar), Lieben - Hassen u. a. Für diesen joh. Dualismus darf man schwerlich den Gnostizismus berufen (vgl. Exk. 6), sondern kann eine ähnlich verschärfte dualistische Sicht, die doch die Oberhoheit Gottes und' den biblischen Schöpfungsglauben festhält, in den Qumrantexten studieren 2 • Vor allem ist dieser Dualismus trotz seiner Ausweitung in kosmische Dimensionen (Reich des Lichtes und der Finsternis) hier wie dort ethisch orientiert; es geht um den W a n dei im Licht und in der Finsternis (1, 6f; 2, 9ff), und diese Wege-Lehre ist eine biblische und in Qumran fortentwickelte Anschauungsweise". Freilich dürfen bei dieser gemeinsamen Denkkategorie, jenem "relativen, ethisch-kosmischen Dualismus" (Huppenbauer) die inhaltlichen Unterschiede in Lehre und Weisung zwischen Qumran und Johannes nicht übersehen werden: dort der Wandel im "Gesetz des Moses", in verschärfter Torafrömmigkeit, hier der Glaube an Jesus Christus und der Gehorsam gegen seine Gebote, "die nicht schwer sind, weil jeder aus Gott Gezeugte die Welt überwindet" (5, 3 f); dort Liebe zu allen Söhnen des Lichts, aber Haß gegen alle Söhne der Finsternis, hier nur Liebe als Kennzeichen derer, die aus Gott sind.
Vgl. S. SCHULZ, Komposition und Herkunft der Joh. Reden 182-187. • Vgl. F. NÖTscHER, Zur theologischen Terminologie der Qumran-Texte 79-133; H. W. HUPPENBAUER, Der Mensch zwischen zwei Weiten (Zürich 1959). • Vgl. F. NÖTscHER, Gotteswege und Menschenwege in der Bibel und in Qumran (Bonn 1958); S. WIBBING, Die Tugend- und Lasterkataloge im NT und ihre Traditionsgeschichte unter bes. Berücksichtigung der Qumran-Texte (Beih. 25 zur ZntW) (Berlin 1959) 61-64. 1
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c) Sehr nahe stehen sich auch Qumrangemeinde und joh. Christen im Blick auf die Situation in der Welt. Man fühlt sich in einen Kampf gestellt, der zwischen den Kräften des Guten und des Bösen tobt, und an ihm sind nicht nur die Menschen beteiligt, sondern auch übermenschliche (freilich geschaffene und Gott unterstellte) Geister. Wie die Christen zahlreiche "Pseudopropheten" abwehren und "die Geister unterscheiden" müssen, das gewinnt durch die qumranische Lehre von den "zwei Arten von Geistern", die in der Welt wirken und um den Menschen ringen (1 QS 111, 13 - IV, 26), Relief und Farbe. "Der Böse" (1 Joh 2, 13; 5, 19) bzw. Beliar ist überaus mächtig, die Verführung groß. Ein wesentlicher Unterschied zeigt sich aber darin, daß die Qumrangemeinde zwar der Hilfe Gottes und seiner Engel gewiß ist, aber den Vernichtungskampf gegen die Finsternissöhne noch vor sich sieht, die Christusgemeinde dagegen durch Christus, und mit ihm verbunden, den Sieg schon errungen weiß (vgl. 2, 13; 4,4; 5,4.20). d) Ob sich die Sündenlehre des, 1 Joh, näherhin das Problem von "Christ und Sünde" (vgl. Exk. 12) von Qumran her so auflichten läßt, wie Nauck es möchte" bleibt zweifelhaft. Die christliche Lehre von der Sühne durch das Blut Jesu hat dafür doch eine ganz neue und andere Grundlage geschaffen. Aber gewisse gemeinsame Züge, wie Sündenbekenntnis (1,9), Verpflichtung zur Sündlosigkeit (vgl. 3,9f; 5,18), schwere Schuld bei grobem Versagen und Abfall (vgl. 5, 16), sind unverkennbar. e) Auch für andere Aussagen und Redeweisen in 1 Joh ist es problematisch, ob die Qumrantexte eine genügende Grundlage bieten. Das gilt namentlich für den wichtigen Begriff ywwaxe:w (TOV .&e:6v). Gewiß steht auch das joh. "Erkennen Gottes" dem atl. Sprachgebrauch und seiner Weiterführungin Qumran" nahe (vgl. Joh 17, 3 mit 1 QS II, 3; Damask III, 20; 1 QH XII, 11 u. ö.); aber gerade für 1 Joh bleibt zu fragen, ob nicht hier das "Gotterkennen" (vgl. Exk. 3) gegenüber den gnostisierenden Irrlehrern noch eine besondere Färbung gewinnt, um den falschen Heilsweg. ejner bloßen "Gnosis" und "Gottschau" abzuwehren. Von Qumran her ist viel, aber nicht alles in 1 Joh zu erklären. 11. B EZI EH UNG ZUM SYN KRETISM US UND G N OSTI Z I SMU S
1. Beziehungen zum Hellenismus Zunächst ist gegenüber der These, der Verf. der Johannesbriefe verrate durch sein Denken und Sprechen eine enge Bindung an das Spätjudentum, korrigierend festzustellen, daß er die griechische Umgangssprache fehlerfrei beherrscht und sich in ihr, wenn auch einfach, so doch nicht ungeschickt auszudrücken versteht. Wenn er ein geborener Semit ist, so ist
1 Tradition und Charakter 98-122. • Vgl. G. J. BOTTERwEcK, "Gott erkennen" im Sprachgebrauch des AT (Bonn 1951); F. NÖTSCHER, Zur theol. Terminologie 15--79; R. SCHNACKENBURG in: LexThK 3, Sp.9961J.
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er doch ein vollwertiger Bürger der hellenistischen Welt geworden. Besonders aufschlußreich sind dafür die zwei kleineren Briefe, die sich bei der zwanglosen Art ihres Schreibens gebräuchlicher Formen und Redewendungen des hellenistischen Briefstils bedienen (vgl. Einl. zu 2 und 3 Joh). Durchweg negativ dagegen bleibt das Ergebnis, wenn man dem Einschlag der griechischen Philosophie und Literatur auf die joh. Gedankenwelt nachspürt. Auch über die Vermittlung Philos v. Alex. sind da keine Entlehnungen zu bemerken. Das altgriechische Denken, der eigentlich "abendländische" Geist, ist unserem Autor fremd. Von der verbreiteten stoisch-kynischen Popularphilosophie scheint er überhaupt nicht berührt zu sein. Die griechisch-römische Kulturwelt hat sich ihm nur aufgetan, soweit sie sich selbst dem Osten geöffnet hat. 2. Beziehungen zum (orientalischen) Synkretismus Eine Anzahl beherrschender Vorstellungen in 1 Joh dürfte ohne Berührung mit dem Synkretismus, wie er sich damals in den verschiedenen Bezir~ ken des geistig-religiösen Lebens, besonders in den Mysterienreligionen, z. T. auch in der hermetischen Mystik (Tr. I und XIII) und in der Magie (Zauberpapyri) durchgesetzt hatte, nicht zu erklären sein. Vor allem ist hier die "Zeugung aus Gott" zu nennen, die bei aller christlichen Eigenprägung (Taufe!) doch nicht ohne Rücksicht auf umlaufende andersartige Vorstellungen konzipiert zu sein scheint (vgl. Exk. 8). Auch "Sohn Gottes", "Erretter" (awTIjp) hat der Verf. von 1 Joh, darin Paulus mit seiner Kyrios-Vorstellung ähnlich, wohl nicht ohne Absicht gebraucht, wenn er auch diesen Prädikaten Christi eine unvergleichliche, absolute Geltung verschafft. Begriffe wie &.A~&ELOC, cp(;i~, A6yo~ 't"'ij~ ~w'ii~ sind in ihrer joh. Fülle und Eigenart sicher nicht bloß auf atl.-jüdischem Hintergrund zu erfassen. Doch erhebt sich bei diesen und anderen joh. Kern.worten (wie YW6>aXELV, x6a(.Lo~) die Frage, ob sie nicht speziell "gnostischen" Klang haben. 3. Beziehung zur gnostischen Strömung a) Nach der in 1 und 2 Joh bekämpften Irrlehre ist an der Berührung des Verf. mit gnostischen Gedankengängen nicht zu zweifeln. Er steht nicht in voller Ablehnung zu dieser Strömung, nimmt er doch die grundlegende Behauptung, Gott "erkannt" und "geschaut" zu haben (1 Joh 2,3; 3,6;4,7; 3 Joh 11), mit Gott in Gemeinschaft zu stehen (1,3.6; 2, 5f u. a.), ins Christliche übersetzt, für die Christusgläubigen in Anspruch. Nur den gnostischen Heilsweg, der der Erlösergestalt des menschgewordenen Gottessohnes entraten will, lehnt er radikal ab. Trotz aller Scheidung war es also doch eine klärende und fruchtbare Begegnung, und es erwächst die Frage, was der Verf. vom gnostischen Denken gelernt und gewonnen hat. b) Der eigentümliche joh. "Dualismus" freilich findet sicherlich im Spätjudentum seine hinlängliche Erklärung, wie jetzt die Qumrantexte be-
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legen (s. o. I 2, b). Vom gnostischen Dualismus ist er, tiefer gesehen, durch eine Kluft getrennt. Der Verf. von 1 Joh kennt keinen metaphysischen Gegensatz zwischen göttlicher und materieller Welt, keine zwei feindlichen Urprinzipien; der göttliche Logos selbst ist a&p~ geworden (Joh 1, 14), bzw. Jesus Christus ist in der a&p~ gekommen (1 Joh 4, 2; 2 J oh 7). Die Polarität von Gottes Welt, die ganz Licht und Leben ist, und "dieser" Welt, die voll Finsternis und dem Tod verfallen ist, wirkt sich besonders in der Menschenwelt aus und wird zu einer religiös-ethischen Scheidung, insofern die Menschen sich durch Glauben und Liebe als Gotteskinder oder durch Unglauben und Bruderhaß als Teufelskinder zu erkennen geben (1 Joh 3, 9f; 4, 4ff). Ein solcher relativer, vor allem auf das sittliche Verhalten der Menschen ausgerichteter Dualismus war schon bisher in manchen spätjüdischen Schriften (Hen-Literatur, Jub, Test XII) zu beobachten, tritt nun aber in verschärfter Form in den Qumrantexten hervor. Gewiß gibt es auch Berührungspunkte mit dem gnostischen Dualismus, nicht nur in der Terminologie, sondern auch im Interesse an der kosmologischen und anthropologischen Sicht. "Aber es wird nun doch zu beachten sein, daß die uns bekannte (erst nachchristlich belegte) Gnosis ein anderes Weltgefühl verrät als die DSS (= Schriftrollen vom Toten Meer)." 1 c) Manche bevorzugte joh. Worte, wie das Begriffspaar Licht - Leben, aber auch "Wahrheit", "erkennen", "schauen", können in ihrem besonderen Klang auf gnostische Denkungsart Rücksicht nehmen, wenigstens in der Weise, daß sie an die Redeweise der Irrgeister anknüpfen. Mögen sie in Joh ganz christlich interpretiert sein, in Form, Anwendung und Sinngehalt berühren sie sich mit dem gnostischen .Sprachgebrauch. Der Kosmos-Begriff, auch in seiner spezifisch "joh." Ausprägung (1 Joh 3, 13; 4, 4f; 5, 19), ist ähnlich zu beurteilen wie der Dualismus, mit dem er aufs engste zusammenhängt. Hier ist bei aller scheinbaren Ähnlichkeit der prinzipielle Unterschied zu betonen (vgl. oben). d) Noch größere Vorsicht ist von den Johannesbriefen her in der Frage des gnostischen Erlösermythos geboten. In ihm erblicken zwar viele Forscher den Kern- und Leitgedanken der Gnosis, auch in ihrer vorchristlichen Form!; aber es hat sich gezeigt, daß die bisherige Forschung in dieser schwierigen Frage zu vorschnell geurteilt und die durch iranische, manichäische und mandäische Texte aufgegebenen Probleme noch nicht wirklich bewältigt hat3 • Eine Erinnerung an den vom Himmel herab1 HUPPENBAUER a. a. O. 117 f. • R. REITZENSTEIN, Iran. Erlös. 221T; 33; 701T; 841T; H. SCHLIER, Religionsgeschichtl. Untersuchungen zu den Ignatiusbriefen (Gießen 1929) 5-81; JONAS a. a. O. 1221T; W. STAERK, Soter II, 671T; 1501T; 4221T; BULTMANN, Joh lülT; 381T; 107 Anm. 5 u. ö.; DERS., Theol. 1651T; 3581T. - Den Weg dieser ganzen Forschungsrichtung beschreibt und beleuchtet kritisch C. COLPE, Die religionsgeschichtliche Schule. Darstellung und Kritik ihres Bildes vom gnostischen Erlösermythus (FRLANT, NF 60) (Göttingen 1961). • C. COLPE (a. a. O. 171-193) schlägt nach herber Kritik an den bisher gebräuchlichen Kategorien, namentlich an dem vielsinnigen Ausdruck "erlöster Erlöser" und an der
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gestiegenen und dorthin wieder aufsteigenden Menschensohn (vgl. Joh 3, 13.31; 6, 62) fehlt in 1 Joh. Den für 1 Joh charakteristischen Ausdruck e:cpocve:pw&l) hat man nicht als gnostisch nachweisen können, obwohl man es vermutet hat'. Es scheint, daß ein "Mythos" von einem "erlösten Erlöser" in der Irrlehre, die 1 Joh bekämpft, keine Rolle spielte, vielmehr der Heilsweg der Gnosis (ohne eine Erlösergestalt) im Mittelpunkt stand. Mit der christlichen Lehre von Jesus dem Christus mußte sich dann die Gnosis auf ihre Weise auseinandersetzen; so mag es zur "christologischen" Irrlehre gekommen sein. 111. BE Z I E H U N G ZUR UR C H R IST LI C H E N GEMEINDEVERKÜNDIGUNG UND GENUIN JOHANNEISCHE THEOLOGIE
Schon mehrfach wurde darauf hingewiesen, daß der Verf. mehr, als es zunächst nach der besonderen "joh." Diktion den Anschein haben könnte, der christlichen Gemeindetradition und -katechese verpflichtet ist. Die interessanten religionsgeschichtlichen Vergleichspunkte und Aussichten dürfen nicht den Blick für das Ureigen-Christliche trüben. Der Kern der Christusbotschaft der Urkirche ist trotz aller besonderen Einkleidung auch in den joh. Briefen mit Händen zu greifen. 1. Anschluß an die allgemeine christliche Verkündigung Insbesondere seien folgende Punkte hervorgehoben: a) Die Va t erbotschaft J esu und das Verständnis Gottes als des Vaters Jesu Christi ist vom Verf. aufgenommen und tief erfaßt. Das zeigt sich besonders in der schönen Stelle 1 Joh 3, 1 i aber in Auswertung des Liebesgedankens auch in 4, 7ff. 14; 5, lf. Die Gottesgemeinschaft ist Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn 1 Joh 1,3; 2, 22ff; 2 Joh 9, Jesus Christus auch in seiner Präexistenz Sohn des Vaters 1 J oh 1, 2, ebenso wie nach seiner Heimkehr 2,1. Die Liebe zu Gott ist als Liebe zum Vater charakterisiert 2, 15, der Auftrag zum rechten Wandel geht letzthin vom Vater aus 2 Joh 4. b) In der Botschaft von Jesus Christus wird nichts verkürzt. Nicht nur die Inkarnation, an der der Verf. ein besonderes theologisches Interesse besitzt (gnostische Irrlehre!), sondern auch der Sühnetod am Kreuz (1 Joh 2,2; 4,10; 3,16; 5,6) und die Parusie (2,28) sind Bestandteile der Verkündigung. Gerade die eschatologischen Sätze (2,18.28; 3,2f) sind bemerkenswert, da der Verf. sonst den Nachdruck auf den gegenunbesehenen Verquickung des "Urmenschen" mit dem "Erlöser", neue sachgemäßere Kategorien vor. Das bisherige, iranische und spätgnostische Texte kombinierende Modell eines frühentstandenen Erlösermythus, der durch Raum und Zeit gewandert sei, um bald in diesem, bald in jenem Überlieferungskreise Mosaiksteinchen zu hinterlassen, lehnt er als "direkt falsch" ab (191). 1 H. SCHULTE, Der Begriff der Offenbarung im NT (München 1949) 68ff. Vgl. im übrigen Komm. zu 1,2.
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wärtigen Heilsbesitz legt. Die heilsgeschichtliche Sicht ist keineswegs· zugunsten einer überzeitlichen "Mystik" geschwunden. c) Unverkennbar zittert das Erlebnis des Gei s tempfanges der Gemeinde nach (1 Joh 3,24; 4, 4. 6. 13), nicht im Sinne einer ekstatischen Erfahrung, die an hellenistische Vorstellungen erinnern könnte, sondern einer Glaubenserfahrung, die sich auf das Taufsakrament stützt (vgl. 2, 20. 27; 3,9; 5, 18). d) Überhaupt wird neben das "Erkennen" der Glaube gestellt (1 Joh 3, 23; 4, 16; 5, 1. 4f. lOff), und dieser behält das Schwergewicht als Heilsmittel. Bei aller Besonderung der Glaubenshaltung (Bekenntnisglaube) bleibt ihr Charakter als freie Zuwendung zu Christus, als Entscheidung des Willens unverändert. e) Vor allem ist die grundlegende ethische Forderung der Gottesund Bruderliebe, und zwar in denkbar innigster Verknüpfung, dieses Herzstück der joh. Mahnrede, edelstes Erbe von der Urkirche und Jesus selbst. Auch die besondere Fassung der "Nächstenliebe" als "Bruderliebe" darf nicht als Umbiegung und Veränderung mißverstanden werden (vgl. 1 Joh 3, 17; 4,20.21; 3 Joh 5). Auch in der übrigen Paränese (vgl. 2, 15-17; 5,21) klingt die Gemeindepredigt durch. 2. Das genuin Johanneische Bei dieser gesamten Vergleichung mit Umwelt und kirchlichem Mutterboden darf jedoch nicht der besondere persönliche Beitrag dieses urchristlichen Theologen zu dem vollendeten Guß seiner Theologie geschmälert werden. Er hat nicht nur von vielen Seiten Anregungen aufgenommen, sondern war selbst ein großer befruchtender Geist. a) Eine unvergleichliche Leistung ist die souveräne Zusammenfassung so verschiedener Vorstellungselemente und ihre völlige Einschmelzung ins Christliche. Man braucht nur an den bei ihm vollkommen geschlossenen Gedankenkreis von Gotteskindschaft, Zeugung aus Gott, "Aus-GottSein", Gottähnlichkeit zu denken. Ein Meister ist er in der Darstellung der Gottesgemeinschaft des Christen, über den einen Heilsmittler Jesus Christus. Gelungen ist ihm die übernahme und Verchristlichung des "dualistischen" Denkens. Er entfernt sich bei der Herausarbeitung des Wesentlich-Christlichen - Gott ist die Wahrheit und die Liebe - nirgends von der urchristlichen Verkündigung und gibt ihr doch ein ganz neu es Gesicht. In der Christologie setzt er die Akzente - um seines Ringens mit dem gnostischen Geist willen - etwas anders und trifft doch mit seinen Formulierungen ins Schwarze. Er zieht sogar neue Begriffe heran (Logos) und vermeidet doch jede Gefahr des Mißverständnisses. b) Dazu bringt er der christlichen Theologie manches Neue ein, aus dem nur das hervorgehoben sei, was man - nicht ganz treffend und glücklich _. die joh. "Mystik"· genannt hat. Seine Immanenzformeln suchen bisher ihresgleichen und sind trotz bestimmter Vergleichsmöglichkeiten bisher nur als seine eigene Schöpfung zu begreifen. Manche Probleme des religiösen Lebens - Christ und Sünde, Liebe und Furcht, . 5 Schnackenburg, Johannesbriefe
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Mystik und Ethik - hat er, ohne den Ruhm Pauli zu schmälern, in einer persönlichen Weise und besonderen Schärfe erfaßt. All dies sei hier nur angedeutet, damit über dem religionsgeschichtlichen Problem nicht der stärkste Faktor der joh. Theologie übersehen werde: die geniale, gotterleuchtete religiöse Persönlichkeit des Verfassers 1.
6. Verhältnis von 1 Joh zum Johannesevangelium Die früher vielverhandelte Frage nach dem Verhältnis von Joh-Ev und 1 Joh hat heute an Interesse verloren, ist aber immer noch von Belang für die Beurteilung des Verfassers und die Art der Entstehung. Wir können uns im wesentlichen auf eine Berichterstattung über den augenblicklichen Forschungsstand beschränken. I. DER SPRACHLICH-STILISTISCHE VERGLEICH
Er ist mit aller Sorgfalt, namentlich von H. J. Holtzmann', E. Brooke·, neuerdings von C. H. Dodd., W. F. Howard 5 , W. G. Wilson 8 und A. P. Salom·, durchgeführt worden. Wie E. Brooke sind die meisten Forscher dadurch in der Ansicht bestärkt worden, daß beide Schriften nahe verwandt sind. Doch hat, wie schon fI. J. Holtzmann, jetzt C. H. Dodd noch eindringlicher auf gewisse Differenzen aufmerksam gemacht; diese bewegen ihn, eine Identität der Verfasser zu leugnen. Die wichtigsten sprachlichen Gründe sind für ihn folgende: 39 Wörter des Briefes fehlen im Ev. Bedeutsamer aber ist, daß 6 charakteristische Wortgruppen des Ev im Brief nicht auftauchen, u. a. jene auf das AT bezüglichen: ypoccp~ (12mal im Ev), ypcicpe:Lv (10mal), v6lLo~ (14mal) ; unter den christologischen Termini: 86~oc (18mal) und 8o~ci~e:L\I (21mal) ; unter den für die joh. Theologie charakteristischen: &vOCßOC[Ve:LV (5mal), xoc't'OCßOC[Ve:LV (11mal), &vw und &vw&e:v (4mal), u~oüv (5mal); dem häufig verwendeten Xp[Ve:LV (19mal) und Xp[O'L~ (11mal) entspricht im Brief nur einmal ~ ~ILEPOC 'T'ij~ xp[O'e:w~ (4,17). W. F. Howard, der diese Thesen einer Nachprüfung unterzogen hat, mindert das Gewicht dieses statistischen Materials durch BeobachVgl. PH.H. MENOUD, L'originaJite de la pensee joh., in: RThPh (1940) 233-261. • Vor allem in: Jahrb. f. prot. Theol. (1882) 125fT. 3 Comm. I-XXVII (Auseinandersetzung mit Holtzmann). • The First Epistle of John and the Fourth Gospel, in: BJRL 21 (1937) 129-156; Comm., Introd. XLVII-LVI. Die DilYerenzen zwischen Joh und 1 Joh betont auch D. W. RIDDLE, The Later Books ofthe NT, in: JR (1933) 63-67. • The Common Authorship of the Joh. Gospel and Epistles, in: JThSt 48 (1947) 12--25. • An Examination of the Linguistic Evidence Adduced against the Unity of Authorship of the First Epistle of John and the Fourth Gospel, in: JThSt 49 (1948) 147-156. • Some Aspects of the Grammatical Style of 1 John, in: JBL 74 (1955) 96--102. G. D. KILI'ATRICK, Two Johannine Idioms in the Johannine Epistles, in: JThSt 12 (1961) 272f, macht zwei Einzelbeobachtungen (an &Al)&fJ~ - cXAl)~hv6~ und cXTCoadAAEIV - TCefLTCELv) zugunsten der Stilgleichheit von Joh-Ev und Johannesbriefen (zur Textkritik von 1 Joh 5, 20 S. jedoch Z. st.). 1
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Einleitung
tung a) der Verteilung dieser Begriffe im Ev und b) der verschiedenen Bedeutsamkeit, die sie im Rahmen des Ev und des Briefs erlangen. Sodann macht er für die sprachliche Untersuchung mit ihrem etwas äußerlichen Verfahren einige beachtliche Gesichtspunkte geltend, die für die Abweichungen beider Schriften nicht vergessen werden dürfen: a) Das Ev habe einen längeren Prozeß der Komposition durchgemacht, der Brief sei in einer bestimmten Situation geschrieben worden; b) der Gegenstand des Ev sei viel reicher als der des Briefes; c) das Ev benutze schriftliche und mündliche Quellen, beim Brief falle dies fort; d) das Ev sei stärker jüdischem Einschlag (aramäischen Quellen) ausgesetzt, der Brief dagegen in freiem Griechisch geschrieben; die Sekretärstätigkeit sei beim Ev aktiver vorzustellen. - Mag man im einzelnen etwas anders urteilen als Howard, so ist doch der Hinweis auf den verschiedenen Blickpunkt beider Schriften und die uns leider nicht näher bekannte Editionsweise nicht beiseite zu schieben. Das Ev bleibt trotz aller theologischen Tendenzen ein Bericht vom Wirken, Sterben und Verherrlichtwerden des menschgewordenen Gottessohnes, der Brief aber ist zuvörderst ein religiös-sittliches Mahnschreiben, das die Kenntnis der "Geschichte des Christus" voraussetzt. Ferner muß man die unserer heutigen Vorstellung von einem Autorenwerk nicht entsprechende Edition des Joh-Ev anerkennen. Unabhängig davon hat W. G. Wilson (vgl. auch A. P. Salom) durch rein statistische Untersuchungen, die sich über das ganze NT erstrecken, nachgewiesen, daß die linguistischen Differenzen zwischen Joh-Ev und 1 Joh unerheblich sind. Die Verhältniszahlen für die Häufigkeit bestimmter Wörter, Partikeln, Präpositionen, Redeeigentümlichkeiten liegen für die anerkannt echten Paulusbriefe z. T. schlechter als für die beiden "joh." Schriften. So muß man urteilen: Gegenüber den von den Kritikern aufgezeigten Abweichungen sind die Übereinstimmungen beider Schriften in Wortschatz, Phraseologie und Stil so bedeutend, daß der Annahme eines gemeinsamen Autors von dieser Seite her nichts im Wege stehen dürfte. 11. DER VERGLEICH DER THEOLOGISCHEN ANSCHAUUNGEN
Die theologische Anschauungswelt in Joh und 1 Joh ist im Vergleich mit dem übrigen ntl. Schrifttum so sehr von der gleichen Atmosphäre erfüllt und von denselben Hauptbegriffen gestützt, daß jeder Beurteiler dazu getrieben wird, von einer besonderen "joh." Theologie zu sprechen. Doch bleiben innerhalb dieses Gesamteindruckes noch verschiedene Antworten möglich: Identität des Verfassers, Meister und Schüler, Originalschrift und Nachgestaltung u. ä. Daß die 3 Johannesbriefe das Werk des kleinasiatischen "Presbyters Johannes" sind, der von dem Zebedaiden und Apostel Johannes zu unterscheiden ist, wurde vielfach behauptetl. Dodd ist auf Grund seines Ver1
Vgl. unten S. 41.
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Erster Johannesbrief
gleichs zwischen Joh-Ev und 1 Joh überzeugt, daß dieser "Presbyter" (entgegen der Ansicht vieler Kritiker) ein Sc h ü I e r des Evangelisten und ein dessen Werk Studierender seil. Doch nicht diese Autorfrage ist für ihn von vordringlichem Interesse, vielmehr die Beobachtung, daß dieser "Presbyter" stärker als der Evangelist an den gemeinchristlichen Anschauungen festhalte, wie sie in der urapostolischen Heilsverkündigung und Gemeindekatechese lebendig waren. Besteht tatsächlich eine solche Divergenz zwischen Ev und Briefen? Dodd stützt seine Hypothese vor allem auf drei Anschauungsbereiche : 1. die Eschatologie, 2. den Sühnewert des Todes Christi, 3. die Vorstellung vom Heiligen Geist". Die Frage ist, ob sich das Joh-Ev in diesen Punkten von der Gemeindetheologie weiter entferne als 1 J oh. Dazu ist im Anschluß an W. F. Howard folgendes zu sagen: 1. Auch im Joh-Ev gibt es ein streng eschatologisches Element. Jesus wird als Gottes- bzw. Menschensohn mit den Funktionen des eschatologischen Richters und Lebenserweckers betraut (Joh 5,20ff; 6,39.40. 44.54). Der Terminus "Menschensohn" begegnet in acht verschiedenen Kapiteln. Der "Jüngste Tag" rückt ernsthaft ins Blickfeld (6,39.40. 44.54; 11,24; 12,48). "Die zwei Eschatologie-Konzeptionen, die teils das schon jetzt vergegenwärtigte, teils das noch zukünftige Geschehen betreffen, sind beide in der Vorstellung des Evangelisten vorhanden" (S. 23). Mögen diesen Satz H.s auch manche Forscher bestreiten, so können sie es doch nur durch gewaltsame Streichung der betreffenden Texte tun. Für die Parusie liegen die Dinge nicht so einfach; 14,3 ist umstritten, 21, 22 steht im "N achtragskapitel" . Hier muß eine stärkere Akzentuierung des Briefautors zugegeben werden; aber so groß ist diese wiederum nicht, daß man sie nicht demselben Verfasser wie dem des Ev zutrauen könnte. Die konkrete zeitgeschichtliche Situation erklärt die stärkere eschatologische Erwartung vollauf. Denn die akute Gefahr der Irrlehrer hat diese ganze Betrachtung über die "letzte Stunde", die "Antichriste", die Parusie und das Richteramt Christi (2, 18ff) veranlaßt. Neuerdings hat M.-E. Boismard 3 eine Entwicklung des eschatologischen Themas schon im Joh-Ev feststellen wollen, die sich an gewissen "Dubletten" oder Parallelpartien im Ev erkennen lasse (die eine Gruppe stelle "relectures" der anderen dar). Im Unterschied jedoch zu Bultmanlls Hypothese einer "kirchlichen Redaktion", die die spezifisch joh. Eschatologie nachträglich mit der allgemein urchristlichen Enderwartung ausgleichen wollte, rechnet Boismard die Stellen der "traditionellen" Eschatologie (und Christologie) zur ältesten Schicht im Joh-Ev. Eine jüngere re-
Introd. LVI. • Introd. LIIIf. - Die ersten heiden Punkte spielen auch bei Bultmanns Hypothese einer kirchlichen "Redaktion" von 1 Joh eine Rolle, s. o. S. 14fj vgl. auch M. GoG UEL, La N aissance du Christ. 377 Anm. 1 j H. BRAUN, Literar-Analyse 287. 3 L'evolution du theme eschatologique dans les traditions johanniques, in: RB 68 (1961) 507-524. 1
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Einleitung
daktionelle Bearbeitung hätte dann die eschatologischen Ereignisse als solche betrachtet, die sich schon während des irdischen und aktuellen Lebens der Kirche verwirklichten, nicht um die traditionellen Vorstellungen zu leugnen, sondern um das gegenwärtige Leben der Kirche unter den Verheißungen Christi zu erklären (523). Die Eschatologie der joh. Briefe schreibt er der jüngeren Schicht zu, ohne die Frage zu entscheiden, ob diese (sowohl im Ev als auch in 1 Joh) auf einen anderen Autor als den Evangelisten (etwa einen Schüler von ihm) zurückgehe oder beide Schriftgruppen vom gleichen Autor stammten, aber durch eine lange Redaktion überarbeitet seien (524). Auch diese Hypothese stößt auf Schwierigkeiten: Ist im Ev nicht doch die "vergegenwärtigte" Eschatologie die tragende Schicht, im engsten Einklang mit der spezifisch "joh." Theologie, die man ungern einem anderen als dem Verf. des Ev zuschreiben möchte? Und sieht demgegenüber 1 J oh nicht doch eher wie eine stärkere Annäherung an die "traditionelle" Eschatologie aus? Aber diese Fragen müssen weiter diskutiert werden. 2. Mag die Sühnewirkung des Todes Christi im Ev nicht einen so markanten Ausdruck wie tA(X(j!L6.; in 1 J oh 2, 2; 4, 10 finden, so besitzt es dafür das kräftige Zeugnis des Täufers Johannes für das "Gotteslamm" (1, 29.36), und in der Vorstellung vom "Hinwegschaffen" der Sünden (Joh 1,29; 1 Joh 3,5) wie auch vom "Retter der Welt" (Joh 4,42; 1 Joh 4, 14) berühren sich Ev und Brief. Die grundlegende soteriologisehe Deutung des Liebeshandelns Gottes an der erlösungsbedürftigen Welt ist in beiden Schriften die gleiche (vgl. Joh 3, 16 mit 1 Joh 4, 9f). Vor allem ist auf die für die gesamte urchristliche Theologie bezeichnende Anwendung der Präposition u1tep zu achten, die den Gedanken des stellvertretenden Sühnopfers Christi ausdrückt oder mitschwingen läßt (Joh 6, 51; 10, 11. 15; 11, 50ff; 15, 13; 17, 19; 18, 14; 1 Joh 3, 16) 1. 3. Das volle Verständnis der Lehre vom Heiligen Geist in 1 Joh (vgl. Exk. 9) bleibt C. H. Dodd deswegen verschlossen, weil er ohne Grund seine Mitwirkung bei der "Zeugung aus Gott" leugnet und die Deutung des "Gottessamens" (3,9) auf den Heiligen Geist ablehnt (D. versteht unter ihm das "Wort Gottes"). Dadurch errichtet D. eine künstliche Kluft zu der "hohen joh." Lehre Joh 3, 5-8; 4, 21-24. Daß er eine scharfe Spannung zu den Parakletsprüchen des Ev empfindet, erklärt sich ebenfalls daraus, daß er das "Chrisma" in 1 Joh 2,20.27, dem eine ähnliche Aufgabe wie dem Parakleten Joh 16, 13 zufällt, nicht auf den Heiligen Geist deutet. So verarmt für ihn der Geistbegriff in 1 Joh auf jlme Stellen, wo sich das Pneuma als Gotteszeugnis erweist (3,24; 4, 13; vgl. 4, l--ti; 5,6-8), und er vermag es in die "Grenzen des primitiven oder volkstümlichen Glaubens" zu verweisen ". Aber ein organisches Verständnis von 1 Joh ist nur dann möglich, wenn man auch hier die enge Vgl. M. MEINERTZ, Theol. 2, 288!; K. H. SCHELKLE, Die Passion Jesu (Heidelberg 1949) 131ft; 1431T; A. WIKENHAUSER, Ev nach Joh" 236f.; K. Romaniuk in: NT 5 (1962) 61-75. • Introd. LIV.
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Erster J ohannesbrief
Verbindung von 7tVe:üfLlX und ~w~, von Geisteswirken und "Zeugung aus Gott", ferner von Geist und Offenbarung bzw. innerer Belehrung anerkennt. Daß die Akzente etwas anders gesetzt werden, liegt an der Bekämpfung der Irrlehrer und ihrem vermutlichen Anspruch, die wahren Pneumatiker zu sein. Im übrigen bedarf es nur eines Hinweises auf bestimmte charakteristische Gedanken und Ausdrücke, um die enge theologische Verwandtschaft von Joh-Ev und 1 Joh zu erkennen, nämlich: a) die Wesensaussagen über Gott Joh 4,24; 1 Joh 1,5; 4,8.16. Die Sätze in 1 Joh ergänzen dabei sehr glücklich, was inhaltlich schon im Ev zu finden ist (vgl. 3,20f; 7,17; 8,29; 14,31; 15,10 u. a. - 3, 16; 14, 21. 23; 16,27; 17,26); b) die Beschreibung des widergöttlichen Bereichs als Dunkelheit und Tod, seine Charakterisierung durch Haß, Lüge, Mordsucht, Unglaube, überhaupt die eigentümlich "dualistische" Betrachtung; c) die christologischen Aussagen und Termini bis hin zum prägnanten Logosbegriff und Gottheitsprädikat Jesu (vgl. Joh 1, 1 und 1 Joh 1, 1; ferner Joh 1, lc; 20, 29 und 1 Joh 5, 20); d) die nachdrückliche Betonung der Inkarnation Joh 1, 14; 1 Joh 1,2; 4, 2; e) die Beschreibung des Heilsweges durch Glauben und Erkennen, überhaupt durch den unabdingbaren Anschluß an den menschgewordenen Gottessohn; f) die besondere Art der "Gottesmystik", namentlich die chaakteristischen joh. Formeln (Immanenzformeln, vgI. Exk. 4); g) die Schilderung unseres Heilsstandes als "Lebensbesitz" bzw. nah verwandt - als "Gotteskindschaft" (vgI. Exk. 8). Das Schwergewicht wird in beiden Schriften auf den gegenwärtigen Heilsbesitz gelegt; h) die Forderung nach Erfüllen der Gebote Gottes bzw. Christi und die Bestimmung der "Liebe" nach dieser praktisch-wirksamen Seite hin. Alle diese Dinge, oft genug herausgestellt, nötigen zu einer sehr nahen Heranrückung des Briefes an das Ev. Die verbleibenden Akzentverschiebungen wird man mit Howard durch den verschiedenen Gegenstand, die Art des Schreibens, die Editionsweise und vor allem die äußeren Um~ stände (Irrlehrerbekämpfung in 1 Joh) auch bei Identität des Verf. er" klären können. Doch ist es verständlich, daß andere Forscher, auch auf katholischer Seite" wegen dei' nicht zu übersehenden theologischen Unterschiede und Nuancen einen anderen Verf. für den großen Brief annehmen, der freilich in sehr enger Berührung mit dem Evangelisten gestanden haben muß, sei es als Schüler oder Angehöriger eines Kreises, der sich um ihn gebildet hatte und seine Tradition wahrte. 1 Vgl. C. K. BARRETT, Gospel Ace. to St. John 110: dieselbe Schule in Gedanken und Tradition (vgl. die Hypothese ebd. 113); E. HAENCHEN in: ThRu 26 (1962) 8 u. 43 (verschiedene Verf.); F.-M. BRAUN, Jean le Theologien 33-41 (vielleicht Schüler oder Schüler-Sekretär); M.-E. BOISMARD a. a. O. (S. 36, Anm. 3).
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Einleitung III.ÄUSSERES VERHÄLTNIS BEIDER SCHRIFTENPRIORITÄT
Ein dankenswertes Ergebnis hat die Herausarbeitung der Unterschiede zwischen Joh und 1 Joh: sie macht es unmöglich, den Brief nur als Begleitschreiben zum Ev aufzufassen. Er ist ein völlig selbständiges literarisches Erzeugnis; er setzt weder die Existenz des geschriebenen Ev voraus, noch erweckt er im Leser die Erwartung, daß eine solche Darstellung vom irdischen Wandel des Gottessohnes folgen werde. Deswegen läßt sich auch die Frage, welche der beiden joh. Schriften früher anzusetzen sei, nicht beantworten. Das Argument, das Ev hätte, falls es schon vorlag, den Brief überflüssig gemacht (Büchsei), ist nicht beweiskräftig. Denn die Bekämpfung der Irrlehrer, ein Hauptanlaß zum Schreiben, machte so besondere Ausführungen und Mahnungen notwendig, daß der Evangelist sich sehr wohl gedrängt fühlen konnte, nochmals zum Schreibrohr zu greifen. Auch über die inneren Verhältnisse in den kleinasiatischen Gemeinden wissen wir zu wenig, um beurteilen zu können, ob die Paränese nur mehr anläßlich der Polemik miteinfloß oder auch unabhängig davon dem Verf. ein drängendes Herzensanliegen wurde. Die meisten Forscher stimmen heute für die Priorität des Ev. Ansprechend ist die Vermutung von Menoud 1, daß der Brief zwischen der mündlichen Verbreitung der im Ev niedergelegten Tradition und ihrer schriftlichen Fixierung abgefaßt wurde.
7. Leserkreis, Verfasser, Abfassungszeit 1. LESERKREIS
Nach der literarischen Art des Schreibens (s. S. 1-4) kamen wir zu dem Ergebnis, daß 1 Joh an eine Anzahl Gemeinden in einem begrenzten Gebiet gerichtet sei. Wo ist dieses Gebiet zu suchen? Die Frage wäre entschieden, wenn wir den Verf. mit Sicherheit angeben könnten (vgl. unter 11). Die Tradition, die seit Irenäl1S Johannes, den Zebedäiden und Apostel, als Autor bezeugt, weist auf Kleinasien. Der aus dem Osten stammende Kirchenvater, der in seiner Jugend noch den Bischof Polykarp von Smyrna (t 156) hörte, weiß als apostolische Sukzession für Ephesusanzugeben, daß nach dem Gründer Paulus dort Johannes bis in die Regierungszeit Traj ans gewirkt habe 2, und beruft sich dazu auf das Zeugnis "aller Ältesten" 3. Obwohl Eusebius aus dem berühmten Papias-Zitat entnimmt, daß zwei Johannes, nämlich der Apostel und der "Presbyter", existiert hätten, bezweifelt er nicht, daß mit dieser alten Tradition der Zebedäide gemeint sei '. L'Ev. de Jean 71 f. • Adv. haer. 111, 3, 4 - EUSEBIUS, H. e. 111, 23, 4. • Adv. haer. 11, 23, 3 - EUSEBIUS, H. e. 111, 23, 3. • Der Johannes der Irenäus- und Clemens-Al.-Zeugnisse ist für ihn mit dem Apostel
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Erst.er Johannesbrief
Mit dieser äußeren Überlieferung harmoniert das wenige, was sich aus dem inneren Zeugnis des Schreibens entnehmen läßt. Das Hauptverbreitungsgebiet der frühgnostischen Irrlehre scheint Kleinasien gewesen zu sein (vgl. Kol; Eph; 1 Tim 4,1 ff; 6, 20; 2 Tim 2,16.23; 4, 4). Freilich sind gnostische Anschauungen schon zeitig auch in Griechenland (1 Kor 6,12; 8, Iff; 10,23) und besonders für Syrien nachweisbar.' Das Selbstzeugnis von 1 Joh verm~g die äußere Tradition nur zu stützen, nicht mehr. Die in neuerer Zeit vielfach vertretene Ansicht, daß Joh und 1 Joh in Syrien zu beheimaten seien, beruft sich, abgesehen von dem angeblichen (aber nicht befriedigend nachgewiesenen) syrischen Charakter der bekämpften Gnosis, auf das Sprachidiom, das durch das joh. Griechisch hindurchschimmere. Doch dürfte dieses, wenn man die semitische Grundlage für gesichert halten darf, eher palästinensisch sein 1, also nichts anderes nahelegen, als daß der Verf. ein geborener Palästinenser war. Gegen das starke Zeugnis der alten Tradition (bis zurück zu den "Ältesten") sind die Gründe nicht ausreichend, um von Kleinasien nach Syrien überzugehen s. F.-M. BraunS hält Palästina für den Ursprungsort, Kleinasien für das Gebiet der Edition des uns vorliegenden Joh-Ev - eine These, die bei einer (sich immer mehr durchsetzenden) differenzierten Sicht auf die vorliterarische und literarische Entstehung dieses Ev gut begründet ist. Da 1 Joh kaum eine so lange Entstehungsgeschichte hat, muß man dann wohl an Kleinasien als Abfassungsgebiet für den Brief festhalten. Merkwürdig ist der Zusatz "ad Parthos", der bei späteren Schriftstellern (Augustin, Cassiodor u. a.) auftaucht'. Da der Zusatz auch am Kopf von 2 Joh in zwei Hss des 11. Jh. auftaucht.5 , hat man angenommen, daß die hlEX't'Yj (xuploc) mit Babyion (1 Petr 5, 13) identifiziert wurde, das damals als Gebiet der Parther galt. Von 2 Joh sei die Adresse nach 1 Joh hinübergewandert - eine geistreiche, aber zu schwierige Hypothese. Sicher ist die Zuschrift durch einen Fehler entstanden, den wir aber heute nicht mehr feststellen können. Ein geschichtlicher Wert kommt diesem späten Zusatz nicht zu. und Evangelisten, mit dem Jünger, "den Jesus liebte", identisch (H. e. 111, 23, 1)'; die Hypothese von dem "Presbyter" Johannes stellt Eusebius - offenbar in Abhängigkeit von Anschauungen des Dionysius von Alex. (H. e. VII, 25, 6ff) - zugunsten seines Urteils über den Autor der Apk auf (H. e. 11,39,6). 1 Vg!. SCHLATTER, Sprache; G. KITTEL, Die Probleme des paläst. Spätjudentums u. das Urchristentum (Stuttgart 1926) 45-51; DERB.: ZntW 35 (1936) 282-285. ' • Vg!. FEINE-BEHM, Ein!. 109; MEINERTZ, Ein!. 228 u. Anm. 2; MICHAELIS, Ein!. 124f; WIKENHAUBER, Ein!. 226 f. • J ean le Tht\ologien 308-319; 396 f. • BEDA (Introductio in ep. cath. - PL 93, 9f) sagt, daß viele Kirchenschriftsteller, unter ihnen Athanasius, diese Adresse bezeugten. '. ZAHN (Forschungen 3, 92ff) vermutet, daß auch die Zuschrift "ad virgines" in 2 Joh bei CLEMENS VON ALEX., Adumbr., auf eine Verwechslung von 7t,*p&ou~ und 7totp&EvOU~ zurückgeht; dabei sei das erste das Ursprüngliche (umgekehrt AMBROGGI 206f.) Anders A. BLUDAU in: ThGi 11 (1919) 232ff.
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Einleitung 11. VERFASSER
Das Verfasserproblem mündet, besonders für die Forscher, die Joh und 1 Joh demselben Autor zuschreiben (vgI. S. 34ff), in die "joh. Frage" ein. Die altkirchIiche Tradition seit Irenäus (t 202) und Clemens von Alex. (t um 211) schreibt das Evangelium wie den ersten Brief eindeutig dem Zebedäussohn und Apostel Johannes zu. Für 1 Joh spricht Irenäus seine Meinung ausdrücklich Adv. haer. III, 16,5.8 aus. Clemens von Alex., der den Brief oft zitiert, hat auch einen eigenen Kommentar zu ihm geschrieben, der aber nur in Bruchstücken in einer lateinischen übersetzung von Cassiodor erhalten istl. Wertvoll ist das Zeugnis des Dionysius v. Alex., weil er eigene kritische Beobachtungen zur Verfasserfrage von Apk anstellt. Sie führen ihn dazu, das Ev und den "katholischen Brief" eng nebeneinanderzustellen, und zwar als Werk des Apostels Johannes, und die Apk davon zu sondern als .Werk eines anderen Johannes l • Für die lateinische Kirche in Nordafrika ist TertuIIian (t nach 220) ein früher Zeuge'. Die Frage, ob der Apostel Johannes der Verf. des Ev sei, soll eingehender in der Einleitung zum Kommentar des Joh-Ev erörtert werden. Erst bei einer breiteren Diskussion der "joh. Frage" kann auch entschiedener darauf geantwortet werden, ob der Zebedäide als Verf. des großen Briefes anzusprechen ist. Als besondere Gründe gegen seine Autorschaft von 1 Joh werden bisweilen noch folgende angeführt: a) Gerade gegenüber den Irrlehrern hätte der Apostel Johannes, wenn er der Verf. wäre, den Schleier der Anonymität lüften müssen. Doch sind solche Argumente e silentio an sich meist fragwürdig, und im vorliegenden Falle ist ungewiß, ob für die damaligen Briefempfänger nach 1,1-4 die Person des Schreibenden nicht eindeutig gekennzeichnet war'. b) Die Beanstandungen, daß der Autor von 1 Joh im Unterschied zu dem des Ev fast nirgends auf das AT rekurriere und nichts Konkretes aus dem Leben Jesu biete, können kurz mit dem Hinweis auf Charakter und Art des Schreibens (vgI. S. 1-4) zurückgewiesen werden. c) Positiv läge es näher, an einen Anonymus aus jenem Kreis zu denken, der auch Joh 21, 24 (ot8otlLe:v) zu Wort kommt. Dazu ist zu sagen: Der Schreibende rechnet sich tatsächlich zu einem ganzen Verkündigerkreis (1, 1-4). Wenn er selbst als autoritativ Bezeugender auftritt, so kann er das wohl auch, wenn er zu einem Kreis gehört, hinter dem eine apostolische Autorität aus der ersten Generation steht (vgl. Exk. 1 unter Nr. 5). Deswegen liegt auch für die Forscher, die letzthin an Johannes, dem Zebedäiden und Apostel, als Verf. des Ev festhalten, keine Schwierigkeit darin, für die Abfassung von 1 Joh einen seiner Schüler oder sonstwie Nahestehenden zu postulieren (vgI. S.38). 1 "Adumbrationes" (GCS 3, 209-14). Daß nach seiner Meinung Johannes der Verf. von 1 Joh ist, geht aus Strom. 11, 6, 45 hervor. • Bei EvsBBIUs, H. e. VII, 25, 6ft; vg!. die Stellungnahme des Eusebius selbst 111, 24, 17 u. 25, 21. • Adv. Prax. 15; Scorp. 12. . • Zur Hypothese von E. KlI.semann s. Ein!. zu 2 u. 3 Joh S. 299 f.
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Erster J ohannesbri ef III. ABFASSUNGSZEIT
Bei der engen Verwandtschaft von Joh und 1 Joh kann auch die Abfassungszeit beider Schriften nicht weitab voneinander liegen. Die Edition des Ev in seiner uns vorliegenden Gestalt ist nach fast allgemeiner Ansicht um die erste christliche Jahrhundertwende anzusetzen. Auch ohne, unmittelbare Abhängigkeit des Briefes von der Edition des Ev' (Begleitschreiben, vg!. S. 39) ist dieses Datum für 1 Joh ebenfalls anzunehmen. Die frühgnostische Form der Irrlehre paßt gut dazu. Einen Anhalt für den terminus ad quem bieten auch die Zitate von 1 Joh in anderen literarischen Erzeugnissen. Sicher setzt Polykarp (7,1) 1 Joh 4,2f; 2 Joh 7 voraus. Auch Justin (Dia!. 123,9) blickt höchstwahrscheinlich auf 1 Joh 3, 1 zurück. Ob der Hinweis von 2 elem 6, 9 auf den Parakleten etwas mit 1 Joh 2, 1 zu tun hat, ist ungewiß. Ob die Oden Salomons auf den kanonischen Brief anspielen (OdSaI3, 3, vg!. J Joh 4, 10. 19), ist fraglich. Gewisse gedankliche Berührungen bei Ignatius v. Ant. und Clemens von Rom 1 geben kein Recht, von einer Benutzung des 1 Joh durch diese Schriftsteller zu sprechen. Dagegen bezeugt Eusebius (H. e. 111, 39, 17), daß schon Papias 1 Joh herangezogen habe; dieser schrieb sein Werk etwa um 130.
8. Die Texlüberlieferung -'- Das Comma Johanneum I. DIE TEXTBEZEUGUNG
Die gewichtigsten griechischen Textzeugen sind auch für die Johannesbriefe It ABC, von denen hier wie in der Apg und bei Paulus A und C ebenfalls den ägyptischen Text bieten. Dazu kommen die zwei späteren Unzialen P (10. Jh.) und qr (Athos, Gr. Lawra 172, 8./9. Jh.); in P fehlt 1 Joh 3,20-5,1. Auch die Minuskeln 6,33,81, 104,323,326, 1175, 1739 bezeugen den ij- Text. Besonders wertvoll ist der letzgenannte Cod. 1739 (Athos, Lawra 184), eine Pergamenthandschrift des 10. Jh. mit wichtigen Randscholien (s. bes. zu 4, 3)9. Der sog. Koine-Text wird vertreten durch K L S (S = Gregory 049) und die Masse der Minuskeln. Sehr zu bedauern ist, daß im Cod. D (Bezae), der einstmals zwischen den Evv und der Apg auch die Kath. Briefe enthielt, jetzt eine große Lücke klafft (67 Blätter). Außer einem lateinischen Bruchstück 3 Joh 11-15 und der Unterschrift: Epistulae Johanis 111 explicit, läßt uns dieser Hauptzeuge des "westlichen" Textes ganz im Stich, und dieser Verlust wird durch keine übersetzung aufgewogen". Vgl. CHAINE 97f. Der Gebrauch von TeAELOÜV in Verbindung mit &y&1t'I) ist kein hinreichender Grund. • Vgl. E. v. D. GOLTZ, Eine textkritische Arbeit des 10. bzw. 6. Jh., in: TU 17, 4 (1899); K. LAKE and S. NEW, Six CoJlations of NT Manuscripts (Cambridge [Mass.) (1932) 191-219, näherhin 165-167; H. W. KIM, Codices 1582,1739 and Origen, in: JBL 69 (1950) 167-175. • Vgl. LAGRANGE, Crit. text. 529-532.
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Einleitung
Die Zeugen für die altlateinische Übersetzung sind spärlich und lückenhaft: h (Palimpsest von Fleury, 5. Jh.) enthält 1 J oh 1, 8 - 3, 20; q (oder r) (Freisinger Fragmente, 7. Jh.) enthält 1 Joh 3,8 - 5,2P. Dazu kommen Zitate bei Cyprian, Ps.-Cyprian, De rebapt., und im Ps.Augustinischen Speculum (m) 2. Das ganze Material wird freilich erst in der Beuroner Vetus-Latina-Ausgabe überschau bar sein, in der die Johannesbriefe noch nicht veröffentlicht sind. Doch gestatten die Untersuchungen \V. Thieles 3 schon einen Einblick; sie haben u. a. zu der Feststellung geführt, daß die ältesten lateinischen Texte durch Cyprian und PseudoCyprian überliefert werden 4 ein für die Geschichte des "Comma Johanneum" wichtiges Ergebnis (s. u.). In der altsyrischen Version fehlten die Johannesbriefe (wie die Kath. Briefe überhaupt). In der Peschitta stand (neben Jak und 1 Petr) nur 1 Joh. Erst die Philoxeniana enthält sämtliche Kath. Briefe. Von den anderen Übersetzungen sind die beiden koptischen (sa und bo) wichtig, die die ägyptische Textgestalt bieten. Ir. TEXTKRITIK AN DEN JOHANNESBRIEFEN
Das Stadium eines neuen "textus receptus", das sich nach der fruchtbaren textkritischen Arbeit des vorigen Jh. bis Gregory (1908) anzubahnen und zu einer Bevorzugung des "neutralen", Textes (hauptsächlich B N) zu führen schien, dürfte in der jetzigen Forschung allmählich überwunden werden. Die Rückkehr zu manchen Lesarten des Koine-Textes, die J. Schmid in den letzten Ausgaben des NT beobachten zu können glaubts, spiegelt sich in 1 Joh etwa an folgenden Stellen wieder: ft setzt zu &V'rlZPLO"t'OC; 2, 18 den Artikel, fi läßt ihn fort; in 2,20 steht 7t!Xv't'~C; B N P pc. gegen 7t!XV't'IX AC ft pI. (des näheren siehe z. St.); in 5, 18 bieten BA· IX\h6v, N ft eIXu't'6v. An diesen Stellen bevorzugen die letzten Ausgaben z. T. die ft-Lesart. Wie jedoch schon diese Beispiele zeigen, sind vielfach keine klaren Fronten zwischen der ägyptischen und der antiochenischen Textgestalt gegeben. Viele sekundäre Lesarten des ft-Textes werden natürlich noch weiterhin mit Recht zugunsten des fi-Textes verworfen. Halten nicht manche Vg-Lesarten eine gute Textgestalt fest? A. v. 1 MERK führt öfters noch Codex p (Perpinianus, 13. Jh.) an, der aber nach LAGRANGE, Crit. text. 546 f, nur Vg-Text bietet. 2 Zu Cyprian s. H. FRH. V. SODEN, Das latein. NT in Afrika zur Zeit Cyprians, in: TU 33 (1909), näherhin 224-231; 572-576; zum Ganzen: LAGRANGE, Crit. text. 540 bis 551. Tertullian hat nach L. (540-542) seine Zitate selbst aus dem Griechischen übersetzt. 3 W. THIELE, Untersuchungen zu den altlateinischen Texten der drei Johannesbriefe (ungedr. Diss. Tübingen 1956) (vgl. ThLZ 82 [1957] 71 f). Gedruckt liegen vor: Wortschatzuntersuchungen zu den altlateinischen Texten der Johannesbriefe (Freiburg i. Br. 1958); ferner ein Aufsatz zum Comma Johanneum (s. u.). • Wortschatzuntersuchungen 41. 5 MT hZ I, H. 4 (1950) 72-81, bes. 79.
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Erster J ohannesbrief
Harnack hat die wichtigsten Stellen (2, 17. 20; 3, 10; 4, 3; 5, 17. 18) geprüft und auf eine zuverlässige Zeugniskraft der altIateinischen und VgÜberlieferung erkannV. Nur drei Zusätze zu 5,20 (wie auch das Comma Johanneum, s. u.) verwirft er', und gegenüber den Zusätzen zu 2, 17 bewahrt er eine gewisse Reserve·. Die Vergleichung sämtlicher Vg-Abweichungen, die er an anderer Stelle vorführt., ergibt, daß sie nicht zu einer eigenen Rezension gehören, sondern der lateinische Text einfach als sehr alter Zeuge des griechischen Textes zu beurteilen ist&. Doch hat Harnacks Bevorzugung der Vg-Lesarten wenig Zustimmung erfahren". Bei dem ungeklärten Stand der Forschung in den Fragen der Frühgeschichte des Textes lassen sich die Entscheidungen über einen unsicheren Text nur von Fall zu Fall treffen und sind in diesem Kommentar jeweils an Ort und Stelle kurz begründet. IU. DAS COMMA JOHANNEUM
Als besonderes textkritisches Problem hat das "Comma Johanneum", d. h. die Einfügung eines Satzteils nach 1 Joh 5, 7 in einigen altIateinisehen Handschriften und in der Sixto-Clementinischen Ausgabe der Vulgata, eine Berühmtheit erlangt. Doch konnte die Forschung dieses Problem fast völlig aufhellen, und heute wird die Echtheit dieses dogmatischen Zusatzes, der auch gar nicht in den Zusammenhang paßt, von niemand mehr verteidigt ("consensus vere ~ommunis", Ayuso). Es genügt, den Gang der Forschung kurz nachzuzeichnen und die Ergebnisse darzustellen. Die Sixto-Clementina bietet für 1 Joh 5,7-8 folgenden Text: 7 Quoniam tres sunt, qui testimonium dant [in caelo: Pater, Verbum, et Spiritus Sanctus, et hi tres unum sunt. 8 Et tres sunt, qui testimonium dant in terra]: Spiritus et aqua, et sanguis, et hi tres unum sunt. Die Kontro"'/ verse begann schon im 16. Jh. dadurch, daß Erasmus den griechischen Text von in caelo bis in terra einschließlich in seinen beiden ersten Ausgaben des griechischen NT (1516 u. 1519) nicht wiedergab und erst in seine dritte Ausgabe (1522) widerstrebend (nach dem Codex Montfortianus) aufnahm 7, während die schon vorher gedruckte Complutenser Polyglotte es enthielt. Zur vollen Entfaltung kam die Kontroverse erst im 19./20. Jh. Trotz des Dekrets der Congr. S. Inquisitionis vom 13. 1. 1897, das an der Authentizität des C. J. festzuhalten gebots, sollte die For-
SABerlin 1915, 534--573, abgedr. auch in Studien zur Geschichte des NT und der alten Kirche, in: Zur nt!. Textkritik (Berlin-Leipzig 1931) 105-132. • A. a. O. Anhang 571 f (bzw. 149ff). • A. a. O. 561-563 (bezw. 138ff). • Beiträge zur Einl. in das NT 7 (Leipzig 1916) 56ff. • Beitr. 7, 65. • Vgl. J. E. BELSER in: ThQ 98 (1916) 148-184; LAGRANGE, Crit. text. 564-568. 7 Vgl. A. BLUDAU, Das C. J. (1 Joh 5, 7) im 16. Jh., in: BZ 1 (1903) 280-302; 378-407. • Siehe im Enchir. bibI." nr. 135. 1
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Einleitung
schung nicht behindert werden 1. Tatsächlich beteiligten sich auch katholische Gelehrte wesentlich an der Aufhellung der Textgeschichte des C. J.', und eine neuerliche amtliche Erklärung des S. Officium vom 2. 6. 1927' gab auch den katholischen Exegeten den Weg frei, das C. J. als späteren Zusatz zu betrachten. N ach den neu esten Arbeiten t lassen sich die Forschungsergebnisse wie folgt zusammenfassen: a) Die gesamte griechische Textüberlieferung kennt das C. J. nicht. Es ist in keiner Majuskel enthalten, und kein griechischer Kirchenvater zitiert es - "angesichts der großen trinitarischen Streitigkeiten ebenfalls ein zwingendes Argument gegen (seine) Echtheit" (Wikenhauser). Von den griechischen Handschriften haben nur 4 Minuskeln das C. J., und diese sicherlich auch nur auf Grund lateinischer Textüberlieferung, nämlich 1. der Codex Regius (Gregory 88, 12. Jh.) als spätere Randglosse - nach Tischendorf von der Hand eines Bibliothekars - (aus dem 17. Jh.); 2. der Codex Ravianus sive Berolinensis (16. Jh.), der eine Kopie des Complutensischen Druckes ist; 3. der Codex Vatic. Ottobonianus gr. 298 (Gregory 629, 14./15. Jh. oder noch jünger), einer zweisprachigEm Hs, deren griechischer Text dem lateinischen angepaßt ist; 4. der Codex Montfortianus (Gregory 61, 16. Jh.), ebenfalls in Abhängigkeit von der Vg5. Daraus ergibt sich, daß das C. J. kaum jemals zum griechischen Text gehört hat·, sondern nur ein textgeschichtliches Problem für die lateinische Bibel darstellt. b) Auch die ältesten Hss der Vg (fu, am, harl) haben das C. J. nicht. Erst vom 9. Jh. an dringt es immer stärker in die Vg-Hss ein 7.
Vg!. den Brief von Kard. VAUGHAN in: RB (1898) 149 und die weiteren Angaben bei CHAINE 136. • Vor allem sind zu nennen: K. KÜNSTLE, Das C. J. auf seine Herkunft untersucht (Freiburg 1905); zahlreiche Aufsätze des Bischofs A. BLUDAu (verzeichnet in: DictBiblSuppl2, 72f); J. LEBRETON, Histoire du dogme de la Trinite 1 (Paris '1927); M. DEL ALAMO, Los tres testificantes de la 1. Ep. de Juän, in: Cult. bib!. 4 (1947) 11-14; T. Avuso MARAzuELA, Nuevo estudio sobre el "C. J.", in: Bib 28 (1947) 83-112; 216 bis 235; 29 (1948) 52-76. Auf prot. Seite schrieb einen sehr fördernden Beitrag E. RIGGENBACH, Das C. J. (BFchTh 31, 4) (Gütersloh 1928). • Enchir. bib!.' nr. 136. t RIGGENBACH, Avuso S. O. Anm. 2; vg!. ferner A. LEMONNVER in: DictBibleSuppl 2, Sp. 67-73; CHAINE 126-137; AMBROGGI 210-213; MEINERTZ, Ein!. 278-281. Weitere Stimmen bei Avuso in: Bib (1947) 85fT. Die Ergebnisse Ayusos (die in der 1. Aun. übernommen wurden) sind zum Teil (spanischer Ursprung des C. J.) korrigiert worden von W. THIELE, Beobachtungen zum Comma Johanneum (1 Joh 5,7f), in: ZntW 50 (1959) 61-73. • Vg!. RIGGENBACH a.a.0.11-14; LEMONNVER a.a.O. 68; Avuso in: Bib (1947) 94-96. • W. THIELE (a. a. O. 721) schließt freilich diese Möglichkeit nicht aus; aber man fragt sich, wie der Zusatz dann wieder so zeitig (vor den trinitarischen Kämpfeni) und spurlos aus der griechischen Überlieferung hätte verschwinden können. 7 Vg!. die Liste bei P. MARTIN, Introduction a la critique text. du NT 5 (Paris 1886) 148-152 (abgedr. bei CHAINE 127). Einen kritischen Apparat der Vg-LAA bietet Avuso in: Bib (1947) 107-112. 1
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Erster Johannesbriet
c) Für die Vetus Latina bezeugen das C. J. ein Palimpsest von Le6n, die Fragmente von Freising (q oder r), beide spanischen Ursprungs, Codex p (13. Jh.) und einige Zitate bei kirchlichen Schriftstellern, so Ps.Augustinus, Speculum 2 (CSEL XII, 314, 8. Jh.), Cassiodor, Complexiones (PL 70, 1373 A, zw. 540 u. 570), Ithacius Clarus, Libri tres contra Varimadum I, 5 (PL 62, 359, ca. 389) und Liber apologeticus 1, 4 des Priszillian (t 385) oder - nach anderen - des spanischen Bischofs Instantius, eines Anhängers des Priszillian (CSEL XVIII, 6, a. 380). - Dieses letzte ist das älteste Zeugnis. d) Im ganzen Orient war das C. J. unbekannt. Fraglich ist seine Verbreitung in Nordafrika. Bis in die neueste Zeit nahm man an, daß die Texte bei Tertullian und Cyprian nicht die Existenz des C. J. in ihrem Bibeltext beweisen, sondern als Auslegung des altüberlieferten Textes ohne C. J., nämlich als allegorische Deutung von 1 Joh 5, 8 auf die Trinität, zu verstehen seien 1. Erst die neu esten Forschungen W. Thieles, der das C. J. im Zusammenhang mit anderen Interpolationen der lateinischen Bibel untersucht, lassen es als möglich erscheinen, daß Cyprian das C. J. schon als Bestandteil seiner Bibel vorfand '. Dann wäre die Heimat der berühmten Interpolation in Nordafrika zu suchen, wo sie wie viele andere Zusätze schon im 2. Jh. in den Text gelangt wäre. e) Eine besondere Heimstatt fand das C. J. in Spanien, wo sich Priszillian für seine Auffassungen darauf stützte. Aus verschiedenen Varianten spanischer Handschriften läßt sich schließen, daß es dieser Häretiker schon vorfand, aber nach der auch sonst von ihm bekannten Art abänderte und für seine Lehre benutzte 3. Das ursprüngliche C. J. der Vetus Latina war nach Ayuso orthodox. In die Vg-Hss wanderte es zuerst in dieser orthodoxen Form (seit vgs-clem), in manche auch in der heterodoxen Form des Priszillian·. Demnach bleiben zwar noch einige Fragen für die Frühgeschichte des C. J. offen; fest steht aber, daß es eine relativ frühe Interpolation der lateinischen Bibel ist, die dann im Priszillianismus und in der Geschichte der Vulgata eine Rolle gespielt hat. Die dogmatische Bedeutung, die man ihr zeitweise beigemessen hat, besitzt sie nicht. 1 Vgl. A. BLUDAU, Das C. J. bei Tertullian und Cyprian, in: ThQ 101 (1920) 1-21; Ayusoin: Bib (1948) 521T. Zu Augustinus, der das C. J. selbst nicht zitiert, aber jene allegorische Auslegung bietet, vgl. A. BLUDAU, Der hl. Augustinus und 1 Joh 5, 7f, in: ThGill (1919) 379-386; N. FICKERMANN, st. Augustinus gegen das C. J.?, in: BZ 22 (1934) 350-358; W. THIELE a. a. O. 7lt. 2 A. a. a. O. 68ft. Als Hauptgrund führt er an, daß Zusätze für den alten Bibeltext charakteristisch seien und die Textgeschichte ihre Ausscheidung anstrebte. Die nachträgliche Einführung eines so langen und weitverbreiteten Zusatzes, wie es das C. J. ist, wäre eine singuläre Ausnahme (69). - Für Entstehung des C. J. in Nordafrika (2. Jh.) plädierte schon BÜCHSEL (83). • Dies hat namentlich AYUSO nachgewiesen in: Bib (1948) 561T. 4 Ayuso ebd. 64-71; vgl. seine Ergebnisse 72-74.
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Einleitung
9. 1 Jah in der Kanangeschichte 1. Origenes 1 und Eusebius' rechnen 1 Joh zu den Homologumena. Tatsächlich ist die Geltung des Briefes neben den anderen ntl. Schriften in der alten Kirche ernstlich nie angefochten worden. Für das 2. Jh. bezeugen z. T. die Apostolischen Väter und Apologeten durch Zitate ihre Hochschätzung des Briefes (vgl. S. 42). Andere Kirchenschriftsteller des 2./3. Jh. schließen sich an, nämlich Irenäus·, Tertullian', Cyprian', Clemens von Alex. 8 • Für die Kanongeschichte sind noch folgende Zeugnisse bedeutsam: a) Der Canon Muratori (2. Hälfte d. 2. Jh.) führt in Z. 29-34 1 Joh 1, 1 an und rechnet in Z. 69 (noch) zwei Johannesbriefe zum Kanon 7. b) Zu Origenes s. 0.; verwunderlich ist, daß er 1 Joh mit 7tlXVU o).(Y
In loa. V, 3, bei EusEBIUs, H. e. VI, 25, 10; vg!. auch In Lib. lesu Nave VII, I. H. e. III, 24, 17; 25, 2. • Adv. haer. In, 17, 5 u. 8. • Adv. Prax. 15; Adv. Mare. V, 16; Scorp. 12 u. ö.; vg!. RÖNSCH, Das NT Tertullians (Leipzig 1871) 545-555. • Vg!. das Register bei HARTEL 3, 371 f. • Er zitiert ihn nicht nur oft (vg!. das Register bei O. STÄHLIN: GCS 4, 25 f), sondern hat ihn auch kommentiert (Fragmente in Adumbrationes, übers. von Cassiodor: GCS 3, 209-214)' 7 Th. ZAHN, Gesch. des ntl. Kanons 2, 6 u. 8; wahrscheinlich ist in Z. 69 auch an die zwei kleinen Johannesbriefe gedacht; vgl. Ein!. zu 2 u. 3 Joh (S. 302f). • Nach ZAHN, a. a. O. 157tr, um 300 in Alexandrien oder in der Nähe aufgestellt. • Cat. IV, 36 (ca. 350), bei ZAHN a. a. O. 179. 10 ZAHN a. a. O. 202. 11 ZAHN a. a. O. 2U. 11 Zu den "Alogern" s. IRENÄUS, Adv. haer. III, U, 12 und bes. EPIPHANIUS, Pan. 51; E. SCHWARTZ, Ober den Tod der Söhne Zebedaei (1904) 29tr; Th. ZAHN, Gesch. des ntl. Kanons 1, 220tr; A. BLUDAU, Die ersten Gegner der Johannesschriften (BSt 22, 1-2) (Freiburg 1925). Die Bemerkung des Epiphanius, daß Johannes der Kirche Ev, Briefe und Apk herausgab (51, 35, 2), gestattet keinen Rückschluß, daß die "Aloger" auch den Brief verwarfen. Vg!. JÜLICHER-FASCHER, Ein!. 485; anders BLUDAU a. a. O. 129ft; MEINERTZ, Ein!. 275 Anm. 3. 11 HARNACK: Marcion, Das Evangelium vom fremden Gott (Leipzig "1924) 35tr, näherhin 69ft; Marcions "kritisches Verfahren (ist) in seiner tendenziösen Willkür einzigartig" (69). " Nach R. DEvREEssE, Essai sur .TModore de Mopsueste (Cittil deI Vaticano 19(8) 1
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Erster Johannesbrief
Unter den Versionen hat wahrscheinlich die altsyrische 1 Joh nicht enthalten. Die angeblichen Anspielungen auf Briefstellen bei Aphraates und Ephräm sind recht fragwürdig 1 . Der sog. syrische Katalog, der von Mrs. Lewis herausgegeben wurde und älter als die Peschitta ist, erwähnt keinen Johannesbrief2. Doch muß dieses Schweigen kein feindliches sein. In: die Peschitta (wohl Anfang des 5. Jh.) ist 1 J oh aufgenommen; die Katholischen Briefe dürften erst spät ins Syrische übersetzt worden sein. Die anderen alten Versionen enthalten sämtlich den Brief. (Studi e Testi 141) S. 42, verwarf Theodor Jak, 1 Petr, 1 Joh nich t (wie man bisher allgemein annahm), aber zitierte sie nicht (IscHoDAD von Merw, Ein!. in den Komm. zu Jak). 1 Vgl. W. BAUER, Der Apostolos der Syrer von der Mitte des 4. Jh. bis zur Spaltung der syrischen Kirche (Gießen 1903) 40ff; LAGRANGE a. a. O. 128f; optimistischer CHAINE 102. • LAGRANGE a. a. O. 129.
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AUSLEGUNG
Das Prooemium (1 Joh 1, 1-4) 1,1 Was von Anfang an war, was wir gehört, was wir mit unseren Augen gesehen haben, was wir geschaut und ünsere Hände berührt haben, über den Logos des Lebens, - 2 und das Leben ist erschienen, und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das Ewige Leben, das beim Vater war und uns erschienen ist, - 3 was wir (also) gesehen und gehört haben, das verkündigen wir auch euch, damit auch ihr Gemeinschaft habet mit uns. Unsere Gemeinschaft aber (ist eine Gemeinschaft) mit dem Vater und mit seinem Sohne Jesus Christus. 4 Und dies schreiben wir, damit unsere Freude erfüllt sei. Ohne Präskript, das die damalige Briefsitte erwarten ließel, aber - ähnlich wie das Joh-Ev - mit einem von hoher Warte gegebenen Vorwort (Prooemium) beginnt der Verf. sein Schreiben. In ihm sind wesentliche Grundgedanken des Brief~s zusammengefaßt. Was der Verf. als Vertreter der Augen-und Ohrenzeugen kündet (&7t(XyyeA)..0flEv VV 2. 3), ist das "Erscheinen" des ewig-göttlichen (8 ~v &7t' &px.~~) "Lebenslogos" in einer sinnlich wahrnehmbaren Persönlichkeit zu geschichtlicher Zeit (Aorist). Die auf Grund ihrer einmaligen und ausschließlichen Erfahrung über alle Zweifel erhabene Glaubensgewißheit von diesem Heilsereignis wollen die Kündenden durch ihr Zeugnis auch den Empfängern des Schreibens (K(XL Uf1.LV) mitteilen und es ihnen so ermöglichen, zur (Glaubens-)Gemeinschaft mit ihnen, dadurch aber zur (Lebens-)Gemeinschaft mit dem auf Erden erschienenen göttlichen Lebenslogos, nämlich mit Jesus Christus, und dadurch letztlich zur Gemeinschaft mit Gott, dem Vater Jesu Christi, zu gelangen. Für sich selbst buchen die Künder als Gewinn des Schreibens die Erfüllung ihrer Evangelistenfreude. Drei Gesichtspunkte sind es, die hier zueinander treten und die auch in den Tempora der Verben zum Ausdruck kommen: der Rückblick auf das einmalig-einzigartige Heilsereignis, durch das das Ewig-Göttliche im irdisc.hen Bereich erschien (Aorist); die Gewißheit der "Zeugen" von ihrer unüberbietbaren Glaubenserfahrung, daß sie dieses Göttliche in menschlicher Gestalt mit Augen sehen und mit Händen greifen konnten (hauptsächlich Perfekta als Zeitstufe von Wahrnehmungen, deren Wirkung sich bis in die Gegenwart erstreckt); schließlich der Blick auf die 1
Vg!. dazu Ein!. S. 1.
6 Schnackenburg, Johannesbriefe
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1 Joh 1, 1-4
gegenwärtige Generation, der sie den Glauben, der zur Gemeinschaft mit Gott führt, künden wollen (Präsens-Formen), 'um auch sie der Lebensgemeinschaft Gottes teilhaftig zu machen. Diesen drei Gesichtspunkten, deren jeder in seiner Art wichtig ist, gleich stark und einheitlich Ausdruck zu verleihen, war dem Verf. keine leichte Aufgabe. Er hebt mit dem gewaltigen Gegenstand seiner Verkündigung an, versichert seinen Lesern, daß er und seine Mitzeugen dieses Göttlich-Uranfänglichen durch ihre Erfahrung gewiß wurden, schiebt eine kurze Darstellung des großen Heilsgeschehens dazwischen und findet sich schließlich in seine Zeugenund Verkündigerrolle zurück, um die Gottesgemeinschaft durch die Glaubenspredigt auch den Lesern zu vermitteln. Kein Wunder, daß diese geballte Gedankenfülle, die der Verf. in dem fundamentalen Eingangssatz seines Schreibens ungeteilt ans Licht bringen will, das Satzgefüge verwirrt hat. Sein Gerüst ist klar zu erkennen: 8 ~\I &7t' &Px.~<; 8 &x:1jx6oq.I.I.\I ••• &7tocyyeAAOfL&\I xoct öfL~\I t\lOC xoct ÖfL&~<; XOL\lW\lIOC\l ~x."fl'r& fLe:.&' ~fLw\l. Hören und Verkünden sind einander zugeordnet; die "Wir" sind Vermittler. des Gehörten an die "Ihr", die dies genau so aufnehmen sollen wie sie selbst. Aber es handelt sich nicht bloß um die Weitergabe einer Botschaft, sondern um die Erfahrung und Vermittlung einer göttlichen Realität. Deswegen setzt derVerf. nach &x'1)x6°CfLE:\I neu an (8 ... ) und legt breit und eindringlich dar, wie sie den. "Lebenslogos" mit allen Sinnen ergriffen haben, bis er sich wieder in dem zweiten &x'1)x6°CfL&\I (diesmal hinter ~WPOCXOCfLE:\I) gefangen hat. Aber auch in diesem geschlossenen Stück zwischen den beiden &x"flx6°CfL&\I hemmt und unterbricht er noch einmal seinen Gedankenschritt. Das zum Zwecke der Verdeutlichung von 8 ~\I &7t' &px.~<; eingefügte 7tE:pt 't"OÜ Myou ~<; ~w~<; liefert das Stichwort zu einer Parenthese, die, wieder in sich gerundet (tqlOC\lE:pw.&"fl am Beginn und Ende), das große Heilsereignis klar ausspricht, bezeugt und kündet. So verknäuelt dadurch das Ganze wird, ungeschickt verfährt der Schriftsteller nicht, da er seinen Faden wiederfindet und die von ihm beabsichtigten Akzente gut anbringt. Schließlich leitet den Verf. auch ein rhythmisches Sprachgefühl!, das die nähere Gestaltung von V 1 beeinflußt hat. Denn nach der dem sachlichen Verständnis dienenden Wendung 8 ~WPOCXOCfL&\I 't"o~<; bql.&otAfLo~<; ~fLw\l schließt er eine Zeile an, die ergänzender und rhythmisch sich anpassender Parallelismus ist (8 t.&E:ocO'OCfLE:.&oc ... tlji"flAOCql"flO'OC\l). Auch V. 2, der mit seinem veränderten Rhythmus ungemein lebendig und eindrucksam ist, sowie V 3, der wieder den Takt von V 1 aufnimmt, verraten einen Schriftsteller, der seine Stilmittel mit angeborener Sicherheit beherrscht.
1
Vg!. dazu Ein!. S. 8.
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I Joh I, 1-4
Will man dieses Prooemium verstehen, dann muß man es eng an den Prolog des Joh-Ev anlehnen. Schon die anfängliche Vermeidung des Namens J esus Christus, der gleiche Ausgangspunkt von der &PX~, die zentrale Stellung des Logosbegriffs, die Gewichtigkeit der ~CJ.l~-Aussagen führen auf die gleiche Ebene. Wichtiger aber ist der gemeinsame Kerngedanke, daß der Logos, der die Fülle des göttlichen Lebens in sich trägt, in einer geschichtlichen Stunde "Fleisch wird" (Joh 1, 14) bzw. "erscheint" (1 Joh 1,2) und sich in seinem Wesen den Augen des Glaubens enthüllt (€&EQ:a&fLE&Q: Joh 1,14; tCJ.lp&xQ:!LEV 1 Joh 1,2). V 2 des BriefProoemiums klingt wie eine Zusammenfassung des Ev-Prologs. Bei dieser unanfechtbaren geistigen und literarischen Verwandtschaft sollten aber auch die Besonderheiten des Eingangs von 1 Joh nicht übersehen werden. Neben einigen formalen Abweichungen! ist auch eine gewisse Verlagerung der Tendenz zu erkennen. Will der Prolog Joh 1 einen umfassenden Hymnus auf den Logos anstimmen und als Ouvertüre zum joh. Ev-Bericht auf die rätselvolle Ablehnung des göttlichen Licht- und Lebensbringers seitens der Welt (VV 10-11) vorbereiten, so ist der Brief an dieser ge":' schichtIichen Begegnung des fleischgewordenen Logos mit dem ungläubigen Kosmos nicht mehr interessiert. Er setzt dort ein, wo von der Erfahrung jener die Rede ist, die den göttlichen Offenbarer und Lebensträger erkannten und im Glauben annahmen (Joh 1, 13f). Und nicht an der Tatsache als solcher, daß sich doch ein Kreis der Seinigen fand, denen sich seine göttliche Herrlichkeit erschloß, liegt dem Autor von 1 Joh, sondern an der Sicherheit und Zuverlässigkeit ihrer Glaubenserfahrung, die sie als "Leben" vermittelnde Offenbarung den Späteren künden können. Ihn erfüllt also stärker die Rücksicht auf seine eigene Zeit, auf seine christlichen Leser, und schon in diesem Eingang ahnt man, daß ihr Glaube und ihr Heil nicht unangefochten sind. Dagegen treffen .sich Prolog und Prooemium wieder voll und ganz in dem Inhalt der Glaubenserfahrung: in Joh 1 ist es ein Empfangen aus der Fülle des Gottessohnes (V 16), in l' Joh die Gemeinschaft mit Gott, die durch die gläubige Aufnahme des göttlichen Lebensträgers möglich wird - beidemal eine reale Heilserlangtlllg durch den einen Heilsmittler Jesus Christus. Man wird sagen dürfen, daß der Briefeingang den Ev-PfPlog bzw. den darin eingebetteten LogosHymnus voraussetzt, bewußt aufnimmt und zum Zwecke der aktuellen Verkündigung auswertet.
Joh I
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1 Joh 1
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EXKURS
1:
Sinn und Tragweite der "Zeugen"-Aussagen von 1 Joh 1, 1
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Eine schwierige, bisweilen zu leicht genommene Frage ist die nach dem Kreis der in 1 Joh 1, 1 ff Sprechenden und nach dem Sinn des Zeugnisses, das sie gegenüber der Leserschaft des 1 Joh ablegen wollen. Schließt es den Anspruch unmittelbarer, geschichtlicher Begegnung mit Jesus Christus ein, oder ist dies nur die zu letzter Gewißheit gesteigerte Sprache des Glaubens, die sich auch spätere Glaubensgeschlechter zu eigen machen können? Das Urteil in dieser Kontroverse ' ist nicht nur wichtig für die Frage nach dem Autor von 1 Joh, sondern auch für den Sinn der Heilsbotschaft, die den Briefempfängern verkündigt wird. 1. Vom sprachlichen Gesichtspunkt aus könnte der Verf. hier einen schriftstellerischen Plural' (des Briefstils) gebrauchen, der mit dem Singular völlig gleichbedeutend ist (vgl. V 4)2. Aber für gewöhnlich führt er sich in 1 J oh in der Einzahl ein 3 ; darum ist es wahrscheinlicher, daß er einen größeren Zeugenkreis mitberücksichtigt. Dann würde er in V 4, zwar nicht korrekt, aber im Fluß der Diktion verständlich, den Plural festhalten. Auf jeden Fall hebt er - entweder sich persönlich oder eine größere Gruppe von Zeugen ins Auge fassend - das "Wir" der Kündenden vom "Ihr" der Botschaftsempfänger ab, anders als in jenen Stellen, wo das "Wir" alle Christusgläubigen zusammenfaßU. Diese Tatsache macht die These Harnacks unmöglich, daß das "Wir" in 1, 1ff ein Pluralis autoritatis sei 5 . Gewiß spricht der Verf. autoritativ, aber nicht in dem Sinne, "daß er auch für seine Person allein eine Autorität in Anspruch nimmt, als spreche die Gemeinde der Gläubigen selbst" (Harnack 104). Welchen Sinn hätte dieses Sprechen im Namen der "Gemeinde der Gläubigen", da die Angeredeten doch selbst "Gemeinde der Gläubigen" sind? Der Unterschied zwischen dem "Wir" und "Ihr" liegt tiefer begründet, nämlich im Zellgentum, das Harnack aber nicht gelten läßt e. Das besondere Zeugen-"Wir" taucht noch einmal in 4, 14 (schwerlich in 4, 6) auf. . Außer allen katholischen halten auch viele protestantische Exegeten an einer wirklichen geschichtlichen Zeugenschaft fest. Gegenteiliger Ansicht sind vor allem die im folgenden besprochenen Autoren A. v. HARNACK, E. NORDEN, H. WINDISCH, R. BULTMANN, C. H. DODD, ferner M. D1l'ELIUS in: RGG" 3,348; A. ÜMODEO, La mistica Giovannea 181; H. BRAUN, Literar-Analyse 286; E. KÄSEMANN, Ketzer und Zeuge 305; E. HAENCHEN: in ThRu 26 (1960) 14. 2 So AMBROGGI 225. Vgl. im übrigen zu 3 Joh 9. 3 2, la. 7. 8. 12-14.21. 26; 5, 13. • 2, Ib. 2. 3. 5. 18b u. Ö. - Zu unterscheiden von dem unpersönlichen I:.xv dltW!-'EV 1,6.8. 10 (= 0 t..eywv 2,4.6.9). • Das "Wir" in den joh, Schriften: SABerlin 1923, 96-113. Ihm haben sich angeschlossen WENDT (Johannesbriefe 33), H. SEESEMANN (Der Begriff KOLVWV(CX im NT [Beih.14 zur ZntWj [Gießen 1933] 93 Anm. 1). • A. a. ü. 105: "Eine raum zeitliche Augenzeugenschaft hat er überhaupt nicht zum 1
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2. Sachlich spitzt sich die Kontroverse zu der Frage zu: Behaupten die hier Sprechenden, wirkliche Augen- und Ohrenzeugen der historischen Geschehnisse, nächste Gefährten Jesu Christi während seiner Erdentage gewesen zu sein 1 , oder lassen sich die massiven Wendungen von V 1 auch auf andere Weise verstehen? Der streng realistischen Auffassung, die den Nachdruck auf einen historischen Konnex der hier Sprechenden mit Christus legt, steht entgegen, daß es dem Verf. nicht auf das Geschichtliche als solches ankommt, sondern auf das in ein irdisches Gewand gehüllte Göttliche (8 ~v cbt' &px.~c;). Dieses wird aber trotz aller Sichtbarmachung in "Zeichen" (Joh 2, 11; 11,40), trotz aller Selbstoffenbarung in Worten und Werken (Joh 14, 10; vgl. 1.0,38) doch nur den Glaubenden faßbar. Ein vorwiegend geschichtliches Interesse an Augenzeugen (otÖ't'6'1t't'otL Lk 1,2) und persönlichen Gefährten Jesu (Apg 1,21) liegt in 1 Johnicht vor, vielmehr ein religiöses Interesse. Dieses kann zwar wegen der räumlich-zeitlichen Bedingtheit der Inkarnation die geschichtliche Verbundenheit mit dem göttlichen Lebensträger mitberücksichtigen ; aber dies ist eben erst zu untersuchen. Auch die Deutung der Aussagen von V 1 auf die Begegnung mit dem Auferstandenen! beruht auf einem Mißverstehen. Sie verengt nicht nur ungebührlich den Blick, mißachtet nicht nur die in V 2 gegebene klare Beziehung auf die Inkarnation, sondern übersieht auch den grundsätzlichen Unterschied der Auferstehungsberichte und der Beteuerungen im . Briefprooemium. Im besonderen hat das "Betasten" (wie das Beschauen der Hände und Füße) in Lk 24,39 (vgl. Joh 20,25.27) den Sinn, die Leiblichkeit des Auferstandenen festzustellen und den Argwohn zu überwinden, als handle es sich nur um ein Trugbild. In 1 Joh 1,1 dienen die Verben der sinnlichen Wahrnehmung dazu, ilber die Faßlichkeit, die "Greifbilrkeit" des Ewig-Göttlichen in leiblicher Hülle keinen Zweifel zu lassen. 'Man sucht also gerade nicht über die äußerliche Erscheinungsform Gewiß'heit zu erlangen, sondern will des an sich unerreichbaren, unsinnlichen Göttlichen habhaft werden und findet es in einer Person manifestiert und inkarniert. In Lk 24 soll der Zweifel behoben werden, ob überhaupt eine bestimmte Gestalt vorhanden sei; 1 Joh 1,1 wird beteuert, daß ein sicher Existierendes (8 ~v &n' &px.~C; steht voran) in einer bestimmten Gestalt erschienen sei. Durch das körperliche Sehen und Betasten des Auferstehungsleibes Jesu im lukanischen Bericht soll der (Auferstehungs-) Glaube in den Jüngern geweckt werden; die joh. Aussagen aber schließen den (christologischen) Glauben ein (vgl. Joh 1, 14 mit 12). 3. Sollen diese Wendungen also nur in einer eigentümlich "massiven" Prägung eine Glaubenserfahrung wiedergeben, die alle Glaubenden maAusdruck gebracht." - Vgl. demgegenüber das Buch von M. BARTlI, Der Augenzeuge (Zürich 1946), das aber methodisch z. T. anfechtbar ist. 1 Der Ver!. kann sich dabei auch mit schon verstorbenen Zeugen zusammenfassen. • BISPING, BELSER, LOISY, VREDE; vgl. auch BONSIRVEN 82f; AMBROGGI 223; BARTB a. a. O. 104f; H. J. VOGELS in: ThRev 39 (1940)17.
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chen können? Für die Ausdrucksweise verweist man auf Apg 17,27 a und CHerm V, 2 1 • Gegenstand einer solchen mit sinnlichen Ausdrücken beschriebenen Erkenntnis ist in diesen Texten der unsichtbare, unendliche Gott. Quellgrund dafür sind stoische Anschauungen 2 • Das für Apg 17,27 a gebotene Verständnis verbietet sich aber für 1 Joh 1. Ist dort "Gott greifen" in emphatischer Redeweise das Ziel des Gottsuchens, so bietet sich in 1 Joh 1 das Ewig-Göttliche in einer wirklich greifbaren Gestalt, nämlich in dem inkarnierten Gottessohn dar. Die stoische Popularphilosophie verbirgt unter ihrer bildhaften, volkstümlichen Ausdrucksweise nur schlecht ihr pantheistisch-monistisches Denken; zu ihr kann es kaum einen schärferen Gegensatz geben als die Lehre der Inkarnation mit ihrem ausgeprägt personalen Gottesbegriff. Die Kündendenin 1 J oh 1, 1 ff wollen den Angesprochenen eine besondere, offenbar nur ihnen zuteil gewordene Erfahrung bezeugen. Mit keinem Wort gestehen sie zu, daß die Briefempfänger die gleichen Wahrnehmungen wie sie selbst machen können (vgl. dagegen 00 flocxpoW &.7tO bo<; ex&crrou Apg 17, 27). Die besondere Zeugenrolle der ~fle:1:<; wird außerdem durch den joh. Sprachgebrauch von (lOCPTUpe:1:V 3 , namentlich durch die Verbindung ewpocXeVOCL-(lOCPTUpe:LV (V 2) beleuchtet. In Joh 1,34 (vgl. 32); 3, 11. 32; 19,35; 1 Joh 1,2; 4,14 ist das "Bezeugen" an ein Verbum des Sehens angeschlossen. Dieses Sehen muß zwar nicht stets ein körperliches Schauen sein; in 3, 32 ist opiiv zusammen mit &.XOOe:LV metaphorisch verwendet, um die Unmittelbarkeit der himmlischen Erfahrungen des Menschensohnes auszudrücken. Aber in irdischen Verhältnissen, in geschichtlichen Zusammenhängen (1, 34; 19,35) entgeht man nicht der Konsequenz, körperliche Gegenwart und körperliche Wahrnehmung der Zeugen anzuerkennen, da sonst ihre Beweiskraft hinfällig wird. Darum kann man in zweifelhaften Fällen, wo zwar zunächst die GI a u ben serfahrung des Zeugen in ihrer Unmittelbarkeit hervorgehoben werden soll, diese Erfahrung aber aus einern geschichtlichen Zusammenhang nicht zu lösen ist, das körperliche Sehen unmöglich ausschließen. Ein solcher Fall liegt - neben 1 Joh 4, 14 - an unserer Stelle vor'. Das eigentlich "Geschaute" 1 CHERM V, 2: &
KUptO<; <podveTlXt 8ta TCIXVTO<; TaG K6erfLou. v61)ertv t8dv KIX! AIXßeer.&lXt IXUTIXL<; TIXL<; xeper! 8uvIXerIXt KIX! TI)V dK6vIX TaG ~eoG 3-eclerlXer&t. Vgl. K
NORDEN, Agnostos Theos 17; W. SCOTT, Hermetica 1, 158f (mit Textumstellungen) ; 2, 161 (deutet das "Bild Gottes" auf den wahrnehmbaren Kosmos). Anders NOCKFESTUGIERE (1, 61), die den zweiten Satz als Frage nehmen und unter dem "Bild Gottes" den menschlichen Intellekt verstehen (vgl. auch FERGUSON in: Scott, Hermetica 4, 369); dann entsteht ein anderer Sinn: Ebenso wie man das Denken nicht sehen kann usw., kann man auch Gott nicht unmittelbar sehen, vielmehr nur durch die Ordnung in der Welt erfassen (vgl. 5, 3). 2 Vgl. NORDEN a. a. O. 14 fT. SCOTT (Hermetica 2, 156) rechnet außerdem mit ägyptischem Einfluß. • Vgl. H. S,TRATHMANN in: ThWb 4, S. 502-504; I. DE LA POTTERlE, La notion de temoignage dans saint Jean, in: Sacra Pagina 2 (Paris-Gembloux 1959) 193-208 (mit weiterer Lit.). Vgl. auch zu 1 Joh 5, 7fT. • N. BRox, Zeuge und Martyrer (MüncheJ;lI96I), meint freilich, daß hier wie in 4, 14
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und "Bezeugte" ist ein Glaubensobjekt (V 2 ~ ~w~), aber eines, das nur in geschichtlicher, leiblicher Gestalt erfahren wurde (&cp/Xve:pw&!)). So bietet die Folge der drei Verben in V 2 einen starken Anhalt dafür, daß die in 1,1-4 Sprechenden als solche angesehen werden wollen, die das große Heilsereignis unmittelbar geschichtlich miterlebt haben'. 4. Andere Forscher verstehen die betreffenden Aussagen als "eigentümliche Wiederaufnahme der Situation der Zeitgenossen durch die jeweilige neue Generation"', als "Solidarität der nachkommenden Geschlechter mit dem Urgeschlecht", oder auch als "ein mystisches Nacherleben"'. Nach diesen Deutungen, wie sie des näheren auch nuanciert sein mögen, sähen sich die "Wir" .nur als solche an, die gehört, geschaut, betastet haben. Windisch erinnert an den Grundsatz in Pes. X, 5b (194f Beer): "In jedem Zeitalter ist man verpflichtet, sich selbst so anzusehen, wie wenn man selbst aus Ägypten ausgezogen wäre"; daher heißt es 5c (19Bf): "Er hat uns herausgeführt aus Knechtschaft zur Freiheit." - Nach dem christlichen Glauben ist das Heilsereignis aber grundlegend an Christus gebunden, nicht an die erste Christengeneration, und Christi Rolle ist unwiederholbar. Dodd (13f) verweist für das "Gefühl der Solidarität, das in den alten Gemeinschaften so intensiv war", auf das "Ich" der Psalmen, auf Am 2, 10 ("Ich bin es gewesen, der euch aus Ägypten weggeführt, euch in der Wüste geleitet vierzig Jahre lang") und Jos 24, 7 ("Ihr sahet mit eigenen Augen, was ich Ägypten antat"). Doch dies ist eine Zusammenschließung mit früheren Geschlechtern, die auf Grund des Volksverbandes oder einer Gesinnungs- und Schicksalsgemeinschaft zu allen Zeiten üblich war und auch heute noch, wenn auch nicht mehr so selbstverständlich und so kräftig, vorgenommen wird. Darauf laufen viele 'andere Beispiele, die man sonst noch anführt, hinaus, so Tacitus, Agric. 45: "Mox nostrae duxere Helvidium in carcere manus"; Mt 23,35; Gal 1,23; Augustinus, Ep. 88,8. - In Lk 1, 1; Hebr 1,2 liegt ein Zusammenschluß mit Zeitgenossen vor, ähnlich wie auch wir "unsere" Zeit nicht auf unsere persönliche Lebenszeit begrenzen. Polyk 9,1 ist eine ungenaue Verknüpfung von gegenwärtig und persönlich Erlebtem mit Früherem.
"das Eigentliche, das Moment der Zeugnisabgabe, verblaßt" sei (85). Aber zum mindesten ist, wie auch in Joh I, 14, das "Sehen" des inkarnierten Logos als Grundlage des gläubigen Bezeugens vorausgesetzt. , Auch O. CULLMANN, EI8ev XIX! E1':!O''t'euO'EV, in: Aux sources de la tradition chretienne, Melanges ofT. a M. Goguel (NeucMtel-Paris 1950) 52-61, arbeitet heraus, daß das "Sehen" in Joh I, 14 u. Ö., obwohl ein Sehen mit gläubigen Augen, ein körperliches Sehen impliziere. • BULTMANN, Joh. 46 Anm. 2 (zu Joh I,' 14). • WINDIseH z. st. - Bedenklich dabei ist auch die Nähe, in die W. das mystische Nacherleben im Gnostizismus (der Weg des Erlösers wird zum eigenen Weg jeder Seele) zu den jüdisch-urchristlichen Anschauungen einer solidarischen Verbundenheit bringt. In OdSal 7, 4 gleicht sich der Erlöser dem Erlösten an, damit dieser ihn ergreife; in I Joh I, lf dagegen stehen ihm die Zeugen gegenüber, voll Staunen, daß sie das Göttliche in menschlicher Gestalt greifen können.
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Besondere Aufmerksamkeit sei noch Irenäus, Adv. haer. V, 1, 1 zugewendet, da es sich hier um eine Erfahrung Späterer an Christus handelt. Die Stelle lautet: "Neque rursus nos aliter discere poteramus nisi magistrum nostrum videntes et per auditum nostrum vocem eius percipientes." Der Unterschied zum Prooemium von 1 Joh springt in die Augen, wenn man auf Sinn und Zweck dieser Redeweise achtet. Diese späteren Christen wollen nicht als Zeugen für das einstige Christusgeschehen gegenüber anderen auftreten, sondern "uti imitator es quidem operum, factores autem sermonum eius facti communionem habeamus cum ipso". Diese Erfahrung, die aus ei~er lebhaften religiösen Vorstellungskraft erwächst Christus steht als Lehrer vor ihnen - , können freilich die Christen zu jeder Zeit machen. Die angeblichen Parallelen also, die man aus dem jüdischen, heidnischen und christlichen Bereich beibringt, betreffen sämtlich nicht eine so dringliche Situation wie die, in der sich der christliche Glaube gegenüber dem einmaligen großen Heilsereignis der Erscheinung des Lebenslogos auf dieser Erde befindet. Dies ist ein Geschehen, das ganz ernsthaft und unlösbar an seinen geschichtlichen Standort gebunden bleibt, das nie und nimmer seinen Kerngehalt an eine liturgische Feier (Passahfest!) abgeben kann oder nur die religiöse Vorstellungskraft (Irenäus, A. h. V, 1,1) bereichern soll. Jene angeblichen Parallelen bieten sämtlich nichts Paralleles zu dem typischen joh. "Bezeugen", das ein unmittelbares Erfahren und BelehrenWollen anderer voraussetzt. 5. Wenn demnach kaum zu bezweifeln ist, daß der Verf. zu einem Kreis berufener und qualifizierter Zeugen gerechnet werden will, der die unmittelbare geschichtliche Nähe des inkarnierten Gottessohnes erfuhr, bleibt doch eine Schwierigkeit: Es ist wenig wahrscheinlich, daß in so vorgerückter Zeit noch ein größerer Kreis von Augen- und Ohrenzeugen am Leben war. Auch wenn die Mehrzahl schon entschlafen sein könnte, verlangte die Ausdrucksweise (Präsensformen) immer noch eine Anzahl von Überlebenden. Nicht zuletzt dieser Grund ist es, der an der traditionellen Ansicht, hier spräche der Zebedäide Johannes, zweifeln läßt; denn auch nach der Tradition ist dieser eine in die nachapostolische Zeit hineinragende Ausnahmeerscheinung. So hat man - bei Anerkennung des besonderen Anspruches der "Wir" gegenüber den "Ihr" - nach einer anderen Auskunft gesucht: Der Verf., nicht selbst unmittelbarer Zeuge des großen Heilsereignisses, äußere ein prophetisches Selbstbewußtsein, in dem er die Autorität der eigentlichen Augen- und Ohrenzeugen übernehme. Es sei ein "pluralis propheticus", den sich Männer zueigen machten, die sich "irgendwie als Nachfolger der Urapostel aufgefaßt haben"; sie gehörten zu einern Kollegium, "in dem die Autoptie gleichsam deponiert ist" 1. Ähnlich meint E. Haenchen: "Der Verfasser spricht in den Anfangsworten im Stil einer
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A.
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KRAGERUD,
Der Lieblingsjünger im Johannesevangelium (Oslo 1959) 1021.
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prophetischen Offenbarung und verleiht damit seinem Anliegen das rechte Gewicht." 1 Nun läßt sich schwerlich --:- außer vielleicht für die Apk nachweisen, daß hinter dem joh. Schrifttum ein "prophetisches Kollektiv", eine enger zusammengeschlossene Vereinigung apostolischer Wandermissionare steht, aus deren Kreis die einzelnen joh. Schriften hervorgegangen wären 2 ; aber man könnte diese These in der Weise abwandeln, daß sich auch noch Schüler der Urapostel durch ihr enges Verhältnis zu diesen für berechtigt hielten, deren Augen- und Ohrenzeugnis zu vertreten und weiterzugeben. Von einem "prophetischen Selbstbewußtsein" läßt gerade 1 Joh sonst nichts erkennen, wohl aber von einem starken Gefühl für die Kräfte der Tradition; als Traditionsträger (vgl. 2, 7. 13f. 24; 2, 11), der an der Sendung der unmittelbaren Jünger Jesu (vg!. Joh 4,38; 13,20; 17,18; 20,21) partizipiert, könnte sich auch noch ein Schüler und Vertreter des Zebedäiden Johannes zu einem Kreis "apostolischer" Zeugen zählen, die durch ihre Verbundenheit mit dem auf Erden, "im Fleisch" erschienenen Gottessohn ein einmaliges und ausschließliches Glaubenszeugnis für ihn ablegen. 6. Welchen Sinn haben mlD diese realistischen Beteuerungen für das ganze Schreiben? Wenn· die Sprechenden, wie wir sahen, Augen- und Ohrenzeugen nicht aus rein historischem Interesse sein wollen, warum forcieren sie dann die sinnlichen Wahrnehmungen so sehr? Wollen sie damit nur ihrer eigenen Glaubensüberzeugung nachhaltigen Ausdruck verleihen? Bei aufmerksamem Weiterlesen erkennt man, daß der Verf. schon in diesem Vorwort auch die Irrlehre im Auge hat, die er dann durchgängig bekämpft. Man darf ihre christologischen Irrtümer nicht zu sehr ins einzelne aufspalten, sondern muß ihr 1tpoo't"O\l ljie:ü80t; erkennen: sie leugnet überhaupt die Erlösergestalt Jesu Christi oder, anders gesagt, die Erlösungsund· Heilsbedeutung Jesu Christi. Das ist der Generalnenner für die so verschiedenen Aussagen über Jesus Christus (vg!. Ein!. S. 17ff), das ist auch der Punkt, an dem die "christologische" und die "moralische" Lüge zusammenhängen. Die bekämpften Gegner verkünden einen· Heilsweg, bei dem Geboteerfüllung und Bruderliebe (2, 3ff; 3, Ib. 6; 4, 7f), Reinigung von den Sünden durch das Blut Jesu (1,7; 5,6; vg!. 2,2; 3,5.16; 4, 10. 14), schließlich Jesus Christus selbst als Heilsmittler (2,22; 5, 1) ohne Belang sind. In der Inkarnation wird die tiefgreifende Andersartigkeit des christlichen Heilsweges gegenüber dem "gnostischen~', wie ihn 1 Joh.bekämpft, für den Verf. am deutlichsten offenkundig. Der gnostische ist von dem geschichtlichen Geschehen und von einer historischen Mittlerpersönlichkeit völlig gelöst; der Gnostiker glaubt das Heil durch unmittelbares Erkennen und Schauen Gottes zu erlangen. Der wahre Christusgläubige aber sieht einen ganz anderen Weg zum Heil vor sich, und zwar als einzigen: Er kann das Gottesleben und die
In: ThRu 26 (1960) 14. • VgI. R. SCHNACKENBURG in: BZ NF 4 (1960) 305f.
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Gottesgemeinschaft nicht unmittelbar erringen, sondern nur über und durch den geschichtlich im Fleische gekommenen Gottessohn (5, 11 f; vgl. Joh 6,57). Dieser ist darum selbst "der Weg", der Weg schlechthin (Joh 14, 6). Gegen über dem unmittelbaren "N ach-Gott-Greifen" des Gnostikers verk ündet d er christliche Gla ube das" Greifb arWerden" des Ewig-Göttlichen in einer einmaligen menschlichen Gestalt. Beides: die Realität des "Fleisches" und die darin verborgene Göttlichkeit des "Logos", gehört unbedingt zusammen; erst die Einheit ist das wahre Glaubensobjekt und die große Heilserfahrung, die es zu künden gilt. Den unmittelbaren Zeugen dieses Geschehens fällt dabei, sofern sie seine Bedeutung im Glauben erfaßten, die besondere Aufgabe zu, dies allen Zeiten zu bezeugen und zu künden: 1 Joh 1, 1 ff. Sowohl die Geschichtlichkeit wie insbesondere die Form der Inkarnation sind Charakteristika des großen Heilsgeschehens, das Gott zur Rettung der Menschheit in Jesus Christus verwirklichte. Das hat der Verf. von 1 Joh in Auseinandersetzung mit dem gnostischen Irrweg erkannt. Das Geschichtliche hebt er im weiteren Verlauf noch durch Wendungen mit "senden" (4,9.10.14) oder "gekommen sein" (4, 2; 5, 6. 20a) hervor. Für die Inkarnation besitzt er die Formel EV (J'ocpxt EAl)AU.&6-roc (4,2); am liebsten weist er kurz durch ECPOCVEP6:..&l) auf sie hin (1,2; 3,5.8; 4,9). Was aber diese geschichtliche Selbstoffenbarung Gottes in Christus'für den Glauben und wi d er den Irrglauben der falschen Gnosis bedeutet, sollen schon die ersten Sätze seines Schreibens klar vor die Leser hinstellen.
1, 1 Das an der Spitze stehende 8 ~v &7t' &PX~<; ist vielleicht bewußt allgemein (Neutrum) und geheimnisvoll knapp gehalten, um seine in Gottes Abgründe führenden Tiefen anzud'euten 1. Die in 1 J oh öfter gebrauchte Wendung &7t' &pX~<;' bezieht sich meist auf die von Anfang an verkündete Lehre (2, 7. 24; 3, 11) und soll zum Bleiben in ihr gegenüber den erst später auftretenden Irrlehrern bewegen. Doch besitzt dieses urchristliche Traditionsprinzip noch einen tieferen, seinshaften Grund. Die "von Anfang an" verkündete Botschaft hat auch den persönlichen Träger eines uranfänglichen Seins (-röv &7t' &pX~<; 2, 13f) zum Inhalt, und wie in der Lehre (2,24) so sollen die Briefempfänger auch in ihm selbst (2,27; 3,6) bleiben. Für dieses wesentliche Anliegen des Schreibens kann das Eingangswort schon den Boden bereiten; es bezieht sich nicht auf den Anfang der Verkündigung", sondern den persönlichen Träger des uranfänglichen
1 Vgl. HÄRING: "Das sächliche Geschlechtswort ,das', ,was' dient in der höheren, namentlich in der religiösen Sprache dazu, in seiner Unbestimmtheit fühlen zu lassen, daß es sich um etwas in menschlicher Sprache eigentlich nicht vollkommen Auszudrückendes handelt." - Vgl. auch BULTMANN, Theol. 380. 2 2, 7 bls . 13. 14. 24 b1S ; 3,8. 11; vgl. 2 Joh 5.6. 3 So H. H. WENDT in: ZntW 21 (1922) 38-42 und Johannesbriefe 31fT; M. GOGUEL, La Naissance du Christianisme 398.
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Seins, wie das ~v und die Aufnahme der Wendung durch m:pt TOÜ Myou T7j<; ~CIl~<; beweisen. Die neutrisehe Form tritt in der joh. Sprechweise öfter für das Maskulinum ein!. Die das sprachliche Gleichmaß störende Wendung 7te:pt TOÜ Myou T7j.; ~CIl~<; erklärt sich aus dem Drang nach Verdeutlichung'. Sachlich besagen die beiden Wendungen, die am Anfang und Ende von V 1 stehen, dasselbe: den präexistenten und dann inkarnierten, die Fülle des göttlichen Lebens in sich begreifenden "Logos", der so wenig wie in Joh begrifflich erläutert wird. Nur in der Wendung a ~v &.7t' &.pX~<; und- im Terminus 0 Myo<; selbst wird das ewige göttliche Sein hervorgehoben; ohne bei dessen Eigenbedeutung zu verweilen, richtet der Verf. sofort alle Aufmerksamkeit darauf, daß es im inkarnierten Lebenslogos der Glaubenserfahrung zugänglich wurde. Zu fragen bleibt, ob unter dem "Anfang" der Schöptungsanfang (Brooke, Chaine) oder eine uranfängliche Zeitlosigkeit und Zeitüberlegenheit (Belser, Camerlynck, Bonsirven u. a.) zu verstehen ist. Da eilt' cXp:x.'ij~ keine wörtliche Anspielung auf ev cXpx'ii Joh 1, lf (vgI. Gn 1, 1) ist und das Prooemium im Unterschied zum Johannesprolog die Tätigkeit des Logos bei der Schöpfung nicht erörtert, wird der Ausdruck nur die Präexistenz und Göttlichkeit hervorheben sollen. Nicht nach seiner Tätigkeit ist der Logos das Thema der Verkündigung (gegen Chaine), sondern nach seinem uranfänglich-göttlichen Sein (der ~61~), das sich durch die Inkarnation (V 2) den Glaubenden erschloß, um sie in die Gottesgemeinschatt heimzuholen (V 3).
Das Ewig-Göttliche haben nun die hier Sprechenden gehört, mit ihren Augen gesehen, mit ihren Händen betastet. Gerade auf diese "Greifbarkeit" des an sich den Menschen Unerreichbaren, diese geschichtliche Erfahrbarkeit des Zeitlos-Erhabenen wird, wie die Häufung und Steigerung der Verben zeigt, aller Wert gelegt. Man ist so des ewig-göttlichen Lebens in einer menschlichen Gestalt habhaft und in der Folge auch selbst teilhaft geworden. Die Wahl der Tätigkeitswörter geschieht bewußt und in sinnvoller Reihenfolge. Das Erscheinen des Logos in menschlicher Gestalt bedeutet Selbstoffenbarung Gottes; ihr gegenüber ist zunächst das Hören das angemessene Verhalten. Streng genommen, besagt die Wendung nicht, daß die Bezeugenden die Worte des inkarnierten Logos, sondern daß sie ihn selbst, gleichsam als das "Wort" Gottes an die Menschheit, "gehört" haben. Doch darf man auch an seine Botschaft denken, da diese vor allem Selbstbezeugung des Gottgesandten, des einzigerzeugten Gottessohnes, ist (vgl. die vielen ~Y6>-e:tILL-Prädikationen im Joh). Damit kein Zweifel bleibe, daß die große Heilsoffenbarung Gottes in einer persönlichen Gestalt erfolgte, setzt der Verf. hinzu: "was
VgI. Joh 3, 6 mit 5; 4, 22 mit 23; 6, 37 a mit b; 6, 39 mit 40; 17, 2 triiv /) mit I1Ö"t"or~; 17, 10 mit 9; 1 Joh 5, 4 mit 5. - BLAss-DEBR § 138, 1. • Man könnte bei 8 ~v cXtr' cXpx'ij~ auch an einen vorangestellten absoluten Nominativ denken (BONSIRVEN), wie er in Joh nicht.selten ist (Joh 7, 38; 17,2; vgI. 15, 2; - 1 Joh 2,24.27; BLASS-DEBR § 466,1; MOULTON-THUMB 105f); aber cXtrl1yyeAAe,v trep! "t"!VO~ ist, wie der Vergleich mit y 2 zeigt, gegenüber dem Akkusativ die sekundäre Konstruktion.
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wir mit unseren Augen gesehen haben". Wie das Perfekt zeigt" liegt den Sprechenden an der dauernden Wirkung dieses Hörens und Sehens; es erzeugte bleibende Erkenntnis, gefestigten Glauben (vgl. Joh 6,69; 1 Joh 4, 16). Noch stärker zur Konkretheit führt das letzte 8-Sätzchen. Es stellt stilistisch und rhythmisch einen Parallelismus zu den beiden ersten 8-Sätzchen dar: 8 &X"I]X6IXfWJ, 8 EWPOCXIXI-te:V TO~~ O(jl&IXAI-tO~~ ~I-tWV, 8 t&e:lXcrOCI-te:&1X XIXL IXL Xe:LPe:~ ~I-tWV e~"I]AOC(jl"l]crIXV. Das zweite Glied ist jeweils über das Verbum hinaus erweitert. Die beiden Verben der zweiten Zeile gehören durch ihre Aoristform zusammen. Die Erkenntnis dieses stilistischen Verfahrens ist aus mehreren Gründen wichtig. Einmal dürften die Aoriste hier keine Bedeutungsnuance gegenüber den Perfekta der ersten Zeile ausdrücken; sie sind vielmehr durch das Bedürfnis nach Variation veranlaßV. Sodann erklärt sich aus dem rhythmischen Stilempfinden des Verf. am leichtesten die sonst nach e:WPOCXIXI-te:V usw. sonderbare Einfügung von e&e:lXcrocl-te:&IX; denn daß dieses zweite Verbum des Gesichtssinnes gegenüber dem ersten noch einen besonderen Gedanken ausdrücken sollte, ist nach Kontext und Sprachgebrauch schwerlich anzunehmen". Eine "Vergeistigung" des realistisch beschriebenen Sehens in Zeile 1 (TOr:~ O(jl&IXAI-tO~~ ~l-twv) zu einem "Schauen" im Glauben (Glaube gehört auch zum EwplXxevIXL!) wäre in diesem Zusammenhang nur Störung und Rückschritt. Die gedankliche Steigerung, durch Rhythmus und Wortstellung kräftig unterstübt, bringt erst das "Betasten der Hände". Dadurch wird die Manifestation des Ewig-Göttlichen in menschlich-greifbarer Gestalt aufs stärkste verdichtet - und nichts anderes (vgl. Exk. 1). So liegt in der Folge der Verben ein "wunderbares Crescendo" (Chaine), das durch das Ritardando bei t&e:lXcrOCI-te:&1X nur erhöht wird. Syntaktisch nicht korrekt fügt der Verf. jetzt 7te:PLTOÜ A6you T'ij~ ~w~~ ein. Vielleicht vermeidet er den Akkusativ um der Gefahr eines Mißverständnisses willen'; auf jeden Fall kam ihm wohl in dieser Form
1 Zur Bedeutung des Perf. im allgemeinen vgl. BLAss-DEBR §§ 318, 4; 342. Zu &xooew und opiiv ist der Unterschied von EWPOCXOC und ~xouaoc in Joh 3, 32; Apg 22, 15 zu beachten, wo das Sehen den Ausschlag gibt; Joh 5, 37; 1 Joh 1, 1. 3 dagegen ist das Hören (&x~xooc) ebenso wesentlich. 2 Vgl. RADERMACHER zum Tempusgebrauch der Koine: "Mitunter finden sich verschiedene Tempora bunt durcheinander im Gebrauch, ohne daß eine Unterscheidung des Sinnes zu erkennen ware" (150); speziell zu Perfekt und Aorist S. 154; ferner MOULToN-TnuMB 187 u. 192. , Zum Sprachgebrauch vg!. 1 Joh 4,12 mit 20; Joh 1, 38; 4, 35; 6, 5 (leib!. Sehen); 11,45 (vgl. mit 2,23 &ewpeiv) - BAuERWb 698, s. v.l; BULTMANN, Joh. 45 Anm. 1; M. BARTH, Der Augenzeuge 94 f; 103 f; O. CULLMANN, E!llev xoc! E7tla't"euaev 55. • Vg!. 0 A6yo~ OV ~xooaocTe 2, 7; der Akkus. könnte mißverstanden werden als "Botschaft vom Leben" (Phi! 2, 16); ähnliche Gen. obi. nach A6yo~ Mt 13,19; Apg 13, 26; 14,3; 15, 7; 20,32; 1 Kor 1,18; 2 Kor 5, 19; KOll, 5; 1 Tim4, 6. Mit 7tep( ist diese Deutung ausgeschlossen (gegen WINDlscn).
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1 Joh 1, 2
besser der personale Charakter jenes Objektes zum Ausdruck, auf das sich die Aufmerksamkeit im höchsten Grade gesammelt hat. Auch grammatisch kann so das Objekt von (,.7tfXyyeAAwl (im Sinne von "berichten über jemand oder etwas") 1 wiedergegeben werden. Mit 0 A6yo.; TIjc; ~(U~C; fällt ein inhaltsreicher Terminus, dessen Kenntnis bei den Lesern vorausgesetzt wird. Nach der bisherigen Erklärung kann kein Zweifel sein, daß derselbe Logos wie in Joh 1 (s. dort) gemeint ist. Neu ist die Anfügung von TIjc; ~(U~c;, die dem Verf., wie das Folgende zeigt, die Hauptsache ist. Denn ihm geht es um die Bedeutung des Logos für die Menschen, wenigstens diejenigen, die glauben (für "uns" und "euch"), und er sieht diese Bedeutung in der Weitergabe des ewigwährenden göttlichen Lebens (vgl. 2,25; 5, 11-13) - ein anderer Gesichtspunkt für die "Gemeinschaft mit Gott" (1,3.6). Der (inkarnierte) Logos aber ist befähigt, das "Leben" weiterzuvermitteln, weil er es in seiner Fülle in sich trägt (Joh 1,4; vgl. 5, 21-26; 6,57) und weil er, der Gottessohn, dazu in die Welt gesandt wurde, der Welt das "Leben" zu bringen (1 Joh 3,9; vgl. Joh 3,16; 6,40. 50f; 10,10; 11,25f). Die Beifügung ist also ein Gen. qualitatis oder appositionis: der Logos trägt in sich "Leben" und ist seiner ganzen Natur nach "Leben". Solche Genitivverbindungen mit ~(U~c; sind im joh. Schrifttum nicht selten 2 und deuten insgesamt auf die große Heilsgabe des göttlichen Lebens hin. Dagegen ist das "Wort des Lebens" in der mandäischen Literatur 3 nur ein Name unter vielen, der in jenen weitschweifigen, bewußt bild- und wortreich angelegten Texten keineswegs die Prägnanz und Schwere des joh. Terminus gewinnt. 1,2 Die Nennung des "Lebenslogos" veranlaßt den Verf., das Erscheinen des Gotleslebens in der todumschatleten Menschenwelt in einer Parenthese darzustellen. Dabei wird ~ ~(U~ - vielleicht schon im Gen. apposit. so empfunden - personifiziert; auch Paulus (KoI3, 4) und Ignatius von Ant. (IgnEph 7,2) bezeichnen Christus als "unser Leben". Vor allem aber sagt der joh. Christus selbst: dfL~ ... ~ ~(U~ (11,25; 14, 6). Daß der Gottessohn, der Träger und Mittler der ~(U~, gemeint ist, finden die
eyw
1 Gegen LOHMEYER in ZntW 27,227. Im NT s. Lk 7,18; l
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1 Joh 1, 2
Leser zudem durch das unvorbereitet auftauchende ~'n~ ~v 7t'PO~ 't'ov 7I'OC't'EPOC bestätigt. Das Leben "erschien" - mit diesem lapidaren Satz wird das große Heilsereignis, das einmal zu geschichtlicher Stunde (Aor,) in der Menschenwelt erfolgte, angesagt. Wie das Verbum tpocve:poücr&oc~ lehrt" war das eine Tatoffenbarung, eine Enthüllung des verborgenen Wesens Gottes, und zwar eine einmalige und einzigartige. Die GottesEpiphanie in der Person Christi wird zum besonderen Thema in Joh (14,8f). Der Sohn ist die große Offenbarung des Vaters vor ,den Menschen und zugleich der Weg für die Menschen zum Vater. Der Aorist ttpocve:P6J1hj bezeichnet wie in 3,5.8 die Inkarnation; demgegenüber blickt 1 Joh 2,28 noch auf eine zweite Manifestation (ebenfalls tpocve:poücr&oc~) des Gottessohnes in der Zukunft: die Parusie. Die Inkarnation verteidigt der Autor von 1 Joh gegenüber den Falschpropheten seiner Tage (4,2); er hat ihre Bedeutung theologisch tief erfaßt. Durch sie und nur durch sie - wirddas Ewig-unsichtbar-Göttliche (8 ~v &:71" &:PX~~) sichtbar und greifbar, offenbar und mitteilbar, so daß die der Finsternis 'und Todeswelt bis dahin verhafteten Menschen wieder an der Herrlich~ keit des göttlichen Seins und Lebens Anteil gewinnen können. Damit verlagert die joh. Theologie das Schwergewicht vom Golgotha-Ereignis, das bei Paulus beherrschend im Mittelpunkt steht (Röm 3, 24 f; 1 Kor 1,23; 2,2; 2 Kor 5,14.19.21; Gal 3,13; Kol 1,20; 2,14f), auf die Menschwerdung des Gottessohnes (Joh 1,14; 3,16; 1 Joh 4,9), wenn auch der Kreuzestod Jesu als Erweis der göttlichen Liebe und des göttlichen Versöhnungswillens seine selbständige Bedeutung wahrt (1 Joh 2,2; 3,16; 4,10). Schon in der Sendung des Sohnes in die Welt (1 Joh 4,9. 14), im Kommen des Lichtes in die Finsternis (Joh 12, 46f) ist das Heil verbürgt, wenn auch das "Kommen im Blute" (1 Joh 5, 6) zur Integrität des Erlösungswerkes gehört. Während Paulus die Menschwerdung stärker christologisch akzentuiert (Phil 2, 6f) bzw. ihre soteriologisehe Bedeutung in der Beendigung der Schreckensherrschaft der Unheils mächte erblickt (Gal 4,4), gewinnt sie für das joh. Denken von 1
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I Joh I, 3
vornherein soteriologischen Charakter: Sie ist Einsenkung des ewigen Lebens in die gottentfremdete Menschenwelt, Einbruch absoluter, unzerstörbarer Lebensrnacht in den vergänglichen, dem Verderben verfallenen Kosmos (1 Joh 2, 17). Dieses in einem persönlichen Träger verkörperte Gottesleben versichern die hier Sprechenden gesehen zu haben - der Verf. greift mit diesem einen Verbum EWpOCXIXtJ.~\I (das ihm besonders gut zu ~CPIX\I~PW.&"YJ paßt) alle Verben der sinnlichen Wahrnehmung auf, die im Zentrum von V 1 standen - , und sie bezeugen es (vgl. dazu Exk. 1) entsprechend und verkünden es den Briefempfängern. Noch einmal wird dabei der so bedeutungsvolle Gegenstand genannt, diesmal in der vollen, sachlich nichts Neues sagenden Form "das ewige Leben" '. Das mit Wiederholung des Artikels nachgestellte Attribut hebt aber die Einzigartigkeit dieses personifizierten göttlichen Lebens im Unterschied zu jedem anderen vom Tod bedrohten, in seiner Kraft begrenzten, darum uneigentlichen "Leben" hervor, das auf Erden vorfindiich ist'. Das göttliche Leben ist seinem Wesen nach unvergänglich und unzerstörbar, und gerade darum die tiefe Sehnsucht der von Tod und Verweslichkeit bedrohten Menschen. Zurücklenkend auf ihre Zeugenrolle (V 1 - Anfang von V 3), betonen die Sprechenden nochmals die staunenswerte Tatsache, daß dieses Gottesleben, das beim Vater war, gerade ihnen erschienen sei. Der absolute Gebrauch des Vaternamens für Gott (Joh 1, 1 7tpOr; ,,0\1 .&~6v) schlingt wieder einen starken Verbindungsfaden zum Joh-Ev hinüber. Das betonte ~tJ.L\I verrät die gleiche selige Ergriffenheit, die aus Joh 1, 14c. 16 hervorklingt. 1,3 Nach der Parenthese V 2 bezieht sich der' Verf. ausdrücklich auf V 1 zurück (5 ... ). Schon zum drittenmal versichert er: EWpOCXIXtJ.EV, diesmal vor &X"YJX61XtJ.~\I, weil das Sehen (wie in V 2) dem "Erscheinen" des Lebens entspricht. Das &)("YJX61XtJ.~\I, mit dem, der Verf. den ursprünglichen Faden (Anfang von VI) wiedergewinnt, bietet zugleich den Übergang zur Verkündigung. Auch 3 den Empfängern wird diese Heilsbotschaft zuteil, damit sie (Glaubens-)Gemeinschaft mit dem Kreis der unmittelbaren Zeugen des großen Heilsgeschehens haben. Durch die enge Verbindung mit dieser Schar, d. h. durch denselben Glauben, sollen auch sie Vgl. den Wechsel von l;(j)~ und l;(j)~ ct16lVLoc; in Joh 3, 36; 5, 24; 6, 53f. Zur ganzen Frage vgl. J. B. FREY, Le concept de "Vie" dans l'Ev. de S. Jean, in: Bib I (1920) 37-58 211-239, näherhin 501i; H. PRIBNOW, Die joh. Anschauung vom "Leben" 271i; R. BULTMANN in: ThWb 2, S. 872; J. DUPoNT, Essais 163-165; F. MUSSNER, Die Anschauung vom "Leben" 48; 177 f. • Vgl. auch die in den mandäischen Schriften ständig wiederkehrende Aussage: "Das Leben ist siegreich',', die die Sehnsucht nach solcher unzerstörbaren Lebensrnacht widerspiegelt. • Kct! vor otJ.iv fehlt in ft Vg syh sa bo, wird aber ursprünglich sein; diese Hss haben es vielleicht gemäß &1t"ctyyeAAotJ.&V otJ.iv V 2 oder wegen der Doppelung mit Xctt otJ.eic; weggelassen. 1
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Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn besitzen - ein Kommunikationsprinzip, das schon Joh 17, 20f erkenntlich wird. Denn das ist das eigentliche Ziel der Verkündigung bzw. des durch sie erzeugten Glaubens: den Sohn zu "haben" und durch den Sohn den Vater zu "haben" (2,23; 5,11f). V 3b, der "grammatisch einen selbständigen Satz darstellt \ gehört also sachlich eng mit V 3 a zusammen. Die pleonastische Redeweise xoc[ + a~ ist durchaus möglich 2 und hat hier den Sinn, einerseits die den Empfängern angesagte Gemeinschaft mit den Verkündigern zur Gemeinschaft mit Gott" weiterzuführen, anderseits deutlich zu machen, daß die Verkündiger selbst (~~fLETepoc) ganz gewiß diese Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn besitzen. Die "Gemeinschaft" der Leser .mit den Verkündern V 3a ist also zunächst - auf Grund der Verkündigung - eine Gemeinschaft desselben Glaubens (vgl. 2 Joh lOf), aber wird sogleich, da der Glaube das "Leben" vermittelt (Joh 3, 16.36 u. ö.) zu einer seinshaft-übernatürlichen Gemeinschaft auf Grund desselben "Lebens"-Besitzes. Die Kündenden ziehen die gläubig Hörenden in den Lebenskreis Gottes hinein, in jene Gottesgemeinschaft, in der sie selbst schon stehen. Der Vater wird zuerst genannt (vgl. 2, 22b), weil er das letzte Ziel der erstrebten Vereinigung ist und die Voranstellung seiner Würde entspricht. Die koordinierte Hinzufügung fLETtX TOÜ u[oü OCUTOÜ 'I. Xp. bedeutet nach dem Zusammenhang, daß die Gemeinschaft mit dem Vater nur über den Sohn zu erreichen ist (vgl. Joh 14,6ff; 1 Joh 2,23; 5, 11f). Die feierliche Namensnennung "Jesu Christi" (apologetische Spitze gegen die Irrlehrer ? V gl. 4, 15; 5, 4 f) wie auch der ganze solenne Tonfall von V 3 b zeigen - neben der Heilsproklamation von V 2 - einen Höhepunkt des Vorwortes an. Die Gottesgemeinschaft - oder unter anderem Gesichtspunkt der Besitz des Gotteslebens 5, 13 - ist die frohe Botschaft des ganzen Schreibens (s. Exkurs 2). Gerade der Vergleich mit 5, 13 zeigt, daß das Prooemium diese Gottesgemeinschaft nicht erst begründen oder neu begründen, sondern nur bewußt machen will (~voc c:ta~TE). Die Verkündigung ist eine beständige (&TCOCYY~AAOfLEV, Präsens!) und erzeugt und befestigt immer aufs neue den Glauben und Heilsstand der Christen. Zugleich bildet V 3b den Ansatzpunkt für das Gottesthema des 1. Abschnittes 1,5ff. Wie der Prolog zu Joh die joh. Christusbotschaft hell aufleuchten läßt, so schlägt das Prooemium zu 1 Joh einen Grundakkord an, der in diesem gedanklich nicht gestrafften Schreiben immer wieder zum Klingen kommt Anders Vg: ut ... societas nostra sit cum Patre usw. Doch dann wäre ein 'fI in Parallele zu ~X1)"!"e unentbehrlich. 2 !!.f., in einer Reihe von Hss weggelassen, ist sicher ursprünglich. Es steht meist an vierter Stelle nach >
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1 Joh 1, 4
und das Ganze doch unter eine Leitidee setzt: Gemeinschaft mit Gott durch den Glaubensanschluß an den geschichtlich erschienenen einen und wahren Gottessohn Jesus Christus, so wie man ihn in der rechtgläubigen Gemeinde bekennt. 1,4 Für sich selbst erblickt der Verf. eine Frucht seines Schreibens 1 darin, daß seine (und seiner Mitzeugen)J Freude erfüllt sei. "Freude" hatte auch der joh. Jesus seinen Jüngern in den Abschiedsreden wiederholt in Aussicht gestellt (15, 11; 16,20.22.24; 17,13). Durch den Zusatz "meine" hatte er sie 'als ein Gottesgut charakterisiert, das er selbst - aus seiner Verbundenheit mit dem Vater, vgl. 14,28 - besaß und nur er zu vergeben hatte. Zur "Erfüllung" sollte diese Freude durch das Erfahren der engen Lebens- und Liebesverbundenheit mit dem verherrlichten Christus kommen (15, 11; 17,13)., TIA1JpOua&otL bezeichnet - im Unterschied zu TEAe:Loua.ß-«L - nicht den Gipfel der Steigerung, sondern das Wirklichwerden einer Möglichkeits. Da sich die Schreibenden von 1 Joh 1,4 der engen Christusgemeinschaft teilhaft wissen (V 3), haben sie jene von Jesus verheißene unverlierbare Freude (Joh 16,22) schon in sich. "Erfüllt" werden und bleiben (Perfekt) soll eine andere, spezielle Freude: die der Verkündiger, nämlich dadurch, daß sich der Kreis der Gottverbundenen weitet und kräftigt (vgl. x«! Ö!L!v, x«! ö(Le:!t; V 3). Es ist die Freude des Sämannes, der die Felder weiß zur Ernte sieht (Joh 4,36). An sich könnte es befremden, daß der Verf. an die eigene Freude und nicht an die der Briefempfänger t denkt; aber die Heilsfreude der Adressaten ist ohne weiteres mit ihrer Gottesgemeinschaft gegeben, und für sich selbst will der Verf. wohl betonen, daß die Verkündigung ein Geben und Empfangen ist. Daß die Freude der Verkündiger an der Heilsfreude der Leser "voll" werdll (Häring: "ein sinniges Zeugnis der Bruderliebe"), ist darin nicht ausgesprochen.
T(XÜT(X 'Yp&q)QfLEV bezieht sich sicherlich auf das ganze folgende Schreiben, da der Verf. bei einem kurzen Rückblick TIXÜT(X ~p(X.y(X sagt (2, 26; 5, 13). • 'HfLEi~ ist textkritisch vor ufLiv (Acorr pi Vg sy sa bo arm) vorzuziehen, da dieses glättet und auf die Freude der Empfänger (s. nächste Anm.) umdeutet. 'HfLe:i~ hat eine emphatische Stellung (vgl. BLASs-DEBR § 277, 1), braucht aber nicht mehr zu besagen als "und was-uns betrifft", vgl. 2, 20; 3, 14; 4, 14. 19. Aramäismus liegt nicht vor, da das Pron. pers. dann voranstehen würde. • Vgl. E. GULlN, Die Freude im NT, 11: Das Joh-Ev (Helsinki 1936) 67-71. Gemeint sei das eschatologische Eintreffen des Freude-Objektes. Doch ist die Bedeutung "voll werden" wohl nicht auszuschließen, vgl. zu 2 Joh 12. • Die entsprechenden Abweichungen in den Hss sind darum als sekundäre Abänderungen zu beurteilen: ufL(;)V statt ~fL(;)V bieten ACP 81 323 1739 2298 pm K VgCl sypal h bo arm. Vg fügt ein: (ut) gaudeatis et (gaudium ... ) - BULTMANN, Theol. 430 Anm. 1, deutet ufL(;)V auf die Freude der Schreibenden einschließlich der Empfänger. 1
7 Schnackenburg, Johannesbriefe
EXKURS
2:
Gemeinschaft mit Gott Der Gedanke der Gemeinschaft mit Gott wird in irgend einer Form in jeder Religion zu finden sein, da die Sehnsucht nach der Gottesnähe neben dem Schauder der Ehrfurcht zu den religiösen Grundgefühlen gehört. Erst die nähere Art der Vereinigung und die dabei entwickelten Vorstellungen geben jeder Religionsform das besondere Gepräge. So gilt es auch für die religiös wache Zeit des hellenistischen Synkretismus das Eigene des Christentums und speziell der joh. Theologie zu erkennen. 1. Wichtig für die Vergleichsbasis ist die Erkenntnis, daß 1 Joh seinen Lieblingsgedanken auf verschiedene Weise ausdrücken kann. Neben dem allgemein klingenden XOLVWV[OCV f!.XELV !LE-ra -roü &EOÜ (nur 1, 3 und 1, 6) ist eine der häufigsten Formen tv &Eiji dVOCL (2,5; 5,20) bzw. !LeVELV (2,6.24; 3,24; 4, 13. 15. 16). Diese Verbindung mit dem typischen !LeVELV erweitert sich meist (außer in 2,6.24) zu der zweiseitigen (reziproken) Formel ~!LdC; tv -riji &Eiji xoct 6 &EOC; tv ~!Li:v, oder umgekehrt. Da die Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn auf die gleiche Stufe gestellt wird (1, 3;2,24), sind aber auch die Aussagen vom "Bleiben im Sohn" mit, hinzuzunehmen (2,27.28; 3,6). Die Umkehrung "Gott bleibt in uns" treffen wir auch außerhalb der reziproken Formel an (4, 12), und es wird von hier aus methodisch nicht falsch sein, auch jene Aussagen mit ins Blickfeld zu fassen, die von einem "Bleiben" anderer, mit Gott eng zusammengehöriger Größen "in uns" sprechen, wie ~ &A1)&ELOC 1,8; 2,4; 6 A6yoC;ocö-roü 1, 10; 2, 14 (vgl. 2, 24; 5, 10); -roxpi:a!Loc 2,27; -ro crn:ep!Lococö-roü 3,9; ~ ~w~ oct6lVLOC; 3, 15; ~ &:YcXmj 4, 12 (vgl. 2,5; 3, 17). Doch sollen diese "Immanenzformeln" noch gesondert untersucht werden (s. Exk. 4). Ein anderer, nur bei Joh begegnender Ausdruck für die Gottesgemeinschaft ist "Gott (bzw. den Sohn) haben" 1 Joh 2, 23; 5, 12; 2 Joh 9. Schließlioh führt auch das "Erkennen Gottes" zu demselben Resultat. Es wird 2,.3 (vgl. 2,5); 2, 13. 14 (vgl. 1,3) im Perfekt im gleichen Sinn gebraucht. Hat YLVWaxELV -rov &E6v sicher auch einen eigenen Verwendungsbereioh (vgl. 3, 1. 6; 4,6.7.8 - s. Exk. 3), so steht die volle Gotteserkenntnis doch in engster Beziehung zu der erstrebten Gottesgemeinschaft (vgl. auch Joh 17,3). All dies zeigt die zentrale Bedeutung dieses Gedankens, von dem auoh starke Verbindungsfäden zu anderen Leitgedanken, wie namentlich der Gotteskindschaft (3,1-3) laufen. Für die Grundanschauung ergibt sich schon aus dieser übersicht folgende vorläufige Charakteristik 1: a) Die Gottesgemeinschaft des Christen ist ein sehr enges doppelseiti-
Vgl. dazu L. S. THORNTON, The Common Lire in the Body of Christ (London 21944) 156tT.
1
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ges Verhältnis (vgl. reziproke Formeln), nicht bloß ein Schutzverhältnis seitens Gottes oder ein Anteilhaben seitens des Menschen. b) Sie kann als ein gegenseitiges Durchdringen dargestellt werden, muß also mehr sein als ein moralisches Verhältnis; dazu sind die Ausdrücke für das Bleiben göttlichen Seins und Lebens im Menschen auch viel zu real. c) Die Personalität Gottes und des Menschen bleibt unangetastet; für "Gott" treten öfter "der Vater" oder "der Sohn" oder beide zugleich (1,3) ein. d) Der Weg zur Gemeinschaft mit dem Vater führt nur über den Sohn (2,23; vgl. 5,12.20) - "christologisches Grundprinzip". e) Die Gottesgemeinschaft ist keine Augenblickssache, kein zeitlich begrenztes (mystisch-ekstatisches) Erlebnis, vielmehr ihrer Natur nach ein bleibender Besitz (fLEVe:~V; &e:ov ~Xe:~v), ein Heilsgut (verwandt mit der ~w~ ottwVLO~).
f) Wichtig sind Bedingungen (eocv •.• ) und Kriterien (ev 't"oo't"<j> y~v"wa xOfLe:v) der Gottesgemeinschaft. Von hier aus schauen wir uns kurz nach verwandten Ausdrucksformen und Vorstellungen im Umkreis des jungen Christentums um. 2. Die j ü dis ehe Frömmigkeit, an sich eher geneigt, die Erhabenheit und Transzendenz Gottes zu betonen 1, bietet auch da, wo sie die Nähe Gottes erlebt, kaum eine Anknüpfungsmöglichkeit. In ihrer Geschichte steht der Bundesgedanke im Mittelpunkt, also die Gemeinschaft des ganzen Volkes Israel mit Gott. "Ich will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein" (Lv 26, 11 f). Das ist auch nach der Störung des Bundesverhältnisses durch Untreue und Abfall bzw. nach den Strafgerichten Gottes wieder die große Verheißung für die messianische Zeit (Jer 7,23; 11,4; 30,22; Ez 11,20; 36, 28; 37,27; Zach 8, 8). Diese Gottesnähe ist nicht nur ein moralisches Verhältnis; sie wird dank dem Tempel als ein Wohnen Gottes inmitten seines Volkes vorgestellt (Ez 37, 27, vgl. 40ff; Zach 2, 10ff). Bezeichnend ist der Ausdruck "Gott mit uns" (Is 7, 14; 8, 8; vgl. Apk 2, 3); der Messias als der irdische Repräsentant des himmlischen Gott-Königs und der Statthalter seines Reiches wird so heißen (Is 7, 14). Aber dieses fLe:&' ~fL(;"lV (Is 8,8) ist noch kein ev ~fL1:v im joh. Sinn. Im Vergleich mit der jüdischen Vorstellung denkt unser Verf. individualistisch 2. Für eine mystisch gefärbte Frömmigkeit ist das Spät judentum viel zu stark von der Erfüllung der Gesetzeswerke und von Sühne- und Gerichtsvorstellungen bean1 Vgl. EICHRODT, Theol. des AT II/III, 12fi'; BOUSSET-GRESSMANN, Re!. des Jud. 3581T, näherhin 3731T. Mit Recht betonen aber die folgenden Autoren stärker Gottes gütige, väterliche Züge: MooRE, Judaism I, 3571T, 2, 2011T; V. HAMP, Der Begriff "W6rt" 73-79; E. SJÖBERG, Gott und die Sünder 1841T; 2611T. - Ausgleichend: BONSIRVEN, Judaisme 1, 1961T.
• Wenn auch in der nachexilischen Zeit der religiöse Individualismus immer mehr Raum gewinnt, so doch nicht in der Richtung einer mystischen Frömmigkeit. Der Abstand zwischen Mensch und Gott bleibt groß, auch wenn man sich vertrauensvoll dem "Vater im Himmel" naht, vgl. MooRE, Judaism 2, 2021T; etwas anders akzentuierend (Rationalismus der spätjüd. Theologie) BONSIRVEN, Judaisme 1, 220f. 7'
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sprucht. Mögen einzelne Gruppen 1 einem mystischen Kult zur Vereinigung der Seele mit Gott zugeneigt haben, sie bleiben abgeschlossene Zirkel, die das Gesamtbild nicht zu ändern vermögen und keinen weitreichenden Einfluß über ihre Grenzen hinaus ausüben. Wenn sich einzelne fromme Denker (Philo) mit der Gottesebenbildlichkeit des Menschen und seinem Aufstieg zur Vereinigung mit Gott beschäftigen, dann empfangen sie diese Impulse hauptsächlich aus der griechisch-hellenistischen Philosophie und Mystik". Lehrreich ist die Haltung der Frommen von Qumran, wie sie namentlich in den "Lobliedern" (Hodajoth) hervortritt. Wohl erfüllt den Beter dankbare Freude über die ihm von Gott verliehene "Erkenntnis", die Offenbarung seiner "Geheimnisse", die "Erhebung" in die Gemeinschaft mit den "Himmelssöhnen"; aber dies wird anders verstanden als in der Mystik und Gnosis. Stets bleibt sich der "Erwählte" seines großen Abstandes von Gott bewußt und erinnert sich, daß er ein "Gebilde aus Lehm", ein "Wurm" und ein Sünder ist (I, 21ff; III, Mf; IV, 29f; VI, 34; X, 3ff u. ö.). Er preist Gott, daß er ihn "hat aufsteigen lassen zur Höhe der Ewigkeit" und ihn "von zahlreicher Missetat gereinigt" hat, "daß er eintrete in den Standort mit dem Heer der Heiligen und eingehe in die Gemeinschaft mit der Gemeinde der Himmelssöhne" (III, 19-22; vgl. XI, 13f; XVIII, 29; frg. 2, 20); aber mehr als eine Verbundenheit mit den himmlischen Scharen und eine Hoffnung auf vollkommene Vereinigung mit ihnen ist es nicht. Das Gottesverhältnis selbst bleibt durch die treue Erfüllung des Gesetzes und Gottes bewahrende Treue zu den Erwählten bestimmt. "Die deinem Verlangen entsprechen, werden vor dir stehen für immer, und die auf dem Wege deines Herzens wandeln, werden auf ewig bestehen" (IV, 2lf). Das erinnert an 1 Joh 2, 17; aber eine tiefere Gottesgemeinschaft, eine Vereinigung mit ihm wird nicht erkennbar; die Frömmigkeit bleibt im wesentlichen alttestamentlich geprägt 8 •
Für die Essener nimmt VOLZ, Eschat. 131, einen Mysterienkult zur Vereinigung der Seele mit der Gottheit an; ähnlich H. PREISKER, NU. Zeitgeschichte (Berlin 1937).21;>5. Dagegen meint L, MARCHAL, Art. "Esseniens" in: DictBibJeSuppl 2, Sp. 1115, daß sie Leute waren, die sich mehr um die Askese kümmerten, mehr Moralisten als spekulative Denker. Zu ihren Mahlzeiten vgl. auch BOUSSET-GRESSMANN, Rel. des Jud. 460 (kein mysterienhaftes Denken). - Das Problem der jüdischen "Mystik" ist für diese Zeit noch wenig erforscht; vgl. u. SCHOLEM. Da wir aber jetztin denQumrantexten Zeugnisse einer essenischen Gruppe vor uns haben dürften und diese eine solche Frömmigkeit nicht bestätigen (s. weiter oben im Text), muß jene - schon vorher bezweifelte (vgl. BousSET-GRESSMANN, Rel. d. Jud. 458tY) - Auffassung dahinfallen. - über die Anfänge der jüdischen Mystik und ihre Anschauungen ("Thronmystik") vgl. G. G. SCHOLEM, Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen (Zürich 1957) 43-86; DERS., Jewish Gnosticism, Merkabah Mysticism and Talmudic Tradition (New York 1960) 9-35; 2 Zu Philo vgl. BOUSSET-GRESSMANN, Rel. des Jud. 452f; W. VÖLKER, Fortschritt und Vollendung bei Philo vom Alex. 288tY, näherhin 314. 3 Vgl. F. NÖTSCHER, Zur theologischen Terminologie der Qumrantexte (Bonn 1956) 38-63; M. BURROWS, Die Schriftrollen vom Toten Meer (übers. von F. Cornelius) (München 1957) 205tY; DERS., Mehr Klarheit über die Schriftrollen (München 1958) 328 1
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3. Aber auch die religiös gestimmte Philosophie, namentlich die Stoa, meint mit"ihren dem christlichen Ohr zunächst vertraut kIlngenden Aussprüchen etwas ganz anderes als die Gottesgemeinschaft des 1 Joh. Zum terminologischen Anklang bietet das NT selbst in der Areopagrede des Apostels Paulus ein Beispiel (Apg 17,28). Sowohl der erste Teil E'I IXÖ-riji ~w(J.e:'I usw. wie auch der zweite, ein ausdrückliches Zitat (Zeushymnus des Kleanthes; Aratos, Phain. 5), atmen den Geist der damaligen stoischen Popularphilosophie. Sie nennt Gott den Vater der Menschen und Götter, spricht von der Verwandtschaft (o"1)yye'le:~IX) des Menschen mit Gott und zieht daraus ethische Folgerungen. Aufschlußreich dafür ist z. B. die Vorlesung Epiktets: Was ergibt sich daraus, daß Gott der Vater der Menschen ist? 1 Zunächst führt er ein älteres stoisches Lehrwort an: Wir sind in erster Linie alle durch Gott geworden, und Gott ist der Vater der Menschen und Götter. Dann entwickelt er, worin das Gemeinsame zwischen den.Menschen und Gott bestehe, nämlich in der Vernunft und dem Willen. Schließlich bedauert er, daß nur wenige sich dieser Würde bewußt sind und einen dieser Gottesverwandtschaft entsprechenden Gebrauch ihrer Vorstellungen machen. Die tiefer im stoischen System begründete Lehre von dem aus der göttlichen Weltvernunft (A6yoc;) auf die Menschen gefallenen "Vernunftsamen" • tritt in der populären Darbietung zurück, enthüllt aber erst pen ganzen Abstand dieser im Grunde pantheistischen Philosophie vQm christlichen Gottesbegriff. Dementsprechend, ist die stoische "Gottesgemeinschaft" bloß eine rein natürliche Ähnlichkeit und Verwandtschaft mit Gott, ja nach christlichem Maßstab sogar weniger als das, da der personale Gottesbegriff fehlt'. Zu der überaus engen, personalen, in der Gemeinsamkeit des "Lebensbesitzes" gründenden joh. G
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Exkurs: Gemeinschaft mit Gott
Die dionysische Religion reicht nach neueren Forschungen weit zurück und hat die griechische Seele zeitig in ihren Bann gezogen. Sie schafft mit ihrem ekstatischen Element eine ganz andere religiöse Atmosphäre als die olympischen Götter, eine verzauberte Welt, in der durch den Enthusiasmus der "heilige Wahnsinn" herrschV. Zu dieser erlebnisstarken, in der Trunkenheit des "Gotterfülltseins" schwelgenden Mysterienfrömmigkeit kann es keinen größeren Gegensatz geben als die geistesklare, ethisch nüchterne und doch von der Liebe erwärmte, von Heilsfreude durchglühte Glaubensfrömmigkeit der joh. Schriften. So hoch der Verf. von 1 Joh von der Gottesgemeinschaft denkt, deren Gipfel und Ziel er erst in der eschatologischen Gottesschau erblickt (3,2), so schildert er doch nirgends, nicht einmal andeutungsweise, mystische Erlebnisse, wie Visionen und Ekstasen. Eine leibliche Gottesschau auf Erden weist er ausdrücklich zurück (4, 12, vgl. 20), und über die Wirkungen des von Gott verliehenen Pneuma (3,24; 4, 13) spricht er sich nicht- näher aus. Wenn wir das X.P!:O'fLot 2, 20. 27 mit dem Geist identifizieren dürfen (s. Komm. z. SL), dann steht auch dieser vornehmlich im Dienste der Glaubenserleuchtung und -befestigung. Die. Gottesgemeinschaft gewinnt man durch den Glauben, nicht durch die Ekstase, und sie ist eine beständige Heilserfahrung, nicht eine vorübergehende heilige Raserei. 5. Ekstatisch in anderer Weise ist auch die Gotteinigung in der Gno s is, mag sie nun als Schau, Vergöttlichung, Wiedergeburt o. a. beschrieben werden. Aber ihr fehlt das mysterienhafte, theatralische Element. Ihr Weg ist nicht das 8pWfLe:voV, das mysterienhafte Geschehen, sondern die YVWO'L';, das Gott-Erkennen, vermittels dessen sich der Mensch aus der Welt der Materie, aus den TLfLwp[otL TIj.; ()),;Yj'; löst und in die obere Welt des Lichtes, in die himmlischen Sphären aufsteigt. Diese gegenüber den sinnfälligen und sinnbetörenden Erscheinungen des Dionysoskultes vergeistigten Vorstellungen nähern sich sicherlich der joh. Terminologie und Gedankenwelt (vgl. den Exkurs 3 über die Gnosis). Doch bleiben schon die Ausdrücke in einem erheblichen Abstand. Die sog. Mithrasliturgie beschreibt die Gotteinigung als eine Art Himmelfahrt der Seele und begreift die in der oberen Welt (ekstatisch) erfolgende unio mystica auch als Bleiben (Einwohnen) Gottes im Menschen. Der Myste spricht die Bitte aus: Mkve: O'uv EfLot EV -rTi t/lux.Ti fLou! (14,24f). Das ist - außer dem Gedanken der Gotteskindschaft (6,2. 12) -.vielleicht die stärkste "Berührung" mit 1 Joh; aber sowohl sprachlich (reziproke Formeln in 1 Joh!) wie erst recht ideenmäßig sind die Unterschiede unverkennbar. Vor allem braucht der gläubige. Christ durch keine Erkenntnis und Schau "aus sich herauszutreten" (~)(-O'TotO'L';) und von dieser Erde nicht in eine höhere Welt emporzusteigen; er findet in dieser Welt (vgl. 1 Joh 4, 17 cl, allein durch den Glauben an den Gottessohn (3,23; 5, 12. 13), die Gemeinschaft mit Gott.
Vgl. die Schilderung bei E. ROHDE, Psyche 2, 11 fT; W. F. ÜTTO, Dionysos. Mythos und Kultus (Frankfurt a. M. 1933) 87fT; M. J. LAGRANGE, L'ürphisme 51fT.
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Exkurs: Gemeinschaft mit Gott
Der 13. hermetische Traktat llEpt n:cx.ALYYEVEO"(ott; läßt den gelehrigen Mysten Tat, der nach den Anweisungen des Hermes die "Wiedergeburt" durch Lösung von den Sinneseindrücken usw. erfährt, auf dem Höhepunkt der Schau, in dem Vollendungszustand der Vergöttlichung sprechen: !v OÖpotV,jU!ILL,!V Y7i, !v GaotTL,!V cUpL ... n:otYTot:x.0ü (l1).ll«TEp, Tb n:iiv bpw xotl !lLotu-rbv !v -rij) vo·(· (13) 1 - eine pantheisierende Vergottungsmystik. Ihren stärksten Ausdruck erlangt solche Einigungsmystik in den Identitätsaussagen mancher Zaubergebete : 013« O"E, 'EplLli, Xot! 0"0 !lLt. tyw E!ILL 0"0 Xot! 0"0 !yw". Davon halten die joh. Aussagen klaren Abstand; sie verwischen nie die Grenze zwischen Mensch und Gott. Der in den göttlichen Lebenskreis Erhobene (1 Joh 3,14), der "aus Gott Gezeugte" (2,29) wird nie Gott selbst, er wird nur real.mit ihm verbunden, erlangt Anteil an seinem Leben. seiner Liebe, seinen Gütern. Er wird "Kind Gottes" (3, I) und ist von göttlicher Wesensart (!xTOÜ-!l-eOÜ3, 10; 4, 4. 6; 5,19), die sich in seinem Handeln auswirken und zeigen muß. Wie sich eine ekstatisch-mystische Frömmigkeit in christlich-gnostischsynkretistischem Gewande äußert, zeigen die Oden Salomos·. Um die innige Gottesgemeinschaft zu beschreiben, die die Seele durch den Auf- . stieg zum "Licht der Wahrheit" (38,1; sinngemäß oft) findet (vgl. 4,9; 21,5), gebrauchen diese Lieder eine Fülle von Bildern, wie das von der ehelichen Liebe', vom "Anziehen" der Gestalt des Erlösers 5, vom Wohnen Gottes im Menschen·, vom Trinken der Milch aus den Brüsten 7 u. a. Sachlich ist die Erlösung durch Gnosis gemeint (vgl. 8,8fT; 11,4 u. ö.), und die Gestalt des Erlösers ("Sohn", "Christus" oder "Herr") ist im Sinne des gnostischen Mythus verstanden 8, alles aber in eine mystischschwärmerische, geheimnisvoll verschlüsselte Sprache gekleidet. Dank für die gottgeschenkte und gotteinende Gnosis, Rausch seliger Erkenntnis (vgl. 11,7f) und ekstatischer Jubel (21, 6ft) durchziehen diese eigenartige religiöse Lyrik. Dem ethisch-praktisch gerichteten Verf. von. 1 Joh
1 W. SCOTT (I, 246) versucht eine Konjektur: n«np, '1:0 niiv opC> ~!/.Cl1Yt"OV lSV'rCl, ~v '1:ij) vot opC>v. Ist auch diese Textkonstruktion zu kühn, so dürfte er doch richtig interpretieren: In der umfassenden Schau des göttlichen Alls geht auch der Myste in seinem wahren Selbst (deswegen vielleicht abgesetzt XCIi ~!/.Clu'1:6v) auf; er ist - vergottlichtein Teil des Alls geworden. Vgl. XIII, 2 !llo~ lO"rOtL 0 yewro!/.EVO~, &e:oü &e:o~ nClt~, '1:0 niiv, ~ nClV'rL. Scott verweist in seiner Erklärung (Il, 391) noch auf Xl, 20. • Zaubergebet 11, 7 bei REITZENSTEIN, Poimandres 201; Weiteres ebd. 242-244. Vgl. lerner CHERM V, 11: aU ya:p cl a [~l&:v (1), aU et, a ilv nOLC>, aU et, a &v )J;Yfil. aU ya:p n«V'rCl cl; dazu FESTUGIERE Anm. 33 (So 681). i Zu den Oden Salomos (2. Jh. nach Chr.) vgl. R. ABRAMOWSKI, Der Christus der Salomooden, in: ZntW 36 (1936) 44-69; J. DANII1:LOu in: DictBibleSuppl 6, Sp. 677-684; F.-M. BRAUN, Jean le Theologien 224-261; S. SCHULZ in: RGG" 6, Sp. 1339-1342; J. SCHMID in: LexThK 7, Sp. 10941. • OdSa13, 3ft; 7, If; 8,13.22; 28, 6; 38,11; 42, 81. • OdSa17, 4; 17,4; 33,12; vgl. auch das Anziehen des Lichtleibes in OdSal11, 101; 21,3. • OdSal 32, 1; 33, 8; ·vgl. 10, 2. . 7 OdSa14, 10; 8, 16; 14,2; 111, 1ft; 36, 6. 8 Vgl. besonders OdSa13; 7; 10; 17;· 29; 31; 42; dazu R. ABRAMOWSKI, a. a. O.
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Exkurs: Gemeinschaft mit Gott
liegen Bilder und gefühlswarme Ausmalungen überhaupt fern. Wenn man unter "Mystik" außergewöhnliche Erlebnisse der Gotteinigung versteht, dann ist er kein Mystiker. "Gemeinschaft mit Gott" steht nach ihm allen Menschen im Glauben an Christus offen. Anderseits findet eine so enge wechselseitige Einigung mit Christus und durch Christus mit Gott statt, daß man wohl von einer "Seinsmystik" sprechen könnte. 6. Wohin wir auch blicken, bei näherem Zusehen bewahrt der Verf. von 1 Joh in der Vorstellung der Gottesgemeinschaft sein Eigenes. Durch Christus, den Gottessohn, tritt der Glaubende mit Gott selbst in eine reale Seins- und Lebensgemeinschaft und erwirbt so zugleich die Hoffnung auf die vollendete Union mit Gott, die jetzt noch aussteht (vgl. 2, 25; 3,2f). In keiner Weise, weder durch Ekstase noch durch Schau, weder durch heilige Trunkenheit und Raserei noch durch gesteigerte Erkenntnis, kann und soll diese letzte Gotteinigung "vorweggenommen" werden. Der Weg dahin steht allen im Glauben offen, wenn sie nämlich das Zeugnis Gottes annehmen (5,9f) bzw. die Botschaft der menschlichen Zeugen und Verkündiger in sich aufnehmen (1, 2f. 5). Er ist nicht einzelnen bevorzugten Propheten, Mystikern oder Pneumatikern vorbehalten, sondern verspricht allen das gleiche und fordert von allen das gleiche. Terminologisch knüpft der Verf. nicht ohne Grund - nämlich im Hinblick auf die gnostischen Irrlehrer - vorzüglich an die Gnosis an, hält aber mit der Wertschätzung der Ethik ("Halten der Gebote") das beste Erbe des Judentums fest, nur daß er es im Sinne Jesu (Liebesgebot, Schwinden des Leistungs- und Lohngedankens) noch veredelt. Seine Verheißung bleibt hinter keiner jener Zaubermelodien aus anderen Lagern zurück, wenn sie auch nicht betören, sondern zur Tat rufen will, ja sie übertrifft sie alle, da sie sich auf das große, schon erfolgte Heilsereignis der Gottesepiphanie in Christus berufen kann.
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ERSTER HAUPTTEIL
Die Gottesgemeinschaft als Wandel im Licht und ihre Verwirklichung in der Welt (1 J oh 1, 5 - 2, 17)
Der Teil 1, 5 - 2, 17 ist eine deutliche Sinneinheit. Er entfaltet das Thema von der Gottesgemeinschaft (1,6), das schon im Vorwort angeklungen ist (1,3), deckt die Bedingungen zu ihrer Verwirklichung auf (1,6.8; 2,3.9), veranschaulicht sie als Wandel im Licht (1,7; 2, 9-11) u~d hebt die Hemmnisse hervor, die sich ihrovon seiten der "Welt" und der in ihr wirksamen gottfeindlichen Mächte entgegenstellen (2,12-17). Der Gedankenkomplex wird aber nicht systematisch durchgesprochen, sondern in ständiger Auseinandersetzung mit der im Brief bekämpften gnostischmoralischen Irrlehre aufgerollt (vgl. die Einführung der gegnerischen Meinungen durch Mv d1tWfLe:v 1, 6. 8. 10; 0 AtyWV 2, 4. 6. 9). Die Einheit des Themas ist nicht nur durch das Bild vom Wandel im Licht gegeben, das am Anfang (1,5-7) wie auf dem Gipfel des Gedankenganges (2,9-11) auftaucht, sondern auch durch gleichbedeutende Wendungen für "Gottesgerneinschaft" , deren sich die Falschlehrer bedienten: yvwvru 't'ov &e:6v 2,3.4; EV IXU't'<J) e:LVIXL 2, 5b bzw. EV IXU't'<J) fLtVe:LV 2,6, und die der Verf. auch in seiner Ansprache an die Gemeinde festhält (2, 13f). Die Kampfansage gegen "den Bösen" (2, 13. 14) und die Warnung vor den in der "Welt" sich breitrnachenden Kräften (2, 15-17) dient ebenfalls der Stärkung der Gottesgemeinschaft. Mit 2,18ff setzt. ein neues Thema ein. In diesem Teil beschäftigt sich der Verf. mit den "Antichristen" und ihren der Christusbotschaft der Gemeinde widerstreitenden Parolen (christologischer Irrtum). Über die Untergliederung dieses ersten Hauptteiles bestehen unter den Exegeten abweichende Auffassungen. Weder stilkritische Beobachtungen und die Hypothese einer Grundschrift (v. Dobschütz, Bultmann) noch Zahlenrhythmik (Lohmeyer) geben das geeignete Prinzip an die Hand, da sich der ganze Teil auf diese Weise nicht wirklich einleuchtend und zwanglos durchkomponieren läßt. Die Scheidung in Botschaft 1,5 - 2,6 und Gebot 2,7-17 (Fr. Hauck) scheitert dar an, daß schon in dem so gewonnenen ersten "kerygmatischen" Teil vorwiegend moralische (ab 1, 7), ja paränetische (2, 1. 6) Akzente gesetzt werden, während der "Geboteteil" in 2, 9-11 ähnliche sentenzenartige Formulierungen aufweist wie der erste. Man könnte geneigt sein, die unverkennbare kettenartige Folge kleiner Gedankeneinheiten für ganz locker und ziemlich zufällig zu halten, wenn ihre gen aue Verfolgung nicht doch eine gewisse gedankliche Zusammenfassung ermöglichte. Eine erste Reihe kleiner Einheiten, die sich wie eine Zelle aus der anderen entwickeln, reicht von I, 5 - 2, 2. Am Ende der vom Gegensatz 'l'w<; - crx6't'o<; beherrschten Verse 1,5-7 fällt das Wort cXfLOCP't'toc<;'; dieses stellt
, Das übersieht BULTMANN in seiner Analyse, a. a. O. 140, wenn er 7 c einklammert und aus. der angeblichen "Vorlage" streicht.
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1 Joh 1, 5 - 2, 17 den Kernbegriff für "die nächsten Verse 8-10. Die tatsächliche Sündhaftigkeit (Tjf.LOLP't'Ij)(OLf.LEV V 10) muß trotz der grundsätzlichen Forderung des "Wandels im Licht" zugegeben werden; aber die Christen sollen die Sünde immer mehr überwinden (2, 1 a); das bildet die Brücke zum nächsten Gedanken: Jesus Christus ist Sühner und Anwalt beim Vater (2,1-2). Hier aber reißt die Kette ab; denn ein Hinüberleiten etwa von Jesus zu "seinen" Geboten ist künstlich und wird von der Unsicherheit in der Deutung der persönlichen Fürwörter gedrückt'. Das vorher beherrschende "Sündenthema" hat mit 2, 2 einen Abschluß erreicht. Mit 2,3 setzt der Ver!. neu an und wendet das Hauptthema von der Gottesgemeinschaft in einem zweiten Abschnitt nach einer anderen Seite. Im Mittelpunkt steht jetzt das TIlPEiv 't'<X<; bi't'oA<X<; (VV 3. 4 bzw. 't'6v Myov OLU't'OÖ V 5). Dieses Thema, grundsätzlich in 2,3-6 behandelt (i'n 5b - 6 noch besonders durch den Blick auf den Wandel Jesu beleuchtet), erfährt eine Spezifizierung in 2, 7-11 auf das eine Gebot (der Bruderliebe). Zuerst wird es als das alte und doch neue Gebot charakterisiert (VV 7-8), dann in einer neuen kleinen Gedankeneinheit, die mit VV 7-8 durch das Kennwort
So ergibt sich folgende Einteilung, die der Verf. freilich nicht bewußt entworfen hat, sondern die nachträglich am Text abgelesen ist: Die Botschaft: Gott ist Licht, und Finsternis ist keine in ihm, 1, 5. I. Abschnitt. Gottesgemeinschaft und Sünde (1,6 - 2,2). 1. (grundsätzlich) Gottesgemeinschaft ist Wandel im Licht (VV 6-7) 2. Die Tatsache des Sündigens darf nicht geleugnet, die Sünden müssen bekannt werden (VV 8-10). 3. Für die Beseitigung der Sünden sorgt Jesus Christus (2, 1-2). 11. Abschnitt. Erkenntnis Gottes und Halten der Gebote (2,3-11). 1. Erkenntnis Gottes verlangt, seine Gebote zu halten und nach dem Vorbild Jesu Christi zu wandeln (VV 3-6) 2. Insbesondere handelt es sich um ein altes und doch neues Gebot (VV 7-8). 3. Nur wer dieses Gebot, d. h. die Bruderliebe, erfüllt, ist im Licht (VV9-11). III. Abschnitt. Anwendung auf die Leser (2, 12-17). 1. Beruhigung: die Leser besitzen die Gottesgemeinschaft und sind stark im Kampfe mit dem "Bösen" (VV 12-14). 2. Mahnung: Die Leser sollen die "Welt", und was in ihr ist, nicht lieben (VV 15-17). Wertvoll ist das "Ergebnis dieser Analyse vor allem für den 2. Abschnitt:
1 Darum läßt sich 2, 1-6 auch schwerlich unter das (sehr allgemein gehaltene) Thema "Die Bedeutung Jesu" zusammenfassen (gegen BÜcHsEL).
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1 Joh 1, 5 1. zeigt es sieh, daß x<X1 bJ 't"01h
DIE BOTSCHAFT: GOTT I ST LICHT, UND FINSTERNIS IST KEINE IN IHM (1 Johl,5)
5 Und das ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkündigen,' Gott ist Licht, und Finsternis gibt es keine in ihm. 1,5 Als Inhalt der Verkündigung (V 3a) nennt der Verf. eine Botschaft" über Gott, da das oberste Ziel die Gemeinschaft mit dem Vater ist (3b). 'Er knüpft an ocx71x61X!l-E:V - OC7tlXyyeAAo!l-E:V von V 3a an, wandelt allerdings dieses letzte zu ocvlXyyeAAo!l-E:V ab". Dabei erwähnt er, daß er und seine Mitverkünder diese Botschaft von J esus Christus (OC7t' ocu-roü)' 1 Daß der Exeivoc; nach der Logik des Satzes der <xu't"6c; sein müßte, wie BULTMANN, Anal. 144, will, wäre nur dann zutreffend, wenn nicht die Beziehung auf einen entfernter Genannten, in diesem Fall Jesus Christus, möglich wäre. - Die Zuweisung von 2, 5c - 6 an die paränetische Bearbeitung des Ver!. im Unterschied zu 2, 4 - 5b, das zur "Vorlage" gehöre, zeigt die Brüchigkeit dieser Hypothese. B. selbst schwankt, ob ernicht in (; )"ey fLeveLv ein Stück der Vorlage erkennen solle (143). Vgl. den stilistischen Gleichklang in 2, 4 u. 9, die B. der Vorlage ,zuweist. 2, 'Ayye),,!<x nur noch 3, 11 mit folg. tv<x-Satz = Geheiß; meist als gute Botschaft zu verstehen Spr 12, 25; 25, 25; ohne Beiwort, aber im Gegensatz zu x<xxoc Is 28, 9. Der Übergang x<X1 ~cmv <xön; mit Hinweis auf das Folgende ist sprachliche Eigentümlichkeit des Verf., vgl. 3, 11. 23; 4,21; 5,3.4.11. 14. 3 Stilistische Variation oder unwesentliche Änderung, da &v<xyye)"),,eLv vielleicht stärker hervorhebt: "Gehörtes wiederholen" ; vgl. P. JOÜON in: RechScR 28 (1938) 234f; BAuERWb 102, s. v. 2; das in der Koine beliebte Wort hat oft feierlichen Klang = "proklamieren", vgl. SCHNIEWIND in: ThWb 1, S. 61, 21 - 62, 7; 63, 29f. • Klassisch und im NT überwiegend &xoueLv 1t<Xpoc, doch in der Koine auch &1t6 möglich, vgl. Apg 9, 13, BLAss-DEBR § 173, 1 u. 210,3. Vgl. auch A. T. ROBERTSON, Grammar 613 u. 615.
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vernommen haben, dessen Offenbarungstätigkeit in der Zeit seiner irdischen Erscheinung noch öfter im Brief, wenn auch nur stillschweigend, als Grundlage der Verkündigung erscheint (vgl. 2, 7f; 3,11; 4,21; 5,11). Daß allein Jesus zu dieser Botschaft von Gott, der dem menschlichen Schauen verhüllt ist (4,12; vgl. Joh. 1,18; 6, 46), befähigt war, wird hier nicht ausgeführt, aber vorausgesetzt (vgl. Joh 1,18; 3,32). Als Offenbarungsträger nimmt der joh. Jesus mit Vorliebe das Prädikat rpWC; bzw. rpWC; "TOU x611fLOU für sich selbst in Anspruch (vgI.8, 12; 9,5; 12,35f. 46; ferner 1,4.5.9). Der Verf. von 1 Joh gebraucht es für die Gotteswirklichkeit, und zwar nicht im Sinne der Offenbarung, sondern der göttlichen Wesensfülle und sittlichen Heiligkeit. Das Bild vom Licht bietet für das religiöse Vorstellungsvermögen aller Zeiten eine schier unerschöpfliche Schatzgrube und findet im joh. Anschauungsbereich eine mannigfache Anwendung ' . Der Satz: "Gott ist Licht", steht als Kern- und Leitgedanke über dem ganzen Hauptteil. Er ist Offenbarung und Botschaft und bedarf darum keiner Begründung. Dem Thema von der Gottesgemeinschaft verleiht er die innere Anziehungskraft und Wärme, da kaum ein anderer Gedanke das religiöse Sehnen des. Altertums und zumal des Hellenismus so entflammt hat wie der des Lebens und Lichtes. Der göttlichen Lichtwelt zu nahen, durch Gnosis und Ekstase in sie einzugehen war die selige Verheißung aller Mystik 2. Ihr wurde mancher Lichtzauber dienstbar gemacht 3. Auch den Mandäern ist Gott der "hohe Lichtkönig" , der "reine Glanz und das große Licht, das nicht vergeht", der "Herr aller Lichtwelten" u. ä., umgeben von den Engeln des Glanzes" und an dieser mit nimmerVgI. G. P. WETTER, Phos (1915); F. J. DÖLGER, Sol salutis (1920); O. SCHÄFERin: StKr 105 (1933) 467-476; F. AUER in: ThGi 28 (1936) 397-407; E. R. GOODENOUGH, By Light Light (1935); W. BAuER, Joh. 13f; R. BULTMANN, Joh. 22ff; DERS., Zur Geschichte der Lichtsymbolik im Altertum, in: Philol 97 (1948) 1-36; E. PERCY a. a. O. 23-79; Aufsätze im Eranos-Jahrb. X (1934). Zum Spät judentum vgI. H.ODEBERG, The Fourth Gospel 138-149; S. AALEN, Die Begriffe "Licht" und "Finsternis" im Alten Testament, im Spät judentum und im Rabbinismus (Oslo 1951) (reiches Material);· F.·NöTSCHER, Zur theoI. Terminologie der Qumran-Texte 92-148. Zum Joh-Ev noch J. C. BOTT, De notione lucis in scriptis S. Ioannis Ap., in: VD 19 (1939) 81-91; 117-122.; A. WIKENHAUSER, Ev nach Joh 77-79; P. FEINE, TheoI. des NT 346-348; J. DUPoNT, Essais 61-105; F. MussNER a. a. O. 164-171; B. BussMANN, Der Begriff des Lichtes beim hI. Johannes (Münster i. W. 1957). • VgI. CHERM I, 32 EI, !;, X als Ziel des Traktates, vorher §§ 6, 9, 12,17,21, 28; sog. A6yo, 'rEAe:LO, des Ps.-Asklepios (P. MIMAUT): eyv, fLeYLO"'rov OC1tOCO"1), yv&lO"€
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müder Zunge besungenen herrlichen Lichtwelt teilzuhaben ist ihre große Hoffnung. "Die Guten, die hörten und gläubig waren, steigen siegreich empor und schauen den Ort des Lichtes." 1 Gegenüber aller ekstatischen Mystik wahrt das NT das Bewußtsein unendlichen Abstandes von Gott, der "in unzugänglichem Lichte wohnt" (1 Tim 6, 16). Es schließt sich von dieser allgemeinen antiken Gottessehnsucht nicht aus, aber erwartet die wahre Erfüllung erst am Ende bzw. nach dem Tode (vgl. 3,2; ferner Mt 5, 8; 1 Kor 13, 12). Darum berührt den Leser dieser Satz wie Zauberklang und lockt ihn, selbst "im Lichte zu sein". Aber den Verf. treibt eine andere Absicht, als mystischen Stimmungen nachzugeben. V 5 ist schon im Hinblick auf VV 6f formuliert, wo der Wandel im Licht als ethische Forderung aufgestellt wird. Gleichwohl gehört V 5 zu den großen Wesensaussagen über Gott neben Joh 4,24 (Gott ist Geist) und 1 Joh 4, 16 (Gott ist Liebe). Der Blick !luf Gott erfolgt nicht etwa nur unter dem moralischen Aspekt; vielmehr wird umgekehrt aus dem tiefsten Wesen Gottes sein sittliches Sein abgeleitet und aus der theologischen Tiefe die moralische Irrlehre als unhaltbar erwiesen. Bei dieser .christlichen Wesensaussage über Gott will gegenüber allen Naturreligionen beachtet sein, daß nicht das Licht (die Sonne oder der Mond) zur Gottheit erhoben, sondern umgekehrt das Wesen Gottes an der Lichtnatur veranschaulicht wird (vgl. V 7 ot\~'t'6c; ~O''t'LV ~v 't'ijl CPW't'() , gegenüber der heidnischen Mystik, daß der göttliche Glanz nicht magisch den Menschen durchströmt oder der Mensch ekstatisch im göttlichen Licht verweilt (vgl. das sittliche 7tEpmoc't'ELv VV 6 u. 7), gegenüber der Gnosis, daß der Gegensatz von Licht und Finsternis nicht von zwei Urprinzipien zu verstehen ist (vgl. das Folgende). Daß der Verf. schon bei der Niederschrift von V 5 an die Abweisung der sittlich destruktiven Irrlehrer der folgenden Verse denkt, zeigt die Fortführung in der Negation, "und Finsternis gibt es keine in ihm". Denn gerade dies ist seine AusfallsteIlung zum Angriff auf die Gegner: sie wandeln in der Finsternis (V 6). Im Rahmen der metaphysischen Aussage über Gott V 5 will der Verf. nur die schattenlose Helligkeit des göttlichen Wesens (vgl. Jak 1, 17), die Fülle des göttlichen Seins B hervorheben, ohne ein anderes, von ihm getrenntes, real existierendes Reich des Bösen anzudeuten 8. Die dualistische Redeweise in 1 Joh dient vor GINZA 20, 27f; vgl. 42, 23ft; 51, 20ft u. ö. - Vgl. G. KITTEL, Die Herrlichkeit Gottes (Beih. 16· z. ZntW) (Gießen 1934) 115-124; H. JONAS, Gnosis und spil.tantiker Geist 103; E. PERCY a. a. O. 23ft. 2 Zur Ausdrucksweise vgl,' die mandäischen Texte: " ... er ist das Licht, an dem keine Finsternis, der Lebendige, an dem kein Tod, der Gute, an dem keine Schlechtigkeit ... " (GINZA 6,26 - 7, 2). Gegensatz dazu: ,,(Geh) zur Welt der Finsternis ohne einen Strahl des Lichtes, zur Welt der Verfolgung und des Todes ohne Leben in Ewigkeit" (GINZA 33, 5ft). - Auch im Rabbinismus begegnet die Wendung, daß Gott "ganz Licht ist", aber ohne dualistischen Kontrast, vgl. AALEN a. a. O. 3171. • Gegen WINDISCH z. St., nach dem die Finsternis "ein eigenes, von Gott geschie" denes Gebiet und Prinzip darstellen" müsse; vgl. 2, 8--11.
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allem dem ethisch-praktischen Ziel (vgl. auch 2,8-11). Den gnostischen Dualismus überwindet der Verf. gerade durch die Verschiebung auf das moralische Gebiet (vgl. 3,8ff) und durch die Betonung der Überlegenheit Gottes und seiner Kräfte im sittlichen Kampf des Christen (2, 13f; 3,6.9; 4,4; 5,4.18). Diese sittlich-dualistische Auswertung des Bildes Licht - Finsternis findet sich auch im Spät judentum. Ein hervorstechender Zug ist das in den schon lange. bekannten "Testamenten der zwölf Patriarchen". Mag man heute I.l,m ihre jüdische oder christliche Herkunft streiten \ darin bezeugen sie sicher spät jüdische Tradition. Test Lev 19, 1 heißt es: "Erwählt euch das Licht oder die Finsternis, das Gesetz des Herrn oder die Werke Beliars!" 2 Bestätigt wird diese Denkweise jetzt durch die Qumrantexte. Unter ihnen gibt es nicht nur ein "Buch des Krieges der Söhne des Lichts gegen die Söhne der Finsternis" (1 QM), sondern auch in der "Sektenregel" (1 QS) tritt dieses Gegensatzdenken zutage und wird auf das religiös-sittliche Gebiet angewendet. Wer in den "Bund Gottes" eintritt, soll "alle Söhne des Lichtes lieben" und "alle Söhne der Finsternis hassen" (I, 9f) und muß fortan auf den "Wegen des Lichtes" wandeln (vgl. In, 3. 20). In der" Unterweisung über die zwei Geister" (111, 13 bis IV, 26) werden dann auch diese Wege in einem Tugendkatalog beschrieben (IV, 2-6) und den "Wegen der Finsternis" (einem Lasterkatalog) gegenübergestellt (IV, 9-11). Das Gegensatzpaar Licht - Finsternis deckt sich mit dem anderen: Wahrheit - Trug; das ist wohl die stärkste Annäherung an den joh. Dualismus'. Andere religiöse Texte des Judentums lassen gerade die starke "dualistische" Spannung missen; sie werten den Lichtgedanken in recht verschiedener Weise aus. Das AT und die apokalyptische Literatur gebrauchen das Bild vor allem eschatologisch, um das Glück und den Frieden der erneuerten und vollendeten Heilszeit zu schildern'. Für Philo steht das Licht der Erkenntnis im Vordergrund', wenn er auch.,
Für'christlichen Ursprllng namentlich M. DE JONGE, The Testaments of the Twelve Patriarchs (Assen 195:1,! ;ranz konträr: M. PHILONENKO, Les interpolations chretiennes des Testaments des Douze Patriarches et les manuscrits de Qumran, in: RHPhilRel 38 (1958) 309-343; 39 (1959) 14-38; (dazu wieder) M. DE JONGE, Christian Inlluence in the Testaments oi the Twelve Patriarchs, in: NT 4 (1960) 182-235. VgI. noch B. ÜTZEN, Die neugefundenen hebräischen Sektenschriften und die Testamente der zwölf Patriarchen, in: StTh 7 (1954) 124-157; F.-M. BRAUN, Les Testa~ ments des XII Patriarches et le probleme de leur origine, in: RB 67 (1960) 516-549 (für jüdischen Ursprung). • VgI. noch TestXII Lev 14, 3fT; Gad 5,7; Benj 5, 3; auch Henäth 58,6; 92,4; Hengr 30,15; dazu BILLERBECK II, 427t; ÜDEBERG a. a. O. 140ft; R. EpPEL, Le pietisme juif dans les Test. des Douze Patr. 77-89; AALEN a. a. Ü. 178-183. 3 VgI. B. ÜTZEN a. a. 0.; F. NÖTSCHER a. a. Ü. 92-99; H. W. HUPPENBAUER, Der Mensch zwischen zwei Welten (Zürich 1959) 16-29; S. WIBBING, Die Tugend- uhd Lasterkataloge im Neuen Testament und ihre Traditionsgeschichte unter besonderer Berücksichtigung der Qumran-Texte (Berlin 1959) 61-68. • VgI. Is 2,5; 9,1; 60,1-3. 19f; Zach 14,7 u. a.; Henäth 58,3ff; 96,3; 108,12; PsSal 3, 16; BILLERBECK.II, 428; VOLZ, EschatoI. 364fT; AALEN a. a. 0.195-202. 5 V gI. somn. I, 72: TO~' (=
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1 Joh 1, 6 - 2,2 gelegentlich die Tugend mit göttlichem Licht vergleicht'. Die rabbinische Theologie nennt die Toru, den Tempel und andere ihr wichtige Größen "das Licht der Welt"'.
Wenn sich auch 1 Joh mit den genannten Schriften inder "dualistischen" Vorstellungsweise und der betonten ethischen Forderung berührt, so sind doch gewisse Unterschiede vorhanden. In 1 Joh fehlt die Dämonologie der Test XII (außer dem "Bösen", dem Gegenspieler Gottes und Christi = Beliar), in diesen wiederum die realistische joh. Heilslehre. In 1 Joh gibt es keine AbsonderuI;lg der "Söhne des Lichts" und keine Verfluchung der "Söhne der Finsternis"; die Mensche.n werden gewarnt, aber nicht verdammt. Dafür ist der Blick stärker auf Gott, den Inbegriff und die Quelle des Lichtes, hin konzentriert. Ob die Gemeinsamkeit der dualistischen Anschauungsweise mit einer "gnostischen" Geistesströmung zu erklären ist, mit der auch Teile des Judentums in Berührung kamen, ist bislang kaum zu entscheiden. In 1 Joh 1, 5ff ist die betont moralische Ausschöpfung der Wesensaussage über Gott sicher eine Spitze gegen die falschen Gnostiker mit ihren andersartigen Vorstellungen vom göttlichen Licht und dem Weg, dorthin zu gelangen".
ERSTER ABSCHNITT
Gottesgemeinschaft und Sünde (1 Joh 1, 6 - 2,2) 6 Wenn wir sagen: "Wir haben Gemeinschaft mit ihm", und (doch) in der Finsternis wandeln, so lügen wir und tun nicht die Wahrheit. 7 Wenn wir aber im Lichte wandeln, wie er selbst im Lichte ist, (dann) haben wir Gemeinschaft miteinander, und das Blut Jesu, seines Sohnes, reinigt uns von jeglicher Sünde. 8 Wenn wir sagen: "Sünde haben wir nicht", so führen wir uns selbst in die Irre, und die Wahrheit wohnt nicht in uns. 9 Wenn wir unsere Sünden bekennen, so/st er treu und gut, daß er uns die Sünden nachläßt und uns von jeglichem Unrecht reinigt. 10 Wenn wir sagen: "Wir haben nicht gesündigt", so machen wir ihn zum Lügner, und sein Wort wohnt nicht in uns. 2,1 Meine Kindlein, das schreibe ich euch, damit ihr nicht sündiget. Wenn aber einer (doch) sündigt, (so) haben wir einen FürA6ywv METe<,
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I Joh I, 6
sprecher beim Valer, Jesus Christus, den Gerechten, 2 und Er ist die Sühne für unsere Sünden, aber nicht nur für unsere (Sünden), sondern für die ganze Welt. 1. GOTTESGEMEINSCHAFT IST WANDEL IM LICHT (I Joh 1,6-7)
1,6 Die von den Irrlehrern (Mv d7tClllJ.l::v) für sich in Anspruch genommene (E!xolJ.l::v) Gemeinschaft mit Gott soll unter dem Bild vom Licht als illusorisch erwiesen werden. Sie wandeln in der Finsternis" mit der Gott, das reine Licht, absolut nichts zu schaffen hat. Damit spielt der Verf. auf ihre Einstellung zur Moral und auf das daraus entspringende gottwidrige Verhalten an, das erst in den weiteren Sätzen (1, 8.10; 2,4.9) genauer gekennzeichnet wird. Ihr praktisches Verhalten, ihr .,Wandel" 2, straft ihre Behauptung Lügen 3. Das biblisch und außerbiblisch viel verwendete Bild von der Finsternis' spricht für sich selbst: Im Dunkeln geschehen böse Taten, die das Licht (= den Tag.) zu scheuen haben, vgl. Joh 3, 20f. Auch bei Paulus findet sich dieselbe ethische Auswertung, obwohl bei ihm der Kontrast Licht - Finsternis zunächst mehr . heilsgeschichtlich entworfen ist (Röm 13, 12f; 1 Thess 5, 4-8). Zum erstenmal wird in V 6 eine Behauptung der Irrlehrer angeführt, mit denen sich der Verf. im ganzen Schreiben auseinandersetzt. Ihre Behauptungen sind öfter durch einleitende Formeln zu erkennen. Die 1. Pers. Plur. in E(1tWIlEV hat im Unterschied zu den Verb formen in V 5 eine unpersönliche Bedeutung wie das substantivische Partizip {, A~YWV 2, 4. 6. 9 und Mv "rL~ d1t1l 4, 20. Darum ist aus der Form nicht zu schließen, daß die so Sprechenden, anders als die in 2, 18 ff bekämpften Gegner, noch zur Gemeinde gehören '. Andererseits ist die.. Einleitungsformel ~<Xv E(1tWIlEV hier auch homiletischer Stil, um die Gemeindemitglieder vor ähnlichen verderblichen Ansichten, wie sie die Jrrlehrer vertreten, zu bewahren. Der Verf. schließt sich in der 1. Person Plur. mit ihnen zusammen, um sie vor falscher Einstellung gegenüber Sünde und sündigem 'Vandel zu warnen und zugleich zum "Wandel im Licht" anzueifern (V 7). Dabei dürfte, wie W. Nauck richtig beobachtet., das Zwei-Wege-Schema zugrunde liegen und die Taufparänese nachwirken ("reditus ad baptismum").
Der Anspruch, die Gottesgemeinschaft zu besitzen, ist nur im Munde der Irrlehrer falsch (vgl. dagegen 1,3) und wird nur wegen des Wider:Ex6"r0~ nur hier und Joh 3, 19, sonst stets CJXO"rL<X; ein Vergleich mit I Joh 2, 9. 11 zeigt, daß kein Unterschied zu machen ist. • TIEPL1t<X"rEiv im Sinne des praktischen sittlichen Handeins (nach hebr. ~?y), im NT "ausgesprochen paulinisch" (BAUERWb 1287, s. v. 2), hat in Joh und I Joh die Bildhaftigkeit bewahrt (vgl. J oh 8, 12; 12, 35 b; I J oh 2, ll), nähert sich aber in 2 J oh 4.6 (bis) und'3 Joh 3. 4 dem paulinischen, unbildlichen Gebrauch. S Das X<XL im IS"rL-Satz hat adversative Bedeutung: "und doch"; BLASS-DEBR § 442, 1. • Vgl. Is 29,15; Job 24,13-17; 38,12f; Ps 10, 8ff; Sir 23, 18f; PsSai 4,5; 8,8f; TestXII Naph 2, 10: oulll: ~v CJXO"rEL IlV"rE~ Il6V<XCJ.f)E 1tOLEiv ~PY<X 'Pw"ro~. Dazu AALEN a. a. O. 71 f; 233 f; 321 ff. - Der Gedanke begegnet auch in hellenistischen und gnostischen Texten, vgl. BAUER, Joh. 61 (zu 3, 20f). • Gegen WINDISCH z. St. und J. HERKENRATH in der Festschrift f. Tillmann 121. • A. a. O. 59-62. 1
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1 Joh"I,7
spruchs zu ihrem Wandel zur Lüge. 'Ye:U8e:cr.&OCL ist schuldhaftes und boshaftes Irreführen anderer; darum nennt Jesus den Teufel einen ljie:ucrTIl'; (Joh 8,44), und die Falschlehrer, die ebenfalls dieses Prädikat erhalten (1 Joh 2, 4. 22a; 4,20), sind mehr als bloß Irrende, sie sind Antichriste (2, 22b; vgl. 2, 18) und Pseudopropheten (4, 1). Die unheilvolle religiös-sittliche Bedeutung dieser "Lüge" unterstreicht der Verf. noch dadurch, daß er hinzufügt: "und wir tun nicht die Wahrheit" - 1tOLoüfLe:v, nicht AtyofLe:v. Die Wendung, die sich sprachlich wohl an das hebr. 1'1~~ il~~ anschließt' und" auch in Joh 3,21 begegnet, drückt die sittliche Schuldbarkeit aus (vgl. 0 epOCÜAOC 1tPcXcrcrwv Joh 3,20). Das ethische Moment ist hier führend und bestätigt unsere Auslegung des cpw.;-Begriffes von V 5; denn epw.; und &A~.&e:LOC stehen in enger Beziehung zueinander, nicht nur wenn sie die göttliche, lebenbringende Offenbarung anzeigen', sondern auch wenn sie die sittliche, Gottes Art entstammende Heiligkeit aufstrahlen lassen 3. Hier könnte ebensogut 1toLdv TI)v 8LXOCLOcrUV1jV (1 Joh 3,10) stehen'; aber ljie:ü8o.; - crx6't"o.; und &A~.&e:LOC - epw.; sind zwei gegensätzliche Begriffspaare. 1,7 Hat der Verf. mit V 6 den Irrlehrern jeden Anspruch auf Gottesgemeinschaft abgestritten, so will er nun zeigen, daß "Wandel im Licht"
Vgl. (ararn.) 1I~I!iIP '~11 in Targ. Hos 4, 1 (LAGARDE, Proph. chald. 436, 3l); die LXX übersetzt nicht nur so in Gn 32, 11; 47,29; Neh 9,33, wo von Gottes "Tun der (Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und) Wahrheit" die Rede ist, sondern gebraucht von sich aus dieselbe Wendung auch Is 26, 10; Tob 4, 6; 13,6, wo sie sich auf das menschliche Handeln bezieht. Vgl. lerner TestXII Rub 6, 9; Benj 10,3; 1 QS 1,5; V, 3; VIII, 2; vgl. 1 QH VI, 9; ferner 1 QpHab VII, 11f ("Dienst der Wahrheit"). Zum Begriff der &A~~eLIX im AT vgl. BULTMANN in: ZntW 27 (1928) 113-163, näherhin 115f, und in: ThWb 1, S. 243, 6ff; BÜCHSEL, Joh. und der hellen. Synkr. (BFchTh II, 16) (Gütersloh 1928) 85; M. ZERWICK, Veritatem facere, in: VD 18 (1938) 338-342; 373-377. Zu den Qumrantexten vgl. F.NöTSCHER, "Wahrheit" als theologischer Terminus in dell Qumran-Texten," in: Vorderasiatische Studien (Festschr. für V. Christian) (Wien 11)56) 83-92; I. DE LA POTTERlE, L'arriere-fond du tMme johannique de verite, in: Studia Evangelica (TU 73) (Berlin 1959) 277-294, näherhin"282ff; O. BETZ, Offenbarung und Schriftforschung in der Qumransekte (Tübingen 1960) 53-61. • Vgl. Joh 1, 4f. 9; 8,12; 11,9f; 12, 35f; auch Apk 21, 23f; 22,5. BULTMANN in: ThWb 1, S. 241, 23ff: "Sofern &A~~eLIX göttliches Wesen bedeutet, ist sie mit ~"'~ gleichbedeutend, und sofern diese ~"'~ als 'l'&C; Offenbarungsmacht ist, können auch &A~~eLIX und 'l'&C; zusammimfallen." Vgl. TestXII Lev 4,3 'l'WC; yvwaecuc; ev Tij) IlXXwß XIX! WC; ijALOC; ~"7l 7tIXVT! O"7tep!.I.IXTL 'IaplX~A. • Vgl. Joh3, 20f; 1 Joh 2,8f; auch in Apk 21,27, vgl. 23-26, wird deutlich, daß Gottes Licht der Herrlichkeit zugleich hellstrahlende sittliche Heiligkeit ist und deswegen nur mit reinen Augen geschaut werden kann (vgl. Mt 5, 8). Enger Zusammenhang zwischen 'l'&C; und <XA~~eLIX in religiös-ethischem Sinn auch TestXII As 5, 3 7trxalX &A~~eLIX uno TOÜ 'l'cuT6c; eaTLv (XIX~wc; Ta 7t<XVTIX u7tO TOÜ ~eoü). Vgl. auch CHERM XIII, 9: -r1i 8E: <XA"If&e!q; XIX! TO &YIX~ov e7teyeveTo, &!.I.IX ~cu1i XIX! 'l'CUTt, XIX! OUXE-rL böiA~ev ou8e!.l.(1X TOÜ ax6TOUC; TL!.I.CUp(lX. Freilich hat die hermetische Gnosis einen anderen Begriff vom Übel; dieses ist nicht "Sünde" im ethischen Sinn, sondern &YVOLIX, &7t&'t"I), TL!.I.CUp(1X Tijc; ()AljC; bzw. TOÜ ax6TOUC;. • Vgl. Is 26, 10; Tob 1,3; 4,5 mit 6; 14,7; PsSa13, 6; 14,1 mit 2; 4 Esr 7, 114. 1
8 Schnackenburg, Johannesbriefe
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1 Joh 1, 7
dieses Ziel tatsächlich erreicht. Bild und Gedanke erinnern an die urchristliche Taufparänese (vgl. Apg26, 18; Eph 5,8-13; 1 Petr 2,9 mit 12). In Joh 8, 12; 12, 35f wird das gleiche Bild auf die Glaubensnachfolge Christi angewendet, die zum Heil führt; aber Voraussetzung dafür ist auch der sittliche "Wandel im Licht", vgl. weiter zu 1 Joh 2, 9 fT.Wenn jetzt von Gott nicht mehr gesagt wird, daß er Licht, sondern daß er im Lichte sei, dann ist dies sprachlich durch das voranstehende ~v "ci> «6)"( des menschlichen Wandels bedingt, zeigt aber auch, daß es dem Verf. weniger auf das Bild (das dadurch zerstört wird) als die Sache ankommt. Nur Gottes lauteres, sittlich heiliges Wesen soll dadurch gekennzeichnet werden. überraschend ist die Folgerung, die der Verf. aus dem gottgemäßen Wandel im Licht zieht: "dann haben wir Gemeinschaft miteinander". Man erwartete !Le,,' otÖ"oü, das einige spätere Handschriften 1 tatsächlich bieten. Im Unterschied zu den Häretikern, die offenbar auf ihr persönliches Gotterieben und Gottbesitzen pochen, ist der Verf. ganz in der christlichen Gemeinschaft verwurzelt und kennt als Weg zu Gott nur den über die Christi Botschaft hütende Gemeinde (vgl. 1,3; 2,19). Darum ist für die im Licht Wandelnden die nächste und greifbarste Versicherung ihrer Gottesgemeinschaft, daß sie ihren Platz in der wahren Christusgemeinde haben a. Die Rücksicht auf die Irrlehrer und ihre falschen Parolen erklärt allein den folgenden Gedankenschritt, der sich schon am Ende von V 7 anbahnt. An sich erfüllt den Verf. ein gesundes christliches Selbstbewußtsein, in dem er von der Sündlosigkeit der Gottgezeugten (3,9; 5,18f) und von der Bruderliebe, die in der Gemeinde herrscht (3, 14), zu schreiben wagt. Aber die Behauptung der Irrlehrer, keine Sünde zu haben (1,8), können sich die Christen in dieser Uneingeschränktheit, in dieser praktischen Anwendung auf das persönliche sittliche Charakterbild nicht zu eigen machen; sie ist typisch häretisch. So darf niemand sprechen außer dem einen Sündlos-Gerechten, Jesus Christus (2,1. 29; 3,7; vgl. Joh 8, 46). Aber mit der Zurückweisung dieser neuen häretischen Parole droht er in Spannung mit den eben ausgeführten Sätzen zu geraten: einerseits verlangt die Gottesgemeinschaft Wandel im Licht, d. h. ein reines sittliches Leben nach dem Maßstab des allheiligen Gottes, andererseits darf kein Christ von sich behaupten, ohne Sünde zu sein. Die Lösung liegt für den Verf. darin, daß der Christ· zwar dem Sündigen nicht enthoben ist, aber durch das Blut Jesu von jeder Sünde gereinigt wird 8. Das Problem "Christ
1 A' (wahrschJ.), eiern. Tert. Did. TOÜ &eoü p z syPM. Der Wechsel von !LeT' a:ö't'Oü zu !LeT' &')"),:f"ACilV, das die meisten Hss bieten, wäre nicht erklärbar (gegen BULTMANN, Analyse 139, 1; BilcHSEL). • Auf unsere Verbindung mit Gott läßt sich !LeT' ä.ll+,).",)v nicht beziehen (gegen HÄRING), da dieses sonst stets ein wechselseitiges menschliches Verhliltnis ansagt, s. Joh 5,44; 6,43.52; 13, 14.22.35; 16,19. • BULTMANN, Redaktion von 1 Joh 199f, hlUt den letztenVersteil für Interpolation; vgl. dazu Ein!. S. 15.
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1 Joh 1,8
und Sünde" beschäftigt den Verf. immer wieder (2, 1; 3, 4--10; 5, 16-18), weil er durch die Abwehr der moralischen Irrlehre Gefahr läuft, falsch verstanden zu werden, aber auch, weil es ein ernsthaftes pastorales Anliegen ist. (Vgl. Exk. 12.) Der Verf. nimmt also den eingangs von V 7 stillschweigend erhobenen Anspruch, daß die Christen - im Unterschied zu den Häretikern - im Licht wandeln, am Ende des Verses nicht zurück. Er begründet ihn jedoch nicht mit absoluter praktischer Sündlosigkeit der Christen, sondern gesteht indirekt ein, daß Sünden auch im ChristenIellen noch vorkommen (vgl. 5,17); aber das Blut Jesu reinigt davon. Gott selbst (deswegen zu J esus hinzugesetzt Toi) utoi) lXuToi)) ist es, der sie in sein volles Licht hineinzieht und ihnen den Wandel im Licht ermöglicht. Nichts anderes vermag zu reinigen 1 als das Blut J esu (beachte die aktivische Formulierung; vgl. 2,2; 4,10; 5, 6b - zum Grundgedanken Hebr 9,22), und es übt diese sühnende Funktion beständig aus (Präsens). Damit und durch den Zusatz OC7CO 7CCXC17j<; cifl.lXpT[IX<; ist entschieden, daß weder an die Sünden der Christen aus der Zeit vor ihrer Bekehrung noch an die Sünde als "aktive Macht" (Brooke) gedacht ist. Bereits hier zeigt sich, wie die moralische Irrlehre aufs engste mit der christologischen zusammenhängt (vgl. 3,23). Weil sich die Häretiker für 'sündenfrei halten oder der "Sünde" (im christlichen Sinn) für ihre höhere (pneumatische) Existenz keine Bedeutung beimessen, darum haben sie Jesus und seine Erlösung im Blute (5,6) gar nicht nötig. 2. DIE TATSACHE DES SüNDIGENS DARF NICHT GELEUGNET, DIE SüNDEN MüSSEN BEKANNT WERDEN (1 Joh 1,8-)0)
1,8 Stichwortartig an cifl.lXpT[IX<; (V 7) anknüpfend, nennt der Verf. nun ein neues Schlagwort der Irrlehrer (Mv Elm'I!UV), das wie eine Ausrede auf den eben erhobenen Vorwurf klingt; aber damit zeigen sie nur ub so krasser, daß sie im Finstern wandeln und von Gott getrennt sind. Allen .Ernstes behaupten sie, keine Sünde zu haben, d. h. sie nehmen für sich Sündlosigkeit 2 in Anspruch. Auf geschlechtliche Ausschweifungen und ähnlich grobe Sünden, von denen die spätere Geschichte gnostischer Häresien voll ista, spielt 1 Joh nirgends an (2, 16 ist allgemeine Mahnung an Eine Polemik gegen einen andern Weg der Katharsis, etwa durch Gnosis und Abtötung der Sinne, wird nicht erkennbar. • Zu d,!J.<XPT(CX~ ~xet~ vgl. Joh 9, 41; 15,22.24; 19,11. Immer ist bei dieser Wendung, die nur im joh. Schrifttum vorkommt, an tatsächliche Behaltung mit Sünde, nicht an bloße Gültigkeit oder Anrechenbarkeit von Sünde gedacht. - Die Verbindungen mit qetv sind typisch joh.; vgl. ocy.x7O)V l!Xetv Joh 5,42; 13,35; 15,13; dpijVljv !Xetv 16,33; xcxpa:~ ~xet~ 17, 13 u. a. Rabbinische Parallelen ("~~) s. bei SCHLATTER, Sprache 101 f. 3 Vgl. den Bericht des IRENÄus über die Valentinianer Adv. haer. I, 1, 12 ( Ta: oc7tetP"'lfLEvCX 7t"(i~TCX oc8e&~ 01 't'eAet6TCXTOt 7tptXTIOUGtV CXUT&V), über die Karpokratianer I, 20, 3 und die Kainiten I, 28, 9 (et hoc esse scientiam perfectam, sine tremore in tales abire operationes, quas ne nominare quidem fas est). 1
8'
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1 Joh 1, 8
die christliche Gemeinde). Was der Verf. den von ihm bekämpften Falschpropheten immer wieder vorwirft, ist Mangel an Bruderliebe. Daß sie die Fähigkeit zum Sündigen für sich leugneten (vgl. Brooke), kann man sprachlich aus ci(J.lXp'rLIXV OUl( ~zo(J.e:v im Unterschied zu OUZ ~(J.lXp-rljl(IX(J.e:V (V 10) nicht herauslesen. Der tiefere Grund ihrer überheblichen Behauptung ist aber wohl doch die gnostische Anschauung, daß der "Pneumatiker von Natur aus" sich mit der unreinen Materie gar nicht beflecken könne 1. Der Verf. spricht sich darüber nicht aus, weil er sich an die von den Irrlehrern öffentlich in Umlauf gesetzten Parolen hält (VV 8. 10). In ihnen erblickt er ein gefährliches Gift, das die christliche Lehre von der Erlösungsbedürftigkeit in Jesu Blut (V 7) und die christliche Praxis des Sündenbekenntnisses (V 9) bei denen, die sie hören, zerstören kann. Die Verurteilung der irrigen Meinung geschieht in einer Form, die parallel zu V 6 gebildet ist. Für ljie:uM(J.e:&1X heißt es jetzt €IXU't"Ou.:; 7tAIXVW(J.e:V, für ou 7towü(J.e:v 't"~v &A~&e:tIXV: ~ &A~&e:tlX OUl( ~Cl"'t"tV EV ~(J.i:v. In beiden Wendungen liegt jeweils eine Steigerung. Das Aktiv mit Reflexivpronomen gibt ein stärkeres Bild ("wir führen uns selbst in die Irre") und 'unterstreicht die eigene Verantwortung. Es ist ein unheilvolles, folgenschweres Sich-Irren aus eigener Schuld. Auch der Ausspruch über die &A~&e:tlX ist schärfer als in V 6. Die &A~&e:tlX wird als göttliche Wirklichkeit verstanden', die in solchen Menschen nicht wohnt. Da diese Wendung dann durch 0 Myo.:; IXU't"OÜ OUl( ~O"'t"tV EV ~(J.i:v V 10 variiert wird, ist die &A1)&e:tlX wie der Myo.:; 't"oü &e:oü etwas Objektives, von Gott Herkommendes (vgl. Chaine) und wirkt im Menschen wie ein "inneres Prinzip, das ... des Menschen inneres Leben formt" (Brooke). Gerade denen, die von aller ungöttlichen Art (Sünde) getrennt zu sein behaupten, schleudert der Verf. die Anschuldigung entgegen, daß sie nichts vom göttlichen Wesen in sich tragen. Im griechischen Denken ist "Wahrheit" etwas ganz anderes, nämlich die Übereinstimmung mit dem Sein oder einem logischen Sachverhalt; aber auch der atl. Gedanke von Gottes iT~~ im Sinne von "Beständigkeit, Treue" führt noch nicht an die joh. Redeweise voll heran·. Die formelle Nähe zu gnostischer Sprache ist unverkennbar. Man vergleiche etwa OdSal 24, lOfT: "Und der Herr machte die Gedanken zunichte aller derer, bei denen nicht die Wahrheit gewesen ... und sie wurden verworfen, weil die Wahrheit nicht bei ihnen war" (Übs. W. Bauer); oder im Mandäismus Ginza 57,2lf: "Wir hörten deine Lobpreisung, und in unser Herz legte sich Kusta"; ebd. 60, 3-8: "Ein jeder, der seine Rede höret, dessen Augen füllen sich mit Licht ... sein Herz füllt sich mit Wahrheit.'.' Dennoch wäre eine reine Herleitung aus gnostischdualistischem Denken verfehlt. Die Qumrantexte zeigen die Richtung, in der sich der
1 Vgl. IRENÄUS, Adv. ha er. I, 1, 11 (Valentinianer): 8tOC "00
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1 Joh 1, 9 aU. Begriff weiter entwickeln konnte. Hier ist "Wahrheit" ein zentraler und umfassender Begriff, der den ganzen Glaubens- und Heilsbesitz der "Söhne der Wahrheit" (J QS IV, 5f) oder "Männer der Wahrheit" (I QpHab VII, 10) charakterisieren kann. Beachtlich ist die Verbindung von Heiligem Geist und Wahrheit (1 QS IV, 21; vgl. Damask 11, 12f). Die "Wahrheit" bezeichnet das, was zu Gott gehört, im Unterschied zum "Trug" der Menschen (1 QH 1,27); die "Söhne seines Wohlgefallens" belehrt Gott im "Rat seiner Wahrheit", "in der Einung mit den Söhnen seiner Wahrheit" (I QH XI,9ff). Auch damit ist freilich der spezifische joh. Begriff der Wahrheit im Sinne göttlichen Wesens, das sich otTenbart und mitteilt, noch nicht erreicht; er dürfte überhaupt erst auf dem Boden der joh. Christologie und Heilslehre verständlich werden. Der menschgewordene Gottessohn trägt die Fülle göttlicher "Gnade und Wahrheit" in sich (Joh 1, 14) und hat sie mit seinem Kommen den Menschen gebracht (Joh I, 17). Als "die Wahrheit und das Leben" ist er für alle an ihn Glaubenden "der Weg" zum Vater geworden (Joh 14,6). Dieser im Ev weiter zu verfolgende Gedanke (vgl. 8,32.36; 17,17; 18,37) steht auch hinter den Aussagen des Briefes. Damit wird nicht nur deutlich, daß der gnostische Begriff der "Wahrheit" trotz formeller Ähnlichkeit weit vom joh. absteht, sondern auch daß die Verbindung zum atl.-jüdischen Denken größer ist, als es zunächst. scheint (vgl. das BegritTspaar in Joh 1, 14. 17, aber auch 4, 23r).
1, 9 Gegenüber der verkehrten GrundeinsteIlung der Häretiker zur Sünde behandelt der Verf. nun positiv mit wenigen Strichen das Thema "Christ und Sünde im Lichte der Gottesgemeinschaft" . V 9 bietet die grundsätzliche rechtgläubige Antwort auf das Problem, wie die Goltesgemeinschaft einen sündenfreien Lebenswandel verlangen und sich dennoch mit dem tatsächlichen Sündigen des.Christen vertragen könne: Gott selbst räumt das Hindernis der Sünde, sofern der Mensch seine Verfehlungen gegen ihn reumütig bekennt, immer wieder aus dem Weg und stellt die ungetrübte Gemeinschaft aufs neue her. Die ganze Kluft zwischen Gnostikerwesen und Christentum zeigt sich in dieser Antwort: dort selbstherrliches Goltfindenwollen, hier demütiges Heimgeholtwerden in die Gemeinschaft Gottes. Der Verf. fordert nicht nur allgemein das Eingeständnis der Sündhaftigkeit, sondern das Bekenntnis l der einzelnen Sünden (,a~ &fLlXp·dlX~). Das persönliche Bekenntnis der Sünden, das auch zur Bußtaufe des Predigers am Jordan gehörte (Mk 1,5 = Mt 3, 6), ist Erbe aus der religiösen Praxis des Judentums. 'O!-,-oAoyeiv bezieht sich stets auf ein äußeres Aussprechen, nicht bloß auf ein inneres geheimes Eingestehen, in Joh 12,42 im Gegensatz zum rein inneren Glauben, in 1,20 im Gegensatz zu &pveia~<Xt, auch 9, 22 als otTenlmndiges Aussprechen. Für das Sündenbekenntnis ist unsere Stelle im joh. Schrifttum singulär, sonst stets in bezug auf den christologischen Glauben 1 Joh 2, 23; 4,2.3.15; 2 Joh 7. Bei der Beicht von Sünden steht meist e~o!-,-oAoyeiv, s. BAUERWb 548 s. v. 2a und 1125 s. v. o!-,-oAoyeiv 3b. Zu Jak 5, 16 s. weiter unten. Vgl. O. MICHEL in: ThWb 5, S. 199fT, näherhin 204, 33tT; 215,24-36; 218,43 - 219,32. 1
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1 Joh 1,9 Namentlich am Versöhnungstag wurde diese Praxis geübt'. In den Erörterungen der Rabbinen erfährt die Pflicht des Bekenntnisses eine theologische Begründungs. Beim Sündopfer mußte die Verfehlung genau angegeben werden (Lv 5,5); doch war dies sonst meist nicht erforderlich ". Da Gott der durch die Sünde Beleidigte und Erzürnte war, richtete sich dieses Eingeständnis der Schuld wesentlich an Gott (Ps 51, 6; vgl. Gn 20,6; 39,9; Lv 5, 19; 2 Sm 12,13), auch wenn unter Umständen Priester (Lv 6-, 5f) oder andere (Jos 7, 19; Sanh. VI, 2) das Bekenntnis entgegennahmen. In Qumran wurde wahrscheinlich ein jährliches Fest der Bundeserneuerung gehalten, bei dem auch die Neubewerber aufgenommen wurden; das Zeremoniell dafür ist uns in 1 QS I, 16 - 11, 18 (bzw. 111,12) erhalten. Zu ihm gehörte auch (ähnlich wie zum israelitischen Versöhnungstag) ein allgemeines Sündenbekenntnis. Die Leviten bezeugen "die Sünden der Kinder Israels und alle ihre schuldhaften Verfehlungen und ihre Frevel während der Herrschaftszeit Belials" (1,23), und dann bekennen die Neueintretenden in einem ausdrücklichen Bekenntnis ihre Sünde und Schuld (I, 24 - 11, 1). Doch dürfte sich auch die ganze Gemeinde an dem Schuldbekenntnis beteiligt haben, vgl. Damask XX, 28ft.
Dafür, daß 1 Joh 1,9 über diesen Rahmen hinausginge, findet sich im Text keinerlei Andeutung. Als eines der ältesten Zeugnisse für die kirchliche Beicht' läßt sich unsere Stelle nicht bewerten. Die betont aktive Rolle, die sie Gott im Prozeß der Entsündigung zuschreibt (ma't"oc; xod 3(xotLoC; und Subjekt im tvoc-Satz), macht es nicht wahrscheinlich, daß hier die christliche Gemeinde und ihre Vorsteher als Empfänger des Bekenntnisses oder Vermittler der Vergebung im Hintergrund stehen. Daß der tvoc-Satz eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit Joh 20, 23 habe (Chaine, Ambroggi), ist zuviel behauptet, da beide Stellen gerade in dem 1 Lv'16, 21; vgl. Lv 5,5; Is 7,19; Ps 32,5; Spr 28, 13; Dn 9,20. Auch im heidnischen Hellenismus wurde die Beicht gepflegt; s. das (inschriftliche) Material bei F. X. STEINLEITNER, Die Beichte im Zusammenhang Init der sakralen Rechtspflege in der Antike (Diss. München 1913); REITzENsTEIN, Hell. Myst. 137fT; MICHEL a. a. O. 201,26-45. • Vgl. den schönen Ausspruch von R. Simon und R. Jehoschua' b. Levi im Namen des, R. Schim'on b. Chalaphta, daß man bekennen müsse "gleich ein.em Räuber, der vor dem UnterSUChungsrichter gerichtet wird. Solange er streitet, wird er geschlagen; legt er ein Geständnis ab, empfängt er die Verurteilung. Aber Gott nicht also; sondern solange der Mensch seine Sünde nicht bekennt, empfängt er seine Verurteilung; sobald er sie aber bekennt, empfängt er den Freispruch" (Pesiq 159a, s. beiBILLERHECK I, 170). • Vgl. den Wortlaut der Bekenntnisse bei BILLERHEcK I, 113f; dazu das Bekenntnis beim jährlichen "Bundesfest" in Qumran: 1 QS I, 24 - 11, 1; vgl. Damask XX, 28-30. Nach einer Baraitha zu p Joma 8, 9 waren die Rabbinen uneins darüber, ob man die sündigen Taten einzeln aufführen müsse. R. Jehuda b. Bathyra (um 110) verlangte dies, R. Akiba (t um 135) nicht (BILLERHEcK I, 113). Bei einem Delinquenten, dessen Hauptschuld gerichtsnotorisch war, genügte der Ausspruch: "Mein Tod sei eine Sühnung für alle meine Verschuldungen." Aber nur so konnte er hoften, Anteil an der zukünftigen Welt zu gewinnen (Sanh. VI, 2c, vgl. 2a; KRAuss 187f). Vgl. ferner BONsIRvEN, Judalsme 11, 99fT. • R. SEEHERG, Die Sünden und die Sündenvergebung, Festschrift Ihmeis (1928) 22. Mit Recht dagegen B. POSCHMANN, Paenitentia secunda (Bonn 1940) 68, 1, der aber selbst zu Unrecht nur an ein inneres Eingestehen der Sünden vor Gott denkt (68). Auch BEDA, THEOPHYLAKT, OECUMENIUS dachten nur an ein Bekenntnis vor Gott.
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1 Joh 1, 9
springenden Punkt, nämlich im Subjekt des Satzes, voneinander abweichen. An sich könnte schon damals die liturgische Sitte, die Sünden vor der versammelten Gemeinde (vgl. Did. 14, 1) oder einem Kreis von Brüdern zu bekennen, bestanden haben. Doch läßt sich dies weder durch den Hinweis auf Jak 5, 16 ' noch auf 1 Joh 5, 16" erhärten, da der jeweilige Zusammenhang ein anderer ist und eine besondere Situation voraussetzt, die in 1 Joh 1,9 nicht gegeben ist. Gottes Sündennachlaß für den aufrichtig Bekennenden wird mit Ausdrücken beschrieben, die aus der atl. Vorstellungswelt bekannt sind. Gott selbst ist maToc; xoet 8[XCXLOC;; das sind Eigenschaften, die er auch in Ex 34,6f von sich kundtut, um seinen Willen zur Vergebung zu bezeugen 3 • Formell nebeneinander werden sie im Abschiedslied des Moses Dt 32, 4 genannt, und auch sonst erscheinen sie als eng verwandt'. Gottes Treue (die die LXX meist mit &A~.&e:LCX wiedergibt) ist hier speziell Treue zu der Verheißung, er werde dem reumütigen Sünder Verzeihung gewähren 5; daran erinnert schon Mich 7, 18-20. Solche Treue wird als Haltung göttlichen Wohlwollens zur Gerechtigkeit im atl. Sinn, d. h. zu einer heiligen Gesinnung, die bei Gott mit Barmherzigkeit (s. o. Ex 34, 6) und Gnade (Ps 33,5; 119,64) verschwistert ist". Für die Befreiung von den Sünden 7 kennt das AT verschiedene Bilder, von denen hier das vom Schuldennachlaß8 und das von der Reinigung, dem Abwaschen des Schmutzes·, ausgewählt sind. Eine Steigerung bringt das zweite Bild nur durch die Wendung &7tO 7tocO"rjC; &8LX[CXC;. Es steht mit dem Schluß von V 7 in Parallele und stellt zugleich durch &8LX[CXC; (das mit OCf/-CXpT[CXC;
1 CHAINE: "ohne Zweifel eine Anspielung auf dieselbe liturgische Sitte wie Jak 5,16"; vgI. auch AMBROGGI. Doch schatTen in dieser Jak-Stelle die Verbindung mit dem Gebet füreinander und der Zweck der Krankheitsheilung eine so konkrete Situation, daß es mehr als gewagt ist, in sie auch den allgemein gehaltenen Text 1 J oh I, 9 hineinzustellen. Ähnliches gilt für das Sündenbekenntnis vor der Feier der Eucharistie Did 14, 1. " POSCHMANN, a. a. O. 68, findet es naheliegend, daß der Sünder selbst sich um das Fürbittgebet der anderen bemüht und dabei naturgemäß seine Schuld bekannt hätte. Der Text legt es näher, daß die Initiative zum Fürbittgebet vom nichtsündigenden Bruder ausgeht (Mv TL~ (Sn ... ). VgI. im übrigen z. St. • &A1)-Ihvo~ KOCt 8LKOCLOmJV1)V SLOCT1)p&V KOCt 1tOt&v ~Aeo~ d~ )(tAt&SOC~, &epOCtp&v &v0iJ.loc~ KOCt &StK!OC~ KOCt &:iJ.OCpT!OC~. • Ps (LXX) 18, 8f; 32, 4f; 84, 12; 88, 15; 95,13; 118,160. s VgI. Is 1,18; Jer 31, 34; 33,8; 50,20; Ez 18, 21fT; 33, 11. 14tl. " ß!KOCLO~ heißt hier also nicht sündenlos (BücHs~L) wie 2, 1. 29 u. 3, 7, da es sich auf das Handeln gegenüber den Menschen bezieht (tvoc .•. ). VgI. auch C. H. DODD, The Bible and the Greeks (London 1935) 45 tT; 65. 7 tvoc hier nicht final, sondern konsekutiv, vgI. BLAss-DEBR§ 391,5; RADERMACHER 193; ABEL 303; die joh. Stellen gesammelt bei BROOKE z. St. " 'AepLtvOCt, vgI. Mt 6, 12; 18,27.32 - Ex 32,32; Lv 4,20; 19,22; Nm 14,19 u. Ö. In Est 2, 18 heißt &epeat~ Steuererlaß. Auf jeden Fall entstammt der "Nachlaß" juristischer Vorstellung, vgl. BULTMANN in: ThWb 1, S. 507, 20-26. • Is 1,16; Jer 40, 8; Ps 19,14; 51,4; Spr20, 9; Sir 38, 10u. ö. Rabbinische Parallelen bei SCHLATTER, Sprache 126.
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I Joh I, 10
synonym ist, vgl. Ex 34, 7; Ps 51,4 u. a.) die menschliche Unheiligkeit der göttlichen Heiligkeit und Barmherzigkeit (ll[xO(~o~) gegenüber. Dasselbe, was in V 7 vom Blute Jesu gesagt wurde, wird hier von Gott selbst ausgesagt; so sehr schaut der Verf. das Heilshandeln Gottp.s und das Heilsmittlerturn Jesu zusammen. Das Blut Jesu bzw. Jesus selbst ist das große und einzige Sühnemittel geworden, und der Versöhnungswille Gottes feiert im Blute dieses Einen immer aufs neue seine Triumphe. Die Sündenvergebung, die hier so wenig wie im AT )nagisch, aber auch nicht nur juristisch-geltungshaft (vgl. das Bild vom Abwaschen) aufgefaßt werden darf, ist eine Tat des sich und seinen Verheißungen treuen, gnädig gesinnten, Heil schenkenden Gottes 1. Ein wenig schimmert hier das Geheimnis der felix culpa durch, aber in einem tiefen, doxologischen Sinn: die Sünde, an sich die unheilvolle Zerstörerin der Gemeinschaft mit Gott, wird von diesem selbst immer aufs neue beseitigt, um die Verbundenheit von Gott und Mensch zu erhalten und zu festigen. 1,10 Noch einmal wendet sich der Verf. gegen die Behauptung menschlicher Sündlosigkeit; ihre Verkehrtheit und Frevelhaftigkeit zeigt sich auch darin, daß sie Gottes Heiligkeit, näherhin seine Wahrhaftigkeit, angreift. Diese dritte Aufnahme einer häretischen Sentenz mit tOt" d7t
Schon für die Höhe atl. Auffassung von der Sündenvergebung sagt \V. EICHRODT, Theol. des AT II/III, 316: "So erfuhr man seinen Straferlaß als freies Handeln des göttlichen Herrn, in dem sich jedesmal neu das Geheimnis der personhaften Zuwendung seines Gemeinschaftswillens kundtat." 2 Der antithetische Parallelismus zwischen VV 8 u. 9 fordert, zwischen dem Sing. ,xf1.<XpTt<xV (V 8) und Plural,xf1.<xpTt<x_ (V 9) keinen Unterschied zu machen. Das Perfekt oux -1jf1.<xpnpt<Xf1.EV V 10 drückt den Zustand der Sündlosigkeit, der Freiheit von persönlichen Sünden aus und besagt dasselbe wie die Phrase in V 8 (gegen BROOKE). 'Vgl. Gn8, 21; 3 Kg8,46;Ps 14,3; 53, 2; Job 4,17; 15,14-16; Spr20, 9; Prd 7, 20. Ein starkes und ehrliches Sündengefühl erfüllt die Zeit des Spät judentums; vgl. BOUSSET-GRESSMANN, Rel. des Jud. 390f; BONSIRVEN, Judaisme II, 89f. , Vgl. BILLERBECK Ir, 305; MOORE, Judaism I, 4141T; O. GRETHER, Name und Wort Gottes im AT (Gießen 1934) 1501T; L. DÜRR, Die Wertung des Wortes Gottes im AT und im antiken Orient (Leipzig 1938) 1221T; V. HAMP, Der BegrilT "Wort" in den aramäischen Bibelübersetzungen (München 1938) 108-167. 1
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1 Joh 2, 1 göttlichen Geistes, Gottesleben bergend und zeugend 1. Mit der Logosbezeichnung des präexistenten Gottessohnes (vgI. 1,1) hat dieser Sprachgebrauch nichts zu tun. Von diesem personhaften Logos (stets ohne O(UTOU =; &eou) wird eine Einwohnung im Menschen im joh. Schrifttum (anders bei Philo und seiner Logosvorstellung) nie ausgesagt. Dies aber ist der Sinn der häullgen Wendung oux ~aTLv &v ~J.LrV (vgI. Exk. 4): Das "Wort Gottes" ist in solche Gott Widersprechenden nicht eingegangen und hat sie nicht mit Gottes Wesen erfüllt. In ihrer Gott entgegenstrebenden Art bieten sie dem Worte Gottes keinen Raum oder haben nicht die Fähigkeit, es in sich zu bewahren '.
Auch mit dieser Entgegnung streitet der Verf. den Gnostikern letzthin ihre Gottesgemeinschaft ab, in schärfster Form, da er ihnen offenes Trotzen gegen Gottes Wort und Verschlossenheit gegen seine Heils- und Lebenskräfte vorwirft.
3. FüR DIE BESEITIGUNG DER SüNDEN SORGT JESUS CHRISTUS (1 Joh 2, 1-2)
Als christlichen Kommentar zu einer 1, 5-10 vorn Verf. benutzten (und mit eigenen Zusätzen versehenen) Vorlage braucht man 2, 1-2 (Bulte mann) bzw. 2, 1-7 (Windisch) nicht aufzufassen. Den in der Tat bemerkbaren Wechsel des Ausdrucks in 2, 1-2 kann man auch auf andere Weise erklären. Die Auseinandersetzung mit den Häretikern und die ihren Sentenzen streng folgende Argumentation hat in 1, 10 einen vorläufigen Abschluß erreicht. Jetzt wendet sich der Verf. direkt an seine Leser und tritt in eine kurze inner kirchliche Paränese ein, bei der er auch sofort eine echt christliche Motivation (Christus als Fürsprecher) gebraucht. Der Grund dafür ist die Besorgnis, die Leser könnten nach den letzten Versen die Sünde für die Regel im Christen leben halten (vgl. 2, 1 a); andererseits weiß der Verf. um die Tatsache des Sündigens (2, Ib). So weist er seine Gemeindemitglieder an den großen Fürbitter am Throne Gottes, auf den sie sich berufen können (vgl. 8t,x TO 6vofJ.1X 1X0TOU 2, 12), damit ihnen Gott noch bereitwilliger Verzeihung gewähre. So löst sich auch die Spannung zu 1,9, wo mit der Sündenvergebung durch den treuen und gütigen Gott alles Nötige zu diesem Thema gesagt zu sein schien. Die Rolle J esu Christi zur Beseitigung der Sünden wird dann noch weiter verfolgt (2, 2).
2, 1 Die Anrede TEXV(IX, von jetzt an öfters gebraucht (2, 12.28; 3, 7. 18; 4,4; 5,21), muß keinen tieferen Einschnitt in der Gedankenfolge anzeigen; aber sie läßt, wie auch das TIXUTIX yp&cpw, das sich nicht nur auf die allerletzten Verse bezieht, eine kurze Atempause erkennen. Mit einer gewissen liebevollen Eindringlichkeit" wendet sich der Verf. an seine christlichen Joh 3,34; 6, 63. 68; 8, 31. 47. 5lf; 12, 47f; 15,3.7. - VgI. dazu F. MussNER a. a. O . . 99-101. • VgI. ioh 8, 37; 5,38. Im Gegensatz dazu haben die Jünger Jesu Wort, das ihm sein Vater "gab", "aufgenommen", Joh 17,8.14; vgI. 14, 23r. • Texv!O(, Deminutiv zu TEXVO(, auch Anrede Jesu an seine Jünger Joh 13,33, braucht
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1 Joh 2, 1
Leser, damit sie seine Ausführungen gegenüber den Falschlehrern 1, 5-10 ' richtig auffassen mögen: Hauptgesichtspunkt (V 6 f) bleibt, daß die Sünde aus dem Christenleben zu verbannen ist. Wenn es dennoch zur Sünde kommt I, so bietet sich den Christusgläubigen ein großer Helfer an, um Sündennachlaß zu erhalten: Jesus Christus selbst. Wurde im letzten Abschnitt der Blick vornehmlich (außer V 7 am Ende) auf Gott gerichtet, so steht in 2, 1-2 ein kleines Kompendium der urchristlichen Lehre von Jesus Christus, dem sündentilgenden Heilbringer. Das gegenwärtige Eintreten J esu Christi am Throne Gottes für seine in Sünde gefallenen Gläubigen auf Erden deutet der Verf. durch die Bezeichnung "Paraklet" an. Auch durch diesen Ausdruck, der außerhalb der joh. Schriften im NT nicht vorkommt, verrät er seine Nähe zum Joh-Ev. Zwar wird der Titel in den Abschiedsreden (14, 16f. 26; 15,26; 16,7) auf den Heiligen Geist bezogen, und die Funktionen des "Geistes der Wahrheit" als "Parakleten" auf Erden sind andere als die des "Paraklete~" Jesus Christus im Himmel"; aber das zeigt nur die Bedeutungsweite des Begriffs "Paraklet". Das Parakletenamt des Erhöhten am Throne Gottes läßt sich in Einklang bringen mit Jesu Tätigkeit für seine Jünger während seines Wandels auf Erden. Damals hatte er die Schar seiner Jünger behütet (Joh 17,12) und vor seinem Scheiden den Vater gebeten, sie vor dem Bösen zu bewahren (17, 15)'. Jetzt bittet er für seine Gläubigen, wenn sie in Schwachheitssünden gefallen sind, am Throne Gottes. Ein "Eintreten" Jesu, der zur Rechten Gottes sitzt, für die Seinen kennt auch Röm 8, 34; Hebr 7, 25. _ Ein solches Amt übernimmt der mandäische "Bote" ("Helfer" oder "Beistand") nicht; er wird hauptsächlich der verlassenen Seele gesandt, um sie zum Ort des Lichtes emporzuleiten 4 • Die Vorstellung vom Parakleten ist im AT und Splltjudentum zu
keine besondere Zärtlichkeit auszudrücken, vgl. 7tPOßOCTtOC Joh 21, 16f gegenüber 7tp6ßOCTOC 10, 1 tT. Es steht bei gütiger Belehrung; vgl. die Anrede der Rabbinen an ihre Schüler BILLERBECK I, 198. Dagegen setzt TexvoV in den hermetischen Dialogen als Korrelat mhep voraus, bleibt also an das Zwiegespräch gebunden (V, 2; XIII, 21). 1 Toci)-rOC ypOC
+
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l.Joh2.1 beheimaten. In dem weitgesteckten Anschauungskreis von Fürsprechern, Zeugen, Mittlern, menschlichen und übermenschlichen (Engel, Heiliger Geist, im Rabbinismus auch Derivate, wie Tora, gute Werke usw.) 1 nimmt gerade die Fürsprache für Sünder den vorzüglichsten Rang und einen weiten Raum ein'. Terminologisch ist wichtig, daß "Paraklet" (häufiger noch Synegor - im Gegensatz zum Kategor) als Fremdwort in die Sprache der Rabbinen eindrang. Im Urchristentum sind die Anschauungen über Jesu Fürsprecher- und Mittleramt geläufiger als der Titel "Paraklet"·.
Die Vorstellung in 1 Joh 2, 1 ist aus dem Zusammenhang klar ersichtlich: Jesus ist der Fürsprecher der sündigenden Christen beim Vater, in dessen unmittelbarer Nähe (7tPOC; 'l'OV 7tc('l'EPC()' er weilt. Daß er sie gegenüber den Anklagen des Satans (vgl. Apk 12, 10) verteidigen müßte, ist nicht gesagt. Die forensische Bedeutung des "Parakleten" tritt hier hinter d.er hohepriesterlichen Funktion Christi zurück 5. Das wird nicht nur durch die Nähe zum "Hohepriesterlichen Gebet" Jesu (Joh 17) deutlich, sondern auch durch die kultische Terminologie des folgenden Verses bestätigt. Wie der scheidende Christus davon sprach, daß er sich "für" die Jünger "weihe" (Joh [7,19), so heißt er jetzt "die Sühnung für unsere Sünden"; im Sühnopfer seines Todes hat er jenes Versprechen wahrgemacht. Die ganze Vorstellungsweise erinnert stark an Hebr 7, 25ff: Der "heilige, unschuldige, unbefleckte und von den Sündern geschiedene" Hohepriester hat sich ein für allemal dargebracht und "lebt allezeit", um für die "einzutreten", die "durch ihn zu Gott hinzutreten". Die Kontakte zwischen dem Hebräerbrief und den joh. Schriften sind auch sonst reich und tief und weisen auf einen gemeinsamen urchristlichen Anschauungsbereich hin 6. Zum Gedanken an den heuen und barmherzigen Gott (1,9) 1 Vgl. NILS JOHANSSON, Parakletoi, und das dort entfaltete reiche Material. J. dehnt den Anschauungsbereich aber vielleicht zu weit aus (vgl. bes. "Weggeleiter" 46ff; 186ff). . , Vgl. Gn 18, 23ff; 20,7; Ex 32, 11ff. 30ff; 1 Sm 7,8f; 12, 19ff; Jer 18, 19f; Job 42,8.10; 2 Makk 7, 37f; 15, 12. 14; W. EICHRODT, Theol. desAT II/III, 312ff; HEINISCH, Theol. des AT 202f. - Für das Spät judentum s. bes. 4 Makk 6, 28; ApkBarsyr 85, I f!; Job 10, 3fT; AssMos 11, lIfT; 12, 6f; Kohel. r. 11,2; 4 Esr 7, 106ff; Hengr 64, 5 u. a.; vgl. VOLZ, Eschat. Reg. unter "Fürbitte"; JOHANSSON a. a. O. 65fT; 120 (zu Henhebr); BILLERBECK IH, 643 (zu 1 Tim 2, 1); 769f (zu Jak 5, 16); MOORE, Judaism I, 537ff; H, 219. a Vgl. JOHANSSON a. a. O. 180fT. Abzulehnen ist der Versuch, den "Menschensohn" hauptsächlich unter dem "Fürsprecher"gedanken zu verstehen. Ebenso ist es kaum überzeugend, wenn BORNKAMM, a. a. O. 20fT, und S. SCHULZ, a. a. O. 153f, eine Hauptwurzel der joh. Parakletsprüche in der "Menschensohn"-Tradition erblicken. 4 Lokal zu verstehen wie 1,2, vgl. BLAsscDEBR § 239, 1; MAYSER II, 2,371, 11fT (gegen FINDLAY 110 Anm. 1). • Vgl. O. !\fOE, Das Priestertum Christi im NT außerhalb des Hebräerbriefes, in: ThLZ 72 (1947) 335-338, näherhin 338; C. SPICQ, L'origine johannique de la conception du Christ-pretre dans l'Epitre aux Hebreux, in: Aux sources de la tradition chretienne (Me!. M. Goguel) (NeucMtel-Paris 1950) 258-269, näherhin 263f; J. BEHM in: ThWb 5, S. 810 Anm. 91 (will aber die forensische Bedeutung damit verbinden); O. CULLMANN, Die Christologie des NT (Tübingen 1957) 106f. • Vgl. C. SPICQ, L'Epitre aux Hebreux I (Paris 1952) 109-138, besonders 121-127. Wieweit das durch Kontakte zu Qumran bedingt sein könnte, bleibe dahingestellt;
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1 Joh 2, 2
kommt jetzt also der an den priesterlichen Fürsprecher und Mittler Jesus Christus. Er nimmt den Gläubigen die Sorge um ihr durch die Sünde erneut gefährdetes Heil und vergewissert sie trotz ihrer Schwachheit des Zugangs zum göttlichen Gnadenthron (vg!. Hehr 4,16; 10, 19fT). Jesus Christus wird noch mit dem Attribut "Gerechter" ausgezeichnet, kaum um damit sein Fürsprecheramt als ein dauerndes (Windisch), sondern eher um es als ein wirksames zu kennzeichnen. Der Fürbitte derer, die "Gerechtigkeit tun", die dem Willen Gottes voll entsprechen (vg!. 3, 7), entzieht sich Gott, nichV; dagegen hört er auf Sünder nicht (Joh 9, 31). Noch wahrscheinlicher ist, daß der Verf. durch diesen Zusatz begründen will, wie Jesus zum Fürsprecher der Christen am Throne Gottes werden konnte, nämlich weil er "als Gerechter für Ungerechte" starb (1 Petr 3, 18; wahrscheinlich Nachhall von Is 53, 11) oder weil er sich selbst als heiliger und sündloser Hoherpriester für die Sünder als Opfer darbrachte (vg!. Hebr 7, 26 f). Damit würde er, entsprechend seiner schriftstellerischen Eigenart (s. zu 1,5.7), schon zum folgenden Vers überleiten. 2, 2 In einer Erweiterung des Gedankens, die mit xod o(U'l'6~ 2 bewußt an die Nennung Jesu Christi anknüpft, wird die Rolle Jesu für die Beseitigung der Sünden weiter verfolgt". Die Betrachtung geht rückläufig zu dem, was er einst zur Sühnung der Sündenschuld tat, was aber für allezeit bedeutungsvoll blieb (EO''l'LV). Er ist und bleibt der große Sühner, nicht als ob er noch jetzt ein himmlisches Opfer darbrächte - das liegt außerhalb der nt!. Vorstellungswelt, vg!. Röm 6, 10; Hebr 9, 12. 28; 10, 10. 12. 14; 1 Petr 3, 18-, sondern indem sein Blut seine sündentilgende und reinigende Kraft behält (vg!. 1, 7; Hebr 9, 14). Der nur hier und 4, 10 begegnende Ausdruck tAO(O'fL6~ bezeichnet an sich die substantivierte Tätigkeit (nomen actionis)' = "Sühnung" und kann hier entweder als Abstractum pro concreto oder als Neubildung für "Sühnopfer" verstanden werden 5. Die Wendung "Sühnung für die Sünden" verrät eindeutig die
dazu vgl. noch C. SPICQ, L'Epltre aux Hebreux, Apollos, Jean-Baptiste, les Hellenistes et Qumran, in: RQumran 1 (1958-59) 365-390. 1 Vgl. BONSIRVEN, Judaisme H, 156f. Wenn dies schon für die atl. "Gerechten" gilt, dann erst recht für Jesus; zur Bezeichnung Jesu als 0 IHx<xLO~ im NT vgl. noch Lk 23,47; Apg 3,14; 7,52; 22, 14; 1 Petr 3,18; 1 Joh 2, 29; 3, 7; auch Joh 16, 10. 2 Klassisch wäre eher 01iTO~, vgl. BLAss-DEBR § 277, 3, u. 290, 1, doch "ist der Gebrauch alt, wenn auch den Attikern fremd" (§ 277, 3, Anh. S. 47). Im NTbesonders häufig bei Lk, so 1,22; 2,50; 4, 15; 7,12 (v. 1.); 8,42 (v. 1.); 9,36; 11,14; vgl. <XUTO~ /)" bzw. yocp Mt 3,4; Mk 6, 17; Lk 3,23; Joh 2,24; 4,44. Die Betonung von <xöT6~ ist schwach, vgl. WINER-SCHMIEDEL § 22, 2b (S. 195-196). 3 BULTMANN, Redaktion von 1 Joh 200, hält V 2 für interpoliert (vgl. dazu Einl. S. 15). • Wie cXYL<X0'f.L6~, 7töLp<X0'f.L6~,
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1 Joh 2, 3-11
atl. Wurzel (LXX !AcXO'Ko!J.ou 7te:pl) und zeigt ähnlich wie die Vorstellung von der Sündenvergebung 1, 9, aus welcher Quelle der Verf. hier schöpft. Aber es sind nicht schlechthin die Opferanschauungen des AT, auf die er sich wie Hebr stützt, sondern eher jene in der spätjüdischen Theologie weiter entwickelte Auffassung von dem stellvertretenden Leiden und Sterben der Gerechten und Martyrer'. So betet der dem Feuertode nahe greise Eleazar: "Sei gnädig deinem Volk, und laß dir an unserer anstatt ihrer Bestrafung genügen. Mach mein Blut zu einem Reinigungsmittel (Koc&cfpO'LOV) für sie, und nimm mein Leben als Ersatz (&.V't'ltjJux,ov) für das ihrige" (4 Makk 6,28f). Gegenüber solchem Martyrerleiden für das Volk' gewinnt aber der Tod des Messias darüber hinaus eine univers ale Bedeutung 3. Daß sich dies gegen die Überheblichkeit gnostischer Pneumatiker richte, die sich aus dem allgemeinen Sündenelend herausgehoben wähnen" ist kaum anzunehmen; es geht nicht um die Frage der allgemeinen Erlösungsbedürftigkeit, sondern um die Reichweite des Sühnewerkes ChrIsti. Ohne besondere Spitze spricht der Verf. in wahrhaft "katholischer" Weise aus dem Bewußtsein, die endgültige und volle Heilsbotschaft zu verkünden (vgl. 1,1-3). Die positive kerygmatische Formulierung und abrundende Art der Phrase zeigt den Abschluß des hier behandelten "Sündenthemas" an.
ZWEITER ABSCHNITT
Erkenntnis Gottes und Halten der Gebote (1 Joh 2, 3-11) 3 Daran erkennen wir, daß wir ihn erkannt haben, daß wir seine Gebote halten. 4 Wer sagt,' "Ich habe ihn erkannt", seine Gebote aber nicht häll, ist ein Lügner, und tn ihm wohnt die (göttliche) Wahrheit nicht. 5 Wer jedoch sein Wort häll, in dem ist wahrhaft die Gotlesliebe vollendet. Daran (also) erkennen wir, daß wir in ihm Vgl. bes. MOORE, Judaism I, 546; BONSIRVEN, Judaisme 11, 98; H. W. SURKAU, Martyrien in jüdischer und frühchristI. Zeit (FRLANT, NF 36) (Göttingen 1938) 9-82; E. LOHSE, Märtyrer und Gottesknecht (FRLANT, NF 46) (Göttingen 1955) 64-110. , Vgl. das zusammenfassende Urteil BILLERBECKS über jene rabbinischen Äußerungen, die auch ein Leiden des Messias ben David bezeugen: "Indem der Messias stellvertretend für sein Volk leidet, kann diesem trotz der mangelnden eigenen Gerechtigkeit die messianische Erlösung zuteil werden. Aber nur Israels Sünde sühnt der Messias. Der Gedanke, daß der Messias die Sünden der Welt, also auch die der Nichtisraeliten, trägt (s. Joh 1, 29), begegnet nirgends in der altrabbinischen Literatur" (11,292). • An der weltweiten Wirkweise der Erlösungstat Christi besitzt das Joh-Ev stärkstes Interesse, vgl. 1,29; 3, 17; 4,42; 10, 16; 11,52; 12,24.32.47; 17, 18.20. • Vgl. IRENÄus, Adv. haer. I, 1, 12: xO
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1 Joh 2, 3-6
sind. 6 Wer behauptet, in ihm zu bleiben, muß so, wie jener gewandell ist, auch selbst wandeln. 7 Geliebte, kein neues Gebot schreibe ich euch, sondern das alle Gebot, das ihr (schon) von Anfang an habt. Das alle Gebot ist das Wort, das ihr gehört habt. 8 Anderseits schreibe ich euch (damit) ein neues Gebot; das trifft wirklich zu bei ihm und bei euch, denn die Finsternis weicht, und das echte Licht scheint bereits. 9 Wer behauptet, im Lichte zu sein und (doch) seinen Bruder haßt, ist bis zur Stunde in der Finsternis. 10 Wer seinen Bruder liebt, der (ist und) bleibt im Licht, und einen Anstoß gibt es darin nicht. 11 Wer aber seinen Bruder haßt, ist in der Finsternis und wandell in der Finsternis, und er weiß nicht, wohin er geht, weil die Finsternis seine Augen blind gemacht hat. 1. ERKENNTNIS GOTTES VERLANGT, SEINE GEBOTE ZU
HALTEN UND NACH DEM BEISPIEL JESU ZU WANDELN (1 Joh 2,3-6)
Die Verse 2, 3-5a sind den Sätzen 1,5-7 auffällig parallel gebaut. Nach der These V 3 (vgl. 1, 5) wird die gnostisch-häretische Behauptung in V 4 wie in 1, 6 abgewiesen und mit ähnlichen, wörtlich anklingenden Ausdrücken gebrandmarkt (2, 4b, vgl. 1,6b). Dann wird dem falschen Verhalten das rechte entgegengesetzt und mit der Heilszusicherung ausgezeichnet (2, 5, vgl. 1, 7). Der ganze kleine Abschnitt ist eine Abwandlung desselben Grundthemas ; nur wird die negative Fassung "nicht im Finstern umhergehen" jetzt positiv gewendet zu: "die Gebote halten". Wenn schon dieser Gleichbau nahelegt, "Gottesgemeinschaft" und "Erkenntnis Gottes" für synonym zu halten, so bestätigt dies der Abschluß des Gedankenganges in V 5c (E:V aUTij) E:O"fJ.EV). Diese neue Beleuchtung desselben Themas offenbart nicht nur eine schriftstellerische Eigenart unseres Autors, sondern hat auch einen konkreten Anlaß: die von den Irrlehrern in Umlauf gesetzten Schlagworte (~yvwxa aUT6v). Der christliche Lehrer greift sie auf, aber rückt sie in das Licht der wahren Heilslehre und ihrer Forderungen. Objekt des religiösen "Erkennens" kann auch Jesus Christus sein (1, 13a. 14b; vgl. Joh 1,10; 14,7.9; 16,3; 17,3); aber die Beziehung von aUT6v in dem vorliegenden Abschnitt auf ihn 1 ist abzulehnen. Jesus Christus ist in 2, 1-2 nach seinem Fürsprecheramt und überhaupt seiner Erlösungsrolle für uns gewürdigt worden. Daß es sich in 1 J oh nicht darum handeln kann, zu erkennen, wer der unter den MenSchen wandelnde Jesus von Nazareth in Wirklichkeit sei (vgl. Joh 8, 28; 10,38; 17,8.23.25 - ein YLVwa",eLv, das in nächster Nähe zum ",a....eueLv steht), ist ohne weiteres klar. Aber auch die Erkenntnis seiner
1
CALMES, BücHSEL (vgl. auch \VINDISCH, Donn) gegen die meisten Neueren.
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Exkurs: Häretische Gnosis und christliches "Gotterkennen " göttlichen Art und Wesenheit als Weg zur Gottesgemeinschaft (vgl. 2, 23; 5, II f) steht hier nicht im Vordergrund. Das ergäbe eine Verschiebung des Gesichtswinkels gegenüber 2, 1-2 und fände keine Fortsetzung (anders als 2, 23f). Dagegen wird alles verständlich, wenn man ytVWaxEL" c"h6" als Gotteserkenntnis auffaßt und mit 1, 61T in Parallele setzt.
Mit YLV6>crxe:LV 3e:6v fällt ein wertgesättigter, gefühlsbetonter Ausdruck der damaligen religiösen Sprache. Ebenso wie "Gottesgemeinschaft" nimmt ihn der Verf. von 1 Joh bewußt in seinen Sprachschatz auf. Da dieses YLV6>O"Xe:LV 3e:6v aber einen verschiedenen Klang, je nach dem religiösen Standpunkt, gewinnt, erhebt sich die wichtige Frage, von wo 1 Joh seinen Ausgang nimmt und in welchem Sinn er das "Erkennen Gottes" positiv akzeptiert.
EXKURS
3:-
Häretische Gnosis und christliches "Gollerkennen" 1. Das "Gotterkennen" in 1 Joh hat weder das Griechentum zur geistigen Heimat noch kann es aus der jüdischen Vorstellungswelt heraus voll verstanden werden. Im Hinblick auf die Irrlehrer knüpft es an jene geistesgeschichtliche Strömung an, der dieses Kernwort den Namen geliehen hat. In hellenischer Literatur ist der Ausdruck "Gott erkennen" sehr selten l; "Erkenntnis" bedeutet auf griechisch-römischem Boden die Frucht sorgfältigen Beobachtens, spekulativen Denkens, systematischen Nachdenkens und Schlüsseziehens. Dabei gelangt der griechische Philosoph zu den Anfängen und Urgründen des Seins, zu einem "ersten, selbst nicht bewegten Beweger" (Aristoteles). Dagegen "bleibt die Tatsache bestehen, daß wir uns in eine andere Welt versetzt glauben, wenn wir auf das Material blicken, das mit hellenischem Wesen eigentlich nur die griechischen Buchstaben gemeinsam hat" 2; gemeint ist jener Schatz religiöser Zeugnisse hauptsächlich orientalischer Provenienz, der - bei aller Differenzierung ein heilbringendes "Erkennen" meint, das dann im Gnostizismus zum eigentlichen Weg der Erlösung geworden ist". Etwas anders liegen die Verwandtschaftsbeziehungen zum AT und 1 Vgl. NORDEN, Agnostos Theos 87ft; BULTMANN in: ThWb 1, S. 121, 36 - 122,29. • NORDEN a. a. O. 95. • Dazu und zum schwierigen Problem der Entstehung des Gnostizismus vgl. u. B. H. JONAS, Gnosis und spätantiker Geist I (bei aller Mannigfaltigkeit "gnostischer" Erscheinungsformen ein einheitliches gnostisches "Weltgefühl"); BULTMANN in: ThWb I, S. 692-696; L. CERFAUX in: DictBibleSuppl 3, Sp. 659-701 (gegen vorchristI. Ursprung des Gnostizismus und Einfluß auf Joh); S. PETREMENT, Le Dualisme 132-159; M. P. NILSSON, Gesch. der griech. Hel. 11,556-596; G. QUISPEL, Gnosis als Weltreligion
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Exkurs: Häretische Gnosis und christliches" Gotterkennen"
Spätjudentum. Das atl. "Gotterkennen" ist kein vorwiegend rationaler Vorgang, vielmehr ein auf Gottes Offenbarung und Erwählung antwortendes Wissen um Gott und ein Verkehr mit Gott, ein Kennen und Anerkennen, das sich in Kult und Anbetullg, in religiösen Akten und in der Beobachtung seiner Gebote manifestiert 1. Das pharisäisch-rabbinische Judentum verengt dann das "Erkennen Gottes" immer mehr zum Bekenntnis des Monotheismus und zur treuen Erfüllung der Tora-Vorschriften. Insofern es die geschichtliche Offenbarung Gottes als Zugang zur Gotteserkenntnis ansieht und ihre praktische Erfüllung im Halten der Gebote Gottes fordert, steht ihr das joh. "Gotterkennen" nahe. Wie groß jedoch der Abstand zwischen Rabbinentum und 1 Joh ist, zeigt ein Wort aus Siphre Dt 11,22 2 ; "Willst du den erkennen, welcher sprach, und es ward die Welt, so lerne Haggada (Kunst der Schriftauslegung); denn dadurch erkennst du Gott und hängst an seinen Wegen." Die Erkenntnis Gottes ist im Rabbinismus streng an das "Gesetz" und seine (oft allegorische) Auslegung gebunden; diese läßt zwar einen so weiten Spielraum, daß griechisch gebildete Geister, wie Philo von Alex., auf diese Weise die Höhen und Tiefen der Ph'ilosophie und Mystik in der atl. Offenbarung wiederfinden können'; aber 1 Joh macht diesen Umweg über die allegorische Schriftauslegung nicht mit. Eine stärkere Annäherung an das "Gotterkennen" bei Joh bringen aber die Qumrantexte. "Erkennen", "Wissen", "Einsicht" und verwandte Ausdrücke spielen in ihnen eine bedeutsame Rolle'. Dabei wird der Nachdruck auf das von Gott kommende, den Menschen an sich (Zürich 1951) (Hauptwurzeln im Judentum); R. MCL.WILSON, The Gnostic Problem (London 1958) ("Gnosticism and Christianity in NT Times" 64-96 - vielleicht das beste zu dieseln Problem); R. M. GRANT, Gnosticism and Early Christianity (New York 1959); S. S~HULZ, Die Bedeutung neuer Gnosisfunde für die nt!. Wissenschaft, in: ThRu 26 (1960) 209-266; 301-334. 1 VgI. G. J. BOTTERWECK, "Gott erkennen" im Sprachgebrauch des AT (BBB 2) (Bonn 1951) (mit älterer Lit.); W. ZIMMERLI, Erkenntnis Gottes nach dem Buche Ezechiel (Zürich 1954); F. N ÖTSCHER, Zur theoI. Terminologie 23-26. - M.-E. BOISMARD in: RB 56 (1949) 366-371 u. 388-391, hält die eschatologischen Aussagen von Ez und Jer über das "neue Herz" und das entsprechende "Gotterkennen" für vergleichbar mit den joh. Aussagen. 2 Siphre zu Dt 11, 22, § 49 (s. bei BILLERBECK III, 776); vgI. weiterhin MooRE, Judaism II,289ff. • Bei Philo fließen die hellenistischen, gnostischen und atI. Begriffe zusammen, und oft läßt sich schwer angeben, welche die Führung haben; aber sein Ausgangspunkt ist das AT, seine Methode die allegorische Schriftauslegung; vgI. H. WINDISCH, Die Frömmigkeit Philos (1909) 60ff; BULTMANN in: ThWb 1, S. 702; E. BREHIER, Lesidees philosophiques et religieuses de Philon d'Alexandrie (Paris "1925) passim; E. STEIN, Die allegorische Exegese des Philo aus Alexandreia, in: Beih. 51 z. ZatW (Gießen 1929); W. VÖLKER, Fortschritt und Vollendung bei Philo von Alex., bes. 189ff; PETREMENT a. a. O. 216ff. • VgLW. D. DAVIES, "Knowledge" in the Dead Sea Serolls and Matthew 11, 25-30, in: HarvThR 16 (1953) 113-139; F. NÖTSCHER, Zur theoI. Terminologie 38-79; o. BETZ, Offenbarung und Sehriftforsehung in der Qumransekte (Tübingen 1960) 6-15; 18f; 135-140. VgI. auch die folg. Anm.
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Exkurs: Häretische Gnosis und christliches "Gotterkennen"
verborgene, nur durch besondere "Offenbarung" vermittelte Wissen gelegt, das ein Vorzug der "Schriftforscher" in Qumran ist; es bezieht sich sowohl auf die rechte Auslegung der Tora als auch auf die Enthüllung eschatologischer "Geheimnisse". "Mein Auge erblickt Weisheit, die vor Menschen verborgen ist, Erkenntnis und kluge Einsicht, (verborgen) vor Menschenkindern, die Quelle der Gerechtigkeit und die Sammlung von Kraft sowie den Ort der Herrlichkeit ... " (1 QS XI, 6f). Ermöglicht wird solche Erkenntnis durch den heiligen Geist, den Gott den Erwählten schenkt: "Ich als ein Verständiger habe dich erkannt, mein Gott, durch den Geist, den du in mich gegeben hast, und Zuverlässiges habe ich gehört über deinen wunderbaren Ratschluß durch deinen heiligen Geist. Du hast mir Erkenntnis eröffnet in das Geheimnis deines Verstandes ... " (1 QH XII, 11 ff). "Gnostisch" freilich läßt sich solches "Erkennen" kaum nennen, auch wenn es als erleuchtend und heilbringend empfunden wird 1; es führt auch noch nicht zu jener Gottesgemeinschaft, die der Verf. von 1 Joh im Sinne hat. Darin aber, daß die "Erkenntnis" durch besondere göttliche "Offenbarung" vermittelt wird, liegt ein mit dem Gnostizismus verwandter Zug, auch wenn der Ansatzpunkt dafür eher die Apokalyptik ist; in dieser wie überhaupt im "heterodoxen" Judentum ist das eine mögliche Einbruchstelle f,ür , ,gnostisches" Denken. Anderseits verbindet die Qumrantexte manches mit dem "Gotterkennen" in 1 Joh: der personale Gottesbegriff, das Wissen um den Abstand von Gott, das Festhalten an seiner geschichtlichen Offenbarung, überhaupt das heils geschichtliche Denken, vor allem aber das Bewußtsein, Gottes Gebote halten zu müssen; das alles ist, hier wie dort, unveräußerliches jüdisches Erbe im Unterschied zum Gnostizismus. So stellen die Qumrantexte tatsächlich eine gewisse Brücke dar, machen aber den joh. Sprachgebrauch auch noch nicht voll verständlich. Der Verf. von 1 Joh nimmt den Begriff des "Gotterkennens" auf, den die von ihm bekämpften Irrlehrer verwendeten. Bezeichnend dafür ist die Nähe des YLV6:!O"Xe:LV zum EWPIl(X~Ve:L, zur unmittelbaren Schau (1 Joh 3,6; vgl. Joh 14,7.17; 3 Joh 11). I:lie Kernaussagen vom "Gotterkennen" macht sich der Verf. von 1 Joh so zu eigen, daß er sie auch in Worten an die christliche Gemeinde gebraucht (3,6; 4,7f; 5,20a). Indes sieht er den Weg zu solcher "Gnosis" und ihre nähere Art wesentlich anders als die häretischen Gnostiker. Wenn es wahr ist, daß damals "YVWO"L<:; .&e:oi3 das Losungswort im Konkurrenzkampf der Religionen" war", dann hat sich der Verf. von 1 Joh in diesen Konkurrenzkampf eingeschaltet und mit seiner Antwort gewaltig die Werbetrommel für das Christentum ge-
VgI. B. REICKE, Traces of Gnosticism in the Dead Sea Scrolls?, in: NTSt 1 (1954-55) 137-141; H. J. SCHOEPS, Urgemeinde, Judenchristentum, Gnosis (Tübingen 1956) 30-46; 85 ("homologe" Entwicklung im Judentum; in den Quamrantexten nichts von hellenistisch-paganer Gnosis); K. SCHUBERT, in: LexThK 4, Sp. 1025 (die Begriffe haben einen "esoterischen Charakter"); F. M. CROSS JR., The Ancient Library of Qumran (London 1958) 154f (ähnlich). " NORDEN a. a. O. 109. 1
9 Schnackenburg, Johannesbriefe
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Exkurs: Häretische Gnosis und christliches "Gotterkennen"
rührt. Dieses ureigen Christliche in der joh. Konzeption vom "Erkennen Gottes" herauszuarbeiten ist unsere Aufgabe. 2. Für die "Gnosis Gottes" der von 1 Joh bekämpften Gegner können wir nur die allgemeine Tendem; jener Geistesströmung zugrunde legen, da jegliche näheren Angaben gerade über ihre Vorstellungen von Gott und dem Weg zu Gott fehlen. Wir wissen nur, daß für sie "Gotterkennen" zur "Gemeinschaft mit Gott" führt (vgl. 1,6; 2,5c), daß sie so "im Lichte" zu sein glauben (2,9). In der Tat ist die Vergottung das Ziel der Gnosis; "das ist das herrliche Ziel für alle, die Gnosis erworben haben: vergöttlicht zu werden" 1, oder: "denn wer zur Gnosis gelangt ist, der ist gut und fromm, ja bereits göttlich"". Es ist möglich, daß sich die Gnostiker von 1 Joh nicht näher darüber ausgesprochen haben, wie diese "Erkenntnis Gottes" erfolgt, möglich aber auch, daß sie eine ekstatische Gottesschau lehrten (vgl. 4,12.20; 3, 6b). Der im Poimandres beschriebene Aufstieg zum Leben und Licht kommt ohne die Ekstase aus; er kennt für dieses irdische Leben nur die Anweisung: "Der vom Nus geführte (~wou~) Mensch soll sich selbst erkennen!" (§ 21), verheißt dazu die Hilfe Gottes (§ 22) und beschreibt die stufenweise Befreiung von den hindernden körperlichen Wahrnehmungen und Leidenschaften erst für die Zeit der Auflösung des materiellen Leibes (§ 24). Der hermetische Traktat XIII dagegen läßt die "Wiedergeburt im Geiste" schon sogleich auf Erden in der ekstatischen Schau erfolgen (§ 13). Beide Antworten also sind möglich; nicht die Ekstase steht im Zentrum des gnostischen Bemühens, sondern überhaupt die Lösung aus der Welt der Finsternis,' der Materie, des Todes, und die Rückkehr der Seele in das Reich des Lichtes, aus dem sie stammt und nach dem sie sich in der Fremde dieser Welt zurücksehnt. Ob dies schon jetzt in der Ekstase geschieht oder erst nach dem Tode, ist eine zweitrangige Frage, wenn auch die Verachtung alles Materiellen in dieser Geisteshaltung sehr stark zur Ekstase hindräng~. Jedesmal aber ist der Heilsweg der "Gnosis", der Erkenntnis der Se.ele von ihrem Ursprung und ihrem Ziel, von ihrem pneumatischen Wesen und ihrer "Geworfenheit" in diese untere, ihr feindliche Welt von ~u~ schlaggebender Bedeutung. Mit dieser Erkenntnis als solcher ist die Erlösung und Wiedergeburt eingeleitet und grundsätzlich vollzogen. Je reiner und intensiver diese "Gnosis" ist, um so mehr hat der Gnosti~er schon wieder am göttlichen Licht und Leben Anteil. "Heilig ist Gott, der erkannt werden will und von den Seinen erkannt wird." 3 Daß dieser Grundgedanke jeglicher Gnosis auch von den Irrlehrern in 1 Joh vertreten wurde, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, auch wenn die typisch gnostischen Fragen nach dem Woher und Wohin und nach dem Wesen der Seele' nicht auftauchen. 1 Joh entfaltet nicht ihre Lehren wie die christlichen Häresiologen, sondern bekämpft einzelne Parolen.
CHerm I, 26a. • CHerm X, 9. 3 CHerm 1,31. • CLEM. ALEX., Exc. ex Theod. 78, 2: ~ YVW(l"L~, "(VE~ 1ifLEV, ..( yoy6vlXfLEV· 7toi) ,1ifLEV
1
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Exkurs: Häretische Gnosis und christliches "Gotterkennen"
3. Die christliche "Gnosis" des Autors von 1 Joh ist völlig von jedem unchristlichen Gehalt gereinigt. Er hat damit "eine der gewaltigsten Geistesleistungen aller Zeiten vollbracht" '. Des näheren lassen sich die Unterschiede seines "Gotterkennens" zur außerchristlichen Vorstellung in der häretischen Gnosis etwa so formuIieren: a) Mit dem "Gotterkennen" sucht er kein Selbstverständnis des Mensehen, sondern wirkliche Erkenntnis Go t t es, die zur Gottesgemeinschaft wird. b) Diese Gotteserkenntnis beruht auf einer Offenbarung, die von aller gnostischen "Offenbarung" wesentlich verschieden ist. Der Myste in den Mysterienreligionen wird in ein sinnlich-übersinnliches Geschehen, z. B. in eine geheimnisvolle Schau der unterirdischen und überirdischen Welten 2, hineingezogen; der Initiand der Hermesmystik wird von seinem "Vater", dem Gott Hermes (so Herrn. Tr. XIII), bzw. dem "Poimandres", dem "Sinn der obersten Macht" (voüc; 't"~c; ocu&e:v't"[occ;, § 2), in einer Art geistigen Schlafes (ebd. § 1) aufgeklärt und belehrt, wie er zu dieser befreienden "Gnosis" gelangen könne. Der Christ aber glaubt an eine Offenbarung, die einmal zu geschichtlicher Stunde erfolgte und Gegenstand der Verkündigung (1 Joh 1,3.5) vor aller Welt wird. Der Christ empfängt diese durch Glaubensboten überlieferte Offenbarung weder in einer geheimen Einweihung noch in einem gehobenen Traumzustand, sondern durch gläubiges Anhören der Gottesbotschaft (1 Joh 2,7.24; 3,11). c) Die zur Erkenntnis und Gemeinschaft Gottes führende Offenbarung wird vermittelt durch den einen fleischgewordenen Gottessohn J esus Christus, der damit die unabdingbare Rolle des Heilsmittlers übernimmt. Der "Gesandte" aus der oberen Welt des Lichtes, wie immer er in den gnostischen Systemen heißen mag, ist eine wesentlich andere, nämlich eine mythologische Figur, in die der Gedanke der gnostischen "Erlösung" eingekleidet wird. Sein "Ruf", zeitlos erhoben und jederzeit den Empfänglichen hörbar, ist der Ruf der "Wahrheit". Er erreicht die Seele von außerhalb dieser Welt der Materie, in die sie geworfen ist, und ruft sie in die Licht- und Lebenswelt zurück 3. Das "Kommen" des "Gesandten" ist ein beständiges oder wiederholtes' oder, soweit geschichtliche Gestal[~J nou eveßA~.(1)iJ.ev· nou (J7teU8oiJ.€V, n6.&€V AUTpOUiJ.e.&cx· Tl YEVV1)atc;, Tl &VCXyEVV1)atC;. Vgl. Acta Thomae 15. Diese Formeln sind auch den stoischen Philosophen bekannt, die sie freilich in anderer Weise verwenden, vgl. EPIKTET I, 6,25; SENECA, Ep. 82, 6; MARK AUREL, In sem. VIII, 52. Vgl. E. NORDEN, Agnostos Theos 102f; REITZENSTEIN, Hell. Myst. 2851T. 1 H. HANSE a. a. O. 105; vgl. zur Eigenständigkeit der joh. "Mystik" auch A. OMODEO a. a. O. 106ff. 2 Vgl. ApULEIUS, Metam. XI, 23. 3 Vgl. JONAS a. a. O. 120ff; PETREMßNT a. a. O. 164ff.· • Ein Beispiel für das "Kommen des Gesandten des Lichts" und seine "Verkündigung" in der Welt bietet etwa GINZA 57-61, für das "Hinaufführen" der Seinigen OdSal 22.
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Exkurs: Häretische Gnosis und
christJich~s
"Gotterkennen"
ten ins Blickfeld treten, wie im Manichäismus" ein prototypisches, indem dieser Gesandte nichts anderes als Schicksal und Weg jeder Seele darstellen soll. "Der Kommende aber ist mit demjenigen, zu dem er kommt, das Leben mit dem Leben, letztlich identisch; der Fremde kommt zum Fremden (in der Welt), und in auffallender Weise können Wesens- und Schicksals charaktere des einen und des anderen wechselseitig alterieren." I Bezeichnend dafür ist das in den Acta Thomae 108ff erhaltene "Lied von der Perle", auch "Seelenhymnus" genannt, in dem der "Königssohn" sowohl den "Erlöser" als auch die "Seele" bl)deuten kann a; ferner in den Oden Salomons die Vorstellung von dem eigentlichen Gottessohn und dem Adoptivsohn, d. h. dem erlösten Menschen, die beide ineinanderfließen '. Man begreift, wie verwirrend und zersetzend solche Gedankengänge für die christliche Erlösungslehre sein mußten; denn sie "zerstörten Jesus" (vgl. die Lesart zu 1 Joh 4,3) und machten aus der geschichtlich einmaligen Erlösergestalt (Inkarnation) mit ihrem unersetzbaren und unwiederholbaren blutigen Sühnetod für das Heil der Welt eine mehr oder minder mythologisch eingekleidete Idee. Diese Gefahr hat der Verf. von 1 Joh klar erkannt und mit aller Schärfe bekämpft. d) Was in der außerchristlichen Gnosis höchstens als Frage am Rande auftaucht, da der in der "Gnosis" bestehende Edösungsweg der Seele alles Interesse verschlingt, nämlich die Konsequenzen für das praktische Verhalten in dieser irdischen Welt, das wird für den Christen zu einer Hauptsorge, da es Forderung und Gebot seines Heilandes ist. Wer Gott "erkennen" und zu seiner Gemeinschaft gelangen will, muß seine Gebote halten (2,3-5). Der Gottgesandte wird dem Christen nicht zum Prototyp seines kosmisch-individuellen Schicksals, sondern zum Vorbild se~~s ethischen "Wandels" in dieser Welt (2,6). Ja, dieser menschgewordene Gottessohn, dem allein er Entsündigung und damit Heilserlangung vl!rdankt, (2, 1 f), erhebt an ihn sehr konkrete Forderungen, allen voran das Gebot der Bruderliebe (2, 7 ff). Die sittliche Bewährung ist unerläßliche Bedingung der endgültigen Errettung und Heilsvollendung, die, w~nn Vgl. dazu JONAS a. a. O. 303f; REITZENSTEIN, Iran. Erlösungsmyst. 17f; 3lf; 55f; PETREMENT a. a. O. 200fT; 299fT; H.-Ch. PUECH, Le Manichtlisme (Paris 1949) 78fT. Bedeutungsvoll für die Erklärung der manichäisch-gnostischen Vorstellungen . wurde die Edition der sog. "Glied"-Hymnen, s. M. DOYCE, The Manichaean HymnCycles in Parthian (Ox!ord 1954) ; deutsche übersetzung und Besprechung bei C. COLPE, Die religionsgeschichtliche Schule. Darstellung und Kritik ihres Bildes vom gnostischen Erlösermythus (FRLANT, NF 60) (Göttingen 1961) 69-100; viel Klärendes zum gnostischen "Erlöser"-Mythus ebd. 171-208. . • JONAS a. a. O. 126; vgl. REITZENSTEIN a. a. O. 55f; R. ABRAMOWSKI, Der Christus der Salomooden, in: ZntW 35 (1936) 59: "absolute Gleichförmigkeit zwischen dem Schicksal des Christus und dem Schicksal des Menschen in Niedrigkeit und Erhöhung". 3 JONAS a. a. O. 320; PETREMENT a. a. O. 165f; G. BORNKAMM, Mythos und Legende in den apokryphen Thomas-Akten (FRLANT, NF 31) (Göttingen 1933) 111 fT; A. ADAM, Die Psalmen des Thomas und das Perlenlied als Zeugnisse vorchristlicher Gnosis, in: ZntW Beiheft 24 (Berlin 1959) 56!; 81 f. • Vgl. ABRAMOWSKI a. a. O. 52-62. 1
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1 Joh 2, 3
auch noch so sehr mit freudiger Zuversicht erwartet (2,28; 4, 17), immer noch "Hoffnung" ist (3, 3) 1.
2, 3 So wenig wie in 1, 5 verkettet das xoc[ mit den vorstehenden Versen. Im Gegenteil legt EI/ "o{JT(~ allen Nachdruck auf den folgenden 2 MI/-Satz. Dem Verf. liegt an einem Kriterium, durch das man die falschen und echten Bewerber um den Gnostikertitel unterscheiden kann. Als positiven Beweis fordert er das Halten der Gebote Gottes. Daß ihm, der die Bedrohung seiner Adressaten durch die selbstgewissen und verführerischen Parolen der Irrlehrer beobachtet, viel an solchen unterscheidenden Kennzeichen gelegen ist, zeigt das häufige Vorkommen der Wendung EI/ "o6,,~ j'LI/6>aJ
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1 Joh 2, 4
will zu einem Tatchristentum führen, das einer vom Handeln gelösten Mystik und einer weltflüchtigen Spekulation diametral entgegengesetzt ist. Gerade durch diese Gehorsamsethik wahrt der Verf. die Verbindung mit der syn Predigt J esu 1 und der ethischen Grundhaltung des Urchristentums 2. Damit steht er auch dem Judentum näher als dem heidnischen Synkretismus s. Mag der breite gnostische Strom neben dem Schlamm des Libertinismus bisweilen auch klares Wasser lauterer Sittlichkeit mit sich geführt haben, mögen manche dieser Gnostiker ernsthaft und radikal um die Loslösung aus der Materie gerungen haben' - die gnostische Ethik ist keine Antwort auf den Ruf eines persönlichen Gottes, keine Verantwortung vor dem Forum eines ewigen Richters. Darum konnte sie in jene Abgründe abstürzen, wo um der "Freiheit" willen das Unmoralische zum Gebot wurde. Diese Pervertierung des moralischen Empfindens war es, die die kirchlichen Ketzerbekämpfer, voran Irenäus, in hellste Empörung versetzte (vgl. Exk. 3). Die Klarheit und Nüchternheit der christlichen Ethik ist nicht zuletzt das Verdienst der joh. Schriften. 2, 4 Das gefundene Kriterium wird nun auf die Irrlehrer angewendet. Der wörtlich angeführten Parole eines solchen "Gnostikers": "Ich habe ihn erkannt" (und kenne ihn), wird sein tatsächliches Verhalten gegenübergestellt (xocl = "und doch"). Die Verurteilung erfolgt fast mit denselben Wendungen wie 1,6 bzw. 8. Statt o/e:u86fLe:&oc heißt es o/e:uO"""lC; &O"'t"lv, mit allem Schwergewicht dieses Ausdrucks, der die Gottesferne und Gottfeindlichkeit solcher Menschen hervorhebt (s. zu 1,6). Die zweite Wendung, die wir bereits aus 1,8 kennen, spricht einem solchen Lügner und Verführer (&v 't"oUT
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I Joh 2, 5
tend mit dem "Geist der Wahrheit", vgl. 4,6; Joh 14,17. Um sich der rechten Gnosis zu erfreuen, muß man €x Tijc; oc).:'l&c:[cx.c; sein (vgl. Joh 18, 37; 1 Joh 2,21; 3, 19). 2, 5 Dem dunklen Schattenbild des falschen Gnostikers, der sich Gotteserkenntnis anmaßt, aber Gottes Gebote nicht hält, setzt der Verf. die helle Zeichnung eines echten Christen entgegen, der "sein (Gottes) Wort bewahrt (und erfüllt)". Die göttlichen Gebote werden jetzt als Gottes "Wort" charakterisiert und zusammengefaßt'. Gerade als "Wort", d. h. Offenbarung des göttlichen Willens, sind sie unbedingt verpflichtend. Hinter diesem MyoC; &c:ou, d. h. dem mitgeteilten Gotteswort, verbergen sich tiefe theologische Gedanken. Es ist wie eIn anvertrautes Gut, das man als heiligen Schatz hüten muß (vgl. J oh 5, 38; 1 J oh 1, 10); aber es erhebt auch Forderungen und wird, falls diese nicht in die Tat umgesetzt werden, zum Richter über den Menschen (vgl. Joh 12,48). Für den Christen ist das Bemühen, diesem durch Christus kundgegebenen, gestaltgewordenen Willen Gottes zu gehorchen, ein Zeichen dafür, daß er die göttliche Li e bein sich trägt. Nur so (Gen. qualitatis) 2 wird die Tiefe und Fülle des joh. Gedankens erfaßt. Die Liebe ist die Wesensart der Gotterzeugten, die sich dann im praktischen Beobachten der Gebote Gottes bewährt und vollendet (vgl. 4,7ff). Umgekehrt wird das Gebotehalten zum Kennzeichen dieser göttlichen Wesensart. Daß die "Gottesliebe" nicht einfach als "Liebe zu Gott" (Gen. obi.) zu verstehen ist, ergibt sich aus dem Kontext V 4: "Wahrheit" wie "Liebe" sind gleicherweise Ausdruck für das, was der Christ an göttlichem Wesen in sich trägt. Aber eben das will der Verf. hervorheben, daß sich diese Wesensart in nichts anderem nach außen kundgibt als in der sittlichen Bewährung. Durch diese ethisch-praktische Nüchternheit unterscheidet sich der - christliche Liebesgedanke von dem gnostischen. In den Oden Salomons ist die Liebe schwärmerische Sehnsucht nach Gott, eine mystisch-ekstatische Begegnung der Seele mit dem "Geliebten" 3. Der Verf. von 1 J oh sieht die Geboteerfüllung auch nicht etwa nur als Vorstufe an, über die man zu einem höheren (mystischen) GotterIeben schreiten sollte; nein, in dem treuen Bewahrer und Erfüller des Gotteswortes ist die göttliche
A6yor:, ist auch ein weiterer Begriff als Ev't'OAOd, insofern er das Offenbarungswort miteinschließt, das im Glauben aufgenommen wird; vgl. Joh 8,51; 14,23; 15,20; 17,6; Apk 3, 8.10. , Daß der Gen. obi. dem joh. Denken nicht voll gerecht wird, empfinden viele neuere Ausleger im Unterschied zu älteren; doch vgl. schon WESTCOTT z. St.: "Die fundamentale Idee der ,Gottesliebe' in Joh ist die Liebe, die Gott kundgemacht hat und die seiner Natur entspricht. Diese Liebe, dem Menschen mitgeteilt, wird in ihm wirksam gegenüber den Brüdern und gegenüber Gott selbst." - Der Gen. subL, den BÜCHSEL für möglich hält, gibt keinen Sinn im Zusammenhang und wird auch durch die sprachliche Formulierung ausgeschlossen. Vgl. im übrigen noch zu 3, 17; 4, 12. - M. ZERWICK, Graecitas bibI. nr. 25-28, nennt diesen Genitiv "generaliter determinans". 3 OdSa13, 2-8; 7, If; 8, I. 13.22; 16, 2f; 23, 3; 40, 4; 42,7-9. Vgl. Exk. 10, 4b.
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1 Joh 2, 6
Liebe wirklich 1 "vollendet". Dieses joh. "e:Ae:LOUcr'&CXL ist weder ein eschatologisches Geschehen (entsprechend dem eschatologischen term. "EAO~) 2 noch stammt es aus dem griechischen Vollkommenheitsideal im Sinne einer stufenweisen Höherentwicklung 3; es bezeichnet, wie die Wendung "vollkommene Liebe" (4, 18) zeigt, in der Tat einen perfekten Zustand (so im Perfekt Joh 17,23; 1 Joh 4,12.17.18) oder das "Erfüllen" von Werken bis zu ihrer Vollendung (vgl. Joh 4, 34; 5,36; 17,4; 19,28). Aber diese Vollkommenheit wird nicht stufenweise durch menschliches Bemühen erreicht. Die Wahrheit und Liebe sind wesentlich mit der Zeugung aus Gott gegeben, müssen sich aber im Glauben und im Halten der Gebote manifestieren. Die "Vollendung" der Gottesliebe, die in dieser Harmonie zwischen Sein und Sollen besteht, ist also die Frucht des Zusammenwirkens von Gott und Mensch. Daß Gott dabei die erste und führende Rolle zufällt, kann man in der passivischen Form ("e:"e:Adw"oct) angedeutet finden. Nur als Gottgezeugter, als von Gott Geliebter vermag der Mensch Gott wiederzulieben und seine Gebote zu halten. 'Ev "otmp ytvwcrxO(Le:v blickt auf den Anfang von V 3 zurück und bildet mit diesem eine inclusio. Noch einmal wird auf diese Weise eingeschärft, daß das "Bewahren (und Erfüllen) des Wortes Gottes" und nichts anderes das Kriterium der Gottesgemeinschaft ist. 2, 6 An die letzte Wendung schließt sich eine zweite Gnostiker-Parole an, die aber doch vom Verf. mitgeformt erscheint, da dieses (LEVe:tV ~v typisch für ihn ist'. Ihm liegt an der folgenden Aussage, daß wir schulden·,
1 BÜCHSEL möchte &)"l&w<; in den Nebensatz ziehen; aber nicht ein angebliches und wirkliches Tun des göttlichen Willens wird gegenübergestellt, sondern Nichttun und Tun. Das Besondere, Hervorgehobene liegt im Folgesatz. Das entspricht auch der sonst in Joh üblichen Voranstellung des &)"1&("<;: 1,47; 4,42; 6,14; 7,26.40; 8,31; nachgestellt nur 17, 8, durch den Satzton bedingt. • Gegen BULTMANN, Joh. 396 Anm. 2 ("eschatologischer Begriff") und PREISKER 169 ("Liebe, wie sie am T€AO<; sein soll"). Vgl. im übrigen BAUERWb 1602f s. v.; WESTCOTT z. St.; P. J .. Du PLESSIS, TEAEI01:. The Idea of Perfection in the New Testament (Kampen o. J. 19601), 174ff. 3 Die sprachliche Wurzel liegt wahrscheinlich im hebr. ,~~; vgl. den rabbinischen Sprachgebrauch bei SCHLATTER, Sprache 135 u. 150 (doch im Sinne des jüdischen Lei· stungsgedankens). Derselbe "Vollkommenheits"·Begriff findet sich reichlich in den Texten vom Toten Meer, vgl. 1 QS I, 8; II, 2; IV, 22; VIII, 9f. 20f; IX, 6. 8r; I QSa 1,17.28; 1 QM XIV, 7; 1 QH 1,36; IV, 30. Die Qumran-Hss verwenden dafür O'~M und OlM. Vgl. R. SCHNACKENBURG in: Geist und Leben 32 (1959) 420-423; Du PLESSIS a. a. O. 104-115. • Vgl. Exk. 4. v ev CXOT'i> könnte wegen des raschen Wechsels gleiChbedeutend mit dVCXL ev CXOT'i> sein, vgI. auch 2,10 mit 9; 3,24; 4,12.13.15; aber die sittliche Bewährung wird doch die Nuance des "Bleibens" herpeigeführt haben. • 'OcpdAELV in diesem Sinn auch 3, 16; 4, 11; 3 Joh 8. Den Terminus als stil kritisches . Mittel anzusetzen, um den christlichen (paränetischen) Kommentar zur "Vorlage" zu erkennen (BULTMANN, Analyse 143f), ist willkürlich; er begegnet auch im Ev (13,14; in etwas anderem Sinn 19, 7).
Mev..
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Exkurs: Zu den joh. Immanenzformeln
nach dem Vorbild Christi' zu wandeln. Damit empfängt die allgemeine Forderung, die Gebote Gottes zu halten (die auch ein frommer Jude stellen konnte), ihr besonderes christliches Gepräge. Nicht ein allgemeiner Gesetzeskodex - und sei es der ehrwürdige Dekalog - ist für den Christen die nächste Richtschnur seines Handeins, sondern die persönliche Weisung Christi, und nicht nur sein Wort, sondern auch das Vorbild seines Lebens. Nicht umsonst heißt es vorher !LE'JELV: Soll die Gottesgemeinschaft eine echte, d. h. bleibende sein, dann ist der beständige treue Wandel nach dem großen, anschaulichen Paradigma (XIX&W';) 2 Christi gefordert, der sein gottgehorsames Leben erst mit seinem Kreuzestod krönte (vgl. Joh 14,31). Der Verf. wird bei diesem Satz auch schon das Folgende im Sinne haben, wo er seine Forderung konkret zur Bruderliebe wendet; denn gerade dafür leuchtet ihm das Vorbild Christi am stärksten (3,16; vgl. Joh 13, 14f). In seinem entschiedenen Drängen zur Tat (3, 18) kann er zu keinem besseren Mittel greifen, als auf die Gestalt und Weisung Christi hinzt~deuten.
EXKURS
4:
Zu den joh. Immanenzformeln Im Gegensatz zu den paulinischen Formeln der "Christusmystik" E'J XpLO""l"iji, XPLO""l"O'; E'J ~!LL'J usw. sind die joh. Formeln, die wir wegen ihrer mannigfachen Verbindungen mit !LE'JEL'J E'J kurz "Immanenzformeln" nennen wollen, bisher wenig untersucht worden; und doch müssen diese ganz anders begründet und erklärt werden. Das starke Zurücktreten der Formel "in Christus" und ihre andere Fassung ("bleiben in ihm": 1 Joh 2,24. 27f; 3,6; vgl. Joh 6,56; 15,4-7), die typische reziproke Ausdrucksweise (Joh 6, 56; 15, 4ff; 14,20; 17,23; Paulus sagt entweder E'J XPLO""l"iji oder XPLO""l"O'; E'J ~!LL'J), die Ausdehnung dieser Einigung über Christus auf den Vater (1 Joh 2,24; 3,24;4,13; 5, 20;vgl. Joh 17, 21-23), die veränderte Bedeutung des Pneuma in der joh. Theologie (bei Paulus der Schlüssel zum Grundverständnis) : das alles läßt den erheblichen Abstand in der Vorstel1ungs- und Ausdrucksweise erkennen. Kann bei Paulus für E'J XPLO""l"iji ebensogut E'J me:o!LIX"l"L stehen, weil "Christus" für ihn seit der Auferstehung wesentlich pneumatischen Wesens ist (Röm 1 Auch die Pythagoreer sagten von ihrem Meister: il<E1:vo~ 0 &.v~p (JAMBLICHOS, Vita Pythag. 18,88; 35, 255). Im übrigen vgl. zu h.LVO~ S. 75, Anm. 1. 2 Nachahmung, nicht Nachfolge! Das Bild vom Nachfolgen (vgl. 1 Petr 2,21) gebraucht derVerf. nicht. 'Al
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Exkurs: Zu den joh. Immanenzformeln
1, 4; 2 Kor 3, 17), so sucht man diese aufschlußreiche Formel im joh. Schrifttum vergebens (Apk 1, 10 ist alte prophetische Diktion). Ohne diese Unterschiede hier näher zu verfolgen, seien die joh. Immanenzformeln in ihrer Eigenart beleuchtet. I. Gruppierung des Materials 1. Innewohnung göttlicher Allribule und Lebenskräfle im Menschen
Anschluß an anderwärts bekannte Vorstellungen dürften am ehesten jene joh. Aussagen finden, die von einem Innesein göttlicher Attribute und Lebenskräfte im Menschen sprechen. In 1 Joh wird solches gesagt von der &A~&e:L<X (1, 8; 2,4; vgl. 2 Joh 2), vom göttlichen Myoc, (1, 10; 2, 14; vgl. 2, 4), vom XP~(jfL<X (2, 27), vom cmepfL<X (3, 9), von der &y,x7tYJ 't'ou &e:ou (3,17; 4,.12; vgl. 2,5). Sachlich gleichbedeutend ist ~w~v ~xm EV t<xu't'(ji (3,15). Im AT und im späteren Judentum stellte man sich vor allem den Geist Gottes als lebendig wirkende Macht im Gottesvojk und im einzelnen Menschen vor, in vollendeter Weise in der erwarteten HeilszeiV. Doch sprechen die alten Texte mehr von der Ausgießung des Geistes, der Ergreifung durch den Geist, weniger vom Innewohnen des Geistes. In den "Hymnen" (Hodajoth) von Qumran heißt es öfters, daß Gott seinen (heiligen) Geist in den Menschen "gegeben" (1 QH XII, 12; XIII, 19; XVI, 11 ; XVII, 17; fr. 3, 14) oder "geschwungen" (1 QH VII, 7; XVII, 26; fr. 2, 9. 13) hat, doch nur als eine Befähigung zur Erkenntnis und eine Kraft zum sittlich-guten Handeln. Der joh. Sprechweise nähert sich am meisten der Gebrauch von OLXe:LV, EVOLXE:~V (Röm 8, 9. 11; vgl. 1 Kor 3, 16) 2; ob freilich das joh. fLeVE:LV noch die Erinnerung an das Einwohnen eines Geisteswesens festhält (vgl. Mt 12, 38f), ist mehr als zweifelhaft (gegen Hauck). Die Vorstellung selbst läßt sich auch in außerbiblische~ Zeugnissen reich belegen. So wohnt nach Philo der göttliche Logos oder auch der göttliche Geist in der gottsuchenden Seele 3 • Mehr atl. empfun~ den sind die Äußerungen in den "Testamenten der zwölf Patriarcheri", daß in der Seele des Gerechten nichts Böses, vielmehr die Furcht Gottes wohnt'. Die mandäischen Schriften beschreiben, wie sich die Kusta (Wahrheit) "in unser Herz legt" oder sich unser "Herz mit Kusta füllt"". Zunächst in außergewöhnlicher Weise in den Propheten: Nm 11, 25. 29; 1 Sm 10, 6f. 10; 19,23; Mich 3,8 u. a., für die Heilszeit in allen Frommen: Is 32, 15; Ez 36, 26f; Joel3, 1 ff u. a. - W. EICHRODT, Theol. des AT lI/III, 321T; P. HEINISCH, Theol. des AT 88f; MOORE, Judaism I, 421; BoussET-GREssMANN, Rel. des Jud. 394ff; BONsIRvEN, Judaisme I, 2101T; (restringierend) V. HAMP, Der Begriff "Wort" 116-120. 2 Vgl. BILLERBECK 111, 239; HAUCK in: ThWb 4, S. 580, 19ff; MICHEL in: ThWb 5, S. 138 Anm. 2 u. 3; G. PECORARA, De verba "manere" apud Ioannem in: Div. Thom. 40 (1937) 170f. 3 post. 122; gig. 28; vgl. spec. leg. IV, 49. • Test XII Gad 5, 4; vgl. Sim 5, 1. 5 GINZA 57,2If; 60,3-8; vgl. 271, 29f. Demgegenüber Leere, Finsternis, Fäulnis in der Seele des Bösen: GINZA 276, 7f; 33f. 1
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Exkurs: Zu den joh. Immanenzformeln
Bei aller Verschiedenartigkeit im einzelnen ist diesen Zeugnissen der mystische Drang nach innen, der Blick in das Heiligtum der Seele, das hell und göttlich sein soll, gemeinsam. 2. Einwohnen Goltes selbst im Menschen
Von hier aus ist kein weiter Schritt zum Einwohnen Gottes selbst im Menschen. Daß Joh dieses Bild kennt, zeigt Joh 14, 23, eine Stelle, die zudem durch dieselbe Wurzel ([Lov~ von [Levw) einen Fingerzeig für das Verständnis des joh. [Leve:tv gibL Die spätjüdisch-rabbinische Vorstellung vom Wohnen der göttlichen Schekhina in Israel oder bei den Gläubigen bietet für diese innige individualistische Gottesmystik keinen starken BerührungspunkV. Die "Testamente der zwölf Patriarchen" kennen ein Wohnen Gottes im Menschen und geben diese gnädige Herablassung Gottes mit XIXTOtXe:LV wieder 2 • Noch lebendiger wird die Vorstellung bei Philo, nach dem Gott in der Seele des Weisen "wie in einer Stadt wandelt" (E[L7te:pL7tIXTe:LV) 3. Von solcher religiöser Atmosphäre sieht sich der Verf. der Johannesschriften umgeben, ohne daß ihm eine deutliche terminologische Anleihe nachzuweisen wäre. 3. Bleiben in Golt und seinem Bereich
Am stärksten bildhaft wirken die Worte, nach denen der Mensch in einem Bereich oder einer Sphäre verweilt, so namentlich 1 Joh 3,14 EV Ti{} .&IXV!XT
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Exkurs: Zu den joh. Immanenzformeln
bietet eine gewisse Parallele zum Wechsel von EV XPIO"'t"iji und XPIO"'t"O'; EV ~!L;:v bei Paulus. Auch lehrt sie, daß das Innewohnen göttlicher Attribute und Lebenskräfte im Menschen wie auch umgekehrt das "Bleiben in" ihnen nach der sprachlichen Seite nur eine Analogiebildung zur gleichen Ausdrucksweise bezüglich Gott selbst sein dürfte. 4. So werden wir mit Macht auf die eigentümlichsten Aussagen, die "reziproken Formeln" hingeführt (3,24; 4,13.15.16). Im Joh-Ev begegnen - über die Christusgemeinschaft - noch mehr Varilj.tionen (vgl. 14,20; 17,21. 23. 26). In diesen Formulierungen spricht sich das eigentliche Anliegen des Verf. aus. Gerade ihre Wandlungs fähigkeit und Variationsbreite lenken von der bildhaften Anschauung ab und zur Beachtung der realen Vereinigung und ihrer kaum zu überbietenden Innigkeit hin. Was in allen diesen Formeln zum Ausdruck gebracht werden soll, ist die Tatsache der Gottesgemeinschaft, so wie sie der christliche Verf. versteht (vgl. Exk. 2). Seine reziproken Formeln sind keine Identitätsaussagen, keine Mysteriensprache, und doch mehr, als ein gottnaher Beter und Psalmensänger in heißer Gebetsglut sagen kann ' . So konnten 'zu ihnen bisher keine wirklichen Parallelen aus der außerchristlichen Literatur beigebracht werden. 11. Bedeutung der Immanenzformeln für die joh. Theologie
1. Immanenzformeln und" Gotlesmyslik" Die Eigenart der joh. Gottesgemeinschaft als einer dem Glauben gewissen und nur dem Glauben zugängigen, durch das Sakrament grundgelegten Realität wird durch nichts so gut beschrieben wie durch diese unanschaulichen und doch vielsagenden Immanenzformeln. Ihr volles Licht empfangen sie freilich erst, wenn man die Ev-Texte mit heranzieht, in denen der joh. Jesus in ganz ähnlicher Weise sein tiefes seinshaftes Verhältnis zum Vater ausdrückt. So erscheint die Gotteinigung des Christen geradezu als Ausweitung der Gemeinschaft zwischen Vater und Sohn (14,20; vgL 10; 17, 21. 23), oder die Gemeinschaft der gottverbundenen Christen untereinander erhält diese Einheit zwischen Vater und Sohn zum Vorbild (17,11.21. 22). Das metaphysisch Einmalige des Vater-Sohn-Verhältnisses bleibt dennoch gewahrt. Der Sohn "kennt" den Vater (8,55; 10,15; 17,25) auf eine tiefere (nämlich unmittelbare) Weise (vgl. 1,18; 3, 32) als jene, die durch ihn und in' ihm den Vater kennenlernen und schauen (14, 7. 9). Sie stehen nicht in derselben Gemeinschaft des Wirkens mit dem Vater (5,17.19), im selben unmittelbaren Verstehen und erhörungsgewissen Beten mit ihm (11,41 f) wie der Sohn, empfangen nicht Vgl. Dt 31,8; J'os 1,5; Ps 16,8; 17,8; 23,4; 25,16; 36,8; 38,22; 46,8; 57,2; 63,9; 71,12; 91, 1ft u. a. Immer bleibt der Gedanke, Bild und Ausdruck, bei Gottes Schutz und Beistand stehen (Gott "mit mir", "bei mir"); niemals dringt er zur mystischen Gemeinschaft (Gott "in mir") vor. Zu den OdSal s. Exk. 2, 5. 1
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dieselbe Vollgewalt der Liebe Gottes (5, 20ff) von Ewigkeit (17,24) wie der Sohn, sondern nur in angenäherter Weise durch ihre Bindung an den Sohn (vgl. 16, 26f). Der Christ kann auch niemals wie Christus sagen: "Ich und der Vater sind eins" (10,30; vgl. 17,11). Aber über Christus wird er so tief in die Gottesgemeinschaft hineingeführt, wie dies ohne Aufgabe der Personalität sonst überhaupt nicht denkbar ist. Dies deuten die Immanenzformeln auf eine geniale Weise an, indem sie gleichsam die beiden Gedankenkreise, die diese Gotteinigung beschreiben, durch ihre reziproke Koppelung zur Deckung bringen: Wir in Gott - Gott in uns. Jedesmal aber ist zwischen Gott und uns Christus als der Mittler dieser Einigung, als das lebendige Band zwischen uns und Gott eingeschaltet'. 2. Immanenzformeln und joh. Ethik (Verdrängung von dWlt durch {LEVe:tV in diesen Immanenzformeln) Der Eigenart der joh. "Mystik", die in so betonter Weise auf die Ethik, auf die praktische Bewährung der seinshaften Gottesgemeinschaft., hingeordnet ist, erweisen die Immanenzformeln noch einen anderen Dienst. Nicht umsonst verwenden sie statt des ebensogut möglichen dvcxt EV das Verbum {LEVe:tv. Gerade in 1 Joh ist das starke VO'l'herrschen von {LEVe:tV auffällig. Schon eine rein äußerliche Statistik, die auf die vielen Anwendungsmöglichkeiten dieser Vokabel nicht achtet, läßt dahinter einen tieferen Grund vermuten. MEVe:tv kommt in Joh 41mal, in 1 Joh 22mal, in 2 Joh 3mal und im ganzen übrigen NT 52mal vor; unsere relativ kurze Schrift vereinigt also fast ein Fünftel des gesamten Materials auf sich, innerhalb des joh. Schrifttums ein Drittel. Bei näherem Zusehen spielt dieses {L€ve:tV in 1 Joh eine doppelte Rolle. Einerseits steift der Autor mit den Indikativen von {LEVe:tV seinen Gläubigen den Rücken, und zwar sowohl im Glaubenskampf gegen die Antichriste (2,27 a; 3, 24b; 4, 13; vgl. Joh 14,17; 2 Joh 2) als auch im sittlichen Ringen gegen die Sünde (3,9; 5,18). Anderseits, und zwar an der Mehrzahl der Stellen, mahnt der Verf. direkt oder indirekt die Briefempfänger, in der rechten Lehre (2,24; 4, 15; vgl. 2 Joh 9), in Christus (2, 27c. 28), in der Erfüllung der Gebote, besonders des Liebesgebotes (2, 10. 17; 3, 15. 17; 4, 12. 16) zu verharren. Prinzipiell ist er von der Permanenz der göttlichen Lebenskräfte (der Glaubende g,Xe:t ~w~v cxt6lVtOV 5, 12. 13) überzeugt; aber praktisch weiß er um die immer erneute Gefährdung der Glaubenshaltung (2, 27c) und um die beständigen Lockungen der "Welt" (2, 16f). Das XP!:O'{Lcx, die erleuchtende und innerlich belehrende göttliche Geistesmacht, bleibt in den Christen (2, 27a), und doch hält es der Verf. für nötig, vor der Propaganda und den Ränken der Antichriste bzw. Pseudopropheten zu warnen (2, 18ff; 4, 1ff) und ihnen äußere Erkennungszeichen der Irrlehre zu nennen (2,22; 4, 2f. 15; 5,5f). Der göttliche "Same" bleibt in Vgl. des weiteren die Ausführungen bei F. Darstellung ebd. 153.
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MUSSNER
a. a. O. 1511T und die graphische
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1 Joh 2, 7
den Gottgezeugten und macht sie zum Sündigen unfähig (3, 9); und doch gibt es Sünde im Christenleben (2, 1 b; 5, 17), ja sogar ein völliges Wiederverfallen an den Todesbereich (5, 16b). Diese aus der Erfahrung eines längeren Gemeindelebens hervorbrechende Problematik, diese erschütternde Situation, daß die christliche Existenz in dieser Welt zugleich gesichert und noch unsicher ist, hat ihren Niederschlag in der reichen Verwendung des fL~Ve:LV gefunden. Die Imperative weisen immer wieder zurück auf den beglückend sicheren Heilsstand, wie er in den Immanenzformeln seinen Ausdruck findet; diese aber haben den Imperativ neben sich, der die Vorläufigkeit und Bedrohtheit der Gotteinigung in dieser Welt erkennen läßt (vgl. Exk. 12).
2. INSBESONDERE HANDELT ES SICH UM EIN ALTES UND DOCH NEUES GEBOT (1 Joh 2, 7~8)
Nach der grundsätzlichen Forderung, die Gebote Gottes zu halten, nennt der Verf. konkret jenes Gebot, das ihm der beste Prüfstein der Gehorsamshaltung gegen Gott ist: das Gebot der Bruderliebe (VV 9-11). Gerade in diesem Kernstück der christlichen Sittenlehre versagen die falschen Gnostiker (V 9). Vorher aber hebt der Verf. in einem Zwischenteil (VV 7-8) hervor, daß es sich dabei um ein alt-neues Gebot handle. Das hat nur einen Sinn, wenn die Gegner in seinen Augen "Neuerer" (vgl. 2 Joh 9) sind. Der Verf. sieht in dem Festhaltenan dem Alten, an dem, was von Anfang an verkündet wurde, das Siegel der Wahrheit. Jede neue Auffassung, die nicht zum alten Lehrgut gehört, löst sich von dem Boden der einen Wahrheit, die aus Gott stammt, und wird so zur "Lüge" (vgl. 2, 19.21). Schwerlich hat der Verf. neue "Gebote" im Auge, die die falschen Gnostiker aufgestellt hätten '; "neu" ist vielmehr, daß sie das Hauptgebot des christlichen Sittenkodex, das Kennzeichen wahrer Gotteserkenntnis und -gemeinschaft, überhaupt mißachten. Indem jedoch der Verf. diesen Satz vom "alten" Gebot niederschreibt, erinnert er sich, daß Jesus selbst es ein "neues" nannte, und inwiefern dies zutrifft, begründet er in V 8. 2, 7 Mit einer neuen Anrede: &'YOC7tll't"o(, die von jetzt an öfter begegnet·, beginnt der Verf. diese Überlegung, die sich im übrigen an das Voran1 BÜCHSEL denkt an Teilnahme bei heidnischen Kultmahlen (vgi. 5, 21), zu denen sie ähnlich wie die Prophetin Isabel und die Nikolaiten von Apk 2,20 u. 2, 14f aufgefordert hätten, und an die oft damit verbundene Unzucht. Indes müßte dann der Brief dagegen stärker polemisieren. Angriffspunkt ist immer wieder nur der Mangel an Bruderliebe. • 3,2.21; 4, 1. 7. 11. - Auch in den Paulinen und den anderen Kathol. Briefen ist diese Anrede nicht selten.
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1 Joh 2, 8
gegangene eng anschließt. Wenn er mit dem Singular t'i'"COA~'i auf den Plural t'i'"CoMc; VV 3 u. 4 zurückgreift, so ist das so wenig auffällig wie derselbe Wechsel zwischen 3,23 u. 24 und 2 Joh 5 u. 6. Das "Altsein" des Gebotes versteht sich relativ: "alt" ist es, weil die Adressaten es so "von Anfang" an (vom Anfang ihres Christenwandels)1 gehört haben und es seitdem in seiner verpflichtenden Kraft für sie besteht (Imperf. ElXE'"CE) s, während alles später Verkündete, das zu diesem ursprünglichen Traditionsgut in Widerspruch steht, "neu" 8 ist und der notwendigen Autorität entbehrt. Von wem die Leser "das Wort", das 'dieses entscheidende Gebot enthält, vernommen haben, wird nicht gesagt. Doch ist offenbar an ihre Glaubensverkünder, und zwar die berufenen und bevollmächtigten, gedacht. Aber dieses "Wort" geht letzthin auf den zurück, der das Recht zur verpflichtenden Bindung hat: auf Christus - es ist ein "Herrenwort" . 2, 8 Diese verborgene Erinnerung an Christus - und nicht eine geistreiche Spielerei' - bringt den Verf. auf den andern Gesichtspunkt (7tcX.AL'i) 5, daß dieses "alte" Gebot doch zugleich als ein "neues" zu betrachten sei. Denn kein Geringerer als Jesus selbst nannte dieses Gebot der Bruderliebe ein neues, das er seinen Jüngern gebe (Joh 13,34). An den tJ niversalismus der christlichen Nächstenliebe im Gegensatz zum jüdischen P,artikularismus zu denken (Chaine), sprengt den Zusammenhang von Joh 13 und ist in 1 Joh 2 mit keinem Wort angedeutet. Jesus fordert Joh 13,34 die brüderliche Liebe seiner Jünger zueinander, so wie er sie g~liebt hat, nämlich dieselbe tätige Dienstbereitschaft und Hingabe bill zum äußersten (Joh 13, 1), mit der er, der Meister, ihnen, seinen Jüngern, die Füße wusch und mit der er sein Leben für sie hingab (Joh 15, 13; vgl. 1 Joh 3, 16). Diese sich selbst hintanstellende, opferbereite Liebe ist das "Neue" des christlichen Gebotes. Da aber eine solche Liebe, ill- der sich letzthin Gottes paradoxe Liebe zur sündigen Menschenwelt manifestiert (vgl. 4, 9f; Joh 3,16), erst durch die eschatologische Sendung de~ Gottessohnes und seinen äußersten Liebeserweis, den Kreuzestod, siphtbar und wirksam geworden ist, wird man auch die "eschatologische" I
'A",' Ocpx'ij~ auf den Schöpfungsanfang zu beziehen und das Gebot als uraltes Gebot der allgemeinen Menschenvemunft zu verstehen (BISPING, ROTHE, W. LÜTGERT, Die joh. Christologie (Gütersloh "1916) 215f, u. a.), ist abwegig, da die Zeitstufe relativ zu den Empfängern ("ihr habt") aufgestellt ist. Efxe-re gegenüber 7jlCOUGot't"e begründet keinen fundamentalen Unterschied, sondern hebt nur die bleibende Verpflichtung hervor. • Das Imperfekt hat durativen Charakter; aber es ist hier auch verwandt mit dem Imperf. der unvollend. Handlung bei Verben des Befehlens u. Bittens, BLAss-DEBR § 328. • Kot~'i6~ = unbekannt, noch nicht dagewesen, veo~ dagegen = jung, noch nicht lange vorhanden; BAuERWb 778 s. v. 2, u. 1060 s. v. 1, a, ferner BÜCHSEL z. St. • Zu dem "geistreichen Spiel mit ,alt' und ,neu'" führt WINDISCH z. St. einige Parallelen an. • Zu dieser Bedeutung von miA~v vgl. BAuERWb 1203 s. v. 4. 1
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1 Joh 2, 8
Neuheit jenes Gebotes mitzubedenken haben. So erklärt sich auch das auf den ganzen Satz bezügliche (Neutr. 15) und ihn erläuternde Relativsätzchen, das sich anschließt: die "Neuheit" des Gebotes bewahrheitet sich an Christus (EV cxu't'ij») und an den Christen, an die das Schreiben gerichtet ist (EV OfLLV). Nur wenn V 7 der Gedanke an Christus und seine Weisung im Hintergrund stand, kann es hier unvermittelt heißen: EV cxu't'ij) (vgl. &1t' cxu't'ou 1,5). Als "wahr" (&Alj.s-e~)1 wird die Aussage über das "neue" Gebot nicht deshalb bezeichnet, weil es bisher so nicht verkündet!, :vielmehr weil es so nicht verwirklicht wurde. Für Christus trifft diese Behauptung in voller Weise zu, aber in bezug auf die angesprochenen Christen 8 könnte sie befremden. Doch teilt 1 Joh nicht die moderne christliche Scheu, mit solchem Selbstbewußtsein die "Demut" zu verletzen. Die hier Redenden erfüllt die gläubige Gewißheit, aus dem Tode ins Leben hinübergeschritten zu sein, weil sie die Brüder lieben (3, 14). Der Autor bestärkt seine jungen Leser in dem Kraftgefühl, daß sie Sieger sind über "den Bösen" (2, 13c. 14c; vgl. 5,4). Darin liegt keine menschliche überheblichkeit, weil zugleich bewußt bleibt, daß alle Kraft von dem kommt, der in ihnen ist (4,4). Die Behauptung, daß die Neuheit des Liebesgebotes sich an den echten Christen verwirkliche,' erläutert und begründet der Verf. in dem 15't'1Satz, der des näheren durch seine bildhafte Ausdrucksweise der Exegese eine schwierige Aufgabe stellt. 1) Auszuscheiden hat die Auffassung, die in ihm den Inhalt der tvro).fj erkennt
(ISTL rezitativ)', da die Aussage des Satzes mit einem Gebot nichts zu tun hat. Der Verf. gebraucht das Bild von Licht und Finsternis in ähnlicher Weise wie ROm 13, 12: die Finsternis (Nacht) ist am Vergehen", das Licht (Tag, Sonne) scheint schon. 2) An einen in der Inkarnation erfolgenden Aufgang des "echten Lichtes" Christus (Joh 1,9) darf man auch nicht denken". Der inkarnierte Gottessohn versichert, als "Licht" nur kurze Zeit in der Welt zu sein (12, 35; vgl. 9,5); für diese Zeit nennt er sich nicht ohne GrUnd "Licht der Welt". 3) Joh 1,5: "Das Licht (= der Logos) leuchtet in der Finsternis", ist auch keine echte Parallele. Zwar könnte das Präsens cpat[VEL vom Standpunkt des Evangelisten aus die in der Verkündigung der Kirche fortwirkende
1 '.A).'1j&e~
drückt nicht nur die Wahrheit des logischen Sachverhaltes aus; es besagt, daß sich die Neuheit de.s Liebesgebotes tatsächlich an Christus und an den Briefempfängern manifestiere. Vgl. zu dieser Bedeutung von ci).7j&ij~ Apg 12,9 und den Gebrauch von ci).'1j&&~ = "wirklich" bei Verben Apg 7,26; 12,11; 17,8; 1 Joh 2, 5 und bei der Kopula Joh 1,.47; 8,31; vgl. Mt 14, 33; Mk 14,70 par; Joh 4,42; 6,14; 7, 40.Durch das beigefügte &v atÖ'I'ij} usw. erhält es eine starke Beziehung zum persönlichen Handeln. Vgl. zum Sprachgebrauch von ci).'1j&ij~ CH. MAURER, Ignatius von Ant. und das Joh-Ev (ZüriCh 1949) 47. • Gegen CHAINE, der meint, gerade für die aus dem Heidentum Stammenden sei es eine neue Kunde gewesen. 3 Die LA &v -/jIJ.!v AP 323 17392298 al. h syhmg Hier. Hil. ist gegenüber ÖIJ.!v zu schwach bezeugt. • Ältere s. bei BISPING, neuerdings WINDISCH. • Vg "transierunt" ist nicht genau. " WINDISCH z. St.; STAUFFER, Theol. 107; BULTMANN, Theol. 373.
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1 Joh 2, 8 OlJenbarung Christi anzeigen l ; aber auf jeden Fall blickt Joh 1,5 zurück auf die Tatsache, daß der Logos das Licht der Menschen war, 1 Joh 2,8 erwartet erst die volle Macht des Lichtes. 1 Joh 2, 8c erläutert auch, wie sich das Liebesgebot in den Christen verwirkliche, so daß das "echte Licht" auch in ihrem Wandel aufstrahlt. So dürfte die Deutung des cpwc; TO cXA1j&w6v 1 J oh 2, 8 auf Christus persönlich überhaupt auszuschließen sein.
Das Bild schildert einen Sachverhalt, der auch die gottgetreuen Christen (~v Ö(.Li:v) mit umgreift. Im Zusammenhang mit 1,5-7 und 2,9-11 kann nur die Ausdehnung des göttlichen Lichtbereichs, das siegreiche Vordringen der Macht des Guten gemeint sein. Nur in entfernter Weise dürfen wir Christus in die Betrachtung einbeziehen: Die durch ~81) angedeutete Zeitstufe ist von seinem ersten, schon erfolgten "Erscheinen" in der Inkarnation (1,2; 3,5.8) und von seinem (zweiten) noch ausstehenden "Erscheinen" bei der Parusie (2,28) nicht zU trennen. Seit er in die Welt kam, ist es den Menschen möglich geworden, das "Licht des Lebens" (Joh 8, 12, hier als Heilsgut verstanden) zu besitzen und auch im religiös-sittlichen Sinn "im Lichte" zu wandeln (1 Joh 1, 7), und erst mit seiner Parusie wird das Licht des Guten seine volle Kraft erlangen. Indes, diese Bindung des Geschehens an Christus ist hier nicht akzentuiert, vielmehr nur die allgemeine heilsgeschichtliche Situation: das echtel Licht der Sittlichkeit nach dem Maßstab göttlicher Heiligkeit und damit die Licht- und Liebesmacht Gottes selbst befinden sich im Vordringen, seit durch Christus das Liebesgebot eine Auslegung und Verwirklichung erfuhr, wie sie nie zuvor da war (darum XotLV~). Dieses Licht vertreibt die Finsternis der Sünde und aller gottfeindlichen Mächte, die hinter ihr stehen, auch insofern, als es in den wahren Christen sich durchsetzt und verwirklicht. Das glaubt der Verf. beobachten zu können, und diese Erfahrung ist ihm Gewähr dafür, daß etwas Neues in ErscheinUng getreten ist. Nur diese konsequente religiös-sittliche Ausdeutung des Bildes vom Licht führt kontinuierlich zu der Vorstellung vom "Sein und Wandel im Licht" hinüber, die die folgenden Verse beherrscht. Bildmäßig findet insofern eine Verschiebung statt, als in V 8c die Erfüllung des "neuen Gebotes" selbst als Licht, als Aufstrahlen göttlicher Wesensart erscheint, in VV 9-11 dagegen als Wandel im Licht dargestellt wird (vgl. den ähnlichen Wechsel von 1,5 zu 7). 1 So BULTMANN, Joh. 26; WIKENHAUSER z. St.; richtiger wohl als grundsätzliche Aussage zu fassen: Der Logos ist als Lebensträger geeignet und fähig, Licht für den Todeskosmos zu sein, vgl. MUSSNER a. a. O. 80f; 1651. • 'A>'1j&LWV heißt dieses Licht im Unterschied zu jedem vorgeblichen, unechten Licht. Wahrscheinlich Spitze gegen die häretischen Gnostiker, die auch von "Licht" sprechen; das "Lieht" aber, das sie zu schauen wähnen, erkennt der Verf. nicht als echtes an. Vgl. zum Sprachgebrauch MAURER a. a. O. 48.
10 Sehnackenburg, Johannesbriefe
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1 Joh 2, 9-10 3. NUR DIE ERFüLLUNG DIESES GEBOTES, DAS HE ISST DER BRUDERLIEBE, GEWÄHRLEISTET DAS SEIN IM LICHT, DAS HE ISST DIE GOTTESGEMEINSCHAFT (1 Joh 2, 9-11)
2, 9 Endlich wird offen ausgesprochen, um welches Gebot es sich handelt; es ist die Bruderliebe. Deren Gegenteil, der Bruderhaß, erfährt schärfste Verurteilung. Entsprechend dem Gegensatz Licht - Finsternis erkennt der Verf. auch zwischen Liebe und Haß keine Übergangswerte an. Der häretische Gegner, der nun wieder zu Wort kommt (& Myw'I wie VV 4 u. 6), wird wegen seines Bruderhasses in die völlige Finsternis verwiesen. Umgekehrt wird auf diese Weise der 1, 6 genannte "Wandel in der Finsternis" durch den Haß anschaulich erläutert. Der Form nach erinnert der Vers an 2, 4; der Anspruch, im Licht zu sein, ist nur eine andere Ausdrucksweise für "Gott erkannt haben" bzw. "in Gott sein" (2, 5b). Die Zurückweisung lautet: Das Gegenteil ist der Fall; ein solcher Schwärmer ohne die Tat der Liebe ist "in der Finsternis", d. h. Gott völlig fern. Damit berührt der Verf. zum erstenmal eines seiner Lieblingsthemen, das Gebot der Bruderliebe. Daß dieses immer wieder auftaucht (3, lOff. 23; 4, 7. 11ff. 20f; vgl. 5, 16), liegt zum wenigsten an der Monotonie des Altersstiles oder der Pedanterie des Sittenlehrers. Es erklärt sich daraus, daß dieses dem Verf. so wichtige Anliegen sich ihm unter verschiedenen Gesichtspunkten aufdrängt, sowohl bei der Abwehr der gnostis'ch-moralischen Irrlehre als auch bei der Mahnrede "im eigenen Hause". Hier in 2,9-11 stellt er die Bruderliebe mit polemischer Schärfe als unaufhebbare Bedingung für die Gottesgemeinschaft hin. Wie das Joh-Ev kein Mittleres zwischen Glauben und Unglauben kennt" so lassen beide joh. Schriften auch immer wieder den polaren Kontrast von "lieben" und "hassen" spüren". Diese Schwarzweißzeichnung ist nicht nur schriftstellerische Eigenart, sondern entspricht auch der kompromißlosen Forderung des syn Jesus 3 • Die Ausdrucksweise "nicht lieben" = "hassen" ist hebräischen Ursprungs'. Daß 1 Joh strenge Maßstäbe an die christliche Bruderliebe - nach dem Beispiel und der Weisung Jesu - anlegt, zeIgt sich in den konkreten Forderungen, vom persönlichen Besih an den notleidenden Bruder abzugeben (3, 17), ja selbst das Leben für die Brüder hinzugeben (3, 16). 2, 10 Weil dem Verf. daran liegt, daß seine Leser im Gegensatz zu Vgl. Joh 3,18.36; 5,24.38-47; 6, 36-40; 8,24; 12,37-43.44-50; 20, 31. • Joh 3, 19f; 7,7; 12,25; 15, 18t. 23-25; 1 Joh 3,13-15; 4,20. • Vgl. bes. Mt 5, 43fT; 6, 24 (= Lk 16, 13); Lk 14,26. - Zum Gedanken der Bruderliebe (= Niichstenliebe) vgl. bes. Mt 5, 22-26; 7,2-5 (= Lk 6, 4lf); 18, 21 fT; 23, 8; 25, 34fT. -Vgl. Exk. 5. • Vgl. Dt 21, 15-17; 2 Sm 19,7; Spr 13,24; Mall, 2-3(= Röm 9,13); MICHEL in: ThWb 4, S. 694u. Anm. 23u. 24; zUIl-Lae'ivimNT noch Röm 7, 15;Apk2, 6; 17,16.-Starktritt der Gegensatzlieben-hassen auch in den Qumrantextenhervor; vgl. 1 QS 1, 3f. 9f; IV, 1; IX, 16.21; 1 QH XIV, 25f; XVII, 24; Damask II, 15; VIII, 16fT. 1
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I Joh 2, 11
den Häretikern das Gebot der Bruderliebe erfüllen, darum formuliert er den Kerngedanken positiv nun so, daß die christlichen Gemeindemitglieder zugleich eine Mahnung erhalten (vgI. das fL€VEt). Das "Sein im Licht" wird dabei zum Motiv. Noch ein zweites Motiv ist angefügt: "und einen Anstoß gibt es nicht EV otO'l'<j)". Soll das heißen, daß es nichts in ihm gibt, wodurch er (selbst) zu Fall kommen könnte, wie die meisten neueren Exegeten 1 auslegen? Dann würde unter einem ganz neuen Bild 2 das fL€VEt weitergeführt und begründet. Sprachlich wie bildmäßig wäre es auch möglich, daß O'XOCV8otAOV EV otO'l'
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1 Joh 2, 11
spruch mit Gott geraten ist. Das Bild vom Umhertappen in der Finsternis gebraucht auch der joh. Jesus an mehreren Stellen (8,12; 11,9f; 12,35). Dem Wortlaut und Bildcharakter nach entspricht am meisten Joh 12,35; aber bei diesem Appell Jesu droht erst der Einbruch der Finsternis, in 1 Joh 2, 11 ist sie für den Hassenden bereits eingetreten. Überhaupt ist die bildhafte Vorstellung im Joh-Ev etwas anders. Dort ist Jesus selbst das Licht der Welt (vgl. schon 1,9) und leuch tet den Menschen, wird also zur Lichtquelle; in 1 Joh ist mit dem Licht - vielleicht das ursprüngliche Bild' - einfach die Helligkeit gemeint, in der sich der mit Gott Verbundene bewegt. Der sachliche Unterschied ist noch bedeutsamer: Das Licht, das Jesus spendet, ist die Offenbarung und der Wandel im Licht dementsprechend der Glaube (vgl. Joh 12, 36); in 1 Joh bezieht sich der Wandel im Licht auf das religiös-sittliche "erhalten (1, 7) bzw. (in 2,11) die Konsequenzen desselben. Nur in der Warnung vor dem ungewissen und gefährlichen Ende des dunklen Weges (Sturz!) berühren sich die Bilder für den Ungläubigen (Joh 12, 35f) und den durch den Bruderhaß von Gott Getrennten (1 Joh 2, 11).
Die Wendung OUl( oHkv 7tOÜ \J7t&'ye:L erinnert an die gnostische Verheißung, zur rettenden Erkenntnis zu führen, "wohin wir gehen"". So verstanden, wären die Worte eine glatte Leugnung des gnostischen Anspruches, gleichsam ein Faustschlag ins Angesicht der Gnostiker. Aber wir befinden uns nur in einem Bild, und die negative Fassung sieht vor allem wie eine Drohung aus, vielleicht eine Drohung mit der Verdammnis (vgl. Apk 17, 8. 11 d<; &'7tWAe:LotV \J7t&'ye:L). Das ziellose Umhertappen in der Finsternis und die damit gegebene Warnung vor einem furchtbaren Ende wird noch tiefer begründet: Die Finsternis selbst hat ihre Augen blindgemacht. TUtpAOÜV bezeichnet in Joh 12,40 (Zitat aus Is 6,9) die Verblendung des Unglaubens. Nach 2 Kor 4, 4 hat "der Gott dieses Äons die Gedanken der Ungläubigen blind gemacht" ; hier geht also die Verblendung von der widergöttlichen Macht aus. An einen unmittelbaren satanischen Einfluß darf man aber in 1 Joh 2, 11 nicht denken. Aus der kräftigen Wendung h'UtpAWcre:V folgt nicht, daß sich Licht und Finsternis wie zwei metaphysische Prinzipien oder mythologische Urmächte gegenüberstehen. Der Rahmen des Bildes vom Gehen in der Finsternis wird nicht gesprengt: langes Verweilen (vgl. V 10) im Finstern beraubt die Augen der Sehkrafts. Eine gewisse aktive Rolle spielt die Finsternis auch in Joh 12, 35. Doch liegt der "Verblendung" auch im Joh-Ev moralische Schuld der Ungläubigen zugrunde (vgl. 8,21. 24. 43ff; 9, 39. 41; 12, 39f. 42ff). Ähnlich verfangen und verstricken sich die Hassenden von 1 J oh 2, 11 immer mehr im Bösen, so daß die Finsternis sie nicht mehr freigibt - das dunkle Geheimnis der Versh)k, Vgl. R. BULTMANN, Zur Geschichte der Lichtsymbolik im Altertum, in: Philol 97 (1948) 1-38; Joh. 22fJ; Theol. 364f. 2 Vgl. Exk. 3 Auch manche Stellen im Joh-Ev machen ganz den Eindruck, als sei dem Ver!. die gnostische Sprechweise nicht unbekannt; vgl. unten zu 2, 20. 3 Der Aorist e..ucpAwaev ist komplexiv zu verstehen (BLAss-DEBR § 332), als Abschluß und Ergebnis eines über längere Zeit hin verlaufenden Geschehens.
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Exkurs: Bruderliebe
kung, aber einer selbstverschuldeten (vgl. Joh 3, 19). Der Verf. ist damit zum Gegenangriff gegen die selbstüberheblichen, anmaßenden Gnostiker vorgegangen. Es ist der Höhepunkt seiner Auseinandersetzung mit diesen die christliche Moral verachtenden gefährlichen Häretikern. Zugleich ist der Verf. damit zum Anfangsbild zurückgekehrt (1, 6f). Für die Gemeinde hat er auf diese Weise herausgearbeitet, was die Gottesgerneinschaft von jedem Christen fordert: Freisein von Sünden und Halten der Gebote, zumal des Liebesgebotes. Mit dieser sittlichen Forderung, die sich von der religiösen Verheißung nicht trennen läßt, findet er für die christliche Erlösungsreligion das Scheidewasser, in dem sich das Falschgeld neuer verführerischer Lehren sicher zu erkennen gibt'.
EXKURS
5:
Bruderliebe Ein Thema, mit dem sich 1 Joh immer wieder beschäftigt, ist die Bruderliebe (2,9-11; 3, 11-18. 23; 4, 7.11 f. 20f; 5, lf). Der Verf. verfolgt dabei ein doppeltes Ziel: ein polemisches, nämlich die Irrlehrer zurückzuweisen und gegenüber ihren moralisch-destruktiven Anschauungen ein sicheres Unterscheidungszeichen zu gewinnen (2,9-11; 4, 20f), sodann ein posi,tives, paränetisches gegenüber den Glaubensgenossen, nämlich sie zu einem tatkräftigen (3, 18) Christentum zu erziehen und sie in der christlichen Gemeinschaft brüderlich eng zusammenzuschließen. Beide Zwecksetzungen Ein verwandter Gebrauch des Bildes Licht - Finsternis findet sich in den Oden Salomons; aber gerade an der ethischen Auswertung trennen sich die Wege. Ähnlichkeiten liegen vor z. B. OdSal 15,2: "denn Er (der Herr) ist meine Sonne, und seine Strahlen haben mich geweckt, sein Licht hat alle Finsternis von meinem Antlitz vertrieben"; oder 18,6: "Nicht werde besiegt das Licht von der Finsternis, noch weiche die Wahrheit vor der Lüge"; oder 21, 3: "Ich zog die Finsternis aus und kleidete mich in Licht" - aber der sittliche Aspekt fehlt. Der Heilsweg besteht hier in Erkenntnis (Gnosis), Wahrheitsempfängnis, Hinaufsteigen ins Reich des Lichtes; sittliche Forderungen berührt er nicht. VgI. zu diesem gnostischen Dualismus PERCY a. a. O. 23-79.Dagegen wird das Bild von Licht und Finsternis ganz ähnlich wie bei Joh in den Qumrantexten angewendet, und dabei wird auch der Verstockungsgedanke klar ausgesprochen; vgI. I QS 111, 20f: "In der Hand des Engels der Finsternis liegt die Herrschaft über die Söhne der Finsternis, und auf den Wegen der Finsternis wandeln sie"; IV, 11: ,,(Dem Geiste des Truges sind eigen) Härte des Nackens und Verhärtung des Herzens, zu wandeln auf allen Wegen der Finsternis und in boshafter Verschlagenheit." Anschließend wird solchen Menschen das ewige Verderben angekündigt. VgI. noch 1 QS XI, 10; I QM I, 6f. 16; III, 6. 9 u. Ö. ("Söhne der Finsternis"); XIII, 5 ("Los der Flinsternis"); XIH, lU: Belial sinnt "in der Finsternis" auf Frevel, "alle Geister seines Loses sind Verderberengel, und in den Gesetzen der Finsternis wandeln sie"; XV, 9f. - Weiteres bei F. NÖTscHER, Gotteswege und Menschenwege 91-96. 1
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Exkurs: Bruderliebe
berühren sich oft nahe und gehen ineinander über; aber sie sind zur Klärung bestimmter Fragen auseinanderzuhalten. Wie zeigt sich der Bruderhaß der Gegner? In welchem Sinne gebrauchen diese und auf der anderen Seite die rechtgläubigen Christen den Brudertitel ? Wie vertragen sich die Liebe der Christen und ihr Kampf gegen die "Welt"? 1. Der Brudertitel Nur einmal (3, 13) gebraucht der Verf. &:ae:A<:pO( als Anrede an seine Leser, und das hat an dieser Stelle - im Anschluß an das Beispiel von Kain und Abel - seinen besonderen Grund. Vielleicht hängt die Bevorzugung der Anrede -re:XV(1X (7tIXLa(lX) mit der Autoritätsstellung des Verf. (vgl. 2 Joh 1; 3 Joh 1: 6 7tpe:cr~u-re:poc;) zusammen, die er in der Gemeinde (bzw. den Gemeinden) einnimmt. Daß ihm die in der Urkirche gebräuchliche Bezeichnung der Christen untereinander ("Brüder") vertraut ist, geht aus 3, 16f; 5, 16 hervor. Klare Belegstellen für die Geläufigkeit des Titels in den Kreisen des "joh." Christentums sind Joh 21,23; 3 Joh 3. 5. 10. Gerade die joh. Schriften sind dadurch ausgezeichnet, daß die Bruderbezeichnung nirgends zur bloßen Floskel, zur abgegriffenen Münze wird. Diese Christen sind sich bewußt, daß sie zu "Brüdern" werden durch die gemeinsame "Zeugung" vom selben Vater (1 Joh 5, lf), durch dieselbe Wesensart (3, 10), durch dieselbe Bindung an Jesus und seine Weisungen (1 Joh 2, 7f, vgl. 2 Joh 5f). Jesus hat zwar im Zusammenhang mit seinem "neuen Gebot" (Joh 13, 34f) von der Freundesliebe gesprochen (15, 12ff), aber 1 Joh 3, 16 versteht seine Aufforderung zur äußersten Aufopferung nach seinem Vorbild als Anruf zur Bruderliebe. Wahrscheinlich hat die Botschaft des Auferstandenen an seine "Brüder" (Joh 20, 17) das Verständnis des Brudertitels in der Gemeinde ebenfalls vertieft. Daß sich die Urkirche mit der Bruderbezeichnung ihrer Mitglieder an die Praxis des Judentums angeschlossen hat, dafür legt die Apg ein klares Zeugnis ab '. Mit ihrer brüderlichen Gesinnung und Betätigung konnten sie zunächst als eine besondere Gruppe innerhalb des großen jüdischen Religionsverbandes gelten, wie die Pharisäer 2, Essener 3, die Mitglieder der "Gemeinde des Neuen Bundes von Damaskus'" und jene der nah verwandten Gemeinde von Qumran 6. Daß sie selbst sich zuallererst der Sprechweise ihres Herrn verpflichtet fühlten, kann nach den uns überlieferten syn. Jesusworten 6 nicht bezweifelt werden. In den Umkreis der Vgl. Apg 2, 29. 37; 3, 17; 7,2; 13,15.26.38; 22, 1; 23, 1. 5. 6; 28,17 in der Anrede der Juden; demgegenüber die Christen unter sich 1, 15; 3, 22; 6, 3; 7, 23; 9, 30 usw. Der Brudertitel ist auch im Judentum vor allem ein religiöser, nicht nationaler; vgl. v. SoDEN in ThWb 1, S. 145, 13ff. • Fl. JOSEPHUS b II, 166. • Fl. JOSEPHUS b II, 122. • Vgl. Damask VI, 20; VII, If; XIV, 5; XX, 18. s 1 QS VI, 10. 22; 1 QSa I, 18; 1 QM XIII, 1; XV, 4. 7. • Ist in Mt 5, 22. 23f; 7, 3ff (= Lk 6, 4lf); 18, 15 (= Lk 17,3); 18,21. 35 einfach der jüdische Sprachgebrauch aufgenommen (vgl. Mt 5, 47), so sind Stellen wie Mk 3, 33ff 1
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Exkurs: Bruderliebe
urchristlichen Gemeindesprache gehört auch die joh. Ausdrucksweise, nur daß sie, wie gesagt, durch die joh. Theologie vertieft ist. Wenn man nun auf den Gebrauch des Brudertitels auch in heidnischen religiösen Gemeinschaften hinweist, für die inschriftliche und literarische Zeugnisse vorhanden sind 1, so ist diese Tatsache für 1 Joh in anderer Weise wichtig. Man darf vermuten, daß es damals ein individuelles religiöses Freigeisterturn, zumal im Orient, kaum gab, sondern daß stets der Drang zur religiösen Gruppenbildung bestand. Damit erhebt sich die Frage, in welchem Stadium der Entwicklung sich die in 1 Joh bekämpften Irrlehrer befanden und welche Bedeutung dann dem vom Verf. wiederholt erhobenen Vorwurf des Bruderhasses (2,9; 3, 15; 4, 20; vgl. 3,10.12.13) zukommt. 2. Der "Bruderhaß" der Gegner Nach dem Zeugnis des Briefes selbst steht es fest, daß die Irrlehrer aus dem Schoß der christlichen Gemeinde hervorgegangen sind (2, 19). Die äußere Trennung ist zwar vollzogen; anderseits aber scheinen sie noch keinen neuen festen Verband zu bilden. Der Verf. weist auf "viele Falschpropheten" (4, 1), aber nirgends auf eine einheitliche geschlossene Sekte hin (vgl. dagegen die "Nikolaiten" Apk 2,6. 15). Alles, was nicht zur wahren Christusgemeinde gehört, ist für ihn die "Welt" (3, 13; 4, 4-6; 5,4). Was für "Brüder" hat der Verf. also im Auge, wenn er die falschen Gnostiker des "Bruderhasses" beschuldigt? Äußerst unwahrscheinlich ist es, daß er sich um die inneren Angelegenheiten der Gegner, ihr Verhalten untereinander so vordringlich kümmert. Man müßte dann an Klassengegensätze unter ihnen denken wie in der späteren manichäischen "Kirche" (vgl. Augustinus I). Dazu ist aber auch der Ausdruck' "hassen" zu hart. Alles deutet darauf hin, daß sich der "Haß" der Gegner auf die rechtgläubigen Christen (namentlich ihre Führer) richtet. Daß diejenigen, mit denen sich der Verf. innerlich verbunden fühlt, den Haß der "Welt" zu erdulden haben, hören wir 3, 13 ausdrücklich. Man wird diese feindliche Front zwar nicht auf die Falschlehrer beschränken dürfen; aber daß auch diese die unerschütterlichen "Kirchentreuen" anfeinden, ist nur zu verständlich. Gleichzeitig jedoch werben die abtrünnigen ehemaligen "Brüder" um die wankenden Gemeindemitglieder, um ihren eigenen Kreis zu erweitern (vgl. 2, 20f. 27; 4,1-3). Daß sie sich dabei des Brudertitels ausdrücklich bedienten, ist nicht erweislich; der Brief nimmt "Bruder" stets ernsthaft und ohne Falsch. Auch in 2, 9-11 richtet sich die Polemik sicher gegen solche abtrünnigen ehemaligen "Brüder" und nicht gegen gnostisch par; Mt 23, 8; 25,40; 28, 10; Joh 20,17; Lk 22,32 für ein vertiertes christliches Verständnis des Brudertitels grundlegend. 1 Vgl. den techno Gebrauch im Serapeum von Memphis (DEISSMANN, Bibelstudien 82f), in der Mithrasliturgie (DIETRICH 149f), im "Poimandres" (Schlußgebet; vg!. REITZENSTEIN 154), bei den Mandäern (GINzA 20, 12fT), in Mysterienzirkeln (VETTIUS VALENS IV, 11), in einer judaisierenden Sekte auf der Krim (B, LATYSCHEW, lnscr. Pont. Eux. II, 449fT), in einer ägyptischen Mysteriengemeinde (s. bei NILSSON, Geseh. der grieeh. Re!. II, 584). Weiteres bei K. H. SCHELKLE in: RAC II, 631-640.
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Exkurs: Bruderliebe
infizierte Gemeindemitglieder 1. Die Abweisung, die formell' (0 'Mywv . 2, 4. 6) und gedanklich (StichwortEv'l'oAlj) mit 2,3-8 zusammen ein Ganzes bildet, ist zu scharf (tv -cii axO'l'[qc. tG'l'LV ~w~ 6lP'l'L V 9), als daß die so Gebrandmarkten in den Augen des Verf. noch als Christen gelten könnten. Eine ähnliche aggressive Sprache führt der joh. Jesus gegen Ungläubige (vgl. 3,19-21; 8,21-24.40-44; 12,35.46-48). Es wäre auch möglich, daß der Verf. bei dem "Bruder"-Haß der Gegner &3e:Acp6~ in einem weiteren, abgeschwächten Sinn gebraucht, etwa = Menschenbruder (vgl. 3,15); anderseits mahnt das Beispiel von Kain und Abel3, 12, auch in diesem Falle den Begriff nicht seines ursprünglichen tiefen Gehaltes zu entleeren. Er bleibt dem Verf. mehr als Schall und Etikette, steht doch die Überzeugung dahinter, daß alle Menschen um Jesu Wort und Tat willen Brüder sein sollen. 3. Die "Bruderliebe" bzw. "gegenseitige" Liebe der Christen Die innerkirchliche Blickrichtung des Verf. wird überall dort deutlich, wo er mahnt, &yomiv &AAljAOU~ (3, 11. 23; 4, 7.11. 12; vgl. 2 Joh 5); so hatte auch Jesus im internen Kreis seiner Jünger sein "neues Gebot" formuliert (Joh 13, 34; 15, 12. 17). Das Zusammenfließen der paränetischen und polemischen Tendenz ergibt an manchen Stellen ein Übergreifen beider Ausdrucksweisen "Bruderliebe" und "gegenseitige" Liebe. In 3, 11 sagt der Verf. - im Hinblick auf Jesu Auftrag - "einander lieben", obwohl der polemische Gesichtspunkt zunächst im Vordergrund steht. Die "Bruderliebe" (V 10) ist das unterscheidende Merkmal zwischen Gottes- und Teufelskindern. Das veranschaulicht er noch stärker am Beispiel von Kain und Abel (V 14--15). Aber allmählich klingt die Polemik ab und macht der positiven Mahnung für das Gemeindeleben und die sittliche Bewährung der Christen Platz. Einerseits dürfen die Gläubigen keine Liebe von seiten der "Welt" erwarten (V 13), anderseits müssen sie selbst zu letzter Hingabe nach dem Beispiel ihres Herrn bereit sein (VV 16-18). Es ist verständlich, daß der Verf. dabei im Anschluß an den "Midrasch" von Kain und Abel weiter von der "Bruderliebe" spricht. Aber der Begriff des ,Bruders" behält dabei nicht seine klaren Konturen. In der Anrede &3e:ACPO[ V 13 meint der Verf. den Kreis der christustreuen Gemeindemitglieder (Gegensatz 0 x6GfLo~). Aber in V 14 würde eine muffige Enge herrschen, wenn der Verf. gegenüber dem "Bruderhaß" der anderen nur erklärte, und zwar mit Emphase (~fLe:~~), daß die Christen - einander liebten. Die "Brüder" sind hier alle, also auch die Außenstehenden, mit denen die Christen in Berührung kommen. Der Abwehrkampf gegen die "Welt" ist zwar notwendig (vgl. 4,4; 5,4), Zurückhaltung und Abschließung sind geboten (5, 21; 2 Joh lOf); aber nirgends predigt der Verf. den Haß. In der weiteren Erörterung über die "Bruderliebe" 3, 16-18 scheint er wieder den inneren Kreis der Gemeinde im Auge zu haben. 1
So
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WINDISCH,
Exk. S. 115.
Exkurs: Bruderliebe
Im Kap. 4 handelt der Verf. allgemein über das Wesen der Liebe und kommt nur dort, wo er zur konkreten Anwendung übergeht, auf die "gegenseitige" Liebe zu sprechen. Er bleibt auch in den letzten Versen im Rahmen der Gemeindeparänese (vgl. V 19). Wenn er in V 20 einen Blick auf einen Menschen mit verkehrter Haltung wirft, kann man zweifeln, ob er dabei einen falschen Gnostiker oder einen versagenden Christen meint. Die scharfe Form von V 20a, die stark an 2,9 erinnert, spricht für die erstgenannte Annahme. Die Antithese "unsichtbarer Gott" - "sichtbarer Bruder" zeigt dann, daß die "Bruderliebe" auf alles, was Menschenantlitz trägt, auszuweiten ist. Freilich ist diese Motivation auch innerhalb der Gemeindegrenzen möglich. Aber es folgt 4,21 noch ein Motiv, das dazu drängt, die Bezeichnung "Bruder" in einem weiteren Sinne zu nehmen; denn deutlich genug bezieht sich der Verf. auf das Doppelgebot der Gottesund Nächstenliebe. (5,1-2 dagegen enthält einen Gedankengang, der nach der z. St. gegebenen Erklärung nur für Rechtgläubige, "Gottgezeugte" bestimmt ist.) So zeigt sich bei "Bruderliebe" im Munde des christlichen Autors ein eigentümliches Schwanken zwischen einer engeren und weiteren Fassung. Das mag auf das Bestreben zurückzuführen sein, eine einheitliche Formel für die Liebesbetätigung des Christen zu finden: Er soll nach dem Gebote Jesu keinen Menschenbruder von seiner Liebe ausschließen, aber das besondere Feld für seine brüderliche Hingabe und Tat in der Gemeinschaft der Glaubensbrüder. suchen. Einen ähnlichen Eindruck vermittelt das Verhalten der Urgemeinde von Jerusalem (Apg 2,44-47; 4,32-37); Paulus mahnt in gleicher Weise (1 Thess 4,9f; 5,15; Ga16, 10). Justin bezeugt ausdrücklich: "Wir sprechen auch zu den Heiden: Ihr seid unsere Brüder" (Dial. 96); vgl. auch Tertullian, Apol. 39 1 • Es ist darum ungerechtfertigt, von einer Einengung der "Nächstenliebe" auf die "Bruderliebe" bei Joh zu sprechen". Dies wird um so deutlicher, wenn man die Mahnungen an die Mitglieder des "Bundes Gottes" (der Gemeinde von Qumran) vergleicht; sie sollen die ,;Söhne. des Lichts", d. h. die Mitbrüder ihrer Gemeinschaft, lieben, die "Söhne der Finsternis" aber hassen 3.
Ober den Brudertitel und die Bruderliebe der Christen in der weiteren Entwicklung der alten Kirche vgl. HARNACK, Miss. 11. Ausbr. 417-419. • Vgl. BAuER zu Joh 13,34 u. 15, 13; A. NYGREN, Eros und Agape I (Lund 1930) 132tT (er nennt es "Partikularismus"); E. STAUFFER, Die Botschaft Jesu damals und heute (Bern 1959) 47; H. MONTEFloRE in: NT 5 (1962) 164tT. - Dagegen J. HUBY, Mystiques 183tT; R. BULTMANN, Theol. 429. • Vgl. 1 QS I, 3f. 9f; IX, 16.21 f. 1
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1 Joh 2, 12-17 DRITTER ABSCHNITT
Anwendung auf die Leser: Versicherung ihres Heilssiandes in Gott und Mahnung, alle Weltliebe zu lassen (1 Joh 2, 12-17) 12 Ich schreibe' euch, Kindlein, daß euch die Sünden nachgelassen sind um seines Namens willen. 13 Ich schreibe euch, Väter, daß ihr den von Anfang an Seienden erkannt habt. Ich schreibe euch, ihr jungen Männer, daß ihr Sieger seid über den Bösen. 14 Ich schreibe euch, Kindlein, daß ihr den Vater erkannt habt. Ich schreibe euch, Väter, daß ihr den von Anfang an Seienden erkannt habt. Ich schreibe euch, ihr jungen Männer, daß ihr stark seid und das Wort Goltes in euch bleibt und ihr Sieger seid über den Bösen. 15 Liebet nicht die Welt und nicht das, was in der Welt ist! Wenn jemand die Welt liebt, dann wohnt die Liebe zum Vater nicht in ihm. 16 Denn alles, was in der Welt ist, (nämlich) die Fleischesbegierde, die Augenbegierde und die Prunksucht, stammt nicht vom Vater, sondern von der Welt. 17 Die Welt aber und ihre Begierde vergeht; wer jedoch den Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit. Mit 2, 12 beginnt ein neuer Abschnitt, der weniger in der Deutung seiner Worte als des Zusammenhangs umstritten ist. Welchen Sinn haben diese sechs, durch yp&cpw bzw. ~ypoctJioc deutlich in zwei Gruppen zu je drei Gliedern aufgeteilten Apostrophen in VV 12-14? Stehen sie mit eigener Gewichtigkeit als feierliche Versicherung an die Leser da, oder sind sie Einleitung und Vorbereitung für das Verbot der Weltliebe VV 15-17, das daJpit stärksten Nachdruck empfinge und auf das allein dann der Verf. in diesem ganzen Abschnitt hinsteuerte? Büchsel möchte dem Gebot der Bruderliebe VV 7-11 das Verbot der Weltliebe VV 15-17 gegenüberstellen. Als isoliertes Zwischenstück könnten VV 12-14 nicht betrachtet werden. Der Zusammenhang zwischen VV 12-14 und 15-17 sei ein vorzüglicher, da das so radikale Verbot der Weltliebe in diesen Anreden an die Leser unterbaut werde. Demgegenüber ist zu sagen: 1. Sprachlich-formell entspricht in VV 7-11 nichts dem IL~ .xYot7tiin V 15. Die Sätze VV 9-11 haben ihre Pointe in der Zurückweisung der Gegner, die mit ihrem Bruderhaß (VV9. 11) in der Finsternis sind und wandeln (V 11). Außerdem ist das positive Gegenstück zur "Weltliebe" nicht die Bruderliebe, sondern die Gottesliebe (vgI. VV 15b. 16). 2. Die inhaltlichen Aussagen von VV 12-14 greifen auf den ganzen Teil I, 51f zurück und dürften so eine Anwendung der im ge sam t enTeil gewonnenen Erkenntnisse auf die Leser sein. Als bloßes Verbindungsstück enthalten VV 12-14 zu wichtige Angaben (eyvwKotn, vgI. 2, 3ffl) und sprengen den angeblichen Rahmen von 2, 7-17.3. Die sechsmalige Wiederholung von YPIX
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1 Joh 2, 12 wäre dann die Hauptsache. Zum mindesten müßte diese Mahnung schon früher ausgesprochen werden (etwa vor oder nach V 12) und dürfte nicht nach der sechsmaligen "Einleitung" nachhinken!.
Man wird 2, 12-17 als eigenen, 1,5 - 2,2 und 2,3-11 beigeordneten Abschnitt aufzufassen haben, der nach der Abweisung irriger Grundeinstellungen sich unmittelbar an die Leser wendet, um sie über ihren Heilszustand zu beruhigen (VV 12-14) und sie zur Abkehr von aller verderblichen "Weltliebe" (VV 15-17) zu ermahnen. 1. BERUHIGUNG FüR DIE LESER: SIE BESITZEN DIE GOTTESGEMEINSCHAFT UND SIND STARK IM KAMPF MIT DEM "BÖSEN" (1 Joh 2,12-14)
2, 12 Mit der Anrede 'l"e:x'iloc, der in V 14 variierend 7tocL3loc folgt, spricht der Verf. wie 2, 1. 28; 3,4.18; 4,4; 5,21 seine Leser allgemein an, mit einem warmen Unterton väterlicher Beruhigung und Ermahnung. An kleine Kinder zu denken und die entsprechenden g·n-Sätze mit der Taufe in Verbindung zu bringen (wie Windisch ernsthaft in Erwägung zieht) wäre nur ratsam, wenn die Aussagen deutlicher an das Heilsgeschehen der Taufe erinnerten. Aber der Sündennachlaß "wegen seines Namens" ist keine Anspielung auf die Anrufung des Namens Jesu beim christlichen Initiationsakt (vgl. I Kor 1, 13. 15; Mt 28, 19; Apg 8, 16; 19, 5 d~ TC llvoiJ.Ot; Apg 2,38 eret "'ci'> OV6iJ.OtT~; 1 Kor 6, 11 ev "'ci'> ov6iJ.0t",L). Weil die Briefempfänger zu Recht den Namen Christi tragen und sich zu Recht auf den Namen Christi berufen (vgl. 2, 1 f), darum sind ihnen die Sünden von Gott nachgelassen. Die Ih~-Sä tzchen sind nach der oben entwickelten Auffassung über den Sinn dieses als Bekleinen Abschnittes nicht - wie in den meisten neueren Kommentaren gründung (kausales 8",~), sondern als Inhalt dessen, was der Ver!. seinen Adressaten brieflich versichern will (faktisches IhL), zu verstehen. Ohne Kenntnis dieses Kommentars hat sich neuerdings B. Noack für diese Ansicht mit weiteren Argumenten eingesetzt 2.
Die scharfe Verurteilung jeglicher Gebotsübertretung 2,4 und die finstere Drohung gegen alle, die keine Bruderliebe üben, in 2, 11 mußten in den christlichen Lesern die bange Besorgnis wecken, ob denn auch sie "im Lichte wandelten" und so die Gottesgemeinschaft besäßen. Um sie zu beruhigen, wählt der Verf., wie schon 2, 1 f, das zentrale christliche Motiv ihrer Bindung an Christus (2,12 3LtX. '1"0 lI'iOfLOC OCÖ'I"OÜ; 13a.14b €YVWXOC'l"E: 'l"0'i eh' &pX~C; bzw. 13b. 14c 'ie:'iLX~XOC'l"e: 'l"0'i 7to'iljp6'i, d. h. den Gegenspieler Christi). Die Gedanken kreisen deutlich weiter um das Thema "Gottesgemeinschaft und Sünde". Die falschen Gnostiker versagen in Einstellung und Wandel bezüglich der sittlichen Forderung Gottes, aber auch die Christen drückt ihre Unzulänglichkeit. Der UnterEin Parallelismus zwischen yp
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1 Joh 2, 13
schied liegt darin, daß die wahren Christen demütig den durch Christus gewiesenen Heilsweg einschlagen und sich mit seiner Kraft zum Siege durchringen. 2, 13 Nach den beruhigenden Worten an alle Leser insgesamt wendet sich der Verf. noch besonders an die beiden Altersgruppen der "Väter" und "Jünglinge". Damit will er keine Standesunterweisungen geben wie Paulus in seinen "Haustafeln" 1, die sich an Familienglieder (Männer, Frauen, Kinder) und soziale Schichten (Sklaven, Herren) richten, auch nicht einzelne Gruppen im Gemeindegefüge hervorheben wie die Pastoralbriefe ". Vielmehr bemüht er sich, alt und jung im religiös-sittlichen Kampf zu stärken. Die Gliederung nach Altersstufen ist auch den Pastoralbriefen bekannt·. Als bloße "rhetorische Figur" für alle Christen (Dodd) sind die Ausdrücke "Väter" und "Jünglinge" zu prägnant'. Den "Vätern" versichert der Verf., der soeben mit semen Gedanken bei Jesus war (8Lc1t Tb IIvofl.lX IXÖTOÜ), daß sie "den von Anfang an (Seienden) erkannt haben". Der Objekt-Ausdruck ist den Lesern von 1, 1 her verständlich und versetzt sie wieder in den großen soteriologischen Zusammenhang, der ihnen im Prooemium aufgezeigt wurde. Auch für sie ist das "Leben" erschienen. So bedeutet das "Erkennen" - ähnlich wie 2, 3 f - mehr als ein theoretisches Erfassen: es ist zugleich ein Verbundenwerden mit dem Heilsmittler. In diesem "Erkennen" Christi (richtiger "Erkannthaben") 5 sind sie auch der Gemeinschaft mit Gott (1, 3. 6; 2, 3. 5) sicher; zum Sündennachlaß um Christi willen (2, 12) tritt die lebensvolle Verbindung mit Gott durch Christus. Den "Jünglingen" schreibt derVerf., daß sie den Gegenspieler des "Uranfänglichen", nämlich den "Bösen", besiegt haben. Dieser Ausdruck für S;;ttan scheint aus der urchristlichen Gemeindesprache zu stammen I. I
Eph 5, 22 - 6, 9; Kol 3, 18 - 4, 1; vgl. 1 Petr 2, 18 - 3, 7. Männer und Frauen 1 Tim 2, 8-15; Tit 2,1-8; Witwen 1 Tim 5, 3-6; Ämter 1 Tim 3,1-13; 5,9-16.17-21; Tit I, 5-9; Sklaven I Tim 6,1-2; Tit 2, 9--10. 3 Vgl. I Tim 5, 1-2; Tit 2, 1-8. • Bei seinem Hinweis auf die mystische Erfahrung "aller Grade und Stufen der Existenz zugleich" in CHerm XI, 20; XIII, 11 verkennt DODD die völlige Andersartigkeit dieser Stellen. Wenn I Joh allen Christen die natürliche Kraft der Jugend und die reife Erkenntnis des Alters in ihrer Glaubenserfahrung beilegen wollte, dann müßte er dies deutlicher tun als durch diese kurzen Apostrophen. • Dieses Perf. der Vollendung, des Zustandes, das die mit Christus bzw. Gott erlangte Gemeinschaft ausdrückt, ist von dem einfachen YlVwaxelV zu unterscheiden, das häufig dem manoeLv verwandt ist, vgl. Joh 7,26; 8,28.32; 10,38; 14,20; 16,3; 17,8.23.25; I Joh 3,1; 4,6.7.8; 5,20; natürlich auch hierbei Perfektformen Joh 6,69; 8,55; 14,7 (v.l.). 9; 17, 7; 1 Joh 4,16; 2Joh 1. • Vgl. Mt 13,19; Eph 6, 16; vielleicht auch Mt 6, 13; 2 Thess 3,3. Vgl. ferner Barn 2,10; 21,3; MartPol 17,1; die Agrapha PsClemHom 3,55 (KLOSTERMANN, Apocrypha 111 [Kleine Texte 11'] Nr. 46, S. 10) 0 nov1)p6~l:a'tLV 0 neLpli~(o)v; PsClemHom 19, 2 (KLosTERMANN Nr. 49, S. 11) IL1) 86n np6'1'OtaLV Tij> 1toV1)pij>; Martyrerbericht von Lyon bei EUSEBIUS, H. e. V, 1,6. - F. DÖLGER, Die Sonne der Gerechtigkeit und der Schwarze (Münster 1918) 63f. Bei den Rabbinen ist "der Böse" als Bezeichnung für den 1 2
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1 Joh 2, 14
Gerade unser Autor hat den Gegensatz 2;wischen Christus und Satan tief erfaßt. Entsprechend seiner dmilistischen Vorstellungsweise ist Christus nicht bloß der Gerechte, Sündlose (2, 1. 29; 3, 7), auf den Satan keinen Anspruch hat (vgl. Joh 14,30), sondern auch der Vernichter seiner Macht (3,8), der Schütz er der Gläubigen vor seinen Anschlägen (vgl. 5,20 mit 19). Wie Christus Exponent der Gottesseite ist und Vorkämpfer für Gottes Sache im Ringen um die Menschen in dieser Welt, so ist der "Böse" Vertreter allesWidergöttlichen (5, 18f) und aktiver "Angreifer", der freilich die Gottgezeugten nicht anzutasten vermag (5, IBc)!. Von dem Kampf zwischen beiden Seiten und der Überlegenheit Gottes handelt auch 4, 4 und 5, 5; doch ist an diesen Stellen die Glaubensfrage vordringlich, in 2, 13f dagegen das moralische Ringen. Letztlich ist dies aber nur ein Kampf (vgl. 3,23; 5,3fT; auch Apk 14,12); wie moralische und christologische Irrlehre innerlich verknüpft sind (vgl. zu 1, 7), so sucht der "Böse" durch verführerische Reden .gegen den Christusglauben und Lockungen zur Sünde gleicherweise in seinen Bann zu ziehen. Es ist ein feiner Zug, daß derVerf. gerade den jungen Männern, die das sittliche Ringen am härtesten empfinden mögen, die stärkende Zusicherung gibt, . sie seien Sieger über den Bösen. 2, 14 Eine neue Trias von Anreden an die Leser, inhaltlich VV 12-13 sehr ähnlich, bietet V 14. Am auffälligsten ist die Einführung mit dem Aorist ~YPIXI/IIX. Diese hat hauptsächlich drei Erklärungen gefunden: 1. Bezugnahme auf ein früheres Schreiben, 2. Bezugnahme auf frühere Stellen desselben Schreibens, 3. Deutung als schriftstellerischer Aorist (im Deutschen = Präsens). Der erste Lösungsweg verbietet sich, weil aus der Briefliteratur, die allein in Frage kommt, 2 oder 3 J oh keine Bezugstelle liefern s, ein früherer, verlorengegangener Brief (vgI. Windisch) aber eine allzu billige Verlegenheitsauskunft ist. Außerdem wä.re die Reihenfolge ungewöhnlich; wollte der Ver!. schon einmal Gesagtes wiederholen, dann wäre es natürlich, das Frühere zuerst anzuführen (vgl. 1 Kor 5,9 und 11). Die zweite Erklärung (vgl. Brooke), dem Inhalt nach nicht unmöglich (14a = 2,31; 14b = 13a; 14c = 13b), macht nicht verständlich, warum der Verf. schon einmal Gesagtes auf diese merkwürdige Art einleitet. Der dritte Weg empfiehlt sich schon dadurch, daß VV 12-14 deutlich stilistische Formung verraten. Das vorliegende Material für den Aorist des Briefstils läßt ihn durchaus als gangbar erscheinen. So bezeichnet ~1te!LtjJcx Apg 23, 30; Phil 2, 28; Kol 4,8; Eph 6,22; Phm 12 ein Geschehen, das mit dem Schreiben und Absenden des Briefes gleichzeitig verläuft; aber auch für ~ypcxtjJcx in 1 Kor 5, 11; Gal 6, 11; Phm
Satan nach BILLERBEcK, I, 42·2 u. 665, nicht liblich, wenn auch möglich. Flir den hellenist. Synkretismus bestreitet es BücHsEL, Joh. u. d. hellen. Synkr. 104, ebenfalls. Doch vgl. das hä.ufige Vorkommen dieser Bezeichnung bei den Mandäern nach dem Register zu GINZA s. v.; MandLit 222; OdSal 14,5: "um deInes Namens willen möchte ich von dem Bösen (bischä') erlöst sein". 1 Für die spätere Fortentwicklung des Gegensatzes zwischen Christus und dem "Bösen" (dem "Schwarzen") vgl. DÖLGER a. a. O. (vorige Anm.). 2 Gegen H. H. WENDT in: ZntW 21 (1922) 140tT.
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1 Joh 2, 14 19,21 und vor allem 1 Joh 2, 21 ist dies die einfachste Auffassung ' . Auch in profanen Briefen läßt sich ~YPIX<\IIX mit Beziehung auf das vorliegende Schreiben als ziemlich sicher erweisen'.
"Eypotljiot dürfte einfach Variation zu yp&rpw sein; der Verf. liebt nicht nur die Abwechslung im Ausdruck, sondern auch bestimmte rhetorische Klangfiguren und Rhythmen (vg!. Ein!. S. 6). Inhaltlich decken sich diese Aussagen bis auf V 14a fast wörtlich (14c ist nur erweitert) mit denen von VV 12---13. Deswegen wird 14a unter dem höheren Gesichtspunkt der Gottesgemeinschaft dasselbe sagen sollen wie V 12 3 . Die angeredeten Christen sind in dem erstrebten Heilsstand, zu dem grundlegend die Sündenvergebung (V 12) und wesensmäßig die "Erkenntnis" des Vaters (V 14a) gehören. Der Weg dahin führt über den Sohn, den "Uranfänglichen" (vgl. 1, 1-3). Darum ist es keine Härte, wenn 14b die Beteuerung an die "Väter" danebenstellt, daß sie "den von Anfang an" erkannt haben. Sie besitzen gerade darum die Gemeinschaft mit dem Vater, weil sie in der Christus gemeinschaft fest verankert sind. Eine Erweiterung erfährt das Wort an die "Jünglinge", echt joh.'im dreigliedrigen Rhythmus (V 14c). Die Versicherung, daß sie stark sind, ist aus dem Zuruf von V 13b entwickelt, daß sie Sieger über den "Bösen" sind. Das Mittelglied gibt die Quelle ihrer Kraft an: das Wort Gottes bleibt in ihnen. Dieses ist hier nicht als Waffe im Streit gedacht wie Eph 6, 17, sondern als die in ihnen wirksame Gottesmacht (Vgl. Joh 5,38; 6,63b; 8,31; 15,3; 17,14.17). Der Satz steht in Kontrast zu 1 Joh 1, 10, wo den Irrgläubigen der Besitz des Gotteswortes abgesprochen wird. Den jungen Christusstreitern wird mit besonderer Nuance nichts anderes gesagt als den erfahrenen Vätern: sie stehen in der Lebensgemeinschaft mit Gott und empfangen aus ihr die Kraft, den Bösen zu besiegen. Daß der Verf. gerade seine Beteuerung an die jungen Männer verstärkt, erweckt aber auch den Anschein, daß sie dessen besonders bedürfen, und der Indikativ (fLeV€~) läßt den Imperativ ,der Mahnung mitklingen (vg!. Anfang und Ende von 2, 27). 1 BLASs-DEBR, § 334, bestreitet dies für ypa.
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1 Joh 2, 15 2. MAHNUNG AN DIE LESER: SIE SOLLEN DIE "WELT", UND WAS IN IHR IST, NICHT LIEBEN (1 Joh 2, 15-17)
Sosehr der Verf. von der Gottesgemeinschaft seiner Leser überzeugt ist und so kräftig er sie über ihren Heilsstand beruhigt, weiß er doch um die Gefährdung, der sie noch durch die "Welt" ausgesetzt sind. Deshalb wendet er sich nun an sie in einer kleinen Mahnrede, die durch ihre wohlgegliederte Form (dreigliedriger Rhythmus) " ihre eindrucksamen Kontraste 2 und ihre wirksame Motivierung (V 17) ein kleines Musterbeispiel urchristlicher Paränese ist. Sie erörtert ein Thema, das zu jeder Zeit aktuell war und immer wieder lebhaft diskutiert wird, nämlich die Stellung des Christen zur "Welt". Um vor Fehlurteilen sicher zu sein, muß man aber den hier gebrauchten "Welt"-Begriff klar umreißen. Exegetisch läge es nahe, den vorher genannten "Bösen" (VV 13b u. 14c), den von den jungen Christen besiegten Gottesfeind schlechthin, mit dieser Größe in Verbindung zu bringen (vgl. den "Herrscher dieser Welt" Joh 12,31; 14,30; 16,11). Indes ergab sich, daß VV 12-14 eine selbständige Bedeutung haben, und weder in der Begründung V 16 noch in der Motivation V 17 für die Warnung vor der "Welt" wird der satanische Regent "dieser" Welt genannt. So muß das Verständnis des hier verwendeten "Welt"-BegrifTes und der Sinn der Warnung aus der Stelle selbst gewonnen werden.
2, 15 In der Mahnung, nicht die "Welt" zu lieben und nicht "das, was in ihr ist", stellt das zweite Glied zugleich die Begründung dar: Weltliebe ist dadurch gefährlich, daß die "Welt" von schlechten Begierden erfüllt und beherrscht ist: Wie diese in sie hineingeraten sind, wird nicht gesagt; nur so viel ist klar, daß nicht die Welt an sich (als Schöpfungswerk), sondern als Kraftfeld böser Strebungen eine negative Größe ist. (Vgl. im übrigen Exk. 6.) Die Motivierung, die der Verf. seinen Lesern in V 15b gibt, stellt ihnen die Liebe zur Welt als unvereinbar mit der Art der Gotteskinder hin. Wegen des Kontrastes zur Weltliebe ist ~ &.ya1t'Y) 'rai) 7tcx'rp6c; hier wohl mit "Liebe zum Vater" (Gen. obi.) zu übersetzen 3: 'rai) 7tcx'rp6c;, und nicht 'rai) .&e:ai)·, wird der Verf. sagen, weil er auch vorher (V 14a) van der Erkenntnis des Vaters sprach. Die Liebe des Vaters (Gen. subi.) paßt nicht zu der Wendung aux gcrWJ &V CXU'rcj> , die gleichbedeutend mit aux gx.e:~ &V ECXU'rcj> (Joh 5,42) ist. Die hier gemeinte Liebe ist also etwas dem Menschen Eigenes, das ihn innerlich erfüllt. Nur darf man diese Liebe Dreigliedrig ist die ganze Paränese (VV 15-16-17), dreigliedrig auch TOC tv Tij> x60'fL (V 16). Daneben Zweigliedrigkeit aus Antithese (VV 15a-16b; V 16 am Ende ouxeXAAcX; VV 17a-17b) und Koordination (V 15a TOV x60'fLOV - fL'I)31: TeX EV T. x.; V 17a " x60'fLO~ ... xotl ~ E1tr..&UfLLot otUTOU). • V 15 b eXyot1t~ TOV x60'fLOV - eXYcXTC'I) TOU 1totTp6~; V 16 EX TOU 1totTp6~ - EX TOU XOO'fLOU; V 17 0 x60'fLO~ - 6 81: 1tinwv TO &tA'I)fLot T. &.; V 17 1totpcXyeTot' - fLtve,. • WINDISCH und BücHsEL lassen den Genitiv in der Schwebe. • So AC 33 642 808 z; einige Minuskeln (94 307 329 al.) wollen bei den LAA durch &eou xotl 1totTp6~ gerecht werden. Das ist unjohanneisch. 1
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I Joh 2, 16
zu Gott nicht als eine rein ethische Haltung, als Tugend oder Leistung verstehen, vielmehr als Wesensart, die in Gottes Liebe ihren Ursprung hat und sich allein im Gottgezeugten entfalten kann (vgl. zu 2, 5). Letztlich also ist die Liebe zum Vater nur der Sproß der dem Christen geschenkten Liebe des Vaters. Damit wird ein tiefer Wesens gegensatz zwischen "Welt" und Gott, "Weltliebe" und Gottesliebe aufgerissen, der noch deutlicher am Ende von V 16 zum Ausdruck kommt. Aber schon hinter der Motivierung V 15b liegt diese christlich-dualistische Sicht; der Satz ist nicht ein einfacher Appell an die Gottesliebe der Leser, sondern eine Erinnerung an die empfangene Liebe Gottes. 2, 16 Als Grund (8'n) für seine Warnung vor der "Welt" gibt der Verf. an, daß drei böse Strebungen die Welt erfüllen (in V 17 zusammengefaßt als ~ em.&u(.L11X IXUt"OÜ). Sie sind ihrer Art nach widergöttlich (oux Ex t"oü 7t1Xt"p6~). Er will damit keinen Lasterkatalog aufstellen, aber das Böse in der Welt doch hinlänglich (7taV t"6 ... ) kennzeichnen. So wie die genannten Dinge ist alles, was sich in der Welt findet. Daß die "Welt" voll böser Begierden ist, nicht was das für Begierden sind, ist dem Verf. am wichtigsten. Gebrandmarkt wird die em.&u(.L11X, die sündige Begierde, als solche. Dieser BegTiff erinnert fast an die paulinischen "Hilfstruppen" der Sündenrnacht, die O'&p~ mit ihren em.&u(.L1IXL. Doch hat die O'&p~ selbst, die sogleich in Verbindung mit em.&u(.L11X genannt wird, im joh. Bereich nicht dieselbe unheilvolle Bedeutung wie oft bei Paulus 1. Die drei in den Genitiven aufgeführten Größen O'&p~, 0CP.&IXA(.Lol, ßlo~ gehören zunächst, ohne einem Werturteil zu verfallen, dem Irdisch-Vergänglichen an und werden nur insofern verderblich und verwerflich, als aus ihnen (Gen. der Herkunft) die bösen Regungen im Menschen hervorgehen. Die Begierde vermag sich an ihnen zu entzünden und versteht sie zu mißbrauchen. Welches die letzten Wurzeln der em.&u(.L11X sind, erfahren wir nicht, obwohl gerade hier die Unterschiede zur gnostischen Auffassmig deutlich werden müßten". Hinter den drei Wendungen darf man keine strenge Systematik suchen. Sie illustrieren, aber schematisieren nicht. Eine völlig entsprechende Zusammenfassung der bösen Begierden in der Welt ist aus anderen literarischen Zeugnissen nicht nachgewiesen. Verwandt sind manche Aussprüche bei Philo s; doch vergleiche man auch Aboth IV, 21 (Beer 113): "Der Neid, die Wollust und der Ehrgeiz bringen den Menschen aus der Welt." Der christliche Autor braucht kein vorgefundenes Schema zu übernehmen, er prägt seine eigene Formulierung. 1 Auch Joh I, 13 ist nur das natürliche geschlechtliche Begehren (&EA1)f1.<X Tlj<; a<xpx6<;) in Kontrast zur übernatürlichen Zeugung aus Gott gemeint (gegen BücHsEL), und Joh 3,6; 6, 63 (~aap~ oux W
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1 Joh 2, 16
Die Verbindung des bösen Triebes mit dem Fleisch ist dem Judentum fremd; der in der rabbinischen Theologie eine große Rolle spielende (mit der aktuellen Begierde aber nicht identische) lI'ly ,~~ stammt aus der leiblich-seelischen Ganzheit des Menschen 1. Man nimmt deswegen vielfach einen Einfluß der hellenistischen Philosophie auf diese Wortbildung an'. Sie findet sich auch bei Paulus 3 , aber mit der besonderen Nuance, die ihr der paulinische cr&p~-Begriff verleiht. Nun findet sich in den Qumrantexten ein differenzierter "Fleisch"-Begriff, der über den atl. Gebrauch fortentwickelt ist und doch noch von jüdischen Voraussetzungen her erklärbar bleibt '. Viele Stellen bezeugen die gleiche Anschauung wie im Joh-Ev: "Fleisch" ist der Mensch, insofern er geschöpfIich, vergänglich, hinfällig ist; darüber hinaus aber hat das "Fleisch" eine Beziehung zur Sünde. Auch der Erwählte gehört noch "zur Gemeinschaft des sündigen Fleisches" (1 QS XI, 9) und kann "durch die Schuld des Fleisches" straucheln (1 QS XI, 12). Die kreatürliche Schwachheit des "Fleisches" äußert sich eben auch im Hang zur Sünde (vgl. 1 QH XIII, 13-16). Sehr nahe unserer Stelle kommt der Gedanke von 1 QH X, 22f: "Du hast meine Stütze nicht auf unrechten Gewinn gestellt, und nach Reichtum [durch Gewalt erworbenen) hat mein [Herz kein Verlangen), und den Trieb des Fleisches (,rt':I '11') hast du mir nicht zugewiesen" (Übs. nach M. Mansoor). In ähnlicher Weise wendet sich das ganze Urchristentum vom "Fleisch" und seinem Verlangen ab. Die "Fleischesbegierde" in 1 Joh 2, 16 umfaßt alle bösen Regungen, die aus der leiblich-sinnlichen Natur des Menschen aufsteigen. Insbesondere wird der Verf. den überstarken, zum Mißbrauch treibenden und sich dann verheerend auswirkenden Geschlechtstrieb im Auge haben. Im Unterschied zu der feineren "Begierde der Augen" werden damit zuerst die grobsinnlichen Regungen genannt. Als typisch heidnische Laster gelten der jungen Christenheit gerade die sexuellen Exzesse und Perversionen 5. Diesen reißenden Strom
Vgl. MOORE, Judaism I, 479fT; BILLERBECK IV, 1,466--483; BONSIRVEN, Judalsme II, 18ft; LIETZMANN, Exk. zu Röm 7,14 (Handbuch VIII" 75-77); BÜCHSEL in: ThWb 3, S. 169f. , EPIKUR bei Plutarch, Mor. 1096 C (od 'tij~ aot:pxo~em-&uflLot:q; PLUTARCH selbst: Mor. 101 B ("ot:r~ 'tij~ aot:pxo~ ~8ovot:r~) u. ö.; OIOGENES LAERTIOS X, 145. Vgl. LIETZMANN a. a. O. 75 t (vergleicht bes. die philonische Terminologie mit der paulinischen und nimmt für beide hellenistischen Einfluß an); CHAINE z. St.; E. SCHWEIZER in: ThWb 7, S. 141. 3 Formell Gal 5,16; Eph 2,3; sinngemäß auch Röm 1,24; 6,12; 13,14; Ga15, 24. Vgl. auch 1 Petr 2,11; vgl. 1, 14; 2 Petr 2,10.18; vgl. 1,4; Jud 8. 23 (ohne E:m&uflLot:). • Vgl. K. G. KUHN, rrE'pot:afl6~ - cXflot:P"Lot: - aap~ im NT und die damit zusammenhängenden Vorstellungen, in: ZThK 49 (1952) 200-222; F. NÖTscHER, Zur theol. Terminologie 85f; H. HUPPENBAuER, "Fleisch" in den Texten von Qumran (Höhle I), in: ThZ 13 (1957) 298-300; E. RMuRPHY, Bar in the Qumran Literature and Sarks in the Epistle to the Romans, in: Sacra Pagina II (Paris-Gembloux 1959) 60-76; R MEYER in: ThWb 7, S. 109-113. • Vgl. Röm 1, 24ff, vielleicht im Anschluß an spät jüdische Polemik; 1 Kor 6,9; 1 Thess 4, 5; 1 Tim 1, 10; Did 2, 2; Barn 19,4; Athenagoras 13. 19 u. a. 1
,.,:1
11 Schnackenburg, Johannesbriefe
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1 Joh 2, 16
einzudämmen war ein Hauptanliegen der urchristlichen Paränese 1, in die sich unser Verf. hier sicher einordnet. Doch ist die "Begierde des Fleisches" nicht auf das sexuelle Gebiet zu beschränken, sondern umfaßt auch Völlerei und Trunksucht u. a. Die "Begierde der Augen" hat man seit alters mit der zweiten verführerischen Macht des Besitzes in Verbindung gebracht". Aber außer dem neidischen und habsüchtigen Schielen auf irdische Schätze (Prd 4,8; Sir 14,9) dienen die Augen auch lüsternen Blicken aus ungezügelter geschlechtlicher Leidenschaft (Job 31, 1; Mt 5,27-29; vgl. 18,9; Mk 9,47), so daß die zweite "Begierde" genauso dem ersten wie dem dritten Punkt der joh. "Welt"-Charakteristik zugehören kann 3. Da es sich um keinen Lasterkatalog handelt, wird man die Absicht des Verf. darin erblicken müssen, die Raffinesse der "Welt" in der Erregung des sinnlichen Menschen und der Verführung zur Sünde noch stärker zur Geltung zu bringen. Die Augen sind das Organ, das am unmittelbarsten und schnellsten die verwirrenden Eindrücke von außen übermittelt und die im Herzen schlummernden "bösen Gedanken" weckt (vgl. Mk 7, 21-23). Noch eine Stufe höher auf dieser Klimax führt die &AIX~avdlX "",ai) ß(au . •AAoc~avdoc ist Prunksucht, Protzenturn " also eine verkehrte Geisteshaltung, die den Menschen seine Abhängigkeit von Gott vergessen läßt und zur Selbstvergötzung führt; zugleich versperrt sich einem solchen Hochmütigen der Blick auf den Menschenbruder. B(a~ heißt hier wie 3, 17 und sonst ofts nichts anderes als "Lebensunterhalt, Vermögen, Reichtum", und der Genitiv gibt wohl ähnlich wie O"ocpx6~ und OCP.&OCA!-,-WV den Ursprung, die Quelle der "Begierde" anS. Der Verf. wird auch hierin der allgemeinen urchristlichen Sittenlehre verpflichtet sein, der sich J esu beständige Warnung vor den Gefahren des Reichtums, besonders nach der lukanischen Überlieferung', tief eingeprägt hatte. Die &AIX~ovdoc führt zu jener selbstgefälligen, gottfernen Geistesverfassung, die man Hoffart nennt. Doch ist die Übersetzung "Hoffart des Lebens" nicht
1 Thess 4, 3ff; 1 Kor 5,1 fT; 6, 121T; 10,8; 2 Kor 12, 21; Ga15, 19; Eph 5,3; Kol 3, 5; 1 Tim 1, 10; Hebr 13,4; 2 Petr 2,10; Jud 7f. 10; Apk 21, 8. 2 CHRYSOSTOMUS, In Mt. horn. IV, 9; THOMAS von AQ., S. th. I, II, q. 77, a. 5; ESTIus, BELS ER, VREDE, AMBRO(J{}!. - Eine andere spezielle Deutung ist die auf Schaulust und Neugierde; so AUGUSTINUS, Conf. X, 53 und In Joa. tr. II, 13, sowie viele nach ihm (vgl. CAMERLYNCK, auch AMBROGGI). 3 So Neuere, wie LOISY, WINDISCH, BÜCHSEL, BONSIRVEN; vgl. auch CHAINE. • Vgl. Weish 5,8; Jak 4,16; 1 eIern 13,1; 14,1; 16,2; 21,5; 35,5; Herm(rn) VI, 2,5; VIII, 5; Did 5,1; Diog 4, 1. 6. Für die profanen Schriftsteller vgl. die Wörterbücher. - Immer scheint ckAOC~OVe(<x auf Ruhmrednerei oder äußere Bekundung der Überheblichkeit zu gehen, während den inneren Hochmut un;e:p"I)'P<Xv(oc oder 't"Ö'P0~ (= Dünkel) bezeichnen. • In prof. Lit., Papyri, LXX (Spr 31, 14; Hl 8,7; 2 Esr 7,26) und NT (Mk 12,44; Lk 15, 12.30; 21,4), s. BAuERWb 281 s. v. 3; TRENcH-WERNER, Synonyma 56. • Vgl. Weish 5, 8 n;Aoiho~ fL&'t"<X &A<X~OVe(<x~; nicht als Gen. obi. zu fassen wie Polyb. VI, 57, 6 Tj m:pt '"Couc; ß(ou~ &1.. BÜCHSEL versteht '"Coü ß(ou als Gen. qualit. 7 Vgl. Mk 10, 23fT u. par; Lk 6,24; 11,41; 12,15.16-21. 33; 14,12-14; 16,9.19-31. 1
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1 Joh 2, 17
richtig'. Der Weg zu Gott zurück ist dabei schwieriger, die Verblendung größer als bei der "Begierde des Fleisches" und "der Augen". All dies, was die "Welt" charakterisiert, hat mit göttlicher Art nichts gemein. Wieder sagt der Verf. für Gott "Vater", und es ist möglich, daß schon damit (wie dann ausdrücklich in V 17) auf das Ewig-Beständige des göttlichen Wesens im Gegensatz zu dem Geschöpflich-Vergänglichen der "Welt" hingewiesen werden soll. 'Ex m. Gen. dient hier aber nicht als Ursprungsbezeichnung, sondern wie sonst oft im joh. Sprachgebrauch' zur Wesenscharakterisierung. Keineswegs soll gesagt sein, daß das in der Welt Befindliche auch aus der Welt stamme, vielmehr daß jene bösen Verhaltungsweisen ganz "weltlich" und damit gottfern sind - ähnlich wie der joh. Jesus seinen Jüngern versichert, daß die "Welt" sie haßt, weil sie nicht ihre Art an sich tragen (Joh 15, 19). 2, 17 Als starkes Motiv der Mahnung führt der Verf. die Vergänglichkeit der Welt an, nicht aus der philosophischen Betrachtung der Kontingenz alles Geschaffenen, aber auch nicht aus dem theologischen Gedanken der Schöpfung und ihrer zeitlichen Begrenzung durch Gott. Das brüchige Wesen der "Welt" wird durch den Gegensatz von Gott und Welt sichtbar. Gott und alles, was zu ihm gehört, ist beständig, alles andere vergänglich. Über diese auf das Wesen der Dinge gerichtete Betrachtungsweise zu einer heilsgeschichtlichen 3 hinauszugehen liegt an unserer Stelle kein Grund vor. Weder auf 7tIXp&ye:TOU' noch auf dem formelhaft gebrauchten d~ TeV IXtWVIX 5 liegt ein eschatologischer Akzent. Das Präsens 7tIXp&ye:TIXL ist nicht emphatisch gemeint, als befände sich die Welt jetzt schon im akuten Prozeß der Auflösung (vgl. dagegen das vüv V 18); es steht dem fLEVe:L gegenüber, das die Festigkeit des Zustandes ausdrückt. Die Zeit ist nicht wie 1 Kor 7,29-31 durch das heranstürzende Ende "zusammengedrängt". Das joh. Christentum weiß stärker als das paulinische, daß es , Nicht ganz zutreffend ist demnach die Auffassung von P. JOÜON in: RechScR 28 (1938) 479-481, daß der Kern dieser Haltung ein vermessenes Vertrauen auf den Reichtum sei, noch weniger die Auslegung CHAINES, daß der Verf. das verkehrte Streben meine, sich auf eine höhere soziale und kulturelle Stufe zu heben. , Besonders bezeichnend dafür dvctL EX TIj<; ,xA'I.&d<x<; Joh 18,37; 1 Joh 2,21; 3,19. EIv<XL EX .&eoü häufig: 7,17; 8,47; 1 Joh 3,10; 4,1-3.4.6.7; 5, 19; 3 Joh 11. Zu eIv<XL Ex "tOü x60"fLOU vgl. noch Joh 8,23; 15, 19; 17, 14. 16; 18,36; 1 Joh 4,5. Sicher bezeichnet EX ursprünglich die Herkunft: örtlich, wie EX "twv if.VCi> J oh 8, 23 (= ItvCi>.&ev Joh 3, 31), EX "twv x',"",Ci> Joh 8, 23 (= /:x TIj<; yij<; Joh 3,31), und kausal, wie Ex "toü IlL<xß6AOU J oh 8, 44; I J oh 3, 8 vgl. 12, bes. deutlich in yeW'I.&JjV<XL /:x J oh 1, 13; 3, 5. 6. 8; 1 J oh 2, 29; 3, 9; 4, 7; 5, 1. 4. 18. Aber da die Qualität hauptsächlich durch den Ursprung bestimmt wird, ist dV<XL /:x dann zur qualitativen Redeweise geworden, in der das Ursprungs moment verblaßt ist. Vgl. BULTMANN, Theol. 366f. 3 Vgl. WINDIseH, CHAINE, DODD. • Vgl. zu 2, 8. 5 Die Wendung d<; "tov <xlwv<x begegnet auch auf Inschriften, s. DITTENBERGER, Or. inscr. 194,35; 332,33; 515,56; Syll. 3814,50; vgl. E. PETERSON, EI<; .&e6<; (1926) 168ff. - Im joh. Schrifttum bezeichnet es die unbegrenzte Dauer, die nur bei Gott ist, s. Joh 4,14; 6, 51. 58; 8, 35. 51. 52; 10,28; 11,26; 12,34; 13,8; 14, 16; 2 Joh 2. c
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noch in der "Welt" ist und sich in ihr behaupten muß (vgl. Joh 17, 15; 1 Joh 4,17) 1. Dazu aber ist Abstand von der "Welt" und ihrer "Begierde"· nötig. Das, was die "Welt" anziehend macht, nämlich die Lust, die ihre Begierden verheißen, ist genauso wie sie selbst vergänglich. Den Begierden der Welt widersteht, wer "den Willen Gottes tut". Das ist wie "Beobachten der Gebote Gottes" (2,3.4.5; 3,22.24; 5,2.3) atl.-jüdische Ausdrucksweise, vermeidet aber besser als dieses das Mißverständnis des Nomismus. Der Gedanke von V 17 hat im spätjüdischen apokryphen Schrifttum, namentlich bei ApkBarsyr und 4 Esr, starke Anklänge S , findet sich aber auch bei Philo in e~was anderer Weise'. Hier ist also der fruchtbare Boden solcher urchristlichen Gemeindepredigt zu suchen und nicht bei den fernerstehenden Mandäern, die im übrigen lehrreich für die Spannweite gnostischer Welthaltung - ebenfalls eine kräftige Tatethik entfalten und durch eine ähnlich klingende, aber anders - gnostisch-dualistisch - gemeinte Motivation untermauern &. Im Joh-Ev ist "bleiben in Ewigkeit" gleichbedeutend mit "ewigwährendes (göttliches) Leben besitzen"'. Für diese joh. Lebensvorstellung besitzen das zukünftige Gericht und die zukünftige Welt kein vordringliches Interesse; so setzt 1 J oh 2, 17 gegenüber den apokalyptisch-dramatischen Texten von ApkBarsyr und 4 Esr (s.o.) seinen eigenen Akzent. Nicht die Katastrophe des 7totptiye:'t"otL, sondern der permanente Gegensatz des 7totptiye:a.&otL: IJ-&Ve:LV, gibt der Aussage das Gepräge. Daß es jetzt .&e:oü (statt 7tot't"p6<; V 16) heißt, darf nicht zu weiten theologischen Schlüssen verführen', da sich diese Wendung aus dem gewohnten jüdisch-christlichen Sprachgebrauch hinlänglich erklärt'. Mit e:t<; 't"ov ott&Vot findet der Vgl. R. LÖWE a. a. O. 124: "Hier (i. d. joh. Schriften u. bei Jak) fallen die beiden Äonen überhaupt fort und machen ,mehr der horizontalen Betrachtung Raum. Ob~n ist Gott mit seinen guten Gaben, Geist, Licht und ewigem Leben, unten die Welt ~n Unverstand, Nacht und Sünde." Doch ist dieses Urteil überspitzt. . • 'E7tt&U/LLot ohne otUTOÜ A 33 323 1739 h sa arm ist die schwächere LA (gegen BiicHSEL). 3 Vgl. ApkBarsyr 21, 19; 31,5; 40,3; 48,50; 73, 4f; 74,2; 83, lOft; 4 Esr 4, 11.26; 6,20; 7,96,112; ferner Hengr 65, 61r; ApkAbr 17; TestXII Iss 4, 3. 6; Sifre Dt § 47, u. a.; s. bei SCHLAUER, Der Evangelist Joh. zu Joh 8, 34 (S. 213). • Der Gedanke ist bei Philo ins Geistig-Sittliche gewendet: Das Gute und die Tugend ist das "Leben", das Schlechte und die Schlechtigkeit der" Tod" (fuga 58); vgl. det. 48 u. 49; congr. 87; heres 290; fuga 55. • Vgl. GINZ~ 39, 14f: "Tuet den Willen eures Herrn, damit ihr siegreich zu den Lichtwelten emporsteigt", ferner 42, 23ft; 219, 7-36. Als Parallele zu V 17 vgl. GINZA 78; 8f: "Die Kinder der Finsternis vergehen, doch die Kinder des gewaltigen (Lebens) haben ijestand"; ferner 16,25-27; 35,6-8; 62, 10. - Ohne ethische Anwendung OdSal 5,12-14. • = ~ljaEt e!~ TO'l ottW'lot 6, 51. 58; ähnliche Wendungen 8, 5lf; lO, 28; 11,26. . 7 CHAINE meint, dadurch werde an Gott den Schöpfer erinnert und ,seinen Willen tun' heiße, die Dinge nach dem göttlichen Plan zu gebrauchen; doch der Kontrastbegriff l(6a/Lo~ 2, 15 ist nicht = Schöpfung. S Vgl. &e):Ij/Lot'TOÜ &Eoü Joh 9,31; ROm 1, lO; 12,2; 15,32; 1 Kor 1,1 (ebenso in an"lieren Briefeingängen); Eph 6,6; 1 Thess 4,3; Hebr 10,36; 13,21; 1 Petr 2, 15; 3,17. ' 1
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Exkurs: Der "Welt"-Begrift in 1 Joh 2, 15-17
Abschnitt auch einen sprachlich wohlklingenden Abschluß. Für die Ursprünglichkeit des Zusatzes: "wie auch er selbst (Gott) in Ewigkeit bleibt", den die Altlateiner in mancherlei Variationen bezeugen \ ist die handschriftliche Bezeugung zu schmal, obwohl der Zusatz zu dem Stil des Verf. passen würde (vgl. 1,7; 3,3.7; 4,17). Inhaltlich ist der Gedanke für das joh. Denken eine Selbstverständlichkeit und bedarf keiner Hervorhebung.
EXKURS
6:
Der "Welt"-Begriff in 1 Joh 2,15-17 Der Abschnitt 1 Joh 2, 15-17 setzt einen "Welt"-Begriff voraus, der im Rahmen der reichen und differenzierten Verwendung im joh. Schrifttum 2 eine gewisse Sonderstellung einnimmt. Die "Welt" ist hier eine gefährliche Größe, vor der gewarnt wird; sie ist weder völlig schlecht noch ,neutral, geschweige denn gut. Gerade in diesem Zwielicht erscheint der Kosmos in den joh. Schriften sonst nicht. Entweder ist er als Schöpfung (= 7ta.v't'ot Joh 1, lOb, vgl. 3; 17,24) Werk Gottes oder aber als gotteJ;ltfremdete, gottfeindliche Welt die Domäne Satans, des "Herrschers (dieser) Welt" (Joh 12,31; 14,30; 16, 11). Eine gewisse mittlere Linie halten die Aussagen über das Kommen bzw. die Sendung des Gottessohnes "in die Welt" ein 3. Da wird die Welt als Aufenthalts- und Wohnraum der Menschen betrachtet; sie ist wegen der Sünde und Gottesferne der Menschen ein finsterer Bereich, den Jesus als das "Licht der Welt" a) quemadmodum iIle qui est in aeternum: sa b) quomodo (et) ipse manet in aeternum: Cypr. (Testim. III, 11 19) c) quomodo (et) deus manet (manebit Cypr., Hab. virg. 7) in aeternum: Cypr. (De morta!. 24), Luci!., Zeno d) sicut et ipse (iIle) manet in aeternum: Aug. (In I Joa. tr. 11, 10) e) sicut et Deus manet in aeternum: t Aug. (In I Joa. tr. 11, 14), Pe!., Rur. Dazu A. v. HARNACK in: SABeriin 1915, 56lf. Da die ganze griech. Textüberlieferung den Zusatz nicht kennt und auch Hieronymus ihn in die Vg nic\J,t aufnahm, kann er kaum als ursprünglich gelten. • 'Dieser Exkurs soll nicht den joh. "Welt"-Begrift als solchen erörtern, sondern nur auf eine Seite desselben aufmerksam machen, die bisher weniger beachtet wurde. Vg!. zum joh. "Welt"-Begrift R. LÖWE, Kosmos und Aion (Gütersloh 1935) näherhln 124ft; H. SASSE in: ThWb 3, S. 894ft; R. BULTMANN, "Glauben und Verstehen" (Ges. Aufs.) (Tübingen 1933) 135-139; Joh. passim (s. Reg. s. v. x60'",o~); Theo!. 361fT; PERCY a. a. O.125fT; A. WIKENHAUSER, Ev nach Joh 174-176; M. MEINERTZ, Theo!. des NT II, 286 f. • Joh 1,9; 3,19; 6,14; 9,39; 10,36; 11,27; 12,46; 16,28; 17,18; 18,37; 1 Joh 4,9. 1
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Exkurs: Der "Welt"-Begriff in 1 Joh 2, 15-17
erleuchtet (Joh 3,19; 8,12; 9,5; 12,46); aber als erlösungsbedürftige Menschheit wird der x60"fLoC; sogar Gegenstand der erbarmenden göttlichen Liebe (Joh 3, 16; 1 Joh 4,9)1. In 1 Joh 2, 15ff warnt der Autor vor der "Welt" als der Wohn stätte böser Begierden (V 16). Der in Unglaube und Haß gegen den Gottgesandten und alle Seinigen verhärtete Teil der Menschen', der Inbegriff des Gottfeindlichen 3, ist der x60"fLoC; in 2, 15 ff nicht. Und doch ist das Sprechen von dem x60"fLoC; als dem widergöttlichen Bereich unserem Autor so geläufig, daß dieser Begriff am Ende von V 16 in seiner Paränese wieder auftaucht. Läge in diesem TOÜ x60"fLoU derselbe x60"fLoc;-Begriff wie in V 15 vor, so ergäbe die Begründung in V 16 einen circulus vitiosus; indes der Drang, das oOx ~O"TLV EX TOÜ 7tIXTp6C; auch positiv auszudrücken, hat diese Wendung &'AA' EX TOÜ x60"fLOU veranlaßt. Die "Welt", die die Leser nicht lieben sollen, ist nicht die Menschenwelt, sondern die materielle Welt mit allem, was sie erfüllt (Ta EV Tc{i x60"fLCP). Das Urteil über diese "Welt" aber ist negativ; der Verf. blickt nicht auf ihren Schöpfungscharakter als Welt Gottes, sondern auf ihre Gefährlichkeit nach dem Sündenfall. Die "Welt" ist nicht in sich verdorben wie "der Böse"" vielmehr von schlechten Begierden erfüllt (V 16) und darum gefährlich und verführerisch. Mit keinem Wort wird gesagt oder angedeutet, daß sie aus einem bösen Prinzip hervorgegangen sei. Auch mit dem Ausspruch 2, 15f ist für den christlichen Autor noch der Gedanke an die Schöpfung durch Gott vereinbar, obschon er in diesem Zusammenhang begreiflicherweise nicht geäußert wird. Hinter ähnlichen Mahnsprüchen bei den Mandäern hingegen verbirgt sich eine Weltbeurteilung, die aus gnostisch-dualistischem Denken stammt. Die "Welt" ist bei ihnen nicht bloß voll moralischer Perfidie, sondern auch der Substanz, der Materie nach verdorben: eine Welt, "die voll Lug und Trug ist, die mit Disteln und Dornen besäet ist", eine "Welt des Wirrsals und des Trubels ohne Festigkeit ... der Finsternis ohne Licht ... des Gestankes ohne Wohlduft ... der Verfolgung und des Todes ohne Leben in Ewigkeit ... " 5 Im Totenbuch wird die Seele gepriesen, die die Welt verlassen hat: "Du hast die Verwesung
Vgl. auch (, C1CilTIJp '"mi) XOC1fLoU Joh 4, 42; 1 Joh 4, 14; ferner Sätze wie Joh I, 29; 3, 17; 6,33.51; 12,47. 2 Joh I, lOc; 7,7; 14,17; 15, 18f; 17,14.25; 1 Joh 3, 1. 13. 3 Vgl. besonders die Wendung EX TOi} XOC1fLOU (TOUTOU) etVIXL Joh 8, 23; 15, 19; 17, 14. 16; 18,36; 1 Joh 2,16; 4,5, die stets den scharfen artmäßigen Gegensatz zu Gott (ex Toi) ~.oil) ausdrückt; dazu BULTMANN, Joh. 117 Anm. 6; PERCY a. a. O. 128--131. • An anderen Stellen, in denen der typische joh. "Welt"-BegrifT vorliegt, werden über den Kosmos die gleichen Aussagen gemacht wie über den "Bösen". Die Christusgläubigen besiegen den Kosmos 5, 4t wie den Bösen 2,13b. 14c; vgl. Joh 16,33. "Diese Welt" verfällt dem Gericht Joh 12,31 so wie der "Herrscher dieser Welt" 16,11. In 1 Joh 2,15 kann man tür XOC1fLOC; nicht den "Bösen" einsetzen, das gäbe eine viel zu schwache Aussage. 5 G'NZA 14, 32fT; vgl. 33, 3fT; 241, 3lf; Johannesbuch 55, lf; MandLit 161!.
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Exkurs: Der "Welt"-Begriff in 1 Joh 2, 15-17
verlassen und den stinkenden Körper, in dem du weiltest, die Wohnung, die Wohnung der Bösen, den Ort, der lauter Sünde ist, die Welt der Finsternis, des Hasses, der Eifersucht und Zwietracht ... " 1 Diese Schmähungen der "Welt" haben einen ganz anderen Grund als die Warnung des christlichen Autors; denn an anderer Stelle heißt es, "daß diese Welt nicht nach dem Wunsche des Lebens geschaffen wurde ... diese Welt wurde durch die Verfehlungen (der Planeten) geschaffen, und die Planeten stehen da, legen sich auf den Schatz ihres Gemütes und verleiten die Menschenkinder zur Sünde" '. Dieser "kosmologische" Dualismus liegt auch den iranischen und manichäischen Anschauungen zugrunde 3 und ist für die gnostische Geisteshaltung kennzeichnend'. In 1 Joh 2, 15ff bietet die "Welt" den bösen Begierden nur die Wohnstätte und den Tummelplatz; sie wird schlecht durch das, was in ihr geschieht. Wer mit ihr paktiert, gerät in die FalIstricke der in ihr hausenden verderblicHen Leidenschaften. So entsteht kein metaphysischer, aber ein moralischer Gegensatz zwischen "Welt" und Gott. Darum sind Liebe zur Welt und Liebe zum Vater unverträglich miteinander (V 15b); der Mensch hat praktisch zwischen beiden zu wählen. Die "Welt" in 1 Joh 2, 15ff ist nichts anderes als ein Haus der bösen Lüste (vgl. V 16), das im übrigen brüchig und hinfällig ist mit allem, was es beherbergt (V 17 a). Auch das pessimistische Urteil 1 Joh 5,19 über die Welt als Machtbereich des "Bösen" geht über 2, 15ff hinaus; es gehört eher zu den Aussagen über den &pxwv TOÜ x60"floOU TOUTOU (vgl. den Gegensatz zum "Gottessohn" 5,20a). Gerade der rein moralische Zusammenhang gibt dem "Welt"-Begriff von 2, 15 sein Gepräge. Fragt man, woher dieser "Welt"-Begriff von 2, 15 stammt, dann wird man auf andere Aussprüche aufmerksam, die der altchristlichen Gemeindepredigt angehören. Am meisten Ähnlichkeit besitzt unsere Stelle mit Jak 4, 4; auch hier besteht der scharfe moralische Gegensatz zwischen Gott und Welt: Freundschaft zur "Welt" bedeutet Feindschaft GINZA 511, 8ff = MandLit 159; GINZA 568, 25ff; 572, 25fT; Johannesbuch 93, 2f; MandLit 12,6; 143, 8f; 16lf; 198; 227. • GINZA 247, 9fT; vgl. 242, 9-16. Die Entstehung des Reiches der Finsternis wird nicht beschrieben (vgl. GINZA 70ff), doch steht der dualistische Ursprung fest; vgl. noch Johannesbuch 55, IOff; MandLit 4. 3 Vgl. REITZENSTEIN, Iran. Erlösungsmysterium 25; PETREMENT a. a. O. 196-204. • Vgl. CHerm VI, 4: 6 yocp K6<7fLO~ TCATjpoofLli e<7'r\ 'I"ij~ Ka:K(a:~, 6 Il~ &eo~ TOU &:ya:&ou. Doch gibt es auch andere hermetische Äußerungen, die dem widersprechen (X, 10: Die Welt ist nicht schlecht, aber auch nicht gut; IX, 4: Stätte des Bösen ist die Erde, nicht die Welt; Asclep. 27: Die Welt isi ein Bild Gottes). Über diesen "doppelten" Hermetismus vgl. W. BoussET in der Besprechung von J. Kroll, in: GGA (1914) 697-755; PETREMENT a. a. O. 179f. JONAS, a. a. O. 153f, erblickt darin den Protest, "den griechischer Geist der Depravation des Kosmosbegriffes le'isten mußte". PERCY, a. a. O. 134f, glaubt stoisch-siderischen Einfluß zu erkennen. - Andere gnostische Texte: OdSal 20, 3; Exc. ex Theod. 74; Pistis Sophia 32; 41; 96; 100. Doch wandelt sich hier der Gegensatz mehr in den von "Materie" und "Geist". Vgl. noch BoussET, Hauptprobleme 91 fT; JONAS a. a. O. 146ff; PETREMENT a. a. O. 190ff. 1
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Exkurs: Der "Welt"-Begriff in 1 Joh 2,15-17
gegen Gott. Aber dies ist nur ein Wort unter vielen ähnlichen, die kontinuierlich bis in die Zeit der Apostolischen Väter fortklingen 1. Maßgeblichen Einfluß auf ihre Formulierung scheint Palllus' ausgeübt zu haben. Seine Paränesen sind stärker als 1 J oh heilsgeschichtlich orientiert. Er sieht den x6crfLoC; bzw. x6crfLoC; OO'l"OC; unter dem Gericht (1 Kor 6,2; 11,32); seine Gestalt ist am Vergehen (1 Kor 7, 11). Die Christusgläubigen gehören ihrem wahren Wesen nach schon dem kommenden Äon an und sollen darum die Güter dieser Welt besitzen, als besäßen sie sie nicht, und gebrauchen, als gebrauchten sie sie nicht völlig (ebd.). Diese dringliche eschatologische Motivation fehlt in 1 Joh. Doch das sind nur Nuancen; im ganzen ist die altchristliche Predigt von der gleichen Einstellung zur "Welt" bzw. "diesem Äon" beherrscht. Die Urkirche wiederum dürfte in dieser Weltbetrachtung dem Spätjudentum verpflichtet sein. Manche paränetischen Partien, namentlich in den "Testamenten der zwölf Patriarchen"', in der Damaskusschrifl', aber auch in apokalyptischen Werken 5, atmen den nämlichen Geist. Der Herzenseinfältige "bekommt nicht lüsterne Augen durch den Trug der Welt, um nicht zu erleben, daß die Gebote des Herrn verkehrt werden" (TestXII Iss 4, 6) 6. Eindringlich wird vor allem gewarnt, was Lüste und Begierden erregt, so vor Wein, Weiberschönheit und Geld (TestXII Jud 13ff), vor Reichtum und Leckerbissen (TestXII Benj 6, 2f; Henaeth 108,8f), vor den "drei Netzen Belials": Unzucht, Reichtum und Entheiligung des Tempels (Damask IV, 15ff). In den Qumrantexten verschärfen sich die Warnungen im Hinblick auf die "Herrschaft des Engels der Finsternis" über die "Söhne des Frevels", da jener auch die "Söhne der Gerechtigkeit" zu verführen vermag (vgl. 1 QS III, 21 ff); kennzeichnend für den "Geist des Frevels" ist ein ganzer Lasterkatalog (1 QS IV, 9ff). An anderen Stellen ist von der "Herrschaft Belials" die Rede, die aber zeitlich begrenzt ist und sich nur zum Verderben der "Söhne der Finsternis" auswirkt '. Die "Auserwählten Gottes" suchen sich diesem verderberischen Einfluß durch Absonderung, Reinigung, Gebet und ein streng sittliches Leben zu entziehen, ja darüber hinaus durch ihre radikale Gesetzesbeobachtung, durch ihr vollkommenes Streben nach Gottwohlgefälligkeit "das Land zu entsühnen" (1 QS VI II, 6. 10; 1 QSa I, 3). Sofern man in Qumran an die beiden feindlichen Bereiche des "Lichts" Vgl. Jak 1, 27; 2 Petr 1, 4; 2, 20; IgnRorn 7, I; Polyk 5, 3; 9, 2; Barn 4, 1; Herrn (v) I, 1,8; 2 CI ern 5, 6f; 6,6. 2 1 Kor 5,10; 7,31; Ga16, 14; Eph 2, 2; (0 ot!wv 0;),"0<;) Rörn 12,2. • Test XII Iss 4; Jud 13; Benj 8. • Darnask H, 14-17; IV, 13-18; VI, 14-17. 5 ApkBarsyr 73,4f; 4 Esr 4,26ff; 14,20f; Henaeth 48,7; 108,8r. Vgl. VOLZ, Eschat. 7 u. 68. • So wohl nach der besseren LA (CHARLES) zu übersetzen (anders RIESSLER). 7 "Herrschaft Belials": 1 QS I, 18.23; H, 19; 1 QM XIV, 9; 4 QMa 6; vgl. 1 QS 111, 22f; IV, 19; 1 QM 1,15; XIV, 10; XVII, 5; XVIII, 1. 11. - Zu "Belial" vgl. H. W. HUPPENBAuER, Belial in den Qurnrantexten, in: ThZ 15 (1959) 81-89. 1
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Exkurs: Der "Welt"-Begriff in I Joh 2, 15-17
und der "Finsternis" denkt, könnte man von einem "kosmischen" Dualismus sprechen; aber abgesehen davon, .daß es dafür keinen "Welt"Begriff gibt, bleibt die Denkungsweise weit von der prinzipiellen Abwertung der Materie und materiellen Welt im Gnostizismus entfernt. Gott ist der Schöpfer und Lenker von allem, auch der "Geister der Finsternis". "Vom Gott der Erkenntnisse stammt alles Sein und Geschehen" (1 QS III,15), und man erwartet auch eine eschatologische "Neuschöpfung" (1 QS IV, 25; 1 QH XIII, II f). "Licht" und "Finsternis" werden eher wie zwei Mac h tbereiche vorgestellt, und auch dieses dualistisch geschärfte Denken bleibt heilsgeschichtlich und ethisch orientiert und so durchaus im spät jüdischen Rahmen 1. Im Anschluß also an die urchristliche Gemeindepredigt, die in dieser Hinsicht vom Spätjudentum beeinflußt ist, nimmt der Verf. von 1 Joh einen "Welt"-Begriff auf, der nicht ganz den scharfen "joh." Ton hören läßt, aber zu der prägnanten Vorstellung von der "Welt" als dem Gegenbereich der göttlichen Sphäre leicht hinüber leitet. Für den typisch joh;, gnostisch anklingenden "Welt"-Begriff ergibt sich daraus die Folgerung, daß er inhaltlich der moralischen und heils geschichtlichen "Welt"-Betrachtung der Urkirche näher steht, als es zunächst scheinen könnte.
Vgl. F. NÖTSCHER, Zur theol. Terminologie 82-86; H. W. HUPPENBAUER, Der Mensch zwischen zwei Welten (Zürich 1959) 95-115, besonders I08f.
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ZWEITER HAUPTTEIL
Die gegenwärtige Situation der christlichen Gemeinden: ihr Abwehrkampf gegen die "Antichriste", ihre Heilserwartung und ihre religiös-sittliche Aufgabe (1 Joh 2, 18 - 3, 24)
Mit 2, 18ff beginnt ein neuer Teil. Hatte der Verf. von der Gottesgemeinschaft der Christen bisher allgemein lehrhaft-paränetisch gesprochen, ohne auf den besonderen Stundenschlag der Heilsgeschichte zu achten, so rückt er nun seine Betrachtung unter das Gesetz der "letzten Stunde" (2, 18). Anlaß dazu bietet ihm das Auftreten von Ii"rlehrern, die den Kerngehalt der christologischen Botschaft, die HeilsmittlersteIlung Jesu Christi, leugnen. Diese christologischen Irrlehrer sind faktisch sicher mit den moralischen Irrlehrern des ersten Teiles identisch (vgl. Einleitung S. 16); aber. er befaßt sich mit diesem gegen das Zentrum der christlichen Erlösungslehre gerichteten Angriff besonders, da er den Kern seiner Heilsbotschaft (1, 1-3) gefährdet. Um diese Christusleugner in ihrer Verwerflichkeit darzustellen, charakterisiert er sie als "Antichriste". Das ist die besondere persönliche Deutung der gegenwärtigen Situation durch den Verf., die es ihm ermöglicht, die Gemeinden nachhaltig zu warnen und zum unentwegten Festhalten am überlieferten Christusbekenntnis wachzurufen. Zwar wandelt sich auch hier sein Denken nicht zu einem so starken heilsgeschichtlichdynamischen, wie es das paulinische ist; aber der Gegenwartskampf führt ihn doch dazu, die auch bei ihm vorhandenen Ansatzpunkte dazu auszubauen. Die schon erfolgte und dem Verf. so überaus wichtige "Erscheinung" des Lebenslogos in der Welt (1, 2; vgl. 3,8) verlangt noch nach der künftigen "Erscheinung" Jesu Christi bei seiner Parusie (2,28). Erst dann findet auch das Heil, das durch die schon jetzt verliehene Gotteskindschaft beglückender Gegenwartsbesitz ist, seine Vollendung (3,2 'vüv ••. OÖ1I:W ~CPIXVEp6>&rj). Der große, aus paränetischen Anliegen breit gelagerte Abschnitt 3,4-24 läßt zwar den heilsgeschichtIichen Gesichtspunkt wieder zurücktreten; aber er ist unter das Motiv 0 ~x.wv -rljv &ATcl81X 't"IXOTIlv 3,3 gestellt. Jedenfalls empfiehlt es sich nicht, mit 3, 4ff einen neuen Teil beginnen zu lassen. Auf diese Mahnrede drängte der Verf. ' schon 2,29 hin (0 1I:0LWV -rljv 8LxIXLOaOV1jV, vgl. 3, 7) und wurde nur durch das Thema von der 'Zeugung aus Gott bzw. von der Gotteskindschaft abgelenkt. Mit 3, 3 (&YL,x~EL ~lXu't"6v) leitet er endgültig zu ihr über. Schwieriger scheint die Abgrenzung nach dem Ende zu. Gegenüber den Versuchen, 4, 1-6 zu diesem Teil noch hinzuzunehmen (Häring, Brooke) oder ihn gar bis 5,13 fortzuführen, gibt sich 3, 23f deutlich als ein Abschluß: 1. Christusglaube und Bruderliebe (als Inbegriff der Selbstheiligung und Geboteerfüllung) werden 3,23 zusammengefaßt (vgl. 2, 18-27 und 2, 28 - 3, 17 bzw. 20). 2. Das Wort von der Gottesgemein-
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1 Joh 2, 18 - 3, 24 schaft 3, 24 a klingt wie ein Schlußakkord, der auch das Hauptmotiv des ersten Teils wieder aufnimmt (vg!. 2,5.10; 1,6). 3, 24b dagegen ist Überleitung: der Geistbesitz als Erkennungszeichen ist ein neuer Gedanke, der die Frage nach der "Unterscheidung der Geister" 4, 1 fT vorbereitet und eröffnet. Dieses Anschlagen des neuen Themas am Ende eines andersartigen Abschnittes ist schriftstellerische Gepflogenheit des Ver!. (vg!. Ein!. S. 9).
Die Gedankenführung in dem so abgegrenzten Brief teil ähnelt in etwa der in 1,5 - 2, 17: Nach der Auseinandersetzung mit der Irrlehre (diesmal der christologischen) 2, 18-27 und einer positiven Darstellung der Heilserwartung 2, 28 - 3, 3 (dieses Zwischenstück ist hier etwas Besonderes) folgt eine paränetische Mahnrede 3, 4-24 ähnlich wie 2, 12-17. Im Vergleich mit dem ersten Teil strömt sich der Verf. nur breiter in die Paränese aus. Daß er bei solcher Mahnrede, in der seine Hauptstärke liegt, wieder auf die falsche moralische Einstellung der Gegner hinblickt und beständig die christliche Haltung von dieser abhebt, ist durchaus verständlich. Thematisch beschäftigt er sich jedoch in 3, 4-24 mit der moralischen Irrlehre nicht mehr, bekämpft sie vielmehr nur indirekt und latent. Der erste Brief teil ist Voraussetzung für das Verständnis dieser beständigen versteckten Polemik. Daß die Paränese die Führungsrolle hat, erkennt man daraus, daß die Gegner nicht mehr ausdrücklich zu Wort kommen (es fehlen die Formeln Mv A~YWfLe:V, b Atywv) , und die Gläubigen vor den Verführern nur gewarnt werden (3,7). Im ganzen ist der Abschnitt unmittelbar an die rechtgläubigen, "gottgezeugten" Christen gerichtet (vgl. noch 3, 11. 13. 18. 21) und beschäftigt sich stärker mit den inneren Problemen des christlichen Lebens (vgl. 3, I6f. I9f. 2lf). Schließlich wäre es nicht gut denkbar, daß der Verf. völlig planlos im selben Gedankenkreis mehrfach auf dasselbe Thema zurückkäme. Das wäre aber für die "Bruderliebe" der Fall, wollte man den Rahmen anders und weiter spannen. Das Thema der Bruderliebe scheint vielmehr drei verschiedenen Brief teilen unter einem jeweiligen besonderen Gesichtspunkt anzugehören (2, 7-11; 3, 11-18; 4, 7-21). Auch von den Widersachern ist 4, 1 ff aufs neue die Rede, obwohl es sich faktisch um denselben Personenkreis handeln dürfte. Aber sie heißen jetzt "Pseudopropheten", weil "Geist" und "Prophetie" aufeinander hinge ordnet sind wie "Christus" und "Antichriste" und weil der Verf. im dritten Briefteil zur "Prüfung der Geister" und "Unterscheidung des Christlichen" hinführt.
Bei dieser Eigenart der gedanklichen Produktion (oder auch abschnittweisen literarischen Abfassung des Schreibens ?), bei der unter verschiedenen Gesichtspunkten z. T. dieselben Gedankenkomplexe auftauchen, wie auch bei der Neigung des Verf. zur Rekapitulation (unter stilistischer Variation) überrascht es nicht, daß auch im einzelnen schon bekannte Gedanken wieder in ähnlicher Weise auferstehen; vgl. 3,5 u. 16 mit 2, 1 f; 3, G. 9 mit 1, 6; 3,11 ff mit 2, 7ff; 3,19 mit 2,4; 3, 24 mit 2,5. Als Hauptgesichtspunkt in dem Abschnitt 2, 29 - 5, 13 die Gotteskindschaft anzunehmen (Vrede, Chaine) scheitert außer an schon genannten Gründen hauptsächlich daran, daß dieses Thema zwar motivierend immer wieder hervortritt (2, 29; 3, 9; 4, 7; 5, 1. 4. 18), aber außer in 3, 1-3 nicht selbständige Bedeutung gewinnt. So schwierig die Abgrenzung ist, da der Verf. gern, zum minde~ten durch einzelne Ausdrücke, die
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1 Joh Z, 18 - 3, 24 Nähte seiner Teile verpicht, so dürften doch die genannten Gründe für die Heraushebung von 2, 18 - 3, 24 als eines besonderen Teiles sprechen, der durch 2, 18 ein heilsgeschichtlich-eschatologisches Gepräge gewinnt, ohne daß dies als Gliederungsprinzip (vgl. Büchsel) gelten soll. Die Anregung zu diesem Neuansatz empfängt der Verf. vielmehr durch die christologische Irrlehre, und nach ihrer unmittelbaren Abweisung läßt er sich entsprechend seiner Art zu weiteren Mahnungen an die Gemeinden treiben. So läßt sich etwa folgender Aufbau am Texte ablesen:
1. Abschnitt. Die "letzte Stunde". Die Irrlehrer als Antichriste, ihr Ausscheiden und ihre Abwehr durch die Gemeinde der Christus gläubigen (2,18-27). 1. Es ist "letzte Stunde", und die Irrlehrer sind "Antichriste" (2, 18). 2. Die Gemeinde hat die aus ihr hervorgegangenen Antichriste ausgeschieden und ist durch den Heiligen Geist in der Wahrheit gefestigt (2, 19-21). 3. Die Irrlehrer kennzeichnen sich durch die Leugnung des Christusbekenntnisses als Antichriste, berauben sich damit aber auch der Gemeinschaft mit dem Vater und der Verheißung des ewigen Lebens (2,22-:-25). 4. Die Briefempfänger sollen am wahren Christusglauben in der Erleuchtung des Heiligen Geistes festhalten (2,26-27). 11. Abschnitt. Die Heilserwartung der Christen (2,28 - 3, 3). 1. Die Parusie ist zu erwarten und erfordert Heiligkeit (2, 28-29). 2. Den Christen ist die Gotteskindschaft geschenkt und noch größere Herrlichkeit verheißen (3, 1-3) III. Abschnitt. Die religiös-sittliche Aufgabe der Gegenwart (3, 4-24). 1. Meiden der Sünde (3,4-10). a) Christusverbundenheit schließt Sündigen aus (3,4-8). b) Gotteskindschaft macht unfähig zum Sündigen (3,9-10). 2. Üben der Bruderliebe (3, 11-20). a) Die Botschaft der Bruderliebe. Sie enthüllt wie bei Kain und Abel das Böse und Gute im Menschen (3, 11-12). b) Wesen und Wirkung des Hasses. Er steht dem Mord gleich und raubt das ewige Leben (3, 13-15). c) Wesen der Liebe; sie äußert sich nach dem Beispiel Christi in der Tat (3, 16-18). d) Ein besonderer Lohn der Bruderliebe; sie verleiht ein ruhiges Herz vor Gott (3, 19-20). 3. Abschluß der Mahnrede (3,20-24). a) Gebetserhörung ist dem sicher, der die Gebote erfüllt (3, 21-22). b) Gottes Gebot kann zusammengefaßt werden in Christusglauben und Bruderliebe (3, 23). c) Die Frucht solcher Gebotserfüllung ist wahre Gottesgemeinschaft (3,24)
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1 Joh 2, 18 ERSTER ABSCHNITT
Die "letzte Stunde". Die Irrlehrer als Antichriste, ihr Ausscheiden und ihre Abwehr durch die Gemeinde der Christusgläubigen (1 Joh 2, 18-27)
18 Kinder, es ist "letzte Stunde", und wie ihr gehört habt, daß der "Antichrist" kommt, so sind tatsächlich jetzt "Antichriste" in großer Zahl erstanden; daran erkennen wir, daß es "letzte Stunde" ist. 19 Von uns sind sie ausgegangen, aber sie gehörten nicht zu uns; denn hätten sie zu uns gehört, wären sie bei uns geblieben; aber es sollte offenkundig werden, daß sie sämtlich nicht zu uns gehören. 20 Ihr aber besitzt das "Salböl" von dem Heiligen und seid sämtlich Wissende. 21 Ich schreibe euch nicht, daß ihr die Wahrheit nicht wißt, sondern daß ihr sie wißt, und (versichere euch,) daß keine Lüge (= Irrlehre) aus der Wahrheit stammt. 22 Wer ist der Lügner, wenn nicht derjenige, der leugnet, daß Jesus der Christus ist? Das ist der "Antichrist" " derjenige, der den Vater und den Sohn leugnet. 23 Jeder, der den Sohn leugnet, hai auch den Vater nicht; wer den Sohn bekennt, hat auch den Vater. 24 Was euch betrifft, so soll das, was ihr von Anfang an gehört habt, in euch bleiben. Wenn das, was ihr von Anfang an gehört habt, in euch bleibt, so bleibt auch ihr (selbst) im Sohn und im Vater. 25 Und das ist die Verheißung, die er selbsl uns gegeben hat,' das ewige Leben. 26 Das schreibe ich euch über eure Verführer. 27 Im Blick auf euch aber (sage ich,') Das "Salböl", das ihr von ihm empfangen habl, bleibt in euch, und ihr habt nicht nötig, daß euch jemand belehre; vielmehr, wie euch sein "Salböl" über alles belehrt, so ist es wahr und wirklich keine Lüge. Darum - entsprechend seiner Belehrung bleibet in ihm (= Christus)! 1. ES IST "LETZTE STUNDE", UND DIE IRRLEHRER SIND "ANTICHRISTE" (1 Joh2, 18)
2, 18 Mit neuer, aber schon bekannter Anrede (2, 14) stellt der Verf. einen lapidaren Satz an die Spitze des nun beginnenden Teils, ähnlich wie die "Botschaft" von Gott an den Anfang des ersten Hauptteils (1,5). Diesmal ist es die heiisgeschichtIiche Aussage, daß jetzt "letzte Stunde" ist. Das Fehlen des Artikels unterstreicht das Kategorische, das qualitativ Bedeutsame dieser Aussage '. "Stunde" blickt nicht auf eine längere 1 MouLToN-THUMB 132; vgI. BLAss-DEBR § 258.
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1 Joh 2, 18
zeitliche Stufenfolge zurück, sondern ist gleichbedeutend mit Zeit!. Es ist die heils geschichtlich so überaus schicksalsschwangere, im Ringen der guten und bösen Mächte so entscheidende Zeit vor dem "Ende" (Mk 13,5-7. 13 par), vor der Parusie (1 Joh 2, 28). Diese in der Stundenrechnung Gottes wichtige, aber nicht nach irdischem Zeitmaß zu berechnende Epoche, die sich durch gewisse "Zeichen" ausweist (Mk 13,4.29), kann verschieden benannt werden 2. Das Joh-Ev bietet dazu keine Parallele, kennt aber die eschatologische "Stunde" der Totenauferstehung und des Gerichts". "Letzte Stunde" bedeutet nicht die ganze Zeit seit dem Kommen Christi oder seit seiner Auferstehung, aber auch nicht eine, ,Phase" oder bestimmte Periode innerhalb der auf das Ende zulaufenden Zeit'. Der Verf. blickt auf die Parusie hin (2,28) und sieht das Auftreten von "Antichristen" als Kennzeichen dieser letzten Zeit an (2, 18d). Damit ist aber über die genaue eschatologische Chronologie nichts gesagt. Mit dem Warnsignal "Antichriste sind erstanden" will er nur seine Zeit als eschatologisch bedeutsam charakterisieren und die Leser angesichts der drohenden Gefahr wachrufen. Wenn er gleich den anderen urchristlichen Theologen 5 mit der Nähe der Parusie rechnet, so will er sie doch nicht berechnen. Ihn erfüllt dasselbe eschatologische Zeitbewußtsein, das sich bei allen ntl. Schriftstellern, wenn auch in unterschiedlicher Stärke, findet und das namentlich in der Apk (1, 3; 3,11; 6,10; 22,7.10.12.20) noch einmal mächtig hervorbricht. Im Joh-Ev freilich ist das Schwergewicht spürbar verlagert. Hier spricht Jesus von der "Stunde",-die "kommt und jetzt da ist", da nämlich die wahren Anbeter den Vater in Geist und Wahrheit anbeten (4, 23) bzw. die "Toten" die Stimme des Gottessohnes hören werden (5, 25). Die eschatologische Zeit ist also mit der Person Jesu gekommen,
1 BAUERWB 1772 s. v. 3; für Joh vgl. noch die Wendungen mit ~PXE'r<XL 4, (21) 23; 5,25.28; 16,2.4.25 (32), die eine heilsgeschichtlich wichtige Zeit meinen. 2 V gl. iv 'r<XtC; ecrx,h<XLC; 'ljfJ.ep<XLC; A pg 2, 17; (ohne Art.) 2 Tim 3, 1; Jak 5, 3; h,' ecrxchou 'roG Xp6vou Jud 18 (vgl. 1 Petr 1, 20); b,' ecrx&'rwv 'r&v ~fJ.Ep&V 2 Petr 3, 3. -Verschiedene Ausdrücke auch in der jüd. Apokalyptik. In den Qumrantexten heißt diese Zeit "Ende der Tage" (1 QpHab 11,5; IX,6; 1 QSa 1,1 u. ö.; vgl. Damask IV, 4; VI, 11), "letzte Zeit", "Zeit des Frevels" o. ä. (1 QpHab V, 7f; VII, 7,12; 1 QS IV, 16 u. Ö. - Verbindungen mit rp = Ende, Zeit); vgl. K. G. KUHN in: ZThK 47 (1950) 208f; F. NÖTSCHER, Zur theol. Terminologie 167-169. • Joh 5, 28f; vgl. auch die Auferweckung bzw. das Gericht "am Jüngsten Tag" 6,39. 40. 44. 54; 12, 48. • Vgl. WESTCOTT z. St., der sich auf das Fehlen des Artikels beruft (doch s. dazu oben im Text). Zur zweitgenannten Auffassung führen die Erklärungen, die die "Antichriste" erst als Vorläufer des eigentlichen, noch erwarteten Antichrists ansehen, s. weiter im Text. s 1 Kor 7, 29fT; 16,22; Röm 13,11; Phil 4, 5; 1 Thess 5, 1fT; 2 Thess 2, 2; Hebr 10, 25. 37; Jak 5, 8; 2 Petr 3,9; - 1 CI em 23, 2; Did 10,6; Barn 4, 1 fT; 21, 3.6; IGNEpH 11, 1; Herrn (v) 111, 9; JUSTIN, Dial. 32, 3f. Ein starker Vertreter eschatologischapokalyptischer Weltstimmung ist noch CYPRIAN, vgl. De mortal. 215 25; Ad Demetr. 3423; De unit. ecel. 16; Ad Fortun. 1; Ep. 58,1. 7; 61, 4; 67, 7. - A. V. HARNAcK, Miss. u. Ausbr. 121, urteilt: "Bis über den Anfang des 3. Jh. hat in weiten Kreisen diese Stimmung angehalten; aber ihr Höhepunkt war die Zeit bis Marc Aurel."
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I Joh 2, 18 die Verheißungen erfüllen sich, die Heilsgaben sind gegenwärtig. Das ewige Leben, das der Glaubende von Jesus, dem göttlichen Lebensträger (vgI. 5, 26; 6, 57), empfängt, scheint eine Zukunfts erwartung überflüssig zu machen. Doch entsteht dieser Eindruck nur durch die streng auf Christus, den eschatologischen Offenbarer und Heilsmittler, konzentrierte Darstellung. Wie die Untersuchungen über den joh. "Lebens"-Begriff gezeigt haben (v. Pribnow, Mußner), ist dieser weiterhin vom semitischen Denken her bestimmt, das sich die Vollendung nicht ohne die leibliche Auferweckung vorstellen kann. So darf man schwerlich die - gewiß formelhaft klingenden - Wendungen in 6, 39. 40. 44. 54 ("und ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tag") sowie den "eschatologischen Ausblick" 5, 28f dem Evangelisten absprechen und einer korrigierenden "kirchlichen Redaktion" zuweisen. Nur die Blickweise ist verschoben; aber für das Glaubensbewußtsein des Evangelisten ist die gegenwärtige "eschatologische" Stunde Jesu und die zukünftige Stunde der Totenerweckung und des Gerichts durchaus vereinbar. Auf der anderen Seite weiß auch der Verf. des 1 Joh, daß in Christus "das Leben erschienen ist" (1,2) und der Christusglaube den Sieg über die Welt errungen hat (5, 4). In der Abwehr der Irrlehrer aber und im Kampf gegen die Sünde im Christenleben wird ihm die gegenwärtige noch bedrohte "eschatologische Situation" des Christen bewußt. So erklärt es sich, daß er sich dem allgemeinen urchristlichen Empfinden der Vorläufigkeit des Heils stärker erschließt und dabei auch Begriffe und Wendungen der GemeindeSprache, des "urchristlichen Katechismus", aufnimmt.
Der Zusammenhang mit den urchristlichen eschatologischen Anschauungen wird sogleich deutlicher sichtbar, indem der Verf. mit xoc&6><; ~xo6O"OC't"E auf die Tradition, auf die offizielle christliche Unterweisung anspielt!. Es ist für ihn tradierte Lehre, daß der "Antichrist" kommt. Sprachliche Bildung wie sachlicher Gehalt dieses Ausdrucks, dessen Herkunft und Verdichtung zur chri~tlichen Vorstellung noch immer nicht ganz geklärt werden konnten (vg!. Exk. 7), weisen ihn deutlich dem Mutterboden der Urkirche zu. Diese allgemein urkirchliche Überzeugung vom Kommen des Antichrists wertet der Verf. von sich aus dahin aus, daß er die Irrlehrer, gegen die er ankämpft, als "Antichriste" bezeichnet. Als sein Eigenes ist dies aus der Tatsache erkenntlich, daß nur hier dieser PI u r a I begegnet, und daß der "Antichrist" (der Terminus auch nur in 1 und 2 Joh) in der nt!. Literatur sonst nirgends mit einer Irrlehre in Verbindung gebracht wird. Die Aufeinanderfolge der beiden Aussagen vom Antichrist und von den vielen Antichristen verlangt ziemlich sicher, die zweite als eine Anwendung und Auslegung der urchristlichen Tradition zu betrachten, um so mehr, als der Artikel vor &v't"lXptO"'t"o<; nach den besten Handschriften zu streichen ist" und so ein klarer Parallelismus entsteht. Darnach ist die Erklärung kaum zu halten, daß die hier genannten "Antichriste" im Sinne des Verf. nur Vorläufer und Repräsentanten des wahren Antichrists seien, so daß dessen persönliches Auftreten noch ausstände'. Zwar wird keine formelle Identifizierung vollzogen (vgl. jedoch 2 Joh 71); aber der parallele Bau verrät, daß es sich
Zu diesem Gebrauch von &xouew vgl. 2, 7 b. 24; 3, 11; 4, 3; Eph 4, 21; 1 Tim 4, 16. B M' C':P' 1739 5 623 Orig. Epiph. ohne Art.; A ft pI. mit Art. Daher besser zu streichen (gegen VOGELS, MERK). 3 BELSER, CAMERLYNCK, VREDE, CHARUE, AMBROGGI, MICHL. Vgl. schon ESTIus: 1 2
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1 J oh 2, 18 um bewußte Deutung der Überlieferung handelt: Dem futurischen ~p)(e't""" wird vüv yey6v",,,,v und dem Singular durch die Nachstellung stark betont der Plural (TWAAOl) 'gegenübergestellt. Das "",l vor vüv hebt kein neues Ereignis gegenüber dem schon genannten hervor ("auch jetzt schon" - ~~7) steht, anders als in 4, 3, nicht da I), sondern ist ähnlich aufzufassen wie das "",l in Vergleichsätzen ("dementsprechend auch tatsächlich jetzt") 1. Sieht man die Bezeichnung der Irrlehrer als "Antichriste" nur als eine uneigentliehe, vergleichsweise an, so müßte der Vergleich mit dem Antichrist ohne weiteres einleuchten; die sonstige urkirchliche Auffassung des Antichrists ist aber gerade andersgeartet. Auch wäre das völlige Schweigen über Person und Tätigkeit des "eigentlichen" Antichrists sonderbar.
Diese Deutung des Verf. darf man aber nicht als eine tendenziöse Umdeutung ansehen, als wolle er die alte jüdisch-apokalyptische Eschatologie abbauen und durch eine neue, auf die Gegenwart beschränkte "Eschatologie" ersetzen - eine Tendenz, wie sie kritische Forscher für das Joh-Ev angenommen haben 2. Eine Streichung der Zukunftserwartung an unserer Stelle scheitert an dem um so stärker festgehaltenen Begriff der "letzten Stunde", die im Zusammenhang mit 2, 28 nur die Zeit vor der Parusie meinen kann. Der Verf. deutet vielmehr, ähnlich wie die Apk, seine Zeiterscheinungen im Licht der überlieferten urkirchlichen Eschatologie, an der er durchaus festhält. Wenn man 2 Thess 2,3ff vergleicht, ist es gewiß auffällig, daß in 1 (und 2) Joh der "Antichrist" ein Kollektivum ist (oder wird); aber die Schilderung und Charakterisierung dieses eschatologischen Phänomens, dessen Tatsächlichkeit zum Überlieferungsgut gehört, bliebt im NT und noch lange darüber hinaus unscharf und schwankend 3.
(Antichristus) "nam omnino venturus est; sed interim iam Antichristi facti sunt". Dagegen BONSIRVEN, CHAINE, B. RIGAUX, Les Epttres aux Thessaloniciens (Paris 1956) 278f - entgegen seiner früheren Auffassung in L'Antechrist 386. 1 BLAss-DEBR § 453, 2; das "",l kann auch in beiden Gliedern der Vergleichung stehen (wie Röm 1, 13; Mt 18,33). Für 1 Joh vg!. 2, 27b! - Das "",l in 4, 3, wo der zeitliche Gesichtspunkt vorherrscht (vüv ... ~~7)), heißt nicht "auch", sondern "und". • H. J. HOLTZMANN, Nt!. Theologie' Ir, 575-578; R. BULTMANN, Glauben und Verstehen (Tübingen 1933) 134ff, näherhin 133 Anm. 1; DERS., Joh. passim; seine Grundthese spricht er etwa S. 330 (zu Joh 12,31) aus: "Hat im Sinne des Evangelisten der Mythos seinen mythologischen Gehalt verloren, so dient seine Sprache andererseits dazu, die traditionelle urchristliche Eschatologie zu eliminieren." Vgl. auch M. GOGUEL, Eschatologie et apocalyptique dans le christianisme primitif, in: RHR 106 (1932) 381-434; 490-524, der aber eine rückläufige Bewegung zur alten Eschatologie für 1 Joh feststellen will; ähnlich W. GRUNDMANN, Aufnahme und Deutung der Botschaft Jesu im Urchristentum (Weimar 1941) 159f. - Zur Kritik vg!. G. STÄHLIN, Zum Problem der j oh. Eschatologie, in: ZntW 33 (1934) 225-259, näher hin 236 ff; B. AEBERT, Die Eschatologie des Joh-Ev (Würzburg 1936); W. F. HOWARD, Christianity According to St. John (London 1943) 106-128; C. K. BARRETT, The Place of Eschatology in the Fourth Gospel, in: ExpT 59 (1947-48) 302-305; H. BLAUERT, Die Bedeutung der Zeit in der joh. Theologie (ungedr. Diss.) (Tübingen 1953); A. WIKENHAUSER, Das Ev nach Joh 275-280; O. LINTON, Johannesevangelist og eSkatologien, in: SvExA 22-23 (1957-58) 98-110; A. CORELL, Consummatum est. Eschatology and Church in the Gospel of St. John (London 1958) 101-109. 3 Vgl. WESTCOTT 92f; ferner Exk. 7 am Ende.
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Exkurs: Zur Vorgeschichte dei' "Antiehrist"-Erwartung EXKURS
7:
Zur Vorgeschichle der "Anlichrisl"-Erwarlung 1. Der Verf. von 1 Joh beruft sich bei der "Antichrist"-Erwartung ausdrücklich auf die urchristliche Gemeindepredigt (x«&<üC; i)xooalX"E, vgl. 2, 7. 24; 3, 11; 4,3). Zur Kontrolle dafür besitzen wir strenggenommen nur eine Stelle, die aber ein reiches Material liefert, nämlich 2 Thess 2, 3 fT. Es ist offensichtlich, daß Paulus seinen Adressaten hier keine wesentlich neuen Enthüllungen machen will, sondern sich im GegenteiLauf ihnen schon bekannte Offenbarungslehren stützt, um ihre übertriebene Naherwartung der Parusie zu· dämpfen. Von dieser Stelle aus wird dann auch die Vermutung erhärtet, daß sich das geheimnisvolle, auf Dn 8,12; 9, 27; 11, 31 (12, 11) anspielende ß8eAuy!-,1X 't'ljc; ~P1J!-,waECJ)C; Mk 13, 14; Mt 24, 15 auf den Antichrist bezieht. Schließlich stehen sicher auch die Antichristvisionen der Apk (13, Iff; 19, 19ff) mit der Gemeindeerwartung in Verbindung; doch muß man auch mit besonderen persönlichen Deutungen des Sehers rechnen. Dagegen ist 2 Kor 6, 15 für die Antichrist-Vorstellung nicht heranzuziehen; die Gleichsetzung des Antichrists mit Beliar - im Spätjudentum eine Bezeichnung für den Satan 1 - gehört erst der Folgezeit an 2. In 2 Thess 2, 3ff heißt der Antichrist - diesen terminus technicus hat erst 1 Joh 2,18.22; 4, 3; 2 Joh 7 (vgl. Polyk 7,1) geprägt - der "Mensch der Gesetzlosigkeit", der "Sohn des Verderbens" (V 3), und er wird zunächst als der heftigste Widersacher Go t t e s charakterisiert. Er widersetzt sich und "überhebt sich über alles, was Gott" (Dn 11,36) oder Heiligtum genannt wird. Er schlägt seinen Sitz im Tempel Gottes auf, indem er sich selbst als Gott bezeichnet (V 4). Diesen Gottesfeind schlechthin wird Christus bei seiner Parusie "mit dem Hauche seines Mundes töten" (Is 11,4) (V 8). Dieses eschatologische Phänomen ist somit als ein Mensch, als eine Einzelpersönlichkeit aufgefaßt. Er wird dann noch deutlicher als ein Werkzeug Satans dargestellt, der in der Kraft des widergöttlichen Geistes Wunder und Lügenzeichen vollbringt (V 9) und durch solchen satanischen Trug die Verlorenen irreführt (V 10). Indem auch sein Erscheinen "Parusie" genannt wird (V 9), tritt die Parallele bzw. Antithese zum Parusie-Christus klar hervor. Er ist tatsächlich ein Gegen-Christus Durchgängig in den TestXII (Beliar); ferner 1 QS 1,18.24; 11,5.19; 1 QM 1,1. 5.13; IV,2; XI,8 u. ö. (Belial); Damask IV, 13. 15; V, 18; VIII,2; XII,2; Jub 1,20; 15,33; Ascls 2, 4; 3, 11. 13; 5, 15; 8ib 111,72. Vgl. dazu BOUSSET-GRESSMANN, Rel. des Jud. 334 Anm. 3; 514 Anm. 1; BAUDISSIN in Haucks Realenc. 11, 548f; WINDISCB 2 Kor 215; W. FOERSTER in: ThWb 1, 8.606; B. NOACK, 8atanasund8oteria (Kopenhagen 1948) 58tt; B. RIGAUX, Ep. aux Thess. 266-272. • AscIs 4, 1 tt; s. im Text unter 4. Gegen die Deutung von 2 Kor 6, 15 auf den Antichrist (vgl. LIETZMANN z. 8t.) WINDISCB z. 8t., FOERSTER a. a. 0., B. NOACK a. a. O. (vorige Anm.). 1
12 Schnackenburg, Johanneabriefe
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unmittelbar vor dem Kommen Christi; er pflanzt das Banner Satans auf, so wie Christus das Banner Gottes l . Die Schilderung des "Tieres aus dem Meere" Apk 13, 1 fT weist manche ähnliche Züge auf: es hat seine Gewalt vom Drachen (Satan) VV 2. 4, es stößt Lästerungen gegen Gott aus (VV 5f), es läßt sich selbst anbeten (V 8) und wird schließlich vom Messias besiegt (19, 19fT). Aber es gibt auch bedeutende Abweichungen. Vor allem schwankt die Deutung zwischen politischer Macht (Reich) und Einzelpersönlichkeit. Mit Rücksicht auf die zugrunde liegende danielische Vision (Dn 7) und durch die Beziehung ein e s seiner Köpfe auf einen einzelnen Herrscher (V 3) scheint das Tier Apk 13, 1 fT zunächst eine Machtinstitution zu versinnbildlichen. Aber schon das "Tier vom Lande" 13,11 fT als Trabant und Wegbereiter des ersten Tieres weist wieder auf eine Einzelpersönlichkeit, und die Deutung 17, 9 fT (bes. V 11) bringt die Bestätigung, daß der Seher - eine typisch apokalyptische Verfahrensweise - das Sinnbild in beiden Richtungen auswerten kann. Gegenüber Paulus machen sich der zeitgeschichtliche Hintergrund (römisches Imperium) und die Nero-Sage umgestaltend bemerkbar. Andere DifTerenzen sind die blutige Verfolgung der Christen (Apk 13,7) und die überweisung der trügerischen Zeichen und Blendwerke an· das zweite "Tier vom Lande" (13, 13fT). Der auch in der Folge stark hervortretende Zug, daß sich der "Mensch der Gesetzlosigkeit" an heiliger Stätte, im "Tempel zu Jerusalem" niederläßt", um sich göttliche Ehren erweisen zu lassen, schlägt eine Brücke von 2 Thess 2,4 zurück zu Mk 13,14; vgl. Mt 24,15. Demgemäß muß der "verwüstende Greue!", der sich in der danielischen Prophetie zunächst auf den Zeusaltar beziehen dürfte, den der König Antiochus IV. Epiphanes bei seinem gottesschänderischen Einbruch in das Jerusalemer Heiligtum daselbst errichten ließ (vgl. 1 Makk 1, 54)8, nach christlichem Verständnis wohl auf den Antichrist gedeutet werden. Die sog. "Kleine Apokalypse" 'selbst fordert den Leser (des Mk-Textes) zu besonderem Verständnis auf (6 civoeywwGXoov voe:('t'oo) und setzt zu dem Nomen im Neutrum eine maskulinische Partizipialform (~anp,6't'oe) '. In diesem Mk-Text. (Mt weist noch auf die Prophetie Daniels hin) leuchtet also die überzeugung der Urkirche von einer geheimnisvollen Persönlichkeit durch, die sich Rechte an heiliger Stätte (lS"ou ou 8e:~) anmaßen wird. Gerade wenn man diese VgI. im übrigen zu dieser Stelle J. SCHMID, Der Antichrist und die hemmende Macht (2 Thess 2, 1-12), in: ThQ 129 (1949) 323-343, mit weiterer Literatur. • VgI. dazu DIBELIUS, 2 Thess 45. 8 VgI. GOETTSBERGER, Das Buch Danie1 (Bonn 1928) zu Dn 9,27; 11, 31ft; ähnlich F. NÖTSCHER, Daniel (Würzburg 1948) z. ds. St.; A. ALLGEIER, BibI. Zeitgeschichte (Freiburg 1937) 276f. . • Auch auf kath. Seite, wo lange die "zeitgeschichtliche" Deutung von Mk 13, 14ft vorherrschte, entscheiden sich jetzt J. SCHMID, Das Ev. nach Markus (Regensburg 81954) 242f, und B. RIGAUX, Ep. aux Thess. 268, Anm. 3, für eine Anspielung auf den Antichrist. Schon Hieronymus, In Mt 24, 15 (PL 26, 177), erwog die Beziehung auf den Antichrist.
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syn. Apokalypse als Pa ru si e rede versteht, wird man in dieser verhüllten Ausdrucksweise eine Anspielung auf den großen Gottesfeind und Gegenchristus vor der Parusie erkennen. 2. Durch Mk 13, 14 wird die Frage nach dem jüdischen Hintergrund der urchristlichen Vorstellung vom Antichrist dringlich. Hat das Spätj ud enturn, namentlich in seiner apokalyptischen Richtung, eine entsprechende Vorstellung gekannt? Man wird darüber trotz der positiven Meinung von Bousset-Greßmann 1 sehr vorsichtig urteilen müssen. Fest steht nur, daß es für die letzte furchtbare Zeit den Ansturm einer starken gottfeindlichen politischen Macht erwartete". Daß man nach der Zerstörung Jerusalems bei dieser heidnischen Weltmacht an Rom dachte, ist nur zu verständlich, wie ja stets die zeitgeschichtliche Anwendung der unscharfen apokalyptischen Bilder eine große Rolle spielt. Soweit echte endgeschichtliche Apokalyptik beabsichtigt ist, beanspruchen jene Stellen unsere Aufmerksamkeit, in denen diesegottfeindliche Weltmacht in einer Einzelpersönlichkeit verkörpert erscheint. Es ist möglich, daß sich solche Anschauungen an besonders boshaften Verfolgern der wahren Gottesverehrer, wie Antiochus IV., entzündeten; die Gestalt des Endtyrannen wäre dann "aus der Geschichte entnommen, aber mysteriös ins Übernatürliche und Übergeschichtliche gesteigert" (Volz). Ein solcher Gotteswidersacher ist der von Daniel in seinen Nachtgesichten geschilderte Regent, namentlich in 11, 36ff, einer Stelle, die 2 Thess 2,5 bis in den Wortlaut hinein beeinflußt haben könnte". Doch bieten auch die beiden großen jüdischen Apokalypsen noch Spuren dieser Anschauung. So schildert ApkBarsyr 30-40 unter dem Bild einer Zeder einen letzten gottfeindlichen Regenten, der schließlich in Fesseln gelegt, auf den Sionsberg geschafft und vom Messias 'getötet wird. Dieselbe eschatologische Figur scheint 4 Esr 5, 6 gemeint zu sein: "Zur Herrschaft kommt einer, den die Menschen nicht erwarten"; denn der Zusammenhang schildert die Zeichen der letzten schrecklichen Tage (vgl. 5, 1), irdische und kosmische außergewöhnliche Ereignisse, die, so verschieden im einzelnen, im ganzen doch an Mk 13 erinnern. Auch der "Machthaber von großer Stärke, der die Beschnittenen kreuzigt und diejenigen, die die Beschneidung leugnen, foltert und gefesselt in den Kerker wirft" (AssMos 8, 2), ist derselbe end zeitliche Verfolger des Gottesvolkes. Schließlich scheinen manche Stellen aus den Sibyllinen' in dieselbe Reihe zu gehören. Ist demnach ein politischer gottfeindlicher Regent, der vom Messias niedergestreckt wird'(vgl. schon Ps 2!), der jüdischen Vorstellung vertraut,
A. a. O. 255t; vgl. dagegen BILLERBECK III, 637f; VOLZ, Eschat. 282; FOERSTER im ThWb I, S. 606,37-39; BONSIRVEN, Judaisme I, 465. • VOLZ a. a. O. 280-282; BOUSSET-GRESSMANN, Rel. des Jud. 256; BONSIRVEN, Judaisme I,464 (Gog und Magog). Das ist schon im AT grundgelegt, vgl. H. GRESSMANN, Der Messias (Göttingen 1929) 125; 240; 252 (Assur als "Antichrist"). 3 Vgl. DIBELIUS zu 2 Thess 2, 4. • II, 167f; III, 63tT; V, 33f. 214tT; VIII, 140tT.
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so fehlen diesem "Antichrist" (eher "Antechrist") gewisse Züge, die zum christlichen Bild dieser eschatologischen Gestalt gehören: Daß er der Verführer ist, auf dessen Konto der große Abfall vor dem Ende dieser Weltepoche geht, belegen diese jüdischen Zeugnisse nichtt. Demgemäß braucht er auch nicht jene durch Satansmacht ermöglichten Lügenzeichen zu wirken, die 2 Thess 2, 9f der "Gesetzlose" selbst wirkt, nach Mk 13,22 aber die Pseudochristi und Pseudopropheten, nach Apk 13, 13f das zweite Tier vom Lande. Hier tritt eine Uneinheitlichkeit der christlichen Anschauung zutage, die auf eine selbständige Beschäftigung mit diesem Fragenkomplex schließen läßt. 3. Man hat zur Erklärung dieser diabolischen Züge des Antichrists auf einen fernen mythologischen Ursprung geschlossen. Nach der älteren Auffassung sei der Antichrist mit dem Teufel identisch gewesen; die Rolle, die dieser in den Schöpfungsmythen gespielt habe, tauche umgewandelt wieder in der eschatologischen Erwartung aufa. Indes wird der Satan, der alte Drache, vom Antichrist - gerade auch in der Apk - deutlich unterschieden. So liegt es gegenüber dieser mythologischen Theorie näher, daß die Urkirche selbst auf Grund bestimmter Herrnworte ihre Antich,ristvorstellung stärker ausgebaut hat, und zwar im Dienste ihrer konkreten Parusieerwartung. In der großen Parusierede Mk 13 finden sich die hauptsächlichsten Elemente der späteren Antichristvorstellung, aber noch nicht auf diese-Gestalt vereinigt: äußere Verfolgung (Mk 13,11), lästerliches Thronen an heiliger Stätte (V 14), Auftreten von Pseudochristi und -propheten zum Zwecke der Verführung (V 22). Welches die letzten Quellgründe dieser apokalyptischen Vorstellung sind, ist für die christliche Gemeinde, die sich an die Offenbarungsrede ihres Herrn hält, eine zweitrangige Frage. Wiederum muß sie die von ihm Mk 13 enthüllten "Vorzeichen" der Parusie nicht als einzige Quelle ihrer Anschauungen gekannt haben. Mit der Möglichkeit einer rein mündlichen Tradition diesbezüglicher Herrnworte ist zu rechnen; auch können urchristliche Propheten (Apk!) das Ihrige beigetragen haben. Eine in der Folgezeit hervortretende Charakteristik des Antichrists fehlt in Mk 13: die nahe Beziehung zum Satan; dazu konnten aber die Gegnerschaft Satans gegen Jesus im Evangelium (Versuchungsgeschichte, Kampf gegen das Dämonenreich) sowie bestimmte Aussprüche Jesu über das Wirken Satans (Mk 4, 15; Lk 13, 16; 22, 31) eher den Anstoß geben als fernerliegende mythologische Erinnerungen. 4. Eine gewisse Mitwirkung der Urkirche beim Ausbau der Antichrist-Vorstellung ist demnach anzunehmen. In welchem Umfang sie Vgl. BILLERBECK III, 638; anders urteilt W. STAERK, Soter I, 71. (Die Figur des prophetischen Antichrists schon in der jüdischen Apokalyptik.) • Stark verfochten von W. BOUSSET, Der Antichrist (Göttingen 1895) 88ft; BOpSSETGRESSMANN 254 (der Antichrist nichts anderes als der vermenschlichte Teufel); H. PREISKER in: RGG" I, 375f; W. STAERK, Soter I, 7lf; E. LOHMEYER in: RAC I, 145f.
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geschah, wird bei dem geringen Stellenbefund kaum jemals klar umrissen werden können. Dort, wo wir sie fassen können - und das ist relativ zeitig (2 Thess 2, 3ff) - , hat sie schon eine deutliche Prägung gefunden. Bestimmte vom Herrn geoffenbarte "Vorzeichen" werden auf das Wirken des Antichrists konzentriert. Ferner spricht Paulus in der konkreten Situation seines zweiten Schreibens an die Thessalonicher von einem "Hemmenden" bzw. "Hemmnis" (2,6f), ohne daß sich dieses retardierende Moment schon als Bestandteil der allgemeinen eschatologischen Erwartung der Urkirche nachweisen ließe. Ähnlich bezeichnet der Verf. von 1 Joh zunächst das Faktum, daß der Antichrist kommt, als urchristlich tr"adierte Lehre und erkennt dann diesen "Antichrist" kollektiv in den christologischen Irrlehrern seiner Zeit. Noch mehr scheint die Apk die eschatologischen Vorstellungen auszuweiten und zugleich den zeitgeschichtlichen Hintergrund zu berücksichtigen. Ihren Höhepunkt erreicht die Antichristvorstellung erst nach dem NT, vor allem in Schriften, die weder ihren jüdischen Mutterboden noch ihre christliche Überarbeitung verleugnen. Besonders lebhaft ist sie in der (koptisch erhaltenen) "Apokalypse des Elias" ("Sohn der Bosheit" 31,5; 32, 3; 34, 2; vgl. "Frevelkönig" 25, 1. 5) 1. Die ursprünglich geschiedenen Gestalten des Antichrists und der Pseudochristi (die sich selbst für Christus ausgeben) fließen allmählich ganz in eine einzige zusammen, besonders deutlich in ApkPt 2. In Did 16,4 ist der Antichrist 0 XOO"(.I.O7tAOCV~C; tilc; u!oc; &e:oü und wirkt Zeichen und Wunder. Auch Barn 4,3 spricht wahrscheinlich von ihm als dem 't"eAe:Lov O"XtXV8OCAOV. In der christlich bearbeiteten AscIs 4, 1 ff ist die Gleichsetzung mit "Beliar, dem großen Fürsten, dem König dieser Welt", vollzogen, der in der Gestalt eines Menschen, eines ungerechten Königs, aus seinem Firmament herabsteigen wird. In PsClemHom 11, 17 werden innerhalb einer gnostischen Spekulation über Gegensatzpaare der Antichrist und der Parusie-Christus zusammengefaßt. Der Ketzerhammer Irenäus läßt sich in seiner Polemik gegen den Gnostiker Markus dessen Brandmarkung als Vorläufer des Antichrists nicht entgehen 2, und Hippolyt schreibt ein eigenes Buch über den Antichrist 3. Das wirklich Sichere und allgemein Anerkannte in diesem weiten und bunten Vorstellungsraum ist nur die Tatsache, daß der Antichrist, der große Gottesfeind vor der Parusie Christi, kommen wird.
Abfassungszeit unsicher. In der vorliegenden Gestalt stammt sie wohl aus dem 3./4. nachchr. Jh.; aber sie dürfte ältere Vorlagen benutzen, vielleicht eine jüdische Grundschrift. Vgl. G. STEINDORFF, Die Apokalypse des Elias, in: TU 17,3 (Leipzig 1899); E. SCHÜRER, Geschichte des jüd. Volkes im Zeitalter Jesu Christi 'IB (Leipzig 1909) 361-366; P. RIESSLER, Altjüd. Schrifttum 1272; J. B. FREY in: DictBibleSuppl 1, Sp. 456-458; J. JEREMIAS in: ThWb 2, S. 93lf. • Adv. haer. I, 8, 1i. 3 Vgl. dazu und des weiteren E. LOHMEYER a. a. O. 455f. 1
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I Joh 2, 19 2. DIE GEMEINDE HAT DIE AUS IHR HERVORGEGANGENEN ANTICHRISTE AUSGESCHIEDEN UND IST DURCH DEN HEILIGEN GEIST IN DER WAHRHEIT GEFESTIGT (1 Joh 2,19-21)
2, 19 Die folgenden Verse, die das Verhältnis der christusgläubigen Gemeinde zu den Antichristen behandeln, geben einen tiefen Einblick in das Selbstbewußtsein der gläubigen Christen, das sich auf den Besitz des wahren, nur im Heiligen Geiste (XPi:crfLlX ~Xe:'t"e:) möglichen Wissens (ot81X't"e: dreimal) stützt, und in ihr starkes Gemeinschaftsgefühl, mit dem sie sich entschieden gegen alles unchristliche Wesen abschließen. Die Verse sind von diesem Gegensatz der Briefempfänger (ÖfLE:i:~ VV 20-21), mit denen sich der Briefschreiber geeint weiß (~fLE:i:C; V 19), zu jenen äußerlich (t;~A&IXV) und innerlich (OUi<. ~crIXV t; ~J.Lwv) von der Gemeinde getrennten Falschlehrern beherrscht. An den positiven, in der Gemeinschaft vorfindlichen, aus Gott stammenden Widerstandskräften liegt dem Verf. mehr als an der Polemik. Deswegen wendet er sich in dem ganzen Abschnitt nach kurzer Abweisung der Gegner (VV 19. 22f. 26) stets sogleich besonders eindringlich an seine Leser (20f. 24f. 27), um ihnen die Wahrheit ihres Glaubens (V 21), den Schatz ihres Heilsbesitzes (V 24) und die ihnen geltende Verheißung (V 25) bewußtzumachen. Der Zusammenschluß nach innen (V 19) und die innere übernatürliche Erleuchtung (VV 20.27), deren die Gemeinde eingedenk bleiben soll, sind ihm der sicherste Garant dafür, daß sie den eschatologischen Abwehrkampf bestehen. Die Falschlehrer sind aus der Gemeinde hervorgegangen, haben sich aber von ihr zu einem bestimmten Zeitpunkt (Aorist) 1 von sich aus getrennt. Von einem Ausschluß seitens der .Gemeinde' ist nichts erkennbar. Der Verf. betrachtet diesen Vorgang als einen notwendigen, aus dem Wesen der Gemeinde sich ergebenden Ausscheidungsprozeß, da sich die Art jener "Antichriste" mit dem Charakter der gottgehörigen Christusgemeinde, die ti<. ~C; ttA'Yj&e:(IXC; (V 21) ist, nicht verträgt. Als sprachliches Ausdrucksmittel gebraucht er dabei - diesmal in gegensätzlicher Form (ttAAcl) - das ti<. der Herkunft und das ti<. der Zugehörigkeit". In V 19b greift seine Begründung tiefer: Echte, wesensmäßige Zugehörigkeit bedingt ein Bleiben bei der christlichen Gemeinde'. Er hat die Auffassung, daß der wahre Christ so sehr in die göttliche Lichtwelt Zum Aorist e~ijA&cxv vgl. BLAss-DEBR §§ 80-81; 81, 3 Anhang. • Ein solcher Ausschluß, den CHAINE im Hinblick auf die jüdische und die paulinische Praxis (1 Kor 5,2.5) erörtert, liegt gar nicht in der Sicht des Verf. - ein bedeutsamer Unterschied zu Qumran, wo Verstöße gegen Gesetz und Geist der "Gemeinde Gottes" mit zeitweiligem oder völligem Ausschluß bestraft werden, vgl. I QS VI, 24 - VII, 25; VIII, 20 - IX, 2. • Vgl. oben zu 2, 16. • MEfLEV~)(ELO"CXV Plusquamperfekt ohne Augment, in der Koine häufig, s. BLAss-DEBR § 66, I; RADERMAcHER 83f; ABEL § 16b Anm. 1. Das Plusquamperfekt (statt des an sich möglichen Aorists) "drückt die Fortdauer des möglichen Ereignisses bis in die Zeit des Sprechenden aus" (MouLToN-THuMB 233). 1
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hineingezogen, so entschieden und endgültig aus dem Todesbereich in den Lebensbereich Gottes umgesiedelt (3, 14) ist, daß er auf sittlichem Gebiet kraft der in ihm wirksamen Gotteskräfte unfähig zum Sündigen (3, 9) ist. Die große Scheidung, die sich mit dem Kommen Christi durch Glauben und Unglauben vollzog (Joh 3, 19) und die Kinder Gottes und die Kinder des Teufels sichtbar werden ließ (1 Joh 3, 10), setzt sich auch in der christlichen Gemeinde fort. Irrglaube und Unsittlichkeit sind nur verschiedene Manifestationen derselben" ungöttlichen Art, die durch Christus als solche entlarvt und "gerichtet" wird, wie denn auch Glaube und Gebotehalten gleicherweise Gegenstand des göttlichen Willens (1 Joh 3,23) sind. Die an sich schmerzliche Erfahrung der christlichen Kirche um die erste Jahrhundertwende, daß die Front quer durch ihre eigenen Reihen verläuft, wird dadurch gemildert, daß sich alles nicht zu ihr Gehörige auf die Dauer in ihrem Schoß nicht halten kann. Ebenso ist es für die Leitenden eine Beruhigung, daß die zu dieser Zeit eintretenden, nicht unbeträchtlichen (1toAAoE V 18) Abspaltungen nur die illegitimen Beisassen der Gottesgemeinde betreffen. . Dieses "Offenbarwerden" der wesens mäßig nicht zu der wahren Christusgemeinde gehörigen Menschen wird durch den t\llX-Satz 19c im Plane Gottes verankert'. Da der ganze Vers von den Antichristen spricht, wird man diese auch als Subjekt von tplX\lEPCiI.&OOOW ansehen müssen I. Nicht 1tcX\I't"E~ wird verneint, sondern die Zugehörigkeit der Irrlehrer zur Gemeinde, und 1tcX\I't"E~ ist nachträglich angefügt8, um die Irrlehrer ausnahmslos als Fremdkörper der Gemeinde zu brandmarken ("daß sie sämtlich nicht zu uns gehören"). Der Verf. hat die offenkundige Absicht, einen klaren Trennungsstrich zu ziehen. 2, 20 Der aus der christlichen Gemeinschaft ausgeschiedenen und insgesamt nicht zu ihr gehörigen Schar der "Antichriste" stellt der Verf. (mit xlXE = "aber" anschließend)' betont die Adressaten gegenüber (Ö!LE;;~).
Hinter &).A' ist zu ergänzen OÖK fLCILWlp'OIIGL" ILI>&' 7JILiil". Zu dieser elliptischen Form, die bes. unter Hinweis auf die Schrifterfüllun!l" (für Joh vgI. 13, 18; 15,25), aber auch den göttlichen Ratschluß überhaupt (Joh 1,8. 31; 9,3) vorkommt, vgI. BussOEBR § 448,7. - Auf t"011 als Einleitung eines selbständigen Satzes (RADBRMAcHBR 170 Mitte) ist schwerlich zu verweisen (gegen WINDlSCH). • Bei der übersetzung: "damit offenbar werde, daß nicht alle zu uns gehören", müßte ein unpersönliches CPOll"Epro&ij stehen (vgI. 3, 2a; Diog9, 2a). Die persönliche Konstruktion verlangt, daß das Subjekt im abhängigen Satz das gleiche ist ("als solche bekannt werden, die ... "), vgI. 2 Kor 3, 3; BAuERWb 1686 s. v. 2, b, Oll. Gegen CAMBRLYNCK, VRBDB, WINDISCH u. a. • BiicHsEL betrachtet diese Redeweise als hebraisierend; aber auch die Koine kennt diese nachträgliche Herausstellungbei 7tcilm:~; vgI. Buss-OBBR § 275,5; MAYSBR 11,2,
I
991.
• Es ist nicht direkt das adversative KOII! (= "und doch", BLASS-OBBR § 442, 1); aber XIX! kann (vielleicht nach dem hebr. 1) die verschiedensten übergänge anzeigen (BLAssDEBR § 442, 1 Anh.).
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1 Joh 2, 20
Sie besitzen 't'b xp~afLoc, d. h. das Salböl l . Damit ist in einer bildhaften Form, ähnlich wie mit a7tSpfLoc 3, 9, sicherlich der Heilige Geist gemeint'. Das xp~afLoc verleiht das Wissen der Wahrheit (V 21) und belehrt sie über alles (V 27b). Eine entsprechende Wirksamkeit schreibt Jesus in der Abschiedsstunde dem verheißenen Parakleten, dem 7tve:üfLoc 't'ljc; &"7).&e;(OCC; (Joh 14, 17; 15,26; 16, 13), zu. An den Besitz (~Xe:'t'e:) und die Belehrung (IMclaxe:~ V 27b) des Heiligen Geistes erinnert der Verf. seine schon längst gläubig gewordenen Christen; darüber, auf welche Weise sie einst den Geist empfingen, reflektiert er nicht. Wenn er auch um diewahrscheinlich sakramental gedachte - Geistverleihung weiß (8 ~M~e:'t'e V 27 a), so ist hier doch allein seine fortdauernde, bleibende Kraft (fLsve~ ~v ofLi:v) entscheidend. Daß der Verf. den Ausdruck xp~afLoc in Antithese zu &v't'(xp~a't'oc; gebrauche, um die Rechtgläubigen als "xp~a't'o(" zu charakterisiereri 3, ist nicht wahrscheinlich, da &v't'(xp~a't'oc; in Kontrast zu 6 Xp~a't'6c; (V 22), also im Blick auf Christus selbst, gewählt ist. Eher läßt sich vermuten, daß sich die beiden bildhaften Wendungen xpi:afLoc und a7tSPfLOC 't'Oü .&eoü an gnostische Terminologie' anschließen. Der Verf. würde dann dem falschen Anspruch der Gnostiker die Gewißheit entgegenstellen, daß die Christen wirklich jene inneren göttlich-geistigen Kräfte besitzen, die zur wahren Gnosis befähigen. Ein Ölsakrament, wie es später in gnostischen Sekten eine Rolle spielte 5, ist freilich für diese Frühzeit noch nicht nachweisbar; aber die bildha·fte Begriffssprache kann schon in übung gewesen sein. W. Nauck möchte eine Ölsalbung 1 Xp'LG!-,-CX heißt nicht "Salbung", sondern "Salböl" wie Ex 29, 7; 30, 25; 40, 15 LXX; in V 27b wird ihm eine aktive Funktion zugeschrieben. Es ist offenbar Symbolsprache. • Dagegen REITZENSTEIN, Hell. Myst. 396f und Vorgesch. der Taufe 184 Anm. 1; er bezieht den Terminus auf die Taufe, bei der das Öl (wie das Taufwasser!) symbolisch die Lehre bezeichne. Dann müßte man 2,27b ebenfalls unpersönlich deuten. Mit Rücksicht auf Joh 14,26; 16,13 ist die persönliche Fassung vorzuziehen. - Auf die Lehre, das Wort Gottes möchte auch DODD, 62f, den bildhaften Ausdruck deuten. Vgl. aber dazu J. MICHL, Der Geist als Garant des rechten Glaubens, in: Festschrift M. Meinertz (Münster 1951) 143f u. Anm. 15. - In eindringender Studie kommt I. DE LA POTTERlE in: Bib 40 (1959) 30-47 zu einer beides verbindenden Auffassung, die aber dem (geisterfüllten) Wort den Vorrang gibt: "L'huile d'onction, c'est bien la parole de Dieu, non pas toutefois en tant qu'elle est pr~cMe exterieurement dans la communaute, mais en tant qu'elle est re\iue par la foi dans les creurs et y demeure active grä.ce al'action de l'Esprit" (44). 3 BROOKE, BÜCHSEL, BONSIRVEN, CHAINE. • Vgl. cXAcXAlj> xptG!-,-cx·n HIPPOLYT, Ref. V, 7,19; xptG!-,-CX"t"L ).euxij) ORIGENES, C. Cels. VI, 27; Xp'LG!-,-ct (7tVeufLCX"t"Lx6v) Pistis Sophia 86 112128130; 11 Jeu 43. Vgl. jetzt auch Evver 36; EvPhil68; 95 (H.-M. SCHENKE in: ThLZ 84 [1959]15 u. 18f). - MUSSNER, a. a. O. 113, erinnert an die spät jüdische Vorstellung vom Lebensöl, das aus dem paradiesischen Lebensbaum fließt; zu beachten bleibt aber, daß dem XpiG!-,-ct 1 Joh 2,20.27 vor allem übermittlung von Wissen und Belehrung zugeschrieben wird. • Vgl. außer der vor. Apm. noch Acta Thomae 27 157; OdSa136, 6; bes. das mandäische Öisakrament MandLit 341J; 1151J. - Dazu W. BOUSSET, Hauptprobleme 297ft; H. LEISEGANG, Die Gnosis 346; 350ff; 389; DODD 61; K. RUDOLPH, Die Mandäer. II: Der Kult (FRLANT, NF 57) (Göttingen 1961) 155-174.
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I Joh 2, 20
schon als frühen christlichen Taufbrauch nachweisen, auf den der Verf. hier (wie auch in 5, 7f) Bezug nähme'. Wenn auch der Nachweis eines Aufnahmeritus, der Salbung, Wassertaufe und Eucharistie (in dieser Reihenfolge!) umfaßte, für 1 Joh kaum gelungen ist (vgl. zu 5, 7f), so ist doch das beigebrachte Vergleichsmaterial, namentlich aus der jüdischhellenistischen (wahrscheinlich essenischen) Missionsschrift "Joseph und Aseneth" I, für den sakramentalen Anschauungsbereich und seine Symbolsprache wertvoll. Für unseren Brief genügt sicher die Annahme, daß 't"o x.p~aILIX ein Symbol für den in der Taufe verliehenen Heiligen Geist ist (vgl. auch 2 Kor 1,21), zumal man davon schwerlich das andere Symbol vom cmepILIX IXÖ't"OÜ (3,9) trennen darf. Nicht eine sakramentale "Salbung" ist dem Verf. wichtig, sondern das (seit der Taufe) in den Rechtgläubigen anwesende "Salböl" des Heiligen Geistes. Ob unter dem "Heiligen" an Gott oder an Christus zu denken ist, läßt sich schwer entscheiden. Doch ist das zweite' wahrscheinlicher. Wenn auch der "Heilige (Israels)" ein atl. Prädikat Gottes ist' und Gott noch in Apk 4, 8; 6, 10 diese Prädikation empfängt, so wird doch andererseits J esus in J oh 6, 69 mit dem festgeprägten (Mk 1, 24; Lk 4, 34) Würdenamen "der Heilige Gottes" belegt und erhält in Apk 3, 7 die Gottesbezeichnungen b &YLO~, 0 &A"I)&LV6~, vgI. auch Apg 3, 14. Hinzu kommt, daß ci",' IXuToil V 27a kaum auf jem,and anderen als Jesus Christus gehen kann (vgl. IXuT6~ V 25). Die Zueignung der Sendung des Parakleten an den Vater (Joh 14, 16.26) wie an den Sohn (15, 26; 16,7), ferner der Wechsel zwischen "den Vater erkennen" (I Joh 2, 14a) und "den Uranfänglichen (= den Sohn) erkennen" (14b) zeigen aber, daß an dieser EnCscheidung nicht viel liegt und nurllles auf die Ausrüstung "von oben", vom göttlichen Bereich her (vgI. 4, 2. 4), ankommt.
Der Geist verleiht Wissen, Offenbarungswissen, das die ungläubige, gottferne Welt nicht fassen kann 6. Wie Jesus ein besonderes Wissen um Gott und die himmlischen Dinge eignet", so gehören auch die durch den Heiligen Geist in die göttliche Wahrheit eingeführten Christen zu den
Die Tradition und der Charakter des 1 Joh 94f; 147-182. • Griechischer Text nach der (mangelhaften) Ausgabe von P. BATIFFOL, Studia patristica 1-2 (Paris 1889-90) (B. hielt die Schrift fälschlich für einen späten christlichen Roman). Man beachte, daß hier von einer wirklichen, aber symbolisch verstandenen Salbung die Rede ist: Kap. 8 (S. 49): xp(eTIXL xp(afLIXTL eu:AOY"llfLev<jl cicp&<Xpa(IX~; Kap. 15 (S. 61): xp(afLIXTL xpLa&fjall eU:A0Y"llfLev<jl T'ij~ cicp&IXpa(IX~; Kap. 16 (S. 64): XpLafLIXTL xExPLaIXL cicp&IXpaLIX~. Der Gedanke der cicp&IXpaLIX (parallel zu ci&!XvIXaLIX) zeigt hellenistischen Einschlag. • Für die Beziehung auf Gott: BÜCHSBL, NAucK a. a. O. 94; unentschieden: WINDlSCH, BONSIRVBN, CHARUB, AMBROGGI; für Beziehung auf Christus: BBLSBR, CAMBRLYNCK, WBSTCOTT, BROOKB, VRBDB, CHAINB, MlcHL, DB LA POTTBRIB a. a. O. 35f. , Meist der "Heilige Israels", bes. bei Js (1,4; 17,7 usw.); Ps 71,22; 78,41; "der Heilige" absolut Is 5, 16; Hab 3, 3; Bar 4, 22; Tob 12, 15. • Dem "Wissen" Jesu steht im Joh-Ev immer wieder das "Nichtwissen" der ungläubigen Juden gegenüber, 1,26; (4,22); 7,28; 8, 14. 19. 54f; 9, 29f; 15,21, und selbst die Jünger haben vor dem Kommen des Parakleten nicht das rechte Wissen, 4, 32; 13,7; 14, 7; 16, 18. • Joh 5, 32; 7,29; 8, 14. 55; 13,1. 3; 16,30; 18,4; 19,28; (21, 17). 1
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I Joh 2, 21
"Wissenden". Die Ausdrucksweise enthält sicherlich eine Spitze gegen die falschen Gnostiker 1 • Der alte Streit um die Lesart miIm:~ oder 1Ctiv-r« ist nicht leicht zu entscheiden, da elcb die handschriftliche Bezeugung ziemlich die Waagschale hält". Für 1Ctiv-r« spricht, daß oralX'n: sonst objektlos wäre, ferner die Wendung 8"Il6.axeL Ö!'4~ 1Ccpl 1CtiVT(o)V V 27b (vgl. Joh 14, 26; 16, 13). Auch führt man an, daß das Bedenken gegen ein solches uneingeschrAnktes Wissen, das Jesus vorzubehalten sei (vgI. Joh 16, 30), die Änderung In TCtiv-n:~ veranlaßt haben kOnnte. Doch ist dieser Grund mit Rücksicht auf J oh 14,26; 16, 13; I Joh 2,27b nicht stichhaltig. Im Gegenteil muß 1CtiVTE~ als die schwie_ rigere Lesart gelten, deren Abänderung in 1Ctiv-r« eher erklärlich ist. Für 1CtiVTE~ spricht auch die Parallelität zu TCliV'n:~ am Ende von V 19. Gegenüber den in ihrer Gesamtheit gottfremden Irrgläubigen besagt dann 1C~ V 20, daß die Rechtgläubigen insgesamt das wahre Heilswissen besitzen. Der Verf. will diesen mit der beruhigenden Versicherung (vgl. 2, 12-14) das Rückgrat steifen und sie zur Selbstbesinnung auf ihren Wahrheitsbesltz führen. Stünde 1C~ da, dann trüge dieses den Ton; tatsächlich aber zeigt der folgende Vers, daß der Nachdruck auf of8IXTE liegt (oöx of8IXTE-O(8IXTE). Auch wäre In diesem Zusammenhang - anders als in V 27b - nicht ersichtlich, welches der relcbe (lrtiVTIX) Inhalt ihres Wissens sein soll. So wird miIm:~ vorziIziehen sein. Die Achillesferse dieser Auffassung aber bleibt das Fehlen des Objekts. Will man nicht eine elliptische Redeweise annehmen ("und" wißt es alle, nämlich daß ihr das XpilJ'lLlX besitzt"), der aber die Bedeutung des Of§IXTE für den nächsten Vers widerspricht, dann muß man es stark emphatisch hOren ("habt alle Wissen"). Obwohl sich diese Ausdrucksweise sonst nicht belegen läßt, kann man sich mit ihr abfinden, da der Verf. vielleicht bewußt vermeiden wollte zu sagen: IXtn: yv&aLv (vgI. I Kor 8, 1. 10) '.
2, 21 Im Aorist des Briefstils 5 schreibt, d. h. versichert, der Verf. seinen Lesern nachdrücklich (vgl. 2,12-14), daß' sie "die Wahrheit wissen". Die Nähe von YLvcilaxclv und E!8evlXl ist leicht erkennbar, vgI. Joh 2, Uf mit 16,30 u. 21,17; 3, 10 mit 11; 7, 27a mit b; 8, 55a; 13, 7b; 14, 7a;21, 17c. Besonders wichtig ist die Parallele J oh 8, 21 yvcilaca&a: -rljv ciA~&a:LlXv und I J oh 2, 21 o(81X'n: -rljv ciA~&ELlXv. Daß der joh. Gebrauch von oI81X, besonders in den Aussagen Jesu über sich selbst (7, 27f; 8,14.19. 54f; 14,7) mit gnostischer Ausdrucksweise verwandt ist, kann kaum bestritten werden. VgI. BULTMANN, Joh. zu ds. St. und SEESEMANN in: T~Wb 5, S.121f. • TCliV'n:~ BIIP 5981838 1852 sa arm Hier; TCliv-r« ACft pI. Vg syh bo aeth Did. Für 1CtiVTIX v. SODEN, v. HARNACK (SABerlin 1915, 564), VOGELS; WINDISCR, BiicHSEL; für TCtiv-n:~ TlscRENDoRF, WESTCOTT-HoRT, MERK, LAGRANGE (Crit. text. 565); BROOKE, BON8IRVEN, CHAINE, DODD, AMBROGGI. I XlXI fehlt in B h sa. (So liest WESTCOTT.) Das ist vielIeicht ein Zeugnis für eine solche Interpretation. -_ • Es Ist aUfflllllg, daß bei der starken Verwendung von Ylvcilaxclv im joh. Schrifttum nicht ein einziges Mal yv&a~ begegnet - gegenüber 28mal im übrigen NT. • Siehe oben zu 2, 14. Die Beziehung von IyPIX.p1X auf einen früheren Brief, näherhin 2 JOh, ist nicht möglich, aber auch nicht notwendig, vgI. IyPIX.p1X 2, 14 (gegen WENDT in: ZntW 21 [1922] 140ft und HAUCK). • IST& kausal zu nehmen, wie meist üblich (außer BONSIRVEN), bereitet Schwierigkeiten. Zwar scheint es besser zu der negativ-positiven Aussage im ersten Teil zu passen, aber fOr das drille 6T1 ist es unhaltbar (vgI. die gezwungenen Erklärungen bei BROOKE, WINDISCH, HAUCK). Deshalb betrachten andere dieses dritte ISTI als ein rezitatives, abhllngig vom zweiten o(8am: (BELSER, BiicHSEL, CHAINE, DODD). Aber diese Koor4i1
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1 Joh 2,22
Die umständliche Ausdrucksweise in negativ-positiver Form entspricht der sonstigen Diktion des Verf. 1 und wird hier angewendet, um das ot3ClTE:- rljv ciA~&E:LClv stark hervorzuheben. Das Ganze dient also der Fortführung und Unterstreichung des Gedankens von V 20: Ot3ClTE: 7t«VTE:~. Daß sich der Verf. rechtfertigen wollte, warum _er ihnen schreibt (und dabei doch zu verstehen gibt, daß "e r zum mindesten mehr von der Wahrheit weiß als seine Leser", wie Windisch anmerkt), liegt nicht in seiner Art (vgl. 1, 3f; 2, 7. 27; 5, 13); wohl aber ist es seine Absicht, das Wissen um ihren Heilsbesitz in ihnen zu stärken I. T~v «A~&E:LClV, hier als Inbegriff dessen, was sie der "Geist der Wahrheit" lehrt (Joh 16, 13), ist nicht betont. •AA~&E:LCl bekommt aber sofort eine andere Färbung in dem zweiten Punkt seiner Beteuerung, "daß jede Liige nicht aus der Wahrheit ist". Wie das, was sie selbst wissen, vom Geiste der Wahrheit, aus göttlichem Bereich, stammt, so rührt das, was die Irrlehrer verfechten, nicht aus dieser Quelle her. Es gibt nur die antithetische Möglichkeit, "aus der Wahrheit", d. h. aus Gott, oder "aus der Welt", d. h. aus widergöttlichem Bereich, zu sein (vgl. 4, 4f). Eben darin zeigt sich, daß diese Irrlehrer den Geist des Antichrists (4,3) verkörpern. Da sich für dieses existentielle Denken - «A~&E:LCl ist göttliche Wirklichkeit - Sache und Person aber nicht trennen lassen (vgl. wieder 4,3ff), so liegt in dem Urteil von V 21 b zugleich ausgesprochen, daß diese Antichriste (wie alle; die ein tjJE:ü30~ verfechten und verwirklichen 8) selbst nicht ~)( rij~ «).1)&E(ot~ sind (vgl. Joh 18,37; 3,19), eine Zuspitzung der Aussage, daß sie 00)( ~; ~ILWV sind (V 19). So konfrontiert V 21 die Leser, die den Geist besitzen und die göttliche Wahrheit wissen, aufs schärfste mit den Irrlehrern, die nicht nur dieser Wahrheit ins Gesicht schlagen, sondern selbst von ungöttlicher Herkunft und Art sind. 3. DIE IRRLEHRER KENNZEICHNEN SICH DURCH DIE LEUGNUNG DES CHRISTUSBEKENNTNISSES ALS ANTICHRISTE, BERAUBEN SICH DAMIT ABER AUCH DER GEMEINSCHAFT MIT DEM VATER UND DER VERHEISSUNG DES EWIGEN LEBENS (1 Joh 2, 22-25)
2,22 Nach dem scharfen Trennungsstrich, den der Verf. zwischen der Gemeinde der ChristusJ!läubigen und den "Antichristen" gezogen hat, charakterisiert er nun ihre Irrlehre und erhärtet dadurch noch mehr, nierungeines Akkus.-Objektes (IXU-rljV) mit einem Aussagesatz ist eine sprachliche Härte, die dem Ver!. schwer zuzutrauen ist. Beim kausalen /l·n (lihnlich wie bei !VIX) wäre auch ein TIXÜ= zu erwarten, da yp,xCPSLV in 1 Joh nie ohne Objekt steht (1,4; 2,1. 7. 8. 26; 5,13). 1 Mit dA>'« verbunden z. B. 2,7. 16; 4, 17-18; 5,18; 3 Joh 11; XIX! verbunden z. B. 1,6.8; 2,4. 27b. I Vgl. 3,14; 5,13 (!VIX E!8iju XTA.);-5, 18-20 (dreimaliges o(81XILsv); vgl. auch Stellen wie 2, 12-14; 4,4; 5,4, die dasselbe Ziel verfolgen. • 1tiiv "'EÜ8o~ ist generell zu nehmen und blickt nicht auf die "andere", nlimlich die moralische Irrlehre (gegen WURM 133 tT).
mit
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1 Joh 2, 22
warum sie für ihn "Antichriste" sind. Es ist bezeichnend, daß er nicht zuerst die Irrlehre umreißt und dann die Konsequenzen daraus zieht, sondern umgekehrt zunächst die lebensmäßige Scheidung seiner Adressaten von diesen Christusgegnern hervorhebt. Aber nun will sie der Verf. zu einem innerlichen Verständnis führen, warum jene "Lügner" keine Gottesgemeinschaft haben können und sich selbst den Weg zum Heil verbauen. Im Anschluß an 7tii.'1 ~e:u80c; V 21 wird jeder, der 1 das christologische Bekenntnis der Gemeinde offen verwirft", als "Lügner" bezeichnet. Ja er ist der "Lügner" par excellence, wie die nachdrückliche Redeweise mit TtC; XTf... anzeigt". Seine Leugnung ist für den Verf. nicht ein einfacher Irrtum, sondern ein aus der Dunkelheit widergöttlicher Mächte aufbrechender Kampf gegen die durch Jesus den Menschen ermöglichte Gottesgemeinschaft (vgl. V 22b und 1, 1-3). Weil er seine falschen Ansichten offen äußert und in den Reihen der rechtgläubigen Christen, die das Glück der Gottesgemeinschaft gefunden haben (1,3), Verwirrung anzurichten versucht (vgl. 4, 1 ff), darum wird er als Gottesgegner (vgl. 1, 10; 5, 10) gebrandmarkt, der das betreibt, was Sache des Satans (vgl. Joh 8, 44) ist. N ur wenn man beachtet, daß das christologische Bekenntnis der damaligen Gemeinde auf dem Spiele steht, geht man in der Erschließung der "Irrlehre" nicht fehl. "J esus ist der Christus'" - das ist das Gemeindebekenntnis, das der ~e:uO'TIjC; bestreitet. Um die Messianität Jesu in Auseinandersetzung mit dem Judentum (vgl. Joh 1,47; 4, 25f. 29; 7,26f. 41 f; 9, 22; 12,34) geht es in unserem Brief nicht 5, vielmehr um die Frage des Erlösers schlechthin. Auch im Ev mündet das Christusbekenntnis in die Doppelformel, "daß Jesus der Christus, der Sohn Gottes ist" (20, 31 ; vgl. 11, 27, auch 1, 49); im Brief aber, der nichts mehr von der Auseinandersetzung mit den ,,'lou81X~Ot" verlauten läßt, wird dem Glauben, wenn er kurz charakterisiert wird, als Objekt nur gewiesen TO Ö'IO!-LIX TOU ulou IXUTOU 'IY)O'ou XptO'TOU (3,23) bzw. TO Ö'IO!-LIX TaU ulou TOU &e:ou (5,13; vgl. auch 20). Vollends wird diese Verlagerung von dem jüdischen Messiasgedanken zu einem allgemeinen "Christus"-Begriff an unserer
1 Ö &pVOOflEVO<;, sprachlich wie Ö 'AE:yc»v 2, 4. 6. 9 zu verstehen, hat generischen Sinn, vgl. BLAss-DEBR § 413, 1 u. 2. 2 'ApvdO'~<x" das Negativum zu ÖflOAOydv, setzt wie dieses ein Verlautbaren voraus, vgl. BAUERWb 213f s. v. 2. Beide Verben haben einen feierlichen, proklamatorischen (auch liturgischen?) Klang, vgl. O. MICHEL in: ThWb 5, S. 210. 3 Außer hier nur noch 5, 5. Bei Ö <jJEOO''I'"/)<; ist also keine bekannte Gestalt wie bei Ö &v'I'LXp'O''I'o<; vorausgesetzt. Die Wendung ist prägnant zu verstehen wie Ö VU((;)v 5, 5. 4 Die Wiederholung der Negation nach Verben negativen Begriffs ist klassisch und im NT beibehalten (Lk 20, 27; 22,34 u. a.), BLAss-DEBR § 429. 5 Gegen WURM, Irrlehrer IOff; CLEMEN in: ZntW 6 (1905) 272fl; BELSER. An den Messianitätsanspruch Jesu (ohne die Irrlehrer mit jüdischen Kreisen zu identifizieren) denken noch BÜCHSEL und WINDISCH (dieser unentschieden). Vgl. im übrigen Einleitung S. 17.
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1 Joh 2, 23
Stelle zur Gewißheit, wenn man das selbstverständliche Eintreten von 't'OV u!6v für 0 XP~0"'t'6c; in VV 22b u. 23 ins Auge faßt. Keineswegs entwickelt sich der Gedanke etwa so, daß mit dem Leugnen der Messianität Jesu nach dem Verständnis des Verf. und seiner Leser auch seine Gottessohnschaft beiseite geschoben und damit die Gemeinschaft mit dem Vater zerstört werde. Vielmehr tritt einfach an die Stelle von 0 XP~0"'t'6c;, offenbar ohne Gedankensprung, 0 u16c;. Es ist also ein "XP~0"'t'6c;"-Begriff zugrunde gelegt; der mit 0 u!oc; 't'oü &e:oü gleichbedeutend ist!. Jesus, der geschichtliche Jesus, ist wirklich (~O"'t'~v) der "Christus", der als der Gottessohn in engster Gemeinschaft mit dem Vater steht und dahin auch die an ihn Glaubenden führt. Anderseits ist "Christus" nicht gleichbedeutend mit "himmlisches Geistwesen" (im späteren gnostischen Sinn), da in unserem Brief sein Erlöseramt gleich stark betont ist (vgl. 3,5.8.16; 4,10.14. 15; 5, 1. 5. 6). In deutlichem Kontrast zu 0 Xp~cr't'6c; setzt V 22b ein: "Das ist der Antichrist, wer den Vater und den Sohn leugnet." Wegen dieses sprachlichen Kontrastes ist das Prädikatsnomen (0 &v't'(XP~O"'t'OC;) vor 0 &pvou!Le:voc; usw. gesetzt, das zum Subjekt oO't'oc; zu rechnen ist; denn 0 &pvou!Le:VOC; greift jenes 0 &pvou!Le:VOC; von V 22a auf und expliziert das oO't'oc;. Aus dieser scharfen Gegenüberstellung des &V't'[Xp~cr't'OC; mit 0 Xp~cr't'6c; erklärt sich aber auch der Singular, hinter dem sachlich hier wie V 19 eine Anzahl von Leugnern steht. Um die Verderblichkeit einer solchen Antichristhaltung sofort bis ins letzte aufzudecken, sagt der Verf. nicht nur, wie man erwarten könnte, "wer den Sohn (oder den Christus) leugnet", sondern nennt an erster Stelle den Vater. Er rekapituliert nicht bloß, sondern begründet zugleich. (Tov 7toc't'epoc hat dann auch veranlaßt, 't'ov u!6v statt Xp~cr't'6\1 zu setzen, durch das der Kontrast zu &v't'(XP~O"'t'OC; schärfer hervorgetreten wäre.) Ihm schwebt schon der Gedanke von V 23 vor, und so entsteht jene zusammengedrängte Redeweise in 22b, die erst durch V 23 ganz klar wird; erst hier lenkt der Verf. in den gewohnten ruhigen Lehrton zurück. V 22b ist mit der Beförderung des ~e:uO"TI)C; zum &v't'(XP~O"'t'OC;, das zugleich wie ein Keulenschlag auf 0 XP~0"'t'6c; antwortet, und mit seinem Gedankensprung, daß die Leugnung zuerst den Vater trifft, ein Beweis dafür, daß in dem Verf. durchaus nicht alle Glut in "Altersruhe" erstickt ist. 2,23 Die Behauptung, mit dem Sohn auch den Vater zu leugnen, legt der Verf. nun in seiner bekannten Art, etwas positiv und negativ zu sagen, des näheren dar; nur beginnt er diesmal im Anschluß an die letzten Worte mit dem Negativen. Zugleich stellt er damit grundlegende, allgemeingültige (7tiXC; 0 ... ) Sätze vor den Leser hin, die spezifisch joh. Geist atmen (vgl. Joh 12,44f; 14, 6b. 9b. 10-11). Nach dem Erscheinen des Gottessohnes (1,2; 3,8) gibt es keine Gottesgemeinschaft (~Xe:~ 't'ov
1
Vgl. auch 5, 5 mit 5, 1, im übrigen Einleitung S. 17ft.
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1 Joh 2,24
1tOC't"&POC) " die nicht über die lebendige Gemeinschaft mit dem Sohn führt. Den auf ihren Monotheismus stolzen "Juden". spricht der joh. Jesus wahre Gotteskenntnis ab (7, 28; 8, 19, 55; 15, 21; 16, 3); diese Fremdheit gegenüber Gott aber ist existentielle Gottesferne. Es geht nicht nur u·m das syn. Aufnehmen des Gottgesandten, um dadurch Gott selbst anzuerkennen und zu ehren (Mt 10,40, vgl. 41- Joh 13, 20); es geht um den einzigen Weg, der in Wirklichkeit zur Verbundenheit mit Gott führt und so das Heilsziel erreichen läßt (Joh 14, 6f). Der oft genug ausgesprochene Grund dieser zentralen Bedeutung Christi für die Heilserlangung ist seine Einheit mit dem Vater (Joh 14, lOf, vgl. 20; 10,30; 17,11.21). Der im Himmel verborgene Gott ist den Menschen allein durch diesen .einzigen wirklichen Offenbarer (Joh 1,18; 12, 35f) und göttlichen Lebensträger und -spender (Joh 5,26; 6,57; 10,10; 11,26) erreichbar. Der Verf. setzt diese Anschauungen bei seinen Lesern voraus; er schreibt an Glaubende und Wissende (2, 20). Aber er ruft ihnen diese christliche Grundüberzeugung, die die Irrlehrer zu verdunkeln drohen, wieder stärker ins Bewußtsein zurück. So ist die positive Umkehrung der These in V 23b, die an sich überflüssig wäre, nicht nur stilistische Eigentümlichkeit. Im Niederschreiben denkt der Verf. dabei an seine rechtgläubigen Leser, denen er damit das Glück ihres Besitzes bewußt machen will, und leitet zur direkten Anrede und Mahnung in V 24 über.
2,24 Wieder - wie im vorigen Abschnitt 2,19-21 - arbeitet der Verf. aufs schärfste den Gegensatz zwischen den Irrlehrern und seinen Adressaten heraus. Darum setzt er, stark betont, OfLEi:C; anakoluthisch an die Spitze'. Wollte er sie vorher von aller lebensmäßigen Berührung mit den Antichristen scheiden und innerlich von ihnen distanzieren, so geht es ihm jetzt um die Sauberkeit der Lehre (darum ~xooaoc't"E). Beweisgrund und Mahnmotiv ist ihm dabei, wie schon früher (2,7), das "von Anfang an", d. h. von der Stunde ihres Christwerdens an, "Gehörte", das nun, soll es seinen Sinn erfüllen, in ihnen auch bleiben muß. Den Ausschlag gibt freilich nicht die Tatsache, daß sie es so und nicht anders von Anbeginn gehört haben, vielmehr, daß die ihnen damals übermittelte Lehre die traditionelle der Gemeind e ist, die sich auf die Zeugenschaft
1 "EXetv &e6v sonst nur noch 2 J oh 9; es deutet die Gemeinschaft noch kräftiger an als ~WKevOCt (2, 3f; vgl. 5 c; Joh 14, 7b) und ewpocKevOCt (Joh 14,7.9) und ist vielleicht auch eine frühgnostische Sprechweise; vgl. H. HANSE, "Gott haben" in der Antike und im frühen Christentum, in: RVV 27 (Berlin 1939) näherhin 105; 119tT. • Es ist nicht Vorausnahme des Subjekts vor das Relativpronomen (BLASS-DEBR § 475, I), sondern, da UfLEL~ ebenso zu ev UfLLV im Hauptsatz gehört, ein vorangestellter konstruktionsloser Kasus (§ 466, I). BLASS-DEBR weisen mit Recht auch auf den Rhythmus hin (in Anlehnung an den hebr. Parallelismus?), durch den zwei Gedanken gegenübergestellt werden sollen, hier Anfang und Fortdauer (§ 466, I Anh.). Vgl. MOULTON-THUMB I05f. - Oöv im Text. rec. ist eine pedantische und nicht geschickte Korrektur, da ohne es die Gegenüberstellung schärfer ist.
158
I Joh 2, 25
der mit Christus engstens Vertrauten stützt (1,1-3)1. Die tradierte Lehre ist nicht irgendein überlieferungsstoff und als solcher ehrwürdig, vielmehr Offenbarungswort Christi selbst, das ewigwährendes Gottesleben verbürgt (Joh 8,51). Die Aufforderung, daß das Gehörte "in ihnen bleiben" soll (vgl. Joh 5,38; 1 Joh 2, 14c), ist gleichbedeutend mit der anderen, daß sie "im Worte Christi bleiben" sollen (vgl. Joh 8,31; 15,7). Das Wort Christi bzw. Gottes ist eine Realität, die sich in ihnen niederläßt, wohnt und wirkt und, sofern sie es selbst festhalten, in ihnen bleibt wie das XPLO"fLOC (2,20) oder das O"7tEPfLOC 'roG .&eoG (3, 9) J. Das Wort Christi ist selbst so sehr göttliches Leben und pneumatische Wirklichkeit (vgl. Joh 6,63), daß es zum Bindemittel zwischen Christus und den Glaubenden wird und das Bleiben in seinem Wort zum Bleiben in ihm selbst führt (vgl. Joh 15, 7); wenn aber im Sohn, dann durch ihn und mit ihm auch im Vater. Damit ist der Verf. wieder bei seinem Grundthema der Gottesgemeinschaft. Für den Glaubenskampf der christlichen Gemeinde um die Jahrhundertwende, die sich gegen substanzbedrohende Irrlehren wehrt, ist es bezeichnend, daß das Wort Christi speziell den Charakter der rechten Lehre annimmt, die durch das Traditionsprinzip zu erkennen ist (noch deutlicher 2 Joh 9). Wie der moralischen Stabilität (2, 7ff), so wird auch der christologischen Orthodoxie allein bleibende Gottesgemeinschaft zugesprochen. 2,25 Bestätigung dafür, daß dem Verf. jene Theologie des Wortes Christi, die aus dem Ev bekannt ist, vorschwebt, ist dieser Vers mit seinem Hinweis auf das ewige Leben. Bei der Auseimmdersetzung mit dem Unglauben begründete der joh. Christus seine Glaubensforderung beständig damit, daß der Glaubende, und nur er, das Gottesleben besitzt"; glauben aber heißt: sein Wort und Zeugnis annehmen (3,31. 32f; 12,48; 17,8), hören und festhalten (8,43.47. 5lf; 12,47; 14,23; 15,20; 17,6). Ein:z;ig daran hat man Anstoß genommen, daß in 1 Joh 2,25 das "ewige Leben" als Zukunftsverheißung (E7tOCyye:)..LOC) erscheint, während es im Ev als Gegenwartsbesitz gewertet wird. Die grammatische Form des Satzes ist nicht anstößig' und zeigt das "ewige Leben" als Inhalt der Verheißung. Aber auch im Ev, das auf die augenblickliche GlaubensentscheiDieses Prinzip ist ähnlich in den Past erkennbar. Der Apostel weist Timotheus an die "gesunden Worte (oder Lehren)", die er von ihm gehört hat (2 Tim I, 13), die aber letztlich Worte Jesu Christi selbst sind (I Tim 6, 3); vgl. 2 Tim 4, 3f; Tit I, 9. • Die besondere Deutung des "Gehörten" auf das Liebesgebot (WURM 135-137) ist durch nichts nahegelegt. 33,16.18.36; 5,24; 6,35.40.47; 8, 51; 11, 25f; vgl. 1 Joh 5, 13. • Die Härte odlTY) - ~(i)~V oMmov ergibt sich aus der Entwicklung des Satzes. AÖTY) ist übereinstimmung mit fJ E1I"IXYYEALIX, dem Prädikatsnomen (BLAss-DEIlR § 132, 1),~(i)~v IXtcfmov attractio inversa (BLASS-DEIlR § 295), durch ~v XTA. veranlaBt. Das Demonstrativpronomen weist also auf das Folgende; eine Rückbeziehung auf V 24 bist wegen ~v ~(i)~V XTA. nicht möglich. - Die LA u!ltV B 69 Vg statt fJ!ltV dürfte durch tv u!ltV V 24 veranlaßt sein. 1
159
1 Joh 2, 26
dung drängt und daher den Nachdruck auf den sofortigen Heilserwerb legt, ist das Gottesleben ein bleibendes Heilsgut, das seine Herrlichkeit erst bei der &.VOCO"t'cx.O"Lt; ~w1it; (5, 29) ganz enthüllen wird (vgl. 6, 33. 40. 44. 54). Manche Texte fassen tatsächlich primär die Zukunft ins Auge (4, 14.36; 5,39; 6,27; 12,25)1. In 1 Joh 2,25 ergibt sich diese Blickrichtung, weil der Verf. seinen Adressaten ein Motiv zum treuen Festhalten in der rechten Lehre, zum Ver b lei ben in der Gottesgemeinschaft nennen will. Ihr Heil hat noch nicht die Vollendung erlangt (vgl. 3,2). Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die ~w~ cx.16>VLot; noch Verheißung. Es wäre möglich, daß hier (wie Joh 12,25) noch der syn. Begriff nachwirkt. Jedenfalls weiß der Verf., daß Jesus Christus selbst" die Verheißung des ewigen Lebens gab. 'E:rccxyyeA[cx·, das im Joh-Ev ganz, bei den Syn fast ganz fehlt, gewinnt erhöhte Bedeutung erst in der Urkirche', die, der leiblichen Gegenwart ihres Herrn beraubt, um so sehnsüchtiger nach seiner Parusie ausschaut. Gewiß weiß sie, daß die großen Heilsverheißungen des Alten Testamentes grundsätzlich in Christus schon erfüllt sind (Gal, Eph u. a.), aber allmählich wird sie sich immer stärker bewußt, daß sie noch unerfüllte oder nur teilweise erfüllte Verheißungen Christi in sich bewahrt (Past, Hebr, Kath. Briefe). In dieser der Zukunft zugewandten Gemeinde, die Brief und Siegel ihrer Hoffnung bei sich trägt, hat auch der Verf. von 1 Joh seinen Platz. Gegenüber dem Joh-Ev ist ein stärkeres Sichoffenhalten für die Zukunft unverkennbar; dies wird aber mit der Briefsituation zusammenhängen: Die "eschatologische" Bedrängnis der Gegenwart läßt die Hoffnung auf die eschatologische Vollendung wieder mehr aufleben (vgl. zu 2, 18).
4. DIE ADRESSATEN SOLLEN AM WAHREN CHRISTUSGLAUBEN IN DER ERLEUCHTUNG DES HEILIGEN GEISTES FESTHALTEN (1 Joh 2,26-27)
2, 26 Rückblickend auf den ganzen Abschnitt über die Antichriste (2, 18-25), gibt der Autor ein kurzes Schlußwort; die Inclusio (V 26) gehört zu seinem Stil (2,1; 5, 13). Er nennt die Widersacher jetzt "VerBULTMANN in: ThWb 2, S. 872, 28ff bezieht die futurischen Aussagen "nicht auf eine spätere eschatologische Zukunft, sondern auf den Augenblick der EntSCheidung gegenüber dem Wort: Wer glauben wird, wird leben", schwerlich zu Recht; vgl. PRIBNOW, Die joh. Anschauung vom Leben I04ff; 149lY; WIKENHAUSER, Ev nach Joh 178-181; M. MEINERTZ, Theol. des NT 11,278-282; 306; J. HUBY, Mystiques 172f; 211 ff; vor allem F. MUSSNER a. a. O. 136f; 176lY. • Mit cxöT6~ kann nur Christus gemeint sein (gegen BÜcHsEL). Die Verheißung geht von demselben aus, von dem letzthin auch das "von Anfang an Gehörte" stammt, und ist darum zuverlässig. Das soll wohl cxöT6~ andeuten. 3 1 Tim 4, 8 (E:rccxyyeA[cxv ••• ~(i)'ij~ T'ij~ vüv )(cxt T'ij~ !LeAAOU
.160
1 Joh 2, 27
führer" und deutet durch das Präsens (Praes. de conatu) an, daß ihr Wirken trotz der äußeren Trennung noch gefährlich isV. 2,27 Demgegenüber setzt der Verf. noch einmal (wie VV 20 u. 24) mit scharfer Antithese ein: xod U!Ld.;; 2. Das "Salböl", der Heilige Geist, den seine Leser von Christus (&7t' IXÖ't'OU) empfangen haben, bleib tB in ihnen, und sie können in seiner Erleuchtung und Kraft auch weiterhin standhaft gegen die Verführer sein. Der Sinn dieser abschließenden Ermunterung ist afso, Zuversicht auch für die kommende Zeit zu erwecken, und der Verf. sieht die Garantie dafür in der fortdauernden (~AtXße't'e - !LeveL) Kraft des in ihnen wohnenden Gottesgeistes'. Außerdem fügt er in echt joh. Redewendung 5 an, sie hätten nicht nötig, daß jemand sie belehre. Er denkt dabei kaum an die Irrlehrer, der~n Tätigkeit er niemals als ein "Belehren" bezeichnet (sie "reden" nach der Art der Welt, 4,5), meint also an sich die rechtgläubige kirchliche Unterweisung (vgl. 2 Joh 9f), aber ohne jeden Nachdruck. Daß er ihnen versichern wollte, sie unterständen keiner Lehrautorität (BüchseI), ist ganz undenkbar für einen Schriftsteller, der Glauben und Gottesgemeinschaft so stark vom Künden des überkommenen (1,2.3.5; 2,7.24; 3, 11) abhängig macht. Nur geht mit dem Hören, dem gläubigen Aufnehmen der von Anfang an verkündeten Christusbotschaft, die innere Belehrung durch den Heiligen Geist Hand in Hand, und gerade diese gibt die (subjektive) Gewißheit. V 27 b darf kaum so kompliziert aufgefaßt werden, daß nach mehreren schwerfälligen Vordersätzen erst in !LSVETE Ev tWTcj\ der Hauptsatz folgt·. Vielmehr setzt nach dem w<;-Satz schon mit Xot! &A'I).:H:<; XTA. der Folgesatz ein, und das Xot! ist ähnlich zu erklären wie 2, 18.
Die über alles belehrende Tätigkeit des Heiligen Geistes (vgl. Joh 14, 26) trägt, weil aus Gott stammend, das Wahrheitssiegel in sich (&AYJ&e.;; ~Cl"t'LV) und ist mit innerer Notwendigkeit von aller Lüge und Verführung frei (oöx ~0'.t'LV ljieu8o.;;). Diese letzte Wiederholung mit negativem Vorzeichen ist wohl eine bewußte Spitze gegen die boshafte "Lüge" (V 21) der Irrlehrer. Dient so die ganze, etwas umständliche Redeweise V. 27b dazu, das Vertrauen der Leser auf diesen inneren Lehrer der Wahrheit IIAotviiv nicht "zur Sünde verführen" (BÜCRSEL), sondern "in die Irre führen" (vgI. zu I, 8), vom Weg des Glaubens und Heils abbringen; vgI. ~uch -ro nveU!Lot T'ij<; :rt'MV'I)<; 4,6. 2 Wieder ein konstruktionsloser Nominativ, anakoluthisch an den Anfang gesteUt wie V 24 (5. zu ds. V). • P 33 323 1739 2298 h Vg syh bieten die LA !LEVST(o); doch dürfte dies eine Angleichung an V 24 asein. • An sakramental-magische Anschauung, als sei das XPLO'!Lot ein "apotropäischer Stoff" (WINDISCR), ist schon deshalb nicht zu denken, weil dem XpLO'!J.IX dann die persönliche Funktion des Belehrens zugesprochen wird. • VgI. Joh 2,25; 16,30; statt des tvot-Satzes stände klassisch der Infinitiv, wie auch tatsächlich im übrigen NT: Mt 3, 14; 14, 16; 1 Thess 1,8; 4,9; 5,1; Hebr 5, 12; aber auch J oh 13, 10. I Gegen WESTCOTT, BROOKE (schwankend), WINDISCR, BONSIRVEN, CHAINE, DODDj .. mi t BELSER, BÜCHSEL, HAuCK. 1
13 Schnackenburg, Johannesbriete
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1 Joh 2, 28 - 3, 3
zu stärken, so ist doch zugleich unverkennbar, daß der Verf. auf die Schlußmahnung (V 27c, vgl. 24a) hinsteuert. Das Sätzchen mit xot&61C; könnte - für sich betrachtet - die Mahnung enthalten, in diesem xpi:a(J4 zu bleiben oder in dem, was es lehrt (vgl. V 24)1. Aber der folgende Vers mit der Aufnahme des ILtVE't'E ~v otö't'ij) spricht dagegen; denn diese Mahnung kann sich nur auf das Bleiben in Christus beziehen. Dann wird auch in V 27 c ILtvE't'E Imperativ sein s. In diesem Lichte gewinnt der Aorist ~3(31X~EV (nach dem Präsens 3L3&.axEL im 6:!c;-Sätzchen) den Sinn: Den Antrieb zum Bleiben in Christus gab der Geist schon am Anfang ihres Christseins, während er jetzt insbesondere über die Falschheit der Irrlehren aufklärt und so ihre Christusverbundenheit schützt. Durch die Beziehung des letzten otö't'ij) auf Christus wird aber auch die Be2;iehung dieses Pronomens an den beiden anderen Stellen in V 27 auf Christus gesichert (vgl. auch das IXÖ't'OC; in V 25). Daraus ergibt sich ein besonders inniges Verhältnis zwischen Geist und Christus. Von Christus haben die Christen das "Salböl" empfangen., und es ist· sein XPi:aILot, das sie belehrt. Der Geist hinwiederum betreibt als sein "Vornehmstes Anliegen, die Gläubigen in die Christusgemeinschaft hineinzuführen und in ihr zu erhalten (vgl. Joh 14,26; 16, 14f). Wenn sonst Gott a.ls der Verleiher d~s Geistes erscheint (3,24; 4, 13) und bei Joh sonst nirgends die Wendung "Geist Christi" begegnet, so führt unsere Stelle die AussageIi über den Geist ähnlich weiter, wie Joh 16, 7 die Sen- . dung des Parakleten dem Sohne zuschreibt. Die Mahnung zum "Bleiben in Christus". richtet sich im Zusammenhang zunächst auf den wahren Christusglauben, aber da dieser die Lebensgemeinschaft mit ihm begründet (Joh 3, 16. 18 usw.), zugleich auf die volle sllinshafte Verbunden. heit mit ihm (vgl. V 24).
ZWEITER ABSCHNITT.
Die Heilserwarlung der Christen (1 Joh 2, 28-3, 3) 28 Wohlan denn, Kindlein, bleibel in ihm, damit wir, wenn er'er.scheint, Zuversicht haben und nicht zuschanden werden vor ihm bei 1 BÜCHSEL faßt'bi otö't'/jl unpersönlich, auf den _&
nun~
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1 Joh 2, 28 - 3, 3
seiner Parusie. 29 Wenn ihr wißt, daß er gerecht ist, so erkennt ihr, daß auch jeder, der Gerechtigkeit übt, aus ihm (Gott) gezeugt ist. 3, 1 Seht, welche große Liebe uns der Vater geschenkt hat, daß wir Kinder Gottes genannt werden, und wir sind (es). Deswegen erkennt die Welt uns nicht, weil sie ihn nicht erkannt hat. 2 Geliebte, jetzt sind wir Kinder Gottes, und noch ist nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen (aber), daß wir, wenn es offenbar sein wird, ihm ähnlich sein werden; denn wir werden ihn so sehen, wie er ist. 3 Und jeder, der diese Hoffnung auf ihn setzt, heiligt sich, so wie jener (= Christus) heilig ist. In dem neuen Abschnitt, der mit 2, 28 beginnt, steuert der Verf. unter dem Stichwort "bleibt in Christus" (2,28; vgl. 3, 6) sichtlich auf die Paränese hin (vgl. 2, 29; ·3, 3). Aber er hemmt den Schritt noch und schaut zunächst auf den gegenwärtigen Heilsbesitz. Die christliche Predigt ist nicht bloße sittliche Mahnrede unter religiösen Aspekten, sondern geht von Gottes heilsvollem Handeln am Menschen aus. Daraus leitet sie dann Verpflichtung und Motive für das religiös-sittliche Tun ab, gerade die Spannung zwischen dem vorläufigen und dem endgültigen Heilsbesitz benützend. Konkret blickt der Verf. offensichtlich auf die Taufe zurück, in der die Gläubigen zu Gotteskindern "gezeugt" wurden (vgl. 3, 9) und die Anwartschaft auf das volle Heil erlangten (3,2). Urchristliche Mahnrede ist weithin Taufparänese, die den Christen unter verschiedenen Bildern, darunter dem der "Zeugung", "Neuschöpfung", "Wiedergeburt" (vgl. Exk. 8) die große Gnade ihrer Errettung, die "Neuheit" ihres Lebens und die Verpflichtung zu heiligem Wandel vor Augen stellte. Charakteristisch für solche Mahnrede ist die innere Verknüpfung von "Sein" und "Sollen", Gnadenstand und sittlichem Wandel; das erste fordert gebieterisch das zweite, das zweite aber wird im ersten begründet und verankert. Unter diesem Gesichtspunkt bildet der Abschnitt 2, 29 - 3, 10 eine Einheit: Das "Tun" der Gerechtigkeit bzw. das "Nichttun" der Sünde wird zu einem Kennzeichen der "Zeugung aus Gott" bzw. der Gotteskindschaft, das Gegenteil zu einem Erweis der Trennung von Gott uhd der Teufelskindschaft (vgl. 2,29; 3, 7f. 10). Der tiefere Grund dafür ist, daß "jeder aus Gott Gezeugte Sünde nicht tut" (3, 9), jeder "in ihm (Christus) Bleibende nicht sündigt" (3,6). Der scharfen Unterscheidung der zu Gott Gehörigen und der zum Teufel Gehörigen dient auch die antithetische Sprache, die "Sünde-Tun" und "Gerechtigkeit-Tun" für unvereinbar erklärt. !n dem Abschnitt 2, 29 - 3, 10 will W. Nauck (wie schon E. v. Dobschütz) eine Vorlage erkennen (a. a. O. 15-19), die gattungsgeschichtlich mit dem apodiktisch formuIier,ten Gottesrecht des AT (29-33) und dem Aufnahmeritus in Qumran (34-41) verwandt sei und konkret auf die Taufunterweisung zurückgehe, dann aber für die Abwehr der Irrlehrer neu kommentiert worden sei (65f; 123). Man kann sich aber schwer vorstellen, daß die Antithesenreihe (2, 29 nach ÖTL Kex!; 3,4.6. 7b. 8. aex. 9aex. lObex) je für 13*
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1 Joh 2,28 sich existiert haben soll. So wird man zwar die beiden von Nauck herausgestellten Tendenzen bejahen, aber das Ganze doch für einheitlich und ursprünglich halten.
Aus dem Abschnitt 2, 29 - 3, 10 heben sich aber wieder die Verse 3, 1-3 heraus. Dem Verf. von 1 Joh liegt daran, seinen Lesern die Würde, die Gottesgaben und die Verheißungen ihres gegenwärtigen Heilsstandes beglückend zu Bewußtsein zu., führen. So entsteht ein kurzer, mehr kerygmatischer Zwischenabschnitt, der freilich - wie das ganze Schreiben - seine innere Hinordnung auf die Mahnrede nicht verleugnet. 1. DIE PARUSIE IST ZU ERWARTEN UND ERFORDERT HEILIGKEIT (1 Joh 2,28-29)
2,28 Mit Kott vüv ' greift der Verf. die letzte Mahnung (V 27), in Christus zu bleiben, auf. Er wiederholt sie im Hinblick auf die zu erwartende Parusie. 'In ihr faßt er die Forderung der Glaubenstreue angesichts der Irrlehrer (V 27) und der sittlichen Reinheit ('ltOLe:i:V..YjV 8LKotLOaOV1jV V 29) angesichts ihres Rechenschaft ford,ernden Herrn zusammen. Im Imperativ, den er durch die liebevolle Anrede 't'e:KV(ot (wie 2, 1. 12) mildert, ist ihr eigenes Bemühen angerufen; das "Bleiben in Christus" selbst aber ist nach V 24 tiefer seinshaft vorgestellt. Mit dem Ausblick auf die Parusie rundet der Verf. den Gedankenkreis nach 2, 18 zu. Denn die "letzte Stunde", jene Zeit des Wirkens gottfeind- , licher Mächte, geht mit der Wiederkunft Christi zu Ende. Dieses endzeitliche Ereignis, dessen Zeitpunkt er ebensowenig wie J esus selbst (Mk 13, 32) angibt, wird von ihm nicht unbedingt für die nahe Zukunft erwartet (Mv = lS't'otv}l. Daß er es als ein "Erscheinen" Christi bezeichnet, ist ihm nicht allein eigentümlich (vgl. Kol 3,4; auch 2 Kor 4, lOf); aber es gibt seiner Verkündigung eine besondere Note, daß er schon von einem anderen "Erscheinen" Christi, nämlich in der Inkarnation, sprach (1,2; vgl. 3, 5. 8). Beide Ereignisse, durch denselben Ausdruck verknüpft, lassen sich, vom Auseinanderfallen in der irdischen Zeitrechnung abgesehen, als eine einzige große Gottesmanifestation betrachten. Beides ist "Epiphanie", Sichtbarwerden des Göttlichen im irdisch-menschlichen Bereicr, beides Erweis seiner Majestät. Schon bei seiner ersten Erscheinung kommt der Gottessohn'als Zerstörer der Werke Satans (3, 8). Ein Unterschied besteht freilich: War jene nur ein Offenbarwerden der Liebe Gottes (4,9), des Erlösungswillens (3,5), ein Einströmen der göttlichen Lebensrnacht in die M,enschenwelt (1,2; 4,9; 5, 11f), so kommt Christus in der Parusie auch als Herrscher und Richter. Damit mündet der Gedanke in die 1 Ein temporaler Gegensatz des wv zu ~liv cpCIt.VEPCil&fi (wie 3, 2) ist durch IJ.EvE't'E ausgeschlossen, das bis zur Parusie heranführt ; wv hat folgernde Bedeutung ("nun also", "wie 'die Dinge jetzt liegen"); vgl. BAuERWb 1080 s. v.2; BLAss-DEBR § 442,15 (Hebraismus); besonders J. JEREMlAS in: ZntW 38 (1939) 1191. • Vgl. BAuERWb 419 s. v.l, d, mit bibI. Beispielen; ABEL § 68 d Anm. (S. 296)"mit klass. Beispielen.
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1 Joh 2, 28
urchristlichen Gemeindeanschauungen ein, und vielleicht. setzt der Verf. deshalb den Term. techno der Gemeindesprache 1t~oucrlocl hinzu (nur hier in den joh. Schriften!). Er war wie kein zweiter gerade in hellenistischer Umwelt geeignet, die Ankunft des Gottkönigs anzusagen S. Dieses zweite "Erscheinen" bringt im Unterschied zur Inkarnation erst die volle königliche und göttliche Hoheit Jesu Christi vor aller Welt zur Geltung. Vor den I\önigs- und Richterstuhl Christi können die Christen, die an seiner Gemeinschaft treu festgehalten und sich in ihr bewährt haben, mit 1tOCPPlJcrLoc treten, d. h. mit dem Freimut von Vertrauten und der Zuversicht eines guten Gewissens 8. Das octaxuv&'ijvoc~ ist vom Gerichtsbild her gewählt. Es bezeichnet aber nicht das psychologische Verhalten, das Sichschämen der Vorgeladenen vor dem Richter (octax6ve:cr.&oc~ = Medium), . vielmehr das objektive überführt- und Beschämtwerden (octax6ve:cr.&oc~ = Passiv)'; oc1tb kann dabei entweder als gleichbedeutend mit {.mb, wie oft in der Koine 5 , oder aber vom Bild des Zurückweichens oder Zurückgewiesenwerdens der Schuldigen • verstanden werden. Dieser Vers zeigt wieder, wie nahe der Verf. trotz aller eigenen Theologie den Gemeindeanschauungen steht und wie harmonisch er beides zusammengefügt hat. Wer in seiner Ankündigung und Ausdeutung der "letzten Stunde" die Töne genuiner Theologie erkennt, die sich an die allgemeine urchristliche Lehrverkündigung anschließt, kann in diesem kla-
1 VgJ. Mt 24,3.27.37.39 (bei Mk noch nichtI); 1 Thess 2,19; 3,13;4,15; 5,23; 2 Thess 2,1. 8; 1 Kor 15,23; Jak 5, 7. 8; 2 Petr 1, 16; 3,4. - BULTMANN, Redaktion von 1 Joh 196f, hält ~&;v <pocvepw&ij und tv 'tjj ~ocpoua!qt OCUTOÜ für Interpolation; vgl. dazu EinJ. S. 15. • VgJ. DEISSMANN, Licht vom Osten 3141Y; DIBELIUS, Exk. zu I Thess 2, 19 (Handbuch XII 14-16); BAuERWb 12481Y. s. v.; A. OEPKE in: ThWb 5, S. 865-869. 8 IIocppljaloc, urspr. Freimut, OlYenheit im Reden, ging aus dem politischen Bereich (Vorrecht des Freien) bald in den moralischen über und verband sich mit dem Freundschafts'gedanken. Auf das Verhältnis zu Gott wurde der BegrilY erst in der jüdisch-hellenistischen Literatur übertragen (FL. JOSEPHUS a 11,52; V, 38; IX, 226). Nach PHlLO, heres 6~, hat auch eüi Sklave ~ocpplja!oc gegenüber seinem Herrn, wenn er ein gutes Gewissen besitzt; so kann auch der Mensch, von Sünden gereinigt und um Gottesliebe sich bemühend, tAeu&ep0O"TOfLeLV zu seinem und der ganzen Welt Herrn. Dieser ursprüngliche Sinn in ~ocpPlja!oc tritt besonders beim Bittgebet 1 Joh 3, 2lf; 5, 14 hervor, während in 2, 28; 4, 17 der Gerichtsgedanke stärker das Moment der Zuversicht eines reinen Gewissens hervortreibt. VgJ. zur BegrilYsgeschichte E. PETERSON in Festschrift für R. Seeberg I (Leipzig 1929) 283-297, näherhin 292; H. SCHLIER in: ThWb 5, S. 869-880. , Auch Spr 13, 5 sind oc[axovea.&cu und ~ocpplja!ocv (oux) lxeLv verbunden, oc!axovea&otL im Passiv (der Gottlose wird beschämt; das Medium wäre unsinnig). Wenn auch an manchen LXX-Stellen die Bedeutung "sich schämen" gegeben ist (wie Sir 4,26; 21,22; 22,25; 41, 171Y; Sus 11 Theod.), ebenso im NT (Lk 16, 3; 1 Petr4, 16), so geht in 1 Joh 2,28 die Beschämung doch von Christus aus Zu diesem Bel!Clhämtwerden vgJ. Jer 12,13; Phi! 1,20; 2 Kor 10,8; Henaeth 62, 10; 97,6 und Berach. 46a: "Möge es sein Wille sein, daß der Hausherr in dieser Welt nicht beschämt und in der zukünftigen Welt nicht zuschanden werde" (GOLDSCHMIDT, Kl. Ausgabe I 200). • BLAss-DEBR § 210,2; ROBERTsoN, Gr. 636; vgJ. MAYSER 11,2, 378f zum &.~6 der Urheberschaft. • VgJ. das Bild in Henaeth 62, 10; Mt 7,23; 25,41; vgJ. BAuERWb 50 s. v. 2.
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1 Joh 2, 29
ren Ausblick auf die Parusie weder das Rudiment von Anschauungen finden, die er innerlich schon überwunden habe (vgl. 3, 14; 5, 12), noch den Firnis, den ein jüngerer Kreis auf die reinen joh. Vorstellungen aufgetragen habe l . Mit 2, 29 möchten manche Erklärer" einen neuen Abschnitt beginnen, den sie unter das Thema der Gotteskindschaft stellen. In der Tat könnte V 28 einen Abschluß bilden, und ein Neuansatz in V 29 räumte die Schwierigkeit aus dem Weg, wer Subjekt in V 29 ist. Indes, V29 macht weder nach Gestalt noch nach Gehalt den Eindruck eines neuen Anfangs. Der Gedanke, "aus ihm erzeugt zu sein", bildet nicht den Mittelpunkt. Der einleitende Bedingungssatz mit dem betonten lIb(cxto~ verleiht dem Subjekt "jeder, der die Gerechtigkeit übt" den Nachdruck. V 29 gehOrt noch als Weiterführung zu V 28, leitet aber zugleich mit der letzten Wendung zum Folgenden über. Mit 3, 1 setzt dann der Ver!. unverkennbar zu einem neuen Gedanken, dem der Gotteskindschaft, an.
2, 29 Unter dem 8lxouo.; kann nach dem Zusammenhang und vor allem nach dem sachlichen Gehalt nur Jesus Christus gemeint sein 3. Zwar wurde schon einmal (1,9) Gott als 8lxotLO'; bezeichnet, aber in der Verbindung 7ttO"'!o,; Xott 8lxotLO'; und in dem Sinne, daß von seiner treuen und gnädigen Gesinnung die Verzeihung der Sünden ausgeht. Als Sündenloser (2,1; 3,5), der zugleich zum sittlichen Vorbild für die Christen wird (3,7; vgl. 2,6; 3,6.16; 4,17), kommt nur Christus in Frage. In keinem anderen Sinne aber kann 8lxotto.; in 2, 29 genommen werden. Das Xot[ vor 7tii.;, das zwar nicht einheitlich bezeugt-, aber wohl ursprünglich ist, setzt den, "der die Gerechtigkeit tut"5, mit dem 8btotto.; in Vergleich, und zwar in einer Weise, die 3, 7b dann eindeutig bestimmt ist. Das Ende von V 29 dagegen erinnert an 3, lOb. Man würde also einen anderen Abschluß des Verses erwarten. Der vorliegende Text zwingt rein grammatisch dazu, t~ otu'!oü auf 8lxotLO'; zu beziehen. Die Möglichkeit einer "Erzeugung aus Christus" 8 wird man aber sofort zurückweisen, wenn man die feste joh. Vorstellung von der "Zeugung aus Gott" bedenkt 7. Wer sich aus
BULTMANN , Theol. 432 Anm. 1, möchte 2,28 der kirchlichen Redaktion zuschreiben oder anders deuten; dagegen H. BRAUN, Literar-Analyse 287. • BISPING, BELSER, VREDE, BULTMANN, Analyse 146, CHAINE, DODD, NAucK (s.o.). 8 Mit WESTCOTT und BROOKE gegen CAMERLYNK, LOISY, VREDE, BÜCHSEL, CHAINE<, CHARUE u. a. WINDISCH und DODD lassen es ofIen. • Es fehlt in B ft al. syh sa bo arm, Aug. Ambr. • Eine atl.-jüdische Wendung ähnlich TCoteiv 't"Ijv &A~.e-EtIXV 1, 6 (s. d.), vgl. Apk 22, 11; ferner TCA1)pwacxt TCiiacxv 8tXlXtoaUV1)V Mt 3, 15; TCotetV 8txlXtoaUv1)V Mt 6, 1; Röm 10, 5; epycX~Ea.e-lXt 8tXlXtoaUV1)V Apg 10,35; Hebr 11,33; Jak 1,20. • Brooke faßt jene Möglichkeit ernstlich ins Auge unter Hinweis auf Joh 1, 12 und die "Geburt aus dem Geist" (Joh 3, 5fI); aberinJoh 1, 12 wird der Logos nicht als Zeugungsprinzip gefaßt, und die Erzeugung aus dem Geist ist wegen des Gegensatzes zur Geburt aus dem Fleisch und zur bloßen Wassertaufe des Johannes eine leichter erklärliche Vorstellung. , Joh 1, 13; 1 Joh 3, 9; 4, 7; 5, 1. 4. 18. Im übrigen vgl. Exk. 8. 1
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1 Joh 3, 1
diesem Dilemma nicht mit Berufung auf einen Satz der "Vorlage" heraushelfen will" wird annehmen müssen, daß dem Verf. schon der Gedanke des Folgenden vorschwebte und eine Kontamination herbeiführte. Der Verf. setzt schon zur Paränese an: Wenn ihr wißt, daß er (Christus) gerecht ist, so erkennt ihr 2, daß auch jeder, der in ihm bleibt (vgl. V 28; 3, 6), Gerechtigkeit tun muß; aber der sich dazwischenschiebende Gedanke, daß die mit Christus in Gemeinschaft Stehenden aus Gott erzeugt sind, verkürzt diese Forderung und macht umgekehrt das "Tun der Gerechtigkeit" zum Kennzeichen der "Zeugung aus Gott"·. Ohne die Annahme, daß der Verf. gewisse feste Formulierungen wie in 3, 4ff schon parat hat, wird sich V 29 nicht erklären lassen.
2. DEN CHRISTEN IST DIE GOTTESKINDSCHAFT GESCHENKT UND NOCH GRÖSSERE HERRLICHKEIT VERHEISSEN (1 Joh 3, 1-3)
3,1 Eindringlich (t8e:'t'e:)' lenkt der Verf. den Blick seiner Adressaten auf den Heilsstand der Gegenwart. So wie er als sichersten Schutz gegen die gefährlichen Einflüsse der Irrlehrer die Belehrung des Heiligen Geistes {2, 20f. 24. 27) ansieht, so gibt er dem sittlichen Kampf als Bastion gegen die Angriffe des Teufels (vgl. VV 7f) n~cht das schwache Menschenherz, sondern Gott und seine Heilsgüter. Die Liebe Gottes des Vaters selbst hält die Christen über dem Abgrund von Welt und Sünde. In der Fremde der gottfernen Welt sind sie die Kinder Gottes. Das Liebesverhältnis, das zwischen Vater und Kindern besteht, ist im vollen Umfang auf sie übertragen. Das ist die Größe der Liebe (1to't'oc1t~v)', daß "der Vater" - es ist der joh. Jesus, der in dieser absoluten Weise spricht" - die Abgründe von Schöpfer und Geschöpf, Weltenkönig und Erdenbürger überbrückt WINDISCH; BULTMANN, Analyse 146, der aber gestehen muß, daß die Einkleidung (Mv ... und YLvWcncE't'E, IhL) Formulierungen des Verf. seien; W. GRUNDMANN, Aufnahme u. Deutung 158 Anm. 1; H. BRAUN, Literar-Analyse 269. • TLvwcncEn ist sicherlich Indikativ (BÜCHSEL, CHAINE). Der Einleitungssatz mit Mv bedingt eine Folgerung, die in einer Erkenntnis besteht. Solche Erkenntnisse werden sonst als Feststellung gegeben (2, 3. 5; 3, 16. 19.24; 4, 2. 6. 13; 5,2). Für den Imperativ (Vg, BISPING, BELSER, WINDISCH, HAuCK, DODD) spräche höchstens die Parallele zu fLtvEn. • Die Erklärung, die versteht: "daß jeder und nur jeder ... " (BELSER), berücksichtigt nicht das xott vor 7tii~. So ist auch keine unmittelbare Spitze gegen die Falschlehrer darin zu finden. , Die Wendung dient ähnlich wie das schon formelhaft gewordene rSE (BAuERWb 729f) dazu, die Aufmerksamkeit zu erregen, vg!. Mk 13, 1; Joh 4, 29; 7,52; Apg 13, 41 (Zitat Hab 1,5); Röm 11,22; Gal 6, 11. Vg!. SCHLATTER, Sprache 148 . • , IIo't'oC7t6~ (ältere Form 7tolloC7t6~) eigent!. = qualis, hier auch = quantus, vg!. Mk 13, 1 und BAuERWb 1378 s. v. • '0 7t1X't"fJp absolut bei den Syn nur Mt 11,27 = Lk 10,21; Mt 24, 36 = Mk 13, 32; Paulus sagt meist &EO~ (xlXl) 7t1X't"fJp oder gebraucht einen anderen Zusatz. Demgegenüber 0 7t1X't"fJp absolut in Joh 75mal, in 1 Joh 12mal, in 2 Joh 2ma!. 1
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1 Joh 3, 1
hat. Eine solche Nähe zu Gott, die den Menschen den Kindesnamen ((voc ... XAlj'&(;)!LEV)1 gewährt, ist und kann nichts anderes sein als ein unverdientes Geschenk (8e8wxEv). Auch im Spätjudentum wurde ein solches _Kindschaftsverhältnis zu Gott erwartet, aber erst als Gottes Gnadenerweis in der künftigen Heilszeit. "Ich werde dann ihr Vater sein und sie meine Kinder, und sie alle heißen Kinder des lebendigen Gottes, und alle Engel und- Geister wissen, ja sie wissen dann, daß sie meine Kinder sind und ich ihr Vater in Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit und daß ich sie liebe" (Jub 1, 24f). An dieser Stelle des vorchristlichen (mit den Qumrantexten verwandten) Jubiläenbuches ist die Sprache die gleiche wie in 1 Joh; aber was dort als Verheißung aufklingt und als Ziel der Heilsgeschichte erstrebt wird, das ist hier bereits beglückende Wirklichkeit geworden (Perfekt 8e8wxEv). So deutlich sich die Botschaft vom liebenden Vater an die schlichte Sprache Jesu vom himmlischen Vaters anschließt, ebenso unverkennbar ist ein Neues durch die besondere joh. Lehre von der Gotteskindschaft hinzugekommen (vgl. Exk. 8). Im Joh-Ev ist die Vorstellung von "dem Sohne" Gottes, wie sich Jesus hier vorzugsweise bezeichnet, zu erhabener Größe gewachsen und hat entsprechend "der Vater" einen feierlichen Klang gewonnen. Die besondere Liebe des Vaters, die im Abendmahlssaal dem engsten Jüngerkreis zugesichert (16,27), aber grundsätzlich auf alle ausgedehnt wird, die "den Sohn" lieben und dies im Halten seiner Ge~ bote beweisen (14,21), wird in 1 Joh 3, 1 allen bezeugt, die zur Gemeinschaft der wahren Christusgläubigen (~!L~V)3 gehören. Die besondere Liebe des Vaters, die sich in dieser Verleihung des Kindesnamens und Kindseins kundgibt, ist von der erbarmenden Erlöserliebe Gottes zur todverfallenen Menschenwelt im allgemeinen (Joh 3, 16; 1 Joh 4,9. 14. 16) noch zu unterscheiden. Diese vollendete Liebe, die die Kindschaft schenkt, setzt den Glauben an den Sohn voraus (Joh 1,12) und erfordert, die geschenkte Gottzugehörigkeit im Tun der Gerechtigkeit zu erweisen (1 Joh 3, 10). Bei allem Jubel über die Größe dieser Heilsgabe macht schon die joh. Terminologie den Unterschied und Abstand dieser gnadenhaft geschenk~ ten Gotteskindschaft der Christen von der einzigartigen, durch kein~r;t
Zur Konstruktion mit tVIX-Satz statt Infin. vgl. BLAss-DEBR § 394; RADERMAcHER 190 u. 192. • Vgl. Mt 6; 23,9; Lk 6,36; 15, llff u. a. Doch ist aus dem Vaternamen und der Vaterliebe Gottes nicht ohne weiteres das Heilsgut unserer Gotteskindschaft zu erschließen, von dem Paulus und Joh reden. Die Gotteskindschaft ist Mt 5,9; Lk 20,36 ein eschatologischer Begriff. Erst auf dem Boden der Geisterfahrung spricht Paulus von der gegenwärtigen "Sohnschaft", die der Christ besonders beim Gebet erlebt (ROm 8, 16ff; Gal 4, 5ff). Bei Joh wird die Kindschaft dann vollends ein gegenwärtiges, der Meditation zugängliches HeHsgut. Vgl. E. LOHMEYER, Das Vaterunser (Gottingen "1947) 30f; WIKENHAUSER, Ev nach Joh 75f. 8 B'YK· al. haben UfLLV, das durch die Formen in der 2. Pers. Plur. in 2, 29 und r8e-.e 3, 1 veranlaßt sein dürfte. 1
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1 Joh 3, 2
Gnadenakt gewährten, wesenhaften Gottessohnschaft Christi deutlich. Nie werden - im Gegensatz zu Paulus 1 - im joh. Schrifttum die Christen als utoL &€OÜ bezeichnet. Das geschieht nicht etwa aus dem Grund, weil -rtxvov ein anderes Verhältnis als ut6~ angäbe 2; vielmehr dürfte ein gewachsener Sprachgebrauch vorliegen. Die sachliche Abhebung dieser gnadenhaften Gotteskindschaft der Christen von der wesenhaften Sohneswürde Christi wäre auch (wie bei Paulus) durch die absolute Redeweise I> uto~ (-roü &eoü) gegeben. Der Kindesname drückt dem Verf. noch nicht die ganze Realität des Kindschaftsverhältnisses zu Gott aus. In einem selbständigen 8 und betonten Sätzchen fügt er hinzu: "und wir sind es". Diese realistische Betrachtung entstammt sicher dem sakramentalen Denken (Joh 3; vgl. Exk. 8) und setzt den Geistbesitz voraus. Der "Geist" ist die übernatürliche Realität, die die Gotteskindschaft über ein bloß juristisches oder moralisches Verhältnis heraushebt. Echt joh. ist die· Feststellung V 1 b, daß der gottferne x6a(.Lo~ die Christen nicht "erkennt", d. h. nicht als zu sich gehörig betrachtet und nicht liebt (vgl. Joh 15,19; 1 Joh 3, 13). Ein solches "Kennen" gibt es nur zwischen Gleichartigen, zwischen dem Vater und dem Sohn (Joh 10,15; 17,25), zwischen dem Sohn und den Seinigen (Joh 10,14.27; 1 Joh 1,13. 14) und auf der anderen Seite zwischen der Welt und den falschen Propheten (vgl. 1 Joh 4, 5). Der tiefere Grund' dafür ist die von Joh und von 1 Joh öfter ausgesprochene 5 Tatsache, daß die Welt den Vate~ dieser Gotteskinder· selbst nicht kennt. 3,2 Vom beglückenden Heilsstand der Gegenwart (vüv) lenkt der Verf. 1 ROm 8, 14. 19; Gal 3,26; 4,6.7; dazu u!o'&taEIX ROm 8, 15.23; Gal 4, 5; Eph 1,5. VgI. dazu W. TWlssELMANN, Die Gotteskindschaft der Christen nach dem NT (Diss. Tubingeno. J. [1940]) 56-72. • • Texvov heißt zunächst einfach der leibliche Abkömmling, vgI. Mt 2, 18; 27,25; Lk 16,25 (der vel'Storbene Reiche); Apg 2,39; 13,33; ROm 9,8. Im Unterschied dl!.zu kaim nxvEIX, das der 'vert. von 1 Joh als Anrede an seine Leser gebraucht, den Altersunterschied betonen, aber auch nur Zärtlichkeit ausdrücken. Diese sprachliche Unterscheidung ist in 1 Joh konsequent durchgeführt. In 2 Joh 1. 4.13; 3 Joh 4 (vgI. Apk 2, 23) werden die Gemeindemitglieder als ·rtxVO( bezeichnet, wohl wegen des Bildes (xupEIXI); dagegen fehlt in den beiden kleinen Johannesbriefen der Ausdruck "exvov .&toü. - Daß "tXVIX und u!ol '&toü dasselbe bedeuten, geht aus dem Vergleich von ROm 8, 15 u. 16; 8, 19 u. 21 hervor. • KIXI ta!J.tv fehlt in ft aI. Ais später zugefügte Glosse wird man die beiden Worte wegen der guten Bezeugung nicht ansehen dürfen. Die Weglassung erklärt sich vielleicht aus dem schlechten grammatischen Anschluß oder durch Nachlässigkeit. A.bhängig von tVIX darf man ta!J.tv nicht denken (vgI. Vg simus), da "der Indik. Präs. nach tVIX natürlich nichts als Korruptel" ist, BLAss-DEBR § 369, 6; RADERMAcHER 173 Anm. 4. • AL&: "oü"o weist auf den folg. Il"L-Satz wie Joh 5,16.18; 12,39. 5 Joh 7,28; 8, 19.55; 15,21; 16,3; 17,25; 1 Joh 3, 6; 4, 8. ß Die LA ~!J.ö!~ ist wie Via ~!J.rv gegen ö!J.ö!~ M* P ft aI. vorzuziehen. VgI. die Fortsetzung in V 2 in der 1. Pers. Plur.
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1 Joh 3, 2
den Blick seiner Adressaten, die er wieder mit "Geliebte" anredet (wie 2, 7), in die Zukunft, die noch eine Steigerung bringen wird. Er zeigt damit, daß ihm die heilsgeschichtliche Betrachtungsweise durchaus nicht nur ein übergeworfenes Kleid ist. Gerade der zeitliche Aspekt ist hier herausgearbeitet (vüv - oihtcu). Die Vollendungszeit, die mit der Parusie (2, 28) eröffnet wird, enthüllt etwas, was bis dahin noch nicht offen zutage lag (~cpOCVEpW&1j). Sowenig die Auferweckung am Jüngsten Tage (Joh 6, 39. 40. 44. 54) nur ein Anhängsel an die Aussagen v~m ewigwährenden Leben darstellt oder gar Hinzufügung von fremder Hand ist, ebensowenig möchte der Verf. von 1 Joh diese Offenbarung der Kinder Gottes in ihrer Herrlichkeitsgestalt (vgl. Röm 8, 19ff) entbehren. Die Auferstehung dürfte vorausgesetzt sein, da anders das cpOCVEpCU.&'ijVOCL kaum erklärt werden kann; aber jegliches Interesse an Fragen nach dem Auferstehungsleib mangelt oder ist bewußt zurückgedrängt. Ganz unbestimmt wird nur von dem gesprochen, was 1 wir sein werden, und das ist noch nicht in Erscheinung getreten. So werden auch alle in der jüdischen Apokalyptik eine Rolle spielenden Fragen nach dem Zwischenzustand • vermieden. Nur die gegenwärtige verborgene und die zukünftige enthüllte Herrlich-, keit der Kinder Gottes beansprucht die Aufmerksamkeit des Verf. Da kann er V 2b nun doch 8 etwas Gewisses über das künftige Sein det Gotteskinder sagen. Er schöpft dieses eschatologische Wissen (wie 5, 20) wahrscheinlich aus der Gemeindeüberlieferung und -theologie (vgl. das Ot8OC,"E 3, 5. 15; Ot8OC!J.EV 5, 15). Ob O!:~ 'POtvepoo&'ij die Parusie Christi meint (wie 2, 28) oder das o!:'POtvep~&i] von V 2a mit Ellipse des TL o!:0"6!,-~0t aufnimmt (also: "wenn erscheint, was wir sein werden"), ist nicht sicher; aber der Kontext spricht eher für die zweite Alternative 4: 1. Das oilrcoo erzeugte eine scharfe Spannung, die Mv (wieder zeitlich verstanden wie 2, 28) 'POtvepoo&'ij löst; 2. von 3, I an trat der Vater bzw. Gott ins Blickfeld, und ein neuer Personalwechsel ist nicht wahrscheinlich; 3. die folgenden Pronomina der 3. Pers (Ot\l'tCj;, Ot,h6v V 2b, o!:rc' OtUTij'> V 3) würden sich dann natürlicherweise auf' Christus beziehen, und das ist für die Vorstellung des Schauens, "wie er ist", weniger wahrscheinlich als die Beziehung auf Gott. In 3,3 wird dann Christus durch o!:xervo~, eingeführt 5.
1 Zu TL statt TLve~ vgI. BLAss-DEBR § 299, 2. • VgI. VOLZ, Eschat. 256ff. '. "Man vermißt bei dem ot30t!'-EV förmlich ein Se" (BücHsEL). Aber das Asyndeton gehört zum Stil; die Einfügung von Se in ft aI. syP81 sa bo ist Glättung. • Gegen WESTCOTT, HÄRING, WINDISCH, BONSIRVEN, DODD. - BULTMANN, Redaktion von 1 Joh 1971, möchte &~ 'POtvepoo&'ij ganz streichen. • Einen neuen Vorschlag macht F. C. SYNGE, 1 John 3,2, in: JThSt 3 (1952) 79, indem er anders interpunktiert: "Jetzt sind wir Gottes Kinder, und noch ist er nicht erschienen. Was wir sein werden, wissen wir; denn ... " Aber er zerreißt damit die Parallele to"!,-Sv - t0"6!,-~0t, auf die vüv - oilrcoo hinzielt, und macht oilrcoo t
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1 Joh 3, 2
Demnach wird die eschatologische Steigerung und Vollendung der Gotteskindschaft in der Gottähnlichkeit bestehen. Zwar kann IIfLoLO'; auch "gleich" bedeuten, und man darf in die beiden deutschen Ausdrücke keinen Gegensatz hineinlegen; dennoch empfiehlt es sich, hier nicht von "Gottgleichheit" zu sprechen. Strenge Gottgleichheit (vgl. Joh 5, 18 taov ~or;UTOV 7tOLWV Tij) &Eij); Phil 2, 7 TO dVEL taoc Tij) &Eij)) wird im NT dem Christen nicht zugesichert. Zwar scheint es, daß gewisse rabbinische Äußerungen 1 für die eschatologische Wiederherstellung des paradiesischen Zustandes eine noch größere Gottesnähe, eine stärkere Angleichung der menschlichen Natur an die göttliche erwarten, als sie im Urstande gegeben war. "Das eritis sicut deus ist nun von Gott aus wahr geworden" (Volz 395). Indes, auf die gleiche Stufe mit Gott wollen die Rabbinen den Menschen auch im künftigen Gan Eden nicht stellen. Diese jüdischen Aussagen meinen noch längst nicht jene Art der Vergöttlichung, mit denen es dem heidnischen Synkretismus Ernst ist. Dieser denkt an eine Verwandlung des Menschen, in der der Mensch zu "Gott" wird". Das setzt einen pantheistischen Gottesbegriff voraus 8, dem sich der atl.-jüdische und auf seinem Boden auch der christliche immer widersetzt haben. Wie die joh. Theologie trotz ihrer kühnen Gotteinigungsformeln nirgends eine Identitätsmystik lehrt (vgl. Exk. 2 u. 4), so ist auch ihr Ausblick auf die Gottesnähe ("Gottschau") und Gottangleichung nach der Parusie trotz terminologischer Anklänge etwas grundsätzlich anderes als die hellenistische mystisch-mysterienhaft oder gnostisch erreichte "Vergottung". Pesiq R 11 (46b): "In dieser Welt hingen die Israeliten an Gott, wie es heißt: Ihr, die ihr an Jahve, eurem Gott, hinget, Dt 4,4; aber in der Zukunft werden sie sein und (Gott) gleichen, wie Gott ein verzehrendes Feuer ist, wie geschrieben steht: Denn Jahve, dein Gott, ist ein verzehrendes Feuer, Dt 4,24 - so ·werden auch sie ein verzehrendes Feuer sein" usw. (s. b. BILLERBEcK 111, 777); nach Sifra Lv 26, 12 (illb) werden sich die Gerechten, wenn sie den unter ihnen lustwandelnden Gott sehen, vor seinem Anblick fürchten; er aber sagt zu ihnen: "Warum fürchtet ihr euch? Ich bin wie euer einer" (s. bei VOLZ, Eschato!. 395; dort auch Weiteres). • 8eoiia&otL, arro&eoiia&otL u. ä. sind stets wiederkehrende Termini der literarischen Mystik und Gnosis, vg!. CHerm 1,26; XIII, 1 (&eL6'n)~); XIII, 7. 10 (SCOTT I, 246, 8 Konj.); X, 6; ASCLEPIUS, Epil.; STOBAl>US, Exc. 24, 4. Direkt als Gott angesprochen wird der Schauende CHerm XIII, 2 &AAO~ ~a'L"otL b yevv@[Levo~ &eoii &eo~ rrotr~, ebenso der Eingeweihte in der Naassenerpredigt bei HIPPOLYT, Ref. V, 8, 22, CLEMENS AL., Exc. ex Theod. 76, bei den Pythagoreern auf einem Goldtäfelchen: llAßLe KotL [LotKapLan, &eo~ /)' ~crn aV'L"L ßpO'L"O'O (s. BOUSSET, Kyrios Christos 342). Weitere Zeugnisse des CLEMENS AL. und HIPPOLYT bei SCOTT, Herrn. 111, 292f. Denselben Sinn hat der Brauch in den Mysterienreligionen, dem Mysten nach der Initiation das Gewand der Gottheit anzuziehen; vg!. für den Isisdienst: ApULEIUS, Metam. XI, 24; Mithraskult: PORPHYRIUS, De abstin. IV, 16; für Babylonien: F. J. DÖLGER, Ichthys 1,115. "Durch die Initiation wurde der Myste zu einem übermenschlichen Leben wiedergeboren und den Unsterblichen gleich" (F. CUMONT, Die orient. Re!. im röm. Heidentum [Leipzig u. Berlin 31931J 92). 3 Vg!. REITZENSTEIN, Poimandres 234fT; BOUSSET, Kyr. Chr. 115: "Eine ganz pantheistische, spekulative Färbung nimmt diese Unio mystica in der Prophetenweihe des Hermes an"; 343: "Das ist das Charakteristische, daß hier alle Grenzen zwischen Göttlichem und Menschlichem in einer geradezu erschreckenden Weise verschwimmen." 1
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Man darf die Übersetzung "Gott gleich sein" auch nicht deswegen fordern, weil schon in der Gotteskindschaft die Ähnlichkeit mit Gott liege und sonst keine Steigerung gegeben wäre (B. Weiß); denn im "Kind-GottesSein" wird vor allem die Liebe des Vaters empfunden, nicht aber die Ähnlichkeit des Kindes mit dem Vater herausgestellt. Diese ist in dieser Welt noch verdeckt und wird erst in der kommenden, da alles Verborgene ans Licht tritV, offenbar werden. Als Grund für diese sich dann enthüllende Gottähnlichkeit sieht der Verf. die Gottesscha u an. Ist mit dem zweiten 6'n-Satz der Erkenntnisoder Seinsgrund gemeint, m. a. W.: wissen wir die Gottähnlichkeit aus der Tatsache der Gottesschau oder führt die Gottesschau ursächlich die Verähnlichung mit Gott herbei? Religionsgeschichtlich orientierte Exegeten nehmen das zweite an und finden so in unserer Stelle die hellenistische Vorstellung der Vergöttlichung durch Schau". Rein sprachlich liegt es zunächst nicht nahe, den zweiten l5'n-Satz als Begründung für ot80tl-lEV aufzufassen, weil der Verf. in einem solchen Falle lieber tv 'rou't'<j> YLVWax0I-lEV sagt". Indessen treffen wir auf die gleiche Konstruktion in 3, 14, wo der zweite I5'rL-Satz ohne Zweifel den Erkenntnisgrund angibt. Tatsächlich wäre die Idee einer Verähnlichung durch Schau im joh. Schrifttum ganz singulär. Sie findet im gesamten NT überhaupt nur in der vieldiskutierten Stelle 2 Kor 3, 18 einen Anhalt, ist dort aber vorbereitet durch den Midrasch über die M~Ot auf dem Antlitz des Moses. Entsprechend der Konstruktion in 1 Joh 3, 14 ist in 3, 2b zunächst nichts anderes gesagt, als daß wir die Ähnlichkeit mit Gott deswegen erwarten, weil die Gottesschau .eine Tatsache der eschatologischen Vollendung ist. Der tiefere Grund, warum man vom Gottschauen aus die Gottähnlichkeit folgern kann, wird nicht genannt. Auszuschließen ist die mehr philoso..: phisehe Begründung, daß nur "Gleiches durch Gleiches erkannt" werde'. Aber man kann noch fragen: Liegt der Grund darin, daß zur Gottesschau XOt&w~ EC1't'LV eine unmittelbare Gottesnähe erforderlich ist und aus dieser eine (gnadenhaft verliehene) Angleichung an Gott folgt? 5 Oder liegt er darin, daß die Gottesschau ein Mitteilen der göttlichen M~Ot voraussetzt, weil nur ein so Verwandelter Gott schauen kann? (Vgl. ApkBarsyr 51, 5. 8.)· Sachlich kommt beides auf dasselbe hinaus; Gottes-
Vgl. VOLZ, Eschat. 115f; man erwartet hier eher (X,tOKcxAu
1
IlfLOLOV 'tiil 0fLO('l' vO'l)'t6v. • Vgl. Weish 3, 9; 5, 5. 15f; 6, 19; 4 Makk 9, 8; ApkBarsyr 51, 8IT; Hengr 22, 8IT. e Zur Verwandlung, die die Schau ermöglicht, gehört der von WINDISCH zitierte Text PsClemHom XVII, 16. Daß dieser Text aus jüdischen Vorstellungen gespeist wird, zeigt die Bemerkung, daß die Auferstandenen engelgleich sein werden; vgl.
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nähe und 86~oc-Verklärung gehören zusammen. Auf jeden Fall dürfte die Verähnlichung mit Gott durch die 86~oc erfolgen, die göttliche Lichtherrlichkeit. Diese Prärogative Gottes, an der schon nach spät jüdischer Vorstellung der Messias und die Heilsgenossen im künftigen Äon teilnehmen sollten 1, ist im J oh-Ev zu einem wesenhaften Besitz des Gottessohnes geworden·; dieser gibt aber auch den an ihn Glaubenden Anteil daran (J oh 17, 22; die letzte Erfüllung ist wohl ihrem Eintritt in die himmlische Lichtwelt vorbehalten, Joh 17,24). Wenn in diesem Zusammenhang "Schauen" und "Lichtherrlichkeit" ebenfalls aufeinander hingeordnet sind ((voc .&&wpwcnv ~v 86~ocv Joh 17,24; "gI. auch Joh 1,14), dann ist dies anders gemeint als die hellenistische "Vergottung durch Schau". Nach Henaeth 38, 4 läßt der Herr der Geister sein Licht auf das Antlitz der Heiligen, Gerechten und Auserwählten strahlen (vgl. ApkBarsyr 51,3.5), nach Henaeth 62, 16 werden die Auserwählten "mit den Gewändern der Herrlichkeit bekleidet, und dies sind die Kleider des Lebens vom Herrn der Geister" ; also ist dies ein gnadenhaftes Geschehen, die 86~oc ein Heilsgut, das die Gerechten zum Geschenk erhalten S. Nicht das Schauen vergöttlicht sie, sondern weil sie "vergöttlicht" werden (um bei diesem Ausdruck zu bleiben), schauen sie. Die Gottesschau selbst ist, sowohl im Judentum' wie in der christlichen Verkündigung", sicherer Bestandteil der Heilserwartung für die Zukunft. Daß in den joh. Schriften gegen eine unmittelbare Gottesschau auf Erden polemisiert wird (Joh 1, 18; 5, 37; 6,46; 14, 8f; 1 Joh 4,12), ist kein Einwand dagegen. Auf Erden "schaut" man den Vater im Sohn (Joh 14,9; 12,45). Der Zusatz xoc.&w~ tCl"'lW läßt diesen Weg der Gotterfahrung für die Glaubenden auf Erden offen; denn er verheißt die unverhüllte Schau Gottes ("von Angesicht zu Angesicht" 1 Kor 13, 12) erst für die eschatologische Vollendung. Die Steigerung und Krönung des Heilsbesitzes, den die Zukunft bringt, liegt also schwerlich darin, daß die augenblickliche Gotteskindschaft abgelöst und übertroffen wird durch die "Gottgleichheit". Vielmehr wird die Gotteskindschaft dann ihr eigentliches Wesen und ihre verborgene Herrlichkeit enthüllen, nämlich die Gottähnlichkeit. Diese wird wahr-
Lk 20,36; VOLZ, Eschat. 396t; H. J. SCHOEPS, Theologie und Geschichte des Judenchristentums 423f. 1 Joh spricht sofort von der Gottähnlichkeit. Doch liegt jene spätjüdische Vorstellung seiner Meinung viel näher als die hellenist. Vergottung. - Dagegen gnostisch beeinflußt (reziprok: Schauen und Beschautwerden) OdSal 7, 18f; 13, 1 f. Vgl. auch MandLit 86. 1 Vgl. VOLZ, Eschat. 397. • Joh 1, 14; 2, 11; 12,41; 17,5.22.24. • Vg!. dagegen CHerm XI, 20 Mv oliv fL-/j aeocuTov E~La,f"1l~ Tij) .&eij), TOV .&eov vo'ijaocL
ou 3UVctO'ctL.
• Vgl. BILLERBECK I, 206-215 (zu Mt 5, 8); VOLZ, Eschat. 396; FR. NÖ'l"SCHER, "Das Angesicht Gottes schauen" nach bibI. u. baby!. Auffassung (Würzburg 1924) 170ft; W. MICHAELIS in: ThWb 5, S. 3391• Mt 5, 8; 1 Kor 13, 12; 2 Kor 5,7; Apk 22,4. Vgl. MICHAELIS in: ThWb 5, S.366ft.
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1 Joh 3, 3
scheinlich - klare joh. Texte fehlen - durch die Verleihung der vollen göttlichen 1l61;cx herbeigeführt, so daß - ähnlich wie nach paulinischer Vorstellung - nur eine &7tOXaAuo/IC; "wv utwv (bzw. "wv "exvoov) "oi) %EOi) (Röm 8, 19) erfolgt. 3, 3 Die Gottähnlichkeit und Gottesschau sind der Inbegriff der christlichen Hoffnung (EA7t(C; im joh. Schrifttum - neben der jüdischen Hoffnung Joh 5,45 - hier zum einzigen Mal). Diese Hoffnung richtet sich auf Gott (E7t' CXÜ,,<;» 1 und ist nicht bloß auf seine Wortverheißung (vgl. Mt 5,8; Apk 22,4), sondern auch auf seine schon jetzt geschenkte Liebe, die Wirklichkeit der Gotteskindschaft, gestellt. Das führt den Christen aber nicht zu einschläfernder Heilssicherheit ; im Gegenteil weckt es ihn zur sittlichen Tat. Die Dynamik der paulinischen Ethik, die aus dem Besitz des Heils das kräftige Motiv entwickelt: Werde, was du bist, setzt sich auch in der joh. Theologie durch. In Form einer kategorischen Aussage stellt der Verf. fest, daß jeder, der diese .Hoffnung besitztz, sich selbst heiligt. 'AyvE~eLv ist ursprünglich ein kultischer Ausdruck: dem Profanen entziehen und Gott weihen, kultfähig machen •. Aber die "Kultregel" (in den Mysterienreligionen), daß'nur die Geweihten Gott schauen dürfen, kann hier nicht vorliegen, da die "Heiligung" nicht Bedingung, sondern ethische Forderung aus der sicher erwarteten Gottesschau ist '. In der Tat ist &yvE~eLv längst ein sittlicher BegriIT geworden-.
Der ethisch-paränetische Charakter wird unterstrichen durch das xcx%WC;Sätzchen, das wie schon 2, 6 (vgl. 29) Christus als das große Beispiel der Heiligung hinstellt. Wie dieser Illxcxloc; ist (2,29), so auch &;yv6c;, d. h. rein von Sünde (3,5). Die Ethik der Bergpredigt, die von den Kindern des himmlischen Vaters schattenlose Reinheit im Spiegel eines lauteren und einfältigen Herzens verlangt (vgl. Mt 5, 8; 6,22f), ist hier für den Heilsstand des Christen im Hinblick auf das Vorbild Christi weiterentwickelt. Der Gedanke an Selbstgerechtigkeit, an eine falschverstandene Selbstheiligung, kann gar nicht aufkommen, da der Satz nur wie eine selbstverständliche Folgerung aus dem unbegreiflich großen Gnadengeschenk Gottes (3, 1) und der noch verborgenen, ebenfalls Gott vor1 'E1tE mit Dat. nennt den, von dem man die Erfüllung erwartet, nicht den Rea1grund ("auf Grund der Gemeinschaft mit ihm" - so oITenbar BücHsEL), vg1. Röm 15, 12; 1 Tim 4, 10; 6,17 und bei 1te1tor..&&-x;(I (Mt 27,43; Mk 10,24 v. 1.) Lk 11,22; 18,9; 2 Kor 1,9; Hebr 2, 13; vg1. BLAss-DEBR § 235,2 u. 187, 6 Anh.; BAuERWb 568 unter y. • 'EA1tE8(X ~xeLv vg1. Rörn 15,4; 2 Kor 3, 12; Eph 2, 12; dazu (.&eo~) 8ou~ EA1tE8(X a.y(X&ljv EV XeXPL'I"L 2 Thess 2, 16. Die HolTnung ist also Gnadengeschenk Gottes und HeHsgut. 3 Vg1. Ex 19,10; Nm 8, 21; 19, 12 u. ö.; 1 Chr 15, 12. 14; 2 Chr 29,5.15.18.34 u. Ö.Joh 11,55 (Gegensatz 18,28); Apg 21, 24. 26; 24, 18. • Gegen BROOKE, WINDISCH. • Vg1. Jak 4,8; 1 Petr 1,22. Zur Ethisierung des HeiligkeitsbegriITs vg1. R. ASTING, Die Heiligkeit im Urchristentum (Göttingen 1930) '34; HAUCK in: ThWb 1, S.123, 17IT; ElcHRoDT, Theo1. des AT I, 181IT; 11/111, 230ft; zu &yv6~ noch TRENcH-WERNER, Synon.2IOIT.
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Exkurs: Gotteskindschaft und Zeugung aus Gott
behaltenen Heilsvollendung·der Zukunft (3, 2) formuliert ist'. Gegen die Irrlehrer scheint 3,3 wie der ganze Abschnitt 3, 1-3, der den Christen die Fülle ihres Heils beseligend zu Bewußtsein bringt, nicht gerichtet zu sein; die Polemik bleibt für die folgenden antithetischen Sätze aufgespart.
EXKURS
8:
Gotteskindschafl und Zeugung aus Gott I. Inneres Verständnis der,joh. Vorstellung 1. Gotteskindschaft und Zeugung aus Gott
für das innere Verständnis der joh. Vorstellung von der Gotteskindschaft ist es wichtig, ob die gerade in 1 Joh öfter begegnende Redeweise von dem "Gezeugtsein aus Gott" (2,29; 3, 9; 4, 7; 5, 1. 4. 18) damit gleichbedeutend ist. Denn dadurch wird 't"txvov &e:oü (3, 1. 2. 10; 5, 2) davor bewahrt, als bloßes Ehrenprädikat oder uneigentliche Aussage verstanden zu werden, und umgekehrt empfängt die "Zeugung aus Gott" eine wertvolle Interpretation. In 3, 9 u. 10 wechselt "Gottgezeugter" und "Kind Gottes" offenbar ohne Bedeutungsunterschied ab, ähnlich 5, 1 u. 2; so wird auch &; odrmü ye:yewll't"ocL 2, 29 das Thema von der Gottes,kindschaft 3, 1 ankündigen. Besonders wertvoll ist die Analogie des menschlichen Erzeugers l:md der Erzeugten, die 5, 1 b zugrunde liegt. Sie wie auch das Bildwort vom OitepfLoc 't"oü &e:oü 3, 9 zeigen, daß es dem Verf. mit dem Vergleich der naturhaften Zeugung Ernst ist; zugleich wird aber auch deutlich, daß die Redeweise nur eine analoge, übertragene ist: das Gotteskind ist nicht Same Gottes, vielmehr bleibt Gottes Same in ihm. Das Verhältnis ist kein bloßes juristisches (Adoption) oder moralisches (Liebe zwischen Vater und Kind), sondern ein seinshaftes(xocl &O"fLev 3, 1). Aber das Gotteskindsein ist nichts Naturhaftes, sondern gehört zum übernatürlichgÖttlichen Bereich. Eine volle Bestätigung empfängt dieser Satz, wenn man die (viel besser bezeugte) pluralische Lesart in Joh 1,13 akzeptiert; hier wird mit aller wünschenswerten Deutlichkeit natürliche und übernatürliche Zeugung gegenübergestellt (vgl. 3, 6). Vor einer naturalistischen Mißdeutung der Zeugung aus Gott kann in 1 Joh auch die Antithese der Teufelskindschaft warnen. Aller Nachdruck ruht bei dem "Gottgezeugten" auf seinem sittlichen Verhalten, vgl. 2, 29; Vgl. AUGUSTINUS, In epist. Joa. tr. IV, 7 (PL 35, 2009): Quis nos castificat nisi Deus? Sed Deus te nolentem non castificat. Ergo quod adjungis voluntatem tuam Deo, castificas teipsum. Castificas te, non de te, sed de illo, qui venit ut inhabitet te.
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3, 9 f; 4, 7; 5, lf. Zwar wird die seinshafte Grundlage dafür aufgedeckt und als wesentlich betrachtet (3, 9); aber wenn sie allein die GoUeskindschaft ausmachte, entginge man nicht der Konsequenz, auch die Teufelskindschaft naturhaft aufzufassen. Dies will der Verf. aber gerade vermeiden. Nie sagt er "vom Teufel gezeugt sein"; als Teufelskind offenbart sich, wer die Sünde tut (3,8.10; vgl. Joh 8, 41. 44). Nie spricht er auch vom "Samen des Teufels"; auf 3, 9 folgt kein antithetischer Parallelismus, V 10 ist bewußt anders formuliert. Soviel dem Verf. an der Antithese Gottes- und Teufelskindschaft liegt, so vermeidet er doch eine Projektion auf die gleiche Ebene. Die GoUeskindschaft ist ihm mehr als ein sittliches Verhalten, die Teufelskindschaft aber weniger als ein naturhaftes Verhältnis. Das Mehr der Gotteskindschaft liegt in einer übe rnatürlichen, seinshaften Ausstattung, deren Fehlen bei den Teufelskindern aus ihrem Tun und Treiben erschlossen wird (3, 10). 2. Zeugung aus Golt und Taufe
In 1 Joh tritt der "Gottgezeugte" mit dem "Gotteskind" deswegen auf eine Stufe, weil nicht der Vorgang, sondern die Wirkung und der Zustand des "Gottgezeugtseins" ins Auge ge faßt wird (Perfekte); zum einzigen Aorist 5, 18 siehe z. St.! Der Brief hat an dem Faktum der GoUeszeugung bzw, deren moralischen Konsequenzen sein ganzes Interesse und nicht am Wunder des Geschehens selbst. Anders das Joh-Ev! Im Nikodemusgespräch bezieht sich gerade darauf die Frage: 1tWC; MVQ(.'t"Q(.L 't"Q(.u't"Q(. ye:vecr&Q(.L (3, 9, vgl. 4), und in der Antwort Jesu bleibt für den christlichen Hörer kein Zweifel, daß dieses Geschehen. in der Tau f e erfolgt (3, 5). Der Heilige Geist ist der entscheidende Faktor dieses übernatürlichen Vorgangs (3,6). So muß man schließen, daß auch in 1 Joh die Taufe stillschweigend als Ort der Gotteszeugung vorausgesetzt ist. Nur die moralisch-praktische Tendenz verdeckt diese Überzeugung des Verf. Ihm liegt nicht an der dogmatischen Forderung der Taufe, sondern an der neuen, gotterfüllten Art und gottgemäßen Haltung der Getauften. Christusglaube (5, 1) und Liebe (4,7) bzw. Tun der Gerechtigkeit (2,29) sind ihm nicht Bedingungen oder gar Mittel, vielmehr Kriterien der Gotteszeugung. Das wird durch 5,4 und 3, 9-10 klar bewiesen. So ist es ohne Schwierigkeit möglich, eine einheitliche Anscha~.lUng hinter allen diesen Aussagen zu erkennen: durch den Vorgang der "Zeugung aus Gott" in der Taufe wird der Mensch ein ganz anderer, ein "Geistgezeugter" (Joh 3, 6), ein "Gottgezeugter" (1 Joh), der die Gottesart gegenüber aller Teufelsart (1 Joh 3,10) bzw. "Welt"art (1 Joh 4,4f; 5,4.19) in sich verkörpert. Deswegen ist es abwegig, als Zeugungsfaktor in der joh. Vorstellung das Wort Gottes zu denken 1. Jak 1, 18 und 1 Petr 1, 23 sind nicht unmittelbare Parallelen zu 1 Joh 3,9. Jak 1, 18 dürfte sich mit der Vor1
VgI. zu 3,9; dazu noch THORNTON, The Common Life 200fT.
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stellung vom Aussäen des Gottessamens, d. i. des Wortes Gottes (Mk 4, 14ff par), verbinden (MY
Dadurch daß die Gotteskindschaft in der joh. Theologie von der "Zeugung aus Gott" abgeleitet wird, kann sie nicht nur im moralischen Sinn verstanden werden; sie ist ein von Gott gnadenhaft geschenktes Heilsgut. Sie wird aber nicht erst für die Vollendungszeit, den künftigen Äon, erwartet (Mt 5, 9), sondern ist bereits gegenwärtig. Gotteskinder im joh. Sinn sind jetzt schon die an Christus Glaubenden und in der Taufe zu einem neuen Leben Gezeugten, da sie über die Sphäre des Fleisches emporgehoben und in die Lebensgemeinschaft Gottes aufgenommen wurden. Sie vermögen dank der ihnen verliehenen Gotteskräfte über Satan und Welt zu triumphieren (VLKiiv 1 Joh 4,4; 5,4) und sind so Vertreter und Streiter Gottes inmitten einer noch vom Bösen beherrschten Welt (5, 18f). Der Begriff 't"eKvov .&e:oÜ ist also nur zu verstehen auf dem Untergrund der eigentümlichen, zum überwiegenden Teil in die Gegenwart verlagerten joh. Eschatologie, wie sie am stärksten in seinen Aussagen vom gegenwärtigen Besitz des "ewigen Lebens" hervortritt (Joh 3,16.18.36; 5,24 usw.; 1 Joh 3, 14; 5, 11-13). 4. Das Wesen der Golteskindschafl
Von hier aus ist das Wesen der Gotteskindschaft im joh. Sinn am leichtesten bestimmbar. Zum Kinde Gottes wird der Glaubende (vgl. Joh 1,12) durch die Zeugung von oben bzw. aus Gott, in der er das göttliche Pneuma als Lebensprinzip empfängt (vgl. 't"o O"7tep(Joot 't"oü .&e:oü 1 Joh 3, 9). Damit gehört er nun auch der himmlisch-geistigen Sphäre, dem göttlichen Lebensbereich an. Dahinter steht das Axiom, daß die Herkunft die Art bestimmt: "Was aus dem Fleische gezeugt wurde, ist Fleisch, und was aus dem Geiste gezeugt wurde, ist Geist" (Joh 3,6). Da der natürliche ("fleischliche") Mensch dem unteren, irdischen Bereich verhaftet ist, muß diese Geisteszeugung "von oben" her, aus dem himmlisch-göttlichen Bereich erfolgen (Joh 3,3. 7), muß die Gotteskindschaft bzw. der Geist (von Gott) "gegeben" werden (1 Joh 3, 1 bzw. 3,24; 4,13). Obwohl also die "Zeugung aus Gott" für Joh nur ein Bild darstellt, berührt sie sich doch mit dem "Lebens"-Gedanken. ",Zeugung 1
Vgl.
MUSSNER
a. a. O. 111-123.
14 Schnackenburg, Johannesbriefe
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aus Gott' heißt demnach: Ausstattung des Menschen mit dem göttlichen Lebensprinzip des Pneuma, Mitteilung der Lebensgabe des Pneuma" (F. Mußner). Dem gnadenhaften Schenken Gottes entspricht auf seiten des empfangenden Menschen die demütige und jubelnde Dankbarkeit für die erfahrene Gottesliebe (1 Joh 3, 1). Gleichwohl ist die Gotteskindschaft noch nicht die letzte Heilserfüllung. Wie das göttliche Leben noch der Vollendung in der "Auferstehung" am Jüngsten Tage harrt (Joh 5,29; 6,39.40.44.54), so ist trotz der gegenwärtigen Gotteskindschaft noch nicht offenbar geworden, was wir einst sein werden (1 Joh 3,2). Aus der erwarteten "Gottähnlichkeit" ist zu schließen, daß wahrscheinlich die 86~Ot als Charakteristikum der himmlischen Gotteswelt (vgl. Joh 12,41; 17,24) hinzutreten soll. Indessen, nicht in gleicher Weise wie bei Paulus ist die Gotteskindschaft (bzw. pln. "Gottessohnschaft") Gegenwartsbesitz und zugleich Hoffnungsgut (vgl. Röm 8,15 mit 23). Die gegenwärtige Gotteskindschaft hat allen Nachdruck ; von einer zukünftigen spricht 1 J oh nicht. Die "Gotteszeugung" begründet ein Kindschaftsverhältnis, das erst mit der völligen Durchdringung des Menschen mit göttlicher Art zur Reife gelangt, und dazu gehört wesentlich auch die sittliche Hai tung, vor allem die Liebe. Beides, ontologische Grundlegung und persönliches Verhalten des Gotteskindes, läßt sich für den Verf. von 1 Joh nicht trennen. Nur dadurch wird es verständlich, daß der "Gottgezeugte" für unfähig zum Sündigen (3, 9; vgl. 5, 18) und wiederum die Liebe zum Kriterium des Gottgezeugten (4, 7) erklärt wird. Die Gotteskindschaft wird zu einem Artbegriff, der Sein und Verhalten gleicherweise umschließt. Sprachlich zeigt sich dies in dem zwanglosen Übergang von EX &e:ou ye:ye:vv'iiO'&Ot~ zu €x &EOU d\lOt~ 3, 9 zu 10; vgl. 4, 4 mit 5, 4. Die "Gotteskindschaft" ist zu einer umfassenden Charakteristik des christlichen Menschen in der unzerreißbaren Einheit seines übernatürlich-· natürlichen Wesens geworden, zu einem einzigen Ausdruck für die gnadenhafte Erhöhung und sittliche Vollendung, die zusammen das Vollbild des christlichen Menschen ergeben. 11. Herkunft der joh. Vorstellung Die Frage nach der Herkunft der joh. Vorstellung von der Gotteskindschaft bzw. Zeugung aus Gott ist recht verwickelt, da der reiche und tiefe christliche Gedanke von mehr als einer Quelle gespeist sein dürfte. Beziehungen ergeben sich zu den verschiedenen Bereichen der religiösen Umwelt, ohne daß ein alles andere verdrängender Haupteinfluß von einer bestimmten Seite her erkennbar würde.
1. Beziehung zum AT und Judenlum Der Gedanke der Gottessohnschaft ist der atl. Theologie durchaus nicht fremd, doch ist bekannt, daß er erst spät, nämlich in hellenistischer Zeit, 178
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vom Volk Israel auf die einzelnen Frommen übertragen worden ist!. Die Bezeichnung des Volkes als Sohnes Gottes reicht weit zurück (Ex 4, 22fwirkungsvolle Gegenüberstellung des "erstgeborenen Sohnes" Jahwes und des "erstgeborenen Sohnes" des Pharao). Os 11, Iff (vgl. Is 43,1-7; 63, 8f; Mall, 2f) wertet zwar auch das Liebesverhältnis zwischen Vater und Sohn aus (vgl. 1 Joh 3, 1 7to't"ot7O)v &y&.7t1Jv); aber dieses gründet im Erwählungs- und Bundesgedanken (vgl. Dt 14,1 f; Is 1, 2ff; Mall, 2f; Jub 2,20; 19,29). Auch jene Stellen, die vom Schaffen und Bilden des Volkes durch seinen Vater reden, wurzeln in dieser tragenden und leitenden Vorstellung des atl. Denkens (vgl. Dt 32,6ff; Is 43,6f; 63,16f; Mal 2, 10). Daß das Volk bzw. die einzelnen Vo-lksangehörigen von diesem Vater gebildet wurden wie der Ton vom Töpfer und daß sie so sein Eigentum wurden, an dem er roit aller Liebe hängt, sind die Züge, die die atl. Bildersprache beherrschen, nicht aber die Erzeugung 8. Bis in die Zeit des "individualistischen" Kindschaftsbegriffes 8 wirkt der Bundesgedanke nach (vgl. Weish 12, 19-27). Näher zu 1 Joh führt eine andere Linie, die im Spätjudentum stärker hervortritt. Die Gotteskindschaft wird nämlich zu einem Heilsgut der messianischen Zeit, der Kindesname zu einem Ehrentitel der Erwählten und Geretteten. Wie sich diese eschatologische Auswertung des Kindschaftsverhältnisses anbahnen und entwickeln konnte, zeigt schon Mal 3, 17f: die treuen Diener Jahwes werden wie Söhne, die stets im Hause des Vaters bleiben, am Tag des Gerichtes verschont, vgl. Weish 2, 18; 5, 5. Allmählich wird der Kindesname immer mehr zu einer Auszeichnung, Der einzelne Fromme spricht von Gott als seinem Vater, vgl. Sir 23,1. 4; 51,10; 3 ·Makk 5, 7; 6,8; 7,6. Von "Gotteskindern" redet häufiger die "Weisheit Salomons" (2,13.16.18; 12,21; 14,5 u.O.). Zum Gebrauch des Vaternamens im Rabbinismus vgl. DALMAN, Worte Jesu 152fT; BOUSSET-GRESSMANN, Rel. des Jud. 377f; MOORE, Judaism II, 203fT; BILLERBECK I, 219f; BONSIRVEN, Judalsme I, 138f; S.rÖBERG, Gott und die Sünder passim; W. TWISSELMANN, Die Gotteskindschaft der Christen nach dem NT 26-35. • Zum Gedanken einer göttlichen "Zeugung" im Spät judentum, der kaum nachweisbar'oder, wo Text· dies vorspiegeln, doch ganz anders gemeint ist, vgl. BILLERBECK II, 421 ff; 111, 840ff; IV, 453ff; RENGSTORF in: ThWb 1, S.664-666 (Vergleich des Proselyten mit einem Neugeborenen); BÜCHSEL ebd. 667 (zu Ps 2, 7; 109 u. Spr 8, 22ff); positiver urteilt TWISSELMANN a. a. O. 81 (der Begriff fehle, der Inhalt des Begriffes sei da)·. O. MICHEL - O. BETZ, Von Gott gezeugt, in: Judentum, Urchristentum, Kirche (Festschr. für J. Jeremias, ZntW Beih.26) (Berlin 1960) 3-23, glauben den Gedanken, besonders auf Grund einiger Qumrantexte, noch stärker im (nichtrabbinischen) Judentum nachweisen zu können. Doch ist der Text 1 QSa 11, 11 (der Messias "von Gott gezeugt") umstritten und 1 QH IX, 35f ("Du bist ein Vater an den [Söhnen] deiner Wahrheit, freust dich ihrer wie eine liebende Mutter über ihr Kind ... ") kaum mehr als ein Bild und Vergleich. Darum bleibt das Urteil recht fraglich: "Die der endzeitlichen Gemeinde verheißene Gotteskindschaft interpretiert er (Joh) durch den Satz, der in der Sekte nur vom Messias gilt: Die Glaubenden werden aus Gott gezeugt" (22) .. • VOLZ (Eschat. 395) hält das Verhllltnis Vater-Kinder auch in diesen Texten nicht für rein individuell. Die Kindschaft Gottes gelte wohl allen Gliedern des HeiIsvolkes, aber nicht eigentlich dem Individuum selbständig für sich. 1
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die Gott verleiht und die zur Teilnahme an den Freuden der Heilszeit berechtigt, vgl. PsSal 17,27.30; Jub 1,24f; Henaeth 62,11; AssMos 10,3, vor allem aber Mt 5,9, wo diese "eschatologische Dignität im Zusammenhang der Seligpreisungen ganz klar ist. In diesem Worte Jesu ist auch die nationale Begrenzung auf das Volk Israel, die vielfach noch in den jüdischen Texten festgehalten wird (vgl. dazu auch P. Aboth III, 14), der reinen sittlich-religiösen Beurteilung gewichen. Von dieser eschatologischen Verleihung des Kindesnamens scheint 1 Joh 3, 1 zU wissen {(Vilt 't"exvllt .&e:oü XA:1j.&W[Le:v), betrachtet sie aber als bereits erfolgt. 2. Verhältnis zu den Myslerienreligionen
Da die urchristliche Vorstellung von der "Zeugung aus Gott" sich im jüdischen Bereich nicht beheimaten läßt, glaubte man sie durch den Prozeß" der "Hellenisierung" des Christentums erklären zu können und griff besonders auf die Mysterienreligionen zurück. Tatsache ist, daß der alexandrinische Jude Philo, sosehr er grundsätzlich der Religion seiner Väter treu blieb, in dem Drange, die griechisch-römische Weltweisheit mit der mosaischen Gesetzesreligion zu verschmelzen, ohne Hemmung in den verschiedensten Zusammenhängen und sehr reichlich von einem "Zeugen" Gottes spricht'. In seiner allegorisierenden Redeweise mag das unbedenklich erscheinen; die Zeugung wird ihm zu einem anschaulichen Bild für Gottes Schaffen und Bilden. Sicherlich verdankt Philo manches in seiner Terminologie neben der Philosophie auch heidnischer Mysterienfrömmigkeit. Könnte von diesem neben der Philosophie so bedeutenden Strom hellenistischen Geisteslebens nicht auch das Urchristentum etwas aufgesogen haben? Der Kontakt der Urkirche mit jenen Geheimkulten könnte dabei mehr durch die Nachbarschaft im Leben als durch ideenmäßige Auseinandersetzung erfolgt sein. Doch wird diese Ansicht durch folgende Bedenken in Frage gestellt: a) Ob man in den Geheimkulten eine "Neugeburt" mysterienhaft darstellte, ist zweifelhaft". Freilich war die Vorstellung eines Neuwerdens durch die Mysterienweihe doch sicher vorhanden und wurde durch Bilder aus diesem Bereich beschrieben 3. Aber b) die Ausdrucksweise in den Vgl. die von WINDISCH, Exk. nach 1 Joh 3,9 aufgeführten Texte, dazu zur Vorstellung von der Sohnschaft Gottes spec. leg. I, 317-318; confus. 63. 146 (besonders bezeichnend für das Verhältnis Gott-Logos-Menschen). Daß Philo dazu entscheidende Antriebe aus der (platonischen und) stoischen Philosophie empfangen haben dürfte, lehrt ein Vergleich etwa mit EpIKTET, Diss. I, 9, 6: 8LeX ...-( p.7j eL1t1l ["'-L~] otö...-ov X6crP.LOV; 8LeX ...-( p'7j utov ...-oü &eoü; vgl. (mit platonischer Grundlage - PLATON, Tim. 28c; 37c) I, 3, If; 9,7; 13,3; 19,9; 11, 16,44; 111, 24, 15f. Vgl. zu Plato, Epiktet und Philo weiter G. SCHRENK in: ThWb 5, S. 954-957. • F. BÜCHSEL, in: ThWb 1, S. 668f, bemüht sich, nachzuweisen, daß die Vorstellung in den Mysterien nur die einer Adoption war. Dort auch weitere Lit. Vgl. noch M. P. NILSSON, Gesch. der griech. Rel. 11, 660: "Es scheint, daß jene Vorstellung eher eine Deutung der Riten ist, als daß sie diesen zugrunde läge." 3 Vgl. HIPPOLYT, Rer. V, 8, 40f zu den eleusinischen Mysterien: tepov &...-exe n6't"VLot 1
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Mysterienzirkelll ist, soweit für uns greifbar, mit der joh. höchstens ähnlich, nicht gleich 1. Für das joh. ye:w'I)&1jvou' tK 't'oü &e:oü fehlt eine direkte Parallele. Wiederum fehlt bei Joh der Terminus 7tOCAtyye:Ve:cr(oc. c) Die Zeugnisse, die das Blühen dieser Vorstellung der regeneratio in den Mysterienkulten belegen, beziehen sich auf eine spätere Zeit, und es muß bezweifelt werden, ob sie am Beginn des 2. Jh. schon so stark entwickelt war. Ein umgekehrter christlicher Einfluß (Taufe!) auf die Mysterienreligionen ist nicht ausgeschlossen 2. Danach muß man mit der Behauptung vorsichtig sein, daß Joh seine Ausdrucksweise der "Zeugung aus Gott" aus den Mysterienkulten übernommen hat. Indes kann eine terminologische Berührung vorliegen; denn es ist auffällig, daß ähnliche Bilder und Ausdrücke auch bei anderen religiösen Erscheinungsformen des hellenistischen Synkretismus auftauchen. In der hermetischen Mystik findet sich die Idee einer "Geburt im Geiste"', in der der Mensch zu einem neuen, höheren Sein gelangt. Der Weg dazu ist nicht der eines mysterienhaften Geschehens, sondern eine aus den Sinnen lösende, ekstatische Schau '. Die Vorstellung der "Wiedergeburt" treffen wir auch in gnostischen Texten an 5. Indes, so verwandt die Ausdrucksweise sein mag, inhaltlich enthüllen sich bei näherer Untersuchung tiefgreifende Unterschiede zwischen den außerchristlichen bzw. häretischen und den joh. Texten. Da sich dies besonders an den xoüpOV Bp'fLW Bp'fL6v, und die Deutung ~ yivecr,~ ~ 7tVeUfLlX't'lx~, ~ E7t'OUPOCV'o~, ~ &V(i); ebd. V, 8,10: Bei den Samothrakern werden die Bilder zweier Menschen gezeigt, das des ersterschaITenen Adam und das 't'oü civlXyew(i)fLivou 7tVEUfLlX't'IXOÜ; die sog. Mithrasliturgie (DIETERICH 12) spricht von fLE't'lXyevvficr&lXl; bei der Isisweihewerden nach ApULEIUS, Metam. XI, 21 die Mysten zu quodammodo renatos; für den Attiskult bezeugt eine Inschrift (CIL VI 510): taurobolio cribolioq(ue), in aeternum renatus. - Vgl. H. USENER, Das Weihnachtsfest (Bonn 21911) 151IT; A. DIETERICH, Mithrasliturgie 134IT; 157IT; R. REITZENSTEIN, Hellenist. Myst. 47IT; 245IT; W. BAUER, Joh-Ev Exk. 51-53; H. WINDISCH, Exk. zu 1 Joh 3, 9. 1 Zur Kritik vgI.J.DEv, U,U'yyevEcr!lX, in: NtIAbh XVII,5, (Münster 1937); K. PRÜMM, Der christI. Glaube und die altheidnische Welt 11, 31011; DERS., Religionsgeschichtliches Bandbuch für den Raum der altchristI. Umwelt (Fre/burg 1943) 21311, nIlherhin 327f; TWISSELMANN a. a. O. 10-19; J. HUBv, Mystiques 163fT; WIKENHAUSER, Ev nach Joh 93f (W. gibt aber terminologische Verwandtschaft zu). • Vgl. M. DIBELIUS, Die Isisweihe, in: SAHdbg (Heidelberg 1917) 51 f; DEV a. a. O. 73; PRÜMM, ChristI. Glaube 11, 312; auch C. CLEMEN, Religionsgeschichtl. Erklärung des NT (Gießen "1924) 32IT, über die Blütezeit der Mysterien. • CHerm XIII, 3 XIX! E[fL' vüv OUX 6 7t'p!v, ID' Eyew~.!hjv iv vij>, hier dasselbe wie 1t'1XA'yyevEcr!1X (XIII, 1. 7 u. ö.) und yivEcr,~ 't"ij~ &E6't'"IJ't'o~ (XIII, 7). - Manche Forscher nehmen einen Einfluß des (joh.) Christentums auf diese Vorstellung an, so J. M. LAGRANGE, L' Hermetisme, in: RB 35 (1926) 252--262; TWISSELMANN a. a. O. 20r. Dagegen u. a. J. HUBV, Mystiques 167 Anm. 2. • REITZENSTEIN, Hellenist. Myst. 43, spricht von einem "Lese-Mysterium", NILSSON, a. a. O. 11,586, im Anschluß an NOCK von einer "Mysterienreligion in Worten", sonst öfter von "Buchmysterien". . • Vgl. HIPPOLVT, Ret. V, 8,23 in der sog. Naassenerpredigt: ciVIXyevV7j&Me~ 7tVEU' fLcX't"XO!, ou crIXPX'XO! (vgl. auch 8, 18); CLEMENS ALEX., Exc. ex Theod. 76, 4 (civlXyewro. fLE&IX) u. 80, 1.
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gnostischen Vorstellungen zeigt, sei auf diese noch ein besonderes Augenmerk gerichtet.
3. Verhältnis zur gnostischen V orslellung Durch ihr pneumatisches Wesen und Wissen unterscheiden sich die Gnostiker, die eine "Wiedergeburt" erfahren haben, von den übrigen Menschen. In diesem Zusammenhang erscheint es beachtlich, daß auch 1 Joh von den Christen als Menschen einer besonderen Wesensart, von "Gottgezeugten", spricht und die aus Gott Stammenden von denen "aus der Welt" Stammenden scheidet (4,4f). Indes sind die gnostischen Anschauungen, die hinter der "Wiedergeburt" stehen, wesentlich anders. Der Gnostiker ist ein CPUo-e:L me:u[.loc't"Lx6c; 1, und seine Umwandlung geschieht durch die Gnosis, mag sie auch mit sakramentalen Riten umkleidet sein I: durch Gnosis findet er den pneumatischen Kern seiner Seele, der ein un- und überweltlicher ist, und erlöst so seine Seele aus den Fesseln der Materie, aus der Fremdheit der ungöttlichen Welt, in die sie geworfen und gebannt ist". Er besinnt sich also nur auf seine von je bestehende pneumatische Natur. Bei Joh dagegen gibt es keine solche Prädetermination zu Gnostikern (und Nichtgnostikern) '; alle Menschen sind zunächst "Fleisch" und müssen durch die "Zeugung aus Gott" mit dem für sie völlig neuen, übernatürlichen Lebensprinzip des Pneuma ausgestattet werden. Für alle Menschen steht dieser Weg in den Lebensbereich Gottes durch Glaube an den Lebensbringer Christus und durch das Sakrament der Taufe offen 5 • Falls also die joh. Theologie gewisse Anregungen aus der Ausdrucksweise des Hellenismus erhielt, so hat sie diese Bilder in einer spezifischen Weise für die ihr vorgegebene christliche Lehre von der Taufe und Geistausrüstung verwendet.
4. Verhältnis zur Urkirche und zu Jesus Dem inneren Gehalt nach bettet sich die joh. Anschauung in die gesamte urchristliche Verkündigung ein (s. o. unter 1). Sollte sie nicht auch genetisch dem Gemeindekerygma verpflichtet sein? Sollte hier nicht die primäre Quelle für die Formung des Gedankens zu suchen sein? Gerade in den jüngeren Schriften des NT stehen einige Texte zur Verfügung, die 1 IRENÄus, Adv. haer. I, 1, 11; vgl. I, 1,8; ferner CLEMENS ALEx., Strom. III, 4,30 u!ol cpua~1 TOß 7tPWTOU .&~oß; IV, 165, 3 öm:px6a(1.lov cpua~; Exc. ex Theod. 2,2 Tb O"7tEp(1.1X Tb 7tVw(1.lX'nx6v (das von Anfang an in die Seele gelegt ist). V gl. auch OdSal 41,9f: "Denn der Vater der Wahrheit gedachte meiner, er, der mich bereitete am Anfang. Denn sein Reichtum hat mich gezeugt und der Gedanke seines Herzens." • Vgl. CLEMENS ALEx., Exc. ex Theod. '78,2: "Nicht nur das (Tauf-)Bad ist das Erlösende, sondern auch die Gnosis ... " 3 Vgl. REITZENSTEIN, Hellenist. Myst. 53ff; JONAS a. a. O. 106ff; 202ff; 320ff. • Die Prädestination im christlichen Sinne ist etwas anderes; vgl. Exk. 12 am Ende. • Vgl. MUSSNER a. a. O. 123-126.
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in ähnlicher Weise das Bild einer Zeugung oder Geburt für das von den Christen erfahrene Heilsgeschehen verwenden. So spricht namentlich 1 Petr 1,23 von den &vocye:ye:'IV"Y){LEVOL "nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen vermittels des lebendigen und bleibenden Gotteswortes" ; vg!. 1,3. In 2, 2 werden die Adressaten mit "ebengeborenen Kindern" (&p'nYE'IV"Y)'t"oc ßPECP"Y)) verglichen, und dieses Bild wird VV 2f paränetisch ausgenutzt. In die bildhafte Redeweise scheinen verschiedenartige Vorstellungen aufgenommen worden zu sein (wie die vom zeugenden Gotteswort und der nährenden Milch sittlich-religiöser Belehrung); doch dürfte sachlich dasselbe Heilsgeschehen zugrunde liegen, nämlich die Taufe ' . Wie weit Jak 1,18 auf diese gemünzt ist, mag dahingestellt bleiben; aber in Tit 3, 5 ist deutlich (Aou't"p6v) auf sie angespielt, und hier wird sie mit dem Ausdruck 7tOCALyye:Ve:cr(oc = Wiedergeburt bezeichnet, ohne daß hinwiederum der Bildcharakter weiter ausgewertet würde. Diese verschiedenen Ausdrucksweisen in den nt!. Schriften gestatten den Schluß, daß die Urkirche verhältnismäßig früh die Zeugung bzw. Geburt als Analogie zum Heilsgeschehen bei der Taufe herangezogen hat, aber ohne festgeprägte Vorstellungen dabei auszubilden. Sie ließ der Vorliebe und Gestaltungskraft der Prediger und Schriftsteller in der Verwendung dieser naheliegenden Bilder für das Christwerden in Glaube und sakramentalem Mysterium großzügigen Spielraum. In diesem nicht engbegrenzten, aber immerhin deutlich bezeichneten Feld urchristlicher Verkündigung wird auch der Verf. von 1 Joh seinen besonderen Standort mit seiner ihm eigentümlichen Redeweise von den "aus Gott Gezeugten" bezogen haben. Woher die Urkirche'ihren Hauptantrieb bekommen hat, die Analogie von Zeugung und Geburt auf ihr Taufsakrament anzuwenden, läßt sich mit Sicherheit kaum angeben. Daß ursprünglich der Gedanke der Sündenreinigung stärker im Vordergrund stand, ist nicht zu bezweifeln (vg!. 1 Kor 6,11; Apg 2, 38; 22,16; Hebr 10, 22), vor allem wegen der Beziehung zur Taufe des Johannes. Aber schon durch das Verständnis der christlichen Taufe als "Geisttaufe" (Mk 1,8 par; Apg 1,5; 2, 38; 11,16; 19, 2ff u. a.) mußte tieferen Erwägungen die Tür geöffnet werden. Auch die joh. Tauftheologie nimmt das Wirken des Heiligen Geistes bei der Taufe zum Ausgangspunkt und stützt sich dabei auf die Worte Jesu an Nikodemus (Joh 3, 3ff). Daß diese Worte im Munde Jesu unmöglich seien, wird ernstlich nur behaupten wollen, wer der gesamten J esusüberlieferung des vierten Ev mit Mißtrauen gegenübersteht.
Vgl. K. H. SCHELKLE, Die Petrusbriefe. Der Judasbrief (Herders Theol. Komm. XIII,2) (Freiburg i. Sr. 1961) Exk. S. 28--31.
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1 Joh 3, 4-24 DRITTER ABSCHNITT
Die religiös-sittliche Aufgabe der Gegenwart (1 Joh 3, 4-24) Der nun anhebende paränetische Abschnitt, der längste dieser Art, wurde durch &:yv(~et &lXu't"6v 3, 3 angekündigt und gehört wesentlich zu diesem Hauptteil. Neben die Glaubensstärkung 2, 18-27 tritt die sittliche Mahnung, gipfelnd in dem Gebot der Bruderliebe 3, 11 ff; neben der christologischen Irrlehre werden die moralisch vergiftenden Anschauungen der Widersacher inder "letzten Stunde" energisch bekämpft. Zwar hatte schon der 1. Hauptteil unter dem Gedanken der Gottesgemeinschaft eine klare Sprache gegen den moralischen Indifferentismus geführt (1, 8 ff), aber jetzt werden die Motive im Hinblick auf Christus, den sündenlosen Sündenbefreier (3, 5ff), und auf die Heilstatsache unserer Gotteskindschaft (3, 9f) neu geformt und kräftiger gestaltet. Gerade in dieser paränetischen Entfaltung erkennt man den Zusammenhang mit dem vorigen Abschnitt (3,5-8, vgl. 2, 28f; 3, 9-10, vgl. 3, lf). Die Irrlehrer werden nicht so ausdrücklich bekämpft wie in den "dogmatischen" Sätzen 2,22f; aber darüber, daß wirkliche Gegner und Verführer ins Auge gefaßt sind, kann nach V 7 a und der antithetischen, scharf zugespitzten Sprechweise kein Zweifel sein. Das Eigentümliche der joh. Gedankenbewegung zeigt sich darin, daß außer dem antithetischen Satzbau im kleinen auch der Aufbau im großen dem Prinzip folgt: erst negative Mahnung: Meiden der Sünde (VV 4-10), dann positive: üben der Bruderliebe (VV 11-20), ein Prinzip, das schon den Aufbau von 1, 5 - 2, 11 gestaltete. 1. MEIDEN DER SüNDE (1 Joh 3,4-10)
4 Jeder, der die Sünde tut, tut auch die Bosheit, ja die Sünde ist die Bosheit. 5 Und ihr wißt, daß jener erschienen ist, um die Sünden zu beseitigen, und Sünde gibt es nicht in ihm. 6 Jeder, der in ihm bleibt, sündigt nicht; jeder, der sündigt, hat ihn nicht geschaut und nicht erkannt. 7 Kindlein, niemand führe euch irre! Wer die Gerechtigkeit übt, ist gerecht, so wie jener gerecht ist. 8 Wer (aber) die Sünde tut, ist vom Teufel, weil der Teufel von Anfang an sündigt. Dazu ist der Gottessohn erschienen, um die Werke des Teufels zu zerstören. 9 Jeder, der aus Gott gezeugt ist, sündigt nichl, weil sein (Gottes) "Samen" in ihm bleibt; und er vermag (gar) nicht zu sündigen, weil er aus Gott gezeugt ist. 10 Daran sind die Gotteskinder und die Teufelskinder deutlich erkennbar. Jeder, der nicht Gerechtigkeit übt, ist nicht von Gott, und (jeder,) der seinen Bruder nicht liebt. Inhaltlich gehört der Abschnitt 3,4-10 zu den "gedankenschwersten und kühnsten" (Büchsel) des ganzen Briefes. Er rollt die tiefe Problematik
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von Christ und Sünde auf und lehnt jeden Komprorniß mit der Wirklichkeit der Sünde ab. Das Nicht-sündigen-Dürfen wird bis zu einem Nicht-sündigen-Können (V 9b) gesteigert. Von vornherein muß festgestellt werden, daß der ganze Abschnitt paränetischen Charakter trägt und keine theoretische Erörterung darüber bietet, wie sich der Heilsstand des Christen zu den noch wirksamen Mächten des Bösen verhält. Die positive Kehrseite dieser Darlegung, gleichsam die konkrete Folgerung, beginnt mit der sittlichen a.yyt).!oc, der Mahnrede (tvoc), einander zu lieben (V 11). So beleuchtet 3, 11 ff auch die kategorischen Sätze von 3, 4-10: Sie haben den Si n n, aufs schärfste die Absage des Christen an die Sünde hervorzuheben, eine Absage, die wesensmäßig zu ihm gehört und ihm kraft der Zeugung aus Gott auch möglich und praktisch durchführbar ist. Sie sollen damit zugleich ein Kennzeichen aufstellen, das die Gotteskinder von den Teufelskindern unterscheiden läßt, ähnlich wie das rechtgläubige Bekenntnis von Jesus 2,22 den wahren Christen vom "Antichrist" sondert. Sie haben aber nicht den Sinn, eine Erhabenheit des Christen über die Sünde, eine Unverwundbarkeit gegenüber der Macht des Bösen zu Lehren - das ist gerade jene verderbliche Irrlehre, deren sich die Gegner in falschem Gnostikerstolz schuldig machen und die der Verf. in 1, 8ff ausdrücklich bekämpft. Sowenig ein Widerspruch zwischen 1,6 und 1,8 besteht, ebensowenig zwischen 1, 8ff und 3, 4ff. Nur wird die Problematik hier (3,4-10) in einer besonderen Richtung vorangetrieben, da der Christ in dem vollen Rüstzeug seiner übernatürlichen Ausstattung und unter dem machtvollen Ruf seines erhabenen Vorbildes Christus angesprochen wird.
a) Christusverbundenheit schließt Sündigen aus (3,4-8) 3, 4 AlP. Anfang der Kampfverse gegen die Sünde steht ein Doppelsatz, der betont die Sünde als "die Bosheit" brandmarkt. Die hierin verborgene Polemik ist in ihrer Richtung und Pointe nur schwer aufzuhellen. Zunächst: Gegen wen richtet sich der Satz, gegen die Irrlehrer oder gegen die Christen, die die Sünde noch nicht üherwunden haben? Das Zweite ist wahrscheinlicher, da 1. der Wortlaut nicht wie in 1, 6ff; 2, 4ff eine häretische Sentenz erkennen läßt, 2. die Mahnung zum Bleiben in Christus (V 6) sich wie in 2, 27f an die Gläubigen wenden dürfte und 3. V 4 so ein allgemeines Motiv darstellt, das vor dem Christusmotiv (VV 5-8) und dem Kindschaft-Gottes-Motiv (VV 9-10) genannt wird. Es wäre auch schwer einzusehen, welchen Unterschied die Gnostiker bei ihrem Indifferentismus gegen die Sünde zwischen &fLetp't"tet und &;vofLtet machen sollten 1.
Richtet sich der Satz aber gegen die Christen, dann setzt dies bei ihnen einen geschärften a.vo[J.!oc- Begriff voraus: Weil die Sünde a.vo[J.!oc ist, wird WENDT, a. a. O. 60f, nimmt bei den Gnostikern eine Unterscheidung zwischen &fLetp't"tet = Abweichen von den heiligen Mysterien und &;vofLtet = Übertretung der von der Obrigkeit vorgeschriebenen Gesetze für das menschliche Zusammenleben andas ist unbelegt und gekünstelt. - Auch nach M. GOGUEL, L' Eglise prim. 499, ist die Stelle gegen Häretiker gerichtet. 1
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sie ihnen verabscheuungswürdig. Denn daß der Verf. "scharf von allem Antinomismus und radikalem Paulinismus" abrücke (Windisch), ist als Tendenz unwahrscheinlich. Er spricht zwar durchgängig vom "Gebotehalten" ('t"I)pe:1:v 't"eXt; ~v't"oMt; 2,3. 4; 3,22.24; 5,2), aber er kämpft nicht für eine Rehabilitierung des v6(.Lot;. Die in 3, 4 zugrunde liegende Klimax von &.(.LCXP't"LCX zu &VO(.LLCX ist um so verwunderlicher, als beide Termini im biblischen Sprachgebrauch häufig synonym gebraucht werden t. Es bleiben wohl nur zwei Möglichkeiten für die Erklärung. Die eine ergibt sich aus der innerchristlichen Fortentwicklung des Begriffs &VO(.LLCX: In den.schilderungen der eschatologischen Unheilszeit vor der Parusie wird das widergöttliche, satanische Wirken mit diesem Ausdruck gebrandmarkt. Der Antichrist heißt "der Mensch der Bosheit" (2 Thess 2, 3) oder einfach "der Böse (Gesetzlose)" (2,8), und nach Pauli Meinung ist das "Geheimnis der Gesetzlosigkeit" schon jetzt wirksam (2, 7). Nach dem Mk-Schluß der Freer-Handschrift steht der cxlwv oO't"Ot; Tijt; &VO(.LLCXt; XCXL &mO"'t"LCXt; unter der Herrschaft des Satans. Auch im nachkanonischen urchristlichen Schrifttum läßt sich dieser engere eschatologische Begriff der &VO(.LLCX verfolgen 2. Darum empfiehit es sich, &VO(.LLCX im Deutschen mit "Bosheit" (statt mit dem blasseren "Gesetzlosigkeit") zu übersetzen. Im Zusammenhang von 1 Joh 3 gäbe dies einen trefflichen Sinn: Der Täter der Sünde bekundet, daß er ein geheimer Verbündeter und Mitwirkender Satans ist; er fügt sich unter die Herrschaft des Gegenspielers Christi (VV 7-8) und erweist sich als ein echtes Teufelskind (VV 9-10). Der eschatologische Gesichtspunkt ist - im engen Anschluß an die urchristliche Tradition - im Vorangegangenen gegeben (2,18.28). Die andere Möglichkeit wäre die heidnisch-hellenistische Begriffswelt der Leser. Bei der Unschärfe des &.(.Lcxp't"Lcx-Begriffs in diesem geistigen Raum 3 konnte &VO(.LLCX als gesetzloses; ruchloses Verhalten einen Klang haben, der mehr Abscheu erweckte als &.(.LCXp't"LCX. Eine gewisse Bekräftigung empfängt diese Ansicht durch 5, 17, wo der Verf. ebenfalls einen zunächst im Gemeinschaftsleben gewachsenen Begriff von &a~xLcxaufzunehmen scheint und von ihm zum Begriff der &.(.LCXp't"LCX hinüberführt. Dennoch ist die erste Auffassung vorzuziehen, der sich jetzt auch andere Forscher anschließen '. VgI. in LXX: Ps 31, 1 (= Röm 4, 7); 50,4; 58, 4; 102,10; ferner Hebr 10, 17; 1 Clem 8,3; 18,3.5.9; Herm(v) 11,2,2; (s) VII, 3; aber auch EPIKTET, Diss. 11, 16,44; 111, 26,32; PHILO, spec.leg. I, 188. VgI. auch C. H. DODD, The Bible and the Greeks 79f. • Did 16,4; Barn 4,1; 14,5; 15, 7; 18,2. Nach der letzten Stelle, die sich in der Lehre von den zwei Wegen (des Lichtes und der Finsternis) findet, ist der ganze gegenwärtige Äon ein xcxtPO~ njc; &VO[L(cx~. Es wäre leicht möglich, daß sich - vielleicht unter jüdischer Einwirkung - schon zeitig in der Urkirche ein solcher &vo[Llcx-Begriff gebildet hat. VgI. noch PsClemHom XX, 2 800 cxo-rij> bllol 1tpoO"e't"e.&"I)O"cxv, v6[LoU 'rE xcxt &vo[LEcxC;; ApkPt 1,3. - VgI. RIGAUX, L'Antechrist 257. 3 VgI. o. HEV, 'A[Lcxp-rEcx, in: PhiloI. 83 (1927) 1-17; 137-163; STÄHLIN-GRUNDMANN in: ThWb 1, S. 2991T. • I. DE LA POTT ERlE, "Le peche, c'est I'iniquite" (I Joh III, 4), in: NRTh 78 (1956) 785-797 (mit weiterer Begründung); vgI. auch W. NAucK, Tradition 16, Anm. 1, der noch darauf hinweist, daß schon LXX 2 Kg 22, 5 u. Ps 17,5 ')1',:1 mit &vo[LEcx übersetzen. 1
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1 Joh 3, 5
Vor allem verstärken die Qumrantexte die VermutuI).g, daß ein solcher dualistisch und eschatologisch verschärfter Begriff gottwidriger "Bosheit" der Urkirche schon aus dem Judentum zugewachsen ist. Aus ihrer reichen Terminologie für das Gebiet gesetzlosen, sündhaften, verkehrten, gegen Gott aufrührerischen Handeins und Sich-Verhaltens kommt vor allem ", bzw. ~"'I als Äquivalent in Frage. Diese vielverwendete Vokabel (nach der Konkordanz von Kuhn je etwa 26mal) kennzeichnet die Herrschaft des Bösen in der Endzeit, die in ihr wirkenden Geister und die ihr verfallenen Menschen (vgl. 1 QS 111, 19. 21; IV, 9. 17. 19; V, 2 u. ö.). Gott aber hat "dem Bestand der Bosheit eine bestimmte Zeit (oder: ein Ende) gesetzt, und zur Zeit der Heimsuchung wird er es vertilgen für immer" (1 QS IV, 18f). Stark tritt auch die Antithese von "Bosheit" und "Wahrheit", dem Inbegriff göttlichen Wesens, hervor (vgl. 1 QS 111, 19; IV, 23; VI, 15; 1 QH XI, 26; XIV, 15f. 25f; XV, 25). Bezeichnend ist die Mahnung: "Ihr Gerechten, verbannet die Bosheit!" (1 QH 1,36), die dem Sinn nach genauso hinter 1 Joh 3,4 steht. Die Steigerung in V 4b: "die Sünde ist die Bosheit", ist keine Definition, da der Artikel beim Prädikatsnomen diese &.vo!J.toc nicht als allgemeinen Gattungsbegriff, sondern als etwas Besonderes, Bekanntes, in seiner Art Hervorgehobenes einführV. Die "Sünde" ist die bei den Lesern als bekannt vorausgesetzte und von ihnen verabscheute diabolische "Bosheit". 3, 5 Gegenüber diesem gottlosen Bereich der Sünde und "Bosheit" führt Christus von allem fort, was Sünde heißt und mit ihr zusammenhängt. Der Verf. erinnert seine Leser zunächst an die Lehre, die sie als einen Kernsatz aus dem Taufunterricht und der Gemeindekatechese • wissen: Christi Erscheinen hatte den Zweck, die Sünde zu beseitigen (V 5a). Danach stellt er Christus als das Idealbild vollendeter Heiligkeit vor sie hin. In Christus gibt es "Sünde" überhaupt nicht (V 5b). Bezeichnend ist das Präsens, das nicht mehr auf Christi Erdenwandel wie in 5a zurückblickt, vielmehr seine grundsätzliche, wesensmäßige Fremdheit und Gesondertheit von aller Sünde (ohne Artikel: von allem, was "Sünde" heißt), ausdrückts. Die Sündlosigkeit Christi wird hier also nicht als Grundlage der Erlösungstat wie 2 Kor 5, 21 oder 1 Petr 3, 18 betrachtet, ist auch nicht allgemein paränetisches Motiv wie 1 Petr 2, 21 ff, sondern Beweis der Unvereinbarkeit von Sünde und göttlichem Wesen. Die stillschweigende Konsequenz lautet: Also dürft ihr, von euren Sünden durch Christus befreit (5a), mit Sünde nichts mehr zu tun haben (5b). Aber der Blick auf die Verführer (V 7) gestaltet dann die Aussage von V 6 so, daß das Nichtsündigen zugleich zu einem Erkennungszeichen wird, ob einer in der § 273, 1 u. Anh. Vgl. 1 Kor 15,3; Hebr 1,3; 1 Petr 3, 18; Apk 1,5 - Apg 22,16; Eph 2, Itl; Kol 2,13; Hebr 10,22. • Vgl. das Präsens !ÄotO"!L6~ tO"TtV 2,2. Es deutet die Immergültigkeit der Heilstat und MittlersteIlung Christi an,
1 BLASS-DEBR I
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1 Joh 3, 6
Gemeinschaft mit Christus steht, ob er ihn wirklich "gesehen" und "erkannt" hat. Des näheren enthält V 5 schon bekannte, echt joh. formulierte Anschauungen. Die Inkarnation wird wie 1,2; 3,8 durch etpocve:pw&rj ausgedrückt, der Zweck des Kommens Christi mit OCtpe:LV "cxc; !XfLOCp"docc; angegeben. Diese Wendung ist wie ein Nachklang von Joh 1,29; aber kann man dort im Zweifel sein, ob mit Rücksicht auf Is 53, 4. 11. 12 OCtpELV "auf sich nehmen, tragen" heißt, so fordert der Zusammenhang in Joh 3,5 die Bedeutung "beseitigen, fortschaffen". Statt des Singulars ~v !XfLOCp"locv "oü x6afLou J oh 1, 29 (= die gesamte Sündenlast) steht in 1 J oh 3,5 der Plural "cxc; !XfLocp"docc; (~fLwV) '; damit soll der Christ an die Befteiung auch von seinen eigenen Sünden erinnert werden. Daß es in Christus nichts Sündhaftes gibt (ev ocö"ij> oöx E!a"LV), ist ebenfalls schon aus Joh bekannt (8,46; vgl. 14,31). Während 5a die einmalige Erlösungstat ins Auge faßt, hebt 5b den Wesensgegensatz hervor. 3, 6 Wie Christus so ist auch der mit Christus verbundene Christ von der Sünde geschieden. Das wird als Tatsache ausgesprochen, die sich aus der Christusgemeinschaft ergibt - sosehr ist der Verf. von der Übermacht der göttlichen Kräfte über die Gewalten des Bösen überzeugt (vgl. 4, 4; 5,3--5). Aber er setzt auch - wie Paulus Röm 6, 1-11 - den vollen Ernst der Absage an die Sündenmacht und der Unterwerfung unter Gott in der Christusgemeinschaft voraus. Der Vers ist also weder rein heilstheologisch als Unfähigkeit zum Sündigen noch ethisch-paränetisch als Mahnung zum Sündenmeiden zu verstehen. OÖX !XfLOCP'l"&Ve:L ist weder eine apodiktische Aussage ("kann nicht sündigen") noch ein verkappter Imperativ ("darf nicht sündigen"); vielmehr will dieses kategorische Präsens eine Beobachtung und Regel angeben. Seine Spitze ist indirekt gegen die gnostischen Verächter der göttlichen Gebote gerichtet; das zeigt die Fortsetzung: Dem, der sündigt, wird bestritten, daß er Christus "gesehen" oder "erkannt" hat. "Sehen" ist ein joh. Ausdruck für die Glaubenserfahrung, die zur Gemeinschaft führt'; das Perfekt drückt die zuständliche Verbindung aus. "Eyvwxe:v bringt demgegenüber nur eine Variation und wird ihrem Schlagwort begegnen, daß sie ihn "erkannt" haben (vgl. 2, 13 a. 14b). Das zweimal an den Anfang gestellte 7tOCC; betont, daß diese Regel keine Ausnahme kennt. Jene, die ihre angebliche Christusgemeinschaft auf ihre "Gnosis" gründen, ohne sich zum Meiden der Sünde verpflichtet zu fühlen, fallen unter das Gericht des Spruches, daß niemand, der sündigt, 1 ~fL&V fehlt in BAP 33 323 1739 al. h syh sa bo arm Tert. Fulg., steht dagegen in 11 C ft Vg syP pm. Die kürzere LA ist wahrscheinlicher, da im Kontext kein ~fLEr<; auftaucht; so wird der Nachdruck auf OtfLIXPT(IX<; noch stärker. • Vgl. Joh 6, 36; 14,9; auch in bezug auf Gott: 14,7.9; 3 Joh 11. An ein Sehen mit leiblichen Augen (WEISS, vgl. BÜCHSEL) darf man schon wegen der Verbindung mit ~YV(O)XEV nicht denken; außerdem ist es hier völlig abwegig, da es sich um eine Erfahrung handelt, die jeder Christ machen kann.
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1 Joh 3, 7-8
wirkliche Christusverbundenheit besitzt. Die Sünde ist ein untrügliches Scheidemerkmal. Es heißt den Sinn des Satzes auf den Kopf stellen, wenn man behauptet, daß er "Entsündigung durch Christusschau" lehre 1. 3, 7 In neuem Ansatz, durch die Anrede TDtv(ot erkenntlich (wie 2, 1. 12.18.28), senkt der Verf. die Abneigung gegen die Sünde noch tiefer in die Seele seiner Leser hinein. Er argumentiert weiter aus der Christusverbundenheit, aber stellt Christus mehr positiv als das Vorbild des gerechten, gottförmigen, der Sünde ganz abgewandten Menschen hin, indem er an 2,29 anknüpft. Jetzt wird vollends deutlich, daß er dies im Hinblick auf die verderblichen Anschauungen der Gegner tut; er warnt vor den Verführungskünsten der Falschlehrer. Die Gefahr erblickt er darin, daß sich das Glaubensband und die Lebenseinheit der Christen mit Christus lockern könnten (vgl. 2,24.27; 5,3f. 16.20). Nur wer die Gerechtigkeit übt!, kann das Prädikat "gerecht" für sich in Anspruch nehmen, so wie "jener", d. i. Christus, fraglos dieses Beiwort verdient, da er gänzlich sündenfrei ist (V 5b; vgl. 2,1). Daraus scheint hervorzugehen, daß sich die Irrlehrer im Besitz der "Gerechtigkeit" wähnten, ohne sich zur Bewährung in der Tat verpflichtet zu fühlenB. 3, 8 In der Antithese wird der Sündentäter als zum Teufel gehörig gebrandmarkt. Der Teufel wurde Joh 8, 44 als "Menschenmörder von Anfang an" und "Vater der Lüge" bezeichnet; in unserem Vers heißt es dem Zusammenhang nach allgemein, daß er von Anfang an sündigt. Ein Vergleich mit Joh 8,44 legt nahe, bei dem "Anfang" an die Paradieses. geschichte zu denken. Der Schöpfungsanfang, als ob der Teufel der dualistische Gegenspieler Gottes wäre, muß ausscheiden; der Gegenpart ist hier Christus. Der Kampf Satans gegen die göttliche Welt der Heiligkeit spielt sich im Rahmen der Menschheitsgeschichte ab, an deren Anfang wie in deren Gegenwart (<XlLotp't'IXVe:L Präsens!) er seinen verpestenden Sündenatem spüren läßt. Schon hier wird (durch ~x 't'oü 8Lot~6AOU) das scharfe Urteil der Teufelskindschaft hörbar. Aber erst in V 10, als Kontrast zur "Zeugung aus Gott", gelangt dieses Motiv zur vollen Entfaltung.
Gegen WINDISCH, der dadurch zu unhaltbaren Folgerungen kommt (die EntSllndigung erfolge nicht durch die Sühneleistung des Erlösers, sondern durch den .. Eindruck der Persönlichkeit des sündelosen Erlösers") . . • Das Tun (noISiv) wird betont wie 1,6 (oö nOLoüfUV -rijv clA7j.&e:LatV), vgl. Joh 7,17; 13,17. Eine Spitze gegen Glauben ohne Werke, wie Jak 1,25; 2, 12ft, liegt nicht vor. - V 7b ist Gegenstück zu nä!~ Ö TCOLiilv -rijv d.!LCltPTLatv V 4, wie überhaupt VV 7-8 eine parallele Ausführung zu VV 4-6 sind. • Doch ist diese Spitze nicht notwendig darin enthalten, da auch das .. Tun der Sünde" (V 4) den Gegensatz .. Tun der Gerechtigkeit" veranlaßt oder auch der Blick auf Christus, den Gerechten, dieses Motiv herbeigezogen haben kann. 1
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1 Joh 3, 9
V 8 hält sich also noch immer an das Motiv der Christusverbundenheit, die das Sündigen ausschließt, und in 8b geht der Verf. dem heilsgeschichtlichen Gegensatz zwischen dem Teufel und Christus (vgl. 2,13.14; 5, 19f) weiter nach. Wer eins mit Christus ist, muß wissen, daß dessen Erscheinen auf Erden (EtpOl:\le:pwlh) wie oben V 5) den Zweck hatte, die Werke des Teufels zu zerstören. Man könnte durch ULOC; TOÜ .&e:oü speziell an die \:,ersuchungsgeschichte (Mt 4,3.6; Lk 4,3.9) erinnert werden; aber unser Brief gebraucht diese Wesens bezeichnung Christi auch sonst mit Vorliebe, und TIX: i!pyOl: will schlecht zu den Wortgefechten jenes geistigen Kampfes in der Wüste passen. Es sind die Sündenwerke Satans 1. "Die Werke zerstören, zunichte machen" (Me:L\I)' meint eine ähnlich radikale Beseitigung wie V 5 OI:tpe:L\I, will also den unversöhnlichen Gegensatz zwischen dem Teufel und dem Gottessohn im Wesen und Wirken in grellstes Licht stellen. Wer auf die Seite Christi tritt, muß konsequent qem Teufel und seinen Werken absagen. Wer sündigt und die Werke des Teufels tut, kämpft gegen Christus. Sosehr der Satz V 5 ähnelt, blickt er im Zusammenhang doch über die Sühnetat Christi am Kreuz, seinen prinzipiellen Sieg über den Teufel, hinaus auf den noch fortdauernden Kampf gegen dessen Werke, und in diesen Kampf sind auch die Christen hineinverwickelt. Zugleich rundet der Verf. den Gedanken durch diese Inclusio ab. b) Die Gotteskindschafl machl unfähig zum Sündigen (3,9-10)
3, 9 Unter einem neuen Gesichtspunkt, der freilich schon in V 8 berührt wurde, entwickeln die Verse 9-10 die Unmöglichkeit für den Christen, noch weiter zu sündigen: Er ist ein Gottgezeugter (vgl. 2, 29) und damit ein Kind Gottes (3,1-2). Ähnlich kategorisch wie V 6 erklärt V 9 zunächst, daß jeder, der aus Gott gezeugt ist, Sünde nicht tut, gibt aber dann eine tiefere Begründung, die sich auf letzte Seinsgründe,auf die übernatürliche Existenzgrundlage des Christen stützt : Gottes "Same" bleibt in ihm. Die Vorstellung von "Gottes Samen" knüpft zwar offensichtlich an die Zeugung an, aber die Analogie zur menschlichen Zeugung wird nicht streng - wie in 1 Petr 1, 23 - durchgeführt. Darin zeigt sich, daß die Heilswirklichkeit dem Verf. wichtiger als die Bildhaftigkeit ist. Der Ursprung ist hinreichend durch EX TOÜ .&o:oü angedeutet; der Schwerpunkt verlagert sich auf die bleibende Realität der göttlichen Kräfte, die das Sein des Gottgezeugten bestimmen. Unter Grtep!-LOI: OI:ÖTOÜ kann kaum etwas anderes als der Heilige Geist gemeint sein (vgl. 3,24; 4, 13), so wie In Joh 3,6 als Wirkung der "Zeugung von 1 VgJ. B. NOAcK, Satanas und Soteria (Kopenhagen 1948) 76f. • AueL~ massiv-realistisch vom Niederreißen von Bauwerken Joh 2, 19; Eph 2, 19 (wie auch oft in der profanen Literatur), dann übertragen: gänzlich abschatTen, beseitigen, so bes. von Gesetzen Mt 5,19; -ro mi~~a,"o'l Joh 5,18; 7,23; 10,35; sogar '"0'1 '!ljO"OÜ'l 1 Joh 4, 3 v. J. (siehe z. St.).
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1 Joh 3, 9
oben" bzw. der "Zeugung aus dem Wasser und dem Geiste" das "Geistsein" bezeichnet wird. I:7tEPILCX ist demnach eine Metapher, ähnlich wie XP~O"ILCX 2,20.27, die zwar sonst mit Vorliebe für das Wort Gottes angewendet wird" aber in unserem Zusammenhang für den göttlichen Geis t eintritt. Die Unfähigkeit des Christen zum Sündigen wird damit als notwendige Konsequenz aus jenem göttlichen Lebensprinzip betrachtet, das er seit der in der Taufe erfahrenen Gotteszeugung in sich trägt. Damit ist mehr behauptet als nur eine moralische Unfähigkeit zum Sündigen, wie etwa in stoischen Äußerungen". Voraussetzung dafür ist eine seinsmäßige Umwandlung, wie sie schon das AT mit der Verheißung eines neuen Herzens und neuen Geistes andeutet 3 und wie sie die spätjüdische Literatur für die messianische Zeit erwartet'. Die Sprache von der Gotteszeugung und dem Gottessamen erinnert jedoch stärker an gnostische Terminologie 5. Mehr als ein sprachlicher Anklang liegt aber nicht vor; die Vorstellung selbst ist grundverschieden (s. Exk. 8). Dem Verf. liegt alles daran, die absolute Geschiedenheit des Christen vom Sündenbereich zu betonen, und darum fügt er unmißverständlich V 9b hinzu, daß der Gottgezeugte unfähig zum Sündigen geworden sei. Man darf das Gewicht dieser Aussage nicht abschwächen, aber auch nicht ihre Voraussetzungen vergessen; neben dem übernatürlichen Akt der Gotteszeugung rechnet der Verf. mit dem Bleiben in Christus (V 6). Dieses verlangt auch ein heißes Bemühen um Glaube und Liebe, Sündenreinheit und Heiligkeit (vgl. 2,6.24. 28f; 3,3. 7b. 16b). Das göttliche Lebensprinzip im Menschen ist keine magisch wirkende Realität, es befreit nicht von der sittlichen Anstrengung, sondern ruft und weckt sie. Wer den Bruder haßt und "mordet", hat das Gottesleben nicht als etwas Bleibendes in sich (3, 15). Das "Bleiben" des Gottessamens im Menschen (V 9a) fordert zu seiner Ergänzung den Imperativ, in Gottes Art zu bleiben (4, 16). Die Liebe zu den Brüdern ist die unbedingt ge-
Mt 13, 3fT par 24fT; (cr7tOpoc) 1 Petr 1, 23; vgl. Jak 1, 18.21. Diese Bedeutung nehmen auch für 1 Joh 3, 9 an CLEMENS, AUGUSTINUS, BEDA, und unter den Neueren B. WEISS, BÜCHSEL (Joh. und der hellenist: Synkret. 59; anders z. St.), DODD. • Vgl. SENECA, Ep. 72, 6 sapiens recidere non potest, ne incidere quidem amplius; PLUTARCH, De Stoic. repugn. 2; EPIKTET, Diss. IV, 8,6. Auch ähnliche Äußerungen PHILOS, leg. all. III, 68; fuga 117, stehen vielleicht unter stoischem Einfluß. Doch finden sich auch gegenteilige Aussagen; vgl. PHILO, fuga 157f; virt. 177; auch EPIKTET, IV, 12, 19, bezweifelt die Fehlerlosigkeit. • Jer 24,7; 32,40; Ez 11, 19; 36, 26f. • Henaeth 5, 8r; Jub 5,12; PsSal 17,32; VOLZ, Eschatol. 391; vgl. jetzt auch 1 QS IV, 19-23; ferner 1 QH XVI, 11 fT (auf Grund gegenwärtiger Geistmitteilung). • Vgl. die gnostische Lehre von dem göttlichen "Samen", der dem wahren Gnostiker innewohnt und ihn zU einem 'Pucret 7tVe1JIlOtTtx6~ macht (IRENÄus, Adv. haer. I, 1, 11; HIPPOLYT, Ref. V, 8, 112f; CLEMENS AL., Exc. ex Theod. 1 2 38 40 49 53). Dieser "geistige Samen" ist der innerste Kern in der Seele des Pneumatikers: Ö7tVO~ 8& A8o,Il ~v Ä~&IJ nj~ q,ux'ij~, 7j cruveLxe Il~ 8tOtÄu.&'ijvOtt TO Cl7tepIlOt TO 7tVe1JIlOtTtXOv, 87tep evE&!JxeY T'ii q,ux'ii (, ~w~p (Exc. ex Theod. 2). Vgl. REITZENSTEIN, Hellenist. Myst. 245fT; 399; DIETERICH, Mithraslit. 121 fT; DODD 75-77. 1
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I Joh 3, 10
schuldete Antwort auf die Liebe Gottes zu uns und die Voraussetzung zur Beständigkeit der Gemeinschaft Gottes mit uns (4, 11 f). Die "Zeugung aus Gott", mit der in 3, 9 unsere Unfähigkeit zum Sündigen begründet wird, ist nicht ein für sich bestehender übernatürlicher Akt Gottes, sondern innerlich auf die sittliche Bewährung der Kinder Gottes hingeordnet; erst die Gnadentat Gottes und die Gestaltung des Lebens nach dem Willen Gottes führt zu dem, was unser Verf. unter "Gotteskindschaft" im Vollsinn versteht. Diese gewiß idealisierende Schau, die von dem Durchblick auf das wirkliche Verhalten der Christen in dieser Welt von selbst immer wieder korrigiert wird (vgl. 2, 1; 3,20; 5, 17), dürfte den starken Ausdruck von V 9 erklären. Das Nebeneinander von Aussagen, die sich zunächst auszuschließen scheinen, ist in Wirklichkeit kein Gegeneinander, sondern eine Spannungseinheit, die sich bei Joh ähnlich wie bei Paulus - aus der unlöslichen Verflochtenheit von Sakrament und Ethik ergibt und durch die Heilssituation der Christen in dieser Welt bedingt ist. Unter anderen Begriffsbildern und in einem etwas verschieden geformten Denken bietet sich das Problem "Christ und Sünde" für Joh grundsätzlich nicht viel anders dar als für Paulus (vgl. Exk.12).
3,10 Wenn so die "Zeugung aus Gott" zur Sünde unfähig macht, dann wird das Sündigen zu einem unterscheidenden Merkmal. Wenn einer nicht Gerechtigkeit übV, wird darin' seine Teufelskindschaft offenkundig (cpotvep& ~a·t"Lv). Es ist bedeutsam, daß nie die Wendung fällt: "aus dem Teufel gezeugt sein". Die enge Zugehörigkeit zum Teufel, die analog der Gotteskindschaft als Teufelskindschaft bezeichnet wird, beruht nicht auf einem Geschehen (ähnlich dem Sakrament der "Gotteszeugung"), erwächst vielmehr allein aus dem Tun, ist also rein moralischer Art". Dafür ist auch nicht unwichtig, daß der Verf. in lOb nicht, wie man nach V 9 b erwarten könnte, fortfährt: "ist nicht aus Gott gezeugt", sondern nur: OÖl( ~a'nv ~l( 't"ou &eou (in Korrespondenz zu Ex 't"oü 8Lotß6AO\l ~a't"[v V 8) - eine schwächere Ausdrucksweise, die den Nachdruck mehr auf die Art als die Herkunft legt. Wiederum darf man nach V 9a nicht Viele Lateiner, nämlich Vg (außer codd. DZ) Tert., Cypr., Luc., Aug., Ps.-Aug. (Speculum), ferner der griech. Cod. 'f", syhmg sa Orig. lesen statt dessen (, ILl) ii.v 8Ll(CXLO~. Ihnen stehen fast sämtliche griech. Hss, ferner die Altlateiner h q gegenüber. Für jene LA ist besonders HARNAcK, SABeriin 1915, 465f, eingetreten. Die Beweisführung, die sich an innere Gründe hält, ist nicht überzeugend, da der Verf. von 1 Joh die Teufelskindschaft gerade auf das Tun des Bösen gründet. • 'Ev TOUTCJl steht hier so in der Mitte, daß es nach rückwärts und vorwärts weist (vgl. WINDISCH); denn die abhängige Aussage enthält ein Doppeltes: TtxVCX TOÜ &eoü und mvcx TOÜ 8LCXß6AOU, vom ersten spricht V 9, vom zweiten V lOb. a Positiv wird die Teufelskindschaft in Joh 8, 41fT von den sündigen Begierden und Taten der Beschuldigten abgeleitet. Diese moralische Ableitung steht hier sogar in bewußtem Kontrast zur physischen Abstammung von Abraham, auf die sich die Gesprächsgegner berufen (8, 39). 1
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1 Joh 3, 10
folgern, daß auch die Gotteskindschaft nur moralischer Natur sei. In diesem polemischen Vers hat der Verf. nur im Sinn, die beiden konträren Gruppen mit prägnanten Ausdrücken zu belegen. Die Zweiteilung der Menschen in Fromme und Gottlose ist dem Spätjudentum durchaus geläufig. Jub 15,26ff stellt die unbeschnittenen "Kinder des Verderbens" oder "Söhne Beliars" (V 33) den "Kindern des Bundes, den Gott mit Abraham schloß", gegenüber. In ApkAbr 13f will ein unreiner Vogel, Azazel, "die Gottlosigkeit", Abraham verführen; aber der Engel Gottes vertreibt ihn und spricht zu ihm: "Weil du die Erde auserwählt und zur Wohnung deiner Unreinheit bevorzugt hast, machte dich der ewig starke Herr zu einem Erdbewohner und durch dich jeden Geist der Lüge und durch dich Zorn und Anfechtung für die Geschlechter der Gottlosen" (13, 10). Nach TestXII Dan 4,7 kann Gott oder Beliar über die Seele des Menschen herrschen, nach 5, 1 Gott oder Beliar in ihr wohnen. Der Teufel, der in vielen spätjüdischen Schriften unter mancherlei Namen als Gegenspieler Gottes, aber in strikter Unterordnung unter Gott auftritt " schafft sich unter den Menschen einen Anhang, der zahlenmäßig und machtpolitisch den Auserwählten, den Gottgetreuen (öfter = den frommen Juden) in dieser Welt überlegen ist'. Nicht wenige jener Schriften stammen aus Kreisen, die den Essenern und der Qumransekte nahestehen oder verwandt sind. In den Texten vom Toten Meer tritt der Gegensatz zwischen Gottes- und Teufelskindern am stärksten hervor, wenn auch der Ausdruck "Gottessöhne" für die gottgehörigen Menschen vermieden, (bisher) jedenfalls nicht nachgewiesen ist und die entgegengesetzte, Gott zuwiderhandelnde Menschheit ebenfalls nur durch ihre Verfallenheit an den Bereich der Sünde und Bosheit, an Belial und seine Scharen, nicht aber durch eine Abstammung vom Teufel gekennzeichnet ist. Die Angehörigen der Qumrangemeinde nennen sich "Auserwählte", "Söhne des Lichts", "Menschen des Loses Gottes" u. ä. und scheiden sich streng von den Söhnen der "Finsternis", "Menschen des Loses Belials" 8, durch äußere Absonderung und innere Ablehnung. Der so entstehende religiös-ethische Dualismus erinnert an die joh. Gegenüberstellung von Gottes- und Teufelskindern. Der Verf. von 1 Joh dürfte von diesem jüdischen Vorstellungskreis nicht unbeeinflußt sein; das bald darauf angeführte Beispiel aus dem AT (Kain V 12) spricht auch dafür. Unter dem Leitstern der Zeugung aus Gott gewinnt die joh. Sprache aber eine größere Schärfe und Durchschlagskraft. Die letzte Wendung j(otl 0 (J.~ &yot7tWV K'rA. sagt konkret, worin für den Verf. das Versagen der Teufelskinder und die Bewährung der GottesVgl. BOUSSET-GRESSMANN, Rel. des Jud. 332fT; VOLZ, Eschatol. 851; 2861; BONSIRVEN, JudaIsme I, 244fT. • Vgl. bes. Weish 2,231; Jub 1O,8fT; 11,5; 19,28; ApkAbr 13, 7fT; 14, 5fT; 21,2; 22,6; TestXII passim, bes. Rub 4,11; Sim 5, 3; Lev 19, 1; Iss 6, 1; 7,7; Naph 2, 6; 3, 1; As 1,8; 3,2; Jos 20, 2; Benj 3, 3f; 7, 1; Henaeth 8; 53fT; 69. B Vgl. Exk. 6 am Ende.
1
15 Schnackenburg, Johannesbriefe
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1 Joh 3, 11-20
kinder besteht. Sie gibt sich deutlich als Überleitung zu dem folgenden Abschnitt zu erkennen, der das Thema der Bruderliebe ex professo behandelt. 2. üBEN DER BRUDERLIEBE (1 Joh 3, 11-20)
11 Denn dies isl die Bolschafl, die ihr von Anfang an gehörl habl: Wir sollen einander lieben. 12 Ganz anders als Kain (, der) vom Bösen slammle und seinen Bruder hinschlachlete. Und aus welchem Grunde hat er ihn hingeschlachtet? Weil seine Werke böse, die seines Bruders dagegen rechtschaffen waren. 13 Wundert euch nicht, Brüder, wenn die Welt euch haßt. 14 Wir wissen, daß wir aus dem Tode(sbereich) in den Leben(sbereich) umgesiedelt sind, da wir die Brüder lieben; wer nicht liebt, bleibt im Tode(sbereich). 15 Jeder, der seinen Bruder haßt, ist ein Menschenmörder, und ihr wißt, daß kein Menschenmörder ewiges (göttliches) Leben bleibend in sich hat. 16 Daran haben wir das, was (wahre) Liebe isl, erkannt, daß jener sein Leben für uns geopfert hai; auch wir sind verpflichtet, für die Brüder das Leben zu opfern. 17 Jeder, der irdisches Vermögen besitzt, seinen Bruder Nol leiden siehJ und (gleichwohl) sein Inneres vor ihm verschließt - wie kann in ihm die göttliche Liebe bleiben? 18 Kindlein, laßI uns nichl mit Worl und Zunge lieben, sondern in wirklicher Tal! 19 Daran werden wir erkennen, daß wir aus der Wahrheit sind, und so werden wir unser Herz vor ihm beschwichtigen 20 über alles, weswegen uns das Herz etwa verurteilt; denn Gott ist größer als unser Herz und weiß alles. Wie schon im ersten Hauptteil das Gebot der Bruderliebe 2, 7-11 die allgemeine Forderung, Gottes Gebote zu halten (2,3-6), konkretisierte, so wird jetzt das Tun der Gerechtigkeit (3,4-10) speziell auf die Bruderliebe angewendet und an ihr veranschaulicht. Die Sünde, die das Wesen der gottfernen Welt am deutlichsten aufdeckt und am furchtbarsten charakterisiert, ist der Haß, der den Mord gebiert. Zugleich zeigen VV 16-18, wie sich der Verf. praktisch die Tatbewährung (VV 7-8. 9-10) denkt. Der ungnostische Zug seiner Botschaft oder die Umschmelzung gnostischer Geisteshaltung ins Christliche kommt nirgends stärker 2;um Ausdruck. Falls er in Begriffs- und Vorstellungswelt der Hinneigung seiner Zeit zur Gnosis Rechnung trägt, hat er dieser Verführerin doch alles süße gefährliche Gift genommen. Der Abschnitt ist ein Kabinettstück über Bedeutung, Wesen und Lohn tätiger christlicher Liebe.
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1 Joh 3, 11-12
a) Die Botschaft der Bruderliebe. Sie enlhülll wie bei Kain und Abel das Gute und Böse im Menschen (3,11-12)
3,11 Mit derselben Redewendung wie in 1,5 - das /S'\"L verbindet mit den Schlußworten von V 10, leitet aber einen Hauptsatz ein 1 - , also init einer gewissen nachdrücklichen Feierlichkeit beginnt der Verf. dieses ihm so wichtige Thema. Dabei nimmt aber &yye:i..[oc 2 wegen des tvoc-Satzes die Bedeutung "Gebot" an; dieses Mandatum Christi rechnet der Autor zur wesentlichen Christusbotschaft, wie anderseits der Glaube an den Namen Christi als Gebot erscheint (3,23). Wie schon 2,7 fügt er hinzu, daß seine Leser dieses Gebot von Anfang (ihrer Bekanntschaft mit dem Christentum) an gehört haben, und brandmarkt so alle Verna:chlässigung dieser Botschaft als verderbliche Neuerung. "Einander zu lieben" a ist nichts anderes, als "den Bruder (oder die Brüder) zu lieben" (V lOb. 14. 16b. 17). Damit wird die allgemeine Nächstenliebe nicht auf eine cliquenhafte Bruderliebe verengt, wie ein Rückschluß aus VV 13-15 ergibt: Der Haß der Welt richtet sich gegen solche, die sie eigentlich als ihre Brüder betrachten müßten (6 ILLa(;)v TOV &8e:i..cp6v V 15), und ihre Tötung und Hinschlachtung von Menschen (das sind konkret die Christen) wird so zum Brudermord wie bei Kain (V 12). Umgekehrt wird die Liebe der Christen grundsätzlich vor der feindlichen Welt nicht haltmachen '. "Joh denkt bei seiner Forderung der Bruderliebe an die christlichen Brüder, aber so, daß die anderen nicht ausgeschlossen, 'sondern eingeschlossen sind" (Büchsei). 3, 12 Als abschreckendes Beispiel - das ein7
= denn, BLAss-DEBR § 456, 1; BAuERWb 1168 s. v. 3, b. • Da auch ciYYEA!~ einen guten Sinn ergibt, ist es nicht nötig, die LA E_YYEA[~ MCP 'f" 1739 al. syh sacodd bo Did. Luc. anzunehmen. (Dieselben Hss lesen z. T. so auch in 1,5.) Im NT heißt E7t~YYEA[~ nie .. Befehl", wie es vielleicht in profaner Lit. vorkommt; vg!. Polyb. IX, 38, 2 und LIDDELL-ScoTT 602 S. v. 2, wo die Vokabel als juristischer Terminus belegt ist. • Rabbinische Parallelen s. bei SCHLATTER, Ev. Joh. 289 (zu Joh 13,34). , Vg!. JUSTIN, Dia!. 96, 2: or~ (den Heiden) -IJ!LCi~ d!7t~CJL ASy0IL"', IITL 'A3EAcpol -IJ!Liiiv ECJTE; TERTuLLIAN, Apo!. 39,8: Fratres autem etiam vestri sumus iure naturae matris' unius, etsi vos parum homines, quia mali fratres. • Dazu gibt es wenigstens eine spätjüdische Parallele, nämlich ApkAbr 24,5: .. Kain, der durch den Widersacher Ungesetzliches verübt hat." 1 aTL
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1 Joh 3, 13
seines Bruders. Dieser krasse Ausdruck 1 könnte sich daraus erklären, daß der Verf. auf die brutale Tötung der Christen in den ersten blutigen Verfolgungen, namentlich der domitianischen (Apk!), hinblickt. Jedenfalls wird für ihn so das wahre Gesicht der "Welt" (V 13) und die haßerfüllte Fratze des alten Gottesfeindes, des "Bösen", erkennbar. Diese Deutung der Kainstat ins Teuflisch-Unmenschliche geht mit der Beurteilung der Judastat im Joh-Ev konform (vgl. 13,2.27). Nach dem Grunde dieser Bosheit fragt der Verf. noch eigens und erteilt die Antwort: "weil seine Werke schlecht waren". Diese moralische Begründung gibt das Joh-Ev auch für den Unglauben (3,19) und den Haß (7,7) gegenüber Jesus. Wenn der Verf. hinzufügt: "die (Werke) seines Bruders aber waren gerecht", dann will er damit nicht den psychologischen Werdeprozeß der Kainstat erhellen (vgl. BüchseI), vielmehr den objektiven Grund dieses ersten Mordes aufdecken. Kain kam zu seiner Tat wegen seiner moralischen Defekte - die dritte vom Verf. dem ntl. Bericht hinzugefügte Behauptung - , und diese rissen eine Kluft zu dem "gerechten" Abel" auf. Die Aussagen über die Gottes- und Teufelskinder (V 10) führt dieser kurze christliche Midrasch 3 insofern weiter, als er die Sündhaftigkeit nicht nur als Kennzeichen (epor.ve:p& V 10), sondern auch als Wurzel der Teufelskindschaft ausgibt. b) Wesen und Wirkung des Hasses. Er slehl dem Mord gleich und raubl das ewige Leben (3, 13-15)
3, 13 Das Paradigma von Kain und Abel beeintlußt noch die folgende Darstellung, besonders deutlich in V 15; aber der Blick wendet sich ganz der christlichen Situation zu, und dei' Verf. entwickelt selbständig das Wesen von Haß und Liebe'. Der Seitenblick, den er auf den alten biblischen Bericht wirft, gilt Kain als dem Typ des Hassenden. Schwerlich will er in V 13 das Schicksal seiner Leser mit dem Schicksal Abels vergleichen; denn nach V 14 sind die Christen gerade umgekehrt wie Abel zum Leben gelangt. Vielmehr will er zeigen, daß Haß zum Wesen des "Kosmos" gehört und zum ewigen Tode führt. Der Haß, wie er schon in Kain aufstieg und zur Mordtat drängte, ist ein Charakteristikum der gott1 Vgl. Ri 12,6; 1 Sm 15,33; 1 Makk 1, 2 u. ö.; Apk 6,4.9; 18,24. Der Opferbegrill C1iplinEL'i (vgl. Gn 22,10; Lv 1, 5.11 u. ö.; Apk 5,6.9.12; 13,8) liegt nicht vor. • Dieses Prädikat für Abel auch Mt 23, 35; Hebr 11, 4 im Anschluß an die spät jüdischrabbinische Tradition (noch nicht in Gn 4, 31l- gegen CHAINE), vgl. K. G. KUHN in: ThWb 1, S. 6, 81l. Die mandäische Gestalt des Hibil-Ziwä trägt ganz andere Züge (gegen LOHMEYER in: ZntW 27 [1928]242 Anm. 2), er ist der himmlische Gesandte. • Die jüdische Auslegung macht Kain u. a. zum Typ des Ungläubigen, vgl. Targ Ps. Jon. zu Gn 4, 7; des Empörers gegen Gott, vgl. PHILO, post. 38t; migr. 74f; des Egoisten und Habsüchtigen, vgl. PHILO, deter. 78; FL. JOSEPHUS, a I, 60l. Aus diesem reichen Auslegungsschatz kann die urchristliche Exegese (vgl. Hebr 11,4; Jud 11) je nach Bedarf schöpfen. Die nächste ParelIeIe ist TestXII Benj 7,5 (Neid und Bruderhaß). • Der Versuch E. LOHMEYERS, in: ZntW 27 (1928) 2421l, den ganzen Abschnitt 3,11-24 von dieser Folie her zu begreifen, kann nicht überzeugeI)..
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1 Joh 3, 14
feindlichen "Welt", und darum sollen sich die Leser, die der Verf. gerade hier sehr passend mit "Brüder" anredet (das einzige Mal in 1 Joh), nicht darüber wundern, daß auch sie Haß von ihr erfahren. Der x6afLoc; - hier anders als in 2, 15 - ist die ungläubige und gottfeindliche Menschenwelt, deren Ablehnung und Verfolgung sich zunächst gegen den Gottgesandten richtete, aber sich nach der Ankündigung des joh. Jesus ebenso auf seine Jünger erstrecken sollte (Joh 15, 18f; 17, 14). Der Gedanke, der in 1 Joh nicht weiter ausgeführt wird, weist mit aller Deutlichkeit auf das Ev zurück. 3,14 V 14 entwickelt den Gegensatz zwischen gottferner Welt und christlicher Gemeinde (~fL€LC;) weiter, aber nicht, um den Haß der "Welt" zu begründen (wie Joh 15, 19; 17, 14), sondern um zu zeigen, wohin der Haß führt. Der Blick auf die in den Lebensbereich Gottes gelangte Gemeinde enthüllt nur den lichten Hintergrund, von dem sich das Schicksal der Hassenden um so schauerlicher abhebt. Was die Christen betrifft (~fLELC; hervorgehoben), so gehören sie in den Lebenskreis Gottes - was aber den Hasser .betrifft, so gilt: Er steht noch unter der Gewalt des Todes. Der zweite 5'n-Satz in V 14a gibt dabei (wie in 3, 2) den Erkenntnisgrund an. Sonst entstünde die unjoh. Anschauung, daß man durch die Liebe zum Leben gelangen könne. Der Weg zum Lebensbereich Gottes führt über Glauben und Gotteszeugung (Taufe), vgl. Joh 1, 12f; 3, 15f; 5,24 u. ö. Die Liebe ist das Erkennungszeichen der Gottgezeugten (1 Joh 3, 10; 4, 7). Or31ltfLEV ist stärker als ytvWaxofLEV. Wir leben im Bewußtsein, daß wir das Gottesleben besitzen (vgl. 5, 13). Das Bild vom Umsiedeln aus einem Haus (oder Gebiet) in ein anderes' trennt aufs schärfste die beiden Bereiche des Todes und des Lebens. Das Perfekt fLE't"IltßEß~XlltfLEV drückt die Endgültigkeit dieses Heilsschrittes aus. Die Gegenwärtigkeit und Aktualität der Scheidung von "Welt" und Christen folgt aus dem Präsens &.yllt7tWfLEV und dem Plural &.3EACjlOUC;, der an die einzelnen konkreten Brüder denken läßt (vgl. 3 Joh 5); sonst steht in 1 Joh immer der kollektive Singular'. Die Unseligkeit des Nichtliebenden besteht in der Verhaftung (fLeVEL) an die Todessphäre. Was er sonst auch behaupten mag (vgl. V 6b), über seinen grundlegenden Heilsstand täuscht er sich. Er ist wie der Nichtglaubende ein Ungehorsamer, auf dem der Zorn Gottes lasten bleibt (Joh 3, 36). Gott hat ihn in seinen rettenden Lebenskreis noch gar nicht aufgenommen 3. • Vgl. Lk 10,7; Joh 13, 1; MartPol 6, 1; MOULTON-MILLIGAN 401 S. v. zit. P. Tebt. 11, 316,20; DITTENBERGER, Or. 458, 7. Vgl. BAuERWb 1009 s. v.; J. SCHNEIDER in: ThWb 1, S. 521. • Die Anfügung von 7)fLOOV in einigen Hss ist unerheblich; dagegen würde der Zusatz 't"ov ci8eA!p6v (+ IX'JTOU) cp ft pm. sy sa in V 14 b die besondere Nuance des vorherstehenden Plurals hervorheben; doch ist er gegenüber B M A 33323 1739 al. h q Vg bo arm Did. Luc. Aug. zu schwach bezeugt und beeinträchtigt die Absolutheit der Aussage (vgl. 4, 7b). • Vgl. zu dieser Vorstellung F. MUSSNER a. a. O. 96-98.
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1 Joh 3, 15-16
3,15 Zu demselben Urteil, daß der Hassende vom Leben Gottes ausgeschlossen ist, führt noch eine andere Überlegung. Der Hassende begeht eine der furchtbarsten Sünden; denn der Haß kommt dem Morde gleich. Bei dem Ausdruck "Menschenmörder" muß jeder Leser an den soeben erwähnten Kain denken, der seinen Bruder hinschlachtete (V 12). Die Beziehung auf Satan (Joh 8,44 - so Chaine), der nach V 12 freilich auch hinter der Kainstat zu stehen schien, liegt hier fern, da der Verf. von diesem Gotteshasser und Menschenneider kaum gesagt hätte: "wer seinen Bruder haßt". Im Hinblick auf Kain urteilt der Verf. nun: Jeder Hassende ist im Grunde dasselbe wie dieser wirkliche Menschenrnörder - ein Satz, der an das Urteil Jesu in der Bergpredigt erinnert (Mt 5, 21 f) 1. Der Gedanke begegnet auch mehrfach im Spät judentum, so in dem schönen Wort TestXII Gad 4, 6f: "Wie die Liebe selbst die Toten lebendig machen und die dem Tod Geweihten zurückrufen will, so möchte der Haß die Lebendigen töten und die kleinen Sünder nicht am Leben lassen; denn der Geist des Hasses wirkt in allem durch Engherzigkeit mit dem Satan zusammen zum Tod der Menschen.'" Für den Verf. von 1 Joh ist dieser Gedanke Voraussetzung für den Schluß V 15b. Der alte Grundsatz, daß der Mörder sein (physisches) Leben verwirkt hat (Gn 9, 6), wird hier auf das geistig-übernatürliche Leben angewendets. Das prädikative p.t'JouO"oc'J darf man demnach nicht pressen. Es ist die Meinung des Verf., daß ein Hassender ewiges göttliches Leben (beachte das Fehlen des Artikels bei ~cu~'J) überhaupt nicht besitze, daß er im Todesbereich geblieben sei (V 14b); sollte er aber Menschen ins Auge fassen, die durch den Haß des göttlichen Lebens wieder verlustig gehen, so denkt er dabei schwerlich an seine Leser (das ergäbe eine Härte zu V 14), vielmehr (vgl. das auch sonst die Irrlehrer treffende 7tii~) an die Gegner.
c) Das Wesen der Bruderliebe. Sie äußert sich nach dem Beispiel Christi in der Tat (3,16-18) 3, 16 Nach dem erschreckenden Blick in die Abgründe des Hasses will der Verf. nun sein positives Urteil über das Wesen und die Wirkweise der Liebe abgeben. Er gewinnt den Maßstab dazu am Beispiel des Gottessohnes. Daß Jesus sein Leben für uns eingesetzt und hingegeben' hat, 1 Die sachliche Berührung besteht darin, daß die Gesinnung der äußeren Tat gleichgewertet wird; doch ist die Tendenz des Herrnwortes nach 5,20 (Trept<J<Jeu"7l) und ebenso sein Inhalt (Zorn, Beschimpfung) etwas anderes. • Vgl. noch die rabbinischen Aussprüche bei BILLERBECK I, 365 u. 367. • Der Verf. wollte offenbar den Allgemeinsatz anführen: "Ihr wißt, daß kein Menschenmörder das Leben behält", überträgt ihn aber sogleich auf das übernatürliche göttliche Leben. Derselbe fließende Übergang von natürlichem und übernatürlichem (ewigem) Leben und Tod in Joh 11, 25f; vgl. 5,24-29. • Tijv ljiU)(ijv &ei:vlXt sagt Joh regelmäßig (dagegen Mk 10,45 = Mt 20,28 't". Iji. 80ÜVIXt), obwohl rabbin. lJ:l1 entspricht, vgl. SCHLATTER, Sprache 103. Für das Hirtenbild Joh 10, 11. 15 stellt BULTMANN, Joh. 282 Anm. 2, fest, daß die Bedeutung "aufs Spiel
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I Joh 3, 17
veranschaulicht am besten das Wesen echter Liebe (TIjv ocyrk7nJV) 1. Christus, der schon lange nicht genannt wurde (V 7f), wird wieder mit EXe:i:VO~ eingeführt. Sein Beispiel zeigt, daß sich echte Liebe sowohl in der Tat wie in einem außergewöhnlichen Maß e äußert. Das Maß der Lebenshingabe hat eine besondere Pointe in der Gegenüberstellung mit Kain: der Hassende raubt das Leben anderer, der Liebende gibt es für die anderen hin. Die Formulierung weist deutlich auf die Worte vom guten Hirten zurück (Joh 10, 11 b. 15b. 17. 18). 'l7tep ~ILWV wird man unter diesem Bild zunächst mit "zugunsten, zum Besten von uns" übersetzen (vgl. Joh 10, 11b. 15b). Aber nach der vollbrachten Liebestat Christi ist sich die christliche Gemeinde auch bewußt, daß diese Lebenshingabe des Gottessohnes ein stellvertretendes Sühnopfer für ihre und der ganzen Welt Sünden war (1 Joh 2,2; 4,10.14; vgl. Joh 6,51; 17,19 - Opfersprache). Neben dem Hirtenbild bildet das Wort vom höchsten Freundschaftsdienst Joh 15, 13 die Folie für 1 Joh 3, 16a. Mit der stilistisch eigentümlichen Wendung ÖCPe:(AOILEV 2 verlangt der Verf., daß diese von Jesus in der Tat bewiesene Liebe auch zum Maßstab der christlichen Bruderliebe werde. Dies ist eine Forderung, die Jesus nicht ausdrücklich ausgesprochen hat, die aber der Verf. aus Jesu Gebot folgert, einander zu lieben, "wie ich euch geliebt habe" (Joh 15, 12; vgl. 13,34). 3, 17 Auf die Tat der Liebe legt der Verf. allen Nachdruck. Darum fügt er noch ein zweites Beispiel an, das die Möglichkeit solcher Liebestat in den konkreten Verhältnissen seiner Gemeinden aufzeigt. Die Lebenshingabe bleibt ein Sonderfall; aber die Weitergabe irdischen Gutes an notleidende Brüder tritt oft als gebieterische Forderung an den Christen heran. mo~ heißt hier wie schon 2, 16 (und Mk 12,44 = Lk 21, 4; Lk 15, 12. 30) "Lebensunterhalt, Besitz"; TOU x6GILOU wird hinzugefügt sein, um ihn im Sinne von 2, 16f als vergänglich zu bezeichnen S. Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10,30-37), das ebenfalls eine Tat- und Soforthilfe schildert, will vornehmlich auf das Objekt aufmerksam machen, das unsere helfende Liebe beanspruchen darf: das ist jeder Notleidende, dem wir begegnen, und sei es ein Fremder und Volksfeind. 1 Joh3, 17 steht in der Erörterung der Bruderliebe; das Liebesgebot soll dadurch nicht eingeengt werden, nur die Blickrichtung ist eine andere. Als Ansporn für die Tat der Liebe rechnet der Verf. mit Regungen des Mitleids und Erbarmens (G7tMrxvrx)' und sieht schwere Schuld darin, das setzen" angemessen ist. In 1 Joh 3,16 ist aber die wirkliche Lebenshingabe mitzuhören, wie auch Joh 10, 17. 18; 13, 37f; 15, 13. Vgl. schon SPITTA in: ZntW 10 (1909) 78. 1 Also nicht wie h Vg caritatem Dei, vielmehr absolut zur Wesensbezeichnung wie 4,7. 10. 18. • Siehe zu 2, 6 (ferner 4,11; 3 Joh 8); auch im Ev beim Paradigma der Fußwaschung 13,14. 3 Rabbinische Parallele bei SCHLATTER, Sprache 149. • Aus atl. Ausdrucksweise herzuleiten, vgl. Gn 43,30; Jer 31,20; Spr 12,10; Sir 30, 7; im NT vgl. Lk 1,78; Kol 3, 12; Phi! 2, 1; ahnliche Ausdrücke Dt 15,7; Jak 2, 15f;
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1 Joh 3, 17
Innere, in dem sich dieses Gefühl regt, vor dem Notleidenden zu "verschließen". Unser Schreiben hat an psychologischen Vorgängen an sich wenig Interesse, geht an ihnen aber auch nicht ganz achtlos vorbei'. Wenn man die Regungen der G1tA&:.yXVrx. nicht rein menschlich, sondern als Anregungen Gottes im Menschen betrachtet, wird der abschließende Fragesatz innerlich verständlicher. Anakoluthisch angeschlossen, verneint er in nachdenklicher Frageform, daß in einem Christen, der seinen notleidenden Bruder von der Schwelle seines Herzens fortweist, die &.y&:.1t'Yj -S-o:oü bleibe. Der Genitiv ist am besten als näher bestimmender Gen. qualitatis, als Ersatz für das im NT ungebräuchliche Adjektiv -S-o:~oc; zu betrachten I. Die göttliche Wesensart der Liebe äußert sich im Menschen in Gottes- und Bruderliebe; in einem Herzen, das die Regung der erbarmenden Bruderliebe unterdrückt, kann folglich diese göttliche Wesensart nicht wohnen. "Wer die Liebe übt, besitzt diese Gottesliebe immanent in sich wie eine lebendige Gewalt und ein Prinzip des Handeins" (Bonsirven). Die Forderung, vom eigenen Besitz Notleidenden abzugeben, bleibt im Urchristentum nach den kräftigen Mahnungen Jesu (Lk 6,38; 12,33; Mk 10,21 u. a.) auch über die von heroischem Liebesgeist erfaßte Urgemeinde von Jerusalem (Apg 2,44f; 4,32) hinaus wach (Jak 2, 15f; 1 Joh 3, 17). Das vom Judentum als hervorragendes Werk der Gesetzesgerechtigkeit geschätzte "Almosengeben" 3 wurde so übernommen (vgl. Apg 3, 2ff), verinnerlicht (Mt 6, 2ff) und im Sinne "orbehaltloser Jesusnachfolge radikalisiert (Mk 10,21 par). Eine bedeutsame Rolle spielt das Almosengeben auch bei den Mandäern '. An 1 Joh 3, 17 erinnert Ginza 188, 31 ff, wonach jene nicht zum Lichtort emporsteigen können, "die den Armen und Notleidenden von ihrer Pforte wegstoßen und kein Almosen geben". Daß dies nicht nur äußere Übung sein soll, zeigt Ginza 284, 5f, wo neben dem "Glauben an das gewaltige, erste Leben" auch "mit den NotleidendenMitgefühl und Erbarmen" verlangt wird. Nach dem Johannesbuch der Mandäer 101,24 ist Almosengeben mehr wert als Weib und Kind. Doch scheint eine gesteigerte Armenpflege auch in anderen religiösen Gruppen geübt worden zu sein, wie z. B. in der "Gemeinde des Neuen Bundes in Damaskus" 5.
TestXII Zab 7,2--4; 8, 1~3. VgI. P. DHORME, L'emploi metaphorique des noms de parties du corps en Hebreu et en Akkadien. Les entrailles, in: RB 31 (1922) 514-517. 1 VgI. 3, 19f; 4, 17f. I 0ErO~ nur, oIYenbar unter hellenistischem Einfluß, Apg 17, 29; 2 Petr 1,3.4. Lehrreich der Vergleich mit TextXII Gad 5, 2: lI1t(il~ e~':'O""l)-re -ro !l-rao~ -ro 8LCXßOALXOV xcx! xOAAYj&lj-re -r7i ,xy,x1t"fl -roü &eoü. Die meisten Exegeten treten für den Gen. obi. ein, BÜCHSEL dagegen für den Gen. subi.; aber sein Argument, daß von der Liebe zu Gott im ganzen Zusammenhang nicht die Rede sei, triIYt auch seine Erklärung. Ähnlich wie im Text erklärt BONSIRVEN. • VgI. Mt 6, 2IY; Mk 12, 41IY; 14,5; Apg 10,2; 24, 17; BILLERBECK IV, 551IY. • Vgl. die Indices bei LIDZBARSKI. • Vgl. Damask XIV, 14-16. VgI. auch H. BOLKESTEIN, Wohltätigkeit und Armenpflege im vorchristlichen Altertum (Utrecht 1939).
200
1 Joh 3, 18-20
3, 18 Mit der erneuten liebevollen Anrede TeKIILIX (vgl. 2, 1) und einer eindringlichen Mahnung (vgl. 2,28) bringt der Verf. seine Ausführung zum Abschluß. Er zieht darin das Fazit aus seiner Darlegung, was die Liebe ihrem Wesensgehalt nach (V 16) ist: selbstloser Dienst am Bruder bis zum Äußersten (V 16), Erfüllung durch die Tat, praktisch vor allem Mitteilen vom eigenen Besitz (V 17). Mit der Warnung vor bloßen schönen Worten dürfte der Verf. wieder den Gnostikern einen Hieb versetzen, denen es an Zungenfertigkeit nicht fehlte (vgl. 2, 4. 6. 9), die aber die Taten der Liebe vermissen ließen. 'Eil ciAll&eEqtl verstärkt ~II ~py entsprechend der Doppelformel in V 18a. Eine vergleichbare Parallele zu diesem kräftigen Spruch bietet neben Jak 1,25; 2,12.15-17 auch TestXII Gad 6, 1 &YIX7djalX'rt ciAA~AO\)C:; ~II ~py KlXt A6y KlXt 8tIXIIOLqt IjI\)X~c:;. Der ungnostischen Art des joh. Christentums wird mit diesem Vers ein unübersehbares Wahrzeichen errichtet und seiner "Mystik", sofern man sein Streben nach Gottesgemeinschaft als solche bezeichnen will, eine kräftige, hausbackene Beikost gegeben. d) Eine Frucht der Bruderliebe: Sie verleiht ein ruhiges Herz vor Golt
(3,19-20) 3, 19-20 Rückblickend (~II TOOT
!8(1X~ xlXp8(1X~.
201
1 Joh 3, 19-20
aber ist der lange Satz eine crux interpretum, und manche Erklärer meinen ihn nicht ohne Annahme einer Textkorruption erklären zu können 1. Aber ein Versuch mit dem bestüberlieferten Text muß gewagt werden. Mit dieser Frage hängt auch die nach der grammatischen Konstruktion zusammen. Hier ist zwischen zwei Auffassungen, die sorgfältig entwickelt worden sind, eine Entscheidung zu fällen: 1. Die eine versteht 7re(O'O!lEV in dem gebräuchlichen Sinn von "überreden, überzeugen" und macht davon einen öTI-Satz abhängig, sieht sich aber sofort der Schwierigkeit gegenüber, daß in den besten Handschriften zwei IST! - vor Mv und vor !le(~",v - bezeugt sind. Da die Weglassung des zweiten ÖTt in einzelnen Handschriften • sich deutlich als spätere Vereinfachung zu erkennen gibt, an seiner Ursprünglichkeit also nicht zu zweifeln ist, erklärt man das zweite ÖT! als Wiederholung nach dem Konditionalsatz. Praktisch ist es dann zu ignorieren - ein Verfahren, zu dem sich auch die Vg und die meisten anderen Versionen (außer sy) entschlossen haben. 2. Die andere Auffassung versteht 7rdO'0!lEV als "beschwichtigen" und belegt diese Bedeutung mit genügend Materials. Dann verbindet sie damit eng das Sätzchen ISTt Mv; dabei gilt das erste Wort als Neutrum von ÖO'T!~ und Mv = liv, eine in der Koine häufige Erscheinung'. "Wir beschwichtigen unser Herz (in bezug auf alles), was das Herz gegen uns vorbringt." Der zweite Iht-Satz ist dann regulärer Kausalsatz. Die unleugbare Schwierigkeit der ersten Auffassung ist die Wiederholung des ÖTt, ein Sprachgebrauch, für den sich im joh. Schrifttum kein zweites Beispiel beibringen läßt. Im Gegenteil fühlt sich unser Verf. bei ähnlicher Konstruktion mit iht Mv in 3,2; 5,14 nicht bemüßigt, das ÖTt noch einmal zu setzen". So schließen wir uns der zweiten Auffassung an, daß 8 Tt Mv (= liv) ein verallgemeinernder Relativsatz mit konditionalem Charakter ist.
Gibt nun diese Textgestalt einen befriedigenden Sinn? Unsere geistige Situation wäre dann folgende: Aus der Liebe der Tat erkennen wir, daß die göttliche Wesensart, die wir in uns zu tragen glauben, keine Täuschung ist. Selbst wenn uns unser Gewissen immer wieder beunruhigt, indem es uns 6 verurteilt, können und werden wir es im Angesichte Gottes 7 HOLTZMANN, WINDISCH, BAuERWb 1268 s. v. 7rd'&etv 1, d; vgl. BULTMANN, Theol. 434 Anm. 1. • A 33 218436 642808 h q Vg bo arm Aug. 3 Vgl. 2 Makk 4,45; Mt 28, 14; XENOPHON, Hell. 1,7,7; Anab. III, 1,26; MartPol 10,2; BAuERWb 1268 s. v. 1, d. Vgl. auch die Bedeutung "bestechen" (ebd.). • BLAss-DEBR § 107 (weitere Beispiele im Anhang); RADERMACHER 203f. - So die Mehrzahl der Exegeten (außer CAMERLYNCK, BücHsEL); der doppelte Akkus. nach 7reUJoetv ist klassisch (vgl. CHAINE). • Gegen die grammatisch unanfechtbare zweite Auffassung erhebt BücHsEL aus dem Zusammenhang Einspruch: Es zerstöre die Parallele zwischen den bei den hypothetischen Satzgefügen in V 20 und V 21. Doch liegt überhaupt keine Antithese vor (vgl. Texterklärung), es sei denn, man verstehe alles nach dem zweiten ÖTt in sensu malo (vgl. weiter unten). • 'H!l&v ist nach seiner Stellung abhängig von K"'T"'YW6>O'K'{I. 7 wE!l7rPOO'.&ev, das in der Koine immer mehr 7rp6 verdrängt (MAYSER II, 2, 539), heißt ursprünglich streng lokal. "vor", bald aber auch (wie eV6>mov) - ähnlich dem hebr. ,~~? - im übertragenen Sinne "in Gegenwart von" (BLASS-DEBR § 214, 6). Zur theologischen Anschauung dieses "vor Jahwe" vgl. FR. NÖTscHER, "Das Angesicht 1
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1 Joh 3, 19-20
beschwichtigen. Daß wir über die Stimme unseres Herzens hinweggehen, dazu ermutigt uns die Tatsache, daß Gott größer ist als unser Herz und "alles weiß" 1. Daß "Gott größer ist als unser Herz", ist eine der großen theologischen Aussagen von 1 Joh, die Frohbotschaft von dem Gott der Gnade und Liebe (vgl. 3, 1; 4, 9f. 16), und jeder Versuch, diesen Satz von Gottes furchterregender Größe und richterlicher Strenge zu verstehen 2, bringt einen wesensfremden Zug in ein Schreiben, das sich um die Hebung des christlichen Errettungsbewußtseins (2,25; 3, 14; 5, 13. 19.20), die Überwindung der Verzagtheit und Furcht (2,12-14; 4,18), die Siegesgewißheit über die zerstörende Macht des Bösen (2, 13f; 4,4; 5,4) bemüht. Dieser Deus semper maior "weiß alles". So spricht auch der im Bewußtsein seiner Schuld unsichere Petrus zum auferstandenen Herrn (J oh 21, 17). II&v't"oc ist aus der weiten Perspektive dieser hohen theologischen Position gewählt, der Satz damit bewußt allgemein gefaßt. Der von seinem Gewissen verurteilte Christ hält sich nicht bloß entgegen, daß Gott auch die Taten seiner Liebe kennt, sondern stürzt sich in das Meer des allgütigen göttlichen Verstehens und Erbarmens. Damit gewinnt diese Betrachtung einen gewissen Abschluß und Höhepunkt, auf den schon das betont an den Anfang gestellte e![L7tPOcr&EV ocu't"oü hintendierte. Nur so versteht man den an sich überraschenden Gedankenschritt zu dem gegenteiligen Bedingungssatz von V 21. Er ist keine Antithese zu Mv xoc't"ocY~V6Jcrx?l V 20; denn die Folgesätze bringen eine im wesentlichen ähnliche, positive Aussage über unser Verhältnis zu Gott. Die neue Anrede macht auf ein kurzes Innehalten im Gedankenflug aufmerksam. Da das Herz, falls es uns verurteilt, durch den Blick auf Gott ruhig wird, hat selbst dieser Fall nichts Bedrohliches an sich. Der Verf. rechnet aber eher damit, daß unser Herz uns nicht verklagt. Diesen Gedanken bringt er in einem überleitenden Mv-Satz nicht gerade geschickt zur Geltung. Eine gewisse Härte bleibt, gibt aber schwerlich das Recht, hier eine Nahtstelle für Quellenscheidung zu erkennen 3. Gottes schauen" (WÜRZBURG 1924) 981T. Wenn ~[lrcpoO"~ev auch mit Vorzug das Stehen vor dem Richter beschreibt, so doch nicht stets, vgl. Mt 11,26; 18,14; Apg 10,4; 1 Thess 1,3; 3,9; TestXII Iss 3, 2. Dieser nichtforensische Sinn ist in 1 Joh 3, 19 geboten (vgl. BAuERWb 510 s. v. 2, b), da der gegenwärtige Verdammungsspruch des Herzens durch den Aufblick zu dem größeren Gott der Gnade zum Schweigen gebracht werden soll. Das Futur rcdao!,-ev ist durch den konditionalen Charakter des Sa tzes bedingt. 1 Dieses YLVwmce~, sprachlich vielleicht (statt ot8ev) Gegenstück zu K(xT(xY~\Iwmcn, hat einen vollen Klang: Gott versteht, begreift, weiß alles, er ist der Herzenskenner ; vgl. BAuERWb 320 s. v. 6. I Diese Erklärung vertraten u. a. AUGUSTINUS (PL 35, 2019-2021), BEDA (PL 93, 104) und ÜECUMENIUS (PG 119, 657). Ihre volle Schärfe erlangte sie erst durch Calvin. In neuerer Zeit wurde sie noch einmal vertreten durch WOHLENBERG in: Neue kirchI. Zeitschr. 13 (1902) 632-645. Zur Auseinandersetzung, besonders mit Calvin, s. BÜCHSEL z. St., zur Geschichte der Auslegung WOHLENBERG 640-645. 3 Diesbezügliche Bemerkungen vonR. BULTMANN, Analyse 150f, hat H. W. BEYER
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1 Joh 3, 21
Der Vers belegt nicht speziell den lutherischen Fiduzialglauben, der sich bei aller fortbestehenden Sündhaftigkeit an die vergebende Gnade Gottes hält. Vielmehr spricht er nur die tiefe, gemeinsame Erkenntnis aller wahrhaften homines religiosi aus, daß Gott der allzeit Größere an Wissen und Liebe ist, wenn das menschliche Herz in Angst und Not zusammenzubrechen droht. Es bleibt verhüllt, ob wirkliche Sünden oder nur ein subjektiv übersteigertes Schuldgefühl dem Herzen zu schaffen machen und ob, falls wirkliche Sünden gemeint sind, an lä.rcrer zurückliegende oder neu im Christenstand begangene gedacht ist. S~he an den Text herangetragene Fragen verdunkeln auch nur den Kern edanken, daß die echte, in der Tat geübte christliche Liebe aus allen solch inneren Nöten befreit und der Gemeinschaft mit Gott, "der alles weiß 5ewiß macht.
3. ABSCHLUSS DER MAHNREDE
Jo. 3, 21-24)
21 Geliebte, wenn das Herz nicht verurteilt, naben wir Freimut bei Goll, 22 und alles, was wir erbillen, empfangen wir von ihm, weil wir seine Gebote halten und das ihm Wohlgefällige tun. 23 Das (aber) ist sein Gebot : Wir sollen an den Namen seines Sohnes Jesus Christus glauben und einander lieben, wie er uns aufgetragen hat. 24 Wer seine Gebote häll, der bleibt in ihm (Goll), und er (Goll) bleibt in ihm; und daran erkennen wir, claß er in uns'bleibt: an dem Geiste, den er uns gegeben hat. a) Gebetserhörung ist dem sicher, der die Gebote erfüllt (3,21-22) 3, 21 Der Verf. schließt an die eben dargebotene Betrachtung nur locker an. Der Fall, daß das Herz uns verurteile, ist abgehandelt. "Wenn es nicht verurteilt" - das bezieht sich auf alle, nä.mlich auf "solche, in denen überhaupt keine Verdammung (des Herzens) vorlag und auf solche, in denen Beruhigung erlangt wurde trotz der Verdammung des Herzens" (Brooke) 1. "So haben wir Freimut bei Gott." IIotppYja(ot setzt ein freundschaftlichin einer Besprechung, ThLZ 54 (1929) 611f, aufgegriffen: die homiletische Paränese (V 21) verkenne die Tiefe des Vorlage textes (VV 19-20). Noch stärker tritt für eine solche Lösung H. PREISKER im Anh. zu Windischs Komm. 167 u. 169 ein: In Joh 3,191 liege "ein eschatologisches Offenbarungswort vor von der überwindung der Gewissensangst vor Gott und seinem Richterspruch". Zu seiner Berufung auf l!l-7tpoO"&ev vgl. S. 202, ~nm. 7. - Diese Versuche, die keinen klaren Vorlagetext rekonstruieren, "bleiben, wie die Bearbeitungshypothesen überhaupt, sehr problematisch. 1 Der kurze Text ohne ~!l-&v ist bei dem flüchtigen Rückblick auf das Vorangegangene der wahrscheinlichste. 'H!l-&v steht a) hinter Kotpa,ot in" C~ Vg sy Clem., dagegen nicht in BA 'Y 33323 1739 al. Orig. Aug., b) hinter KotTotYIVOOO"K1l in" A ~ pI. Vg sy, dagegen nicht in BC 441 Orig. Aug.
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I Joh 3, 22
nahes Verhältnis voraus l , das ein Recht auf freie Rede verleiht. Hier soll schwerlich das Recht betont werden; vielmehr meint der Verf. die innere Haltung des Beters vor Gott, Freimut und Zuversicht auf Erhörung. ITIXPPlJa(1X und Erhörungsgewißheit gehören hier wie 5, 14 eng zusammen I. 3,22 Die Gebetserhörung ist eine mehrfach wiederholte Verheißung des joh. Jesus für seine Jünger in den Abschiedsreden (Joh 14, l3f; 15,7; 16,23f. 26). Wenn auch diese Verheißungen in voller Harmonie mit der Zusicherung Jesu bei den Syn stehen (Mt 7, 7ff; 18, 19; Mk 11,24 par), so wird 1 Joh 3,22 doch speziell mit dem Herrnwort Joh 16,26f zu verbinden sein, daß der Vater selbst die Jünger Jesu liebt und ihnen nach der Heimkehr Jesu sein Ohr unmittelbar öffnet. Bei dieser Verheißung handelt es sichalso "um eine ,in Christo' herausgehobene Existenz des Menschen" (Peterson). Diese Zeit des unmittelbaren Gebetsverkehrs der Jünger Jesu mit dem Vater ist für den Verf. von 1 Joh zur Gegenwart und Wirklichkeit geworden (Präsentia I). Die christliche Erwartung der Gebetserhörung trägt, wenn man andere Texte vergleicht, ihr eigenes Gepräge, weil sie sich auf die Christus- und Gottesgemeinschart stützt. Daß der Gedanke der Gebetserhörung auch bei den Mandäern hervortritt·, nimmt bei ihrem reich entfalteten Gebets- und Kultusleben nic.ht wunder. Eine gewisse Verwandtschaft in der Frömmigkeitshaltung ist nicht zu verkennen; doch ist die Funktion des himmlischen "Gesandten", der die Gebete der Gläubigen unterstützt, eine andere als die Christi '. Mit dem begründenden Satz, der die treue Gebotserfüllung der Christen herausstellt, soll kaum eine Bedingung angedeutet werden, von der die Erhörung abhängig ist'. Vielmehr ist der Ton des ganzen Verses - ähnlich wie Joh 16,26 - auf die gegenseitige Liebe zwischen Gott und den Christen abgestimmt. Aus Liebe gewährt der Vater denen, die an Jesus glauben und die Brüder lieben (vgl. V 23), das, was sie im Gebete erflehen. Er Vgl. E. PETERSON in der Festschrift f. R. Seeberg I (Leipzig 1929) 293; nach H. PREISKER, a. a. O. 167, soll der Begriff aus dem ursprünglichen eschatologischen Wortlaut stammen, der hinter VV 19-20 liege. • PETERSON, a. a. O. 296, bietet für ~a:ppljal« beim Gebet Beispiele aus östlichen Liturgien, er hAlt die lateinische übersetzung ßducia und conßdentia für unzulinglich. • Vgl. MandLit 66; 140; GINZA 260, 6f; 268, 1ft; 389, 27fT; 396, 22ft. • Vgl. GINZA 389, 29f: "Wer mein Gebet von der Tibil her betet, dessen Gebet bete ich vom Lichtort her." Das klingt zunächst an Joh 14, 13 an, ist aber gnostisch von der Läuterung der Seele, ihrllr Verihnlichung mit dem Prototyp des Gnostikers, eben jenem (historisch unfaßbaren) "Lichtboten" gemeint. Ein personales Verhiltnis· besteht weder zwischen dem Gliubigen und diesem "Gesandten" noch zwischen dem Gliubigen und dem "ersten Leben". Vgl. die Stücke 2--10 des XVI. Buches des Rechten Ginza, die überhaupt für die gnostische Geisteshaltung aufschlußreich sind (LlDzBARSKI 386). Ähnlich OdSa114. • Gegen WINDISCH, der den Ver!. von I Joh auf die Stufe einer nomistischen Frömmigkeit zurückverweist, die aber der Sänger der christlichen Liebe trotz des hiußgen "Gebotehaltens" hinter sich gelassen hat. 1
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1 Joh 3, 23
liebt sie, weil sie seine Gebote halten und - so wie Jesus Joh 8,29 das ihm- Wohlgefällige erfüllen. Das wird hier als Tatsache ausgesprochen - ein unbefangenes christliches Selbstbewußtsein, das schon in 2, 13f und in 3, 14 zum Vorschein kam und in Abhebung gegen die grundsätzlich verkehrte Haltung der Gnostiker verständlich ist, da in der rechtgläubigen Gemeinde zum mindesten ein ernsthaftes Streben nach der sittlichen Treue lebendig war. Wenn aber in den nächsten Versen doch wieder die Mahnung aufklingt, ist dies ein Fingerzeig, daß im Indikativ V 22 ein Imperativ mitgesprochen ist. V -22b soll offenbar zur Abschlußmahnung überleiten. Die pleonastische Ausdrucksweise "Gebote. halten" und "das (vor) ihm Wohlgefällige tun" 1 verrät das Bestreben, das Wesentliche der Mahnrede nochmals hervorzuheben. b) Goltes Gebol kann zusammengefaßl werden in Chrislusglaube und Bruderliebe (3,23)
3, 23 Sprachlich schließt der Verf. an 't"IX';; tV't"OAOC';; 1X,)'t"OÜ '"lpou{Le:v V 22 an und nennt jetzt als das entscheidende, alles zusammenfassende Gebot Gottes (IXÖ't"OU) das des Christusglaubens und der Bruderliebe. Er will damit deutlich eine Zusammenfassung dieser ganzen Mahnrede (2, 18 bis 3, 20) geben. Grundforderung ist ihm der wahre Christusglaube. Damit fällt in unserem Brief zum etstenmal ausdrücklich der im Joh-Ev so zentrale Begriff des Glaubens, der aber schon aus den Bekenntnissätzen 2,22f herauszuhören war. Der joh. Glaube besteht wesentlich in der Anerkennung Jesu als des Gottgesandten, des Messias und Gottessohnes, sprachlich meist durch- el.;; m. Akk. oder einen 6't"L-Satz wiedergegeben". Im Ev ist für das tatsächliche Zustandekommen des Glaubens auch das persönliche Vertrauen und die Bindung an die Person Jesu bedeutungsvoll; aber schon dort ist unverkennbar, daß der Kern der geforderten Haltung in der uneingeschränkten Anerkennung dessen liegt, was Jesus in mannigfachen Selbstaussagen zu sein behauptet, ver1 "Das Gottwohlgefällige tun" (im NT meist EMpEa't"o~) ist ein jüdisches und christliches Motiv des Handeins. Besonders sollten die Opfergaben Gott wohlgefällig sein, im NT entsprechend übertragen, vgI. Röm 12,1; Phi! 4,18; Hebr 13, 16. Aber auch die Menschen, ihr Verhalten, ihre Werke sollen Gott bzw. Christus gefallen, vgI. Röm 8,8; 12, 1; 14,18; 2 Kor 5,9 usw.; Hebr 13, 21. 'Evwmov a;u't"oü in dieser Verbindung (statt Dativ) stammt vielleicht aus dem gesprochenen Judengriechisch (BLASsDEBR § 4, Anm. 5)_; doch ist die Präposition längst in der Koine heimisch geworden, vgI. A. WIKENHAUSER in: BZ 8 (1910) 263-270; MOULTON-MILLIGAN 220 s. v. • Mit d~: Joh 2, 11; 3, 16.18.36; 4,39 usw. (im ganzen 36mal); mitll't"L: 6, 69; 8, 24; 11,27 usw. (im ganzen 13mal); vgI. hierzu und zum Folgenden J. HUBY, De la connaissance de foi dans S. Jean, in: RechScR 31 (1931) 385-421; PH.-H. MENouD, La loi dans l'Ev. de Jean, in: Cah. bibI. de Foi et de Vie (1936) 27-43; meine Diss. "Der Glaube im vierten Ev", (Teildruck) (Breslau 1937); A. WIKENHAUSER, Ev nach Joh 242-247; M. BONNINGUES, La foi dans l'Ev. de s. Jean (Paris 1955); A. DEcOURTRAY, La conception joh. de la loi, in: NRTh 91 (1959) 561-576; R. BULTIIIANN in: ThWb 6, S. 224-230; F.-M. WILLOCX, La notion de foi dans le quatrieme ev. (ungedr. Diss.) (Löwen 1962).
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1 Joh 3, 23
bunden mit dem Willen, alle seine Forderungen anzunehmen und nach Kräften zu erfüllen. Für den Brief, in dem nicht das Werden und Wachsen des Glaubens geschildert wird, sondern die Christen gegenüber den Irrlehrern in der einmal eingenommenen Haltung gefestigt werden sollen, tritt dieser Wesenszug des joh. Glaubens noch stärker hervor. Noch mehr als im Ev wird auf die Äußerung des Glaubens in bestimmten Bekenntnisformeln Wert gelegt. Ihnen allen ist der christologische Inhalt gemeinsam. An der Person Jesu entscheidet sich wie im Ev der Glaube. "Das Entscheidende ist das Objekt des Glaubens, nicht das Subjekt" (Büchsei). Diese Bezogenheit des Glaubens auf Jesus Christus wird in 1 Joh 3, 23 sprachlich durch"t"Cf> bv6ILoc"t"L X't"A. ausgedrückt. Der Name vertritt im AT und im Orient überhaupt die Person. Was diese Person bedeutet, sagt das folgende "t"OÜ utoü ocö"t"Oü. Das ist der Inhalt des Bekenntnisses auch in 2,22b; 4,15; 5,5 (vgl. 1,7; 3,8; 4,9f; 5,9ft. 13.20), aber auch in Joh 1, 34. 49; 3,18; 10,36; 11,4.27; 20, 31. Auffällig ist an unserer Stelle der Dativ, der sonst im Ev zur Bezeichnung von Zeugen oder Zeugnissen eintritt, die zum Glauben an Jesus (TCLCl'"t"EUELV EE<;) veranlassen sollen oder auf die sich Jesus gegenüber dem Unglauben berufV. Er kann hier nichts anderes besagen als EI<; "t"b !)VOILOC Joh 1, 12; 2,23; 3,18; 1 Joh 5, 13, nämlich den Glauben an Jesus Christus, der seinem Wesen nach Sohn Gottes ist l , und wird sich aus dem synonymen Gebrauch von t l'~~lJ und 7 erklären, einer Vermischung, die sichaußerhalb des Joh mit seiner speziellen Anwendung des Dativs leicht beobachten läßt a• Der Dativ des Zeugnisses findet sich in 1 Joh 5, lOb (vgl. auch 4,1) wieder. Man hat an der Bezeichnung des Glaubens als eines "Gebotes" Anstoß genommen, da er die GrundeinsteIlung des Christen, die Antwort auf den Anruf Gottes, also seinem Wesen nach mehr ein "rezeptives Verhalten" sei'. Richtig ist, daß er nicht die neue "Leistung" des Menschen in Ablösung der alten Gesetzeswerke ist; Joh 6,29 will Jesus das ganz andere, was von den Juden im Unterschied zu den "Werken" gefordert wird, seinen Zuhörern klarmachen. Aber als die einzige entscheidende Voraussetzung zur Heilserlangung wird der Glaube an Jesus doch zu einer Forderung, die sich an den Willen des Menschen wendet, von dem sittlichen Gesamtverhalten des Menschen abhängig ist (vgl. Joh 3,18-21) und
Vgl. bes. 5,38.46.47; 10, 37f; 14, 11 (im ganzen 18mal) - ein durchgä.ngiger Sprachgebrauch. • Besonders deutlich ist dies in Joh 3, 18b: Derjenige ist ipso facto dem Gerichte verfallen, der nicht glaubt "an den Namen des einzigerzeugten Gottessohnes". Die Unterscheidung, die BROOKE zwischen dem Dativ (= überzeugung von der Wahrheit einer Angabe) und &:!~ m. Akk. (= Hingabe an eine Person) finden will, ist unhaltbar. • Vgl. Apg 5, 14; 16,34; 18,8. Zum hebr. Gebrauch vgl. L. KÖHLER - W. BAUIIlGARTNER, Lexicon in Veteris Testamenti miros (Leiden 1953) 61; ferner BLAss-DEBR § 187, 6; MOULTON-THUMB 102f; H. BIETENHARD in: ThWb 5, S. 270, 4--46; R. BULTIIlANN in: ThWb 6, S. 203f Anm. 221; 224,29-45. • SCHLATTER, Der Glaube im NT (Stuttgart '1927) 218. - Vgl. hierzu und zum Folgenden meine Diss. S. 43ff. 1
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1 Joh 3, 24
wiederum als lebendiger und voller Glaube, nämlich als Gehorsamshaltung gegenüber dem Gottessohn (vgl. Joh 3,36), zur sittlichen Bewährung drängt. Die zweite Forderung, die in den einen Gottesauftrag gleichberechtigt (koordiniert) mitaufgenoinmen wird, die Forderung der Bruderliebe, ist in Wirklichkeit dem Glauben an Christus nachgeordnet und fließt notwendig aus ihm heraus. Denn Jesus, dem sich der Glaubende anschließt und dessen Worte er treu zu beobachten trachten muß (vgl. Joh 12,47), hat dieses Gebot gegeben, wie das xoc.&w.;-Sätzchen ausdrücklich feststellt. Subjekt in ihm kann nach der ofTenkundigen Anspielung auf Joh 13, 34; 15, 12. 17 nur J esus sein, der unmittelbar zuvor genannt wurde. Koc'&wc; hat hier nicht vergleichenden, sondern begründenden Charakter ("demgemäß, daß ... ")1. c) Der Erfolg solcher Gebotserfüllung ist wahre Gottesgemeinschaft (3,24)
3,24 Die rekapitulierende, abrundende Redeweise des Verf. zeigt sich auch darin, daß er diese Mahnrede wieder zu dem Hauptthema seines Briefes, der Gottesgemeinschaft, zurückführt. Aufs neue greift er das Stichwort vom "Gebotehalten" auf (vgl. V 22b) und verheißt einem solchen Tatchristen, daß er "in Gott (~v OCOT(jl) bleibe". Diese schon bekannte Zusicherung (vgl. 2, 5f) erweitert er noch - unbekümmert um die grammatische Korrektheit - "und Gott bleibt in ihm". Dadurch entsteht eine "reziproke Einigungsformel" , die ein Stilmittel der joh. "Gottesmystik" ist (vgl. Exk. 4). Daß der Verf. in 3, 24 zu dieser Aussage "und Gott bleibt in uns" voranschreiten kann, ist aber auch ein Gewinn aus seinen Darlegungen über die Gotteskindschaft bzw. Zeugung aus Gott (3,1 fT). Nach dem Realismus der joh. Anschauung ist wirklich etwas vom göttlichen Wesen (3,9 sein "Same", 3,15 "ewiges Leben") in die .Gotteskinder eingegangen. Jetzt wird - sachlich gleichbedeutend - an den Geistempfang erinnert. Aber der Verf. gibt diesem Gedanken eine überraschende Wendung: er nennt den Geistbesitz ein Erkennungszeichen unserer Gottesgemeinschaft. Am leichtesten wird man die unvermutete Gedankenkehre daraus erklären, daß der Verf. zu einem neuen Thema überleitet, das die Frage nach der Unterscheidung der "Geister" in den Mittelpunkt stellt (4, 1 fT). Wie der Geist, den Gott l den echten Christen - als Erweis seiner Liebe, aber auch als Siegel ihrer Liebe - gegeben hat, sich äußert, erfahren wir nicht (so wenig wie in 4, 13, einer fast wortgetreuen Parallele). Sofern die Deutung des XPi:aILoc 2, 20.27 auf den Geist richtig war, wurden Vgl. BLASS-DEBR § 453, 2; BAUERWb 773 s. v. 3; BULTMANN, Joh. 291 Anm. 3 (der aber diesen Gebrauch ungerechtfertigt weit ausdehnt). • -EIICIIICCV ist auf Gott zu beziehen, da kein Anlaß besteht, wie in V 23 Christus als Subjekt zu postulieren; oli ist Attraktion des Relativpronomens (BLASS-DEBR § 294). 1
208
Exkurs: Zur Vorstellung vom Geist in 1 Joh
die Christen schon dort auf ihren Geistbesitz hingewiesen und sollten sich an die Belehrung des Geistes halten. Diese aktive Rolle, die dem Geist zugeschrieben wird, setzt umgekehrt eine Erfahrbarkeit des Geistes - und zwar bei allen Christen - voraus. An solche innere Offenbarungen des Geistes und nicht an äußere charismatische Wirkungen 1 (die kaum alle Christen damals noch erfuhren), scheint in 3,24 gedacht zu sein. Doch wird sich diese Erfahrung des Geistes im Unterschied zu 2, 27 über Glaubensbelehrungen hinaus auch auf die Liebesglut, den Frieden, die Freude erstrecken - Heilsfrüchte, die der Geist vermittelt und die den Christen seiner Gottesgemeinschaft gewiß machen (vgl. Bonsirven).
EXKURS
9:
Zur Vorstellung vom Geist in 1 Joh I. An den zwei Stellen, wo ausdrücklich vom Geistbesitz des Christen die Rede ist (3, 24; 4, 13), wird'er als ein Kennzeichen der Gottesgemeinschaft gewertet. Er muß also erfahrbar sein. An äußere, außergewöhnliche Geistwirkungen (Charismen, vgl. 1 Kor 12 u. 14) ist dabei aber nicht zu denken; denn 1. enthält das Schreiben sonst nirgends Andeutungen darüber, 2. wird dieser Geistbesitz als allgemeine, reguläre Ausstattung des Christgläubigen hingestellt, 3. ist der Brief besonderen Gotteserfahrungen, namentlich visionären (4,8.20), abhold. Wahrscheinlich ist der Empfang des Geistes sakramental vorgestellt (Joh 3, 5f). Wenn ursprünglich (Apg 2,38; 8, 15f; 10,45; 19,6) auch sichtbare Wirkungen mit diesem eschatologischen Gottesgeschenk verknüpft gewesen sein mögen, so verlagerte sich der Nachdruck doch schnell auf die inneren Heilserfahrungen (Röm 5,5; 1 Kor 6,11). Für das joh. Denken stehen die Heilsfunktionen des Pneuma im Vordergrund. Der Gleichklang der beiden Stellen 3,24 und 4, 13 weckt die Vermutung, daß es sich dabei um katechismusartige Formulierungen handelt. Schon in 1 Thess 4, 8 sagt Paulus in einer Mahnung zur Heiligkeit, daß Gott "seinen Geist, den heiligen, in euch gegeben hat" (mit Anspielung auf Ez 36,27; 37, 14). Dieser Geist bringt viele Heilsfrüchte hervor (vgl. Ga15, 22); er wird Eph 1,17 ein "Geist der Weisheit und Offenbarung", 2 Tim 1, 7 ein "Geist der Kraft, Liebe und Besonnenheit" genannt. Auch an diesen beiden Stellen heißt es, Gott habe ihn "gegeben". Das gleiche Verbum ist in Röm 5,5 mit dem Heiligen Geist in einer Weise 1
Mit
BONSIRVEN
gegen
CHAINE.
16 Schnackenburg, Johannesbriefe
209
Exkurs: Zur Vorstellung vom Geist in 1 Joh
verbunden, die an eine schon vorgeprägte Sprache denken läßt. Gewiß ist diese Ausdrucksweise schon vom AT (vgl. Ez 36, 26f; 37,6. 14 LXX) und Spätjudentum her (s. jetzt 1 QH XII, 12; XIII, 19; XIV, 11; XVII, 17; fr. 3,14) geläufig; aber sie scheint im Urchristentum konkret auf die Geistverleihung in der Taufe angewendet worden zu sein. Beachtlich ist auch die (singuläre) Formulierung in 1 Joh 4,13, daß uns Gott ~x 'rOü me:u(J.ot'roc; oto'rOü gegeben hat. Sachlich gleichbedeutend ist die auf die Initiation zurückblickende Aussage von Hebr 6, 4, daß die Christen "teilhaftig geworden sind Heiligen Geistes" (vgl. auch das paulinische Bild vom "Angeld" des Geistes, das uns Gott gegeben hat, 2 Kor 1,22; 5,5; Eph 1, 14). Man könnte gut verstehen, daß der Verf. von 1 Joh am Ende eines mehrfach auf die Taufe anspielenden Abschnittes (3, 1. 9f) bewußt einen allgemeinen urchristlichen Gedanken und Ausdruck aufnimmt, der seinen "Sitz im Leben" in der Taufunterweisung hat. Das schließt nicht aus, daß er damit zugleich zum nächsten Abschnitt über die "Prüfung der Geister" überleiten will. 11. Hauptfunktion des Heiligen Geistes ist bei Joh seine offenbarende, in die göttliche Wahrheit einführende Tätigkeit. Er ishb me:ü(J.ot Tijc; &.Alj.9-dotC; Joh 14, 17; 15,26; 16,13; 1 Joh 4, 6; er ist selbst ~ &.A~ .9-e:Lot 1 Joh 5,6. Als Geist der Wahrheit übt er zugunsten Jesu die Zeugentätigkeit aus: 'ro mei:i(J.ci ~crrLII 'r6 (J.otp-ruPOÜII 1 J oh 5, 6. Das bezieht sich wahrscheinlich auf die Unterstützung der christlichen Verkündigung in der Welt (Joh 15,26). Seine offenbarende, die Offenbarung befestigende (14,26) und vollendende Aufgabe (16,13) gegenüber den Jüngern wird zur Zeugenfunktion gegenüber dem ungläubigen und gottfeindlichen Kosmos. Auch in der Auseinandersetzung der Christusgläubigen mit Falschgläubigen - und das sind Glaubens- und Gottesfeinde - spielt er eine bedeutsame Rolle. Darauf ist in 1 Joh hauptsächlich das Augenmerk gerichtet. In dieser Sicht erweitern sich die Vorstellungen in 1 Joh über den Heiligen Geist und sein Wirken um ein beträchtliches. 1. Wahrscheinlich ist das Bildwort vom Xp"LO"(J.ot 2, 20. 27 auf den Geist zu beziehen. Denn a) die Ausdrücke ~Xe:'re: (2, 20), ~Aciße:'re: (2,27) entsprechen der Vorstellung vom Geistempfang, wie ihn Joh 14, lßf beschreibt. Gott gibt ihn (3ßaEL), die Christen empfangen ihn (i..otße:"LII); b) das me:ü(J.ot Tijc; &.Alj.9-e:EotC; bleibt in ihnen, vgl. Joh 14, 17 mit 1 Joh 2, 27a; c) es übt die Funktion des 3L8ciO"KEL\I aus, vgl. Joh 14,26 mit 1 Joh 2, 27a-b; d) das Anliegen des Xpi:O"(J.ot ist, daß die Christen in Christus bleiben (2,27c), so wie auch der Paraklet der Abschiedsreden nur enger mit Christus verbinden will, vgl. Joh 14,26; 16, 14. Für den A6yoC; 'rOü .9-e:oü bzw. das Evangelium wären diese Aussagen über das Xpi:O"(J.ot in ihrer Gesamtheit, namentlich wegen ihres personhaften Charakters, zu stark. 210
Exkurs: Zur Vorstellung vom Geist in 1 Joh
2. Dieser Geist der Wahrheit ist 'der Gottesgeist selbst. Am wahren Christusbekenntnis erkennt man bei den Menschen das Wirken des me:üILOt 't'oü .&e:oü (1 Joh 4,2). Diesem Gottesgeist steht antithetisch der widergöttliche Geist gegenüber: 't'o 7tve:üILOt 't'oü &V't'LXP(O''t'ou (4, 3b), bzw. dem me:üILOt TIj~ &J..1j.&e:(Ot~ das me:üILOt TIj~ 7tAcXVYj~ (4,6d). Diese Vorstellung stimmt mit jüdischen und urchristlichen Vorstellungen überein. Zwar treten in der alten Dämonologie andere Züge stärker hervor. Die bösen Geister wohnen in den Menschen und bewirken oft krankhafte, anomale Zustände (me:uILOt't'Ot &x,oc.&Otp't'Ot); aber auch durch satanische Belehrung und Verführung machen sich solche boshaften und zugleich verstandesklugen Geister breit, vgl. Apg 16, 16 7tve:üILOt mS.&wv; Röm 11,8 m. x,Ot't'«vu~e:w~, und all-, gemein widergöttlich : 1 Kor 2, 12 't'o me:üILOt 't'Oü x,60'ILou; Eph 2, 2 't'oü me:uILOt't'o~ 't'OÜ VÜV ~ve:pyoüv't'o~ ~v 't'or:~ u!or:~ TIj~ &7te:L.&e:(Ot~; 2 Tim 1, 7 me:üILOt 8e:L)..[Ot~; Apk 16, 13f: Aus dem Munde des Drachen, des Tieres und des Lügenpropheten kommen "drei unreine Geister wie Frösche; denn es sind dämonische Geister, die Zeichen wirken". Insbesondere zum me:üILOt TIj~ 7t)..OCV1j~ sind vergleichbar die me:uILOt't'Ot 7tAcXVOt 1 Tim 4, 1 und die oft in den TestXII erwähnten me:uILOt't'Ot TIj~ 7tAcXVYj~ (Rub 2, 1; 3, 2. 7; Sim 3,1; 6,6; Lev 3,3 usw.). Vor allem werden die Laster in dieser religiös-ethischen Mahnschrift auf böse "Geister" zurückgeführt. Der starke dualistische Gegensatz zwischen göttlichem und widergöttlichem Geist zeigt sich auch in der Damaskusschrift und vor allem in den neugefundenen Handschriften vom Toten Meer. Nach Damask 11, 12 läßt Gott "durch seinen Gesalbten sie (die am Ende Geretteten) seinen Heiligen Geist erkennen und macht ihnen kund (die) Wahrheit". Anderseits hören wir von den "Geister:u. Belials", die über den Menschen Gewalt gewinnen können (XII, 2). Am schärfsten aber wird der Gegensatz zwischen göttlichem und widergöttlichem Geist in einer ausführlichen Unterweisung entwickelt, die sich in der ;,Sektenregel" von Qumran findet (111, 13 - IV, 26). Danach kämpfen um den Menschen "die Geister der Wahrheit und der Bosheit"; zwei Reiche stehen sich gegenüber, das eine beherrscht vOm "Lichtfürsten", das andere vom "Finsternisengel". Durch diesen geschehen auch die Verirrungen aller Söhne der Gerechtigkeit. "Alle Geister seines Loses (suchen) die Söhne des Lichts zu Fall zu bringen, doch der Gott Israels und der Engel seiner Wahrheit hilft allen Söhnen des Lichts" (111, 24f). Dann werden die Taten, Tugenden und Belohnungen derer beschrieben, die den Ratschlägen des oder der Geister des Lichts folgen, und ihnen werden die Wege, Laster und Strafen der in Finsternis, gemäß dem Geiste der Bosheit Wandelnden gegenübergestellt (IV, 2--14). Erst am Ende, zur festgesetzten Zeit, wird Gott den frevlerischen Geist vernichten und seinen "Geist der Wahrheit" über die Rechtschaffenen sprengen (IV, 20f). Die eigenartige Schilderung jener zwei Arten von Geistern 1, die zur Unterscheidung und Entscheidung ruft,
1
VgI. B.
16*
ÜTZEN
in: 5tTh 7 (1953, erschienen 1954) 135-144; F.
NÖTSCHER,
Geist und
211
Exkurs: Zur Vorstellung vom Geist in 1 Joh
wirft manches Licht auf 1 Joh 4, 1-6, erklärt aber nicht die ganze Pneumalehre unseres Briefes, der ganz anders von der Gewißheit erfüllt ist, daß die Christen, die aus Gott Gezeugten, den Geist schon empfangen haben (vgl. Exk. 8, 2). Was die "Prüfung bzw. Unterscheidung der Geister" anbelangt, so will auch Paulus in 1 Kor 12,3 ein Kriterium dafür angeben, ob auffällige, außergewöhnliche Äußerungen bestimmter Menschen ("Pneumatiker") auf den Gottesgeist oder den Teufelsgeist zurückgehen (vgl. auch das Charisma der "Unterscheidung der Geister" 1 Kor 12, 10, ferner 1 Thess 5, 20f). Nicht zu diesen pneumatischen Erscheinungen bildet 1 Joh 4, 1 ff eine Parallele, sondern nur zu der Anweisung, die Geister auf ihre göttliche oder widergöttliche Herkunft hin zu prüfen. Nicht pneumatische Unruhen, sondern die Verbreitung einer falschen Lehre und die Anmaßung ihrer Verkündiger machen eine solche Prüfung notwendig. 3. In 1 Joh 4, 1 sind die 7tVdlfLOC"COC nicht unmittelbar übermenschliche Geistesmächte; vielmehr ist der menschliche Geist gemeint, sofern er vom göttlichen bzw. widergöttlichen Geist inspiriert ist (vgl. VV 2 u. 3 ~x. "COü &&OÜ bzw. oux. Ex. "COü &&oü). In "Ca 7tV&UfLoc"Coc V 1 werden n:iiv n:V&ÜfLOC VV 2 u. 3 zusammengefaßt. Am Christus bekenntnis der Verkündiger erkennt man, von welchem Geist sie geleitet werden, vom Geiste Gottes oder vom Geiste des Antichrists. Offenbar stellt sich der Verf. (wie in ähnlicher Weise auch die Verf. der genannten jüdischen Schriften) das so vor, daß der menschliche Geist mit dem übermenschlichen Geist eine enge Verbindung eingeht. Instruktiv dafür ist eine Stelle aus Hermas (Mandata XI), . zumal sie ebenfalls von "Lügenpropheten" handelt: ,,(2) Die Zweifler kommen zu einem Pseudopropheten wie zu einem Magier und fragen ihn, was ihnen begegnen werde. Und da jener, der falsche Prophet, keine Kraft göttlichen Geistes in sich hat, so beantwortet er ihnen ihre Fragen, wie sie es in ihrer Bosheit zu hören gelüstet ... (3) ... Manchmal jedoch spricht er auch Wahres; denn der Teufel erfüllt ihn mit seinem Geiste in der Hoffnung, es werde ihm vielleicht gelingen, einen der Gerechten zu brechen. (4) Alle nun, die im Glauben an den Herrn stark sind, bekleidet mit der Wahrheit, hängen solchen Geistern nicht an, sondern halten sich von ihnen frei." 4. An dieser Stelle zeigt sich auch, daß die Vorstellung von Pseudopropheten der alten Kirche sehr vertraut war; aber das Wort fand eine unterschiedliche Anwendung, wie auch das Prophetenturn eine Fülle von Erscheinungen in sich schließt. Die Grundanschauung ist das ~v 7tV&UfLoc"C~ AOCA&~V 1. Dies wurde oft ekstatisch verstanden; aber notwendig gehört das ekstatische Moment nicht zur Prophetie, wie das Beispiel gerade der
Geister in den Texten von Qumran, in: Melanges bibI. rMiges en l'honneur de A. Robert (Paris 1957) 305-315; E. SCHWEIZER in: ThWb 6, S. 388; H. W. HUPPENBAUER, Der Mensch zwischen zwei Welten 30-34. 1 Vgl. Did 11, 7 f.
212
Exkurs: Zur Vorstellung vom Geist in 1 Joh
großen atl. Propheten zeigV. Entscheidend war, daß der Prophet den Ruf und Auftrag Gottes empfing und ihm eingegebene Gottesworte kündete. Halten wir uns an das NT, dann bezeichnet ljIe:u307tpocp~'"l~ zunächst allgemein Menschen, die sich fälschlich für Propheten, Sprecher Gottes, ausgeben, in Anlehnung an die aus dem AT bekannten Lügenpropheten Mt 7,15; Lk 6,26; vgl. Jer 23, 13ff; 28; 29,21 ff; Mich 3, 5ff; Zach 13, 2ff. Eine besondere Rolle spielen die Pseudopropheten in der eschatologischen Unheilszeit Mk 13,22 = Mt 24,11. 24 neben den Pseudochristi, und schließlich, wird der Pseudoprophet eine bestimmte eschatologische Figur Apk 16,13; 19,20; 20, 10. Daneben bleibt sicher der allgemeine Sprachgebrauch in übung. Für Propheten wollten auch die falschen jüdischen Messiasprätendenten des ntl. Zeitalters gehalten werdens. Als Antitypen zu den charismatischen Propheten der Urkirche, die im Gemeindeleben hochgeschätzt waren·, treten im NT nirgends Pseudopropheten auf'. Aus dem Ausdruck läßt sich also nicht auf das Vorhanden"sein echter "Propheten" im Umkreis der Leser von 1 Joh schließen. Wahrscheinlich besagt ljIe:u307tPOcp1j'ratL hier nicht viel mehr als ljIe:u303L3<
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Exkurs: Zur Vorstellung vom Geist in 1 Joh
späteren Entwicklung nichts über ein prophetisch-ekstatisches Element in jenen Frühformen der gnostischen Häresie sagen, mit der es 1 Joh zu tun hat. IH. Außer zur Wahrheit, zur Offenbarung hat der "Geist" im joh. Anschauungskreis aber auch eine Beziehung zur ~w~, zum göttlichen Leben. Er ist das Lebensprinzip : 't"o 7tVEÜfL& &C1't"LV 't"o ~Wa7taLaÜV, Joh 6,63. Das wird besonders deutlich, wenn in Joh 3,4.6 die Taufe eine Zeugung aus Wasser und Geist heißt. Der Geist ist das schöpferische, zeugende Element. In 1 Joh wird nur von der Zeugung aus Gott gesprochen. Aber wenn in 3, 9, durch dieses Bild angeregt, der Ausdruck 't"o C17tepfLlX 't"aü .&Eaü fällt, dann wird wegen der Beziehung zu Joh 3 dieser "göttliche Lebenskeim" sachlich mit dem Gottesgeist zu identifizieren sein. Spätere gnostische Texte gebrauchen die Wendungen XUljfLlX 7tVEUfLlX't"LX6v bzw. C17tepfLlX 7tVEUfLlX't"LX6v und meinen damit den pneumatischen Wesenskern der Erwählten 1. Für den Autor von 1 Joh zeigt sich die Kraft dieses göttlichen, im Menschen bleibenden Samens in der Bewahrung vor der Sünde, und er führt dieses pneumatische Wesen der Gottgezeugten nicht auf eine mythische Aufnahme göttlichen Samens zurück. Die Gottgezeugten sind nicht wie die gnostischen Pneumatiker "von Natur aus" pneumatisch, sondern durch das im Glauben empfangene Sakrament. Anderseits darf man die Bedeutung des sakramental empfangenen Lebensgeistes nicht zu einem "Bezeugen" abschwächen I. Die Taufe und die Eucharistie repräsentieren nicht nur die Fleischwerdung und den Kreuzestod Jesu (vgl. zu 5, 6ff), sondern vermitteln wirklich göttliches Leben, das zu einem unsündlichen Wandel befähigt (vgl. zu 3, 1 und 9). Wenn es Joh 17,3 heißt, das ewige Leben bestehe darin, den alleinigen wahren Gott zu erkennen und den von ihm gesandten Jesus Christus, so ist dies nicht im Sinne griechischen "Erkennens" zu verstehen, sondern im Sinne von 1 Joh 1, 3, d. h. der durch den Besitz göttlichen Lebens hergestellten Gemeinschaft mit dem Vater und seinem Sohn Jesus Christus. Die reale sakramentale Geistmitteilung ist überall (auch Joh 7,39, vgl. AlXfLß&VEtv!) vorausgesetzt. Diese Geistausrüstung der an Jesus Christus Glaubenden wirkt sich aber in verschiedener Weise aus, grundlegend als Aufnahme in den göttlichen Lebensbereich, daraus abgeleitet als Kraft zu einem heiligen Wandel im Lichte Gottes und ebenso als innere Er1 Siehe die Stellen oben; vgJ. ferner für den pneumatischen Wesenskern des Gnostikers die Fragmente aus dem "Baruch"-Buch des Gnostikers Justin bei HIPPOLYT, Ref. V, 26, 8f und die Mitteilungen über die Nallssener ebd. V, 8, 28f. , Gegen E .. SCHWEIZER, Das joh. Zeugnis vom Herrenmahl, in: EvTh 12 (1952-53) 341-363 (S. 361 : "Der Sinn des Herrenmahles besteht darin, die Realität der Fleischwerdung bis hin zum Kreuzestod gegen alle doketische Vergeistigung zu sichern, sie noch ärgerlicher, noch entschiedener zu bezeugen ... "); ders. in ThWb 6,. S. 438-441. Hier sagt Schw. noch kräftiger: "Die Funktion von Taufe und Herrenmahl ist für Joh die Bezeugung der Fleischwerdung" (439,28f) und betont, "daß die 1;(U~ für Johannes in der Erkenntnis des l%A1Jlhvo<; &e6<; in Jesus liegt, das meül-'-'" also nichts anderes ist als die zu solcher Erkenntnis führende Kraft der Verkündigung" (441, 3ff).
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Exkurs: Zur Vorstellung vom Geist in 1 Joh
leuchtung, um in der "Wahrheit" zu bleiben und sich von aller "Lüge" zu scheiden. So sind die Vorstellungen vom Geist in 1 Joh mit denen im Joh-Ev weitgehend konform. Die verschiedenen Funktionen des 7tVe:ü(J.« treten je nach Zusammenhang und Erfordernis hervor. Das Übergewicht im Brief hat wegen der Irrlehrerbekämpfung die innerlich belehrende, im Glauben befestigende Tätigkeit als 7tve:ü(J.« nj.; OCA1j,ll·e:(<<.; '. 1 VgI. noch TH. PREISS, Das innere Zeugnis des Heiligen Geistes (Zollikon-Zürich 1947); J. MICHL, Der Geist als Garant des rechten Glaubens, in: Festschrift M. Meinertz 142-151 (deutet die innere Belehrung des Geistes als sensus fidelium); FEINE, TheoI. des NT 353-356.
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DRITTER HAUPTTEIL
Die Scheidung der Gottgehärigen von der "Welt" 1m wahren Christusglauben und in der Liebe (1 Joh 4,1-5,12)
Der neue Gedankenkreis, der mit 4, 1 beginnt, nimmt alle bisher schon behandelten Gedanken in sich auf und entwickelt sie in bestimmter Weise weiter. Am Ende des 2. Hauptteils stand das Gottesgebot . des wahren Christusglaubens und der Bruderliebe (3,23). Diese beiden Forderungen werden nun in Auseinandersetzung und scharfer Kampfansage gegen die Irrlehrer zu deutlichen Unterscheidungsmalen des Christseins erhoben. Das Thema der Liebe wird zum drittenmal (vgl. 2, 7ff; 3, 11 ff) unter diesem besonderen Gesichtspunkt aufgegriffen und in bisher nicht erreichter Tiefe, nämlich in Zurückführung auf das Wesen und das Heilswirken Gottes, behandelt (4, 7-21). Der Christusglaube wird in bestimmten Bekenntnisformeln (4, 2f. 15; 5, 5f) der Irrlehre entgegengesetzt und in seiner siegreichen Kraft aufgezeigt (4,4; 5, 4f). Bei aller Sorgfalt, die das Thema von der Liebe erfährt, erlangt der GI a u b e doch ein Übergewicht. Mit ihm setzt die Erörterung neu an (4, 1-6), und in ihm, nicht in paränetischen Partien, gipfeln diesmal die Darlegungen. Denn mit 5,13 hebt der Verf. zu den Schlußworten an, ähnlich wie Joh 20, 31, nur daß sich der Schluß dann noch manche Erweiterung gefallen lassen muß. Kap. 5 aber von Kap. 4 als einen besonderen Teil abzusetzen (Büchsel) empfiehlt sich nicht, da die äußere und innere Verknüpfung zu stark ist. So ergibt sich ein Aufbau A - B - A. Daß der Verf. überhaupt nach allem Gesagten sein Schreiben noch um zwei Kapitel erweitert, geschieht offensichtlich wegen der Gefahr, die seinen Adressaten von den Irriehrern droht. Die zunächst (1, 5 - 2, 17) immanente Abwehr, der dann (2, 18ff) eine ausdrückliche Bekämpfung folgte, die aber die Gefahr schon als gebannt hinstellte, macht nun neuen, auch Einzelheiten des Bekenntnisses (4,2; 5,6) berücksichtigenden Auseinandersetzungen Platz. Diese verraten insgesamt, daß dem Verf. die Gefährlichkeit jener vielen "Pseudopropheten" (4,2) bedrohlicher vor Augen tritt. Die christliche Gemeinde gegenüber dieser Gefahr aufmerksam und wachsam zu machen, ihr neue Geisteswaffen an die Hand zu geben (Unterscheidung der Geister) und sie vor allem innerlich gegen das zerstörende Gift zu immunisieren, ist jetzt sein Hauptanliegen. Aber er findet sowohl als Erkenntnismittel wie innere Kraftquellen nichts anderes, als was er schon bisher mit Nachdruck betont hat: das wahre Christusbekenntnis und die gehorsame Beobachtung der Gebote Gottes, näherhin der Bruderliebe. Sie ist ihm zuverlässiger Ausdruck göttlicher Wesensart und praktischer Prüfstein echter christlicher Haltung. So dringt er jetzt, 216
1 J oh 4, 1 - 5, 12
gestachelt von den Gegnern, getrieben von ernster Sorge um die Gemeinde, zur letzten Klarheit und Tiefe seiner Gedanken vor. Daß bei solchen Bemühungen Wiederholungen vorkommen, ist nicht verwunderlich 1. Es ist auch verständlich, daß er mitten im Thema von der Liebe wieder auf das Kennzeichen des Glaubens blickt (4,11-16). Seine rekapitulierende (4, 6c. 16b. 19.21; 5, 10c. 11) und die Gesichtspunkte variierende Verfahrensweise (Gottesgemeinschaft 4, 12. 13. 15. 16b und ewiges Leben 5,11. 12, ,aus Gott sein' 4,1-6 und ,aus Gott gezeugt sein' 4,7; 5,1.4) kommt überall 2;um Vorschein. Deswegen braucht man noch nicht das literarkritische Seziermesser anzusetzen. Den Abschnitt 4, 1-6 nur als Unterbrechung des Themas von der Liebe anzusehen (Chaine u. a.) ist nicht angängig, weil das Thema 3, 23f zu einem gewissen Abschluß gekommen war, 4, 7ft aber auf 4, 1-6 aufbaut. Nur weil vorher von dem bc &soü 'Y"atL gehandelt wurde (4,4-6), kann der Verf. fortfahren, daß die Liebe aus Gott stamme (4,7), und das Wesen der Liebe aus diesem göttlichen Ursprung entwickeln. Im Gegenteil muß 4, 1-6 als Schlüssel für das Folgende angesehen werden. Der Ver!. wünscht eine klare Scheidung' und Unterscheidung der wahren Christen von den Falschpropheten und zeigt dies zunächst an der Liebe auf, um dann auf den Glauben zurückzukommen.
So ergibt sich im einzelnen folgende Gliederung: Erster Abschnitt. Unterscheidung der Geister durch das rechte Christusbekenntnis und Scheidung von der "Welt" (4,1-6) 1. Unterscheidung der Geister ist notwendig gegenüber den Pseudopropheten, aber auch möglich durch das Christusbekenntnis (VV 1--3) 2. Tatsächlich sind die Christen von den Pseudopropheten im tiefsten Wesen verschieden (VV 4-6) Zweiter Abschnitt. Die Liebe als Kennzeichen der Gottgezeugten, ihr Wesen und ihre Erfüllung in der Bruderliebe (4,7 - 5,4) 1. Die Liebe stammt wesenhaft aus Gott, der uns zuerst geliebt hat (VV 7-10) 2. Die Liebe der Gottgehörigen ist Antwort auf seine Liebe und stellt in engste Gottesgemeinschaft (VV 11-16) Digression: Die wahre Liebe Gottes erkennen nur die Rechtgläubigen (VV 14-16a) 3. Die vollkommene Liebe ist ohne Furcht (VV 17-18) 4. Die Gottesliebe zeigt sich in der Bruderliebe (4, 19 - 5,2) Erneuter Mahnruf zur Liebe (V 19) a) Die Liebe zum unsichtbaren Gott ist ohne Liebe zum sichtbaren Bruder nicht möglich (V 20) b) Die Bruderliebe ist neben der Gottesliebe positives Gebot Gottes (V 21) Vgl. 4,3 mit 2,18; 4,4 mit 2, 14; 4, 9. 10. 14 mit 2, 2 u. 3, 16; 4, 11 mit 3, 11. 16b; 4, 12 mit 3, 24a; 4, 13 mit 3, 24b; 4, 15 u. 5, 1. 5 mit 2, 22; 4, 17 mit 2, 28 u. 3, 19f; 5,3 mit 2,5; 6, 12 mit 2, 23. 25. .
1
217
1 Joh 4, 1
c) Die Liebe zum Erzeuger schließt auch die Liebe zu den von ihm Erzeugten ein (5, 1-2) 5. Die Gottesliebe ist für den Gottgezeugten nicht schwer (5,3-4) Dritter Abschnitt. Der wahre Christusglaube als die "Welt" überwindende Kraft (5,5-12) 1. Das rechte und volle Christusbekenntnis, aber auch nur dieses, gewährleistet den Sieg (VV 5--6) 2. Dieser Glaube ist auf das Zeugnis von drei Zeugen gestellt (VV 7-8) 3. Gott selbst hat Zeugnis für seinen Sohn abgelegt, und die Annahme oder Ablehnung dieses Gotteszeugnisses entscheidet über das Heilsschicksal jedes Menschen (VV 9-12). ERSTER ABSCHNITT
Unlerscheidung der Geisler durch das rechle Christusbekenntnis und Scheidung von der "Welt" (1 Joh 4, 1-6) 4, 1 Gelieble, schenkl nicht jedem Geisle Glauben, sondern prüfet die Geisler, ob sie aus Golt sind; denn viele Pseudoprophelen sind in die Welt ausgegangen. 2 Daran erkennl ihr den Geist Goltes : Jeder Geisl, der Jesus Chrislus als im Fleische gekommen bekennt, ist von Golt, 3 und jeder Geist, der Jesus zunichte machl, isl nichl von Gott. Und das ist der (Geisl) des Anlichrists, von dem ihr gehört habt, daß er kommt, und jetzt schon isl er in der Welt. 4 Ihr, Kindlein, seid aus Golt und habl sie besiegt; denn der in euch isl größer als der in der Welt. 5 Sie sind von der Welt; deswegen reden sie von der Welt (her), und die Welt hört auf sie. 6 Wir sind aus Golt; wer Golt erkennt, hört auf uns, wer nicht aus Gott ist, hört nichl auf uns. Daran erkennen wir den Geist der Wahrheil und den Geist der Verführung. 1. UNTERSCHEIDUNG DER GEISTER IST NOTWENDIG GEGENüBER DEN PSEUDOPROPHETEN, ABER AUCH MÖGLICH DURCH DAS CHRISTUSBEKENNTNIS (1 Joh 4, 1~)
4,1 Die neue Warnung vor den Irrlehrern, die nun anhebt, erwächst aus der Besorgnis, daß die Christen nicht die genügende Unterscheidungsgabe besitzen, um ihren verführerischen Reden zu widerstehen. Das könnte nach 2, 20f. 27 in Erstaunen versetzen. Indes, bei aller Ermutigung der Leser, daß sie die Wahrheit kennten und vom Heiligen Geist selbst innerlich belehrt würden, verriet der Verf. schon 2, 18-27 durch die eingehende Beschäftigung mit den "Antichristen" und namentlich durch die Imperative V 24 und V 27 c, daß er die Gefahr noch längst nicht als völlig beseitigt ansah. Diese Bedrohung der Christusgläubigen läßt 218
1 Joh 4, 1
ihn nun noch einmal auf die Gegner zurückkommen und das Visier stärker als bisher lüften. Daß es sich um dieselben Verführer handelt, geht vor allem daraus hervor, daß er ihr Wirken wieder mit dem Antichrist (V 3) in Verbindung bringt. Auch steht hier wieder eine christologische (4,2. 15) und moralische (4,8.20) Irrlehre zur Debatte, die an schon bekannte Thesen (christologisch 2, 22f, moralisch 2, 9. i1; 3, 14ff) erinnert. Die Irrlehrer werden jetzt "Pseudopropheten" genannt, wohl deshalb, weil "Prophet" ein Mensch ist, der im Geiste Gottes redet, und diese Verführer sich fälschlich als Geisterfüllte (V 1 a-b) ausgeben. Fraglich ist, ob der Verf. auch an die für die große Drangsalszeit vor der Parusie angekündigten "Pseudopropheten" (Mk 13, 22 par) denkt, da diese Zeichen und Wunder vollbringen, um zu verführen 1 • Dann hätte er diese endzeitlichen Gestalten auf Irrlehrer umgedeutet wie den "Antichrist". Doch ist diese Annahme nicht nötig. Die Bezeichnung "Pseudoprophet" kann recht unterschiedlich gebraucht werden, entsprechend der weiten Verwendung von "Prophet"'. VgI. im übrigen Exk. 9.
Wieder - wie 2, 18 - hebt der Verf. die große Zahl der Verführer hervor, die sie, verbunden mit ihrer Selbstsicherheit und bestrickenden Redegewandtheit, als so gefährlich erscheinen läßt. Die Wendung "Sie sind ausgegangen in die Welt" hat nichts mit einem dämonischen H ereinkommen in die Welt (vgl. Lk 11, 26; Röm 5,12) oder einem prophetischen Hereinkommen (vgl. Joh 6, 14; 11,24) zu tun. Sie belegt nicht das Einströmen jüdischer Irrlehrer nach Kleinasien 3 oder ein (missionarisches) Ausgehen "von der Kirche und in ihrem Namen"'; sie soll nur ihr freies öffentliches Auftreten in aller Welt charakterisieren, so daß die angeredeten Christen überall auf sie stoßen können. Das "Ausziehen" (in die Welt) bedeutet auch in der Apk die erdenweite Wirksamkeit der Unheilsreiter (6,2. 4) bzw. Satans (20, 8). Die Mahnung "Prüfet die Geister!" (vgl. 1 Thess 5,21) wie auch das Mittel zur Unterscheidung der Geister, nämlich auf ihr Jesusbekenntnis zu achten (1 Kor 12,3), haben einen auffälligen Anklang an die Verhaltungsmaßregeln, die Paulus für die außergewöhnlichen charismatischen Geistäußerungen in seinen Gemeinden aufstellt. Man hat darum an ähnliche Vorgänge auch in dem Leserkreis von 1 Joh gedacht·. Indes überVgI. auch die apokalyptische Gestalt des "Pseudopropheten", des Helfers des Antichrists, in Apk 16,13; 19,20; 20,10, der ebenfalls seine satanische Propaganda mit Trugwundern unterstützt (13, 11 fT; 16, 14). • VgI. A. v. HARNAcK, Miss. u. Ausbr. I, 344f; 362-364; A. FRIDRICHSEN, Le probleme du miracle dans le christi anis me primitif (Straßburg-Paris 1925) 105fT; E. FASCHER, IIpo
219
1 Joh 4, 2
sieht man dabei bedeutende Unterschiede. Die korinthischen Pneumatiker werden nicht mit Irrlehrern, vielmehr mit dämonengetriebenen Heiden konfrontiert (1 Kor 12,2), und in Thessalonich scheint der Apostel nur an die Prüfung der verschiedenen (christlichen) Charismen unter dem Gesichtspunkt des Gemeindenutzens (,,0 KotAOV Koc"exsn) zu denken. Auf der anderen Seite läßt 1 Joh 4, 1 in keiner Weise erkennen, daß es sich um ein besonderes (enthusiastisches) Sprechen im Geiste handelt. Die vom Satan (V 4) dirigierten Stimmen der Häretiker wie ·auch die vom Gottesgeiste (V 2) gelenkten der Christusgläubigen äußerten sich kaum in außergewöhnlicher Form. Die 7tVsu(J.oc"oc V 1 selbst sind nicht dämonische Geistesmächte (wie vielleicht die 7tVsu(J.ocu 7tAOCVOC 1 Tim 4, 1), sondern me n s c h li c h e, von Gott bzw. Satan inspirierte Geister" wie die darauf bezügliche Aufgliederung in Christus bekennende (V 2) und Christus leugnende Geister (V 3) zeigt. Die damit verbundene nüchterne Mahnung "Trauet nicht jedem Geiste!" warnt vor einem blinden Glaubenschenken ; mcr"susLv mit Dativ ist hier ähnlich wie Joh 4, 21 gebraucht und hat nicht den speziellen Klang des joh. christologischen Glaubens". 4,2 Mit EV "o~cp YLVWO"KS"S3 weist der Verf. auf das Unterscheidungsmerkmal des Christusbekenntnisses hin. Der Gottesgeist ist es, der in den rechtgläubigen Christen das Bekenntnis ermöglicht und umgekehrt aus diesem erschlossen wird. Dem entspricht am Ende von V 3 die Feststellung, daß die Bestreitung der Glaubensaussagen über Jesus "das (7tVsu(J.oc) des Antichrists" ist. So sind in VV 2-3 der Gottesgeist und der Geist des Antichrists die einander entgegenwirkenden Mächte, die ihren menschlichen Trabanten auf der Bühne dieser Welt ihre gegenteiligen Gla ubensproklama tionen soufflieren. Das christologische Bekenntnis, das die Trennungslinie der Geister bildet, ist wegen seiner schwer deutbaren Kürze zu einem Streitobjekt geworden '. Nach der sprachlichen Form ist zu beachten, daß 6(J.OAOYSi:V einen doppelten Akkusativ regiert, also neben dem des Objekts noch einen Prädikatsakkusativ neben sich hat". Freilich enthält die Bekenntnisformel einen lehrhaften Satz, den es genau festzustellen gilt. Es fragt sich, ob "Christus" als Prädikatsakkusativ gelten könne. Dann wäre die Formel an 2, 22; 5, 1 angenähert: "Jesus als im Fleische gekommenen Christus" bekennen. Das Fehlen des Artikels vor XpLG-r6v wäre nichts Befremdendes, vgl. Joh
Am besten veranschaulicht dies Herm(m) XI, 1-6; vgl. Exk. 9. • Vgl. oben zu 3, 23. • Da es sich um ein stets gültiges Erkennungszeichen handelt, am besten als Indikativ zu nehmen; so verstanden es auch die anderen LAA: YLVwcn;:e-rOLL 'f'" ft Vg syP, Cyr. Did Aug., und YLvwcn;:ofLCV 11* a!. bo arm; sie müssen aber als sekundär gelten. • Vg!. Ein!. S. 17-22. , Vg!. BLAss-DEBR § 157, 2; 416, 3; MOULTON-THUMB 362. Die LA von B lat tA'lAu~evOLL ist wohl schon Interpretation. Auch Polyk 7, 1, der. diese LA bietet, gibt, wie der Kontext zeigt, die Stelle frei wieder. 1
220
1 Joh 4, 2 9, 22; ROm 10, 9. Aber diese für eine einheitliche Auffassung von "Christus" bestrickende Möglichkeit scheitert an zwei Tatsachen: 1. ist die Verbindung 'l'I)aoü~ XpLa'l'6~ gerade in unserem Briefe schon eine festgetügte und formelhafte, vgI. 1, 3; 2, 1; 3, 23; 5, 6a. 20c; Joh 17,3 und spil.ter die Ignatiusbriefe; 2. dürfte bei dem nachgestellten, aus einem Participium präpositionaler Wendung bestehenden Attribut tv aotpx! tA'I)AU&6'1'OI: der Artikel kaum fehlen (auch wenn Xpia'l'6v selbst ohne Artikel ist)'.
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Die Formel kann also nicht anders verstanden werden als "J esus Christus als im Fleische gekommen" bekennen. Welchen Sinn aber hat diese Bekenntnisformel ? Das Nächstliegende scheint eine antidoketische Tendenz zu sein: Die wahre Leiblichkeit des Inkarnierten werde durch den krassen Ausdruck a&p; (vgl. Joh 1, 14) betont. Indessen, daß sich a&p; gegen die Annahme eines Scheinleibes (vgl. Lk 24,39 a&pKoc KOCt bcl"..eoc) richte, ist nicht wahrscheinlich. Die a&p;, in die sich der Logos hüllt, ist im Joh-Ev von soteriologischer Bedeutung: sie befähigt den Menschgewordenen, den blutigen Opfertod auf sich zu nehmen und so der Welt das Leben zu geben (6,51). Gerade die Sendung des Gottessohnes zur Erlösung von den Sünden aber ist ein Anliegen, das auch 1 Joh durchzieht (2, 2; 3, 5. 8; 4,10. 14). Wegen dieser umfassenden Bedeutung der Menschwerdung und nicht um einer speziellen antidoketischen Tendenz willen dürfte also in 4, 2 die Inkarnationsformel stehen. Sie erfüllt dann faktisch denselben Zweck wie die anderen Formeln: 'I1jaoüc; iO"t'tv b xpta't'6c; (2,22; 5, 1) und 'I1jaoüc; iO"t'tv b utoc; 't'Oü .&e:oü (4,15; 5, 5). Die Irrlehrer bedurften Jesu Christi als des Sündenlösers und Lebensmittlers überhaupt nicht; sie glaubten auf einem anderen Heilsweg zum Vater zu gelangen. Der Verf. aber kündet durch den ganzen Brief hindurch nichts anderes, als daß das Gottesleben nur über den inkarnierten Gottessohn (1, 1-3) für die Menschen erreichbar und nur durch den Glauben an diesen göttlichen Lebensträger (5, 12f. 20) zu gewinnen ist. Bekräftigt wird diese Ansicht dadurch, daß der kurze 2 Joh die Lehre der "Verführer und Antichriste", die sicherlich mit denen von 1 Joh identisch sind, mit der fast gleichen Inkarnationsformel abweist (V 7). Diese entlarvt die Gegner des wahren Christusglaubens an einem grundlegenden Lehrpunkt der Christusbotschaft. Ist die Formel 'I. Xp. tv aotpx! tA'I)AU&.hot überhaupt speziell eine Inkarnationsformel ? 'l'I)aoü~ XpLa'I'6; tritt sonst nirgends im joh. SprMhgebrauch für den Präexistenten ein, und das Perfekt tA'I)Au.&6'1'ot hebt nicht das geschichtliche Ereignis oder gar den Zeitpunkt der Inkarnation hervor. 'I'I)aoü~ XpLa'I'6~ ist der Inkarnierte und inzwischen wieder zum Vater Heimgekehrte (2,1; 5,20c). Im Hinblick auf diesen wird die Tatsache seines "Kommens im Fleische" bekannt, eine Tatsache, die ihre Bedeutung behält (Perfekt). Aber tv aotpx( dürfte doch auf Joh 1, 14 zurückschauen, wo die Inkarnation als Grundlage der christlichen Heilslehre ins Auge gefaGt wird. Der Standpunkt des Bekennenden ist nicht der des Evangelisten, der den geschichtlichen Ablauf der Heilsereignisse beschreibt (Joh 1, 14), sondern der des Gläubigen, dem Jesus Christus der lebendige, zur Rechten des Vaters thronende Gottessohn ist
, VgI. BLAss-DEBR § 272; RADERMAcHER 116t.
221
1 Joh 4, 3 (1 J oh 2, 1), von dem er aber die wichtigsten, einst geschichtlich erfolgten Heilsereignisse im Bekenntnis festhält. Sobald der Verf. den geschichtlichen Akzent verstärken will, kann er auch sagen: 0 E:A&6lV XTA. (Aorist 1 J oh 5, 6); sobald das überzeitliche des Bekenntnisses in den Vordergrund tritt, kann es auch heißen: E:p)(6fLevov E:V O'Otpx[ (2 Joh 7). Daß diese Formeln auf dem besten Wege sind, zu erstarren und feste "Glaubensartikel" zu werden, ist nur zu deutlich. Die Kirche bedurfte ihrer immer mehr als Kampfparolen gegen die Häretiker und als liturgischer Ausdrucksmittel (vgI. I Tim 3, 16 E:.q>Otvep~&7j ev O'Otpx[).
4, 3 In der Antithese wird die Leugnung der Glaubensformel auf eine verkürzte Weise eingeführt. Die zeitig bezeugte Lesart 8 Met Tbv 'IlJO'Oüv, ist gegenüber der einfachen Negierung 8 !L~ 6!LOAoye:i: von so besonderer Art, daß sie als die ursprüngliche gelten muß 1. Ein Scholion der Athos-Hs 1739 (vgI. EinI. S. 42) bezeugt diese LA für Irenäus, Origenes und Clemens von Alex.; dazu kommen Tertullian (Adv. Mare. V, 16; De ieiun. I), Socrates (Hist. eccI. VII, 32) und andere lateinische Väter (Luc., Aug., Prise., Ticon., Fulg.), ferner die altlateinischen Hss (außer q) und Vg. Sie ist aus folgenden Gründen vorzuziehen: 1. Sie geht, wie ·die Textzeugen beweisen, bis in die Mitte des 2. Jh. zurück, wird auch nicht bloß von der lateinischen überlieferung, sondern auch von alten griechischen Zeugen gestützt. 2. Sie ist grammatikalisch wegen des ungewöhnlichen fLij beim Indik. ofLoAoyei wahrscheinlicher". 3. Innere Gründe sprechen für sie, und zwar: a) Auew ist eine prägnante Ausdrucksweise, fLl) 0fLoAoyeiv dagegen farblos, besonders in der Verbindung TOV '!'I]O'oüv. b) Die Fortsetzung 4, 3b, ebenfalls eine scharfe Redeweise, wird erst im Anschluß an dieses Wort begreiflich. "Das ,AUetV Tav '!'I]O'oüv' ist das eigentliche Geschäft des Antichrists" (v. Harnack). 4. Das Verschwinden vonA6etv in der späteren griechischen Textgeschichte läßt sich erklären, der umgekehrte Fall nicht. Man setzte mechanisch nach ofLoAoyeiv die Negation, wie es der sonstigen joh. Diktion entspricht.
Die verschiedenen Zusätze zu 'IlJO'Oüv' zeigen die Verlegenheit, die der knappe Ausdruck später bereitete, und sind darum als sekundär zu betrachten. Aoe:t darf aber nicht in dem prägnanten Sinn von "auflösen" verstanden werden; der Vorwurf einer solchen Lockerung der Wesensverbundenheit des Menschen Jesus mit dem himmlischen Christus müßte sich gegen 'IlJO'Oü,; XptO'T6.; richten, während das bloße 6 'IlJO'Oü,; die allen bekannte historische Persönlichkeit bezeichnet (vgI. 2,22; 4, 15; 5, 1. 5). Vielmehr bedeutet Me:tv (wie 3, 8; vgI. Joh 2,19; 5, 18; Apg 2, 24; 2 Petr 3, 10. 11. 12) "zunichte machen". Die Irrlehrer zerstören den Glauben an Jesus als den menschgewordenen Gottessohn, den Gott zur Rettung der Welt sandte, ja sie beseitigen ihn selbst als den einen notwendigen Heiis~ittler·. Damit kommt noch schärfer zum Ausdruck, was jeder "aus Gott VgI. bes. ZAHN, Einleit. II, 585, Nr. 6; WESTCOTT 163ff; BROOKE z. St.; BÜCHSEL Exk. S. 63, und andere neuere Erklärer. - Ablehnend BONSIRVEN 214 Anm. I; LAGRANGE, Crit. text. 566; WINDISCH (gegen ihn aber PREISKER im Anh.); NAUCK a. a. O. 77. • VgI. A. RAHLFs in: ThLZ 40 (1915) 525. • 11 XUptOV; ft aI. XptO'TOV; 11 P ft pI. sy arm außerdem Ev O'OtPXL &A'I]Au&6TOt. • VgI. BAuERWb 957 s. v. 4: ,,(die richtige Lehre von) Jesus (durch Ablehnung ... ) 1
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1 Joh 4, 4
stammende Geist" bekennt: Wir bedürfen des im Fleische gekommenen Jesus Christus zu unserem Heil. Ein solcher der Offenbarung und Lebensmitteilung Gottes in der geschichtlichen Person Jesu, so anstößig das auch sein mag, widersprechender Geist ist nicht "aus Gott". Daraus leitet der Verf. nun noch (durch Kod eng angeschlossen) die Aussage ab, daß dies der Geist des Antichrists ist. Denn die deutliche Bezugnahme auf V 2a (TO 7tVEÜfL~ TOÜ .&EOÜ) macht es wahrscheinlich, daß hinter TO ein 7tVEÜfL~ zu ergänzen ist. Die Formulierung mit EO"Tlv steht gleichbedeutend mit EV Tmh<:> YLV6JO"KETE V 2a. Wer so gegen Jesus spricht, besitzt den "antichristlichen" Geist (2, 18; 2 Joh 7) 1. Dabei wird der "Antichrist" nicht etwa als eine konkrete Persönlichkeit vorgestellt; denn der Relativsatz (8 KTA.) ist nicht an &VTLXplO"TOU, sondern an TO (7tVEüfL~) angeschlossen. Die dadurch entstehende merkwürdige Redeweise, daß der "Geist (des Antichrists) kommt", erklärt sich aus der Aufnahme der Gemeindeerwartung (&K1)K6~TE) vom Kommen des Antichrists (2, 18), die aber der Verf., wie sich schon für 2,18 ergab, dahingehend deutet, daß der Antichrist in den Irrlehrern "kommt", d. h. als in den Irrlehrern realisiertes Phänomen der "letzten Stunde" zu verstehen ist. Diese Überzeugung, daß der "Geist des Antichrists" schon da sei, spricht der Verf. noch einmal ausdrücklich aus. Das kleine Sätzchen Kod vüv KTA. ist nicht mehr von ÖTL abhängig, weil der Verf. mit vüv seine eigene Deutung im Unterschied zur Überlieferung (&K1)K6~TE) gibt. Der Verf. hat damit die urchristliche Auffassung vom Antichrist, die in ihm eine Einzelpersönlichkeit (6 &v.&PW7tOC; 't"ijc; &vofL(~C; 2 Thess 2,3) erblickte, in eigentümlicher Weise fortentwickelt, aber ohne Beeinträchtigung des Kerngedankens, da die inspirierende dämonische Macht sowohl in der individuellen wie in der kollektiven Deutung des Antichrists den entscheidenden Faktor darstellt".
2. TATSÄCHLICH SIND DIE CHRISTEN VON DEN PSEUDOPROPHETEN IM TIEFSTEN WESEN VERSCHIEDEN (1 Joh 4, 4-6)
4, 4 Den aufgewiesenen Gegensatz zwischen den vom Geist des Antichrists infizierten Häretikern und den vom Gottesgeist inspirierten Rechtgläubigen weitet der Verf. alsbald zu einer grundsätzlichen Betrachtung über die Wesensverschiedenheit der beiden Gruppen aus. Zugleich will außer Geltung setzen"; schärfer noch BücHsEL in: ThWb 4, S. 337, 39ff: "Es heißt J esus als Gegenstand des christlichen Bekenntnisses abschaffen, so daß er nur noch einer unter den vielen Menschen der Vergangenheit ist, aber Glaube an ihn nicht mehr in Betracht kommt." 1 VgI. die freie Wiedergabe bel Polyk 7,1: ncx<; yocp 8<; &v fL~ 0fLOAOY'ij 'I1)GOÜV XPLGTOV EV GlXpX! eA1)Au&evIXL, &V't"IXpLG't"6<; eG't"Lv. • AMBROGGI: Der Verf. denkt an "eine boshafte Macht des Irrtums und der Verführung, die sich in verschiedenen Individuen und in den verderbten Lehren konkretisiert".
223
1 Joh 4, 4
er die Gläubigen damit in ihrer Zuversicht stärken, daß sie vor diesen gefährlichen Gegnern nicht zu kapitulieren brauchen. Darum versichert er seinen "Kindlein", daß sie aus Gott stammen, d. h. von Gottes Art und Kraft erfüllt sind. Dieses EI\lOU h ist das joh. Stilmittel, um die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Gebiet (y'ij - oöp~\l6c; Joh 3,31; TOC xlhw - TOC &\lW 8,23), zu einer Gruppe oder Kategorie (&X TW\l1tPOßIXTW\I TW\I &!J.W\I 10,26), zu einem Wesensbereich (&X njc; &All3-d~c; 18,37; 1 Joh 2,21; 3, 19) auszudrücken. In diesem umfassenden Sinn wendet er es hier an, wo ihm daran liegt, die scharfen gegensätzlichen Konturen zwischen den ~!J.E~C; (V 4) und den ~öToL (V 5) herauszuarbeiten; vg!. &X TOÜ 3-EOÜ - &X TOÜ x6a!J.ou (VV 4---5) ; 6 &\1 u!J.~\I - 6 &\1 Tij> xpa!J.
1 Joh 4, 5--6
die aus der Tiefe des Glaubens und der theologischen Grundkonzeption aufsteigt. Ganz ähnlich ist die Anschauung in den Handschriften vom Toten Meer. Auch da ist der Satan (unter verschiedenen Bezeichnungen) der große Gegenspieler Gottes. Unter seiner (des "Finsternisengels") Herrschaft stehen die "Söhne der Finsternis"; er und "alle Geister seines Loses" stellen den "Söhnen des Lichtes" nach. Aber Gott lenkt alles nach seinem Plan und hilft den Söhnen des Lichtes (1 QS III, 201T). In der Welt ist ein heißer Kampf zwischen den beigen Gruppen entbrannt, für den im "Buche des Kampfes der Söhne des Lichtes gegen die Söhne der Finsternis" eine Art Felddienstordnung aufgestellt wird. Es bleibt kein Zweifel, daß Gott und seine Gemeinde am Ende siegreich sind.
4,5 Den Falschpropheten bezeugt der Verf., daß sie "von der Welt" sind, ähnlich wie der joh. Christus ungläubigen Juden vorhält, daß sie "von unten", "von dieser Welt" sind (Joh 8,23). Er stellt sie damit in schärfsten Gegensatz zu den rechtgläubigen Christen (Ö!LE!~ V 4) und versucht aus dieser ihrer Wesensart ihre Betätigung zu begreifen. Da sie innerlich nicht zu der Gemeinde gehörten, hat diese sie bereits ausgeschieden (2, 19). Wenn sie nun ihr falsches Bekenntnis laut in die Welt hineinrufen (AocAoüaLV), dann tun sie das entsprechend ihrer der "Welt" gemäßen Art, zwar nicht in der äußeren Form ihrer Verkündigung, aber nach dem Inhalt. Das Gotteszeugnis fehlt ihren Worten (vgl. 5, IOf). Die Welt greift ihre Botschaft bereitwillig auf, eben weil sie ihr konform ist. In dieser Aussage (5c) liegt das Eingeständnis, daß die Irrlehrer einen ansehnlichen Erfolg in der Welt haben. Die Briefstelle zeigt, wie die alte Kirche sich diesen äußeren Erfolg ihrer Widersacher. erklärt - auf ähnliche Weise, wie sie teilweise das Rätsel der Ablehnung Jesu, namentlich durch die führenden jüdischen Kreise, erklärte (vgl. Joh 8, 23. 47; 10,26; 14,17; 15,18ff; 18,37). Der )(6a!Lo~-Begriff wird dabei in dem typisch joh. Sinn wie 3, 13 (s. dort) angewendet. 4, 6 Mit diesem Problem des Erfolges der Christusgegner beschäftigen sich sicher vor allem die Verkündiger des Glaubens. Dies könnte den Wechsel 2;ur 1. Person Plur. mitveranlaßt haben. Doch ist kaum speziell und ausschließlich an den besonderen Kreis der berufenen Zeugen und Künder des Glaubens (vgl. 1, 1-3) gedacht l ; höchstens werden diese als die Vertreter und Repräsentanten der Gesamtkirche (vgl. Dodd) vorgestellt. Der Gegensatz zwischen denen, die "aus Gott", und denen, die "nicht aus Gott" sind, ist grundsätzlich gemeint (vgl. 2, 4f. 23; 3, 10; 5,10. 12. 19), die Scheidung betrifft die Gemeinde bzw. die Gemeinden (vgl. 2, 19). Verglichen mit V 5 könnte der Eindruck entstehen, hier solle der schwache Nachhall der christlichen Missionspredigt gegenüber dem Propagandaerfolg der Falschpropheten gerechtfertigt werden. Doch zeigen Zum Wechsel der ersten und zweiten Pers. Plur. vgI. 2, 19f. 24f. 28; 3, 13f; 5,31 f. 20f.
1
17 Schnackenburg, Johannesbriefe
225
1 Joh 4, 6
die negative Wendung V 6c und der Abschluß V 6d, daß der Verf. in erster Linie die ungöttliche Wesensart der Irrlehrer und aller, die hinter ihnen herlaufen, treffen und seine Leser davon abhalten will, mit ihnen zu liebäugeln. Die Gottzugehörigkeit wird jetzt mit "Gott erkennen" wiedergegeben, einem Ausdruck, den die Gnostiker als Schlagwort zu ihren Gunsten benutzen (2,4). Wie der Verf. ihnen schon unter moralischem Aspekt diese Waffe aus, der Hand schlug (2,3-6) und die Gotteserkenntnis um so entschiedener seinen Adressaten zusicherte (2, 13-14), so behauptet er auch jetzt in der Glaubensfrage, daß, wer wirklich Gott erkennt, auf die Christen hört. Eigentümlich ist, daß hier die Gotteserkenntnis nicht als Ziel, sondern als Ausgangspunkt des religiösen Weges erscheint, gleichbedeutend mit "aus der Wahrheit sein" (Joh 18,37) und "den Geist der Wahrheit" besitzen (vgl. V 6d). Der letzte Satz 6d ist nicht ein Aufnehmen und Rekapitulieren der Unterscheidungsregel VV 2-3; denn schwerlich greift ~x 't'oo't'ou so weit zurück. Vielmehr erkennt man aus dem Verhalten derer, die die Christusbotschaft vernehmen, welcher Geist sie ergriffen hat. To 7t\Ie;üILot ist nicht ihr menschliches, von Wahrheit oder Lüge beeinflußtes 7t\Ie;üILot wie 7tiiv 7t\Ie;üILot VV 2b u. 3a, sondern, wie auch der Artikel zeigt, die sie treibende Macht (wie 't'o 7t\Ie;ÜILot 't'oü .&e;oü V 2a und 't'o 't'Oü liV't'LX,p(a-rOU V 3 b). Dabei erinnert 't'o 7t\Ie;ÜILot TIj~ lif..'Yj'&e;(ot~ an die Parakletsprüche in den Abschiedsreden (Joh 14,17; 15,26; 16, 13). To 7t\Ie;üILot TIj~ 7tMV'Yj~ vermeidet wie V 3 einen personhaften Ausdruck für die entgegenwirkende Macht, kennzeichnet aber diesen gottwidrigen Einfluß als einen satanischen (vgl. V 4). IIAciV7j heißt im allgemeinen "Irregehen, Irrtum", enthä.lt also meist nicht das aktive Moment boshafter Irreführung', kann dieses aber, besonders in Verbindung mit dem Satansgeiste, doch in sich aufnehmen (vgl. Eph 4,14; Diog 12, 3). Besonders aufschlußreich dafür sind die TestXII, in denen die Lehre von den mleUfLOt't'lX 7CAciv'll~ bzw. dem mlW!L1X 7CA.xV7jt; (TOÜ BeA!otp) eine beherrschende Stellung einnimmt". TestXII Jud 20, 1 spricht von den "zwei Geistern", die sich um den Menschen bemühen, dem "Geist der Wahrheit" und dem "Geist des Truges" (vgl. ebd, 14,8), Der "Herrscher des Truges" kann den Menschen verblenden (ebd. 19,4; vgl. Sim 2, 7), "Trugdä.monen" verstricken ihn in Sünde (Ju!i 23,1); erst nach dem Kommen des Messias, in der Heilszeit, gibt es keinen "Truggeist Beliars" mehr (Jud 25, 3; vgl. Sim 6,6; Lev 3,3). Rub 2,1 kennt "sieben Geister des Truges", die dann 3,3-6 aufgezä.hlt werden. 'Dan 5, 5 kündigt für die Abfalls- und Verderbenszeit das Wirken der "Geister der Schlechtigkeit" (v. I. "des Truges") an. Wiederholt stehen sich "Wahrheit" und "Trug" (7CA.xV7j) antithetisch gegenüber, vgl. Rub 3, 3-6 mit 7t; Jud 14, 1; 20, 1; As 6, 1 mit 2. In allen diesen Texten ist 7CA.xV7j mehr als "Irrtum", nllmlich vom Satan und seinen Geistern gelenkte Verführung zu Lastern und Abfall von Gott. Wie die
, Vgl. BAUERWb 1320 s. v. - B. leugnet dieses aktive Moment auch für 2 Thess 2, 11 und Diog 12, 3 (7CAciv'll 't'Oü IScpe6lt;); dagegen vgl. BROOKE und BtlCHSEL, ferner H. BRAUN in: ThWb 6, S. 23911; 247; 253,111. a Vgl. R. EpPEL, Le pi~tisme juit dans les Testaments des Douze Patriarches (Paris 1930) 8311; B. NOACK, Satanas und Soteria (Kopenhagen 1948) 4411; B. OTZEN in: StTh 7 (1953, erschienen 1954) 135-144; H. BRAUN in: ThWb 6, S. 239t; 241, 19-26.
226
1 Joh 4, 7-5,4 Handschriften vom Toten Meer "Lüge" (!lll) und "Irrtum" (nl)ll'l) offenbar synonym gebrauchen, so scheint auch zwischen dem job. q,EÜ8o<; und 1tAOCWj kein sachlicher Unterschied vorzuliegen. Zur Vorstellung vgl. Exk. 9.
ZWEITER ABSCHNITT
Die Liebe als Kennzeichen der Gotterzeuglen (1 Joh 4, 7 - 5, 4) Ebenso wie das rechte Glaubensbekenntnis ist dem Verf. die Liebe Kennzeichen der Gotterzeugten. In der Liebe kommt die göttliche Wesensart zum Durchbruch, weil Gott seinem Wesen nach "Liebe" ist. So versteht der Verf. auch die "Liebe" der Gottgezeugten jetzt allgemein als Wesensbezeichnung, ohne sie zunächst in Gottes- und Bruderliebe aufzuspalten. Auf die Bruderliebe kommt er thematisch (in V 11 ist sie nicht Thema) erst am Ende des Abschnitts (VV 20f) zu sprechen, wo es ihm um die praktische Verwirklichung der Liebe geht. Um das Wesen der Liebe zu erkennen, als deren Urquell er Gott bezeichnet, schaut er darauf, wie Gott die Liebe betätigt hat. Sie wurde gleichsam sichtbar und greifbar in der Sendung seines Sohnes zur Rettung der Welt (VV 10. 14). Diese einmalige göttliche Liebestat ist für die Liebe der Christen Urform und Zielbild. Eine solche echte, selbstlose, tatbereite Liebe, die aus Gott stammt und göttlichen Charakter trägt, verbürgt dem Christen aber auch reichen Gewinn: sie allein vereinigt vollkommen und bleibend mit Gott (VV 12. 16), gewährt Hoffnung auf die Enderrettung im Gericht (V 17) und vertreibt die Furcht (V 18). So betrachtet, ist diese neue und längste Ausführung über die Liebe neben den beiden vorangegangenen (2,7-11; 3, 11-18 bzw. 24) keine überflüssige Wiederholung, wenn sie auch z. T. schon bekannte Gedanken aufnimmt. Sie stellt im Abwehrkampf gegen die sich geschickt tarnenden Pseudopropheten ein zuverlässiges Unterscheidungsmerkmal auf. Sie begründet aber auch die sittliche Ermahnung tiefer als 3, 11 ff, weil sie in letzte Wesenszusammenhänge hineinführt. Daß sich mit der theologischen Darlegung sofort die Paränese verbindet und den ganzen Abschnitt durchzieht, braucht man nicht mit der homiletischen Auswertung einer literarischen Vorlage l zu erklären. Vielmehr ist dies auf die persönliche Eigenart des Verf. zurückzuführen. Entsprechend seiner ethisch-nüchternen Grundhaltung gibt er dem ganzen Abschnitt die Form der Mahnrede, wie das vorangestellte &YCUtW{-Le:v ill1jAOUC; (4, 7) zeigt. Auch tiefen theologischen Aussagen fügt er gern Mahnworte bei, die seinen eigenen Stil erkennen lassen (V 11 ÖcpdAO{-Le:V; V 16b Immanenzformeln; V 19 &YOt7tw{-Le:v; V 21 -r1jv ~V"OA1jV). 1 Vgl. BULTMANN, Analyse 1521; WINDlseH vor 4, 7. PREISKER nimmt, näherhin für 4, 17, noch eine zweite, eschatologische Vorlage an (169ff).
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1 Joh 4, 7 1. DIE LIEBE STAMMT WESENHAFT AUS GOTT, DER UNS ZUERST GELIEBT HAT (1 Joh 4, 7-10)
7 Geliebte, laßt uns einander lieben; denn die Liebe stammt aus Gott, und wer liebt, ist aus Gott gezeugt und erkennt Gott. 8 Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt; denn Gott ist (seinem Wesen nach) Liebe. 9 Darin ist die Liebe Gottes unter uns erschienen, daß Gott seinen Sohn, den Einziggezeugten, in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn das (göttliche) Leben empfingen. 10 Darin besteht (die Eigenart dieser) Liebe, nicht daß wir Gott geliebt haben, sondern daß er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne(mittel) für unsere Sünden gesandt hat. 4,7 Der Sinn der Aufforderung am Anfang: "Geliebte, laßt uns einander lieben!" ist nicht, das spezielle Thema der Bruderliebe anzuschlagen; denn der Kern dessen, was der Verf. jetzt ausführen will, folgt erst im 6't"L-Satz, und dieser stellt die Liebe ganz allgemein (~ &YIX'ItYj) jn den Mittelpunkt. Es geht ihm bei der Sonderung der Christen von den "Pseudopropheten" darum, festzustellen, daß der echte Christ ein Liebender ist, so wie jeder zur "Welt" Gehörige ein Hassender ist: 3, 13, vgl. Joh 15, 18f; 17,14. Die Liebe als solche ist die Art Gottes (ht TOU &eou) und Gottes allein. Die "Welt" kann zwar auch ihresgleichen "lieben" (cpw:iv), Joh 15,19; aber ihre eigentlichen Begierden sind Lüge und Mord (vgl. Joh 8, 44; 1 Joh 3,12.15). Erkennt man diese Fragestellung und dieBes umfassende Thema von der "Liebe" schlechthin, dann wird man in 7 c an der allgemeinen Fassung n;ii~ (, &ycxn;(;)v nicht rütteln. Sowohl die Lesart von Cod. A, der TOV &e:6v ergä.nzt, als auch die stillschweigende Einfügung TOU~ ci3EA<po6~ gemä.ß 7 a l bedeutet eine unzulässige Einengung.
Jeder Liebende, sofern er liebt, ist aus Gott geboren. Das heißt natürlich nicht, daß die Geburt aus Gott in der Liebe besteht, sondern, wie in ähnlichen Sätzen in 1 Johl, in ihr erkennbar wird. In nächste Nachbarschaft mit der Zeugung aus Gott tritt die Erkenntnis Gottes. Auch für sie wird die Liebe eil). Kriterium, wie V 8 bestätigt. Der Gedanke selbst, nur auf die Bruderliebe bzw. das "Erfüllen der Gebote" spezialisiert, ist bereits aus 2, 3ff bekannt. Wenn sich die "Zeugung aus Gott" mehr auf den Ursprung bezieht, so "Gott erkennen" stärker auf die bleibende Gemeinschaft mit Gott. Nur wer sich als Liebender erweist, zeigt - eben durch seine Liebe -, daß er Gottes Art und Gemeinschaft besitzt. Der Verf. gebraucht bewußt diese Wendungen, die das gemeinsame Ziel der damaligen religiösen Sehnsucht außerhalb und innerhalb des Christentums wiedergeben, um seiner Liebesforderung Klang zu verleihen, und zugleich, um die Gegner abzutun. So CHAINE, der 4, 7ft als umnittelbare Fortsetzung von 3, 24 betrachtet. 1 Joh 2, 29; 5, 1; zur Ausdrucksweise vgI. die Sätze mit ~(MW 2, 22a.b; 3, lOb (vgl. a); 4, 2b (vgI. a). 3a (vgl. b).
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1 Joh 4, S-9
4,8 Noch tiefer auf den Grund göttlichen Wesens führt der Verf. in der Antithese. Da spricht er nicht nur - polemisch gegen die "Gnostiker" - dem Nichtliebenden die Erkenntnis Gottes ab" sondern prägt in der Begründung auch den lapidaren Satz (der noch einmal in V 16 steht): Gott ist (die) Liebe. Mit J oh 4, 24 und 1 J oh 1, 5 gehört er zu den grundlegenden Aussagen über das Wesen Gottes (vgl. Exk. 10). Hier wird diese Wesensaussage über Gott im Hinblick auf den gottfernen und gottfeindlichen x6Q'!J.o~ gemacht (vgl. 4,4-6). Der Mensch hat sich zu entscheiden zwischen einer Welt des Unglaubens und Hassens und der Welt des Glaubens, Gehorchens und Liebens. Andere Tendenzen kennt dieses Wort nicht. Auch deQ,Unterschied zum atl. Gottesbegriff des strengen Gesetzgebers und Dynasten will es keineswegs herausarbeiten; 1 Joh spricht unbefangen und unentwegt vom "Gebotehalten" 2. Der Verf. denkt vielmehr über die Wesensverschiedenheit der "Gotteskinder" und "Teufelskinder" nach (3,9f) und gelangt so zur "Unterscheidung des Christlichen". Er verfährt dabei aber nicht wie ein moderner Phänomenologe und Religionspsychologe, sondern folgert das Wesen der Gotteskinder aus dem Wesen ihres Vaters. Dieses an sich verborgene Wesen Gottes wiederum erschließt sich ihm aus der Selbstoffenbarung Gottes in seinem Heilshandeln. Davon sprechen die nächsten beiden 'Verse. 4,9 Darin ist die Liebe Gottes "erschienen", d. h. erfahrbar geworden, daß er seinen einzigen Sohn in die Welt sandte. Diesen Ausdruck für die Selbstoffenbarung Gottes wählt der Verf. bewußt, weil er an die personhafte "Erscheinung" des Gottessohnes denkt (vgl. 1,2; 3,5.8), in dem sich die Liebe Gottes - wie auch das Leben Gottes - gleichsam manifestierte. Das verhüllte Wesen Gottes ist erst dadurch, aber dadurch auch in vollendeter Weise, erkennbar geworden. Nicht eine Eigenschaft Gottes sollte dadurch geoffenbart werden, sondern Gott überhaupt, Gott als Liebender. Er war dies schon immer 8 , aber "unter uns'" wurde dies erst erfahrbar im Kommen seines Sohnes. Der Sohn erhält hier das 1 Der Aorist OU)( ~yv
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1 Joh 4, 10
Attribut !Lovoye;v~.;, das mit dem hebr. ""~ äquivalent ist und zunächst den "Einzigen, Geliebten" bezeichnet - gerade bei dem Hinweis auf die Tat der Liebe Gottes ein vielsagender Zusatz. Doch liegt darin bei Johim Unterschied zu &;YIX7nJT6.; Mk 1, 11 par; 9, 7 par; Mt 12, 18 - auch ein Hinweis auf die einzigartige Herkunft des Gottessohnes (vgl. Joh 1, 14. 18), der allein den Menschen Offenbarung und Leben von Gott bringen konnte 1. So bereitet dieses Attribut auch den ~vlX-Satz vor; der Einzigerzeugte, der das Gottesleben in Fülle vom Vater empfing (Joh 5,26), gibt es den Menschen, die an ihn glauben, weiter. Die Sendung des Sohnes in die Welt bzw. das Kommen Jesu vom Vater" gehört ebenso zu den dominierenden Aussagen des Ev wie der angegebene Zweck: "damit wir durch ihn leben". Die paulinische Blickrichtung auf Tod und Auferstehung Jesu und der von Paulus unermüdlich ausgeschöpfte Gedanke von unserem Mitsterben und Mitauferstehen mit Christus sind diesen "Lebens"Aussagen gewichen. Mitteilen des unzerstörbaren Gotteslebens an die Menschen vermittels des göttlichen Lebensträgers schlechthin, des inkarnierten Gottessohnes: das ist jetzt die beglückende Botschaft. 4, 10 Der Verf. meditiert weiter über das Wesen der Liebe und kommt unter dem Eindruck der eben geschilderten einzigartigen und höchsten Liebestat Gottes zu der Erkenntnis, daß solche Volloffenbarung dessen, was Liebe ist, und die Wirklichkeit solcher Liebe erst seit jenem und durch jenes Ereignis bestehen, das den Mittelpunkt der christlichen Verkündigung bildet. Die Liebe konnte nicht durch Menschen zu einer wirksamen Daseinsmacht in der "Welt" werden, sondern allein durch Gott selbst. Gegen eine menschliche Überheblichkeit kann der Vers nicht polemisieren, da den Gegnern der Mangel an Liebe überhaupt zum Vorwurf gemacht wird, die Christen aber (die der Verf. mit ~!Le;r:.; im Auge hat) nach dem sonstigen Zeugnis des Briefes einer solchen Korrektur nicht bedürfen. Die Antithese oUX I5T~ - &;"JJ...' /)T~ dient allein dazu, die Tat Gottes in ihrer Bedeutung hervorzuheben. Die wahren Liebeskräfte sind erst durch Gottes Initiative in die Welt eingeströmt. Die Menschen waren der erbarmenden Liebe Gottes bedürftig, aber keineswegs zur Kraft der Liebe fähig. An diese Tatsache erinnert der letzte Teil des Satzes, der, den Gedanken der Sendung 3 aufgreifend (V 9), nun hervorhebt, daß der Der Terminus steht nur Joh 1,14. 18; 3, 16. 18; 1 Joh 4, 9. Zur atl. Grundlage vgl. Ri 11,34; Tob 3,15; 8,17. Im übrigen vgl. BAUER zu Joh 1,14 (Handbuch VI", 26); BÜCHSEL in ThWb 4, S. 7451l; A. SURJANSKY, De mysterio Verbi incarnati ad mentem B. Joh. Ap. I (Romae 1941) 103-128. Die metaphysische Bedeutung lehnen ab HowARD, Christianity Acc. to St. John 69!; STAERK, Soter 1,106; II, 70; BULTMANN, Theol. 382. • Vgl. den Exk. bei WESTCOTT 124-128; STAERK, Soter 11, 871l. • Der Wechsel der Perfekt- und Aoristform bei oc1tOG'reAAeLV (M liest auch V 10 wie V 9 ocmG'rotAKev) ist dabei unerheblich; beides isCErzählungsstil wie ~O(i)l(ot~ und 8e8(i)l(ot~ Joh 17, 61l, vgl. BLASS-DEBR § 38; RADERMACHER 150 u. 154; MAYSER 11,1, 140. Dagegen bezeichnet ~yotrr1)l(otiJ.ev (so B 1739 pc. gegen ft und viele Hss von fi, die 1
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Exkurs: Die Liebe als Wesen Gottes
Gottessohn als Sühner für die Sünden gesandt wurde. Diesem allgemeinen urchristlichen Gedanken hatte der Verf. schon 2,2 und kürzer, unter der Formel U7tEP l]{Jowv - 3, 16 (vgl. auch 3,8) Ausdruck verliehen. Gegen ein falsches Verständnis des l]{Jowv schützt der erweiternde Kommentar von 2, 2. Daß Gott den Abgrund zur erlösungs bedürftigen , d:urch die Sünde ihm ferngerückten Welt in seiner Erbarmung überwand, ist der Höhepunkt der Liebe. Daran knüpft das ofh'cuc; in V 11 an. Zu diesen Sätzen gibt es keine außerchristlichen Parallelen 1. Sie enthalten genuin christliches Gedankengut, das von unserem Autor bis in die letzten Tiefen ausgelotet worden ist. In ihnen ist das Wesen des Christentums als der Religion der Liebe erkannt, nicht in dem Sinn, daß die Liebe das Haupt- und Zentralstück der christlichen Lehre ist, sondern in dem viel bedeutsameren Sinn, daß die Menschen erst seit der Sendung des Gottesiilohnes wirklich wissen, was Liebe ist, und diese Liebe im Vollsinn, die göttliche Liebe, an sich selbst erfahren haben.
EXKURS
10:
Die Liebe als Wesen Goltes Die tiefe Erörterung über die göttliche Liebe, die in dem zweimal ausgesprochenen Satz gipfelt: "Gott ist (die) Liebe" (1 Joh 4, 8. 16), verlangt eine Würdigung im Rahmen der joh. Theologie und im Vergleich zu dem, was das übrige Urchristentum und die religiöse Umwelt über diesen Gegenstand zu sagen haben. 1. Die Aussage im Rahmen der joh. Theologie
a) Seine volle Bedeutsamkeit gewinnt der Sah: "Gott ist (die) Liebe", wenn man ihn neben die beiden anderen stellt: "Gott ist Geist" (Joh 4,24), und: "Gott ist Licht" (1 Joh 1,5), und sich dabei des "dualistischen" joh. Denkens bewußt ist. Mit diesen Sätzen will dieser urchristliche Theologe Gottes Einzigartigkeit, aber auch seine Andersartigkeit gegenüber der "Welt" und allem Nichtgöttlichen ausdrücken, will etwas von seinem herrlichen Wesen erstrahlen lassen, an dem die Gottgezeugten Anteil gewinnen - im Gegensatz zu jenen, die der gottabgekehrten "Welt" zugehören. Daß sich der Satz: "Gott ist Geist" im Ev findet und die beiden anderen im Brief, ist kein Zufall, sondern durch den GegenijYlXtrljalXfLEV haben) sicher den Dauerzustand der Liebe, ijy.x7t1)aev die einmalige Liebestat Gottes. 1 Vgl. Exk. 10, 4.
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Exkurs: Die Liebe als Wesen Gottes
stand bedingt. Im Ev bringt Jesus die Offenbarung der den Menschen verhüllten himmlischen Dinge (vgl. 1,18; 3, 12.32; 5,37; 6,46), und zu diesen Geheimnissen gehört auch das Wesen Gottes; dessen Kenntnis spricht Jesus den an ihn nicht glaubenden "Juden" ab (7,28; 8, 19.55), offenbart es aber der zum Glauben bereiten Samariterin (4,23f). Der Brief wendet sich gegen Gnostiker, die zwar für hohe Offenbarungen empfänglich sind, aber das sittliche Wesen Gottes verkennen. Ihnen muß Gott in seiner fleckenlosen Heiligkeit (1,5) und zur Tat drängenden Liebe (4,8. 16) aufgezeigt werden. So entspringen diese definitiven joh Sätze über Gott nicht philosophischer Besinnung und wollen keine Definition sein, sondern sind aus der göttlichen Offenbarung geschöpft und wollen den christlichen Gottesgedanken scharf beleuchten. b) Daß Gott seinem tiefsten Wesen nach Liebe ist, erkennt der Verf. durch Gottes Handeln, und zwar an der einen Tat, daß er seinen Sohn in diesen Todeskosmos sandte, um den Menschen das Leben zu schenken (4,9). Erst darin "erscheint" die Liebe Gottes unter den Menschen. Erst durch den Sohn und im Sohn erkennt man wirklich den "Vater" (vgJ. Joh 8,19; 14, 9f) und in der Hingabe dieses Sohnes als Sühnopfer für die Sünden die unüberbietbare Liebesgesinnung des Vaters gegenüber der Menschenwelt (1 Joh 4, 10). Aber durch den Sohn hat uns Gott auch befähigt, in einem echten, seinshaften Sinn seine Kinder zu werden, und hat uns so unmittelbar seine väterliche Liebe geschenkt (vgl. 1 J oh 3, 1). Diese barmherzige Liebe Gottes tritt so beherrschend, so ausschließlich in den Vordergrund, daß sie das einzige Charakteristikum des göttlichen Handeins wird. "Gott liebt nicht mehr neben seinem Zorn, neben seiner Gerechtigkeit ... Er ist die Liebe. All sein Handeln ist liebendes Handeln" (Dodd). So wird die Liebe zum Kennzeichen auch seiner Kinder. Aber sie lieben und können lieben nur aus der Kraft Gottes, weil Gott sie zuerst geliebt und ihnen die Fähigkeit zur Liebe eingepflanzt hat. "Diese Liebe ist eine Lebensbewegung, eine Daseinsform, die Verwirklichung Gottes in dieser Welt." 1 c) Die Liebe der Gottgezeugten ist also mitgeteilte göttliche Wesensart. Es heißt die Dinge auf den Kopf stellen, wenn man daraus folgert, daß die Liebe Gottes bei Joh auf einen bestimm~en Kreis, namlich die ihm (von Ewigkeit her) Zugehörigen, eingeengt werde". Der Gedanke der Prädestination, der sich an anderen Stellen bei Joh findet, nämlich im Zusammenhang des dunklen Rätsels des Unglaubens", hat in dieser Erörterung nichts zu suchen. Der Verf. nimmt die "Gottgezeugten" in 4, 7ff, STAUFFER in: ThWb 1, S.53; vgl. auch J. HUBV, Mystiques 145fT; P. FEINE Theol. des NT 348f. • Gegen H. PREISKER, Die urchristliche Botschaft von der Liebe Gottes im Lichte der vergleichenden Religionsgeschichte (Gießen 1930) 47; 58f; C. R. BOWEN, Love in the Fourth Gospel, in: JR 13 (1933) 39-49. • Joh 6, 37. 39. 65; 10, 26fT; (12, 37fT;) 17,2.6.7.9.24; vgl. meine Diss. "Der Glaube im vierten Ev" 36 fT.
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Exkurs:. Die Liebe als Wesen Gottes
als tatsächlich vorfindliche Gruppe, ohne über ihre Erwählung und Berufung nachzudenken, und erkennt sie eben an der Liebe. Gott bleibt mit ihnen nicht deswegen in Gemeinschaft (4, 16), weil sie ihm von Natur aus verwandt sind (die gnostischen CPUO"E~ 7tVEU(J.ot't"~XO[ lehnt der Verf. ab), sondern weil und insofern sie seine Art durch die (sakramentale) Gotteszeugung empfangen haben und in ihr durch die Liebe verharren. d) Die Universalität der göttlichen Liebesbewegung bleibt auch in der joh. Theologie gewahrt. Denn seine Liebe richtet sich zunächst auf den "Kosmos", die erlösungsbedürftige Menschenwelt (Joh 3, 16; 1 Joh 4, 9f. 14). Die Frucht dieser Liebe zu genießen ist allen möglich, die an Jesus, den wahren und einzigen Gottessohn, glauben. Weil die Elf, die bei Jesus bis in den Abendmahlssaal ausgeharrt haben, diesen Gottgesandten lieben und trotz seiner scheinbaren Niedrigkeit an seinen göttlichen Ursprung glauben, liebt sie der Vater (Joh 16,27). Zur Zeit des Briefes sind der Verf. und die ihm verbundenen Christen (die "Wir") die Glaubenden, die diese göttliche Liebesoffenbarung angenommen haben und so die sündentilgende und rettende Liebe Gottes erfahren (1 Joh 4, 9f); aber dieser Heilsweg steht grundsätzlich allen offen (vgl. 2,2; 4,14). Sosehr die Liebe Gottes zuvorkommende, völlig unverdiente Gnade ist (4, to), ebensosehr bedarf sie der Aufnahme durch die Menschen im Glauben an Christus. 2. Die Aussage im Vergleich zum Liebesgedanken im Urchristentum a) Joh gibt damit nur einem gemeinchristlichen Gedanken besonders kräftigen Ausdruck. Gott ist völlig "unmotiviert" sich herablassende, gerade den Sünder barmherzig rettende Liebe - das ist der Kern der frohen Botschaft Jesu (Mt 5,3ff; Mk 2,17 par; Mt 18,23ff; Lk 15; 18, toff) 1. Das Urchristentum sieht diese Liebesgesinnung Gottes erfüllt in der Hingabe seines Sohnes in den Tod für unsere Sündenschuld. Er hat seines eigenen Sohnes nicht geschont (Röm 8, 32) und uns in Christus Jesus untrennbar in seine Liebe hineingezogen (Röm 8, 39). Er ist so ein Gott der Liebe und des Friedens (1 Kor 13, 11); seine Liebe ist freier, nur aus ihm selbst kommender Wille zur Rettung der Verlorenen (Eph 2,4). Sie richtet sich auf solche, die durch die Sünde seine Feinde waren (Röm 5, 8). Die ganze Breite dieses beherrschenden Gedankens erfaßt man erst, wenn man auf synonyme Ausdrücke für die Liebe Gottes achtet, wie ~AEOC;, a~Xot~oO"uV'Y), Xot't"otMotyf) 2. Diese "Unmotiviertheit" der göttlichen .xycbr'l) hat krä.ftig herausgearbeitet A. NYGREN, Eros und Agape I (Lund 1930) 58ff. Doch ist unverständlich, wie er diesen Gedanken bei Joh "abgeschwächt" finden will (129ff). • Vgl. R. SC.HÜTZ, Die Vorgeschichte der joh. Formel 6 .&eo~ .xycin:'I) s(J"r[v 11 ff. - Zum nt!. Gedanken der Liebe (Gottes) s. W. LÜTGERT, Die Liebe im NT (Leipzig 1905); J. MOFFATT, Love in the NT (London 1929); W. HARRELSON, The Idea of Agape in the NT, in: JR 31 (1951) 169-182; V. WARNACH, Agape. Die Liebe als Grundmotiv der nt!. Theologie (Düsseldorf 1951); DERS., Art. Liebe, in: BibeltheolW (Graz 1959) 502-542 (Lit.); C. SPICQ, Agape dans le NT. Analyse des textes, 3 Bde. (Paris 1958 bis 1
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Exkurs: Die Liebe als Wesen Gottes
b) Auch der Gedanke, daß die Liebe Gottes dem Getauften in gewisser Weise mitgeteilt werde, so daß sie in ihm eine wirkende Macht wird, findet sich schon ansatzweise bei Paulus. Denn die "Liebe Gottes ist in unseren Herzen ausgegossen durch den Heiligen Geist, der uns geschenkt ist" (Röm 5, 5). Durch den dynamischen Pneumabegriff Pauli wird diese mitgeteilte göttliche Liebe freilich mehr als Agens denn als Qualitas gefaßt; aber es läßt sich nach dem Zusammenhang und anderen Stellen, wie Röm 8, 14f; Gal 4,6, kaum daran zweifeln, daß der Heilige Geist nicht nur als Vermittler der Liebe zu Gott, sondern selbst als der Geist der Liebe Gottes gedacht wird. Durch ihn und mit ihm geht die Liebe Gottes selbst in uns ein, um uns zu durchdringen, in uns zu wirken und uns der künftigen Heilsvollendung zu vergewissern. J oh hat dies auf etwas andere Weise ausgedrückt und stärker noch zum Kennzeichen des Gotteskindes gemacht; aber einen völlig neuen Gedanken hat er damit nicht eingeführt. c) So bleibt die Großtat der joh. Verkündigung im Rahmen der urchristlichen Theologie "nur" eine prägnantere Formulierung der Tatsache, daß der Gott des Neuen Bundes seinem Wesen nach erbarmende, alles schenkende, sich selbst mitteilende Liebe ist. Insofern diese Liebe in Christus offenbar wird, wirken auch die christologisch etwas anders gesetzten Akzente mit herein; namentlich sieht der Verf. von 1 J oh schon in der Inkarnation, der Sendung des Gottessohnes in die Welt, die Manifestation der Liebe Gottes (1 Joh 4, 9). Es ist der "einzigerzeugte" Gottessohn, der das göttliche Leben verkörpert und dann auch den Seinigen mitteilt. Ferner begreift 1 Joh den Zusammenhang zwischen Gottes Liebe zu uns und unserer Gotteskindschaft enger als Paulus (3, 1) und läßt die "göttliche Liebe" nachdrücklicher zu einer Wirklichkeit im Menschen und zu einem Motiv seines Handeins werden. 3. Die Aussage im Vergleich zum Gottesbild des AT und Spätjudentums a) Eine wirkliche Parallele zu der prägnanten Formell Joh 4, 8. 16 gibt es im AT und Spätjudentum nicht. Inhaltlich aber knüpft diese Wesensaussage über Gott, abgesehen vom genuin Christlichen, am ehesten an den at!.-jüdischen Gottesbegriff an. Auch im AT greift Gott handelnd in die Geschichte ein, und mögen sich für den nt!. Betrachter auch d.ie strengen Züge im Gottesbild Israels zunächst stärker aufdrängen, so ist Jahwe doch ein Gott erwählender Gnade und verzeihender Liebe. Seine Liebe zu Israel steigt aus undurchschaubaren Tiefen göttlichen Erwählungswillens auf und gewinnt eine leidenschaftliche, eifersüchtige Gewalt!. In 1959). - Zu Joh im bes. A. SuIlTAR, De Caritate apud Joa. Ap. (Rom 1951); C. ÜGGIONI, La dottrina deIla carita nel IV Vangelo e neIla prima lettera di Giovanni, in: Scrinium Theologicum 1 (1953) 221-293; L. MORALDI, Dio e Amore (Rom 1954). 1 Vgl. ElcHRoDT, Theol. des AT I, 164ft; QUELL in: ThWb 1, S.30ft; J. ZIEGLER, Die Liebe Gottes bei den Propheten (AU. Abh. XI, 3) (Münster 1930) 19ft.
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Exkurs: Die Liebe als Wesen Gottes
der Geschichte des Bundesverhältnisses, unter den Erfahrungen der Treulosigkeit des Volkes offenbart sich aber auch immer wieder J ahwes vergebendes Erbarmen, sein nur auf das Heil Israels gerichtetes Verlangen 1. Die LXX hat das ~tT\, des hebräischen Textes fast durchwegs mit ocYIX7tötv wiedergegeben 2, gerade jenem griechischen Wort für "lieben", das noch am wenigsten auf eine bestimmte Art menschlicher Liebeshaltung festgelegt war". Jahwes Liebe zu seinem Volk ist einzigartig. Das Spätjudentum findet trotz seiner strengen und herben Grundauffassung von Gott doch warme Töne für Gottes Liebe zu Israel 4 • b) Ein Gedanke freilich tritt im Judentum ziemlich zurück: der Universalismus der göttlichen Liebe. Gottes Liebe ist zunächst und vor allem auf sein erwähltes Bundesvolk gerichtet, das als Ausdruck seiner Bevorzugung die Thora empfangen hat. Die Heidenwelt kann nach der dominierenden Anschauung durch Anschluß an Israel am Endheil mitbeteiligt, nach anderen Aussprüchen auch durch eigene Gesetzerfüllung gleichberechtigt werden 5. Von einer wirklichen Gleichstellung kann aber nicht gesprochen werden, da für die Gesamtheit der Heiden der Götzendienst die große Scheidewand gegenüber Gott bleibt. Israels Vorzüge werden niemals vergessen. Erst mit der Überwindung de~ nomistischen Denkens im NT offenbart sich Gottes universaler Heilswille zugleich mit seiner Sünderliebe in seiner ganzen Größe und Unbegreiflichkeit. Gottes Ratschluß geht hier grundsätzlich und von vornherein auf die Rettung der gesamten Menschheit, die selbst dem Verderben verfallen ist (1 Joh 4,14.16), und der einzelne schließt umgekehrt sich selbst von dieser allgemeinen Rettung aus, sofern er dem "Heiland der Welt" den Glauben versagt. c) Mit dieser Universalität der Gottesliebe wandelt sich aber auch, menschlich gesprochen, ihr Charakter. Im AT bewahrt schon der Wortstamm ~ml "überall ... den leidenschaftlichen Klang des von starkem Gefühl begleiteten Willenseinsatzes" ". Osee wendet als erster das Bild der Ehe auf das Bundesverhältnis zwischen Jahwe und Israel an, freilich Is 54,7f; 63, 7ff; Jer 3, 12ff; 31, 3lT; Mich 7, 18ff. STAUFFER in: ThWb 1, S. 39, 7lT. 3 Ebd. I, 36, 27ff; E. PETERSON, in: BZ 20 (1932) 378-382, wollte es wahrscheinlich machen, daß das Substantiv .xY&:"'l außerhalb der christlich-jüdischen Kreise weder geschaffen noch gebraucht worden sei; doch vg!. C. C. TARELLI, Agape, in: JThSt 51 (1950) 64-67; A. CERESA-GAS':ALDO, "ArAIIH" nei documenti anteriori al NT, in: Aegyptus 31 (1951-52) 269-306; DERS., ArAIIH nei documenti estrani all'influsso biblico, in: Riv. di Filologia e di Istruzione class. 31 (1953) 343-356. Zur Sprachgeschichte vg!. noch C. SPICQ, Agape. ProJegomenes a une etude de theologie neo test. (Löwen-Leiden 1955). • Vg!. SCHÜTZ a. a. O. 32-39; MooRE, Judaism I, 398f; BOUSSET-GRESSMANN, Re!. des Jud. 384ff; BILLERBECK IU, 778; BONSIRVEN, Judaisme I, 1921T; bes. ausgewogen im Urteil E. SJÖBERG, Gott und die Sünder im palästinischen Judentum (Stuttgart 1939). • ZIEGLER a. a. O. 104ff; VOLZ, Eschat. 358f; MooRE, Judaism U, 385f; SJÖBERG a. a. O. 86ff; 210ff (im Rabbinismus für Gottes Erbarmen mit den Heiden breiterer Raum als in der Apokalyptik). • EICHRODT, Theo!. des AT I, 162.
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Exkurs: Die Liebe als 'Wesen Gottes
weniger um die Leidenschaft der Liebe (vgl. 2, 16ff) als die Furchtbarkeit des Treubruchs (1, 2ff; 2, 4ff) zu malen. Starke emotionale Kraft klingt aber auch aus den Worten, mit denen derselbe Prophet die väterliche Liebesgesinnung Jahwes gegenüber Israel, seinem "Sohn", schildert (Os 11). Diese zärtliche Liebe kann in lodernden Zorn umschlagen, um wieder herzinnigem Erbarmen zu weichen. Von solcher Impulsivität ist in dem geläuterten ntl. Begriff der Liebe Gottes nichts mehr zu spüren. Hier ist Gott nichts als der erbarmende, um Schwachheit und Sünde seiner Kinder wissende und sie dennoch gnadenvoll annehmende Vater, wie Jesus selbst dies unübertroffen im Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lk 15, 11-32) darstellt. Nichts anderes als diesen Gott der Liebe, der uns entgegenkam und zuerst liebte, meint 1 Joh 4. Inhaltlich verdankt dieser Liebesgedanke viel einem anderen atl. Doppelbegriff, der dem der Liebe Gottes zu seinem Eigentumsvolk nah verwandt ist und besonders in Zeiten der Not dem Propheten und dem Beter auf die Lippen kommt: der Güte und des Erbarmens ('9!;t und C\~Qj) 1. 4. Die Aussagen im Vergleich zu synkretistischen Texten a) Nach ähnlichen Anschauungen über Gottes Liebe, Heilshandeln und Erbarmen sieht man sich im Synkretismus vergebens um. Im Gnostizismus ist die göttliche "Liebe" vor allem Erwählung 'der von Natur aus gottverwandten Pneumatiker und erweist sich in ihrer Emporführung ins Reich des Lichtes. Darum wird in den mandäischen Texten so viel von den "Erwählten" gesprochen, und nur zu diesen wird Manda d'Haije gesandt, um sie emporzugeleiten. "Es (das große Leben) legte Liebe über mich, die meinen Freunden zukommen soll. Es legte über mich sanfte Rede, in der ich mit meinen Freunden sprechen soll. Ich soll mit meinen Freunden sprechen und sie vom Vergänglichen erlösen" (Ginza 333, 31 ff). Im 1. hermetischen Traktat weist Poimandres ausdrücklich die Meinung ab, daß alle Menschen voü<; haben. Nur den Heiligen, Guten, Reinen, Barmherzigen, Frommen naht sich der Nus, seine Ankunft bringt ihnen Hilfe, und sofort erkennen sie alles "und machen sich den Vater gnädig durch die Liebe" 2. Die Menschen erscheinen hier von vornherein in zwei Gruppen gespalten, und den Unverständigen (&.VO~'t'OL<;), Schlechten, Bösen, Neidischen, Habsüchtigen, Mördern, Gottlosen (d. h. den der finsteren Welt Verhafteten) ist und bleibt der Nus fern; sie werden dem Strafdämon übergeben, der sie noch mehr zu den Gottlosigkeiten ausrüstet und in größeres Verderben stürzt (1,23). Kein Wort von einer allerbarmenden Liebe Gottes! Gott liebt nur das Seinige 3. Vgl. S. 235 Anm. 1 und Os 2,21; Ps 25,6; 40, 12; 51,3; 69,14.17; 86,5; 90, 13t; 145, 7fT. Dazu ZIEGLER a. a. O. 28fT u. 39fT; ElcHRoDT, Theol. des AT I, 153t; BONSIRVEN z. St. (S. 223) u. Judaisme I, 192f. • Tov TCot'l'l:pot !).,xcrxOV'I'otL &yot7t'l'I'LKW~ CHerm I, 22. 3 Vgl. noch CHerm IV, 3f; IX, 5; Ps.-Asclep. 7f. An diesen Stellen herrschen nicht ganz gleichartige Vorstellungen über die Erwählung der pneumatischen (hier "wesen-
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Exkurs: Die Liebe als Wesen Gottes
b) Die wechselseitige Liebe Gottes und des ihm verwandten Gnostikers wird in manchen Texten auf eine affektive Weise beschrieben, namentlich in den Oden Salomons. Die Bilder der bräutlichen, väterlichen und mütterlichen Liebe werden gleicherweise, öfter ineinander übergehend, dazu verwendet'. Dies alles aber ist nur schwärmerischer Ausdruck für die erlangte "Gnosis", die der große Heilsweg ist (vgl. Exk. 3). Der "Vater" ist ein Vater der Erkenntnis (OdSal 7,7); er hat sich erbarmt, indem er sich erkennen ließ (7, 12ff). Warum verdrängt ein mütterliches Bild das des Vaters? Weil die "Milch" eine beliebte Metapher für die Gnosis istPDie bräutliche Liebe malt die innige Verwandtschaft und mystische Hinneigung des Gnostikers zum Bereich des Göttlichen, das tiefe Verstehen und den heißen Einigungsdrang zwischen ihm und Gott. Alles andere versinkt dem Gnostiker: er ist mit Gott allein, emporgehoben in höchster Erkenntnis, geeint in Seligkeit. Man begreift die Anziehungsiaaft dieser mystischen Frömmigkeit auf die damaligen religiös lebendigen Menschen, aber auch ihre Gefährlichkeit für eine Religion, die echte, von Gott kommende Erlösung lehrt. Die an 1 J oh 4 äußerlich anklingenden (aber im Ich-Stil geformten) Verse aus den Oden Salomons sind ihrem wahren Gehalt nach grundverschieden: "Denn nicht wüßte ich den Herrn zu lieben, wenn er mich nicht liebte. Wer vermag die Liebe zu begreifen außer dem, der geliebt wird? Ich brenne für den Geliebten, und es liebt ihn meine Seele, und wo seine Ruhestätte ist, bin auch ich" (3,3-5). c) In dieser ekstatischen Frömmigkeit wird die Liebe Gottes, die sich in der Selbsterschließung äußert, ganz in die Gegenwart verlegt. Der Gnostiker schaut weder auf einen großen Liebesakt Gottes in der Vergangenheit zurück, noch sieht er einen letzten Höhepunkt vor sich. Gewiß will er nach dem leiblichen Tode, nach der Befreiung aus dem Reich der Materie, zum herrlichen Lichtreich Gottes aufsteigen; aber dieser unermüdlich besungene Aufstieg ist z. T. ein Mythus, der die gegenwärtige Gotteinigung mythologisch einkleidet, z. T. ein Sehnsuchtsruf der Seele, die sich unfähig sieht, die vielleicht in kurzen Augenblicken der Ekstase erlebte selige Einswerdung mit dem Göttlichen zu einer beständigen zu machen, und darum auf die wahre Erfüllung nach
haft",ouatw8'1<;, genannten) Menschen. Am krassesten ist IX, 5: "Nicht jeder Mensch vermißt die Erkenntnis, sondern der eine ist stofflich, der andere wesenhaft. Der eine, der Stoffliche nämlich, ist mit dem Bösen verbunden; er hat den Samen der Erkenntnis von den Dämonen. Die anderen sind mit dem Guten (wesenhaft) verbunden; sie werden von Gott gerettet." SCOTT hält zwar den Text für verderbt (vgl. 11, 2141), nach dem Kontext nicht ohne Grund; aber er verfährt zu gewaltsam. Auch der überlieferte Text läßt sich halten, vgl. NOCK-FESTUGIERE z. St. 1 a) Bräutliches Verhältnis: 3,3-5.7; 7, lf; 8,13.22; 38,11; 42,8f; b) väterliches Verhältnis: 7, 7ff; 9,5; 14,1; 31,4; 41,1-3.10; c) mütterliches Verhältnis: 8,16; 14,2; 19, 2ff; 35,5; 40, 1. • Zum Teil eigenartige Bilder, vgl. besonders Ode 19, wo vielleicht auch an ein gnostisches Milchsakrainent gedacht ist; vgl. A. DIETERICH, Mithrasliturgie 170f; H. SCHLIER in: ThWb 1, S. 645.
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dem Tode hofft. Gottes Liebeshandeln, wie es dem Christen geoffenbart wurde, hat echte Höhepunkte in der Zeit: die in einer geschichtlichen Stunde erfolgte Sendung des Gottessohnes (1 Joh 4,9 - vgl. Gal 4, 4), die "Zeugung aus Gott", die der einzelne bei seiner Christwerdung erfährt (1 Joh 3, 1), und die Vollendung der Gotteskindschaft in der eschatologischen Zukunft, bei der Parusie (1 Joh 3, 2; vgl. 4, 17). Die Liebesoffenbarung Gottes hat zwar - kosmisch-universal - ihren Höhepunkt schon in der Sendung seines Sohnes erreicht, aber die Liebeserfahrung des einzelnen Christen entfaltet sich in dem Fortschritt vom Heute zum eschatologischen Morgen. 5. Die Aussagen im Vergleich zu Äußerungen der zeitgenössischen Philosophie Noch viel größer ist der Abstand des joh. Kernsatzes von allen Worten der damaligen Philosophie, mögen sie im übrigen noch so warm das Ohr des Volkes treffen. a) Wenn schon bei Plato und Aristoteles 1 Gott der "Vater der Menschen und Götter" heißt und dies in der stoischen Popularphilosophie sein häufiges Prädikat ist", so wurzelt dieser Ausdruck vor allem in seiner Eigenschaft als Schöpfer des Alls3. Die tr'otz der Beschäftigung mit dem Leidproblem im ganzen optimistische Weltbetrachtung, die sich u. a. in der ehrlichen Bemühung um die Theodizee zeigt, versucht dem Menschen die Güte und Freundlichkeit der göttlichen Weltregierung nahezubringen. In diese göttliche, vernunftgelenkte Daseinsgestaltung ist auch das Vernunftwesen Mensch miteinbezogen und vermag seine Verwandtschaft mit Gott (auyyeve:LOt) zu erkennen'. Das Kreuz, der höchste Liebeserweis Gottes für den Christen, erscheint da nur als Torheit. b) Aus dieser Grundkonzeption geht folgerichtig hervor, daß Gottes "Liebe" zur Welt und den Menschen sich vor allem in seiner Fürsorge und Vorsorge (7tp6VOLOt) äußert". Dieser Gedanke, den man (zu Unrecht) manchen Aussprüchen Jesu über den Vater im Himmel stark angenähert hat (Mt 5,45-47; 6, 25ff), findet bei Joh überhaupt keinen Anhalt. UmPLATO, Tim. 28c 41a 42e; ARISTOTELES, Polit. I, 12; er schließt sich Worten Homers an und erläutert sie philosophisch (HOMER, 11. IV, 235; V, 33 u. ö.); vgl. LOHMEYER, Das Vaterunser (Göttingen "1947) 22f; G. SCHRENK in: ThWb 5, S.952f; 954f. • EPIKTET, Diss. I, 3, I; 6,40; 9, 7; 19,12; 111,24,16; SENECA, De bene!. 11,29, 4f; Ep. 107, 11; De provo 1,5. • Vgl. PLATO, Leg. II, 678c; EPIKTET, Diss. I, 9, 7 (SCHENKL 38): To 8E: "Cov .&eov 1tOLlJ't'7JV ~xeLv x<X! 1t<X"C/:P<X x<X! xlJ8efL6v<x OUX/:"CL e~<XLp~O'e"C<XL AU1tW,/ x<X!
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1 Joh 4, 11-16
gekehrt sucht man den christlichen Gedanken der Liebe Gottes, die in der Sendung des Sohnes zur höchsten Offenbarung wird, vergeblich bei den Philosophen. Diese Weltbürger denken weder geschichtlich noch soteriologisch. Wer höchstens gegen sein besseres Ich sündigt und durch die Besinnung auf seine wahre Menschenwürde und Freiheit selig werden kann, braucht keine erbarmende und rettende Liebe Gottes. c) Den "Beistand" Gottes, sein freundliches Helfen mag zwar auch der Philosoph als gnädige Herablassung und Kraft von oben empfinden; aber für die tiefste menschliche Not, für seine seelische Verlassenheit und sein untilgbares Schuldgefühl, bringt die philosophische Gottheit keine Hilfe. "Wie gern sie (die griechische Gottheit) auch helfen mag, auf ihrem Gesicht ist nicht geschrieben, daß sie die unendliche Liebe sei, die sich dem Menschen schenken und ihn aus allen Nöten erlösen will." 1 Der Kern der joh. Botschaft von Gott, der die Liebe ist, nämlich die allerbarmende, rettende und in seine Gemeinschaft ziehende Liebe, steht der philosophischen Lehre wahrhaft als eine völlig neue, beglückende Heilsverkündigung gegenüber 2.
2. DIE LIEBE DER ZU GOTT GEHÖRIGEN IST ANTWORT AUF SEINE LIEBE UND STELLT IN ENGSTE GOTTESGEMEINSCHAFT (1 Joh 4, 11-16)
11 Geliebte, wenn uns Golt auf solche Weise geliebt hat, dann sind wir auch verpflichtet, einander zu lieben. 12 Gesehen hat Golt niemand jemals; wenn wir (aber) einander lieben, bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist vollendet in uns. 13 Daran erkennen wir, daß wir in ihm bleiben und er in uns, daß er uns von seinem Geiste gegeben hat. 14 Und wir - wir haben gesehen und bezeugen, daß der Vater den Sohn als Relter der Welt gesandt hat. 15 Wer bekennt, daß Jesus der Sohn Goltes ist, in dem bleibt Gott und er in Goll. 16 Und wir haben die Liebe, die Goll zu uns hat, erkannt und gläubig anerkannt. Gott ist (die) Liebe, 1,lnd wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm. Aus der grundsätzlichen Erörterung über das Wesen der Liebe als Gott kennzeichnenden Verhaltens zieht der anschließende Abschnitt die Folgerungen für die Leser. Das entspricht der sonstigen Eigenart des Verf.,
w. F. OTTO, Die Götter Griechenlands (Frankfurt a. M. 31947) 242. • In diametralen Gegensatz zur christlichen Agape stellt NVGREN, a. a. O. passim, den platonischen Erosgedanken und sein Fortwirken (in Verbindung mit der Mysterienfrömmigkeit) im Neuplatonismus. Eros sei aufsteigende, letzthin aber egozentrische Liebe, Agape herabsteigende, selbstlose Liebe. N. schematisiert stark (vgl. 186; 194), sieht aber etwas Richtiges. 1
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1 Joh 4, 11-12
einen Gedanken sofort praktisch auszuwerten - vgl. 2, 1-2 gegenüber 1,8-10; 2,24 gegenüber 22f; 3, 16b gegenüber 16a. Man braucht deswegen nicht an den paränetischen Kommentar zu einer Vorlage zu denken, zumal VV 9-10 kaum zu dieser Quelle gehören konnten l • Der ganze Abschnitt bleibt nicht einheitlich bei dem Thema; VV 14-16 a setzen bereits wieder den rechten Glauben in Beziehung zur Liebe und stellen so eine Digression dar. 4, 11 Den zuletzt ausgesprochenen Gedanken von V 10, daß die Größe der Liebe Gottes in der Hingabe seines Sohnes in den Sühnetod sichtbar wurde, macht der Verf. zum Motiv (d olh'w~) der christlichen Liebe. Gott wird hier genauso Vorbild der Liebe wie Christus 3, 16b; auch die Ausdrucksweise (Oq>dAO[L€V) erinnert an diese Stelle. Das praktische, paränetische Interesse zeigt sich darin, daß der Verf. die grundsätzliche Forderung nach Liebe sofort auf die praktisch wirksame und erkennbare Bruderliebe anwendet. Er kehrt damit zu seiner Mahnung V 7 a zurück. 4, 12 Solche Liebe, und sie allein, erhält dem Menschen die Gottesgemeinschaft - das ist der verbindende Gedanke der nächsten Verse. Damit tritt neben das Motiv der Liebesantwort (V 11) jenes andere der Gottesgemeinschaft, das wie ein Grundakkord den ganzen Brief trägt. V 12 nimmt nicht unmittelbar den Gedanken von V 20 vorweg; denn auf dem Objekt der Liebe liegt kein Nachdruck'. Vielmehr wird die Liebe der Schau gegenübergestellt: nicht durch Schau, sondern nur durch die Liebe können wir in Gottes Gemeinschaft verharren. In Antithese zu den Gnostikern bekämpft der Verf. jetzt noch deutlicher ihre angebliche unmittelbare Gotteserkenntnis (vgl. VV 7 du. 8a) und (ekstatische?) Gottesschau. Dieselbe Polemik gegenüber Gotteinigungserlebnissen, visionären (Joh 1,18; 5, 37; 6,46) oder ekstatischen (Joh 3,13), findet sich vielleicht schon im Joh-Ev. Die Polemik richtet sich - jedenfalls in 1 Joh - nicht an die Adresse des Judentums, etwa gegen die Himmelfahrtsspekulationen der apokalyptisch erregten Kreise', sondern an die der Gnostiker, bei denen die (ekstatische) ".Himmelsreise" der Seele eine Form der 1 Vgl. BULTMANN, Analyse 152~ Die wenigen Sätze dieses Abschnittes, die B. der "Vorlage" zuweist (VV 7b - 8. 12. 16b), müßte der Verf. sehr geschickt in seine Darlegung eingearbeitet haben. • Die Stellung von .&eov am Anfang und &AA~AOU~ am Ende könnte irritieren, als ruhe darauf der Nachdruck. Doch auch Joh 1, 18 hat .&e6v diesen Platz ("was Gott betrifft, so gilt ... "). Betont sind die Verben n.&e<XT<XL und &Y<X7tWfLEV. • Vgl. die Himmelfahrt des Henoch Henaeth 71 und Henslav 1 ff, des Levi in TestXII Lev 2-5, des Baruch in ApkBar, des Esdras in ApkEsr 1 u. a., ferner die Entrückung der 4 Rabbinen in Chag. 14b (GOLDSCHMIDT IV, 283). Vgl. dazu BOUSSETGRESSMANN, Rel. des Jud. 356 u. 399; VOLZ, Eschat. 418; NÖTscHER, "Das Angesicht Gottes schauen" 170ff; SCHOLEM, Die jüd. Mystik 56f. Die offizielle Lehre der Rabbinen hielt an der Unsichtbarkeit Gottes für die Erdenbewohner fest, vgl. BILLERBECK I, 783, 11, 36U; BONSIRVEN, Judaisme I, 160.
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I Joh 4, 13
"Gotteserkenntnis" bzw. "Gottesschau" war l • Solche gnostischen Prätentionen werden auch die von unserem Autor bekämpften "Pseudopropheten" (4, 1) vertreten haben. Gott ist nicht durch Ekstase und Schau unter Ausschaltung der niederen sinnlichen Wahrnehmungen· erreichbar, sondern bleibt nur in denen, die sein Gebot der Liebe verwirklichen. Die Gottesgemeinschaft ist ein reines Gottesgeschenk (vgl. 3,1), das wir durch die sittliche Bewährung festhalten müssen. Darum macht der Verf. in 4, 12 Gott zum Subjekt: Gott bleibt in uns, während er sonst lieber sagt: wir bleiben in Gott (2, 6. 27; 3, 6; vgl. 2, 24 und die reziproken Formeln 3, 24a; 4, 13. 15. 16). Die Fortführung xod ~ &ycX1t'Il Cltu't'Oü X't'A. schließt den Gedankengang ab: Wer durch die Weitergabe der empfangenen Liebe an den Bruder die Gottesgemeinschaft in der Tat auswirkt, in dem ist göttliches Wesen, eben die Liebe, vollendet da. Man wird den umstrittenen Genetiv Cltu't'oü also weder als Gen. sub i. fassen dürfen, als seien wir die Empfänger der göttlichen Liebe 8 , noch auch als Gen. obi., als käme so unsere Liebe zu ihm zur Vollendung·. Versteht man ihn dagegen qualitativ: "die göttliche, die Gott eigentümliche Liebe" (vgl. zu 3, 17), dann bekräftigen diese Worte die Hauptthese des Abschnittes, daß die Liebe von Gott ist und jeder Liebende aus Gott gezeugt ist (V 7). "Vollendet" ist hier so wenig wie 2,5 (s. dort) ein eschatologischer Begriff, sondern bezeichnet die Wirklichkeit in ihrer Ganzheit und Fülle (vgl. 4, 17 u. 18 ~ 't'EAE(CIt &ycX1t'Il). 4, 13 Daß nun neben dem Kennzeichen der Liebe noch das andere des Geistbesitzes genannt wird, wirkt seltsam. Am ehesten ließe sich der Vers als Glosse ad vocem "in Gott bleiben" begreifen 6. Wollte man ihn in den gedanklichen Zusammenhang einordnen, dann müßte man annehmen, daß der Geist das Bewußtsein in den Christen befestigt, Gott und die Brüder zu lieben. Aber der paränetische Nachdruck, der auf dem &YClt7tWILEV V 12 liegt, würde damit abgeschwächt. Der fast wörtliche Anklang von 4, 13 an 3, 24b 8 sieht nach einer stereotypen Wendung aus, die wohl aus
1 VgI. Mithrasliturgie 6, 9tT (dazu DIETERICH 61tT); POIMANDRES §§ 24-26; ApULEIUS, Metamorph. XI, 23. VgI. LIETZMANN zu 2 Kor 12,4 (Handbuch IX', 153f); A. OEPKE in: ThWb 2, S. 448tT; J. DEY, IIlXAlryEVEO"(ot (NtlAbh XVII, 5) (Münster 1937) 104tT; W. MICHAELIS in: ThWb· 5, S. 322f; M. P. NILSSON, Gesch. der griech. ReI. II, 568; ferner Exk. 2 (0. S. 70tT). • VgI. CHerm X, 5f (XotTotpy(ot 7totO"illv Tillv ottO"81jO"ECUV); XIII, 7 (XotT<xpYIJaOV TOi) O"cI>fLotTO~ TcX~ otta81jO"EI<;;). • BROOKE, SCHÜTZ a. a. O. 4-6, BONSIRVEN, CHARUE; vgl. auch BÜCHSEL. Doch Gottes Liebe zu uns fand schon in VV 9-10 ihren unüberbietbaren Höhepunkt. Wie könnte jetzt die Vollendung seiner Liebe (nnAEICU!lbnj) von unserer Liebesantwort abhängig sein? • BELSER, CAMERLYNCK, WENDT, VREDE, WINDISCH, HAUCK, AMBROGGI, CHAINE, DODD. Unsere Liebe zu Gott paßt nicht in den Zusammenhang. • Vgl. LOISY, WINDISCH. • Unterschiede: In 4, 13 ist bt TOi) 7tVeU!lotTO~ von 8186votl abhängig, also als ein parti-
18 Schnackenburg, Johanneshriefe
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1 Joh 4, 14
dem kirchlichen Unterricht stammt. "Gott hat uns von seinem (bzw.: hat uns seinen) Geist gegeben" war ein Satz aus dem allgemeinen Katechismus; "daran erkennen wir unsere Gemeinschaft mit Gott" gehört zum Lehrgut unseres Autors. Für ihn stand es sicherlich fest, daß jeder Gottgezeugte seines Geistbesitzes innewerden, ihn an seinen inneren Wirkungen erfahren kann (vgl. zu 3, 24). In dieser Überzeugung trifft er sich mit Paulus, der auch um das innere Zeugnis des Pneuma für unsere Gotteskindschaft und um tiefe Gebetserfahrungen mit dem Pneuma weiß (Röm 8, 16. 2.6f). So wird auch der Verf. von 1 Joh im zuversichtlichen, erhörungsgewissen Beten (3, 2lf; 5, 14), in der Überwindung aller Furcht (4,18) und in der Siegesgewißheit des Glaubens (5,4) das Wehen des Geistes gespürt haben. Von diesem Anteilhaben am Geiste Gottes (h TOÜ 7tVEUfl-OCTOC;) aber spricht er hier nur unter dem Gesi~htspunkt der "Gemeinschaft mit Gott", wie auch V 15 bestätigt. Liebe (V 12), Glaube (V 15) und Geistbesitz (V 13) sind ihm gleicherweise Zeugnisse und Merkmale für die erlangte Gottesgemeinschaft. Man erkennt in solchen festgefügten Konzeptionen, die assoziativ einander auf den Plan rufen, den länger tätigen Lehrer, der seinen Hörern bestimmte Vorstellungsinhalte einzuprägen gewohnt ist. 4, 14 Die nächsten beiden Verse sind noch deutlicher eine Digression, von der der Verf. erst mit V 16a wieder zum Thema der Liebe zurückkehrt. Er wird sich hier, mitten in der Erörterung über die Liebe, die ihr Vorbild an der großen göttlichen Liebestat nimmt, bewußt, daß wiederum der Glaube an Jesus den Gottgesandten und an seinen Erlösungstod Voraussetzung dafür ist, den Gedanken über Gottes Liebeswirken zu folgen. Deswegen führt er sich und seine Mitverkündiger (~fl-Er;C;) wie 1, 1-4 erneut als Glaubenszeugen ein. Da TE%EOCfl-E%OC schwer ohne Objekt vorzustellen ist, muß man dieses formell im (\TL-Satz sehen, der aber inhaltlich das Zeugnis (fl-OCpTUpOÜfl-EV) wiedergibt. So wird eine verkürzte Ausdrucksweise vorliegen. TE%EOCfl-e:%oc faßt den Gedanken von 1, 1 zusammen. "Geschaut" haben diese Männer den "Sohn" und im Sohn den "Vater" (vgl. Joh 14,9) und haben im Glauben an diesen Gottessohn die große Liebestat Gottes erkannt. Für diesen Glauben legen sie nun ihr Zeugnis ab. Formuliert ist das Zeugnis so, daß Gottes Heilstat hervortritt. Da ihre Anerkennung vom Glauben an den Sohn abhängt, heißt es - im Unterschied zu Joh 3, 16 - 0 7tocTI)P; dabei wird wie 1 Joh 3, 1 der Gedanke an den liebenden Vater mitschwingen. Der Sohn wird der "Retter der Welt" genannt. Sachlich ist damit nichts anderes als Joh 3, 17 gesagt; aber das Substantiv C!WTI)P hat in der damaligen Zeit mit ihren Göttertiver Genitiv zu verstehen (vgl. B' Ass-DEBR § 169,2), in 3, 24b dagegen abhängig von IW,wxev (dafür A 33 al ~8wxev), in 3, 24 dagegen ~8wxev - ein unerheblicher Unterschied. Die reziproke Formel für das Bleiben in Gott 4, 13 steht schon in 3, 24a und wird deswegen in 24b nur mit der einfachen Formel aufgenommen. y~v':'axeLV. Ferner steht 4,13
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und Menschenheilanden einen besonderen Klang!. Während diese Prädikation Jesu in Joh 4,42 - der einzigen joh. Stelle, wo sie sich außer 1 Joh 4, 14 noch findet - die Universalität (Samariter-Kapitel!) und in den Pastoralbriefen und 2 Petr' die Einzigartigkeit des christlichen Erlösers hervorhebt, ruht in 1 J oh 4, 14 der Nachdruck auf der Ta ts a ch e der Welterrettung, da die Gnostiker sich der Erlösung durch das Blut Jesu nicht für bedürftig hielten (vgl. zu 1, 7 c; 2,2; 4,2; 5,6). Ob der Verf. durch den Titel "der Weltheiland" darüber hinaus noch einen anderen, womöglich polemischen Akzent setzen wollte, läßt sich schwer sagen. Da die präzise Fassung I> aWTI)p TOU xoafLou, die im NT auf Joh 4,42; 1 Joh 4, 14 beschränkt ist, inschriftlich mehrfach für Kaiser Hadrian (117-138 n. Chr.) nachgewiesen ist', äbnliche Titulaturen mit I> aWTI)p aber auch sonst im Kaiserkult eine Rolle spielen, liegt es nahe, bei J oh eine Anknüpfung daran zu vermuten'. Auffällig ist freilich das Fehlen des Titels in der gegen den Kaiserkult polemisierenden J oh-Apk. "Wenn an den joh. Stellen ein Anklang an jene hochtönenden Prädikate im Herrscherkult beabsichtigt ist, dann höchstens in der Weise, daß Christus als "Weltheiland" in einem einzigartigen religiösen Sinn erscheint. Eine andere Linie führt auf Heilgötter , namentlich Asklepios, der im 2. nach ehr . Jh. nachweislich in Kleinasien sehr verehrt und gerade mit der Benennung I> aWTI)p ausgezeichnet wurde'. Aber ob die joh. Schriften in die Anfänge der Auseinandersetzung des Christusglaubens mit der Asklepiosfrömmigkeit führen und an den genannten Stellen Christus betont dem heidnischen Heilgott entgegensetzen wollen·, bleibt zwei"felhaft. Ein Zusammenhang mit Heilwundern wird nicht deutlich; vielmehr geht es beidemal um die universale, durch Christus gebrachte Erlösung. Aus dem gleichen Grund kommen auch Mysteriengottheiten, die als lebenspendende "Heilande" bezeichnet werden, als Konkurrenten nicht in Frage. Eine Berührung mit dem gnostischen Gedanken des aWTI)p liegt höchstens darin, daß der christliche Erlöser göttliches
Vgl. das Material bei P. WENDLAND in: ZntW 5 (1904) 335ff; F. J. DÖLGER, Ichthys I, 406ff; A. DEISS"ANN, Licht vom Osten 311 f; W. BoussET, Kyr. Chr. 240ff; M. DIBELIUS-CONZELMANN, Exk. zu 2 Tim 1, 10 (Handbuch XIIP, 74fT); H. HAERENS, :EWTI)p et aWT1)p(cx, in: Studia Hellenistica 5 (Löwen 1948) 57-68. Über den Zusammenhang mit den spät jüdisch-apokalyptischen Vorstellungen vom "Menschensohn" vgI. 'V. STAERK, Soter I, 72ff, II, 69f; F. BücHsEL, Joh. und der hellenist. Synkret. 44-46. Die biblisch-jüdische Komponente betont stärker auch O. CULLMANN, Die Christologie des NT (Tübingen 1957) 245-252. Was für I> xup,o<; gilt, dürfte auch für das (verwandte) I> aWTI)p anzunehmen sein: Die Hauptwurzelliegt in den atI. Gottesbezeichnungen, die auf Jesus übertragen wurden; aber in ihrer griechischen Form (LXX!) gewannen sie auch in der heidnisch-hellenistischen Umgebung einen besonderen Klang. , Von Jesus Christus 2 Tim 1, 10; Tit 1, 4; 2,13; 3, 6 (dazu H. WINDISCH, Zur Christologie der Past, in: ZntW 34 [1935J 7l3-238, näherhin 228); 2 Petr 1,1. 11; 2,20; 3,2. 18 (vgl. K. H. SCHELKLE zu diesen Stellen). 3 Siehe W. WEBER, Untersuchungen zur Geschichte des Kaisers Hadrianus (Leipzig " 1907) 225 f u. 229. • Vgl. BoussET a. a. O. 243; DEISSMANN, Licht vom Osten 311; W. BAUER, Joh-Ev zu 4, 42; DIBELIUS-CONZELMANN a. a. O. 77. , VgI. F. J. DÖLGER, '0 aWTI)p, in: AntChrist 6 (1950) 241-275, der den Nachweis besonders aus Aelius Aristides (129-189. n. Chr.) führt. • So besonders K. H. RENGSTORF, Die Anfänge der Auseinandersetzung zwischen Christusglaube und Asklepiosfrömmigkeit (Münster i. W. 1953) näherhin 13f. 1
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I Joh 4, 15-16 "Leben" vermittelt - aber a\lf eine ganz andere Weise. Sicher ist wohl nur, daß der Titel nicht ohne Rücksicht auf die geistige und religiöse Umwelt gewählt ist, um in ihr und für sie die einzigartige christliche Erlösungsbotschaft vernehmlich zu machen.
4,15 So ist der Glaube an Jesus Voraussetzung für den Glauben an Gottes Liebe zu uns. Auf diesem Wege kommt der Verf. jetzt zu einer Formulierung, die man eher in dem Abschnitt 4, l-ö erwarten möchte; aber Glaube und Liebe als Bedingungen und Erkennungszeichen für die Gottesgemeinschaft des Menschen sind eben nicht voneinander zu trennen. Das Bekenntnis: "Jesus ist der Sohn Gottes", blickt auf V 14 ('t"0'l utO'l) zurück und zeigt durch diese Bezogenheit, wie sich in dem Titel "Sohn Gottes" der christologische und der soteriologische Gesichtspunkt für den Verf. verbinden. In Jesus muß der wesenhafte Sohn des Vaters erkannt werden; dann wird, weil dieser Einzigerzeugte in die Welt gesandt ist, um den Menschen das Gottesleben zu verschaffen (vgl. V 9), auch seine soteriologische Bedeutung (VV 10. 14) offenbar. Formell findet sich dieses Bekenntnis nochmals 5, 5; es steht aber auch zum Christusbekenntnis 2, 22 (vgl. 23); 5, 1 in Beziehung. 4, 16 Daß in diesem Zusammenhang die Sendung des Gottessohnes als die große göttliche Liebestat betrachtet wird, bestätigt V 16a, der wieder bewußt zu V 11 bzw 9-10 zurücklenkt. Mit xcxl ~fLe:t:C; meint der Verf. - anders als V 14 - die Christen im allgemeinen, also sich selbst einschließlich der Leser, wie sich aus &'1 ~fLL'I am Ende ergibt. Die Christusgläubigen haben im Unterschied zu den Häretikern, die sich durch ihre Leugnung der Gottessohnschaft Jesu diese Erkenntnis versperren, die Liebe Gottes erkannt. rL'IwcrxEt'I ist kein logisch-theoretisches, sondern ein gläubiges Erkennen, ein Innewerden, ein Ergreifen und Ergriffensein. Zu diesem ersten Verb gehört primär das Objekt TI)'1 &.ycbc7J'I (vgl. Joh 8,32. 43. 55; 10, 14. 15. 27; 14, 7. 17 usw.); 1te:mcr't"dlxcxfLE'I, mit solchem Akk.-Objekt ungebräuchlich 1, ist nur hinzugesetzt, weil vorher das Glaubensbekenntnis (V 15 OfLOAO-rflOfl) genannt wurde. So ist auch aus d.er Reihenfolge der beiden Verben (umgekehrt wie Joh 6,69) nichts zu folgern. Bedeutsam aber ist das Perfekt, das die Erkenntnis der Liebe Gottes als eine bleibende und gefestigte Überzeugung hinstellt. An der Liebe Gottes gibt es für die Christen keinen Zweifel. Sein Liebeswirken setzt sich an ihnen' fort, indem er ihnen die vollen Früchte des Sühnetodes Jesu zuwendet und sie zu seinen Kindern macht (vgl. 3, 1). 1 Nur mit dem Neutrum im allg. Sinne Joh ll,26; I Kor 13,7; vgl. die Tabelle des Sprachgebrauchs bei MouLToN-THuMB 103 Anm. 2. • 'Aycx,t"l)v ~xe, ev -/jfLLV wird hier dem 1tO,eLv .., ~v "'V,, "an jemand etwas tun", nachgebildet sein (s. BLASS-DEBR § 206, 3); ~xe,v drückt dabei das Zuständliche aus. Oder &'1 tritt für d<; ein (BLAss-DEBR § 218; MAYSER 11,2,372). Sicher ist es nicht realistischlokal zu verstehen, als ob sich Gottes Liebe in uns (= in unserem Innern), etwa durch den Besitz der ~(Il~ oder des meüfLO<, olTenbare (gegen BÜCHSEL, CHAINE, AMBROGGI).
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1 Joh 4, 17
Damit ist der Verf. wieder bei dem Thema von der Liebe angelangt, und er faßt jetzt am Ende diese Gedanken zusammen: unsere Liebe, die Antwort auf die Liebe Gottes ist, gewährleistet die bleibende Gemeinschaft mit Gott. Dabei greift er noch einmal die Wesensaussage von V 8 auf: Gott ist (seinem Wesen nach) Liebe. Wie er dies meint, ist nach den wiederholten Aussagen über die Sendung des Gottessohnes (VV 9. 10. 14) nun völlig klar. Gott ist ein Liebender, der das Teuerste hingibt, um die Menschen zu retten. In diesem Schenken und Sichverschenken, in die" sem Sich-Erbarmen und Retten-Wollen liegt die wahre Liebe, und eben diese bildet sein Wesen. "Wer in der Liebe bleibt", d. h. in dieser von Gott gewiesenen Haltung ausharrt, soweit er als Mensch überhaupt die göttliche Liebe widerzustrahlen vermag, der "bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm". Das "Bleiben in der Liebe" ist gleichbedeutend mit dem Ausspruch, daß die göttliche Liebe vollkommen in uns ist (V 12c). Die Rückkehr der vollen (reziproken) Formel der Gottesgemeinschaft (3,24; 4, 13. 15) zeigt den Abschluß des Gedankenganges an. - V 16 ist ein Höhepunkt joh. Gotteskontemplation und vielleicht der vollkommenste Ausdruck der joh. Botschaft, Forderung und Verheißung gegenüber den Menschen. Dieses herrliche Wort darf nicht aus dem Sinnzusammenhang des ganzen Abschnittes gelöst und zu einer Sentimentalität entweiht werden. Es kündet den christlichen Gott, der seine Liebe in Christus geoffenbart hat, es ruft den Christen zur Haltung und Tat der Liebe nach dem höchsten Vorbild und verheißt ihm die bleibende Gemeinschaft mit diesem Gott der Liebe, in dem auch seine Liebe ihren Ursprung, ihre Kraft und ihren Lohn hat. 3. DIE VOLLKOMMENE LIEBE IST OHNE FURCHT (1 Joh 4, 17-18)
17 Darin kommt die Liebe bei uns zur Vollendung, daß wir Zuversicht haben am Tage des Gerichtes; denn so wie jener ist, sind auch wir in dieser Welf. Furcht gibt es nicht in der Liebe, 18 vielmehr treibt die vollkommene Liebe die Furcht aus; denn die Furcht sieht die Bestrafung vor sich; wer sich aber fürchtet, ist nichi vollendet in der Liebe. 4, 17 Das Thema der Liebe, grundsätzlich in VV 7-10 gestellt, fortgeführt unter dem Gesichtspunkt der Gottesgemeinschaft VV 11-16, wird nun unter dem Gedanken weiterentwickelt, daß wir in einer noch unvollendeten Heilssituation stehen, noch bedroht durch das künftige Gericht. In dieser Lage erweist die Liebe ihre wahre Herrlichkeit und Kraft, indem sie uns die berechtigte Furcht vor dem göttlichen Richter nimmt und Heilszuversicht schenkt. Die Wendung: 'rC:'rC:Ae;(W'rotL ~ &.ytX1OJ ILe:&' ~IL(;iv faßt nicht den Höchstpunkt des göttlichen Liebeserweises an uns ins Auge; diesen beschrieb schon 4,9-10. Außerdem bezeichnet 're:AC:Loüa&otL nicht so sehr den Grad wie die innere Art der Vervollkomm245
1 Joh 4, 17
nungi. Me:&' ~(.LWv hat vielleicht ein hebräisches ~lJ;l" = "bei uns" zur Grundlage". Subjekt der Aussage ist die Liebe als göttliche Wesensart, die sich in ihrer Vollkommenheit bei uns darin zeigt, daß wir Zuversicht haben. Gegen die Deutung auf die Liebe Gottes spricht vor allem der anschließende V 18, der die Liebe im menschlichen Verhalten auf ihre Vollkommenheit prüft und mit 're:Adot offensichtlich 're:'re:Adw'rotL von V 17 aufgreift. Aber auch die Einengung auf die Liebe zu Gott oder zu den Brüdern oder die Deutung auf das Liebesband zwischen Gott und den Menschen (= Gottesgemeinschaft, so Büchsel) werden dem Zusammenhang nicht gerecht. Vielmehr soll nach dem Vermögen der Liebe, die gegenwärtige Gottesgemeinschaft ZU erhalten, nun auch ihre Fähigkeit, für die Zukunft Hoffnung zu gewähren, deutlich werden. 'Ev 'rou'rCJ> weist auf den (vot-Satz·. Der Ausblick auf den Tag des Gerichtes - ein Ausdruck aus der alten jüdischen und syn. Eschatologie' - bestätigt (wie bereits der Abschnitt 2, 18ff lehrte), daß unser Autor die Gemeindeanschauungen von den endzeitlichen Ereignissen festgehalten hat 5 • Ein Widerspruch mit Joh 3, 19, vgl. 12,31; 16,8 - Stellen, die das "Gericht" als ein gegenwärtiges schildern - besteht nicht; Joh 5,24; 12,48 weisen die Brücke, die von der Gegenwarts- zur Zukunfts auffassung der xp[aL<; führt. Mit der Gerichtsvorstellung strömt auch die andere, schon aus 2,28f bekannte eschatologische Terminologie z. T. wieder mit ein. IIotppljatot ist hier wie 2, 28 das eschatologische Verhalten des Christen angesichts des Gerichtes, also Zuversicht, vor dem Richter zu bestehen (vgl. zu 2, 28 - "Heilsgewißheit" nur in diesem, nicht in prädestinatianischem Sinn) 6. Dabei scheint unter "Gericht" an die doppelte Möglichkeit des Frei- und Verdammungsspruches - entsprechend dem syn. Sprachgebrauch - , nicht an das "Todesgericht" wie Joh 5; 24. 29 (vgl. 3, 17f; 12, 47f) gedacht zu sein; denn diesem Gerichtstag blicken die Gottgehörigen wie die Welt-
Vgl. zu 2,5. V gl. A pg 2, 28 (Zitat Ps 16, 11); die ursprüngliche lokale Bedeutung von n!! weicht bisweilen einer übertragenen, vgl. Jer 10,5; 23,28; BLAss-DEBR § 227,1. Der Hinweis vieler Exegeten auf (iE't",x = hebr. 01' bei Verben des Handeins setzt die Deutung auf Gottes Liebeshandeln . an uns voraus, die oben im Text abgewiesen wird. 3 Gegen Ambroggi, der tv 't"ou't"
8
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IJoh4,17
gehörigen entgegen, nur können es jene mit Zuversicht tun, diese nicht. Aus dem Aufleben des eschatologischen Geda~kenkreises,. aus fester Ideenassoziation erklärt sich auch der begründende 6'n-Satz, der ein Motiv bringt, das im Zusammenhang dieser Erörterung über die Liebe eher stört als förderV. Will man das Sätzchen nicht als Glosse einklammern - die prägnante Diktion spricht nicht dafür - , so muß man annehmen, daß Christus als Parusiekönig (1 Joh 2,28) und Richter (Joh 5, 22) ins Blickfeld tritt und daß die Christen auf Grund der Tatsache, daß sie nach besten Kräften seinem Vorbild nacheifern (vgl. 2, 29; 3, 3. 7), die Befürchtung überwinden, von ihm "beschämt" und abgewiesen zu werden (vgl. 2,28). Lehrreich ist, daß der himmlische Christus die Züge des irdischen bewahrt hat - er "ist" 2 noch immer, auch in sittlicher Beziehung, das, was er auf Erden war, und so Vorbild der ihm Verbundenen, die noch "in dieser Welt" 8 sind. Dieser letzte Zusatz, wiE; nachträglich angehängt, hebt hervor, daß sich die christusgemäße Art der Christen besonders rühmlich (wenn auch zutiefst gottgeschenkt) inmitten der gottfeindlichen, so ganz anders sich gebärdenden Welt zeigt. Im Gegensatz zur "freudigen Zuversicht" steht die Furcht, über die sich nun der Verf. gemäß seiner antithetischen Denkweise verbreitet. Es handelt sich im Zusammenhang zunächst um die Furcht vor dem Gericht und der durch dieses drohenden Verdammung. Aber der Verf. spricht generell von ihr (cp6ßoc; ohne Artikel), weil er sie zur "Liebe" in Beziehung setzt; er ist zu dieser grundsätzlichen Betrachtung um so eher berechtigt, als die Furcht vor der Verdammung die höchste Stufe der Furcht ist (Mt 10, 28). Das Problem, ob Furcht oder Liebe in der Religion die Führungsrolle zu übernehmen habe', stellt er in dieser Form nicht; vielmehr fragt er, ob im Liebenden die Furcht noch ein Teilmoment sein könne. Als Künder der Gottesgemeinschaft (1, 3) und als Verfechter eines Gottesbegriffs, in dem das schattenlose Lichtwesen Gottes (1,5), seine Lebensfülle (vgl. 1,2; 5, 11) und seine Liebesart (4, 7ff) im betonten Gegensatz Der Versuch BULTMANNS, Redaktion von 1 Joh 198f, eineri ursprünglich anderen Text (vg!. Ein!. S. 15) glaubhaft zu machen, entbehrt jeder positiven Grundlage. • Zu ExErv6~ (= Christus, s. zu 2,6) elTt"LV ist nichts zu ergänzen (gegen WINDlSCH), vielmehr wird er als Vorbild hingestellt, und xot&ID~ ist prägnant zu nehmen. Die LA von Hs 2138 xod~·t:><; ~v Ev Tijl x6cr/L'P &/Lc.l/L0<; _1 xot&lxp6<; ist eine sachlich richtige Erklärung, die aber die theologische Nuance in tcrT[V verwischt. Durch dieses Präsens darf man sich nicht verleiten lassen, an eine Ähnlichkeit mit dem himmlischen Christus zu denken (gegen CHAINE). • Dies gehört nur zu ~/LEL~ ecr/LEV; I:cr6/LE&ot M 2138 müßte kohortativ verstanden werden (vg!. BLAss-DEBR § 369, 3; RADERMACHER 216), sonst wäre 'auch das ecrT[v vorher überflüssig. , Dieses Problem, aber auch das Verhältnis von Furcht und Liebe als Motiv des sittlichen Handeins, wurde im Rabbinismus eifrig diskutiert. Vg!. MOORE, Judaism 11, 981T; BONSIRVEN, Judaisme 11, 45-47; BÜCHSEL, Exk. S. 75-78; R. SANDER, Furcht und Liebe im palästinischen Judentum (BWANT IV, 16) (Stuttgart 1935) bes. 1251T; E. SJÖBERG, Gott und die Sünder passim. 1
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1 Joh 4, 18
zur sündefinsteren, todverfallenen, haßbeherrschten "Welt" herausgearbeitet werden, will er seine Leser zur klaren und konsequenten Haltung der Kinder Gottes, zur "volllwmmenen Liebe" führen. In dieser betrachtet er die Furcht als einen störenden und hemmenden Faktor. Daß er der ungläubigen Welt oder auch Gemeindemitgliedern, die zu ihr abzufallen drohen, die Furcht vor dem Todesgericht nehmen wollte, ist damit nicht gesagt; aber selbst ihnen gegenüber droht er nicht mit Strafort und ewigen Qualen, sondern allein mit der Trennung von Christus und Gott. Diese Trennung ist das furchtbarste Gericht, weil sie von dem göttlichen Lebensbereich ausschließt (vgl. Joh 3,18.36; 5,24; 8,24; 15,6; 1 Joh 3, 14). Auffällig ist, daß das Joh-Ev die Termini CPOßE~O"&otL und cp6ßo~ vorwiegend im Sinne von Menschenfurcht verwendeV - der Terror der 'Iou8ot~oL gehört zum Charakteristikum "dieser Welt". Weil der Wesensgegensatz zwischen Gott und "Welt" auch hinter unserer Stelle steht, ist es keine rein psychologische Betrachtungsweise. Der Satz: "Furcht gibt es nicht in der Liebe", ist grundsätzlich gesprochen; insofern sich der Verf. bewußt ist, daß seine Leser zu dieser vollkommenen Liebe noch nicht gelangt sind, wird er auch zur Mahnung. 4, 18 Der Gedanke, alle Furcht energisch zu vertreiben·, entstammt nicht der Reflexion, daß Liebe in der Frömmigkeitshaltung höher als Furcht zu werten sei, hat überhaupt seine Wurzeln nicht in einer religionspsychologischen Betrachtungsweise 3, sondern geht von der Beobachtung aus, daß die Christen in der Praxis noch nicht zu den Früchten der Gottesgemeinschaft gelangt sind. Sie tragen noch zuviel Schlacken von "Unerlöstheit" mit sich, zeigen zu wenig freudiges Bewußtsein der Gotteskindschaft (3, 1), zu wenig Vertrauen auf die Kraft, die aus Gott kommt (2, 13f; 4,4; 5,4). Dieses Ausstoßen der artfremden Furcht bei den Gotteskindern ist weder ein gnostisches Sich-frei-Machen von der Materie und ihren fesselnden Banden noch ein vernunftgemäßes Verfahren "seelischer Hygiene". Vielmehr sollen sie nur alles entfernen, was die volle Auswirkung der ihnen geschenkten Gottesliebe und Gottesgemeinschaft noch hindert. Die Begründung geht davon aus, daß die Furcht noch das Gericht vor sich sieht; K6AotO"L~ ist eschatologischer Gerichtsterminus'. Nicht in sich ist die Furcht eine Züchtigung, sondern sie blickt wie gebannt auf die Strafe vor sich. V 18c ist kaum Fortsetzung des /)'t"L-Satzes, sondern 1 Vor allem Furcht vor den 'Iou8ot!oL Joh 9, 22; 7, 13; 19,38; 20, 19; sonst nur 19,8, in einem atI. Zitat 12, 15 und in der syn. beeinflußten Stelle 6, 19f (vgl. Mk 6, 50). • "El;oo ß
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1 Joh 4, 19
Antithese zu 18a. Die vollkommene Liebe hat die Tendenz, jedes Furchtmoment von sich abzustoßen; wo ein Fürchtender ist, wird er als noch nicht in der Liebe vollendet erkennbar. Das "E:"E:).dw"O(~ t'l entspricht also der "e:).dO( &.ycbt1J und legt den Ton auf dieses AUribut. Wenn die Christen jene Liebeshaltung gewinnen, die aus ungetrübter GoUesgemeinschaft erwächst, dann werden sie jegliche Furcht überwunden und volle Zuversicht erlangt haben. 4. DIE GOTTESLIEBE ZEIGT SICH IN DER BRUDERLIEBE (1 Joh 4, 19 - 5, 2)
19 Wir wollen lieben, weil er uns zuerst geliebt hat. 20 Wenn jemand sagt: "Ich liebe Gott", seinen Bruder jedoch haßt, so ist er ein Lügner; denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, vermag (erst recht) Golt nicht zu lieben, den er nicht sieht. 21 Und dieses Gebot haben wir von ihm: Wer Gott liebt, soll auch seinen Bruder lieben. 5, 1 Jeder, der glaubt, daß Jesus der Christus ist, ist aus Golt gezeugt, und jeder, der den Erzeuger liebt, liebt (auch) den von ihm Erzeugten. 2 An dieser (Regel) erkennen wir: Wir lieben (immer dann auch) die Kinder Goltes, wenn wir Gott lieben und seine Gebote ausführen. 4, 19 Erst jetzt, am Ende dieses joh. Hohenliedes der Liebe, wertet der Verf. das grundsätzlich Gesagte praktisch für die Bruderliebe aus. Weil paränetische Anwendung, ist &.Y0(1tWfLE:'1 als Kohortativ aufzufassen. Da VV 19-21 eine Einheit bilden, hat der Verf. schon hier die Bruderliebe im Sinne und nicht, wie der Zusatz "0'1 &e:6'1 bzw. O(u,,6'1 in manchen Handschriften 1 ergäbe, die Liebe zu Gott. Doch ist V 19 erst Überleitung und, noch allgemein gehalten, ein Aufnehmen von V 10. pie uns zuvorkommende! Liebe Gottes verpflichtet uns, auch selbst zu lieben. Daß der Verf. auf die Bruderliebe hinsteuert, zeigt der FortschriU von diesem Motiv zu drei weiteren, die sämtlich die Bruderliebe begründen sollen. Mit diesen zusammen ist V 19 ein neues Zeugnis (vgl. 3, 16-18) für die ethisch und praktisch gerichtete Art des Verf., der nur eine phrasenlose Betätigung als echte Liebe und der Liebestat GoUes würdige Antwort ansieht. TOV &&6'1 M 33 81206 aI. Vgcl sy bo arm; lXuT6v ~; dagegen ohne Zusätze BA 323 614 1739 aI. • IIp&To~ hat komparativischen Sinn (= 7tp6T&po~), vgI. Joh 1, 15.30; BLASS-DEBR § 62; RADERMACHER 71 f.
1
24~1
1 J oh 4, 20--21
a) Die Liebe zum unsichtbaren Golt ist ohne Liebe zum sichtbaren Bruder nicht möglich (4, 20)
4,20 Das klare Argument: nur wer den sichtbaren Bruder liebe, vermöge auch den unsichtbaren Gott zu lieben, stammt nicht wie bei Philo, Decal. 120, aus allgemein religiöser Erwägung, sondern aus dem besonderen Gedanken von V 12: Nicht durch Schau kann man· zur Gottesgemeinschaft gelangen, vielmehr nur durch tatbereite Liebe. Nun wird dieser Grundsatz für das Thema der Bruderliebe ausgewertet. Während in V 11 f der Gedanke an die Bruderliebe nebenher miteinfloß (da "Liebe" sich stets betätigen muß, praktisch in der Bruderliebe), wird in V 20 die Gottesliebe bewußt auf die Bruderliebe gestellt. Die Formulierung des Verses (Mv TL<; d1t71, vgl. 1,6.8.10; 2,4.6.9) zeigt, daß sich der Verf. wieder in der Polemik gegen die Gnostiker befindet. Sie behaupten, wie Gott zu "erkennen" (2, 3f; 3, 6; 4, 6), so auch, ihn zu "lieben"; aber der Verf. brandmarkt sie dafür (wie 2, 4) als "Lügner". Er entlarvt sie mit allen ihren schönen Worten, die eine Gemeinschaft mit Gott vortäuschen sollen, an ihrer mangelnden Bruderliebe. In wirkungsvollem Kontrast zu ihrer angeblichen Gottesliebe und in betonter Schärfe nennt er dabei ihre Haltung gegenüber dem "Bruder" (wie schon 2,9. 11; 3, 15) "Haß". Haß gibt es nur in "dieser Welt" (3, 13) und bei solchen, die aus dem Bösen stammen (3, 12. 15). In der ethisch-dualistischen joh. Denkweise ist es unmöglich, daß Haß und Liebe beieinander wohnen. Läßt sich bei dem unprüfbaren Verhältnis zu Gott die Liebe mit Worten vortäuschen, so nicht bei der zutage tretenden Beziehung zum Menschenbruder. Konkret wird der Verf. bei dem "Haß" der Gnostiker auch an ihre heimliche Feindschaft gegenüber der rechtgläubigen Gemeinde (3, 13) denken. Der Beweis selbst geht vom Leichteren zum Schwereren (a minori ad maius), ein auch von Jesus angewendetes (Mk 2, 9ff) und im Rabbinat beliebtes 1 Schlußverfahren. Wer nicht einmal zur Liebe von Personen, die er sieht (Perfekt: dauerndes Verhältnis), fähig ist, vermag erst recht nicht den unsichtbaren Gott zu lieben. b) Die Bruderliebe ist neben der GoUesliebe positives Gebot GoUes (4, 21)
4,21 Neben die vernunftmäßige Überlegung tritt der positive Auftrag Gottes', um die Bruderliebe als unabdingbar zu erweisen. Die unlösliche Verbindung von Gottes- und Nächstenliebe ist uns innerhalb der Evangelien nur im syn. Bericht als das "Hauptgebot" bezeugt (Mt 22,37 bis 40 par). Da V 21 aber gerade mit dieser inneren Verknüpfung von VgI. STRACK, Einleitung in Talmud und Midrasch (München "1930) 97; BILLERBECK HI, 223-226. • Die Beziehung von Cltu't'oü auf Jesus ist abzulehnen, weil 1. dieser im Zusammenhang nicht genannt wird, 2. in ähnlichen Fällen mit €xervo~ eingeführt wird (2, 6 u. ö.), 3. die tv't'OA1) Mt 22, 39 als Gottesgebot gilt, das Jesus in dieser Form nur verkündet. 1
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1 Joh 5, 1-2
Gottes- und "Bruder"liebe operiert, kann der Verf. nur darauf (und nicht auf Joh 13,34 wie in 2, 7f) Bezug nehmen. Er hat den syn. Bericht mit dem joh. "neuen Gebot" in Einklang gebracht. Die Nächstenliebe wird ihm zur Bruderliebe; er sieht diese als die konkrete Anwendung jener für das christliche Gemeindeleben an. Im Anschluß an V 20 (x<x[ stellt eine enge Verbindung her) ist unsere Stelle zugleich ein wertvoller urchristlicher Kommentar zu dem von Jesus verkündeten Doppelgebot. Der Verf., der sich nur zum Sprecher der Gemeinde macht (vgl. das "Wir" in ~xof1e\l), ist überzeugt, Jesus richtig verstanden zu haben, wenn er die Bruderliebe als notwendigen Erweis und untrügliches Siegel der Gotlesliebe ausgibt. c) Die Liebe zum Erzeuger schließt auch die Liebe zu den von ihm Erzeugten ein (5, 1-2)
5, 1 Noch ein drittes, in seiner Art selbständiges Argument führt der Verf. ins Feld, um seine Aufforderung zur Bruderliebe zu motivieren. Nur so und nicht unter dem Gesichtspunkt des Glaubens 1 lassen sich die beiden folgenden Verse in den Sinnzusammenhang befriedigend einfügen. Zwar sieht VIa wie eine Parallele zu 4, 7 aus; aber die Fortführung in V 1 b zeigt, daß er das Thema von der Li e b e noch nicht verlassen hat. VIa ist nur der Vordersatz zu der Aussage von 1 b; daß dabei der GI a ubende (wie 4, 7 der Liebende) als Gotlgezeugter eingeführt wird, liegt daran, daß sich der Verf. unmißverständlich an seine Adressaten wendet. An das Stichwort "gezeugt aus Gott" und nicht an mO''t'e:ow\I knüpft er in 1 b an. (Der Glaube wäre auch kein neu es Kriterium, da er schon 4, 2 genannt ist; was der Verf weiterführend zum Glauben noch zu sagen hat, steht ab V 5 bzw. 4b). Die Glaubensformel, die dem Wortlaut nach das positive Gegenstück zu 2,22a bildet, ist eine kurze zusammenfassende Formel, die das Wesentliche des Christusbekenntnisses ausdrücken soll (vgl. Einl. S. 17ff). Die Kurzformel zeigt an, daß dem Verf. hier nicht daran liegt, das Glaubenskriterium näher zu bestimmen (das geschieht erst 5,6), vielmehr steuert er auf EX 't'oi) .&eoi) yeye\l\lll't'<Xt hin. An diese Aussage über den Christusglä.ubigen anknüpfend, stellt er einen allgemeinen Satz auf, den die gewöhnliche Erfahrung liefert. Den verbindenden Gedanken: "der Erzeugte liebt seinen Erzeuger", übergeht er und sagt sofort das, worauf es ihm ankommt: "und jeder, der den Erzeuger liebt, liebt auch den von ihm Erzeugten". Er argumentiert also. aus dem Verhältnis von Vater und Söhnen und stellt die fehlende Liebe zum "Bruder" als ungewöhnlich und unnatürlich hin. Der Indik. Prä.s. gibt die Regel an. 5,2 Von diesem allgemeinen Satz führt er nun seine Leser zu dem, was sie daraus für ihren Stand als Gotteskinder entnehmen können 1
So im Aufbau bei
HÄRING, BROOKE, WINDISCH, BÜCHSEL, CHAINE
u. a.
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1 Joh 5, 3
(YLV6>ClXO(.LEV). Mit B. Weiß und Dodd ist €V 1"OO'l"
3 Darin nämlich besteht die Gottesliebe, daß wir seine Gebote halten; und seine Gebote sind nicht schwer (zu erfüllen); 4 denn jeder aus Gott Gezeugte besiegt die Welt; und das ist der Sieg, der die Welt besiegt hat (und besiegt): unser Glaube. 5,3 Dieses Wesentliche der Gottesliebe wird jetzt erläuternd (ycip) unter Aufgabe des vorher leitenden Analogiebildes - noch einmal (vgl. 2,5) als Halten seiner Gebote bestimmt. Auch für die Liebe der Jünger So die meisten neueren Kommentare. Daß sonst bei ähnlicher Konstruktion Uv steht (Joh 13,35; 1 Joh 2,3), ist an sich kein entscheidendes Indiz, da Uv und IlTav wechseln können (ABEL § 68d; BLASS-DEBR § 382, 4); aber der Sinnzusammenhang erfordert es. ·OTav bewahrt dann seine spezielle Bedeutung ,,(jedesmal) wenn" zur Bezeichnung des Regelfalles, vgl. Mk 14, 7; Lk 11, 34; 12, 54; J oh 8, 44; 16, 21 a; 1 Kor 14,26; 2 Kor 12, 10; 13,9. - BAuERWb 1165 s. v. 1,a. • BAUM GARTEN, der sich damit als dem Gipfel der "geistreich spielenden Manier" des Verf. abfindet. - BÜCHSEL sucht sich in dieser Schwierigkeit durch die Annahme zu helfen, daß V 2 gegen die Gnostiker gerichtet ist, die auch die "Kinder Gottes", d. h. ihresgleichen, zu lieben behaupteten. Abgesehen von der Unsicherheit dieser Annahme, bleibt dann die Spannung zu €vTOAcl~ aUTO\) 7tOtW!LEV. Daß Bruderliebe und Gebotehalten gegeneinander ausgespielt würden, wäre seltsam, auch wenn man diesem Ausdruck hier eine "unbestimmte Allgemeinheit" gibt. 1
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1 Joh 5, 4
zu ihm fordert der joh. Jesus nichts anderes, als seine Gebote zu halten (Joh 14, 15. 21 a). Mag ihm das emotionale Lieben, näherhin die Freundesliebe (11,3. 36 rptÄI>~V, vgl. 20,2; 21,15-17, dazu mit &Y<X7tiiv 13,23; 19,26; 21, 7. 30), nicht fremd sein, in der grundsätzlichen Liebesforderung hebt er stets dieses moralische Moment hervor. Daß darin auch eine antignostische Tendenz liegt, wurde schon 2, 3-5 klar. Das Nächste ist Weiterführung und Überleitung. Der Verf. hat im Sinn, in der Auseinandersetzung mit den Gegnern die Überlegenheit der Gottgezeugten, in dem nicht leichten Selbstbehauptungskampf der Christusgemeinde gegenüber der "Welt" ihre siegreiche, aus Gott stammende Kraft (vgl. 4,4-6) darzutun. Dazu will er seine Leser in ihrem religiössittlichen Bemühen stärken und ermutigen (vgl. 2,12-14; 5, 13-15.18-20). Die nachdrücklich erhobene Forderung der Bruderliebe (4, 19 - 5,2) könnte in ihnen das Gefühl der Unzulänglichkeit und des Versagens (vgl. 3, 20) aufkommen lassen. So beruhigt er sie: Die Gottesgebote sind nicht schwer. Hinter diesem Satz steht mehr als hinter der rabbinischen Reflexion über leichte und schwere Gebote (vgl. Mt 23,23) 1: die Besorgnis um ihre Erfüllbarkeit. Was dies betrifft, so kann er alle Unruhe vertreiben. 5, 4 Eine untragbare Last sind die Gebote für den Christen deshalb nicht, weil jeder" Gottgezeugte die "Welt" besiegt. Das Thema der Gottesund Bruderliebe ist einer grundsätzlichen Erörterung gewichen. Gottgezeugter und "Welt" stehen sich als Kampfpartner gegenüber. Sofern es um den sittlichen Kampf, die Erfüllung der Gebote, geht, ist vorausgesetzt, daß die "Welt" die sittliche Reinhaltung, die Lauterkeit der Gottesliebe gefährdet (vgl. 2, 15-17). Sie lockt und verführt zur Sünde durch die Begierden, die in ihr sind (2,16). Aber der Gottgezeugte überwindet durch die in ihm wohnende Gotteskraft diesen Hang (fL~ &Y<X7tii't"l> 2,15) zur Weltverstrickung und Sünde und damit die "Welt" selbst. Der Verf. kehrt also nicht zu der jüdischen Denkweise zurück, daß die eigene Anstrengung zur Erfüllung der Gebote und zu Verdienst und Lohn führt", sondern begreift den Sieg als Tat Gottes. Der Satz V 43. ist aber nur mehr halb auf den sittlichen Kampf hingesprochen. Sosehr die Gnostiker das religiöse und ethische Gebiet trennen, ebenso nah verbunden ist es für den Christusgläubigen. Es gibt für ihn nur einen Kampf gegen alles Gottfeindliche; Unmoral und Unglaube sind für ihn "Kosmos", und hinter beidem steht für ihn der Gottesfeind Vgl. BILLERBECK I, 90111'; BONSIRVEN, Judaisme 11,7311'. • Das Neutrum für das Maskulinum, vgl. zu 1, l. • Allerdings durchzieht "die ganze jüdische Frömmigkeit der späthellenistischen Zeit ein ernstes Mißtrauen gegen das eigene Können" (BOUSSET-GRESSMANN, Rel. des Jud. 388); aber das führt bezeichnenderweise zur Bußforderung (ebd. 389ft). Die jüdische Werkfrömmigkeit, die Jesus (Mt 23) und Paulus (Röm 2) bezeugen, wird nicht wirklich überwunden. Vgl. BONSIRVEN, Judaisme 11, 79f. 1
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1 Joh 5, 4
schlechthin, der "Böse". So führt gerade dieses Wort von der "Weltbesiegung" wieder zum Glauben zurück (vgl. 4, 1-6). In einem herrlichen, bewußt weitgespannten Wort wird der Glaube (~ 1t'[(j'nc; als Substantiv hier singulär im joh. Schrifttum) als der Sieg bezeichnet, der die Welt besiegt (hat). Der Sieg über die Welt ist durch den Glauben zur Wirklichkeit geworden. In ähnlichen Fällen gebraucht der Verf. sonst durchweg das Perfekt (2, 13. 14; 4,4). Will man den Aorist VL)(~(j(X(jOC nicht als sprachlich gleichwertig mit dem Perfekt 1 oder aber als zeitlich unbestimmt und somit gleichbedeutend mit dem Präsens' ansehen, dann wird man ihn als steigernde Aussage gegenüber VL)(~ V 4a erklären müssen. Der Gottgezeugte besitzt nicht nur die beständige Kraft zur Überwindung der Welt in sich, sondern er hat den Sieg bereits wirklich durch den Glauben erfochten. Dann liegt der Gedanke an den heilsgeschichtlichen, einmalig und grundsätzlich erfolgten Sieg Christi am nächsten (Apk 3,21; 5,5 Aorist), der sich in den Christen wiederholt (vgl. Apk 12,11). Weniger wahrscheinlich ist die Bezugnahme auf den in letzter Zeit erfolgten Glaubenssieg der Adressaten über die "Antichriste" (2, 18ff), da der Verf. diesen Kampf noch nicht für abgeschlossen hält, mag er auch noch so sehr die Überlegenheit der wahren Christen betonen (4, 4 - vLxiiv im Perfekt). In Christus aber ist der entscheidende Waffengang bereits ausgefochten, und der Glaube bietet die Gewähr, daß die Christen ihren eigenen, in der Christusverbundenheit geführten Kampf als siegreich bestanden (Aorist) ansehen können. Auf jeden Fall spricht hier der Verf. als Repräsentant und Wortführer der Christusgemeinde, die, im harten Ringen mit dem ganzen dämonischen Machtapparat der gottfeindlichen Welt stehend, des Sieges in der Kraft Christi gewiß ist. Zur vollen Entfaltung gelangt diese Kampf- und Siegessprache in der Apk s. 1 Vgl. ABEL § 55, t, 10 (S. 258); MAYSER II, 1, 168f. Doch gilt der Vermischungsprozeß der Tempora hauptsächlich für den Erzählungsstil (s. oben). • An sich braucht das Part. Aor. zeitlich nicht betont zu sein (MouLToN-THuMB 217f). Nach ABEL § 73, d, Anm. (S. 322) bleibt aber bei substantivierten Partizipien (die an Stelle eines Relativsatzes stehen) der zeitliche Charakter erhalten. 3 NLXiiv in Joh Imal, in 1 Joh 6mal, in Apk 17mal (im übrigen NT nur 4mal). Inhaltlich vgl. besonders die "Siegersprüche" (2,7.11. 17.26; 3,5.12.21), den Preis des Messias-Siegers (5,5; 17,14) und das Siegeslied der Martyrer (12,10-12). Vgl. O. BAUERNFEIND in: ThWb 4, S.944f. - Von demselben Geist des Kampfes und der Siegeszuversicht in starker eschatologischer Spannung ist die Qumrangemeinde erfüllt. Das deutlichste Dokument dafür ist die "Kriegsrolle" (1 QM), die freilich nach Sinn und Abfassungszeit umstritten ist. Beachtlich ist, daß in ihr die Kampfkraft und der Sieg ausschließlich Gott zugeschrieben werden. Das· kommt besonders in den Aufschriften der Trompeten (z. B. 1 QM III, 5: "Krafttaten Gottes, den Feind zu zerstreuen ... "; III, 8: "Hand der Stärke Gottes im Kampf"; III, 9: "Gott hat alle Söhne der Finsternis geschlagen ... ") und Feldzeichen (IV,6: "Wahrheit Gottes", "Gerechtigkeit Gottes", "Ehre Gottes", "Gericht Gottes"; IV, 13: "Heilstaten Gottes", "Sieg Gottes" ... ), ferner in den Preis- und Siegesliedern (in den Kolumnen X-XVIII) zum Ausdruck. "Dein ist der Kampf und von dir her die Stärke, und nicht unser (ist sie). Nicht unsere Kraft und unserer Hände Stärke übte Gewalt, sondern
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1 Joh 5, 5-12 DRITTER ABSCHNITT
Der wahre Christusglaube als die "Welf" überwindende Kraft (1 Joh 5,5-12)
5 Wer (aber) ist's, der die Welf besiegt, wenn nicht der, der glaubt, daß Jesus der Sohn Gottes ist? 6 Dieser ist es, der durch Wasser und Blut gekommen ist: Jesus Christus - nicht im Wasser allein, sondern im Wasser und im Blut. Und der Geist ist's, der (darüber) Zeugnis ablegt; denn der Geist ist die Wahrheit. 7 Denn drei sind es, die Zeugnis ablegen,' 8 der Geist, das Wasser und das Blut, und die drei stimmen überein. 9 Wenn wir (schon) das Zeugnis von Menschen annehmen, so ist das Zeugnis Gottes (noch) gewichtiger. Dies nämlich ist das Zeugnis Gottes: Er hat über (Jesus als) seinen Sohn Zeugnis abgelegt. 10 Wer an den Sohn Gottes glaubt, hat das (Gottes)zeugnis in sich. Wer Gott keinen Glauben schenkt, hat ihn zum Lügner gemacht, weil er nicht an das Zeugnis glaubt, das Gott über seinen Sohn abgelegt hat. 11 Und das ist das (Gottes)zeugnis: Ewiges Leben hat uns Gott geschenkt, dieses Leben aber wird (uns nur) in seinem Sohn zuteil. 12 Wer den Sohn hat, der hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, der hai das Leben nicht. Nach der langen Darlegung über die Liebe (4,7 - 5,4) kommt der Verf. nochmals auf den Glauben zu sprechen, dem er nun wie der Liebe eine breitere Erörterung widmet. Er hatte ihn am Anfang dieses dritten Teils, der hauptsächlich durch den Blick auf die Pseudopropheten veranlaßt war, nur kurz als das Unterscheidungsmerkmal im Kampf der Geister gewürdigt (4,2). Zwar hatte er auch bei der Darstellung der Liebe auf den Glauben als Grundlage des rechten Verständnisses der Liebesoffenbarung und -forderung Gottes verwiesen (4, 15f). Jetzt aber, da er den Sieg der Gotteskinder über die Welt zur Gewißheit machen will (5,5), geht er nochmals auf die Glaubensgrundlage ein. Dabei entwickelt er zunächst deutlicher als bisher das wahre Christus bekenntnis im Gegensatz zu dem der Irrlehrer (5, 6). Dann stellt er den Glauben der Gemeinde auf den festen Boden von Zeugen (5, 7-8). Er führt auch das Zeugnis Gottes selbst an und wertet es nach seiner verpflichtenden Kraft aus (V 9). Schließlich zeigt er auf, was es bedeutet, dieses Gotteszeugnis durch deine Kraft ... " (1 QM XI, 4f). Auf der anderen Seite darf nicht übersehen werden, daß die ganze eigenartige Schilderung ein eschatologisches Bild ist, ein freilich bald und irdisch erwartetes, aber noch ausstehendes Geschehen betrifft. Die job. Schriften dagegen blicken auf den Sieg zurück, den Christus bereits über die Welt errungen hat und der sich in seiner Gemeinde fortsetzt (Joh 16,33; 1 Joh 5, 4).
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1 Joh 5, 5
anzunehmen, d. h. zu glauben, oder abzulehnen, d. h. den rechten Glauben zu verwerfen. An dieser Stellungnahme, dieser Entscheidung zum Glauben oder Unglauben hängt die Frage des Heils (Besitz des ewigen Lebens) für jeden einzelnen (5, 10-12). Gerade dieser Abschnitt bringt Anschauungen, die nur durch Zuhilfenahme des Joh-Ev verständlich werden. Er ist mit seinen Antithesen und seiner absoluten Glaubensforderung im Sinne des Gemeindebekenntnisses noch einmal eine kräftige Absage an die Irrlehrer und ein dringlicher Appell an die Adressaten, in der Wahrheit zu bleiben, und zieht mit der Versicherung des Heilsbesitzes (der ~(U~) für die Christusgläubigen und des Heilsausschlusses für die Sohnesleugner (V 12) den Schlußstrich unter die Auseinandersetzung mit den Falschpropheten. 1. DAS RECHTE UND VOLLE CHRISTUSBEKENNTNIS, ABER AUCH NUR DIESES, GEWÄHRLEISTET DEN SIEG (1 Joh 5,5-6)
5, 5 Im Anschluß an V 4 wird nun der Sieg dem zugesprochen, der den wahren Christusglauben besitzt. Der Satz erinnert an die Siegersprüche in den sieben Sendschreiben der Apk (2,7.11. 17.26; 3,5.12.21). Die Paradoxie des Sieges Christi über Satan und Welt (Joh 12,31; 14,30; 16, 33) setzt sich in seinen Bekennern fort. Im Unterschied zu den Siegersprüchen der Apk legt aber 1 Joh 5,5 den Nachdruck nicht auf die dem Sieger gegebene Verheißung, sondern auf das Mittel zur Erreichung des Sieges, den rechten Glauben. Nicht zum Martyrium, dem Standhalten in äußerer Drangsal, sondern zur Abwehr der Irrlehre will er ermutigen. So kommt es entscheidend auf die Reinheit des Glaubens, die Klarheit des Christusbekenntnisses an. Sein Inhalt lautet hier wie 4, 15: "Jesus ist der Sohn Gottes." Damit so.!l nicht die metaphysische Gottessohnschaft Jesu im Sinne späterer Dogmatik (etwa im arianischen Streit) herausgestellt werden, obwohl sie vorausgesetzt wird (5,20). In 1 Joh ist der Sohnestitel dem Christustitel benachbart (vgl. 2, 23 mit 22; 5, 5 mit 1). Nicht die metaphysische Wesenheit des Sohnes, sondern sein Kommen zur Rettung der Welt (vgl. 4, 15 mit 14; 5,5 mit 6) beansprucht alle Aufmerksamkeit. Die joh. Christologie verleugnet nirgends ihre Hinordnung auf die Soteriologie; sie ist heilsgeschichtlich orientiert und hat damit einen "funktionellen" Charakter. Nicht das göttliche Wesen Christi an sich, sondern in seiner offenbarenden und heilsmittlerischen Funktion im inkarnierten Logos, also in seiner Bedeutung für uns, beherrscht das joh. Denken. Auf der anderen Seite darf diese Christologie nicht rein funktionell verstanden werden; sie setzt vielmehr die metaphysische Gottessohnschaft Christi voraus und begründet aus ihr seine eschatologische Offenbarung (vgl. Joh 1, 18; 3,31 f) und Lebensmitteilung (vgl. Joh 5,26; 6,57; 1 Joh 5,20). Weil Jesus der wirkliche Gottessohn, also wahrhaft göttlichen Wesens ist und als solcher in diesem Todeskosmos "erschien", darum ist er für uns "ewiges Leben" (5,20). Die Mitteilung
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1 Joh 5, 6
des ewigen Lebens aber ist nicht möglich ohne Reinigung von den Sünden. Darum nimmt der Gottessohn den blutigen Sühnetod auf sich (4, 10. 14). Gerade diese soteriologische Bedeutung des Sohnes scheinen die Irrlehrer geleugnet zu haben. So muß J esus nicht nur in seiner vollen christologischen Dignität, sondern auch in seiner soteriologischen Zentralstellung erkannt und anerkannt werden. Die Formel: "Jesus ist der Gottessohn", darf also nicht von den anderen christologischen Aussagen, wie 4, 2f. 14f, und vor allem nicht von dem folgenden V 5,6 isoliert werden. Sie bildet nur eine wesentliche Grundlage für diesen. 5,6 In offenbarer Abwehr der Irrlehre (V 6b) wird nun die Glaubensaussage über Jesus spezifiziert. Da sich an ihm, und an ihm allein, das Bekenntnis entscheidet, hebt ihn der Verf. durch das Demonstrativum und den nachgestellten vollen Namen 'I. Xp. hervor (also nicht etwa von anderen Personen oder Glaubensobjekten ab). Jesus Christus ist es, auf den die volle bedeutsame Aussage zutrifft: "Er ist gekommen durch Wasser und Blut." Der Aorist &),,&wv zwingt den Blick auf bestimmte, mit Jesu einmaligem Kommen in die Welt gegebene Heilsereignisse. Die Präposition 8L& schließt zwar nicht aus, daß Heilsgaben (Sakramente) gemeint sind" aber der Zusammenhang ordnet diese Wendungen dem einmaligen Kommen Christi und seiner einzigartigen Bedeutung zu: Was mit dem Erlöser von Gott her geschehen ist, bestimmt den Glauben und gewährleistet den Sieg (vgl. VLK~(!(XcrCX V 4). Nach der Bedeutsamkeit, die im Joh-Ev der Taufe und dem blutigen Kreuzestode Jesu beigemessen wird, ist nicht zu bezweifeln, daß unsere Stelle diese Ereignisse im Auge hat, insbesondere .den Tod Jesu als kosmisch-soteriologisches Ereignis. In ihm vollzieht und. vollendet sich das, was die Inkarnation (&cpcxve:pw-lh] 1, 2) grundsätzlich bedeutet: der Einbruch des göttlichen Lebens in diesen Todeskosmos. Bei der Taufe soll der Messias dem Gottesvolk Israel "bekannt gemacht" (Joh 1,31) und als der Geistinhaber im Vollsinn (bleibender Geist Joh 1,32; Geist in Fülle 3, 34b) erwiesen werden. Im blutigen Kreuzestod ab'er geschieht die Erlösung im eigentlichen Sinn: das Blut des "Gotteslammes" (Joh 1,29) wird geopfert "für das Leben der Welt" (Joh 6,51), der rechte Hirt gibt sein Leben hin "für seine Schafe" (Joh 10,15); erst dadurch werden sie befähigt, das "Leben", das wahre, göttliche Leben zu besitzen (10, 10). Erst das Kreuz, oder in der tiefen joh. Anschauungsweise die Seitenwunde Jesu, aus der der Strom des Blutes und Wassers fließt (Joh 19,34), wird auch für die Die Präposition 1M: kann auch den 'begleitenden Umstand wiedergeben (KÜHNERGERTH I, 482f; BLASS-DEBR § 223,3; MAYSER 11,2, 354ft); aber nach dem Verbum der Bewegung t)..&eiv scheint die ursprüngliche örtliche Vorstellung ("gekommen durch Wasser und Blut") noch ihr Recht zu behaupten, vgl. BAUERWb 356 s. v. I, 1; A. KLÖPPER, 1 Joh 5, 6-12, in: Zeitschr. f. wiss. Theol. 43 (1900) 378-400, näherhin 382-384. B. WEISS versteht entsprechend auch das Folgende im lokalen Sinn; vgl. auch HÄRING z. St. 1
19 Schnackenburg , J ohannesbriefe
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1 Joh 5, 6
anderen die Quelle des Lebens und macht so die Manifestation der göttlichen ~w~ in dem Kosmos (Inkarnation) zu einer fruchtbringenden Effusion für den Kosmos. Jetzt setzt der Verf. noch deutlichere Akzente: (J esus Christus ist gekommen) "nicht nur im Wasser - wie die Gnostiker zugestehen -, sondern auch im Blute". Der Taufe Jesu müssen die bekämpften Falschlehrer also eine gewisse Bedeutsamkeit zugesprochen haben. Man erkennt diese vielfach in der Lehre Kerinths, daß nach der Taufe auf Jesus, der wie alle Menschen geboren wurde, nur heiligmäßiger und weiser war, von der höchsten Macht (cxö&&\I·r(cx) "der Christus" in Taubengestalt herabgekom~en, vor dem Leiden aber wieder von ihm gewichen sei '. So bestechend die Übereinstimmung bezüglich Taufe und Tod Jesu istvon einer Abhebung des pneumatischen, leidensunfähigen "Christus" (Christus spiritalis) von dem Menschen Jesus verlautet an unserer Stelle nichts. "Jesus Christus" (V 6a) ist wie auch sonst (1,3; 2, 1; 3,23; 4,2; 5,20b) Vollbezeichnung für den Erlöser. Vielleicht sahen die Häretiker in der Taufe Jesu den Quellort seines Geistbesitzes, um dann entsprechend auch ihrer eigenen Taufe eine ähnliche Bedeutung beizumessen (vgl. Joh 1,33 0 ßcxmt~w\l ~\I m&u{locx'n iXytcp und 3,5). Gegenüber solchem Pneumatikertum würde unsere Stelle die geschichtliche Erlösungstat Jesu betonen, die diesem nicht bloß die Rolle eines ersten "Pneumatikers", sondern darüber hinaus des einzigen und unumgänglichen Heilsmittlers zuweist. Der Wechsel der Präposition 8ttX V 6a und ~\I V 6b könnte an sich 2 darauf aufmerksam machen, daß das Wasser nicht bloß Stichwort für das Ereignis im Leben Jesu, sondern auch Bezeichnung für ein weiterhin heilskräftiges Element ist. Doch ist die sakramentale Deutung, ohne die man VV 7 f sicherlich nicht gerecht wird, für V 6b noch fernzuhalten 8; denn mit dem "Blut" kann in diesem Zusammenhang noch nicht die Eucharistie gemeint sein. "Wasser" und "Blut" werden gegen üb ergestellt, und zwar betont. Zwar halten sich die Doketen von IgnSm 7,1 von d~r Eucharistie fern; aber hier wird man eher an die Verwerfung des
1
IRENÄUS, Adv. haer. I, 26, 1 (= HIPPOLYT, Ref. VII, 33).
S
'Ev, hier eindeutig instrumental zur Bezeichnung des begleitenden Umstandes
(BLASS-DEBR § 298,4; OEPKE in: ThWb 2, S. 534, 32-35 notiert bes. Hebr 9, 25), kann einen Umstand nennen, der Jesu eigenes Kommen betrifft (V 6a), oder einen solchen, der auf Grund des Kommens Jesu für andere bedeutsam ist. • Seit TERTULLIAN, De bapt. 16, die Mehrzahl der Väter und auch der neueren Exegeten. E. GÜNTHER, MtXp"ru~ (Hamburg 1941) 137 Anm.2, denkt bei 8,' G8ot't"o~)((Xl ottfLot't"o~ sogar an eine sakramentale Formel. Die neueren Exegeten betonen zwar vielfach, daß in V 6 der Blick des Verf. auf die geschichtlichen Geschehnisse von Taufe und Tod Jesu gerichtet sei (vgl. bes. BRooKE), -behaupten aber dann mit Rücksicht auf V 71 schon für V 6 die Doppelsinnigkeit der Ausdrücke "Wasser und Blut". Davon abgesehen, vglAür die Entwicklung des Gedankenganges bes. P. W. KEPPLER, Geist, Wasser und Blut. Zur Erklärung von 1 Joh 5, 6-13, in: ThQ 68 (1886) 3-25. Richtig auch H. BRAUN, Literar-Analyse 291.
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1 Joh 5, 6
"Blutes" Jesu, nämlich des Erlösungsblutes (1, 7), denken 1. V 6b ist durch dasselbe Verbum (EA&WV) eng an V 6a gebunden und wird so in der geschichtlichen Blickrichtung festgehalten. Der Wechsel in der Präposition dürfte nur stilistische Variation sein. V 6 ist ein Kampfvers wider die Gnostiker, die die messianische Bedeutung J esu, seine HeilsmittlersteIlung , insbesondere die Notwendigkeit und Heilsamkeit seines kosmisch-universalen Sühnetodes (2, 2; 4, 14) leugneten. Er blickt auf den, der "gekommen ist", und noch nicht auf das liturgisch-sakramentale Leben der Kirche, in dem durch Vermittlung des Heiligen Geistes das Heilswirken Christi fortgesetzt und fruchtbar gemacht wird. So will auch V 6c keineswegs ein "Geistsakrament" andeuten. Achtet man auf den Zusammenhang, der vQm Glauben handelt, so wird man dem Pneuma in V 6c streng seine Zeugnis funktion belassen. Das Sätzchen leitet zu den nächsten Versen über, die nach dem Glaubensinhalt den Glaubensgrund erhärten wollen. Das Zeugnis wird für Jesus Christus abgelegt, nämlich daß er der sei, als der er in V 5 f bekannt wird: Gottessohn und Erlöser im Vollsinn. Warum aber wird hier der Geist als der Bezeugende eingeführt? Der Tod Jesu - auf dem aller Nachdruck ruht - spricht, wenigstens vor der Welt, nicht für sich selbst; er ist eher Anstoß und Ärgernis (vgl. Joh 14, 1. 29). Aber der Sinn dieses "Hinganges" Jesu wird durch den Geist, den der zum Vater heimgekehrte Jesus sendet (Joh 16, 7), aufgedeckt. Dieser Paraklet wird über Jesus Zeugnis ablegen (Joh 15,26), wird die ungläubig-feindliche Welt von der Gerechtigkeit (Jesu) überzeugen (16, 10) und so den Sieg Jesu über den Herrscher dieser Welt (14,30; 16,33) offensichtlich machen. Er ist zu dieser Zeugentätigkeit befähigt, weil er' "die Wahrheit ist", d. h. weil er über die (göttliche) Wahrheit verfügt und sie getreu mitteilt. In diesem Sinn heißt der Paraklet in den Abschiedsreden beständig '1'0 meüfL(X Tij<; OCA'Y)&d(X<; (Joh 14, 17; 15,26; 16, 13; vgl. 1 Joh 4, 6). Der Geist ist "der große Kommentator, welcher jene Ereignisse, die schon ihrer Art nach auf den Messias weisen, zeugend auf den Messias deutet" (P. W. Keppler). Daraus ergibt sich erstens, daß V 6c als ein neuer, V 6b stützender Gedanke hinzutritt. Der Geist bezeugt über Jesus, daß er (nicht nur im Wasser, sondern auch) im Blut als der Gottessohn und Erlöser gekommen ist. Er wird hier zunächst als der einzige Zeuge betrachtet (x(Xl = "und", nicht "auch"). Es ergibt sich zweitens, daß nicht das Zeugnis des
1 Der Versuch von A. GREIFF, Die drei Zeugen in 1 Joh 5, 7f, in: ThQ 114 (1933) 465-480, die Stelle positiv aus der Liturgie der Taufmesse zu erklären, insbeso ndere V 6b als Polemik gegen eine bloße Wassereucharistie zu verstehen (473), ist wohl als mißlungen zu bezeichnen. • 61 Vg lesen Christus, machen also den Ö'I'L-Satz zum Inhalt des Geistzeugnisses. Aber der Gedanke, daß Christus die Wahrheit ist, paßt nicht in den Zusammenhang und ist sicher nur Erinnerung an Joh 14, 6. - Gegen A. v. HARNACK, Beitr. z. Einl. in das NT VII, 69tT, und T. W. MANSON in: JThSt 48 (1947) 27 Anm. 3, mit LAGRANGE Crit. text. 566.
19*
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Geistes bei der Taufe Jesu" sondern das Zeugnis des Geistes in der Kirche und durch die Kirche im Sinne von Joh 15,26; 16, 10 gemeint ist·. So verstanden, stellt V 6a-c ein einheitliches Christusbekenntnis dar. Die folgenden Verse mit ihren hiadisch-formalistischen Eigentümlichkeiten und ihren symbolisch-sakramentalen Deutungsmöglichkeiten haben auf V 6 zurückgewirkt und ihre Spuren auch im Handschriftenmaterial hinterlassen 3. 2. DIESER GLAUBE IST AUF DAS ZEUGNIS VON DREI ZEUGEN GESTELLT (1 Joh 5, 7-8)
5,7f Das "Bezeugen" des Geistes hat dem Verf. ein Stichwort gegeben, das seine Gedanken im folgenden beherrscht. Er zeigt sich damit eng dem Joh-Ev verbunden, wo (J.owrup~rv und fLocP't"up[oc einen breiten Raum einnehmen '. Das liegt daran, daß das joh. Glauben stets auf Zeugen oder Zeugnisse gestellt wird. Sowenig der Glaube eine vernunftmäßige Einsicht, ein volles Begreifen ist, ebensowenig ist er ein blindes Zutrauen und Sichausliefern. Wenn der joh. Jesus vom Glaubenden wesentlich Anerkennung seiner eigenen Person fordert (6 mcr't"~owv ~t<; &(J.e), so stellt er doch zugleich Zeugen für seine Glaubwürdigkeit zur Verfügung. Dabei stützt er sich auch auf die jüdischen Anschauungen vom Zeugnis ablegen ; das jüdische Gerichtsverfahren war ja vor allem ein Zeugenverhör 5 • Erforderlich waren wenigstens zwei Zeugen, deren Zeugnis (auch in Kleinigkeiten) übereinstimmen mußte (vgl. Dt 17,6; 19; 15; Joh 8, 17); dann war es &.A"Y).&-~<; = zuverlässig, glaubwürdig. An diese Anschauungen anknüpfend, sagt der Verf., daß für das Christusbekenntnis drei Zeugen vorhanden sind: der Geist (an erster Stelle!), das Wasser und das Blut, Sonst wäre auch ljv statt I:,,",,(v zu erwarten. Der Zeugnisablegende bei der Taufe war Johannes d. T., vg!. Joh 1, 19. 32. 34; 5, 33f. Von einem Zeugnis des Geistes beim Tode Jesu - und darauf kommt es 1 Joh 5,6 gerade an - kann überhaupt keine Rede sein. 2 Gegen die Auffassung von TH. PREISS, Das innere Zeugnis des Heiligen Geistes (Zollikon-Zürich 1947) 37, daß zu den beiden äußeren Zeugen der Geist als ein innerer Zeuge hinzukomme. 3 a) Schon in V 6 a haben die Trias 118",""o~ K"'! "'~fL"'""O~ K"'! nveUfL"'""o<; A pm. syh (v. SODEN, VOGELS, MERK) gegen das einfache üll",""o<; K"'! "'~fL"'""o<; B 1 3869209 1175 ft q Vg syP Tert. (TISCHENDORF, WESTCOTT-HoRT, B. WEISS, V. HARNACK, LAGRANGE [Crit. text. 565]). -b) Die LA üll",""o~ K",lltve:ufL"'""O<; 43 pc. ist olTenbarErinnerung an Joh 3, 5. - c) Eine Verbindung dieser beiden LAA bieten P 81 88915 a!. arm: üll",""o<; 1
Kot! nveufL"'""O<; K"'! otlfL"'""o<;,
.
• M"'PTUpdv in Joh 33mal, I J oh 6mal, 3 J oh 4 mal, zus. 43mal; fL"'pTUp('" in J oh 14mal, H. STRATHMANN, in: ThWb 4, S. 502tT, 1 Joh 6mal, 3 Joh Imal, zus. 21ma!. betont besonders, daß das joh. "Bezeugen" ein auf den Glauben zielendes, werbendes Zeugnis über Jesu Christi Wesen und Bedeutung ist (505, 22f). Vg!. auch H. v. CAMPENHAUSEN, Die Idee des Martyriums in der alten Kirche (Göttingen 1936) 37tT; E. GÜNTHER a. a. O. 1351T, N. BRox, Zeuge und Märtyrer (München 1961) 70-92. 5 Vg!. Sanh V, 1-2 (KRAuss 168tT) (die 7 "Nachforschungen" und die möglichst weitgehenden "Prüfungen" geringfügiger Einzelheiten).
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und daß ihr Zeugnis übereinstimme (ide; '1"0 Itv). Trotz der engen Ver~ knüpfung durch Ih~ ("denn") 1 ist die Gedankenverschiebung deutlich: Vorher waren "Wasser" und "Blut" geschichtliche Faktoren, die beim "Kommen" Christi eine wichtige Rolle spielten, und der Geist trat als der Bezeugende hinzu. VV 7f sprechen auf einmal von drei Zeugen im Maskulinum, obwohl alle drei Zeugen im Griechischen Neutra sind'. In Verbindung mit dem Geist werden jetzt "Wasser" und "Blut" selbständig als Elemente, nicht Ereignisse, betrachtet und als Zeugen gewertet. "Unter der Hand wandeln sich die Begriffe Wasser und Blut" (H. Strathmann). Hier liegt in der Tat eine symbolische Redeweise vor, die an Joh 19, 34' erinnert. Der Verf. des Joh-Ev sah höchstwahrscheinlich im Herausfließen von Blut und Wasser aus der Seite des geopferten Passahlammes (vgl. VV 36f) etwas Tieferes angedeutet: Der Sühnetod Jesu "ist die Quelle für den Strom der Heils- und Lebenskräfte Gottes, deren die Glaubenden teilhaft werden. Die beiden Elemente Blut und Wasser lassen insbesondere an die b eid en Sakramente Taufe und Eucharistie denken, denen je ein wichtiger Abschnitt des Ev gewidmet ist (Kap. 3 u. 6). Der Geist aber ist das Lebensprinzip, aus dem diese Sakramente ihre übernatürliche Kraft erhalten (vgl. 3,6; 6,63). So lassen sich diese drei Größen in übertragener Form als drei "Zeugen" betrachten, die übereinstimmen, d. h. zusammenwirken über die Zeit des geschichtlichen Kommens Jesu hinaus für die späteren Geschlechter. Zugleich reißt die Verbindung zu dem einen großen Heilsereignis, dem Kommen des Gottessohnes "durch Wasser und Blut", nicht ab. Das dürfte der Verf. von 1 Joh durch die Doppelsinnigkeit und Doppelbezogenheit der" Begriffe Wasser" und Blut andeuten. Sie erinnern einerseits an den geschichtlichen Zusammenhang von V 6, anderseits an die über diese Zeit hinaus wirksamen Sakramente Taufe und Eucharistie. Da die beiden Elemente Wasser und Blut jetzt eine übergeschichtliche (e:la(v), auch die späteren Glaubensgeschlechter angehende Zeugenfunktion erlangen, legt sich diese sakramentale Deutung naheS. Zweifelhaft bleibt dabei, ob der Verf., soweit er zurückschaut, noch immer Taufe und Tod Jesu im Auge hat oder nur noch das Herausfließen von Blut und Wasser aus der Seite Jesu. Mit Rücksicht auf Joh 19,34 darf man annehmen, daß sich auch hierin der Blick gegenüber dem polemischen V 6 verschoben hat. Der Nachdruck ruhte auch in V 6 auf dem Heilsereignis des Todes J esu; dabei steigt vor dem geistigen Auge des Verf. die besondere Szene auf, die für ihn einen tiefen symbo-
1 Die Subordination ist bei 6'\"1 oft recht locker, vgl. BLASS-DEBR § 456, 1; BAUERWb 1168 s. v. 3, b. • Man könnte V 7 für einen" Regelsatz halten ("Wo drei sind, da sind das genügende, gewichtige Zeugen"), wenn nicht V 8a die "drei" nachträglich determinierte. So ist die Regel als hekannt vorausgesetzt und sofort angewendet" • Anders N. Brox a. a. O. 87f (nur die geschichtlichen Fakten als bleibende, immer neu anführbare Zeugnisse).
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1 Joh 5, 7-8
lischenSinn hat, und er greift sofort "Wasser" und "Blut" als "Zeugen" auf, die im Verein mit dem Geiste die Erlösungsbotschaft weiterkünden und stützen. Wer von der engen Zusammengehörigkeit von Joh und 1 Joh überzeugt ist, kann die merkwürdige Hervorhebung von "Blut und Wasser" in' Joh 19, 34 und 1 Joh 5, 8 nicht für zufällig halten; die verschiedene Reihenfolge erklärt sich wohl daraus, daß der Verf. von 1 Joh noch den Klang von V 6 im Ohre hat, oder daraus, daß er im Unterschied zu der geschichtlichen Szene Joh 19,34 die Folge von Taufe und Eucharistie im Leben des Christen im Sinne hat. Ist diese durch Zusammenhang und Wortlaut geforderte Deutung richtig, so enthüllt sich hier eine tiefe theologische Konzeption des Verf. Das Heilshandeln Gottes, das prinzipiell und universell in der Sendung und im Tode seines Sohnes erfolgte, setzt sich kontinuierlich in der Kirche fort, die durch die Verkündigung und die Sakramente das Gottesleben den einzelnen Gläubigen auch in späteren Zeiten zuwendet. Das Wirken des Geistes in der Kirche wird ein machtvolles Zeugnis, das die Heilsbedeutung Jesu, besonders seinen Sühnetod, ins rechte Licht setzV. Die sakramentale Deutung von VV 7f wird noch wahrscheinlicher, wenn sich in der Sicht auf die Sakramente, namentlich auf die Repräsentation des Kreuzestodes Jesu in der Eucharistie, die Polemik gegen die gnostisierenden Irrlehrer fortsetzt. Nun bezeugt Ignatius von Ant. von den christologischen Häretikern, die er im Brief an die Smyrnäer bekämpft, ausdrücklich: "Sie halten sich von der Eucharistie und dem Gebet ferh, weil sie nicht bekennen, daß die Eucharistie das Fleisch unseres Heilandes Jesus Christus ist, das für unsere Sünden gelitten hat" (Smyrn. 7,1)1. Wenn man bedenkt, wie nahverwandt die von dein antiochenischen Martyrerbischof bekämpfte Irrlehre mit der in 1 (und 2) Joh vorausgesetzten moralischen und christologischen "Lüge" ist (vgl. Ein!. S. 2Off), wird der Gedankenschritt von V 6 zu VV 7f auch auf dem geschichtlichen Hintergrund verständlich: Die Irrlehrer leugneten nicht nur die Heilsbedeutung des Todes Jesu Christi, sondern konsequent auch die Notwendigkeit; die heilige Eucharistie zu empfangen, in der dieser Heilstod repräsentiert und die erlösende Kraft des Fleisches und Blutes
Zum sog. Comma JOhanneum, das sich hier in Vgcl, in einigen altlateinischen und vielen späteren abendländischen Hss anfügt, s. Ein!. S. 44ff. Hier sei nur bemerkt, daß die Einführung einer himmlischen Zeugentrias neben der irdischen auch exegetischen Bedenken unterliegt. Die irdische Gemeinde braucht für ihren Glauben Zeugen, die sich vernehmbar machen . .. Es ist das Verdienst E. SCHWEIZERS, in seinem Aufsatz über das joh. Zeugnis vom "Herrenmahl, in: EvTh 12 (1952--53) 341-363, auf diese Stelle hingewiesen zu haben (347). Daß damit das Herrenmahl eine den Kreuzestod Jesu repräsentierende Bedeutung erlangt, ist ebenfalls richtig gesehen; aber man muß Schw. gegenüber im Hinblick auf Joh 6,53-58 bestreiten, daß sich darin für Joh die Bedeutung des Herrenmahles erschöpft. Die Eucharistie vermittelt sakramental-real das göttliche Leben, nicht nur durch den Glauben, sondern auch durch das Essen und Trinken der eucharistis(,lhen Gaben (vg!. Joh 6, 55). 1
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1 Joh 5, 9
Jesu vermittelt wird. Auch Ignatius spricht in diesem Zusammenhang mehrfach vom oc!(Loc Xptcrt"oü (Smyrn. 1,1; 6, 1; 12,2), betont ebenso wie der Verf. von 1 Joh Jesu Befindlichkeit tv O"OCpK( (ebd. 1,2; 3,1 f), wirft den Irrlehrern die Leugnung Christi als O"ocpKotp6poc; vor (5, 2) und spricht, wohl wieder im Hinblick auf die Eucharistie, von -r7i O"OCPKt OCU"TOÜ Koct "T~ oct(LOC"Tt (12,2). Der Zusammenhang mit der joh. Eucharistielehre (Joh 6, 53fT) ist darnach kaum zu bestreiten. Eine weitergehende sakramentale Deutung hat W. Nauck in einern längeren Exkurs zu begründen versucht: Auch der "Geist" sei als sakramentaler Ritus, nämlich als Salbung zu verstehen, und die Aufeinanderfolge der "Drei Zeugen" spiegele die drei sakramentalen Handlungen bei der christlichen Initiation, wie der Ver!. sie kannte, wider, nämlich Salbung, Wassertaufe und eucharistisches Mahl'. Trotz beachtlichen Vergleichsmaterials (unbestreitbar für den Sonderbrauch einer präbaptismalen Salbung in der syrischen Kirche) kann diese Deutung nicht überzeugen. Im Bereich des NT ist ein solcher Brauch nicht nachweisbar, und die joh. Schriften ordnen sich in ihren Taufanschauungen sonst völlig in die allgemein urchristlichen ein. Als Symbolwort neben "Wasser" und "Blut" sollte man dann auch eher "Salböl" erwarten; auch wenn TO 7tVeü!J.oc nur wegen V 6c festgehalten wäre, ließe sich nicht übersehen, daß TO 7tVei:i!J.oc in V 6c gegenüber den auf Jesu Taufe und Tod weisenden Ausdrücken bJ Tij> ßllocT' und tv Tij> OCt!J.OCT' eine neue und eigene Bedeutung hat - warum dann nicht auch in V 7 f? Dem Geist kommt in dem ganzen Zusammenhang der VV 6-8 eine Schlüsselposition zu: Wie er jene HeiistatenJesu als Geist der Wahrheit bezeugt und deutet, so macht er sie auch wirksam in der Verkündigung und in den Sakramenten. In Joh 15,26 ist er ähnlich der Zeuge für Jesus vor und neben den Jüngern, indern er doch faktisch dur c h sie sein Zeugnis ablegt.
3. GOTT SELBST HAT ZEUGNIS üBER SEINEN SOHN ABGELEGT, UND DIE ANNAHME ODER ABLEHNUNG DIESES GOTTESZEUGNISSES ENTSCHEIDET üBER DAS HEILSSCHICKSAL JEDES MENSCHEN (I Joh 5,9-12)
Vom Zeugnisgedanken beherrscht, entwickelt der Verf. noch einen neuen Gedankengang, der es ihm ermöglicht, die Ablehnung des rechtgläubigen Christusbekenntnisses durch die Häretiker noch schärfer zu verurteilen. Er stellt das Zeugnis von Menschen und das Zeugnis Gottes einander gegenüber und versichert, daß Gott selbst das gleiche bezeugt hat, was die christliche Gemeinde bekennt: J esus ist der Sohn Gottes. An diese.m Gotteszeugnis kann niemand vorbeigehen; man kann es nur im Glauben annehmen oder im Unglauben von sich stoßen; damit entscheidet sich aber das eigene Heilsschicksal. Auch bei diesem Gedankengang ist die Nähe zum Joh-Ev greifbar; der Ev-Bericht ist für das Verständnis unerläßlich. 5,9
Das Zeugnis von Menschen 2 nimmt man an (falls es glaubwürdig
, Tradition und Charakter 147-182; dazu meine Kritik in: BZ 4 (1960) 297. 2 Die Artikel sind generell; auf ein besonderes Zeugnis ist nicht Bezug genommen.
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1 Joh 5, 9
ist); um so mehr verpflichtet das Zeugnis Gottes, sich danach zu richten ({J-e:l~wv ~(l"T(v) 1. Der Bedingungssatz ist real (d mit Indik.); Aot{J-~&VO{J-e:v ist wörtlich zu verstehen: wir akzeptieren es und handeln entsprechend. So hat es einen Sinn, wenn der Verf. in V 9b die Tatsache hervorhebt, daß Gott über seinen Sohn Zeugnis abgelegt hat. Aus dieser Tatsache entspringt die Verpflichtung zur Annahme. Man kann und muß also bei der nach den Regeln der Textkritik allein berechtigten Lesart 8,t"L {J-.e:{J-otp-roP1)xe:v 2 bleiben. Die (umständliche, aber nachdrückliche) Ausdrucksweise mit otl5'1"1) entspricht der joh. Diktion'. "Denn das (nach vorwärts weisend)' ist das Zeugnis Gottes: er hat (gültig bleibendes) Zeugnis abgelegt über seinen Sohn." Die Stellung am Ende legt auf u10ü otU'l"OÜ einen besonderen Nachdruck (vgl. Brooke). Das Gotteszeugnis hat denselben Inhalt wie das Gemeindebekenntnis V 5. Nach den drei "Zeugen" von VV 7 f wird Gott selbst als Zeuge für die Gottessohnschaft J esu genannt. Gott verleiht diesem Bekenntnis die höchste Autorität und absolute Gültigkeit, so daß seine Ablehnung zu einem schweren Frevel und seine Bekämpfung zu einem aussichtslosen Unternehmen wird. Gottes Wille und Macht stehen hinter dem Christusglauben und verleihen ihm den Sieg. Fragt man, wann und wie Gott Zeugnis über seinen Sohn abgelegt hat, so erhält man an unserer Stelle keine Auskunft. Nur die Tatsache wird wiederholt (VV 9 u. 10) festgestellt; V 11 ist keine Beschreibung oder Definierung des Gotteszeugnisses (s. dort). Das ist nicht verwunderlich, sobald man das Ev zu Rate zieht. Jesus selbst weist in einem Zusammenhang, der ähnlich wie 1 Joh 5,7ff die Bezeugung seiner Person zum Thema hat, auf das Zeugnis seines Vaters hin (5,37), ohne daß die nähere Art und Weise dieses Gotteszeugnisses deutlich würde. Auch darin ist die Stelle verwandt, daß Jesus dem menschlichen Zeugnis des Täufers Johannes (V 34) ein "größeres" gegenüberstellt: das Zeugnis der Werke, die ihm der Vater gab (V 36), das Zeugnis des Vaters selbst (V 37), das Zeugnis der Schrift (V 39). Wie immer man V 37 deuten mag, entscheidend ist, daß Gott selbst für Jesus zeugt (VV 3lf). Nicht die Art und Weise, sondern die Tatsache des Gotteszeugnisses ist ausschlaggebend. Dieses Gotteszeugnis aus der Zeit der irdischen Wirksamkeit Jesu, das aber seine Gültigkeit bewahrt hat, muß der Verf. im Sinne haben, wie das Perfekt {J-E:{J-otP'I"Op1)XE:V beweist. Die drei Zeugen VV 7f (wie auch der Geist V 6c) werden im Präsens eingeführt. Sofern unter diesen Begriffen In Joh 5,36 bezeichnet I-'-d~(i)v die größere Glaubwürdigkeit, in 1 Joh 5,9 dagegen die stärker verpflichtende Kraft des Gotteszeugnisses. Die Stelle ist jedoch verwandt (s. o. im Text). 2 ~v bieten P 'F 104 pm. ft. Die alten Majuskeln und die meisten Versionen haben o'n. Für die LA ~v tritt BÜCHSEL ein. S Vgl. Joh 3, 19; 1 Joh 1,5; 4, 10; 5, 4, 11. 14; mit lvor: Joh 6,29; 17,3; 1 Joh 3, 11. 23; 5,3. • Nach rückwärts weisend nimmt es B. WEISS; er versteht dann den o'n-Satz kausal. Doch sieht man den begründenden Charakter nicht ein, vgl. BROOKE z. St. 1
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1 Joh 5, 10
gegenwärtige Größen gemeint sind (Sakramente), darf man sie mit dem Gotteszeugnis von VV 9ff kaum in Verbindung bringen; die Aussagen über Gottes Zeugentum sind sämtlich (auch V 11) im Präteritum gemacht. Höchstens könnte man daran denken, daß der Verf. das Herausfließen von Blut und Wasser aus der Seite Jesu als ein göttliches Zeichen betrachtet; doch bietet sich dafür außer dem mysteriösen Klang von "Wasser und Blut" in V 8 kein Anhaltspunkt im Text. Man wird daher das "Gotteszeugnis" VV 9ff von dem Zeugnis der drei Zeugen, hinter denen an sich ebenfalls die göttliche Autorität steht, abheben und sich damit bescheiden müssen, daß der Verf. nur die Tatsache eines solchen behauptet. Die neueren Kommentare entwickeln in Verkennung von V lOa den Begriff eines "inneren" Zeugnisses, das im Besitz des "Lebens" (V 11) bestehen soll. An der inneren Erfahrung des Gotteslebens habe der Glaubende ein Motiv und eine Stütze für seinen Glauben. Doch ist diese Auslegung unhaltbar. Motp-rupeiv und flotP-rup(ot beziehen sich im joh, Schrifttum immer auf ein äußeres Bezeugen, so auch in den vorigen VV 6c und 7f. Außerdem steht zwischen VV 10a und 11, aus denen man diese Anschauung gewinnt, V lOb, der wieder von demselben zurückliegenden Gotteszeugnis wie V9 spricht. Schließlich ist auch sachlich nicht einzusehen, inwiefern das bei J oh immer als objektives Heilsgut vorgestellte unsichtbare, nicht unmittelbar erfahrbare Gottesleben, das selbst eines Kriteriums bedarf (3, 14), zu einem "Zeugnis" für den Glauben werden könnte. Vgl. im übrigen Exk. 11.
5,10 In den anschließenden Versen zeigt der Verf. auf, welche Folgen die Annahme oder Ablehnung des Gotteszeugnisses hat. VV lOa U. b bilden eine echte Antithese, nickt nur im Subjekt, sondern auch in der Satzaussage. Der Sinn von E!Xe:L TIjv f/oocp't'up(ocv €v ocu't'C{} (= EOCU't'C{}) 1 ist ähnlich wie in Apk 6,9; 12,17; 19,10 (vgI. 20,4). Jene Christen bzw. Martyrer "haben" das Zeugnis Jesu (vgI. 1,2), d. h., sie haben es festgehalten und tragen es in sich. Genau so sagt 1 Joh 5, 10a von dem Glauben!len, daß er das Gotteszeugnis in sich aufgenommen hat und nun in sich trägt. Man kann diese immer gültige f/oocp't'up[oc (vgI. f/oe:f/oocp-rop'1)xe:v V 9) wie den Myor, 't'oü .&e:oü (vgI. Joh 5,38) zu bleibendem Besitz gleichsam in sich hineinnehmen und in sich wohnen lassen (vgI. Joh 8, 37c). Eben dies tut der GI a u ben d e; er entspricht damit der Annahmeverpflichtung , die das Gotteszeugnis stellt (V 9)". Das Gotteszeugnis von V lOa ist kein "inneres", aus dem Innern sprechendes, wohl aber das "verinnerlichte", zum Besitz des Gläubigen gewordene Zeugnis, das Gott über seinen Sohn abgelegt hat. 1 Die LA &otu't'ijI bieten K 'I" 104 323 1739 al. Vg; doch kann statt des Reflexivpronomens auch das einfache Personalpronomen eintreten, zumal nach Präpositionen, vgl. BLASS-DEBR § 283, 2 3; RADERMACHER 73. Der Sinn ist also derselbe. - Die LA otu't'ijI (WESTCOTT-HoRT) ist sprachgeschichtlich nicht haltbar, vgl. BLASS-DEBR § 64, 1 Anh. • Aotflß&VELV TI)V flotP-rup(otV und manueLv sind meist synonyme Begriffe, vgl. J oh 3, 11 mit 12; 3, 32f mit 36 (anders 5, 34); doch ist ma't'eUeLv in 1 Joh 5,10 der voll entfaltete Glaube, der schon die innere Lebensgemeinschaft mit Gott erreicht hat.
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1 Joh 5, 11
Demgegenüber besteht die Schuld des Nichtglaubenden darin, daß er Gott als Zeugen (mcrt'e6eLv m. Dativ) 1 "zum Lügner gemacht hat" und dieses Urteil durch seinen Unglauben beständig aufrechterhält (Perfekt). Dasselbe Verdikt traf den, der die falsche These aufstellte: "Wir haben nicht gesündigt" (1, 10, s. dort). Dieser Widerspruch gegen Gott ist deshalb so furchtbar und für den Leugner verhängnisvoll, weil er das Zeugnis ablehnt, das Gott über seinen Sohn abgelegt hat. Mit dieser Verwerfung des einzigen Gottessohnes spricht sich der Ungläubige selbst das Todesurteil (vgl. Joh 3, 18). Wenn 1tLcrt'e6eLV hier mit el.:; konstruiert wird, das sonst die Richtung und den Inhalt des Glaubens angibt, so zeigt sich darin nochmals, daß der Inhalt des Gotteszeugnisses die Gottessohnschaft Jesu ist (V 5); die Phrase ist sachlich gleichbedeutend mit 3, 23b und 5, 13c. Der ganze Vers mit seiner scharfen Antithese ruft genauso zur Entscheidung wie Joh 3, 18. 5, 11 Die letzten beiden Verse bringen die Konsequenz, die sich aus der Annahme oder Ablehnung des Gotteszeugnisses für den einzelnen ergibt und die dem aufmerksamen Leser schon in V 10 erkennbar war, nur noch deutlicher zum Ausdruck. V 11 enthält genausowenig wie etwa Joh 3,19; 17,3; 1 Joh 4, 10 eine Definition (nämlich des "inneren" Zeugnisses, s. zu V 10); er nennt auch nicht den Inhalt des Zeugnisses (gegen Belser). Die immer aus dem Zusammenhang näher zu bestimmende Phrase ocß'Mj ta't"lv X't"A. macht hier die Bedeutsamkeit des Gotteszeugnisses für die Menschen (vgl. ~ILi:v im Nebensatz) klar. Indem Gott Jesus als seinen Sohn bezeugt, veranstaltet er nicht bloß eine feierliche Deklaration der verborgenen Würde Jesu, sondern auch eine verpflichtende Proklamation des uns gegebenen Heilsmittlers. Mit seinem Sohne gab er uns ewiges, göttliches Leben (vgl. 1, 2). Der Vers entfaltet diesen Gedanken aber nicht genetisch, sondern systematisch: Das entscheidende Stichwort wird betont zuerst genannt, "ewiges Leben gab uns Gott"8, und dann wird (noch weiterhin von lS't"L abhängig) erklärend beigefügt: "und dieses Leben ist in seinem Sohn" (= ist uns mit und in seinem Sohn gegeben, sofern wir nämlich an ihn glauben) 8, Da sich das Gotteszeugnis immer auf den Sohn bezieht (VV 9c. 10c), gehört diese letzte Aussage noch zur ILocP't"UP(oc, ja macht Vgl. Joh 2,22; 5,24.46.47; 10, 37f; 14,11; 1 Joh 4, 1. Eine sichere Ausnahme ist nur 1 Joh 3,23 (s. dort). - Die LA 'l:ifi u!ifi A 81 323 1739 al. Vg sybmg paßt nichtin den Zusammenhang, der nur vom Zeugnis Gottes, nicht vom Selbstzeugnis Jesu spricht. • Die Stellung der Wörter ist hier zu beachten; der Akkus. ist sichtlich zur Betonung vorangestellt (vgl. 3, 1; Joh 3, 16b). Am Ende wird -Ij1L!V 0 .&c6~ nach 11 A ~ pm. (mit TISCHBNDORP, v. SODBN, VOGBLS und MBRK) zu lesen sein, da das Dativ-Objekt dem 8L86vatL meist unmittelbar folgt. • Dieses tv ist keineswegs das der paulinischen Christusmystik (die entsprechende Vorstellung EV mlcU!Lat'l:L fehlt bei J oh), aber auch schwerlich das tv der Gemeinschaft bei Joh, da für dieses die reziproken Formeln charakteristisch sind (vgl. OBPKB in: ThWb 2, S. 539, 15ft). Zu vergleichen sind eher Wendungen wie Job 3,15 (tv atÖ'rifi zu 1!xn zu ziehen); 16,33; (negativ) 14,30; 1 Joh 4,10. 1
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Exkurs: Das Gotteszeugnis und
de~
Glaube
11 b erst verständlich. Gott hat uns ewigwährendes Leben geschenkt, indem er uns den Leben vermittelnden Sohn sandte und bezeugte. (Beachte den immer mit u!bc; otUTOÜ ausklingenden Schluß der VV 9, 10 und 11!)
5, 12 Die betonte und wiederholte Hervorhebung des Gottessohnes gipfelt in der prägnanten Antithese von V 12. Um die für das Bekenntnis (V 5) und das Heil (V 11) entscheidende Stellung des Sohnes auf das nachdrücklichste zu unterstreichen, überträgt der Verf. eine Formel, die ursprünglich die feste und vollkommene Gottesgemeinschaft bezeichnet (s. zu 2,23), nun auch auf das Verhältnis zum Sohn. Es zeigt sich hierbei wieder einmal, wie er bestimmte Redeweisen, die in der religiösen Umwelt gangbar waren, aufgreift, aber sofort mit eigenem, spezifisch christlichem Geiste erfüllV. Weil für ihn die Gottesgemeinschaft nur über die Christusgemeinschaft erreichbar ist, aber in dieser wegen der völligen Einheit zwischen Vater und Sohn auch so vollkommen wie nur möglich erfahren wird (vgl. bes. Joh 14,6-10), darum wird für ihn das ersehnte "Gotthaben" durch das "Christushaben" realisiert. Da in V 11 jedoch als Heilsgut und Heilsziel das schon in der Gegenwart erlangte "ewige Leben" in den Blickkreis getreten ist, lautet die werbende Zusicherung: "der hat das Leben". Die Formel erinnert damit zugleich an die führende soteriologische Formulierung des Joh-Ev: "Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben" (3,15.16.36 u. ö.; 20,31)2. Dem positiven Satz folgt die Antithese wie in Joh 3, 18.36; 12,46f; (umgekehrt) 1 Joh 2,23. Sie gewinnt hier aber besonderes Gewicht als Drohwort und Kampfruf gegen die Christusleugner (VV 5f). Den Christen aber muß dieser wuchtige Vers Nachhall und Bestätigung dafür sein, daß ihr Glaube die ungläubige Welt besiegt (VV 4f).
EXKUR~
11:
Das Gotleszeugnis und der Glaube 1. In der engen Verbindung von Glaube und Zeugnis spiegelt sich die
Glaubenssituation der Urkirche um die erste Jahrhundertwende wider. Man scheint sich über die Tragfähigkeit, aber auch die ver.pflichtende Kraft der "Zeugnisse", die den Glauben begründeten, Rechenschaft ge1 H. HANSE, "Gott haben" 107, betrachtet "Christus haben" als Analogiebildung. Vgl. DERS. in: ThWb 2, S. 823. • Es stehen also drei Formeln nebeneinander, bzw. in 1 Joh 5, 12 sind die beiden ersten zusammengeflossen: 1 Joh 5, 12 1 Joh 2, 23 Joh 3, 36 (, ~)( ",v "t"ov U !ov (, (,fLOAOYwV "t"ov u!ov (, 7nO""t"EU"'V EI<; "t"ov u!ov !)(Et "t"7)V ~",~v Kotl "t"ov 1t"ot"t"epot ~)(Et ~)(Et ~"'7)V odoo'ltov
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Exkurs: Das Gotteszeugnis und der Glaube
geben zu haben. Wort und Werk Christi, letztlich seine Person selbst war und blieb die einzige Grundlage des Glaubens; aber man besaß seine Gestalt und Stimme nicht mehr unmittelbar. Um so dringlicher wurde das Anliegen, das historisch Vergangene zu einem überzeitlich Gültigen zu erheben und das dem Gedächtnis Entschwindende klar und unverlierbar festzuhalten. Diesem letzten Bedürfnis war durch schriftliche Fixierung verhältnismäßig leicht abzuhelfen - wohl mit ein Grund, daß die besondere johanneische Tradition in eine bleibende Form gegossen wurde. So entstand neben den schon länger im Umlauf befindlichen syn. Evangelien das Joh-Ev. Aber auch das viel schwierigere Glaubensanliegen, wie das in die Historie eingebettete Leben und Sterben Christi zum Glaubensobjekt für die späteren Generationen werden könne, hat in den joh. Schriften seinen Niederschlag gefunden. Zunächst stützte man den EvBericht auf die Aussagen zuverlässiger Zeugen (vgl. Joh 19,35; 21,24; 1 Joh 1,1-3); aber es sollte auch klar werden, daß die Verkündigung dieser Glaubenszeugen nicht bloß auf ihre subjektive Überzeugung, sondern auf objektive Kundgebungen Gottes selbst gegründet ist. So fragte man nach dem "Gotteszeugnis". Jesus nennt im Joh-Ev verschiedene Zeugen für seinen Anspruch, der Gottgesandte schlechthin, der einzige Gottessohn zu sein: J ohannes den Täufer (5,33), seine eigenen Werke (5,36; 10,25, vgl. 10, 37f; 14,11), die Heilige Schrift (5, 39), seine Lehre (7, 17), seine Worte (10,38; 14, 11; vgl. 12,48). Die Kernfrage bezieht sich stets auf die Zuverlässigkeit des Zeugnisses; sie ist z. B. für seine eigenen Worte schwierig. Rein in sich sind sie beweiskräftig und ist Jesus selbst ein vollwertiger Zeuge (vgl. 8, 14). Aber für die Überzeugungskraft nach außen, vor der Welt, ist k tunlich, sich auch auf andere Zeugnisse zu berufen, die man sehen kann oder die als Fremdzeugnisse (5,31 f) mehr Eindruck auf die Menschen machen. Wiederum nimmt Jesus selbst aus seinem Sendungsbewußtsein heraus (vgl. 3,31 a) das Zeugnis nur von Menschen nicht an (5, 34). In seinen eigenen Reden beruft sich der joh. Jesus auf das Zeugnis seines "Vaters" selbst (Joh 5,37; 8, 18). Ferner weist er mit aller Entschiedenheit auf das künftige Zeugnis des Parakleten - ebenfalls ein "göttliches" Zeugnis, da der Paraklet der Geist der Wahrheit ist, der vom Vater ausgeht (15,26). In diesen Gedankenkreis muß auch die nachhaltige Betonung des "Gotteszeugnisses" von 1 Joh 5 hineingehören. Um Zweifel zu beheben und tiefer zu dringen, muß das Verhältnis dieses "Gotteszeugnisses" zum Zeugnis des "Vaters selbst" und zum "Zeugnis des Geistes" geklärt werden. 2. Für denjenigen, der 1 Joh 5, 10a u. 11 auf ein "inneres" Zeugnis deutet, das nach dem Wortlaut dann im Besitz des göttlichen Lebens bestände, liegt es nahe, das "Gotteszeugnis" mit einem inneren Geistzeugnis zu identifizieren. So meint A. Klöpper 1 zu V 10, der Glaubende habe das
1
Zeitsehr. f. wiss. TheoI. 43 (1900) 396.
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Exkurs: Das Gotteszeugnis und der Glaube
Zeugnis in sich, d. h., er habe den Geist Gottes, welcher prinzipiell die· Messianität Jesu bezeugt (V 6), bleibend in sich. In V 11 werde nur eine akzessorische Wirkung des Zeugnisses (= des Geistes) hervorgehoben. "Die für das Subjekt schon inder Gegenwart seligen Folgen des angenommenen Zeugnisses können nur geeignet sein, die ursprüngliche Wahrheitsaussage zu verstärken." 1 Ähnlich verbindet auch Th. Häring das Gotteszeugnis mit dem Geistzeugnis " und neuerdings entwickelt diese Anschauung wieder Th. Preißs. Diese Konstruktion unterliegt schweren exegetischen Bedenken. Einerseits ist in 1 J oh 5, 10 u. 11 vom me:ü(Loc nicht mehr die Rede, anderseits ist '1"0 me:ü(Loc in V 6 eng dem geschichtlichen Zusammenhang des ~A.&WV 8C 68oc'l"oc:; XOCL oc~(Loc'l"oc:; angeschlossen. Davon gibt der Geist, als innerseelisch wirksame Größe betrachtet, nicht unmittelbar Zeugnis. Sodann ist an der einzigen Stelle des Ev, wo der "Geist der Wahrheit" in seiner Zeugenrolle angerufen wird (15, 26), deutlich vom äußeren Zeugnis vor der Welt die Rede. In 1 Joh 3, 24 und 4, 13 wird der Geistbesitz des Christen in ganz anderer Weise geltend gemacht, nämlich als Erkennungszeichen unserer Gottesgemeinschaft. Die "Belehrung" (nicht (LocP'I"t)pe:~v!), die '1"0 XP~O"(Loc den Christen nach 2, 27 innerlich erteilt, betrifft zwar die Wahrheit ihres Glaubens im Gegensatz zur Irrlehre, aber nicht nach dem materialen Glaubensgehalt, sondern dem formalen Wahrheitscharakter (vgl. ot8oc'l"e: VV 20f). Das geistige "Salböl" gibt den Christen die Unterscheidungsfähigkeit zwischen "Wahrheit" und "Lüge". Sofern es sich um den Glauben an Jesus Christus als geschichtlich erschienenen Gottessohn handelt, rekurriert der Verf. nirgends auf die innere Stimml< des Geistes, vielmehr auf das äußere Zeugnis der Verkündiger (1,2; 4, 14). In 5, 9f selbst blickt (Le:(LOCP'I"0P1jxe:v am Ende beider Verse bei aller zeitüberdauernden Gültigkeit und Wirksamkeit des Gotteszeugnisses (Perfekt!) doch auf etwas Geschichtliches zurück. 3. Ist vielleicht dieses "Gotteszeugnis" selbst ein inneres, unmittelbares Bezeugen (auch abgesehen von der Frage, was unter dem "Bezeugen des Geistes" zu verstehen ist)? Daran denkt Bonsirven·. Es sei identisch mit dem "inneren Zeugnis des Vaters, von dem Jesus zu den Juden spricht und das er von dem Zeugnis der Werke, die der Vater durch ihn vollbringt, wie auch vOm Zeugnis der Schrift unterscheidet" (verweist auf Joh 5,37, vgl. 6,45f). Jedoch, ist in Joh 5,37 wirklich ein "inneres" Zeugnis des Vaters gemeint und nicht vielmehr ein äußeres, ohne daß es sich in jenem Zusammenhang mit Sicherheit konkretisieren läßt? 5 Kann
Ebd. 398. • Zur Stelle (S. 70). • Das innere Zeugnis des Heiligen Geistes (Zollikon-Zürich 1947). Doch geht er auf 1 Joh 5, 91 nicht näher ein (vgl. 39). • Ep. de S. Jean 263f. • Die meisten neueren Exegeten setzen es mit dem Zeugnis der Schrift (V 39) in eins. Dafür spricht zwar die Perfektform j.LEj.LrLp-rup"lXe:v; aber in V 47 wird Moses als der Zeuge genannt, der hinter der Schrift steht, und sonst wird im Joh-Ev das Gottes-
1
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Exkurs: Das Gotteszeugnis und der Glaube
man das Zeugnisgeben des Vaters 5, 37 mit der inneren Belehrung des Menschen durch den Vater 6, 45 gleichsetzen? Zu 1Joh 5, 10f sieht Bonsirven richtig, daß das ewige Leben selbst, das der Glaubende in der Seele trägt, nicht als Glaubwürdigkeitsmotiv betrachtet werden könne; .das ergäbe einen circulus vitiosus. Nach B. beschreibt V 11 den Wesensgehalt des (inneren) Gotteszeugnisses, und zwar in zwei untrennbaren Aussagen: daß Gott uns ewiges Leben gab und daß er uns dieses Leben in seinem Sohne gab. Er möchte dieses Zeugnis des Vaters zu den "himmlischen Dingen" (vgl. Joh 3,12) rechnen im Unterschied zu den (in V 8 genannten) drei Zeugen, die der Ordnung des Geschaffenen, den "irdischen Dingen" zugehören 1. In dieser Exegese folgt also auf das "äußere" Zeugnis (VV 7 f) der drei Zeugen das "innere" Gotteszeugnis (VV 9-11). Indes, sie krankt außer an der Deutung von Joh 5, 37 (in Verbindung mit 6, 45) an der zu geringen Bewertung des Geistes als Zeugen in V 8. Ist nicht der Geist, der den entscheidenden Faktor in der Zeugentrias V 8 abgibt (Voranstellung!), der Geist Gottes? Läßt sich in dieser Weise das "Geistzeugnis" dem "Gotteszeugnis" gegenüberstellen? . 4. Zu einer befriedigenden Lösung gelangt man nur, wenn man sich zu folgenden exegetischen Entscheidungen entschließt: a) Das "Gotteszeugnis" von VV 9-12 ist zunächst von dem der "drei Zeugen" VV 7f abzusetzen. Der Übergang von V 8 zu 9 ist ein äußerlichassoziativer, der durch den "Zeugnis"-Gedanken herbeigeführt wird. Das Zeugnis der "drei Zeugen" soll den christlicheI). Glauben auf einen sicheren Grund stellen. Das "Gotteszeugnis" , das viel gewichtiger als jedes menschliche Zeugnis ist, soll die Verpflichtung zum Glauben und die Schuldhaftigkeit des Unglaubens vor Augen führen. b) Das "Gotteszeugnis" ist ein geschichtliches Faktum, das freilich in seiner Wirkung fortdauert und in die Gegenwart hineinragt. Darauf deutet das Perfekt !lE!lOCp-roP1jXEV. Inhaltlich wird es nur dadurch bestimmt, daß wiederholt die Gottessohnsch.aft Jesu genannt wird (VV 9 u. 10). Nimmt man in V 9 die schwierigere und wahrscheinlich ursprünglichere Lesart lS'n (an der 2. Stelle) an, dann wird deutlich, daß die Tatsache der Gottessohnschaft J esu betont werden soll: Gottes Zeugnis hat sich darauf gerichtet, daß Jesus sein Sohn ist. Aber wir erfahren nicht, welche konkrete Gelegenheit der Verf. im Auge hat. Dafür scheint die Kenntnis jener Geschehnisse und namentlich jener Jesusworte vorausgesetzt zu sein, die uns aus dem Joh-Ev bekannt sind. c) Das Gottes:z;eugnis von VV 9-12 ist eine einheitliche Größe, da in V lOb in derselben Weise davon gesprochen wird wie in V 9. Dementzeugnis nie besonders in der Schrift verankert. Vielleicht wird in V 37 nur die Tatsache hervorgehoben, daß Gott bezeugt hat, um so die Aussage von V 32 zu bekräftigen. Es ist ein einheitliches Gotteszeugnis, das sich konkret sowohl in der Schrift wie auch in den Worten und Werken Jesu kundtun kann. Das Kat! am Anfang wäre dann zu übersetzen: "und tatsächlich"; vgl. das Katll, 14. 1 Ebd.262.
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Exkurs: Das Gotteszeugnis und der Glaube
sprechend darf in VV lOa u. 11 nicht ein besonderes "inneres" Zeugnis eingeführt werden. Ein solches, aus dem Inneren hörbares, im Lebensbesit?: des Christen wurzelndes und in dessen Wirkungen erfahrbares Zeugnis Gottes läßt sich sonst im joh. Schrifttum nicht nachweisen. d) V 10 will nicht das Gotteszeugnis inhaltlich näher bestimmen das geschah schon in dem Satz V 9: "Das ist das Zeugnis Gottes: er hat Zeugnis über seinen Sohn abgelegt" -, sondern will auf die Bedeutung des Glaubens und Unglaubens aufmerksam machen. Das zeigt sich durch die scharfe Antithese : Wer glaubt - wer nicht glaubt, zeigt sich aber auch in den beiden Nachsätzen. Der Glaubende tut etwas Großes und Heilsames: er nimmt das Gotteszeugnis in sich hinein und trägt es in sich. Der Ungläubige begeht etwas Schändliches und Unheilvolles: er hat in demselben Augenblick, da er nein sagte, Gott von sich aus zum Lügner erklärt. Jetzt erwartet man förmlich als Fortsetzung noch eine Aussage darüber, worin denn das Heilsame des Glaubens und das Unheilvolle des Unglaubens bestehe. e) V 11 bringt diese Weiterführung des Gedankens von V 10 (und nicht eine Angabe über den "Ort" der Erfahrbarkeit des Gotteszeugnisses). Der Glaubende hat den Sinn des Gotteszeugnisses erkannt und eben durch seinen Glauben für sich erfüllt: indem Gott Jesus als seinen Sohn bezeugte, wies er auf ihn als den Lebensspender hin. In V 11 wird das grundsätzlich herausgestellt, in V 12 dann konkret auf den "Glaubenden" und den "Nichtglaubenden" von V 10 angewendet: jener, der den Gottessohn annimmt und in seine Gemeinschaft tritt, hat damit auch das "Leben" erlangt; dieser, der die Verbindung mit dem Gottessohn nicht herstellt, bleibt vom göttlichen Lebensbereich ausgeschlossen. 5. Wenn man diesen in sich geschlossenen Gedankengang von VV 9-12 klar festhält, darf man freilich auch einen Vergleich mit dem ebenfalls für sich gültigen Gedankengang VV 7 f vornehmen. Beiden kleinen Gedankengruppen, die je in eigener Weise die "Zeugnis"-Idee ausschöpfen, ist das gemeinsam, daß sie nicht bloß an ein historisches Zeugnis erinnern, sondern Zeugnisse vorführen, die unmittelbar in die Gegenwart hineinwirken : in VV 7f das im Wort der Verkündigung anklingende Zeugnis des göttlichen Geistes von den großen Heilstahaehen des Lebens und Sterbens Jesu und das in den Sakramenten weiter wirksame Zeugnis des erlösenden "Wassers" und "Blutes" Jesu, in VV 9ff das von Gott selbst einst für seinen Sohn abgelegte Zeugnis, das der Glaubende in sich hineinnimmt und zu einer bleibenden Realität werden läßt, wohl wieder durch Glauben und Sakramente. Das ist in der Tat ein christlich-existentielles Denken, das das Problem von Historie und Glauben zu lösen bemüht ist. So fremd uns zunächst die Ausdrucks- und Vorstellungsweise dieser Verse anmuten mag, hinter ihr steht doch ein tiefes Nachdenken über die Problematik des christlichen Glaubens. Es sind Gedankengänge und Beweisgründe für GI au ben d e, und zwar für solche, denen es aufgetragen ist, "nicht zu sehen und doch zu glauben" (Joh 20,29) - zu glauben angesichts einer Welt des Unglaubens.
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Der Briefabschluß (1 J oh 5, 13-21)
13 Dies schrieb ich euch, damil ihr das (fesle und frohe) Bewußtsein habl, ewiges Leben zubesilzen - euch, die an den Namen des GaUessohnes glauben. 14 Und das isl die Zuversichl, die wir zu ihm (Gott) haben : Wenn wir uns irgend elwas nach seinem Willen erbitten, so erhörl er uns. 15 Und wenn wir wissen, daß er uns bei allen unseren Bitlen erhört, so wissen wir (auch), daß wir das von ihm Erbetene besitzen. 16 Wenn jemand seinen Bruder eine Sünde begehen sieht, (die) nicht zum Tode (führt), dann soll er (für ihn) biUen, und (GaU) wird ihm Leben geben, denen, die eine Sünde begehen, (die) nicht zum Tode (führt). Es gibt Sünde, (die) zum Tode (führt); nicht im Hinblick auf sie sage ich, daß er biUen soll. 17 Jedes Unrecht ist Sünde; doch gibt es (auch) Sünde, (die) nicht zum Tode (führt). 18 Wir wissen: Jeder, der aus Galt gezeugt ist, sündigt nicht; vielmehr wer (einmal) aus Gott gezeugl wurde, den bewahrt er, und der Böse lastet ihn nicht an. 19 Wir wissen: Wir sind aus GaU, die ganze Welt aber liegl im (Machlbereich des) Bösen. 20 Wir wissen: Der Gottessohn isl gekommen, und er hat uns Einsicht verliehen, den "Wirklichen" (Gott) zu erkennen. Und wir sind in dem " Wirklichen", insofern wir in seinem Sohne Jesus Christus sind. Dieser ist der wirkliche Gott und ewiges Leben. 21 Kindlein, hütet euch vor den Götzen! Daß der Verf. dem Abschluß seines Schreibens zustrebt, erkennt man nicht nur an V 13, der eine starke Ähnlichkeit mit Joh 20,31 hat, sondern auch an der Grundtendenz dieses letzten Abschnittes: er will das gesunde christliche Selbstbewußtsein stärken, die Freude des Heilsbesitzes heben und die Hoffnung auf Heilsvollendung erneut wecken. Kein Wort dominiert so sehr wie orlloc(.Le:v (6mal). Die positive Besinnung auf das Glück der in Christus gegebenen Gottesgemeinschaft und auf die göttlichen Kräfte, die den Christen damit verliehen sind, sieht der Verf. als den stärksten Schutzwall gegen alle verderblichen Einflüsse von außen (vgl. 2, 21. 27) und als die festeste Stütze des christlichen Strebens inmitten dieser Welt (vgl. 2,12-17) an. Die Situation wird nicht verharmlost, im Gegenteil im Hinblick auf die Wirklichkeit der Sünde (VV 16f) und die Macht des persönlichen Gottesfeindes, des "Bösen" (VV ISf), in ihrem ganzen Ernst aufgedeckt. Aber gerade nach der erneuten Begründung des Christusglaubens 5,5-12 tritt auch der überlegene Gegenspieler Satans, der alleinige wahre Gottessohn Jesus Christus, in seiner vollen Bedeutung für den christlichen Daseinskampf in dieser
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1 Joh 5, 13
Welt hervor (V 20). Das Überlegenheitsgefühl, die Siegesgewißheit der Christen, die immer wieder während des Schreibens hervorbrach (2,12-14; 3, 20; 4, 4-6; 5, 4), feiert bei allem illusionslosen Realismus hier ihren Triumph. So verstanden, ist der letzte Abschnitt als Einheit zu nehmen 1. Wenn er gleichwohl noch spezielle Themen berührt, sogar solche, die in dieser Weise noch nicht zur Sprache kamen (Fürbitte für den sündigen Bruder V 16; Sünde zum Tode und nicht zum Tode VV 16b-17), so erklärt sich dies wohl hauptsächlich aus der eigentümlichen Gedankenproduktion des Verf., der sich von einem Gedanken assoziativ zum andern führen läßt. Dieses assoziative Voranschreiten dürfte den Schlüssel für den Aufbau bieten. Es ist kein Stichwortzusammenhang, wie er sich in vielen Spruchgruppen der Evangelien findet, aber auch kein systematischer Aufbau, wie wir ihn in unserer Denkweise gewohnt sind. Auf dem Generalbaß des ot811.(Le:v erheben sich einzelne Klangfiguren, die sich gegenseitig hervorlocken. So entwickelt sich ein Glied des Gefüges aus dem anderen; daß dabei 7 Glieder herauskommen, dürfte unbeabsichtigt sein. Die Siebenzahl hat sich uns bisher nicht als bewulltes Stilmittel in 1 Joh zu erkennen gegeben (gegen Lohmeyer). Der gedankliche Aufbau wird an folgender Inhaltsangabe deutlich: 1. Das Ziel des Schreibens ist Heilszuversicht (tvcx e:18~'t"e:) (V 13). 2. Die Heils7;uversicht wird gestärkt durch gegenwärtige Gebetserhörung (VV 14-15). 3. Die Macht des Gebetes zeigt sich bei der Fürbitte für den sündigenden Bruder (V 16a). Abschweifung: Es gibt "Sünde zum Tode" und "Sünde nicht zum Tode" (VV 16b-17). 4. Der Gottgezeugte überwindet die Sünde und ist vor dem "Bösen" (Satan) geschützt (V 18). 5. Im Gegensatz zur christlichen Gemeinde liegt die "Welt" im Machtbereich des "Bösen" (V 19). 6. Dieser Gewalt des Bösen ist die christliche Gemeinde durch den Sohn Gottes entrissen und steht durch ihn in lebendiger Gottesgemeinschaft (V 20). 7. Darum sollen die Adressaten ihre Gottesgemeinschaft nicht durch Götzendienst gefährdeiI (V 21). 5,13 Der Vers blickt zunächst auf VV 5-12 zurück, wie aus der Betonung des Lebensbesitzes (vgl. V 12) und des Glaubens an den Gottessohn (VV W--12) hervorgeht. Aber er leitet auch zum Folgenden über. Der Verf. wünscht, daß seine Adressaten sich ihres Heiles bewußt sind Zu der Hypothese BULTMANNS, Redaktion von 1 Joh 189tl, daß 1 Joh ursprünglich mit 5, 13 schloß und der Abschnitt 5, 14--21 einer kirchlichen Redaktion zuzUweisen ist, vg!. Ein!. S. 14 f. 1
20 Schnackenburg, Johannesbriefe
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1 Joh 5, 14-15
(e:!8ij're:), eines unvergänglichen (IX[WVLOV)1 Heiles. Damit bricht ein Anliegen neu hervor, das ihn bei der Abfassung des gesamten Schreibens trieb (vgl. 1,3; 2,12-14; 3,1. 14; 4,13). Das den Christusgläubigen verliehene Gottesleben soll zu einem mit heller Wachheit erfaßten Leben . mit Gott und den Brüdern werden, und aus dem frohen Bewußtsein des Besitzens soll die Kraft zum Festhalten und zur Verteidigung dieser höchsten Güter erwachsen. Echt joh. wird, durch die Nachstellung hervorgehoben (vgl. Joh 1,12), der Glaube noch einmal als die Grundhaltung und Grundbedingung genannt, und zwar der Glaube an den "Namen", d. h. an die Person, des Gottessohnes, den vollen Träger des göttlichen Wesens (vgl. Joh I, 12; 2, 23; 3,18; 1 Joh 3, 23).
5,14 Das' gegenwärtige Heilsbewußtsein äußert sich im Freimut und in der Zuversicht (7tIXPP'Yjcr(lX) beim Beten, in Erwartung der Gebetserhörung (s. zu 3,21 f). Der Zusatz XIX'rac 'ro &eA'Yj1JolX IX,nOÜ verrät Reflexion über diese Verheißung des joh. Jesus und ihre tatsächliche Erfüllung im urchristlichen Gemeindeleben. Das nochmalige Zurückkommen auf diese gleichsam pragmatische Seite der Gottesgemeinschaft zeigt, wie stark jene feste Zusicherung des scheidenden Gottessohnes die gläubigen Gemüter beschäftigt hat. In der oft wunderbaren Erhörung der Gebete (vgl. Apg 4, 23ff; 12, 5ff) sah man die Bestätigung dafür, die eschatologische Heilsgemeinde zu sein. Aber auch gegenteilige Erfahrungen, :l;umal im privaten Gebete, mögen laut geworden sein; die Frömmigkeit blieb nicht in der Hochspannung des Volk-Gottes-Bewußtseins, sondern wandte sich wieder stärker persönlichen Anliegen :l;U (vgl. Jak 5, 16f). So erwartete man die Erfüllung des Herrnwortes offenbar nicht bloß für das missionarische Wirken der Jünger Christi (vgl. Joh"14, 12; 15, 16) und die übernatürliche Fruchtbarkeit der mit Christus Verbundenen (vgl. Joh 15,7), sondern auch für den privaten oder gar rein irdischen Bereich; dazu konnte die allgemeine Fassung der Verheißung (Joh 16, 23f. 26) ermutigen. So rückte die Frage nach dem Objekt des Bittgebetes in den Vordergrund. In 1 Joh 5, 14ff scheint der Verf. stillschweigend und klug. dem Bitten wieder die rechte Bahn weisen (XIX'rac'rO &&..'YjILIX IXÖ'rOÜ) und zugleich das Vertrauen zu seiner Erfüllung (V 15 zweimal o~8IXILe:V) festigen zu wollen. 5, 15 Die Reife des joh. Glaubens, der in eine ganz reale und gegenwärtige Gottesgemeinschaft hineinführt und deswegen mit Vorliebe vom "Haben", Besit:l;en (~X.e:LV) spricht, zeigt sich auch bei der Gebetserhörung. Die "Zuversicht" der Erhörung durch Gott ist .einem "Wissen" gleich; denn der ~~v-Sat:l; faßt den vorigen Vers in seiner Hauptaussage zusam~ men. Eine Bedingung will er nicht aussprechen; ~~v mit Indik. hat hier schlußfolgernden Sinn (= da nun) B. Aus diesem Wissen der uneinSiehe oben zu I, 2. • Mv statt EI ein "Vulgarismus" (BLAss-DEBR § 372, I, a im Anh.); der Sinn ist wie Joh 7,23; 10,35; 13,14.17.32; 1 Joh 4, 11 (cl mit Ind.) und 1 Joh 2,29 (U.v mit Konj.).
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1 Joh 5, 16
geschränkten Gebetserhörung aber (8 Mv) 1 folgt die GewiBheit (wieder ot8oqJ.e:v), das Erbetene zu besitzen (~xo!.l.e:v). So sicher wie der an Christus Glaubende Gott "hat" (2,23), das ewige Leben "hat" (5, 12), "hat" er auch alles, was er erbittet, weil ihm Gott an allem Anteil gewährt. Vorausgesetzt ist, daß es sich um Dinge handelt, die zur Gottesgemeinschaft in Beziehung stehen (vgl. XOCT,x TO &~A1l!.l.OC OCOTOÜ V 14), um geistige, göttliche Dinge. Abgesehen davon, daß die Aussage bei irdisch greifbaren Dingen, die man zur Zeit des Gebetes noch entbehrt, unsinnig wäre, wird dies von der den Verf. beherrschenden Thematik der Gottesgemeinschaft gefordert. Diese weitgehende, wenn auch gnadenhafte Beteiligung an Gottes Gütern verdankt der Glaubende seiner Gemeinschaft mit Christus, auf die er sich beim Beten berufen kann (vgl. das Bitten "im Namen Jesu" Joh 14,13; 15,16; 16,23.26); bei Christus umschließt die Verbundenheit mit dem Vater volle Besitzgemeinschaft (Joh 17,10). Es ist unverkennbar, daß die vollkommene Erhörungsgewißheit des joh. Christus (J oh 11, 41 f) als das höchste Exempel der Macht des Gebetes gilt. Die Christen partizipieren an dieser Macht in demselben Maß und Abstand, als ihre Gottesgemeinschaft der Vater-Sohn-Verbundenheit ähnlich und zugleich unähnlich ist. Auf jeden Fall sind diese Texte des 1 Joh nur auf dem Boden und aus dem Geist der Christusworte des Joh-Ev zu erklären, haben aber auch Verwandtschaft mit syn. Texten (Mt 7, 7; 18, 19; 21,22; Mk 11, 24; Lk 11, 5-8). Die Gebetserhörung, die der syn. Jesus auf Grund eines jeden Zweifel ausschließenden charismatischen Glaubens zusichert (Mk 11, 23f), ist von 1 Joh 5, 15 zu unterscheiden; ein solches Beten ist der Erhörung zwar auch sofort und unbedingt sicher (mcrTe:ue:Te:, Ih~ &Aciße:Te:), sieht die Erfüllung aber noch vor sich (~crTOC~ O!.l.~v). 5, 16 Dem Bitten des mit Gott verbundenen Christen wird nun ein dringliches, konkretes Anliegen gewiesen: die Fürbitte für den sündigend~n Bruder (beachte die kurze Aufnahme ocl-ri)cre:~ ohne 07tE:p OCOTOÜ). Die Fürbitte der Gerechten ist ein Gedanke, den auch die atl. und spätjüdische Frömmigkeit kennt". Aber ein gewisser Unterschied besteht: Als wirksam· gilt in der spätjüdischen Frömmigkeit vor allem die Fürbitte der großen Heiligen, nämlich der Erzväter", des Moses', mancher Pro1 (\ Mv = klassisch Ö (TL) IJ.v (BLAss-DEBR § 107 am Ende und Anh.). Es greift hier das Mv TL des vorigen Verses auf (stilistische Variation oder auch stärkere Verallgemeinerung im Sinne des klassischen verallgemeinernden Relat.). 2 Vgl ElcHRoDT, Theol. des AT II/III, 3121T; VOLZ, Eschatol. 272; 290; N. JOHANSSON, Parakletoi 3ff; 65ff; 138ff; 161ff. Die deutlichste Stelle für das Spätjudentum ist wohl 4 Esr 7,102-115 (Fürbitte auf Erden möglich, beim Gericht nicht mehr; Reihe von Beispielen). Johansson weist darauf hin, daß auch die Frommen die Pflicht haben, füreinander zu beten (75). 3 Für Abraham war die beste Grundlage Gn 18, 27ff; vgl. 20,7. Für Jakob s. bes. die TestXII, nämlich Rub 1,7; Jud 19,2; Benj 3,6; 10,1; Gad 5,9, für Henoch: Henslav 64, 4. Für die rabbin. Stellen vgl. bes. JOHANSSON 161 ff. • Er ist der große Fürbitter schlechthin, vgl. Ex 32,11-14. 3lf; 34, 8f; Nm 14, 13-19. Für später s. AscMos 11, 17; 12, 6. Bei den Samaritanern rettet seine Fürbitte sogar
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pheten 1 und dann besonders der Martyrer 2. In der christlichen Gemeinde hat jeder Gläubige dank der Gottverbundenheit, die ihm Christus ermöglicht hat, die Aussicht, den fehlenden Bruder zu retten. Subjekt zu 3wO"e:~ dürfte Gott sein (vgl. 5,11)3, da die Aussage, daß ein Mensch (ewiges) Leben verleiht, dem streng theozentrischen joh. Denken fern liegt. Auch der Sohn gibt nur das vom Vater empfangene Leben (Joh 5,26) weiter (10,28; 17,2); der Gläubige aber ist Besitzer (~x.e:~), nicht Spender des Lebens. Das Fehlen des Artikels bei ~(1)\1 zeigt an, daß das göttliche Leben nicht als solches geschenkt bzw. neugeschenkt wird (das ergäbe eine Spannung zu &:!llXp~tlX\I !l~ 7tplle; .&&\lIX~O\l), vielmehr daß es in seiner Kraft aufs neue entfacht oder in seinem Umfang vermehrt werden soll. Befremdlich ist der Wechsel von der Einzahl zur Mehrzahl ~or:e; &:!llXp~&\lOUO"~\I; doch vgl. zu dieser nachträglichen Hervorhebung durch ein Partizip Joh 1, 12; 1 Joh 5, 13. Das nachgestellte Partizip gewinnt fast eine selbständige Bedeutung, hier im restriktiven Sinn: Das gilt aber nur für solche, "die nicht (eine) Sünde zum Tode begehen"'. Worin (eine) "Sünde nicht zum Tode" besteht, erklärt der Verf. nicht. Schon das AT kennt geringere (nichtvorsätzliche) und schwerere (vorsätzliche) Sünden (vgl. Lv 4,2ff; 5,1 ff; Nm 15, 22ff im Gegensatz zu Nm 15,30f). "Todsünde" ist ursprünglich eine Schuld, die die leibliche Todesstrafe nach sich zieht (vgl. Nm 18,22; Is 22, 14); die Gemeinde sollte einen vorsätzlichen Sünder, "der Gott lästert", aus ihrer Mitte ausrotten (Nm 15, 30f). Die Bezeichnung wird auch in späterer Zeit beibehalten 6. Die Ausdrucksweise (7tp6e; m. Akk.) verlangt nicht den effektiven Eintritt des Todes, sondern nur die Hinordnung der Tat zum Tode; vgl. auch &.0".&~\le:~1X ou 7tplle; .&&\lIX~O\l J oh 11, 4; X.WPIX~ Ae:uXlXt 7tplle; .&e:p~0"!l6\1 Joh 4, 35. Unter "Tod" ist hier wegen des Gegensatzes zum joh. Lebensbegriff (vgl. 3,14; Joh 5, 24) der geistige, ewige Tod zu verstehen (vgl. Joh 8,51). "Sünde nicht zum Tode" ist demnach eine Verfehlung, die ihrer Natur nach nicht zum ewigen Tode führen
noch am Jüngsten Tag (VOLZ, Eschatol. 195). Weiteres s. bei JOHANSSON, Parakletoi 161 fT. 1 Siehe schon das Fürbittgebet des Amos (Am 7, 1-6), für Isaias 4 Kg 19,4, für Jeremias 2 Makk 15,14; Jer 37, 3; 42, 2. Für Elias s. VOLZ, Eschatol. 195-197. 22 Makk 7, 37f; 4 Makk 6, 28f; 17, 2U; Mekh. zu Ex 22, 22. - Vgl. BILLERBECK II, 274fT; BOUSSET-GRESSMANN, Rel. des Jud. 189f; H. W. SURKAU a. a. O. 41; 59 u. Anm. 7; JOHANSSON, Parakletoi 71 fT. a Gegen BROOKE, BÜCHSEL, CHAINE, AMBROGGI. - Jak 5, 15.20 ist eine Sachparallele, aber keine Wortparallele. • Bei OCfL"'P"&vov"", OCfL"'P"("'V liegt ein innerer Akkus. ("Akkus. des Inhalts") vor eine Ausdrucksweise, die auch gut griechisch ist, vgl. BLASS-DEBR § 153; RAD ERMACHER 120. 5 TestXII Iss 7, 1 v. 1. (ß A S') OCfL"'p .. l",v e!~ &&v",,,ov; Jub 21,22; 26, 34; 33,13. 18. In Jub hat sich die Vorstellung erhalten, daß Gott von sich aus den Tod verhängt. Rabbinisch HJ;!'!;l 1'11 s. BILLERBECK IU, 779. - Zu "geringeren Sünden", die nicht den Tod verdienen, vgl. noch TestXII Gad 4, 6. Die Unterscheidung zwischen leichteren, nicht vorsätzlichen, und schweren, mit Absicht und Hinterhältigkeit begangenen Verfehlungen findet sich auch 1 QS VIII, 22 - IX, 2.
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muß. Gleichwohl kann sie eine ernstliche Störung der Gottverbundenheit darstellen, deckt sich also nicht mit dem späteren Begriff der "täglichen" (Augustinus) oder "läßlichen" Sünden; sonst wäre die Mahnung zur brüderlichen Fürbitte kaum notwendig. Es handelt sich um ein Ersterben und Kraftloswerden (vgl. Apk 3, 1 f), das eine entscheidende Umkehr und eine gründliche Neubelebung erfordert. "Sünde zum Tode" dagegen ist eine Tat, die Gott mit dem Ausschluß von seinem Lebensbereich strafen muß, so wie er in alter Zeit den leiblichen Tod als Strafe verhängte. Man darf die "Sünde zum Tode" nicht ohne weiteres mit der "Sünde wider den Heiligen Geist" Mk 3, 29 par oder überhaupt mit sog. unvergebbaren Sünden, die man von der Unbekehrbarkeit des Sünders abhängig macht (vgl. Hebr 6,4--8; 10,26-31; Herm (s) VI, 2-3), gleichsetzen (wie viele Exegeten tun)'. Bei der "Sünde zum Tode" ist über die Möglichkeit oder Unmöglichkeit der Umkehr des Sünders nichts gesagt. Wenn der Verf. die "Sünde zum Tode" von seiner Mahnung zur Fürbitte ausdrücklich ausnimmt (oö m:pt txe;(v1J~ Mycu) - ein Verbot ist es dem Wortlaut nach nicht -, so kann eine ähnliche Erwägung wie Hebr 6, 4ff dahinter stehen , muß es aber nicht·. Wenn man freilich die atl.-jüdische Tradition von den nichtvorsätzlichen und den bewußten, in Trotz gegen Gott begangenen Sünden, die bis nach Qumran ( 1 QS VIII, 22 - IX, 2) und zum Hebräerbrief (vgl. 10,26: €xouO"[cu~ !X!lOtpTOtv6v1"cuV ~fL6lv) zu verfolgen ist, für den maßgeblichen Hintergrund unserer Stelle hält, könnte man meinen, die Unterscheidung zwischen "Sünde zum Tode" und "Sünde nicht zum Tode" beziehe sich nicht auf die Vorstellung zweier Klassen von Sünden, sondern auf die Unterscheidung zweier Arten von Sündern, der "bewußten, verstockten Sünder" und der "überrumpelten, reuigen Sünder" s; aber man fragt sich, ob der Verf. das nicht anders und deutlicher hätte sagen müssen, zumal sein Begriff "Sünde zum Tode" gegenüber dem atl.-jüdischen sicher schon einen übertragenen Sinn erhalten hat: Sünde, die von der übernatürlichen Lebensgemeinschaft mit Gott ausschließt. Die Formulierung weist doch eher auf zwei Arten von Sünden als von Sündern, auch wenn ein innerer Zusammenhang zwischen der Art und Schwere der Verfehlung und der subjektiven Haltung des Sich-Verfehlenden bestehen mag. Ebenso schwierig ist es, das Motiv dafür anzugeben, warum der Verf. den "Todsünder" ausdrücklich von der brüderlichen Fürbitte ausnimmt. Der Gedanke an die Zwecklosigkeit des Gebetes angesichts der Verhärtung und Versteifung jener Unseligen in ihrer gottwidrigen Haltung braucht ihn nicht zu leiten. Von den mancherlei Vermutungen' verdient der Vergleich
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Dagegen J. HERKENRATH in der Festschrift f. Tillmann 134f. Mit Hebr 6, 4fT bringt die Stelle zu einseitig in Verbindung B. POSCHMANN, Poeni-
tentia secunda 63-81 (78: "der gleiche Sachverhalt wIe Hebr 6, 4ft"); ähnlich CHARUE. • So W. NAUCK a. a. o. 1M!. • Die Vermutung von R. SEEBERG, a. a. O. 29, daß solchen Sündern nicht das öffentliche Bekenntnis ihrer Sünden vor der Gemeinde geschenkt werden sollte, kann sich
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mit der Einstellung der Qumrangemeinde Beachtung, die den vorsätzlichen Sünder erbarmungslos dem Zorn Gottes überließ (vgl. 1 QS X, 19fJ). Dann wäre also dem Verf. von 1 J oh ebenso an der Reinheit der Gemeinde gelegen 1, und er hätte in zornvollem Eifer jene Anweisung gegeben. Wenn man aber die Forderung in Qumran vergleicht, "zu lieben alle, die er (Gott) erwählt hat, und zu hassen alle, die er verworfen hat" (1 QS I, 31), erhebt sich doch der Zweifel, ob der christliche Autor ähnlich scharf und unversöhnlich denkt. Im übrigen NT hören wir mehrfach, daß man schwere Sünder nur deshalb dem strafenden Arm Gottes überläßt, da,mit Gott sie zeitlich züchtige, um sie im ewigen Gericht zu retten (vgl. 1 Kor 5, 5; 1 Tim 1, 20; ,ferner 1 Kor 11, 30; Apk 2, 22f). Bei der zurückhaltenden Formulierung "nicht im Hinblick auf sie (die Sünde zum Tode) I sage ich, daß er bitten soll" läßt sich nur soviel sagen, daß der Verf. in solchen Fällen das Urteil ganz Gott überlassen will. So können wir nicht mehr sicher feststellen, woran der Verf. bei "Sünde zum Tode" konkret denkt. Alles Herumraten, ob er an Glaubensabfall, Mord und Götzendienst (so Windisch) oder etwa an die Sünden des Todesweges Did 1-5 (so R. Seeberg) oder an Glaubensabfall bzw. grundsätzlic}~e Verachtung der Gebote Gottes (so Poschmann) denke, ist zwecklos, d der Verf. die Kenntnis seiner Adressaten (sei es durch Belehrung oder . ,genes Urteilsvermögen) voraussetzt. Daß speziell der Glaubensabfall zur bekämpften Irrlehre gemeint sei, ist nicht so sicher, wie neuere Exegeten (Bonsirven, Chaine, Charue u. a.) meinen. Zwar wird Joh 16,9 der Unglaube als "die" Sünde schlechthin bezeichnet, aber gerade die allgemeine Fassung "Sünde zum Tode" (ohne Artikel) verträgt diese Begrenzung schlecht. Der Verf. hat den Trennungsstrich gegenüber den Abgefallenen schon scharf genug gezogen; mit ihnen gibt es keine Gemeinschaft mehr (vgl. 2, 19; 4, 4f; 5,12)1. 5, 17 Der Sinn dieses Verses hängt davon ab, ob man (mit den meisten Exegeten) vor 7tPO~ 3lXvlX't'ov ein oö liest oder nicht (v. Harnack, BüchseI). Rein textkritisch ist oö in fester Position '. Nur der innere Grund könnte' dazu bewegen, es zu tilgen, daß man wegen der Steigerung die "Sünde nicht zum Tode" vor der "Sünde zum Tode" erwartete 5. Doch ergibt auf keine ntl. Vergleichstexte stützen. - Auch die Ansicht von O. BAUBRNFBIND, Die Fürbitte angesichts der "Sünde zum Tode", in: Festgabe V. SChuItze 51, eine Fürbitte für solche Sünder solle dem reinen Antrieb 'des Geistes überlassen bleiben, ist zu wenig begründet. 1 NAUCK a. a. O. 145f. • nept bcELVI'j~ gehört zu AtyCll, nicht zu EpCll-rljCJ'!l. Man bittet für den Sünder, nicht für die Sünde. - Die Einfügung von TL~ hinter {VIX in einigen Hss ist überflüssig. • J. HBRKBNRATH, a. a. O. 135f, sagt vorsichtig, daß eine Handlungsweise gemeint ist, die "die volle Lebensgemeinschaft mit Gott, Christus und dem Bruder verneint". , Das 06 fehlt nur in 33 623 1852 q Vg syh sa arm Tert. ·Zur Kritik an Harnack, der diese LA vertritt, vgl. LAGRANGB, Crit. text. 566. • Der Versuch, V 17b vor 16c (§aTW cX!LIXPTIIX npo~ MvlXTov) oder 16a zu stellen (vgl. WINDISCH), ist als unbegründet abzulehnen.
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auch die vorliegende Reihenfolge eine verständliche Gedankenentwicklung: Der Verf. wehrt zunächst die Fürbitte für die "Todsünder" ab (V 16 c) und kehrt bei allem Ernst gegenüber der Sünde (V 17 a) doch 1 zu seiner Aufforderung zur Fürbitte zurück (17b). Jedes Unrecht ist Sünde; er will die Geboteübertretung", die das Fehlen der Erkenntnis Gottes (2,3ff), der Gemeinschaft mit Gott (3,24), der Liebe zu Gott (5, 3) anzeigt, nicht bagatellisieren. Aber nicht jede Sünde ist gleich schwer; es gibt auch Schwachheitssünden, die zu bekennen Pflicht ist (vgl. I, 8f) und zu deren Vergebung man mit der Barmherzigkeit Gottes (1,9) und dem Eintreten des himmlischen Fürsprechers Christus (2,1) rechnen darf. Diese schwer vermeidbaren Fehltritte - ihre Leugnung wird zur Häresie -sind "Sünde nicht zum Tode". 5,18 Die folgenden drei Verse sind durch das markante "wir wissen" am Anfang ausgezeichnet. Sie enthalten kein Bekenntnis, aber eine frohbewußte Versicherung des christlichen Heilsstandes (vgl. V 13) B. Der Verf. weiß sich mit seinen Adressaten und allen Christusgläubigen eins in der Trennung von der Sünde, dem Satan und der dem Widersacher Gottes verfallenen "Welt", eins auch in der Verbundenheit mit Christus und Gott. V 18 knüpft an das Tl1ema "Christ und Sünde" an und stellt in scheinbarem Widerspruch zu den vorangegangenen Sätzen die Behauptung auf, daß jeder aus Gott Gezeugte nicht sündigt. Das ist grundsätzlich und allgemein gesprochen, meint dem Wortlaut nach aber nicht die Unfähigkeit, etwa kraft einer höheren Natur (vgl. die gnostische Irrlehre) überhaupt Sünde zu begehen, sondern die Tatsächlichkeit des Nichtsündigens. Diese in Anbetracht der häretischen Thesen (vgl. I, 8. 10) wohl absichtlich zugespitzte Aussage erhöht die Spannung zu VV 16f. Aber es ist dieselbe ·Tendenz wie in 2, 1 erkennbar. Wenn der Verf. von der Sünde im Christenleben sprechen muß, so will er doch mit aller Entschiedenheit zum Ausdruck bringen, daß die Sünde eigentlich vom Christen überwunden sein sollte und nach den ihm verliehenen Kräften auch überwunden sein kann (vgl. 3,9). Der Gottgezeugte ist ein anderer geworden' durch jenen übernatürlich-gnadenhaften Vorgang, der im joh. Gedankenkreis "Zeugung von oben bzw. aus Gott" heißt (Joh I, 12f; 3,3.5f; 1 Joh 2,29; 3, 1. 9; 5,1); er trägt das neue Lebensprinzip des göttlichen Geistes in sich (Joh 3,6f; 1 Joh 3,9b) und überwindet so die Sünde, freilich nicht ohne eigene sittliche Anstrengung (1 Joh 2,29; 3,7; 4, 7). Vgl. im übrigen Exk. 12. Das Ked. hat einen adversativen Sinn ("zwar - aber"), vgl. BLAss-DEBR § 442, 1. • 'A3LKLa: muß wegen niiaa: als konkrete Tat, nicht allgemeine Haltung verstanden werden = a;voILLa:v I eiern 35, 5 (v. I. nOVljpLa:v); 60, 1. • Daß dieses ot3a:!uy an "bestimmtes eschatologisches Geheimwissen" erinnere (PREISKER 168 u. 170), ist eine unbewiesene Behauptung, da e:!3eva:L in I Joh sich nicht nur auf eschatologisches Wissen bezieht (wie P. selbst sieht) und die Unterscheidung von ot3a:lLeY und ot3a:'I"E lnit Rücksicht auf 5, 15 ebenfalls gegenstandslos ist. 1
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Die kategorische Aussage vom Nichtsündigen des Gottgezeugten erhält eine Verstärkung durch die· positive Wendung V 18b, die sich des näheren nicht mit Sicherheit wiedergeben läßt. Textkritisch muß sowohl EIXU't'6v statt IXlh6v" als auch ~ yew'YlO't.; statt 6 ye:w'Yl&d.; 2 als Vereinfachung gelten. Der verbleibende Text (Nestle) ist besonders durch den Aorist 6 ye:w'Yl&d.; neben 7t~'; 6 ye:ye:wW.&vo,; auffällig. Will man ihn nicht auf Christus beziehen (s. u.), sondern auf den gottgezeugten Christen, dann könnte man den Satz, wie folgt, verstehen: "Wer (einmal) aus Gott gezeugt ist, der hält (auch) an ihm (an Gott) fest." Diese Übersetzung" macht die Wiederholung des Subjekt-Partizips im Aorist (vgl. €ye:w~ &1)O'IXV Joh 1, 13 nach der besseren Lesart; ferner die Aoriste in 3,3-5) verständlich, sieht sich allerdings der Schwierigkeit gegenüber, daß TYlpe:LV 't'ov &e:6v eine singuläre Ausdrucksweise ist. Doch kann diese der Wendung ~Xe:LV 't'ov &e:6v (1 Joh 2, 23; 2 Joh 9; vgl. 1 Joh 5,12) nachgebildet sein und bedeutet dann das Festhalten an der Gottesgemeinschaft ; zu 't''Ylpdv in diesem Sinn vgl. Apk 3, 3; ferner Eph 4, 3; 2 Tim 4,7; Apk 16,15. Gegenüber dieser (in der 1. Aufl. gegehenen) Erklärung ist aber eine andere vorzuziehen, die kürzlich Kl. Beyer in einer grammatikalischen Untersuchung geboten hat': Es handelt sich um einen Semitismus in Verbindung mit einem konditionalen Partizip. Subjekt in TYlpe:~ ist Gott, und lXo't'6v nimmt das voran stehende 6 ye:w'Yl&d.; €x 't'ou &e:ou auf, so daß man übersetzen muß: "Wer aus Gott gezeugt wurde, den bewahrt er (Gott), so daß ihm der Böse nichts anhaben kann." Daß eine solche Konstruktion bei Joh möglich ist, beweist allein Joh 17, 2 (7t~V (\ ... IXO't'O~';), vielleicht auch (wie Beyer meint) 7,38 oder (nach manchen Erklärern) 1, 3. In 1 Joh 5, 18 ergibt sich s~ (wenn man sich mit der für griechische Ohren unerträglichen Härte abfindet) ein vorzüglicher Sinn: Gott selbst bewahrt den von ihm Gezeugten in seiner Gemeinschaft. In der Tat ist die Gottesgemeinschaft der übergeordnete Gesichtspunkt in den drei markanten VV 18-20: V 19 hebt die Gottesgemeinschaft der Christen (= Verf. und Briefempfänger) als Tatsache und Zustand (€x 't'ou &e:ou dVlXt) von der Satansverfallenheit der "Welt" ab, und V 20 schildert sie als spezifisch christliche, d. h. durch Christus, den einzigen Gottessohn, ermöglichte und in Christus verwirklichte Heilserfahrung. Mit dieser Erklärung ilaben wir uns gegen andere Versuche entschieden, für die manches pro und contra spricht: 1. die Deutung von etUT6v = tetUTOV: "Der Gottgezeugte bewahrt sich selbst (nämlich sündlos)." Außer der textkritischen Unsicherheit lehrt ein Vergleich mit 2 Kor 11,9; 1 Tim 5,22; Jak 1,27; Jud 21, daß in ähnlichen Fällen eine prädikative Erweiterung hinzutritt, also etwa "nJpd l:etUToV ,xyv6v;
l:etUT6v lesen" ft pI. Or. Epiph. (B. WEISS, v. SODEN. MERK, VOGELS); etUT6v: B A* 242 18522138 q Vg bo Hier. Die erste LA muß als sekundär geIten. • ~ yevv1)cl't~ TOij &eoij 2138 (1852) q; generatio Dei Vg; nativitas Dei Chromatius von AquiI. (PL 20, 359). Dafür v. HARNACK in: SABeriin 1915, 534-542; dagegen LAGRAN GE, Crit. text. 566, und die meisten. S VgI. BAuERWb 1613 s. v. 3; HERKENRATH a. a. 0.127. • Kl. BEYER, Semitische Syntax im Neuen Testament 1/1 (Göttingen 1962) 216f. 1
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Exkurs: Christ und Sünde 2. die Annahme der Lesart Tj yew'I)O"<; ctUTOÜ. Sie vermeidet zwar die Verdoppelung des Subjektausdrucks, schließt sich auch sachlich gut an O'1tepfLct ctUTOÜ 3, 9 an, ist aber gegen das erdrückende Zeugnis der griechischen Handschriften zu unsicher und verdankt ihr Entstehen vielleicht schon der Reflexion über die Schwierigkeit des ursprünglichen Textes; 3. die in neuerer Zeit beliebt gewordene Deutung von {, y&VV'I)-9-e!<; auf Christus ' . Dafür scheint zunächst zu sprechen a) die Vermeidung der Spannung zwischen 1tii<; {, yey&VV'I)fLevo<; und {, yevV'l)-9-e!<;; b) die einheitliche Deutung des Pron. pers. ctuT6v 18b und ctuTOÜ 18c auf den Christen; c) die 'Antithese dieses "Gottgezeugten" (Christus) zu dem "Bösen" (18c); d) der Vergleich mit Joh 17,12 und Apk 3,10. Nach der positiven Erklärung (s.o.) ergibt sich, daß der erste Grund nicht durchschlagend ist. Die Antithese gegenüber Christus aber würde durch V 19 unterbrochen. Fraglich bleibt nur der Sinn von V 19c im Gedankenaufbau (s. u.). Der schwerwiegende Gegengrund gegen die Deutung auf Christus ist die Tatsache, daß er sonst nirgends so bezeichnet wird und in diesem Zusammenhang auch schwerlich so bezeichnet werden kann (warum nicht {, ulo<; TOÜ &eoü wie V 201)".
Weil der Christ, von Gott gehalten und vor der Sünde bewahrt, in der Gottesgemeinschaft feststeht, darum "tastet ihn der Böse nicht an". Das Bild bezieht sich ursprünglich auf äußere (körperliche) Schädigung (Job 2,5; Ps 105,15; Zach 2,8; TestXII Jud 3, 10) und setzt voraus, daß der "Antastende" Gewalt über den andern hat (Job 2,5: Gott!). Auf Satan übertragen, bedeutet das Bild, daß er den Menschen unter seine Herrschaft bringen will: Aber über den Gottgezeugten, der fest mit Gott verbunden ist, hat er keinerlei Gewalt und vermag nicht einmal den ersten Sc.hritt zur Unterwerfung zu tun (vgl. 1 Esr 4,28 LXX). Wo Gott ist, muß Satan fliehen: diesen Gedanken bringen auch die "Testamente der zwölf Patriarchen" oft und auf vielerlei Weise zum Ausdruck 3. V I8c führt also nicht etwa die Sündlosigkeit V I8a zur Freiheit von Versuchungen weiter, sondern beleuchtet die Macht der Gottverbundenheit des Christen (VV I8a-b) durch die Ohnmacht des Widersachers.
EXKURS
12:
Chrisl und Sünde Hauptsächlich an drei Stellen des Briefes drängt sich das Problem Christ und Sünde in den Vordergrund: 1,6 - 2,2; 3,4-10; 5,16--18. Seine WOHLENBERG in: Neue kirchI. Zeitschr. 13 (1902) 233--240; LOISY, BONSIRVEN, CHARUE, BÜCHSEL, AMBROGGI; NAucK a. a. O. 139; vgl. auch WESTCOTT, BROOKE, WINDISCH, CHAINE z. St. " Der Verweis auf Joh I, 13 ist nur stichhaltig bei Annahme der schwach bezeugten LA eyew~-9-'I) bzw. natus est. HARNACK a. a. O. 537: Passender wäre dann der Aorist für die Christen, das Perfekt für Christus. - r&VV'l)-9-eVTct (ex TOÜ 1tctTp6<;) in den Symbolen ist mit Sicherheit erst im 4. Jh. nachweisbar, vgl. DENZINGER Nr. 9 10 13 5486. 8 Vgl. TestXII Rub 4,11; Sim 5,3; Iss 7, 7; Dan 4,7; 5,1. 11; As I, 8; Jos 7, 4; Benj 3, 3. 4; 6, 1. - Rabbin. Parallelen bei SCHLATTER, Sprache 151. 1
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Exkurs: Christ und Sünde
drückende Schwere ergibt sich daraus, daß sowohl die Aussagen über die Sündlosigkeit des Gotteskindes (in 3; 9 bis zur Unfähigkeit zum Sündigen gesteigert) als auch die gegenteiligen von der Sündhaftigkeit jedes Menschen einschließlich des Christen an Deutlichkeit und Schärfe nichts missen lassen. Daß auch der gläubige und liebende Christ noch sündigt, ist außerdem aus einigen anderen Stellen zu erschließen, so aus 3, 20, wo die reale Möglichkeit ins Auge gefaßt wird, daß unser Herz uns verurteile, ferner aus 4, 17 f, das sich gegen die Furcht im Gericht wendet. Die Warnung vor der Liebe zur "Welt" (2, 15), die Mahnung, in Christus Zu bleiben, um bei seiner Parusie nicht beschämt zu werden (2,28), der Aufruf, sich selbst rein und lauter zu machen (3, 3), die etwas versteckte Ermunterung, Gottes nicht schwere Gebote zu halten (5,3), stehen der beruhigenden Versicherung gegenüber, daß jung und alt in der Gemeinde stark sind im Kampfe gegen den Bösen (2, 13f), daß die Briefempfänger die Brüder wirklich lieben (3, 14), daß sie das Gott Wohlgefällige vollbringen 3,22). Verhältnismäßig einfach gestaltete sich das Problem in 1, 6 - 2, 2, wo wir den Verf. in der Abwehr der gnostischen Irrlehrer sahen. Er war dort gezwungen, den Kampf gegen zwei Seiten zu führen. Einerseits mußte er gegenüber ihrem sittlichen Indifferentismus betonen, daß zur wahren Gottesgemeinschaft der Wandel im Licht, das Tun der Wahrheit gehört; anderseits konnte er gegenüber ihrem Pneumatikerdünkel nicht zugeben, daß irgendein Mensch, der Christ eingeschlossen, das Gebiet der Sünde hinter sich gelassen haV. Indes, an den beiden anderen HauptsteIlen fehlt diese deutliche Auseinandersetzung mit den Thesen der Gegner. Wenn auch die Frontstellung gegen sie nicht geschwunden ist, so erlangt die Erörterung doch ein grundsätzliches Ansehen. Der Unterschied von 3,6ff zu 1,6ff zeigt sich in folgendem: a) Es handelt sich nicht um direkte Widerlegung häretischer Sentenzen, sondern von vornherein um positive Aussagen über das Sein und Verhalten der Gottgezeugten; b) es ist nicht eine bedingte (1,7), sondern eine kategorische Erklärung über die wahren Christen; c) der . Grund wird nicht aus dem Verhalten (m:pmotTwfLe:v 1,7), vielmehr aus dem Sein und der übernatürlichen Ausrüstung der Gotteskinder genommen, und zwar ausnahmslos aller Gotteskinder (1tiit;); d) der Gedanke rückt bis zur äußersten Spitze des Nicht-sündigen-Könnens vor (3,9b). Erst nachträglich (V 10) wird die Konsequenz gezogen, daß jeder, der die Gerechtigkeit nicht übt, darum bestimmt nicht von Gott stamme. Die positive Antwort wollte schon die Exegese von 3, 6ff und 5, 16ff vermitteln. Der Klärung und Vertiefung aber mag es dienen, die eigene Auslegung gegenüber anderen Versuchen abz;uheben und stärker zu begründen. In diesen Texten ist die Sündlosigkeit bzw. Unsündlichkeit den
VgI. außer z. St. noch A. KIRCHGÄSSNER, Erlösung und Sünde im NT (Freiburg i. Br. 1950) 270-277; J. HERKENRATH a. a. O. 120f.
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Gottgezeugten zugesprochen. Das Problem verschärft sich dahin: Wirkt die Zeugung aus Gott derartig, daß der Gottgezeugte einen moralischen oder gar physischen Habitus gewinnt, der ihn zum Sündigen ungeeignet oder gar unfähig macht? 1. Als eine unerlaubte und doch stillschweigend vollzogene 1 Abschwächung der Texte wurde die ethische Auslegung gerügt, die aus dem kategorischen "er sündigt nicht" ein mahnendes "er darf nicht sündigen" macht. Wenn auch die ganze Partie 3,4-10 ihrem Grundcharakter nach Paränese ist, so wollen doch die entscheidenden VV 9-10 ein Mittel der Unterscheidung gegenüber den Teufelskindern gewinnen und argumentieren gerade aus der faktischen Sündlosigkeit und grundsätzlichen Unsündlichkeit der Gotteskinder, sind also nicht Mahnung, sondern Begründung. In VV 5f ist diese Absicht des Verf. noch verdeckt. V 6b könnte schlichte Mahnung wie 2, 28 sein; aber in der antithetischen Sprechweise verrät sich schon die Tendenz, ein unterscheidendes Merkmal aufzustellen. Durch die Warnung vor den Verführern V 7 und die Beschuldigung in V 8, daß der Sündentäter diabolischer Art ist, wird die Gegenüberstellung von Gottes- und Teufelskindern schon stärker vorbereitet. Zum Durchbruch gelangt diese Absicht dann in den beiden folgenden Versen, und die beiden begründenden und sich steigernden <Sn-Sätze in VV 9 a und 9 b lassen keinen Zweifel darüber, wie der Verf. hier die Sündlosigkeit der Christen verstanden wissen will: nicht als Ziel des Christenstandes, sondern als Grund ihrer Andersartigkeit und Unterscheidbarkeit von den Kindern des Teufels. 2. Immer wieder wurde der Versuch gemacht, dem Verf. einen mehrfachen Sündenbegriff zuzuschreiben". a) Alt ist das Bemühen, zwischen der allgemeinen Geneigtheit zum Sündigen, der Konkupiszenz, und aktuellen Sünden zu unterscheiden. "Die Tatsache, daß er (der Christ) von Gott gezeugt worden ist, schließt die Möglichkeit aus, daß er Sünde begeht als einen Ausdruck seines wahren Charakters, obwohl aktuelle Sünden vorkommen können und wirklich vorkommen" (Brooke). Dodd möchte die Unterscheidung von habitueller Sündhaftigkeit und aktuellen Sünden auf einen unterschiedlichen Gebrauch in den Zeiten (Präsens und Aorist) stützen 3. Indes, diese Auslegung wurde schon für 1, 8 (siehe z. St.) abgewiesen; in 3, 9 f umfaßt die grundsätzliche Redeweise im Präsens sowohl die Fähigkeit zur Sünde (V 10) als auch das aktuelle Sündigen (V 9 &(LOtp·dOtv 1tOLe:~).
ou
Vgl. C. CLEMEN, Die christliche Lehre von der Sünde I (Göttingen 1897) 12lf; BELSER z. St. (S. 77); CHAINE, der die Schärfe des Ausdrucks durch eine auch stoische Stileigentümlichkeit (also Übertreibungl) erklären wiII. 2 Zur Geschichte der Auslegung s. A. ZAHN, De notione peccati, quam Johannes in prima epistola docet, commentatio (Diss.) (Halle 1872) 30-43. 3 Komm. S. 78f; doch erkennt er da'nn (79f) selbst, auf wie schwachen Füßen diese These steht. Dieselbe Lösung wird von M. ZERWICK, in: Graecitas bibI. Nr. 186, vertreten. .
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b) Abgelehnt wird heute wohl allgeme'in die Deutung auf so spezielle Sünden wie die Unzucht (Belser z. St.). 'c) Stärkeres Gewicht hat die Auffassung, daß unter der Sünde, zu der der Gottgezeugte unfähig sei, jener "unselige Seelenzustand" (Poschmann) gemeint sei, der in der bewußten Absage an Christus und der Nichtanerkennung seiner Gebote bestehe, also faktisch die Haltung der gnostischen Irrlehrer 1 • Indes, V 9a ist eine kategorische allgemeine Aussage über das.Nicht-Sündigen (V 9b schließt sich daran an) und verträgt nicht die Einschränkung auf eine pervertierte Haltung, die aus der Verachtung des Gesetzes erwächst. Auch auf die vom Verf. selbst gebrauchte Unterscheidung zwischen "Sünde zum Tode" und "Sünde nicht zum Tode" (5,Ißf) darf man sich schwerlich berufen 2. Diese Deutung des speziellen Ausdrucks ist sehr fraglich (s. z. St.). Auch darf man 5, lßf mit 5, 18 nicht in dieser Weise kombinieren. Das besondere Thema von der Fürbitte für den sündigen Bruder, in dem jene Unterscheidung vom Verf. angebracht wird, ist mit V 17 abgeschlossen. V 18 dagegen gehört mit VV 19 u. 20 zusammen (ot8oc(LE:v!), wo die grundsätzliche Situation des Christen in der Welt (19), in seiner heilsgeschichtlichen Situation (20) umrissen wird. Von der konkreten Erfahrung im Leben der christlichen Gemeinde (V lß) wendet sich der Verf. mit V 18 wieder dem Grundsätzlichen zu, gleichsam der idealen Existenz des Gottge2<eugten in dieser Welt, und da bleibt überhaupt kein Raum für die Sünde, sei es nun schwere oder leichte. Ebenso grundsätzlich spricht der Verf. aber auch in 3, 9f. d) Damit ist auch schon der Auffassung der Boden entzogen, als sei der Christ nach 3, 9f über die Kapitalsünden, nicht aber über die "läßlichen" Sünden erhaben 8. Über' diese Frage will diese Stelle gar nichts entscheiden (läßt sich also auch nicht gegen die Lehre des Tridentinums anführen). 3. Den Texten bleibt jene Exegese am meisten verbunden, die die Spannung der einen Aussagenreihe (der Gottgezeugte sündigt nicht und kann nicht sündigen) und der anderen (es gibt Sünde im Christenleben) nicht auf eine billige Weise weg2
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einanderstehen, so müssen sie sich in der Gedankenwelt des Verf. doch zueinanderfügen 1. b) Die Auskunft, daß der "Satz von der Sündlosigkeit der Gotteskinder (letztlich) Ausdruck des Glaubens an Gottes bewahrende Treue" sei (v gl. 5, 18, BüchseI), befriedigt ebenfalls nicht. Diese Auslegung löst die "Zeugung aus Gott" zu einem rein persönlichen Verhältnis zwischen Gott und Gotteskind auf und verlagert die Problematik in die allgemeine Spannung zwischen Gottes Heilswirken und der Mitwirkung des Menschen. Erkennt man als Grundlage der "Gotteszeugung" die Taufe an (vgl. Exk. 8), dann werden dem Gotteskind neue Kräfte und Fähigkeiten zugesprochen, durch die er die Sünde überwinden kann. Das darf sicher nicht magisch aufgefaßt werden; aber der dem Christen verliehene Gottesgeist, der ihn der eigenen sittlichen Bemühung nicht überhebt, stellt doch eine Realität dar, die mehr als nur "Gottes bewahrende Treue" besagt. c) Wertvoll ist der Vergleich, den W. Nauck mit den Qumrantexten durchführt. Er weist zunächst auf den "dynamischen" Aspekt hin, der durch die Situation des Gläubigen in dieser Welt - hier wie dort - gegeben ist. Es ist eine Kampfsituation der Anfechtung durch die Sünde. "Sofern er unter Gottes Macht steht, tut er die Geredhtigkeit, sofern er aber in dieser Welt und im Fleische lebt, erliegt er immer wieder dem Ansturm der Sündenmacht und muß sein Sein aus Gott im Kampf gegen die Sünde stets neu bewahren." 2 N auck meint so dann weitere Übereinstimmungen darin zu erkennen, daß in den Qumrantexten wie in 1 Joh nur die vorsätzlichen Sünden, nicht aber die Schwachheitssünden, das Gottesverhältnis des Frommen ernstlich gefährden (s. dazu o. zu 5, 16), daß Gott der Schwachheit des Fleisches durch seinen Geist zu Hilfe kommt, und schließlich darin, daß die volle Erlösung erst von der eschatologischen Zukunft erwartet wird 8. Er verkennt auch den fundamentalen Unterschied nicht, daß der Christ "die eschatologische Hoffnung auf die endgültige Überwindung der Sünde in der geschichtlichen Heilstat Jesu Christi als des eschatologischen Heilbringers verwirklicht" sieht und sich "diesen ihm in der Taufe zugeeigneten Sieg Christi über die Gewalt des Satans im Glauben und im Gehorsam . aneignet" '. Aber es scheint, daß er der von Joh so stark hervorgehobenen Realität des Geistbesitzes noch nicht genügend Rechnung trägt. Dieser (sakramental verliehene) Gottesgeist macht ganz anders, als man es sich in Qumran vorstellt, zum Sündigen unfähig, weil er schon (wie auch bei Paulus) eine eschatologische Gottesgabe ist. Die Qumrantexte beleuchten gut die Kampfsituation in der Welt, die der Christ ähnlich empfindet, aber sie reichen nicht aus,
Der Versuch, die Spannung zwischen den Texten auf den unterschiedlichen theologischen Standpunkt einer Vorlage und eines Bearbeiters zurückzuführen (BULTMANN, Analyse 148), ist problematisch und unbefriedigend. Vgl. dazu M. GOGUEL, L'Eglise prim. 502 Anm. 2; H. BRAUN, Literar-Analyse 276f; E. KÄSEMANN, Ketzer und Zeuge 306-308. , A. a. O. 116f. • A. a. O. 10M. • A. a. O. 117-122. 1
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um die Heilssituation zu verstehen, in die sich der Christ durch seinen Glauben versetzt weiß und die erst die Schärfe des Problems "Christ und Sünde" hervorruft. Denn erst die doppelte Situation des schon erlangten Heils und des noch andauernden Kampfes begründet jene beiden in Spannung stehenden Aussagereihen, von denen die eine dem Christen kategorisch Gerechtigkeit und Unsündlichkeit zuspricht und die andere nicht weniger kräftig die sittliche Bemühung abverlangt. d) Es liegt also nahe, die Spannung zwischen den Indikativen und Imperativen aus der heils geschichtlichen, eschatologischen Situation des Christen in dieser Welt zu erklären, ähnlich wie bei Paulus. Damit würden sich die joh. Texte in einen größeren Rahmen einordnen, in eine Problematik, die das gesamte Urchristentum erfüllt hat. Um hier klarer zu sehen und nicht etwa Joh von Paulus her zu interpretieren, sei der Zusammenhang der Texte mit der joh. Theologie noch näher untersucht. 4. Positive Erklärung aus dem Geist der joh. Theologie a) Das Heil, das der von Gott Erzeugte erlangt, ist grundsätzlich ein eschatologisches. An keinem anderen Begriff wird das deutlicher als an dem zentralen des ,,(ewigen) Lebens". Dieses bei den Syn noch ganz der Zukunft vorbehaltene Heilsgut (Mt 7,14; 18, 8f; 19, 16f usw.) wird bei Joh vornehmlich schon Gegenwartsbesitz des Glaubenden (Joh 3, 15f. 36; 5,24.40; 6,40 usw.; 1 Joh 3, 14f; 5, 11f. 13. 16. 20), ohne daß sein ursprünglich eschatologischer Charakter vergessen wäre. Der Verf. von 1 Joh weiß, daß die Gotteskindschaft des Christen in dieser Welt erst ein Anfangsheil ist (3, lf), daß die Verheißung des ewigen Lebens nicht überflüssig ist (2,25) und auch dem Christen viel daran liegt, die Furcht vor dem Tag des Gerichtes zu überwinden (4, 17 f). Diese Spannung zwischen Erwartung und Erfüllung erfordert auch in der joh. Theologie den sittlichen Imperativ (3, 3). Er ist - in anderen Formulierungen als bei Paulus - sogar sehr kräftig ausgeprägt. Was nun Sündennachlaß und Sündenfreiheit betrifft, so sind sie für das gesamte Urchristentum, wenn auch noch nicht das gesamte Heil, so doch Grund bestand des Heils und Grundlage für alles weitere. Die Sündenreinheit gehört schon für das AT (Ez 11, 19f; 26, 25ff;Jer 32, 39ff) und Spätjudentum (Henaeth 5, 8f; Jub 5, 12) zu den eschatologischen Heilsgütern. Mit der Anschauung von der Unsündlichkeit des Gottgezeugten steht der Verf. von 1 Joh im Strom dieser jüdisch-urchristlichen Tradition; er hat - ähnlich wie beim Lebensbegriff - die eschatologischen Aussagen in gewisser Weise in die Gegenwart hereingeholt. Freilich kann er sich dabei in der Ausdrucksweise (cr1tep(L1X .&e:oü) bestimmten synkretistisch-gnostischen Vorstellungen angepaßt haben, aber kaum, um inhaltlich dem gnostischen "Perfektionismus" einen christlichen gegenüberzustellen. Völlig fern seiner Gedankenwelt liegen gewisse stoische Äußerungen über die Vollkommenheit des Weisen'. 1
Gegen
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WINDISCH,
Exk. S. 122. -
Der Stoiker rechnet mit der eigenen Tugenilkraft,
Exkurs: Christ und Sünde
b) Das Hauptmittel der joh. Theologie, um diese spürbare Spannung zwischen Heilsaussagen und ethischen Mahnungen auszugleichen, ohne sie aufzuheben, ist die verschiedene Anwendung des Verbums !LEvELV. Die Heilsgüter und die schon jetzt realisierte Gotteskindschaft sind ihrer Natur nach bleibend, vgl. 1 Joh 2, 14.27; 3, 9. 24b; 4, 13; 2 Joh 2. Der Schritt vom Todes- in den Lebensbereich (vgl. Joh 5,24) ist grundsätzlich ein endgültiger (1 Joh 3,14 Perfekt!). Neben diesen Indikativen aber stehen die Imperative, teils als direkte Aufforderung zum Bleiben in Gott bzw. Christus (2, 24a. 27c. 28; 3,6; 2 Joh 9), teils in der Form religiössittlicher Mahnung, von deren Erfüllung das Bleiben in Gott abhängt (2,6. 10. 24b; 3, 15. 17. 24a; 4, 12. 15. 16). In diesem Gebrauch von !LeVELV prägt sich bei aller Konstanz der erworbenen Heilsgüter die Ungesichertheit und Gefährdung des Heils in dieser vom Bösen beherrschten Welt aus, der die Christen existentiell bis zum leiblichen Tode bzw. der Parusie verhaftet sind. Diese Heilssituation bringt es mit sich, daß die Gotteskinder einerseits, von Gottes rettender Hand erfaßt, der Sünde und dem ewigen Tode entrissen sind, anderseits, von den menschlichen Bedingungen dieses Heilsstandes aus betrachtet, noch der Sünde verfallen können und nach ihrer Schwachheit auch tatsächlich verfallen. Da gibt es freilich Unterschiede und Grade, und man wird nach der Unterscheidung in 5, 16f nicht fehlgehen mit der Annahme, daß der Verf. mit kleineren Verfehlungen rechnet, dagegen schwere Verstöße gegen die Liebe zu Gott und zu den Brüdern, die die Gottesgemeinschaft unmöglich machen (3, 17; 4, 20), für außergewöhnlich hält. Es scheint so, daß er die Ganzabkehr von Christus und Gott für ein Zeichen ansieht, daß solche Abtrünnigen niemals echte berufene Gotteskinder waren (vgl. das Urteil über die Antichriste 2, 19). c) Damit berühren wir einen schwierigen und kaum ganz erhell baren Anschauungsbereich der joh. Theologie. Das "Gezeugtsein aus Gott", das auf den sakramentalen Akt der Taufe zurückweisen dürfte, wird zu einer allgemeinen Aussage über ein "Sein aus Gott" (vgl. 3, 10 mit 9), und dieses kann mitunter in einem prädestinatianischen Sinn verstanden werden; vgl. besonders 4, 4-6; auch 2,19 (zu 5,19 s. Komm.). Die "Gottgehörigen" wären dann von vornherein für die christliche OfTenbarungspredigt empfänglich; sie wären berufene Gotteskinder, die-die Gotteskindschaft durch den Glauben und den Empfang der Taufe nur noch zu realisieren brauchen (vgl. auch Joh 11,52). Von solchen zum göttlichen Licht- und Lebensbereich gehörigen Menschen, die durch ihre Wesensart abgrundtief von "dieser" Welt der Sünde und des Todes getrennt sind und durch die (sakramental vermittelten) göttlichen Lebenskräfte der Macht des Bösen erfolgreich Widerstand leisten (4,4), erwartet der Verf. der Christ mit den ihm verliehenen Gotteskräften. In der Mitte etwa steht PHILO mit seiner Lehre, daß der Logos die Sünde vereitle, solange er in der Seele lebe (fuga 117). Einer völligen Sündlosigkeit des Weisen steht PHILO jedoch skeptisch gegenüber, vgl. virt. 177; fuga 157 f.
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1 Joh 5, 19
offenbar, daß sie ihre göttliche Wesensart weder durch Abfall vom Christusglauben noch durch schwerste sittliche Schuld jemals verlieren (vgl. 5, 19 mit 18). Doch deckt er diese Zusammenhänge nirgends deutlich auf, bleibt vielmehr bei der vordergründigen Betrachtung des Verhaltens der Menschen, das ihm zu einem Kriterium für die Gottes- bzw. Teufelskindschaft wird 1. d) Damit entsteht ein Bild vom "Gotteskind", das in eigentümlicher Weise ewige Berufung, sakramentale Verwirklichung und sittliche Bewährung in sich vereinigt. Trennt man einen Gedanken aus diesem Dreigestirn ab, dann wird die kühne Aussage von 3, 9 unverständlich oder häretisch. Nur die göttliche Realität des O"7tEPfLOC &e;oü garantiert die Kraft zur Unsündlichkeit. Versagt ein Getaufter in so gröblicher Weise, daß er als dem Todesbereich verfallen gelten muß, so wird daran erkenntlich, daß er kein Gotteskind, sondern ein Teufelskind ist. Dies aber ist seine Schuld. An keiner Stelle wird gesagt, daß es eine ewige Vorherbestimmung zu "Teufelskindern" gibt. Das große Geheimnis der Prädestination zu Gotteskindern bleibt undurchdringlich. Bei dem Urteil über die tatsächliche Zugehörigkeit der Menschen zu der Gottes- oder Teufelsseite rekurriert der Verf. stets auf den dritten Punkt der Charakteristik des "Gotteskindes", seine religiös-moralische Bewährung. Es wäre vermessen, diese großartige Verdichtung seiner Gotteskind-Vorstellung auflösen zu wollen. Vielmehr stellt er jeden Christen vor die Aufgabe, mit aller Glut zu glauben, daß er positiv zum Gotteskind berufen ist und mit den ihm verliehenen Kräften die sittlichen Anforderungen seiner Berufung und Begnadung erfüllen kann. Er ist überzeugt, daß für den Christen die Gebote Gottes nicht schwer sind, weil jeder Gottgezeugte die Macht des Bösen, die "Welt", überwindet (5, 3f).
5,19 Der zweite wuchtige Satz V 19 bringt die Anwendung von V 18. Die Christen "sind aus Gott", d. h. "aus Gott gezeugt" (V 18a) und "in Gott bleibend" (V 18b); denn e;x &e;oü e:IVOCL zeigt hier wohl die aus der Gotteszeugung resultierende und im sittlichen Streben bewährte ständige Wesensverfassung an (vgl. 3,10 mit 9; 4,7a mit 7b), wenn auch an anderen Stellen (2,19; 4,4-6) vielleicht der Prädestinationsgedanke dahintersteht. Wie 19 a den ersten Teil von V 18 aufnimmt, so schließt sich 19b dem zweiten (18c) an. Der "Böse", der die Gottgezeugten nicht in seine Gewalt bekommen kann, hat einen großen Machtbereich: die ganze Welt. Die Aufeinanderfolge der Sätze läßt kaum einen Zweifel darüber, daß EV Ti!> 7tOV"Ilpi!>
Zur Abweisung eines falschen "Determinismus", der Joh vor allem von A. HILGENFELD und H. J. HOLTZMANN nachgesagt wurde, vgl. P. FEINE, Theol. 351-353; R. BULTMANN, Theol. 3681T; A. AUGUSTINovIc, Critica "determinismi" joannei (Jerusalem 1947); 3. HERKENRATH a. a. 0.122-124. 1
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1 Joh 5, 20 maskulinisch, persönlich zu verstehen ist 1. Wenn auch "e;:".a-a;~ ev sonst bedeutet: "sieh in einem Zustand befinden"·, so weist hier doch der Artikel auf einen mehr prägnanten Sinn (sachlich vgI. Lk 4,6), also "im Machtbereich des Bösen liegen", "dem Bösen unterworfen sein" 8.
Die "Welt" ist nicht einfach die Ökumene, sondern schon eine qualitativ bestimmte Größe. Es ist die Menschenwelt, die der Gottessohn zu erlösen kam (2,2; vgl. 4,14), die sich aber durch den Unglauben gegen Christus entschieden hat und damit der Macht Satans auch weiterhin und um so stärker verfallen ist - ein dunkles, pessimistisches Wort (vgl. Joh 1, 11 ; 3, 19; 12, 37 ff), das sich z. T. wohl aus der traurigen Erfahrung der kleinasiatischen Gemeinden erklärt, die sich einer Übermacht des Unglaubens und Hasses, der Irrlehre und des "Götzendienstes" gegenübersehen. Ein ähnliches Urteil über die "Welt" als Machtbereich Satans, die ihm Gott bis zum Ende dieses Äons überlassen hat, treffen wir auch in den Qumrantexten an (vgl. Exk. 6 am Ende). Doch darf nach 1 QS IU, 21 ff der "Engel der Finsternis" auch alle "Söhne der Gerechtigkeit" verführen, und alle ihre SÜnden und Verfehlungen stehen nach dem Plan der Geheimnisse Gottes unter seiner Herrschaft bis zum gottgesetzten Ende, ebenso ihre Peinen und Leiden; nur des göttlichen Beistandes können sie sich jetzt schon erfreuen. Die christliche Glaubensgemeinde weiß sich durch Christus bereits in realer Gottesgemeinschaft ; im Besitz der göttlichen Kräfte fühlt sie sich ganz anders gegen die Ränke Satans gefeit. Sie braucht sich nicht äußerlich aus «;Iieser Welt auszugrenzen und durch Reinheitsvorschriften, Ritus und Disziplin esoterische Schranken zu errichten, sondern sie lebt in dieser Welt nach dem Beispiel Christi (4,17) aus der Kraft Gottes (4, 4; 5,18). Gegenüber jener jüdischen Sekte, die das Ende der "letzten, bösen Zeit" mit brennender Sehnsucht erwartet, ist sich die Christusgemeinde der bereits erfolgten Lebens- und Liebesoffenbarung Gottes bewußt - das ist bei aller Ähnlichkeit der dualistischen Grundstimmung ein nicht zu übersehender Unterschied. 5, 20 Erst mit V 20 tritt der Gottessohn als Gegenspieler Satans ins Blickfeld. Damit erreicht der Kontrast zwischen der Gottesgemeinde und der satansbeherrschten Welt, aber auch die jubelnde Heilsgewißheit der VgI. MartIs 2, 4: "Der Fürst der Ungerechtigkeit, der diese Welt beherrscht, ist Beliar"; ferner die rabbinische Diskussion über Job 9,24 in: Baba bathra 16a. Die Gelehrten übersetzen die Stelle so: "Die Erde ist hingegeben in die Hände des Frevlers" und beziehen den "Frevler" ()IIf''l) auf den Satan (s. bei BILLERBECK IlI, 779). Vgl. ferner o. zu 2, 13. • Vgl. 2 Makk 3, 11; 4,31. 34; 3 Makk 5,26; profane Beispiele bei BAUERWb 844 8. v. 2, d. - Bei der Übersetzung "im argen liegen" würde wohl der Artikel fehlen. An das leblose Daniederliegen (BücHsEL, CHARUE) zu denken ist gesucht. • Diese Bedeutung ist schon in der klassischen griechischen Literatur möglich, vgl. SOPHOKLES, Oed. CoI. 247f: ev ÜfLfL~ yap w~ .&eij> xelfLe.&a; ..A&;fLove~; POLYBIUS VI, 15,6. VgI. E. NORDEN, Agnostos Theo8 (Berlin 1913) 23 Anm. 1; LIDDELL-SCOTT 934 s. v. V, 3; BAUER a. a. O. 1
21 Schnackenburg, Johannesbriefe
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1 Joh 5, 20
Christen (drittes ot8or.(J.ev) den Höhepunkt. Der den verbindenden Partikeln so abgeneigte Verf. hat hier einmal ein 8e hinzugefügtl. Mag ·die übrige Welt total der Macht Satans verfallen sein, die Christusgemeinde weiß sich durch Christus den Gottessohn gerettet, und zwar in zwei Stufen: durch seine geschichtliche Mittlertat und die gegenwärtige lebendige Verbundenheit mit ihm. Der Gottessohn - das ist ein unumstößliches Faktum geworden - ist gekommen, und dieses Kommen ist eine spürbare Realität geblieben (~xeL). Das im übrigen NT mit Vorliebe für die Parusie eingesetzte Verbum (außer im Zitat Hebr 10,7. 9) steht nur Joh 8, 42 und an unserer Stelle für den schon erfolgten Advent Christi in dieser Welt. Die entscheidende Theophanie ist bereits geschehen. Daß hier ein für damalige Ohren klangvoller religiöser Terminus fällt 2 , dafür genügt .als Zeugnis Joh 8, 42, wo ~xw neben tl;ljA.&OV einen nachhaltigen Eindruck hinter läßt. Dieser einmal erschienene Gottessohn (tcpor.vepw-lhj 1,2) hat denChristen die Fähigkeit (8r.&VOLor.) 3 verliehen, den "Wirklichen" (= Gott) zu erkennen. Christliches Denken auf jüdischem Grunde in gnostisch beeinflußter Umwelt findet darin eigentümlichen Ausdruck. Denn "der Wirkliche" (6 &A1j.&LV6~) wird Gott im Judentum zur Abgrenzung gegen die unechten, falschen Götter genannt~; "erkennen" aber bedeutet mehr, als den einzigen wahren Gott zu finden. Wie sonst in 1 J oh ist dieses "Gotterkennen" stärker real zu verstehen (vgl. 2, 3f. 13 f; 3, 1 c; 4, 6. 7f): Durch YLvwaxetv tritt man in Gemeinschaft mit Gott. Diese seinshafte Verbundenheit mit Gott wird noch deutlicher in einem selbständigen (nicht mehr von tvor. abhängigen) Sätzchen 5 ausgesprochen. Wir haben nicht nur die Fähigkeit zur "Gotteserkenntnis" erlangt, sondern befinden uns auch tatsächlich in lebendiger Gemeinschaft mit ihm. Zugleich will der Vers hervorheben, daß dieses "Sein in Gott" durch unq in seinem Sohn Jesus Christus für uns Wirklichkeit wurde. Die wohl absichtliche Brachylogie setzt den vollen Namen Jesus Christus betont an das Ende (vgl. Joh 17,3; 1 Joh 1,3; 3,23; 5, 6a. 13). Die Wendung bedeutet, wenn sie auch formell wie eine bloße Apposition aussieht: "inWenigstens nach den Haupt-Hss B Mal.; es fehlt in PL aJ.; A pm. Vg sy lesen xor.t o(8or.fLEV. . • Vgl. BAuERWb 681 s. v. 1, d, or.; SCHNEIDER in: ThWb 2, S. 929f. • ÄL<XVOLor. = Erkenntnis und Erkenntnisfähigkeit (LIDDELL-SCOTT I, 405) häufig in den TestXII. - Beachtlich der Unterschied Q1 ~I;oua(or. (Joh 1, 12), das die Machtvollkommenheit (zur Erreichung eines neuen status) bezeichnet. Die Vorstellung in 1 J oh 5, 20 bleibt stärker jüdisch. I • Is 65, 16; 3 Makk 6, 18; Fl. JOSEPHUS a VIII, 13,6; PHlLO, leg. ad Gajum 366; vgl. auch Joh 17,3; 1 Thess I, 9.Die anderen LAA kennzeichnen sich deutlich als (unnötige) Versuche, das absolute -rov ciA'Il.&!.v6v zu beseitigen: 1:0 ciA. M· q sa; -rov ciA. &e:6v A K 3~ 323 1739 pm. Vg bo arm Did Bas. Aug. - Anders G. D. KILPATRICK in: JThSt 12 (1961) 272. • Trotz der besseren äußeren Bezeugung von 'YLvwaxofLEV (f> gegen ft) ist der Indikativ nach tvor. als Korruptel anzusehen, vgl. BLA:ss-DEBR §369, 6. Daher beginnt mit xor.! tafL&v ein neuer Satz, vgl. 3, 1. 1
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1 Joh 5, 20
sofern wir nämlich in seinem Sohn Jesus Christus sind" 1. Dieser ist nicht bloß Offenbarungsbringer (20b; vgl. Joh 1,18), sondern auch Lebensspender (1,2; 5,llf), beständiger Vermittler der Gottesgemeinschaft (1, 3c; Joh 1, lUf; 14, 1Of. 23; 17,2lf). Damit wird das Ureigen-Christliche, gleichsam das christologische Prinzip der joh. Theologie zu klarster Anschauung gebracht: Alles, was die Christen an realen göttlichen Gaben (!XA~.&e:loc., X&pIC;, ~w~, me:ü(.Loc.) besitzen, verdanken sie nur diesem auf Erden erschienenen Gottessohn, und zwar darum, weil er der "einzigerzeugte Gottessohn" ist. In ihm ist die Fülle göttlichen Wesens auf diese Erde gekommen und hat sich den Glaubenden erschlossen (Joh 1, 14; 3,35); aus seiner Fülle haben alle empfangen (Joh 1,16). Man sollte darum nicht mehr (wie noch Dodd) bezweifeln, daß das folgende OOTOC;, wie es auch das Nächstliegende ist (vgl. 5,6 mit 5), auf 'I"Y)GOÜ XpIGTOÜ zu beziehen ist'. Wenn man auf !XA"Y).&w(j> zurückgreift sprachlich ist das möglich (vgl. 2 Joh 7) - , so kommt man nur mit Mühe an einer Tautologie vorbei. Man müßte dann den Gedankenfortschritt in der Aussage finden, daß dieser "Wahrhaftige" (Gott) ewiges Leben ist. Aber diese Aussage wird sonst gerade nicht von Gott, sondern von Jesus Christus gemacht (vgl. 1,2; Joh 11,25; 14,6). Indes, diese gequälte Auslegung ist gar nicht nötig. Im Rahmen der joh. Theologie ist das Gottesprädikat für Jesus durchaus möglich (Joh 1, 1; vgl. 1, 18 v. 1.; 20,28). Es erhält in 1 Joh 5,20 freilich eine außergewöhnliche Prägnanz, indem ohne Einschränkung die volle Identität (Artikel!) Jesu Christi mit dem vorher genannten "Wahrhaftigen" (Gott) festgestellt wird. Das dürfte am Schluß des Briefes, auf der Höhe der sieghaften Gewißheitsaussagen des Glaubens, mit aller Absicht geschehen, wie .es auch kaum ein Zufall ist, daß im Ev gerade am Anfang (1, 1. 18) und am Ende (20,28) das Licht der Gottheit J esu im vollen Glanze erstrahlt. Der Gipfel des christologischen Bekenntnisses der Kirche wird da in aller Klarheit sichtbar. Und weil Jesus Christus der "wirkliche Gott" ist, nicht fern und unerreichbar, sondern in Menschengestalt für den Glauben greifbar, darum ist er "ewiges Leben". Das Fehlen des Artikels vor ~w~ weist darauf hin, daß dieses Wort als echtes, den Sinnzusammenhang erläuterndes Prädikat hinzugesetzt ist: Jesus Christus ist ewiges Leben für uns, die Glaubenden (vgl. 5, 1lf). Der ganze V 20 bildet eine geschlossene Einheit, ein kleines Kompendium der joh. Christologie, und stellt sich würdig neben 1 v. HARNACK, in: SABeriin 1915, 538f Anm. 1, möchte hinter Xpurroü ein ONTE:E ergänzen, das wegen des nachfolgenden OYTO:E aus Nachlässigkeit eines Schreibers ausgefallen sei. Die Konjektur ist dem Sinne nach richtig, aber der Form nach unwahrscheinlich, da sie den wirkungsvollen Schluß zerstört. - Zu den textkritischen Fragen vgl. noch LAGRANGE, Crit. text. 566. • Vgl. schon die lichten Ausführungen ROTREs z. St. (203ft Anm.), ferner die kath. Ausleger - gegen HARNACK (a. a. 0.), HOLTZMANN-BAUER. BROOKE, WINDISCR (dieser schwankend), DODD. - Auch BULTMANN, Redaktion von 1 Joh 195f, hält die Beziehung auf '1. Xp. exegetisch für wahrscheinlicher, schreibt den Satz aber einem "Imitator" zu.
21'
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1 Joh 5, 21
I, 2: Die Gottesgemeinschaft ist für uns bleibende Realität geworden durch und in Jesus Christus. 5,21 So liegt kein Grund vor, um des letzten Verses willen das oi5't'oc;Sätzchen als betOnten Ausdruck des christlichen Monotheismus gegenüber dem Götzendienst aufzufassen (vgl. Windisch). Die abschließende Warnung vor dem Götzendienst freilich klingt merkwürdig, da sie einen bisher in dem ganzen Schreiben nirgends ausgesprochenen Gedanken herausstellt. E'lllwAoc sind an sich die heidnischen Götterbilder bzw. Götter" und man könnte interpretieren, daß sie gegenüber dem "Wirklichen" abfällig als das Wesens- und Wirklichkeitslose gekennzeichnet werden sollen (so in der 1. Aufl.). Indes läßt sich nicht leugnen, daß eine solche Warnung an schon länger gläubige, in Kult und Gemeindeleben beheimatete Christen sonderbar wäre, auch wenn die heidnische Umgebung noch manche Anziehungskraft ausüben könnte. Darum dürfte W. Nauck den Weg zum richtigen Verständnis weisen, wenn er den Begriff des "Götzen" hier aufs engste mit dem der Sünde als einer satanischen Macht in Verbindung bringt. "Die Schlußmahnung besagt nichts" anderes als dies: Hütet euch vor der Sünde!" 2 Die sprachliche Berechtigung dazu erbringen nun die Qumrantexte, die den schon im AT (besonders bei Ez) häufigen, aber für wirkliche Götzenbilder (auch auf Amuletten) gebrauchten Ausdruck lJ'?\'t mehrfach in einem übertragenen Sinn verwenden, der die Abscheulichkeit der Sünde brandmarkt. "Für diese Texte sind "Götzen" Dinge, an die der Mensch in Abkehr von Gott sein Herz hängt, "Götzen seines Herzens" (1 QS 11, 11), "seine Götzen" (ebd. 11, 17). Wer auf dem Wege des Lichts wandelt, von den "Geistern des Lichts" erleuchtet, sucht "herrliche Reinheit, verabscheuend alle unreinen Götzen" (ebd. IV, 5). Besonders deutlich ist der Zusammenhang von "Götze" und "Sünde" in 1 QH IV, 15: "Mit der Verstocktheit ihres Herzens gehn sie dahin und suchen dich unter den Götzen", verglichen mit Z. 18f: "Doch du, 0 Gott, wirst ihnen Antwort erteilen, indem du sie richtest durch deine Macht [nach] ihren Götzen und der Menge ihrer Sünden" (Übs. J. Maier). Auch in Damask XX, 9f heißt es: "Die da Götzen in ihr Herz schlossen und in der Verstocktheit ihres Herzens wandeln". Mag vielleicht auch konkret an "unreine Ding~" gedacht sein, so ist ein übertragener Sprachgebrauch unverkennbar; ein solcher ließ sich bisher nicht nachweisen 3. Bei dieser Erklärung fügt sich der letzte Vers gut in den Zusammenhang: Nachdem der Verf. seinen Adres-
Vgl. BAUERWb 438f; BücHsELin: ThWb 2, S. 374, 7-27. • A. a. O. 137. 3 Die von NAUCK, a. a. O. 137, angeführte Stelle TestXII Rub 4,5f gehört strenggenommen nicht hierher. Der erste Teil muß übersetzt werden: "Meine Kinder, beobachtet alles (,!,uAIi;<X'l'E 1t'liv'l'<X), was ich euch aufgetragen habe" (nicht: "hütet euch vor allem"), und der zweite Teil warnt vor der Unzuchtssünde, die von Gott trennt und zu den Götzen hinführt. " 1
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saten eindrucksvoll ihre Gemeinschaft mit Gott durch J esus Christus versichert hat (V 20), fügt er nochmals eine kurze, kräftige Mahnung an, sich vor dem "Götzendienst" der Sünde zu hüten, der sie von Gott trennen und wieder dem Herrschaftsbereich des Satans (V 19) anheimfallen ließe - in der Tat ein wirkungsvoller Abschluß seines Mahnschreibens.
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Zweiter und dritter Johannesbrief
Einleitung J.. Brietcharakter Die früher bisweilen ausgesprochene Vermutung, daß die bei den kleinen. Johannesbriefe nur künstlich in diese Form gebracht seien, um den joh. Schriften ein persönliches Gepräge zu geben 1, wird bei der sich ständig verbreiternden Vergleichsbasis antiker Privatbriefe auf Papyrusblättern ganz hinfällig. Wenn irgendwelchen ntl. Briefen, dann haftet gerade 2 und 3 Joh (neben Phm) der Hauch der Ursprünglichkeit und Frische an. Ihre Länge (2 Joh: 1126 Buchstaben, 3 Joh: 1105 Buchstaben) verrät uns, daß sie je ein Papyrusblatt von gleicher Größe füllten". Die Anlage der beiden Briefe, ihr Stil bis zu gewissen charakteristischen Wendungen des hellenistischen Briefstils (s. bes. zu 3 Joh 2), die knappe Behandlung konkreter Fragen, die Nennung einzelner Personen (3 Joh 1. 9. 12; vgl.I5), das alles verbürgt ihren originalen Briefcharakter. Dabei ist 2 Joh ein kurzer Gemeindebrief, eine kostbare Reliquie aus einer sicher recht regen Korrespondenz, 3 Joh aber ein Privatbrief (vgl. die Adresse), der jedoch ebenfalls wichtige Gemeindefragen mit einem rührigen Christen bespricht.
2. Vertasser Ihre volle Bedeutung erlangen die beiden Briefe durch die Persönlichkeit des Verf. Wer ist dieser 6 npr::a~u't'r::pot:; (zum Wort selbst vgl. den Komm. ), wie sich der Absender selbst bezeichnet? Um ihn besser in den Blick zu bekommen, können wir verschiedene Wege einschlagen. a) Nähere Bestimmung von 6 npr::aßunpot:; or.) Auszuscheiden hat die Hypothese, daß ursprünglich ein Name dabeistand, der später weggeschnitten wurde, ebenso die andere, daß der anonyme Verf. "die geheimnisvolle und doch nur in einem einzigen Sinn enträtselbare Überschrift: ,der Presbyter' 11 über die beiden Briefe setzte, um So noch DIBELlUS in: RGG" III, 348. • Dieses dürfte etwa so groß gewesen sein wie das bei DEISSMANN, Licht vom Osten 159, wiedergegebene mit zwei Briefen eines Ägypters aus der 2. Hälfte des 2. Jh. n. Chr. (1124 Buchst.) oder jenes mit einem Brief aus dem 3. Jh. n. Chr. bei M. DAVID U. B. A. VAN GRONINGEN, A Papyrological Primer (Leyden "1946) 152f.
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Zweiter und dritter J ohannesbrief
die Fiktion zu erwecken, "daß hier der eine große kleinasiatische Zeuge schreibe, der in besonderem Sinn ,der Presbyter' gewesen" istI. Da es sich um 'Yirkliche, nicht fiktive Briefe handelt (vgl. Briefcharakter), die jeweils in eincr bestimmten Situation ein konkretes Anliegen verfolgen (vgl. die Auslegung), muß auch der Verf. den Empfängern bekannt gewesen sein. Wenn er sich nur mit der Bezeichnung b 7tPEO"ßU't"EPOC; einführt, kann diese kaum anders als ein Ehrentitel verstanden werden, durch den er sich den Lesern unzweideutig zu erkennen gab (vgl. zu 2 Joh 1). ß) Nach der historischen Methode ist zu fragen, ob sich in irgend einem anderen Zeugnis die gleiche prägnante Formulierung ohne Namensnennung findet. Tatsächlich ist dies in dem frühen Papias-Fragment bei Eusebius, H. e. III, 39, 15 (zum Mk-Ev) der Fall; in der Vorrede zu seinem Werk hatte Papias diesen "Presbyter" auch mit Namen genannt: "der Pr. Johannes" (Eusebius, H. e. III, 39,4). y) Der Streit geht nun darum, ob dieser "Alte" mit dem Apostel und Zebedäiden Johannes identisch ist. Angesehene Forscher sind der Auffassung, daß die richtige Interpretation des Papias-Zeugnisses bei Eusebius, H. e. HI, 39,3-4 zu diesem Ergebnis führt'. Andere Beurteiler, katholische wie protestantische, schließen sich auch heute noch jenem Verständnis des berühmten Textes an, das als erster Eusebius, der Überlieferer des Textes, selbst gewann: Neben dem Apostel Johannes oder nach ihm habe noch ein anderer Johannes, der im Unterschied zu jenem b 7tpEO"ßU't"EPOC; genannt wurde, gelebt und (als Herrnschüler) mit hohem Ansehen gewirkt". Die neuere Forschung neigt immer mehr zur zweiten Annahme, die sich für eine unbefangene Auslegung des Papiaszitates auch leichter aufdrängen dürfte. (Nähere Besprechung in der Einl. zum -Kommentar des Joh-Ev.) 8) Eine Bezeugung des "Presbyters Johannes" außerhalb des Papiasfragmentes gibt es nicht. Die Annahme einer besonderen Persönlichkeit des "Presbyters" neben dem Apostel Johannes bei Eusebius (s.o.) und Hieronymus (De vir. ill. 18) beruht auf ihrer Exegese des Papias-Zitates in Verbindung mit einer Angabe des Dionysius von Alex., daß es in Ephesus zwei Gräber für "Johannes" geben solle'. Hieronymus greift diese Hypothese auf, um denen entgegenzukommen, die 2 und 3 Joh einem anderen E. HIRSCH, Studien zum vierten Evangelium (Tübingen 1936) 178. - Zur Kritik an der Fiktionstheorie von H. vg!. HAENCHEN in: ThRu 26 (1960) 281 f. • POGG.EL 27ff; TH. ZAHN, Forschungen zur Geschichte des nt!. Kanons und der altkirchlichen Literatur VI, 1: Apostel und Apostelschüler in der Provinz Asien (Leipzig 1900) 112-152; FEINE-BEHM, Ein!. 107ff; MEINERTZ, Ein!. 218f und die dort 219 Anm.2 Genannten; MICHAELIS, Ein!. 93ff; H. P. V. NUNN, The Authorship of the Fourth Gospel (1952) 52-70. • Unter den Katholiken: M.-J. LAGRANGE, Ev. selon S. Jean XXIXtl; P. VANNUTELLI, De presbytero Ioanne apud Papiam, in: Seuola cattolica 58 (1930) 366-374; 59 (1931) 219-232; CHAINE 236f; G. BARDY in: DictBibleSuppl VI, 843-847; WIKENHAUSER, Ein!. 206f; F.-M. BRAuN, Jean le TMologien 357-364. • Bei EUSEBIUS, H. e. VII, 25, 16.
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Einleitung
Verfasser als dem von Joh und 1 Joh zuschreiben wollen. Dionysius von Alex. selbst, der für die Apk einen eigenen Verfasser postuliert, weiß aber von einem "Presbyter Johannes" nichts und hält offensichtlich den Apostel J ohannes auch für den Autor der beiden kleineren J ohannesbriefe 1. Gleichwohl genügt vielleicht das Gewicht der Papiasstelle, um die Existenz eines "Presbyters Johannes" (neben dem Apostel Johannes) zu erweisen. E) Es fragt sich aber, ob man den anonymen 7tPEcr~U't"EP0C; von 2 und 3 Joh mit dem "Presbyter Johannes" des Papias identifizieren soll. Aus den überlieferten Papiaszitaten läßt sich für diese Frage nichts entnehmen, da die beiden kleinen Johannesbriefe nirgends erwähnt werden. Beachtlich ist aber, daß Papias an der genannten Stelle auch von "den Presbytern" (im Plural) spricht, von denen er entweder unmittelbar lernte oder deren Äußerungen er bei anderen nachforschte (Eusebius, H. e. III, 39, 3 und 4). Unter solchen "Presbytern" scheint er, wie auch der Sprachgebrauch bei Irenäus zeigt, Träger der apostolischen Überlieferung, vor allem Apostelschüler, verstanden zu haben 2. Da diese hohe Autorität besaßen, könnte sich auch ein anderer als der "Presbyter Johannes" des Papias unter der Selbstbezeichnung des Verf. von 2 und 3 Joh verbergen. Vom Titel Ö 7tPEcr~U't"EPOC; aus läßt sich also die Verfasserfrage nicht eindeutig entscheiden. b) Innerer Vergleich mit 1 Joh und Joh IX) An der gleichen Autorschaft von 2 und 3 Joh kann schwerlich gezweifelt werden. Wenn auch der 3 Joh 9 erwähnte Brief nicht unser 2 Joh sein kann (siehe z. ds. St.), so hat doch die gleiche Absenderbezeichnung Ö 7tPEcrßU-re:pOC; so schweres Gewicht, daß nur erhebliche Gegengründe einen anderen Verfasser beweisen könnten. Hinzu kommen die fast gleiche Länge beider Briefe und stilistische Eigentümlichkeiten·, namentlich im Eschatokoll. Die Abweichungen erklären sich aus den verschiedenen Anliegen, die den Verf. bei dem Gemeindebrief 2 Joh und dem Privatbrief 3 J oh bewegten. ß) 2 Joh berührt sich inhaltlich stark mit 1 Joh, namentlich in VV 4-9. Liebe (und ihre praktische Verwirklichung in der Bruderliebe) und Glaube (und zwar der rechte christologische Glaube) sind das Hauptthema. Die Irrlehre wird als Neuerung (demgegenüber Betonung des &'7t' &.pX~C; Gehörten) und fast mit der gleichen Bekenntnisformel wie 1 Joh 4, 2 zurückgewiesen. Auch die Wendung "Gott haben" (2 Joh 9) bildet eine starke Klammer zwischen beiden Briefen. Gegen eine Nachahmung spricht die konkrete Situation in 2 Joh.
1
Bei EUSEBIUS, H. e. VII, 25, 11.
2
F.-M. BRAUN, a. a. O. 361, bemerkt: "Depuis que Dom Chapman apresente ses
observations sur le sens de rrpeO"ßu"t"epo~ ehez les Pares apostoliques et notamment ehez saint Irenee (John the Presbyter [Oxford 1911]13-19), une eonfusion des apOtres et des aneiens n'est guare tolerable." Vgl. ferner G. BORNKAMM in: ThWb 6, S. 676 bis 678. • Vgl. B. BRESKY a. a. O. 31 f.
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Zweiter und dritter Johannesbrief
y) Stärkere Einwendungen hat man gegen gewisse "unjoh." Ausdrücke in den beiden kleinen Briefen erhoben 1, die es unmöglich machen sollen, diese Erzeugnisse dem Verf. des Joh-Ev zuzuschreiben. Es ist wahr, die Vorstellung vom "vollen Lohn" und die Wendung: "Habt acht auf euch!" (2 Joh 8), haben syn. Anklang; doch wird daran keinen Anstoß nehmen, wer auch die Gerichtsaussagen in 1 Joh 2, 28; 4, 17 nicht mit denen des Joh-Ev in Widerspruch sieht (vgl. Joh 5,22.24. 29f). Wendungen wie O"UVEpYOt YLVW(.W&OC 3 Joh 8 und &YOC.&01tOLE&V 3 Joh 11 beweisen nicht viel, da sie in nächster Nachbarschaft mit typisch joh. Ausdrücken stehen. "Gott sehen" 3 Joh 11 ist nicht anders gebraucht als 1 Joh 3,6; vgl. Joh 6,40; 12,45; 14,17 (gegen JÜlicher-Fascher). 3 Joh 12b zieht eine starke Verbindungslinie zu Joh 19,35; 21,24. Freilich läßt sich von den zwei kleinen Briefen her auch kaum eine Identität des "Presbyters" mit dem Verf. des Ev erweisen. 8) Die Anschauungs- und Ausdrucksweise in allen drei J ohannesbriefen berührt sich in bestimmten Wendungen (dVOCL kx, YLVWO"XELV, (J.~VELV kv usw.) so stark 2, daß man wenigstens für die drei Briefe denselben Verf. annehmen darf. Schon Hieronymus freilich berücksichtigte die Ansicht, daß 2 und 3 Joh von einem anderen Verf. stammten (s.o.); aber durchschlagende Gründe dafür gibt es nicht. Daß sich der Verf. von 1 Joh;der sich seinen Lesern mit 1, 1-3 als bekannte Persönlichkeit vorgestellt hat, in den beiden kleinen Briefen kurz mit 0 1tpEO"ß6't"EpO<; eiitführt, ist nicht verwunderlich. c) Innere Einwände gegen die Autorschaft des Apostels Johannes Abgesehen von der Presbyterfrage, führt man vor allem innere Gründe dafür an, daß der Apostel Johannes unmöglich der Verf. von 2 und 3 Joh sei. Einem Apostel hätte ein lokaler Gemeindeleiter nicht so gegenübertreten können, wie es sich Diotrephes nach 3 Joh 9 dem "Alten" gegenüber herausnimmt. Der Hinweis auf die Erfahrungen Pauli, mit dem man oft diesem Einwand antwortet, ist insofern nicht ganz überzeugend, weil Paulus um die Anerkennung seiner Apostelwürde kämpfen mußte, der Zebedäide Johannes aber nicht. Indes, oOx k1tL8~XE't"OCL muß nicht eine Ablehnung auf der ganzen Linie bedeuten; in Fragen der Organisation kann sich auch gegenüber einem Apostel sehr wohl ein eigensinniger Unabhängigkeitswille geregt haben. Die Reaktion des "Alten" klingt selbstbewußt ; er ist überzeugt, daß sein persönliches Erscheinen die Situation gründlich ändern wird (V 10). Auch Harnack, der die eigentümliche Übergangszeit in der Kirchenverfassung nach 3 Joh studiert, findet das Bild, das sich uns nach 3 Joh bietet, nicht befremdlich, wenn er es mit Pauli Stellung zu seinen Gemeinden vergleicht". E. SCHWARTZ, über den Tod d. Söhne Zebedaei (Göttingen 1904) 47f; 52f; JÜLlCHERFASCHER, EinI. 236f; E. HIRSCH, Studien z. vierten Ev 177ft. • VgI. POGGEL 111 ft; BROOKE LXXIVft; CHAINE 233ft; DODD, Joh. Ep. LXft. • über den dritten Johannesbrief: TU XV,3 (1897) 17. VgI. noch R. SCHNACKEN-
1
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Einleitung
Der besondere Freundeskreis, den sich der "Alte" geschaffen hat, spricht ebenfalls nicht gegen sein Apostelamt. Auch Paulus hat in seinen Gemeinden seine ihm besonders ergebenen Anhänger, Mitarbeiter und Schüler gehabt. Wenn Gajus nicht die gleiche Autorität besitzt wie Pauli Schüler, dann deswegen, weil er kein Missionsgehilfe und kein amtlich bestellter Vertreter des "Alten" war. Es ist unverkennbar, daß nach den Johannesbriefen die Einzelgemeinde und ihre Leiter selbständiger werden als in den Pastoralbriefen. Nach 3 Joh führt der "Alte" mehr eine patriarchalische als eine jurisdiktionelle Aufsicht über die Gemeinden. Das war nur einem Manne möglich, der innere Autorität besaß. Das konnte gewiß auch bei einem "Herrnjünger" außerhalb des Apostelkollegiums oder einem Apostelschüler der Fall sein; aber daß sich hinter dem "Alten" ein Apostel verbirgt, darf man ebensowenig für unmöglich halten. d) Die Hypothese E. Käsemanns Eine gänzlich andere Auffassung über den Verfasser der Johannesbriefe hat E. Käsemann vorgetragen 1. Er wendet das Blatt, indem er nicht. den Presbyter, sondern Diotrephes für den Vertreter der legitimen kirchlichen Autorität ausgibt. Der Presbyter sei ein gemaßregelter Lehrer, der gnostischen Anschauungen huldigte, die von der kirchlichen Orthodoxie verworfen wurden. Er seinerseits kämpfe wieder gegen eine andere gnostische Richtung, den Doketismus. So erkläre sich auch seine Anonymität; den Titel "Presbyter" behalte er aber als Bezeichnung seines früheren Amtes bei. Er habe die Kühnheit besessen, ein Ev des von ihm erfahrenen, in die Welt der Gnosis hineinsprechenden Christus zu schreiben. Diotrephes habe ihn als Häretiker diagnostiziert und daraus die Konsequenzen gezogen; so sehe sich der Presbyter in 3 J oh in die Defensive gedrängt. Diese kühne Hypothese, die die Bemerkungen in 3 Joh 9-10 auf eine überraschende Weise scheinbar plausibel machen kann, scheitert vor allem an dem Gesamtbild der joh. Schriften: 1. kann es kaum gelingen, die Anschauungen des Presbyters (d. h. der Johannesbriefe) als häretisch zu erweisen und gegenüber dem "Frühkatholizismus" auszuspielen. Insbesondere kann man nach 1 Joh 2,27 (s. Komm.) nicht behaupten, der Presbyter habe "die Geistessalbung jedem Christen zugesprochen, während der Frühkatholizismus den Geist an Amt und Tradition bindet"'. Tradition und Geisteswirken in den einzelnen Gläubigen brauchen auch für den Frühkatholizismus kein Gegensatz zu sein; es läßt sich keineswegs zeigen, daß der "Bischof" Diotrephes an dieser Auffassung Anstoß genommen habe; 2. ist es ungerechtfertigt, den Gegensatz zwischen dem Presbyter und Diotrephes vom praktisch-disziplinären auf das dogmatisch-doktrinäre Gebiet zu verlagern; dafür fehlt jeder Anhaltspunkt im Text; 3. ist Käsemanns Erklärung der Anonymität des Verf. unwahrBURG, Der Streit zwischen dem Ver!. von 3 Joh und Diotrephes und seine verfassungsgeschichtliche Bedeutung, in: MThZ 4 (1953) 18-26. 1 Ketzer und Zeuge. Zum joh. Verfasserproblem, in: ZThK 48 (1951) 292-311. • A. a. O. 308.
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Zweiter und dritter Jobannesbrief
scheinlich, da ein exkommunizierter Presbyter sich vielleicht vor Freunden (3 Joh) auf diesen Titel versteifen, sich aber unmöglich in einem Gemeindebrief (2 Joh) gerade so einführen wird; 4. läßt sich überhaupt 2 Joh aus der Erörterung nicht ausschließen. Dieses kaum an einen Kreis von Privatpersonen gerichtete, stilistisch-formell mit 3 Joh nahverwandte Schreiben, das ganz autoritativ und konservativ (V 91) gehalten ist, macht es unmöglich, in dem Presbyter etwas anderes zu sehen als eine wirkliche und anerkannte Autorität. e) Die Auffassung E. Haenchens Zuletzt hat sich E. Haenchen mit dem ganzen Fragenkomplex aus einandergesetzV. Seine kritischen und doch besonnenen Urteile führen ihn in der Verfasserfrage zu folgender Ansicht: "Er ist ein Gemeindeleiter, der sich im 3 Joh für die Heidenmission auch auf dem Gebiet einer Nachbargemeinde einsetzt und dabei mit deren Leiter Diotrephes in Konflikt gerät, während er im 2 Joh einer anderen Nachbargemeinde die unbedingte Ablehnung gnostischer Wanderlehrer (vgl. die ,Apostel' Apk 2, 2!) nahelegt" (288f). In der grundsätzlichen Auslegung der beiden Briefe trifft sich H. ziemlich mit dem vorliegenden Kommentar; nur den Verf. und seine Autorität beurteilt er anders. Aus Käsemanns Hypothese, die er im ganzen ablehnt, greift er den Gedanken auf, daß der "Presbyter" Träger eines Gemeindeamtes war, hält ihn aber nicht für einen einfachen Presbyter unter anderen, sondern meint, daß er "als ,praeses presbyterii' eine Stellung innehatte, welche der des Diotrephes praktisch entsprach" (290). Gleichwohl verbindet er damit auch den anderen, aus Papias, Irenäus und Clemens Alex. bekannten "Presbyter"-Begriff, nach dem die so bezeichneten Männer "Hüter und Überlieferer der apostolischen Tradition" waren (291), weil er richtig sieht, daß sich ein bloßer Amtsträger schwerlich ohne Namen einführen konnte. Demgegenüber ist zu sagen, daß man doch allen Nachdruck auf die weiter gefaßte Bedeutung legen muß. Wenn der Autor der beiden Briefe selbstbewußt nur unter diesem Titel schreibt, dann legt er mehr in ihn hinein, gebraucht ihn in einem ausgezeichneten Sinn. Das Problem der beiden kleinen Briefe darf auch nicht von dem des großen getrennt werden; dieser aber ist offensichtlich ein Mahnschreiben, das an einen größeren Kreis von Gemeinden oder doch (falls nur an eine einzige) mit einer Autorität geschrieben ist, die über die eines örtlichen Gemeindeleiters hinausgeht. Gewiß wäre es möglich, daß er selbst einer bestimmten Gemeinde vorstand; aber dann schreibt er an die "erwählte Herrin" (2 Joh) und an Gajus (3 Joh) eben nicht in dieser Funktion, sondern als "der Presbyter", d. h. als der Träger apostolischer Überlieferung, als den ihn alle kennen. Im ganzen möchte man urteilen, daß die Frage, ob der Zebedäide und Apostel Johannes selbst der Verf. der drei Johannesbriefe ist, wegen der
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ThRu 26 (1960) 267-291.
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Einleitung
Verschlungenheit der "joh. Frage" iücht mit letzter Sicherheit zu beantworten ist, daß man aber für die Briefe zum mindesten eine hervorragende Persönlichkeit aus dem "joh. Kreis", etwa einen Apostelschüler, postulieren muß, der die "joh. Tradition" vertritt und aufrecht hält.
3. Enlslehungsverhältnisse Von der Verfasserfrage abgesehen, bieten die beiden kleinen Briefe wenig Anhaltspunkte für eine genauere Darlegung ihrer Entstehungsverhältnisse. 2 Joh ist durch die Bekämpfung der Irrlehre, die inhaltlich der aus 1 Joh besser bekannten gleichzusetzen ist (V 7), und durch die Vorschriften gegen die Irrlehrer (V 10) zeitlich an 1 Joh anzunähern. 3 Joh braucht wegen der kirchlichen Verfassung, die eine Anbahnung des monarchischen Episkopats erkennen läßt, durchaus nicht tiefer in das 2. Jh. hinabzurücken. Da die beiden Briefe wenigstens zwei Gemeinden voraussetzen, über die der "Alte" ein wachsames Auge und in denen er eine gewichtige Stimme hat, wahrscheinlich aber mehr (die "Herrin" von 2 Joh ist schwerlich die Gemeinde, in der Gajus lebt), wird man an die 7 Sendschreiben der Apk erinnert. Der "Alte" übt einen weitreichenden Einfluß aus, wahrscheinlich über ein größeres Territorium. Nach allem bisher Gesagten kommt kaum ein anderes Gebiet dafür in Frage als Kleinasien 1. Die Ignatiusbriefe lehren, daß der monarchische Episkopat in dieser Gegend tatsächlich eine sehr schnell anerkannte Einrichtung war. Einen größeren zeitlichen Abstand zwischen 2 und 3 Joh anzunehmen, nötigt nichts, sofern man nicht dieselbe Empfängergemeinde voraussetzt". Alle 3 Johannesbriefe können derselben Zeit entstammen; man muß nur beachten, daß sich 1 Joh an einen größeren Kreis von Gemeinden, 2 Joh an eine Einzelgemeinde und 3 Joh an eine Privatperson wendet.
4. 2 und 3 Joh in der Kanongeschichte 3 Origenes rechnet die beiden kleinen Johannesbriefe nicht zu den allgeDer Versuch von J. CHAPMAN in: JThSt 5 (1904) 35711; 51711, die "Herrin" von 2 Joh auf Rom zu deuten, ist mißlungen; vgl. BRESKY a. a. O. 55-63. - Eine nähere Bestimmung der Empfängergemeinde (FINDLAY 31: Pergamum) dürfte überhaupt unmöglich sein. • Die Gründe BRESKYs, deren Arbeit diese Hypothese erhärten will, sind nicht stichhaltig (vor allem richtet sich 3 Joh 11 b nicht gegen Irrlehrer, sondern ist joh. Ausdrucksweise). Ferner ist besonders H. H. WENDT zu nennen, der in mehreren Arbeiten (ZntW [1922] 14011; ZntW [1924] 1811; Johannesbriefe 311) beweisen will, daß alle drei Briefe an eine und dieselbe Gemeinde gerichtet seien (Reihenfolge 2-3-1 Joh). Die Beziehung des ~p(XtjI(X 3 Joh 9 und 1 Joh 2, 14 auf 2 Joh ist aber unhaltbar (s. Komm.). a Vgl. dazu POGGEL 51-108; BRESKY 47-55.
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mein anerkannten" ebenso Eusebius '. Tatsächlich ist ihre Bezeugung "nicht glänzend" (Meinertz). a) Die Anklänge an 2 und 3 Joh bei den Apostolischen Vätern lassen kaum eine klare Entscheidung zu, ob sie die beiden Briefe kannten. Das gilt für Polyk 7,1 (vgl. 2 Joh 7, aber auch 1 Joh 4, 2f), eine Wendung im Papias-Fragment bei Eusebius, H. e. III, 39,3 (vgl. 3 Joh 12, aber auch Joh 14,6), und eine Anweisung von Ignatius von Ant. (Smyrn 4,1) gegen die Irrlehrer, die sich inhaltlich mit 2 Joh lOf deckt. Zu Tertullian, De carne Christi 24, ist dasselbe wie zu Polykarp zu sagen. b) Klare Zeugnisse für die Benutzung der beiden Briefe bekommen wir erst seit Clemens von Alex. Dieser hat sie nach dem Zeugnis des Eusebius, H. e. VI, 14, 1, kommentiert; erhalten sind in den Adumbrationes freilich nur Erklärungen zu 1 und 2 J oh '. Irenäus zitiert 2 J oh 11' und 2 Joh 7f 6 • Für die lateinische afrikanische Kirche führt ein Bischof auf der Synode von Karthago· 256 2 J oh 10 f an". Dionysius von Alex. kennt ebenso wie Origenes alle 3 J ohannesbriefe 7. c) Eine umstrittene Frage ist, ob in der lateinischen Kirche eine Zeitlang nicht etwa bloß zwei Johannesbriefe (unser 1 und 2 Joh) bekannt waren. Für Clemens von Alex. (s. 0.) braucht man dies nicht anzunehmen; die Zitationsformel war oft ungenau". Wenn Tertullian und Irenäus auf 3 Joh nirgends Bezug nehmen, kann das an dem geringen theologischen Gehalt dieses Briefes liegen oder Zufall sein. Rätselhaft dagegen ist die Angabe im Muratorischen Fragment. Diese in schlechtem Latein abgefaßte Liste aus dem 2. Jh. sagt in Zeile 68 f "superscriptio Johannis duas ( = duae) in catholica habentur".; dabei ist superscriptio wahrscheinlich in superscripti (so u. a. Lietzmann), kaum superscriptae (Zahn), zu verbessern. Kennt nun das Fragment nur zwei Johannesbriefe", oder bringt es hier nach dem Z. 26ft' zitierten 1 Joh noch zwei weitere Briefe 10 , oder ist gar Johannis in Petri zu korrigieren 1l? Eine wohlbedachte Antwort hat zuletzt P. Katz 12 gegeben: Mit "catholica" sei nicht die "katholische Kirche" gemeint (ecclesia dürfte nicht fehlen I), sondern "der katholische Brief" schlechthin, nämlich 1 Joh; "in" aber sei Verderbnis aus "sin", einer bloßen Umschrift des griechischen aUv. Der Sinn des zu rekonstru-
In Joa. V, 3, bei EUSEBIUS, H. e. VI, 25, 10. H. e. 111, 25, 3. Vg!. dazu BRESKY a. a. O. 48; ferner J. RUWET in: Bib 29 (1948) 95ft. Adv. ha er. I, 9, 3. Adv. haer. 111, 17, 8. Siehe ZAHN, Gesch. des ntl. Kanons I, 2161. 7 EUSEBIUS, H. e. VII, 25, 11. " Strom. 11, 15, 66 Sv 1Le!1;oVL e,mnoA7j; vg!. dazu POGGEL 78ff; MEINERTZ, Ein!. 284. " So T. W. MANSON in: JThSt 48 (1947) 33. Er nimmt an, daß 3 Joh nicht durch denselben Mann ins Lateinische übersetzt wurde wie 1 und 2 Joh. 10 ZAHN, Gesch. des ntJ. Kanons I, 2191; POGGEL 68ff; BRESKY52; MEINERTZ, Ein!. 284. 11 So LAGRANGE, Hist. du canon 74. 1. The Johannine Epistles in the Muratorian Canon, in: JThSt 8 (1957) 2731. 1
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Einleitung
ierenden Textes Mo crÜ" XOC&OALX'ij = duae sin catholica sei: "Von dem obenerwähnten Johannes werden (noch) zwei (Briefe) zu dem ,katholischen' hinzu (fest- oder für gültig)gehalten." Mag auch diese Erklärung hypothetisch bleiben, sachlich ist sie sicherlich zutreffend. d) Im 4. Jh. sind die drei Johannesbriefe überall außer in der syrischen Kirche bekannt, wenn auch ihre kanonische Geltung noch nicht unangefochten ist (Eusebius). Bürgen für diese kleine joh. Briefsammlung (in Parallele zur paulinischen?) sind u. a. Athanasius (39. Osterfestbrief), Cyrill von Jer. (Cat. IV, 36), das Konzil von Laodicea (ca. 260), der Mommsensche Katalog (ca. 360 in Nordafrika), die sahidische und bohairische Übersetzung. Zweifel über die Kanonzugehörigkeit äußerten noch Amphilochius von Iconium (t ca. 400) 1 und Hieronymus (t 420) '. e) Während die alten syrischen übersetzungen die Katholischen Briefe überhaupt ignorieren, bringt die Peschitta nur Jak, 1 Petr und 1 Joh. Ob Ephräm 2 und 3 Joh zitiert hat, ist zweifelhaft". Erst die Philoxeniana (Anfang des 6. Jh.) enthält auch unsere Briefe; aber die Nestorianer akzeptierten sie überhaupt nicht. Daß die beiden kleinen Johannesbriefe nur so schwer in den allgemeinen Kanon Eingang fanden, hat verschiedene Gründe: zunächst ihre Kürze und ihre geringe theologische Bedeutung, dann der Zweifel an ihrer apostolischen Herkunft (Presbyterfrage). Ihre schließliehe Aufnahme werden sie vor allem der sich durchsetzenden Überzeugung verdanken, daß auch sie echte Schreiben des Apostels Johannes sind und so mit 1 Joh ein kleines joh. Briefcorpus bilden. Siehe ZAHN, Gesch. des nt!. Kanons 11, 219 Z. 63t. • De vir. ill. 9 (PL 23, 623 u. 625) und 18 (PL 23, 637); vg!. oben S. 296t. • Vg!. W. BAUER, Der Apostolos der Syrer (Gießen 1903) 40fT; LAGRANGE, Hist. du canon 129. 1
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AUSLEGUNG ZU 2 JOH
Dieser Gemeindebrief (vg!. Ein!.) ist aus einem bestimmten seelsorgerischen Anlaß entstanden und zeigt entsprechend einen einheitlichen klaren Gedankenaufbau. Nach dem Präskript (VV 1-3), das schon ganz auf das Anliegen des Verf. zugeschnitten ist (Führungsbegriff ~ &.A~.&e:LIX), enthält er im ersten Teil (VV 4-6) die Mahnung zu einem echt christlichen Wandel, den der Verf. als Erfüllung des Liebesgebotes interpretiert. Die innere Geschlossenheit und brüderliche Verbundenheit sind ihm offenbar der stärkste Garant für die Festigkeit der christlichen Gemeinde gegenüber den gefährlichen Einflüssen, denen sie durch Irrlehrer ausgesetzt ist. Denn die Abwehr dieser Irrlehrer, die im zweiten Teil als Leugner des wahren Christusbekenntnisses, als Verkörperung des "Antichrist" gekennzeichnet werden (VV 7-9), ist der wahre Grund des Schreibens; sonst hätte sich der Verf. kurz vor einem Besuch der Gemeinde (vg!. V 12) kaum dazu aufgeschwungen. Es liegt sogar ein konkreter Anlaß vor, den er mit seiner praktischen Anweisung im dritten Teil (VV 10 f) klar zu erkennen gibt: er fürchtet, daß offenbar noch vor seiner Ankunft solche Irrlehrer die Gemeinde aufsuchen und zunächst äußerlich bei ihr Aufnahme finden könnten, um dann in ihren Reihen ihr Gift auszustreuen. Deswegen schreibt er ihr vor, solchen Christusfeinden von vornherein die Gastfreundschaft zu versagen, da auch schon eine äußerliche Gemeinschaft mit ihnen eine Teilriahme an ihren bösen Werken bedeutet. Nach dem Aussprechen dieses seines eigentlichen Anliegens bricht er unter Hinweis auf seine Besuchsabsicht den Brief ab (V 12) und schließt mit Grüßen der Schwestergemeinde, in der er sich zur Zeit befindet (V 13). Der Aufbau des Briefes ist also ganz zielstrebig. Der Autor fällt nicht mit der Tür ins Haus, aber läßt dann auch an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Er schreibt autoritativ und doch väterlich-warm; sein Denken kreist - wie 1 Joh - um die beiden Kerngedanken der gegenseitigen Liebe und des wahren Christusglaubens. So kurz das Schreiben ist, so verrät doch dieser Aufbau die Eigenart des Schreibers und weist ihn als identisch mit dem Verf. von 1 Joh aus. Denn gerade das ist bezeichnend für die beiden Schriftstücke, daß zuerst vom Liebesgebot die Rede ist und erst danach von der christologischen Irrlehre, obwohl doch - besonders in 2 Joh - das praktische Interesse gerade dieser Irrlehre zugewendet ist. Der Verf. merkt nicht, daß er es dadurch späteren Kritikern leicht macht, auf die Spannung seiner Liebesforderung VV 4-6 mit der unnachgiebig harten Anweisung bezüglich der Irrlehrer VV IOf hinzuweisen. Ein besonderer Anlaß, auf die innere Eintracht der Gemeinde zu dringen, wird nicht erkennbar; den Eindruck, daß der "Alte" die Gelegenheit benutzt, um verschiedene Mahnungen
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2 Joh 1
anzubringen, macht der kurze Brief auch nicht. Die Ermunterung zur Bruderliebe fließt als sein beständiges Herzensanliegen ein und ist nur der erste Schritt, um seine Leser gegen die augenblickliche Bedrohung zu schützen. So stützt die im Aufbau erkennbare Eigenart des Verf. die auch aus anderen Erwägungen (Sprache, Gedankenwelt, bekämpfte Irrlehre) gesicherte nahe Verwandtschaft von 1 und 2 Joh (vg!. Ein!.). DAS PRÄSKRIPT (2 JOH 1-3)
1 Der "Alle" (Presbyler) an die (von GoU) erwählle Herrin und ihre Kinder, die ich aufrichlig liebe - und nichl nur ich, sondern auch alle, die die Wahrheil erkannl haben - 2 wegen der Wahrheil, die in uns bleibt; ja, sie wird bei uns sein in Ewigkeil. 3 Bei uns wird sein Gnade, Erbarmen (und) Friede von GoU dem Valer und von Jesus Christus, dem Sohn des Valers, in Wahrheit und Liebe. Das Präskript dieses echten Briefes (vg!. Ein!.) verrät bei aller Angleichung an die übliche christliche Briefform joh. Eigenart. Dafür bürgen die spezifischen Ausdrücke &yot1tOCV (V 1) bzw. &Y!X1t7j (V 3) und &.A~.&e:LIX (3mal). Schon bei den paulinischen Briefen zeigen sich gegenüber dem antiken hellenistischen Briefpräskript, bei dem nur kurz und bündig Absender (Superscriptio) und Empfänger (Adscriptio) genannt und Wünsche des Wohlergehens (Salutatio) ausgesprochen werden, eine beachtliche Erweiterung und christliche Umformung ' . Der Autor von 2 Joh hat sich dieser christlichen Sitte angeschlossen und zugleich gegenüber Paulus seinen eigenen Stil gebildet. Während Paulus bei der Intitulatio auf sein Apostelamt Wert legt, gibt sich unser Verf. das Ehrenprädikat "der Alte" (6 1tpe:O'ßu't'e:pOC;;). Der Singular wird - im Unterschied zum Plural- kaum als Amtsbezeichnung gebraucht; denn für die Institution des Presbyteriums ist der kollegiale Charakter wesentIich". Der Komparativ wird - wie bei anderen vielgebrauchten Adjektiven - nicht mehr als Steigerungsform empfunden·. Der Artikel führt ihn als eine bekannte und
1 Vgl. O. ROLLER, Das Formular der pln. Briefe 57lT u. Anm. 263lT (S. 445lT). " Es ist sicher nicht zufällig, daß nirgends 0 1'CpeO'ßuTEpo~ als Bezeichnung eines einzelnen Mitgliedes eines Presbyteriums begegnet; nur I Petr 5, 1 steht ;, O'U!L1'CpeO'ßuTEpo~. Zudem ist das 1'CpeO'ßuTtp~OV mehr eine patriarchalische Einrichtung als eine Beamtenkörperschaft. Im Unterschied dazu entwickelt sich der Episkopat olTenbar schneller zu einem Leitungsamt, vgl. 1 Tim 3,2; Tit 1,7. Im übrigen waren die Presbyterverbände nach Herkunft (Judentum, Hellenismus), Aufgabenbereich (politische Körperschaften, Vereine, religiöse Einrichtungen), Zusammensetzung (Ehrenprinzip, z. T. Altersprinzip) sehr unterschiedlich. Vgl. A. DEISSMANN, Bibelstudien (Marburg 1895) 153lT; Neue Bibelstudien (Marburg 1897) 60lT; M. L. STRACK in: ZntW 4 (1903) 213-234; H. HAUSCHILDT ebd. 235--242; M. DIBELIUS - H. CONZELMANN, Exk. zu 1 Tim 5,17 (Handbuch XIII, '1955, 60f); A. WIKENHAUSER, Die Kirche als der mystische Leib Christi 821; G. BORNKAMM in: ThWb 6, S. 653f. • Vgl. BLAss-DEBR § 244,2; RADERMACHER 69f; MOULTON-THUMB 121 Anm.2; MAYSER I, I, 49lT.
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2 Joh 1 unverwechselbare Persönlichkeit an, die es nicht nötig hat, ihren Namen zu nennen. Faßt man 0 1tpeaßu't'epo<; als Autoritäts- und Ehrenbezeichnung auf, dann braucht darin kein nachdrücklicher Hinweis auf das Lebensalter zu liegen, obwohl ein höheres Alter des Verf. nach seiner väterlichen Schreibweise wahrscheinlich ist'. Wollte sich der Verf. als Amtsperson einführen, dann dürfte er wegen seiner Kollegen den Namen nicht weglassen s. Daß aber der Name in den Handschriften schon zeitig (absichtlich?) weggelassen wurde·, ist eine unbegründete Auskunft; sie ist um so weniger berechtigt, als auch 1 J oh ähnliche substantivierte Adjektive kennt, die jeweils auf eine hervorragende, bekannte Person in prägnanter Weise hindeuten '. über die weiteren sich daraus ergebenden Fragen für die Autorschaft siehe die Einleitung.
Die Adressatin ist keine Einzelpersönlichkeit mit dem Namen 'EXAe:X't'ij oder KUpLOC. Gegen die erste Annahme" spricht der Schlußgruß, den "die Kinder deiner erwählten Schwester" anfügen (V 13). Die Christen bezeichneten sich mit Vorliebe als "Auserwählte" 8; in 1 Petr 5, 13 heißt die grüßende Gemeinde ~ sV BOCßUAWVL auve:xAe:x't'ij, und· Ignatius von Ant. gibt der Gemeinde in Tralles die ehrenden Attribute "erwählt und gotteswürdig" (Trall. inscr.). Im zweiten Fall erwartete man Voranstellung des Namens wie in den Briefinskriptionen von 1 u. 2 Tim, Tit, Phm, 3 Joh und den Artikel vor dem attributiven ExAe:X't'ij wie Röm 16, 13 u. ö. '. Daß die Gemeinde mit einer Mutter von vielen Kindern (vgl. V 4) verglichen wird, ist ein Zeugnis für die Eigenbedeutung, die die Urkirche der Einzelgemeinde gab, ohne sie aus dem Gesamt~erband der "Kirche Gottes" herauszulösen 8. "Herrin" ist auch als ehrenvolle Bezeichnung für eine politische Gemeinde nachgewiesen (XUpLOC 7tOC't'PL';) und scheint aus dem profanen Bereich in den kirchlichen übergegangen zu sein·. Auch in den außerchristlichen Presbytergremien war 1tp. nicht immer Alters-, sondern vielfach nur Ehrenbezeichnung; vgl. HAUSCHILDT in: ZntW 4 (1903) 239. Das hohe Alter des 1tpeaßuTepo<; 2 u. 3 Joh 1 betont zu stark H. H. WENDT, Johannesbriefe 7f. • Zu der Hypothese von E. KÄSEMANN s. Einl. S. 2991. • So Ed. SCHWARTZ, über den Tod d. Söhne Zebedaei 52f; Ed. MEYER, Urspr. u. Anf. III, 638; dagegen u. a. auch JÜLICHER-FASCHER, Einl. 237. • Vgl. 0 &yto<; 1 Joh 2,20; 0 &A'I)~tv6<; 5,20; o1toVl)p6<; 2, 13. 14; 5,18; 0 IX1t' IXPXij<; 2, 13. 14. - BLAss-DEBR § 263. • Schon CLEMENS VON ALEx., Adumbr. (GCS III, 215); m der neueren Zeit ESTIUS, CORNELIUS A LAPIDE, POGGEL und bes. R. HARRIS in: Exp VI, 3 (1901) 194-203. • Röm 16,13; 2 Tim 2, 10;1 Petr 1, 1; Apk 17,14; 1 Clem 6, 1; Herm (v) 11,4,2; exAeKToL ~eoü Röm 8, 33; Kol 3, 12; Tit 1,1; 1 Clem 1,1; 2,4; 46,3 u. ö.; 2 Clern 14,5; Herm (v) 1,3,4 u. ö. - Nach HARNAcK, Miss. u. Ausbr. 415, kam die Bezeichnung "Erwählte" (später) nahe an eine technische heran. 7 Vgl. BLASS-DEBR § 270. • V gl. die Bezeichnung der Einzelgemeinde als -IJ bcKA'I)a(at TOÜ ~oü in den Briefzuschriften 1 u. 2 Thess, 1 u. 2 Kor, Gal; dazu A. WIKENHAUSER, Die Kirche als der mystische Leib Christi 5f; K. L. SCHMIDT in: ThWb 3, S. 508, 29ft; R. SCHNACKENBURG, Episkopos und Hirtenamt, in: Festgabe f. Kard. Faulhaber (Regensburg 19(9) 84ft. • Siehe die Inschrift in der Georgskirche von Gerasa bei F. J. DÖLGER, Antike u. Christentum 5 (1936) 214f (ca. 115-116 n. Chr.). Für den kirchlichen Bereich vgl. TERTULLIAN, Ad mart. 1: "domina mater ecclesia"; DÖLGER, a. a. O. 216, weist nach, daß sich dies auf die Einzelkirche von Karthago bezieht. 1
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2 Joh 2
Ursprünglich zeugt der Glaubensverkündiger selbst "Kinder im Herrn" \ aber wir befinden uns schon in einer Zeit, da ein beträchtlicher Teil des Glaubensnachwuchses aus dem Schoß und dem missionarischen Wirken der Gemeinden selbst hervorgeht. Die Bezeichnung der Gläubigen als Kinder einer Gemeinde kennt auch Hermas in seinen Visionen (BI, 9, 1. 9). Das Bild findet sich schon im jüdischen Schrifttum für die Stadt Jerusalem und ihre Kinder". In Apk 2, 26 werden auch die Anhänger der Irrlehre bildlich "Kinder" der Hure genannt. Daß der "Alte" selbst in der Gemeinde keine Missionsfrucht hatte, darf man daraus nicht schließen; ihre Kinder sind auch seine Kinder (vgl. 3 Joh 4). Diese Kinder, also die Gläubigen der Gemeinde, liebt der Verf. "in Wahrheit", d. h. in Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit. Die artikellose Wendung heißt in dieser Verbindung nicht "auf Grund desselben Wahrheitsbesitzes" oder "inder göttlichen Wesensart der ~ &A~&e:Lot", sondern hält sich an den atl. Wahrheitsbegriff 3 und ist schon formelhaft geworden, fast gleichbedeutend mit &A1)&&<; (vgJ. Joh 17, 19 - Joh 1,47; 7,26; 8,31; 17,8) oder bt' &A1)&dot<; (Mk 12,32; Lk 4,25; 20,21; 22,59; Apg 4,27; 10,34) '. Wenn man in diese Wendung mehr hineinlegt (wie die meisten Exegeten), dann wird die ausdrückliche Begründung V 2 überflüssig. , AA~&ELot gehört zu den joh. Lieblingsworten, die je nach dem Zusammenhang eine recht unterschiedliche Bedeutung gewinnen können. Das zeigt sich sofort in der Versicherung V 1 b, daß diese brüderliche Zuneigung zu den Gemeindemitgliedern von allen geteilt wird, die "die Wahrheit erkannt haben"; denn hier ist ~ &A~&ELot die göttliche Offenbarung, die Jesus, das Licht der Welt, gebracht hat. Jesus "redet" die Wahrheit, nicht etwa bloß formell im Gegensatz zum Lügen, sondern inhaltlich, d. h., er kündet das, was er von Gott gehört hat (Joh 8,40; vgl. 45; 3, 11. 32; 7, 16; 8,26), in seiner ganzen Fülle (3,34). Der "Geist der Wahrheit" wird dieses Werk des "Hineinführens in die gesamte Wahrheit" fortsetzen (16, 13). Die Christusgläubigen, denen Gott das Pneuma verliehen hat (1 Joh 3, 24; 4, 13; vgl. 2, 20f. 27), sind zur volien und bleibenden Erkenntnis (eyvwx6'"t"E<; Perfekt) der göttlichen Offenbarung gelangt. Dieses tiefe "Erkennen" der durch. Jesus gebrachten und in seiner Person verkörperten (Joh 14,6) göttlichen Wahrheit, für die die ungläubige Welt kein Organ besitzt (Joh 8, 43. 45; 14,17), ist das Ziel des Glaubens (Joh 6, 69; 8,31 f; 1 Joh 4, 16a). 2
Versteht man die joh. "Wahrheitserkenntnis" (= Offenbarungs-
1 VgI. I Kor 4, 14. 17; 2 Kor 6, 13; Gal 4, 19; Phm 10; 1 u. 2 Tim 1, 2; Tit 1, 4; vgI. I Thess 2, 11; 3 Joh 4. 2 Is 54; Bar 4, 9 - 5,9; dazu GIBBINS in: Exp VI, 6 (1902) 22811, näherhin 232. 3 VgI. 1 Sm 12,24; Ps 145,18; Mk 12,14 par; 1 Kor 5,8; 2 Kor 7,14; Eph 5,9; 6,14; Phi! 1,18; 1 Joh 3,18; 3 Joh 1; Polyk 4,2; dazu BULTMANN in: ThWb 1, S. 243, 31 fT; ferner DODD, The Bible and the Greeks 68f. • VgI. zu den formelhaften Wendungen BULTMANN (vor. Anm.); MAYSER II, 2, 3511.
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2 Joh 3
aufnahme) auf dem Boden des joh. Denkens, nach dem nur Menschen von besonderer Empfänglichkeit die Stimme Jesu hören (Joh 8,47; 10,27; 18,37), so ist der Schritt zu dem spezifisch joh. Begriff der &.A~&e;~cx (s. zu 1 Joh 1,8) kein großer mehr. Diesen Schritt vollziehen wir - ähnlich wie in 1 J oh 2, 21 a bund c - in V 2. Das Liebesband schlingt sich um den Verf., die Adressaten und alle Christusgläubigen "wegen der &.A~&e;~cx, die in uns bleibt". Hier ist die &.A~&e;~cx die göttliche Wirklichkeit, die dauernd in uns ist (vgl. 1 Joh 1,8; 2,4), genauso wie die ~w~ (vgl. 1 Joh 3,15) und der "Geist der Wahrheit" selbst (Joh 14, 17b). Mit dem geisterfüllten Wort ist Gottes Wesen selbst in uns eingeströmt. Gottes "Wort" und Gottes. "Leben" gehören innerlich zusammen; deswegen gebraucht Joh gern Doppelwendungen wie xocp~C; )(CXL &.A~&E~CX 1, 14. 17; 7t\le;üfLcx )(CXL &.A~ &e;~cx 4, 23f, ~ &.A~&e;~cx )(CXL ~ ~w~ 14,6. In diesem umfassenden Sinn steht ~ &.A~&e;~cx in V 2, wie besonders die Weiterführung in 2b zeigt. Sofern &.A~&e;~cx die geoffenbarte Wahrheit ist, die sich im Lehrsatz und Bekenntnis aussprechen läßt, ist es Sache der Glaubenden, "in ihr zu verbleiben" (vgl. V 9); sofern sie aber den Menschen mit Gottes Wesenheit und Leben erfüllt, kann von ihr gesagt werden, daß sie "in uns bleibt". Die Erweiterung V 2b ist - ähnlich wie in 1 Joh 3, 1 - als ein selbständiges Sätzchen gebildet. Wie alles, was zum göttlichen Bereich gehört, bleibt die Wahrheit "in Ewigkeit" (vgl. dieselbe Aussage vom Parakleten Joh 14, 16; ferner 6,51; 8,35; 11,26; 1 Joh 2, 17)1. Die soziative Präposition fLe;'t'oc läßt die "Wahrheit" fast personifiziert erscheinen. Doch darf man diese Behauptung - auch mit Rücksicht auf 1 J oh 4, 17 a - nicht überspitzen (gegen Büchsei); der Wechsel mit t:\I dient der Variation (vgl. Joh 14, 16f). 3 Von den eben niedergeschriebenen Worten angeregt, fährt der Verf. mit ~cr't'cx~ fLe;&' ~fLw\l' fort und spricht nun den Segenswunsch, die Salutatio, am Briefeingang aus. Denn dies soll V 3, nach den Segensgütern xocp~C;, ~Ae;oc;, e;lP~\I'Il zu schließen,· unverkennbar sein, wenn auch auf diese Weise kein Wunsch, sondern 'eine wohlbewußte, zuversichtliche Aussage entstehta. Das Ganze ist ein schönes Beispiel dafür, wie die Christen die sonst knappen und stereotypen Briefeingänge auf Grund 1 Et~ "0\1 oc!W\lOC, in J oh 12mal, ist echt joh.; es geht auf semitische Grundlage zurück; vgI. aber auch die hellen. Inschriften bei E. PETERSON, Er~ &&6~ (Göttingen 1926) 1681T. • Die LA f.Le&' Uf.LWII 048 K pm. Vg syh bo arm beruht auf Reflexion und Angleichung· an die Grußformeln in der 2. Pers. - ~a't'oc, f.Le&' -IJf.LWII om. A aI. 3 Daß das Futur als Wunsch empfunden werde, ist nicht so sicher, wie die meisten Exegeten annehmen; denn das Futur statt des Imperativs ist "Gesetzessprache des AT" (BLASS-DEBR § 362) bzw. energisches Kommando, das keinen Widerspruch erwartet (MOULTON-THUMB 278); für den Wunsch steht der Optativ oder 6'1'&).011 m. Ind. Fut. (BLASS-DEBR § 384; MOULTON-THUMB 309 u. 317f), vulgär auch der Konjunktiv (RADERMAcHER 166; BLAss-DEBR § 364, 3). Vergleichen läßt sich die negative Form mit 06 f.L~ und Ind. Fut., die sowohl Versicherung wie Wunsch sein kann (BLASS-DEBR § 365; MOULTON-THUMB 300f).
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2 Joh 3
ihres lebendigen Glaubensbewußtseins frei gestalten. Statt des profanen Grußes :x:or.(pE~V wünscht der Verf., wie stets auch Paulus, :x:cip~~, eine Sitte, die offenbar früh gemeinchristlich wurde. Statt der üblichen paulinischen Doppelformel :x:cip~~ xor.t Etp~v'1j gebraucht unser Autor die dreigliedrige Formel :x:cip~~, ~Ae:O~, Etp~V'1j, wie wir sie noch in 1 und 2 Tim finden. Vielleicht ist dies - vgl. ApkBarsyr 78, 2 - Kombination mit dem (jüdischen) Gruß ~o~ xor.t Etp~V'1j (GaI6, 16; Jud 2; Polyk incsr.)1. Inhaltlich bringt der Segenswunsch stark die Gnadenhaftigkeit der christlichen Heilsgüter zum Ausdruck, und dies wird durch "/tor.pd: &EOÜ "/tor."rp6~ verstärkt. Von Gott kommt alles Gute (vgl. Jak 1,17). Während :x:cip~c; im NT öfter alle Heilsgnaden zusammenfaßt', ist ~Ae:O~ mehr die gnädige Gesinnung Gottes, die uns unverdient das Heil schenkt (vgl. Eph 2,4; Tit 3,5; 1 Petr 1,3). Die Verbindung von :x:ciPL~ mit ~Ae:O~ kommt auch Weish 3,9; 4,15 vor. Etp~v'1j hat im christlichen Bereich stärkeren Klang als der jüdische Gruß angenommen, da der Friede als messianisches Heilsgut (Is 52,7) verstanden wird. Durch die Hinzufügung von "/tor.pd: 'I'1jO"Oü XPLO""t"OÜ X"rA. wird die besondere "joh." Nuance hörbar: Friede, den Christus von Gott gebracht hat als etwas, was die "Welt" nicht kennt (Joh 14,27; 16,33). Der Verf. gebraucht für 'I. Xp. nicht das paulinische "rOü xup(ou ~!L(j)v, sondern das joh. "rOÜ uloü "rOü "/tor."rp6~, das die Sendung des Gottessohnes in die Welt als des Trägers und überbringers der göttlichen Heilsgaben andeutet. überflüssig wirkt der Zusatz ~v &A'1j&E(qc xor.t &.yci7t7l; denn diese Doppelwendung kann sich schwerlich auf den segenspendenden Gott beziehen'. Wahrscheinlich soll damit die Auswirkung des göttlichen Segens bei den Christen angedeutet werden'. Der Verf. gebraucht diese Wendung als überleitung. Er hat noch die Worte über die Wahrheit (VV lf) im Ohr und fügt "Liebe" hinzu, weil er anschließend darüber sprechen ~ill (VV 4-6). Eine Disposition seines Billets will er damit nicht geben (gegen Chaine und Ambroggi). vgl. L. BRVN, Segen und Fluch im Urchristentum (Oslo 1932) 38. Vgl. Joh 1, 16 und besonders bei Paulus ROm 5,15. 17.20; 1 Kor 1,4; 2 Kor 4,15; 6,1; 8,1; 9,8; Eph 4,7.29; dazu J. WOBBB, Der Charis-Gedanke bei Paulus (NtA XIlI,3) (Münster 1932) 4011; P. ROVSSBLOT, La grAce d'apres S. Jean et d'apres S. Paul, in: RechScR 18 (1928) 87-108; BVLTMANN, Joh.49 Anm. 3 u. 52 Anm.l; DODD, The Bible and the Greeks 6111. I BÜCHSBL verbindet die Wendung mit "rOü u!oü "rOü Tl:1X"rp6~ unter Hinweis auf Joh 1, 14. 17. Das wäre nicht nur schwerfällig, sondern auch eine singuläre Aussage über das Sohnesverhältnis. , Das unscharfe 4v ist wohl modal aufzufassen; vgl. BLAss-DBBR § 219, 4. 1 I
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2 Job 4 ERSTER ABSCHNITT:
DER ECHTE CHRISTLICHE WANDEL ERWEIST SICH IN DER BEFOLGUNG DER GEBOTE GOTTES (2 Joh 4-6)
4 Eine große Freude hatte ich, daß ich unter deinen Kindern (solche) antraf, die in (der) Wahrheit wandeln, nach der Weisung, die wir vom Vater empfingen. 5 So bitte ich dich denn, Herrin, nicht als wollte ich dir ein neues Gebot schreiben, vielmehr nur das, was wir von Anfang an haben: Wir sollen einander lieben! 6 Und darin besteht die Liebe, daß wir wandeln nach seinen Geboten; das verlangt das Gebot, wie ihr es von Anfang an gehört habt, daß ihr in ihr (der Liebe) wandeln sollt. 4 Die übliche captatio benevolentiae (vgl. 3 Joh 3) ist nicht wie bei Paulus als Dank an Gott, sondern persönlich formuliert. Der Verf. hatte die Freude 1, einige Mitglieder der Gemeinde als solche anzutreffen', die ein echt christliches Leben führen. Das zeigt sich in ihrem Wandel (vgl. 1 Joh 1,6.7; 2,6.11), der die Gebote Gottes in die Tat umsetzt. 'Ev eXAl)&dqt wird hier - anders als in V 1 und in 3 Joh 1 - den echten christlichen Wandel, das der Wesensart der Gotteskinder entsprechende Verhalten kennzeichnen S. Gerade in Verbindung mit dem Bild vom Weg und Wandeln konnte der Verf. leicht zu einer solchen Ausdrucksweise kommen; denn schon in 3 Kg 2,4; 4 Kg 20,3 LXX ist vom "Gehen" bzw. "Wandeln" EVeXAl)&dqt die Rede, freilich noch ganz im atl. Sinn: "in Treue". In den Qumranschriften, die den Begriff eXA~&E~1X (l1tlM) ausgiebig verwenden, stoßen wir auf vergleichbare Wendungen 4. Das' anschließende xlX&w~-Sätzchen erläutert dann, wieso der Wandel dieser Gemeindemitglieder als "Wandel in der Wahrheit" bezeichnet werden Der Aorist EX&p1JV ist wahrscheinlich ingressiv. • EÖP1Jx(X kann konkret bedeuten, daß der Verf. solche Gemeindemitglieder getroffen hat, vielleicht bei einem Besuch in der Gemeinde (vgl. V 12) oder umgekehrt bei einem Besuch, den sie ihm abstatteten (vgl. 3 Joh 3). Dann brauchte die Begrenzung (EX 'rWV ttXVIUV aou) nur den Sinn zu haben, daß er einen Teil der Gemeinde als vorbildlich kennt. Aber die Konstruktion mit einem anschließenden Partizip, ferner das Perfekt, das eine gefestigte Erfahrung ausdrückt, legen die übertragene Bedeutung näher: Ich habe sie als solche erfunden, vgl. BLAss-DEBR § 416, 2; BAuERWb 643 s. v. 1 c u. 2. Dann muß man wohl doch eine Spitze gegen andere Gemeindemitglieder heraushören, denen der Verf. ein so günstiges Zeugnis nicht ausstellen kann. S Vgl. BAuERWb 71 oben s. v. 2b. In der 1. Aull. wurde unter Hinweis auf die artikellose Konstruktion, die für eine formelhafte Wendung spricht (vgl. BLAss-DEBR § 255); die Auffassung vertreten, daß €v ,xA1J.&dqc hier soviel wie "in Wirklichkeit" (= ,xA1J.&W<;) bedeute. • Vgl. 1 QS V, 25; VII, 18 (abtrünnig sein von der Wahrheit); VIII, 5 (feststehen in der Wahrheit); 1 QSb 111,24 (aufrichten in Wahrheit [... ) und in Gerechtigkeit alle seine Gesetze beobachten); 1 QH XVI, 7 (in Wahrheit und mit ganzem Herzen). An allen diesen Stellen steht I1tlM:!.
. 1
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2 Joh 5-6
kann: Sie halten sich an die Weisung des Vaters. Der echte Christ empfängt für seinen Wandel wie Jesus selbst Weisung vom "Vater" (vgl. Joh 10, 18; 12,49; 14,31; 15, 10); aber nicht an innere Einsprechungen ist gedacht, sondern an die äußerlich erteilten Gebote (~V't'OA~V generisch). Darauf weisen der Aorist ~Mßo!Uv und der Vergleich mit V 6 (xoc't'a 't'a<; ~V't'oM<; oco't'oü). Der Inhalt des Gottesauftrags ist möglichst weit zu fassen, etwa im Sinne von 1 Joh 3,23. Der ganze Vers stellt jenen Christen das Zeugnis aus, daß sie das erfüllen, was 1 J oh 1, 7; 2, 3 ff. aber auch 2, 24. 27 fordern. 5 Ein gleich vorbildliches Christentum mögen in der Gemeinde nicht alle (vgl. V 4 ~x 't'wv 't'txvwv aou) verwirklichen. Geschickt anschließend (xoct vüv wie 1 Joh 2, 28 = nun also), bittet er daher die ganze Gemeinde, die er wieder als "Herrin" apostrophiert, "einander zu lieben" (der (vocSatz ist von ~pw't'w abhängig). Die VV 5f sind typisch für die joh. Diktion und Gedankenführung. Äußerlich reiht der Verf. die Sätze durch Anknüpfung an einzelne Begriffe aneinander 1 ; innerlich kreist er um einen einzigen Gedanken, nämlich das Liebesgebot. Mit ähnlichen Worten wie 1 Joh 2, 7 beschreibt er es als ein solches, das sie "von Anfang an", d. h. vom Anfang der christlichen Verkündigung an, besitzen (zum Imperf. vgl. 1 Joh 2, 7). Er schließt sich hier selbst mit ein, weil auch er es (von Christus) empfing. Die Betonung der alten überlieferung ist eine Spitze gegen die Neuerungssucht der Irrlehrer (V 9). Wahrscheinlich ist die Liebesaufforderung absichtlich so formuliert, daß die Gemeindemitglieder nicht nur die Mahnung zum brüderlichen Verhalten untereinander, sondern auch zur warmherzigen Verbundenheit mit "dem "Alten" heraushören müssen. Es ist möglich, daß dieser auch hier wie in 3 Joh mit Schwierigkeiten in der Gemeinde zu kämpfen hat. 6 Dieser Vers knüpft rein äußerlich (ad vocem &.YOC7tWILe:v) an die letzten Worte an und wird darum weder speziell die Gottesliebe (wie 1 Joh 5, 3)" noch die Bruderliebe meinen, die durch &'YOC7tWILe:v &.AA~AOU<; gefordert scheinta. Der Verf. spricht - ähnlich wie 1 Joh 4, 7ff - grundsätzlich und allgemein über das Wesen der Liebe, das für ihn nicht in leeren Beteuerungen (1 Joh 3, 18), aber auch nicht in schwärmerischer "Erkenntnis" Gottes (1 Joh 2, 3ff; 4, 7f) besteht, sondern in Tat und Bewährung. Der "Wandel nach den Geboten Gottes" ist dem Verf. Ausdruck für diese Haltung. Er verbindet heide Begriffe eng miteinander und erläutert sie so gegenseitig. Der echte "Wandel" besteht im Gehorsam gegen die Gebote (XOC't'IX 't'IX<; ~V't'OA&<;, vgl. V 4). Das "Gebot" aber verlangt die 1 Vgl. EvTO'ATjV V 4 und V 5; d;yot:n:w!LE'J V 5 - d;yd;:n:lJ V 6a; T.x~ EvTOM~ V 6a 7j MO'Aij V 6b. • So CAMERLYNCK, VREDE, BONsIRvEN, CHAINE. • So BROOKE, WINDISCH, BücHsEL (der eine Brücke zu VV 11 f SChlägt, schwerlich zu Recht).
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2 Joh 7
Erfüllung im "Wandel" (tvlX EV IXOT'ij 7te:pt7tIXTIjTe:). So wird V 6b verständlich: A1.I't"YJ weist auf den tVIX-Satz, der aber vornehmlich nicht den Inhalt der EVTOA~ angeben soll, sondern den Nachdruck auf 7te:pt7tIXTIjTe: legt (vgl. die Stellung am Ende). 'Ev IXOTn kann man dann, ohne V 6b als spielerische Umkehrung von V 6a zu verstehen, auf &:y&:7tlj beziehen l . Ob das tVIX vor XIX&W~ ursprünglich ist 2 , bleibt für diese Akzentuierung unwesentlich. Auf jeden Fall will der Verf. die Bewährung der Liebe in der Tat hervorheben. "Wandeln, wie wir Weisung vom Vater haben" (V 4), "nach den Geboten Gottes wandeln" (V 6a) und "in der Liebe wandeln" (V 6b) verleihen diesem einen Gedanken variierend Ausdruck.
ZWEITER ABSCHNITT:
DIE BRIEFEMPFÄNGER SOLLEN SICH VOR DEN ANSCHAUUNGEN DER IRRLEHRER HÜTEN (2 Joh 7-9)
7 Denn viele Verführer sind in die Welt ausgegangen, die nicht Jesus Christus als im Fleische kommend bekennen; das ist der" Verführer" und der "Antichrist". 8 Habt acht auf euch, damit ihr nicht verliert, was ihr euch erworben habt, sondern vollen Lohn erhaltet! 9 Jeder, der weitergeht und nicht in der Lehre Christi bleibt, hat Gott nicht; wer in der Lehre bleibt, der hat sowohl den Vater als auch den Sohn. 7 Mit dem begründenden liTt verrät der Verf., daß er auch vorher schon die Irrlehrer im Auge hatte. Jetzt kommt er ausdrücklich auf sie zu sprechen und kennzeichnet sie als solche, die das Christus bekenntnis der rechtgläubigen Gemeinde leugnen. Er nennt sie hier zunächst allgemein "Verführer" 8 und sagt von ihnen - ähnlich wie von den "Pseudopropheten" 1 Joh 4,1 - , daß sie "in die Welt ausgezogen sind" (s. zu 1 Joh 4, 1)'. Sie sind zahlreich (7tOAAO() und entfalten überall (x60'!J.oc;) eine rührige Propaganda (E~'ijA&OV). Das Erkennungs- und Unterscheidungszeichen besteht fast in derselben Bekenntnisformel wie 1 Joh 4, 2 (s. dort). Auffällig ist nur das Part. Präs. im Unterschied zu dem Part. Perf. 1 J oh 4, 2. Auf
So auch CALMES, CAMERLYNCK, BELSER, VREOE, BONSIRVEN, CHAINE, Dooo u. a.; auf EVTO),~ beziehen' es BROOKE, BOCHSEL, AMBROGGI, vgl. WINOISCH. Zum Stil vgl. Joh 13,34, wo der zweite tv<x-Satz wohl den ersten aufgreift und, durch den x<x&
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2 Joh 7 keinen Fall kann der Parusiechristus gemeint sein; denn dieser kommt nach allgemein urchristlicher Sprachweise nicht Ev crC
Der übergang zum Singular zeigt vielleicht an, daß oih'oc; das Prädikat ist; gedeutet wird dann b 7tMvoC; und b &.v·rlXptO"'l"OC;. Falls aber die letzten beiden Ausdrücke Prädikat sein sollen, dann verrät der Artikel 8 , daß es sich um eine oder zwei bekannte Figuren der Endzeit handelt. Den für die letzte Zeit vor der Parusie erwarteten Antichrist sieht der "Alte" wie 1 Joh 2,18; 4,3 (s. zu ds. St.) in diesen Christusleugnern gekommen. Der "Verführer" könnte unter anderem Namen dieselbe Gestalt sein; er wäre dann zuerst b 7tA!iVOC; genannt wegen der Bezeichnung der Häretiker als 7tOAAOl 7tA!iVOt am Anfang des Verses und danach als "Antichrist" verdeutlicht - die wahrscheinliche Erklärung. An zwei eschatologische Figuren zu denken, liegt kein Grund vor. Die Tätigkeit des :z;weiten Tieres (vom Lande) in Apk 13, 11 ff würde an sich zu dem 7tMvoC; passen (vgl. 7tAOCV~ V 14); indessen verführt es nicht durch falsche Lehre, sondern durch zauberische Wunderzeichen. Die "Antichriste" in 1 Joh 2, 18ff werden am Ende auch als "Verführende" (7tAOCVWV'l"EC; V 26) bezeichnet. Als sichere Tradition für die Endzeit kennt der Verf. wahrscheinlich nur den Antichrist (2, 18; 4, 3), den er auf seine zeitgenössischen Irrlehrer deutet<. Die Worte bekommen jetzt wieder eschatologisches Gewicht. 1 Vgl. 1 Kor 15,43; Phi! 3,21; Kol 3,4; 1 Tim 3, 16; Tit 2, 13; Hebr 2,9; 1 Petr 4, 13. - Auf Barn 6, 9 darf man sich nicht berufen, da es sich hier wie schon 6, 7 um die prophetische Vorausschau auf den vom christlichen Standpunkt aus schon gekommenen Jesus handelt. • Joh 1,15.27; 3,31; 6,14; 11,27; vgl. auch 1,9 (dazu 12,46). Mögen diese Stellen z. T. mit der messianischen Erwartung eines bestimmten "Kommenden" (Artikell) zusammenhängen, die auch die Syn bezeugen (Mt 11,3; vgl. Mk 11,9 par), so läßt namentlich 3, 31 ein besonderes joh. Verständnis des "Kommens" Jesu heraushören. Wie in Joh 3, 31 das "Kommen von oben", so ist in 2 Joh 7 das "Kommen im Fleisch" eine für immer bedeutsame Aussage (beidemal Präsens). Vgl. noch W. STAERK, Soter 11, 89f; J. SCHNEIDER in: ThWb 2, S. 668f; 671. • BLAss-DEBR § 273. • CHAINE: "Wie in 1 Joh 2, 18. 19 spiritualisiert (spiritualise) St. Johannes den umlaufenden Begriff des eschatologischen Widersachers und zeigt in den zeitgenössischen Tatsachen" die Verwirklichung des gefürchteten Ereignisses." AMBROGGI begreift (allgemein) den Antichrist als "Kollektivgegner Christi".
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2 Joh 8-9
8 Auch ßAt7te:Te: to(UTOU~ ist hier eine eschatologische Mahnung ' . Der Hinweis auf den vollen L.ohn (am Ende), der an jüdisches Denken erinnert, überrascht etwas, zumal V 9 wieder echt joh. auf die gegenwärtige Gottesgemeinschaft hinblickt. Die eschatologische Blickrichtung mag diese Motivation veranlaßt haben. Das Bild in V 8 ist von angestrengter Handarbeit hergenommen; die Adressaten sollen nicht verlieren, was sie mühsam erarbeitet haben - vgl. die Wendung Tbv !J.IO".&bv &7tOAAUVO(I Mk 9,41 = Mt 10,42. In Joh 6,27-29 wird ~py&.~e:O".&o(l bildlich für den GlaubenswiIIen gebraucht. Daß in 2 Joh 8 ein Bild benutzt wird, zeigt die positive Umkehrung noch deutlicher. "Vollen Lohn erhalten" ist eine gebräuchliche jüdische Wendung', die schon Ruth 2, 12 begegnet. Sachlich ist mit dem, was sich die Adressaten "erworben" haben, sicher die Gemeinschaft mit dem Sohn und dem Vater gemeint (vgl. V 9b), die Gnade und das Glück ihres Heilsbesitzes ; der "volle Lohn" ist dann das ewige Leben, das ihnen verheißen ist (vgl. 1 Joh 2, 25; auch Joh 6, 27). Die Textüberlieferung läßt noch den Zweifel otlen, ob einzelne Verben in der 1. oder 2. Pers. Plur. stehen. Für cX7toAtall't"e und cX7toMßl)'t"&: spricht das Gewicht der Textzeugen 8. Dagegen lesen ~PYQ(aa~Q( B' ft al. syhmg sa codd . An sich müßte dies als die schwierigere Lesart gelten, wenn nicht der Verdacht bestlinde, daß auf diese Weise zeitig der Verl. als Missionar der Gemeinde (vgl. dasselbe Bild bei Paulus 1 Kor 3, 8. 14; 15,10; Gal 4,11; Phil 2, 16) herausgestellt werden sollte. Textkritisch verdient e!pyaalXa&e trotz B' den Vorzug '.
9 Im Unterschied zu den Christen, die sich an das halten, was sie "von Anfang an" gehört haben (VV 5f), gehen die Häretiker weiter (7tPOOCYwv) 5. Sie begnügen sich nicht mit der "Lehre Christi", sondern streben nach höherer Einsicht 8 - das typische Verhalten aller Gnostiker. Worin ihre die "Lehre Christi" noch überbietende Gnosis besteht, erfahren wir freilich nicht. Bei der 8180(x.1J TOÜ XPIO"TOÜ fragt es sich, ob man an einen gen. obj. oder subj. denken soll, an "die Lehre über Christus" oder "die von 1 Formell mit Reflexivpron. = Mk 13,9; vgl. aber auch Mk 13,5 par; inhaltlich erinnert die Mahnung an Apk 3, 11. , Vgl. Targ. Ruth 2,12; Targ. Koh 1,3; 2,10.11; 5,18, "wo aller Lohn eine gebräuchliche Formel ist" (BÜCHSEL z. St.). Direkte Anspielung auf Ruth 2, 12 nimmt an R. HARRIS in: Exp (1901) 194ft. 3 cX7tOAEaCo>!leV u. cX7toMßCo>fLev nur ft 69 aI. 4 Diese LA wird bezeugt von M A Vg sy Ir. Luc. Isid. Dam. Sie wird bevorzugt von TISCHENDORF, v. SODEN, VOGELS, MERK, bes. HARNACK, SABerlin 1923, 97, unter den neueren Kommentatoren von WINDISCH, BÜCHSEL, BONSIRVEN, DODD. Gegen die LA sind WESTCOTT-HoRT, B. WEISS, (E. NESTLE),LAGRANGE, Crit. text. 538, unter den Kommentatoren BROOKE, CHAINE, CHARUE, AMBROGGI. • Das Bild, das in dem an sich mehrdeutigen Wort 7tpoayeLv hier vorliegt, wird durch das damit eng verbundene fLl) !lSvCo>v ev bestimmt (unserem "Fortschritt" verwandt).Die LA 7tIXPIXßIX(VCo>V ft pI sy, Vogels ist entweder Abschwächung ("beiseite treten, abweichen") oder Korrektur im Dienste kirchlicher Autorität ("übertreten" - die rechte Lehre von Christus als Gebotl). • Gut ZORELL, Lex. lU9f s. v. 2a: omnis, qui ultra (limites verae doctrinae christianae ad nescio quam flcticiam sublimiorem perfectionem) procedit.
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2 Joh 10
Christus gegebene Lehre". Denkt man bei der Belehrung an die Verkündiger des wahren Glaubens oder den Heiligen Geist (1 Joh 2,27), dann könnte man Tau Xpt(j'Tau als Gen. obi. verstehen; denn die apostolische oder innerliche Belehrung hat Qhristus und seine Heilsbedeutung zum Inhalt'. Aber theologisch tiefer und dem joh. Denken mehr angepaßt erscheint die Auslegung, daß es die Belehrung Christi selbst ist (Gen. subi.) 2. Im Joh-Ev spricht Jesus von seiner "Lehre" (7, 16) und wird vom Hohenpriester "über seine Lehre" gefragt (18, 19). Tau Xpt(j'Tau statt 'I"1)crau oder 'I"1)crau XptcrTau ist dann Sprache des Glaubens. Wer nicht in den Grenzen dieser Lehre bleibt, "hat Gott nicht" - ein Ausdruck für die Gottesgemeinschaft, den wir bereits aus 1 Joh 2,23 (vgl. 5, 12) kennen (s. dort). Überhaupt ist die Stelle 1 Joh V, 22f mit der unsrigen nah verwandt. Die antithetische Redeweise, die Wert darauf legt, das Negative in positiver Form zu wiederholen, das Hervorheben durch aihac;, das absolute Sprechen von "dem Vater" und "dem Sohn", das Voranstellen des Vaters vor den Sohn (vgl. auch 1 Joh 1,3) obwohl man zunächst das Umgekehrte erwartete, dies alles ist beiden Stellen gemeinsam eigentümlich. Die Ersetzung von "Gott haben" V 9a durch "den Vater und den Sohn haben" V 9b entspringt wieder der joh. Grundkonzeption, daß die Gottesgemeinschaft nur über den Sohn z.u erreichen ist (1 Joh 2,23; 5,12). Zugleich geht daraus hervor, daß die Irrlehre nicht bloß den speziellen Satz V 7 betraf, sondern jenen Umfang und jene· Tragweite besaß, die wir aus 1 Joh kennen.
DRITTER ABSCHNITT:
PRAKTISCHE ANWEISUNG: DIE ADRESSATEN SOLLEN DEN HÄRETIKERN DIE GASTFREUNDSCHAFT VERSAGEN (2 Joh 10-11)
10 Wenn jemand zu euch kommt und diese Lehre nicht vorbringt, so nehmt ihn nicht ins Haus auf 11 und sagt ihm keinen Gruß j denn wer ihm den Gruß entbietet, hat an seinen schlechten Werken Anteil. 10 Wegen der Heilsgefährdung (V 8) der Adressaten gibt der "Alte" nun jene konkrete Anweisung, die der besondere Zweck seines Briefes sein dürfte. Er fürchtet, daß umherwandernde Irrlehrer zu ihnen kommen und arglose Aufnahme finden könnten. Bei e:r TtC; ~PXe:TlXt handelt es WINDISCH denkt an einen festen "Kanon des wahren Glaubens" und verweist auf Eph 4, 31. Auch RENGSTORF, in: ThWb 2, S. 167, 4f, versteht XPLcrTOÜ als gen. obi., aber 8L8OtXf) anders: "herkömmliche und wohlbekannte Art, von Christus zu reden", sicher zu Unrecht. 2 So die meisten neueren Kommentare. Auch nach dem Sprachgebrauch überwiegt der Gen. subi.
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2 Joh 11
sich also nicht um schlichte Reisende, sondern, wie die Fortsetzung zeigt, um Verfechter der "Lüge" (vgl. 2 Kor 11, 4). Ignatius von Ant. weiß auch von solchen umherziehenden falschen Brüdern zu berichten und belegt sie mit den schimpflichsten Namen (IgnEph 7, 1; 8, 1; 9, 1; IgnSm 4, 1; 5, 1; 7,2); er gibt seinen Christen ähnliche scharfe Mahnungen wie der Verf. von 2 Joh (vgl. auch Jud 23). Später mehren sich die Vorsichtsmaßregeln im Verkehr mit reisenden Brüdern; überall hält die alte Kirche an dem strengen Gebot der Scheidung von den Irrlehrern festl. Die Verweigerung der häuslichen Aufnahme erlangt vielfaches Gewicht, wenn man die überaus hohe Schätzung der Gastfreundschaft in der Frühzeit des Christentums bedenkt". Aber die Widersacher des Glaubens sind gefährlichere Feinde als persönliche Gegner; deswegen darf man die Mahnung zur Versöhnlichkeit (Mt 5,23-25) und Feindesliebe (Mt 5,44-48) nicht dagegen ausspielen. Gegenüber denen, die die Botschaft vom Reiche Gottes nicht annehmen, hat Jesus seinen Jüngern geboten, die Gemeinschaft aufzuheben (Mt 10, 14; Lk 10, lOf); wieviel mehr gilt das gegen· über denen, die die christlichen Gemeinden zu zerstören drohen! Wie Paulus dem Vernichter des "Tempels Gottes", d. i. der Gemeinde, die Vernichtung durch Gott ankündigt (1 Kor 3, 17), wie der Verf. des Jud mit urwüchsiger Kraft den ihm begegnenden Irrlehrern entgegentritt, so zeigt auch der "Alte" seine kämpferische Seite aus der Verantwortung fül die christlichen Gemeinden. 11 Nicht einmal den Gruß sollen die Adressaten den Häretikern entbieten. Nach jüdischer Anschauung bedeutet der Gruß mehr als eine Förmlichkeit. Der Friedensgruß ist zugleich ein religiöser Segenswunsch (vgl. Mt 10,13 = Lk 10,6)'; der griechische Gruß (xoc[peLv) ist an sich farblos. Seinen griechischen Lesern gegenüber fühlt sich der Verf. darum verpflichtet, dieses Verbot zu begründen: Man tritt mit dem Begrüßten in Gemeinschaft, hat Anteil' an seinen "bösen Werken", d. h. wird mitverantwortlich für dessen Tun (vgl. 1 Tim 5,22). Der Gruß des Christen Vg!. Did 11 u. 12; IRENÄus, Adv. haer. III, 3, 4; TERTULLIAN, De praescr. ha er. 7,37 (die Häretiker haben kein Recht in der Kirche). - Die Absonderung der Essener und verwandter Gruppen (Gemeinde des Neuen Bundes von Damaskus, Qumrangemeinde) entstammt anderem Geist: dem Reinheitsgedanken, dem Erwählungsstolz, der Esoterik und nur z. T. dem Willen, sich gegen Verderbnis zu schützen. • Vg!. Röm 12,13; I Tim 5,10; Hebr 13, lf; 1 Petr 4,9; 3 Joh '5-8; 1 Clem 1,2; 10,7; 11,1; 12, 1; Herm(m) VIII, 10; (s) VIII, 10,3; IX, 27, 2; ARISTIDES, Apo!. 15; TERTULLIAN, Ad uxores II,4; CYPRIAN, Ep.7; Const. Apost. III,3. - FINDLAY 11-20; G. STÄHLIN in: ThWb 5, S.22-24; H. RUSCHE, Gastfreundschaft in der Verkündigung des NT und ihr Verhältnis zur Mission (Münster i. W. 1958). • Vg!. L. BRUN, Segen und Fluch 109. • Ko~vwve"(v wird mit Gen. und Dat. der Sache konstruiert. Der Dativ steht im NT bei geistlichen Gütern (Röm 15,27), Leiden Christi (1 Petr 4, 13), fremden Sünden (1 Tim 5, 22); vgl. ferner PLATO, Leg. 801 E (eö)(Xi~); EPIKTET, niss. IV, 6, 30 (~py
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2 Joh 12
an den Christus gegner wäre nicht bloß Gutheißung seines bisherigen schändlichen Wandels, sondern auch ein Freibillet für sein weiteres Treiben. Unter den "bösen Werken" 1 sind hier nicht allgemein sittlich schlechte Handlungen (J oh 3, 19) gemeint, sondern insbesondere das gegen Christus gerichtete Wirken als Verbreiter der Lüge. Joh 8, 41 wirft Jesus seinen ungläubigen Gegnern vor, daß sie die "Werke ihres Vaters", nämlich des Teufels, tun, und diese radikale Sicht, die nur Schwarz und Weiß kennt, ist in 1 Joh 3, 8. 10 beibehalten. Der "Alte" scheidet in 2 Joh 11 ebenfalls nicht säuberlich sittliches und religiöses Verhalten; für ihn steht es fest, daß ihre "Werke" böse sind .. Zu diesem Urteil hat er ein Recht, da wir aus 1 Joh wissen, daß die Irrlehre die christologische und die moralische "Lüge" vereinigte. So ist die Grußverweigerung nur konsequent und die praktische Anwendung jener grundsätzlichen, aus dem Glaubensbewußtsein erwachsenden Scheidung von den Irrgeistern, die am schärfsten in 1 Joh 4, 4-6 ausgesprochen ist. Diese konkrete Einzelanweisung darf man aber nicht aus dem geschichtlichen Zusammenhang lösen und unbesehen für ganz anders gelagerte Verhältnisse übernehmen. Von einer Exkommunikation verlautet in diesem Vers nichts (gegen Ambroggi). DER BRIEFABSCHLUSS
BESUCHSABSICHT UND SCHLUSSGRüSSE (2 Joh 12-13)
12 Obwohl ich euch (noch) viel zu schreiben hätte, will ich es (doch) nicht mit Papier und Tinte (tun); vielmehr hoffe ich,zu euch zu kommen und mündlich (mit euch) zu sprechen, damit unsere Freude voll sei. 13 Es grüßen dich die Kinder deiner auserwählten Schwester. 12 Nachdem der Verf. sein Hauptanliegen vorgebracht hat, bricht er den Brief ab. Obwohl er noch vieles zu schreiben hätte', kann er darauf verzichten, weil er einen Besuch in der Gemeinde vorhat 3 • Er tut es um so lieber (E~O\)f..~-!hJv ist wieder Aorist des Briefstils, vgl. zu 1 Joh 2, 14. 21), weil er das Sprechen "von Mund zu Mund'" dem Schreiben mit Papier und Tinte 5 vorzieht. Das braucht nicht anders gemeint zu sein, Beachte die nachdrückliche Hervorhebung ihrer Qualität durch die Nachstellung des Attributs. • Einige Textunsicherheiten: ~)((i) a.* A* 81 323 431 915 1739 statt ~)((i)V ist wohl Hör- oder Schreibfehler; 'YPOCtjJIXt A 93 436 Angleichung an den Aorist €ßO\,)A~&iJV. 3 rEveO'&IXL, wofür P ft pm sa arm &A&Ei:V lesen, ist in der Bedeutung "kommen" reichlich bezeugt, vgl. BAuERWb 317 s. v. 4, c. • Die Wendung entstammt dem AT: Nm 12,8; Jer 39,4; vgl. aber auch ZP 1,39 TO 0'T6fLIX 1tpO~ TO O'T6fLIX • XOCPT'I)~ für Papier (Papyrusblätter; vgl. dagegen 2 Tim 4,13) im NT nur hier; sonst oft, vgl. LIDDELL-SCOTT 1980 S. v. - Zu &ßO\')A~&iJv ist kein eigenes Verbum (BÜCHSEL: YV(i)p(~e:tv), sondern nochmals 'YPOC
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2 Joh 13
als daß er die unmittelbare, mündliche Aussprache dem Schriftwechsel vor:i\ieht. Aber man kann auch vermuten, daß noch einige unangenehme Dinge, die vielleicht das persönliche Verhältnis des Schreibers w eimelnen Gemeindemitgliedern betreffen, wr Sprache kommen sollen. Diese Vermutung liegt dann nahe, wenn man die Aufforderung wr gegenseitigen Liebe V 5 als verbindliches Wort :i\wischen dem "Alten" und den Adressaten ansieht. Der beigefügte Sat:i\: "auf daß unsere 1 Freude voll" sei", entspricht wörtlich 1 J oh 1, 4; ~[LWV wird schriftstellerischer Plural wie 3 Joh 9b (s. dort) sein, mit dem der Verf. nur sich selbst be:i\eichnet. 13 Es folgen die üblichen Schlußgrüße. Der Verf. kehrt nach dem U[LLV von V 12 (und vorher) wieder :i\ur anfänglichen Metapher von der "Herrin" und ihren "Kindern" :i\urück und spricht konsequent auch von den Kindern ihrer "Schwester", also den Gläubigen der Gemeinde, in der er selbst sich befindet. Auch diese erhält wie die Adressaten das christliche Ehrenprädikat "erwählte" (s. zu V 1)3. Einzelne späte Handschriften fügen nach Analogie der paulinischen Briefe (vgl. auch Apk 22, 21) an: ~ X&pL~ [Le:'t'& aOl) bzw. [Le:&' o[Lwv, andere (ft pm sy) &[L~v. Statt ~fLWV N N: sy arm lesen UfLWV AB 33 81 323 1739 al. Vg bo. 'HfLWV braucht keine Angleichung an 1 Joh 1, 4 zu sein (gegen BRooKE); ufLwV ist wahrscheinlich wegen ufLrV und UfLii~ eingedrungen. 2 IIe7tAl)p"'fLEVl) meint hier wohl den Gipfelpunkt der Freude, vgl. BAuERWb 1332 s. v. 3. a Die LA EXXAl)a(lX~ 307 321 fu ist ein Zeugnis für die Deutung auf eine Gemeinde; 465 't"ij~ EV E
+
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AUSLEGUNG ZU 3 JOH
3 Joh ist ein christlicher Brief an eine Einzelperson, an einen gewissen Gajus, der uns sonst nicht weiter bekannt ist. Er hat allen Reiz eines gelegentlichen Schreibens an sich und zeigt uns, in welcher Weise eine christliche Autoritätsperson mit einem befreundeten Laien sprach. Dazu gibt er uns schlaglichtartig Einblick in urchristliche Gemeindeverhältnisse. Diesem Reiz des Ursprünglichen, Nicht-Lehrhaften stehen die Schwierigkeiten und der Nachteil gegenüber, daß wir nicht mehr die genaue Situation rekonstruieren und manche Bemerkung nicht voll verstehen können. Wie in einem echten Privatbrief bespricht der Verf. nacheinander die Angelegenheiten, die ihm am Herzen liegen. Hier sind es drei: die Bitte um gastliche Aufnahme und Betreuung von Wandermissionaren, die in Kürze in der dortigen Gemeinde zu erwarten sind (VV 2-8); die Informierung des Adressaten über einen Brief des "Alten" an die Gemeinde und über das Verhalten des Diotrephes (VV 9 f); die· Empfehlung eines gewissen Demetrius (VV 11 f). Der Brief schließt wieder wie 2 Joh in der Hoffnung auf ein baldiges persönliches Zusammentreffen und mit Grüßen (VV 13-15). Da der Brief an einen im Glauben ("der Wahrheit" V 3) und in der Liebe (V 6) bewährten Christen gerichtet ist, treten die Mahnungen zur Bruderliebe und die Abwehr von Irrlehrern zurück.- Das Hauptinteresse an 3 Joh liegt für uns nicht auf theologischem, sondern auf verfassungsgeschichtlichem Gebiet. Da er uns in das flutende Gemeindeleben, seine erhebenden und seine betrüblichen Erscheinungen hineinblicken und das Wehen des Gottesgeistes wie auch die menschlichen Unzulänglichkeiten und Spannungen erfahren läßt, bietet dieser Brief, der nach Sprache und theologischen Vorstellungen eng mit 1 und 2 Joh zusammengehört, eine erwünschte Ergänzung zu den anderen beiden Johannesbriefen, in denen mehr der Theologe und Vater der Gemeinden spricht. DAS PRÄSKRIPT (3 Joh 1)
1 Der "Alte" an den geliebten Gajus, den ich aufrichtig liebe. 1 Das Präskript zeichnet sich durch eine Kürze wie in keinem anderen ntl. Brief aus. Er steht damit den vielen uns erhaltenen Privatbriefen der griechisch-römischen Zeit näher als jeder andere christliche Briefl. Diese "Zuschrift" (von der Anschrift, die an der Außenseite des 1
Vgl.
o. ROLLER,
Das Formular der pln. Briefe 61 u. Anm. 263 (S. 445-447).
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3 Joh 2
Briefes angebracht war, zu unterscheiden ' ) nennt nur den Absender und Empfänger; merkwürdigerweise fehlt ein Segensgruß (salutatio) 2 hier am Anfang, aber nicht der Friedenswunsch am Ende des Briefes (V 15). Der "Alte" ist kein anderer als der Schreiber des 2 Joh; diese Selbstbezeichnung in einem so freundschaftlich-väterlichen Brief (V 15) erhöht die Gewißheit, daß der Verf. eine außergewöhnliche Persönlichkeit ist, dem diese Benennung in einem besonderen, ausschließlichen Sinne zukommt (s. zu 2 Joh 1). Gajus war ein sehr gebräuchlicher Name. Aus dem NT kennen wir noch einen Christen dieses Namens in Korinth (1 Kor 1, 14), wahrscheinlich identisch mit dem Gastgeber des Paulus Röm 16, 23, ferner einen aus Mazedonien stammenden Reisebegleiter Pauli Apg 19, 29 und schließlich einen Gajus aus Derbe Apg 20, 4. Der Empfänger von 3 Joh war offenbar der Mittelpunkt eines Freundeskreises (vgl. V 15), ein hervorragender Christ und Vertrauter des "Alten", aber keine kirchliche Amtsperson 3. Der Absender nennt ihn "Geliebten", wie auch Paulus seine Schüler und die Christen überhaupt sich untereinander anredeten " und fügt noch - wie 2 J oh 1 - hinzu: "den ich in .Wahrheit liebe". 'E\I &A1J,s.d~ bekräftigt (s. zu 2 Joh 1) die Echtheit und Aufrichtigkeit der Liebe; er liebt ihn nicht bloß wegen seiner Glaubenstreue (V 3 Tii &A1J,s.d~), sondern auch wegen seiner tatkräftigen Brudergesinnung (V 6 Tii &yeX7t7)). Daß Gajus dem "Alten" seinen Glauben verdankt, ist möglich (V 4 T<X €(.L<X T€x\lOC), aber nicht sicher, da der "Alte" wohl alle Gläubigen der Gemeinden, denen er sich verpflichtet fühlt, als "seine Kinder" betrachtet (vgl. 1 Joh 2, 1 TE:X\lLOC (.Lou - freilich nicht so stark wie T<X €(.LeX T€X\lOC; s. zu V 4).
ERSTER ABSCHNITT:
LOB FÜR GAJUS UND BITTE, ZUREISENDE WANDERPREDIGER ZU UNTERSTÜTZEN (3 Joh 2-8)
2 Geliebler, in jeder Hinsichl wünsche ich dir Wohlergehen und Gesundheit, so wie es (ja) deiner Seele wohlergeht. Vgl. DEISSMANN, Licht vom Osten 120 Anm. 3; ROLLER a. a. O. 59 u. Anm.204 (S. 392-394). 2 Das kam in Privatbriefen "überaus selten" und "wohl nur versehentlich" vor (ROLLER 61; vgl. Anm. 265). Ist sie etwa bei Abschriften verlorengegangen, vieUeicht deshalb, weil sie kurz X"'(pELV lautete? • Die Apost. Konstit. (VII, 46) woUen von ihm wissen, daß er (später?) Bischof von Pergamon war. J. CHAPMAN, in: JThSt 5 (1904) 357, läßt 3 Joh nach Thessalonich, V. BARTLET, in: JThSt 6 (1905) 204fT, nach Thyatira gerichtet sein. Beides läßt sich nicht genügend begründen. • Röm 16,5.8.9.12; Eph 6,21; Kol 1,7; 4,7.9.14; 2 Tim 1,2; Phm 1 - Apg 15,25; Röm 1,7; 1 Kor 4,14; 10, 14 u. ö.; Jak 1, 16; 1 Petr 2, 11; 4, 12; 2 Petr 3, 1. 8. 14. 15. 17. 1
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3 Joh 2
3 Denn ich halte eine große Freude, als Brüder kamen und für deine Wahrheit Zeugnis ablegten, wie du (nämlich) in (der) Wahrheit wandelst. 4 Eine größere Freude habe ich nicht als die, zu hören, daß meine Kinder in der Wahrheit wandeln. 5 Geliebter, treulich handelst du bei allem, was du an den Brüdern, und noch dazu an (orts-)fremden, tust. 6 Sie haben für deine Liebe Zeugnis vor (versammelter) Gemeinde abgelegt. Gut wirst du handeln, wenn du sie gotteswürdig ( zur Weiterreise ) ausrüstest. 7 Denn "für den Namen" (für Christus) sind sie ausgezogen, ohne etwas von den Heiden anzunehmen. 8 Demnach sind wir (Christen) verpflichtet, solche Männer zu unterstützen, damit wir uns als Mitarbeiter der Wahrheit erwelsen. 2 Der in den antiken Briefen übliche Wunsch für Wohlergehen und Gesundheit wird auch von dem christlichen Verf. benutzt. In jeder Hinsicht (m:pt 7t~V'l'WV zu e:öoaoücr&ot~ zu ziehen)', so betont er, soll es Gajus gut gehen. Nach dem allgemeinen e:öoaoücr&ot~' wünscht der "Alte" insbesondere Gesundheit, und zwar aus Höflichkeit, nicht weil Gajus an einer Krankheit litte. Ganz ähnliche .Formeln sind vielfach auf' privaten Papyrusbriefen nachgewiesen 8. Der anschließende Xot&wc;-Satz lenkt den Blick auf die innere gute Verfassung des Briefempfängers. Der "Alte" wünscht Gajus äußeres Wohlergehen entsprechend (Xot&WC;) dem Zustand seiner ~ux.~. Dieser Begriff darf nicht im Sinne des griechischen LeibSeele-Dualismus verstanden werden, der in das NT noch kaum Eingang gefunden hat'. Auch an unserer Stelle werden nicht "Leib" und "Seele" gegenübergestellt 6, vielmehr wird Gajus in seiner ganzen Persönlichkeit, nur unter verschiedenen Gesichtspunkten, angespro<;hen. Der Ausdruck ~ux.~ weist hier, wie das Folgende zeigt, auf sein religiös-sittliches Ver-
BLASS-DEBR, § 229, 2 Anh., meint, 6S sei gleichbedeutend mit dem üblichen 'ltPO "vor allem" der Papyrusbriefe (s. unten Anm.3), vermag aber keine sonstigen Belege anzugeben. • Das Wort ist in diesem Sinn schon in der LXX gebräuchlich (Jos 1,8; Ri 18,5; 1 Chr 13,2; 2 Chr 7, ll; 13,12 u. ö.; s. besonders Tob 4,6: o! 'ltOLOüv-n:~ !iAiJ&ELIXV Euo8w&ljaOV'I"IXL), im NT vgl. 1 Kor 16,2; ROm 16, lO; nach BAUERWb 640 s. v. auch auf Papyri; vgl. MOULT-MILL 263 S. v. • IIpo 81: 'It~V'I"WV UYLIX[VELV aE EÖ)(OfL«L P. Oxy. 292, II (a. 25 p.); BGU H, 423; P. Fay. ll7,27; BGU IH, 846 (8LO: 'It~V'I"wv ••• ). P.Oxy. ll9,5: Ein bockiger Sohn droht seinem Vater an: OÖ'I"E u!yevw aE (= UYLYIX(VW aus UYLIX(VW), "ich wünsche dir nicht Gesundheit" (DEISSMANN, Licht vom Osten 168 Anm. 7). Vgl. DEISSMANN, Bibelstud.214; DERS., Licht vom Osten 147 Anm.2; MOULT-MILL 647. - EÖ)(OfLIXL heißt also "wünschen", nicht "beten" (dann wird hinzugefügt 'ltpO~ 'l"OV &E6v 2 Kor 13, 7); "beten" heißt sonst 'ltpoaeU)(Ea&I
'It~V'I"WV =
'1"0:
aW!ltt'l"o~ 'ltpO~ UY(ELcXV 'l"E xlXl !")(uv, Euoll'ijlll:
'1"0:
tjlU)(lj~ 'ltpO~ eX7t6Aor.uaw eXPE'I"ii)V.
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3 Joh 3-4
halten, auf sein Bemühen um das Heil. Man wird am ehesten andere Stellen des NT vergleichen können, wo von der "Rettung der tjlux~" o. ä. die Rede ist, wieder nicht in dem Sinn, daß es um das Heil der Seele im Unterschied zum Leib geht, sondern um die Rettung des ganzen Menschen in seiner wahren Existenz ' . Das Wort an Gajus ist dem vergleichbar, das den Empfängern des ersten Petrusbriefes gesagt wird: "Ihr habt eure Seelen (-ra.; tjluxa.; OILwv) im Gehorsam gegen die Wahrheit zu ungeheuchelter Bruderliebe geheiligt" (1,22). 3 So kann der "Alte" diese Anerkennung damit begründen I, daß er ein gutes Zeugnis über die christliche Lebensführung seines Adressaten gehört hat. Darüber hat er sich sehr gefreut (dieselbe Wendung wie 2 Joh 4). Die Glaubensbrüder, die Gajus das lobende Zeugnis ausstellen, sind nach einem Aufenthalt in der Gemeinde des Gajus zu dem "Alten" gekommen und haben ihm berichtet, daß Gajus ihnen als Fremdlingen (V 5) Gastfreundschaft gewährt hat (V 6). So dürfte sich die &A~&e:LOC des Gajus, die sie bezeugen, nicht allein auf seine Rechtgläubigkeit, die Erkenntnis der Offenbarung (2 Joh 1), sondern auch auf die Bewährung in der Liebe, auf den "Wandel entsprechend der Weisung des Vaters" (2 Joh 4) beziehen. •AA~&e:LOC ist dann hier gleichsam die menschliche, äußerlich erkennbare Seite (
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3 Joh 5
kennen, als ein solches Zeugnis über "seine Kinder" zu hören. Bei der' liebevollen Benennung der ihm Anvertrauten als "seine Kinder" braucht den "Alten" nicht wie Paulus die Vorstellung zu leiten, er habe sie durch seine Glaubenspredigt gezeugt (1 Kor 4, 15; Phm 10). Das ist bei einem Mann, der dieses Bild für den übernatürlichen Vorgang der Gotteszeugung gebraucht, nicht wahrscheinlich; "Kinder" nennt er die Christen in diesen Gemeinden (Te:KV(ot 1 Joh 2,1. 12. 28;3,7.18; 4,4; 5,21; TtKVot 2 J oh 1, 4) aus seiner besonderen patriarchalischen Stellung heraus, und das Possessivpronomen bekräftigt die enge Zusammengehörigkeit l • Neben T,x i!J.tX (statt !J.ou) zeigt der Vers noch andere Besonderheiten des Stils (!J.e:L~OTtpotV, TOU't"{uV ••• (Vot)". 5 Dem Lob folgt - mit neuer Anrede - die Mahnung, auch weiterhin die tatkräftige Unterstützung der durchreisenden Wandermissionare zu pflegen". Die Notwendigkeit, Gajus in seinem Verhalten zu bestärken, erhellt erst aus dem Tadel des Diotrephes (V 10), der seine Gemeinde offenbar von allen äußeren Einflüssen, von der lebensvollen Verbindung mit den christlichen Schwestergemeinden aus egoistischer Herrschsucht abschnüren will. Gegenüber solchen ungesunden Bestrebungen führt der "Alte" seinen jüngeren Freund in die Weite großkirchlichen Denkens. Der christliche Brudergeist und Missionswille sprengt die engen Fesseln kirchlicher Eigensucht. Wahrscheinlich bereitete Diotrephes auch Gajus Schwierigkeiten wegen seiner Gastfreundschaft an den Missionaren (V 10 TOUe; ßOUAO!J.tvoue; KcuMe:L). Demgegenüber versichert ihm der "Alte", daß er treulich handle (7tLCl"t"OV 7tOLe:!e;)', wenn er alle, die Brüder in Christus sind, namentlich auch ortsfremde Gäste, eben um dieses Bruderseins willen unterstütze. Die Art seiner tatkräftigen Hilfe (ipytX~e:a&otL)' ergibt sich aus den folgenden Versen: Er hat sie (gastlich aufgenommen und 1 THUMB in: ThLZ (1903) 421; MOULTON-THUMB (59) sieht in dem Gebrauch des sonst selten gewordenen t!l-6~ eine Dialekteigentümlichkeit der kleinasiatischen Koine. Die Voranstellung könnte eine gewisse Betonung ergeben (BLAss-DEBR § 285, 1 Anh.), die aber mit der väterlichen Freude hinlänglich begründet wäre; doch ist diese Annahme nicht nötig, vgl. MAYSER 11, 2,671. Ein Gegensatz zu anderen Verkündigern wird keinesfalls erkenntlich. • Me:I~6n:po~ zweimalige Steigerung, eine vulgäre Neubildung in der Koine, s. BLAssDEBR § 61,2. - Der {"at-Satz ist, wie oft bei Joh, epexegetiseh (statt TOÜ Inftn.), vgl. bes. Joh 15,13; BLAss-DEBR § 394; RADERMACHER 190; 192. • Zu den Wandermissionaren vgl. HARNACK, Miss. u. Ausbr. 3321T; GOGUEL, L'Eglise prim. 136f. • IIICJ't'O" >fOllr" TI = etwas treulich tun (BAuERWb 1318 s. v. 1, b); >fICJT6" ist betont prädikativ vorangestellt. Bei diesem Tun erweist sich Gajus selbst als mCJT6~, d. h. als zuverlässig, entsprechend den Weisungen, die er erhielt; vgl. den 80ÜAO~ oiyot.&o~ Xat! >fLCJT6~ in den Gleichnissen Jesu Mt 24, 45; 25,21. 23; Lk 12,42, aber auch das Attribut der Mitarbeiter Pauli 1 Kor 4,17; Eph 6,21; Kol1, 7; 4, 7. 9. Gajus hat sich als treuer Schüler des "Alten" (vgl. V 4) und Mitarbeiter "der Wahrheit" (V 8) bewährt. • 'EpY«~ECJ&oLL ist nicht eine gemeindeamtliche oder halbamtliche Tätigkeit wie XO>fL&" 1 Thess 5, 12; 1 Kor 16,16; 1 Tim 5, 17 (gegen WINDISCH), vielmehr das freiwillige karitative Wirken an jemand wie Mt 26,10; Ga16, 10; Ko13, 23.
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23'
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3 Joh 6-7
dann) mit allem zur Reise (7t'P07t't!J.IjJIX~) Nötigen großzügig, "gotteswürdig" (&!;(w~ "t'Oü .&toü) ausgerüstet. Der Vers ist ein schönes Zeugnis für die urchristliche Gastfreundschaft 1. 6 Diese von Gajus unterstützten Wanderprediger haben dankerfüllten Herzens "vor der Gemeinde", wahrscheinlich ihrer Heimatgemeinde, Zeugnis davon abgelegt. Der in den joh. Schriften (außer Apk) nur hier und VV 9f begegnende Terminus EXXf,:Yja[1X bezeichnet die einzelne Ortsgemeinde (wie auch überwiegend bei Paulus); EY6l7t'LOY ExxA1Ja(lX~ heißt: "vor der (versammelten) Gemeinde" 2. Das braucht nicht die Gemeinde zu sein, in der sich der "Alte" befindet; er kann auch davon gehört haben. Die Erwähnung des rühmlichen Zeugnisses hat aber den Zweck, ihn zu weiteren Bemühungen für die Missionare anzueifern (oÖ~ x"t'A.). Dieser Ausblick auf die neuen Reisepläne der Missionare (Futur 7t'OL~atL~) beginnt erst in diesem Nebensatz V 6b, während vorher (V 5 Präsens 7t'OLt!~) allgemein das Verhalten des Gajus gelobt wurde·. Auch bei der künftigen, nahe bevorstehenden Durchreise der Verkündiger des Evangeliums soll sie Gajus "gotteswürdig" ausstatten '. Sie stehen ja im Dienste des Gotteswortes und sollen sich von den oft vernachlässigt aussehenden heidnischen Wanderphilosophen (Kynikern) und den gewinnsüchtigen Bettelpriestern (der Dea Syria) 6 unterscheiden. 7 Sie sind "für den Namen" ausgezogen, d. h. zugunsten oder zur Ehre Christi. Denn einmal wäre "t'o gyo!J.1X für den "Gottesnamen" zu unbestimmt'; sodann scheint "der Name" schon eine feststehende Bezeichnung für Christus geworden zu sein '. Auch Paulus fühlt sich durch seinen VgI. zu 2 Joh 10. • Das Fehlen des Artikels, das BROOKE für "Versammlung" plädieren läßt, spricht nicht unbedingt für einen besonderen Gebrauch von ~l()(A"lJaLot; vgI. iv !da'!> i)(KA"lJaLot~ UfLV~ac.l ac Hebr 2, 12 (Zitat Ps 22, 23). Der Artikel fällt gern nach Präpositionen weg (MAYSER 11, 2, 35ft; BLAss-DEBR § 255). Die lokale Vorstellung bei ivwnLov spricht für "Gemeinde". • IILaTov no\e:i~ V 5 ist also nicht futurisch zu deuten (BÜCHSEL), sondern gibt die Regel rür alles Verhalten an; vgI. ofPELAOfLEV (mit oi5v das Fazit ziehend) V 8. • IIpomEfLne:Lv hier nicht bloß "geleiten" wie Apg 20, 38; 21,5; ROm 15,24, sondern "zur Reise ausrüsten" wie Apg 15, 3; 1 Kor 16, 6. 11; 2 Kor 1, 16; Tit 3,13. • Vgl. die Inschrift von Kefr-Hauar in Syrien, auf der sich ein Sklave der syrischen GOttin rühmt, von jeder seiner Fahrten siebzig Säcke erbettelter Gaben heimgebracht zu haben (s. DEIsSMANN, Licht vom Osten 87), und die Schilderung, die LUKIAN, Lucius 35ft; Metam. VIII, 24ft, von dem Treiben der Anhänger der Dea Syria entwirft (nach ekstatischen Tänzen Kollekte bei den Zuschauern). Ihr Ruf war entsprechend; vgl. HARNAcK, Miss. u. Ausbr. 11, 676. . • Der Hinweis auf die Umschreibung Jahwes durch Clf'tI (BOCHSEL) ist zu dieser Zeit in einem Brief an einen Heidenchristen fehl am Platz. T VgI. Apg 5,41 mit 4, 17f; 5,28.40; 8,12; 9,10 u. 0.; 1 Petr 4,14.16; ferner IgnEph 3, 1; 7, 1; IgnPhld 10, 1; Barn 16,8; der Gebrauch schließt sich vielleicht an Jesusworte an, wie Mt 10,22. 40ft; 18,5; 19,29; 24, 5. 9 par; Joh 15,21; VgI. BILLERBECK 111,779; BIETENHARD in: ThWb 5, S. 272,23-27. 1
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3 Joh 8
gnadenhaften Apostolatsauftrag verpflichtet, Glaubensgehorsam unter allen Heiden zu schaffen 07ttp 't"oi) bv6(.LIlt't"oc; Ilto't"oi) (Röm 1,5). Zu nichts anderem, also nicht zu eigener Ehre oder zu eigensüchtigem Gewip.n ((.LlJ8tv AIlt(.Lßlivov't"ec;), sind auch die hier genannten Glaubensboten ausgezogen. Der Sendungsauftrag Christi an seine Jünger (Joh 20,21) wird auch von der zweiten Generation aufgenommen, die die Mission extensiv und intensiv entfaltet. Wir haben hier Wandermissionare vor uns (vgl. Did 11,3-5). Sofern sie sich als echte Sendboten der Kirche legitimieren, sollen sie "wie der Herr" (Did 11,4) aufgenommen werden (vgl. Mt 10,40 = Lk 10, 16; Joh 13,20). Doch scheint 3 Joh noch nicht wie die Didache entartete, aus dem hohen Beruf ein Geschäft machende Wanderprediger z1,1 kennen. Im Gegenteil laufen diese idealgesinnten Künder des Evangeliums, da sie "nichts von den Heiden annehmen", Gefahr, Not zu leiden. Der Grundsatz, daß die christlichen Brüder sie unterstützen sollen, wird von den ersten Anfängen der Mission an befolgt und geht auf die Weisung Jesu selbst zurück (Mt 10, 10 = Lk 10, 7; 1 Kor 9, 14; 1 Tim 5, 18). Die "Heiden", deren Hilfe sie nicht beanspruchen, sind nicht die neubekehrten Christen, sondern allgemein die Hörer ihrer Predigt, bei denen sie im Gegensatz zu den Gepflogenheiten heidnischer Religionsdiener (s. zu V 6) kein Geld annehmen. Vielleicht haben sie aber auch nach dem Vorbild Pauli (1 Kor 9, 15-18; vgl. 4, 11 f) davon Abstand genommen, sich von den Neophyten unterhalten zu lassen. 8 Die Altchristen (~(.Le~c;), unter denen damals sicher schon viele von Jugend auf den Glauben besaßen " sind zu dieser - hauptsächlich materiellen - Unterstützung" der Missionare verpflichtet. Dies ist für das urchristliche Verständnis der Missionspflicht aufschlußreich. Der "gotteswürdige" Unterhalt und die Reiseversorgung sind gleichsam der Beitrag derer zur Mission, die den allgemeinen Auftrag Jesu Christi zur Verbreitung der Heilsbotschaft persönlich nicht erfüllen können. Auf diese Weise werden sie "Mitarbeiter der Wahrheit". Der Dativ ('t"'ii &.AlJ&e!qt) bezeichnet wahrscheinlich die persönliche Verbundenheit, nicht die Sache, zu deren Gunsten die Mitarbeit geschiehta. Die "Wahrheit" wird damit
VgJ. die Bekehrung ganzer Familien Joh 4,53; Apg 10,48; 16,15.33; 1 Kor 1,16; 2 Tim 1, 16; 4, 19. • 'rnOAotfLßlivCIV heißt in profaner Literatur oft "gastlich aufnehmen" (so auch BAuERWb 1672 s. V. 2), kann aber auch allgemeiner "unterstützen" bedeuten; vgJ. MOULT-MILL 658 S. V.; PASSOW, HandwOrterbuch 11, 2, 2137 s. v. 1, b. Hier empfiehlt sich nach fL'Illlev AotfLßlivov'tl:~ dieser allgemeinere Sinn. V 6 faßte schon die Weiterreise (npodfL~ot~) ins Auge. S So auch BAuERWb 1560 s. v. Der Dativ (der Person) ist das Gewöhnliche (PASSOW, Handwörterbuch 11, 2, 1715 s. V.; LIDDELL-SCOTT 1711 s. v.). VgJ. die Sachparallele (von WINDlSCR zitiert): PsClemHom XVII, 19 'I"jj d:A'Il&c!qt cruVCpyijO'otL. Zur "Mitarbeit im Hinblick auf ... " (d~) vgl. Kol 4, 11. 1
325
3 Joh 9
in gewisser Weise personifiziert \ aber kaum als selbständig missionarisch wirkende Macht (vgl. Büchsel), sondern nur in Verbindung mit den Verkündigern: in ihnen ist sie eine innewohnende lebendig wirksame Größe (vgl. Joh 17,17f; IJoh 4,6; 2Joh 2). rW6>/Ldl'lX dürfte kein gänzlich neues Verhältnis andeuten, sondern die Färbung gewinnen: Wir sollen uns als Mitarbeiter der Wahrheit erweisen I.
ZWEITER ABSCHNITT:
DAS VERHALTEN DES DIOTREPHES (3 Joh 9-10)
9 Ich habe ein kurzes Schreiben an die Gemeinde gerichtet; indes Diotrephes, der den ersten Platz unter ihnen einnehmen möchte, erkennt unsere Autorität nicht an. 10 Deswegen werde ich, wenn ich komme, seine (bösen) Werke in Erinnerung bringen, die er dadurch begeht, daß er mit bösen Worten unberechtigte Anklagen gegen uns erhebt und, damit nicht zufrieden, sowohl selbst die Brüder nicht aufnimmt als auch die dazu Willigen hindert und aus der Gemeinde ausstößt. 9 Das zweite Anliegen, das den Verf. bewegt, steht in innerer. Verbindung mit dem Zuspruch an Gajus. Der Verf. wendete so viele Worte darauf, weil Gegenkräfte am Werke sind, die Bemühungen des "Alten" um die Mission zu vereiteln. Der von ibm hier erwähnte Brief muß sich mit der Aufnahme und Unterstützung der Wandermissionare beschäftigt haben, kann also nicht mit 2 J oh identifiziert werden a; er gehört zu den verlorenen Briefen. Spätere Abschreiber versuchten ihn durch &v zu einem nicht geschriebenen zu machen 4. Aus der Tatsache, daß ihn der "Alte" hier erwähnt, folgt nicht, daß sich GajuB zur Zeit an einem anderen Ort befindet (Büchsei), auch nicht sicher, daß Diotrephes ihn vor der Gemeinde unterdrückt habe. Er wird auf das Schreiben hinweisen, um das eigensinnige ablehnende Verhalten des Diotrephes dadurch schärfer ins Licht zu rücken. Vg!. PAPIAS bei EusEBIUs, H. e. 111,39,4, wonach die Gebote ditt' cxunj~ nj~ diA7J&c!o:~ herrühren. • Vg!. Joh 15,8 und BAUER, Joh dazu. Von den dort aufgeführten Stellen sind vielleicht einige (wie Joh 20, 27; I Kor 14,20) zu streichen, da y(vEa&cxL auch Ersatzformen für EIvcxl stellt; aber es bleiben noch genug übrig, die diese Nuance bestätigen. • Gegen BRESKY, ZAHN, GALMES, LOISY, WENDT, DIBELIUS (RGG 111,348), JOLICHERFASCHER (Ein!. 235), MEINERTZ 282, u. a., mi t BROOKE, BÜCHSEL, BONSIRVEN, GHAINE, GHARUE, Donn, FEINE-BEHM (Ein!. 264 f),. MICHAELIS (Ein!. 305) u. 11. • Statt 't'! lesen IJ.v M' 33 81 181 307431 436 al. Vg sy. Man sorgte sich wohl nicht um den V~rlust des Briefes, sondern um die Autorität des "Alten". Zur Textkritik VgI.LAGRANGE, Grit. text. 566f (gegen Harnack). 1
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3 Joh 10
Dieser Diotrephes - ein nicht ganz seltener Name l - wird in seinem herrschsüchtigen und doch der inneren Autorität entbehrenden Bestreben durch ';lLAon:pwnowv gekennzeichnet. Der Ausdruck - außerhalb von 3 Joh 9 bisher nicht nachgewiesen - ist sicher gleichbedeutend mit <'jlLMn:pw"l"oC; = "den ersten Platz liebend" ". Das muß nicht heißen, daß sich Diotrephes ein neues Amt anmaßen wollte; vielmehr bleiben alle Möglichkeiten, ob es sich um Amtsanmaßung oder -mißbrauch, um Streben nach Vorherrschaft oder Alleinherrschaft, um Ehrgeiz, Eitelkeit oder überheblichkeit handelt, offen. Die tatsächliche Stellung des Diotrephes ist eher aus den konkreten Angaben in V 10 zu erschließen. Die Autorität des "Alten" läßt Diotrephes nicht gelten (OUit tm3exe"l"OtI) 3 aus welchen Gründen, erfahren wir leider nicht. Doch dürfte sich die Ablehnung auf die Entsendung der Wandermissionare beziehen. Der Wechsel in die 1. Pers. PI u r. (~!L.xC;) wird schriftstellerische Art sein; ein Plur. auctoritatis liegt kaum vor'. Den Plural setzt der Verf. wieder bei qlAUOtpwv V 10 und dann bei !LOtp"l"upei:v V 12. So meint er offentlich sich selbst. 10 Bei einem in Kürze (eu&ewc; V 14) geplanten Besuch will der "Alte" an die Taten des Diotrephes "erinnern" 5. Das klingt zwar nicht nach einem Disziplinarverfahren - überhaupt sind die rechtlichen Begriffe einer späteren Zeit hier noch fehl am Platze - , aber doch nach einer ernsten öffentlichen Zurechtweisung. Vier Punkte wirft der "Alte" dem eigenmächtigen Gemeindelenker vor: Erstens "schwatzt" er gegen ihn mit bösen Worten, d. h. bringt unbegründete Vorwürfe gegen ihn vor". Das ist kaum nur persönliche Krittelei und Nachrede, sondern hängt mit dem verschiedenen Standpunkt in kirchlichen, näherhin missionarischen Fragen zusammen. Der Anschluß des Folgenden (!L~ &.pitoo!LeVOC; tn:t "I"00"l"01C;) macht- es wahrscheinlich, daß Diotrephes mit der wohl zentral (vom "Alten", vgl. V 3) gelenkten Mission nicht einverstanden war und diesem überlokalen Einfluß entgegenarbeitete. Damit Vgl. den Exkurs bei WINDISCH z. St. - FINDLAY, 41, will aus der Seltenheit und der Etymologie des Namens schließen, daß D. zur Aristokratie der Stadt gehörte; das ist gesucht. • Vgl. LIDDELL-SCOTT 11, 1939; MOULT-MILL 671; BAuERWb 1702. • In dieser Bedeutung im NT hier singulär, doch vgl. 1 Makk 10, 46; Sir 51, 26; Polyb VI, 24, 7; P. Par. 63, 161 (BAuERWb 577 s. v. 2 ~ Polyb.-Zitat zu korrigieren I). E. KÄSEMANN,_ a. a. O. 294, deutet entsprechend seiner Hypothese (s. EinI.) das emIlE)(ea&<xt = eine feste Gemeinschaft eingehen. ' • MAYSER, 11, 1, 40f, spricht von einem "generalisierenden" Plural, der in amtlichen, seltener in privaten Korrespondenzen auftritt, wenn der Schreibende seinesgleichen miteinschließt. Doch findet auch ohne ersichtlichen psychologischen Grund in der AIltagsrede ein Wechsel zwischen den Numeri statt. Nach MouLToN-THuMB, 137f, wechseln "ich" und "wir" in diesen Urkunden (Papyrusbriefen) ohne Sinn und Verstand. • 'r1tO!Lt!Lv~ax(o) im selben Sinn, d. h. in der Paränese einer kirchlichen Amtsperson, auch 2 Tim 2, 14; 1 eIern 62, 3. I cIIAu<Xpe,v im NT hier singulär, aber in der Koine genügend belegt; s. BAUER Wb 1705 s. v.; MOULT-MILL 673 os. v.; LIDDELL-SCOTT 1945 S. v. 1
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3 Joh 10
verband er vielleicht persönliche Anschuldigungen (A6yo~C; 7tov'Yjpo1:C;) gegen den "Alten", etwa unnötige Gängelei der inzwischen selbständig gewordenen Gemeinde. Ein ähnliches Ränkespiel, wenn auch unter anderem Vorzeichen, hatte schon Paulus erdulden müssen (vgl. 2 Kor 3, 1; 4, 11 f; 10, 7 ff; 12, 19 ff; Phill, 17; 3, 2 ff) . Nur verbirgt sich bei Diotrephes der Egoismus unter der Decke der GemeindehoheiV. über die persönliche Wühlarbeit gegen die Autorität des "Alten" hinaus hat sich Diotrephes z w e i t e n s gegen die Pflicht der Gastfreundschaft an den missionierenden Brüdern versündigt. Sein blinder Kampf gegen die übergemeindlichen Einflüsse von außen hat ihn sogar dazu getrieben, den durchreisenden Missionaren Unterkunft" zu versagen. Dazu wäre gerade er durch seine Stellung verpflichtet gewesen; er verstößt damit gegen das Gruncfgebot christlicher Glaubensbewährung, gegen die Bruderliebe (vgl. 1 Joh 2, 9f; 3, 11 ff. 23; 4, Ilf. 19ff; 2 Joh 5). Eng damit verbunden (o!l~e; - xelt)' ist der dritte Vorwurf des "Alten" gegen Diotrephes: Er mehrt seine Schuld dadurch, daß er seine Stellung mißbrauchend - die Gemeindemitglieder, die den Missionaren Gastfreundschaft gewähren wollen', daran hindert. Den Schwierigkeiten, daß Gajus, der offenbar zu diesen Willigen gehörte, seinem Verlangen entgegenhandelte (VV 5 f) und. dennoch nicht - wie man nach dem Folgenden annehmen müßte - aus der Gemeinde ausgeschlossen wurde, entgeht man, wenn man xWAOe;~ und ~xß&AAe;~ als Präsentia de conatu auffaßt'. I)iese Annahme empfiehlt sich freilich nicht, weil die drei letzten Anklagen gegen Diotrephes durch o!l'l'e: - xcx[ - xcx[ eng verbunden sind und die erste davon, daß er nämlich den Brüdern keine Aufnahme gewährt, eine Tatsache betrifft. Aber aus derp. Kontext geht hervor, daß. die "Hinderung" der Gemeindemitglieder ein mißglückter Versuch blieb und daß dem Einfluß des ehrgeizigen Mannes von seiten der Gemeinde selbst Grenzen gesetzt waren. Zu einem schrankenlosen Gehorsam, den ihm etwa seine amtliche Stellung einbringen sollte, fühlten sich die Gläubigen, selbst durch Androhung des Ausschlusses, nicht verpflichtet - auch nach dieser anderen Richtung hin also noch keine klaren "jurisdiktionellen" Verhältnisse! 'HARNACK will in seiner Untersuchung über 3 Joh die Spannung zwischen dem "Alten" und Diotrephes aus dem Gegensatz der alten Geist- und Missionsordnung und der Ortsorganisation mit ihren Ämtern erklären, STREETER, Primitive Church 88 r, dagegen aus Differenzen zwischen dem "Erzbischof" in Ephesus und einem ihm unterstellten Orts-"Bischof". Vgl. dazu R. SCHNACKENBURG, Der Streit zwischen dem Verfasser von 3 J oh und Diotrephes und seine verfassungsgeschichtliche Bedeutung, in: MüThZ 4 (1953) 1S-26. • 'Emlle)(Ea&otL hier also in anderer Bedeutung als in V 9; derselbe Wechsel in 1 Makk 10, 1 (vgl. dagegen 46); 12, 8. 43 u. Ö. • Wie Joh 4, 11; vgl. BLAss-DEBR § 445, 3 u. Anh. • 'EmIlE)(ofLl:vou~ lesen C 323 1739 Vgcl sy sa arm, wohl auf Grund von hnlle)(ETotL. • So in der 1. Aufl. mit WESTCOTT, FINDLAY, 42, Anm. 1; dagegen DODD z. St. POGGBL, a. a. O. 163, möchte die cXIlEA~OU~ als Objekt von Exß,xllEL verstehen; das ist sprachlich zu hart und gesucht. 1 V.
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3 Joh 11
Das ist der vierte und letzte Anklagepunkt gegen Diotrephes: Er stößt die sich ihm widersetzenden Männer aus der Gemeinde aus. Der griechische Ausdruck ist nicht als Terminus technicus des Synagogenoder Kirchenbannes belegV. Wir haben auch nicht unbedingt an einen solchen förmlichen Akt zu denken. Diotrephes könnte in der Gemeindeversammlung versucht haben, die Mehrheit gegen solche "nicht parierenden" Mitglieder aufzubringen und ihre Ächtung durchzusetzen. Wenn man aber ~X~cilJ..e:L als Feststellung einer Tatsache versteht (s.o.) und den Ausdruck mit Lk 6, 22 (~x~cUCJ)aLv TO lIvOILGt ÖIL(;)V ~t; 'ltoVljp6v) vergleicht, wird man doch an einen rechtsförmlichen Akt zu denken haben, auch wenn' er sich noch nicht mit dem späteren kirchlichen "Bann" deckt l • Effektiv scheint er aber nichts' erreicht zu haben, da der Verf. mit keinem Wort eine solche Ächtung des Gajus erwähnt, dieser aber nach der ganzen Situation zur selben Gemeinde gehören muß. Nach alledem ist es schwierig, sich ein Bild über die amtliche Stellung des Diotrephes zu machen. Daß er monarchischer Bis~hof war, der die Mahnung 1 Petr 5,3 nicht befolgt hätte (Chaine, vgl. Charue), ist möglich. Er könnte auch Mitglied eines Ältestenkollegiums gewesen sein und sich kraft seines Charakters, seiner "erfolgreichen Demagogie", über seine Kollegen hinweggesetzt haben 8 • Stärker freilich ist der Eindruck, daß er allein die Gemeinde leitete - warum will sich sonst der "Alte" nicht an dies Kollegium wenden? Doch kann seine Stellung noch keine souveräne gewesen sein; die Gemeinde scheint auch weiterhin ein Wort mitzureden, ebenso wie es jene alten Autoritäten tun, die der "Alte" verkörpert. Wir befinden uns in' einer übergangszeit, in der sich der monarchische Episkopat festigt, wie wir ihn aus den Ignatiusbriefen kennen.
DRITTJ;;:R ABSCHNITT
EMPFEHLUNG DES DEMETRIUS (3 Joh ll-12)
11 Geliebte,., ahme nicht das Böse, sondern das Gute nach! We,. Gutes tut, ist aus GoU; we,., (abe,.) Böses tut, hat Gott nicht gesehen. 12 Dem.1 Auch Joh 9,34f muß nicht als offizielle Verhä.ngung des Synagogenbannes (vg. 9,22) verstanden werQen; eS ist ein spontaner Akt des Unwillens gegen den geheilt n Mann und besagt zunAchst nur die Entfernung aus dem Tempel (vgl. LAGRANGE z. St ; gegen TILLMANN, BAUER, BULTMANN u. a.). Es fehlt der 'förmliche Beschluß; auch hat sich der Geheilte da,s in 9, 22 genannte "Delikt" (Jesus als Messias zu bekennen) nicht zuschulden kommen lassen. Gleichwohl kann der Ausdruck im Sinn des Evangelisten 'bewußt unscharf oder doppelsinnig sein, vgl. BAUERWb 470f s. v. I; F. HAucK i : , ThWb I, S. 526, Anm. 6. ' I Entgegen der I. Auß.; vgl. dazu besonders W. DOSKOCIL, Der Bann in der Urkirche (München 1958) 42f; lOOr. ,. Vgl. DODD z. St.; W. MICHAELIS, Einl. 303.
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3 Joh 11-12
trius ist von allen und von der Wahrheit selbst ein gutes Zeugnis ausgestellt; aber auch wir legen Zeugnis (für ihn) ab, und du weißt, daß unser Zeugnis zuverlässig ist. 11 Noch ein anderes, erfreuliches Anliegen bewegt den Briefschreiber ; mit einer neuen Anrede und einem allgemeinen Satz lenkt er dazu über. Bei der Mahnung, nicht das Schlechte nachzuahmen, denkt er sicher noch an Diotrephes, wie bei der positiven Wendung schon an Demetrius, den er empfehlen will. Das Neutrum gebraucht er, weil er Diotrephes nicht direkt als schlechten Menschen bezeichnen, vielmehr nur seine Handlungsweise charakterisieren will. Aber er warnt ernsthaft vor solchem unchristlichem Tun, da es die Gemeinschaft mit Gott zerstört. V 11 b, der (in chiastischer Stellung) den übeltäter nach dem gut Handelnden nennt, legt noch einmal den Nachdruck auf die Warnung. Die jeweilige Aussage über die beiden Typen ist sachlich gleichbedeutend. "Aus Gott sein" = Gottes Art und Weise besitzen (vgl. 1 Joh 3,10; 4,4.6; 5, 19; Joh 8,47) und "Gott geschaut haben" = Gott erkannt haben, mit Gott verbunden sein (vgl. 1 Joh 3,6; Joh 14,9) sind nur verschiedene Wendungen für den leitenden joh. Gedanken der Gottesgemeinschaft (s. Exk. 2). Auf das Erlebnis einer Gottesschau, die Joh gerade ablehnt (Joh 1, 18; 5, 37; 6,46; 1 Joh 4,12), wird das &.yiX3-01tOLe:~\I nicht zurückgeführt (gegen Windisch). Auch auf die Irrlehrer dürfte V 11 schwerlich anspielen. Im Grunde stellt dieser Vers, ähnlich wie 1 Joh 3,10, nur nicht mit derselben Schärfe, Go"ttes- und Teufelskinder gegenüber. Auf jeden Fall ist er ein starker Anhalt für die Identität des Verf. von 1 Joh und 3 Joh. 12 Sein positives Anliegen spricht der Verf. nun offen aus, indem er gleich mit dem Namen seines Schützlings beginnt und ihn so - immer noch in geheimer Konfrontierung mit Diotrephes - hervorhebt. Wer dieser Demetrius - ein gebräuchlicher hellenistischer Name 1 - war und welche Rolle er im Augenblick spielte, ist uns gänzlich unbekannt. Mit dem ephesinischen Goldschmied Apg 19,24, dem Gegner des Paulus, der wahrscheinlich schon längst ins Grab gesunken war, hat er nichts zu tun. Nahe liegt die Vermutung, daß er zu den angekündigten Wandermissionaren (VV 6-8) - vielleicht als ihr Führer - gehörte; ebenso die andere, daß er der überbringer des Briefes (vgl. die empfehlende Erwähnung des Silvanus 1 Petr 5, 12) und mit der Wahrung der Interessen des "Alten" in der dortigen Gemein\le betraut war. Er enthält eine dreifache Empfehlung: 1. "Von allen" ist ihm ein (gutes) Zeugnis ausgestellt. Das bezieht sich auf seinen allgemeinen Ruf als Christ in den Gemeinden; vgl. das Zeugnis, das dem Gajus ausgestellt wird (VV 3 u. 6). 2. Dieses Zeugnis ist "von der Wahrheit selbst" bekräftigt. Das ist 1
Vgl.
330
MOULT-MILL
144 s. v.;
DITTENBERGER,
Syll." Register.
3 Joh 13
vielleicht eine allgemeine Redewendung 1 und berechtigt kaum ~u tieferen Reflexionen über die Personifizierung der spezifisch joh. &:A~&eLoc·. Diese' erlangt als göttliche Wesenheit und Wirklichkeit höchstens im 7t'Ieüf.!.oc -rij.:; &:A1j&e(OC':; Personalität (vgl. Joh 14,17; 15,26; 16,13; 1 Joh 4,6; 5, 6); aber daß der Geist in besonderer Weise (vgl. Apg 13,2) für Demetrius gezeugt habe (vgl. Ambroggi), ist nicht anzunehmen. Die Floskel ist, ähnlich wie in V 3, eine Bestärkung. 3. In eigener Bedeutsamkeit aber wird diesem allgemeinen christlichen (Gemeinde-)Zeugnis das persönliche Zeugnis des "Alten" angefügt; denn diese Empfehlung hat für Gajus besonderes Gewicht (xoct oralX':; X'I"A.). Der "Alte" hat eine eigene Autorität, die sein Zeugnis zuverlässig (&:A1j~':;) macht. Die hervorragende Stellung des "Alten" erkennen Gajus und seine Freunde an. Auch Demetrius gehört sicher zu diesen treu ergebenen Vertrauensleuten des "Alten", dürfte aber Gajus persönlich noch nicht bekannt sein. Der Vers gibt auch eine Vorstellung davon, wie sich die christlichen Gemeinden in der Zeit der Konsolidierung und Ausbreitung des Christentums vor fremden Elementen zu schützen wußten - das positive Gegenstück zu der Warnung 2 Joh IOf. Solche Empfehlungsbriefe sind uns auch aus der sonstigen Literatur bekannt".
DER BRIEFABSCHL USS (3 Joh 13-15)
13 Vieles (noch) hätte ich dir zu schreiben; aber ich will (es) dir nicht mit Tinie und Feder schreiben. 14 Ich hoffe jedoch, dich bald zu sehen, und (dann) werden wir mündlich reden. 15 Friede sei mii dir! Es grüßen dich die Freunde. Grüße die Freunde einzeln! 13 Der Schluß des Briefes .hat große Ähnlichkeit mit dem von 2 Joh. Er bestärkt die schon durch den Briefkopf (Absender Ö 7tpecrßunpo.:;) gegebene Ansicht, daß 2 und 3 Joh aus derselben Feder geflossen sind. Auch in 3 Joh versichert der Verf., daß er dem Adressaten noch viel zu schreiben hätte'. Er will es aber nicht - ou &EAW ist entschiedener als oux ißOUA~&1jV 2 Joh 12 - mit Tinte und Schreibrohr tun. Da der Briefschreiber im Urteil über die Personen kein Blatt vor den Mund nimmt, Eine gewisse Personifikation der "Wahrheit" auch bei DEMOSTHENES, C. Neaer. 15 (abgedr. bei WINDISCH u. BÜCHSEL z. St.); P. Par. 461t"a.pa.)(OAO\l&~cra.v-r&; cre -rijt &A1I&dcxt (vgl. MAYSER 11, 2, 31, 3l); Polyb. 1,21,3; 84, 6 -also auch im außerchristlichen Bereich möglich. • WINDISCH denkt an Christus (Joh 14,6) oder den Geist (1 Joh 5,6); vgl. ferner BELSER, DODD z. St. Kritisch u. a. BONSIRVEN und CHAINE. • Vgl. z. B. LIETZMANN, Griech. Papyri (Kleine Texte 14)' Nr. 13 Z. 16 (P. Oxy. VI, 930); Nr. 15 Z. 16 (P. Grenf. 11, 73). , Das Imperfekt eLXOV bezeichnet (wie klassisch) die Schuldigkeit oder Möglichkeit (BLAss-DEBR § 358), und der Infin. Aor. yp&;<jJcxt ist danach das Natürliche (wie Mt 23,23; 26,9; I Kor 5,10 u. a.).
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3 Joh 14-15
liegt darin keine Geheimnistuerei. "Mit Tinte und Schreib rohr" ist formelhaft!. 14 Der "Alte" kündigt seinen Besuch in der dortigen Gemeinde (vgl. V 10) für die nahe Zukunft (e:o.&ew.;) an und will dann mit Gajus "von Mund zu Mund reden" (dieselbe Floskel wie 2 Joh 12). Eo.&ew.; berechtigt vielleicht zu der Annahme, daß der "Alte" näher vor einer Reise steht als in 2 Joh (wo e:o.&ew.; fehlt); aber ob es dieselbe Reise ist, wissen wir nicht. Plant er eine Rund- oder gar eine "Visitations"-Reise? Selbst im letzteren Fall will er kaum jurisdiktionelle Vollmachten ausüben (s. zu V 10). 15 Vor den Schlußgrüßen schiebt der Verf. hier den Friedenswunsch ein, und zwar ohne christliche Erweiterung und Umformung (vgl. Gal 6, 16; Eph 6, 23; 2 Thess 3, 16), kurz und bündig (vgl. 1 Petr 5, 14), wie es dem ausgesprochen privaten und brieflichen Charakter seines Schreibens entspricht. Der Friedenswunsch verrät wohl den geborenen Semiten (vgl. zu 2 Joh 3), der sich im übrigen aber den hellenistischen Briefstil bis in formelhafte Formulierungen (s. zu V 2) zu eigen gemacht hat. Die Christen haben diesen Wunsch, mit dem auch der Auferstandene seine Jünger grüßte (Joh 20, 19. 21. 26), dem abgeschliffenen ~ppwcro des bürgerlichen Briefverkehrs vorgezogen. Auch die Schlußgrüße werden kurz gehalten, Namen nicht genannt. Um den "Alten" hat sich hier wie dort ein Freundeskreis gebildet. Diese Männer mögen den "Alten" als ihren "Meister" betrachtet haben. So richtet er die Grüße der Freunde" (an dem Ort, wo er sich befindet) aus und trägt Gajus auf, die "Freunde" in seiner Gemeinde einzeln zu grüßen. Kot'\"' 5VOfLot ist in dieser Bedeutung auch sonst, namentlich auf Briefen, bezeugts. Der "Freundeskreis" des "Alten" dürfte aber schwerlich eine "Partei" in den einzelnen Gemeinden gewesen sein (gegen BüchseI); der besondere Gruß an die Freunde ist in diesem persönlich gehaltenen Brief nichts Auffälliges. Vgl. WINDlseH z. St. • Die LA &8eAtpoL A 33 69 81' 436 1827 sybmg ist sekundär und verwischt das besondere Kolorit dieses vertraulichen Briefes. • Vgl. den Brief des Ägypters Sempronius an seine Mutter (2. Hälfte des 2. Jh.) bei DEISSMANN, Licht vom Osten 161 Z. 14f; P. Oxy. Iit 123; P. Tebt. 11,299 (zitiert bei BRooKE); P. Oxy. VI, 930 Z. 26 (LIETZMANN, Klei1lt' p"t'xte 14, S. 14); Arist 247; IgnSm 13,2.
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ERGÄNZUNGEN ZUR 5. AUFLAGE
Da seit der Neubearbeitung dieses Kommentars (1963) zwei weitere Auflagen unverändert erschienen sind und von einer Neufassung aus mancherlei Gründen abgesehen wurde, sollen für die 5. Auflage wenigstens Ergänzungen aus der Literatur' und einige Bemerkungen zwn Fortgang der Forschung beigefügt werden. Eine ausführliche Stellungnahme ist nicht möglich; nach bewährter Methode folgen die Angaben und Notizen den Seitenzahlen des Buches.
S. Xl Textausgaben, Quellen und Ubersetz;ungen: Tbe Greek New Testament, ed. by K. Aland, M. Black, B. M. Metzger, A. Wikgren (Ausgabe der Vereinigten Bibelanstalten = UBS Greek NT) (Stuttgart 1966). Dazu: B. M. Metzger, A Textual Commentary on the Greek New Testament (London - New York 1971). Vetus Latina, hrsg. von der Erzabtei Beuron, Band 26/1: Epistulae Catholicae, hrsg. von W. Tbiele, 4.-6. Lieferung (Freiburg i.Br. 1965/67). Die Texte aus Qumran. Hebräisch und deutsch, hrsg. v. E. Lohse (Darmstadt 1964). Joseph et Aseneth. Introduction, texte critique, traduction et notes, par M. Phllonenko (Leiden 1968). S. XII (Gnostizismus): Die koptisch-gnostischen Schriften von Nag Hammadi, die in dem Kommentar größtenteils noch nicht berücksichtigt werden koonten, werden allmählich in wissenschaftlichen Ausgaben und übersetzungen zugänglich. Wichtige Ausgaben (außer den bereits genannten): W. C. Till, Das Evangelium nach Philippos (Berlin 1963). Tbe Facsimile Edition of the Nag Hammadi Codices: Codex VI, 1972; Codex vn, 1972; Cod,ex XI, Xll and XllI, 1973; Codex II, 1974 (Verlag E. J. Brill, Leiden); Übersetzungen einzelner Schriften aus Codex VI mit Einleitungen und Anmerkungen vom Berliner Arbeitskreis in: ThLZ 98 (1973). Ferner siehe zu den gnostischen Quellen: R. Haardt, Die Gnosis. Wesen und Zeugnisse Salzburg 1967). Die Gnosis I: Zeugnisse der Kirchenväter, eingeleitet, übersetzt und erläutert von W. Foerster (Zürich-Stuttgart 1969); U: Koptische und mandäische Quellen, eingeleitet, übersetzt und erläutert von M. Krause und K. Rudolph (Zürich - Stuttgart 1971). Tbe Odes of Solomon. Edited with Translation and Notes by J. K. Cbarlesworth (Oxford 1973).
S. XIII AUgemeine Hilfsminel: W. G. Kümmel, Einleitung in das Neue Testament (Heidelberg 1973; zu den Johannesbriefen S. 383-398); A. Wikenhauser-J. Schmid, Einleitung in das Neue Testament (Freiburg - Basel - Wien '1973; zu den Johannesbriefen S. 614-630). S. XV Neuere Kommentare: Katholische: J. Michl, Die Katholischen Briefe, 2., umgearbeitete Auflage (Regensburg 1968);B. Vawterin:TbeJerome Biblical Commentary (Lontlon 1968),404-413; W. Tbüsing, Die Johannesbriefe (Geistliche Schriftlesung, Düsseldorf 1970). Protestantische: N. Alexander, Tbe Epistles of John (Torch Bible, London - New York 1962); M. Kohler, Le ca:ur et les mains. Comm. de la premiere ep. de Jean (NeuchAteI 1962); E. GaugIer, Die Johannesbriefe (Zürich 1964); J. R. W. Stott, The Epistles of John (Tyndale NT, Grand Rapids 1965); R. R. Williams, Tbe Letters of lohn and James (CamBridge 1965); R. Bultmann, Die drei Johannesbriefe (H. A. W. Meyers Komm. 1XIV, Göttingen 1967); M. de Jonge, De brieven van Johannes (Nijkerk 1968); F. F. Bruce, Tbe Epistles of John (London 1971); J. L. Houlden, A Comm. on the Johannine Epistles (Black's NT, Oxford 1973). '
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s. XVIft: Besondere Literatur wird an den jeweiligen Stellen angegeben. Zur monographischen Behandlung von 1 Joh vgl. besonders: J. C. O'Neill, The Puzzle of 1 John (London 1966) (neue Hypothesen zum Aufbau, zur Entstehungsgeschichte und zum Adressatenkreis, s. zu den betreffenden Abschnitten der Einleitung); A. Skrinjar in einer Aufsatzreihe in VD 41 (1963) - 47 (1969) (hauptsächlich zur Theologie des 1 Joh); F. V. Filson, First John: Purpose and Message: Interpr 23 (1969) 259-276; Review and Expositor (Louisville) 67 (1970) Heft 4 (mit verschiedenen Beiträgen); P. Le Fort, Les structures de I'Egiise militante selon s. Jean (Genf 1970); J. Smit Sibinga, A Study in 1 John, in: Studies in John (Festschrift für J. N. Sevenster, Leiden 1970) 194-208; G. Klein, "Das wahre Licht scheint schon". Beobachtungen zur Zeit- und Geschichtserfahrung einer urchristlichen Schule: Z'ThK68 (1971) 261-326; J. Chmiel, Lurniere et charite d'apres la premiere epitre de s. Jean (Rom 1971).
s. 11: F. O. Francis, The Form and Function of the Opening and Closing Paragraphs of James and 1 John: ZntW 61 (1970) 110-126, zu 1 Joh 121H ("sekundärer" Briefcharakter, am Anfang thematische These, am Ende Wiederaufnahme des Themas, Beziehung zu Gebet und Eschatologie). S. 31: J. C. O'Neill, Puzzle, meint, daß dem Schreiben ein jüdisch-heterodoxes Mahnschreiben zugrunde liegt, das von einem christlichen Autor aufgenommen und christlich überarbeitet wurde. Die jüdische Quelle habe den Qumranschriften und den Testamenten der zwölf Patriarchen nahegestanden; O'Neill will dafür zwölf Mahnungen herausheben. Diese Hypothese hat nirgends Zustimmung erfahren. S. 6:E.D.Freed, VariationsintheLanguageandThoughtofJohn: ZntW 55 (1964) 167-197. S. 10 (Aufbau): M. Bogaert, Structure et message de la Premiere Epitre de s. Jean: Bible et Vie ehret. 83 (1968) 33-45, findet den Schlüssel zum Aufbau in einer chiastischen Form nach dem Schema ABC B' A'. Dieses angeblich semitische literarische Schema, das manche Forscher auch im Joh-Ev finden wollen, führt zu Pressungen und läßt sich nicht überzeugend an den Texten verifizieren. Vgl. auch E. MaIatesta, The Epistles of St. John. Structured Greek Text (Fano 1966). S. 11ft (Einheitlichkeit): A. Skrinjar, De unitate epistolae 1 Jo: VD 47 (1969) 83-95 (verteidigt die Einheitlichkeit). R. Bultmann hält in seinem Kommentar (S. IOf) an seiner früheren literarkritischen Hypothese fest, modifiziert sie aber teilweise etwas. Das vorliegende Schreiben bestehe aus einem ursprünglich selbständigen Entwurf, nämlich 1, 5 - 2,24, und weiteren Abschnitten, die das gleiche Thema behandeln. Zu O'Neill, der zwölf Mahnungen aus einer jüdischen Schrift herauslösen will, s. o. S. 16-23 (die bekämpfte Irrlehre): A. Skrinjar, Errores in espistola 1 Jo impugnati: VD 41 (1963) 60-72; K. Weiß, Orthodoxie und Heterodoxie im 1. Johannesbrief: ZNW 58 (1967) 247-255; F. Stagg, Orthodoxy and Orthopraxyin theJohannineEpistles: Revue andExpositor 67 (1970) 423-432. Zu den Ignatius-Briefen vgl. auch J. Rohde, Häresie und Schisma im ersten Oemensbrief und in den Ignatius-Briefen: NT 10 (1968) 217-233. Für das JohEv nimmt G. Richter an, daß alle "antidoketistischen" Stellen in ihm auf eine redaktionelle Schicht zurückgehen, die 1 Joh nahesteht. Siehe: Die Fleischwerdung des Logos im Johannesevangelium: NT 13 (1971) 81-126; 14 (1972) 257-276. Er verweistfür den Doketismus auf eine ungedruckte Dissertation von P. Weigandt, Der Doketismus im Urchristentum und in der theologischen Entwicldung des zweiten Jahrhunderts (Heidelberg 1961). Der Zusammenhang mit den Doketisten der Ignatiusbriefe scheint sich dadurch zu bestätigen. S. 24ft (religionsgeschichtlicher Standort): Da Sprache und Gedankenwelt des 1 Joh mit dem Joh-Ev nah verwandt sind, kann auf meinen Kommentar zum Joh-Ev, I. Teil (31972) 101-134 mit Nachtrag (S. 527f) verwiesen werden. Für 1 Joh unterstreichen neuere Autoren die Beziehung zum Judentum, zugespitzt in einer besonderen Hypothese J. C. O'Neill
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(s.o.). Darüber sollte man aber auch die hellenistisch-gnostische Komponente nicht übersehen, wie allein schon die Auseinandersetzung mit den doketistischen Irrlehrern nahelegt.
s. 27ft (Beziehung zu Qumran): H. Braun, Ollmran und das Neue Testament n (Tübingen 1966) 118-144; J. H. Charlesworth (ed.), John and Qumran (London 1972), darin: M.-E. Boismard, TheFirst Epistle of John and the Writings of Qumran (156-165; hält die Adres• saten für bekehrte Essener!).
S. 30ft Vgl. die Literatur im Nachtrag zu Joh I (S. 528), ferner: E. Käsemann, Jesu letzter Wille nach Johannes 17 (Tübingen 31971); L. Schottroff, Der Glaubende und die feindliche Welt. Beobachtungen zum gnostischen Dualismus und seiner Bedeutung für Paolus und das Johannesevangelium (Neukirchen 1970), näherhin 228-296. Die Verf. glaubt in 1 Joh sogar eine präzisere Formulierung gnostischen Denkens ab im Joh-Ev feststellen zu können (286ff). Anders K. Weiß, Die "Gnosis" im Hintergrund und im Spiegel der Johannesbriefe, in: Gnosis und Neues Testament, hrsg. von K.-W. Tröger (Gütersloh 1973) 341-356: Die Gedanken sind der Gnosis in manchem verwandt; aber der Schluß, daß die Gegner Gnostiker waren, geht zu weit; W. Schmithals, Die gnostischen Elemente im Neuen Testament als hermeneutisches Problem: ebd. 359-381, näherhin 374-380. S. 34-38 (Verhältnis von 1 Joh zum Joh-Ev): Wenn man mit neueren Literarkritikern (G. Richter, J. Becker, H. Tbyen) manche Partien des Joh-Ev für Zufügungen einer Redaktion hält, die dem 1 Joh nahestand, muß man verschiedene Verfasser annehmen. Obwohl diese Bemühungen nicht in jeder Hinsicht überzeugen, sind die Argumente, daß der Evangelist und der Verf. des lJoh nicht identisch sind, gewichtiger geworden. So möchte ich jetzt diesen Standpunkt entschiedener vertreten. Doch halten auch kritische Forscher an der gleichen Verfasserschaft fest, so W. G. Kümmel, Einleitung 392; J. Schmid, Einleitung 623. - Zu den theologischen Unterschieden zwischen Joh-Ev und 1 Joh vgl. auch E. Schweizer, Der Kirchenbegriff im Evangelium und den Briefen des Johannes, in: Neotestamentica (Zürich - Stuttgart 1963) 254-271, näherhin 266ff; G. Klein, ,,Das wahre Licht scheint schon" (s.o. zu XVIff). S. 52-58 (Exkurs über die "Zeugen"-Aussagen): R. Boltmann,Joh-Briefe 15ff, hält an der Auffassung fest, daß die "Wir" sich nur mit den ersten Verkündigern identifizieren, als "eschatologische" Zeitgenossen Jesu. Da sie sich von den "Ihr" unterscheiden, sind es die Träger der Tradition. Die Verben der sinnlichen Wahrnehmung sind "als kühnes Wagnis" gesprochen. - In ähnlichem Sinn schon H. ConzeJmann, "Was von Anfang an war", in: Neutestamentliche Studien für R. Bultmann (Berlin 1954) 194-201. Vgl. auch J. Beutler, Martyria. Traditionsgeschichtliche Untersuchungen zum Zeugnisthema bei Johannes (Frankfurt a. M. 1972) 218f und 283f; J. L. Houlden, Comm. 47f. Im gleichen Sinn wie in meinem Kommentar M. de Jonge, De Brieven 34-36.
S. 62: P. S. Minear, Tbe Idea of Incamationin First John: Interpr 24 (1970) 291.:.302. S. 65 (Lesarten in 1, 4): Auch UDS Greek NT übernimmt beidemal die Personalpronomina in der 1. Person Plural. Dagegen plädiert J. H. Dobson, Emphatic Personal Pronouns in the New Testament: Bible Transiator 22 (1971) 58-60, für 1ij.lÜlv statt "flj.lÜlV. S. 66-72 (Exkurs über Gemeinschaft mit Gon): P. C. Bori, KOINONIA. L'idea della comunione nell'ecclesiologia recente e nel Nuovo Testamento (Brescia 1972); J. M. McDermott, Tbe Biblical Doctrine of 'KOL"V
S. 75-78 (zu 1, 5): Vgl. den Kommentar zu Joh 1,5 (Bd. I, S. 222-226), ferner: E. R. Achtemeier, Jesus Christ, Tbe Light of the World: Interpr 17 (1963) 439-449; o. Böcher, Der johanneische Dualismus (Gütersloh 1965); R T. Stamm, Creation and Revelation in the Gospel of John, in: Search the Scriptures (Leiden 1969); J. Chmiel, Lumiere et charite (oben zu S. XVIff) 30-95; G. Stemberger, La symbolique du bien et du mal selon s. Jean (paris 1970) 40-49.
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S. 84 f (" Wahrheit"): Vgl. meinen Exkurs in: Das Johannesevangelium II (Fteiburg - Basel - Wien 1971) 265-281. S. 90f (Paraklet): Exkurs bei R. E. Brown, The Gospel According to John (XIII-XXI) (Garden City, New York 1970) 1135/44 (mit Bibliographie); G. Johnston, The Spirit-Paraclete in the Gospel of John (Cambridge 1970), besonders S. 75-79 und Kap. 7 über die neueren Studien. . S. 92f (zu o.aaf.l6~): T. c.u. Thornton, Propitiation or Expiation? lÄaO't'ljQlov and O.aa,,6~ in Romans and 1 John: ExpT 80 (1968) 33-55 ("Sühne"); H. Clavier, Notes surun mot-elef du johannisme et de la soteriologie biblique: !Aaaf.l6~: NT 10 (1968) 287-304 (Hauptsinn: "Versöhnung" gemäß Joh 12,32). S. 95-101 (Exkurs zum "Gott-Erkennen"): J. AHaro, Cognitio Dei et Christi in 1 Jo: VD 39 (1961) 82-91; A.-M. Denis, Les themes de connaissance dans le Document de Damas (Löwen 1967); J. E. Menard, La "connaissance" dans I'Evangile de Verite: RechScR 41 (1967) 1-28; B. E. Gärtner, The PauIine and Johannine Idea of "to know God" against the Hellenistic Background: NTSt.14 (1968) 209-231 (Prinzip: "Gleiches durch Gleiches"); 1. de la Potterie, La connaissance de Dieu dans le dualisme eschatologique d'apres 11n 2,12-14, in: Au service de la Parole de Dieu (Melanges A. M. Charue, Gembloux 1969) 77-99, besonders 93-96 (eschatologisches Erkennen Gottes nach Jer 31,31-34, keine Beziehung zum Gnostizismus). S. 101 ff (Halten der Gebote): A. Humbert, L'observance des commandements dans les ecrits johanniques (Studia Moralia, Rom 1962). S. 105-110 (joh. Immanenzformeln): R. Borig, Der wahre Weinstock. Untersuchungen zu Jo 15,1-10 (München 1967) 199-236.
S.111f(zu2,8): G. Klein, "Das wahre Licht scheint schon" (s. zu S. XVIff); A. Vicent Cernuda, Engaiian la oscuridad y el mundo; la luz era y manifiesta 10 verdadero: EstBib 27 (1968) 153-175; 215-232 (Sinn: "Die Finsternis täuscht, aber das Licht enthüllt schon die Wahrheit"). S. 114-117 (zu 2,9'-11): J. Chmiel, Lumiere et charite 96-131. S. 117-121 (Bruderliebe): M. Bouttier, La notion de freres chez s. Jean: RHPhR 44 (1964) 179-190; N. Lazure, Les valeurs morales de la theologie johannique (paris 1965) 241-247; J. Coppens, La doctrlne biblique sur I'amour de Dieu et du prochain: EThLov 40 (1964) 252-299; ders., 'AYGmJ et ayan:äv dans les Lettres Johanniques: ebd. 45 (1969) 125-127; A. Wei Yueh-shan, L'amore fraterno, segno della comunione con Dio secondo la 1. Ep. di Giovanni (Freiburg/Schw. 1969); J. Chmiel, Lumiere et charite 132-155. - Weiterhin wird die Ansicht verfochten, daß die joh. "Bruderliebe" eine Einschränkung auf den Kreis der Glaubenden bedeutet. Vgl. z.B. E. Käsemann, Jesu letzter Wille 106f: "Nichts spricht dafür, daß die Bruderliebe exemplarisch die Nächstenliebe umfaßt, wie sie selbst im Neuen Testament gefordert wird. Im Gegenteil, hier wird eine unverkennbare Einschränkung vorgenommen, wie wir sie auch aus der Qumrangemeinde kennen ... " Aber dabei müßte doch stärker differenziert werden.
S.123-126 (zu 2,12-14): J. E. Bruns, A Note on John 16:33 and I John 2:13-14: JBL 86 (1967) 451-453 (Vergleich mit HerakIes als Sieger über den Tod; aber das ist weit hergeholt).I. delaPotterie, Laconnaissancede Dieu (s. zu S. 95-101) 89 verweist aufIer 31,34: "Sie alle werden mich erkennen, von den Kleinen unter ihnen bis zu den Großen unter ihnen." DerHinweis ist bedeutsam, obwohl schwerlich ein direkter Bezug auf jene SchriftsteIle vorliegt. De la P. zieht auch eine Linie zu 11Qh 4,20: "Ihr wißt alle." In der Tat kann die Anrede ..Väter" und "junge Männer" nur eine Entfaltung des Gedankens an
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alle Glaubenden sein; in diesem Sinn erklärt die Verse auch W. Thüsing 70-74: Der Verf. weiß die, die er als "Kinder" anredet, zugleich als "Väter", die in seine Zeugenschaft eingetreten sind; er sagt uns, daß wir dem BÖ8en &\lgenüber die Kampfes- und Siegeskraft junger Männer haben. Oe la Potterie betrachtet die Verse ihrer literarischen Art nach als eine feierliche Erklärung kerygmatischen Typs am Anfang des Abschnitts 2, 12-28 (S. 88). Anders J. L. Houlden, Comm. 70f: ·"Väter" bedeuten vielleicht "Presbyter", "junge Männer" vielleicht "Diakone" (unwahrscheinlich). S.1291(zu2,16):N.Lazure,LaconvoitiBedelachairenIJean, 11, 16: RB 76 (1969) 161-205 (weiter Sinn: alle schlechten Strebungen des Menschen, nach biblisch-jüdischer Tradition; unbegreiflich ist mir, wie der Verf. meinem und anderen Komm. nachsagen kann, daß sie "in einem ausschließlich hellenistischen Sinn" Position beziehen, S. 162).
S. 1311 (zu 2,17): A. Vicent Cernuda (s. zu S. 11lf) interpretiert: Die Welt und alle ihre Begierden täuschen; aber wer den Willen Gottes tut, ist unveränderlich, durch die Welt nicht zu täuschen. IIaQaYELv kann zwar (transitiv) "verführen" bedeuten; aber dieser Sinn ist für 2, 8 und 17 sehr fraglich, weil kein Akkusativ-Objekt dabeisteht, der Kontext zeitliche Wendungen enthält und ltaQaYELv bzw. ltaQaYEoi}m im Sinn von "vergehen" in der LXX (2 Esr 9,2; Ps 143,4) nachgewiesen ist. S. 133-137 (Exkurs zum" Welt"-Begriff): L. Schottroff, Der Glaubende und die feindliche Welt (5. zu S. 30ff), nimmt einen einheitlich dualistischen, gnostischen Weltbegriff für Joh und lJoh an. Vgl. demgegenüber O. Böcher, Der johanneische Dualismus 76--127; N. H. Cassem, A Grammatica1 and Contextual Inventory of the Use of x60J.lO~ in the Johannine Corpus with Some Implications for a Johannine Cosmic Theology: NTSt 19 (1972/73) 81-91. FernervgI. J. Becker, Beobachtungen zum Dualismus im Johannesevangelium: ZntW 65 (1974) 71-87 (nimmt eine innere Entwicklung des joh. Gemeindeverbandes an).-Zum Dualismus in Qumnm vgl. nochJ. H. Charlesworth, A Critica1 Comparison of the Dualism in 1 OS m, 14 - IV, 26 and the "Dualism" Contained in the Fourth Gospel: NTSt 15 (1968/69) 389-419 (auch abgedr. in: John and Oumran 76--106); P. von der Osten-Sacken, Gott und Belial. Traditionsgeschichtliche Untersuchungen zum Dualismus in den Texten aus Oumran (Gottingen 1969).
S. 141-144 (zu 2, 18) - S.145-149 (Exkurs zum "Antichrist"): J. Ernst, Die eschatologischen Gegenspieler in den Schriften des Neuen Testaments (Regensburg 1967) 168-177; Ch. H. Giblin, The Threat to Faith. An Exegetica1 and Theological Re-Examination of 2 Thess. 2 (Rom 1967) 60-76; W. Trilling, Untersuchungen zum 2. Thessalonicherbrief (Leipzig 1972) 77-86 (beobachtet eine Parallelität von 2 Thess 2 zu 1 Joh bezüglich der Aufnahme und Anwendung traditioneller Anschauungen). - Zu Mk 13,14 ist die Deutung des "verwüstenden Greuels" auf den Antichrist jetzt stärker in Frage gestellt worden, vgl. besonders R. Pesch, Naherwartungen. Tradition und Redaktion in Mk 13 (Düsseldorf 1968) 139-144 (zeitgeschichtliche Deutung auf die Zerstörung Jerusalems). Für die Gesamtrede von Mk 13 und den Kontext von V.1" bleibt die Deutung auf den Antichrist in der Tat fraglich, vgl. auch E. Schweizer, Das Evangelium nach Markus (Göttingen 1967) 156.
S. 152 (XQiolAa): J. Chmiel, Lurniere et charite 209f, schließt sich der Deutung von I. de la Potterie (s. in Anm. 2) an. Vgl. auch M. de Jonge 110-114 (Diskussion dieser Frage); J. L. Houlden 79 (vergleicht IgnEph 17, 1); W. Grundmann in: ThWb IX (1972) 568 (= Geist).
s.
154 (zu 2,20 LA ltav1:E~): Auch UBS Greek NT übernimmt ltavtE~, doch nur mit dem geringsten Gewißheitsgrad (0). Zur Bedeutung von otöa vgl. auch I. de la Potterie, Olöa et YLVW
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S. 156 (zu 2,22): J. C. O'Neill, Puzzle 5f, meint wieder: Weil sich die Worte ,,1T)ooii, ... 6 XQlat6'" gegen die Leugnung des Messiastums Jesu richten, müßten die Gegner Juden sein. Aber dieser Schluß ist nicht notwendig, wenn man bedenkt, daß die Irrlebrer aus der christlichen Gemeinde hervorgegangen sind (vgl. 2,19); vgl. auch Kümmel, Einleitung 389, Anm. 21. Ferner s. M. de Jonge, The Use of the Word XQlat6, in the Johannine Epistles, in: Studiesin John (Festschrift f. J. N. Sevenster, Leiden 1970) 66-74; W. Grundmann in ThWb IX (1972) 565-567. S. 161 (zu 2,27): P. Couture, The Teaching Function in the Church of 1Jo 2,20.27 (ungedruckte Diss. Un. Gregoriana, Rom 1966/67). S. 165 (zu :n:uQQT)Otu): H. Jaeger, IIuQQT)otU et fiducia, in: K. Aland - F. L. Cross (Hrsg.), Studia Patristica (Berlin 1957) 221-239. S. 175-183 (Exkurs über die Gotteskindschaft): I. dela Potterie, "Naitre de l'eau et naitre de l'Esprit. Le texte baptismaI de Jean 3, 5, in: I. de la Potterie - S. Lyonnet, La vie selon l'Esprit (paris 1965) 31-63; J.Galot, ,$trenede Dieu". Jean 1, 13 (AnBib37, Rom 1969). S. 185-194 (zu 3,4-10): G. Stemberger, La symbolique (oben zu S. 75-78) 198-205; S. Kubo, IJohn 3:9: Absolute or HabituaI?: Andrews University Seminary Studies 7 (1969) 47-56. Zum Vergleich mit Qumran: J. Becker, Das Heil Gottes. Heils- und Siiildenbegriffe in den Qumrantextenund im Neuen Testament (Göttingen 1964). S. 201-204 (zu 3, 19/): C. Spicq, La justification du charitable 110 3,19-21: RB 40 (1959) 915-927 (führt auch einen vergleichbaren Qumrantext an: 1 QH IV, 29-37). S. 226/ (zu 4, 6): Zur Zwei-Geister-Lebre ~ 1 QS S.: P. Wemberg-M0ller, A Reconsideration of the Two Spirits in the Rule of the Community: RQum 3 (1961/62) 413-441; J. H. Charlesworth und P. von der Osten-Sacken, a.a.O. (zu S. 133-137). S. 228 (zu 4,7): M; de Jonge, "Geliefden, laten wij elkander liefhebben, want de liefde is uit God" (I Joh 4:7): NedThTijdscbr. 22 (1968) 352-367; dazu J. Coppens in: EThLov 45 (1969) 125-127. S. 231-239 (Exkurs: Die Liebe als Wesen Gottes): J. Chmiel, Lumiere et charite 174-212. S. 247 (zu 4, 17): R. Bultmann, Johannesbriefe 77, hält an seinem Textvorschlag fest "damit wir Zuversicht haben in dieser Welt, weil, wie jener (in der Liebe des Vaters) ist, auch wir (in der Liebe) sind" (die Klammem sind bei B.kaum in Ordnun~). Seiner Ansicht. daß der traditionelle Text nicht in Ordnungist, kann man zustimmen. Immerhin sind andere xa{fw,-Sätze zu vergleichen, in denen Christus als Vorbild erscheint: 2,6 und besonders 3,3 und 7, wo ebenfalls das Präsens erscheint: xa{fw, SlI.ELVO, ayv6, bzw. 6tll.«I6, SatLV. W. Thüsing 155 interpretiert: "Wie Jesus Christus Vorbild ist in der Liebe, so sind auch wir es schon durch ihn und durch sein ,Salböl', seinen Geist, obschon wir im Gegensatz zu ihm noch in dieser Welt sind." S. 251/ (zu 5, 2): R. Kittler, Erweis der Bruderliebe an der Bruderliebe?: Kerygma und Dogma 16 (1970) 223-228 (der Satz antwortet auf einen versteckten Einwand: Wie können wir erkennen, ob ein verdächtiger Bruder, dem wir Liebe erweisen, ein Kind Gottes oder ein Kind des Teufels ist? Antwort: Dadurch, daß wir aus Liebe zu Gott handeln!). S. 256-267 (zu 5,5-11): J. Beutler, Martyria (s. zu S. 52-58) 276-281. S. 257-260 (zu 5,6): G. Richter, Blut und Wasser aus der durchbohrten Seite Jesu (Joh 19, 34b): MüThZ 21 (1970) 1-21, näherhin 3-13, deutet die Stelle auf die Inkarnation. Sie richte sich gegen die doketistische Auffassung, daß der vom Himmel herabgekommene
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Christus nicht auf dem gleichen Weg wie die Menschen in die Welt eingetreten, nicht "durch Wasser und Blut" entstanden sei wie der normale menschliche Leib, sondern nur aus Wasser allein gebildet worden sei, ohne Blut (S. 10). Die von R. angeführten religionsgeschichtlichen Parallelen (bes. au~ der mandäischen Literatur) sind beachtlich; aber unerklärt bleibt dabei die Fortsetzung in V. 6c: "und der Geist ist es, der Zeugnis ablegt". Die Erklärung von F. C. Burkitt, daß der lebendige Mensch aus den drei Elementen von Wasser, Blut und Geist besteht, hält R. selbst "freilich nicht (für) ganz zutreffend" (14). Mit dem ltVEÜ!'« kann nur der heilige Geist gemeint sein; seine Zeugenfunktion richtet sich auf das ganze geschichtliche Gekommensein Jesu, so daß tMrov nicht auf die Inkarnation (vgl. 1 Joh 4, 2; 2 Joh 7) zu beschränken ist, wenigstens nicht im Verständnis des Verf. von 1 Joh. S. 263 (zu 5,7/): Der Tbese von W. Nauck zu dieser Stelle schließt sich auch an I. de Ja Potterie, L'onction du chr6tien par la foi, in: La vie selon I'Esprit (s. zu S. 175-183) 107-167, näherhin 153. Er bespricht die präbaptismale Salbung im syrischen Ritus (150--171) und meint, daß sie letztlich auf die Urgemeinde zurückgeht: Die Aktivität des Geistes spielte bei der Genese des Glaubens schon damals eine Rolle und wurde als "Salbung" verstanden (154). S. 277f(zu 5, 16/): P. Trudinger, Concerning Sins, Mortal and Otherwise. A Note on lJohn 5,16-17: Bib 52 (1972) 541f(tQlIl'täv bedeute hier "fragen"; weiteres Fragen über die "Sünde zum Tod" wolle der Verfasser ausschließen. - Aber auch in Joh 14,16; 16,26; 17, 9.15.20; 19, 31. 3 8 bedeutet tQIIJ'täv "bitten", und ein Objektswechselist nicht erkenntlich). S. 280/ (zu 5,18b): Die Deutung von 6 YEVVlJt}Ei, bleibt unsicher. Bultmann und de Jonge (z. St.) neigen mehr dazu, den Ausdruck auf Christus zu beziehen. S. 281-288 (Exkurs "Christ und Sünde"): Zur Frage eines joh. "Prädestinatianismus" vgl. meinen Kommentar zum Joh-Ev II, Exkurs 11 (S. 328-346); ferner H.-M. Schenke, Determination und Ethik im ersten Johannesbrief: ZThK 60 (1963) 203-215; A. Merx, Ya-t-il une predestination Qumran?: RQum 6 (1967) 163-181; S. T. Kimbrough, Jr., Tbe Ethic of the Qumran Community: ebd. (1969) 483-498; G. Maier, Mensch und freier Wille. Nach den jüdischen Religionsparteien zwischen Ben Sira und Paulus (Tübingen 1971).
a
S. 292/(zu 5,21): Die Deutung der "Götzen" auf Sünde, von W. Nauck entwickelt und von mir in der 2. Auflage übernommen, ist auf Kritik gestoßen, vgl. H. Braun, Qumran und das Neue Testament I (Tübingen 1966) 304f; R. Bultmann, Johannesbriefe 93f (er deutet die "Sünde zum Tod" und den "Götzendienst" auf den Abfall vom rechten Glauben). S. 295-301 (Einleitung zu 2 u. 3 loh): R. Bultmann, Johannesbriefe 10 und 103f, vertritt die Auffassung, daß 2 Joh ein fiktiver Brief ist, dessen Verfasser sowohl lJoh als auch 3 Joh benutzte. Der überbringer sollte das Schreiben jeweils an alle in Frage kommenden Gemeinden zustellen. Dagegen vgl. R. W. Funk, Tbe Form and Structure of II and m John: JBL 86 (1967) 424-430; J. B. Polhill, An Analysis of II and m John: Review and Expositor67 (1970) 461-471; W. G. Kümmel, Einleitung 394 und 396. -Die Autorschaft des Zebedäiden Johannes, also seine Gleichsetzung mit dem ltQEaflV'tEQO" scheint mir jetzt nicht mehr vertretbar zu sein. Wenn schon das Joh-Ev in seiner uns vorliegenden Gestalt nicht unmittelbar von ihm stammt (vgl. Einleitung zum Joh-Ev I, ferner BZ 1970, 1-23), dann ist es unwahrscheinlich, daß die drei Briefe von ihm geschrieben sind. Ferner: Wenn sich in lJoh 1,1-4 eine Gruppe von "Zeugen" zu Wort meldet, die nicht unmittelbare Augen- und Ohrenzeugen des irdischen Wirkens Jesu waren, aber sich auf den Zusammenhang mit Männern der "ersten Generation" berufen, dann wird auch der ltQEollmEQos von 2 und 3 Joh doch erst zu jenen "Presbytern" gehören, die nach Papias, Irenäus und Clemens v. Alex. die apostolische Tradition hüteten, allerdings ein Mann, der sich in einem ausgezeichneten Sinn "den Presbyter" (= den Alten) nennen konnte. Ihn näher zu identifizieren ist kaum möglich.
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s. 307/ (zu 2 loh 1-2): R. Bergmeier, Zum Verfasserproblem des I!. und III. Johannesbriefes: ZntW 57 (1966) 93-100. Er untersucht den Begriff der cU1\&ELa und meint, daß er die rechte (kirchliche) Lehre bezeichne; von daher schließt er für 2 und 3 Joh die gleiche Verfasserschaft wie für 1 Joh aus. Dagegen R. Schnackenburg, Zum Begriff der Wahrheit in den beiden kleinen Johannesbriefen: BZ NF 11 (1967) 253-258. Auch R. Bultmann, Johannesbriefe 104, Anm. 4, stellt fest, daß cU1\&ELa und bLbaX1\ nicht identisch sind. Zu IAivEW vgl. J. Heise, Bleiben. Menein in den Johanneischen Schriften (Tübingen 1967) 164-170 (für. die Abfassung vertritt er eine ähnliche Hypothese wie Bultmann: Der Verf. wollte unter dem Namen des Presbyters den dritten Brief wie überhaupt die joh. Theologie im Sinn der offiziellen Kirche korrigieren). S. 327-329 (zu 3loh 9/): Das Urteil darüber, welche Stellung Diotrephes in der Gemeinde einnahm, bleibt weiter unsicher und schwankend; vgl. die von E. Haenchen zusammengestellten Auffassungen in ThRu 26 (1960) 267-281. Daraufhin hat auch E. Käsemann seinen Standpunkt modifiziert, vgl. in: Exegetische Versuche und Besinnungen II (Göttingen 1964) 133f in Anm. 1. Ferner vgl. R. Bultmann, Johannesbriefe 100, Anm. 1.
S. 329, Anm. 1: Auf dem zeitgeschichtlichen Hintergrund ist Joh 9,34f (el;tjJw..ov ~Ol) wohl doch als Ausschluß aus der Synagoge gemeint, vgl. Joh-Ev II, 320: Das Hinauswerfen aus dem Verhandlungsraum deutet zugleich das Ausstoßen aus der jüdischen Glaubensgemeinschaft an.
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REGISTER
Almosen 200 Antichrist 143f. 145-149 223 313 Antichriste 138 143f. Auferstehung 170 Begierde 128-130 Bittgebet 274 Blut (Jesu) 21 257-259261-263 Böse, der 124f. 224 281 288f. Bruderliebe 117 120f. 195 198-201 208 249-252 Brudertitel 118-120 Christliches Selbstbewußtsein 82 112 131 f. 150 203 206 224f. 254 Christologie 18 32 156f. 206f. 220f. 2291. 244 251 256-260 2641. 266f. 29lf. Christusverbundenheit 188-190 2661. Comma J ohanneum 44-46 Doketismus 20-22 Dualismus, johanneischer 28 30 77-79 125 224 231 250 Erhörung s. Gebet Eschatologie 142f. 1461. 164-166 170 173 177 246 313 Ethik 109f. 174f. 191f. 2861. vgl. Gehorsamsethik Eucharistie 21 262f. Finsternis 80 Fleisch 129 Freude 65 Fürbitte 275-277 Furcht 247-249 Gastfreundschaft 315 323f. Gebet 205f. 274f. Gebot, Gebote 101 103 20f>-208 2531. 311; vgl. Liebesgebot Geburt aus Gott s. Zeugung aus Gott Gehorsamsethik 100-105 311 Geistbesitz 208f. 24lf. Gemeinde 82 306 318 324 Gemeindeverfassung 327-329 Geschichte und Kerygma 54-56 58 751. Gewissen 201 Glaube 51 54 206-208 244 254 256 260 267f. 271 Gnosis s. Gotterkennen Gott 76f. 82 85131203229231-238245; Vater 32 167f. Gottähnlichkeit 171-174 Gotterkennen 94 96-100 226 237 290
Gottesgemeinschart 64-67 70 72 82 94 108t. 123f. 157-159 201-205 208 240e. 245 290f. 315 330 Gotteskindschaft 168f. 171 175-178 287t. Gottesliebe 127f. 200 250-252 Gottesschau 172-174 Gotteszeugnis s. Zeugnis Götzendienst der Sünde 292f. Haß 196-198250 Heiliger Geist 152f 16lf. 190f. 208-211 214 f. 259 f. 26lf. Heilszuversicht 165 246 272-275 Immanenztormein 105-110 Inkarnation 57f 621 .. 221 257f. Irrlehre 17-22 83 156 219 314-317 J esus Christus, Erlöser der Welt 242-244; Fürsprecher 9lf.; Gott 291; Heilsmittler 99 109 222f. 267f. 29ot.; Leben 61-63; Richter 247; Vorbild 104f. Kindschaft Gottes s. Gotteskindschaft Kosmos s. Welt Leben (ewiges) 61-63 159f. 230 2661. 286291 Licht 76-79; vgl. Wandeln im Licht Liebe, allgemein 228-231231-238 passim; 240f. 246-249; Liebesgebot 111-113 250f.311 Mission, Missionare 325-328 Offenbarung 62 99 229 Paraklet 90 f. Paränese 129f. 132 135f. 163 24lf. Parusie 142 160 164f. Prunksuch t 130 f. Pseudopropheten 212f. 219 Qumrangemeinde 27-29 84f. 96f. 129 136f. 210f. 213 225 254 (Anm. 3) 277f. 285289292 Sakrament,e 261 f. "Seele" 321 f. Sühner, Sühnetod 92f. 199 23ot. 259 26lf. Sünde 82f. 90 109e. 184-187 188-192 276-279 281-288 292f. Sündenbekenntnis 85-87 Sündenvergebung 87 Taufe 176 26lf. 285 Taufparänese 80 82 163 209 f. Teufel 189f. Teufelskinder 175f. 192f. 195f.
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Register Tradition 158f. Unterscheidung der Geister 219 Verkündigung 63f. 75f. "Wahrheit" 81 84f. 155 307f. 325f.; vgl. Wandeln in der Wahrheit Wandeln, im Licht 81-83; in der Wahrheit 310 322
342
Welt 127f. 131 133-137 196f. 225 250 253f. 288f. Wort Gottes 88f. 103 Zeuge, Zeugnis 259-271 "Zeugen"-Aussagen 52 56-58 242 Zeugung aus Gott 175-178 183 19lf. 251 279
REGISTER DER GRIECHISCHEN WÖRTER
.xycmiiv 235 .xy&1t7) 21 .xYYEAt<x 75 Anm. 2; 195 d:yvt~EtV 174 .xIlEAcp6~ 118-120 .xlltKt<X 87f. 279 Anm. 2 <xtfL<X 21 <xtPEtV 188 <X!"lUVEcr&<Xt 165 .xKOUEtV 54 60 Anm. 1; 143 &A<x~ovd<x 130 &A~&Et<X 30 81 84 102f. 155 201 307f. 310 322 325f. 330f. &A'l~~ 112 Anm. 12 .xA'l&w6~, 0 290 .xA'l&(;\~ 22 104 Anm. 1 d:fL<XPTL<X 85 88 Anm. 2; 185f. d:fL<XPTL<XV ~XEtV 83 Anm. 2 .xv<XyyeAAEtV 75 Anm. 3 .xVOfLt<x 23 28 185-187 .xlt<xyyeAAEtV 61 .xlt' .xPX~~ 58 111 Anm. 1 .xpnrcr&<xt 156 Anm. 2 .xcptev<xt 87 Anm. 8 ßtO~ 130 199 YW6>crKEtV 29f. 66 73 94f. 97 101 154 203 Anm. 1; 244 290 yv(;\crt~ (ElEOÜ) 97 154 Anm. 4 yp&cp(,), ~yp<xq,<x 125f. Ilt&VOt<x 290 Iltll<XX1) TOÜ XptcrTOü 315 IltK<XtO~ 87 Anm. 6; 92 Anm. 1; 166 1l6~<x 172-179 dllev<Xt 154 Anm. 1 dll(,)A<X 28 292 EIv<Xt EK 131 150 224 288 et~ TOV <X!(;\v<X 131f. iKErVO~ 75 105 Anm 1; 247 Anm. 2 hlE1(~ 306 !!fLltpOcr&EV 202 Anm. 7 ev &Eij> ELV<Xt (fLEvEtV) 66 !!~(,) ß&AAEtV, iKß&AAEW 248 Anm. 2; 328 f. Elt<XYYEAt<X 160 emllexEcr&<xt 327 328 Anm. 2 epY&~Ecr&<Xt 314 323 Anm. 5 EUolloücr&<Xt 321 Anm. 2 ~EtV (&E6v) 158 Anm. 1; 274f. ~KEW 290 ~(,)~ (<X!6>VtO~) 61 63
tllETE 167 -4-nm. 4 tA<xcrfL6~ 92 K<X&6>~ 105 208 322 Anm. 3 KErcr&<xt ev 289 KOtV(,)Vt<x 66 314 Anm. 4 K6crfLo~ 30 133-136 197 Kptcrt~ 246 A<XfLß&VEtV T1jv fL<XP't"\lpt<xv 265 Anm. 2 A6yo~, 0 ~~ ~(,)~~ 30 60f. AUEtV 190 222 fL<xp't"\lpErV 54 260 265 fL<XP't"\lpt<x 260 265 fLevEW 66 104 Anm. 4; 106f. 13U. 287 fLET<xß<xtVEtV 197 fLOVOYEV~~ 230 VLKiiv 254 Anm. 3 0fLOAOYErV 85 Anm. 1; 156 Anm. 2 lIvOfL<X, T6 324 f. opiiv 54 60 Anm. 1; 63 OcpdAELV 104 Anm. 5 lt<xp&YEcr&<xt 131f. lt<XPP'lcrt<x 165 204f. 246 ltd&EtV 202 ltEpm<XTdv 80 Anm. 2 lttcrTEUELV 207 220 265 Anm. 2; 266 lttcrTt~ 254 mcrT6~ 323 Anm. 4 ltA<xviiv 161 Anm. 1 ltMv'l 28 226f. ltMvo~ 312 Anm. 4 ltA'lPOÜcr&<Xt 65 ltoT<Xlt6~ 167 Anm. 5' ltPEcrßUTEPO~, Ö 305 f. ltPO&YEtV 314 ltpOltefLltEW 324 Anm. 4 cr&p~ 21 128f. 221 crK6TO~, crKOTt<X 80 Anm. 1; 81 crltepfL<X 190 f. =Mrxv<x 199 f. crcp&TIEW 196 cr(,)~p 242-244 TEKVt<X 89 123 169 Anm. 2; 323 TeKvov 169 177 323 TEAEtOÜcr&<Xt 104 245f. T1jv q,UX1)v &ErV<Xt 1.98 Anm. 4 T1JpErV 101 280 Illtep 37 199 IlltOA<XfLß&VEtV 325 Anm. 2 UltOfLLfLv'flcrKEtV 327 Anm. 5
343
Register der griechischen Wörter
XpicrfLIX 109 152!. ~eu8on-po
~ux-lj 321f.