Butler � Parker � Nr. 54 � 54
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Butler � Parker � Nr. 54 � 54
Günter Dönges �
Die Killer lassen � Parker grüßen �
2 �
Sie nannten sich Miller, Mayer und Shultz. Sie residierten der Reihenfolge nach in Los Angeles, New York und Chikago. Sie nannten sich Unternehmer und waren bisher mehr als erfolgreich, denn sie betrieben Nachtklubs, Kettenläden, Hotelbetriebe und ließen ihr Kapital als stille Teilhaber arbeiten. Sie hielten nichts von der Öffentlichkeit und gingen Fotografen und Reportern stets aus dem Weg. Miller, Mayer und Shultz sahen nach außen hin wie seriöse Geschäftsleute aus, doch innerlich waren sie verfault wie Fallobst, an dem Wespen und Würmer nachdrücklich herum genagt hatten. Die Polizei vieler Bundesstaaten hätten sie als Gangster bezeichnet, doch sie waren der Polizei nicht bekannt. Es existierten keine Akten über sie, denn die erforderliche Dreckarbeit, die in ihrem Beruf notwendig war, ließen sie von hochspezialisierten Handlangern erledigen. Miller, Mayer und Shultz trafen sich an jedem Mittwoch in einer Hotelsuite in Chikago Sie wollten über gewisse Sofortmaßnahmen konferieren, in deren Mittelpunkt ein Mann namens Josuah Parker stand. »Geht das hier auch in Ordnung?« fragte Miller mißtrauisch und sah sich prüfend in dem großen Hotelsalon um. »Was soll hier falsch laufen?« fragte Shultz, der Gastgeber, und schüttelte lächelnd den Kopf. »Schließlich gehört der Laden hier mir, Miller. Wir bleiben völlig ungestört.« »Irgendwie paßt es mir nicht, daß wir uns ausgerechnet in Chikago treffen mußten«, schaltete Mayer sich ein. »Und warum nicht?« fragte Shultz. »Dieser Parker wohnt doch hier in der Stadt«, erwiderte Mayer. »Na und? Der hat doch keine Ahnung, was sich über seinem Köpf zusammenbraut, Freunde. Ihr könnt völlig beruhigt sein. Zudem weiß er doch überhaupt nicht, wer wir sind!« »Gut, steigen wir in die Diskussion ein«, meinte Miller, »über3 �
schätzen wir diesen Parker doch nicht. Ist ja lachhaft! Ein einziger skurriler Einzelgänger sollte nicht in der Lage sein, uns ins Bockshorn zu jagen!« »Unterschätzen Sie Parker nicht«, warf Mayer ein, »ohne Grund setzen wir uns ja nicht zusammen. Halten wir doch fest: Butler Parker ist für uns zum Feind Nummer Eins geworden. Sein Auftauchen stört laufend unsere Aktionen. Wir haben in letzter Zeit eine Niederlage nach der anderen einstecken müssen. Bei unseren Leuten hat sich schon so etwas wie ein ParkerKomplex entwickelt. Er muß jetzt ausgeschaltet werden!« »Richtig«, fiel Gastgeber Shultz ihm in die Rede, »ich denke, ich kann mich kurz fassen. Meine Leute hier in Chikago haben Parkers Gewohnheiten sorgfältig studiert. Wir sind der Auffassung, daß auch ein Parker seine Schwächen hat! Wir brauchen nur ein paar Spezialisten, die die Arbeit erledigen, Spezialisten, die hier in Chikago unbekannt sind.« »Dafür habe ich bereits gesorgt, wie wir es vereinbart hatten.« Miller zündete sich eine Zigarette an und nickte nachdrücklich. »Die beiden Killer, die ich engagiert habe, sind Spitzenkräfte. Nicht gerade billig, aber zuverlässig!« »Kann man über diese beiden Spezialisten mehr erfahren?« erkundigte sich Mayer aus New York. »Sie haben bisher nur an der Westküste gearbeitet und fast ausschließlich private Aufträge übernommen«, erklärte Miller, »es sind Männer, die ohne Hinterlassung von Spuren arbeiten.« »Und wann erscheinen sie hier auf der Bildfläche?« wollte Gastgeber Shultz wissen. »Sie halten sich bereits hier in Chikago auf«, versicherte Miller, »sie warten nur auf das Startzeichen. Und auf die Anzahlung!« »Wieviel verlangen sie denn?« Shultz sah seinen Geschäftsfreund interessiert an. »Hunderttausend!« 4 �
»Die sind wohl wahnsinnig!« sagte Shultz. »Es sind clevere Geschäftsleute. Zudem haben auch sie schon von diesem Parker gehört. Sie lassen sich ihr Risiko bezahlen.« »Wir sollten zahlen«, beschwichtigte Mayer, »was sind schon hunderttausend. Sie sind in jedem Fall verdammt gut angelegt! Ich bin dafür, die beiden Spezialisten zu bezahlen. Sie sollten sich sofort an die Arbeit machen!« »Und wir sollten ihnen eine bestimmte Frist geben«, schlug Shultz nun vor. »Innerhalb von drei Tagen müßten sie es erledigt haben!« »Gut, ich werde das den beiden Männern ausrichten«, erklärte Miller, »wie ich sie einschätze, schaffen sie es bereits am ersten Tag.« »Kann man die beiden Burschen nicht mal aus der Nähe sehen?« erkundigte sich Mayer. »Natürlich«, versprach Miller, »ich rufe sie gleich an. Sie könnten sich in etwa einer Stunde hier vorstellen, einverstanden? Ich sage nur gleich im voraus, lassen Sie sich nicht vom Aussehen täuschen! Clever sehen sie gerade nicht aus!« * Sie sahen wirklich nicht clever aus. Sie hießen Dutch Cassner und Herb Passenger und erinnerten sehr deutlich an fußlahme Vertreter für Staubsauger oder Kochbücher. Beide besaßen bereits einen leichten Bauch, hatten schütteres Haar und trugen schlecht sitzend Anzüge von der Stange. Sie mochten beide etwa vierzig Jahre alt sein und forderten irgendwie zum Mitleid hieraus. Sie wohnten in einem Hotel der unteren Preisklasse, in dem außer ihnen tatsächlich viele Vertreter und Reisende abzusteigen pflegten. Das Hotel hatte einen 5 �
guten Leumund. Hier vermutete selbst der spitzfindigste Kopf der Polizei keine Killer. Sie wohnten Tür am Tür und aßen gemeinsam in einem Schnellimbiß nicht weit vom Hotel entfernt. Seit etwa drei Tagen hielten sie sich in der Stadt auf, aber sie hatten bisher nicht einen einzigen Schritt in irgendeinen Nachtbetrieb hineingesetzt. Sie gingen abends ins Kino und nahmen in einem Bierlokal ein paar harmlose Drinks zu sich, bevor sie zu Bett gingen. Sie gaben sich als normaler Durchschnitt aus, und selbst eine plötzliche Kontrolle ihres Gepäcks hätte nicht die Spur irgendeiner Mordwaffe zutage gefördert. Ihr Handwerkszeug befand sich in zwei Schließfächern im nahen Busbahnhof. Die Schlüssel dazu befanden sich postlagernd in einem Schalter der nahen Post. Nur gegen ein bestimmtes Codewort war dieses kleine Schlüsselpäckchen zu bekommen. Eine weitere Vorsichtsmaßnahme dieser sehr vorsichtigen Killer. Mister Miller hatte im Kreise seiner Freunde nicht übertrieben. Dutch Cassner und Herb Passenger waren erstklassige Spezialisten. Wie viele Morde sie bereits auf dem Gewissen hatten, wußten sie sehr gut, doch darüber sprachen sie niemals. Sie hielten sich stets korrekt an die einmal getroffenen Vereinbarungen, kassierten und ließen sich später nie wieder sehen. Eine Zusammenarbeit mit ihnen war ohne jedes Risiko. An jenem Mittwoch, als Miller, Mayer und Shultz sich in der Hotelsuite unterhielten, kamen Gassner und Passenger gerade vom Mittagessen. Im Schnellimbiß hatten sie ein einfaches Mahl zu sich genommen. Sie gingen nun zurück in ihre Zimmer, um einen kleinen Mittagsschlaf zu halten, im übrigen warteten sie gelassen auf eine Nachricht von Mister Miller. Als sie in der zweiten Etage des Hotels aus dem Lift stiegen, begegnete ihnen auf dem Korridor ein älterer Mann, der eine gestreifte Arbeitsschürze trug. Der Schnurrbart des Mannes, der 6 �
gut und gerne sechzig Jahre alt sein mochte, hing traurig am Kinn herunter. Etwas schlurfend passierte dieser Mann sie. Er sah kaum hoch. Passenger achtete überhaupt nicht auf diesen Angestellten. Nur Cassner blieb, plötzlich stehen, als der Mann den Lift bestieg. »Was ist?« fragte Passenger. »Hast du den Alten hier schon mal gesehen?« gab Cassner zurück. »Nein. Warum?« »Oh, nichts. War nur eine Frage!« »Du bist und bleibst mißtrauisch«, sagte Passenger und lächelte milde. »Hat sich bisher immer ausgezahlt«, erwiderte Cassner, »na schön, legen wir uns für eine Stunde aufs Ohr, Herb. Dann werde ich Miller anrufen. Er muß sich endlich entscheiden. Wir haben noch eine Menge zu tun. Detroit wartet auf uns!« Passenger nickte nur und schloß sein Hotelzimmer auf. Als er die Tür aufdrückte, erlebte er eine kleine Überraschung. In der Zimmermitte stand ein Besucher, der ihn aus großen Augen anstarrte. Passenger sah die Waffe in der Hand dieses Besuchers und warf sich schnell und gewandt wie eine Katze zu Boden, rollte sich zur Seite ab und griff geschickt nach einer Blumenvase, die auf einem kleinen Wandtisch neben der Tür stand. Er warf sie mit voller Kraft auf den Besucher, der zwar getroffen wurde, aber wie ein Stehaufmännchen der Länge nach zurückgeworfen wurde, um sich gleich wieder aufzurichten. Passenger keuchte. Er sprang hoch. Er sah jetzt nicht mehr wie ein behäbiger, fußlahmer Vertreter aus. Wie eine Wildkatze sprang er seinen Besucher an und rammte ihm die Faust in den Unterleib. 7 �
Der Besucher rutschte förmlich in sich zusammen und löste sich dann urplötzlich mit einem lauten Knall auf. Passenger taumelte zurück, als ihm lange Gummifetzen hart und peitschend ins Gesteht schlugen. Und erst jetzt merkte er, daß er von einer aufblasbaren, mannsgroßen Gummipuppe genarrt worden war, die nun nicht mehr existierte. Er ließ sich in einen der beiden Sessel fallen und spürte, wie weich er in den Knien geworden war. Dann stand er ruckartig auf und lief zur Tür. Um hier mit seinem Partner Cassner hart zusammenzuprallen, der seinerseits ins Zimmer kommen wollte »Herb Herb«, stotterte Cassner, dessen Gesicht eine wachsbleiche Farbe angenommen hatte, »weißt du, was eben passiert ist?« »Okay«, gab Passenger zurück und hörte deutlich, wie rauh seine Stimme geworden war. »du bist genauso ’reingefallen wie ich!« * Mike Rander saß im Studio seiner sehr geräumigen Dachgartenwohnung und ließ sich den Kaffee servieren. Josuah Parker bewegte sich dabei mit der Gemessenheit des hochherrschaftlichen Butlers. Seine Handreichungen waren abgezirkelt und hätten jeden Kenner der Materie begeistert. Parker trug zur gestreiften Dienerweste schwarze Hosen. Sein Eckkragen erstrahlte im untadeligen Weiß. Der Binder war selbstverständlich aus schwarzer Seide. In der Schwärze seiner Lackschuhe spiegelten sich die beiden Studiolampen. »Ich habe Sie ja den ganzen Morgen über nicht gesehen?« sagte Rander und zündete sich eine Zigarette an. Er hatte einen leichten Mittagsimbiß zu sich genommen und genoß nun den starken Kaffee, den sein Butler so außergewöhnlich gut zuzubereiten 8 �
verstand. »Ich habe mir ein wenig die Beine vertreten. Sir«, berichtete der Butler zurückhaltend und blieb abwartend seitlich vor seinem jungen Herrn stehen. »Nur?« fragte Rander etwas mißtrauisch. »Und einige Informationen gesammelt. Sir?« »Aha. jetzt kommen wir der Sache schon bedeutend näher.« Rander lächelte. »Gestehen Sie schon. Parker! Sie sind wieder mal dabei, einen neuen Fall aufzubohren, stimmt es?« »In etwa. Sir.« »Geben Sie sich nur keinen unnötiger Hoffnungen hin, Parker. Sie kennen ja unsere Abmachung! Wir legen eine Pause von einem Vierteljahr ein!« »Gewiß, Sir. Nur…« »Was, nur?« Rander sah wieder mißtrauisch hoch, bevor er einen Schluck Kaffee trank. »Die Verhältnisse, Sir, sind leider oft stärker als alle Vorsätze.« »Was soll ich darunter verstehen?« »Der Mensch ist nur ein hilfloser und schwacher Spielball der Götter, Sir, ein altes chinesisches Sprichwort, wie ich dazu bemerken darf.« »Ich will keine Zitate hören, sondern Tatsachen erfahren. Was tut sich?« »Die Herren Miller, Mayer und Shultz halten sich seit drei Tagen in dieser Stadt auf, Sir.« »Miller, Mayer und Shultz? Sind das Leute, die ich kennen muß?« »Vielleicht, Sir. Sie gehören zwar nicht der Gesellschaft an, sind aber dennoch als Prominente zu bezeichnen. Als Prominente der Unterwelt!« »Und woher haben Sie dieses Wissen schon wieder bezogen?« »Ich verfüge, wenn ich es so ausdrücken darf, Sir, über gewisse 9 �
Beziehungen.« »Und diese Beziehungen haben Sie also ausgenutzt?« »Die Herren Miller, Mayer und Shultz, Sir, vertreten mächtige Interessengruppen der Unterwelt!« »Sollen sie doch.« »Sie haben sich zusammengefunden, um über einen ganz bestimmten Mord zu diskutieren.« »Das reimen Sie sich doch nur zusammen. Woher wollen Sie das wissen? Ich sage Ihnen noch einmal. Parker, und zwar mit Nachdruck, daß wir uns aus allem heraushalten.« »Ich verfüge über sehr detaillierte Informationen, Sir. Wenn Sie erlauben, spiele ich Ihnen ein kurzes Toniband ab!« »Also schön.« Rander seufzte und verdrehte dazu die Augen. Innerlich ahnte er schon, was da wieder auf ihn zukam. Er sah zu Parker hinüber, der ein kleines Miniaturtonbandgerät von der Größe eines schmalen Buches auf einem Servierwagen heranschob. Nach einem Tastendruck setzte dieses Gerät mit der Wiedergabe ein. Die Stimmen von Miller, Mayer und Shultz waren deutlich zu hören. Ebenso deutlich war zu vernehmen, was geplant wurde. Die ganze Unterredung der drei Gangsterkönige war Wort für Wort festgehalten worden. »Wie sind Sie denn an diese Aufzeichnung gekommen?« fragte Rander schließlich verblüfft, als Parker das Gerät ausgeschaltet hatte. »Ich war so frei, einen kleinen Miniatursender in jenem Raum zu installieren, in dem die drei Herren sich unterhielten«, antwortete Parker korrekt und würdevoll. »Vom Korridor eines gegenüberliegendes Bürohauses aus konnte ich anschließend diese Aufzeichnung herstellen.« »Sehr legal war das aber nicht«, tadelte Rander. »List ist der Gegner der rauhen Kräfte«, zitierte Parker sofort. 10 �
»Hört sich fast überzeugend an«, frotzelte Rander lächelnd. »Ein altes Sprichwort aus dem Sanskrit«, erläuterte der Butler, »sehr treffend, wie ich höflichst hinzufügen möchte.« »Sie scheinen es neuerdings mit den Sprichwörtern zu haben«, sagte Rander amüsiert, »ich furchte, ich werde mich in Zukunft auf einiges gefaßt machen müssen, Parker!« »Gewiß, Sir«, antwortete Parker und deutete eine leichte Verbeugung an, »darf ich, wenn Sie erlauben, auf dieses aufgezeichnete Gespräch zurückkommen?« »Richtig. Sie sollen also ermordet werden. Man hat Sie also zum Feind Nummer Eins der Unterweit erkoren! Hört sich nicht gut an, Parker. Da kommt einiges auf uns zu!« Rander lächelte schon nicht mehr. Er wußte sehr gut, was diese Unterhaltung der drei Gangster zu bedeuten hatte. »Diese Mordversuche sollen und werden Sie selbstverständlich nicht inkommodieren«, sagte Parker, »es war ja, wie ich bemerken möchte, eindeutig zu hören, daß nur meine bescheidene Person umgebracht werden soll!« »Unsinn, ich bin natürlich mit von der Partie, Parker! Darüber brauchen wir erst gar nicht zu reden. Jetzt interessiert mich nur, wer die beiden Spezialisten sind, von denen gesprochen wurde.« »Es handelte sich um zwei Männer, die man im Fachjargon Berufskiller zu nennen pflegt«, erläuterte der Butler, »sie heißen Dutch Cassner und Herb Passenger. Sie wohnen zur Zeit in der zweiten Etage des Western-Hotels.« »Zum Henker, woher haben Sie denn das schon wieder?« »Ein flüchtiger Bekannter, Sir, der meiner Wenigkeit verpflichtet ist und früher einmal im Elektrofach arbeitete, war so freundlich, eine bestimmte Telefonleitung anzuzapfen, wenn ich es so ausdrücken darf.« »Ich habe schon verstanden«, brummte Rander und schüttelte den Kopf, »Sie treiben es solange, bis Sie mal hereinfallen, Par11 �
ker. Aber gut, ich will gar nichts von Einzelheiten wissen. Wer wird abgehört?« »Besagter Mister Miller, Sir, der aus Los Angeles gekommen ist und die beiden Herren Cassner und Passenger engagiert hat. Auf diesem an sich harmlosen und leichten Umweg gelang es mir, die beiden Killer ausfindig zu machen.« »Ist mir jetzt klar, Parker!« Rander sah seinen Butler wieder einmal in einer Mischung aus Bewunderung und leichtem Entsetzen an. »Wie ich Sie kenne, haben Sie natürlich schon gewisse Gegenmaßnahmen eingeleitet, wie?« »Ein wenig, Sir!« »Einzelheiten«, forderte Rander. »Ich war so frei, Sir, zwei aufblasbare Gummipuppen im Western-Hotel zurückzulassen. Meiner bescheidenen Ansicht nach müssen die Herren Cassner und Passenger zumindest leicht überrascht gewesen sein!« * Dutch Cassner und Herb Passenger starrten auf die traurigen Überreste der beiden zerfetzten Gummipuppen, die sie in Heros Zimmer zusammengetragen hatten. »Wer kann uns diesen Streich gespielt haben?« fragte Cassner. »Keine Ahnung«, gab Passenger zurück. »Miller scheidet aus! Der würde sich hüten, uns auf den Arm zu nehmen. Nee, Dutch, wir haben es hier mit einem ausgekochten Burschen zu tun, der bereits eine Menge über uns weiß.« »Dieser Parker vielleicht, den wir…?« Cassner beendete seinen Satz absichtlich nicht. Namen zukünftiger Opfer wurden von ihnen nur in einem unauffälligen Zusammenhang genannt. »Woher sollte der Bursche von uns wissen?« Passenger schüttelte nachdenklich den Kopf. »Schließlich sind wir hier in der 12 �
Stadt völlig unbekannt.« »Was hältst du davon, Miller zu benachrichtigen?« »Ausgeschlossen! Das hier ist unser Problem! Ich will dir was sagen, Dutch. wir bringen unseren Auftrag so schnell wie möglich hinter uns. Und dann setzen wir uns schleunigst ab, mein Junge. Diese Stadt gefällt mir nicht. Ich habe komische Ahnungen.« »Ahnungen?« »Genau, hier wartet Ärger auf uns. Paß auf, wir gehen gegen Abend ’raus an die frische Luft und sehen uns um. Du weißt schon, was ich meine. Und dann rauschen wir zurück in den Westen. Dort sind wir sicherer.« Die beiden Killer legten eine kleine Schweigepause ein und hingen ihren Gedanken, nach. Es war offensichtlich, daß man ihnen erst einmal die Suppe versalzen hatte. Mit geheimnisvollen Schwierigkeiten hatten sie nicht gerechnet. Für sie war dieser Ausflug nach Chikago so etwas wie ein Kurzurlaub gewesen. Bisher wenigstens. Und nun entwickelte sich daraus ein Ärger, mit dem sie niemals gerechnet hatten. »Was wissen wir eigentlich von diesem Mann?« fragte Dutch Cassner schließlich. »Wir kennen ihn nur vom Bild her. Aber das ist doch auch alles!« »Willst du etwa Erkundigungen über ihn einziehen?« Passenger lachte grimmig auf. »Nicht direkt«, antwortete Cassner, »aber man könnte doch mal in eingeweihten Kreisen herumfragen. Kann doch nicht besonders schwer sein.« »Nichte davon«, widersprach Passenger, »fehlt nur noch, daß wir unsere Visitenkarten verteilen. Nee, Dutch, in spätestens zwei Stunden führen wir unseren Auftrag durch. Damit ist der Fall dann für uns erledigt. Ich will dir was sagen. Wir packen unsere Koffer und bleiben ab sofort in unserem Wagen. Wir krei13 �
sen solange durch die Stadt, bis wir den günstigsten Moment erwischt haben. Dann nichts wie weg!« Damit war bereits die Diskussion beendet. Sie packten ihre Koffer, verstauten sie in ihrem Lincoln, der in einer Garage in der Nähe des Hotels stand und sahen sich bereits schon wieder lächelnd an. Sie waren der Auffassung, ihren geheimnisvollen Gegner bereits ausgespielt zu haben. Passenger, der am Steuer saß, schaltete die Zündung ein und warf sich im gleichen Moment deckungssuchend nach rechts zur Seite Cassner wollte seinen Oberkörper ebenfalls abdecken und warf sich geistesgegenwärtig nach links zur Seite. Dadurch kamen sie sich ins Gehege. Ihre Köpfe krachten hart zusammen. Sowohl Cassner als auch Passenger glaubten, Sterne zu sehen. Eine leichte Ohnmacht umnebelte ihre Hirne. Sie stierten sich erstaunt an und sackten in sich zusammen. Dann, fast gleichzeitig, richteten sie sich wieder auf und schauten vorsichtig hinüber zur Motorhaube, die sich unter dem Eindruck einer leichten Detonation angehoben hatte. Aus der Öffnung kräuselte sich eine weißgelbe Rauchfahne hoch. »Eine Bombe!« brüllte Passenger, der es genau wissen mußte, denn er hatte mit diesem Trick schon einmal ein Opfer in die Luft gejagt. »Raus, Dutch, gleich fliegt das Ding in die Luft!« Sie drückten hastig die Wagentür auf und stolperten auf einen der mächtigen Betonpfeiler der Garage zu, hinter dem sie dann in Deckung gingen. »Gleich!« murmelte Passenger und deutete auf die geöffnete Motorhaube, aus der der Rauch immer dichter und massiger hervorquoll. »J… J… jetzt!« hustete Cassner und schloß instinktiv die Augen, als unter der Motorhaube plötzlich ein seltsames Geräusch zu hören war. »W… w… was ist denn das?« fragte Passenger ungläubig, als er genauer hinhörte. 14 �
»Eine Kuckucksuhr!« keuchte Cassner und sah seinen Partner verständnislos an. Er phantasierte keineswegs. Er täuschte sich nicht. Deutlich und einwandfrei war das Kuckuck… Kuckuck… Kuckuck einer Spielwarenuhr zu hören. Und es ließ sich nicht abstreiten, daß dieses Kuckuck ein wenig ironisch und lachhaft wirkte. * Cassner und Passenger hatten sich inzwischen etwas erholt. Es war dunkel geworden, und sie standen rachelüstern in einem Büro, in dem sich außer ihnen kein Mensch befand. Sie hatten sich auf bewährte Art und Weise Zutritt verschafft und konnten vom Fenster aus die Zufahrt zum Bürohaus kontrollieren, auf dessen Dach der Bungalow Mike Randers stand. Sie hatten sich diesen günstigen Standort genau ausgesucht. Josuah Parker mußte, wenn er das Haus verließ, mit tödlicher Sicherheit hier vorbeikommen. Für einen Scharfschützen war es dann eine ausgemachte Kleinigkeit, einen Mann am Steuer seines Wagens zu treffen. Cassner und Passenger unterhielten sich kaum. Sie hingen ihren Gedanken nach, die alles andere als freundlich waren. Sie mußten immer wieder an diese beiden seltsamen Streiche denken, die man ihnen gespielt hatte. Da war zuerst die Sache mit den beiden lebensgroßen Gummipuppen gewesen, auf die sie prompt hereingefallen waren. Und dann, vor knapp anderthalb Stunden, war es zu diesem seltsamen Kuckuck gekommen, der sie entnervt hatte. »Ich weiß nicht, ich weiß nicht«, sagte Cassner schließlich und sah zu seinem Partner hinüber, der das Zielfernrohr seines 15 �
Gewehres sorgfältig wartete und putzte, »ich weiß nicht, Herb, ich werde das Gefühl nicht los, daß dieser verdammte Parker längst weiß, wo wir stecken.« »Hmm!« antwortete Passenger nur. »Angenommen, der weiß, daß wir ihn hier erwarten«, redete Cassner weiter, »glaubst du nicht, daß er dann was tun wird?« »Möglich«, antwortete Passenger »aber wo wollen wir ihn sonst erwischen? Du weißt, daß er jeden Abend aus der Tiefgarage kommt. Das hat Miller von Shultz erfahren. Und die Leute von Shultz haben den Butler ja schließlich tagelang beobachtet.« »Und wenn er heute überhaupt nicht kommt?« »Dann eben morgen«, erwiderte Passenger gereizt, »wir haben den Job übernommen und wir werden ihn ausführen. Mann, denk doch daran, daß unsere Berufsehre auf dein Spiel steht! Was passiert denn, wenn sich erstmal herumspricht, daß wir nicht mehr zuverlässig sind? Unser Geschäft ist doch dann im Eimer, oder nicht?« »Wir sollten vielleicht noch ein paar Tage warten, Herb. Diesen Parker damit in Sicherheit wiegen.« »Okay, wenn wir heute Pech haben, lassen wir ihn ein paar Tage in Ruhe«, räumte Passenger ein, »aber ich denke, daß Wir es heute schaffen wer…! Moment mal! Da kommt ja sein Schlitten aus der Tiefgarage! Das muß er sein. Sieh dir mal diesen ulkigen Karren an!« Passenger hatte nicht übertrieben. Aus der Tiefgarage des gegenüberliegenden Bürohochhauses kroch ein Wagen, der sich nach dem nächstgelegenen Schrottplatz zu sehnen schien. Es handelte sich um ein ehemaliges Londoner Taxi, an dem aber auch alles eckig und kantig war und wirkte. Hochbeinig rollte dieses Gefährt über die schräge Rampe hinauf in die Dunkelheit. Doch das Licht, in das die Stadt getaucht war, reichte vollkommen aus, um sogar Einzelheiten 16 �
des Wagens zu erkennen. Passenger nahm sein Gewehr hoch und trat. ans Fenster. Er visierte den Wagen probeweise an und nickte dann seinem Partner Cassner zu, der sich gleichfalls mit einem Gewehr ausgerüstet hätte. Auch diese Schußwaffe verfügte über ein Zielfernrohr. Unnötige Risiken gingen die beiden Killer niemals ein. Sie waren für ihre Präzisionsarbeit bekannt und berüchtigt zugleich. Der Fahrer am Steuer war hinreichend gut zu erkennen. Die Melone auf dem Kopf des Fahrers gab letzte Gewißheit. Dies dort mußte Butler Josuah Parker sein. Er ahnte nicht, daß er nur noch wenige Sekunden zu leben hatte. »Jetzt!« kommandierte Passenger leise und drückte ab, als der Kopf im Fadenkreuz des Zielfernrohrs erschien. Cassner schoß fast gleichzeitig. Die schallgedämpften Geschosse zischten hinunter auf die Straße und prallten von der Wagenscheibe ab, als bestünden sie aus weichen Erbsen. Cassner und Passenger sahen sich verblüfft an. »Panzerglas!« keuchte Passner dann und wendete sich um. Er wollte das Büro verlassen und dachte überhaupt nicht mehr an einen weiteren Schuß. Für ihn war dieser Mordversuch bereits erledigt und beendet. Er blieb nach der Körperdrehung wie erstarrt stehen. In der Tür zum Korridor, die lautlos geöffnet worden war, stand ein schwarzgekleideter Mann, auf dessen Kopf eine Melone saß. In der linken Hand dieses Mannes befand sich ein altväterlich aussehender Regenschirm. Bevor Cassner schreien oder warnen konnte, wurden seine Knie weich, wofür es allerdings einen speziellen Grund gab. Der seltsam gekleidete Mann, der so gar nicht in die amerikanische Landschaft paßte und eher nach England gehörte, hielt eine lange, schwarze Zigarre im Mund, aus deren Spitze plötzlich ein kleiner, gefiederter Pfeil hervorzischte, dessen Spitze sich in den 17 �
Hals des Killers bohrte. Gurgelnd, mit angstverzerrtem Gesicht und rollenden Augen, ließ Cassner sich auf dem Parkettboden des Büros nieder und fühlte eine seltsame Lähmung in seinen Gliedern. Diese Lähmung war derart stark, daß ihm der Angstschrei in der Kehle steckenblieb. Passenger, immer noch arglos, mußte jetzt wohl ein Geräusch gehört haben, das ihn irritierte. Er wandte sich hastig um. Und sah jetzt den Butler, der ihm freundlich, aber doch sehr distanziert zunickte. Passenger riß sein durchgeladenes Gewehr hoch. Er sah sich seinem Feind gegenüber und witterte eine Möglichkeit, seinen Auftrag jetzt und hier auszuführen. Er übersah die Zigarre in Parkers Mund. Hingegen übersah er keineswegs den kleinen, gefiederten Pfeil, der auf ihn zuzischte. Passenger warf sich zur Seite und wollte diesem seltsamen Geschoß im letzten Moment noch entgehen, doch zu spät! Er riß verzweifelt die Arme hoch, ließ sein Gewehr fallen und legte sich neben seinem Partner Cassner nun ebenfalls zur Ruhe. »Rasch, o Mensch, schlägt das Schicksal zu«, zitierte Parker einen alten griechischen Spruch und trat näher, um die beiden Killer aus nächster Nähe in Augenschein zu nehmen. * »Nun, Parker, wie sieht es aus?« erkundigte sich Mike Rander knapp fünfzehn Minuten später, nachdem er das Büro betreten hatte, in dem die beiden Killer noch schliefen. »Ich bin in der erfreulichen Lage, Sir, angenehme Dinge berichten zu dürfen«, antwortete Josuah Parker höflich und lüftete dazu grüßend seine Melone, »die beiden Herren befinden sich 18 �
nach wie vor in einem durchaus als angenehm zu bezeichnenden Dämmerschlaf. Gesundheitliche Schäden sind, um Ihrer Frage vorzugreifen, mit Sicherheit nicht zu erwarten.« »Sehr schön! Und was machen wir jetzt mit den beiden Burschen? Übergeben wir sie der Polizei?« »Ich wage diese Frage nicht zu entscheiden, Sir.« »Was haben wir damit gewonnen, wenn wir die Polizei informieren?« dozierte Mike Rander halblaut und nachdenklich. »Nach spätestens vierundzwanzig Stunden müßte jeder Richter sie wieder auf freien Fuß setzen, zumal wir außer Waffenbesitz kaum etwas nachweisen können!« »Ich war bereits so frei, einige hoffentlich ausgezeichnete Aufnahmen zu schießen.« »Das ist gut«, erwiderte Rander, »diese beiden Burschen haben wir bisher noch nicht im Privatarchiv! Reicht das für uns?« »Man könnte diese Herren möglicherweise für einige Zeit aus dem Verkehr ziehen lassen, wie der Volksmund es so treffend ausdrücken würde.« »Und wie stellen Sie sich das vor?« »Zwei waffenlose, offensichtlich angetrunkene Männer in Unterhosen, die sich verbotenerweise in einem fremden Bürohaus herumtreiben, Sir, müßten mit letzter Sicherheit den Unwillen eines jeden Richters erregen!« Rander schmunzelte und nickte. Josuah Parker machte sich routiniert und schnell an die Arbeit. Mike Rander sah sich zu seinem Leidwesen gezwungen, nur zuzusehen. Er durfte sich an dieser Arbeit nicht beteiligen. Sein Butler hätte ihm solch eine gesellschaftliche Entgleisung sonst übelgenommen. »Sehen ganz ordentlich aus«, stellte Rander schließlich fest und sah sich die beiden Killer an, die nur noch Netzhemd und kurze Unterhosen trugen. Sie sahen jetzt erstaunlicherweise noch 19 �
harmloser als vorher aus. »Dann wollen wir mal!« Rander nahm den Hörer eines Telefonapparates hoch und wählte die Nummer der Polizei. In wohlbetonten Worten informierte er die Behörden und sprach in diesem Zusammenhang von zwei angetrunkenen Männern, die sich in Unterhosen in fremden Büros herumtrieben. Es dauerte genau drei Minuten, bis der Streifenwagen vor dem Bürohaus erschien. Rander und sein Butler saßen in Parkers hochbeinigem Monstrum wie in einer Loge. Vom nahen Parkplatz aus beobachteten sie, wie die beiden sich nur leicht sträubenden Männer abtransportiert wurden. Weder Cassner noch Passenger wußten im Grunde, um was es ging. Die Nachwirkung der beiden gefiederten Pfeile war noch zu intensiv. Als der Streifenwagen unter Sirenengeheul abfuhr, sah Rander seinen Butler zufrieden an. »Das ergibt wenigstens vierzehn Tage für jeden der beiden Killer«, meinte er dann, »jetzt bin ich gespannt, ob die Herren Miller, Mayer und Shultz Ersatz aufbieten werden!« »Davon bin ich fest überzeugt, Sir, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf! Ich hoffe, Ihnen bald nähere Einzelheiten darüber mitteilen zu können.« »Falls man Ihren Miniatursender nicht entdeckt, Parker!« »Mag der listige Schakal die erste Falle überwinden, in der zweiten wird er sicher landen«, sagte Parker gemessen. »Sprichwort?« fragte Rander belustigt an. »In der Tat, Sir!« »Sanskrit?« »Ein Zitat aus der Bantusprache, Sir«, erklärte der Butler in seiner würdevollen Art. Aus Gründen der Tarnung wohnten Miller und Mayer in verschiedenen Hotels. Miller aus Los Angeles war im Saddlers abgestiegen und hatte 20 �
sich dort mit zwei ineinandergehenden Räumen begnügt. Seinen Zimmern gegenüber wohnten in einem Doppelzimmer die beiden Handelsvertreter Radner und Poison. In Wirklichkeit waren diese beiden stämmigen Männer so etwas wie die Leibgarde des Gangsters. Miller hatte sie mitgenommen, um in der großen Stadt Chikago nicht ganz schutzlos zu sein. Diese beiden Handelsvertreter, die tatsächlich handelten, aber nur mit Hieb-, Stieb- und Schußwaffen, hatten sich zur Ruhe begeben. Sie wußten, daß ihr Boß Miller in seinen Räumen war und nicht mehr die Absicht hatte, das Nachtleben Chikagos zu studieren. Miller hatte ausgiebig geduscht und saß im Bademantel vor dem kleinen Schreibtisch in seinem Zimmer und rechnete Gewinnausschüttungen nach und durch. Er war äußerst zufrieden, denn seine Unternehmen warfen erfreuliche Gewinne ab. Völlig legal übrigens. Er hatte es gar nicht nötig, sich auf besonders krumme Dinge einzulassen. Die wurden, wie schon gesagt, von Handlangern erledigt. Schmutziges Geld, das er laufend illegal kassierte, wanderte umgehend in die legalen Geschäfte. Miller versteuerte einen Teil seiner Einnahmen. Mit den Behörden, wollte er auf keinen Fall irgendwelche Schwierigkeiten haben. Er klappte den Schnellhefter mit den Unterlagen zu und überlegte gerade, ob er sich ein Ferngespräch nach Los Angeles durchstellen lassen sollte. Da gab es in der Reihe seiner Unternehmen eine Nachtbar, die nicht so geführt wurde, wie er es sich wünschte. Es wurde höchste Zeit, diesem Geschäftsführer ein paar mahnende Worte zu sagen. Miller griff nach, dem Hörer des Telefonapparates und änderte in dem Moment seine Absicht, als die Rezeption sich meldete. »Schicken Sie mir eine halbe Flasche Bourbon herauf«, sagte er höflich, »nur Eis, kein Sodawasser. Und etwas schnell, wenn ich bitten darf!« Miller zündete sich eine Zigarette an und dachte an seine beiden Geschäftsfreunde Mayer und Shultz. Er war nachträglich 21 �
noch froh darüber, daß er sich mit ihnen verbunden hatte. Ein Mann wie Josuah Parker ließ sich schließlich nicht durch eine Einzelaktion aus der Welt schaffen. Dazu brauchte es schon eine intensive Zusammenarbeit. Miller hing seinen Gedanken nach und schaute überhaupt nicht hoch, als angeklopft wurde. »Herein!« rief er halblaut und lehnte sich entspannt im Sessel zurück. Die Tür öffnete sich. Ein Kellner des Hauses trat ein und verbeugte sich. Es handelte sich um einen vielleicht vierzigjährigen, noch recht schlanken Mann, der auf der rechten Hand ein Tablett balancierte. Der Mann trug eine knapp sitzende, rote Weste mit dicken Fangschüren, eine Kleidung, wie sie in diesem Hotel üblich war. »Wo darf ich das Getränk niederstellen, Sir?« fragte der Kellner höflich. »Hier auf den Beitisch!« Miller nickte achtlos und wartete, bis der Kellner ihm eingegossen hatte. Dann griff er nach dem Glas und nahm einen tüchtigen Schluck. »Ah, gut!« seufzte er dann zufrieden und warf dem Kellner eine Geldmünze als Trinkgeld zu, denn Miller hielt darauf, als Mann von Welt zu gelten. Der Kellner bedankte sich durch eine weitere Verbeugung und verließ auf leisen Sohlen das Zimmer. Miller setzte das Glas erneut an den Mund und stutzte plötzlich. Seine Lippen berührten nämlich nicht nur die Eiswürfel im Glas, sondern auch einen Fremdkörper, der überhaupt nicht in das Glas hineingehörte. »Verdammt!« murmelte Miller ärgerlich. »Sauladen!« Er fingerte vorsichtig nach dem Fremdkörper und hielt ihn dann prüfend gegen das Licht. Er merkte überhaupt nicht, wie seine Augen sich weiteten. Er sah nicht, wie seine Gesichtshaut sich verfärbte und die Farbe 22 �
einer frisch gekalkten Wand annahm. Er starrte nur wie hypnotisiert auf die kleine schwarze Melone, die zwischen seinen Fingerkuppen deutlich zu erkennen war. Diese schwarze Melone bestand aus Zinn und war nicht größer als das Zifferblatt einer Damenarmbanduhr. Als Miller jedoch die Bedeutung dieses Zeichens aufging, fühlte er ganz deutlich, wie sich dicker, kalter Schweiß auf seiner Stirn bildete! * Im Gegensatz zu Miller war Mister Mayer im Battery abgestiegen, einem kleinen, aber gutgeleiteten Hotel in der Nähe des Loop. Hier hatte er sich ebenfalls eine Suite gemietet, die er allein bewohnte. Und im Gegensatz zu Miller hatte Mayer auf jeden Leibwächter verzichtet. Der stämmige Mann aus New York war vielleicht der härteste der drei Gangsterbosse, die sich gegen Josuah Parker verschworen hatten. Er wußte noch sehr gut mit einer Waffe umzugehen. Unter der Oberfläche gewisser Manieren, die er sich im Laufe der Zeit angeeignet hatte, schlummerten Wildheit und Bösartigkeit. An jenem Abend, als Miller die kleine Zinnmelone betrachtete, die er in seinem Trinkglas gefunden hatte, saß Mayer in einem Nachtklub und genoß Darbietungen auf der Tanzfläche. Eine Striptease-Tänzerin war damit beschäftigt, sich routiniert zu entkleiden. Sie machte das recht gut, und Mayer war entschlossen, diese Tänzerin für eines seiner Lokale in New York zu engagieren. Er war ein wirklicher Talentsucher und nahm sich vor, nach der Vorstellung gründlich mit ihr zu sprechen. Er hatte keine Ahnung, daß er seit einigen Minuten beobachtet wurde. Dieser Beobachter war ein Mann undefinierbaren Alters, der an der Bar des Klubs stand und sich offensichtlich lang23 �
weilte. Dieser Mann, mittelgroß und schlank, trug einen dunklen Anzug und einen kleinen Schnurrbart à la Menjou. Man hätte ihn leicht für einen typischen Franzosen halten können. Die Tänzerin hatte ihre Arbeit getan, hüllte sich in einen weiten, roten Mantel und verbeugte sich zu dem prasselnden Beifall. Dann huschte sie wie ein ziemlich scheues Reh hinüber zu einer Rundbogentür, hinter der sich offensichtlich die Garderoben befanden. Mister Mayer kritzelte ein paar Worte auf die Rückseite der Speisekarte und winkte einen Kellner zu sich an den Tisch. »Für Miß Cora!« sagte er knapp. »Ich warte auf Antwort!« Der Kellner wollte routinemäßig erklären, Miß Cora lehne jeden Brief ab, doch als er in die kalten Augen Mayers blickte, schluckte er seine Worte schnell herunter. Er merkte instinktiv, daß er sonst Ärger bekommen würde. Mayer brauchte nicht lange auf eine Antwort zu warten. Der Kellner slalomte zurück an Mayers Tisch und beugte sich devot zu ihm hinunter. »Miß Cora erwartet Sie in ihrer Garderobe«, sagte er leise. Mayer, ansonsten recht sparsam, opferte einen Dollar als Trinkgeld, erhob sich, warf einen prüfenden Blick in die Runde und ging dann hinüber zur Rundbogentür. Er sah schon nicht mehr, daß der Mann mit dem dünnen Schnurrbart quer durch den Nachtklub schlenderte und dabei dicht an Mayers Tisch vorbeikam. Wenig später verschwand dieser Mann ebenfalls hinter der Rundbogentür. Mister Mayer stand bereits Cora gegenüber. Sie hatte sich in einen kurzen Schminkmantel eingewickelt, der ihre recht ausgeprägten Formen unterstrich. »Sie können bei mir Karriere machen«, sagte Mayer rundheraus, »ich habe in New York ein paar gute Nachtklubs. Sie könnten am Ersten des Monats anfan24 �
gen. Was halten Sie davon?« Cora sah ihn abschätzend und prüfend an. Im Grunde kannte sie diese Masche. Zuerst waren da die Üblichen Versprechungen, dann kam die Einladung zu einem kleinen, intimen Abendessen und anschließend danach das große Vergessen. »Sie haben noch nicht von meiner Gage gesprochen«, gab sie zurück. Cora, etwas über mittelgroß, gerade noch als gertenschlank anzusprechen, fuhr sich durch das rötlichblonde Haar und lächelte ironisch. »Darüber werden wir gleich reden!« »Beim Abendessen, wie?« Spott lag in ihrer Stimme. »Natürlich. Beeilen Sie sich, ich warte nicht lange!« Mayers Stimme enthielt einen fast selbstverständlichen Befehl. Er war sich seiner Sache vollkommen sicher. Und Cora merkte das. Sie spürte, daß dieser Mann nicht bluffte, nicht mit Tricks arbeitete. Sie spürte, daß Mayer keine Dutzendware war. Und dennoch bekam sie es fast gleichzeitig etwas mit der Angst zu tun. Sie ahnte, daß sie mit diesem Mann nicht das übliche Katzund-Maus-Spiel treiben konnte. »Ich bin in ein paar Minuten bei Ihnen am Tisch«, sagte sie etwas zu hastig. »In Ordnung!« Mayer nickte und verließ dann grußlos ihre Garderobe. Im Korridor traf er auf den Mann mit dem kleinen Schnurrbart. »Ich bin der Geschäftsführer«, stellte der Mann im dunklen Anzug sich vor, »sollten Sie das hier auf Ihrem Tisch vergessen haben, Sir?« Während der Mann noch redete, hielt er Mayer ein Zigarettenetui unter die Nase. »Gehört mir nicht«, schnarrte Mayer desinteressiert. »Dann bitte ich, um Entschuldigung, Sir!« Der Mann verbeugte 25 �
sich höflich und ging zurück zur Rundbogentür. »Moment mal!« Mayers Stimme klang scharf, als er den Mann anrief. Mayer war mißtrauisch geworden. »Sie sagten, das Etui wäre von meinem Tisch?« »Sehr wohl, Sir!« »Ich will es noch mal sehen!« »Bitte, Sir!« Der Geschäftsführer kam zurück und drückte Mayer das bewußte Etui in die Hand. Mayer hatte Schwierigkeiten, es zu öffnen. Als er sich hilfesuchend nach dem Geschäftsführer umwandte, war der bereits hinter einer nahen Tür verschwunden. »Komische Geschichte«, überlegte Mayer und machte sich noch einmal verbissen über den Mechanismus her, der endlich nachgab. Mayers Augen öffneten sich weit vor Überraschung, Staunen und Mißtrauen. Im Etui befanden sich nämlich keineswegs Zigaretten. Vor Mayers Augen präsentierte sich ein kleiner Regenschirm aus Zinn, eine übrigens peinlich genaue Nachgestaltung, die jede Einzelheit erkennen ließ. Unter dem Regenschirm lag eine Visitenkarte. »Mister Parker erlaubt sich zu grüßen«, stand auf dieser Karte. Nicht mehr und nicht weniger. Mayer wußte sofort Bescheid. Fast automatisch flog der kurzläufige 38er in seine rechte Hand, eine Waffe, von der er sich fast nie trennte. Dann ging er zielsicher auf die Tür zu, hinter der der angebliche Geschäftsführer verschwunden war. Ruckartig drückte Mayer diese Tür auf. Sein Finger lag bereits gekrümmt und schußbereit am Abzug. Ein schneller Blick informierte ihn. Er stand in einer Art Requisitenkammer. Das einzige Fenster war weit geöffnet. Der angebliche Geschäftsführer mußte also 26 �
bereits die Flucht ergriffen haben. Dennoch blieb Mayer vorsichtig und wachsam. Er kontrollierte die einzelnen, querstehenden Regale, die mit Utensilien aller Art angefüllt waren. Und er passierte dabei einen Verschlag, der durch einen Vorhang vom übrigen Raum abgetrennt war. Plötzlich bewegte sich dieser Vorhang. Kaum merklich nur, aber doch deutlich erkennbar. »’rauskommen«, kommandierte Mayer mit kalter Stimme. Nichts geschah. Der Vorhang hatte sich wieder beruhigt, »’rauskommen, oder ich schieße!« Hinter dem Vorhang blieb alles ruhig. Mayer fetzte mit einer schnellen Handbewegung den störenden Vorhang zur Seite und schoß dann automatisch und blindlings. Er mußte schießen, denn ein klebriger, fetter Frosch aus Plastik war ihm ins Gesicht gesprungen. Shultz, der Gastgeber der beiden anderen Gangsterbosse, hielt sich in seinem Hotel auf. Er saß in seinem Büro und genoß einen letzten Drink für diesen Tag. Im übrigen wartete er auf eine Nachricht von Miller. Er hoffte, daß Millers Killer es schon in dieser Nacht schafften. Shultz, der in Chikago lebte und wirkte, wußte aus eigener Erfahrung, wie gefährlich und störend dieser Josuah Parker war. Seiner Initiative war es zu verdanken, daß Miller und Mayer sich endlich bereit erklärt hatten, mit ihm eine Art Einheitsfront gegen diesen Butler zu bilden. Das Telefon meldete sich, er griff fast zu hastig nach dem Hörer. »Shultz!« meldete er sich knapp. Es mußte sich um einen wichtigen Anruf handeln, denn sonst hätte die Hotelvermittlung mit Sicherheit nicht durchgestellt. »Miller!« war die etwas keuchende Antwort. »Hören Sie, Shultz, Panne auf der ganzen Linie. Mehr brauche ich Ihnen 27 �
wohl nicht zu sagen!« »Keine Einzelheiten«, antwortete Shultz schnell, »wir treffen uns hier bei mir im Hotel. Kommen Sie so schnell wie möglich!« »Unser Mann hat sich gemeldet«, redete Miller hastig weiter. »Kommen Sie auf dem schnellsten Weg zu mir«, wiederholte Shultz, »oder haben Sie Angst?« »Quatsch!« Millers Stimme klang empört. »Also, in spätestens einer halben Stunde bin ich bei Ihnen!« Shultz legte auf und massierte sich nachdenklich seinen fleischigen Nasenrücken. Es hatte also eine Panne gegeben. Mit anderen Worten, Parker war nicht erwischt worden. Millers Killer hatten sich nicht durchsetzen können. Das Telefon meldete sich erneut. »Mayer!« meldete sich sein zweiter Geschäftspartner. Auch Mayers Stimme klang nicht sonderlich normal. Sie wirkte gehetzt, schien eine gewisse Panik widerzuspiegeln. »Ja?« fragte Shultz nur zurück. � »Hören Sie, Shultz, ich muß Sie unbedingt sprechen!« � »Ist was passiert?« � »Unser Mann hat sich bei mir gemeldet. Mit einem verdammt � dreckigen Trick!« »Kommen Sie zu mir ins Hotel«, sagte Shultz knapp. »Miller kommt auch!« »Hat Miller auch…?« »Sieht so aus«, erwiderte Shultz, bevor Mayer seine Frage beenden konnte, »beeilen Sie sich, wir werden uns etwas einfallen lassen müssen!« »Und wie steht es mit Ihnen? Hat man Sie in Ruhe gelassen?« »Natürlich«, gab Shultz selbstsicher zurück und verzog sein Gesicht zu einer spöttischen Grimasse. »Hier in meinem Bau sind wir völlig sicher!« Er legte auf und zündete sich eine Importe an. Dann aber stand 28 �
er auf und wirkte keineswegs mehr gelassen und selbstsicher. Er fragte sich, woher Parker, denn um ihn allein konnte es sich ja nur handeln, von der Anwesenheit seiner beiden Freunde Miller und Mayer wußte. Auf welchem Weg mochte das durchgesickert sein? Konnte man sich schon nicht mehr auf seine eigenen Leute und Mitarbeiter verlassen? Shultz wurde das Privatbüro zu eng. Er ging zur Tür und stieß sie auf, um im gleichen Moment wie unter einem Peitschenschlag zusammenzuzucken. Auf dem Teppichläufer vor der Tür seines Privatbüros stand ein kleiner, etwa zehn Zentimeter hoher Regenschirm, dessen Spitze in den Boden gerammt worden war. Und über dem zierlich geschwungenen Griff dieses Schirmes hing eine kleine, schwarze Melone, die sich noch bewegte. »Machen wir uns nur nichts vor«, sagte Mike Rander, nachdem er sich mit seinem Butler in einem netten, kleinen Nachtklub im Loop getroffen hatte, »Sie haben zwar Ihren Spaß gehabt, aber dafür sind Ihre Gegner gewarnt.« »In der Tat, Sir«, antwortete der Butler, »die Herren Miller, Mayer und Shultz müßten nun begriffen haben, daß meine Wenigkeit sie durchschaut hat.« »Womit das große Kesseltreiben beginnen wird! Lassen Sie mich auch mal ein Sprichwort zitieren, Parker: Viele Hunde sind des Hasen Tod. Müßten Sie schon mal gehört haben, wie?« »Gewiß, Sir, aber auf der anderen Seite sagt eine Spruchweisheit aus dem Armenischen: Den langen Läufen der Meute setzt der Hase seinen Haken entgegen.« »Womit Sie sagen wollen, daß Sie Haken schlagen wollen! Schön. Aber hier in Chikago? Haben Sie daran gedacht, wie leicht Sie harmlose Bürger in Gefahr bringen können? Wenn Gangster mal gereizt sind, schießen sie ohne Rücksicht auf Verluste.« 29 �
»Ich werde Ihnen auf keinen Fall widersprechen, Sir, zumal ich ebenso denke!« »Und welche Konsequenzen ziehen Sie?« »Bestimme das Terrain, auf dem der Feind besiegt wird!« »Wie bitte?« »Eine Spruchweisheit aus dem Revolutionsalmanach Kubas, Sir! Wenn Sie erlauben, würde ich diesen Spruch wie folgt interpretieren: Man müßte diese Stadt verlassen und sich auf das flache Land zurückziehen.« »In der stillen Hoffnung, daß die Gangster Ihnen folgen?« »Sehr wohl, Sir! In dem Bestreben, ihren Mord um jeden Preis durchzuführen, werden die Gegner Ihnen und meiner Wenigkeit folgen.« »Wie ich Sie kenne, haben Sie sich längst für ein nettes Fleckchen Erde entschieden, wie?« »Ihre Erlaubnis und Ihr Einverständnis vorausschickend, Sir, würde ich den Lake Bluff vorschlagen.« »Ein beziehungsvoller Name. Wo liegt denn dieser Lake Bluff?« »Nördlich von Chikago, Sir, hart am See. Westlich dieser reizenden Ortschaft gibt es so etwas wie eine Seenplatte, erholsame Waldgebiete, hügelartige Erhebungen und viel weites Land!« »Wollen wir dort kampieren?« »Es gelang mir durch einen erfreulichen Zufall, Sir, eine Ferienranch zu mieten.« »Natürlich, bei Ihnen spielt der Zufall ja immer eine große Rolle! Aber wären wir dort wirklich ungestört?« »Mit Sicherheit, Sir!« »Und liegt diese Ranch auch taktisch günstig?« »Sie werden das sein, Sir, was man gemeinhin begeistert nennt.« »Okay, wann fahren wir?« 30 �
»Nutze den jungfräulichen Tag, er wird deine Sinne umschmeicheln«, zitierte Parker, um dann trocken und erklärend hinzuzufügen, »aus dem Anatolischen!« »Also gut, versuchen wir es. Warten wir ab, ob die Gangster uns auch prompt folgen werden, Parker. Ich denke, wir fahren jetzt nach Hause. Wir werden noch eine Menge packen müssen!« Josuah Parker beglich die Rechnung und geleitete seinen jungen Herrn aus dem Nachtklub. »Ich werde Ihrem Wagen folgen, Sir«, sagte er höflich. »Folgen Sie aber wirklich«, gab der junge. Anwalt mißtrauisch zurück. »Noch besser, Parker, Sie fahren voraus, sonst verlieren Sie unterwegs noch den Anschluß. Ich möchte nicht, daß Sie jetzt noch tätig werden. Warten Sie mit Ihrer Aktivität, bis wir auf der Ferienranch sind!« »Wie Sie meinen, Sir.« Parker setzte sich in sein hochbeiniges Monstrum und fuhr vom Parkplatz hinüber auf die Straße. Mike Rander folgte in seinem Sportwagen. Er ließ Parkers Wagen nicht aus den Augen. Schließlich kannte er ja die Tricks seines Butlers, der liebend gern allein aktiv wurde, wenn es gegen Gangster und Gauner ging. Zwischen Randers und Parkers Wagen schob sich ein langer Lastwagen, der aus einer Seitenstraße kam und Rander veranlaßte, sehr scharf zu bremsen. Als Rander diesen Laster endlich überholt hatte und nach Parkers Monstrum Ausschau hielt, war die Straße vor ihm leer. Parker hatte es also wieder einmal geschafft und sich abgesetzt. Rander war auf die formvollendeten Entschuldigungen gespannt, die sein Butler später vorbringen würde. * Parker ließ sein hochbeiniges Monstrum auf einem weiter entfernten Parkplatz stehen und zog sich in seinem Wagen um. Das � 31 �
heißt, eigentlich machte er Maske. Er brauchte nur wenige Utensilien, um sein Äußeres restlos zu verändern. Natürlich mußte er auf seinen Universal-Regenschirm und auf seine Melone verzichten. Er zog sich ein anderes Jackett über und wählte einen weichen, hellgrauen Hut. In die Nasenlöcher klemmte er zwei kleine Plastikröllchen. Sie weiteten die Nase und machten schon jetzt sein Gesicht fast unkenntlich. Sicherheitshalber schob er aber noch zwei weitere, flachere Plastikscheiben in die Wangenpartien. Sie schufen feiste Hamsterbacken. Vom Gesicht her sah der Butler nun aus wie ein etwa fünfundfünfzigjähriger, unternehmungslustiger Junggeselle. Nach einem schnellen, prüfenden Blick in den Spiegel machte er sich auf den Weg. Sein Ziel war das Hotel des Mister Shultz, ein immerhin prachtvoller Eckbau im Stil der Jahrhundertwende. Vom Straßenrand aus führte ein gewölbter Baldachin hinüber zum Portal, wo ein baumlanger Portier stand. Dieser Mann, der wie ein reich dekorierter Militär aussah, grüßte höflich und ließ den Butler passieren. Parker betrat die große Halle, sah sich unauffällig um und schritt darin mit absichtlich ein wenig weichen Knien hinüber in die Hotelbar. Selbst wer ihn aufmerksam musterte und beobachtete, hätte ihn für einen netten, älteren Herrn gehalten, der vielleicht höchstens ein Gläschen zuviel getrunken hatte. In der Bar hielt der Butler sich nicht lange auf. Er schloß sich einigen laut lärmenden Hotelgästen an, die die Bar gerade verließen, um mit dem Lift hinauf in ihre Zimmer zu fahren. Es ging immerhin schon auf dreiundzwanzig Uhr zu, für viele Gäste bereits Zeit, den Tag zu beenden. Parker betrat allerdings nicht den Lift. 32 �
Er verschwand hinter einer Tür neben den Liftschächten und gelangte in einen langen, recht engen Korridor, dessen Boden mit Läufern ausgelegt war. Einige Türen zweigten von diesem Korridor ab. Hinter diesen Türen befanden sich Büroräume, die ihn allerdings nicht interessierten. Am Ende des Korridors war eine Treppe, die hinauf in eine Art Zwischengeschoß führte. Als Parker sie erreicht hatte, hörte er plötzlich schnelle Schritte auf der Treppe. »W… wooo ist denn hier die Toi… Toilette?« sagte Parker, als der junge Mann im Korridor erschien. Er war etwa dreißig Jahre alt, sah durchtrainiert aus und schien sogar mit einer Schußwaffe ausgerüstet zu sein, wie Parker unschwer an der Ausbeulung des Jacketts feststellen konnte. »Die Toilette, alter Knabe?« Der junge Mann ließ sich prompt täuschen, so vollendet spielte der Butler seine Rolle. »Da müssen Sie ganz zurück in die Halle!« »F… f… abelhaft…!« murmelte der Butler trunken und wollte weitergehen. »Verbotene Zone, alter Junge«, sagte der Angestellte des Hauses und griff nach dem Butler, »Sie müssen sich Ihr Radar neu einrichten lassen!« »F… f… fabelhaft…!« antwortete der Butler und klammerte sich an dem jungen Mann fest. Dabei öffnete er sehr geschickt seinen Siegelring. Durch ein Drehen am Schmuckstein wurde eine kleine Nadelspitze frei, die knapp einen halben Zentimeter hervorragte. »Auuu!« rief der junge Mann aus, als er von Parker gestochen wurde. »Mann, passen Sie doch auf!« »E… entschuldigung!« murmelte Parker, der den Ring schön wieder in Ordnung gebracht hatte. »To… Toilette!« Der junge Mann wollte antworten, gereizt antworten sogar, 33 �
denn seine Geduld war erlahmt, doch er brachte die Lippen nicht mehr auseinander. Mit dem sanften, seligen Ausdruck eines gerade gefütterten Babys fiel er in Parkers Arme und seufzte wohlig auf. Der Butler, der nun gar nicht mehr wie ein Betrunkener aussah, schleifte sein Opfer zu einer der Türen, sperrte sie auf und beförderte den jungen Mann dann anschließend hinter einen der Schreibtische. Dann ging Parker zurück in den Korridor und wandte sich der Treppe zu. Er wußte bereits, daß dies der Zugang zu den Privaträumen von Mister Shultz war. Und diesem Mister Shultz wollte er einen freundlichen Besuch abstatten. In der stillen Hoffnung, ihn nicht allein anzutreffen! * »Fassen wir also zusammen«, sagte Shultz nervös, »Parker weiß mit Sicherheit, was gespielt wird. Sonst hätte er Ihnen, Miller, und Ihnen, Mayer, Melone und Regenschirm nicht schicken können. Von mir mal ganz zu schweigen.« »Aber woher weiß er Bescheid?« brauste Miller gereizt auf. »Sagten Sie nicht, Shultz, daß Ihr Hotel bombensicher ist?« »Stimmt ja auch!« »Aber er muß seine Spitzel hier in diesem Haus haben«, schaltete sich nun auch Mayer ein, »denken Sie an die beiden Killer, die Miller besorgt hat. Sie sind wie vom Erdboden verschwunden, nachdem sie sich an Parker herangemacht haben. Wenn Sie mich fragen, dann sind sie von diesem verdammten Butler bereits abkassiert worden.« »Nur keine Panik«, beschwichtigte Shultz seine beiden Gäste, die er zu sich ins Privatbüro eingeladen hatte, »gehen wir also davon aus, daß der Butler informiert ist, daß wir ihn erledigen wollen. Daraus müssen wir Konsequenzen ziehen.« 34 �
»Die habe ich bereits gezogen.« Miller drückte seine Zigarette aus und stand auf. »Ich werde zurück nach Los Angeles fliegen. Und zwar auf dem schnellsten Weg.« »Und ich verschwinde mit der nächsten Maschine zurück nach New York«, erklärte Mayer, »mein Bedarf ist gedeckt. Ich habe mir die ganze Geschichte etwas reibungsloser vorgestellt.« »Was erreichen Sie denn damit?« Shultz schüttelte anklagend den Kopf, »dann macht Parker uns der Reihe nach fertig! Er weiß doch inzwischen, daß wir drei uns gegen ihn verbündet haben. Glauben Sie, er läßt es jetzt darauf beruhen?« »Wir sollen also hierbleiben?« Miller sah Shultz unbehaglich an. »Aber selbstverständlich! Lassen wir uns von einer Panne doch nicht ins Bockshorn jagen! Parker ist schließlich kein Superman. Den werden wir erwischen.« »Möglich«, sagte nun Mayer, »aber ich frage mich noch einmal, woher Parker Bescheid wußte.« »Mir rätselhaft«, erklärte Shultz. »Haben Sie ihm vielleicht einen Tip gegeben?« erkundigte sich Miller mißtrauisch. »Sie sind verrückt«, brauste Shultz auf. »Warum sollte ich!?« »Damit Mayer und ich jetzt gezwungen sind, Ihnen zu helfen. Schließlich ist Parker ja im Grund Ihr Problem, oder?« »Im Moment! Aber wie ist es, wenn er morgen nach Los Angeles oder nach New York abreist? Dann sind Sie in der Schußlinie! Ich schwöre, ich habe Parker nicht informiert. Ich würde mich schwer hüten!« »Dann haben Sie hier im Hotel eine undichte Stelle«, schnappte Mayer ärgerlich zu. »Kann ich mir nicht vorstellen.« Shultz schüttelte hartnäckig den Kopf. »Meine Leute sind ausgesucht und arbeiten schon lange für mich.« 35 �
Bevor die drei Gangsterbosse in eine weitere Diskussion einsteigen konnten, öffnete sich behutsam die Tür zum Privatbüro. Bruchteile von Sekunden später rollten zwei Eierhandgranaten durch den Türspalt, über den Teppich und blieben dicht vor der Sesselgruppe liegen, in der die drei Gangsterbosse saßen. Miller wurde zuerst aufmerksam. »D… da… da!« stieß er hervor. »Handgranaten!« keuchte Mayer. »HU… Hilfe!« kickste Shultz und sprang wie ein erschreckter Frosch aus dem Sessel. »Volle Deckung!« brüllte Miller, wetzte aus seinem Sessel hoch und rettete sich hinter den Schreibtisch. »Achtung!« schrie Mayer. Auch er wollte aufspringen, vertrat sich aber den Fuß und konnte nur noch ziemlich langsam in eine Schrankecke humpeln. »Vorsicht!« brüllte Shultz und hechtete kühn in das angrenzende Waschkabinett. Und dann warteten sie auf die Detonation. Die sich Zeit nahm, sehr viel Zeit. Die beiden Eierhandgranaten lagen in der Mitte des Teppichs und produzierten kleine, blaue Rauchwölkchen. Und dann erfolgte ein feines, fauchendes Zischen, das von Sekunde zu Sekunde gereizter klang. Bis es endlich zu der erwartenden Explosion kam. Mit einem enttäuschend geringen Knall pufften sie auseinander. Dafür entschädigten sie allerdings auf andere Art und Weise. Ein Konfettiregen ergoß sich aus beiden Handgranaten auf die verdutzten Gangster. Worüber Miller, Mayer und Shultz sonderbarerweise noch nicht einmal Freude empfanden. Sie fühlten sich, um genau zu sein, sogar auf den Arm genommen!
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»Los, er muß noch im Hotel sein!« Shultz, der aus dem kleinen Waschkabinett gekommen war, sah sich kriegerisch um. Dann warf er sich auf seinen Schreibtisch und drückte energisch auf den Alarmknopf. Dieser Knopfdruck, der sich in verschiedenen Räumen des Hauses durch Aufflammen kleiner diskreter Signallampen umsetzte, scheuchte die Eingeweihten hoch. Unauffällig bezogen sie ihre Posten. Sie schirmten die Ein- und Ausgänge ab, sie blockierten die Liftschächte und kontrollierten schließlich die Korridorgänge in den einzelnen Stockwerken. Über eine Ringsprechanlage wurden sie von Shultz informiert. Er machte seine Garde auf einen gewissen Josuah Parker aufmerksam, einen Mann undefinierbaren Alters, der schwarze Kleidung, eine Melone und einen altväterlich gebundenen Regenschirm trug. »Ist gar nicht zu übersehen«, schloß Shultz seine Durchsage, »Parker ist unauffällig auszuschalten und in mein Büro zu bringen. Er muß sich noch im Haus befinden!« »Was versprechen Sie sich von dieser Warnung?« fragte Miller, dessen plötzlicher Schweißausbruch der Angst sich inzwischen wieder gelegt hatte, »sie kommt reichlich spät!« »Finde ich auch«, schaltete Mayer sich ein, »wir sollten hier in Ihrem Hotel doch angeblich so sicher sein!« »Ich begreife nicht, wie Parker hereinkommen konnte«, entschuldigte sich Shultz nervös, »er muß irgendeinen Trick benutzt haben!« Die drei Gangsterbosse wanderten nervös im Büro auf und ab. Sie rauchten Kette und warteten voller Ungeduld auf Ergebnisse. Aber im Grunde glaubte keiner von ihnen daran, daß Parker früher oder später ins Büro hereingeführt würde. Sie hatten 37 �
längst begriffen, daß sie es mit einem ungewöhnlichen Gegner zu tun hatten. Währenddessen suchten Shultz’ Männer nach Parker. Sie durchwanderten die Hotelkorridore, untersuchten die Küchen- und Wirtschaftsräume, sahen sich in der Bar um und ließen sich in den Speisesälen sehen, kurz, sie stellten das Haus auf den Kopf. Diskret natürlich, denn die normalen Gäste sollten auf keinen Fall behindert oder ängstlich gemacht werden. »Zehn Minuten sind ’rum!« meldete Miller gereizt und tippte auf seine Armbanduhr, »sollen wir wirklich noch länger warten, Shultz?« »Ich werde mich absetzen.« Mayer stand auf und griff nach seinem Hut. »Und wie steht es mit unserer weiteren Zusammenarbeit?« fragte Shultz. »Die werden wir uns noch mal gründlich durch den Kopf gehen lassen. Wir…« »Moment, Telefon!« Shultz stürzte sich auf den Apparat und nahm den Hörer ab. »Hier spricht Parker, Josuah Parker«, tönte es aus der Muschel, »ich möchte hoffen, daß ich Sie nicht allzusehr erschreckt habe. Ein kleiner Streich, den Sie mir gütigst verzeihen sollten.« »Hören Sie, Parker«, Shultz winkte seine beiden Geschäftsfreunde an den Schreibtisch heran, »hören Sie, was wollen Sie eigentlich?« »Muß ich Ihnen das wirklich noch erklären?« fragte der Butler ehrlich erstaunt zurück, »ich arbeite daran, Sie, Mister Miller und Mister Mayer so schnell wie möglich hinter Schloß und Riegel zu bringen.« »Das werden Sie niemals schaffen!« »Ich denke, man sollte es darauf ankommen lassen. Es wäre übrigens sinnlos, wenn Mister Miller und Mister Mayer die Stadt 38 �
verlassen. Ich werde sie zu finden wissen. In Los Angeles und auch in New York, seien Sie so liebenswürdig und richten Sie das bitte aus!« »Sie wollen also unbedingt den Kampf?« »In der Tat, Mister Shultz. Ich verspreche mir einige Abwechslung davon.« Bevor Shultz eine weitere Frage stellen konnte, hatte der Butler bereits aufgelegt. »Haben Sie’s mitbekommen?« fragte Shultz seine beiden Gäste, die ihre Ohren nahe an den Hörer herangeschoben hatten. »Der Kerl muß verrückt sein«, brauste Miller auf, »weiß er überhaupt, mit wem er sich anlegen will? Wenn es sein muß, hole ich meine Spezialisten aus Los Angeles. Dieser Bursche muß doch zu erwischen sein, oder?« »Jetzt will ich es wissen«, sagte Mayer grimmig, »gute Idee, Miller, wir brauchen zusätzliche Spezialisten. Ich werde gleich mal mit New York telefonieren. Ich habe da zwei Jungens, gegen die Ihre Killer harmlose Waisenknaben sind!« »Wir bleiben also zusammen?« fragte Shultz aufatmend. »Jetzt ja«, antwortete Mayer, »das ist eine persönliche Herausforderung. Jetzt werden wir diesem Parker mal zeigen, was die Stunde geschlagen hat. Er soll sich wundern!« * »Was sollen diese Anrufe?« tadelte Mike Rander. Er saß in seinem Studio der großen Dachgartenwohnung und schüttelte den Kopf, »damit reizen Sie die drei Bosse doch nur bis aufs Blut.« »Die Mücke bringt den Elefanten aus dem Gleichgewicht«, zitierte Parker gemessen. »Kisuaheli?« erkundigte sich Rander amüsiert. »Pygmäenspruchweisheit!« korrigierte der Butler würdevoll, 39 �
»mir kam es, wenn ich das erklären darf, darauf an, Sir, die drei Bosse in Chikago zurückzuhalten. Ich hegte gewisse Befürchtungen, daß sie sich nach den kleinen Späßchen vielleicht trennen wollten.« »Und nun sind Sie sicher, daß sie bleiben werden?« »In der Tat, Sir, nach diesem Affront werden sie bleiben. Und vielleicht noch in dieser Nacht versuchen, die Dachgartenwohnung zu stürmen.« »Schöne Aussichten. Und ich wollte mal früh zu Bett gehen.« »Ich werde mir erlauben, dafür zu sorgen, daß Sie nicht gestört werden.« »Wollen Sie die drei Bosse bitten, besonders leise zu sein?« Rander sah seinen Butler ironisch lächelnd an. »Ich werde gewisse Vorkehrungen treffen, Sir, die Angriffe im Keim ersticken werden.« »Na schön, ich verlasse mich auf Sie!« Josuah Parker verbeugte sich höflich und verließ das Studio seines jungen Herrn. Er ging hinüber in seinen Wohnteil und widmete sich gewissen technischen Spielereien in seiner Bastelstube. Er freute sich darauf, wieder etwas unternehmen zu können. Er hatte das Hotel übrigens völlig unbehelligt verlassen können. Nach einem älteren, offensichtlich angetrunkenen Herrn hatte kein Mensch Ausschau gehalten. Shultz hatte seine Suche und Fahndung schließlich auf einen Butler beschränkt, der Melone und Regenschirm trug. Etwa eine gute Stunde lang war Parker tätig. Er benutzte einige Male den Lift des um diese Zeit völlig leeren Bürohauses, dehnte seine Vorbereitungen auf den Dachgarten aus und begab sich dann hinüber in die Wohndiele. Hier öffnete er einen großen Wandschrank, in dem sich Fernsehgeräte und Schalttafeln befanden. Parker griff nach einem 40 �
Handbuch. »Die Kunst der Maske« und vertiefte sich in dessen � Inhalt. Er war der richtigen Ansicht, daß man niemals auslernte! � * Sie ließen die beiden Wagen in der Nähe des Lincoln Parks stehen. Miller, Mayer und Shultz stiegen aus und nickten Radner und Poison zu, die aus dem zweiten Wagen kamen. Die beiden Leibwächter Millers nickten lässig zurück. Sie fühlten sich bereits als Helden. Man hatte ihnen klar gemacht, daß sie eine ganz bestimmte Scharte auszuwetzen hatten. Sie wußten, daß die beiden Berufskiller Cassner und Passenger versagt hatten. »Dort oben wohnen die beiden Schnüffler«, erklärte Shultz, der sich auskannte. Er deutete nach oben auf den Dachgarten des hohen Bürohochhauses, »man kommt mit dem Lift ’rauf. Dann über eine Treppe auf den Dachgarten.« »Geht klar«, sagte Radner, der Wortführer der beiden Leibwächter, »sollen wir sie umlegen?« »Wir haben bestimmt nichts dagegen«, schaltete Mayer sich lächelnd ein. »Wartet noch auf meine Jungens«, warf Shultz ein, »sie müssen gleich dasein.« »Als ob wir es nicht allein schaffen könnten«, sagte Radner abfällig. »Wartet, Jungens«, meinte nun auch Miller, »dieser Parker ist mit allen Wassern gewaschen! Nehmt ihn nicht auf die leichte Schulter, das könnte ins Auge gehen!« Sie brauchten nicht lange zu warten. Ein dritter Wagen preschte heran. Zwei Männer stiegen aus, schmal, drahtig, Energie- und Muskelbündel. Sie hießen Lern Hatters und Don Furgson. Sie machten sich nur flüchtig mit ihren kommenden Partnern Radner und Poison 41 �
bekannt und ließen nicht erkennen, daß sie von den Kollegen aus Los Angeles verdammt wenig hielten. »Ich lasse euch freie Hand«, sagte Shultz, »setzt jedes Mittel ein, um Parker auszuräuchern! Nehmt wegen mir Sprengstoff, aber schafft ihn endlich.« Radner, Poison, Hatters und Furgson machten sich auf den Weg. Sie näherten sich dem Bürohochhaus und verschwanden anschließend in der einladend geöffneten Tiefgarage des Hauses. »Und was machen wir?« fragte Mayer. Er hatte ein Fernglas in der Hand und sah hinauf zum Dachgarten. »Wir bleiben hier beim Wagen«, antwortete Shultz, »ich habe ein gutes Gefühl, diesmal werden sie es schaffen! Gegen diese Burschen wird er nicht ankommen!« * Sie stritten sich schon in der Tiefgarage. Die beiden Spezialisten aus Los Angeles fanden ihre Kollegen aus Chikago arrogant. Umgekehrt war es nicht viel anders. Sie konnten sich nicht darauf einigen, wer die Leitung dieses Unternehmens übernehmen sollte. Schließlich ließen sie diese Frage unbeantwortet und machten sich an den vereinbarten Angriff. Sie fuhren mit dem Lift hinauf zur Dachterrasse, auf der das Penthouse von Anwalt Mike Rander stand. Das heißt, sie hatten dies vor, aber sie kamen keineswegs dort oben an. Während der Fahrt blieb der Lift nämlich stecken. Die vier Spezialisten sahen ziemlich dumm aus, um anschließend an sämtlichen Schalt- und Druckknöpfen herum zu manipulieren. Doch der Erfolg blieb aus. Der Lift ließ sich nicht mehr in Bewegung setzen. Dafür war Josuah Parkers Stimme zu hören. Sie kam aus einem Lautsprecher, der sich oberhalb des Liftkorbs befinden mußte. 42 �
Die Stimme klang deutlich und ließ keine Mißverständnisse aufkommen. »Ich erlaube mir, Sie im Namen von Mister Rander zu begrüßen«, sagte diese Stimme, »da Sie leider im vorhinein keinen Termin vereinbarten, sieht Mister Rander sich außerstande, Sie zu empfangen, zumal es bereits weit nach Mitternacht ist. Falls Sie einen persönlichen und gutgemeinten Rat annehmen wollen, empfehle ich Ihnen, sich niederzulegen. Der Schlaf löscht alle Probleme, wie es in einer Spruchweisheit aus dem Indischen heißt. Sie sollten sich diesen Rat zu Herzen nehmen!« Die vier Gangster sahen sich betroffen an. Sie wußten natürlich, daß sie längst entdeckt worden waren. Sie wußten, daß ein weiterer Angriff sinnlos war. Radner und Poison äußerten sich auch in diesem Sinn und waren dafür, sofort zurück in die Tiefgarage zu fahren. »Wie denn?« erkundigte sich Lern Hatters gereizt, »das verdammte Ding hier funktioniert ja nicht!« Er hatte noch nicht ganz ausgesprochen, als der Lift sich aber wieder in Bewegung setzte. Und zwar nach unten. »Na also!« Poison atmete erleichtert auf und blinzelte seinem Partner Radner mit einem Auge zu, »ich bin froh, wenn ich aus diesem verdammten Ding wieder ’raus bin!« »Ihr vielleicht«, sagte Hatters, »Furgson und ich stecken nicht auf, darauf könnt ihr euch verlassen!« »Aber die wissen oben auf dem Dachgarten doch längst, daß wir im Haus sind.« Radner sah seinen Konkurrenten empört an, »welche Chancen rechnest du dir noch aus? Die erwarten uns doch oben, falls wir überhaupt auf den Dachgarten kommen!« Die Unterhaltung wurde unterbrochen, als der Lift anhielt. Die vier Gangster stiegen aus und merkten erst jetzt, daß sie keineswegs die Ebene der Tiefgarage erreicht hatten. Sie drückten die Tür auf und sahen sich dumm an. 43 �
»Was ist denn das?« fragte Radner mißtrauisch und deutete in einen schmalen, auszementierten Gang, der kaum erleuchtet war. »Wir müssen unter der Tiefgarage sein«, stellte Hatters fest. »Ist das Zufall oder Absicht?« fragte Furgson beklommen. »Werden wir ja gleich wissen.« Poison verzichtete auf weitere Fragen und marschierte entschlossen in den schmalen Gang. Zögernd folgten ihm Radner, Hatters und Furgson. Sie alle hatten längst ihre Handfeuerwaffen gezogen und waren bereit, sich ihren Weg in die Freiheit zu schießen. Sie fuhren überrascht zusammen, als plötzlich hinter Radner, der den Schluß bildete, ein Fallgitter niedersauste und den Gang zum Lift hin verschloß. Dieses Fallgitter bestand aus soliden Eisenstäben, die man mit den üblichen Mitteln keineswegs knacken konnte. »Eine Falle…!« Radner rüttelte an den Stäben, um fast im gleichen Moment aufzuschreien. »Strom…!« »Wie war das…?« Poison sah seinen Partner verwundert an. »Die Eisenstäbe stehen unter Strom!« Radner rieb sich die brennenden und prickelnden Hände und lehnte sich gegen die Zementwand. Seine Knie waren etwas weich und schwammig geworden. »Los, weiter!« drängte Hatters, der die Spitze bildete, »irgendwohin muß der Gang ja schließlich führen. Da hinten ist eine Biegung!« Sie gingen schneller und erreichten die Biegung. Hatters blieb plötzlich stehen und schnaufte wütend. »Nur noch ein Luftschacht«, sagte er dann gereizt. Er hatte nicht übertrieben. Der Gang endete vor einer Mauer, doch in einer Höhe von etwa einem Meter war ein Luftschacht zu erkennen, der vergittert war. Dieser Luftschlacht hatte einen Durchmesser, der gerade ausreichte, einen ausgewachsenen, 44 �
nicht zu dicken Mann aufzunehmen. »Und jetzt?« fragte Radner und sah an sich hinunter. Er maß bereits ab, ob dieser Schacht ihn aufnehmen konnte. »Sollen wir durch den Schacht kriechen?« »Erst müßten wir mal das Trenngitter aufbekommen«, sagte Hatters und rüttelte an dem leichten Gitter, das freundlicherweise sofort nachgab und sich sogar herausnehmen ließ. »’raus müssen wir, so oder so«, entschied Furgson, »ich schlage vor, wir warten gar nicht erst lange.« »An diesen Luftschacht hat der Butler bestimmt nicht gedacht«, freute sich Radner grimmig, »wenn er denkt, er hätte uns in der Falle, dann soll er sich aber mächtig getäuscht haben…!« Die vier Gangster bestiegen nacheinander den engen Luftschacht. Radner und Poison, die beide recht stämmig waren, hatten ihre liebe Mühe und Not, diesen kreisrunden, röhrenförmigen Luftschacht zu entern. Sie mußten sich hart anstrengen, um voranzukommen. Hatters und Furgson, beide wesentlich schmaler und schlanker, glitten hingegen wie riesige Ratten durch den Schacht, der sich von Meter zu Meter anhob. »Wie… wie lange dauert das denn noch…?« keuchte Radner, über dessen Gesicht der Schweiß floß. »Ich spüre schon frische Luft«, rief Hatters zurück, der die Spitze im Schacht bildete, »ich glaube, ich sehe auch schon Licht… Bald haben wir’s geschafft!« * »Wenn ich Sie nicht besser kennen würde, Parker, müßte ich Sie � für einen ausgemachten Sadisten halten«, sagte Mike Rander zu � dieser Zeit und konnte nicht umhin, breit und schadenfroh zu � 45 �
lächeln. Wie sein Butler verfolgte er am hausinternen Bildschirm die Bemühungen der vier Gangster. Jede Phase ihrer Klettertätigkeit wurde von Kameras genau aufgenommen. Diese Kameras lieferten das Bild für das Fernsehgerät, vor dem der Butler gemütlich, wenn auch stocksteif saß. »Die Form der vier Männer ist nicht als besonders gut zu bezeichnen«, stellte Parker mißbilligend fest. »Die Herren Radner und Poison lassen bereits deutliche Ermüdungserscheinungen erkennen.« »Wie lange wollen Sie diese Trottel noch durch den Schacht hetzen?« fragte der Anwalt. »Gleich werden die vier Besucher sich erneut entscheiden müssen«, erwiderte der Butler, »wenn Sie bitte mitverfolgen wollen, Sir…! Dort ist die Abbiegung. Falls Sie einverstanden sind, werde ich eine Prognose wagen!« »Und die lautet?« »Die beiden Paare werden sich trennen, Sir…!« »Warten wir’s ab, Parker!« Rander zündete sich eine Zigarette an und beobachtete die vier Gangster, die sich auf Mord spezialisiert hatten und im Moment keineswegs überlegen wirkten… * »Stop…!« Hatters hatte die Abzweigung erreicht, von der Mike Rander und sein Butler gesprochen hatten. Der Luftschacht gabelte sich in zwei Röhren, die vielleicht noch etwas enger als der Luftschacht waren. Sie stiegen ziemlich steil an. Wohin sie führten, war allerdings nicht zu erkennen. Die Beleuchtung war gleich Null. Da die vier Gangster sich aber mit Taschenlampen ausgerüstet hatten, konnten sie die beiden Röhren ein wenig 46 �
ableuchten. »Was ist denn jetzt schon wieder?« erkundigte Radner sich keuchend. »Abzweigung… Eine nach links, eine nach rechts…!« Hatters konnte sich zu seinen Konkurrenten wegen der herrschenden Enge nicht umwenden. »Wir nehmen die linke…!« schrie Radner zurück, »Poison und ich nehmen die linke Seite… Oder die rechte…!« »Welche denn nun?« fauchte Furgson gereizt zurück. »Ist im Grunde doch völlig gleichgültig!« »Die linke Abbiegung«, pflichtete Poison seinem Partner bei. »Dann viel Glück!« Hatters und Furgson krochen nacheinander in die rechte Röhre und arbeiteten sich nach oben. Radner und Poison verschwanden in der linken Röhre und zwängten sich Zentimeter für Zentimeter nach oben. »Man sollte vielleicht für etwas Erfrischung sorgen«, sagte Parker oben in der Dachwohnung, »diese vier unfreiwilligen Sportler dauern mich, Sir!« Er beugte sich ein wenig vor und legte einen der Kipphebel auf dem Schaltbrett um. Damit löste er eine Art überdimensional großer Wasserspülung aus, deren eiskalte Fluten sich durch die engen Röhren ergossen. Mikrofone gaben über Lautsprecher ein Husten, Spucken und Lufthecheln wider, das im Moment mehr sagte als das jetzt dunkle Fernsehbild. »Übertreiben Sie nicht, Parker«, warnte Mike Rander. »Ich bitte meinen Eifer entschuldigen zu wollen«, sagte Parker schuldbewußt, »diese Dusche war vielleicht etwas zu kühl!« Er beugte sich wieder vor, um einen zweiten Kipphebel zu bedienen. Daraufhin ertönten aus dem Lautsprecher Schreckensschreie. »Was haben Sie denn jetzt gemacht?«, wollte Rander wissen. 47 �
»Ich habe mit warmem Wasser nachgespült«, erklärte der Butler, »dies geschah hoffentlich in Ihrem Sinn, Sir.« »Hörte sich eher nach Überbrühen an«, stellte der junge Anwalt fest, »geben Sie jetzt wieder Ruhe, Parker! Gönnen Sie den vier Leuten eine Atempause! Was müssen sie eigentlich noch schaffen? Sie kennen sich in dem unterirdischen Gewirr ja besser aus als ich.« »Die beiden Röhren werden sich gleich fast senkrecht absenken«, erklärte der Butler, »diese Röhren münden dann in je einer Kammer.« »Und dann…?« »Dann sind die vier ungebetenen Gäste in der Lage eine längere Erholungspause einzulegen, Sir…!« Vollkommen durchnäßt hatten Hatters und Furgson die bewußte Kammer erreicht. Sie hockten sich keuchend auf den Boden und schauten dankbar zu dem schwachen Licht empor, das von der Decke auf sie herunterstrahlte. »Ich kann bald nicht mehr«, sagte Furgson leise, »ob wir jemals aus diesem Gewirr wieder herauskommen, Lern?« »Klar«, gab Lern Hatters zurück, »sieh mal auf den Boden. Was kann man da sehen?« »’ne Eisenplatte«, gab Furgson gehorsam zurück. »Und genau die werden wir jetzt hochstemmen«, entschied Hatters energisch, »ich wette, dann haben wir’s geschafft…!« Die beiden Spezialisten, die Shultz aufgetrieben hatte, machten sich sofort an diese Arbeit. Sie wunderten sich kaum, daß diese Eisenplatte sich ohne Schwierigkeiten anheben und hochklappen ließ. »Steigeisen!« kommentierte Hatters, der nach unten leuchtete, »riech’ mal die gute, frische Luft. Ich wette, wir sind gleich durch.« »Wo mögen die beiden Knilche aus Los Angeles sein?« fragte 48 �
Furgson. »Ob die es auch geschafft haben?« »Nee, glaube ich nicht«, sagte Hatters, »interessiert mich auch nicht. Wegen mir können die in den Röhren steckenbleiben!« * Radner und Poison befanden sich ebenfalls in einer engen, niedrigen Kammer. Sie hatten gleichfalls den Eisendeckel entdeckt und ihn angehoben. »Hört das denn nie auf?« sagte Poison wehleidig, als Radner nach unten deutete. »Willste ’raus oder nicht?« fragte Radner gereizt, »das hier ist unsere Chance, zurück können wir nicht mehr. Wenn ich an die Wasserröhren denke, wird mir noch jetzt schlecht. Ein Wunder, daß wir nicht abgesoffen sind. Los, komm schon… Ich steig’ zuerst ’runter…!« Radner stieg Eisensprosse für Eisensprosse nach unten. Poison folgte dichtauf und trat dabei mehr als einmal auf die Finger seines Partners, der jedesmal laut fluchte. Nach genau dreißig Eisensprossen fühlte Radner Boden unter dem linken Fuß. »Wir sind da!« rief er seinem Partner Poison zu, »Mensch, hier ist ja ein richtiger Gang!« Er hatte seine Taschenlampe eingeschaltet und atmete dankbar und erleichtert auf. Dieser Gang in normaler Höhe war mit Platten ausgelegt und machte keinen unheimlichen Eindruck mehr. »Aber wo führt das Ding hin?« meinte Poison skeptisch, nachdem er neben Radner stand. »Abwarten… Gehen wir erst mal los!« Radner und Poison machten sich auf den Weg… * 49 �
»Wieweit sind wir?« Rander wandte sich an seinen Butler, der weiterhin Regie führte. »Die beiden Gruppen bewegen sich aufeinander zu«, sagte Parker. »Es wird Zeit, Sir, die Lichter einzuschalten, sonst könnten die Gangster noch aufeinander schießen!« Parker drückte auf einen der vielen Knöpfe, woraufhin der Bildschirm wieder Aktionen lieferte, die sich gut verfolgen ließen. Das Licht erhellte den Gang, in dem sich Hatters und Furgson befanden. Sie kamen schnell voran und schienen zu spüren, daß alle Qual bald ein Ende haben würde. Das Einschalten des Lichts hatte sie natürlich etwas verwirrt. Mit diesem Effekt hatten sie jetzt wohl nicht mehr gerechnet. Sie blieben einen Moment lang stehen und orientierten sich. Dann schritten sie schnell weiter, auf eine Biegung zuhaltend, die schon zu erkennen war. Plötzlich blieben Hatters und Furgson stehen. »Da sind doch Schritte«, flüsterte Hatters, ohne zu ahnen, daß seine Worte verstärkt an Parkers Ohr getragen wurden, »aufpassen, vielleicht will uns der Schnüffler jetzt überraschen!« Was die Überraschung anbetraf, so hatte Hatters sich keineswegs getäuscht. Doch diese Überraschung bestand darin, daß Radner und Poison um die Biegung kamen. Ebenfalls sehr mißtrauisch, weil auch sie Schritte gehört hatten. Die vier Gangster, die nun aufeinander gestoßen waren, sahen sich verdutzt an. »Eine verdammte Gemeinheit!« brüllte Radner dann los, »dieser Parker hat uns die ganze Zeit über an der Leine gehabt. Und ich wette, er hört jedes Wort, was wir sprechen.« »Parker… Parker…!« schrie Hatters blindlings in den Gang hinein, »Parker, hören Sie mich…?« 50 �
»In der Tat«, erwiderte Parkers Stimme höflich von einem verdeckten Lautsprecher aus, »drücken Sie auf die Kachel, die den roten Punkt aufweist. Sie werden dann eine Möglichkeit finden, zurück ans Tageslicht zu kommen, beziehungsweise, Sie werden dann wieder die Nacht dieser großen Stadt genießen können!« »Soll ich?« fragte Hatters und deutete auf die Kachel, von der der Butler gerade gesprochen hatte. »Klar… ohne diesen Schnüffler kommen wir doch niemals wieder ’raus«, entschied Radner und drückte fast heftig auf die Kachel. * »Nichts zu hören«, stellte Miller unruhig fest und schaute wieder einmal hinauf zum Dachgarten des Bürohochhauses. »Ich möchte bloß wissen, was die Jungens machen.« »Die arbeiten leise und diskret«, sagte Shultz, fest an die Fähigkeiten seiner beiden Spezialisten Hatters und Furgson glaubend. »Sie sind schon seit gut einer Stunde im Haus«, bemerkte Mayer unruhig, »in dieser Zeit müßten sie es doch längst hinter sich gebracht haben!« »Kann sich nur noch um Minuten handeln, bis sie wieder auftauchen«, beruhigte Shultz seine beiden Gäste, »das Warten hat sich dann aber auf jeden Fall gelohnt!« »Oder ob vielleicht doch eine Panne passiert ist?« Mayer Konnte seine Skepsis nicht unterdrücken. »Wie denn? Dann hätten wir bestimmt etwas gehört.« Miller neigte wie Shultz dazu, an einen vollen Erfolg zu glauben. »Rander und Parker hätten dann doch aus allen Rohren geschossen. Nein, nein, gerade diese Ruhe ist schon der halbe Erfolg!« Ihre Unterhaltung wurde unterbrochen, als ein Taxi sich näherte. Es hielt hinter dem Wagen von Shultz. Der Fahrer stieg 51 �
aus und kam auf die drei Gangsterbosse zu. Dieser Fahrer war vielleicht 40 Jahre alt, hatte ein krummes Kreuz und bewegte sich ziemlich fußlahm. »Ich hab’ ne Fuhre für Sie«, sagte er und nickte grüßend. »Eine was?« Mayers Stimme klang scharf. »’ne Fuhre!« wiederholte der Taxifahrer und deutete mit dem Daumen zurück auf seinen Wagen. »Wovon reden Sie eigentlich?« fuhr Shultz den Taxifahrer barsch an. »Von ’ner Fuhre!«, erklärte der Taxifahrer hartnäckig, »ich soll vier Betrunkene bei Ihnen abliefern. Sie wüßten schon Bescheid!« Er ging zurück zu seinem Taxi. Miller, Mayer und Shultz folgten ihm auf schnellen Schuhen. Der Taxifahrer öffnete den hinteren Wagenschlag und deutete auf vier Männer, die laut und ungeniert schnarchten. »Hatters und Furgson«, stieß Shultz erstaunt aus. »Radner und Poison!« rief Miller entsetzt. »Und völlig betrunken«, setzte Mayer hinzu und schüttelte den Kopf. »Ich möchte bloß wissen, was eigentlich los gewesen ist!« »Weiß ich nich’…« sagte der Taxifahrer, »ich weiß nur, daß ich von Ihnen zwanzig Dollar bekomme. Ich hab’ die vier Betrunkenen vom Loop herausgefahren!« »Wer… wer hat sie Ihnen anvertraut?« fragte Mayer und drückte dem Fahrer eine Banknote in die Hand. »War so’n komischer Bursche mit Melone und Regenschirm«, erläuterte der Fahrer. »Parker…!« sagte Miller. »Parker…?« sagte Mayer. »Parker…!« stellte Shultz sehr richtig fest. »Und im Loop haben Sie ihn gesehen? Wann denn?« Mayer wollte es genau wissen. 52 �
»Vor ’ner Viertelstunde«, entgegnete der Fahrer, »nehmen Sie jetzt die vier Vögel mit oder soll ich sie weiter ’rumfahren. Mir isses egal!« »Wir nehmen die vier Männer mit«, entschied Shultz. »Dann werd’ ich Ihnen mal helfen«, bot der Fahrer sich an. »Ne, lassen Sie mal!« Miller hatte was gegen die Hilfeleistung. »Sobald wir sie aus dem Wagen haben, können Sie weiterfahren!« Der Fahrer ging mit den vier Männern recht unsanft um und beförderte sie der Reihe nach ins Freie. Dann nickte er grüßend, setzte sich ans Steuer seines Taxis und fuhr davon. »Verstehen Sie das?« Mayer blickte kopfschüttelnd auf die vier schnarchenden Männer, die auf dem Gehsteigrand lagen. »Denen werde ich was erzählen«, drohte Shultz und stieß mit der Schuhspitze gegen die Körper von Hatters und Furgson. »Und ich erst denen hier!« Müller bearbeitete mit seiner Schuhspitze die Körper von Radner und Poison. Mayer wollte sich gerade zurück zu dem Wagen von Shultz begeben, als er wie angewurzelt stehen blieb. »Sehen Sie sich das an!« stieß er dann mit einer erstaunlich heiseren und gepreßten Stimme hervor, »das muß der Taxifahrer zurückgelassen haben!« Dann starrte er zusammen mit seinen Kollegen Miller und Shultz auf den kleinen Regenschirm, der mit der Spitze in den weichen Boden der Rasenfläche hineingerammt worden war. Über dem Griff dieses Regenschirms hing, wie konnte es anders sein, eine kleine Melone. * Das hochbeinige Monstrum rollte gen Westen. Josuah Parker saß � stocksteif am Steuer und dirigierte den Wagen. Mike Rander � 53 �
hatte es sich neben seinem Butler bequem gemacht und genoß das weite Land. Sie hatten die letzten Vorstädte von Chikago längst hinter sich gelassen. Sie waren auf dem besten Weg nach Lake Bluff, einem Ort, den es trotz seines kuriosen Namens wahrhaftig und wirklich gibt. »Von Verfolgern weit und breit nichts zu bemerken«, stellte Mike Rander wieder einmal fest, nachdem er einen Blick in den Außenspiegel des Wagens getan hatte, »hoffentlich geht Ihre Rechnung auf, Parker. Könnte durchaus sein, daß die Gangster kalte Füße bekommen haben.« »Still folgte der Schakal den Spuren der Karawane«, zitierte der Butler würdevoll, »eine Spruchweisheit aus dem Arabischen!« »Wir werden ja sehen, Parker! Bisher tut sich jedenfalls überhaupt nichts. Ich freue mich schon auf die Ferienranch. Wenn mich nicht alles täuscht, werde ich mal ein paar Tage Urlaub machen können. Angeln kann man dort also auch?« »Mit einiger Sicherheit, Sir…« »Hört sich immer besser an! Bevor wir losfuhren, habe ich mich übrigens nach diesen beiden Unterhosenkillern erkundigt. Auch da ist Ihre Rechnung nicht ganz aufgegangen. Cassner und Passenger befinden sich wieder auf freiem Fuß. Sie sind gegen Kaution entlassen worden!« »Dies dürfte die Zahl unserer potentiellen Gegner auf insgesamt neun erhöhen, Sir! Da wären erst einmal die drei Gangsterbosse Miller, Mayer und Shultz, dann die von Miller engagierten Killer Dutch Cassner und Herb Passenger und schließlich die Berufsgangster und Schläger Radner, Poison, Hatters und Furgson.« »Eine ganz nette Streitmacht! Und die wollen Sie zur Ferienranch locken?« »Sie werden sich nicht lange bitten lassen, Sir. Übrigens ist es meine feste Überzeugung, daß die drei Gangsterbosse längst 54 �
informiert sind. Meiner bescheidenen Ansicht nach dürften sie Gegenaktionen längst eingeleitet haben.« Mike Rander war und blieb anderer Meinung, aber er war einfach zu faul, mit seinem Butler zu diskutieren. Er hatte anstrengende Wochen als Strafverteidiger hinter sich und war fast täglich vor Gericht gewesen. Hinzu kamen Anwaltspflichten anderer Art. Er mußte ja dafür sorgen, daß sein großes Büro, in dem viele Volljuristen und sonstige Mitarbeiter arbeiteten, funktionierte. Rander zündete sich eine Zigarette an und schloß die Augen. Ohne es zu merken, schlief er ein. Josuah Parker genoß ebenfalls die Fahrt. Er freute sich auf die Ranch, die er ausgesucht hatte. Er freute sich auf ein paar nette, aktionsreiche Tage. Ihm waren die Ruhetage in den vergangenen Wochen auf die Nerven gegangen. Ein Mann wie er mußte tätig sein. Er schaute kurz zu seinem jungen Herrn hinüber, für den er nun schon seit fast vier Jahren fest arbeitete. Die Zusammenarbeit zwischen ihnen war mehr als erfolgreich. Rander sah in Parker so etwas wie einen älteren Freund, Parker hingegen sah in Rander nach wie vor den Herrn, dem er als Butler diente. Er konnte nicht aus seiner gut englischen Haut heraus, das war ihm unmöglich. Doch er schätzte diese Arbeit, die auf dem Gebiete der Kriminalistik zu einem echten Teamwork geworden war. Parker, der über sein Alter niemals sprach, hegte manchmal so etwas wie schüchterne Vatergefühle für Mike Rander. Er fühlte sich für den jungen Anwalt verantwortlich und ließ keine Chance ungenutzt, aus ihm vielleicht doch noch so etwas wie einen Landlord zu machen. Die saloppen, amerikanischen Manieren seines jungen Herrn schätzte der Butler keineswegs. Schließlich hatte er vor seiner Ankunft in Amerika bei den allerhöchsten Herrschaften gearbeitet. 55 �
Er wurde abgelenkt. Lake Bluff kündigte sich an. Große Reklametafeln wiesen auf diesen reizenden Ferienort hin. Parker verlangsamte das Tempo seines Wagens, bog kurz vor der kleinen Stadt nach Süden ab und benutzte einen gut ausgebauten Feldweg, um zur Ferienranch zu gelangen. Das Gelände wurde hügeliger und die Waldstücke zusammenhängender und dichter. Kleine Teiche und Seen mittlerer Größe schmeichelten den Augen. Nur hin und wieder waren vereinzelte Gehöfte zu sehen. Das Land schien hier menschenleer zu sein. Und dann kam endlich die bewußte Ferienranch in Sicht. Sie lag hart am Ufer eines kleinen Sees, der allerdings groß genug war, mit kleineren Motorbooten befahren zu werden. Wälder säumten diesen See ein. Die Ranch, ein großer, solider Steinbau aus Bruchsteinen, besaß so etwas wie eine Patina des Alters, aber sie wirkte gerade dadurch solide und zuverlässig. Der Hauptbau war die Basis eines großen U. Die Seiten dieses U wurden von Stallgebäuden und Schuppen gebildet, die alle über feste Außenmauern verfügten. Eine Art Miniaturkanal verband die Ranch mit dem See. Dieser Kanal wurde dazu benutzt, Fischerboote auf das Gelände der Ranch zu bringen. Bei diesen Fischerbooten handelt es sich natürlich nur um kleine Ruderboote, die nicht mehr als vier Personen aufnehmen konnten. Parker kannte alle Einzelheiten dieser Ranch. Hier hatte er einmal einige Wochen Urlaub verbracht und sich erfreulich erholt. Da die Saison beendet war – es ging langsam auf den Winter zu – hatte er diese Ranch nun endlich mieten können. Störende Gäste waren nicht mehr vorhanden. »Was ist?« murmelte Rander schlaftrunken, als Parker etwas ruckartig anhielt. »Die Ranch, Sir!« 56 �
Rander richtete sich auf, stieg aus dem Wagen und schaute sich um. Nach kurzer Prüfung nickte er zufrieden »Ausgezeichnet«, meinte er dann, »Sie haben mal wieder die richtige Nase gehabt, Parker. Und taktisch sehr günstig gelegen! Bis auf den kleinen Stichkanal. Das ist der schwache Punkt Ihrer geplanten Festung!« »Dieser Kanal läßt sich durch ein Unter- und Überwassertor sichern und schließen«, erwiderte der Butler, »wenn man zusätzliche Sicherungen einbaut, werden etwaige Angreifer ihn meiden!« »Sie rechnen noch immer damit, daß wir Besuch bekommen?« zweifelte Mike Rander amüsiert. »In der Tat, Sir«, gab der Butler würdevoll zurück, »möglicherweise ist der kleine Hubschrauber Ihrer Aufmerksamkeit entgangen, der seit knapp einer Stunde in der Luft ist und nur dort oben jenseits des Waldstücks zu erkennen ist. Trotz seiner Aufschrift gehört er keineswegs der Forstbehörde, wie man annehmen könnte. Dieser Sikorski ist ein Typ Mark IV. während die Forstbehörden des Staates Illinois die Marke Lockheed P 3 bevorzugt.« »Was wissen Sie eigentlich nicht?« fragte Rander lächelnd zurück. »Der Weise weiß, daß er nichts weiß«, zitierte der Butler sofort wieder, »ein Sprichwort aus dem Griechischen, Sir. In diesem Zusammenhang möchte ich betonen, daß ich mich keinesfalls als Weiser bezeichnen möchte. Wie sagt doch das Sprichwort aus dem Persischen so treffend: Demut ist das Gefäß des Wissens!« »In Ihrer Gegenwart bekomme ich langsam Komplexe«, entgegnete Mike Rander, »bleiben wir lieber bei dem Hubschrauber. Da… er kommt heran. Jetzt bin ich aber mal gespannt!« »Man sollte vielleicht sicherheitshalber etwas in Deckung gehen Sir!« 57 �
»Glauben Sie etwa an einen Angriff?« »Ich kenne leider nicht die Pläne der Gegner, Sir. Vielleicht will man es auf einen Überraschungsangriff ankommen lassen!« Der Hubschrauber kam sehr rasch näher. Es handelte sich um ein ziemlich großes Modell. Es wischte über die Baumwipfel, senkte sich und surrte dann wie ein riesiges Insekt direkt auf die Ranch zu. »Sie winken!« stellte Rander fest und winkte zurück, »scheint harmlos zu sein!« »Auch der Wolf kann lächeln«, zitierte der Butler. »Na, woher stammt denn diese Weisheit?« »Aus dem Russischen, Sir! Wenn Sie erlauben, werde ich nun auspacken. Sie könnten, wenn Sie einverstanden sind, ein wenig die nähere Umgebung kontrollieren.« »Sie wollen allein auspacken?« Rander deutete auf das hochbeinige Monstrum, »Ihr Wagen ist doch randvoll bepackt!« »Es handelt sich nur um einige wenige Utensilien, die der Sicherheit und Bequemlichkeit dienen sollen, Sir.« Dann deutete der Butler über den See und fügte hinzu: »Dort drüben, Sir, hinter dem Wald, befindet sich eine Ansammlung kleiner Bungalows. Ich wäre höchst erfreut, falls sie sich als leer erwiesen!« »Also gut, ich werde mir die Dinger mal aus der Nähe ansehen. Sonst noch Wünsche, Parker?« »Im Augenblick nicht, Sir! In spätestens einer halben Stunde werden Sie ein bequemes Zuhause antreffen.« Rander wollte sich auf den Weg machen, als Parker ihn noch einmal stoppte. »Vielleicht darf ich empfehlen, eine kleine handliche Feuerwaffe mitzunehmen«, schlug er vor, »ich würde zu einer Winchester raten, Sir!« »Haben Sie denn so was auf Lager?« Statt zu antworten, öffnete der Butler den Kofferraum seines 58 �
Privatwagens und offerierte seine Schätze. Und jetzt erst, als Mike Rander sah, womit sein Butler sich eingedeckt hatte, jetzt erst wurde ihm richtig klar, daß heiße Tage und Stunden auf sie warteten. »Sie wollen sich tatsächlich draußen auf der Ferienranch verkriechen«, sagte Shultz zufrieden, »einen besseren Gefallen können sie uns überhaupt nicht erweisen.« Shultz und seine beiden Geschäftsfreunde waren in einem Motel in Lake Bluff abgestiegen. Sie hatten sich in Shultz Apartment getroffen und beurteilten die allgemeine Lage. »Ist ein Irrtum auch wirklich ausgeschlossen?« erkundigte sich Mayer. »Irrtum sitzt nicht drin«, beruhigte Shultz, »Hatters und Furgson sind mit dem Hubschrauber ganz nahe gewesen.« »Hoffentlich nicht zu nahe!« Miller schüttelte zweifelnd den Kopf. »Bestimmt nicht, sie haben den Hubschrauber umgemalt. Er sah aus wie von der Forstbehörde. Rander und Parker winkten sogar hoch. Sie haben bestimmt nicht Lunte gerochen.« »Okay«, sagte Mayer, »dann können wir also zum Angriff übergehen. Und wie stellen Sie sich den vor, Shultz?« »Wir verfügen über sechs erstklassige Spezialisten«, faßte Shultz zusammen. »Alle Leute brennen darauf, sich an Rander und Parker zu rächen. Die Voraussetzungen sind also bestens. Radner, Poison, Cassner, Passenger, Hatters und Furgson werden noch vor Einbruch der Dunkelheit hinüber zum See gehen und die Ranch unauffällig einschließen. Sobald es aber dunkel geworden ist, greifen wir an. Völlig lautlos! Wir benutzen Schalldämpfer. Ich garantiere dafür, daß in spätestens einer halben Stunde alles vorüber sein wird.« »Ahnen Rander und sein Butler wirklich nichts?« fragte Mayer sich laut und skeptisch. 59 �
»Wieso sollten sie etwas ahnen?« »Ich frage mich, warum zwei solche Männer sich absetzen, nachdem Sie uns doch eine Niederlage nach der anderen beigebracht hatten Fürchten sie uns tatsächlich? Oder haben Sie uns nur herauslocken wollen, um hier draußen im freien Gelände mit uns zu spielen?« »Haben Sie davon noch mehr auf Lager?« wunderte sich Miller in einem äußerst ruppigen Ton. »für mich ist der Fall sonnenklar Rander und Parker wissen, daß sie auf die Dauer gegen uns nichts zu bestellen haben. Deshalb haben sie sich abgesetzt. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste!« »Ich schließe mich Ihrer Meinung an, Miller.«, sagte Shultz, »wir brauchen uns keine unnötigen Sorgen zu machen. Mayer, ich sagte schon, in spätestens einer halben Stunde schwimmen zwei Schnüffler im See. dafür übernehme ich jede Garantie!« * »Noch ein wenig Kaffee. Sir?« Parker reichte den Kaffee und achtete darauf, daß sein junger Herr auch eine Kleinigkeit aß Parker trug selbst hier draußen auf der Ferienranch seine schwarze Hose und die gestreifte Weste. Er bediente mit makelloser Korrektheit. Seine Bewegungen waren abgezirkelt und hätten jeden englischen Lord vor Entzücken aufjubeln lassen. »Danke. Parker!« Rander stand auf. »woher nehmen Sie Ihre göttliche Ruhe? In zwei Stunden etwa wird es dunkel! Bis dahin müssen wir die Ranch abgesichert haben. Die Gangster werden verschiedene Dinge erzwingen wollen!« »Die Ranch ist bereits in einem verteidigungsfähigen Zustand«, meldete der Butler gemessen, »etwaige Angriffe der Gegner werden kaum Erfolg haben.« »Werden wir ihn denn verbuchen können?« gab Mike Rander 60 �
zu überlegen, »Parker, mir sind da draußen im Wald einige Bedenken gekommen. Wie wollen wir die drei Bosse Miller, Mayer und Shultz beweiskräftig der Polizei in die Hände spielen? Angenommen, hier wickelt sich in den kommenden Stunden eine Art Krieg ab Glauben Sie, daß Miller, Mayer und Shultz sich daran beteiligen werden? Die werden wie gewöhnlich ihre Leute vorschicken und sich hüten, ihre Finger schmutzig zu machen. An den kleinen Fischen bin ich nicht interessiert, wenn schon, dann sollen die drei Bosse daran glauben. Unblutig natürlich, damit keine Mißverständnisse aufkommen.« »Sie haben. Sir. den allergischen Punkt meiner bescheidenen Pläne berührt«, gab der Butler offen und ehrlich zurück, »ich baue darauf, wenn ich mich so ausdrücken darf, daß die drei Bosse sich früher oder später notgedrungen mit einschalten werden. Sollte dies aber nicht der Fall sein, werde ich mich bemühen. Ihnen eine andere, zusätzliche Lösung anzubieten.« Rander nickte und beließ es vorerst bei diesem Hinweis. Er machte sich mit dem Gelände der Ferienranch vertraut und studierte die schwachen Punkte dieser behelfsmäßigen Festung. Wenig zufrieden kam er zu Parker zurück der ebenfalls nicht untätig geblieben war. »Diesmal scheinen Sie falsch disponiert zu haben«, meinte Anwalt Rander kopfschüttelnd »Sicher ist nur der Hauptbau. In den werden die Angreifer uns auch mit Sicherheit zurücktreiben. Und was ist dann? Falle bleibt Falle!« »Oh, ich vergaß in der Eile und Hast, Ihnen mitzuteilen, daß keineswegs beabsichtigt ist, im Ranchhaus zu verbleiben.« »Aha, und das erfahre ich so ganz nebenbei! Wohin wollen wir uns denn zurückziehen?« Parker setzte zu einer längeren Rede an. In seiner barocken Art der Umschreibung, in seiner typischen Methode, Satzgebilde zu zimmern, die Verzweiflung aufkom61 �
men lassen konnten, setzte er seinem jungen Herrn genau auseinander, wie er sich den erwarteten Kampf vorstellte. Rander hörte interessiert zu. Sein anfängliches, schmales Schmunzeln wurde von Minute zu Minute breiter. Schließlich grinste er amüsiert. »Nicht schlecht«, sagte er anschließend, als sein Butler geendet hatte, »so müßte es natürlich gehen. Ich hatte ja keine Ahnung, daß Sie die Ranch bereits kannten. Ich denke, wir verteilen jetzt die Waffen. Die Gegner werden sich wahrscheinlich schon formieren!« * Was übrigens stimmte. Drei Zweiergruppen befanden sich im Anmarsch. Die erste Gruppe bestand aus Cassner und Passenger, denen der Butler zu einer kurzen Inhaftierung verholfen hatte. Sie brannten darauf, Parker und seinen jungen Herrn in die Hölle zu schicken, wie sie sich ihren Bossen gegenüber ausdrückten. Ihre Ehre als Killer war angetastet worden. Jetzt mußte also die Quittung ausgestellt werden. Die zweite Gruppe bestand aus Radner und Poison, die Miller aus Los Angeles mitgebracht hatte. Radner und Poison dachten unentwegt an die Torturen im Röhrensystem, zu denen Parker ihnen verholfen hatte. Auch sie konnten es kaum erwarten, es dem Butler heimzuzahlen. Die dritte Gruppe bestand aus Hatters und Furgson. Sie gehörten zur Elite von Shultz’ Gang. Auch sie wurden den Gedanken an die Kriecherei im Röhrensystem nicht los, aber da war noch etwas anderes Sie wollten ihren Kollegen zeigen, daß die Chicagoer Methoden eben doch besser waren, sie wollten vor allen Dingen aber ihrem Chef Shultz beweisen, daß fremde Hilfstrup62 �
pen gar nicht gebraucht wurden. Diese drei Gruppen, bis an die Zähne bewaffnet, arbeiteten sich durch das Gelände. Es war bereits dämmrig geworden und die Sicht reichte nicht weit. Zwischen den Baumstämmen kroch herbstlicher Nebel hoch Bäume und Sträucher nahmen unheimliche Formen an. Die Gangster, alle aus Riesenstädten kommend, fühlten sich hier draußen in der freien Natur nicht sonderlich wohl. In ihren Asphaltdschungeln waren sie zu Hause, aber das offene Land irritierte sie. Sie ließen sich selbstverständlich nichts anmerken Zudem waren sie keine Feiglinge. Sie waren erfahrene Kämpfer, die mit ihren Waffen umzugehen verstanden. Als die Ranch in Sicht kam – nur als dunkle Steinklumpen zu erkennen –, verteilten sie sich und schlossen den Gebäudekomplex ein. Dann drangen sie langsam vor. An was sie sich zu halten hatten, lag auf der Hand. Da waren die beiden hell erleuchteten Fenster des Ranchhauses. Hinter diesen Fenstern befanden sich die beiden verhaßten Gegner. Was übrigens gar nicht stimmte, doch davon ahnten die sechs Gangster nichts! * Parker lag gelassen neben seinem jungen Herrn und spannte die Gabelschleuder. Aus Gründen der Geräuschlosigkeit hatte er zu dieser Waffe gegriffen, die in seinen Händen als vollwertig anzusprechen war. Parker strammte die beiden Gummistränge und visierte die Gestalt an, die gerade in einer kleinen Bodensenke verschwinden wollte. Geräuschlos schickte er den flachen Kieselstein auf Reisen. Der Gangster – es handelte sich um Cassner – kickste 63 �
erschreckt auf und griff nach seinem Gesäß, das plötzlich wie nach einem Fußtritt schmerzte und brannte. Cassner ließ sich flach auf den Boden fallen und rieb sich die Kehrseite. Er fragte sich, was ihn da wohl erwischt haben mochte. Er stöhnte leise und hielt dann plötzlich den Atem an. Was ist, so fragte er sich, wenn ich bereits angegriffen werde? Hier draußen, in diesem verdammten Buschgelände, kann man ja überhaupt nichts sehen. Nur hören! Und zwar die blödesten Dinge. Er hörte ein kicherndes Gackern und konnte sich nicht erklären, woher es stammte. Dann raschelten die Sträucher in seiner Nähe, dann piepste etwas neben ihm. Cassner spürte die Gänsehaut, die sich auf seinem Rücken bildete. Er robbte seitlich aus der Bodenmulde und sah plötzlich eine geduckte Gestalt vor sich. Wütend warf er sich auf sie und drosch mit seinen Fäusten auf sie ein. Die Gestalt ließ sich verständlicherweise nichts gefallen. Es dauerte fast dreißig Sekunden, bis Cassner merkte, daß er sich mit seinem langjährigen Partner Passenger prügelte. Erschöpft ließen sie sich zurück ins raschelnde Gras fallen. »Ich bin bedient«, flüsterte Cassner seinem Partner Passenger zu, »am liebsten würde ich abhauen.« »Ich glaube, diese Knilche von Shultz wollen uns aufs Kreuz legen«, flüsterte Passenger zurück, »die wollen uns bis auf die Knochen blamieren.« Er richtete sich etwas auf, um nach seinen Kollegen Ausschau zu halten. Er hätte es besser nicht getan. Er hatte gerade seinen Hals hochgereckt, als sein Hinterkopf schmerzhaft von einem undefinierbaren, harten Gegenstand bearbeitet wurde, der ihm fast das Bewußtsein nahm. 64 �
Passenger war dermaßen erschreckt, daß er noch nicht einmal dazu kam, einen Laut des Schmerzes oder der Überraschung auszustoßen. »Mann!« stöhnte er und rieb sich seinen Hinterkopf. »Was ist denn?« »Mich hat irgendeiner mit ’nem Stein beworfen«, mutmaßte Passenger grimmig, »aber das zahle ich denen heim! Komm, Partner, wir müssen hier weg!« Cassner und Passenger erhöhen sich aus der Bodenmulde und sprinteten durch die Dunkelheit auf eine Buschgruppe zu. Doch sie kamen nicht weit. Plötzlich brüllten beide wie auf ein geheimes Kommando hin auf und griffen gleichzeitig nach ihren Gesäßen. Was nicht weiter verwunderlich war. denn die beiden gefiederten Pfeile, die sich in ihre Epidermis gebohrt hatten, schmerzten und brannten wie Feuer. * »Ist ja ein sagenhaftes Ding«, murmelte Rander beeindruckt, nachdem er einen kurzen Blick durch das Zielgerät geworfen hatte, dessen Parker sich bisher bedient hatte. »Es arbeitet auf Infrarot-Basis, Sir«, erläuterte der Butler, »ich fürchte nur, ich werde es bald wieder zurückgeben müssen.« »Wieso… Gehört es Ihnen etwa nicht?« »Nicht direkt, Sir. Ich fand es auf dem Gelände eines US-ArmyWaffenlagers!« »So, so!« Rander warf seinem Butler einen undefinierbaren Blick zu, »ich werde mich hüten, weitere Fragen zu stellen!« »Die beiden Killer Cassner und Passenger dürften nun außer Gefecht gesetzt worden sein«, sagte Parker, schnell das Thema wechselnd, »verbleiben noch vier weitere Angreifer, wenn ich 65 �
von den drei Bossen Miller, Mayer und Shultz einmal absehe!« Parker und sein junger Herr saßen auf einem Baumast und konnten die ganze, nächtliche Szenerie überblicken. Es war nicht damit zu rechnen, daß sie hier oben, etwa vier Meter über dem Erdboden, von den Gangstern ausgemacht wurden. Die Angreifer waren wohl sicher, daß ihre beiden Opfer sich im Ranchhaus verschanzt hatten. »Dort… Zwei Gestalten!« Handel entdeckte zwei Schatten vor einem der erleuchteten Ranchfenster. »Sehr wohl, Sir! Meiner privaten Meinung nach, die völlig unmaßgeblich ist, müßte es sich um die beiden Gangster Radner und Poison handeln!« »Trägt Ihr Blasrohr bis dort hin?« »Kaum, Sir. Genaue Treffer lassen sich bei diesen Distanzen nicht mehr erzielen!« »Aber dann können die beiden Burschen ja ungehindert ins Haus hinein, Parker?« »Kaum, Sir«, gab der Butler zurück und wartete auf gewisse Dinge, die mit Sicherheit kommen mußten. * »Leer«, flüsterte Radner seinem Partner Poison zu, »wir steigen ein.« »Warten wir lieber, bis sie im Zimmer erscheinen«, schlug Poison vor. Er war nervös und merkte, daß er Nerven hatte, ein Umstand, der ihm bisher entgangen war. Doch es war schon so, diese ungeschminkte Natur, diese ehrliche Nacht ohne jedes Reklamelicht, diese seltsamen, nächtlichen Geräusche, das alles ließ seine Nerven vibrieren. »Wir steigen ein«, sagte Radner drängend. »Paß’ auf. in ein paar Minuten haben wir das geschafft, dann können wir die bei66 �
den Schnüffler ausräuchern.« Er zertrümmerte die Fensterscheibe, griff nach dem Riegel und öffnete die beiden Fensterflügel. Dann schwang er sich auf das niedrige Fensterbrett und stieg ein. Sein Partner Poison sicherte ihn mit schußbereiter Pistole. »Nun komm’ schon!« rief Radner leise zurück, »kein Mensch hat was gemerkt. Ich wette, wir schaffen die Schnüffler!« Poison folgte seinem Partner in das Zimmer und blieb abwartend stehen. Eine Stehlampe, eingeschaltet natürlich, verbreitete warmes Licht. Dieses Licht ließ die Einzelheiten in diesem Zimmer gut erkennen. Es gab handfestes Mobiliar im Stil der Siedlerjahre, einen Flickenteppich auf dem Boden und eine Tür, die wahrscheinlich hinaus zum Korridor führte. »Los!« Radner übernahm die Führung. Er fühlte sich nun wesentlich wohler. Er hatte die Natur hinter sich gelassen und befand sich endlich wieder auf vertrautem Boden. Innenräume schmeichelten seinem Nervensystem. Hier brauchte man wenigstens nicht mehr mit Unbekannten zu rechnen. Dachte er…! Er betrat den rostroten Flickenteppich und wandte sich zu Poison um, der folgte. Dann, als auch Poison auf dem bewußten Teppich stand, verloren die beiden Mordspezialisten im wahrsten Sinne des Wortes den Boden unter den Füßen. Der Flickenteppich gab schlagartig nach, wölbte sich nach unten und ließ die beiden Gangster in die Tiefe stürzen. Sie stießen schrille Schreie aus, als sie fielen, und sie wimmerten erschreckt, als sie den Boden des Kellers erreicht hatten. Sie waren übereinander gefallen und brauchten einige Zelt, bis sie ihre Gliedmaßen wieder einigermaßen geordnet hatten. 67 �
»Diese verdammten Schnüffler«, fluchte Radner dann und schaute hinauf zur Öffnung der Falltür. »Los, steig’ auf meine Schultern, Poison, wir müssen hier wieder ’raus!« Es kam nicht mehr zu diesem Kraftakt. Poison, der sich bereits schon schläfrig gefühlt hatte, schloß die Augen und rollte sich auf dem Boden zusammen. Radner kämpfte nur wenige Sekunden gegen ein ähnliches Schlafbedürfnis an, verlor diesen Kampf und breitete sich auf seinem Partner aus. Bald darauf war tiefes, rhythmisches Schnarchen zu hören. Worüber man überhaupt nicht zu staunen brauchte, denn Parkers Narkotika waren schon immer ausgezeichnet gewesen, ob nun in fester, flüssiger oder gasförmiger Form. * Hatters und Furgson griffen von der Seeseite her an. Sie hatten sich hier bessere Erfolgschancen ausgerechnet und auch sie brannten darauf, Lorbeeren einzuheimsen. Sie wollten es ihren Kollegen einmal gründlich zeigen und demonstrieren, daß Chikago über Männer verfügte, die wirklich noch hart waren. Ihr Ziel war das große, breite Fenster, das hell erleuchtet war. Hinter diesem Fenster befand sich der Wohnraum der Ranch, reichhaltig und rustikal ausgestattet. Es gab einen mächtigen Kamin aus Bruchsteinen, in dem man einen Ochsen hätte braten können. Hatters und Furgson hatten das Hauptgebäude fast erreicht und pirschten sich nun an dieses Fenster heran. »Kein Mensch zu sehen«, stellte Hatters völlig überflüssigerweise fest, denn in diesem Wohnraum, waren weder Rander noch Parker auszumachen. 68 �
»Nehmen wir die Tür?« fragte Furgson leise. »Oder die Galerie!« entschied Hatters. Er ging voraus und hielt auf die Außentreppe zu, die hinauf zur Galerie führte. Auch dort oben befanden sich viele Fenster. Zwei davon waren erleuchtet. Hatters und Furgson bestiegen diese sehr solide Treppe und schlichen sich vorsichtig nach oben, Sie hörten Stimmen, leises Gelächter, das Klirren von Gläsern. »Sie sind oben und ahnungslos«, flüsterte Hatters seinem Partner zu, »die werden sich gleich wundern, wenn unsere Spritzen arbeiten.« Hatters und Furgson hatten sich mit Maschinenpistolen ausgerüstet, auf deren Mündungen Spezialschalldämpfer aufgeschraubt waren. Mit diesen Spritzen, wie Hatters sich ausdrückte, waren selbst raffinierte Leute wie Rander und Parker auf Anhieb zu erledigen. Wie Hatters und Furgson naiv dachten. Denn es kam wieder einmal ganz anders… Hatters merkte zuerst, daß seine Füße auf einer der Treppenstufen den Halt verloren. Er trat in die leere Luft und verlagerte sein Gewicht ziemlich geistesgegenwärtig auf das andere Bein. Doch auch dieses Bein befand sich plötzlich nur noch in der Luft. Bruchteile von Sekunden später sauste Hatters durch besagte Luft nach unten, dabei einige Treppenstufen mitnehmend. Seinem Partner Furgson erging es nicht viel anders. Auch Furgson erlebte am eigenen Leib, daß Luft keine Balken hat. Er mußte es einsehen, da die Treppenstufen, auf denen er stand, ebenfalls nachgaben. Die beiden Gangster absolvieren also eine kleine, an sich harmlose Luftreise und purzelten dann hinunter auf den Boden. Damit waren ihre Qualen aber noch nicht beendet. 69 �
Sie fielen auf Knallerbsen, die ein gewisser Josuah Pariser offensichtlich sehr freigiebig verstreut hatte. Unter einem höllischen Geknatter, begleitet von Funkensprühen, wetzten die beiden Männer hoch und ergriffen die Flucht. * »Falls meine Schätzungen mich nicht trügen, Sir, müssen das die Nummern fünf und sechs gewesen sein«, stellte Parker auf dem Baumast fest, »damit dürfte der nächtliche Angriff erst einmal abgewehrt sein.« »Na gut, sammeln wir die Blessierten ein«, schlug Rander vor, »falls Ihre Tricks sich natürlich bewährt haben.« Sie stiegen vom Beobachtungsbaum und kümmerten sich erst einmal um Cassner und Passenger, die noch immer traumlos schliefen. Sie schafften sie hinüber zur nahen Ranch und ließen sie in einem fensterlosen Keller verschwinden. Dann wurden Radner und Poison aus der Fallgrube geborgen. Auch sie schliefen fest und merken überhaupt nicht, daß sie in den Keller hineinbefördert wurden. »Zwei scheinen sich aber noch rechtzeitig abgesetzt zu haben«, meinte Rander abschließend, als er zusammen mit seinem Butler die lädierte Treppe besichtigte. »Sie werden zurückkommen, Sir. Sie wählten die Treppe, die ich sicherheitshalber ansägte. Ich hatte eigentlich damit gerechnet, daß sie versuchen würden, die Haustür zu öffnen. In diesem Fall wären auch sie auf der Ranch zurückgeblieben.« »Wieso?« wollte Mike Rander wissen. »Beim gewaltsamen öffnen der Tür wären die Eindringlinge von einem harmlosen Narkotika angesprüht worden. Sir.« »Na ja, es hat eben nicht sein sollen!« »Der Mensch in seiner Kleinheit rechnet, die Götter aber ziehen 70 �
die Summe«, deklamierte der Butler. »Woher stammt denn das?« »Spruchweisheit aus dem Kulturbereich der Mayas, Sir.« »Wie beruhigend«, spottete Rander und zündete sich eine Zigarette an, »was meinen Sie, Parker, werden wir für den Rest der Nacht unsere Ruhe haben?« »Mit Sicherheit, Sir, falls Sie damit einverstanden sind, sich einem kleinen Boot anzuvertrauen.« »Aha und wo ist dieses Boot?« »Es ist drüben im Stichkanal festgemacht. Ich möchte annehmen, daß es Ihnen gefallen wird. Wenn Sie mir bitte folgen wollen.« Rander besichtigte das kleine Boot, in dem zwei ausgewachsene Männer sich gut niederlegen konnten. Parker konnte bequeme Schlafsäcke vorweisen. Zudem ließ der Schlafraum sich durch eine Plane gegen die nächtliche Feuchtigkeit abschirmen. Es dauerte nur knapp zehn Minuten bis sie mitten auf dem kleinen See festgemacht hatten. Rander stieg in den Schlafsack und war schnell eingeschlafen. Josuah Parker aber nutzte die große Chance, endlich einmal wieder eine seiner spezialangefertigten Zigarren zu rauchen. Dieser Gifttorpedo, wie Rander sich auszudrücken beliebte, war in der Tat starker Tabak. Einige Mückenschwärme, die, angelockt von der Wärme der beiden Menschenkörper, in dichter Formation heranbrausten, gerieten unfreiwillig in die Rauchschwaden dieser Zigarre. Dabei kam es zu einer Katastrophe! Nach einem Massenabsturz hustender Mücken rettete der Rest sich in höhere Regionen, beriet kurz und versuchte dann im Tiefflug, Rander und Parker zu attackieren. Doch diese Rechnung ging nicht auf. 71 �
Parker, stets wachsam, hatte die Taktik der kleinen Plagegeister längst durchschaut. Er produzierte auf dem Umweg über seine Zigarre einige dichte Rauchwolken und schoß damit eine Art Sperre. Die Mücken zogen im Steilflug nach oben, und drehten endgültig ab. Sie interessierten sich später für zwei andere Menschen, die leicht angeschlagen und humpelnd hinüber nach Lake Bluff wankten. Es handelte sich um die Herren Hatters und Furgson, die sich die fast wütende Angriffslust der Mücken überhaupt nicht erklären konnten. * »Sie brauchen gar nicht zu befürchten, daß wir Sie möglicherweise unter Druck setzen werden«, schickte der Butler Stunden später voraus, als er sich mit den beiden Killern Cassner und Passenger unterhielt, »Mister Rander und meiner bescheidenen Wenigkeit ist längst bekannt, daß Sie von Mister Miller engagiert wurden.« »Beweisen Sie uns das erst mal«, antwortete Cassner gereizt. Er fühlte sich hundeelend, zudem konnte er nicht richtig sitzen. Die kleine Einstichwunde im Gesäß zwickte und plagte ihn. »Aber ganz sicher nicht«, redete der Butler weiter, »die Last der Beweiskraft wird später bei Mister Miller liegen. Aber soweit ist es ja noch gar nicht!« »Sorgen Sie lieber dafür, daß wir gehen können«, schaltete Passenger sich wütend ein, »Sie haben kein Recht, uns hier festzuhalten. Das ist Kidnapping, wenn Sie es genau wissen wollen.« »Beweisen Sie uns das erst einmal«, sagte nun Parker in seiner höflichen, unnachahmlichen Art, »Sie können selbstverständlich gehen, wann immer Sie wollen, Mister Rander und meine 72 �
bescheidene Person taten nur unsere Pflicht, als wir Sie bewußtlos vor der Ranch antrafen. Wir wollten uns keineswegs unterlassener Hilfeleistung schuldig machten.« »Wir können gehen?« Cassner sah den Butler mißtrauisch an. »Aber selbstverständlich, ich möchte doch sehr hoffen, daß ich mich deutlich genug ausgedrückt habe. Sie werden allerdings verstehen, daß wir gewisse Dinge Ihres persönlichen Besitzes zurückbehalten.« »Unsere Kanonen?« fragte Passenger rundheraus. »In der Tat! Wir werden Sie später der Polizei übergeben. Vielleicht läßt sich aus diesen Schußwaffen, die ja Ihre Fingerabdrücke tragen, ein gewisser Schluß ziehen.« »Wieso Fingerabdrücke? Wir hatten doch Handschuhe an!« »Die Handbekleidungen mußten wir Ihnen abstreifen, als wir nach irgendwelchen Spuren von Gewalttätigkeit suchten. Dabei müssen Mister Rander und ich Ihnen kurzzeitig die Waffen in die Hand gegeben haben!« Cassner und Passenger sahen sich schnell und vorsichtig an. Sie hatten selbstverständlich verstanden. Ihre Henkerwaffen, bisher von der Polizei nie identifiziert, trugen nun erstmalig ihre Fingerabdrücke. Daraus ließen sich natürlich Schlüsse ziehen. Sehr wichtige sogar. Daraus ließ sich unter Umständen eine sehr handfeste Anklage zimmern. »Das wäre es«, schaltete Mike Rander sich ein, »Sie können gehen. Ich will hoffen, daß Sie sich hier nicht mehr verlaufen. Die Gegend ist für Fremde verdammt unsicher!« Cassner und Passenger setzten alles auf eine Karte. Sie sprangen ohne jede Vorwarnung Rander und Parker an. Sie wollten die beiden verhaßten Schnüffler mit gezielten Tiefschlägen außer Gefecht setzen. Doch weit gefehlt. Rander wandte einen gekonnten Karateschlag an, worauf Cass73 �
ner sich für einige Minuten auf den Boden setzte. Passenger, der sich auf den Butler konzentriert hatte, schlug nur wild in die Luft. Dann spürte er den Bambusgriff des Universal-Regenschirms auf seinem Hinterkopf und trat geistig weg. Als sie wieder zu sich kamen, lagen sie auf einer stillen, sonnenüberfluteten Waldlichtung und sahen sich dumm an. * »Ihr Einbruchsversuch ist von einer automatischen Kamera festgehalten worden«, setzte Josuah Parker den beiden Leibwächtern Millers auseinander, »sie arbeitet auf Infrarotbasis. Jede Einzelheit Ihres Einsteigens ins Haus ist auf den Film gebannt worden. Die Polizei, wird sich freuen, diese einmaligen Dokumentaraufnahmen besichtigen zu können!« »Sie wollen doch nur bluffen!« gab Radner mißmutig zurück. Er litt unter Kopfschmerzen. »Die Polizei wird Ihnen später genau auseinandersetzen, ob es sich wirklich nur um einen Bluff gehandelt hat«, antwortete der Butler gemessen, »Sie können übrigens zurück zu Mister Miller gehen, der sich meiner bescheidenen Schätzung nach in Lake Bluff aufhalten muß. Vielleicht sogar zusammen mit seinen Geschäftsfreunden Mayer und Shultz!« »Sie wollen uns laufenlassen?« mischte sich Poison ein. »Aber natürlich«, entgegnete der Butler, »richten Sie Mister Miller unsere besten Grüße aus. Eine Frage am Rande, die mir gestattet sein sollte, warum lassen die drei Gangsterkönige grundsätzlich die heißen Kastanien von ihren Mitarbeitern aus dem Feuer holen? Darüber sollten Sie einmal bei Gelegenheit nachdenken.« Zögern verließen Radner und Poison das Ranchhaus. Sie trau74 �
ten dem Frieden nicht und glaubten immer noch an einen gemeinen Trick. Doch weder Rander noch sein Butler dachten daran, die beiden Männer aufzuhalten. Es gehörte ja zu ihrem Plan, daß auch diese beiden Gangster zurück zu ihrem Boß kamen. »Wie soll es jetzt weitergehen?« fragte Rander, als er mit seinem Butler allein war. »Halten Sie es nicht für richtig, die Behörden zu unterrichten, Parker? Die Gangster befinden sich jetzt in Weißglut. Sie wissen, daß wir sie in der Hand haben. Sie werden erneut aufkreuzen!« »Hoffentlich, Sir, wie ich bemerken darf. Ich wäre ungemein enttäuscht, wenn man die geplanten Aktionen nun abblasen würde.« »Worauf wollen sie eigentlich hinaus?« »Beweise sammeln, Sir, um es kurz auszudrücken. Beweise gegen die Herren Miller, Mayer und Shultz. Sie sollen endlich einmal aus ihrer Reserve hervortreten und mit angreifen!« »Rechnen Sie damit?« »Das ist schwer zu sagen, Sir! Eine sichere Prognose wage ich nicht zu geben. Man muß abwarten. Wie heißt es doch in dem alten Sprichwort aus dem Spanischen: Füttere die Kuh, aber rechne nicht mit Milch!« »Sehr treffend«, sagte Rander auflachend, »vergessen wir über alle Pläne den Hubschrauber nicht. Dieses Ding macht mir Sorgen. Sind wir gegen einen Angriff aus der Luft gerüstet?« »Selbstverständlich, Sir. auch dieser Möglichkeit schenkte ich meine Aufmerksamkeit.« »Und wie sehen diese Vorbereitungen aus?« »Ich war so frei, Sir. mich in einem Fachgeschäft für Signalraketen etwas näher umzusehen. Dabei stieß ich auf bemerkenswerte Erzeugnisse dieser Branche!« »Hört sich ja ganz beruhigend an!« Rander stand auf und trat ins Freie, »warten wir also ab. Jetzt sind die Gangster erst mal an 75 �
der Reihe!« � *
Im Hubschrauber befanden sich Hatters, Furgson und Gangsterboß Shultz. Die drei Männer sahen grimmig und entschlossen aus. Nach einem fast endlosen Palaver hatte Shultz sich entschlossen, diesen Angriff mitzufliegen. Er wollte damit dokumentieren, daß er Rander und Parker nicht fürchtete. An Bord des Hubschraubers befand sich ein Maschinengewehr. Als Zusatzballast waren einige handliche Spreng- und Splitterbomben mitgenommen worden. Sie mußten ausreichen, Parker und Rander auszulöschen. Shultz stand im Funkkontakt mit Miller, der zusammen mit seinen Leib. Während Radner und Poison den Landweg nahm. Vom Ufer des Sees aus beobachtete er die Ferienranch. Er hatte gerade durchgegeben, daß Rander und Parker ein Ruderboot bestiegen, um hinaus auf den See zu fahren. Wahrscheinlich wollten sie dort fischen. »Warten, bis sie auf dem See sind«, gab Miller per Funk hinauf zu Shultz, »dann haben wir sie auf dem Präsentierteller. Sie legen gleich ab!« Der Hubschrauber beschrieb einen leichten Bogen, gesteuert von Hatters, der sich in solchen Dingen gut auskannte. Noch wollte man sich nicht sehen lassen. Der Angriff sollte plötzlich und überraschend erfolgen. Mayer war und blieb der Einzelgänger. Er hatte darauf verzichtet, sich mit den beiden Killern Cassner und Passenger zusammenzutun. die ihm nicht besonders gefielen Sie machten auf ihn einen äußerst nervösen Eindruck und waren in seinen Augen keine vollwertigen Kräfte mehr. 76 �
Während Cassner und Passenger also unterwegs waren, um sich dem Ranchhaus noch einmal zu nähern, strich Mayer allein durch den Wald Bewaffnet war er mit einem Gewehr, auf das er ein Zielfernrohr festgeschraubt hatte. Alte Instinkte waren in ihm wach geworden. Er fühlte sich zurückversetzt in jene Tage, als er allein gegen die Stadt New York antrat und sich seinen Platz in den Kreisen der Unterwelt freiboxen mußte. * »Sie legen ab… Sie fahren los…«, meldete Miller dem Hubschrauber, »sie benutzen einen Außenborder. Ihr könnt jetzt kommen!« Shultz nickte Hatters zu. Gleichzeitig griff er nach den Sprengkörpern und entsicherte sie. Furgson kümmerte sich um das überschwere Maschinengewehr. Er freute sich darauf, sich endlich revanchieren zu können. Miller beobachtete den Außenborder, der auf die Mitte des Sees zuhielt. Er nickte seinen beiden Leibwächtern zu, Radner und Poison griffen nach ihren Gewehren und entsicherten sie. In ein paar Minuten war es soweit, Rander und Parker sollten dann auf den Grund des Sees geschickt werden. Cassner und Passenger beobachteten ebenfalls den Außenborder. Die Insassen des Bootes waren deutlich zu erkennen. Cassner und Passenger, die sich mit weitreichenden Gewehren ausgerüstet hatten, warteten ebenfalls auf die Minute der Vergeltung. Dann kam der Hubschrauber… Er fegte dicht über die Baumwipfel hinweg und näherte sich wie ein riesiges Insekt dem Boot. Shultz lag auf der Lauer. 77 �
Furgson visierte mit seinem Maschinengewehr das Boot an. »Noch etwas tiefer!« brüllte Shultz dem Piloten Hatters zu. Und dann war es soweit… Shultz warf die beiden Bomben. Furgson schoß, was der Lauf hergab. Die erste Bombe fiel etwas zu kurz. Doch sie warf eine mächtige Flutwelle hoch und ließ das leichte Boot tanzen. Die zweite Bombe lag erheblich besser. Der Außenborder wurde hoch aus dem Wasser geworfen und schlug um. Die beiden Insassen des Bootes fielen ins Wasser, das von den Garben aus dem schweren Maschinengewehr gepeitscht wurde. Furgson schoß verbissen und ohne Unterlaß. Vom Ufer her beteiligten sich Miller und seine beiden Leibwächter Radner und Poison. Sie schossen, was das Zeug hielt. Das Ziel war ja nicht zu verfehlen. Das umgeschlagene Boot wurde von den Einschlägen der Geschosse förmlich herumgewirbelt. Die beiden Berufskiller Cassner und Passenger beteiligten sich ebenfalls an diesem Feuerwerk. Sie schossen Magazin auf Magazin leer, bis von dem Boot nichts mehr zu sehen war. Nur noch herumtreibende Trümmer zeugten davon, daß hier vor wenigen Minuten einmal ein Außenborder geschwommen war. »Erledigt!« meldete Shultz nach unten zu Miller, »wir treffen uns in Lake Bluff!« Miller bestätigte die Durchsage, nickte Hatters zu, der den Hubschrauber abdrehte und dann zurück nach Lake Bluff flog. Die beiden Killer Cassner und Passenger machten sich ebenfalls auf den Rückmarsch. Sie redeten sich ein, daß Sie allein getroffen hatten. Sie brauchten das, damit ihr Selbstgefühl endlich einmal wieder eine positive Färbung annahm. * 78 �
Mayer, der Einzelgänger, in dem alte primitive Instinkte wieder wach geworden waren, hatte sich das Feuerwerk sehr gründlich angesehen. Doch er begnügte sich nicht damit. Er wollte es genau wissen. Er wollte in das Ranchhaus eindringen und erst einmal mögliche Beweise verschwinden lassen, die Rander und sein Butler gesammelt haben mochten. Er hatte die Ranch erreicht und blieb mißtrauisch vor dem geschlossenen Tor stehen. Dann aber schwang er sich über die nicht sehr hohe Mauer, überquerte den Innenhof und erreichte die Haustür. Mit gewohnter Routine, die auf viel Erfahrung schließen ließ, öffnete er die Tür und betrat das Ranchhaus. Er hielt sein Gewehr im Hüftanschlag und sah sich erst einmal im großen Wohnraum um. Anschließend durchsuchte er einige Wandschränke, ohne aber etwas zu finden. Dann sollten die beiden Schlafräume im oberen Stockwerk an die Reihe kommen. Mayer blieb lauschend an der Treppe stehen, zuckte die Schultern und grinste amüsiert. Er war auf dem besten Weg, sich etwas einzureden. Vor wem sollte er sich noch fürchten. Er hatte schließlich doch mit eigenen Augen gesehen, daß Rander und sein Butler das Zeitliche gesegnet hatten. »Kann ich Ihnen vielleicht helfen?« ließ sich in diesem Moment Parkers Stimme vernehmen. Mayer reagierte mit überraschender Schnelligkeit. Herumwerfen und Schießen, nun, das war synchron! Krachend entlud sich der Schuß, doch von Parker war nichts zu sehen. Mayer schnaufte irritiert und sah sich um. »Wo stecken Sie?« brüllte er dann, »kommen Sie, zeigen Sie sich! Ich mache Sie fertig, verdammter Schnüffler!« Er konnte es nicht abwarten und wollte zurück zum großen Wohnraum laufen. Dabei entwickelte er einiges Pech, denn ein 79 �
kleiner gefiederter Pfeil traf seinen Nacken und setzte ihn schachmatt. Bevor er vollends ohnmächtig wurde, schoß Mayer noch einige Male. Er führte sich wie ein Rasender auf, wahrscheinlich, weil er wußte, daß sein Spiel aus war! * Sie veranstalteten eine Art Siegesfeier im Bungalow des Motels. Anwesend waren Miller und Shultz, dann die Mitarbeiter Cassner Passenger, Radner Poison, Hatters und Furgson Sie tranken sich gegenseitig zu und waren bester Laune. »Ich denke, damit haben wir es geschafft.«, sagte Shultz in einer kleinen improvisierten Ansprache, »die beiden Schnüffler sind erledigt. Rander und Parker werden uns nie wieder gefährlich werden können und warum haben wir es geschafft? Weil wir zusammen gegen diese Schnüffler vorgegangen sind. Weil wir uns was einfallen ließen. Jetzt sind sie nur noch Fischfutter!« »Wo steckt Mayer eigentlich?« fragte Miller nach der Ansprache. »Der wird schon noch kommen«, gab Shultz zurück, »wir kennen ihn doch, immer Extratouren. Sie müssen zugeben, Miller, daß der gemeinsame Einsatz sich gelohnt hat. Jetzt brauchen wir nicht mehr von Rander und Parker zu sprechen.« »Einen Moment lang war ich wirklich unsicher geworden«, räumte Miller ein. »diese beiden Schnüffler haben uns das Leben ja auch zu schwergemacht. Meine Freunde in Los Angeles werden aufatmen, wenn ich ihnen diese erfreulichen Nachrichten überbringe!« »Und meine Freunde hier in Chikago erst«, entgegnete Shultz. »Sie ahnen ja nicht, Miller, wie wir uns mit diesem Parker herumschlagen mußten. Nachträglich muß ich zugeben, daß er ein 80 �
verdammt geschickter und trickreicher Bursche war. Wir konnten ihn einfach nicht ausschalten Daher ja auch meine Einladung an Sie und Mayer! Ich brauchte erstklassige Experten, allein hätte ich es wohl kaum geschafft.« »Er war auf dem besten Weg, uns aus den Sätteln zu heben«, gestand nun auch Miller. »Sie wissen doch, Mayer, Sie und ich, wir waren stets im Hintergrund geblieben Parker wollte das ändern und beweisen, daß wir illegale Geschäfte machen. Ich möchte wissen, wer uns das jetzt noch nachweisen sollte!« Sie tranken sich froh zu und fanden sich sympathisch. Die übrigen Gangster hingen in tiefen Sesseln und Sofas und ließen sich mit harten Getränken eindecken. Auf sie warteten fette Prämien. »Ich denke, wir fahren morgen zurück nach Chikago«, schlug Shultz vor. »Gute Idee… Dann können wir ja noch eine richtige Feier aufziehen«, sagte Miller. Er wollte noch etwas sagen, doch in diesem Augenblick spielte die Hauptsicherung des Bungalows nicht mehr mit. Schlagartig erlosch das Licht. »Nur keine Panik, wenn ich bitten darf!« war dann Parkers Stimme laut und deutlich zu vernehmen, »es tut mir verständlicherweise nicht leid, daß ich Sie enttäuschen muß, meine Herrn. Ihre Siegesfeier findet ohne jeden Grund statt. Sie haben das Ziel der Klasse, wie es so treffend heißt, nicht erreicht. Mister Rander und meine bescheidene Wenigkeit leben! Sie finden uns, falls es gewünscht wird, draußen auf der Ferienranch. Ich danke Ihnen für das Zuhören und wünsche Ihnen noch eine relativ gute Nacht!« Das Licht flammte wieder auf. Die Gangster, deren Gesichter die Farbe von Weißkäse angenommen hatten, sahen sich bestürzt an. »Hier… ich habe den Empfänger gefunden!« rief dann Hatters 81 �
und zerrte unter der Couch, auf der er gesessen hatte, ein kleines’ handliches Gerät hervor, »Parker hat per Funk mit uns gesprochen, Boß!« »Das… das ändert nichts an den Tatsachen«, murmelte Shultz betroffen, »das ändert überhaupt nichts! Rander und Parker leben! Sie haben uns einen Streich gespielt. Sie nehmen uns auf den Arm. Sie machen sich über uns lustig! Jetzt wird es Zeit, mit der Faust auf den Tisch zu schlagen!« * Parker schaltete seinen Sender ab und wandte sich seinem jungen Herrn zu, der neben ihm stand. »Ich hoffe, Sir, Sie waren mit dieser Durchsage zufrieden.« »Und ob… Schade, daß wir nicht die Gesichter der Burschen sehen konnten!« »Im Augenblick noch nicht, Sir, aber mit Sicherheit später!« »Wie soll ich das verstehen?« »Ich war so frei, in Mister Shultz’ Bungalow eine Geheimkamera einzubauen, Sir. Sie wurde nach meiner Durchsage in Bewegung gesetzt, eine technische Kleinigkeit, die sich mittels eines Kurzwellenrichtsignals leicht bewerkstelligen läßt.« »Wann haben Sie denn dieses Ding eingebaut?« wollte Rander auflachend wissen. »Als Sie und meine Wenigkeit angeblich draußen auf dem See waren, Sir! Ich möchte noch nachträglich annehmen, daß die beiden Gummipuppen vollkommen echt wirkten, sonst hätten die Gangster ihren Generalangriff mit Sicherheit nicht gestartet.« »Und ob die Puppen echt waren!« Rander ließ sich in einen Sessel fallen, »nicht auszudenken, wenn wir selbst im Außenborder gewesen wären. Haben Sie weitere Tricks vorbereitet?« »Die Unterhaltung zwischen Mister Shultz und Miller und den 82 �
übrigen Gangstern ist Wort für Wort auf Tonband festgehalten worden, Sir!« »Und wie haben Sie das wieder hingezaubert?« »Die Gangster Hatters, Radner und Poison wurden von mir nach ihren Berufsunfällen hier auf der Ranch in Sender umgebaut, wenn ich es so ausdrücken darf!« »Dürfen Sie, Parker, dürfen Sie, aber damit weiß ich immer noch nicht Bescheid.« »Ich war so frei, diesen Herren Kleinstsender in die Anzüge zu praktizieren. Sie arbeiteten prompt, wie ich versichern kann. Jede Unterhaltung ist auf Tonband festgehalten worden!« »Sagenhaft!« konnte Rander nur sagen. Er griff nach dem Drink, den Parker ihm gemixt hatte, und deutete dann mit dem Kopf nach unten auf den Boden, »was machen wir mit Mayer?« »Er bleibt, wenn Sie einverstanden sind, vorerst unser Gast, Sir.« »Womit das Problem der Polizei wieder akut wird«, antwortete der Anwalt. »Parker, Sie wissen genau, daß wir keinen Privatkrieg führen können und dürfen. Wir müssen jetzt die Polizei einschalten. Die Grenze ist erreicht!« »An welchen Beamten, Sir, denken Sie?« »Lieutenant Madford!« »Ist er zuständig, Sir?« »Das ist sein Problem. Ich werde ihn also anrufen! Damit machen wir uns den Rücken frei!« Rander ging ans Telefon und hob den Hörer ab. Nach wenigen Sekunden legte er wieder auf. »Tote Leitung«, sagte er und sah seinen Butler an, »können Sie sich das erklären?« »Wir haben es schließlich mit Gangstern zu tun, Sir.« »Und ich habe es mit einem gewissen Butler Parker zu tun«, antwortete Rander mißtrauisch, »geben Sie schon zu, daß Sie die 83 �
Leitung durchtrennt haben.« »Sir, Sie tun mir bitter unrecht«, beschwerte Parker sich würdevoll, »ohne Ihr Einverständnis würde ich solche Manipulationen niemals vornehmen.« »Na, ich weiß nicht. Sei es aber wie es sei, Madford muß verständigt werden! Lassen Sie sich eine Möglichkeit einfallen, Parker! Von mir aus können wir auch ’rüber nach Lake Bluff fahren.« »Wäre das ratsam, Sir? Denken Sie an die Gefährdung harmloser Passanten bei einem eventuellen Feuerüberfall durch die Gangster!« »Können Sie es nicht mit Ihren Funkgeräten schaffen?« »Ich fürchte, bedauern zu müssen, Sir. Die Frequenzbereiche reichen dazu leider nicht aus.« »Und auch nicht mehr die Zeit«, sagte Rander und hob lauschend den Kopf, »ich glaube, der Hubschrauber kommt!« Mike Rander hatte sich nicht verhört. Über dem Wald, jenseits des kleinen Sees, tauchte der Hubschrauber auf, schwirrte ein wenig umher, als wolle er nur die Lage peilen, um dann kurz danach wieder zu verschwinden. »Wenn Sie erlauben, Sir, werde ich einige Vorbereitungen treffen«, entschuldigte sich der Butler, »ich möchte annehmen, daß die Gangster sich bald wieder melden werden.« * »Diesmal werden wir landen«, sagte Shultz. Er stand neben dem Hubschrauber, der auf einer Waldlichtung heruntergegangen war. Shultz instruierte seinen Gast Miller und die übrigen Gangster. »Zuerst äschern wir mal die Farm ein. Anschließend gehen wir im Hof ’runter und durchsuchen solange die Trümmer, bis wir Rander und Parker gefunden haben.« 84 �
Es gab keine Rückfragen. Nach der Überraschung in Shultz’ Bungalow war es für sie alle klar, daß nun endgültig reiner Tisch gemacht werden mußte. Noch einmal wollten die Gangster sich nicht hochnehmen lassen. Sie waren es satt, sich von Josuah Parker an der Nase herumführen zu lassen. »Also!« Shultz deutete auf den Hubschrauber. »Mister Miller und ich steigen zu Hatters und Furgson in den Hubschrauber. Der Rest fährt mit dem Wagen bis dicht an die Ranch heran! Nach dem Abwurf der Bomben beginnt der Angriff!« Es dauerte nur wenige Minuten, bis der Helikopter sich erhob. Gesteuert von Hatters, schlug der Hubschrauber einen weiten Kreis, um dann mit seinem Zielanflug zu beginnen. * »Glauben Sie, daß diese komischen Pappraketen helfen werden?« Mike Rander schaute skeptisch auf die Raketen, die der Butler vor das Ranchhaus getragen hatte. Es handelte sich um mehr oder weniger große Zylinder aus Pappe, die an soliden Holzpflöcken befestigt waren. »Ich möchte annehmen, Sir, daß Sie überrascht sein werden«, antwortete der Butler zuversichtlich, ohne aber etwas von seiner üblichen Würde aufzugeben, »ich räume durchaus ein, daß es sich um gewisse Improvisationen handelt, doch der Effekt wird enorm sein.« Zu weiteren Fragen kam Mike Rander schon nicht mehr. Über dem Wald erschien der Hubschrauber. Er hielt direkt auf das Ranchhaus zu. Man sah es schon an diesem Anflug, daß die Gangster alles auf eine Karte setzen wollten. Josuah Parker schien damit sehr einverstanden zu sein. Er ließ sich überhaupt nicht aus der Ruhe bringen. 85 �
Mit Bedacht und Sorgfalt wählte er unter den Feuerwerkskörpern, suchte sich eine bestimmte Rakete aus und zündete sie. Da er die Zündschnüre mittels seiner Zigarrenschere auf ein gerade noch zulässiges Maß verkürzt hatte, brauchte er auf den Start dieser Feuerwerkskörper nicht zu warten. Mike Rander starrte ein wenig zweifelnd auf die Pappröhre, deren Holzpflock der Butler in den Händen hielt. Er schaute hoch zum Hubschrauber und fragte sich, wie der Butler denn die Richtung bestimmten wollte, schließlich verfügte er ja nicht über ein Zielgerät. Mike Rander wurde angenehm enttäuscht. Zischend setzte sich die erste Kleinstrakete in Bewegung. Parker trat zurück und verfolgte sie, was nicht sonderlich schwer war, denn der Feuerwerkskörper hinterließ einen langen, rauchenden Feuerschweif. Und dann passierte es auch schon! Der Feuerwerkskörper jaulte direkt auf den Hubschrauber zu, der jetzt allerdings zur Seite geschwenkt wurde und so einem Volltreffer entging. Doch Parker hatte bereits die zweite Rakete auf die Reise geschickt. Diesmal gelang es dem Piloten des Hubschraubers nicht, den Flugapparat zur Seite schwingen zu lassen. Der Feuerwerkskörper rammte die Kuppel aus Plexiglas und platzte dort auseinander. Ein bunter Sternenregen ergoß sich in der Luft und tropfte dann wie flüssiges Feuer hinunter in den See. Der Hubschrauber geriet dadurch offensichtlich aus dem Kurs. Er schwankte wie ein Blatt im Wind, wurde wieder unter Kontrolle gebracht und schwenkte zurück in Richtung Ferienranch. Nun war der Butler nicht mehr zu halten. Er sah, daß seine Raketen durchaus wirkungsvoll waren. Er entschied sich jetzt für ein wahres Raketenbündel. 86 �
Diese etwas kleineren Feuerwerkskörper waren auf einem Brett befestigt und standen parallel zueinander. Parker zündete sie mit seinem Feuerzeug, das, aufgedreht, einem Flammenwerfer glich. Und Sekunden später zischten und jaulten sechs Feuerwerkskörper in die Luft hinauf. Die Streuung war beachtlich. Es handelte sich im Grunde um einen unkonventionellen Schrotschuß. Der Hubschrauber wurde in zwei Fällen voll getroffen. Die Raketen barsten auseinander und lösten sich in grüne, rote, blaue und silberne Tropfen auf, die den Hubschrauber festlich illuminierten. Dabei wurde der Rotor offensichtlich beschädigt. Der Hubschrauber taumelte wie ein flügellahmer Schmetterling und senkte sich dann mit großer Schnelligkeit. Mike Rander sah fasziniert diesem Schauspiel zu. Und schloß unwillkürlich die Augen, als der Hubschrauber dann im Wasser landete. »Darf ich Ihre Aufmerksamkeit auf den Wagen lenken, Sir, der gerade auf die Ranch zuhält?« ließ der Butler sich in diesem Moment vernehmen, »ich möchte annehmen, daß der zweite Angriffskeil der Gangster im Anmarsch ist!« * Cassner, Passenger, die beiden Killer von der Westküste, und Radner und Poison, die beiden Leibwächter von Miller, fielen förmlich aus dem Wagen und rannten auf die Mauer der Ferienranch zu. Sie hatten noch nicht mitbekommen, daß der Hubschrauber zumindest notgelandet war. Sie glaubten sich im Vorteil und griffen an. Sie hatten ihre Maschinenpistolen im Hüftanschlag und warteten darauf, aus allen Rohren zu schießen. Sie blieben überrascht stehen, als es plötzlich um sie herum 87 �
laut krachte. Ohne es zu merken, hatten sie leichte Schnüre zerrissen, die ihrerseits Selbstschüsse auslösten, deren Ladungen aus Feinstschrot bestanden. Die Wirkung war frappierend. Die Gangster wurden von diesem Feinstschrot viele Male getroffen. Kleine Bleiperlen bohrten sich in ihre Körper und verursachten höllische Pein, ohne dabei aber lebensgefährlich zu sein. Die vier Gangster schienen plötzlich auf einer riesigen Naturbühne zu stehen und zu steppen. Sie dachten überhaupt nicht mehr daran, Gebrauch von ihren Waffen zu machen. Sie hatten nur das eine Bestreben, so schnell wie möglich aus dieser Schrotfalle wieder herauszukommen. Dadurch zerrissen sie weitere Schnüre, dadurch wurden zusätzliche Feinstschrotladungen ausgelöst. Innerhalb weniger Sekunden tobte eine röhrende, donnernde und krachende Hölle um sie herum, die der Butler von der Ranch her zusätzlich aufheizte. Er ließ einen Farbregen über sie ergehen, der die Gangster völlig aus dem Konzept brachte. Cassner, Passenger, Radner und Poison hatten nur noch einen Gedanken, so schnell wie möglich zurück zum Wagen zu kommen und die Flucht zu ergreifen. Während ihrer Tanzerei war ihnen allerdings entgangen, daß Parker dort kurz aufgetaucht war. Vielleicht wären sie sonst etwas vorsichtiger gewesen. Sie schafften es aber erst einmal, zum Wagen zu gelangen. Sie stiegen stöhnend und waidwund in den großen Buick und wußten nicht, welche Kleinstwunden sie zuerst versorgen sollten. Da Parker die Selbstschüsse aus humanitären Gründen sehr tief und flach eingerichtet hatte, waren eigentlich nur ihre Beine in Mitleidenschaft gezogen worden. »Nun fahre schon los!« brüllte Cassner Radner an, der vor dem 88 �
Steuer saß, »auf was wartest du noch.« Radner drehte den Zündschlüssel herum und… schrie auf. Bevor er nämlich den Gang eingelegt hatte, setzte der Buick sich schon in Bewegung. Und zwar erstaunlich schnell. Und in die falsche Richtung. »Bist du wahnsinnig?« brüllte nun Passenger, der zweite Killer wütend auf. »Was sollen wir denn auf der Ranch?« »Seht doch! Seht doch mal!« stotterte Radner entsetzt und entdeckte dann erst das solide Drahtseil, das, von der Unterseite des Buick kommend, sich wie eine riesige Schlange hinüber zur Ferienranch strammte. Die Geschwindigkeit steigerte sich noch. Der Buick wurde von einer riesigen Gewalt auf die Ranch zugezogen. Dann, bevor die Gangster sich entschließen konnten, auszusteigen, was gefährlich gewesen wäre, knallte der Buick bereits gegen die Mauer der Ranch und deformierte sich. Die vier Gangster waren mehr als nur leicht benommen. Sie taumelten hoch, wollten aussteigen und wurden dann sogar höflich dazu eingeladen. Mike Rander und Joosuah Parker standen höflich neben dem beschädigten Wagen. Sie hielten Schußwaffen in den Händen und baten höflichst um einen Besuch auf der Ranch! * »Mister Mayer wird sich freuen, endlich Gesellschaft bekommen zu haben«, sagte Parker gemessen, als er wieder oben bei seinem jungen Herrn war, »darf ich fragen, ob Sie draußen auf dem See etwas haben erkennen können?« »Vier Leute sind ans Ufer geschwommen«, antwortete Mike Rander. 89 �
»Diese Rechnung, Sir, könnte stimmen. Die Herren Miller, Shultz, Hatters und Furgson befinden sich noch auf freiem Fuß!« »Und werden so schnell wie möglich verschwinden«, orakelte Mike Rander. »Verlockend sind die süßen Trauben für den Fuchs«, zitierte der Butler, »könnte man nicht annehmen, daß diese vier Gangster versuchen werden, im Schutz der Dunkelheit einen weiteren Angriff zu wagen?« »Ausgeschlossen, Parker, glaube ich einfach nicht! Die sind restlos bedient!« »Aber immerhin befindet sich Mister Mayer im Keller der Ranch, Sir! Müssen die Herren Miller und Shultz nicht befürchten, daß er reden wird, falls man ihm keine Hilfe zukommen läßt?« »Mayer wird niemals reden! Kann er sich überhaupt nicht leisten. Ich wette, er läßt sich lieber ins Gefängnis stecken. Falls es dazu überhaupt kommt, warten wir erst einmal ab, wie der Staatsanwalt die Aussichten beurteilt!« »Und was die Herren Miller und Shultz zu sagen haben. Ich werde, falls ich nicht gebraucht werde, auf Empfang gehen, Sir!« Parker beschäftigte sich mit seinem Empfangsgerät. Er schaltete es ein und wartete darauf, daß die Senderträger sich vielleicht meldeten. Doch diesmal wurde er enttäuscht. Aus dem Empfänger kam kein Ton mehr. »Die Männer scheinen die Kleidung gewechselt zu haben«, sagte Rander, »kein Wunder nach dem Bad im See! Was halten Sie davon, wenn wir jetzt unsere Gäste der Polizei übergeben?« »Sehr wohl, Sir, ich werde Lieutenant Madford in Chikago verständigen«, erbot sich der Butler. »Ihre Erlaubnis vorausgesetzt, werde ich sofort hinüber nach Lake Bluff fahren!« »Irrtum, Parker, wir werden gemeinsam fahren. Und wir nehmen unsere Zugvögel gleich mit. Gott sei Dank verfügt Ihr Pri90 �
vatwagen ja über einen ausreichend großen Kofferraum.« Parker mußte sich mit diesem Vorschlag einverstanden erklären. Um sich die Arbeit zu erleichtern, die Gäste in den Kofferraum des hochbeinigen Monstrums zu verfrachten, ging er hinunter in den Keller und holte sein Zigarrenetui hervor. Er preßte die Spitze dieser Zigarre gegen das Schlüsselloch und drückte die Zigarre mit starkem Fingerdruck zusammen. Nach knapp zwei Minuten öffnete er die Tür und war überhaupt nicht erstaunt, schlafende Gangster anzutreffen. In der Zigarre hatte sich eine Glasampulle befunden, deren Inhalt er in den fensterlosen Kellerraum hineingepumpt hatte. Der Inhalt dieser Ampulle war selbstverständlich ein harmloses Schlafmittel in gasförmigem Zustand. Parker hielt ja nie etwas von brutaler Gewalt. Blut war ihm geradezu verhaßt. Er bevorzugte die eleganten Methoden, die es ihm gestatten, mit einem Minimum an Aufwand ein Maximum an Effekt zu erzielen. Zusammen mit seinem jungen Herrn verfrachtete er die Gangster in den tatsächlich geräumigen Kofferraum und barg anschließend einige automatische Kameras, die während des letzten Angriffs in Tätigkeit gewesen waren. Nach gut einer halben Stunde waren die beiden äußerlich so verschieden aussehenden Männer bereits unterwegs und fuhren zurück nach Chikago. Von der erstbesten Tankstelle aus rief Mike Rander Lieutenant Madford an. Er vereinbarte mit ihm, daß man sich auf halbem Weg treffen sollte. Madford, der drahtige Polizeidetektiv, der schon oft mit Rander und Parker zusammengearbeitet hatte, staunte nicht schlecht, als der Butler ihm die Beute offerierte. »Du lieber Himmel, wo haben Sie denn diese Figuren aufgegabelt?« wollte er wissen. Er hatte sich mit dem jungen Anwalt und dessen Butler in einem Vorort der Stadt auf dem Hof einer 91 �
Polizeistation getroffen und konnte sich hier in aller Ruhe unterhalten. »Alles fremde Gesichter!« »Parker, stellen Sie unsere Fahrgäste vor«, bat Rander lächelnd. »Dies hier, Sir, ist Mister Mayer, seines Zeichens Topboß aus New York. Die dortigen Behörden werden mehr als erfreut sein, wenn Sie Mister Mayer in einem Gefangenentransportwagen überreicht bekommen. Beweismaterial gegen ihn liegt reichhaltig vor, wenn ich es so ausdrücken darf, Beweismaterial in akustischer und optischer Form. Dies trifft ebenso auf die vier anderen Herren zu. Dies hier sind zwei Berufsmörder. Sie heißen Cassner und Passenger und haben sich auf stille, unauffällige Morde spezialisiert. Ihre Mordwaffen, wahrscheinlich zum erstenmal mit ihrem Fingerabdrücken versehen, liegen ebenfalls bei. Und dies, Sir, sind die Herren Radner und Poison. Es sind die Leibwächter eines gewissen Gangsters Miller, der aus Los Angeles stammt und die beiden Killer engagierte. Auch hier ist das Beweismaterial recht erfreulich ausgefallen!« »Nun mal hübsch der Reihe nach«, sagte Madford und schnappte nach Luft, »ich merke schon, daß Sie wieder einmal auf dem Kriegspfad sind, Parker. Was wird denn eigentlich gespielt? Warum erfahre ich erst jetzt davon?« »Ich glaube, jetzt bin ich an der Reihe«, schaltete Mike Rander sich lächelnd ein. »Aussagen vor der Polizei macht man ratsamerweise am besten, nachdem man sich juristischen Rat eingeholt hat. Der bei mir als Anwalt ja gegeben ist. Also, Madford, passen Sie gut auf! Sie werden Bauklötze staunen!« * »Hören Sie auf«, sagte Miller wegwerfend, »ich denke nicht � daran, noch einmal mitzumachen. Machen wir uns nichts vor, � 92 �
Shultz, wir haben eine Pechsträhne erwischt. Ich warte, bis Parker und Rander unten bei mir in Los Angeles, auftauchen. Dann ist für mich immer noch Zeit, mich mit ihnen zu befassen!« »Sie wollen verschwinden?« fragte Shultz aufgebracht. »Von mir aus können Sie’s auch so nennen, Shultz. Ich habe die Nase voll. Ich erinnere Sie nur an den Absturz! Hätten Sie damit gerechnet, daß dieser verdammte Parker mit Raketen schießt? Das sagt doch wohl genug! Dieser Bursche ist uns hier überlegen!« »Gut, Miller, gehen Sie! Gehen Sie möglichst schnell! Verstecken Sie sich vor Parker und Rander. Sie werden erleben, was Sie davon haben! Ich mache weiter. Ich muß weitermachen, denn sonst bin ich geliefert!« »Sie wollen die Ranch noch einmal angreifen?« »Sofort! Denken Sie vor allen Dingen an Ihre beiden Leibwächter Radner und Poison. Die sitzen in der Klemme. Die werden Sie glatt hochgehen lassen, wenn Sie nichts unternehmen.« Miller zündete sich eine Zigarette an und nickte dann langsam. »Kann schon sein!« sagte er dann, »viel wissen sie zwar nicht. Aber was sie wissen, könnte für mich unangenehm werden. Einverstanden, Shultz, versuchen wir es also noch einmal! Aber das ist der letzte Versuch!« Es dunkelte bereits, als sie diesen letzten Versuch riskierten. Sie saßen in Shultz’ Wagen und fuhren von Lake Bluff aus hinüber zur Ferienranch. Während der Fahrt verabredeten sie ihr Vorgehen. Sie hatten sich bis an die Zähne bewaffnet und einige handliche Sprengkörper mitgenommen. »Und wenn wir wieder in ’ner Falle landen?« fragte Hatters, der sich seit einigen Stunden nicht mehr ganz wohl in seiner Haut fühlte, »sollte man nicht ein paar Dutzend von unseren Jungens mobil machen, Chef? Dann schaffen wir es bestimmt!« »Das dauert zu lange«, entschied Shultz, »zum Teufel, wir alle 93 �
sind doch keine Anfänger! Diesmal rollen wir die beiden Schnüffler aber bestimmt auf!« Sie verließen den Wagen und pirschten sich unter Wahrung jeder Vorsicht an die Ferienranch heran. Sie achteten auf die geringsten Feinheiten und waren fast überrascht, als sie endlich vor dem Ranchhaus standen. »Da stimmt doch was nicht«, flüsterte Miller Shultz zu, »bisher haben die beiden Schnüffler sich überhaupt noch nicht gerührt!« »Los, rein!« Shultz übernahm die Führung. Er wollte die Tür aufbrechen, aufsprengen, doch er brauchte sich überhaupt nicht anzustrengen. Die Tür war nicht verschlossen. Sie schwang leicht auf und lud zum Nähertreten ein. »Shultz, passen Sie auf!« warnte Miller, der etwas zurückgeblieben war, »das ist eine Falle! Merken Sie’s denn nicht? Die wollen uns nur ins Haus locken!« Shultz war nicht mehr zu bremsen. Er hielt den schweren Revolver schlußbereit und betrat den kleinen Vorraum, der hinüber zur großen Wohnhalle führte. Um dann wie unter einem Peitschenhieb zusammenzuzucken, als Parkers Stimme erklang. Sie schwang baritonal und wohltönend an seine Ohren. »Bitte, meine Herren, sehen Sie sich in aller Ruhe um! Der Gast sei der König deiner bescheidenen Wohnung, wie es so treffend und herzlich in einem alten japanischen Sprichwort heißt. Leider können weder Mister Rander noch meine bescheidene Wenigkeit Sie empfangen und begrüßen, da dringende Geschäfte diesem Vorhaben hinderlich im Wege stehen!« *
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Shultz und Miller sahen sich nach der ersten Überraschung mehr als betreten an. »Der nimmt uns schon wieder auf den Arm«, beklagte Miller sich dann mit elegischer Stimme, »hauen wir doch lieber ab, Shultz. Hier ist für uns nichts mehr zu holen.« »Erst sehen wir uns mal gründlich um«, entschied Shultz und nickte seinen beiden Spezialisten Hatters und Furgson zu, »los, Jungens, durchsucht die Zimmer. Und solltet ihr die beiden Schnüffler sehen, sofort schießen!« Die Durchsuchung verlief natürlich ergebnislos. Parker hatte alles mitgenommen, was für die Gangster hätte interessant sein können. »Sehen Sie jetzt endlich ein, daß wir geleimt worden sind?« fragte Miller schließlich, »ich werde das Gefühl nicht los, daß Parker noch weitere Überraschungen für uns bereit hält!« »Wir gehen«, entschied nun Shultz und nickte Hatters und Furgson zu, »wir gehen, aber wir bleiben in der Nähe. Rander und Parker werden ja noch einmal zurückkommen. Das sieht man deutlich an den Sachen, die sie zurückgelassen haben. Und dann haben wir sie in der Tasche.« »Stellen Sie sich das nicht zu einfach vor?« fragte Miller. »Je einfacher, desto besser«, meinte Shultz, »die Ranch hat einen einzigen, regulären Zufahrtsweg. Und den werden wir blockieren. Ich weiß auch schon wie. Wir werden Rander und Parker eine einmalige Himmelfahrt verpassen!« * »Sie wollen zurück auf die Ranch?« fragte Madford. Er hatte dafür gesorgt, daß die Gangster in einem Sammeltransport weggeschafft worden waren. Nun hatte er Zeit, sich in aller Ruhe mit dem jungen Anwalt und mit Josuah Parker zu 95 �
unterhalten. »Shultz und Miller warten dort bestimmt auf uns«, erwiderte Mike Rander, »Parker rechnet wenigstens damit!« »Täuschen Sie sich da nicht?« Madford schüttelte skeptisch den Kopf, »nach den bisherigen Pannen werden die Gangster sich in die Großstadt zurückgezogen haben.« »Die wütende Viper zerschlägt sich den Kopf am sanften Igel«, zitierte der Butler prompt. »Wie war das?« erkundigte sich Madford, der ja noch nicht wußte, daß der Butler neuerdings zu zitieren pflegte. »Parker hat es mit den Spruchweisheiten«, erläuterte Rander schmunzelnd, »woher stammt denn diese Weisheit. Parker. Hört sich nach einem indianischen Spruch an!« »Ich bedaure, Sir. verneinen zu müssen. Dieses Zitat stammt aus dem Kulturkreis der Donauvölker!« »Beachtenswert!« murmelte Madford und sah den Butler schief an, »bei Ihnen kommt man aus den Überraschungen nie heraus. Sie rechnen also damit, daß die gereizten Vipern in oder an der Ranch Sie erwarten?« »In der Tat, Sir«, pflichtete der Butler dem Detektivlieutenant bei. »Wenn ich Mister Shultz, der als Leiter aller Aktionen bisher auftrat, richtig einschätze, wenn ich mir erlaube, mich in seine Psyche zu versetzen, so komme ich zu dem Schluß, daß er voller Ingrimm auf die Rückkehr von Mister Rander und meiner bescheidenen Wenigkeit wartet.« »Es könnte für Sie zu einer Fahrt in den Tod werden, denken Sie daran!« »Gewiß, Sir, Vorsicht ist die Mutter…« »… der Porzellankiste«, sagte Rander, seinen Butler unterbrechend. »… der Tapferen«, zitierte Parker ungerührt weiter, »ein Spruch, der übrigens aus dem Italienischen stammt. Mit anderen 96 �
Worten, wenn ich das interpretieren darf, die Gangster werden natürlich am Zufahrtsweg warten.« »Sehr richtig«, sagte Madford. »Diesen Weg sollte man also tunlichst meiden.« »Aber wie wollen Sie die Ranch erreichen?« »Auf dem Seeweg, wenn ich es so ausdrücken darf!« »Okay, und ich werde mit ein paar von meinen Leuten auf das Stichwort warten«, schloß Madford, »soll mir nur recht sein, wenn wir die Gangster erwischen!« * »Sie kommen!« sagte Hatters hastig. Er hatte seinen Beobachtungsposten verlassen und erstattete Shultz Meldung. »Sie benutzen einen Ford!« »Wieso einen Ford?« Miller war schon wieder beunruhigt, »fährt der Butler denn nicht dieses komische Vehikel?« »Er hat eben den Schlitten gewechselt! Sollen wir uns deswegen den Kopf zerbrechen?« Shultz nahm seine Maschinenpistole, »sobald der Wagen mit der Mine hochgeht, schießen wir aus allen Rohren!« Die Sicht war noch ziemlich gut, obwohl es bereits dämmerig wurde. Nach wenigen Minuten hörte man einen Wagenmotor, der im unteren Drehzahlbereich röhrte und langsam näherkam. »Gleich ist es soweit!« flüsterte Shultz unwillkürlich und stieß Miller an, »gleich wird der Karren hochfliegen!« Er hatte noch nicht ganz ausgesprochen, als es passierte. Begleitet von einem Feuerblitz und einem peitschenden Krachen erhob der Ford sich vom Zufahrtsweg und stieg fast senkrecht in die Luft. Nach etwa einem halben Meter zerlegte er sich in seine gröberen Bestandteile und fiel in Einzelteilen zurück auf 97 �
den Boden, um in der riesigen Staub- und Dreckwolke zu verschwinden. »Jetzt!« rief Shultz und schoß, was das Zeug hielt. Das Ziel war unschwer zu verfehlen. Miller, Hatters und Furgson beteiligten sich an diesem Schützenfest und leerten Magazin auf Magazin. Die ganze, bisher aufgestaute Wut entlud sich. »Stop! Aufhören!« Shultz ließ das Feuer einstellen und pirschte sich dann vorsichtig an das zerfetzte und durchlöcherte Wrack heran. »Jetzt bin ich aber gespannt«, sagte Miller, »nun glaube ich auch, daß wir es endlich geschafft haben!« Sein Glaube fiel in sich zusammen, als sie das Wrack nach Rander und Parker durchsuchten. Ob sie wollten oder nicht, sie mußten sich eingestehen, daß sie wieder einmal mit Zitronen gehandelt hatten! * »Auf Ihre Nase können Sie sich was einbilden«, sagte Rander zu seinem Butler, »mit einer Mine hätte ich wirklich nicht gerechnet.« »Ich bin, das muß ich ehrlich einräumen, fast enttäuscht, Sir, daß Mister Shultz nur einen dieser Sprengkörper verwendet hat.« »Jetzt müßte er schon wissen, daß er uns nicht entdeckt hat. Ob er je dahinterkommen wird, daß Sie den Wagen per Funkleitstrahl gesteuert haben?« »Er braucht es nicht unbedingt zu wissen, Sir! Der Weise schweigt, der Narr schreit!« »Na, woher?« »Arabisch«, erklärte Parker knapp. »Wenn Sie erlauben, werde 98 �
ich jetzt die Lichter im Haus einschalten!« Rander erlaubte, und Parker schaltete alle Lichter ein. Dann verließ er zusammen mit seinem jungen Herrn die Wohndiele und verschwand mit ihm im vorbereiteten Versteck. Lange brauchten sie nicht zu warten. Schritte waren zu hören, dann Stimmen. Die Schritte näherten sich, und bald waren die vier Gangster zu erkennen, die das Ranchhaus erreicht hatten. Shultz, Miller, Hatters und Furgson wirkten unentschlossen. »Hoffentlich sind Sie nicht zu sehr enttäuscht«, war Parkers Stimme dann zu hören, »aber machen Sie es sich im Wohnraum bequem! Getränke sind ausreichend vorhanden.« »Die Stimme kommt aus einem Lautsprecher«, flüsterte Miller überflüssigerweise. »Und das Ding hängt genau hinter der Tür über der Garderobe«, stellte Hatters fest, der sich etwas vorgewagt und die Tür mit dem Lauf seiner Maschinenpistole aufgedrückt hatte. »Sie sind im Haus«, flüsterte Shultz, und ein wilder Ausdruck beherrschte seine Augen. »Ich kann das Kabel sehen«, rief Furgson leise, »sehen Sie mal, Chef, es führt ’raus in den Hof!« Shultz war wie elektrisiert. »Wir gehen dem Kabel nach«, sagt er leise zu seinen beiden Spezialisten. Sie machten sich sofort ans Werk. Das Kabel war schlecht verlegt, doch das fiel weder Shultz noch Hatters oder Furgson auf. Sie starrten wie gebannt auf die schwarze Kabelschnur, die hinüber zu einem Wirtschaftsanbau der Ranch führte. Hier verschwand es in einem Lichtschacht, der offensichtlich einen Keller mit Licht versorgte. »Dort unten!« Shultz deutete mit dem Zeigefinger nach unten, »los, Jungens, die Handgranaten!« 99 �
Sie rissen die Zünder an, warteten noch einen knappen Moment und ließen dann schnell hintereinander zwei, vier, sechs, sieben Handgranaten durch den Lichtschacht in den Keller rollen. Die Detonation war schrecklich. Das Wirtschaftgebäude schien sich aus der Erde heben zu wollen Dunkle, beißend riechende Rauchwolken drangen aus dem Lichtschacht und verursachten bei den Gangstern intensiven Hustenreiz. »Na, was sagen Sie jetzt?« fragte Shultz, sich an Miller wendend. Doch Miller antwortete nicht. Er konnte nicht antworten, weil er nicht mehr anwesend war. * »Dieser Feigling«, murrte Shultz und schüttelte den Kopf, »hat sich doch noch abgesetzt. Los, Hatters, sehen Sie nach, was im Keller passiert ist!« »Soll mir ein Vergnügen sein«, meinte Hatters grinsend. Er zog dennoch sicherheitshalber seine Waffe und verschwand im Eingang des Wirtschaftsgebäudes. »Soll ich mal nach Ihrem Geschäftsfreund Miller sehen?« fragte Furgson. »Gute Idee«, erwiderte Shultz, »sagen Sie ihm, er kann sich wieder blicken lassen. Rander und Parker sind erledigt. Sie werden Miller drüben im Hauptgebäude finden!« Furgson machte sich auf den Weg. Er zündete sich eine Zigarette an und überquerte den weiten Hof. Er erreichte das Hauptgebäude, betrat den Korridor und rief laut nach Mister Miller. »Hier!« kam die Antwort, »kommen Sie mal, sehen Sie. was ich entdeckt habe!« 100 �
Furgson ließ sich nicht lange bitten. Er ging durch die Wohnhalle und trat Miller gegenüber, der ihm zuwinkte. »Hier!« sagte Miller und deutete auf den Boden. »Was ist denn?« Furgson kam näher und riß dann entsetzt die Augen auf. Er stand nämlich nicht Miller, sondern dem Butler gegenüber. Bevor er seinen Irrtum verwerten konnte, wurden ihm bereits die Beine weich. Ein relativ harter Gegenstand landete auf seinem Kopf. Furgson verdrehte die Augen und spiralte zu Boden. Entspannt und fast glücklich schloß er die Augen, um einen kleinen Tiefschlaf anzutreten. * »Was ist denn los?« rief Shultz durch den Lichtschacht nach unten, »Hatters, wo bleiben Sie denn?« Die erwartete Antwort blieb aus. Shultz wußte plötzlich mit letzter Deutlichkeit, daß die Gegner ihm erneut einen Streich gespielt hatten. Er schaute sich nach Hatters um, doch auch der blieb verschwunden. Shultz fühlte sich allein auf dieser Welt umgeben von drohenden Gefahren. Fast auf Zehenspitzen zog er sich vom Wirtschaftsgebäude zurück und lief dann ohne Übergang los. Sein Ziel war der Wagen, den sie vor etwa einer Stunde draußen im Unterholz versteckt hatten Shultz wollte nun genau das tun, wovon er Miller abgeraten hatte: zurück nach Chikago fahren. Keuchend erreichte er den Wagen, riß den Wagenschlag auf und warf sich ans Steuer. Er setzte den Motor in Gang und schaltete den ersten Gang ein. Mit viel Gas wollte er losfahren. 101 �
Doch der Wagen rührte sich nicht. Er blieb fast stur stehen. Shultz konnte sich das nicht erklären. Vor einer Stunde war der Wagen doch noch völlig in Ordnung gewesen. Er stieg hastig aus, um nach den Hinterrädern zu sehen. Blut schoß ihm ins Gesicht, als er die Überraschung entdeckte. Die Hinterachse war geschickt angehoben worden Sie lag auf flachen Bruchsteinen. Die Räder drehten durch, bewegten sich nur in der Luft. Kein Wunder, daß er den Wagen nicht hatte voranbekommen können. »Überanstrengen Sie sich nicht«, warnte ihn eine bekannte Stimme, die sein Gesicht blutleer machte. »Sie werden Ihre Kräfte noch für die Gerichtsverhandlung brauchen.« »Parker!« Shultz wandte sich blitzschnell um und riß seine Schußwaffe hoch. Doch sie konnte gegen einen gewissen Universal-Regenschirm überhaupt nichts ausrichten. »Sie müssen draußen auf der Ferienranch ja eine tolle Show abgezogen haben«, sagte Lieutenant Madford zwei Tage später, als er Rander in der Dachgartenwohnung besuchte Madford blinzelte dem Butler zu. der steif und korrekt wie üblich die Drinks servierte. »Parker war in seinem Element.«, antwortete Mike Rander auflachend, »wie er den Rest der Gangster im Endspurt ausschaltete, war sehenswert. Er verlegte ein an sich völlig nutzloses Kabel und zuckte mit keiner Wimper, als die Gangster auf diesen Trick hereinfielen Sie glaubten, Parker und ich hätten uns in einem Keller versteckt Sie vergeudeten ein halbes Dutzend Eierhandgranaten und wußten nicht, daß wir uns an ganz anderer Stelle aufhielten.« »Bei dieser letzten Runde schnappten sie Miller, Hatters, Furgson und schließlich Shultz!« 102 �
»Nacheinander. Es war wirklich nicht schwer, Madford. Haben die Gangster inzwischen gestanden?« »Auf der ganzen Linie«, gab Madford nickend zurück, »als sie die vielen kleinen Filmchen sahen, die Parker angefertigt hatte, fielen sie reihenweise um! Miller. Mayer und Shultz mit Schußwaffen in Händen. Miller, Mayer und Shultz während eines Angriffs, während eines Einbruchs, während der Durchsuchung des Ranchhauses. Eindeutigere Beweise gibt es nicht!« »Somit dürften Miller, Mayer und Shultz für die kommenden Jahre in Staatspension gehen, oder?« »Worauf Sie sich verlassen können. Von den Handlangern dieser drei Bosse einmal ganz zu schweigen. Die sind noch jetzt völlig fertig. Sie können sich einfach nicht erklären, wieso sie ausgeschaltet werden konnten.« »Aber ich kann es mir erklären. Man muß eben einen Butler Parker haben!« »Dann erklären Sie mir mal, wieso die Gangster mit dem Buick gegen die Mauer der Ranch knallen konnten. Die Burschen redeten dauernd von einem Drahtseil!« »Stimmt! Dieses Drahtseil wurde von einer Winde aufgerollt, die Parker bediente. Er ließ den Buick samt Inhalt gegen die Mauer brummen. Wir brauchten die Gangster dann nur noch aufzusammeln!« Madford schüttelte lächelnd den Kopf. »Wann«, fragte er dann, sich an Parker wendend, »lassen Sie sich das alles einfallen? Sie legen eine ganze Streitmacht der Gangster aufs Kreuz, ohne daß ein Tropfen Blut fließt!« »List ist die Stärke der Schwachen«, zitierte der Butler sofort, »so sagt wenigstens ein Sprichwort aus der Insulinde.« »Bewunderung ist die Pflicht der Beschenkten«, antwortete Madford sofort und aus dem Stegreif. »Das ist von mir, bevor Sie sich danach erkundigen, Parker!« 103 �
»Und Dankbarkeit der Lohn der Beschämten«, zitierte nun auch Mike Rander, der sich präpariert hatte, »eine Spruchweisheit aus Chikago, genauer gesagt, ein Zitat von mir! Madford und ich haben uns deswegen die Köpfe zerbrochen, Parker. Hoffentlich finden die beiden Zitate Ihren Beifall!« »Geschenke sind wie Blumen, die man frohen Herzens genießt«, gab der Butler gemessen und würdevoll zurück, »keine Spruch Weisheit, sondern ein Werbespruch vom Fernsehen, wie ich bemerken möchte!« ENDE
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