Joachim Trebbe Ethnische Minderheiten, Massenmedien und Integration
Joachim Trebbe
Ethnische Minderheiten, Massenmed...
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Joachim Trebbe Ethnische Minderheiten, Massenmedien und Integration
Joachim Trebbe
Ethnische Minderheiten, Massenmedien und Integration Eine Untersuchung zu massenmedialer Repräsentation und Medienwirkungen
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Habilitationsschrift Freie Universität Berlin 2008
1. Auflage 2009 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 Lektorat: Katrin Emmerich / Margret Plath VS Verlag für Sozialwissenschaften ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Satz: Bertil Schwotzer Druck und buchbinderische Verarbeitung: Krips b.v., Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-16684-1
Inhalt 1
EINFÜHRUNG UND PROBLEMSTELLUNG
9
1.1 Forschungs- und Fachperspektiven
10
1.2 Untersuchungsleitende Fragestellung und Konzeption
13
1.3 Aufbau der Untersuchung
16
2
17
THEORETISCHE GRUNDLAGEN
2.1 Forschungsperspektiven 2.1.1 Sozial- und kulturwissenschaftliche Perspektiven 2.1.2 Kommunikationswissenschaftliche Perspektiven 2.1.3 Schlüsselbegriffe und Terminologie
2.2 Die Integrationsfunktion der Massenmedien 2.2.1 Soziale Integration durch Massenmedien 2.2.2 Typologie und Dimensionierung
2.3 Assimilation, Integration und Akkulturation 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 2.3.6
Überblick Akkulturationsformen Sprache und Integration Soziale Interaktion, Ethnizität und ethnische Gemeinschaften Soziale Orientierung und politische Partizipation Massenkommunikation und Mediennutzung
18 18 20 21
26 27 31
33 33 36 38 39 41 41
2.4 Zwischenfazit
42
2.5 Die Repräsentation ethnischer Minderheiten in den Medien
43
2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4 2.5.5 2.5.6
Thematisierung, Marginalisierung, Problematisierung Stereotypen Framing Negativismus als Nachrichtenfaktor Rassismus und Fremdenfeindlichkeit Fazit: Unsystematische Begrifflichkeiten
2.6 Mediennutzung und Medienwirkungen im Migrationskontext 2.6.1 2.6.2 2.6.3 2.6.4
Publikums- und Reichweitenforschung im Migrationskontext Nutzungsgewohnheiten und -motive ethnischer Minderheiten Medienwirkungen im Migrationskontext Fazit: Mediennutzung als Ursache oder Folge sozialer Integration?
45 47 50 53 55 56
57 57 61 66 72
6
3
Inhalt
STAND DER EMPIRISCHEN FORSCHUNG
3.1 Repräsentation 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.1.5 3.1.6
Thematisierung: Überrepräsentation vs. Marginalisierung Stereotypen Framing Exkurs: Diskriminierung und Rassismus in Medieninhalten Gesellschaftliche Folgen und Wirkungen für Minderheit und Mehrheit Fazit: Konstanten der Berichterstattung über ethnische Minderheiten
3.2 Mediennutzung 3.2.1 Medienauswahl, Medienkombination und Mediennutzung 3.2.2 Nutzungsmotive und Nutzungsfunktionen
3.3 Medienwirkungen 3.3.1 Frühe Wirkungspostulate 3.3.2 Neuere Wirkungsstudien
77 77 79 82 84 88 91 93
94 94 99
109 109 110
3.4 Fazit: Forschungsbedarf
116
3.4.1 Forschungsdefizite 3.4.2 Anknüpfungspunkte
117 118
4
KONZEPTION DER EMPIRISCHEN UNTERSUCHUNG
123
4.1 Exkurs: Die türkische Minderheit in Deutschland und in der Schweiz
123
4.2 Repräsentation ethnischer Minderheiten im Fernsehen
126
4.3 Medienwirkungen im Integrationsprozess
129
4.4 Zur Darstellung der Untersuchungsergebnisse
131
5
133
REPRÄSENTATION, MEDIENNUTZUNG UND IDENTITÄT
5.1 Forschungskontext und Methode 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4
Projektkontext Organisation und Durchführung der Gruppendiskussionen Befragungs- und Moderationsinstrumente Analysestrategie
133 133 135 137 138
5.2 Gruppen und Gruppenteilnehmer
140
5.3 Ethnische Identität und Integrationsstatus
143
5.4 Medienumgang und Mediennutzung
149
7
Inhalt
5.5 Repräsentationssyndrome 5.5.1 5.5.2 5.5.3 5.5.4 5.5.5 5.5.6
Thematisierung, Marginalisierung und Problematisierung Framing und wiederkehrende Themenkontexte Stereotypen, generalisierte Charaktereigenschaften und soziale Rollen Negativismus: Schaden, Normabweichung, Konflikt Rassismus und Fremdenfeindlichkeit Zusammenfassung
5.6 Fazit
6
6.1 Forschungskontext und Methode 6.1.1 Integrationsindikatoren 6.1.2 Mediennutzungsindikatoren 6.1.3 Analysemodell und Analyseschritte
6.2 Die Stichprobe 6.2.1 Soziodemografie 6.2.2 Aufenthaltsdauer und Religionszugehörigkeit
6.3 Integration 6.3.1 Aktive Variablen der Segmentation 6.3.2 Datenverdichtung und Typenbildung
6.4 Mediennutzung 6.4.1 Mediengattungen 6.4.2 Nutzungskombinationen
6.5 Zusammenhänge Alltagssprache Soziale Interaktion Politisches Interesse Informationsquellen Fazit
6.6 Medienwirkungen 6.6.1 6.6.2 6.6.3 6.6.4 6.6.5
6.7 Fazit
155 158 161 163 166 168
170
MEDIENNUTZUNG, AKKULTURATION UND SOZIALE INTEGRATION
6.5.1 6.5.2 6.5.3 6.5.4 6.5.5
154
Problemstellung und Basishypothesen Analysestrategie und Operationalisierung Soziodemografie und ethnische Identität Mediennutzungseffekte Schlussfolgerungen
175 175 177 179 180
180 180 183
185 186 193
207 208 210
215 218 220 221 222 225
226 226 227 228 230 233
233
8
7
Inhalt
ZUSAMMENFASSUNG UND DISKUSSION
237
7.1 Problemstellung
237
7.2 Theoretischer Hintergrund und Forschungsstand
238
7.3 Untersuchungsleitende Fragestellungen
240
7.4 Operationalisierungen
241
7.5 Zentrale Ergebnisse
242
7.6 Diskussion und Ausblick
245
8
249
LITERATUR
1
Einführung und Problemstellung
Die Rolle der Medien im Integrationsprozess von Migranten ist in den letzten zwanzig Jahren stärker in den Fokus der öffentlichen und wissenschaftlichen Debatten gerückt. Zahlreiche Tagungen, Kongresse und Publikationen zeugen davon, dass das Thema auf der Tagesordnung der deutschen und der europäischen Politik angekommen ist und in der Folge auch in den verschiedensten sozialwissenschaftlichen Disziplinen verstärkt behandelt wird. In Deutschland ist die politische Debatte um die Integration von Ausländern spätestens Anfang der 1990er Jahre durch rechtsradikale Gewalt gegen Ausländer und Asylsuchende und eine verschärfte Gesetzgebung für die Anerkennung von Asylbewerbern und die Aufnahme von ausländischen Arbeitsmigranten angefacht worden. Kopftuchstreit, Ehrenmorde und Rütli-Schule sind nur einige aktuellere Stichworte, die auf zunehmende gesellschaftliche Spannungen im Kontext von Migration und Integration hindeuten. Es existieren sehr vielschichtige, aber in großen Teilen unverbundene Forschungstraditionen in den klassischen sozialwissenschaftlichen und angrenzenden Fächern zum Thema Migration, Medien und Integration. Die Befunde und häufig auch Mutmaßungen, insbesondere was die Rolle der Massenmedien im Integrationsprozess ethnischer Minderheiten angeht, sind uneinheitlich bis widersprüchlich. Sie reichen von der Bedeutungslosigkeit bis zur Omnipotenz – eine Entwicklung, die stark an die Geschichte der kommunikationswissenschaftlichen Medienwirkungsforschung im letzten Jahrhundert erinnert. Mit einem kurzen Blick auf diese unterschiedlichen Fachperspektiven und -traditionen wird eine theoretische und empirische Untersuchung eingeleitet, die zumindest einige dieser Forschungsstränge verbinden will. Mit zwei empirischen Studien – strukturierten Gruppendiskussionen und einer standardisierten Telefonumfrage – soll versucht werden, die Zusammenhänge zwischen Mediennutzung und Integration am Beispiel der türkischen Minderheit in Deutschland und der Schweiz differenzierter zu beschreiben und dem Wirkungspotenzial sprachgebundener Massenmedien genauer auf den Grund zu gehen.
10
Einführung und Problemstellung
1.1 Forschungs- und Fachperspektiven Eine einheitliche europäische Perspektive auf das Thema Migration und Medien existiert nicht, weder auf der Ebene der politischen Debatten, noch auf der Ebene der Migrations- und Integrationsforschung. Es gibt beispielsweise ganz unterschiedliche Traditionen in Ländern mit kolonialer Geschichte und Immigration – etwa Großbritannien, die Niederlande und Frankreich – und Ländern mit sogenannter „Gastarbeitertradition“ wie Deutschland, die Schweiz oder die skandinavischen Länder. Hinzu kommen die neuen innereuropäischen Migrationsströme von Süd nach Nord seit den Gründungstagen des Europäischen Wirtschaftsraumes und von Ost nach West seit dem Fall der Mauer und der Erweiterung der Europäischen Union. Dies hat – abgesehen von einigen neueren Forschungsansätzen – zu sehr unterschiedlichen Perspektiven in der Migrationsforschung geführt. In Frankreich zum Beispiel galt es lange als verpönt, die Integrationsprozesse ethnischer Minderheiten wissenschaftlich und politisch zu thematisieren, während in Großbritannien schon seit den 1980er Jahren eine neuere Forschungstradition existiert (Amiraux/Simon 2006). Vollkommen anders und vielschichtiger wird das Thema in Nordamerika, insbesondere in Kanada und den USA behandelt. Die Vereinigten Staaten sind von Anfang an das Ziel von Migrationsströmen gewesen, zunächst aus den europäischen Ländern, später zwangsweise aus afrikanischen Staaten und in letzter Zeit besonders aus Asien und Südamerika. Dies drückt sich auch in einer längeren und stärker ausdifferenzierten Forschungstradition zur Integration ethnischer Minderheiten aus (Bean et al. 1997). Die geografischen oder besser geopolitischen Unterschiede zwischen den verschiedenen Einwanderungsregionen korrespondieren mit ganz unterschiedlichen sozialwissenschaftlichen Fachperspektiven, aus denen heraus man sich mit Migration und Integration ethnischer Minderheiten beschäftigt. In der Soziologie sind in der Anfangszeit der Migrationsforschung die klassischen Sequenz-, Phasen- und Assimilationstheorien (Park 1928; Eisenstadt 1954; Gordon 1964) der Chicagoer Schule vorherrschend. Neuere handlungstheoretische Überlegungen zur individuellen Eingliederung stehen in einer deutsch-amerikanischen Tradition der Soziologie mit starken sozialpsychologischen Einflüssen (H. Esser 1980; Treibel 2003; Überblick: Han 2000). In der Sozialpsychologie selbst bestimmen kognitionspsychologische Modelle zur Akkulturation der Migranten zwischen Herkunfts- und Ankunftskontext das Bild (Berry 1992 und 1997; Überblick: Sackmann 2004). Zwischen diesen klassischen sozialwissenschaftlichen Disziplinen finden sich zahlreiche Ansätze und Forschungsergebnisse aus angrenzenden Fachgebieten wie etwa der Sozialanthropologie, den Kulturwissenschaften und den Cultural Studies. Im Mittelpunkt dieser Ansätze stehen Begriffe wie die ethnische und kulturelle Identität, die Struktur ethnischer Gruppen, ihre interne Interaktion und die Interaktion mit der Mehrheitsgesellschaft. Diasporas und transnationale Gemeinschaften und ihre Migrations-
Forschungs- und Fachperspektiven
11
und Minderheitenerfahrungen sind Schlüsselbegriffe in diesen Fächern (Hall 1993; Anderson 1983; Cohen 1997; Tsagarousianou 2004). Daneben existiert eine starke und vielfältige Tradition der Migrationsforschung aus dem Blickwinkel der ökonomischen Folgen und Ursachen von Migration, der politikwissenschaftlichen Forschung zur entwicklungspolitischen Steuerung von Migrationsströmen sowie der (human-)geografischen und bevölkerungswissenschaftlichen Beschreibung und Analyse weltweiter Wanderungsbewegungen. Auch in diesem Kontext finden sich – wenn auch in sehr geringem Ausmaß – Forschungs- und Diskussionsbeiträge zur sozialwissenschaftlichen Integrationsdebatte (Massey et al. 1993; Penninx 2005). Der Blick auf die Fachperspektiven zeigt, wie vereinzelt und verteilt die Theorieentwicklung und die Forschungsaktivitäten im Bereich der Migrations- und Integrationsforschung sind. Selbstverständlich hat diese Vielfalt auch eine große Bandbreite von wissenschaftstheoretischen bzw. methodologischen Zugängen zur Folge. Dies trifft insbesondere auf die vermeintlich eng beieinanderliegenden sozialwissenschaftlichen Fächer zu. Die Unterschiede werden überdies besonders relevant, wenn es um die Rolle der Massenmedien im Integrationsprozess geht. Denn alle hier genannten Forschungstraditionen beschäftigen sich mehr oder weniger (auch) mit dem kommunikationswissenschaftlichen Kerngeschäft: Die Medien als Vermittler, Beförderer, Behinderer, Spiegel und verkleinertes Abbild gesellschaftlicher Integrationsprozesse sind in aller Munde (Butterwegge/Hentges 2006). In der sozialwissenschaftlich orientierten Medien- und Kommunikationswissenschaft im deutschsprachigen Raum ist man erst seit kurzer Zeit mit den Ursachen, Folgen, Funktionen und Leistungen öffentlicher Kommunikation für ethnische Minderheiten und Migranten beschäftigt. Zwar ist die Integrationsfunktion der Massenmedien schon seit Längerem auf der Tagesordnung der Publizistikwissenschaft (Ronneberger 1964; Überblick: Vlasic 2004), die konkrete Anwendung auf Migrations- und Integrationsfragen ließ aber vergleichsweise lange auf sich warten. Erste quantitative Erhebungen zur Mediennutzung von Migranten in Deutschland werden erst gegen Ende der 1980er Jahre durchgeführt (Eckhardt 1987), eine fest verankerte Nutzungs- oder Reichweitenforschung ethnischer Minderheiten und ihrer Medien in Deutschland gibt es dagegen bis heute nicht. Hinzu kommt noch, dass gerade diese Forschungsansätze bis zum heutigen Tage ohne nennenswerten, eigenständigen Theoriehintergrund geblieben sind, auch wenn das Thema inzwischen in einer ganzen Reihe von Sammelbänden aus den unterschiedlichsten Perspektiven bearbeitet wurde (Bonfadelli/Moser 2007; Geißler/Pöttker 2005, 2006; Imhof et al. 2002; Meier-Braun/Kilgus 2002; Schatz et al. 2000). Im Wesentlichen kann man in der deutschsprachigen kommunikationswissenschaftlichen Behandlung des Themas vier Hauptlinien ausmachen: (1) Die angewandte Reichweiten- und Nutzungsforschung zur Beschreibung der Mediennutzungsgewohnheiten von Migranten steht vor allem in der Tradition
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Einführung und Problemstellung
der öffentlich-rechtlichen Anbieter von Sendungen für Ausländer, die an den Nutzern ihrer Programme interessiert waren (Überblick: Trebbe 2007b). (2) Demgegenüber ist die akademische Forschung zum Zusammenhang von Mediennutzung und Integration ethnischer Minderheiten nur als unterentwickelt zu bezeichnen, und wenn theoretisch fundiert, dann meistens verbunden mit der impliziten Wirkungsannahme einer positiven Integrationsleistung der Mehrheitsmedien und einer Integrationsverhinderung durch Migrantenmedien, Stichwort: Mediengetto (Meier-Braun 2002; Christiansen 2004; kritisch dazu: Weiß/Trebbe 2001). (3) Eine Vielzahl von Studien beschäftigt sich in diesem Zusammenhang mit der Darstellung/Repräsentation von Migranten in Presse und Rundfunk (Ruhrmann et al. 2006). Stereotypen, Framing und Agenda Setting sind in diesem Kontext die vorherrschenden theoretischen Bezugsrahmen. (4) Insbesondere nach den Gewaltübergriffen gegen Ausländer Anfang der 1990er Jahre in ganz Deutschland etablierte sich eine eigenständige Forschungstradition in Deutschland zur Darstellung des Zusammenhangs von Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und der Berichterstattung der Massenmedien (Weiß et al. 1995; F. Esser et al. 2002; Ter Wal 2002). Auf internationaler Ebene sind die Fachgrenzen zwischen Mass Communication Research, Media und Cultural Studies weniger stark profiliert. Es fällt auf, dass die Problemstellungen nicht auf die Integration und Behandlung von Migranten beschränkt sind. Fast immer geht es um ethnische Minderheiten („ethnic minorities“), zu denen auch, aber nicht nur Migranten gezählt werden (Spencer 2004; Browne 2005). Schon im Rahmen der Chicagoer Schule der Migrationssoziologie wurden in diesem Zusammenhang besonders diejenigen Medien in den Blick genommen, die von und für ethnische Minderheiten produziert wurden (Park 1922). Bis in die 1980er Jahre herrscht die sozialwissenschaftlich orientierte Kommunikationsforschung zur Mediennutzung und Medienwirkung von Minderheiten- und Mehrheitsmediennutzung vor (Übersicht: Subervi-Velez 1986). Viele dieser Studien arbeiten mit der Basisannahme, dass der Zugang und die Nutzung der Massenmedien der Mehrheitsgesellschaft ethnische Gruppen und Migranten im Hinblick auf das Lernen und die Teilnahme an der Mehrheitsgesellschaft beeinflussen. Einen aktuelleren Überblick über die Befunde zum Zusammenhang von ethnischer Identität, Assimilation und der Nutzung von Minderheiten- und Mehrheitenmedien gibt Jeffres (2000). Mit dem Aufkommen der Cultural Studies in den modernen Kulturwissenschaften und der stärkeren Profilierung der Sozialanthropologie in den Sozialwissenschaften Anfang der 1990er Jahre hat sich auch die internationale Perspektive auf den Zusammenhang von ethnischen Minderheiten und Medien verändert. Inzwischen ist eine Vielzahl von britischen und amerikanischen Studien im Kontext der Media und Cultural Studies erschienen, die zum Teil bereits bestehende kom-
Untersuchungsleitende Fragestellung und Konzeption
13
munikationswissenschaftliche Erkenntnisse und Theorieansätze explizit berücksichtigen (Spitulnik 1993), zum Teil nicht zur Kenntnis nehmen (Cunningham/Sinclair 2000a) oder gar als zentrale Frage der Cultural Studies für sich reklamieren (Aksoy/Robins 2003). In diesem Zusammenhang sind sowohl Einzelstudien im Bereich Publikumsforschung (Ogan 2001; Gillespie 1995) als auch einige Sammelbände zur Bedeutung der Medien für ethnische Minderheiten (King/Wood 2001; Cottle 2000a) sowie zahlreiche Beiträge in einschlägigen Zeitschriften erschienen (u.a. Sonderhefte v. „Journalism“ 2006, „Journal of Ethnic and Migration Studies“ 2005, „Public Opinion Quarterly“ 1997; „Communications“ 2007). In der Literatur lassen sich noch eine ganze Reihe weiterer Indikatorengruppen, Verhaltensdimensionen und Erklärungsmuster für den Verlauf des Integrationsprozesses finden. Sprache, Religion, sozioökonomischer Status sind nur einige der immer wiederkehrenden Variablen, die im Zusammenhang mit der Integration ethnischer Minderheiten genannt werden. Im Vergleich dazu wird die Rolle der Massenmedien häufig infrage gestellt oder zumindest marginalisiert (H. Esser 2000: 36). Die grundsätzliche Frage danach, wie ein kommunikationswissenschaftlicher Beitrag zur Erklärung solcher Integrationsprozesse aussehen könnte, kann man mit den vorhandenen Forschungsergebnissen also nicht annähernd beantworten. Die wichtigste offene Frage ist in diesem Zusammenhang jene nach der Wirkung der Massenmedien, auch wenn sie häufig und meist implizit als einfaches Transfermodell mitgedacht wird (Butterwegge/Hentges 2006). In der Regel folgen dabei die wissenschaftlichen Modellvorstellungen den normativen gesellschaftlichen Erwartungshaltungen. Integration, Eingliederung, Assimilation von ethnischen Minderheiten ist aus diesem Blickwinkel das Ziel, das es mithilfe der genannten gesellschaftlichen Prozesse zu erreichen gilt. Die Rolle der Medien wird dabei, wenn überhaupt, pauschal als funktionale Größe im Integrationsprozess aufgefasst. Mediennutzungsstile als vom individuellen Integrationsstatus abhängige Handlungsmuster im Sinne von Nutzen und Gratifikationen finden sich nur vereinzelt. Letztlich bleibt nicht nur die empirische Frage nach den massenmedialen Wirkungspotenzialen unbeantwortet (Trebbe/Weiß 2007; Trebbe 2007a; Bonfadelli 2007a). Es fehlt überdies ein übergreifendes, integriertes Gesamtmodell für die Beschreibung und Erforschung dieses Komplexes. Auch bei der interdisziplinären Literaturdurchsicht von einem kommunikationswissenschaftlichen Standpunkt aus wird – neben der starken Zergliederung des Forschungsfeldes – vor allem deutlich, dass diese Fragen bisher weitgehend unbeantwortet bleiben.
1.2 Untersuchungsleitende Fragestellung und Konzeption Im Zentrum dieser Untersuchung steht die theoretische und empirische Klärung der Rolle der Mediennutzung im Integrationsprozess ethnischer Minderheiten.
14
Einführung und Problemstellung
Dabei geht es in einem ersten Schritt um die grundsätzliche Relevanz der Massenmedien in diesem Prozess. Sind sie ein Faktor bei der sozialen Interaktion zwischen Minderheit und Mehrheit? Wie ist ihr Stellenwert in Relation zu anderen Faktoren einzuschätzen? Dazu wird sicher zunächst zu klären sein, wie man – begrifflich, theoretisch und empirisch – den Integrationsstatus von ethnischen Minderheiten beschreiben und modellieren kann. In einem zweiten Schritt sollen dann die Effekte genauer in den Blick genommen werden. Spricht – primär aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht, aber vor dem Hintergrund aller hier genannten Forschungstraditionen – mehr für ein kommunikationswissenschaftliches Effektmodell oder sind im Vergleich dazu andere Dimensionen stärker ausschlaggebend für die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund? In diesem Zusammenhang soll auch die mediale Repräsentation ethnischer Minderheiten in den Medien berücksichtigt werden: Wie wird sie subjektiv von den „Betroffenen“ wahrgenommen und welche Rolle spielt sie im Gesamtgefüge zwischen Mediennutzung, Medienwirkung und Integration? Bisherige empirische Arbeiten – auch des Verfassers – sprechen dafür, dass es sich durchaus um ein komplexes, mehrfach gestuftes Modell der unterschiedlichsten Effekte und Wechselwirkungen zwischen ethnischer Identität, gesellschaftlicher Interaktion, Sprache und Mediennutzung handelt (Trebbe 2007a/b). Diese Frage gilt es im Rückgriff auf vorhandene Theorie- und Forschungsansätze genauer zu spezifizieren und empirisch zu prüfen. Im theoretischen Teil soll vor dem Hintergrund der dargestellten Forschungsund Theoriesituation die interdisziplinäre Literatur zum Thema Medien und ethnische Minderheiten durchgesehen und systematisiert werden. Dabei wird der Schwerpunkt einerseits auf Beiträgen zur Nutzung und Wirkung von Massenmedien im Integrationsprozess von Migranten liegen und andererseits einige zentrale Befunde herausarbeiten, die für die Thematisierungsleistungen von Massenmedien in diesem Feld existieren. Die Perspektive dieser Synopse soll kommunikationswissenschaftlich sein, aber nicht zu einer Beschränkung auf sozialwissenschaftliche Theorieansätze und Studien führen. Kulturwissenschaftliche Ansätze, Cultural und Media Studies sollen ebenso berücksichtigt werden. Ein besonderes Augenmerk wird in diesem ersten, allgemeinen Teil den Forschungsbeiträgen zur Integration türkischstämmiger Migranten in Deutschland und Europa gewidmet. Sie sind die größte ethnische Minderheit in Deutschland und stehen im Fokus zweier Studien im empirischen Teil. In diesem empirischen Teil sollen kommunikationswissenschaftliche Modelle zum Stellenwert der Mediennutzung im Integrationsprozess entwickelt und am Beispiel türkischstämmiger Migranten überprüft werden. Zu diesem Zweck werden Daten zur Mediennutzung und Integration aus zwei aktuellen Erhebungen herangezogen:
Untersuchungsleitende Fragestellung und Konzeption
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(1) Im Frühjahr des Jahres 2007 wurden unter der Leitung des Verfassers in Zürich/Schweiz mehrere Gruppendiskussionen zur Repräsentanz, Identität und Mediennutzung von Migranten durchgeführt, darunter auch eine mit im Hinblick auf ihre Herkunft homogene Gruppe türkischstämmiger Frauen und Männer der zweiten Generation (Trebbe/Schönhagen 2008). (2) Im Jahre 2006 wurde eine Telefonbefragung (CATI) zur Mediennutzung und Integration unter jungen türkischstämmigen Erwachsenen in NordrheinWestfalen durchgeführt. An der Konzeption und Durchführung dieser Umfrage war der Verfasser beteiligt (Trebbe/Weiß 2006). Die zwei Studien werden im empirischen Teil nacheinander und aufeinander aufbauend analysiert. Im ersten Teil der empirischen Kapitel wird es zunächst um die qualitative Inhaltsanalyse der strukturierten Gruppendiskussionen gehen. Hier steht die Frage nach der Rezeption und Bewertung der in der Literatur häufig so genannten „Syndrome“ (Merten 1987: 74) der Ausländerberichterstattung im Vordergrund. Welche Zusammenhänge zwischen der Darstellung der eigenen ethnischen Gruppe in den Medien, der individuellen und der Gruppenidentität sowie dem Verhältnis zur Ankunftsgesellschaft zeichnen sich hier ab? Und mehr noch: Können aus den qualitativen Interviews zur Thematisierungsleistung Hinweise auf Konsequenzen für den Integrationsprozess der befragten Türkinnen und Türken abgeleitet werden? Die Daten der standardisierten Telefonbefragung junger türkischstämmiger Erwachsener sollen mit unterschiedlichen – aus der Literatur deduzierten und in den Gruppengesprächen identifizierten – Erklärungsmustern konfrontiert und analysiert werden. Mit bivariaten Korrelationsanalysen, multivariaten Segmentierungsverfahren und multiplen Kausalanalysen sollen Erkenntnisse dazu erlangt werden, welche Zusammenhänge für welche Variablen als gesichert angesehen werden können und wie sich der massenmediale Stellenwert am besten empirisch abbilden lässt. Letztlich soll anhand der empirischen Studie geklärt werden, welche Kausalitäten im Zusammenspiel von Mediennutzung und Integration evident sind und für die weitere Forschung zu diesem Problem vielversprechende Erklärungsansätze zulassen. Es ist das Ziel dieser Untersuchung, auf der Basis der theoretischen Diskussion, des in der interdisziplinären Literatur dokumentierten Forschungsstandes und der Analyse der qualitativen und quantitativen Daten Zusammenhänge, Interaktionen und Kausalmodelle zur Rolle der Mediennutzung bei der Integration ethnischer Minderheiten aufzustellen, zu diskutieren und gegeneinander abzuwägen bzw. zu integrieren. Dieser Bearbeitungsschritt wird im dritten Teil der Studie unternommen und ist zugleich die Zusammenführung der Ergebnisse der zwei beschriebenen empirischen Teile.
16
Einführung und Problemstellung
1.3 Aufbau der Untersuchung Die Arbeit ist in einen allgemeinen und einen empirischen Teil gegliedert. Nach dieser Einführung (Kapitel 1) wird im theoretischen Teil (Kapitel 2) der Begriff der Integration zunächst aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet. Zum einen soll – nach einigen Vorbemerkungen zu theoretischen Grundlagen und zur Terminologie (Abschnitt 2.1) – aus den gesellschaftlichen Funktionen von Massenmedien jene der Integration herausgearbeitet und auf den Migrationskontext angewandt und diskutiert werden (Abschnitt 2.2). Zum anderen werden – ausgehend von der sozialwissenschaftlichen Migrationsforschung – verschiedene Modelle für die Integration ethnischer Minderheiten in Mehrheitsgesellschaften beschrieben (Abschnitt 2.3). Ein Zwischenfazit soll der Zusammenführung der zwei Perspektiven dienen und sie für die empirische Analyse des Verhältnisses von Massenmedien und ethnischen Minderheiten nutzbar machen (Abschnitt 2.4). Es folgen zwei Abschnitte zu den theoretischen Grundlagen der Repräsentation ethnischer Minderheiten in den Massenmedien (Abschnitt 2.5) und zur Mediennutzung ethnischer Minderheiten sowie zu den Motiven und Wirkungsannahmen dieser Nutzung (Abschnitt 2.6). Ebenfalls im allgemeinen Teil, aber deutlich stärker auf konkrete empirische Untersuchungen fokussiert, sind die Abschnitte zum Forschungsstand in diesem Feld (Kapitel 3). Zu Beginn (Abschnitt 3.1) werden Arbeiten zur Repräsentation ethnischer Minderheiten in den Medien besprochen, anschließend geht es um Studien zu Nutzungsgewohnheiten und -motiven ethnischer Minderheiten (Abschnitt 3.2) und schließlich um Befunde zu Medienwirkungen im Integrationsprozess von Migranten und ethnischen Minderheiten (Abschnitt 3.3). In Abschnitt 3.4 werden die Befunde zusammenfassend diskutiert und Forschungsdefizite aufgezeigt. Der zweite, empirische Teil der Untersuchung besteht aus vier Kapiteln. Das erste Kapitel dieses Teils (Kapitel 4) enthält konzeptionelle Schlussfolgerungen und Operationalisierungsentscheidungen für die zwei Teilstudien. Nach einem Vergleich der Situation der türkischstämmigen Minderheit in Deutschland und der Schweiz (Abschnitt 4.1) werden die Konzeptionen der Studie zur Repräsentation (Abschnitt 4.2) und der Studie zur Mediennutzung und -wirkung (Abschnitt 4.3) ausgehend von den untersuchungsleitenden Fragestellungen beschrieben. Die Darstellung der empirischen Ergebnisse wird abschließend kurz vorgestellt (Abschnitt 4.4). Das fünfte Kapitel beschreibt die Ergebnisse der qualitativen Studie, strukturierten Gruppendiskussionen mit Türken und Personen türkischer Herkunft, die im Frühjahr 2007 in Zürich geführt wurden. Die standardisierte Umfrage unter jungen türkischen Erwachsenen in Nordrhein-Westfalen wird in Kapitel 6 konzeptionell beschrieben und analysiert. Im letzten inhaltlichen Kapitel schließlich werden die Ergebnisse des theoretischen Teils und der empirischen Studien zusammengeführt und diskutiert (Kapitel 7).
2 Theoretische Grundlagen
In diesem und dem nächsten Kapitel soll der Theorie- und Forschungsstand zum Themenkomplex Medien, Migration und Integration aus einer sozialwissenschaftlichen, genauer gesagt kommunikationswissenschaftlichen Perspektive aufgearbeitet und zusammengefasst werden. Dies scheint auf den ersten Blick ein übersichtliches Unterfangen zu sein. Das Thema ist zwar in den letzten zwanzig Jahren immer stärker in den kommunikationswissenschaftlichen Fokus gerückt und rangiert vor allem durch die Behandlung auf Tagungen und Kongressen immer höher auf der politischen Tagesordnung, die Zahl der substanziellen wissenschaftlichen Publikationen dazu ist jedoch überschaubar. Dieser Befund ist allerdings nur unter zwei Voraussetzungen zu halten. Er ist richtig, wenn man sich erstens auf die sozialwissenschaftlich orientierte Kommunikations- und Medienforschung beschränkt und zweitens den angloamerikanischen Sprachraum weitgehend außer Acht lässt. Diese Einschränkungen sollen im Folgenden jedoch nicht gemacht werden. Vielmehr soll das Ziel verfolgt werden – wenn auch von einem kommunikationswissenschaftlichen Standpunkt aus –, den Blick ebenso auf angrenzende und zum Teil entfernte Disziplinen und Fächer zu richten, um einen möglichst breiten, vielfältigen Überblick über die theoretischen Ansätze und die empirischen Befunde in diesem Themenkomplex zu gewinnen. Insbesondere im englischen Sprachraum stößt man auf eine umfassende Forschungstradition zur gesellschaftlichen Integration ethnischer Minderheiten, ihrer Mediennutzung, -produktion und -repräsentation, wobei der Ausdruck „ethnische Minderheiten“ noch auf eine weitere Besonderheit der Fragestellung deutet: Es existieren im Kontext der internationalen Migrations- und Integrationsforschung sehr unterschiedliche, in verschiedenen Disziplinen verankerte theoretische und empirische Ansätze zu dem grundsätzlichen Phänomen, dass eine Minderheit, die in einem anderen gesellschaftlichen Kontext aufgewachsen oder zumindest verankert ist, mit einem anderen, neuen und/oder mehrheitlichen Kontext konfrontiert wird. Aus diesen Gründen wird hier dem Forschungsstand in Kapitel 3 ein kurzes Kapitel zu den theoretischen Grundlagen vorangestellt. Dies geschieht vor allem mit zwei konkreten Zielsetzungen. Erstens werden Grundbegriffe der Migrationsund Integrationsforschung aufgegriffen und besprochen, die nicht nur im Kontext des Forschungsüberblicks gebraucht werden, sondern für die Terminologie der gesamten Untersuchung relevant und im Grundsatz unabhängig von der thematischen Verknüpfung von Integration und Medien sind. Und zweitens soll geklärt
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Theoretische Grundlagen
werden, welche theoretischen Konzepte hinter den zu diskutierenden Befunden stehen, wenn es um die mediale Repräsentation und die Mediennutzung ethnischer Minderheiten geht. Der kommunikationswissenschaftliche Blickwinkel, der bei der Durchsicht der Literatur eingenommen werden soll, ist für die Strukturierung des Untersuchungsfeldes bedeutsam. Nach kommunikationswissenschaftlichen Forschungsfeldern getrennt, werden Theorieansätze und Forschungsergebnisse in Bezug auf Medieninhalt bzw. Medienproduktion und Mediennutzung sowie Medienwirkung besprochen. Außerdem hilft dieser Blickwinkel, die meist impliziten Ursache- und Wirkungsannahmen differenzierter zu betrachten, wenn es um Leistungen, Funktionen und Effekte von Medien im Migrations- und Integrationskontext geht.
2.1 Forschungsperspektiven Im Folgenden werden einige Grundbegriffe und Terminologien aufgegriffen und beschrieben, um das Untersuchungsfeld abzustecken. Wenn man so will, geht es darum, das Suchraster für sozialwissenschaftliche und interdisziplinäre Erkenntnisse auf diesem Feld aufzubauen und dabei einen möglichst breiten Blickwinkel einzunehmen. Insofern wird nicht im konventionellen Sinne deduktiv vorgegangen. Es wird nicht ausgehend von einer kommunikationswissenschaftlich-theoretischen Perspektive nach einschlägigen Befunden gesucht, die in diesem Kontext entstanden sind. Sondern es sollen im Zuge der Durchsicht und Diskussion des interdisziplinären Theorie- und Forschungsstandes, möglichst offen für unterschiedliche theoretische Zugänge, Ansätze und Forschungsergebnisse zum Gesamtkomplex zusammengetragen werden. 2.1.1 Sozial- und kulturwissenschaftliche Perspektiven Bevor im nächsten Abschnitt einige zentrale Begriffe aus verschiedenen sozialwissenschaftlichen Disziplinen vorgestellt werden, soll in diesem Abschnitt das Feld auch interdisziplinär absteckt werden, in dem man sich bewegt, wenn man versucht, sich einen Überblick über die Rolle der Medien im Migrations- und Integrationsprozess moderner Gesellschaften zu verschaffen. Die Disziplin, die sich traditionell mit den gesellschaftlichen Folgen von Migrationsprozessen beschäftigt, ist die Soziologie. Ein Überblick findet sich bei Han (2000), der in seiner Publikation zur Soziologie der Migration die wichtigsten Migrationstheorien seit 1945 darstellt und vergleicht.1 Zwei wichtige Ansätze, die auch 1
Vgl. dazu auch die Überblicke bei Treibel (2003) und Sackmann (2004).
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Han behandelt, sind in diesem Kontext die des Amerikaners Milton M. Gordon und des deutschen Soziologen Hartmut Esser. Während in der amerikanischen Tradition der Migrationssoziologie vor allem die klassische Perspektive der Assimilation eingewanderter ethnischer Minderheiten („melting pot“) im Zentrum der theoretischen Ansätze stand (Gordon 1964), geht Esser von einem handlungstheoretischen Ansatz der individuellen Eingliederung und Neuorientierung von Migranten im Ankunftskontext aus (H. Esser 1980). Mit den Dispositionen und Strategien des Individuums bei der Konfrontation mit der Ankunfts- oder Mehrheitsgesellschaft beschäftigen sich Psychologen und Sozialpsychologen. Insbesondere wenn es um die Standortbestimmung und Selbstdefinition des einzelnen Migranten und der ethnischen Gruppe gegenüber den Anderen geht, werden Begriffe wie Identität und Selbst- bzw. Fremdwahrnehmung bedeutsam, mit denen sich in erster Linie die Psychologie beschäftigt. Zwischen den erstgenannten klassischen sozialwissenschaftlichen Disziplinen finden sich zahlreiche Ansätze und Forschungsergebnisse aus den angrenzenden Fachgebieten der Sozialanthropologie, den Kulturwissenschaften und den Cultural Studies. Diese überschneiden sich zum Teil sehr stark untereinander wie auch mit Soziologie und Psychologie. Im Mittelpunkt der Ansätze stehen hier meist kulturelle Praktiken, die Struktur der ethnischen Gruppe und ihre interne Interaktion sowie die Interaktion mit der Mehrheitsgesellschaft. Die Trennlinien zwischen diesen Fachgebieten sind unscharf. Dies wird insbesondere deutlich, wenn man nach den wissenschaftstheoretischen, methodologischen Paradigmen fragt, aus denen heraus die Forschungsfragen behandelt werden – doch dazu später mehr. Die Zahl der Publikationen in diesem Feld ist jedenfalls beträchtlich und soll in dieser Arbeit nicht unberücksichtigt bleiben. Soweit erkennbar, soll allerdings der Übergang in geisteswissenschaftliche und hier vor allem sprachwissenschaftliche Fachgebiete vermieden werden, auch wenn das nicht immer möglich sein wird. Die praktische Politik interessiert sich seit einiger Zeit sehr für Migrations- und Integrationsfragen – und in der Folge auch die Politikwissenschaft. Mechanismen, Steuerungsoptionen und politische Folgen der Migration werden in dieser sozialwissenschaftlichen Disziplin vielfach erforscht und diskutiert. Die Integration von Ausländern wird aus diesem Blickwinkel meist als politisches Steuerungsproblem verstanden, dem man durch geeignete gesetzgeberische und gesellschaftspolitische Maßnahmen begegnen kann und begegnen muss. Ebenso wie die Soziologie interessiert sich auch die politische Wissenschaft besonders für die Ursachen der Migration – eine Frage, die im Kontext dieser Untersuchung eher am Rande behandelt werden soll. Will man – als Sozialwissenschaftler – diese politikwissenschaftliche Perspektive noch erweitern, so kann man die Ökonomie als zusätzlichen Zugang zum Thema werten. Dies betrifft sowohl die politische Ökonomie, die sich mit den Folgen der Migration und sozialen Integration auf Staatshaushalte und Volkswirtschaften auseinandersetzt, als auch die Mikroperspektive der Betriebswirtschaft, die
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sich etwa mit der Arbeitssituation und Produktivität von sogenannten Expatriates beschäftigt oder die unternehmerischen Folgen von „human diversity“ abschätzen will. 2.1.2 Kommunikationswissenschaftliche Perspektiven Der kommunikationswissenschaftliche Rahmen des Themas ist schnell geklärt: Es geht um Massenmedien und ihre Rolle im Integrationsprozess von Migranten bzw. ethnischen Minderheiten. Der gesellschaftspraktische Blick auf diese Rolle impliziert schnell eine Wirkungsannahme, die häufig nicht hinterfragt wird. Ähnlich den aktuellen Debatten um Gewaltexzesse und Videospiele werden Medien pauschal Wirkungen zugeschrieben, für die es aus der Medienwirkungsforschung kaum empirische Evidenzen gibt. Die Frage lautet, auch wenn sie in der öffentlichen Debatte kaum noch gestellt wird: Welchen Effekt haben Massenmedien auf die Integration der Migranten und ihrer Nachkommen in der Ankunftsgesellschaft? Aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht ist das eine der zentralen, jedoch weitgehend ungeklärten Fragen dieses Forschungsfeldes. Bevor wir diese Perspektive genauer beschreiben, soll zunächst im folgenden Abschnitt abgesteckt werden, was im Kontext dieses Überblicks mit Medien, genauer Medienprodukten und Medieninhalten gemeint ist. Der kommunikationswissenschaftliche Zugang kann hier helfen, weitestgehend auf die öffentliche Kommunikation durch Massenmedien zu fokussieren und auch neue, interaktive, digitale Kommunikationsformen zu integrieren, soweit sie den kommunikationswissenschaftlichen Auffassungen des Medienbegriffs entsprechen. Medienproduktion und Medieninhalte Ein relevantes Forschungsfeld für die Untersuchung der Rolle der Massenmedien im Integrationsprozess von Migranten/ethnischen Minderheiten sind Medieninhalte. Darunter kann man einerseits wörtlich die Thematisierungsleistung der Medien, das heißt die Repräsentanz, die Darstellung und die Bewertung dieser Gruppen in den Medien verstehen. Es existieren – auch und gerade im deutschsprachigen Raum – eine Reihe von Studien, die sich dieser Frage theoretisch und empirisch angenommen haben. Solche Studien sollen in Kapitel 3 (Abschnitt 3.1) zusammengetragen und auf ihren empirischen Gehalt hin untersucht werden. Hier werden insbesondere die theoretischen Zugänge – von der frühen Stereotypenforschung bis zu aktuelleren Agenda-Setting- und Framingansätzen von Bedeutung sein (Abschnitt 2.5). Andererseits gehört in dieses Feld aber auch die Frage nach dem Zustandekommen dieser Medieninhalte – insbesondere nach der Produktion und Herstellung massenmedialer Inhalte von Migranten für Migranten im Falle sogenannter Minderheitenmedien, aber auch die Beteiligung und Berücksichtigung sowie Integration
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von Migranten und Angehörigen ethnischer Minderheiten bei der Produktion von Mehrheits- oder Mainstreammedien durch Medienunternehmen oder ganz allgemein den Journalismus. Besonders in letzter Zeit ist diese letztgenannte Sicht auf die Kontextbedingungen der Entstehung von Medieninhalten stärker in den Blick genommen worden. „Human diversity management“ ist nur ein Stichwort, das in diesem Zusammenhang immer wieder genannt wird und die Repräsentanz ethnischer Minderheiten bei der Produktion von Medieninhalten bezeichnet. Mediennutzung und Medienwirkung Der Kern des Forschungsüberblicks in Kapitel 3 wird die Frage nach der Nutzung und Wirkung der Medien im Migrations- und Integrationsprozess sein. Der Medienbezug ist hier unmittelbares Selektionskriterium, das heißt andere, gesellschaftliche und kulturelle Integrationsinstanzen sind für diesen Überblick insoweit von Bedeutung, als sie Alternativen, Ergänzungen oder Konkurrenz für die Rolle der Massenmedien in diesem Themenfeld darstellen. Das Gros der Forschungsbeiträge – sowohl im kommunikationswissenschaftlichen als auch in angrenzenden Feldern – folgt dabei explizit oder implizit einer Wirkungsannahme. Die Medien werden als Funktions-, Leistungs- oder Effektinstanz beschrieben, die den Integrationsprozess von Migranten/ethnischen Minderheiten in Gang setzen, befördern oder verlangsamen und verhindern können. Theoretisch zumindest existieren dazu einige Alternativen. Die Mediennutzung als Folge, als Motiv der individuellen Mediennutzungsstrategie oder – etwas weniger kontradiktorisch – als Ausdruck des individuellen Integrationsstatus einer Person im Migrationskontext gilt es dabei zumindest zu berücksichtigen. Inwieweit also die bisherige Forschung einerseits aus einer konventionellen Wirkungsperspektive heraus vorgeht oder andererseits auch andere Erklärungsmodelle zur Verortung der Massenmedien im Integrationsprozess hervorgebracht hat, wird im Folgenden zu klären sein. An dieser Stelle soll keine Bestimmung abhängiger und unabhängiger Variablen zwischen kommunikationswissenschaftlichen Stimulus-Response-Modellen, Nutzen- und Gratifikationsansätzen bis hin zu dynamischen Transaktionen im Kontext der Integration ethnischer Minderheiten geführt werden. Dies wird aber im späteren Verlauf dieser Untersuchung und der Sichtung des Forschungsstandes berücksichtigt werden müssen: Kommunikationswissenschaftlich gesehen spitzt sich die Frage nach der Rolle der Massenmedien schon auf ihre Platzierung und ihre Stärke zwischen ethnischer Identität, Mehrheits- bzw. Ankunftsgesellschaft und individuellen Integrationsstatus zu. 2.1.3 Schlüsselbegriffe und Terminologie Aus den beschriebenen Fachperspektiven heraus – aber auch innerhalb der Fächer – existieren ganz unterschiedliche Konzepte und Begriffe, die das Phänomen der
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gesellschaftlich-kulturellen Konfrontation einer Minderheit fremder Herkunft mit einem neuen Ankunftskontext beschreiben. Migrationshintergrund, ethnische Minderheit, Diaspora sind nur einige Begriffe, die die mehr oder weniger bewussten Gemeinschaften und ihre Mitglieder bezeichnen. Der Begriff Integration wird als Oberbegriff und Synonym dieser Konfrontation gebraucht, unter den unterschiedliche Strategien und Vorstellungen wie etwa Assimilation, Adaption, Eingliederung, Akkulturation oder auch Separation, Segregation und Marginalisierung subsumiert werden. Viele dieser Begriffe werden im weiteren Gang der Literaturdurchsicht präzisiert und in ihrem theoretischen Kontext dargestellt und diskutiert. Trotzdem scheint es angemessen, schon an dieser Stelle kurz einige terminologische Vereinbarungen zu treffen, um einerseits die begriffliche Bandbreite zu verdeutlichen, andererseits aber auch den Sprachduktus dieses Textes nicht zu stark einzuschränken und eine gewisse sprachliche Variabilität im Argumentationsgang zu ermöglichen. Darüber hinaus sollen einige Bezeichnungen kurz aufgenommen werden, um einen möglichst breiten Zugang zum Forschungsstand zu ermöglichen. So soll es etwa möglich gemacht werden, Erkenntnisse, die aus der Untersuchung ethnischer Minderheiten entstanden sind und migrationsspezifische Befunde zu vergleichen. Migration, Migranten, Migrationshintergrund Nach einer Aufzählung der unterschiedlichen Disziplinen, die sich mit Migration im weitesten Sinne beschäftigen und einer Typologie der Migrationsdefinitionen in räumlicher, zeitlicher Hinsicht sowie nach den Ursachen und dem Umfang der Migration kommt Treibel zu der folgenden Definition: „Migration ist der auf Dauer angelegte bzw. dauerhaft werdende Wechsel in eine andere Gesellschaft bzw. in eine andere Region von einzelnen oder mehreren Menschen. So verstandene Migration setzt erwerbs-, familienbedingte, politische oder biografisch bedingte Wanderungsmotive und einen relativ dauerhaften Aufenthalt in der neuen Region oder Gesellschaft voraus; er schließt den mehr oder weniger kurzfristigen Aufenthalt zu touristischen Zwecken aus.“ (Treibel 2003: 21, Hervorhebung im Original)
Was dabei auf Dauer bedeutet, macht Han (2000: 7) anhand der Statistik der Vereinten Nationen deutlich. Dort wird seit 1960 ein Wohnortwechsel als dauerhaft erfasst, wenn er länger als fünf Jahre anhält. Mit statistischen Gründen hat auch die Unterscheidung von Binnenmigration und internationaler Migration zu tun. Letztere findet statt, wenn Staats- bzw. Nationengrenzen überschritten werden. Von Binnenmigration spricht man, wenn ein Wohnortwechsel innerhalb von Staatsgrenzen stattfindet und anhält (Han 2000: 9-10).2 Im ursprünglichen Sinne des Wortes betrifft Migration also nur Personen und Gruppen, die die Erfahrung des Wohnortwechsels selbst erlebt haben. Das erklärt 2
Vgl. ausführlich auch Massey et al. (1993) und Nuscheler (2004).
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die Wortschöpfung „Migrationshintergrund“, die im Zusammenhang mit Migration immer häufiger – vor allem in den Medien – zu finden ist. Sie ist die Erweiterung der zugeschriebenen Migrationserfahrung auf folgende Generationen. Migrationsbedingte Erfahrungen und Einstellungen kann man danach nicht nur aus erster sondern auch aus zweiter Hand durch Eltern und Verwandte haben (Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration 2007). Für den Überblick über die Forschungsliteratur sind die Gründe und Motive der Migrationserfahrung zweitrangig. Eine Unterscheidung zwischen Einwanderung, Flucht, Asyl, wie sie etwa Thiele (2005) macht und ohnehin als abwesend in der Medienberichterstattung beklagt (ebd.: 8-9), ist für die Definition und Abgrenzung des Forschungsfeldes zunächst irrelevant. Hier sollen im Folgenden unter Migranten und Menschen mit Migrationshintergrund all jene verstanden werden, die als Folge einer internationalen Wanderungsbewegung (eines Wohnortwechsels) mit zwei gesellschaftlichen Kontexten konfrontiert sind: dem Herkunftskontext vor der Migration und dem Ankunftskontext danach. Damit soll im Übrigen nicht a priori behauptet werden, dass unterschiedliche Formen von Migration nicht auch zu unterschiedlichen Strategien im Ankunftskontext führen können. Ethnie, ethnische Minderheit, Ethnizität, ethnische Identität Eine Erweiterung des Migrationsbegriffs auf andere soziale Gruppen stellt die Bezeichnung ethnische Minderheit dar. Im angloamerikanischen Sprachraum ist dieser Begriff gebräuchlicher. Dies hängt einerseits mit der längerfristigen Migrationstradition in Nordamerika und andererseits mit der stärker sozialanthropologisch verankerten Forschungstradition zusammen. Browne (2005: 6-7) spricht in einer Arbeitsdefinition von Mitgliedern einer ethnischen Minderheit, wenn sie sich selbst als Teil einer Gruppe sehen, die eine Unterscheidung in Sprache und/oder Kultur zwischen sich und der Mehrheits-(Mainstream-)Bevölkerung aufrechterhalten („maintain“). Er schließt explizit Migranten der ersten, zweiten und dritten Generation und alle Personen ausländischer Herkunft ein, die im Ankunftsland aufgewachsen sind. Nederveen Pieterse (2003: 34-37) zeigt sehr eindrücklich, wie unterschiedlich der Begriff in der Forschungsliteratur gebraucht und verstanden wird. Er wird stark durch die jeweilige Perspektive des Mainstream und der Stellung einer Gruppe in der Hierarchie eines Landes bestimmt. Er beschreibt Fremdheit, kulturelle Distanz und Verschiedenheit unterschiedlicher Nationalitäten und identifiziert innerhalb von Nationalitäten ethnische Gruppen durch Abstammung, Religion, Region oder Sprache. Die afroamerikanische Minderheit in den USA wird häufig als ethnische Minderheit bezeichnet – im Gegensatz etwa zu eingewanderten Deutschen und Franzosen –, obwohl diese Gruppe schon seit mehreren Generationen Teil des amerikanischen Volkes ist. Das Wort sagt nichts über die so beschriebene Gruppe aus – es ist lediglich jeweils relativ im Kontext der Mehrheitsgesellschaft brauchbar.
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Mit einer Ausnahme: Juden werden heutzutage fast in jedem Land als ethnische Gruppe aufgefasst – selbst in Israel (ebd.: 35). Ebenfalls vor allem in den USA gilt auch das Konzept der Rasse („race“) als identitätsstiftend für ethnische Minderheiten – für deutsche Ohren zumindest befremdlich und in der entsprechenden deutschsprachigen Literatur erwartungsgemäß nicht zu finden.3 Bobo (1997: 2) beschreibt Rasse und Ethnie als soziale Konstrukte. Wobei das Konstrukt Rasse auf Unterscheidungskriterien beruht, die biologischen Ursprungs sind (z. B. Hautfarbe), während Ethnie oder Ethnizität („ethnicity“) auf Kriterien beruht, die eher kulturell (z. B. Sprache, Religion, Nationalität) begründet sind (Spencer 2004: 357, Anm. 1). Im Übergang zur ethnischen Identität einer Person (s.u.) ist häufig auch von ethnokultureller Position die Rede. Der Begriff bezeichnet das Ausmaß, in dem eine Person als Mitglied einer bestimmten (ethnischen Minderheiten-)Gruppe von der Mehrheit der Gesellschaft angesehen wird und inwieweit sie sich selbst als Mitglied dieser Minderheit sieht (Jeffres 2000: 500; D’Haenens 2003: 405). Ebendiese ethnische Identität ist ein weiteres Schlüsselkonzept, das im Zusammenhang mit der Erforschung ethnischer Minderheiten immer wieder auftaucht. Eine breite Auffassung von ethnischer Identität vertritt etwa Kim (2006: 285). Diese kann sowohl soziologisch, demografisch als auch als psychologische Disposition gemeint sein. Relevant in vielen Konzepten ist die Variabilität der Identität. Sie ist nicht fix, sondern unterliegt Änderungen durch Umwelt und Erfahrungen des Individuums. Interethnische Identität soll dabei vor allem deutlich machen, dass Identität ein Prozess ist und mehr als zwei identitätsstiftende Kontexte auftreten können. Ganz ähnlich bezeichnet auch Mai (2005: 545) Identität als veränderlichen Prozess der individuellen Unterscheidung von sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Kontexten. Es gibt allerdings unterschiedliche Auffassungen darüber, wie sich diese ethnische Identität zusammensetzt bzw. inwieweit sie selbst Teil der gesamten sozialen Identität eines Individuums ist, die unter anderem durch nationale, kulturelle, sprachliche, religiöse und (wiederum im amerikanischen Sprachraum, Spencer 2004) rassische Komponenten zusammengesetzt ist (Jeffres 2000; Aksoy/Robins 2003; Milikowski 2001; Mitra 2005). Für die hier im Zentrum stehende Frage nach der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe sind diese Komponenten vor allem im Hinblick auf ihre einschließende und ausschließende Wirkung interessant. Diese Zugehörigkeiten werden gesellschaftlich zugewiesen und führen zur Wahrnehmung von Fremdheit bzw. Vertrautheit zwischen verschiedenen sozialen Gruppen (Simmel 3
Die Zeitschrift „Public Opinion Quarterly“ widmet im Frühjahr 1997 (Vol. 61) eine Spezialausgabe dem Thema Rasse („race“). In der Ausgabe werden auch zwei Fallstudien zur Rolle der Medien bei der gesellschaftlichen Diskussion von „Rassenproblemen“ in der Öffentlichkeit dokumentiert (Bobo 1997). Eine entsprechende Ausgabe einer deutschsprachigen Fachzeitschrift zum Thema „Rasse“ würde sicher zu Missverständnissen und kritischen Nachfragen führen.
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1950; Alexander 2004). Im Rahmen des Forschungsüberblicks werden in diesem Kontext vor allem zwei Fragen zu stellen sein: erstens die Frage nach der Konstituierung sozialer Identität durch Medieninhalte und Medienwirkungen und zweitens jene nach der Herausbildung spezifischer Mediennutzungsmuster durch ethnische Gruppen. Assimilation, Integration und Akkulturation Das breiteste und am stärksten differenzierte Terminologiegeflecht findet sich unter dem Stichwort Integration. Umgangssprachlich, in einigen wissenschaftlichen Disziplinen und vor allem in der politischen Öffentlichkeit wird mit dem Integrationsbegriff zumeist der gesamte Prozess bzw. der aktuelle Stand der Eingliederung von ethnischen Minderheiten in die Gesellschaft bezeichnet. In den sozialwissenschaftlichen Disziplinen werden dagegen ganz unterschiedliche Begriffe für Eingliederungsprozesse gebraucht. Von der Assimilation (Gordon 1964), die vor allem in der Soziologie lange synonym mit Integration gebraucht wurde (Sackmann 2004: 23), über Adaption bis hin zur Akkulturation als kognitive Strategie, die in der Psychologie gebräuchlich ist (Berry 1997). Alle diese Begriffe sind im Hinblick auf die Ankunftsgesellschaft normativ und positiv konnotiert. Integration, Assimilation, Akkulturation werden als Prozesse bezeichnet, die es anzustreben, zu verbessern, zu unterstützen gilt. Politik und Medien sprechen von erfolgreicher Integration, geglückter Eingliederung etc. Damit sind aber längst nicht alle begrifflichen Varianten zwischen Akkulturation, Integration und Assimilation genannt. Sackmann (2004) etwa unterscheidet die Perspektive der Einwanderer von der Perspektive der Mehrheits- oder Ankunftsgesellschaften und bezeichnet die Einstellungen, Orientierungen und Wünsche der Migranten mit dem Begriff der Akkulturation und die Anpassungsleistungen der Zuwanderungsgesellschaften mit dem Begriff der Integration (ebd: 23). Aber auch für Integrationsprozesse und -stadien mit negativem Vorzeichen existiert eine entsprechende Terminologie. Öffentlich ist dort meist von Abschottung oder Gettoisierung von ethnischen Gruppen/Migranten die Rede, während der sozialwissenschaftliche Begriffsapparat von Separation und Marginalisierung bis hin zur Ethnisierung reicht und damit Vorgänge und Zustände zu beschreiben versucht, die eine Abkehr vom sozialen Kontext der Ankunftsgesellschaft darstellen. In einem Einführungsbuch zur Soziologie heißt es dazu zunächst: „Unter Integration wird generell der Zusammenhalt von Teilen in einem systemischen“ Ganzen und die dadurch erzeugte Abgrenzung von einer unstrukturierten Umgebung verstanden, gleichgültig, worauf dieser Zusammenhalt beruht (H. Esser 2000: 261, Hervorhebungen im Original). Caspi et al. (2002) sehen als „traditionelles Konzept“ den Prozess von „Adaption – Assimilation – Integration“ der Minderheit in das Ankunftsland und nennen als Gegenmodell die Idee der multikulturellen Gesell-
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schaft, die z. B. die Pflege der Muttersprache und des kulturellen Erbes der ethnischen Minderheiten zulässt (ebd.: 551). Diese Begriffsdiskussion soll hier nicht fortgeführt werden, da im nächsten Abschnitt verschiedene Vorstellungen, die mit dem Integrationsbegriff verbunden sind, noch einmal systematisch aufgearbeitet werden. Dabei wird deutlich werden, in welchen Zusammenhängen von Integration, Assimilation oder Akkulturation gesprochen werden kann. Diese Begriffe sind ja gerade Gegenstand der verschiedenen theoretischen Konzepte, die im Folgenden diskutiert und auf ihre Brauchbarkeit hin untersucht werden sollen. Der Begriff der Integration wird aber in dieser Studie als Oberbegriff für den gesamten Konfrontations- und Interaktionsprozess ethnischer Minderheiten in der Ankunfts- oder Mehrheitsgesellschaft gebraucht – jede stärkere Fokussierung würde die theoretische Perspektive a priori zu stark verengen. Das Gleiche gilt im Übrigen für den Begriff der ethnischen Minderheiten. Er wird im Folgenden anstelle von Ausländer, Migrant oder Person mit Migrationshintergrund gebraucht, zunächst ganz pragmatisch, weil dieser Begriff der am weitesten gefasste Terminus ist und die anderen Begriffe mit einschließt.4
2.2 Die Integrationsfunktion der Massenmedien Der Integrationsbegriff, genauer die Integrationsfunktion der Massenmedien, hat zunächst nur begrenzt etwas mit Migrationsprozessen oder ethnischen Minderheiten zu tun. Integration betrifft Gesellschaften ganz grundsätzlich. Die Frage nach der Integrationsfunktion von Massenmedien ist in der Folge die Frage nach der Rolle, die sie für den Zusammenhalt der gesellschaftlichen Teile spielen. Integration wird als „Dauerthema“ (Jarren 2000: 25) bzw. als „Problem“ (Peters 1993: 20) moderner Gesellschaften beschrieben und mit einer Fülle theoretischer Perspektiven und Begriffsdimensionen verbunden, die dazu führen, dass vielerorts von einem Theoriedefizit (Friedrichs/Jagodzinski 1999) bzw. einer mangelnden Systematisierung (Vlasic/Brosius 2002) des Konzepts die Rede ist. Eine umfassende theoretische Aufarbeitung und Systematisierung des Integrationsbegriffs im Kontext von Medienfunktionen kann und soll im Rahmen dieser Untersuchung nicht erfolgen.5 Vielmehr sollen in diesem Abschnitt einige zentrale Dimensionen der gesellschaftlichen Integrationsfunktion von Massenmedien benannt werden, die für die Untersuchung ihrer Rolle im Integrationsprozess ethnischer Minderheiten nutzbar gemacht werden können. 4
5
Ebenfalls aus Gründen der Lesbarkeit wird auf den differenzierten Gebrauch männlicher und weiblicher Substantivformen verzichtet. Wird die männliche Form gebraucht, sind immer beide Geschlechter gemeint. Für einen Überblick über die verschiedenen Ansätze und Systematisierungen vgl. Vlasic (2004).
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2.2.1 Soziale Integration durch Massenmedien Die grundlegendste Unterscheidung zwischen verschiedenen Formen gesellschaftlicher Integration ist wohl die zwischen System- und sozialer Integration. Sie geht auf Lockwood (1964) zurück, wurde von Habermas (1981) in seiner Theorie des kommunikativen Handels aufgegriffen und wird seitdem als Basisunterscheidung zwischen einer funktionalistischen Sicht auf das Zusammenspiel sozialer Teilsysteme (Systemintegration) und einer handlungs- und motivorientierten Sicht auf die gesellschaftlichen Akteure genutzt (H. Esser 2000). Es liegt auf der Hand, dass, wenn es um Massenmedien geht, beide Perspektiven relevant sind, im Zusammenhang aber mit der Integration gesellschaftlicher Gruppen wie etwa ethnischer Minderheiten vor allem die soziale Integration, die Motive, das Handeln, die Interaktion von Akteuren ins Zentrum der Betrachtung rücken. H. Esser (2000: 26-27) unterscheidet vier Dimensionen von sozialer Integration: (1) Kulturation, das heißt die Erlangung von Wissen und Kompetenzen, um gesellschaftlich handeln zu können. (2) Platzierung, das heißt die Einnahme einer gesellschaftlichen Position. (3) Interaktion, das heißt wechselseitige Orientierung und aufeinander bezogenes Handeln. (4) Identifikation, das heißt sich selbst als Teil des Ganzen zu sehen, Loyalität und „Wir-Gefühl“ zu entwickeln. Soziale Integration wird zur Assimilation, wenn es nicht mehr nur um das Handeln, die Absichten und das Verstehen der Akteure geht, sondern wenn der Prozess als Angleichung sozialer Gruppen verstanden werden kann (ebd.: 27).6 Es ist offensichtlich, dass sowohl bei der systemischen als auch der akteursorientierten Sichtweise auf die Integration der Gesellschaft Kommunikation zwischen den Akteuren eine entscheidende Rolle spielt und diese Kommunikation in modernen Gesellschaften vor allem durch Massenmedien erledigt wird. Historisch gesehen nehmen in diesem Zusammenhang die sogenannte Chicagoer Schule und ihr Begründer Robert E. Park (1864-1944), der sich als einer der Ersten mit der Integration lokaler Gemeinschaften beschäftigt hat, eine Schlüsselrolle ein. Er gilt als die „Hauptquelle für die Erforschung lokaler Medien und die Integration von Gemeinschaften“ (Friedland/McLeod 1999: 204). Park war einer der ersten amerikanischen Soziologen, der sich dem Integrationsproblem sowohl aus allgemein-gesellschaftlicher Perspektive als auch unter dem spezifischen Blickwinkel von Migration und ethnischen Minderheiten genähert hat. Während er die lokale Presse mehr als Produkt des sozialen Wandels sah (Park 1922), schrieben andere Vertreter der Chicagoer Schule der Presse stärkere Einflussmöglichkeiten 6
Vgl. dazu auch die Ausführungen im nächsten Abschnitt.
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auf den sozialen Konsens (Wirth 1948) bzw. den sozialen Wandel (Janowitz 1952) zu. Auf eine empirisch fundierte Basis gestellt wurde dieses stark auf die Untersuchung einzelner Gemeinden beschränkte Forschungsfeld erst durch Tichenor et al. (1980), die erstmals mehrere Gemeinden auf unterschiedlichen Ebenen mit kombinierten Methoden (Interviews, Inhaltsanalysen, Beobachtungen) untersuchten. Dabei wurden sowohl integrationsbezogene Einflussgrößen auf die Nutzung lokaler Medien identifiziert (Hausbesitz, Aufenthaltsdauer in der Gemeinde) als auch Medienwirkungen auf die politische Partizipation und die lokale Interaktion nachgewiesen (Friedland/McLeod 1999: 207). Aus dieser Perspektive werden die folgenden Funktionen ethnischer, lokaler Medien formuliert (Viswanath/Arora 2000: 54): Kulturelle Übertragung („cultural transmission“): Informationen über Veranstaltungen und Ereignisse. Verstärker der Gemeinschaft („community booster“): positive Berichterstattung über die Gruppe. Frühwarnsystem für die Gemeinschaft („sentinel“): Berichterstattung über bedrohliche gesellschaftliche Entwicklungen (Rechte, Rassismus etc.). Werbung für Assimilierung („assimilatory function“): Berichterstattung über Erfolge in der Übernahme von Sprache und Kultur. Informationsfunktion („information“): Berichterstattung über Ereignisse, die in den Mehrheitsmedien zu kurz kommen. Integration, Angleichung und Homogenisierung werden – auch aus dieser Tradition heraus – häufig aus einer normativen Perspektive thematisiert (Jarren 2000). Dabei muss nicht von vornherein festgelegt sein – obwohl dies häufig der Fall ist –, dass Integration der gesellschaftlich funktionale, positiv besetzte Zustand oder Prozess ist. Mit McQuail (1994: 71-72) kann man diese Sichtweisen auf soziale Angleichung auf der einen Seite („social control“) und soziale Differenzierung auf der anderen Seite („alternative value systems“) als zentrifugale und zentripetale Medienfunktionen bezeichnen. Aus der normativen Perspektive sind dann wiederum zwei Bewertungsrichtungen dieser Funktionen möglich (Abb. 1). Zentrifugale, die Gesellschaft auseinander treibende Kräfte werden negativ und dysfunktional bewertet, wenn man sie im Sinne von Norm- und Wertverlusten und dem Verlust der gemeinsamen Identität sieht. Sie können aber auch positiv bewertet werden, wenn man sie als Zuwachs an individueller Freiheit und gesellschaftlicher Vielfalt interpretiert. Zentripetale Kräfte entsprechen in ihrer positiven Konnotation dem Assimilationsmodell. Integration und Solidarität werden verstärkt. Der Zusammenhalt der Gesellschaft wird durch Medien gefördert. In der negativen Bewertung bedeuten diese Kräfte allerdings auch eine Dominanz von Einheitsnormen und -werten sowie den Verlust von Vielfalt und eine Uniformität der gesellschaftlichen Gruppen.
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Abbildung 1: Vier Bilder („images“) sozialer Integration (McQuail 1994: 72)
McQuail trifft zusätzlich zwei weitere relevante Unterscheidungen. Zum einen differenziert er zwischen funktionaler Integration – der Abwesenheit von Konflikten und dem wortwörtlichen Funktionieren gesellschaftlicher Kooperation – und der normativen Integration – der Gemeinsamkeit, dem Teilen von gesellschaftlichen Normen und Werten. Die Überschneidung mit den soziologischen Begriffen der Systemintegration einerseits und der sozialen Integration und anderseits mit der politikwissenschaftlichen Terminologie der Infrastruktur- bzw. Vermittlerrolle der Massenmedien ist hier offensichtlich. Darüber hinaus benennt er die drei analytischen Ebenen gesellschaftlicher Prozesse, auf denen Integrationsfunktionen von Massenmedien beobachtet oder zumindest postuliert werden können. Auf der gesamtgesellschaftlichen (Makro-) Ebene, auf der organisatorischen oder gemeinschaftlichen (Meso-)Ebene und auf der individuellen (Mikro-)Ebene. In der amerikanischen Forschungstradition hat besonders die mittlere Ebene eine besondere Bedeutung. Der Beginn der USamerikanischen soziologischen und kommunikationswissenschaftlichen Erfor-
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schung von Integrationsfunktionen, -leistungen und sozialer Kontrolle liegt ja gerade auf den lokalen Gemeinschaften, der lokalen Presse und ihrer Stellung im kommunalen Machtgefüge (Friedland/McLeod 1999). Auf dieser Ebene wird eine weitere Funktion besonders gut sichtbar, die – wenn sie nicht als Teil der Integrationsfunktion von Medien aufgefasst werden kann – zumindest eng mit der Integrationsfunktion verknüpft ist: die Informationsfunktion als Voraussetzung für soziale Orientierung und politische Partizipation.7 Einen weiteren, vor allem aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht stärker auf Massenmedien fokussierten Aspekt der Integrationsleistung von Massenmedien thematisiert Schulz (1997), indem er die Medienöffentlichkeit selbst als mehr oder weniger integriert bezeichnet in Abhängigkeit der Kommunikationskanäle, die in einer Gesellschaft zur Verfügung stehen, und des Ausmaßes ihrer Überschneidung. Integriert ist eine Medienöffentlichkeit danach dann, wenn wenige Kommunikationskanäle mit einer großen Überschneidung der Inhalte existieren. Als expandiert wird sie bezeichnet, wenn zwar viele Kanäle existieren, die Überschneidung aber gleichzeitig auch sehr groß ist. Wenige Kommunikationskanäle mit geringer Überschneidung konstituieren eine segmentierte Medienöffentlichkeit, viele Kommunikationskanäle mit geringer Überschneidung werden als fragmentiert bezeichnet. Weßler (2002) kritisiert das Konzept, das er erstens zu stark auf Homogenisierung als Integrationsleistung verengt sieht und zweitens für „historisch zum Scheitern verurteilt“ (ebd.: 66) hält, da die Zahl symbolischer Gemeinschaften und damit auch ihr Kommunikationsrepertoire stetig wächst und – wie etwa in der Schweiz – schon sprachliche Gründe gegen eine hohe Überschneidung der genutzten Medien sprechen. Er stellt dem Integrationsmodell durch Vereinheitlichung das Integrationsmodell durch Konfliktkommunikation zur Seite. In diesem geht es nicht nur um möglichst homogene Medieninhalte, die in möglichst homogenen Mediennutzungsmustern der Rezipienten zu homogenen Themenhaushalten führen, sondern auch um die Austragung sozialer Konflikte mit gegenseitiger Beobachtung der Konfliktgegner durch individuell und gruppenspezifisch genutzte Medien. Diese greifen die Konflikte auf und verhelfen den verschiedenen Interessen zur Thematisierung (ebd.: 72). Für beide Perspektiven ist die mediale Repräsentation sozialer Gruppen von besonderer Bedeutung. Im ersten Fall, der konventionellen Annahme von Vereinheitlichung, Homogenisierung und Angleichung durch Medien, müssen soziale Gruppen anstreben, Teil des gemeinsamen Themenkanons zu werden und zu den Akteuren zu gehören, die in den Medien vorkommen und so zum Mainstream der 7
In Deutschland wurde diese Forschungstradition vor allem in zwei Phasen kommunikationswissenschaftlich aufgearbeitet. Zum einen während der Pressekonzentration am Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre und zum anderen im Kontext der Kabelpilotprojekte bis zur Etablierung des privaten Rundfunks auch auf der lokalen Ebene in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts (für einen Überblick vgl. Trebbe 1996).
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Gesellschaft gezählt werden können. Im zweiten Fall, als Konfliktgegner oder Konfliktpartner, müssen sie darauf bedacht sein, von den korrespondierenden Akteuren – ggf. durch ihre Partikularmedien – wahrgenommen zu werden, um die sozialen Konflikte überhaupt austragen zu können. Dabei ist es nicht nur bedeutsam, als sozialer Akteur thematisiert zu werden (Jarren 2000; Schönhagen 2000), sondern darüber hinaus auch als Sprecher zu Wort zu kommen. Nur so lässt sich eine Beteiligung der verschiedenen Gruppen am gesellschaftlichen Diskurs und damit an der gemeinsamen Konstruktion sozialer Wirklichkeit – die durch diesen Diskurs erfolgt (Schönhagen 2000) – sicherstellen. 2.2.2 Typologie und Dimensionierung In einer Synopse der verschiedenen Ansätze kommt Vlasic (2004: 67) zu einer hierarchischen Typologie der fünf zentralen Dimensionen der Integrationsfunktion von Massenmedien: (1) Die Thematisierungsfunktion und Wissensvermittlung für eine gemeinsame Basis gesellschaftlich relevanter Themen und Alltagsgesprächsstoff. (2) Die Repräsentation gesellschaftlicher Gruppen und Lebenswelten als Teil der gesellschaftlichen Realität. (3) Die Öffentlichkeitsfunktion, durch die die repräsentierten Akteure ihre Interessen vertreten und am gesellschaftlichen Diskurs teilnehmen können. (4) Die „normative“ Funktion der Vermittlung von Normen und Werten für die Schaffung und Stabilisierung eines gemeinschaftlichen Wertesystems. (5) Die übergeordnete Funktion der Konstruktion einer gemeinsamen Realität der Gesellschaft. Hilfreich an dieser Typologie ist vor allem ihre Hierarchie im Hinblick auf den Übergang von der Mikro- zur Makroperspektive, wie sie schon oben bei McQuail angeklungen ist. Auch wenn der Autor richtigerweise konstatieren muss, dass die Ebenen miteinander verschränkt und durch Wechselwirkungen untereinander verknüpft sind (Vlasic 2004: 73), kann man an ihnen dennoch eine weitere wichtige Unterscheidung ablesen: die Distinktion von Integrationsfunktionen, -leistungen und -wirkungen. Integrationsfunktionen werden den Medien in den meisten Ansätzen auf einer gesamtgesellschaftlichen Ebene zugeschrieben. Ganz gleich ob dahinter akteursorientierte oder systemtheoretische Perspektiven stehen, es geht bei Funktionen immer um die Rolle, die Massenmedien im gesellschaftlichen Konstituierungs- und Entwicklungsprozess einnehmen (sozialer Wandel, politischer Diskurs). Stärker von der theoretischen Modellierung solcher Medienfunktionen ist dagegen die empirische Überprüfbarkeit abhängig und in diesem Zusammenhang kommunikationswissenschaftlich nicht unumstritten (Schönhagen 2000; Jarren 2000).
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Integrationsleistungen bezeichnen den Übergang zwischen gesamtgesellschaftlicher und intermediärer Ebene. Funktionen, die sozialen Akteuren zu- oder vorgeschrieben werden, werden von diesen als Leistungen abverlangt. Mediengesetze, Staatsverträge und Veranstalterrichtlinien sind kennzeichnend für solche Ansprüche an Mediensysteme, -gattungen und -organisationen, die durch ihre Leistungen integrative Funktionen für Individuen, soziale Akteure und die Gesellschaft als Ganzes erbringen sollen. Auf der Ebene der Medienleistungen sind konkrete Modelle und empirische Analysen vor allem auf Medieninhalte bezogen, etwa wenn es darum geht, normativ geforderte Thematisierungs- oder Repräsentationsleistungen abzubilden oder zu überprüfen (Weiß 1994 und 1996). Dieser Blickwinkel wird in Abschnitt 2.5 für die mediale Repräsentation ethnischer Minderheiten weiter konkretisiert und systematisiert. Integrationswirkungen schließlich finden sich bei den Adressaten der Leistungen. Diese sind Individuen als Medienrezipienten, aber zum Teil eben auch soziale Akteure der Mesoebene, und die Gesellschaft als Ganzes. Hier vor allem finden sich Ansätze der kommunikationswissenschaftlichen Medienwirkungs- und Rezeptionsforschung mit vielfach konkretem empirischem Bezug (Schenk 2002). Konkrete Ansätze, die in diesem Zusammenhang immer wieder genannt werden, sind etwa die Theorie der Schweigespirale (Noelle-Neumann 1980), weil sie sich stark mit sozialer Kontrolle auseinandersetzt, die Kultivierungshypothese (Gerbner et al. 2002), in der Mainstreaming, also eine Form von Homogenisierung, eine große Rolle spielt, oder die Agenda-Setting-Hypothese (McCombs/Reynolds 2002), die Erklärungsmuster für die Entstehung gesellschaftlicher und individueller Thementagesordnungen anbietet. Diese Rezeptions- und Wirkungsperspektive ist der zweite Ausgangspunkt dieser Untersuchung und wird in Abschnitt 2.6 weiter theoretisch ausgearbeitet. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen lassen sich die Dimensionen massenmedialer Integration abschließend gewichten, wenn man sich die Problemstellung der Studie – die Frage nach der Integration ethnischer Minderheiten durch Massenmedien – noch einmal vor Augen führt. Diese Gewichtung beginnt mit der Frage, ob die Nutzung bestimmter Medien bei den Angehörigen ethnischer Minderheiten Integrationseffekte zeitigt. Es geht um Wirkungen im Spannungsfeld von sozialer Homogenisierung und Differenzierung. Haben also Medien ganz grundsätzlich betrachtet diesen Homogenisierungseffekt der sozialen Angleichung oder verstärken sie soziale Differenzierung und vorhandene Konfliktlinien? Vorab muss dafür die Medienöffentlichkeit und -umwelt selbst in den Blick genommen werden. Existiert das viel zitierte Mediengetto und hat es entsprechende Folgen bzw. kann die Nutzung von Mehrheitsmedien zu Assimilationseffekten führen? Das ist der Ausgangspunkt für die theoretische Konkretisierung, die Sichtung des Forschungsstandes und die Operationalisierung der empirischen Untersuchung zur Mediennutzung und Integration ethnischer Minderheiten in dieser Untersuchung.
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Die zweite für diese Untersuchung relevante Dimension bezieht sich auf die Thematisierungs- und Repräsentationsleistung der Medien. Sind ethnische Minderheiten ein Teil der massenmedial konstruierten, gesellschaftlichen Realität und wie sieht die Teilhabe an dieser Realität aus? Kommunikationswissenschaftlich gesprochen soll neben der Rezeption und ihrer Folgen auch die Perzeption der eigenen sozialen Gruppe in den Blick genommen werden. Wie dies zu geschehen hat, soll in den folgenden Abschnitten und Kapiteln genauer herausgearbeitet werden.
2.3 Assimilation, Integration und Akkulturation In Abschnitt 2.1 wurde aus Gründen der terminologischen Klarheit kurz auf den Integrationsbegriff in Abgrenzung zu anderen Bezeichnungen für die sozialen Eingliederungsprozesse von Migranten eingegangen. Dies konnte dort nur bis zu einem gewissen Punkt geschehen, um nicht eine Diskussion der unterschiedlichen Konzepte vorwegzunehmen, die mit den verschiedenen Terminologien verbunden sind. Darüber hinaus hat der vorhergehende Abschnitt gezeigt, dass aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive zuweilen vergleichsweise undifferenziert mit dem Integrationsbegriff und den Funktionen, Leistungen und Wirkungen von Massenmedien in diesem Zusammenhang umgegangen wird. Der folgende Abschnitt soll in dieser Hinsicht Klarheit schaffen. Die zentralen Konzepte der sozialwissenschaftlich orientierten Forschung, die sich mit der Eingliederung von Migranten und ethnischen Minderheiten beschäftigt haben, sollen – in aller Kürze – vorgestellt und in den Kontext dieser Untersuchung gestellt werden. Dies geschieht einerseits zur Präzisierung der anstehenden Operationalisierungen und andererseits zur Verknüpfung der unterschiedlichen Fachperspektiven auf den Untersuchungsgegenstand „Integration“. 2.3.1 Überblick Die soziologisch und ökonomisch orientierte Migrationsforschung und mit ihr die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Eingliederungsprozessen von Migranten beginnt in den USA und in Europa gegen Ende des 19. Jahrhunderts – parallel zur Entwicklung der empirischen Sozialwissenschaften, insbesondere der Soziologie (Massey et al. 1993; Han 2000: 38).8 Sie war lange Zeit dominiert von Assimilationstheorien. Die erfolgreiche Eingliederung von Einwanderern, ihre vollständige Absorption in die Aufnahmegesellschaft ist in allen frühen Phasen- und Sequenzmodellen der Migrationsforschung der Zielpunkt. So auch im Zyklusmodell („race8
Zu den klassischen soziologischen Integrationstheorien und ihren philosophischen Ursprüngen vgl. den Überblick von Imbusch/Rucht (2005).
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Theoretische Grundlagen
relation-cycle“) der Soziologen der bereits erwähnten Chicagoer Schule, das in den 1920er Jahren von Sozialwissenschaftlern um den Migrations- und Medienforscher Robert E. Park entwickelt wurde. Das Modell enthält insgesamt fünf Phasen, die von Kontakt (1) über Wettbewerb um soziale und ökonomische Ressourcen (2) und soziale Konflikte (3) bis zur Akkommodation9 (4) und schließlich Assimilation (5) reichen (Han 2000: 43-44).10 Vor dem Hintergrund und aus der Kritik der bis dahin vorherrschenden Zyklus- und Phasenmodelle entwickelt Esser (1980) eine handlungs- und lerntheoretische Migrationstheorie, die unter anderem versucht, dem deterministischen und progressiven Charakter der migrations- und assimilationsbezogenen Vorstellungen auch nicht lineare, regressive und unterbrochene Eingliederungsprozesse entgegenzustellen (H. Esser 1980: 48). Trotz des differenzierteren Blicks auf den Eingliederungsprozess bleibt auch bei Esser die Assimilation eine Zielgröße oder, weniger normativ ausgedrückt, der Endpunkt des Migrationsprozesses. Der Prozess der Integration wird dabei, wie in den meisten soziologischen Migrations- und Integrationstheorien, zwischen der Akkulturation, das heißt dem Erwerb von Basiskompetenzen für das Leben in der Aufnahmegesellschaft, und der Assimilation, der – mehr oder weniger vollständigen – Angleichung von Migranten bzw. ethnischen Minderheiten an die Aufnahme- oder Mehrheitsgesellschaft, angesiedelt (Han 2000: 312). Alba (1998) sieht in der amerikanischen Geschichte vor allem zwei Eingliederungsmodelle, die jeweils mit der historischen Einwanderungssituation der USA zusammenhängen. Auf Gordon (1964) führt er die klassischen Assimilationsmodelle zurück, die vor allem seit dem Beginn der europäischen Einwanderungswellen gegen Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelt wurden und von der (schnellen) Übernahme äußerer Mehrheitsmerkmale (Kleidung, Sprache) bis zur strukturellen Assimilation, gemessen etwa in interethnischen Ehen, reichte. In diesem Modell spielt später auch Ethnizität („ethnicity“) eine große Rolle, wenn – etwa gestützt durch Berufsrollen oder ethnisch geprägte Quartiere („neighborhoods“) – bestimmte Gruppen über Generationen hinweg ihre Traditionen, ihre Sprache und ihre Kultur pflegen. Als Gegenmodell zu diesen Assimilationsmodellen sieht er die Modelle zur „rassischen“ Exklusion, die sich vor allem auf äußerlich erkennbare ethnische Minderheiten wie etwa die afroamerikanischen Gruppen oder die amerikanischen Ur9
Akkomodation ist in diesem Modell eine Vorstufe von Assimilation, die vor allem durch Segregation im räumlichen und sozial-diskriminierenden Sinn gekennzeichnet ist. Zubrzycki (1958) beschreibt damit etwa die Situation polnischer Einwanderer in England, die vielfach isoliert von der Mehrheitsgesellschaft und auf bestimmte Quartiere beschränkt vor allem mit „ihrer“ ethnischen Gruppen interagieren. 10 Vgl. auch die Darstellung bei H. Esser (1980) und den Überblick über Weiterentwicklungen bei Treibel (2003).
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einwohner beziehen und von einer systematischen und diskriminierenden Ausgrenzung aus der Mehrheitsgesellschaft ausgehen. Für die jüngste Einwanderungswelle in die USA, die vor allem aus dem pazifischen Gebiet, Asien und Indien kommt, sind diese Modelle jedoch mehr oder weniger unbrauchbar. Heute sind die Möglichkeiten zu reisen und zu kommunizieren so weit entwickelt, dass es den Immigranten immer leichter fällt, Kontakte zum Herkunftskontext und zur eigenen ethnischen Gruppe zu halten und sich gleichzeitig einfacher und schneller im sozioökonomischen System der Aufnahmegesellschaft zurechtzufinden (Alba 1998: 20). Klassische pluralistische Modelle, wie sie in den USA von Fuchs (1992) und Glazer (1975) beschrieben werden, sind in diesem Zusammenhang nur ein Sonderfall der ethnischen Exklusion, die die Not zur Tugend machen. Ein mögliches drittes Modell für die neuen Einwandergenerationen aus Korea, Indien und Pakistan sind die sogenannten ethnischen Wirtschaftsenklaven. In ihnen werden nach den Regeln der Immigranten Möglichkeiten geboten, ökonomische Vorteile zu generieren. Diese ethnischen Wirtschaftszweige liefern den Kontext für Neuankömmlinge, in denen sie sie sich mit ihrer Herkunftssprache und ihrer Herkunftskultur bewegen und – vermittelt durch eine erfolgreiche ökonomische Subkultur – in der neuen Umgebung bewähren können. Ob dieses Modell jedoch für alle möglichen neuen Migrantengruppen anwendbar und realistisch ist, bezweifelt der Autor selbst (Alba 1998: 25). Die Gegenüberstellung von Alba ist deshalb besonders hilfreich, weil sie zeigt, dass neben der Pflege und Beibehaltung der Verbindung zum Herkunftskontext in allen diesen Modellen intraethnische Kontakte zu anderen Einwanderern, die in der Ankunftsgesellschaft informell oder formalisiert zusammenfinden, eine besondere Bedeutung haben. Allerdings ist theoretisch nicht geklärt, ob der Umgang der Migranten mit Personen gleicher Herkunft den Assimilationsprozess verzögert oder behindert (H. Esser 1986) oder im Sinne einer Binnenintegration in die ethnische Gemeinschaft im Ankunftsland als Beschleunigungsinstanz wirken kann (Elwert 1982). Salentin (2004: 103) berichtet in diesem Zusammenhang, dass vor allem negative Effekte für organisierte ethnische Gemeinschaften empirisch nicht identifiziert werden konnten. Im Gegenteil: Die Teilnahme am organisierten Leben der ethnischen Gruppen im Ankunftsland verfolgen vor allem Personen, die auch verstärkt in der Mehrheitsgesellschaft sozial interagieren. Geht man davon aus, dass man mit dem Begriff der Akkulturation als Bezeichnung für die erste Phase des Eingliederungsprozesses in den meisten Eingliederungsmodellen relativ sicheren Boden betritt, so muss man dies bei näherer Betrachtung als Missverständnis bezeichnen. Denn während auf der obersten Ebene der Eingliederungsprozesse häufig nicht zwischen Assimilation und Integration unterschieden wird (Sackmann 2004: 23), sind zwei der vier Formen, die unter dem Begriff der Akkulturation zusammengefasst werden, wiederum mit dem Terminus Assimilation bzw. Integration belegt (ebd.: 25). Sackmann schlägt deshalb vor, den
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Theoretische Grundlagen
Begriff der Integration auf die Anpassungsleistungen der Zuwanderungsgesellschaft anzuwenden und von Akkulturation zu sprechen, wenn es um diejenige der Migranten bzw. ethnischer Minderheiten geht. Der zweite Teil des Vorschlags scheint hilfreich und plausibel, wenn man berücksichtigt, dass die Akkulturationsleistungen sich erstens auf individuelle, psychische und sozialpsychologische Vorgänge beziehen und zweitens aus allen theoretischen Perspektiven auf der Seite der Zuwanderer, ethnischen Gruppen oder Minderheiten gesehen werden. Dagegen erscheint es künstlich und den Duktus der Argumentation störend, wenn versucht würde in dieser Untersuchung auf den Begriff der Integration zu verzichten, wenn es um den Prozess der Konfrontation, Eingliederung oder Anpassung ethnischer Minderheiten in und mit Mehrheitsgesellschaften geht. Deshalb wird im Folgenden – auch mit dem Wissen um eine gewisse Unschärfe – weiter mit beiden Bezeichnungen gearbeitet werden, wobei die Akkulturationsformen diese Seite des Untersuchungsgebietes eindeutiger und präziser bezeichnen. 2.3.2 Akkulturationsformen Eine praktikable Systematik der genannten Akkulturationsformen geht auf den Sozialpsychologen Berry (1980, 1997) zurück, findet sich aber in ganz ähnlicher Art und Weise in vielen Eingliederungs- und Integrationsansätzen wieder (H. Esser 1980, 2000). Im Kern geht es dabei um die Gegenüberstellung und Kombination der Einstellungs- und Verhaltensmuster gegenüber der Herkunftsgesellschaft auf der einen und der Ankunfts- oder Mehrheitsgesellschaft auf der anderen Seite. Damit sind nicht nur kognitive und kulturpraktische Angleichungsvorgänge gemeint, sondern explizit Identifikationsprozesse mit der Ankunftsgesellschaft eingeschlossen (Abb. 2). Abbildung 2: Akkulturationsformen (Berry 1980; 1997: 9) … Herkunftskontext/ ethnische Gruppe
Identifikation/Einstellung gegenüber dem…
… Ankunftskontext/ Mehrheitsgesellschaft
Positiv
Negativ
Positiv
Integration
Assimilation
Negativ
Separation
Marginalisierung
Von einem assimilativen Akkulturationsprozess wird gesprochen, wenn die Angleichung an die Ankunftsgesellschaft zulasten der Identifikation mit der Herkunftsgesellschaft geht. Von Integration (Berry 1980) oder doppelter Orientierung (Sack-
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mann 2004: 27) ist die Rede, wenn beide Kontexte gleichermaßen positiv eingeschätzt werden. Separation ist der Begriff für die Rückwärtsgewandtheit bzw. die Orientierung am Herkunfts- oder ethnischen Kontext zulasten des Ankunftskontextes. Marginalisierung schließlich bedeutet die Geringschätzung beider Kontexte. Diese Akkulturationsformen lassen sich auf alle Akkulturationsdimensionen anwenden; insbesondere für die Sprache (kognitive Akkulturation) und soziale Interaktionen ist das unmittelbar einsichtig (Sackmann 2004: 31). Werden jeweils die Heimatkontexte den Ankunftskontexten vorgezogen (Separation), sind sie gleichwertig (Integration) bzw. dominiert der Ankunftskontext (Assimilation)? Oder erfolgt eine Abwendung von beiden Kontexten (Marginalisierung), die auch in beiden genannten Dimensionen möglich ist? Für die hier vorliegende Untersuchung kann man daraus ableiten, dass dies theoretisch und empirisch auch für die Nutzung von Massenmedien aus beiden Kontexten modellierbar sein müsste. Integrative Mediennutzung wäre demnach die gleichwertige Kombination von Medien aus dem Herkunfts- und dem Ankunftskontext, assimilative Mediennutzung die mehr oder weniger schwerpunktmäßige Mehrheitsmediennutzung und separierende Mediennutzung die exklusive Nutzung ethnischer Medien oder von Medien aus dem Heimatland; Marginalisierung wäre schließlich analog der mehrfache Rückzug aus der Medienumwelt, die Abstinenz von allen möglichen Medienangeboten, gleich aus welchem Kontext. Diese und ähnliche Typologien werden im Medien- und Migrationskontext inzwischen vielfach verwendet, nicht zuletzt, weil sie dem Assimilationsmodell und der Idee des „melting pot“ die Idee des Multikulturalismus – auf individueller und gesellschaftlicher Ebene – oder in der gemäßigten Variante die integrativ-pluralistischen Modelle entgegensetzen (Bonfadelli 2007a: 8; Geißler/Pöttker 2005; Caspi et al. 2002; D’Haenens 2007).11 Eine positive Einstellung zum Ankunftskontext kann mit zwei verschiedenen Einstellungsvarianten zum Herkunftskontext verknüpft sein. Ganz im Sinne einer „hybrid identity“ (Thompson 2002) bedeutet die Pflege der Herkunftsidentität und -kultur nicht mehr die Verweigerung sozialer Integration in den neuen Ankunftskontext. Und analog ist eine „geglückte“ soziale Integration in den Ankunftskontext sowohl mit als auch ohne starke Verbindung zur ethnischen Gemeinschaft oder zur Heimatgesellschaft denkbar. Diese Unabhängigkeit der Dimensionen bedeutet einen erheblichen Fortschritt im Vergleich zur Anordnung von Heimat- und Ankunftskontext auf einem Kontinuum und der damit verbundenen Saldierung beider Einstellungs- und Verhaltensweisen. Zusätzlich zu diesen eher grundsätzlichen, begrifflichen und zum Teil historischen Betrachtungen zu den sozialwissenschaftlichen Assimilations-, Integrationsund Akkulturationsvorstellungen werden im Folgenden diejenigen zentralen Dimensionen angesprochen, die für den Gang der theoretischen Systematisierungen 11 Vgl. zum Folgenden auch Trebbe (2007a und b) sowie Abschnitt 2.6.
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und empirischen Analysen von besonderer Bedeutung sind und andernfalls der gewählten kursorischen Darstellung zum Opfer fallen würden. 2.3.3 Sprache und Integration Aus der Sicht der modernen Integrations- bzw. Assimilationsansätze ist Sprache in erster Linie eine Vorbedingung für einen (erfolgreichen) Integrationsprozess. Systematisch betrachtet gehört sie „zur kulturellen Dimension der sozialen Integration von Migranten“ (H. Esser 2006: 52) und zeitlich demzufolge in die Akkulturationsphase des Assimilationsprozesses. So fokussiert sich der Blick einerseits auf die Funktionen von Sprache und in der Folge auf den Verlauf und die Folgen des Spracherwerbs. Esser sieht in diesem Zusammenhang vor allem drei Funktionen der Sprache im Migrationsprozess: (1) Sie ist eine wichtige Ressource, die Bildung ermöglicht und Chancen auf dem Arbeitsmarkt bietet. (2) Sprache fungiert als Symbol und Distinktionsmittel für die Aktivierung von Stereotypen und Diskriminierungen und ist (3) ein Verständigungsmedium im sozialen Interaktionsprozess (H. Esser 2006: 56). Abbildung 3: Sprache und Integration (H. Esser 2006: 57)
Voraussetzungen bzw. Einflussgrößen auf den (Zweit-)Spracherwerb sind dabei u.a. die unterschiedlichen sozialen Kontexte (Herkunft, Aufnahme, ethnischer Kontext), wobei auffällig ist, dass in den meisten Modellen zum Spracherwerb keine Rück-
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kopplungen etwa zwischen Spracherwerb und Sprachgebrauch im Ankunftsland modelliert werden (Abb. 3). Die Einflussgrößen auf der linken Seite des Modells („Aufnahmekontext“) sind ja – zumindest empirisch – nicht sehr weit von den erklärten Dimensionen auf der rechten Seite des Modells (strukturelle Integration, etwa in den „Arbeitsmarkt“) entfernt. Sprachgebrauch als Indikator für den Integrationsstatus und (Rück-)Wirkungsinstanz auf den Spracherwerb und den gesamten Assimilationsprozess wird in diesen Modellen kaum berücksichtigt. Der Zusammenhang zwischen Sprachkompetenz und Massenmedien liegt auf der Hand. Subervi-Velez (1986) stellt die Bedeutung der Sprache für die Nutzung der Massenmedien der Mehrheitsgesellschaft („dominant society“) dar. Sprachkenntnisse erhöhen die Wahrscheinlichkeit der Medienzuwendung und -nutzung. Sprache ist neben und unterhalb der nationalen und transnationalen Ebene eine identitätsstiftende Variable, die u.a. den Zugang zur Öffentlichkeit und öffentlichen Debatte im Habermas’schen Sinne entscheidend mitbestimmt (Cormack 1998: 4344; Madianou 2005: 536; Nagel 2001). 2.3.4 Soziale Interaktion, Ethnizität und ethnische Gemeinschaften Soziale Interaktion ist ein Indikator für den Status des individuellen Eingliederungsprozesses. Natürlich sind Kontakte mit der Ankunftsgesellschaft in bestimmtem Umfang unvermeidbar. Schon in den ersten Assimilationsmodellen geht man davon aus, dass dieser zwangsläufige Kontakt der Ausgangspunkt für den Beginn der Akkulturation ist. Die Bewegung in der Ankunftsgesellschaft, die Konfrontation mit Sprache, Moden, Normen und Werten ist nur über Interaktion mit dieser Gesellschaft möglich. Dennoch zeigen die Überlegungen zur Akkommodation, ethnischen Abschottung und auch zur Binnenintegration, wie sie oben angestellt wurden, dass es für den Einzelnen möglich ist, interethnische Kontakte zu minimieren, das heißt sich mehr oder weniger nur in seiner ethnischen Gemeinschaft zu bewegen. Angewandt auf die beschriebenen Akkulturationsformen, gibt es für die individuelle soziale Interaktion zwischen Herkunfts- und Ankunftsgesellschaft genau vier Möglichkeiten: (1) intensive Kontakte und Interaktion in beide Richtungen, (2) und (3) vornehmliche Interaktion in einem der zwei Kontexte und (4) Minimierung der sozialen Kontakte. Ein stärkerer Indikator als Kontakte im Rahmen von Beruf und Freizeit sind in diesem Zusammenhang Eheschließungen zwischen Minderheiten- und Mehrheitskontext. Die Quote interethnischer Ehen ist ein Zeichen für soziale und kollektive Distanz (Sackmann 2004: 240). Hier wird es sozusagen ernst: Akzeptiert und praktiziert das einzelne Individuum sogar familiäre Verknüpfungen zwischen der eigenen ethnischen Gruppe und der Mehrheitsgesellschaft, besteht eine Tendenz zu intraethnischen Ehen oder werden solche Verbindungen vermieden?
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Diese einfache Gegenüberstellung von Minderheit und Mehrheit wird jedoch erschwert, wenn man die Vorstellung zulässt, dass unter Umständen transnationale Verbindungen zwischen den Angehörigen einer ethnischen Herkunftsgruppe stärker sind als das Verbundenheitsgefühl in einem nationalen Kontext. Das Konstrukt, das in Bezug auf „verstreute“ ethnische Minderheiten vor allem in Kontext der Kulturwissenschaften, der Sozialanthropologie und der Cultural Studies häufig auftaucht, ist das der Diaspora, eine Bezeichnung für Vertreter einer gemeinsamen Herkunft und Kultur, die sich in unterschiedlichen Ländern aufhalten und dennoch – über ihre gemeinsame Herkunft hinaus – verbunden fühlen. Sprachgeschichtlich und -historisch stammt das Wort Diaspora aus dem Griechischen „diaspeirein“ und bedeutet „getrennt“ (Cunningham/Sinclair 2000a: 19). Während man von ethnischer Minderheit spricht, wenn der Bezugsrahmen die Ankunftsgesellschaft („host society“) ist (Aksoy/Robins 2003: 369-371), spricht man von Diaspora, wenn es um Bezüge zum Herkunftskontext geht oder von „diasporischen (‚diasporic’) Verbindungen“ mit der zurückgelassenen Gemeinschaft. Eine Literaturübersicht zu diesem Begriff im Migrationskontext geben Cunningham/Sinclair (2000b). Tsagarousianou sieht den Unterschied zwischen ethnischer und Diasporaidentität vor allem in der Bereitschaft und dem Willen eine transnationale Vorstellung und Verbindung zwischen den Mitgliedern einer ethnischen Gemeinschaft aufzubauen (Tsagarousianou 2004: 59). Sreberny (2005: 445) geht davon aus, dass mit dem Konzept der Diaspora der meist auf Nationen beschränkte Bezugsrahmen der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gemeinschaft infrage gestellt wird. Ethnische Minderheiten verfügen heute unter Umständen über keine oder mehrere nationalen Identitäten. Im Zusammenhang mit Diaspora wird auch immer wieder der Begriff der imaginären oder virtuellen Gemeinschaften („imagined communities“) gebraucht, der von Anderson (1983) durch sein gleichnamiges Buch geprägt wurde – gemeint ist damit die Zugehörigkeit zu einer (räumlich entfernten) Gemeinschaft, mit der man sich identifiziert, auch ohne dieses Gemeinschaftsleben zu praktizieren oder zu institutionalisieren. Tsagarousianou (2004: 60) plädiert für eine Übertragung des Konzepts von Nationenperspektive (Anderson) auf die Diasporaperspektive. Rigoni bezeichnet in diesem Zusammenhang das Konzept der Diaspora für ethnische Minderheiten der zweiten, nicht mehr selbst migrierten Generation in Europa als unpassend (Rigoni 2005: 573). Insbesondere die Tatsache, dass die meisten keine Kontakte (mehr) zu ihrem Herkunftsland haben und ihren Aufenthalt nicht als Exil sehen, weil sie zumeist im Ankunftsland geboren sind, führt sie zur Begründung an. Für die vorliegende Untersuchung kann man daraus vor allem lernen, dass die ethnische Gemeinschaft – im Gegensatz zur ethnischen Minderheit – aus zwei bzw. drei unterschiedlichen Kontexten bestehen kann: dem Herkunftsland, dem eigenen Ankunftsland und allen anderen (vorgestellten) Migrationszielen der eigenen ethnischen Gruppe.
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2.3.5 Soziale Orientierung und politische Partizipation Politische Teilhabe am gesellschaftlichen Leben der Ankunftsgesellschaft setzt Informations-, Meinungs- und Willensbildung voraus (Ronneberger 1964; Schulz 1997). Hier treffen sich die aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht formulierten integrativen Funktionen von Massenmedien und die Vorstellung vom gesellschaftlichen Diskurs und von öffentlicher Kommunikation. Die Kontexte, auf die sich die Teilhabe und die daraus folgenden oder sie voraussetzenden Informationsbedürfnisse beziehen, kann man als Akkulturationsstrategien verstehen: Sind sie auf den Ankunfts- oder den Herkunftskontext oder auf beide Kontexte gerichtet? Von den frühen Phasen- und Stufenmodellen bis hin zu den modernen Auffassungen darüber, wie Integrationsprozesse verlaufen, bedeutet die Einmischung in den allgemeinen gesellschaftlichen und politischen Diskurs – besonders wenn sie über die Vertretung der Interessen als ethnische Gruppe hinausgeht – eine Form der Angleichung an den Mehrheitskontext. Aber auch die Wahrnehmung der eigenen Interessen als ethnische Minderheit gegenüber der Mehrheit deutet auf eine andere Akkulturationsstrategie hin als die Abschottung und Abwendung sowie Nichteinmischung in die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen. Zur Erinnerung: Konflikt ist von Beginn an eine relevante Größe in der Assimilationsforschung. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen greifen alle gesellschaftlichen Ansprüche für die an der Öffentlichkeit beteiligten Akteure und sozialen Gruppen wie etwa Repräsentation in und Zugang zur Öffentlichkeit, Thematisierung, Informations- und Meinungsäußerungsfreiheit, die auf den Mehrheitskontext gerichtet sein können, ohne für den Herkunftskontext aufgegeben zu werden. 2.3.6 Massenkommunikation und Mediennutzung Im Gegensatz dazu, dass die Integrationsfunktion der Massenmedien aus sozialer, politischer und individueller Perspektive in der kommunikationswissenschaftlichen Theorie und Empirie einen ausgesprochen hohen Stellenwert hat (Abschnitt 2.1), spielt sie – jedenfalls als expliziter Faktor – in den meisten Assimilations-, Integrations- und Akkulturationsansätzen so gut wie keine Rolle (mehr). Eine Ausnahme stellt die frühe Chicagoer Schule dar mit ihrer originären Verbindung von Gemeinde-, Migrations- und Medienforschung (Abschnitt 2.3.1). Hier werden Medien sowohl als Produkt der kommunalen, ökonomisch getriebenen Entwicklung gesehen als auch als Instrument sozialer Kontrolle und damit auch sozialer Integration. Die modernen handlungs- und lerntheoretischen Assimilationstheorien sind dagegen meistens nicht einmal medienkritisch – Massenmedien und Mediennutzung werden bei der Modellierung der Assimilationsprozesse so gut wie gar nicht berücksichtigt. Kommunikation und Sprache sind zwar häufig und oft pauschal aufgeführt, wenn es um die gesellschaftliche Interaktion ethnischer Minderheiten mit der
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Mehrheitsgesellschaft geht, meistens jedoch im Sinne der Gleichsetzung: Sprachgebrauch ist individuelle Interaktion ist Kommunikation. H. Esser (2000) bildet in diesem Fall eine Ausnahme. Er beschäftigt sich explizit mit der Rolle der Massenmedien – allerdings räumt er ihnen so gut wie keine Chance ein, im Prozess der Integration von Ausländern und ethnischen Minderheiten eine effektive Rolle zu spielen (H. Esser 2000: 36). Aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht kann man so einerseits eine systematische und ungerechtfertigte Unterschätzung der Rolle der Massenmedien in den soziologischen Assimilations- und Integrationstheorien konstatieren. Andererseits werden vielfach pauschale Medienbezüge und Wirkungsannahmen getroffen, ohne den entsprechenden kommunikationswissenschaftlichen Forschungsstand zu berücksichtigen – etwa wenn es um die Entwicklung von Fremdenfeindlichkeit oder soziale Abschottung von Migranten geht (Butterwegge 2006). Abschnitt 2.6 wird sich deshalb mit diesem Forschungsstand befassen – und dies nicht nur aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht.
2.4 Zwischenfazit In dieser Untersuchung geht es um die Seite des Migrations- und Eingliederungsprozesses, die sich auf Migranten und Angehörige ethnischer Minderheiten als Akteure im Sinne sozial Handelnder bezieht. Die soziale Integration dieser Akteure in der Ankunftsgesellschaft und ihre Einstellung zum Herkunftskontext sind die zwei zentralen Dimensionen dieses Anpassungsprozesses, die im Folgenden im Zusammenhang mit den Funktionen, Leistungen und Wirkungen von Massenmedien in den Blick genommen werden sollen. Konzeptionell wird dies vor dem Hintergrund des Akkulturationsansatzes von Berry geschehen, der auf viele verschiedene Dimensionen im Mehrheiten-/Minderheitenkontext angewendet werden kann. Die Einstellungen, Kognitionen und Interaktionen von Migranten oder Angehörigen ethnischer Minderheiten können sich dieser Konzeption folgend theoretisch unabhängig und damit auch unterschiedlich auf beide Kontexte beziehen. Aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht ist besonders die historische Entwicklung der Assimilationstheorien aufschlussreich. Zu Beginn der sozialwissenschaftlichen Beschäftigung mit diesen Prozessen – im boomenden Chicago Anfang des 20. Jahrhunderts – waren alle drei für diese Untersuchung relevanten Theorie- und Forschungsperspektiven eng miteinander verknüpft: die soziale Integration (vornehmlich auf lokaler Ebene), die politischen und sozialen Funktionen der Presse in den Gemeinden und – da es sich vielfach um Gemeinden mit hohen Einwandererzahlen handelte – die Eingliederung von Migranten in lokale Gemeinschaften. Das lag damals vor allem an der zeitlichen Koinzidenz dreier Entwicklungen: der Verbreitung der (ethnischen) Massenpresse in den USA, der Explosion der
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Einwohnerzahlen durch die europäischen Einwanderer und der Entwicklung der modernen, empirisch orientierten Sozialwissenschaften. Heute sind diese Assimilationstheorien erheblich weiterentwickelt, weniger deterministisch und – und das ist das Verblüffende – fast vollständig ohne massenmedialen Bezugsrahmen oder wenigstens die explizite Berücksichtigung der modernen Massenmedien als relevante Komponenten in sozialen Integrations- und Akkulturationsprozessen. Lediglich wenn es darum geht, die heutigen Migrationsströme und ethnischen Minderheiten zu beschreiben, werden Medien thematisiert – sie vereinfachen die Kommunikation mit dem Herkunftskontext und die Vernetzung ethnischer Gemeinschaften untereinander innerhalb und unabhängig von nationalen und geografischen Grenzen. Als Integrationsinstanz, als Einfluss nehmende Komponente im sozialen Eingliederungsprozess sind sie in der soziologischen Theorie und Empire – mit einigen in den nächsten Abschnitten noch näher zu behandelnden Ausnahmen – kaum vorhanden. Man kann sogar noch weiter gehen und feststellen, dass ihnen zum Teil die Bedeutung in diesen Prozessen explizit abgesprochen wird. Dieser Befund steht in deutlichem Widerspruch (1) zur kommunikationswissenschaftlichen Sicht auf die Funktionen von Massenmedien für die moderne Öffentlichkeit und moderne Gesellschaften und (2) zu politisch diskutierten Dysfunktionen ethnischer Mediennutzung von Migranten (das „Mediengetto“). Funktional und vor allem auf einer sozialwissenschaftlichen Makroebene betrachtet sind Massenmedien konstituierend für Gesellschaften und ihre Integration, sie lassen sich aus sozialen Interaktions-, Konflikt- und Aushandlungsprozessen als Vermittlungs- und Thematisierungsinstanz nicht wegdenken. Darüber hinaus – aber das soll an dieser Stelle nicht vertieft werden – wird gerade im öffentlichen Diskurs die Rolle der Medien pauschal als stark und mächtig in negativer Hinsicht (Diskriminierung, Stereotypen, Mediengetto) und positiver Hinsicht (Kulturinstanz, Normvermittlung, Sozialisation) beschrieben. Aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht werden diese Theoriedesiderate und Forschungsperspektiven in den folgenden Abschnitten und in Kapitel 3 genauer in den Blick genommen.
2.5 Die Repräsentation ethnischer Minderheiten in den Medien Forschungsarbeiten, insbesondere Inhaltsanalysen zur Darstellung von Migranten in den Medien, sind keine Mangelware mehr. Selbst Forschungssynopsen und Überblickswerke für den deutschsprachigen Raum sind inzwischen vielfach vorhanden (Bonfadelli 2007b; Müller 2005a; Ruhrmann/Demren 2000). Diesen Forschungsübersichten soll hier keine weitere hinzugefügt werden. Vielmehr soll eine Systematik der theoretischen Grundlagen im Hinblick auf ihre kommunikationswissenschaftliche Bedeutung entwickelt werden, um zu einem grundlegenden Verständnis der Thematisierungs-, Darstellungs- und Repräsentationsmechanismen zu gelangen.
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Dabei soll – stärker als bisher – auch die internationale und interdisziplinäre Forschung mit einbezogen werden. Diese Systematisierungen sollen dann in Kapitel 3 dazu dienen, den Forschungsstand zu strukturieren und die vielfältigen Befunde zur Darstellung ethnischer Minderheiten in den Medien für eine Gegenüberstellung mit den Rezeptionserfahrungen der Angehörigen einer ethnischen Minderheit aufzubereiten (Abschnitt 3.1).12 Bonfadelli benennt in einem aktuellen Überblick als wichtigen quantitativen Kernbefund bisheriger Studien die Marginalisierung bzw. grundsätzlich geringe Repräsentanz der Migranten in den Massenmedien (Bonfadelli 2007b: 103). Darüber hinaus sei durch viele der inhaltsanalytischen Studien eine Stereotypisierung und ein Muster der „Negativ-Tendenz“ (ebd.: 104, Hervorhebung im Original) innerhalb der Darstellung von Migranten erkennbar. Was mit dieser Negativ-Tendenz gemeint ist, fassen Ruhrmann et al. – ebenfalls in einer aktuellen Übersicht – durch neun relevante Befunde aus bisherigen Inhaltsanalysen der Berichterstattung über Migranten zusammen (Ruhrmann et al. 2006: 48-49): (1) Migranten werden häufig als kriminell dargestellt. (2) Bestimmte Nationalitäten und gesellschaftliche Rollen sind überrepräsentiert und führen zu einem negativen Image der Migranten. (3) Migranten sind meist passive Objekte der Berichterstattung, sie kommen selbst nicht zu Wort. (4) Positives Verhalten wird als Ausnahme, negatives Verhalten als (abstrakte) Regel dargestellt. (5) Es dominieren die Nachrichtenfaktoren Negativismus, Kontroverse, Aggression und Schaden. Die Berichterstattung ist durch Sensationalismus und Emotionalisierung geprägt. (6) Es wird zwischen erwünschten und unerwünschten Migranten unterschieden. (7) Ausländer werden als einflusslos dargestellt. (8) Konflikte mit (und ohne) Beteiligung von Ausländern werden häufig auch bildlich gezeigt. (9) Es kommt zu Framingeffekten im Hinblick auf journalistische Erwartungen im Zusammenhang mit Schlüsselereignissen wie etwa rechtsradikale Gewalt oder Wahlerfolge. Journalisten richten sich nach Meinungsführermedien. Die Liste zeigt, wie disparat – um nicht zu sagen unverbunden – die Forschungsergebnisse zur Berichterstattung über Migranten nebeneinanderstehen. Die Resultate werden den unterschiedlichsten Theoriekomplexen zugeordnet: Nachrichtenwertund News-Bias-Forschung, Agenda Setting und Framing sowie die Hypothese vom Zweistufenfluss der Kommunikation werden auf das Verhalten der Journalisten, auf 12 Dabei wird es sich nicht ganz vermeiden lassen, auch in diesem Abschnitt auf empirische Forschungsergebnisse einzugehen. Soweit wie möglich soll jedoch auf die Darstellung konkreter Befunde verzichtet werden, ggf. werden entsprechende Hinweise auf Textstellen in Abschnitt 3.1 gegeben.
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Medieninhalte und die Publika dieser Inhalte angewandt. Dies geschieht jedoch in der Literatur meist ex post. Der größte Teil der genannten Befunde scheint mehr oder weniger das Ergebnis rein deskriptiver Inhaltsanalysen von Medieninhalten zum Gesamtkomplex Ausländer, Migration und ethnische Minderheiten zu sein. Ein weiteres signifikantes Element dieser Medieninhaltsforschung findet sich sowohl in den einschlägigen Synopsen als auch in den einzelnen Beiträgen zu diesem Themenkomplex: Fast alle Befunde werden mit mehr oder weniger expliziten Wirkungsannahmen verbunden. Man findet diese sowohl in den frühen Studien (Merten 1987: 76-78) als auch in neueren Forschungsbeiträgen zum Thema (Ter Wal 2004: 8; Ruhrmann et al. 2006: 66-68). Diese Wirkungsannahmen betreffen zum einen die (normative) Integrationsfunktion der Medien bzw. – im negativen Fall – die gesellschaftliche Ausgrenzung von Migranten und reichen zum anderen von der oben genannten massenmedialen Thematisierungsfunktion sozialer Probleme bis zum Vorwurf der Initialisierung oder Verstärkung von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus (Überblick: Bonfadelli 2007b: 95-96). Auch in der amerikanischen Literatur werden viele Untersuchungsergebnisse mit Überlegungen zu potenziellen Effekten der Thematisierung von Minderheiten verbunden (Greenberg et al. 2002: 334, 347) – meistens spekulativ, auch wenn die genannten Autoren in ihrem Überblick über einige Befragungen und Experimente berichten können, in denen die Wirkung unterschiedlicher Darstellungen von Schwarzen und Weißen untersucht wurde (ebd.: 343-345). 2.5.1 Thematisierung, Marginalisierung, Problematisierung Aus theoretischer Sicht kann man fragen, warum eine mangelnde, marginalisierte und wenn dann problematisierende Darstellung ethnischer Minderheiten eigentlich ein Defizit darstellt. Insbesondere im Hinblick auf die Integration dieser Gruppe. Im Grundsatz wurde diese Frage bereits im Abschnitt zur Integrationsfunktion der Massenmedien (Abschnitt 2.2) besprochen. Im Zusammenhang mit der Analyse und Beschreibung der medialen Darstellung ethnischer Minderheiten kommen aber zu den – meist normativ formulierten – Integrations- und Partizipationsfunktionen der Massenmedien einige zusätzliche Aspekte hinzu, die vor allem die Konstitution von Öffentlichkeit und die Realitätskonstruktion durch Massenmedien betreffen. Diese sollen hier kurz aufgegriffen werden. Unter öffentlichkeitstheoretischen Gesichtspunkten spielt Repräsentation für die gesellschaftlichen Akteure eine gewichtige Rolle, um am öffentlichen Diskurs teilzunehmen (Schulz 1997; Ronneberger 1985; Maletzke 1980). Sowohl im repräsentativen Modell als auch im partizipatorischen Modell von Öffentlichkeiten wird erwartet, dass gesellschaftliche Gruppen selbst bzw. ihre Vertreter am öffentlichen Diskurs teilnehmen (können), um so Teil einer gesellschaftlichen Realität zu werden (Peters 2002: 24). Diese Perspektive kann in einem ersten Schritt dazu dienen, akti-
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ve von passiver Teilhabe am Mediendiskurs zu trennen. Mit anderen Worten: Partizipation am öffentlichen Leben und damit auch Integration setzen voraus, dass man nicht nur Gegenstand journalistischer Berichterstattung bzw. Objekt des öffentlichen Diskurses ist, sondern ihn mit gestalten kann. Insofern ist das „zu Wort kommen“ ethnischer Minderheiten integrativ und identitätsstiftend, und zwar nicht nur für diese gesellschaftliche Teilgruppe, sondern auch für die Mehrheit und die Gesellschaft als Ganzes (Jarren 2000). Zieht man – stärker auf den eigentlichen Kommunikationsprozess fokussiert – zusätzlich noch die Agenda-Setting-Funktion von Medien in Betracht, wie es in der Debatte um die Darstellung ethnischer Minderheiten häufig geschieht (Bonfadelli 2007b: 95), kann man in einem zweiten Schritt zwischen Teilnahme am Kommunikationsprozess und Problematisierung differenzieren. Der ursprünglich auf die politische Tagesordnung bezogene Ansatz der Agenda-Setting-These bezieht sich explizit auf „campaign issues“ (McCombs/Shaw 1972: 177), also Themen und Probleme, über die die Medien in Wahlkampfzeiten berichten und die von Wählern analog zu den Medien als relevant eingestuft werden. Neben dem – schwer zu übersetzenden – Issue-Begriff macht vor allem die Operationalisierung der ThemenAgenda in der Publikumsbefragung deutlich, was hier auf die Tagesordnung der Medien bzw. des Publikums gelangt:13 Es geht um gesellschaftliche Probleme („major problems“, McCombs/Shaw 1972: 178), die im Rahmen der entsprechenden Kampagnen thematisiert wurden. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen ist es relativ einfach, eine Hierarchie der Repräsentation bzw. Thematisierung aufzustellen und zu begründen: (1) Auf der ersten Stufe einer solchen Hierarchie steht die Thematisierung, das Vorhandensein in den Medien überhaupt. Soziale Gruppen und damit auch ethnische Minderheiten, die nicht oder kaum in den Medien repräsentiert sind, sind nicht Bestandteil der gesellschaftlichen Realität – unabhängig von positiver oder negativer Bewertung (Marginalisierung). (2) Auf der zweiten Stufe folgt die Repräsentation auf der medialen Tagesordnung. Als „issue“ wird die Gruppe bzw. ihr Verhältnis zur Mehrheit als wichtiges, gesellschaftliches Problem thematisiert (Problematisierung). Framing und stereotype Darstellung, Negativismus und Kriminalitätssyndrome sind ebenfalls auf dieser Stufe zu verorten. (3) Die dritte Stufe ist dann schließlich die aktive Teilnahme am massenmedial geführten gesellschaftlichen Diskurs als Sprecher oder Akteur, die selbst zu Wort kommen. Auf dieser Stufe wird man zusätzlich zwischen Akteuren unterscheiden müssen, die sich (ausschließlich) am Migrations-/Integrationsdiskurs beteiligen (dürfen), und solchen, die – quasi als Angehörige einer ethnischen Min-
13 Eine Übersicht zum Issue-Begriff findet sich bei Eichhorn (2005: 8-9).
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derheit nicht mehr erkennbar – in anderen Handlungs- und Akteursrollen des alltäglichen (Zusammen-)Lebens zu Wort kommen. Die Durchsicht der Befunde in Abschnitt 3.1 wird zeigen, auf welchen Stufen die Defizite der Darstellung und Thematisierung ethnischer Minderheiten zu verorten sind. Hier wird auch zu klären sein, inwieweit forschungskonzeptionelle und methodische Implikationen, etwa bei der Identifikation der Untersuchungseinheiten in Inhaltsanalysen, auf den drei beschriebenen Stufen zu Artefakten führen können. Insbesondere die dritte Stufe scheint – jedenfalls aus theoretischer Sicht – ohne die Anwendung ethnischer Stereotype durch den Forschenden selbst schwer identifizierbar und analytisch rekonstruierbar zu sein. 2.5.2 Stereotypen Einer der immer wiederkehrenden und meist an erster Stelle genannten Befunde in der Forschungsliteratur betrifft das Bild der Ausländer im engeren Sinne des Wortes. In der oben genannten Aufzählung von Ruhrmann et al. (2006) ist in diesem Zusammenhang von Image die Rede. Häufiger noch trifft man auf den Vorwurf der Verwendung von Stereotypen, der stereotypen Darstellung oder auch der Stereotypisierung im Zusammenhang mit ethnischen Minderheiten in den Medien (Bonfadelli 2007b: 95; Ter Wal 2002: 49). Dabei ist der Gebrauch dieses ursprünglich sozialpsychologischen Konzepts in den seltensten Fällen theoretisch elaboriert oder abgeleitet. Sehr viele Autoren verwenden den Begriff im gleichen Atemzug mit einer negativen, diskriminierenden und verzerrenden Darstellung von ethnischen Minderheiten in den Medien (z. B. D’Haenens/Bink, 2007; Ter Wal et al. 2005; Sreberny 2005; Fleras 1995; Davis/Gandy 1999). Diese Kritik der Unschärfe und der undifferenzierten Verwendung trifft – zumindest aus sozialpsychologischer Sicht – auf das gesamte Stereotypenkonzept zu. Es ist durch „Aufsplitterung“ und „Uneinheitlichkeit“ gekennzeichnet (Lilli 1982: 6). Im Kontext der Thematisierung ethnischer Minderheiten beklagt Pickering (1995) die weite Verbreitung eines einseitig negativ konnotierten Stereotypenbegriffs. Bei Lippmann (1922) hat das Konzept nämlich ursprünglich zwei Seiten: erstens die verfälschte und unangebrachte Vereinfachung sozialer Realität und zweitens die notwendige Reduktion komplexer Realität durch Kategorisierung. Die zweite Begriffskomponente sei vor allem in der Kommunikationsforschung nach dem Zweiten Weltkrieg mehr oder weniger verloren gegangen (Pickering 1995: 694). Die Kritik führt zum Kern des Problems: Was ist aber im Zusammenhang mit der Repräsentation ethnischer Minderheiten mit dem Befund oder besser dem Vorwurf der Stereotypisierung genau gemeint? Sieht man einmal von einer einfachen sprachlichen Ungenauigkeit ab, die zu einer begrifflichen Gleichsetzung von
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Stereotypen mit negativen Stereotypen führt, geht es bei diesem Konzept im Prinzip um ein zweistufiges Phänomen der Informationsselektion. Nicht umsonst wird Lippmann immer wieder als Vorläufer einer Nachrichtenwerttheorie genannt, die sich mit der voreingenommenen Wahrnehmung und Auswahl von Ereignissen und der Betonung von Eigenschaften dieser Ereignisse durch Journalisten beschäftigt (Eilders 1997: 19-20; Staab 1990: 40). Die erste Stufe dieses Phänomens wäre demnach die oben genannte zweite Komponente des Lippmann’schen Stereotypenbegriffs, nämlich die Selektion bestimmter Eigenschaften, das heißt das passive Weglassen bzw. aktive Auswählen bestimmter Komponenten einer in ihrer Ganzheit grundsätzlich nicht verarbeitbaren Realität. Die zweite Stufe wäre dann erst die quasi nicht maßstabsgerechte Informationsreduktion, die mit dem Begriff der Verzerrung oder Überbetonung negativer Stereotypen belegt würde. Mit Allport (1954) kann man die wertende Komponente des Stereotyps auch als Vorurteil bezeichnen, wobei damit noch nicht die Bewertungsrichtung des Stereotyps oder des Vorurteils beschrieben ist. Beide sind in positiver und negativer Form möglich. Angeprangert wird hier vielmehr die Stereotypisierung als Verallgemeinerung, das heißt die Verbindung einer individuellen, als gut oder schlecht bewerteten Eigenschaft mit der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe. In der sozialpsychologischen Literatur werden meist die frühen Studien von Katz und Braly (1933, 1935) für die Gleichsetzung von Stereotyp und Vorurteil verantwortlich gemacht (Ganter 1997: 6). Diese Unschärfe hat sich in der Forschung zum Ausländer- und Migrantenbild bis heute gehalten. Die wertfreie bzw. für den Informationsverarbeitungsprozess notwendige Komponente des Lippmann’schen Stereotypenbegriffs kann man mit dem Begriff der „Kategorisierung“ (Lilli 1982: 9) in Verbindung bringen, also etwa die reine Identifizierung von Individuen und Gruppen als Angehörige eines bestimmten sozialen Segments. Dies geschieht im Zusammenhang mit ethnischen Minderheiten vor allem durch die Bezeichnung/Benennung des Migrationskontextes oder der ethnischen Herkunft einer Person. Im Hinblick auf die Thematisierung von ethnischen Minderheiten kann das auch bedeuten, dass Migranten aus einer bestimmten Region immer mit bestimmten Eigenschaften und Verhaltensweisen in Verbindung gebracht werden, ohne jedoch negativ (oder positiv) konnotiert oder bewertet zu werden; so etwa die Darstellung von Asiaten in Verbindung mit bestimmten, immer gleichen Lebensmitteln in der Werbung (Bang/Reece 2003: 46-47). Erst im zweiten Schritt kann dann von „Negativ-Syndromen“ (Merten 1987: 74) gesprochen werden. Dann nämlich, wenn diese Auswahl von Eigenschaften und Verhaltensweisen vorwiegend negativ ist oder im Kontext von Problematisierungen oder Kriminalität ausgewählt und (überbetont) werden, etwa bei der Berichterstattung über Sinti und Roma (Ter Wal 2004: 16). In den meisten Studien und Forschungsberichten bleibt jedoch offen, welches Verständnis von Stereotypisierung dem inhaltsanalytischen Befund zugrunde liegt.
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Ist damit schon (1) die reine Vereinfachung bzw. Klassifizierung als Angehöriger einer ethnischen Gruppe gemeint oder geht es (2) um die Verbindung mit präjudizierten Eigenschaften, unabhängig davon, ob diese positiv oder negativ sind, oder ist es schließlich (3) die Verbindung von ethnischer Gruppe und negativem (Rollen-)Verhalten bzw. negativen individuellen Eigenschaften?14 Die Begriffe Image und Stereotyp werden im Zusammenhang mit der Repräsentation von ethnischen Minderheiten häufig synonym gebraucht (Ruhrmann et al. 2006: 48), wobei Image sich traditionell stärker auf (bildliche) Komponenten des Medieninhalts bezieht, während sich der Stereotypenbegriff stärker auf die Rezeption und Perzeption des Medienpublikums bezieht und deshalb auch stärker mit Annahmen zur Wirkung der Berichterstattung verknüpft ist. Typische, stereotype Handlungsrollen, die ethnischen Minderheiten zugewiesen werden, sind etwa der schwarze Hausdiener, der indianische Kämpfer oder der hinterlistige Araber (Downing/Husband 2005: 32). Darüber hinaus kann man feststellen, dass Stereotype zwischen Mehrheiten und Minderheiten (hier: Weiße und Farbige) vor allem in einer Richtung wissenschaftlich thematisiert wurden – Stereotypen von Mehrheiten über Minderheiten dominieren die wissenschaftliche und politische Diskussion, obwohl natürlich sowohl Stereotypen existieren, die sich auf Mehrheiten (z. B. die weiße Führungskraft) beziehen als auch auf stereotype Zuschreibungen zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen (ebd.: 33). Insbesondere diese letzte, gegenseitige Stereotypisierung bei der „Intergruppenwahrnehmung“ (Tajfel 1982) ethnischer Minderheiten wird bei der Analyse der medialen Repräsentanz durch die Dominanz der Mehrheiten/Minderheiten-Perspektive kaum berücksichtigt (Downing/ Husband 2005: 35). Unabhängig von dieser Kritik halten Downing/Husband vier weitere Eigenschaften von Stereotypen im Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Wahrnehmung von Minderheiten fest (ebd.: 33-34): Erstens – und damit decken sie sich mit der Grundidee von Lippmann – sind Stereotypen ein Teil eines komplexeren Reduktionsprozesses, den Menschen brauchen, um eine komplexe Realität zu verarbeiten. Zweitens konstatieren sie ein starkes Veränderungspotenzial der Stereotypen über die Zeit. So haben sich etwa Stereotype, die die irische Minderheit in den USA betrafen, so gut wie aufgelöst bzw. zugunsten „weißer“ Stereotype verschoben. Drittens sind Stereotype nicht reine Fiktion, sondern beinhalten selektive Elemente sozialer Realität. Da es sich ja um Reduktionen handelt, sind diese reduzierten Elemente immer auch ein Teil der Gesamtheit der Eigenschaften einer sozialen Gruppe. Viertens schließlich überschneiden sich verschiedene Stereotypen sehr stark. Die Autoren nennen als Beispiel die häufige Kombination von „rassischen“ und geschlechtlichen Stereotypen oder auch die Überschneidung dieser zwei mit der Zuweisung von Stereotypen zu einer sozialen Klasse. 14 Für eine ähnliche Systematik vgl. auch Lilli (1982: 8-9).
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Auch wenn das Konzept insgesamt gesehen widersprüchlich und nicht klar konturiert ist, so scheint es doch ein relevantes Element für die gesellschaftliche Beschreibung von ethnischen Minderheiten zu sein (ebd.: 35). Aus der Perspektive der Cultural Studies wird das Stereotypen-Konzept als zu statisch und limitiert kritisiert, um die Feinheiten des Mediendiskurses über Migranten und ethnische Minderheiten abzudecken (Cottle 2000b: 12). Insbesondere die Gleichsetzung von individuellen Informationsverarbeitungsprozessen mit der sozialen Wahrnehmung von Gruppen und die unterschiedlichen normativen Ansprüche an die Darstellung von ethnischen Gruppen in den Medien (positiv vs. realistisch) werden in diesem Zusammenhang problematisiert. Darüber hinaus sei das Konzept nicht differenziert genug, um zwischen der Bedeutung von Begriffen und der Interpretation dieser Begriffe durch ein Medienpublikum unterscheiden zu können sowie die Komplexität medialer Texte und Bedeutungen überhaupt zu erfassen. Hinzu kommt in diesem Zusammenhang noch eine methodologische Kritik der häufig rein quantitativen Erfassung von Stereotypen im Diskurs um ethnische Minderheiten, die zu einer Verflachung der textimmanenten Bedeutungen medialer Botschaften führe (ebd.). Geht es um die stereotype Darstellung ethnischer Minderheiten in den Medien, muss man also genauer hinsehen, welche Dimension des Konzepts genau operationalisiert wurde. Vermutlich ist es an dieser Stelle auch zweckmäßig, das Negativismus-Syndrom vom Stereotyp abzutrennen und sich zunächst darauf zu konzentrieren, ob (1) eine reine Kategorisierung inhaltsanalytisch identifiziert wird oder (2) wiederholt bestimmt Handlungsmuster oder Rollenzuweisungen beschrieben werden oder ob (3) individuelle Eigenschaften der gesamten (ethnischen) Gruppe (als Verallgemeinerung) zugeschrieben werden. 2.5.3 Framing In einer Rezension zu dem gleichnamigen Buch von Dahinden (2006) schreibt Brosius über Framing: „Framing ist zurzeit vielleicht das Modewort in der Kommunikationswissenschaft, in der deutschen womöglich noch etwas weniger, in der amerikanischen aber allemal.“ (Brosius 2007: 95, Hervorhebung im Original). Der Befund lässt sich ohne Weiteres auf die Debatte über die Repräsentation von Migranten und/oder ethnischen Minderheiten übertragen. Framing ist eines der am meisten bemühten Konzepte, wenn es um die Beschreibung der Berichterstattung über Ausländer, Migranten oder ethnische Minderheiten geht. Das Konzept geht auf ein Buch des Soziologen Goffman („Frame analysis“) zurück, der damit Interpretationsmuster und -strukturen für soziale Phänomene beschreibt (Goffman 1974). Dahinden selbst liefert eine theoretisch orientierte Definition, die vor allem auf begrifflichen Abgrenzungen zu verschiedenen verwandten Konstrukten (Schema, Thema etc.) beruht. Hilfreich sind vor allem die Funktionen, die Frames als
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Deutungsmustern zugeschrieben werden, nämlich Informationsstrukturierung, Komplexitätsreduktion und Selektionssteuerung (Dahinden 2006: 193-194). Im Gegensatz zu Dahinden, der in seinem Definitionsversuch gerade die Stereotypen nicht erwähnt, werden in der migrationsbezogenen Inhaltsforschung Frames und Framingeffekte nicht nur im Zusammenhang mit den beschriebenen Stereotypen besonders häufig aufgeführt, sondern zum Teil sogar kausal verknüpft. Das Spektrum reicht von der „Stereotypisierung aufgrund von Medienframes“ (Bonfadelli 2007b: 98) bis zum Framing als notwendige Voraussetzung für eine stereotype Darstellung, von der die meisten ethnischen Gruppen aufgrund mangelnder Thematisierung gar nicht betroffen sind. Framing wird insbesondere aus der letztgenannten Perspektive stark mit dem Image-Begriff verbunden und wörtlich genommen. Wer nicht Teil des Bildes ist, nicht im Rahmen der Berichterstattung auftaucht, kann auch nicht Opfer einer stereotypen Darstellung werden (Downing/ Husband 2005: 37). De Vreese (2005) beschreibt insbesondere das Dilemma zwischen engen und breiten Framingdefinitionen in Verbindung mit der Verwendung des Begriffs in verschiedenen Disziplinen. Im Gegensatz zu Dahinden etwa, der für seine differenzierte Definition von Framing etwas mehr als eine Buchseite braucht (Dahinden 2006: 193-195), definiert De Vreese Framing als „an emphasis in salience of different aspects of a topic“ (De Vreese 2005: 53). Da er hier nicht Begriffe wie „issue“ oder „Problem“ benutzt, erlaubt diese Definition zumindest auch eine neutrale Auffassung von Frames ohne immanentes Bewertungs- oder Problematisierungselement. Hinzu kommt bei ihm eine nützliche Systematisierung der einschlägigen kommunikationswissenschaftlichen Literatur nach themenspezifischen und themenunspezifischen Frames.15 Das ist eine Unterscheidung, die bei der Durchsicht des Forschungsstandes zur Repräsentation ethnischer Minderheiten in Abschnitt 3.1 berücksichtigt wird. Die Frage, ob migrationsspezifische oder speziell auf ethnische Minderheiten bezogene mediale Frames identifizierbar sind oder ob hier die alltäglichen Thematisierungs- und Prononcierungsmechanismen ablaufen, wird für die Beschreibung von Defiziten bedeutsam sein. In der migrationsbezogenen Literatur wird Framing häufig – auch im wissenschaftlichen Kontext – umgangssprachlich gebraucht, um alle möglichen thematischen Detailaspekte des Themas zu beschreiben wie etwa die Erschleichung von Sozialleistungen durch Asylbewerber (Ter Wal 2002: 44). Im Prinzip kann damit jede Art von Bezugsrahmen gemeint sein, in dem von ethnischen Minderheiten die Rede ist. „Echte“ Framingstudien, das heißt solche, die theoretisch in diesem Ansatz verankert sind, sind im Kontext der Repräsentation ethnischer Minderheiten 15 Bei dieser Unterscheidung benutzt er im englischen Originaltext dann allerdings „issue-specific“ vs. „generic news frames“, was im Hinblick auf die Interpretation des Begriffs „topic“ als wertneutral oder nicht problembehaftet zumindest widersprüchlich ist.
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dagegen Mangelware. Eine Ausnahme bildet die Studie von D’Haenens/De Lange (2001), die explizit die fünf häufigsten Nachrichtenframes der Politikberichterstattung in der Presse (Semetko/Valkenburg 2000) für die Darstellung von Asylsuchenden in niederländischen Tageszeitungen inhaltsanalytisch identifizieren und untersuchen. Begriffe wie Konflikt, Human Interest, Moralisierung, Verantwortung und ökonomische Konsequenzen zeigen die Reichweite bzw. Komplexität solcher Frames. Das zentrale Element, das das Stereotypenkonzept mit dem Framingansatz verbindet, ist das der Selektivität. Framing im Sinne der Bereitstellung eines Bezugsrahmens bedeutet Realitätsaspekte zu selektieren und ihnen mehr oder weniger Aufmerksamkeit zu verschaffen (Entman 1993: 52). Diese Beschreibung kommt der oben als Kategorisierung bezeichneten Stereotypendimension sehr nahe. Negativ sind Frames dabei a priori nicht, was an den genannten Nachrichtenframes der politischen Berichterstattung ganz gut deutlich wird. Selbst die normativen Bezugsrahmen wie „Moralisierung“ oder „Verantwortung“ können – müssen aber nicht, positive und/oder negative Bewertungsdimensionen enthalten. Im Übrigen sind auch im ursprünglichen Konzept Frames und Stereotypen kausal verbunden – allerdings genau anders herum, wie oben beschreiben. Nach Entman (1993: 52) manifestieren sich Frames unter anderem durch die An- oder Abwesenheit stereotyper Bilder („images“). Stereotypen sind nach diesem Verständnis für den Aufbau und die Gestaltung von Frames ursächlich. Für die Analyse der Berichterstattung über ethnische Minderheiten kann man ohnehin eine ähnliche Schlussfolgerung wie im Fall der Stereotypen ziehen: Der „Vorwurf“ des Framing ist für sich genommen zu unspezifisch, denn er ist Teil des journalistischen Alltagsgeschäftes. Framing bedeutet auf der Ebene journalistischer Produkte zunächst nur die Selektion bzw. Hervorhebung bestimmter thematischer Aspekte, die ggf. negativ konnotiert, ständig wiederholt oder instrumentalisiert werden können und erst dadurch zu einem „Manko“ oder „Syndrom“ der Berichterstattung werden. Wird auf die Wirkung des Framings ethnischer Minderheiten Bezug genommen, so werden in der Literatur im Wesentlichen zwei Effektgruppen genannt. Erstens die Übernahme der Frames durch die Angehörigen der Mehrheitsgesellschaften im Sinne von kognitiven Agenda-Setting-Effekten (D’Haenens/De Lange 2001: 849-850) und zweitens die Nutzung und Produktion ethnischer Minderheitenmedien durch die Betroffenen, um wieder „Teil des Bildes“ bzw. „im Rahmen zu sein“ (Downing/Husband 2005: 37). Vieles, was auf der theoretischen Ebene für das Stereotypenkonzept gilt, kann auch für Framing im Kontext der Berichterstattung über ethnische Minderheiten festgehalten werden. Die wichtigsten und zugleich am wenigsten spektakulären Elemente beider Ansätze sind im Zusammenhang mit ethnischen Gruppen wohl die journalistische Selektivität sowie die Wiederholung und Betonung bestimmter Themenkontexte und Eigenschaften. Beide „Syndrome“ sind nicht a priori negativ,
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sondern werden aus einer normativen Perspektive oder durch die Verbindung mit einer Wirkungsannahme negativ bewertet. Damit soll die Existenz explizit negativer Stereotype oder Bezugsrahmen jedoch nicht negiert werden. Vielmehr ist es wichtig zu betonen, dass alle drei Varianten – neutrale, positive und negative Themenkontextualisierungen – möglich sind. 2.5.4 Negativismus als Nachrichtenfaktor In engem Zusammenhang mit Framing- und Stereotypisierungsbefunden der Berichterstattung über ethnische Minderheiten steht der Vorwurf der Problematisierung und des Negativismus. Ebenso wie die beiden anderen Globalbefunde lässt er sich in so gut wie allen einschlägigen Synopsen zur Repräsentation und Darstellung von Migranten, ethnischen oder „rassischen“ Minderheiten finden, ganz unabhängig vom disziplinären, theoretischen und methodologischen Hintergrund der Ansätze (Ruhrmann et al. 2006; Müller 2005a: 84-85; Cottle 2000b: 8; Ter Wal 2002). Negativismus ist zugleich auch das Bindeglied zwischen Stereotypen und Frames in der Berichterstattung und der (meist unterstellten) Wirkung, gesellschaftlichen Rassismus zu schüren. Die Überbetonung negativer Eigenschaften, Vorkommnisse und Handlungen führe zu Vorverurteilungen sowie negativen Wahrnehmungsmustern und Einstellungen gegenüber ethnischen Minderheiten und Migranten (z. B. Geißler 2000; Weber-Menges 2005). Eine gängige und im Grunde auch konsequente Forderung im Zusammenhang mit diesen Rassismus- und Fremdenfeindlichkeitsvermutungen ist die nach einer positiveren Berichterstattung bzw. die Veröffentlichung von „Erfolgsstorys“, in denen Angehörige ethnischer Minderheiten als erfolgreiche Unternehmer oder gesellschaftliche Wohltäter oder als Bereicherung der kulturellen Vielfalt der Gesellschaft dargestellt werden (Millwood Hargrave 2002: 8; Sreberny 1999: 3). In diesen Kontext gehört auch der Befund, dass die Darstellung ethnischer Minderheiten in neuerer Zeit stärker an positiven Geschichten und an kulturellen Besonderheiten wie Folklore, Festivitäten und kulinarischen Eigenheiten orientiert ist. Diese Art der „best practice“ muss sich dann allerdings den Vorwurf des „modern racism“ (Cottle 2000b: 11) gefallen lassen, der im Kern besagt, dass erstens die Betonung der ethnokulturellen Besonderheiten die Wahrnehmung von Migranten als „Fremde“ manifestiert und zweitens individuelle Erfolgsgeschichten als Ausnahmen von der (negativen) Regel der problembehafteten ethnischen Minderheiten dargestellt werden. Geht man dem Konzept Negativismus/Problematisierung aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht auf den Grund, landet man bei der Nachrichtenwerttheorie und damit wiederum bei Walter Lippmann, der 1922 bereits von „news values“ spricht und damit als einer der Väter der Theorie gilt. Allerdings ist bei ihm, ebenso wie bei Östgaard noch nicht von Negativismus, sondern von Sensationalismus die Rede (Lippmann 1922: 230; Östgaard 1965: 45). Darunter werden jedoch auch
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negative Elemente wie Unglück und Konflikt subsumiert. Negativismus als Begriff und eigenständiger Nachrichtenfaktor taucht dann erstmals bei Galtung und Ruge (1965: 68) auf und bezieht sich auf negative Ereignisse und ihre (negativen) Konsequenzen. Schulz (1976) übersetzt den Begriff dann wieder zurück in die Nachrichtenfaktoren Schaden, Kriminalität und Konflikt, die für einen gesteigerten Beachtungsgrad eines Ereignisses durch Journalisten verantwortlich gemacht werden können. Eilders fasst die theoretische und empirische Entwicklung der Nachrichtenwerttheorie zusammen und stellt nach Durchsicht der inhaltsanalytischen Studien zur aktuellen Berichterstattung eine Rangfolge von Nachrichtenfaktoren nach dem Grad der empirisch übereinstimmenden Identifikation zusammen (Eilders 1997: 42). Danach wird der Faktor Negativismus zusätzlich um die Begriffe Aggression und Kontroverse erweitert und steht insgesamt auf dem vierten Platz der empirisch gut abgesicherten Ereigniseigenschaften, die die Publikationswahrscheinlichkeit erhöhen. In Journalisten- und Rezipientenbefragungen stellt sie darüber hinaus einen noch höheren Übereinstimmungsgrad der empirischen Studien fest. Negativismus mit den oben genannten Dimensionen gehört danach zu den am besten abgesicherten Entscheidungsfaktoren für die Veröffentlichung eines journalistischen Nachrichtenbeitrages (ebd.: 68). Vor diesem Hintergrund kann man zusammenfassend das Syndrom der negativen Repräsentation ethnischer Minderheiten, oder besser den Vorwurf des Negativismus, in drei Basisdimensionen ausdifferenzieren. Erstens bedeutet der negative Ausgang eines Ereignisses fast immer einen materiellen oder immateriellen Schaden. Zweitens werden im Zusammenhang mit Nachrichtenfaktoren Auseinandersetzungen, Konflikte, Kontroversen und aggressives Verhalten als negativ beschrieben und drittens – und das ist häufig die Verbindung zwischen den zwei anderen Basisdimensionen – wird Kriminalität bzw. kriminelles oder abweichendes Verhalten als Ausdruck von Negativismus aufgeführt. Quer zu diesen Basisdimensionen muss man wohl noch zwei weitere Elemente der Berichterstattung nennen, die als Ausgangspunkt oder Objekt der negativen Repräsentation dienen (müssen): Personalisierung und/oder Ereignishaftigkeit. Letztere ist besonders in der Nachrichtenwertforschung mit dem Faktor Negativismus verbunden, der ja im ursprünglichen Konzept auf den schädlichen Ausgang, die negative Konsequenz eines Ereignisses bezogen wurde (s.o.), während die Personalisierung im Fall der ethnischen Minderheiten – durch den Zugehörigkeitsstatus der Personen – quasi themenimmanent ist. Der Rückgriff auf die theoretischen Konzepte und Befunde der Nachrichtenwertforschung zeigt, dass Negativismus für sich genommen, zunächst keine Besonderheit der Berichterstattung über ethnische Minderheiten ist. In den hier beschriebenen Erscheinungsformen ist er – wie andere Nachrichtenfaktoren auch – ein theoretisch sehr gut abgesichertes und inhaltsanalytisch identifizierbares Element der aktuellen Nachrichtengebung insgesamt und damit themenunspezifisch. Für die Berichterstattung über ethnische Minderheiten müsste dies in der Folge bedeuten,
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dass Akteure aus dieser Gruppe entweder besonders negativ oder zumindest häufiger in negativen Kontexten dargestellt werden. Sehr wenige Autoren behandeln diese Frage theoretisch oder gar empirisch. Eine Ausnahme ist die Studie von Ter Wal, D’Haenens und Koeman, die feststellen, dass in niederländischen Tageszeitungen die Angehörigen der Minderheiten häufiger in negativen Kontexten dargestellt werden als Akteure ohne Migrationshintergrund (Ter Wal et al. 2005: 948). Sie sind häufiger Gegenstand negativer Darstellungen (Abschnitt 3.1). 2.5.5 Rassismus und Fremdenfeindlichkeit Bei der Behandlung von Stereotypen und Framing ist es schon angeklungen: Im Zusammenhang mit diesen Syndromen der Berichterstattung ist häufig von Ausgrenzung, Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus die Rede. Dabei muss man im Kontext der Medienberichterstattung über ethnische Minderheiten eine zusätzliche Unterscheidung treffen. Denn einerseits bezieht sich der Vorwurf auf die Inhalte der Berichterstattung. Etwa dadurch, dass Straftäter oder auch Opfer von Gewalttaten nicht nur durch soziodemografische Merkmale, sondern auch durch die Nennung ihrer Nationalität oder ethnischen Abstammung in der Presse beschrieben und damit als Fremde gekennzeichnet werden (etwa Meißner/Ruhrmann 2000: 45).16 Auf der anderen Seite ist mit diesen Begriffen häufig eine Publikumswirkung gemeint, die durch eine stereotype, stigmatisierende Berichterstattung hervorgerufen würde (Hargreaves 2001: 27; Ter Wal 2002: 68-71; Brosius/Esser 1995; Esser et al. 2002). Gemeinsam ist beiden Perspektiven, dass sie über die reine Etikettierung, Benennung, Thematisierung hinausgehen. Hier geht es um konkrete individuelle und gruppenbezogene Einstellungen gegenüber Fremden, das heißt nicht der eigenen Gruppe angehörigen Gesellschaftsmitgliedern (Kleinert 2004). Nachdem der Begriff des Rassismus in diesem Zusammenhang schon seit einiger Zeit als unzureichend und praktisch nicht operationalisierbar zurückgewiesen wurde, wird vor allem in der politikwissenschaftlichen Forschung stärker mit dem Begriff des Ethnozentrismus bzw. der Fremdenfeindlichkeit gearbeitet (Minkenberg 2005: 39-40). Für die Berichterstattung über ethnische Minderheiten bedeutet dies – abgesehen davon, dass hier der Nachrichtenfaktor Ethnozentrismus eine wesentliche Erweiterung erfährt –, dass über die Nennung der Zugehörigkeit zu einer Ethnie hinaus, die Fremdheit, das Andere im Vergleich zur Mehrheitsgesellschaft betont und damit sozial ausgegrenzt wird. 16 Besonders dieser Befund ist im Kontext inhaltsanalytischer Studien zur Berichterstattung über Ausländer und Migranten mit Vorsicht zur Kenntnis zu nehmen. Da in solchen Studien meist die Nennung des Migrationskontextes oder der ethnischen Zugehörigkeit eines der Auswahlkriterien ist, sind Aussagen über die andere (d.h. die einheimische Seite) der Kriminalitätsberichterstattung meist nicht möglich.
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Eine zusätzliche, vergleichsweise wenig diskutierte Perspektive auf diese Ausgrenzung von Ausländern durch Nationalitätennennung, Etikettierung und Stigmatisierung ist die Verwendung von diskriminierenden Schimpfworten („Nigger“, „Kümmeltürke“, „Spaghettifresser“). Diese mit dem etwas sperrigen Begriff „Ethnophaulismus“ bezeichnete Verhaltensweise hat zum Teil erhebliche Auswirkungen auf die Wahrnehmung von ethnischen Minderheiten (Mullen/Rice 2003). Da solche Begriffe aber, was die mediale Repräsentation innerhalb der journalistischen Berichterstattung angeht, längst geächtet sind, spielen sie in der medienbezogenen Literatur kaum eine Rolle. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie in den Medien nicht vorkommen. Diese Medien berichten darüber und transportieren sie zum Teil auch in fiktionalen Programmen (ebd.: 1056). 2.5.6 Fazit: Unsystematische Begrifflichkeiten Stereotypen-, Framing- und Nachrichtenwertkonzepte sind eine brauchbare theoretische Ausgangsbasis für die Untersuchung von Thematisierungs- und Repräsentationsleistungen von Massenmedien. Leider werden die Begriffe, die zu diesen Ansätzen gehören, fast inflationär und meistens unsystematisch genutzt, wenn es darum geht, Syndrome, Defizite und Dysfunktionalitäten von Mehrheiten- und Minderheitenmedien zu beschreiben. Deshalb wird bei der Durchsicht des empirischen Forschungsstandes zu diesen Punkten ein besonderes Augenmerk auf die tatsächliche theoretische Verankerung der Studien und ihrer operationellen Konzepte zu richten sein. Für alle diese Konzepte kann man generalisieren, dass vielfach vor allem zwei theoretische „Kurzschlüsse“ gemacht werden: Erstens wird die Reduktion von Realität und Komplexität häufig selbst schon als Vorwurf laut – dabei ist Reduktion eine notwendige und hinreichende Bedingung massenmedialer Thematisierung, die alle Bereiche und Akteure der (gesellschaftlichen) Realität trifft und so auch im Fall ethnischer Minderheiten als massenmedialer Standardmechanismus funktioniert. Und zweitens muss man aus theoretischer Sicht bemängeln, dass der Vorwurf der Marginalisierung ethnischer Minderheiten auf der einen Seite und der Ruf nach Normalisierung und Entstigmatisierung dieser Gruppen andererseits in den Medien offensichtlich widersprüchlich sind. Auch hier wird es wichtig sein, genau hinzuschauen: Geht es um die explizite Nichtberücksichtigung ethnischer Akteure (und ihrer Interessen) innerhalb der Medienberichterstattung oder um die Betonung bzw. Vernachlässigung der ethnischen Zugehörigkeit als soziales Stigma?
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2.6 Mediennutzung und Medienwirkungen im Migrationskontext Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit einer der zentralen Fragestellungen im Themenkomplex Migration und Medien: mit den Funktionen, die Massenmedien in einer Mehrheiten-/Minderheitensituation zwischen ethnischen Gruppen haben. In Abschnitt 2.2 wurde dieser Komplex bereits aus einem normativen und weiter gefassten, gesamtgesellschaftlichen Blickwinkel betrachtet. Im Folgenden wird es mehr um den individuellen Umgang mit Massenmedien, die Motive für ihre Nutzung und die Effekte dieser Mediennutzung gehen. Dabei wird – der Logik des gesamten allgemeinen Teils folgend – in diesem Abschnitt das Untersuchungsfeld theoretisch vorstrukturiert, das heißt, hier geht es darum, die unterschiedlichen Begründungs- und Entstehungszusammenhänge für kommunikationswissenschaftliche Erkenntnisse und Befunde aus anderen Disziplinen zum Medienumgang, zur Mediennutzung und zur Medienwirkung zu systematisieren. In Kapitel 3 wird dann auf diese Systematisierung zurückgegriffen, um einschlägige empirische Befunde identifizieren und einordnen zu können (Abschnitte 3.2 und 3.3). Im Wesentlichen werden im Folgenden drei Zugänge zum Thema dargestellt: Zuerst geht es um Publikums- und Reichweitenforschung. Hier wird die Frage im Mittelpunkt stehen, inwieweit Forschungsergebnisse der angewandten Markt- und Medienforschung für die Beschreibung und Analyse des Mediennutzungsverhaltens ethnischer Minderheiten nutzbar gemacht werden können. Daran anschließend werden aus der Perspektive des Uses-and-Gratifications-Ansatzes und seiner transaktionalen Erweiterungen Motivlagen und Bedürfnisse beschrieben, die die Zuwendung zu Mehrheits- und Minderheitenmedien beeinflussen können. In diesen Themenkontext gehört auch die Suche nach Mediennutzungsstrategien, die im Kern selbst als integratives Akkulturationsverhalten interpretiert werden können. In einem dritten Teil werden Argumente zusammengetragen, die für individuelle Wirkungen der Medien im Integrations- und Akkulturationsprozess sprechen, bevor abschließend versucht werden soll, die unterschiedlichen Forschungsstränge gemeinsam zu betrachten und zu integrieren. 2.6.1 Publikums- und Reichweitenforschung im Migrationskontext In Deutschland, Europa und den USA wird vergleichsweise viel Geld ausgegeben, um Werbepublika, Zielgruppen und potenzielle Kunden für Markenprodukte zu identifizieren und bei Markenherstellern und Agenturen zu vermarkten. Angehörige ethnischer Minderheiten werden dabei nicht immer berücksichtigt bzw. gleich behandelt. Dieser Abschnitt versucht unterschiedliche Forschungskontexte in diesem Bereich zu beleuchten. In der Media-Analyse Schweiz (MACH) lautet die Definition der Grundgesamtheit: „Wohnbevölkerung der Schweiz und des Fürstentums Liechtenstein ab 14
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Jahren, in Privathaushalten (mit eingetragenem Telefonfestanschluss), sprachlich ausreichend an die Amtssprache(n) des Wohnbezirks assimiliert (im Sprachgrenzgebiet Wahlmöglichkeit zwischen Hauptsprache und erster Minderheitensprache)“ (WEMF-REMP 2007: 21). Auf der Grundlage dieser Definition werden jährlich mehr als 20 000 Telefoninterviews in der Schweiz und Liechtenstein zu Mediennutzungs- und Konsumgewohnheiten geführt. Da die Haushalte wie in der angewandten Medienforschung üblich in einem mehrstufigen Verfahren zufällig ausgewählt werden, sind so zumindest die sogenannten „sprachassimilierten“ Ausländer in der Stichprobe repräsentativ vertreten (Koschnick 2004: 29). Für Einzelauswertungen bestimmter Migrantengruppen sind die Bevölkerungsanteile in der Schweiz allerdings zu klein: Selbst wenn man annimmt, dass z. B. alle Türken in der Schweiz (etwa 1 Prozent der Bevölkerung) sprachassimiliert sind, läge ihr Stichprobenanteil bei etwa 200 befragten Personen – das ist für zielgruppenspezifische Analysen zu wenig (Bundesamt für Statistik (CH) 2005).17 Dennoch ist man damit in der Schweiz schon einen Schritt weiter als z. B. in Deutschland, wo die Grundgesamtheit der Media-Analyse (MA), der kommerziellen Standardstudie für die Erhebung von Print- und Hörfunkreichweiten, als „deutsche Bevölkerung in Privathaushalten am Ort der Hauptwohnung im Alter von 14 und mehr Jahren“ (AGMA 2007) angegeben wird.18 Ausländerinnen und Ausländer sind also explizit ausgeschlossen, darunter auch die über 1,7 Millionen Personen mit türkischer Staatsangehörigkeit.19 Für die Erhebung der Fernsehreichweiten ist die Situation nicht besser. Zwar wurde das Zuschauerpanel der GfK-Fernsehforschung (GfK = Gesellschaft für Konsumforschung) im Jahre 2001 um 150 Haushalte erweitert, die mehrheitlich nicht die deutsche Staatsangehörigkeit haben – allerdings sind hier nur Ausländerhaushalte aus EU-Ländern berücksichtigt worden und damit wiederum Mediennutzer aus Ex-Jugoslawien und der Türkei nicht vertreten. Ein eigenes „Ausländerpanel“ war zwar in der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF), der verantwortlichen Trägerinstitution, lange im Gespräch, scheiterte aber letztendlich an methodischen Details und Interessengegensätzen der beteiligten öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehveranstalter (Müller 2000; Koschnick 2004).20
17 Davon abgesehen, ist die Staatsangehörigkeit des Befragten weder im Variablenset der MACH aufgeführt noch Gegenstand der Standardtabellierungen der Berichterstattung (WEMF-REMP 2007: 273-288). 18 http://www.agma-mmc.de/03_forschung/hoerfunk/erhebung_methode/stichprobe.asp (27-07-2007). 19 http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Navigation/Statistiken/ Bevoelkerung/Bevoelkerung.psml (30-07-2007). 20 http://relaunch.medialine.de/PM1D/PM1DB/PM1DBF/pm1dbf_koop.htm?snr=625 (30-07-2007).
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Konzeptionell zwischen akademischer und kommerzieller Mediennutzungsforschung ist die Studie „Massenkommunikation“ angesiedelt. Im Auftrag von ARD und ZDF wird sie seit 1964 als die „weltweit einzige repräsentative IntermediaStudie“ (Ridder/Engel 2005: 422) durchgeführt. Die aktuellste, neunte Welle der Befragung wurde im Jahre 2005 als Telefonbefragung mithilfe einer Zufallsstichprobe (n=4500) unter der „deutsch sprechende(n) Bevölkerung ab 14 Jahre(n)“ (ebd.: 423) vorgenommen. Der Verzicht auf die deutsche Staatsangehörigkeit in der Stichprobendefinition führt dabei ebenfalls zum Einschluss aller sprachlich assimilierten Ausländer, aber eben wiederum auf einem quantitativ unzureichenden Niveau, um gruppenspezifische Analysen zur Mediennutzung durchführen zu können. Darüber hinaus existieren in Deutschland einige regelmäßig durchgeführte Zielgruppenanalysen großer Verlage oder Werbeträgervereinigungen (Frauen, Konsumenten, Entscheidungsträger etc.), deren Stichprobendefinitionen sich meist auf die „deutschsprachige“ Bevölkerung oder Teile davon beziehen (Meyen 2004: 93). Explizit auf Migranten oder ethnische Minderheiten bezogene Studien oder Teilanalysen finden sich darunter aber nicht. Inzwischen sind allerdings einige private Forschungsinstitute am Markt, die in Eigenregie Studien zur „ethnischen Markt- und Meinungsforschung in Deutschland“ anbieten, aber eben im Vergleich zu den „großen“ quantitativen Studien nicht in gemeinsamer Trägerschaft von Werbetreibenden und Werbeträgern durchgeführt werden.21 Die Stichprobentechnik solcher Erhebungen ist in der Folge nicht immer vollständig dokumentiert und transparent, sodass Aussagen über die Repräsentativität meist nicht möglich sind. In anderen europäischen Ländern zeigt sich eine ähnliche Situation, wobei vergleichende, länderübergreifende Erhebungen und Daten kaum zu finden sind (Hasebrink/Herzog 2004: 154). In mehreren Vorstudien zu einer umfassenden, internationalen Mediennutzungsstudie (dem sogenannten Bertelsmann Media Monitor), die im Jahre 2002 von der Bertelsmannstiftung in Auftrag gegeben wurden, wird auf dieses länderübergreifende Manko hingewiesen (Hasebrink 2002; Sudholt 2002). Insbesondere für die kommerziellen, „marktrelevanten“ Studien zeigt sich z.B. für die Länder Deutschland, Großbritannien und die USA erstens keine gesonderte Berücksichtigung ethnischer Minderheiten und zweitens keine Möglichkeit, trans- und internationale Zielgruppen länderübergreifend zu beschreiben.22 Neben der mangelnden Berücksichtigung von Ausländern und ethnischen Minderheiten in den kommerziellen Reichweiten- und Werbemarkt-Studien ist noch ein weiteres – für den Kontext dieser Untersuchung relevantes – Defizit zu nennen. Selbst wenn die entsprechenden Personen oder Gruppen in den Stichproben vertre21 Vgl. z. B. die Studie „Türken in Deutschland“ des Marktforschungsinstituts DATA4U (http://data4u-online.de (01-08-2007)). 22 In den USA existiert zumindest seit Anfang der 90er Jahre ein Panel zur Messung der Fernsehnutzung spanischsprachiger Haushalte (Sievert 2002: Ländertext USA: 4).
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ten und identifizierbar wären, würden sich die Beschreibungs- und Analysemöglichkeiten wohl auf den Medienumgang beschränken. Das Ziel dieser Studien ist es ja gerade, Medienleistungen im Sinne von Reichweiten, im besten Fall noch mit Konsumdaten verknüpft, zu erheben und den Markteilnehmern zur Verfügung zu stellen. Nutzungsmotive oder gar Integrationsindikatoren, wie etwa zur gesellschaftlichen Interaktion oder zu Sprachkenntnissen und Sprachgebrauch, stehen unter den bestehenden Untersuchungskonzeptionen nicht zur Verfügung. Für Daten über die Mediennutzung von Migranten bzw. ethnischen Minderheiten muss man auf Einzelstudien zurückgreifen. Auch hier werden leider in den meisten Fällen ausschließlich Daten zur Mediennutzung erhoben. Die spezifische Kombination von Integrationsindikatoren und Mediennutzungsdaten ist vergleichsweise selten. Hinzu kommt noch, dass auf internationaler Ebene qualitative Studien im Bereich „audience research“ weitaus häufiger durchgeführt werden als quantitative „rating surveys“ (Christiansen 2004; Vettori et al. 2007). Der Begründungszusammenhang für solche Einzelstudien ist in Deutschland stark durch die Forschungsstrategien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten von ARD und ZDF sowie des WDR geprägt und reicht bis ins Jahr 1981 zurück.23 In diesem Jahr wurde die erste bundesweite Studie zur Mediennutzung von 3.000 „Gastarbeitern“ aus Italien, Jugoslawien, Spanien, Griechenland und der Türkei im Auftrag von ARD und ZDF durchgeführt (Darkow/Eckhardt 1982; Darkow et al. 1985). Die aktuellste Studie in dieser Tradition stammt aus dem Jahr 2007, umfasst eine ähnlich große Stichprobe (n=3.010) und beschreibt die Mediennutzung von Personen mit türkischem, italienischem, polnischem, ex-jugoslawischem, griechischem und russlanddeutschem Migrationshintergrund (ARD/ZDF 2007; Walter et al. 2007; Simon 2007). Dazwischen liegt eine ganze Reihe von Studien, die vom WDR beauftragt wurden und sich insbesondere mit der Nutzung der ausländerspezifischen Programme des Hörfunkangebots (Windgasse 2007) und des WDRFernsehens, aber auch mit der Nutzung anderer Medien befasst haben (Eckhardt 2000). Am stärksten am Zusammenhang von identitäts- und integrationsbezogenen Einstellungen und Verhaltensdimensionen mit der Mediennutzung orientiert sind in diesem Kontext wohl zwei Umfragen unter der türkischen Bevölkerung in Deutschland, die im Auftrag des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung im Jahr 1997 (ZfT 1997) und im Jahr 2000 (Weiß/Trebbe 2001) durchgeführt wurden. Insbesondere in der Letztgenannten wurden neben Reichweiten von Print-, Funkund Internetmedien auch Variablen zur gesellschaftlichen Interaktion, zur Lebenswelt und zur Einstellung zu Deutschland erhoben. Außerdem konnte diese Studie im Jahr 2006 unter Beteiligung des Verfassers als Ausgangspunkt für eine repräsen23 Vgl. zum Folgenden den Überblick über die deutsche Forschungstradition in Trebbe (2007b: 172173); vgl. auch Müller (2005b: 362-364); Piga (2007).
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tative Befragung junger Erwachsener mit türkischem Migrationshintergrund dienen, die der Gegenstand einer der empirischen Studien in Kapitel 6 dieser Arbeit sein wird (Trebbe/Weiß 2007, Trebbe 2007b). Darüber hinaus kennzeichnen diese Untersuchungen den Übergang von reinen Reichweiten- und Nutzungsstudien zu theoretisch besser abgestützten und repräsentativen Erhebungen, die sich stärker mit dem Zusammenhang von Mediennutzung und sozialer Integration auseinandersetzen. Wie diese theoretischen Konzepte aussehen, welche Untersuchungsfragen gestellt und operationalisiert werden, wird in den weiteren Abschnitten dieses Kapitels diskutiert. Doch zunächst noch ein Blick auf die Schweiz und die USA. Für die Schweiz liegt eine einzige sprachregional übergreifende postalische Befragung von Ausländern der SRG SSR idée suisse (SRG) in Zusammenarbeit mit der eidgenössischen Ausländerkommission aus dem Jahre 1995 vor (Anker et al. 1995). In dieser Umfrage wurden 3.464 Personen aus Italien, Spanien, Portugal, der Türkei und ExJugoslawien zu ihren Mediennutzungsgewohnheiten und Themeninteressen bei der Mediennutzung befragt. Eine aktuellere Befragung zur Mediennutzung von Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund zeigt in diesem Zusammenhang zwar neuere Tendenzen im Mediennutzungsverhalten, ist aber auf Schülerinnen und Schüler der sechsten bis neunten Klassenstufe im Kanton Zürich beschränkt und so wohl nur in begrenztem Maße verallgemeinerungsfähig (Bucher/Bonfadelli 2007). In den USA, deren Fernsehmarkt stark kommerziell segmentiert ist und der vor allem auf der lokalen und regionalen Ebene vermarktet wird, existieren ähnliche Probleme wie bei der Reichweiten- und Nutzungsmessung ethnischer Minderheiten in Europa. Fehlende Meldepflicht und ein hoher Anteil illegaler Einwanderer machen es in der dortigen Situation noch schwieriger, repräsentative Daten für Mediennutzer mit Migrationshintergrund oder Minderheitenstatus zu erheben. Aus diesem Grund wurde im Jahr 2005 die „first-ever comprehensive survey of ethnic American adults on their media usage“ durchgeführt (New California Media 2005a/b; Deuze 2006).24 In zehn Sprachen wurden im Auftrag von New California Media Interviews mit insgesamt 1.895 Erwachsenen unterschiedlicher ethnischer Herkunft geführt. Die Ergebnisse beziehen sich vor allem auf die Nutzung ethnischer Medien, die in den USA einen erheblich größeren Stellenwert als in Europa haben (Held 1997). 2.6.2 Nutzungsgewohnheiten und -motive ethnischer Minderheiten Methodologisch betrachtet führt die Suche nach der Bedeutung der Massenmedien im Integrationsprozess ethnischer Minderheiten auch zur Frage nach Korrelationen
24 Die Studie ist online unter http://ncmonline.com verfügbar (20-08-2007).
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und Kausalitäten: Sind Massenmedien ein relevantes Element, ein Katalysator oder gar (Mit-)Ursache für eine starke oder schwache Integration von Migranten? Bevor im nächsten Abschnitt diesen Fragen nachgegangen wird, soll an dieser Stelle zunächst eine andere Blickrichtung eingenommen werden. Denn die Richtung dieser Kausalität ist – sowohl auf der theoretischen als auch der empirischen Ebene – keinesfalls geklärt (Bonfadelli 2007a: 14; Jeffres 2000: 522; Davis/Gandy 1999: 378). Aus einer rezipientenorientierten kommunikationswissenschaftlichen Perspektive heraus kann die Frage gestellt werden, ob die Mediennutzung ethnischer Minderheiten nicht auch als Ausdruck ihres Integrationsstatus betrachtet werden kann. Danach wäre das Verhältnis, die Einstellung ethnischer Minderheiten zur Mehrheitsgesellschaft auf der einen Seite und zu ihrer Herkunft auf der anderen Seite ein Motiv oder besser die Motivlage für das individuelle Mediennutzungsmuster. Mit dieser Argumentation befindet man sich in der Tradition der sozialwissenschaftlichen Medienwirkungsforschung des letzten Jahrhunderts (Überblicke in Schenk 2002; Bryant/Zillmann 2002; Jäckel 2005; Schorr 2000). Diese reicht von der Vorstellung mächtiger Medien und einer starken Beeinflussung menschlicher Einstellungen und menschlichen Verhaltens in der Persuasionsforschung der 40er Jahre bis zur Umformulierung der Frage „Was machen die Medien mit den Menschen?“ in „Was machen die Menschen mit den Medien“ (Katz/Foulkes 1962). Diese Perspektive läuft zunächst einer normativen Auffassung des Integrationsbegriffs entgegen (Pöttker 2005: 29). Danach wäre Integration das „subjektiv Wünschbare“, das es zu erreichen oder zu verbessern gilt. Als Zielvariable der politischen und häufig auch der wissenschaftlichen Debatte wird Integration so zur abhängigen Variablen, deren Beeinflussbarkeit durch ein Set von unabhängigen Variablen – darunter auch Massenmedien und ihre Inhalte – es zu untersuchen gilt. Dagegen ist die abhängige Variable einer stärker am Publikum orientierten Sichtweise zunächst die Mediennutzung selbst. Gesucht werden aus dieser Perspektive spezifische Einstellungen und Motivlagen im Migrationskontext, die zu einer bestimmten Art und Weise der Mediennutzung und zur Ausbildung individueller Mediennutzungsmuster führen. Andere Autoren sehen darüber hinaus noch eine dritte, von den beiden vorgenannten unabhängige Perspektive in der Sichtweise der Cultural Studies (Piga 2007; Bonfadelli et al. 2007). Die Charakterisierung dieser Ansätze als „unabhängig“ ist in diesem Zusammenhang sicher richtig. In Beiträgen aus den Cultural Studies oder International Media Studies findet man häufig einen hohen Grad an Nichtzurkenntnisnahme der sozialwissenschaftlichen Kommunikations- und Medienforschung. Insbesondere die Erkenntnisse der kommunikationswissenschaftlichen Medienwirkungsforschung werden in diesem Kontext vielfach ignoriert. So sprechen z. B. Cunningham/Sinclair (2000a) von einem „shift from the power of texts to the power of audiences and readers to shape meaning and use of the media“(ebd.: 14). Diese Verschiebung, die sie auf die theoretische Inspiration der Cultural Studies für
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die International Media Studies zurückführen (ebd.: 15), sehen sie insbesondere in einer Veränderung vom Konzept des „passiven Publikums“ in den 80er Jahren zu einem Konzept vom aktiven Publikum in den 90er Jahren. Das sind theoretische Konzepte und Erkenntnisse, die in der empirisch-analytisch orientierten Kommunikationswissenschaft bereits in und seit den frühen 70er Jahren relevant sind. Zum Teil kann man hier Thesen und Formulierungen aus den frühen Ansätzen des Uses and Gratifications Approaches fast wörtlich identifizieren: „… in which audiences actively seek out their own media experiences, asset their preferences, and critically interact with each other as well as with the media contents they choose” (ebd.). Gleichzeitig wird durch Vertreter dieser Disziplin ein starker Alleinvertretungsanspruch für dieses Forschungsfeld formuliert: Aksoy/Robins (2003) bezeichnen die Fragen nach der Nutzung, den Erwartungen und den Ansprüchen des Publikums an die Medien als „the cultural studies question“ (ebd.: 366). Hinzu kommen im Rahmen von Media und Cultural Studies häufig Aussagen und Annahmen über Wirkungs- und Nutzungszusammenhänge, die weder durch empirische Forschung noch eine systematische Literaturinspektion belegt werden. So etwa Aussagen über die Mediennutzung vietnamesischer Haushalte in den USA (Cunningham/Sinclair 2000b: 142). Nach Georgiou (2005) haben insbesondere Diasporamedien (Abschnitt 2.3) die Eigenschaft, sich an bestimmte ethnische Sprach- und Religionsgruppen zu wenden, die in einer multikulturellen, vielfältigeren gesellschaftlichen Umwelt leben (ebd.: 482). Das besondere Diasporaelement ist hier vor allem die Verbindung („belonging“) der Gruppen über Staatsgrenzen hinweg mit dem Herkunftsland und anderen Aufenthaltsländern dieser Gruppe (Transnationalität, ebd.: 483; vgl. auch Mai 2005: 544). Dabei ist nach ihrer Ansicht in letzter Zeit ein Übergang von homogenen zu heterogenen Gruppen im Diasporakonzept erkennbar (Georgiou 2005: 489). Nicht gemeinsame Herkunft, sondern gemeinsame (meist migrationsbedingte) Erfahrung der kulturellen Grenzüberschreitung ist dafür konstitutiv (ebd.: 544). Christiansen (2004) diskutiert den Begriff im Kontext der Mediennutzung, insbesondere dem Bedürfnis nach Nachrichten aus dem Heimatland, dem ehemaligen Heimatland. „Diaspora indicates the dispersal of a population, which at one or another point in history has been united, or is at least assumed to have been so“ (ebd.: 189). Piga (2007: 215-217) bezeichnet zusammenfassend den Fokus der Cultural Studies in diesem Zusammenhang erstens stärker auf den Mediennutzer als auf das Medium zentriert und zweitens besonders auf die Herausbildung kultureller Identitäten bezogen. Vor diesem Hintergrund kann bezweifelt werden, ob auf einer theoretischen Ebene tatsächlich neue Aspekte einer identitätsspezifischen Motivlage beigesteuert werden, die nicht durch die Uses-and-Gratifications-Perspektive abgedeckt werden. Rezipientenzentriert, auf die individuelle Bedürfnislage bezogen und
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verbunden mit der persönlichen Identität – das sind jedenfalls Kennzeichnungen, die seit Anfang der 70er Jahre auf den Uses-and-Gratifications-Ansatz zutreffen. In einem Überblick über den Uses-and-Gratifications-Ansatz nennt Rubin (2000: 138-139) fünf Grundannahmen, die für diese Theorie kennzeichnend sind: (1) Das Kommunikationsverhalten ist intentional und motivgesteuert. (2) Der aktive Rezipient wählt aus, um Bedürfnisse und Wünsche zu befriedigen. (3) Soziale und psychologische Faktoren und Erwartungen an Medieninhalte beeinflussen das Kommunikationsverhalten. (4) Funktionale Alternativen stehen in Konkurrenz zur Nutzung von Medien. (5) Menschen haben meist größeren Einfluss auf die Wirkung der Medien(inhalte) als die Medien selbst. Seit den Anfängen dieser Nutzen- und Gratifikationsforschung haben sich diese Grundannahmen in zwei relevanten Forschungstraditionen niedergeschlagen. Einerseits in der Erforschung der Mediennutzung und des Medienumgangs durch den Rezipienten – insbesondere durch die Bildung von Typologien im Hinblick auf Kombinationsmuster von Medien- und Medieninhalten. Und andererseits durch die Ausdifferenzierung unterschiedlicher Medienfunktionen, die zu Bedürfnissen und Motiven als Ursachen für die Nutzung von Medien führen. Letztere lassen sich nach Katz et al. (1973) in kognitive Bedürfnisse (Wissen und Verstehen), affektive Bedürfnisse (emotionale Erfahrungen), persönlich-integrative Bedürfnisse (Glaubwürdigkeit, Vertrauen, Status), sozial-integrative Bedürfnisse (Kontakt und Interaktion) und Spannungsabbau (Alltagsflucht) differenzieren. McQuail (1994) unterscheidet später auf der Basis dieser Kategorien vier Motiv- oder Funktionstypen, die für die Auswahl, die Nutzung und die Kombination von Medien und Medieninhalten ursächlich sein können: (1) Information – die Beobachtung der materiellen und gesellschaftlichen Umwelt. (2) Persönliche Identität (sic!) – die Entstehung, die Festigung und der Abgleich der individuellen Normen und Werte. (3) Integration und soziale Interaktion – die Sicherung der Zugehörigkeit zum gesellschaftlichen Umfeld. (4) Unterhaltung als Flucht, Spannungsabbau, Ablenkung. Die Anwendung des Ansatzes auf Mediennutzung im Migrationskontext ist ohne große Umwege möglich. Mehr noch, sie bietet sich an. Ein theoretisches Modell für die Analyse von Auswahl- und Nutzungsentscheidungen ethnischer Minderheiten kann demnach erstens unterschiedliche Mediennutzungsmuster und -typen beschreiben helfen, zweitens migrationsspezifische Informations- und Unterhaltungsbedürfnisse beinhalten und drittens Einflussfaktoren auf die Bedürfnisse und Motive zum Gegenstand haben. Ein solches Modell wurde im Kontext der Studie entwickelt, die u.a. in Zusammenarbeit mit dem Verfasser im Auftrag des Presse- und Informationsamtes
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der deutschen Bundesregierung durchgeführt wurde (Abb. 4). Das Modell zeigt deutlich, dass der Integrationsstatus einer Person die zentrale Variable ist, aber nicht unbedingt am Ende einer Wirkungskette steht. Dort ist vielmehr die Mediennutzung zu finden, auch wenn Rückwirkungen auf andere Variablen im Modell (Integrationsstatus und Sprache) existieren (Weiß/Trebbe 2001: 5). Abbildung 4: Das theoretische Modell der Mediennutzungsstudie im Auftrag des Presse- und Informationsamtes (Weiß/Trebbe 2001: 5)
Der Grundgedanke dieser Sichtweise beinhaltet die Suche nach den Motiven, die zu einer bestimmten Art der Mediennutzung im Migrationskontext führen. Medien werden hier nicht in erster Linie als Werkzeug für die Integration ethnischer Minderheiten betrachtet, sondern vielmehr als Ausdruck, als Folge einer individuellen Lebenssituation aufgefasst, in der – hier bedingt durch den Minderheiten- bzw. Migrationsstatus – die Nutzung bestimmter Medien für diese Lebenssituation funktional ist. In Verbindung mit den in Abschnitt 2.3 angestellten Überlegungen zu den Akkulturationsformen ethnischer Minderheiten lassen sich aus einer funktionalen Perspektive (Vor)Aussagen zu den Mediennutzungsmustern unterschiedlicher Akkulturationstypen treffen. Im engeren Sinne integrative Akkulturationsformen sollten danach mit ebensolchen Informations- und Unterhaltungsbedürfnissen und Mediennutzungsstrategien in Zusammenhang stehen. Mit anderen Worten: Migranten, die sich gleichwertig um Interaktion und Identifikation mit Herkunfts- und Ankunftskontext bemühen, müssten analog dazu eine auf beide Kontexte bezogene
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Mediennutzung an den Tag legen. Personen, die sich von einem der zwei Kontexte mehr oder weniger abgewandt haben (Assimilation, Separation), konzentrieren ihre Mediennutzung auf den verbleibenden gesellschaftlichen Zusammenhang. Marginalisierte Angehörige ethnischer Minderheiten schließlich, die in keiner der zwei gesellschaftlichen Welten agieren, entwickeln weder auf den einen noch auf den anderen Kontext bezogene Informations- und Unterhaltungsbedürfnisse und entsprechende Mediennutzungsmuster (Trebbe/Weiß 2007: 136-137). Diese durchschlagende Wirkung des Integrationsstatus bzw. der Akkulturationsstrategie betrifft alle oben genannten Medienfunktionen, von den kognitiven Informations- und Lernbedürfnissen (Orientierung, Sprache, Alltagswissen) über die gesellschaftliche Interaktion (Gesprächsthemen, Umgangsformen, Kultur) bis hin zu emotionalen Bedürfnissen (Heim- und Fernweh, Romantik, Eskapismus etc.). Eine solche Auffassung der Mediennutzung würde nicht in erster Linie intentional auf eine bessere, höhere oder gelungenere Integration oder Akkulturation ausgerichtet sein, sondern nur im Kontext der Bedürfnisse der Rezipienten Wirkungen zeigen – ganz im Sinne der konventionellen Uses-and-Gratifications-These. Neben den Vorarbeiten des Verfassers finden sich in der Literatur eine ganze Reihe aus der Perspektive des Nutzen- und Belohnungsansatzes durchgeführte Mediennutzungsstudien im Migrationskontext. Auch entsprechende aktuellere Synopsen über diese Ansätze liegen bereits vor (Piga 2007; Müller 2005b; Bonfadelli et al. 2007). Im dritten Kapitel (Abschnitt 3.2) werden die empirischen Ergebnisse dieser Studien im Detail betrachtet. Man kann aber auch schon aus theoretischer Sicht festhalten, dass dieser Blickwinkel auf den Komplex der Mediennutzung im Migrationskontext erstens eindeutig für einen starken Zusammenhang zwischen Integrationsstatus und Mediennutzung spricht und zweitens der Integrationsstatus in diesem Kontext zwar eine zentrale, aber nicht unter allen Umständen immer die abhängige Variable bildet. Inwieweit die konventionelle Auffassung von wirkenden Massenmedien und die neuere, auf die Motive der Mediennutzung ausgerichtete Sichtweise im Widerspruch stehen oder ggf. integriert werden können, wird im Fazit (Abschnitt 2.6.4) noch zu diskutieren sein. 2.6.3 Medienwirkungen im Migrationskontext In einem frühen Aufsatz zur Rolle der fremdsprachigen Presse im Integrationsprozess von Migranten (Zubrzycki 1958) wird (1) die autoritaristische, edukative Perspektive der damaligen Forschung deutlich. Der Autor stellt die Frage, ob „der Immigrant komplett abgeschnitten werden soll von allen Verbindungen zur Sprache seines Herkunftslandes“ (ebd.: 74, Übersetzung J.T.). Darüber hinaus wird (2) die Angst vor Missbrauch dieser Medien zu Propagandazwecken genannt (ebd.: 80) – eine Befürchtung, die man heute in der Literatur nicht mehr findet.
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Massenmedien wird in vielen Literaturbeiträgen kurzerhand ein großes Wirkungspotenzial bei der Wahrnehmung ethnischer Minderheiten zugeschrieben. Sie reflektieren und profilieren die Einstellung, Vorstellung und das Wissen, die andere gegenüber diesen Minderheiten haben (Bobo 1997: 7; Caspi et al. 2002: 553; Demertzis et al. 1999; Arnold/Schneider 2007). Die Integrationsfunktion der Massenmedien ist kommunikationswissenschaftlich betrachtet zunächst ein normatives Postulat (vgl. Abschnitt 2.2).25 Dieser normative, auf einer Makroebene formulierte Anspruch an Massenmedien führt im Zusammenhang mit der Migrationsdebatte häufig zu einer Übersetzung in konkrete Leistungsanforderungen, die Medien in diesem Zusammenhang erbringen sollen (Vlasic 2004; Jarren 2000). Der Gedankenschritt von der Makro- auf die Mikroebene individueller Wirkungen auf die Mitglieder ethnischer Minderheiten ist dann nicht mehr groß. Meist mehr oder weniger implizit wird daraufhin in der öffentlichen und zum Teil auch wissenschaftlichen Debatte davon ausgegangen, dass Medien starke positive oder negative Effekte auf den Integrationsprozess von Migranten haben können. Im negativen Fall ist in diesem Zusammenhang immer wieder vom Mediengetto die Rede (Schulte 2002; Christiansen 2004; Bucher/Bonfadelli 2007). Damit ist die Segregation gesellschaftlicher, durch Migration geprägter Segmente gemeint, die sich ausschließlich oder zumindest größtenteils den Mainstreamoder Mehrheitsmedien entziehen und eigene, sogenannte Ethnomedien konsumieren. Im positiven Fall spricht man von Norm- und Wertübertragung durch Medien, von Kultivierung und von der Schaffung gemeinsamer Realitätsvorstellungen durch den gemeinsamen Medienkanon (Bucher/Bonfadelli 2007: 125-126). Man kann in diesem Zusammenhang durchaus von einem „Dilemma“ sprechen (Trebbe/Weiß 2007: 136). Einerseits hat sich die kommunikationswissenschaftliche Medienwirkungsforschung seit Längerem von einfachen, mechanistischen Übertragungsmodellen verabschiedet, andererseits bleibt Integration ein gesellschaftliches Ziel für den Umgang mit Migranten und ethnischen Minderheiten, das es – auch mit der Hilfe von Massenmedien – besser und/oder schneller zu erreichen gilt. Bucher/Bonfadelli (2007) nennen in diesem Zusammenhang zwei neuere medienzentrierte Ansätze, die auch bei anderen Autoren häufig angeführt werden, wenn es um Medienwirkungen im Zusammenhang mit der Integration von Migranten geht (Weber-Menges 2005; Schneider/Arnold 2006): erstens die AgendaSetting-Hypothese von der Thematisierungsfunktion der Massenmedien und zweitens die Kultivierungshypothese von der Beeinflussung der Realitätsvorstellungen durch fiktionale Darstellungen im Fernsehen (Abb. 5). Im Fall der Agenda-Setting-Hypothese (McCombs/Shaw 1972; McCombs/ Reynolds 2002) geht es dabei um die Schaffung eines gemeinsamen „Themenuniversums“ (Bucher/Bonfadelli 2007: 124), das allen Gesellschaftsmitgliedern – ganz 25 Vgl. zum Folgenden auch die Diskussion bei Häusler/Trebbe (2007).
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im Sinne der Habermas’schen Öffentlichkeitskonzeption – erlaubt, am gesellschaftlichen Diskurs teilzunehmen. Hier wäre die in diesem Ansatz postulierte, gemeinsame Themenagenda in einem heterogenen, aus Minderheiten und Mehrheiten zusammengesetzten Publikum dann die notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für den Zugang zur demokratischen Öffentlichkeit. Abbildung 5: Medienwirkungsansätze im Integrationsprozess (Bonfadelli/Bucher 2007: 125)
Aus der Perspektive der Kultivierungshypothese würde man von einem ähnlichen Effekt ausgehen. Die Ursprungsthese ist dabei eindeutig negativ konnotiert: Medien, insbesondere das Fernsehen, verzerren die Realität in den Köpfen der Vielseher in Richtung derjenigen Welt, die im Fernsehen – ursprünglich mit einer starken Akzentuierung von Gewalt – dargestellt wird (Gerbner 1969). Inzwischen hat die These viele Erweiterungen erfahren, wie etwa Mainstreaming – die Nivellierung von Unterschieden in der Einstellung zu ideologischen Fragen – oder Resonanz – Betroffenheitseffekte bei der Umweltwahrnehmung, etwa durch Personen, die tatsächlich überdurchschnittlich häufig in Gewaltakte oder Kriminalität als Opfer verwickelt sind (Gerbner et al. 2002). Gerade die Kultivierungsthese ist vor dem Hintergrund der in Abschnitt 2.3 besprochenen Akkulturationsstrategien von Berry (1980, 1997) ein attraktives Erklärungsmuster für Medienwirkungen im Integrationsprozess. Wenn beide auf der Annahme eines Akkulturationsprozesses basieren, der durch das Fernsehen mitgestaltet wird und vor allem die Vermittlung sozialer Rollen- und Verhaltensmuster beinhaltet (Schenk 2002: 541), so müsste ein solcher Effekt zumindest bei denjenigen Mitgliedern ethnischer Minderheiten festzustellen sein, die sich erstens den Medien bzw. dem Fernsehen der Mehrheitsgesellschaft zuwenden – also in der Berry’schen Terminologie ein integratives oder assimilatives Mediennutzungsmuster zeigen – und zweitens über einen längeren Zeitraum in den Akkulturationsprozess
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der Mehrheitsgesellschaft eingebunden sind. Hinzu kommt die Bedingung, dass diese Kultivierungseffekte in erster Line für Vielseher nachzuweisen sind, also nicht durch den einfachen, alltäglichen Medienumgang in der Alltagsgesellschaft hervorgerufen werden, sondern nur durch intensiven, überdurchschnittlichen Fernsehkonsum. Die theoretischen Annahmen der Forschungsgruppe um George Gerbner sind plausibel und als Wirkungsthesen attraktiv, die Operationalisierungen und empirischen Befunde sind dagegen hochgradig umstritten (ebd.: 567). Überträgt man dennoch die Grundidee der Kultivierungsthese auf die Situation von Migranten und ethnischen Minderheiten, so müssten sich bei intensiven Fernsehnutzern deutlich stärkere Repräsentationen von Rollenbildern und Verhaltensmustern aus der Fernsehwelt der Ankunftsgesellschaft zeigen als bei weniger intensiven Fernsehnutzern. Empirische Studien zu dieser Frage stehen nach Kenntnis des Verfassers jedoch bis heute aus (Abschnitt 3.3). Ebenfalls als schwer zu operationalisieren gilt der dynamisch-transaktionale Ansatz, denn er verbindet nicht nur den Blick auf kurzfristige und langfristige Effekte, sondern auch die Rezipienten- und die medienzentrierte Perspektive der Medienwirkungsforschung (Schönbach/Früh 1991). Für Medienwirkungen im Migrations- und Integrationskontext kann man den Ansatz – zunächst auf einer theoretischen Ebene – vor allem wegen der postulierten Wechselwirkungen nutzbar machen. Gerade die Differenzierungen zwischen Intra-Transaktion, der Wechselwirkung zwischen Aktivation und Wissen, und der Inter-Transaktion, der Wechselwirkung zwischen Medienbotschaft und Rezipient (Aktivation und Wissen), sind im Kontext eines prozessual verstandenen Akkulturations- und Integrationsvorgangs besonders hilfreich. Auch wenn es sich bei diesem Modell noch immer um ein (rezipientenorientiertes) Kausalmodell handelt (Schenk 2000: 72-73), kann man damit sehr gut den wechselnden Stellenwert von Massenmedien, insbesondere im Zusammenhang mit Spracherwerb und sozialer Interaktion im Verlauf einer Integrationskarriere erklären. So kann ein entscheidender Integrationsimpuls wohl erst dann von den Medien ausgehen, wenn diese sprachlich verstanden und genutzt werden können. Gerade bei Einwanderern der ersten Generation und Nachkommen aus Familien, in denen zu Hause noch immer die Sprache der Heimat vorherrschend ist, wird also zunächst die Mediennutzung als abhängige Variable neben andere, die soziale Integration betreffende Indikatoren treten. Man könnte im Hinblick auf die Sprache auch von einer „Null-Linie“ sprechen, die überschritten werden muss, bevor Medieninhalte als Wirkungsinstanzen aufgefasst werden können. Andererseits wird in der linguistischen und soziologischen Forschung zum (Zweit-)Spracherwerb sowohl von positiven Effekten der Massenmediennutzung ausgegangen – etwa wenn Migranten im Herkunftskontext bereits die Gelegenheit zur fremdsprachlichen Nutzung von Massenmedien haben (H. Esser 2006: 86) – als auch negative Effekte der Nutzung von (heimatsprachlichen) Medien für den Zweispracherwerb im An-
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Theoretische Grundlagen
kunftskontext konstatiert (ebd.: 139). Auch wenn damit aus der soziologischen Perspektive das Potenzial für Medienwirkungen so gut wie erschöpft scheint. Derselbe Autor hält jedenfalls zum Zusammenhang von Medien und Integration fest, „dass für die Integration von Migranten und ethnischen Minderheiten vonseiten der Aufnahmegesellschaft über massenmediale Kommunikation nicht besonders viel getan werden kann“ (H. Esser 2000: 36). Denkt man die Wechselwirkung von Medieninhalten, Mediennutzung und Integration bzw. Akkulturation im Sinne des dynamisch-transaktionalen Ansatzes weiter, so muss zumindest theoretisch die strikte Entscheidung für die Auffassung der Mediennutzung als abhängige oder unabhängige Variable aufgegeben werden. Diese zweiseitige, häufig nicht systematisch differenzierte Perspektive ist im Kontext der Migrationsforschung nicht neu. Schon Subervi-Velez (1986) beschreibt in einem frühen Forschungsüberblick zwei sozialwissenschaftliche Forschungstraditionen. Die eine Tradition nennt er „Assimilationsperspektive“ – mit einem geringen Stellenwert der Medien im Integrationsprozess – und die andere bezeichnet er als „Pluralismusperspektive“, die den ethnischen Medien vor allem die Pflege der Verbindung mit der Heimat und der Muttersprache zuschreibt (ebd.: 73). Für die Assimilationsperspektive sieht er Verbindungen zwischen Akkulturation und Medien auf vier Ebenen (ebd.: 74-75): (1) Die Nutzung von Mehrheitsmedien wird als Indikator für Akkulturation gesehen. (2) Höherer sozioökonomischer Status erhöht die Wahrscheinlichkeit für die Nutzung von Mehrheitsmedien und verringert die Nutzung ethnischer Medien. (3) Bessere Sprachkenntnisse und längere Aufenthaltsdauer erhöhen ebenfalls die Nutzung der Mehrheitsmedien. (4) Die Nutzung der Mehrheitsmedien steht in Zusammenhang mit einer positiven Identifikation mit der Mehrheitsgesellschaft. Die Aufzählung macht deutlich, dass die postulierten Zusammenhänge zwischen den Variablen nicht (eindeutig) gerichtet sind; was abhängige und was unabhängige Variable ist, bleibt unklar. Subervi-Velez (1986: 80) konstatiert in diesem Zusammenhang außerdem, dass Studien, die Effekte thematisieren, sehr selten („scarce“) sind. Neben dieser grundsätzlich „geringen Aufmerksamkeit“ für die Rolle der Medien (ebd.: 72) unter den sozialwissenschaftlichen Forschern verweist er vor allem auf frühe Werke (wie etwa „Ethnic stratification“ von Shibutani/Kwan 1965), denen er die Basisannahme entnimmt, der Zugang und die Nutzung von Massenmedien der Mehrheitsgesellschaft beeinflusse ethnische Gruppen und Migranten im Hinblick auf das Lernen über und die Teilnahme an der Mehrheitsgesellschaft. Lin/Song (2006) zitieren ebenfalls sowohl Autoren, die für integrative Effekte ethnischer Medien stehen als auch solche, die davon ausgehen, dass ethnische Medien dabei helfen, Herkunft und Tradition zu bewahren. Ähnliche Vermutungen finden sich auch bei Hwang/He (1999: 19) und Rigoni (2005: 577-578).
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Eine aktuellere Untersuchung, die sich ebenfalls eindeutig dem Wirkungsparadigma zuordnen lässt und eine klassische Wirkungsfragestellung untersucht, ist die von Jeffres (2000). Er zählt einige Studien auf, die für Effekte der Nutzung ethnischer und Mainstreammedien auf die ethnische Identität („ethnic identity“) sprechen (ebd.: 503-504). Seine abhängige Variable verortet er allerdings eher auf einem Kontinuum von Akkulturation (womit er die assimilative Perspektive der Anpassung an die Ankunftsgesellschaft meint) und ethnischer Identifizierung (hier die Beibehaltung kultureller Eigenheiten aus der Herkunftskultur). Er stützt sich dabei auf den Ansatz zur interkulturellen Adaption („cross-cultural adaptation“), in dem die Anpassung an den Ankunftskontext durch den Erwerb von Kommunikationskompetenzen in der Ankunftskultur vollzogen wird (Kim 1977, 1978, 1988; Kim et al. 1998). In ihrem Modell, das sich anfangs vor allem auf die Wahrnehmung der Ankunfts- oder Mehrheitsgesellschaft bezog, sind die individuellen Kommunikationsmuster als Zwischeninstanzen zwischen Umweltfaktoren und Assimilationsverhalten ethnischer Minderheiten modelliert (Kim 1977: 70). Unter individuellen Kommunikationsmustern versteht sie dabei zunächst gleichwertig interpersonale und massenmediale Kommunikation. Die Befunde sind jedoch für die zwei Kommunikationsformen durchaus unterschiedlich (Abschnitt 3.3). In der Weiterentwicklung hat sich die Theorie allerdings zu einem reziproken Modell gewandelt, in dem die Kommunikationskompetenzen sowohl Ursache von als auch Wirkung für Akkulturationsprozesse sein können (Abb. 6). In diesem Modell finden sich auf der linken Seite sogenannte Prädispositionen wie etwa die Bereitschaft zur Veränderung, Anpassungsfähigkeit aber auch die Nähe zur ethnischen Gruppe, der man angehört. Ethnische Identität – hier als „intercultural identity“ beschrieben –, findet sich von diesen Dispositionen getrennt auf der rechten Seite des Modells. Geht man dagegen aus theoretischer Sicht davon aus, dass eine hohe ethnische Identifikation und Identität im Sinne der Beibehaltung der Herkunftskultur und der (gefühlten) Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe (vgl. Abschnitt 2.3) unabhängig von der Interaktion mit und Integration in den Ankunfts- oder Mehrheitskontext sein können (eine Möglichkeit, die auch Jeffres diskutiert, 2000: 499), ist mit dieser Wahl der abhängigen Variable nur die Hälfte der möglichen Akkulturationsmuster in den Mittelpunkt gerückt. Die Studie ist trotzdem in vielfacher Hinsicht fruchtbar für diese Untersuchung, u.a. weil explizit auf theoretischer und empirischer Ebene nach der Rolle der Mediennutzung im Integrationsprozess gefragt wird. Nach Jeffres kann die Nutzung der Medien der Mehrheitsgesellschaft gleichzeitig Indikator für den Akkulturationsprozess selbst und sein Ergebnis sein (ebd.: 503). Die Ergebnisse dieser Studie werden im Kapitel zum Forschungsstand (Abschnitt 3.3) noch im Detail diskutiert.
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Theoretische Grundlagen
Abbildung 6: Das Strukturmodell cross-kultureller Adaption (Kim et al.1998: 258)
2.6.4 Fazit: Mediennutzung als Ursache oder Folge sozialer Integration? Der aus der soziologischen Perspektive der Migrationsforschung geäußerten Skepsis an den Möglichkeiten, durch massenmediale Kommunikation den Prozess der sozialen Integration von Migranten resp. ethnischen Minderheiten zu beeinflussen, ist vor dem Hintergrund kommunikationswissenschaftlicher Theorie- und Forschungstradition vehement entgegenzutreten. Allerdings ist diese Frage auf der anderen Seite auch nicht mit einem „und es geht doch“ zu beantworten. Normative, auf die Steuerung von Assimilations- und Eingliederungsprozessen gerichtete Kommunikationsabsichten im Sinne einer „Integrationspropaganda“ oder einer gezielten (sekundären) Mediensozialisation und -kultivierung in der Ankunftsgesellschaft sind schon aus theoretischer Sicht unwahrscheinlich. Die kommunikationswissenschaftliche Medienwirkungsforschung, die in der sozialwissenschaftlich geprägten Publizistikwissenschaft auf eine vergleichsweise lange Tradition zurückblicken kann, hat eigentlich nur aus einer Perspektive Anwendung im Migrations- und Integrationskontext gefunden, die das klassische Ursache-Wirkungsschema infrage stellt: aus derjenigen des Uses-and-GratificationsAnsatzes. Andere Disziplinen, die sich mit dem Problemkomplex der Integration von ethnischen Minderheiten und der Rolle der Massenmedien in diesem Prozess
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beschäftigen, haben sich genauso wenig um die Integration kommunikationswissenschaftlicher Erkenntnisse bemüht wie die Kommunikationswissenschaft selbst. Theorie- und Forschungsansätze aus Soziologie, Anthropologie oder Kulturwissenschaft tendieren dazu, die Rolle der Medien zu marginalisieren, und andere, die gesellschaftlichen Strukturen und Umwelten betreffenden Wirkungsfaktoren in den Mittelpunkt zu rücken. Eine der wenigen Ausnahmen liefert in diesem Zusammenhang ein Aufsatz von Spitulnik (1993). Sie gibt einen Überblick über den anthropologischen Blick auf die Massenmedien und versucht dabei auch die sozialwissenschaftliche Perspektive der Kommunikationsforschung (vor allem Cultivation und Uses and Gratifications) mit der linguistisch-semiotischen und derjenigen der Media Studies im Sinne der britischen Cultural Studies sowie der anthropologischen Perspektive zu verbinden (ebd.: 307). Sie sieht schon damals den Trend zum anthropologischen Zugang zur Medienforschung („audience research“) durch die Cultural Studies mithilfe ethnografischer Methoden, die sie allerdings kritisch beurteilt, weil die Ergebnisse von Selbstauskünften über den Umgang mit den Medien selten reflektiert und mit beobachtbarem Verhalten validiert wurden; darüber hinaus werde die Rolle des Forschers im Datenerhebungsprozess nur sehr selten berücksichtigt (ebd.: 298). Von der kommunikationswissenschaftlichen Medienwirkungsforschung kann man lernen, dass je nach individuellem Integrationsstatus, strukturellen Umweltbedingungen und individuellen Prädispositionen Medien einerseits als Wirkungsinstanzen beschrieben werden können und andererseits ihre Nutzung als Folge eines individuellen Auswahlprozesses auf der Basis der genannten Variablen aufgefasst werden kann. Dabei ist die ethnische Identität in Verbindung mit der individuellen Akkulturationsstrategie ein Schlüsselkonzept. Die Frage danach, ob und wie stark man sich seiner Herkunft bewusst ist, sich zu ihr bekennt und sich als Mitglied einer ethnischen Gruppe fühlt, ist aus theoretischer Sicht ein relevanter Ausgangspunkt für die Entwicklung von Bedürfnissen und Motiven, die zur Selektion, Nutzung und Kombination von Medieninhalten führen. Der Uses and Gratifications Approach bietet hier ausreichende Ansatzpunkte für die Verbindung von sozialwissenschaftlichen Identitäts- und Integrationskonzepten und den Wirkungen bzw. Funktionen von Massenmedien auf der anderen Seite. Schließlich stellt sich die Frage, ob die unterschiedlichen Kausalrichtungen, die im Zusammenhang mit den zwei theoretischen Dimensionen Massenmedien (und ihre Nutzung) und Integration (Akkulturation) häufig thematisiert werden, sich tatsächlich konträr zueinander verhalten. Oder anders ausgedrückt: Geht es hier wirklich um Alternativen (Trebbe/Weiß 2007)? Jeffres jedenfalls, der sich in seiner Studie genau diesem Problem zuwendet, sieht die „umgekehrte“ Kausalrichtung des Einflusses von ethnischer Identität auf die Mediennutzung „not as clear“ wie die klassische Kausalrichtung des Medieneinflusses (Jeffres 2000: 522).
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Theoretische Grundlagen
Abbildung 7: Mediennutzung und ethnische Minderheiten: Zwei gegensätzliche Forschungstraditionen (Bonfadelli et al. 2007: 144)
Eine Darstellung von Bonfadelli et al. (2007: 144) zeigt recht deutlich den Unterschied zwischen konventionellen Wirkungsstudien auf der einen und Ansätzen vor dem Hintergrund des Uses-and-Gratifications-Paradigma auf der anderen Seite (Abb. 7). Allerdings wird in der Darstellung soziale Identität mit sozialer Integration gleichgesetzt. Dies geschieht wohl mit Blick auf die Cultural Studies, die sich aus der Sicht der Autoren am explizitesten mit dem Konstrukt der sozialen Identität auseinandersetzen. Die zwei Forschungstraditionen sind überdies unverbunden und lassen Wechselwirkungen bzw. eine Umkehr der Einflussrichtungen nur im Zusammenhang mit dem Wirkungsparadigma und den Cultural Studies zu. Geht man von hier aus einen Schritt weiter und nutzt das Konzept der sozialen Identität als Verbindung – denn es ist ohne Zweifel auch im Uses-and-Gratifications-Ansatz ein zentrales Element –, müssten sich die zwei Forschungsperspektiven zumindest modelltheoretisch verbinden lassen. Wenn ein wesentlicher Teil der in Abb. 7 als „individual characteristics of media users“ die soziale (und damit auch ethnische) Identität ist, lassen sich beide Perspektiven verknüpfen. Vollzieht man dann noch die begriffliche Trennung von sozialer Identität (als individuelle Eigenschaft) und sozialer Integration (als Prozess oder individuelle Akkulturationsstrategie), kann man die Mediennutzung in die Mitte zwischen beide Konstrukte nehmen. Abb. 8 zeigt diese Verknüpfung – in verkürzter Form – auf. Ganz im Sinne der Weiterentwicklungen des Uses-and-Gratifications-Ansatzes ist die Wirkungskette mit der Erklärung der Auswahl und Nutzung von Medien nicht beendet. Das Verhältnis von (durch die ethnische Identität beeinflussten) gesuchten und durch
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Mediennutzung und Medienwirkungen im Migrationskontext
die Nutzung von Heimat- und Mehrheitsmedien erhaltenen Gratifikationen kann in der Folge einen Effekt auf den individuellen Umgang mit Heimat- und Ankunftsgesellschaft und -kultur haben (Reid et al. 2004). Abbildung 8: Mediennutzung als Vermittlungsinstanz zwischen Identität und Integration
Ethnische Identität
Mediennutzung
Soziale Integration (Akkulturationsstrategie)
Der Zusammenhang von ethnischer Identität und Medienauswahl und Mediennutzung ist kommunikationswissenschaftlich – anders als in den Kulturwissenschaften und Cultural Studies – so gut wie nicht untersucht worden (Trepte 2004: 232; Göttlich 2000: 39).26 Obwohl das Konzept im Uses-and-Gratifications-Ansatz zentral ist (s.o.), fehlt bisher die theoretische und vor allem empirische Verbindung mit dem Gesamtkonzept sozialer Identität als Gefühl der Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Gruppe („ingroup“, Tajfel/Turner 1979 oder „core-group“, Alexander 1988). Vor allem die Frage, welche Einstellungen zu Religion, Kultur, Mehrheitsgesellschaft durch dieses Zugehörigkeitsgefühl zu einer ethnischen Gruppe beeinflusst werden oder zumindest mit ihr zusammenhängen und so zu Mediennutzungsmotiven werden können, ist bisher unbeantwortet geblieben.27 Aus dieser Perspektive spricht einiges dafür, in einem komplexeren Gesamtmodell die ethnische Identität vor dem Mediennutzungsvorgang anzusiedeln und vom konkreten Handeln in der Mehrheitsgesellschaft zu trennen. Diese theoretischen Überlegungen, insbesondere zur (analytischen) Trennung von ethnischer Identität und sozialer Integration auf der anderen Seite, sollen an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden. In Kapitel 4 (Konzeption) werden sie aber erneut aufgegriffen, um weiter differenziert und in ein Analysemodell für diese Zusammenhänge überführt zu werden. 26 Trepte (2004: 231) nennt eine Studie von Zillman et al. (1995), in der die Autoren eine Abhängigkeit der Auswahl des Musikgenres (Rap vs. Rock) vom Zugehörigkeitsgefühl zu einer (hier schwarzen) ethnischen Minderheit konstatieren (Zillman et al. 1995). 27 Dieser Befund gilt natürlich für die Kommunikationswissenschaft und nicht innerhalb der „ingroup“ der Cultural Studies. Wie beschrieben ist hier das Konzept der Identitätsbildung und -veränderung durch Medienzuwendung zentral. Es wird allerdings im Gegenzug kein Integrationsversuch der kommunikationswissenschaftlichen Rezeptionsforschung unternommen. Die Forschungstraditionen bleiben unverbunden.
3 Stand der empirischen Forschung
3.1 Repräsentation Dieser Abschnitt befasst sich mit massenmedialen Inhalten. Er dient der systematischen Aufarbeitung der Defizite und Syndrome, die der Repräsentation ethnischer Minderheiten in der Berichterstattung zugeschrieben werden. Nach einer theoretischen Systematisierung in Abschnitt 2.5 geht es dabei im Folgenden um empirische Befunde. Diese sollen vor allem den Interpretationsrahmen für die Ergebnisse der strukturierten Gruppendiskussionen im empirischen Teil (Kapitel 5) liefern, um abzuschätzen, ob und wie sie von den Betroffenen wahrgenommen und bewertet werden. Wie beschrieben ist die Vielfalt der Studien im Hinblick auf die Darstellung ethnischer Minderheiten im Allgemeinen und Migranten im Besonderen sehr groß – ebenso wie die Vielfalt der Perspektiven, aus denen heraus das Thema wissenschaftlich bearbeitet wird. Methodisch bzw. methodologisch kann man quantitative, qualitative und diskursanalytische Studien unterscheiden (Esser et al. 2002: 149). Vorherrschend sind dabei naturgemäß Studien, die sich mit Medieninhalten beschäftigen, allerdings existieren inzwischen auch einige Untersuchungen auf der Publikumsseite, die sich – wenn auch zum Teil u.a. – mit der Wahrnehmung durch die Betroffenen und den gesellschaftlichen Folgen der Repräsentation in den Medien beschäftigen (ZfT 1995; Millwood Hargrave 2002; Sreberny 1999; Kühnel/ Leibold 2000; Hafez 2002). Der Tenor der Befunde ist dagegen vergleichsweise monoton. Marginalisierung, negative Darstellungen und ein verzerrtes Bild der gezeigten Gruppen – das ist die Quintessenz, wenn von der Thematisierung in Massenmedien, insbesondere in der Presse und im Fernsehen die Rede ist (vgl. Abschnitt 2.5). In Deutschland beginnt die empirische Untersuchung dieses Problemfeldes in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts.28 Eine der ersten kommunikationswissenschaftlichen Studien zum Thema legt Merten 1986 im Auftrag des Zentrums für Türkeistudien vor (Merten 1986, 1987). In der Untersuchung stehen Ausländer 28 Als erste Inhaltsanalyse wird in diesem Zusammenhang meist die umfassende Studie von Delgado (1972) genannt (vgl. für eine vollständige historische Übersicht zum Forschungsgegenstand Müller 2005a).
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Stand der empirischen Forschung
bzw. ausländische Arbeitnehmer und ihre Darstellung in der Presse im Mittelpunkt, Ausländer sind zu dieser Zeit noch in erster Linie „Gastarbeiter“. Das Ergebnis damals: Die Presse berichtet negativ verzerrt über ausländische Arbeitnehmer, besonders Türken sind davon betroffen (Merten 1987: 73). Verlässt man die – für traditionelle Einwanderungsgesellschaften verkürzte – Migrationsperspektive und wendet sich dem weiter gefassten Begriff der ethnischen Minderheiten zu, stößt man vor allem in der US-amerikanischen Forschung auf eine ausgeweitete Tradition der Analyse der Repräsentation der schwarzen und in letzter Zeit auch der asiatischen Minderheit in den Massenmedien. So enthält etwa eine amerikanische Bibliografie zum Thema „(…) Racial images/stereotypes in the mass media“ aus dem Jahre 2001 auf 27 Seiten über 200 Einträge zum Thema Repräsentation aus vielen verschiedenen sozial- und geisteswissenschaftlichen Disziplinen (Nordquist 2001: 41-68). Der Schwerpunkt der Untersuchungen liegt dabei nach wie vor auf der Darstellung von „Schwarzen“ oder auch „Farbigen“. Den Befund der verzerrten Berichterstattung („misrepräsentation“) kann man dabei schon fast als gegeben bezeichnen. In den meisten neueren Untersuchungen taucht er in der Einleitung als Prämisse oder Ausgangspunkt für weitere Analysen auf (Dixon/ Azocar 2007: 229). Im deutschsprachigen Raum sind in der Zwischenzeit mehrere Zusammenfassungen und Überblicke erschienen, die alle zu vergleichbaren Schlussfolgerungen kommen (Bonfadelli 2007b; Müller 2005a; Ruhrmann/Demren 2000; Maurer/ Reinemann 2006: 151-159): Vor allem ist die Darstellung ethnischer Minderheiten in den Medien verzerrt, und dies in negativer Hinsicht. Insbesondere Personen mit Migrationshintergrund werden schlechter dargestellt, als sie sind. Welche Konzeptionen – soweit vorhanden – hinter diesem einhelligen Tenor stehen, wurde im theoretischen Abschnitt zur Repräsentation ethnischer Minderheiten systematisch aufgearbeitet (Abschnitt 2.5). Dabei wurden im Wesentlichen vier konzeptionelle Zugänge herausgearbeitet, die es erlauben, die Berichterstattung über Migranten und andere ethnische Minderheiten zu systematisieren. Entsprechend soll im Folgenden vorgegangen werden. In einem ersten Schritt wird dabei dem Thematisierungs- bzw. Marginalisierungsbefund nachgegangen (Abschnitt 3.1.1). Was lässt sich über das Vorkommen, die Quantität ethnischer Minderheiten in den Medien der Mehrheitsgesellschaft festhalten? Hier steht die Frage im Mittelpunkt, ob eine systematische Unterrepräsentierung in den Massenmedien existiert, und falls ja, woran diese festgemacht wird. Daran anschließend und nicht immer einfach davon zu trennen ist die Frage nach den stereotypen Darstellungen (Abschnitt 3.1.2). In diesem Abschnitt sollen Befunde zusammengetragen werden, die vor allem Eigenschaften betreffen – Eigenschaften, die wiederholt und verengt vom Individuum auf ethnische Gruppen als Ganzes übertragen werden. In einem weiteren Abschnitt soll dann versucht werden dem Framingargument auf den Grund zu gehen (Abschnitt 3.1.3). Welche Bezugsrahmen
Repräsentation
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– mit oder ohne negative Konnotation – werden im Kontext der Thematisierung von Ausländern und ethnischen Minderheiten häufig beschrieben? Daran anschließend werden in einem kurzen Exkurs Diskriminierungs- und Rassismusbefunde in der Berichterstattung besprochen (Abschnitt 3.1.4). Schließlich soll in Abschnitt 3.1.5 kurz auf wissenschaftlich diagnostizierte und prognostizierte gesellschaftliche Folgen der Thematisierungspraxis eingegangen werden. Und dies sowohl mit dem Blick auf die Mehrheitsgesellschaft – etwa bei der Frage nach dem Zusammenhang von Fremdenfeindlichkeit und medialer Repräsentation von Ausländern – als auch mit dem Blick auf die Minderheiten selbst – etwa durch die Betrachtung der Folgen mangelnder und negativer Repräsentation für die Mediennutzung ethnischer Minderheiten. 3.1.1 Thematisierung: Überrepräsentation vs. Marginalisierung Die empirischen Befunde zu diesem Komplex zeigen in zwei auf den ersten Blick gegensätzliche Richtungen – jedenfalls was die Thematisierung verstanden als quantitativen Umfang der Berichterstattung über ethnische Minderheiten angeht. So ist einerseits von Überrepräsentation sogenannter „unerwünschter“ Gruppen (Ruhrmann/Demren 2000: 71; Müller 2005a: 100) und andererseits von Marginalisierung bzw. einer zu geringen Berücksichtigung in den Medien die Rede (Bonfadelli 2007b: 98-99; Ter Wal 2002: 41; Pietikäinen 2004). Der vermeintliche Widerspruch löst sich allerdings schnell auf, wenn man nach der Art und Weise der Thematisierung fragt. Die Thematisierungshierarchie, die dazu in Abschnitt 2.5 entwickelt wurde, kann helfen, die Befunde zu systematisieren. Danach sind es drei Stufen, auf denen jeweils Repräsentationsdefizite konstatiert werden können: vom reinen Vorkommen (Stufe 1) über die stereotype und problematisierende Darstellung (Stufe 2) bis hin zum passiven Berichterstattungsobjekt anstelle der aktiven Sprecherrolle (Stufe 3). Die Thematisierung als Problem im Sinne der klassischen Agenda-Setting-Forschung („issue“), vom passiven Gegenstand bzw. Objekt der Berichterstattung bis hin zum Ausländerproblem als gesellschaftlichem Bedrohungsszenario ist gemeint, wenn von Überrepräsentation gesprochen wird (Stufe 2). In diesem Zusammenhang sind die Türken in Deutschland und Europa eine Besonderheit unter den Migrantengruppen. Sie gelten als eine besonders fremd erscheinende Nationalität (Meißner/Ruhrmann 2000: 7) und sind „in besonderem Maße Vorurteilen ausgesetzt“ (Merten 1987: 75). Genau genommen handelt es sich hier also nicht um einen quantifizierenden sondern einen qualifizierenden Vorwurf. Die Berichterstattung ist – nach dieser Lesart – nicht übertrieben intensiv oder gehäuft, sondern übertrieben oft auf Migranten oder ethnische Minderheiten als Problem bezogen (Bonfadelli 2007b: 99).
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Stand der empirischen Forschung
Im Zusammenhang mit der reinen Repräsentation bestimmter Gruppen (Stufe 1) muss ein weiterer Typus von Befunden berücksichtigt werden, nämlich solche zur Etikettierung oder zum Labeling von ethnischen Minderheiten. Damit ist gemeint, dass der Migrationshintergrund einer Person, in welchem thematischen Zusammenhang auch immer, als persönliche, quasi soziodemografische Eigenschaft in der Medienberichterstattung fast immer (mit)genannt wird. Dabei können solche Label neutral, negativ und positiv konnotiert sein. Sie hängen stark von nationalen Sprachmustern und Sprachregelungen ab und enthalten zum Teil ethnische (Hautfarbe) und zum Teil formal zugeschriebene Eigenschaften, wie etwa der Aufenthaltsstatus bei den sogenannten „sans papiers“ in Frankreich (Ter Wal 2002: 50-51). Dies trifft nicht nur auf Berichterstattungsgenres in der Presse zu. Auch in fiktionalen Fernsehprogrammen spielen Mitglieder ethnischer Minderheiten meist sich selbst und sind mit der Lösung spezifischer ethnischer oder Migrationsprobleme beschäftigt (Sreberny 2005: 448). Dieser und ähnliche Befunde stehen in engem Zusammenhang mit der weiter unten behandelten Framingforschung zum Themenkomplex ethnische Minderheiten. Die Herkunft an sich ist häufig der Bezugsrahmen der Thematisierung. So werden etwa in den USA Kongressabgeordnete schwarzer Hautfarbe in der Lokalpresse nicht seltener thematisiert als ihre weißen Kollegen. Wenn sie allerdings auftauchen, dann häufig in Zusammenhang mit migrationspolitischen Fragen oder Problemen ethnischer Minderheiten (Schaffner/ Gadson 2004: 618). Unterrepräsentanz und Marginalisierung beziehen sich dagegen auf die sachliche bzw. in erster Linie nicht problematisierende Berichterstattung über ethnische Minderheiten oder ihr Vorkommen bzw. „zu Wort kommen“ (Stufe 3) in der journalistischen Berichterstattung und Nachrichtengebung (Ter Wal 2002: 40-41). Vergleichbare Beiträge liegen aber auch für andere Medien- und Programmgenres wie etwa fiktionale Darstellungen (Wright 2002) oder Werbung vor (Bang/Reece 2003) und lassen sich für fast alle EU-Länder (Christiansen 2004: Dänemark, Sreberny 2005: Großbritannien, Ter Wal 2004: EU-Staaten im Überblick), die Vereinigten Staaten (Greenberg et al. 2002) und eine ganze Reihe anderer Staaten finden (etwa Ganescu 2006: Rumänien oder Roscoe 2000: Neuseeland). Besonders im amerikanischen Sprachraum sind die inhaltsanalytischen Studien zur Repräsentanz von ethnischen Minderheiten pragmatisch angelegt. Eine Vielzahl von Studien untersucht etwa das quantitative Verhältnis verschiedener ethnischer Gruppen („races“) zu unterschiedlichen Sendezeiten, in unterschiedlichen Programmgenres und Programmelementen des Fernsehens. So wird etwa die Entwicklung des Anteils der Schwarzen im Fernsehen (1970: 6 Prozent) mit ihrem Anteil in der Gesamtbevölkerung verglichen (1970: 11 Prozent). Dies geschieht unter anderem im Kontext der Kultivierungsanalyse (Gerbner 1993), um sogenannte Fernsehantworten von Aussagen unterscheiden zu können, die stärker in der „realen Welt“ verankert sind. Deutlicher qualifizierende Inhaltsanalysen kommen häufig zu ähnli-
Repräsentation
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chen Befunden wie die Forschung im europäischen Raum: Negative Darstellungen, Stereotypen und Kriminalität dominieren die Berichterstattung (Greenberg et al. 2002: 340), insbesondere in den Fernsehnachrichten. Müller (2005a: 112) stellt in diesem Zusammenhang zu Recht die Frage nach dem Maßstab einer solchen Beurteilung. Besonders in der amerikanischen Forschungstradition werden soziodemografische Merkmale aus der amtlichen Statistik mit derjenigen der Bildschirmpräsenz von Protagonisten verglichen (Gerbner 1993; Signorielli 1984). Vertritt man nicht diese von Schulz (1989) als „ptolemäische Weltsicht“ bezeichnete Auffassung der 1:1-Abbildung bestimmter Realitätsausschnitte, wird es hingegen schwer, quantitative Repräsentationsdefizite zu benennen. In den meisten diesbezüglichen Studien findet kein Vergleich zwischen migrationsspezifischen, ethnischen Beiträgen mit der restlichen Berichterstattung statt, um festzustellen, ob diese sich systematisch unterscheiden. Eine Pionierarbeit ist in dieser Hinsicht die Studie „European Day of Media Monitoring“ (Ter Wal 2004), in der die gesamte Berichterstattung ausgewählter Tageszeitungen aus 15 Mitgliedsstaaten (an einem Stichtag) inhaltsanalytisch erfasst und thematisch codiert wurde. Der Anteil der Beiträge mit „ethnischer Dimension“ (einem ethnischen Akteur oder einem ethnischen Themenbezug) lag in dieser Studie im Durchschnitt aller Staaten und Zeitungstitel bei 11 Prozent. Die Wissenschaftler stellen verschiedene Ungleichgewichte in der Akteursrepräsentanz zwischen ethnischen und nichtethnischen Nachrichtenbeiträgen fest (Ter Wal 2004: 3-6) – eine Einschätzung, ob diese 11 Prozent angemessen, ausreichend oder zu gering sind, findet sich auch in diesem Forschungsbericht erwartungsgemäß nicht.29 Eine ähnliche Studie liegt für das deutsche Fernsehprogramm des regionalen WDR-Fernsehens vor (Krüger/Simon 2005). Die Autoren untersuchen die Thematisierung von Akteuren mit Migrationshintergrund in Beiträgen mit und ohne Migrationsthema. Das Ergebnis hier: Etwa 10 Prozent des 24-Stunden-Tages (144 Minuten) enthalten Beiträge mit Migrationsbezug im nichtfiktionalen Programm, also ohne Filme und Serien etc. (ebd.: 107). Allerdings bleibt in diesem Fall unklar, wie ethnische Akteure und Themen identifiziert wurden – trotzdem zeigt sich eine erstaunliche Übereinstimmung mit den Ergebnissen für die Presse in der europäischen Studie.30 Die Beurteilung der Repräsentation ethnischer Minderheiten im Hinblick auf die Quantität ihres Vorkommens ist also schwer objektivierbar. Sie wird entweder 29 Für die deutschen Verhältnisse mit einem Ausländeranteil von 8,8 Prozent und ca. 120.000 Einbürgerungen pro Jahr wäre eine solche Quote allerdings aus einem weniger konstruktivistischen Blickwinkel ein gutes Ergebnis (Quelle Statistisches Bundesamt; http://www.statistik-portal.de (27-12-2007)). 30 1986 kommt eine Studie der zwei Programme ARD und ZDF mit einem ähnlichen – wenn auch nicht vollkommen vergleichbaren – Zuschnitt auf einen Anteil von etwa 5 Prozent der untersuchten Sendezeit (Kühne-Scholand 1987: 81).
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subjektiv den Angehörigen der ethnischen Minderheiten selbst oder – aus einer normativen Perspektive – relational zu anderen Berichterstattungsinhalten beurteilt werden müssen. Besser zu analysieren und darzustellen ist die Betonung des Migrations- oder Minderheitenstatus. Dieser hängt sehr stark mit den thematisierten Bezugsrahmen der Berichterstattung bzw. dem Kontext der fiktionalen Darstellung von Akteuren zusammen, mit denen wir uns im nächsten Abschnitt genauer beschäftigen werden. 3.1.2 Stereotypen Stereotypen werden in der Forschungsliteratur für viele der theoretisch und empirisch beschriebenen Syndrome der medialen Repräsentation von Migranten bzw. ethnischen Minderheiten genutzt (Abschnitt 2.5.2): Sehr häufig werden Stereotypen in einem Atemzug und quasi synonym mit Vorurteilen und Diskriminierung genannt (Bonfadelli 2007b: 96). Sprachliche Stereotypen werden häufig durch (negative) Metaphern für Asylsuchende, Migranten und ethnische Minderheiten identifiziert (Ter Wal 2002: 46). Religiöse Symbole und das Image einer ethnischen Minderheit werden mit Stereotypen gleichgesetzt (Amiraux/Simon 2006: 207). Insbesondere die Berichterstattung über kriminelle Ausländer wird sehr häufig mit dem Begriff Stereotyp belegt und als unzutreffende Generalisierung bezeichnet (Geißler 2000: 135; Ter Wal 2002: 43; Mai 2005: 549-550; Coole 2002: 846). Fokussiert man an dieser Stelle erstens auf inhaltsbezogene Befunde und zweitens auf solche, die Stereotypen im engeren Sinne behandeln, gewinnt das Forschungsfeld nicht besonders an Übersichtlichkeit. Man kann dann aber vor allem feststellen, dass die Übertragung individueller Eigenschaften und Verhaltensmuster auf ethnische Gruppen bzw. Migranten einerseits von der betroffenen Gruppe (Albanern werden andere Eigenschaften unterstellt als Chinesen) und andererseits vom nationalen Kontext abhängt (in Italien verläuft diese Verallgemeinerung anders als in Deutschland oder den Niederlanden). Stereotypen, die sich auf Migranten insgesamt beziehen, sind dagegen eher selten und wenn dann im Sinne von Prototypen vorhanden – etwa „der“ türkische Einwanderer als Prototyp für den „Gastarbeiter“ in Deutschland. Eine grundsätzliche Tendenz ist dabei das schon erwähnte Kriminalitätssyndrom. Personen mit Migrationshintergrund werden häufig in der Rolle des Straftäters und Normabweichlers dargestellt.31 Auf den ersten Blick wertfreie Stereotype 31 Eine jüngere (hauseigene) Studie des WDR-Fernsehens stellt hier allerdings einen gegenläufigen Trend fest. In einer Programmanalyse des dritten Fernsehprogramms des WDR wurde keine erhöhte Verknüpfung von Kriminalität und Migrationsthematik festgestellt (Krüger/Simon 2005: 110).
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wie Religiosität oder politisches Engagement, die diesen Gruppen unterstellt werden, wandeln sich häufig zu eher negativen Eigenschaften wie Fundamentalismus im Falle der Religion oder Fanatismus in politischen Fragen (Butterwegge 2006: 196). Auf der positiven Seite sind oft Prominente als gesellschaftlich erfolgreiche Rollenträger das Thema (Ter Wal et al. 2005: 948). Konkrete Stereotypen von Migranten/ethnischen Gruppen in den verschiedenen nationalen Mehrheitskontexten lassen sich praktisch in unbegrenzter Zahl in der Forschungsliteratur finden. Die bekanntesten und am längsten beobachteten Phänomene sind wohl diejenigen, die die afroamerikanische Minderheit in den USA und zum Teil auch in Großbritannien betreffen. Der „sexbesessene wilde Schwarze“ ist nur eines aus einer ganzen Reihe von Stereotypen, die über Schwarze bekannt sind (Browne 2005; Downing/Husband 2005; Pietikäinen 2004; Cottle 2000b; Greenberg et al. 2002). Weiter werden italienische Einwanderer in den amerikanischen Medien als Mitglieder der Mafia, gute Boxer von der Straße (Rocky Balboa) und im Falle der weiblichen Angehörigen dieser Gruppe als gute und häufige Köchinnen dargestellt (Bona 1996: v-vii). Die ungarische Minderheit wird in der rumänischen Presse als arrogant, untreu und ablehnend dargestellt (Ganescu 2006). Sogenannte „Latinos“, Angehörige und Nachkommen lateinamerikanischer Einwanderer, werden in den USA häufig als mexikanische Banditen, Clowns, Latin Lovers bzw. – speziell im weiblichen Fall – als dunkle Schönheiten oder gar als sexuell fixierte Dirnen oder Huren („harlots“) dargestellt (Greenberg et al. 2002). Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen und ist für den konkreten Forschungskontext auch wenig hilfreich. Sie illustriert aber die Vielfalt der möglichen und auch real vorhandenen Stereotype in den entsprechenden nationalen Kontexten. Außerdem verdeutlicht sie den Kern des Konzepts: die Herstellung einer Verbindung zwischen individuellen Charaktereigenschaften und Handlungsrollen mit einer ganzen ethnischen Gruppe. Wendet man sich für eine weitere Konkretisierung den spezifisch türkischen Stereotypen zu, findet man auch hier eine Vielzahl von Attributen und Zuschreibungen. Historisch gesehen ist die primäre Rollenzuschreibung für türkische Migranten, insbesondere in Deutschland, die des ausländischen Arbeitnehmers. Als „Gastarbeiter“ waren türkische Einwanderer zuerst medial präsent und wurden entsprechend auch kommunikationswissenschaftlich thematisiert (Merten 1987: 73). Inzwischen hat sich die Perspektive auf die Arbeitgeberrolle einiger Vertreter der türkischen Minderheit erweitert; so ist inzwischen auch der türkische Geschäftsmann und Unternehmer eine stereotype Rolle (Meißner/Ruhrmann 2000: 66). An-
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dere Rollen – zum Teil mit positiverer Konnotation – sind in diesem Zusammenhang die des Gastes, Sportlers oder Künstlers (Ruhrmann/Demren 2000: 70). Gerade die Verknüpfung und Gleichsetzung der ethnischen Herkunft mit dem muslimischen Glauben in einem ersten Schritt und mit islamistischem Fundamentalismus und Terrorismus in einem zweiten Schritt trifft die Türken in Deutschland und Europa in besonderer Weise (Schiffer 2005; D’Haenens/Bink 2007). Diese Verknüpfung gilt insbesondere für türkische Frauen, die durch die Betonung des Kopftuchs stigmatisiert werden (Amiraux/Simon 2006: 206), und – wiederum in Verbindung damit – die stereotypen Geschlechterrollen im Verhältnis von muslimischen (unterdrückten) Frauen und (unterdrückenden) Männern (Farrokhzad 2006: 65, 72-74). Zum Teil reicht dies bis zum südländischen bzw. türkischen Macho, wie er etwa in Daily Talks oder Gerichtsshows thematisiert und vorgeführt wird (Schorb et al. 2003: 15-33). Man kann abschließend konstatieren, dass der Vorwurf der stereotypen Darstellung in der öffentlichen und wissenschaftlichen Debatte weitaus häufiger gebraucht wird, als dass der Nachweis konkreter Stereotypen in den Medien erbracht wird. Der Zusammenhang mit dem Themenbereich Kriminalität ist in den meisten Fällen kein Stereotyp, denn es wird ja jeweils über tatsächliche kriminelle Handlungen berichtet – vielmehr spielen hier (implizite) Wirkungsannahmen hinein. Es wird meist angenommen, dass eine vermehrte und ggf. auch verzerrte Berichterstattung zu einer stereotypen Repräsentation ethnischer Minderheiten beim Publikum führt. Wir werden diese Wirkungsperspektive an zwei Stellen erneut aufgreifen. Erstens im übernächsten Abschnitt, in dem es um die Konsequenzen einer negativen Darstellung von Migranten geht, und zweitens bei der Beschreibung des Forschungsstandes zur Mediennutzungs- und Wirkungsforschung im Hinblick auf ethnische Minderheiten. Wichtig für die vorliegende Studie ist in diesem Zusammenhang zudem die Unterscheidung zwischen unspezifischen und spezifischen Stereotypen. Mit dem Ersten sind solche Generalisierungen und Homogenisierungen gemeint, die sich auf den gesamten Personenkreis im Migrationskomplex beziehen (Flüchtlinge, Asylbewerber, Migranten, Fremde etc.). Spezifische Stereotype sind dagegen solche, die sich auf eine ethnische Gruppe – hier die Türken – beziehen und eine Teilmenge bzw. Schnittmenge mit dem ersten Typus der Stereotypen sein können. 3.1.3 Framing Die Ausführungen in Abschnitt 2.5 haben gezeigt, dass Konzepte und Befunde zur Thematisierung, zur stereotypen Darstellung, zum Negativismus und schließlich auch zum Framing stark vermischt und undifferenziert dargestellt werden. Deshalb soll in diesem Abschnitt versucht werden, besonders diejenigen Forschungsergebnisse zusammenzutragen, die sich auf den Kern des Framingkonzepts beziehen, die
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Herstellung und Betonung von mehrdimensionalen Themenkontexten, in denen ethnische Minderheiten thematisiert werden. Eine Schlüsselstudie ist in diesem Zusammenhang sicher diejenige von D’Haenens und De Lange (2001), bei der im Rahmen einer Inhaltsanalyse niederländischer Tageszeitungen fünf Basisframes auf die Asylberichterstattung angewandt wurden, die von Semetko und Valkenburg (2000) für die Analyse der europäischen Politikberichterstattung zusammengetragen wurden. Die bekannten Frames (Verantwortung, Human Interest, Konflikt und ökonomische Konsequenzen) konnten in der Studie repliziert werden. Ein moralischer Themenkontext, zu dem nach D’Haenens und De Lange (2001) auch religiöse Aspekte gehören, wurde nicht identifiziert (ebd.: 859). Ein Ergebnis, das aus heutiger Sicht nach den Ereignissen in New York 2001 und den „Krieg gegen den Terror“ sicher nicht mehr zu erwarten wäre. Es wird seitdem vermehrt auch auf religiöse Teilthemen Bezug genommen; insbesondere der Islam rückt stärker in den Blick (Schiffer 2005; D’Haenens 2007). Der wichtigste Frame in dieser Studie in der Asylberichterstattung ist der Human-Interest-Frame (Personalisierung), also die Kontextualisierung des Problems als individuelles Schicksal (D’Haenens/De Lange 2001: 858). Der Frame, der die ökonomischen Konsequenzen thematisiert, wird dagegen eher titelabhängig identifiziert, er hat keine grundsätzlich prioritäre Bedeutung in der Berichterstattung. Die zwei übrigen Basisframes Konflikt und Verantwortung muss man vermutlich im Kontext der Besonderheiten des Untersuchungsgegenstands der Asylberichterstattung relativieren. Diese gehört zwar zum Themenkomplex ethnischer Minderheiten, ist aber ein sehr spezifischer und themenimmanent besonders problemzentrierter Teilaspekt, wie verschiedene Studien aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zeigen (Joskowicz 2002: 321; Küpfer 1994; Müller 2005a: 101; Zwingli 1994). Dennoch kann man festhalten, dass mit diesen Frames zumindest Basisdimensionen der medialen Repräsentanz ethnischer Minderheiten beschrieben werden können. Einige der wenigen quantitativen Studien im Kontext der britischen Media Studies, die sich zudem explizit auf Frames in der Berichterstattung bezieht, ist die Inhaltsanalyse der Asyl- und Flüchtlingsberichterstattung in der britischen Presse der 1990er Jahre (Kaye 2001).32 Der Autor identifiziert einige spezifische sprachliche Frames für die Thematisierung von Asylsuchenden, vor allem im Zusammenhang mit ihrer Anerkennung als Flüchtlinge. So zeigt er in einer ersten Analyse, dass die Worte Betrug und Schwindel („bogus“, „phoney“) in entsprechenden Presseberichten sehr häufig eingesetzt werden. In einem zweiten Schritt untersucht er vier allgemeinere Themenkontexte, von denen allerdings unklar bleibt, woher sie stammen (Kaye 2001: 61): (1) die Echtheit des Asylanspruchs, (2) das Sozialhilfeprob32 Für eine Übersicht einschlägiger Beiträge aus den Cultural und Media Studies vgl. Cottle (2000a: 1-30).
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lem, (3) die Einwanderungszahlen und (4) Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in der Kommentierung. Es zeigt sich auch hier deutlich, dass Flucht und Asyl als Migrationsursache selbst als eigenständiger Themenkontext bzw. Frame angesehen werden können. Ein Beispiel für eine weniger systematische, stärker themenbezogene Anwendung von Frames liefert Husband (2005). So stellt er etwa in den amerikanischen Lokalnachrichten des Fernsehens der 1990er Jahre vor allem einen Kriminalitätsframe („crime story“) und einen Kulturfestframe („ethnic cultural festival“) fest, wenn es um die Berichterstattung über ethnische Minderheiten geht. Seine Darstellung ist ein gutes Beispiel für ein vollständig unabhängiges Framingkonzept in den Cultural Studies. Kommunikationswissenschaftlich-theoretische Grundlegungen spielen dabei keine Rolle. Als weitere Frames zählt er etwa die Kriegs-, Aids- und Korruptionsframes in der Berichterstattung über Afrika oder den Farbframe („colorframe“) für Schwarze und Migranten mexikanischer Herkunft sowie einen Komikframe bei der Darstellung schwarzer Protagonisten im amerikanischen Fernsehen auf. Für die Analyse der Gruppendiskussionen zur Repräsentation ethnischer Minderheiten (Kapitel 5) ist in diesem Zusammenhang weniger dieser von der Kommunikationswissenschaft abweichende Gebrauch des Framingbegriffs als vielmehr der Befund hilfreich, dass Migration ein relevanter Themenkontext ist, in den Angehörige ethnischer Minderheiten bevorzugt gestellt werden, auch wenn sie seit mehreren Generationen keine Migrationserfahrung mehr hatten (ebd.). Die aktuellste und zugleich themenspezifische Framingstudie haben Vliegenthart und Roggeband (2007) vorgelegt. Sie untersuchen Parlamentsdebatten und Presseberichte zum Thema Immigration und Integration. In einer qualitativen Vorstudie wurden aus dem Untersuchungsmaterial fünf Themenframes deduziert (ebd. 2007: 301-302): Multikulturalität („multicultural frame“) beschreibt einen – nach Meinung der Autoren typisch niederländischen – Themenkontext, der vor allem auf die positiven Auswirkungen kultureller Vielfalt abhebt. Der Emanzipationsframe im Kontext der Migranten bezeichnet die Hervorhebung von Aspekten, die den Nachholbedarf der Gruppe im Hinblick auf Partizipation, Glauben und Gebräuche der Ankunftsgesellschaft kennzeichnen. Begrenzung („restriction frame“) bezeichnet die Thematisierung des Zuzugs weiterer Migranten, vor allem durch den Nachzug von (potenziellen) Ehefrauen aus den Herkunftsländern. Der Opferframe ist ebenfalls vorrangig ein Bezugsrahmen für Frauen im Migrationskontext. Sie werden als Opfer einer religiösen, restriktiven Kultur dargestellt. Das Kopftuch ist unter anderem ein Symbol für diesen Frame. Islam als Bedrohung. Ganz im Gegenteil zu der oben zitierten Studie von D’Haenens und De Lange, in der Religion als Teil des Moralframes in der Be-
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richterstattung über Asylbewerber (noch) nicht als dominant identifiziert werden konnte, stellen Vliegenhart/Roggeband nicht nur einen explizit religiös kontextualisierten Frame fest – er ist darüber hinaus auch noch (1) konkret auf den Islam bezogen und (2) mit einem Bedrohungsszenario verknüpft. Die Ergebnisse der Studie beziehen sich auf die gegenseitige Beeinflussung von Presse- und Parlamentsagenda. Für die Untersuchung der Wahrnehmung der Repräsentation ethnischer Minderheiten ist eher die Identifizierung der genannten Frames von Interesse. Als besonders dominant bezeichnen die Autoren vor allem den Islamframe (insbesondere nach dem Schlüsselereignis des Mordes an dem niederländischen Filmemacher T. v. Gogh im Jahre 2004), gefolgt vom Multikultiframe und dem Emanzipationsframe. Neben der Identifikation der genannten Themenrahmungen ist die Studie überaus hilfreich für die Einschätzung der Bedeutung von Schlüsselereignissen für die Darstellung ethnischer Minderheiten in den Medien. Starke Verschiebungen zwischen den Themenkontexten sind zum Teil eindeutig auf religiös motivierte Morde oder islamistisch motivierten Terror zurückzuführen (Vliegenthart/Roggeband 2007: 309). Sie können damit Erkenntnisse, die im Zusammenhang mit der Berichterstattung über Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus existieren (Brosius/Eps 1995; Weiß et al. 1995), auf den gesamten Themenkomplex Migration und Integration übertragen. Abschließend noch eine Anmerkung zum Kriminalitätsframe oder – etwas allgemeiner – dem als „Negativismus“ oder „Problematisierung“ beschriebenen Framing in vielen Forschungsbeiträgen und Überblicken (Abschnitt 2.5).33 Will man sie im Zusammenhang mit Themenkontexten betrachten, so kann man hier auch von einem Ausgrenzungs- bzw. Abweichungsframe sprechen. Viele dieser Befunde beschreiben im Grunde die Thematisierung von Normabweichungen durch Fremde (Bonfadelli 2007b: 103-104; Esser et al. 2002: 149; Ter Wal 2002: 44; ZfT 1995). Das Verhältnis der Mitglieder der verschiedenen Herkunftskontexte (der „Anderen“, der „Fremden“, der „Neuen“) zur Ankunftsgesellschaft kann als grundlegender Themenkontext bzw. als Frame-Frame aufgefasst werden – als Hintergrundfolie, vor der viele der Themenkontextualisierungen stattfinden, in denen es um Integrationsprobleme, Abgrenzung und Ausgrenzung, abweichendes Verhalten aber auch Anpassung und Bereicherung geht. Hier stößt man im Übrigen auf ein Dilemma, das fast alle Studien zur medialen Repräsentation ethnischer Gruppen oder Migranten betrifft, insbesondere solche, die nach dem Themenkontext fragen: Die Auswahl der Untersuchungsobjekte bestimmt den Bezugsrahmen der Analysen. So ist in den meisten Inhaltsanalysen das Zugriffskriterium für die Selektion der Untersuchungseinheiten (Beiträge, Sendun33 Diese Berichterstattungsmerkmale werden noch einmal in Abschnitt 3.1.4 aufgegriffen, wenn es vor allem um negative Zuschreibungen und Negativismus als Merkmal der Thematisierung ethnischer Minderheiten geht.
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gen, Artikel etc.) die Nennung eines entsprechenden Schlüsselwortes in oder an der Untersuchungseinheit (Schlagzeile, Moderation). Ein solches Vorgehen führt unweigerlich zu dem Befund, dass Migranten/ethnische Minderheiten explizit als solche thematisiert werden. Normalität im Sinne einer impliziten Gleichbehandlung in allen möglichen Themenbezügen ist auf diesem Wege ebenso kaum feststellbar wie der mögliche Verzicht auf eine ethnische Dimension bei der Berichterstattung über Migranten. Einige der wenigen Ausnahmen ist die bereits genannte Studie des European Day of Media Monitoring (Ter Wal 2004) und ihre Erweiterung durch eine größere, auf die Niederlande bezogene Stichprobe für detailliertere Themenund Akteursanalysen (Ter Wal et al. 2005). Danach sind (1) ethnische Bezüge („ethnicity“) in den niederländischen Tageszeitungen mit insgesamt 17 Prozent der Nachrichten grundsätzlich häufiger vertreten als im EU-Durchschnitt (11 Prozent) und (2) vor allem in den Themenfeldern Demonstrationen/Proteste, Religion, Erziehung/Bildung („education“), Gender und Arbeit überrepräsentiert (Ter Wal et al. 2005: 942). 3.1.4 Exkurs: Diskriminierung und Rassismus in Medieninhalten Es ist vergleichsweise schwierig, den Themenkomplex rassistischer bzw. diskriminierender Berichterstattung in den Medien von den anderen Themenkomplexen abzugrenzen. Im Grundsatz handelt es sich dabei um die Zusammenfassung und Pointierung aller genannten Syndrome (Trebbe/Köhler 2002: 136; Ter Wal 2002: 53; Entman 1990). Die meisten wissenschaftlichen Autoren halten sich bei der Verwendung der Bezeichnungen Diskriminierung und Rassismus für die Bewertung einer verzerrten, marginalisierten, stereotypen und insgesamt negativen Darstellung ethnischer Minderheiten stärker zurück. Der Begriff „Rassismus“ geht in diesem Zusammenhang wohl auf den diskursanalytischen Ansatz von Van Dijk (1991) zurück, der die Presseberichterstattung über ethnische Minderheiten als einseitig diskriminierend brandmarkt (vgl. auch Wood/King 2001: 4). In Deutschland gibt es eine vergleichbare diskursanalytische Tradition im Umfeld des Duisburger Instituts für Sprache und Sozialforschung (DISS), die sich vor allem mit der „Verschränkung von Kriminalitäts- und Einwanderungsdiskurs“ (Jäger 2000: 209) beschäftigt. Kennzeichnend ist an dieser Forschungsperspektive der Kurzschluss von der Medienberichterstattung auf die Einstellungen der Gesellschaft im Allgemeinen bzw. des Medienpublikums im Besonderen. In den sogenannten Critical oder Cultural Studies ist der Rassismusvorwurf an die Medien und damit die Übertragung in den gesellschaftlichen Diskurs weit verbreitet. Mit diskursanalytischen Verfahren wird nachgewiesen, dass in der Berichterstattung über ethnische Gruppen Rassismus eine Rolle spielt und (z. B. vietnamesische) Migranten in der (australischen) Presse marginalisiert und diskriminiert werden (Teo 2000). Für Frankreich und auch für die Niederlande zeigt auch Van der Valk (2003a und 2003b) rassistische Diskri-
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minierungen in den vormedialen Parlamentsdiskursen und Politikerreden der konservativen und rechtsextremen Parteien auf. Diese beruhen rhetorisch vor allem auf der negativen Darstellung des „Anderen“ und der Delegitimation und Exklusion von Migranten und ethnischen Minderheiten (Van der Valk 2003b: 341; vgl. auch Martin Rojo/Van Dijk 1997: 539). Insbesondere Migranten werden von rechten und extrem rechten Parteiakteuren als Bedrohung dargestellt (Van der Valk 2003a: 183). Dabei scheint dieser Anti-Immigrationsdiskurs in Frankreich expliziter und eher ein Bestandteil der Mainstreamdiskussion zu sein (Van der Valk 2003a: 205). Spencer (2004) wirft den populären Massenmedien in den USA vor, sie würden eine überkommene Sichtweise der Rassentrennung manifestieren und die sogenannte „one drop rule“ in ihrer Berichterstattung weiter befördern. Damit ist gemeint, dass im Vergleich zu sogenannten Weißen alle aus mehreren Ethnien abstammenden Personen als schwarz oder zumindest farbig dargestellt werden. Dieser Vorwurf trifft vor allem die wöchentlichen Magazine „Time“ und „Newsweek“, aber auch das Fernsehen. Das Phänomen der „multiracial persons“ (ebd.: 364) wird von diesen Medien als neu bezeichnet und der „multirassische“ Background der meisten sogenannten Schwarzen weitestgehend ignoriert – auch vom staatlichen Zensus-Büro (ebd.). Tiger Woods etwa, der erfolgreiche US-amerikanische Golfspieler wird dabei immer wieder als Vertreter einer „neuen“ „multirassischen“ Generation angeführt (ebd.). Dieser bezeichnet seine Herkunft selbst als „Cablinasian“ (Caucasian/Black/Indian/Asian) (ebd.: 376, Anm. 11). Die Beschäftigung mit dieser kritischen, diskursanalytischen und an den Cultural Studies orientierten Forschungstradition wirft einige methodologische Fragen auf. Aus einer kritisch-rationalistischen Perspektive scheint erstens der Schluss von nicht repräsentativem Medieninhaltsmaterial auf einen ganzen Diskurs oder einen Trend in der Repräsentation in „den Medien“ mehr als problematisch. Wenn etwa auf der Basis von zwei Zeitungsberichten Aussagen über die Behandlung einer ethnischen Gruppen in der Öffentlichkeit getroffen (Teo 2000: 7) oder ganz ohne empirische Fundierung – quasi essayistisch – Diagnosen zu den Tendenzen der Berichterstattung gezogen werden (Spencer 2004: 364). Zweitens scheint es aus dem Blickwinkel einer kommunikationswissenschaftlichen Medienwirkungsforschung mit vorwiegend quantitativer Tradition mehr als fragwürdig, den Schluss von den vermeintlichen Inhalten auf die kognitive Repräsentation im Publikum zu machen, ohne entsprechende Kausalanalysen vorgenommen zu haben. Andererseits werden empirisch-quantitative Methodologien aus der kultur- und medienwissenschaftlichen Perspektive massiv kritisiert. Die oberflächliche Erfassung von Thematisierungsleistungen etwa sei nicht in der Lage, den Kern des Problems und seine Komplexität adäquat abzubilden (Ter Wal 2002: 34-35). Eine Diskussion dieser zwei immer noch ziemlich unverbundenen bis gegensätzlichen Positionen soll hier nicht folgen. Sie wird an anderer Stelle intensiv und offen geführt (Downing/Husband 2005: 27-29; Hepp/Löffelholz 2002). Auffallend ist
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jedoch, dass auf der Ebene der internationalen Forschung zum Themenkomplex Medien, Integration, ethnische Minderheiten sowohl die methodologische Debatte als auch das Gros an wissenschaftlichen Publikationen zum Thema aus dem Bereich der Diskursanalyse und der Critical bzw. Cultural Studies stammt (zur Übersicht vgl. etwa Cottle 2000b; Wood/King 2001; Downing/Husband 2005). Außerdem sind in entsprechenden Forschungssynopsen eher kritisch-kulturwissenschaftlich ausgerichteter Autoren grundsätzlich weniger Berührungsängste zwischen empirischquantitativen und qualitativ-verstehenden Zugängen zu spüren (Greenberg et al. 2002). Man kann von inter- und transdisziplinärer Sicht auf den Forschungsgegenstand sprechen, die sich in den entsprechenden deutschsprachigen Publikationen erst sehr langsam durchsetzt (Müller 2005a; Bonfadelli 2007a). Für die Analyse des Rassismusvorwurfs an die Medien bringt diese methodologische Betrachtung jedoch naturgemäß wenig. Es bleibt dabei: In den meisten Studien und Publikationen bezeichnet Rassismus – ganz gleich aus welcher erkenntnistheoretischen Perspektive – mehr die Fokussierung auf (zum Teil vermutete) gesellschaftliche Folgen der in den vorangegangenen Abschnitten beschriebenen Berichterstattungs- und Thematisierungssyndrome. Als rassistisch wird dort das bezeichnet, was stereotyp, in einseitigen Themenbezügen, problematisch und negativ dargestellt wird. Eine zusätzliche Themendimension, die häufig in diesem Kontext untersucht wird, ist die Berichterstattung über rassistische und fremdenfeindliche Gewalttaten. Das Thema hat ohne Zweifel eine ethnische Dimension: Ethnische Minderheiten und Migranten sind von Gewalttaten betroffen und darüber wird häufig berichtet. In Abschnitt 3.1.3 wurde in diesem Zusammenhang bereits der „Opferframe“ beschrieben. Europaweit gehören Rassismus und Diskriminierung im Themenkomplex ethnische Minderheiten bzw. Migration zu den am häufigsten thematisierten Topics (Ter Wal 2004: 18). Neben der deskriptiven Untersuchung des Phänomens im Kontext der Berichterstattung über Rechtsextremismus und rechte Gewalt, und dies besonders im Fernsehen (Weiß et al. 1995; Weiß/Spallek 2002; F. Esser 2000), aber auch in der Presse (Hömberg/Schlemmer 1995), stehen hier Wirkungsfragen im Zentrum der Untersuchungen. So geht es etwa im Eskalationsmodell um erweiterte Nachahmungseffekte (Brosius/Esser 1995; F. Esser et al. 2002), um Thematisierungseffekte der Berichterstattung über rechtsextreme Gewalttaten und die Wahrnehmung des Asyl- und Ausländerproblems (F. Esser et al. 2002; Funk/Weiß 1995) oder ganz allgemein um die Entstehung von Ausländerfeindlichkeit (ZfT 1995). Abgesehen von der oben genannten Themenkontextualisierung, dem Framing von ethnischen Minderheiten als Opfern solcher Ausschreitungen, ist diese „Metaebene“ für den Kern dieser Untersuchung, die Repräsentation der ethnischen Minderheiten, von nachgeordneter Bedeutung. Sie wird deshalb im nächsten, abschließenden Abschnitt zu den gesellschaftlichen Folgen und Wirkungen nicht weiter verfolgt.
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3.1.5 Gesellschaftliche Folgen und Wirkungen für Minderheit und Mehrheit An dieser Stelle soll den Betrachtungen zum Forschungsstand von Medienwirkungen im Integrationskontext nicht vorgegriffen werden. Es geht hier deshalb nicht um integrative oder separierende Medieneffekte oder vom Integrationsstatus abhängige Mediennutzungsmotive. Diese werden später bei Punkt 3.3 genauer untersucht. In diesem Abschnitt sollen vielmehr nur diejenigen Befunde berücksichtigt werden, die in direktem Zusammenhang mit der medialen Repräsentation ethnischer Minderheiten gesehen werden (können). Die Art und Weise, in der über ethnische Minderheiten in den Medien berichtet wird, in welchen thematischen %ezügen sie vorkommen oder auch nicht vorkommen, betrifft auf der Mikroebene vor allem zwei Gruppen: (1) die Mehrheitsgesellschaft, ihr Bild von und ihre Einstellungen zu ethnischen Minderheiten und (2) die Wirkung auf die betroffenen Minderheiten selbst.34 Zur ersten Perspektive gehören neben den im vorherigen Abschnitt beschriebenen Nachahmungs- und Thematisierungseffekten von ausländerfeindlichen Gewaltakten vor allem Studien, die sich ganz allgemein mit den Einstellungen der Bevölkerung zu Ausländern und ethnischen Minderheiten befassen. Genuin kommunikationswissenschaftliche Arbeiten sind allerdings Mangelware, das Feld ist „kaum erforscht“ (Weber-Menges 2005: 173). In anderen, zum Teil nicht kommunikationswissenschaftlichen Arbeiten wird den Massenmedien dagegen ein großes Wirkungspotenzial bei der Wahrnehmung ethnischer Minderheiten zugeschrieben. Sie reflektieren und profilieren Einstellungen, Vorstellungen und Wissen, das andere von diesen Minderheiten haben (Bobo 1997: 7; Caspi et al. 2002: 553; Demertzis et al. 1999). Die zweite Perspektive – die Folgen der sogenannten Repräsentationssyndrome für die ethnischen Minderheiten – wird wissenschaftlich stärker verfolgt.35 Verschiedene internationale – zumeist qualitative – Publikumsbefragungen zeigen, dass (1) die für Inhalte konstatierten Repräsentationsdefizite bei den Betroffenen subjektiv auch so wahrgenommen werden (Sreberny 2005: 445-447; Christiansen 2004: 199; Deuze 2006: 265) und dass (2) ein wesentlicher Effekt dieser subjektiv wahrgenommenen Marginalisierung die Zuwendung zu den eigenen Medien der Minderheit, den sogenannten Ethnomedien, ist (Sreberny 2005: 445; Christiansen 2004: 198; vgl. auch Weber-Menges 2005: 176; Maurer/Reinemann 2006: 152).
34 Ein Überblick vor dem Hintergrund kommunikationswissenschaftlicher Medienwirkungsforschung findet sich bei Weber-Menges 2005 (vgl. auch Maurer/Reinemann 2006: 151). 35 Vorreiter sind in dieser Hinsicht vor allem Studien aus Großbritannien, die im Auftrag der Broadcasting Standards Commission durchgeführt wurden (Sreberny 1999; Millwood Hargrave 2002), aber auch Untersuchungen aus den skandinavischen Ländern (Christiansen 2004). Vgl. dazu auch den Forschungsüberblick zur Nutzung und Wirkung von Massenmedien im Migrationskontext in Abschnitt 3.3.
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Zwei neuere Studien aus Deutschland, die sich auf qualitative Befragungen der türkischen Minderheit stützen, zeigen vergleichbare Ergebnisse. So kommt etwa Hafez in einer Studie für das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung zu dem Ergebnis, dass die Kritik der Befragten im Hinblick auf ihr Bild in den deutschen Medien groß ist: Danach ist dieses Bild zu stark von „Dönerverkäufern“ und „Gemüsehändlern“ geprägt, zeuge von Unkenntnis des islamischen Glaubens unter den Journalisten, beinhalte zu wenig Sympathie für die Türken in Deutschland und sei vor allem durch eine verstärkte Berichterstattung über Verbrechen von Tätern türkischer Herkunft ungerecht. Es wird allerdings auch eine „Normalisierung“ der Repräsentanz von Angehörigen der türkischen Minderheit konstatiert, insbesondere in den fiktionalen Angeboten von Sat.1 und RTL (ebd.: 70). Eine ebenfalls qualitative Studie im Auftrag des WDR bestätigt diese Ergebnisse (Hammeran et al. 2007). In Gruppendiskussionen mit türkischstämmigen jungen Erwachsenen wird insbesondere das deutsche Fernsehen als unbefriedigend hinsichtlich der Darstellung des türkischen Lebens bewertet. Klischees würden geschürt, der Dönerladenbesitzer und Gemüsehändler dominiere das Bild, türkischstämmige Rechtsanwälte kämen im deutschen Fernsehen so gut wie gar nicht vor. Grundsätzlich würden mehr „extreme“ als „normale“ oder „richtige“ Türken im deutschen Fernsehen gezeigt und insgesamt kämen sie zu selten vor. Im Vergleich zum türkischen Fernsehen, das als emotional und familienorientiert wahrgenommen wird, wird das deutsche Fernsehen als sachlich und distanziert bezeichnet (ebd.: 133-135). Die Ergebnisse der zuletzt zitierten Studien zeigen vor allem die Bedeutung zweier oben besprochener Syndrome: (1) Marginalisierung ist für die Befragten ein großes Thema; fast alle haben subjektiv das Gefühl, dass „ihre“ ethnische Gruppe zu selten in den Medien vertreten ist. (2) Gleichzeitig bemängeln sie die stereotype Darstellung der türkischstämmigen Akteure. Die Stichworte Klischee oder Image bzw. die Stellvertreterbeispiele vom „Dönerverkäufer“ bzw. „Gemüsehändler“ fallen in beiden Untersuchungen. Das Themenframing dagegen ist – jedenfalls bei den ungestützten Antworten in den qualitativen Befragungen bzw. Gruppendiskussionen – kein großes Thema. Mit der Ausnahme des in den internationalen Studien und Forschungssynopsen auch inhaltsanalytisch mehrfach festgestellten Kriminalitätssyndroms werden keine weiteren wiederkehrenden Themenkontexte bemängelt. Auffällig ist in diesem Zusammenhang noch, dass auch bei den Rezipientenuntersuchungen eine Verschiebung oder zumindest Umgewichtung in Richtung der islamischen Religion sichtbar wird. Insbesondere Diskriminierungsvorwürfe werden vermehrt nicht in Bezug auf die ethnische Minderheit „Türken“ sondern auf die der „Muslime“ thematisiert, ein Trend, der sich auch auf der Ebene der inhaltsanalytischen Forschung zeigt (Schiffer 2005; D’Haenens 2007; Ates 2006; ZfT 2006). Weiter gehende, etwa die Integration oder Separation ethnischer Minderheiten betreffende Effekte, werden in den meisten Studien nur angedeutet bzw. vermutet:
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„Eine stereotype und verzerrte Präsentation einer Gruppe trägt vermutlich nicht dazu bei, dass sie sich in einer Gesellschaft heimisch fühlt und ihren Teil zur Integration beiträgt“ (Maurer/Reinemann 2006: 152). 3.1.6 Fazit: Konstanten der Berichterstattung über ethnische Minderheiten Die Inspektion des Forschungsstandes zeigt vor allem eine große Vielfalt an Forschungsarbeiten zum Thema Repräsentation ethnischer Minderheiten in den Massenmedien. Dabei stehen nicht nur viele unterschiedliche Disziplinen als Ursprung dieser Forschung relativ unverbunden nebeneinander. Kommunikationswissenschaften unterschiedlichster Lesart, Sozialanthropologie und Kulturwissenschaften bzw. Cultural Studies wenden sich dem Thema mit sehr unterschiedlichen methodologischen Paradigmen zu. Die kommunikationswissenschaftlichen Studien sind in diesem Zusammenhang zwar vorhanden und deutlich sichtbar, aber in der Gesamtschau ebenso deutlich unterrepräsentiert. Quantitative Deskriptionen von Repräsentationstatbeständen dominieren das Bild. Systematische, stärker in der kommunikationswissenschaftlichen Theorie zur massenmedialen Thematisierung verankerte Ansätze finden sich kaum. Dennoch sind die Ergebnisse bei genauerer Durchsicht beeindruckend konsonant: (1) Es kann als gut abgesichert gelten, dass die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit einerseits die „Auftrittswahrscheinlichkeit“ eines Akteurs mindert, diese aber andererseits in bestimmten Themenbezügen besonders prononciert wird, was gleichzeitig zu Marginalisierungs- und Framingeffekten führen kann. (2) Insgesamt kommen bestimmte Themenbezüge im Zusammenhang mit ethnischen Minderheiten häufiger vor als mit Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft. Das trifft neben dem Themenbezug Kriminalität vor allem auf die islamische Religion zu. (3) Wie für alle Migranten und ethnischen Minderheiten gilt auch für die Türken, dass ihnen bestimmte Rollen und individuelle Charaktereigenschaften generalisiert als Gruppe zugeschrieben werden. Das reicht von bestimmten Berufen und Branchen bis zum Verhältnis zwischen Mann und Frau. Hinzu kommt noch ein weiterer Befund, der auf der Seite der Rezipienten konstatiert werden kann. Die inhaltsanalytisch identifizierten Syndrome werden von den Betroffenen zum großen Teil auch subjektiv wahrgenommen. Besonders Marginalisierung und stereotype Darstellung werden in einschlägigen Befragungen immer wieder genannt. Zuverlässige repräsentative Daten über die Verteilung dieser Wahrnehmung liegen hier allerdings noch nicht vor. Die Liste der Syndrome ist durch das meist „nur“ strukturierte, ungestützte Vorgehen in den qualitativen Studien noch nicht systematisch abgearbeitet worden. Studien, die sich auf das Thema
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Repräsentation konzentrieren, liegen auf der Seite der Betroffenen weder in qualitativer noch quantitativer Form vor.
3.2 Mediennutzung In diesem Abschnitt wird in zwei Schritten vorgegangen. In einem ersten Schritt werden Untersuchungsergebnisse und Studien zusammengetragen, die Auskunft über das Nutzungsverhalten von Migranten bzw. ethnischen Minderheiten geben können. Dabei wird in erster Linie auf Forschungssynopsen und Einzelergebnisse aus quantitativen Studien zurückgegriffen. Wie in Abschnitt 2.6 dargestellt, geht es dabei vorwiegend darum, den Mediennutzungskanon als Indikator und Ausdruck der Interaktion, des Mitlebens mit der Mehrheitsgesellschaft aufzufassen und darzustellen. Im zweiten Schritt werden dann der Mediennutzung vorausgehende Einstellungen und Motive in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt. Es existieren eine Reihe von – vor allem qualitativen – Studien, die sich mit den Funktionen von Minderheiten- und Mehrheitenmedien für die Identität ethnischer Minderheiten befasst haben und für die empirischen Analysen dieser Untersuchung relevant sein können. Im Vergleich zu der allgemeineren Systematisierung in Kapitel 2 rücken in diesen Teilen der Arbeit vor allem die Erkenntnisse über türkische Einwanderer und die türkische Minderheit in Europa in den Vordergrund. Die hier zusammengetragenen Ergebnisse werden die Basis der Analysen im empirischen Teil bereitstellen. 3.2.1 Medienauswahl, Medienkombination und Mediennutzung Dass ein Forschungsdefizit für Daten zur Mediennutzung und zum Medienumgang besteht, zeigen nicht nur entsprechende Diagnosen und Forderungen aus den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen (Christiansen 2004: 186; Karim 1998: 17; Davis/Gandy 1999: 378; D’Haenens 2003: 404; ebd.: 2007: 177), sondern auch die rege Forschungs- und Erhebungstätigkeit der letzten Jahre in Deutschland (ARD/ZDF 2007; Simon/Kloppenburg 2007; Müller 2005b), Europa (Bonfadelli/ Bucher 2007; Piga 2007; Christiansen 2004) und den USA (Deuze 2006; New California Media 2005b). Ein sehr großer Teil dieser Studien lässt sich auf die Frage zuspitzen, in welche Richtung der zwei (vermeintlichen) Pole das Pendel bei der Nutzung von Massenmedien ausschlägt. Dabei wird der eine Pol durch die Nutzung von Mehrheits-, Mainstream- oder Medien der Ankunftsgesellschaft repräsentiert und der andere Pol durch Medien des Herkunfts-, Minderheiten- oder Migrationskontextes. Dabei kann man Müller zustimmen, dass Vergleiche von Einzelstudien schwierig sind, die aus
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unterschiedlichen Verwertungsinteressen, mit unterschiedlichen Stichproben und unterschiedlichen Mediennutzungsmassen erhoben wurden (Müller 2005b: 376378). Konzentriert man sich – jedenfalls für den deutschen Sprachraum – auf diejenigen Studien, die im Umfeld von Rundfunkanbietern entstanden sind, die im Umgang mit Reichweitendaten über eine gewisse grundlegende Routine verfügen, zeigen sich jedoch einige zentrale Tendenzen im Hinblick auf die zwei genannten Pole. Unstrittig ist nach den aktuellsten Studien die Bedeutung des Fernsehens – sie entspricht im Wesentlichen derjenigen in der jeweiligen Ankunftsgesellschaft. Technische Verbreitung und Reichweite machen das Fernsehen zum „Leitmedium“ (ebd.: 379; ARD/ZDF 2007: 6) für alle Migrantengruppen. Nach den neusten Daten der ARD-/ZDF-Studie kann man bis zu 87 Prozent als Stammseher des Fernsehens bezeichnen. Das bedeutet, sie sehen an mindesten vier von sieben Tagen einer durchschnittlichen Woche fern (vgl. Tabelle 1). Radio- und Tageszeitungsnutzung sind im Vergleich zum Fernsehen nachrangig. Zusammen mit der Internetnutzung liegen alle drei Medien mit 45 Prozent (Hörfunk), 43 Prozent (Tageszeitung) und 41 Prozent (Internet) etwa auf dem gleichen Niveau (ARD/ZDF 2007: 16-26, 86-90).36 Tabelle 1:
Medienreichweiten im Vergleich (Stammnutzer, in Prozent; ARD/ZDF 2007)
Mediennutzung Stammnutzer (4-7 Tage/Woche) Fernsehen Hörfunk Tageszeitung Internet 1)
Ethnische Gruppe Alle Türkischer Befragten Migrationshintergrund 87 45 43 41
85 40 nv1) 36
nv = nicht verfügbar. Max. 43 Prozent. Werte sind in der Originalstudie nicht verrechnet. Stammleser dt. Tagezeitungen 29 Prozent, tk. Tageszeitungen 14 Prozent.
Für die Türken in Deutschland gilt in diesem Zusammenhang, dass sie – in Relation zu den anderen Migrantengruppen – für alle Medien, inklusive der Internetnutzung, vergleichbare, wenn auch etwas geringere Nutzungswerte aufweisen. Insgesamt kann man aber wohl davon ausgehen, dass am Beispiel der Fernsehnutzung am besten sprachliche bzw. heimat-/ankunftsbezogene Kombinationsstrategien abgelesen werden können. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund von Unterschie36 Zur Konzeption und den Basisdaten der Studie vgl. auch Simon (2007).
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den, die die Verfügbarkeit und die Verständlichkeit von Medientypen und Medieninhalten betreffen (Piga 2007: 222; Müller 2005b: 379-380).37 Stellt man die Ergebnisse derjenigen drei Studien gegenüber, die mit vergleichbaren Maßen die Mediennutzung erhoben haben (hier: die Stammnutzer mit mindestens vier Tagen pro Woche), sind die Einzelwerte für die kombinierte, deutschund türkischsprachige Fernsehnutzung zwar nicht punktgenau gleich aber in der Tendenz doch vergleichbar und mit Blick auf unterschiedliche Stichprobendefinitionen und Erhebungsverfahren hoch plausibel (Tabelle 2). So ist die gemischt deutsch- und türkischsprachige Fernsehnutzung in allen drei Studien eindeutig auf dem ersten Platz. Die 50-Prozentmarke wird zwar in keiner dieser Untersuchungen überschritten, dennoch kann man klar von der Dominanz einer integrativen Fernsehnutzung im Berry’schen Sinne sprechen.38 Tabelle 2:
Türkisch- und deutschsprachige Fernsehnutzung: Drei Studien im Vergleich (Stammnutzer, in Prozent)
Fernsehnutzung Stammnutzer (4-7 Tage/Woche) Deutsch- und türkischsprachig Nur Deutsch Nur Türkisch Keine Fernsehnutzung Gesamt 1) 2) 3)
BPA 20011)
Studie WDR 20062)
ARD/ZDF 20073)
40 30 18 12
45 18 30 7
35 21 30 15
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Befragung des Bundespresseamtes, Quelle: Weiß/Trebbe 2001: 30 Befragung des Westdeutschen Rundfunks, Quelle: Trebbe/Weiß 2007: 140. Befragung des Westdeutschen Rundfunks, Quelle: Trebbe/Weiß 2007: 140.
37 Die Ausstattung mit und Nutzung von Satellitenempfangsanlagen ist in Haushalten mit Migrationshintergrund traditionell überdurchschnittlich hoch (Anker et al. 1995: 13; Weiß/Trebbe 2001: 26; Simon/Kloppenburg 2007: 144). Dabei dienen Satellitenanlagen nicht nur dem Empfang von heimatsprachigen Programmen, sondern führen auch zur stärkeren Nutzung internationaler und transnationaler Programme (Georgiou 2005; Christiansen 2004; Milikowski 2000 und 2001; Hargreaves/ Mahdjoub 1997). 38 Dass die WDR-Studie im Vergleich mit den anderen Erhebungen einen höheren Wert (45 Prozent) in dieser Kategorie ausweist, ist nicht verwunderlich, wenn man berücksichtigt, dass hier jüngere Erwachsene im Alter unter 50 Jahren befragt wurden. Außerdem war die Befragung des Bundespresseamtes als persönliches Interview und in Deutsch mit türkischem Mitlesefragebogen konzipiert, während die zwei anderen Studien zweisprachig (nach Wahl des Befragten) und telefonisch durchgeführt wurden. Vor diesem Hintergrund sprechen die Daten nicht für einen Rückgang der deutschsprachigen Mediennutzung.
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Die Bedeutung der Nutzung türkischsprachiger Fernsehprogrammangebote scheint im Vergleich der drei Studien nicht eindeutig geklärt. Zum Teil liegt sie über zum Teil unter der exklusiven Stammnutzung deutschsprachiger Fernsehangebote. Ins „Mediengetto“ jedenfalls begibt sich, wenn überhaupt, nur eine Minderheit. Im empirischen Teil dieser Arbeit wird zu prüfen sein, inwieweit die restliche monolinguale Fernsehnutzung z. B. mit einer Internetnutzung in jeweils der anderen oder beiden Sprachen kombiniert wird. Soweit Studien mit vergleichbaren Messinstrumenten für die Mediennutzung vorliegen, lassen sich jedoch diese zwei Tendenzen (Primat des Fernsehens, Mischung der Sprachzugänge) für Deutschland eindeutig als Stand der Forschung festhalten (Piga 2007; Müller 2005b). Diese Kombinationsmuster, die man in Anlehnung an die Akkulturationsstrategien von Berry (Abschnitt 2.3.2) als integrativ (Minderheiten- und Mehrheitsmedien werden kombiniert), assimiliert (Mehrheitsmedien dominieren), separiert (Minderheitenmedien dominieren) oder marginalisiert (geringe Nutzung beider Medienkontexte) bezeichnen kann, finden sich in der Literatur an vielen Stellen, wenn auch unter anderen Bezeichnungen. D’Haenens (2003: 412) beschreibt in einer entsprechenden Typologie Personen als „Homelander“, die mehr Medien in ihrer Muttersprache nutzen, „Omivores“ (Allesfresser) sind Personen mit ausgeglichenem Medienkonsum und „Adapters“ werden Personen genannt, die einen höheren Medienkonsum in der Sprache der Mehrheitsgesellschaft haben. Vergleichbare Gruppierungen finden sich auch bei Adoni et al. (2002) sowie Bucher/Bonfadelli (2007). In der Schweiz befindet man sich in dieser Hinsicht in einer besonderen Situation. Der Ausländeranteil ist mit über 20 Prozent einer der höchsten in Europa und viele der Migranten und ethnischen Minderheiten haben die Möglichkeit, ausländische Programme via normales Kabel oder terrestrisch zu empfangen. Hinzu kommt noch die Dreisprachigkeit der Schweiz, die es vielen Ausländergruppen erlaubt, Schweizer Fernsehprogramme und auch andere Medien in ihrer Muttersprache zu nutzen. Die einzig verfügbare repräsentative Studie stammt von 1995 (Anker et al.), stützt aber zumindest den grundlegenden Befund der kombinierten Mediennutzung im Hinblick auf die Sprache und die Programmherkunft und konstatiert überdies schon damals einen überdurchschnittlichen Anteil an Satellitenbesitz für die ausländischen Befragten (Anker et al. 1995: Zusammenfassung o.S.). Für andere europäische Länder liegen nur wenige vergleichbare repräsentative Studien vor. Abgesehen von den deutschen Untersuchungen nennt Christiansen (2004) lediglich jeweils eine quantitative Erhebung aus Dänemark (Mikkelsen 2001) und aus Schweden (Weibull/Wadbring 1998). Hinzu kommt noch eine neuere Studie aus den Niederlanden (Peeters/D’Haenens 2005), die in der Tradition mehrerer Untersuchungen zum Thema Integration, Identität und Mediennutzung steht. Auch nach den Ergebnissen dieser Studien kombinieren Migranten die verschiedenen
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sprachgebundenen Medien sehr stark. Sogenannte transnationale und nationale Medien werden gemischt (Christiansen 2004: 196). Deuze (2006: 265) hält in diesem Zusammenhang für die Niederlande fest, dass bei den größten Ausländergruppen kaum Unterschiede in der Mediennutzung zu eingeborenen Niederländern festzustellen waren. Insgesamt sieht er die Entwicklung, dass die Nutzung von Minderheitenmedien zulasten der nationalen Mehrheitsmedien abnimmt (ebd.: 266). Am ehesten mit den spärlichen quantitativen Daten aus Europa vergleichbar ist für die USA wohl die Erhebung der New California Media (2005a), die von „preferred media“ sprechen, also der bevorzugten Mediengattung von den in ihrer Studie telefonisch befragten 1895 Angehörigen ethnischer Minderheiten mit hispanischem, afrikanischem, arabischem und asiatischem Migrationshintergrund (NCM 2005b). Danach ist die Studie repräsentativ für 64 Millionen Angehörige ethnischer Minderheiten in den USA, von denen 45 Prozent sogenannte ethnische Medien bevorzugen – was nicht heißt, dass sie keine sogenannten Mainstreammedien nutzen: 34 Prozent bevorzugen Mainstreammedien, nutzen aber zusätzlich auch ethnische Medien und die restlichen 20 Prozent schließlich wenden sich nach dieser Definition ausschließlich den nicht in irgendeinem ethnischen Kontext stehenden Mainstreammedien der amerikanischen Mehrheitsgesellschaft zu (ebd.: 8, 11).39 Diese bisher beschriebenen standardisierten und zum Teil auch repräsentativen Studien zeigen Unterschiede und Eigenarten der Mediennutzung ethnischer Minderheiten im Vergleich zu den Mehrheitsgesellschaften. Sie können als Beleg für den grundsätzlich existierenden Zusammenhang von Integration und Mediennutzung gelten (Abschnitt 2.6). Mehr noch: Die Ergebnisse dieser Studien zeigen, dass Mediennutzung bei ethnischen Gruppen selbst auf diese beiden gesellschaftlichen Kontexte bezogen und zumindest im Spannungsfeld von Heimatorientierung und gesellschaftlicher Akkulturation angesiedelt ist und damit zum Teil auch als Indikator, als Ausdruck für verschiedene Stadien sozialer Integration angesehen werden kann. Darüber hinaus kann man aus heutiger Sicht mit Blick auf die individuelle Vielfalt der Mediennutzung von Migranten und Angehörigen ethnischer Minderheiten die These vom Mediengetto als allgemeingültige Beschreibung des Mediennutzungsverhaltens dieser Gruppen als widerlegt betrachten. Besonders die aktuelleren Studien zeigen nicht nur, dass Medien aus beiden Kontexten genutzt und kombiniert werden, sondern auch, dass diese Kontexte unter Umständen voneinander unabhängig sein können (D’Haenens 2003; Bonfadelli/Bucher 2007; Trebbe 2007b). Das bedeutet, dass die sogenannte ethnische Mediennutzung kein Indikator 39 Es existiert noch ein älterer Überblick über Leserschaftsbefragungen zur Zeitungsnutzung ethnischer Minderheiten (Fielder/Tipton 1986). Die Autoren sahen damals nur geringe Unterschiede zwischen US-amerikanischer Mehrheitsbevölkerung und ethnischen Minderheiten („blacks“/“hispanics“), abgesehen von der grundsätzlich niedrigeren Nutzung. Als starke intervenierende Variablen dafür identifizieren sie Haushaltseinkommen und Alter (ebd.: 4).
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für die Nutzung der Medien der Ankunfts- oder Mehrheitsgesellschaft ist. Beide Typen lassen sich identifizieren und in der Tendenz scheint die Nutzung von Minderheitenmedien in Kombination mit Mehrheitenmedien deutlich vor der ausschließlichen Nutzung von Minderheitenmedien zu liegen. Diese Zusammenhänge sind allerdings noch nicht erschöpfend untersucht. Eine differenzierte, empirisch gestützte Mediennutzungstypologie, die sowohl unterschiedliche Mediengattungen einschließt als auch die Sprachbindungen dieser Medien berücksichtigt, steht noch aus. 3.2.2 Nutzungsmotive und Nutzungsfunktionen Der Forschungsstand zu den Nutzungsmotiven und -funktionen, die hinter den quantitativen Reichweiten liegen, verhält sich spiegelbildlich: In dem gleichen Ausmaß, wie aktuelle, standardisierte und repräsentative Daten zur Mediennutzung von Migranten und Ausländern in den europäischen Ländern und den USA fehlen, veraltet oder nicht vergleichbar sind, herrscht ein Überfluss an (meist qualitativen) Studien, die sich mit den Funktionen und Motiven der Mediennutzung dieser Gruppen befassen. Der folgende Überblick wird zeigen, dass für den funktionalen Zusammenhang der Mediennutzung mit ethnischer Identität, sozialer Integration und Akkulturationsstrategien viele vereinzelte, aber grundlegende Erkenntnisse existieren. Eine systematische Verknüpfung repräsentativer Nutzungsdaten mit diesen Erkenntnissen zur Funktion der ethnischen Mediennutzung findet jedoch nur in wenigen Einzelfällen statt. Und doch kann man – im Gegensatz zu Christiansen, die im Jahre 2004 die Forschungstätigkeit auf diesem Gebiet noch als „sporadisch“ (Christiansen 2004: 186) bezeichnet – aus heutiger Sicht die Mediennutzungsmotive ethnischer Minderheiten, auch diejenigen der türkischen Minderheit in den europäischen Staaten, als gut erforscht bezeichnen. So kommt Hafez in einer qualitativen Studie, die parallel zur quantitativen Umfrage unter den Türken in Deutschland für das Presse- und Informationsamt durchgeführt wurde, zu einer Typologie von sechs Nutzertypen, die er vor dem Hintergrund einer Matrix identifiziert, die den Cultural Studies entlehnt ist (Hafez 2002: 29).40 Danach existieren unterschiedliche Motivkonstellationen, die zur ausschließlichen bzw. kombinierten Nutzung von Minderheiten- und Mehrheitenmedien führen können, darunter drei Typen, die mehr oder weniger ausschließlich türkische und türkischsprachige Medien nutzen (ebd.: 21-39).
40 Dies ist an dieser Stelle insofern hilfreich, als dass viele der Studien, die sich mit den Funktionen und Motiven der Mediennutzung von ethnischen Minderheiten beschäftigen, solche Begriffe und Konstrukte nutzen und viele der Befunde, die Hafez ausführt, auch für andere Länder (Skandinavien, Großbritannien, USA) in vergleichbaren Forschungskontexten identifiziert wurden.
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So bevorzugt der Kulturexilnutzer türkischsprachige Medien, um Heimweh zu bekämpfen und sich durch die mediale Verbindung mit der Heimatkultur geistig und emotional zu stabilisieren. Da sein Aufenthaltsort – meist aus wirtschaftlichen und familiären Gründen – nicht seinem Wunsch entspricht, versucht er außerdem durch die Nutzung der Heimatmedien dem Alltag zu entfliehen. Der politische Exilnutzer nutzt nach dieser Typologie ebenfalls ausschließlich türkische Medien, allerdings in erster Linie aus Gründen der politischen Partizipation am Diskurs des Heimatlandes. Er sieht sich nach wie vor als loyalen türkischen Staatsbürger und will sich dementsprechend über die Verhältnisse in der Türkei auf dem Laufenden halten. Den Diasporanutzer identifiziert der Autor mehr oder weniger ausschließlich auf der Basis seiner sprachlichen Fähigkeiten. Da er vergleichsweise spät – nach dem abgeschlossenen Erstspracherwerb – eingewandert ist, bleiben die Deutschkenntnisse rudimentär, was wiederum zu einer Vermeidung der deutschen Medien führe.41 Der Bikulturnutzer kombiniert deutsche und türkische Medien. Den türkischen Medien wird dabei vor allem eine emotionale, auf Unterhaltung bezogene Funktion zugeschrieben, während deutsche Medien vor allem zur Information über politische und gesellschaftliche Themen genutzt werden. Es gibt in dieser Gruppe allerdings auch noch starke Informationsbedürfnisse, die sich auf die Situation in der Türkei beziehen. Der Transkulturnutzer bleibt bei Hafez ein theoretisches Konstrukt und meint Personen mit einer primären Nutzungsstrategie, die sich auf deutsch-türkische Medien – von und für Türken und türkischstämmige Deutsche meist in türkischer Sprache – beschränken. Assimilationsnutzer beziehen ihre Informations- und Unterhaltungsbedürfnisse (nur noch) auf die deutschen Medienangebote. Abgesehen von ihrer meist lange zurückliegenden Migrationserfahrung haben sie keine kulturellen Verbindungen mehr zur türkischen Gesellschaft und Kultur, obwohl häufig noch eine gute türkische Sprachkompetenz vorhanden ist. In diesem Zusammenhang ist noch ein zusätzlicher Befund der Studie von Hafez von Interesse. Er beschreibt mindestens zwei Nutzertypen, die sich zwar mehr oder weniger vollständig auf das deutsche Mediensystem als Informations- und Unterhaltungsquelle eingelassen haben, eine vollständige Übereinstimmung zwischen der 41 Mit der Reduktion auf sprachliche Aspekte für die Medienauswahl wird Hafez dem Diasporakonzept nicht gerecht. Diaspora ist vielmehr das Bewusstsein, Mitglied einer über viele Staaten und Gesellschaften verstreuten ethnischen Minderheit zu sein, die durch ihre Herkunft miteinander verbunden ist, deren Zusammengehörigkeitsgefühl sich aber zum Teil stärker aufeinander als auf die (alte) Heimat bezieht (vgl. Abschnitt 2.3 und 2.6).
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Mediennutzungsstrategie und anderen Handlungsfeldern sozialer Integration stellt er aber bei diesen Nutzertypen grundsätzlich infrage (Hafez 2002: 31-32). Medial assimilierte, vollständig auf türkische Medien verzichtende Mitglieder ethnischer Minderheiten sind nach diesen Erkenntnissen häufig noch familiär, sozial und kulturell im Herkunftskontext verankert. Viele der Befunde der qualitativen Studie von Hafez decken sich mit den Resultaten der repräsentativen Studie im Auftrag des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung (Weiß/Trebbe 2001). In Bezug auf die Analogie von Mediennutzung und Akkulturationsstrategien der Türken in Deutschland widersprechen sie sich jedoch. In der standardisierten Umfrage, in der insgesamt sechs Typen identifiziert wurden, die sich durch ihren unterschiedlichen Grad von Integration und Interaktion unterscheiden, wurden klare Hinweise auf einen Zusammenhang von integrationsbezogenen Indikatoren und der kontext- und sprachgebundenen Mediennutzung gefunden (Weiß/Trebbe 2001: 47-52). Es konnten zwar sehr unterschiedliche Gruppen beschrieben werden, die sich zum Teil auch durch formale Kriterien (Staatsbürgerschaft, Aufenthaltsdauer), zum Teil durch Indikatoren zur politischen Integration (politisches Interesse, politische Repräsentation) bzw. soziale Indikatoren (Sprache, soziale Interaktion) voneinander unterschieden. Aber alle der deutschen Gesellschaft eher zugewandten Integrationstypen hatten im Vergleich zum Durchschnitt der Befragten eine hohe deutschsprachige Mediennutzung, während in unterschiedlichen Dimensionen weniger stark integrierte Befragte stärker zur Nutzung türkischsprachiger Angebote tendierten. Die Typologie und die Analyse der Mediennutzung der Integrationstypen zeigten allerdings deutlich, dass beide Dimensionen nicht auf einem Kontinuum liegen. Weder verlief die soziale Integration der Befragten einfach von „hoch“ zu „niedrig“, noch gab es ein gleichmäßiges Ansteigen von „exklusiv türkisch“ bis hin zu „exklusiv deutsch“ bei der Mediennutzung. Die Ergebnisse der damaligen Studie zeigen, dass sowohl die Integration der befragten Türken als auch ihre individuellen Mediennutzungsmuster differenziert betrachtet werden müssen (ebd.: 47). So war etwa auch bei den als hoch integrierten Türkinnen und Türken eine häufige und intensive Nutzung türkischsprachiger Zeitungen feststellbar. Die Folge: Zusammen mit der mit beiden Dimensionen in Verknüpfung stehenden Drittvariablen „Sprache“ lässt sich nicht eindeutig von einem einfachen linearen Zusammenhang ausgehen. Türkische und deutsche Mediennutzung sind bis zu einem gewissen Grad unabhängig voneinander und die türkische Mediennutzung ist überdies kein Indikator für eine marginalisierte oder separatistische Mediennutzung. Sie kann in allen Integrationsstadien sehr hoch sein. Darüber hinaus ließen sich in der standardisierten Befragung ebenfalls einige eindeutige Mediennutzungsmotive identifizieren, die sich – wenn auch nicht so detailgenau wie in der qualitativen Studie – der Nutzung türkischer und deutscher Medienangebote zuordnen ließen. So bezogen sich auch in dieser Studie politische
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Informationsbedürfnisse vor allem bei denjenigen Befragten auf Deutschland, die als stärker integriert bezeichnet werden konnten, während die Nutzer türkischer Fernsehprogramme offensichtlich stärker an unterhaltenden, zum Teil fiktionalen Inhalten Interesse zeigten (ebd.: 49). In beiden Studien des Bundespresseamtes musste damals offenbleiben, wie das Verhältnis von sozialer Integration oder besser: Akkulturationsstrategien auf der einen Seite und Mediennutzungsmustern auf der anderen Seite genauer zu beschreiben ist. Vor allem multivariate, komplexere Modelle der Interaktion sind zwar in einigen Folgepublikationen angerissen worden, aber bisher nicht systematisch durchdekliniert worden (Trebbe 2007a; Trebbe 2002; Trebbe/Weiß 2001). Beide Studien im Auftrag des Bundespresseamtes – sowohl die qualitative als auch die quantitative – zeigen aber ganz deutlich, dass im Zusammenhang mit der ethnischen Zugehörigkeit als Teil der sozialen Identität Mediennutzungsmotive existieren, die man in der Terminologie des Uses-and-Gratifications-Ansatzes ausdrücken kann: (1) Soziale Orientierung und soziale Interaktion, (2) persönliche und soziale Integration, (3) Eskapismus sowie (4) Unterhaltungs- und andere emotionale Motive sind ziemlich eindeutig als gesuchte Gratifikationen identifizierbar, die sich – je nach dominantem Zugehörigkeitsgefühl – auf den Ankunfts- und/oder Herkunftskontext beziehen können. Konkretere Aussagen im Hinblick auf die Informations- und Unterhaltungsbedürfnisse türkischer Erwachsener erlaubt eine qualitative Studie im Auftrag des WDR, die im Jahr 2006 mit 57 Teilnehmern in sechs Gruppendiskussionen durchgeführt wurde (Hammeran et al. 2007). Danach bezogen sich Informationsbedürfnisse vor allem auf die Türkei, wenn sie im Zusammenhang mit der Familie standen. Türkisches Fernsehen wird vor allem wegen und mit den älteren Haushaltsmitgliedern konsumiert: Es liefert Gesprächsstoff und erlaubt ein gemeinsames Fernseherlebnis (ebd. 130; vgl. auch Ucar-Ilbuga 2005: 219). Das Internet spielt vor allem bei Jüngeren auch für die Befriedigung von Informationsbedürfnissen, die sich auf die Türkei beziehen, eine große Rolle. Es wird als „Informationsquelle Nr. 1“ (Hammeran et al. 2007: 129) bezeichnet, nicht zuletzt, weil auch die Nutzung türkischer Zeitungen durch das Internet möglich ist. Unterhaltung durch türkisches Fernsehen wird vor allem wegen der stärkeren Emotionalität von fiktionalen Angeboten geschätzt. Türkische Filme und Serien („Schnulzen“ ebd.: 131) bieten die Art von Emotionen, Humor und Alltagskultur, die mit der Heimat der Familien verbindet. Zu überaus interessanten Ergebnissen kommt in dieser Hinsicht auch eine vergleichsweise selten zitierte Studie mehrerer Migrantengruppen, darunter auch 806 türkischstämmige Personen ab 16 Jahren, die an der Universität Bielefeld im
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Rahmen des DFG-Forschungsprojektes „Bedingungen und Folgen ethnischer Koloniebildung“ durchgeführt wurde (Salentin 2004). In der Erhebung, in der jeweils paarweise Verhaltensweisen, die sich auf die Mehrheitsgesellschaft und den Herkunftskontext beziehen, untersucht werden, zeigen sich für die Türkischstämmigen fast nur positive Korrelationen zwischen den Verhaltensdimensionen, was der Autor als Argument gegen eine Konkurrenz der Partizipation an beiden Kontexten interpretiert (ebd.: 108-109). In Bezug auf die Mediennutzung, die in der Studie leider nur in der selbst eingeschätzten Angabe der Minuten pro Tag für Radio, Fernsehen und Printmedien in deutscher bzw. türkischer Sprache besteht, zeigen sich signifikante positive Korrelationen vor allem für das Fernsehen und das Radio. Mit anderen Worten: Wer viel Radio in seiner Heimatsprache hört, hört auch viel Radio in deutscher Sprache – Analoges gilt für das Fernsehen. Die Nutzung der sprachgebundenen Medien wird also kombiniert und erfolgt nicht zulasten der jeweils anderen Sprache (ebd.: 109), ein Resultat, das sich mit den Ergebnissen der BPA-Studie (Weiß/Trebbe 2001) und der WDR-Studie (Trebbe/Weiß 2006) deckt. In einer multivariaten Regressionsanalyse kann Salentin darüber hinaus das Ergebnis der Korrelationsanalysen für die abhängige Variable „Konsum deutsches Fernsehen“ (Salentin 2004: 112) kausalanalytisch bestätigen. Neben dem Alter und der Ausbildung in Deutschland ist auch die Nutzung von „Migrantenfernsehen“ ein signifikanter Prädiktor. So scheint zumindest für das Fernsehen zu gelten, dass die Affinität zu diesem Medium ganz allgemein sowohl für die Nutzung von Programmen im Herkunfts- als auch im Ankunftskontext verantwortlich ist. Dieser Befund spricht deutlich gegen die These vom Mediengetto und der Abschottung von deutschen Medien und gesellschaftlichen Kontakten durch die Nutzung ethnischer Medien. Die Nutzungsmotive, besonders im Zusammenhang mit ethnischer Identität und Akkulturationsstrategien, sind auch im Rahmen internationaler Forschung auf breiter – wenn auch nicht immer empirischer Basis – abgesichert. Vor allem im Forschungskontext der Cultural und Media Studies existiert eine Vielzahl von Studien, die sich mit dem Medienkonsum ethnischer Minderheiten befassen. Aber auch explizit mit Bezug auf den Uses-and-Gratifications-Ansatz entstandene Forschungsarbeiten sind nicht selten. Zwei zentrale kommunikationswissenschaftliche Studien sind in diesem Zusammenhang die Arbeiten von Jeffres (2000) und Hwang/He (1999) – Jeffres eher mit einer klassischen Wirkungsperspektive (Abschnitt 3.3), Hwang/He mehr mit dem Konzept des aktiven Rezipienten. Hwang/He (1999) geben einen kurzen Überblick über Mediennutzungs- und Medienwirkungsbefunde – vor allem aus den 1960er und 70er Jahren (ebd.: 7) und untersuchen die Bedürfnisse, Mediennutzungsgewohnheiten und deren Wirkung auf die Akkulturation von chinesischen Migranten in Kalifornien (Silicon Valley). Eindeutig und über mehrere Studien hinweg nachweisbar sind auch hier vor allem Zusammenhänge zwischen Sprach-
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kenntnissen, Mediennutzungsgewohnheiten und Akkulturationsstatus (ebd.: 15). In ihrer qualitativen Beobachtungsstudie von chinesischen Haushalten in Kalifornien waren die wichtigsten Motive für die Nutzung der amerikanischen Mehrheitsmedien der Erwerb englischer Sprachkenntnisse und starke Informationsbedürfnisse bezogen auf die Ankunftsgesellschaft und die amerikanische Kultur (ebd.: 12). Die Autoren stellten dabei einen Deckeneffekt fest: Nach einer großen Anstrengung am Anfang des Akkulturationsprozesses lässt die Motivation nach und die Bemühungen gehen zurück – vor allem bei höher gebildeten Personen. Explizit vor dem Hintergrund von Uses and Gratifications untersuchen Moon/McLeod (2003) die Mediennutzungsmotive koreanischer Migranten der ersten und zweiten Generation in Chicago. Sie identifizieren in ihrer Studie vier Gründe ethnische Minderheitenmedien (in der Heimatsprache) zu nutzen: (1) Um Informationen das Heimatland betreffend zu erhalten. (2) Um kulturelle Bindungen (Sprache, Traditionen) zu bewahren. (3) Um Informationen über das Ankunftsland in der Muttersprache zu bekommen. (4) Zur Unterhaltung und Ablenkung von Isolation. Außerdem halten die Migranten so eine Verbindung mit ihrer „vorherigen Identität“ (Moon/McLeod 2003: 6). Insbesondere die Bewahrung kultureller Bindungen und Identitäten findet sich als Funktionszuschreibung an die Nutzung ethnischer Minderheitenmedien in frühen Texten (Subervi-Velez 1986: 364), empirischen Studien (Hwang/He 1999: 19; Rigoni 2005: 577-578) und Forschungsübersichten (Lin/Song 2006; Viswanath/Arora 2000). Aus der gleichen Perspektive untersuchen auch Davis/Gandy (1999) die Rolle der sozialen Identität für die Mediennutzung. In einer Telefonbefragung von Afroamerikanern erhoben sie ethnische Einflussgrößen auf die Bewertung von Medieninhalten. Sie diskutieren verschiedene Dimensionen von Identität (kognitiv, sozial, politisch): „A person may identify (or be identified) by his or her ethnicity, gender, social class, nationality, employment status, membership in a social organization, lifestyle choice, religion, or a host of other factors“ (ebd.: 369). Auf dieser Basis identifizieren sie das Identitätskonstrukt der „racial group” als Determinante der Medienbewertung. Auch D’Haenens (2003: 404) bezeichnet ethnische und migrationsspezifische Variablen in einer Untersuchung als „predictors“ für die Nutzung von Minderheiten und Mehrheitenmedien in den Niederlanden. Insbesondere auf Neue Medien wie Internetangebote haben Personen mit Migrationshintergrund und Angehörige ethnischer Minderheiten weniger Zugriff, obwohl gerade das Internet für diese Gruppe eine besonders hohe Bedeutung hat. Es wird von ethnischen Minderheiten häufig als Kompensation für nicht adäquate Informationsangebote in den nationalen Medien genutzt (Christiansen 2004: 199), besonders in der Gruppe der gebildeten, jüngeren Männer (Karim 1998: 16). Thompson (2002: 410) berichtet darüber hinaus
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von asiatischstämmigen Frauen, die das Internet nutzen, um mit ihrer „Peergroup“ in Südasien in Kontakt treten zu können, ohne sie jemals persönlich zu treffen. Zhang/Xiaoming (1999: 29) erwarten durch das Internet für die chinesischen Minderheiten in aller Welt eine stärkere Konservierung der kulturellen Identität. Chinesische Minderheiten gelten eher als resistent gegen Assimilation, das Internet könnte diesen Trend verstärken. Im Übrigen vertreten die Autoren die Ansicht, dass eine verstärkte Onlinekommunikation dazu beitragen könne, sich der Mainstreamkultur anzunähern, ohne die chinesische Identität aufzugeben. Im Kontext der ethnografischen Forschung der Cultural Studies wird die Studie von Gillespie (1995) häufig als „Meilenstein“ oder „Benchmark” (Cunningham/Sinclair 2000a: 26) der ethnografischen Forschung zur Mediennutzung von ethnischen Gruppen und transnationalen Gemeinschaften genannt. Sie untersucht den Zusammenhang zwischen Identitätsbildung und Mediennutzung bei asiatischen Migranten („Punjabi“) in London. Der Nutzung heimatsprachlicher Fernseh- und Videoangebote wird hier eine starke Funktion für die Abgrenzung und die Schaffung der Identität ethnischer Gruppen sowie die Initialisierung kultureller Veränderungen dieser Identität zugeschrieben (Gillespie 1995: 76). In eine ähnliche Richtung weisen auch die Ergebnisse der Studie von Ogan (2001), die die Mediennutzung türkischer Migranten in Amsterdam untersucht. Während Gillespie aber vor allem ausgewählte Einzelfälle schildert, illustriert Ogan die ganze Bandbreite von Motiven und Folgen türkischsprachiger Medien- und vor allem Fernsehnutzung. Die Ergebnisse beider Studien sind schwer verallgemeinerbar und aus der Sicht einer empirisch-analytischen Methodologie kaum nutzbar zu machen.42 Der grundsätzliche Zusammenhang zwischen ethnischer Identität und heimatsprachlicher bzw. heimatkultureller Mediennutzung ist für beide jedoch eine grundlegende Prämisse und immer wieder Bestandteil der Einzelfallbeschreibungen. Aksoy/Robins (2003) untersuchen die Mediennutzung der türkischsprachigen Gemeinschaft („community“) in London. Anhand von Fokusgruppen stellen sie fest, dass die „alten Modelle“ (ebd.: 367) von Integration oder Assimilation für diese Gemeinschaft nicht mehr greifen. Es gibt eine transnationale Identität der türkischsprachigen Migranten, die nicht mehr kongruent zu nationalen Grenzen ist. Mit diesem Begriff werden auf ethnischer Zugehörigkeit beruhende, starke Bindungen zur Heimat bezeichnet, die mithilfe der neuen Kommunikationstechniken leichter erhalten werden können (ebd.: 371). Dies zeigen auch Ergebnisse von Gruppendiskussionen, die in Großbritannien – zum Teil im Auftrag der Broadcasting Standards Commission – durchgeführt wurden (Sreberny 1999, 2000, 2005; Millwood Hargrave 2002). Auf der einen Seite werden internationale Nachrichten als ausgewogener empfunden, wenn es um den Herkunftskontext geht (Millwood Hargrave 2002: 3), 42 So bleibt – um nur ein Beispiel zu nennen – die Zahl der Befragten in der Studie von Ogan dem Leser (und ihr selbst) unbekannt (Ogan 2001: 2-3).
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zum anderen haben die Massenmedien für die ethnischen Gruppen auch eine Repräsentations- und Spiegelungsfunktion: Man will, dass man von den anderen gesehen wird und man will sich selbst sehen (ebd.). Programme für Minderheiten werden in mehreren Studien von den Betroffenen gefordert, allerdings weniger im Sinne von „Ausländerprogrammen“ als vielmehr im Sinne von Programmen, die die Interessen und Unterhaltungsbedürfnisse der Angehörigen ethnischer Minderheiten besser treffen (Sreberny 1999: 4). Auch Tsagarousianou (2004: 61) sieht in einem Überblick zum Diasporakonzept die diasporischen Medien als wichtigen Faktor für die Identität ethnischer und anderer Minderheiten, insbesondere im Hinblick auf die soziale Integration und Identifikation der Gruppe (ebd.: 63). Gerade in Bezug auf türkische Minderheiten in Europa ist die Nutzung dieser „neuen Kommunikationstechniken“ ein intensiv untersuchtes Forschungsthema. Insbesondere die Nutzung von Satellitenkanälen, die in Europa in den 90er Jahren einen enormen Zuwachs erfahren haben,43 wird häufig untersucht. Christiansen vertritt dazu in ihrem Überblick, ebenso wie Aksoy/Robins (2000 und 2003) die Auffassung, dass die Nutzung von Satellitenkanälen aus dem Heimatland oder in der Sprache des Heimatlandes eine gängige transnationale Praxis ist, die der eher aus der nationalen Perspektive gesehenen Integration nicht entgegensteht (Christiansen 2004: 188; Mai 2005). Durch die starke Nutzung internationaler Nachrichtenstationen sind Migranten die kritischeren Zuschauer (vgl. auch Millwood Hargrave 2002: 3). Sie verschaffen sich ein differenziertes Bild vom internationalen Nachrichtengeschehen (ebd.: 198). Milikowski (2000: 444) stellt anhand qualitativer Tiefeninterviews fest, dass die kulturellen Grenzen zwischen Türken in den Niederlanden durch die Nutzung türkischer Satellitenkanäle eher infrage gestellt als gefestigt werden. Besonders die neuen kommerziellen türkischen Fernsehkanäle zeigen ein differenziertes Bild der sich entwickelnden Türkei und werden als komplementäre Informationsquelle genutzt, eine empirische Beobachtung, die gegen die Gettoisierungsthese spricht. Sie identifiziert in diesem Zusammenhang einen „Augenöffnungseffekt“ der türkischsprachigen Fernsehnutzung (ebd.: 445). Georgiou (2005: 492) bemerkt, dass Minderheiten nicht nur Diasporamedien sondern auch Mehrheitsmedien nutzen. Sie sind insgesamt kritischere Mediennutzer. In einer früheren Studie konstatiert sie außerdem, dass häusliche Mediennutzung, die entscheidend für die (ethnische) Identität ist, im Fokus der Forschung steht (Georgiou 2001). Für sie hat dagegen gerade die verbreitete öffentliche und gemeinsame Nutzung ethnischer Minderheitenmedien festigende Funktion für die gemeinsame Identität. In einer ethnografischen Fallstudie untersucht sie die Nutzung ethnischer Medien durch griechischen Zyprioten in London. Sie stellt dabei 43 Georgiou (2005: 491) nennt über 200 Diasporakanäle (Fernsehen), die in der EU empfangbar sind. Ihre Zahl nimmt schnell zu und die größte und vielfältigste Gruppe unter ihnen sind türkische Satellitenkanäle.
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unter anderem fest, dass in diesem Kontext griechische und türkische Zyprioten keineswegs zerstritten oder gar verfeindet sind, sondern eher ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln und festigen. In eine ähnliche Richtung zeigt auch das Ergebnis einer Untersuchung von Internetcafés in London. Diese erfüllten für ihre Besucher mit Migrationshintergrund eine doppelte Funktion: Einerseits stellten sie die Technologie zur Verfügung, durch die sie mit anderen in der Heimat in Kontakt treten konnten. Andererseits war das Internetcafé selbst ein Treffpunkt vor Ort, an dem man Angehörigen der gleichen ethnischen Gruppe persönlich begegnen konnte (Wakeford 2003). Deuze (2006: 273) konstatiert darüber hinaus in einem internationalen Forschungsüberblick unterschiedliche Funktionen für verschiedene Migrantengenerationen. So nutzen die erste und die zweite Generation die Medien ihrer Ethnie als Informationsquelle für Nachrichten aus dem Heimatland, die dritte nutzt sie dagegen eher zur Kommunikation oder/und dem Verständnis der vorherigen Generationen und die vierte interessiert sich für sie als Quelle für Informationen über ihre Wurzeln. Ähnlich argumentiert auch Madianou (2005) im Hinblick auf Altersunterschiede in der Nutzung türkischer Satellitenkanäle in Griechenland.44 In bzw. für Frankreich findet man kaum Forschungsliteratur zum Thema Integration ethnischer Minderheiten im Allgemeinen und dem Zusammenhang mit Medieninhalten und Mediennutzung im Besonderen. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit ethnischen Minderheiten war lange Zeit verpönt und illegitim (Amiraux/ Simon 2006) und Immigration als gesellschaftliches Phänomen wurde ignoriert. Eine der wenigen Ausnahmen ist ein Sammelband aus dem Jahre 2001 (Jouët/ Pasquier 2001), in dem Robins über transnationale Satellitenkanäle für die türkische Minderheit (die „communauté imaginée“) in Europa schreibt (Robins 2001) und einige weitere Beiträge in der Forschungstradition der Cultural Studies letztlich zu ähnlichen Befunden im Hinblick auf die identitätsstiftende, -abgrenzende und -verändernde Funktion ethnischer Medien für ethnische Minderheiten in fremden nationalen und internationalen Kontexten kommen (Hargreaves/Mahdjoub 1997). Die Durchsicht zeigt bis hierher eindrücklich die Vielzahl der Studien und Ansätze, die sich mit der Funktion ethnischer Medien auf der einen Seite und Mehrheitsmedien auf der anderen Seite beschäftigt haben. Insbesondere durch die möglichen Kombinationen der ethnischen Minderheiten und Migranten mit der Vielzahl der Aufnahme- und Mehrheitsgesellschaften sind diesem Forschungsfeld keine Grenzen gesetzt. Der Schwerpunkt liegt dabei – dem Untersuchungsgegenstand 44 Dass das Alter der Angehörigen ethnischer Minderheiten eine entscheidende Rolle bei den Funktionen und gesuchten Gratifikationen von Minderheiten- und Mehrheitenmedien spielt, haben inzwischen eine Reihe von Studien unter Schülern (Bucher/Bonfadelli 2007) und Jugendlichen (Trebbe 2007a; Ucar-Ilbuga 2005) gezeigt. Das Alter einer Person ist in diesem Kontext unter Berücksichtigung der entsprechenden Wechselwirkungen mit der Aufenthaltsdauer, dem Geburtsort und den Sprachkenntnissen eine wichtige Kontrollvariable.
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angemessen – auf der englischsprachigen Literatur und hier wiederum vor allem in den Kulturwissenschaften, den Cultural Studies und den anthropologischen Ansätzen in der Soziologie (Spitulnik 1993). Gerade in den letzten Jahren sind eine ganze Reihe von Sammelbänden (Cottle 2000c; Gentz/Kramer 2006; Cunningham/ Sinclair 2000a; King/Wood 2001) und Sondernummern von Zeitschriften („Communications“ 32: 2/2007; „Journal of Ethnic and Migration Studies“ 31: 3/2005; „Journalism“ 7: 3/2006; „Public Opinion Quarterly“ 61: 1/1997) erschienen, die sich inter- und transdisziplinär mit der Bedeutung der Medien für ethnische Minderheiten und Migranten auseinandersetzen. In Bezug auf spezifische Konstellationen von Minderheiten und Mehrheiten könnte dieser Überblick deshalb noch ausgeweitet werden. Besonderheiten wie zum Beispiel die Bedeutung italienischsprachiger Medien für albanische Migranten – wegen ihrer Informationsfunktion im Kalten Krieg (Mai 2005) – oder die Rolle ethnischer Medien im multiethnischen Staat Israel (Caspi et al. 2002) sind aber im Hinblick auf die Problemstellung dieser Studie nur geringfügig generalisierbar und kaum auf die Situation der Türken in Deutschland zu übertragen. Aus diesem Grund wird die Synopse der Studien zu den Funktionen und Motiven der Mediennutzung für ethnische Minderheiten und Migranten an dieser Stelle beendet. Die zentrale Bedeutung der ethnischen Identität als Teil der sozialen Identität für kognitive und emotionale Bedürfnisse, die sich auf Medienhalte beziehen, wird im Überblick in allen beteiligten Disziplinen unmittelbar deutlich. Dass solche auf der Identität – und damit auch auf dem individuellen Integrations- oder Akkulturationsstatus – beruhende Nutzungsmotive kausal für die Zuwendung zu Minderheiten- und Mehrheitsmedien sein können, kann auch als empirisch vergleichsweise gut abgestützt gelten (Jeffres 2000, Hwang/He 1999). Eigene Vorarbeiten zeigen darüber hinaus, dass die Kombinationsmuster von ankunfts- und heimatsprachlichen Medien im Einklang mit den auf andere soziale Bereiche bezogenen Akkulturationsstrategien stehen (Trebbe 2007a und 2007b). Zusammenfassend muss man allerdings sowohl für die deutsche als auch die internationale Forschung einen übereinstimmenden weiter gehenden Differenzierungs- und Aufklärungsbedarf feststellen (Piga 2007: 223). Zwar sind die Zusammenhänge zwischen Integration, Akkulturation oder sozialer Interaktion und Medienselektion, -nutzung und -kombination international gut nachgewiesen (Bucher/Bonfadelli 2007; Bonfadelli et al. 2007; Jeffres 2000; Christiansen 2004). Und auch kausalanalytisch haben mehrere Untersuchungen – auch für türkische Minderheiten (Trebbe 2007b; Trebbe/Weiß 2007; Peeters/D’Haenens 2005) – den Einfluss des individuellen Integrationsstatus auf die Auswahl und Kombination von Heimat- und Ankunftsmedien nachgewiesen. Ein übergreifendes theoretisch fundiertes und empirisch belastetes Gesamtmodell zum Zusammenhang von ethnischer Identität, Mediennutzung und Integration wurde bisher jedoch noch nicht entwickelt.
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3.3 Medienwirkungen Mit Annahmen und Aussagen zur Wirkung von Medien ist man in der Öffentlichkeit schnell bei der Hand. Nicht nur im Migrationskontext werden immer wieder die Medien verantwortlich gemacht, wenn es um gesellschaftliche Fehlentwicklungen oder individuell nicht normgerechtes Verhalten geht. An dieser Stelle sollen nicht erneut Politikerzitate und Vermutungen zur Wirkung der Massenmedien auf das Verhalten von ethnischen Minderheiten gegenüber oder besser: in Mehrheitsbzw. Ankunftsgesellschaften zusammengetragen werden. Vielmehr soll es in diesem Abschnitt um konkrete empirische Ansatzpunkte für weiter gehende Modelle und Analysen zur Evidenz von Medienwirkungen gehen. Die Inspektion bisheriger Studien soll vor allem dem Ziel dienen, die eigenen Kausalanalysen im empirischen Teil dieser Arbeit vorzustrukturieren und Felder zu identifizieren, die für ein allgemeines, kommunikationswissenschaftliches Kausalmodell zur Wirkung von Massenmedien im Integrationsprozess brauchbar sind. Grundsätzlich gehört die Integrationsfunktion von Massenmedien (1) zu den am schwierigsten zu operationalisierenden und empirisch überprüfbaren Konstrukten und damit (2) auch zu den am wenigsten empirisch belasteten Annahmen zur Wirkung von Massenmedien (Vlasic 2004: 190-191; Vlasic/Brosius 2002: 93-94; Jarren 2000: 22). Der folgende Überblick über die kommunikationswissenschaftliche Forschung zu den Effekten und Wirkungen von Medieninhalten und Mediennutzungsvorgängen auf die Integration von Migranten und ethnischen Minderheiten wird diese Einschätzung bestätigen. Auch für dieses – im Vergleich zum Gesamtkomplex der gesellschaftlichen Integration – kleine Forschungsfeld gilt: Die Zahl der im klassischen Sinn als Wirkungsstudien zu bezeichnenden Untersuchungen ist sehr überschaubar – und die Operationalisierungen der betreffenden Indikatoren, insbesondere der abhängigen Variable Integration, Akkulturation oder ethnisches Verhalten sind sehr unterschiedlich und führen so zu kaum vergleichbaren Resultaten. 3.3.1 Frühe Wirkungspostulate Eine der ersten wissenschaftlichen Arbeiten, die den Medien einen Einfluss auf die Integration ethnischer Minderheiten zuschreiben, ist die Untersuchung von Park (1922). Die Studie, die eher eine Bestandsaufnahme umfangreichen Datenmaterials zu den Presseerzeugnissen der verschiedenen Einwanderergruppen in den USA ist, macht in ihrem räsonierenden Teil vor allem zwei Perspektiven der damaligen Forschung deutlich. Erstens wurden den Medien – ganz zeitgemäß – starke Wirkungen auf den Integrationsprozess zugeschrieben und zweitens wurde schon damals die Pflege des kulturellen Erbes u.a. durch die Nutzung ethnischer Medien als hilfreich für den Assimilationsprozess angesehen (Weatherly 1922: 808). Hier ging es also in
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erster Linie um die Frage, wie man mithilfe staatlicher Aufsicht diese ethnischen Medien zur Assimilation der Immigranten nutzbar machen konnte. In einem späteren Aufsatz zur Rolle der fremdsprachigen Presse im Integrationsprozess von Migranten in den USA (Zubrzycki 1958) wird die autoritaristische, edukative Perspektive dieser frühen Forschung ebenfalls deutlich – allerdings mit umgekehrten Vorzeichen. Der Autor stellt die Frage, ob „der Immigrant komplett abgeschnitten werden soll von allen Verbindungen zur Sprache seines Herkunftslandes“ (ebd.: 74, Übersetzung J.T.). Darüber hinaus wird die Angst vor Missbrauch dieser (für die Mitglieder der Ankunftsgesellschaft fremdsprachigen) Medien zu Propagandazwecken genannt (ebd.: 80) – eine Befürchtung, die man heute in der Literatur nicht mehr findet. Kommunikationswissenschaftlich gehört diese edukative Auffassung von der Wirkung der Medien als Integrationshelfer (im funktionalen Fall) oder -bremse (im dysfunktionalen Fall) in die Zeit der frühen Medienwirkungsforschung (Schenk 2002, Donsbach 1991: 52). 3.3.2 Neuere Wirkungsstudien Neuere kommunikationswissenschaftliche Studien, die sich der Frage nach der Medienwirkung im Akkulturations- bzw. Integrationsprozess aus einer moderneren, die Erkenntnisse und Tradition der sozialwissenschaftlichen Medienwirkungsforschung stärker berücksichtigenden Perspektive widmen, existieren kaum (vgl. Abschnitt 2.6). Abgesehen von einigen, meist qualitativen Ansätzen zur Wirkung der medialen Repräsentation ethnischer Minderheiten auf diese Minderheiten und die Mehrheitsgesellschaft (vgl. Abschnitt 2.5) finden sich so gut wie keine klassischen Wirkungsstudien, die auf der individuellen Effektebene nach Effekten der Heimat- und Ankunftsmediennutzung gesucht haben bzw. fündig geworden sind. Insbesondere der in Abschnitt 2.6 aufgezeigte Wirkungsstrang, der ausgehend von der ethnischen Identität Motive und Bedürfnisse begründet, die zur Selektion und Kombination verschiedener Mediennutzungsvorgänge führen, und daraufhin Wirkungen auf das Akkulturationsverhalten ethnischer Minderheiten zur Folge hat, ist so gut wie nicht kommunikationswissenschaftlich erforscht. Eine Schlüsselstudie, die im Forschungsfeld zwischen ethnischer Identität und Mediennutzung angesiedelt ist, ist die Paneluntersuchung von Jeffres (2000). Er untersucht in einer Zeitreihe zwischen 1976 und 1992 den Einfluss von Minderheiten- und Mehrheitsmedien auf die ethnische Identität (hier von weißen ethnischen Minderheiten in den USA), das ethnische Verhalten („ethnic behavior“) und ethnische Bindungen („ethnic ties“).45 Das Besondere an dieser Studie ist der Versuch, 45 Er steht und sieht sich selbst damit in der Tradition der Studien von Kim (1978 und 1988), die vor allem Zusammenhänge zwischen dem Erwerb von Kommunikationskompetenzen und Akkulturationsstrategien aufgezeigt haben.
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anhand von Paneldaten auch gegenläufige Effekte zu untersuchen. Mithilfe von über die Panelwellen gebildeten Kreuzkorrelationen („cross-lagged correlations“) und Summenindices („composite indices“) versucht er abzuschätzen, ob über den gesamten Untersuchungszeitraum mehr und stärkere Effekte von den ethnischen Variablen auf die Mediennutzung erkennbar sind, oder ob die Mediennutzung langfristig größeren Einfluss auf die ethnische Identität der Befragten hat (Abb. 9).46 Abbildung 9: Kreuzkorrelationen zwischen ethnischer Mediennutzung und ethnischer Identität zwischen 1976 und 1992 (Jeffres 2000: 516)
Eindeutig an seinen Ergebnissen – und für diese Untersuchung besonders relevant – ist zunächst der über alle Panelwellen identifizierte starke Zusammenhang zwischen beiden Variablengruppen. Ein Zusammenhang zwischen ethnischer Identifikation, ethnischem Verhalten, ethnischen Bindungen auf der einen und Mediennutzung auf der anderen Seite kann für die unterschiedlichen ethnischen Gruppen über alle Panelwellen hinweg eindeutig nachgewiesen werden. Die überwältigende Zahl der berechneten Korrelationen zwischen beiden Variablengruppen ist hochsignifikant und auch nach Partialisierung für soziodemografische Interventionen konstant vorhanden.
46 Das Verfahren geht auf Blalock 1972 [1961] zurück, der einen Weg beschreibt, mit nicht experimentellen Daten Kausalrichtungen zu identifizieren. Die Aufsummierung zu Indices über mehrere Panelwellen und Korrelierung mit Variablen einer Welle kann man auf diese Weise – im Sinne von cross-lagged-Korrelationen – in ihrer Häufigkeit und Stärke vergleichen (Jeffres 2000: 517).
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Weiter zeigen die Kreuzkorrelationen in Abb. 9 relativ eindeutig, dass hier die Kausalrichtung stärker von der Mediennutzung ausgeht, als auf sie hindeutet. Über die Operationalisierung des Konstrukts der ethnischen Identifikation, die hier durch die Frage nach der Nähe oder Distanz zum ethnischen Erbe („ethnic heritage“) vorgenommen wurde, wird weiter unten noch zu sprechen sein. Im Kern prüft der Autor in einem weiteren Schritt u.a. die Hypothese, dass ethnische Mediennutzung – vermittelt über die ethnische Identifikation – auch das ethnische Verhalten verstärkt (Jeffres 2000: 505). Er findet dann auch – hypothesengemäß – starke Evidenzen für einen entsprechenden Einfluss der ethnischen Mediennutzung. In einem komplexen, multivariaten Modell stellt er schließlich ausgehend von sozialen Kategorien (soziodemografische Variablen wie Alter und Geschlecht) einen Wirkungspfad von ethnischen Verbindungen (zu Familie, Freunden, Nachbarn) über die Nutzung ethnischer Medien (Radio und Presse) zur ethnischen Identifikation (Gruppenzugehörigkeit) bis hin zum ethnischen Verhalten (Pflege der Heimatsprache, Bräuche, Vereine) auf (Abb. 10). Abbildung 10: Pfadanalyse der Summenindices zum ethnischen Verhalten (Jeffres 2000: 521)
Letztendlich wird in diesem Modell als abschließende, abhängige Variable das sogenannte ethnische Verhalten, also die Pflege der Herkunftskultur durch Sprachgebrauch und andere Verhaltensweisen, die aus der Herkunftskultur stammen, modelliert. Der größte Einfluss auf diese Verhaltensdimension stammt von der ethnischen Mediennutzung direkt, das heißt nicht über den Umweg der ethnischen Identifikation (Koeffizient 0.55). Dies ist ein Befund, der durchaus dafür spricht, dass das ethnische Verhalten als eine Teildimension der Akkulturationsstrategien (hier der auf die Herkunftskultur ausgerichteten Strategien Integration und Separation) interpretiert und im Sinne der Modellüberlegungen in Abschnitt 2.6 aufgefasst werden kann.
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Das Pfadanalysemodell zeigt darüber hinaus sehr deutlich die Stärken und die Schwächen der Operationalisierung. Insgesamt scheint die Aufteilung der ethnischen Dimensionen in drei Variablen nicht zielführend – und auch theoretisch nicht ausreichend abgestützt – zu sein. Welche dieser Variablen vor, also Einfluss nehmend auf die Mediennutzung, und welche hinter, also beeinflusst durch die Medien, sind, kann vor dem Hintergrund der oben angestellten Überlegungen zur Bedeutung der ethnischen Identität im Uses-and-Gratifications-Ansatz sicher auch anders systematisiert werden. Dies soll an dieser Stelle jedoch nicht weiter ausgeführt werden, sondern wird im konzeptionellen Teil der Arbeit erneut aufgegriffen. Dort sollen dann die Kausalanalysen für quantitativen Teil der Untersuchung auf der Basis dieser Erkenntnisse modelliert werden. Jeffres knüpft in seiner Studie explizit an die Vorarbeiten von Kim zu einer Theorie der interkulturellen Adaption durch Kommunikation („communication theory of cross-cultural adaptation“ Kim 1977, 1978, 1995; Kim et al. 1998) an. Die Basisthese bei Kim bezieht sich auf die Ausbildung kommunikativer Kompetenzen (sowohl massenmedialer als auch interpersonaler Natur) durch ethnische Minderheiten und ihre Wirkung auf den Assimilations- und Akkulturationsprozess (Abschnitt 2.6.3). In einer frühen Untersuchung der koreanischen Minderheit in Chicago stellt sie unter anderem fest, dass das individuelle Interaktionspotenzial (1), die Sprachkompetenz (2), die Motivation zur Akkulturation (3) und die Verfügbarkeit von Massenmedien (4) – vermittelt durch interpersonale und massenmediale Kommunikation in der Mehrheitsgesellschaft – signifikante Effekte auf die Wahrnehmung dieser Mehrheitsgesellschaft haben (Abb. 11). Die Effekte für interpersonale Kommunikationsvorgänge in der Mehrheitsgesellschaft sind in diesem Modell größer als diejenigen der massenmedialen Nutzungsmuster. In neueren Studien zeigen vor allem direkte, gesellschaftliche Kontakte ein starkes Wirkungspotenzial auf die Akkulturation der ethnischen Minderheiten – etwa im Fall amerikanischer Indianer in Oklahoma (Kim et al. 1998). Neben Jeffres (2000: 503) gehen allerdings inzwischen auch andere Autoren dazu über, den Grad der interpersonalen und massenmedialen Kommunikation in der Mehrheitsgesellschaft als Indikator für den Grad der Akkulturation bzw. Assimilation aufzufassen (Lee/Chen 2000: 765; Barnett et al. 1989). Clément et al. bemängeln in diesem Zusammenhang – wie viele andere – die Vielfalt der Operationalisierungen von Akkulturation bzw. ethnischer Identität (Clément et al. 2005: 401). In einer Campus-Studie an der zweisprachigen Universität von Ottowa (Kanada) untersuchten sie die Wirkung englisch- und französischsprachiger Mediennutzung der Studierenden auf deren Zugehörigkeitsempfinden je nach Muttersprache (L1) und Zweitsprache (L2). Zwei Befunde sind dabei von besonderem Interesse: Erstens zeigt sich, dass der Effekt der sprachgebundenen Mediennutzung im Hinblick auf den fremdsprachigen Mehrheitskontext stärker ist als auf den Herkunftskontext – ein Befund, der nach Ansicht der Autoren für die
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pluralistische und gegen die assimilative Perspektive der Integrationsforschung im Kontext ethnischer Minderheiten spricht (ebd.: 418). Zweitens stellen sie in einem multivariaten Modell erheblich stärkere Effekte von (in diesem Falle englischsprachigen) Printmedien auf die anglofone Identität der befragten Studierenden fest (ebd.: 415). Kritisch kann man allerdings anmerken, dass der Ausgangspunkt des kausalanalytischen Modells bei den Autoren auf der Seite der unabhängigen Variablen das Konstrukt der „ethnolinguistic vitality“ ist. Damit wird die ethnische Sprachdynamik und letztendlich der Umfang des alltäglichen Gebrauchs der Erstsprache zur unabhängigen Variablen gemacht, die dann wiederum (negativ) mit der Nutzung der Medien in der Zweitsprache und schließlich mit der empfundenen Gruppenzugehörigkeit zusammenhängt (ebd.: 403). Für die Problemstellung dieser Studie ist dennoch der Zusammenhang zwischen Mediennutzung und sprachlicher Identität von Bedeutung und darüber hinaus vor allem die Sprachkompetenz und der Sprachgebrauch als entscheidende Indikatoren für die soziale Identität und als Einflussfaktoren auf die Mediennutzung in der Ankunfts- oder Mehrheitssprache. Abbildung 11: Pfadmodell zur Erklärung der Wahrnehmungskomplexität der Mehrheitsgesellschaft (Kim 1977: 70)
Hwang/He (1999) verfolgen bei chinesischen Migranten in den USA den Prozess der Medienauswahl und -nutzung ausgehend von den Motiven, die zu spezifischen Mediennutzungsmustern führen, bis zu den Auswirkungen dieser Nutzung auf ihren Akkulturationsprozess. Leider ist die empirische Basis – eine teilnehmende Beobachtung von zehn chinesischen Familien aus unterschiedlichen sozioökonomi-
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schen Milieus – nicht sehr belastbar.47 Auf dieser Basis stellen sie fest, dass die Nutzung von Mainstream- oder Mehrheitsmedien vor allem die assimilative Akkulturationsstrategie stützt, während ethnische Medien einerseits ebenfalls assimilativ wirken – durch die Bereitstellung von Informationen zur Mehrheitsgesellschaft – und andererseits Widerstand gegen Akkulturation hervorrufen (ebd.: 19). Der Beitrag zeigt vor allem sehr deutlich, dass auch aus einer Perspektive des aktiven Rezipienten mit verhaltenssteuernden Motiven und Bedürfnissen die Frage nach dem Effekt auf den Integrations- bzw. Akkulturationsprozess gestellt wird. Stärker in Zusammenhang mit der Fragestellung dieser Untersuchung sind Kausalanalysen, die im Rahmen einer Befragung von Russlanddeutschen aus dem Jahr 1999 mit Beteiligung des Verfassers durchgeführt wurden (Pfetsch/Trebbe 2003). In einem deutsch-israelischen Forschungsprojekt zur Produktion und Nutzung von Medien durch ethnische Minderheiten stand Ende der 90er Jahre die Rolle der Medien bei der sozialen Integration von Aussiedlern aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland bzw. Israel im Mittelpunkt der Fragestellung (Pfetsch/Weiß 2000; Caspi et al. 2002). Für den deutschen Teil der Studie wurden 531 Aussiedler aus Niedersachsen zu ihrer Mediennutzung, ihren Nutzungsmotiven, ihrer Wahrnehmung und der kulturellen Identität als Minderheit sowie zu ihrer politischen Partizipation und politischen Einstellung befragt (Pfetsch/Trebbe 2003: 13). Unter anderem wurden stratifizierte Regressionsanalysen durchgeführt, um zwei potenzielle und empirisch identifizierbare Akkulturationsstrategien (Assimilation und Integration) als abhängige Variablen kausalanalytisch zu erklären. Der Effekt für die Medienvariablen ist in dieser Studie vergleichsweise gering. Einzig für die Nutzung deutscher Fernsehprogramme zeigte sich ein (positiver) signifikanter Koeffizient für die integrative Akkulturationsstrategie (ebd.: 27).48 In den stratifizierten linearen Modellen wurde dieser Effekt für Russlanddeutsche mit einer Aufenthaltsdauer bis zu fünf Jahren etwas deutlicher und durch einen negativen Koeffizienten der Radionutzung für die assimilative Strategie ergänzt. Neben der Aufenthaltsdauer erwies sich im Kontext dieser Analyse der alltägliche Sprachgebrauch als starke intervenierende Variable (ebd.: 32). Am besten war im Rahmen dieser Analysen die Verfolgung einer assimilativen Akkulturationsstrategie zu erklären. Wenn nach längerem Aufenthalt im Ankunftsland mit entsprechenden Sprach47 Eine Studie, die kurz vor der Fertigstellung dieser Arbeit erschien, versucht ebenfalls verschiedene soziale Milieus vor dem Hintergrund von Sinus-Klassifizierungen vorzunehmen. Insgesamt wurden 104 Migranten befragt, davon 18 mit türkischem Hintergrund. Einer der Hauptbefunde wird mit „Ethnische Zugehörigkeit, Religion und Migrationshintergrund sind wichtige Faktoren der Lebenswelt“ zusammengefasst (Sinus Sociovison 2007: 21). 48 Hinzu kamen noch einige – aus theoretischer Sicht der Nutzungsentscheidung vorgelagerte – zugeschriebene Gratifikationen, die aber offensichtlich nicht mit der tatsächlichen Medienauswahl in Einklang standen.
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kenntnissen die Bindung an die Heimatkultur zurückgeht, unterstützen die Medien offensichtlich diesen Effekt.49 Für solche stark assimilierten Befragten kann dann das russische bzw. russischsprachige Fernsehen gegenläufige Effekte zeigen: Es hat eine negative Wirkung auf die Verfolgung einer assimilativen Integrationsstrategie. Aus den Ergebnissen der deutsch-israelischen Studie kann man zwei wichtige Schlüsse für die folgenden Kausalanalysen ziehen: (1) Es sind bereits signifikante Kausalmodelle für die Erklärung zweier der gewählten Akkulturationsstrategien gefunden worden, wenn auch mit schwacher Beteiligung der verwendeten Mediennutzungsvariablen. (2) Dies ist zweitens höchst wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass die Mediennutzung undifferenziert und ungruppiert, das heißt nach Mediengattungen und Sprache getrennt, in den Kausalanalysen vertreten war. Dies wird bei den Kausalanalysen in Kapitel 6 zu berücksichtigen sein. Abschließend und „quer“ zu diesen konkreten Befunden, die sich im Wesentlichen auf die drei großen Variablenkomplexe (1) ethnische Identität, (2) Mediennutzung und (3) Integration bzw. Akkulturation beziehen, lassen sich in allen inspizierten Beiträgen starke Überschneidungen hinsichtlich derjenigen Variablen festmachen, die als intervenierend oder konkurrierend identifiziert wurden. Zum Teil sind sie allerdings in die Theorie- und Rechenmodelle integriert, etwa indem sie als Indikator für die ethnische Identität (Religionszugehörigkeit, Religiosität) oder den Integrationsstatus (Alter, Aufenthaltsdauer, Geburtsort) aufgefasst werden. Je nach der Komplexität der theoretischen Ausgangsüberlegungen und der entsprechenden Datenerhebungs- und Datenanalysestrategien scheint es jedoch vergleichsweise empirisch gut abgesichert, dass im Integrationsprozess bzw. bei der Herausbildung individueller Akkulturationsstrategien neben den klassischen soziodemografischen Variablen Alter, Geschlecht und Bildung vor allem der Geburtsort, die Aufenthaltsdauer und zum Teil auch die familiäre Situation bedeutsam sind (Jeffres 2000; Pfetsch/Trebbe 2003, Trebbe 2007a).
3.4 Fazit: Forschungsbedarf Führt man sich die Diskussion des Forschungsstandes zur Repräsentation ethnischer Minderheiten auf der einen Seite und zu Mediennutzung und -wirkungen auf der anderen Seite zusammenfassend vor Augen, kann man auf relativ kurzem Weg die theoretischen und empirischen Forschungsdefizite benennen und Schlussfolgerungen für den empirischen Teil dieser Untersuchung ziehen.
49 Das Alter der befragten Personen war bei allen in dieser Studie berechneten Modellen die stärkste soziodemografische Einflussgröße.
Fazit: Forschungsbedarf
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3.4.1 Forschungsdefizite Ein erstes grundlegendes Defizit hat in diesem Zusammenhang allerdings eher mit den theoretischen als den empirischen Gegebenheiten im Themenkomplex „Ethnische Minderheiten, Massenmedien und Akkulturation“ zu tun: Es fehlt aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht eine die verschiedenen theoretischen Konzepte übergreifende Modellierung der Rolle der Massenmedien in diesem Forschungsfeld. Von theoretischen Konzepten aus der klassischen und neueren Medienwirkungsforschung (Stimulus-Response, Kultivierung, Uses and Gratifications, dynamische Transaktion und Agenda Setting) über medienpsychologische Ansätze zur kognitiven Repräsentation, Intergruppenwahrnehmung und sozialer Identitätsbildung bis hin zu interkulturellen Kommunikationskompetenzen als Indikatoren für gruppenspezifische und individuelle Akkulturationsprozesse stehen alle diese Ansätze vielfältig, aber unverbunden in diesem Forschungsfeld nebeneinander. Die Perspektiven unterscheiden sich dabei ebenso stark wie die Auffassungen darüber, was Integration/Akkulturation/Assimilation überhaupt ist und wie das entsprechende Phänomen begrifflich, modelltheoretisch und schließlich auch empirisch in den Kommunikationswissenschaften gefasst werden kann. Der Befund der Unverbundenheit bezieht sich zunächst auf das Fach, in dem die vorliegende Untersuchung angesiedelt ist: die sozialwissenschaftlich-empirische Kommunikationswissenschaft. Schaut man über die Fachgrenzen hinweg, verschärft sich der Eindruck der Heterogenität noch. Das Thema Migranten, ethnische Minderheiten und Medien wird intensiv in der Soziologie, der Anthropologie und Ethnologie, den Kulturwissenschaften und den Cultural Studies behandelt – Fachgrenzen werden dabei nur in den wenigsten Fällen überschritten. Diese Forschungstraditionen sind aber tatsächlich jeweils nicht als interdisziplinär zu bezeichnen. Nicht nur methodologische Grenzen zwischen den Fächern führen dazu, dass theoretische Ansätze und empirische Erkenntnisse gegenseitig nicht nur nicht zur Kenntnis genommen, geschweige denn für einen kumulativen Erkenntniszuwachs genutzt werden, sondern zum Teil sogar der jeweils anderen Disziplin streitig gemacht und für die eigene reklamiert werden. Inter- und transdisziplinäre Forschung ist in diesem Forschungsfeld momentan ganz klar die Ausnahme und findet wenn dann vor allem zwischen angrenzenden Fächern wie etwa Soziologie und Kommunikationswissenschaft statt. Wobei in diesen „Nachbarschaftsfällen“ wiederum die Fokussierung auf den Fachgegenstand die Bedeutungszuweisung für die beteiligten Strukturelemente in diesem Forschungsfeld präjudiziert. Die (vermeintliche) Unterschätzung der Relevanz von Massenmedien zugunsten anderer gesellschaftlicher Instanzen in der Soziologie ist dafür ein gutes Beispiel. Ähnliches ließe sich für Identität und Macht in den Cultural Studies oder Stereotypen in der Psychologie festhalten. Die Durchsicht der verschiedenen fachgebundenen Literaturstränge hat demgegenüber gezeigt, dass es vergleichsweise viele Anknüpfungspunkte zwischen den
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Ansätzen der verschiedenen Disziplinen gibt, etwa wenn es um die Rolle der ethnischen Identität als Teil der sozialen Identität und ihre Bedeutung für die Motive geht, Massenmedien der Herkunfts- und Ankunftsgesellschaft zu nutzen, was wiederum Effekte auf das soziale Handeln von Migranten bzw. ethnischen Minderheiten haben kann. Die angewandte Markt- und Medienforschung handelt dagegen kommerziell interessengeleitet und unter Effizienzgesichtspunkten. Eine routinisierte Standarderhebung der Mediennutzung ethnischer Minderheiten als eine gesonderte und identifizierbare Zielgruppe ist bisher in Deutschland und der Schweiz, aber auch in anderen europäischen Ländern an wirtschaftlichen Interessen gescheitert. Der Wille an bestehenden Währungen für Reichweiten und Marktanteile festzuhalten, ist in der Branche zur Zeit noch stärker als der erwartete Zugewinn an Zielgenauigkeit bei der Platzierung von Werbung in Presse und Rundfunk.50 Für kommunikationswissenschaftliche Grundlagenforschung zur Identifikation von Medienzuwendungsund Mediennutzungsmustern stehen solche Daten deshalb auch nicht zur Verfügung – ein gravierendes, sicher noch einige Zeit anhaltendes Forschungsdefizit. Zum Teil sollen Einzelstudien wie die neueste Migrantenbefragung von ARD und ZDF dieses Manko ausgleichen. Bedauerlicherweise sind hier neben einigen soziodemografischen Variablen keine Informationen zur Integration bzw. Akkulturation der befragten ethnischen Minderheiten miterhoben worden, sodass differenzierte Analysen zum Zusammenhang von Mediennutzung und Integration mit diesen Daten kaum möglich sind. Eine Ausnahme bildet in diesem Zusammenhang die neueste Erhebung im Auftrag des WDR, deren Daten als Basis für die statistischen Analysen zur Medienwirkung im empirischen Teil dieser Arbeit Verwendung finden werden. In Fortschreibung des theoretischen Modells und des Erhebungsmodells der Studie des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung sind hier die entsprechenden Variablenkomplexe vorhanden. 3.4.2 Anknüpfungspunkte Im Hinblick auf den Umfang und die Art und Weise der Thematisierung ethnischer Minderheiten und Migranten in den Medien herrscht auf der einen Seite die größte Einigkeit in der wissenschaftlichen Literatur, auf der anderen Seite aber auch die größte Begriffsverwirrung – von der theorielosen Deskription bis zum universellen und inflationären Gebrauch des Stereotypenkonzepts existiert eine Vielzahl von
50 Ein anderes Argument ist der erwartete Verlust von Reichweiten insgesamt – durch die Nutzung ausländischer Programme durch Migranten und ethnische Minderheiten – und der erwartete überproportionale Reichweitenverlust bei den öffentlich-rechtlichen Programmen – durch die vermeintlich stärker unterhaltungsorientierte Nutzung dieser Zielgruppen.
Fazit: Forschungsbedarf
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Konzepten und Befunden. Zwei Basisbefunde ziehen sich dabei durch so gut wie alle Studien und Synopsen zu diesem Thema. Marginalisierung oder mangelnde Berücksichtigung ist das erste dieser vielfach geäußerten Syndrome der Medienberichterstattung. Die empirische Basis für diese Feststellung ist jedoch in dem meisten Fällen sehr dünn und kaum ausreichend. Darüber hinaus fehlen Maßstäbe, an denen ein solcher Mangel gemessen werden könnte. Studien, die in diesem Zusammenhang den Anteil von Beiträgen mit „ethnischer Dimension“ (Akteure, Themen, Lokalbezüge) ermitteln, sind selten und können nur relationale Bezugsgrößen zur Verfügung stellen. Der zweite Basisbefund wird häufig mit Stereotypisierung oder Stigmatisierung umschrieben und bezeichnet die vorherrschenden Themenkontexte, in denen Migranten bzw. ethnische Minderheiten in den Medien in der Berichterstattung vorkommen. Angehörige dieser Gruppe werden häufig in Verbindung mit ihrer Herkunft in wiederkehrenden Rollen oder mit wiederkehrenden Eigenschaften thematisiert. Im Zusammenhang mit diesen Befunden, die – soweit sie kommunikationswissenschaftliche Studien betreffen – vor allem inhaltsanalytisch gewonnen werden, existieren gravierende Operationalisierungs- und Interpretationsprobleme. Insbesondere die Identifikation und Auswahl der zu untersuchenden Medieninhalte geschieht häufig selbst stereotypengesteuert und sorgt in den meisten Fällen für eine entsprechende Repräsentation im Untersuchungsmaterial. Oder anders ausgedrückt: Die Eigenschaften, die zur Auswahl von Beiträgen, Artikeln oder Sendungen genutzt werden, werden im Zuge der Analysen dann häufig als explizite Bezugnahme auf die Herkunft oder als ethnische Stigmatisierung gebrandmarkt. Medienprojekte, die im Sinne einer Auszeichnung (sogenannter „best practices“) die positive Behandlung von Migranten in der journalistischen Berichterstattung herausstellen wollen, werden in der neueren Literatur nicht nur positiv bewertet. In diesem Zusammenhang ist häufig von „modernem“ oder „neuem“ Rassismus die Rede, weil hier positive Ausnahmen von Sportlern, Artisten, Künstlern etc. die Regel der negativ konnotierten Migranten manifestieren würden. Gerade die letzte Feststellung, die vor allem im Umfeld der Cultural Studies vielfach geäußert wird, führt zu einem Forschungsdefizit, dem sich diese Untersuchung in einer ersten empirischen Untersuchung widmen wird: Die negativen Folgen auf der Seite der Rezipienten bzw. für die Gesellschaft als Ganzes, die häufig vorschnell mit den negativen Berichterstattungssyndromen gleichgesetzt werden, sind bisher nur in sehr wenigen Studien näher untersucht worden. Wie Migranten oder Angehörige ethnischer Minderheiten die vermeintlichen Syndrome wahrnehmen und – falls sie sie wahrnehmen – damit umgehen, ist von einigen Ausnahmen im englischen Sprachraum kaum erforscht und kaum bekannt. Die Durchsicht der Forschungsliteratur hat gezeigt, dass das Thema in einigen deutschen Mediennutzungsstudien zwar mitbehandelt, aber keineswegs systematisch untersucht wurde. Hier genau – bei der Wahrnehmung der medialen Repräsentation durch die Betrof-
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Stand der empirischen Forschung
fenen – wird die untersuchungsleitende Fragestellung der ersten empirischen Studie ansetzen (Abschnitt 4.1). Aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht grundlegend für den gesamten Themenkomplex Mediennutzung und Repräsentation ist die Suche nach Zusammenhängen zwischen Mediennutzung und Integration, ethnischer Identität und Akkulturation. Dabei ist eine Frage nach der Durchsicht einschlägiger Forschungsliteratur aus mindestens vier Fächern nicht mehr offen: Dass ein Zusammenhang zwischen Mediennutzungsmustern und Integrationsmustern existiert, ist evident. Es existiert eine Vielzahl theoretischer Ansätze und empirischer Studien, die von starken Parallelitäten zwischen ethnischer Mediennutzung und gesellschaftlicher Interaktion über die Mediennutzung einschließende kulturelle Praktiken in ethnischen Gemeinschaften bis hin zu signifikanten Korrelationen zwischen beiden Feldern hinsichtlich Kognitionen, Einstellungen und Verhalten reichen. Medien sind als soziales Handlungsfeld selbstverständlich Teil des Gesamtrepertoires individueller Einstellungen und Handlungsmuster. Insbesondere die Inspektion der eher spärlichen kommunikationswissenschaftlichen Forschungsliteratur hat zwei Leerstellen deutlich hervorgebracht: Es fehlt erstens an einer stärkeren Systematisierung des Forschungsfeldes, weniger in Bezug auf Medienauswahl, Mediennutzung und Medienkombination als vielmehr in Bezug auf diejenigen Dimensionen, die man im Bereich der ethnischen Identität, dem Integrationsstatus und der Akkulturationsstrategie von Migranten und Angehörigen ethnischer Minderheiten findet. Neben der weiter oben beschriebenen Begriffsvielfalt – um es positiv auszudrücken – herrscht weitgehende Uneinigkeit darüber, an welcher Stelle des Gesamtkomplexes sie anzusiedeln und wie sie zwischen Wahrnehmungs- und Verhaltensdimensionen zu operationalisieren sind. Damit zusammen hängt zweitens, dass Wirkungsstudien im engeren Sinne, in denen Konsequenzen und Folgen der Mediennutzung für die Integration ethnischer Minderheiten abgeschätzt werden, vergleichsweise selten sind. Im Kanon der klassischen kommunikationswissenschaftlichen Medienwirkungsforschung sind diese kaum zu finden, eher im Bereich der interkulturellen Kommunikationsforschung, die sich – wenn überhaupt – in einigen Fällen auf die Kultivierungsthese beruft. Darüber hinaus beschäftigt sich dieser Forschungszweig in der Hauptsache mit einer sogenannten ethnischen Mediennutzung, also mit der Nutzung von Massenmedien aus dem Minderheiten- oder Herkunftskontext. Gleichzeitig kann aus einer Uses-and-Gratifications-Perspektive heraus als gesichert gelten, dass Angehörige ethnischer Minderheiten und Migranten in ihrer spezifischen Lebenssituation Motive und Bedürfnisse entwickeln, die zu bestimmten, von denen der Mehrheitsgesellschaft abweichenden Mediennutzungsmustern führen. Inwieweit dann aber diese Mediennutzungsmuster (zurück)wirken auf das individuelle Verhältnis zwischen Herkunfts- und Ankunftskontext und die soziale Interaktion mit der Mehrheitsgesellschaft, kann als weitgehend ungeklärt bezeichnet werden.
Fazit: Forschungsbedarf
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Bevor im konzeptionellen Teil der Studie (Kapitel 4) die Systematisierung der an diesem Themenkomplex beteiligten Dimensionen wieder aufgegriffen wird, zeichnen sich die Anknüpfungspunkte für den empirischen Teil dieser Untersuchung schon hier relativ deutlich ab. Befunde über Repräsentationssyndrome für die Darstellung und Thematisierung ethnischer Minderheiten und Migranten liegen in großer Zahl vor. Meist entstammen sie jedoch deskriptiven, theoretisch wenig abgestützten Inhaltsanalysen und enthalten (implizite) Annahmen über die Wahrnehmung dieser Syndrome durch die Betroffenen. Individuelle Integrationsstadien und ethnische oder migrationsspezifische Mediennutzungsmuster, die damit verbunden sind, können als empirisch abgesichert gelten. Zu den Wirkungsmechanismen des Medienumgangs existieren bisher vor allem Alltags- und Plausibilitätshypothesen. Hier gibt es klaren kommunikationswissenschaftlichen Forschungsbedarf.
4 Konzeption der empirischen Untersuchung
Im empirischen Teil dieser Untersuchung werden zwei Problemstellungen verfolgt. Auf der einen Seite – und dies wird im Zentrum der qualitativen Teilstudie stehen – wird nach der Wahrnehmung und den Folgen der medialen Repräsentation ethnischer Minderheiten gefragt. Auf der anderen Seite – und dies ist der Kern der quantitativen Teilstudie – wird es um den Zusammenhang von Mediennutzungs- und Akkulturationsmustern gehen. Beide Untersuchungen sind Wirkungsstudien, denn sie fragen nach den Effekten von Medieninhalten bzw. Mediennutzungsmustern auf und für die Angehörigen ethnischer Minderheiten. In beiden Teilstudien steht die türkische bzw. türkischstämmige Minderheit im Fokus – einmal in Deutschland und einmal in der Schweiz. Sie ist nicht nur eine der größten Migrantengruppen der letzten vierzig Jahre in Europa, sondern auch diejenige ethnische Minderheit, die am häufigsten zum Untersuchungsobjekt einschlägiger Studien im Gesamtkomplex Migration, Integration, Medien gemacht wurde. Grundsätzlich wird es in allen Basisdimensionen der empirischen Studien dieser Untersuchung um den türkischen Herkunftskontext im Vergleich zu oder in Verbindung mit dem jeweiligen Ankunfts- oder Mehrheitskontext in Deutschland oder der Schweiz gehen. Aus diesem Grund folgt im nächsten Abschnitt ein kurzer Exkurs zur demografischen Situation der türkischen Minderheit in den zwei Ländern (Abschnitt 4.1). Den Kern dieses Kapitels bilden dann zwei Abschnitte zur Konzeption und Operationalisierung der zwei empirischen Teilstudien (Abschnitt 4.2 und 4.3). Abgeschlossen wird das Kapitel schließlich durch ein paar kurze Hinweise auf die Darstellung der Untersuchungsergebnisse (Abschnitt 4.4).
4.1 Exkurs: Die türkische Minderheit in Deutschland und in der Schweiz Wenn von der türkischen Minderheit die Rede ist, so werden damit ganz unterschiedliche Personengruppen angesprochen. Zunächst sind damit türkische Staatsbürger gemeint, die nach Deutschland oder in die Schweiz eingewandert sind und Familien gegründet oder nachgeholt haben, sowie deren Nachkommen. In Deutschland und in der Schweiz sind das vor allem Arbeitsmigranten, soweit es die erste Generation betrifft, und Familiennachzügler, insbesondere Ehefrauen, die von
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Konzeption der empirischen Untersuchung
der ersten oder der zweiten Generation aus der Türkei nachgeholt werden. Zum anderen aber gehören zur türkischen Minderheit auch Personen, die die Staatsbürgerschaft des Ankunftslandes (in Einzelfällen unter Beibehaltung der türkischen Staatsbürgerschaft) angenommen haben und daher – etwa in der amtlichen Statistik – nicht mehr ohne Weiteres zu identifizieren sind.51 So lebten im Jahre 2006 über 1,7 Millionen Türken in Deutschland, das entspricht etwa 2 Prozent der Gesamtbevölkerung und 24 Prozent der ausländischen Bevölkerung in Deutschland. Sie stellen damit die größte ethnische Minderheit mit Migrationshintergrund in Deutschland. 30 Prozent der türkischen Staatsbürger in Deutschland sind auch in Deutschland geboren. In den Jahren 2004 bis 2006 erhielten darüber hinaus über 110.000 türkische Staatsbürger die deutsche Staatsbürgerschaft. Die Mitglieder der türkischen Minderheit sind im Durchschnitt jünger als die deutsche Bevölkerung – 77 Prozent sind zwischen 14 und 49 Jahre alt, unter den Deutschen sind es 56 Prozent (Statistisches Bundesamt (D) 2007; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (D) 2005 und 2006).52 Neben der Stadt Berlin ist vor allem Nordrhein-Westfalen ein Ballungsraum für türkischstämmige Migranten. Hier leben mehr als 650.000 Türkinnen und Türken, das entspricht etwa 34 Prozent der Bevölkerung und liegt damit deutlich über dem bundesdeutschen Durchschnitt. Innerhalb der Städte wiederum existieren Verdichtungsgebiete, in denen der Bevölkerungsanteil der türkischen Staatsbürger nochmals deutlich höher liegt (sogenannte „Türkenviertel“). Sie werden häufig als Zeichen für die besondere Verbundenheit der Mitglieder dieser ethnischen Gruppe im Vergleich zu anderen Ausländergruppen in Deutschland angeführt, für die solche Verdichtungsgebiete nicht existieren (Nuscheler 2004: 128; Lucassen 2004: 45). Die Deutschkenntnisse der türkischstämmigen Bevölkerung schwanken seit Jahren geringfügig auf hohem Niveau. Sehr gute bis gute Deutschkenntnisse haben (laut Selbsteinschätzung) zwischen 80 und 90 Prozent der Befragten einer inzwischen mehrfach durchgeführten Umfrage in Nordrhein-Westfalen (Sauer/Goldberg 2006). In der Schweiz lebten 2006 knapp 75.000 Türkinnen und Türken, das entspricht etwa 1 Prozent der gesamten Schweizer Bevölkerung (ca. 7,5 Millionen) und etwa 5 Prozent der ausländischen Bevölkerung in der Schweiz. Rein quantitativ hat die türkische Minderheit in der Schweiz eine weniger herausragende Bedeutung als in Deutschland. Die Gruppe rangiert insgesamt an vierter Stelle nach Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien, Italien und Deutschland. Die meisten Türkinnen und 51 Diesem Sachverhalt hat auch der neueste Integrationsbericht (Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration 2007) der Bundesregierung Rechnung getragen. In diesem Bericht ist erstmals von Personen mit Migrationshintergrund als zu beschreibende Gruppe die Rede – ein Personenkreis, der sich zum Teil deutlich von Migranten bzw. Ausländern unterscheidet. 52 Zur Geschichte der türkischen Wanderungsbewegung nach Deutschland vgl. Münz et al. (1999); Bade (2002) sowie zur aktuellen Entwicklung und Diskussion Bommes (2006) und im gleichen Band Drexler /Heckmann (2006).
Exkurs: Die türkische Minderheit in Deutschland und in der Schweiz
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Türken leben in der Deutschschweiz (ca. 65.000), die Zahlen für die französischsprachige Westschweiz (ca. 1.200) und die italienischsprachige Schweiz (ca. 8.000) sind dagegen verschwindend gering. Im Jahre 2006 wurden insgesamt 3.457 Personen türkischer Herkunft durch die Gemeinden der Schweiz eingebürgert. Etwa ein Drittel der Türkinnen und Türken, die in der Schweiz leben, sind auch dort geboren, etwa 35 Prozent der in der Schweiz geborenen bezeichnen Türkisch als ihre Hauptsprache, in der ersten Generation sind es 65 Prozent (Bundesamt für Migration (CH) 2007; Bundesamt für Statistik (CH) 2007). Im Vergleich sind vor allem die Größenverhältnisse der Bevölkerungsgruppen in der Schweiz und in Deutschland sehr verschieden. In der Schweiz sind die Türken (nur) eine Migrantengruppe unter vielen – unter anderem mehr als 100.000 Personen weniger als Ex-Jugoslawen oder Deutsche –, während sie in Deutschland die größte und auch ökonomisch wichtigste ethnische Minderheit stellen. Ähnlich sind jedoch in beiden Ländern die interne soziodemografische Struktur sowie der gesellschaftliche Stellenwert dieser Gruppe. Nach wie vor sind türkische Staatsbürger und Personen mit türkischem Migrationshintergrund in beiden Ländern besonders benachteiligt, insbesondere was Schul- und Ausbildung, Arbeitsmarkt und gesellschaftliches Ansehen betrifft (Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration 2007; Presse- und Informationsamt 2007; Bade 2002; Bundesamt für Statistik (CH) 2007; Lucassen 2004). Auf der anderen Seite steigt in beiden Ländern der Anteil der jungen, im Ankunftsland geborenen türkischstämmigen Personen der zweiten Generation mit guten Sprachkenntnissen und deutschsprachiger Schulbildung. Junge Erwachsene mit türkischem Migrationshintergrund und deutschsprachiger Sozialisation prägen mehr und mehr die Gruppe der türkischen Minderheit in Deutschland und in der Schweiz. Unter Berücksichtigung des Forschungsstandes kann man zusammenfassend festhalten, dass die türkische Minderheit im deutschen Sprachraum für einige Besonderheiten steht, die sie für eine Untersuchung zur Integrationsproblematik besonders geeignet und relevant erscheinen lässt: (1) Relevanz: Es handelt sich in Deutschland um die größte Gruppe mit Migrationshintergrund, was den Anteil an der Gesamtbevölkerung angeht. (2) Generationenwechsel: Die Bevölkerungs- und Migrationsstatistik zeigt einen deutlichen Übergang von der „alten“ Einwanderergeneration zur zweiten und dritten deutsch-türkischen Generation mit geringeren Sprachproblemen durch deutschsprachige Sozialisationserfahrungen. (3) Traditionsbewusstsein: Zumindest im deutschsprachigen Raum zeigt sich die türkische Minderheit als Gruppe, die im Hinblick auf Familie, Sprache, Religion und Kultur auch in der zweiten und dritten Generation am Herkunftskontext festhält. (4) Ethnische Medien: Türkische Fernsehprogramme sind in Europa allgegenwärtig und in Deutschland und in der Schweiz nicht nur über Satellit verfügbar. Die
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Konzeption der empirischen Untersuchung
Türken sind die Migrantengruppe mit dem größten Auswahlhorizont türkischer und deutschsprachiger Medien.
4.2 Repräsentation ethnischer Minderheiten im Fernsehen Als Fragen formuliert, kann man den Ausgangspunkt der Repräsentationsstudie vor dem Hintergrund der theoretischen Vorarbeiten und der Diskussion des Forschungsstandes wie folgt zusammenfassen: Existieren die Syndrome der Berichterstattung und Darstellung von Angehörigen ethnischer Minderheiten auch in der Wahrnehmung der Betroffenen? Wie werden diese Syndrome im Fall türkischer und türkischstämmiger Personen in der Schweiz, insbesondere bezogen auf das Fernsehen, wahrgenommen und bewertet? Lassen sich vor dem Hintergrund des ethnischen Zugehörigkeitsgefühls und des Integrationsstatus, der sozialen Lebenswelt und der Mediennutzung Unterschiede in der Wahrnehmung und Bewertung identifizieren? Und schließlich: Kann man ggf. konkrete Hinweise auf praktische Maßnahmen zur Veränderung der Thematisierung ethnischer Minderheiten benennen? In den Gruppendiskussionen geht es also im Kern um die Wahrnehmung und Bewertung der Darstellung der türkischen Minderheit im Schweizer Fernsehen. Diese qualitative, explorative Methode wurde gewählt, um auf der Rezipientenseite festzustellen, wie dort dieses Thema dimensioniert ist. Insofern halten sich deduktive Operationalisierungen in dieser Studie in Grenzen. Es wird schließlich nicht darum gehen, Hypothesen zu testen, die sich auf inhaltsanalytisch festgestellte Syndrome beziehen, sondern vielmehr darum, ob, wie erwartet, Defizite im Hinblick auf die Thematisierung der eigenen Gruppe geäußert werden. Zudem soll erhoben werden, wie sich die subjektiv empfundene Repräsentation bei den Betroffenen dimensioniert. Vor dem Hintergrund des sich auf Medieninhalte beziehenden Forschungsstandes werden dabei drei Bereiche systematisch abgearbeitet: Zuerst wird die Frage untersucht, ob Marginalisierung von der türkischen und türkischstämmigen Minderheit empfunden wird, und zwar in einem diskriminierenden Sinn. Mit anderen Worten: Besteht der Wunsch, sich selbst bzw. die eigene ethnische Gruppe häufiger thematisiert zu sehen, und wenn ja, bezieht sich dieser Thematisierungswunsch tatsächlich auf die ethnische Identität? Man kann an dieser Stelle auch von einem Dilemma zwischen Marginalisierung und Stigmatisierung sprechen. Dem Wunsch, als gesellschaftlicher Akteur und Kommunikationspartner medial präsent zu sein und dabei nicht über das Gruppenmerkmal „türkische Abstammung“ definiert zu werden, lässt sich sicher besser – wenn überhaupt – in einem qualitativ-diskursiven Verfahren auf den Grund gehen. In diesen Themenkomplex gehört auch das Phänomen der „best practices“: Werden diese positiven
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Repräsentation ethnischer Minderheiten im Fernsehen
Beispiele „wohlintegrierter“ und erfolgreicher Migranten, die sich in erster Linie an den Werten der Mehrheitsgesellschaft orientieren, von diesen Migranten positiv zur Kenntnis genommen, nicht bemerkt oder im Sinne des bisher nur theoretisch postulierten „modernen Rassismus“ interpretiert? Der zweite Bereich betrifft den Kontext der Thematisierung. Die regelmäßige Verknüpfung des Migrantenstatus bzw. der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit mit anderen vom gesellschaftlichen Mainstream abweichenden Themen oder Problemen wird hier behandelt. Dabei sollen die Befragten nicht auf konkrete Befunde aus der Analyse von Berichterstattung und Thematisierung wie etwa Religion oder Kriminalität angesprochen werden. Es soll in diesem Teil der Untersuchung darum gehen, ob die Betroffenen diese systematischen Verknüpfungen (auch) wahrnehmen, negativ verknüpfen oder quasi in ihr Selbstbild bzw. das ihrer ethnischen Gruppen mit einbeziehen. Darüber hinaus ist – durch das offene Verfahren – die Möglichkeit gegeben, Themenkontexte, Frames und thematische Verknüpfungen zu identifizieren, die auf der Seite der Medieninhalte bisher nicht identifiziert wurden, aber dennoch für die Betroffenen relevant sind. Abbildung 12: Themendimensionen der Gruppendiskussionen zur Repräsentation Integration/Akkulturation (Status und Verhalten)
Ethnische Identität (Zugehörigkeit)
Die perzipierte Darstellung der türkischen Minderheit im Fernsehen
Soziodemografie Mediennutzung
Der dritte Bereich schließlich betrifft stereotype Rollen- und Charakterzuschreibungen. Hier ist weniger die Frage nach den konkreten Stereotypen als vielmehr jene nach Inkongruenzen zwischen Selbstbild und dieser Stereotypisierung von Interesse. Vor
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Konzeption der empirischen Untersuchung
dem Hintergrund der Forschungsergebnisse aus England (Sreberny 1999) und Deutschland (Hafez 2002) ist zu erwarten, dass stereotype Berichterstattungsmuster wahrgenommen und moniert werden. Offen ist jedoch, inwieweit diese im Widerspruch oder in Einklang mit dem eigenen Bild stehen, das die Angehörigen von ihrer Gruppe haben. Gerade die letztgenannte Erhebungsdimension macht deutlich, dass diese Erörterungen in einen themenspezifischen Rahmen gesetzt werden müssen (Abb. 12). Um diese Wahrnehmungsmuster angemessen einordnen zu können, sind vor allem Abklärungen zur Identität derjenigen Personen notwendig, die sich zur Perzeption „ihrer“ ethnischen Gruppen äußern. Dabei liegt die Priorität der Rekrutierung auf Personen, die zur Gruppe der jüngeren, potenziell in beiden Kontexten verankerten Türkinnen und Türken in der Schweiz gezählt werden können. Sie sind diejenigen, die am ehesten zwischen beiden Kontexten wählen können und müssen. Wie weiter oben beschrieben, stehen die Einstellungen zur Herkunftskultur auf der einen Seite und zur Ankunftskultur auf der anderen Seite in engem Zusammenhang. Es wird Gegenstand der Gruppendiskussionen sein, wie sich dieses Verhältnis im konkreten Fall der Teilnehmer ausgestaltet. Neigen sie eher der Ankunftskultur und -gesellschaft zu, ggf. unter „Vernachlässigung“ der Herkunftskultur (Assimilation), pflegen sie beide Kontexte im Alltag (Integration), überbetonen sie eher den Herkunftskontext (Separation) oder sind sie im Hinblick auf beide Kontexte eher abgewandt (Marginalisierung)?53 Gleichzeitig kann dieser Themenbereich der Identitätsstrukturen als Verbindungselement zwischen beiden Teilstudien dieser Untersuchung dienen. Sowohl die Gruppendiskussionen als auch die Analysen der standardisierten Befragung zur Nutzung und Wirkung gehen von diesem Konzept der bikulturellen oder hybriden Akkulturation aus – und dies sowohl bezogen auf den Status, den Stand der Integration in die Mehrheitsgesellschaft, als auch im Hinblick auf das Verhalten, die gesellschaftliche Interaktion, die Strategie mit Ankunfts- und Herkunftskontext umzugehen. Im Fall der Gruppendiskussionen ist dabei die Frage von Bedeutung, ob unterschiedlich gesellschaftlich positionierte Personen auch entsprechende unterschiedliche Wahrnehmungsmuster und Bewertungen der Repräsentationssyndrome zeigen. Ethnische Identität und soziale Integration bilden so quasi Hintergrundfolien für die Wahrnehmung der Thematisierung und Darstellung der eigenen ethnischen Gruppe in den Medien. Ebenfalls als Hintergrundfolie für die Einordnung der Diskussionsinhalte kann die Mediennutzung der Befragten angesehen werden, insbesondere der Umgang mit dem Fernsehen. Es muss an dieser Stelle, vor allem nach den theoretischen Vorarbeiten zu den Medienwirkungen im Integrationsprozess, vermutlich nicht erneut 53 Zur Rekrutierungsproblematik bei Personen, die im Hinblick auf den Mehrheitskontext als abgewandt gelten, vgl. die Überlegungen in Abschnitt 5.1.
Medienwirkungen im Integrationsprozess
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gesondert begründet werden, warum der Medienumgang – in diesem Fall mit landessprachlichen Medien der Schweiz und türkischsprachigen Medien – für eine Einordnung der repräsentationsbezogenen Diskussionsinhalte relevant ist. Das Gleiche gilt für soziodemografische Eigenschaften wie Alter, Geschlecht etc., die ebenfalls als individueller Hintergrund für die Wahrnehmung und Bewertung der Repräsentation im Fernsehen aufgefasst werden können.
4.3 Medienwirkungen im Integrationsprozess Analog zur Repräsentationsstudie lassen sich auch für die Untersuchung der Mediennutzung und Medienwirkung die Ausgangspunkte für die Operationalisierung als Fragen formulieren. Dazu noch eine Anmerkung: Obwohl es sich hier um eine – im konventionellen Sinne – standardisierte, quantitative und repräsentative Studie handelt, werden an dieser Stelle keine wissenschaftlichen bzw. statistischen Hypothesen formuliert. Dieses Vorgehen würde im Vergleich zur (offenen) Formulierung von Fragen den Blickwinkel auf die Zusammenhänge zu stark verengen. Aber selbstverständlich kann man streng genommen die hier formulierten Fragen auch als falsifizierbare Sätze formulieren, die sich aus dem Forschungsstand ableiten. Die Basishypothese dieser Teilstudie liegt ja in der Annahme, dass massenmediale Effekte in ethnischen Akkulturationsprozessen existieren und empirisch identifizierbar sind:54 Wie beeinflussen Massenmedien den gesellschaftlichen Umgang mit dem Herkunfts- und dem Ankunftskontext bei jüngeren türkischen Erwachsenen mit Migrationshintergrund? Führen spezifische, auf unterschiedliche Akkulturationsstrategien ausgerichtete Mediennutzungsmuster zu entsprechendem Verhalten? Beeinflusst die Auswahl und Kombination sprachgebundener Mediengattungen das soziale Handeln in der Mehrheitsgesellschaft? Wie stark ist der mediale Einfluss auf die soziale Integration junger türkischer Erwachsener in Konkurrenz zur ethnischen Identität? Im Mittelpunkt der zweiten Teilstudie steht folglich die Mediennutzung junger türkischer Erwachsener. Einige zentrale, im Forschungsstand dargestellte Schlüsselstudien machen deutlich, dass signifikante Zusammenhänge zwischen dem Integrationsstatus und der Mediennutzung bei Angehörigen ethnischer Minderheiten im Allgemeinen und bei Migranten türkischer Abstammung im Besonderen identifiziert werden konnten. Eigene Vorarbeiten haben darüber hinaus gezeigt, dass es möglich ist, klar abgrenzbare Gruppen zu beschreiben, die unterschiedliche Stadien sozialer Integration und Interaktion repräsentieren. Diese Stadien konnten dabei einerseits über mehrere Studien hinweg repliziert und damit validiert werden und andererseits in einigen wesentlichen Dimensionen als Basis für eine spezifische 54 Vgl. dazu auch Abschnitt 6.6.1, in dem diese Basishypothese noch einmal aufgegriffen wird.
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Konzeption der empirischen Untersuchung
Motivlage bei der Nutzung von Ankunfts- und Herkunftsmedien nachgewiesen werden (Weiß/Trebbe 2001; Trebbe/Weiß 2007). In der vorliegenden Untersuchung werden nun die Folgen der Medienauswahl und -nutzung genauer in den Blick genommen. Es wird vor allem darum gehen, die Mediennutzung akkulturationsspezifisch zu betrachten und in Zusammenhang mit der sozialen Integration und Interaktion in der Ankunfts- bzw. Mehrheitsgesellschaft zu sehen. Analog zur Repräsentationsstudie wird auch hier auf jüngere türkischstämmige Erwachsene (in diesem Fall unter 50 Jahre) fokussiert, um genau das Alterssegment zu untersuchen, das Sozialisationserfahrungen in beiden ethnischen Kontexten gemacht hat und so größere Entscheidungsspielräume nutzen kann. Konzeptionell steht dieses Modell zu einigen der im dritten Kapitel besprochenen Ansätze zur interkulturellen Kommunikation und Adaption im Widerspruch. Vor dem Hintergrund und aus der Perspektive des Uses-and-GratificationsAnsatzes macht es jedoch Sinn, diejenigen Dimensionen, die die Zugehörigkeit zur ethnischen Gruppe (hier Personen türkischer Abstammung) beschreiben, auf der linken Seite des Gesamtmodells zu verorten und handlungsorientierte, auf die soziale Interaktion in der Ankunftsgesellschaft bezogene Verhaltensdimensionen auf der Seite der abhängigen Variablen zu modellieren. Dabei sind auch direkte, nicht medial vermittelte Wirkungen von ethnischer Identität auf soziale Integration denkbar. Hier gilt es ja gerade abzuschätzen, welche Rolle der massenmediale Einfluss auf ethnische Identität und soziale Integration spielt. Abbildung 13: Themendimensionen der Gruppendiskussionen zur Repräsentation
Ethnische Identität
Mediennutzung
Soziale Integration (Akkulturationsstrategie)
Der Ort und die Richtung des Kausalzusammenhangs werden somit theoretisch eindeutig und a priori festgelegt. Zwei Dinge werden daher in der vorliegenden Untersuchung nicht weiter verfolgt: Erstens wird nicht noch einmal versucht werden, die grundsätzliche Richtung der Kausalität zwischen „ethnischen Variablen“ und Mediennutzungsvariablen zu klären. Dazu sind in der einschlägigen Literatur vor allem von Jeffres (2000) anhand von Paneldaten umfassende und ausreichende
Zur Darstellung der Untersuchungsergebnisse
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Untersuchungen angestellt worden.55 Und zweitens soll es weniger darum gehen, den gesamten in Abb. 13 dargestellten Wirkungspfad zu prüfen als sich vielmehr auf den (konventionellen) Wirkungspfad zu konzentrieren. Der Integrationsstatus als Mediennutzungsmotiv scheint auf der Basis eigener Analysen ebenfalls ausreichend abgesichert (Trebbe 2007b). Es wird also eher Gegenstand sein, die Variablen zur Nutzung von Mehrheits- und Minderheitenmedien differenzierter zu betrachten.
4.4 Zur Darstellung der Untersuchungsergebnisse Der empirische Teil ist – getrennt nach den zwei Teilstudien – in zwei Kapitel gegliedert. In Kapitel 5 wird zunächst die Repräsentationsstudie vollständig, das heißt von der Operationalisierung der Fragestellung bis zur Darstellung der Ergebnisse vorgeführt. In Kapitel 6 folgt dann die zweite, auf der Befragung junger türkischer Erwachsener in Nordrhein-Westfalen basierende Teilstudie, die sich mit den Forschungsfragen zur Mediennutzung und Medienwirkung auf die soziale Integration auseinandersetzt. Beide Untersuchungen sind ähnlich aufgebaut. In einem ersten Abschnitt werden jeweils einige Ausführungen zum Forschungskontext und zur Methode der Datenerhebung gemacht. Im Falle der Repräsentationsstudie sind das im Kern zwei Gruppendiskussionen, im Falle der Wirkungsstudie handelt es sich um eine Telefonbefragung junger türkischer Erwachsener. Beide Studien sind durch Drittmittel finanziert (Repräsentationsstudie) oder als Kooperationsprojekt (Wirkungsstudie) entstanden. Das macht es notwendig, einige Hintergrundinformationen zu den Rahmenbedingungen der Forschungsprojekte zu liefern. Im zweiten Abschnitt werden in beiden Kapiteln jeweils die Probanden der Studien charakterisiert. Im Fall der Befragung ist das die Beschreibung der Stichprobe, im Falle der Gruppendiskussionen werden die rekrutierten Teilnehmer kurz vorgestellt. Im Übergang zu den analytischen Kapiteln unterscheiden sich die zwei Studien stärker. In der Repräsentationsstudie werden die Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse die transkribierten Gruppendiskussionen im Hinblick auf die drei zentralen Themenbereiche Medienumgang und Mediennutzung (Abschnitt 5.3), Identität und Integrationsstatus (Abschnitt 5.4) und schließlich die Wahrnehmung und Bewertung der Repräsentationssyndrome (Abschnitt 5.5) dargestellt und in Abschnitt 5.6 zusammenfassend interpretiert.
55 Rückkopplungen in Form nichtrekursiver Kausalmodelle (Holm 1975: 24) sind mit Querschnittsdaten und herkömmlichen, auf kanonischen Funktionen beruhenden Koeffizienten im Übrigen auch nicht identifizierbar (Blalock 1972).
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Konzeption der empirischen Untersuchung
In der Wirkungsstudie werden zunächst deskriptive Abschnitte zur sozialen Integration und Akkulturation der Befragten (Abschnitt 6.3) und zu ihrer Mediennutzung (Abschnitt 6.4) folgen. Danach werden Zusammenhänge und Unterschiede im Hinblick auf die ebenfalls in diesem Abschnitt identifizierten Mediennutzungstypen dargestellt (Abschnitt 6.5). Die Kausalanalysen zur Wirkung der sprachgebundenen Mediennutzung verschiedener Mediengattungen werden schließlich in Abschnitt 6.6 dargestellt, bevor in Abschnitt 6.7 Schlussfolgerungen aus den Analysen gezogen werden. Das siebte Kapitel steht genau genommen außerhalb des empirischen Teils, denn es enthält die zusammenfassende Diskussion der empirischen Befunde im Hinblick auf die theoretischen Systematisierungen, den Forschungsstand und die Konzeption der vorliegenden Untersuchung. In diesem Abschnitt der Arbeit soll schließlich auch resümiert und darüber räsoniert werden, inwieweit erstens am Inhalt diagnostizierte Thematisierungssyndrome beim Rezipienten wieder zu finden sind und zweitens wie Medien, soweit sie ausgewählt, genutzt und kombiniert werden, einen assimilativen, integrativen oder separierenden Effekt bei den Angehörigen einer ethnischen Minderheit haben können.
5 Repräsentation, Mediennutzung und Identität
5.1 Forschungskontext und Methode 5.1.1 Projektkontext Aus der Perspektive öffentlich-rechtlicher oder öffentlich-konzessionierter Programmveranstalter und der Aufsichtsgremien privater Rundfunkveranstalter hat die Darstellung von ethnischen Minderheiten und Migranten auch eine normative Dimension (Abschnitt 2.2). Die Integration durch Massenmedien ist in diesem Zusammenhang keine Wirkungsannahme, sondern eine explizite Leistungsanforderung bzw. Funktionszuschreibung an Radio- und Fernsehprogramme. Dies war der Grund für die finanzielle Unterstützung eines Forschungsprojektes zum „Integrationspotenzial sprachregionaler Medien in der Schweiz“ durch das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM), das in der Schweiz für die Zulassung und Aufsicht über den Rundfunk zuständig ist (Trebbe/Schönhagen 2008). Das Forschungsprojekt beschäftigte sich aus einer allgemeineren Perspektive mit der Integrationsleistung des Fernsehens in der Schweiz. Die Bundesverfassung (BV), das Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) und die Radio- und Fernsehverordnung (RTVV) der Schweiz legen jeweils besonderen Wert auf die Pflege der vier Landessprachen Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch (Art. 4 BV, Art. 24 RTVG) sowie den Austausch und die Verständigung zwischen den Sprachregionen (Art 70 BV, Art. 24 RTVG, Art. 31 RTVV). Die Erfüllung dieses Leistungsauftrages war der Ausgangspunkt des oben genannten Forschungsprojektes, wobei – und das ist die Hauptverbindungslinie zu der hier vorgelegten Untersuchung – ein spezifisches Element dieser Integrationsleistung genauer in den Blick genommen wurde: die Berücksichtigung der jeweils anderen Sprachregionen in den Fernsehprogrammen. Zusammen mit der expliziten Verpflichtung der SRG SSR idée suisse, dem öffentlich-konzessionierten Fernsehveranstalter, auch die ausländische Bevölkerung in ihren Programmen zu berücksichtigen (Art. 3 Konzession), trifft dies genau die Repräsentationsproblematik, wie sie in den vorstehenden Kapiteln dargestellt und diskutiert wurde. Der normative Projektkontext dieser Studie kann in diesem Zusammenhang als umfassender Rahmen für die Untersuchung der Repräsentation ethnischer Minderheiten im Schweizer Fernsehen aufgefasst werden. Derjenige Teil der Untersuchung, der im Schweizer Forschungsprojekt an erster Stelle steht – die gegenseitige
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Repräsentation, Mediennutzung und Identität
Thematisierung der Schweizer Sprachregionen – bleibt allerdings im Folgenden unberücksichtigt. Zwar könnte man vor dem Hintergrund neuerer Begriffsauffassungen von ethnischer Identität oder ethnokultureller Positionierung auch im Fall der regionalen Sprachgruppen der Schweiz von ethnischen Minderheiten im weitesten Sinne sprechen – jedenfalls was die französisch- und die italienischsprachige Schweiz sowie die rätoromanische Sprachgruppe betrifft –, denn Sprache ist nach diesem Verständnis eines der konstituierenden Merkmale einer ethnischen Gemeinschaft (Abschnitt 2.2). Die Fragestellung, der im Rahmen dieser Untersuchung nachgegangen wird, ist jedoch stärker auf ethnische Minderheiten im engeren Sinne, nämlich solche in Migrationskontexten fokussiert. Hinzu kommt noch, dass die Gesamtkonzeption des Forschungsprojektes, in dessen Rahmen die Gruppendiskussionen durchgeführt wurden, sich mit der Verschränkung dieser Problematik beschäftigt hat, also der Integration der Sprachregionen untereinander, in ein gemeinsames Ganzes und zusätzlich dazu mit der Integration ethnischer Minderheiten in der jeweiligen Sprachregion sowie in der gesamten Schweiz. Abbildung 14: Das Forschungsdesign der BAKOM-Studie56 Bevölkerungsgruppe Sprachregion Deutschschweiz (Zürich) Westschweiz (Genf) Tessin (Lugano)
Nationalität CH ohne Migrationshintergrund
Mit Migrationshintergrund
2 2 2
2 2 2
Im Rahmen dieser Studie werden im Folgenden diejenigen Module der Untersuchung analysiert, die für die Bearbeitung der Fragestellung relevant sind. Um den Forschungskontext und den Zugriff auf das Gesamtdesign zu verdeutlichen, sei an dieser Stelle ein kurzer Blick auf die methodische Konzeption der BAKOM-Studie erlaubt (Abb. 14). Insgesamt wurden in diesem Projekt zwölf Gruppendiskussionen mit 77 Personen, Schweizer Staatsbürgern und Ausländern geführt, jeweils vier Diskussionsrunden pro Sprachregion. Entscheidend für die Zuordnung zu den Gruppen war allerdings nicht die Nationalität der Befragten,57 sondern ihr jeweiliger 56 Quelle: Trebbe, Joachim: Projektbeschreibung zum Medienforschungsgesuch „Das Integrationspotenzial sprachregionaler Medien in der Schweiz“ vom 30.3.2006. 57 Die Teilnehmer der Gruppendiskussionen werden im Text auch Befragte genannt. Das sind sie im engeren Sinne natürlich nicht. In einem weiteren Sinne aber sind ihre Meinungen und Einschätzungen zu den Themen der Diskussionen gefragt, außerdem wurden einige Hintergrundinformationen in individuellen Befragungssituationen erhoben, so dass diese Bezeichnung gerechtfertigt erscheint; darüber hinaus erhöht sie die Lesbarkeit des Textes.
Forschungskontext und Methode
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Migrationshintergrund, um explizit auch bereits eingebürgerte Personen berücksichtigen zu können. In den Sprachregionen wurden jeweils zwei Gruppendiskussionen mit Teilnehmern mit Migrationshintergrund durchgeführt (rechte Spalte der Tabelle). Dabei wurde in jedem Fall eine in Bezug auf die Herkunft heterogene und eine in dieser Hinsicht homogene Gruppe gebildet.58 In der Deutschschweiz wurden für die homogene Gruppe für diese Untersuchung türkischstämmige und türkische Personen rekrutiert, außerdem wurde bei der Zusammensetzung der heterogenen Migrantengruppe darauf geachtet, dass zumindest zwei der Gesprächspartner türkischer Herkunft waren.59 Soweit zum Forschungskontext der Untersuchung zur Repräsentation der türkischen Minderheit im Schweizer Fernsehen. Die Daten sind in der hier vorliegenden Form, das heißt spezifisch auf die Äußerungen der Angehörigen der türkischen Minderheit, noch nicht ausgewertet worden. Sie wurden bisher nur im Gesamtzusammenhang der Fragestellungen der BAKOM-Studie analysiert und dokumentiert (Trebbe/Schönhagen 2008). 5.1.2 Organisation und Durchführung der Gruppendiskussionen Die Formulierung der Fragestellung im Kontext der konzeptionellen Vorüberlegungen impliziert ein qualitatives Vorgehen für die Untersuchung der Wahrnehmung der Repräsentationssyndrome (Abschnitt 4.2): Existieren die Syndrome der Berichterstattung und Darstellung von Angehörigen ethnischer Minderheiten auch in der Wahrnehmung der Betroffenen? Wie werden diese Syndrome im Fall türkischer und türkischstämmiger Personen in der Schweiz, insbesondere bezogen auf das Fernsehen, wahrgenommen und bewertet? Lassen sich vor dem Hintergrund des ethnischen Zugehörigkeitsgefühls und des Integrationsstatus, der sozialen Lebenswelt und der Mediennutzung Unterschiede in der Wahrnehmung und Bewertung identifizieren? Und schließlich: Kann man ggf. konkrete Hinweise auf praktische Maßnahmen zur Veränderung der Thematisierung ethnischer Minderheiten benennen? Die Durchsicht der einschlägigen Forschungsliteratur hat gezeigt, dass für die Beantwortung der hier formulierten Forschungsfrage ein exploratives Verfahren notwendig ist. Es soll an dieser Stelle schließlich in erster Line darum gehen, das Wie der medialen Repräsentation der türkischen Minderheit aus der Sicht der Rezipienten zu untersuchen. Die konkrete Wahrnehmung stereotyper und anderer Themenkontexte, die Bewertung negativer Darstellungen (falls vorhanden) und 58 So wurde etwa im Tessin, dem italienischsprachigen Kanton der Schweiz, eine Gruppe mit italienischstämmigen Personen und in der Westschweiz eine Gruppe mit portugiesischstämmigen Personen (zusätzlich zu den jeweiligen heterogenen Gruppen) rekrutiert. 59 Zur Zusammensetzung der Gruppen vgl. Abschnitt 5.2.
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Repräsentation, Mediennutzung und Identität
auch die Frage nach Marginalisierung und Stigmatisierung wird sich beim gegenwärtigen Stand der Forschung kaum durch standardisierte Fragekataloge messen lassen. Die Frage, die sich daraufhin stellt, ist die nach der konkreten Methode für die Exploration dieser „Perzeptionssyndrome“. Im Grundsatz wurde die Entscheidung zwischen zwei möglichen Vorgehensweisen getroffen – qualitativen, leitfadengestützten Einzelinterviews auf der einen und Gruppendiskussionen auf der anderen Seite. Für die Gruppendiskussionen sprach letztendlich eine ganze Reihe von Gründen, wie etwa die Vereinbarkeit verschiedener Erkenntnisinteressen durch die Vielschichtigkeit des Verfahrens (Schönhagen/Wagner 2007: 20), die Bewertung als vergleichsweise gut eingeführte und erfolgreiche Methode für die Analyse rezeptionsspezifischer Phänomene (ebd.: 25) und schließlich die Möglichkeit, unterschiedliche Einschätzungen in der Gruppe diskursiv klären zu lassen. Die Teilnehmer für die Gruppendiskussionen wurden durch Anzeigen und Öffentlichkeitsarbeit rekrutiert.60 In mehreren Anzeigen und Pressemitteilungen sowie einem Interview des Verfassers in einem Lokalradio wurde auf das Projekt und Möglichkeiten zur Beteiligung hingewiesen. Darüber hinaus wurden an zentralen öffentlichen Plätzen der Stadt Zürich Aushänge und Plakate mit dem Hinweis „einmal über das Fernsehen diskutieren zu können“ publiziert. Alle auf diese Art zustande gekommenen Kontakte wurden mithilfe des Schneeballsystems ausgeweitet. Insgesamt meldeten sich so für die Gruppendiskussionen in Zürich n=51 Personen mit und ohne Migrationshintergrund. Für die Teilstudie dieser Untersuchung wurden aus diesem Personenkreis durch ein telefonisches Screening zum einen diejenigen Personen ausgewählt, die in der Türkei geboren wurden oder Kinder von in der Türkei geborenen Migranten sind und darüber hinaus nach eigenen Angaben „regelmäßig“ Schweizer Fernsehprogramme nutzten.61 Zusätzlich wurden nach den gleichen Kriterien Personen identifiziert, die entweder einen italienischen, ex-jugoslawischen oder deutschen Migrationshintergrund aufweisen. Insgesamt wurden mit diesem Verfahren 16 Personen identifiziert und ausgewählt: zehn Personen mit türkischem Migrationshintergrund und jeweils zwei Personen aus den anderen drei genannten Regionen. So entstanden schließlich zwei Gruppen mit jeweils acht Teilnehmern. (1) eine homogene Gruppe bestehend aus ausschließlich türkischen bzw. türkischstämmigen Personen und (2) eine heterogene Gruppe mit jeweils zwei Personen aus den stärksten Migrantengruppen in der Deutschschweiz: Italienern, Deutschen, Ex-Jugoslawen und Türken.
60 Zu den Details der Rekrutierung und des Screenings vgl. Trebbe/Schönhagen (2008). 61 Dabei waren natürlich unter anderem Terminschwierigkeiten und andere organisatorische Probleme zu lösen, sodass die Zusammenstellung der Gruppen etwa sechs Wochen in Anspruch genommen hat. Den Teilnehmern wurden bis auf eine Anreiseentschädigung in Höhen von 20 Schweizer Franken keine weiteren Incentives für die Teilnahme geboten.
Forschungskontext und Methode
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Am 23. und 24. Februar wurden daraufhin in den Räumen der Universität Zürich die Gruppendiskussionen durchgeführt. Die Diskussionen wurden jeweils gemeinsam von zwei Kommunikationswissenschaftlern der Universität Freiburg in deutscher Sprache durchgeführt und moderiert. Sämtliche Gruppendiskussionen wurden vollständig auf Video-DVD aufgezeichnet und für die spätere Transkription archiviert. Den Teilnehmern wurde strikte Vertraulichkeit bezüglich ihrer Aufnahmen zugesichert - einer der Gründe, warum die Namen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Analyseteil verändert wurden. 5.1.3 Befragungs- und Moderationsinstrumente In den strukturierten Diskussionsleitfäden wurden insgesamt sieben Themenbereiche (mit jeweils einer zusätzlichen Aufwärm- und Abschlussrunde) vorbereitet, die sequenziell aber nicht unbedingt ohne Rück- oder Vorgriffe auf andere Blöcke in der vorgegebenen Reihenfolge durch die Moderatorinnen abgearbeitet wurden. Sie entsprechen im Wesentlichen den Untersuchungsdimensionen, die in Abschnitt 4.1.1 vor dem Hintergrund der theoretischen Überlegungen und des Forschungsstandes entwickelt wurden (Trebbe/Schönhagen 2008): (1) Soziodemografischer und migrationsspezifischer Hintergrund der Probanden. (2) Einstellung zur Heimat und zum Ankunftskontext (Identität und Perspektive). (3) Die Rolle des Fernsehens im Leben der Probanden (Motive und Gewohnheiten). (4) Darstellung und Wahrnehmung der eigenen Gruppe im Fernsehen (Repräsentation). (5) Bewertung von und Einstellung zur Repräsentation der Türken im Fernsehen. (6) Darstellung in anderen Medien im Vergleich zum Fernsehen. (7) Persönliche und gesellschaftliche Wirkungen der medialen Repräsentation. In den Gruppendiskussionen sind verfahrensgemäß keine standardisierten Indikatoren erhoben worden – mit Ausnahme der Mediennutzung. Um den individuellen Umgang mit Massenmedien im Allgemeinen und dem Fernsehen im Besonderen vergleichbar aber vor allem effizient erheben zu können, wurde zum Abschluss der Befragung ein kurzer standardisierter Fragebogen mit einigen Standardmaßen zur Mediennutzung (Nutzer gestern, Stammnutzer, weitester Nutzerkreis etc.) verteilt. Für eine Einschätzung der Integrationsstadien in den Gruppen der türkischen Migranten und ihrer Nachkommen werden deshalb vor allem zwei Abschnitte der Gruppendiskussion inspiziert: erstens der soziodemografische und migrationsspezifische Hintergrund der Probanden und zweitens die Einstellung zur Heimat und zum Ankunftskontext (Identität und Perspektive). In diesen beiden Abschnitten der Gruppendiskussionen ging es sowohl um die persönliche Identität und die Perspektive, mit der auf das Leben in der Schweiz und die Berichterstattung geschaut wird,
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Repräsentation, Mediennutzung und Identität
als auch um den Status und die Situation der Türken als ethnischer Minderheit in der Schweiz. Den theoretischen Überlegungen folgend, wird es bei der Analyse dieser Abschnitte vor allem um Aussagen zur Beziehung zwischen Ankunfts- und Herkunftskontext gehen. Der Schwerpunkt dieser Untersuchung liegt auf der Repräsentation der türkischen Bevölkerungsgruppe im Fernsehen. Dazu wurden in den Fokusgruppen vier verschiedene thematische Bereiche angesprochen, die sich mit der Rolle des Fernsehens im Alltag (Bereich 3), der Repräsentation der Türken im Schweizer Fernsehen (Bereich 4), der Bewertung dieser Situation (Bereich 5), der Darstellung in anderen Medien (Bereich 6) und schließlich der Einschätzung von gesellschaftlichen Wirkungen der medialen Repräsentation (Bereich 7) beschäftigen. Bei der Analyse der Diskussionsbeiträge wird es um den Zusammenhang von täglichem Medienumgang und der subjektiven Einschätzung der Repräsentation im Schweizer Fernsehen gehen. Inwieweit dafür auch die Nutzung sogenannter Heimatmedien bedeutend ist, wird sich im Rahmen der Analysen zeigen. Alle Untersuchungsinstrumente, der gesamte organisatorische Ablauf sowie das Rollenverhalten der Moderatorinnen wurden im Vorfeld der Gruppendiskussionen ausführlichen Pretests unterzogen. Mit Studierenden der Universität Freiburg/Schweiz wurden mehrere Gruppendiskussionen vollständig durchgeführt, auf Video aufgezeichnet und in der Forschungsgruppe analysiert und kritisiert. Ziel dieser Pretests war es, Sicherheit in der Durchführung und Moderation zu gewinnen, die Gruppendiskussionen möglichst vergleichbar zu halten (für das Gesamtprojekt sehr wichtig) und die Dauer der einzelnen Befragungsrunden genau abschätzen zu können. 5.1.4 Analysestrategie Die vollständigen Videoaufzeichnungen wurden ebenso vollständig sequenziell transkribiert und in einem dreistufigen Verfahren einer qualitativen Inhaltsanalyse unterzogen. Dafür wurden in einem ersten Schritt Themenbereiche definiert, die im Grundsatz den oben genannten Themenkomplexen der Diskussionsleitfäden entsprechen und auch im Ergebnisteil der Analyse wieder aufgenommen werden. Alle Aussagen der Teilnehmer wurden diesen sechs Themenbereichen zugeordnet.62 (1) Der erste Bereich betrifft den Integrationsstatus, die ethnische Identität oder auch die soziale Interaktion in der Mehrheitsgesellschaft. In diesem Themensegment wurden alle Aussagen zusammengestellt, die sich medienunabhängig mit dem Verhältnis der Befragten zur Mehrheitsgesellschaft und zur eigenen ethnischen Gruppe (hier der Türken) in Zusammenhang bringen ließen. 62 Die Soziodemografie der Befragten konnte zum Teil den Screening-Fragebögen entnommen werden, zum Teil diente die Vorstellungsrunde der Vervollständigung dieses Themenkomplexes.
Forschungskontext und Methode
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(2) Der zweite Themenblock zu Nutzung und Umgang mit Herkunfts- und Ankunftsmedien wurde mit den im Fragebogen gemachten Angaben validiert und ergänzt. Wie oben beschrieben, wurden in einer eigenen Fragerunde nochmals Gewohnheiten und Verhaltensweisen (auch in der Familie) diskutiert, um den Stellenwert des Fernsehens im Alltag angemessen beurteilen zu können. (3) und (4) Der dritte und vierte Themenblock enthalten alle Aussagen zum Kernder hier gemachten Analysen. Dabei wurden zwei getrennte Untersuchungsdimensionen gebildet. Einmal wurden Aussagen gesucht und zusammengestellt, die die Frage nach der Thematisierung im Grundsatz beantworten. Mit anderen Worten: Haben die Befragten – unabhängig vom Wie – das Gefühl, die Einschätzung, dass sie ausreichend in den Medien vorkommen? In den Gruppendiskussionen wurde so versucht herauszufinden, ob das Marginalisierungssyndrom von den befragten Türkinnen und Türken tatsächlich als eigenständiges Manko wahrgenommen wird oder ob es, wie im theoretischen Teil dieser Arbeit vermutet, sehr stark mit den (positiv oder negativ besetzten) Rollen verknüpft ist, in denen Personen ausländischer Herkunft in den Medien vorkommen. Das Wie, also die Art und Weise der Thematisierung, wurde dann in einem zweiten, gesonderten Themenblock zusammengefasst. Die Trennung der zwei Themenblöcke war in diesem ersten Analyseschritt nicht immer einfach – viele Befragte kamen vom ersten automatisch auf das zweite Thema zu sprechen. (5) Der fünfte Bereich enthält, analog zum Leitfaden, alle Aussagen zur Bewertung dieser Syndrome und Repräsentationscharakteristika, also etwa die Diskussionsbeiträge zu der Frage, ob die Teilnehmenden subjektiv unter einer mangelnden Thematisierung oder einer negativen Darstellung leiden oder ob Alltagswelt und Medienumwelt eher kognitiv getrennt werden. (6) Der sechste Bereich schließlich wurde in diesem Analyseschritt vollständig offen gelassen. Im Themensegment „Muster, Wiederholungen, Auffälligkeiten“ wurden Aussagen und Absätze zusammengestellt, die unter Umständen auch quer zu den anderen Themenblöcken liegen konnten, aber bei der Durchsicht der Untersuchungsmaterialien immer wieder aufgefallen sind.63 Die sechs Themenblöcke wurden mit Textbeispielen aus den Transkripten versehen, um Anhaltspunkte für die Zuordnung der Textpassagen für die Codierung an der Hand zu haben. Dafür wurde das gesamte Material komplett gesichtet und auf solche Kernaussagen hin durchsucht. In einem ersten Reduktionsvorgang wurden alle Diskussionsbeiträge dann mit ihrer Quelle (Person und Diskussionsrunde) markiert und den genannten sechs Bereichen zugeordnet. Synonyme und zum Teil gleichlautende Passagen verschie63 Es handelt sich nicht um eine Rest- oder Residualkategorie. In diesen letzten Themenbereich wurden nur Aussagen eingeordnet, auf die die Analyse theoretisch nicht vorbereitet war.
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Repräsentation, Mediennutzung und Identität
dener Teilnehmer wurden zu diesem Zeitpunkt noch nicht eliminiert, um unterschiedliche Migrationskontexte bei den Befragten weiterhin berücksichtigen zu können. Nicht zugeordnet und damit aus der weiteren Analyse ausgeschlossen wurden dagegen alle Aussagen, die am Rande der Diskussionen zwischen Teilnehmern geäußert wurden, soweit sie nicht das Thema der Diskussionsrunden betrafen, und solche Aussagen, die auch der letzten, offenen Kategorie thematisch nicht zuzuordnen waren. In einem zweiten Reduktionsschritt wurde das Material dann um diejenigen Aussagen dezimiert, die offensichtlich synonym waren und im gleichen Kontext standen oder ggf. nach unterschiedlichen Kontextvariablen sortiert werden konnten – etwa wenn Männer und Frauen sich ähnlich hinsichtlich des Geschlechterverhältnisses in ihrer Familie oder Gemeinschaft äußerten. Im nächsten Arbeitsschritt wurden dann erste Systematisierungen und Generalisierungen vorgenommen. So wurden etwa im ersten Themenbereich „Integration, Identität“ die Textpassagen in unterschiedliche Subdimensionen (Sprache, Religion, Ausbildung, Familie) eingeordnet und mit einer kurzen Zusammenfassung oder auch nur einer Zwischenüberschrift versehen. In einem letzten Arbeitsschritt schließlich wurden alle identifizierten Subdimensionen inhaltlich gewichtet, das heißt nach der Relevanz bei den Befragten sortiert und systematisch ausgewertet. Die Ergebnisse werden – nach einer kurzen Beschreibung der Teilnehmer in den Gruppen - in drei Abschnitten präsentiert. Den Hintergrund bilden die Aussagen der Teilnehmer zum Medienumgang und zur Mediennutzung in den Diskussionen und im Fragebogen (Abschnitt 5.2), gefolgt von den zwei Kernkapiteln zur ethnischen Identität bzw. zum Integrationsstatus (Abschnitt 5.3) und zur medialen Repräsentation „ihrer“ Gruppe, der türkischen und türkischstämmigen Minderheit in der deutschsprachigen Schweiz (Abschnitt 5.4). Ein kurzes Fazit soll die wichtigsten Befunde kurz aufbereiten und zusammenfassen.
5.2 Gruppen und Gruppenteilnehmer Wie oben beschrieben, wurden aus den rekrutierten Teilnehmern zwei Gruppen mit jeweils acht Teilnehmern ausgewählt und zu den Diskussionen in die Universität Zürich eingeladen. Die Struktur der Gruppen ist sehr unterschiedlich, und zwar nicht nur im Hinblick auf ihren Migrationshintergrund (vgl. Tabelle 3). Während die erste Gruppe ausschließlich aus jungen türkischstämmigen Erwachsenen im Alter zwischen 21 und 31 Jahren besteht und im Hinblick auf das Geschlecht ausgeglichen zusammengesetzt ist (im Folgenden Gruppen A), beinhaltet die zweite Gruppe acht Personen mit extrem unterschiedlichem Migrationshintergrund und einer breiteren Altersstreuung. Die ältesten Personen in dieser zweiten Gruppe (im Folgenden Gruppe B) sind Frauen im Alter von 84 und 72 Jahren und
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Gruppen und Gruppenteilnehmer
stammen aus Deutschland bzw. aus Slowenien. Die jüngste Teilnehmerin in dieser Gruppe ist eine 37-jährige Türkin. In beiden Gruppen ist die Mehrzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Schweiz geboren oder spätestens bis zur vierten Grundschulklasse (in der Schweiz: Primarschule) in die Schweiz eingewandert. Nur in Gruppe B sind zwei der Personen aus Ex-Jugoslawen mit vergleichsweise kurzer Aufenthaltsdauer vertreten. Mit der letzten Flüchtlingsbewegung während der Kriege in Bosnien und im Kosovo haben sie allerdings nichts zu tun. Sie sind bereits seit 15 bzw. 20 Jahren in der Schweiz, also auch verhältnismäßig gut vertraut mit dem gesellschaftlichen Leben im Ankunftskontext. Tabelle 3:
Soziodemografie der Diskussionsgruppen
Durchschnittsalter
Homogene Diskussionsgruppe „A“
Heterogene Diskussionsgruppe „B“
25 Jahre
52 Jahre
n=8 -
n=2 n=3 n=2 n=1
n=4 n=4
n=1 n=7
Herkunftsland Türkei Ex-Jugoslawien Italien Deutschland Geschlecht Männer Frauen
Die homogene, ausschließlich mit türkischstämmigen Frauen und Männern besetzte Gruppe (Gruppe A) weist ein vergleichsweise hohes Bildungsniveau auf. Nur eine Person ist bisher ohne Bildungsabschluss, drei haben die weiterführende (Berufs-) Schule besucht und vier haben Abitur („Matura“) und/oder ein Studium abgeschlossen. Keines der Gruppenmitglieder ist weniger als vier Jahre in der Schweiz zur Schule gegangen, sechs Personen haben mehr als zehn Schul- und Studienjahre in der Schweiz verbracht. Nur zwei Personen haben mehr als ein Jahr lang eine Schule im Ausland besucht. Vier der Befragten sind berufstätig, die anderen vier sind noch in der Ausbildung, Schule oder im Studium. Die zweite Gruppe (Gruppe B) ist nicht nur im Hinblick auf die ethnische Herkunft und das Alter der Gruppenmitglieder heterogener. Auch bei der Schulund Ausbildung zeigen sich zum Teil deutliche Unterschiede. Alle Personen haben
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Repräsentation, Mediennutzung und Identität
mindestens eine Ausbildung oder Lehre abgeschlossen bzw. eine weiterführende Schule besucht. Drei Personen haben Abitur gemacht und/oder ein Studium abgeschlossen. Zwei der Befragten sind nicht in der Schweiz in die Schule gegangen, drei dagegen mehr als zehn Jahre, die anderen drei Personen haben mindestens eines und höchstens neun Schuljahre in der Schweiz absolviert. Insgesamt vier Personen haben auch im Ausland eine Schule besucht bzw. haben dort eine Ausbildung oder ein Studium absolviert, zwei Personen waren weniger und zwei Personen mehr als 15 Jahre in ausländischen Schulen bzw. Berufsausbildungen beschäftigt. Zur Erinnerung: Es wird in den Analysen der zweiten Gruppe nicht um die Spezifika der anderen ethnischen Gruppen gehen. Hier interessiert vielmehr die Perspektive der zwei türkischstämmigen Teilnehmerinnen gegenüber dem Rest der Gruppe. Lassen sich dort Gemeinsamkeiten finden, die sozusagen auf alle ethnischen Minderheiten zutreffen, gleich aus welchem Herkunftskontext sie stammen, oder sind Besonderheiten festzustellen, die vor allem die türkische Gemeinschaft in der Schweiz betreffen? In den folgenden Analysen werden die Personen durch ihre Vornamen und ihre Gruppenzugehörigkeit identifiziert und voneinander unterschieden. Deshalb sollen sie hier kurz genannt werden. Die Namen wurden geändert, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern wurde selbstverständlich Anonymität zugesichert: [A] – In dieser Gruppe türkischstämmiger Probanden handelt es sich um die vier Frauen Kübra H. (23 Jahre), Sevinc B. (25 Jahre), Elif C. (21 Jahre), Zehra F. (23 Jahre) und die vier Männer Fatih A. (32 Jahre), Ergin N. (31 Jahre), Hüseyin T. (21 Jahre), Huzeyfe H. (22 Jahre). [B] – An der Diskussion nahmen Zirafeta D. (weiblich, 43 Jahre) aus Bosnien, Nikola G. (männlich, 43 Jahre) aus dem Kosovo und Kitty B. (weiblich, 72 Jahre) aus Slowenien teil. Dazu kamen die zwei Frauen Belkis K. (40 Jahre) und Büschra O. (37 Jahre) aus der Türkei. Die Italienerinnen Mariella S. (40 Jahre) und Marialice M. (57 Jahre) sowie Esther P. (weiblich, 84 Jahre) mit deutsch-österreichischen Wurzeln vervollständigte diese Gruppe. Die Zusammensetzung verdeutlicht sehr anschaulich die unterschiedlichen Perspektiven, die in den Gruppen fokussiert werden sollten. Während die erste Gruppe den Blickwinkel der jungen, in der Schweiz aufgewachsenen türkischen Generation beider Geschlechter vertreten sollte, war die zweite Gruppe für die Repräsentation verschiedener Altersgruppen und Herkunftskontexte ausgewählt worden. Sicher muss man im Hinblick auf diese – selbstverständlich nicht im statistischen Sinne gemeinte – Repräsentation der türkischen und der anderen Minderheiten einige relevante Einschränkungen in Kauf nehmen: (1) Das Rekrutierungs- und Screeningverfahren und der Forschungskontext Schweizer und deutscher Wissenschaftler an einer Schweizer Hochschule setzen der Vielfalt der vertretenen Personen relativ enge Grenzen. Personen, die
Ethnische Identität und Integrationsstatus
143
man im Sinne der Akkulturationsstrategien als marginalisiert oder separiert, das heißt der Mehrheitsgesellschaft gegenüber als abgewandt bezeichnen würde, sind in diesem Kontext eher nicht zu einer Teilnahme an einer solchen Gruppendiskussion zu bewegen, sind aber auch aufgrund ihrer sehr geringen Schweizer Mediennutzung für die Studie nicht relevant (Abschnitt 3.2). (2) Beide Gruppendiskussionen wurden in deutscher Sprache durchgeführt. Das hat zur Folge, dass diese wichtige Variable im Integrationsprozess in den Gruppendiskussionen ebenfalls mehr oder weniger als konstant angesehen werden muss, auch wenn vor allem in Gruppe B hier und da Sprachschwierigkeiten überwunden werden mussten. (3) Der Projektleiter und eine der Moderatorinnen leben selbst als Migranten in der Schweiz. Das verkompliziert und stört die Fokussierung der Gruppendiskussionen auf der einen Seite, in dem es etwa zu Solidaritätseffekten oder Reaktanz in den Gesprächssituationen führt. Auf der anderen Seite konnte es in der zweiten Gruppe den Moderatorinnen so leichter fallen, eine gemeinsame Gesprächs- und Beziehungsebene zu entwickeln. Diese Einschränkungen müssen bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden. Da diese Studie jedoch weder den Anspruch statistischer Repräsentativität erfüllen kann und soll, noch auf den Zusammenhang zwischen Integrationsstatus und Wahrnehmung der Repräsentationssyndrome fokussiert ist, werden sie an dieser Stelle in Kauf genommen.64 Der explorative Charakter, der sich mit erster Priorität auf die Identifikation und Differenzierung der Repräsentationssyndrome bezieht, spricht ebenfalls für dieses Vorgehen. In den folgenden zwei Abschnitten werden die Gruppen und Gruppenmitglieder im Hinblick auf zwei weitere Hintergrundfolien beschrieben, die für das Verständnis der Wahrnehmung, Einschätzung und Repräsentationssyndrome wichtig sind. Zunächst werden aber einige Aussagen zur ethnischen Identität und zum Integrationsstatus (Abschnitt 5.3) aufgeführt, gefolgt von Aussagen zu individuellen und gruppenspezifischen Mustern bei der Nutzung von und im Umgang mit Medien aus der Schweiz und der Türkei (Abschnitt 5.4).
5.3 Ethnische Identität und Integrationsstatus Um die Vorteile des explorativen und diskursiven Datenerhebungsverfahrens für die zentralen Aspekte der Untersuchung zu nutzen, wurden bei inhaltlichen Themenblöcken so wenig Vorgaben wie möglich gemacht. Der Begriff der ethnischen 64 Unabhängig von dieser Argumentation wurde in den Pretests und bei der Entwicklung der Leitfäden und Moderationsinstruktionen versucht, entsprechende Störfaktoren zu minimieren.
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Repräsentation, Mediennutzung und Identität
Identität wurde durch Worte wie Zugehörigkeit, Herkunftsland, Heimat, Ankunftsland und Aufenthaltsland in die Diskussion eingebracht. In einem ersten Schritt sollten die Teilnehmer sich im Hinblick auf ihr Zugehörigkeitsgefühl zur Schweiz bzw. zur Türkei verorten. Doppelidentitäten mit Schwerpunkt in der Schweiz Die Mitglieder der ausschließlich mit jungen türkischen Erwachsenen besetzten Gruppe A waren sich in ihrem Verhältnis zur Schweiz und zur Türkei sehr schnell einig. Alle Probanden bezeichnen die Schweiz als ihr Zuhause, ihren Alltag und zum Teil auch als ihr Herkunftsland. […] Aber das, was alltäglich ist für mich, ist mehr in der Schweiz, weil wenn meine Interessen für Finanz, Politik, die gehören mehr zur Schweiz. Oder manchmal sind die Sachen auch in der Mitte für mich. (Huzeyfe, 87-89)65 Mehr in der Schweiz eigentlich [beheimatet]. Aber man könnte auch sagen, ich bin eher in der Mitte. Also je nach Ferien bin ich in der Türkei. Also als Herkunftsland kann ich schon sagen, dass ich mich mehr als Schweizerin fühle. (Kübra, 91-93)
Im letzten Zitat klingt jedoch schon an, dass keiner der Befragten die Türkei aus den Augen verliert. Auch wenn sich die meisten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer als integriert im Hinblick auf ihr Leben in der Schweiz bezeichnen, sind viele in beiden Kontexten zu Hause. Also ich fühle mich in beiden Welten wohl, ich kann zugleich Schweizer sein wie auch Türke. Hauptsächlich bin ich da in der Schweiz, aber jährlich bin ich schon zwei Mal in der Türkei. (Fatih, 47-75) Es ist so, wenn ich in der Türkei bin, dann fühle ich mich eher als Schweizerin und hier ein bisschen beides. (Elif, 97-104)
Fast alle geben an, ihren Urlaub in der Türkei zu verbringen und so den Kontakt zu diesem Teil ihrer Identität zu halten. Die erwarteten doppelten oder hybriden Identitäten zwischen der Schweizer und der türkischen Kultur werden von vielen Gruppenmitgliedern thematisiert. In einigen Fällen jedoch nicht nur positiv. Von einer der türkischen Frauen aus der gemischten Gruppe werden Schwierigkeiten mit der eigenen Identität und den Grenzen der Integration beklagt: Ich fühle mich hier wohl, ich sehne mich auch immer wieder zurück hierher, ich habe ja meine Familie, meine Kollegen, aber dass man wirklich integriert ist, dass man sagen kann, ich gehöre hier dazu … Ich versuche es, aber ganz dazugehören … man merkt dann immer, irgendwo sind Grenzen da. (Belkis, 118-130)
Viele monieren, dass sie in der Türkei nicht als Türken akzeptiert werden und in der Schweiz nicht als Schweizer. So gesehen spiegelt sich das Akkulturationsschema 65 Die Ziffern nach den Namen der Teilnehmenden beziehen sich auf die Zeilen der Transkripte.
Ethnische Identität und Integrationsstatus
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von Berry nicht nur in der Strategie der Probanden, sondern vielmehr in der gesellschaftlichen Reaktion auf ihre Identität wider. Der Typus des marginalisierten Migranten, der sich von beiden Kontexten abwendet, ist in seiner aktiven Erscheinungsform in den Gruppen nicht zu finden. Alle Teilnehmer bezeichnen sich zumindest als aufgeschlossen gegenüber dem Schweizer Mehrheitskontext. Eine vollständige Assimilierung wird aber von der sozialen Umgebung bei den meisten verhindert, viele werden als Ausländer behandelt, in der Schweiz und in der Türkei. Insofern ist auch das separierende Szenario nicht realistisch – eine vollständige Abkehr von der Schweiz zugunsten des türkischen Kontextes ist den meisten Angehörigen der türkischen Minderheit in der Schweiz gar nicht mehr möglich. Es ist eine sehr schwierige Frage [ob sie sich als Schweizerin fühlt]. Ich kann das nicht mit ja oder nein beantworten, weil, äh, manche Dinge, hab ich das Gefühl, würden Schweizer jetzt nicht machen als Türken und Türken würden nicht machen, was Schweizer machen. Es ist wirklich ziemlich situationsbedingt. Aber ich denke mir, länger in der Türkei könnte ich auch nicht leben. […] (Zehra, 118-125) Aber ich merke einfach, wie ich zwei, drei Wochen in der Türkei bin, dann ist das für mich eigentlich genug. Also, obwohl es nur Ferien sind, ich nicht einmal gearbeitet habe, ist es für mich eigentlich schon, ja, man hat es gesehen und irgendwie vermisst man das, was man in der Schweiz im Alltag hat: die ganze Umgebung, das System. Das könnte man alles aufzählen. […] (Ergin, 133-141) […] Ich, die hier geboren bin, die eigentlich absolut in der Gesellschaft integriert bin, die perfekt Schweizerdeutsch kann, die hier die Ausbildung genossen hat, werde halt immer noch angesehen als Ausländerin von der Schweizer Bevölkerung. Auch wenn ich einen Schweizer Pass habe, heißt das noch lange nicht, dass ich für sie eine Schweizerin bin. (Zehra, 107-116) Beides ein bisschen [Schweizerin und Türkin]. Dort sind wir irgendwie auch als Ausländerin dargestellt, es ist eigentlich schwer zu sagen. Aber als Herkunftsland habe ich eigentlich schon die Schweiz. (Kübra, 95-96)
Auf dieser ganz pauschalen Ebene kann man zusammenfassend die eigene Perspektive der Mitglieder dieser Gruppe als integriert bezeichnen – durch Geburt oder frühe Einwanderung in der Schweiz sind sie diesem Kontext gegenüber aufgeschlossen, dem türkischen Kontext aber auch noch immer zugewandt. In den Reaktionen der Mehrheitsgesellschaft und der Herkunftsgesellschaft sehen sie sich dagegen eher marginalisiert, also in beiden Kontexten eher an den Rand gedrängt, eben aufgrund ihrer doppelten Zugehörigkeit zu diesen beiden Welten. Mit Blick auf die mehrfach bemühten Akkulturationsstrategien ist dieser Befund sehr interessant. Abgesehen davon, wie typisch diese Konstellation für türkische Migranten bzw. ihre Nachkommen ist, so zeigt sie doch, dass der Begriff Strategie in diesem Zusammenhang tatsächlich ausschließlich auf das Verhalten, die Ziele der Mitglieder der ethnischen Minderheit anwendbar ist. Mit dem Gefühl der Zugehörigkeit muss das nicht unbedingt in Einklang stehen, wie die Ausführungen
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Repräsentation, Mediennutzung und Identität
der Teilnehmenden zeigen. Aus ihrer Perspektive hängt ein großer Teil ihrer Identität von den beiden Gesellschaften und Kulturen ab, die mit diesen Akkulturationsstrategien konfrontiert werden. Eine individuelle oder auch gruppenspezifische Assimilationsstrategie kann demnach mit einer separierenden oder marginalisierten Identität einhergehen. Sprache, Religion und kulturelle Festivitäten Fragt man genauer nach, so werden zusätzlich zu den familiären Bindungen und den regelmäßigen Reisen in die Türkei häufig drei Aspekte genannt, die in Verbindung mit der Herkunftskultur gebracht werden: die Sprache, die Religion und türkische Traditionen und Gebräuche wie Feste und Feiern. So ist es für viele selbstverständlich, sich in beiden Sprachen auszudrücken. Sprachkompetenzen im Hinblick auf den Schweizer Kontext (in diesem Fall Deutsch) waren in der Gruppe der jungen, hier aufgewachsenen Personen türkischer Abstammung erwartungsgemäß kein Thema. Beide Sprachen stehen zur Verfügung, werden aber in jeweils unterschiedlichen Situationen gebraucht. Im Kontext der türkischen Kontakte sind dabei beide Sprachen möglich, im Austausch mit den Schweizer Landsleuten bleibt keine Wahl. […] Von der Sprache her nochmals schnell: Klar man hat Freundeskreise auch aus den türkischen Kreisen und aus Schweizer Kreisen, das ist einfach ein Hin und Her, aber rein sprachlich ist die Schweizer, die deutsche Sprache eher die, die ausgeprägter ist bei mir jetzt. (Ergin, 133-141)
Ein Teilnehmer (Hüzeyfe), der im Alter von 12 bis 18 Jahren zwischenzeitlich in der Türkei gelebt hatte, hatte einige Mühe mit Deutsch. Sprachliche Schwächen werden ansonsten, wenn überhaupt, nur in Bezug auf das Türkische formuliert. In dieser Sprache wird nur noch umgangssprachlich kommuniziert, was entsprechende Folgen hat. Interessanterweise wird dies von einer Probandin der Gruppe B geäußert, die erst mit elf Jahren in die Schweiz kam: […] kann von der eigenen Sprache nur die Umgangssprache, und ich habe ja auch nicht in der Türkei studiert und habe dort auch nicht irgendwie gelebt. […] (Büschra, 73-80)
Die muslimische Religion wird von den Teilnehmern (ungestützt) nicht als traditionelles Element einer Verbindung mit der Türkei gesehen. Diese Zuschreibung geschieht von außen. Das Kopftuch und die Kleidung werden als fremd identifiziert und sind Gegenstand von Diskriminierung und Vorurteilen. Also ich werde auf der Straße nicht als Türkin beleidigt, sondern als Muslimin, weil man mir das gleich ansieht [zeigt auf ihr Kopftuch und ihre Kleidung]. (Kübra, 457-458)
Fragt man nach Optionen bei der Partnerwahl zwischen beiden Kontexten, zeigt sich sehr deutlich, dass die ethnische bzw. nationale Zugehörigkeit bei den meisten
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Befragten unabhängig vom religiösen Bekenntnis ist. Moslem sein heißt nicht (mehr) türkisch sein, ist aber zum Teil integraler Bestandteil der eigenen Identität. Also die Wahl des Partners ist sicher sehr wichtig. Und man müsste vielleicht sehen, wenn ich für mich jetzt schaue, ist mir eigentlich egal, ob er eine Schweizer oder sonst eine Nationalität hat, für mich zählt dann einfach die Religion. Irgendetwas muss dann auch stimmen. Und ein Schweizer Christ käme mir sowieso nicht in den Sinn. Aber es gibt sicher Schweizer Moslems, die jetzt zum Beispiel konvertiert oder so sind, wo ich mir eine Beziehung überlegen kann. Dann hat man wenigstens eine Basis. Aber wenn dann auch noch christlich dazukommt, dann wird es natürlich schwieriger. (Zehra, 194-199)
Bei anderen spielt die Religion in diesem Zusammenhang kaum eine Rolle. Man betont die Verbindung zwischen den zwei betreffenden Personen. In letzter Konsequenz ist der türkische Kontext einigen der Befragten näher als die religiöse Zugehörigkeit. Also bei mir ist es nicht gerade so, dass Religion die erste Sache ist, aber ich denke, wichtig ist der Einklang zwischen den zwei Menschen, ob sie, ob das persönliche Leben weitergeführt werden kann. […] Aber wenn ich mir das heute vorstelle, kann ich mir nicht vorstellen, mit einer Person, die nicht türkisch ist, zu heiraten. (Huzeyfe, 203-209)
Beide Dimensionen können also unabhängig voneinander relevant sein. Sie werden getrennt gesehen und in erster Linie durch die Mehrheitsgesellschaft (hier in der Schweiz) als identisch verstanden. Ebenso wie die Partnerwahl wird auch die Teilnahme oder das Organisieren von kulturellen Festen als Indikator für ethnisches Verhalten angesehen (Abschnitte 2.6 und 3.3). Fast alle Befragten türkischer Herkunft geben auf Nachfrage an, dass sie türkische Feiertage und Feste weiterhin pflegen; interessanterweise werden diese aber von den Probanden nicht explizit in den religiösen Kontext gerückt. Was das (Mitfeiern) schweizerischer Feste angeht, sind die Praktiken eher unterschiedlich und nicht einheitlich verteilt. Das Spektrum reicht von bewusster und aktiver Teilnahme … Also ich kann mal etwas sagen, zum 1. August [Nationalfeiertag der Schweiz – J.T.]. Ich habe gedacht, wenn ich da schon länger in der Schweiz bin und hier aufgewachsen bin, gehe ich mir eine Flagge kaufen, eine Schweizer Fahne, und ich habe sie dann auf den Balkon gestellt am 1. August. Ich habe es so gefeiert, also ja. (Kübra, 167-169)
… über das Mitmachen bei Familienfesten und anderen Feiern … Eher passiv. Also es sind viele Einladungen von Schweizer Freunden oder Nachbarn, sei es zu einem Anlass oder Hochzeit, Geburtstag, dass man dort einfach die Einladung annimmt und auch geht. Und nicht nur alleine, zusammen mit der Frau oder andere Anlässe mit der gesamten Familie. Das ist mehr vielleicht passiv, aber doch irgendwo das Bewusstsein, du bist ein Teil dieser Kultur und dass man
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dort einfach … oder dass ich dort teilnehme, aber nicht selber die Schweizer Feste aktiv feiern. (Fatih, 171-175)
… bis hin zur absoluten Indifferenz gegenüber solchen Gelegenheiten. 1. August bin ich meistens in der Türkei und bin froh, dass ich einen Tag mehr habe oder dass sie [die Arbeitgeber] ihn nicht abziehen. Aber sonst eigentlich nicht [feiern von schweizerischen Festen]. (Elif, 163-164)
Abgesehen vom direkten Bewusstsein, türkischer Herkunft, Schweizer Staatsbürger oder Inhaber einer Doppelidentität zu sein, sind die hier angesprochenen Dimensionen doch sehr unterschiedlich stark mit dieser Identität verbunden. Insbesondere die Religion scheint eine sehr differenzierte Rolle einzunehmen. Einerseits ist sie unzweifelhaft ein Mitbringsel, ein Relikt im wahrsten Sinne des Wortes, aus der Herkunftskultur, andererseits wird sie zum Teil ganz unabhängig von dieser Herkunft gesehen und häufig nicht als kulturelle Verbindung zur Türkei gepflegt. Das ist anders bei Sprache und Festen bzw. Kulturereignissen. Ebenso wie die Besuche in der Türkei stellen sie Verbindungen sicher, sowohl innerhalb der Familie als auch mit der Tradition der türkischen Lebensweise. Fazit Um es noch einmal kurz in Erinnerung zu rufen: Der Fokus der Problemstellung ist die Wahrnehmung und Bewertung vermeintlicher Repräsentationssyndrome auf der Seite der Betroffenen. Der Teil der Gruppendiskussionen, der sich mit Integrationsund Identitätsfragen beschäftigt, dient dazu, den Hintergrund, die ethnokulturelle Position der Gruppe herauszuarbeiten. Es verwundert nicht, dass fast alle ihren Lebensmittelpunkt, ihren Alltag in der Schweiz sehen. Bei jüngeren Angehörigen der türkischen Minderheit, die in der Schweiz geboren oder zu großen Teilen aufgewachsen sind, gibt es einen eindeutigen Schwerpunkt beim Leben in der Schweiz. Alle jedoch halten an ihrer türkischen Herkunft fest. Auch wenn die türkischen Sprachkenntnisse nachlassen und Sprachkompetenzen für den Ankunftskontext gar keine Frage mehr sind, sprechen alle noch türkisch, auch im Alltag in der Schweiz. Assimiliert sind diese Befragten nicht, integriert trifft es im Berry’schen Sinne besser, weil sie die Herkunftstradition weiterhin pflegen. Aus der Sicht der Betroffenen wird weiter gehende Assimilation und Integration aber vor allem von der Mehrheitsgesellschaft behindert – dort werden sie weiterhin als Ausländer und nicht als Gleiche unter Gleichen behandelt. Von vollständiger Assimilation, also der Aufgabe der türkischen Wurzeln ist allerdings bei keinem der Befragten die Rede. Die Bindungen an die türkische Gesellschaft (Freunde, Familie) und ihre kulturellen Elemente (Sprache und Religion) sind bei allen vorhanden und werden gepflegt.
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5.4 Medienumgang und Mediennutzung Für die Diskussion darüber, wie die Schweizer Medien, insbesondere das Schweizer Fernsehen, über ethnische Minderheiten berichten, genauer wie diese thematisiert werden, ist es nicht nur wichtig Teilnehmer zu finden, die sich ihrer ethnischen Identität bewusst sind, sondern gleichzeitig sollten diese Personen zu den regelmäßigen Fernsehzuschauern gehören. Schließlich geht es hier nicht darum, Mediennutzungsmuster zu identifizieren und in Zusammenhang mit ethnischer Identität und ethnischem Verhalten zu betrachten. Die volle Bandbreite möglicher Mediennutzungsstile war bei der Rekrutierung nicht gefragt. Im Gegenteil, gesucht waren Personen, die mit dem Fernsehen vertraut sind und sich selbst als regelmäßige Zuschauer beschreiben. Mediennutzung Um den Mediennutzungshintergrund der Teilnehmenden möglichst schnell und effektiv zu erfassen, wurde – neben einer kurzen Gesprächsrunde über den Umgang mit dem Fernsehen zu Hause – ein knapper standardisierter Fragebogen zur Nutzung schweizerischer und türkischsprachiger Medien angewandt. Dieser Fragebogen soll hier nicht tabellarisch oder gar statistisch analysiert werden. Eine Durchsicht der Antworten erlaubt aber zumindest eine grobe Einschätzung der Rolle, die die verschiedenen Mediengattung und -sprachen bei den Diskutanten einnehmen. Auf die Frage, an wie viel Tagen einer durchschnittlichen Woche man fernsieht, zeigt sich ein breites Spektrum. Nichtnutzer finden sich (durch das Screening verursacht) in keiner der zwei hier analysierten Migrantengruppen. Die Hälfte der Befragten in Gruppe A schaut häufiger als an drei Tagen fern – in Gruppe B ist der Fernsehkonsum noch höher, hier geben sechs von acht Personen an, täglich den Fernseher einzuschalten. Fragt man nach dem Lieblingsfernsehsender, ist die Meinung einmütig. Die Programme SRG SSR idée suisse stehen an erster Stelle, und zwar ganz eindeutig nur Programme aus der Deutschschweiz – in diesem Fall also die Angebote von Schweizer Fernsehen SF 1 und SF 2. Keine der hier befragten Personen mit Migrationshintergrund gab vor, einen Lieblingssender aus dem Tessin oder der französischsprachigen Westschweiz zu haben – das war angesichts des Austragungsortes der Diskussionen aber auch nicht zu erwarten. In der Gruppe mit einheitlich türkischem Migrationshintergrund fand sich eine Person, die „diverse türkischsprachige Sender“ auf diese Frage zur Antwort gab, genauso beliebt sind zudem private lokale Programmanbieter aus Zürich und einstrahlende Programme aus Deutschland. Auch die anderen Mediengattungen werden von beiden Gruppen regelmäßig genutzt. In Gruppe A nutzen zwei Personen täglich das Radio, immerhin vier mindestens ein- bis zweimal in der Woche. Alle lesen an mindestens fünf von sieben Tagen eine Tages- oder Wochenzeitung und vier der acht Personen nutzen täglich
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das Internet – im Hinblick auf das durchschnittliche Alter in dieser Gruppe ist auch das nicht überraschend. Die Nutzungsdaten für die heterogene Gruppe B sind auch hier ein bisschen breiter gestreut; so zeigt sich eine vergleichbare Hörfunknutzung und etwas weniger Presse- und Internetnutzung. Besonders in der einheitlich mit türkischstämmigen Personen besetzten Gruppe A findet die Mediennutzung über alle Mediengattungen hinweg aber nahezu ausschließlich in der Deutschschweiz statt. Sieben von acht Personen dieser Gruppe nutzen nach eigener Aussage niemals Fernsehprogramme aus der Romandie oder dem Tessin, ebenso viele sind es im Hinblick auf die Tageszeitung. Niemand aus dieser Gruppe hört Radioprogramme in einer anderen Schweizer Landessprache. Und auch die Nutzung von Wochenzeitungen erfolgt fast ausschließlich im deutschschweizer Kontext, es gibt keine Nutzung französisch- oder italienischsprachiger Presse dieser Gattung. In der heterogenen Diskussionsgruppe ist dieser Befund weitaus weniger eindeutig. Es finden sich drei Personen, die zumindest gelegentlich auch anderssprachige Medien aus der Schweiz nutzten; die zwei türkischstämmigen Befragten dieser Gruppe sind allerdings nicht darunter. Die Bestandsaufnahme mit den Kurzfragebögen macht zwei signifikante Eigenschaften der Gruppen deutlich, die Raum für Interpretationen bieten: (1) Fernsehen gehört bei allen hier näher zu betrachtenden Personen zum Alltag, insbesondere das Schweizer Fernsehen ihrer Sprachregion. Es handelt sich bei allen um regelmäßige Nutzer dieser Programme. Die Personen sollten also wissen, worüber sie sprechen, wenn sie sich zum Programm des Schweizer Fernsehens äußern sollen. Von einem sogenannten ethnischen Mediengetto kann in keiner der Gruppen die Rede sein, dafür sind alle zu stark in der Mehrheitsgesellschaft verankert – auch massenmedial. (2) Es existieren eindeutig identifizierbare Besonderheiten der Gruppe der türkischstämmigen Personen. Diese homogene Gruppe A ist stärker auf deutschsprachige Medien fixiert als die heterogen zusammengesetzte Vergleichsgruppe, was vor dem Hintergrund der Doppelidentitäten in dieser Gruppe den Schluss nahelegt, dass für weitere kulturelle und sprachliche Kontexte in ihrem Alltag kein Platz zu sein scheint. (3) Hinzu kommt im Vergleich zu Gruppe B sicher noch die Tatsache, dass der Herkunftskontext kulturell und geografisch weiter entfernt ist als bei einigen Teilnehmern mit deutschem oder italienischem Migrationshintergrund. Diesen wird es leichter fallen, wenn es nicht sogar zur Alltagsnormalität gehört, auch das Fernsehen und die Presse aus den anderen Landesteilen zu nutzen, besonders, wenn diese – wie bei den beiden italienischstämmigen Migrantinnen – in ihrer Muttersprache verfügbar sind. Medienumgang und Medienbewertung Genauer nachgefragt wurde in einem gesonderten Themenblock – unabhängig und zeitlich entfernt von der standardisierten Erfassung – nach dem täglichen Umgang mit dem Fernsehen und mit anderen Medien. Im Hintergrund steht hier, etwas
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näher an die Funktionen heranzukommen, die die verschiedenen Mediengattungen und Medientypen für die Probanden haben. Was das Fernsehen betrifft, waren sich die diskutierenden Probanden relativ schnell einig. Das Spektrum der Schweizer Fernsehprogramme ist beschränkt. Die einzigen Programme, auf die die Gruppen ungestützt zu sprechen kamen, waren das Schweizer Fernsehen SF – meistens nur das erste Programm SF 1 – und der private lokale Fernsehanbieter TELE ZÜRI. SF, weil es im deutschsprachigen Raum der Hauptkanal ist, eigentlich. (Ergin,234) Ich würde auch sagen TELE ZÜRI, was ich jeden Tag schauen muss, News vor allem. Dann denk ich, dass ich [somit] gerade das „20Minuten“ [Pendlerzeitung] gelesen habe, weil das auch schneller geht. (Kübra, 237)
Dabei sind die Informationskompetenzen relativ eindeutig verteilt. SF 1 ist das Programm, mit dessen Hilfe die Befragten sich über die Schweiz informieren. TELE ZÜRI geht „näher an die Sachen ran“, bekommt also vor allem eine lokale Informationskompetenz zugeschrieben. Also wenn es mehr um den Kanton Zürich geht, dann schaue ich zuerst auf TELE ZÜRI, dann schaue ich auf SF1, ob es dort etwas gibt. Tiefer ist es bei TELE ZÜRI, sie gehen näher an die Sachen ran. (Huzeyfe H., 235-236) Also wenn es um Nachrichten geht, bevorzuge ich einfach SF1. [Begründung] Weiß nicht. Das ist mir einfach irgendwie geblieben. (Zehra, 239-241)
Informationsbedürfnisse, die sich auf die Türkei beziehen, existieren aber unabhängig von den genannten, die die Schweiz betreffen. Erwartungsgemäß wurde dies vor allem in der heterogenen Gruppe von den vergleichsweise älteren türkischstämmigen Gesprächspartnern genannt. Für mich ist beides wichtig [Heimat-TV-Kanäle und CH-TV], denn das türkische Fernsehen bringt wirklich auch viele Nachrichten von der ganzen Welt und dann kann ich manchmal auch Vergleiche machen. Aber es ist mir auch sehr wichtig zu wissen, was in der Türkei passiert und was hier passiert und was in der Welt, dann kann ich eben die beiden Sender etwas vergleichen. (Büschra, 227-230)
Ähnlich wie weiter oben bei den standardisierten Mediennutzungsfragen tauchen auch in der Diskussion eher wenige Fernsehprogramme aus den Nachbarländern auf. Ein Befragter erwähnt den „Weltspiegel“ im Programm der ARD (Ergin, 296267), andere sprechen von Unterhaltungssendungen mit Stefan Raab auf PRO SIEBEN oder der Sendung „Was guckst du?“ auf SAT 1, auch RTL-Nachrichten werden erwähnt. Explizit integrative Medienfunktionen werden im Übrigen in den Diskussionen kaum genannt. Zwar schreiben einige Befragte den Medien allgemein und besonders dem Fernsehen eine solche Funktion implizit zu – etwa in dem sie (von den anderen Migranten) behaupten, es werde zu wenig Schweizer Fernsehen geschaut. Dies bezieht sich aber eben auf Dritte (!) und bleibt unspezifiziert.
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Weil wir haben auch noch das Problem, dass unsere Migrantinnen und Migranten kein Schweizer Fernsehen schauen, viele. (Büschra, 713-714) Aber es gibt so viele Türken, Leute, die nicht so viel Schweizer Fernsehen schauen, die absolut keine Ahnung haben, was dort rum geht. (Elif, 799-800)
Eine Ausnahme bildet in diesem Zusammenhang die Sprache. Es wird einige Male erwähnt, dass das Fernsehen die Chance bietet, Deutsch zu lernen. Auch wenn dies von denjenigen, die in der Schweiz aufgewachsenen sind, manchmal schwer nachvollzogen werden kann (Belkis, 706). Bei einigen Befragten wird das Sprachargument auch erst bei der Diskussion über das türkischsprachige Fernsehen genannt. Manche der Teilnehmer geben an, bewusst auf das türkische Fernsehen zu verzichten, um sich auch zu Hause auf die deutsche Sprache konzentrieren zu können. Bei mir ist das auch noch so, meine Frau ist nicht unbedingt ein Fan von Fernsehen. Da haben wir am Anfang auch noch darüber diskutiert, ob es einen Fernseher gibt oder nicht. Aber was bei mir vielleicht auch noch interessant ist ist, wir haben jetzt z. B. keine türkischen Sender zu Hause, wir haben es nicht abonniert und auch keine Satellitenschüssel. Aber es hat auch mit meiner Frau zu tun, sie ist noch nicht so lange in der Schweiz und jetzt ist der Fokus, erst mal Deutsch zu lernen. (Fatih, 278-283) Sie [meine Frau] ist Türkin. Und ja, das ist aus Eigenmotivation, dass sie sagt, ja, o.k., ich muss, ich will mich mit der deutschen Sprache beschäftigen und wenn ich zu Hause schon in der türkischen Welt lebe und nur türkische Medien konsumiere, dann hindert mich das. Das heißt nicht, dass wir das verabscheuen, im Gegenteil. Das ist einfach die Situation bei uns zu Hause. (Fatih, 286-289)
Überraschend in diesem Zusammenhang und in Gruppendiskussionen vielleicht mit der Gefahr von Reaktivität und sozialer Erwünschtheit verbunden ist die starke Betonung der Informationsbedürfnisse bei den Teilnehmern – vor allem in der homogenen Gruppen der jungen türkischstämmigen Erwachsenen. Unterhaltungsbedürfnisse, die auf das Fernsehen zielen, werden zwar genannt, sind aber bei diesen Teilnehmern eindeutig weniger relevant als die genannten Informationsbedürfnisse für internationales Geschehen, die Schweiz und den lokalen Lebensraum. Bei uns ist die Unterhaltung mehr im Kino, das wir das dorthin verlagern. (Fatih, 278) Wenn ich mal dazu komme, dann setze ich mich neben meine Frau, und dann gibt’s mal einen Spielfilm oder weiß ich was. Aber das wird eher seltener der Fall sein. (Ergin, 299-300). Bei mir ist es vor allem die Champions League und … Simpsons. [Alle lachen] Ja eher so, also zum Unterhalten. Um etwas zu lernen, kommen schon andere Sendungen, z. B. „Konsum-TV“, oder „Kassensturz“. Das ist mehr, um daraus etwas zu lernen. (Hüseyin, 274-276)
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Wenn Unterhaltung als Nutzungsmotiv genannt wird, dann ist es vor allem das Bedürfnis nach Entspannung und Flucht aus dem Alltag, das zur Nutzung des Fernsehens führt. Außerdem tauchen in dem Kontext dann auch wieder die türkischsprachigen Sender auf, etwa wenn es um Musiksendungen auf diesen Kanälen geht. Ich denke, bei mir ist es am Abend einfach abzuschalten, nichts mehr groß zu denken, nichts zu machen, einfach mal abzuschalten, irgendetwas zu genießen, zu relaxen. (Belkis, 197-198) Z. B. TDT, das türkische Staatsfernsehen, war bis vor wenigen Jahren im normalen Angebot. Und dann hat man das weggekippt und dann gab es Schweizer Nachbarn, Nachbarinnen, die fanden das immer schön. Als ich dann fragte, was denn, wieso, [sagten diese] im türkischen Fernsehen lief immer Musik, immer die klangvollen Melodien und so weiter. (Fatih, 415-418)
Im Vergleich der Mediengattungen besteht weitaus weniger Einigkeit. Während das Radio keine Erwähnung findet und das Internet meist auf Rang drei genannt wird, teilen sich die Meinungen in Bezug auf Tageszeitung und Fernsehen. Es gibt eine deutlich identifizierbare Gruppe, die der Tageszeitung vor dem Fernsehen den Vorzug gibt. Aber ich bin auch Jahresabonnent einer Tageszeitung [„Tagesanzeiger“], seit mehreren Jahren, das ist für mich auch wichtig, dass ich dort auch noch Hintergrundinformationen dazulegen kann. (Fatih, 244-247) Also bei mir ganz klar zuerst die Tageszeitung und nachher Fernsehen, gleichzeitig Internet. (Fatih, 258) Ich bevorzuge auch Tageszeitung, aber der Grund ist einfach, weil ich keine Zeit habe, also meistens, daheim Fernsehen zu schauen. Und am Abend, wenn ich nach Hause gehe, denke ich, es wäre besser, ein Buch zu lesen, zu lernen vielleicht. Deshalb geht mir die Information, News mehr über die Zeitungen, denke ich. (Huzeyfe, 260-263) Ich bevorzuge auch zuerst die Tageszeitung, und wenn ich am Abend dazukomme, schnell TELE ZÜRI anschauen, kurz und bündig. Und Internet schon auf dem dritten Rang, wenn man so Gerüchte hört, schnell im Internet nachlesen. (Sevinc, 265-270)
Aber auch das Fernsehen ist nach wie vor für viele das wichtigste Medium im Alltag. Bei mir ist es etwas umgekehrt, ich bevorzuge das Fernsehen. Zeitung geht mir zu lange. Für das hab ich einfach keine Zeit. Ich überfliege es jeweils um neun in der Pause, das wär’s dann. Das, was ich wirklich brauche, ist am Abend schnell der Fernseher an, und dann hat man die Infos. (Zehra, 268-270) Also Fernsehen ist einfach rational, schnell, man muss einfach den Knopf drücken und einfach hören. Für die Zeitung braucht es mehr Aufwand und auch ei-
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nen besseren Platz und so weiter. Und Radio, das ist nicht mehr so in, das hört man nur noch, wenn man im Auto ist. (Büschra, 177-179)
Fazit Führt man sich die Zusammensetzung der Gruppen vor Augen, zeigt sich das erwartete Bild bei den thematischen Diskussionsteilen zum Medienumgang im Allgemeinen und zur Fernsehnutzung im Besonderen. Mit einer Ausnahme: Die Befragten betonen sehr stark ihre Informationsnutzung im Zusammenhang mit dem Fernsehen und der Presse – ein untypisches Ergebnis vor dem Hintergrund des Forschungsstandes zur Mediennutzung von türkischstämmigen Migranten. Abgesehen davon ist es jedoch vergleichsweise eindeutig, dass (1) sich die Informationsbedürfnisse in erster Linie auf die Schweiz und den alltäglichen lokalen Lebensraum, in zweiter Linie aber eben auch noch auf die Türkei beziehen, (2) das Internet dem Fernsehen in dieser Gruppe (noch) nicht den Rang als Informationsmedium Nr. 1 abgelaufen hat und dass (3) die genannten Unterhaltungsbedürfnisse nicht in erster Linie durch das Schweizer Fernsehen befriedigt werden. Hinzu kommt noch, dass kaum bewusst integrative Medienfunktionen für das Fernsehen vorgebracht werden (Gesprächsstoff, auf dem Laufenden sein, politische Entscheidungen verstehen). Lediglich die Möglichkeit, Sprache über den Medienkonsum zu lernen, wird von einigen Teilnehmern bewusst reflektiert und auch genannt. Alles in allem betrachtet, sollten die befragten Personen in der Lage sein, ein Bild der Repräsentation „ihrer Gruppe“ im Schweizer Fernsehen zeichnen zu können. Sie sind in der Schweizer Gesellschaft angekommen, sie verfolgen integrative Akkulturationsstrategien und das Schweizer Fernsehen ist für sie Informationsmedium und zum Teil auch Unterhaltungsmedium Nr. 1. Was die Diskutanten zu ihrer „eigenen“ Behandlung im Schweizer Fernsehen zu sagen hatten, wird im nächsten Abschnitt vor dem Hintergrund der theoretischen und empirisch gestützten Ausführungen im allgemeinen Teil der Untersuchung genauer analysiert.
5.5 Repräsentationssyndrome Der folgende Abschnitt beschäftigt sich mit der Thematisierung der türkischen Minderheit im Fernsehen. Er ist insofern das zentrale Kapitel dieser Teilstudie und der Kern der analytischen Betrachtung der Gruppendiskussionen. Führt man sich zu Beginn dieses Abschnittes noch einmal die Systematisierung möglicher Dysfunktionalitäten und den interdisziplinären Forschungsstand zu diesem Thema vor Augen, wird unmittelbar deutlich, worum es auf den folgenden Seiten geht. Dazu seien hier nur kurz fünf Stichworte wiederholt, die für den Blick auf dieses Thema zentral sind:
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(1) Thematisierung, Marginalisierung und Problematisierung (Abschnitt 5.5.1). (2) Framing, wiederkehrende Themenkontexte (Abschnitt 5.5.2). (3) Stereotypen, generalisierte Charaktereigenschaften und soziale Rollen (Abschnitt 5.5.3). (4) Negativismus, Schaden, Normabweichung, Konflikt (Abschnitt 5.5.4). (5) Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, als Themenkontext und perzipierte Medienwirkung (Abschnitt 5.5.5). Die Frage ist, ob man bei differenzierter Betrachtung der Diskussionsbeiträge feststellen kann, ob und durch welche Inhalte diese Syndrome oder Dysfunktionalitäten von den Befragten wahrgenommen werden und ob dies eher als ein Reflex auf die – ebenfalls in den Medien häufig thematisierten – Standardvorwürfe der verzerrten und unrealistischen Berichterstattung ist. 5.5.1 Thematisierung, Marginalisierung und Problematisierung Zu Beginn dieses thematischen Abschnitts innerhalb der Gruppendiskussion wurden die Befragten gebeten sich vorzustellen, was ein Außenstehender über die türkische Minderheit in der Schweiz erfahren könnte, wenn er als einzige Informationsquelle das Schweizer Fernsehen hätte. Erst in Reaktion auf diese – zugegebenermaßen nicht sehr originelle – Projektionsfrage werden einige vereinzelte Aussagen zum Vorkommen gemacht. Also die Zeit, wo ich zu Hause bin und der Fernseher läuft, bekomme ich nichts von dem mit. Gut, wenn vielleicht der […] den ganzen Tag zu Hause ist und Fernsehen schaut, dann kriegt der vielleicht mehr mit als ich. Aber [in der] (die) Zeit, wo ich nutze, kommt bei mir nichts rüber. (Zehra, 322-326) Also ich denke, es wird nicht viel über uns berichtet. Sie [außenstehende Person] wird nicht groß ein Bild haben über Migranten oder Minderheiten. (Belkis, 248249) Ja, wir sind einfach keine Sensation, wenn wir 08/15 sind, oder, wenn wir uns integrieren oder integriert sind, dann sind wir einfach nicht spannend für die Medien. (Fatih, 602-603)
Das klingt zunächst kaum nach dem Vorwurf der Marginalisierung, mehr nach einer nüchternen Feststellung des Status quo. Die meisten Teilnehmer sehen die Migranten insgesamt und auch die türkische Minderheit im Besonderen nicht als herausragenden Gegenstand der Berichterstattung im Schweizer Fernsehen.
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Im weiteren Verlauf der Diskussion wird die relativ schwach ausgeprägte Thematisierung ethnischer Minderheiten in der Gruppe negativ bewertet und mit der problematisierenden Darstellung von Integrationsfragen verknüpft. Und sonst hört man von den Migranten gar nichts, als ob sie nicht existieren würden. (Büschra, 268-269) Höchstens es geht mal um etwas Populistisches, dann wird über uns berichtet, aber sonst sind wir einfach irgendwo da am Rande. (Büschra, 296-297) […] Wenn, dann einfach nur bei der „Arena“ [Polittalksendung auf SF1], wo es um irgendwelche Ausländer geht, die entweder drin bleiben oder raus müssen. Aber mehr wird da, glaube ich, gar nicht gemacht. […] (Zehra, 322-326) […] gerade wenn es um Integration geht, werden von gewissen Leuten dann immer Extrembeispiele gezeigt. […] (Ergin, 491-492)
Gerade für diesen letzten Punkt ließen sich noch mehr Beispiele aus den Gruppendiskussionen benennen. Den Teilnehmern scheint in diesem Kontext durchaus das Dilemma bewusst zu sein, dass Angehörige ethnischer Minderheiten einerseits als „normale“ Leute nicht interessant für eine Berichterstattung in den Medien sind und dass andererseits Migration und Integration als gesellschaftliches Problem in den einschlägigen Sendungen des Schweizer Fernsehens thematisiert werden. Viele der Äußerungen, die in diesem Kontext gemacht werden, stehen in Zusammenhang mit dem Vorwurf des Negativismus, der Prononcierung aller möglichen Schäden und Konflikte, an denen Ausländer beteiligt sind (Abschnitt 5.5.4), aber auch die Problematisierung des Phänomens Migration und in der Folge auch Integration wird von den Befragten wahrgenommen. Und dass Extrembeispiele wirklich extrem sind und es nur eine kleine Minderheit ist, die vielleicht blöde Taten begehen. Man versucht gerade solche Aussagen hervorzuheben, ich weiß nicht, vielleicht hängen die Einschaltquoten damit zusammen, vermutlich schon. […] (Ergin, 491-499) Schade ist einfach, dass so Berichte einfach schlagzeilenmäßig geworfen werden, aber was der Hintergrund ist, da nimmt sich niemand Zeit und geht dem nach, objektiv oder wie es von der anderen Seite gesehen wird. (Ergin, 764-769)
In diesem Zusammenhang wird dann von den Befragten auch die Thematisierung von Personen bzw. öffentlichen Akteuren genannt und sehr differenziert beurteilt. Dabei kann man vor allem zwei Vorwürfe voneinander unterscheiden: Der erste Vorwurf ist der der prominenten Ausnahme. Fußballspieler, Showstars (bzw. Protagonisten von Casting Shows) und Nachrichtensprecherinnen mit türkischem Migrationshintergrund sind im Fernsehen präsent. Der Vorwurf wird zwar dem Fernsehen gemacht, die Akteure selbst aber werden bewundert. Ich glaube weniger [Vorkommen im TV als Türken]. Außer, wenn ich mich richtig erinnere, da bei „Musicstars“, da war dieser Türke drin, der Mohammed. Ich
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hab’s nicht ganz verfolgt, aber schon gedacht, ah toll, oder, finde ich cool, dass der dort mitmacht. […] (Zehra, 472-475) Vorhin hatte ich über dieses Vorbild geredet, also aus Deutschland. Bei RTL gab’s eine Frau, die Nachrichtensprecherin war, Türkin, im RTL 2 war das, glaub ich. (Huzeyfe, 1017-1018)
Der zweite Vorwurf – in der einschlägigen inhaltsanalytischen Forschungsliteratur vielfach beschreiben – ist derjenige der Rollenzuweisung als Objekt. Nur in Ausnahmefällen sind die Mitglieder der türkischen Minderheit in einer aktiven, in den Medien zu Wort kommenden Rolle. Die Teilnehmer beklagten, dass bei vielen Berichten, die im Zusammenhang mit den Türken in der Schweiz, der Religion oder Türkei als Staat im Fernsehen ausgestrahlt werden, vor allem über die Betroffenen, aber nicht von oder gar mit den Betroffenen gesprochen wird. Als Auskunftsperson [Experten im Fernsehen], ja, oder es kann auch sein jemand aus Deutschland oder jemand, der aus der Türkei kommt, über die Diskussion zwischen Türken und Armeniern zu reden, aber wenn ich dort hinschaue, sehe ich einen Armenier, einen Schweizer, ein Deutscher, sie sind schon Wissenschaftler, das akzeptiere ich schon, aber wissenschaftliche Personen aus der Türkei sind selten. Es gibt schon, es gibt schon welche, die sie zeigen, aber eher weniger. Auch über die Probleme, über die Muslime, also wenn ich sehe, es sind nicht so viele Länder, dort, wo Moslems sind, ich sehe meistens die Araber oder die anderen, die anderen Wissenschaftler, z. B. ein Amerikaner über den Islam, also es gibt eher wenige türkische Wissenschaftler über den Islam. (Huzeyfe, 361-368) […] Jedes Mal sehe ich einfach keinen einzigen muslimischen Vertreter. (Fatih, 858-859)
Auch hier werden Ausnahmen wahrgenommen, aber eben in erster Linie, weil die Personen zu den prominenten Mitgliedern der Gesellschaft gehören und nicht weil sie türkischer Herkunft oder gar Vertreter der türkischen Minderheit in der Schweiz sind. So etwa Murat Yakin, einer der erfolgreichsten Fußballspieler in der Schweiz, der in den Medien selbst zu Wort kommt. Also das habe ich gelesen. Sie waren glaub ich letzten Sommer, Murat Yakin, im „Heute“ [Pendlerzeitung] hat er jeden Tag über die Schweiz geschrieben, das habe ich verfolgt. (Huzeyfe, 393-395)
Allerdings berichteten zwei Teilnehmer sogar von einem eigenen Auftritt im Fernsehen, weil sie für eine Dokumentation über ihre Religion oder ihre Herkunft porträtiert und interviewt worden waren. Ich habe auch mal in einer Dokumentation mitgemacht, Schulfernsehen [über Religionen]. […] und wies rüberkam, eigentlich mehr, eigentlich eher, Schweizer Muslim, weniger als türkischer Muslim. (Hüseyin, 460-462)
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Insgesamt betrachtet zeigt sich in den Aussagen zur Thematisierung und zum Vorkommen ziemlich genau die systematische Berichterstattungskasuistik, die man auch auf der Basis der vielfältigen inhaltsanalytischen Erkenntnisse entwickeln kann: (1) Die Befragten fühlen sich im Hinblick auf die rein quantitative Medienpräsenz ihrer ethnischen Gruppe eher unterrepräsentiert. Dabei gibt es durchaus noch die Differenzierung zwischen der Nichtberücksichtigung auf der einen Seite und der (schwerwiegenderen) Ignoranz auf der anderen Seite. Die Wahrnehmung der Teilnehmer liegt auf dieser allgemeinen Ebene eher auf der ersten Perspektive. Die meisten sind sich Selektions- und Prononcierungsmechanismen im Journalismus bewusst oder haben einschlägige Erfahrungen gemacht. (2) Die Unterrepräsentierung bezieht sich auf zwei verschiedene Dimensionen: Erstens sind tatsächlich Vertreter der türkischen Minderheit gemeint, also Sprecher und Akteure, die stellvertretend für die Gruppe thematisiert werden. Und zweitens bezieht sie sich auf die Gruppe an sich, die in ihrer Wahrnehmung in den Medien zu selten vorkommt. (3) Für beide Unterrepräsentanzen gibt es Ausnahmen in der Wahrnehmung und Bewertung durch die Diskutanten. Ethnische Einzelpersonen kommen dann doch in den Medien vor, wenn sie entweder prominent oder anderweitiges Objekt der Berichterstattung – etwa Opfer oder Straftäter – sind. (4) Der ethnischen Gruppe geht es ähnlich, sie wird als problembehaftet dargestellt, wenn sie thematisiert wird, weil dies entweder im Kontext der Integrationsproblematik oder in anderen gesellschaftlichen Problembezügen (s.u.) geschieht. Bezogen auf diesen vorgängigen Bereich der Repräsentationssyndrome kann man nach den Äußerungen der Gruppendiskussionsteilnehmer zumindest festhalten, dass auf der Wahrnehmungsebene der Betroffenen rein subjektiv ganz ähnliche Eindrücke geäußert werden, wie sie auch in der auf empirische Daten gestützten kommunikationswissenschaftlichen Debatte beschrieben werden. 5.5.2 Framing und wiederkehrende Themenkontexte Bestimmte thematische Kontexte fallen den Diskussionsteilnehmern immer wieder auf. Der in den Gesprächen am häufigsten genannte ist der religiöse Themenkontext. Genauer: der Islam und viele Subthemen, die damit zusammenhängen. An einigen Stellen klingt sogar an, dass weniger die türkischstämmigen Migranten immer wieder in bestimmten Themenzusammenhängen genannt werden als vielmehr die Angehörigen des muslimischen Glaubens: Ich sage, es wird wirklich nicht unterschieden, welche Nationalitätengruppe, sondern es ist jetzt einfach der Trend, dass man Muslime schlecht darstellt und egal welcher Nationalität sie angehören. (Büschra, 559-561)
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Darüber hinaus werden gerade im Hinblick auf die Religion der türkischen Minderheit in der Schweiz – und zum Teil auch in Europa – einige gesellschaftliche Konfliktlinien deutlich, sodass der in Abschnitt 3.1.3 (Forschungsstand) konstatierte Islamframe und das Konfliktframing der türkischen Minderheit ineinander übergehen. Beispiele, die die Teilnehmer in diesem Zusammenhang häufiger genannt haben, sind etwa die Ehrenmorde – vor allem Fälle aus Deutschland –, Streitigkeiten um den Bau großer Minarette und Moscheen in der Schweiz, der Kopftuchstreit, aber auch das sogenannte Patriarchat und die Zwangsehen. Viele dieser Themen stehen in direkter Verbindung zum Islam – jedenfalls werden sie in den Medien so dargestellt, sodass einige Diskutanten das Gefühl haben, sehr stark über diese Themen identifiziert und beschrieben zu werden. Ich bin immer wieder konfrontiert, dass ich Stellung nehmen muss zu Ehrenmord, Zwangsehen, zu was weiß ich für anderen Themen. (Fatih, 503-504) Ich möchte da bei den Türken auch noch relativieren, man darf nicht einfach Türken und Muslime als eines sehen, es gibt auch Türken – wie bei allen Gruppen – von praktizierend bis nicht praktizierend, einfach, damit man das auch noch beleuchtet. (Fatih, 603-605)
Und auch Kriminalität wird als immer wiederkehrendes Thema im Migrationskontext von den Beteiligten zur Sprache gebracht. […] wenn wieder was passiert ist, also wenn was Schlimmes passiert ist, wenn eine Vergewaltigung stattgefunden hat oder wenn ein großer Raubüberfall von einem Migranten oder Migrantin stattgefunden hat. Solche Sachen, die kommen dann halt schon im Fernsehen. […] (Büschra, 250-254)
Dabei zeigt sich, dass hier kaum die Verknüpfung selbst, das heißt die Zuschreibung der kriminellen Handlung zu einem Täter mit Migrationshintergrund bemängelt oder kritisiert wird. Vielmehr geht es um die Bedeutung, die der Tat in der Wahrnehmung der Befragten dadurch zugemessen wird, dass sie „im Fernsehen“ gezeigt wird. Im Vergleich zum Islam scheint aber Kriminalität im spezifischen Fall der Türken in der Schweiz in den Diskussionsgruppen weitaus weniger relevant zu sein. Das zeigen besonders auch Äußerungen in der heterogen zusammengesetzten Migrantengruppe, in der vor allem Personen aus Ex-Jugoslawen stärker mit Kriminalität in Verbindung gebracht werden. In der türkischen Gruppe wird das Thema Kriminalität eher als eines unter vielen zum Negativismus mit aufgeführt (vgl. dazu auch Abschnitt 5.5.4). Wie im vorherigen Abschnitt unter dem Stichwort Problematisierung bereits angedeutet, ist auch der gesellschaftliche Status der Türken als ethnische Gruppe ein wiederkehrender Themenkontext. Wenn es um Ausländerfragen und Integrationsmaßnahmen auf politischer oder allgemein gesellschaftlicher Ebene geht, fühlen sie sich angesprochen. In Abschnitt 3.1.3 wurde diese Migrations- und Integrations-
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problematik auch als Frame-Frame bezeichnet, als Themenkontext der quasi immer mitschwingt, wenn es explizit um Migranten und ethnische Minderheiten geht. Also die Minderheit kommt nur zur Sprache, wenn es etwas zu wählen gibt, wenn es in der Politik wieder um Ausländer geht oder um Ausländerpolitik geht, dann kommen die Migranten zur Sprache. Aber in einer negativen, vielfach in einer negativen Art. (Büschra, 266-268) […] Wenn, dann einfach nur bei der „Arena“, wo es um irgendwelche Ausländer geht, die entweder drin bleiben oder raus müssen. Aber mehr wird da, glaube ich, gar nicht gemacht. […] (Zehra, 322-326)
Interessant sind in diesem Zusammenhang die Thematisierungsrahmen, die von den Befragten ungestützt und nur am Rande genannt wurden. So wurde etwa der Opferframe, der vor allem Frauen betrifft, von den Frauen in den Gruppendiskussionen nicht in dieser Ausprägung genannt. Zwar ging es bei den religiösen Themenbezügen auch um Ehrenmord, Patriarchat und Zwangsehen, dass in diesem Zusammenhang aber vor allem Frauen mit Migrationshintergrund häufig als Opfer im Fernsehen dargestellt werden, kam so nicht zur Sprache. Gleiches gilt für das Thema Begrenzung von Migration oder Zuzug. Abgesehen von der Thematisierung im Rahmen der Integrations- und Migrationspolitik sind solche Themenframes für die Befragten im wahrsten Sinne des Wortes kein Thema mehr. Zur Erinnerung: Es handelt sich bei fast allen um Personen, die in der Schweiz geboren oder zumindest aufgewachsen sind und von entsprechenden Verschärfungen vermutlich auch nicht betroffen wären. Dennoch, ein Medienthema sind diese Frames in diesem türkischen Migrationskontext offensichtlich nicht. Lediglich eine Teilnehmerin in der gemischt zusammengesetzten Gruppe lässt diesen Begrenzungsframe kurz anklingen – aber dann auch nur im Kontext der vielen Nachbarschaftsländer, aus denen viele Migranten in die Schweiz kommen und bei den Schweizern wegen der kulturellen und sprachlichen Nähe unbeliebt seien. Die rundherum natürlich [werden positiver dargestellt], Deutsche, Franzosen, Österreicher hat man zwar nicht so gern, man will sie nicht unbedingt drin haben, aber es ist doch näher bei der Kultur, die Sprache ist auch noch einigermaßen die gleiche. Jetzt im Moment, da sie in so großer Zahl kommen, da ist die Angst noch, dann denkt man, oh, was passiert jetzt, werden wir überrannt? (Belkis, 530533)
Den in diesem Zusammenhang ebenfalls in der Literatur genannten HumanInterest-Frame kann man allerdings – und dies auch nur mit einer gewissen Interpretationsleistung – im Vorkommen der Prominenten sehen. Sportler, Nachrichtensprecher und Show-Beteiligte sind in diesem Sinne auch Einzelschicksale, die aus der individuellen Perspektive mit ihrem ethnischen Hintergrund thematisiert werden. Aber unbekannte, mehr oder weniger durchschnittliche Leute sind in der Wahrnehmung der Befragten kein Thema, das sich bei der Berichterstattung über
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die Türken in der Schweiz sofort aufdrängt – abgesehen natürlich von den Teilnehmern, die selbst einmal vor der Kamera porträtiert wurden. Zusammenfassend muss man konstatieren, dass wiederkehrende Themenbezüge nicht an erster Stelle der typischen Berichterstattungsmuster stehen, wenn man die Teilnehmer an den hier durchgeführten Diskussionen fragt. Religion bzw. der Islam und die Migrations- und Integrationsdebatte kann man davon ausnehmen. Aber das Syndrom, dass ethnische Minderheiten immer wieder in den gleichen thematischen Kontext gestellt werden, trifft offenbar für die hier beteiligten Diskutanten und ihre Wahrnehmung nicht zu. Insbesondere wenn man in diesem Zusammenhang Negativismus und Stereotypisierung nicht als pauschale Frames zulässt, sondern aus einer theoretischen Perspektive tatsächliche thematische Bezüge in den Äußerungen der Teilnehmer sucht, sind diese in den Gruppen hier als marginal zu bezeichnen. Einzelthemen und Ereignisse scheinen den Befragten dagegen viel stärker aufzufallen und in Erinnerung zu bleiben, wie etwa die Berichterstattung über das Fußball-Länderspiel zwischen der Schweiz und der Türkei, bei dem es (auch auf dem Spielfeld) zu Ausschreitungen kam, oder der Karikaturenstreit, der allerdings mit dem Islamframe verknüpft ist – so aber von den Befragten nicht thematisiert wurde. 5.5.3 Stereotypen, generalisierte Charaktereigenschaften und soziale Rollen Im Zusammenhang mit dem Islam, der als thematischer Frame häufig vorkommt, findet eine doppelte Stereotypisierung statt. In der Wahrnehmung der Diskussionsteilnehmer wird erstens häufig von „den Muslimen“ gesprochen, ganz gleich welcher Nationalität die dargestellten Gläubigen sind. Und zweitens wird häufig nicht zwischen Muslimen und Islamisten differenziert. Diese doppelte Verallgemeinerung im Zusammenhang mit Religion und Herkunft wird wahrgenommen und verurteilt. Die Einzelthemen, an denen sich Stereotypen manifestieren, sind etwa ein Minarettbau in der mittelländischen Stadt Olten oder auch die Armenienfrage, über die in der Schweiz zum Zeitpunkt der Gruppendiskussionen sehr kontrovers debattiert wurde. Es ist gerade aktuell mit dem Minarett, in Olten ist das, glaube ich, mit den grauen Wölfen. Auf einmal sind wir alles Extremisten und Nationalisten. (Fatih, 529-532) […] als hätten die Türken ihn [den armenischen Schriftsteller Hatink] umgebracht. Als wäre … (Hüseyin, 707). […] Als wären alle [Türken] dafür. (Kübra, 710) Ich sage, es wird wirklich nicht unterschieden, welche Nationalitätengruppe, sondern es ist jetzt einfach der Trend, dass man Muslime schlecht darstellt, und egal welcher Nationalität sie angehören. Das ist jetzt der Trend. (Büschra, 559-561)
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Gerade das letzte Statement macht deutlich, dass – wie im theoretischen Teil dieser Arbeit ausführlich diskutiert – die Stereotypen auf der Ebene der umgangssprachlichen Äußerungen der Diskutanten meist negativ besetzt sind. Positive Rollenstereotypen werden von ihnen so gut wie gar nicht genannt. Grundsätzlich wird aber die Tendenz des Fernsehens zur Verallgemeinerung von den Befragten erkannt. Hier zeigt sich – ähnlich wie bei den oben genannten Auswahlmechanismen – ein grundsätzliches Verständnis für die Mechanismen des Fernsehens. Einige Personen differenzieren darüber hinaus noch zwischen verschiedenen Mediengattungen und -typen. Es teilen aber nicht alle die Meinung zum Fernsehen als rücksichtsvolles Medium. Es [das Fernsehen] verallgemeinert einfach, das ist das ganz Schlimme. (Belkis, 624) Also das Schweizer Fernsehen ist objektiver, denke ich, es ist viel netter zu Ausländern. Es ist näher bei der Realität. Nicht, wie wenn ich jetzt zum Beispiel die Boulevardpresse anschaue oder irgendwelche spezielle Sendungen des Radios höre, die sind dann viel negativer und sie sind auch viel heftiger mit ihren Aussagen über … (Büschra, 590-593)
Rollenstereotype sind ebenso wie Charaktereigenschaften von den Gruppenmitgliedern kaum zu vernehmen. Abgesehen von den religiösen Zuschreibungen ist keines der aus der Forschungsliteratur bekannten Klischees genannt worden. Der „Dönerverkäufer“ scheint kein Thema für die Befragten zu sein. Anders sieht es dagegen mit Rollenstereotypen aus, die in den Augen der türkischstämmigen Diskutanten andere Migrantengruppen betreffen. Die in der Schweiz häufig thematisierten Raser (hier gilt auch auf Autobahnen ein Tempolimit von 120 km/h) werden mehrfach den Ex-Jugoslawen, genauer den Albanern zugerechnet und Deutsche tauchen in ihrer Wahrnehmung in erster Linie als Akademiker und Profiteure des florierenden Arbeitsmarktes auf. Und jetzt ist das ganz aktuell mit den Deutschen, die hier einwandern, aber dort gibt es nicht die gleichen Themen, die [die Medien] beschäftigen, wie bei anderen Migranten. Da sind es jetzt vielleicht Akademiker, die, sagen wir jetzt mal, den Schweizern Konkurrenz machen, das gibt dann andere Aversionen. (Fatih, 652655)
Die Wahrnehmung und Bewertung der Berichterstattung über andere Migrantenund ethnische Gruppen führt zu einem letzten Punkt beim Thema Stereotypen. Die Befragten können relativ einmütig und ohne große Diskussion eine Hierarchie der ethnischen Minderheiten, wie sie durch das Fernsehen ihrer Meinung nach vermittelt wird, aufstellen. Dabei scheint sich relativ eindeutig abzuzeichnen, dass die direkten Nachbarn der Schweiz (hier vor allem der Deutschschweiz) in der Rangordnung der Migranten am besten dastehen. An zweiter Stelle folgen – jedenfalls in den Augen der Diskussionsteilnehmer – die geografisch und kulturell weiter ent-
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fernten Herkunftsländer, die ebenfalls EU-Mitglieder (geworden) sind. Erst dann folgen türkischstämmige Migranten. Allerdings stehen sie in der „Hierarchie der am besten dargestellten Ausländer“ noch vor den Ex-Jugoslawen, Albanern und NordAfrikanern. Es kommen [in den Medien] sicher die Italiener besser weg als die Türken. Und ich würde sagen, die Albaner oder die Kosovoalbaner sind noch schlimmer. (Sevinc, 622-623) Ich denke, wir kommen schon besser weg [als andere Migrantengruppen]. (Sevinc, 620) Ich sage, es wird wirklich nicht unterschieden, welche Nationalitätengruppe, sondern es ist jetzt einfach der Trend, dass man Muslime schlecht darstellt, und egal welcher Nationalität sie angehören. Das ist jetzt der Trend. (Büschra, 559-561)
Gerade dieses letztgenannte Phänomen, die „gefühlte Hierarchie der Ausländer“, ist wohl dem ursprünglichen Stereotypenkonzept am nächsten, auch wenn die Befragten dieses häufig gar nicht explizit in Verbindung mit Verallgemeinerungen von oder Vorurteilen gegenüber der eigenen und anderen ethnischen Minderheiten auffassen. Im Überblick betrachtet muss man allerdings festhalten, dass – jedenfalls in den hier durchgeführten Gruppendiskussionen – wenig übrig bleibt von einem der meist verwendeten Begriffe in der Forschungsliteratur zur Darstellung und Thematisierung ethnischer Minderheiten in den Medien. Die Vertreter der türkischstämmigen Gemeinschaft in der Deutschschweiz haben vergleichsweise wenige Verallgemeinerungen, Rollenklischees und Vorurteile genannt. Selbst bei einem sehr breiten Begriffsverständnis von Stereotypen scheinen die Zeiten, in denen holzschnittartige Charakterisierungen ausländischer Gesellschaftsmitglieder vorherrschend waren, der Vergangenheit anzugehören. 5.5.4 Negativismus: Schaden, Normabweichung, Konflikt Negativismus ist in der Forschungsliteratur auf der einen Seite der Pauschalvorwurf an die Medien, wenn es um die Berichterstattung über ethnische Minderheiten bzw. Migranten geht. Insofern ist Negativismus die Verbindung des Framing- und des Stereotypenkonzepts (Abschnitt 2.5). Oft ist dort nämlich von „negativem Framing“ bzw. „negativen Stereotypen“ die Rede, sodass es dieser Kategorie an Trennschärfe mangelt. Dazu gehört auch, Kriminalität und Negativismus in einem Atemzug zu nennen – „negative Thematisierung“ heißt oft auch „Darstellung als Kriminelle“ bzw. „Überbetonung von Straftätern mit Migrationshintergrund“. Auf der anderen Seite aber ist Negativismus bei genauerer Betrachtung einer der wichtigsten Erklärungsfaktoren für die journalistische Nachrichtengebung überhaupt (Abschnitt 2.5 und 3.1). Negativismus im Sinne von materiellem und immate-
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riellem Schaden, Normabweichung und Konflikt gehört zu den vergleichsweise gut und themenunabhängig empirisch nachweisbaren Nachrichtenfaktoren. Negativismus als eine Eigenschaft eines Ereignisses, das die journalistische Selektionshürde überspringt, trifft nicht nur auf ethnische Minderheiten, sondern auf so gut wie alle journalistisch berichteten Themen zu. In den durchgeführten Gruppendiskussionen ist die Unschärfe des Begriffs auch im Alltagsverständnis der Teilnehmer deutlich geworden. Mit dem Negativitätsvorwurf sind die Befragten genauso schnell bei der Hand wie mit der Marginalisierungsthese. Wenn mal etwas kommt, dann ist es einfach wieder ein bisschen negativ dargestellt. […] Das macht man nicht [positive Beispiele von integrierten Türken zeigen], man zeigt immer nur das, was nicht gut ist. (Zehra, 884-889)
Das folgende Statement macht ganz gut deutlich, wie die thematischen Rahmen mit der negativen Bewertung in der Wahrnehmung der Teilnehmer verknüpft sind. Bestimmte Themen – hier der „Frame-Frame“ Ausländerpolitik – tauchen immer wieder auf, und dann wird in diesem Zusammenhang negativ über Migranten/ethnische Minderheiten berichtet. Also die Minderheit kommt nur zur Sprache, wenn es etwas zu wählen gibt, wenn es in der Politik wieder um Ausländer geht oder um Ausländerpolitik geht, dann kommen die Migranten zur Sprache. Aber in einer negativen, vielfach in einer negativen Art. (Büschra, 266-268)
Von den Teilnehmern werden viele andere Verknüpfungen zwischen Negativismus und den übrigen bisher behandelten Defiziten und Syndromen hergestellt. Bei den Themenframes zum Islam und den Stereotypen über Türken im Vergleich zu den anderen Migrantengruppen sind dazu schon einige Zitate angeführt worden. Auch die oben genannte Problematisierung des Migrations- und Integrationsproblems hat für die Befragten natürlich eine negative Komponente – sie werden als Konfliktpotenzial, als politisches Problem thematisiert, das man lösen muss. Direkt auf einige Hinweise für die negative Berichterstattung angesprochen, tritt plötzlich sehr deutlich – und an dieser Stelle unerwartet – ein anderer Aspekt in den Vordergrund. Die Befragten beklagen ein negatives Bild der Türkei im Schweizer Fernsehen. […] also mir selber kommt das so rüber, dass eher negativ über die Türkei geschrieben wird. Also nicht nur im Fernsehen, auch in der Zeitung. (Hüseyin, 341342) Es sind auch viele Karikaturen, die man sieht. Wo da jeweils EU steht, für die ganze EU-Frage, und sonst noch andere Symbole. Es ist nicht in dem Sinne wohlwollend, neutral. Es ist ein Fremdkörper und der sollte jetzt irgendwie da rein, es ist etwas Fremdes […]. (Fatih, 343-346)
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Die Befragten stellen hier fast unbewusst eine Gleichsetzung der „alten“ Heimat mit der ethnischen Minderheit der türkischstämmigen Migranten in der Schweiz her. Und dabei zeigt sich auch noch ein anderer Aspekt von Negativismus, der eher in Zusammenhang mit den journalistischen Praktiken gesehen wird: Die Teilnehmer fühlen sich nicht neutral und objektiv behandelt. Dabei klingt zumindest an, dass die Türken und die Türkei stärker als andere Themen und Akteure von einer negativen Berichterstattung betroffen sind. Diese Bewertungen sind meist ebenfalls mit konkreten Themen verknüpft (EU-Beitritt, Geschichte der Türkei, Zypernkonflikt etc.). In diesem Zusammenhang wird darüber hinaus auch an einer der seltenen Stellen in den Gruppendiskussionen von positiven Fernseherfahrungen berichtet, die allerdings schon einige Zeit zurückliegen. Aber doch fairerweise möchte ich noch sagen, dass es auch Zeiten gab, wo z. B. das Türkeibild auch sehr positiv rüber kam. Vor einigen Jahren, das ist jetzt auch schon fünf Jahre her, als die Türkei z. B. Dritte wurde an der WM, das ist jetzt Sport. Oder in der Unterhaltung; Eurovision war das, glaub ich, als dann eine Türkin gewann oder eine Schönheitskönigin eine Türkin war. Plötzlich gibt es dann wieder Sachen, die die Türkei in ein positives Licht rücken. (Fatih, 410-414)
Die Schweizer Presse – die Boulevardzeitungen werden von den Befragten meist explizit ausgeschlossen – wird von den Befragten dagegen grundsätzlich besser eingeschätzt, wenn es darum geht, ausgewogener und ausführlicher über ihre ethnische Gruppe zu berichten. Das Fernsehen bringt ja, ist ja doch ziemlich fokussiert auf einen Punkt. Und die Zeit ist auch immer ein Problem im Fernsehen, die können nicht so große Sachen bringen, Interviews, Reportagen. In der Zeitung erlebe ich es anders. Wenn man z. B. den „Tagesanzeiger“ liest, ist es viel detaillierter und man kann auch andere Meinungen darin lesen. (Belkis, 594-597)
Auch hier klingt ein gewisses Verständnis für die Produktionszwänge der tagesaktuellen Medien durch. Der Zeitdruck und die Platzknappheit scheinen den Befragten durchaus bewusst zu sein und werden als Unterschied zwischen Fernsehen und Presse genannt. Darüber hinaus sind der Medienvergleich und der Vergleich der verschiedenen Ausländergruppen in der Schweiz die einzigen Aspekte in den Gruppendiskussionen, bei denen relationale Bewertungen der Teilnehmer vorkamen. Bei den meisten anderen Einschätzungen handelt es sich um absolute, nicht vergleichende Wahrnehmungen. Die Bewertung der sie betreffenden Berichterstattung als negativ bedeutet in beiden Gruppen nicht, dass dieser Negativismus nicht auch andere Berichterstattungssujets und Themen betrifft. Es handelt sich – auch in der Wahrnehmung zumindest einiger Teilnehmer – in erster Linie um einen Medienmechanismus und weniger um eine intendierte Ungleichbehandlung der türkischen Minderheit in den Schweizer Medien.
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Abgesehen von dem hier zuletzt behandelten Objektivitäts- und Ausgewogenheitsvorwurf, der in der Überbetonung negativer Themenaspekte gesehen wird, ist Negativismus vor allem eine Frage der Bewertung. In dieser Form zieht er sich sowohl durch die einschlägige Literatur als auch durch die Statements der Befragten zu allen vorher genannten Defiziten: Marginalisierung wird moniert und als negatives Syndrom eingeschätzt; Verallgemeinerungen durch die Verwendung von Stereotypen sind ungerecht und deshalb negativ; die stetige Wiederholung von bestimmten, in der Öffentlichkeit als konfliktreich, problematisch oder schädlich dargestellten Themen und Problemen im Zusammenhang mit ethnischen Minderheiten stellen ungerechtfertigte Verbindungen her und werden deshalb negativ eingeschätzt. Im Grunde eignet sich der Begriff nicht, um Berichterstattungs- und Thematisierungsdefizite von Medien zu beschreiben, denn er stellt die Bewertung über das zu analysierende Phänomen. 5.5.5 Rassismus und Fremdenfeindlichkeit Selbstverständlich kann man alle bisher behandelten Medienrepräsentationssyndrome als rassistisch oder fremdenfeindlich bezeichnen; sie bedeuten im Kern nichts anderes, als dass Menschen aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit anders (schlechter) behandelt werden als die Mehrheit oder Menschen anderer ethnischer Herkunft (Abschnitte 2.1 und 2.5). Darüber hinaus gehende harte Diffamierungen oder gar rassistische Beschimpfungen hat keine(r) der befragten Personen im Fernsehen oder in den anderen Medien wahrgenommen. Am ehesten findet man Äußerungen, die in die Nähe dieser expliziten Fremdenfeindlichkeit gehen, im Zusammenhang mit der oben bereits erwähnten Hierarchie der verschiedenen Migrantengruppen. Da in diesem Kontext Begriffe wie „Raser“ – wenn auch nicht für die Türken – oder „muslimische Extremisten“ in den Medien benutzt werden, nehmen das einige als Diskriminierung ihrer Herkunft oder ihrer Religion wahr. Dazu noch einmal das Zitat von Büschra, das oben bereits angeführt wurde: Ich sage, es wird wirklich nicht unterschieden, welche Nationalitätengruppe, sondern es ist jetzt einfach der Trend, dass man Muslime schlecht darstellt, und egal welcher Nationalität sie angehören. Das ist jetzt der Trend. (Büschra, 559-561)
Da gerade diese „Sonderbehandlung“ aufgrund der Nationalität bzw. der Religion aber in den vorstehenden Abschnitten differenziert und im Detail behandelt wurde, sollen in diesem Abschnitt nicht mediale Fremdenfeindlichkeit, sondern soziale Fremdenfeindlichkeit und Rassismus im Fokus stehen. Beschimpfungen und fremdenfeindliche Behandlung erfahren die Befragten durchaus in ihrem Alltag, wie das folgende Zitat zeigt. Und nicht nur das, darüber hinaus wird auch der direkte Bezug zur Thematisierung der Türken im Fernsehprogramm hergestellt.
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Es kommt nicht alles richtig rüber. Also wenn jetzt etwas in SF1 über die Türken erzählt wird, jetzt wegen des Kopftuchs, wegen Zypern oder sonst politisch, und am nächsten Tag wird man einfach auf der Straße noch von den anderen belästigt oder beleidigt, und dann sind wir irgendwie schuld, weil das vom Fernsehsender nicht richtig rübergebracht wurde. Das sind eben solche Sachen, die wir auch noch erleben. (Kübra, 350-353)
Dabei handelt es sich nicht immer um fremdenfeindliche Übergriffe oder Beleidigungen. Auch Ausgrenzung und Isolation werden von den Diskutanten wahrgenommen und erlebt. Da wirst du manchmal angeschaut wie ein Außerirdischer und kommst nicht mal ins Team rein. (Kübra, 739)
Es gibt also eindeutig eine fremdenfeindliche Wirkung des Fernsehens – jedenfalls in der Wahrnehmung der Gruppendiskussionsteilnehmer. Auch die positive Herausstellung einzelner Mitglieder der türkischen Minderheit, die von Cottle (2000a; Abschnitt 2.5.4) als moderner Rassismus beschrieben wurde, ist den Teilnehmern durchaus bewusst, insbesondere wenn sie es selbst sind, die in den Medien porträtiert werden. Ich kann nur aus dem persönlichen Umfeld sagen und aus dem Arbeitsumfeld, viele kennen, verfolgen das [seine eigenen Medienauftritte] auch. Kommt das dann immer so rüber – Entschuldigung – als wäre ich da der Vorzeige-Muslim oder -Türke oder was auch immer. […] Und dann muss ich jeweils auch den Kopf schütteln. Ich bin genauso Standard wie alle anderen. Das ist das Problem. Weder ich noch andere wollen speziell hervorgehoben werden. (Fatih, 446-452)
Allerdings ist diese Meinung durchaus umstritten. An anderer Stelle der Diskussion wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gefragt, welche Möglichkeiten es für einen besseren Beitrag des Fernsehens zur Integration der Türken in die Mehrheitsgesellschaft gäbe. Darauf kam in beiden Gruppen einhellig die Forderung nach positiver Darstellung und Hervorhebung gut integrierter, gesellschaftlich und/oder wirtschaftlich erfolgreicher türkischer Migranten. […]Auch dass man mehr Leute zeigt, die wirklich hier integriert sind, die in Harmonie leben können, die trotzdem in beiden Kulturen zu Hause sind. Aber dass man die mehr hervorhebt und im Fernsehen mehr zeigt, und nicht so in Vierminuten-Beiträgen, sondern daraus ein ganzes Programm macht. (Ergin, 491-499)
Im Übrigen benennen die Gruppendiskussionsteilnehmer als stärkste Wirkung der Darstellung von Ausländern im Fernsehen die Nachfrage durch Nachbarn, Kollegen und Freunde. Auch wenn dies auf besonders extremen Einzelfällen (Fußballspiel Schweiz/Deutschland; Zypernkonflikt) oder besonders umstrittenen Themen beruht (Ehrenmorde, Kopftücher, Minarette), scheint doch die vorherrschende Reaktion des direkten gesellschaftlichen Umfeldes vielmehr in der Suche des direk-
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ten Dialogs als in Äußerungen pauschaler Beleidigungen oder Beschimpfungen zu bestehen. Wenn sie was hören im Fernsehen, dann fragen sie gleich: Was denkst denn du darüber? Bist du auch so? Denkst du auch so? Habt ihr auch das? Dann sag ich, he, nein, das stimmt nicht. (Elif, 737-738) Ja, die Leute sind stur, die haben das jetzt im Fernsehen gesehen und das ist jetzt so. Einmal war es so, dass sie sagten, mit diesen Zwangsehen, ich wurde selber darauf angesprochen, ob ich auch schon mit jemandem verheiratet werden müsse, mit jemandem, der mein Vater möchte. Und dann musste ich auch sagen, hört mal, nein. Ihr müsst nicht alles glauben, schaut diese Sachen etwas kritischer an, es ist einfach bequemer, wenn man das so akzeptiert und annimmt, oder? (Zehra, 814-818)
Einige der Teilnehmer erfahren also hautnah, dass Fernsehberichte und -beiträge sich auf ihre gesellschaftliche Stellung und ihr Alltagsleben auswirken. Das sind im Zusammenhang mit dieser Untersuchung natürlich nur Einzelfälle, die keinen Anspruch auf Verallgemeinerbarkeit für die gesamte ethnische Gruppe oder gar prinzipiell für Menschen mit Migrationshintergrund haben. Aber es zeigt doch, dass (1) gravierende, das heißt beleidigende oder verletzende Darstellungen ethnischer Minderheiten nicht als systematisches „Syndrom“ der Fernsehberichterstattung genannt wurden. Die anderen, weniger expliziten Repräsentationsmängel – an erster Stelle Marginalisierung und Negativismus - werden weitaus schneller und auch einmütiger angeführt. Darüber hinaus wird deutlich, dass (2) Ausgrenzung und Isolation, die in engem Zusammenhang mit Fremdenfeindlichkeit und Rassismus stehen, durchaus als Folge der medialen Darstellung angesehen werden, dass aber auf der anderen Seite die Beförderung der gesellschaftlichen Interaktion, der Thematisierung der Sitten und Gebräuche der Gruppe sowie der Kommunikation zwischen Angehörigen ethnischer Minderheiten und ihren Nachbarn, Kollegen etc. ebenso eine Folge negativer und verallgemeinernder Fernseh- und Medienberichte sein kann. Jedenfalls ist das der Tenor der hier im Gruppengespräch geäußerten Wahrnehmungen und Meinungen zu den Wirkungen der medialen Darstellung ihrer und anderer ethnischer Gruppen. 5.5.6 Zusammenfassung Vor dem Hintergrund der theoretischen Überlegungen und des Forschungsstandes zeigt sich in den hier durchgeführten Gruppendiskussionen ein differenzierteres Bild der Repräsentationssyndrome. Beginnt man etwa bei den zuletzt besprochenen expliziteren Rassismus- und Fremdenfeindlichkeitsvorwürfen, so wird sehr schnell deutlich, dass diese für die meisten Befragten vergleichsweise marginal sind. Aus der Sicht der verschiedenen sozialwissenschaftlichen Disziplinen mag die reine Ungleichbehandlung der ethnischen Minderheiten und ihrer Mitglieder die Begriffe
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Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus rechtfertigen. Aus der Perspektive der hier zu Wort gekommenen Diskutanten sind die Defizite und Mängel weitaus weniger explizit und manifest. Dennoch fühlen sich die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den Medien und insbesondere im Fernsehen nicht gut und fair behandelt. Sie haben rein subjektiv das Gefühl nicht in dem Maße thematisiert zu werden, wie es ihrer gesellschaftlichen Bedeutung entspricht. Dabei ist es unter den Befragten durchaus strittig, ob (1) das Thema Integration häufiger oder mit höherer Priorität auf die mediale Tagesordnung gesetzt werden sollte, ob (2) mehr positive Beispiele „gut integrierter“ Personen mit Migrationshintergrund notwendig sind oder ob (3) die Alltäglichkeit des Zusammenlebens mit Angehörigen ethnischer Minderheiten stärker betont werden sollte. Gerade der letzte Punkt zeigt ein Dilemma: Wie lässt sich Alltäglichkeit betonen? Ich würde wollen, dass man ganz normal als Bürger von hier mitgestalten kann und mitmachen kann. In den verschiedensten Beispielen, welche Sendung auch immer. Dass vielleicht mal eine Person mit Migrationshintergrund etwas vorstellt, aber nicht, weil sie Migrationshintergrund hat, sondern einfach, weil sie hier ist, weil sie hier diese Arbeit leistet. (Belkis, 695-698)
Was die anderen Defizite oder Mängel oder einfach Eigenheiten medialer Repräsentation der Türken im Schweizer Fernsehen betrifft, kann man ausgewählte Befunde noch einmal abschließend hervorheben. Negativismus ist nach den Erkenntnissen dieser Diskussionen streng genommen gar kein Thematisierungssyndrom, vielmehr handelt es sich um die Bewertungsrichtung, mit der die anderen Repräsentationssyndrome betrachtet werden können. Stereotypen werden so zu Vorurteilen und Themenkontexte zur Stigmatisierung. Was Negativismus im Sinne von Normabweichung, Schaden und Konflikt betrifft, so ist auch auf der Seite der befragten Migranten nicht geklärt, ob hier nicht die „normalen“ Auswahl- und Prononcierungsmechanismen des journalistischen Alltags am Werk sind, für die in den Gruppendiskussionen durchaus Verständnis auszumachen war. Stereotypisierung ist zwar einer der meistbemühten Begriffe in der Literatur und der öffentlichen Debatte, wenn es aber um die mediale Repräsentation von ethnischen Minderheiten geht, ist sie für die hier Befragten kaum ein Thema. Dies gilt jedenfalls, wenn es sich um die konkrete Nennung von Verallgemeinerungen handelt, die außerhalb wiederkehrender Themenbezüge stehen und sich auf Rollen und Charaktereigenschaften einzelner Vertreter aus der ethnischen Gruppe beziehen. Der „Dönerverkäufer“ oder „Gemüsehändler“ wird von den Diskutanten nicht als zentrale Medienfigur im türkischen Fernsehmilieu genannt, auch nicht als Teil der Mehrheitsgesellschaft. Die wichtigste und omnipräsente Themendimension im Zusammenhang mit der Thematisierung der türkischen Minderheit in den Medien ist Religiosität im Allgemeinen und der Islam im Besonderen. Nach den Aussagen vieler der an den
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Gruppendiskussionen beteiligten Migranten zweiter Generation scheint die Darstellung als religiöse Personen oder zumindest als Person, die einer Religion angehört, weitaus stärker den genannten Defiziten und Mängeln zu folgen als die Nationalität oder Herkunft der Person.
5.6 Fazit Die Daten für die hier durchgeführte Untersuchung zur perzipierten Repräsentation der türkischen Minderheit in der Schweiz wurden in einem Forschungsprojekt gewonnen, das sich aus einer allgemeineren Perspektive mit dem „Integrationspotenzial sprachregionaler Medien in der Schweiz“ beschäftigte. Dazu wurden im Frühjahr des Jahres 2007 unter der Leitung des Verfassers insgesamt zwölf Gruppendiskussionen in der gesamten Schweiz mit den Bewohnern aller Sprachregionen zur Mediennutzung, Identität und Repräsentation im Schweizer Fernsehen durchgeführt. Darunter waren auch zwei Gruppendiskussionen in der Deutschschweiz, eine mit ausschließlich aus der Türkei stammenden, aber größtenteils hier aufgewachsenen Männern und Frauen und eine mit Personen aus ganz unterschiedlichen Herkunftskontexten (Italien, Ex-Jugoslawien, Österreich), darunter auch zwei Teilnehmern mit türkischen Wurzeln. Für die vorstehenden Analysen wurden die Aussagen der türkischstämmigen Personen aus den Transkripten herausgetrennt und einer gesonderten Detailanalyse unterzogen.66 Der Projektkontext, die Konzeption, die Untersuchungsinstrumente sowie die Details zur Durchführung der Gruppendiskussionen wurden in Abschnitt 5.1 ausführlich dokumentiert und sollen an dieser Stelle nicht erneut zusammengefasst werden. Wichtiger scheint es, die Resultate der Analyse noch einmal vor dem Hintergrund der eingangs gestellten Forschungsfragen zu beleuchten. Im Zentrum dieser Forschungsfragen standen die in der durch inhaltsanalytische Befunde geprägten Defizite oder Syndrome der medialen Repräsentation ethnischer Minderheiten. Diese sollten aus der Sicht der Betroffenen, das heißt ihrer Wahrnehmung und Bewertung, und vor dem Hintergrund ihrer ethnischen Identität und Akkulturationsstrategien betrachtet werden. Im Hinblick auf die Identität und die Mediennutzung der Gruppendiskussionsteilnehmer, so muss man sich an dieser Stelle noch einmal vor Augen führen, handelt es sich um eine sehr spezifische Auswahl von Befragten, die durch ein ausdiffe-
66 Die hier beschriebenen Analysen sind in dieser Form nicht Teil des Forschungsberichts, der dem Hauptmittelgeber, dem Schweizer Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) seit dem 12. Oktober 2007 vorliegt.
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renziertes Screening- und Rekrutierungsverfahren zustande gekommen ist.67 Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben fast ihr ganzes Leben in der Schweiz verbracht, die meisten sind hier geboren und waren nur zu Urlaubs- oder Studienaufenthalten für kurze Zeit in der Türkei. Alle haben gute bis sehr gute Deutsch- und Schwyzertütschkenntnisse, sprechen aber im Alltag und zum Teil mit der Familie noch häufig türkisch. Dazu kommt ein in den Screening-Befragungen gefordertes Mindestmaß an Fernsehnutzung der Schweizer Programme, schließlich stand das Schweizer Fernsehen als Medium für die Wahrnehmung der Repräsentationssyndrome im Mittelpunkt der Untersuchung. Diese Gruppenkonstellation hat Folgen für die Fokussierung der diskutierten Themen. Alle Beteiligten sind im Hinblick auf ihre Identität, ihre Zugehörigkeit zu verschiedenen sozialen Gruppen stabil und doppelt verankert. Im theoretischen Teil dieser Arbeit ist in diesem Zusammenhang von hybriden oder Doppelidentitäten die Rede. Alle fühlen sich mehr oder weniger in der Schweiz zu Hause, ohne den Bezug zu ihrer Herkunft und der Heimat ihrer Eltern zu verlieren. Die Diskussionen ergaben dann auch folgerichtig, dass in erster Line die integrativen Akkulturationsstrategien von den Befragten verfolgt werden. Dieser Gruppe, diesem „Typus“ des Mitgliedes einer ethnischen Minderheit ist es nach der Durchsicht der einschlägigen Literatur am ehesten zuzutrauen, Auskunft über systematische Strukturen, (vermeintliche) Defizite und Mängel in der Thematisierung und Berichterstattung über „ihre“ Gruppe geben zu können. Eine in diesem Zusammenhang auch in anderen Studien oft erwähnte, aber aus der Sicht der hier vorliegenden Ergebnisse dennoch unterschätzte Rolle spielten bei den Befragten Religion und Religiosität. Die muslimische Religion, der Islam, ist bei einer Vielzahl der Äußerungen als besonders wichtig für die soziale Zugehörigkeit zur Gruppe der türkischen Minderheit und gleichzeitig als besonderes Exklusionskriterium in der Mehrheitsgesellschaft genannt worden. Zum Teil wurde von den Teilnehmern die These vertreten, die Religionszugehörigkeit sei in der Debatte und alltäglichen Praxis von Integration wichtiger als die Nationalität oder geopolitische Herkunft. Religion – und das ist eine wesentliche Umgewichtung bisheriger Erkenntnisse – ist weitaus mehr als ein Themenframe oder ein Diskriminierungsgrund. Religion ist ein Kristallisationspunkt von Zugehörigkeit und Fremdheit für die Angehörigen der türkischen Minderheit in der Schweiz. Der Medienumgang und die Mediennutzung entsprechen, im Überblick betrachtet, den Integrations- und Akkulturationsstrategien, die die Teilnehmenden in anderen gesellschaftlichen Feldern verfolgen, und geschieht auf der Basis ihrer hybriden Identitäten. Lokale und auf die Schweiz bezogene Informationsbedürfnis67 Dass es sich nicht um eine repräsentative Stichprobe handelt, bedarf wohl kaum der Erwähnung. Die Stichprobe ist vielmehr typisch für einen ganz bestimmten Personenkreis junger, in der Mehrheit in der Schweiz geborener und mit der dortigen Kultur gut vertrauter türkischstämmiger Männer und Frauen.
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se werden in den entsprechenden Schweizer Medien befriedigt, die ggf. durch deutsche Programme – im Fall des Fernsehens – oder internationale Nachrichtenkanäle ergänzt werden. Aber auch auf die Türkei bezogene Informations- und Unterhaltungsbedürfnisse existieren in diesen Gruppen (noch) und werden durch die Nutzung türkischer und türkischsprachiger Fernsehprogramme befriedigt. Allerdings sind sich die Befragten uneins in der Bedeutungszuweisung für die türkischen Medien. Deutschsprachige Medien werden zum Teil bewusst bevorzugt – um die Sprache zu lernen –, während türkischsprachige Fernsehprogramme bewusst vermieden werden – um nicht aus der schweizerischen Medienumwelt zu fliehen. Das Internet erfüllt wichtige Funktionen für die interpersonale Kommunikation und den schnellen Zugriff auf internationale Informationen, dem Fernsehen und der Presse als Informations- und Unterhaltungsmedium hat es den Rang bei den Teilnehmern allerdings noch nicht abgelaufen. Der Kern der Diskussionen betraf die Repräsentationssyndrome. Marginalisierung ist in diesem Zusammenhang mehr als ein Reflex. Die Beteiligten äußerten starke Diskrepanzen zwischen ihrer Lebenswelt und derjenigen, die im Fernsehen dargestellt wird. Dies betrifft sowohl Vertreter der türkischen (oder muslimischen) Minderheit, wenn es um politische Debatten zur Integrationsproblematik geht, als auch die ganz „normale“ Alltagsrepräsentation. In den meisten Alltagsdarstellungen tauchen keine Migranten auf, obwohl sie mehr als 20 Prozent der Schweizer Bevölkerung darstellen – ein klarer Hinweis darauf, dass der wissenschaftlich schwer herzustellende Vergleich zwischen medialer und nicht medialer Welt auf der Rezipientenseite wesentlich schneller gezogen wird. Die häufig thematisierten Ausnahmen – Sportler, Stars und Prominente – scheinen die Wahrnehmung von Marginalisierung noch zu verschärfen. Sie führen den Teilnehmenden den Regelfall zu diesen Ausnahmen umso deutlicher vor Augen. Zwei Defizite, die in der Forschungsliteratur mit besonderer Bedeutung bedacht werden, sind Framing und Stereotypisierung. Sie wurden in der Analyse der Gruppendiskussionen getrennt untersucht, zeigen aber vergleichbare Befunde. Beide Defizite werden aus der Sicht dieser Analyse überbewertet. Für das Framing, die wiederkehrenden Themenbezüge, gilt, dass – abgesehen vom Frame-Frame der Integrations- und Zuwanderungsproblematik – kaum Themenrahmungen genannt wurden, die die Teilnehmer einhellig als Berichterstattungsstandard bezeichneten. Religion ist eine Ausnahme, hat aber – wie oben beschrieben – eine weitaus größere Bedeutung für die Befragten, als es das Konstrukt Frame beschreiben könnte. Die hier durchgeführten Analysen zeigen, dass bedeutende Einzelereignisse und ihre mediale Behandlung viel stärkeren Eindruck auf die Befragten machen als langfristig wiederkehrende Themenbezüge. Ein ähnlicher Befund gilt auch für die Stereotypisierung. Ähnlich zur inflationären Verwendung des Begriffs in der interdisziplinären Forschungsliteratur und der öffentlichen Debatte sind auch die Teilnehmenden mit dem Wort „stereotyp“
Fazit
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schnell bei der Hand. Konkrete, auf die türkische Minderheit bezogenen Rollenoder Charaktereigenschaften, die vom Einzelnen auf die Gruppe übertragen wurden, konnten die Diskutanten jedoch kaum nennen. Hier bleiben lediglich Stereotypen für andere ethnische Gruppen („Raser“) und eine wahrgenommene, mediale Hierarchie der ethnischen Gruppen untereinander als stereotype Repräsentationen übrig. Negativismus ist vor allem eine Frage der (zusätzlichen) Bewertung. Negativ bedeutet in den Gruppendiskussionen in erster Linie, dass die Berichterstattung und ihre strukturellen Defizite von den Teilnehmenden negativ bewertet werden, und das kann sich auf alle bisher kurz behandelten Defizite sowie auf eine in diesem Zusammenhang oft monierte mangelnde Ausgewogenheit und Objektivität beziehen. Hinzu kommt dann allerdings noch eine weitere Auffassung von Negativismus: diejenige im Sinne von Nachrichtenfaktoren wie Schaden, Konflikt und Kriminalität. Solche Themenbezüge gelten a priori als negativ belegte Themen mit den entsprechenden mitgedachten Folgen für die Wahrnehmung der ethnischen Gruppe in der Mehrheitsgesellschaft. Insofern stehen sie in enger Verbindung mit dem Framingvorwurf, sind aber meistens zu wenig konkret, um von einem eigenen Themenframe zusätzlich zum Ausländerproblemframe zu sprechen. Dabei war es durchaus überraschend festzustellen, dass die Befragten das Phänomen des Negativismus in diesem nachrichtenfaktoriellen Sinne auf andere Themen übertrugen und es als grundlegenden und damit nicht nur sie betreffenden Medienmechanismus identifizierten. Gruppendiskussionsergebnisse sind schwer zu reduzieren und zu analysieren. Die Vielzahl der Äußerungen und Themenaspekte erfordert einen differenzierten Umgang mit Interpretationen und Schlussfolgerungen. Man kann aber zusammenfassend festhalten, dass im Hinblick auf die Repräsentationssyndrome vor allem zwei Befunde die inhaltsanalytisch und häufig aus einer normativen Perspektive gewonnen Erkenntnisse in der Forschungsliteratur stützen: die Marginalisierung oder mangelnde Berücksichtigung im Programm und die Thematisierung der eigenen ethnischen Gruppe als gesellschaftliches Problem. Im Vergleich dazu verlieren sowohl das Stereotypen- als auch das Framingkonzept vor dem Hintergrund der hier durchgeführten Analysen an Bedeutung. Genauer betrachtet, bestechen sie vor allem durch die schlagwortartige, aber wenig präzise Beschreibung von Thematisierungsphänomen, die auf das gesamte massenmediale Verarbeitungssystem zutreffen. Systematische Strukturen der Repräsentation ethnischer Minderheiten aus der Sicht der Betroffenen beschreiben sie nicht ohne erhebliche Abstriche.
6 Mediennutzung, Akkulturation und soziale Integration
6.1 Forschungskontext und Methode Ein substanzieller Mangel im Forschungsfeld Migration, Integration und Medien ist die fehlende Verbindung von quantitativen Mediennutzungsdaten und Integrationsindikatoren (vgl. Abschnitt 3.2).68 Eine neuere Studie, die an diesem Punkt ansetzt, ist eine bundesweite Befragung von Mitgliedern der türkischen Minderheit, die im Jahr 2000 im Auftrag des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung durchgeführt wurde (BPA-Studie, Weiß/Trebbe 2001). Neben den deskriptiven Analysen zur Mediennutzung der befragten Migranten besteht die Studie im Kern aus einer Typologie der unterschiedlichen Integrationsstadien, in denen sich verschiedene Subgruppen dieser Population zum damaligen Zeitpunkt befanden.69 Im Herbst des Jahres 2006 ergab sich durch ein Forschungsvorhaben des Westdeutschen Rundfunks (WDR) die Möglichkeit, aktuellere Daten mit einem vergleichbaren Erhebungsmodell für junge türkischstämmige Erwachsene in Nordrhein-Westfalen zu gewinnen. Im Auftrag des WDR wurden n=500 computergestützte Telefoninterviews mit Angehörigen der türkischen Minderheit im Alter von 14 bis 49 Jahren aus Nordrhein-Westfalen geführt. Die Auswahl der Befragten erfolgte auf der Basis eines namensbasierten Auswahlverfahrens und einem Screening zu Beginn des Interviews. Die Daten wurden soziodemografisch und regionalspezifisch gewichtet, was zu einer Analysefallzahl von nw=503 führte (Simon/ Kloppenburg 2007).70 Da der Verfasser bei der Planung, Durchführung und Analyse dieser Studie konsultiert wurde, war es möglich, die Befragungsdimensionen der 68 Leider ist in dieser Hinsicht auch in der neuesten Studie zur Mediennutzung von Migranten eine Chance vertan worden. Die Befragung „Migranten und Medien 2007“ im Auftrag der ARD/ZDFMedienkommission enthält neben einigen formalen Daten zur Aufenthaltsdauer und zu Sprachkenntnissen keine weiteren Integrationsindikatoren (Walter et al. 2007: 444). 69 Inzwischen ist eine ganze Reihe von Publikationen zum Zusammenhang von Mediennutzung und Integration auf der Basis dieser Studie entstanden, zuletzt auch zur Parallelität von Akkulturationsund Mediennutzungsstrategien bei Jugendlichen türkischer Herkunft (Trebbe 2007a). 70 Die Feldarbeiten wurden im September 2006 von Enigma/GfK (Bonn) durchgeführt. Bei der Sprache konnte der Befragte zwischen Deutsch und Türkisch frei wählen. Etwa die Hälfte der Interviews wurden in deutsch bzw. türkisch durchgeführt.
176
Mediennutzung, Akkulturation und soziale Integration
WDR-Studie weitgehend mit denjenigen der BPA-Studie zu synchronisieren.71 Neben Integrations- und Identitätsdimensionen wurden in dieser Umfrage vor allem eine ausführliche Soziodemografie und die detaillierte Mediennutzung der jungen türkischstämmigen Erwachsenen erhoben, insbesondere der öffentlichrechtlichen Fernseh- und Hörfunkprogramme in Nordrhein-Westfalen. In ersten Analysen wurde anhand der Daten versucht, die Typologie der Integrationsmuster aus der BPA-Studie (Weiß/Trebbe 2001) unter den jüngeren erwachsenen Türken in Nordrhein-Westfalen zu replizieren und ihre sprachgebundene Mediennutzung zu analysieren (Trebbe 2007a). Abgesehen von zwei in der BPAStudie identifizierten Gruppen konnten die Integrationstypen in der WDRStichprobe ebenfalls dargestellt werden. Darüber hinaus sind – analog zu den Kausalanalysen mit dem BPA-Datensatz – wiederum Kausalanalysen zur Vorhersage und Erklärung der Mediennutzung durch den individuellen Integrationsstatus durchgeführt worden (Trebbe 2007b). Sie wurden bereits ausführlich beschrieben und unter theoretischen Gesichtspunkten diskutiert (vgl. Abschnitt 3.3). Die im Folgenden dargestellten Daten und Analysen schließen unmittelbar an diesen Forschungskontext an. Wie in Kapitel 4 aufgezeigt, wird es darum gehen, mit den aktuellen Daten der WDR-Studie die bereits identifizierten – und als Replikation aus der BPA-Studie extern validierten – Integrationstypen durch Mediennutzungsvariablen zu erweitern. Eine integrierte und umfassende, das Mediennutzungsverhalten berücksichtigende Typologie der jungen türkischstämmigen Erwachsenen ist das Ziel dieses Analyseschrittes. Dabei wird sich zeigen, welche Mediennutzungsmuster mit welchen Integrationsdimensionen synchron verlaufen. Mit anderen Worten: ob sich homogene Gruppen identifizieren lassen, die analoge Handlungsmuster in Integration und Mediennutzung aufweisen. Den Kern dieses Kapitels bilden jedoch die multivariaten Kausalanalysen zur Erklärung und Prognose von Akkulturationsstrategien durch die Auswahl und den Umfang der türkisch- bzw. deutschsprachigen Mediennutzung. Dafür werden aus den Integrationsindikatoren diejenigen ausgewählt, die sich nicht auf ethnische Identität bzw. Zugehörigkeitsgefühle zur Mehrheits- oder Minderheitsgesellschaft beziehen, sondern tatsächlich Handlungs- und Interaktionsindikatoren für den Umgang mit der Mehrheitsgesellschaft sind. Dieses Vorgehen dient dem Ziel, der Wirkungsannahme differenzierter als in der bisher vorliegenden Forschungsliteratur auf den Grund zu gehen und Hinweise darauf zu identifizieren, welche Effekte Minderheiten- und Mehrheiten-Mediennutzung auf die gesellschaftliche Interaktion im Sinne der nun schon vielfach benannten Akkulturationsstrategien hat.
71 Die BPA-Studie wurde in Abschnitt 3.2 vorgestellt. Dort werden auch einige Basisdaten und ein Vergleich grundlegender Nutzungsdaten der Befragten beschrieben.
177
Forschungskontext und Methode
6.1.1 Integrationsindikatoren Im Anschluss an die theoretisch-konzeptionellen Überlegungen im allgemeinen Teil dieser Untersuchung soll zunächst grundsätzlich zwischen zwei Perspektiven der gesellschaftlichen Integration bzw. der individuellen Akkulturation von ethnischen Minderheiten – und damit auch der Türken in Deutschland – unterschieden werden: (1) Vorstellungen, Einstellungen und gesellschaftliches Handeln, das sich auf den Ankunftskontext bezieht, und – wie ebenfalls oben besprochen – (2) solche Dimensionen, die sich – zunächst unabhängig davon – auf den Herkunftskontext beziehen. Beide Dimensionen waren in der standardisierten Befragung nicht vollständig parallelisierbar. Ein Beispiel: Die Sprache – und damit ist in diesem Zusammenhang nicht nur die Sprachkompetenz, sondern auch der alltägliche Sprachgebrauch gemeint – kann auf beide Kontexte bezogen werden (vgl. Trebbe 2007b). Die Pflege der türkischen Sprache kann als Indikator für eine Beibehaltung von Verbindungen zum Herkunftskontext interpretiert werden, der – zunächst unabhängig vom Erwerb der deutschen Sprache – als Hinweis für die Einstellung zum Ankunftskontext angesehen werden kann (vgl. Abschnitt 2.3). Andere Indikatoren – etwa die gesellschaftliche Interaktion – lassen sich im konkreten Lebensalltag in Deutschland schlecht gleichgewichtig realisieren und sind auch in den Umfragen nicht für beide gesellschaftlichen Kontexte gleichwertig abgefragt worden. Soweit wie möglich aber sollen im Zuge der weiteren Operationalisierung der Akkulturationsstrategien beide Kontexte berücksichtigt werden. Für die Analyse dieser Daten muss also in Kauf genommen werden, dass nicht explizit auf die Erhebung beider gesellschaftlicher Kontexte abgezielt wurde, sondern vielmehr der Integrationsstatus und die Akkulturationsstrategien in Bezug auf die deutsche Gesellschaft im Zentrum des Erhebungs- und Analysemodells standen (Weiß/Trebbe 2001: 5). Aus der konzeptionellen Sicht der Akkulturationsstrategien kann man das als den assimilativen Teil des Integrationsbegriffs bezeichnen (Abb. 15, Abschnitt 2.2). Abbildung 15: Akkulturationsstrategien (Berry 1980; 1997: 9) … Herkunftskontext/ ethnische Gruppe
Identifikation/Einstellung gegenüber dem…
… Ankunftskontext/ Mehrheitsgesellschaft
Positiv
Negativ
Positiv
Integration
Assimilation
Negativ
Separation
Marginalisierung
178
Mediennutzung, Akkulturation und soziale Integration
Im Grundsatz wurden für die Befragung der jungen Erwachsenen türkischer Herkunft in Nordrhein-Westfalen drei Gruppen von Integrationsindikatoren entwickelt und erhoben: (1) Die formale und sprachliche Integration im nationalen Kontext. Dazu gehört der Wunsch, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erwerben bzw. die deutsche Staatsbürgerschaft bereits erworben zu haben. In engem Zusammenhang, aber nicht identisch damit ist die Frage nach der geplanten Aufenthaltsdauer im Ankunftsland; vor allem die Unterscheidung zwischen Personen, die planen, für immer in Deutschland zu bleiben, und denjenigen, die nur eine absehbare, begrenzte Perspektive für ihren Aufenthalt sehen. Sprachkenntnisse kann man als besonders relevantes Kriterium in diesem Zusammenhang und als eigene Dimension verstehen. Sieht man Sprache als Voraussetzung für jede Interaktion in sozialer und politischer Hinsicht, kann man sie aber auch als formales Kriterium für den Integrationsprozess begreifen. Der Sprachgebrauch wird ausdrücklich getrennt von der Sprachkompetenz operationalisiert. Er steht – wenn auch abhängig von den Sprachfähigkeiten – mehr für die alltägliche, soziale Interaktion im Ankunftskontext, der man bis zu einem gewissen Grade nicht ausweichen kann. (2) Für die im engeren Sinne soziale Integration als alltägliche Interaktion mit der Mehrheitsgesellschaft stehen zweitens drei Gruppen von Indikatoren zur Verfügung. Die erste Gruppe besteht aus Fragen zu gesellschaftlichen Kontakten zwischen Türken und Deutschen, von der Zahl der Freunde im jeweiligen Kontext (Deutsche, Türken) über die Mitgliedschaft in Vereinen bis hin zur Frage nach der Einschätzung von Eheschließungen zwischen Türken und Deutschen. Es geht dabei im Grundsatz um die Abschätzung des Umfangs und des Stellenwertes des gesellschaftlichen Umgangs der türkischen Befragten. Bewegen sie sich eher unter ihresgleichen oder spielen Kontakte mit Deutschen eine ebenso wichtige Rolle im Alltagsleben der Türken in Deutschland? Ein weiterer Indikatorenkomplex bezeichnet das Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen Deutschlands, vor allem in Schulen, Krankenhäuser und andere Sozialeinrichtungen. Inwieweit sich diese soziale Interaktion auch in einem entsprechenden Informationsbedürfnis ausdrückt, ist Gegenstand des dritten Indikators in diesem Komplex, dem Interesse für aktuelle Themen und Probleme aus Deutschland bzw. der Türkei. (3) Die Indikatoren zur politischen Integration beziehen sich drittens zum einen auf das Vertrauen in Institutionen des politisch-administrativen Systems (Parteien, Gewerkschaften, Ämter und Behörden, Polizei) und die Einschätzung, durch deutsche Politiker wahrgenommen und vertreten zu werden. Zum anderen nehmen sie – analog zu den sozialen Integrationsindikatoren – Bezug auf die Frage nach dem thematischen Interesse für politische Themen.
Forschungskontext und Methode
179
Diese Integrations- und Akkulturationsdimensionen werden zu Beginn der Analysen inspiziert und dargestellt. In verschiedenen Vorarbeiten sind schon Zusammenfassungen durch Indices und Faktorenanalysen erfolgt, auf die ggf. zurückgegriffen werden wird (Trebbe/Weiß 2007, Trebbe 2007a und b). Im Zuge der abschließenden Kausalanalysen wird dann stärker zwischen handlungsorientierten Variablen (wie etwa Sprachgebrauch und gesellschaftlichen Kontakten mit Deutschen) und eher einstellungs- und identitätsorientierten Variablen (wie etwa Sprachkenntnisse und Staatsbürgerschaft bzw. Staatsbürgerschaftswunsch) unterschieden. Schließlich werden die erstgenannten, tatsächlich stärker auf den Kern der sozialen Integration im Sinne von sozialer Interaktion abzielenden Dimensionen die abhängigen Variablen der zu schätzenden Kausalmodelle bilden. 6.1.2 Mediennutzungsindikatoren In allen Befragungen wurden Mediennutzungsdaten für die Gattungen Hörfunk, Fernsehen, Tagespresse und Internetseiten erhoben. Für die geplanten Analysen interessieren dabei weniger die genauen Reichweiten einzelner Medien, sondern vielmehr die „normale“, habitualisierte Nutzung sprachgebundener Mediengattungen. Ein in der angewandten Medienforschung gebräuchliches Maß ist in diesem Zusammenhang der Stammnutzer. Dabei wird nach einer Abfrage zur Bekanntheit eines Mediums (Generalfilter), die Nutzung innerhalb der letzten 14 Tage festgestellt (weitester Nutzerkreis). Für alle Nutzer in diesem Zeitraum wird dann mit der sogenannten Frequenzfrage erhoben, an wie vielen von sieben Tagen einer durchschnittlichen Woche das jeweilige Medium genutzt wird. Personen, die ein Medium an mindestens vier von sieben Tagen nutzen, werden als Stammnutzer bezeichnet und so von Gelegenheitsnutzern (ein bis drei Tage pro Woche) und Nichtnutzern (keine Nutzung) unterschieden. In der vorliegenden Untersuchung wird für alle Analysen im Zusammenhang mit den Mediennutzungsdaten zunächst dieses Maß des Stammnutzers angewandt. Dabei werden ggf. Nutzungsdaten einzelner Medien zu Mediengattungen zusammengefasst. Da alle Mediennutzungsfragen jeweils für türkischsprachige und deutschsprachige Medien gestellt wurden, können sowohl Überschneidungen in der Mediennutzung verschiedener Gattungen (etwa Radio, Fernsehen, Presse) dargestellt als auch Untersuchungen über die Kombination verschiedener sprachgebundener Nutzungsvorgänge des gleichen Medientyps (etwa türkischsprachiges vs. deutschsprachiges Fernsehen) angestellt werden. Darüber hinaus wird an einigen Stellen der Analyse auf zwei stärker fokussierte, weniger an der Habitualisierung der Mediennutzung ausgerichtete Maße zurückgegriffen. Für alle genannten Mediengattungen stehen (ebenfalls jeweils für beide Sprachen) der „Nutzer gestern“ und der Zeitumfang für diese Nutzung zur Verfügung. Damit lässt sich die Selbsteinschätzung der Befragten stärker auf einen konkreten Zeitraum eingrenzen und quantifizieren – allerdings gewinnen so auch stär-
180
Mediennutzung, Akkulturation und soziale Integration
ker durch konkrete Programmangebote oder alternative Tätigkeiten verursachte Schwankungen an Bedeutung.72 6.1.3 Analysemodell und Analyseschritte Im Wesentlichen besteht die Analyse der empirischen Daten aus zwei Schritten: Im ersten Schritt werden – nach der Beschreibung der Stichprobe durch einige soziodemografische Daten – die Variablenkomplexe zur Integration und Akkulturation sowie zur Mediennutzung zur Erstellung einer gemeinsamen Typologie herangezogen. Dazu werden alle Variablen zunächst beschrieben, ggf. verdichtet und standardisiert und danach einer hierarchischen Clusteranalyse unterzogen. Die mit diesem Verfahren identifizierten Typen werden im Hinblick auf alle Typen bildenden Dimensionen kurz beschrieben und in Bezug auf synchrone bzw. asynchrone Mediennutzungs- und Akkulturationsstrategien näher untersucht. Im zweiten Schritt werden dann multiple lineare Regressionsmodelle berechnet, um den Einfluss der sprachgebundenen Mediennutzung und -kombination auf die soziale Integration zu erklären. Dafür werden verschiedene abhängige Variablen konstruiert, die unterschiedliche Varianten der Akkulturation – von der Assimilation bis zur Marginalisierung – modellhaft abbilden. Unabhängige Variablen sind in diesen Kausalmodellen die quantitativen Mediennutzungsindikatoren, wie sie oben beschrieben wurden. Sie werden in verschiedenen Modellen gegen bekannte klassische Einflussgrößen der individuellen Sozidemografie getestet. Abschließend soll geklärt werden, ob bestimmte Effekte bei den unterschiedlichen Migrationstypen aus dem ersten Analyseschritt stärker oder schwächer zutage treten.
6.2 Die Stichprobe 6.2.1 Soziodemografie Im Folgenden werden kurz die wichtigsten soziodemografischen Daten der Befragten dargestellt und besprochen. Das Durchschnittsalter der Befragten in der Stichprobe beträgt 30 Jahre (Tabelle 4). 17 Prozent der Befragten sind unter 20, ebenso viele sind zwischen 40 und 49 Jahre alt. Die größte Gruppe bilden die 30- bis 39Jährigen mit 36 Prozent, gefolgt von den 20 bis 29-Jährigen mit einem Stichprobenanteil von 30 Prozent.
72 Der „Nutzer gestern“ sorgt bei über die Wochentage gleich verteilten Interviews in der angewandten Medienforschung für eine adäquate Abbildung der Tagesnutzung – unter der Bedingung, dass der Wochentag des Interviews für die Befragten zufällig ausgewählt wurde.
181
Die Stichprobe
Tabelle 4:
Alter und Geschlecht (in Prozent)1) Alter 14-19 Jahre 20-29 Jahre 30-39 Jahre 40-49 Jahre nw=150 nw=179 nw=88 nw=85
Gesamt nw=503
Durchschnittsalter Stichprobenanteil (%)
16 J. 17
24 J. 30
35 J. 36
44 J. 17
Männer Frauen
47 53
54 46
53 47
52 48
52 48
Gesamt
100
100
100
100
100
1)
30 J. 100
An 100 Prozent fehlende Werte sind summierte Rundungsfehler.
Tabelle 5:
Schulbildung (in Prozent) Alter 14-19 Jahre 20-29 Jahre 30-39 Jahre 40-49 Jahre nw=150 nw=179 nw=88 nw=85
Kein Schulabschluss Volks-/Hauptschule Real-/weiterf. Schule Abitur/Hochschulreife Universität/FH Gesamt
Gesamt nw=503
9 40 42 8 -
7 35 29 21 8
17 44 22 10 7
14 14 15 3 14
16 39 26 12 7
100
100
100
100
100
Männer sind in der Stichprobe in der Überzahl. Dies gilt für alle Altersgruppen, mit einer Ausnahme: In der Gruppe der 14- bis 19jährigen Befragten sind es mit 53 Prozent mehr Befragte mit weiblichem Geschlecht. Das entspricht aber im Wesentlichen der soziodemografischen Verteilung in der Grundgesamtheit der türkischstämmigen Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen.73 16 Prozent der Befragten in der Stichprobe haben keinen Schulabschluss, 39 Prozent haben die Hauptschule abgeschlossen und 26 Prozent eine Real- oder wei73 Die Daten sind für die Variablen Alter, Geschlecht und Regierungsbezirk auf der Basis des Mikrozensus 2004 gewichtet (Simon 2007).
182
Mediennutzung, Akkulturation und soziale Integration
terführende Schule besucht (Tabelle 5). 12 Prozent der Befragten haben Abitur oder eine andere Form der (Fach-)Hochschulreife und 7 Prozent haben zum Zeitpunkt der Befragung ein Studium abgeschlossen. Der Anteil der Hauptschulabgänger ist in der Gruppe der 30- bis 39-Jährigen mit 44 Prozent am höchsten, während der Anteil der weiterführenden Schulen naturgemäß in der Gruppe der ganz jungen Befragten unter 19 Jahre mit 42 Prozent am höchsten ist. Abitur und andere Fachhochschulreifeabschlüsse sind bei den 40- bis 49-Jährigen mit 14 Prozent stark überrepräsentiert; in der Gesamtstichprobe haben lediglich 7 Prozent der Befragten einen solchen Bildungsweg absolviert. Etwas weniger als ein Drittel der Befragten ist nicht berufstätig (Tabelle 6). Allerdings bezeichnen sich nur etwa 3 Prozent der Probanden als arbeitslos. Die Berufstätigkeit korrespondiert erwartungsgemäß mit den soziodemografischen Variablen Alter und Geschlecht. Jüngere sind eher noch in der Ausbildung und unter den nicht berufstätigen Personen befinden sich überproportional viele Frauen. Alles in allem sind in der Gesamtstichprobe 69 Prozent in Ausbildung oder voll- bzw. teilzeitberufstätig. Tabelle 6:
Berufstätigkeit (in Prozent) Alter 14-19 Jahre 20-29 Jahre 30-39 Jahre 40-49 Jahre nw=150 nw=179 nw=88 nw=85
Nicht berufstätig Arbeitslos In Ausbildung/Lehre Berufstätig Keine Angabe Gesamt
Gesamt nw=503
11 1 86 1 1
27 1 27 44 -
32 3 2 62 1
36 8 55 1
28 3 24 45 1
100
100
100
100
100
Ein- und Zweipersonenhaushalte sind in der Stichprobe mit insgesamt 12 Prozent in der Minderheit (Tabelle 7). Den größten Anteil bilden Vier- und Fünfpersonenhaushalte mit 34 bzw. 32 Prozent von allen Befragten. Die Haushaltsgröße korrespondiert ebenfalls sehr stark mit dem Alter der Personen in der Stichprobe. In der jüngsten Gruppe sind die Haushalte am größten; die Jugendlichen wohnen in der Regel noch bei ihren Eltern. In der ältesten Gruppe der bis 49-Jährigen nimmt die Haushaltsgröße tendenziell ab, aber auch hier sind verhältnismäßig wenig Singleund Paarhaushalte anzutreffen.
183
Die Stichprobe
Tabelle 7:
Haushaltsgröße (in Prozent) Alter 14-19 Jahre 20-29 Jahre 30-39 Jahre 40-49 Jahre nw=150 nw=179 nw=88 nw=85
Eine Person Zwei Personen Drei Personen Vier Personen Fünf/mehr Personen Keine Angabe Gesamt
Gesamt nw=503
2 6 34 57 1
9 6 38 24 23 -
6 6 14 43 29 2
9 8 22 33 25 3
6 6 21 34 32 1
100
100
100
100
100
Eine Ausnahme von dieser einfachen Proportionalität bilden die zwei mittleren Altersgruppen. Bei den 20- bis 29-Jährigen leben 38 Prozent in Dreipersonenhaushalten und bei den 30- bis 39-Jährigen dominieren mit 43 Prozent die Vierpersonenhaushalte. Dieses Gesamtbild kann man auf die Zahl der Kinder in den Familien zurückführen, die in den mittleren Gruppen zunächst ansteigt, dann aber in der ältesten Gruppe wieder abnimmt, weil die jungen Erwachsenen das Elternhaus verlassen.74 6.2.2 Aufenthaltsdauer und Religionszugehörigkeit Neben den bisher beschriebenen Standardvariablen der Soziodemografie ist vor allem die Aufenthaltsdauer der Befragten in Deutschland für das Verständnis der Stichprobe von Interesse. Dabei trifft man jedoch auf die Schwierigkeit, dass dieses Datum natürlich nur individuell in Verbindung mit dem Lebensalter einer Person aussagekräftig ist. Zehn Jahre in Deutschland sind für einen 20-Jährigen sein halbes Leben, für einen 50-Jährigen sind sie nicht mehr als eine – wenn auch relevante – Episode. Dieser engen Verknüpfung von Lebensalter und Aufenthaltsdauer wurde in Tabelle 8 Rechnung getragen. Sie zeigt die bisherige Aufenthaltsdauer der Befragten anteilig an ihrem Lebensalter und zusammengefasst in fünf verschiedene Klassen. Die Ausprägung „100 Prozent“ bedeutet, dass die entsprechenden Personen in Deutschland geboren sind oder zumindest alle Jahre ihres bisherigen Lebens in
74 Entsprechende Variablen finden sich in den Daten der WDR-Studie. Sie werden an dieser Stelle aus Platz- und Übersichtsgründen jedoch nicht im Detail in Tabellenform dokumentiert.
184
Mediennutzung, Akkulturation und soziale Integration
Deutschland verbracht haben. In der Gruppe „50 bis unter 75 Prozent“ sind es zwischen der Hälfte und drei Viertel ihres bisherigen Lebens usw. In dieser Form aufbereitet, zeigen die Daten die unterschiedlichen, relativen Aufenthaltsdauern in den Altersgruppen sehr deutlich – und das ist schließlich eine der Besonderheiten dieser Stichprobe und ein Korrespondenzmerkmal im Verhältnis zur qualitativen Studie, die im vorherigen Kapitel beschrieben wurde: Durch die Konzentration auf Personen unter 50 Jahre dominieren in der Stichprobe Befragte, die in Deutschland geboren wurden und in der Folge ihr ganzes Leben hier verbracht haben (43 Prozent). Und dies ist in besonders hohem Maße bei den ganz Jungen der Fall; hier sind es 86 Prozent bei den unter 20-Jährigen bzw. 66 Prozent bei den unter 30-Jährigen. Die wenigsten haben ihr Leben weniger als zur Hälfte in Deutschland verbracht, insgesamt 28 Prozent. Und diese sind vor allem in den Gruppen der 30- 39-Jährigen (37 Prozent) und 40- bis 49-Jährigen (26 Prozent) vertreten. Tabelle 8:
Aufenthaltsdauer in Deutschland und Staatsbürgerschaft (in Prozent) Alter 14-19 Jahre 20-29 Jahre 30-39 Jahre 40-49 Jahre nw=150 nw=179 nw=88 nw=85
Bis < 25 Prozent 25 bis < 50 Prozent 50 bis < 75 Prozent 75 bis < 100 Prozent 100 Prozent (immer) Keine Angabe Gesamt Deutsche Staatsbürger
Gesamt nw=503
7 5 86 2
14 11 5 5 66 1
4 37 22 12 25 1
8 26 43 17 3 3
7 21 18 10 43 1
100
100
100
100
100
33
36
36
36
35
Interessant ist in diesem Zusammenhang die nicht vorhandene Korrespondenz von Alter, Aufenthaltsdauer und deutscher Staatsbürgerschaft. Der Anteil derjenigen, die einen deutschen Pass besitzen, ist in allen Altersgruppen etwa gleich hoch. Er liegt in der Gesamtstichprobe bei 35 Prozent und befindet sich lediglich bei den ganz jungen Befragten geringfügig unterhalb dieses Wertes.75 75 Der Besitz oder der Wunsch nach der deutschen Staatsbürgerschaft wird bei der Beschreibung der Integrationsindikatoren noch einmal aufgegriffen.
185
Integration
Abschließend sei noch auf eine signifikante Beschreibungsdimension im Hinblick auf die Homogenität und Profilierung der Stichprobe gegen die Mehrheitsgesellschaft hingewiesen (Tabelle 9): Der weitaus größte Teil der Befragten bekennt sich zum Islam. In der Gesamtstichprobe liegt der Anteil der Muslime bei 96 Prozent. Dabei gibt es kaum Schwankungen zwischen den Altersgruppen. Der kleinste Wert liegt bei 95 Prozent in der jüngsten Altersgruppe, der höchste Wert mit 97 Prozent in der Gruppe der unter 30-Jährigen. Tabelle 9:
Religionszugehörigkeit (in Prozent) Alter 14-19 Jahre 20-29 Jahre 30-39 Jahre 40-49 Jahre nw=85 nw=150 nw=179 nw=88
Islam Keine/andere/k.A. Gesamt
Gesamt nw=503
95 5
98 2
96 4
97 3
96 4
100
100
100
100
100
Insgesamt gesehen zeigen diese einfachen deskriptiven Tabellen gut die Besonderheiten der Stichprobe im Hinblick auf ihre spezifische Zusammensetzung und ihre zum Teil deutlichen Unterschiede zur Mehrheitsgesellschaft. Auf eine Gegenüberstellung der Stichprobendaten mit Daten zur Gesamtbevölkerung in NordrheinWestfalen wurde hier bewusst verzichtet. Die Beschreibung der Stichproben sollte vielmehr den soziodemografischen Hintergrund der im Folgenden genauer betrachteten Integrations- und Mediennutzungsdaten bilden.
6.3 Integration Zur Beschreibung der Integrationsstadien wird im Folgenden in drei Schritten vorgegangen. Im ersten Schritt werden diejenigen Indikatoren zusammengestellt und in ihrer Verteilung beschrieben, die zur Identifizierung der Mediennutzungstypologie herangezogen werden: die sogenannten aktiven Variablen.76 Dabei werden zum Teil auch Variablenverdichtungen durch Faktorenanalysen und Standardisierungen vorgenommen und dokumentiert. Im zweiten Schritt erfolgen die Segmentation der 76 Ausgewählte Zwischenergebnisse dieser Integrationstypologie sind in verschiedenen Kurzfassungen bereits publiziert worden (Trebbe/Weiß 2007; Trebbe 2007b).
186
Mediennutzung, Akkulturation und soziale Integration
Stichprobe mittels hierarchischer Clusteranalyse und die Beschreibung der identifizierten Typen. Im dritten Schritt schließlich werden ausgewählte passive Variablen zur erweiterten Interpretation der Mediennutzungstypologie herangezogen. 6.3.1 Aktive Variablen der Segmentation Insgesamt werden für die Clusteranalyse neun verschiedene Dimensionen eingesetzt, die das Verhältnis der Befragten zur deutschen Mehrheitsgesellschaft kennzeichnen. Dabei wird zunächst nicht zwischen ethnischer Identität und Akkulturationsstrategien unterschieden, sondern es werden diejenigen Indikatoren genutzt, die in der Umfrage analog zur BPA-Studie aus dem Jahr 2000 (Weiß/Trebbe 2001) erhoben wurden. Die Erwartung an die aktuelle Typologie ist eindeutig. Es sollten sich die gleichen Typen wie in dem damaligen Datensatz zeigen, abzüglich der damals identifizierten, sozial abgewandten und marginalisierten Typen, die vor allem durch Personen im Alter über 50 Jahre gebildet wurden. Den Übergang zwischen der Stichprobenbeschreibung und den aktiven Variablen der Segmentation bildet die Frage nach der deutschen Staatsbürgerschaft. Tabelle 10 zeigt die Verteilung dieser Frage in der Stichprobe.77 Tabelle 10:
Staatsbürgerschaftsbesitz und Staatsbürgerschaftswunsch (in Prozent) Alter 14-19 Jahre 20-29 Jahre 30-39 Jahre 40-49 Jahre nw=85 nw=150 nw=179 nw=88
Kein Wunsch Ja, vielleicht Ja, sicher Deutsche Staatsbürger Gesamt
Gesamt nw=503
18 19 31 33
26 13 25 36
38 15 11 36
51 8 5 36
33 14 17 35
100
100
100
100
100
Zu den bereits angesprochenen 35 Prozent der Befragten, die schon im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft zum Zeitpunkt der Befragung sind, kommen mindestens noch einmal 17 Prozentpunkte von Befragten hinzu, die angeben, die deutsche Staatsbürgerschaft anzustreben. Weitere 14 Prozent wollen diese Option vielleicht 77 Als Standardaufriss für die Darstellung der Indikatoren wurde die gruppierte Altersvariable gewählt, um Unterschiede in den Altersgruppen aufzuzeigen. Alter ist nicht Bestandteil des Segmentationsverfahrens.
187
Integration
wahrnehmen. Explizit ohne den Wunsch danach ist etwa ein Drittel der Stichprobe. Die Unterschiede zwischen den Altersgruppen sind dabei ziemlich deutlich: Vor allem die jungen Befragten unter 30 Jahren streben die Staatsbürgerschaft an, während Personen über 30 diesen Wunsch überproportional häufig nicht (mehr) äußern. Ein ganz anderes Bild zeigt sich für den Wunsch, in Deutschland zu bleiben (Tabelle 11). Tabelle 11:
Bleibewunsch Deutschland (in Prozent) Alter 14-19 Jahre 20-29 Jahre 30-39 Jahre 40-49 Jahre nw=150 nw=179 nw=88 nw=85
Nein, keine Pläne Aufenthalt für immer Gesamt
Tabelle 12:
Gesamt nw=503
52 48
63 37
58 42
61 39
59 41
100
100
100
100
100
Deutsche Sprachkompetenz: Selbsteinschätzung (Index, in Prozent) Alter 14-19 Jahre 20-29 Jahre 30-39 Jahre 40-49 Jahre nw=85 nw=150 nw=179 nw=88
Sehr gering (1) Gering (2) Zufrieden stellend (3) Gut (4) Sehr gut (5) Gesamt MW (Standardabw.)
Gesamt nw=503
2 39 59
5 9 10 30 47
4 18 21 30 28
4 24 40 16 16
4 13 18 29 37
100
100
100
100
100
4.5 (0.7)
4.0 (1.2)
3.6 (1.2)
3.1 (1.1)
3.8 (1.2)
Auf einer fünfstufigen Skala wird die Sprachkompetenz der Befragten von ihnen selbst insgesamt als gut (Note 4) eingeschätzt. Tabelle 12 zeigt einen normierten Index aus den vier Selbsteinschätzungsfragen zur deutschen Sprachkompetenz (Sprechen, Lesen, Schreiben, Verstehen). Zwei Drittel der Befragten (insgesamt 66 Prozent) geben an, die deutsche Sprache gut bis sehr gut zu beherrschen. 18 Pro-
188
Mediennutzung, Akkulturation und soziale Integration
zent bezeichnen ihre Fähigkeiten diesbezüglich als zufriedenstellend, 17 Prozent als gering bzw. sehr gering. Die Prozentwertverteilung und die Entwicklung der Mittelwerte in den Altersgruppen zeigen sehr gut den umgekehrten Alterstrend in der Stichprobe: Mit steigendem Alter fällt die Sprachkompetenz. Oder anders ausgedrückt: Die „Jüngeren“, die in der Regel einen größeren Anteil ihrer Lebenszeit in Deutschland zugebracht haben, sprechen im Durchschnitt besser deutsch als die „Älteren“, die auch längere Zeiten – und dies vor allem in der Jugend – in der Türkei zugebracht haben. Zwei Dimensionen, die sich auf die auf Deutschland gerichteten Informationsbedürfnisse beziehen, machen die zwei folgenden Tabellen deutlich. Tabelle 13 zeigt zunächst die Verteilung des Interesses am politischen Geschehen in Deutschland auf einer vierstufigen Selbsteinschätzungsskala. Tabelle 13:
Interesse am politischen Geschehen in Deutschland (in Prozent) Alter 14-19 Jahre 20-29 Jahre 30-39 Jahre 40-49 Jahre nw=150 nw=179 nw=88 nw=85
Gar nicht (1) Weniger (2) Etwas (3) Sehr (4) Gesamt MW (Standardabw.)
Gesamt nw=503
6 24 41 29
11 15 34 40
11 13 31 46
11 21 27 40
10 17 33 40
100
100
100
100
100
2.9 (.9)
3.0 (1.0)
3.1 (1.0)
3.0 (1.0)
3.0 (1.0)
Im Stichprobenmittel bezeichnen sich 40 Prozent der Befragten als „sehr interessiert“ am politischen Geschehen in Deutschland, 30 Prozent qualifizieren ihr Interesse als „etwas“ und lediglich 27 Prozent sagen, sie seien „weniger“ bis „gar nicht“ am deutschen politischen Geschehen interessiert. Wirft man einen kurzen Blick auf die Altersgruppen, so lassen sich vor allem zwei Gruppen gegeneinander kontrastieren: die Gruppe der 14- bis 19-jährigen und diejenige der 30- bis 39-jährigen Interviewpartner. Während in der jüngsten Altersgruppe ziemlich genau ein Viertel der Befragten angibt, sich weniger zu interessieren, liegt dieser Anteil in der Gruppe der 30- bis 39-Jährigen nur bei 15 Prozent. Die Letztgenannten sind die politisch stärker in das Geschehen involvierten türkischstämmigen Erwachsenen in dieser Stichprobe. Ein konstanter linearer Alterstrend lässt sich in der Tabelle nicht feststellen, vor
189
Integration
allem weil die zwei mittleren Gruppen sich sehr ähneln und vergleichsweise stark interessiert sind. Tabelle 14 zeigt einen Index, der die Einschätzung von neun verschiedenen medialen (türkisch- und deutschsprachigen) und interpersonalen Informationsquellen zusammenfasst. Hohe Werte im Index bedeuten, dass viele der genannten Informationsquellen durch die Befragten als „sehr wichtig“ bewertet wurden, niedrige Werte das entsprechende Gegenteil. Hier wird dieser Index als Stärke des Informationsbedürfnisses zu aktuellen Ereignissen in Deutschland interpretiert. Extremwerte in diesem Index sind selten. Nur vier Prozent der Befragten beurteilen fast alle Quellen als „gar nicht wichtig“. Das sind nur geringfügig weniger als die sieben Prozent, die sehr viele Informationsquellen als „sehr wichtig“ bezeichnet haben. Varianzunterschiede zeigen sich vor allem in den mittleren Ausprägungen des Index. Alle Mittelwerte liegen auf der vierstufigen Skala zwischen 2.6 und 2.7, die Standardabweichungen sind gering. Tabelle 14:
Mediale und interpersonale Informationsquellen zu aktuellen Ereignissen in Deutschland (Index, in Prozent) Alter 14-19 Jahre 20-29 Jahre 30-39 Jahre 40-49 Jahre nw=85 nw=150 nw=179 nw=88
Gar nicht wichtig (1) Weniger wichtig (2) Wichtig (3) Sehr wichtig (4) Gesamt MW (Standardabw.)
Gesamt nw=503
2 38 58 2
1 39 49 11
6 33 57 4
4 43 46 7
4 37 53 7
100
100
100
100
100
2.6 (.6)
2.7 (.7)
2.6 (.7)
2.6 (.7)
2.6 (.7)
Betrachtet man nur die Zeile, die den Wert „wichtig“ enthält, also viele Informationsquellen mit hohen Bewertungen repräsentiert, zeigen sich vor allem Unterschiede zwischen den ganz jungen Befragten (14 bis 19 Jahre) bzw. den 30- bis 39Jährigen und den älteren Probanden zwischen 40 und 49 Jahren (58 vs. 46 Prozent). Ein linearer Alterstrend lässt sich hier jedoch ebenfalls nicht ablesen, dafür sorgen wiederum die zwei mittleren Altersgruppen, die einen möglichen Trend durchbrechen.
190
Mediennutzung, Akkulturation und soziale Integration
Tabelle 15:
Perzipierte Interessenvertretung durch deutsche Politiker (in Prozent)1) Alter 14-19 Jahre 20-29 Jahre 30-39 Jahre 40-49 Jahre nw=150 nw=179 nw=88 nw=85
Gar nicht (1) Weniger (2) Weitgehend (3) Voll und ganz (4) Gesamt MW (Standardabw.) 1)
32 37 25 7
40 42 11 7
46 37 15 2
44 33 16 7
42 38 16 5
100
100
100
100
100
2.1 (.9)
1.8 (.8)
1.7 (.8)
1.9 (.9)
1.8 (.9)
Das Statement im Wortlaut: „Die deutschen Politiker bemühen sich im Allgemeinen darum, die Interessen der türkischen Bevölkerung in Deutschland zu vertreten.“
Tabelle 16:
Perzipierte Wahrnehmung durch deutsche Politiker (in Prozent)1) Alter 14-19 Jahre 20-29 Jahre 30-39 Jahre 40-49 Jahre nw=85 nw=150 nw=179 nw=88
Gar nicht (1) Weniger (2) Weitgehend (3) Voll und ganz (4) Gesamt MW (Standardabw.) 1)
Gesamt nw=503
Gesamt nw=503
26 50 20 5
42 39 14 5
44 38 13 5
36 31 19 13
39 39 16 6
100
100
100
100
100
2.0 (.8)
1.8 (.8)
1.8 (.9)
2.1 (1.0)
1.9 (.8)
Das Statement im Wortlaut: „Die deutschen Politiker kümmern sich darum, was Leute wie ich denken.“
80 Prozent der Befragten fühlen die Interessen der türkischen Bevölkerung „weniger“ bis „gar nicht“ durch die deutschen Politiker vertreten (Tabelle 15). Nur für ein Fünftel der Befragten ist dies „weitgehend“ bzw. „voll und ganz“ der Fall. Dabei kommen die ganz jungen Befragten noch mit dem höchsten Mittelwert vor; auf der vierstufigen Skala erreichen sie den Wert 2.1, während der Stichpro-
191
Integration
benmittelwert bei 1.8 liegt. Immerhin ein Fünftel der 14- bis 19-Jährigen fühlt sich weitgehend als Angehörige der türkischen Bevölkerung durch deutsche Politiker vertreten, das ist mit Abstand der höchste Wert in allen Altersgruppen. Die Unterschiede zwischen den anderen Gruppen sind dagegen marginal; sie entsprechen mehr oder weniger dem Stichprobenmittelwert. Die Frage danach, inwieweit deutsche Politiker wahrnehmen, was die Befragten denken, erzeugt sehr ähnliche Antworten bei den Befragten (Tabelle 16). Die Mehrheit der Stichprobe fühlt sich nicht ausreichend wahrgenommen (zusammen 78 Prozent „gar nicht“ und „weniger“). In der Gruppe der 14- bis 19-Jährigen ist diese Malaise etwas weniger stark ausgeprägt als in den anderen Gruppen. Allerdings zeigt sich bei dieser Frage auch bei den 40- bis 49-Jährigen ein positiver Durchschnittswert, der noch über demjenigen der erstgenannten Gruppe liegt. Zwei Indikatoren, die den Grad der gesellschaftlichen Interaktion – oder besser die Akzeptanz einer solchen Interaktion – zeigen, sind in den folgenden Tabellen dargestellt. Tabelle 17 zeigt die Antwort auf die Frage nach der Einstellung zum freundschaftlichen Umgang zwischen Mehrheits- und Minderheitsgesellschaft: Die Teilnehmer wurden gefragt, wie sie darüber denken, wenn ihre Landsleute viele deutsche Freunde und Bekannte haben. Tabelle 17:
Soziale Interaktion: Einstellung zu deutschen Freunden und Bekannten (in Prozent)
Viele deutsche Freunde und Bekannte …
Alter 14-19 Jahre 20-29 Jahre 30-39 Jahre 40-49 Jahre nw=85 nw=150 nw=179 nw=88
… finde ich schlecht … ist mir egal1) … finde ich gut Gesamt MW (Standardabw.) 1)
Gesamt nw=503
1 26 73
1 17 83
1 13 86
3 19 77
1 18 81
100
100
100
100
100
2.7 (.5)
2.8 (.4)
2.7 (.4)
2.8 (.5)
2.8 (.4)
Inkl. Unentschiedene.
Das Echo ist einhellig positiv. Vier Fünftel der Befragten (81 Prozent) finden eine solche soziale Interaktion gut, 18 Prozent ist es egal und lediglich ein Prozent hat keine positive Bewertung dafür übrig. Die Unterschiede zwischen den Altersgruppen sind gering, nur der Anteil der Unentschiedenen und Indifferenten unter den
192
Mediennutzung, Akkulturation und soziale Integration
14- bis 19-jährigen Befragten fällt aus dem Rahmen (26 gegenüber 18 Prozent im Stichprobendurchschnitt). Ein strengeres Kriterium für die Beurteilung sozialer Interaktion zwischen türkischer Minderheit und deutscher Mehrheitsgesellschaft ist das Thema der Ehe zwischen beiden Bevölkerungsgruppen. Tabelle 18 zeigt das Antwortverhalten auf diese Frage. Tabelle 18:
Soziale Interaktion: Einstellung zur Heirat mit Deutschen (in Prozent)
Heirat mit Deutschen…
Alter 14-19 Jahre 20-29 Jahre 30-39 Jahre 40-49 Jahre nw=150 nw=179 nw=88 nw=85
… finde ich schlecht … ist mir egal1) … finde ich gut Gesamt MW (Standardabw.) 1)
Gesamt nw=503
24 53 24
19 45 36
29 32 40
33 37 30
25 40 34
100
100
100
100
100
2.0 (.7)
2.2 (.7)
2.1 (.8)
2.0 (.8)
2.1 (.8)
Inkl. Unentschiedene.
Die positiven Beurteilungen gehen im Vergleich zu den oben thematisierten Freundschaften und Bekanntschaften deutlich zurück. Vor allem die explizit positiven Bewertungen fallen im Vergleich zur Verteilung oben stark ab: 34 gegenüber 81 Prozent. Allerdings geht der Rückgang der explizit positiven Bewertungen vor allem in Richtung Indifferenz. 40 Prozent der Befragten geben an, es sei ihnen egal, wenn ihre Landsleute Ehen mit Deutschen eingingen, 25 Prozent sind explizit dagegen bzw. fänden eine solche Entwicklung nicht gut. Auch in dieser Tabelle haben die ganz jungen Teilnehmer den höchsten Anteil an indifferenten Antworten (52 Prozent); allerdings ist auch die explizite Zustimmung mit 24 Prozent in dieser Gruppe am geringsten ausgeprägt. Als letzte Dimension der zur Verfügung stehenden Integrationsindikatoren wurde die Selbsteinschätzung des Vertrauens der Befragten in deutsche Einrichtungen und Institutionen in die Analyse aufgenommen (Tabelle 19). Bei der Beantwortung einer Frage wurden durch die Teilnehmer insgesamt neun Bewertungen hinsichtlich ihres Vertrauens in soziale, politische und administrative Organisationen
193
Integration
auf einer vierstufigen Skala vorgenommen.78 Am oberen Ende dieser „Vertrauensskala“ stehen deutsche Ärzte und Krankenhäuser mit einer Bewertung von 3.4 auf einer vierstufigen Skala von „gar nicht“ bis „sehr“, was das individuelle Ausmaß des Vertrauens betrifft. Am unteren Ende rangieren mit deutlichem Abstand die deutschen Parteien mit einem Mittelwert von 2.0. Dazwischen tut sich ein breites Mittelfeld auf, das von der deutschen Polizei und Justiz (3.1) bis zu den deutschen Gewerkschaften, der Bundeswehr und – last, not least – dem Auftraggeber der Studie, dem WDR (Mittelwert 2.6), reicht. Tabelle 19:
Vertrauen in deutsche Institutionen und Einrichtungen (Mittelwerte/Standardabweichungen)1) Alter 14-19 Jahre 20-29 Jahre 30-39 Jahre 40-49 Jahre nw=150 nw=179 nw=88 nw=85
Deutsche Ärzte Dt. Polizei /Justiz Lokale Ämter vor Ort Deutsche Schulen Soziale Einr. f. Türken Dt. Gewerkschaften Bundeswehr WDR Deutsche Parteien 1)
3.5 3.2 3.0 3.1 3.0 2.5 2.8 2.5 2.1
( .8) (1.0) ( .9) ( .9) ( .8) (1.0) ( .9) (1.0) ( .8)
3.5 3.1 3.0 3.0 2.9 2.8 2.4 2.7 1.9
( .7) (1.1) (1.0) (1.0) ( .9) (1.0) (2.4) (1.1) ( .9)
3.4 3.2 2.9 3.0 2.6 2.5 2.6 2.6 1.9
( .8) ( .9) ( .9) ( .9) (1.0) (1.0) (1.0) (1.0) ( .9)
3.4 3.2 3.2 3.1 2.7 2.6 2.5 2.7 2.0
( .7) ( .8) ( .7) (1.0) (1.1) (1.1) (1.1) (1.0) (1.1)
Gesamt nw=503 3.4 3.1 3.0 3.0 2.8 2.6 2.6 2.6 2.0
( .8) (1.0) (.9) (1.0) (1.0) (1.0) (1.0) (1.0) ( .9)
Wertebereich: 1 = gar nicht; 2 = etwas; 3 = weniger; 4 = sehr.
Die Unterschiede in den Altersgruppen sind vergleichsweise gering, sie spielen sich im Bereich von Nachkommastellen ab. Auch die gleichmäßigen Standardabweichungen sprechen nicht für große Schwankungen in der Bewertung innerhalb der Altersgruppen und zwischen der Bewertung der einzelnen Einrichtungen und Institutionen. 6.3.2 Datenverdichtung und Typenbildung Vor der Segmentation der Stichprobe durch eine automatische, hierarchische Clusteranalyse wurden zwei konfirmatorische Faktorenanalysen zur Datenverdich78 Aus Gründen der Übersicht werden in der Tabelle nur die Mittelwerte und Standardabweichungen gezeigt (vgl. dazu auch die Faktorenanalyse in Abschnitt 6.3.2).
194
Mediennutzung, Akkulturation und soziale Integration
tung durchgeführt. Diese betraf vor allem diejenigen Variablen, bei denen von einer hohen internen Überschneidung ausgegangen werden konnte – und dies in erster Line auf der Basis theoretischer Überlegungen und den Ergebnissen der BPAStudie. Die erste Faktorenanalyse betrifft zunächst die Variablen zur sozialen und politischen Integration. Die Wahrnehmung und Interessenvertretung der deutschen Politiker auf der einen und die soziale Interaktion mit der Mehrheitsgesellschaft auf der anderen Seite werden als zwei Dimensionen aufgefasst, die sich einerseits faktorenanalytisch gegeneinander abheben müssten und anderseits die Bündelung der Einzelindikatoren zu jeweils einem Faktor ermöglichen könnten. Tabelle 20 zeigt das Ergebnis der durchgeführten Faktorenanalysen im Überblick.79 Tabelle 20:
Politische und soziale Integration (Ergebnis der Faktorenanalyse) Faktorladungen
Kommunalitäten
Faktor 1: Politische Vertretung Perzipierte Interessenwahrnehmung Perzipierte Wahrnehmung
.85 .84
Erklärte Varianz (in Prozent) Eigenwert (SQ)
.72 .70 35.9 1.44
Faktor 2: Soziale Interaktion Deutsche Freunde und Bekannte Heirat mit Deutschen
.80 .80
.65 .64
Erklärte Varianz (in Prozent) Eigenwert (SQ)
31.8 1.27
Erklärte Gesamtvarianz (in Prozent)
67.7
Die zwei erwarteten Faktoren wurden durch das Verfahren identifiziert. Insgesamt konnten 68 Prozent der Ausgangsvarianz durch die Faktorenlösung erklärt werden. Die Eigenwerte der Faktoren liegen jeweils deutlich über dem Grenzwert 1. Die Indikatoren zur politischen Interessenvertretung und -wahrnehmung laden jeweils hoch auf den ersten Faktor, der in diesem Modell und für die weiteren Analysen mit 79 Durchgeführt wurden Hauptkomponentenanalysen mit Varimaxrotation (im mehrfaktoriellen Fall).
195
Integration
„politische Vertretung“ bezeichnet wird. Bei den Indikatoren zur sozialen Interaktion verhält es sich ähnlich. Der zweite Faktor, der etwa 32 Prozent der Gesamtvarianz erklärt, repräsentiert die Variablen zur sozialen Interaktion, Freundschaften und Bekanntschaften bzw. Heirat zwischen türkischer Minderheit und deutscher Mehrheit. Beide Variablen zeigen mit .8 die gleiche (relativ hohe) Faktorenladung. In diesem Modell und für die weiteren Analysen wird dieser Faktor mit „soziale Interaktion“ bezeichnet. Die zweite, ebenfalls konfirmatorische Faktorenanalyse betrifft alle Statements zum Vertrauen in deutsche Institutionen und Einrichtungen (Tabelle 21). Um diese Vertrauensdimension im folgenden Segmentationsverfahren nicht überzugewichten, wurden alle Variablen dieser Frage einer Hauptkomponentenanalyse unterzogen. Das Ergebnis mündet in einer einfaktoriellen, nicht rotierten Datenverdichtung zu einer neuen Integrationsdimension „Vertrauen in deutsche Einrichtungen“. Insgesamt erklärt dieser Faktor etwa 30 Prozent der Ausgangsvarianz aller neun Ausgangsvariablen, was einem faktoriellem Eigenwert von 2.7 entspricht. Die stärksten Faktorladungen ergaben sich dabei für das Vertrauen in die deutsche Polizei und Justiz (.69) sowie deutsche Schulen und die Bundeswehr (jeweils .60). Tabelle 21:
Vertrauen in deutsche Institutionen und Einrichtungen (Ergebnis der Faktorenanalyse) Faktorladungen
Kommunalitäten
Faktor 1: Vertrauen in deutsche Einrichtungen Deutsche Polizei/Justiz Deutsche Schulen Bundeswehr Deutsche Parteien Dt. Gewerkschaften WDR/Westdeutscher RF Lokale Ämter vor Ort Deutsche Ärzte Soziale Einr. f. Türken
.69 .60 .60 .56 .52 .52 .48 .45 .42
.48 .36 .36 .31 .27 .28 .23 .19 .18
Erklärte Varianz (in Prozent)
29.5
Eigenwert (SQ) Reliabilität (Cronbach’s Alpha)
2.65 .70
196
Mediennutzung, Akkulturation und soziale Integration
Da hier die Faktorenanalyse konfirmatorisch, mehr noch: zur Datenreduktion eingesetzt wird, wurden auch Variablen im Verfahren akzeptiert, die vergleichsweise schlechter durch den neuen Faktor repräsentiert werden. So laden die Variablen zum Vertrauen in deutsche Ämter vor Ort, deutsche Ärzte und Sozialeinrichtungen für Türken alle mit weniger als .5 auf den neu gebildeten Faktor, dies wird jedoch zugunsten der Vollständigkeit der repräsentierten Einzelvariablen in Kauf genommen.80 Abbildung 16: Entwicklung der Fehlerquadratsumme im Segmentationsverfahren 4500
600 500
3500 3000
400
2500
300
2000 1500
200
1000
Fehlerquadratsumme (Differenz)
500 0 Fehlerquadratsumme (Differenz)
Diff.
Fehlerquadratsumme
4000
7
6
2590 114
2708 117
5
4
3
2853 3041 3232 146 188 190 Anzahl Typen
2
1
3499 268
3994 495
100 0
Das Variablenset für das Segmentationsverfahren ist damit vollständig. Neben der deutschen Staatsbürgerschaft bzw. dem Wunsch, diese zu bekommen, werden als formale Variablen die Frage nach dem geplanten Daueraufenthalt und die deutsche Sprachkompetenz zur Gruppenbildung herangezogen. Die politische Integration wird durch das auf Deutschland bezogene Politikinteresse, die Bedeutung medialer und interpersonaler Informationsquellen sowie den durch die Faktorenanalyse gewonnenen Faktor „politische Vertretung“ repräsentiert. Hinzu kommen noch zwei Variablen, die in den Faktorenanalysen gewonnen wurden und die gesellschaftliche 80 Die vergleichsweise schlechte Repräsentanz einzelner Variablen im Gesamtmodell zeigt sich auch bei den Kommunalitäten. Variablen mit „schlechteren“, niedrigen Kommunalitäten wurden bewusst im Modell belassen. Der Reliabilitätskoeffizient Cronbach’s Alpha wird hier zusätzlich ausgewiesen, um die Gesamtkohärenz des Variablensets deutlich zu machen.
197
Integration
Integrationsdimension vertreten: das Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen und Einrichtungen sowie die gesellschaftliche Interaktion zwischen türkischstämmigen Migranten und deutscher Mehrheitsgesellschaft. Alle genannten Variablen wurden simultan einer hierarchischen Clusteranalyse unterzogen, nachdem ihr Wertebereich im Hinblick auf Mittelwert und Varianz standardisiert und im Hinblick auf fehlende Werte behandelt wurde.81 Die Auswahl der Gruppen erfolgte anhand des Zuwachses der Fehlerquadratsumme (Abb. 16). Die Abbildung zeigt einen deutlichen Zuwachs der Fehlerquadratsumme beim Übergang von einer Drei- zu einer Zwei-Gruppenlösung.82 Auf der Basis dieser Daten wurde entschieden, die Typologie mit drei unterschiedlichen Integrationstypen beizubehalten und im Folgenden weiter zu analysieren (Tabelle 22). Das Verfahren führte somit zu den Typen A, B und C, die im Hinblick auf die verwendeten aktiven Segmentationsdimensionen möglichst große Gruppenunterschiede zeigen, sich intern aber stark ähneln. Tabelle 22:
Integrationstypen (in Prozent) Alter 14-19 Jahre 20-29 Jahre 30-39 Jahre 40-49 Jahre nw=150 nw=179 nw=88 nw=85
Gesamt nw=503
TYP A TYP B TYP C
42 47 11
36 43 21
38 29 33
36 42 23
38 38 24
Gesamt
100
100
100
100
100
In der Gesamtstichprobe ergeben sich zwei Integrationstypen mit etwa dem gleichen Umfang. Typ A und B mit 38 Prozent (n=190 bzw. n=193) und eine kleinere 81 Durchgeführt wurden hierarchische Clusteranalysen nach dem Ward-Verfahren mit quadrierter, euklidischer Distanzmessung zwischen den Clustern. Das Verfahren sorgt für maximale Homogenität in den Gruppen und maximale Heterogenität zwischen den Gruppen. Fehlende Werte in den z-standardisierten Ausgangsvariablen wurden durch den Mittelwert der Verteilung ersetzt, um alle Fälle der Stichprobe einem der Cluster, die im folgenden als Integrationstypen interpretiert werden, zuordnen zu können. 82 Zur besseren Anschaulichkeit wurden die Differenzen zwischen den Fehlerquadratsummen der verschiedenen Gruppenlösungen berechnet. Sie zeigen, wie stark der Verlust an Varianz ist, wenn zwei bis zu diesem Schritt getrennt ausgewiesene Gruppen vereint werden (Schritt 1:500 Fälle und 500 Gruppen; Schritt 500: 500 Fälle, die sich alle in einer Gruppe befinden). Das Verfahren wurde hier (auf Grund der Entwicklung der Fehlerquadratsumme) im 497 Schritt angehalten.
198
Mediennutzung, Akkulturation und soziale Integration
Gruppe (C) mit 24 Prozent der Stichprobe. Im Hinblick auf die Altersgruppen gibt es einige Disproportionalitäten. Vor allem die zweite Gruppe (B) ist in der Gruppe der ganz jungen Befragten stark überrepräsentiert (47 Prozent im Vergleich zu 38 Prozent in der Gesamtstichprobe), während sich für den dritten Typ (C) eine starke Repräsentanz der 30- bis 39-jährigen Befragten abzeichnet (33 gegenüber 24 Prozent). Die erste Gruppe (A) ist dagegen vergleichsweise gleichmäßig in allen Altersgruppen vertreten. Das soziodemografische Profil der Gruppen wird später noch einmal kurz angesprochen, im Folgenden sollen die Gruppen zunächst im Hinblick auf die Gruppen bildenden Variablen beschrieben und gegeneinander profiliert werden.83 Betrachtet man die deutsche Staatsbürgerschaft, so profiliert sich Gruppe C am deutlichsten (Tabelle 23). Inhaber eines deutschen Passes (13 Prozent) und solche, die einen deutschen Pass anstreben (21 Prozent), sind in dieser Gruppe im Vergleich zur Gesamtstichprobe klar unterrepräsentiert. Typ B ist dagegen überproportional häufig im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft (49 zu 36 Prozent), zeigt aber nicht zusätzlich überdurchschnittlich den Wunsch, den deutschen Pass zu erwerben. Typ A hebt sich in dieser Dimension nicht vom Stichprobendurchschnitt ab, es gibt lediglich kleinere Abweichungen nach oben, was den Wunsch nach der deutschen Staatsbürgerschaft angeht – zusammengenommen 38 Prozent für „ja, sicher“ und „ja, vielleicht“ gegenüber 31 Prozent in der Gesamtstichprobe. Tabelle 23:
Staatsbürgerschaftsbesitz und Staatsbürgerschaftswunsch (in Prozent)
Kein Wunsch Ja, vielleicht Ja, sicher Deutsche Staatsbürger Gesamt
Typ A nw=190
Typen Typ B nw=193
Typ C nw=120
Gesamt nw=503
27 18 20 36
19 12 20 49
65 13 9 13
33 14 17 36
100
100
100
100 p(ơ) Ʒ2 < .001
83 Alle Tests auf Unabhängigkeit zwischen den tabellierten Variablen bzw. die berechneten EinwegVarianzanalysen sind erwartungsgemäß signifikant – schließlich sind sie die Kriterien der Gruppenbildung. Die Testergebnisse werden bei den jeweiligen Tabellen annotiert.
199
Integration
Im Hinblick auf den Bleibewunsch ist es vor allem die Gruppe, die hier als Typ A bezeichnet wird, die sich eindeutig positionieren lässt (Tabelle 24). Alle Mitglieder dieser Gruppe planen, für immer in Deutschland zu bleiben. Tabelle 24:
Bleibewunsch Deutschland (in Prozent) Typ A nw=190
Typen Typ B nw=193
Typ C nw=120
Gesamt nw=503
Nein, keine Pläne Aufenthalt für immer
100
94 6
96 4
59 41
Gesamt
100
100
100
100 p(ơ) Ʒ2 < .001
Tabelle 25:
Deutsche Sprachkompetenz: Selbsteinschätzung (in Prozent)
Sehr gering (1) Gering (2) Zufrieden stellend (3) Gut (4) Sehr gut (5) Gesamt MW (Standardabw.)
Typ A nw=190
Typen Typ B nw=193
Typ C nw=120
Gesamt nw=503
5 10 8 31 45
4 10 24 29 34
3 23 23 26 27
4 13 18 29 37
100
100
100
100
4.0 (1.2)
3.8 (1.1)
3.5 (1.2)
3.8 (1.2) p(ơ) Ʒ2 < .001
Die zwei anderen Gruppen sind in dieser Hinsicht weitaus weniger entschieden. 94 bzw. 96 Prozent der Angehörigen dieses Typs äußern keine Pläne, für immer in Deutschland zu bleiben, und verhalten sich damit spiegelbildlich zu Typ A. In Bezug auf die Sprachkompetenz zeigt schon ein Blick auf die Mittelwerte, dass sich vor allem die Gruppen A und C gegeneinander abgrenzen lassen (Tabelle
200
Mediennutzung, Akkulturation und soziale Integration
25). Gruppe A hat mit 4.0 auf der fünfstufigen Skala die höchste Selbsteinschätzung ihrer Sprachkompetenz, während Gruppe C mit 3.5 im Durchschnitt einen halben Skalenpunkt unter dem Wert von Gruppe A liegt. Der Wert von Gruppe B befindet sich dagegen ziemlich genau im Stichprobenmittel, die Prozentwerte bestätigen diese Interpretation. In Gruppe A bezeichnen 76 Prozent der Befragten ihre Deutschkenntnis als „gut“ bzw. „sehr gut“, in Gruppe C trifft dies nur auf 53 Prozent der Vertreter dieses Typs zu. In dieser Gruppe bezeichnen 26 Prozent ihre Fähigkeiten, sich in der deutschen Sprache auszudrücken, als „gering“ oder „sehr gering“ – das ist fast doppelt so viel wie der Stichprobenmittelwert. Die Gruppe, die hier als Typ B bezeichnet wird, profiliert sich nicht über die Sprachkompetenz. Die meisten Mitglieder bezeichnen ihre deutschen Sprachkenntnisse zwar als „gut“ bzw. „sehr gut“ (63 Prozent), sie liegen damit jedoch fast genau auf dem Niveau der Stichprobe (66 Prozent). Typ C zeigt das geringste Interesse am politischen Geschehen in Deutschland, wobei man ihn kaum als uninteressiert bezeichnen kann (Tabelle 26). Tabelle 26:
Interesse am politischen Geschehen in Deutschland (in Prozent)
Gar nicht (1) Weniger (2) Etwas (3) Sehr (4) Gesamt MW (Standardabw.)
Typ A nw=190
Typen Typ B nw=193
Typ C nw=120
Gesamt nw=503
11 20 24 45
1 5 46 48
23 31 26 21
10 17 33 40
100
100
100
100
3.0 (1.0)
3.4 (.6)
2.4 (1.1)
3.0 (1.0) p(ơ) Ʒ2 < .001
Fast die Hälfte der Mitglieder dieser Gruppe (47 Prozent) zeigt sich an solchen Fragen „etwas“ bzw. „sehr“ interessiert. Im Vergleich zu den beiden anderen Typen ist dieser Wert jedoch eher gering. Den Spitzenwert findet man im Vergleich der Gruppen bei Typ B. Hier interessieren sich viele Gruppenmitglieder zumindest „etwas“ (46 Prozent), die meisten jedoch „sehr“ für das politische Geschehen in Deutschland (48 Prozent); das sind zusammen 94 Prozent der Befragten in dieser Kategorie. Die Rangreihe des – auf deutsche Ereignisse bezogenen – politischen Interesses ist eindeutig: Typ B (Mittelwert 3.4), Typ A (3.0) und Typ C (2.4).
201
Integration
Was die Einschätzung medialer und interpersonaler Informationsquellen angeht, unterscheiden sich die Gruppen nicht sehr stark voneinander (Tabelle 27). Lediglich Typ C bewertet die meisten Informationsquellen in Bezug auf aktuelle Ereignisse in Deutschland als „weniger wichtig“ (49 Prozent) und setzt sich damit eindeutig vom Stichprobengesamtwert ab (37 Prozent). Tabelle 27:
Mediale und interpersonale Informationsquellen zu aktuellen Ereignissen in Deutschland (Index, in Prozent)
Gar nicht wichtig (1) Weniger wichtig (2) Wichtig (3) Sehr wichtig (4) Gesamt MW (Standardabw.)
Typ A nw=190
Typen Typ B nw=193
Typ C nw=120
Gesamt nw=503
4 34 55 8
33 59 8
9 49 38 3
4 37 53 7
100
100
100
100
2.7
(.7)
2.7
(.6)
2.4
(.7)
2.6
(.7)
p(ơ) Ʒ2 < .001
Im Durchschnitt aller Befragten bezeichnen 60 Prozent die meisten Informationsquellen als „wichtig“ bzw. „sehr wichtig“. In Gruppe B sind es 67 Prozent, in Gruppe A sind es 63 Prozent und in Gruppe C sind es 41 Prozent. Die Typen A und B sind also in dieser Hinsicht unauffällig. Typ C zeigt sich auch in Bezug auf das Vertrauen in deutsche Institutionen und Einrichtungen eher als die abgewandte Gruppe (Tabelle 28). Alle Mittelwerte – gemessen auf einer vierstufigen Skala – sind ausnahmslos niedriger als die Mittelwerte der gesamten Stichprobe. Mit anderen Worten: Das Vertrauen ist hier weniger ausgeprägt als in den anderen zwei Gruppen. Die Unterschiede zwischen den Typen A und B fallen geringer aus, obwohl auch hier ein paar einzelne „Vertrauensschwerpunkte“ festgemacht werden können. Typ (A) weist im Durchschnitt häufiger positivere Vertrauenswerte auf als Typ B (Ärzte, Polizei, Ämter). Aber auch Typ B weist einige positive Abweichungen gegenüber den Mittelwerten von Typ A und C auf (Gewerkschaften, Sozialeinrichtungen für Türken). Insgesamt zeigen aber die Vertrauensitems tendenziell in die gleiche Richtung und weisen vor allem Gruppe C als diejenigen Befragten aus, die am wenigsten Vertrauen zu deutschen gesellschaftlichen und politisch-administra-
202
Mediennutzung, Akkulturation und soziale Integration
tiven Einrichtungen haben, während Typ A und B eher positiv gegen solche Institutionen eingestellt sind. Tabelle 28:
Vertrauen in deutsche Institutionen und Einrichtungen (Mittelwerte/Standardabweichungen)1)
Deutsche Ärzte Deutsche Polizei/Justiz Lokale Ämter vor Ort Deutsche Schulen Soziale Einricht. f. Türken Dt. Gewerkschaften Bundeswehr WDR Deutsche Parteien 1)
Typ C nw=120
Gesamt nw=503
3.5 3.4 3.2 3.1 2.7 2.6 2.7 2.8 2.1
3.5 3.2 3.0 3.1 2.9 2.8 2.7 2.8 2.1
3.2 2.7 2.6 2.7 2.7 2.2 2.2 2.1 1.5
3.4 3.1 3.0 3.0 2.8 2.6 2.6 2.6 2.0
( .8) ( .9) (.8) ( .9) (1.0) (1.1) (1.0) (1.0) ( .9)
( .7) ( .9) ( .9) ( .9) ( .9) (1.0) (1.0) (1.0) ( .9)
( .9) (1.0) (1.0) (1.0) ( .9) ( .9) ( .9) (1.0) ( .8)
Wertebereich 1 = gar nicht; 2 = etwas; 3 = weniger; 4 = sehr.
Tabelle 29:
( .8) (1.0) ( .9) (1.0) (1.0) (1.0) (1.0) (1.0) ( .9)
Alle p(ơ) F < .05
Soziale Interaktion: Einstellung zu deutschen Freunden und Bekannten (in Prozent)
Viele deutsche Freunde und Bekannte … … finde ich schlecht … ist mir egal1) … finde ich gut Gesamt MW (Standardabw.) 1)
Typ A nw=190
Typen Typ B nw=193
Inkl. Unentschiedene.
Typ A nw=190
Typen Typ B nw=193
Typ C nw=120
Gesamt nw=503
1 10 90
3 26 71
17 83
1 18 81
100
100
100
100
2.9
(.3)
2.7
(.5)
2.8
(.4)
2.8
(.4)
p(ơ) Ʒ2 < .001
Insgesamt betrachtet, zeichnet sich schon an dieser Stelle eher eine negative Ausprägungstendenz der Integrationsvariablen bei Typ C ab. Dass dieser Trend in
203
Integration
einigen Einzelkategorien durchaus durchbrochen wird, zeigt Tabelle 29. Die Werte für Gruppe C entsprechen etwa dem Stichprobendurchschnitt, und dies sowohl im Hinblick auf die Mittelwerte und Standardabweichungen als auch bei den konkreten relativen Häufigkeiten. 83 Prozent in der Gruppe C finden es nach eigener Einschätzung „gut“, wenn ihre Landsleute viele deutsche Freunde und Bekannte haben, das sind etwa genauso viele wie in der Gesamtstichprobe, etwas weniger als in der Gruppe A (90 Prozent) und sogar etwas mehr, als in Gruppe B gemessen wurden (71 Prozent). In der letztgenannten Gruppe ist dafür die Zahl der Unentschiedenen und Indifferenten besonders hoch (26 Prozent). Wählt man das Kriterium für die Einstellung zur sozialen Interaktion mit der Mehrheitsgesellschaft etwas strenger – hier operationalisiert durch die Frage nach den Hochzeiten bzw. Ehen mit Angehörigen der deutschen Mehrheitsgesellschaft –, zeigt sich dagegen wieder eher das bisher schon mehrfach vorgefundene Bild (Tabelle 30). Typ C scheint eher die Gruppe mit dem niedriger ausgeprägten Integrationsstatus zu sein. Lediglich 23 Prozent der Befragten in dieser Gruppe antworten auf die Fragen nach der Heirat mit Deutschen positiv. In den anderen zwei Gruppen ist dieser Wert zum Teil erheblich höher (43 bzw. 33 Prozent). Tabelle 30:
Soziale Interaktion: Einstellung zur Heirat mit Deutschen (in Prozent)
Heirat mit Deutschen… … finde ich schlecht … ist mir egal1) … finde ich gut Gesamt MW (Standardabw.) 1)
Inkl. Unentschiedene.
Typ A nw=190
Typen Typ B nw=193
Typ C nw=120
Gesamt nw=503
22 35 43
26 41 33
31 47 23
25 40 34
100
100
100
100
2.2 ( .8)
2.1 ( .8)
1.9 ( .7)
2.1 ( .8) p(ơ) Ʒ2 < .01
Auch der Anteil der Unentschiedenen und Indifferenten ist in dieser Gruppe mit 47 Prozent am größten – ein klares Anzeichen für mehr Distanz gegenüber der deutschen Mehrheitsgesellschaft in dieser Gruppe. Im Vergleich der zwei Typen A und B scheint Typ A der vergleichsweise stärker zugewandte Typ zu sein. Der Anteilswert der zu den „interkulturellen“ Heiraten positiv eingestellten Gruppenmitglieder ist in dieser Gruppe am größten. Gruppe B orientiert sich dagegen (erneut) eher an
204
Mediennutzung, Akkulturation und soziale Integration
den Werten der Gesamtstichprobe: in der Tendenz positiv, aber wenig profiliert in den meisten Dimensionen. Tabelle 31:
Perzipierte Interessenvertretung durch deutsche Politiker (in Prozent)1)
Gar nicht (1) Weniger (2) Weitgehend (3) Voll und ganz (4) Gesamt MW (Standardabw.) 1)
Typ C nw=120
Gesamt nw=503
32 43 19 6
36 38 21 5
66 28 3 3
42 38 16 5
100
100
100
100
1.9
(.9)
2.0
(.9)
1.4
(.7)
Das Statement im Wortlaut: „Die deutschen Politiker bemühen sich im Allgemeinen darum, die Interessen der türkischen Bevölkerung in Deutschland zu vertreten.“
Tabelle 32:
1.8
(.9)
p(ơ) Ʒ2 < .001
Perzipierte Wahrnehmung durch deutsche Politiker (in Prozent)1)
Gar nicht (1) Weniger (2) Weitgehend (3) Voll und ganz (4) Gesamt MW (Standardabw.) 1)
Typ A nw=190
Typen Typ B nw=193
Typ A nw=190
Typen Typ B nw=193
Typ C nw=120
Gesamt nw=503
33 43 14 10
32 40 22 6
60 31 8 2
39 39 16 6
100
100
100
100
2.0
(.9)
2.0
(.9)
Das Statement im Wortlaut: „Die deutschen Politiker kümmern sich darum, was Leute wie ich denken.“
1.5
(.7)
1.9
(.9)
p(ơ) Ʒ2 < .001
Integration
205
Bei der Betrachtung der übrigen zwei Dimensionen zur politischen Vertretung wird die Malaise der Gruppe C noch einmal besonders deutlich (Tabelle 31 und Tabelle 32). 66 Prozent in dieser Gruppe fühlen sich nach eigener Auskunft „gar nicht“ durch deutsche Politiker vertreten. Das sind mehr als doppelt so viele wie in Gruppe A (32 Prozent). Typ A und Typ B geben etwa im gleichen Ausmaß an, dass ihre Interessen durch deutsche Politiker „weitgehend“ bzw. „voll und ganz“ vertreten werden (zusammengenommen 25 bzw. 26 Prozent), und liegen damit leicht über dem Stichprobendurchschnittswert; bei Typ C sind es lediglich 6 Prozent der Befragten. Auch die Beurteilung der Wahrnehmung durch deutsche Politiker geht erwartungsgemäß in eine ähnliche Richtung (Tabelle 32). Die Typen A und B liegen sehr nah beieinander und setzen sich durch eine insgesamt positivere Beurteilung von den Mitgliedern der Gruppe C ab. Insgesamt fühlen sich nur 10 Prozent der Befragten aus Gruppe C „weitgehend“ bzw. „voll und ganz“ von den deutschen Politikern wahrgenommen. Im Stichprobenmittel sind es relativ gesehen mit 22 Prozent mehr als doppelt so viele. Die Unterschiede zwischen den Gruppen A und B, die sich weitaus besser wahrgenommen fühlen, sind marginal und spielen sich vor allem in den Extremwerten ab. Bei Typ A etwa fühlen sich 10 Prozent „voll und ganz“ und 14 Prozent „weitgehend“ wahrgenommen, bei Typ A sind es 6 und 22 Prozent, also letztendlich etwa eine gleich große Gruppe. Aus der bivariaten Betrachtung dieser beiden Variablen sowie derjenigen zur sozialen Interaktion wird deutlich, dass eine Verdichtung zu einer gemeinsamen Dimension hier durchaus sinnvoll war. In einer Übersicht zusammengefasst, zeigt Tabelle 33 das Ergebnis der Segmentation auf der Basis derjenigen Variablen, die sich auf das Verhältnis zur deutschen Mehrheitsgesellschaft beziehen. Das Bild ist vergleichsweise eindeutig. Negativ setzt sich vor allem die hier mit Typ C bezeichnete Gruppe ab. Typ A und B repräsentieren dagegen unterschiedliche Ausprägungen zweier Gruppen, die eher als positiv eingestellt bezeichnet werden können.84 Typ B ist mehrheitlich im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft, zeigt sich politisch an Deutschland interessiert und kann als sozial interagierend bezeichnet werden. Typ A wünscht sich die deutsche Staatsbürgerschaft, plant für immer in Deutschland zu bleiben und fühlt sich durch die deutschen Politiker gut vertreten bzw. wahrgenommen. Im Hinblick auf die soziale Interaktion gleicht er Gruppe B. Mit Blick auf die theoretisch postulierten Varianten der Einstellung bzw. des Verhaltens zur Mehrheitsgesellschaft zeichnen sich also zwei eindeutig assimilativ bzw. integrativ eingestellte Typen und ein marginalisierend/separatistischer Typus ab. Da in dieser Typologie das Verhalten und die Einstellung zur bzw. die Pflege
84 Vgl. auch Trebbe/Weiß 2007: 138 sowie Trebbe 2007b.
206
Mediennutzung, Akkulturation und soziale Integration
der türkischen Herkunft nicht Typen bildend berücksichtigt wurden, lassen sich die Gruppen auf der Basis der aktiven Variablen zunächst nicht weiter differenzieren. Tabelle 33:
Die Integrationstypologie im Überblick (pos. (+) und neg. (-) Abweichungen vom Stichprobendurchschnitt) Typ A nw=190
Typ B nw=193
Typ C nw=120
Deutsche Staatsbürgerschaft Dt. Staatsbürgerschaft gewünscht Aufenthalt für immer geplant Sprachkompetenz Deutsch Politikinteresse Deutschland Politische Vertretung Informationsquellen Vertrauen in deutsche Institutionen Soziale Interaktion
Ø +++ +++ ++ Ø + Ø + +
+++ Ø --Ø ++ + + +
--------------
Rel. Häufigkeit in der Stichprobe
38%
38%
24%
Typ A nw=190
Typen Typ B nw=193
Typ C nw=120
Gesamt nw=503
45 31 25
53 13 34
39 15 45
47 20 33
100
100
100
100
Aktive Variablen der Segmentation
Tabelle 34:
Sprachgebrauch im Alltag (in Prozent)85
Integrativ (Dt./Tk. gleich) Assimilativ (mehr Dt.) Separatistisch (mehr Tk.) Gesamt
p(ơ) Ʒ2 < .001
Dies soll hier abschließend anhand des alltäglichen Sprachgebrauchs kurz analysiert werden, bevor es im nächsten Abschnitt um die Mediennutzung der Typen gehen wird (Tabelle 34). Die Tabelle zeigt eindeutig, dass die Typen A und B sich in die85 Vgl. Trebbe 2007a: 181.
Mediennutzung
207
sem Punkt deutlich unterscheiden. Beide sind zwar etwa gleich positiv zur deutschen Mehrheitsgesellschaft eingestellt und bewegen sich aktiv in ihr, Typ A ist jedoch eindeutig eher assimilativ ausgerichtet: In dieser Gruppe wird weniger Türkisch gesprochen und der Anteil der Personen, die im Alltag mehr Deutsch als Türkisch sprechen, ist in dieser Gruppe am höchsten. Typ B repräsentiert dagegen eher den integrierten Typus im Sinne der Systematik von Berry (Kapitel 4). In dieser Gruppe werden häufiger beide Sprachen kombiniert und zum Teil wird auch mehr Türkisch als Deutsch gesprochen. Die türkische Herkunft – jedenfalls in der Dimension Alltagssprache – wird bei diesem Integrationstypus stärker gepflegt. Typ C zeigt hingegen das erwartete Bild: Es wird am meisten und dominant Türkisch im Alltag gesprochen, obwohl auch hier der Prozentwert für den integrativen Sprachgebrauch mit etwa gleichen Teilen Deutsch und Türkisch mit 39 Prozent sehr hoch ist. Alltagssprachlich ist dieser Typus nicht als absolut desintegriert zu bezeichnen, nur eben im Vergleich zu den anderen eher der Herkunfts- als der Mehrheitsgesellschaft zugewandt.86 Das Ergebnis, gerade der letzten Analyse des Alltagssprachgebrauches, spricht stark für die These, dass mit einer positiven Einstellung und Handlungsweise gegenüber dem Mehrheitskontext ganz unterschiedliche Strategien der Pflege des Herkunfts- oder Minderheitenkontextes verbunden sein können, diese Dimensionen also durchaus empirisch unabhängig sein können. Diese Evidenz müsste sich also sowohl auf der Ebene der sprachgebundenen Mediennutzung als auch bei den später folgenden Kausalanalysen zur Medienwirkung auf dieses Verhalten weiter verfolgen lassen.
6.4 Mediennutzung Im Folgenden soll es nicht darum gehen, die Mediennutzung der identifizierten Integrationstypen in allen Einzelheiten zu beschreiben. Vielmehr wird auf zwei Aspekte fokussiert, die im weiteren Verlauf – insbesondere bei den Kausalanalysen – von besonderer Bedeutung sind. Erstens wird es um die Mediennutzung von Mediengattungen gehen, also um Fernsehen, Hörfunk, Tageszeitung und das Internet, denn nur so wird man zu generalisierbaren Aussagen über grundlegende Mediennutzungsstile gelangen können. Und zweitens konzentrieren sich die Analysen auf die sprachgebundene Mediennutzung, das heißt die Nutzung in deutscher oder türkischer Sprache bzw. die Kombination beider Sprachen bei der Mediennutzung.
86 Die Operationalisierung von Marginalisierung im Sinne der Abgewandtheit von beiden Kontexten lässt sich auf der Ebene der Alltagssprache und der relativen Betrachtungsweise nicht umsetzen. Die Vermeidung beider Sprachen wäre in diesem Sinne nicht als Marginalisierung zu bezeichnen.
208
Mediennutzung, Akkulturation und soziale Integration
Dabei sind es die Kombinationsmuster der sprachgebundenen Mediennutzung, die die theoretisch abgeleiteten Akkulturationsstrategien auf das Feld des Umgangs mit den Massenmedien in der Mehrheitsgesellschaft übertragen. Integrativ kann im Kontext dieser Untersuchung eine Mediennutzung bezeichnet werden, die sowohl deutsche als auch türkische Mediennutzungsvorgänge kombiniert, assimilativ ist eine Strategie, die sich auf deutschsprachige Medien beschränkt. Die separatistische Mediennutzungsstrategie bevorzugt türkischsprachige Medien – das „Mediengetto“ – und die marginalisierte Variante schließlich wäre eine Mediennutzungsstrategie, die sich von den verfügbaren Massenmedien als Ganzes abwendet, das heißt weder die eine Sprache noch die andere bevorzugt oder kombiniert, sondern gar keine Medien einer oder mehrerer Gattungen nutzt. 6.4.1 Mediengattungen Tabelle 35 zeigt zunächst, welche Medien in der Gunst der Befragten und in den Gruppen der Typologie bevorzugt werden. Als vergleichbares Maß für die Zuwendung zu den untersuchten Medien wird hier im Folgenden der Stammnutzer ausgewiesen, der in der angewandten Medien- und Marktforschung Personen bezeichnet, die ein Medium an mindestens vier Tagen einer normalen Woche nutzen. Man sieht sofort, dass das Fernsehen bei den Befragten an erster Stelle in der Mediengunst steht. Dabei ist insbesondere der Anteil derjenigen, die an mindestens vier Tagen einer durchschnittlichen Woche türkischsprachige Fernsehangebote nutzen, mit 75 Prozent sehr hoch. Deutschsprachige Fernsehangebote fallen dagegen mit 62 Prozent Stammnutzeranteil deutlich zurück. Interessant ist schon an dieser Stelle der Analyse, dass die Unterschiede zwischen den Integrationstypen, die in dieser Tabelle ausgewiesen sind, zum Teil sehr gering sind.87 Grundsätzlich kann man zum Beispiel nicht davon sprechen, dass der eher weniger gut integrierte Typ C mehr türkische Fernsehangebote nutzt als die im Hinblick auf Deutschland positiver eingestellten Typen A und B. Der Integrationsstatus schlägt sich nicht in der Nutzung des türkischen Fernsehens nieder. Lediglich für das deutsche Fernsehen kann man festhalten, dass es von den Mitgliedern der Gruppe C deutlich seltener regelmäßig genutzt wird als von den anderen zwei Gruppen. Dies deutet allerdings auf der anderen Seite schon darauf hin, dass diese zwei Nutzungsentscheidungen – deutsches und türkisches Fernsehen – voneinander unabhängig zu sein scheinen, denn die Verteilungen verlaufen nicht analog (Trebbe 2007b: 185). 87 Statistisch signifikant sind sie nur in Bezug auf die deutschsprachige Fernseh- und (etwas schwächer) Internetnutzung. In allen anderen Fällen kann man maximal von tendenziellen Unterschieden sprechen, die alle auch im Bereich zufälliger Schwankungen auftreten können. Das gilt natürlich nicht für die Unterschiede zwischen den Mediengattungen, diese sind mehr als deutlich.
209
Mediennutzung
An zweiter Stelle der Medienrangreihe folgt in dieser – ausschließlich mit Personen unter 50 Jahren besetzen – Stichprobe die Nutzung des Internets. Hier muss allerdings einschränkend in Betracht gezogen werden, dass mit der Internetnutzung auch nicht auf mediale Inhalte bezogene Kommunikationsvorgänge verbunden sind (E-Mail, Chat etc.) und dass auch drittsprachige Nutzungsvorgänge wahrscheinlich sind. 37 Prozent der Befragten geben an, regelmäßig mehr als viermal pro Woche das Internet zu nutzen. Dabei liegt der Schwerpunkt eindeutig auf der deutschsprachigen Nutzung, für türkischsprachige Internetseiten beträgt der Anteil lediglich 18 Prozent in der Gesamtstichprobe. Auch hier zeigen sich Unterschiede zwischen den Typen nur im Hinblick auf die verminderte deutschsprachige Nutzung des Typs C, türkische Internetseiten werden von allen drei Gruppen in etwa dem gleichen Ausmaß genutzt. Tabelle 35:
Mediennutzung nach Gattungen (Stammnutzer,88 Mehrfachnennung, in Prozent)
Türkisches89 Fernsehen Deutsches Fernsehen** Türkisches Radio Deutsches Radio Türkische Tageszeitung Deutsche Tageszeitung Türkische Internetseiten Deutsche Internetseiten*
Typ A nw=190
Typen Typ B nw=193
Typ C nw=120
Gesamt nw=503
71 70 11 33 20 20 18 43
78 61 16 28 17 23 20 39
77 53 8 29 22 15 17 25
75 62 12 30 19 20 18 37
**p(ơ) Ʒ2 < .01; *p(ơ) Ʒ2 < .05.
Sehr deutlich sind die Unterschiede zwischen türkischer und deutscher Nutzungsquantität beim Hörfunk. Das hat natürlich auch etwas mit Verfügbarkeit zu tun. Türkischsprachige Fernsehprogramme sind in den meisten Kabelnetzen in Nordrhein-Westfalen – häufig sogar mehrfach – vertreten oder mit geringem technischen 88 Als Stammnutzer werden im Folgenden Personen bezeichnet, die angeben, an mehr als vier Tagen einer durchschnittlichen Woche das entsprechende Medium zu nutzen. 89 Die sprachgebundene Nutzung wurde in der Umfrage nicht nach der Herkunft des Medienangebots unterschieden – so ist mit „türkischem“ bzw. „deutschem“ Medienangebot immer „türkischsprachige“ bzw. „deutschsprachige“ Mediennutzung gemeint. Beide Bezeichnungen werden im Text aus Gründen der Lesbarkeit synonym verwendet.
210
Mediennutzung, Akkulturation und soziale Integration
Aufwand via Satellit empfangbar. Für den Empfang entsprechender Hörfunkprogramme muss auf den meisten technischen Plattformen mehr Aufwand betrieben werden. Als Stammhörer türkischsprachiger Programme bezeichnen sich 12 Prozent der Befragten in der Stichprobe, für die deutschen Programme sind es mehr als doppelt so viele: 30 Prozent. Die Unterschiede zwischen den Typen sind beim deutschen Radio unbedeutend, beim türkischen Radio in der Tendenz interessanter. Typ C hat – relativ gesehen – die Hälfte des Stammhöreranteils türkischer Radioprogramme als Typ B, obwohl Typ C im Hinblick auf die Integrationsvariablen eher als der schwächer integrierte Typus beschrieben werden kann: ein weiterer Hinweis auf die tendenzielle Unabhängigkeit zwischen deutscher und türkischsprachiger Mediennutzung der Befragten in dieser Stichprobe. Die Tageszeitungsnutzung befindet sich für beide Sprachen etwa auf dem gleichen Niveau. 19 Prozent der Stichprobe sind Stammleser mindestens einer türkischsprachigen Tageszeitung, 20 Prozent nutzen regelmäßig eine deutsche Tageszeitung. Die türkische Zeitungsnutzung ist bei allen Gruppen etwa gleich verteilt, die deutschsprachige Zeitungsnutzung ist in der Gruppe C leicht unterrepräsentiert – statistisch kann die Hypothese der Unabhängigkeit für beide Mediennutzungsdimensionen nicht verworfen werden. 6.4.2 Nutzungskombinationen Einen differenzierten Blick auf die Mediennutzungsstrategien der Befragten insgesamt und auf die der Integrationstypen im Besonderen erlaubt die Analyse der Kombinationsmuster, in denen deutschsprachige und türkischsprachige Medien gleichermaßen bzw. exklusiv genutzt werden. Insbesondere aus der Perspektive der genannten Akkulturationsstrategien ist es aufschlussreich, den Umgang mit beiden Medienwelten simultan zu betrachten. Was das Fernsehen betrifft, relativiert diese Betrachtung auf der einen Seite die Dominanz der türkischen Fernsehnutzung (Tabelle 36). Die größte Gruppe in der Stichprobe wird von denjenigen gestellt, die sowohl Stammseher der deutschen als auch der türkischsprachigen Fernsehangebote sind. Auf der anderen Seite zeigt sich aber auch, dass immerhin 30 Prozent ausschließlich zur Stammseherschaft türkischsprachiger Programme gehören, das heißt zusätzlich kein weiteres deutschsprachiges Angebot mit derselben Intensität nutzen. Insgesamt 7 Prozent nutzen darüber hinaus weder deutsch- noch türkischsprachige Programme als Stammseher in einer durchschnittlichen Woche. Übersetzt in die Terminologie der Akkulturationsstrategien zeigen 45 Prozent der Befragten eine integrative, 18 Prozent eine assimilative, 30 Prozent eine separatistische und 7 Prozent eine marginalisierende Fernsehnutzung. Die Analyse der Gruppenunterschiede bestätigt die oben getroffenen Vermutungen zur Bedeutung des Fernsehens in den unterschiedlichen Integrationsgruppen. Zwar ist in der Ten-
211
Mediennutzung
denz eine stärker auf türkische Inhalte fokussierte Nutzung in der weniger gut integrierten Gruppe C festzustellen, allerdings sind diese Unterschiede zwischen den Gruppen vergleichsweise klein. Und auch aus der anderen Perspektive gilt: Die in den Integrationsdimensionen der Typologie positiver auf die deutsche Mehrheitsgesellschaft eingestellten Gruppen A und B nutzen deshalb erstens nicht deutlich häufiger das deutsche Fernsehen und wenden sich zweitens deshalb nicht unbedingt seltener den türkischen Fernsehprogrammen zu. Die hier mit Typ B gekennzeichnete Gruppe ist dabei bildlich und wortwörtlich in der Mitte zwischen den zwei extremeren Gruppen A und C zu verorten. Die Fernsehkombinationsmuster dieser Gruppen orientieren sich eher am Stichprobendurchschnitt, von dem vor allem Typ A (in Richtung deutschsprachiger Fernsehnutzung) und Typ C (in Richtung türkischsprachiger Fernsehnutzung) abweichen. Tabelle 36:
Fernsehnutzungsmuster nach Sprache (Stammnutzer, in Prozent)
Fernsehnutzung
Nur Deutsch Deutsch und Türkisch Nur Türkisch Keine Fernsehnutzung Gesamt
Tabelle 37:
Typ A nw=190
Typen Typ B nw=193
Typ C nw=120
Gesamt nw=503
23 47 24 6
17 45 32 6
12 41 36 11
18 45 30 7
100
100
100
100
Hörfunknutzungsmuster nach Sprache (Stammnutzer, in Prozent)
Hörfunknutzung
Nur Deutsch Deutsch und Türkisch Nur Türkisch Keine Hörfunknutzung Gesamt
Typ A nw=190
Typen Typ B nw=193
Typ C nw=120
Gesamt nw=503
28 5 6 61
23 5 11 61
26 3 5 66
26 4 8 62
100
100
100
100
212
Mediennutzung, Akkulturation und soziale Integration
Ganz andere Sprachkombinationen zeigen sich bei der Radionutzung (Tabelle 37). Den größten Anteil – und das gilt für alle Befragten ebenso wie für die drei Integrationstypen – hat die Gruppe der Nichthörer. 62 Prozent der Befragten hören weder deutsches noch türkischsprachiges Radio an mindestens vier Tage einer normalen Woche. Die für alle analog und terrestrisch verfügbaren, deutschsprachigen Radioprogramme erreichen einen Stammhöreranteil von 26 Prozent – Unterschiede zwischen den Gruppen zeigen sich nicht. Das gilt auch für die Kombination deutscher und türkischer Radionutzung (4 Prozent) sowie die ausschließliche Nutzung türkischer Radioprogramme (8 Prozent). So gesehen ist das Radio das Medium, das am stärksten assimilativ, das heißt ausschließlich in einer Sprache genutzt wird. Allerdings kann man die Bedeutung des Hörfunks im Hinblick auf die Gesamtpopulation der türkischstämmigen jungen Erwachsenen in Nordrhein-Westfalen nur als marginal bezeichnen. Viel stärker polarisiert dagegen die Tageszeitungsnutzung in deutscher bzw. türkischer Sprache – dies allerdings ebenfalls in einem marginalen Publikumssegment von nur 33 Prozent, das regelmäßig eine Tagezeitung liest (Tabelle 38). Und darüber hinaus verläuft diese Polarisierung durch alle drei Integrationsgruppen gleichermaßen. Tabelle 38:
Tageszeitungsnutzungsmuster nach Sprache (Stammnutzer, in Prozent)
Tageszeitungslektüre
Nur Deutsch Deutsch und Türkisch Nur Türkisch Keine Zeitungsnutzung Gesamt
Typ A nw=190
Typen Typ B nw=193
Typ C nw=120
Gesamt nw=503
14 5 15 66
19 4 14 65
8 8 13 71
14 6 14 67
100
100
100
100
In der Stichprobe bezeichnen sich jeweils 14 Prozent als Stammleser einer deutschbzw. türkischsprachigen Tageszeitung. Die Mitte, das heißt die Kombination beider Sprachen, fällt dagegen mit 6 Prozent deutlich zurück. 67 Prozent lesen weniger als an vier Tagen einer durchschnittlichen Woche eine Tageszeitung, weder in deutscher noch in türkischer Sprache. Damit ist die Tageszeitung eindeutig die Mediengattung mit der geringsten Reichweite in der Population der jüngeren, türkischstämmigen Minderheit. Ebenso wie beim Hörfunk gilt für die Tagespresse eine
213
Mediennutzung
geringe Varianz zwischen den Gruppen. In der Tendenz liest vor allem der Typ C grundsätzlich weniger Zeitung und in diesem Zuge auch weniger häufig ausschließlich eine deutsche Tageszeitung – signifikant sind diese Unterschiede bei diesen Fallzahlen allerdings nicht. Im Vergleich zu den althergebrachten, konventionellen Massenmedien nimmt das Internet bei den Befragten eine Sonderstellung ein (Tabelle 39). Insgesamt liegt die Reichweite mit 42 Prozent über derjenigen des Hörfunks und auch der Tagespresse, allerdings sind hier zum einen Überschneidungen sehr wahrscheinlich (Onlineangebote von Tageszeitungen und Web-Radios) und zum anderen können unter der Bezeichnung „Internetseiten“ auch andere Dienste in Zusammenhang stehen, die nicht als vergleichbare Mediennutzungsvorgänge beschrieben werden können (Chats, Communities etc.). Tabelle 39:
Internetnutzungsmuster nach Sprache (Stammnutzer, in Prozent)
Internetnutzung
Nur Deutsch Deutsch und Türkisch Nur Türkisch Keine Internetnutzung Gesamt
Typ A nw=190
Typen Typ B nw=193
Typ C nw=120
Gesamt nw=503
29 14 4 53
24 15 5 56
13 13 4 71
23 14 5 58
100
100
100
100
23 Prozent der Befragten bevorzugen deutschsprachige Internetseiten, 5 Prozent sind ausschließlich Stammnutzer türkischer Angebote. 14 Prozent mischen die Internetnutzung in beiden Sprachen. Zusammen mit den anderen Daten zur Kombination deutsch- und türkischsprachiger Medienangebote zeichnet sich für Gruppe C eher eine marginalisierende als eine separatistische Mediennutzungsstrategie ab: Die Auswahl der Medien ist häufig marginal und nicht eindeutig auf das Türkische festgelegt. Im Hinblick auf die Internetnutzung bedeutet das zum Beispiel, dass zwar weniger deutschsprachige Angebote genutzt, aber eben im Gegenzug nicht unbedingt überproportional mehr türkischsprachige Internetseiten aufgerufen werden. Typ C hat mit 71 Prozent Nichtnutzung in diesen zwei Sprachen die geringste Affinität zu diesem Medium. Die Gruppen A und B unterscheiden sich hingegen kaum in ihren OnlineKombinationsstrategien und sind in der Folge auch näher am Durchschnitt der
214
Mediennutzung, Akkulturation und soziale Integration
Gesamtstichprobe. Exklusiv deutsche Internetnutzung dominiert, gefolgt von der Kombination deutschsprachiger und türkischsprachiger Onlineangebote. Fasst man – in einem letzten Schritt – die Mediengattungen zusammen, nivellieren sich erwartungsgemäß die Unterschiede zwischen den einzelnen Mediengattungen (Tabelle 40). Die gemischte, deutsch- und türkischsprachige Nutzung bekommt über alle Medien hinweg einen noch größeren Stellenwert (60 Prozent) und die assimilative bzw. separatistische Konzentration auf eine Sprache nimmt in der Gesamtstichprobe für beide Sprachen deutlich ab. So sinkt etwa der Anteil der ausschließlich türkischsprachigen, regelmäßigen Mediennutzung von 30 Prozent beim Fernsehen auf 20 Prozent, wenn man alle Medien gleich behandelt. Das bedeutet nichts anderes, als dass die monolinguale Nutzung einer Mediengattung durch die anderssprachige und kombinierte Nutzung anderer Mediengattungen ergänzt wird. Trotz allem ist ein Anteil von einem Fünftel der Stichprobe für die ausschließliche Mediennutzung türkischer Medienangebote im Vergleich zu den Reichweiten der anderen Medien vergleichsweise hoch. Und dies ist keineswegs nur in der vermeintlich weniger stark integrierten Gruppe des Typs C der Fall. Für die Gruppen A und B spielen türkischsprachige Medienangebote über alle Gattungen hinweg eine ähnlich relevante Rolle. Tabelle 40:
Gesamtmediennutzungsmuster nach Sprache (Stammnutzer, in Prozent)
Mediennutzung gesamt1) Nur Deutsch Deutsch und Türkisch Nur Türkisch Keine Mediennutzung Gesamt 1)
Typ A nw=190
Typen Typ B nw=193
Typ C nw=120
Gesamt nw=503
18 62 17 3
16 61 21 2
13 58 24 5
16 60 20 3
100
100
100
100
Zusammenfassungen der Mediengattungen Fernsehen, Hörfunk, Tageszeitung und Internet.
Zusammen mit den Ergebnissen für die Mediengattungen im Einzelnen kann man einige Kernbefunde zur Mediennutzung der Integrationstypen festhalten, bevor die Zusammenhänge zwischen Akkulturationsstrategien und Medienauswahl näher analysiert werden: (1) Der Stellenwert der Mediengattungen unter den türkischstämmigen Erwachsenen ist in der Stichprobe eindeutig bestimmbar. Das Fernsehen ist das reichweitenstärkste Medium mit einem Stammnutzeranteil von insgesamt 83 Pro-
Zusammenhänge
215
zent, dann folgt die Nutzung von Internetseiten (42 Prozent), das Radio (38 Prozent) und die Tageszeitung (33 Prozent). (2) Die Unterschiede in der sprachlich gebundenen Mediennutzung sind sehr groß. Das Fernsehen wird eher kombiniert, das heißt in beiden Sprachen gleichermaßen genutzt (45 Prozent). Bei der Internet- und der Hörfunknutzung dominieren – abgesehen von der großen Zahl der Nichtnutzer – deutsche Angebote und Programme (23 bzw. 26 Prozent). Die Tageszeitung polarisiert: Zwei gleich große Gruppen nutzen entweder exklusiv die deutsche oder die türkische Presse (jeweils 14 Prozent) (3) Die Unterschiede in der Medienauswahl und -kombination zwischen den Integrationstypen sind marginal. Große, eindeutige Unterschiede bestehen lediglich bei der Fernsehnutzung. Die weniger integrierte Gruppe C nutzt weniger regelmäßig deutschsprachige Fernsehprogramme. Alle anderen Medien und Medienkombinationen sind vergleichsweise unterschiedslos in allen drei Gruppen vertreten. Insbesondere die türkischsprachige Mediennutzung ist nicht auf den schlechter integrierten Typ C beschränkt – in allen Gruppen werden in etwa dem gleichen Umfang Medien in der Herkunftssprache kombiniert. Insbesondere der letzte Punkt wird noch einmal zu betrachten sein, wenn im Folgenden die Akkulturationsstrategien im Zusammenhang mit der Mediennutzung näher in Augenschein genommen werden. Zur Erinnerung: Die Typen, die hier vorstehend beschrieben wurden, basieren auf Untersuchungsdimensionen, die sich ausschließlich auf das Verhältnis zur und die Interaktion mit der Mehrheitsgesellschaft beziehen, also zunächst unberücksichtigt lassen, wie das Verhältnis zur Herkunftsgesellschaft und -kultur der Türkei ist. Sollte sich Mediennutzung als analog zu anderen Verhaltensdimensionen herausstellen – wofür es bereits einige empirische Hinweise gibt –, so spricht Einiges dafür, dass erstens die Akkulturationsstrategien der Befragten stärkere Zusammenhänge mit ihrer Mediennutzung aufweisen und zweitens zu jedem der hier identifizierten Typen mindestens zwei „Subtypen“ mitgedacht werden müssen, nämlich jeweils einer mit einer positiven und einer negativen Einstellung zur Herkunftsgesellschaft – doch darüber ist bisher noch nichts gesagt worden.
6.5 Zusammenhänge Im Folgenden werden bivariate, ungerichtete Zusammenhänge zwischen Mediennutzung und Akkulturationsverhalten näher untersucht. Die Grundlage der Mediennutzungsvariablen bilden dabei die Antworten auf die Frage, die zur Identifikation der Stammnutzer herangezogen wurden. In der sogenannten „Frequenzfrage“
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Mediennutzung, Akkulturation und soziale Integration
wurden die Befragten gebeten anzugeben, an wie vielen von sieben Tagen einer normalen Woche sie fernsehen, Radio hören, Zeitung lesen oder Internetseiten nutzen – dies jeweils getrennt für beide Sprachen Türkisch und Deutsch. Im Gegensatz zur Stammnutzung (mindestens vier von sieben Tagen) wird für die folgenden Analysen die gesamte Varianz der Variablen genutzt. Da sich das zweidimensionale Akkulturationsschema weder theoretisch noch empirisch auf einem (einzigen) Kontinuum abbilden lässt, werden mehrere Mediennutzungsindices simultan betrachtet. Tabelle 41 zeigt die Mediennutzungsindikatoren und ihre internen Korrelationen.90 Betrachtet man zunächst ganz einfach die Anzahl der Tage einer normalen Woche, an denen türkische bzw. deutsche Medien (Fernsehen, Radio, Tageszeitung, Internetseiten) genutzt werden, zeigt sich kein Zusammenhang. Die rein quantitative Zuwendung zu den Medien in der Mehrheitssprache ist unabhängig von der Mediennutzung in der Minderheitensprache – der Umfang der türkischen Mediennutzung hat keinen Einfluss auf den Umfang der deutschen Mediennutzung und vice versa. Betrachtet man jedoch beide Mediennutzungsvorgänge relational, indem man sie gegeneinander saldiert, zeigen sich überraschende Zusammenhänge. Der Indikator in der dritten Zeile in Tabelle 41 (Türkisch > Deutsch) nimmt hohe Werte an für Personen, die ein positives Saldo im Verhältnis türkischer Mediennutzung zu deutscher Mediennutzung haben, also tendenziell mehr türkische als deutschsprachige Medien nutzen (Personen mit negativem Saldo wurde der Wert 0 zugewiesen). Es ist nur folgerichtig, dass dieser Indikator mit der türkischen Mediennutzung stark positiv (.50) und mit der deutschsprachigen Mediennutzung stark negativ korreliert (-.60). Mit dem zweiten Indikator, der analog für die deutschsprachige Mediennutzung gebildet wurde, verhält es sich entsprechend. Je höher der Saldo für deutsche Medien zulasten türkischer Medien ausfällt, desto niedriger ist die türkische (-.51) und desto höher die deutschsprachige Mediennutzung (.72). Beide Indikatoren sind – erwartungsgemäß – miteinander negativ korreliert (-.48), da sie spiegelbildlich aus den gleichen Ursprungsvariablen berechnet wurden.91 Wesentlich interessanter ist dagegen der fünfte Indikator zur kombinierten, türkisch- und deutschsprachigen Mediennutzung. Die letzte Zeile der Tabelle zeigt Korrelationen für eine Variable, die hohe Werte annimmt, wenn die Nutzung in beiden Sprachen möglichst ausgeglichen ist, und niedrige Werte zeigt, wenn die
90 Soweit nicht anders beschrieben, handelt es sich um Produkt-Moment-Korrelationen nach Pearson. Die Signifikanzen beziehen sich auf ihre Verschiedenheit von „0“. 91 Da jeweils etwa die Hälfte der Kovarianz nivelliert wurde (negative Saldi wurden mit „0“ codiert), erklärt sich auch der Betrag des Koeffizienten. Er liegt erwartungsgemäß etwa bei der Hälfte der vollständigen Determinierung bzw. Identität beider Variablen.
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Zusammenhänge
Nutzung stark zugunsten der einen oder anderen Sprache ausfällt.92 In Bezug auf diesen Indikator zeigen sich einige aufschlussreiche Zusammenhänge, etwa je ausgeglichener das Verhältnis beider Sprachen bei der Mediennutzung ist, desto erstens mehr türkischsprachige Medien werden genutzt (.16) und desto zweitens geringer ist der Umfang der deutschsprachigen Mediennutzung (-.31). Mit anderen Worten: Eine integrative, zwischen beiden Sprachen ausgewogene Mediennutzung kommt vor allem dann zustande, wenn der Umfang der deutschsprachigen Mediennutzung (noch) nicht allzu groß ist.93 Tabelle 41:
Korrelationsmatrix der Mediennutzungsvariablen
Mediennutzung1) (Tage/Woche) nw=503 Türkisch Deutsch Türkisch > Deutsch Deutsch > Türkisch Türkisch = Deutsch 1)
Türkisch 1.0 .06 (ns) .50*** -.51*** .16***
Mediennutzung (Tage/Woche) Deutsch Türkisch Deutsch > Deutsch > Türkisch
1.0 -.60*** .72*** -.31***
1.0 -.48*** -.26***
1.0 -.72***
Türkisch = Deutsch
1.0
Zusammenfassungen der Mediengattungen Fernsehen, Hörfunk, Tageszeitung und Internet. ***= p(ơ) Ʊ < .001; ns = nicht signifikant.
Mit den zwei anderen saldierten Indikatoren korreliert dieser Indikator wiederum erwartungsgemäß negativ: Während die zwei anderen (Türkisch > Deutsch bzw. Deutsch > Türkisch) hohe Werte annehmen, wenn die Nutzung einer Sprache stark bevorzugt wird, zeigt der letzte hier und im Folgenden benutzte Indikator hohe Werte für eine möglichst ausgeglichene Nutzung von Medien beider Sprachen. Beide Korrelationen sind hochsignifikant, auch wenn die Korrelationsstärke zeigt, dass eine „deutschlastige“ Mediennutzung stärker auf Kosten türkischer Mediennutzungsvorgänge geht als umgekehrt – die Korrelation ist fast dreimal so stark. Damit stehen für die folgenden bivariaten und multivariaten Analysen immerhin fünf zwar zusammenhängende, aber doch sehr unterschiedliche Mediennutzungsverhaltensweisen abbildende Indikatoren zur Verfügung. Insbesondere die 92 Es handelt sich um den Betrag der Differenz der zwei Variablen zur türkischen bzw. deutschen Mediennutzung (in Tagen). Der Indikator hat den Wert 0, wenn die Nutzung in beiden Sprachen gleich groß ist und negative Werte, wenn eine Sprache mehr Nutzungstage als die andere aufweist. 93 Um Missverständnisse zu vermeiden: Es geht hier noch nicht um Kausalitäten, alle Aussagen gelten natürlich in beide Richtungen. So kann man mit der gleichen Evidenz alle Zusammenhänge auch umgekehrt formulieren.
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Mediennutzung, Akkulturation und soziale Integration
Saldierung deutsch- und türkischsprachiger Mediennutzungsvorgänge macht es dabei möglich, die vier Akkulturationsstrategien auf der Ebene der Mediennutzung quantitativ zu operationalisieren: (1) Integrative Mediennutzung steht für ein Gleichgewicht beider Sprachen; (2) Assimilation steht für den Überhang deutschsprachiger Mediennutzung; (3) Separation steht analog für den Überhang der türkischen Mediennutzung und (4) Marginalisierung für die rein quantitativ schwache Ausprägung der Mediennutzung in beiden Sprachen. 6.5.1 Alltagssprache In der Umfrage wurde der Alltagssprachgebrauch in drei verschiedenen Situationen abgefragt: zu Hause in der Familie, in der Freizeit mit Freunden und Bekannten und am Arbeitsplatz oder in der Schule. Auf einer fünfstufigen Skala konnte jeweils angegeben werden, ob nur bzw. mehr türkisch, beides gleich viel oder nur bzw. mehr deutsch in diesen Situationen gesprochen wird. Für die folgende Analyse wurden die Antworten auf diese Fragen zu einem Index zusammengefasst und dann in die Dimensionen Umfang des türkischen Sprachgebrauchs und des deutschen Sprachgebrauchs (ohne weitere Einschränkungen), mehrheitlich exklusiver türkischer bzw. deutscher Sprachgebrauch und ausgewogener, gleichgewichtiger Sprachgebrauch aufgeteilt. Die Korrelationen mit den Mediennutzungsindices zeigt Tabelle 42. Die Zusammenhänge zwischen beiden Dimensionen verhalten sich proportional im Hinblick auf den Sprachgebrauch. Hohe türkischsprachige Mediennutzung und intensiver türkischer Sprachgebrauch im Alltagsleben entsprechen sich (.12). Das Gleiche gilt für die deutsche Sprache (.42). Die Korrelationen über die Sprachgrenzen hinweg sind zum Teil noch höher und umgekehrt proportional (-.50 bzw. -.19). Allerdings fällt sofort auf, dass die entsprechenden Korrelationen für die zwischen deutschsprachiger Mediennutzung und Sprachgebrauch im Alltag zum Teil deutlich stärker ausfallen, als das für die entsprechenden türkischsprachigen Variablen der Fall ist. Da die deutsche Sprache für viele der Befragten ohne Zweifel sowohl ihre Medienumwelt als auch ihren Alltag bestimmt, ist dieser Befund jedoch plausibel. Etwas stärker gleichen sich die Korrelationen an, wenn man die Variablen betrachtet, die die relationale Nutzung der jeweiligen Sprache beschreiben. Die Vorzeichen, dass heißt die Richtungen der Zusammenhänge sind – erwartungsgemäß – unverändert, die Korrelationen werden jedoch insbesondere für die einseitig türkische Mediennutzung stärker. Mit dem Umfang dieser auf eine Sprache konzentrierten Mediennutzung steigt auch die exklusive Nutzung dieser Sprache im Alltag und dies gilt für die türkische Sprache (.36) in etwa dem gleichen Umfang wie für die deutsche Sprache (.49).
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Zusammenhänge
Tabelle 42:
Korrelationen zwischen Mediennutzung und Sprachgebrauch
Mediennutzung1) (Tage/Woche) nw=503
Türkisch
Türkisch Deutsch Türkisch > Deutsch Deutsch > Türkisch Türkisch = Deutsch
.12** -.50*** .42*** -.41*** .12**
1)
Sprachgebrauch im Alltag Deutsch Türkisch Deutsch > Deutsch > Türkisch -.19*** .42*** -.32*** .45*** -.25***
.05 (ns) -.43*** .36*** -.31*** .06 (ns)
-.24*** .38*** -.27*** .49*** -.32***
Türkisch = Deutsch
.05 (ns) .20*** -.17*** .07 (ns) .06 (ns)
Zusammenfassungen der Mediengattungen Fernsehen, Hörfunk, Tageszeitung und Internet. **= p(ơ) Ʊ < .01; ***= p(ơ) Ʊ < .001; ns = nicht signifikant.
Für den Grad der Ausgewogenheit zwischen beiden Sprachen bei der Mediennutzung und im Alltag lässt sich keine direkte Korrelation festhalten. Die letzte Spalte der Tabelle zeigt, für welche Mediennutzungsvariablen Zusammenhänge mit einem ausgewogenen Sprachgebrauch im Alltag bestehen. Eine hohe deutschsprachige Mediennutzung und ein bilingualer Sprachgebrauch sind positiv verbunden (.20). Ein negativer Zusammenhang existiert für den mehrheitlich türkischen Sprachgebrauch (-.17). Keine wechselseitigen Einflüsse zeigen sich für den reinen Umgang der türkischen Mediennutzung, die mehrheitlich deutschsprachige Mediennutzung und – wie beschrieben – die ausgewogen gemischte Mediennutzung in beiden Sprachen. Die Analyse zeigt deutlich, dass Alltagssprache und Mediennutzung sehr eng miteinander verbunden sind. Allerdings sind die Zusammenhänge zwischen Deutsch und Türkisch in diesen beiden Dimensionen nicht symmetrisch. Die türkischsprachige Mediennutzung zeigt weitaus geringere Zusammenhänge mit dem Alltagssprachgebrauch als die deutschsprachige Mediennutzung. Ein weiteres starkes Indiz dafür, dass die Pflege beider Kulturen und die Bewegung in beiden Kontexten – dem deutschen und dem türkischen – nicht zulasten des jeweils anderen gehen, jedenfalls nicht im Falle von Sprache und Mediennutzung. Die Zusammenhänge für den deutschen Lebensalltag sind weitaus komplexer, als mit einem einfachen Konkurrenz- oder Komplementaritätsmodell darstellbar. Besonders in der hier beschriebenen und analysierten jüngeren Population der unter 50-jährigen türkischstämmigen Erwachsenen ist die Bewältigung des deutschsprachigen Alltags auch mit deutschsprachiger Mediennutzung verbunden, dieser ist jedoch nur geringfügig mit einer übermäßigen Pflege der türkischen Sprache verknüpft.
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Mediennutzung, Akkulturation und soziale Integration
6.5.2 Soziale Interaktion Geht man für die soziale Interaktion mit Freunden und Bekannten analog vor, zeigen sich die im Folgenden dargestellten Zusammenhänge (Tabelle 43).94 Tabelle 43:
Korrelationen zwischen Mediennutzung und sozialer Interaktion
Mediennutzung1) (Tage/Woche) nw=503 Türkisch Deutsch Türkisch > Deutsch Deutsch > Türkisch Türkisch = Deutsch 1)
Türkisch .11* .05 (ns) -.04 (ns) -.07 (ns) .11*
Umgang mit Freunden/Bekannten Deutsch Türkisch Deutsch > Deutsch > Türkisch -.04 (ns) .46*** -.34*** .35*** -.12**
.04 (ns) -.39*** .29*** -.30*** .10*
-.15** .20*** -.13** .29*** -.22***
Türkisch
= Deutsch
.04 (ns) .29*** -.23*** .16*** .01 (ns)
Zusammenfassungen der Mediengattungen Fernsehen, Hörfunk, Tageszeitung und Internet. *= p(ơ) Ʊ < .05; **= p(ơ) Ʊ < .01; ***= p(ơ) Ʊ < .001; ns = nicht signifikant.
Der obere linke Quadrant der Tabelle macht zunächst deutlich, dass sprachgebundene Mediennutzung und der Umgang mit Freunden und Bekannten unterschiedlicher Herkunft linear verknüpft sind. Türkischsprachige Mediennutzung und soziale Interaktion mit Freunden türkischer Herkunft hängen positiv zusammen, wenn auch in vergleichsweise schwacher Ausprägung (.11). Wesentlich stärker ist die Verbindung zwischen deutschsprachiger Mediennutzung und Umgang mit Deutschen (.46). Das ist der stärkste Zusammenhang in der gesamten Matrix dieser Variablengruppen. Im Grundsatz scheint die Intensität, mit der die Befragten Freunde gleicher Herkunft treffen, nur gering mit ihrer (sprachgebundenen) Mediennutzung verbunden zu sein. Die Korrelationen der ersten Spalte in Tabelle 43 sind sämtlich sehr schwach bzw. nicht signifikant. Die relationalen Indikatoren, also die jeweils mehrheitliche Mediennutzung bzw. Interaktion in der türkischen bzw. deutschen Sprache sind auch hier wiederum stärker ausgeprägt. Dabei zeigen die Korrelationen plausible Vorzeichen: Mediennutzung und soziale Interaktion entsprechen sich in der sprachlichen Bindung. Die Stärke der mehrheitlich türkischsprachigen Mediennutzung korreliert positiv mit der mehrheitlich türkischsprachigen Interaktion (.29). Für die deutschsprachige Variante des Zusammenhangs gilt das Gleiche (.29). Mehrheitlich deutschsprachige Mediennutzung korreliert negativ mit mehrheitlich türkischsprachigem Bekanntenkreis 94 Die Befragten wurden gebeten, jeweils für türkische bzw. deutsche Freunde und Bekannte die Häufigkeit ihres Umgangs auf einer sechsstufigen Skala anzugeben.
Zusammenhänge
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(-.30) und schließlich hängt die mehrheitlich türkischsprachige Mediennutzung negativ mit der sozialen Interaktion mit Deutschen zusammen, wenn auch nicht so stark ausgeprägt wie die anderen (-.13). Ein Gleichgewicht zwischen türkischstämmigen und deutschen Freunden und Bekannten hängt am stärksten mit der absoluten deutschsprachigen Mediennutzung zusammen (.29). Aber auch eine relational stärker deutschsprachige Inhalte bevorzugende Mediennutzung zeigt einen positiven Zusammenhang (.16), während ein negativer Zusammenhang zwischen einer mehrheitlich türkischsprachigen Mediennutzung und einem ausgewogenen Freundeskreis beobachtet werden kann (-.23). Der einfache und plausible Analogismus von Freundeskreis und Mediennutzung existiert auf der Ebene der integrativen, ausgewogenen Akkulturationsstrategien so nicht: Die entsprechende Korrelation (.01) ist die schwächste der gesamten Matrix und nicht signifikant von 0 verschieden. Ähnlich wie bei der Korrelationsanalyse von Sprachgebrauch und Mediennutzung kann man auch bei der sozialen Interaktion den Eindruck gewinnen, dass die „Grundeinstellung“, der „Startpunkt“, eine hohe Interaktion mit türkischen Freunden und Bekannten ist, die wenn, dann nur schwach mit der Nutzung türkischsprachiger Medien einhergeht. Anders die deutschsprachige Mediennutzung – sie zeigt stärkere Zusammenhänge, und dies sowohl mit der absoluten Intensität des Umgangs mit Deutschen als auch darauf bezogen, wie stark beide Kontexte im Freundeskreis vertreten sind. Oder etwas allgemeiner ausgedrückt: Die entsprechenden, auf den deutschen Kontext und Alltag ausgerichteten Handlungsfelder beeinflussen sich weitaus stärker gegenseitig, als dies auf die türkischen und türkischsprachigen Handlungsfelder zutrifft. Hinzu kommt noch, dass der absolute Betrag, das heißt der reine Umfang der Bewegung im türkischen Kontext, nahezu unabhängig von den Verhaltensweisen im und den Strategien gegenüber dem deutschsprachigen Mehrheitskontext beschrieben werden kann – ein Befund, der im Zuge der Kausalanalysen noch einmal aufgegriffen werden wird. 6.5.3 Politisches Interesse Die Zusammenhänge zwischen politischem Interesse und Mediennutzung sind insgesamt weniger stark ausgeprägt, als dies bei den anderen Akkulturationsdimensionen der Fall ist. Absolut gesehen beeinflusst das politische Interesse für die Türkei dasjenige für das politische Geschehen in Deutschland nicht, genauso wie im umgekehrten Fall sind die entsprechenden Koeffizienten nicht signifikant. Die stärkste Korrelation zeigt sich für den Zusammenhang zwischen dem Umfang der mehrheitlich deutschsprachigen Mediennutzung und der Stärke des mehrheitlich auf Deutschland bezogenen politischen Interesses (.20). Entsprechende, wenn auch etwas weniger stark ausgeprägte Korrelationen zeigen sich auch für die anderen Zusammenhänge zwischen relationaler, mehrheitlich auf eine Sprache
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Mediennutzung, Akkulturation und soziale Integration
bezogener Mediennutzung und dem Ausmaß, in dem sich das politische Interesse mehrheitlich auf eines der beiden Länder bezieht. Die Vorzeichen der Korrelationen im mittleren Quadranten der Tabelle sind insofern plausibel und entsprechen den Erwartungen. Negative Korrelationen zeigen sich wiederum zwischen der Stärke der integrativen, ausgewogenen Mediennutzung und dem Politikinteresse für Deutschland und dies sowohl absolut (-.12) als auch relativ zum auf die Türkei bezogenen politischen Interesse (-.14). Je stärker also türkische und deutsche Medien durch die Befragten kombiniert werden, desto eher geht dies zulasten des politischen Interesses für Deutschland, während sich für das auf die Türkei bezogene politische Interesse ein entsprechender Effekt nicht zeigt.95 Tabelle 44:
Korrelationen zwischen Mediennutzung und politischem Interesse
Mediennutzung1) (Tage/Woche) nw=503 Türkisch Deutsch Türkisch > Deutsch Deutsch > Türkisch Türkisch = Deutsch 1)
Türkisch .10* .01 (ns) .07 (ns) -.03 (ns) -.02 (ns)
Politisches Interesse Deutsch Türkisch Deutsch > Deutsch > Türkisch .07 (ns) .19*** -.04 (ns) .14** -.12**
-.04 (ns) -.18*** .10* -.11* .04 (ns)
-.11* .14** -.10* .20*** -.14**
Türkisch = Deutsch
.11* .06 (ns) -.01 (ns) -.05 (ns) .06 (ns)
Zusammenfassungen der Mediengattungen Fernsehen, Hörfunk, Tageszeitung und Internet. *= p(ơ) Ʊ < .05; **= p(ơ) Ʊ < .01; ***= p(ơ) Ʊ < .001; ns = nicht signifikant.
Wie stark sich das politische Interesse gleichermaßen auf beide Länder bezieht, steht kaum im Zusammenhang mit der sprachgebundenen Mediennutzung. Lediglich mit dem absoluten Umfang der türkischsprachigen Mediennutzung zeigt sich ein schwach signifikanter Koeffizient (.11). 6.5.4 Informationsquellen Die Bewertung medialer Informationsquellen erfolgte in der Befragung getrennt nach Informationen über die Türkei und Deutschland. Tabelle 45 und Tabelle 46 zeigen deshalb getrennt für beide Informationsbereiche die Korrelationen zwischen 95 Das politische Interesse für Deutschland und jenes für die Türkei sind im Grundsatz eng verbunden. Die Korrelation zwischen beiden Indikatoren beträgt .63 (***). Es handelt sich also nicht um gegenläufige, sondern eher um parallele Interessen.
223
Zusammenhänge
Mediennutzung und Quellen- bzw. Medienbewertung. Im Grundsatz verhalten sich die zwei Korrelationsmatrizen allerdings analog – ganz gleich, auf welchen Kontext sich die gesuchten Informationen beziehen: Die sprachgebundene Mediennutzung hängt positiv mit einer positiven Relevanzeinschätzung der entsprechenden Medien zusammen. So beträgt der Zusammenhang zwischen dem Umfang der türkischsprachigen Mediennutzung und der Einschätzung türkischer Medien als wichtige Informationsquelle .3, wenn es um Informationen über die Türkei geht, und .24, wenn es sich um Informationen über Deutschland handelt. Für die deutschen Medien gilt das gleiche Muster. Geht es um Informationen über die Türkei, existiert ein positiver Zusammenhang zwischen der quantitativen Mediennutzung in deutscher Sprache und einer positiven Bewertung deutscher Medien als Informationsquelle (.19). Für Informationen über Deutschland hat die Korrelation nicht nur das gleiche Vorzeichen, sondern ist sogar deutlich stärker. Das Berichterstattungsobjekt ist hier offensichtlich weniger wichtig als die grundsätzliche Relevanzzuschreibung. Tabelle 45:
Korrelationen zwischen Mediennutzung und der Relevanz von Informationsquellen
Mediennutzung1) (Tage/Woche) nw=503 Türkisch Deutsch Türkisch > Deutsch Deutsch > Türkisch Türkisch = Deutsch 1)
Türkisch
Relevante Informationsquellen zur Türkei Deutsch Türkisch Deutsch Türkisch > Deutsch > Türkisch = Deutsch
.30*** .10* .11* -.08 (ns) .01 (ns)
.08 (ns) .32*** -.16*** .20*** -.10*
.10* -.14*** .20*** -.12** -.03 (ns)
-.25*** .24*** -.16*** .40*** -.31***
.02 (ns) .04 (ns) -.13** -.07 (ns) .18***
Zusammenfassungen der Mediengattungen Fernsehen, Hörfunk, Tageszeitung und Internet. *= p(ơ) Ʊ < .05; **= p(ơ) Ʊ < .01; ***= p(ơ) Ʊ < .001; ns = nicht signifikant.
Im Vergleich der zwei Berichterstattungsperspektiven fällt allerdings auf, dass die Zusammenhänge im Hinblick auf deutsche Ereignisse und Themen zum Teil erheblich deutlicher ausfallen (Tabelle 46). Die Vorzeichen ändern sich zwar nicht (mit einer Ausnahme), aber die Koeffizienten sind größer und häufiger signifikant, wenn es um das Geschehen in Deutschland geht. Abgesehen von der grundlegenden Übereinstimmung zwischen Relevanzzuschreibung und quantitativer Nutzung, ist in diesem Zusammenhang vor allem die Tendenz zur Gleichbehandlung beider sprachgebundener medialer Informationsquellen interessant.
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Mediennutzung, Akkulturation und soziale Integration
So korreliert etwa eine hohe türkischsprachige Mediennutzung negativ mit einer ausgewogenen Relevanz türkischer und deutscher Quellen für Informationen zu Deutschland (-.16). Das heißt je mehr türkische Medien genutzt werden, desto größer ist der Unterschied zwischen beiden Medien, was ihre Bedeutung als Informationsquelle betrifft. Für die deutschsprachige Mediennutzung ist es genau umgekehrt (.39). Die Korrelation ist positiv, das heißt, eine hohe Nutzung deutschsprachiger Medien spricht für eine Gleichwertigkeit beider Medientypen als relevante Informationsquelle. Gerade dieser Befund legt die Vermutung nahe, dass die Nutzung der türkischen Medien die Basis für Informationen über die Türkei und über Deutschland darstellt und die deutschsprachigen Medien als Ergänzung genutzt werden, wenn ihnen eine entsprechende Bedeutung von den Befragten beigemessen wird. Im Zusammenhang mit einer ausgewogenen Mediennutzung zwischen den zwei Sprachen auf der einen und gleichwertiger Relevanzzuschreibung auf der anderen Seite zeigt sich auch der einzige signifikante Vorzeichenwechsel zwischen den zwei Tabellen: Wenn es um Informationen über die Türkei geht, hängt die Tendenz zu einer ausgewogenen, zweisprachigen Mediennutzung positiv mit der gleichwertigen Beurteilung deutsch- und türkischsprachiger Medien als Informationsquelle zusammen (.18): Beide Mediensprachen werden gleich häufig genutzt, wenn beide Quellen als gleich relevant angesehen werden. Tabelle 46:
Korrelationen zwischen Mediennutzung und der Relevanz von Informationsquellen
Mediennutzung1) (Tage/Woche) nw=503 Türkisch Deutsch Türkisch > Deutsch Deutsch > Türkisch Türkisch = Deutsch 1)
Relevante Informationsquellen zu Deutschland Türkisch Deutsch Türkisch Deutsch Türkisch > Deutsch > Türkisch = Deutsch .24*** -.09* .12** -.24*** .17***
.04 (ns) .38*** -.22*** .26*** -.11*
.03 (ns) -.33*** .29*** -.22*** .01 (ns)
-.17*** .33*** -.23*** .40*** -.26***
-.16*** .39*** -.29*** .41*** -.23***
Zusammenfassungen der Mediengattungen Fernsehen, Hörfunk, Tageszeitung und Internet. *= p(ơ) Ʊ < .05; **= p(ơ) Ʊ < .01; ***= p(ơ) Ʊ < .001; ns = nicht signifikant.
Ganz anders ist die Situation, wenn es um Informationen aus Deutschland geht. Hier ist der Zusammenhang umgekehrt proportional (-.23). Das heißt, die Tendenz zu einer ausgewogenen Mediennutzung in beiden Sprachen kommt mit einer stark unterschiedlichen Bewertung deutschsprachiger und türkischsprachiger Medien
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zusammen. Dabei werden die deutschen Medien als Informationsquelle zum Teil als weniger relevant eingestuft als die türkischsprachigen Medien (-.11 bzw. 17). 6.5.5 Fazit Will man vor dem Übergang zu den Kausalanalysen ein kurzes Zwischenfazit der Typologie, der unterschiedlichen Mediennutzung der Integrationstypen sowie der bivariaten Korrelationen zwischen Mediennutzung und Akkulturationsstrategien ziehen, so kann man vor allem zwei Schlussfolgerungen formulieren, die im weiteren Gang der Analysen verfolgt werden sollten: Zum einen zeichnen sich vor allem für den deutschen Kontext – etwa was den alltäglichen Sprachgebrauch, die soziale Interaktion und auch das Interesse am aktuellen und politischen Geschehen angeht – in erster Linie Zusammenhänge mit der deutschen Mediennutzung ab. Die entsprechenden Zusammenhänge für den türkischen Kontext und die türkische Mediennutzung sind kleiner und in der Folge auch weniger häufig signifikant. Gegenseitige, sowohl positive als auch negative Wechselwirkungen sind selten. So haben sich zum Beispiel für die türkischsprachige Mediennutzung nur schwache Kovariationen mit der sozialen Interaktion in der deutschsprachigen Mehrheitsgesellschaft gezeigt. Erst wenn man stärker auf die relationale Mediennutzung fokussiert, zeigen sich – zum Teil spiegelbildliche – Zusammenhänge zwischen assimilativen, separatistischen und integrativen Mediennutzungs- und Akkulturationsstrategien. Zum Zweiten – und dies kann man vor allem aus der Integrationstypologie lernen – zeigen sich auch empirisch eindeutig zwei verschiedene Akkulturationsmuster, die mit einer positiven Einstellung zu und einer intensiven Interaktion mit der deutschen Mehrheitsgesellschaft verbunden sind. Der eine Typus tendiert zur Assimilation, das heißt, er stellt eindeutig die deutsche Sprache, die soziale Interaktion mit Deutschen und auch das Interesse für deutsche Politik zulasten seiner Herkunft in den Vordergrund; der Wunsch zu bleiben und der Besitz eines deutschen Passes sind formale Kategorien, die in diesem Zusammenhang eine wichtige Bedeutung haben. Der zweite Typus handelt stärker integrativ im Berry’schen Sinne, indem er die türkische Herkunft durch Sprache, Familienkontakte und auch Mediennutzung pflegt und dies zum Teil sogar stärker verfolgt als der dritte, im Hinblick auf den deutschen Kontext am ehesten negativ eingestellte Typus. Für alle Gruppen ist – und das ist im Zusammenhang mit der türkischsprachigen Mediennutzung besonders interessant – der türkischsprachige Kontext mit seiner Sprache, Kultur und Religion weiterhin ein Teil ihrer ethnischen Identität, ganz unabhängig von ihrer Einstellung zur deutschen Mehrheitsgesellschaft. Vollständig assimilierte, den türkischen Hintergrund aufgebende Angehörige der türkischen Minderheit sind in dieser Stichprobe nicht zu finden.
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Mediennutzung, Akkulturation und soziale Integration
6.6 Medienwirkungen 6.6.1 Problemstellung und Basishypothesen Die Interaktion der türkischstämmigen Bevölkerung in Deutschland mit der deutschen Mehrheitsgesellschaft verläuft vielschichtig. Als gesichert kann vor dem Hintergrund der vorstehenden Analysen und des Forschungsstandes gelten, dass die Nutzung von Mehrheits- und Minderheitenmedien nicht von dieser Interaktion abgekoppelt ist. Ebenso sicher scheint es aber auch, dass einfache Erklärungsmuster wie etwa „türkische Mediennutzung führt ins Mediengetto und ins gesellschaftliche Abseits“ oder „je mehr deutsche Medien genutzt werden, desto besser die Integration“ nicht in der Lage sind, diese Verbindung hinreichend zu beschreiben. Zur Erinnerung: Schon der einfache und vielfach implizit mitgedachte Zusammenhang von deutschsprachiger Mediennutzung auf der einen und türkischsprachiger Mediennutzung auf der anderen Seite hat sich für die Daten dieser Untersuchung als nicht signifikant erwiesen. Das bedeutet in diesem Kontext nichts anderes als die Diskontinuität beider Dimensionen: Die Zuwendung zu türkischsprachigen Medien geht nicht zulasten der deutschsprachigen Mediennutzung (und umgekehrt), verläuft aber auch nicht parallel im Sinne von Viel- oder Wenignutzern, die sich in etwa dem gleichen Umfang in beiden Mediensprachen bewegen (Abschnitt 6.5, Tabelle 41). Medienwirkungen im engeren Sinne, das heißt ein Einfluss des individuellen Medienumgangs auf das Verhältnis zur Mehrheitsgesellschaft, sind bisher selten und nur in geringem Umfang nachgewiesen worden (Abschnitt 3.3). Mediennutzung als Teil von Akkulturationsstrategien und als Folge der ethnischen Identität von Minderheiten zu verstehen, scheint dagegen besser abgesichert und ist auch anhand der Daten dieser Untersuchung schon hinreichend analysiert und dargestellt worden (Trebbe 2007b). Deshalb wird im Folgenden versucht, die klassische Wirkungsperspektive von der Mediennutzung auf den Integrationsstatus und die Akkulturationsstrategien der Befragten einzunehmen. Als Frage formuliert: Wie stark ist der Einfluss der deutsch- bzw. türkischsprachigen Mediennutzung und ihrer Kombinationsmuster auf den Gebrauch der Alltagssprachen, die soziale Interaktion, das politische Interesse und die Einschätzung medialer Informationsquellen bezogen auf den Herkunfts- und den Mehrheitskontext? Die Basishypothese, die dieser Frage zugrundeliegt, lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Die sprachgebundene und damit in Herkunfts- bzw. Ankunftskontext verankerte Mediennutzung zeigt Effekte auf das Ausmaß und die Art und Weise der Einstellung und des Verhaltens gegenüber beiden Kontexten.
Medienwirkungen
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Hinter dieser Basishypothese stehen jedoch komplexere Annahmen und empirische Befunde über den Zusammenhang von Integration bzw. Akkulturationsstrategie und Mediennutzung. Nach den modelltheoretischen Überlegungen in Kapitel 4 und dem bisherigen Stand der bivariaten und Typen bildenden Analysen dieser Untersuchung liegt es auf der Hand, dass im Folgenden nicht einfach der Umfang der jeweiligen sprachgebundenen Mediennutzung als Prediktor für den „Integrationsgrad“ einer Person geprüft werden kann. Es kann an dieser Stelle nicht mehr um eine schlichte Überprüfung der Schädigungshypothese (türkischsprachige Medien behindern die soziale Integration) oder der Werkzeughypothese (deutsche Medien befördern die soziale Integration) gehen. Es wird vielmehr eine Analysestrategie benötigt, die auf der einen Seite das Zusammenspiel von individuellen soziodemografischen Faktoren, dem deutschen Erfahrungshorizont und dem ethnischen Zugehörigkeitsgefühl zu Deutschland mit den unterschiedlichen Dimensionen der sprachgebundenen Medienauswahl und -kombination abbildet und auf der anderen Seite Wirkungsaussagen über die vier theoretisch abgeleiteten und empirisch identifizierten Akkulturationsstrategien erlaubt. Insofern werden die hier durchzuführenden Analysen auch explorativen Charakter haben, denn gerade die Differenzierung des Integrationsbegriffs in die vier Akkulturationsstrategien Assimilation, Integration, Separation und Marginalisierung lässt unterschiedlich gewichtete Erklärungsmodelle erwarten – insbesondere was die Bedeutung der sprachlich gebundenen Mediennutzung angeht. 6.6.2 Analysestrategie und Operationalisierung Im Folgenden werden multivariate Kausalanalysen durchgeführt. Dies geschieht durch die Schätzung multipler, linearer Regressionsmodelle. Dafür werden nun die verschiedenen Verhaltensdimensionen der Akkulturationsstrategien nicht mehr im Einzelnen betrachtet, sondern zu vier Akkulturationsindices zusammengefasst. Die Indices sind durch Summierung der entsprechenden Ausprägungen der oben verwendeten Variablen gebildet worden und dienen in den Regressionsmodellen als abhängige Variable (Abschnitt 6.5): (1) Der Index Integration nimmt hohe Werte an, wenn häufig beide Sprachen gebraucht werden, Freunde und Bekannte häufig aus beiden Kontexten stammen, das politische Interesse sich auf den deutschen und den türkischen Kontext bezieht sowie die Relevanz medialer türkischsprachiger und deutschsprachiger Informationsquellen gleich hoch eingeschätzt wird. (2) Der Index Assimilation nimmt hohe Werte an, wenn in den genannten Variablen häufig eher die deutsche bzw. deutschsprachige Seite bevorzugt wird.
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(3) Die Codierung in den Indices Separation (hohe Werte für den türkischen Kontext) und Marginalisierung (niedrige Werte für beide Kontexte) erfolgte analog.96 Für jeden der vier Akkulturationsindices werden zwei Regressionsmodelle geschätzt. Das jeweils erste Modell zeigt die Erklärungskraft soziodemografischer Variablen (Alter, Geschlecht, relative Aufenthaltsdauer) und zweier Indikatoren zur Stärke der Verbundenheit mit der deutschen Ankunftsgesellschaft bzw. der ethnischen Identität (das Vorhaben in Deutschland zu bleiben und Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft). Das zweite Modell enthält für jeden der Akkulturationsindices alle Variablen der ersten Schätzung, wird aber um drei Mediennutzungsvariablen ergänzt: türkisch-, deutsch- und zweisprachige Mediennutzung. Dieses Vorgehen erlaubt es abzuschätzen, wie sich die Erklärungskraft der Regressionsmodelle verändert, wenn Mediennutzungsvariablen in die Schätzung eingeführt werden. Darüber hinaus gibt es Auskunft darüber, wie stark die Mediennutzungsvariablen im Vergleich zu den klassischen unabhängigen Variablen und den formalen und faktischen Rahmenbedingungen einen Effekt auf die Akkulturationsstrategien entfalten können. Im Übrigen ist es das Ziel dieser regressionsanalytischen Modellschätzungen, Aussagen über den gesamten Identitäts- und Verhaltenskomplex zu gewinnen, die bis hier deskriptiv im Hinblick auf die Ankunftsgesellschaft (Typologie) und bivariat im Hinblick auf beide Kontexte analysiert wurden. Insgesamt werden mit dieser Analysestrategie also acht Regressionsmodelle geschätzt, jeweils zwei für jeden der vier Akkulturationsindices. Die Güte der Modelle insgesamt gibt dabei Auskunft über die empirische Belastbarkeit der Basishypothese, insbesondere im Vergleich der Schätzungen mit und ohne Mediennutzungsvariablen, während die Konstellationen der signifikanten Koeffizienten die Art und Weise und die Richtung der Effekte identifizierbar machen werden. 6.6.3 Soziodemografie und ethnische Identität Tabelle 47 stellt die Ergebnisse der acht geschätzten Kausalmodelle (jeweils zwei für jeden Akkulturationsindex) auf einen Blick dar. Alle Modelle sind signifikant. Die Akkulturationsstrategien lassen sich – bei konstanten Variablensätzen in den Schätzmodellen – ganz unterschiedlich gut durch die unabhängigen, soziodemografischen Variablen und Indikatoren zur Verankerung in der deutschen Mehrheitsgesellschaft erklären. Am schlechtesten gelingt dies noch für die Strategien Integration und Marginalisierung (R2=.05). Ohne Berücksichtigung der Mediennutzungsvariablen haben lediglich das Alter (ß=-.13 für Integration) bzw. das Alter und die Auf96 Der Wertebereich für die Indices verläuft von 0 (keine Variable mit der entsprechenden Ausprägung) bis 5 (alle Variablen haben die entsprechende Ausprägung). Eine Ausnahme bildet der Index zur Marginalisierung, er hat den Wertebereich von 0 bis 4, da für die Variable Sprachgebrauch keine Ausprägung „Marginalisierung“ vorliegt.
229
Medienwirkungen
enthaltsdauer im Verhältnis zum Lebensalter (ß=.13 und ß=-.13 für Marginalisierung) einen Effekt auf die Akkulturationsstrategie. Die Alterseffekte für die beiden gegenläufigen Strategien Integration und Marginalisierung sind spiegelbildlich. Je jünger die Befragten, desto eher verfolgen sie eine integrative Strategie – sprechen beide Sprachen, haben deutsche und türkische Freunde, interessieren sich für Herkunfts- und Mehrheitskontext, schätzen deutsche und türkische Informationsquellen. Je älter eine Person, desto höher die Wahrscheinlichkeit für eine marginalisierende, beiden Kontexten gegenüber abgewandte Akkulturationsstrategie. Tabelle 47:
Multiple, lineare Regressionen zur Erklärung der Akkulturationsstrategien1) Integration
Konstante (Modell I) 2) Alter
2.8 -.13
Bleibewunsch (ja) Rel.
Akkulturationsstrategien (Indices) Assimilation Separation Marginalisierung
Aufenthaltsdauer3)
1.2 .10 .12
-.18
.23
-.25
Dt. Staatsbürgerschaft (ja) Adj. R2 (Modell I) Konstante (Modell II) Alter Bleibewunsch (ja) Rel. Aufenthaltsdauer3) Dt. Staatsbürgerschaft (ja) Mediennutzung Deutsch Mediennutzung Türkisch Mediennutzung (Dt.=Tk.)
.66 .13 -.13
-.14 .05 2.0 -.12
.10 -.09 .06
.17
.05
1.4 .10 -.14 -.15 -.11 -.30
1.2 .15 .09
.20 .19 .09
.35 -.26 -.19
Adj. R2 (Modell II)
.12
.32
.23
.16
Diff. R2(M II)/R2 (M I)
.08
.23
.06
.11
1) 2) 3)
-.33 .10
Alle angegebenen Koeffizienten p(ơ) .05. Die Variable Geschlecht wurde in allen Modellen berücksichtigt, war jedoch in keinem signifikant. Anteil der Aufenthaltsdauer am Lebensalter.
230
Mediennutzung, Akkulturation und soziale Integration
Hinzu kommt bei dieser Strategie der vom Alter unabhängig identifizierbare Effekt der relativen Aufenthaltsdauer in Deutschland. Je kürzer diese Aufenthaltsdauer in Relation zum Lebensalter, desto höher die Wahrscheinlichkeit für ein abgewandtes, desintegriertes Verhältnis zum deutschen und zum türkischen Kontext. Insgesamt betrachtet sind beide Schätzmodelle signifikant, jedoch eher mit vergleichsweise geringer Erklärungskraft ausgestattet. Weder ein – vorhandener oder nicht vorhandener – Bleibewunsch noch die deutsche Staatsbürgerschaft spielen bei der Erklärung dieser Strategien eine Rolle. Mit dem gleichen Schätzmodell konfrontiert, lassen sich die assimilative und die separatistische Strategie wesentlich besser erklären (R2=.10 bzw. .17). Der Wunsch, für immer in Deutschland zu bleiben (ß=.12), und eine höhere relative Aufenthaltsdauer in Deutschland (ß=.23) lassen die Wahrscheinlichkeit für eine assimilative Akkulturationsstrategie steigen. Das Alter der Person und die deutsche Staatsbürgerschaft sind dafür als Effektgrößen nicht nachweisbar. Am besten ist im Vergleich der vier Strategien ein separatistisches Verhältnis zur Mehrheitsgesellschaft auf der Basis der hier gewählten unabhängigen Variablen zu erklären (R2=.17). Alle Prediktoren im Modell sind signifikant. Die Koeffizienten sind plausibel und entsprechen den bisherigen Analysen und den Erkenntnissen aus der Durchsicht des Forschungsstandes: Je kürzer ihre Aufenthaltsdauer in Deutschland – im Verhältnis zum Lebensalter –, je älter die Person, je weniger sie zum dauerhaften Bleiben neigt und wenn sie nicht die deutsche Staatsbürgerschaft hat, desto eher neigt sie einer separatistischen, mehr auf den türkischen Kontext gerichteten, von der deutschen Gesellschaft abgewandten Akkulturationsstrategie zu. Die Resultate dieser ersten Modellreihe sind im Hinblick auf den Forschungsstand hochgradig anschlussfähig. Es zeigt sich, dass die Differenzierung zwischen integrativer – auf beide Kontexte bezogener – und assimilativer Akkulturationsstrategie nützlich ist: Während die eine mehr oder weniger ausschließlich altersbedingt ist, schlagen bei der anderen, assimilativen Strategie der Bleibewunsch und die verbrachte Zeit in Deutschland stärker durch und erlauben im Vergleich die bessere Schätzung der abhängigen Variable. Das Set der abhängigen Variablen zeigt sich insgesamt unterschiedlich gut geeignet für die Erklärung der vier verschiedenen Strategien. Festhalten kann man, dass insbesondere die als dysfunktional bewertete, auf Separation von der deutschen Gesellschaft ausgerichtete Strategie sehr stark auf diese nicht medialen Lebenswelt- und Einstellungsvariablen zurückgeführt werden kann. 6.6.4 Mediennutzungseffekte Die Einführung der Mediennutzungsvariablen in der jeweils zweiten Modellvariante bringt für alle abhängigen Variablen einen signifikanten Zuwachs an Erklärungskraft. Und auch die Erklärungskraft der Modelle für die verschiedenen Akkultura-
Medienwirkungen
231
tionsstrategien verändert sich zum Teil drastisch. Das bedeutet zunächst nicht mehr und nicht weniger als den eindeutigen Nachweis von Mediennutzungseffekten auf die soziale Integration für die hier vorliegenden Daten. Oder mit Blick auf die oben postulierte Basishypothese formuliert: Es gibt keinen Grund, diese Hypothese der Medienwirkungen im Integrationsprozess zu verwerfen. Der Umfang der sprachgebundenen Mediennutzung hat – zusätzlich zu den separat getesteten soziodemografischen und zugehörigkeitsspezifischen Variablen – einen eindeutigen Effekt auf die Stärke der individuell verfolgten Akkulturationsstrategie. Am besten lässt sich die assimilative, also verstärkt auf die deutsche Gesellschaft und Kultur ausgerichtete Strategie mit dem gesamten Variablenset erklären (R2=.32). Das Verhältnis von erklärter Varianz im Modell zur Gesamtvarianz hat sich für diesen Index mehr als verdreifacht. Alle Mediennutzungsvariablen sind als signifikante Schätzer für die assimilative Akkulturationsstrategie im Modell signifikant: Je größer der Umfang der deutschsprachigen Mediennutzung (ß=.35), je geringer die türkischsprachige Mediennutzung (ß=-.26) und je assimilativer die sprachbezogene Mediennutzung (-.19), desto höher auch die Wahrscheinlichkeit für eine assimilative Akkulturationsstrategie. Der Wunsch, in Deutschland zu bleiben, bleibt im Modell, wird aber durch die neu eingeführten Variablen stark abgeschwächt (ß=.06). An die Stelle des Effekts der relativen Aufenthaltsdauer tritt ein schwacher Alterseffekt in Richtung jüngerer Befragter (ß=-.09). Für diese – und nur für diese – eine der vier Akkulturationsstrategien zeigt sich also das konventionelle Ergebnis von massenmedialer Unterstützung und Behinderung im Integrationsprozess. Deutschsprachige Mediennutzung hilft, türkischsprachige Mediennutzung bremst die Verfolgung einer assimilativen, einseitig auf den deutschen Mehrheitskontext ausgerichteten Akkulturationsstrategie. In Bezug auf seine Erklärungskraft rückt das Modell zur Prognose der separatistischen Akkulturationsstrategie an die zweite Stelle (R2=.23). Das gesamte soziodemografische und erweiterte Variablenset bleibt im Modell, wird aber in seiner Effektstärke zum Teil deutlich abgeschwächt. Am deutlichsten sinkt der Koeffizient der relativen Aufenthaltsdauer (von ß=.25 auf .15), der damit in den Wertebereich der anderen, nicht medienbezogenen Variablen zurückgestuft wird. Interessanter ist jedoch die Bedeutung der Mediennutzung für diese separatistische Akkulturationsstrategie. Einzig und mit einem vergleichsweise extrem hohen Koeffizienten liefert der Umfang der deutschsprachigen Mediennutzung einen deutlichen Anteil an der Erklärung der Varianz der abhängigen Variablen (ß=-.30). Das heißt je weniger umfangreich die deutschsprachige Mediennutzung, desto höher die Wahrscheinlichkeit für ein dem deutschen Kontext abgewandtes und gleichzeitig dem türkischen Kontext zugewandtes Verhältnis. Interessanter als dieser konkrete Wert ist in diesem Zusammenhang zudem die Abwesenheit der türkischsprachigen Nutzung im Regressionsmodell – zur Erinnerung: Die Nutzung türkischer Medien und deutscher Medien ist unkorreliert.
232
Mediennutzung, Akkulturation und soziale Integration
Man kann also auf der Basis der hier vorliegenden Daten nicht sagen, dass die Nutzung türkischsprachiger Medien in ein Mediengetto führt. Nicht die Nutzung türkischer Medien, sondern die Nichtnutzung deutschsprachiger Medien führt zu separatistischen, eher auf den türkischen Kontext bezogenen Tendenzen – und dies auch nur in Verbindung mit einer ganzen Reihe anderer, nicht medienbezogener Variablen. Ebenfalls mit einem deutlichen Zuwachs an Erklärungskraft und im Vergleich der vier vollständig spezifizierten Modelle an dritter Stelle befindet sich das Regressionsmodell zur Schätzung der marginalisierenden Akkulturationsstrategie (R2=.16). Neben einen ebenfalls negativen Effekt der deutschsprachigen Mediennutzung (ß=-.33) tritt hier ein positiver Koeffizient für die Ausgewogenheit der Nutzung deutsch- und türkischsprachiger Medien (ß=.10). Das kann in diesem Zusammenhang nur bedeuten, dass beide Medien im Kontext dieser Strategie schwach, das heißt in geringem Umfang, aber eben ausgeglichen und damit in etwa gleich schwach genutzt werden. Das Alter bleibt als Einflussgröße nahezu unverändert im Modell (ß=.15). An die Stelle der relativen Aufenthaltsdauer tritt ein positiver Effekt für den Wunsch, in Deutschland zu bleiben (ß=.09). Mit anderen Worten: Ältere Personen mit einer Perspektive zu bleiben, aber schwach ausgeprägter Mediennutzung – insbesondere was deutschsprachige Medien betrifft – tendieren zur Abwendung von beiden Kontexten, dem türkischen und dem deutschen. Die Varianzaufklärung für das Regressionsmodell der integrativen Akkulturationsstrategie wird durch die Einführung der sprachgebundenen Mediennutzungsvariablen mehr als verdoppelt (von R2=.05 auf .12).97 Trotzdem bleibt diese Strategie diejenige, die mit dem vorliegenden Modelltypus am schlechtesten erklärt werden kann. Das Alter der Befragten bleibt als grundlegender soziodemografischer Faktor weiterhin und nahezu unverändert im Modell (ß=-.12). Integratives Verhalten im Sinne einer gleichzeitigen Orientierung an beiden Kontexten ist bei jüngeren Personen wahrscheinlicher als bei älteren Befragten. Der Zuwachs an Varianzaufklärung ist aber vor allem auf die Einführung aller drei Mediennutzungsvariablen zurückzuführen. Personen, die vergleichsweise mehr deutsche und türkische Medien (ß=.20 bzw. .19) nutzen, tendieren eher zu einer ausgeprägt integrativen Strategie. Hinzu kommt die Ausgewogenheit zwischen beiden medialen Welten (ß=.09). Es sind also nicht nur Vielnutzer, die sich integrativ verhalten, sondern vor allem solche Nutzer, die in etwa dem gleichen Umfang – also auch gleich niedrig – deutsch- und türkischsprachige Medien nutzen.
97 Die Zuwächse in den Bestimmtheitsmaßen (R2) sind in allen vier Modellen signifikant (p(ơ) F .05).
Fazit
233
6.6.5 Schlussfolgerungen In der Zusammenschau der Modelle wird sehr deutlich, dass für alle Akkulturationsstrategien Mediennutzungseffekte sichtbar gemacht werden können. Die Erklärungskraft der Modelle für die verschiedenen Strategien steigt – wenn auch in unterschiedlichem Umfang – signifikant an, wenn die Variablen zur sprachgebundenen Mediennutzung in die Schätzungen eingeführt werden. Neben der Zeit, die man in Deutschland verbracht hat, der individuellen Perspektive, in Deutschland zu bleiben, sich zu der deutschen Gesellschaft zu bekennen und damit dies auch als Teil der eigenen Identität zu begreifen, ist es vor allem die deutschsprachige Mediennutzung, die sich positiv auf alle Akkulturationsstrategien auswirken kann. Eine starke deutschsprachige Mediennutzung unterstützt Integration – in Kombination mit entsprechender türkischsprachiger Nutzung – sowie Assimilation und wirkt Separation und Marginalisierung entgegen. Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang die Abwesenheit signifikanter Effekte der türkischsprachigen Mediennutzung für die Strategien Separation und Marginalisierung. Beide Strategien werden durch eine schwach ausgeprägte deutschsprachige Mediennutzung weitaus stärker beeinflusst als durch eine ausgeprägte türkischsprachige Mediennutzung. Nach den hier berechneten kausalanalytischen Modellen lassen sich keine solchen Effekte identifizieren. Die an vielen Stellen dieser Arbeit angesprochene Gettoisierungsthese kann man mit diesem Ergebnis als eindeutig widerlegt bezeichnen. Eine hohe türkischsprachige Mediennutzung steht vielleicht der Assimilation entgegen, eine Ursache für Separation von der deutschen Mehrheitsgesellschaft ist sie nicht.
6.7 Fazit Vorausschicken muss man diesem Fazit den Hinweis auf die spezifische Struktur der Stichprobe. Es handelt sich um türkischstämmige Erwachsene unter 50 Jahren, die zu einem großen Teil in Deutschland geboren sind bzw. immer dort gelebt haben (43 Prozent). Mehr als ein Drittel besitzt die deutsche Staatsbürgerschaft und mehr als zwei Drittel bezeichnen ihre deutsche Sprachkompetenz als „gut“ oder „sehr gut“. Mit einem vergleichenden Blick auf andere Studien zur Integration und Mediennutzung von Türken in Deutschland (Trebbe/Weiß 2001) kann festgehalten werden, dass sich die hier durchgeführten Analysen auf eine Population konzentrieren, die zu einem großen Teil nicht selbst nach Deutschland eingewandert und in beiden Kontexten, dem türkischen und dem deutschen, aufgewachsen ist. Dieser Umstand ist für alle statistischen Analysen von Bedeutung und zeigt sich schon bei der Identifikation der Integrationstypologie, die im Grundsatz die
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Mediennutzung, Akkulturation und soziale Integration
Ergebnisse der Typologie aus der BPA-Studie (Weiß/Trebbe 2001) repliziert – aber eben ohne die Bildung zweier eher schwach integrierter Typen, die in der Gruppe der über 50-Jährigen mit eigener Einwanderungserfahrung zu finden waren. Vor dem hier ausgeführten theoretischen Hintergrund der Akkulturationsmuster von Berry (1980) lassen sich zwei Typen identifizieren, die positiv gegenüber der deutschen Mehrheitsgesellschaft eingestellt sind und sich ihr gegenüber durch eine hohe Interaktion auszeichnen. Die Analyse dieser Typen ergab, dass sie sich vor allem durch den zusätzlichen Kontakt zur türkischen Herkunft unterscheiden und damit als assimilativ – für die Gruppe die vor allem auf den deutschen Kontext setzt – oder als integrativ – für diejenige, die beide Kontexte gleichermaßen pflegt – bezeichnet werden können. Der dritte Typus, der eine eher der deutschen Gesellschaft abgewandte Gruppe unter den türkischstämmigen Befragten repräsentiert, kann nach den vorliegenden Analysen eher als separiert bezeichnet werden. Eine eigenständige, als vollständig marginalisiert zu bezeichnende Gruppe konnte in dieser Typologie nicht identifiziert werden – aber das kann, wie beschrieben, auf den Alterszuschnitt der Stichprobe zurückgeführt werden. Was die sprachgebundene Mediennutzung der Gattungen Fernsehen, Hörfunk, Tageszeitung und Internetseiten betrifft, so zeigt sich, dass eine differenzierte Analyse der Nutzungskombinationen erheblich aufschlussreicher sein kann als der Blick auf einfache Reichweiten oder Nutzungsintensitäten. So erscheint zunächst das türkischsprachige Fernsehen bei den Befragten die Mediennutzung sehr zu dominieren. Dieser Befund relativiert sich jedoch, wenn man feststellt, dass die weitaus größte Gruppe in der Stichprobe diejenige ist, die regelmäßig deutsches und türkisches Fernsehen kombiniert (45 Prozent). Allerdings muss man ebenso festhalten, dass immerhin 30 Prozent der Befragten ausschließlich Stammseher (an mindestens vier Tagen pro Woche) des türkischen Fernsehens sind. Im Zusammenhang der Mediennutzung mit der Typologie besteht der entscheidende Befund sicher darin, dass die Nutzung türkischer Medien – insbesondere auch des Fernsehens – quer durch alle identifizierten Integrationstypen verläuft. Obwohl es sich hier um eine junge, zum großen Teil in Deutschland aufgewachsene Population handelt, sind die Unterschiede in den Gruppen gering. Die Schlussfolgerung liegt auf der Hand: Die Nutzung türkischer Medien und Medieninhalte ist unabhängig von der Einstellung zu Deutschland und der sozialen Interaktion mit der deutschen Gesellschaft. Darüber hinaus muss man konstatieren, dass das Internet auf dem Wege ist, die konventionellen Massenmedien Hörfunk und Tageszeitung zu verdrängen. Insbesondere die sprachlichen Kombinationsmöglichkeiten sind für Internetnutzer erheblich höher als für Radiohörer und Zeitungsleser. Die Internetnutzung steht heute schon an Nummer 1, wenn es um deutsche und türkischsprachige Inhalte geht. Die Korrelationsanalysen zeigen Ergebnisse, die an diejenigen der Typologie und der Mediennutzung anknüpfen. Überraschend, jedoch in der Grundtendenz
Fazit
235
mit den bis dato beschriebenen Ergebnissen übereinstimmend, ist die Unabhängigkeit von türkischer und deutschsprachiger Mediennutzung. Rein quantitativ betrachtet, geht die Nutzung von Medien in der einen Sprache nicht zulasten einer Mediennutzung in der anderen Sprache. Beide Medienwelten existieren unabhängig nebeneinander – zumindest was das aufgewendete Zeitbudget betrifft. Darüber hinaus zeigen die relationalen Mediennutzungsindikatoren, also etwa der Umfang der exklusiven deutsch- bzw. türkischsprachigen Nutzung oder auch der Umfang der kombinierten Nutzung – die sprachliche Ausgewogenheit –, klare Effekte auf die Einstellung zur deutschen Gesellschaft und zur sozialen Interaktion. Wobei vor allem deutlich positivere Effekte durch die deutschsprachige Mediennutzung zu beobachten sind als etwa negative Effekte durch türkischsprachige Mediennutzung. Im Großen und Ganzen entsprechen aber die Mediennutzungsstrategien den übrigen Akkulturationsmustern. So hängen Alltagssprachgebrauch und soziale Interaktion mit deutsch und türkisch sprechenden Freunden stark mit den entsprechenden Mediennutzungsmustern zusammen. Personen, die beide Sprachen bei der Mediennutzung kombinieren, tun dies auch im Alltag und im Umgang mit Bekannten und Freunden. Die Kausalanalysen schließlich erlauben einen simultanen Blick auf die Bestimmungsfaktoren für verschiedene Akkulturationsstrategien. Wichtigstes Ergebnis: Mediennutzungs- und Medienkombinationseffekte sind eindeutig nachweisbar, der Umfang der deutsch- bzw. türkischsprachigen Mediennutzung und die Ausgewogenheit zwischen beiden Sprachen haben einen Einfluss auf das Verhältnis zur deutschen und zur türkischen Gesellschaft. Neben den konventionellen soziodemografischen Variablen und den faktischen Variablen zur ethnischen Verankerung in Deutschland sind eindeutige Akkulturationseffekte auf die Mediennutzung zurückzuführen. Dabei gibt es keine verstärkenden Effekte einer türkischsprachigen Mediennutzung auf die Abwendung vom deutschen Mehrheitskontext oder auch die Abwendung von beiden gesellschaftlichen Kontexten. Türkischsprachige Mediennutzung steht – wenn überhaupt – lediglich einer rein assimilativen Akkulturationsstrategie entgegen, was unter den gegebenen Annahmen nur plausibel ist. Der stärkste mediennutzungsbezogene Einflussfaktor ist der Umfang der deutschsprachigen Mediennutzung. Nach den hier geschätzten Modellen kann er als positiv steigernd für integrative und assimilative Strategien und als hemmend für separierende und marginalisierende Akkulturationsstrategien beschrieben werden. Ein Gleichgewicht zwischen beiden Medienkontexten ist für sich genommen weder positiv noch negativ einzuschätzen. Der Effekt hängt zusätzlich vom Gesamtumfang der Mediennutzung ab. Ist dieser hoch, steigt die Tendenz für die Verfolgung einer integrativen Strategie, ist dieser niedrig, schlägt das Pendel eher Richtung Marginalisierung aus.
7 Zusammenfassung und Diskussion
7.1 Problemstellung Die zwei wichtigsten Problemfelder der öffentlichen und der wissenschaftlichen Debatte um die Rolle der Medien im Prozess der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund bzw. ethnischen Minderheiten betreffen die Repräsentation dieser Minderheiten in den Medien und die Nutzung und Wirkung von Massenmedien durch diese Minderheiten. Die Frage, wie ethnische Minderheiten in den Medien dargestellt und in welchen Zusammenhängen sie thematisiert werden, hat entscheidende Bedeutung für die öffentliche Wahrnehmung dieser Gruppen durch die Mitglieder der Mehrheitsgesellschaft und durch die „Betroffenen“ selbst. Dazu sind auf der Seite der Medieninhalte eine ganze Reihe kommunikationswissenschaftlicher Erkenntnisse vorhanden, sowohl was grundsätzlich den Auswahl-, Konstruktions- und Reduktionsprozess bei der Entstehung von Medieninhalten als auch was die Syndrome und Mängel betrifft, die speziell bei der Darstellung von Menschen mit Migrationshintergrund in den Medien entstehen. Ob und wie diese Reduktionsmechanismen und Syndrome bei den betroffenen sozialen Gruppen wahrgenommen und bewertet werden, war bisher weitgehend unbekannt. Ebenso wenig geklärt – oder zumindest umstritten – ist in der kommunikationswissenschaftlichen und interdisziplinären Forschungsliteratur die Frage nach dem Umgang mit Medien und der expliziten Wirkung der Mehrheiten- und Minderheitenmediennutzung. Empirisch kaum oder schwach abgestützte Wirkungsannahmen auf die Wahrnehmung der und die Einstellung zur Mehrheitsgesellschaft kennzeichnen nicht nur den Forschungsstand, sondern mehr noch die politische Debatte um die Rolle der Medien im Integrationsprozess. Die Beantwortung der Frage hängt sehr stark davon ab, wie differenziert man sich mit dem Integrationsbegriff auseinandersetzt. Massenmedien werden danach häufig als Ursache, Ausdruck und Folge von sozialer Integration beschrieben. Die vorliegende Untersuchung versucht, einen Beitrag zu beiden Problemfeldern zu leisten und sie aus einer kommunikationswissenschaftlichen Rezipientenperspektive theoretisch und empirisch zu verbinden. Dafür wurden zwei Teilstudien durchgeführt, die sich mit der Rezeption und Perzeption von Massenmedien durch die türkische Minderheit in Deutschland und der Schweiz befassen. Untersuchungs-
238
Zusammenfassung und Diskussion
leitend waren dabei einerseits soziologische Modelle zum Integrationsprozess, sozialpsychologische Ansätze der Akkulturationsforschung und kommunikationswissenschaftliche Überlegungen zur Integrationsfunktion und Wirkung von Massenmedien. Dieser theoretische Hintergrund, die Konzeption der Teilstudien und die wichtigsten Resultate werden im Folgenden kurz zusammengefasst. Abschließend erfolgt eine Diskussion der Untersuchungsergebnisse in Bezug auf die genannten wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Problemfelder.
7.2 Theoretischer Hintergrund und Forschungsstand Theorien und Forschungsansätze zur sozialen Integration im Allgemeinen und zur Eingliederung ethnischer Minderheiten resp. Migranten sind ein – vor allem in der Soziologie – traditionsreiches und ausdifferenziertes Forschungsfeld. Im theoretischen Teil dieser Untersuchung wurden einige dieser Ansätze im Hinblick auf ihre Stellung zur Bedeutung der Massenkommunikation in diesen Prozessen untersucht. Dabei zeigte sich auf der einen Seite, dass die frühen deterministischen Assimilationstheorien aus dem US-amerikanischen Raum den Medien eine hohe Bedeutung bei der Eingliederung von Einwanderern auf der lokalen Ebene zugeschrieben haben. Die Vertreter der Chicagoer Schule waren zugleich Migrations-, Integrations- und Kommunikationsforscher. Die Rolle der Medien wurde deterministisch und als einseitig gerichtet betrachtet. Die Vermeidung sogenannter Ethnomedien und die Hinwendung zu den Medien der Mehrheitsgesellschaft befördern die Verschmelzung der Ankömmlinge mit der Ankunftsgesellschaft und verhindern Separation und ethnische Absonderung. Die modernen Integrationstheorien sind weniger deterministisch, stärker handlungstheoretisch und an den sozialen Kontextbedingungen orientiert, auch wenn der Begriff der Assimilation noch immer als ein explizit – wenn nicht normativ formulierter – Meilenstein auf dem Weg zur sozialen Integration ethnischer Minderheiten auftaucht. Hier zeigen sich – auch mit Blick auf Ansätze im Kontext der Cultural Studies und der Sozialanthropologie – zum Teil sehr unterschiedliche Auffassungen darüber, wie ethnische Minderheiten in einer Mehrheitsgesellschaft aufgehen sollen. Zwischen dem „melting pot“ der frühen Assimilationstheorien und der „salad bowl“ der pluralistisch-differenzierten Gesellschaftsauffassungen sind inzwischen viele verschiedene Ansätze sichtbar geworden, die zum Teil stark in ihren Disziplinen verankert sind und nicht aufeinander bezogen werden. Die Konzepte von „Diaspora“, der transnationalen Gemeinschaft ethnischer Minderheiten, oder von „Ethnizität (‚ethnicity’)“, der identitätsstiftenden Herkunft sozialer Gruppen, sind dafür gute Beispiele. Aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht gibt es heute in diesen Ansätzen genau zwei Alternativen für die Rolle der Massenmedien. Entweder – und das gilt
Theoretischer Hintergrund und Forschungsstand
239
vor allem für die soziologischen Ansätze – werden die Massenmedien als relevante Instanzen nicht berücksichtigt oder marginalisiert. Oder – und das ist sehr häufig in den kulturwissenschaftlichen und anthropologischen Ansätzen der Fall – ihnen wird, pauschal und empirisch kaum belastbar, eine maßgebliche Rolle bei der ethnischen Identitätsbildung und gesellschaftlichen Positionierung zugesprochen. Dieser Befund steht im Widerspruch einerseits zu den politischen und sozialen Funktionen von Massenmedien in modernen Gesellschaften und andererseits zu Theorien und empirischen Erkenntnissen zu Leistungen und Wirkungen von Massenmedien auf der sozialen Mikro- und Mesoebene. Auf der anderen Seite muss man den modernen Kommunikationswissenschaften vorhalten, sich erst vergleichsweise spät und dann auch nur sehr vereinzelt dem Problem der Integration ethnischer Minderheiten (wieder) zugewandt zu haben. Thematisierungs- und Darstellungsstudien sind zwar schon seit den frühen 80er Jahren vielfach durchgeführt worden – theoretisch verankert und systematisiert sind sie nur sehr vereinzelt. Nutzungs- und Wirkungsstudien mit spezifischer Verknüpfung von Nutzungs- und Integrationsdimensionen sind darüber hinaus nicht nur theoretisch sondern auch empirisch Mangelware. Diese Feststellungen waren der theoretische Ausgangspunkt für eine Systematisierung des kommunikationswissenschaftlichen und zum Teil auch interdisziplinären Forschungsstandes zu den zwei Problemfeldern, der Repräsentation ethnischer Minderheiten in den Medien und der Effektpotenziale von Medien im Integrationsprozess ethnischer Minderheiten. Dabei zeigen sich für den ersten Bereich vergleichsweise konstante Forschungsergebnisse auf der Seite der Medieninhalte, die man grob in drei grundlegenden Thematisierungssyndromen zusammenfassen kann: (1) Marginalisierung vs. Problematisierung: Ethnische Minderheiten kommen (zu) selten in den Massenmedien vor, es sei denn, sie werden als gesellschaftliches Problem – ihre Integration, ihre gesellschaftliche Behandlung, der politische Umgang mit ihnen – beschrieben. (2) Framing: Neben der genannten Problematisierung gibt es eine Reihe von Themenbezügen, die häufig und immer wiederkehrend im Zusammenhang mit Migranten bzw. ethnischen Minderheiten auftauchen; Kriminalität und Religion sind solche in der Literatur mehrfach festgestellten Themenrahmungen. (3) Stereotypen: Charaktereigenschaften und Rollenzuschreibungen, die individuell gelten, werden bei Angehörigen ethnischer Minderheiten häufig auf die ganze Gruppe übertragen. Das gilt zunächst nicht nur für negative Zuschreibungen, ist aber in der Regel negativ konnotiert. Diese inhaltsanalytischen Basisbefunde sind bei Weitem nicht so klar und eindeutig, wie sie erscheinen, wenn man diese Aufzählung liest. Sie sind zum Teil widersprüchlich und in den unterschiedlichsten theoretischen, methodologischen und konzeptionellen Ansätzen verankert – vielleicht kann man sie als kleinsten gemeinsamen Nenner der Repräsentationsforschung ethnischer Minderheiten bezeichnen.
240
Zusammenfassung und Diskussion
Für das zweite Problemfeld, die Rolle der Massenmedien im Integrationsprozess ethnischer Minderheiten, liegt eine ganze Reihe Befunde vor, die schon vor der Durchführung dieser Untersuchung die Zurückweisung der These von der Bedeutungslosigkeit der Medien in diesem Prozess erlaubten. Ein ebenfalls kleinster gemeinsamer Nenner der interkulturellen Kommunikationsforschung, der kommunikationswissenschaftlichen Nutzungsforschung und der anthropologischen Soziologie ist die Parallelität des Medienumgangs, die Einbindung der Mediennutzung in die Alltagshandlungen in und gegenüber der Mehrheitsgesellschaft. Allerdings muss man auch hier theoretischen Pluralismus, fachliche Unverbundenheit und begriffliche Vielfalt – um es positiv auszudrücken – konstatieren. So bleibt weitgehend unklar, worauf Medien Wirkungen ausüben können, inwieweit sie selbst Folge eines Integrationsprozesses sind und wie ein Modell zur systematischen Beschreibung der Rolle der Massenmedien in diesem Prozess aussehen könnte. Will man jedoch einen Schritt weiter gehen und die Frage nach Medieneffekten stellen, sind zwei Begriffe von entscheidender Bedeutung: die ethnische Identität auf der „linken“ Seite des Modells und die Akkulturationsstrategien auf der „rechten“ Seite des Modells. Eigene Vorarbeiten haben sehr deutlich gezeigt, dass es möglich ist, die Nutzung von Minderheiten- und Mehrheitenmedien zu erklären und zu prognostizieren, wenn man – auf der Ebene von Individuen – die Stärke der Verwurzelung im ethnischen Kontext als Prediktor heranzieht. Inwieweit sich dann aber diese Mediennutzung auf das Verhalten und die Einstellung gegenüber der Mehrheitsgesellschaft auswirkt, war bisher in der Literatur kaum zu finden. Der Rückgriff auf die vier Akkulturationsstrategien von Berry (Integration, Assimilation, Separation und Marginalisierung) kann in diesem Zusammenhang in zweifacher Hinsicht hilfreich sein. Erstens zeigt er, dass es theoretisch möglich ist, die Einstellungen zum Herkunfts- und Ankunftskontext unabhängig voneinander zu betrachten. Und zweitens lassen sich Mediennutzungsstrategien, die diesen Akkulturationsformen entsprechen, als konkurrierende Erklärungsparameter gegen die ethnische Identität einer Person mit Migrationshintergrund stellen und empirisch testen. Mediennutzung wird dadurch zu einer relevanten Erklärungsdimension für das Verhalten gegenüber dem ethnischen und dem Mehrheitskontext – auch wenn diese Mediennutzung selbst Folge und Ausdruck einer individuellen ethnischen Identität ist.
7.3 Untersuchungsleitende Fragestellungen Die untersuchungsleitenden Fragestellungen des empirischen Teils liegen vor dem Hintergrund der theoretischen Überlegungen und der Analyse des Forschungsstandes auf der Hand: (1) Existieren die Repräsentationssyndrome der massenmedialen Thematisierung (auch) in der Wahrnehmung des Publikums, soweit es aus Betroffenen, das
Operationalisierungen
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heißt Angehörigen einer ethnischen Minderheit besteht? In welchem Zusammenhang steht diese Perzeption mit der Rezeption von Massenmedien aus der Mehrheitsgesellschaft und der Integration, genauer den Akkulturationsstrategien dieser sozialen Gruppen? (2) Kann man das Potenzial qualifizieren und quantifizieren, das die Nutzung von Massenmedien auf die individuellen Akkulturationsstrategien von Personen mit Migrationshintergrund hat? Sind Massenmedien neben der ethnischen Verwurzelung einer Person ein signifikanter Faktor für die Einstellung zur und das Verhalten gegenüber der Mehrheitsgesellschaft und dem Herkunftskontext? Diese Fragen wurden in zwei empirischen Teilstudien untersucht, die im Folgenden kurz zusammengefasst werden.
7.4 Operationalisierungen Den untersuchungsleitenden Fragestellungen zur Repräsentation ethnischer Minderheiten in den Massenmedien wurde in einer qualitativen Studie nachgegangen, die im Frühjahr des Jahres 2007 in Zürich durchgeführt wurde. Es handelt sich um zwei Gruppendiskussionen mit Angehörigen der türkischen Minderheit in der Deutschschweiz, die im Rahmen eines größeren Forschungsprojektes unter der Leitung des Verfassers an der Universität Freiburg/Schweiz durchgeführt wurden. Konzeptionell sind – neben der Untersuchung der türkischen Minderheit in beiden Teilstudien – vor allem zwei fallspezifische Besonderheiten wichtig: Erstens wurden die Teilnehmer der Gruppendiskussionen so rekrutiert, dass sie den größten Teil ihres Lebens im Ankunftskontext (hier: der Schweiz) verbracht hatten und zweitens wurde die Diskussion der Repräsentationssyndrome auf das Fernsehen fokussiert, das Medium mit der größten Reichweite und den meisten Nutzungsalternativen für die Befragten. Die methodischen Details der Gruppendiskussionen sind in Abschnitt 5.1 detailliert beschrieben und sollen an dieser Stelle nicht noch einmal nacherzählt werden, deshalb nur das Wichtigste in Kürze: Die beiden hier analysierten Gruppendiskussionen wurden mit jeweils acht Personen durchgeführt und dauerten jeweils etwa 90 Minuten. Die erste Gruppe (A) bestand aus vier Frauen und vier Männern und war homogen bezüglich ihres Herkunftskontextes – alle Personen hatten einen türkischen Migrationshintergrund. Die zweite, heterogene Gruppe setzte sich ebenfalls aus acht Personen zusammen, von denen zwei einen türkischen Herkunftskontext aufwiesen. In dieser zweiten Gruppe wurden vor allem die Aussagen dieser zwei türkischstämmigen Teilnehmerinnen in die Analyse mit einbezogen.
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Zusammenfassung und Diskussion
Die Diskussionen wurden durch die Vorgabe von insgesamt sieben Themenbereichen vorstrukturiert, vollständig aufgezeichnet, transkribiert und mit einer qualitativen Inhaltsanalyse in drei Schritten analysiert (Abschnitt 5.1.4). Der Kern der Diskussionen bestand in der Frage nach dem Vorkommen der türkischen Minderheit im Fernsehen und in anderen Medien, der Art und Weise der Thematisierung und der Bewertung dieser Thematisierung durch die Teilnehmer. Soziodemografie, Mediennutzungsgewohnheiten und die Einschätzung des eigenen Integrationsstatus bzw. der eigenen Akkulturationsstrategien bildeten den Hintergrund für den Diskussionsschwerpunkt und den Rahmen für die Analyse und Bewertung der Aussagen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Die Frage nach den Mediennutzungsmustern und den Medienwirkungen wurde im Rahmen einer repräsentativen Telefonbefragung unter 500 türkischstämmigen jungen Erwachsenen in Nordrhein-Westfalen untersucht. Auch in dieser Studie wurde durch die Altersbegrenzung dafür gesorgt, vor allem über Personen mit längerer Aufenthaltsdauer und mehrheitlich deutscher Schulbildung Aussagen zu ihrer ethnischen Identität, ihrem Integrationsstatus, ihrer Mediennutzung und ihren Akkulturationsstrategien treffen zu können. Der Verfasser war (u.a.) mit der konzeptionellen Planung und der Konstruktion des Untersuchungsinstruments für den Westdeutschen Rundfunk (WDR) befasst, der die Untersuchung vollständig finanziert hat (Abschnitt 6.1).
7.5 Zentrale Ergebnisse In den Gruppendiskussionen zur Repräsentation der türkischen Minderheit im Fernsehen waren diejenigen Vertreter dominant, die sich selbst als in beiden Welten zu Hause bezeichneten. Auch wenn sie diese Terminologie nicht gebrauchten, waren sie eindeutig als Inhaber hybrider Identitäten und integrativen Akkulturationsstrategien mit starken Verbindungen sowohl zu ihrem türkischen Herkunftskontext als auch zum Schweizer Ankunftskontext identifizierbar. Alle Teilnehmer verfügten über differenzierte Mediennutzungsstrategien, die sowohl deutschsprachige als auch türkischsprachige Medien bewusst ein- und ausschlossen. Das Internet als schnelles interpersonales und massenmediales Informationsmedium war unter diesen vergleichsweise jungen Teilnehmern sehr stark verbreitet. Im Hinblick auf die Repräsentationssyndrome wurde vor allem Marginalisierung in doppelter Hinsicht beklagt: einmal im Hinblick auf Diskrepanzen zwischen der „Fernsehwelt“ und ihrer „realen Alltagswelt“ und einmal in Hinsicht auf ihre mangelnde Vertretung durch politische und gesellschaftliche Sprecher in der massenmedialen Öffentlichkeit. Framing und Stereotypen wurden weitaus weniger durch die Befragten thematisiert, als dies in der Forschungsliteratur der Fall ist. Abgesehen von der Migrations- und Integrationsproblematik selbst, wurden kaum
Zentrale Ergebnisse
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konkrete Themenrahmungen genannt, die immer wiederkehren. Einzige Ausnahme: Religion ist für die Befragten ein solcher Frame, in dem sie immer wieder als Muslime thematisiert und auf ihren Glauben reduziert werden. Ähnliches gilt für Stereotype – das Stichwort fällt zwar schnell und oft, nachgefragt nach konkreten Verallgemeinerungen von Rollen oder Attributen wurden aber wenige angesprochen. Einzig die vermeintlich vor allem ausländischen Raser auf den Schweizer Straßen wurden häufig genannt. Negativismus als Teil eines massenmedialen Selektionsmechanismus, der zur Berichterstattung über ethnische Minderheiten führt, wenn von Kriminalität, Schaden und Konflikt die Rede ist, wird von den Teilnehmern der Gruppendiskussionen erkannt. Aber er wird von diesen eher verhalten negativ bewertet – im Gegenteil war in den Diskussionen ein gewisses Verständnis für den Zwang zur Reduktion und die Konzentration auf sensationelle und konfliktreiche Themen zu erkennen. In diesem Zusammenhang wurde vor allem kritisiert, dass die auf Negativismus bezogene Berichterstattung bisweilen unausgewogen und einseitig ist, wenn ethnische Minderheiten zum Gegenstand der Berichterstattung gemacht werden. „Gute Beispiele“ wie erfolgreiche Sportler oder Unternehmer mit Migrationshintergrund werden im Übrigen nicht durchgängig positiv beurteilt – sie kontrastieren eher die gängige Praxis, als dass sie als Gegengewicht oder Ausgleich einer vermeintlich negativen Berichterstattung verstanden werden. Zusammenfassend kann man für die Rezeptions- und Perzeptionsperspektive festhalten, dass Frames und Stereotypen durch die Äußerungen der Teilnehmer stark relativiert werden. Im Gegensatz dazu wird Marginalisierung als Manko der medialen Öffentlichkeit eindeutig und vielfach konstatiert. Die Repräsentation ethnischer Minderheiten in den Massenmedien – hier der türkischstämmigen Bevölkerung im Fernsehen – wird nicht durchgängig als schlecht, sondern schlicht als vielfach nicht vorhanden bemängelt. Bei der Analyse der Daten aus der Befragung der jungen türkischstämmigen Erwachsenen in Nordrhein-Westfalen wurde in einem ersten Schritt auf eine bewährte Methode zur Beschreibung der Integrationsstadien unter den Befragten zurückgegriffen. Im Rahmen einer Typologie wurden drei klar voneinander unterscheidbare Gruppen identifiziert, die in ihrer Einstellung zur deutschen Gesellschaft deutliche Unterschiede aufweisen. Zwei dieser Typen kann man als eher positiv eingestellt, einen Typus als eher der deutschen Gesellschaft abgewandt bezeichnen. Eine genauere Analyse zeigte dann sehr deutlich, dass alle drei Gruppen Verbindungen zum Herkunftskontext pflegen, wenn auch in sehr unterschiedlicher Stärke. So kann man einen der positiv eingestellten Typen tatsächlich als integriert im Sinne der Akkulturationssystematik von Berry bezeichnen, während der andere ebenfalls sehr positiv gegenüber dem deutschen Kontext eingestellte Typus eher als assimiliert gelten kann. Diese letztgenannte Gruppe hat vergleichsweise geringe Verbindungen zu ihrem türkischen Herkunftskontext. Der dritte Typus konnte im Rahmen der
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Analysen als separiert identifiziert werden, denn die entsprechende Gruppe bestand in erster Linie aus Personen, die dem türkischen Kontext stark zugewandt und der deutschen Gesellschaft gegenüber eher abgewandt sind. Ein vierter – theoretisch erwartbarer – beiden Kontexten gegenüber eher abgewandter Typus konnte in der vorliegenden Stichprobe nicht identifiziert werden, was vermutlich auf die Altersstruktur der Befragten zurückzuführen ist. Im Hinblick auf die Mediennutzung der Befragten kann man zwei grundlegende Befunde herausgreifen. (1) Für das Fernsehen – das zeitintensivste und reichweitenstärkste Medium in dieser Population – gilt, dass die meisten (45 Prozent) sowohl Stammnutzer deutschsprachiger als auch türkischsprachiger Programmangebote sind. Dabei zeigen sich nur schwache Unterschiede in der Mediennutzung der oben genannten Integrationstypen, insbesondere die türkischsprachige Mediennutzung ist kein Indikator für eine Abwendung vom Kontext der deutschen Mehrheitsgesellschaft. (2) Vielleicht noch interessanter ist in diesem Zusammenhang der weitergehende Befund, dass die türkischsprachige und deutschsprachige Mediennutzung unabhängig voneinander sind. Das heißt, dass etwa die türkischsprachige Fernsehnutzung nicht zulasten des deutschsprachigen TV-Konsums geht – für die meisten Befragten gibt es bei dieser Auswahlentscheidung kein Entweder-oder. Im letzten Schritt dieser Teilstudie wurden Kausalanalysen zur Bestimmung des Einflusspotenzials der Mediennutzung auf die Akkulturationsstrategien durchgeführt. Dafür wurden vor dem Hintergrund der oben beschriebenen Erkenntnisse aus der Typologie und der Analyse der Mediennutzung differenzierte Indikatoren für die Kombinationsstrategien deutsch- und türkischsprachiger Medien gebildet, um ihren Einfluss auf die Akkulturationsstrategien gegen soziodemografische Variablen und gegen Variablen zur ethnischen Identität zu testen. Die Befunde dieser Kausalanalyse sind klar und zeigen, dass die Nutzung deutsch- und türkischsprachiger Medien einen eindeutig identifizierbaren Effekt auf die Akkulturation ethnischer Minderheiten haben kann – wenn auch nicht in dem einfachen und linearen Sinn, der in der Forschungsliteratur und in der Öffentlichkeit häufig zu lesen und zu hören ist. So ist die türkischsprachige Mediennutzung für sich betrachtet keine Integrationsbremse, wenn überhaupt schwächt sie höchstens rein assimilative Akkulturationsstrategien ab. Personen, die sich in beiden Kontexten bewegen und positiv gegenüber dem Mehrheitskontext eingestellt sind, werden durch türkischsprachige Medien nicht negativ, sondern positiv beeinflusst, wenn diese mit der Nutzung deutschsprachiger Medien kombiniert werden. Dagegen kann man für die deutschsprachige Mediennutzung eindeutig integrative Effekte konstatieren, die nicht durch Wechselwirkungen mit dem Alter oder der Aufenthaltsdauer der Befragten nivelliert werden und – das ist nur folgerichtig – unabhängig von der ggf. zusätzlichen türkischsprachigen Mediennutzung sind. Ethnische Medien führen ins Mediengetto und gesellschaftliche Abseits, Mehrheitsmedien helfen integrieren und führen zu gesellschaftlicher Eingliederung ethnischer Minderheiten. Nach
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den hier vorgelegten Analysen – und das ist das zentrale Ergebnis dieser Untersuchung – ist der erste Teil dieser Verknüpfung genauso falsch, wie der zweite Teil richtig ist und dies vor allem deshalb, weil beide Medienwelten für die Befragten relevant und einflussreich, aber eben auch unabhängig voneinander sind.
7.6 Diskussion und Ausblick In der deutschsprachigen Kommunikationswissenschaft sind Defizite der Berichterstattung über Ausländer und „Gastarbeiter“ schon sehr früh als Syndrome gebrandmarkt und mit entsprechenden Wirkungsannahmen versehen worden (Merten 1987). In der Folge ist eine ganze Reihe von Studien erschienen, die an diesen Befund anknüpfen und vor allem marginalisierende, verzerrende und diskriminierende Berichterstattungstendenzen feststellen und negative Folgen für die Integration ethnischer Minderheiten konstatieren. Die Durchsicht aktueller Synopsen zum Thema hat gezeigt, dass eine theoretische und terminologische Systematik dieser Berichterstattungssyndrome vielfach fehlt und in vielen Studien widersprüchliche bzw. häufig unverbundene Einzelphänomene beschrieben werden (Müller 2005a, Bonfadelli 2007a, Ruhrmann/Demren 2000). Außerdem sind weitaus mehr Studien bekannt, die sich mit massenmedialen Inhalten befassen, als Studien, die die Wahrnehmung und Wirkung dieser Inhalte bei den „Betroffenen“ dieser Defizite und Syndrome untersuchen – auch wenn inzwischen einige Publikationen erschienen sind, die diesen Aspekt zumindest mit behandeln (Hafez 2002; Kühnel/Leibold 2000; ZfT 1995; Geißler 2005). Erweitert man den Blick gleichzeitig über den deutschsprachigen und den kommunikationswissenschaftlichen Horizont hinaus – man kann das eine nicht ohne das andere tun –, stellt man für den europäischen Raum ganz ähnliche Tendenzen wie in Deutschland fest (TerWal 2002, Sreberny 1999 und 2005; Millwood Hargrave 2002; Pietikäinen 2004), findet aber in der amerikanischen Literatur eine stärkere Fokussierung auf die mediale Behandlung und Repräsentation der farbigen Minderheit (Schaffner/Gadson 2004; Gerbner 1993; Greenberg et al. 2002). Hinzu kommen Ansätze und Befunde aus Cultural Studies und Sozialanthropologie, die aus dem methodologischen Blickwinkel einer empirischen Kommunikationswissenschaft schwer zu erschließen sind, im Grundsatz aber zu vergleichbaren Erkenntnissen in Form von medialen Defiziten kommen (Cottle 2000a; Downing/Husband 2005; King/Wood 2001). Der theoretische Fortschritt der hier vorgelegten Studie besteht in der Systematisierung dieser Ansätze und Befunde. Zwar geschieht diese Systematisierung vornehmlich aus der kommunikationswissenschaftlichen Perspektive, dennoch zeigt sie sehr deutlich, dass die meisten Defizite und Syndrome auf der Inhaltsseite auf einige wenige Standardmechanismen der Selektion, Thematisierung und Reduktion
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von gesellschaftlicher Realität in Form von Ereignissen und Akteuren zurückführbar sind. Insofern fällt es nun leicht, entsprechende Befunde zu Marginalisierung und Problematisierung bzw. Stereotypen und Frames einzuordnen und theoretisch zu verorten. Der empirische Gehalt der Repräsentationsstudie wird vor allem durch die Relativierung einiger dieser Phänomene auf der Rezipientenseite deutlich. Qualitative Studien ergeben wenig verallgemeinerbare – im Sinne repräsentativer – Erkenntnisse. Die durchgeführten Gruppendiskussionen helfen vor allem, Fragen nach der Gewichtung der massenmedialen Repräsentationsdefizite zu stellen. Die Studie hier kann weder die Existenz noch die Relevanz solcher Syndrome infrage stellen. Aber sie kann zeigen, dass zumindest die Möglichkeit besteht, dass bei der Wahrnehmung der Berichterstattung und der fiktionalen Thematisierung ethnischer Minderheiten Unterschiede bestehen zwischen (1) „normalen“ massenmedialen Auswahl- und Thematisierungsmechanismen, die auf alle sozialen Akteure zutreffen, (2) der Überbetonung vermeintlich gemeinsamer Eigenschaften einer ethnischen Gruppe und (3) der Marginalisierung einer ethnischen Gruppe durch Nichtbehandlung in der alltäglichen Realitätsvermittlung und -konstruktion. „Da sein“, „Vorkommen“, „zum Alltag gehören“, „zu Wort kommen“ könnten nach den hier gewonnenen Erkenntnissen wichtigere – und leichter zu erfüllende – Bedürfnisse ethnischer Minderheiten sein als die Verbesserung vermeintlich negativer Berichterstattungstendenzen. Das ist die Hypothese, die aus dieser qualitativen Teilstudie hervorgeht und die es im Rahmen einer weiterführenden Forschungsstrategie zu verifizieren gelten könnte. Ein möglicher Ansatzpunkt zur Überprüfung dieser Hypothese wäre die Integration entsprechender Fragen und Erhebungsdimensionen in einer repräsentativen Befragung ethnischer Minderheiten zur Mediennutzung und Integration, wie sie im Rahmen der zweiten Untersuchung durchgeführt und analysiert wurde. Bei der theoretischen Vorbereitung dieser Teilstudie musste allerdings festgestellt werden, dass solche Studien bisher noch immer Mangelware sind. Und das betrifft nicht nur die Verbindung von Integrations- und Mediennutzungsfragen, sondern beginnt für die angewandte Forschung schon auf einer viel früheren Stufe: Es fehlt allein schon an standardisierten Mediennutzungsdaten für ethnische Minderheiten in Deutschland – von Europa oder gar internationalen Standards ganz zu schweigen (Christiansen 2004; D’Haenens 2003; Karim 1998). Immerhin existieren inzwischen einige Einzelstudien wie etwa die aktuelle Befragung von Menschen mit Migrationshintergrund im Auftrag der ARD/ZDF-Medienkommission (ARD/ZDF 2007; Simon 2007). Allerdings wurden auch in dieser Studie keine Integrationsvariablen erhoben, die es erlauben würden, auf den Zusammenhang von Mediennutzung und Integration bezogene Analysen durchzuführen. Die Untersuchungen, die in diesem Kontext vom WDR seit den 1980er Jahren initiiert bzw. in Auftrag gegeben wurden,
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stehen zusammen mit den Befragungen des Presse- und Informationsamtes ziemlich singulär dar (Eckardt 2000; Weiß/Trebbe 2001; ZfT 1997). Da es an solchen Studien mangelt, sind bisher auch nur wenige Versuche unternommen worden, die Rolle der Massenmedien im Integrationsprozess theoretisch zu verorten – jedenfalls im deutschsprachigen Raum und aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive (Bucher/Bonfadelli 2007; Pöttker 2005). In der vorliegenden Untersuchung wurden für einen solchen Systematisierungsversuch wiederum sprachliche und fachliche Grenzen überschritten. In der Soziologie und Sozialpsychologie, in den Kulturwissenschaften und in der Sozialanthropologie werden Hypothesen und Befunde formuliert, die für die kommunikationswissenschaftliche Untersuchung des Phänomens nutzbar gemacht werden konnten. Konzeptionell knüpfen die Erhebung und Analyse schließlich an ein Modell interkultureller Adaption (Kim 1977) und eine Untersuchung von Jeffres (2000) an, der im Rahmen einer Paneluntersuchung Wirkungen ethnischer Medien auf die ethnische Identität von Minderheiten feststellen konnte. Allerdings steht sie in einem Punkt deutlich im Widerspruch zu den genannten Analysemodellen: Vor dem Hintergrund eigener Vorarbeiten wird ethnische Identität, das heißt das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe, neben die soziodemografischen Variablen auf die Seite der unabhängigen – vorderhand nicht durch Medien beeinflussten – Dimensionen geschlagen, während davon getrennt als abhängige Variable die gewählte Akkulturationsstrategie (Berry 1980) aufgefasst wird. Auf diese Weise wurde es möglich, das Effektpotenzial der Massenmedien auf diese Akkulturationsstrategien in einem eindeutig gerichteten Kausalmodell empirisch zu bestimmen und zu quantifizieren – ein Defizit der bisherigen Forschung auf diesem Gebiet. Die empirischen Befunde der durchgeführten Studie kann man als substanzielle Erweiterung des Forschungsstandes auf diesem Gebiet begreifen, und zwar nicht nur aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive. Massenkommunikation ist eine relevante Instanz im Zusammenhang mit der Eingliederung ethnischer Minderheiten (H. Esser 2000). Mehr noch: Sie kann als ursächlich für die Verfolgung bestimmter Akkulturationsstrategien aufgefasst werden. Die Nutzung ethnischer Minderheitenmedien führt nicht ins (Medien-)Getto (Christiansen 2004), sondern ist unabhängig von der Zuwendung zur Mehrheitsgesellschaft und ihren Medien. Neben der oben angedeuteten Möglichkeit, zusätzlich zu den Integrations- und Akkulturationsvariablen in Mediennutzungsbefragungen ethnischer Minderheiten die Frage nach der Wahrnehmung bestimmter Thematisierungsdefizite aufzunehmen, wären für eine empirisch stärker abgesicherte Wirkungsforschung Befragungen im Längsschnitt und über einen längeren Zeitraum notwendig. Aber diese Forderung ist wohl vor der Etablierung einer standardisierten und kontinuierlichen Mediennutzungsforschung für ethnische Minderheiten in Deutschland oder gar Europa noch einen Schritt zu weit gedacht.
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