Veröffentlichungen des Instituts für Deutsches, Europäisches und Internationales Medizinrecht, Gesundheitsrecht und Bioethik der Universitäten Heidelberg und Mannheim
Herausgegeben von Thomas Hillenkamp, Lothar Kuhlen, Eibe Riedel, Jochen Taupitz (Geschäftsführender Direktor)
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Christian Müller-Götzmann
Artifizielle Reproduktion und gleichgeschlechtliche Elternschaft Eine arztrechtliche Untersuchung zur Zulässigkeit fortpflanzungsmedizinischer Maßnahmen bei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften
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Reihenherausgeber Professor Dr. Dr. h.c. Thomas Hillenkamp Professor Dr. Lothar Kuhlen Professor Dr. Eibe Riedel Professor Dr. Jochen Taupitz (Geschäftsführender Direktor)
Autor Dr. iur. Christian Müller-Götzmann Sozialgericht Berlin Invalidenstraße 52 10577 Berlin Deutschland
[email protected]
ISSN 1617-1497 ISBN 978-3-642-01281-5 e-ISBN 978-3-642-01282-2 DOI 10.1007/978-3-642-01282-2 Springer Dordrecht Heidelberg London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2009 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandentwurf: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)
Dem Andenken von Michael Kärcher
Thy eternal summer shall not fade William Shakespeare
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Vorwort
Die vorliegende Schrift wurde im Herbstsemester 2008/2009 von der juristischen Fakultät der Universität Mannheim als Dissertation angenommen. Die Befassung mit der ihr zugrundeliegenden Thematik reicht mehrere Jahre zurück. Bereits im Wintersemester 2000/2001 waren die „Rechtlichen Probleme der artifiziellen Reproduktion bei gleichgeschlechtlichen Paaren“ Gegenstand eines von Prof. Dr. Dr. h.c. Adolf Laufs (Heidelberg) ausgegebenen Referats, das im Rahmen eines von ihm und Prof. Dr. Jochen Taupitz (Mannheim) geleiteten medizinrechtlichen Seminars verhandelt wurde. Nach der Emeritierung von Prof. Laufs hat sich sein Mannheimer Kollege freundlicherweise bereit erklärt, das Vorhaben zu betreuen. Ich danke meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Jochen Taupitz, für den großzügig gewährten wissenschaftlichen Freiraum, der das Entstehen der Arbeit in dieser Form ermöglichte, und die ausgesprochen zügige Erstellung des Erstgutachtens. Herrn Prof. Dr. Ulrich Falk danke ich für die umgehende Zweitbegutachtung. Ganz besonders herzlich bedanke ich mich bei Frau Richterin am Amtsgericht Dr. Bettina Kirschke (Berlin), die frühere Entwürfe dieser Arbeit mit großer Geduld und Umsicht gelesen hat. Ihre konstruktive Kritik und ihre wertvollen Ratschläge kamen dem Werk allenthalben zugute. Zu danken habe ich auch Herrn Prof. Dr. Christian Katzenmeier (Köln), der den Anstoß zur Promotion gab und mich darüber hinaus in vielfältiger Weise unterstützte. Frau Prof. Dr. Maarit JänteräJareborg (Uppsala), Frau Dr. Machteld Vonk (Utrecht) und Herr Prof. Dr. Walter Pintens (Leuven) haben mir unbürokratisch Auskünfte erteilt und bereitwillig Materialien überlassen, die für den komparatistischen Teil von großem Wert waren. Für dieses kollegiale Entgegenkommen bedanke ich mich ebenfalls. Schließlich danke ich den Herausgebern für die freundliche Aufnahme in die Schriftenreihe des Instituts für Deutsches, Europäisches und Internationales Medizinrecht, Gesundheitsrecht und Bioethik der Universitäten Heidelberg und Mannheim. Die Arbeit befindet sich im wesentlichen auf dem Stand vom 1. Juni 2008. Danach erschiene Literatur und Rechtsprechung konnte nur noch vereinzelt berücksichtigt werden. In die Zeit der Anfertigung dieser Untersuchung fiel auch ein Ereignis, welches mit großer persönlicher Trauer verbunden war. Völlig unerwartet verstarb am 10. Mai 2003 mein Lebensgefährte Michael Kärcher im Alter von 36 Jahren. Michael hatte sich auf das Erscheinen der Dissertation sehr gefreut. Seine Liebe, sein Humor und sein Rat fehlen mir. Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei all jenen bedanken, die mir während dieser Zeit ihren Trost und ihre Anteilnahme zuteil werden ließen. An erster Stelle danke ich meinen Eltern Elke und Dieter Müller sowie meinem Bruder Johannes für den familiären Rückhalt. Ohne diesen
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Vorwort
und ihre Unterstützung im übrigen wären weder dieses Projekt noch meine Ausbildung möglich gewesen. Danken möchte ich auch allen Angehörigen der Familie Kärcher, die mich stets herzlich aufgenommen und als Familienmitglied behandelt haben. Meine Freunde haben durch ihre Zuneigung und Unterstützung auf liebenswerte und je individuelle Weise ihre Verbundenheit zum Ausdruck gebracht und damit den Wert jeder einzelnen Freundschaft unter Beweis gestellt. Hierfür danke ich ihnen von Herzen. Michael Kärcher hat viele Menschen, die ihn kannten, beeindruckt. Sein Wesen und Handeln zeichneten sich vor allem durch soziale Kompetenz, das Eintreten für Gerechtigkeit, eine Großzügigkeit des Herzens und den Respekt vor anderen aus. Sein Ethos bleibt Vorbild. Seinem Andenken widme ich diese Arbeit in Liebe und Dankbarkeit.
Berlin, im Februar 2009
Christian Müller-Götzmann
Inhaltsübersicht
Abkürzungsverzeichnis .................................................................................... XXI Einführung ................................................................................................................1 Teil I §1 §2 §3 §4 §5 §6
Notwendigkeit der Auseinandersetzung und Terminologie ............................7 Kinderwunsch gleichgeschlechtlicher Paare .................................................11 Kulturgeschichtliche Grundlagen ..................................................................20 Sexualwissenschaftliche Grundlagen ............................................................41 Entwicklungspsychologische Grundlagen.....................................................62 Rechtsgeschichtliche Grundlagen..................................................................76
Teil II §7
Recht der eingetragenen Lebenspartnerschaft...............................113
Das Lebenspartnerschaftsrecht ....................................................................113
Teil III §8
Grundlagen der gleichgeschlechtlichen Elternschaft.........................7
Komparatistische Untersuchung......................................................175
Darstellung und Vergleich ausländischer Rechtsordnungen.......................175
Teil IV
Medizinische Grundlagen und rechtlicher Rahmen der artifiziellen Reproduktion ..........................................................215
§ 9 Reproduktionsmedizinische Grundlagen.....................................................215 § 10 Embryonenschutzgesetz ..............................................................................235 § 11 Das ärztliche Standesrecht...........................................................................290 Teil V § 12 § 13 § 14 § 15
Folgefragen der Zulassung gleichgeschlechtlicher Paare ..............313
Abstammung und Eltern-Kind-Zuordnung .................................................313 Rechtliche und ethische Beurteilung des ärztlichen Handelns....................341 Kostentragung..............................................................................................351 Schlußbetrachtung .......................................................................................354
Teil VI
Wesentliche Ergebnisse .....................................................................355
Literaturverzeichnis ...........................................................................................371
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Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis .................................................................................... XXI Einführung ................................................................................................................1 Teil I §1
§2
§3
Grundlagen der gleichgeschlechtlichen Elternschaft.........................7
Notwendigkeit der Auseinandersetzung und Terminologie ............................7 I. Notwendigkeit einer umfassenden Auseinandersetzung........................7 II. Terminologie ..........................................................................................8 1. Homosexualität ................................................................................8 2. Gleichgeschlechtliche Partnerschaft................................................9 3. Gleichgeschlechtliche Elternschaft................................................10 Kinderwunsch gleichgeschlechtlicher Paare .................................................11 I. Kinderwunsch und Homosexualität .....................................................11 II. Empirische Erhebungen........................................................................13 1. Bestehende gleichgeschlechtliche Elternschaft .............................13 a) Bisheriges Vorkommen von Kindern in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften ..................................13 b) Ursachen..................................................................................15 2. Gewünschte gleichgeschlechtliche Elternschaft............................16 a) Ausmaß des Kinderwunsches .................................................16 b) Formen der Realisierung.........................................................16 c) Kinderwunsch und rechtliche Absicherung............................17 d) Zukünftige Entwicklung .........................................................18 III. Zusammenfassung und Bewertung.......................................................19 Kulturgeschichtliche Grundlagen ..................................................................20 I. Vorbemerkung ......................................................................................20 II. Entwicklung bis 1871 ...........................................................................21 1. Antike.............................................................................................21 a) Griechenland ...........................................................................21 b) Rom.........................................................................................22 c) Germanische Stammesverbände .............................................22 d) Einfluß des Christentums........................................................22 2. Mittelalter.......................................................................................23 3. Renaissance....................................................................................24 4. Beginnendes 19. Jahrhundert.........................................................24 III. Entwicklung in Deutschland ab 1871...................................................25 1. Deutsches Reich.............................................................................25 2. Weimarer Republik........................................................................25
XII
§4
§5
§6
Inhaltsverzeichnis
3. Nationalsozialismus .......................................................................26 a) Grundlagen der nationalsozialistischen Ideologie ..................26 b) Verfolgung Homosexueller.....................................................28 4. Nachkriegszeit ...............................................................................29 5. 1970er Jahre...................................................................................30 a) Liberalisierungstendenzen ......................................................30 b) Diskriminierungstendenzen ....................................................31 6. Die Aids-Krise ...............................................................................32 7. Entwicklung seit 1990 ...................................................................34 IV. Zusammenfassende Bewertung ............................................................36 1. Homosexualität ..............................................................................36 2. Gleichgeschlechtliche Partnerschaft..............................................36 3. Gleichgeschlechtliche Elternschaft................................................37 Sexualwissenschaftliche Grundlagen ............................................................41 I. Einleitung..............................................................................................41 II. Historische Entwicklung.......................................................................41 III. Aktueller Stand der sexualwissenschaftlichen Erkenntnisse................45 1. Erscheinungsformen der Homosexualität......................................46 2. Genese der Homosexualität ...........................................................47 a) Konstitutionsbiologische Theorien .........................................48 b) Theorie der positivistischen Sexualwissenschaft....................49 c) Psychoanalytische Theorie......................................................50 d) Theorie des Erwerbs durch Vorbildwirkung ..........................51 e) Zwischenergebnis ...................................................................52 3. Coming Out....................................................................................53 4. Prägung und Irreversibilität ...........................................................54 5. Pädophilie und Ephebophilie.........................................................55 6. „Promiskuität“ und „Partnermobilität“..........................................57 IV. Zusammenfassung und Bewertung.......................................................60 Entwicklungspsychologische Grundlagen.....................................................62 I. Einleitung..............................................................................................62 II. Maßstab.................................................................................................63 III. Methodische Aspekte der Studien ........................................................64 IV. Studienergebnisse .................................................................................65 1. Psychosexuelle Entwicklung .........................................................65 a) Geschlechtsidentität ................................................................66 b) Geschlechtsspezifisches Rollenverhalten ...............................67 c) Sexuelle Orientierung .............................................................67 2. Persönlichkeitsentwicklung ...........................................................68 3. Beziehungen zur sozialen Umwelt ................................................68 4. Bedeutung des Coming Out der Eltern..........................................69 5. Stigmatisierung ..............................................................................70 V. Studien zu lesbischer Elternschaft infolge künstlicher Befruchtung ...........................................................71 VI. Ergebnis ................................................................................................74 Rechtsgeschichtliche Grundlagen..................................................................76 I. Einleitung..............................................................................................76
Inhaltsverzeichnis
II.
XIII
Strafbarkeit der Homosexualität...........................................................77 1. Entwicklung bis 1871 ....................................................................77 2. Deutsches Reich und Weimarer Republik.....................................78 a) Gesetzgebung ..........................................................................78 b) Rechtsprechung.......................................................................78 c) Reformbemühungen................................................................79 3. Nationalsozialismus .......................................................................79 4. Bundesrepublik Deutschland .........................................................80 a) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts....................81 (1) Inhaltliche Aussagen ........................................................82 (2) Kritik ................................................................................83 b) Reformbestrebungen ...............................................................84 c) Gesetzgeberische Aktivitäten..................................................85 d) Abschaffung des § 175 StGB..................................................86 (1) Argumente von Bund und Ländern..................................86 (2) Reaktion des juristischen Schrifttums..............................88 (3) Gegner der Abschaffung ..................................................89 (4) Zusammenfassung............................................................94 e) Entschließung des Deutschen Bundestages ............................94 f) Zwischenergebnis und Bewertung..........................................95 III. Bemühungen um ein Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Paare ............................................................96 1. Gleichgeschlechtliche Ehe.............................................................97 2. Gesetzgeberische Initiativen..........................................................97 3. Zwischenergebnis und Bewertung.................................................98 IV. Homosexuelle als Erziehungspersonen ................................................99 1. Parlamentarische Stellungnahmen.................................................99 2. Rechtsprechung und Schrifttum ..................................................100 a) Sorgerecht .............................................................................100 (1) Entscheidung des AG Mettmann ...................................100 (2) Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte..............101 b) Entziehung der elterlichen Sorge ..........................................102 c) Umgangsrecht .......................................................................102 3. Zwischenergebnis ........................................................................104 V. Belange Homosexueller auf europapolitischer Ebene........................104 1. Das Europäische Parlament .........................................................105 a) Entschließung vom 8. Februar 1994 .....................................105 (1) Grammatikalische Auslegung ........................................106 (2) Systematische Auslegung ..............................................106 (3) Historische Auslegung ...................................................107 b) Reaktionen ............................................................................107 c) Fazit.......................................................................................109 2. Weitere Aktivitäten der Europäischen Union und deren Auswirkungen auf das nationale Recht .............................110 3. Zwischenergebnis ........................................................................110 VI. Zusammenfassung ..............................................................................111
XIV
Inhaltsverzeichnis
Teil II §7
Recht der eingetragenen Lebenspartnerschaft...............................113
Das Lebenspartnerschaftsrecht ....................................................................113 I. Einleitung............................................................................................113 II. Die Entwicklung des Lebenspartnerschaftsrechts bis zu seiner Novellierung ..................................................................115 1. Die Koalitionsvereinbarung.........................................................115 2. Gesetzgebungsgeschichte ............................................................115 3. Die Zielsetzung des Gesetzes ......................................................117 4. Spielraum des Gesetzgebers ........................................................118 5. Kritik ............................................................................................118 a) Kritik Brauns ........................................................................119 b) Eigene Stellungnahme ..........................................................120 c) Verfassungsrechtliche Kritik ................................................123 6. Das Urteil des BVerfG in der Hauptsache...................................125 a) Vereinbarkeit mit der Verfassung in formeller Hinsicht ......126 b) Vereinbarkeit mit der Verfassung in materieller Hinsicht....126 (1) Vereinbarkeit mit Art. 6 Abs. 1 GG...............................126 (2) Vereinbarkeit mit Art. 3 GG ..........................................129 (3) Vereinbarkeit mit Art. 6 Abs. 2 GG...............................130 (4) Vereinbarkeit mit Art. 14 GG ........................................130 c) Fazit.......................................................................................131 III. Das novellierte Lebenspartnerschaftsrecht.........................................131 1. Aussagen zu Maßnahmen der künstlichen Befruchtung .............132 2. Inhaltliche Aussagen im einzelnen ..............................................133 a) Die Stabilität der eingetragenen Lebenspartnerschaft ..........133 (1) Die Begründung der eingetragenen Lebenspartnerschaft .......................................................134 (2) Begründungsmängel.......................................................134 (3) Die partnerschaftliche Lebensgemeinschaft ..................136 (4) Eingehung auf Lebenszeit ..............................................140 (5) Aufhebung der eingetragenen Lebenspartnerschaft.......140 (6) Zusammenfassung und Bewertung ................................144 b) Das ökonomische Fundament der eingetragenen Lebenspartnerschaft.......................................145 (1) Güterrecht.......................................................................145 (2) Schlüsselgewalt ..............................................................147 (3) Verfügungsbeschränkungen...........................................149 (4) Unterhaltspflichten.........................................................149 (5) Erbrecht ..........................................................................156 (6) Fehlende Vergünstigungen ............................................156 (7) Zusammenfassung..........................................................157 c) Kindschaftsrechtliche Regelungen .......................................158 (1) Sorgerechtliche Befugnisse............................................158 (2) Weitere kindschaftsrechtliche Regelungen....................167 (3) Einbenennung.................................................................167 (4) Adoptionsrechtliche Regelungen ...................................167 IV. Abschließende Bewertung..................................................................172
Inhaltsverzeichnis
Teil III §8
Komparatistische Untersuchung......................................................175
Darstellung und Vergleich ausländischer Rechtsordnungen.......................175 I. Einleitung............................................................................................175 II. Das Recht der nordischen Staaten ......................................................177 1. Dänemark.....................................................................................178 2. Island............................................................................................181 3. Norwegen.....................................................................................181 4. Schweden .....................................................................................182 5. Finnland .......................................................................................188 III. Das Recht weiterer ausgewählter kontinentaleuropäischer Staaten .........................................................190 1. Niederlande..................................................................................190 2. Belgien .........................................................................................193 3. Frankreich ....................................................................................194 4. Spanien.........................................................................................197 5. Schweiz ........................................................................................199 IV. Das Recht einzelner anglo-amerikanischer Staaten ...........................201 1. Vereinigtes Königreich ................................................................201 2. Vereinigte Staaten von Amerika..................................................202 V. Vergleichende Betrachtung ................................................................207 1. Rechtsinstitute..............................................................................207 2. Assistierte Reproduktion .............................................................209 3. Spezielle familienrechtliche Regelungen ....................................213 VI. Zusammenfassung ..............................................................................214
Teil IV §9
XV
Medizinische Grundlagen und rechtlicher Rahmen der artifiziellen Reproduktion ..........................................................215
Reproduktionsmedizinische Grundlagen.....................................................215 I. Einleitung............................................................................................215 II. Reproduktionsbiologische Grundlagen ..............................................217 III. Bedingungen der Reproduktion bei gleichgeschlechtlichen Paaren............................................................220 IV. Techniken der Reproduktionsmedizin................................................220 1. Homologes und heterologes System............................................220 2. Artifizielle Insemination ..............................................................221 3. In-vitro-Fertilisation mit Embryotransfer ....................................222 4. Intracytoplasmatische Spermieninjektion....................................224 5. Uterine Lavage.............................................................................224 6. Eizellspende .................................................................................224 7. Gametentransfer...........................................................................225 V. Terminologische Fragen .....................................................................225 1. Ersatzmutterschaft .......................................................................225 2. Gespaltene Mutterschaft ..............................................................226 VI. Ärztlich assistierte Reproduktion und künstliche Befruchtung in eigener Regie ..................................................................................227
XVI
Inhaltsverzeichnis
VII. Denkbare reproduktionsmedizinische Maßnahmen bei gleichgeschlechtlichen Paaren ......................................................227 1. Schwule Partnerschaften..............................................................227 2. Lesbische Partnerschaften ...........................................................228 3. Problematische Techniken...........................................................229 a) Artifizielle oder tierische Plazenta........................................229 (1) Technik...........................................................................229 (2) Bedenken........................................................................229 b) Klonen...................................................................................229 (1) Technik...........................................................................229 (2) Bedenken........................................................................231 c) Kombination des genetischen Materials zweier gleichgeschlechtlicher Personen ...............................232 (1) Technik...........................................................................232 (2) Bedenken........................................................................233 d) Zeugung eines Kindes mit bestimmter sexueller Orientierung ..........................................................................233 (1) Technik...........................................................................233 (2) Bedenken........................................................................234 VIII. Der rechtliche Rahmen für reproduktionsmedizinische Maßnahmen ........................................................................................234 § 10 Embryonenschutzgesetz ..............................................................................235 I. Einleitung............................................................................................235 II. Entstehungsgeschichte........................................................................236 III. Schwule und lesbische Paare betreffende Regelungen ......................239 1. Zulässigkeit des heterologen Systems .........................................239 2. Zulässigkeit der In-vitro-Fertilisation..........................................240 3. Arztvorbehalt ...............................................................................240 4. Verbot der Geschlechtswahl ........................................................241 5. Freiwilligkeit der Mitwirkung .....................................................241 IV. Das lesbische Paare betreffende Verbot der Herbeiführung gespaltener Mutterschaften.................................................................242 1. Einschlägige Regelungen.............................................................242 a) § 1 Abs. 1 Nr. 1 ESchG.........................................................242 b) § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG.........................................................244 c) § 1 Abs. 1 Nr. 6 ESchG.........................................................246 d) Konsequenzen für lesbische Paare........................................247 2. Argumente für das Verbot der Herbeiführung gespaltener Mutterschaften ..........................................................248 3. Kritik am Verbot der Herbeiführung gespaltener Mutterschaften ..........................................................250 a) Kindeswohlargumentation ....................................................250 b) Rechtsphilosophische Einwände...........................................251 c) Fehlende empirische Nachweise...........................................252 d) Kritik an der Gesetzestechnik ...............................................254 e) Ungleichbehandlung von Ei- und Samenspende ..................255 f) Rechtsvergleichende Aspekte ...............................................256
Inhaltsverzeichnis XVII
4. Eizellspende innerhalb lesbischer Partnerschaften......................257 5. Zwischenergebnis ........................................................................259 V. Das schwule Paare betreffende Verbot der Herbeiführung von Ersatzmutterschaften ...................................................................259 1. Einschlägige Regelungen.............................................................259 a) § 14 und § 14b AdVermiG....................................................260 b) § 1 Abs. 1 Nr. 6 ESchG.........................................................262 c) § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG.........................................................262 d) Konsequenzen für schwule Paare .........................................265 2. Argumente für das Verbot der Herbeiführung von Ersatzmutterschaften.............................................................266 a) Die Ausgangslage .................................................................266 b) Die Argumente im einzelnen ................................................267 3. Kritik am Verbot der Herbeiführung von Ersatzmutterschaften.............................................................270 a) Menschenwürdeargumentation .............................................270 b) Kindeswohlargumentation ....................................................271 c) Gleichstellung von kommerziell und altruistisch motivierter Ersatzmutterschaft..............................................273 d) Rechtsphilosophische Einwände...........................................274 e) Rechtsvergleichende Aspekte ...............................................274 (1) Anglo-amerikanischer Rechtskreis ................................274 (2) Israel ...............................................................................275 (3) Griechenland ..................................................................278 4. Ersatzmutterschaft bei schwulen Partnerschaften .......................279 5. Zwischenergebnis ........................................................................279 VI. Rechtliche Beurteilung weiterer Verfahren bei lesbischen Partnerschaften............................................................281 1. Künstliche Befruchtung unter ärztlicher Assistenz .....................281 2. Künstliche Befruchtung unter eigener Regie...............................281 3. Zwischenergebnis ........................................................................283 VII. Verfassungsrechtliche Beurteilung der Verbote der Herbeiführung von gespaltenen Mutterschaften und von Ersatzmutterschaften ............................................................283 1. Schutzbereich...............................................................................283 2. Eingriff.........................................................................................286 3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung.........................................286 4. Zwischenergebnis ........................................................................288 VIII. Zusammenfassende Bewertung ..........................................................288 § 11 Das ärztliche Standesrecht...........................................................................290 I. Einleitung............................................................................................290 II. Charakterisierung und Verbindlichkeit des ärztlichen Standesrechts ...............................................................291 III. Bestimmungen der Berufsordnungen .................................................294 1. § 13 Abs. 1 MBO.........................................................................294 2. Kap. D. IV. Nr. 15 MBO .............................................................294 IV. Die Richtlinien zur Durchführung der assistierten Reproduktion......295
XVIII Inhaltsverzeichnis
1. 2. 3. 4.
V. Teil V
Die Richtlinien von 1985.............................................................296 Die Richtlinien von 1998.............................................................297 Die Richtlinie von 2006...............................................................298 Kritik ............................................................................................300 a) Stabilitätskriterium................................................................300 b) Etablierung einer Eltern-Kind-Zuordnung............................301 c) Regelungstechnik ..................................................................303 d) Medizinische Aspekte...........................................................304 5. Stand der Umsetzung ...................................................................304 6. Verfassungsrechtliche Beurteilung..............................................306 Zusammenfassung und Bewertung.....................................................310 Folgefragen der Zulassung gleichgeschlechtlicher Paare ..............313
§ 12 Abstammung und Eltern-Kind-Zuordnung .................................................313 I. Einleitung............................................................................................313 II. Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung ................314 1. Interessenlage...............................................................................314 2. Rechtsprechung des BVerfG .......................................................315 3. Situation bei gleichgeschlechtlichen Paaren................................315 4. Dokumentation der Identität der Gametenspender und der Ersatzmutter nach geltendem Recht ...............................316 5. Dokumentation de lege ferenda...................................................318 III. Eltern-Kind-Zuordnung de lege lata ..................................................319 1. Lesbische Partnerschaften ...........................................................319 a) Eingetragene Lebenspartnerinnen.........................................322 b) Nicht formalisierte Partnerschaften ......................................323 c) Unwägbarkeiten ....................................................................324 2. Schwule Partnerschaften..............................................................324 a) Eingetragene Lebenspartner..................................................325 b) Nicht formalisierte Partnerschaften ......................................326 c) Unwägbarkeiten ....................................................................326 3. Stellung des Samenspenders und der Ersatzmutter .....................328 IV. Eltern-Kind-Zuordnung de lege ferenda ............................................330 1. Lesbische Partnerschaften ...........................................................330 a) Eingetragene Lebenspartnerinnen.........................................331 b) Nicht formalisierte Partnerschaften ......................................336 2. Schwule Partnerschaften..............................................................336 a) Eingetragene Lebenspartner..................................................339 b) Nicht formalisierte Partnerschaften ......................................339 3. Stellung des Samenspenders und der Ersatzmutter .....................339 V. Ergebnis ..............................................................................................339 § 13 Rechtliche und ethische Beurteilung des ärztlichen Handelns....................341 I. Einleitung............................................................................................341 II. Rechtliche Beurteilung .......................................................................341 1. Indikation bei gleichgeschlechtlichen Paaren..............................342 2. Indikation bei verschiedengeschlechtlichen Paaren ....................345 3. Bewertung....................................................................................347
Inhaltsverzeichnis
XIX
4. Konsequenzen in der Praxis.........................................................348 III. Ethische Beurteilung...........................................................................348 IV. Zusammenfassung ..............................................................................350 § 14 Kostentragung..............................................................................................351 I. Einleitung............................................................................................351 II. Gesetzliche Krankenversicherung ......................................................351 III. Private Krankenversicherung .............................................................352 IV. Ergebnis ..............................................................................................353 § 15 Schlußbetrachtung .......................................................................................354 Teil VI
Wesentliche Ergebnisse .....................................................................355
Literaturverzeichnis ...........................................................................................371
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Abkürzungsverzeichnis
a.A. a.a.O. abl. ABl. ABl. EG
Art. Aufl.
anderer Ansicht am angegebenen Ort (innerhalb einer Fußnote) ablehnend Amtsblatt Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften; Ausgabe C: Mitteilungen und Bekanntmachungen; Ausgabe L: Rechtsvorschriften Absatz Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) Acta Obstetricia et Gynecologica Scandinavica (Zeitschrift) Gesetz über die Vermittlung der Annahme als Kind und über das Verbot der Vermittlung von Ersatzmüttern (Adoptionsvermittlungsgesetz) am Ende Ärzteblatt Ärztekammer alte Fassung Amtsgericht Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Acquired Immune Deficiency Syndrome Aktuelle juristische Praxis (Zeitschrift, Schweiz) Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 Alternative The American Journal of Psychiatry (Zeitschrift) American Journal of Orthopsychiatry (Zeitschrift) Anhang Anmerkung, Anmerkungen American Psychiatric Association Archives of Sexual Behavior (Zeitschrift) Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland Artikel Auflage
bad.-württ. BÄK BAG BayObLG bayr. BayVBl. BBl.
baden-württembergisch Bundesärztekammer Bundesarbeitsgericht Bayerisches Oberstes Landesgericht bayerisch Bayerische Verwaltungsblätter (Zeitschrift) Bundesblatt (Schweiz)
Abs. AcP Acta Obstet. Gynecol. Scand. AdVermiG
a.E. ÄBl. ÄK a.F. AG AGG Aids AJP ALR Alt. Am. J. Psychiatry Amer. J. Orthopsychiat. Anh. Anm. APA Arch. Sex. Behav. ARD
XXII Abkürzungsverzeichnis
Begr. berl. BeurkG BFH BGB BGBl. I, II BGH BGHSt
BWNotZ bzw.
Begründer berliner Beurkundungsgesetz Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Teil I, II Bundesgerichtshof Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Berufsordnung brandenburgisch Bundesrepublik Deutschland Bundesratsdrucksache bremisch Bundessozialgericht Bundestagsdrucksache Bundestagsplenarprotokoll Bundestagsrechtsausschußprotokoll Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft Bundesverfassungsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundesverwaltungsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg beziehungsweise
ca. Can.J.Fam.L. Case W.Res.L.Rev. CCC CDU CSD CSU Curr. Dir. Psychol. Sci.
circa Canadian Journal of Family Law (Zeitschrift) Case Western Reserve Law Review (Zeitschrift) Constitutio Criminalis Carolina Christlich Demokratische Union Deutschlands Christopher Street Day Christlich-Soziale Union in Bayern e.V. Current Directions in Psychological Science (Zeitschrift)
d. D. DÄBl-A DDR dens. ders. DEuFamR d.h. dies. DIJuF DJT DNotZ DÖV
der, des Digesten Deutsches Ärzteblatt – Ausgabe A Deutsche Demokratische Republik denselben derselbe Deutsches und Europäisches FamilienRecht (Zeitschrift) das heißt dieselbe, dieselben Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht Deutscher Juristentag Deutsche Notar-Zeitschrift Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift)
BGHZ BO brand. BRD BR-Drucks. brem. BSG BT-Drucks. BT-Plenarprot. BT-Rechtsausschußprot. BV BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG BVerwGE
Abkürzungsverzeichnis
DRiZ DSM II DuR DVBl. EG
XXIII
Deutsche Richterzeitung Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Second Edition Demokratie und Recht (Zeitschrift) Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift)
ET et al. etc. EthikMed EU EuGH EuGRZ e.V.
Europäische Gemeinschaft(en); Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (bei vorangehender Zitierung eines Artikels des Vertrages) Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Einleitung Electronic Journal of Comparative Law (InternetZeitschrift) Eingetragene Lebenspartnerschaften-Gesetz Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention) Gesetz zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz) Embryotransfer et alii et cetera Ethik in der Medizin (Zeitschrift) Europäische Union Europäischer Gerichtshof Europäische Grundrechte-Zeitschrift eingetragener Verein
f. FamPra.ch FamRB FamRZ FAZ FDP Festschr. ff. FF Fn. FPR FuR
folgende; für Die Praxis des Familienrechts (Zeitschrift, Schweiz) Der Familien-Rechts-Berater (Zeitschrift) Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Frankfurter Allgemeine Zeitung Freie Demokratische Partei Festschrift folgende Seiten, Paragraphen oder Spalten Forum Familien- und Erbrecht (Zeitschrift) Fußnote Familie Partnerschaft Recht (Zeitschrift) Familie und Recht (Zeitschrift)
GA Gedächtnisschr. gem. Gen Geo.L.J. GG GIFT
Goltdammer’s Archiv für Strafrecht (Zeitschrift) Gedächtnisschrift gemäß Genesis (1. Buch Mose) The Georgetown Law Journal (Zeitschrift) Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gamete intrafallopian tube transfer (intratubarer Gametentransfer) Gesetz- und Verordnungsblatt
EGMR Einl. EJCL ELPSchG EMRK ESchG
GVBl. hamb. Hann. Rpfl.
hamburger, hamburgisch Hannoversche Rechtspflege. Verordnungen und Mitteilungen für den Oberlandesgerichtsbezirk Celle (Zeitschrift)
XXIV Abkürzungsverzeichnis
Harv.L.Rev. hess. HIV HJ Hk-LPartG Hk-LPartR h.M. hrsg. Hrsg. Hum. Reprod.
Harvard Law Review (Zeitschrift) hessisch Human Immunodeficiency Virus Hitlerjugend Handkommentar zum Lebenspartnerschaftsgesetz Lebenspartnerschaftsrecht. Handkommentar herrschende Meinung herausgegeben Herausgeber Human Reproduction (Zeitschrift)
ICD-10
International Classification of Diseases and Related Health Problems, tenth revision intracytoplasmatische Spermieninjektion in der Fassung in der Regel International Lesbian and Gay Association International Journal of Law, Policy and the Family (Zeitschrift) Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Zeitschrift) im Sinne des, im Sinne der im Sinne von In-vitro-Fertilisation in Verbindung mit
ICSI i.d.F. i.d.R. ILGA Int.J.Law & Fam. IPRax i.S.d. i.S.v. IVF i.V.m. JA JAmt J. Child Psychol. Psychiat. Jh. J.L. & Pol’y JR J. Reproduktionsmed. Endokrinol. J. Thorac. Cardiovasc. Surg. Jud Jura JuS JZ 1 Kor Kap. KG Kind-Prax KPD krit. KritJ KritV
Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) Das Jugendamt. Zeitschrift für Jugendhilfe und Familienrecht Journal of Child Psychology and Psychiatry and Allied Disciplines (Zeitschrift) Jahrhundert Journal of Law and Policy (Zeitschrift) Juristische Rundschau (Zeitschrift) Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie The Journal of Thoracic and Cardiovascular Surgery (Zeitschrift) Judasbrief Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristenzeitung 1 Korinther (Erster Brief des Apostels Paulus an die Korinther) Kapitel Kammergericht Kindschaftsrechtliche Praxis: Zeitschrift für die praktische Anwendung und Umsetzung des Kindschaftsrechts Kommunistische Partei Deutschlands kritisch, kritischen Kritische Justiz (Zeitschrift) Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft
Abkürzungsverzeichnis
KZ
Konzentrationslager
LÄK Lev Leviathan LG li. lit. LPartDisBG
Landesärztekammer Levitikus (3. Buch Mose) Leviathan. Zeitschrift für Sozialwissenschaft Landgericht linke litera Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz) Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes und anderer Gesetze (Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz) Lesben- und Schwulenverband in Deutschland e.V. Sozialverein des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD) Landtagsdrucksache
LPartG LPartGErgG
LSVD LSVD sozial e.V. LT-Drucks. m. MB/KK 2009 MBl. NRW MBO MdB MDR m.E. Meckl.-Vorp. MedR MittBayNot MschrKrim MünchKomm m.w.N. n. n.F. nieders. NJ
XXV
mit Musterbedingungen 2009 für die Krankheitskostenund Krankenhaustagegeldversicherung Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen Musterberufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte Mitglied des Bundestages Monatsschrift für Deutsches Recht meines Erachtens Mecklenburg-Vorpommern Medizinrecht (Zeitschrift) Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins (Zeitschrift) Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit weiteren Nachweisen
NJW nordrh.-westf. Nr. NS NSDAP NZA NZS NZZ Folio
nach neue Fassung niedersächsisch Neue Justiz. Zeitschrift für Rechtsentwicklung und Rechtsprechung in den Neuen Ländern Neue Juristische Wochenschrift nordrhein-westfälisch Nummer Nationalsozialismus Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter-Partei Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Sozialrecht Die Zeitschrift der Neuen Zürcher Zeitung
PACS PDS PID
Pacte Civil de Solidarité (Frankreich) Partei des Demokratischen Sozialismus Präimplantationsdiagnostik
XXVI Abkürzungsverzeichnis
PStG
Personenstandsgesetz
ÖJZ Österr. VerfGH OGHSt
Österreichische Juristen-Zeitung Österreichischer Verfassungsgerichtshof Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes für die Britische Zone in Strafsachen Oberlandesgericht
OLG Rdnr. RG RGBl. I RGSt rheinl.-pfälz. RNotZ RöFo Röm Rpfleger RPflG Rspr. RStGB 1 Sam 2 Sam s. S. SA s.a. saarl. sächs. sächs.-anh. schlesw.-holst. SGB V SGB VIII sog. Sp. SPD SS st. StAZ
StGB Streit SVD SWR SZ 1 Tim
Randnummer(n) Reichsgericht Reichsgesetzblatt Teil I Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen rheinland-pfälzisch Rheinische Notar-Zeitschrift Fortschritte auf dem Gebiet der Röntgenstrahlen und der bildgebenden Verfahren (Zeitschrift) Römer (Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom) Der Deutsche Rechtspfleger (Zeitschrift) Rechtspflegergesetz Rechtsprechung Reichsstrafgesetzbuch 1. Buch Samuel 2. Buch Samuel siehe Satz; Seite Sturmabteilung siehe auch saarländisch sächsisch sächsisch-anhaltisch schleswig-holsteinisch Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung Sozialgesetzbuch Achtes Buch – Kinder- und Jugendhilfe sogenannte(r) Spalte Sozialdemokratische Partei Deutschlands Schutzstaffel ständig(e) Das Standesamt. Zeitschrift für Standesamtswesen, Familienrecht, Staatsangehörigkeitsrecht, Personenstandsrecht, internationales Privatrecht des Inund Auslandes Strafgesetzbuch Streit. Feministische Rechtszeitschrift Schwulenverband in Deutschland e.V. Südwestrundfunk Süddeutsche Zeitung 1 Timotheus (Erster Brief des Apostels Paulus an Timotheus)
Abkürzungsverzeichnis XXVII
thüring.
thüringisch
u.a. U.Ill.L.Rev. UNESCO Unterabs. USA usw.
und andere; unter anderem University of Illinois Law Review (Zeitschrift) United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization Unterabsatz United States of America und so weiter
v. Verf. VersR VGH vgl. VVG
versus; vom; von Verfasser Versicherungsrecht (Zeitschrift) Verwaltungsgerichtshof vergleiche Gesetz über den Versicherungsvertrag
WDR Whk WHO Women’s Rts.L.Rep.
Westdeutscher Rundfunk Wissenschaftlich-humanitäres Komitee World Health Organization Women’s Rights Law Reporter (Zeitschrift)
ZaeFQ
Zeitschrift für ärztliche Fortbildung und Qualitätssicherung zum Beispiel Zentralblatt für Jugendrecht und Jugendwohlfahrt (Zeitschrift) Zweites Deutsches Fernsehen Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für Familien- und Erbrecht Zeitschrift für Rechtssoziologie Zeitschrift für Soziologie zitiert Zeitschrift für die Notarpraxis Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft
z.B. ZblJugR ZDF ZErb ZEuP ZEV ZFE ZfRSoz ZfSoz zit. ZNotP ZPO ZRP ZStW
Einführung
Die Belange Homosexueller gewinnen in zunehmendem Maße die Aufmerksamkeit einer breiten Öffentlichkeit.1 Den vorläufigen Höhepunkt dieser seit geraumer Zeit sich abzeichnenden Entwicklung dürfte das vom Deutschen Bundestag am 10. November 2000 beschlossene „Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften (Lebenspartnerschaftsgesetz – LPartG)“2 markieren. Es schuf mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft ein neues familienrechtliches Institut, das seiner Intention nach gleichgeschlechtlichen Paaren einen gesicherten Rechtsrahmen für das auf Dauer angelegte Zusammenleben unter Einbeziehung der gleichgeschlechtlichen Identität bieten soll.3 Das von den Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen in den Deutschen Bundestag eingebrachte Vorhaben löste eine kontroverse Debatte aus, die in hohem Grade emotional aufgeladen war und häufig die Grenzen eines sachlichen Diskurses überschritt. Die öffentliche wie die juristische Diskussion zeigten bald, daß die Positionen der Anhänger und der Gegner eines Rechtsinstitutes für gleichgeschlechtliche Paare weit auseinanderlagen. Konservative Kreise befürchteten nicht nur die Erosion des verfassungsrechtlich fundierten Schutzes von Ehe und Familie,4 sondern sahen in dem Gesetz die Anzeichen des Verfalls der abendländischen Kultur schlechthin. Vertreter der katholischen Kirche sprachen gar von
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Vgl. für die Auseinandersetzung in der Rechtswissenschaft Verschraegen, Gleichgeschlechtliche „Ehen“, 1994; Grib, Die gleichgeschlechtliche Partnerschaft im nordischen und deutschen Recht, 1996; Schimmel, Eheschließungen gleichgeschlechtlicher Paare?, 1996; Risse, Der verfassungsrechtliche Schutz der Homosexualität, 1998; Heun, Gleichgeschlechtliche Ehen in rechtsvergleichender Sicht, 1999; Basedow/Hopt/Kötz/ Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, 2000. Für die Sozialwissenschaften Buba/Vaskovics, Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, 2001. BGBl. I v. 22.2.2001, S. 266, in Kraft getreten am 1.8.2001. So die amtliche Begründung, BT-Drucks. 14/3751 v. 4.7.2000, S. 33. Diederichsen, NJW 2000, 1841 ff.; Krings, ZRP 2000, 409 ff.; Pawlowski, JZ 2000, 765; Scholz/Uhle, NJW 2001, 393 ff.; Braun, ZRP 2001, 14 ff.; ders., JZ 2002, 23 ff.; 294 ff.; ders., Eingetragene Lebenspartnerschaft und Ehe, 2002; ders., Ehe und Familie am Scheideweg, 2002; Kaiser, JZ 2001, 617 ff.; Tettinger, Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 35 (2001), 117 ff.; Kirchhof, FPR 2001, 436 ff.; Britz, ZRP 2001, 324; Adomeit, NJW 2002, 1622; Kanther, NJW 2003, 797 ff. Vgl. auch die nicht spezifisch juristischen Beiträge bei Geis, Homo-Ehe. Nein zum Ja-Wort aus christlicher Sicht, 2001.
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Einführung
einem Heraustreten „aus der gesamten moralischen Geschichte der Menschheit“.5 Den Befürwortern des Gesetzes, insbesondere den Vertretern von Interessenverbänden, gingen die geplanten Verbesserungen des rechtlichen Status hingegen nicht weit genug. Sie forderten zum Teil eine völlige Gleichstellung lesbischer und schwuler Lebensgemeinschaften mit der Ehe.6 Der tiefgreifende Dissens um den angemessenen Umgang mit gleichgeschlechtlich orientierten Personen und Paaren spiegelte sich nicht zuletzt im gespaltenen Votum der Richter des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichtes, die aus Anlaß der Normenkontrollanträge der Freistaaten Bayern, Sachsen und Thüringen über die Vereinbarkeit der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit dem Grundgesetz zu entscheiden hatten. Mit einer Mehrheit von 5:3 Stimmen votierten sie für deren Verfassungsmäßigkeit.7 Die Entscheidung sorgte trotz der divergierenden Ansichten für eine gewisse Beruhigung der aufgeregten Debatte und für Rechtssicherheit. Im Zuge dieser Konsolidierung überarbeitete der Gesetzgeber das Lebenspartnerschaftsgesetz zum 1. Januar 2005 und beseitigte damit zahlreiche Zweifelsfragen des bisherigen Rechts.8 Nachdem mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft die dringlichsten Forderungen nach einem rechtlichen Rahmen für gleichgeschlechtliche Beziehungen erfüllt sind, drängen nunmehr Aspekte in den Mittelpunkt des Interesses, die bislang weitgehend im Hintergrund standen. Mehr und mehr wird in der Öffentlichkeit wahrgenommen, daß in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften auch Kinder aufwachsen, und zunehmend artikulieren gleichgeschlechtliche Paare offen den Wunsch nach einem „eigenen“ Kind, das sie unter Zuhilfenahme der Techniken zeugen wollen, die ihnen die moderne Reproduktionsmedizin zur Verfügung stellt. Auch für Homosexuelle kann die durch die sexuelle Orientierung bedingte Kinderlosigkeit eine schwere Belastung und eine spürbare Einschränkung der Sinngebung ihres Lebens darstellen. Angesichts der Entwicklungen auf dem Gebiet der Fortpflanzungsmedizin, die den inneren Zusammenhang zwischen Sexualität und Reproduktion zunehmend aufgelöst haben, überrascht es kaum, daß die Möglichkeiten dieser Disziplin das Interesse jener finden, deren Sexualität nicht im Dienste der Fortpflanzung steht. Die Fortpflanzungsmedizin ist zugleich aber eines der problematischsten Felder des Medizinrechts. „Unterschiedlichkeiten der Lebensauffassung und Wertmaßstäbe, Schwankungen des Rechtsbewußtseins und Undeutlichkeiten der Gesetzeslage“ machen sich hier nach der Einschätzung des Arztrechtlers Adolf Laufs geltend.9 Die Diskussion um das Zulässige und die Grenzen der modernen Reproduktions5
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So der damalige Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre Joseph Kardinal Ratzinger, SZ Nr. 276 v. 30.11.2000, S. 3. Vgl. auch Kongregation für die Glaubenslehre, Erwägungen zu den Entwürfen einer rechtlichen Anerkennung der Lebensgemeinschaften zwischen homosexuellen Personen v. 3.6.2003. Dies forderte etwa die Bundestagsabgeordnete Christina Schenk (PDS), BT-Plenarprot. 14/131, S. 12619 C. Zu Forderungen des LSVD Schnorr/Wissing, ZRP 2003, 222 (223). BVerfGE 105, 313 ff. Die Richter Papier und Haas haben dem Urteil dissentierende Voten angefügt, BVerfGE 105, 313 (357 ff.) und (359 ff.). Vgl. auch das Urteil zu den Eilanträgen auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung, BVerfGE 104, 51 ff. BGBl. I v. 15.12.2004, S. 3396, in Kraft getreten am 1.1.2005. Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 129, Rdnr. 1.
Einführung
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medizin wird daher seit Jahren kontrovers geführt und hat ein nahezu unüberschaubares Maß an Publikationen hervorgebracht.10 Gleichwohl sind die rechtlichen Bedingungen für den Zugang gleichgeschlechtlicher Paare zu Maßnahmen assistierter Reproduktion gesetzlich weitgehend ungeregelt. Seit 1985 statuieren die Standesvertretungen der Ärzte in bedenklicher Ausdehnung der ihnen zugewiesenen Befugnisse elterliche und statusrechtliche Voraussetzungen.11 Mangels umfassender eigener Kompetenz auf dem Gebiet der künstlichen Fortpflanzung erließ der Bundesgesetzgeber im Jahre 1990 das Embryonenschutzgesetz,12 welches die anstehenden Probleme nur unzureichend löst und wegen seines strafrechtlich-fragmentarischen Charakters von Anfang an in der Kritik stand. 1994 ist die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens in den Gegenstandskatalog der konkurrierenden Gesetzgebung aufgenommen worden.13 Bezeichnenderweise hat der Bund von der ihm nun seit mehr als einer Dekade zustehenden Befugnis immer noch keinen Gebrauch gemacht. Die Forderungen an die Legislative richten sich deshalb nicht etwa auf eine Novellierung des Embryonenschutzgesetzes, sondern sie zielen auf die Erarbeitung eines die anstehenden Fragen der medizinisch assistierten Reproduktion möglichst umfassend regelnden Fortpflanzungsmedizingesetzes.14 Nicht nur der technische Fortschritt, sondern auch die jüngeren gesellschaftlichen Entwicklungen erhöhen den Druck auf den Gesetzgeber, die Arbeiten zu einem solchen Gesetz aufzunehmen. Mit der Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft und der gestiegenen Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften macht sich die fehlende parlamentsgesetzliche Regelung zunehmend bemerkbar. Die Legislative muß dazu Position beziehen, ob auch lesbische und schwule Paare Zugang zu Maßnahmen assistierter Reproduktion haben sollen. In der juristischen Literatur wird diese Thematik zwar seit Mitte der 1980er Jahre immer wieder in unterschiedlichem Kontext angesprochen; die Ausführungen beschränken sich aber meist auf wenige Sätze15 und behandeln überwiegend nur die Frage der medizinisch assistierten Reproduktion bei lesbischen Partnerschaften.16 Die Frage nach der Bedeutung fortpflanzungsmedizinischer Maßnahmen zur 10
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Vgl. nur die bibliographischen Nachweise bei Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 129 und Spickhoff, NJW 2004, 1710 (1719, Fn. 156); ders., NJW 2005, 1694 (1702, Fn. 129); ders., NJW 2006, 1630 (1637, Fn. 129); ders., NJW 2007, 1628 (1636, Fn. 132), vgl. auch ders., NJW 2008, 1636 (1642 f.). Vgl. die Richtlinien der Bundesärztekammer in DÄBl-A 1996, 415 ff.; 1998, 3166 ff. und 2006, 1392 ff. BGBl. I v. 13.12.1990, S. 2746, in Kraft getreten am 1.1.1991. Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 GG. Dazu Neidert, MedR 1998, 347 ff.; Derleder, in: Bundesministerium für Gesundheit, Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, S. 154 ff.; Laufs, Auf dem Wege zu einem Fortpflanzungsmedizingesetz?, 2003. Ausführlicher soweit ersichtlich nur Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft 1(2001), Rdnr. 175 f., 182 ff., 278, 288; Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 131, 188 ff., 320. Coester-Waltjen, Gutachten B für den 56. DJT, B 11 f., B 74; Coester, StAZ 1988, 122 (124 m. Fn. 24); Schumacher, FamRZ 1987, 313 (317 m. Fn. 47); Püttner/Brühl, JZ 1987, 529 (535); Keller, MedR 1988, 59 (63); Trimbach/Webert, NJ 1998, 63 (66);
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Einführung
Realisierung des Kinderwunsches von schwulen Paaren spielt in diesen Darstellungen kaum eine Rolle. Dieser Befund steht in auffälligem Kontrast zum öffentlichen Interesse, das sich am deutlichsten in der umfangreichen Presseberichterstattung überregionaler Periodika niederschlägt.17 Die vorliegende Arbeit sucht diese Lücke im juristischen Schrifttum zu schließen, indem sie die Aspekte der jüngsten legislatorischen Aktivitäten auf dem Gebiet des Familienrechts und die medizinrechtliche Problematik zusammenführt und einer eingehenden Erörterung unterzieht. Sie will zugleich ein wissenschaftlich fundiertes Hilfsmittel sein, dessen sich die Entscheidungsträger bei ihren Beratungen eines Fortpflanzungsmedizingesetzes bedienen können. Damit verfolgt die Arbeit auch einen rechtspolitischen Ansatz, indem sie versucht, die in der anstehenden Debatte zu erwartenden Argumente zu antizipieren. Bedingt durch die Komplexität und Vielschichtigkeit der Thematik gilt es dabei durchaus heterogene Aspekte zu berücksichtigen, die sich je nach Standpunkt widersprechen und gegenseitig ausschließen können. Sowohl die moderne Reproduktionsmedizin als auch die rechtliche Behandlung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare sind bereits für sich genommen lebhaft umstrittene Phänomene, an deren Berührungspunkten sich die Kontroversen wechselseitig verstärken. Hinzu kommt, daß wie kaum eine andere private Lebensform das Aufwachsen von Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften Gegenstand heftiger Debatten und Auseinandersetzungen ist. Für viele stellt diese Lebensform immer noch eine antithetische Kombination18 dar. Hier stehen tiefsitzende kulturelle Überzeugungen und Gewißheiten über Geschlecht, Sexualität, Ehe und Elternschaft zur Disposition.19 Die Situation wird zusätzlich dadurch verschärft, daß bei der Befassung mit der Homosexualität und ihren Erscheinungsformen selbst in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung wie auf
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Holzhauer, JZ 2000, 1076 (1082); Kemper, FPR 2001, 449 (456 m. Fn. 30); Sailer, Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 35 (2001), 173; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 129, Rdnr. 38, Fn. 110; Eser/Koch, in: Gedächtnisschr. f. Keller, S. 15 (22); Dethloff, ZRP 2004, 195; Stüber, FamRZ 2005, 574 (576); Quaas/Zuck, Medizinrecht 1(2005), § 75, Rdnr. 93; Rütz, Heterologe Insemination – Die rechtliche Stellung des Samenspenders, S. 93 ff. Aus theologischer Sicht Rotter, in: Bosinski/Kirchhof/Nave-Herz/Robbers/Rotter, „Eingetragene Lebenspartnerschaft“, S. 30 (33). v. Bullion, SZ Nr. 175 v. 1. August 2001, S. 3; Die Zeit Nr. 20 v. 8. Mai 2002, S. 35 ff.; NZZ Folio Nr. 6, Juni 2002; Jardine, SPIEGELreporter Nr. 1 v. Januar 2001, S. 24 ff.; Kirbach/Spiewak, Die Zeit Nr. 2 v. 31. Dezember 2003, S. 11 ff.; Mues, SZ Nr. 257 v. 8. November 2006, S. 11; jüngst SZ-Magazin Nr. 51 v. 21. Dezember 2007, insbesondere S. 34 ff. So treffend Dimski, ZEuP 1995, 465; ähnlich Holzhauer, JZ 2000, 1076 (1082): „Im allgemeinen wird jedoch die homosexuelle Elternschaft als weiteste Abweichung empfunden.“ Vgl. auch Sielert, in: Keil/Haspel, Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften in sozialethischer Perspektive, S. 45 (46); Eggen, Baden-Württemberg in Wort und Zahl 2001, 579 (580); 2002, 65; Patterson, 3 Curr. Dir. Psychol. Sci. (1994), 62. Eggen, Praxis der Rechtspsychologie 13 (2003), 25 (30); Stacey/Biblarz, 66 American Sociological Review (2001), 159 (159 f.). Vgl. auch Donovan, 3 Sexualities (2000), 149 (150 ff.); Clarke, 24 Women’s Studies International Forum (2001), 555 ff.
Einführung
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kaum einem anderen Gebiet unzutreffende Annahmen und unreflektierte Alltagstheorien eine zentrale Rolle spielen.20 Die Vorurteile und Stereotypen über gleichgeschlechtlich orientierte Personen und Paare sowie über die gleichgeschlechtliche Elternschaft schlagen daher auch auf die juristische Diskussion durch. Aus diesem Umstand resultiert die Notwendigkeit, zunächst ein möglichst breites, wissenschaftlich abgesichertes Fundament zu legen, das eine vorurteilsfreie Auseinandersetzung mit der Frage nach der Zulässigkeit artifizieller Reproduktionstechniken bei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gewährleistet. Die Arbeit gliedert sich in sechs Teile. In Teil I stehen die wichtigsten Aspekte gleichgeschlechtlicher Elternschaft im Zentrum. Neben dem tatsächlichen Ausmaß des Kinderwunsches lesbischer und schwuler Paare sind zunächst die kulturgeschichtlichen Bedingungen gleichgeschlechtlicher Elternschaft zu untersuchen. Daraufhin werden die sexualwissenschaftlichen Grundlagen erörtert, um anschließend auf entwicklungspsychologische Erkenntnisse zum Aufwachsen von Kindern bei gleichgeschlechtlichen Eltern einzugehen. Den hierauf folgenden Ausführungen zu den rechtlichen Entwicklungen lassen sich wichtige Anhaltspunkte für eine sachlich fundierte aktuelle Diskussion entnehmen. Teil II analysiert eingehend die Aussagen des Rechts der eingetragenen Lebenspartnerschaft zur vorliegenden Fragestellung. Im komparatistischen Teil III werden ausgewählte ausländische Rechtsordnungen vorgestellt, die für die Diskussion in Deutschland in konstruktiver Weise fruchtbar gemacht werden können. Teil IV führt in die Grundlagen der Reproduktionsmedizin ein und unterzieht die in Deutschland geltenden Regelungen einer kritischen Bestandsaufnahme. In Teil V werden die Folgefragen einer Zulassung gleichgeschlechtlicher Paare zu Maßnahmen assistierter Reproduktion erörtert. Neben der Diskussion der familienrechtlichen Probleme wird auf die rechtliche und ethische Stellung des Arztes bei der reproduktionsmedizinischen Behandlung gleichgeschlechtlicher Paare und auf versicherungsrechtliche Fragen eingegangen. Mit der Darstellung der wesentlichen Ergebnisse in Teil VI schließt die Arbeit ab.
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Fthenakis, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 351 (357); Baas/Buba, in: Buba/Vaskovics, Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, S. 329 (344) m.w.N.
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Teil I
Grundlagen der gleichgeschlechtlichen Elternschaft
§ 1 Notwendigkeit der Auseinandersetzung und Terminologie I. Notwendigkeit einer umfassenden Auseinandersetzung Das Phänomen gleichgeschlechtliche Elternschaft ist untrennbar mit den Phänomenen gleichgeschlechtliche Partnerschaft und Homosexualität verbunden. Das Verständnis ihrer spezifischen Konstitutionsbedingungen ist daher nur möglich, wenn man sich über diese Phänomene, insbesondere über die Bewertung der Homosexualität, einen Überblick verschafft. Homosexualität hat bisher in allen Gesellschaftsformationen und geschichtlichen Epochen immer nur als Abweichung von der Regel existiert. Lange Zeit hat die abendländische Kultur, trotz seit der Antike immer wieder unternommener Versuche einer ethischen Rechtfertigung, unter dem Eindruck der christlichen Glaubenslehre gleichgeschlechtliches Begehren als etwas Verwerfliches erachtet. In den aufgeklärten Demokratien westlicher Prägung hat sich jedoch während der letzten drei Dekaden des zwanzigsten Jahrhunderts ein drastischer Bewertungswandel der Homosexualität vollzogen, der in einigen Ländern sogar in einer nahezu vollständigen rechtlichen Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften mit der Ehe gipfelte.1 Der Status als Minorität hat früher wie heute zu Stigmatisierung, Diskriminierung und Verfolgung in unterschiedlich starkem Ausmaß geführt. Benachteiligungen existieren auch gegenwärtig selbst in jenen Ländern, die gleichgeschlechtlichen Paaren ein rechtliches Institut zur Formalisierung ihrer Beziehung zugänglich gemacht haben.2 Auch heute noch polarisiert kaum ein Thema im allgemeinen wie im rechtswissenschaftlichen Diskurs so stark, wie die Beurteilung ihrer Erscheinungsformen 1
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So in den Niederlanden (vgl. Teil III § 8 III.1., S. 190), in Belgien (vgl. Teil III § 8 III.2., S. 193) und in Spanien (vgl. Teil III § 8 III.4., S. 198). Allgemein auch Strick, DEuFamR 2 (2000), 82. In scharfem Kontrast zu diesen Entwicklungen steht die Behandlung der Homosexualität in anderen Kulturkreisen und Erdteilen. In der arabischen Welt und in fast allen afrikanischen Ländern steht Homosexualität unter Strafe. Im Iran, Jemen, Sudan und Saudi-Arabien droht sogar immer noch die Todesstrafe, vgl. Kreye, SZ Nr. 44 v. 23. Februar 2004, S. 11; BVerwGE 97, 143 (144). Vgl. nur Baas/Buba, in: Buba/Vaskovics, Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, S. 329 (344 ff.).
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Teil I Grundlagen der gleichgeschlechtlichen Elternschaft
und der Umgang mit Homosexualität. Nur wenige Kontroversen sind in vergleichbarer Weise von Unsachlichkeit, Emotionsgeladenheit, Irrationalität, ideologisch aufgeladenen Grabenkämpfen und der Bemühung längst widerlegt geglaubter Stereotypen geprägt. Sozialwissenschaftliche Studien haben gezeigt, daß die Einstellung weiter Teile der Bevölkerung weniger aus einer wie auch immer begründeten Ablehnung herrührt, sondern vielmehr von Unwissen und Ahnungslosigkeit geprägt ist.3 Neben schlichter Unkenntnis spielt auch ein mangelndes Bewußtsein für die historischen Zusammenhänge eine Rolle: „Vielfach werden heute Positionen bezogen, die sich nur geschichtlich erklären lassen und vielfach werden Argumente benutzt, die sich bei näherem Zusehen als verkappte Traditionalismen erweisen.“4 Aus diesem Grund sind für die vorliegende Fragestellung neben den sexualwissenschaftlichen und entwicklungspsychologischen Erkenntnissen auch die historischen Aspekte relevant. Um dem Phänomen Homosexualität sowie seinen Subkategorien gleichgeschlechtliche Partnerschaft und gleichgeschlechtliche Elternschaft gerecht zu werden und um einem sachlichen Zugang Rechnung zu tragen, ist es geboten, sich der kultur- und rechtshistorischen Entwicklungen zu vergewissern. Zwar kann die vorliegende Arbeit keine umfassende Darstellung leisten, doch sollen zumindest in einem Abriß die Hintergründe und wesentlichen Stationen erhellt werden, die die veränderte Sichtweise, aber auch die Entstehung und Perpetuierung von Vorurteilen aufzeigen.
II. Terminologie Zunächst ist jedoch das dieser Arbeit zugrundegelegte Verständnis der Termini Homosexualität, gleichgeschlechtliche Partnerschaft und gleichgeschlechtliche Elternschaft zu klären. 1. Homosexualität Unter dem Begriff Homosexualität versteht man die sexuelle Orientierung, Erregbarkeit und Aktivität mit Bezug auf das gleiche Geschlecht.5 Er umfaßt als geschlechtsneutrale Kategorie sowohl die weib-weibliche als auch die mann-männliche Sexualität. Der Terminus trat in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Erscheinung und ist damit vergleichsweise jung. Er wurde erstmals 1869 von dem österreichischen Schriftsteller Karl Maria Kertbeny in einer anonymen Denkschrift verwendet, die den Preußischen Justizminister aufforderte, homosexuelle Handlungen straffrei zu lassen.6 Die halb griechische (homo = gleich, identisch), 3
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Baas/Buba, in: Buba/Vaskovics, Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, S. 329 (344) m.w.N. So Baumann, Paragraph 175, S. 17. Die Worte des Strafrechtlers haben auch vierzig Jahre nach ihrer Publikation nichts an Aktualität eingebüßt. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, Stichwort: Homosexualität, S. 723. Ähnlich Bräutigam/Clement, Sexualmedizin im Grundriß, S. 205. Vgl. Haeberle, in: Hirschfeld, Die Homosexualität des Mannes und des Weibes, S. X; Risse, Der verfassungsrechtliche Schutz der Homosexualität, S. 19.
§ 1 Notwendigkeit der Auseinandersetzung und Terminologie
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halb lateinische (sexus = Geschlecht) Vokabel hatte die „autoritative, pseudowissenschaftliche Aura des glatten Fachausdrucks“7 und konnte sich nicht nur in Deutschland, sondern mit dem beginnenden 20. Jahrhundert auch international durchsetzen. Mittlerweile haben sich für die weibliche und die männliche Homosexualität auch die Begriffe lesbisch und schwul etabliert. Bis vor kurzem wurde die Verwendung dieser Begriffe als heikel empfunden,8 weil die Wortgruppen um die Adjektive lange Zeit in herabsetzendem bzw. beleidigendem Zusammenhang gebraucht wurden. Homosexuelle haben aber durch die Übernahme in den eigenen Sprachgebrauch die Begriffe in einer Art und Weise habitualisiert, daß sie heute ihres pejorativen Charakters nahezu vollständig beraubt sind.9 Da ihre Verwendung mittlerweile allgemein üblich ist, werden sie auch im vorliegenden Zusammenhang gebraucht. 2. Gleichgeschlechtliche Partnerschaft Gleichgeschlechtliche Partnerschaften werden in der vorliegenden Arbeit als Lebensgemeinschaften verstanden, die von bloßen Wirtschafts- und Zweckgemeinschaften abzugrenzen sind. Als Lebensgemeinschaft wird die auf Dauer angelegte Gemeinschaft zweier Personen angesehen, die entscheidend von intensiven, auf Solidarität gründenden inneren Bindungen der Partner geprägt ist und typischerweise neben sich keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zuläßt.10 Mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften sind sowohl aus zwei Männern als auch aus zwei Frauen bestehende Partnerschaften gemeint. Bei den Personen, die diese Partnerschaften konstituieren, muß es sich zwar nicht denknotwendig um homosexuelle Männer und Frauen handeln. So sind etwa Lebensgemeinschaften zweier Brüder oder einer Tante und ihrer Nichte denkbar. Genausogut kann man sich auch verschiedengeschlechtliche Partnerschaften vorstellen, die aus homosexuellen Personen bestehen. Im allgemeinen wird aber mit einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft assoziiert, daß sie sich aus Homosexuellen zusammensetzt. Dies dürfte auch bei der Mehrzahl gleichgeschlechtlicher Partnerschaften der sozialen Realität entsprechen. Wenn in dieser Arbeit von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften die Rede ist, so sind damit ausschließlich Lebensgemeinschaften homosexueller Menschen gemeint. Von dem Begriff der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft umfaßt werden sowohl Partnerschaften, die nicht rechtlich formalisiert sind, als auch solche, die als eingetragene Lebenspartnerschaft geführt werden. Als lesbische Partnerschaft wird die Lebensgemeinschaft zweier homosexueller Frauen bezeichnet, als schwule Partnerschaft diejenige zweier homosexueller Männer. Neben dem Terminus 7 8
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So Haeberle, in: Hirschfeld, Die Homosexualität des Mannes und des Weibes, S. XIII. So z.B. Risse, Der verfassungsrechtliche Schutz der Homosexualität, S. 18 ff., der von einem sprachlichen „Minenfeld“ sowie einer „Welle der ,political correctness‘“ spricht und wegen sprachlicher Ambivalenz auf das Wort „schwul“ verzichtet. Damit soll aber keinesfalls geleugnet werden, daß diese Begriffe je nach Kontext immer noch beleidigenden Charakter haben können. So Burgi, Der Staat 39 (2000), 487 (492); Röthel, in: Hausmann/Hohloch, Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, Kap. 2, Rdnr. 2.
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Teil I Grundlagen der gleichgeschlechtlichen Elternschaft
„Partnerschaft“ werden synonym auch die Begriffe Lebensgemeinschaft, Paar und Beziehung verwendet. Bei Lebenspartnern handelt es sich immer um eingetragene Lebenspartner nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz (§ 1 Abs. 1 S. 1 LPartG). 3. Gleichgeschlechtliche Elternschaft Das Modell der auf Dauer angelegten, von inneren Bindungen geprägten gleichgeschlechtlichen Partnerschaft liegt auch der gleichgeschlechtlichen Elternschaft zugrunde. Bei der gleichgeschlechtlichen Elternschaft leben dauerhaft ein oder mehrere Kinder bei gleichgeschlechtlichen homosexuellen Personen, die den Kindern gegenüber elterliche Verantwortung übernehmen. Unter faktischer oder sozialer Elternschaft versteht man die Übernahme elterlicher Verantwortung unabhängig davon, ob das Eltern-Kind-Verhältnis auch statusrechtlich verfestigt ist. Die faktische oder soziale Elternschaft zeichnet sich durch die enge emotionale Zuwendung und Bindung an das Kind aus.11
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Dethloff, ZRP 2004, 195 (196).
§ 2 Kinderwunsch gleichgeschlechtlicher Paare I. Kinderwunsch und Homosexualität Der Wunsch, ein Kind zu haben und es großzuziehen, stellt ein grundlegendes menschliches Bedürfnis dar, das nicht von der sexuellen Orientierung abhängt.1 Daher gibt es zweifelsohne auch gleichgeschlechtliche Paare, die erzieherische Verantwortung übernehmen wollen und es als eine Bereicherung empfinden, wenn innerhalb ihrer Beziehung Kinder aufwachsen. Äußerungen in der Literatur zufolge kann der Kinderwunsch bei Homosexuellen ebenso stark ausgeprägt sein wie bei Heterosexuellen,2 und es wird vermutet, daß – wie bei verschiedengeschlechtlichen Paaren – auch für Schwule und Lesben der unerfüllte Kinderwunsch eine psychische Belastung darzustellen vermag.3 Nach sozialwissenschaftlichen Studien ist der Kinderwunsch für Schwule und Lesben ein sehr wichtiges Thema.4 Gleichwohl empfinden es Teile der Öffentlichkeit immer noch als ungewöhnlich, wenn gleichgeschlechtlich orientierte Personen und Paare den Wunsch nach einem Kind äußern. Da gleichgeschlechtlichen Verbindungen aus sich heraus die Generativität fehlt und das traditionelle Familienbild der Elternschaft von Mann und Frau noch in weiten Teilen der Bevölkerung verbreitet ist, verkörpert der Kinderwunsch und die Elternschaft von gleichgeschlechtlichen Paaren für viele eine Abweichung von der Norm.5 Man darf jedoch von der Entscheidung einer homosexuellen Person, ihre Geschlechterpräferenz in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft zu leben, nicht zugleich auf die Entscheidung für ein Lebenskonzept schließen, in dem das Aufwachsen und die Erziehung von Kindern keinen Platz 1
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Zum Kinderwunsch Homosexueller Siegenthaler/Bigner, 39 (2) Journal of Homosexuality (2000), 73 (87); The Ethics Committee of the American Society for Reproductive Medicine, 86 Fertility & Sterility (2006), 1333 (1334): „If they have not adopted or had children, they may wish as single or coupled persons to have offspring for the same reasons of intimacy, companionship, nurturance, family, and legacy that motivate reproduction generally.“ Allgemein Mieth, in: Günther/Keller, Fortpflanzungsmedizin und Humangenetik, S. 26: anerkanntes menschliches Bedürfnis; Fechner, in: a.a.O., S. 37 (56). Sielert, in: Keil/Haspel, Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften in sozialethischer Perspektive, S. 45 (46) m.w.N.; Lähnemann, Lesben und Schwule mit Kindern, S. 43. Dethloff, ZRP 2004, 195. Buba/Vaskovics, in: dies., Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, S. 25 (32). Vgl. Dimski, ZEuP 1995, 465; Holzhauer, JZ 2000, 1076 (1082); Sielert, in: Keil/ Haspel, Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften in sozialethischer Perspektive, S. 45 (46); Eggen, Baden-Württemberg in Wort und Zahl 2001, 579 (580). Vgl. auch Püttner/Brühl, JZ 1987, 529 (535). Zu ambivalenten Reaktionen aus den Reihen Homosexueller und ihren Ursachen Sielert, in: Keil/Haspel, Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften in sozialethischer Perspektive, S. 45 (46); Baas/Buba, in: Buba/Vaskovics, Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, S. 329 (338 f.); Stahmer, in: Lähnemann, Lesben und Schwule mit Kindern, S. 3; Lähnemann, a.a.O., S. 15. S.a. Streib, Das lesbisch-schwule Babybuch, S. 7.
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Teil I Grundlagen der gleichgeschlechtlichen Elternschaft
haben. Das Vorherrschen traditioneller Familienbilder und die mangelnde Kenntnis gleichgeschlechtlicher Lebensentwürfe dürfen nicht zu der Annahme verleiten, daß Paare, die für sich genommen keine Kinder bekommen können, auch keinen Kinderwunsch haben. Vielmehr wird man in der überwiegenden Zahl der Fälle davon ausgehen müssen, daß sich gleichgeschlechtlich orientierte Personen und Paare eher unfreiwillig mit ihrer Kinderlosigkeit abfinden.6 Für sie ist die Realisierung des Kinderwunsches ungleich schwieriger als für fortpflanzungsfähige verschiedengeschlechtliche Paare. Gleichgeschlechtliche Paare müssen entweder ein Kind adoptieren oder mit Hilfe einer geschlechtsverschiedenen dritten Person versuchen, ein „eigenes“7 Kind auf natürlichem oder künstlichem Wege zu zeugen. Es würde schon heute sehr wahrscheinlich mehr Lesben und Schwule mit Kindern geben, wenn sich die Verwirklichung ihres Kindeswunsches unkomplizierter gestaltete.8 Im Zuge der zunehmenden Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Lebensweisen und des Abbaus von Diskriminierungen auf zahlreichen Gebieten artikulieren Schwule und Lesben mittlerweile deutlich vernehmbar ihren Wunsch nach einem Kind. Sichtbares Zeichen dieser Emanzipation sind Annoncen in Stadtmagazinen, die sich an ein homosexuelles Publikum richten. Dort suchen Lesben und Schwule, die an einer Elternschaft interessiert sind, Personen des jeweils anderen Geschlechts, um ihren Kinderwunsch zu realisieren.9 Gleichgeschlechtlich orientierten Personen und Paaren mit Kinderwunsch steht ferner ein nicht unbeachtliches Informationsangebot zur Verfügung. Neben Broschüren, die von den Gleichstellungsstellen einzelner Landesministerien herausgegeben wurden,10 existieren auch Ratgeber, die konkrete Hinweise enthalten.11 Organisationen wie „pro familia“ 6
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Vgl. auch den Gesetzesentwurf der FDP zur Ergänzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes, BT-Drucks. 15/2477 v. 11.2.2004, S. 17: aus Studien ergebe sich, daß viele bisher kinderlose lesbische Frauen und schwule Männer sich ein Kind wünschten. Dabei kann es sich – jedenfalls nach dem gegenwärtigen Stand der Reproduktionsmedizin und der Gentechnologie – immer nur um ein genetisch halbeigenes Kind handeln. Vgl. Teil IV § 9 III., S. 220 und Teil IV § 9 VII.3., S. 229 ff. Vgl. auch Eggen, FamPra.ch 2007, 823 (833). In der Siegessäule, Berlins schwul-lesbischem Stadtmagazin, von April 2003 finden sich im privaten Kleinanzeigenteil unter der Rubrik „Familie“ u.a. folgende Annoncen (die Orthographie wurde beibehalten): „Schwules Paar hat einen Wunsch: wer hilft uns dabei ein Kind zu bekommen? Bed.: das Kind lebt bei uns, Momkontakt ist uns wichtig! […]“. „Möchtest du mit uns, W31/W32, deinen Traum von einem Kind erfüllen, deine Gene + Erfahrungen weitergeben, ohne dass der Alltag belastet + du fin. Verpflichtungen hast? Wenn du ein Mann mit Zielen, Verantwortungsbewusstsein, Stil + Niveau bist, melde dich einfach: […]“. „Kinderwunsch: wir, lesbisches Paar, (37/34) suchen gesunden Mann (–42 J.), als Samenspender per Insemination. Kein finanzielles Interesse unsrerseits. Melden unter […]“. „Attraktive Lesbe mit Kinderwunsch, 33, sucht intelligenten, netten Samenspender, Vaterrolle möglich. […]“. So für den Berliner Senat Lähnemann, Lesben und Schwule mit Kindern, 1997. LSVD sozial e.V., Familienbuch, 2002; Streib, Das lesbisch-schwule Babybuch, 1996.
§ 2 Kinderwunsch gleichgeschlechtlicher Paare
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bieten Interessierten Beratung an.12 Im Internet finden sich zahlreiche Homepages, die über das Thema informieren.13 Dieser Befund macht deutlich, daß sich Homosexualität und Kinderwunsch keineswegs ausschließen.
II. Empirische Erhebungen Bevor auf empirische Erhebungen zum Kinderwunsch gleichgeschlechtlicher Paare eingegangen wird, soll ebenfalls auf empirischem Wege der Frage nachgegangen werden, wie viele Kinder bereits bei gleichgeschlechtlichen Eltern aufwachsen und welche Gründe dafür ursächlich sind. Dadurch kann ermittelt werden, in welchem Umfang bereits in der Vergangenheit Maßnahmen assistierter Reproduktion für die Verwirklichung des Kinderwunsches eine Rolle spielten und ein Bezug zum aktuellen sowie zum künftigen Ausmaß dieses Wunsches hergestellt werden. 1. Bestehende gleichgeschlechtliche Elternschaft a) Bisheriges Vorkommen von Kindern in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften Das Vorkommen von Kindern, die in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften aufwachsen, ist in der Bundesrepublik Deutschland in empirischer Hinsicht erst in den letzten Jahren untersucht worden.14 Die Datenlage ist noch vergleichsweise dünn und unsicher.15 Für die vorliegende Arbeit wurden die Untersuchungen von
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Die Organisation „pro familia“ gibt die Broschüre „Unerfüllter Kinderwunsch“ heraus, die über künstliche Insemination bei lesbischen Frauen informiert (S. 22 f.). Die Broschüre kann im Internet abgerufen werden unter: http://www.profamilia.de/shop/ download/171.pdf [Datum des letzten Abrufs: 2. Februar 2009]. Vgl. nur die bei Rodé, in: LSVD sozial e.V., Familienbuch, S. 107–120 nachgewiesenen Internetseiten. Weiß, in: Buba/Vaskovics, Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, S. 223 (223), (232); Buba/Vaskovics, in: dies., a.a.O., S. 25 (32); Baas/Buba, in: Buba/Vaskovics, a.a.O., S. 329 (350 f.); zum Mikrozensus Eggen, FPR 2001, 444 (446 ff.); ders., Baden-Württemberg in Wort und Zahl 2001, 347 (350); 579 (580); ders., Praxis der Rechtspsychologie 13 (2003), 25 (26). Einen Überblick über verschiedene ältere Studien bietet Wegner, ZfRSoz 16 (1995), 170 (171 ff.). Zu den USA vgl. Beck, DuR 1990, 446 (454) m.w.N. und der Behauptung, daß dort bereits 8 bis 10 Millionen Kinder in lesbischen oder schwulen Haushalten aufwüchsen. Von 2 bis 8 Millionen Kindern sprechen Fthenakis, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 351 (366 f.) sowie in ihrer schriftlichen Stellungnahme Dethloff, BT-Rechtsausschußprot. 15/59 v. 18.10.2004, S. 75 f.; dies., ZRP 2004, 195 (199). Zurückhaltender Rosato, 44 Family Court Review (2006), 74: mindestens 1 Million. Eggen, Baden-Württemberg in Wort und Zahl 2001, 347; Schomburg, Kind-Prax 2001, 103.
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Teil I Grundlagen der gleichgeschlechtlichen Elternschaft
Eggen16 sowie die von Buba und Vaskovics herausgegebene Studie17 herangezogen. Eggen stützt sich in seinen Arbeiten auf Daten, die im Rahmen des Mikrozensus gewonnen wurden. Bei dieser Erhebung handelt es sich um eine nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Stichprobe, die als repräsentativ für die Bevölkerung in Deutschland gilt.18 Der Mikrozensus des Jahres 2001 ermittelte für die Bundesrepublik rund 49.200 zusammenwohnende gleichgeschlechtliche Paare. Bei 16% dieser Paare lebten Kinder in der Partnerschaft.19 Das entspricht umgerechnet 7.872 gleichgeschlechtlichen Paaren, bei denen rund 10.800 Kinder aufwuchsen. Eggen geht allerdings davon aus, daß die Dunkelziffer von Kindern, die innerhalb einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft aufwachsen, höher ist.20 Über die Zahl der Kinder, deren Eltern in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, existieren noch keine aussagekräftigen Statistiken.21 Da bislang aber nur ein geringer Teil der Paare gleichen Geschlechts eine eingetragene Lebenspartnerschaft begründet hat, leben die meisten dieser Kinder nicht in einer rechtlich formalisierten Partnerschaft.22 Bei der von Buba und Vaskovics durchgeführten Studie wurde bei der Erhebung der Daten auch ermittelt, ob Homosexuelle, die ein Kind aufziehen, in einer Partnerschaft leben. Die Untersuchung differenzierte zwischen zwei Partnerschaftsformen. Zum einen wurden Paare erfaßt, die in einem Haushalt zusammenlebten. Diese Paare bezeichnen Buba und Vaskovics als Lebensgemeinschaften.23 Daneben berücksichtigt die Studie aber auch, ob die Paare ihre Partnerschaft räumlich getrennt gestalten, d.h. ein Zusammenleben in einem Haushalt ablehnen 16
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Eggen, FPR 2001, 444 ff.; ders., Baden-Württemberg in Wort und Zahl 2001, 347 ff.; 579 ff.; 2002, 65 ff.; ders., Praxis der Rechtspsychologie 13 (2003), 25 ff. Vgl. auch ders., FamPra.ch 2007, 823 ff. Buba/Vaskovics, Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, 2001. Eggen, Baden-Württemberg in Wort und Zahl 2001, 347 (348). Eggen, Baden-Württemberg in Wort und Zahl 2001, 347 (350); ders., Praxis der Rechtspsychologie 13 (2003), 25 (26). Eggen, Praxis der Rechtspsychologie 13 (2003), 25 (33 m. Fn. 4), (39); vgl. auch ders., Baden-Württemberg in Wort und Zahl 2002, 65 (67). Kemper, FF 2005, 88 (95, Fn. 33) und Dethloff, ZRP 2004, 195; dies., in: Gedächtnisschr. f. Heinze, S. 133 (134) sprechen für 2003 von 13.000 Kinder in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. An anderer Stelle spricht Dethloff von geschätzten 30.000 bis 35.000 Kindern (in: Scherpe/Yassari, Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 137 [140]). Vgl. auch Wellenhofer, NJW 2005, 705 (706): offiziell werde von 50.000 Familien ausgegangen, die Dunkelziffer dürfte noch weit höher liegen. Eggen, Praxis der Rechtspsychologie 13 (2003), 25 (37); ders., Baden-Württemberg in Wort und Zahl 2002, 65 (69). Dethloff, in: Scherpe/Yassari, Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 137 (140). Unter (nichtehelichen) Lebensgemeinschaften verstehen Buba und Vaskovics sowohl gleich- als auch verschiedengeschlechtliche Partnerschaften, vgl. Buba/Becker, in: Buba/ Vaskovics, Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, S. 35 (52).
§ 2 Kinderwunsch gleichgeschlechtlicher Paare
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und daher zwei Haushalte führen.24 Die Erhebung zeigte, daß die Mehrzahl der homosexuellen Elternteile, bei denen ein Kind aufwächst, eine Partnerschaft führen. Dabei überwiegt das Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt. Relativ häufig kommen aber auch Partnerschaften mit Kindern vor, die zwei getrennte Haushalte führen.25 b) Ursachen Was die Ursachen für das Aufwachsen von Kindern in gleichgeschlechtlichen Beziehungen angeht, wird in der Literatur davon ausgegangen, daß die meisten der vom Mikrozensus erfaßten Mädchen und Jungen aus vorangegangenen verschiedengeschlechtlichen Beziehungen stammen.26 Diese Kinder sind in aller Regel auf natürlichem Wege gezeugt worden und nach dem Scheitern der Beziehung bei dem Elternteil verblieben, der nunmehr mit einem Partner gleichen Geschlechts lebt. Über die Häufigkeit des Vorkommens bzw. über die tatsächlichen Wege des Zustandekommens von Kindern, die mit Hilfe künstlicher Befruchtungsmethoden in eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft hineingeboren wurden, ist bislang sehr wenig bekannt.27 Bei den im Rahmen der Studie von Buba und Vaskovics durchgeführten Befragungen gab nur ein kleiner Teil der lesbischen Mütter an, daß das Kind aus einer Insemination stamme. In seiner Auswertung der Daten nennt Weiß keine genauen Zahlen und gibt auch nicht an, ob die befragten lesbischen Mütter in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung lebten oder alleinstehend waren. Er teilt auch nichts über die genauen Umstände der Insemination mit.28 Schomburg vermutet, daß die Inseminationen im Ausland durchgeführt worden sind.29 Zu schwulen Einzelpersonen oder Paaren, die ihren Kinderwunsch durch künstliche Befruchtung einer Leihmutter realisiert haben, enthält die Studie keine Angaben. Da bisher die meisten Kinder in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften aus einer vorangegangenen verschiedengeschlechtlichen Beziehung stammen, ist davon auszugehen, daß die momentan in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften aufwachsenden Kinder in den seltensten Fällen mittels assistierter Reproduktion gezeugt wurden.
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Sog. living apart together, vgl. Buba/Vaskovics, Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, S. 356 und Weiß/Becker, in: Buba/Vaskovics, a.a.O., S. 93 (103). Weiß, in: Buba/Vaskovics, Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, S. 223 (229). Eggen, Baden-Württemberg in Wort und Zahl 2001, 579 (580); 2002, 65 (67); Schomburg, Kind-Prax 2001, 103. Vgl. auch Weiß, in: Buba/Vaskovics, Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, S. 223 (226) und Lähnemann, BT-Rechtsausschußprot. 15/59 v. 18.10.2004, S. 6, 78. Eggen, Baden-Württemberg in Wort und Zahl 2001, 579 (580). Weiß, in: Buba/Vaskovics, Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, S. 223 (226 f.). Schomburg, Kind-Prax 2001, 103.
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2. Gewünschte gleichgeschlechtliche Elternschaft a) Ausmaß des Kinderwunsches Über den Kinderwunsch gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare in der Bundesrepublik Deutschland existiert, soweit ersichtlich, bisher nur eine einzige empirische Erhebung. Es handelt sich um die bereits erwähnte, von Buba und Vaskovics herausgegebene Studie.30 Die darin vorgelegten Informationen zum Kinderwunsch Homosexueller basieren auf einer kleinen Stichprobe und haben deshalb lediglich explorativen und vorläufigen Charakter.31 Bei den befragten Lesben und Schwulen äußerten 23% einen Kinderwunsch. Ebenso viele Befragte wußten noch nicht, ob sie sich Kinder wünschen. Homosexuelle Frauen brachten unwesentlich häufiger diesen Wunsch zum Ausdruck als homosexuelle Männer.32 Mit zunehmendem Lebensalter nahm der Wunsch nach Kindern ab. Bei den unter 25jährigen gaben noch 40% der Befragten diesen Wunsch an, bei den über 35jährigen waren es nur noch 10%. Jüngere zeigten sich aber auch deutlich häufiger noch unentschlossen darüber, ob sie ein Kind wollen. Mit steigendem Lebensalter wuchs die Gewißheit der Befragten, ob sie sich ein Kind wünschen oder nicht. Bei der herangezogenen Studie ist zu berücksichtigen, daß in die Gruppe der über 35jährigen auch das Kollektiv der 50- bis 60jährigen mit einbezogen wurde. In diesem Alter ist der Wunsch nach einem Kind generell weniger ausgeprägt und insbesondere bei Frauen aufgrund der durch das Klimakterium eintretenden hormonellen Veränderungen kaum noch zu realisieren.33 b) Formen der Realisierung Die Lesben und Schwulen, die an der Studie teilnahmen, wurden auch gefragt, auf welche Weise sie ihren Kinderwunsch realisieren wollen. Mehr als die Hälfte der lesbischen Frauen mit Kinderwunsch wollten mittels einer künstlichen Insemination die Befruchtung vornehmen. Etwas weniger als ein Fünftel möchte die Befruchtung auf natürlichem Wege, also durch Geschlechtsverkehr per vaginam herbeiführen.34 Nur wenige lesbische Frauen hatten den 30
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Weiß/Becker, in: Buba/Vaskovics, Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, S. 93 ff., insbesondere S. 127 ff. Weiß, in: Buba/Vaskovics, Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, S. 223 (232). Einen generell geringeren Kinderwunsch bei Männern gleich welcher sexuellen Orientierung behaupten Stacey/Biblarz, 66 American Sociological Review (2001), 159 (165): „… there is evidence that fewer men of any sexual orientation actually desire children as strongly as do comparable women“. Weiß/Becker, in: Buba/Vaskovics, Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, S. 93 (127). Vgl. auch Schomburg, Kind-Prax 2001, 103. Weiß/Becker, in: Buba/Vaskovics, Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, S. 93 (127) sind etwas ungenau, wenn sie ausführen, daß die lesbischen Frauen „den Kinderwunsch mittels einer privaten Samenspende, übertragen durch Geschlechtsverkehr, realisieren“ wollen. Von einer Samenspende ist i.d.R. nur dann die Rede, wenn das Sperma im heterologen System künstlich eingebracht wird. Vgl. auch Baas/Buba, in: Buba/Vaskovics, a.a.O., S. 329 (340). Ausführlich dazu Teil IV § 9 IV.1., S. 220 f.
§ 2 Kinderwunsch gleichgeschlechtlicher Paare
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Wunsch, ein Kind zu adoptieren. Das Engagement einer Leihmutter oder ein Pflegekind wünschten sich lesbische Frauen nur sehr selten.35 Bei schwulen Männern dominierte die Einstellung, den Kinderwunsch über eine Adoption36 zu verwirklichen. Für diese Option votierte nahezu die Hälfte der Befragten. Einige Männer möchten auf natürlichem Wege ein Kind zeugen. Sehr wenige erwogen die Inanspruchnahme einer Leihmutter oder die Aufnahme eines Pflegekindes. Nähere Zahlen, insbesondere zum Ausmaß des Wunsches, eine Leihmutter zu engagieren, teilt die Studie nicht mit.37 c) Kinderwunsch und rechtliche Absicherung Die von Buba und Vaskovics präsentierten Erhebungen stammen noch aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes und zielten in erster Linie auf die Frage, inwieweit Lesben und Schwule sich eine rechtliche Absicherung in Form eines gesetzlichen Institutes wünschen. Bei den Befragten mit Kinderwunsch lag die Zustimmung zur Schaffung eines gesetzlichen Partnerschaftsinstitutes geringfügig höher als in der Gesamtgruppe (93% gegenüber 89%). Befragte mit Kinderwunsch gaben aber um 20 Prozentpunkte deutlich häufiger als die Gesamtgruppe an, daß sie selbst eine rechtsverbindliche Partnerschaft eingehen möchten. Hätten sie die freie Wahl zwischen verschiedenen Instituten, so wählten sie das der Ehe, weil es die für sie relevanten kindschaftsrechtlichen Regelungen bereithält. Damit präferierte der Teil der Lesben und Schwulen am deutlichsten das Modell der bürgerlich-rechtlichen Ehe, der einen Kinderwunsch hegt.38 Nach Dethloff geben im Ausland erhobene Statistiken Anlaß zu der Vermutung, daß es sich bei besonders vielen gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, in denen Kinder aufwachsen, um rechtlich formalisierte Partnerschaften handelt.39 Von allen befragten Homosexuellen hielten deutlich über die Hälfte eine Gleichstellung mit Ehepaaren hinsichtlich des gemeinsamen Sorgerechts für Kinder für notwendig. Sie befürworteten auch eine Gleichstellung im Adoptionsrecht. Diese Forderungen wurden von den befragten Frauen häufiger als von den befragten Männern erhoben. Noch deutlicher werden die geschlechtsspezifischen Unterschiede, wenn es um den Zugang zur künstlichen Insemination geht. Drei Viertel der Frauen, die einzelne Gleichstellungsbereiche benennen, waren dafür, die Be-
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Weiß/Becker, in: Buba/Vaskovics, Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, S. 93 (127 f.). Zum ganzen auch Schomburg, Kind-Prax 2001, 103. Bei der Familienpflege gem. § 1630 Abs. 3 BGB wird ein Kind außerhalb des Elternhauses durch mindestens eine Pflegeperson in familienähnlichen Verhältnissen wie in Ausübung elterlicher Sorge betreut, vgl. Rauscher, Familienrecht, Rdnr. 1127 m.w.N. Zu den Gründen, die gegen eine Adoption sprechen können, vgl. Teil III § 8 V.2., S. 211 f. Weiß/Becker, in: Buba/Vaskovics, Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, S. 93 (128). Weiß/Becker, in: Buba/Vaskovics, Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, S. 93 (128). Der Wunsch und die Bereitschaft, soziale Elternschaft rechtlich zu untermauern, ist ein allgemein zu konstatierendes Phänomen, vgl. Schneider/Rosenkranz/Limmer, Nichtkonventionelle Lebensformen, S. 140. Dethloff, ZRP 2004, 195 (196, Fn. 5).
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fruchtungsmethode der Insemination für alle Frauen40 zugänglich zu machen. Von den Männern forderte dies nur ein Drittel.41 d) Zukünftige Entwicklung Einige Autoren prognostizieren, daß im Zuge einer weiteren öffentlichen und auch rechtlichen Normalisierung der Situation Homosexueller mehr gleichgeschlechtliche Paare ihren Wunsch nach Kindern und Elternschaft erfüllen werden, als dies in der Vergangenheit der Fall war.42 Von Soziologen wie von Juristen wird insbesondere für wahrscheinlich gehalten, daß die Familienplanung und Familienrealisierung mittels Nutzung der artifiziellen Reproduktion in Zukunft an Bedeutung gewinnen wird, weil vor allem lesbische Frauen den Zugang zu diesen Methoden wünschen.43 Auf diese Weise realisierte Formen der Elternschaft sind zwar im deutschsprachigen Raum noch selten,44 sollen aber in den Niederlanden, Belgien, den USA, Kanada, Australien und Neuseeland schon häufiger vorkommen.45 In Schweden und in Spanien wurde jüngst lesbischen Paaren der Zugang zu Maßnahmen assistierter Reproduktion gesetzlich gestattet,46 weshalb auch hier mit einer Zunahme zu rechnen ist.
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Offenbar sind hier nicht nur Frauen in Partnerschaften gemeint, sondern auch Einzelpersonen. Weiß/Becker, in: Buba/Vaskovics, Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, S. 93 (101), (107 f.). Stacey/Biblarz, 66 American Sociological Review (2001), 159 (165), ihnen folgend Eggen, Baden-Württemberg in Wort und Zahl 2001, 347 (350); 579 (580). S.a. Robertson, 55 Case W.Res.L.Rev. (2004), 323 (324). So die Einschätzung von Weiß, in: Buba/Vaskovics, Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, S. 223 (224); ebenso Lähnemann, BT-Rechtsausschußprot. 15/59 v. 18.10.2004, S. 7, 79. Vgl. auch Dethloff, in: Gedächtnisschr. f. Heinze, S. 133 (134); Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft 1 (2001), Rdnr. 101. Zu den USA Rosato, 44 Family Court Review (2006), 74 (79). Lähnemann, BT-Rechtsausschußprot. 15/59 v. 18.10.2004, S. 7, 79 schätzt, daß in Berlin etwa 150 bis 300 Kinder, die durch Insemination gezeugt sind, in lesbischen Partnerschaften leben. Für die gesamte Bundesrepublik geht sie vom Zehnfachen, also von 1.500 bis 3.000 Kindern aus, die auf diese Weise gezeugt wurden. Sielert, in: Keil/Haspel, Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften in sozialethischer Perspektive, S. 45 (49); Lähnemann, Lesben und Schwule mit Kindern, S. 7, 13, 44. Vgl. auch Schomburg, Kind-Prax 2001, 103. Zu den Niederlanden Vonk, 18 Int.J.Law & Fam. (2004), 103 ff.; Maxwell/Mattijssen/Smith, EJCL, vol 3.1 (August 1999), 2.2; Boele-Woelki/Schrama, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 51 (94). Zu Belgien Pintens, in: Scherpe/Yassari, Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 277 (297). Zu den USA Robertson, 55 Case W.Res.L.Rev. (2004), 323 ff. Vgl. Teil III § 8 II.4., S. 182 ff. (Schweden) und Teil III § 8 III.4., S. 197 ff. (Spanien).
§ 2 Kinderwunsch gleichgeschlechtlicher Paare
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III. Zusammenfassung und Bewertung Die Unvereinbarkeit von gleichgeschlechtlicher Beziehung und Kinderwunsch bzw. der Übernahme elterlicher Verantwortung erscheint nur bei oberflächlicher Betrachtungsweise begründet. Einige Homosexuelle empfinden es als Defizit, daß ihre sexuelle Orientierung die Realisierung des Kinderwunsches erschwert. Die öffentlich zugänglichen Informationsangebote und die Annoncen in einschlägigen Publikationen lassen auf einen entsprechenden Bedarf schließen.47 Allerdings liegen über die genaue Zahl lesbischer und schwuler Paare, die ihren Kinderwunsch durch den Einsatz fortpflanzungsmedizinischer Maßnahmen verwirklichen wollen, wegen der methodischen Schwächen der derzeit einzig verfügbaren Studie von Buba und Vaskovics keine genauen Angaben vor. Die bislang erhobenen Daten sprechen eher für eine kleine Zahl. Selbst wenn in Zukunft mehr gleichgeschlechtliche Paare den Zugang zu Methoden assistierter Reproduktion suchen, dürfte sich die Gesamtzahl immer noch auf überschaubarem Niveau bewegen. Die Studie von Buba und Vaskovics zeigt auch, daß der Kinderwunsch gleichgeschlechtlicher Paare und die rechtliche Formalisierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften in Zusammenhang stehen, denn jene Homosexuellen, die sich ein Kind wünschen, streben auch eine rechtliche Absicherung ihrer Partnerschaft an. Angesichts des überschaubaren Ausmaßes mag man der Frage nach der Anwendung fortpflanzungsmedizinischer Maßnahmen bei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, insbesondere bei schwulen Paaren, die Relevanz absprechen. Die Bedeutung des vorliegenden Themenkomplexes ergibt sich jedoch weniger aus einem quantitativen Aspekt, als vielmehr – wie bei den Phänomenen Homosexualität und Reproduktionsmedizin allgemein – aus der Qualität der aufgeworfenen Fragen und den zu erwartenden Kontroversen. Daher hat sich auch die Rechtswissenschaft dieser Thematik zu stellen: „Die theoretische Erörterung mutmaßlicher Entwicklungen ist gehalten, die Probleme unabhängig vom Grade empirischer Wahrscheinlichkeit konsequent zu Ende zu denken.“48
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So auch Weiß, in: Buba/Vaskovics, Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, S. 223 (224). Fechner, JZ 1986, 653 (661). Lähnemann, BT-Rechtsausschußprot. 15/59 v. 18.10.2004, S. 7, 79 f. weist im Hinblick auf die Rechtslage vor der Novellierung des LPartG darauf hin, daß trotz der kleinen Bevölkerungsgruppe gravierende Problemlagen resultieren könnten.
§ 3 Kulturgeschichtliche Grundlagen I. Vorbemerkung Das Phänomen gleichgeschlechtliche Elternschaft kann unabhängig von der Art der Realisierung nur dann begriffen werden, wenn man sich über die kulturgeschichtliche Bewertung1 von Homosexualität und gleichgeschlechtlicher Partnerschaft einen Überblick verschafft. Zwar existierten weibliche und männliche Homosexualität in allen Kulturen und Gesellschaftsformen. Ein historischer Überblick steht aber vor dem methodischen Problem, daß die vorhandenen Dokumente fast ausschließlich von Personen berichten, die aus der Zeitgeschichte herausragten. Darüber hinaus befassen sich bis in die jüngere Vergangenheit zahlreiche Quellen nur mit der Homosexualität des Mannes. Eine Erklärung hierfür kann sowohl in dem in nahezu allen Gesellschaften vorherrschenden Primat des Patriarchats gesehen werden, als auch in dem stärkeren Fokus, der schon immer auf männlicher Homosexualität wegen der auf sie zielenden Strafverfolgung lag.2 Frauen spielten demgegenüber in der Kulturgeschichte eine weitgehend untergeordnete Rolle. Eine autonome weibliche Sexualität und damit auch eine weibliche Homosexualität schien über lange Zeit hinweg undenkbar oder wurde als Gefühlsäußerung nicht ernst genommen. Diese Akzentuierung hatte auch zur Folge, daß im Gegensatz zur weiblichen die männliche Homosexualität viel eher als eine Gefahr und Bedrohung für das Patriarchat und die über lange Zeit damit verbundene Macht angesehen wurde.3 Trotz des scheinbar von der Homosexualität ausgehenden Bedrohungspotentials und den daraus folgenden Repressionen gelang es jedoch keiner Kultur, homosexuelles Verhalten völlig zu unterdrücken. Auch in jenen Gesellschaften, die Homosexualität mit einem Stigma belegten, bildete sich immer eine Subkultur heraus: „Um unter seinesgleichen sein zu können, Freunde zu finden, die eigene Erfahrung zu teilen und dadurch den Druck von Gesetz und Ge-
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Siehe auch Brockhaus, Die Enzyklopädie, Zehnter Band, Stichwort: Homosexualität, S. 232 ff. und Hirschfeld, Die Homosexualität des Mannes und des Weibes, S. 737 ff. So der Sachverständige Kretschmar in BVerfGE 6, 389 (401). Schoppmann, in: Grau, Homosexualität in der NS-Zeit, S. 35 (36). Siehe auch Kockott, Die Sexualität des Menschen, S. 110: „Diskrepanz in der gesellschaftlichen Bewertung“. Die Nationalsozialisten sahen in Schwulen eine Bedrohung der auf männlicher Dominanz basierenden Volksgemeinschaft, vgl. unten Fn. 40. In den 1980ern sah man teilweise in homosexuellen Männern ein Symbol für die Bedrohung durch Aids, vgl. Reuband, ZfSoz 1989, 65. Eine weitere, angeblich von männlichen Homosexuellen ausgehende Bedrohung stellt das gelegentlich auch im juristischen Schrifttum behauptete ausgeprägte Verlangen nach sexuellen Kontakten zu Minderjährigen bzw. deren Verführung zur Homosexualität dar, vgl. Tröndle, ZRP 1992, 297 (301); Dreher/Tröndle, Strafgesetzbuch 47(1995), § 182, Rdnr. 3a; Braun, JZ 2002, 23 (29). Zu diesen Vorurteilen ausführlich Teil I § 6 II.4.d)(3), S. 89 ff. und Teil II § 7 II.5.a) und b), S. 119 ff.
§ 3 Kulturgeschichtliche Grundlagen
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sellschaft zu mildern, spielte die Subkultur für Homosexuelle schon immer eine wichtige Rolle.“4 Der folgende kulturgeschichtliche Überblick wird sich zunächst in chronologischer Folge überwiegend auf den abendländischen Raum beschränken, wobei sich der Blick Mitte des 19. Jh. zunehmend auf Deutschland konzentriert. Dabei steht aufgrund der Quellenlage die gesellschaftliche Beurteilung gleichgeschlechtlicher Veranlagung im Vordergrund. In einer zusammenfassenden Bewertung werden sodann die sich daraus ergebenden Folgerungen für gleichgeschlechtliche Partnerschaften und gleichgeschlechtliche Elternpaare gezogen.
II. Entwicklung bis 1871 1. Antike a) Griechenland Aus dem antiken Griechenland sind gleichgeschlechtliche Beziehungen zwischen erwachsenen und heranwachsenden Männern bekannt, innerhalb derer es auch zu sexuellen Handlungen kommen konnte. Allerdings erfüllten diese Beziehungen in erster Linie eine pädagogische Funktion. Der Erwachsene war für die intellektuelle, charakterliche und mitunter auch militärische Ausbildung des Jüngeren verantwortlich. In Sparta war die paiderastia5 integraler Bestandteil eines staatlich überwachten Erziehungswesens. Sie diente primär der Aus- und Heranbildung einer Elite von Kriegern.6 In Athen galt die Knabenliebe als Brauchtum der Besten (aristoi). Sie war stärker erotisch-ästhetisch orientiert und unterlag gleichfalls bestimmten pädagogischen Regulativen. Der erastes bereitete den jüngeren eromenos auf seine künftigen Aufgaben in der Polis vor.7 Platon stellte in seiner Philosophie des Eros die erotisch inspirierte, auf sinnliche Erfüllung verzichtende Freundschaft in den Mittelpunkt.8 In der griechischen Antike unterhielten erwachsene Männer aber selten exklusiv gleichgeschlechtliche Beziehungen, sondern
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Stümke, Homosexuelle in Deutschland, S. 29; Kockott, Die Sexualität des Menschen, S. 109. So die altgriechische Bezeichnung für die Beziehung eines erwachsenen Mannes zu einem jüngeren Mann. Zur militärischen Organisation der dorischen Staaten, zu denen Sparta zählte, Dover, Greek homosexuality, S. 185: „The most widely accepted generalisation about Greek homosexuality at the present time is that it originated in the military organisation of Dorian states […].“ Zur böotischen Armee vgl. S. 192: „the ,Sacred Band‘ of Thebes, formed c. 378, was composed entirely of pairs of homosexual lovers; it was the hard core of the Boiotian army, a formidable army at all times […].“ Zu diesen Begriffen Dover, Greek homosexuality, S. 16. In Sparta kämpften bei kriegerischen Auseinandersetzungen erastes und eromenos häufig Seite an Seite, um sich gegenseitig anzuspornen, a.a.O., S. 191 f. Diese Form der Beziehung fand unter dem Begriff der „platonischen Liebe“ Eingang in das abendländische Denken. Zu Platons philosophischer paiderastia vgl. Dover, Greek homosexuality, S. 196, 199, 202.
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hatten auch sexuelle Kontakte zu Frauen. Homosexualität außerhalb der vorgegebenen institutionalisierten Formen, etwa unter Erwachsenen, war verpönt. Aus der griechischen Antike stammt eines der wenigen, dafür aber um so bekannteren Beispiele für weibliche Homosexualität. Die Dichterin Sappho unterhielt im sechsten Jahrhundert vor Christus auf der Ägäisinsel Lesbos ein Bildungsinstitut, in dem sie heiratsfähige Mädchen in Fragen der Lebensführung und in Philosophie unterrichtete sowie für die Schönheit der Natur sensibilisierte. In ihren Gedichten besang sie die gleichgeschlechtliche Liebe unter Frauen. Von dem Namen der Insel Lesbos leitet sich die heute gebräuchliche Bezeichnung der gleichgeschlechtlichen Liebe unter Frauen ab.9 b) Rom Im antiken Rom war vor allem zur Kaiserzeit der gesellschaftlichen Oberschicht die Liebe des Mannes zum Knaben wie zur Frau bekannt.10 Die Päderastie galt zwar nicht als sexuelle Abweichung, war aber gleichwohl mit einem moralischen Tadel versehen. In bezug auf sexuelle Aktivitäten wurde zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen differenziert. Junge Ausländer, Sklaven und Freigelassene befanden sich nicht selten in der Rolle des schutzlos gestellten, sozial geächteten Homosexuellen, während der frei geborene junge Römer vor bestimmten gleichgeschlechtlichen Kontakten durch Strafgesetze geschützt war.11 c) Germanische Stammesverbände Im Gegensatz zur griechisch-römischen Hochkultur sah man in den germanischen Stammesverbänden Homosexualität als unvereinbar mit dem dort propagierten Kriegerideal an. Homosexuelles Verhalten galt in diesem Kulturkreis als Verweichlichung, war sozial geächtet und wurde mit dem Tode bestraft.12 d) Einfluß des Christentums Der zunehmende Einfluß des Christentums im mediterranen Raum ging mit einer restriktiven Einstellung zur Homosexualität einher und führte zu einer immer stärkeren Zurückdrängung homosexuellen Verhaltens in der Öffentlichkeit.13 Die christliche Tradition berief sich zur Legitimation ihrer ablehnenden Haltung in erster Linie auf den alttestamentarischen Bericht über den Untergang von Sodom und Gomorrha.14 Im Neuen Testament wird Homosexualität an verschiedenen 9
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Siehe Dover, Greek homosexuality, S. 195 und Bräutigam/Clement, Sexualmedizin im Grundriß, S. 236. Dies belegen zahlreiche Dichtungen römischer Schriftsteller wie Plautus, Lukrez, Ovid, Catull, Vergil, Horaz, Plutarch und Tibull, vgl. Brockhaus, Die Enzyklopädie, Stichwort: Homosexualität, Zehnter Band, S. 233. Baumann, Paragraph 175, S. 25; Kappe, KritJ 1991, 205 (206). Dazu ausführlich und differenziert Bleibtreu-Ehrenberg, Tabu Homosexualität, S. 17 ff., 45 f., zum Kriegerideal a.a.O., S. 158 ff.; Kappe, KritJ 1991, 205 (205 f.). Vgl. Stümke, Homosexuelle in Deutschland, S. 8 f. Gen 19: Zwei männliche Personen gelangen in die Stadt Sodom und finden im Hause Lots ihr Nachtlager. Bald belagern einheimische Männer das Haus und drängen Lot, seine Gäste herauszugeben, um sich über sie herzumachen. Daraufhin werden die Belagerer mit Blindheit geschlagen. Am folgenden Tag werden die Städte Sodom und Go-
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Stellen als Beispiel für fehlenden Glauben und Gottlosigkeit genannt.15 Die christliche Auffassung sollte über lange Zeit für die abendländische Kultur bestimmend sein. 2. Mittelalter In der vornehmlich von Augustinus und Thomas von Aquin repräsentierten mittelalterlichen christlichen Theologie war eine von asketischen Auffassungen geprägte Sexualethik maßgebend. Sexuelle Handlungen waren ausschließlich zum Zwecke der Prokreation legitim.16 Alle anderen Formen sexuellen Kontaktes stellten einen Verstoß gegen die Natur des Menschen dar, weshalb Homosexualität nach christlichem Glauben als Sünde galt. Die Hinwendung zur Antike und die Entwicklung einer Stadtkultur führten im 11. Jh. zu einer liberaleren Einstellung und zur stärkeren Herausbildung einer homosexuellen Subkultur. Überliefert sind literarische Zeugnisse monasterischer Provenienz, wie die des französischen Benediktinerabtes Balderich von Bourgueil oder des Leiters der Kathedralschule von Angers, Marbod von Rennes.17 Diese Liberalisierung blieb jedoch auf einzelne Klöster beschränkt und war jeweils nur von begrenzter Dauer. Im 12. und 13. Jh. gingen der Ausbau und die Institutionalisierung staatlicher Zentralgewalt in den Nationalmonarchien und den Fürstentümern generell mit einer Abnahme der Toleranz gegenüber Minderheiten einher. Zusammen mit dem Vorwurf der Ketzerei trug der Vorwurf der Homosexualität zur Vernichtung des Templerordens durch Philipp IV. von Frankreich bei. Im Gefolge der päpstlichen Inquisition sowie der Ketzer- und Hexenverfolgung18 griff zunehmend die in der spätmittelalterlichen Theologie aufgekommene Vorstellung Platz, „Sodomie“ oder „sexuelle Unzucht“ sei ein todeswürdiges Verbrechen gegen den Glauben. Diese Haltung des Klerus beanspruchte zunehmend auch im weltlichen Raum Geltung und wurde insbesondere von den Gerichten übernommen.19
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morrha wegen dieser und früherer Verfehlungen durch Feuer und Schwefel zerstört. Nur die Familie Lots kann sich mit dem Leben retten. Vgl. auch Lev 18,22: „Du sollst nicht beim Knaben liegen wie beim Weibe; denn es ist ein Greuel.“ Allerdings erwähnt das Alte Testament Homosexualität nicht nur abwertend; als Beleg wird auf die Freundschaft zwischen Jonathan und David verwiesen, vgl. 1 Sam 18,1–3 sowie 2 Sam 1,26: „Es ist mir leid um dich, mein Bruder Jonathan, ich habe große Freude und Wonne an dir gehabt; deine Liebe ist mir wundersamer gewesen, als Frauenliebe ist“. Kritisch zu homophobem Biblizismus Haspel, in: Keil/Haspel, Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften in sozialethischer Perspektive, S. 122–149. Zum ganzen auch Rotter, in: Bosinski/Kirchhof/Nave-Herz/Robbers/Rotter, „Eingetragene Lebenspartnerschaft“, S. 30 (35 ff.). Röm 1,27; 1 Kor 6,9 f.; 1 Tim 1,10; Jud 7. Dazu auch Bleibtreu-Ehrenberg, Tabu Homosexualität, S. 201 ff.; Baumann, Paragraph 175, S. 27 f. Vgl. Stümke, Homosexuelle in Deutschland, S. 9; zur aktuellen Lage Wasmuth, Der Staat 41 (2002), 47 (60). Vgl. Brockhaus, Die Enzyklopädie, Zehnter Band, Stichwort: Homosexualität, S. 233. Dazu ausführlich Bleibtreu-Ehrenberg, Tabu Homosexualität, S. 253 ff., 282 ff. Stümke, Homosexuelle in Deutschland, S. 9 f.
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3. Renaissance Die mit der Renaissance einsetzende Rückbesinnung auf Werte und Formen der griechisch-römischen Antike führte nur zum Teil zu einer liberaleren Haltung gegenüber Homosexualität. Die aufkeimende Toleranz blieb lediglich auf die aristokratische Führungsschicht und die mit ihr verbundenen Künstlerkreise beschränkt. Homosexuelle Subkulturen entstanden an italienischen Fürstenhöfen und am Königshof von Heinrich III. von Frankreich.20 4. Beginnendes 19. Jahrhundert Obwohl mit der Aufklärung die theologisch-moralische Legitimation der Verfolgung Homosexueller fallengelassen wurde21 und obwohl es an Liberalisierungsbestrebungen nicht mangelte,22 blieben gleichgeschlechtlich Liebende im Europa des 19. Jh. eine Minorität, die ihre Neigungen verheimlichen mußten, wollten sie nicht gesellschaftlicher Stigmatisierung und Ächtung ausgesetzt sein. Eindrucksvoll vor Augen führen dies so unterschiedliche Künstlerbiographien wie die von Oscar Wilde und Peter Iljitsch Tschaikowsky. 1895 wurde Wilde wegen seiner intimen Beziehungen zu anderen Männern der Prozeß gemacht, der mit der Verurteilung zur Höchststrafe von zwei Jahren Freiheitsentzug mit Zwangsarbeit endete. Das rigide Reglement und die inhumane Praxis des englischen Strafvollzugs um die Jahrhundertwende trafen den Schriftsteller genauso hart wie die mit seiner Verurteilung einhergehende soziale Deklassierung, die Vernichtung seiner bürgerlichen Existenz und sein finanzieller Ruin.23 Für Tschaikowsky hatte das Bekanntwerden seiner nicht offen gelebten Homosexualität in gesellschaftlich angesehenen und einflußreichen Kreisen noch drastischere Konsequenzen. Wegen einer angeblichen Affäre mit dem Neffen eines Adligen, die zur Kenntnis des Zaren zu gelangen drohte, stand Tschaikowsky unmittelbar vor einem öffentlichen Skandal. In der Literatur wird mittlerweile überwiegend vertreten, der Komponist sei angesichts dieser Vorgänge zum Selbstmord mit Arsen gezwungen worden.24 Nicht eben besser war die gesellschaftliche Situation der weniger berühmten Homosexuellen. In den durch die Industrialisierung rasch anwachsenden Städten entstand zwar eine homosexuelle Subkultur, ihre Besucher mußten jedoch auf Anonymität bedacht sein. „Die allgemeine sexuelle Unterdrückung, die groteske Unkenntnis über sexuelle Dinge und die bigotte Prüderei des 19. Jahrhunderts bewirkten, daß die Masse der Homosexuellen ihre ,eigene Natur‘ nicht wahrzunehmen wagte.“25 20 21
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Brockhaus, Die Enzyklopädie, Zehnter Band, Stichwort: Homosexualität, S. 233. Zu den französischen Philosophen Voltaire und Condorcet, die eine Entkriminalisierung forderten, Stümke, Homosexuelle in Deutschland, S. 11 f. Diese bezogen sich hauptsächlich auf das Strafrecht, vgl. Teil I § 6 II.1., S. 77 f. Ausführlich Kohl, Oscar Wilde, S. 209 f., 215, 226, 245 ff. Vgl. auch Stümke, Homosexuelle in Deutschland, S. 36; Müller-Terpitz, in: Menzel, Verfassungsrechtsprechung, S. 91. Dazu Garden, Tschaikowsky, S. 229 f. Andere Stimmen halten daran fest, daß sich Tschaikowsky durch Unachtsamkeit mit Cholera infiziert habe. Stümke, Homosexuelle in Deutschland, S. 16 f. Hervorhebung im Original.
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III. Entwicklung in Deutschland ab 1871 1. Deutsches Reich Die 1871 im Zuge der Proklamation des Deutschen Reiches vollzogene Rechtsvereinheitlichung führte zur Strafbarkeit homosexueller Handlungen unter erwachsenen Männern im gesamten Reichsgebiet (§ 175 RStGB).26 Vor allem aufgrund dieser Pönalisierung galt Homosexualität im Kaiserreich weiterhin als Stigma und wurde von der Gesellschaft weitgehend abgelehnt. Im ausgehenden 19. Jh. setzte die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Homosexualität ein.27 Der Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld gründete am 15. Mai 1897 das Wissenschaftlich-humanitäre Komitee (WhK), das sich den Abbau der Diskriminierung Homosexueller zum Ziel gesetzt hatte. Dieses Ziel sollte in erster Linie über die politische Forderung nach einer Beseitigung der Strafbarkeit homosexueller Handlungen verwirklicht werden. Vom WhK gingen zahlreiche Initiativen und Petitionen aus, die auch von Teilen des Bildungsbürgertums unterstützt wurden. Trotz dieser Bemühungen wandte sich die öffentliche Meinung gegen Homosexualität. Skandale um prominente homosexuelle Persönlichkeiten führten zu einem bis dahin einzigartigen negativen Echo in der Öffentlichkeit.28 2. Weimarer Republik Mit dem Übergang vom Kaiserreich zur Republik brach eine liberalere Phase an. 1919 konstituierten sich sog. „Freundschaftsvereine“, die den Zweck hatten, die gesellschaftliche und soziale Lage Homosexueller zu verbessern.29 Magnus Hirschfeld gründete das „Institut für Sexualwissenschaft“, mit dem er nicht nur den Kampf um öffentliche Anerkennung in ein umfassendes wissenschaftliches Konzept einbinden, sondern auch die allgemeine sexuelle Frage in einen praktischen gesellschaftspolitisch-reformerischen Zusammenhang stellen wollte. Das Institut erlangte internationale Reputation und beeinflußte mit seinen Erkenntnissen ausländische Gesetzgebungen.30 Parallel zur Etablierung einer florierenden
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Dazu Teil I § 6 II.2., S. 78 f. Zu deren historischer Entwicklung vgl. Teil I § 4 II., S. 41 ff. Stümke, Homosexuelle in Deutschland, S. 40 ff. Der erste dieser Skandale war der um Friedrich Krupp, Freund des Kaisers und Chef des mächtigsten deutschen Rüstungskonzerns. Er war auf Capri so freizügig mit seiner homosexuellen Neigung umgegangen, daß selbst die rücksichtsvolle italienische Polizei nicht mehr über die Sache hinwegsehen wollte. Für die Presse war die Affäre ein gefundenes Fressen. Im Ausland bezeichnete man Homosexualität bereits als „deutsches Laster“. Zur Affäre um Philipp zu Eulenburg, einem engen Vertrauten von Kaiser Wilhelm II., neben Stümke, a.a.O., S. 42 ff. auch Müller-Terpitz, in: Menzel, Verfassungsrechtsprechung, S. 91; Haeberle, in: Hirschfeld, Die Homosexualität des Mannes und des Weibes, S. XV. Stümke, Homosexuelle in Deutschland, S. 53. Die unterschiedlichen Gruppierungen arbeiteten allerdings mehr gegen- als miteinander, vgl. a.a.O., S. 69. Vgl. dazu Stümke, Homosexuelle in Deutschland, S. 61 ff., der die Sowjetunion, die Tschechoslowakei und Norwegen nennt.
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Subkultur entstand eine Vielzahl von Zeitschriften und literarischen Werken.31 Während der Weimarer Republik wurden die ersten Filme gedreht, die sich explizit mit Homosexualität auseinandersetzten.32 Auf politischer Ebene fanden Reichstagspetitionen gegen § 175 RStGB die Unterstützung namhafter Intellektueller.33 Neben der Herausbildung eines toleranteren Klimas gab es in der Weimarer Republik aber auch gegenläufige Tendenzen. Teile der Bevölkerung protestierten gegen die Thematisierung der Homosexualität, weil sie darin eine Verherrlichung sahen. Ab dem 19. Juni 1928 fielen zahlreiche Zeitschriften homosexuellen Inhalts verschärften Zensurmaßnahmen zum Opfer. Homosexuelle wurden zur Zielscheibe gewalttätiger Übergriffe, unter ihnen Magnus Hirschfeld, der die Feindseligkeit antisemitischer und antihomosexueller Gegner auf sich zog.34 Durch die Mobilisierung von Ressentiments gegen Homosexuelle versuchten in der Weimarer Republik die verschiedensten Gruppierungen immer wieder, den politischen Gegner zu diskreditieren. Plastisch vor Augen führt dies eine Meldung des „Völkischen Beobachters“ vom 2. August 1930, wo es hieß, in der Homosexualität seien „alle boshaften Triebe der Judenseele“ versammelt.35 3. Nationalsozialismus a) Grundlagen der nationalsozialistischen Ideologie Die Tendenzen einer Liberalisierung während der Weimarer Republik fanden mit der nationalsozialistischen Machtergreifung ein jähes Ende. In der nationalsozialistischen Konzeption des völkischen Staates stand die Rassenideologie im Mittelpunkt des allgemeinen Lebens. Ziel dieser Ideologie war die Reinheit und Reinhaltung der arischen Rasse sowie deren Vermehrung und Veredelung. Das arische Kind wurde zum kostbarsten Gut des Staates erklärt. Die arische Ehe galt als die überlegene Lebensform, zu deren Gunsten andere Verbindungen – beispielsweise Ehen deutscher Staatsbürger mit Angehörigen „fremder Rasse“ – unter Andro-
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Vgl. nur Stefan Zweig, Die Verwirrung der Gefühle, 1927. Hervorzuheben ist „Anders als die Anderen“, der weltweit erste Film, der sich 1919 des Themas annahm. An seinem Ende wurde symbolisch § 175 RStGB aus dem Gesetzbuch gestrichen, vgl. Stümke, Homosexuelle in Deutschland, S. 63 f. Etwa die von Thomas Mann, in: Kurzke/Stachorski, Essays, Band 3, S. 280 f.: „Geschlechtliche Zärtlichkeiten, die zwei erwachsene Menschen miteinander tauschen, und zwar auf Grund einer Gefühlsanlage, die so alt ist wie das Menschengeschlecht […] in ungebildeter und taktloser Weise zu bespitzeln, solche ,Handlungen‘, die ihn [den Staat] nicht das Geringste angehen, mit Gefängnisstrafe zu bedrohen und so dem Erpressertum […] gute Tage zu bereiten – ist eine etwas linkische Art, wie mir scheint, seinen Sinn fürs Sittliche zu erweisen. Der Paragraph muß fallen“. Vgl. auch den Kommentar a.a.O., S. 461 ff. sowie Kurzke, Thomas Mann, S. 380. Stümke, Homosexuelle in Deutschland, S. 67 f., 83. Vgl. Stümke, Homosexuelle in Deutschland, S. 84. Zur Instrumentalisierung der Homosexualität für politische Zwecke durch die SPD, S. 87 f., durch die KPD, S. 89 f.
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hung von Sanktionen zurückgedrängt wurden.36 Der nationalsozialistische Staat erwartete von seinen arischen Bürgern nicht nur die Reinhaltung der Rasse, sondern auch ein Verhalten gesteigerter Reproduktivität. Diese Forderung stand in evidentem Zusammenhang mit der expansiven Außenpolitik des Regimes. Um dessen Streben nach Weltbeherrschung in die Tat umzusetzen, mußten Soldaten und Kolonisatoren geboren werden.37 Die Rassenideologie des nationalsozialistischen Systems hatte gravierende Auswirkungen auf das Leben Homosexueller, weil ihre nicht auf Reproduktion ausgerichtete Sexualität dazu in diametralem Gegensatz stand. Die Nationalsozialisten instrumentalisierten diesen Zusammenhang für ihre Zwecke. Da Homosexuelle nicht zu ihren bevölkerungspolitischen Zielen beitragen konnten, erklärten zentrale Figuren des Regimes wie Heinrich Himmler sie kurzerhand zu Staatsfeinden: „Die homosexuellen Männer sind Staatsfeinde und als solche zu behandeln. Es geht um die Gesundung des deutschen Volkskörpers, um die Erhaltung und Stärkung der deutschen Volkskraft.“38 Er warf Schwulen vor, durch den angeblich von ihnen verursachten Geburtenausfall dem Staat Schaden zuzufügen und war der Überzeugung, daß das deutsche Volk ausstürbe, wenn die homosexuelle „Seuche“ nicht ausgerottet würde.39 Homosexuelle Frauen weigerten sich zwar nach Ansicht der Nationalsozialisten ihrer Mutterrolle und ihrer Verantwortung für die Geburt von Soldaten und Kolonisatoren gerecht zu werden. Gleichwohl blieben sie, anders als homosexuelle Männer, „trotz ihrer sexuellen Entgleisung ,bevölkerungspolitisch verwertbar‘.“40
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Stümke, Homosexuelle in Deutschland, S. 92; Grau, in: ders., Homosexualität in der NS-Zeit, S. 29 (32); Maiwald/Mischler, Sexualität unter dem Hakenkreuz, S. 167 f., 206 ff.; Laufs, Rechtsentwicklungen in Deutschland, S. 404. Maiwald/Mischler, Sexualität unter dem Hakenkreuz, S. 105 f., 117; Schoppmann, in: Grau, Homosexualität in der NS-Zeit, S. 35. Vgl. auch Coester-Waltjen, StAZ 1992, 34 (36) m.w.N.: „Die Ehe dient in erster Linie der Volkserhaltung und Volksvermehrung“. So Heinrich Himmler in einer Rede auf der Arbeitstagung der Leiter der Kriminalpolizei- und Staatspolizeistellen im Frühjahr 1937 in Berlin, zit. nach Stümke, Homosexuelle in Deutschland, S. 113. Vgl. auch Maiwald/Mischler, Sexualität unter dem Hakenkreuz, S. 170; Bleibtreu-Ehrenberg, Tabu Homosexualität, S. 393 ff.; Kappe, KritJ 1991, 205 (215). Jellonnek, Homosexuelle unter dem Hakenkreuz, S. 26 f. m.w.N. So Maiwald/Mischler, Sexualität unter dem Hakenkreuz, S. 167 f., 184 ff. Vgl. auch Schoppmann, in: Grau, Homosexualität in der NS-Zeit, S. 35 (35 f.): Trotz der homosexuellenfeindlichen NS-Ideologie weise das Vorgehen der Nationalsozialisten starke geschlechtsspezifische Unterschiede auf; die Nazis hätten in der weiblichen Homosexualität keine sozialpolitische Gefahr gesehen, die imstande gewesen wäre, die auf männlicher Dominanz basierende „Volksgemeinschaft“ zu bedrohen. Zum nationalsozialistischen Rollenbild von Frauen Coester-Waltjen, StAZ 1992, 34 (36) m.w.N.: In konsequenter Übertragung des Führerprinzips auf die Familie hatte sich die Frau dem Mann als Haupt der Familie unterzuordnen; die Aufgabe verheirateter wie unverheirateter Frauen wurde ausschließlich in der Zeugung von Nachwuchs gesehen.
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b) Verfolgung Homosexueller Viele Diktaturen sichern sich die Zustimmung breiter Bevölkerungskreise unter anderem über die Stigmatisierung und Verfolgung von Minderheiten.41 Diese Aufgabe fiel im nationalsozialistischen Staat der Polizei zu. Sie sollte – neben der Verhinderung von Abtreibungen – durch die Eindämmung homosexuellen Verhaltens dafür Sorge tragen, den angeblich dadurch verursachten Geburtenausfall zu verringern. Die organisatorischen Voraussetzungen zur systematischen Verfolgung der Homosexuellen wurden zunächst im Oktober 1934 mit dem „Sonderdezernat Homosexualität“ geschaffen. Am 10. Oktober 1936 errichteten die Nationalsozialisten die „Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und der Abtreibung“. Unmittelbar nach Schaffung dieser Einrichtungen fanden Razzien42 in Homosexuellen-Kneipen statt. Bereits zuvor waren einschlägige Lokale geschlossen worden.43 Homosexuelle wurden gezielt polizeilich verfolgt, bespitzelt und teilweise auch mit Hausdurchsuchungen und Verhören überzogen.44 Die Nazis liquidierten die unbequem gewordene SA-Spitze um deren homosexuellen Führer Ernst Röhm. Bei dieser Aktion standen allerdings weitgehend machtpolitische Ziele im Vordergrund; die Bekämpfung der Homosexualität diente eher als Deckmantel.45 Säuberungsaktionen in den eigenen Reihen fanden bei der NSDAP, der Wehrmacht, der SS und der Polizei statt.46 In einem Tagesbefehl an die SA vom 1. Juli 1939 verlangte Hitler, „daß jede Mutter ihren Sohn in SA, Partei und HJ geben kann, ohne Furcht, er könnte dort sittlich und moralisch verdorben werden. Ich wünsche daher, daß alle SA-Führer peinlichst darüber wachen, daß Verfehlungen nach § 175 mit dem sofortigen Ausschluß des Schuldigen aus SA und Partei beantwortet werden.“47 Das WhK löste sich durch eigenen Beschluß auf, um einem Verbot zuvorzukommen. Das von Magnus Hirschfeld gegründete Institut für Sexualforschung wurde verwüstet, die Bestände der Institutsbibliothek fielen einer öffentlichen Bücherverbrennung zum Opfer.48
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Von einer historischen Konstante sprechen in diesem Kontext Maiwald/Mischler, Sexualität unter dem Hakenkreuz, S. 169. Vgl. den Bericht eines SS-Angehörigen bei Grau, Homosexualität in der NS-Zeit, S. 79 ff. Dies ergibt sich aus dem Zweiten Runderlaß des Preußischen Ministers des Innern vom 23. Februar 1933, wiedergegeben bei Grau, Homosexualität in der NS-Zeit, S. 56 ff. Stümke, Homosexuelle in Deutschland, S. 114 ff.; Grau, in: ders., Homosexualität in der NS-Zeit, S. 29 (32 f.). Inwieweit davon auch lesbische Frauen betroffen waren, läßt sich wegen der unbefriedigenden Quellenlage nur schwer sagen, vgl. Schoppmann, in: Grau, Homosexualität in der NS-Zeit, S. 35 (40). Zum ganzen auch Pretzel, in: ders., NS-Opfer unter Vorbehalt, S. 23 (27 ff.). Näher dazu Maiwald/Mischler, Sexualität unter dem Hakenkreuz, S. 46 ff. Stümke, Homosexuelle in Deutschland, S. 104, 120 f.; Maiwald/Mischler, Sexualität unter dem Hakenkreuz, S. 178 f. Zit. n. Bloch, Die SA und die Krise des NS-Regimes 1934, S. 106. Vgl. auch Kappe, DuR 1991, 465 (469). Stümke, Homosexuelle in Deutschland, S. 102. Das Protokoll, das ein „zuverlässiger Augen- und Ohrenzeuge“ von diesem Vorgang aufgenommen hat, ist abgedruckt bei Grau, Homosexualität in der NS-Zeit, S. 60 ff. Vgl. auch BT-Drucks. 13/1496 v. 22.5.1995, S. 6.
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Seit 1933 wurden Homosexuelle auch in Konzentrationslagern interniert. Eine deutliche Zunahme der Einweisungen war nach der Errichtung der „Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und der Abtreibung“ im Oktober 1936 zu verzeichnen. Die Zahl inhaftierter Homosexueller bewegt sich nach Schätzungen zwischen 5.000 und 15.000.49 Zwar handelte es sich überwiegend um männliche Homosexuelle, in einigen Konzentrationslagern wurden aber auch lesbische Frauen interniert. Für alle anderen Inhaftierten und das Personal waren Homosexuelle deutlich an einem an der Kleidung befestigten rosa Winkel erkennbar. Auf den verschiedenen Stufen der Gefangenenhierarchie, von denen existentiell das KZinterne Überleben abhing, standen sie ganz unten. Homosexuelle waren daher auch in den Konzentrationslagern gegenüber den Mithäftlingen eine ausgegrenzte Gruppe. Sie wurden nicht in die Solidarisierungsbestrebungen unter den Gefangenen integriert und waren besonders häufig Opfer teils grausamer Mißhandlungen durch ihre Bewacher.50 Der planmäßigen Vernichtung durch die Nationalsozialisten fielen nicht nur 6 Millionen europäischer Juden, sondern neben anderen Minderheiten auch Homosexuelle zum Opfer.51 4. Nachkriegszeit Das Jahr 1945 kann für die Homosexuellen sowohl in der BRD als auch in der DDR nur ganz bedingt als Zäsur angesehen werden. Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches sollte es in der Bundesrepublik mehr als zwanzig Jahre dauern, ehe sich die Situation von Schwulen und Lesben signifikant änderte. Das von Verdrängung geprägte repressive Klima der Adenauer-Ära verweigerte Homosexuellen nicht nur die Anerkennung als Opfer des Nationalsozialismus,52 sondern setzte die dort geübte Verfolgungspraxis nahezu unverändert fort. Die unter dem NS-Regime verschärfte Strafgesetzgebung wurde beibehalten und vom Bundesverfassungsgericht als mit der Verfassung vereinbar bestätigt.53 Trotz der 1950 erfolgten Zurücknahme der in der NS-Zeit vorgenommenen Verschärfung des § 175 RStGB verwehrte auch die DDR den Homosexuellen eine Auseinandersetzung mit ihrem Verfolgungsschicksal unter der nationalsozialistischen Diktatur.54 Die homosexuelle Orientierung galt als unproletarisch, wurde als westliche Dekadenzerscheinung angesehen und entsprach insgesamt nicht dem sozialistischen
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Lautmann/Grikschat/Schmidt, in: Lautmann, Gesellschaft und Homosexualität, S. 325 (333) favorisieren die Zahl von 10.000 Inhaftierten. Stümke, Homosexuelle in Deutschland, S. 127 ff.; Maiwald/Mischler, Sexualität unter dem Hakenkreuz, S. 180 f. Vgl. auch BVerwGE 97, 143 (147): „Sonderbehandlung“ in KZ-Lagern. Zur Situation homosexueller Frauen in Konzentrationslagern Schoppmann, in: Grau, Homosexualität in der NS-Zeit, S. 35 (40 f.). Grau, in: ders., Homosexualität in der NS-Zeit, S. 29 (32): „Das erklärte Ziel des NSRegimes lautete: Ausmerzung der Homosexualität.“ Vgl. dazu auch BT-Drucks. 14/4894 v. 6.12.2000, S. 4. BVerfGE 6, 389 ff. Dazu Teil I § 6 II.4.a), S. 81 ff. So die Beschlußempfehlung und der Bericht des Rechtsausschusses vom 6.12.2000 zur Rehabilitierung der im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen, BT-Drucks. 14/4894, S. 4.
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Menschenbild. Staat und Partei tabuisierten das Thema.55 In der BRD wurde Homosexualität für politische Zwecke instrumentalisiert. Homosexuellen warf man vor, mit Kommunisten zu kollaborieren.56 Viele Betroffene reagierten auf diese restaurativen Zustände mit dem Versuch einer verstärkten Anpassung an damals gängige Normalitätsvorstellungen. In welches Dilemma dadurch viele gestürzt wurden, belegen vor allem in den ersten Jahren nach dem Krieg zahlreiche Suizide.57 „Zwar konnten bis in die siebziger Jahre hinein Homosexuelle in keinem Land der westlichen Welt ein wirklich freies Sexualleben führen, doch ihre Ächtung scheint in Deutschland stärker gewesen zu sein als anderswo.“58 5. 1970er Jahre a) Liberalisierungstendenzen Eine nennenswerte Verbesserung der Situation trat in den westlichen Demokratien um 1970 ein. Als Ausgangspunkt dieser Entwicklung wird die HomosexuellenEmanzipation in den USA angesehen. Nach einer willkürlichen Razzia in einer Kneipe, die in der Christopher Street in New York liegt, hatten die Gäste zum ersten Mal empörten Widerstand gegen die Polizei geleistet. Diesem Vorfall folgten mehrtägige Straßenschlachten zwischen Homosexuellen sowie sich solidarisierenden Bürgern und der New Yorker Polizei. Von diesem Fanal datiert die amerikanische „Gay Liberation“, die unter der Bezeichnung „Christopher-Street-Day“ alljährlich als festliche Demonstration gefeiert wird. Diese US-amerikanische Bewegung nahm alsbald auch auf den europäischen Kontinent Einfluß.59 In der Bundesrepublik Deutschland fielen die Liberalisierungstendenzen der „sexuellen Revolution“ mit der Studentenbewegung des Jahres 1968 zusammen.60 Gemeinsam mit der seit 1969 aufgehobenen Strafbarkeit homosexueller Kontakte unter erwachsenen Männern61 konnte sich in den siebziger Jahren eine Emanzipationsbewegung etablieren, deren Exponenten für ein Ende gesellschaftlicher Dis55
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Stümke, Homosexuelle in Deutschland, S. 167 f.; Lähnemann, Lesben und Schwule mit Kindern, S. 11. Stümke, Homosexuelle in Deutschland, S. 144, 146. Stümke, Homosexuelle in Deutschland, S. 142. Maiwald/Mischler, Sexualität unter dem Hakenkreuz, S. 220 f. Haeberle, in: Hirschfeld, Die Homosexualität des Mannes und des Weibes, S. VI f.; Stümke, Homosexuelle in Deutschland, S. 16. Mittlerweile findet dieses Ereignis alljährlich auch in der Bundesrepublik Deutschland in nahezu allen Großstädten unter reger Anteilnahme der Bevölkerung statt. Vgl. BT-Drucks. 11/5003 v. 26.7.1989, S. 5; Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, Rdnr. 6; Pschyrembel, Wörterbuch Sexualität, Stichwort: Christopher-Street-Day, S. 69. Schorsch, MschrKrim 72 (1989), 141 (144); Nave-Herz, Praxis der Rechtspsychologie 13 (2003), 45 (46). Reuband, ZfSoz 1989, 65 (68) vermutet das Einsetzen des Liberalisierungstrends bereits in den 60er Jahren. Dieser habe direkt ein Klima begünstigt, welches zur Abschaffung der Bestrafung homosexueller Handlungen gegen Ende der 60er Jahre beigetragen habe. Sexuelle Kontakte eines erwachsenen Mannes mit einem 16- bis 18jährigen Mann waren im Gegensatz zu vergleichbaren verschiedengeschlechtlichen oder lesbischen Handlungen noch bis zum Jahre 1994 strafbar, vgl. dazu Teil I § 6 II., S. 77 ff.
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kriminierung kämpften. Der Fernsehfilm „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation in der er lebt“, entstanden unter der Regie des Aktivisten Rosa von Praunheim und zunächst vom WDR und ein Jahr später von der ARDFernsehkette unter Ausschluß Bayerns ausgestrahlt, hielt Homosexuellen wie Heterosexuellen ungeschminkt die herrschenden Verhältnisse vor.62 Eine im Anschluß gesendete Podiumsdiskussion ließ das Bemühen der teilnehmenden Politiker und Experten erkennen, sich mit der Lage Homosexueller ernsthaft auseinanderzusetzen. In den Großstädten entstanden in den 1970er Jahren Selbsthilfegruppen und eine blühende Subkultur (Kneipen, Buchläden, Theater- und Filmgruppen), die es dem einzelnen Homosexuellen erlaubten, aus seiner Isolation herauszutreten und einen Partner zu finden. Neugegründete Organisationen wie der „Bundesverband Homosexualität e.V.“ und der „Lesben- und Schwulenverband Deutschlands e.V.“ (LSVD) verstanden sich von Anfang an als Bürgerrechtsbewegungen, die gleiche Rechte für Schwule und Lesben in allen Lebensbereichen einfordern und durchsetzen wollten.63 Die organisierte Vertretung eigener Interessen förderte die Selbstakzeptanz und stärkte das Auftreten Homosexueller in der Öffentlichkeit. Das selbstbewußte Vertreten eigener Belange band die Thematik zunehmend in den gesellschaftlichen und politischen Diskurs ein. Als Markstein dieser Entwicklung darf zweifellos die am 5. Mai 1985 gehaltene, vielbeachtete Rede des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker zum 40. Jahrestag der Befreiung Deutschlands von der nationalsozialistischen Herrschaft gelten. Mit dem Staatsoberhaupt nannte zum ersten Mal überhaupt in der Geschichte der BRD ein Repräsentant des Staates in einer Aufzählung der den Nationalsozialisten zum Opfer Gefallenen auch Homosexuelle.64 b) Diskriminierungstendenzen Der Wegfall der Strafbarkeit homosexueller Handlungen unter erwachsenen Männern führte aber auch zu einer Veränderung der Stoßrichtung antihomosexueller Ressentiments. Gisela Bleibtreu-Ehrenberg hat den Zusammenhang zwischen der Verbesserung der rechtlichen und sozialen Lage und dem Aufkommen anderer Begründungsmuster, die eine Diskriminierung Homosexueller weiterhin rechtfertigen sollen, 1978 herausgearbeitet. Zu Beginn ihrer breit angelegten Untersuchung zur geschichtlichen Entwicklung von Vorurteilen über Homosexualität führt sie aus, es habe zwar immer Einigkeit darüber bestanden, daß Homosexualität etwas Schlimmes sei. Die Begründungen differierten aber je nach dem herrschenden Zeitgeist. Diese wechselnden Ansichten mit stets derselben Grundabsicht werden in der Soziologie auch als Derivationen bezeichnet. Unter Derivationen versteht 62 63
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Stümke, Homosexuelle in Deutschland, S. 161. Der „Bundesverband Homosexualität e.V.“ wurde 1997 aufgelöst. Der LSVD wurde 1990 in Leipzig als „Schwulenverband in der DDR“ gegründet, im selben Jahr noch in „Schwulenverband in Deutschland (SVD) e.V.“ umbenannt und 1999 zum „Lesbenund Schwulenverband Deutschlands“ erweitert. Er versteht sich als Organisation, die sich für die Bürgerrechte der Lesben und Schwulen einsetzt. Zum kirchlichen Hintergrund und der Einordnung als Teil der DDR-Bürgerrechtsbewegung vgl. Bruns, ZRP 1993, 232. Vgl. Stümke, Homosexuelle in Deutschland, S. 152; BT-Drucks. 13/1496 v. 22.5.1995, S. 6.
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man vorgeschobene Begründungen, die vom eigentlichen Motiv ablenken. Derivationen werden nicht wissentlich produziert, sondern sind das Ergebnis unbewußt ablaufender Verschleierungsprozesse.65 Nach der Aufhebung der Strafbarkeit homosexueller Handlungen unter erwachsenen Männern im Jahre 1969 und der damit verbundenen Verbesserung der gesellschaftlichen Situation Homosexueller hat Bleibtreu-Ehrenberg das verstärkte Aufkommen einer neuen Derivation beobachtet: Homosexualität sei deshalb verächtlich, weil – vor allem männliche – Homosexuelle Kinderschänder seien. Es gebe keinen Homosexuellen, der sich nicht irgendwann an Jugendliche heranmache. Obwohl dieser Vorwurf ein haltloses Vorurteil darstellt,66 ist er um so perfider, als Homosexuelle zwar beteuern können, nie im Leben mit Kindern sexuell verkehrt zu haben. Für die Zukunft kann man ihnen aber vorhalten, daß es sich um ein Lippenbekenntnis, um eine bloße Absichtserklärung handele, denn niemand kann in der Gegenwart den Nachweis dafür erbringen, was er künftig tun oder lassen wird.67 Der Vorwurf pädophilen Verhaltens kann daher gar nicht falsifiziert werden. Gleichwohl wird dieses Vorurteil selbst im rechtswissenschaftlichen Diskurs noch bis in die jüngste Vergangenheit perpetuiert. Dies ist vor allem deshalb äußerst bedenklich, weil pädophiles Sexualverhalten von der Öffentlichkeit in ganz besonderem Maße negativ bewertet wird: Der Pädophile steht im gesellschaftlichen Werturteil am tiefsten.68 Neben diesen spezifischen Ressentiments konnte auch der bloße Vorwurf der Homosexualität einschneidende Konsequenzen zeitigen. In den achtziger Jahren mußte beispielsweise ein Bundeswehrgeneral wegen der ihm unterstellten gleichgeschlechtlichen Veranlagung seine vorzeitige Entlassung aus dem Dienstverhältnis hinnehmen.69 6. Die Aids-Krise Eine deutliche Zäsur in der Herausbildung einer liberaleren Einstellung zur Homosexualität bildete in den achtziger Jahren das Aufkommen der Immunschwächekrankheit Aids, die in geradezu dramatischer Weise die öffentliche Diskussion beherrschte.70 Vor allem für homosexuelle Männer stellte die Krankheit eine existenzielle Bedrohung dar, mit der eine einschneidende Veränderung ihrer persönlichen Situation und ihrer gesellschaftlichen Akzeptanz einherging.
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Bleibtreu-Ehrenberg, Tabu Homosexualität, S. 13 mit Fn. 3. Vgl. dazu eingehend Teil I § 4 III.5., S. 55 ff. Bleibtreu-Ehrenberg, Tabu Homosexualität, S. 373 ff., 376 m.w.N., auf S. 377 f. mit Beispielen. Die Verwendung dieses Begründungsmusters läßt sich bis 1900 zurückverfolgen, vgl. a.a.O., S. 373. Ihr folgend Kappe, KritJ 1991, 205 (216). S.a. Dannecker, Das Drama der Sexualität, S. 72. Tröndle/Fischer, Strafgesetzbuch, § 176, Rdnr. 2a: Dämonisierung des Kinderschänders. Vgl. auch Vaskovics, Praxis der Rechtspsychologie 13 (2003), 56 (57): mehrheitlich negative Bewertung von Beziehungen Erwachsener zu Minderjährigen. Sog. Kießling-Affäre. Vgl. dazu Risse, Der verfassungsrechtliche Schutz der Homosexualität, S. 107, Fn. 4. So Reuband, ZfSoz 1989, 65.
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Aids wurde erstmals in den USA an männlichen Homosexuellen diagnostiziert, breitete sich in den westlichen Industrieländern und in Afrika aus und entwickelte sich rasch zu einer globalen Epidemie. Mit dem HI-Virus infizierten sich zu Beginn seiner Entdeckung vor allem Angehörige sog. Risikogruppen.71 Homosexuelle Männer waren weitaus am häufigsten betroffen72 und die Überlebenschancen Erkrankter anfangs gering. Da die Krankheit nicht in allen Fällen wahl- und schuldlos jeden traf,73 sondern homosexuelle Männer eine Infektion häufig eigenem Verhalten zuzuschreiben hatten, entstand in Teilen der Bevölkerung die Überzeugung, mit der Krankheit werde sexuell abweichendes Verhalten, sexuelle Zügellosigkeit, Abartigkeit und Perversion einem moralischen Unwerturteil und einer gerechten Strafe zugeführt. Es galt als mutwillig und besonders fahrlässig, Aids durch bestimmte, als widernatürlich angesehene Praktiken zu bekommen.74 Die Infizierten hatten bei Bekanntwerden der Diagnose in ihrem Umfeld den Verlust des Arbeitsplatzes und den sozialen Tod zu befürchten, wodurch sie gleich zweifach stigmatisiert wurden: ihrer Homosexualität und ihrer Infektion wegen.75 Die Situation drohte sich durch Forderungen verschiedener Politiker nach Zwangstests bei Angehörigen von Risikogruppen, Quarantäne von Virusträgern, restriktive Einreisebestimmungen und namentlicher Erfassung HIV-Infizierter zu verschärfen.76 Wurden durch die Immunschwächekrankheit Aids einerseits antihomosexuelle Ressentiments verstärkt reaktiviert, so weckten andererseits die Mitte der 1980er 71
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Dazu zählten zu dieser Zeit hauptsächlich homo- und bisexuelle Männer, die mit häufig wechselnden Partnern riskante Sexualpraktiken ausübten, intravenös Drogenabhängige, Empfänger von Blutkonserven und Gerinnungsfaktoren und Kinder von HIV-positiven Müttern, vgl. Pfäffl, in: Jäger, Aids. Psychosoziale Betreuung von Aids- und AidsVorfeldpatienten, S. 19 (20 f.). Reuband, ZfSoz 1989, 65: Homosexuelle machten mit mehr als 70% den Hauptteil der Erkrankten aus. Reuband, ZfSoz 1989, 65 (68): Interpretation der Krankheit als Schuld spezifischer Risikogruppen. So der auch für die europäischen Verhältnisse gültige Befund von Sontag, Aids und seine Metaphern, S. 95. Zur Idee der Bestrafung a.a.O., S. 110: „Krankheit als Strafe für begangene Schuld zu begreifen, ist der älteste Versuch, die Ursache von Krankheit zu erklären.“ Zur Parallele zwischen Aids und dem historischen Verständnis der Syphilis als einer Strafe Gottes an einem sittenlosen Kollektiv vgl. a.a.O., S. 111, 125. Retrospektiv auch Seibt, SZ Nr. 129 v. 6. Juni 2003, S. 14: Christliche Politiker hätten das „Ausdünnen von Randgruppen“ durch erhöhte Sterblichkeit begrüßt. Siehe dazu Sontag, Aids und seine Metaphern, S. 94: „Aids zu bekommen bedeutet in den meisten Fällen, als Angehöriger einer ,Risikogruppe‘, einer Gemeinschaft von Ausgestoßenen, entlarvt zu werden. Die Krankheit beleuchtet blitzartig eine Identität, die man Nachbarn, Arbeitskollegen, Angehörigen und Freunden sorgsam verheimlicht hatte.“ Zu den sozialen Folgen auch Laufs, Arztrecht, Rdnr. 229 (S. 120). Die beiden ersten Forderungen stammen von dem französischen Politiker Jean-Marie Le Pen, vgl. Sontag, Aids und seine Metaphern, S. 124; die Forderung nach einer namentlichen Meldepflicht vertrat vor allem der deutsche Politiker Peter Gauweiler, s. Dannecker, Das Drama der Sexualität, S. 163.
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Jahre einsetzende Aufklärung und öffentliche Diskussion Verständnis in der Bevölkerung. Im Zuge der Präventionsarbeit, die gerade in der Bundesrepublik Deutschland zu Beginn der Epidemie mit besonderem Aufwand betrieben wurde, setzten sich breite Bevölkerungskreise mit Aids und der Situation der davon Betroffenen auseinander.77 Durch die Versachlichung des Diskurses über Aids und seine Übertragungswege stieg die Toleranz gegenüber Infizierten. Zugleich wurde das Phänomen Homosexualität weiter enttabuisiert.78 7. Entwicklung seit 1990 Seit der letzten Dekade des zwanzigsten Jahrhunderts hat sich die liberale Bewertung der Homosexualität weitgehend durchgesetzt. Im Jahre 1994 wurde aus dem StGB jeglicher Homosexualitätsbezug getilgt.79 Das gesellschaftliche Klima ist seither von einem vergleichsweise hohen Maß an Toleranz und Akzeptanz geprägt. Diese Entwicklung dürfte zu großen Teilen auch auf die massenmediale Vermittlung zurückzuführen sein, die eine verstärkte Präsenz der Thematik in breiten Bevölkerungskreisen nach sich zog.80 Publikationen unterschiedlichsten Zuschnitts befassen sich differenziert mit den verschiedenen Aspekten. Im cineastischen Bereich wagen sogar kommerziell ausgerichtete Kinofilme die Auseinandersetzung und werden durchaus zu Publikumserfolgen.81 Das Fernsehen nimmt sich in Dokumentationen mit unterschiedlichem journalistischem Anspruch des Themas an. Mittlerweile kommt fast keine daily soap ohne die Mitwirkung eines homosexuellen Charakters aus. Die früher häufig anzutreffende Figur des klischeehaften, der Lächerlichkeit preisgegebenen Schwulen oder der kalten, maskulinen oder gar männerhassenden82 Lesbe wurde zugunsten realitätsnäherer Rollencharaktere aufgegeben. Einen bedeutsamen Beitrag zum Abbau von Diskriminierungen leistete auch das Bekanntwerden der Homosexualität prominenter Personen. Dadurch stehen jungen Homosexuellen Vorbilder zur Verfügung, an denen sie sich orientieren können und die es ihnen erleichtern, zu ihrer sexuellen Veranlagung zu stehen.83
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Vgl. dazu Seibt, SZ Nr. 129 v. 6. Juni 2003, S. 14: Es habe zu den großen Verdiensten der damaligen Bonner Regierung, vor allem der beiden Gesundheitsminister Heiner Geißler und Rita Süssmuth, gehört, daß sie sich fachmännisch beraten ließen und es nicht zu einer Ghettoisierung der Randgruppen kam. Dies gilt auch für die DDR, vgl. Stümke, Homosexuelle in Deutschland, S. 167 ff. Vgl. dazu Teil I § 6 II.4.d), S. 86 ff. Diesen Befund teilt Risse, Der verfassungsrechtliche Schutz der Homosexualität, S. 15. Vgl. auch Eggen, Baden-Württemberg in Wort und Zahl 2001, 347 (348). Man denke an Kinofilme wie „Philadelphia“ (1993), „Der bewegte Mann“ (1994), „Stadtgespräch“ (1995), „Aimée und Jaguar“ (1999), „Brokeback Mountain“ (2005). Diesen Befund teilt Sielert, in: Keil/Haspel, Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften in sozialethischer Perspektive, S. 45. Von diesem Stereotyp geht offenbar immer noch Amendt, Leviathan 30 (2002), 161 (169) aus, wenn er davon spricht, daß die Weiblichkeit lesbischer Frauen von unbewußter Angst und der Abwendung vom Männlichen beherrscht werde. Auf die Bedeutung positiver Vorbilder für das Coming Out weist auch Pschyrembel, Wörterbuch Sexualität, Stichwort: Coming-out, S. 73, hin.
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Die zunehmende Toleranz und Akzeptanz gegenüber gleichgeschlechtlich orientierten Personen und Paaren ist durch demoskopische Studien belegt. Einer repräsentativen Befragung von Juli 2000 zufolge glauben zwei Drittel der Befragten, daß die deutsche Gesellschaft der Homosexualität gegenüber tolerant eingestellt sei und sie sich nicht mehr in gleichem Maße wie früher zu negativen und repressiven Maßnahmen gegenüber dieser Form sexueller Kontakte hinreißen lasse.84 Nichts desto trotz lassen sich aber immer noch gesellschaftliche Bereiche ausmachen, in denen Homosexualität weniger akzeptiert ist und ein Outing für den Betroffenen fast zwangsläufig negative Folgen zeitigt. Dazu zählen öffentliche Institutionen wie Kirchen, Schulbehörden oder die Bundeswehr85 sowie bestimmte Bereiche des Sports: So ist es beispielsweise kaum vorstellbar, daß sich ein Profifußballer zu seiner Homosexualität bekennt, ohne sich der Gefahr auszusetzen, mit dem Spott der eigenen und gegnerischen Kollegen und Fans überzogen zu werden.86 In jüngster Zeit steht die Thematik Homosexualität verstärkt im Blickpunkt der Bundespolitik. Am 7. Dezember 2000 hat sich der Deutsche Bundestag in einer Entschließung einstimmig bei Homosexuellen für die frühere Strafverfolgung entschuldigt und eine Rehabilitierung der im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen beschlossen.87 Bereits am 4. Juli 2000 hatten die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen den Entwurf eines Gesetzes zur „Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften (Lebenspartnerschaftsgesetz – LPartG)“ in den Deutschen Bundestag eingebracht.88 Am 10. November 2000 wurde das Lebenspartnerschaftsgesetz vom Deutschen Bundestag verabschiedet.89 Die legislatorischen Aktivitäten lösten eine kontroverse Debatte über die Stellung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und den adäquaten Rechtsstatus für gleichgeschlechtliche Verbindungen aus. Die Diskussion, 84 85
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Kluge/Sonnenmoser, Sexualleben der Deutschen, S. 208. Der Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts folgerte aus der homosexuellen Veranlagung eines Soldaten zwingend seine Nichteignung als Vorgesetzter, BVerwG, NJW 1992, 1469 f.; NJW 1991, 1127; NJW 1980, 1178 f. Vgl. auch Kappe, DuR 1991, 465 ff., ders., KritJ 1991, 205 (217). In der Kommentarliteratur zur Verweigerung des Zeugnisses in Fällen, in denen die Beantwortung der Frage dem Zeugen zur Unehre gereichen würde (§ 384 Nr. 2 ZPO), werden als Beispiele homosexuelle Veranlagung bzw. entsprechende Beziehungen genannt, vgl. Schneider, MDR 2004, 1 (2); Berger, in: Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, § 384, Rdnr. 7: „Im Hinblick auf homosexuelle Beziehungen hat sich der Wandel der gesellschaftlichen Moralauffassungen noch nicht vollzogen.“ Hervorhebungen im Original. BT-Drucks. 14/4894 v. 16.12.2000, S. 4 und BT-Plenarprot. 14/140 v. 7.12.2000, S. 13738(D)–13745(B); SZ Nr. 284 v. 9./10. Dezember 2000, S. 5. Vgl. auch Beck, NJW 2001, 1894 sowie die Kleine Anfrage der Abgeordneten Christina Schenk und der Fraktion der PDS v. 19.12.2001, BT-Drucks. 14/7919. BT-Drucks. 14/3751 v. 4.7.2000. BGBl. I v. 22.2.2001, S. 266, in Kraft getreten am 1.8.2001, mittlerweile novelliert, BGBl. I v. 15.12.2004, S. 3396, in Kraft getreten am 1.1.2005. Zum LPartG ausführlich Teil II § 7, S. 113 ff.
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die bei weitem noch nicht als abgeschlossen betrachtet werden kann, hat trotz einer gewissen Polarisierung zur weiteren Förderung der Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften und Homosexueller in der Bevölkerung beigetragen. Dieser grundsätzlich positive Befund darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß auch heute noch Homosexuelle diskriminiert werden. Dies belegt eine vom Bundesministerium der Justiz in Auftrag gegebene sozialwissenschaftliche Studie.90 Auch diese Studie kommt jedoch zu dem Ergebnis, daß die explizite Ablehnung von Homosexualität im Laufe der vergangenen Jahre abgenommen hat und gleichzeitig die Akzeptanz bzw. Toleranz gegenüber Lesben und Schwulen zunahm.91
IV. Zusammenfassende Bewertung 1. Homosexualität Homosexualität ist im Verlauf der abendländischen Geschichte von den jeweiligen Kulturen und Gesellschaften höchst unterschiedlich beurteilt worden. Das Spektrum reicht von der gesellschaftlichen und staatlichen Anerkennung der Homosexualität wie in der griechischen Antike über partielle Tolerierung etwa in der Renaissance bis hin zur Verfolgung Homosexueller und deren Bestrafung mit dem Tode im Mittelalter. Unter dem Eindruck der christlichen Theologie dominierte überwiegend die gesellschaftliche Ächtung, Diskriminierung und Stigmatisierung homosexueller Menschen. Erst in den 1970er Jahren setzte sich eine zunehmend liberalere Haltung gegenüber Homosexualität durch. In der Bundesrepublik und in anderen modernen Demokratien westlicher Prägung führte ein fundamentaler Bewertungswandel zu einem bislang singulären Maß an gesellschaftlicher Akzeptanz und Toleranz. Die gesellschaftliche Bewertung der Homosexualität ist damit deutlich von einer Entdiskriminierung gekennzeichnet.92 Dennoch kann immer noch nicht von einer vollständigen Akzeptanz gesprochen werden. Dabei handelt es sich möglicherweise auch um ein utopisches Ziel, denn einer freiheitlichen Gesellschaft stellt sich die Anerkennung und Tolerierung von Minderheiten als ständig von neuem zu bewältigende Aufgabe. 2. Gleichgeschlechtliche Partnerschaft Vor dem Hintergrund der lange Zeit vorherrschenden gesellschaftlichen Ächtung Homosexueller verwundert es nicht, daß die Kulturgeschichte kaum prominente 90
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Buba/Vaskovics, Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, 2001. Die Untersuchung bietet empirisch abgesicherte, sozialwissenschaftliche Grundlagen zu Fragen der Gleichbehandlung bzw. Ungleichbehandlung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, vgl. a.a.O., S. 15. Nach Beck, NJW 2001, 1894 (1895) soll es sich um die bisher umfassendste soziologische Studie über homosexuelle Lebensweisen in Deutschland handeln. Buba/Vaskovics, in: dies., Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, S. 15 (17); Vaskovics, Praxis der Rechtspsychologie 13 (2003), 56 (70). Vgl. auch Eggen, Baden-Württemberg in Wort und Zahl 2001, 347 (348 f.): Aufweichung der homophoben Grundeinstellung weiter Teile der Gesellschaft.
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Beispiele für offen gelebte gleichgeschlechtliche Partnerschaften kennt.93 Zwar hat es in der abendländischen Vergangenheit sicherlich gleichgeschlechtliche Verbindungen gegeben, die ablehnende gesellschaftliche Haltung gegenüber Homosexualität dürfte jedoch die meisten daran gehindert haben, ihre Partnerschaft publik zu machen. Insofern fehlt es an älteren Überlieferungen und damit auch an bekannten und wirkungsträchtigen Vorbildern. Lediglich die jüngere Vergangenheit vermag hier Vorbildfunktion auszuüben. Angesichts der massenmedialen Präsenz des Themas werden gleichgeschlechtliche Partnerschaften von einem breiten Publikum wahrgenommen, wobei zugleich deutlich wird, daß die Lebensstile und -entwürfe der meisten Homosexuellen kaum von denen der heterosexuellen Bevölkerungsmehrheit abweichen und von daher kaum Lebensformen jenseits gesellschaftlicher Muster verkörpern.94 3. Gleichgeschlechtliche Elternschaft Aus dem Mangel an Vorbildern für gleichgeschlechtliche Partnerschaften erklärt sich im wesentlichen der Umstand, weshalb es auch an prominenten Beispielen für gleichgeschlechtliche Elternschaft weithin fehlt.95 In der Vergangenheit mag es sicherlich familiäre Konstellationen gegeben haben, bei denen Kinder in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft aufgewachsen sind. Es ist beispielsweise denkbar, daß zu Kriegszeiten Männer ihre Frauen und Kinder zurückließen, nicht mehr zurückkehrten und sich die hinterbliebenen Frauen entschlossen, unter einem Dach zu leben und ihre Kinder großzuziehen. Mangels einschlägiger Überlieferungen fehlen aber historische Vorbilder gleichgeschlechtlicher Elternschaft für den abendländischen Kulturkreis, weshalb sich solche Erwägungen im Bereich des Spekulativen bewegen.96 Was die Realisierung des Kinderwunsches gleichgeschlechtlicher Paare mittels Maßnahmen assistierter Reproduktion angeht, so ist trotz der seit mehreren Jahrhunderten bekannten Technik der künstlichen Insemination und der zunehmenden Expansion der Fortpflanzungsmedizin nach dem Zweiten Weltkrieg die Inanspruchnahme solcher Techniken durch lesbische und 93 94
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Vgl. auch Strick, DEuFamR 2 (2000), 82. Buba/Becker, in: Buba/Vaskovics, Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, S. 61 (89 ff.); Robbers, JZ 2001, 779 (782); Vaskovics, Praxis der Rechtspsychologie 13 (2003), 56 (71). Zu lesbischen Haushalten Golombok/Spencer/ Rutter, 24 J. Child Psychol. Psychiat. (1983), 551 (570): „We should cease regarding lesbian households as all the same. Like heterosexual households, they differ greatly.“ Zu denken ist hier allenfalls an den Volksmusikinterpreten Patrick Lindner, der als Einzelperson 1998 ein Kind aus einem russischen Kinderheim adoptiert hatte und mit diesem und seinem Lebensgefährten Michael Link zusammenlebte, vgl. Trimbach, NJ 2001, 399 (402); Lähnemann, BT-Rechtsausschußprot. 15/59 v. 18.10.2004, S. 7, 79: Man merke an diesem Beispiel, daß die Öffentlichkeit dieser Situation auch mit Sympathie begegne. Dazu Sielert, in: Keil/Haspel, Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften in sozialethischer Perspektive, S. 45: „Schon immer haben homosexuell orientierte Einzelpersonen oder Paare Kinder erzogen, die meist aus vorausgegangenen heterosexuellen Ehen hervorgingen.“ Vgl. auch Lähnemann, Lesben und Schwule mit Kindern, S. 44 m. Fn. 100. Allgemein auch Strick, DEuFamR 2 (2000), 82; Dethloff, in: Gedächtnisschr. f. Heinze, S. 133; Parks, 63 Amer. J. Orthopsychiat. (1998), 376.
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Teil I Grundlagen der gleichgeschlechtlichen Elternschaft
schwule Partner auch in liberaleren Ländern wie den USA erst seit relativ kurzer Zeit bekannt geworden.97 Im Hinblick auf die kulturhistorische Entwicklung lassen sich verschiedene Schlüsse ziehen sowie Abgrenzungen vornehmen. Die Beziehungen zwischen jugendlichen und erwachsenen Männern im antiken Griechenland können in mehrfacher Hinsicht nicht mit dem heutigen Konzept von Elternschaft im allgemeinen und gleichgeschlechtlicher Elternschaft im besonderen verglichen oder gar gleichgesetzt werden. Zunächst handelte es sich um Beziehungen, die staatlich überwacht wurden und ganz bestimmte staatspolitische Vorgaben zu erfüllen hatten.98 Eine staatlich vorgegebene Zweckgebundenheit ist dem heutigen Verständnis eines Eltern-Kind-Verhältnisses hingegen fremd. In der griechischen Antike waren diese Beziehungen ferner einer gesellschaftlichen Oberschicht vorbehalten und dienten gleichzeitig der Heranbildung aristokratischer und militärischer Eliten. Die Beziehungen zwischen erastes und eromenos hatten – wie auch die Beispiele lesbischer Beziehungen aus dieser Epoche – eine pädagogische Funktion und glichen viel eher einem Lehrer-Schüler- als einem Eltern-KindVerhältnis. Dementsprechend handelte es sich bei der paiderastia auch nie um gleichgeschlechtliche Paare von Männern, die sich um die Erziehung und Ausbildung der Adoleszenten kümmerten, sondern immer um Einzelpersonen. Der erastes war, soweit ersichtlich, niemals Familienangehöriger des jungen Mannes. Schließlich blieben diese Beziehungen auf einen kurzen Zeitraum begrenzt, auch wenn daraus längere Freundschaften erwachsen konnten. Demgegenüber zeichnet sich das Eltern-Kind-Verhältnis durch die lebenslange Dauer aus. Der eromenos hatte schließlich auch noch leibliche Eltern, zu denen die Bindung nicht abriß. Von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften ist in der Antike hingegen nicht bekannt, daß sie erzieherische Funktionen übernommen hätten, was angesichts der fehlenden sozialen Anerkennung von Verbindungen zwischen erwachsenen Männern zu dieser Zeit nicht verwundert. Schließlich beschränkt sich die Gleichgeschlechtlichkeit bei einem modernen Konzept von gleichgeschlechtlicher Elternschaft auf die Eltern. Sie ist nicht auf ein bestimmtes Geschlecht des Kindes festgelegt. Der größte Gegensatz zu dem hier vertretenen Konzept von gleichgeschlechtlicher Elternschaft besteht aber darin, daß es in der griechischen Antike innerhalb dieser Beziehungen – unter allgemeiner Billigung – zu intergenerationellen gleichgeschlechtlichen Kontakten kommen konnte. Sowohl das moderne Verständnis von Elternschaft als auch das moderne Verständnis von einem LehrerSchüler-Verhältnis gehen vom Ideal einer nicht-erotisierten und desexualisierten
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Patterson, 63 Child Development (1992), 1025 (1027). Die artifizielle Insemination beim Menschen ist seit 1770 bekannt, vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdnr. 755. In den USA ist teilweise von einem „lesbian baby boom“ die Rede, vgl. Patterson, 31 Developmental Psychology (1995), 115 ff. Dover, Greek homosexuality, S. 201 f. erklärt die staatliche Billigung dieser Beziehungen damit, daß die militärische Verteidigung griechischer Stadtstaaten gegenüber aggressiven Nachbarn eine überlebensnotwendige Aufgabe darstellte. Nach damaliger Auffassung waren die gleichgeschlechtlichen Beziehungen mithin von eminenter Bedeutung für den Fortbestand des Staates.
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Beziehung aus.99 Geschlechtliche Kontakte zwischen Eltern und Kindern sind mit einem gesellschaftlichen Unwerturteil und einem Tabu belegt, das am deutlichsten in der Strafbarkeit entsprechender sexueller Handlungen zum Ausdruck kommt.100 Lenkt man den Blick auf nachfolgende Epochen, so zeigt sich, daß die lang anhaltende Ablehnung der Homosexualität maßgeblich von kirchlichen Auffassungen getragen war. Die Idee einer gleichgeschlechtlichen Elternschaft dürfte daher mit der – vor allem im Mittelalter dominierenden – Moralvorstellung der christlichen Theologie absolut unvereinbar gewesen sein.101 Auch aus dem 19. Jh. sind keine Beispiele für das Aufwachsen von Kindern in gleichgeschlechtlichen Beziehungen bekannt. Dies läßt sich an den bereits erwähnten Biographien Oscar Wildes und Peter Tschaikowskys nachvollziehen. Wenn auch nicht gerade in ihrem individuellen Schicksal verallgemeinerbar, so stehen doch beide Lebensläufe exemplarisch für die Unmöglichkeit offen gelebter gleichgeschlechtlicher Partnerschaft und erst recht gleichgeschlechtlicher Elternschaft am Ende des 19. Jahrhunderts in jeweils unterschiedlichen Gesellschaften. Den latenten Liberalisierungstendenzen in der Weimarer Republik, die möglicherweise die Sichtbarkeit gleichgeschlechtlicher Elternschaft hätten begünstigen können, standen neben der immer noch drohenden Strafbarkeit der männlichen Homosexualität auch deren Ablehnung durch große Teile der Bevölkerung entgegen. Völlig unvereinbar war das Konzept von gleichgeschlechtlicher Elternschaft schließlich mit der nationalsozialistischen Ideologie. Die Nationalsozialisten stellten die nicht auf Reproduktion ausgerichtete Sexualität gleichgeschlechtlich liebender Menschen besonders deutlich heraus und instrumentalisierten sie für die Durchsetzung rassenideologisch motivierter Ziele. Homosexuelle wurden für einen angeblichen Geburtenrückgang verantwortlich gemacht,102 zu Staatsfeinden erklärt und in erheblichem Ausmaß verfolgt. Von ihrer Dezimierung versprach man sich eine Zurückdrängung der Verbreitung des Phänomens. Trotz der zunehmenden Verbreitung fortpflanzungsmedizinischer Maßnahmen nach dem Zweiten Weltkrieg konnten angesichts des restaurativen Klimas und der 99
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Ähnlich, wenngleich im Kontext der Erwachsenenadoption zur rechtlichen Absicherung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften vor Schaffung des LPartG Lüderitz, in: Festschr. f. Gernhuber, S. 713 (720 f.). Vor allem in der Vorschrift des § 174 Abs. 1 Nr. 3 StGB, die sexuelle Handlungen an dem noch nicht achtzehn Jahre alten leiblichen oder angenommenen Kind mit Freiheitsstrafe belegt. § 173 StGB bestraft die Vollziehung des Beischlafs zwischen Verwandten; unter Beischlaf ist (nur) das Eindringen des Gliedes in die Scheide zu verstehen, beischlafsähnliche Handlungen werden nicht erfaßt, vgl. Tröndle/Fischer, Strafgesetzbuch, § 173, Rdnr. 2; § 177, Rdnr. 62. Die Norm ist nicht verfassungswidrig, BVerfG, FamRZ 2008, 757 ff. Zur Vermeidung intergenerationeller sexueller Kontakte während der Kindesentwicklung als Telos der §§ 174, 176 StGB auch Kusch/Mössle, NJW 1994, 1504 (1505); Tröndle/Fischer, Strafgesetzbuch, § 176, Rdnr. 2; § 174, Rdnr. 2. Zur heutigen Ablehnung gleichgeschlechtlicher Elternschaft durch die katholische Kirche siehe Kongregation für die Glaubenslehre, Erwägungen zu den Entwürfen einer rechtlichen Anerkennung der Lebensgemeinschaften zwischen homosexuellen Personen v. 3.6.2003, Nr. 7. Jellonnek, Homosexuelle unter dem Hakenkreuz, S. 27.
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Teil I Grundlagen der gleichgeschlechtlichen Elternschaft
immer noch weit verbreiteten Ablehnung der Homosexualität keine Beispiele für eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft, geschweige denn für eine gleichgeschlechtliche Elternschaft entstehen. Nach dem Wegfall der Strafbarkeit homosexueller Handlungen unter erwachsenen Männern und der durch die sexuelle Revolution ausgelösten Liberalisierung war es das primäre Ziel der Homosexuellenbewegung, weitere gesellschaftliche Diskriminierung103 abzubauen und den Belangen gleichgeschlechtlicher Partnerschaften im Bewußtsein breiter Bevölkerungskreise Raum zu verschaffen. Diese Bestrebungen, die in den 80er Jahren durch die Aids-Krise zunächst noch einmal zurückgeworfen wurden, konnten seit Mitte der 1990er Jahre zunehmend Erfolge verbuchen. Im Gegensatz zu Homosexualität und gleichgeschlechtlicher Partnerschaft ist das Vorhandensein gleichgeschlechtlicher Elternschaft im Bewußtsein einer breiten Öffentlichkeit noch nicht in vergleichbarem Maße verankert.104 Mittlerweile wird dieses Phänomen aber auch in Fernsehsendungen thematisiert.105 In den Print-Medien ist die Thematik noch stärker präsent.106 Daher ist zu gewärtigen, daß es in Zukunft zunehmend Beispiele für gleichgeschlechtliche Elternschaft geben wird.
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Gesellschaftliche Diskriminierung und Kriminalisierung stehen in einem engen Zusammenhang; mit § 175 StGB existierte bis 1994 immer noch eine Vorschrift, die bestimmte gleichgeschlechtliche Kontakte unter Männern anders behandelte als verschiedengeschlechtliche oder lesbische Kontakte, vgl. Teil I § 6 II.4., S. 80 ff. Vgl. Dimski, ZEuP 1995, 465; Holzhauer, JZ 2000, 1076 (1082). S.a. Sielert, in: Keil/ Haspel, Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften in sozialethischer Perspektive, S. 45 (46); Patterson, 63 Child Development (1992), 1025 (1027); dies., 3 Curr. Dir. Psychol. Sci. (1994), 62. Eine Dokumentation über ein lesbisches Paar, das mittels Maßnahmen assistierter Reproduktion Kinder bekommen hatte, sendete der SWR unter dem Titel „Mami, Mama, drei Kinder“ am 1. April 2008. Das ZDF strahlte am 22. Juli 2003 die Dokumentation „Papa liebt einen Mann“ aus, die das Aufwachsen von Kindern in zwei schwulen Beziehungen thematisierte, die aus vorangegangenen verschiedengeschlechtlichen Partnerschaften hervorgegangen waren, vgl. http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/1/0,1872,2055681, 00.html [Datum des letzten Abrufs: 2. Februar 2009]. Kirbach/Spiewak, Wenn die Eltern schwul sind, Die Zeit Nr. 2 v. 31. Dezember 2003, S. 11 ff.; SZ Nr. 268 v. 18. November 2004, S. 12; vgl. auch SZ Nr. 93 v. 22./23. April 2006, S. 7; SZ Nr. 90 v. 20. April 2005, S. 10; SZ Nr. 279 v. 3./4. Dezember 2005, S. 9; FAZ Nr. 41 v. 18. Februar 2004, S. 6.
§ 4 Sexualwissenschaftliche Grundlagen I. Einleitung Für ein im Ansatz fundiertes Verständnis gleichgeschlechtlicher Elternschaft ist eine eingehendere Auseinandersetzung mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen über Homosexualität erforderlich. Die Kompetenz für eine adäquate Befassung mit dem Phänomen Homosexualität hatte zunächst die Medizin für sich in Anspruch genommen. Erst später bildete sich mit der Sexualwissenschaft eine eigenständige spezialisierte Disziplin heraus, die sich mit einer umfassenden Perspektive der Sexualität in ihren vielfältigen Erscheinungsformen nähert.1 Die folgenden Ausführungen zeigen zunächst die geschichtliche Entwicklung der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Homosexualität auf und geben dann einen Überblick über den aktuellen Stand der sexualwissenschaftlichen Forschung.
II. Historische Entwicklung Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Phänomen Homosexualität läßt sich bis zum beginnenden 19. Jh. zurückverfolgen. Offiziell reklamierte die Medizin den Anspruch fachlicher Auseinandersetzung im Jahre 1813, als in Bayern Homosexuelle nicht mehr zum Tode verurteilt, sondern mit „aufgeklärten“ Strafen belegt wurden: Neben der Einweisung in das Gefängnis und das Zuchthaus2 brachte man sie von nun an auch in Irrenanstalten unter.3 Damit war der Grundstein für eine mehr als anderthalb Jahrhunderte andauernde Pathologisierung der gleichgeschlechtlichen Veranlagung gelegt. Weil Homosexualität von der maßgeblichen, angeblich „gesunden“ heterosexuellen Objektwahl abwich, galt sie als psychopathologisch relevantes Sexualverhalten. Damit einher ging die Verwendung wertender und moralisierender Termini.4 Die Medizin lieferte dadurch die wissenschaftliche Legitimation, Homosexuelle offen als Kranke zu degradieren. Dieser Psychopathologisierung stand jedoch schon immer die eigene Wahrnehmung der Betroffenen entgegen, weil sich die meisten Homosexuellen gar nicht krank fühlten. Wenn sie überhaupt an etwas litten, dann war dies die Reaktion einer verständnislosen Umwelt.5 Nennenswerte wissenschaftlich angelegte Forschungen zur Homosexualität gab es ab dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. Die Nervenärzte Carl Westphal und 1 2
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Pschyrembel, Wörterbuch Sexualität, Stichwort: Sexualwissenschaft, S. 500. Die Zuchthausstrafe war eine Form der Freiheitsstrafe, die im Jahre 1969 abgeschafft wurde und in der jetzigen Freiheitsstrafe aufging, vgl. Creifelds, Rechtswörterbuch, Stichwort: Freiheitsstrafe, S. 437. Stümke, Homosexuelle in Deutschland, S. 7; Kappe, KritJ 1991, 205 (209 f.). Vgl. auch Teil I § 6 II.1., S. 77 f. So Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, Stichwort: abweichendes Sexualverhalten, S. 1536. Vgl. auch Müller-Freienfels, in: Festschr. f. Gernhuber, S. 737 (750, Fn. 57). Bosinski, in: Bosinski/Kirchhof/Nave-Herz/Robbers/Rotter, „Eingetragene Lebenspartnerschaft“, S. 9 (13).
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Teil I Grundlagen der gleichgeschlechtlichen Elternschaft
Richard von Krafft-Ebing machten sie zum Gegenstand therapeutischer Betätigung. Westphal prägte den Begriff der „Conträren Sexualempfindung“ und publizierte die ersten Fälle gleichgeschlechtlich Liebender. Sie litten seiner Ansicht nach an einer unangemessenen und daher behandlungsbedürftigen Zuneigung zu Geschlechtsgenossen. Krafft-Ebing definierte in seinem Werk „Psychopathia Sexualis“ Homosexualität als angeborene neuropsychopathische Störung. Daneben setzte er, wie andere Psychiater auch, Sexualverhalten mit Fortpflanzungsverhalten gleich und schloß aus der fehlenden reproduktiven Funktion gleichgeschlechtlicher Handlungen auf deren Perversität und Pathologie.6 Daneben gab es ab dem Beginn des 20. Jh. aber auch Mediziner, die in der Homosexualität grundsätzlich keine behandlungsbedürftige Krankheit sahen. Sigmund Freud unternahm den Versuch, die Ursache homosexueller Veranlagung psychoanalytisch zu deuten. Vor allem Magnus Hirschfeld war bestrebt, der Homosexualität den Makel des Pathologischen zu nehmen. Ihm ging es nicht um Heilung, sondern um die moralische Aufrichtung und die Stärkung des Selbstbewußtseins Homosexueller.7 Zu einer verstärkten Pathologisierung von Seiten des Staates kam es unter der Herrschaft der Nationalsozialisten, die sich zur Durchsetzung ihrer ideologischen Ziele auch der Medizin bedienten. Ärzte sollten dazu beitragen, Homosexualität einzudämmen oder ganz zum Verschwinden zu bringen.8 Dokumentarisch belegt sind Experimente des dänischen SS-Arztes Carl Vaernet an schwulen Häftlingen des Konzentrationslagers Buchenwald. Über eine in der Leistengegend implantierte „künstliche Sexualdrüse“ sollte ein bei homosexuellen Männern angeblich vorhandener Mangel des männlichen Sexualhormons Testosteron kompensiert werden und zu einer Umkehrung der sexuellen Orientierung führen. Die Verifizierung dieser Experimente fand anhand einer sog. Abkehrprüfung statt, zu der die KZHäftlinge in ein Bordell im Frauen-KZ Ravensbrück gebracht wurden. Sprachen sie auf die dort dargebotenen Verlockungen an, sollte der Test positiv ausgefallen sein. Die Bekämpfung der Homosexualität mit den Mitteln der Medizin verfolgte
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Vgl. Haeberle, in: Hirschfeld, Die Homosexualität des Mannes und des Weibes, S. XI f. m.w.N. So Haeberle, in: Hirschfeld, Die Homosexualität des Mannes und des Weibes, S. XVII; s.a. Nave-Herz, Praxis der Rechtspsychologie 13 (2003), 45 (46). Gleichwohl konnte sich auch Hirschfeld nicht ganz von einer Pathologisierung der Homosexualität freimachen. Die von ihm verfochtene „Zwischenstufentheorie“, mit der er alle geschlechtlichen Übergänge bezeichnete, brachte die Frage der sexuellen Orientierung mit dem biologischen Geschlecht und dem Körperbau zusammen und verstand Homosexualität als vererbten oder irgendwie angeborenen Charakter, dem ein Manko an Männlichkeit bzw. Weiblichkeit eignete, vgl. Haeberle, in: Hirschfeld, Die Homosexualität des Mannes und des Weibes, S. XVII f. und Kappe, KritJ 1991, 205 (214). Heinrich Himmler favorisierte ein großangelegtes medizinisch-anthropologisches Forschungsprojekt, das neuartige Instrumente zur Eindämmung der Homosexualität zur Verfügung stellen sollte, vgl. Stümke, Homosexuelle in Deutschland, S. 123. Faktisch war die Zurückdrängung der Homosexualität aber in erster Linie Aufgabe der Polizei, vgl. Teil I § 3 III.3.b), S. 28 f.
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zu einem wesentlichen Teil auch bevölkerungspolitische Ziele, weil man sich von der Konversion eine Steigerung der Geburtenrate erhoffte.9 Auch in den ersten Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg war bei Ärzten, Psychotherapeuten und Psychoanalytikern die Vorstellung von Homosexualität als einer therapiebedürftigen Krankheit die gängige und kaum kritisierte Lehrmeinung.10 Als einflußreich erwies sich die bis in die 1970er Jahre vertretene Auffassung der US-amerikanischen Psychoanalytiker Edmund Bergler, Irving Bieber, Lawrence J. Hatterer und Charles W. Socarides, die in der homosexuellen Objektwahl das Symptom einer schweren psychischen Störung sahen. Die repressive Haltung gegenüber Homosexuellen stützten sie auf eine jahrzehntelange klinische Erfahrung. Mittlerweile wird jedoch davon ausgegangen, daß diese Psychoanalytiker offenbar ausschließlich psychisch schwer gestörte homosexuelle Männer behandelt hatten. Ihre Erfahrung konnte daher nicht jene Homosexuelle erfassen, die unter ihrer sexuellen Orientierung nicht litten und daher nie einen Arzt oder einen Psychoanalytiker aufgesucht hatten.11 Gleichgeschlechtlich orientierten Personen stellten Mediziner auch die „Heilung“ von ihrer Veranlagung in Aussicht. Das Repertoire therapeutischer Verfahren reichte von Hypnose, Psychotherapie12 und Aversionstherapie über Elektroschocks und Hormongaben13 bis hin zur Kastration14 und neurochirurgischen Eingriffen15. Die Gleichsetzung von Homosexualität und Krankheit blieb nicht auf den Bereich der Klinik begrenzt, sondern avancierte bald zur allgemeinen Auffassung über Homosexualität.16 So läßt sich bis Mitte der achtziger Jahre in der Rechtsprechung und auch in der rechtswissenschaftlichen Kommentarliteratur die Auffas-
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Stümke, Homosexuelle in Deutschland, S. 123 ff.; Grib, Die gleichgeschlechtliche Partnerschaft im nordischen und deutschen Recht, S. 13; Grau, Homosexualität in der NS-Zeit, S. 345 ff. Dannecker, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 335 (341). Allgemein auch Bech, AJP 2001, 264 (265). Vgl. Haeberle, in: Hirschfeld, Die Homosexualität des Mannes und des Weibes, S. XXII m.w.N.; Dannecker, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 335 (341). Vgl. Baumann, Paragraph 175, S. 152. So der Ansatz einer „preventive therapy of sexual differentiation disturbances“ bei Dörner/Rohde/Stahl/Krell/Masius, 4 Arch. Sex. Behav. (1975), 1 (7). Kritisch dazu Haeberle, in: Hirschfeld, Die Homosexualität des Mannes und des Weibes, S. XXII m.w.N. Vgl. Hanau, NJW 1969, 2272. Zur Lobotomie in den USA bei Homosexuellen vgl. Zekri, SZ Nr. 182 v. 9. August 2004, S. 13. Bei der Lobotomie (synonym ist auch der Begriff Leukotomie gebräuchlich) handelt es sich um die chirurgische Durchtrennung bestimmter Faserverbindungen des Gehirns. Nach heutigem Stand der Erkenntnis besteht keine gesicherte Indikation für derartige Eingriffe, vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, Stichwort: Leukotomie, S. 957; Stichwort: Psychochirurgie, S. 1379. Dannecker, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 335 (340 f.).
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sung nachweisen, daß Homosexuelle krank seien.17 In den Nachkriegsjahren wurde diese Ansicht auch in der Soziologie18 vertreten. Teilweise hält sich diese Einschätzung selbst in jüngster Zeit, etwa in Publikationen zur eingetragenen Lebenspartnerschaft.19 Bereits von 1970 an setzte sich jedoch in den Humanwissenschaften die Erkenntnis durch, daß Homosexualität keine krankhafte Störung ist, sondern eine unproblematische Normvariante sexuellen Verhaltens darstellt. Von entscheidendem Einfluß auf die Ablösung pathologisierender Konzepte durch ein Verständnis von gleichgeschlechtlicher Orientierung als Ausdruck eines reichhaltigen menschlichen Entwicklungspotentials war die 1973 von der American Psychiatric Association (APA) gefällte Entscheidung, Homosexualität aus ihrem Diagnosehandbuch, dem „Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Second Edition“ (DSM II), zu streichen.20 Dieser Bewertungswandel blieb nicht nur auf die Vereinigten Staaten beschränkt, sondern entfaltete über die Landesgrenzen hinaus Wirkung. Auf internationaler Ebene ist für die medizinische Klassifizierung von Krankheiten die „International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, Tenth Revision“ (ICD-10) maßgeblich, die seit der 6. zehnjährlichen Überarbeitung in der Verantwortung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) weiterentwickelt wird und aktuell in zehnter Fassung vorliegt. Bei der ICD-10 handelt es sich um ein für medizinstatistische Zwecke entwickeltes Verzeichnis der Krankheiten, Verletzungen und Todesursachen. Die WHO strich im Jahre 1993 Homosexualität aus der Liste der psychischen Krankheiten.21 Die mit der Streichung erfolgte Entpathologisierung wurde in Fachkreisen als bedeutender Fortschritt22 begrüßt. 17
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LG Berlin, FamRZ 1985, 519 (520); OLG Celle, NJW 1982, 586; Dreher/Tröndle, Strafgesetzbuch 43(1986), § 175, Rdnr. 10 sowie die Kommentierung zur schweren anderen seelischen Abartigkeit, § 20, Rdnr. 15: Darunter fielen „Triebstörungen, so eine geschlechtliche Triebhaftigkeit von solcher Stärke, daß der Träger ihr, insbesondere wegen Entartung [!] seiner Persönlichkeit, nicht widerstehen kann, so vor allem bei vielleicht anlagebedingter, nicht korrigierbarer Homosexualität“. Vgl. auch Kappe, KritJ 1991, 205 (214 f.) und Baumann, Paragraph 175, S. 150 ff. m.w.N. Vgl. Schelsky, Die Soziologie der Sexualität, S. 75, der als einer der einflußreichsten aber auch umstrittensten Soziologen in der deutschen Nachkriegszeit gilt: „Die homosexuelle Geschlechtsbeziehung entspricht in ihrer Verfehlung des gegengeschlechtlichen Partnerbezugs, ihrem autistischen und narzißtischen Verharren beim eigengeschlechtlichen Leibe und ihrer biologischen und sozialen Zwecklosigkeit wohl am offenbarsten unserer Kennzeichnung des abnormen Sexualverhaltens“. Schelsky war auch Sachverständiger im Verfahren BVerfGE 6, 389 ff., vgl. Teil I § 6 II.4.a), S. 81 ff. Geis, in: ders., Homo-Ehe. Nein zum Ja-Wort aus christlicher Sicht, S. 27 (32): Homosexuelle ließen jede Scham vermissen. Der Verlust von sexueller Scham sei aber immer ein Zeichen von Schwachsinn, wie es Freud formuliert habe. Vgl. auch a.a.O., S. 27 (30): „Abartigkeit“, „Widernatürlichkeit“; S. 27 (31): „Verirrung“. Dazu Haeberle, in: Hirschfeld, Die Homosexualität des Mannes und des Weibes, S. XXII; Bräutigam/Clement, Sexualmedizin im Grundriß, S. 226. Vgl. Bosinski, in: Bosinski/Kirchhof/Nave-Herz/Robbers/Rotter, „Eingetragene Lebenspartnerschaft“, S. 9 (13); Trimbach/Webert, NJ 1998, 63. Bräutigam/Clement, Sexualmedizin im Grundriß, S. 226.
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Von einer pathologischen Form der Sexualität, ganz gleich ob hetero-, homooder bisexuell, wird heute nur noch dann gesprochen, wenn die sexuelle Orientierung sich selbst- oder fremdschädigend auswirkt oder wenn ihr ein extrem hoher, andere Lebensaspekte verdrängender Stellenwert beigemessen wird.23 Da aber wie bei der Heterosexualität die hohe Bedeutung eines ausschließlich sexuellen Aspektes im Gegensatz zu pathologischen Formen sexuellen Verhaltens fehlt, wird die Homosexualität beim Menschen nicht mehr als eine therapiebedürftige Krankheit angesehen. Diese Erkenntnis hat sich zwischenzeitlich nicht nur in Fachkreisen international24 durchgesetzt, sondern ist auch im juristischen Schrifttum anerkannt.25 Die Entpathologisierung der Homosexualität hat den Boden für Feststellungen und Erkenntnisse bereitet, die im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung sind. Nach wissenschaftlichen Studien sind Lesben und Schwule auch dann nicht einer größeren Gefahr für psychische Schädigungen ausgesetzt, wenn sie in einem homophoben Umfeld leben.26 Kinder, die von gleichgeschlechtlichen Eltern aufgezogen werden, finden daher prinzipiell die gleichen Bedingungen in bezug auf die psychische Verfassung ihrer Erziehungspersonen vor, wie Kinder verschiedengeschlechtlicher Eltern.27 Das Risiko psychischer Instabilität mit entsprechenden Verhaltens- und Entwicklungsstörungen trifft beide Gruppen in gleichem Umfang. Nach britischen Studien waren Kinder, die in einer lesbischen Partnerschaft aufgezogen wurden, im Erwachsenenalter nicht in stärkerem Maße von mentalen Krankheiten betroffen als Kinder, die von heterosexuellen Eltern betreut wurden.28
III. Aktueller Stand der sexualwissenschaftlichen Erkenntnisse Im folgenden werden die für die vorliegende Arbeit bedeutsamen sexualwissenschaftlichen Erkenntnisse über Homosexualität nach derzeitigem Stand dargestellt und die daraus folgenden Konsequenzen für gleichgeschlechtliche Partnerschaften 23
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Vgl. Horn, in: Höffe, Lexikon der Ethik, Stichwort: Sexualität, S. 230. Ähnlich Kockott, Die Sexualität des Menschen, S. 102. Beispielsweise stuft die US-Bundesbehörde „Public Health Service“ Homosexualität nicht mehr als Krankheit ein, vgl. Heun, Gleichgeschlechtliche Ehen in rechtsvergleichender Sicht, S. 140 m.w.N. Vgl. nur Schimmel/Meier, StAZ 1993, 210 (211); Sachs, JR 2001, 45 (46); WellenhoferKlein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 1; für die Schweiz Guillod, in: Bainham, The International Survey of Family Law 2003 Edition, S. 417 (419). Zum Zusammenhang von Krankheit, Kinderwunsch und Homosexualität vgl. Teil V § 13 II., S. 341 ff. Vgl. dazu Belling, in: Landschaftsverband Rheinland, Gleichgeschlechtliche Paare leben mit Kindern, S. 7 (10). Auf gleichgeschlechtliche Eltern bezogen Eggen, BadenWürttemberg in Wort und Zahl 2002, 65 (66). Belling, in: Landschaftsverband Rheinland, Gleichgeschlechtliche Paare leben mit Kindern, S. 7 (10). Golombok/Tasker, 32 Developmental Psychology (1996), 3 (9). Aus dem juristischen Schrifttum Trimbach/Webert, NJ 1998, 63 (66); Stüber, FamRZ 2005, 574 (576). Vgl. auch Willutzki, BT-Rechtsausschußprot. 15/59 v. 18.10.2004, S. 14; Dethloff, ebenda, S. 75. Ausführlich zum ganzen auch Teil I § 5 IV., S. 65 ff.
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und die gleichgeschlechtliche Elternschaft gezogen. Im einzelnen geht es um die Erscheinungsformen der Homosexualität, die Theorien zu ihrer Genese, das Coming Out, die Prägung und Irreversibilität der sexuellen Orientierung sowie um Pädophilie und Promiskuität. 1. Erscheinungsformen der Homosexualität Für die vorliegende Arbeit wird vorausgesetzt, daß sich gleichgeschlechtliche Elternpaare aus homosexuellen Personen zusammensetzen. Homosexualität ist – wie Heterosexualität – als eine Form menschlichen Sexualverhaltens ein Phänomen, das sich nicht mit naturwissenschaftlicher Exaktheit beschreiben läßt.29 Die Übergänge zur heterosexuellen Orientierung sind fließend.30 Es gibt nicht den typischen homosexuellen Menschen. Ebenso wie in der Durchschnittsbevölkerung begegnet man auch bei diesem Kollektiv einer breiten Variabilität von Persönlichkeiten. Die Zuneigung zu einem Partner des gleichen (oder des anderen) Geschlechts kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Homosexualität läßt sich auch nicht allein über sexuelles Verhalten definieren, sondern ist eine Frage der inneren Einstellung in bezug auf eine feste Partnerorientierung.31 Der Sexualwissenschaftler Götz Kockott resümiert: „Die weit überwiegende Mehrzahl aller Menschen schätzt sich in ihrer Orientierung als heterosexuell ein, eine wesentlich kleinere Gruppe als homosexuell. Dazwischen gibt es sicher Personen mit Übergängen in ihrer sexuellen Partnerorientierung. Eine anhaltende bisexuelle Orientierung ist wahrscheinlich eher selten.“32 Sowohl im sexualwissenschaftlichen33 als auch im juristischen34 und soziologischen35 Schrifttum wird von ca. 4– 5% homosexueller Männer und 1–3% homosexueller Frauen im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung ausgegangen. 29
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Bezeichnend für diesen Umstand auch Dannecker, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 335 (338), der von „Homosexualitäten“ spricht. Vgl. Kockott, Die Sexualität des Menschen, S. 103; Haeberle, in: Hirschfeld, Die Homosexualität des Mannes und des Weibes, S. XXI. Gleichwohl wird betont, daß sich eine überwältigende Mehrzahl der Menschen entweder als exklusiv heterosexuell oder als exklusiv homosexuell bezeichnet. Kockott, Die Sexualität des Menschen, S. 102. Kockott, Die Sexualität des Menschen, S. 103. Reiche, Homosexualität und Homosexuelle, S. 234 führt die rigorose Scheidung, die vor allem bei Männern zu beobachten ist, darauf zurück, daß heterosexuelle Männer latente homosexuelle Anteile verdrängten. Latente Homosexualität sei auch die Ursache für homophobe Projektionen. Vgl. Kluge, in: Kluge/Sonnenmoser, Sexualleben der Deutschen, S. 141: 4% Schwule, 2% Lesben; Bräutigam/Clement, Sexualmedizin im Grundriß, S. 206 und Kockott, Die Sexualität des Menschen, S. 103 (4–5% Schwule) und S. 237 (1–2% Lesben); ebenso LeVay, Die Natur der menschlichen Sexualität, S. 151. Etwa 4% Schwule und 2,1% Lesben bei Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, Stichwort: Homosexualität, S. 723 f. So etwa bei Risse, Der verfassungsrechtliche Schutz der Homosexualität, S. 16; Schimmel, Eheschließungen gleichgeschlechtlicher Paare?, S. 40 m.w.N.; Robbers, JZ 2001, 779 (782). Baas/Buba, in: Buba/Vaskovics, Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, S. 329 m.w.N. (4% Schwule, 2,1% Lesben).
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Die moderne Sexualwissenschaft sieht Homosexualität als sexuelle Variation, die von einer als Norm definierten Heterosexualität lediglich durch die gleichgeschlechtliche Partnerwahl abweicht. Von allen sexuellen Variationen ist die Homosexualität der Heterosexualität am ähnlichsten, da ihr die hohe Bedeutung eines ausschließlich sexuellen Aspekts, wie sie bei den sexuellen Deviationen (dazu zählen etwa Sadismus, Pädophilie oder Exhibitionismus) zu finden ist, fehlt. Statt dessen besteht bei Homosexuellen eine auf den anderen Menschen – und zwar auf den ganzen Menschen – bezogene erotisch-sexuelle Zuneigung. Es können sich tiefe Liebesbeziehungen entwickeln, die zu langfristigen Partnerschaften führen.36 Daher sind gleichgeschlechtliche Elternpaare ebensogut in der Lage, den bei ihnen aufwachsenden Kindern ein Vorbild für eine dauerhafte, geglückte und auf wechselseitiger Zuneigung und Liebe aufgebauten Beziehung zu sein. 2. Genese der Homosexualität Seit dem Aufkommen der Sexualwissenschaft steht die Ätiologie37 der Homosexualität im Zentrum wissenschaftlichen Interesses.38 Im vorliegenden Zusammenhang ist diese Frage deshalb von Belang, weil immer wieder eingewendet wird, daß Kinder, die bei gleichgeschlechtlich orientierten Erziehungspersonen aufwachsen, mit höherer Wahrscheinlichkeit selbst homosexuell werden könnten.39 Hinter dieser Befürchtung steht die Auffassung, Homosexualität sei unerwünscht und ihr Entstehen deshalb zu vermeiden. Gegen die Ätiologieforschung werden daher grundsätzliche Bedenken angemeldet. Ihr wird vorgeworfen, sie entspringe einem antihomosexuellen Reflex und verfolge das Ziel, Homosexualität als soziale Fehlentwicklung oder als Krankheit zu qualifizieren, um ihr dann entgegenwirken zu können. Damit repathologisiere man Homosexualität und blockiere zugleich gesellschaftliche Anstrengungen, sie als etwas Gegebenes zu akzeptieren.40 Kriti36
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Kockott, Die Sexualität des Menschen, S. 102; vgl. auch Bräutigam/Clement, Sexualmedizin im Grundriß, S. 205: „Es gibt unter homosexuell ausgerichteten Männern zunächst einmal die ganze auch sonst zu findende Bandbreite unauffälliger wie auch psychisch auffälliger Menschen. Das unterscheidet sie von anderen sexuellen Abweichungen wie Exhibitionismus, Pädophilie, Sadismus usw., die in ihrem situativen Auftreten und lebensgeschichtlich mit konflikthaften oder sonstigen abnormen Persönlichkeitsbezügen zu verbinden sind […].“ Der Begriff „Ätiologie“ wird hier in einem weiten Sinne, nämlich als Lehre von den Ursachen verstanden. In einem engeren Sinne bezeichnet er auch die Lehre von den Krankheitsursachen. In der Medizin ist mittlerweile anerkannt, daß Homosexualität nicht per se pathologisch ist. Vgl. dazu oben, S. 44 f. Hirschfeld, Die Homosexualität des Mannes und des Weibes, Kap. 17 und 18, S. 308 ff. und 325 ff. Bezeichnenderweise stand auch auf diesem Gebiet die Homosexualität des Mannes in weitaus größerem Maße im Blickpunkt als die der Frau, vgl. Dannecker, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 335 (339); Kockott, Die Sexualität des Menschen, S. 110. S.a. Teil I § 3 I., S. 20 f. Vgl. Rauscher, Familienrecht, Rdnr. 750 m. Fn. 29; Grziwotz, FPR 2005, 283 (284). Baas/Buba, in: Buba/Vaskovics, Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, S. 329 (330); Dannecker, Das Drama der Sexualität, S. 52: „Die Ätiologieforschung ist weder so wertfrei noch so voraussetzungslos, wie uns das ihre
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siert wird auch die gängige Reduktion Homosexueller auf das Sexuelle.41 Zwar habe die manifeste Homosexualität eine individuelle und als solche rekonstruierbare Genese. Diese sei aber nur für den jeweiligen Einzelfall von Erkenntnisgewinn und erlaube keine generalisierbaren Aussagen darüber, was die Homosexualität generell und mit Notwendigkeit hervorbringe.42 Eine Darstellung der Theorien zur Entstehung der Homosexualität ist – trotz der durchaus plausiblen Bedenken – im vorliegenden Zusammenhang gleichwohl deshalb geboten, weil dadurch bestimmte Vorurteile über Homosexualität und gleichgeschlechtliche Elternschaft ausgeräumt werden können. Die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Erklärungsmodellen sollte daher gedanklich immer vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Kritik an der Ätiologieforschung erfolgen. Im wesentlichen konkurrieren drei Theorien, die jeweils die anderen Erklärungsmodelle mehr oder weniger ablehnen. Sie stimmen jedoch insofern überein, als sie die homosexuelle Partnerorientierung bereits in einer sehr frühen Lebensphase als festgelegt ansehen, auch wenn sie sich erst später, meist in der Pubertät, deutlich äußert.43 a) Konstitutionsbiologische Theorien Die konstitutionsbiologischen Theorien bringen körperliche Befunde in Zusammenhang mit einer homosexuellen Partnerorientierung. Diskutiert werden genetische, endokrine, anatomische oder sonstige physiologische Besonderheiten. Bei der Entschlüsselung des menschlichen Genoms konnte bislang kein Chromosom lokalisiert werden, das die Information für eine homosexuelle Partnerorientierung trüge.44 Den Nachweis der Vererblichkeit versuchte man anhand von Studien an monozygoten und heterozygoten Zwillingen zu erbringen, welche zum Teil hohe Konkordanzraten zu Tage förderten. Die Aussagekraft der vorhandenen Zwillingsstudien wird jedoch dadurch gemindert, daß Zwillinge häufig den gleichen pädagogischen und sonstigen äußeren Einflüssen ausgesetzt sind und die herangezogenen Personengruppen nicht repräsentativ waren.45
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Betreiber glauben machen möchten. Man ist gut beraten, zuerst einmal jedweder Ätiologieforschung zu supponieren, sie sei die blinde Sachwalterin der kollektiven Antihomosexualität.“ Diese Kritik aus dem Jahre 1982 wird von Dannecker im Jahr 2000 in dieser Form nicht mehr aufrecht erhalten, vgl. ders., in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 335 (339 f.). Dannecker, Das Drama der Sexualität, S. 55; Baas/Buba, in: Buba/Vaskovics, Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, S. 329 (344). Dannecker, Das Drama der Sexualität, S. 56. Kockott, Die Sexualität des Menschen, S. 104; Bräutigam/Clement, Sexualmedizin im Grundriß, S. 228. Zum vermuteten Einfluß genetischer Faktoren ausführlicher LeVay, Die Natur der menschlichen Sexualität, S. 160 f. Vgl. Kockott, Die Sexualität des Menschen, S. 105 m.w.N.: Bei der bekanntesten Studie aus dem Jahre 1952 wurden die Ergebnisse an einer sehr speziellen Personengruppe gewonnen, nämlich psychisch kranken und in psychiatrischen Anstalten untergebrachten homosexuellen Männern.
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Bei endokrinologischen Studien wurden sowohl Hormonwerte von erwachsenen Homosexuellen als auch der pränatale Einfluß46 von Sexualhormonen exploriert. Beide Untersuchungen ergaben keinen tragfähigen Hinweis auf eine hormonelle Ursache der Homosexualität. Von hirnorganischen Studien wurde berichtet, daß in bestimmten Kerngebieten des Hypothalamus bei homosexuellen Männern anatomische Verhältnisse vorlägen, die sich signifikant von denen heterosexueller Männer unterschieden, aber mit denen heterosexueller Frauen identisch gewesen seien. Diese Untersuchungen sahen sich jedoch erheblichen methodischen Bedenken ausgesetzt, da sie bei einer kleinen Anzahl von fast ausschließlich an Aids verstorbenen homosexuellen Männern durchgeführt worden waren.47 Allen konstitutionsbiologischen Untersuchungen ist gemeinsam, daß sie bislang nicht zu tragfähigen und konsistenten Resultaten geführt haben. Häufig lassen sich die von einer Forschungsgruppe präsentierten Daten von anderen Forschern nicht replizieren.48 Die Forschungsdesigns sind meist methodisch und theoretisch fragwürdig angelegt. Darüber hinaus liegt dem konstitutionsbiologischen Ansatz ein reduktionistisches Verständnis von sexueller Orientierung zugrunde, da er diese gleichsam als bloße chemische Anziehung begreift. Die sexuelle Orientierung eines Menschen, gleich ob hetero- oder homosexuell, kann aber nur dann angemessen verstanden werden, wenn sie biologisch, entwicklungspsychologisch, interpersonell, auf lebensgeschichtlicher Erfahrung basierend und als sozial konstruiert aufgefaßt wird.49 b) Theorie der positivistischen Sexualwissenschaft Die positivistische Sexualwissenschaft geht davon aus, daß es gar keine Homosexuellen oder Heterosexuellen gibt, sondern nur Menschen, die sich mehr oder weniger heterosexuell bzw. homosexuell und im Grenzfall ausschließlich hetero-
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Vor allem von Günter Dörner, der seine Theorie über die Entstehung der Homosexualität auf ungewöhnlich niedrige Androgenkonzentrationen im Verlauf der Embryonalentwicklung zurückführt und dafür mütterlichen Streß verantwortlich macht, siehe Dörner/Rohde/Stahl/Krell/Masius, 4 Arch. Sex. Behav. (1975), 1 (2), (6). Vgl. auch LeVay, Die Natur der menschlichen Sexualität, S. 175 ff.; Bräutigam/Clement, Sexualmedizin im Grundriß, S. 221. Kritisch Haeberle, in: Hirschfeld, Die Homosexualität des Mannes und des Weibes, S. XXII m.w.N. Diese Theorie vertritt vor allem LeVay, Die Natur der menschlichen Sexualität, S. 168 ff., der das mediale präoptische Areal des Hypothalamus als Schlüsselstelle vermutet, zugleich aber auch die methodischen Schwächen seines Erklärungsmodells einräumt. Etwa bei den Versuchen von Dörner (dazu oben Fn. 46), vgl. LeVay, Die Natur der menschlichen Sexualität, S. 175. Dannecker, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 335 (339). Vgl. auch Bosinski, in: Bosinski/Kirchhof/NaveHerz/Robbers/Rotter, „Eingetragene Lebenspartnerschaft“, S. 9 (12): man sollte sich von der Vorstellung trennen, es gäbe ein „Homosexualitäts-Gen“. Zu methodischen Zweifeln bei konstitutionsbiologischen Forschungen auch Bräutigam/Clement, Sexualmedizin im Grundriß, S. 221.
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sexuell bzw. homosexuell verhalten.50 Diese These suggeriert, es stehe dem Einzelnen frei zu wählen, wie er sich sexuell orientiert. Sie verkennt aber den Zwang, der jeder sexuellen Biographie zugrunde liegt. Es steht dem Einzelnen gerade nicht frei, sich für die Heterosexualität oder die Homosexualität zu entscheiden.51 c) Psychoanalytische Theorie Nach der psychoanalytischen Theorie wird die Disposition zur Homosexualität während der frühesten Phasen der Mutter-Kind-Beziehung durch eine besondere Ausprägung dieses Verhältnisses gelegt. Spätestens im vierten oder fünften Lebensjahr trage das Triebschicksal, das ein Individuum im erwachsenen Leben zur gleichgeschlechtlichen Objektwahl zwingen wird, feste und lebensgeschichtlich kaum mehr rückgängig zu machende Konturen. Die Verankerung des Triebschicksals in der frühen Kindheit bedeute, daß eine Disposition, aber keine Determination erworben wird.52 Konkret sieht die Psychoanalyse die Verankerung einer Disposition für Homosexualität bei Männern in einer gestörten Auflösung des Ödipuskomplexes: Statt sich vom gegengeschlechtlichen Elternteil zu lösen und sich mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil zu identifizieren, komme es zu einer Identifizierung mit dem gegengeschlechtlichen Elternteil und dadurch zu einer sexuellen Partnerorientierung, die sich auf das gleiche Geschlecht ausrichtet. Entscheidend sei daher vor allem das „richtige“ Verhalten der Mutter, die eine nicht zu enge, aber auch nicht zu distanzierte Beziehung zu ihrem Kind entwikkeln müsse. Eine zu enge Beziehung führe bei Jungen zur Homosexualität.53 Die psychoanalytische Theorie, die ihrerseits als dringend revisionsbedürftig gilt,54 wird durch die Ergebnisse empirischer Studien kaum gestützt. Danach scheint die Art der Beziehung zur Mutter bedeutungslos zu sein.55 Allerdings stoßen auch jene empirischen Studien, welche die Beziehungsqualität zwischen Eltern und Kind in den Blick nehmen, auf Einwände. Sie lassen den Eindruck einer gewissen Beliebigkeit aufkommen, da sich widersprechende Verhaltensweisen eines Elternteils jeweils gleich auswirken sollen und vice versa. Die Einstellungen und Verhaltensweisen von Müttern und Vätern gegenüber ihren Kindern sind
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Kinsey/Pomeroy/Martin, Das sexuelle Verhalten des Mannes, S. 606, 611. Reiche, Homosexualität und Homosexuelle, S. 231 f. Die Entscheidung kann sich allenfalls darauf beschränken, die eigene sexuelle Orientierung gegenüber sich selbst bzw. anderen einzugestehen, sog. Coming Out, vgl. dazu auch unten, S. 53 f. Reiche, Homosexualität und Homosexuelle, S. 232. Rauchfleisch, Alternative Familienformen, S. 45 f. S.a. Kockott, Die Sexualität des Menschen, S. 106 f., der darauf hinweist, daß die Identifizierung mit dem gegengeschlechtlichen Elternteil bereits vor dem Eintritt in die ödipale Phase, nämlich schon in der sog. narzißtischen Phase im ersten und zweiten Lebensjahr stattfinden könne. Zum ganzen auch Bräutigam/Clement, Sexualmedizin im Grundriß, S. 222 ff., 227 ff. Dazu im einzelnen Rauchfleisch, Alternative Familienformen, S. 45 ff.; kritisch zu den psychoanalytischen Erklärungsansätzen insgesamt Bräutigam/Clement, Sexualmedizin im Grundriß, S. 225 f. Kockott, Die Sexualität des Menschen, S. 107.
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jedoch so vielfältig und unterschiedlich, daß sie nicht dazu taugen, die spezifischen Konstitutionsbedingungen einer homosexuellen Entwicklung zu erhellen.56 d) Theorie des Erwerbs durch Vorbildwirkung Außerhalb von Fachkreisen wird gelegentlich der Erwerb der gleichgeschlechtlichen Orientierung über homosexuelle Vorbilder diskutiert.57 In Betracht gezogen werden erzieherische Einflüsse oder die Verführung zur Homosexualität durch gleichgeschlechtliche sexuelle Kontakte in einer bestimmten Entwicklungsphase. In der sexualwissenschaftlichen Diskussion spielen solche Einflüsse als Erklärungsmodell für die Genese der Homosexualität kaum eine Rolle. Sowohl die Theorie von der pädagogischen Beeinflussung als auch die Verführungsthese gehen davon aus, Homosexualität könne beliebig vermehrt werden. Dagegen spricht aber schon, daß es Homosexualität zu allen Zeiten gegeben hat und der Anteil Homosexueller jeweils mehr oder weniger konstant war.58 Die Annahme, ein Kind, das bei einem homosexuellen Elternteil oder innerhalb einer gleichgeschlechtlichen Beziehung aufwächst, werde mit einer größeren Wahrscheinlichkeit selbst homosexuell, konnte bisher nicht belegt werden. Studien, in denen die Entwicklung von Kindern bei homosexuellen Erziehungspersonen untersucht wurde, erbrachten für diese Vermutung keinerlei Hinweise.59 Daher gibt es keine Anhaltspunkte dafür, daß Homosexualität unbewußt oder bewußt erlernt oder durch Vorbildwirkung angeeignet wird.60 Die großen Unterschiede in
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Dannecker, Das Drama der Sexualität, S. 55. Methodische Defizite bei psychologischen Studien beanstanden etwa auch Bräutigam/Clement, Sexualmedizin im Grundriß, S. 221 f. Dies behauptet etwa Rauscher, Familienrecht, Rdnr. 750 m. Fn. 29. Grziwotz, FPR 2005, 283 (284) hält wohl die „homosexuelle Prägung“ eines Kindes durch das Aufwachsen bei gleichgeschlechtlichen Eltern für möglich. Konstatierend: Sielert, in: Keil/ Haspel, Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften in sozialethischer Perspektive, S. 45. Vgl. auch die Hinweise auf englischsprachige Literatur bei Golombok/Spencer/ Rutter, 24 J. Child Psychol. Psychiat. (1983), 551 (552). Vgl. Bräutigam/Clement, Sexualmedizin im Grundriß, S. 206; Bruns, ZRP 1993, 232; Ashman, in: Waaldijk/Clapham, Homosexuality: A European Community Issue, S. 3 f.; Baumann, Paragraph 175, S. 163 (mit Fn. 414), 168. Indirekt auch Eggen, FPR 2001, 444 (449); ders., Baden-Württemberg in Wort und Zahl 2001, 347 (350); ders., FamPra.ch 2007, 823 (832): Durch eine rechtliche Gleichstellung würden nicht mehr Menschen homosexuell. Rauchfleisch, Alternative Familienformen, S. 77 m.w.N. Vgl. auch Trimbach/Webert, NJ 1998, 63 (66); Eggen, Baden-Württemberg in Wort und Zahl 2002, 65 (66); Pätzold, FPR 2005, S. 269 (270); Belling, in: Landschaftsverband Rheinland, Gleichgeschlechtliche Paare leben mit Kindern, S. 7 (14); Stüber, FamRZ 2005, 574 (576); Sielert, in: Keil/Haspel, Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften in sozialethischer Perspektive, S. 45 (50), (52). Siehe auch Willutzki und Dethloff, BT-Rechtsausschußprot. 15/59 v. 18.10. 2004, S. 14 und S. 37, 75; Polikoff, 78 Geo.L.J. (1990), 459 (545 m.w.N. in Fn. 479). Zu ausländischen Studien vgl. Teil I § 5 IV.1.c), S. 67 f. Fthenakis, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 351 (382); Holzhauer, JZ 2000, 1076 (1083); Trimbach/
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bezug auf Charakter und Verhaltensweisen, die sich unter homosexuellen Erziehungspersonen finden, lassen keine Aussage über die Entstehungsbedingungen einer gleichgeschlechtlichen Orientierung zu. Die Theorie des Erwerbs durch homosexuelle Vorbilder wird ferner dadurch entkräftet, daß die weit überwiegende Zahl Homosexueller bei verschiedengeschlechtlichen (heterosexuellen) Eltern aufgewachsen ist.61 Nach sexualwissenschaftlichen Erkenntnissen kann die homosexuelle Präferenz auch nicht über die Verführung zu gleichgeschlechtlichen Handlungen erworben werden. Die gleichgeschlechtliche Partnerorientierung ist nämlich nach allgemeiner Meinung bereits in der Phase der frühesten Kindheit festgelegt, wenngleich sie sich erst in der puberalen Entwicklungsphase zeigt.62 Daher spricht nach den Erkenntnissen der humanwissenschaftlichen Fächer nichts dafür, daß die gleichgeschlechtliche Orientierung aufgrund von Lernprozessen in der Jugendzeit zustande kommt.63 e) Zwischenergebnis Die verschiedenen Zweige der Ätiologieforschung haben bislang keine tragfähige Erklärung für die Genese der Homosexualität erbracht. Am überzeugendsten scheint es, von einer multifaktoriellen Verursachung auszugehen, wobei auch hier die genauen Zusammenhänge noch völlig im Dunkeln liegen. Damit hängt die sexuelle Veranlagung wohl mit hoher Wahrscheinlichkeit vom Zufall ab. Da es für eine genetische Disposition der Homosexualität keine Anhaltspunkte gibt, ist Spekulationen der Boden entzogen, wonach bei der Durchführung einer künstlichen Befruchtung unter Verwendung von Gameten homosexueller Menschen ein auf diese Weise gezeugtes und geborenes Kind mit größerer Wahrscheinlichkeit selbst auch homosexuell wäre.64 Gelänge es der Forschung, genetische Dispositionen für die Genese der Homosexualität auszumachen, so stellte dies vor die heikle Frage, wie man mit diesem Wissen umzugehen habe. Die sexuelle Orientierung des Menschen könnte dann verfügbar werden. Dem Reproduktionsmediziner wäre durch präimplantationsdiagnostische Verfahren die Möglichkeit der Selektion nach Geschlechterpräferenzen in die Hand gelegt. So könnten sich verschiedengeschlechtliche Elternpaare ein heterosexuelles Kind, gleichgeschlechtliche ein homosexuelles Kind wünschen. Vor dem Hintergrund der in
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Webert, NJ 1998, 63 (66); Willutzki, BT-Rechtsausschußprot. 15/59 v. 18.10.2004, S. 14. So auch Green/Mandel/Hotvedt/Gray/Smith, 15 Arch. Sex. Behav. (1986), 167 (181). Bräutigam/Clement, Sexualmedizin im Grundriß, S. 149: Die Verführungstheorie sei „lediglich aus einer antihomosexuellen Einstellung heraus“ erklärbar; vgl. auch Wille, in: Forster, Praxis der Rechtsmedizin, S. 519 (543) m.w.N.; Dannecker, in: Basedow/ Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 335 (338); Lähnemann, Lesben und Schwule mit Kindern, S. 21, 30. Vgl. auch Teil I § 6 II.4.d), S. 86 ff. Rauchfleisch, Alternative Familienformen, S. 53. Vgl. auch Green/Mandel/Hotvedt/Gray/Smith, 15 Arch. Sex. Behav. (1986), 167 (182).
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Art. 1 Abs. 1 GG garantierten Menschenwürde und aus ethischer Sicht stießen solche Bestrebungen auf gravierende Bedenken.65 3. Coming Out Jede homosexuelle Person durchläuft in ihrem Leben eine Phase, die als Coming Out bezeichnet wird. Das Coming Out ist der Vorgang der Bewußtwerdung, der vom ersten Auftauchen der Idee, sexuell am gleichen Geschlecht interessiert zu sein, über vielfältige innere und äußere Erfahrungen schließlich zur deutlichen Gewißheit führt, homosexuell zu sein.66 In der Sexualwissenschaft wird zwischen einem inneren und einem äußeren Coming Out differenziert. Als inneres Coming Out gilt der biographische Zeitraum, in dem von der als Norm definierten Heterosexualität abweichende sexuelle Bedürfnisse vom Individuum erkannt und für sich selbst akzeptiert werden. Von einem äußeren Coming Out spricht man, wenn die Homosexualität dem sozialen Umfeld mitgeteilt wird.67 Bei Heterosexuellen wie bei Homosexuellen stellt die sexuelle Reifung und Partnerfindung einen Lebensabschnitt dar, der von Unsicherheit und Krisen geprägt ist. Dieser Prozeß kann für Homosexuelle problematischer als für Heterosexuelle sein. Die meisten Menschen haben in einer Zeit, die lebensgeschichtlich vor dem Coming Out liegt, internalisiert, daß Homosexualität etwas Falsches, Verkehrtes und unter Umständen auch Verbotenes ist.68 Die negative Besetzung der bewußt gewordenen eigenen sexuellen Orientierung, die Erfahrungen mit einer Umwelt, die Homosexualität teilweise ablehnt und das damit zusammenhängende Begreifen, einer mehr oder weniger diskriminierten Minorität anzugehören, führt zunächst zu Ablehnungsreaktionen, Konflikten und Schuldgefühlen. Am Ende dieser je nach Einzelfall unterschiedlich lange dauernden Phase steht aber im Idealfall die Akzeptanz der eigenen Homosexualität und der selbstbewußte Umgang damit.69 Im Hinblick auf gleichgeschlechtliche Eltern kann in aller Regel von einem erfolgreichen inneren und äußeren Coming Out ausgegangen werden, das im öffent65
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Vgl. dazu auch Teil IV § 9 VII.3.d), S. 233 f. Auf zweifelhafte manipulative Eingriffe in das „homosexuelle“ biologische Substrat weist im Rahmen seiner Kritik an den konstitutionsbiologischen Theorien auch Dannecker, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 335 (340) hin: „Eine sexuelle Orientierung ist […] weitaus mehr als die durch welches biologische oder genetische Substrat auch immer beeinflußte Richtung der Sexualität.“ Prinzipiell offen für selektive Verfahren dieser Art Dahl, 18 Hum. Reprod. (2003), 1368 f. Bräutigam/Clement, Sexualmedizin im Grundriß, S. 208, 238. Vgl. auch Reiche, Homosexualität und Homosexuelle, S. 232 f.; Kockott, Die Sexualität des Menschen, S. 108 f., 110. Pschyrembel, Wörterbuch Sexualität, Stichwort: Coming-out, S. 73. Vgl. auch Buba/ Vaskovics, Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, S. 356. Bleibtreu-Ehrenberg, Tabu Homosexualität, S. 385. Vgl. auch Pschyrembel, Wörterbuch Sexualität, Stichwort: Coming-out, S. 73; Vaskovics, Praxis der Rechtspsychologie 13 (2003), 56 (61). Zur Ablehnung der Homosexualität vgl. Teil I § 3, S. 20 ff., zur Pönalisierung vgl. Teil I § 6 II., S. 77 ff. So Pschyrembel, Wörterbuch Sexualität, Stichwort: Coming-out, S. 73.
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lichen Auftreten als gleichgeschlechtliches Paar und in der selbstbewußten Artikulation des Kinderwunsches deutlichen Ausdruck findet. Ein in dieser Weise gelungenes Coming Out wirkt sich nicht nur auf die gleichgeschlechtliche Beziehung vorteilhaft aus, sondern ist empirischen Untersuchungen zufolge auch von positivem Einfluß auf Kinder, die bei homosexuellen Eltern aufwachsen.70 4. Prägung und Irreversibilität Die sexuelle Prägung eines Menschen und die Frage, ob diese reversibel ist, stehen in engem Zusammenhang. Gelegentlich wird im juristischen Schrifttum angedeutet, die homosexuelle Orientierung sei in das Belieben des Einzelnen gestellt und unterläge mithin der freien Wahl.71 Träfe diese Behauptung zu, so könnten homosexuelle Personen prinzipiell darauf verwiesen werden, mit einem verschiedengeschlechtlichen Partner auf natürlichem Wege ein Kind zu zeugen. Daher gilt es zu untersuchen, ob die Geschlechterpräferenz wählbar ist. Nach den Erkenntnissen der modernen Sexualwissenschaft unterliegt die sexuelle Orientierung weder der eigenen Disposition noch dem Einfluß Dritter. Von den allermeisten Menschen wird sie als zwingende Festlegung empfunden, die es ihnen unmöglich macht, sexuellen Handlungen nachzugehen, die außerhalb der eigenen Geschlechterpräferenz liegen.72 Die sexuelle Orientierung ist daher keine Frage der Wahl, sondern sie stellt eine fest geprägte, biopsychosozial bedingte Normvariante menschlicher Liebesfähigkeit dar.73 In der modernen Sexualwissenschaft besteht mittlerweile Einigkeit darüber, daß die sexuelle Prägung eines Menschen irreversibel ist. In der gesamten seriösen wissenschaftlichen Literatur findet sich kein einziger Fall von umfassender Veränderung der sexuellen Vorliebe.74 Die in der Vergangenheit unternommenen
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Vgl. dazu Teil I § 5 IV.4., S. 69 f. Vgl. Braun, JZ 2002, 23 (28 f.), der davon spricht, daß es eine Auffassung gebe, nach der die von der Natur mitgegebene homosexuelle Orientierung nicht geändert werden könne und müsse. Vgl. auch ders., Eingetragene Lebenspartnerschaft und Ehe, S. 72; ders., JuS 2003, 21 (24 m. Fn. 36). Wohl gegen die Annahme der Irreversibilität der sexuellen Orientierung auch Adomeit, NJW 2002, 1622; Vonholdt, BT-Rechtsausschußprot. 15/59 v. 18.10.2004, S. 86 f. Vgl. auch Reiche, Homosexualität und Homosexuelle, S. 231 f., der von Zwang und Triebschicksal spricht. Offenbar ohne die Rezeption sexualwissenschaftlicher Erkenntnisse die Aussage von Geis, in: ders., Homo-Ehe. Nein zum Ja-Wort aus christlicher Sicht, S. 27 (31), man könne der Homosexualität verfallen. Ebenso wohl auch Laun, a.a.O., S. 53 (57): Homosexualität als Sucht. Vgl. Bosinski, in: Bosinski/Kirchhof/Nave-Herz/Robbers/Rotter, „Eingetragene Lebenspartnerschaft“, S. 9 (13). Bange, in: Bange/Enders, Handbuch gegen sexuelle Gewalt gegen Jungen, S. 161 (171) m.w.N. Zum Schutz schwuler Jugendlicher vor Heterosexualisierungstherapien vgl. auch den Antrag von Abgeordneten und der Fraktion die Grünen, Abschaffung der rechtlichen Diskriminierung homosexueller Männer, BT-Drucks. 11/7197 v. 9.7.1990, S. 2.
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Versuche, Homosexuelle durch wie auch immer geartete Konversionstherapien „umzupolen“,75 müssen als aussichtslos gelten. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat diese Erkenntnisse rezipiert. In einem Urteil zum Asylersuchen eines iranischen Homosexuellen hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, daß es sich bei Homosexualität nicht um eine bloße Neigung handelt, der nachzugeben mehr oder weniger im Belieben des Betroffenen steht, sondern um eine irreversible Prägung im Sinne einer unentrinnbaren schicksalhaften Festlegung, die das Gefühlsleben einschließlich des sexuellen Verhaltens bestimmt.76 Auch im juristischen Schrifttum,77 in obergerichtlichen Judikaten78 und auf parlamentarischer Ebene79 ist anerkannt, daß die sexuelle Orientierung eines Menschen ein irreversibles Persönlichkeitsmerkmal ist, das ihm ohne eigenes Zutun schicksalhaft zufällt. Daher können homosexuelle Menschen, die ihren Kinderwunsch mittels Maßnahmen assistierter Reproduktion realisieren wollen, nicht darauf verwiesen werden, auf natürlichem Wege ein Kind zu zeugen. 5. Pädophilie und Ephebophilie Vor allem homosexuelle Männer werden immer wieder in Zusammenhang mit Pädophilie oder Ephebophilie gebracht.80 Selbst Teile des juristischen Schrifttums unterstellen Schwulen, in erster Linie an sexuellen Kontakten zu Knaben interessiert zu sein.81 Für die Frage nach dem Zugang zu Maßnahmen assistierter Repro-
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Die Vorstellung von einer umfassenden Veränderung der homosexuellen Orientierung genießt vor allem innerhalb evangelikal geprägter Glaubensrichtungen eine gewisse Popularität. BVerwGE 97, 143 (147). Risse, Der verfassungsrechtliche Schutz der Homosexualität, S. 22 f.; WellenhoferKlein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 1; Zimmermann, in: Festschr. f. Steinberger, S. 645 (656), (660); Schlüter/Heckes/Stommel, DEuFamR 2 (2000), 1 (8 m. Fn. 89); Bruns, ZRP 1996, 6 (8); Strick, DEuFamR 2 (2000), 82 (87); vgl. auch Freytag, DÖV 2002, 445 (447), (452). A.A. wohl Braun, JuS 2003, 21 (24 m. Fn. 36), der die Behauptung aufstellt, daß neuerdings die Unmöglichkeit gewollter Änderung der sexuellen Orientierung von namhaften Sexualwissenschaftlern in Frage gestellt werde. Eine Nennung der namhaften Sexualwissenschaftler zwecks Verifizierung dieser Behauptung unterbleibt jedoch. Zu dieser Argumentations- und Zitiertechnik von Braun auch Teil II § 7 II.5.b), S. 120 ff. Hanseatisches OLG Hamburg, FamRZ 1988, 106 (107) = NJW 1988, 977 (978). Dazu „Erster Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform“, BT-Drucks. 5/4094, S. 30 f. und „Viertes Gesetz zur Reform des Strafrechts“, BTDrucks. 6/3521, S. 32. Zu diesem Befund Fthenakis, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 351 (379); Lähnemann, Lesben und Schwule mit Kindern, S. 20; vgl. auch Groth/Birnbaum, 7 Arch. Sex. Behav. (1978), 175; Dimski, ZEuP 1995, 465 (474); Eggen, FamPra.ch 2007, 823 (824). Tröndle, ZRP 1992, 297 (298 f. m. Fn. 10), (299 f. m. Fn. 21), (300 m. Fn. 26), (301 m. Fn. 40); Braun, JZ 2002, 23 (28 ff.). Dazu Teil I § 6 II.4.d)(3)(a), S. 89 und Teil II § 7 II.5.a), S. 119 f.
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Teil I Grundlagen der gleichgeschlechtlichen Elternschaft
duktion ist daher zu klären, ob Kinder, die bei Homosexuellen aufwachsen, in höherem Maße dem Risiko sexuellen Mißbrauchs ausgesetzt sind. Als Pädophilie bezeichnet die Wissenschaft ein Sexualverhalten, bei dem sexuelle Erregung und Befriedigung überwiegend oder ausschließlich durch sexuelle Handlungen mit Kindern unter 14 Jahren gleich welchen Geschlechts erreicht werden. In einem engeren Sinne richtet sich ein pädophiles Begehren auf vorpubertäre Kinder.82 Unter Ephebophilie versteht man in der Sexualwissenschaft die (historische) Bezeichnung für ein überwiegendes oder ausschließliches Interesse an Sexualkontakten zu männlichen Adoleszenten.83 Es gibt sowohl pädophile Männer als auch pädophile Frauen. Allerdings findet sich eine pädophile Neigung weitaus häufiger bei Männern.84 Das Begehren kann sich bei Pädophilen entweder auf Kinder des anderen Geschlechts, auf Kinder des eigenen Geschlechts oder auf beide Geschlechter richten. Es gibt auch Männer, die heterosexuelle Kontakte zu erwachsenen Frauen haben und deren pädophile Neigung sich auf minderjährige Jungen richtet. Auch der umgekehrte Fall ist denkbar. Pädophilie und Ephebophilie sind von Homosexualität deutlich abzugrenzen.85 Nach humanwissenschaftlichen Erkenntnissen stehen sie in keinerlei Zusammenhang.86 Für die Behauptung, homosexuelle Menschen, insbesondere homosexuelle Männer, neigten eher zur Pädophilie oder Ephebophilie als Heterosexuelle, fehlt jeglicher Nachweis.87 Dieser Befund wird durch Erhebungen untermauert, nach denen sexuelle Belästigung und sexueller Mißbrauch von Kindern erwiesenermaßen am häufigsten von heterosexuell lebenden Männern an Mädchen verübt wer-
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Pschyrembel, Wörterbuch Sexualität, Stichwort: Pädophilie, S. 380; Bräutigam/Clement, Sexualmedizin im Grundriß, S. 145; Peters, Wörterbuch der Psychiatrie und der medizinischen Psychologie, Stichwort: Pädophilie, S. 368. Der Begriff geht auf Magnus Hirschfeld zurück, s. Pschyrembel, Wörterbuch Sexualität, Stichwort: Ephebophilie, S. 119; Bräutigam/Clement, Sexualmedizin im Grundriß, S. 149. Vgl. auch Peters, Wörterbuch der Psychiatrie und der medizinischen Psychologie, Stichwort: Ephebophilie, S. 159. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, Stichwort: Pädophilie, S. 1240. Vgl. auch Spencer/ Dunklee, 78 Pediatrics (1986), 133 (134). Zu pädophilen Frauen Stöckel, Pädophilie: Befreiung oder sexuelle Ausbeutung von Kindern, S. 31 ff. Ebenso Pätzold, FPR 2005, 269 (270); Willutzki, BT-Rechtsausschußprot. 15/59 v. 18.10.2004, S. 14. Bange, in: Bange/Enders, Handbuch gegen sexuelle Gewalt gegen Jungen, S. 161 (162), (171), (188) m.w.N.; Rauchfleisch, Alternative Familienformen, S. 55; Fthenakis, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 351 (380). Ihm folgend Pätzold, FPR 2005, 269 (270). So Stöckel, Pädophilie: Befreiung oder sexuelle Ausbeutung von Kindern, S. 80 m.w.N.; siehe auch U. Enders, in: Bange/Enders, Handbuch gegen sexuelle Gewalt gegen Jungen, S. 183 (187); Pätzold, FPR 2005, 269 (270); Willutzki und Dethloff, BTRechtsausschußprot. 15/59 v. 18.10.2004, S. 14 und S. 75. Aus dem US-amerikanischen Schrifttum vgl. Groth/Birnbaum, 7 Arch. Sex. Behav. (1978), 175 (180 f.); Sarafino, 58 Child Welfare (1979), 127 (132); Spencer/Dunklee, 78 Pediatrics (1986), 133 (135); Jenny/Roesler/Poyer, 94 Pediatrics (1994), 41 (44).
§ 4 Sexualwissenschaftliche Grundlagen
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den.88 Im übrigen finden sich ebensowenig Hinweise darauf, daß homosexuelle Mütter häufiger ihre Kinder sexuell mißbrauchen.89 Die US-amerikanischen Wissenschaftler Nicholas A. Groth und Jean H. Birnbaum kommen aufgrund ihrer über 12jährigen klinischen Erfahrung mit Männern, die Kinder sexuell belästigen, zu folgendem Schluß: „Homosexuality and homosexual pedophilia are not synonymous. In fact, it may be that these two orientations are mutually exclusive, the reason being that the homosexual male is sexually attracted to masculine qualities whereas the heterosexual male is sexually attracted to feminine characteristics, and the sexually immature child’s qualities are more feminine than masculine. […] The child offender who is also attracted to and engaged in adult sexual relationships is heterosexual. It appears, therefore, that the adult heterosexual male constitutes a greater sexual risk to underage children than does the adult homosexual male.“90 Diese Erkenntnisse der Humanwissenschaften wurden weitestgehend auch von der Rechtswissenschaft aufgenommen.91 6. „Promiskuität“ und „Partnermobilität“ Stabilität und Kontinuität im Hinblick auf das Verhältnis zu seinen Bezugspersonen sind für die Entwicklung eines Kindes von großer Bedeutung.92 Für sein Wohl kann es abträglich sein, wenn die Paarbeziehung, in der es aufwachsen soll, von vornherein nicht die Gewähr für eine längerfristige Anlage bietet. Ständige Partnerwechsel eines oder beider Elternteile könnten für die Stabilität der Beziehungen aller Beteiligten von Nachteil sein und es dem Kind erschweren, ein stabiles, zu eigener künftiger Partnerschaft befähigendes Partnerverhalten zu erlernen.93 Im juristischen Schrifttum wird gelegentlich die Behauptung aufgestellt, gleichgeschlechtliche Beziehungen seien prinzipiell weniger stabil als verschiedengeschlechtliche.94 In diesem Zusammenhang wird immer wieder der Begriff „Promiskuität“ bemüht. Während lesbische Frauen mit dieser Unterstellung kaum oder gar nicht konfrontiert werden, wird schwulen Männern häufig eine geradezu groteske Promis88
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Rauchfleisch, Alternative Familienformen, S. 54 f.; Lähnemann, Lesben und Schwule mit Kindern, S. 20; Pätzold, FPR 2005, 269 (270). Aus eigener juristischer Erfahrung als Bundesanwalt beim BGH Bruns, JZ 2002, 291 (292 f.). Aus dem US-amerikanischen Schrifttum Jenny/Roesler/Poyer, 94 Pediatrics (1994), 41 (44); Polikoff, 78 Geo.L.J. (1990), 459 (545 m.w.N. in Fn. 478). Vgl. Pätzold, FPR 2005, 269 (270). Groth/Birnbaum, 7 Arch. Sex. Behav. (1978), 175 (180 f.). Hervorhebung im Original. Bruns, ZRP 1993, 232; ders., JZ 2002, 291 (293); Hangartner, AJP 2001, 252 (259); Dopffel/Kötz/Scherpe, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 391 (408 f.). Vgl. auch die Kleine Anfrage von Abgeordneten und der Fraktion der Grünen, Homosexualität bei Erziehungspersonen, BT-Drucks. 11/5138 v. 6.9.1989, S. 1. Note, 102 Harv.L.Rev. (1988/1989), 1508 (1657); Baumann-Hölzle, in: Das Bundesministerium für Gesundheit, Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, S. 163 (166); Pätzold, FPR 2005, 269 (270) m.w.N. in Fn. 10. Dazu Holzhauer, JZ 2000, 1076 (1081), (1083). Beispielsweise von Finger, MDR 2001, 199 (202).
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Teil I Grundlagen der gleichgeschlechtlichen Elternschaft
kuität nachgesagt.95 Damit geht die Vorstellung einher, Schwule pflegten den Umgang mit einer außergewöhnlich hohen Zahl von wechselnden Sexualpartnern.96 Auch von Rechtswissenschaftlern wird diese Ansicht des öfteren vertreten, wobei allerdings eine kritische terminologische und inhaltliche Auseinandersetzung unterbleibt.97 Der Terminus „Promiskuität“ entstammt der Psychiatrie und wird dort als Unfähigkeit verstanden, aus inneren Gründen eine längerfristige Liebesbeziehung einzugehen. Mit dieser Beziehungsunfähigkeit kann ein häufiger Wechsel der Sexualpartner einhergehen, wenngleich dies nicht zwingend der Fall sein muß. Es gibt durchaus sich promiskuitiv verhaltende Menschen, die nur wenige oder gar keine Sexualpartner haben. Tatsächlich weist diese Personengruppe aber in der Regel eine höhere Zahl von wechselnden Sexualpartnern auf. Von einer hohen Zahl von Sexualpartnern vermag aber umgekehrt auch nicht automatisch auf die Beziehungsunfähigkeit einer Person geschlossen zu werden.98 Faktisch kann gemessen an der Beziehungsdauer nicht davon ausgegangen werden, daß sich homosexuelle Männer und Frauen in höherem Maße promiskuitiv verhalten als heterosexuelle Männer und Frauen. Zwar gestalten sich schwule Partnerschaften in der Tat in einem höheren Ausmaß nichtmonogam als das bei der heterosexuellen Mehrheit der Fall ist. Dieser Befund läßt aber noch nicht den Schluß auf eine bei diesen Männern vorliegende Promiskuität zu. Vielmehr muß, wie der Sexualwissenschaftler Martin Dannecker ausführt, bei einem Teil der 95
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Dies konstatiert Dannecker, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 335 (343); s.a. Zuck, NJW 1995, 175 (176); Kleinschmidt, ZRP 1993, 271 (272); Schimmel, Eheschließungen gleichgeschlechtlicher Paare?, S. 39; Wegner, ZfRSoz 16 (1995), 170 (173 ff.); Eggen, Baden-Württemberg in Wort und Zahl 2001, 579; Sielert, in: Keil/Haspel, Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften in sozialethischer Perspektive, S. 45. Für den außereuropäischen Raum Polikoff, 78 Geo.L.J. (1990), 459 (560, Fn. 553) und Dias, in: Bainham, The International Survey of Family Law 2003 Edition, S. 69 (75). Zuck, NJW 1995, 175 (176): man spreche von 500 bis 1000 „Partnern“. Ähnliche Zahlen bei Tröndle, ZRP 1992, 297 (301), der allerdings nicht den Begriff „Promiskuität“ verwendet. Pauschal Geis, in: ders.: Homo-Ehe. Nein zum Ja-Wort aus christlicher Sicht, S. 27 (30): „In dem Zusammenleben zweier gleichgeschlechtlicher Menschen treten zwangsläufig mit der Zeit große Probleme auf. Der Partnerwechsel ist bekanntlich sehr hoch.“ Unkritisch auch Steinmeister, ZRP 1996, 214 (215). Diederichsen, NJW 2000, 1841 (1843): krudeste Promiskuität; Rauscher, Familienrecht, Rdnr. 753 m. Fn. 90 (Rauscher beruft sich allerdings zu Unrecht auf Dopffel/Kötz/ Scherpe, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 391 [423], deren Ausführungen nicht entnommen werden kann, daß die von ihm behauptete monogame Stabilität/Neigung zu Promiskuität noch nicht erforscht sei); vgl. auch Wacke, FamRZ 1990, 347 (347 f.); Kaiser, FamRZ 2002, 866 (870); Risse, Der verfassungsrechtliche Schutz der Homosexualität, S. 76; Verschraegen, StAZ 1995, 225 (228); dies., DEuFamR 2 (2000), 64 (75 mit Fn. 112); Braun, Ehe und Familie am Scheideweg, S. 63. Vgl. zum ganzen Dannecker, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 335 (343); Zetkin/Schaldach, Wörterbuch der Medizin, Stichwort: Promiskuität, S. 1713 f.
§ 4 Sexualwissenschaftliche Grundlagen
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homosexuellen Männer von zwei gleichzeitig vorhandenen, oft realisierten Objektbeziehungsmodalitäten gesprochen werden. Es gibt Schwule, die fähig sind, eine konstante Beziehung zu einem Mann einzugehen und daneben gleichzeitig flüchtige sexuelle Kontakte zu anderen Männern zu haben.99 Das konstante Beziehungsobjekt, der sog. feste Freund, befriedigt Bedürfnisse nach dauerhaften sexuellen und zärtlichen Interessen und Strebungen, während der flüchtige sexuelle Kontakt der raschen Befriedigung des Sexualtriebes dient. Die Beziehung zum festen Freund ist psychisch und emotional hoch besetzt. Für die Sexualwissenschaft besteht kein Zweifel an der Liebes- und Beziehungsfähigkeit dieser homosexuellen Männer.100 Sexualität kann für sie auch außerhalb der Partnerschaft gelebt werden, ohne daß dies die Beziehung zum festen Freund in Frage stellt. Ein solches Verhalten, das bei homosexuellen Männern eher anzutreffen ist als bei anderen Kollektiven, läßt sich aber wesentlich präziser mit dem Begriff der „Partnermobilität“ erfassen. Dieser moderne Begriff aus der Sexualverhaltensforschung beschreibt in rein deskriptiver Weise die Häufigkeit des Partnerwechsels und die Dauer der Partnerschaften. Er ist deshalb vorzugswürdig, weil er im Gegensatz zum Begriff „Promiskuität“ nicht zugleich einen klinischen und damit letztlich psychopathologischen Befund impliziert. Über schwule Partnerschaften hinaus gilt es zu berücksichtigen, daß das Interesse an anonymen sexuellen Gelegenheitskontakten unabhängig von der sexuellen Orientierung bei Männern überdurchschnittlich ausgeprägter ist als bei Frauen101 und daß der Trend zu stärkerer Partnermobilität ein seit einigen Jahrzehnten allgemein zu beobachtendes Phänomen ist. Die erhöhte Partnermobilität bleibt nicht nur auf Schwule beschränkt, sondern ist vor allem im Jugendalter und bei Bevölkerungsgruppen mit liberaler Einstellung zur Sexualität anzutreffen. Auch lesbische und verschiedengeschlechtliche Beziehungen können offen gelebt werden. In der Literatur wird daher von einer Angleichung der Lebensstile gesprochen.102 M.E. liegt es nahe anzunehmen, daß sich eher solche Paare gemeinsam für ein Kind entscheiden, die auch zu einer exklusiven und monogamen Ausgestaltung 99
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Ausführlich dazu Bräutigam/Clement, Sexualmedizin im Grundriß, S. 212 f.; Kockott, Die Sexualität des Menschen, S. 109; vgl. auch Wegner, ZfRSoz 16 (1995), 170 (177); Dannecker, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 335 (343); Nave-Herz, Praxis der Rechtspsychologie 13 (2003), 45 (52). Dannecker, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 335 (343 f.); Kockott, Die Sexualität des Menschen, S. 102. Bosinski, in: Bosinski/Kirchhof/Nave-Herz/Robbers/Rotter, „Eingetragene Lebenspartnerschaft“, S. 9 (11). Bei Personengruppen mit starker religiöser Bindung ist die Partnermobilität geringer ausgeprägt. Vgl. zum ganzen Zetkin/Schaldach, Wörterbuch der Medizin, Stichwort: Partnermobilität, S. 1592 sowie Dannecker, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 335 (344): „Inzwischen sind jedoch auch die heterosexuellen Beziehungen von einem starken Subjektivierungsschub erfaßt, der diese tendenziell so fragil macht wie die Beziehungen der Homosexuellen.“ Zur Angleichung der Lebensstile in Dänemark Bech, AJP 2001, 264 ff. Vgl. zur Partnermobilität Heterosexueller auch den Sachverhalt, welcher der Entscheidung des OLG Stuttgart, JZ 1985, 848 ff. zugrundeliegt.
60
Teil I Grundlagen der gleichgeschlechtlichen Elternschaft
ihrer Partnerschaft tendieren. Denn mit dem gemeinsamen Wunsch nach einem Kind und dessen Realisierung wird eine weit in die Zukunft reichende Entscheidung getroffen, der als Basis das Fortdauern der elterlichen Beziehung zugrunde liegt. Durch ein gemeinsam gewünschtes Kind steigt die Verpflichtung der Eltern, die ihnen bestmöglichen Bedingungen für ein stabiles Umfeld und für ein gedeihliches Aufwachsen des Kindes zu schaffen. Diese Verpflichtung kann dann auch zu einer Verfestigung der Partnerschaft führen. Diese Vermutungen werden in gewisser Weise durch praktische Erfahrungen mit dem Eingehen rechtlicher Bindungen bei gleichgeschlechtlichen Paaren gestützt. So tendieren jene schwulen Paare, die ihre Beziehung monogam ausgestalten, am ehesten dazu, ihrer Partnerschaft einen rechtlichen Rahmen zu geben.103 Von daher kann von einer gewissen Korrelation zwischen monogamer Ausgestaltung der Partnerschaft und der Einbeziehung verfestigender und verpflichtender Elemente gesprochen werden.
IV. Zusammenfassung und Bewertung Die Inanspruchnahme der Deutungshoheit und Definitionskompetenz durch die medizinische Wissenschaft hatte zur Folge, daß Homosexualität lange Zeit als Krankheit angesehen wurde. Diese Sichtweise beeinflußte auch die allgemeine Vorstellung von Homosexualität. Mit den Entscheidungen der APA und der WHO wurde ab den 1970er Jahren diese Auffassung revidiert und Homosexualität entpathologisiert. Die gleichgeschlechtliche Partnerorientierung ist keine mentale Krankheit. Kinder, die von gleichgeschlechtlichen Eltern aufgezogen werden, finden prinzipiell die gleichen Bedingungen in bezug auf die psychische Verfassung ihrer Erziehungspersonen vor wie Kinder verschiedengeschlechtlicher Eltern.104 Die Darstellung der verschiedenen Theorien zur Ätiologie der Homosexualität hat gezeigt, daß es bislang keine überzeugende Erklärung dafür gibt, welche Umstände das Entstehen einer homosexuellen Orientierung bedingen. Die Theorien sind sich lediglich darin einig, daß die Disposition für die sexuelle Veranlagung schon früh in der Kindheit feststeht. Die Behauptung, Homosexualität werde über Vorbilder oder durch Verführung erworben, hält einer belastbaren Überprüfung nicht stand. Bisher wurde kein Nachweis für eine genetische Disposition als Ursache der homosexuellen Orientierung erbracht. Die homosexuelle Orientierung eines Menschen stellt keine Neigung dar, der nachzugehen mehr oder weniger in das Belieben des Einzelnen gestellt ist, sondern ist eine schicksalhafte und unumkehrbare Festlegung. Mittels therapeutischer Intervention kann keine heterosexuelle Partnerorientierung herbeigeführt werden. Vor diesem Hintergrund können homosexuelle Personen zur Realisierung ihres Kinderwunsches weder darauf verwiesen werden, daß es in ihrem freien Belieben stünde, sich heterosexuell zu verhalten und auf natürlichem Wege ein Kind zu zeugen, noch kommt eine Umkehrung der sexuellen Orientierung in Betracht, um 103
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Vgl. A. Klein, FPR 2001, 434 m. Fn. 5. Allgemein auch Vaskovics, Praxis der Rechtspsychologie 13 (2003), 56 (60). Vgl. auch Teil I § 2 II.2.c), S. 17 f. Belling, in: Landschaftsverband Rheinland, Gleichgeschlechtliche Paare leben mit Kindern, S. 7 (10).
§ 4 Sexualwissenschaftliche Grundlagen
61
danach aufgrund einer gleichsam „optimierten“ sexuellen Ausgangslage ein Kind zu zeugen. Zur Realisierung des Kinderwunsches mit dem Ziel eines Wunschelternteils, genetische Mutter oder genetischer Vater eines Kindes zu sein, sind gleichgeschlechtliche Paare daher auf die Methoden der assistierten Reproduktion angewiesen. Homosexuelle sind ebenso liebes- und bindungsfähig wie Heterosexuelle. Insofern können auch gleichgeschlechtliche Elternpaare ihren Kindern ausreichende Vorbilder für eine geglückte Partnerschaft bieten, die auf gegenseitiger Zuneigung und Liebe aufgebaut ist. Die vor allem homosexuellen Männern immer wieder unterstellte Promiskuität läßt sich wissenschaftlich nicht erhärten und muß als unbegründete Annahme qualifiziert werden. Kindern, die bei gleichgeschlechtlichen Eltern aufwachsen, droht auch kein gesteigertes Risiko, Opfer innerfamiliären sexuellen Mißbrauchs zu werden. Wie die Forschung gezeigt hat, sind homosexuelle Personen, insbesondere homosexuelle Männer, nicht in größerem Ausmaß an sexuellen Kontakten zu Kindern und Jugendlichen interessiert, als dies bei Heterosexuellen der Fall ist. Nach empirischen Studien werden Kinder, die in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften oder bei homosexuellen Einzelpersonen aufwachsen, nicht häufiger selbst homosexuell als andere Kinder. Selbst wenn es erwiesen wäre, daß die Homosexualität der Eltern eine gleichgeschlechtliche sexuelle Präferenz begünstigt, könnten daraus abgeleitete Bedenken gegen den Zugang lesbischer und schwuler Paare zu Maßnahmen assistierter Reproduktion nicht überzeugen, weil sie von der illegitimen Prämisse ausgehen, Homosexualität sei ein unerwünschtes und deshalb nach Möglichkeit zu vermeidendes Persönlichkeitsmerkmal. Solche Überlegungen müssen sich den bereits im Zusammenhang mit der Darstellung der verschiedenen Theorien zur Genese der Homosexualität eingeführten Vorwurf gefallen lassen, daß sie einem antihomosexuellen Reflex entspringen, gesellschaftliche Anstrengungen zur Akzeptanz blockieren und Homosexualität erneut pathologisieren.105
105
Vgl. nochmals die Nachweise oben in Fn. 40.
§ 5 Entwicklungspsychologische Grundlagen I. Einleitung Keine andere private Lebensform löst vermutlich solche heftigen Emotionen und ideologisch begründeten Diskussionen aus wie gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften mit Kindern. Im Hinblick auf die westlichen Familienformen gehören die Auseinandersetzungen um die zunehmende gesellschaftliche Anerkennung und rechtliche Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Eltern und ihrer Kinder wohl zu den dramatischsten und am heftigsten umstrittenen Entwicklungen. Immerhin stehen tiefsitzende kulturelle Überzeugungen zur Diskussion und damit zur Disposition. Bei diesen Überzeugungen handelt es sich um Gewißheiten über Geschlecht, Sexualität, Ehe und Elternschaft.1 Das Aufwachsen von Kindern in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften begegnet daher häufig dem Einwand, dies könne einer gedeihlichen Entwicklung des Kindes nicht zuträglich sein. Mit diesem Einwand ist aus juristischer Perspektive das Kriterium des Kindeswohls angesprochen, von dem die Zulassung gleichgeschlechtlicher Paare zu Maßnahmen assistierter Reproduktion abhängig gemacht werden soll. Es wird zwar noch auszuführen sein, daß nach hier vertretener Auffassung das Kindeswohl kein taugliches Kriterium für die Frage nach dem Zugang zu reproduktionsmedizinischen Maßnahmen darstellt, weil es nicht im Interesse eines Kindes liegen kann, nicht gezeugt und geboren zu werden.2 Gleichwohl spielt dieser Aspekt in der allgemeinen Debatte und auch in einem zu erwartenden rechtspolitischen Diskurs eine herausgehobene Rolle. Im Schrifttum und in Teilen der Rechtsprechung wird die Berücksichtigung des Kindeswohls als legitimer gesetzgeberischer Ansatz angesehen.3 In der Diskussion um ein Fortpflanzungsmedizingesetz, das auch die Voraussetzungen der Zulassung gleichgeschlechtlicher Paare zu regeln hätte, wird im juristischen Schrifttum das Kindeswohl als bedeutsame Richtschnur angesehen.4 In ihrer (Muster-) Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion hebt die Bundesärztekammer das Kindeswohl als zentrales Kriterium hervor.5 Ferner halten auch ausländische Rechtsordnungen, etwa Großbritannien, Israel oder die Schweiz, dieses Kriterium für maßgeblich.6 Wegen der rechtspolitischen Relevanz der Kindeswohlargumentation im vorliegenden Kontext soll daher im folgenden der Stand 1
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Eggen, Praxis der Rechtspsychologie 13 (2003), 25 (30); Stacey/Biblarz, 66 American Sociological Review (2001), 159 (159 f.). Vgl. auch Donovan, 3 Sexualities (2000), 149 (150 ff.); Clarke, 24 Women’s Studies International Forum (2001), 555 ff. Vgl. Teil IV § 10 IV.3.a), S. 250 f. So VGH Kassel, NJW 1988, 1281 (1284) im Zusammenhang mit der Ersatzmutterschaft. Laufs, Auf dem Wege zu einem Fortpflanzungsmedizingesetz?, S. 43. Vgl. auch ders., NJW 1991, 1516 (1518). Siehe Vorstand der BÄK, (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion v. 17. Februar 2006, DÄBl-A 2006, 1392 ff., wo das Kindeswohl an zahlreichen Stellen des Dokuments genannt wird. Ben-Am, Gespaltene Mutterschaft, S. 36 mit umfangreichen weiteren Nachweisen in den Fn. 57–59 sowie S. 179 f.
§ 5 Entwicklungspsychologische Grundlagen
63
der entwicklungspsychologischen Erkenntnisse zum Aufwachsen von Kindern bei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften dargestellt werden. Diesen Ausführungen sind Überlegungen zu einem brauchbaren Maßstab vorangestellt, anhand dessen die Zuträglichkeit für das Kindeswohl beurteilt werden kann.
II. Maßstab Sofern man die Entwicklung von Kindern in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften als entscheidungsrelevant für den Zugang zu fortpflanzungsmedizinischen Maßnahmen hält, ist es notwendig, einen Maßstab zu finden, der eine Aussage darüber zuläßt, wann von einer Gefährdung des Kindeswohls ausgegangen werden muß und die Zulassung abzulehnen ist. Hierbei kann nicht bereits jede nachteilige Abweichung im Vergleich zu verschiedengeschlechtlichen oder alleine zuständigen Erziehungspersonen zu einer Versagung führen. Vielmehr muß generell eine deutliche negative Abweichung vorliegen, die auch üblicherweise dazu führt, eine Erziehungsperson als ungeeignet anzusehen. Eine Orientierungshilfe bei der Suche eines sachgerechten Maßstabes bietet § 1666 Abs. 1 BGB, wonach das Familiengericht bei Gefährdung des Kindeswohls geeignete Maßnahmen gegenüber den Eltern bis hin zur Entziehung der Personensorge treffen kann. Voraussetzung ist eine Gefährdung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes durch mißbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung des Kindes, durch unverschuldetes Versagen der Eltern oder durch das Verhalten eines Dritten. Zudem dürfen die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sein, die Gefahr abzuwenden oder die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Die Konkretisierung des Kindeswohlbegriffs bereitet jenseits klarer Tatbestände – dazu zählen nach Schwab Gesundheitsgefährdung, Verwahrlosung, seelische Grausamkeit, Anleitung zu Kriminalität und Prostitution7 – in einer wertepluralistischen Gesellschaft Schwierigkeiten. Als Ziele der Erziehung eines Kindes können allgemein angesehen werden die innere und äußere Selbständigkeit, die auch das berufliche Feld umfaßt, die Entwicklung der sozialen Fähigkeiten wie die Integrationsfähigkeit in das soziale Leben und die Achtung der Rechtsgüter anderer sowie die Entfaltung des geistigen und seelischen Potentials. Im Rahmen des § 1666 BGB ist zu berücksichtigen, daß solche Zielsetzungen niemals vollständig erreicht werden und daher nur grobe Zielverfehlungen Anlaß für staatliches Einschreiten sein können.8 Diese Vorgaben bieten einen sinnvollen Maßstab, um das im vorliegenden Zusammenhang ohnehin umstrittene Kindeswohlkriterium handhaben zu können. Daher ist im folgenden zu untersuchen, ob das Aufwachsen von Kindern in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften generell eine Kindeswohlgefährdung befürchten läßt, die unter Orientierung an den Maßstäben des § 1666 BGB dazu führen müßte, den Zugang zu Maßnahmen assistierter Reproduktion für gleichgeschlechtliche Paare zu untersagen.
7 8
Schwab, Familienrecht, Rdnr. 636. Ebenda.
64
Teil I Grundlagen der gleichgeschlechtlichen Elternschaft
III. Methodische Aspekte der Studien Die zur Verfügung stehenden Untersuchungen, die im folgenden referiert werden, stammen überwiegend aus dem anglo-amerikanischen Raum.9 Die vorliegende deutschsprachige Literatur zur Frage gleichgeschlechtlicher Elternschaft kann nicht auf eigene Forschungen zurückgreifen, sondern analysiert diese Studien und faßt sie zusammen.10 Es besteht jedoch Einigkeit, daß die Ergebnisse prinzipiell auch auf die Situation in Deutschland und das übrige Kontinentaleuropa übertragen werden können, weil große Ähnlichkeiten hinsichtlich der gesellschaftlichen Emanzipation und sozialen Ausdifferenzierung gleichgeschlechtlicher Lebensformen bestehen. Ferner findet sich auch eine weitgehende Übereinstimmung im Hinblick auf das Werte- und Rechtssystem, den Grad der Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern und anderer sozialer und sozialpsychologischer Lebensbedingungen.11 Die Anzahl der untersuchten Personen ist bei den meisten Studien relativ klein. Daher ist die Datenmenge zumeist nicht ausreichend für die Anwendung statistischer Prüfverfahren. Allerdings ergibt die hohe Übereinstimmung zwischen den einzelnen Ergebnissen der unterschiedlichen Studien eindeutige Trends zu den Fragestellungen des Themas. In vielen Studien wurden die Kinder homosexueller Eltern nur einmalig als Kinder oder Jugendliche befragt.12 Insgesamt gibt es wenig Untersuchungen über schwule Väter. Dies wird damit erklärt, daß die meisten Kinder schwuler Väter aus einer vorangegangenen verschiedengeschlechtlichen Beziehung stammen und nach der Trennung der Eltern bei der Mutter verbleiben. Homosexuelle Väter halten dann wie heterosexuelle Väter über Besuche, gemeinsame Wochenenden und Ferien den Kontakt.13 Zu berücksichtigen ist ferner, daß die Eltern vieler Studien einer Übergangsphase homosexuell orientierter Frauen und Männer angehören, die in einer verschiedengeschlechtlichen Beziehung Eltern wurden. Bevor oder nachdem sich diese Eltern zu ihrer homosexuellen Identität bekannten, wurde die Beziehung 9
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Ausnahmen bilden Untersuchungen aus Belgien bzw. den Niederlanden: Brewaeys/ Ponjaert/van Hall/Golombok, 12 Hum. Reprod. (1997), 1349 ff.; Vanfraussen/Ponjaert-Kristoffersen/Brewaeys, 73 Amer. J. Orthopsychiat. (2003), 78 ff. Rauchfleisch, Alternative Familienformen, S. 41–83; vgl. auch ders., FamPra.ch 2004, 507 (509 ff.), (516 f.); Lähnemann, Lesben und Schwule mit Kindern; Fthenakis, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 351–389; Berger/Reisbeck/Schwer, Lesben – Schwule – Kinder, 2000; Belling, in: Landschaftsverband Rheinland, Gleichgeschlechtliche Paare leben mit Kindern, S. 7–15. Aus der juristischen Literatur, die sich auf diese Studien bezieht: Dittberner, Lebenspartnerschaft und Kindschaftsrecht, S. 152 ff.; Sickert, Die lebenspartnerschaftliche Familie, S. 34 ff.; Pätzold, FPR 2005, 269 ff.; dies., Die gemeinschaftliche Adoption Minderjähriger durch eingetragene Lebenspartner, S. 112 ff. Berger/Reisbeck/Schwer, Lesben – Schwule – Kinder, S. 31 f. Die Studie von Golombok/Tasker, 32 Developmental Psychology (1996), 3 ff. stellt insofern eine Ausnahme dar. Berger/Reisbeck/Schwer, Lesben – Schwule – Kinder, S. 30 f. Vgl. auch Stacey/Biblarz, 66 American Sociological Review (2001), 159 (166 f.); Eggen, Praxis der Rechtspsychologie 13 (2003), 25 (31).
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aufgelöst. Im Zuge der sozialen Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Lebensweisen dürfte es künftig immer weniger Kinder homosexueller Eltern geben, die aus einer vornehmlich aus Gründen der sozialen Erwünschtheit zustandegekommenen verschiedengeschlechtlichen Verbindung stammen.14 Darauf deutet auch der seit den 1990er Jahren zu beobachtende „lesbian baby boom“15 hin. Im Zuge dieser Entwicklung sind eine Reihe von Studien entstanden, bei denen das Kind in eine lesbische Partnerschaft geboren wurde.16 Aus soziologischer Sicht wird an den Studien kritisiert, daß sie die Elternschaft verschiedengeschlechtlicher Paare als Goldstandard postulieren.17 Daher nähmen viele Untersuchungen eine defensive Haltung ein. Durch ein solches hierarchisches Forschungsdesign werde die Chance vertan, Unterschiede nicht als Defizite, sondern als Hinweise auf die familiale Vielfalt moderner Gesellschaften zu sehen.18 Die meisten Metastudien berücksichtigen jedoch im Rahmen ihrer Reanalyse der verfügbaren Forschungsevidenz die genannten Einschränkungen und kommen im wesentlichen zu übereinstimmenden Ergebnissen.19
IV. Studienergebnisse 1. Psychosexuelle Entwicklung In gleichgeschlechtlichen Partnerschaften wachsen Kinder ohne einen gegengeschlechtlichen Elternteil auf. Unter dem Eindruck traditioneller Familienbilder wird vielfach behauptet, ein Kind müsse bei einem Vater und einer Mutter aufwachsen, um sich gedeihlich zu entwickeln. Bei dieser Annahme spielt häufig 14 15 16
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Eggen, Praxis der Rechtspsychologie 13 (2003), 25 (31). Vgl. zu diesem Begriff nur Patterson, 31 Developmental Psychology (1995), 115 ff. Flaks/Ficher/Masterpasqua/Joseph, 31 Developmental Psychology (1995), 105 ff.; Brewaeys/Ponjaert/van Hall/Golombok, 12 Hum. Reprod. (1997), 1349 ff.; Chan/ Raboy/Patterson, 69 Child Development (1998), 443 ff.; Dundas/Kaufman, 40 (2) Journal of Homosexuality (2000), 65 ff.; Vanfraussen/Ponjaert-Kristoffersen/Brewaeys, 73 Amer. J. Orthopsychiat. (2003), 78 ff. Vgl. auch Golombok/Tasker, 9 Hum. Reprod. (1994), 1972 ff. Allerdings wird gerade in der US-amerikanischen rechtswissenschaftlichen Literatur von einigen Autoren die verschiedengeschlechtliche Elternschaft als Maß der Dinge angesehen, so vor allem Wardle, U.Ill.L.Rev. (1997), 833 (860). Sehr kritisch dazu Stacey/Biblarz, 66 American Sociological Review (2001), 159 (162). Ausführlich Stacey/Biblarz, 66 American Sociological Review (2001), 159 (167 ff.), (177 f.); vgl. auch Eggen, Praxis der Rechtspsychologie 13 (2003), 25 (31); ders., FamPra.ch 2007, 823 (824); Clarke, 24 Women’s Studies International Forum (2001), 555 (567). Eggen, Praxis der Rechtspsychologie 13 (2003), 25 (32) nennt die Analysen von Stacey/Biblarz, 66 American Sociological Review (2001), 159 ff., Berger/Reisbeck/ Schwer, Lesben – Schwule – Kinder und Fthenakis, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 351 ff. Diese kommen in weiten Teilen zu den gleichen Ergebnissen wie die daneben in Fn. 10 genannten Studien. Vgl. auch Vanfraussen/Ponjaert-Kristoffersen/Brewaeys, 73 Amer. J. Orthopsychiat. (2003), 78 (87).
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Teil I Grundlagen der gleichgeschlechtlichen Elternschaft
auch das Vorurteil eine Rolle, Lesben trügen mehr männliche Züge als heterosexuelle Frauen und Schwule wiesen mehr weibliche Züge als heterosexuelle Männer auf. Daraus leitet sich die Befürchtung ab, daß Kinder gleichgeschlechtlicher Eltern eher Schwierigkeiten mit der adäquaten Geschlechtsrollenübernahme haben und daneben auch Probleme mit der sexuellen Orientierung auftreten könnten, als dies bei Kindern der Fall ist, die bei verschiedengeschlechtlichen heterosexuellen Eltern aufwachsen. Diese Vorurteile entsprechen jedoch nicht der Realität homosexueller Menschen. So sind schwule Männer in ihrer Geschlechtsidentität wie heterosexuelle Männer eindeutig männlich geprägt. Lesben zweifeln ebensowenig wie heterosexuelle Frauen an ihrem Frau-Sein. Das Fehlen der elterlichen Geschlechterpolarität wird in der Entwicklungspsychologie in erster Linie unter dem Aspekt der psychosexuellen Entwicklung des Kindes untersucht. Dabei werden drei Ebenen unterschieden: die Geschlechtsidentität, das geschlechtsspezifische Rollenverhalten und die sexuelle Orientierung.20 a) Geschlechtsidentität Der Begriff Geschlechtsidentität bezeichnet, ob eine Person ein männliches oder ein weibliches Selbstbild entwickelt, d.h. ob sie sich selbst als männlich oder weiblich identifiziert.21 Für den vorliegenden Zusammenhang ist für den Begriff „Geschlecht“ von einer sozialen Kategorie auszugehen, die am biologischen Geschlecht unterschiedliche Etikettierungen für Jungen und Mädchen statuiert. Die männliche bzw. weibliche Sozialisation steht in direktem Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Arbeitsteilung und den damit verbundenen Rollen- und Charaktereigenschaften. Sich selbst in diese Dichotomie einzufügen, wird in der Entwicklungspsychologie als wichtige Anpassungsleistung bzw. eine notwendige Aneignung gesellschaftlicher Realität angesehen, die sehr früh angelegt wird.22 Die bislang verfügbare Forschungsevidenz zeigt keine Anhaltspunkte dafür, daß Kinder in lesbischen Partnerschaften Probleme mit ihrer Geschlechtsidentität aufweisen. Die Jungen identifizierten sich als männlich, die Mädchen als weiblich.23 Es besteht daher in der Entwicklungspsychologie Einigkeit darüber, daß sich die kindliche Geschlechtsidentität bei gleichgeschlechtlichen Eltern adäquat entwikkelt.24 Dies überrascht nicht, denn einerseits leben auch Lesben und Schwule ihren 20 21
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Berger/Reisbeck/Schwer, Lesben – Schwule – Kinder, S. 16 f. Pschyrembel, Wörterbuch Sexualität, Stichwort: sexuelle Identität, S. 234; Belling, in: Landschaftsverband Rheinland, Gleichgeschlechtliche Paare leben mit Kindern, S. 7 (13). Berger/Reisbeck/Schwer, Lesben – Schwule – Kinder, S. 17. Green/Mandel/Hotvedt/Gray/Smith, 15 Arch. Sex. Behav. (1986), 167 (180); Golombok/Spencer/Rutter, 24 J. Child Psychol. Psychiat. (1983), 551 (562 ff.); Kirkpatrick/ Smith/Roy, 51 Amer. J. Orthopsychiat. (1981), 545 (548), (551); Tasker/Golombok, 65 Amer. J. Orthopsychiat. (1995), 203 (204); Golombok/Tasker, 32 Developmental Psychology (1996), 3 (7). Fthenakis, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 351 (383); Berger/Reisbeck/Schwer, Lesben – Schwule – Kinder, S. 18; Belling, in: Landschaftsverband Rheinland, Gleichgeschlechtliche Paare leben mit Kindern, S. 7 (13); Lähnemann, Lesben und Schwule mit Kindern, S. 25, 29 f.; vgl. auch Rauchfleisch, Alternative Familienformen, S. 47 f.
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Kindern eine weibliche bzw. männliche Identität vor, andererseits sind die Einflüsse der Umwelt neben der Kernfamilie sehr stark. In der Regel haben die Mütter und Väter auch Freunde und Verwandte des anderen Geschlechts, die als Identifikationsfiguren dienen können.25 Es wurde beispielsweise festgestellt, daß in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft lebende lesbische Mütter häufige und intensive Beziehungen ihrer Kinder zu anderen männlichen Familienangehörigen und männlichen Freunden besonders fördern. Im sozialen Netzwerk von Lesben finden sich Männer wie Frauen als wichtige Bezugspersonen, deren Kontakte zu den Kindern sich positiv auf die kindliche Entwicklung auswirken.26 Daher wachsen auch Kinder gleichgeschlechtlicher Eltern in aller Regel in einer verschiedengeschlechtlichen sozialen Umwelt auf. b) Geschlechtsspezifisches Rollenverhalten Unter geschlechtsspezifischem Rollenverhalten versteht man jene Merkmale im Verhalten, worin sich die Geschlechter eines bestimmten Kulturkreises unterscheiden. Dabei geht es um die Gesamtwirkung einer Vielzahl von Eigenschaften, Anschauungen und Verhaltensweisen, die einem Individuum dazu dienen, sich gegenüber sich selbst und der Umgebung als maskulin oder feminin darzustellen.27 Das geschlechtsspezifische Rollenverhalten von Kindern wurde anhand von Spielen, Spielzeug, der Wahl von Fernsehprogrammen und der Identifizierung mit Fernsehhelden untersucht. Die verschiedenen Studien an Kindern lesbischer und heterosexueller Mütter zeigten keine Unterschiede zwischen beiden Gruppen. Die Jungen wiesen ein Rollenverhalten auf, das herkömmlich als typisch männlich gilt, die Mädchen verhielten sich typisch weiblich.28 c) Sexuelle Orientierung Es wurde bereits an anderer Stelle erörtert, daß die sexuelle Orientierung nicht über Vorbilder gleichgeschlechtlicher Eltern oder homosexueller Einzelpersonen erworben wird.29 Dieser Befund wird durch die vorliegenden entwicklungspsychologischen Studien empirisch bestätigt.30 Danach werden Kinder homosexueller 25
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Lähnemann, Lesben und Schwule mit Kindern, S. 29 f.; Patterson/Hurt/Mason, 63 Amer. J. Orthopsychiat. (1998), 390 (396), (398). Golombok/Spencer/Rutter, 24 J. Child Psychol. Psychiat. (1983), 551 (561 f.), (569 f.); Rauchfleisch, Alternative Familienformen, S. 79 m.w.N.; Patterson/Hurt/Mason, 63 Amer. J. Orthopsychiat. (1998), 390 (391), (398); Berger/Reisbeck/Schwer, Lesben – Schwule – Kinder, S. 25 m.w.N. Berger/Reisbeck/Schwer, Lesben – Schwule – Kinder, S. 17; Pschyrembel, Wörterbuch Sexualität, Stichwort: Geschlechtsrolle, S. 176. Hoeffer, 51 Amer. J. Orthopsychiat. (1981), 536 (542); Golombok/Spencer/Rutter, 24 J. Child Psychol. Psychiat. (1983), 551 (562 ff.); Green/Mandel/Hotvedt/Gray/Smith, 15 Arch. Sex. Behav. (1986), 167 (180); Tasker/Golombok, 65 Amer. J. Orthopsychiat. (1995), 203 (204). Vgl. Teil I § 4 III.2.d), S. 51 f. Rauchfleisch, Alternative Familienformen, S. 77 m.w.N.; Belling, in: Landschaftsverband Rheinland, Gleichgeschlechtliche Paare leben mit Kindern, S. 7 (14). Zur gleichgeschlechtlichen Elternschaft von Lesben Kirkpatrick/Smith/Roy, 51 (3) Amer. J. Orthopsychiat. (1981), 545 (551); Golombok/Spencer/Rutter, 24 J. Child Psychol. Psy-
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Eltern mit der gleich großen Wahrscheinlichkeit homosexuell wie Kinder, die bei heterosexuellen Eltern aufwachsen. Eine Studie bei lesbischen Müttern hat gezeigt, daß deren Kinder grundsätzlich offener gegenüber Homosexualität und eigenen homosexuellen Erfahrungen sind als andere Kinder, ohne deshalb selbst eine gleichgeschlechtliche Orientierung aufzuweisen. Die Autorinnen der Studie erklären sich diesen Umstand mit einer prinzipiell liberaleren Einstellung der Töchter und Söhne von Lesben, die jedoch nicht mit einer tatsächlichen homosexuellen Partnerorientierung einhergehen muß.31 2. Persönlichkeitsentwicklung Die Untersuchung der Persönlichkeitsentwicklung zeigte, daß Kinder, die bei gleichgeschlechtlichen Eltern aufwachsen, sich in ihrer psychischen Gesundheit nicht von Kindern verschiedengeschlechtlicher Eltern unterschieden. Es konnten keine Abweichungen im Hinblick auf Verhaltensauffälligkeiten, die generelle Identitätsentwicklung, moralische Einstellungen und Intelligenz sowie Beziehungen zu Gleichaltrigen festgestellt werden. Es fanden sich auch keine Unterschiede hinsichtlich Prävalenz, Grad und Art emotionaler Auffälligkeiten oder Verhaltensstörungen oder im Hinblick auf das Selbstkonzept dieser Kinder.32 3. Beziehungen zur sozialen Umwelt Die Befürchtung, Kinder gleichgeschlechtlicher Eltern könnten sich von Gleichaltrigen zurückziehen und sich wegen der Homosexualität ihrer Eltern sozial isolieren, hält einer empirischen Überprüfung nicht stand. Verschiedene Studien untersuchten die Beziehungen der Kinder lesbischer Mütter zu Gruppen von Gleichaltrigen. Sie förderten keine Schwierigkeiten in der Gruppenbeziehung zutage und kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis unauffälliger Kontakte.33
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chiat. (1983), 551 (568 f.); Green, 135 Am. J. Psychiatry (1978), 692 (695 ff.). Zum ganzen auch Green/Mandel/Hotvedt/Gray/Smith, 15 Arch. Sex. Behav. (1986), 167 (181); Golombok/Tasker, 32 Developmental Psychology (1996), 3 (8). Vgl. auch Eggen, FamPra.ch 2007, 823 (830). Tasker/Golombok, 65 Amer. J. Orthopsychiat. (1995), 203 (212) sowie Golombok/ Tasker, 32 Developmental Psychology (1996), 3 (7), (9). Vgl. auch Stacey/Biblarz, 66 American Sociological Review (2001), 159 (170 f.), (176); Berger/Reisbeck/Schwer, Lesben – Schwule – Kinder, S. 19; Eggen, Praxis der Rechtspsychologie 13 (2003), 25 (32); ders., FamPra.ch 2007, 823 (831). Golombok/Spencer/Rutter, 24 J. Child Psychol. Psychiat. (1983), 551 (565), (568 f.); Green/Mandel/Hotvedt/Gray/Smith, 15 Arch. Sex. Behav. (1986), 167 (174), (180); Patterson, 63 Child Development (1992), 1025 (1033); Lähnemann, Lesben und Schwule mit Kindern, S. 23; Fthenakis, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 351 (376); Berger/Reisbeck/ Schwer, Lesben – Schwule – Kinder, S. 20. Vgl. auch Rauchfleisch, Alternative Familienformen, S. 77 f.; Belling, in: Landschaftsverband Rheinland, Gleichgeschlechtliche Paare leben mit Kindern, S. 7 (14); Eggen, FamPra.ch 2007, 823 (830). Green, 135 Am. J. Psychiatry (1978), 692 (695 ff.); Golombok/Spencer/Rutter, 24 J. Child Psychol. Psychiat. (1983), 551 (568), (571); Green/Mandel/Hotvedt/Gray/Smith,
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Ferner zeigten die Kinder im Kindesalter und in der Adoleszenz einen Grad an Selbstbewußtsein, wie er auch bei Kindern verschiedengeschlechtlicher Eltern zu finden war.34 Daraus folgern Entwicklungspsychologen, daß die Entwicklung eines Kindes in lesbischen oder schwulen Elternhäusern nicht beeinträchtigt ist, und daß diese Kinder Beziehungen haben, die sich nicht von denen der Kinder heterosexueller bzw. verschiedengeschlechtlicher Eltern unterscheiden.35 In einigen Bereichen der sozialen Kompetenz schnitten Kinder lesbischer und schwuler Eltern den Studien zufolge sogar besser ab als ihre Altersgenossen. Die Kinder entwickelten ein größeres Maß an Toleranz und Einfühlungsvermögen gegenüber anderen Menschen. Daneben lernten sie in Zwei-Mütter- und ZweiVäter-Familien einen wesentlich partnerschaftlicheren Beziehungsstil kennen, der sie in späteren Beziehungen eher zum Aufbau einer egalitären Paarbindung befähigen dürfte. Dies ist insoweit plausibel, als sich das Beziehungsmodell bei gleichgeschlechtlichen Paaren an der Gleichberechtigung und an der Gleichbefähigung beider Partnerinnen und Partner orientiert.36 Im Gegensatz zu verschiedengeschlechtlichen Beziehungen kann bei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften die Hierarchie und die Machtposition nicht am Geschlecht festgemacht werden, weshalb es nicht zu einer bei verschiedengeschlechtlichen Paaren öfters anzutreffenden patriarchalen Familienstruktur mit ihrer einseitigen Machtzuschreibung zugunsten des Mannes kommt.37 4. Bedeutung des Coming Out der Eltern Die überwiegende Zahl der Studien untersuchte Kinder, die aus einer vorangegangenen verschiedengeschlechtlichen Beziehung stammten. Sie hatten sich mit der Trennung der Eltern und mit der für sie neuen Tatsache der Homosexualität eines Elternteils auseinanderzusetzen. Die Entwicklung dieser Kinder verlief grundsätzlich besser, wenn sich der Elternteil zu seiner Homosexualität bekannte und offen damit umging.38 Bei gleichgeschlechtlichen Paaren, die sich gemeinsam zur Realisierung ihres Kinderwunsches entscheiden, fallen diese das Kind potentiell belastenden Faktoren weg. Denn das Kind muß nicht die Trennung seiner Bezugspersonen bewältigen und sich mit der Homosexualität eines Elternteils, die Ursache für die Tren-
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15 Arch. Sex. Behav. (1986), 167 (182); Patterson, 63 Child Development (1992), 1025 (1033 f.); Berger/Reisbeck/Schwer, Lesben – Schwule – Kinder, S. 21. Tasker/Golombok, 65 Amer. J. Orthopsychiat. (1995), 203 (205); Belling, in: Landschaftsverband Rheinland, Gleichgeschlechtliche Paare leben mit Kindern, S. 7 (14). Berger/Reisbeck/Schwer, Lesben – Schwule – Kinder, S. 21 m.w.N.; Lähnemann, Lesben und Schwule mit Kindern, S. 24; Belling, in: Landschaftsverband Rheinland, Gleichgeschlechtliche Paare leben mit Kindern, S. 7 (14); Rauchfleisch, Alternative Familienformen, S. 78 f. Rauchfleisch, Alternative Familienformen, S. 79; ders., FamPra.ch 2004, 507 (516 f.); Stacey/Biblarz, 66 American Sociological Review (2001), 159 (177): „greater capacity to express feelings or more empathy for social diversity“. Vgl. auch Berger/Reisbeck/ Schwer, Lesben – Schwule – Kinder, S. 23 m.w.N. Vgl. Rauchfleisch, Alternative Familienformen, S. 76. Patterson, 63 Child Development (1992), 1025 (1035 f.), (1038); vgl. auch Dundas/ Kaufman, 40 (2) Journal of Homosexuality (2000), 65 (76).
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nung war, auseinandersetzen. Die im vorliegenden Zusammenhang interessierenden Paare leben nämlich bereits in einer gleichgeschlechtlichen Gemeinschaft, haben daher ihr Coming Out hinter sich und bekennen sich offen zu ihrer Homosexualität. Dieser offene Umgang wirkt sich positiv auf die Kindesentwicklung aus. 5. Stigmatisierung Trotz gewandelter gesellschaftlicher Auffassungen begegnen Homosexuelle immer noch Vorurteilen und Diskriminierungen, von denen auch ihre Kinder betroffen sein können. Daher wird die Sorge geäußert, die Kinder lesbischer Mütter und schwuler Väter würden insbesondere von Gleichaltrigen zur Zielscheibe von Stigmatisierungen, Hänseleien und Ausgrenzungen gemacht. Die verfügbaren Studien berichten nur zum Teil von einer Stigmatisierung.39 Soweit ersichtlich, existieren bislang keine Studien, die eine nachteilige kindliche Entwicklung aufgrund von Stigmatisierungserfahrungen belegten.40 Die zur Verfügung stehende Forschungsevidenz weist vielmehr darauf hin, daß bei jenen Kindern, die negative Erfahrungen machen, die Selbsteinschätzung und die Freundschaftsbeziehungen nicht sehr stark leiden. Kinder, die bei gleichgeschlechtlich orientierten Eltern aufwachsen, haben Bewältigungsstrategien entwickelt, die ihnen helfen, mit derartigen Problemen umzugehen.41 Gleichgeschlechtliche Eltern sind sich ihrer bislang noch besonderen gesellschaftlichen Situation bewußt und gestalten daher ihre eigenen sozialen Beziehungen und die ihrer Kinder wesentlich reflektierter als viele Familien in traditionellen verschiedengeschlechtlichen Familien. Dies trägt zur sozialen Integration und gesellschaftlichen Akzeptanz ihrer Kinder bei.42 Rauchfleisch macht darüber hinaus zu Recht darauf aufmerksam, daß es zynisch anmute, wenn die von der heterosexuellen Majorität herbeigeführten Diskriminierungen und Ausgrenzungen lesbischen Müttern und schwulen Vätern entgegengehalten und als Argument für die Kindeswohlabträglichkeit gebraucht
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Diese Erfahrungen lassen sich aber bislang nicht quantitativ in Prozentzahlen zum Ausdruck bringen. Dazu im einzelnen Fthenakis, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 351 (385 ff.). S.a. Dundas/Kaufman, 40 (2) Journal of Homosexuality (2000), 65 (77). Pätzold, FPR 2005, 269 (271). Tasker/Golombok, 65 Amer. J. Orthopsychiat. (1995), 203 (205); Fthenakis, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 351 (387); Berger/Reisbeck/Schwer, Lesben – Schwule – Kinder, S. 23 f.; Stacey/Biblarz, 66 American Sociological Review (2001), 159 (171 f.), (176); Belling, in: Landschaftsverband Rheinland, Gleichgeschlechtliche Paare leben mit Kindern, S. 7 (13). S.a. Eggen, Praxis der Rechtspsychologie 13 (2003), 25 (32); ders., FamPra.ch 2007, 823 (831), jeweils m.w.N.: Diese Kinder scheinen Stigmatisierungen mit einer erstaunlichen psychischen Stärke entgegenzutreten. Vgl. ferner Golombok/Spencer/Rutter, 24 J. Child Psychol. Psychiat. (1983), 551 (553 f.); Green/Mandel/Hotvedt/Gray/ Smith, 15 Arch. Sex. Behav. (1986), 167 (180). Rauchfleisch, FamPra.ch 2004, 507 (517).
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werden.43 Verwendet man das Stigmatisierungsargument gegen die Zulassung gleichgeschlechtlicher Paare zu Maßnahmen assistierter Reproduktion, so spräche man damit zugleich ein negatives Werturteil über das Aufwachsen von Kindern in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften aus und lieferte mittelbar eine Rechtfertigung, Kinder, die ohnehin schon bei gleichgeschlechtlichen Paaren leben, weiterhin zu diskriminieren. Gegen diese Argumentation spricht auch die gesetzgeberische Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebensweisen mit Kindern, die in der Stiefkindadoption und im kleinen Sorgerecht bei eingetragenen Lebenspartnern ihren Ausdruck gefunden hat.44 Das Stigmatisierungsargument müßte schließlich auch dazu führen, anderen Bevölkerungsgruppen, die tendenziell Diskriminierungen ausgesetzt sind, den Zugang zu reproduktionsmedizinischen Maßnahmen zu verweigern. Es ist aber bislang zu Recht nicht ernsthaft diskutiert worden, Paare mit anderer Hautfarbe, mit einem bestimmten ethnischen oder religiösen Hintergrund oder wegen der Behinderung eines oder beider Wunschelternteile unter Hinweis auf diese Eigenschaft von der assistierten Fortpflanzung auszuschließen.45 Vielmehr bleibt es die Aufgabe einer offenen Gesellschaft, gegen solche Diskriminierungen anzugehen, statt diese als Argument für eine fortgesetzte Diskriminierung zu instrumentalisieren.
V. Studien zu lesbischer Elternschaft infolge künstlicher Befruchtung Mittlerweile existieren einige Studien zur Situation lesbischer Paare und ihrer Kinder, die durch Maßnahmen assistierter Reproduktion gezeugt und geboren wurden.46 Auf diese Untersuchungen soll im folgenden näher eingegangen werden. Eine 1997 vorgelegte niederländisch-belgische Studie untersuchte drei Familienformen: lesbische Paare, die ihren Kinderwunsch durch künstliche Befruchtung realisiert haben, verschiedengeschlechtliche Paare, die ebenfalls mittels Samenspende47 zu einem Kind gekommen sind, und verschiedengeschlechtliche Paare, die auf natürlichem Wege ein Kind gezeugt haben.48 Die Untersuchung zeigte, daß die Beziehungsqualität der lesbischen Mütter untereinander derjenigen der hetero43
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Rauchfleisch, Alternative Familienformen, S. 59. S.a. Stacey/Biblarz, 66 American Sociological Review (2001), 159 (177). Vgl. dazu Teil II § 7 IV., S. 172 ff. Vgl. auch Stacey/Biblarz, 66 American Sociological Review (2001), 159 (178): „If social prejudice were grounds for restricting rights to parent, a limited pool of adults would qualify.“ Flaks/Ficher/Masterpasqua/Joseph, 31 Developmental Psychology (1995), 105 ff.; Brewaeys/Ponjaert/van Hall/Golombok, 12 Hum. Reprod. (1997), 1349 ff.; Chan/ Raboy/Patterson, 69 Child Development (1998), 443 ff.; Golombok/Tasker, 9 Hum. Reprod. (1994), 1972 ff.; Vanfraussen/Ponjaert-Kristoffersen/Brewaeys, 73 Amer. J. Orthopsychiat. (2003), 78 ff. Vgl. auch Berger/Reisbeck/Schwer, Lesben – Schwule – Kinder, S. 29 m.w.N. D.h. im heterologen System, vgl. zur Terminologie Teil IV § 9 IV.1., S. 220 f. Brewaeys/Ponjaert/van Hall/Golombok, 12 Hum. Reprod. (1997), 1349 ff.
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sexuellen Paare glich. Die Qualität der Beziehung zwischen Kind und biologischer Mutter differierte in allen drei Untersuchungsgruppen nicht. Die lesbischen Eltern unterschieden sich aber in einem Punkt von den verschiedengeschlechtlichen Eltern. Die nicht an der Zeugung und Geburt beteiligten sozialen Mütter wiesen eine intensivere Beziehung zu den Kindern auf als die heterosexuellen Väter. Im Vergleich der lesbischen Mütter untereinander wies die Qualität der Eltern-KindBeziehung keine signifikanten Unterschiede auf. In den beiden Gruppen verschiedengeschlechtlicher heterosexueller Eltern hatten die Mütter aber einen engeren Bezug zum Kind als die Väter.49 Die biologischen Mütter in lesbischen Beziehungen gingen häufiger einer Erwerbstätigkeit außerhalb des Haushalts nach, als dies Mütter in verschiedengeschlechtlichen Beziehungen taten. Die sozialen Mütter waren in größerem Ausmaß in die Kindessorge involviert als die Väter in den verschiedengeschlechtlichen Kontrollgruppen. Bei der Hälfte der lesbischen Eltern kümmerten sich die sozialen Mütter in gleichem Maß um das Kind wie die biologischen Mütter, wohingegen dies bei verschiedengeschlechtlichen Eltern bei keiner der Familien der Fall war.50 Die Annahme, die Kindessorge sei eine typisch weibliche Aufgabe, während der Mann für Disziplin und Autorität innerhalb der Familie stehe, wurde durch die Studie nicht bestätigt. In den lesbischen Partnerschaften beteiligten sich die sozialen Mütter wesentlich aktiver wenn es darum ging, das Kind zu ermahnen und ihm Grenzen aufzuzeigen, als die Väter in verschiedengeschlechtlichen Familien. Es konnten keinerlei Anhaltspunkte für die Vermutung gefunden werden, das Fehlen einer männlichen Erziehungsperson führe zu einem Mangel an Disziplin. Daneben wurde die soziale Mutter vom Kind in gleichem Maße als Elternteil angesehen, wie dies für den Vater in den verschiedengeschlechtlichen Beziehungen galt.51 Ein wichtiges Ergebnis der Studie ist, daß lesbische Elternpaare ihren Kindern ein vergleichbar sicheres und von menschlicher Wärme getragenes Familienumfeld bieten, wie es auch bei verschiedengeschlechtlichen Paaren anzutreffen ist. Beide Mütter beteiligten sich aktiv an der Erziehung des Kindes und es hatte sich eine enge gegenseitige Bindung zwischen der sozialen Mutter und dem Kind aufgebaut. Die Annahme, Kinder, die ohne einen Vater aufwachsen, seien in höherem Grade emotionalen Problemen ausgesetzt, erwies sich als unzutreffend. Eine Erklärung wird darin gesehen, daß Kinder, die nach assistierter Reproduktion in lesbische Partnerschaften hineingeboren werden, im Gegensatz zu Kindern, die aus einer vorangegangenen verschiedengeschlechtlichen Beziehung stammen, nicht die Trennung ihrer Eltern miterleben und bewältigen müssen und mit zwei Bezugspersonen aufwachsen. Es wird vermutet, daß die ungünstige ökonomische Situation vieler alleinerziehender Eltern und die traumatischen Erfahrungen der
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Brewaeys/Ponjaert/van Hall/Golombok, 12 Hum. Reprod. (1997), 1349 (1356). Vgl. auch Flaks/Ficher/Masterpasqua/Joseph, 31 Developmental Psychology (1995), 105 (112); Berger/Reisbeck/Schwer, Lesben – Schwule – Kinder, S. 29. Brewaeys/Ponjaert/van Hall/Golombok, 12 Hum. Reprod. (1997), 1349 (1356). S.a. Stacey/Biblarz, 66 American Sociological Review (2001), 159 (174); Berger/Reisbeck/ Schwer, Lesben – Schwule – Kinder, S. 29. Brewaeys/Ponjaert/van Hall/Golombok, 12 Hum. Reprod. (1997), 1349 (1356).
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elterlichen Trennung für die teilweise beobachteten Verhaltensprobleme von Kindern verantwortlich sind, die ohne Vater aufwachsen.52 In ihrem Geschlechtsrollenverhalten unterschieden sich die Kinder lesbischer Mütter nicht signifikant von den Kindern verschiedengeschlechtlicher Eltern.53 Wegen des geringen Alters konnte in der Studie nicht untersucht werden, ob die Kinder unter Stigmatisierungen durch Gleichaltrige zu leiden hatten. Das von menschlicher Zuneigung, Wärme und Sicherheit getragene Familienklima, das die Kinder in ihren ersten Jahren erfuhren, wird aber als bedeutsamer Faktor angesehen, der mögliche negative gesellschaftliche Einflüsse auffangen kann.54 Die Ergebnisse der niederländisch-belgischen Studie gleichen einer 1995 publizierten US-amerikanischen Untersuchung. Dort zeigten Kinder, die durch Maßnahmen assistierter Reproduktion in lesbische Partnerschaften hineingeboren wurden, eine vergleichbare intellektuelle Entwicklung und ein vergleichbares Verhalten wie künstlich gezeugte Kinder aus verschiedengeschlechtlichen Elternhäusern. Es fanden sich keine Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen.55 Insgesamt schlossen die Autoren aus den Ergebnissen ihrer Studie, daß weder die Präsenz eines Vaters, noch die Heterosexualität der Eltern für eine gesunde kindliche Entwicklung notwendig sind.56 Eine belgische Studie aus dem Jahr 2003 bestätigt in Teilen die bislang gefundenen Resultate. In den lesbischen Familien war die Verantwortung für das Kind egalitärer aufgeteilt.57 Das Vorhandensein oder Fehlen einer biologischen Verbindung schlug sich nicht im Verhältnis zu dem jeweiligen Elternteil nieder. Die Kinder erfuhren dort in gleicher Weise wie bei den untersuchten verschiedengeschlechtlichen Elternpaaren Akzeptanz und Autorität. Das Verhältnis der Kinder zur biologischen und zur sozialen Mutter unterschied sich kaum.58 In einer in den USA durchgeführten und 1998 veröffentlichten Studie zeigten die Kinder, die bei lesbischen Eltern aufwuchsen, keine signifikanten Unterschiede zu Kindern, die von verschiedengeschlechtlichen Eltern erzogen wurden.59 Die durch künstliche Befruchtung gezeugten Kinder entwickelten sich unabhängig von der sexuellen Orientierung ihrer Eltern unauffällig und erwiesen sich als sozial kompetent. In ihren Elternhäusern erfuhren sie ein Umfeld, das eine positive Kin-
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Brewaeys/Ponjaert/van Hall/Golombok, 12 Hum. Reprod. (1997), 1349 (1356 f.); vgl. auch Dundas/Kaufman, 40 (2) Journal of Homosexuality (2000), 65 (77). Dies unterschlägt Wardle, U.Ill.L.Rev. (1997), 833 (859 ff.), wenn er nach der Trennung von ihrem Partner alleinerziehende Mütter als Beispiel für die negative Auswirkung des Aufwachsens von Kindern ohne Vater in lesbischen Beziehungen heranzieht. Brewaeys/Ponjaert/van Hall/Golombok, 12 Hum. Reprod. (1997), 1349 (1357). Brewaeys/Ponjaert/van Hall/Golombok, 12 Hum. Reprod. (1997), 1349 (1358). Flaks/Ficher/Masterpasqua/Joseph, 31 Developmental Psychology (1995), 105 (112). Flaks/Ficher/Masterpasqua/Joseph, 31 Developmental Psychology (1995), 105 (113). Vgl. auch Clarke, 24 Women’s Studies International Forum (2001), 555 (563). Vanfraussen/Ponjaert-Kristoffersen/Brewaeys, 73 Amer. J. Orthopsychiat. (2003), 78 (88). Vanfraussen/Ponjaert-Kristoffersen/Brewaeys, 73 Amer. J. Orthopsychiat. (2003), 78 (87). Chan/Raboy/Patterson, 69 Child Development (1998), 443 (448).
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Teil I Grundlagen der gleichgeschlechtlichen Elternschaft
desentwicklung ermöglichte.60 Die Studie zeigte einen Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit der Eltern, dem Funktionieren ihrer Beziehung und dem Wohlergehen des Kindes.61
VI. Ergebnis Die verfügbaren empirischen Untersuchungen zur Kindesentwicklung entkräften die Bedenken gegen die gleichgeschlechtliche Elternschaft. Obwohl die einzelnen Studien mit kleinen Stichprobengrößen arbeiten, ergibt die stattliche, zu vergleichbaren Ergebnissen kommende Anzahl von Untersuchungen, eine kumulative Evidenz,62 die im vorliegenden Zusammenhang zu brauchbaren Aussagen führt. Es hat sich gezeigt, daß das Fehlen eines gegengeschlechtlichen Elternteils keinen negativen Einfluß auf die Kindesentwicklung hat. Die psychosexuelle Entwicklung von Kindern, die bei gleichgeschlechtlichen Eltern aufwachsen, verläuft unauffällig. Im Hinblick auf Geschlechtsidentität, geschlechtsspezifisches Rollenverhalten und sexuelle Orientierung lassen sich keine signifikanten Unterschiede zu Altersgenossen ausmachen, die bei verschiedengeschlechtlichen Elternpaaren aufwachsen. Unabhängig von einer tatsächlichen homosexuellen Partnerorientierung können sich Kinder gleichgeschlechtlicher Eltern eher vorstellen, eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft einzugehen. Dies ist wenig überraschend, weil diese Kinder an ihren Eltern ein Beispiel für eine gelungene gleichgeschlechtliche Beziehung kennenlernen konnten, während anderen Kindern in ihrem unmittelbaren Umfeld entsprechende Vorbilder noch weitgehend fehlen. Im Hinblick auf die psychische Gesundheit lassen sich keine Auffälligkeiten feststellen. Kinder gleichgeschlechtlicher Eltern pflegen wie andere Kinder soziale Kontakte und sind gesellschaftlich integriert. Sofern diese Kinder zur Zielscheibe von Stigmatisierungen werden, kommen sie damit gut zurecht, weil sie familiäre Geborgenheit erfahren und von ihren Eltern auf potentielle Konflikte in der Regel gut vorbereitet werden. Mittlerweile vorliegende Studien, die sich mit der durch artifizielle Reproduktion herbeigeführten Elternschaft lesbischer Partnerinnen befassen, bestätigen diese Befunde. Gemessen am Maßstab des § 1666 BGB kann von einer Gefährdung des Kindeswohls nicht gesprochen werden. Bei gleichgeschlechtlichen Eltern können Kinder ihr geistiges und seelisches Potential entfalten, sie lernen Selbständigkeit, entwickeln soziale Fähigkeiten und es gelingt ihnen, sich in ihr soziales Umfeld zu integrieren. Selbst wenn man von weniger strengen Maßgaben als denen des § 1666 BGB ausginge, ließe sich unter Hinweis auf eine angebliche Kindeswohlunzuträglichkeit der Zugang gleichgeschlechtlicher Paare zu Maßnahmen assistierter Fortpflanzung nicht ablehnen. Kinder, die bei lesbischen und schwulen Paaren aufwachsen, zeigen keine Auffälligkeiten, die ein Verbot legitimierten. Vielmehr sind Kinder, die durch Maßnahmen assistierter Reproduktion geboren werden, besonders erwünscht und erfahren in ihren gleichgeschlechtlichen Eltern60 61 62
Chan/Raboy/Patterson, 69 Child Development (1998), 443 (453). Chan/Raboy/Patterson, 69 Child Development (1998), 443 (454). Vgl. auch Willutzki, BT-Rechtsausschußprot. 15/59 v. 18.10.2004, S. 14.
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häusern Zuneigung, Liebe und Geborgenheit. Vor allem dieser Aspekt darf im vorliegenden Zusammenhang nicht unterschätzt werden: Wenn etwas für die Entwicklung des Kindes von Bedeutung ist, dann nicht die sexuelle Orientierung seiner Eltern, sondern der Umstand, daß das Kind von seinen Eltern geliebt wird.63
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Vgl. Basile, 2 Women’s Rts.L.Rep. (1974/1975), 3 (18); Fthenakis, in: Basedow/Hopt/ Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 351 (388).
§ 6 Rechtsgeschichtliche Grundlagen I. Einleitung „Das positive Recht wird nicht nur durch das Rechtsbewußtsein, sondern das Rechtsbewußtsein wird auch durch das positive Recht bestimmt.“1 Dieses interdependente Verhältnis gilt in besonderem Maße für die Befassung des Rechts mit Homosexualität. Sie wurde nahezu zwei Jahrtausende ausschließlich aus der Perspektive des Strafrechts gesehen und damit aus der Warte eines Rechtsgebietes, das streng genommen die Funktion hat, die elementaren Grundwerte des Gemeinschaftslebens zu sichern, die Erhaltung des Rechtfriedens im Rahmen der sozialen Ordnung zu gewährleisten und das Recht im Konfliktfall gegenüber dem Unrecht durchzusetzen.2 Erst in jüngster Zeit, nämlich seit dem ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert, interessieren sich Disziplinen wie das Zivilrecht3 oder das Öffentliche Recht4 für die mit dem Phänomen Homosexualität zusammenhängenden Fragen. Im folgenden werden die für die Frage nach dem Zugang gleichgeschlechtlicher Paare zu den Verfahren der artifiziellen Reproduktion bedeutenden rechtlichen Entwicklungen untersucht. Für das Strafrecht ist die Debatte um die Abschaffung der Strafbarkeit von Interesse. In diesem Zusammenhang gilt es auch auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1957 einzugehen, das wiederholt unkritisch gegen die Verbesserung des rechtlichen Status von Homosexuellen ins Feld geführt wird.5 Im Zuge des Abbaus der Strafbarkeit verstärkten sich die Bemühungen um die Schaffung eines rechtlichen Rahmens für gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Im Hinblick auf die Vorläufer des Lebenspartnerschaftsgesetzes, welches in einem eigenen Kapitel untersucht wird,6 wird der Frage nachgegangen, inwiefern der Zugang gleichgeschlechtlicher Paare zu fortpflanzungsmedizinischen Maßnahmen eine Rolle spielte. Daran schließen sich Ausführungen zur Beurteilung Homosexueller als Erziehungspersonen an. Schließlich werden die europarechtlichen Bezüge der vorliegenden Fragestellung untersucht.
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So der Nachtrag zu einer an den Reichstag gerichteten Petition zur Abschaffung des § 175 RStGB, wiedergegeben bei Baumann, Paragraph 175, S. 88 ff., das Zitat findet sich auf S. 89. Vgl. auch Grüll, ZRP 1994, 40: „Die Rechtsordnung einer Gesellschaft ist immer zugleich unmittelbarer Ausdruck ihrer Wertordnung.“ BVerfGE 51, 324 (343); Wessels/Beulke, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Rdnr. 6. Etwa Verschraegen, Gleichgeschlechtliche „Ehen“, 1994; Schimmel, Eheschließungen gleichgeschlechtlicher Paare?, 1996; Grib, Die gleichgeschlechtliche Partnerschaft im nordischen und deutschen Recht, 1996. Vgl. Risse, Der verfassungsrechtliche Schutz der Homosexualität, 1998. Vgl. hier nur Tröndle, ZRP 1992, 297 ff. und Braun, JZ 2002, 23 ff. Vgl. Teil II § 7, S. 113 ff.
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II. Strafbarkeit der Homosexualität Für das Verständnis der Diskussion um den Abbau der Strafbarkeit (vor allem männlichen) homosexuellen Verhaltens ist es notwendig, kurz auf die Rechtsentwicklung einzugehen. 1. Entwicklung bis 1871 Die Strafbarkeit der Homosexualität reicht weit zurück. Bereits bei den Germanen7 war Homosexualität mit schwersten Strafen wie lebendigem Begraben, Feuertod und Kastration bedroht.8 In der Folge war für die germanischen Rechtsschöpfungen die christliche Sexualauffassung, die Sexualität ausschließlich zum Zweck der Fortpflanzung billigte, von entscheidendem Einfluß. Für das Mittelalter ist in Europa der Dualismus von kirchlichem und weltlichem Recht kennzeichnend. Zunächst war die Bestrafung der Sexualdelikte und damit auch der Homosexualität Sache der Kirche.9 Dieses Monopol wurde aber zunehmend aufgebrochen. Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts setzte in Deutschland die Rezeption des Gemeinen Römischen Rechts ein. Sowohl die Bambergensis von 1507 wie auch die Constitutio Criminalis Carolina (CCC), die peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. aus dem Jahre 1532, bestraften homosexuelles Verhalten mit dem Tod durch das Feuer.10 Bemerkenswert an der CCC ist, daß sie auch weibliche Homosexualität unter Strafe stellte. Im 18. Jh. gewann mit der Aufklärung eine Bewegung an Einfluß, die im Bemühen um die Eindämmung staatlicher Strafgewalt und dem Versuch, das Wesen der Straftat ohne Rückgriff auf religiöse Gründe rein rational als Angriff gegen die dem Menschen angeborenen Rechte zu verstehen, weitgehend für die Straflosigkeit der Homosexualität unter Erwachsenen eintrat oder zumindest eine Revision der als barbarisch angesehenen Strafen forderte.11 Die Anhänger der Aufklärung vertraten die Auffassung, daß die Aufrechterhaltung der guten Sitten nicht schlechterdings und unmittelbar Zweck des Staates sei.12 In der deutschen Strafrechtswissenschaft des 19. Jh. gewannen vor dem Hintergrund der Aufklärung liberale, von naturrechtlichen Vorstellungen getragene Tendenzen an Gewicht, die auf eine Einschränkung der Strafbarkeit der Homosexualität zielten.13 Das Allge7
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Vgl. zur griechischen und römischen Antike Baumann, Paragraph 175, S. 23 f.; Kappe, KritJ 1991, 205 (206). Vgl. dazu auch Teil I § 3 II.1.a) und b), S. 21 f. Zu den verschiedenen gesetzlichen Grundlagen Baumann, Paragraph 175, S. 26; siehe auch Hirschfeld, Die Homosexualität des Mannes und des Weibes, S. 818 m.w.N.; Kappe, KritJ 1991, 205. Dazu und zu Hexenprozessen ausführlich Kappe, KritJ 1991, 205 (207 f.), (215) m.w.N. Die Bambergensis bedrohte die Homosexualität in Art. 141, die CCC in Art. 116 mit Strafe, wo es heißt: „Straff der unkeusch, so wider die natur beschicht. Item so eyn mensch mit eynem vihe, mann mit mann, weib mit weib, unkeusch treiben, die haben auch das Leben verwürckt und man soll sie der gemeynen gewonheyt nach mit dem fewer vom leben zum todt richten.“ Baumann, Paragraph 175, S. 30. Vgl. Baumann, Paragraph 175, S. 30 ff. mit Verweisen auf die Werke der Philosophen Beccaria, Voltaire und des Juristen Cella. Dazu Baumann, Paragraph 175, S. 32 f. m.w.N.
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meine Preußische Landrecht von 1794 bestrafte noch unbeeindruckt von dem zentralen Anliegen der Aufklärung in einer für ein Strafgesetz erstaunlich vagen Formulierung „Sodomiterey und andre dergleichen unnatürliche Sünden, welche wegen ihrer Abscheulichkeit hier nicht genannt werden können“, mit „gänzlicher Vertilgung des Andenkens“ durch Zuchthausstrafe14 mit anschließender Verbannung.15 Neben dem ALR folgten weitere Partikularrechte dem Vorbild der CCC.16 Allerdings waren unter dem Eindruck des liberaleren französischen code pénal von 1810 auch einige mildere Partikularrechte entstanden, die wegen der Subsidiarität der CCC Vorrang genossen. Beispielsweise ließ das Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern von 1813 die nicht qualifizierte widernatürliche Unzucht straffrei.17 2. Deutsches Reich und Weimarer Republik a) Gesetzgebung Bestimmend für die weitere Entwicklung im Deutschen Reich, in der Weimarer Republik, unter dem Nationalsozialismus und bis weit in die Nachkriegszeit war die preußische Strafgesetzgebung. § 143 des Preußischen Strafgesetzbuches vom 14. April 1851 stellte sexuelle Kontakte zwischen Männern unter Strafe.18 Die Regelung wurde 1870 in das Norddeutsche Strafgesetzbuch übernommen und ging nach der Gründung des Deutschen Reiches in § 175 des Reichsstrafgesetzbuches (RStGB) vom 15. Mai 1871 auf, der die „widernatürliche Unzucht“ unter Personen männlichen Geschlechts pönalisierte.19 b) Rechtsprechung Bedeutenden Anteil daran, welche gleichgeschlechtlichen Handlungen nach § 175 RStGB strafbar waren, hatte im Deutschen Reich und in der Weimarer Republik die Rechtsprechung. Das Reichsgericht dehnte die Strafbarkeit zunehmend aus,
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Vgl. dazu Teil I § 4 II., S. 41, Fn. 2. ALR von 1794, Zweyter Theil, Zwanzigster Titel, Zwölfter Abschnitt (Unnatürliche Sünden), § 1069, wiedergegeben bei Hattenhauer, Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794, S. 714. Siehe auch Kappe, KritJ 1991, 205 (208 f.) m.w.N. Vgl. Baumann, Paragraph 175, S. 29. Vgl. BVerfGE 6, 389 (391); Baumann, Paragraph 175, S. 36 ff., dort auch zu weiteren milderen Partikularrechten. Die Abschaffung der Strafbarkeit in Bayern hatte allerdings zur Folge, daß Homosexuelle von nun an in Irrenhäusern untergebracht wurden, vgl. dazu Teil I § 4 II., S. 41. § 143 des Preußischen Strafgesetzbuches lautete: „Die widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts oder von Menschen mit Thieren verübt wird, ist mit Gefängniß von 6 Monaten bis zu 4 Jahren, sowie mit zeitiger Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte zu bestrafen.“ § 175 RStGB hatte zunächst folgenden Wortlaut: „Die widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts oder von Menschen mit Tieren begangen wird, ist mit Gefängnis zu bestrafen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.“
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indem es die unbestimmten Tatbestandsmerkmale des § 175 RStGB extensiv interpretierte.20 c) Reformbemühungen Seit Beginn des 19. Jh. hatten sich immer wieder vereinzelt kritische Stimmen gegen die Strafbarkeit homosexueller Handlungen erhoben. Mit der Einführung des § 175 RStGB formierte sich zunehmend eine Gegnerschaft, die im Einklang mit den Erkenntnissen der sich gerade etablierenden Sexualwissenschaft stand und 1897 in einer Petition an die gesetzgebenden Körperschaften die Aufhebung der Vorschrift forderte.21 Trotz unterschiedlicher Bestrebungen blieb die Norm bis 1935 unverändert.22 3. Nationalsozialismus Unter dem Zeichen des Hakenkreuzes brach in Deutschland eine Epoche der Rechtsverwüstung und der Rechtsperversion an.23 Recht und Gesetz wurden der nationalsozialistischen Doktrin untergeordnet. Das „gesunde Volksempfinden“ erforderte die strenge Verfolgung aller „Abartigen“. Rassenaufzuchtsgesichtspunkte mischten sich mit ohnehin vorhandenen Ressentiments gegenüber Minoritäten. In der Homosexualität sahen die Nationalsozialisten eine „Gefahr für Volk, Staat und Rasse“.24 Strafrechtler forderten, ihr auf gesetzgeberischem Wege entschieden zu begegnen, um einer neuen, „gesunden, sittlichen Haltung zum Durchbruch“ zu verhelfen, die die „Grundlage gedeihlichen Volkslebens“ bilden sollte.25 Die Gerichtserfahrung habe gezeigt, daß ein Staat dem Niedergang entgegensehe, wenn er nicht der Ausbreitung der Homosexualität entschieden begegne.26 Am 28. Juni 1935 wurde durch Art. 6 des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs27 der bislang maßgebliche § 175 RStGB so umgestaltet, daß der Bereich der Strafbarkeit erheblich ausgedehnt werden konnte.28 Mit § 175a RStGB schuf
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Zur Rechtsprechung des Reichsgerichts ausführlich Baumann, Paragraph 175, S. 40, 43 ff. m.w.N. Die Petition ist im Wortlaut abgedruckt bei Baumann, Paragraph 175, S. 86 ff. Liberale Kreise wollten hauptsächlich einverständliche sexuelle Handlungen unter erwachsenen Männern straffrei lassen und nur Qualifikationen bestrafen (so im wesentlichen der Entwurf der Strafrechtslehrer Kahl, v. Lilienthal, v. Liszt und Goldschmidt von 1911, der Entwurf Radbruchs von 1922 und der Entwurf von Kahl aus dem Jahre 1930, vgl. Baumann, Paragraph 175, S. 123 ff.), während konservative Kräfte dafür fochten, die Strafbarkeit der einfachen Homosexualität unter Männern beizubehalten, sie mit höheren Strafen zu bedrohen oder sogar auf Frauen auszudehnen (vgl. Baumann, Paragraph 175, S. 84 f., 90 ff., 97 ff., 123 ff.). Vgl. nur Laufs, Rechtsentwicklungen in Deutschland, S. 392 ff. Klare, Homosexualität und Strafrecht, S. 11. v. Gleispach, in: Gürtner, Das kommende deutsche Strafrecht, Besonderer Teil, S. 116. Klare, Homosexualität und Strafrecht, S. 12. RGBl. I v. 28.6.1935, S. 839. Das Gesetz trat am 1.9.1935 in Kraft. § 175 RStGB lautete nunmehr: „(1) Ein Mann, der mit einem anderen Mann Unzucht treibt oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen läßt, wird mit Gefängnis bestraft.
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man einen Qualifikationstatbestand, der einen erheblich höheren Strafrahmen enthielt.29 Das Reichsgericht folgte den Vorgaben der nationalsozialistischen Machthaber darüber hinaus mit einer zunehmend extensiven Spruchpraxis, die den Kreis der Handlungen, die eine Strafbarkeit begründen konnten, immer weiter ausdehnte. Zuletzt war nicht einmal mehr die körperliche Berührung erforderlich, um eine Bestrafung auszulösen.30 Parallel zur verschärften Strafgesetzgebung und Reichsgerichtsrechtsprechung wurde die Polizei neu organisiert und eine intensive Verfolgung Homosexueller angeordnet. Daraufhin stiegen die Verfolgungs- und Verurteilungszahlen kontinuierlich an. Mit dieser quantitativen Entwicklung ging auch eine qualitative Veränderung einher. Während Freisprüche und Verurteilungen zu Geldstrafen zurückgingen, stieg die Zahl der Gefängnis- und Zuchthausstrafen. Bereits von 1933 an wurden homosexuelle Männer mit zunehmender Tendenz in Konzentrationslager eingewiesen. Die Internierungen erfolgten teilweise im Anschluß an den normalen Strafvollzug, teilweise aber auch unabhängig von einer Strafverfolgung.31 4. Bundesrepublik Deutschland Die neugegründete Bundesrepublik zog zunächst weder einen legislatorischen noch einen justiziellen Schlußstrich unter die Strafverfolgung homosexueller Männer während der NS-Diktatur. § 175 RStGB wurde auf der Grundlage von Art. 123 Abs. 1 GG unverändert in das StGB übernommen. Zwar waren die Gerichte dazu aufgerufen, die Strafvorschriften darauf zu überprüfen, ob sie nationalsozialistisches Gedankengut enthielten und deshalb nicht angewendet werden durften. Die Oberlandesgerichte bejahten aber trotz der Novellierung von 1935 die Fortgeltung des § 175 StGB und des § 175a StGB, weil sie darin keine typisch
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(2) Bei einem Beteiligten, der zur Zeit der Tat noch nicht einundzwanzig Jahre alt war, kann das Gericht in besonders leichten Fällen von Strafe absehen.“ § 175a RStGB lautete: „Mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter drei Monaten wird bestraft: 1. ein Mann, der einen anderen Mann mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben nötigt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen zu lassen; 2. ein Mann, der einen anderen Mann unter Mißbrauch einer durch ein Dienst-, Arbeitsoder Unterordnungsverhältnis begründeten Abhängigkeit bestimmt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen zu lassen; 3. ein Mann über einundzwanzig Jahren, der eine männliche Person unter einundzwanzig Jahren verführt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen zu lassen; 4. ein Mann, der gewerbsmäßig mit Männern Unzucht treibt oder von Männern sich zur Unzucht mißbrauchen läßt oder sich dazu anbietet.“ Beispiele dieser Entwicklung sind die Judikate RGSt 73, 78 (80); 71, 281 (283); 70, 224 (225). Baumann, Paragraph 175, S. 47, 49 f., 118; BVerfGE 6, 389 (394). Zur Institutionalisierung der Verfolgung und der Situation Homosexueller in den Konzentrationslagern vgl. Teil I § 3 III.3.b), S. 28 f.
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nationalsozialistischen Vorschriften sahen.32 Auch der Bundesgerichtshof folgte dieser Auffassung33 und ignorierte wie die Obergerichte die rassenhygienische Motivation des nationalsozialistischen Gesetzgebers.34 Trotz anfänglich gegenteiliger Bemühungen in Judikatur und Schrifttum35 folgte der Bundesgerichtshof auch der extensiven Rechtsprechung des Reichsgerichts.36 a) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Auch das Bundesverfassungsgericht hatte sich mit § 175 StGB zu befassen. Es wies mit Urteil vom 10. Mai 1957 die Verfassungsbeschwerden zweier wegen § 175 StGB verurteilter Männer als unbegründet zurück.37 Die Verfassungsrichter sahen in den Strafvorschriften gegen die männliche Homosexualität weder einen Verstoß gegen den speziellen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 2 und 3 GG) noch einen Verstoß gegen das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG).38 Einen nationalsozialistischen Makel konnten sie ebenfalls nicht erkennen.39 Das BVerfG stützte seine Entscheidung unter anderem auf mehrere von ihm eingeholte Sachverständigengutachten.40
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OLG Celle, Hann. Rpfl. 1947, 14 f.; OGHSt 1, 126 (128 f.); KG, JR 1950, 119 m.w.N. zur gleichlautenden Rechtsprechung des OLG Braunschweig, des Hanseatischen OLG Hamburg und des OLG Hamm; siehe auch die Nachweise bei Baumann, Paragraph 175, S. 50 in Fn. 132. BGHSt 1, 80 (81 f.); vgl. auch BVerfGE 6, 389 (413 ff.). So Risse, Der verfassungsrechtliche Schutz der Homosexualität, S. 27. Hanseatisches OLG Hamburg, MDR 1947, 75; Lange, NJW 1949, 695 (697); ders., JR 1950, 615 (622); Labin, MDR 1948, 60 (61). Der Bundesgerichtshof knüpfte nicht an die restriktive Rechtsprechung während des Kaiserreiches und während der Weimarer Republik an, sondern er übernahm nahezu unverändert die im Dritten Reich etablierte extensive Spruchpraxis des Reichsgerichts. Als tatbestandsmäßige Handlung definierte der BGH eine solche, die auf Erregung oder Befriedigung der eigenen oder fremden Geschlechtslust gerichtet und dabei geeignet sei, das allgemeine Scham- und Sittlichkeitsgefühl in geschlechtlicher Beziehung zu verletzen, wenn der Täter dabei den Körper des anderen als Mittel benutze, Wollust zu erregen oder zu befriedigen, BGHSt 1, 80 (82); 293 (294). Die Verwendung solch generalklauselartiger Formulierungen durch den BGH war gleich in mehrfacher Hinsicht bedenklich, denn sie war weder zur Präzisierung der Tatbestandsmerkmale des § 175 StGB geeignet, noch war sie mit dem verfassungsrechtlich gebotenen Bestimmtheitsgrundsatz in Einklang zu bringen. Diese Spruchpraxis hatte in ihrem weiteren Verlauf eine drastische Ausdehnung der Strafbarkeit zur Folge, vgl. BGHSt 1, 107 (109 f.), 293 (296); 4, 323 (325); 5, 88 (89 f.); 7, 48 (51 f.), 231 (233); 8, 1 (2); BGH, NJW 1965, 2308 (2309). BVerfGE 6, 389 ff. BVerfGE 6, 389 (421 ff.); (432 ff.). BVerfGE 6, 389 (413 ff.). Folgende Sachverständige erstatteten ein Gutachten bzw. wurden angehört: Giese, Hallermann, Kretschmer, Kroh, Schelsky (zu ihm Teil I § 4 II., S. 44, Fn. 18), Scheuner, Wenzky und Wiethold, vgl. BVerfGE 6, 389 (398 ff.).
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(1) Inhaltliche Aussagen Im Hinblick auf Art. 3 Abs. 2 und 3 GG stellte der Erste Senat fest, daß der Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau für die gesetzgeberische Behandlung der (strafbaren) männlichen und der (straflosen) weiblichen Homosexualität keinen Maßstab abgebe. Grundsätzlich dürfe das Geschlecht nicht zum Anknüpfungspunkt einer ungleichen Behandlung gemacht werden. Im Hinblick auf objektive biologische oder funktionale Unterschiede nach der Natur des jeweiligen Lebensverhältnisses seien aber besondere rechtliche Regelungen erlaubt oder sogar notwendig. Für das Gebiet der Homosexualität rechtfertigten biologische Verschiedenheiten eine unterschiedliche Behandlung der Geschlechter. Das Verbot der Differenzierung gelte deshalb nicht, weil der zu ordnende soziale Lebenstatbestand nicht essentiell vergleichbar sei.41 Männliche und weibliche Homosexualität bildeten keine vergleichbaren Tatbestände im Sinne von Art. 3 Abs. 2 und 3 GG. Die Verbreitung der weiblichen Homosexualität bleibe hinter der der männlichen weit zurück.42 Der quantitative Unterschied sei Symptom für eine qualitative Verschiedenheit. Der weibliche Körper sei auf die Mutterschaft angelegt, weshalb der lesbischen Frau das Durchhalten sexueller Abstinenz leichter gelänge. Der homosexuelle Mann tendiere dazu, einem hemmungslosen Sexualbedürfnis zu verfallen.43 Homosexuelle Männer lehnten familienhafte Bindungen ab und neigten zu ständigem Partnerwechsel; lesbische Bindungen zeigten größere Dauerhaftigkeit. Wegen der geschlechtlichen Aggressivität des Mannes sei die Gefahr der Verbreitung der Homosexualität beim Manne weit größer als bei der Frau.44 Die freie Entfaltung der Persönlichkeit auf dem Gebiet des Geschlechtlichen sah das BVerfG auch von dem in Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit umfaßt. Es bestehe ein letzter, unantastbarer Bereich menschlicher Freiheit, der der Einwirkung der gesamten öffentlichen Gewalt entzogen sei.45 Der engste Intimbereich werde aber verlassen, wenn menschliche Handlungen in den Bereich eines anderen einwirkten. Grundsätzlich gebe schon die Berührung mit der Persönlichkeitssphäre eines anderen einer Handlung den Bezug auf das Soziale, der sie dem Recht zugänglich mache. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG werde durch die verfassungsmäßige Ordnung begrenzt. Um einen Eingriff, noch dazu einen, der in Form eines Strafgesetzes die schärfste Sanktion darstellt, die der staatlichen Gemeinschaft zur Verfügung steht, zu recht41
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BVerfGE 6, 389 (422 f.); vgl. auch (431), wo das Gericht von einem „natürliche[n] Gefühl für die Verschiedenheit weiblicher und männlicher Homosexualität“ spricht. BVerfGE 6, 389 (424 f.). Das Gericht nimmt Bezug auf die Ausführungen des Sachverständigen Grassberger über die Verhältnisse in Österreich, wo die Homosexualität bei beiden Geschlechtern strafbar sei, aber die Zahl der wegen lesbischer Liebe verurteilten Frauen weniger als 4% der wegen gleichgeschlechtlicher Unzucht verurteilten Männer ausmache, a.a.O., 389 (405 ff.). BVerfGE 6, 389 (426) unter Bezugnahme auf die Gutachten der Sachverständigen Giese, Grassberger und Scheuner, a.a.O., 389 (402 ff.), (405 ff.), (409 f.). BVerfGE 6, 389 (427 f.). In dieser Auffassung klingt die Vorstellung an, eine Verführung zur Homosexualität sei möglich und über diese lasse sich Homosexualität vermehren. Zur Haltlosigkeit dieser Stereotypen vgl. Teil I § 4 III.6., S. 57 ff. und Teil I § 4 III.2.d), S. 51 f. BVerfGE 6, 389 (433) mit Verweis auf BVerfGE 6, 32 (41) – Elfes.
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fertigen, müsse der „Sozialbezug“ der Handlung intensiv genug sein.46 Für die Entscheidung des Gesetzgebers sei dabei von großer Bedeutung, ob die in Frage stehende Handlung gegen das Sittengesetz verstoße. Ein Bedürfnis nach Bestrafung könne um so eher bejaht werden, wenn feststehe, „daß die soziale Gemeinschaft die Handlung eindeutig als im Widerspruch zu dem Sittengesetz stehend betrachtet, das sie allgemein als für sich verbindlich anerkennt.“47 Zwar räumt das BVerfG Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Inhalts des Sittengesetzes ein; die gleichgeschlechtliche Betätigung verstoße jedoch eindeutig48 gegen das Sittengesetz. Es komme nicht auf das sittliche Gefühl des Richters oder die Auffassung einzelner Volksteile an. Von größerem Gewicht seien die Aussagen der beiden großen christlichen Konfessionen, die gleichgeschlechtliche Unzucht als unsittlich verurteilen. Darüberhinaus habe sich der deutsche Gesetzgeber vom Norddeutschen Bund 1869 angefangen bis zu den Strafgesetzentwürfen der Weimarer Zeit immer auf die „sittlichen Anschauungen des Volkes berufen“.49 Für die Bestrafung gleichgeschlechtlicher Beziehungen unter erwachsenen Männern lasse sich außerdem anführen, daß eine stärkere Verbreitung der Homosexualität50 unter Erwachsenen die wahrscheinliche Folge der Straflosigkeit sein würde und sich damit auch die Gefahr für die Jugend erhöhte. Auch sei die extensive Interpretation der Tatbestandsmerkmale durch den BGH und den ihm folgenden Gerichten nicht zu beanstanden.51 Einen Verstoß durch §§ 175 f. StGB gegen die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) vermochte das Gericht ebenfalls nicht zu erkennen.52 (2) Kritik Das Urteil des BVerfG ist aus heutiger Sicht schon angesichts des sexualwissenschaftlichen Erkenntniszuwachses überholt,53 stößt aber nicht allein wegen der veralteten Sachverständigengutachten auf erhebliche rechtsstaatliche Bedenken. Im jüngeren Schrifttum wurden der Entscheidung methodische Schwächen und eklatante Rationalitätsdefizite hinsichtlich ihrer Begründung nachgewiesen. Soweit das BVerfG akzeptiert, daß allein die Volksmeinung die Grundrechtseinschränkung legitimiere, verkennt es die Funktion der Grundrechte, zugunsten einer Minderheit einem schrankenlosen Mehrheitsdiktat entgegenzuwirken. Das BVerfG versuchte noch nicht einmal, den Kausalzusammenhang zwischen Homosexualität und den von ihm genannten Schutzgütern aufzuzeigen. Teilweise wird der Verdacht gehegt, daß die Richter die Vereinbarkeit des § 175 StGB mit Art. 3 46 47 48 49 50 51 52
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BVerfGE 6, 389 (433). BVerfGE 6, 389 (434), Hervorhebung im Original. BVerfGE 6, 389 (434), (437). BVerfGE 6, 389 (435). Zur Haltlosigkeit dieses Vorurteils vgl. etwa Teil I § 4 III.2.d), S. 51 f. BVerfGE 6, 389 (438). BVerfGE 6, 389 (440); geprüft werden Art. 8 Abs. 1 und 2; 2 Abs. 1; 13 und 14 EMRK. Vgl. hingegen die Entscheidungen des EGMR im Fall Dudgeon v. Vereinigtes Königreich, EuGRZ 1983, 488 ff. = NJW 1984, 541 ff. und Norris v. Irland, EGMR, ÖJZ 1989, 628 ff., die in der Strafbarkeit der einfachen männlichen Homosexualität eine Verletzung von Art. 8 EMRK sehen. Kappe, KritJ 1991, 205 (217): Die Gutachten hätten allenfalls noch historischen Wert.
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Abs. 2 und 3 GG argumentativ nicht bewältigen konnten. Außerdem hat der Senat die Beweislastverteilung bei der Grundrechtseinschränkung verkannt. Hier gilt, daß der Staat die Notwendigkeit des Grundrechtseingriffs darlegen muß, vor allem bei Eingriffen durch das Strafrecht.54 Bedenklich erscheint auch der Rückgriff auf zum Teil zeitlich weit zurückliegende Gesetzesmaterialien zur Überzeugung von Sitte. Eine solche Argumentation kann leicht zu einem Zirkelschluß führen, denn es bleibt ungeklärt, ob die Gesetzesmaterialien ein „gesundes Volksempfinden“ tatsächlich reflektieren oder nicht eher suggerieren. Weiterhin scheint zweifelhaft, ob das Verdikt der Sittenwidrigkeit die Strafbarkeit – immerhin ultima ratio staatlichen Handelns – der einfachen Homosexualität soll rechtfertigen können. Nicht alles, was die Rechtsgemeinschaft als (vermeintlich) sittenwidrig empfinde, müsse zugleich auch strafwürdig sein.55 Damit erweist sich die Entscheidung unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten als bedenklich.56 b) Reformbestrebungen Seit 1945 war die unter dem Nationalsozialismus zum Erliegen gekommene Debatte, ob die Strafbarkeit der einfachen Homosexualität aufgehoben werden sollte, wieder aufgenommen worden. Die 1954 zur Reform des Strafrechts eingesetzte Große Strafrechtskommission befaßte sich ebenfalls mit dieser Frage. Die Argumente für und gegen eine Beibehaltung der Strafbarkeit hatten auf das Erste Strafrechtsreformgesetz,57 das die Abschaffung der Strafbarkeit homosexuellen Verhaltens einleitete, unmittelbaren Einfluß. Die Verfechter einer Beibehaltung der Strafbarkeit stützten sich auf so bedenkliche Argumente und den Schutz vager und von persönlichen Wertungen abhängiger Rechtsgüter wie die Sittlichkeit und die Normalität des Geschlechtslebens, volksgesundheits- und bevölkerungspolitische Aspekte und die ansonsten drohende Gefährdung von Staat, Ehe und Familie. Die Befürworter einer Abschaffung entgegneten, daß die Strafbarkeit homosexuellen Verhaltens nicht rational begründet werden könne und daher fallen müsse. Das Strafrecht habe den Zweck, das soziale und nicht das sittliche Zusammenleben zu regeln.58 Die Gesellschaft werde nicht geschädigt, weshalb kein Grund zur Pönalisierung bestehe. Einen Beweis für die Hypothese der sozialen Destruktion seien die Verfechter einer Beibehaltung des § 175 StGB bislang schuldig geblieben. Die Minderheit Homosexueller habe noch nie die Existenz eines Volkes in Frage stellen können, da Homosexualität nicht beliebig verbreitungsfähig sei.59
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Siehe Risse, Der verfassungsrechtliche Schutz der Homosexualität, S. 43 ff., der ferner „vage Tatsachenbehauptungen beleidigenden Inhalts“ und fehlendes argumentativmethodisches Niveau kritisiert. Vgl. Müller-Terpitz, in: Menzel, Verfassungsrechtsprechung, S. 91 (95); Baumann, Paragraph 175, S. 160. Vgl. auch Risse, Der verfassungsrechtliche Schutz der Homosexualität, S. 50. BGBl. I v. 25.6.1969, S. 645. Das Strafrecht habe im sittlichen Bereich keine Aufgabe. Im Strafrecht gehe es nicht um die Unterscheidung sittlich/unsittlich, sondern nur um die Unterscheidung unschädlich/sozialschädlich, Baumann, Paragraph 175, S. 160 mit Fn. 402a. Baumann, Paragraph 175, S. 163 mit Fn. 414.
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c) Gesetzgeberische Aktivitäten Unter dem Eindruck der von der Großen Strafrechtskommission geführten Debatte schuf der Gesetzgeber mit dem Ersten Strafrechtsreformgesetz vom 25. Juni 196960 die Strafbarkeit einfacher gleichgeschlechtlicher Handlungen unter erwachsenen Männern ab.61 Die befürchteten Auswirkungen blieben aus.62 Selbst die Verfechter einer Aufhebung der Strafbarkeit homosexueller Handlungen unter Männern befürworteten Ende der sechziger Jahre aber noch immer den Schutz Jugendlicher vor gleichgeschlechtlichen Kontakten.63 § 175 StGB wurde daher in eine Vorschrift umgewandelt, die nur noch dem Schutz männlicher Jugendlicher diente, die zwischen 16 und 21 Jahre alt waren. Im Hinblick auf das Schutzalter bestand daher eine Ungleichbehandlung homosexueller Kontakte unter Männern gegenüber weiblichen homosexuellen und verschiedengeschlechtlichen Kontakten weiter fort. Obwohl die Vorschrift wegen dieser ungleichen Behandlung Bedenken begegnete, beanstandete sie das Bundesverfassungsgericht nicht.64 Im Rahmen der Neuordnung des Sexualstrafrechts durch das 4. Strafrechtsreformgesetz vom 23. November 197365 wurde § 175 StGB neugefaßt. Die Strafbarkeit der homosexuellen Prostitution wurde beseitigt und das Schutzalter von 21 auf 18 Jahre herabgesetzt.66 Ungeachtet dessen glaubte der Gesetzgeber, sich immer noch auf einen allgemeinen Konsens in der Bevölkerung stützen zu können, wonach der Einsatz des Strafrechts ein angemessenes Mittel des Rechtsgüterschutzes darstelle, um männliche Jugendliche vor einer möglicherweise traumatisierenden Verunsicherung oder gar einer Verführung zur Homosexualität zu schützen.67
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BGBl. I v. 25.6.1969, S. 645 (653 f.). § 175 Abs. 1 StGB lautete nunmehr: „Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren wird bestraft 1. Ein Mann über 18 Jahre, der mit einem anderen Mann unter 21 Jahren Unzucht treibt oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen läßt.“ Nr. 2 und 3 enthielten Qualifikationen ohne Altersvoraussetzungen. § 175 Abs. 3 StGB lautete: „Bei einem Beteiligten, der zur Zeit der Tat noch nicht einundzwanzig Jahre alt war, kann das Gericht von Strafe absehen.“ Vgl. den Befund von Bleibtreu-Ehrenberg, Tabu Homosexualität, S. 377 aus dem Jahr 1978: „Es gab keinen wie auch immer gearteten ,Dammbruch‘, keine Belästigung des Publikums durch öffentliche ,Werbung für die homosexuelle Lebensführung‘, selbst die inzwischen entstandenen Homo-Magazine hängen in den Zeitungshandlungen ganz hinten oder werden gar nicht erst offen ausgelegt. Schwule sieht man in der Öffentlichkeit weder eng umschlungen noch sich küssend, keine neuerblühten Männerbünde gefährden die Familie und keine homosexuelle Politikerclique den Staat.“ Vgl. etwa Baumann, Paragraph 175, S. 165 f. m.w.N. BVerfGE 36, 46 ff. BGBl. I v. 23.11.1973, S. 1725. § 175 Abs. 1 StGB hatte danach folgenden Wortlaut: „Ein Mann über achtzehn Jahre, der sexuelle Handlungen an einem Mann unter 18 Jahren vornimmt oder von einem Mann unter 18 Jahren an sich vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Kappe, KritJ 1991, 205 (215 f.) m.w.N.
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d) Abschaffung des § 175 StGB Das deutsche Strafrecht enthielt somit immer noch eine Sondervorschrift für männliche Homosexuelle. Anders als lesbische oder heterosexuelle Kontakte waren sexuelle Handlungen eines erwachsenen Mannes mit einem 16- bis 18jährigen Mann strafbar. Erst nach mehr als zwanzig Jahren wurde durch das 29. Strafrechtsänderungsgesetz vom 13. Mai 1994 § 175 StGB abgeschafft.68 An seine Stelle trat mit einer Neufassung des § 182 StGB eine einheitliche, geschlechtsneutral formulierte Vorschrift, die den Schutz der ungestörten sexuellen Entwicklung Jugendlicher bezweckt.69 Mit dem Wegfall des § 175 StGB wurde jeglicher Homosexualitätsbezug aus dem Strafgesetzbuch getilgt.70 Die Forderung nach einer kompletten Aufhebung der Vorschrift war seit langem erhoben und nach einer eingehenden und teilweise sehr emotional geführten Debatte umgesetzt worden. Der Inhalt dieser Debatte ist auch für den vorliegenden Zusammenhang von Interesse. (1) Argumente von Bund und Ländern Die Initiatoren der Abschaffung des § 175 StGB sahen sich aus mehreren Gründen zum Handeln veranlaßt. Im Zuge der Deutschen Wiedervereinigung war im Einigungsvertrag die Fortgeltung des § 149 StGB-DDR71 vereinbart worden. Bei dieser Norm handelte es sich um eine einheitliche Jugendschutzvorschrift, die Jugendliche im Alter von 14 bis 16 Jahren vor sexuellem Mißbrauch durch
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BGBl. I v. 31.5.1994, S. 1168, in Kraft getreten am 11.6.1994. Hetero- wie homosexuelle Handlungen eines Erwachsenen mit Personen unter 18 Jahren sind derzeit je nach Altersstufe unter den folgenden Voraussetzungen strafbar: § 176 StGB bestraft sexuelle Handlungen mit einer Person unter 14 Jahren (Kind); §§ 176a und 176b StGB enthalten Qualifikationen. § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB bestraft sexuelle Handlungen mit einer schutzbefohlenen Person unter 16 Jahren. § 182 Abs. 1 Nr. 1 StGB bestraft sexuelle Handlungen, die eine Person über 18 Jahren an einer Person unter 16 Jahren vornimmt, wenn sie dadurch eine Zwangslage ausnutzt oder dafür Entgelt geleistet wird. § 182 Abs. 2 Nr. 1 StGB bestraft sexuelle Handlungen einer Person über 21 Jahren mit einer Person unter 16 Jahren, wenn dabei die fehlende Fähigkeit des Opfers zur sexuellen Selbstbestimmung ausgenutzt wird. Ursprünglich sollte die ins Visier genommene, geschlechtsneutral formulierte Vorschrift die Hausnummer 175 bekommen; davon sah man aber nach Protesten von Schwulenverbänden ab, vgl. Bruns, ZRP 1991, 325. Siehe auch Tönnies, ZRP 1992, 411: Symbol für eine menschenverachtende und -vernichtende Haltung. Verständnis zeigt auch Schroeder, NJW 1994, 1501 (1504); ders., JZ 1999, 827 (832). Zum ganzen auch Frommel, KritJ 1992, 80 ff. § 149 Abs. 1 StGB-DDR lautete: „Ein Erwachsener, der einen Jugendlichen zwischen vierzehn und sechzehn Jahren unter Ausnutzung der moralischen Unreife durch Geschenke, Versprechen von Vorteilen oder in ähnlicher Weise dazu mißbraucht, mit ihm Geschlechtsverkehr auszuüben, oder geschlechtsverkehrsähnliche Handlungen vorzunehmen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Verurteilung auf Bewährung bestraft.“ Die Vorschrift ist im Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 12/4584 v. 18.3.1993, S. 6 wiedergegeben.
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Erwachsene schützte.72 Die Anwendung unterschiedlichen Strafrechts infolge des Einigungsvertrages war rechtspolitisch unbefriedigend. Im Interesse der innerdeutschen Rechtsangleichung hielt der Gesetzgeber es daher für wünschenswert, eine einheitliche Regelung zu schaffen.73 Den wesentlich bedeutsameren zweiten Grund für eine Streichung stellten die durch die Rezeption der Erkenntnisse der Sexualwissenschaft und anderer humanwissenschaftlicher Disziplinen aufgekommenen schwerwiegenden Bedenken gegen § 175 StGB dar. Bereits Anfang der 1980er Jahre hatte sich auf breiter Ebene die Auffassung durchgesetzt, daß die sexuelle Prägung eines Menschen bereits in frühester Kindheit irreversibel determiniert wird und spätestens mit dem sechsten Lebensjahr festgelegt ist. Dadurch ergaben sich erhebliche Zweifel an der zuvor vertretenen These, Jugendliche könnten durch homosexuelle Kontakte dauerhaft in ihrem Sexualverhalten umgeprägt werden. Vor allem Sexualwissenschaftler bekundeten, daß eine Verführung zur Homosexualität, noch dazu im Alter von 14 bis 18 Jahren, ausgeschlossen sei. Bei Jugendlichen sei die geistige und seelische Reife so weit entwickelt, daß sie im sexuellen Bereich zu eigenverantwortlichem Handeln in der Lage seien.74 Die von sachverständiger Seite geäußerte Kritik an der Verführungsthese überzeugte anläßlich einer Anhörung vor dem Ausschuß für Frauen und Jugend des Bundesrates und in einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses auch die Mitglieder dieser Gremien.75 Darüberhinaus sah man auf politischer Ebene in der bloßen Existenz des § 175 StGB eine der Ursachen für die in weiten Teilen der Bevölkerung zu beobachtende Diskriminierung Homosexueller. Von einer Aufhebung versprach man sich ein 72
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Die Anwendung des dem § 175 StGB ähnelnden § 151 StGB-DDR (die Vorschrift lautete: „Ein Erwachsener, der mit einem Jugendlichen gleichen Geschlechts sexuelle Handlungen vornimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Verurteilung auf Bewährung bestraft“, vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 12/4584 v. 18.3.1993, S. 5) war am 11. August 1987 vom Obersten Gericht der DDR stark eingeschränkt worden. Es hatte entschieden, daß bei normal entwickelten Jugendlichen, spätestens aber zwischen dem 16. und 18. Lebensjahr, homosexuelle Handlungen mit Erwachsenen grundsätzlich nicht zu Fehlentwicklungen führen. Die Gerichte hatten daraufhin stets zu prüfen, ob der Straftatbestand des § 151 StGB-DDR lediglich formal erfüllt und eine Strafbarkeit deshalb zu verneinen war, weil die Auswirkungen der Tat auf die Rechte und Interessen der Bürger oder der Gesellschaft einerseits sowie die Schuld des Täters andererseits unbedeutend waren, BT-Drucks. 12/4584 v. 18.3.1993, S. 5 f. Im Gefolge dieser Rechtsprechung wurde die Vorschrift am 14. Dezember 1988 mit Wirkung vom 1. Juli 1989 aufgehoben und durch eine Neufassung des § 149 StGBDDR ersetzt. Gesetzentwurf des Bundesrates, BT-Drucks. 12/4232 v. 28.1.1993, S. 4; Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 12/4584 v. 18.3.1993, S. 6; Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/7035 v. 9.3.1994, S. 8. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 12/4584 v. 18.3.1993, S. 5 ff. mit Verweis auf Sachverständigenanhörungen der Fraktionen FDP (5.5.1981) und SPD (1982 und 1983). Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 12/4584 v. 18.3.1993, S. 6 (Anhörung vor dem Bundesrat); Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks. 12/7035 v. 9.3.1994, S. 7 f. (Anhörung vor dem Rechtsausschuß).
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deutliches Zeichen der Anerkennung in der Öffentlichkeit. Außerdem erzeugte der einseitig diskriminierende Charakter der Strafvorschrift, die lesbische Handlungen unter sonst gleichen Bedingungen straffrei ließ, einen unbefriedigenden Rechtszustand.76 Schließlich hatten sich bereits Anfang der achtziger Jahre der Europarat und das Europäische Parlament für eine einheitliche Schutzaltersgrenze für homosexuelle und heterosexuelle Handlungen ausgesprochen, ohne sich jedoch auf ein bestimmtes Alter festzulegen.77 (2) Reaktion des juristischen Schrifttums In der juristischen Literatur stießen die auf politischer Ebene getroffenen Aussagen auf nahezu einhellige Zustimmung. Die Mehrheit der Autoren hatte sich die Erkenntnisse der Sexual- und Humanwissenschaften zu eigen gemacht und vertrat die Ansicht, daß die Festlegung der sexuellen Orientierung bereits auf einer sehr frühen Entwicklungsstufe erfolgt.78 Einzelne Stimmen hielten auch eine vorgeburtliche Determination für möglich.79 Aus diesem Umstand folgerten etliche Juristen, daß eine Verführung zur Homosexualität nicht möglich ist.80 76
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Gesetzesantrag der Freien und Hansestadt Hamburg, BR-Drucks. 312/90 v. 7.5.1990, S. 1; Gesetzentwurf des Bundesrates, BT-Drucks. 12/4232 v. 28.1.1993, S. 1; Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 12/4584 v. 18.3.1993, S. 7: Schutzbedürftigkeit unabhängig vom Geschlecht des Jugendlichen. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 12/4584 v. 18.3.1993, S. 5, s.a. Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/7035 v. 9.3.1994, S. 8. Steinmeister, KritJ 1991, 197 (199); dies., ZRP 1992, 87 (88); Schroeder, NJW 1994, 1501 (1502); Kappe, KritJ 1991, 205 (216); ders., DuR 1991, 465 (469); vgl. auch Strick, DEuFamR 2 (2000), 82 (87); Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft 1(2001), Rdnr. 3. Schroeder, NJW 1994, 1501 (1502); ders., JZ 1999, 827 (832). Steinmeister, KritJ 1991, 197 (199); dies., ZRP 1992, 87 (88); Kappe, KritJ 1991, 205 (216); ders., DuR 1991, 465 (469); Kusch/Mössle, NJW 1994, 1504 (1505 m. Fn. 2); Bruns, ZRP 1991, 166 (167) m.w.N.; ders., ZRP 1993, 232; Kleinschmidt, ZRP 1993, 271 (272); weniger deutlich Tönnies, ZRP 1992, 411. Aus dem jüngeren juristischen Schrifttum: Dimski, ZEuP 1995, 465 (472); Schimmel, Eheschließungen gleichgeschlechtlicher Paare?, S. 42; Risse, Der verfassungsrechtliche Schutz der Homosexualität, S. 338 f.; Brugger, Liberalismus, Pluralismus, Kommunitarismus, S. 281; Dopffel/ Kötz/Scherpe, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 391 (408); Holzhauer, JZ 2000, 1076 (1083); Strick, DEuFamR 2 (2000), 82 (87); Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft 1(2001), Rdnr. 171; Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 192; Dethloff, NJW 2001, 2598 (2602); Schomburg, Kind-Prax 2001, 103 (104); Robbers, JZ 2001, 779 (782); Willutzki, BT-Rechtsausschußprot. 15/59 v. 18.10.2004, S. 14. Aus dem ausländischen Schrifttum Maxwell/Mattijssen/Smith, EJCL, vol 3.1 (August 1999), 2.1.2, Fn. 65. A.A. noch LG Berlin, FamRZ 1985, 519 (520); Wacke, FamRZ 1990, 347 (349); Tröndle, ZRP 1992, 297 (298); Louven, ZRP 1993, 12: Gefahr einer Desorientierung; Braun, JZ 2002, 23 (27 m. Fn. 60); ders., Eingetragene Lebenspartnerschaft und Ehe, S. 72 ff. Der Verführungsthese anhängend wohl auch Diederichsen, NJW 2000, 1841 (1843).
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Die Streichung jedes homosexualitätsrelevanten Bezuges wurde auch aus rechtsvergleichender Perspektive begrüßt, da in den meisten europäischen Nachbarländern Homosexualität als Sonderstraftatbestand nicht mehr existierte.81 (3) Gegner der Abschaffung Zu den vehementesten Gegnern der Abschaffung des § 175 StGB zählte Herbert Tröndle.82 Seine Kritik steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Frage nach dem Aufwachsen von Kindern bei gleichgeschlechtlichen Paaren und wird auch in jüngerer Zeit noch herangezogen.83 Daher ist eine Auseinandersetzung mit den wesentlichen Argumenten und Begründungsmustern notwendig. (a) Kritik Tröndles Tröndle behauptete in der Debatte um die Abschaffung des § 175 StGB, daß ein erheblicher Teil der erwachsenen Schwulen pädophil oder ephebophil sei.84 Empirisch sei unbestritten, daß die meisten männlichen Homosexuellen sehr häufigen Partnerwechsel pflegten und bei ihrem sexuellen Umgang sehr junge Partner bevorzugten. Viele Homosexuelle wüßten, daß eine Propagierung homosexueller Praktiken gegenüber Jugendlichen die Toleranzbereitschaft der Bevölkerung störe. Deshalb blieben sie in ihrem abweichenden Sexualverhalten unter Erwachsenen. Von einer Abschaffung des § 175 StGB befürchtete Tröndle den ungestraften und ungehinderten Zugriff schwuler Männer auf Kinder und Jugendliche, was dazu führe, daß die etablierte Schwulenszene die in der Pubertät und Adoleszenz befindlichen Jugendlichen für ihre Zwecke rekrutiere. Er befürchtete ferner, daß eine Abschaffung des § 175 StGB die Ausweitung der „Beschaffungsprostitution“, der „Not- und Unterschlupf-Prostitution“ und der „Freizeitfinanzierungs-Prostitution“ nach sich ziehen werde. Außerdem würden die Gefahren unterschätzt, die der heranwachsenden Jugend durch die weitere Ausbreitung der „Aids-Seuche“ drohe.85 Das Vorhaben einer Abschaffung des § 175 StGB lasse „empirisch nachweisbare Fakten außer acht, wonach gerade charakterlich instabile, retardierte und noch in einer homoerotischen Phase befindliche 16 bis 18jährige Jugendliche bevorzugt in die Gefahr geraten, in ihrer sexuellen Entwicklung durch Sexualideologen gestört zu werden, indem sie nicht als Person anerkannt, sondern von partnermobilen Homosexuellen als Lustobjekt konsumiert und mißbraucht“ würden.86 Es könne aber nicht angehen, jedwede sexuelle Neigung wie Exhibitionismus, Pädophilie, Inzest oder Vergewaltigungszwang als natürlich und damit als der Heterosexualität gleichwertig anzusehen.87 81 82
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Schroeder, ZRP 1992, 295 (296); Steinmeister, KritJ 1991, 197. Tröndle, ZRP 1992, 297 ff. und Dreher/Tröndle, Strafgesetzbuch 47(1995), § 182, Rdnr. 3–3b. Etwa von Braun, JZ 2002, 23 (29, Fn. 75). Tröndle, ZRP 1992, 297 (301). Von Pädophilie spricht Tröndle bei Partnern bis 13 Jahren, von Ephebophilie bei Partnern zwischen 14 und 17 Jahren. Zur Terminologie auch Teil I § 4 III.5., S. 56. Tröndle, ZRP 1992, 297 (299); Dreher/Tröndle, Strafgesetzbuch 47(1995), § 182, Rdnr. 3a. Tröndle, ZRP 1992, 297 (301). Tröndle, ZRP 1992, 297 (298), (300).
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(b) Eigene Stellungnahme Die Position Tröndles erweist sich unter Anlegung wissenschaftlicher Maßstäbe als unhaltbar. Seine Ausführungen enthalten keine belastbaren Nachweise für die von ihm aufgestellten Behauptungen. Der Autor befaßt sich nicht mit den bereits seinerzeit gewonnenen Erkenntnissen der empirischen Humanwissenschaften, sondern blendet diese aus. Seine Aussagen, zu homosexuellem Verhalten könne man verführt88 werden, Schwule seien mehrheitlich an sexuellen Kontakten zu Kindern interessiert und die meisten homosexuellen Männer würden eine sehr hohe Zahl von Sexualpartnern bevorzugen, weist Tröndle zu Unrecht als unbestritten bzw. empirisch nachgewiesen aus. Er kann sich insofern auch nicht auf die von ihm herangezogenen Quellen berufen. So läßt sich die Behauptung, die meisten Homosexuellen pflegten sehr häufigen Partnerwechsel und bevorzugten bei ihrem sexuellen Umgang sehr junge Partner, weder auf die mehrfach von Tröndle in bezug genommene Einzelfundstelle des Sexualmediziners Wille,89 noch auf dessen übrigen Ausführungen zur forensischen Sexualmedizin stützen.90 Darüber hinaus ist die Bezugnahme auf diesen Autor insofern bemerkenswert, als er im Gegensatz zu Tröndle das noch verbleibende Schutzgut des § 175 StGB, die Jugend vor traumatisierender Verunsicherung in der puberalen Orientierungsphase oder vor Prägung zur Homosexualität durch gleichgeschlechtliche Erlebnisse zu bewahren, aufgrund empirischer Ergebnisse für zunehmend fragwürdig hält und daher die Berechtigung eines entsprechenden Straftatbestandes in Zweifel zieht.91 Nachweise zu Sigmund Freud und den Erkenntnissen praktizierender Psychiater, die seine Behauptungen stützen sollen, bleibt Tröndle schuldig.92 Die von ihm herangezogenen Sachverständigengutachten, die der Entscheidung des BVerfG von 1957 zugrunde lagen,93 waren nach mehr als 30 Jahren in ihrem wissenschaftlichen Gehalt überholt und hatten allenfalls noch historischen Wert.94 Tröndle beruft sich zum Teil auch auf Autoren, die offensichtlich immer noch eine von der 88
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Bruns, ZRP 1993, 232 weist darauf hin, daß es sich bei den Anhängern der Verführungsthese nicht mehr um Humanwissenschaftler, sondern nur noch um Juristen handele: „Wenn früher Homosexuelle in Strafverfahren den Tatvorwurf nicht mehr bestreiten konnten, mußten sie versuchen, Milderungsgründe für sich zu sammeln. Sie machten dann geltend, daß sie ihrerseits verführt worden seien und deshalb ihre ,abartige‘ Triebrichtung nicht verschuldet hätten, vielmehr selbst Opfer seien. Dadurch entstand bei Juristen der Eindruck, daß Homosexualität die Folge von Verführung sei.“ In gleichem Sinne aus Sicht der forensischen Sexualmedizin bereits Wille, in: Forster, Praxis der Rechtsmedizin, S. 519 (545). Zitiert wird jeweils „Wille in: Forster, Praxis der Rechtsmedizin, 1986, S. 544.“ bei Tröndle, ZRP 1992, 297 (298 f. in Fn. 10), (299 f. in Fn. 21), (300 in Fn. 26), (301 in Fn. 40). Etwa denen zur Pädophilie, vgl. Wille, in: Forster, Praxis der Rechtsmedizin, S. 519 (533–542). Wille, in: Forster, Praxis der Rechtsmedizin, S. 519 (543) m.w.N. Tröndle, ZRP 1992, 297 (298 li. Sp.); folgende Nachweise (Fn. 3 ff.) beziehen sich auf andere Textpassagen. Bruns, ZRP 1993, 232 m.w.N. weist darüber hinaus nach, daß sich Tröndle zu Unrecht auf Freud beruft. BVerfGE 6, 389 ff. Vgl. dazu oben, S. 81 ff. So vor Tröndle, ZRP 1992, 297 ff. bereits Kappe, KritJ 1991, 205 (217).
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modernen Sexualwissenschaft abgelehnte Psychopathologisierung der Homosexualität zu vertreten scheinen.95 Die Mehrzahl der Wissenschaftler, die anderer Ansicht sind, diskreditiert er, indem er ihnen pauschal die Expertise zur Beurteilung dieser Frage oder die Objektivität abspricht. Seiner Meinung nach sind diese Fachleute entweder wegen ihrer sexuellen Orientierung befangen, biographisch vorbelastet oder aber ideologisch verblendet.96 Tröndle arbeitet ferner mit unlauteren Unterstellungen, wenn er behauptet, vereinzelte pädophiliefreundliche Äußerungen seien communis opinio unter Homosexuellen, schwule Männer gäben dies aber nicht offen zu, weil sie wüßten, daß sie damit in der Gesellschaft auf heftige Ablehnung stießen. Diese Behauptung kann von niemandem entkräftet werden. Allerdings bleibt auch Tröndle dafür jeden Nachweis schuldig.97 Es ist unredlich, homosexuellen Männern, die sich nie in diese Richtung geäußert haben, generell bestimmte sexuelle Vorlieben zu supponieren, nur weil einige Pädophile dies getan haben. Als unsachlich ist auch die Auseinandersetzung Tröndles mit dem Phänomen Homosexualität an sich zu qualifizieren, das von ihm mit abwertenden Begriffen belegt wird („abweichend“, „atypisch“, „Anomalie“, Konsumierung als „Lustobjekt“). Solche und ähnliche Termini wie etwa der des Normalen oder des Natürlichen98 sind gerade auf dem Gebiet der Sexualität so sehr von den Wertvorstellungen des Verwenders geprägt,99 daß auf sie im seriösen Schrifttum mittlerweile ganz verzichtet wird. In diesem Zusammenhang differenziert Tröndle auch nicht zwischen so heterogenen und überwiegend gesellschaftlich stark tabuisierten bzw. negativ bewerteten sexuellen Verhaltensweisen wie Pädophilie, Exhibitionismus, Sadomasochismus, Inzest und Vergewaltigungszwang.100 Ohne daß ein sachlicher Grund dafür erkennbar wäre, nennt er diese Phänomene in einem Atemzug mit Homosexualität, um homosexuelles Verhalten ihnen gleichzustellen und dadurch abzuwerten. Die Begriffe Pädophilie, Exhibitionismus, Sadomasochismus, Inzest und Vergewaltigungszwang beschreiben jedoch völlig unterschiedliche Phänomene und müssen 95
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So etwa das bei Tröndle, ZRP 1992, 297 (298 mit Fn. 5) zitierte Werk von G.J.M. van den Aardweg mit dem Titel „[On the] Origins and Treatment of Homosexuality“ von 1986, das die Behandlungsbedürftigkeit und Behandlungsmöglichkeit der Homosexualität nahelegt. Seit Mitte der siebziger Jahre hat sich aber in den Humanwissenschaften zunehmend die Ansicht durchgesetzt, daß Homosexualität weder eine Krankheit ist, noch therapiert werden kann, vgl. Teil I § 4 II., S. 44 f. Tröndle, ZRP 1992, 297 (298): der informierte [!] Jurist wisse, daß im Widerstreit der Meinungen eine „autobiographisch-apologetische Erkenntnistendenz“ hervorzutreten pflege; es könne sich nur um „vorwiegend homosexuelle oder ideologisch motivierte Wissenschaftler“ handeln. Vgl. Tröndle, ZRP 1992, 297 (301). Homosexualität wird aus philosophischer Sicht angesichts der empirischen Befunde der Humanwissenschaften nicht als etwas Unnatürliches angesehen, vgl. Horn, in: Höffe, Lexikon der Ethik, Stichwort: Sexualität, S. 230. Vgl. auch Bruns, ZRP 1993, 232, der darauf hinweist, daß Tröndle nicht sachlich, sondern ideologisch argumentiere. Ideologie lasse sich aber nicht widerlegen. Zur mangelhaften Differenzierung im öffentlichen Diskurs Schorsch, MschrKrim 72 (1989), 141 (143 f.).
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differenziert behandelt werden. Sie haben mit einverständlichen gleichgeschlechtlichen Kontakten unter erwachsenen Männern oder Frauen nichts zu tun. Pädophilie, Exhibitionismus und Vergewaltigungszwang verletzen in aller Regel die persönliche Autonomie und die sexuelle Selbstbestimmung des nicht konsentierenden Betroffenen.101 Schon im Begriff der Vergewaltigung klingt an, daß sexuelle Handlungen gewaltsam gegen den Willen des Opfers vorgenommen werden. Schutzgut des § 183 StGB, der exhibitionistisches Verhalten unter Strafe stellt, ist die Bewahrung des einzelnen vor ungewollter Konfrontation mit möglicherweise schockierenden sexuellen Handlungen anderer.102 Auch bei den Phänomen des Inzestes und des Sadomasochismus fehlt es an jeglichem Zusammenhang zur Homosexualität. Inzest bezeichnet den Geschlechtsverkehr mit engsten Blutsverwandten. Das mit dem Inzest verbundene soziale Tabu betrifft in erster Linie den (verschiedengeschlechtlichen) Beischlaf unter Verwandten, der in § 173 StGB unter Strafe gestellt ist. Gleichgeschlechtliche Handlungen unterfallen nicht dem Anwendungsbereich dieser Strafnorm.103 Einverständliche sadomasochistische Handlungen unter Erwachsenen begegnen aus sexualethischer wie strafrechtlicher Sicht keinen Bedenken, solange bei keinem Beteiligten die sexuelle Autonomie verletzt wird.104 Besonders schwer wiegt der Vorwurf der Pädophilie, da diese im gesellschaftlichen Werturteil am tiefsten steht. Manfred Bruns weist darauf hin, daß Tröndle mit von ihm in bezug genommenen Flugblättern105 des (damaligen) Schwulenverbandes in Deutschland (SVD)106 den Eindruck erweckt, als handele es sich bei dieser Organisation um eine „Pressionsgruppe von Pädophilen“. Dies sei jedoch eine böswillige Verfälschung. Bruns stellt klar, daß der SVD sich stets für die Bürgerrechte von Schwulen eingesetzt habe. In den von Tröndle zitierten Blättern sei auch von nichts anderem die Rede. Vielmehr gebe es erhebliche Spannungen zwischen dem SVD und Pädophilen, weil der SVD es ablehne, sich deren Forde-
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Horn, in: Höffe, Lexikon der Ethik, Stichwort: Sexualität, S. 230 f.: Maßstab für die ethische Bewertung der Sexualität müsse die Autonomie und Würde des Individuums sein, an ihnen sei sowohl das Sexualstrafrecht als auch das Toleranzniveau einer Gesellschaft gegenüber abweichendem Sexualverhalten zu orientieren. Auch seien deviante Formen von Sexualität moralisch nur dann problematisch, wenn sie die Selbstbestimmung einer beteiligten Person verletzen. Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, § 183, Rdnr. 3: Der Exhibitionist wird durch das Zur-Schau-Stellen des Penis vor einer Frau, die dadurch erschrecken soll, sexuell erregt. Tröndle/Fischer, Strafgesetzbuch, § 173, Rdnr. 4; § 177, Rdnr. 62. Siehe auch die breiteren Ausführungen bei Bräutigam/Clement, Sexualmedizin im Grundriß, S. 143 ff. Vgl. aus strafrechtlicher Sicht differenziert Sitzmann, GA 1991, 71 (78 f.) sowie BGH, NJW 2004, 2458 (2459): Die Ansicht des Reichsgerichts, wonach eine Einwilligung in Körperverletzungen, die durch sadomasochistische Praktiken zugefügt werden, wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten nicht möglich wäre, sei überholt; vgl. auch Tröndle/Fischer, Strafgesetzbuch, § 228, Rdnr. 10. Tröndle, ZRP 1992, 297 (298 m. Fn. 8), (301 m. Fn. 41). Vgl. dazu Teil I § 3 III.5.a), S. 31, Fn. 63.
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rungen zu eigen zu machen.107 Es wurde bereits an anderer Stelle ausgeführt, daß Homosexualität und Pädophilie nicht miteinander in Beziehung stehen; der Anteil Pädophiler ist unter Homosexuellen nicht höher als unter Heterosexuellen.108 Schließlich hat auch die Entwicklung nach 1994 gezeigt, daß die von Tröndle befürchteten Gefährdungen allesamt nicht eingetreten sind. Seit der Streichung des § 175 StGB sah sich der Gesetzgeber nicht dazu veranlaßt, einen Bezug zur Homosexualität wieder in das StGB aufzunehmen. Der Änderung des Sexualstrafrechts im Jahre 2003 lag die Einschätzung zugrunde, daß die Strafvorschriften gegen den sexuellen Mißbrauch von Kindern unzureichend seien. Wenn in diesem Zusammenhang aber das Bedürfnis für eine homosexualitätsbezogene Sondervorschrift zum Schutz von Kindern fehlt, so ist dies der Erkenntnis geschuldet, daß von Homosexuellen keine größeren Gefahren für Kinder als von Heterosexuellen ausgehen.109 Nicht zuletzt schlägt sich die Zweifelhaftigkeit der Position Tröndles auch in der von Thomas Fischer übernommenen Bearbeitung des Kommentars zum StGB nieder. Dort sind die Ausführungen Tröndles nicht mehr wiedergegeben, sondern werden von Fischer distanziert bewertet: „Sondervorschriften für männliche Homosexualität lassen sich unter kriminalpolitischen Gesichtspunkten nicht mehr rechtfertigen.“110 Die von Tröndle befürchteten Auswirkungen auf das „Stricher-Unwesen“ und auf die verschiedensten Formen der Prostitution sind ebenfalls nicht eingetreten. Was die Verbreitung von Aids und HIV angeht, so deuten Daten aus dem Robert Koch-Institut nicht darauf hin, daß wegen der Abschaffung des § 175 StGB die Zahlen der Infektionen und Erkrankungen gestiegen sind.111 Die Abschaffung des § 175 StGB stellt für alle homosexuellen Männer, unabhängig davon, ob sie jemals mit dieser Vorschrift in Berührung gekommen sind, eine Verbesserung ihrer rechtlichen und gesellschaftlichen Situation dar. Es ist bemerkenswert, daß im Zuge der damit verbundenen Diskussion von einem prominenten und renommierten Juristen der unbegründete Vorwurf der Kindesschändung und der pädophilen Veranlagung schwuler Männer erhoben wird. Die Verbindung zwischen einer Verbesserung der rechtlichen und gesellschaftlichen Stellung homosexueller Männer und dem gegen sie erhobenen Vorwurf, sexuelle Kontakte zu Kindern zu suchen, hat Gisela Bleibtreu-Ehrenberg bereits bei der Abschaffung der Strafbarkeit der einfachen Homosexualität konstatiert und als 107
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Bruns, ZRP 1993, 232: Die Schwulenszene sei keine pädophile Szene. Vgl. auch Amendt, Leviathan 30 (2002), 161 (166). Vgl. Teil I § 4 III.5., S. 55 ff. „Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften“, BGBl. I v. 27.12.2003, S. 3007, in Kraft getreten am 1.4.2004. Dazu Duttge/Hörnle/Renzikowski, NJW 2004, 1065 ff. Vgl. auch Schroeder, JZ 1999, 827 ff. Tröndle/Fischer, Strafgesetzbuch 53(2006), § 182, Rdnr. 3. Ebenda spricht Fischer in Bezug auf Tröndle, ZRP 1992, 297 ff. von sehr scharfer Kritik. A.A. wohl Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, Rdnr. 928b, der erwägt, gleichgeschlechtliche Handlungen unter Erwachsenen wieder unter Strafe zu stellen. Vgl. etwa die Verteilung der berichteten Aids-Fälle und der bestätigt positiven HIVAntikörpertests nach Altersgruppen und Geschlecht bei Robert Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin/Sonderausgabe B v. 11.8. 2003, S. 13 (Tabelle 9).
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Derivation beschrieben.112 Es scheint daher im Zusammenhang mit der Verbesserung der rechtlichen Stellung homosexueller Männer einen bewußten oder unbewußten Mechanismus zu geben, der einzelne Personen dazu veranlaßt, ihnen ohne jeden sachlichen Grund eine Tendenz zum Kindesmißbrauch zu unterstellen.113 (4) Zusammenfassung Mit der Streichung des § 175 StGB wurde Homosexualität nicht nur zum ersten Mal vollständig entkriminalisiert, sondern der Gesetzgeber nahm auch ein ganz erhebliches, durch die gestrichene Vorschrift zum Ausdruck kommendes Unwerturteil über männliches homosexuelles Verhalten zurück. Der Entscheidung lagen nicht bloß kriminalpolitische Erwägungen zugrunde. Ausweislich der amtlichen Dokumente war auch der Abbau der Diskriminierung ein wesentliches Motiv.114 Die Tatsache, daß das Sexualstrafrecht in den neunziger Jahren durchgehend verschärft wurde,115 verleiht der Entkriminalisierung der Homosexualität besonderes Gewicht. Durch die strafrechtliche Gleichbehandlung von Hetero- und Homosexualität im neutral formulierten § 182 StGB werden diese Erscheinungsformen von Sexualität nunmehr einheitlich bewertet. e) Entschließung des Deutschen Bundestages Die Unbegründetheit der Strafbarkeit homosexuellen Verhaltens wird mittlerweile auch auf staatlicher Ebene anerkannt. Am 7. Dezember 2000 hat sich der Deutsche Bundestag in einer Entschließung einstimmig bei Homosexuellen für die frühere Strafverfolgung entschuldigt und eine Rehabilitierung der im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen beschlossen.116 Er bekannte, daß die Strafverfolgung gegen die Europäische Menschenrechtskonvention117 und auch gegen das freiheitliche Menschenbild des Grundgesetzes verstößt.118 Damit distanzierten sich die Abgeordneten des Bundestages unmißverständlich von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1957.119
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Bleibtreu-Ehrenberg, Tabu Homosexualität, S. 373 ff.; 376 m.w.N., auf S. 377 f. mit Beispielen. Ihr folgend Kappe, KritJ 1991, 205 (216). Vgl. dazu ausführlich Teil I § 3 III.5.b), S. 31 f. Zum Auftreten dieses Phänomens im Zuge der Etablierung des LPartG vgl. Teil II § 7 II.5.a) und b), S. 119 ff. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 12/4584 v. 18.3.1993, S. 5; vgl. auch Wegner, ZfRSoz 16 (1995), 170 (189); Reiß, KritJ 1994, 98 (105) m.w.N. Dazu Schroeder, JZ 1999, 827 ff. BT-Drucks. 14/4894 v. 16.12.2000, S. 4 und BT-Plenarprot. 14/140 v. 7.12.2000, S. 13738 D-13745 B; SZ Nr. 284 v. 9./10.12.2000, S. 5. Vgl. auch Beck, NJW 2001, 1894 (der allerdings nur von einer Entschuldigung für die frühere Strafverfolgung spricht) sowie die Kleine Anfrage der Abgeordneten Christina Schenk und der Fraktion der PDS v. 19.12.2001, BT-Drucks. 14/7919. EGMR, EuGRZ 1983, 488 (492) = NJW 1984, 541 (543 f.) – Dudgeon v. Vereinigtes Königreich; EGMR, ÖJZ 1989, 628 (629 ff.) – Norris v. Irland. BT-Drucks. 14/4894 v. 16.12.2000, S. 3. BVerfGE 6, 389 ff.
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f) Zwischenergebnis und Bewertung Gleichgeschlechtliche Handlungen stellten unter dem Eindruck christlicher Auffassungen von Sexualmoral im abendländischen Kulturkreis nahezu zwei Jahrtausende ein strafbares Verhalten dar. Die Pönalisierung war für die Betroffenen ein Stigma und trug maßgeblich zu deren Diskriminierung bei. Mit Blick auf die Rechtsentwicklung in Deutschland wirkten sich die seit der Aufklärung unternommenen Versuche einer Liberalisierung des Strafrechts nur auf einige wenige Partikularrechtsordnungen aus. Sie wurden schließlich von der Gründung des Deutschen Reiches und der mit ihr einhergehenden Rechtsvereinheitlichung zunichte gemacht. Sowohl während des Kaiserreiches als auch während der Weimarer Republik konnten sich Bestrebungen, die auf eine mildere Fassung der einschlägigen Strafnorm zielten, nicht durchsetzen. Die strafrechtliche Ahndung homosexuellen Verhaltens nahm unter der Herrschaft des Nationalsozialismus drastisch zu. Neben der Verschärfung des § 175 RStGB trug dazu maßgeblich die Ausdehnung der Strafverfolgung und die extensive Spruchpraxis des Reichsgerichts bei, das die Verfolgung Homosexueller durch die Nationalsozialisten bereitwillig unterstützte. Das Ende des Zweiten Weltkrieges bedeutete nicht zugleich das Ende der Verfolgung homosexueller Männer. Vielmehr sahen sich weder die Legislative noch die Justiz gehalten, den unter dem Nationalsozialismus etablierten Rechtszustand zugunsten der Betroffenen zu ändern. Diese Praxis fand sogar die Billigung des Bundesverfassungsgerichts, das in einem aus heutiger Sicht zweifelhaften Urteil die Strafbarkeit der einfachen Homosexualität unter Männern nicht beanstandete.120 Erst Ende der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts setzte sich die Einsicht durch, daß es für eine Strafbarkeit keine rationalen rechtsstaatlichen Gründe gab. Es dauerte aber immerhin noch weitere 25 Jahre, bis 1994 jeglicher homosexualitätsrelevante Bezug aus dem Strafgesetzbuch gestrichen wurde. Die Streichung des § 175 StGB stellt den Endpunkt der Kriminalisierung homosexuellen Verhaltens unter Männern in Deutschland dar. Eine solche Kriminalisierung war unter dem Gesichtspunkt eines rationalen Rechtsgüterschutzes zu keinem Zeitpunkt zu rechtfertigen. Aus heutiger Sicht ist es kaum noch nachvollziehbar, welch vorwiegend irrationale Argumente die Beibehaltung der Strafbarkeit homosexuellen Verhaltens rechtfertigen konnten. Selbst das Bundesverfassungsgericht hielt den Schutz allgemeiner Sittlichkeitsvorstellungen mit Hilfe des Strafrechts für legitim.121 Die Streichung jeglichen homosexualitätsrelevanten Bezugs aus dem StGB wirkte sich auch auf das Rechtsbewußtsein in der Bevölkerung aus und begünstigte bereits vorhandene Liberalisierungstendenzen. Damit erweist sich die Entkriminalisierung gleichgeschlechtlicher Handlungen als integraler Bestandteil des Abbaus der Diskriminierung homosexueller Menschen. Für den vorliegenden Zusammenhang besonders bedeutsam ist der Wegfall des seit 1969 als Jugendschutzvorschrift ausgestalteten § 175 StGB. Damit wird auch aus staatlicher Sicht unterstrichen, daß es für eine Sondervorschrift zum Schutze 120
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Vgl. die Kritik bei Baumann, Paragraph 175, S. 160; Kappe, KritJ 1991, 205 (217); Risse, Der verfassungsrechtliche Schutz der Homosexualität, S. 43 ff.; Müller-Terpitz, in: Menzel, Verfassungsrechtsprechung, S. 91 (95). BVerfGE 6, 389 (434), (437).
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Jugendlicher vor homosexuellen Männern keinen sachlichen Grund gibt. Allerdings wurden in diesem Zusammenhang von prominenter Seite schwerwiegende Vorwürfe wie derjenige der Pädophilie gegenüber schwulen Männern erhoben. Diese Behauptungen sind nicht haltbar, sondern entspringen vielmehr einem antihomosexuellen Ressentiment, das im Kontext der Privilegierung des rechtlichen Status schwuler Männer in Erscheinung zu treten pflegt und augenscheinlich das Ziel verfolgt, diese Privilegierung zu unterbinden. Betrachtet man die rechtsgeschichtliche Entwicklung aus der für den vorliegenden Zusammenhang interessierenden Perspektive, wird verständlich, daß eine offen gelebte gleichgeschlechtliche Elternschaft von Männern wegen deren Kriminalisierung lange Zeit unvorstellbar war. Da die existierenden Strafvorschriften, zumal solche des Sexualstrafrechts, einen starken Einfluß auf das Rechtsbewußtsein in der Bevölkerung und damit auf die gesellschaftliche Akzeptanz von homosexuellen Männern ausübten, waren offen gelebte schwule Verbindungen undenkbar, von einer gleichgeschlechtlichen Elternschaft homosexueller Männer ganz zu schweigen. Unter Umständen hätte sich ein aus Schwulen bestehendes Elternpaar sogar der Strafverfolgung ausgesetzt. Obwohl lesbische Handlungen seit Geltung des RStGB nicht mit Strafe bedroht waren, dürfte die Strafbarkeit gleichgeschlechtlicher Handlungen unter Männern auch für ihre soziale Stellung vergleichbare negative Folgen gehabt und eine offen gelebte gleichgeschlechtliche Elternschaft von Lesben verhindert haben. Die Entkriminalisierung war damit von erheblichem Einfluß auf die künftigen Entwicklungen. Sie war die Voraussetzung für die Verbesserung des sozialen Status homosexueller Personen, gleichgeschlechtlicher Paare und gleichgeschlechtlicher Eltern.
III. Bemühungen um ein Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Paare Seit Mitte der neunziger Jahre gab es mehrere erfolglose Anläufe, gleichgeschlechtlichen Paaren zu einer rechtlichen Anerkennung ihrer Partnerschaft zu verhelfen. Diese Bestrebungen hatten durch die Streichung jeglichen homosexualitätsrelevanten Bezuges aus dem Strafgesetzbuch und durch entsprechende Vorbilder aus dem Ausland122 Auftrieb erhalten. Begründet wurde die Forderung rechtlicher Regelungen mit der nachteiligen Situation gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, die man hauptsächlich im mangelnden Angehörigenstatus sah. Im Zentrum der Kritik standen das Fehlen gegenseitiger Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrechte, fehlende Auskunftsrechte, etwa gegenüber Ärzten,123 122
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Dänemark schuf 1989 als erstes Land der Welt mit der registrierten Partnerschaft ein familienrechtliches Institut für gleichgeschlechtliche Paare, vgl. Teil III § 8 II.1., S. 178 ff. Bei diesem juristisch unpräzisen Begriff geht es um Fälle, in denen ein Patient keinen eigenen Willen mehr äußern kann. Hier stellt sich das gesetzlich nicht geregelte Problem der mutmaßlichen Einwilligung des Patienten in die Verletzung der Schweigepflicht des Arztes gegenüber Angehörigen oder nahestehenden Personen. Die verwandtschaftliche Beziehung einer Person zu einem einwilligungsunfähigen Patienten begründet keine Pflicht des Arztes zur Erteilung von Auskünften über den Zustand des
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fehlende Besuchsrechte im Justizvollzug, fehlende steuerrechtliche Vergünstigungen und anderes mehr.124 1. Gleichgeschlechtliche Ehe Am Anfang dieser Entwicklung stand der Versuch, über die Gerichte den Zugang zum Institut der Ehe zu erstreiten. Im August 1992 bestellten etliche lesbische und schwule Paare auf deutschen Standesämtern gem. § 3 PStG das Aufgebot zur Eheschließung, dessen Erlaß ihnen von den Standesbeamten erwartungsgemäß verweigert wurde. Daraufhin riefen die abgewiesenen Paare zahlreiche Amtsgerichte an und beantragten, den Standesbeamten gem. § 45 Abs. 1 PStG anzuweisen, für sie das Aufgebot zu erlassen und sie zu trauen. Bis auf eine Ausnahme125 wurden diese Anträge verworfen.126 Die gegen die abweisenden Urteile eingelegten Verfassungsbeschwerden nahm die 3. Kammer des Ersten Senats des BVerfG wegen des Fehlens grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung gem. § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht zur Entscheidung an.127 Daher stellte sich von vornherein nicht die Frage, ob nach den damals geltenden Richtlinien der Bundesärztekammer zur „Durchführung des intratubaren Gametentransfers, der In-vitroFertilisation mit Embryotransfer und anderer verwandter Methoden“, welche verheirateten Paaren die Inanspruchnahme von Maßnahmen assistierter Reproduktion gestatteten,128 auch gleichgeschlechtliche Eheleute zuzulassen gewesen wären. 2. Gesetzgeberische Initiativen Im Anschluß an den Versuch, die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen, gab es eine Reihe gesetzgeberischer Initiativen, denen entweder kein Erfolg be-
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Patienten, sondern ist allenfalls ein Indiz dafür, daß der Patient in die Verletzung der Schweigepflicht eingewilligt hätte, vgl. Schumacher, FamRZ 1994, 857 (859); Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 12, Rdnr. 64. Vgl. die Aufzählungen bei Bruns/Beck, MDR 1991, 832 (832 f.) und bei Trimbach/ Webert, NJ 1998, 63 (63 f.) sowie den „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts“ von Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drucks. 13/2728 v. 24.10.1995, S. 3 f. AG Frankfurt, NJW 1993, 940 ff. = MDR 1993, 116 f. m. krit. Anm. Willutzki = StAZ 1993, 48 f. mit abl. Anm. Otto, StAZ 1993, 149 f., aufgehoben durch LG Frankfurt, NJW 1993, 1998 f. = StAZ 1993, 217 f. AG Tübingen, StAZ 1993, 13 f. und 14; AG Würzburg, StAZ 1993, 80 ff.; AG BerlinSchöneberg, StAZ 1993, 148 f.; AG Mainz, StAZ 1993, 150; AG Rostock, StAZ 1993, 150 f.; AG Leipzig, StAZ 1993, 320 f.; LG Bonn, StAZ 1993, 13; LG Gießen, StAZ 1993, 148; LG Münster, StAZ 1993, 320; LG Osnabrück, StAZ 1993, 219 = FamRZ 1993, 327 f.; LG Frankfurt, NJW 1993, 1998 f. = StAZ 1993, 217 f.; LG Neubrandenburg, MDR 1993, 871; OLG Celle, FamRZ 1993, 1082 f.; OLG Köln, NJW 1993, 1997 f.; BayObLG, NJW 1993, 1996 f. Vgl. auch die Zusammenstellung bei Anonymus, KritJ 1994, 106 ff. BVerfG, NJW 1993, 3058 f. = FuR 1993, 347 f. m. abl. Anm. Schimmel. Vgl. auch Zuck, NJW 1995, 175 f. Vgl. BÄK, DÄBl-A 1996, 415 ff. und die Wiedergabe bei Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts 2(1999), S. 1011 ff. Zu den jeweiligen Richtlinien ausführlich Teil IV § 11 IV., S. 295 ff.
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schieden war oder die aufgrund mangelnder Gesetzgebungskompetenz129 keine rechtlichen Wirkungen nach sich zogen. Die Initiativen lassen sich in drei Typen einteilen: Erstens solche, die kindschaftsrechtliche Regelungen überhaupt nicht ansprachen,130 zweitens Entwürfe, die explizit kindschaftsrechtliche Regelungen ausklammerten131 und schließlich drittens solche, die gewisse kindschaftsrechtliche Regelungen vorsahen.132 Allen Vorlagen war gemeinsam, daß sie keinerlei Aussagen dazu trafen, ob gleichgeschlechtlichen Paaren der Zugang zu Maßnahmen assistierter Reproduktion offen stehen soll. Diese spezielle Frage stand zu einem Zeitpunkt, zu dem es noch nicht einmal einen rechtlichen Rahmen für das Zusammenleben zweier Personen gleichen Geschlechts gab, nicht auf der politischen Tagesordnung. 3. Zwischenergebnis und Bewertung Insgesamt ist festzuhalten, daß angesichts eines fehlenden Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Paare eine so spezielle Frage wie die künstliche Befruchtung völlig im Hintergrund stand. Das primäre Anliegen der Befürworter einer Regelung war es zunächst, überhaupt einen rechtlichen Rahmen zu etablieren, bevor an weiterreichende und nur für einen bestimmten Kreis gleichgeschlechtlicher Paare in Frage kommende Regelungszusammenhänge gedacht werden konnte. Immerhin erkannten einige Initiativen, die Adoptionsrechte oder Sorgerechte für gleichgeschlechtliche Paare einführen wollten, die Möglichkeit gleichgeschlechtlicher Elternschaft. Daß die Etablierung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Paare gewöhnlich in Stufen erfolgt und bei dieser Entwicklung die Frage nach dem Zugang zu Maßnahmen assistierter Reproduktion zu Beginn im Hintergrund steht, zeigt auch die rechtsvergleichende Perspektive. In den Rechtsordnungen anderer europäischer Staaten spielten Maßnahmen assistierter Repro129
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Dies traf für die sog. Hamburger Ehe zu, vgl. hamb. GVBl. 1999 I, S. 69, abgedruckt in StAZ 1999, 223 f. Dazu Czullay, StAZ 1999, 247 f.; v. Münch, NJW 1999, 260 (261). Der Bund hat von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für das Bürgerliche Recht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) und das Personenstandswesen (Art. 74 Abs. 1 Nr. 2 GG) umfassend und abschließend Gebrauch gemacht. „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts“ der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drucks. 13/2728 v. 24.10.1995; vgl. auch BT-Drucks. 12/7885 v. 15.6.1994. „Vorentwurf eines Ersten Gesetzes zur Beseitigung rechtlicher Diskriminierungen lesbischer Frauen und homosexueller Männer“, des niedersächsischen Sozialministeriums, wiedergegeben bei Steinmeister, ZRP 1996, 214 ff.; vgl. a. Wegner, ZRP 1997, 462 f.; „Entwurf eines Gesetzes zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebotes des Artikels 3 Grundgesetz (Gleichbehandlungsgesetz)“ der SPD-Fraktion, BT-Drucks. 13/10081 v. 9.3.1998. Gemeinschaftliche Adoption im „Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften (Nichteheliche-LebensgemeinschaftenGesetz – NeLgG)“, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drucks. 13/7228 v. 14.3.1997. Gemeinsames Sorgerecht und gemeinschaftliche Adoption im Antrag einer „Entschließung des Bundesrates zu einem Rechtsinstitut ,Eingetragene Partnerschaft‘ für gleichgeschlechtliche Paare“ der Länder Schleswig-Holstein und Niedersachsen, BR-Drucks. 544/98 v. 4.6.1998.
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duktion erst dann in der öffentlichen Diskussion eine Rolle, nachdem ein Rechtsinstitut mit kindschaftsrechtlichen Regelungen eingeführt worden war und die gesellschaftliche Akzeptanz gesichert schien.133
IV. Homosexuelle als Erziehungspersonen In der jüngeren Vergangenheit thematisierten der Deutsche Bundestag, nationale wie europäische Gerichte und das juristische Schrifttum die Erziehungsfähigkeit gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare. 1. Parlamentarische Stellungnahmen Am 6. September 1989 wurde die damalige christlich-liberale Bundesregierung mit mehreren Kleinen Anfragen der Fraktion der Grünen und Teilen ihrer Abgeordneten aufgefordert, zu einem Fragenkomplex Stellung zu nehmen, in dessen Zentrum das Thema „Homosexualität bei Erziehungspersonen“ stand.134 Konkret ging es darum, ob sich bereits aus der Homosexualität einer Erziehungsperson bzw. aus ihrem Familienstand Schlüsse auf die Erziehungskompetenz ziehen lassen, ob es eine Ungleichbehandlung von Lesben und Schwulen gibt, was die Erteilung von Sorgerechten für eigene Kinder, die Erteilung von Pflegeerlaubnissen für Pflegekindschaftsverhältnisse oder die Adoption von Kindern angeht, ob es eine Diskriminierung lesbischer und schwuler Paare darstellt, keine Ehe eingehen zu können, weshalb eine gemeinschaftliche Adoption eines Kindes gem. § 1741 BGB ausscheidet und welche Maßnahmen die Regierung dagegen treffen wolle. Mit einer Ausnahme135 antwortete die damalige Bundesregierung auf die Kleinen Anfragen.136 Sie vertrat die Auffassung, daß die homosexuelle Orientierung eines Menschen oder das Führen einer gleichgeschlechtlichen Beziehung keine generellen Schlußfolgerungen im Hinblick auf die Erziehungsfähigkeit zulasse. Was die Entscheidung über die Erteilung von Sorgerechten, von Pflegeerlaubnissen oder die Annahme an Kindes statt angehe, könne Anlaß bestehen zu prüfen, welche Auswirkungen sich aus der homosexuellen Orientierung für das Wohl des Kindes ergeben. Dabei müßten die Gesamtpersönlichkeit des homosexuell Orientierten, sein Verhältnis zum Kind und die Lebensverhältnisse aller Beteiligten in 133 134
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Vgl. dazu insbesondere Teil III § 8 V.2., S. 209 ff. Kleine Anfrage, Homosexualität bei Erziehungspersonen, BT-Drucks. 11/5138 v. 6.9.1989; Kleine Anfrage, Die Bedeutung der sexuellen Orientierung der Eltern im Sorgerecht, BT-Drucks. 11/5139 v. 6.9.1989; Kleine Anfrage, Die Bedeutung der sexuellen Orientierung von Adoptiveltern, BT-Drucks. 11/5141 v. 6.9.1989; Kleine Anfrage, Die Bedeutung der sexuellen Orientierung der Erziehungspersonen bei der Einrichtung von Pflegestellen, BT-Drucks. 11/5140 v. 6.9.1989. Kleine Anfrage, Die Bedeutung der sexuellen Orientierung der Erziehungspersonen bei der Einrichtung von Pflegestellen, BT-Drucks. 11/5140 v. 6.9.1989. Antwort der Bundesregierung, Homosexualität bei Erziehungspersonen, BT-Drucks. 11/5412 v. 19.10.1989; Antwort der Bundesregierung, Die Bedeutung der sexuellen Orientierung der Eltern im Sorgerecht, BT-Drucks. 11/5413 v. 19.10.1989; Antwort der Bundesregierung, Die Bedeutung der sexuellen Orientierung von Adoptiveltern, BTDrucks. 11/5414 v. 19.10.1989.
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den Blick genommen werden. Im Fehlen eines gemeinschaftlichen Adoptionsrechtes konnte die Bundesregierung keine sachwidrige Ungleichbehandlung gleichgeschlechtlicher Paare erkennen.137 2. Rechtsprechung und Schrifttum Rechtsprechung und Schrifttum haben in der Vergangenheit im Zusammenhang mit homosexuellen Erziehungspersonen zu Fragen des Sorgerechts, der Entziehung der elterlichen Sorge und des Umgangsrechts Stellung bezogen. a) Sorgerecht Veröffentlichte Entscheidungen zur Übertragung des Sorgerechts an einen leiblichen homosexuellen Elternteil138 sind vereinzelt geblieben.139 Zu ihnen zählen das Urteil des Amtsgerichts Mettmann vom 16. November 1984140 und ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 21. Dezember 1999.141 (1) Entscheidung des AG Mettmann Das AG Mettmann sprach einer lesbischen Mutter, die nach der Trennung von ihrem Ehemann in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung lebte, das Sorgerecht für den aus der Ehe hervorgegangenen fünfjährigen Sohn zu. In seinen zentralen Erwägungen führte das Familiengericht aus, daß die gleichgeschlechtliche Veranlagung eines Elternteils und die Tatsache, daß dieser Elternteil mit seinem gleichgeschlechtlichen Lebensgefährten zusammenlebt, für sich allein diesen Elternteil nicht als Sorgerechtsinhaber disqualifiziert. Eine solche mit Blick auf das Kindeswohl zu treffende Aussage wäre nur dann gerechtfertigt, wenn die gleichge137
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Durch die Annahme als Kind werde zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden ein rechtliches Eltern-Kind-Verhältnis begründet. Die Annahme als Kind sei deshalb nur zulässig, wenn tatsächlich zu erwarten sei, daß zwischen den Beteiligten ein solches Eltern-Kind-Verhältnis entstehe. Die Geschlechtsverschiedenheit der Elternteile sei eine naturgegebene Voraussetzung der Elternschaft und gelte auch für die gemeinschaftliche Annahme eines Kindes. Eine diesbezügliche Rechtsänderung sei mit dem Institut der Annahme als Kind nicht zu vereinbaren, Antwort der Bundesregierung, Die Bedeutung der sexuellen Orientierung von Adoptiveltern, BT-Drucks. 11/5414 v. 19.10.1989, S. 2. Weitere Nachweise zu unveröffentlichten Urteilen des OLG Düsseldorf und des LG Hamburg bei Dimski, ZEuP 1995, 465 (470 m. Fn. 40). Das OLG Düsseldorf habe einer homosexuellen Mutter das Sorgerecht verweigert, ohne daß der konkrete Sachverhalt Anlaß zur Besorgnis um das Wohlergehen des Kindes gegeben hätte, a.a.O., 465 (470). In der Kommentarliteratur finden sich nur Hinweise auf das im folgenden referierte Urteil des AG Mettmann, vgl. Palandt/Diederichsen, § 1671, Rdnr. 30; Staudinger/ Coester, Stand: Neubearbeitung 2004, § 1671, Rdnr. 184; MünchKomm/Finger, § 1671, Rdnr. 103; MünchKomm/Hinz 3(1992), § 1671, Rdnr. 33; Schwab, in: ders., Handbuch des Scheidungsrechts, III Rdnr. 159; Jaeger, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1671, Rdnr. 61. AG Mettmann, FamRZ 1985, 529 m. Anm. Luthin. EGMR, Urteil v. 21. Dezember 1999 – Nr. 33290/96, Salgueiro da Silva Mouta v. Portugal. Das Urteil kann über die Homepage des Gerichts (http://www.coe.int) abgerufen werden.
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schlechtliche Veranlagung eines Elternteils einen Mangel an persönlicher, erzieherischer oder allgemeiner sozialer Qualifikation darstellen würde. Eine derartige Qualifikation ließe sich aber auch nach dem heutigen Erkenntnisstand der Sexualwissenschaft aus der homosexuellen oder heterosexuellen Orientierung eines Menschen nicht herleiten. In Konstellationen der vorliegenden Art könne das mit Blick auf das Kindeswohl entscheidende Kriterium nach Ansicht des AG Mettmann nicht die sexuelle Orientierung des leiblichen Elternteils sein, sondern allein die Beurteilung seiner Gesamtpersönlichkeit sowie die Beziehung des Kindes zu diesem Elternteil und dessen Lebensgefährten.142 In der Literatur wurde die Entscheidung des AG Mettmann überwiegend positiv aufgenommen. Nach Ansicht der Kommentatoren schließt die Homosexualität eines Elternteiles diesen ebensowenig automatisch von den Sorgebefugnissen aus,143 wie der Umstand, daß dieser Elternteil in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt.144 Allerdings dürfe das Kind nicht in eine soziale Außenseiterrolle gedrängt werden.145 Diese wiederum werde bestimmt von den herrschenden gesellschaftlichen Anschauungen, die beispielsweise in Großstädten großzügiger sein können als auf dem Lande.146 Lebt der Elternteil in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung, tritt seine Homosexualität deutlicher zutage, als wenn er das Kind alleine erzieht. Argumente wie die Verleitung zur Homosexualität, die Gefährdung der moralischen Entwicklung, die Gefahr von Angriffen und der Isolierung des Kindes in der gesellschaftlichen Umwelt, dürften wegen ihres offensichtlich generalisierenden Charakters und wegen ihrer Abhängigkeit von den sich wandelnden gesellschaftlichen Auffassungen keine ausschlaggebende Rolle spielen. Wie auch sonst müsse eine kindeszentrierte, einzelfallbezogene Sicht entscheidend sein. Dann könne sich gegebenenfalls zeigen, daß der homosexuelle Elternteil besser erziehungsgeeignet sei als der andere Teil.147 (2) Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Die Vierte Kammer des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) war 1999 in der Sache Salgueiro da Silva Mouta mit der Frage befaßt, ob die Ablehnung des Sorgerechts wegen Homosexualität gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verstößt.
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AG Mettmann, FamRZ 1985, 529 m.w.N. Palandt/Diederichsen, § 1671, Rdnr. 30; MünchKomm/Hinz 3(1992), § 1671, Rdnr. 33; Motzer, in: Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, III Rdnr. 159; Jaeger, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1671, Rdnr. 61. Nach Dopffel/Scherpe, in: Basedow/Hopt/ Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 7 (29, Fn. 131) sei es auch in den nordischen Ländern seit längerem anerkannt, daß die homosexuelle Orientierung eines biologischen Elternteils kein hinreichender Grund zum Ausschluß von der elterlichen Sorge ist (Hervorhebung im Original). Vgl. auch Scherpe, DEuFamR 2 (2000), 32 (34, Fn. 16). Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft 1(2001), Rdnr. 189. MünchKomm/Hinz 3(1992), § 1671, Rdnr. 33. So Fehmel, in: Baumeister/Fehmel/Griesche/Hochgräber/Kayser/Wick, Familiengerichtsbarkeit, § 1671, Rdnr. 37. Staudinger/Coester, Stand: Neubearbeitung 2004, § 1671, Rdnr. 184.
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Der portugiesische Kläger hatte 1983 eine Frau geheiratet und war 1993 geschieden worden. Bereits seit 1990 lebte er mit einem Mann zusammen. Aus der Ehe war 1987 eine Tochter hervorgegangen. Sie lebte bei den Eltern der früheren Ehefrau. 1994 war zunächst dem Kläger vom Tribunal de Família das Sorgerecht übertragen worden. 1996 wurde das Sorgerecht vom Tribunal da Relação der Mutter des Kindes zugesprochen. Der Kläger behauptete, dies sei im wesentlichen deshalb geschehen, weil er homosexuell ist und mit einem Mann zusammenlebte. Der EGMR kam zu der Überzeugung, daß die Homosexualität des Klägers ein Gesichtspunkt war, der bei der Ablehnung des Sorgerechts eine Rolle spielte.148 Das Berufungsgericht hatte den Vater nämlich unter anderem dazu angehalten, sein Umgangsrecht mit seiner Tochter so auszuüben, daß sie das Zusammenleben ihres Vaters mit einem anderen Mann in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung nicht mitbekomme. Die Berufungsinstanz hatte damit nach Ansicht des EGMR eine Unterscheidung getroffen, die auf der sexuellen Orientierung des Klägers beruhte. Eine solche Unterscheidung ist unverhältnismäßig und mit Art. 8 i.V.m. Art. 14 EMRK nicht zu vereinbaren.149 Die Prüfung einer Verletzung von Art. 8 EMRK hielt das Gericht nicht mehr für erforderlich, da hierfür im wesentlichen die gleichen Argumente wie für eine Verletzung von Art. 8 i.V.m. Art. 14 EMRK vorgebracht werden.150 b) Entziehung der elterlichen Sorge Im Hinblick auf die Entziehung der elterlichen Sorge wegen Erziehungsunfähigkeit gem. § 1666 BGB hat die Homosexualität eines Elternteiles soweit ersichtlich noch keine Rolle gespielt. Die Gerichte haben sich gegenüber diesem Kriterium immer neutral verhalten und bisher nicht aus diesem Grund die elterliche Sorge entzogen oder dem anderen Elternteil zugebilligt.151 c) Umgangsrecht Über das Umgangsrecht einer lesbischen Frau hatte das OLG Hamm zu entscheiden.152 Die Parteien, zwei Frauen, lebten von 1987 bis August 1998 in gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaft zusammen. Während dieser Zeit hatte die Antragsgegnerin nach einer 1994 in den Niederlanden vorgenommenen künstli148
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EGMR, Urteil v. 21. Dezember 1999 – Nr. 33290/96, Salgueiro da Silva Mouta v. Portugal, Rdnr. 35. EGMR, Urteil v. 21. Dezember 1999 – Nr. 33290/96, Salgueiro da Silva Mouta v. Portugal, Rdnr. 36: „The Court cannot therefore find that a reasonable relationship of proportionality existed between the means employed and the aim pursued; there has accordingly been a violation of Article 8 taken in conjunction with Article 14.“ EGMR, Urteil v. 21. Dezember 1999 – Nr. 33290/96, Salgueiro da Silva Mouta v. Portugal, Rdnr. 37. Kritisch, aber ohne jede inhaltliche Auseinandersetzung mit diesem Urteil Tettinger, Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 35 (2001), 179: es seien „merkwürdige Töne“ in der neueren Rechtssprechung des EGMR zu registrieren, wenn man die Entscheidung Salgueiro da Silva Mouta v. Portugal in den Blick nehme. Diederichsen, BT-Rechtsausschußprot. 14/59, S. 61. Vgl. auch Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 201 und Willutzki, BT-Rechtsausschußprot. 15/59 v. 18.10.2004, S. 14. OLG Hamm, NJW 2000, 2684 f.
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chen Befruchtung am 14. Februar 1995 einen Sohn geboren, der anschließend bis zur Trennung im Haushalt der Parteien lebte. Der Kontakt der Antragstellerin zu dem Jungen bestand bis zur Trennung zunächst fort, wurde aber nach zwischenzeitlich aufgetretenen Differenzen mit der Antragsgegnerin verweigert. Die Antragstellerin begehrte unter Berufung auf § 1685 a.F. BGB die Wiedereinräumung des Umgangs mit dem Jungen. Die Beschwerde vor dem Oberlandesgericht blieb erfolglos. Ein Umgangsrecht der Antragstellerin konnte der Senat weder aus § 1684 BGB noch einer sinngemäßen Anwendung des § 1685 BGB a.F. i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG153 herleiten. Die Antragstellerin sei weder Elternteil i.S.v. § 1684 Abs. 1 BGB noch stehe sie einem Elternteil gleich. Sie gehöre auch nicht zu dem in § 1685 a.F. BGB enumerativ und abschließend aufgeführten Personenkreis. Eine Ausdehnung des gesetzlichen Umgangsrechts auf mit dem Kind nicht verwandte dritte Personen werde von Rechtsprechung und Schrifttum abgelehnt.154 Der eindeutige Gesetzeswortlaut lasse für frühere Lebensgefährten eines Elternteils keine Anwendung dieser Vorschriften zu. Der Zweck der gesetzlichen Regelung sei es, das Umgangsrecht auf einen eng umgrenzten und überschaubaren Personenkreis zu beschränken, um mögliche Spannungen und Streitigkeiten sowie ihre negativen Auswirkungen auf das Kind einzugrenzen. Auch aufgrund der im übrigen festgestellten Sachlage war es für den Senat nicht zu beanstanden, daß die Antragsgegnerin, die aufgrund des ihr zustehenden Sorgerechts berechtigt sei, den persönlichen Umgang des Kindes mit Wirkung für und gegen Dritte zu bestimmen (§ 1632 Abs. 2 BGB), von diesem Recht gegenüber der Antragstellerin in der Weise Gebrauch gemacht habe, daß sie ihr den persönlichen Umgang mit ihrem Sohn derzeit nicht gestattet.155 Auf der Grundlage der damals geltenden Fassung des § 1685 BGB ist der Beschluß des OLG Hamm nicht zu beanstanden. Die homosexuelle Orientierung der Antragstellerin spielte bei der Entscheidung keine Rolle. Im Vordergrund standen vielmehr sachliche, am Wohl des Kindes orientierte Überlegungen. Seit dem Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes haben auch eingetragene Lebenspartner und andere enge Bezugspersonen, die für das Kind tatsächliche Verantwortung tragen oder getragen haben, ein Recht auf Umgang mit dem Kind (§ 1685 Abs. 2 BGB n.F.). Daneben können eingetragene Lebenspartnerinnen das aus einer künst-
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Weshalb das OLG Hamm auf Art. 2 Abs. 1 GG abstellt, geht aus seinen weiteren Ausführungen nicht hervor. Das aus Art. 2 Abs. 1 GG resultierende Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit kann durch die verfassungsmäßige Ordnung beschränkt werden. Darunter versteht das BVerfG in st. Rspr. seit BVerfGE 6, 32 (38 ff.) die Gesamtheit der Normen, die formell und materiell mit der Verfassung in Einklang stehen. Das OLG Hamm verhält sich nicht dazu, ob § 1685 BGB mit der Verfassung nicht in Einklang steht. Möglicherweise bezog sich das Gericht auf das Allgemeine Persönlichkeitsrecht. Dieses wird nach st. Rspr. des BVerfG aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitet, vgl. nur Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 373 ff. m.w.N. zur Rspr. des BVerfG. Vgl. die Nachweise bei OLG Hamm, NJW 2000, 2684. OLG Hamm, NJW 2000, 2684.
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lichen Befruchtung hervorgegangene Kind über die seit 1. Januar 2005 mögliche Stiefkindadoption zu ihrem gemeinsamen Kind machen.156 3. Zwischenergebnis Die Stellungnahmen der Bundesregierung, die veröffentlichten Judikate und die herrschende Meinung im juristischen Schrifttum gehen davon aus, daß die Homosexualität einer Person isoliert betrachtet kein hinreichendes Kriterium darstellt, um eine Aussage über ihre Erziehungskompetenz zu treffen. Eine solche Einschätzung kann immer nur anhand einer Gesamtwürdigung des konkreten Einzelfalls abgegeben werden. Innerhalb dieser Gesamtwürdigung mag die sexuelle Orientierung dann eine Rolle spielen, wenn sie sich in einer Weise auswirkt, die Zweifel an der Kindeswohltauglichkeit bei einer Übertragung des Sorgerechts oder der Einräumung des Umgangs begründen. Gleiches gilt für den Fall, daß die Erziehungsperson in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt. Allein daraus kann keine Aussage über die Kindeswohldienlichkeit abgeleitet werden. Eine gerichtliche Entscheidung, die isoliert oder im wesentlichen auf die Homosexualität einer Partei abstellte, verstieße gegen Art. 8 i.V.m. Art. 14 EMRK. Insgesamt ist damit festzuhalten, daß bereits vor der rechtlichen Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften durch den Gesetzgeber die nationalen Gerichte und das juristische Schrifttum sowie der EGMR im Prinzip keine Bedenken gegen die Erziehungskompetenz gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare hegten. Dies gilt im wesentlichen auch für die parlamentarischen Stellungnahmen der Bundesregierung aus dem Jahre 1989.
V. Belange Homosexueller auf europapolitischer Ebene Auf europäischer Ebene wird den Belangen Homosexueller seit Beginn der neunziger Jahre vermehrt Beachtung geschenkt. Auf Drängen der „International Lesbian and Gay Association“ (ILGA)157 sah sich die EG-Kommission im Mai 1991 veranlaßt, bei der European Human Rights Foundation eine Studie in Auftrag zu geben, die die faktische und rechtliche Situation des homosexuellen Bevölkerungsanteiles in den Mitgliedstaaten erforschen sollte. Die 1993 präsentierte Arbeit legte detailliert die bestehende Ungleichbehandlung Homosexueller auf diversen Gebieten dar158 und beeinflußte in der Folge die Arbeit der verschiedenen Organe der Europäischen Union.
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Vgl. dazu Teil II § 7 III.2.c)(4)(c), S. 169 f. Die ILGA ist ein Zusammenschluß nationaler und örtlicher Nichtregierungsorganisationen. Sie wurde 1978 in Coventry, England, im Lichte der ersten Direktwahlen zum Europäischen Parlament gegründet. Ihr Ziel ist es, sich auf EU-Ebene gegen die Diskriminierung der homosexuellen Minderheit zu engagieren. Waaldijk/Clapham, Homosexuality: A European Community Issue. Essays on Lesbian and Gay Rights in European Law and Policy, 1993.
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1. Das Europäische Parlament Nach der Überzeugung erfahrener Beobachter stellt innerhalb der Organe der EU das Europäische Parlament diejenige Institution dar, die sich am stärksten um die Durchsetzung von allgemeinen Menschenrechten und den Schutz von Minderheiten bemüht.159 Seit Mitte der neunziger Jahre erhob das Europäische Parlament in mehreren Entschließungen, deren Gegenstand die Situation Homosexueller in den Mitgliedstaaten war, bestimmte Forderungen, die für die vorliegende Fragestellung von Interesse sind. a) Entschließung vom 8. Februar 1994 Erstmals und zugleich am ausführlichsten hat sich das Europäische Parlament in der am 8. Februar 1994 angenommenen „Entschließung zur Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben in der EG“160 zur Situation der homosexuellen Unionsbürger geäußert. Mit dem Dokument wandten sich die Europaabgeordneten gegen die Diskriminierung und Benachteiligung von Homosexuellen in den Mitgliedstaaten. Neben allgemeinen Überlegungen enthielt die Entschließung konkrete Aufforderungen an die Mitgliedstaaten sowie an die Kommission, von deren Umsetzung sich die Parlamentarier eine Verbesserung der Situation Homosexueller versprachen. Die Entschließung sollte ferner dem Rat, der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten und der beitrittswilligen Staaten zur Kenntnisnahme übermittelt werden.161 Für die vorliegende Arbeit von Interesse ist die Aufforderung an die Kommission, einen Entwurf mit Empfehlungen hinsichtlich gleicher Rechte für Schwule und Lesben vorzulegen.162 Auf familienrechtlichem Gebiet soll die Gleichstellung durch die Zulassung gleichgeschlechtlicher Paare zur Ehe oder durch Einführung entsprechender rechtlicher Regelungen erfolgen, welche gleichgeschlechtlichen Verbindungen die vollen Rechte und Vorteile zukommen lassen, die sich aus einer Eheschließung ergeben.163 Die Kommission wird darüber hinaus dazu aufgefordert, auf die Beseitigung der „Beschneidung des Rechts von Schwulen und Lesben auf Elternschaft, Adoption, [sic!] oder Übernahme eines Pflegekindes“ hinzuwirken.164 Die Entschließung läßt es mit diesen Aussagen bewenden. Damit bleibt unklar, ob das Dokument unter einem Recht von Schwulen und Lesben auf Elternschaft165 auch den Zugang gleichgeschlechtlicher Paare zu Maßnahmen assistierter Reproduktion verstanden wissen will. Ob diese Interpretation zutrifft, ist durch Auslegung zu ermitteln. Entschließungen des Europäischen Parlaments sind zwar keine Gesetze bzw. Richtlinien oder Verordnungen.166 Sie stellen aber einseitig gesetzte 159 160
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Ashman, in: Waaldijk/Clapham, Homosexuality: A European Community Issue, S. 3 (4). Dokument A3–0028/94, ABl. EG Nr. C 61/40 ff. v. 28.2.1994 = Unterrichtung durch das Europäische Parlament, BT-Drucks. 12/7069 v. 10.3.1994, S. 1 ff. ABl. EG Nr. C 61/43 v. 28.2.1994, Nr. 16. Unter Nr. 12, ABl. EG Nr. C 61/42 v. 28.2.1994. ABl. EG Nr. C 61/42 v. 28.2.1994, Nr. 14, 5. Spiegelstrich. ABl. EG Nr. C 61/42 v. 28.2.1994, Nr. 14, 6. Spiegelstrich. Zum Recht auf Fortpflanzungsfreiheit vgl. Teil IV § 10 VII., S. 283 ff. Zur Rechtsnatur von Entschließungen des Europäischen Parlaments vgl. unten, S. 108 f.
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und an einen Adressaten gerichtete Akte dar, deren Sinn mit Hilfe der klassischen Auslegungsmethoden erschlossen werden kann. (1) Grammatikalische Auslegung Zunächst ist anhand der grammatikalischen Auslegung zu untersuchen, wie der Begriff „Elternschaft“ zu verstehen ist. Elternschaft bedeutet – auch im Verständnis anderer europäischer Sprachen – neben der Gesamtheit der Eltern auch das Elternsein.167 Für den vorliegenden Zusammenhang ist nur die letztere Bedeutung relevant. Aus der Entschließung läßt sich nicht entnehmen, ob mit Elternschaft die bereits bestehende und/oder auch die gewünschte Elternschaft gemeint ist. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die ein restriktives Verständnis des Begriffes „Elternschaft“ im Sinne einer schon existierenden Elternschaft nahelegten. Von dem Begriff ist daher auch die gewünschte und mittels Maßnahmen assistierter Reproduktion herbeizuführende Elternschaft umfaßt. (2) Systematische Auslegung Das Ergebnis der grammatikalischen Interpretation wird auch von der systematischen Auslegung gestützt. Im unmittelbaren Kontext mit der Forderung nach einem Recht auf Elternschaft nennt die Entschließung die Adoption und die Übernahme eines Pflegekindes.168 Unter Adoption sind alle denkbaren Formen eines Adoptionsrechts zu verstehen, also die Stiefkind-, die Einzel- und die gemeinschaftliche Adoption. Die „Übernahme eines Pflegekindes“ bedeutet, daß ein Kind in einer Pflegefamilie untergebracht wird. Mit dieser Familie ist das Kind weder in biologischem noch in statusrechtlichem Sinne verbunden. Im deutschen Recht wird dieses Institut als Familienpflege bezeichnet. Dieser Begriff findet sich zwar in §§ 1630 Abs. 3 und 1632 Abs. 4 BGB, er wird vom Gesetzgeber aber nirgends definiert. Allgemein wird der Begriff der Familienpflege im Familienrecht dahingehend verstanden, daß ein Kind außerhalb des Elternhauses durch mindestens eine Pflegeperson in familienähnlichen Verhältnissen wie in Ausübung elterlicher Sorge betreut wird.169 Für die übrigen Mitgliedstaaten der EU ist von vergleichbaren Rechtsinstituten auszugehen. Auf die Entschließung des Europäischen Parlaments übertragen bedeutet dies folgendes. Sowohl mit der Adoption als auch mit der Übernahme eines Pflegekindes geht es der Entschließung darum, daß ein Kind erstmals von einer homosexu167 168
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Vgl. Grimm, Deutsches Wörterbuch, Sp. 1243 f. Die amtliche Wiedergabe als Bundestags-Drucksache spricht nicht von der „Beschneidung des Rechts von Schwulen und Lesben auf […] Übernahme eines Pflegekindes“ (ABl. EG Nr. C 61/42 v. 28.2.1994, Hervorhebung v. Verf.), sondern von der „Beschneidung des Rechts von Schwulen und Lesben auf […] Erziehung von Kindern“, s. Unterrichtung durch das Europäische Parlament, BT-Drucks. 12/7069 v. 10.3.1994, S. 4 (Hervorhebung v. Verf.). Da es sich beim Amtsblatt der Europäischen Union um das offizielle Publikationsorgan der Institutionen der Europäischen Union handelt, ist der Wortlaut der darin enthaltenen Fassung maßgeblich. Im übrigen wirkt sich die Divergenz auf die hier vertretene Interpretation nicht aus. Rauscher, Familienrecht, Rdnr. 1127 m.w.N. Der familienrechtliche Begriff ist nicht notwendig identisch mit dem in § 33 S. 2 SGB VIII verwendeten sozialrechtlichen Begriff der Familienpflege.
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ellen Person oder einem gleichgeschlechtlichen Paar aufgenommen werden soll und von diesen Personen erzogen wird, ohne daß deren sexuelle Orientierung in irgendeiner Weise eine Rolle spielt. Aus dem Kontext ergibt sich, daß die Entschließung in dem hier interessierenden Abschnitt die Realisierung der gewünschten Elternschaft von lesbischen und schwulen Einzelpersonen und von gleichgeschlechtlichen Paaren im Sinn hat. Konsequenterweise ist dann aber auch die Formulierung von einem Recht auf Elternschaft in der Weise zu verstehen, daß damit die Realisierung der gewünschten Elternschaft auf anderem Wege als durch die eigens hervorgehobene Adoption oder Aufnahme eines Kindes in Familienpflege, nämlich durch künstliche Fortpflanzung, gemeint ist. (3) Historische Auslegung Auch der historische Kontext spricht nicht gegen ein Verständnis dieses Textteils der Entschließung in dem hier vertretenen Sinne. Denn möglicherweise haben bei der Abfassung der Entschließung auch die in zeitlichem Zusammenhang stehenden Entwicklungen in Frankreich und Schweden eine Rolle gespielt, und möglicherweise wollte das Europäische Parlament gegen diese Entwicklungen ein Zeichen setzen. In Frankreich debattierte man seit Beginn der neunziger Jahre Fragen der Bioethik. Die am 29. Juli 1994 verabschiedeten französischen Regelungen sahen vor, reproduktionsmedizinische Maßnahmen nur verschiedengeschlechtlichen Paaren zugänglich zu machen.170 In Schweden wurde am 23. Juni 1994 das Gesetz über die registrierte Partnerschaft beschlossen, das explizit registrierte Partner vom Zugang zu Maßnahmen assistierter Reproduktion ausschloß. Das Gesetz trat am 1. Januar 1995 in Kraft; zum gleichen Zeitpunkt trat Schweden der Europäischen Union bei.171 Dem schwedischen Gesetz gingen mehrjährige umfangreiche Vorarbeiten voraus, die auch im Ausland und auf europäischer Ebene Beachtung gefunden haben dürften. Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union sind gekennzeichnet von einem mehrjährigen Prozeß mit zahlreichen Konsultationen und einer intensiven Bestandsaufnahme der nationalen Regelungen. Die Entschließung des Europäischen Parlaments sollte auch den Regierungen und Parlamenten der beitrittswilligen Staaten zur Kenntnisnahme übermittelt werden.172 Es ist daher nicht ausgeschlossen, daß die Abgeordneten des Europäischen Parlaments mit ihrer Entschließung gegen die sich im europäischen Raum abzeichnende Tendenz Stellung beziehen wollten, gleichgeschlechtlichen Paaren den Zugang zu Maßnahmen assistierter Reproduktion zu verweigern. b) Reaktionen Die Entschließung vom 8. Februar 1994 stieß auf geteilte Zustimmung. Ihr wurde vorgeworfen, wenig durchdacht zu sein, inhaltlich unausgewogene Forderungen zu enthalten und von der persönlichen und politischen Ideologie bestimmter Gruppierungen geprägt zu sein.173 Daneben wurde kritisiert, daß die EU auf dem 170 171 172 173
Zu Frankreich eingehend Teil III § 8 III.3., S. 194 ff. Vgl. zur Entwicklung in Schweden ausführlich Teil III § 8 II.4., S. 182 ff. ABl. EG Nr. C 61/43 v. 28.2.1994, Nr. 16. Verschraegen, Gleichgeschlechtliche „Ehen“, S. 34 f. Vgl. auch Posselt, in: Geis, HomoEhe. Nein zum Ja-Wort aus christlicher Sicht, S. 23 ff.
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Gebiet des Familienrechts keine Kompetenz besitze. Diese lasse sich weder aus Art. 2 EG noch aus Art. 3 EG oder der Präambel herleiten. Das in Art. 5 EG niedergelegte Subsidiaritätsprinzip könne nur dann greifen, wenn eine Gemeinschaftskompetenz überhaupt vorliege.174 Wegen der engen Verknüpfung des Familienrechtes mit kulturellen, ethischen und religiösen Werten der einzelnen Staaten sei eine Kompetenz der Europäischen Union auf diesem Gebiet auch wenig wünschenswert.175 Andere Autoren stehen einer Rechtsvereinheitlichung, wie sie durch verbindliche Maßnahmen der EU auf anderen Rechtsgebieten regelmäßig intendiert wird, auch auf Gebieten wie dem Familienrecht und dem Erbrecht aufgeschlossen gegenüber.176 Über das europäische Recht hinaus entwickeln sich die nationalen Ordnungen mehr und mehr auf eine Angleichung grundlegender Rechtsvorstellungen hin.177 Selbst wenn die Europäische Union auf einem bestimmten Gebiet keine Kompetenz besitzt, so kann es ihren Institutionen nicht verwehrt sein, sich zu Fragen zu äußern, die sie aus ihrer Sicht für relevant halten und die die Belange aller Mitglieds- und beitrittswilligen Staaten berühren. Für die Zulässigkeit solcher Entschließungen spricht auch, daß gem. Art. 249 Unterabs. 1 EG das Europäische Parlament zur Erfüllung seiner Aufgaben nach Maßgabe des EG-Vertrages Empfehlungen aussprechen und Stellungnahmen abgeben kann. Diese sind nach Art. 249 Unterabs. 5 EG rechtlich nicht verbindlich. Bei Entschließungen des Parlaments handelt es sich um Rechtsakte, die gegenüber verbindlich gemeinten Beschlüssen flexibler sind. Sie beanspruchen keine rechtliche Verbindlichkeit, intendieren aber eine Art von selbstauferlegter politischer Verpflichtung. Damit stehen sie in einer gewissen Nähe zur Empfehlung und zur Stellungnahme i.S.v. Art. 249 EG.178 Solche Rechtsakte sind Ausdruck der
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Verschraegen, Gleichgeschlechtliche „Ehen“, S. 23 ff.; dies., StAZ 1995, 225 (228 f.); dies., DEuFamR 2 (2000), 64 (67); Schlüter/Heckes/Stommel, DEuFamR 2 (2000), 1 (8); v. Arnauld/Platter, Jura 2002, 411 (413); Braun, Ehe und Familie am Scheideweg, S. 43; ders., Eingetragene Lebenspartnerschaft und Ehe, S. 190. So Verschraegen, Gleichgeschlechtliche „Ehen“, S. 29. Zu dieser Prägung auch Taupitz, Europäische Privatrechtsvereinheitlichung heute und morgen, S. 11; WerwigkHertneck/Mauch, FamRZ 2004, 574 (577); Dethloff, ZEuP 2004, 59 (71). Etwa Taupitz, Europäische Privatrechtsvereinheitlichung heute und morgen, S. 11: Es dürfte entgegen anderslautender Stimmen zu verneinen sein, daß abgesehen von den der EG gesetzten Schranken bestimmte Bereiche existierten, die einer Vereinheitlichung von vornherein nicht zugänglich seien. Bei Werwigk-Hertneck/Mauch, FamRZ 2004, 574 (580) finden sich Vorschläge zu einer Harmonisierung des materiellen Familienrechts im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit. Vgl. auch Dethloff, ZEuP 2004, 59 (65 ff.), (71 ff.) m.w.N. So Schwab, FamRZ 2001, 1033; vgl. auch Pintens, FamRZ 2003, 329 ff.; 417 ff.; Werwigk-Hertneck/Mauch, FamRZ 2004, 574 ff. Vgl. Oppermann, Europarecht, § 6, Rdnr. 110. Für die Einordnung als Empfehlung Heun, Gleichgeschlechtliche Ehen in rechtsvergleichender Sicht, S. 259. Im Grunde kann wegen der gleichen Rechtsfolgen offen bleiben, unter welchen Begriff des Art. 249 EG die Entschließung subsumiert wird. Eine Einordnung als Stellungnahme ist m.E. weniger überzeugend, da das Parlament nicht nur seine Überzeugung zum Aus-
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parlamentarischen Souveränität des Europäischen Parlaments und entsprechen üblicher Praxis.179 Obwohl die Empfehlungen des Parlaments, zu denen die Entschließungen eine gewisse Affinität aufweisen, keine rechtliche Bindungswirkung entfalten, kommt ihnen eine nicht zu unterschätzende politische Bedeutung zu. Sie werden nicht selten von den Mitgliedstaaten freiwillig befolgt.180 Die politische Bedeutung der Entschließung vom 8. Februar 1994 zeigt sich für die Bundesrepublik Deutschland etwa darin, daß sich die Regierungsfraktionen in der amtlichen Begründung zum Entwurf des Lebenspartnerschaftsgesetzes ausdrücklich auf das Dokument beriefen.181 c) Fazit Bei dem hier dargelegten Verständnis der Entschließung im Sinne einer Forderung nach dem Zugang gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare zu Maßnahmen assistierter Reproduktion gilt es zu berücksichtigen, daß das Dokument offen formuliert ist und für verschiedene Interpretationsansätze Raum bleibt. Eine Konkretisierung erfolgte auch nicht durch die nachfolgenden Entschließungen des Europäischen Parlamentes vom 17. September 1996 und vom 8. April 1997.182 Beide parlamentarischen Äußerungen waren allgemeiner gefaßt und blieben daher inhaltlich hinter der Entschließung vom 8. Februar 1994 zurück. Immerhin kann der „Entschließung zur Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben in der EG“ aber entnommen werden, daß sich das Europäische Parlament nicht gegen die Zulassung gleichgeschlechtlicher Paare zu fortpflanzungsmedizinischen Maßnahmen wendet. Ferner brachten die Parlamentarier zum Ausdruck, daß sie gleichgeschlechtlich orientierte Personen und Paare in gleicher Weise wie heterosexuelle Menschen und verschiedengeschlechtliche Paare zur Erziehung von Kindern für geeignet halten.
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druck bringt, sondern auch Aufforderungen gegenüber verschiedenen Adressaten ausspricht. Dies entspricht eher dem Charakter einer Empfehlung. Oppermann, Europarecht, § 6, Rdnr. 110. Vgl. Arndt, Europarecht, S. 111; Herdegen, Europarecht, § 9, Rdnr. 52; Heun, Gleichgeschlechtliche Ehen in rechtsvergleichender Sicht, S. 259. Amtliche Begründung, BT-Drucks. 14/3751 v. 4.7.2000, S. 33. Vgl. auch die Entschließung des Bundesrates zu einem Rechtsinstitut „Eingetragene Partnerschaft“ für gleichgeschlechtliche Paare, BR-Drucks. 544/98, Anlage, S. 3; BR-Drucks. 544/98 (Beschluß) Anlage, S. 1 und BR-Drucks. 555/98, Anlage sowie von der FDP den „Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse eingetragener Lebenspartnerschaften (Eingetragene Lebenspartnerschaften-Gesetz – ELPSchG)“, BT-Drucks. 14/1259 v. 23.6.1999, S. 10. Zu letzterem Verschraegen, DEuFamR 2 (2000), 64 (69 f.). „Entschließung zur Achtung der Menschenrechte in der Europäischen Union 1994“ vom 17. September 1996, ABl. EG Nr. C 320/36 ff. v. 28.10.1996; „Entschließung zur Achtung der Menschenrechte in der Europäischen Union (1995)“ vom 8. April 1997, ABl. EG Nr. C 132/31 v. 28.4.1997; vgl. auch die „Entschließung zu einer Europäischen Charta der Rechte des Kindes“, ABl. EG Nr. C 241/69 v. 21.9.1992.
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Teil I Grundlagen der gleichgeschlechtlichen Elternschaft
2. Weitere Aktivitäten der Europäischen Union und deren Auswirkungen auf das nationale Recht Andere Organe der Europäischen Union haben sich auch in der Folge zu den Belangen von Minderheiten geäußert. Der Rat der Europäischen Union erließ mehrere Richtlinien, die sich mit der Verwirklichung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in der Europäischen Union befassen. Allerdings nennen diese Richtlinien entweder als Differenzierungskriterium nicht die sexuelle Orientierung183 oder sie sind von ihrem Anwendungsbereich her auf spezielle, im vorliegenden Zusammenhang nicht einschlägige Rechtsgebiete begrenzt.184 Diese Richtlinien sind 2006 von Deutschland im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) umgesetzt worden.185 Obwohl das AGG im Bereich des allgemeinen Zivilrechtsverkehrs über das durch die Richtlinien Gebotene hinausgeht,186 sind Fragen des Zugangs zu Maßnahmen der artifiziellen Reproduktion nicht erfaßt. Denn selbst wenn man solche Maßnahmen unter § 2 Abs. 1 Nr. 8 AGG subsumierte, wonach Benachteiligungen wegen der sexuellen Identität unzulässig sind in bezug auf den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, so greift die Ausschlußklausel des § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG. Danach muß es sich um zivilrechtliche Schuldverhältnisse handeln, die typischerweise ein Massengeschäft sind oder bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen. Dies kann von einer Dienstleistung, die die künstliche Befruchtung zum Inhalt hat, nicht gesagt werden. Bei ihr handelt es sich zum einen nicht um ein Massengeschäft; zum anderen hängt die Vornahme befruchtungstechnischer Maßnahmen ungeachtet der sexuellen Orientierung gerade von der ärztlichen Vertretbarkeit im Einzelfall ab. 3. Zwischenergebnis Auch aus europäischer Perspektive ist ein Trend zum Abbau der Diskriminierung von Minderheiten zu konstatieren. Die Bemühungen sind auf eine grundsätzliche 183
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„Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft“, ABl. EG Nr. L 180/22 ff. v. 19.7.2000. „Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf“, ABl. EG Nr. L 303/16 ff. v. 2.12.2000; „Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen“, ABl. EG Nr. L 269/15 ff. v. 5.10.2002; „Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen“, ABl. EG Nr. L 373/37 ff. v. 21.12.2004. BGBl. I v. 14.8.2006, S. 1897, in Kraft getreten am 18.8.2006. Vgl. nur Maier-Reimer, NJW 2006, 2577 (2578).
§ 6 Rechtsgeschichtliche Grundlagen
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Gleichbehandlung in den verschiedensten Bereichen gerichtet. Obwohl die Forderungen überwiegend allgemein formuliert sind, kann festgehalten werden, daß das Europäische Parlament eine Gleichstellung von Lesben und Schwulen mit Ehepaaren im familienrechtlichen Bereich befürwortet. In diesem Kontext kann die Entschließung des Europäischen Parlamentes vom 8. Februar 1994 auch dahingehend verstanden werden, schwulen und lesbischen Paaren den Zugang zu Maßnahmen assistierter Reproduktion zu gestatten.
VI. Zusammenfassung Die Darstellung zur Strafbarkeit der Homosexualität hat gezeigt, daß zur Begründung rechtlicher Regelungen zweifelhafte und wenig überzeugende Argumente herangezogen wurden, um einen Zustand zu legitimieren, der gegen die EMRK und das GG verstößt. Auch im Prozeß des Abbaus der Strafbarkeit und der damit einhergehenden Entdiskriminierung gleichgeschlechtlichen Verhaltens spielten solche Argumente noch vereinzelt eine Rolle. Daher muß bei der Beurteilung der hier interessierenden Fragen deutlich stärker als auf anderen Rechtsgebieten präzise darauf geachtet werden, einer wissenschaftlichen Grundlage entbehrende Argumente als solche zu identifizieren und aus dem Diskurs auszuscheiden. Unter der Geltung des von der Aufklärung inspirierten Grundgesetzes können nur sachlich fundierte Argumente von Bedeutung sein. Dies gilt in besonderem Maße deshalb, weil angesichts der Verbesserung der rechtlichen Situation gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare im juristischen Schrifttum regelmäßig die Tendenz zu beobachten ist, mit unzutreffenden Behauptungen – wie der, schwule Männer seien in weitaus höherem Maße als heterosexuelle pädophil veranlagt – antihomosexuelle Ressentiments zu schüren.187 Bei den verschiedenen Versuchen, im Vorfeld des Lebenspartnerschaftsgesetzes ein Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Paare zu schaffen, spielte die Frage nach dem Zugang zu Maßnahmen assistierter Reproduktion keine Rolle. Dies überrascht kaum, denn angesichts des Fehlens jeglichen rechtlichen Rahmens für gleichgeschlechtliche Partnerschaften genoß diese Frage keine Priorität. Außerdem enthielten zahlreiche Entwürfe noch nicht einmal kindschaftsrechtliche Regelungen, auf denen eine solche Forderung hätte aufbauen können.188 Bereits vor dem Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes hat sich in der Rechtsprechung, im juristischen Schrifttum und auf parlamentarischer Ebene die Erkenntnis durchgesetzt, daß Homosexuelle ebensogut zur Erziehung von Kindern befähigt sind, wie dies für heterosexuelle Menschen gilt. Aus der Homosexualität einer Person kann per se nicht auf deren Ungeeignetheit im Hinblick auf Erziehungsaufgaben geschlossen werden. Mit dem Argument einer angeblich fehlenden
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Insbesondere Tröndle, ZRP 1992, 297 ff. und Dreher/Tröndle, Strafgesetzbuch 47(1995), § 182, Rdnr. 3–3b. Vgl. auch Braun, JZ 2002, 23 ff., dazu eingehend Teil II § 7 II.5.a) und b), S. 119 ff. Zum Zusammenhang zwischen den kindschaftsrechtlichen Regelungen von Rechtsinstituten für gleichgeschlechtliche Paare und dem Zugang zu reproduktionsmedizinischen Methoden vgl. Teil III § 8 V.2., S. 209 ff.
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Teil I Grundlagen der gleichgeschlechtlichen Elternschaft
Geeignetheit zur Kindererziehung kann gleichgeschlechtlichen Paaren daher nicht der Zugang zu Maßnahmen assistierter Reproduktion verweigert werden. Die mit Blick auf Deutschland beobachtete rechtliche Entwicklung läßt sich auch auf der Ebene der Europäischen Union nachvollziehen. Dort gehen die Bestrebungen ebenfalls dahin, gleichgeschlechtliche Personenverbindungen rechtlich anzuerkennen und mit verschiedengeschlechtlichen Paaren gleichzustellen. Dies betrifft auch den Bereich des Kindschaftsrechts. Die insoweit wenig konkreten Aussagen der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Februar 1994 lassen eine Interpretation zu, wonach gleichgeschlechtliche Paare Zugang zu Maßnahmen assistierter Reproduktion haben sollen.
Teil II Recht der eingetragenen Lebenspartnerschaft
§ 7 Das Lebenspartnerschaftsrecht I. Einleitung Mit der Schaffung der eingetragenen Lebenspartnerschaft war die mehrere Jahre geführte Diskussion um ein Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Partnerschaften an ihr Ziel gelangt. Deutschland folgte damit der sich im europäischen Raum seit Anfang der 1990er Jahre abzeichnenden Tendenz, gleichgeschlechtlichen Paaren einen rechtlichen Rahmen für ihr Zusammenleben anzubieten.1 Obwohl es an Initiativen nicht gemangelt hatte, war dieses Vorhaben in der Vergangenheit an den parlamentarischen Mehrheitsverhältnissen gescheitert. Vor allem der große Partner der vier Legislaturperioden regierenden christlich-liberalen Koalition stand der rechtlichen Anerkennung personaler Verbindungen, die traditionellen Vorstellungen widersprachen, reserviert gegenüber. Erst mit dem Regierungswechsel im Jahre 1998 konnte dieses Projekt politisch durchgesetzt werden. Die Sozialdemokraten, vor allem aber Bündnis 90/Die Grünen,2 hatten bereits im Wahlkampf ihre Absicht signalisiert, ein Rechtsinstitut für lesbische und schwule Partnerschaften etablieren zu wollen. Die von Bündnis 90/Die Grünen noch einige Jahre zuvor favorisierte Option, die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare trotz der entgegenstehenden Entscheidung des BVerfG zu öffnen,3 ließ die Partei nun allerdings fallen. Im rechtswissenschaftlichen Schrifttum bestand weitgehend Einigkeit darüber, daß die Zulassung gleichgeschlechtlicher Paare zur Ehe an Art. 6 Abs. 1 GG scheitern würde, weil dieses Grundrecht nach seinem überkommenen Bedeutungsgehalt nur Verbindungen zwischen Mann und Frau zulasse und es an Hinweisen für einen relevanten Wandel des Verfassungsverständnisses –
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Hier nahmen vor allem die skandinavischen Staaten eine Vorreiterrolle ein, vgl. dazu Teil III § 8 II., S. 177 ff. Hufen, JuS 2003, 84 (86) spricht von einem „Lieblingsprojekt“ vor allem des grünen Koalitionspartners der Bundesregierung der 14. Legislaturperiode. Vgl. Teil I § 6 III.1., S. 97.
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Teil II Recht der eingetragenen Lebenspartnerschaft
falls man einen solchen als Figur des Verfassungsrechts überhaupt anerkennt4 – in der Lebenswirklichkeit bislang fehle.5 Das konservative Lager stand der Einführung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Partnerschaften weiterhin ablehnend gegenüber. Bereits vor der Verabschiedung des Gesetzes durch den Deutschen Bundestag wurden im juristischen Schrifttum vor allem verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet. Im Zentrum der Kritik stand der Vorwurf, die eingetragene Lebenspartnerschaft sei in ihrer Ausgestaltung zu stark der bürgerlich-rechtlichen Ehe angenähert und verletze dadurch den von Art. 6 Abs. 1 GG garantierten besonderen staatlichen Schutz von Ehe und Familie. Auch die Initiatoren des Gesetzes waren sich über die Reichweite der verfassungsrechtlichen Vorgaben und den sich daraus ergebenden Restriktionen für die Ausgestaltung der eingetragenen Lebenspartnerschaft nicht im klaren. Diese Unsicherheit hat zum Teil zu eigenartigen und fragwürdigen Regelungen geführt.6 Die Kritik am Lebenspartnerschaftsgesetz gipfelte schließlich in der Anrufung des Bundesverfassungsgerichts, das die verfassungsrechtlichen Bedenken für unbegründet erachtete. Damit war Klarheit über die Rechtslage gewonnen und der Weg für eine Novellierung geebnet, mit der das Lebenspartnerschaftsrecht zum 1. Januar 2005 weiter an die eherechtlichen Regelungen herangeführt wurde.
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Dagegen Möller, DÖV 2005, 64 (66 ff.), der zum einen den methodischen Ansatz eines Verfassungswandels für verfehlt hält und zum anderen die gleichgeschlechtliche Ehe als von Art. 6 Abs. 1 GG geschützt ansieht. Sachs, JR 2001, 45; Robbers, JZ 2001, 779 (781); ders., in: Bosinski/Kirchhof/NaveHerz/Robbers/Rotter, „Eingetragene Lebenspartnerschaft“, S. 45 (48); Schlüter/Heckes/ Stommel, DEuFamR 2 (2000), 1 (9); Strick, DEuFamR 2 (2000), 82 (83); Pieroth/ Kingreen, KritV 2002, 219 (222); Braun, Ehe und Familie am Scheideweg, S. 33 f.; Lindenberg/Micker, DÖV 2003, 707 (710). Vgl. auch v. Arnauld/Platter, Jura 2002, 411 (413); Schumacher, FamRZ 1994, 857 (858); Pauly, NJW 1997, 1955 (1956); wohl auch Stüber, KritJ 2000, 594 (599); Freytag, DÖV 2002, 445 (450); Risse, Der verfassungsrechtliche Schutz der Homosexualität, S. 238. Zurückhaltender Beck, NJW 2001, 1894 (1898). A.A. Trimbach/Webert, NJ 1998, 63 (64 f.); AG Frankfurt, NJW 1993, 940 ff.; Bruns, ZRP 1996, 6 (7); Ott, NJW 1998, 117; Reiß, KritJ 1994, 98 (104 f.); Schimmel, Eheschließungen gleichgeschlechtlicher Paare?, S. 131. Die Inkonsequenzen betrafen – und betreffen selbst nach der Novellierung teilweise noch immer – unterschiedliche Regelungsbereiche: In weiten Teilen unklar war die Bewältigung von Begründungsmängeln bei der Eingehung der Lebenspartnerschaft (vgl. unten, S. 134 ff.). Die Aufhebung bezeichnet im Lebenspartnerschaftsrecht, was im Eherecht die Scheidung ist, während im Eherecht die Aufhebung der Abwicklung von fehlerhaft begründeten Ehen dient (dazu unten, S. 140 f. sowie Fn. 99). Die Aufhebung der Lebenspartnerschaft sollte im Gegensatz zur Scheidung zunächst nur bei Abgabe von Nichtfortsetzungserklärungen möglich sein (siehe S. 141 f.). Unbefriedigend war ferner das anfängliche Fehlen eines Eheverbots bei bestehender eingetragener Lebenspartnerschaft (dazu S. 142 ff.). Das Güterrecht bediente sich einer anderen Terminologie, obwohl inhaltlich weitgehend das gleiche wie im Eherecht gemeint war (hierzu S. 145 und Fn. 143). In sich widersprüchlich war schließlich das Unterhaltsrecht (vgl. S. 149 f.). Zu den offenen Fragen auch Stüber, NJW 2003, 2721 ff.
§ 7 Das Lebenspartnerschaftsrecht
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Es wird bereits an dieser Stelle deutlich, daß das Recht der eingetragenen Lebenspartnerschaft in seiner novellierten Fassung nur dann angemessen gewürdigt werden kann, wenn man sich Klarheit über dessen Entwicklung verschafft hat. Im folgenden wird daher untersucht, inwieweit aus dem Lebenspartnerschaftsrecht und seiner Entwicklung Aussagen für die hier interessierende Frage nach der Zulässigkeit fortpflanzungsmedizinischer Maßnahmen bei gleichgeschlechtlichen Paaren hergeleitet werden können. Zunächst wird kurz der Gesetzgebungsprozeß skizziert. Daraufhin wird auf die Kritik am LPartG und das Hauptsacheverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht eingegangen. Anschließend werden die wichtigsten Regelungen unter Berücksichtigung der durch die Novellierung zum Ausdruck kommenden Tendenz daraufhin untersucht, inwiefern sie unter den Aspekten der Stabilität der Lebenspartnerschaft, ihres ökonomischen Fundamentes und ihres kindschaftsrechtlichen Gehaltes das Aufwachsen eines Kindes bei eingetragenen Lebenspartnern mit rechtlichem Schutz versehen.
II. Die Entwicklung des Lebenspartnerschaftsrechts bis zu seiner Novellierung 1. Die Koalitionsvereinbarung In der Koalitionsvereinbarung vom 20. Oktober 1998 hatte die rot-grüne Bundesregierung das Vorhaben der eingetragenen Lebenspartnerschaft als Teil eines umfangreichen Antidiskriminierungskonzepts erstmals näher umrissen.7 Übergeordnetes Ziel des dort niedergelegten Programms war der Schutz von Minderheiten sowie deren Gleichberechtigung und gesellschaftliche Teilhabe. Niemand sollte wegen seiner Behinderung, Herkunft, Hautfarbe, ethnischen Zugehörigkeit oder sexuellen Orientierung diskriminiert werden dürfen. Den Abbau der Diskriminierung und die Förderung der Gleichbehandlung von Lesben und Schwulen wollte die Regierung vor allem durch die Einführung des Rechtsinstituts der eingetragenen Lebenspartnerschaft verwirklichen. In diesem Kontext sollten auch die Entschließungen des Europäischen Parlaments zur Gleichberechtigung von Lesben und Schwulen Berücksichtigung finden.8 2. Gesetzgebungsgeschichte Aus dem Verlauf des Gesetzgebungsprozesses erklärt sich der Umfang der durch das LPartG geregelten Bereiche. Den in der Koalitionsvereinbarung formulierten Absichten folgte im Dezember 1999 der „Rohentwurf eines Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Sexualität“ des Bundesministeriums der Justiz, der den 7
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Koalitionsvereinbarung, ZRP 1998, 485 ff. Leitziele der Politik sollten die Förderung der Toleranz, die Achtung von Minderheiten und die Stärkung ihrer Rechte sein. Vgl. dazu auch Schlüter/Heckes/Stommel, DEuFamR 2 (2000), 1 (7); Röthel, ZRP 1999, 511 (514). Die Entschließungen werden in der Koalitionsvereinbarung „Empfehlungen des Europäischen Parlaments zur Gleichberechtigung von Lesben und Schwulen“ genannt, ZRP 1998, 485 (499). Siehe zu den Entschließungen Teil I § 6 V.1., S. 105 ff.
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Teil II Recht der eingetragenen Lebenspartnerschaft
übrigen Ressorts zugeleitet wurde.9 Dieser Rohentwurf wurde zu einem endgültigen Entwurf verfaßt und, obwohl von der Bundesregierung erarbeitet, am 4. Juli 2000 als „Entwurf eines Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften – Lebenspartnerschaften (LPartG)“ von den Regierungsfraktionen in den Deutschen Bundestag eingebracht.10 Der Entwurf war als Artikelgesetz konzipiert. Art. 1 enthielt als zentralen Komplex das 19 Paragraphen umfassende „Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft“, in Art. 2 waren Änderungen des ersten, zweiten, vierten und fünften Buches des BGB vorgesehen und Art. 3 beinhaltete zahlreiche Änderungen anderer Bundesgesetze vom Strafprozeßrecht über das Zivilprozeß- und Vollstrekkungsrecht, das Personenstandsrecht bis hin zum Beamten-, Sozialhilfe-, Ausländer- und Steuerrecht. In gesetzestechnischer Hinsicht waren eine Vielzahl bereits existierender Vorschriften, die sich mit der Ehe befaßten, Gegenstand von Verweisungen, mehr oder weniger modifizierenden Parallelregelungen und Ergänzungen. Weil zahlreiche Bestimmungen des Entwurfs die Kompetenzen der Länder berührten, unterlagen sie der Zustimmung des von der Opposition geführten Bundesrates (Art. 84 Abs. 1 GG). Bereits früh war abzusehen, daß die CDU/CSU- und FDP-regierten Länder das Gesetz in seiner Gesamtheit scheitern lassen würden. Daher entschlossen sich die Regierungsfraktionen Anfang November 2000, das Vorhaben in einen zustimmungspflichtigen und einen zustimmungsfreien Teil aufzuspalten.11 Der zustimmungsfreie Teil trug weiterhin den ursprünglichen Namen „Entwurf eines Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften (Lebenspartnerschaftsgesetz – LPartG)“ (LPartDisBG). Den zustimmungspflichtigen Teil benannte man in den „Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes und anderer Gesetze (Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz – LPartGErgG)“ um. Dieser zweigeteilte Entwurf wurde von den Mitgliedern der Regierungskoalition in den federführenden Rechtsausschuß des Bundestages eingebracht und als „Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses“ vom 8. November 2000 nach Auszug der den Fraktionen von CDU und CSU angehörenden Ausschußmitglieder beschlossen sowie dem Plenum zugeleitet.12 Die Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses enthielt nicht nur die beschriebene Zweiteilung, sondern auch einige wenige sachliche Änderungen in Einzelfragen, die teilweise auf eine Sachverständigenanhörung zurückgingen, teilweise Folge der Zweiteilung waren.13 Am 7. November 9
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§ 7 Das Lebenspartnerschaftsrecht
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2000 hatten die Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion einen Entschließungsantrag eingebracht, demzufolge der Deutsche Bundestag die vorgelegten Gesetzesentwürfe aus verfassungsrechtlichen und gesellschaftspolitischen Gründen insgesamt ablehnen sollte. Dieser Antrag fand keine Mehrheit.14 Am 10. November 2000 stimmte das Plenum des Bundestages dem zustimmungsfreien und dem zustimmungspflichtigen Entwurf nach zweiter und dritter Lesung zu.15 Der Bundesrat billigte den nicht zustimmungsbedürftigen Entwurf, das „Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften (LPartDisBG)“, welcher in Art. 1 das „Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz – LPartG)“ enthielt. Trotz verschiedener Bestrebungen kam ein Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses zum LPartDisBG nicht zustande, so daß der Bundespräsident das Gesetz am 16. Februar 2001 ausfertigte und im Bundesgesetzblatt verkündete.16 Die gegen das Inkrafttreten gerichteten Anträge auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung wies das BVerfG mit Urteil vom 18. Juli 200117 als unbegründet zurück, worauf das LPartG wie vorgesehen am 1. August 2001 in Kraft treten konnte. Dem LPartGErgG, das die zustimmungspflichtigen Bestimmungen enthielt, versagte der oppositionsgeführte Bundesrat am 1. Dezember 2000 seine Billigung.18 Der auf Antrag des Bundestages einberufene Vermittlungsausschuß tagte in seiner Sitzung vom 7. Februar 2001 ohne Erfolg. Schließlich sollte eine zum LPartGErgG eingesetzte Bund-Länder-Arbeitsgruppe die Chancen für punktuelle Einigungen mit der Opposition ausloten. Trotz der zwischenzeitlich erfolgten Bestätigung des LPartDisBG durch das BVerfG19 zeigten sich die unionsgeführten Länder wenig kooperationsbereit. Aus diesem Grund ist das LPartGErgG nach wie vor nicht verabschiedet worden. Daher fehlen vor allem steuer- und sozialrechtliche Regelungen zugunsten eingetragener Lebenspartner.20 3. Die Zielsetzung des Gesetzes Die Initiatoren des Gesetzes erhofften sich von der Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft einen Beitrag zum Abbau der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare. Durch das eigenständige familienrechtliche Institut soll die Möglichkeit eröffnet werden, einen gesicherten Rechtsrahmen für das auf Dauer angelegte Zusammenleben unter Einbeziehung der gleichgeschlechtlichen Identi-
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richsen, Dieter Schwab, Bea Verschraegen, Hein Kötz, Gerhard Robbers und Michael Sachs geladen, siehe BT-Rechtsausschußprot. 14/59 v. 19.9.2000. BT-Drucks. 14/4551 v. 7.11.2000, S. 1 f.; s.a. BT-Plenarprot. 14/131 v. 10.11.2000, S. 12630 A. Vgl. auch Finger, MDR 2001, 199 (200 m. Fn. 5): unübliche Verfahrensweise. BT-Plenarprot. 14/131, S. 12606 D-12630 C. BGBl. I v. 22.2.2001, S. 266. Näher dazu Meyer/Mittelstädt, Das Lebenspartnerschaftsgesetz, S. 22 m. Fn. 24 und 25 und Trimbach, NJ 2001, 399 (400). BVerfGE 104, 51 ff. = NJW 2001, 2457 ff. Vgl. zum ganzen sogleich unten, S. 125. BR-Prot. 757 v. 1.12.2000, S. 551 D; vgl. auch Kaiser, JZ 2001, 617 m. Fn. 5. BVerfGE 105, 313 ff., vgl. dazu ausführlich unten, S. 125 ff. Siehe Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 11; Muscheler, FamRZ 2004, 913 (918). Vgl. auch Obermeyer, KritV 2003, 142 m. Fn. 4; Stüber, NJW 2006, 1774 ff.
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Teil II Recht der eingetragenen Lebenspartnerschaft
tät wählen zu können. Weil gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften durch gegenseitige Fürsorge, Unterstützung und Anerkennung geprägt seien, solle ihnen die Möglichkeit der rechtlichen Anerkennung und Absicherung offenstehen. Dabei wollten die Verfasser des Gesetzes vor dem Hintergrund, daß Art. 6 Abs. 1 GG die Ehe als Vereinigung von Mann und Frau zu einer Lebensgemeinschaft unter den besonderen Schutz des Staates stelle, bewußt zwischen eingetragener Lebenspartnerschaft und Ehe unterscheiden.21 4. Spielraum des Gesetzgebers Gleichwohl war lebhaft umstritten, welchen verfassungsrechtlichen Rahmen Art. 6 Abs. 1 GG vorgab. Der Gesetzgeber versuchte mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft auf der einen Seite einen aus verfassungsrechtlichen Gründen für notwendig erachteten Abstand zur Ehe einzuhalten, auf der anderen Seite aber zahlreiche Regelungen des Eherechts mehr oder weniger verdeckt zu übernehmen. Dies führte zu Inkonsequenzen.22 Freilich wäre es gesetzestechnisch die sauberere Lösung gewesen, die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen und bestimmte Bereiche, deren parallele Regelung nicht sachgerecht erscheint, auszuklammern. Es entsprach jedoch allgemeiner Meinung, daß dieses Vorgehen nur mit einer Änderung des Art. 6 Abs. 1 GG realisierbar gewesen wäre, für die hingegen die notwendige Mehrheit fehlte. Insgesamt beabsichtigten die Initiatoren, für gleichgeschlechtliche Paare ein eheähnliches Institut zu schaffen. Sie wollten dem Vorwurf einer zu starken Annäherung aber dadurch entgehen, daß sie diverse Abweichungen zum Eherecht vorsahen. Ein rechtspolitisch plausibles Prinzip für die Selektion der Übernahmen aus dem Eherecht war jedoch nicht zu erkennen, so daß eine gewisse Beliebigkeit herrschte.23 5. Kritik Bereits der am 4. Juli 2000 in den Deutschen Bundestag eingebrachte „Entwurf eines Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften (Lebenspartnerschaftsgesetz – LPartG)“ hatte auf allen gesellschaftlichen Ebenen eine breite Debatte ausgelöst. Auch im juristischen Schrifttum fand eine kontroverse und emotionale24 Auseinandersetzung statt, in deren Zentrum verfassungsrechtliche Bedenken standen. Zunächst ist aber auf eine singulär gebliebene Kritik näher einzugehen, die den vorliegenden Zusammenhang unmittelbar tangiert. Aus ihr könnte nämlich geschossen werden, daß Maßnahmen assistierter Reproduktion bei eingetragenen Lebenspartnern des-
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So BT-Drucks. 14/3751 v. 4.7.2000, S. 1, 33. Vgl. auch BT-Drucks. 14/4545 v. 8.11.2000, S. 2. Vgl. dazu oben Fn. 6. Schwab, FamRZ 2001, 385 (386); ders., BT-Rechtsausschußprot. 14/59 v. 19.9.2000, S. 31 f.; Braun, JZ 2002, 23 (27); ders., Ehe und Familie am Scheideweg, S. 87, 100; Kemper, FF 2001, 156 (158); Kaiser, JZ 2001, 617 (618 ff.); Erman/dies., Bürgerliches Gesetzbuch, Vor § 1 LPartG, Rdnr. 4. Zum Rohentwurf bereits Strick, DEuFamR 2 (2000), 82 (92). Zu diesem Befund Sachs, JR 2001, 45 (49) und Fountoulakis, FamPra.ch 2001, 38 (56).
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halb abzulehnen sind, weil dieses Rechtsinstitut sexuelle Übergriffe auf Minderjährige zu fördern sucht. a) Kritik Brauns Auf ungewöhnliche Weise wurde das LPartG von Johann Braun kritisiert.25 Braun warf den Initiatoren der eingetragenen Lebenspartnerschaft vor, die Zerstörung des Instituts der Ehe und den Einstieg in andere Lebensformen zu betreiben.26 Durch die Gleichstellung „homosexueller Partnerschaften“ mit der Ehe werde das Ziel zu befördern gesucht, das geltende Ehe- und Familienrecht durch ein „pluralistisches Lebensformenrecht“ zu ersetzen, in dem die heterosexuelle Monogamie nur eine Möglichkeit unter vielen anderen wäre.27 In dem von den Verfechtern des LPartG angestrebten künftigen Lebensformenrecht solle der Staat keine Vorgaben mehr machen, sondern die rechtlichen Regelungen so ausgestalten, daß sie für nach Zahl, Geschlecht und Dauer beliebige Beziehungen offen seien. Die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der Ehe werde als eine Art Hebel begriffen, mit dessen Hilfe man das Institut der Ehe langfristig aus den Angeln heben könne. Braun stellt die Frage, ob eine Regelung, die verbreitet als ein Mittel zur Auf- und Ablösung der Ehe angesehen werde und dafür auch geeignet sei, nicht bereits aus diesem Grund mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar sei.28 Zu den Lebensformen, deren Etablierung durch das Lebenspartnerschaftsgesetz angeblich vorbereitet werden soll, zählt Braun den „Einstieg in die Normalisierung der Pädophilie“.29 Die Diskussion um die rechtliche und moralische Bewertung homosexuellen Verhaltens läuft ihm zufolge auf einen grundlegenden Paradigmenwechsel hinaus. Vormals als „widernatürlich“ bezeichnete Praktiken würden als „natürlich“ und „gut“ propagiert. Zwar werde in der „politischen Agitation“ diese Rechtfertigungsstrategie im Augenblick nur zugunsten von homosexuell orientierten Personen eingesetzt. Es liege jedoch auf der Hand, daß diese Strategie in ihrer Bedeutung auf das Verhältnis von Homo- und Heterosexualität nicht beschränkt sei, sondern sich auch auf andere sexuelle Orientierungen erstrecke. Bisexuelle, Voyeuristen, Exhibitionisten, Pädophile u.a. könnten sich nämlich mit nicht weniger Recht auf eine „natürliche Veranlagung“ berufen. Das in der
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Vor allem Braun, JZ 2002, 23 ff. und ders., JZ 2002, 294 ff. Weniger dezidiert ders., ZRP 2001, 14 ff.; ders., Ehe und Familie am Scheideweg, 2002; ders., Eingetragene Lebenspartnerschaft und Ehe, 2002; ders., JuS 2003, 21 ff. Braun, JZ 2002, 23 (27), (30). Braun, JZ 2002, 23 (28): „Aufgrund ihrer Verwurzelung in den natürlichen Gesetzen menschlicher Reproduktion einerseits und der christlich-abendländischen Kultur andererseits ist die überkommene Ehe geprägt durch die Merkmale der Geschlechtsverschiedenheit der Ehegatten, der Monogamie und der Ausrichtung auf Lebenszeit.“ Hervorhebungen im Original. Braun, JZ 2002, 23 (28). So die als Frage formulierte Überschrift zum vierten Abschnitt des Beitrags, vgl. Braun, JZ 2002, 23 (28). Vgl. auch ders., Eingetragene Lebenspartnerschaft und Ehe, S. 25: „Das Lebenspartnerschaftsgesetz zu kritisieren, war offenbar politisch inkorrekt, um Verständnis für homosexuelle Pädophilie zu werben dagegen korrekt“, siehe auch S. 45: jahrelanger „Schulterschluß von Schwulen und Pädophilen“.
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Lesben- und Schwulenbewegung verbreitete Argumentationsmuster biete daher die Handhabe, noch ganz andere Schranken zu öffnen.30 Um welche Schranken es Braun geht, wird in seinem Beitrag unter der Überschrift „Kindersex als ,Schwulenrecht‘“31 näher ausgeführt. Seiner Ansicht nach werde mit der Aufwertung der Homophilie von manchen nicht eine Lebenspartnerschaft mit ihresgleichen angestrebt, sondern es gehe darum, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß ganz andere Präferenzen „gelebt“ werden könnten. Pädophile Neigungen seien zwar nicht auf Homosexuelle beschränkt, sie fänden sich aber unter Schwulen relativ häufig und würden in diesen Kreisen nicht selten aus Überzeugung propagiert.32 Die von der Schwulenbewegung mitverfolgten Ziele, sexuellen Kontakten zu Knaben unbehelligt nachgehen zu können, würden aber in der Öffentlichkeit nicht mehr ausgesprochen, seit man wisse, wie die Mehrheit des Volkes hier noch reagiere.33 Es könne von Verfassungs wegen nicht gleichgültig sein, wenn die „Erweiterung“ der „Familie“ auf homosexuelle Partnerschaften von interessierter Seite womöglich als unverfängliches Mittel dafür eingesetzt werde, um bei passender Gelegenheit im nächstweiteren Schritt für die Gleichstellung pädophiler Orientierungen plädieren zu können. „Die der Ehe weitgehend gleichgestellte Lebenspartnerschaft gleichgeschlechtlicher Partner erscheint vor diesem Hintergrund als ein trojanisches Pferd, in dem die Waffen verborgen sind, mit denen nicht nur die Ehe, sondern auch die von der Verfassung geschützte Familie von Grund auf zerstört werden kann und nach der Intention maßgeblicher Betreiber auch zerstört werden soll.“34 b) Eigene Stellungnahme Die Behauptungen Brauns sind haltlos.35 Mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft war weder die Zerstörung der Ehe beabsichtigt, noch ist ersichtlich, wie dies mit einem Rechtsinstitut bewerkstelligt werden könnte, das sich an einen für die Ehe nicht relevanten Personenkreis richtet. Die Entkriminalisierung der unter Strafe stehenden Pädosexualität hat weder während der Diskussion um das LPartG noch danach, etwa bei der Novellierung des Lebenspartnerschaftsrechts, eine Rolle gespielt. Der von Braun behauptete Zusammenhang besteht nicht. Es wurde bereits an anderer Stelle dargelegt, daß Homosexualität nicht mit Pädophilie gleichgesetzt werden kann.36 Die Ausführungen Brauns sind nicht nur wegen der unzureichenden Berücksichtigung human- und sexualwissenschaftlicher Erkenntnisse bedenklich, sondern auch aus Gründen der wissenschaftlichen Integrität. Das von ihm als Beleg für seine Ansicht angeführte Urteil des BVerfG aus dem Jahre 1957 stößt nicht nur 30 31 32 33 34
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Braun, JZ 2002, 23 (29). Braun, JZ 2002, 23 (29), sub IV.2. Braun, JZ 2002, 23 (29). Braun, JZ 2002, 23 (30); ders., Ehe und Familie am Scheideweg, S. 44. Braun, JZ 2002, 23 (30). Siehe auch ders., Ehe und Familie am Scheideweg, S. 38: Liquidation der Ehe in ihrer überkommenen Gestalt. Vgl. auch Wasmuth, Der Staat 41 (2002), 47 (65, in Fn. 140): kaum als sachlich einzustufender Beitrag. Dazu ausführlich Teil I § 4 III.5., S. 55 ff.
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auf rechtsstaatliche Bedenken, sondern ist auch wegen des humanwissenschaftlichen Erkenntniszuwachses veraltet.37 Braun bedient sich aber darüber hinaus einer selektiven und verkürzenden Zitiertechnik, die einzelne Passagen aus ihrem Kontext herauslöst und dadurch deren Aussage verfälscht. Im Zusammenhang mit seiner Behauptung, unter homosexuellen Männern sei relativ häufig eine pädophile Orientierung anzutreffen, unterschlägt Braun beispielsweise, daß das BVerfG unter „Jünglingen“ keineswegs Minderjährige, sondern 20- bis 27jährige Männer verstand.38 Braun unterstellt auch anderen Quellen Aussagen, die ihnen nicht entnommen werden können. So geht aus den von Braun zitierten Ausführungen des österreichischen Rechtsanwaltes Graupner nicht hervor, Sex mit Kindern ab 14 Jahren müsse „Schwulenrecht“ sein, und Sex mit Jüngeren sollte jedenfalls im Einzelfall straffrei bleiben.39 Vielmehr bemüht sich Graupner in seinen Darstellungen um eine differenzierte Behandlung homosexueller und heterosexueller Pädophilie, weist auf das enorme Machtgefälle zwischen Erwachsenem und Kind in sexueller Hinsicht hin40 und unterscheidet unter Bezugnahmen auf sexualwissenschaftliche Erkenntnisse, in welchen Fällen sexuelle Kontakte mit Erwachsenen für (männliche und weibliche) Jugendliche unbedenklich sein können und wann nicht.41 Um seine Behauptung zu stützen, das LPartG verfolge unter anderem den „Einstieg in die Normalisierung der Pädophilie“, beruft sich Braun ferner zu Unrecht auf eine Schrift des Grünen-Politikers Volker Beck aus dem Jahre 1988.42 Zu diesem Zeitpunkt stellte § 175 StGB noch gleichgeschlechtliche Kontakte von Erwachsenen mit Männern zwischen 16 und 18 Jahren unter Strafe.43 Der Beitrag muß daher in seinem zeithistorischen Kontext gesehen werden und kann schon aus 37
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BVerfGE 6, 389 ff. Vgl. zu diesem Befund Kappe, KritJ 1991, 205 (217) sowie Teil I § 6 II.4.a)(2), S. 83. Braun, JZ 2002, 23 (29) zitiert die Entscheidung des BVerfG wie folgt: „,Demgegenüber‘, so heißt es weiter, ,liebt der typisch homosexuelle Mann den Jüngling und neigt dazu, ihn zu verführen … Daneben gibt es die Gruppe der Päderasten, die die Altersspanne von 12 bis 17 Jahren ,bis zum Bartwuchs‘ begehrt‘“. In BVerfGE 6, 389 (428) heißt es (unter Bezugnahme auf Sachverständige) vollständig: „Demgegenüber liebt der typisch homosexuelle Mann den Jüngling und neigt dazu, ihn zu verführen (WietholdHallermann); er sucht den 20- bis 27-jährigen ,jünglinghaften‘ gleichwohl bereits reifen Mann (Giese). Daneben gibt es die Gruppe der Päderasten, die die Altersspanne von 12 bis 17 Jahren ,bis zum Bartwuchs‘ begehrt (Giese, auch Scheuner und Kroh).“ Braun, JZ 2002, 23 (29) mit Hinweisen auf Graupner, 37 (4) Journal of Homosexuality (1999), 23 ff. und dens., Sexualität, Jugendschutz und Menschenrechte, Teil 1, S. 226 ff., 311 ff., 414 ff. Graupner, Sexualität, Jugendschutz und Menschenrechte, Teil 1, S. 311 ff.; ders., 37 (4) Journal of Homosexuality (1999), 23 (32): „The relationship between adults and children is characterised by an enormous inequality of power“. Graupner, Sexualität, Jugendschutz und Menschenrechte, Teil 1, S. 415 f. (unbedenkliche Sexualkontakte) und S. 416 ff. (bedenkliche Sexualkontakte); ders., 37 (4) Journal of Homosexuality (1999), 23 (32 ff.). Braun, JZ 2002, 23 (29) unter Bezugnahme auf Beck, in: Leopardi, Der pädosexuelle Komplex, S. 255 ff. Vgl. Teil I § 6 II.4.c) und Teil I § 6 II.4.d), S. 85 ff.
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diesem Grund nicht unbesehen auf die Diskussion zum LPartG übertragen werden. Beck geht es bei den von Braun in Bezug genommenen Textteilen darum, in der damals geführten Diskussion § 175 von § 176 StGB (sexueller Mißbrauch von Kindern) abzugrenzen. Er betont, daß zwischen Erwachsenem und Kind eine Disparität der Wünsche und Bedürfnisse existiere44 und plädiert für eine differenzierte Behandlung der Pädophilie, eine kritische Auseinandersetzung mit Forderungen nach ihrer Entkriminalisierung sowie eine offene und sachliche Diskussion.45 Beck legt Wert auf die Feststellung, daß seine Partei nie die Forderung nach einer Streichung des § 176 StGB gestellt hatte und es nie eine Perspektive gab, das Parteiempfinden der Grünen auf eine Akzeptanz gewaltloser Sexualität mit Kindern einzuschwören.46 Braun entstellt zudem Äußerungen Becks, indem er unzusammenhängende Textpassagen als Sinneinheit ausgibt. Textteile, die seine Ausführungen relativieren, blendet er aus. Durch dieses Vorgehen reißt Braun die Zitate aus ihrem Kontext und verfälscht die Grundaussage.47 Es muß nicht eigens darauf hingewiesen werden, daß es zu den Minimalstandards wissenschaftlichen Arbeitens zählt, sinnentstellende Zitatverkürzungen zu unterlassen.48 Der Beitrag von Braun bestätigt einmal mehr auf exemplarische Weise die von Gisela Bleibtreu-Ehrenberg bereits Mitte der 1970er Jahre aufgestellte These, daß im Zusammenhang mit der Verbesserung der rechtlichen und gesellschaftlichen Situation Homosexueller gegenüber schwulen Männern der Vorwurf der Kinderschändung erhoben wird.49 Dies zeigte sich bereits bei der Einschränkung und Aufhebung des § 175 StGB und wiederholt sich mit der Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes. War bei der Abschaffung des § 175 StGB ein Bezug zu sexuellen Handlungen mit Minderjährigen noch gegeben, so fehlt dieser bei der Schaffung der eingetragenen Lebenspartnerschaft vollständig. Der Zusammen44 45
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Beck, in: Leopardi, Der pädosexuelle Komplex, S. 255 (263 f.). Vorgeschlagen werden Diskussionen über die Absenkung der Schutzaltersgrenzen in Europa (orientiert an den Niederlanden) sowie die Einführung einer Strafabsehensklausel, Beck, in: Leopardi, Der pädosexuelle Komplex, S. 255 (263). Diese Überlegungen beruhen auf den Ergebnissen einer Anhörung des Sonderausschusses des Deutschen Bundestages zur Vorbereitung des 4. Strafrechtsänderungsgesetzes von 1973, wo die These, gewaltlose pädosexuelle Erlebnisse störten generell die sexuelle Entwicklung eines Kindes, bei den geladenen Experten auf Bedenken gestoßen war, BT-Drucks. 6/3521, S. 34. Vgl. aus kriminologischer Sicht auch Böllinger, KritJ 1986, 90 (97) m.w.N.: Die Fähigkeit der kindlichen Psyche, die allenfalls resultierenden milden Traumatisierungen ohne dauernde Beeinträchtigung der seelischen und sexuellen Funktionen zu verarbeiten, sei größer als allgemein angenommen. Beck, in: Leopardi, Der pädosexuelle Komplex, S. 255 (265). So die Bezugnahme auf Beck, in: Leopardi, Der pädosexuelle Komplex, S. 255 (266), (268) bei Braun, JZ 2002, 23 (29 m. Fn. 82). Vgl. im übrigen auch Bruns, JZ 2002, 291 ff., der weitere Behauptungen Brauns widerlegt bzw. richtigstellt. Siehe nur Möllers, JuS 2002, 828 (830). Bleibtreu-Ehrenberg, Tabu Homosexualität, S. 373 ff.; 376 m.w.N., auf S. 377 f. mit Beispielen; siehe auch Kappe, KritJ 1991, 205 (216). Dazu bereits Teil I § 3 III.5.b), S. 31 f. Bei der Abschaffung des § 175 StGB stellte Tröndle (ZRP 1992, 297 ff.; Dreher/ders., Strafgesetzbuch 47[1995], § 182, Rdnr. 3–3b) diese Behauptung auf; zur Auseinandersetzung damit vgl. Teil I § 6 II.4.d)(3)(b), S. 90 ff.
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hang zwischen der Etablierung eines Rechtsinstitutes für gleichgeschlechtliche Partnerschaften und dem Vorwurf der Pädophilie entbehrt jeder sachlichen Grundlage und ist konstruiert. Es ist vor diesem Hintergrund nicht auszuschließen, daß dieser unbegründete Vorwurf bei einer Verbesserung der Situation gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, insbesondere wenn es wie bei der Zulassung gleichgeschlechtlicher Paare zu reproduktionsmedizinischen Maßnahmen um das Aufwachsen von Kindern bei Homosexuellen geht, wiederholt werden wird. Derartige Argumente gilt es im Bemühen um einen sachlichen Diskurs auszuscheiden. c) Verfassungsrechtliche Kritik Die in der Literatur geäußerte verfassungsrechtliche Kritik bezog sich sowohl auf die formelle als auch auf die materielle Vereinbarkeit des Lebenspartnerschaftsgesetzes mit dem Grundgesetz. Die Kritik zur formellen Verfassungsmäßigkeit betraf die Aufspaltung des ursprünglich einheitlichen Vorhabens im Gesetzgebungsverfahren. Im Mittelpunkt der materiell-rechtlichen Auseinandersetzung stand der durch Art. 6 Abs. 1 GG garantierte besondere Schutz von Ehe und Familie. Daneben spielten aber auch Art. 3 und Art. 14 GG eine Rolle. Die im einzelnen vorgebrachten Argumente waren auch Gegenstand der Judikate des BVerfG. Teile des Schrifttums hielten das LPartDisBG bereits für formell verfassungswidrig, weil die Aufspaltung in einen zustimmungspflichtigen und zustimmungsfreien Teil willkürlich gewesen sei und das Zustimmungsrecht des Bundesrates verletzt habe. Materiell-rechtliche Vorschriften seien ohne sachlichen Grund auseinander gerissen worden, weshalb das Gesetz ein Torso und insgesamt unvollziehbar sei.50 In materieller Hinsicht stand Art. 6 Abs. 1 GG im Fokus der Diskussion. Insbesondere aus der Institutsgarantie und aus dem Schutz von Ehe und Familie als wertentscheidende Grundsatznorm leiteten die Kritiker des LPartG ein Abstandsgebot51 her, das den Gesetzgeber einerseits dazu verpflichte, Ehe und Familie gegenüber allen sonstigen Formen menschlicher Lebensgemeinschaft mit einem singulären rechtlichen Schutz durch die Gewährung exklusiver Privilegien zu umfangen. Andererseits sei die Legislative daran gehindert, gleichgeschlechtliche Personengemeinschaften der Ehe gleichzustellen. Insofern seien ihr allenfalls punktuelle Annäherungen gestattet; die Übertragung eherechtlicher Vorschriften
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Scholz/Uhle, NJW 2001, 393 (394 f.), (398); Geis, in: ders., Homo-Ehe. Nein zum JaWort aus christlicher Sicht, S. 27 (34); Uhle, ebenda, S. 37 (38 m. Fn. 9). Krings, ZRP 2000, 409 (411 f.); Scholz/Uhle, NJW 2001, 393 (398); Braun, JZ 2002, 23 (26); Geis, in: ders., Homo-Ehe. Nein zum Ja-Wort aus christlicher Sicht, S. 27 (36); Pauly, NJW 1997, 1955 (1956): Öffnungs- und Bezeichnungsverbot; in diesem Sinne wohl auch Büttner, FamRZ 2001, 1105 (1111). Vgl. auch Burgi, Der Staat 39 (2000), 487 (502 ff.), der von einem „Abbildungsgebot“ spricht. Dagegen Wasmuth, Der Staat 41 (2002), 47 (55 ff.). Siehe auch A. Klein, FPR 2001, 434 (435); Stüber, KritJ 2000, 594 (596 ff.); Robbers, JZ 2001, 779 (783 f.); ders., in: Bosinski/Kirchhof/Nave-Herz/ Robbers/Rotter, „Eingetragene Lebenspartnerschaft“, S. 45 (50 ff.); Freytag, DÖV 2002, 445 (448 ff.); Pieroth/Kingreen, KritV 2002, 219 (233 f.); Sachs, JR 2001, 45 (48 f.); Kemper, FF 2005, 88 (89).
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dürfe jedenfalls nicht zum Regelfall werden.52 Die Ehe werde als vitales Element der staatlichen Ordnung zur Gewährleistung der Bedingungen für die Pflege und Erziehung von Kindern, aber auch der staatlichen Gemeinschaft besonders geschützt. Sie genieße einen Exklusivitätsschutz, während das Grundgesetz anderen Partnerschaften nur einen allgemeinen, aber keinen besonderen institutionellen Schutz gewähre. Aus diesem Unterschied folge ein Differenzierungsgebot und ein Abbildungsverbot für andere Partnerschaften. Würden Parallelinstitute geschaffen, die der Ehe gleichkommen, so träte dadurch eine Nivellierung ein, die die Ehe ihres besonderen Schutzes beraube. Diese verfassungsrechtlichen Forderungen seien durch die weitgehende Annäherung der eingetragenen Lebenspartnerschaft an die Ehe verletzt.53 Die Kritiker monierten ferner, daß kein Eheverbot bei bestehender Lebenspartnerschaft normiert worden war. Der Gesetzgeber hatte darauf bewußt verzichtet, weil er befürchtete, andernfalls die durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Eheschließungsfreiheit zu verletzen und damit das Gesetzesvorhaben insgesamt zu gefährden. Wegen des fehlenden Eheverbotes hätten nach teilweise vertretener Ansicht Ehe und eingetragene Lebenspartnerschaft nebeneinander geführt werden können, obwohl ihre jeweilige Pflichtenbindung miteinander unvereinbar sei.54 Art. 6 Abs. 1 GG sei daher auch deshalb verletzt, weil die Lebenspartnerschaft mangels entsprechender Regelung im LPartDisBG kein Ehehindernis sei. Mit der Einführung des „kleinen Sorgerechts“55, das unter bestimmten Voraussetzungen einem nicht mit dem Kind verwandten Lebenspartner sorgerechtliche Befugnisse verleiht, greife das LPartDisBG in das Elternrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils ein. Das Gesetz sah ferner ein Erbrecht mit einem korrespondierenden Pflichtteilsrecht des überlebenden Lebenspartners vor. Durch die Gewährung eines Pflichtteils sei Art. 14 Abs. 1 GG verletzt, weil ohne wichtigen Grund die Testierfreiheit der Lebenspartner eingeschränkt werde.56 Verschiedene Stimmen sahen im LPartDisBG auch einen Verstoß gegen das besondere Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG und den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Die Begrenzung des Instituts auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften beinhalte entgegen Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG eine Unterscheidung nach dem Geschlecht, weil eine Frau nur wegen ihres Geschlechts die Lebenspartnerschaft mit einem Mann nicht begründen könne und umgekehrt.57 Der allgemeine Gleichheitssatz werde dadurch verletzt, daß nichtehelichen verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften und verwandtschaftlichen Ein-
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So bereits Pauly, NJW 1997, 1955 (1956); ihm folgend Krings, ZRP 2000, 409 (413) und Uhle, in: Geis, Homo-Ehe. Nein zum Ja-Wort aus christlicher Sicht, S. 37 (44 m. Fn. 58). S.a. Scholz/Uhle, NJW 2001, 393 (397 f.). Vgl. statt aller Krings, ZRP 2000, 409 (415). Vgl. Leipold, ZEV 2001, 218 (223). Siehe auch unten, S. 142 ff. Vgl. auch dazu ausführlich unten, S. 158 ff. Dazu Scholz/Uhle, NJW 2001, 393 (399); Zimmermann, in: Festschr. f. Steinberger, S. 645 (664). Sachs, JR 2001, 45 (49); Braun, Ehe und Familie am Scheideweg, S. 38 f. Dagegen Wasmuth, Der Staat 41 (2002), 47 (68); Robbers, JZ 2001, 779 (785); A. Klein, FPR 2001, 434 (436).
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standsgemeinschaften der Zugang zum Rechtsinstitut der eingetragenen Lebenspartnerschaft verwehrt werde.58 6. Das Urteil des BVerfG in der Hauptsache Der auf politischer Ebene geführte Streit gipfelte in der Anrufung des Bundesverfassungsgerichts durch die drei unionsgeführten Bundesländer Sachsen, Thüringen und Bayern. Mit ihren Normenkontrollanträgen verfolgten sie das Ziel, die Verfassungswidrigkeit des LPartDisBG verbindlich feststellen zu lassen. Bereits am 18. Juli 2001 hatte das BVerfG mit einer Mehrheit von 5:3 Richterstimmen die Anträge der bayerischen und sächsischen Staatsregierung abgelehnt, eine einstweilige Anordnung dahingehend zu erlassen, das LPartDisBG bis zur Entscheidung über die Normenkontrollanträge der Antragstellerinnen nicht in Kraft treten zu lassen oder es hilfsweise außer Vollzug zu setzen.59 Da es die Normenkontrollanträge weder für offensichtlich unzulässig noch für offensichtlich unbegründet hielt, trat das Gericht in eine Folgenabwägung ein, bei der Gesichtspunkte der formellen und materiellen Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes außer Betracht blieben. Weil das BVerfG über die Aussetzung des Vollzugs eines Gesetzes zu befinden hatte, legte es einen besonders strengen Maßstab an. Im wesentlichen stützte die Mehrheit der Richter ihre Auffassung darauf, daß keine irreversiblen Nachteile für das Institut der Ehe bei einem Inkrafttreten des LPartG zu erkennen wären und das Gesetz vollziehbar sei.60 Mit Urteil vom 17. Juli 2002 entschied der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts, daß das LPartDisBG mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Jene Bundesverfassungsrichter, die den Erlaß einer einstweiligen Anordnung abgelehnt hatten, trugen auch die Entscheidung in der Hauptsache.61 Anders als im vorangegangenen Eilverfahren hatte das Gericht nun über die formelle und materielle Verfassungskonformität des LPartDisBG zu judizieren.
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Sachs, JR 2001, 45 (49 f.); Scholz/Uhle, NJW 2001, 393 (399 f.); Uhle, in: Geis, HomoEhe. Nein zum Ja-Wort aus christlicher Sicht, S. 37 (45 m. Fn. 61); Kirchhof, in: Bosinski/Kirchhof/Nave-Herz/Robbers/Rotter, „Eingetragene Lebenspartnerschaft“, S. 57 (66 f.); ders., FPR 2001, 436 (438 f.). Die Landesregierung von Thüringen beschränkte sich auf die Anregung, das BVerfG möge eine solche Anordnung von Amts wegen erlassen. Dies ist zulässig, sofern die Hauptsache bereits anhängig ist, BVerfGE 42, 103 (120). BVerfGE 104, 51 (56 ff.) = NJW 2001, 2457 ff. Abweichend votierten die Richter Papier, Haas und Steiner, BVerfGE 104, 51 (61 f.) = NJW 2001, 2457 (2459). Vgl. auch Schoch, Jura 2001, 833 ff.; Braun, JZ 2002, 23 (24); ders., Ehe und Familie am Scheideweg, S. 51. Zur mündlichen Verhandlung vor dem BVerfG Peschel-Gutzeit, FPR 2001, 431 ff. Dazu zählten die Richter Jaeger, Hömig, Hohmann-Dennhardt, Hoffmann-Riem und Bryde, BVerfGE 105, 313 (357): Im Hinblick auf die Vereinbarkeit des LPartG mit Art. 6 Abs. 1 GG erging die Entscheidung mit 5:3 Stimmen. Hinsichtlich der Vereinbarkeit des LPartG mit Art. 3 Abs. 1 GG erging die Entscheidung mit 7:1 Stimmen, im übrigen einstimmig, BVerfGE 105, 313 (357). Dem Urteil waren die dissentierenden Voten der Richter Papier und Haas angefügt, BVerfGE 105, 313 (357 ff.); (359 ff.).
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a) Vereinbarkeit mit der Verfassung in formeller Hinsicht Das BVerfG sah das LPartDisBG als verfassungsgemäß zustande gekommen an. Da es keine Vorschriften im Sinne des Art. 84 Abs. 1 GG enthielt, bedurfte es nicht der Zustimmung des Bundesrates.62 Darüberhinaus war der Bundestag verfassungsrechtlich nicht gehindert, in Ausübung seiner gesetzgeberischen Freiheit ein Gesetzgebungsvorhaben in mehreren Gesetzen zu regeln. Er kann auch im laufenden Gesetzgebungsverfahren die von ihm angestrebten materiell-rechtlichen Regelungen in einem Gesetz zusammenfassen, gegen das dem Bundesrat nur ein Einspruchsrecht zusteht, und für die Vorschriften, die das Verwaltungsverfahren der Länder regeln sollen, ein anderes, zustimmungsbedürftiges Gesetz vorsehen. Die Entscheidung des Bundestages, das Gesetz in der geschehenen Form aufzuspalten, war nicht willkürlich. Die im LPartDisBG enthaltenen Regelungen stellten auch keinen Gesetzestorso dar, da sie aus sich heraus verständlich, hinreichend bestimmt und vollziehbar sind.63 b) Vereinbarkeit mit der Verfassung in materieller Hinsicht Auf materiell-rechtlicher Ebene prüfte das Bundesverfassungsgericht die Vereinbarkeit des LPartDisBG mit Art. 6 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und 3, Art. 6 Abs. 2 sowie Art. 14 GG. (1) Vereinbarkeit mit Art. 6 Abs. 1 GG Das BVerfG verneinte eine Verletzung des besonderen Schutzes von Ehe und Familie. Das Institut der eingetragenen Lebenspartnerschaft verstoße weder gegen die durch Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistete Eheschließungsfreiheit noch gegen die dort normierte Institutsgarantie. Es sei auch mit Art. 6 Abs. 1 GG in seiner Eigenschaft als wertentscheidende Grundsatznorm vereinbar. Die Eheschließungsfreiheit werde nicht berührt, weil das LPartDisBG das Recht auf ungehinderten Zugang zur Ehe nicht antaste. Das Gesetz beeinflusse weder unmittelbar noch mittelbar die Freiheit verschiedengeschlechtlicher Paare, eine Ehe zu begründen. Da sich die eingetragene Lebenspartnerschaft an Personen des gleichen Geschlechts richte, könnten verschiedengeschlechtliche Paare durch dieses Institut nicht vom Eheschluß abgehalten werden.64 Auch eine schon eingegangene Lebenspartnerschaft stehe der Eingehung einer Ehe nicht entgegen. Der Gesetzgeber habe allerdings die rechtlichen Folgen für die Lebenspartnerschaft bei nachträglicher Eheschließung offen gelassen. Daher bleibe die Beantwortung dieser Frage letztlich der Rechtsprechung überlassen. Der Schutz der Ehe aus Art. 6 Abs. 1 GG gebiete es allerdings, neben der Ehe keine 62
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BVerfGE 105, 313 (331 ff.). So schon Robbers, JZ 2001, 779 (780); Wasmuth, Der Staat 41 (2002), 47 (52); Freytag, DÖV 2002, 445 (446). BVerfGE 105, 313 (338 ff.). Vor der Entscheidung bereits Robbers, JZ 2001, 779 (780); Beck, NJW 2001, 1894 (1896 f.); Freytag, DÖV 2002, 445 (446); Wasmuth, Der Staat 41 (2002), 47 (51). So auch Wasmuth, Der Staat 41 (2002), 47 (52 f.); Zimmermann, in: Festschr. f. Steinberger, S. 645 (654); Sachs, JR 2001, 45 (48); Beck, NJW 2001, 1894 (1899); Freytag, DÖV 2002, 445 (446); Scholz/Uhle, NJW 2001, 393 (396); Pieroth/Kingreen, KritV 2002, 219 (223).
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andere rechtsverbindliche Partnerschaft des Ehegatten zuzulassen. Eine Aufhebung der Lebenspartnerschaft ipso iure beeinträchtige zwar den anderen Lebenspartner, sei aber angesichts der Gewährleistung des Art. 6 Abs. 1 GG noch hinnehmbar. Es sei aber auch mit der Freiheitsgarantie des Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar, ein Eheverbot bei bestehender Lebenspartnerschaft einzuführen, da deren Einschränkung einen sachlichen Grund gerade in Wesen und Gestalt der Ehe fände. Im übrigen gab das BVerfG zu erkennen, daß es eine Regelung dieser Frage durch den Gesetzgeber präferierte.65 Das als Institutsgarantie bezeichnete verfassungsrechtliche Gebot des Art. 6 Abs. 1 GG, die Ehe als Lebensform anzubieten und zu schützen, habe der Gesetzgeber mit der Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft ebenfalls nicht verletzt, weil Regelungsgegenstand des Gesetzes nicht die Ehe sei. Zu den wesentlichen Strukturprinzipien der Ehe gehörten ungeachtet des gesellschaftlichen Wandels, daß sie die Vereinigung eines Mannes mit einer Frau zu einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft ist, die auf freiem Entschluß unter Mitwirkung des Staates gründet. Von diesem Schutz werde das Institut der eingetragenen Lebenspartnerschaft nicht erfaßt. Die Gleichgeschlechtlichkeit der Partner unterscheide dieses Institut von der Ehe und konstituiere es zugleich. Die eingetragene Lebenspartnerschaft sei keine Ehe im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG. Die Ehe sei in ihren verfassungsrechtlichen Strukturprinzipien und ihrer Ausgestaltung durch den Gesetzgeber vom LPartDisBG nicht betroffen. Ihr rechtliches Fundament habe keine Änderung erfahren. Der Institutsgarantie könne, gerade weil sie sich nur auf die Ehe beziehe, kein Verbot entnommen werden, gleichgeschlechtlichen Partnerschaften die Möglichkeit einer rechtlich ähnlich ausgestalteten Partnerschaft zu eröffnen.66 Art. 6 Abs. 1 GG gebietet schließlich als verbindliche Wertentscheidung für den gesamten Bereich des Ehe und Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts einen besonderen Schutz durch die staatliche Ordnung. Daraus folgt die Aufgabe des Staates, einerseits alles zu unterlassen, was die Ehe schädigt oder sonst beeinträchtigt, und sie andererseits durch geeignete Maßnahmen zu fördern. Durch das LPartDisBG werde die Ehe weder geschädigt noch sonst beeinträchtigt.67 Sie sei nicht dadurch schlechter gestellt worden, daß der Gesetzgeber in
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BVerfGE 105, 313 (343 f.). Vgl. auch Freytag, DÖV 2002, 445 (447). BVerfGE 105, 313 (345 f.). Zustimmend Mager, Einrichtungsgarantien, S. 453. So zuvor schon Wasmuth, Der Staat 41 (2002), 47 (53 ff.); Zimmermann, in: Festschr. f. Steinberger, S. 645 (654 f.); Sachs, JR 2001, 45 (48); Beck, NJW 2001, 1894 (1899); Freytag, DÖV 2002, 445 (448); Burgi, Der Staat 39 (2000), 487 (495 f.); Pieroth/ Kingreen, KritV 2002, 219 (231 f.). A.A. Kirchhof, in: Bosinski/Kirchhof/Nave-Herz/ Robbers/Rotter, „Eingetragene Lebenspartnerschaft“, S. 57 (60 ff.); ders., FPR 2001, 436 (437 f.); Scholz/Uhle, NJW 2001, 393 (397) sowie Uhle, in: Geis, Homo-Ehe. Nein zum Ja-Wort aus christlicher Sicht, S. 37 (43), die von einer „Aushöhlung“ sprechen, dagegen Robbers, BT-Rechtsausschußprot. 14/59, S. 27: dieser Terminus fungiere nicht als verfassungsrechtlicher Begriff. Eine Aushöhlung sei nicht Ziel der Gesetzentwürfe und auch nicht gesetzgeberisch festzumachen. Ähnlich Freytag, DÖV 2002, 445 (448). Vgl. auch Wasmuth, Der Staat 41 (2002), 47 (58), der unter Hinweis auf Tettinger, Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 35 (2001), 169 ff. hervorhebt, daß die
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weiten Bereichen die Rechtsfolgen der eingetragenen Lebenspartnerschaft denen der Ehe nachgebildet hat. Dadurch würden die Ehe und Ehegatten nicht schlechter als bisher gestellt oder gegenüber der Lebenspartnerschaft oder Lebenspartnern benachteiligt. „Dem Institut der Ehe drohen keine Einbußen durch ein Institut, das sich an Personen wendet, die miteinander keine Ehe eingehen können.“68 Das LPartDisBG entziehe der Ehe keine Förderung, die sie bisher erfahren hat. Das Fördergebot des Art. 6 Abs. 1 GG lasse sich auch nicht als ein Benachteiligungsgebot für andere Lebensformen als die Ehe verstehen. „Aus der Zulässigkeit, in Erfüllung und Ausgestaltung des Förderauftrags die Ehe gegenüber anderen Lebensformen zu privilegieren, läßt sich jedoch kein in Art. 6 Abs. 1 GG enthaltenes Gebot herleiten, andere Lebensformen gegenüber der Ehe zu benachteiligen.“ Das Ausmaß des rechtlichen Schutzes und der Förderung der Ehe werde „in keinerlei Hinsicht verringert, wenn die Rechtsordnung auch andere Lebensformen anerkennt, die mit der Ehe als Gemeinschaft verschiedengeschlechtlicher Partner nicht in Konkurrenz treten können. Es ist verfassungsrechtlich auch nicht begründbar, aus dem besonderen Schutz der Ehe abzuleiten, daß solche anderen Lebensgemeinschaften im Abstand zur Ehe auszugestalten und mit geringeren Rechten zu versehen sind.“69 Ehe und Familie unterliegen dem besonderen Schutz des Staates. Damit bestehe nur für sie ein verfassungsrechtlicher Auftrag zur Förderung. Aus der Besonderheit des Schutzes könne aber keine darüber hinausgehende Bedeutung dahingehend abgeleitet werden, daß die Ehe auch im Umfang stets mehr zu schützen sei als andere Lebensgemeinschaften.70 Dies lasse sich weder auf den Wortlaut der Grundrechtsnorm noch auf ihre Entstehungsgeschichte stützen.71 Seine Förderpflicht verletzte der Staat, wenn durch Normsetzung die Ehe ihre Funktion einbüßte. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn der Gesetzgeber in Konkurrenz zur Ehe ein
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Anhänger der These von der Exklusivität der Ehe auf konkrete Nachfragen zu den befürchteten Schäden jede Antwort schuldig blieben. BVerfGE 105, 313 (346 f.), Zitat: (347). Vor der Entscheidung schon Pieroth/Kingreen, KritV 2002, 219 (239 f.). BVerfGE 105, 313 (348). Zuvor bereits Beck, NJW 2001, 1894 (1899 f.); Stüber, KritJ 2000, 594 (596 ff.); Freytag, DÖV 2002, 445 (448 ff.); A. Klein, FPR 2001, 434 (435 f.). Zimmermann, in: Festschr. f. Steinberger, S. 645 (656), (662 ff.) möchte ein Abstandsgebot insoweit gelten lassen, als sich aus der sachlichen Nähe zwischen Ehe und Familie die Notwendigkeit einer besonderen Rechtsstellung der Ehe ergebe. Aus diesem Blickwinkel hält er vor allem kindschaftsrechtliche Regelungen verfassungsrechtlich für bedenklich. Zimmermann übersieht jedoch, daß die soziale Realität kindschaftsrechtliche Regelungen aber gerade auch gebieten kann und seinem Verständnis zufolge einem Abstandsgebot verfassungsrechtlich legitimierte kindeswohlfeindliche Wirkungen zukämen. A.A. Adomeit, NJW 2002, 1622; Braun, Ehe und Familie am Scheideweg, S. 61; Burgi, Der Staat 39 (2000), 487 (497 ff.), (502 ff.); Krings, ZRP 2000, 409 (412); Scholz/Uhle, NJW 2001, 393 (398); Uhle, in: Geis, Homo-Ehe. Nein zum Ja-Wort aus christlicher Sicht, S. 37 (43 f.); Pauly, NJW 1997, 1955 (1956); Tettinger, Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 35 (2001), 117 (140); Pawlowski, JZ 2000, 765; Diederichsen, NJW 2000, 1841 (1842). Früher schon Schumacher, FamRZ 1994, 857 (858). BVerfGE 105, 313 (348 f.).
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anderes Institut mit der selben Funktion schüfe und es mit gleichen Rechten und geringeren Pflichten versähe, so daß beide Institute austauschbar wären.72 Eine derartige Austauschbarkeit sei mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft aber nicht verbunden. „Sie kann mit der Ehe schon deshalb nicht in Konkurrenz treten, weil der Adressatenkreis, an den sich das Institut richtet, nicht den der Ehe berührt.“ Die eingetragene Lebenspartnerschaft sei deshalb auch keine Ehe mit falschem Etikett, sondern ein aliud zur Ehe.73 Ihre Andersartigkeit werde nicht durch die andere Bezeichnung, sondern dadurch begründet, daß sich nicht Mann und Frau, sondern nur zwei gleichgeschlechtliche Partner binden können.74 (2) Vereinbarkeit mit Art. 3 GG Das LPartDisBG verstößt dem Bundesverfassungsgericht zufolge auch nicht gegen das besondere Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG und den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Verschiedengeschlechtliche Paare würden nicht wegen ihres Geschlechts benachteiligt, wenn sie keine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen können. Das Institut knüpfe nicht an das Geschlecht an, wie dies Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG voraussetzt, sondern an die Geschlechterkonstellation.75 Es stelle auch keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar, nichtehelichen Lebensgemeinschaften verschiedengeschlechtlicher Personen und verwandtschaftlichen Einstandsgemeinschaften den Zugang zur Rechtsform der eingetragenen Lebenspartnerschaft zu verwehren. Zwischen den in den Blick genommenen Normadressaten bestünden Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können. Der Unterschied, daß aus einer auf Dauer verbundenen Zweierbeziehung zwischen Mann und Frau gemeinsame Kinder erwachsen können, aus einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft dagegen nicht, rechtfertige es, verschiedengeschlechtliche Paare auf die Ehe zu verweisen, wenn sie ihrer Lebensgemeinschaft eine dauerhafte Rechtsverbindlichkeit geben wollten. Dadurch würden sie nicht benachteiligt.76 Geschwi72
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In diese Richtung Wasmuth, Der Staat 41 (2002), 47 (64); vgl. auch Zimmermann, in: Festschr. f. Steinberger, S. 645 (661 f.). So schon vor der Entscheidung des BVerfG Wasmuth, Der Staat 41 (2002), 47 (53); Zimmermann, in: Festschr. f. Steinberger, S. 645 (655); Beck, NJW 2001, 1894 (1898); Kemper, FF 2001, 156 (158), (166). A.A. bereits zum Rohentwurf Diederichsen, NJW 2000, 1841 (1841 f.); Strätz, Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 35 (2001), 13 (37 f.); zum LPartG Krings, ZRP 2000, 409 (413 f.); Braun, ZRP 2001, 14; ders., JZ 2002, 23 (26 f.); ders., Ehe und Familie am Scheideweg, S. 59–104; Britz, ZRP 2001, 324; Kaiser, JZ 2001, 617 (624); Scholz/Uhle, NJW 2001, 393 (397); Uhle, in: Geis, Homo-Ehe. Nein zum Ja-Wort aus christlicher Sicht, S. 37 (40 ff.) und die dissentierenden Voten der Richter Papier und Haas, BVerfGE 105, 313 (358) bzw. (362). BVerfGE 105, 313 (350 f.). So schon Wasmuth, Der Staat 41 (2002), 47 (68); Robbers, JZ 2001, 779 (785); A. Klein, FPR 2001, 434 (436). So auch Beck, NJW 2001, 1894 (1900 f.) und Freytag, DÖV 2002, 445 (453). Robbers, JZ 2001, 779 (785) sieht darin Lebenssachverhalte, die sich in tiefgreifender Weise von der Lebenspartnerschaft unterscheiden. Zimmermann, in: Festschr. f. Steinberger, S. 645 (662) hebt zu Recht hervor, daß es sich hier um Sachverhalte handelt, die sich nach ihrer Struktur und Intention so weit von auch sexuell geprägten Partnerschaften
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ster und andere verwandtschaftliche Einstandsgemeinschaften unterschieden sich dadurch von der eingetragenen Lebenspartnerschaft, daß letztere keine weitere Beziehung gleicher Art neben sich zuläßt und damit eine Exklusivität beansprucht, die verwandtschaftlichen Einstandsgemeinschaften nicht eignet.77 (3) Vereinbarkeit mit Art. 6 Abs. 2 GG Die Bestimmungen zum Sorgerecht von Lebenspartnern beanstandete das BVerfG ebenfalls nicht. Mit der Konstituierung des „kleinen Sorgerechts“ für den Lebenspartner greife der Gesetzgeber nicht in das Elternrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils aus Art. 6 Abs. 2 GG ein. Diesem würden nicht durch das kleine Sorgerecht, das sich aus der Alleinsorge des in eingetragener Lebenspartnerschaft lebenden Elternteiles ergibt, seine sorgerechtlichen Befugnisse entzogen, sondern durch die familienrechtlichen Bestimmungen, die ihm kein Sorgerecht zuweisen oder die familiengerichtlichen Entscheidungen, die nicht ihm, sondern dem anderen Elternteil die alleinige Sorge übertragen. Das Fehlen der Sorge werde in diesem Fall nicht durch die Vorschrift des § 9 LPartG begründet.78 Die Schaffung eines kleinen Sorgerechts für den nicht mit dem Kind verwandten Lebenspartner stelle auch keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG dar. Nicht sorgeberechtigte Elternteile, die mit dem Sorgeberechtigten nicht in einer rechtlich verfestigten Gemeinschaft leben, würden nicht ungerechtfertigt benachteiligt. Ihnen seien andere rechtliche Möglichkeiten eingeräumt, das Sorgerecht für ihr Kind allein oder mit dem anderen Elternteil zu erhalten.79 (4) Vereinbarkeit mit Art. 14 GG Das BVerfG sah in den erbrechtlichen Bestimmungen des Lebenspartnerschaftsrechts auch keine Verletzung der von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Testierfreiheit. Die Verpflichtung der Lebenspartner zu gegenseitiger Fürsorge und Unterstützung sowie zur Unterhaltsgewährung rechtfertige es ebenso wie bei Ehegatten, dem Lebenspartner mit dem Pflichtteilsrecht auch über den Tod hinaus eine ökonomische Basis aus dem Vermögen des verstorbenen Lebenspartners zu sichern. Den sonstigen bisher schon erbberechtigten Verwandten des verstorbenen Lebenspartners werde nicht das Erbrecht entzogen. In den Kreis der Erbberechtigten werde nur ein weiterer Erbberechtigter aufgenommen, der bei der Verteilung der Erbmasse zu berücksichtigen ist. Für die erbberechtigten Verwandten des Erblassers gestalte sich damit die Situation nicht anders, als sie wäre, wenn der Erblasser
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unterscheiden, daß sie als relevante Vergleichsgruppe ausscheiden. Wasmuth, Der Staat 41 (2002), 47 (70) konzediert dem Gesetzgeber, davon ausgehen zu dürfen, daß aktuell unter Verwandten kein hinreichend konkretes Bedürfnis bestehe, eine Ehe oder eine Lebenspartnerschaft einzugehen. Aus sozialwissenschaftlicher Perspektive kritisch zur Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften mit Geschwistern und sonstigen verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften Eggen, FPR 2001, 444 (445). BVerfGE 105, 313 (352 f.). Ebenso Beck, NJW 2001, 1894 (1901). Zu dieser Norm unten, S. 158 ff. BVerfGE 105, 313 (354 f.). Bedenken bei Zimmermann, in: Festschr. f. Steinberger, S. 645 (663), der allerdings die Relevanz kindschaftsrechtlicher Regelungen unterschätzt, vgl. oben Fn. 69.
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eine Ehefrau oder einen Ehemann hinterließe und nicht einen Lebenspartner. In dieser Ausgestaltung liege keine unsachgerechte Behandlung der übrigen Erbberechtigten.80 c) Fazit Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts forderte erwartungsgemäß kritische Stimmen heraus, auf die im Rahmen dieser Ausführungen nicht im einzelnen eingegangen werden kann.81 Ungeachtet dieser Kritik ist festzuhalten, daß dem Urteil nach § 31 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG Gesetzeskraft zukommt, weil es in einem abstrakten Normenkontrollverfahren (§ 13 Nr. 6 BVerfGG) ergangen ist. Bindungswirkung entfalten in solchen Verfahren nach gefestigter verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung nicht alleine der Tenor, sondern auch die tragenden Gründe der Entscheidung, soweit sie die Auslegung und Anwendung des Grundgesetzes betreffen.82 Die im Zusammenhang mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz vorgenommene Grundrechtsinterpretation ist damit für Legislative, Exekutive und Judikative verbindlich.
III. Das novellierte Lebenspartnerschaftsrecht Durch das „Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts“83 ist das Recht der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit Wirkung vom 1. Januar 2005 in wesentlichen Punkten geändert und weiter an die eherechtlichen Vorschriften angepaßt worden. Der Gesetzgeber sah sich nach dem Urteil des BVerfG zu einer weitgehenden Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe in der Lage, ohne sich dem Vorwurf des Verfassungsverstoßes ausgesetzt sehen zu müssen.84 Mit der Novellierung beseitigte er zahlreiche Unstimmigkeiten und Zweifelsfragen des alten Rechts.85 Im folgenden wird zunächst untersucht, welche Aussagen das Lebenspartnerschaftsrecht zu der Frage nach der Zulassung gleichgeschlechtlicher Paare zu fortpflanzungsmedizinischen Maßnahmen enthält. In einem zweiten Schritt werden ausgewählte Vorschriften in den Blick genommen, die für die Diskussion dieser Frage relevant sind. Um deren Entwicklungslinien nachvollziehen zu können, wird neben dem geltenden Recht auch auf das Recht vor der Novellierung eingegangen werden. Im Rahmen dieser Untersuchung wird die eingetragene Lebenspartnerschaft an der bürgerlich-rechtlichen Ehe gemessen. Dies geschieht aus drei Gründen: Zum einen gibt es im deutschen Recht kein weiteres Institut, 80 81
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BVerfGE 105, 313 (355 f.). Zuvor bereits Beck, NJW 2001, 1894 (1900). Vgl. die Minderheitenvoten der Richter Papier und Haas, BVerfGE 105, 313 (357 ff.) und (359 ff.) sowie Tillmanns, JA 2003, 934 ff.; Tettinger, JZ 2002, 1146 ff.; Braun, JuS 2003, 21 ff. und Kanther, NJW 2003, 797 f.; verteidigend Lindenberg/Micker, DÖV 2003, 707 ff.; Windel, JR 2003, 152 ff.; Obermeyer, KritV 2003, 142 ff. und Freytag, DÖV 2002, 445 ff. BVerfGE 1, 14 (37); 20, 56 (87); 40, 88 (93). BGBl. I v. 20.12.2004, S. 3396. So die amtliche Begründung, BT-Drucks. 15/3445 v. 29.6.2004, S. 14. Vgl. oben Fn. 6.
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das es der exklusiven und auf Dauer angelegten personalen Verbindung zweier Personen gestattet, einen rechtlichen Rahmen zu verleihen und mit dem eine Verantwortungsgemeinschaft begründet wird, deren vorzeitige Auflösung einer gerichtlichen Entscheidung bedarf.86 Zum anderen wird auch im juristischen Diskurs die Ehe als Maßstab herangezogen. Schließlich wird der durch die Ehe gewährleistete Rahmen in Abgrenzung zu nicht rechtlich formalisierten verschiedengeschlechtlichen Gemeinschaften von Teilen des Schrifttums als ein Zugangskriterium zu Maßnahmen assistierter Reproduktion angesehen.87 1. Aussagen zu Maßnahmen der künstlichen Befruchtung Das Lebenspartnerschaftsrecht enthält sowohl vor als auch nach der Novellierung keine Aussagen zu Maßnahmen der künstlichen Befruchtung. Aus den gesetzlichen Regelungen geht nicht hervor, ob Lebenspartner Zugang zu reproduktionsmedizinischen Methoden haben sollen oder nicht. Den Gesetzesmaterialien kann zu dieser Frage ebenfalls nichts entnommen werden.88 Dies ist insofern überraschend, als sich der Gesetzgeber bei der Schaffung des Rechtsinstituts auf bereits existierende Partnerschaftsinstitute in europäischen Nachbarländern berufen hat.89 Die überwiegende Zahl dieser Rechtsordnungen hatte zu der Frage des Zugangs gleichgeschlechtlicher Paare zu Maßnahmen assistierter Reproduktion Stellung bezogen. Einige Staaten hatten den Komplex in ihrem Partnerschaftsgesetz normiert.90 Dies veranlaßte den deutschen Gesetzgeber aber offensichtlich nicht dazu, in gleicher Weise zu verfahren, obwohl dazu angesichts des Verweises auf ausländische Vorbilder durchaus Anlaß bestanden hätte. Über die Ursachen für das Unterlassen einer gesetzgeberischen Regelung kann nur spekuliert werden. Ein Grund mag darin liegen, daß der Bundesgesetzgeber ein noch zu schaffendes Fortpflanzungsmedizingesetz als geeigneteren Standort angesehen hat. Insoweit hätte er sich ebenfalls auf Vorbilder aus dem europäischen Ausland stützen können.91 Andererseits hätte es sich gerade in Ermangelung eines Fortpflanzungsmedizingesetzes angeboten, die Frage im Lebenspartnerschaftsgesetz zu regeln.
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Vgl. zu dieser Definition BAG, NZA 2005, 57 (60). Hess, MedR 1986, 240 (244). Vgl. auch Fn. 93 und Teil IV § 11 IV.1., S. 296 f. Vgl. zum alten Recht BT-Drucks. 14/3751 v. 4.7.2000; BT-Drucks. 14/4545 v. 8.11.2000; BT-Drucks. 14/4550 v. 9.11.2000; BT-Drucks. 14/4551 v. 7.11.2000; zum neuen Recht BT-Drucks. 15/3445 v. 29.6. 2004. Die Entwürfe der FDP-Fraktion, BT-Drucks. 15/2477 v. 11.2.2004 und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drucks. 16/497 v. 1.2.2006 nehmen zu dieser Frage ebenfalls nicht Stellung. BT-Drucks. 14/3751 v. 4.7.2000, S. 33 nennt die Institute in Schweden, Dänemark, Norwegen, Island, Belgien, Frankreich, den Niederlanden und einzelnen Regionen Spaniens. Im Jahr 2000 hatten Dänemark, Island, Norwegen, Schweden und Frankreich den Zugang gleichgeschlechtlicher Paare zu Maßnahmen assistierter Reproduktion geregelt. Island und Schweden normierten zu diesem Zeitpunkt die Frage in ihrem jeweiligen Partnerschaftsgesetz, vgl. dazu Teil III § 8 II.2., Teil III § 8 II.4., S. 181 ff. Hier sind Dänemark, Norwegen, Schweden, Belgien, Frankreich, Spanien und das Vereinigte Königreich zu nennen, vgl. dazu Teil III § 8, S. 175 ff.
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2. Inhaltliche Aussagen im einzelnen Obwohl das LPartG keine Aussagen zur künstlichen Befruchtung trifft, enthält es eine Reihe von Vorschriften, die mittelbar mit dieser Frage in Zusammenhang stehen. Von Interesse sind einerseits diejenigen Regelungen, die einen kindschaftsrechtlichen Bezug aufweisen. Bedeutsam sind andererseits aber auch solche Vorschriften, die im Grunde genommen die Rechtsbeziehungen zwischen den Lebenspartnern gestalten, sich aber mittelbar auf den rechtlichen und faktischen Status eines in der Lebenspartnerschaft aufwachsenden Kindes92 auswirken, weil diese Regelungen die Lebenspartnerschaft in ihrem personalen Bestand und in ihrer finanziellen Verfassung absichern. Aspekte der Stabilität und der ökonomischen Absicherung könnten in der rechtspolitischen Diskussion um die Zulassung gleichgeschlechtlicher Paare zu Maßnahmen assistierter Reproduktion eine Rolle spielen. Teilweise heben auch das Schrifttum und die Rechtsprechung auf diese Kriterien ab.93 a) Die Stabilität der eingetragenen Lebenspartnerschaft Ein zentraler Aspekt der eingetragenen Lebenspartnerschaft stellt die Stabilität des durch sie gewährleisteten rechtlichen Rahmens dar. In der Diskussion um das Lebenspartnerschaftsgesetz war eingewendet worden, daß das Rechtsinstitut bereits aufgrund seiner gesetzgeberischen Konzeption von einer geringeren Bindungsintensität ausgehe und ein weniger stabiles Partnerschaftsverhalten voraussetze, als dies nach ihrer gesetzlichen Ausgestaltung für die Ehe gelte. Stabilität und Bindungsintensität sind nicht nur Faktoren, die für die Lebenspartner untereinander relevant sind, sondern sie betreffen unmittelbar auch die Kinder, die in einer Lebenspartnerschaft aufwachsen. Für sie kann die Stabilität und die Kontinuität der Beziehungen zu den Bezugspersonen von entscheidender Bedeutung sein.94 Wenn die eingetragene Lebenspartnerschaft in dieser Hinsicht von einem geringeren Schutzniveau als die Ehe ausginge, so könnte dies gegen das Aufwachsen von Kindern in einer auf diese Weise rechtlich verfestigten gleichgeschlechtlichen Beziehung sprechen. Die Frage der legislativ intendierten Stabilität und Intensität stellt sich im Zusammenhang mit den Begründungsmängeln bei der Eingehung einer Lebenspartnerschaft, bei einzelnen Aspekten der partnerschaftlichen Lebensgemeinschaft, bei der Frage nach der Eingehung der Lebenspartnerschaft auf Lebenszeit sowie bei ihrer Beendigung.
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Wenn im folgenden aus Gründen der besseren Lesbarkeit von einem Kind in einer Lebenspartnerschaft die Rede ist, so gelten diese Ausführungen auch für mehrere Kinder (und umgekehrt). So vor allem Hess, MedR 1986, 240 (244). Vgl. im Zusammenhang mit der steuermindernden Berücksichtigung von Kosten einer künstlichen Befruchtung Rüsken, NJW 1998, 1745 (1746), im Zusammenhang mit der Kostenerstattung in der gesetzlichen Krankenversicherung BVerfG, NJW 2007, 1343 (1345). Vgl. Holzhauer, JZ 2000, 1076 (1081), (1083); Note, 102 Harv.L.Rev. (1988/1989), 1508 (1657).
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(1) Die Begründung der eingetragenen Lebenspartnerschaft Eine Lebenspartnerschaft kann nur von zwei Personen gleichen Geschlechts begründet werden, die gegenseitig persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, miteinander eine Lebenspartnerschaft auf Lebenszeit führen zu wollen (§ 1 Abs. 1 LPartG). Die Erklärungen sind bedingungsfeindlich und nur wirksam, wenn sie vor der zuständigen Behörde abgegeben werden. Die zuständige Behörde bestimmt sich nach Maßgabe des Landesrechts.95 Begründungsvoraussetzung für eine Lebenspartnerschaft ist, daß die Personen volljährig und unverheiratet sind bzw. nicht bereits mit einer anderen Person eine Lebenspartnerschaft führen. Eine Lebenspartnerschaft kann auch nicht zwischen Personen geschlossen werden, die in gerader Linie miteinander verwandt sind, zwischen vollbürtigen und halbbürtigen Geschwistern und wenn die Lebenspartnerschaft nur zum Schein eingegangen werden soll (§ 1 Abs. 2 LPartG). Die Homosexualität der Personen ist, entgegen einer verschiedentlich im Schrifttum geäußerten Ansicht, rechtlich keine Voraussetzung, wird aber die Regel sein.96 Zwei Personen, die eine Lebenspartnerschaft begründet haben, sind qua Legaldefinition Lebenspartnerinnen97 bzw. Lebenspartner (§ 1 Abs. 1 S. 1 LPartG). (2) Begründungsmängel Die fehlerhaft begründete Lebenspartnerschaft weist in ihrer rechtlichen Bewältigung einige Abweichungen gegenüber der fehlerhaft begründeten Ehe auf. Daher ist zu untersuchen, ob eine unter Begründungsmängeln leidende eingetragene Lebenspartnerschaft bei fehlendem Fortsetzungswillen eines oder beider Lebenspartner einfacher als eine Ehe abgewickelt werden kann. Das daraus resultierende geringere Beständigkeitsniveau könnte sich zu Lasten eines in der Lebenspartnerschaft aufwachsenden Kindes auswirken. Zum alten Recht war die Bewältigung von Begründungsmängeln bei der Eingehung einer Lebenspartnerschaft weitgehend unklar, da der Gesetzgeber dazu keine dem Eherecht vergleichbare Regelung getroffen hatte. Treten bei der Eheschließung verfahrensrechtliche Fehler auf, so sehen die §§ 1313 ff. BGB die 95
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Die Zuständigkeit konnte nicht einheitlich festgelegt werden, weil dies der Zustimmung des Bundesrates bedurft hätte. In den meisten Ländern ist kraft eigener oder übertragener Zuständigkeit durch kommunale Behörden bzw. Verwaltungen der Standesbeamte, in Bayern der Notar zuständig, Palandt/Brudermüller 66(2007), § 1 LPartG, Rdnr. 3. Kritisch dazu Kemper, FF 2005, 88 (91); Finger, MDR 2005, 121. Gleiches gilt für die Eintragung der Lebenspartnerschaft in ein Lebenspartnerschaftsbuch, vgl. Erman/Kaiser, Bürgerliches Gesetzbuch, Vor § 1 LPartG, Rdnr. 3. Robbers, JZ 2001, 779 (785 f.); Grziwotz, DNotZ 2005, 13 (15); Erman/Kaiser, Bürgerliches Gesetzbuch, § 1 LPartG, Rdnr. 1. Verpflichtungen sexueller Art sind nicht normiert, Kemper, FF 2001, 156 (156 f.). Homosexualität als Begründungsvoraussetzung behauptet Kirchhof, in: Bosinski/Kirchhof/Nave-Herz/Robbers/Rotter, „Eingetragene Lebenspartnerschaft“, S. 57; ders., FPR 2001, 436 mit einer nicht überzeugenden Akzentuierung der sexuellen Orientierung; ähnlich Pawlowski, JZ 2000, 765 (766); Braun, Eingetragene Lebenspartnerschaft und Ehe, S. 55. Wenn im folgenden alleine aus Gründen der Lesbarkeit von Lebenspartnern die Rede ist, sind damit, sofern nicht anders angegeben, immer auch Lebenspartnerinnen gemeint.
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Möglichkeit der Heilung und für wesentliche Begründungsmängel die Möglichkeit der Aufhebung vor. Die Aufhebung einer Ehe darf nur auf Antrag durch gerichtliches Urteil erfolgen (§ 1313 S. 1 BGB). Da das LPartG auf diese Normen in der Vergangenheit nicht verwiesen hatte, war die Lösung der Problematik heftig umstritten. Die h.M. griff auf die §§ 119 ff. BGB zurück.98 Andere schlugen vor, die Vorschriften über die Aufhebung gem. § 15 LPartG anzuwenden.99 Vertreten wurde auch, daß die begründungsfehlerhafte Lebenspartnerschaft von Anfang an unwirksam sei.100 Dieser Streit hat sich nunmehr im wesentlichen erledigt, da das Lebenspartnerschaftsrecht größtenteils an die eherechtlichen Regelungen angeglichen wurde. Für die wichtigsten Willensmängel (Bewußtlosigkeit oder vorübergehende Störung der Geistestätigkeit, Irrtum, arglistige Täuschung oder Drohung) verweist § 15 Abs. 2 S. 2 LPartG n.F. auf § 1314 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 BGB. In diesen Fällen liegt jetzt eine wirksame, aber aufhebbare Lebenspartnerschaft vor. Die Aufhebung kann wie bei der Ehe auf Antrag sofort erfolgen, ohne daß es auf ein Getrenntleben ankäme. Ergänzend verweist § 15 Abs. 4 LPartG auf § 1315 Abs. 1 Nr. 3 und 4 BGB, so daß die Lebenspartner ihre mit Willensmängeln behaftete Lebenspartnerschaft bestätigen können. Eine Aufhebung ist damit ausgeschlossen, wenn die Lebenspartner zu erkennen gegeben haben, die Lebenspartnerschaft fortsetzen zu wollen.101 Von der Novellierung nicht erfaßt und damit nach wie vor ungeregelt sind die Folgen fehlender Behördenzuständigkeit, Minderjährigkeit, genereller Geschäftsunfähigkeit oder einer Scheinlebenspartnerschaft. § 15 Abs. 1 S. 2 LPartG verweist nicht auf § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB, der die Folgen einer Scheinehe regelt. In diesen Fällen nimmt die h.M. eine von Anfang an nichtige Lebenspartnerschaft an. Diese Ansicht läßt sich auch auf die Gesetzesbegründung stützen, da mit den Re-
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Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, Rdnr. 192 ff.; vgl. zum Streitstand Palandt/Brudermüller 63(2004), § 1 LPartG, Rdnr. 8. Dethloff, NJW 2001, 2598 (2600). Das Lebenspartnerschaftsrecht bedient sich einer wenig sinnvollen Terminologie: Mit Aufhebung ist sowohl nach altem als auch nach neuem Recht bei der Lebenspartnerschaft in erster Linie gemeint, was im Eherecht die Scheidung ist, vgl. zum alten Recht Dethloff, NJW 2001, 2598 (2600 m. Fn. 13); v. Koppenfels-Spies, FPR 2003, 5 (6); zum neuen Recht Kornmacher, FamRB 2005, 22 (23); Walter, MittBayNot 2005, 193 (195); Finger, FuR 2005, 5 (6); Kaiser, StAZ 2006, 65 (66). Kaiser, FamRZ 2002, 866 (868); v. Koppenfels-Spies, FPR 2003, 5 (6), dagegen Kemper, FF 2001, 156 (157); Meyer/Mittelstädt, Das Lebenspartnerschaftsgesetz, S. 35: Vollwirksamkeit; differenzierend Schwab, FamRZ 2001, 385 (389). Dazu auch Wellenhofer, NJW 2005, 705; Kemper, FF 2005, 88 (91); Walter, MittBayNot 2005, 193 (194). Der Antrag kann in diesen Fällen nur innerhalb der in § 1317 BGB genannten Fristen (in der Regel binnen eines Jahres ab Kenntnis des Mangels) gestellt werden, § 15 Abs. 4 LPartG. Zur Überleitungsproblematik bei bis zum 31. Dezember 2004 begründeten Lebenspartnerschaften Grziwotz, DNotZ 2005, 13 (19).
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gelungen über die mängelbehaftete Lebenspartnerschaft lediglich die §§ 119 ff. BGB, nicht aber die §§ 116 ff. BGB ausgeschlossen werden sollten.102 Für den vorliegenden Zusammenhang ist festzuhalten, daß mit der Neuregelung zu den Begründungsmängeln der ursprünglich hinter dem Niveau der Ehe zurückbleibende Bestandsschutz der eingetragenen Lebenspartnerschaft weitgehend an das Eherecht herangeführt wurde. Die fehlerhaft begründete Lebenspartnerschaft kann in den meisten Fällen nur durch gerichtlichen Ausspruch beendet werden.103 Haben die Lebenspartner ihren gemeinsamen Kinderwunsch realisiert, so kann dies den Begründungsmangel unbeachtlich werden lassen, weil darin die konkludente Kundgabe des Fortsetzungswillens zu erblicken ist. Dadurch wird nicht nur Lebenspartnern, sondern auch Kindern, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft aufwachsen, ein vergleichbares Rechtsschutzniveau gewährt. Etwas anderes gilt für die nicht von der Novelle erfaßten Begründungsmängel. Haben Lebenspartner ihre unter einem Begründungsmangel leidende Lebenspartnerschaft – möglicherweise mehrere Jahre – in Vollzug gesetzt, ihren gemeinsamen Wunsch nach einem Kind mittels Methoden der artifiziellen Reproduktion realisiert und will sich nun ein Lebenspartner des Aufhebungsregimes nach § 15 LPartG unter Hinweis auf die Nichtigkeit der Lebenspartnerschaft entziehen, kann unter diesen Gegebenheiten kein konkludent geäußerter Fortsetzungswille angenommen werden, weil das Gesetz dafür gerade keine Bestätigungsmöglichkeit vorsieht. Diesen Fällen vermag allenfalls mit dem Einwand des Rechtsmißbrauchs begegnet werden.104 Allerdings ist zu bedenken, daß die Fälle fehlender Behördenzuständigkeit, Minderjährigkeit, genereller Geschäftsunfähigkeit oder der zum Schein eingegangenen Lebenspartnerschaft nicht nur quantitativ eine absolut untergeordnete Rolle spielen dürften; es ist vor allem bei Scheinlebenspartnerschaften nicht zu erwarten, daß in solchen Paarverbindungen der gemeinsame Wunsch nach einem Kind artikuliert wird. (3) Die partnerschaftliche Lebensgemeinschaft Die Bestimmungen zur partnerschaftlichen und ehelichen Lebensgemeinschaft weisen Gemeinsamkeiten und Unterschiede auf, die im juristischen Schrifttum unterschiedlich bewertet werden. Ehe und Lebenspartnerschaft stimmen insofern überein, als sie dem Aspekt der Solidarität eine herausgehobene Stellung beimessen: Lebenspartner schulden einander gegenseitige Fürsorge und Unterstützung. Sie sind zur gemeinsamen Lebensgestaltung verpflichtet und tragen füreinander
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BT-Drucks. 15/3445 v. 29.6.2004, S. 16. Vgl. Schwab, FamRZ 2001, 385 (388); Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 81; Erman/Kaiser, Bürgerliches Gesetzbuch, Vor § 1 LPartG, Rdnr. 5, § 1 LPartG, Rdnr. 11; Coen, BWNotZ 2001, 167 (170); v. Koppenfels-Spies, FPR 2003, 5 (6); Finger, FuR 2005, 5 (7); ders., MDR 2005, 121 (122); Kemper, FF 2005, 88 (91); Walter, MittBayNot 2005, 193 (195). Stüber, FamRZ 2005, 574 (575). Zu den damit zusammenhängenden Schwierigkeiten Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 42, Rdnr. 33. Bei einer Scheinlebenspartnerschaft fehlt es auch an den Voraussetzungen des § 9 Abs. 7 LPartG, sodaß eine Stiefkindadoption nicht möglich ist.
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Verantwortung (§ 2 LPartG).105 Eheleute sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet und tragen ebenfalls füreinander Verantwortung (§ 1353 Abs. 1 S. 2 BGB). Ehe und Lebenspartnerschaft unterscheiden sich darin, daß der gesetzliche Pflichtenkatalog bei der Lebenspartnerschaft im Vergleich zu den ehelichen Pflichten reduziert ist. Dieser Umstand wird in der Diskussion wiederholt aufgegriffen.106 Aus der Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft gem. § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB haben Rechtsprechung und Lehre die normative Verpflichtung zur Haushalts-107 und Geschlechtsgemeinschaft108 abgeleitet. Im Gegensatz dazu schulden sich Lebenspartner neben der Fürsorge und der Unterstützung nur die gemeinsame Lebensgestaltung. Aus dieser Abweichung folgt zum einen, daß für Lebenspartner keine Verpflichtung zur Geschlechtsgemeinschaft besteht und zum anderen, daß die partnerschaftliche Gemeinschaft im Gegensatz zur ehelichen keine Verpflichtung zu einer häuslichen Gemeinschaft beinhaltet.109 Von verschiedenen Autoren wird angesichts der voneinander abweichenden Ausgestaltung des normativen Pflichtenkatalogs postuliert, der Gesetzgeber sei abweichend vom Eherecht von einer geringeren Bindungsintensität unter Lebenspartnern ausgegangen.110 Unterstellt man die Richtigkeit dieser Aussage, so ließe sich argumentieren, daß Kinder, die in einer Lebenspartnerschaft aufwachsen, ungünstigere Bedingungen vorfinden, weil instabile Verhältnisse zwischen den Lebenspartnern bestehen. Diese könnten sich auch auf das Verhältnis der Lebenspartner zum Kind auswirken und dem Kindeswohl abträglich sein. Vor diesem Hintergrund gilt es zu klären, welche Bedeutung diesem Unterschied beizumessen ist und ob der Gesetzgeber tatsäch105
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Der Gesetzgeber sieht diese Elemente als Grundlage einer jeden familienrechtlichen Verbindung an, BT-Drucks. 14/3751 v. 4.6.2000, S. 36. Jüngst Kaiser, StAZ 2006, 65 (67); dies., JZ 2001, 617 (618 f.); Erman/dies., Bürgerliches Gesetzbuch, Vor § 1 LPartG, Rdnr. 5; Diederichsen, NJW 2000, 1841 (1843); Schwab, Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages am 19.9.2000, Anlage zum Protokoll der 59. Sitzung des Rechtsausschusses, S. 50 f.; Grziwotz, DNotZ 2005, 13 (20); Palandt/Brudermüller, § 2 LPartG, Rdnr. 2. BGHZ 37, 38 (41 ff.); BGH, NJW 1987, 1761 (1762); Palandt/Brudermüller, § 1353, Rdnr. 6. BGH, NJW 1967, 1078 ff.: Pflicht zum Vollzug des Geschlechtsverkehrs mit mindestens zur Schau gestellter Freude. Vgl. auch Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts 4(1994), § 18 V 2; Louven, ZRP 1993, 12; Pauly, NJW 1997, 1955. Die Pflicht zur Geschlechtsgemeinschaft besteht allerdings nur mit Rücksicht auf das Alter, die Gesundheit und die psychische Disposition, Schwab, Familienrecht, Rdnr. 99; Palandt/Brudermüller, § 1353, Rdnr. 7. Kemper, FPR 2001, 449 (455); ders., FF 2001, 156 (159); kritisch Kaiser, JZ 2001, 617 (618 f.). A.A. Walter, MittBayNot 2005, 193 (195): Aus § 15 Abs. 5 LPartG n.F. folge, daß eine Verpflichtung zur häuslichen Gemeinschaft besteht. Kaiser, JZ 2001, 617 (621); v. Koppenfels-Spies, FPR 2003, 5 (6 f.); Palandt/Brudermüller 63(2004), § 15 LPartG, Rdnr. 2 (allerdings mit ungerechtfertigtem Verweis auf BT-Drucks. 14/3751 v. 4.6.2000, S. 41). Jedoch ist auch für die Ehe anerkannt, daß sie in ihrer konkreten Ausgestaltung von einer exklusiven Beziehung zwischen Mann und Frau abweichen kann, vgl. BGH, ZEV 1995, 150 (151); Windel, StAZ 2006, 125 (127).
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lich von einer geringeren Bindungsintensität bei der Lebenspartnerschaft ausgegangen ist. (a) Geschlechtsgemeinschaft Im Gegensatz zur Ehe hat der Gesetzgeber darauf verzichtet, die Lebenspartner zur Geschlechtsgemeinschaft zu verpflichten. Zieht man das einschlägige parlamentarische Dokument heran, so lassen sich daraus keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, daß dieser Umstand auf eine Annahme des Gesetzgebers zurückzuführen wäre, wonach eingetragene Lebenspartnerschaften durch eine geringere Bindungsintensität gekennzeichnet seien.111 In der wissenschaftlichen Literatur wird der Verzicht zum Teil damit begründet, daß gleichgeschlechtliche Verbindungen, jedenfalls nach den bisherigen Möglichkeiten der Fortpflanzungsmedizin, keine gemeinsamen Kinder hervorbringen können.112 Wesentlich überzeugender und naheliegender ist es allerdings, in dem Verzicht die Reaktion auf eine im Eherecht ohnehin als verfehlt und bedeutungslos kritisierte Normierung von Pflichten im Bereich höchstpersönlicher Rechtsbeziehungen zu sehen.113 Die Rechtspflicht zur ehelichen Geschlechtsgemeinschaft mutet anachronistisch an und wird mittlerweile überwiegend als rechtlich belanglos offengelassen.114 Darüberhinaus können wegen des in § 888 Abs. 3 ZPO normierten Vollstreckungshindernisses die höchstpersönlichen Pflichten der Ehegatten ohnehin nicht vollstreckt werden, so daß eine Verurteilung zur Herstellung des ehelichen Lebens letztlich ins Leere läuft. Die Haltung des Gesetzgebers, im Bereich persönlicher Rechtsbeziehungen von Normen mit zweifelhaftem Appellcharakter abzusehen, wurde im Lebenspartnerschaftsrecht denn auch positiv aufgenommen und als zeitgemäß begrüßt.115 Ungeachtet fehlender normativer Vorgaben wird darüber hinaus vereinzelt davon ausgegangen, daß auch zwischen Lebenspartnern eine grundsätzliche Pflicht zur Treue besteht.116 Andere Autoren lassen die Frage im Lebenspartnerschaftsrecht angesichts ihrer rechtlichen und praktischen Bedeutungslosigkeit offen.117 111 112 113
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BT-Drucks. 14/3751 v. 4.6.2000, S. 41 f. Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 107. Dethloff, NJW 2001, 2598 (2600), (2604); Lüderitz, Familienrecht 27(1999), Rdnr. 201. Im schwedischen Pendant zum LPartG hat der Gesetzgeber ebenfalls darauf verzichtet, die Sexualgemeinschaft zu normieren, vgl. Bogdan, IPRax 1995, 56. Gesetzestext mit Übersetzung bei Grib, Die gleichgeschlechtliche Partnerschaft im nordischen und deutschen Recht, S. 317 ff. und Dopffel/Scherpe, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 7 (47 ff.). Für die Schweiz gilt dies ebenfalls, vgl. Grütter/Summermatter, FamPra.ch 2004, 449 (451). Lohmann, in: Bamberger/Roth, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 1353, Rdnr. 9. Vgl. auch Palandt/Brudermüller 63(2004), § 2 LPartG, Rdnr. 2: diese Zurückhaltung des Gesetzgebers sei auch in einem modernen Eherecht wünschenswert; Meyer/ Mittelstädt, Das Lebenspartnerschaftsgesetz, S. 40. Dethloff, NJW 2001, 2598 (2600), (2604). Hk-LPartR/Kemper, § 2 LPartG, Rdnr. 16; ders., FF 2001, 156 (159). Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 107. Es scheint aber darüber Einigkeit zu bestehen, daß Lebenspartner, wie Ehegatten auch, ihre Beziehung „offen“ ausgestalten können, Hk-LPartR/Kemper, § 2 LPartG, Rdnr. 16; Grziwotz, FamRZ 2002, 1154 (1155).
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(b) Häusliche Gemeinschaft Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB abgeleitete Verpflichtung zur häuslichen Gemeinschaft von Ehegatten besteht bei Lebenspartnern nicht. Einige Stimmen sehen darin ein Zurückbleiben der eingetragenen Lebenspartnerschaft hinter der Ehe. Die Abweichung werde ferner dadurch unterstrichen, daß für die Lebenspartnerschaft alle Regeln über die gemeinsame Haushaltsführung, über Erwerbstätigkeit und Ähnliches fehlen.118 Diese Auffassung steht jedoch im Widerspruch zur gesetzgeberischen Intention. Wie aus der amtlichen Begründung hervorgeht, hat der Gesetzgeber die Verpflichtung zur häuslichen Gemeinschaft deshalb nicht normiert, weil er davon ausgeht, daß das Zusammenleben der Lebenspartner auch ohne gesetzliche Anordnung angesichts der Fürsorge- und Unterstützungsverpflichtung in § 2 LPartG und der Regelungen über das Getrenntleben die Regel sein wird.119 Was die Regeln über die gemeinsame Führung des Haushalts angeht, so müssen sich beide Lebenspartner daran beteiligen. Der Gesetzgeber erachtete jene Form der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft als typisch, in der beide Partner voll berufstätig sind, weil sie keine Kinder betreuen und die Berufstätigkeit heutzutage dem Standard entspricht. Im übrigen begegnet die normative Verpflichtung zur häuslichen Gemeinschaft den gleichen Bedenken wie die Verpflichtung zur Geschlechtsgemeinschaft, denn zum einen besteht auch hier das Vollstreckungshindernis aus § 888 Abs. 3 ZPO, zum anderen ist die staatliche Unterwerfung des höchstpersönlichen Bereiches durch Rechtsnormen per se nicht erstrebenswert. Das LPartG verleiht auch insofern einem zeitgemäßen Verständnis des Ehe- wie des Lebenspartnerschaftsrechts Ausdruck, wenn es die Lebensgestaltung den Lebenspartnern überläßt.120 Lenkt man den Blick von der rechtlichen Analyse auf die bislang gewonnenen soziologischen Erkenntnisse, so lassen die vorliegenden empirischen Studien darauf schließen, daß Lebenspartner mit Kindern eher dazu tendieren, einen gemeinsamen Haushalt zu führen. Zwar hat die vor der Etablierung der eingetragenen Lebenspartnerschaft entstandene Untersuchung von Buba und Vaskovics gezeigt, daß relativ häufig gleichgeschlechtliche Verbindungen mit Kindern zwei getrennte Haushalte führten.121 Zum Zeitpunkt der Befragung stammte aber nach verbreiteter Überzeugung der weit überwiegende Teil dieser Kinder noch aus vorangegangenen verschiedengeschlechtlichen Beziehungen.122 Die Kinder gingen daher regelmäßig nicht aus der Realisierung eines gemeinsamen Kinderwunsches der gleichgeschlechtlichen Partner hervor. Es spricht m.E. deshalb einiges dafür, daß gleichgeschlechtliche Paare mit gemeinsamem Kinderwunsch eher eine Haushaltsgemeinschaft führen werden, weil dies eine doppelte Haushaltsführung ver118 119 120 121
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Kaiser, JZ 2001, 617 (618 f.); vgl. auch Kemper, FPR 2001, 449 (455). BT-Drucks. 14/3751 v. 4.6.2000, S. 36. S.a. Walter, MittBayNot 2005, 193 (195). Vgl. zum Eherecht Palandt/Brudermüller, § 2 LPartG, Rdnr. 2. Weiß, in: Buba/Vaskovics, Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, S. 223 (229). Eggen, Baden-Württemberg in Wort und Zahl 2001, 579 (580); 2002, 65 (67); Schomburg, Kind-Prax 2001, 103. Vgl. auch Weiß, in: Buba/Vaskovics, Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, S. 223 (226) und Lähnemann, BT-Rechtsausschußprot. 15/59 v. 18.10.2004, S. 6, 78.
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meidet und die ohnehin schon verantwortungsvolle Aufgabe, ein Kind zu erziehen, finanziell und organisatorisch entlastet. (4) Eingehung auf Lebenszeit Teilweise wird die Behauptung, der Gesetzgeber sei bei Lebenspartnern von einer geringeren Bindungsintensität ausgegangen, auch mit dem Argument zu untermauern gesucht, die Lebenspartnerschaft sei nach der gesetzgeberischen Konzeption nicht vom Ideal einer Verbindung auf Lebenszeit getragen. Die Ehe wird gem. § 1353 Abs. 1 S. 1 BGB auf Lebenszeit geschlossen. Im Gegensatz dazu habe sich der Gesetzgeber des LPartG darauf beschränkt, die Lebenspartnerschaft von der Absichtserklärung der Lebenspartner, miteinander eine Partnerschaft auf Lebenszeit führen zu wollen, abhängig zu machen (§ 1 Abs. 1 S. 1 LPartG). Damit werde aber lediglich die abzuschließende Partnerschaft beim Namen genannt, ohne daß daraus ein Leitbild folge.123 Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden, denn das LPartG geht auch ohne explizite Normierung vom Leitbild einer lebenslangen Partnerschaft aus. Dies ergibt sich bereits aus dem Begriff der Lebenspartnerschaft, der nicht als eine „Lebensabschnittspartnerschaft“ verstanden werden kann. Im übrigen kommt wegen des vertragsrechtlichen Charakters der Ehe der Aussage des § 1353 Abs. 1 S. 1 BGB kein weitergehender Gehalt zu als § 1 Abs. 1 S. 1 LPartG.124 Selbst wenn der Gesetzgeber auf das Leitbild der lebenslangen Verbindung bei der Lebenspartnerschaft verzichtet hätte, so könnte daraus nicht der Schluß gezogen werden, daß die Bindung der Lebenspartner untereinander weniger stabil sei. Denn die Intensität der Bindung hängt bei der Ehe wie bei der eingetragenen Lebenspartnerschaft von den Personen ab, die einen rechtlichen Rahmen für ihre Verbindung wünschen, nicht jedoch von den Vorstellungen des Gesetzgebers. Schließlich überzeugt es nicht, dem Leitbild von der Lebenslänglichkeit der Ehe eine derart abstrakte und hohe Bedeutung beizumessen, obwohl die Lebenswirklichkeit angesichts hoher Scheidungsraten dieses Ideal in vielen Fällen Lügen straft. Möglicherweise liegt der Behauptung einer vom Gesetzgeber intendierten geringeren Bindungsintensität bei der eingetragenen Lebenspartnerschaft auch die an anderer Stelle widerlegte Annahme zugrunde, daß gleichgeschlechtlich orientierte Personen nicht zu stabilen Bindungen in der Lage seien.125 (5) Aufhebung der eingetragenen Lebenspartnerschaft Die der Scheidung entsprechende Beendigung der eingetragenen Lebenspartnerschaft durch gerichtlichen Ausspruch wird gem. § 15 LPartG als Aufhebung bezeichnet. An dieser Wortwahl hielt der Gesetzgeber trotz vielfacher Kritik auch nach der Novellierung des LPartG fest.126 Die Terminologie ist deshalb unglücklich gewählt, weil unter der Aufhebung im Eherecht die Beendigung der Ehe 123
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Jüngst wiederholt von Kaiser, StAZ 2006, 65 (66 f.); vgl. bereits dies., JZ 2001, 617 (618); Erman/dies., Bürgerliches Gesetzbuch, § 2 LPartG, Rdnr. 4. S.a. Diederichsen, NJW 2000, 1841 (1843). Wasmuth, Der Staat 41 (2002), 47 (69). Vgl. dazu Teil I § 4 III.6., S. 57 ff. Vgl. nur Stüber, FamRZ 2005, 574 (575).
§ 7 Das Lebenspartnerschaftsrecht
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durch gerichtliches Urteil unter den Voraussetzungen der §§ 1313 ff. BGB gemeint ist, der Gesetzgeber mit der Aufhebung der Lebenspartnerschaft aber regelt, was im Eherecht die Scheidung ist.127 Die Verwirrung wird noch gesteigert, weil für bestimmte Begründungsmängel der Lebenspartnerschaft die Vorschriften über die Aufhebung der Ehe Anwendung finden. Hier wäre eine terminologische Harmonisierung, wie sie auch in anderen Bereichen des Lebenspartnerschaftsrechts stattgefunden hat, wünschenswert gewesen. Immerhin hat der Gesetzgeber mit der Novellierung aber auch eine Reihe von Unstimmigkeiten und Zweifelsfragen beseitigt, die mit der Aufhebung der Lebenspartnerschaft verbunden waren. (a) Aufhebung der Lebenspartnerschaft durch gerichtliches Urteil Die Lebenspartnerschaft wird durch Tod oder gerichtliches Urteil aufgelöst. Die Aufhebung durch gerichtliches Urteil erfolgt auf Antrag eines oder beider Lebenspartner (§ 15 Abs. 1 LPartG). Nach früherem Recht kam es auf ein Getrenntleben der Lebenspartner nicht an. Die Aufhebung war durch Trennungserklärungen der Lebenspartner und daran anknüpfende Zeitabläufe als objektiv feststellbare Tatbestände im Sinne einer rein konsensuellen Beendigung ausgestaltet. Da die Frist erst mit der Abgabe der Nichtfortsetzungserklärung zu laufen begann, war im Vergleich zu Ehegatten die Beendigung der Lebenspartnerschaft erschwert.128 Denn während Ehegatten es sich während des Getrenntlebens überlegen können, ob sie sich am Ende der dann bereits laufenden Frist scheiden lassen wollen, begann die Frist für Lebenspartner erst mit der Abgabe der Nichtfortsetzungserklärung zu laufen.129 Wollten sie nicht unnötig lange auf die gerichtliche Aufhebung warten, mußten sie möglichst früh eine solche Erklärung abgeben. Dies warf die umstrittene Frage auf, ob Lebenspartner auf Vorrat Nichtfortsetzungserklärungen abgeben konnten, um die gerichtliche Entscheidung nicht über die Maßen hinauszuzögern.130 Ein solches Vorgehen hätte dazu führen können, die an die Abgabe der Nichtfortsetzungserklärung anknüpfenden Fristen zu umgehen und die Beendigung der Lebenspartnerschaft nach dem Willen eines oder beider Beteiligten zeitiger als gesetzlich vorgesehen herbeizuführen. Diese unbefriedigende Rechtslage beseitigte die Novellierung. Die Aufhebung der Lebenspartnerschaft knüpft nunmehr weitgehend an die Voraussetzungen der Scheidung an. Das Gericht hebt die Lebenspartnerschaft auf, wenn die Lebenspartner seit einem Jahr getrennt leben und beide die Aufhebung beantragen oder der Antragsgegner der Aufhebung zustimmt oder wenn nicht erwartet werden kann, daß eine partnerschaftliche Lebensgemeinschaft wieder hergestellt werden 127
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Zum alten Recht Dethloff, NJW 2001, 2598 (2600 m. Fn. 13); v. Koppenfels-Spies, FPR 2003, 5 (6); zum neuen Recht Kornmacher, FamRB 2005, 22 (23); Walter, MittBayNot 2005, 193 (195); Finger, FuR 2005, 5 (6); Kaiser, StAZ 2006, 65 (66). Palandt/Brudermüller 63(2004), § 15 LPartG, Rdnr. 2; v. Koppenfels-Spies, FPR 2003, 5 (7); Kaiser, FamRZ 2002, 866 (872). Es wurde darauf hingewiesen, daß sich viele Paare oft erst nach einer räumlichen und zeitlichen Trennung über den Zustand ihrer Beziehung klar werden, v. KoppenfelsSpies, FPR 2003, 5 (7); Dethloff, NJW 2001, 2598 (2603); Kaiser, JZ 2001, 617 (621); dies., FamRZ 2002, 866 (873); Stüber, FamRZ 2005, 574 (575). Grziwotz, DNotZ 2001, 280 (294); Dethloff, NJW 2001, 2598 (2603). Kritisch Braun, Ehe und Familie am Scheideweg, S. 95.
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Teil II Recht der eingetragenen Lebenspartnerschaft
kann (§ 15 Abs. 2 S. 1 LPartG). Die Aufhebung wird ferner ausgesprochen, wenn ein Lebenspartner dies beantragt und die Lebenspartner seit drei Jahren getrennt leben oder die Fortsetzung der Lebenspartnerschaft für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Lebenspartners liegen, eine unzumutbare Härte wäre. Die Lebenspartner leben getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Lebenspartner sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die lebenspartnerschaftliche Gemeinschaft ablehnt (§ 15 Abs. 5 LPartG). Die Härteklausel in § 15 Abs. 3 LPartG ermöglicht es einem Lebenspartner, die Aufhebung der Lebenspartnerschaft vorerst abzuwenden. Die Vorschrift ähnelt § 1568 BGB, übernimmt aber nicht die dort enthaltene Kinderschutzklausel, nach der die Ehe im Interesse der aus der Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kindern ausnahmsweise aufrechterhalten werden kann. Da mittlerweile Lebenspartner auch rechtlich gemeinsame Kinder haben können, wäre es konsequent gewesen, diese Formulierung zu übernehmen.131 Da der Gesetzgeber dies offensichtlich übersehen hat und auch aus der amtlichen Begründung nicht hervorgeht, daß mit der abweichenden Formulierungen der Härteklauseln bewußt Unterscheidungen eingeführt werden sollten,132 ist es geboten, bei der Anwendung der in § 15 Abs. 3 LPartG enthaltenen Generalklausel auch Kinder zu berücksichtigen, die auf der Basis eines gemeinsamen Wunsches der Lebenspartner in der Lebenspartnerschaft aufgewachsen sind. Dadurch kann die Lebenspartnerschaft im Interesse der auf gemeinsamen Wunsch darin aufwachsenden Kinder ausnahmsweise aufrechterhalten werden. Für den vorliegenden Zusammenhang gilt, daß nach neuem Recht die Aufhebung der Lebenspartnerschaft im wesentlichen den gleichen Voraussetzungen wie die Scheidung einer Ehe unterliegt. Durch das formalisierte Aufhebungsregime wird der überstürzten und leichtfertigen Beendigung der Lebenspartnerschaft entgegengewirkt. Die Lebenspartner sollen sich innerhalb der mindestens einjährigen Trennungsfrist über die Ernsthaftigkeit ihres Entschlusses klar werden. Den Interessen von Kindern, die in der Lebenspartnerschaft aufwachsen, wird insoweit Rechnung getragen, als die elterlichen Bezugspersonen innerhalb des Fristablaufs ihre Entscheidung noch einmal überdenken können und die Möglichkeit für eine Versöhnung offenbleibt. Durch diese Regelung erhält die Lebenspartnerschaft in der Krise eine Chance zur Stabilisierung. (b) Aufhebung der Lebenspartnerschaft durch Eheschließung Nach altem Recht hinderte eine bestehende Lebenspartnerschaft nicht daran, eine Ehe einzugehen. Der Gesetzgeber hatte trotz Hinweises auf diesen Mangel im Rechtsausschuß133 bewußt auf die Aufnahme eines entsprechenden Eheverbotes verzichtet, weil er sich darüber im Unklaren war, inwieweit ein solches Eheverbot mit der durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Eheschließungsfreiheit in Konflikt 131
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Wellenhofer, NJW 2005, 705 (709). Kemper, FF 2005, 88 (95) plädiert dafür, § 1568 BGB nicht allein auf Kinder anzuwenden, die aus der Ehe hervorgegangen sind. BT-Drucks. 15/3445 v. 29.6.2004, S. 16. Vgl. Coester-Waltjen, BT-Rechtsausschußprot. 14/59 v. 19.9.2000, S. 13; Schwab, a.a.O., S. 34; Verschraegen, a.a.O., S. 38 f.; Sachs, a.a.O., S. 30.
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geriete.134 Die Folgen einer Eheschließung bei bestehender Lebenspartnerschaft waren ungeachtet ihrer faktischen Relevanz135 heftig umstritten, da man auch die Standesbeamten nicht dazu befugt sah, einer derart zu schließenden Ehe ihre Mitwirkung zu versagen. Die im Schrifttum diskutierten Lösungsvorschläge reichten von gleichzeitig nebeneinander bestehender Lebenspartnerschaft und Ehe136 und einem ungeschriebenen Eheverbot bei bestehender Lebenspartnerschaft137 über die Aufhebbarkeit der Ehe i.S.v. § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB wegen Vorliegens einer Scheinehe138 bis hin zu einer Ipso-iure-Aufhebung der eingetragenen Lebenspartnerschaft bei Eheschließung. Insbesondere der letztgenannte Lösungsvorschlag hätte in seiner Konsequenz zu einer Umgehung des nach altem Lebenspartnerschaftsrecht vorgesehenen Aufhebungsregimes geführt und die Lebenspartnerschaft mit sofortiger Wirkung beseitigt.139 Das BVerfG hatte diesen Lösungsweg in seinem Hauptsacheurteil zum LPartG referiert und grundsätzlich gebilligt. Gleichzeitig wiesen die Verfassungsrichter aber darauf hin, daß diese Frage auch durch die Einführung eines Eheverbotes gelöst werden könne.140 Da die Gerichte nicht mit diesem Problem befaßt waren, konnte die Konkurrenz zwischen Lebenspartnerschaft und nachträglich geschlossener Ehe im Hinblick auf den Vorrang letztlich nur durch eine gesetzliche Regelung beantwortet werden. 134
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Leipold, ZEV 2001, 218 (224); Sachs, BT-Rechtsausschußprot. 14/59 v. 19.9.2000, S. 30: „Wenn das Eheverbot ins Gesetz hineingenommen würde, ließe es sich als Einschränkung der Eheschließungsfreiheit nach der bisherigen Judikatur dazu wohl nicht rechtfertigen“; ders., JR 2001, 45 (48), (50). Ebenso Rauscher, Familienrecht 1(2001), Rdnr. 747; Braun, Ehe und Familie am Scheideweg, S. 92. A.A. Pieroth/Kingreen, KritV 2002, 219 (223): Ein Ehehindernis sei Folge individueller Entscheidung und als solches nicht zu beanstanden. Eue, FamRZ 2001, 1196 (1197) gab zu bedenken, daß ein gemeinschaftlich gezeugtes Kind in einer verschiedengeschlechtlichen Partnerschaft einen solchen Entschluß zu fördern geeignet und dies auch nicht lebensfremd sei. Vgl. auch v. Koppenfels-Spies, FPR 2003, 5 (8); ferner Deinert/Dölitzsch, Jura 2004, 127 (128). Dieser Lösungsvorschlag wurde wegen der Exklusivität der Beziehung, die beiden Instituten zugrunde liegt, und den unbefriedigenden Konsequenzen einhellig abgelehnt, vgl. Dethloff, NJW 2001, 2598 (2599); v. Koppenfels-Spies, FPR 2003, 5 (8); Braun, Ehe und Familie am Scheideweg, S. 82; Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 100; Leipold, ZEV 2001, 218 (223). Dagegen sprachen die fehlenden Voraussetzungen für eine Analogie, Leipold, ZEV 2001, 218 (223 f.); Kissner, StAZ 2003, 244; Rauscher, Familienrecht 1(2001), Rdnr. 747. In diese Richtung argumentierte Beck, NJW 2001, 1894 (1900); gegen ihn Freytag, DÖV 2002, 445 (447). Vgl. auch Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 98; Kissner, StAZ 2003, 244; Robbers, JZ 2001, 779 (785). Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, Rdnr. 362 m.w.N. in Fn. 678; Battes, FuR 2002, 113 (115 f.) sowie Freytag, DÖV 2002, 445 (447); Kaiser, FamRZ 2002, 866 (869); v. Koppenfels-Spies, FPR 2003, 5 (8), die jeweils mit dem Vorrang von Art. 6 Abs. 1 GG argumentierten; Robbers, JZ 2001, 779 (785); Meyer/ Mittelstädt, Das Lebenspartnerschaftsgesetz, S. 37; Pieroth/Kingreen, KritV 2002, 219 (224). BVerfGE 105, 313 (343 f.) = NJW 2002, 2543 (2547).
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Teil II Recht der eingetragenen Lebenspartnerschaft
Mit der Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts ist der Gesetzgeber diesem Mißstand entgegengetreten und hat in verfassungskonformer Weise in § 1306 BGB das Eheverbot der bestehenden Lebenspartnerschaft verankert. Damit ist nunmehr klargestellt, daß eine bestehende Lebenspartnerschaft nicht formlos durch Heirat aufgelöst werden kann. Die Neuregelung unterstreicht die durch das Recht bewirkte Stabilität der eingetragenen Lebenspartnerschaft. Sie schützt den anderen Lebenspartner und in der Lebenspartnerschaft aufwachsende Kinder vor einer einseitigen Aufkündigung unter Umgehung der für eine Aufhebung geltenden Formalitäten und Fristen. (6) Zusammenfassung und Bewertung Gegenüber der Ehe ist die eingetragene Lebenspartnerschaft weder nach ihrer gesetzlichen Konzeption noch nach der legislatorischen Intention als eine Verbindung minderer Stabilität ausgestaltet. Die eingetragene Lebenspartnerschaft wird auf Lebenszeit geschlossen. Der Gesetzgeber hat bei der konkreten Ausgestaltung der partnerschaftlichen Lebensgemeinschaft aus überzeugenden Gründen auf die Normierung der Verpflichtung zur Geschlechtsgemeinschaft verzichtet, da die staatliche Regulierung der Intimsphäre verfehlt ist und auch im Eherecht kaum noch eine Rolle spielt. Er ging ferner davon aus, daß zwischen eingetragenen Lebenspartnern eine häusliche Gemeinschaft bestehen wird. Von einer gesetzlichen Verpflichtung hat der Gesetzgeber hier aus den gleichen guten Gründen wie bei der Geschlechtsgemeinschaft abgesehen. Im Hinblick auf die Scheidung und die Aufhebung nach § 15 LPartG sind Ehe und eingetragene Lebenspartnerschaft weitgehend gleichgestellt. Das formalisierte Regime stellt bei beiden Instituten ein geeignetes Instrument dar, einer überstürzten Beendigung Einhalt zu gebieten. Die verbleibenden Unterschiede zum Eherecht, die im wesentlichen nur noch selten auftretende Begründungsmängel betreffen, dürften nicht nur für den vorliegenden Zusammenhang von untergeordneter Bedeutung sein. Ihnen kann im Falle der Realisierung des Kinderwunsches durch Methoden der artifiziellen Reproduktion in effektiver Weise mit dem Einwand des Rechtsmißbrauchs begegnet werden. Stellt man sich auf den Standpunkt, daß die rechtlich fundierte Stabilität einer Partnerschaft ein Kriterium für die Zulassung zu Maßnahmen assistierter Reproduktion darstellt,141 so erfüllt die eingetragene Lebenspartnerschaft diese Voraussetzungen.142 Was den gesetzlichen Rahmen angeht, ist davon auszugehen, daß in der Lebenspartnerschaft aufwachsende Kinder ein konstantes Umfeld und ein stabiles Partnerverhalten erleben werden. Die lebenspartnerschaftlichen Bindun141
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An dieser Stelle sei angemerkt, daß aus verfassungsrechtlicher Perspektive das Bestehen einer rechtlich formalisierten Partnerschaft kein Zugangskriterium darstellen kann, weil es sich dabei nicht um eine sich aus der Verfassung ergebende Grundrechtsposition handelt, die das Recht auf Fortpflanzungsfreiheit einschränken könnte, vgl. Teil IV § 10 VII.4., S. 288. Im Ergebnis ebenso Rütz, Heterologe Insemination – Die rechtliche Stellung des Samenspenders, S. 94 f. Vgl. auch Dittberner, Lebenspartnerschaft und Kindschaftsrecht, S. 142, die in ihrer Monographie zum alten Recht davon spricht, daß sich durch das Inkrafttreten des LPartG die Situation von Kindern in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften grundsätzlich gebessert habe, weil die eingetragene Lebenspartnerschaft eine größere Stabilität der Partnerschaft biete und insgesamt für geregeltere Verhältnisse sorge.
§ 7 Das Lebenspartnerschaftsrecht
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gen bieten einem Kind prinzipiell rechtliche Sicherheit, von beiden Wunschelternteilen betreut zu werden. Ob dieser rechtliche Rahmen von den Lebenspartnern im Sinne der gesetzlichen Erwartung ausgefüllt wird, steht freilich wie bei Eheleuten auf einem anderen Blatt. b) Das ökonomische Fundament der eingetragenen Lebenspartnerschaft Die eingetragene Lebenspartnerschaft mit Kindern ist auch auf eine ökonomische Basis angewiesen. Von deren Umfang und inhaltlicher Ausgestaltung hängt es ab, inwiefern die Lebenspartner und die in der Lebenspartnerschaft aufwachsenden Kinder finanziell abgesichert sind. Wäre diese Absicherung unzureichend, könnte dies gegen das Aufwachsen von Kindern innerhalb solcher Gemeinschaften sprechen. Die wirtschaftliche Grundlage wird vom LPartG durch die vermögensrechtlichen Wirkungen der eingetragenen Lebenspartnerschaft gelegt. Zu diesen zählen neben den Verfügungsbeschränkungen die güterrechtlichen und die unterhaltsrechtlichen Wirkungen. Ökonomische Bedeutung kommt daneben auch dem Erbrecht der eingetragenen Lebenspartnerschaft zu. (1) Güterrecht Das Güterrecht der Lebenspartnerschaft wurde durch die Novellierung mit dem Güterrecht der Ehe gleichgestellt. Da die Ausgleichsgemeinschaft und die Vermögenstrennung nach altem Recht bereits weitgehend der Zugewinngemeinschaft und der Gütertrennung entsprachen, schlug sich die Überarbeitung in erster Linie in einer Vereinheitlichung der Terminologie nieder. Statt vom Vermögensstand ist jetzt auch bei Lebenspartnern vom Güterstand die Rede.143 Die inhaltlichen Änderungen beschränken sich auf wenige Einzelpunkte. Bisher existierte für die eingetragene Lebenspartnerschaft kein gesetzlicher Güterstand. Der Gesetzgeber hatte den Lebenspartnern ein Wahlrecht eingeräumt, das vor der Begründung der Lebenspartnerschaft ausgeübt werden mußte.144 Nach neuem Recht leben eingetragene Lebenspartner – wie Eheleute – im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§ 6 S. 1 LPartG), sofern sie nicht durch 143
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Die unterschiedliche Terminologie im Lebenspartnerschafts- und Eherecht bei im wesentlichen gleicher rechtlicher Ausgestaltung ist der Absicht des Gesetzgebers zuzuschreiben, einem im Schrifttum mit Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG postulierten Abstandsgebot der eingetragenen Lebenspartnerschaft gegenüber der Ehe Rechnung zu tragen. Nachdem BVerfGE 105, 313 (348) ein solches Gebot bzw. Verbot ausdrücklich verneint hatte, konnte diese wenig überzeugende Differenzierung beseitigt werden, vgl. Kemper, FF 2005, 88 (92). Eine bisher bestehende nicht vertraglich modifizierte Ausgleichsgemeinschaft wurde gem. § 21 Abs. 1 LPartG am 1. Januar 2005 in den Güterstand der Zugewinngemeinschaft übergeleitet. Zu den damit zusammenhängenden Fragen Walter, MittBayNot 2005, 193 (196); Grziwotz, DNotZ 2005, 13 (16 ff.). Vgl. dazu BT-Drucks. 14/3751 v. 4.7.2000, S. 38. Die nach altem Recht geltende Regelung wurde aus praktischer Sicht als unsachgemäß kritisiert, weil gerade nicht zu erwarten gewesen sei, daß sich die Lebenspartner vor der Begründung Gedanken über die güterrechtliche Ausgestaltung machen würden, vgl. Mayer, ZEV 2001, 169 (171). Angedeutet auch bei Kaiser, JZ 2001, 617 (620). A.A. Kemper, FF 2005, 88 (92 f.), vgl. auch Fn. 149.
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Teil II Recht der eingetragenen Lebenspartnerschaft
Lebenspartnerschaftsvertrag etwas anderes vereinbaren. Die Vorschriften über die Zugewinngemeinschaft finden über § 6 S. 2 LPartG Anwendung. Wie Ehegatten können auch Lebenspartner ihre güterrechtlichen Verhältnisse durch einen Lebenspartnerschaftsvertrag regeln. § 7 S. 2 LPartG verweist auf die entsprechend anzuwendenden bürgerlich-rechtlichen Vorschriften. Daher können Lebenspartner neben den bisherigen Güterständen der Zugewinngemeinschaft und der Gütertrennung nun auch wegen der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung den Güterstand der Gütergemeinschaft wählen.145 (a) Kritik Verschiedentlich wird kritisiert, daß das LPartG die Zugewinngemeinschaft für Lebenspartner als gesetzlichen Güterstand vorsieht. Dieser Güterstand sei auf die Haushaltsführungsehe zugeschnitten. Da Lebenspartner in der Regel beide berufstätig seien, verfehle die Zugewinngemeinschaft die Lebenswirklichkeit bei gleichgeschlechtlichen Paaren. Weil sie keine gemeinsamen Kinder haben könnten, sei auch nicht zu erwarten, daß ein Lebenspartner den Haushalt führt und sich um Kinder kümmert, während der andere Lebenspartner durch seine Erwerbstätigkeit die finanzielle Grundlage der Lebenspartnerschaft sichert. Die Einführung der Zugewinngemeinschaft als gesetzlicher Güterstand sei widersprüchlich, denn der Gesetzgeber habe eine gegenüber Ehegatten stärker ausgeprägte ökonomische Selbständigkeit der Lebenspartner vor Augen gehabt, die sich im Leitbild der Doppelverdiener-Lebenspartnerschaft niederschlage.146 (b) Eigene Stellungnahme Der Kritik ist zuzugeben, daß die stärkere finanzielle Unabhängigkeit von Lebenspartnern in den meisten Fällen der soziologischen Realität entsprechen dürfte.147 In den parlamentarischen Materialien hat der Gesetzgeber nicht näher ausgeführt, weshalb er die Zugewinngemeinschaft für Lebenspartner als angemessen erachtet.148 Im Schrifttum wird in diesem Zusammenhang zu bedenken gegeben, daß die Frage, ob die Zugewinngemeinschaft der passende Güterstand für gleich-
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Vor der Überarbeitung war heftig umstritten, ob Lebenspartner die Vermögensgemeinschaft vereinbaren können. Für möglich hielten dies Schwab, FamRZ 2001, 385 (388); Dethloff, NJW 2001, 2598 (2601); Leipold, ZEV 2001, 218 (220); Epple, BWNotZ 2001, 44 (46); Rellermeyer, Rpfleger 2001, 381 (382). A.A. waren Grziwotz, DNotZ 2001, 280 (287); Langenfeld, ZEV 2002, 8 (9); Mayer, ZEV 2001, 169 (175); Palandt/Brudermüller 63(2004), § 7 LPartG, Rdnr. 1. Die Änderung oder der Ausschluß des gesetzlichen Güterstandes kann jetzt gem. § 7 S. 2 LPartG i.V.m. § 1412 BGB auch bei Lebenspartnern in das Güterrechtsregister eingetragen werden, vor der Novelle war dies ausgeschlossen, vgl. KG, FamRB 2003, 154 f. m. Anm. Grziwotz. Palandt/Brudermüller 63(2004), Einl. LPartG, Rdnr. 4. Kritisch auch Walter, MittBayNot 2005, 193 (196). A.A. Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, Rdnr. 268. Nave-Herz, in: Bosinski/Kirchhof/Nave-Herz/Robbers/Rotter, „Eingetragene Lebenspartnerschaft“, S. 16 (25 ff.); Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 157; Braun, Ehe und Familie am Scheideweg, S. 74. BT-Drucks. 15/3445 v. 29.6.2004, S. 15.
§ 7 Das Lebenspartnerschaftsrecht
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geschlechtliche Verbindungen sei, in ähnlicher Weise auch die moderne Ehe betreffe und daher Gegenstand einer umfassenden Reform sein müsse.149 Für die hier interessierende Lebenspartnerschaft mit Kindern dürfte der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft hingegen interessengerecht sein.150 Dies gilt vor allem für die auch bei Lebenspartnern mit Kindern anzutreffende Aufgabenverteilung, bei der sich ein Lebenspartner um die Erziehung der Kinder und den Haushalt kümmert, während der andere Lebenspartner durch seine Erwerbstätigkeit die wirtschaftliche Grundlage der lebenspartnerschaftlichen Familie sichert. Der haushaltsführende Lebenspartner ermöglicht es meist erst durch die Erledigung der damit verbundenen Aufgaben151 dem anderen Lebenspartner, einem Beruf nachzugehen und Vermögen zu erwerben. In der Regel erwirbt der berufstätige Lebenspartner mehr Vermögen, weil die durch den Beruf erworbenen finanziellen Mittel meist nicht vollständig für den Unterhalt der Familie gebraucht werden. Der haushaltsführende Lebenspartner wird ohne berufliche Tätigkeit kaum Vermögen erwerben. In dieser Konstellation ist der unterschiedliche Vermögenserwerb eine Folge der Haushaltsführung auf der einen Seite und der Berufstätigkeit auf der anderen Seite. Die Zugewinngemeinschaft schafft für diesen Typus der Lebenspartnerschaft (wie auch für diesen Typus der Ehe) einen gerechten Interessenausgleich. Der Lebenspartner, der wenig oder kein Vermögen erzielte, partizipiert bei Beendigung des Güterstandes der Zugewinngemeinschaft am Vermögenserwerb des anderen, weil dieser den erzielten Überschuß hälftig an den Lebenspartner mit dem geringeren Vermögenserwerb auskehren muß. Bei den – hier nicht interessierenden – anderen Lebenspartnerschaftstypen ist wie bei den von der Haushaltsführungsehe abweichenden Ehetypen die vertragliche Vereinbarung einer modifizierten Zugewinngemeinschaft oder der Gütertrennung sinnvoll. Die Regelung über den Zugewinnausgleich betrifft zwar in erster Linie die Lebenspartner. Sie hat aber mittelbar auch Auswirkung auf Kinder, die in einer Lebenspartnerschaft aufwachsen. Der nach der Beendigung des Güterstandes stattfindende Ausgleich sichert regelmäßig die finanzielle Basis des kinderbetreuenden Lebenspartners und schafft somit mittelbar Voraussetzungen, um einem noch minderjährigen Kind neben seinen eigenen Ansprüchen ein ausreichendes monetäres Auskommen zu sichern. (2) Schlüsselgewalt Unverändert geblieben ist die Regelung in § 8 Abs. 2 LPartG, nach der § 1357 BGB entsprechend gilt. Diese Vorschrift regelt die sog. Schlüsselgewalt bei Ehegatten. In der eingetragenen Lebenspartnerschaft ist danach jeder Lebenspartner 149
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Wellenhofer, NJW 2005, 705 (706). Die alte Lösung für fortschrittlicher hält Kemper, FF 2005, 88 (92 f.), da sie die Lebenspartner gezwungen habe, sich über ihre güterrechtlichen Verhältnisse Gedanken zu machen. Diese Notwendigkeit, die im übrigen auch bei Eheleuten sinnvoll wäre, werde nun wieder deutlich herabgesetzt. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ist davon auszugehen, daß die individuelle Ausgestaltung der Lebenspartnerschaft so vielfältig und facettenreich ist, wie dies bei der Ehe der Fall ist. Durch die Übernahme dieser Aufgaben trägt der haushaltsführende Lebenspartner durch seine Arbeit gem. § 5 S. 2 LPartG i.V.m. § 1360 S. 2 BGB zum angemessenen Unterhalt der Lebenspartnerschaft bei.
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Teil II Recht der eingetragenen Lebenspartnerschaft
berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Lebenspartner bzw. der lebenspartnerschaftlichen Familie mit Wirkung auch für den anderen Lebenspartner zu besorgen. Durch solche Geschäfte werden beide Lebenspartner berechtigt und verpflichtet, es sei denn, aus den Umständen ergibt sich etwas anderes. Die automatische Mitverpflichtung tritt nicht ein, wenn die Lebenspartner getrennt leben. Sinn der Schlüsselgewalt ist es, dem haushaltsführenden Teil die selbständige Erledigung aller damit zusammenhängenden Rechtsgeschäfte im eigenen Namen zu ermöglichen. Zugleich dient sie dem Schutz der Gläubiger, denen ein weiterer, regelmäßig solventerer Schuldner zur Verfügung gestellt wird, der im Gegensatz zum haushaltsführenden Teil einer Erwerbstätigkeit nachgeht.152 Die Schlüsselgewalt ist im Eherecht auf die Haushaltsführungs- oder Zuverdienerehe zugeschnitten, auf die sich Eheleute in der Regel dann einigen, wenn Kinder in der Ehe bereits aufwachsen oder dies angestrebt wird. Die Regelung zur Schlüsselgewalt bei Lebenspartnern wird in der Literatur dahingehend verstanden, daß der Gesetzgeber die Haushaltsführungspartnerschaft zwar nicht völlig unberücksichtigt gelassen habe, sie aber dennoch als Ausnahme ansehe.153 Sie ist bei solchen Lebenspartnerschaften sachgerecht, in denen Kinder leben oder wo die Lebenspartner die Realisierung ihres Kinderwunsches beabsichtigen. Leben Kinder in der eingetragenen Lebenspartnerschaft oder wünschen dies die Lebenspartner für die Zukunft, so erlangt folgender Aspekt der Schlüsselgewalt Bedeutung. Von § 1357 BGB werden solche Geschäfte erfaßt, die unter Ehegatten typischerweise vorher nicht abgesprochen zu werden pflegen. Dazu gehören vor allem Essen und Kleidung für alle Familienmitglieder. Umstritten ist, ob der Bedarf nicht gemeinsamer Kinder eines oder beider Lebenspartner, die in der Lebenspartnerschaft aufwachsen, von § 1357 BGB mitumfaßt ist. Im Eherecht wird diese Frage unter Hinweis auf § 1360a BGB verneint, weil danach die eheliche Unterhaltspflicht nur die Kosten der gemeinsamen Kinder umfaßt.154 Da gem. § 8 Abs. 2 LPartG die Vorschrift des § 1357 BGB entsprechend anzuwenden ist, könne für das Lebenspartnerschaftsrecht nichts anderes gelten, und zwar selbst dann, wenn die Kinder mit Zustimmung beider Lebenspartner bei diesen leben oder der Nichtelternteil durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung mit dem Lebenspartner sich zur Gewährung von Unterhalt für die Kinder verpflichtet hat.155 Es sei zwar zugegebenermaßen praxisnäher, solche Kinder von § 1357 152
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Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 156 f.; Palandt/Brudermüller, § 1357, Rdnr. 1. Palandt/Brudermüller 63(2004), Einl. LPartG, Rdnr. 4 noch unter Hinweis auf die Nichterwähnung von § 1360 S. 2 BGB. § 5 S. 2 LPartG n.F. bezieht diese Vorschrift nun allerdings ein. Dadurch wird das aus der Konzeption des LPartG abgeleitete Leitbild der Doppelverdiener-Lebenspartnerschaft weiter aufgeweicht. Kritisch zu § 8 Abs. 2 LPartG i.V.m. § 1357 BGB Kemper, FPR 2001, 449 (457); Dethloff, NJW 2001, 2598 (2601); Braun, Ehe und Familie am Scheideweg, S. 72 ff.; Palandt/Brudermüller 63 (2004), § 8 LPartG, Rdnr. 2. S. MünchKomm/Wacke, § 1357, Rdnr. 19, 23. So Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, Rdnr. 251; Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 158; Erman/Kaiser, Bürgerliches Gesetzbuch, § 8 LPartG, Rdnr. 4.
§ 7 Das Lebenspartnerschaftsrecht
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BGB als mit umfaßt anzusehen, dies lasse sich allerdings kaum mit dem Verweis von § 5 S. 2 LPartG auf § 1360a BGB in Einklang bringen. Der Ausdruck „Familie“ beziehe sich deshalb bei nicht gemeinsamen Kindern nur auf die beiden Lebenspartner.156 Wenn der Inhaber des kleinen Sorgerechts nicht vertraglich unterhaltspflichtig sei und er ein entsprechendes Geschäft zur Deckung des Lebensbedarfs des Kindes in eigenem Namen abschließe, solle er sich intern bei seinem Partner erholen.157 Die Problematik der fehlenden Einbeziehung nicht gemeinschaftlicher Kinder in § 1360a BGB ist durch die Einführung der Stiefkindadoption teilweise entschärft worden. Seit 1. Januar 2005 kann Kindern der Status eines gemeinsamen Kindes von Lebenspartnern verliehen werden. Die Schlüsselgewalt dient insofern den Interessen des gemeinsamen Kindes der Lebenspartner, als dem betreuenden Lebenspartner wirtschaftliche Handlungsfreiheit für unmittelbar das Kind betreffende Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte eingeräumt wird. (3) Verfügungsbeschränkungen Die in §§ 1365 ff. BGB enthaltenen Verfügungsbeschränkungen bei der Zugewinngemeinschaft gelten auch für die Lebenspartnerschaft (§ 6 S. 2 LPartG). Daher kann ein Lebenspartner nur mit Zustimmung des anderen Lebenspartners über sein Vermögen im Ganzen verfügen.158 Fehlt die Zustimmung, ist die Verfügung absolut unwirksam. Gleiches gilt für die Verfügung und die Verpflichtung zu einer solchen Verfügung über Haushaltsgegenstände. Bei Haushaltsgegenständen findet die dingliche Surrogation statt (§ 1370 BGB). Für Kinder, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft aufwachsen, stellen die Verfügungs- und Verpflichtungsbeschränkungen bei der Zugewinngemeinschaft insofern einen Vorteil dar, als dadurch das wirtschaftliche Fundament der Lebensgemeinschaft sowie der die Kinder betreuende Lebenspartner vor beeinträchtigenden Verfügungen geschützt werden. (4) Unterhaltspflichten Die eingetragene Lebenspartnerschaft verpflichtet zu partnerschaftlichem Unterhalt, zu Unterhalt bei Getrenntleben der Lebenspartner und zu nachpartnerschaftlichem Unterhalt nach Aufhebung der Lebenspartnerschaft. Das Unterhaltsrecht nach bisherigem Recht war in sich widersprüchlich.159 Die Novellierung hat diese
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So zum alten Recht, das noch keine Stiefkindadoption kannte, Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 158. Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, Rdnr. 251. Die Gegenmeinung trägt vor, daß ohne die Anwendung von § 1357 BGB das kleine Sorgerecht des § 9 Abs. 1 LPartG ins Leere laufe, vgl. Schwab, FamRZ 2001, 385 (393); Löhnig, JA 2001, 650 (652); wohl auch Kemper, FF 2001, 156 (159). Zur sog. Einzeltheorie vgl. Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 160 m.w.N. Vgl. dazu im einzelnen Grziwotz, DNotZ 2005, 13 (21).
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Ungereimtheiten beseitigt. Das Unterhaltsrecht der Lebenspartnerschaft entspricht nun weitgehend demjenigen der Ehe.160 (a) Lebenspartnerschaftsunterhalt Nach novelliertem Recht sind die Lebenspartner einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die partnerschaftliche Lebensgemeinschaft angemessen zu unterhalten (§ 5 S. 1 LPartG). Die Unterhaltspflicht ist unmittelbare Konsequenz der durch §§ 1 und 2 LPartG begründeten engen Bindungen, die unter anderem die Pflicht zu Fürsorge und Unterstützung beinhaltet. Der Gesetzgeber will den Lebenspartnern dadurch Sicherheit und zugleich Dispositionsfreiheit gewährleisten.161 Die Regelung bei der eingetragenen Lebenspartnerschaft nach neuem Recht unterscheidet sich vom Eherecht nur noch insoweit, als § 1360 S. 1 BGB vom Unterhalt für die Familie spricht, während § 5 S. 1 LPartG sich auf die „partnerschaftliche Lebensgemeinschaft“ bezieht. Für den vorliegenden Zusammenhang ist zu klären, ob zur Verpflichtung zum Lebenspartnerschaftsunterhalt auch der Unterhalt für Kinder zählt, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft aufwachsen. Wegen der mittlerweile geschaffenen Möglichkeit der Stiefkindadoption ist hier zwischen gemeinsamen Kindern der Lebenspartner und solchen, die nur mit einem Lebenspartner verwandt sind, zu differenzieren. Die gemeinsamen Kinder der Lebenspartner – also solche, die eine statusrechtliche Verbindung zu beiden Lebenspartner aufweisen – sind in die Verpflichtung zum Lebenspartnerschaftsunterhalt mit einbezogen. § 5 S. 2 LPartG bestimmt nämlich die entsprechende Anwendung des § 1360a Abs. 1 BGB. Nach dieser Vorschrift umfaßt der angemessene Unterhalt alles, was nach den Verhältnissen der Ehegatten (und auch der Lebenspartner) erforderlich ist, um die Kosten des Haushalts zu bestreiten sowie die persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten oder Lebenspartner und den Lebensbedarf der gemeinsamen unterhaltsberechtigten Kinder zu befriedigen. Unter den gemeinsamen unterhaltsberechtigten Kindern verstand der Gesetzgeber des BGB die gemeinschaftlichen Kinder von Mann und Frau. Auf das Lebenspartnerschaftsrecht übertragen bedeutet dies, daß im Rahmen der partnerschaftlichen Lebensgemeinschaft der Lebenspartnerschaftsunterhalt die gemeinsamen Kinder umfaßt.162 Die Einbeziehung gemeinsamer Kinder in diese Verpflichtung ist vor allem im Hinblick auf die neugeschaffene Möglichkeit der Stiefkindadoption sachgerecht und vermeidet widersprüchliche unterhaltsrechtliche Wertungen. Unsicherheiten bestehen im Hinblick auf die Frage, ob zum Lebenspartnerschaftsunterhalt auch der Unterhalt von nur mit einem Lebenspartner verwandten 160
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Vgl. im einzelnen Walter, MittBayNot 2005, 193 (197); Wellenhofer, NJW 2005, 705 (707); Grziwotz, DNotZ 2005, 13 (22); Kemper, FF 2005, 88 (93); Stüber, FamRZ 2005, 574 (576); Kornmacher, FamRB 2005, 22 (24). BT-Drucks. 14/3751 v. 4.7.2000, S. 37. Wellenhofer, NJW 2005, 705 (707); Dötsch, NJW-Spezial 2006, 199. A.A. soweit ersichtlich nur Grziwotz, DNotZ 2005, 13 (22), der gemeinsame Kinder nicht von der Pflicht zum Lebenspartnerschaftsunterhalt umfaßt sieht, dies aber gleichzeitig im Hinblick auf die neugeschaffene Möglichkeit der Stiefkindadoption als widersprüchlich kritisiert. Angesichts der klaren gesetzlichen Anordnung überzeugt seine Auffassung nicht.
§ 7 Das Lebenspartnerschaftsrecht
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Kindern zählt, die im Haushalt der Lebenspartner aufwachsen. Im Rahmen des lebenspartnerschaftlichen Unterhalts stellen sich hier vergleichbare Fragen wie bei der Schlüsselgewalt,163 die im Hinblick auf explizit oder konkludent geschlossene Vereinbarungen weiter zu vertiefen sind. Im Eherecht gehört der Unterhalt von in den Haushalt aufgenommenen Stiefkindern nur dann zum Familienunterhalt, wenn er kraft ausdrücklicher oder stillschweigender Erklärung zwischen den Ehegatten dazu gezählt werden soll.164 Lebt ein Kind auf der Grundlage eines gemeinsamen Entschlusses der Lebenspartner in der Lebenspartnerschaft, so genügt dieser Umstand für sich genommen noch nicht, um das Kind in die Verpflichtung des Stiefelternteils miteinzubeziehen, die Lebenspartnerschaft nach § 1360a BGB zu unterhalten. Dies gilt selbst dann nicht, wenn das Kind mit den Lebenspartnern im gemeinsamen Haushalt lebt.165 In diesen Fällen kommt es darauf an, was zwischen den Lebenspartnern vereinbart worden ist. Zwar schließen die Lebenspartner bei dem gemeinsamen Wunsch, ein Kind in die Lebenspartnerschaft aufzunehmen, typischerweise vorher entsprechende Unterhaltsvereinbarungen.166 Diese erfolgen jedoch häufig nur konkludent, so daß im Streitfall der Beweis schwerfällt und die Rechtslage zweifelhaft sein kann.167 Im Schrifttum wird darüber hinaus auch darauf hingewiesen, die Partnerschaftskonstellationen mit Kindern seien zu vielfältig, als daß eine pauschale Miteinbeziehung in die Unterhaltspflicht das Problem lösen könne.168 Im Hinblick auf die neugeschaffene Möglichkeit der Stiefkindadoption bei Lebenspartnern ist daher zwischen Konstellationen zu differenzieren, in denen eine Annahme des Kinds durch den Stiefelternteil möglich ist und solchen, in denen dies ausscheidet. Lebenspartner und Ehegatten können Stiefkinder, die im gemeinsamen Haushalt leben, über eine Stiefkindadoption in die Verpflichtung nach § 1360a BGB miteinbeziehen. Damit sind Kinder, die über eine Stiefkindadoption gem. § 9 Abs. 7 LPartG gemeinsames Kind werden können, vor der Annahme durch den anderen Lebenspartner nicht von der Verpflichtung zum Lebenspartnerschaftsunterhalt erfaßt. Etwas anderes gilt, wenn eine Stiefkindadoption nicht möglich ist.169 Für diese Fälle muß im Einzelfall untersucht werden, ob von einer konkludenten Unterhaltsvereinbarung ausgegangen werden kann. 163 164
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Vgl. oben, S. 147 ff. Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, Rdnr. 269 m.w.N. zur Rspr.; MünchKomm/Wacke, § 1360a, Rdnr, 12, der jedoch darauf hinweist, daß bei der Annahme stillschweigend geschlossener Alimentierungsverträge Zurückhaltung geboten sei, da sonst die Gefahr bestehe, daß der Richter im Vorgriff auf eine erwünschte gesetzliche Regelung den Parteien eine in Wahrheit nicht gewollte Rechtsfolge mittels Fiktion einer Willenserklärung aufzwinge. Klarstellend Dethloff, NJW 2001, 2598 (2600 f.); Palandt/Brudermüller, § 5 LPartG, Rdnr. 2; Hk-LPartG/Kemper, § 5 LPartG, Rdnr. 15. Hk-LPartG/Kemper, § 5 LPartG, Rdnr. 15; vgl. dazu auch OLG Nürnberg, FamRZ 1965, 217. Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft 1(2001), Rdnr. 102. Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 131. Eine Stiefkindadoption kann in den hier interessierenden Konstellationen bei der Realisierung des Kinderwunsches mittels Maßnahmen assistierter Reproduktion aus mehreren Gründen ausscheiden. Wenn die von schwulen Lebenspartnern engagierte Ersatz-
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Die Einbeziehung gemeinsamer Kinder in den Lebenspartnerschaftsunterhalt sichert deren ökonomisches Wohlergehen unmittelbar ab. Bei nicht gemeinsamen Kindern ist die Unterscheidung zwischen solchen, die über eine Stiefkindadoption gemeinsames Kind der Lebenspartner werden können und solchen, bei denen dies nicht möglich ist, sachlich gerechtfertigt und interessengerecht. Lesbische Lebenspartnerinnen, die mittels Maßnahmen assistierter Reproduktion ein Kind gezeugt haben, können i.d.R. den Nachwuchs über eine Stiefkindadoption zu ihrem gemeinsamen Kind machen.170 Bei schwulen Lebenspartnern, die über eine Ersatzmutter Nachwuchs gezeugt haben, kann die Stiefkindadoption eher Schwierigkeiten bereiten,171 weshalb in diesen Fällen die Annahme einer konkludenten Unterhaltsvereinbarung naheliegen kann. (b) Unterhalt bei Getrenntleben Das Recht des Trennungsunterhaltes wurde durch die Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts weitgehend dem Eherecht angenähert.172 Bei Getrenntleben kann ein Lebenspartner von dem anderen den nach den Lebensverhältnissen sowie den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Lebenspartner angemessenen Unterhalt verlangen (§ 12 S. 1 LPartG). Wie bei Eheleuten hat die Regelung den Zweck, mit Rücksicht auf die noch nicht endgültig gelösten Rechtsbindungen die zumindest vorläufige Wahrung des wirtschaftlichen Bestandes der Lebenspartnerschaft zugunsten des ökonomisch schwächeren Lebenspartners zu gewährleisten. Der Begriff des Getrenntlebens ist im Lebenspartnerschaftsrecht wie der eherechtliche Begriff in § 1567 Abs. 1 BGB zu verstehen und unterliegt den gleichen Voraussetzungen.173 Im Gegensatz zum alten Recht174 wird der bedürftige Lebenspartner nicht mehr in gleichem Maße darauf verwiesen, seinen Unterhalt grundsätzlich selbst zu verdienen. Daneben kommt eine Versagung, Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruches nicht mehr bereits dann in Betracht, wenn und soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten unbillig wäre. Erst die Schwelle der groben Unbilligkeit gestattet nach neuem Recht eine Beschränkung des Unterhaltsanspruchs (§ 16 S. 2 LPartG i.V.m. § 1579 BGB). Nach der Reform des Lebenspartnerschaftsrechts beinhaltet der Trennungsunterhalt
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mutter verheiratet ist, kann wegen des Verbots der Kettenadoption im Lebenspartnerschaftsrecht nur ein Lebenspartnern das Kind gem. § 1741 Abs. 2 S. 1 BGB alleine annehmen. Gleiches gilt, wenn durch Anerkenntnis die Vaterschaft eines dritten, nicht zu den Lebenspartnern zählenden Mannes besteht, vgl. dazu auch Teil V § 12 III.1.c), S. 324. Bei lesbischen Lebenspartnerinnen entfällt die Möglichkeit der Stiefkindadoption, wenn die Vaterschaft eines Mannes besteht und dieser die Einwilligung in die Stiefkindadoption verweigert, § 1747 Abs. 1 S. 1 BGB. Vgl. Teil V § 12 III.1.a), S. 322 f. Vgl. dazu eingehend Teil V § 12 III.2.a), S. 325 f. Zum Verbot der Herbeiführung von Ersatzmutterschaften siehe Teil IV § 10 V., S. 259 ff. Vgl. Wellenhofer, NJW 2005, 705 (707); Palandt/Brudermüller, § 12 LPartG, Rdnr. 1; Walter, MittBayNot 2005, 193 (197); Kemper, FF 2005, 88 (93). Palandt/Brudermüller, § 12 LPartG, Rdnr. 4. Vgl. zu den Streitfragen des alten Rechts Kemper, FF 2001, 156 (159); Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, Rdnr. 232; Weber, ZFE 2002, 250. § 12 Abs. 1 S. 2 LPartG a.F.
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auch den Vorsorgeunterhalt, von dem die Kosten einer angemessenen Versicherung für Alter und verminderte Erwerbsfähigkeit umfaßt sind.175 Über § 12 S. 2 LPartG n.F. kommt nicht nur wie bisher lediglich § 1361 Abs. 4 BGB, sondern der gesamte § 1361 BGB zur Anwendung. Gem. § 1361 Abs. 2 BGB kann der nicht erwerbstätige Lebenspartner nur dann darauf verwiesen werden, seinen Unterhalt durch eine Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen, wenn dies von ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen, insbesondere wegen einer früheren Erwerbstätigkeit unter Berücksichtigung der Dauer der Lebenspartnerschaft, und nach den wirtschaftlichen Verhältnissen beider Lebenspartner erwartet werden kann. Betreut der Bedürftige im Trennungszeitpunkt gemeinsame Kinder, so scheidet eine Erwerbsobliegenheit dann aus, wenn entsprechend den für den nachehelichen Unterhalt geltenden Regeln des § 1570 BGB im Hinblick auf Alter und Zahl der Kinder eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Nach der zu § 1570 BGB a.F. ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs konnte beim Trennungsunterhalt auch die Betreuung nicht gemeinschaftlicher Kinder die Verweisung auf eine Erwerbsobliegenheit ausschließen.176 Besondere Bedeutung erlangt diese Spruchpraxis bei Lebenspartnern mit nicht gemeinschaftlichen Kindern dann, wenn eine Stiefkindadoption nicht möglich ist. Da durch das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts177 zum 1. Januar 2008 gem. § 1570 Abs. 1 S. 1 BGB n.F. eine Mindestanspruchsdauer von drei Jahren eingeführt, die Formulierung gemeinschaftliches Kind aber nicht verändert wurde, dürfte diese Rechtsprechung auch weiterhin gültig bleiben. Die Neuregelung des Unterhalts bei Getrenntleben hat zu einer Beseitigung von Zweifelsfragen und einer Stärkung der Position des wirtschaftlich schwächeren Lebenspartners geführt. Wirtschaftlich benachteiligt werden regelmäßig die Lebenspartner sein, die sich um die Erziehung von Kindern und die Führung des Haushaltes kümmern. Durch die Verbesserung ihrer finanziellen Situation wird mittelbar auch der ökonomische Schutz der von ihnen betreuten Kinder verbessert. (c) Unterhalt nach Aufhebung der Lebenspartnerschaft § 16 LPartG gewährt dem bedürftigen Lebenspartner nachpartnerschaftlichen Unterhalt, wobei der Anspruch an unterschiedliche Voraussetzungen geknüpft sein kann. (i) Unterhalt des Lebenspartners Das LPartG geht wie das Eherecht grundsätzlich von der wirtschaftlichen Eigenverantwortlichkeit der Lebenspartner nach Aufhebung der Lebenspartnerschaft 175
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Im früheren Recht war streitig, ob diese Kosten nur vom nachpartnerschaftlichen Unterhalt umfaßt waren, vgl. Kemper, FF 2005, 88 (93) m.w.N. zum Streitstand. Dies hätte dem Grundsatz widersprochen, daß der nachpartnerschaftliche Unterhalt nicht weiter gehen darf als der Trennungsunterhalt, Wellenhofer, NJW 2005, 705 (707); Grziwotz, DNotZ 2005, 13 (21); zu diesem Grundsatz auch Palandt/Brudermüller, § 12 LPartG, Rdnr. 3. Zu den unterhaltsrechtlichen Zweifelsfragen nach altem Recht auch Büttner, FamRZ 2001, 1105 ff.; Roller, FamRZ 2003, 1424 ff. BGH, NJW 1979, 1348 (1350); 1981, 448; vgl. auch Palandt/Brudermüller, § 1361, Rdnr. 14. BGBl. I v. 21.12.2007, S. 3189. Dazu Schürmann, FamRZ 2008, 313 ff.
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aus. Sobald aber ein Lebenspartner nicht selbst für seinen Unterhalt sorgen kann, wirkt die Fürsorge- und Unterstützungspflicht zwischen den Lebenspartnern auch über die Lebenspartnerschaft hinaus in Gestalt des Anspruchs auf nachpartnerschaftlichen Unterhalt fort. Die Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts brachte auf diesem Gebiet eine völlige Angleichung an das Recht des Unterhalts nach der Scheidung178 und hat damit zahlreiche Unklarheiten des bisherigen Rechts179 beseitigt. Daran hat sich auch mit der Neuregelung des Unterhaltsrechts zum 1. Januar 2008 nichts geändert. Nach der Aufhebung der Lebenspartnerschaft obliegt es jedem Lebenspartner, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen (§ 16 S. 1 LPartG). Ist der Lebenspartner dazu außerstande, hat er gegen den anderen Lebenspartner einen Anspruch auf Unterhalt nur entsprechend den §§ 1570 bis 1586b und 1609 BGB (§ 16 S. 2 LPartG). (ii) Betreuungsunterhalt nach altem Recht Vor der Novellierung des Unterhaltsrechts war umstritten, ob und inwieweit die Betreuung von Kindern im Rahmen des nachpartnerschaftlichen Unterhalts zu berücksichtigen war. Im Schrifttum wurde zum Teil ein Unterhaltsanspruch wegen Betreuung eines Kindes analog § 1570 BGB abgelehnt, weil angesichts der seinerzeit noch fehlenden Möglichkeit der Stiefkindadoption eine statusrechtliche Verbindung zu beiden Lebenspartnern, wie sie § 1570 BGB bei Ehegatten voraussetzt, nicht hergestellt werden konnte.180 Von den Vertretern dieser Meinung hielten einige wiederum einen Unterhaltsanspruch wegen Betreuung eines mitgebrachten oder während der Partnerschaft geborenen oder einzeln adoptierten Kindes unter Hinweis auf den Rechtsgedanken aus § 1576 BGB ausnahmsweise dann für geboten, wenn sich der Berechtigte auf einen besonderen, vom anderen Lebenspartner mitgeschaffenen Vertrauenstatbestand berufen konnte.181 Das Vorliegen eines solchen Vertrauenstatbestandes wurde beispielsweise bejaht, wenn sich eine von zwei Lebenspartnerinnen in gemeinsamer Absprache künstlich befruchten ließ und ein „gemeinsames“ Kind auf die Welt brachte.182 Sagte sich daraufhin die nicht gebärende Lebenspartnerin mit der Auflösung der Lebenspartnerschaft auch von dem Kind los und überließe sie es der Mutter, wie diese dann alleine für sich und das von ihr abstammende Kind sorgt, so setzte sie sich mit ihrem vorherigen Verhalten in Widerspruch. Denn zuvor trug sie noch den Kinderwunsch und sicherte diesen durch ihre finanzielle Unterstützung, während die andere Lebens178 179
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So auch Wellenhofer, NJW 2005, 705 (707). Zu den umstrittenen Einzelheiten der Unterhaltsgeneralklausel nach altem Recht Grziwotz, DNotZ 2005, 13 (21 f.); vgl. auch Wellenhofer, NJW 2005, 705 (707). Roller, FamRZ 2003, 1424 (1426 f.); Palandt/Brudermüller 63(2004), § 16 LPartG, Rdnr. 5; vgl. auch Dethloff, NJW 2001, 2598 (2603). Palandt/Brudermüller 63(2004), § 16 LPartG, Rdnr. 5; Roller, FamRZ 2003, 1424 (1427); Büttner, FamRZ 2001, 1105 (1109); v. Koppenfels-Spies, FPR 2003, 5 (9). Zum Betreuungsunterhalt bei der auf gemeinsamer Entscheidung beruhenden Aufnahme von Pflegekindern OLG Hamm, FamRZ 1996, 1417 f.; OLG Düsseldorf, FamRZ 1999, 1274 f. Anders Dethloff, NJW 2001, 2598 (2603), die nicht auf § 1576 BGB rekurriert, sondern einen nachpartnerschaftlichen Unterhalt aus anderen Gründen, etwa bis zur Erlangung einer Erwerbstätigkeit, zusprechen will. So Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 320.
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partnerin durch die Betreuung des Kindes ihren Anteil daran trug, daß das Kind wie ein gemeinschaftliches Kind aus einer verschiedengeschlechtlichen Beziehung heranwächst. Dies rechtfertige ausnahmsweise die Gewährung von Betreuungsunterhalt nach § 16 Abs. 1 LPartG in der Fassung bis 1. Januar 2005.183 Nach altem Lebenspartnerschaftsrecht bejahte Muscheler unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt entsprechend § 1570 BGB. Er differenzierte zwischen originärer und abgeleiteter Elternschaft. Mit dieser Unterscheidung knüpfte er an den Zeitpunkt und die Umstände der Aufnahme eines Kindes in die Lebenspartnerschaft an. Unter abgeleiteter Elternschaft eines gleichgeschlechtlichen Paares versteht er Fälle, in denen ein Kind, das aus einer früheren verschiedengeschlechtlichen Verbindung hervorgegangen ist, von einem oder von beiden Lebenspartnern in die Lebenspartnerschaft mitgebracht wird. Unter originäre Elternschaft faßt er Fälle, in denen ein Kind aufgrund des gemeinsamen Entschlusses der Lebenspartner während der Lebenspartnerschaft geboren oder in die Lebenspartnerschaft aufgenommen wird.184 Nach Ansicht Muschelers sind Kinder aus originärer lebenspartnerschaftlicher Elternschaft für den nachpartnerschaftlichen Unterhalt wie gemeinschaftliche Kinder beim nachehelichen Unterhalt, d.h. entsprechend § 1570 BGB, zu behandeln. Bei abgeleiteter lebenspartnerschaftlicher Elternschaft sollte es ganz auf die Umstände des Einzelfalles ankommen, ob der Elternteil einen nachpartnerschaftlichen Unterhaltsanspruch besitzt.185 (iii) Betreuungsunterhalt nach neuem Recht Durch die Novellierung des nachpartnerschaftlichen Unterhalts gehört diese unübersichtliche und unbefriedigende Rechtslage im wesentlichen der Vergangenheit an. Gem. § 16 S. 2 LPartG i.V.m. § 1570 BGB kann jetzt ein Lebenspartner, der nach der Aufhebung der Lebenspartnerschaft ein gemeinschaftliches Kind betreut, Unterhalt verlangen, solange und soweit von ihm aus diesem Grund eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu § 1570 BGB kann derjenige Ehegatte, der ein oder mehrere Kinder unter 14 Jahren zu betreuen hat, nur in beschränktem Umfang auf eine Erwerbstätigkeit verwiesen werden.186 Bei Betreuung eines nicht gemeinschaftlichen Kindes muß differenziert werden. Wenn eine bewußte Entscheidung gegen eine statusrechtliche Verbindung des Kindes zu beiden Lebenspartnern getroffen wird, so kann Unterhalt nur ausnahmsweise aus Billigkeitsgründen gem. § 16 S. 2 LPartG i.V.m. § 1576 BGB
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Hk-LPartG/Kemper, § 16 LPartG, Rdnr. 32. Vgl. auch ders., FPR 2001, 449 (456); v. Koppenfels-Spies, FPR 2003, 5 (9). Dazu ausführlich Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, Rdnr. 414 ff. Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft 1(2001), Rdnr. 262. Vereinzelt wurde ein Unterhaltsanspruch wegen Kindesbetreuung auch auf § 16 Abs. 1 LPartG a.F. gestützt, vgl. dazu die Ausführungen bei Büttner, FamRZ 2001, 1105 (1109). BGH, FamRZ 1996, 1067 (1068); s. auch Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 319 m.w.N. zur Rspr. in Fn. 25.
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gefordert werden.187 Ist allerdings eine Stiefkindadoption nicht möglich,188 so ist es sachgerecht, die zum alten Recht diskutierten Lösungsvorschläge heranzuziehen. Insbesondere im Fall der gemeinsamen Entscheidung der Lebenspartner, das Kind in der Lebenspartnerschaft aufzuziehen, käme ein Betreuungsunterhaltsanspruch gem. § 1570 BGB analog in Betracht.189 Noch überzeugender ist es, in diesen Fällen Unterhalt aus Billigkeitsgründen gem. § 16 S. 2 i.V.m. § 1576 BGB zuzusprechen.190 Darüber hinaus können Lebenspartner eine unterhaltsrechtliche Vereinbarung treffen, nach der auch für das lediglich sozial gemeinschaftliche Kind Kinderbetreuungsunterhalt nach Maßgabe des § 1570 BGB geschuldet sein soll.191 Der Anspruch auf Betreuungsunterhalt steht zwar dem kindesbetreuenden Lebenspartner zu, er kommt aber mittelbar auch dem gemeinschaftlichen Kind zugute. Die Betreuung eines nicht gemeinsamen Kindes kann unterhaltsrechtlich über die aufgezeigten Lösungsmöglichkeiten berücksichtigt werden. (5) Erbrecht Das Erbrecht der eingetragenen Lebenspartnerschaft, das ohnehin bereits in weiten Teilen mit dem Erbrecht von Eheleuten übereinstimmte, wurde durch die weitgehende Beseitigung noch vorhandener Unterschiede diesem nahezu gleichgestellt. Das aus § 10 Abs. 1 LPartG fließende gesetzliche Erbrecht des Lebenspartners trägt der Vorstellung Rechnung, daß die Universalsukzession dem mutmaßlichen Willen des Erblassers entspricht und die partnerschaftliche Solidarität, die sich zu Lebzeiten in der Fürsorge- und Unterstützungspflicht (§ 2 LPartG) sowie in der Unterhaltspflicht (§ 5 LPartG) manifestiert, den Tod überdauert.192 Das gesetzliche Erbrecht dient der finanziellen Absicherung des überlebenden Lebenspartners. Mittelbar profitieren davon auch die in der Lebenspartnerschaft aufwachsenden Kinder und zwar insbesondere dann, wenn diesen kein Erb- oder Pflichtteilsrecht zusteht. Die Einräumung eines Pflichtteilsrechts (§ 10 Abs. 4 LPartG) sowie die Vorschriften über den Voraus und den Dreißigsten ermöglichen es einem enterbten Lebenspartner mit Kindern, in gewissem Umfang die Existenzgrundlage für diese Gemeinschaft sicherzustellen. (6) Fehlende Vergünstigungen Lebenspartner haben namentlich im Unterhaltsrecht weitgehend die selben Pflichten wie Ehegatten. Da das LPartErgG aber nach wie vor nicht verabschiedet worden ist, existiert zu diesen Verpflichtungen noch immer kein Korrelat in Form von 187
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Wellenhofer, NJW 2005, 705 (707); Kemper, FF 2005, 88 (93); Walter, MittBayNot 2005, 193 (197). Vgl. zu den Gründen hierzu oben, Fn. 169. Dagegen Walter, MittBayNot 2005, 193 (197): Eine Anwendung des § 1570 BGB sei abzulehnen, weil der Begriff des gemeinschaftlichen Kindes nach den Regeln des Abstammungs- und Adoptionsrechtes zu bestimmen sei, nicht aber nach sozialen Verhältnissen. Ablehnend wohl auch Kornmacher, FamRB 2005, 22 (24). So auch Walter, MittBayNot 2005, 193 (197). Dazu Grziwotz, DNotZ 2005, 13 (23 f.); vgl. auch Walter, MittBayNot 2005, 193 (197). BT-Drucks. 14/3751 v. 4.7.2000, S. 39; Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, Rdnr. 285; Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 245. Vgl. zum ganzen auch Walter, FPR 2005, 279 ff.
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Leistungen und Vergünstigungen des Staates. Insbesondere im Einkommen-, im Erbschaft- und im Schenkungsteuerrecht sowie im Versorgungs-, Besoldungs- und im Beihilferecht werden Lebenspartner gegenüber Ehepaaren schlechter gestellt. Lediglich auf dem Gebiet der Hinterbliebenenversorgung der gesetzlichen Rentenversicherung und der Einbeziehung in das Rentensplitting unter Ehegatten hat durch die Novellierung eine Angleichung stattgefunden.193 Das Bundesverwaltungsgericht beanstandet die Ungleichbehandlung im Beamtenrecht nicht, da Art. 6 Abs. 1 GG lediglich die Ehe unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stelle und mit dieser Wertentscheidung im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG eine Besserstellung erlaube.194 Das Bundesverfassungsgericht hat in einem kürzlich ergangenen Beschluß diese Rechtsprechung bestätigt.195 Gleichwohl wäre der Gesetzgeber aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht daran gehindert, diese Vergünstigungen für Lebenspartner einzuführen. Dies läge nicht nur im Interesse von Kindern, die bei Lebenspartnern aufwachsen, sondern wäre auch aus Gründen der Gleichbehandlung zu begrüßen.196 (7) Zusammenfassung Die eingetragene Lebenspartnerschaft erfährt nach ihrer gesetzgeberischen Konzeption im wesentlichen eine der Ehe vergleichbare ökonomische Absicherung. Die einschlägigen Regelungen richten sich zwar in erster Linie an die Lebenspartner selbst. Mittelbar führt dieser rechtliche Rahmen aber auch zu einer wirtschaftlichen Absicherung des in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft aufwachsenden Kindes. Wie bei der Ehe stehen und fallen diese Schutzmechanismen bei der Lebenspartnerschaft mit der Solvenz des Verpflichteten. Lebenspartner sind gegenüber Ehegatten im Beamten- und Steuerrecht immer noch schlechter gestellt. Diese Benachteiligungen sollten angesichts der Verpflichtungen, die mit einer Lebenspartnerschaft eingegangen werden, vom Gesetzgeber beseitigt werden. Sie erlangen aber kein solches Gewicht, daß sie den durch die Lebenspartnerschaft geschaffenen ökonomischen Rahmen nachhaltig abschwächten. Lebenspartnern kann daher der Zugang zu Maßnahmen assistierter Reproduktion nicht unter Hinweis auf eine nach ihrer legislativen Konzeption mangelnde ökonomische Absicherung des zu zeugenden und in die Lebenspartnerschaft aufzunehmenden Kindes versagt werden.
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Vgl. dazu nur BT-Drucks. 15/3445 v. 29.6.2004, S. 17. BVerwG, NJW 2006, 1828 f. Vgl. Stüber, NJW 2006, 1774 m.w.N. in Fn. 11; zum Steuerrecht Christ, FamRB 2004, 409 ff.; dies., FamRB 2005, 55 ff. BVerfG, FamRZ 2007, 1869 (1872). Möglicherweise gibt hierzu auch die jüngst ergangene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes Veranlassung, der den Ausschluß aus der Hinterbliebenenversorgung aus einem berufsständischen Pflichtversorgungssystem als mit der Richtlinie 2000/78 EG unvereinbar angesehen hat, und dem vorlegenden Gericht (VGH München) aufgegeben hat zu prüfen, „ob sich ein überlebender Lebenspartner in einer Situation befindet, die mit der eines Ehegatten, der die Hinterbliebenenversorgung aus dem berufsständischen Versorgungssystem der Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen erhält, vergleichbar ist“, EuGH, Urteil v. 1. April 2008, C-267/06 (Tadao Maruko). Dazu Bruns, NJW 2008, S. 1929 ff.
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c) Kindschaftsrechtliche Regelungen Die Regelungen in Bezug auf Kinder eines Lebenspartners sind im Kontext der vorliegenden Arbeit von zentraler Bedeutung. Sie sind in § 9 LPartG und in einigen Vorschriften des BGB enthalten. Das alte Recht hatte den Lebenspartnern bereits bestimmte sorgerechtliche Befugnisse eingeräumt.197 Die bedeutsamste Regelung auf dem Gebiet des Kindschaftsrechts stellt aber die mit der Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts erfolgte Einführung der Stiefkindadoption dar. (1) Sorgerechtliche Befugnisse Die sorgerechtlichen Befugnisse waren nicht Gegenstand der Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts. Sie sind in § 9 Abs. 1 bis 4 LPartG enthalten und konkretisieren das vom Gesetzgeber nur in der amtlichen Begründung, nicht aber im Gesetz selbst so bezeichnete „kleine Sorgerecht“.198 Diese neuartige Form elterlicher Sorge gewährt dem Lebenspartner des allein sorgeberechtigten Elternteils unter bestimmten Voraussetzungen eine Mitentscheidungsbefugnis in Angelegenheiten des täglichen Lebens. (a) Gesetzgeberische Intention Die amtliche Begründung legitimiert das kleine Sorgerecht mit dem Argument, daß in einer Lebenspartnerschaft regelmäßig auch der Lebenspartner, der nicht Elternteil des Kindes ist, Aufgaben der Pflege und Erziehung des Kindes übernehme. In jenen Fällen, in denen ein Elternteil alleiniger Inhaber der elterlichen Sorge ist, sei zu erwarten, daß im Rahmen der Lebenspartnerschaft eine neue soziale Familie entstehe.199 Dieser Umstand soll durch die Beteiligung des Lebenspartners an der elterlichen Sorge rechtlich anerkannt und abgesichert werden. In der Tat konnte sich der Gesetzgeber bei dieser Annahme auf soziologische Studien stützen, die zeigten, daß die Erziehungsverantwortung typischerweise „voll und ganz“ geteilt wird, wenn ein Elternteil und sein Partner in einem gemeinsamen Haushalt zusammenleben.200 (b) Grundsätzliche Kritik Die Einführung des kleinen Sorgerechtes sah sich seinerzeit grundsätzlicher Kritik ausgesetzt. Dieter Schwab hielt den Einstieg des Rechts gleichgeschlechtlicher Partnerschaften in den Bereich der elterlichen Sorge für problematisch und praktisch überflüssig. Er monierte, daß der Bericht des Rechtsausschusses von Regelungen spreche, „die zum Wohle der in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung aufwachsenden Kinder erforderlich sind“, doch fehle für diese Erforderlichkeit 197
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Monographisch zum alten Recht Dittberner, Lebenspartnerschaft und Kindschaftsrecht, 2004. BT-Drucks. 14/3751 v. 4.7.2000, S. 34, 39. Sehr kritisch nach der Entscheidung des BVerfG Kanther, NJW 2003, 797 f. Weiß, in: Buba/Vaskovics, Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, S. 223 (229), (231); Schomburg, Kind-Prax 2001, 103; Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 206; vgl. auch van Heesch, Kind-Prax 2003, 168 (170 m. Fn. 2).
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jede Begründung.201 Eine Notwendigkeit gesetzlich abgesicherter Befugnisse zur Mitentscheidung des Lebenspartners bei bestehender häuslicher Gemeinschaft sei nicht zu erkennen. Die Beteiligung an der Erziehung sei bereits rechtlich abgesichert, nämlich durch die Gestattung des sorgeberechtigten Elternteiles, mit der sie auch wieder entfalle.202 Daher komme der Norm nur symbolische Bedeutung zu, weil die Wirkung des § 9 Abs. 1 LPartG auch ohne gesetzliche Regelung hätte erreicht werden können. Dazu genügte die Erteilung von Vollmachten durch den sorgeberechtigten Elternteil für bestimmte Aufgabenbereiche.203 Kritisiert wurde am Konzept der Vorschrift, daß dem Lebenspartner des allein sorgeberechtigten Elternteiles kraft Gesetzes mehr Rechte eingeräumt sind, als dem leiblichen anderen Elternteil des Kindes. Schließlich müsse dieser Entscheidungen des homosexuellen Partners des Sorgeberechtigten akzeptieren.204 Die Kritik Schwabs und der ihm folgenden Autoren überzeugt nicht. Die gesetzliche Regelung des Sorgerechts trägt generell zur Rechtssicherheit bei. Sie erspart es den Beteiligten, sich jedes Mal darüber Gewißheit zu verschaffen, ob für die einzelnen Handlungen entsprechende Vollmachten erteilt worden sind. Schomburg sieht in der mit der Einführung eines kleinen Sorgerechtes für Lebenspartner verbundenen Verrechtlichung die Chance, Vorurteile und Mißverständnisse gegenüber gleichgeschlechtlichen Paaren abzubauen und somit einen Beitrag dazu zu leisten, daß Kinder homosexueller Väter und Mütter keine soziale Stigmatisierung befürchten müssen.205 In der amtlichen Begründung wird hervorgehoben, daß eine Konkurrenz sorgerechtlicher Befugnisse zwischen dem dadurch begünstigten Lebenspartner und dem nicht mit dem Kind zusammenlebenden Elternteil nicht bestünde.206 Auch das BVerfG konnte keinen Verstoß gegen das in Art. 6 Abs. 2 GG verbürgte natürliche Elternrecht des anderen, nicht sorgeberechtigten Elternteiles, erkennen, da das kleine Sorgerecht von vornherein nur dann entsteht,
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Schwab, FamRZ 2001, 385 (394 m. Fn. 65) unter Hinweis auf BT-Drucks. 14/4550 v. 9.11.2000, S. 6. Kritisch Uhle, in: Geis, Homo-Ehe. Nein zum Ja-Wort aus christlicher Sicht, S. 37 (41). Ablehnend auch Kaiser, JZ 2001, 617 (624 m. Fn. 57), derzufolge sich gegen das kleine Sorgerecht viel einwenden lasse, nicht nur wegen der Gleichgeschlechtlichkeit des Stiefelternteils. Verteidigend Robbers, in: Bosinski/Kirchhof/NaveHerz/Robbers/Rotter, „Eingetragene Lebenspartnerschaft“, S. 45 (52). Vgl. auch van Heesch, Kind-Prax 2003, 168. Schwab, FamRZ 2001, 385 (395 m. Fn. 70). Zustimmend Palandt/Brudermüller, § 9 LPartG, Rdnr. 2; Kemper, FF 2001, 156 (162). Dagegen Weber, ZFE 2002, 369 (370). Schwab, FamRZ 2001, 385 (394 m. Fn. 65); s.a. Holzhauer, JZ 2000, 1076 (1082): homosexuellen Paaren gehe „es schlicht um die symbolische Aufwertung ihrer Beziehung“. Dagegen zu Recht Kemper, FF 2001, 156 (161): das kleine Sorgerecht und das Notsorgerecht seien nicht im Interesse des Lebenspartners angeordnet, sondern im Interesse des Kindes. Vgl. auch Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, Rdnr. 444: selbst wenn es nur darum ginge, profitierte auch das Kind. Schwab, FamRZ 2001, 385 (394); Kemper, FF 2001, 156 (162); Rauscher, Familienrecht 1(2001), Rdnr. 750; Kanther, NJW 2003, 797 (798). Schomburg, Kind-Prax 2001, 103 (106); ähnlich Trimbach, NJ 2001, 399 (402). BT-Drucks. 14/3751 v. 4.7.2000, S. 39. Zustimmend Motzer, FamRZ 2001, 1034 (1040).
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wenn dem anderen Elternteil keine sorgerechtlichen Befugnisse zustehen.207 Das kleine Sorgerecht stellt nicht zuletzt deshalb eine sinnvolle Regelung dar, weil es den faktischen Gegebenheiten Rechnung trägt und dem Kindeswohl dienen kann. (c) Das kleine Sorgerecht Zunächst wird dargestellt, von welchen Faktoren die Entstehung des kleinen Sorgerechts abhängt. Dann wird auf die verschiedenen Befugnisse eingegangen, die das kleine Sorgerecht vermittelt. Einen Sonderfall dieser Befugnisse stellt das Notvertretungsrecht dar. Schließlich wird gezeigt, wie das kleine Sorgerecht eingeschränkt werden kann und wann es erlischt. (i) Voraussetzungen Die Existenz des kleinen Sorgerechts ist an mehrere Voraussetzungen geknüpft. Zunächst muß eine wirksame Lebenspartnerschaft bestehen. Einer der Lebenspartner muß ein noch minderjähriges Kind haben, für das ihm die alleinige elterliche Sorge zusteht. Die Alleinsorge hat derjenige, der aufgrund des Konsenses der Eltern oder aufgrund einer Gerichtsentscheidung vor der Eingehung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft das Alleinentscheidungsrecht in Alltagsangelegenheiten des Kindes hatte.208 Die alleinige Sorge kann auch während der Lebenspartnerschaft erworben werden, etwa dann, wenn der mitsorgeberechtigte Elternteil verstirbt, § 1680 Abs. 1 BGB. Wird die elterliche Sorge gemeinsam ausgeübt, etwa weil das Kind aus einer früheren ehelichen Verbindung stammt und die Eltern das gemeinsame Sorgerecht nach Trennung und Scheidung fortgeführt haben, so kann der Lebenspartner das kleine Sorgerecht nicht erwerben.209 Die Lebenspartner müssen eine häusliche Lebensgemeinschaft begründen, da das kleine Sorgerecht an die tatsächliche Übernahme erzieherischer Verantwortung anknüpft. Die Abhängigkeit von einem Zusammenleben der Lebenspartner kommt im Gesetz mittelbar dadurch zum Ausdruck, daß das kleine Sorgerecht erlischt, wenn die Lebenspartner nicht nur vorübergehend getrennt leben (§ 9 Abs. 4 LPartG). Das Kind muß entweder in die beschriebene Lebensgemeinschaft mitgebracht oder in sie (etwa bei nachfolgender Geburt oder Adoption) eingebracht werden. Dem Anwendungsbereich der Vorschrift unterfallen nur eigene Kinder, für Pflegekinder gilt sie nicht.210
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BVerfGE 105, 313 (354) = NJW 2002, 2543 (2550), vgl. dazu ausführlich oben, S. 130. Dazu im einzelnen Palandt/Brudermüller, § 9 LPartG, Rdnr. 2. S.a. Motzer, FamRZ 2001, 1034 (1040). Vgl. Schomburg, Kind-Prax 2001, 103 (104). Für diesen Fall können dem Lebenspartner sorgerechtliche Befugnisse nur durch Rechtsgeschäft (Vollmachten, „Gestattungen“) übertragen werden, siehe auch Schwab, FamRZ 2001, 385 (394). Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, Rdnr. 456; WellenhoferKlein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 206.
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(ii) Befugnisse Das so entstandene Sorgerecht vermittelt dem anderen Lebenspartner bestimmte Handlungsbefugnisse. Es ist auf die Befugnis zur Mitentscheidung211 in Angelegenheiten des täglichen Lebens des Kindes beschränkt (§ 9 Abs. 1 S. 1 LPartG). Damit rekurriert der Gesetzgeber ausweislich der amtlichen Begründung auf die in § 1687 BGB verwendete Terminologie.212 Der Legaldefinition in § 1687 Abs. 1 S. 3 BGB zufolge sind Angelegenheiten des täglichen Lebens in der Regel solche, die häufig vorkommen und keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben. Die Gesetzesbegründung will darunter die im Vordergrund stehenden praktischen Fragen der täglichen Betreuung und Versorgung des Kindes verstanden wissen, aber auch Alltagsfragen einbeziehen, die im schulischen Bereich und in der Berufsausbildung des Kindes vorkommen. Ebenfalls erfaßt sein sollen Entscheidungen, die im Rahmen der gewöhnlichen medizinischen Versorgung des Kindes zu treffen sind.213 Mit der Einführung sorgerechtlicher Befugnisse erkennt der Gesetzgeber an, daß auch der nicht mit dem Kind verwandte Lebenspartner familiale Aufgaben übernimmt.214 Die inhaltliche Ausgestaltung des kleinen Sorgerechts ergibt sich allerdings nicht aus § 1687 BGB. Der dort in den Blick genommene Lebenssachverhalt deckt sich nicht vollständig mit der bei Lebenspartnern vorzufindenden Situation. § 1687 BGB regelt Bereiche, in denen eine trennungsbedingte Konzentration des Sorgerechts stattfindet, also ein Elternteil trotz gemeinsamen Sorgerechts alleinzuständig ist. § 9 Abs. 1 LPartG betrifft aber gerade den umgekehrten Fall, nämlich den Eintritt der beiderseitigen Zuständigkeit bei Alleinsorge eines Elternteiles.215 Der konkrete Inhalt des kleinen Sorgerechts wird daher anhand der §§ 1626 ff. BGB ermittelt. Nach § 1626 BGB ist die elterliche Sorge das Recht und die Pflicht der Eltern, für das minderjährige Kind zu sorgen. Sie umfaßt die Sorge für die Person und das Vermögen des Kindes. Die von § 9 Abs. 1 S. 1 LPartG angesprochenen Angelegenheiten des täglichen Lebens werden regelmäßig Angelegenheiten sein, die zur Personensorge zählen.216 Darunter fällt insbesondere das Recht und die Pflicht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen (§ 1631 Abs. 1 BGB). Von den Angelegenheiten des täglichen Lebens werden daher der Sache nach alle Angelegenheiten der täglichen Betreuung des minderjährigen Kindes erfaßt sein. Dazu zählen etwa Körperpflege, Ernährung, Abholen vom Kindergarten, Zubettbringen, Beaufsichtigung usw., die laufenden schulischen Angelegenheiten und die Angelegenheiten der Ausbildung sowie die allgemeine ärztliche Versorgung. § 9 Abs. 1 S. 1 LPartG räumt dem Lebenspartner die Befugnis zur Mitentscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens ein. Mit dem Begriff der Mitent211
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Palandt/Brudermüller, § 9 LPartG, Rdnr. 2 hält den Begriff „Mitwirkungsbefugnis“ für treffender; Motzer, FamRZ 2001, 1034 (1039) den Begriff „Alltagsmitsorge“. BT-Drucks. 14/3751 v. 4.7.2000, S. 39. Vgl. auch Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, Rdnr. 459. Kritisch Schwab, FamRZ 2001, 385 (395). BT-Drucks. 14/3751 v. 4.7.2000, S. 39. Kemper, FF 2001, 156 (161); nicht ganz so deutlich Holzhauer, JZ 2000, 1076 (1082). Palandt/Brudermüller, § 9 LPartG, Rdnr. 2. Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 210.
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scheidung ist nicht etwa nur eine im Internum der Lebenspartnerschaft verbleibende Beratungs- und Abstimmungsbefugnis gemeint. Die Norm erfaßt im Rahmen der Angelegenheiten des täglichen Lebens vielmehr alle tatsächlichen Sorgeangelegenheiten und die dazugehörigen Rechtshandlungen, einschließlich der Vertretung. Das ergibt sich aus der in § 9 Abs. 1 S. 2 LPartG enthaltenen Verweisung auf § 1629 Abs. 2 S. 1 BGB.217 Danach vertreten die Lebenspartner das Kind in Angelegenheiten des täglichen Lebens gemeinschaftlich.218 Für den Bereich der Angelegenheiten des täglichen Lebens umfaßt das kleine Sorgerecht damit sowohl die tatsächliche Aufgabenwahrnehmung, als auch die dazu gehörende gesetzliche Vertretung des Kindes beim Abschluß von Verträgen. Praktisch bedeutet dies, daß der Lebenspartner etwa wirksam eine Krankheitsentschuldigung für die Schule schreiben, stimmberechtigt beim Elternabend teilnehmen oder den Routinebesuch beim Zahnarzt durchführen kann.219 Für das Innenverhältnis zwischen Lebenspartner und Kind gilt, daß das „trotzige Kind“ einer Anordnung des Lebenspartners Folge zu leisten hat. Dem Satz, der Lebenspartner seines leiblichen Elternteiles habe ihm nichts zu sagen, kommt keine gesetzliche Rechtfertigung zu.220 Um Interessenskollisionen zu vermeiden, ordnet § 9 Abs. 1 S. 2 LPartG i.V.m. § 1629 Abs. 2 S. 1 BGB an, daß der Lebenspartner das Kind in dem Umfang nicht vertreten kann, in welchem ein Vormund gem. § 1795 BGB von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen ist. § 9 Abs. 1 S. 1 LPartG bestimmt, daß die Ausübung der elterlichen Sorge im Einvernehmen mit dem leiblichen Elternteil zu erfolgen hat. Der Begriff des Einvernehmens wird auch in § 1627 S. 1 BGB verwendet und bestimmt dort, wie die Eltern die elterliche Sorge auszuüben haben. Angesichts des vergleichbaren Regelungszusammenhanges kann das zu § 1627 S. 1 BGB entwickelte Verständnis des Begriffes auf das Lebenspartnerschaftsrecht übertragen werden.221 Nach § 1627 BGB hat die Ausübung der elterlichen Sorge in eigener Verantwortung und in gegenseitigem Einvernehmen zum Wohl des Kindes zu erfolgen. Bei Meinungsverschiedenheiten haben sich die Eltern um eine Einigung zu bemühen. Daraus wird geschlossen, daß der Lebenspartner das kleine Sorgerecht nicht nach freiem Belieben ausüben kann, sondern sich mit dem allein sorgeberechtigten Elternteil abzustimmen hat.222 Umstritten ist, ob dem Einvernehmen eine über die Art und Weise, wie das kleine Sorgerecht auszuüben ist, hinausgehende vorgelagerte Bedeutung zukommt. Verschiedentlich wird die Auffassung vertreten, daß das Einvernehmen nicht die Abstimmung im Einzelfall meine, sondern vielmehr die Voraussetzung zwischen den Lebenspartnern bildet, die das kleine Sorgerecht erstmalig entstehen
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Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, Rdnr. 460. Vgl. nur Palandt/Brudermüller, § 9 LPartG, Rdnr. 3. So die Beispiele bei Schomburg, Kind-Prax 2001, 103 (104); Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 210. Vgl. auch BT-Drucks. 14/3751 v. 4.7.2000, S. 39 und die Beispiele bei Weber, ZFE 2002, 369 (371) m.w.N. So Schomburg, Kind-Prax 2001, 103 (104). Palandt/Brudermüller, § 9 LPartG, Rdnr. 2. Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 211.
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läßt.223 Folgt man dieser Ansicht, dann ist das Einvernehmen aufschiebende Bedingung für die aus § 9 Abs. 1 S. 1 LPartG resultierenden Sorgebefugnisse des Lebenspartners und stellt eine bindende Vereinbarung dar. Für die Annahme einer solchen Vereinbarung mit Bindungswirkung wird angeführt, daß in § 9 Abs. 3 LPartG eine besondere gerichtliche Kontrolle vorgesehen wurde, deren Funktion nach der Intention des Gesetzgebers die Vermeidung fortwährender Streitigkeiten zwischen den Lebenspartnern im Hinblick auf das Kindeswohl sei.224 Es sei aber wenig sinnvoll, eine gerichtliche Kontrolle vorzusehen, wenn der allein Sorgeberechtigte sein Einvernehmen ohnehin jederzeit widerrufen könne.225 Mit dem Einvernehmen verzichte der allein Sorgeberechtigte auf seine Alleinzuständigkeit und übertrage seinem Lebenspartner einen Teil seiner Befugnisse. Gestützt werde dies durch den Wortlaut des § 9 Abs. 1 S. 1 LPartG, der von einer Befugnis zur Mitentscheidung spricht, die dem Lebenspartner zukommen soll. Die überzeugendere Gegenauffassung legt dem Begriff des Einvernehmens lediglich die inhaltlich an § 1627 BGB orientierte Bedeutung bei. Der Gesetzgeber wollte mit dem Einvernehmen die Sorgerechtsbefugnisse des sorgeberechtigten Elternteiles nicht einschränken.226 Vielmehr beabsichtigte er, mit dem kleinen Sorgerecht die tatsächliche Übernahme von Aufgaben der Pflege und der Erziehung des Kindes rechtlich zu schützen und abzusichern. Dieses Ziel würde aber in zweifacher Hinsicht nur unvollkommen erreicht, wenn man zum einen das Einvernehmen des sorgeberechtigten Lebenspartners als Voraussetzung für das kleine Sorgerecht ansähe und zum anderen sich das kleine Sorgerecht als Behinderung und nicht als Unterstützung auswirkte. Auch die Erfordernisse des Rechtsverkehrs stützen die ausschließliche rechtliche Einordnung des Einvernehmens i.S.d. § 1627 BGB. Anders als das Zusammenleben gleichgeschlechtlicher Partner in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft ist eine interne Absprache, wie sie das Einvernehmen in der Regel darstellt, für Außenstehende grundsätzlich nicht zu erkennen. Hätte der Gesetzgeber an das Einvernehmen die Zuordnung sorgerechtlicher Befugnisse knüpfen wollen, so hätte es nahe gelegen, ebenso wie bei den Sorgeerklärungen zur Begründung der gemeinsamen Sorge unverheirateter Eltern (§§ 1626a ff. BGB) für das Einvernehmen eine bestimmte Form, etwa die öffentliche Beurkundung wie in § 1626d Abs. 1 BGB, vorzuschreiben.227
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Schwab, FamRZ 2001, 385 (394); Weinreich, FuR 2001, 481 (485); Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, Rdnr. 449. BT-Drucks. 14/3751 v. 4.7.2000, S. 39. Schwab, FamRZ 2001, 385 (394); Weinreich, FuR 2001, 481 (485). Dagegen Kemper, FF 2001, 156 (161) mit dem Argument, dies gebe dem anderen Lebenspartner eine zu herausgehobene Rechtsstellung: „Es darf nicht übersehen werden, daß das kleine Sorgerecht nur ein abgeleitetes Sorgerecht ist, kein eigenständiges, auf einer eigenen Rechtsposition zu dem Kind beruhendes.“ Palandt/Brudermüller, § 9 LPartG, Rdnr. 2; Battes, FuR 2002, 113 (117); Meyer/Mittelstädt, Das Lebenspartnerschaftsgesetz, S. 51; Schomburg, Kind-Prax 2001, 103 (105); Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 213; dahingehend wohl auch Weber, ZFE 2002, 369 (371). Schomburg, Kind-Prax 2001, 103 (105); vgl. auch Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 213.
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Es gilt daher, daß das kleine Sorgerecht des mit dem sorgeberechtigten Elternteil zusammenlebenden Lebenspartners ohne weitere Voraussetzungen ex lege eintritt. Das Einvernehmen bezieht sich auf die Ausübung der gemeinsamen sorgerechtlichen Befugnisse. Durch das so verstandene kleine Sorgerecht wird die Rechtsstellung des alleinsorgeberechtigten Elternteiles nicht eingeschränkt, sondern neben sein ungeschmälertes Sorgerecht tritt die kraft Gesetzes begründete, ergänzende Zuständigkeit des Lebenspartners. Dessen Befugnisse dürfen nicht gegen den Willen des Sorgeberechtigten ausgeübt werden, sondern nur mit seinem Einvernehmen.228 Daraus folgt für die Lebenspartner, daß sie in Angelegenheiten des täglichen Lebens des Kindes grundsätzlich im gegenseitigen Einvernehmen handeln müssen. Wie in einer Ehe wird es auch in der eingetragenen Lebenspartnerschaft zu einer Aufgabenverteilung zwischen den Partnern kommen, bei der sich die Lebenspartner in unterschiedlicher Art und Weise an der Pflege und der Erziehung des Kindes beteiligen werden. Im Rahmen einer solchen Aufgabenverteilung kann der jeweilige Lebenspartner dann allein handeln.229 Da das kleine Sorgerecht nur zur Entstehung gelangt, wenn der in einer Lebenspartnerschaft lebende Elternteil alleinsorgeberechtigt ist, vermutete Kemper zum alten Recht, daß dieses sorgerechtliche Institut vor allem in lesbischen Partnerschaften eine Rolle spielen wird, in die auf natürlichem oder künstlichem Wege empfangene Kinder hineingeboren werden, weil in diesen Fällen der Mutter automatisch das alleinige Sorgerecht gem. § 1626a BGB zustehe.230 In Zukunft dürfte in diesen Konstellationen die Möglichkeit der Stiefkindadoption eine wesentliche Rolle spielen, die über § 9 Abs. 7 S. 2 LPartG i.V.m. § 1754 Abs. 3 BGB zu gemeinsamer elterlicher Sorge führt.231 (iii) Einschränkung der sorgerechtlichen Befugnisse Das Familiengericht kann das kleine Sorgerecht auf Antrag oder von Amts wegen einschränken oder ausschließen, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist (§ 9 Abs. 3 LPartG). Die amtliche Begründung nennt als Beispiel für die Notwendigkeit dieser Regelung fortwährende Streitigkeiten der Lebenspartner über Angelegenheiten des Kindes, die zu Belastungen führen und dem Wohl des Kindes zum Nachteil gereichen können.232 Für die inhaltliche Konkretisierung der Norm kann wegen des vergleichbaren Wortlauts und Regelungszieles auf die zu § 1687 Abs. 2 BGB entwickelten Kriterien zurückgegriffen werden. Die Rechtsprechung verlangt für eine Einschränkung der sorgerechtlichen Befugnisse triftige, das Wohl nachhaltig berührende Gründe, die besorgen lassen, daß das Kind ohne die Maßnahme eine ungünstige Entwicklung nehmen könnte.233 Gegebenenfalls können 228
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Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 213; vgl. auch Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 60, Rdnr. 2 f. S. Schomburg, Kind-Prax 2001, 103 (105): „So kann etwa der Lebenspartner, der es übernommen hat, nachmittags die Hausaufgaben des Kindes zu betreuen, alle unmittelbar damit zusammenhängenden Entscheidungen allein treffen.“ Kemper, FF 2001, 156 (161). Vgl. zur Stiefkindadoption unten, S. 169 f. BT-Drucks. 14/3751 v. 4.7.2000, S. 39; s.a. Schomburg, Kind-Prax 2001, 103 (105). So OLG Düsseldorf, FamRZ 1983, 293 (294) m.w.N. zum wortlautgleichen § 1671 Abs. 3 S. 1 BGB a.F.; vgl. auch Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspart-
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die sorgerechtlichen Befugnisse des Lebenspartners eingeschränkt oder – ultima ratio – ganz ausgeschlossen werden. Eine Ausdehnung der durch § 9 Abs. 1 LPartG vermittelten Befugnisse ist hingegen ausgeschlossen.234 (iv) Beendigung des kleinen Sorgerechts Das kleine Sorgerecht kann aus mehreren Gründen erlöschen. Es endet bei nicht nur vorübergehender Trennung der Lebenspartner (§ 9 Abs. 4 LPartG). Da der Gesetzgeber von der Konzeption her das kleine Sorgerecht an die Situation des Zusammenlebens unter einem Dach knüpft und nur die tatsächliche Übernahme von Pflege- und Erziehungsaufgaben abgesichert werden soll, ist es sachgerecht, das Sorgerecht automatisch mit der Trennung der Lebenspartner erlöschen zu lassen.235 Das kleine Sorgerecht ist an das Bestehen einer Lebenspartnerschaft gebunden und erlischt daher dann, wenn die Lebenspartnerschaft durch Aufhebung (§ 15 LPartG) oder Tod beendet wird. Schließlich endet es auch dann, wenn dem alleinsorgeberechtigten Elternteil die elterliche Sorge vollständig entzogen wird (§ 1666 BGB), wenn die elterliche Sorge vollständig auf den anderen Elternteil übertragen wird (§ 1672 BGB), wenn die bisherige Alleinsorge vollständig zur gemeinsamen elterlichen Sorge wird (etwa nach § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB) oder wenn die elterliche Sorge dem anderen Elternteil übertragen wird (§§ 1678 Abs. 2, 1696 BGB). Für die Fälle des Ruhens236 der elterlichen Sorge aufgrund rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisses gem. §§ 1673 bis 1675 BGB ruht auch das kleine Sorgerecht des Lebenspartners. Bei einer teilweisen Entziehung (§ 1666 BGB) oder einer teilweisen Übertragung der elterlichen Sorge (etwa gem. § 1672 BGB) dürfte die sorgerechtliche Mitentscheidungsbefugnis des Lebenspartners vollständig entfallen. Gleiches gilt, wenn aufgrund gerichtlicher Entscheidung durch die teilweise Änderung einer nach § 1671 BGB verfügten Übertragung der Alleinsorge gem. § 1696 BGB die teilweise gemeinsame elterliche Sorge entsteht. Dies soll sogar dann der Fall sein, wenn der teilweise Verlust des alleinigen Sorgerechts sich nicht auf die Angelegenheiten des täglichen Lebens erstreckt, da § 9 Abs. 1 S. 1 LPartG auf Seiten des allein sorgeberechtigten Lebenspartners eine vom Umfang her den gesamten Bereich der elterlichen Sorge (Personen- und Vermögenssorge, § 1626 Abs. 1 S. 2 BGB) abdeckende alleinige Sorge voraussetze. Für diese Fälle sei die Erwartung des Entstehens einer neuen sozialen Familie nicht mehr durch die hohe Wahrscheinlichkeit ihrer Realisierung legitimiert.237
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nerschaft, Rdnr. 468; Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 217. Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 217. Funktionell zuständig für die Entscheidung nach § 9 Abs. 3 LPartG ist der Rechtspfleger, da der Richtervorbehalt des § 14 Abs. 1 Nr. 16 RPflG nicht um die Fälle der §§ 9 Abs. 3 LPartG, 1687b Abs. 3 BGB erweitert wurde. Dazu näher Rellermeyer, Rpfleger 2001, 381 ff.; Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, Rdnr. 468. Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, Rdnr. 471; WellenhoferKlein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 218. Die Folge des Ruhens der elterlichen Sorge ist, daß der Elternteil das Sorgerecht zwar weiterhin innehat, aber zu seiner Ausübung nicht berechtigt ist, § 1675 BGB. Vgl. auch Schwab, Familienrecht, Rdnr. 652. So Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft 1(2001), Rdnr. 205.
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(d) Notvertretungsrecht § 9 Abs. 2 LPartG räumt dem Lebenspartner, der nicht Elternteil des Kindes ist, ein § 1629 Abs. 1 S. 4 BGB entsprechendes Notvertretungsrecht ein, das nach seiner ratio helfen soll, eine Gefährdung des Kindeswohls schnell und effektiv abzuwenden.238 Der Lebenspartner ist bei Gefahr im Verzug dazu berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohle des Kindes erforderlich sind; er hat in diesem Fall den sorgeberechtigten Elternteil unverzüglich zu unterrichten. Gefahr im Verzug ist nur gegeben, wenn die Einholung der Zustimmung des sorgeberechtigten Elternteiles den Zweck der zu treffenden Maßnahme gefährdete. Dem Kind müssen gesundheitliche und gegebenenfalls auch wirtschaftliche Nachteile von erheblichem Ausmaß drohen, deren Abwendung ein sofortiges Eingreifen erfordert.239 Aus § 1687a i.V.m. §§ 1687 Abs. 1 S. 5, 1629 Abs. 1 S. 4 BGB wird gefolgert, daß ein Notvertretungsrecht des Lebenspartners auch dann besteht, wenn die leiblichen Eltern das Sorgerecht gemeinsam ausüben. Dies gilt sogar für die Fälle, in denen der Elternteil, mit dem die Lebenspartnerschaft besteht, vom Sorgerecht ausgeschlossen ist, aber das Kind sich mit Einwilligung des anderen Elternteils oder eines sonstigen Inhabers der Sorge oder aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung bei ihm aufhält. Um den Interessen des Kindes so effektiv als möglich Rechnung zu tragen, hat der Lebenspartner dann ausnahmsweise die gleichen Rechte wie gemeinsam sorgeberechtigte Elternteile. Das Notvertretungsrecht kann somit auch völlig unabhängig von § 9 Abs. 1 LPartG entstehen. Es gilt für alle Arten von Rechtshandlungen. Das Notvertretungsrecht kann im Gegensatz zum kleinen Sorgerecht nicht durch das Familiengericht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden, da sich § 9 Abs. 3 und 4 LPartG auf § 9 Abs. 1 LPartG beziehen. Auch das Getrenntleben der Lebenspartner schränkt die Befugnisse bei Gefahr in Verzug nicht ein. Hier kann nur ein gerichtliches Verfahren nach § 1666 BGB Handhabe bieten.240 In der Praxis wird das Notvertretungsrecht vor allem dann Bedeutung erlangen, wenn die rechtzeitige Mitwirkung des sorgeberechtigten Elternteils nicht möglich ist. Diese Situation kann etwa bei Unfällen, Krankheiten und Verletzungen des Kindes sowie im Urlaub und auf Reisen eintreten.241 Der im rechtlichen Sinne nicht-elterliche Lebenspartner ist dann berechtigt, alle Rechtshandlungen in Vertretung des Kindes selbst in die Wege zu leiten.242
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Kemper, FF 2001, 156 (162). Vgl. Palandt/Diederichsen, § 1629, Rdnr. 17; Weber, ZFE 2002, 369 (371). Schwab, FamRZ 2001, 385 (395); Meyer/Mittelstädt, Das Lebenspartnerschaftsgesetz, S. 51; Palandt/Brudermüller, § 9 LPartG, Rdnr. 6; Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 221. BT-Drucks. 14/3751 v. 4.7.2000, S. 39; Schomburg, Kind-Prax 2001, 103 (106); Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 221; Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, Rdnr. 467; Weber, ZFE 2002, 369 (371). Auf die Handlungen des Lebenspartners kommen dann nicht die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag zur Anwendung. Vgl. zum ganzen Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, Rdnr. 467; Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 221.
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(2) Weitere kindschaftsrechtliche Regelungen Das Lebenspartnerschaftsrecht kennt noch weitere kindschaftsrechtliche Regelungen. Dem nicht sorgeberechtigten Lebenspartner steht ein Umgangsrecht zu (§ 1685 BGB).243 Hat ein Kind seit längerer Zeit in einem Haushalt mit einem Elternteil und dessen Lebenspartner gelebt und will der andere Elternteil das Kind von dem Lebenspartner wegnehmen, weil er nach den §§ 1678, 1680, 1681 BGB den Aufenthalt des Kindes nunmehr alleine bestimmen kann, so sieht § 1682 BGB die Möglichkeit einer gerichtlichen Verbleibensanordnung vor, um kontinuierliche Lebensverhältnisse zu gewährleisten.244 Schließlich kann ein Lebenspartner auch zum Vormund des Kindes bestellt werden, wenn es in den Fällen der §§ 1678 bis 1681 BGB dem Wohl des Kindes widerspricht, das Sorgerecht auf den anderen Elternteil zu übertragen, oder wenn dieser an der Ausübung der Sorge verhindert, gestorben oder unbekannt ist (§ 1773 Abs. 1 BGB).245 (3) Einbenennung Lebenspartner können zur Identitätsstiftung für ihre Verbindung einen gemeinsamen Lebenspartnerschaftsnamen bestimmen (§ 3 Abs. 1 S. 1 LPartG).246 Durch Erklärung gegenüber der zuständigen Behörde können der Elternteil, dem die elterliche Sorge für ein unverheiratetes Kind allein oder gemeinsam mit dem anderen Elternteil zusteht, und sein Lebenspartner dem in ihren gemeinsamen Haushalt aufgenommenen Kind durch Erklärung gegenüber der zuständigen Behörde ihren Lebenspartnerschaftsnamen erteilen (§ 9 Abs. 5 LPartG). Durch diese Regelung kann die Namensgleichheit der Stieffamilie herbeigeführt und durch die damit einhergehende Identitätsstiftung dem Kindeswohl gedient werden.247 (4) Adoptionsrechtliche Regelungen Das Adoptionsrecht der eingetragenen Lebenspartnerschaft hat eine bemerkenswerte Entwicklung genommen. Das frühere Recht enthielt keine speziellen adop243
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Vgl. zu den Einzelheiten Staudinger/Rauscher, Stand: Oktober 2005, § 1685 Rdnr. 9b; Erman/Michalski, Bürgerliches Gesetzbuch, § 1632, Rdnr. 26; MünchKomm/Finger, § 1685, Rdnr. 9; MünchKomm/P. Huber, § 1632, Rdnr. 40 f. m.w.N.; Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, Rdnr. 210, 483; Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 223 f.; Weber, ZFE 2002, 369 (372); Kemper, FF 2001, 156 (162). Vgl. auch BGHZ 40, 1 (11); BayObLG, NJW 1965, 1716 ff. Näher dazu Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 225 f.; Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, Rdnr. 478 ff.; Weber, ZFE 2002, 369 (372) m.w.N. Hierzu Holzhauer, JZ 2000, 1076 (1082); Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 228; Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, 1 (2001), Rdnr. 219. Das Namensrecht der eingetragenen Lebenspartnerschaft entspricht weitgehend dem von Eheleuten. Es wurde aufgrund der zum Ehenamensrecht ergangenen Entscheidung des BVerfG, FamRZ 2004, 515 durch das Gesetz zur Änderung des Ehe- und Lebenspartnerschaftsnamensrecht, BGBl. I v. 6.2.2005, S. 203 geändert, vgl. dazu Bornhofen, StAZ 2005, 226 ff.; Müller, FamRB 2005, 121. BT-Drucks. 15/3445 v. 29.6.2004, S. 15; Wellenhofer, NJW 2005, 705 (706); Stüber, FamRZ 2005, 574 (577); Ring/Olsen-Ring, ZErb 2005, 113 (117).
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tionsrechtlichen Regelungen für Lebenspartner.248 Die mit der Novellierung eingeführte Stiefkindadoption stellt einen Paradigmenwechsel dar. (a) Rechtslage nach altem Recht Nach altem Lebenspartnerschaftsrecht konnten eingetragene Lebenspartner gem. § 1741 Abs. 2 S. 1 BGB wie andere unverheiratete Personen ein Kind nur alleine annehmen. Alle anderen Formen der Adoption waren ausgeschlossen. Aufgrund dieser Rechtslage konnte ein Kind immer nur mit einem Lebenspartner verwandt sein. Die Etablierung einer verwandtschaftlichen Beziehung zum zweiten Lebenspartner war ausgeschlossen. Obwohl in der Diskussion um das Lebenspartnerschaftsgesetz adoptionsrechtliche Regelungen vielfach gefordert worden waren,249 fehlt in den parlamentarischen Materialien jegliche Begründung für diesen Ausschluß. Es findet sich lediglich der Hinweis, daß mit der Ausklammerung der Möglichkeit zur gemeinschaftlichen Adoption keine Negativaussage über die Erziehungsfähigkeit gleichgeschlechtlich orientierter Personen intendiert sei.250 Das vorläufige Absehen von adoptionsrechtlichen Regelungen hatte auch das vom Bundesjustizministerium in Auftrag gegebene Gutachten des Max-PlanckInstituts für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg empfohlen. In ihrer rechtsvergleichenden Gesamtwürdigung rieten Dopffel, Kötz und Scherpe dem Gesetzgeber, sich mit kindschaftsrechtlichen Regelungen vorerst zurückzuhalten.251 Aus rechtsvergleichender Perspektive habe sich gezeigt, daß diejenigen Länder, die in ihren Rechtsordnungen ein familienrechtliches Institut für gleichgeschlechtliche Partnerschaften schon seit längerer Zeit implementiert hatten, bei der Erstreckung eherechtlicher Wirkungen auf diese Institute im Bereich des Kindschaftsrechts Ausnahmen vorsahen. Erst nachdem einige Jahre der Erfahrung mit dem neuen Rechtsinstitut gesammelt worden seien, insbesondere im Hinblick auf dessen praktische Umsetzung und seine Akzeptanz in der Öffentlichkeit, glaubte man, die Einführung kindschaftsrechtlicher Regelungen vermitteln zu können. Dies spreche dafür, im nationalen Recht ebenso zu verfahren.252 Politiker wiesen darauf hin, daß man sich in Deutschland erst an die Änderung der Lebensverhält248
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Einzige Ausnahmen im Recht der Minderjährigenadoption war § 1757 Abs. 1 S. 2 BGB, der den Geburtsnamen des alleine angenommenen Kindes regelt. Vgl. Weber, ZFE 2002, 369 (370). Vgl. die Statements der Sachverständigen und Bundestagsabgeordneten bei der Anhörung des Rechtsausschusses: Blumenthal, BT-Rechtsausschußprot. 14/59 v. 19.9.2000, S. 6 f., 73 f.; Coester-Waltjen, a.a.O., S. 13, 65 f.; van Essen, a.a.O., S. 43; Beck, a.a.O., S. 43, 75; Schenk, a.a.O., S. 45, 76. Siehe auch Verschraegen, a.a.O., S. 46; Sachs, a.a.O., S. 52; Kötz, a.a.O., S. 56; Diederichsen, a.a.O., S. 62 f., 66; Bruns, a.a.O., S. 71. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 14/4550 v. 9.11.2000, S. 6. Kritisch zur Ausklammerung der Stiefkindadoption die PDS-Fraktion, a.a.O., S. 6. Die Interessenverbände sahen dadurch den Eindruck erweckt, es schade Kindern, bei einem gleichgeschlechtlichen Paar aufzuwachsen, vgl. Schomburg, Kind-Prax 2001, 103. Dopffel/Kötz/Scherpe, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 391 (404). Vgl. auch Krings, ZRP 2000, 409 (413); Schomburg, Kind-Prax 2001, 103 (104). Dopffel/Kötz/Scherpe, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 391 (410). Vgl. auch Kemper, FPR 2003, 1 (5).
§ 7 Das Lebenspartnerschaftsrecht
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nisse gewöhnen müsse und „nicht gleich alles“ fordern dürfe.253 Es entsprach daher zu einem bedeutenden Teil politischer Opportunität, zunächst adoptionsrechtliche Regelungen für eingetragene Lebenspartner auszuklammern. (b) Gesetzesinitiative der FDP Die FDP legte am 11. Februar 2004 den „Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes (Lebenspartnerschaftsgesetzergänzungsgesetz – LPartGErgG)“ vor, mit dem alle wesentlichen Bereiche geregelt werden sollten, die das LPartG nicht erfaßt und die zum Abbau von Diskriminierungen von gleichgeschlechtlichen Paaren zwingend erforderlich seien. Eines der zentralen Anliegen sollte die Einführung des gemeinschaftlichen Adoptionsrechts für Lebenspartner sein. Nach Ansicht der Initiatoren habe ein Kind in einer stabilen und gefestigten Beziehung, wie sie auch die eingetragene Lebenspartnerschaft bieten könne, gute Entwicklungschancen. Das Vorhaben der FDP wurde vom Deutschen Bundestag nicht umgesetzt.254 (c) Stiefkindadoption Mit der Novellierung des Lebenspartnerschaftsrechts wurde als rechtspolitisch umstrittenste Neuerung die Stiefkindadoption eingeführt.255 Seit dem 1. Januar 2005 kann ein Lebenspartner ein Kind seines Lebenspartners alleine annehmen. Gesetzestechnisch normiert § 9 Abs. 7 S. 1 LPartG die Möglichkeit der Stiefkindadoption durch Lebenspartner, während § 9 Abs. 7 S. 2 LPartG auf verschiedene entsprechend geltende adoptionsrechtliche Vorschriften des bürgerlichen Rechts verweist.256 Diese Verweisung ist insofern unvollständig, als sie nicht die allgemeinen adoptionsrechtlichen Bestimmungen beinhaltet. Für die Grundlagen der Annahme gelten die §§ 1741 ff. BGB direkt bzw. analog.257 Der Gesetzgeber geht davon aus, daß regelmäßig eine gemeinsame Familie besteht, wenn der Elternteil eines Kindes, bei dem es lebt, eine Lebenspartnerschaft begründet hat. Es sei zu erwarten, daß auch der Lebenspartner, der nicht Elternteil ist, Verantwortung für das Kind übernehme. Bei Beendigung der Lebenspartnerschaft durch Aufhebung oder Tod eines Partners könne eine unsichere Situation für das Kind entstehen. Mit der Möglichkeit der Stiefkindadoption werde die Rechtsstellung des Kindes gegenüber dem Nichtelternteil erheblich verbessert. Die von einem Lebenspartner wahrgenommene Verantwortung für das Kind seines Lebenspartners könne durch
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Vgl. die bei Schomburg, Kind-Prax 2001, 103 (104) wiedergegebenen Erklärungen von Peschel-Gutzeit und v. Renesse. BT-Drucks. 15/2477 v. 11.2.2004, S. 1, 17. S.a. Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 15/4052 v. 27.10.2004, S. 3. Hefty, FAZ Nr. 154 v. 6. Juli 2004, S. 1; zum Widerstand der Unionsparteien SZ Nr. 153 v. 6. Juli 2004, S. 6. Vgl. auch Stüber, FamRZ 2005, 574 (576); Walter, MittBayNot 2005, 193 (198); Fethke, in: Liber amicorum Rauscher, S. 45; Ring/OlsenRing, ZErb 2005, 113 (119). §§ 1743 S. 1, 1751 Abs. 2 und Abs. 4 S. 2, 1754 Abs. 1 und 3, 1755 Abs. 2, 1756 Abs. 2, 1757 Abs. 2 S. 1 und 1772 Abs. 1 S. 1 lit. c BGB. So die amtliche Begründung, BT-Drucks. 15/3445 v. 29.6.2004, S. 15; vgl. auch HkLPartR/Kemper, § 9, Rdnr. 25; Wellenhofer, NJW 2005, 705 (707).
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Teil II Recht der eingetragenen Lebenspartnerschaft
die Adoption als gemeinsame elterliche Verantwortung weitergeführt werden.258 Im Schrifttum wird betont, daß der Zweck der Regelung nicht darin liege, Lebenspartnern neue Rechte einzuräumen, sondern zum Ziel habe, die Rechtsstellung des Kindes zu verbessern, das in einer Lebenspartnerschaft aufwächst.259 Die Stiefkindadoption knüpft an mehrere Voraussetzungen an. Sie setzt grundsätzlich die Einwilligung des bisherigen gegengeschlechtlichen rechtlichen Elternteils voraus, es sei denn, dieser fehlt (§ 1747 Abs. 1 S. 1 bzw. Abs. 4 BGB). Daneben muß auch der Lebenspartner einwilligen, der bereits rechtlicher Elternteil des Kindes ist (§ 1749 Abs. 1 S. 1 BGB).260 Im übrigen müssen die zuständigen staatlichen Stellen wie in jedem Einzelfall prüfen, ob die Stiefkindadoption dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, daß zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht (§ 1741 Abs. 1 S. 1 BGB). Die sexuelle Orientierung des Adoptanten ist dabei irrelevant. Mit dem Ausspruch der Adoption durch das Vormundschaftsgericht wird das angenommene Kind gemeinschaftliches Kind der Lebenspartner (§ 9 Abs. 7 S. 2 LPartG i.V.m. § 1754 Abs. 1 BGB). Es finden daher alle Vorschriften Anwendung, die an diese Voraussetzung anknüpfen. Dem Status eines gemeinsamen Kindes der Lebenspartner korrespondiert ein originäres, gemeinsam auszuübendes Sorgerecht des adoptierenden Lebenspartners (§ 9 Abs. 7 S. 2 LPartG i.V.m. § 1754 Abs. 3 BGB). Die elterliche Verantwortung besteht nach erfolgter Stiefkindadoption unabhängig von der Lebenspartnerschaft und dauert auch nach deren Beendigung fort.261 Durch die Stiefkindadoption erhält das Kind in Gestalt des adoptierenden Lebenspartners eine Person, die ihm gesetzlich zu Unterhalt verpflichtet ist (§ 1601 BGB) und gegenüber der es bei Eintritt des Erbfalls auch ein eigenes gesetzliches Erbrecht hat (§ 1924 Abs. 1 BGB). Die Neuregelung hat vor allem Bedeutung bei der Zeugung von Kindern durch künstliche Befruchtung mit Spendersamen. Die Möglichkeit der Stiefkindadoption dürfte daher vor allem von Lebenspartnerinnen in Anspruch genommen werden, die ihren Kinderwunsch auf diese Weise realisiert haben.262 (d) Gemeinschaftliche Adoption Die gemeinschaftliche Annahme eines Kindes durch eingetragene Lebenspartner bleibt nach wie vor ausgeschlossen, da das LPartG keine diesbezügliche Regelung enthält und § 1741 Abs. 2 BGB nicht auf diesen Personenkreis ausgedehnt wurde. Lebenspartner können wie bisher ein Kind nur alleine annehmen (§ 1741 Abs. 2 S. 1 BGB), wozu es seit der Novellierung gem. § 9 Abs. 6 LPartG der Einwilli258 259
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BT-Drucks. 15/3445 v. 29.6.2004, S. 15. Siehe Wellenhofer, NJW 2005, 705 (707). Nicht überzeugend Schlütter, FF 2005, 234 ff., der die Verfassungswidrigkeit der Stiefkindadoption aus BVerfGE 105, 313 ff. abzuleiten sucht, aber nicht nur die Grundaussagen des Urteils verkennt, sondern sie teilweise auch in ihr Gegenteil verkehrt. Vgl. nochmals Fn. 257 mit dem dazugehörigen Text. So bereits zum alten Recht Dethloff, ZRP 2004, 195 (196); zum neuen Recht Wellenhofer, NJW 2005, 705 (707); Stüber, FamRZ 2005, 574 (576); Hk-LPartR/Kemper, § 9 LPartG, Rdnr. 28; vgl. zum ganzen auch Ring/Olsen-Ring, ZErb 2005, 113 (114). Vgl. Teil V § 12 III.1.a), S. 322 f.
§ 7 Das Lebenspartnerschaftsrecht
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gung des anderen Lebenspartners bedarf. Ein durch Einzeladoption angenommenes Kind kann auch nicht über eine Stiefkindadoption zu einem gemeinsamen Kind werden. § 1742 BGB, der eine solche Kettenadoption bei Ehegatten zuläßt, wurde nicht auf Lebenspartner erweitert.263 Der Gesetzgeber sah sich zu einer Gestattung der gemeinschaftlichen Adoption augenscheinlich aus zwei Gründen außerstande. Zum einen glaubte er, es sei politisch noch nicht vermittelbar, gleichgeschlechtlichen Paaren ein gemeinschaftliches Adoptionsrecht einzuräumen. Zum anderen sah er sich durch das Europäische Übereinkommen vom 24. April 1967 über die Adoption von Kindern,264 das 1980 ratifiziert worden war,265 daran gehindert. Das Abkommen sieht vor, daß nach nationalem Recht die Adoption eines Kindes nur entweder einer Person allein oder zwei miteinander verheirateten Personen erlaubt werden darf. Diese Einschränkung könnte allerdings bald der Vergangenheit angehören, da der Abschluß der Revision des Europäischen Adoptionsübereinkommens bevorsteht. Die Revision sieht unter anderem vor, es den Mitgliedstaaten zu überlassen, das Übereinkommen auf gleichgeschlechtliche Paare anzuwenden, die eine Ehe oder eine registrierte Partnerschaft geschlossen haben. Den Mitgliedstaaten soll sogar erlaubt werden, die Konvention auf verschieden- und gleichgeschlechtliche Paare anzuwenden, die nicht miteinander verheiratet sind, aber in stabiler Lebensgemeinschaft leben, oder eine registrierte Partnerschaft eingegangen sind.266 Stüber weist zutreffend darauf hin, daß durch den Ausschluß der Kettenadoption Kinder, die bei Lebenspartnern erzogen werden, gegenüber Kindern, die bei Eheleuten aufwachsen, zu Unrecht benachteiligt werden. Durch die fehlende Möglichkeit, ein statusrechtliches Band zu etablieren, haben diese Kinder keine Unterhalts- und Erbansprüche gegen den zweiten Lebenspartner. Wenn der Lebenspartner verstirbt, der das Kind angenommen hat, ist der andere nicht verpflichtet, sich um das Kind zu sorgen. Dadurch ist in der Regel nicht dem Kindeswohl gedient. Bei der Entscheidung gegen die Einräumung des gemeinschaftlichen Adoptionsrechts standen seiner Überzeugung nach politische Überlegungen, die auf angebliche Vorurteile in der Bevölkerung Rücksicht nehmen, und nicht Kindeswohlaspekte im Vordergrund.267 Dethloff macht im Rahmen ihrer Kritik am fehlenden gemeinschaftlichen Adoptionsrecht darauf aufmerksam, daß schon heute eine nicht unerhebliche Zahl von gleichgeschlechtlichen Paaren Pflegekinder bei sich aufgenommen habe, wobei die sexuelle Orientierung überwiegend nicht mehr als Hinderungsgrund für die Begründung eines Pflegekindverhältnisses angesehen werde. Es sei daher kein Grund ersichtlich, warum die Begründung eines Pflegekindverhältnisses zwischen homosexuellen Eltern und Kindern dem Kindeswohl dienen kann, Adoptionen aber mit dem Kindeswohl unvereinbar sein sollen.268 263
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268
Stüber, FamRZ 2005, 574 (576); Walter, MittBayNot 2005, 193 (198). Vgl. auch Grziwotz, DNotZ 2005, 13 (25). Das Verbot der Kettenadoption verkennt Grauel, ZNotP 2007, 90. BR-Drucks. 539/79 v. 9.11.1979. BGBl. II v. 3.9.1980, S. 1093. Kohler/Pintens, FamRZ 2007, 1481 (1484 f.) m.w.N. Stüber, FamRZ 2005, 574 (577). Vgl. auch Kemper, FF 2005, 88 (95) und den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drucks. 16/497 v. 1.2.2006, S. 3. Dethloff, ZRP 2004, 195 (199) m.w.N. Dagegen Gutsche, ZRP 2005, 65 f.
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Teil II Recht der eingetragenen Lebenspartnerschaft
Das Fehlen eines gemeinschaftlichen Adoptionsrechts kann sich für schwule Paare bei bestimmten Konstellationen eines Ersatzmutterschaftsarrangements nachteilig auswirken.269
IV. Abschließende Bewertung Die im Zusammenhang mit der Etablierung des Lebenspartnerschaftsgesetzes vor allem von konservativer Seite geäußerten Befürchtungen haben sich bereits wenige Jahre nach dessen Inkrafttreten als gegenstandslos erwiesen. Coester-Waltjen resümiert treffend: „Trotz der grundlegenden Bedenken, die gegen die Einführung einer eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft erhoben worden sind, hat der Untergang des Abendlandes bisher nicht – jedenfalls nicht aus diesem Grunde – stattgefunden.“270 Der deutsche Gesetzgeber hat, einer europäischen Tendenz folgend, im nationalen Recht einen Paradigmenwechsel eingeleitet. Zum ersten Mal in der Rechtsgeschichte räumte er gleichgeschlechtlichen Personenverbindungen die Möglichkeit ein, einen familienrechtlichen Status zu erlangen, an den zahlreiche Rechte und Pflichten geknüpft sind. Wie das Bundesverfassungsgericht verbindlich festgestellt hat, verstößt die eingetragene Lebenspartnerschaft nicht gegen das Grundgesetz. Dadurch herrscht Rechtsklarheit und Rechtssicherheit.271 Das Lebenspartnerschaftsrecht verfolgt weder unmittelbar noch mittelbar das Ziel, pädophiles Verhalten gegenwärtig oder in Zukunft zu legalisieren. Derartige Behauptungen entspringen antihomosexuellen Ressentiments und müssen als unsachlich zurückgewiesen werden. Eingetragenen Lebenspartnern kann daher nicht unter Verweis auf diese Argumentation der Zugang zu Maßnahmen assistierter Reproduktion versagt werden. Das Lebenspartnerschaftsrecht enthält keine Aussagen zu Maßnahmen assistierter Reproduktion. In der Koalitionsvereinbarung von 1998 hatte der Gesetzgeber angekündigt, die Entschließungen des Europäischen Parlaments zu berücksichtigen, die zum Teil von den Mitgliedstaaten die Beseitigung der „Beschneidung des Rechts von Schwulen und Lesben“ auf Elternschaft und Adoption verlangten. Dies geschah erst mit der Novellierung des Lebenspartnerschaftsrechts und auch nur teilweise. Die in der Entschließung vom 8. Februar 1994 erhobenen Forderungen nach gleichen Adoptionsrechten, wie sie Ehegatten zustehen, wurden nicht umgesetzt, weil nach wie vor ein gemeinschaftliches Adoptionsrecht für Lebenspartner fehlt. Die Entschließung wurde auch nicht in dem hier vorgeschlagenen Sinne verstanden, daß gleichgeschlechtlichen Paaren der Zugang zu reproduktionsmedizinischen Maßnahmen gewährt werden sollte.272 Aus Art. 6 Abs. 1 GG läßt sich nach der Rechtsprechung des BVerfG kein Gebot herleiten, andere Lebensformen gegenüber der Ehe zu benachteiligen. Aus 269
270
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Vgl. Teil V § 12 III.2.c), S. 326 ff. Zum Verbot der Herbeiführung von Ersatzmutterschaften siehe Teil IV § 10 V., S. 259 ff. Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 42, Rdnr. 1; vgl. auch Zuck, NJW 2001, 3240 f. So auch BT-Drucks. 15/2477 v. 11.2.2004, S. 15. Zu der hier vorgenommenen Interpretation vgl. Teil I § 6 V.1.a), S. 105 ff.
§ 7 Das Lebenspartnerschaftsrecht
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dem besonderen Schutz der Ehe kann nicht geschlossen werden, daß gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften im Abstand zur Ehe auszugestalten und mit geringeren Rechten zu versehen sind. Die Verfassungsnorm reserviert auch nicht einzelne Strukturelemente für die Ehe. Der Entscheidung läßt sich entnehmen, daß es verfassungsrechtlich nicht geboten ist, gleichgeschlechtlichen Paaren die Zulassung zu reproduktionsmedizinischen Maßnahmen zu verbieten. Die Gewährleistungen des Art. 6 Abs. 1 GG wären davon nämlich nicht berührt. Durch die Zulassung gleichgeschlechtlicher Paare zu fortpflanzungsmedizinischen Methoden erlitten Eheleute keine Einbuße. Aufgrund der Exklusivität beider Rechtsinstitute im Verhältnis zueinander würde das Ausmaß des rechtlichen Schutzes und das Ausmaß der Förderung der Ehe nicht verringert. Selbst wenn man die Nutzung fortpflanzungsmedizinischer Techniken durch Ehegatten als Strukturelement der Ehe begriffe und damit als von Art. 6 Abs. 1 GG geschützt ansähe, folgte daraus nicht, daß diese Maßnahmen für Eheleute vorzubehalten wären. Dafür spricht auch, daß der Verfassung kein Abstands- oder Benachteiligungsgebot entnommen werden kann. Die Ehe als Institut erlitte keine Beschädigung oder Beeinträchtigung, wenn eingetragenen Lebenspartnern der Zugang zu Methoden der künstlichen Fortpflanzung gewährt würde. Der Gesetzgeber ist daher aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht daran gehindert, eingetragene Lebenspartner zu Maßnahmen assistierter Reproduktion zuzulassen.273 Mit der Novellierung ist die eingetragene Lebenspartnerschaft aus sachlich nachvollziehbaren Gründen noch näher an die Ehe herangeführt worden. Dadurch hat der Gesetzgeber zahlreiche Unklarheiten des bisherigen Lebenspartnerschaftsrechts ausgeräumt und Rechtssicherheit geschaffen. Schon durch die klare Rechtslage wird den Lebenspartnern und den bei ihnen aufwachsenden Kindern gedient. Insgesamt ist aber auch das vom Gesetz bereitgestellte Schutzniveau für Kinder in eingetragenen Lebenspartnerschaften deutlich gestiegen und in weiten Teilen mit demjenigen der Ehe vergleichbar. Die noch verbleibenden Unterschiede zwischen Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft sind so gering, daß sie an diesem Befund nichts zu ändern vermögen. Sie sind größtenteils auf die Befürchtung des Gesetzgebers zurückzuführen, durch eine zu starke Annäherung an die Ehe Art. 6 Abs. 1 GG zu verletzen. Nach dem Judikat des BVerfG sind diese Bedenken beseitigt, so daß die noch verbleibenden unsachgemäßen Differenzen vom Gesetzgeber bereinigt werden können und sollten. 273
Vgl. BT-Drucks. 15/3445 v. 29.6.2004, S. 14: Das Urteil des BVerfG berechtige den Gesetzgeber zu einer weitgehenden Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe. Siehe auch den „Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes“ der FDP-Fraktion, BT-Drucks. 15/2477 v. 11.2.2004, S. 15: Es gebe nach dem Urteil des BVerfG rechtlich keinen Grund, gleichgeschlechtlichen Paaren wesentliche Rechte, die Ehepartnern gewährt werden, zu versagen. Siehe zur prinzipiell möglichen Gleichstellung von Eheleuten und eingetragenen Lebenspartnern auch den Antrag von Abgeordneten und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drucks. 16/479 v. 1.2.2006, S. 1: „Zur Vermeidung von Ungerechtigkeiten ist die volle rechtliche Gleichstellung der Lebenspartnerschaft mit der Ehe geboten.“ Aus der Literatur Kemper, FPR 2002, 585 (586); ders., FPR 2003, 1 (5). A.A., aber ohne Berücksichtigung eingetragener Lebenspartner und ohne Begründung des Standpunkts Uhlenbruck/Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 39, Rdnr. 82, Fn. 240.
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Teil II Recht der eingetragenen Lebenspartnerschaft
Die Heranführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft an die Ehe betrifft zahlreiche Aspekte, die den vorliegenden Zusammenhang tangieren. So unterscheiden sich Ehe und Lebenspartnerschaft hinsichtlich der vom Gesetzgeber intendierten Stabilität und der ökonomischen Absicherung nur noch marginal. Für den Bereich des Kindschaftsrechts gilt dies allerdings nicht in gleichem Maß. Dort fehlt nach wie vor für eingetragene Lebenspartner die Möglichkeit, ein Kind gemeinsam annehmen zu können. Obwohl einer Studie zufolge schwule Männer ihren Kinderwunsch eher über eine Adoption realisieren wollen,274 könnte die fehlende Möglichkeit, ein rechtliches Band zu beiden Lebenspartnern zu etablieren, ein Grund sein, den Kinderwunsch über ein Ersatzmutterschaftsarrangement mittels künstlicher Befruchtung zu realisieren. Allerdings kann sich in bestimmten Konstellationen auch dort das fehlende gemeinschaftliche Adoptionsrecht ungünstig auswirken.275 In solchen Fällen stehen dem nicht mit dem Kind verwandten Lebenspartner aber immerhin die Befugnisse des kleinen Sorgerechts zu. Die Möglichkeit der Stiefkindadoption wird vor allem dann relevant werden, wenn ein lesbisches Paar mittels Samenspende seinen Kinderwunsch realisiert. Dann kann die nicht-gebärende Lebenspartnerin das gemeinsamem Wunsch entsprungene Kind adoptieren und zu einem gemeinsamen Kind der Lebenspartnerinnen machen. Der Stiefkindadoption kommt sowohl nach ihrer bisherigen als auch nach der Konzeption des Lebenspartnerschaftsgesetzes die Funktion zu, dem Kindeswohl und den Kindesinteressen zu dienen. Daß dadurch gleichsam reflexartig auch den Interessen des Adoptanten gedient wird, liegt in der Natur des Instituts und kann nicht als ein Mittel der Aufwertung der eingetragenen Lebenspartnerschaft zum Nachteil von Kindern verstanden werden. Mit der Implementierung kindschaftsrechtlicher Vorschriften im Lebenspartnerschaftsrecht hat der Gesetzgeber das Aufwachsen von Kindern bei gleichgeschlechtlichen Paaren als soziale Realität akzeptiert und ihr durch angemessene, im Hinblick auf ein gemeinschaftliches Adoptionsrecht allerdings noch ergänzungsbedürftige276 rechtliche Regelungen Rechnung getragen. Zugleich gibt er damit zu erkennen, daß er gleichgeschlechtlich orientierte Personen und Paare für geeignete Erziehungspersonen hält.277 Angesichts einer auch im Ausland zu beobachtenden Tendenz, gleichgeschlechtliche Partnerschaftsinstitute in ihrer rechtlichen Ausgestaltung an das Eherecht anzugleichen,278 erscheint es nicht fernliegend, daß auch auf dem Gebiet fortpflanzungsmedizinischer Maßnahmen in absehbarer Zeit eine solche Annäherung erfolgen wird. 274 275 276
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Vgl. Teil I § 2 II.2.b), S. 16 f. Vgl. Teil V § 12 III.2.c), S. 326 ff. Zur Forderung danach Dethloff, ZRP 2004, 195 ff.; Pätzold, FPR 2005, 269 ff.; dies., Die gemeinschaftliche Adoption Minderjähriger durch eingetragene Lebenspartner, 2006. Vgl. auch MünchKomm/Finger, § 1671, Rdnr. 103: Die gesetzgeberische Grundentscheidung, die in der eingetragenen Lebenspartnerschaft dem Lebenspartner inzwischen eine Beteiligung am Sorgerecht des anderen einräume, beweise, daß Gleichgeschlechtlichkeit kein Hinderungsgrund bei der Ausübung elterlicher Sorge sein kann. Scherpe, FamRZ 2007, 1496 (1498) spricht bezogen auf Deutschland und andere europäische Länder von einem „funktionsäquivalente[n] Rechtsinstitut zur Ehe“. Vgl. zum französischen Institut des Pacs Ferrand/Francoz-Terminal, FamRZ 2007, 1499 (1501).
Teil III Komparatistische Untersuchung
§ 8 Darstellung und Vergleich ausländischer Rechtsordnungen I. Einleitung Die Rechtsvergleichung untersucht ausländische Rechtsordnungen im Hinblick auf einen einheitlichen Regelungsgegenstand. Der Vergleich der so gewonnenen Erkenntnisse ermöglicht Aussagen und Rückschlüsse in bezug auf die eigene Rechtsordnung. Der praktische Nutzen und die Bedeutung der Rechtsvergleichung bestehen darin, dem Gesetzgeber Vorschläge zur Fortbildung der nationalen Rechtsordnung zu unterbreiten.1 Das Medizinrecht und das Familienrecht weisen untereinander bedeutsame Berührungspunkte auf und eignen sich beide für eine komparatistische Betrachtung.2 Die Funktion und die Bedeutung der Rechtsvergleichung können deshalb gerade für die Frage nach der Zulassung gleichgeschlechtlicher Paare zu Maßnahmen assistierter Reproduktion Geltung beanspruchen und von Nutzen sein. Im folgenden Abschnitt werden daher ausländische Rechtsordnungen vorgestellt und wegen des engen regelungssystematischen Zusammenhangs auf ihre Aussagen zu kindschaftsrechtlichen Regelungen und zur Anwendung reproduktionsmedizinischer Maßnahmen bei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften untersucht.3 In zahlreichen Rechtsordnungen sind diese Regelungskomplexe eng aufeinander bezogen.4 Der Zusammenhang zeigt sich besonders deutlich am Beispiel
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Kötz, JZ 2002, 257 (259). Zur Aufgabe der Rechtsvergleichung auf diesem Gebiet auch Koch, in: Das Bundesministerium für Gesundheit, Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, S. 176 (183): „Hilfestellung bieten auf dem dornenvollen Weg zum Finden eines eigenen, wohldurchdachten Standpunkts im Bewußtsein, nicht allein auf der Welt zu sein.“ Vgl. nur Spickhoff, NJW 2007, 1628 (1636). Freilich bestehen zwischen Maßnahmen assistierter Reproduktion und einer Adoption auch gewichtige Unterschiede. Während die Adoption anstrebt, für bereits vorhandene Kinder eine optimale Umgebung für ihr Aufwachsen zu finden, geht es bei der medizinisch assistierten Reproduktion um erst noch zu zeugende und zu gebärende Kinder, vgl. etwa Robertson, 55 Case W.Res.L.Rev. (2004), 323 (332). So auch Verschraegen, Gleichgeschlechtliche „Ehen“, S. 75. Vgl. ferner Hangartner, AJP 2001, 252 (259); Dethloff, ZRP 2004, 195 (197); Boele-Woelki/Schrama, in:
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Teil III Komparatistische Untersuchung
der Debatten um Adoptionsrechte und den Zugang zu fortpflanzungsmedizinischen Maßnahmen. Denn in beiden Fällen geht es um die Realisierung des Kinderwunsches und die damit verbundene Konsequenz, daß gleichgeschlechtliche Eltern für ein Kind Verantwortung übernehmen wollen. Des weiteren stellt sich nach der erfolgten Realisierung des Kinderwunsches die Frage, wie statusrechtliche Beziehungen zu den sozialen Eltern hergestellt werden können. Die adoptionsrechtlichen Regelungen stellen dabei eine von mehreren Möglichkeiten dar, verwandtschaftliche Beziehungen im Rechtssinne zu etablieren. Die Zahl der Rechtsordnungen, die für eine komparatistische Betrachtung herangezogen werden kann, wird bereits durch den Regelungsgegenstand selbst eingeschränkt. Es kommen von vornherein nur Rechtssysteme in Frage, die entweder rechtliche Institute für gleichgeschlechtliche Partnerschaften kennen bzw. kindschaftsrechtliche Regelungen für diese Gemeinschaften entwickelt haben5 oder diese Personengruppe zu Maßnahmen assistierter Reproduktion zulassen. Eine gewisse Begrenzung resultiert schließlich aus den vorhandenen und erreichbaren Materialien für die Darstellung dieses auch in vielen ausländischen Rechtsordnungen nach wie vor speziellen Fragenkreises. Da ein Vergleich nur dann fruchtbar sein kann, wenn die herangezogenen Rechtsordnungen auch eine gewisse kulturelle Affinität aufweisen und auf einem gemeinsamen Wertekonsens beruhen, müssen jene Rechtssysteme ausscheiden, deren Betrachtung aufgrund einer nur gering ausgeprägten kulturellen Verbundenheit weniger sinnvoll erscheint.6 Die hier ausgewählten Rechtsordnungen bieten für diese Anforderung eine Gewähr, weil ihnen das liberale Grundverständnis westlicher Demokratien und ähnliche Entwicklungen hinsichtlich der gesellschaftlichen und rechtlichen Beurteilung
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Scherpe/Yassari, Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 307 (323). In Ungarn existierten bis 2004 nur ganz rudimentäre Regelungen, vgl. Jessel-Holst, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 167 ff. Seither ist ein Rechtsinstitut ohne Adoptionsmöglichkeit in Kraft gesetzt worden, das dem deutschen gleicht, dazu Kemper, FF 2005, 88 (94, Fn. 30). In Österreich kommen bei gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften im wesentlichen die allgemeinen Regeln des Vertrags- und Vermögensrechts zur Anwendung, s. Röthel, in: Hausmann/Hohloch, Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, Kap. 2, Rdnr. 6; dies., StAZ 2006, 34, jeweils m.w.N. In Slowenien trat am 24. Juli 2005 das Gesetz über die Registrierung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften in Kraft, das allerdings keinerlei kindschaftsrechtliche Bestimmungen enthält, vgl. Novak, FamRZ 2006, 600. In Tschechien können Partner gleichen Geschlechts seit 1. Juli 2006 ihre Partnerschaft registrieren lassen. Das Gesetz verpflichtet einen Partner, der Elternteil ist, „die Erziehung seines Kindes zu gewährleisten und konsequent mit allen angemessenen Erziehungsmitteln sicherzustellen, daß die Würde des Kindes nicht angetastet und seine Gesundheit, seine körperliche, emotionale, sittliche und intellektuelle Entwicklung nicht gefährdet wird“, was nach Hrušáková, FamRZ 2006, 1337 (1338) zeige, daß Intoleranz und Vorurteile bei der Verabschiedung des Gesetzes eine Rolle spielten. So etwa lateinamerikanische Rechtsordnungen wie Argentinien (dazu Scherpe/Hömberg, StAZ 2004, 38 ff.) oder Brasilien (dazu Dias, in: Bainham, The International Survey of Family Law 2003 Edition, S. 69 ff.).
§ 8 Darstellung und Vergleich ausländischer Rechtsordnungen
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der Homosexualität und gleichgeschlechtlicher Lebensweisen zugrunde liegen.7 Unter diesen Rechtsordnungen sind insbesondere jene von Interesse, die bereits länger Erfahrungen mit den in Rede stehenden Rechtsinstituten gesammelt und darauf basierend unterschiedlich avancierte Regelungen getroffen haben. Hier wird sich das Augenmerk auch auf die Entwicklungen der einzelnen Rechtsinstitute richten, da sich daraus Tendenzen und Prognosen für das nationale Recht ableiten lassen.
II. Das Recht der nordischen Staaten Die skandinavischen Staaten Dänemark, Norwegen, Island und Schweden, haben – nicht zuletzt aufgrund ihrer geographischen Lage und der damit einhergehenden kulturellen Verbundenheit – vergleichsweise früh einander relativ ähnliche rechtliche Regelungen in bezug auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften geschaffen. Insbesondere Dänemark hat auf diesem Gebiet eine Vorreiterrolle eingenommen, als es im Jahre 1989 als erstes Land der Welt mit der registrierten Partnerschaft ein familienrechtliches Institut für gleichgeschlechtliche Paare schuf.8 Diesem Vorbild haben sich im Laufe der folgenden Jahre die übrigen nordischen Staaten angeschlossen. Wegen der Ähnlichkeit der rechtlichen Ausgestaltung werden die jeweiligen Institute in den vorhandenen Darstellungen meist gemeinsam abgehandelt.9 Diesem Vorgehen wird hier nur eingeschränkt gefolgt, denn im Hinblick auf die im vorliegenden Zusammenhang interessierenden Fragen nach kindschaftsrechtlichen Regelungen und Bestimmungen, denen die artifizielle Reproduktion unterliegt, bestehen zum Teil beträchtliche Unterschiede, die eine Trennung nach Einzelstaaten sinnvoll erscheinen lassen. Nur am Rande behandelt werden die in Schweden, Dänemark und Norwegen neben den Gesetzen über registrierte Partnerschaften existierenden Institute der sog. Lebens- bzw. Haushaltgemeinschaften, die von verschieden- und gleichgeschlechtlichen Paaren eingegangen werden können. Sie regeln im wesentlichen nur die vermögensrechtlichen Folgen der Auflösung des Zusammenlebens in dieser Form und befassen sich nicht mit kindschaftsrechtlichen Fragen und dem Zugang zur assistieren Fortpflanzung.10
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So auch Risse, Der verfassungsrechtliche Schutz der Homosexualität, S. 29. Röthel, StAZ 2006, 34 m.w.N. spricht bezogen auf Europa von vergleichbaren soziologischen Entwicklungen und kulturellen Vorprägungen. Dazu Ring/Olsen-Ring, ZRP 1999, 459 ff.; Olsen-Ring/Ring, KritJ 1999, 366 (368 ff.). Vgl. auch Nordhues, DRiZ 1991, 136 ff. So von Grib, Die gleichgeschlechtliche Partnerschaft im nordischen und deutschen Recht, 1996; Dopffel/Scherpe, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 7–49. Vgl. zu diesen Instituten Dopffel/Scherpe, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 7 (32 ff.). Zu Schweden Agell, FamRZ 1990, 817 ff.; Verschraegen, StAZ 1995, 225 (225 f.). Zu neueren Entwicklungen Ytterberg, AJP 2001, 287 ff.; Jänterä-Jareborg, FamRZ 2004, 1431 f. und Röthel, StAZ 2006, 34 (35 f.), jeweils m.w.N.
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Teil III Komparatistische Untersuchung
1. Dänemark In Dänemark war eine Kommission eingesetzt worden, der die Aufgabe oblag, die gesellschaftliche Situation Homosexueller umfassend zu eruieren und Vorschläge zur Behebung ihrer Diskriminierung zu unterbreiten.11 Ihre Vorarbeiten waren die Grundlage für die Verabschiedung des „Gesetzes über die registrierte Partnerschaft“ vom 7. Juni 1989, das am 1. Oktober 1989 in Kraft trat.12 Das Gesetz bedient sich einer relativ einfachen Regelungstechnik. Es ordnet an, daß die Registrierung der Partnerschaft zweier Personen gleichen Geschlechts die gleichen Rechtswirkungen wie eine Eheschließung zur Folge hat, sofern nicht das Gegenteil ausdrücklich bestimmt ist. So sind in Dänemark registrierte Partner von der Vermutung, daß der Ehemann als Vater aller von seiner Frau während der Ehe geborenen Kinder gilt, ausdrücklich ausgenommen. Eine Frau, deren registrierte Partnerin ein Kind zur Welt bringt, ist daher nicht als „Vater“ oder zweiter Elternteil des Kindes anzusehen.13 Von der generellen Verweisung auf das Eherecht waren zunächst auch alle kindschaftsrechtlichen Wirkungen der Ehe, insbesondere sämtliche Möglichkeiten der Adoption, ausgenommen. Mit Gesetz vom 2. Juni 1999 wurde das Adoptionsverbot gelockert und die Möglichkeit der Stiefkindadoption eingeführt. Seither kann eine in registrierter Partnerschaft lebende Person das leibliche Kind des Partners adoptieren. Die Stiefkindadoption ist ausgeschlossen, wenn es sich bei dem anzunehmenden Kind bereits um ein Adoptivkind aus dem Ausland handelt.14 Die gemeinschaftliche Adoption eines fremden Kindes
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Dopffel/Scherpe, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 7 (10), (16); Scherpe, DEuFamR 2 (2000), 32 (32 f.); ders., FPR 2001, 439. Lov om registreret partnerskab (Lov nr 372), in der Fassung des Änderungsgesetzes Nr. 360 vom 2. Juni 1999, mit Übersetzungen wiedergegeben bei Dopffel/Scherpe, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 7 (45 f.); Scherpe, DEuFamR 2 (2000), 50 (Fassung nach dem Änderungsgesetz) und Grib, Die gleichgeschlechtliche Partnerschaft im nordischen und deutschen Recht, S. 313 f.; Bertschi/Pulver, AJP 2001, 319 ff. (Fassung vor dem Änderungsgesetz). Mit dem Gesetz befassen sich Verschraegen, Gleichgeschlechtliche „Ehen“, S. 107 ff.; dies., StAZ 1995, 225 (227); Schlüter/Heckes/Stommel, DEuFamR 2 (2000), 1 (2). Die von Wacke, FamRZ 1990, 347 (349); Verschraegen, Gleichgeschlechtliche „Ehen“, S. 109 und Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, Rdnr. 928a aufgestellte Behauptung, das Gesetz diene der Eindämmung der HIV-Epidemie, findet im Gesetz keine Stütze, vgl. nur Dopffel/Scherpe, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 7 (12, Fn. 29) und Scherpe, DEuFamR 2 (2000), 32 (33, Fn. 10). In Grönland ist das Gesetz 1996 in Kraft getreten, vgl. Scherpe, FPR 2001, 439 (441, Fn. 1). Grib, Die gleichgeschlechtliche Partnerschaft im nordischen und deutschen Recht, S. 59; Dopffel/Scherpe, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 7 (28) m.w.N.; Scherpe, DEuFamR 2 (2000), 32 (33, Fn. 14). § 4 Abs. 1 S. 2 des dänischen Gesetzes über die registrierte Partnerschaft. Vgl. auch Bech, AJP 2001, 264 (266); Dethloff, ZRP 2004, 195 (197); Jakob, Die eingetragene Lebenspartnerschaft im Internationalen Privatrecht, S. 25; Dopffel/Kötz/Scherpe, in:
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durch ein registriertes gleichgeschlechtliches Paar ist in Dänemark auch nach der Gesetzesänderung nicht möglich. Die Einzeladoption durch einen der registrierten Partner ist zwar nicht ausdrücklich geregelt. In Dänemark wird aber die Adoption eines fremden Kindes durch eine Einzelperson grundsätzlich nicht gewährt und kommt nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht. Aufgrund dieser restriktiven Handhabung wird die Einzeladoption für einen registrierten Partner deshalb als praktisch bedeutungslos angesehen.15 Für Stiefkindadoptionen gelten in Dänemark die allgemeinen Anforderungen, d.h. Erwägungen des Kindeswohls müssen im Mittelpunkt stehen und vorhandene Sorgerechte des anderen Elternteils beachtet werden. Die Frage nach einem gemeinschaftlichen Adoptionsrecht für registrierte Partner wird in Dänemark weiter diskutiert.16 Für die Einführung der Stiefkindadoption haben in Dänemark die seit Schaffung des Rechtsinstituts gewonnenen Erfahrungen mit Kindern in lesbischen und schwulen Partnerschaften eine wesentliche Rolle gespielt. Nach zehnjährigem Bestehen des Rechtsinstitutes habe der dänische Gesetzgeber festgestellt, daß zahlreiche Kinder in einer registrierten Partnerschaft, namentlich im gemeinsamen Haushalt der Partner, aufwuchsen. Am 1. Januar 2001 lebten in mehr als 10% aller registrierten Partnerschaften Kinder.17 Der dänische Gesetzgeber rechtfertigte die Ausnahme bereits adoptierter ausländischer Kinder von der Stiefkindadoption mit der Begründung, daß sich dadurch international-privatrechtliche Probleme vermeiden ließen. Daneben bestand die Befürchtung, daß die in Skandinavien traditionell häufige Adoption von Kindern aus Ländern der Dritten Welt durch verschiedengeschlechtliche Paare Einschränkungen erleiden könnte, weil diese Länder eine Adoption durch Homosexuelle ablehnen und deshalb ihre Zustimmung zu Adoptionen durch Heterosexuelle bzw. verschiedengeschlechtliche Paare aus Skandinavien generell einschränken könnten. Außerdem sei die Sozialisation fremder Kinder ohnehin schwierig und dürfe nicht durch die gegen Homosexuelle bestehenden Vorurteile zusätzlich belastet werden.18 Die Fragen der medizinisch assistierten Fortpflanzung sind in Dänemark gesetzlich geregelt. Das dänische Gesetz über die künstliche Befruchtung von 199719
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Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 391 (405); Kemper, FF 2005, 88 (94, Fn. 31). Grib, Die gleichgeschlechtliche Partnerschaft im nordischen und deutschen Recht, S. 64 f., 244 f.; Dopffel/Scherpe, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 7 (28) m.w.N. Scherpe, FPR 2001, 439. Dopffel/Kötz/Scherpe, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 391 (405); Scherpe, FPR 2001, 439 (441), dort auch Tabelle 2, die die kontinuierliche Zunahme der Zahl von in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften aufwachsenden Kindern für den Zeitraum von 1990 bis 2001 aufzeigt. Vgl. Scherpe, DEuFamR 2 (2000), 32 (34, Fn. 18); ders., FPR 2001, 439 (441, Fn. 9) und Dopffel/Scherpe, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 7 (30) m.w.N. Lov om kunstig befrugtning i forbindelse med lægelig behandling, diagnostik og forskning m.v. (Nr. 460 v. 10. Juni 1997), zit. n. Dopffel/Scherpe, in: Basedow/Hopt/
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betrifft Fälle, in denen die Schwangerschaft von einem Arzt oder unter Aufsicht eines Arztes auf andere Weise als durch Geschlechtsverkehr zwischen Mann und Frau herbeigeführt wird. Stammt die Eizelle von der Frau, die schwanger werden soll und stammen die Spermien von ihrem Partner, ist es nicht erforderlich, daß ein Arzt mitwirkt. Zur legalen, ärztlich assistierten künstlichen (intrakorporalen) Insemination einer Frau sowie zur extrakorporalen Befruchtung eines von ihr stammenden Eies setzt das Gesetz voraus, daß die Frau verheiratet ist oder in einem eheähnlichen Verhältnis mit einem Mann zusammenlebt.20 Nicht vorgenommen werden dürfen Reproduktionsmethoden, die der Herbeiführung einer Ersatzmutterschaft dienen. Die Eizellspende ist in Dänemark grundsätzlich zulässig. Die Implantation einer gespendeten Eizelle darf jedoch nicht erfolgen, wenn die Identität der Spenderin vor der Durchführung der Maßnahme den präsumtiven Eltern bekannt ist.21 Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften sind in Dänemark vom Zugang zu ärztlich geleiteten reproduktionsmedizinischen Maßnahmen durch das Gesetz über die künstliche Befruchtung ausgeschlossen, weil sie die elterliche Voraussetzung der Verschiedengeschlechtlichkeit nicht erfüllen.22 Da sich die Vorschriften aber nur an Ärzte richten, steht es anderen medizinischen Berufen frei, eine künstliche Befruchtung auch an Frauen vorzunehmen, welche die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllen. In Kopenhagen existiert eine von Hebammen geführte Klinik, die künstliche Befruchtungen auch bei alleinstehenden Frauen bzw. lesbischen Paaren vornimmt.23 Für den Ausschluß gleichgeschlechtlicher Paare von reproduktionsmedizinischen Maßnahmen, die von einem Arzt vorgenommen werden, wurden zum Teil antihomosexuelle Ressentiments verantwortlich gemacht.24 Mittlerweile wird in Dänemark aber diskutiert, auch lesbischen Paaren den Zugang zu Maßnahmen assistierter Reproduktion in öffentlichen Krankenhäusern zu gewähren.25
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Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 7 (28, Fn. 123). § 3 Lov om kunstig befrugtning i forbindelse med lægelig behandling, diagnostik og forskning m.v. (Nr. 460 v. 10. Juni 1997), zit. n. Dopffel/Scherpe, in: Basedow/Hopt/ Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 7 (28, Fn. 123); Nielsen/Kronborg, in: Bainham, The International Survey of Family Law 1996, S. 135 (136); Scherpe, DEuFamR 2 (2000), 32 (33, Fn. 15); ders., FPR 2001, 439 (441, Fn. 14); Lund-Andersen, in: Scherpe/Yassari, Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 455 (468). Vgl. auch Bech, AJP 2001, 264 (267, Fn. 13). Zur Entstehungsgeschichte Burrell, Assisted Reproduction in the Nordic Countries, S. 28 ff. Nielsen/Kronborg, in: Bainham, The International Survey of Family Law 1996, S. 135 (136 f.). Vgl. Scherpe, FPR 2001, 439 (441, Fn. 14); Lund-Andersen, in: Scherpe/Yassari, Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 455 (468) m.w.N. Vgl. dazu auch die schweizerische „Botschaft zum Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare“ v. 29. November 2002, BBl. Nr. 7 v. 25. Februar 2003, S. 1288 (1296); Burrell, Assisted Reproduction in the Nordic Countries, S. 28, 33. Bech, AJP 2001, 264 (267, Fn. 13). Burrell, Assisted Reproduction in the Nordic Countries, S. 35.
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2. Island Das isländische Gesetz über „bestätigtes Zusammenleben“ aus dem Jahre 1996 entspricht weitgehend dem dänischen Gesetz. In Island ist ebenfalls die Stiefkindadoption zulässig.26 Der isländische Gesetzgeber hat die künstliche Insemination bei gleichgeschlechtlichen Paaren durch eine Ergänzung des Partnerschaftsgesetzes im Jahre 2000 explizit ausgeschlossen.27 Allerdings wird dort eine Debatte geführt, lesbische Paare zu Maßnahmen assistierter Reproduktion zuzulassen.28 3. Norwegen In Norwegen wurde am 30. April 1993 ein dem dänischen Partnerschaftsgesetz gleichendes Regelwerk erlassen, das am 1. August 1993 in Kraft getreten ist.29 Wie das dänische Modell entfaltet die registrierte Partnerschaft in Norwegen grundsätzlich die gleichen Rechtswirkungen wie die Ehe. Davon ausgenommen waren zunächst u.a. die Vorschriften des für Ehegatten geltenden Adoptionsgesetzes, so daß registrierte Partner von der gemeinschaftlichen Adoption und der Stiefkindadoption ausgeschlossen waren.30 Seit 1. Januar 2002 ist in Norwegen die Stiefkindadoption zugelassen. Sie bleibt allerdings weiterhin ausgeschlossen, wenn es sich bei dem Kind bereits um ein Adoptivkind aus einem ausländischen Staat handelt, der Adoptionen durch gleichgeschlechtliche Partner nicht erlaubt.31 Eine Einzeladoption wird in Norwegen grundsätzlich nicht gewährt.32 Norwegen hat 1987 als erster nordischer Staat die assistierte Reproduktion geregelt und im Vergleich zu den anderen nordischen Staaten relativ rigide Regelun-
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Dethloff, ZEuP 2004, 59 (64); dies., ZRP 2004, 195 (197); Jakob, Die eingetragene Lebenspartnerschaft im Internationalen Privatrecht, S. 25; Kemper, FF 2005, 88 (94, Fn. 31). Art. 6 des isländischen Lov om registreret partnerskab, Nr. 87/1996, eingefügt durch Gesetz Nr. 52 im Jahr 2000, zit. n. Dethloff, ZEuP 2004, 59 (64, Fn. 47). Vgl. auch Krause, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 187 (241) m.w.N. Burrell, Assisted Reproduction in the Nordic Countries, S. 27. Lov om registreret partnerskap, Nr. 40, mit deutscher Übersetzung bei Grib, Die gleichgeschlechtliche Partnerschaft im nordischen und deutschen Recht, S. 315 f.; englische Übersetzung bei Lødrup, in: Bainham, The International Survey of Family Law 1994, 387 f. § 3 Abs. 1 (Erstreckung der Rechtswirkungen) und § 4 (Herausnahme der Adoption) des norwegischen Partnerschaftsgesetzes, vgl. Grib, Die gleichgeschlechtliche Partnerschaft im nordischen und deutschen Recht, S. 316; Lødrup, in: Bainham, The International Survey of Family Law 1994, 387 (393); Jakob, Die eingetragene Lebenspartnerschaft im Internationalen Privatrecht, S. 26. Kemper, FF 2005, 88 (94, Fn. 31); Ryrstedt, in: Scherpe/Yassari, Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 439 (449). Grib, Die gleichgeschlechtliche Partnerschaft im nordischen und deutschen Recht, S. 244 f.; Jakob, Die eingetragene Lebenspartnerschaft im Internationalen Privatrecht, S. 26, Fn. 74.
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gen eingeführt.33 Die artifizielle Reproduktion ist seit einer Änderung des Gesetzes über die künstliche Befruchtung im Jahre 1994 ausdrücklich Ehepaaren vorbehalten,34 so daß gleichgeschlechtliche Paare von reproduktionsmedizinischen Maßnahmen ausgeschlossen bleiben. 4. Schweden Wie in der Vorreiternation Dänemark war auch in Schweden eine Kommission einberufen worden, die zunächst die Situation Homosexueller in der Gesellschaft analysieren sollte. Sie kam zu dem Ergebnis, daß Regelungsbedarf bestand und unterbreitete dem schwedischen Gesetzgeber entsprechende Vorschläge.35 Auf der Basis dieser vorbereitenden Arbeit entstand das schwedische Partnerschaftsgesetz vom 23. Juni 1994, das am 1. Januar 1995 in Kraft trat.36 Das schwedische Partnerschaftsgesetz verweist wie die dänischen und norwegischen Partnerschaftsgesetze generell auf die Regelungen bzw. Rechtswirkungen der Ehe und nimmt jene Bereiche des Eherechts aus, die nicht für registrierte Partner gelten sollen. Zunächst waren von dieser Verweisung auf das Eherecht sowohl die gemeinschaftliche Adoption eines fremden Kindes durch beide Partner als auch die Stiefkindadoption ausgeschlossen. Die Einzeladoption eines Kindes durch einen registrierten Partner war ebenfalls verboten.37 Registrierte Partner durften auch nicht gemeinsam das elterliche Sorgerecht über ein minderjähriges Kind ausüben.38 Außerdem war explizit angeordnet, daß das Gesetz (1984:1140) über die Insemination und das Gesetz (1988:711) über die Befruchtung außerhalb des Körpers nicht für registrierte Partner gilt.39 Alle genannten Bereiche erfuhren in den darauffolgenden Jahren einschneidende Veränderungen. 33
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Burrell, Assisted Reproduction in the Nordic Countries, S. 17, 21, dort auch zur Entwicklung (S. 17 ff.). § 2-2 des norwegischen Lov om medisinisk bruk av bioteknologi (Nr. 56 v. 5. August 1994), zit. n. Dopffel/Scherpe, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 7 (28, Fn. 123). S. auch Burrell, Assisted Reproduction in the Nordic Countries, S. 17; Ryrstedt, in: Scherpe/Yassari, Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 439 (448); Verschraegen, Gleichgeschlechtliche „Ehen“, S. 120; dies., StAZ 1995, 225 (227). Dopffel/Scherpe, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 7 (8 f.). Lag om registrerat partnerskap (1994:1117), abgedruckt mit deutscher Übersetzung bei Grib, Die gleichgeschlechtliche Partnerschaft im nordischen und deutschen Recht, S. 317 ff.; Dopffel/Scherpe, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 7 (47 ff.); S. auch Bertschi/Pulver, AJP 2001, 319 (321 f.) sowie Bogdan, IPRax 1995, 56; ders., IPRax 2002, 534. Kap. 3 § 2 Abs. 1 S. 1 des schwedischen Partnerschaftsgesetzes. Dazu Grib, Die gleichgeschlechtliche Partnerschaft im nordischen und deutschen Recht, S. 264; Dopffel/ Scherpe, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 7 (27); Bogdan, IPRax 2002, 534. Schwedisches Partnerschaftsgesetz Kap. 3 § 2 Abs. 1 S. 2. Dazu auch Verschraegen, Gleichgeschlechtliche „Ehen“, S. 126; Bogdan, IPRax 2002, 534. Schwedisches Partnerschaftsgesetz Kap. 3 § 2 Abs. 2; Übersetzung von Dopffel/Scherpe, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensge-
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Im Februar 1999 wurde in Schweden eine parlamentarische Kommission mit der Aufgabe betraut, die Situation von Kindern in gleichgeschlechtlichen Familien zu untersuchen. Im Zentrum dieser Arbeit stand die Frage, ob Adoptionsrechte eingeführt werden sollten. Ende 2001 legte die Kommission ihren Abschlußbericht vor. Die Mehrheit der Kommissionsmitglieder war der Überzeugung, daß Unterschiede im Adoptionsrecht zwischen verschiedengeschlechtlichen und gleichgeschlechtlichen Paaren nicht länger objektiv gerechtfertigt seien und auch registrierten Partnern die Möglichkeit offenstehen sollte, als Adoptiveltern in Betracht gezogen zu werden. Eine Mehrheit plädierte auch für die Zulässigkeit der Stiefkindadoption bei registrierten Partnern. Darüber hinaus war die Kommission der Ansicht, daß lesbische Paare – unabhängig von einer Registrierung ihrer Partnerschaft – in gleicher Weise wie verschiedengeschlechtliche (verheiratete oder unverheiratete) Paare Zugang zu Maßnahmen assistierter Reproduktion in öffentlichen Krankenhäusern haben sollten.40 Daraufhin präsentierte die schwedische Regierung im März 2001 einen Gesetzentwurf über „Partnerschaft und Adoption“, der vom schwedischen Parlament, dem Riksdag, im Mai 2002 verabschiedet wurde. Das Gesetz stellt registrierte Partner auf dem Gebiet des Adoptionsrechts mit Ehepaaren gleich. Der Riksdag hatte die Entscheidung über das Inkrafttreten des Gesetzes an die Regierung delegiert. Diese Vorgehensweise erschien notwendig, weil man in Schweden wegen der adoptionsrechtlichen Regelungen des Gesetzes der Ansicht war, zunächst den Ausstieg aus der Europäischen Konvention über die Adoption von Kindern von 1967 bekannt geben zu müssen.41 Nachdem sich Schweden von diesem Übereinkommen gelöst hatte, konnte das Gesetz am 1. Februar 2003 in Kraft treten.42 Seither sind die für Ehegatten geltenden Adoptionsvorschriften auch auf registrierte Partner anwendbar. Schweden hat nicht nur die Stiefkindadoption und die gemeinschaftliche Adoption inländischer Kinder, sondern auch die gemeinschaftliche Adoption ausländischer Kinder durch gleichgeschlechtliche Paare zugelassen.43 Mit der Einführung adoptionsrechtlicher Regelungen wurden gleichzeitig auch die Vorschriften über die elterliche Sorge geändert. Registrierten Partnern und homo-
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meinschaften, S. 7 (49); vgl. auch Grib, Die gleichgeschlechtliche Partnerschaft im nordischen und deutschen Recht, S. 320; Bogdan, IPRax 2002, 534, Fn. 2. Vgl. zu den Gesetzen über die künstliche Befruchtung auch Ryrstedt, in: Scherpe/Yassari, Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 415 (432). Saldeen, in: Bainham, The International Survey of Family Law 2003 Edition, S. 411 (413 f.). Dazu auch Ytterberg, AJP 2001, 287 (290), der als Experte in dem genannten Gremium mitwirkte. Zur Diskussion um die Adoption Rentzsch, SZ Nr. 47 v. 26. Februar 2002, S. 12. Vgl. auch Dopffel/Kötz/Scherpe, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 391 (405). BGBl. II v. 3.9.1980, S. 1093, vgl. Teil II § 7 III.2.c)(4)(d), S. 171. Jänterä-Jareborg, FamRZ 2003, 349; Dethloff, ZEuP 2004, 59 (65 m. Fn. 55); Kemper, FF 2005, 88 (94, Fn. 29); Röthel, FamRZ 2006, 598 (600 m. Fn. 27); Kohler/Pintens, FamRZ 2007, 1481 (1485); Ryrstedt, in: Scherpe/Yassari, Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 415 (433): Der Adoptant muß in der Regel 25 Jahre alt sein. Vgl. zu Auslandsadoptionen in Schweden Saldeen, in: Bainham, The International Survey of Family Law 1997, S. 405 (406). Jänterä-Jareborg, FamRZ 2003, 349; Dethloff, ZRP 2004, 195 (197), (199) m.w.N.
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sexuellen Einzelpersonen kann einzeln bzw. gemeinsam die elterliche Sorge für ein minderjähriges Kind übertragen werden.44 In der Diskussion um das Gesetz war der Vorschlag, ausländische Kinder zur Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare zuzulassen, besonders heftig umstritten. Die Gegner machten geltend, einem Kind, das bereits die Trennung von seinen leiblichen Eltern und seinem Heimatland verkraften mußte, dürfe die Belastung durch eine weitere Außenseiterposition nicht zugemutet werden. Nach schwedischen Untersuchungen sollen aus dem Ausland adoptierte Mädchen und Jungen eine erhöhte Vulnerabilität aufweisen: Bei Drogen- und Alkoholmißbrauch, kriminellen Vorfällen oder Selbstmordversuchen seien sie deutlich überrepräsentiert. Auch das schwedische Adoptionszentrum, welches rund drei Viertel aller Auslandsadoptionen vermittelt, verhielt sich ablehnend, da in mehreren Kontaktländern wie China, Korea, Vietnam und den Philippinen Homosexualität strafbar und die Sicht auf Adoptionen durch Homosexuelle äußerst negativ sei. In diesem Zusammenhang berichtete die Presse, nach der Adoptionserlaubnis für Homosexuelle in einigen Bundesstaaten der USA habe beispielsweise China von potentiellen Eltern beglaubigte Versicherungen ihrer „normalen“ Sexualität eingeholt.45 Befürchtet wurde ferner, daß sich die Zurückhaltung in den Ursprungsländern gegenüber gleichgeschlechtlichen Adoptanten auch negativ auf schwedische Ehepaare und Alleinstehende auswirken könnte. Der schwedische Gesetzgeber geht derzeit davon aus, daß schwedische registrierte Partner in nächster Zukunft nur ausnahmsweise ausländische Kinder werden adoptieren können.46 Denn auf eine an 25 übliche Ursprungsländer gerichtete Anfrage, ob sie die Adoption von Kindern durch schwedische gleichgeschlechtliche Paare akzeptierten, hatten alle 17 antwortenden Länder geäußert, daß sie nur Ehegatten und Alleinstehende als Adoptanten in Betracht zögen. Hinzu kommt, daß in Schweden Auslandsadoptionen nur dann erlaubt sind, wenn sie von bestimmten, dazu berechtigten Organisationen vermittelt werden. In der Vergangenheit unterhielten diese Organisationen keine Kontakte zu Ländern, die registrierte gleichgeschlechtliche Paare als mögliche Adoptiveltern gebilligt hätten. In Schweden wird daher davon ausgegangen, daß die Reform des Adoptionsrechts keine praktischen Auswirkungen auf zwischenstaatliche Adoptionen und damit keine nachteiligen Konsequenzen für verschiedengeschlechtliche adoptionswillige Paare haben werde.47 Die Entwicklung des Partnerschaftsrechts blieb in Schweden nicht nur auf kindschaftsrechtliche Regelungen beschränkt, sondern betraf auch die künstliche 44
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Saldeen, in: Bainham, The International Survey of Family Law 2003 Edition, S. 411 (414); Jänterä-Jareborg, FamRZ 2003, 349; Dethloff, ZEuP 2004, 59 (65) m.w.N. Für bloße Hausstandsgemeinschaften, die in ihrer Regelungsintensität hinter der registrierten Partnerschaft zurückbleiben, gilt dies nicht, vgl. Ytterberg, AJP 2001, 287 (289). Rentzsch, SZ Nr. 47 v. 26. Februar 2002, S. 12. Allerdings sind Auslandsadoptionen in den USA weniger bedeutsam als in Europa, vgl. dazu unten den Text zu Fn. 158. Vgl. Jänterä-Jareborg, FamRZ 2003, 349 (350). So Bogdan, IPRax 2002, 534. Nach Vonk, 18 Int.J.Law & Fam. (2004), 103 (116, Fn. 6) sollen alle ausländischen Staaten, die Kinder zur Adoption nach Schweden entsenden, ihr Einverständnis versagt haben, diese Kinder zu gleichgeschlechtlichen Eltern zu geben.
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Befruchtung. Der zunächst im schwedischen Partnerschaftsgesetz expressis verbis angeordnete Ausschluß registrierter Partner von den Gesetzen (1984:1140) über die Insemination und (1988:711) über die Befruchtung außerhalb des Körpers hatte weniger konstitutive denn klarstellende Wirkung, da bereits nach beiden Gesetzen die von ihnen erfaßten reproduktionsmedizinischen Maßnahmen nur erfolgen durften, wenn die Frau verheiratet war oder mit einem Mann zusammenlebte.48 Für die assistierte Reproduktion gelten in Schweden grundsätzlich folgende Maßgaben. Sofern das Sperma nicht von dem Mann stammt, mit dem die Frau verheiratet ist oder zusammenlebt, darf die Maßnahme nur in allgemeinen Krankenhäusern unter der Aufsicht von Fachärzten für Gynäkologie und Geburtshilfe vorgenommen werden. Der behandelnde Arzt hat festzustellen, ob eine Insemination mit Rücksicht auf die medizinischen, psychologischen und sozialen Verhältnisse des Paares verantwortet werden kann. Dabei ist zu gewährleisten, daß das Kind unter guten Bedingungen aufwachsen wird.49 Die Entscheidung des Arztes kann von den Betroffenen angefochten werden. Die Auswahl eines geeigneten Spenders ist dem Arzt überlassen. Kryokonserviertes Sperma darf nicht verwendet werden. Die Informationen über den Spender müssen mindestens 70 Jahre aufbewahrt werden. Das aufgrund der Insemination gezeugte Kind hat einen umfassenden Anspruch auf Auskunft aus den aufbewahrten Daten. Als Vater eines Kindes, das durch künstliche Befruchtung mit fremdem Sperma gezeugt worden ist, gilt im Rechtssinne der Mann, der mit der Mutter verheiratet ist oder mit ihr zusammenlebt und sein Einverständnis zur Insemination erteilt hat.50 Im Gesetz über „Partnerschaft und Adoption“, das seit 1. Februar 2003 gilt, war der Zugang zu Maßnahmen assistierter Reproduktion in öffentlichen Krankenhäusern für lesbische Partnerinnen von der Regierung vorerst noch mit dem Argument versagt worden, man müsse sich darüber Gedanken machen, wie eine solche Elternschaft in rechtlicher Hinsicht ausgestaltet werden soll.51 Die bereits zuvor am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Änderungen des Gesetzes über die extrakorporale Befruchtung gestatten nur die Verwendung von fremdem Sperma und fremden Eizellen. Die elterlichen Voraussetzungen für eine künstliche Befruchtung blieben durch die Novelle unangetastet.52 Am 1. Juli 2005 sind in Schweden die Änderungen der Gesetze über die Insemination und die extrakorporale Befruchtung sowie die Änderungen der Vor-
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Lag (1984:1140) om insemination, § 2 S. 1, zit. n. Grib, Die gleichgeschlechtliche Partnerschaft im nordischen und deutschen Recht, S. 266. Vgl. auch Ytterberg, AJP 2001, 287 (289 mit Fn. 23). Lag (1984:1140) om insemination, § 3 Abs. 1 bzw. Abs. 2, zit. n. Grib, Die gleichgeschlechtliche Partnerschaft im nordischen und deutschen Recht, S. 266. Vgl. auch Jänterä-Jareborg, FamRZ 2006, 1329 (1330, Fn. 21). Vgl. zum ganzen Grib, Die gleichgeschlechtliche Partnerschaft im nordischen und deutschen Recht, S. 266. Saldeen, in: Bainham, The International Survey of Family Law 2003 Edition, S. 411 (414). Vgl. auch Bogdan, IPRax 2002, 534, Fn. 2. Die Änderung erfolgte durch das Gesetz (2002:252), vgl. Jänterä-Jareborg, FamRZ 2003, 350; dies., FamRZ 2003, 349.
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Teil III Komparatistische Untersuchung
schriften über die Abstammung in Kraft getreten.53 Seither gelten die Regelungen über die assistierte Reproduktion weitestgehend auch für lesbische Partnerschaften. Von ihrem Anwendungsbereich erfaßt sind sowohl Paare, die eine registrierte Partnerschaft führen, als auch solche, die in einer rechtlich formalisierten Lebensbzw. Haushaltsgemeinschaft54 leben. Für nicht-formalisierte lesbische Partnerschaften gelten die Vorschriften nicht. Da mit den Regelungen sichergestellt werden soll, daß ein durch Maßnahmen assistierter Reproduktion gezeugtes Kind zwei Elternteile hat, sind alleinstehende Frauen unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung vom Zugang zu diesen Methoden ausgeschlossen.55 Die seit 1. Januar 2003 zulässige Eizellspende bleibt weiterhin auf verheiratete und eheähnlich zusammenlebende verschiedengeschlechtliche Paare beschränkt. Daher dürfen nach schwedischem Recht bei lesbischen Paaren immer nur Eizellen befruchtet werden, die von der Frau stammen, die das Kind austrägt. Eizellen der Partnerin oder einer dritten Frau sind von der Verwendung ausgeschlossen.56 Die Zulassung lesbischer Paare zu Maßnahmen assistierter Reproduktion ist auf künstliche Befruchtungen beschränkt, die in öffentlichen Krankenhäusern durchgeführt werden. Dazu gehören in Schweden alle von der öffentlichen Hand finanzierten Krankenhäuser einschließlich der Universitätskliniken.57 In Schweden gibt es zur Zeit kein einziges privates Krankenhaus, das autorisiert ist, künstliche Befruchtungen bei lesbischen Paaren durchzuführen. Aus diesem Grund fahren schwedische lesbische Paare nicht selten ins Ausland, um sich dort in einem Krankenhaus behandeln zu lassen.58 Für diese Einschränkung waren mehrere Gründe ausschlaggebend. Öffentliche Krankenhäuser, die eine Befruchtung durchführen, tragen dafür Sorge, daß die Daten über die Identität des Samenspenders aufbewahrt werden. Sobald das Kind reif genug ist, hat es die Möglichkeit, die Identität des Samenspenders anhand der Dokumentation zu erfahren. Dieses Recht steht allein dem Kind, nicht aber seinen Wunscheltern zu. Gegenüber dem behandelten Paar wird die Identität des Samenspenders immer geheim gehalten.59 Von der Durchführung der künstlichen Befruchtung in einem öffentlichen Krankenhaus hängen zudem bedeutende statusrechtliche Konsequenzen ab. Stimmt die Partnerin der Befruchtung zu, so ist sie unter bestimmten Voraussetzungen rechtlich als ein der plazentaren Mutter vollkommen gleichgestellter Elternteil anzuse-
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Durch die Gesetze (2005:443), (2005:445) und (2005:434), s. Jänterä-Jareborg, FamRZ 2006, 1329. Diese beschränkt sich in Schweden auch nach ihrer Novellierung im Jahre 2003 immer noch auf Fragen der gemeinsamen Wohnung und der gemeinsamen Haushaltsgegenstände der Partner, vgl. Jänterä-Jareborg, FamRZ 2004, 1431 f. Vgl. dazu auch oben, S. 177. Jänterä-Jareborg, FamRZ 2006, 1329. Jänterä-Jareborg, FamRZ 2006, 1329, Fn. 13. Jänterä-Jareborg, FamRZ 2006, 1329, Fn. 2. So die Auskunft von Maarit Jänterä-Jareborg, E-Mail vom 16. August 2007 an den Verf. Jänterä-Jareborg, FamRZ 2006, 1329 (1330 m. Fn. 22).
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hen.60 Die Zustimmung kann entweder in schriftlich beglaubigter Form abgegeben oder gerichtlich festgestellt werden. Die Erklärung ist nur dann wirksam, wenn sie behördlich genehmigt worden ist und die plazentare Mutter mit der Etablierung eines statusrechtlichen Bandes zwischen dem Kind und ihrer Partnerin einverstanden ist.61 Die Zustimmung zur künstlichen Befruchtung darf bereits vor der Geburt des Kindes erklärt werden. Die Vaterschaft des Samenspenders kann in diesen Fällen nicht festgestellt werden, da nach schwedischem Recht ein Kind im rechtlichen Sinne höchstens zwei Elternteile haben darf. Der schwedische Gesetzgeber verfolgt mit diesen Vorgaben u.a. das Ziel, Klarheit und Sicherheit über die statusrechtlichen Verbindungen zu schaffen.62 Die Differenzierung zwischen öffentlichen und anderen Krankenhäusern wird in Schweden damit gerechtfertigt, daß es im Interesse des Kindes und des lesbischen Paares liegen könne, wenn die Herstellung einer statusrechtlichen Verbindung zum leiblichen Vater möglich bleibt. Der Gesetzgeber dachte hierbei an Fälle, bei welchen lesbische Paare mit der Samenspende eines schwulen Paares eine Insemination unter eigener Regie vornehmen. Hier soll es allen Beteiligten offen stehen, die Vaterschaft des Samenspenders zu etablieren. Dies ist bei einer Behandlung in einem öffentlichen Krankenhaus nicht möglich, weil dort die Identität des Samenspenders gegenüber den Wunscheltern immer geheim gehalten wird. Untersuchungen zufolge bevorzugten viele lesbische Paare eine private Insemination deshalb, weil sie dadurch die Identität des Samenspenders vor dem Kind geheim halten können. Als weiterer Grund wird angegeben, daß es lesbische Paare gebe, die öffentliche Nachforschungen über ihre Eignung als Erziehungspersonen vermeiden möchten.63 Im Gegensatz zu lesbischen Paaren wird bei verheirateten Paaren (die sich in Schweden immer aus verschiedengeschlechtlichen Personen konstituieren)64 die Vaterschaft des Ehemannes bei der artifiziellen Reproduktion im heterologen Verfahren gesetzlich vermutet, wenn er mit dieser Vorgehensweise einverstanden war. Bei nichtehelichen verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften bindet die Zustimmung des Mannes zur Samenspende. In beiden Fällen spielt es keine Rolle, ob die künstliche Befruchtung in einem öffentlichen Krankenhaus stattfindet.65 60
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Die abstammungsrechtlichen Regelungen verzichten bei lesbischen Paaren auf den Begriff der Mutterschaft und sprechen von Elternschaft. Diese terminologische Differenzierung hat jedoch keine statusrechtliche Verbindung minderer Qualität zur Folge, Jänterä-Jareborg, FamRZ 2006, 1329 m. Fn. 14. Jänterä-Jareborg, FamRZ 2006, 1329: „A confirmation of parenthood must always be approved by the social welfare board and by the birthmother.“ Jänterä-Jareborg, FamRZ 2006, 1329 (1330). Jänterä-Jareborg, FamRZ 2006, 1329 (1330). Zu den weiteren allgemeinen und damit auch für lesbische Paare geltenden Voraussetzungen für die Durchführung von Maßnahmen assistierter Reproduktion in öffentlichen schwedischen Krankenhäusern vgl. oben, S. 185. Mittlerweile kennen einige europäische Staaten die gleichgeschlechtliche Ehe, so die Niederlande (vgl. unten, S. 190 ff.), Belgien (dazu unten, S. 193 f.) und Spanien (unten, S. 198 f.). Jänterä-Jareborg, FamRZ 2006, 1329 (1330).
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Teil III Komparatistische Untersuchung
Wird bei einem lesbischen Paar die künstliche Befruchtung privat, im Ausland oder auf andere Weise durchgeführt, kann die statusrechtliche Verbindung der nicht-gebärenden Partnerin nicht durch die Abgabe einer entsprechenden Erklärung herbeigeführt werden. In diesen Fällen hat das Kind zunächst nur einen rechtlichen Elternteil, nämlich die plazentare Mutter. In Schweden wird dann von öffentlichen Stellen eine sog. Vaterschaftsermittlung durchgeführt, die in der Regel ergebnislos verläuft und eingestellt wird, weil die Samenspender anonym bleiben und ihre Identität nicht festgesellt werden kann. Lesbische Paare, die in einer registrierten Partnerschaft leben, sind in diesen Fällen auf die Annahme des Kindes nach den Vorschriften über die Stiefkindadoption angewiesen. Die Gerichte geben diesen Anträgen meistens statt.66 Leben die Partnerinnen in einer rechtlich verfaßten Lebens- bzw. Haushaltsgemeinschaft, steht ihnen diese Möglichkeit nicht offen. Im Gesetzgebungsverfahren wurde kritisiert, die Regelungen dienten nicht dem Kindeswohl, sondern hätten ausschließlich die Interessen der Eltern im Auge. Es sei ungenügend untersucht, wie es sich auf ein Kind auswirkt, wenn es bei einem lesbischen Paar aufwächst. Dem widersprachen Regierung und Parlament. Sie beriefen sich auf die vorhandenen Studienergebnisse, wonach gleichgeschlechtliche Eltern ihren Kindern ein gutes Umfeld für ihre Entwicklung bieten.67 Die gesetzliche Regelung wurde ferner mit dem Argument gerechtfertigt, daß faktisch lesbische Paare oft im Ausland oder privat eine Befruchtung organisierten, wodurch die Identität des Spenders nicht mehr festgestellt werden könne und bei dieser Vorgehensweise dem Kindeswohl ebenfalls nicht gedient sei. Das Recht des Kindes auf Kenntnis der genetischen Abstammung lasse sich am besten gewährleisten, wenn die Befruchtung in einem öffentlichen Krankenhaus in Schweden vorgenommen und die Identität des Samenspenders dokumentiert wird. Derzeit wird auf Initiative der schwedischen Regierung geprüft, ob registrierte gleichgeschlechtliche Partnerinnen wie verheiratete Paare behandelt werden sollen. Erwogen wird, die mit der künstlichen Befruchtung einverstandene Partnerin von Gesetzes wegen als Elternteil anzusehen und die Beschränkung der Regelungen über die assistierte Reproduktion auf öffentliche Krankenhäuser aufzuheben.68 5. Finnland Obwohl eine bereits 1992 eingesetzte Kommission befand, daß es keine einleuchtenden Gründe dafür gebe, gleichgeschlechtliche Partnerschaften grundsätzlich anders zu behandeln als verschiedengeschlechtliche, hat Finnland als letzter nordischer Staat am 8. November 2001 ein „Gesetz über die registrierte Partnerschaft“ erlassen, welches am 1. März 2002 in Kraft getreten ist.69 Insgesamt entspricht auch dieses Gesetz weitgehend den Regelungen über gleichgeschlechtliche Partnerschaften in den anderen nordischen Staaten. Die rechtlichen Folgen einer registrierten Partnerschaft sind in Finnland daher praktisch dieselben wie bei einer 66 67 68 69
So Maarit Jänterä-Jareborg, E-Mail vom 16. August 2007 an den Verf. Vgl. dazu auch Teil I § 5, S. 62 ff. Jänterä-Jareborg, FamRZ 2006, 1329 (1330). Zur Gesetzgebungsgeschichte Helin, in: Bainham, The International Survey of Family Law 1997, S. 153 (164 f.).
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Eheschließung. Hinsichtlich der kindschaftsrechtlichen Regelungen sind die bedeutendsten Abweichungen zu konstatieren. Für registrierte Partner gelten nicht die Regelungen über die Vaterschaftsvermutung. Nicht anwendbar sind auch die Regelungen über die gemeinschaftliche Adoption eines Kindes durch ein Ehepaar sowie Regelungen über die Stiefkindadoption.70 Die Befürworter eines Rechtsinstituts kritisierten, das finnische Gesetz gebe registrierten Partnern absichtsvoll und ungerechterweise eine schlechtere Position als Eheleuten. Besonders der Ausschluß der registrierten Partner aus dem Anwendungsbereich der für die Ehe geltenden Vorschriften über die Adoption sei eine unverhohlene Diskriminierung.71 Die assistierte Reproduktion ist in Finnland trotz jahrelanger Debatten und verschiedener Gesetzesentwürfe nach wie vor nicht geregelt. Bei den bisher diskutierten Vorschlägen war immer auch die Frage umstritten, ob lesbische Paare Zugang zu reproduktionsmedizinischen Maßnahmen erhalten sollten. Ein Ende 2005 vorgestellter Regierungsentwurf sah dies beispielsweise vor.72 Zu dem Umstand, ob lesbische bzw. gleichgeschlechtliche Paare faktisch Zugang zu reproduktionsmedizinischen Maßnahmen haben, schweigen die verfügbaren Quellen.73 Allerdings ist hervorzuheben, daß in finnischen Kliniken seit 1991 auch Ersatzmutterschaftsarrangements mittels künstlicher Befruchtung realisiert wurden. In allen Fällen waren die Wunscheltern die genetischen Eltern des Embryos (sog. Tragemutterschaft).74 Es handelte sich um insgesamt 17 verschiedengeschlechtliche Paare, die in vier Kliniken einen oder mehrere Behandlungszyklen durchführen ließen. Vier der Wunscheltern kamen aus anderen nordischen Staaten: zwei Elternpaare aus Schweden und jeweils ein Elternpaar aus Dänemark und Norwegen.75 Die Ersatzmütter, um deren Engagement sich die Wunscheltern selbst gekümmert hatten, waren unbezahlte Freiwillige: sechs Schwestern, drei Mütter, die Schwester eines Ehemannes, eine Cousine, vier Freunde und drei andere Freiwillige, die nicht mit den Wunscheltern in einem der vorbeschriebenen Näheverhältnisse standen.76 Da in Finnland die Mater-est-Regel gilt, wurden die Kinder zur Herstellung voller verwandtschaftlicher Beziehungen nach der Geburt von den Wunscheltern adoptiert. Die behandelnden Ärzte hoben hervor, daß sie eine hohe
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Savolainen, FamRZ 2002, 519 (519 f.); Kemper, FF 2005, 88 (94, Fn. 30). Vgl. Savolainen, FamRZ 2002, 519 (520). Vgl. zum ganzen Burrell, Assisted Reproduction in the Nordic Countries, S. 37 ff., dort auch zu den verschiedenen nicht Gesetz gewordenen Entwürfen. Burrell, Assisted Reproduction in the Nordic Countries, 2005; Savolainen, FamRZ 2002, 519 f.; Helin, in: Bainham, The International Survey of Family Law 1997, S. 153 ff. Zur Terminologie vgl. Teil IV § 9 V.1., S. 225 f. Söderström-Anttila/Blomqvist et al., 81 Acta Obstet. Gynecol. Scand. (2002), 747 (748). Ein Wunschelternpaar hatte zwei Tragemütter engagiert, Söderström-Anttila/Blomqvist et al., 81 Acta Obstet. Gynecol. Scand. (2002), 747 (748), vgl. auch (751): „The motivation for participation is based on a true wish to help a less fortunate relative or a close friend.“
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Erfolgsrate zu verzeichnen hatten und alle Beteiligten mit dem Vorgehen sehr zufrieden waren.77
III. Das Recht weiterer ausgewählter kontinentaleuropäischer Staaten 1. Niederlande Am Anfang der niederländischen Rechtsentwicklung stand das Institut der registrierten Partnerschaft, welches am 1. Januar 1998 in Kraft trat und sowohl gleichals auch verschiedengeschlechtlichen Paaren offensteht.78 Unter Beibehaltung dieses Instituts haben die Niederlande mit Wirkung vom 1. April 2001 als erstes Land weltweit gleichgeschlechtliche Paare zur Ehe zugelassen.79 Zum gleichen Zeitpunkt trat das Gesetz über die Adoption durch Personen gleichen Geschlechts in Kraft.80 Zu Beginn der Diskussion um die gleichgeschlechtliche Ehe waren in den Niederlanden die kindschaftsrechtlichen Wirkungen der Ehe, insbesondere das Abstammungsrecht und das Adoptionsrecht, noch ein entscheidender Hinderungsgrund gewesen, dieses Institut für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen.81 Im Verlauf der Debatte ließ man diese Bedenken teils fallen, teils trug man ihnen Rechnung, indem die schließlich Gesetz gewordene Lösung die Rechtswirkungen der Ehe nicht vollständig auf gleichgeschlechtliche Verbindungen überträgt. Dies gilt etwa für die Abstammungsfolgen der Ehe, für die sich nach Ansicht des niederländischen Gesetzgebers aus der Natur der Dinge ergebe, daß sie nicht auf gleichgeschlechtliche Ehen anwendbar sein können. Die Vaterschaftsvermutung des mit der Mutter verheirateten Mannes sei bei gleichgeschlechtlichen Ehen ge-
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Söderström-Anttila/Blomqvist et al., 81 Acta Obstet. Gynecol. Scand. (2002), 747 (752); vgl. a. Burrell, Assisted Reproduction in the Nordic Countries, S. 38, Fn. 60. Dazu Boele-Woelki/Schrama, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 51 (53 ff.); Verschraegen, DEuFamR 2 (2000), 64 (66) m.w.N.; Röthel, in: Barnstedt/Häsemeyer/Lipp/Pawlowski/Windel, Was gehen den Staat Ehe und Partnerschaft an?, S. 70 (82 ff.); dies., IPRax 2002, 496 ff.; Schlüter/ Heckes/Stommel, DEuFamR 2 (2000), 1 (4); de Groot/Haase, StAZ 1998, 165 (168); Kramer, IPRax 2002, 537 (539); Kemper, FF 2005, 88 (94, Fn. 29); zur Vorgeschichte auch Pintens, FamRZ 2000, 69 (74 ff.). Kritisch Nuytinck, StAZ 2000, 72 (73). Baur/Mattijssen, AJP 2001, 292; Kramer, IPRax 2002, 537 (539); Sumner/Forder, in: Bainham, The International Survey of Family Law 2003 Edition, S. 263 (264); Vonk, 18 Int.J.Law & Fam. (2004), 103; Röthel, in: Barnstedt/Häsemeyer/Lipp/Pawlowski/ Windel, Was gehen den Staat Ehe und Partnerschaft an?, S. 70 (87 ff.); dies., IPRax 2006, 250; Kemper, FF 2005, 88 (94, Fn. 29). Zur vorangegangenen Diskussion BoeleWoelki/Schrama, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 51 (76 ff.). Baur/Mattijssen, AJP 2001, 292 (295); Pintens, FamRZ 2000, 69 (76); Verschraegen, DEuFamR 2 (2000), 64 (66 f.); Röthel, FamRZ 2006, 598 (600 m. Fn. 27). Übersetzungen der niederländischen Gesetzestexte bei Bertschi/Pulver, AJP 2001, 319 (337 ff.). Forder, in: Bainham, The International Survey of Family Law 1995, S. 359 (360).
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genstandslos.82 Andernfalls hätte man rechtlich die Möglichkeit geschaffen, daß ein Kind von zwei Müttern oder Vätern abstamme, obwohl dies natürlicherweise unmöglich sei. Dadurch wäre die Diskrepanz zwischen Recht und Realität zu groß geworden.83 Diese Regelung hat teilweise Kritik84 erfahren, die jedoch dadurch relativiert wird, daß der im Vordergrund stehende Schutz der Beziehung eines Kindes zu zwei gleichgeschlechtlichen Bezugspersonen durch die Möglichkeit des gemeinsamen Sorgerechts, vor allem aber durch die Gestattung der gemeinsamen Adoption bzw. Stiefkindadoption gewährleistet werden kann.85 In ihrem erläuternden Bericht hat die niederländische Regierung die Adoptionsmöglichkeiten für gleichgeschlechtliche Paare damit gerechtfertigt, daß ein Kind, welches in einer auf Dauer angelegten Beziehung zwischen zwei Frauen oder zwei Männern aufwachse, ein Recht auf gesetzlichen Schutz in dieser Beziehung habe. Beide Frauen bzw. beide Männer hätten die Verantwortung für die Fürsorge und die Erziehung des Kindes auf sich genommen und seien bereit, diese Verantwortung zu tragen. Es liege im Interesse des Kindes, der Beziehung zu seinen sozialen Eltern rechtlichen Schutz zu verleihen. Im niederländischen Recht sollte dieser Rechtsschutz aber nicht durch eine Änderung des Abstammungsrechts, sondern über eine Änderung des Adoptionsrechts gewährleistet werden, weil die Elternschaft zweier gleichgeschlechtlicher Paare immer eine nichtbiologische Form der Verwandtschaft einschließe.86 82
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Vgl. Dethloff, ZEuP 2004, 59 (65); Röthel, in: Barnstedt/Häsemeyer/Lipp/Pawlowski/ Windel, Was gehen den Staat Ehe und Partnerschaft an?, S. 70 (87 ff.); dies., IPRax 2002, 496 (497); Forder, in: Bainham, The International Survey of Family Law 2000 Edition, S. 239 (249). Baur/Mattijssen, AJP 2001, 292 (296) m.w.N. Kritisch Nuytinck, StAZ 2000, 72 (74): Eine Ehe ohne abstammungsrechtliche Folgen sei keine Ehe. Baur/Mattijssen, AJP 2001, 292 (296), die die Rechtsvermutung der Vaterschaft des mit der Mutter verheirateten Mannes ebenso für eine „Fiktion“ halten, wie es die der angeheirateten Ehefrau der leiblichen Mutter wäre. Die Rechtsvermutung sei zu einem Zeitpunkt geschaffen worden, als es im Gegensatz zur Evidenz der Mutterschaft medizinisch nicht möglich gewesen sei, die Vaterschaft eindeutig nachzuweisen. Dies könne heute durch genetische Tests jedoch ohne großen Aufwand und jederzeit erfolgen. Außerdem deuteten Studien darauf hin, daß in westlichen Gesellschaften bis zu einem Viertel der ehelich geborenen Kinder nicht vom Ehegatten der leiblichen Mutter und vermuteten Vater abstammen. Den Autoren ist – ohne auf die problematische Verwendung der Begriffe Vermutung und Fiktion näher einzugehen – entgegenzuhalten, daß eine zweite Mutterschaft ohne reproduktionsmedizinische bzw. genetische Techniken immer rechtlich eine Fiktion bleiben muß, während die Vaterschaftsvermutung eine biologische Grundlage hat. Baur/Mattijssen, AJP 2001, 292 (296 f.). Zum Sorgerecht auch Dethloff, ZRP 2004, 195 (197); Boele-Woelki/Schrama, in: Scherpe/Yassari, Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 307 (324 ff.). Gegen ein Adoptionsrecht gleichgeschlechtlicher Paare Nuytinck, StAZ 2000, 72 (75). So der erläuternde Bericht, in Übersetzung wiedergegeben bei Baur/Mattijssen, AJP 2001, 292 (297); vgl. auch Forder, in: Bainham, The International Survey of Family Law 2000 Edition, S. 239 (261 ff.). Die Aussage des erläuternden Berichts, daß gleichgeschlechtliche Elternschaft immer eine nichtbiologische Form der Verwandtschaft mit
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Um interkulturelle Konflikte auszuschließen, haben die Niederlande gleichgeschlechtlichen Paaren die Adoption ausländischer Kinder versagt. Adoptiert werden können nur Kinder, deren gewöhnlicher Aufenthaltsort sich im Inland befindet.87 In der Vergangenheit wurden in den Niederlanden insgesamt nur 60 bis 100 innerstaatliche Adoptionen durchgeführt. Daneben befürchtete man in den Niederlanden auch, daß die Bereitschaft der Herkunftsländer von ausländischen Adoptivkindern generell sinken könnte, wenn sie damit rechnen müssen, daß das Kind von einem gleichgeschlechtlichen Paar adoptiert wird.88 In den Niederlanden existieren keine Gesetze, die den Zugang gleichgeschlechtlicher Paare zu Maßnahmen assistierter Reproduktion regeln. Niederländische Krankenhäuser, die künstliche Befruchtungen durchführen, können selbst entscheiden, welche Paare oder Einzelpersonen sie behandeln. Allerdings darf die Auswahl nicht zu einer Diskriminierung führen. Prinzipiell können deshalb auch lesbische Paare die Methoden der artifiziellen Reproduktion in Anspruch nehmen.89 Gleichwohl lehnten in der Vergangenheit einige Krankenhäuser es ab, lesbische Paare zu behandeln. In einer Untersuchung dieser Fälle kam der niederländische Ausschuß für Gleichbehandlung zu der Überzeugung, daß ein Verstoß gegen den in Art. 1 der niederländischen Verfassung niedergelegten Gleichheitsgrundsatz vorliege. Allerdings kommt den Entscheidungen dieses Gremiums keine Bindungswirkung zu.90 In den Niederlanden ist die kommerzielle Ersatzmutterschaft strafrechtlich verboten.91 Die niederländische Regierung steht nichtkommerziellen Ersatzmutterschaftsvereinbarungen eher ablehnend gegenüber. Gleichwohl besteht aber auch kein Verbot. Entsprechende Vereinbarungen können vor Gericht jedoch nicht durchgesetzt werden, weshalb weder Ersatzmutter noch Wunscheltern gezwungen werden können, das Kind herzugeben bzw. aufzunehmen. Prinzipiell dürfte daher ein schwules Paar in den Niederlanden im Rahmen eines nichtkommerziellen
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einschließe, ist in dieser Allgemeinheit nicht richtig. Wenn von einem lesbischen Paar die eine Partnerin plazentare Mutter und die andere Partnerin die genetische Mutter ist, dann besteht zu beiden Müttern ein biologisches Band, vgl. Teil IV § 9 V.2., S. 226 f. Vgl. Bertschi/Pulver, AJP 2001, 319 (338, Fn. 32); Vonk, 18 Int.J.Law & Fam. (2004), 103 (106 mit Fn. 6); Kemper, FF 2005, 88 (94, Fn. 29); Boele-Woelki/Schrama, in: Scherpe/Yassari, Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 307 (323). Siehe auch Boele-Woelki/Schrama, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 51 (79 ff.), (94 f. m. Fn. 196); Maxwell/Mattijssen/Smith, EJCL 3.1 (August 1999), 2.1.2, Fn. 52. Diese Frage wurde bereits Mitte der 1990er Jahre diskutiert, vgl. Forder, in: Bainham, The International Survey of Family Law 1995, S. 359 (360 ff.). So Dethloff, ZRP 2004, 195 (199). Zur Kritik an diesem Ausschluß einerseits Baur/ Mattijssen, AJP 2001, 292 (298), andererseits Röthel, IPRax 2002, 496 (497). Vgl. Dethloff, ZEuP 2004, 59 (64); Vonk, 18 Int.J.Law & Fam. (2004), 103 ff.; BoeleWoelki/Schrama, in: Scherpe/Yassari, Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 307 (323). Vonk, EJCL 11.1 (May 2007), 2.1.2. m.w.N.; dies., E-Mail vom 16. Mai 2007 an den Verf. Boele-Woelki/Schrama, in: Scherpe/Yassari, Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 307 (323, Fn. 43).
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Arrangements eine Ersatzmutter engagieren, um seinen Kinderwunsch zu realisieren. Allerdings sind solche Fälle bisher nicht bekannt geworden.92 In den Niederlanden ist die Spende von Samen, Eizellen und Embryonen, die zum Zwecke der Herbeiführung einer Schwangerschaft erzeugt wurden, erlaubt. Kinder, die durch gespendete Gameten oder Embryonen gezeugt wurden, haben ein Recht darauf, die Identität des Spenders zu erfahren.93 2. Belgien In Belgien trat am 1. Januar 2000 das Gesetz über das gesetzliche Zusammenleben in Kraft. Das Institut steht gleich- und verschiedengeschlechtlichen Paaren offen und kann auch von zwei miteinander verwandten Personen in Anspruch genommen werden. Die Rechtswirkungen beschränken sich auf vermögensrechtliche Fragen, obwohl im Zusammenhang mit gleichgeschlechtlichen Paaren intensiv die Einführung der gemeinsamen elterlichen Sorge untersucht und diskutiert wurde.94 Mit Gesetz vom 13. Februar 2003, das am 1. Juni 2003 in Kraft trat, hat Belgien als zweites Land der Welt nach den Niederlanden die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet.95 Das Institut des gesetzlichen Zusammenlebens wurde beibehalten.96 Wie in den Niederlanden werden grundsätzlich die eherechtlichen Regelungen auf gleichgeschlechtliche Paare erstreckt. Allerdings sah man in Belgien zunächst weitreichendere Ausnahmen als in den Niederlanden vor. Diese betrafen vor allem das Kindschaftsrecht. Im Hinblick auf die mit den Instituten verbundenen kindschaftsrechtlichen Regelungen ist folgende Entwicklung zu verzeichnen. Zunächst konnten gleichgeschlechtliche Paare in Belgien unabhängig von der Rechtsform ihres Zusammenlebens keine Kinder adoptieren. Dieses Verbot galt sowohl für die einfache Adoption als auch für die Voll- bzw. die gemeinschaftliche Adoption.97 Ein Grund für diese Zurückhaltung lag darin, daß man in Belgien glaubte, durch den Verzicht auf kindschaftsrechtliche Regelungen die gesellschaftliche Akzeptanz der neuen Rechtsinstitute sicherstellen zu können. Der Gesetzgeber war daneben der Ansicht, eines Adoptionsrechtes bedürfe es deshalb nicht, weil mit der gleichgeschlechtlichen Ehe keine Abstammungsfolgen verknüpft sind. In der juristischen Literatur wurde kritisiert, daß damit die Problematik von Kindern eines Partners 92 93 94
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So Machteld Vonk, E-Mail vom 16. Mai 2007 an den Verf. Vonk, EJCL 11.1 (May 2007), 2.1.2. m.w.N. Dazu Pintens, FamRZ 2000, 69 (70 ff.); ders., FamRZ 2003, 658 (659); ders., in: Scherpe/Yassari, Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 277 (296 f.); ders./Scherpe, StAZ 2003, 321. Vgl. auch Schlüter/Heckes/Stommel, DEuFamR 2 (2000), 1 (4) und Kemper, FF 2005, 88 (94, Fn. 30). Pintens/Scherpe, StAZ 2003, 321; Pintens, FamRZ 2003, 658; ders., FamRZ 2006, 1312; Kemper, FF 2005, 88 (94, Fn. 30); Röthel, IPRax 2006, 250 m.w.N.; siehe auch SZ Nr. 93 v. 22./23. April 2006, S. 7. Die SZ Nr. 26 v. 1./2. Februar 2003, S. 8 meldete, daß sich der belgische Staatsrat als oberste Rechtsinstanz in einer Empfehlung kritisch geäußert habe, weil die Ehe vor allem der Fortpflanzung diene. Pintens, FamRZ 2003, 658 (659); ders./Scherpe, StAZ 2003, 321. Pintens/Scherpe, StAZ 2003, 321 (322); Pintens, FamRZ 2003, 658; ders., in: Scherpe/ Yassari, Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 277 (297); Kemper, FF 2005, 88 (94, Fn. 30); Röthel, IPRax 2006, 250.
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aus einer früheren verschiedengeschlechtlichen Beziehung oder aus einer künstlichen Befruchtung nicht gelöst sei. Die tatsächlich oder vermeintlich mangelnde Akzeptanz homosexueller und gleichgeschlechtlicher Elternschaft sollte den davon betroffenen Kindern nicht zum Nachteil gereichen.98 Die kindschaftsrechtlichen Defizite wurden durch die Einführung der Adoption für gleichgeschlechtliche Paare beseitigt. Seit dem 30. Juni 2006 können in Belgien gleichgeschlechtliche Ehegatten, gleichgeschlechtliche Paare, die das Institut des gesetzlichen Zusammenlebens gewählt haben und gleichgeschlechtliche Paare, die zum Zeitpunkt der Einreichung des Adoptionsantrages auf beständige und affektive Weise seit mindestens drei Jahren zusammengelebt haben, ein Kind adoptieren. Damit sind gleichgeschlechtliche Paare im Adoptionsrecht verschiedengeschlechtlichen Paaren gleichgestellt. Sie haben die Möglichkeit der Einzel-, Stief- und Volladoption und können nicht nur inländische, sondern auch ausländische Kinder adoptieren.99 In Belgien ist seit kurzem die künstliche Befruchtung gesetzlich geregelt. Das Gesetz vom 6. Juli 2007 über die medizinisch begleitete Fortpflanzung in Fertilitätszentren und die Regelung zu überzähligen Embryonen und Gameten ist am 27. Juli 2007 in Kraft getreten.100 Es erlaubt die künstliche Fortpflanzung bei verheirateten wie bei unverheirateten Frauen. Auch lesbische Paare sind zugelassen. Die Fertilitätszentren sind allerdings nicht verpflichtet, ihre Dienste jedermann zugänglich zu machen. Art. 5 Abs. 1 des Gesetzes über die künstliche Befruchtung enthält eine sog. Gewissensklausel, die es gestattet, Anträge abzulehnen. Dadurch wird beispielsweise katholischen Krankenhäusern die Möglichkeit eingeräumt, die Behandlung von lesbischen Paaren zu verweigern. Bei einer Ablehnung besteht aber die Verpflichtung, den Antragsteller, sofern er dies wünscht, innerhalb eines Monats an ein anderes Behandlungszentrum zu verweisen (Art. 5 Abs. 3 des Gesetzes über die künstliche Befruchtung). Mit dieser Regelung versucht der Gesetzgeber, die Gewissensfreiheit und den Gleichheitssatz in Einklang zu bringen.101 3. Frankreich In Frankreich hatte man sich seit Anfang 1990 Gedanken über ein familienrechtliches Institut gemacht, das neben verschiedengeschlechtlichen auch gleichgeschlechtlichen Paaren Rechte einräumen sollte. Dies löste eine heftige Debatte aus, in deren Verlauf der Vorwurf erhoben wurde, die zur Diskussion gestellten Institute stellten eine Art Eheersatz dar und müßten deshalb zwangsläufig eine – wohl überwiegend als unerwünscht angesehene – Auseinandersetzung mit den 98 99
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Pintens/Scherpe, StAZ 2003, 321 (323); Pintens, FamRZ 2003, 658. Pintens, FamRZ 2006, 1312 m.w.N. zu den einschlägigen Gesetzen. Vgl. auch SZ Nr. 93 v. 22./23. April 2006, S. 7. Loi relative à la procréation médicalement assistée et à la destination des embryons surnuméraires et des gamètes, Belgisches Staatsblatt vom 17.7.2007; dazu Pintens, FamRZ 2007, 1491 (1491 f.). Vor Inkrafttreten des Gesetzes hatten Ehepaare oder Zusammenlebende, deren Beziehung stabil ist, Zugang zu Maßnahmen assistierter Reproduktion, vgl. ders., in: Scherpe/Yassari, Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 277 (298). So Pintens, FamRZ 2007, 1491 (1491 f.).
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Fragen der Adoption von Kindern und der Zulässigkeit von Techniken der künstlichen Befruchtung erzwingen.102 Im französischen Schrifttum wurde in Teilen die Auffassung vertreten, daß es unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnissen nicht wünschenswert sei, wenn ein Kind von zwei homosexuellen Partnern erzogen werde. Um die Diskussion nicht noch zusätzlich anzufachen, schwiegen alle folgenden Entwürfe, darunter auch der schließlich Gesetz gewordene, zur Frage der Adoption und der künstlichen Befruchtung. Dieses Schweigen wurde und wird als Verbot verstanden.103 Am Schlußpunkt der Diskussionen stand in Frankreich das Gesetz über den Pacte civil de solidarité (Pacs). Er kann seit dem 15. November 1999 geschlossen werden und ermöglicht sowohl gleich- als auch verschiedengeschlechtlichen Paaren die Registrierung ihrer Partnerschaft.104 Die Rechtsfolgen des Pacs bleiben deutlich hinter denen der Ehe zurück. Der Schwerpunkt des Instituts liegt im wesentlichen auf vermögensrechtlichen Wirkungen. Der Pacs enthält keinerlei kindschaftsrechtliche Regelungen.105 Nach französischem Recht kann ein Kind nur von einem Ehepaar gemeinsam oder einer Einzelperson adoptiert werden. In Frankreich werden relativ wenige Kinder zur Adoption freigegeben. Da die Verwaltungsbehörden Ehepaaren den Vorrang geben und gleichgeschlechtliche Paare nicht heiraten können,106 muß faktisch davon ausgegangen werden, daß eine homosexuelle Person kaum Chancen hat, ein Kind adoptieren zu können.107 Die gemeinschaftliche Adoption durch ein gleichgeschlechtliches Paar ist unabhängig von der Rechtsform des Zusammenlebens nicht zulässig. Bei der Beratung vor der Assemblée Nationale soll ein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare von der damaligen französischen Justizministerin immer wieder in aller Deutlichkeit abgelehnt worden sein. Mittlerweile wird aber über eine Lockerung dieser Beschränkung diskutiert, um den gesellschaftlichen Entwicklungen Rechnung zu tragen.108 102
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Ferrand, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 113 (125) m.w.N.; dies., FamRZ 2000, 517 (519). Vgl. Ferrand, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 113 (129). Loi n° 99-944 du 15 novembre 1999 relative au pacte civil de solidarité. Vgl. dazu Ferrand, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 113 (130 ff.), (141 ff.); dies., FamRZ 2000, 517 ff.; Hauser, DEuFamR 2 (2000), 29 ff.; Verschraegen, FamRZ 2000, 65 (67); Schlüter/Heckes/ Stommel, DEuFamR 2 (2000), 1 (3 f.); C. Schreiber, FPR 2001, 442 f. S.a. DEuFamR 2 (2000), 48 f.; Bertschi/Pulver, AJP 2001, 319 (329 ff.). Vgl. Dethloff, ZEuP 2004, 59 (64); Kemper, FF 2005, 88 (94, Fn. 30); Ferrand/ Francoz-Terminal, FamRZ 2007, 1499 (1501). Eine jüngst in Bègles (Département Gironde) geschlossene Ehe zwischen Partnern gleichen Geschlechts wurde wieder aufgehoben, dazu ausführlich J.-P. Klein, ZEuP 2006, 415 ff.; Ferrand/Francoz-Terminal, FamRZ 2007, 1499. Ferrand, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 113 (120). Ferrand, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 113 (135); dies., FamRZ 2000, 517 (523); dies., in: Scherpe/ Yassari, Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 211 (235).
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In Frankreich wurde zu Beginn der 1990er Jahre eine intensive Debatte über Fragen der Bioethik geführt, die am 29. Juli 1994 in die Verabschiedung zweier Gesetze mündete. Das Gesetz Nr. 94-654 betrifft die Spende und die Verwendung von Teilen und Produkten des menschlichen Körpers, die künstliche Fortpflanzung und die pränatale Diagnostik und regelt die Anwendung der verschiedenen Methoden artifizieller Reproduktion. Das Gesetz Nr. 94-653 befaßt sich mit dem Schutz des menschlichen Körpers und regelt die bei der künstlichen Befruchtung auftretenden abstammungsrechtlichen Fragen.109 Durch die beiden Gesetze wurden der Code civil und der Code de la santé publique ergänzt. Im Code de la santé publique wird die künstliche Fortpflanzung definiert. Das Gesetz versteht darunter alle medizinischen Verfahren, die die In-vitro-Fertilisation, den Embryotransfer und die künstliche Insemination erlauben,110 sowie jede vergleichbare Behandlung, die die Zeugung auf nicht natürlichem Wege ermöglicht. Medizinische Fortpflanzungshilfen sind nur zulässig, wenn damit eine Zeugungsunfähigkeit oder Unfruchtbarkeit überwunden werden soll oder um zu vermeiden, daß eine besonders schwere Krankheit auf das Kind übertragen wird.111 Mit Blick auf die elterlichen Voraussetzungen stehen die Methoden assistierter Reproduktion in Frankreich nur einem beschränkten Personenkreis zur Verfügung. Erforderlich ist der Antrag eines verschiedengeschlechtlichen Paares. Eine alleinstehende Frau kann keinen Antrag stellen. Bei nichtehelichen (verschiedengeschlechtlichen) Lebensgemeinschaften wird ein Zusammenleben von mindestens zwei Jahren verlangt. Zu gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften trifft das Gesetz über die künstliche Fortpflanzung keine Aussagen. Im Gegenschluß wird daraus gefolgert, daß gleichgeschlechtlichen Paaren unabhängig von der Rechtsform ihres Zusammenlebens unter französischem Recht der Zugang zu artifiziellen Befruchtungstechniken verwehrt ist.112 Durch die Einführung des Pacs im Jahre 1999 hat sich an dieser Rechtslage nichts geändert, da die Gesetze über Bioethik von 1994 dadurch unangetastet blieben und, wie bereits erwähnt, auch aus dem Schweigen des Gesetzes über den Pacs auf ein Verbot geschlossen wird.113 4. Spanien Das spanische Familienrecht ist in bezug auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften – abgesehen von der Öffnung der Ehe für diesen Personenkreis – uneinheitlich. Dieser Umstand ist darauf zurückzuführen, daß Spanien in 17 Autonome Gemeinschaften (Comunidades Autónomas) unterteilt ist, denen gegenüber dem 109
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Loi n° 94-654 relative au don et à l’utilisation des éléments et produits du corps humain, à l’assistance médicale à la procréation et au diagnostic prénatal; Loi n° 94-653 relative au corps humain, vgl. Furkel, FamRZ 1996, 772 (772 f. mit Fn. 11 und 12); Coester, in: Festschr. f. Jayme, S. 1243 (1253). Zu diesen Techniken Teil IV § 9 IV., S. 220 ff. Furkel, FamRZ 1996, 772 (773). Furkel, FamRZ 1996, 772 (773). Vgl. auch Coester, in: Festschr. f. Jayme, S. 1243 (1253) sowie Ferrand, in: Scherpe/Yassari, Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 211 (235). Hauser, DEuFamR 2 (2000), 29 (31); Ferrand, in: Scherpe/Yassari, Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 211 (235).
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gesamtspanischen Gesetzgeber von Verfassungs wegen die Gesetzgebungskompetenz für bestimmte Rechtsgebiete zusteht.114 Im Bereich des Zivil- und damit des Familienrechts besitzen allerdings nicht alle Autonomen Gemeinschaften die Gesetzgebungsbefugnis. Nur die sog. historischen Comunidades Autónomas, das sind die Balearen, Katalonien, Aragón, Navarra, das Baskenland und Galizien, können familienrechtliche Regelungen erlassen. Diese Autonomie ist aber ihrerseits wiederum insoweit eingeschränkt, als die rechtlichen Regelungen der Erhaltung, Veränderung und Fortbildung des schon vorhandenen Rechts dienen müssen.115 Die von den Autonomen Gemeinschaften erlassenen Regelungen werden im spanischen juristischen Sprachgebrauch auch als Foralrecht bzw. Foralrechte bezeichnet. Sie unterscheiden sich sowohl untereinander als auch gegenüber dem insoweit subsidiären, im Código Civil kodifizierten gemeinspanischen Zivilrecht.116 Der gesamtspanische Gesetzgeber war auf dem Gebiet der nichtehelichen Lebensgemeinschaft im Jahre 1987 tätig geworden, als er für alle verschiedengeschlechtliche Paare unabhängig von der rechtlichen Form ihres Zusammenlebens die Möglichkeit der gemeinsamen Adoption einführte.117 Da auf nationaler Ebene zunächst kein umfassendes Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften zu erwarten war, hatten einige Autonome Gemeinschaften selbst entsprechende Regelungen erlassen.118 Als erste Comunidad Autónoma wurde Katalonien aktiv. Dort trat am 23. Oktober 1998 das Gesetz zur Regelung stabiler Partnerschaften (Ley de uniones estables de pareja) in Kraft. Es ist auf gleich- und verschiedengeschlechtliche Partnerschaften anwendbar. In ihren Rechtswirkungen bleibt die „stabile Partnerschaft“ deutlich hinter denen einer Ehe zurück.119 Dies gilt vor allem für das Kindschaftsrecht. Ein gemeinschaftliches Adoptionsrecht steht nach dem Gesetz über stabile Partnerschaften – in Übereinstimmung mit der gesamtstaatlichen Regelung – nur verschiedengeschlechtlichen Paaren zu. Allerdings wurde in Katalonien auch der Entwurf eines Gesetzes öffentlich zur Diskussion gestellt, mit dem die Rechtshindernisse für gemeinschaftliche Adoptionen durch gleichgeschlechtliche Paare beseitigt werden sollen.120
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Vgl. Adomeit/Frühbeck, Einführung in das spanische Recht, S. 5 f. González-Beilfuss, in: Scherpe/Yassari, Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 249 (251). Dazu Adomeit/Frühbeck, Einführung in das spanische Recht, S. 6. Schlenker, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 145 (146) m.w.N. Das gemeinsame Adoptionsrecht verschiedengeschlechtlicher Lebensgemeinschaften für den Bereich des Código Civil galt beispielsweise in Katalonien bereits vor 1987, vgl. González-Beilfuss, in: Scherpe/Yassari, Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 249 (268). Es ist verfassungsrechtlich umstritten, ob die Gesetzgeber der historischen Comunidades Autónomas den Rahmen der ihnen zustehenden Gesetzgebungskompetenz eingehalten haben, vgl. González-Beilfuss, in: Scherpe/Yassari, Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 249 (251). Dethloff, ZEuP 2004, 59 (62); vgl. auch Verschraegen, FamRZ 2000, 65 (68). Martín-Casals/Ribot, FamRZ 2004, 1433.
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Dem Beispiel Kataloniens folgten weitere Autonome Gemeinschaften. Sie etablierten ebenfalls Partnerschaftsinstitute für stabile Lebensgemeinschaften, die teilweise über die rechtlichen Wirkungen des katalanischen Vorbildes hinausgingen. Navarra, das Baskenland und Aragón führten das gemeinschaftliche Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Partnerschaften ein und übernahmen damit innerhalb Spaniens eine Vorreiterrolle.121 Noch vor der Einführung des gemeinsamen Adoptionsrechts kam in Pamplona der Fall eines lesbischen Paares vor Gericht, das in einer Lebenspartnerschaft im Sinne des Rechts von Navarra lebte und bei dem eine Partnerin nach künstlicher Befruchtung Zwillinge geboren hatte. Das Gericht ließ die Stiefkindadoption zu, weil diese durch das übergeordnete Interesse der ohnehin bei beiden Frauen aufwachsenden Kinder gerechtfertig gewesen sei.122 Unter dem Eindruck der Einführung eines gemeinsamen Adoptionsrechts und der Entscheidung des Gerichts von Pamplona ließen verschiedene weitere Autonome Gemeinschaften die gemeinschaftliche Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare zu. Die bislang zu verzeichnende Tendenz, gesetzliche Regelungen für gleichgeschlechtliche Gemeinschaften nach dem Vorbild Kataloniens einzuführen,123 kam in anderen Autonomen Gemeinschaften zum Erliegen, als der gesamtspanische Gesetzgeber das Verfahren für das Gesetz zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare in Gang setzte.124 Die Ehe für gleichgeschlechtliche Personen wurde in Spanien landesweit mit Wirkung vom 3. Juli 2005 eingeführt.125 Gleichzeitig wurden zahlreiche Normen des Código Civil geändert. Dadurch ist jetzt u.a. gleichgeschlechtlichen Ehepaaren auch die gemeinsame Adoption von Kindern erlaubt. Die Gesetze der einzelnen Comunidades Autónomas über stabile Partnerschaften bleiben von diesen Änderungen unberührt. Bis auf Navarra, das Baskenland und Aragón bleibt die gemeinsame Adoption im Gegensatz zur gleichgeschlechtlichen Ehe weiterhin aus-
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In Aragón und Katalonien sei die Stiefkindadoption für registrierte Partner gleichen Geschlechts ebenfalls geplant, vgl. González-Beilfuss, in: Scherpe/Yassari, Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 249 (250), (268); Dethloff, ZRP 2004, 195 (197); Martín-Casals/Ribot, FamRZ 2004, 1433; Kemper, FF 2005, 88 (94, Fn. 31). In Andalusien und Asturien ist eine Art Pflegekindschaft möglich. Zur Entwicklung Schlenker, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 145 (157), (163); Dethloff, ZEuP 2004, 59 (60), (64) m.w.N. Dazu Martín-Casals/Ribot, FamRZ 2004, 1433; González-Beilfuss, in: Scherpe/Yassari, Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 249 (268) m.w.N. Vgl. auch Dethloff, ZRP 2004, 195 (197) und den Bericht der FAZ Nr. 41 v. 18. Februar 2004, S. 6. Dazu Martín-Casals/Ribot, FamRZ 2004, 1433 m.w.N. Martín-Casals/Ribot, FamRZ 2006, 1331 (1333). Ley 13/2005, de 1 de julio, por la que se modifica el Código Civil en materia de derecho a contraer matrimonio (Boletín Oficial del Estado Nr. 157, 2.7.2005), vgl. Röthel, IPRax 2006, 250; Kemper, FF 2005, 88 (94, Fn. 29). Zur vorangegangen Diskussion vgl. Martín-Casals/Ribot, FamRZ 2004, 1433 und Dethloff, ZRP 2004, 195 (197).
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schließlich den verschiedengeschlechtlichen Partnern einer rechtlich verfestigten Lebensgemeinschaft vorbehalten.126 Das spanische Gesetz über Techniken der assistierten Reproduktion beim Menschen erlaubt sowohl die Samen- als auch die Eizellspende.127 Es gestattet jeder Frau über 18 Jahren unabhängig von ihrem Personenstand und ihrer sexuellen Orientierung den Zugang zu fortpflanzungsmedizinischen Maßnahmen.128 Daher sind in Spanien auch lesbische Paare zur künstlichen Befruchtung zugelassen. Zu schwulen Paaren bzw. zur Zulässigkeit der Ersatzmutterschaft trifft das Gesetz keine Aussage. Von der rechtlichen Form des Zusammenlebens hängen allerdings unterschiedliche statusrechtliche Wirkungen ab. Bei miteinander verheirateten Frauen gestattet das Gesetz über assistierte Reproduktionstechniken die rechtlich verbindliche Anerkennung der Elternschaft durch die nicht-plazentare Mutter. Diese muß mit der künstlichen Befruchtung einverstanden sein und eine entsprechende Erklärung vor dem örtlich zuständigen Standesbeamten abgeben.129 Aus dem Gesetz ergibt sich hingegen nicht, ob die austragende Gattin dieser Erklärung zustimmen muß. In der Literatur wird dies für erforderlich gehalten.130 Das Verfahren der Etablierung der Elternschaft steht Partnerinnen einer stabilen Partnerschaft nicht offen. Ihnen bleibt, sofern dies das jeweilige Foralrecht erlaubt, nur die Möglichkeit der Stiefkindadoption. Im Gegensatz dazu gilt bei verschiedengeschlechtlichen Verbindungen der Ehemann oder der Mann in einer stabilen Partnerschaft bereits von Gesetzes wegen als Vater, wenn er über die künstliche Befruchtung informiert wurde und sein Einverständnis erteilt hat.131 5. Schweiz In der Schweiz ist am 1. Januar 2007 nach einer mehrere Jahre geführten Diskussion132 das schweizerische Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft in Kraft getreten.133 Die helvetische Konföderation hat sich für ein selbständiges Partnerschaftsgesetz entschieden, das in den zu regelnden Einzelfragen weitgehend auf die eherechtlichen Regelungen verweist und spezifisch kindschaftsrecht126 127
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Martín-Casals/Ribot, FamRZ 2006, 1331 (1336); vgl. auch Röthel, IPRax 2006, 250. Ley 14/2006, de 26 de mayo, sobre técnicas de reproducción humana asistida, Anexo A.2 (Boletín Oficial del Estado Nr. 126, 27.5.2006). Ley 14/2006, de 26 de mayo, sobre técnicas de reproducción humana asistida, Art. 6.1. Dazu auch González-Beilfuss, in: Scherpe/Yassari, Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 249 (267). Ley 14/2006, de 26 de mayo, sobre técnicas de reproducción humana asistida, Art. 7.3. Vgl. auch Ferrer i Riba, FamRZ 2007, 1513 (1515). Ferrer i Riba, FamRZ 2007, 1513 (1515). Martín-Casals/Ribot, FamRZ 2006, 1331 (1336 m. Fn. 61); Ferrer i Riba, FamRZ 2007, 1513 (1515). Vgl. zu dem von der Regierung im November 2001 eingebrachten Gesetzentwurf bereits Guillod, in: Bainham, The International Survey of Family Law 2003 Edition, S. 417 (421); Freiburghaus, AJP 2001, 243 (249); Hangartner, AJP 2001, 252 ff.; Schwenzer, FamPra.ch 2002, 223 (224 ff.); Kemper, FF 2005, 88 (94, Fn. 30). Siehe auch SZ Nr. 149 v. 2. Juli 2003, S. 7. Widmer, IPRax 2007, 155; Hausheer, FamRZ 2007, 1507; vgl. auch Röthel, StAZ 2006, 34.
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liche Wirkungen ausschließt. Nach Art. 28 des Schweizer Partnerschaftsgesetzes sind Personen, die in eingetragener Partnerschaft leben, weder zur Adoption noch zu fortpflanzungsmedizinischen Verfahren zugelassen.134 Eingetragene Partner dürfen ein Kind auch nicht alleine annehmen. Im schweizerischen Schrifttum wird hierin eine ungerechtfertigte Schlechterstellung gegenüber Ehegatten gesehen, denen unter bestimmten Voraussetzungen eine Einzeladoption gestattet ist.135 Schließlich steht eingetragenen Partnern auch kein automatisches Sorgerecht für Kinder ihres Partners zu.136 In der „Botschaft zum Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare“ des Schweizerischen Bundesrates wird ausgeführt, daß in der Schweiz – anders als in den nordischen Staaten – inhaltlich nicht einfach pauschal auf das für Ehepaare geltende Recht verwiesen wird. Die einzelnen Regelungen des Partnerschaftsgesetzes sollen vielmehr begründeten Anliegen gleichgeschlechtlicher Paare Rechnung tragen, gleichzeitig aber die registrierte Partnerschaft von der Ehe abgrenzen. Unmittelbar im Anschluß an diese Feststellung heißt es, die Adoption eines Kindes durch ein gleichgeschlechtliches Paar wie auch der Zugang zur medizinisch unterstützten Fortpflanzung sollen ausgeschlossen werden.137 Der schweizerische Gesetzgeber ist hier durchaus so zu verstehen, daß durch den Ausschluß gleichgeschlechtlicher Paare von Maßnahmen assistierter Reproduktion in erster Linie dem Bedürfnis nach einer Distanzierung der eingetragenen Partnerschaft von der Ehe Rechnung getragen werden soll. Für den Ausschluß war ferner offensichtlich auch ausschlaggebend, daß im sog. Vernehmlassungsverfahren, bei dem den eidgenössischen Gerichten, den Kantonsregierungen, den politischen Parteien sowie interessierten Organisationen Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Vorentwurf des Gesetzes gegeben wurde, es für die große Mehrheit von zentraler Bedeutung gewesen war, gleichgeschlechtliche Paare nicht zur Adoption oder zu medizinisch unterstützter Fortpflanzung zuzulassen.138 Der Ausschluß eingetragener Partner von Maßnahmen der künstlichen Befruchtung ist in der Schweiz auch durch höherrangiges Recht legitimiert. Art. 119 134
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Grütter/Summermatter, FamPra.ch 2004, 449 (466); Hausheer, FamRZ 2006, 246 (249); Widmer, IPRax 2007, 155 (161); Röthel, StAZ 2006, 34 (37). Vgl. dazu Grütter/Summermatter, FamPra.ch 2004, 449 (466 m. Fn. 82), die der Auffassung sind, daß die Ungleichbehandlung sachlich kaum zu rechtfertigen ist. Ebenfalls kritisch unter Verweis auf die sozialwissenschaftliche Forschung Schwenzer, FamPra.ch 2002, 223 (231 f.): Der Erläuternde Bericht des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements berufe sich allzu schlicht auf die Natur, nach der es vorgegeben sei, daß jedes Kind einen Vater und eine Mutter habe. Für eine vorurteilsfreie, sachliche und nur am Kindeswohl ausgerichtete Klärung der Frage, ob gleichgeschlechtliche Paare ein Adoptionsrecht und lesbische Paare Zugang zu Maßnahmen medizinisch assistierter Reproduktion haben sollen, sprach sich schon früh Hangartner, AJP 2001, 252 (259) aus. Röthel, StAZ 2006, 34 (37). Botschaft zum Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare v. 29. November 2002, BBl. Nr. 7 v. 25.2.2003, S. 1288 (1307). Botschaft zum Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare v. 29. November 2002, BBl. Nr. 7 v. 25.2.2003, S. 1288 (1308).
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Abs. 2 lit. c und d der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BV) bestimmen, daß die Verfahren der medizinisch unterstützten Fortpflanzung nur angewendet werden dürfen, wenn die Unfruchtbarkeit oder die Gefahr der Übertragung einer schweren Krankheit nicht anders behoben werden kann. Außerdem sind die Embryonenspende und alle Arten von Leihmutterschaft verfassungsrechtlich unzulässig. Unter „Unfruchtbarkeit“ i.S.d. Art. 119 Abs. 2 lit. c BV ist die ungewollte Kinderlosigkeit während einer bestimmten Zeit trotz regelmäßigen ungeschützten Geschlechtsverkehrs zu verstehen. Lesbische Frauen sind demzufolge ausgeschlossen, weil sie in der Regel zwar fruchtbar, „aber ohne einen männlichen Partner aus einsichtigen Gründen nicht fortpflanzungsfähig“ seien.139
IV. Das Recht einzelner anglo-amerikanischer Staaten 1. Vereinigtes Königreich Im Vereinigten Königreich kam die Diskussion über ein Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Paare im Gegensatz zu den meisten kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen erst relativ spät in Gang. Bis Ende 2005 existierte keine gesetzliche Regelung, die eine Registrierung oder eine andere institutionalisierte Absicherung für gleichgeschlechtliche Partnerschaften vorgesehen hätte.140 Dieser Zustand änderte sich mit dem Civil Partnership Act 2004, der am 5. Dezember 2005 für das gesamte Vereinigte Königreich in Kraft getreten ist. Das Rechtsinstitut war von England und Wales geschaffen und von Schottland und Nordirland im wesentlichen übernommen worden.141 Das Vereinigte Königreich hat den Civil Partnership Act 2004 ausschließlich gleichgeschlechtlichen Paaren vorbehalten. Das Rechtsinstitut ist zwar an die Ehe angelehnt, aber nicht mit ihr identisch. Das Gesetz verweist nicht auf die Wirkungen der Ehe, sondern übernimmt die eherechtlichen Gesetzespassagen wörtlich.142 Das Institut enthält eine Reihe von personalen, insbesondere kindschaftsrechtlichen Regelungen. Die Civil Partnership begründet Sorge- und Umgangsrechte sowie Unterhaltspflichten gegenüber den Kindern des Partners. Außerdem besteht für England, Wales und Schottland ein gemeinsames Adoptionsrecht für civil partner. In Nordirland sind entsprechende Änderungen in Arbeit. Voraussetzung für eine Adoption ist, daß die biologischen Eltern der Adoption zustimmen, es sei denn, sie sind nicht auffindbar oder das Absehen von diesem Erfordernis dient dem Kindeswohl.143 Mit dem 139
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Botschaft zum Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare v. 29. November 2002, BBl. Nr. 7 v. 25.2.2003, S. 1288 (1324). Vgl. zur Rechtslage vor diesem Zeitpunkt Freeman, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 173 (173), (179). Siehe Röthel, FamRZ 2006, 598; dies., StAZ 2006, 34 (37), jeweils m.w.N.; Odersky, ZEV 2006, 115; Scherpe, FamRZ 2007, 1496 (1498). Vgl. auch SZ Nr. 281 v. 6. Dezember 2005, S. 9. Vgl. Röthel, FamRZ 2006, 598 (599); dies., StAZ 2006, 34 (37); Odersky, ZEV 2006, 115. Zum ganzen Röthel, FamRZ 2006, 598 (600); dies., StAZ 2006, 34 (37), jeweils mit umfangreichen Nachweisen zu den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen. Zur
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„Adoption and Children Act 2002“, der am 30. Dezember 2005 in Kraft trat, wurde gleichgeschlechtlichen Paaren in England und Wales unabhängig von der rechtlichen Form ihres Zusammenlebens erlaubt, gemeinsam ein Kind zu adoptieren.144 Die künstliche Befruchtung ist im Vereinigten Königreich im „Human Fertilisation and Embryology Act 1990“ geregelt. Zwar werden lesbische Paare nicht explizit von Maßnahmen assistierter Reproduktion ausgeschlossen. Section 13(5) dieses Regelwerks versagt einer Frau jedoch den Zugang, wenn das Wohl des aus der Behandlung hervorgehenden Kindes nicht gewährleistet ist. Dies ist der Vorschrift zufolge insbesondere dann der Fall, wenn das Kind keinen Vater hat. Im Schrifttum wird dies als Ausschluß lesbischer Paare vom Zugang zu ärztlich geleiteten fortpflanzungsmedizinischen Maßnahmen verstanden. An Section 13(5) des Human Fertilisation and Embryology Act 1990 wird deshalb kritisiert, er diskriminiere lesbische Paare.145 Die Vorschrift steht auch mit den neueren gesetzlichen Entwicklungen wie dem „Adoption and Children Act 2002“ und dem „Civil Partnership Act 2004“ in Widerspruch. Die kommerzielle Ersatzmutterschaft verbietet der „Surrogacy Arrangements Act 1985“ bei Strafe. Altruistische Formen sind zwar zulässig, können aber rechtlich nicht durchgesetzt werden. Ob sich schwule Paare einer Ersatzmutter bedienen können, läßt sich der verfügbaren Literatur nicht entnehmen.146 2. Vereinigte Staaten von Amerika In Nordamerika, wo sich die Entwicklungen weitgehend unabhängig vom Einfluß der in den europäischen Ländern getroffenen Regelungen vollzogen haben,147 liegt das Augenmerk primär auf den USA. In den Darstellungen zur Entwicklung in Kanada wird verschiedentlich die gleichgeschlechtliche Ehe thematisiert, allerdings stehen dort kindschaftsrechtliche Fragen noch am Rande der Diskussion.148
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Entwicklung S. Klein, SZ Nr. 273 v. 27. November 2003, S. 7 sowie SZ Nr. 148 v. 1. Juli 2003, S. 7. Röthel, StAZ 2006, 34 (37); Dethloff, ZRP 2004, 195 (199) m.w.N. Cooper/Herman, 10 Can.J.Fam.L. (1991/1992), 41 (43), (46 f.); vgl. auch Robertson, 55 Case W.Res.L.Rev. (2004), 323 (325, Fn. 8); Brewaeys/Ponjaert/van Hall/Golombok, 12 Hum. Reprod. (1997), 1349; Donovan, 3 Sexualities (2000), 149 (151). Bernat, MedR 1991, 308 (315) m.w.N.; Goeldel, Leihmutterschaft – eine rechtsvergleichende Studie, S. 100 ff. m.w.N., 122; Coester, in: Festschr. f. Jayme, S. 1243 (1255); ausführlich Ben-Am, Gespaltene Mutterschaft, S. 28, 35 ff., 181. Dazu auch Teil IV § 10 V.3.e)(1), S. 274 f. Vgl. schließlich auch den bei Verschraegen, DEuFamR 2 (2000), 64 (66) m.w.N. geschilderten Fall eines britischen schwulen Paares, das zur Realisierung seines Kinderwunsches über eine US-amerikanische Agentur eine Ersatzmutter engagierte, welche Zwillinge zur Welt brachte und sie den Männern übergab. So der Befund von Dopffel/Kötz/Scherpe, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 391. Dazu Heun, Gleichgeschlechtliche Ehen in rechtsvergleichender Sicht, S. 203 f., 232 ff.; Jakob, StAZ 2003, 74 ff.; zu Québec Bailey, in: Bainham, The International Survey of Family Law 2003 Edition, S. 81 (98). Nach Dethloff, ZRP 2004, 195 (198); dies., BT-Rechtsausschußprot. 15/59 v. 18.10.2004, S. 74, jeweils m.w.N., bestehe in den Provinzen Ontario, British Columbia und den Northwest Territories die Möglichkeit der Stiefkindadoption. Vgl. auch Bala, in: Bainham, The International Survey of
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Aus diesem Grund beschränkt sich im vorliegenden Zusammenhang die Darstellung auf die Vereinigten Staaten. Das US-amerikanische Familienrecht ist unübersichtlich, weil in den einzelnen Bundesstaaten teilweise völlig konträre Bestimmungen existieren. Dafür sind mehrere Faktoren ursächlich. Den einzelnen Bundesstaaten steht die Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet des Familienrechts zu. Diese Kompetenz wird von den Bundesstaaten uneinheitlich ausgeübt.149 Die Rechtslage wird zusätzlich dadurch verkompliziert, daß die Rechtspraxis selbst innerhalb der einzelnen Bundesstaaten divers ist. Im anglo-amerikanischen Rechtskreis, der vom CommonLaw geprägt ist, kommt der Rechtsprechung erhebliche Bedeutung zu, denn die Entscheidungen haben Gesetzeskraft und beeinflussen dadurch maßgeblich die Rechtsentwicklung.150 Die Rechtslage ist daher auch im Hinblick auf Rechtsinstitute für gleichgeschlechtliche Partnerschaften, den damit verbundenen kindschaftsrechtlichen Regelungen151 und der Frage nach dem Zugang dieses Personenkreises zu Methoden der artifiziellen Reproduktion disparat. Vor diesem Hintergrund werden hier nur einzelne im vorliegenden Zusammenhang interessierende bundesstaatliche Regelungen vorgestellt. Eines der in den USA momentan umstrittensten Themen stellt die Zulassung gleichgeschlechtlicher Paare zur Ehe dar. Seit Mai 2004 werden im US-Bundesstaat Vermont Eheschließungen gleichgeschlechtlicher Paare durchgeführt, nachdem der Supreme Court entschieden hatte, daß es gegen die bundesstaatliche Verfassung verstoße, diesen Paarkonstellationen den Zugang zur Ehe zu verwehren. Kurz darauf hatte das Gericht in einer Stellungnahme hinzugefügt, daß eine registrierte Partnerschaft oder vergleichbare Institute keinen Ersatz für die Ehe darstellen könnten. Die Bestrebungen konservativer Kräfte gehen hingegen dahin, das Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe in der Verfassung zu verankern.152 Daher ist es momentan völlig offen, welche Entwicklung die gleichgeschlechtliche Ehe in den USA nehmen wird. Von einer Etablierung dieses Instituts kann bislang keinesfalls gesprochen werden. In einigen US-Bundesstaaten existieren schon seit mehreren Jahren jeweils unterschiedlich ausgestaltete sog. domestic partnerships. Sie ermöglichen zwar eine Registrierung gleich- und verschiedengeschlechtlicher Partnerschaften, bringen den Partnern aber lediglich bestimmte Vergünstigungen auf betrieblicher und sozialer Ebene. Rechtsfolgen auf dem Gebiet des Familienrechts sind mit den
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Family Law 2001 Edition, S. 43 (46); Bala/Bailey, in: Bainham, The International Survey of Family Law 1997, S. 79 (83); Bailey/Bala, in: Bainham, The International Survey of Family Law 1994, S. 119 (140). Vgl. Lundmark, DEuFamR 2 (2000), 236 (237); Krause, in: Basedow/Hopt/Kötz/ Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 187 (190); Wardle, in: Bainham, The International Survey of Family Law 2003 Edition, S. 427. S. Dopffel/Kötz/Scherpe, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 391 (394). Vgl. Melli, in: Bainham, The International Survey of Family Law 1994, S. 483; Dethloff, ZRP 2004, 195 (198). Siehe dazu Möller, DÖV 2005, 64 (64 f.); zu bundesstaatlichen Verboten Krause, DEuFamR 2 (2000), 208 (209). Kürzlich hat auch der Supreme Court of California die gleichgeschlechtliche Ehe gestattet, vgl. SZ Nr. 114 v. 17./18.5.2008, S. 1.
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domestic partnerships nicht verbunden, weshalb sie auch keine status- oder kindschaftsrechtlichen Wirkungen haben.153 In den USA verbieten nur wenige Bundesstaaten ausdrücklich die Kindesadoption durch Homosexuelle.154 In den übrigen Bundesstaaten existieren aber auch keine Gesetze, die Adoptionen durch Homosexuelle bzw. Personengemeinschaften gleichen Geschlechts explizit erlauben würden. In diesen Staaten können Lesben und Schwule einen Adoptionsantrag vor Gericht stellen, wenn sie alleine oder gemeinschaftlich ein Kind adoptieren möchten. Die Gerichte entscheiden dann nach der jeweils bundeseigenen Regelung.155 Da ausdrückliche Bestimmungen fehlen, müssen die vorhandenen Gesetze ausgelegt werden. Mittlerweile liegen in einer Reihe von Bundesstaaten Gesetzesvorschläge vor, die entweder gleichgeschlechtlichen Paaren die Adoption erlauben oder sie ihnen versagen.156 Unter den Adoptionsvermittlungsstellen soll in den USA eine zunehmende Offenheit gegenüber homosexuellen Adoptionsbewerbern zu verzeichnen sein, woraus geschlossen wird, daß die Zahl gleichgeschlechtlicher Partner mit Kindern in den Vereinigten Staaten weiter zunimmt.157 In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, daß in den Vereinigten Staaten im Gegensatz zu Europa die Zahl der für eine Adoption zur Verfügung stehenden Kinder die Zahl der Adoptionswilligen übersteigt.158 Die Rechtsprechung zu den Adoptionsgesuchen gleichgeschlechtlicher Stiefeltern ist uneinheitlich. Während in drei Staaten die Adoptionsgesuche zurückgewiesen wurden, entschieden in dreizehn Staaten die Gerichte zugunsten der Antragssteller. Die ablehnenden Entscheidungen stützten sich auf den Wortlaut der einschlägigen Gesetze und sahen keine Möglichkeit einer Analogiebildung zu den Regelungen, die für verschiedengeschlechtliche Paare gelten. Die zusprechenden Judikate hingegen legten ihren Entscheidungen das Rechtsprinzip der „best interests of the child“ zugrunde und kamen so zu dem Ergebnis, daß die faktische Si153
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Vgl. Verschraegen, DEuFamR 2 (2000), 64 (65 f.); dies., FamRZ 2000, 65 (66); dies., StAZ 1995, 225 (226); dies., Gleichgeschlechtliche „Ehen“, S. 85 ff.; Krause, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 187 (208 ff.). Dazu zählen Alabama, Utah, Florida und Mississippi, vgl. Robertson, 55 Case W.Res.L.Rev. (2004), 323 (336, Fn. 52); s.a. Dethloff, ZRP 2004, 195 (198); dies., BTRechtsausschußprot. 15/59 v. 18.10.2004, S. 73 m.w.N. Derartige Regelungen werden aber zunehmend wegen unzulässiger Diskriminierung angegriffen, s. Heun, Gleichgeschlechtliche Ehen in rechtsvergleichender Sicht, S. 104 f. m. Fn. 173. In New Hampshire war die Adoption durch Homosexuelle bis 1999 verboten, s. Jakob, Die eingetragene Lebenspartnerschaft im Internationalen Privatrecht, S. 105, Fn. 510. Zum „Adoption and Safe Families Act“ von 1997 Woodhouse, in: Bainham, The International Survey of Family Law 2000 Edition, S. 375 (380 ff.). Maxwell/Mattijssen/Smith, EJCL 3.1 (August 1999), 2.1.1. Dazu ausführlich Maxwell/Mattijssen/Smith, EJCL 3.1 (August 1999), 4.2. Stiefkindadoptionen sind zugelassen in Vermont und Kalifornien, vgl. Dethloff, ZRP 2004, 195 (198) m.w.N. sowie Note, 102 Harv.L.Rev. (1988/1989), 1508 (1656). So Dethloff, ZRP 2004, 195 (198) m.w.N. Dopffel/Kötz/Scherpe, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 391 (405).
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tuation auch rechtlich abgesichert werden müsse.159 Allgemein tendiert die USamerikanische Rechtsprechung zu Beginn des dritten Jahrtausends immer mehr dazu, gleichgeschlechtlichen Paaren die Adoption zu erlauben.160 Die Rechtslage für gleichgeschlechtliche Partnerschaften auf dem Gebiet der künstlichen Befruchtung erweist sich in den Vereinigten Staaten nur auf den ersten Blick als einheitlich. In keinem US-Bundesstaat werden lesbische und schwule Paare vom Zugang zu medizinisch assistierter Reproduktion explizit ausgeschlossen.161 Es gibt in den USA auch kein Verbot der Eizellspende. Lesbische Paare können daher ein Kind zeugen, das eine genetische und eine plazentare Mutter hat. Die kommerzielle und nichtkommerzielle Ersatzmutterschaft ist nicht strafrechtlich verboten. Allerdings existieren zum Teil einschränkende zivilrechtliche Regelungen. Einige Bundesstaaten haben die Höhe der Vergütung begrenzt, die an die Ersatzmütter für die Leistung ihrer Dienste gezahlt werden darf162 und den Beteiligten die gerichtliche Durchsetzung des von der Ersatzmutter abgegebenen Erfüllungsversprechens untersagt.163 Daher können schwule Paare in den Vereinigten Staaten die Dienste von Ersatzmüttern in Anspruch nehmen, um ihren Kinderwunsch zu realisieren. In den Bundesstaaten Kalifornien und Florida sowie in Boston und in Washington D.C. existieren Agenturen, die schwulen Männern und schwulen Paaren bei der Vermittlung von Ersatzmüttern helfen.164 Ein bedeutender Umstand, der den Zugang gleichgeschlechtlicher Paare zu Methoden der künstlichen Fortpflanzung in den USA beschränken kann, ist das Ermessen, das den behandelnden Ärzten eingeräumt ist. Einrichtungen, die diese Maßnahmen anbieten, dürfen im Grundsatz frei darüber entscheiden, welche Einzelpersonen und Paare sie als geeignete künftige Eltern ansehen. Von dieser Entscheidung hängt es deshalb ab, ob Lesben und Schwule die Dienste in Anspruch nehmen können.165 So behandeln etwa 80% der US-amerikanischen Fertilitätskli-
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Vgl. die Nachweise bei Maxwell/Mattijssen/Smith, EJCL 3.1 (August 1999), 2.1.1 in Fn. 25, 26 und 28: Ablehnend: Colorado, Connecticut, Wisconsin; stattgebend: Alaska, California, District of Columbia, Illinois, Indiana, New Jersey, New York, Oregon, Pennsylania, Texas, Vermont, Washington State, wobei es sich um Gerichte unterschiedlicher Instanzen handelt. Zum ganzen auch Verschraegen, FamRZ 2000, 65 (66); Krause, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 187 (236 ff.). So der Befund von Wardle, U.Ill.L.Rev. (1997), 833 (867); ders., in: Bainham, The International Survey of Family Law 2003 Edition, S. 427 (434), jeweils m.w.N. Robertson, 55 Case W.Res.L.Rev. (2004), 323 (348). Dazu zählen Arizona, District of Columbia, Florida, Indiana, Kentucky, Louisiana, Michigan, Nebraska, New Hampshire, New York, North Dakota, Utah, Virginia und Washington State, vgl. Robertson, 55 Case W.Res.L.Rev. (2004), 323 (351 m. Fn. 106). Goeldel, Leihmutterschaft – eine rechtsvergleichende Studie, S. 88 ff. m.w.N.; s.a. Teil IV § 10 V.3.e)(1), S. 274 f. Robertson, 55 Case W.Res.L.Rev. (2004), 323 (350); Chan/Raboy/Patterson, 69 Child Development (1998), 443 (444). Von Agenturen, die sich auf bestimmte Personengruppen spezialisiert haben, wurde auch in der deutschen Presse berichtet, vgl. Jardine, SPIEGELreporter Nr. 1 v. Januar 2001, 24 (26). Robertson, 55 Case W.Res.L.Rev. (2004), 323 (352).
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niken alleinstehende Frauen und lesbische Paare. 20% bieten ihre Dienste alleinstehenden Männern und schwulen Paaren an.166 Allerdings unterliegen Reproduktionsmediziner in den USA bei ihrer Entscheidung, welche Personen und Paare sie behandeln wollen, auch Einschränkungen. Das Ermessen von Ärzten, die beim Staat beschäftigt oder in einer staatlichen Einrichtung tätig sind, ist durch verfassungsrechtliche Vorgaben begrenzt. Nach jüngeren Entscheidungen des U.S. Supreme Court zur verfassungswidrigen Ungleichbehandlung von Homosexuellen wird in der Literatur die Versagung von Maßnahmen assistierter Reproduktion gegenüber gleichgeschlechtlichen Paaren aufgrund der sexuellen Orientierung oder des Personenstandes als unzulässig angesehen.167 In der Vergangenheit hatten sich Mitarbeiter des University of Washington Hospital, einer staatlichen Einrichtung, geweigert, lesbische Frauen zu behandeln. Die Universität erklärte daraufhin, daß eine Ungleichbehandlung aufgrund des Personenstandes bzw. der sexuellen Orientierung unzulässig sei. Sie stellte die Mitarbeiter vor die Wahl, die Frauen zu behandeln oder zu kündigen.168 Etwas anderes gilt, wenn Reproduktionsmediziner nicht auf Seiten des Staates tätig werden. Das ihnen eingeräumte Ermessen üben sie dann rechtmäßig aus, wenn sie nicht gegen die gesetzlichen Vorgaben des jeweiligen Bundesstaates verstoßen. Dazu zählen u.a. das Verbot der unterschiedlichen Behandlung aufgrund der Rasse, der Religion, des Geschlechts, der Volkszugehörigkeit und der Behinderung. Einige Bundesstaaten verbieten auch die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung.169 In diesen Bundesstaaten darf lesbischen und schwulen Paaren wegen ihrer Homosexualität der Zugang zu reproduktionsmedizinischen Maßnahmen nicht verwehrt werden. Im übrigen hat sich die EthikKommission der amerikanischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin dafür ausgesprochen, lesbischen und schwulen Paaren in den USA den Zugang zu fortpflanzungsmedizinischen Maßnahmen zu gewähren.170
V. Vergleichende Betrachtung Die rechtliche Stellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ist in den vorgestellten Rechtsordnungen durchaus unterschiedlich. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die kindschaftsrechtlichen Wirkungen der einschlägigen Institute als auch in bezug auf den Zugang dieses Personenkreises zu Maßnahmen der artifiziellen Reproduktion. Trotz bestehender Unterschiede lassen sich jedoch für beide Regelungsbereiche Tendenzen ausmachen, die für die meisten der vorgestellten Länder 166 167 168
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So Robertson, 55 Case W.Res.L.Rev. (2004), 323 (353). Robertson, 55 Case W.Res.L.Rev. (2004), 323 (354) m.w.N. So die Schilderung von Robertson, 55 Case W.Res.L.Rev. (2004), 323 (349, Fn. 100). Vgl. auch Elovitz, 3 J.L. & Pol’y (1995), 431 (443 f.). Dazu gehören Kalifornien, Connecticut, District of Columbia, Hawaii, Maryland, Massachusetts, Minnesota, New Hampshire, New Jersey, New Mexico, New York, Rhode Island, Vermont und Wisconsin, vgl. Robertson, 55 Case W.Res.L.Rev. (2004), 323 (354 m. Fn. 116). The Ethics Committee of the American Society for Reproductive Medicine, 86 Fertility & Sterility (2006), 1333 ff.
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Geltung beanspruchen und eine Prognose für die nationale Rechtsordnung erlauben. Darüber hinaus lassen sich den progressiven Rechtsordnungen Lösungsansätze für eine künftige nationale Regelung entnehmen. 1. Rechtsinstitute Die rechtsvergleichende Darstellung zeigt, daß eine große Zahl europäischer Länder den skandinavischen Staaten gefolgt ist und ein Institut für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften geschaffen hat. In den USA wurden im Gegensatz dazu bislang keine vergleichbaren Rechtsinstitute etabliert. Unter den europäischen Rechtsordnungen haben sich drei unterschiedliche Regelungsmodelle herausgebildet. Die meisten Staaten favorisieren ein Modell, das gleichgeschlechtlichen Paaren ein exklusives, verschiedengeschlechtlichen Paaren verschlossenes familienrechtliches Institut zur Verfügung stellt.171 Neben dieser Lösung wurde in einigen Staaten ein Rechtsinstitut geschaffen, das sowohl gleichals auch verschiedengeschlechtlichen Partnerschaften offensteht.172 Der dritte und zugleich avancierteste Ansatz öffnet die bürgerliche Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Sie kann bisher in Belgien, den Niederlanden und in Spanien geschlossen werden. In diesen Ländern hatte man bereits Erfahrungen mit einem Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Paare gesammelt, bevor als zusätzliche Option die gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt wurde. Es steht zu erwarten, daß in Zukunft auch die übrigen europäischen Länder ein Partnerschaftsinstitut einführen werden. Lenkt man den Blick auf die Entwicklung der Regelungsintensität, so stimmen die unterschiedlichen nationalen Institute unabhängig vom gewählten Modell darin überein, daß sie zum Zeitpunkt ihrer Einführung zunächst auf die Einbeziehung kindschaftsrechtlicher Wirkungen, die mit dem Rechtsinstitut verknüpft sind, nahezu ausschließlich verzichtet haben.173 In allen Ländern waren die Beratungen und der Gesetzgebungsprozeß bereits angesichts der geplanten Einführung eines familienrechtlichen Instituts für gleichgeschlechtliche Paare von heftigen und leidenschaftlich geführten Debatten begleitet worden. Das größte Konfliktpotential barg in diesem Zusammenhang die Frage, ob und welche kindschaftsrechtlichen Bestimmungen mit dem Partnerschaftsinstitut verbunden sein sollten.174 Die Gegner kindschaftsrechtlicher Regelungen brachten vor, es widerspreche den wohlverstandenen Interessen eines Kindes, bei zwei Vätern oder zwei Müttern aufzuwachsen. Zur Begründung wurde darüber hinaus angeführt, daß jedes Kind das Recht auf Elternteile verschiedenen Geschlechts habe und daß eine gemeinsame
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Dänemark, Island, Norwegen, Schweden, Finnland, die Schweiz und das Vereinigte Königreich. Die Niederlande, Belgien, Frankreich sowie einzelne Autonome Gemeinschaften in Spanien. Siehe auch Dopffel/Kötz/Scherpe, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 391 (397). Exemplarisch dafür die Diskussion in Frankreich, vgl. Ferrand, FamRZ 2000, 517 (519 f.).
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Elternschaft Homosexueller im allgemeinen Rechtsbewußtsein keine Stütze finde.175 Um angesichts dieser Vorbehalte den in Aussicht genommenen Rechtsinstituten ihre politische Durchsetzbarkeit zu sichern und um ihre gesellschaftliche Akzeptanz zu gewährleisten, verzichteten die nationalen Gesetzgeber darauf, kindschaftsrechtliche Fragen zu regeln oder gar vertieft zu erörtern. Exemplarisch dafür stehen die skandinavischen Staaten und Belgien, wo die geplanten Institute andernfalls keine parlamentarische Mehrheit auf ihrer Seite gehabt hätten. Durch das Ausklammern dieser allzu konfliktträchtigen Materie aus einem ohnehin schon lebhaft umstrittenen Vorhaben gelang es den nationalen Gesetzgebern, das Scheitern des gesamten Projektes zu verhindern.176 Die meisten Länder sammelten einige Jahre praktische Erfahrungen mit dem Institut, das in der nationalen Rechtsordnung keinen Vorläufer hatte, und entwikkelten ihre Partnerschaftsgesetze dann fort, indem sie insbesondere kindschaftsrechtliche Wirkungen inkorporierten. Hier haben wiederum die skandinavischen Länder eine Vorreiterrolle eingenommen und unterschiedlich ausgestaltete Adoptionsrechte für registrierte Partner eingeführt. Die umfassendsten kindschaftsrechtlichen Regelungen haben seither Schweden, Spanien und Belgien getroffen, weil sie seit jüngstem auch die gemeinschaftliche Adoption landeseigener und ausländischer Kinder durch gleichgeschlechtliche Paare erlauben.177 Für das vorläufige Ausklammern kindschaftsrechtlicher Fragen waren damit weniger Zweifel an der Erziehungsfähigkeit gleichgeschlechtlicher Eltern oder die Befürchtung negativer Auswirkungen auf das Kindeswohl ausschlaggebend, sondern vielmehr pragmatische und opportunistische Erwägungen der Legislative. Die Ergänzung der bestehenden Regelungen durch die Stiefkindadoption wurde mit dem Kindeswohl begründet, dem am besten gedient sei, wenn das faktisch 175
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Scherpe, DEuFamR 2 (2000), 32 (33). Allgemeiner Bech, AJP 2001, 264 (265 f.). Vgl. zur alten dänischen Rechtslage mit dem Ausschluß jeglicher Adoptionsmöglichkeit auch Verschraegen, Gleichgeschlechtliche „Ehen“, S. 115: damit unterstreiche der dänische Gesetzgeber, daß die gemeinsame Wahrnehmung elterlicher Rechte und Pflichten zum harten Kern der Ehe gehöre. Wenn diese Ansicht nicht schon damals überholt war, so doch spätestens seitdem sukzessive kindschaftsrechtliche Wirkungen eingeführt werden und damit die gemeinsame Wahrnehmung elterlicher Rechte und Pflichten auch bei gleichgeschlechtlichen Paaren rechtlich anerkannt wird. Verschraegen, Gleichgeschlechtliche „Ehen“, S. 75; dies., StAZ 1995, 225 (227); Scherpe, DEuFamR 2 (2000), 32 (33); Pintens/Scherpe, StAZ 2003, 321 (323). Vgl. auch Bech, AJP 2001, 264 (265 f.). Die Mitte der 1990er Jahre noch gelegentlich geäußerten Einwände, daß die Adoption bei gleichgeschlechtlichen Paaren eine jedenfalls im Sinne des kontinentaleuropäischen Rechtsverständnisses rechtsmißbräuchliche Verwendung des Rechtsinstituts der Adoption darstelle (Verschraegen, Gleichgeschlechtliche „Ehen“, S. 69, 71; umfassend zu diesem Komplex auch Lüderitz, in: Festschrift für Gernhuber, S. 713 ff.), muß mittlerweile als gegenstandslos gelten, denn diese Kritik wandte sich vor allem gegen Erwachsenenadoptionen, die zwischen homosexuellen Partnern untereinander durchgeführt wurden, um ihrer Partnerschaft wenigstens irgendeinen rechtlichen Rahmen zu verleihen. Nach der Einführung spezifischer Rechtsinstitute bedarf es dieser Form der Etablierung statusrechtlicher Verbindungen nicht mehr.
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existierende soziale Band zu seinen Eltern durch ein rechtliches Band verfestigt und geschützt wird. Die Etablierung eines gemeinschaftlichen Adoptionsrechtes folgte darüber hinaus der Erkenntnis, daß Homosexuelle bzw. gleichgeschlechtliche Eltern in gleichem Maße dazu befähigt sind, für ein Kind zu sorgen und es zu erziehen.178 Durch diese Maßnahmen distanzierten sich die nationalen Gesetzgeber von ihren zuvor geäußerten Bedenken und unterstrichen die Unbedenklichkeit gleichgeschlechtlicher Elternschaft. Bisher sah sich auch kein Land dazu veranlaßt, die kindschaftsrechtlichen Regelungen für gleichgeschlechtliche Paare wieder zurückzunehmen oder einzuschränken. Es ist zu erwarten, daß sich diese Entwicklungen auch in jenen Rechtsordnungen vollziehen werden, die bislang noch keinerlei kindschaftsrechtliche Wirkungen für rechtlich verfestigte gleichgeschlechtliche Partnerschaften vorsehen. Einige Länder diskutieren bereits diese Frage.179 Für die Zukunft kann die sukzessive Ergänzung bereits bestehender partnerschaftsrechtlicher Institute um kindschaftsrechtliche Regelungen prognostiziert werden. Diese Prognose gilt auch für das deutsche Lebenspartnerschaftsgesetz. Es enthielt immerhin bereits bei seiner Einführung mit dem kleinen Sorgerecht eine (wenn auch bescheidene) kindschaftsrechtliche Regelung. Mit der Überarbeitung wurde die Möglichkeit der Stiefkindadoption für eingetragene Lebenspartner eingeführt.180 Bereits jetzt mehren sich die Stimmen, die ein gemeinsames Adoptionsrecht für Lebenspartner fordern.181 Es ist daher zukünftig davon auszugehen, daß das Lebenspartnerschaftsgesetz um ein gemeinschaftliches Adoptionsrecht für eingetragene Lebenspartner ergänzt werden wird, welches zumindest inländische Kinder umfaßt. 2. Assistierte Reproduktion Die überwiegende Zahl der hier vorgestellten Länder hat den Zugang gleichgeschlechtlicher Paare zu Maßnahmen assistierter Reproduktion gesetzlich geregelt.182 Damit halten zahlreiche Gesetzgeber die Frage nach den elterlichen Voraussetzungen für eine regelungsbedürftige Materie. Die jeweiligen nationalen Gesetzgeber stufen diesen Bereich als so relevant ein, daß sie die Entscheidung ihrer demokratisch legitimierten Legislative überantwortet haben.183 Als sedes materiae einer gesetzlichen Regelung haben sieben Länder die Vorschriften über die artifizielle Reproduktion gewählt,184 zwei Länder haben die
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In diesem Sinne auch Dethloff, ZRP 2004, 195 (199). Dies ist beispielsweise in Frankreich der Fall, vgl. die Nachweise in Fn. 108. Vgl. dazu Teil II § 7 III.2.c)(4)(c), S. 169 f. Dethloff, ZRP 2004, 195 ff.; Pätzold, FPR 2005, 269 ff.; dies., Die gemeinschaftliche Adoption Minderjähriger durch eingetragene Lebenspartner, 2006. Dänemark, Island, Norwegen, Schweden, Belgien, Frankreich, Spanien, die Schweiz und das Vereinigte Königreich In Deutschland wird diese Frage durch die Landesärztekammern geregelt, die das ärztliche Standesrecht als Satzung festlegen, vgl. dazu ausführlich Teil IV § 11, S. 290 ff. Dänemark, Norwegen, Schweden, Belgien, Frankreich, Spanien und das Vereinigte Königreich.
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Teil III Komparatistische Untersuchung
Bestimmungen im Partnerschaftsgesetz verortet.185 Von den Staaten mit einer gesetzlichen Regelung haben Spanien, Schweden und Belgien lesbische Paare ausdrücklich zugelassen. Im Vereinigten Königreich hat der Gesetzgeber zwar nicht dezidiert Stellung genommen, die einschlägige Norm wird für lesbische Paare aber als Verbot interpretiert. Die übrigen Länder haben den Zugang gleichgeschlechtlicher Paare zu fortpflanzungsmedizinischen Techniken ausdrücklich untersagt.186 Finnland, die Niederlande und die Vereinigten Staaten haben diese Frage nicht spezialgesetzlich geregelt. In Finnland ist es unklar, ob gleichgeschlechtliche Paare Zugang haben. In den Niederlanden und den USA sind gleichgeschlechtliche Paare im Prinzip zugelassen, weil in diesen Ländern den behandelnden Ärzten ein gewisser Ermessensspielraum zusteht. Die Grenze des Ermessens bildet die jeweils nach nationalem Recht zu beurteilende unzulässige Diskriminierung. In der Praxis wird dieser Spielraum so ausgeübt, daß in den Niederlanden und in den USA in der Regel vor allem lesbische Paare Zugang zu Maßnahmen assistierter Reproduktion haben. Daneben werden in den Vereinigten Staaten in geringerem Umfang auch schwule Männer und schwule Paare zugelassen. Es fällt ins Auge, daß vor allem im europäischen Raum im Gegensatz zu lesbischen Paaren der Zugang schwuler Paare zu Maßnahmen assistierter Reproduktion faktisch und in der Diskussion eine vollkommen untergeordnete Rolle spielt. Über die Gründe hierfür kann nur spekuliert werden. Zunächst mag eine Rolle spielen, daß Männer unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung einen geringer ausgeprägten Kinderwunsch als Frauen haben.187 Daneben würden nach der Aussage einer explorativen deutschen Studie diejenigen Schwulen, die sich ein Kind wünschen, am ehesten die Adoption bevorzugen.188 Möglicherweise trifft diese Präferenz auch auf schwule Männer und schwule Paare aus dem europäischen Ausland zu. Ein beachtlicher Grund für die ungleich geringere Relevanz ist wohl auch in dem Umstand zu erblicken, daß schwule Paare bei der Realisierung ihres Kinderwunsches mittels Maßnahmen assistierter Reproduktion auf das Engagement einer Ersatzmutter angewiesen sind. Mit der Durchführung eines Ersatzmutterschaftsarrangements ist ein wesentlich höherer Aufwand verbunden als bei der Anwendung von Techniken der assistierten Reproduktion bei lesbischen Paaren. Schwierigkeiten kann bereits das Finden einer Ersatzmutter bereiten. Selbst wenn diese Hürde genommen ist, birgt die Durchführung eines Ersatzmutterschaftsarrangements zahlreiche Risiken, mit denen lesbische Paare bei der Erfüllung ihres Kinderwunsches nicht konfrontiert sind. Vor allem die Tatsache, daß ungeachtet existierender 185
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Island und die Schweiz. In diesen Ländern existieren auch Fortpflanzungsmedizingesetze, vgl. Burrell, Assisted Reproduction in the Nordic Countries, S. 22 und Reusser, DEuFamR 2 (2000), 222 ff. Bis zur Zulassung lesbischer Paare zu Maßnahmen assistierter Reproduktion hatte auch Schweden den Ausschluß im Partnerschaftsgesetz verankert. Dänemark, Island, Norwegen, Frankreich und die Schweiz. Stacey/Biblarz, 66 American Sociological Review (2001), 159 (165). Allerdings zeigt gerade das Beispiel der USA, daß ein gewisser Kinderwunsch vorhanden zu sein scheint. Weiß/Becker, in: Buba/Vaskovics, Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, S. 93 (128). Zu dieser Studie vgl. Teil I § 2 II.2.b), S. 16 f.
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Verbote eine Ersatzmutter nach auch im Ausland verbreiteter Auffassung nicht zur Herausgabe des Kindes gezwungen werden kann, dürfte schwule Paare gegenüber entsprechenden Vereinbarungen zur Zurückhaltung veranlassen. Schließlich wird unabhängig davon, ob es sich bei den Wunscheltern um gleich- oder verschiedengeschlechtliche Paare handelt, die Übernahme einer Schwangerschaft für Dritte in einigen europäischen Staaten als problematisch empfunden. Allerdings könnte in Zukunft auch für schwule Paare die Realisierung des Kinderwunsches über das Engagement einer Ersatzmutter an Bedeutung gewinnen und zwar selbst dann, wenn ihnen die nationale Rechtsordnung ein gemeinschaftliches Adoptionsrecht einräumt. Denn die Adoption eines Kindes durch ein schwules (wie auch durch ein lesbisches)189 Paar wird durch verschiedene Faktoren erschwert. Sobald ein schwules Paar gemeinsam auftritt und seinen Adoptionswunsch artikuliert, gibt es die sexuelle Orientierung und die Gleichgeschlechtlichkeit der Paarverbindung gegenüber den Beteiligten zu erkennen. Gegenüber gleichgeschlechtlicher Elternschaft bestehen aber immer noch Vorbehalte, die dazu führen können, die für eine Adoption zur Verfügung stehenden Kinder zu verschiedengeschlechtlichen Paaren zu geben.190 Die Situation für schwule Adoptivelternpaare wird dadurch verschärft, daß in den vorgestellten europäischen Ländern die Zahl der adoptionswilligen Personen die Zahl der zu einer Adoption freigegebenen Kinder übersteigt.191 Bis auf Schweden und Belgien haben alle anderen europäischen Länder, die gleichgeschlechtlichen Paaren die gemeinsame Adoption erlauben, diese Regelung auf inländische Kinder beschränkt.192 Wie Erfahrungen aus Schweden und den Niederlanden zeigen, bestehen in vielen außereuropäischen Ländern, aus denen herkömmlicherweise Adoptivkinder vermittelt werden, nach wie vor große Vorbehalte gegenüber Homosexualität und gleichgeschlechtlicher Elternschaft, weshalb sie gleichgeschlechtliche Paare als Adoptiveltern ablehnen. Schwedischen Berichten zufolge könnten Auslandsadoptionen darüber hinaus generell bedenklich sein, weil ausländische gegenüber inländischen Adoptivkindern vulnerabler sein sollen. Diese Umstände können dazu führen, daß trotz eines gemeinschaftlichen Adoptionsrechtes schwule Paare von dieser Möglichkeit faktisch ausgeschlossen bleiben und das Engagement einer Ersatzmutter die einzige bzw. die realistischere 189
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Die im folgenden geschilderten Schwierigkeiten, ein Kind zu adoptieren, stellen sich natürlich in gleichem Maße für lesbische Paare. Da für sie aber die Realisierung des Kinderwunsches über eine künstliche Zeugung deutlich im Vordergrund steht (vgl. Teil I § 2 II.2.b), S. 16 f.), wird die Problematik der Adoption für gleichgeschlechtliche Paare an dieser Stelle nur am Beispiel schwuler Paare erörtert. So beispielsweise in Frankreich, vgl. Ferrand, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 113 (120). Dopffel/Kötz/Scherpe, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel, Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 391 (405); Ferrand, a.a.O., S. 113 (120). Dieser Zustand wird darauf zurückgeführt, daß sowohl konzeptionsverhindernde Maßnahmen als auch Schwangerschaftsabbrüche zugenommen haben, vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdnr. 724; Backmann, Künstliche Fortpflanzung und Internationales Privatrecht, S. 1. Norwegen verbietet die Stiefkindadoption eines bereits adoptierten ausländischen Kindes (sog. Kettenadoption), vgl. oben den Text zu Fn. 31.
212
Teil III Komparatistische Untersuchung
Form darstellt, ihren Kinderwunsch zu realisieren. Im Gegensatz zu einem adoptierten weist ein so gezeugtes Kind auch eine genetische Verwandtschaft zu einem der Väter auf. Vor diesem Hintergrund könnte daher in Zukunft auch die Zulassung schwuler Paare zu Maßnahmen assistierter Reproduktion an Bedeutung gewinnen. Lenkt man den Blick auf die Entwicklung des Zugangs gleichgeschlechtlicher, insbesondere lesbischer Paare zu Techniken der artifiziellen Reproduktion, so lassen sich Parallelen zu der Entwicklung ausmachen, welche die kindschaftsrechtlichen Regelungen innerhalb der Institute für gleichgeschlechtliche Partnerschaften genommen haben. Für die kindschaftsrechtlichen Regelungen konnte gezeigt werden, daß die anfängliche Ablehnung taktischen Gründen geschuldet war und vorrangig den Zweck hatte, die parlamentarische Durchsetzbarkeit des Gesamtprojekts zu sichern. Nachdem die einzelnen Staaten einige Zeit Erfahrungen mit dem neuen Institut gewonnen hatten, führte die große Mehrheit kindschaftsrechtliche Regelungen ein. Dies war möglich, weil keine substantiellen Bedenken gegen die gleichgeschlechtliche Elternschaft bestanden bzw. weil diese als ausgeräumt gelten konnten. Eine Rolle dürfte auch gespielt haben, daß die Akzeptanz des Rechtsinstituts und der in Aussicht genommenen kindschaftsrechtlichen Regelungen gesichert waren. Für den Bereich fortpflanzungsmedizinischer Maßnahmen läßt sich eine ähnliche Ausgangslage konstatieren, denn hier beruht die ablehnende Haltung naheliegenderweise auf den gleichen Gründen wie die anfängliche Ablehnung kindschaftsrechtlicher Regelungen. Das Aufwachsen von Kindern in gleichgeschlechtlichen Beziehungen empfand man in den 1990er Jahren noch als besonders problematisch. Die Verbote, gleichgeschlechtliche Paare zu Maßnahmen assistierter Reproduktion zuzulassen, wurden zumeist in unmittelbarem Zusammenhang mit der Etablierung des Partnerschaftsinstitutes, in allen Fällen aber zu einem Zeitpunkt eingeführt, als diese Institute noch keine kindschaftsrechtlichen Regelungen enthielten. Es ist naheliegend, daß die Zulassung gleichgeschlechtlicher Paare zur künstlichen Befruchtung bereits bei der Einführung der Partnerschaftsinstitute deren politische Durchsetzbarkeit und Akzeptanz gefährdet hätte. Vor diesem Hintergrund war es konsequent, nicht nur kindschaftsrechtliche Regelungen auszuschließen, sondern auch den Zugang zu Maßnahmen assistierter Reproduktion zu versagen. Andernfalls hätten die durch die Nutzung reproduktionsmedizinischer Maßnahmen entstandenen Familien mit gleichgeschlechtlichen Eltern den Gesetzgeber nicht nur mit sich selbst in Widerspruch gesetzt, sondern bereits durch ihr faktisches Vorhandensein eine Regelung dieses Bereichs erzwungen. Umgekehrt kann die Einführung kindschaftsrechtlicher Regelungen in einigen Staaten einen wichtigen Grund bilden, gleichgeschlechtliche bzw. lesbische Paare zur künstlichen Befruchtung zuzulassen, weil nunmehr Kinder in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft rechtlichen Schutz erfahren. Dies würde auch erklären, weshalb in vielen Staaten der Fragenkreis um die künstliche Befruchtung gegenüber kindschaftsrechtlichen Fragen trotz des prinzipiellen Zusammenhangs mit einiger Verzögerung diskutiert wird. Damit kann festgehalten werden, daß auch der bisherige Ausschluß gleichgeschlechtlicher Paare von Maßnahmen assistierter Reproduktion zum überwiegen-
§ 8 Darstellung und Vergleich ausländischer Rechtsordnungen
213
den Teil politisch-opportunistischen Gründen geschuldet war.193 Schweden rückte als erstes Land von seinem ursprünglichen Verbot ab und hat lesbische Paare in öffentlichen Krankenhäusern zur künstlichen Befruchtung zugelassen. Es steht zu erwarten, daß diejenigen Länder, die bereits kindschaftsrechtliche Regelungen in ihren Rechtsinstituten für gleichgeschlechtliche Partner getroffen haben, in Zukunft auch gleichgeschlechtliche und zwar zunächst vor allem lesbische Paare zu Maßnahmen assistierter Reproduktion zulassen werden. Einen deutlichen Anhaltspunkt dafür liefern die mittlerweile in einigen Staaten geführten Diskussionen zu dieser Frage, beispielsweise in Island und Finnland, wobei diese Aussage für Finnland wiederum insoweit einzuschränken ist, als das vergleichsweise junge finnische Partnerschaftsinstitut (noch) keine kindschaftsrechtlichen Regelungen kennt. 3. Spezielle familienrechtliche Regelungen Mit der Zulassung lesbischer Paare zu Maßnahmen assistierter Reproduktion haben der spanische und der schwedische Gesetzgeber zugleich auch spezielle familienrechtliche Regelungen eingeführt, die auf die Interessen der beteiligten Personen zugeschnitten sind. Im Vordergrund steht dabei die originäre, also mit der Geburt erfolgende, statusrechtliche Zuordnung des Kindes nicht nur zu der gebärenden, sondern auch zu der nicht-gebärenden Partnerin. Die Anwendung dieses Regimes hängt von pränatal abgegebenen konsentierenden Erklärungen beider Partnerinnen ab.194 Die Erklärungen bedürfen jeweils unterschiedlich ausgestalteter staatlicher Mitwirkung. Dadurch kann schon vor der Geburt für die Wunscheltern, den Samenspender und das Kind statusrechtliche Sicherheit hergestellt werden. Dieses Lösungsmodell kann auch für eine nationale Regelung konstruktiv fruchtbar gemacht werden, weshalb darauf im Rahmen der Ausführungen zur Eltern-Kind-Zuordnung nach erfolgreicher assistierter Reproduktion rekurriert werden wird.195
VI. Zusammenfassung Im Ausland findet die Übernahme elterlicher Verantwortung durch gleichgeschlechtliche Paare auf gesellschaftlicher und rechtlicher Ebene zunehmend Anerkennung. Dies schlägt sich deutlich darin nieder, daß gleichgeschlechtlichen Paaren kontinuierlich weitere Rechte eingeräumt werden. Diese Entwicklung bleibt nicht auf das Familienrecht beschränkt, sondern erfaßt mittlerweile auch den Bereich der Fortpflanzungsmedizin. Es zeigt sich, daß Fragen des Kindschaftsrechts und des Zugangs zu Maßnahmen assistierter Reproduktion vielfältige Bezüge 193
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Die Schweiz bildet hier nicht etwa deshalb eine Ausnahme, weil dort die elterlichen Voraussetzungen der assistierten Reproduktion durch höherrangiges Recht vorgegeben sind (vgl. S. 199 ff.), denn auch die eidgenössische Verfassung dürfte entsprechend motiviert sein. In Spanien geht aus dem Gesetz nicht eindeutig hervor, ob die gebärende Partnerin zustimmen muß; in der Literatur wird dies für erforderlich gehalten. Vgl. dazu Teil V § 12 IV.1., S. 330 ff.
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Teil III Komparatistische Untersuchung
zueinander aufweisen. Beide Bereiche wurden in der jüngeren Vergangenheit aus der rechtlichen Regelung und teilweise auch aus der Diskussion um die Stellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften überwiegend aus opportunistischen Gründen ausgeschlossen. Die nachfolgende Entwicklung verläuft in fast allen Staaten nahezu gleichförmig. Nachdem die nationalen Gesetzgeber zunächst Partnerschaftsinstitute etabliert und mit ihnen praktische Erfahrungen gesammelt hatten, führten sie erste kindschaftsrechtliche Regelungen wie die Stiefkindadoption ein. Diesen folgte die Volladoption, wobei insofern noch einmal zwei Stufen unterschieden werden können, nämlich die gemeinschaftliche Adoption inländischer gegenüber der gemeinschaftlichen Adoption ausländischer Kinder. Schließlich werden auch lesbische Paare zu Maßnahmen assistierter Reproduktion zugelassen. Wie die allerorts geführten Diskussionen zeigen, sind die Einführung kindschaftsrechtlicher Regelungen und die Tendenz, gleichgeschlechtliche Paare zu Maßnahmen assistierter Reproduktion zuzulassen, eine allgemein zu verzeichnende Entwicklung, die nicht mit nationalen Besonderheiten erklärt werden kann. Im deutschen Gesetzgebungsprozeß zum Lebenspartnerschaftsgesetz hat der Zugang gleichgeschlechtlicher Paare zu reproduktionsmedizinischen Maßnahmen keine Rolle gespielt. Dies überrascht, weil zahlreiche europäische Länder diese Frage diskutierten und eine gesetzliche Regelung trafen. Die Parlamentarier beriefen sich ausweislich der amtlichen Begründung zum Lebenspartnerschaftsgesetz explizit auf die Partnerschaftsinstitute Schwedens, Dänemarks, Norwegens, Islands und Frankreichs. Alle diese Länder hatten sich zu diesem Zeitpunkt mit dieser Frage auseinandergesetzt und eine gesetzliche Regelung getroffen.196 Zukünftig wird sich auch in Deutschland die Öffentlichkeit und das Parlament einer breiteren Diskussion dieser Frage nicht entziehen können. Spätestens im Zusammenhang mit der Erarbeitung eines noch ausstehenden Fortpflanzungsmedizingesetzes muß der Gesetzgeber diese Debatte führen und zu einer klaren Position kommen. Dabei wird er sich auch an den bislang existierenden kindschaftsrechtlichen Regelungen des Lebenspartnerschaftsrechts zu orientieren haben. Schließlich sollte er auch die im Ausland getroffenen Entscheidungen bei seiner Auseinandersetzung mit der Materie berücksichtigen.
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BT-Drucks. 14/3751 v. 4.7.2000, S. 33. Möglicherweise gilt für Island etwas anderes, weil hier die gesetzliche Regelung erst im Jahr 2000 eingeführt wurde.
Teil IV Medizinische Grundlagen und rechtlicher Rahmen der artifiziellen Reproduktion
§ 9 Reproduktionsmedizinische Grundlagen I. Einleitung Die Reproduktionsmedizin ist eine interdisziplinäre Fachrichtung, die sich unter Berücksichtigung gynäkologischer, urologischer, genetischer, biologischer, juristischer und ethischer Aspekte mit der menschlichen Fortpflanzung befaßt und diagnostische sowie therapeutische Verfahren anbietet.1 Sie hat sich mittlerweile als eigenständige humanmedizinische Disziplin fest etabliert und ist zumeist an den Universitäts-Frauenkliniken angesiedelt. Reproduktionsmediziner arbeiten eng mit Embryologen, Endokrinologen und Humangenetikern zusammen. Neben der Grundlagenforschung sind die wichtigsten anwendungsbezogenen Gebiete der Reproduktionsmedizin die Antikonzeption und die Prokonzeption. Die Antikonzeption will ungewollte Schwangerschaften verhindern. Die Prokonzeption verfolgt das Ziel, die ungewollte Kinderlosigkeit als Krankheit zu behandeln. Während die Antikonzeption zu den Hauptaufgaben der Medizin überhaupt gezählt wird, richtet sich die Prokonzeption an eine weltweit gesehen relativ kleine Personengruppe, der ein Kinderwunsch auf natürlichem Wege versagt bleibt. Gleichwohl expandiert diese Disziplin. Im Zentrum der Prokonzeption steht die artifizielle Reproduktion. Damit bezeichnet man die Herbeiführung einer Schwangerschaft auf anderem Wege als durch verschiedengeschlechtlichen Geschlechtsverkehr per vaginam unter Einsatz technischer Hilfsmittel.2 Als eine der ersten Techniken gilt die künstliche Insemination. Sie ist beim Menschen seit 1770 bekannt.3 Bereits seit dem 19. Jahrhundert wurde die menschliche Reproduktion systematisch untersucht. Beschränkte sich die naturwissenschaftlich orientierte Medizin jener Zeit noch auf die Erforschung der Fortpflanzungsvorgänge, insbesondere auf die Anatomie, die Physiologie und die Pathologie der Fortpflanzungsorgane und Keimzellen, so erzielte die Reproduktionsmedizin seit Mitte des 20. Jahrhunderts durch den zunehmenden Erkennt1
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Vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, Stichwort: Reproduktionsmedizin, S. 1438; ders., Wörterbuch Sexualität, Stichwort: Reproduktionsmedizin, S. 440. S.a. Laufs, Fortpflanzungsmedizin und Arztrecht, S. 12; Dierks, ZaeFQ 96 (2002), 375 (375 f.). Vgl. den Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Embryonen, BT-Drucks. 11/5460 v. 25.10.1989, S. 8. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdnr. 755.
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Teil IV Medizinische Grundlagen und rechtlicher Rahmen
nisgewinn auf dem Gebiet der Biochemie und der Molekulargenetik geradezu bahnbrechende Fortschritte, die zu bedeutsamen Erfolgen führten. Die Geburtsstunde der modernen anwendungsbezogenen Fortpflanzungsmedizin schlug sprichwörtlich am 25. Juli 1978, als der erste extrakorporal gezeugte Mensch zur Welt kam: Das Mädchen Louise Brown ging als „Retortenbaby“ nicht nur in die Medizin-, sondern auch in die Menschheitsgeschichte ein.4 In der Bundesrepublik Deutschland wurde 1982 das erste extrakorporal gezeugte Kind geboren.5 Mittlerweile sind mehrere hunderttausend Kinder nach der Methode der In-vitroFertilisation gezeugt und geboren worden.6 Den Erfolgen und Verheißungen der Reproduktionsmedizin einerseits stehen andererseits aber auch weitreichende Bedenken, Risiken und Mißbrauchsmöglichkeiten gegenüber.7 Durch die Option, menschliches Leben ohne natürlichen Zeugungsvorgang innerhalb oder außerhalb des Mutterleibes entstehen zu lassen, werden zentrale Grundwerte unserer rechtlichen und sozialen Grundordnung berührt. Die Verfahren der artifiziellen Reproduktion haben neben der Antikonzeption zu einer Entkoppelung von Fortpflanzung und Sexualität geführt und dem Zeugungsvorgang den Charakter eines individuell-personalen Aktes innerhalb einer Zweierbeziehung genommen. Die Prokreation findet unter Einschaltung außenstehender Dritter statt: Arzt, ärztliches Hilfspersonal, Humanbiologen sowie Samenspender, Eispenderinnen und Ersatzmütter sind am Entstehen neuen menschlichen Lebens beteiligt. Zudem erleichtern es die modernen Verfahren, über den menschlichen Embryo zu Zwecken der Forschung oder der Selektion nach eugenischen Gesichtspunkten zu verfügen. Über die medizinisch-naturwissenschaftliche Bewertung der Fortpflanzungsmedizin hinaus werden damit auch Probleme ethischer, gesellschaftlicher, psychologischer und rechtlicher Art aufgeworfen. Auf dem Gebiet der Reproduktionsmedizin stellt sich daher besonders drängend die auch auf anderen ärztlichen Tätigkeitsfeldern aufgeworfene Frage nach den ethischen und rechtlichen Grenzen des technisch Realisierbaren.8 Mit den vielfältigen Problemen kann auch der verantwortlich handelnde und die Folgen seines Tuns reflektierende Naturwissenschaftler und Arzt nicht allein gelassen werden. Der Rahmen des rechtlich Zulässigen muß durch den Gesetzgeber festgelegt werden. Eine derartige Festlegung setzt nicht nur Grenzen, sie dient zugleich dem Schutz des verantwortungsvollen Arztes und Naturwissenschaftlers, weil er künftig potentiellen Aufforderungen Dritter, im Bereich der Fortpflanzungsmedizin ethisch 4
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8
Dieses Unterfangen, die In-vitro-Fertilisation mit anschließendem Embryotransfer, gelang erstmals dem englischen Gynäkologen Patrick Steptoe und dessen Landsmann, dem Physiologen Robert Edwards, vgl. Kaiser, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, A VI, Rdnr. 2. Vgl. Lauff/Arnold, ZRP 1984, 279; Wurzel/Born, BayVBl. 1991, 705 (706). Kentenich, ZaeFQ 96 (2002), 379. S. statt aller Laufs, Fortpflanzungsmedizin und Arztrecht, S. 11 ff.; ders., in: Laufs/ Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 129, Rdnr. 4. Vgl. den Gesetzesantrag des Freistaates Bayern zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der künstlichen Befruchtung beim Menschen (Fortpflanzungsmedizingesetz), BR-Drucks. 535/88 v. 15.11.1988, S. 11 sowie den Gesetzesantrag des Landes Niedersachsen zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes, BR-Drucks. 522/88 v. 4.11.1988, S. 2. S.a. Laufs, Arztrecht, Rdnr. 369 f. m.w.N.
§ 9 Reproduktionsmedizinische Grundlagen
217
problematische Manipulationen vorzunehmen, unter dem Hinweis auf das geltende Recht zu begegnen vermag.9 Da durch solche Regelungen aber auch zugleich in die Grundrechte des davon betroffenen Bürgers eingegriffen wird, sind diese Festlegungen durch den demokratisch legitimierten Gesetzgeber zu treffen. Die von der Legislative gesetzten Grenzen können aber auf dem Gebiet der Reproduktionsmedizin keineswegs als kategorisch und ein für allemal unverrückbar angesehen werden. In einer pluralistischen Gesellschaft mit sich rasch wandelnden Wertvorstellungen muß die Frage nach den Grenzen des ethisch und moralisch Zulässigen stets neu gestellt und beantwortet werden. Die staatliche Gemeinschaft darf sich bei dynamischen Prozessen nicht mit einmal getroffenen Festlegungen zufrieden geben, sondern hat sich ständig neu ihrer Legitimität zu vergewissern.10 Angesichts des fundamentalen gesellschaftlichen wie juristischen Bewertungswandels, den das Phänomen Homosexualität seit einiger Zeit erfährt, gilt dieses Postulat in besonderem Maße für die Frage nach der Zulässigkeit fortpflanzungsmedizinischer Maßnahmen bei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Im folgenden soll untersucht werden, inwieweit die rechtlichen Beschränkungen fortpflanzungsmedizinischer Maßnahmen vor diesem Hintergrund bestehen können. Bei der Darstellung der medizinischen Aspekte werden in einem einführenden Abschnitt die Grundlagen menschlicher Reproduktion, die Bedingungen der Reproduktion bei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, die heute der Fortpflanzungsmedizin zu Gebote stehenden Techniken und die für den vorliegenden Zusammenhang bedeutsamen medizinischen Indikationen erläutert. Davon ausgehend wird gezeigt, welche Maßnahmen assistierter Reproduktion bei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften in Betracht kommen. Sodann folgt die Darstellung und Diskussion der legalen und sublegalen Beschränkungen der künstlichen Befruchtung. In diesem Zusammenhang werden die für die Reglementierungen vorgebrachten Argumente kritisch durchgesehen und es wird untersucht, ob die Gegebenheiten bei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften in Bedacht genommen worden sind.
II. Reproduktionsbiologische Grundlagen Die im Rahmen der artifiziellen Reproduktion entwickelten Techniken knüpfen an die Bedingungen der natürlichen Fortpflanzung an. In der belebten Welt besteht das Prinzip der Fortpflanzung bzw. der Vermehrung in der Weitergabe einer bestimmten genetischen Information an Nachkommen. Es werden zwei Formen der Fortpflanzung unterschieden: die asexuelle und die sexuelle Fortpflanzung. Bei 9
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Vgl. Kabinettbericht zur künstlichen Befruchtung beim Menschen, BT-Drucks. 11/1856 v. 23.2.1988, S. 7. Siehe auch Hepp, ZaeFQ 96 (2002), 396 (401): Die Verantwortung des Arztes sei niemals von der Verantwortung jedes einzelnen und der Gesellschaft zu trennen. Vgl. auch den Diskussionsbeitrag von Taupitz, in: Das Bundesministerium für Gesundheit, Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, S. 421 (431): Die in der Verfassung niedergelegte Freiheitsvermutung gebiete dem Gesetzgeber, seiner Begründungslast für Einschränkungen dieser Freiheit fortwährend nachzukommen und Gesetze darauf zu überprüfen, ob sie noch legitim sind.
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Teil IV Medizinische Grundlagen und rechtlicher Rahmen
der asexuellen Fortpflanzung wird die gesamte genetische Information eines Individuums an die Nachkommenschaft weitergegeben. Dabei sind Eltern und Nachkommen in der Regel genetisch identisch. Die asexuelle Fortpflanzung kommt bei verschiedenen Tieren und vor allem bei Pflanzen vor (vegetative Vermehrung). Bei der sexuellen Fortpflanzung wird jeweils nur die Hälfte der genetischen Information zweier Individuen an einen gemeinsamen Nachkommen weitergegeben. Sie erfordert einen komplizierten Aufbau von speziell der Fortpflanzung dienenden Zellen (Gameten) und Organen (Sexualorgane). Die sexuelle Fortpflanzung hängt von der Existenz zweier verschiedener Geschlechter ab. Ihr Vorteil gegenüber der asexuellen Fortpflanzung liegt in der relativ schnellen Herausbildung einer hohen Individualität.11 Menschliches Leben wird nach dem Prinzip der sexuellen Fortpflanzung weitergegeben. Die hierzu erforderlichen Gameten werden als männliche und weibliche Keimzellen oder auch als Spermien (bzw. Samen) und Eizellen bezeichnet. Die Keimzellen werden von den Keimorganen produziert. In ihrer generativen Funktion sind dafür bei der Frau die Eierstöcke und beim Mann die Hoden verantwortlich. Die Keimzellen entstehen durch Spermatogenese bzw. Ovogenese und besitzen nach der meiotischen Reifungsteilung nur einen einfachen Chromosomensatz (Haploidie).12 Die Eierstöcke der Frau enthalten die Eifollikeln. In ihnen reifen unter dem Einfluß eines hormonellen Systems in jedem Zyklus etwa 50 weibliche Primärfollikeln weiter. Von diesen heranreifenden Primärfollikeln erreicht jeweils nur ein Follikel am 14. Zyklustag die volle Reife. Darauf folgt der Eisprung (Ovulation), bei dem die eigentliche Eizelle vom Eileiter (Tube) aufgefangen und in dessen weitesten Teil (Ampulle) transportiert wird. An diesem Ort trifft die Eizelle mit den Spermien zusammen. Diese sind nach den Reifungsvorgängen im Hoden unmittelbar vor der Ejakulation mit Sekreten des Nebenhodens vermischt worden, die ihre aktive Beweglichkeit angeregt haben. Auf dem Weg zur Eizelle im weiblichen Genitale erfahren die Spermien während der sog. Kapazitation wesentliche strukturelle und biochemische Veränderungen, welche sie in die Lage versetzen, die Eizelle zu befruchten (Konzeption). Beim Zusammentreffen mit der Eizelle bewirken Enzyme eines bestimmten Spermienteiles eine teilweise Auflösung der die Eizelle umgebenden Zellschichten. Im Verlauf dieser sog. akrosomalen Reaktion gehen die Zellmembranen von Eizelle und Spermium eine innige Verbindung ein, die das Eindringen des Spermiums in das Plasma der Eizelle ermöglicht (Imprägnation). Die auf diese Weise neu entstandene Zelle bezeichnet man als Zygote. Gewisse Stoffwechselvorgänge verhindern ab jetzt das Eindringen weiterer Spermien, sodaß es in der Regel nicht zu einer Doppelbefruchtung kommt. In der Eizelle haben sich währenddessen bestimmte chromosomale Prozesse abgespielt, bei deren Abschluß der haploide Chromosomensatz seine Teilung durch Abstoßung der einen Hälfte (zweites Polkörperchen) beendet. Daraufhin formieren sich jeweils aus dem haploiden Chromosomensatz der Eiund der Samenzelle zwei Vorkerne (Pronuklei), die von Membranen umgeben sind. In diesem Stadium lagern sich der männliche und der weibliche Vorkern 11 12
Kaiser, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, A II, Rdnr. 22 ff. Normale somatische Zellen enthalten einen zweifachen Chromosomensatz, sog. Diploidie.
§ 9 Reproduktionsmedizinische Grundlagen
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zwar dicht aneinander. Die Chromosomen sind jedoch noch nicht miteinander verschmolzen, d.h. ein neuer diploider Chromosomensatz hat sich noch nicht gebildet. Unmittelbar danach beginnt in jedem Vorkern die Verdoppelung (identische Reduplikation) des genetischen Informationsmaterials. Dann wandern die Vorkerne aufeinander zu und vereinigen sich (Konjugation) zur ersten gemeinsamen Teilung (Furchung) des nun wieder diploiden Genoms. Bei diesem Vorgang wird das paternale und maternale genetische Informationsmaterial neu miteinander kombiniert (Rekombination). Zu diesem Zeitpunkt ist die Befruchtung abgeschlossen. Die Zygote wird vom Moment der Kernverschmelzung an rechtlich als Embryo angesehen (§ 8 Abs. 1 ESchG).13 Der soeben beschriebene Befruchtungsvorgang spielt sich innerhalb eines Zeitraumes von 24 Stunden ab. Während der folgenden sechs bis sieben Tage wandert die Zygote durch den Eileiter bis in die Gebärmutterhöhle. Dabei teilt sich die Embryonalanlage etwa alle zwölf Stunden in Tochterzellen (sog. Blastomeren) und entwickelt sich zur Morula. Bis zum 8-Zell-Stadium sind diese Zellen totipotent,14 d.h. sie haben jede für sich genommen die Fähigkeit, unter geeigneten Bedingungen zu einem eigenständigen Individuum heranzuwachsen. In dieser Phase kann auch die natürliche Trennung zu eineiigen Zwillingen erfolgen. Im 16-Zell-Stadium lassen sich bereits äußere und innere Zellen ausmachen. Bald danach vergrößern sich die extrazellulären Räume und füllen sich mit Flüssigkeit. Aus der Morula ist nun die Blastozyste entstanden, an der sich deutlich eine innere Zellmasse (Embryoblast) abgrenzen läßt, die von Trophektoderm (Trophoblast) genannten Zellen umgeben wird. Die innere Zellmasse differenziert sich zum eigentlichen Embryo. Das Trophektoderm stellt eine Vorstufe der späteren Plazentaanlage dar. Am siebten Tag hat die menschliche Blastozyste ein Stadium von etwa 125 Zellen erreicht, liegt im Inneren der Gebärmutter und hat den ersten Kontakt zur Gebärmutterschleimhaut aufgenommen (Nidation). Mit der Nidation geht die Entwicklung in die Implantationsphase über. In diesem Stadium führen enzymatische und proliferative Vorgänge dazu, daß innerhalb der nächsten sieben Tage die gesamte Keimanlage in der obersten Schicht der durch hormonelle Einflüsse auf die Gebärmutterschleimhaut entstandenen Dezidua eingebettet wird. Mit dem Beginn der Implantation ist die Blastogenese abgeschlossen. Während der Organogenese differenzieren sich die einzelnen Zellen zu den späteren Organanlagen. Mit dieser Differenzierung ist auch die eigentliche Embryogenese abgeschlossen, der mit der Fetogenese die Reifung aller Organe bis zum Ende der Schwangerschaft und der anschließenden Geburt folgt.15
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Hepp, ZaeFQ 96 (2002), 396 (399): Nach naturwissenschaftlichen Erkenntnissen beginne mit der Vereinigung der haploiden Chromosomensätze neues menschliches Leben. Für die Zwecke der vorliegenden Arbeit kann es dahinstehen, daß nach neueren Erkenntnissen bis zum 8-Zell-Stadium möglicherweise nicht alle Zellen Totipotenz besitzen. Vgl. zum ganzen Kaiser, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, A II, Rdnr. 31–37.
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Teil IV Medizinische Grundlagen und rechtlicher Rahmen
III. Bedingungen der Reproduktion bei gleichgeschlechtlichen Paaren Da die Generationenfolge beim Menschen dem Prinzip der sexuellen Fortpflanzung folgt, sind gleichgeschlechtliche Paare zur Realisierung ihres Kinderwunsches auf die Mitwirkung einer dritten geschlechtsverschiedenen Person angewiesen. Lesbische und schwule Paare können unter dieser Voraussetzung immer nur genetisch halbeigenen Nachwuchs haben. In dieser Arbeit wird davon ausgegangen, daß die Realisierung des Kinderwunsches unter Nutzung der assistierten Reproduktion vor allem auch deshalb für gleichgeschlechtliche Paare eine Handlungsoption darstellt, weil dadurch eine genetische bzw. biologische16 Verbindung zu dem Kind hergestellt werden kann. Daher bleiben Konstellationen ausgeklammert, bei denen ausschließlich die Gameten Fremder verwendet werden. Um ein Kind ohne genetische oder biologische Verbindung zu den Wunscheltern zu bekommen, kann grundsätzlich auch der Weg über die Adoption beschritten werden.
IV. Techniken der Reproduktionsmedizin Die Reproduktionsmedizin bedient sich abhängig von dem Hindernis, das einer natürlichen Zeugung im Wege steht, verschiedener Methoden, um den Wunsch nach einem Kind zu erfüllen. Im folgenden werden die Techniken und einzelne sich an den Gegebenheiten bei verschiedengeschlechtlichen Paaren orientierende medizinische Indikationen dargestellt, die auch für den vorliegenden Zusammenhang von Interesse sind.17 1. Homologes und heterologes System Unabhängig von der Befruchtungstechnik wird je nach Herkunft des Spermas zwischen homologem und heterologem System unterschieden. Mit dieser Differenzierung soll das personale Näheverhältnis beschrieben werden, in dem sich der Mann, von dem das Sperma stammt, und die Frau, deren Eizelle damit befruchtet werden soll, einander gegenüberstehen. Im homologen System werden die Keimzellen der Wunscheltern verwendet, im heterologen System werden die Keimzellen eines Menschen verwendet, der nicht Wunschelternteil ist. Vom homologen System wird daher immer dann gesprochen, wenn innerhalb einer bestehenden Ehe das Sperma des Ehemannes verwendet wird. Leben die Frau und der Mann in nichtehelicher Lebensgemeinschaft, ist teilweise vom quasihomologen System,18 teilweise vom homologen System die Rede.19 Eine Befruch-
16 17 18
Zum Verhältnis der Termini „genetisch“ und „biologisch“ vgl. S. 226. Siehe Teil V § 13 II., S. 341 ff. Kaiser, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, A VI, Rdnr. 13; SchmidtMatthiesen/Hepp, Gynäkologie und Geburtshilfe, S. 130 f.; BR-Drucks. 417/1/89 v. 11.9.1989, S. 7; Keller, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, B III, Rdnr. 25. Vgl. auch Coester-Waltjen, Reproduktionsmedizin 18 (2002), 183; Ratzel, Reproduktionsmedizin 18 (2002), 199 (201); Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 68,
§ 9 Reproduktionsmedizinische Grundlagen
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tung findet immer dann im heterologen System statt, wenn der Mann, von dem das Sperma stammt, mit der Frau, deren Eizelle befruchtet werden soll, nicht das Wunschelternpaar bildet.20 Lesbische Paare sind zur Realisierung ihres Kinderwunsches auf eine Samenspende angewiesen. Schwule Paare benötigen eine Eizelle und eine Frau, die bereit ist, nach der Befruchtung den Embryo auszutragen und ihnen das Kind nach der Geburt zu überlassen. Da gleichgeschlechtliche Wunscheltern jeweils Keimzellen einer geschlechtsverschiedenen dritten Person benötigen, die nicht Wunschelternteil ist, erfolgt die künstliche Befruchtung immer im heterologen System.21 2. Artifizielle Insemination In technischer Hinsicht ist die artifizielle Insemination die einfachste Methode künstlicher Befruchtung. Bei ihr wird mit Hilfe eines speziellen Instruments die Samenflüssigkeit in den weiblichen Genitaltrakt eingebracht. Das hierfür verwendete Sperma wird im allgemeinen durch Masturbation gewonnen. Je nach medizinischer Indikation wird der Samen in die Vagina, in die cervix, das cavum uteri, den Eileiter oder auch in die Bauchhöhle verbracht. In allen Fällen ist es wichtig, die artifizielle Insemination sehr sorgfältig mit dem Zyklus der Frau abzustimmen, um den Zeitpunkt der Ovulation möglichst genau zu treffen. Dazu sind Hormonanalysen und Ultraschalluntersuchungen erforderlich. Bei der intrauterinen artifiziellen Insemination muß die notwendige Kapazitation der Spermien zuvor in vitro in einem bestimmten Medium durchgeführt worden sein. Bei anderen Formen der artifiziellen Insemination haben sich spezielle Aufbereitungen des Samens zur Anreicherung oder zur Selektionierung der vitalsten Spermien in vitro als günstig erwiesen. Im Falle einer heterologen Insemination wird bevorzugt kryokonserviertes Sperma verwendet, um zwischen Entnahme und Übertragung genügend Zeit zur Untersuchung und Kontrolle des Spenders zu haben. Dadurch kann eine Übertragung von Krankheiten auf die Frau, etwa eine Infektion mit dem HI-Virus, ausgeschlossen werden.22
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Rdnr. 55. A.A. Uhlenbruck/Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 39, Rdnr. 72: immer heterolog. Vorstand der BÄK, (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion v. 17.2.2006, DÄBl-A 2006, 1392 (1396), sub 3.2.5. So auch noch Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht 5(2003), Rdnr. 544. Vgl. auch Dierks, ZaeFQ 96 (2002), 375 (377), der darauf hinweist, daß mit liberaleren Auffassungen bezüglich Ehe, Homosexualität und Zusammenleben der Begriff „heterolog“ ausdeutungsbedürftig geworden sei. Ähnlich Koch, in: Das Bundesministerium für Gesundheit, Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, S. 176 (179). So in seinem Diskussionsbeitrag auch Wunder, in: Das Bundesministerium für Gesundheit, Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, S. 421 (427). Prinzipiell müßte auch bei einer Eizellspende vom heterologen System die Rede sein. Findet diese innerhalb einer lesbischen Partnerschaft statt, müßte insoweit konsequenterweise vom homologen bzw. quasi-homologen System gesprochen werden, vgl. dazu Teil IV § 10 IV.4., S. 257 f. Kaiser, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, A VI, Rdnr. 16; Urdl, in: Bernat, Die Reproduktionsmedizin am Prüfstand von Recht und Ethik, S. 9 (9 f.); Kamps, MedR 1994, 339 (340).
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Teil IV Medizinische Grundlagen und rechtlicher Rahmen
Als medizinische Indikation für eine homologe artifizielle Insemination werden bei verschiedengeschlechtlichen Paaren überwiegend männliche Störungen der Fertilität angesehen, die auch im vorliegenden Zusammenhang von Interesse sind.23 Hier kommen sehr unterschiedliche Formen der Infertilität in Betracht. Bei der impotentia coeundi ist der Mann nicht in der Lage, den Beischlaf überhaupt oder in physiologisch sinnvoller Weise auszuführen. Im einzelnen unterscheidet man die Unmöglichkeit der Erektion (sog. erektile Impotenz), die Unmöglichkeit des Orgasmus (sog. ejakulatorische Impotenz) sowie die unzureichende Kontrolle über den Zeitpunkt des Orgasmus (ejaculatio praecox oder ejaculatio retardata). Von relativer Impotenz spricht man bei einer Abneigung gegen bestimmte Partner oder äußere Umstände.24 Schließlich ist noch die idiopathische Sterilität zu nennen, bei der eine bestimmte Ursache für die Unfruchtbarkeit nicht zu finden ist.25 Herkömmlicherweise wird die artifizielle Insemination im heterologen System dann durchgeführt, wenn beim Mann eine völlige Zeugungsunfähigkeit vorliegt. Bei Azoospermie fehlen reife Spermien im Ejakulat. Der Einsatz der heterologen Insemination hat aufgrund der Verfügbarkeit neuer Methoden wie der ICSI26 stark abgenommen und kommt nur noch in Frage, wenn diese Methoden versagt haben.27 3. In-vitro-Fertilisation mit Embryotransfer Unter In-vitro-Fertilisation werden alle Methoden verstanden, bei denen die Befruchtung der Eizelle außerhalb des Körpers erfolgt. Von den extrakorporal gezeugten Embryonen werden dann einer oder mehrere in die inneren weiblichen Genitalorgane verbracht. Diesen Vorgang bezeichnet man als Embryotransfer (ET). Für die Befruchtung in vitro müssen zunächst Eizellen gewonnen werden. Durch medikamentöse Stimulation des hormonellen Systems gelangen im Gegensatz zum natürlichen Zyklusablauf mehrere Follikelzellen bis zur völligen Reife. Der optimale Zeitpunkt für die Entnahme der Eizellen wird durch medizinische Verfahren bestimmt. Die Entnahme erfolgt entweder durch abdominale Laparoskopie oder über eine ultraschallgesteuerte vaginale Punktion. Beide Methoden weisen eine hohe Zuverlässigkeits- und geringe Komplikationsrate auf. Die Spermien werden in der Regel durch Masturbation gewonnen. Um möglichst vitale und kapazitierte Spermien zu erhalten, bereitet man das Ejakulat entsprechend 23
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Zu den weiblichen Störungen zählen isolierte morphologische oder funktionelle Veränderungen der cervix uteri sowie Strikturen und kongenitale Mißbildungen der Vagina. Allerdings muß bei diesen Befunden das übrige Genitale unversehrt sein, damit die Inseminationsbehandlung Aussicht auf Erfolg hat, Kaiser, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, A VI, Rdnr. 14; Schmidt-Matthiesen/Hepp, Gynäkologie und Geburtshilfe, S. 131. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, Stichwort: impotentia coeundi, S. 786. Vorstand der BÄK, (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion v. 17.2.2006, DÄBl-A 2006, 1392 (1394), sub 2.1.3. Zu dieser Technik unten, S. 224. Neidert, MedR 1998, 347 (350); Urdl, in: Bernat, Die Reproduktionsmedizin am Prüfstand von Recht und Ethik, S. 9.
§ 9 Reproduktionsmedizinische Grundlagen
223
auf.28 Die hormonelle Behandlung und die Aufbereitung des Ejakulats erhöhen deutlich die Erfolgsaussichten der assistierten Reproduktion.29 Die Fertilisation erfolgt im Reagenzglas oder in einer Petrischale in speziellen Kulturmedien. Die zuvor gewonnenen Eizellen werden unter dem Mikroskop auf ihre morphologische Beschaffenheit untersucht, um unreife und degenerierte Eizellen auszuschließen. Nachdem die Eizellen noch eine gewisse Zeit nachgereift sind, gibt man die aufbereiteten und kapazitierten Spermien hinzu. Nach 18 bis 22 Stunden werden die Eizellen mit Hilfe eines Mikroskops auf das Vorhandensein von Befruchtungszeichen (Nachweis eines männlichen bzw. weiblichen Vorkernes) kontrolliert. Nach weiteren 24 Stunden wird erneut mikroskopisch überprüft, ob die typischen embryonalen Entwicklungsstadien vorliegen. Hat sich der Embryo durch Teilung zum 2- bis 8-Zell-Stadium weiterentwickelt, wird er nach etwa 48 Stunden transferiert. Unter Einsatz eines weichen, dünnen Plastikkatheters plaziert der Reproduktionsmediziner ein bis maximal drei Embryonen transcervikal im cavum uteri. Er kann den Embryo auch in die Tube transferieren. Diese Methode wird als intratubarer Embryonentransfer bezeichnet.30 Durch den Transfer mehrerer Embryonen wird der hormonelle Impuls für das Endometrium erhöht und somit die Wahrscheinlichkeit der Nidation eines Embryos gesteigert (helping effect). Bei dieser mehrfachen Übertragung nimmt man das Zugrundegehen der nicht zur Einnistung gelangenden Embryonen in Kauf. Gleichzeitig steigt dadurch aber auch die Wahrscheinlichkeit von Mehrlingsschwangerschaften.31 Prinzipiell sind Einlingsschwangerschaften erstrebenswert, da diese im Vergleich zu Mehrlingsschwangerschaften das geringste Risiko für Mutter und Kind darstellen. Mehrlinge weisen häufiger angeborene Fehlbildungen und höhere Geburtskomplikationen auf als Einlinge.32 Mit zunehmendem Alter der Frau nimmt jedoch die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Mehrlingsschwangerschaft ab.
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Kaiser, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, A VI, Rdnr. 26 f.; Urdl, in: Bernat, Die Reproduktionsmedizin am Prüfstand von Recht und Ethik, S. 9 (10). Zur Steigerung der Schwangerschaftsrate vgl. nur Urdl, in: Bernat, Die Reproduktionsmedizin am Prüfstand von Recht und Ethik, S. 9 (12). Kaiser, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, A VI, Rdnr. 30; SchmidtMatthiesen/Hepp, Gynäkologie und Geburtshilfe, S. 131 f.; Urdl, in: Bernat, Die Reproduktionsmedizin am Prüfstand von Recht und Ethik, S. 9 (10). Sehr kritisch dazu und zur gegebenenfalls erforderlichen Mehrlingsreduktion durch Fetozid vor allem Laufs, JZ 1986, 769 (774); ders., Fortpflanzungsmedizin und Arztrecht, S. 65; ders., in: Günther/Keller, Fortpflanzungsmedizin und Humangenetik, S. 89 (105); ders., Arztrecht, Rdnr. 380 ff.; ders., in: Rieger, Lexikon des Arztrechts, Stichwort: In-vitro-Fertilisation, Rdnr. 3 f.; ders., NJW 2000, 2716 (2717): Aufopferung menschlichen Lebens. Vgl. auch Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über die Achtung vor dem beginnenden menschlichen Leben und die Würde der Fortpflanzung v. 10.3.1987, S. 23; Kabinettbericht zur künstlichen Befruchtung beim Menschen v. 23.2.1988, S. 3; Pap, MedR 1986, 229 (235); Kentenich, ZaeFQ 96 (2002), 379 (383); Kreß, EthikMed 17 (2005), 234 (234 f.). Der Vorstand der BÄK, (Muster-) Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion v. 17.2.2006, DÄBl-A 2006, 1392 (1397), sub 5.1 empfiehlt zur Zeit den Transfer von zwei Embryonen. Kaiser, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, A VI, Rdnr. 31.
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Teil IV Medizinische Grundlagen und rechtlicher Rahmen
4. Intracytoplasmatische Spermieninjektion Zu den jüngeren Errungenschaften extrakorporal durchgeführter Befruchtungstechniken zählt die seit 1992 praktizierte intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI), bei der eine menschliche Samenzelle in das Zytoplasma einer menschlichen Eizelle injiziert wird.33 Die wichtigste Indikation für diese technisch aufwendige Methode sind andrologische Ursachen, die sich jeder anderen Art der Therapie entziehen. Selbst wenn der pathologische Befund hochgradige Störungen der Spermiogenese in Bezug auf Zahl, Motilität und Morphologie der Spermien aufweist, lassen sich mittels ICSI Schwangerschaften mit einer Erfolgsrate von über 25% erzielen.34 Bei Nachuntersuchungen der so gezeugten und geborenen Kinder hat man festgestellt, daß deren Entwicklung weitgehend unauffällig verläuft.35 5. Uterine Lavage Als uterine Lavage wird eine Technik des Embryotransfers bezeichnet, bei der der Embryo vor der Implantation aus dem Uterus einer anderen Frau ausgespült wird. Der Embryo kann sich dort aufgrund natürlicher oder künstlicher Zeugung befinden. Die Ausspülung eines Embryos erfordert einen geringeren Aufwand als die In-vitro-Fertilisation.36 6. Eizellspende Bei der Oocytendonation werden Eizellen durch Follikelpunktion nach hormoneller Stimulation wie bei einer In-vitro-Fertilisation gewonnen und fertilisiert. Der Embryotransfer folgt ebenfalls dem von der IVF her bekannten Regime. Voraussetzung für die Eizellspende ist eine intakte Gebärmutter bei der Empfängerin. Diese muß für einen optimalen Schleimhautaufbau hormonell stimuliert werden. Die gespendete Eizelle kann zur intrakorporalen Befruchtung aber auch mit dem Samen in den Körper der Frau eingebracht werden (Gametentransfer, dazu sogleich). Als medizinische Indikation für eine Eizellspende gilt ein Ausfall oder eine Störung der Ovarialfunktion. Bei dieser Diagnose kann eine Frau keine befruchtungsfähigen Eizellen produzieren. Dieser Befund liegt bei frühzeitigem Versiegen der Eierstockfunktion (climacterium praecox), bei Entzündungen, bei einer 33
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Urdl, in: Bernat, Die Reproduktionsmedizin am Prüfstand von Recht und Ethik, S. 9 (11); Kentenich, ZaeFQ 96 (2002), 379. Vor Anwendung der ICSI muß eine genaue Anamnese, insbesondere eine Stammbaumanalyse beider Partner (unter anderem im Hinblick auf Fehlgeburten, Totgeburten, Personen mit körperlichen oder geistigen Behinderungen, andere Familienmitglieder mit Fertilitätsstörungen) erfolgen. Ergeben sich Hinweise auf Erkrankungen, die genetisch bedingt sein könnten, so ist eine Beratung durch einen Humangenetiker anzuraten, Vorstand der BÄK, (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion v. 17.2.2006, DÄBl-A 2006, 1392 (1399), Kommentar zu 2.1.5., 3. Gliederungspunkt. Schmidt-Matthiesen/Hepp, Gynäkologie und Geburtshilfe, S. 132. Kentenich, ZaeFQ 96 (2002), 379 (380) m.w.N.; SZ Nr. 3 v. 4. Januar 2008, S. 16; s.a. Felberbaum/Küpker/Diedrich, DÄBl-A 2004, 95 (100). Vgl. Keller, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 1 Nr. 6, Rdnr. 3.
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Ovarial-Endometriose oder bei Tumorbildungen vor. Ist eine Frau Trägerin einer rezessiven, X-chromosomal gebundenen Erbkrankheit, kann dies ebenfalls eine Eizellspende indizieren.37 Wie bei der Samenspende muß bei der Eizellspende eine Infektionsabklärung erfolgen. Eine HIV-Infektion kann am sichersten ausgeschlossen werden, wenn die Eizelle kryokonserviert und nach sechs Monaten ein weiterer HIV-Befund eingeholt wird. 7. Gametentransfer Der Gametentransfer ist eine intrakorporale Befruchtungsmethode, bei der entweder Eizelle und Spermien instrumentell in den Uterus (intrauteriner Gametentransfer) oder in den Eileiter (intratubarer Gametentransfer bzw. gamete intrafallopian tube transfer, GIFT) eingebracht werden. Als Indikationen des intrauterinen Gametentransfers gelten hauptsächlich Eileiterveränderungen. Die Keimzellen werden im wesentlichen wie bei der In-vitro-Fertilisation gewonnen. Bei der GIFT erfolgt das Einbringen der Eizelle und der Spermien abdominal oder transcervikal. Gegenüber der IVF ist die GIFT insofern im Vorteil, als sie einen geringeren technischen Aufwand erfordert und die extrakorporale Fertilisation entfällt.
V. Terminologische Fragen Bevor auf die denkbaren reproduktionsmedizinischen Maßnahmen bei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften eingegangen wird, ist das dieser Arbeit zugrundegelegte Verständnis der Termini „Ersatzmutterschaft“ und „gespaltene Mutterschaft“ zu klären. 1. Ersatzmutterschaft Die Terminologie zu der bereits im Alten Testament erwähnten38 Ersatzmutterschaft ist uneinheitlich.39 Einigkeit besteht darüber, daß es sich dabei um eine Frau 37
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Nieschlag/Wagenfeld/v. Schönfeldt/Schlatt, in: Das Bundesministerium für Gesundheit, Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, S. 109 (112). In der (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion v. 17.2.2006, DÄBl-A 2006, 1392 ff. wird die Eizellspende freilich nicht erwähnt, weil diese Methode nach dem ESchG verboten ist, vgl. dazu Teil IV § 10 IV., S. 242 ff. Vgl. Gen 30,3–8, wo Rahel, die kinderlos gebliebene Frau Jakobs, sprach: „Siehe, da ist meine Magd Bilha; geh zu ihr, daß sie auf meinem Schoß gebäre und ich doch durch sie zu Kindern komme. So gab sie ihm Bilha, ihre Leibmagd, zur Frau und Jakob ging zu ihr. Und Bilha ward schwanger und gebar Jakob einen Sohn. Da sprach Rahel: Gott hat mir Recht verschafft und mich erhört und mir einen Sohn gegeben. Drum nannte sie ihn Dan. Abermals ward Bilha, Rahels Leibmagd, schwanger und gebar Jakob ihren zweiten Sohn. Da sprach Rahel: Über alle Maßen habe ich gekämpft mit meiner Schwester und ich habe gesiegt. Und nannte ihn Naftali.“ In Gen 30,9–13 fungiert die Leibmagd Silpa als Ersatzmutter für Jakobs Frau Lea. Vgl. auch die Übersichten bei Goeldel, Leihmutterschaft – eine rechtsvergleichende Studie, S. 5; Backmann, Künstliche Fortpflanzung und Internationales Privatrecht, S. 17 f., jeweils m.w.N.
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Teil IV Medizinische Grundlagen und rechtlicher Rahmen
handelt, die dazu bereit ist, eine Schwangerschaft für Dritte zu übernehmen und nach der Geburt diesen das Kind dauerhaft zu überlassen. Als Oberbegriffe fungieren die Termini „Ersatzmutterschaft“, „Surrogatmutterschaft“, „Mutterschaft für Dritte“ und „für andere übernommene Mutterschaft“. Das AdVermiG und das ESchG sprechen von Ersatzmutterschaft.40 In dieser Arbeit wird einheitlich der Terminus Ersatzmutterschaft für eine Frau verwendet, die einen genetisch von ihr abstammenden Embryo austrägt. Je nachdem, ob eine Gewinnerzielung beabsichtigt ist, wird von einer kommerzialisierten oder einer altruistischen Form der Ersatzmutterschaft gesprochen. Als Tragemutter41 wird eine Ersatzmutter bezeichnet, die einen genetisch nicht von ihr abstammenden Embryo austrägt. 2. Gespaltene Mutterschaft Unter einer gespaltenen Mutterschaft werden verschiedene, voneinander unabhängige Phänomene verstanden, je nachdem, ob der Begriff in einem engen oder in einem weiten Sinne verwendet wird. Bei einem engen Verständnis bezeichnet die gespaltene Mutterschaft das Auseinanderfallen zwischen genetischer und plazentarer Mutter als Folge einer Ei- oder Embryonenspende. Unter genetischer Mutter wird die Frau verstanden, von der die zur Befruchtung vorgesehene Eizelle stammt, unter plazentarer Mutter die Frau, die den Embryo nach dessen Nidation austrägt und zur Welt bringt. Teilweise werden in diesem Kontext die Begriffe „biologisch“ und „plazentar“ synonym verwendet.42 Dies ist allerdings nicht präzise, denn sowohl die genetische als auch die plazentare Mutter weisen eine biologische Verbindung zu dem Embryo bzw. dem daraus entstehenden Kind auf. Daher muß der Terminus der biologischen Mutterschaft vielmehr als Oberbegriff für plazentare und genetische Mutterschaft fungieren und gegen die rein soziale Mutterschaft ohne biologische Verbindung zum Kind abgegrenzt werden. Unter sozialer Mutterschaft und sozialer Elternschaft wird die tatsächliche Übernahme der Verantwortung für das Kind verstanden. Bei einem extensiven Verständnis des Terminus gespaltene Mutterschaft wird nicht nur das Auseinanderfallen zwischen genetischer und plazentarer Mutter umfaßt, sondern auch die Divergenz zwischen plazentarer bzw. genetisch-plazentarer und sozialer Mutter.43 Die genetisch-plazentare und die soziale Mutter fallen bei der Ersatzmutterschaft auseinander; die plazentare und die soziale Mutter bei der 40
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Vgl. die im einzelnen leicht differierenden Legaldefinitionen in § 13a AdVermiG und § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG. Schumacher, FamRZ 1987, 313 (321); Laufs, in: Rieger, Lexikon des Arztrechts, Stichwort: Leihmutter, Rdnr. 2. Hier wird auch von Ammen-, Gast- oder Pflegemutter gesprochen, vgl. Coester-Waltjen, FamRZ 1992, 369; Goeldel, Leihmutterschaft – eine rechtsvergleichende Studie, S. 5. Ben-Am, Gespaltene Mutterschaft, S. 17 bezeichnet die Tragemutter, die einen fremden Embryo austrägt, als Surrogatmutter; May, Rechtliche Grenzen der Fortpflanzungsmedizin, S. 26 verwendet dafür die Termini Ersatz-, Leih- und Surrogatmutter. Vgl. nur Coester-Waltjen, Reproduktionsmedizin 18 (2002), 183 (193). Ein weites Verständnis liegt z.B. den Monographien von Ben-Am, Gespaltene Mutterschaft, S. 10 ff. und Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, S. 6 ff. zugrunde.
§ 9 Reproduktionsmedizinische Grundlagen
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Tragemutterschaft. Der vorliegenden Arbeit liegt ein enges Verständnis der gespaltenen Mutterschaft zugrunde. Mit ihr ist jeweils das Auseinanderfallen von genetischer und plazentarer Mutter gemeint.
VI. Ärztlich assistierte Reproduktion und künstliche Befruchtung in eigener Regie Bevor auf die im einzelnen denkbaren reproduktionsmedizinischen Maßnahmen eingegangen wird, ist zunächst noch zu klären, weshalb die ärztlich assistierte Reproduktion im Vorteil gegenüber der Vornahme bestimmter Techniken in eigener Regie ist. Zwar können lesbische und schwule Paare eine Insemination auch selbst durchführen, die Vornahme der artifiziellen Reproduktion durch einen Arzt ist aber auch bei der artifiziellen Insemination der Selbstinsemination in mehrfacher Hinsicht überlegen. So kann der Arzt das zu verwendende Sperma kryokonservieren, auf übertragbare Krankheiten untersuchen und für die Befruchtung optimal aufbereiten. Ein Arzt ist auch viel eher in der Lage, den geeigneten Befruchtungszeitpunkt zu ermitteln und gegebenenfalls die Follikelreifung mittels hormoneller Stimulation anzuregen. Schließlich ist der Arzt mit den anatomischen Verhältnissen besser vertraut, so daß im Gegensatz zur Durchführung durch einen Laien seltener Verletzungen auftreten und die Erfolgswahrscheinlichkeit für eine Schwangerschaft im ganzen höher sein dürfte.
VII. Denkbare reproduktionsmedizinische Maßnahmen bei gleichgeschlechtlichen Paaren Wie bereits ausgeführt, müssen gleichgeschlechtliche Paare, um ihren Kinderwunsch zu realisieren, gegenwärtig noch die Mitwirkung einer geschlechtsverschiedenen Person in Anspruch nehmen. Neben der Darstellung der derzeit praktizierten reproduktionsmedizinischen Maßnahmen wird auch in beschränktem Umfang auf möglicherweise in der Zukunft realisierbare Techniken eingegangen werden. Diese könnten es gleichgeschlechtlichen Paaren erlauben, eine Schwangerschaft ohne gegengeschlechtliche Unterstützung ins Werk zu setzen oder ein Kind zu zeugen, das genetisch von beiden Partnern abstammt. Zudem könnte die Option bestehen, im Rahmen der Zeugung die sexuelle Orientierung des Kindes zu beeinflussen. 1. Schwule Partnerschaften Will ein aus Männern bestehendes gleichgeschlechtliches Paar seinen Kinderwunsch mit Hilfe von Maßnahmen assistierter Reproduktion realisieren, so benötigt es hierfür nicht nur eine menschliche Eizelle,44 die mit dem Sperma eines der Partner befruchtet werden muß, sondern es ist auch auf das Engagement einer 44
Vgl. zur Problematik der Befruchtung einer tierischen Eizelle mit humanem Sperma und zur Transplantation eines menschlichen Zellkerns in eine entkernte tierische Eizelle BT-Drucks. 13/11263 v. 26.6.1998, S. 21.
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Teil IV Medizinische Grundlagen und rechtlicher Rahmen
Frau angewiesen, die dazu bereit ist, die befruchtete Eizelle auszutragen und das Kind nach der Geburt den Partnern auf Dauer zu überlassen. Bei schwulen Partnerschaften stellt daher das Engagement einer Ersatzmutter die einzige Möglichkeit dar, den gemeinsamen Wunsch nach einem genetisch halbeigenen Kind zu verwirklichen. Was die Maßnahmen assistierter Reproduktion angeht, kann die Ersatzmutter mit dem Samen eines Partners mittels aller hier diskutierten Techniken intrakorporal inseminiert werden. Hierbei könnte auch ein Samengemisch beider Partner Verwendung finden, so daß es dem Zufall überlassen bliebe, welcher der beiden Männer genetischer Vater des Kindes wird. Unabhängig davon, ob ein Samengemisch verwendet wird, ist ein Partner des schwulen Paares an der Entstehung des Kindes zwangsläufig völlig unbeteiligt, weil nur eine Samenzelle die Eizelle imprägnieren kann. Die Befruchtung einer Eizelle der Ersatzmutter mit dem Samen eines Partners oder mit einem Samengemisch beider Partner kann auch anhand der dargestellten extrakorporalen Methoden vorgenommen werden, um anschließend den so entstandenen Embryo auf die Frau zu transferieren, von der die Eizelle stammt. Schließlich kann bei den genannten extrakorporalen Verfahren auch die Eizelle einer anderen Frau statt der designierten Ersatzmutter verwendet werden. Das Ziel gleichgeschlechtlicher Partner, genetisch halbeigenen Nachwuchs zu haben, läßt sich sowohl über eine Ersatz- als auch über eine Tragemutterschaft realisieren. Allerdings können schwule Paare prinzipiell auf eine Ersatzmutter zurückgreifen, die einen eigenen Embryo austrägt, weshalb die Tragemutterschaft im folgenden für diese Konstellationen unberücksichtigt bleibt. 2. Lesbische Partnerschaften Bei lesbischen Paaren ist die Bandbreite der Realisierungsmöglichkeiten ihres Kinderwunsches mit Hilfe reproduktionsmedizinischer Maßnahmen größer. Zunächst kommt in Betracht, daß eine Partnerin mit Spendersamen ein Kind zeugt. Hierfür können alle bereits vorgestellten intra- wie extrakorporalen45 Befruchtungstechniken eingesetzt werden. Bei einem lesbischen Paar ist es auch denkbar, daß einer Partnerin eine Eizelle entnommen, diese in vitro mit den etablierten Methoden befruchtet und der so entstandene Embryo daraufhin auf die zweite Partnerin zur Austragung und Geburt transferiert wird. In diesem Fall der Aufspaltung zwischen genetischer und plazentarer Mutter sind beide Frauen biologisch an der Existenz des Kindes beteiligt. Im Gegensatz zu schwulen Paaren haben lesbische Paare also die Möglichkeit, eine beiderseitige biologische Verbindung zu ihrem Wunschkind herzustellen. Zwar können lesbische Paare theoretisch auch eine Ersatz- oder Tragemutter engagieren oder die befruchtete Eizelle einer dritten Frau austragen. In aller Regel können sie aber auf ihre eigenen Eizellen zurückgreifen und selbst die Schwangerschaft übernehmen, so daß auf diese Ausnahmekonstellationen in der vorliegenden Arbeit nicht näher eingegangen wird.
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Nicht nachvollziehbar Eichenhofer, ZaeFQ 96 (2002), 385 (388): Elternschaft werde durch In-vitro-Fertilisation erstmals für lesbische Paare möglich.
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3. Problematische Techniken Schwule und lesbische Paare könnten sich auch bestimmter, gegenwärtig futuristisch erscheinender Techniken bedienen wollen, die im Gegensatz zu den bereits genannten Verfahren besondere Probleme aufwerfen. Im folgenden wird kurz dargestellt, wie diese Verfahren ausgestaltet sind und wegen welcher Bedenken sie im weiteren Verlauf dieser Arbeit nicht berücksichtigt werden. a) Artifizielle oder tierische Plazenta (1) Technik Bei der Verwendung einer artifiziellen oder tierischen Plazenta handelt es sich um Techniken, die darauf gerichtet sind, einen Embryo außerhalb des weiblichen Körpers während der Embryo- und der Fetogenese zu einem lebensfähigen Menschen heranreifen zu lassen. Die artifizielle Plazenta wird bereits 1932 von Aldous Huxley in „Brave New World“ beschrieben und in jüngster Zeit an extrauterin am Leben erhaltenen Ziegenföten erprobt.46 Mit dieser Technik könnte für schwule Paare das Engagement einer Ersatzmutter entfallen. Allerdings benötigten sie dann immer noch eine befruchtungsfähige Eizelle. (2) Bedenken Soweit zu erfahren ist, wird die Verwendung artifizieller oder tierischer Plazentae für die Ektogenese beim Menschen gegenwärtig nicht praktiziert. Diese Verfahren begegnen darüber hinaus auch schweren ethischen und mit Blick auf Art. 1 Abs. 1 GG und § 7 Abs. 2 Nr. 2 ESchG auch erheblichen juristischen Bedenken,47 weshalb sie im vorliegenden Zusammenhang aus der Betrachtung ausgeklammert bleiben. b) Klonen (1) Technik Zu den theoretisch beim Menschen realisierbaren Anwendungsmöglichkeiten der Reproduktionsmedizin kann auch das Klonen gerechnet werden. Von den bisher vorgestellten Verfahren hebt sich das Klonen in qualitativer Hinsicht dadurch ab, daß ein Eingriff in den embryonalen Zellverband oder eine Manipulation an einer Eizelle und an einer somatischen Zelle vorgenommen wird. 46
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Vgl. die Arbeit japanischer Forscher: Masahiro/Katsuya/Masayoshi/Masao, 115 J. Thorac. Cardiovasc. Surg. (1998), 1023 ff. Vgl. nur Starck, Gutachten A für den 56. DJT, A 23 und Günther, in: Günther/Keller/ Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 7, Rdnr. 1, 38 ff.; Coester-Waltjen, Gutachten B für den 56. DJT, B 18. Im übrigen will § 2 Abs. 2 ESchG verhindern, daß Experimente mit menschlichen Embryonen durchgeführt werden, um eine künstliche Gebärmutter zu entwickeln, s. Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Embryonen, BT-Drucks. 11/5460 v. 25.10.1989, S. 10. Vgl. auch Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 129, Rdnr. 4. Kritisch Coester-Waltjen, in: Trotnow/Coester-Waltjen, Möglichkeiten, Gefahren und rechtliche Schranken befruchtungstechnischer Eingriffe, S. 23 f.
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Unter Klonen werden verschiedene Techniken verstanden: Zum einen zählt dazu das Embryonensplitting, die Trennung von noch totipotenten Zellen im 8- bis 16-Zell-Stadium. Die Teilung eines Embryos in dieser frühen Entwicklungsphase kann zur Entstehung genetisch identischer Mehrlinge führen. Diese genetisch identischen Mehrlinge werden Klone genannt. Zum anderen fällt unter das Klonen auch die Technik der Kerntransplantation. Bei ihr wird der Zellkern einer somatischen Zelle eines Menschen auf eine enukleierte, d.h. entkernte menschliche Eizelle transferiert. Der Zellkern ist Träger des ganz überwiegenden genetischen Informationsmaterials. Dadurch entsteht eine totipotente menschliche Zelle, die die gleiche Erbinformation besitzt wie der Mensch, von dem der Zellkern stammt.48 Das Klonen kann therapeutische und reproduktive Zwecke verfolgen. Beim therapeutischen Klonen wird der geklonte Embryo als Zellkultur weitervermehrt und auf ein bestimmtes therapeutisches Ziel hin gezüchtet, z.B. zur Gewinnung von Gewebe eines bestimmten Organs für die Transplantation bei dem Patienten, von dem die Zelle stammt. Beim reproduktiven Klonen wird der Embryo in die Gebärmutter implantiert, um die Geburt eines Menschen herbeizuführen.49 In seiner reproduktiven Anwendung stellt das Klonen eine Form der asexuellen Vermehrung dar. Diese Technik wurde in der Vergangenheit mit Erfolg im Tierreich praktiziert. Berühmtheit erlangte etwa das auf diese Weise gezeugte Schaf „Dolly“. Die Technik des reproduktiven Klonens mittels Kerntransplantation würde es beispielsweise einem lesbischen Paar ermöglichen, ohne Einschaltung eines Mannes Nachkommenschaft zu zeugen. Ein solcher Nachkomme wiese theoretisch auch eine genetische, genauer gesagt eine identische genetische Verbindung zu einer der Partnerinnen auf.50
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Kaiser, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, A VIII, Rdnr. 22. Genau genommen stimmt das Kerngenom der totipotenten Zelle mit demjenigen des Trägers der Ausgangszelle überein. Im übrigen ist umstritten, ob die entstandene totipotente Zelle wegen der über das Zytoplasma der entkernten Eizelle vererbten Mitochondrien, die ein eigenes Genom enthalten und ca. 0,01 bis 0,02% des Gesamtgenoms ausmachen, wirklich die gleiche Erbinformation besitzt wie die Person, von der der transferierte Zellkern stammt. Zudem könnten mütterliche Faktoren bei der Embryogenese zu einer genetischen Abweichung führen. Stammen allerdings Zellkern und entkernte Eizelle von ein und demselben weiblichen Individuum, so kann ein höchstmöglicher Grad an genetischer Übereinstimmung erzielt werden. Vgl. dazu BT-Drucks. 13/11263 v. 26.6.1998, S. 10, 13; Taupitz, ZaeFQ 96 (2002), 449 (452), (454, Fn. 4). Teilweise wird die mitochondriale genetische Information als vernachlässigenswert gering angesehen, vgl. Nationaler Ethikrat, Klonen zu Fortpflanzungszwecken und Klonen zu biomedizinischen Zwecken, S. 12, 19. Von gleicher Erbinformation im Rechtssinne spricht BTDrucks. 13/11263 v. 26.6.1998, S. 13. Kaiser, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, A VIII, Rdnr. 10; Heinz, in: Lorenz, Rechtliche und ethische Fragen der Reproduktionsmedizin, S. 190 (207); Taupitz, ZaeFQ 96 (2002), 449; Woopen, ZaeFQ 96 (2002), 455. Unter der Prämisse, daß sowohl der somatische Zellkern als auch die Eizelle nur einer der Partnerinnen verwendet wurde oder die im mitochondrialen Genom enthaltene Erbinformation als unerheblich anzusehen ist, vgl. oben Fn. 48.
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(2) Bedenken Allerdings begegnet dieses Verfahren auf mehreren Ebenen schweren Bedenken. Zunächst ist völlig ungeklärt, ob die Kerntransplantation zum Zwecke der Fortpflanzung beim Menschen überhaupt erfolgreich wäre. Bei dieser Form des Klonens treten nämlich unvermeidlich Reprogrammierungsfehler auf, die derart zahlreich und zufällig verteilt sind, daß es bislang als wenig aussichtsreich gilt, sie zu beherrschen oder zu korrigieren. Beim Klonen durch Kerntransplantation kommt es nämlich nicht zu der sonst stattfindenden Rekombination zweier unterschiedlicher DNA-Stränge, bei der die jeweiligen Fehler eines DNA-Stranges durch den anderen bis zu einem gewissen Grad korrigiert werden können. Daher birgt das reproduktive Klonen nach gegenwärtigem Stand wissenschaftlicher Erkenntnis ein hohes Risiko von schwersten Gesundheitsschäden, Fehlbildungen, Mißbildungen, schweren Krankheitssyndromen und einer stark eingeschränkten Lebenserwartung bei den auf diese Weise entstandenen Menschen.51 Soweit zu erfahren, ist bislang noch kein Fall bekannt geworden, bei dem ein durch die Technik des reproduktiven Klonens gezeugter Mensch das Licht der Welt erblickt hätte. Darüber hinaus wird das reproduktive Klonen beim Menschen national wie international aber auch deshalb nahezu einhellig abgelehnt, weil es auf gewichtige anthropologische52 und mit Blick auf die Menschenwürde auf ethische und juristische Bedenken stößt.53 Der deutsche Gesetzgeber hat das reproduktive Klonen beim Menschen verboten (§ 6 ESchG).54 Aus den genannten Gründen und weil es den Rahmen der vorlie51
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Taupitz, ZaeFQ 96 (2002), 449 (452), der in der Vermeidung dieser Gefahren das schlagkräftigste Gegenargument erblickt. Vgl. auch Nationaler Ethikrat, Klonen zu Fortpflanzungszwecken und Klonen zu biomedizinischen Zwecken, S. 24; Woopen, ZaeFQ 96 (2002), 455 (457). Woopen, ZaeFQ 96 (2002), 455 (456 ff.): Durch die Aufhebung der Rekombination, bei der sich die genetischen Ausstattungen zweier unterschiedlicher Individuen durch deren Keimzellen in unvorhersehbarer Weise zu einem neuen Genom zusammenfügen, werde das der künftigen Person Vorgegebene wie ein Produkt manipuliert und intentional vorgegeben und hänge nicht von Anderem als dem Menschen ab. Durch die Reichweite der Verfügung über biologische Anfangs- und Entfaltungsbedingungen werde das anthropologische Grundverständnis des Menschen und sein Konstruktionsprinzip des sich Vorgegeben- und Aufgegeben-Seins sowie der wechselseitigen Unverfügbarkeit berührt. Einschränkend Taupitz, ZaeFQ 96 (2002), 449 (452). Vgl. nur Benda, NJW 1985, 1730 (1733); BT-Drucks. 11/5460 v. 25.10.1989, S. 11 sowie den „Bericht zur Frage eines gesetzgeberischen Handlungsbedarfs beim Embryonenschutzgesetz aufgrund der beim Klonen von Tieren angewandten Techniken und der sich abzeichnenden weiteren Entwicklung“, BT-Drucks. 13/11263 v. 26.6.1998, S. 2, 13. Gegen den pauschalen Verweis auf die Menschenwürde Taupitz, ZaeFQ 96 (2002), 449 (450 ff.). Dies gilt auch für die Kerntransplantation, vgl. BT-Drucks. 13/11263 v. 26.6.1998, S. 13; Taupitz, NJW 2001, 3433 (3434). Zu weiteren Argumenten, die gegen das reproduktive Klonen sprechen, Nationaler Ethikrat, Klonen zu Fortpflanzungszwecken und Klonen zu biomedizinischen Zwecken, S. 39 ff. Neben § 6 ESchG verbieten das reproduktive Klonen ebenso Art. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. EG Nr. C 364/9 v. 18.12.2000 und Art. 11 der Allgemeinen Erklärung über das menschliche Genom und Menschenrechte der UNESCO von November 1997. S.a. Kat-
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genden Arbeit sprengen würde, wird die Technik des reproduktiven Klonens zum Zweck der Fortpflanzung innerhalb gleichgeschlechtlicher Partnerschaften nicht behandelt.55 c) Kombination des genetischen Materials zweier gleichgeschlechtlicher Personen Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, daß der Kinderwunsch gleichgeschlechtlicher Paare bei Realisierung durch die zugrundegelegten fortpflanzungsmedizinischen Techniken höchstens zu einem genetisch halbeigenen Kind führt. Gleichgeschlechtliche Paare könnten aber auch den Wunsch haben, ein Kind zu zeugen, das – wie bei verschiedengeschlechtlichen Paaren prinzipiell möglich – genetisch von beiden Partnern abstammt. (1) Technik Unter gentechnologischen Gesichtspunkten scheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, das genetische Material zweier gleichgeschlechtlicher Personen so miteinander zu kombinieren und in eine entkernte Eizelle zu transferieren, daß daraus ein entwicklungsfähiger Embryo entsteht, der zur Geburt ausgetragen werden könnte. Das genetische Programm zweier Personen gleichen Geschlechts würde auch ein Embryo aufweisen, der durch die Verschmelzung zweier zuvor nach dem Prinzip der Kerntransplantation hergestellter Klone entstanden ist.56 Eine weitere Möglichkeit, einen Embryo auch mit den Genen zweier Personen gleichen Geschlechts auszustatten, stellt die Verschmelzung zweier Embryonen dar, die jeweils mit den Gameten eines der gleichgeschlechtlichen Partner und einer identischen Person des anderen Geschlechts gezeugt worden sind. Dieser Embryo stammte genetisch von drei Elternteilen ab. Handelt es sich auf Seiten des gegengeschlechtlichen Gametenspenders um verschiedene Personen, so hätte der Embryo sogar vier genetische Elternteile. Eine andere Möglichkeit, einen Embryo zu zeugen, der auch das genetische Material zweier gleichgeschlechtlicher Personen enthält, stellt die Verbindung eines menschlichen Embryos eines der (männlichen oder weiblichen) Partner mit einer von dem anderen (männlichen oder weiblichen) Partner stammenden Zelle dar, die sich mit dem Embryo weiter zu differenzieren vermag. Die Verfahren der Verschmelzung von Embryonen und der Verbindung eines Embryos mit einer menschlichen Zelle werden Chimärenbildung genannt.
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zorke, in: Das Bundesministerium für Gesundheit, Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, S. 122 (123); Laufs, in: Rieger, Lexikon des Arztrechts, Stichwort: Klonen; Eichenhofer, ZaeFQ 96 (2002), 385 (390); Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 68, Rdnr. 105. Zum reproduktiven Klonen bei gleichgeschlechtlichen Paaren weitgehend unkritisch Robertson, 55 Case W. Res.L.Rev. (2004), 323 (363 ff.); ablehnend aus ärztlicher Sicht Kentenich, ZaeFQ 96 (2002), 379 (384). Wenn man davon ausgeht, daß der Embryo durch Verschmelzung von Ei- und Samenzelle und nicht durch reproduktives Klonen entstanden ist und ferner unterstellt, daß die in den Mitochondrien der weiblichen Eizelle enthaltene genetische Information als so gering einzustufen ist, daß sie vernachlässigt werden kann. Vgl. auch Nationaler Ethikrat, Klonen zu Fortpflanzungszwecken und Klonen zu biomedizinischen Zwecken, S. 12, 19.
§ 9 Reproduktionsmedizinische Grundlagen
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(2) Bedenken Sämtliche Verfahren zur Kombination der Gene zweier gleichgeschlechtlicher Personen mit dem Ziel der Erzeugung eines Embryos sind futuristischer Natur und begegnen schwerwiegenden ethischen und anthropologischen57 Bedenken. Die Kombination des genetischen Informationsmaterials zweier gleichgeschlechtlicher Personen stellt einen manipulativen Eingriff dar, bei dem die genetische Individualität eines Menschen nicht dem Zufall überlassen bliebe. Dies wäre mit dem Schutz der Menschenwürde nicht zu vereinbaren.58 Würden bei dieser Technik Kerne von totipotenten Zellen bzw. von Keimbahnzellen verwendet, so verstieße dieses Vorgehen auch gegen das in § 5 ESchG normierte Verbot der künstlichen Veränderung menschlicher Keimbahnzellen.59 Die Chimärenbildung ist nach dem Embryonenschutzgesetz verboten (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ESchG).60 Aufgrund dieser Bedenken werden diese Verfahren in der vorliegenden Arbeit nicht berücksichtigt.61 d) Zeugung eines Kindes mit bestimmter sexueller Orientierung Gleichgeschlechtliche Paare könnten den Wunsch äußern, ein Kind zu zeugen, das ebenfalls homosexuell ist. Im Rahmen der konstitutionsbiologischen Theorien zur Genese der Homosexualität wird es von manchen Autoren für möglich gehalten, daß genetische Faktoren dafür verantwortlich sind.62 Allerdings konnte diese Theorie bisher weder nachgewiesen werden, noch erscheint es besonders wahrscheinlich, daß dies künftig gelingen wird. (1) Technik Legt man jedoch hypothetisch die Determinierung der sexuellen Orientierung allein durch die genetische Information zugrunde und gelänge es, diese Gene zu lokalisieren, so wäre dem Reproduktionsmediziner die Möglichkeit in die Hand gelegt, einen Embryo mit Hilfe der Präimplantationsdiagnostik (PID) nach dem genetischen Merkmal der sexuellen Orientierung auszuwählen63 oder so in dessen genetisches Substrat einzugreifen, daß er die gewünschte Disposition trägt. 57 58
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Vgl. oben Fn. 52. Vgl. etwa Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Stand: Februar 2004, Art. 2 Abs. 2, Rdnr. 28: die technisch herbeigeführte Veränderung des menschlichen Genpools verändere dasjenige, was Art. 1 Abs. 1 GG als natürliche Bedingungen des Menschseins und damit menschlichen Lebens voraussetze und schütze. S. ferner Benda, NJW 1985, 1730 (1733). Auf weitere Möglichkeiten und deren Strafbarkeit oder Straflosigkeit kann hier nicht im einzelnen eingegangen werden, s. dazu BT-Drucks. 13/11263 v. 26.6.1998, S. 16 f.; Taupitz, NJW 2001, 3433 (3434 f.). Vgl. dazu im einzelnen Günther, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 7, Rdnr. 1 ff. Unkritisch Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 189. In diese Richtung wohl auch Schimmel/Meier, StAZ 1993, 210 (212). Aus ärztlicher Sicht ablehnend Kentenich, ZaeFQ 96 (2002), 379 (384). Vgl. Teil I § 4 III.2.a), S. 48 f. und Teil I § 4 III.2.e), S. 52 f. Offen für eine PID-gestützte Wahl der sexuellen Orientierung Dahl, 18 Hum. Reprod. (2003), 1368 f. Streng genommen handelte es sich dabei nicht um eine reproduktionsmedizinische Maßnahme, sondern um ein Verfahren der Selektion im Zuge extrakorpo-
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(2) Bedenken Allerdings stoßen beide Verfahren auf so gravierende ethische, anthropologische und juristische Bedenken, daß sie abzulehnen sind. Zudem wird das Verfahren der PID in Deutschland derzeit nicht praktiziert, weil Uneinigkeit darüber herrscht, ob sie nach dem Embryonenschutzgesetz verboten oder zulässig ist.64 Ein Eingriff in das genetische Substrat ginge mit der Veränderung der Erbinformation von Keimbahnzellen einher und ist nach § 5 ESchG verboten. Aus diesen Gründen wird die als futuristische Technik zu bezeichnende Möglichkeit, die sexuelle Orientierung eines Menschen zu beeinflussen, in der vorliegenden Arbeit nicht weiter berücksichtigt.
VIII. Der rechtliche Rahmen für reproduktionsmedizinische Maßnahmen In Deutschland werden der Reproduktionsmedizin auf verschiedenen Ebenen rechtliche Grenzen gesetzt. Wie bereits bei der Darstellung einzelner besonders problematischer Methoden der Fortpflanzungsmedizin zu sehen war, handelt es sich auf der Ebene des Bundesrechts in erster Linie um das Embryonenschutzgesetz (ESchG). Daneben spielt auch das Adoptionsvermittlungsgesetz (AdVermiG) eine Rolle. Auf der Ebene des ärztlichen Standesrechts enthalten die berufsständischen Satzungen der Landesärztekammern weitere einschlägige Vorgaben. Im folgenden sollen die einzelnen hier interessierenden Grenzen für die jeweils relevanten Konstellationen aufgezeigt und einer kritischen Bestandsaufnahme unterzogen werden. Neben der einfachgesetzlichen und inhaltlichen Prüfung wird auch untersucht, ob die Restriktionen den verfassungsrechtlichen Anforderungen stand halten. Dabei wird vor allem der Frage nachgegangen werden, inwieweit die Belange gleichgeschlechtlicher Partnerschaften bei der Reglementierung von Maßnahmen assistierter Reproduktion berücksichtigt worden sind.
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raler Fertilisationstechniken, die auch von verschiedengeschlechtlichen Paaren zur Zeugung heterosexuellen Nachwuchses in Anspruch genommen werden könnte. Eine PID mittels der Entnahme totipotenter Zellen ist nach allgemeiner Meinung durch § 6 i.V.m. § 8 Abs. 1 ESchG verboten, nach h.M. ist auch die PID anhand der Entnahme nicht totipotenter Zellen gem. § 2 Abs. 1 ESchG verboten, vgl. Nationaler Ethikrat, Genetische Diagnostik vor und während der Schwangerschaft, S. 64 f.; Laufs, in: Rieger, Lexikon des Arztrechts, Stichwort: Embryonenschutzgesetz, Rdnr. 3.
§ 10 Embryonenschutzgesetz I. Einleitung Das am 1. Januar 1991 in Kraft getretene Embryonenschutzgesetz (ESchG)1 ist ein strafrechtliches Nebengesetz, welches die auf der Ebene des Bundesrechts erforderlichen Regelungen zur Fortpflanzungsmedizin zusammenfassen soll. Im Gegensatz zum Kernstrafrecht richtet sich das ESchG als Nebenstrafrecht nicht an jedermann, sondern in erster Linie an Ärzte und Forscher.2 Es verfolgt das Anliegen, strafrechtliche Verbote nur dort vorzusehen, wo dies nach einem Minimalkonsens zum Schutz besonders hochrangiger Rechtsgüter vorab unverzichtbar erschien. Durch das Aufstellen einiger „unumgänglicher“ Grenzen sucht es Mißbräuche der modernen Reproduktionsmedizin zu ahnden.3 Es wäre zwar wesentlich sinnvoller gewesen, die mit der artifiziellen Reproduktion verbundenen Fragen umfassend in einem Fortpflanzungsmedizingesetz zu regeln. Dafür fehlte allerdings dem Bundesgesetzgeber zu Beginn der 1990er Jahre die erforderliche Legislativkompetenz. Um wenigstens einen Teilbereich zu normieren, griff der Bund zu seiner konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis auf dem Gebiet des Strafrechts. Daher ist das ESchG weit davon entfernt, die durch die Methoden der Fortpflanzungsmedizin aufgeworfenen Fragen zu regeln. Der Einsatz des strafrechtlichen Instrumentariums sowie der fragmentarische und eklektische Charakter des ESchG wurde von etlichen Autoren kritisiert.4 Sie wendeten ein, daß das Strafrecht wegen seiner subsidiären Natur sowie seiner Ultimaratio-Funktion nur dort mit Verboten arbeiten dürfe, wo es um den Schutz solcher Rechtsgüter geht, ohne deren Garantierung ein gedeihliches Zusammenleben der Menschen nicht möglich ist.5 Diese Kritik trifft nach wie vor zu, da der Bund von der ihm seit 1994 zustehenden konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet der medizinisch unterstützten Erzeugung menschlichen Lebens
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BGBl. I v. 13.12.1990, S. 2746. Dazu Deutsch, NJW 1991, 721 ff.; Laufs, NJW 1991, 1516 ff.; Wurzel/Born, BayVBl. 1991, 705 ff.; Jung, JuS 1991, 431 ff. Liegsalz, in: Roxin/Schroth, Medizinstrafrecht, S. 339 (344). Laufs, Fortpflanzungsmedizin und Arztrecht, S. 72, 74; ders., NJW 1991, 1516 (1518). Kritisch zum Umgang mit dem Mißbrauchsargument Baumann, in: Günther/Keller, Fortpflanzungsmedizin und Humangenetik, S. 177 (186): es sei fraglich, ob dieses Argument ein generelles strafrechtliches Verbot rechtfertige. Kaum etwas, was gebraucht werde, könne nicht auch mißbraucht werden. Deutsch, NJW 1991, 721 (724); Laufs, NJW 1998, 1750 (1753). Den Einsatz des Strafrechts für verfehlt hält Hektor-Reinshagen, Die Relevanz ethischer Konzeptionen im Strafrecht am Beispiel des Embryonenschutzgesetzes, S. 194 f. A.A. Keller, MedR 1988, 59 (65): „[…] in diesem Bereich und seinen gefährdeten Rechtsgütern ist das härteste Sicherungsmittel gerade gut genug!“ So Kaufmann, in: Festschr. f. Oehler, S. 649 (657) m.w.N. Vgl. auch Eser, Bitburger Gespräche 1986/1, 105 (107 f.); Günther, ZStW 102 (1990), 269 (278 f.); Jung, JuS 1991, 431 (433); Hektor-Reinshagen, Die Relevanz ethischer Konzeptionen im Strafrecht am Beispiel des Embryonenschutzgesetzes, S. 193.
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(Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 GG)6 bislang noch keinen Gebrauch gemacht hat. Die legislative Untätigkeit hat eine Zersplitterung der Rechtsmaterie zur Folge.7 Bevor auf die einzelnen hier relevanten Regelungen eingegangen wird, soll kurz die Entstehungsgeschichte des ESchG skizziert werden.
II. Entstehungsgeschichte Das ESchG war das Ergebnis einer seit Mitte der 1980er Jahre zunehmend intensivierten Debatte. Im Rahmen dieses Diskurses hatten sich unterschiedliche Gremien mit den rechtlichen Grenzen der modernen Reproduktionsmedizin befaßt. Hervorhebung verdienen der 1986 in Berlin tagende 56. Deutsche Juristentag, dessen zivilrechtliche Abteilung sich mit der Zulässigkeit und den zivilrechtlichen Folgen der künstlichen Befruchtung beim Menschen befaßte. Die von Dagmar Coester-Waltjen und Christian Starck zu den zivil- und verfassungsrechtlichen Problemen erstatteten Gutachten enthielten vielbeachtete Ansätze zur Lösung der anstehenden Fragen.8 Zugleich stellten auch die Arbeitsgruppe des Deutschen Juristinnenbundes9 und der Deutsche Richterbund10 ihre Thesen zur Diskussion. Als besonders einflußreich erwies sich die Arbeit der interdisziplinär zusammengesetzten Benda-Kommission. Sie war im Mai 1984 vom Bundesminister der Justiz und vom Bundesminister für Forschung und Technologie als gemeinsame „Arbeitsgruppe In-vitro-Fertilisation, Genomanalyse und Gentherapie“ einberufen worden. Die Kommission tagte unter dem Vorsitz des ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Ernst Benda. In ihr waren neben Vertretern naturwissenschaftlicher und medizinischer Fachgesellschaften, der Max-Planck-Gesellschaft, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Zentralen Kommission für Biologische Sicherheit auch die beiden großen Kirchen, ein Vertreter der Philosophie, verschiedene Fachrichtungen der Rechtswissenschaft sowie die Bundesärztekammer, die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der
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BGBl. I v. 3.11.1994, S. 3146, in Kraft getreten am 15.11.1994. S.a. BT-Drucks. 12/6633 v. 20.1.1994, S. 9. Die bislang bestehende Kompetenz auf dem Gebiet der künstlichen Befruchtung beim Menschen wurde im Zuge der Föderalismusreform (Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.8.2006, BGBl. I v. 31.8.2006, S. 2034 [2035], in Kraft getreten am 1.9.2006) auf „die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens“ ausgedehnt, um klarzustellen, daß die Kompetenz alle Bereiche der modernen Fortpflanzungsmedizin für den Menschen umfaßt, etwa auch medizinisch unterstützte natürliche Befruchtungen wie z.B. nach Hormonbehandlungen, vgl. BTDrucks. 16/813 v. 7.3.2006, S. 14. So der Befund von Dierks, ZaeFQ 96 (2002), 375 (376) und Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 129, Rdnr. 1 f. Mit der zivilrechtlichen Problematik befaßte sich Coester-Waltjen, Gutachten B für den 56. DJT, 1986, mit den verfassungsrechtlichen Implikationen Starck, Gutachten A für den 56. DJT, 1986. Arbeitsgruppe des Deutschen Juristinnenbundes, JZ 1986, 777 f. Deutscher Richterbund, DRiZ 1986, 229 f.
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Deutsche Gewerkschaftsbund vertreten.11 Am 25. November 1985 legte sie ihren Abschlußbericht vor, der eine Reihe gesetzlicher Regelungsvorschläge mit zum Teil strafbewehrten Verboten enthielt.12 Daneben hatten auch einige Bundesländer die Problematik aufgegriffen und einschlägige Gremien einberufen, deren Berichte und Gesetzentwürfe in die Debatte einflossen.13 Zwei Entschließungsanträge Baden-Württembergs und Bayerns14 gingen in der Bundesratsentschließung zur extrakorporalen Befruchtung vom 16. Mai 1986 auf.15 Am 29. April 1986 legte der Bundesminister der Justiz den Diskussionsentwurf eines Gesetzes zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz – ESchG) vor,16 der maßgeblich vom Bericht der Benda-Kommission geprägt war. Auf Bitten des Bundesrates vom 16. Mai 198617 und der 57. Konferenz der Justizminister und -senatoren vom 16. bis 18. September 1986 setzte der Bundesminister der Justiz die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Fortpflanzungsmedizin“ ein. Unter seinem Vorsitz gehörten ihr Vertreter der Justiz- und Gesundheitsressorts von Bund und Ländern sowie Vertreter des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung an. Daneben war die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder vertreten. Im August 1988 präsentierte die Arbeitsgruppe ihren Abschlußbericht.18 11
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Vgl. „Kabinettbericht zur künstlichen Befruchtung beim Menschen“, BT-Drucks. 11/1856 v. 23.2.1988, S. 2. Benda-Kommission = Bundesminister der Justiz/Bundesminister für Forschung und Technologie, Bericht der Arbeitsgruppe In-vitro-Fertilisation, Genomanalyse und Gentherapie, 1985. Zum „Rohentwurf eines Bayerischen Gesetzes zur Regelung von Fragen der Fortpflanzungsmedizin (FMedG)“ und dem dazugehörigen Bericht der interministeriellen Arbeitsgruppe Seesing, Technologischer Fortschritt und menschliches Leben I, S. 113 ff., vgl. auch S. 99 ff.; s. ferner Eser/Koch/Wiesenbart, Regelungen der Fortpflanzungsmedizin und Humangenetik – 1, S. 102 ff. Zur interministeriellen Kommisson in Rheinland-Pfalz und deren „Arbeitsentwurf eines Landesgesetzes über Fortpflanzungsmedizin“ vgl. Seesing, Technologischer Fortschritt und menschliches Leben I, S. 119 ff.; Eser/Koch/Wiesenbart, Regelungen der Fortpflanzungsmedizin und Humangenetik – 1, S. 106 ff. Antrag des Landes Baden-Württemberg, Entschließung des Bundesrates gegen Mißbräuche bei der extrakorporalen Befruchtung, BR-Drucks. 361/85 v. 1.8.1985; Antrag des Freistaates Bayern, Entschließung zur Gen- und Fortpflanzungstechnologie, BRDrucks. 382/85 v. 23.8.1985. Entschließung des Bundesrats zur extrakorporalen Befruchtung, BR-Drucks. 210/86 v. 16.5.1986 (Beschluß). Vgl. auch v. Bülow, in: Winter/Fenger/Schreiber, Genmedizin und Recht, Rdnr. 324 f. Abgedruckt bei Deutsch, ZRP 1986, 242 (243), bei Günther/Keller, Fortpflanzungsmedizin und Humangenetik, S. 349 ff. und bei Günther, GA 1987, 433 (456 f.). Empfehlungen der Ausschüsse, BR-Drucks. 210/86, S. 8, sub 17; Antrag der Länder Bremen, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Saarland, BR-Drucks. 210/1/86 v. 15.5.1986; BR-Drucks. 210/86 v. 16.5. 1986 (Beschluß), S. 6. Anlage zur baden-württembergischen LT-Drucks. 10/831 v. 29.11.1988, S. 29 ff.; dazu Keller, MedR 1988, 59 ff.
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Am 23. Februar 1988 legte die Bundesregierung den „Kabinettbericht zur künstlichen Befruchtung beim Menschen“ vor,19 dem im Oktober 1988 der „Arbeitsentwurf eines Gesetzes zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz – ESchG)“20 aus dem Bundesministerium der Justiz folgte. Darüber hinaus brachten mehrere Länder eigene Gesetzentwürfe ein, die sich jedoch nicht durchsetzen konnten.21 Das gleiche Schicksal teilten diverse Initiativen der SPD im Deutschen Bundestag.22 Am 19. Juli 1989 verabschiedete das Bundeskabinett den „Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz – ESchG)“.23 Am 11. August 1989 leitete die Bundesregierung den Entwurf dem Bundesrat zu. Der Bundesrat beschloß am 22. September 1989 im Ersten Durchgang seine Stellungnahme nach Art. 76 Abs. 2 GG.24 Auf diese reagierte die Bundesregierung in einer Gegenäußerung.25 Der Gesetzesentwurf wurde daraufhin am 25. Oktober 1989 dem Bundestag zugeleitet. Der federführende Rechtsausschuß beriet den Entwurf am 13. Dezember 1989 und beschloß die Durchführung einer öffentlichen Anhörung zu medizinischen, ethischen und rechtliche Fragen, die am 9. März 1990 stattfand. Am 5. Oktober 1990 legte der Rechtsausschuß seinen Bericht und seine Beschlußempfehlung vor.26 Der Bundestag beschloß am 24. Oktober 1990 aufgrund der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz – ESchG) mit Änderungen punktueller Natur.27 19 20
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BT-Drucks. 11/1856 v. 23.2.1988. Abgedruckt bei Eser/Koch/Wiesenbart, Regelungen der Fortpflanzungsmedizin und Humangenetik – 1, S. 92 ff. Bayerischer „Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der künstlichen Befruchtung beim Menschen (Fortpflanzungsmedizingesetz)“, BR-Drucks. 535/88 v. 15.11.1988 sowie der niedersächsische Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes, BRDrucks. 522/88 v. 4.11.1988, S. 4 f. Entschließungsantrag „Chancen und Risiken der Anwendung neuer Methoden der künstlichen Befruchtung und bei Eingriffen in menschliche Keimzellen“, BT-Drucks. 11/1662 v. 18.1.1988; „Entwurf eines Siebenunddreißigsten Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 74 Nr. 19a – neu –)“, BT-Drucks. 11/5709 v. 16.11.1989; „Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Problemen der künstlichen Befruchtung beim Menschen und bei Eingriffen in menschliche Keimzellen“, BT-Drucks. 11/5710 v. 16.11.1989. Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Embryonen, BT-Drucks. 11/5460 v. 25.10.1989, S. 4 ff. Dazu Hirsch/Schmidt-Didczuhn, MedR 1990, 167 ff. Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drucks. 417/89 v. 22.9.1989, S. 3 ff. = BT-Drucks. 11/5460 v. 25.10.1989, S. 13 ff. Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 11/5460 v. 25.10.1989, S. 18. Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 11/8057 v. 8.10.1990; vgl. Keller, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, B III, Rdnr. 39 f. Vgl. BT-Plenarprot. 11/230 v. 24.10.1990, S. 18206(D)–18220(A); BR-Drucks. 745/90 v. 26.10.1990; Keller, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, B III, Rdnr. 41.
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III. Schwule und lesbische Paare betreffende Regelungen Das ESchG enthält Aussagen, die lesbische und schwule Paare gleichermaßen betreffen. Das Gesetz präjudiziert weder die Ehe noch die verschiedengeschlechtliche Lebensgemeinschaft als Voraussetzung für Maßnahmen assistierter Reproduktion. Daher werden gleichgeschlechtliche Paare als solche durch das ESchG nicht vom Zugang ausgeschlossen.28 Allerdings verbietet das ESchG bestimmte Techniken, die sich faktisch als Zugangsbeschränkung auf gleichgeschlechtliche Paare auswirken. Bevor auf die verschiedenen Beschränkungen der reproduktionsmedizinischen Techniken und ihre jeweiligen Auswirkungen auf lesbische und schwule Paare eingegangen wird, werden die Rahmenbedingungen des ESchG dargestellt, die unabhängig von der Zusammensetzung der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft für die Realisierung des Kinderwunsches bedeutsam sind. Dazu zählen die Zulässigkeit der Samenspende und der In-vitro-Fertilisation sowie der Arztvorbehalt, das Verbot der Geschlechtswahl und die Freiwilligkeit der Mitwirkung. 1. Zulässigkeit des heterologen Systems Die Samenspende wird vom ESchG weder ausdrücklich zugelassen noch wird sie ausdrücklich verboten. Untersagt sind lediglich die eigenmächtige Befruchtung ohne Einwilligung des Samenspenders (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 ESchG) und die postmortale Insemination (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 ESchG). Daraus wird allgemein auf die Zulässigkeit von Befruchtungen im heterologen System geschlossen.29 Davon geht mittlerweile auch der Gesetzgeber des BGB aus, wenn er die heterologe Insemination in § 1600 Abs. 4 BGB zum Anknüpfungspunkt abstammungsrechtlicher Regelungen macht.30 Die Samenspende wird daher auch seit Geltung des ESchG praktiziert, wenngleich ihre Bedeutung durch die mit der ICSI erzielten Erfolge zurückgegangen ist.31 Weder durch das ESchG noch durch ein anderes formelles Gesetz wird die Problematik der anonymen Samenspende geregelt. Daher existieren keine parlamentsgesetzlichen Bestimmungen über die Auswahl des Spenders, über die Dokumentation der Identität des Spenders und den Kreis der auskunftsberechtigten Personen. Ebenfalls nicht geregelt ist, wie oft das Sperma eines Spenders bei verschiedenen Frauen verwendet werden darf.32 28
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Ratzel/Ulsenheimer, Reproduktionsmedizin 15 (1999), 428 (429); Ratzel, in: Ratzel/ Lippert, Kommentar zur MBO, D 15, Rdnr. 10; Coester-Waltjen, Reproduktionsmedizin 18 (2002), 183 (186). Deutsch, NJW 1991, 721 (723); Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdnr. 758; Kamps, MedR 1994, 339 (342); Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 129, Rdnr. 38; Ratzel/Ulsenheimer, Reproduktionsmedizin 15 (1999), 428 (430); Quaas/ Zuck, Medizinrecht, § 68, Rdnr. 64. Roth, JZ 2002, 651 (653); ders., DNotZ 2003, 805 (806). Neidert, MedR 1998, 347 (350); Kentenich, ZaeFQ 96 (2002), 379 (380) m.w.N.: Seit 1970 seien in Deutschland schätzungsweise 50.000 Kinder nach heterologer Insemination geboren worden. In diesem Zusammenhang stellt sich die Problematik der Konsanguinität, vgl. Nieschlag/Wagenfeld/v. Schönfeldt/Schlatt, in: Das Bundesministerium für Gesundheit, Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, S. 109 (111 f.).
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2. Zulässigkeit der In-vitro-Fertilisation Die zum Teil immer noch umstrittene33 reproduktionsmedizinische Methode der In-vitro-Fertilisation bleibt durch das ESchG im einzelnen ungeregelt, gilt aber offensichtlich als erlaubt, weil das Gesetz sie voraussetzt und nicht explizit verbietet. Auch sozialrechtliche Vorschriften (§ 27a SGB V)34 und die Judikatur erkennen die IVF an. Insofern ist die IVF als gesetzlich legitimiert anzusehen. Mittlerweile sind die IVF und die ICSI mit Embryotransfer etabliert und werden routinemäßig praktiziert.35 3. Arztvorbehalt § 9 ESchG bestimmt, daß nur ein Arzt die künstliche Befruchtung (Nr. 1), die Übertragung eines menschlichen Embryos auf eine Frau (Nr. 2) oder die Konservierung eines menschlichen Embryos sowie einer menschlichen Eizelle, in die bereits eine menschliche Samenzelle eingedrungen oder künstlich eingebracht worden ist (Nr. 3), vornehmen darf. Im vorliegenden Zusammenhang spielen als reproduktionsmedizinische Maßnahmen i.S.d. § 9 ESchG „die künstliche Befruchtung“ und „die Übertragung eines Embryos auf eine Frau“ eine Rolle. Die Rechtsfolgen des Verstoßes gegen den Arztvorbehalt sind in § 11 ESchG geregelt. Wer, ohne Arzt zu sein, entgegen § 9 Nr. 1 ESchG eine künstliche Befruchtung vornimmt (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 ESchG) oder entgegen § 9 Nr. 2 ESchG einen menschlichen Embryo auf eine Frau überträgt (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 ESchG), wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Der Arztvorbehalt soll gewährleisten, daß Gefahren für Leben oder Gesundheit von Embryo und austragender Mutter durch eine den Regeln der ärztlichen Heilkunst entsprechende Behandlung ausgeschlossen werden.36 § 11 Abs. 2 ESchG enthält einen persönlichen Strafausschließungsgrund zugunsten der Frau, die im Falle des § 9 Nr. 1 ESchG eine künstliche Befruchtung bei sich selbst vornimmt sowie zugunsten des Mannes, dessen Samen zu einer künstlichen Insemination verwendet wird. Die Vorschrift wird für mißglückt gehalten, weil die Frau, die eine künstliche Insemination bei sich vornimmt, notwendige Beteiligte ist, daher schon als taugliche Täterin 33
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Vgl. seinerzeit aus medizinischer Sicht nur Hölzle/Wiesing, In-vitro-Fertilisation – ein umstrittenes Experiment, 1991; aus juristischer Sicht Laufs, Arztrecht, Rdnr. 388 ff.; aus jüngerer Zeit ders., in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 129, Rdnr. 14; ders., Auf dem Wege zu einem Fortpflanzungsmedizingesetz?, S. 21 f. Vgl. zu dieser Norm Teil V § 14 II., S. 351 f. Vgl. Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 129, Rdnr. 20; ders., Fortpflanzungsmedizin und Arztrecht, S. 74; ders., Arztrecht, Rdnr. 389; ders., in: Rieger, Lexikon des Arztrechts, Stichwort: Embryonenschutzgesetz, Rdnr. 1; ders., Auf dem Wege zu einem Fortpflanzungsmedizingesetz?, S. 23; Eser/Koch, in: Gedächtnisschr. f. Keller, S. 15 (18); Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 68, Rdnr. 64; Reiter, Herder Korrespondenz 44 (1990), 571 (572 f.); Ratzel/Ulsenheimer, Reproduktionsmedizin 15 (1999), 428 (429); Ratzel, in: Ratzel/Lippert, Kommentar zur MBO, D 15, Rdnr. 9. Zur Judikatur BSG, NJW 1990, 2959; BGH, MedR 1987, 182; 1988, 34. Günther, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, Vor § 1 I, Rdnr. 8. S.a. ders., a.a.O., § 11, Rdnr. 2; Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 11/8057 v. 8.10.1990, S. 17.
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des § 11 Abs. 1 Nr. 1 ESchG ausscheidet und § 11 Abs. 2 ESchG insoweit gegenstandslos ist.37 Normadressaten des § 11 ESchG sind Nichtärzte. Arzt ist, wer nach deutschem Recht die Approbation für Humanmedizin besitzt.38 Zahnärzte und Tierärzte fallen deshalb nicht unter den Arztbegriff der §§ 9 und 11 ESchG.39 Der approbierte Humanmediziner muß nicht über spezielle, etwa gynäkologische oder andrologische Fachkenntnisse verfügen.40 Darin liegt ein gewisser Widerspruch zur ratio der Vorschrift, die Gesundheit der Beteiligten zu schützen. Dieser Widerspruch wird dadurch vertieft, daß ein erfahrener Molekularbiologe selbst bei einer lege artis vorgenommenen Handlung als Täter im Sinne des § 11 ESchG in Betracht kommt.41 Der Gesetzgeber hatte bei der Schaffung der Vorschrift wohl vor allem den medizinischen Laien vor Augen.42 4. Verbot der Geschlechtswahl § 3 ESchG verbietet die Geschlechtswahl. Gleichgeschlechtliche Paare können also nicht gezielt mittels Maßnahmen assistierter Reproduktion eine aus gleichen oder verschiedenen Geschlechtern bestehende Familie werden. Dies gilt nicht, wenn das Kind durch die Geschlechtswahl vor einer schweren geschlechtsgebundenen Erbkrankheit bewahrt werden soll. 5. Freiwilligkeit der Mitwirkung Gem. § 10 ESchG ist niemand verpflichtet, Maßnahmen der in § 9 ESchG bezeichneten Art vorzunehmen oder an ihnen mitzuwirken. Danach kann ein Arzt die künstliche Befruchtung oder die Übertragung eines menschlichen Embryos auf eine Frau verweigern.43
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Vgl. zur Kritik Günther, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 11, Rdnr. 10 ff., 16. Keller, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 9, Rdnr. 6. Die Approbation wird nach einem mindestens sechsjährigen erfolgreichen Studium der Humanmedizin verliehen, §§ 2 ff. Bundesärzteordnung. Dazu Laufs, Arztrecht, Rdnr. 51. So Günther, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, Vor § 1 II, Rdnr. 14; Keller, in: a.a.O., § 9, Rdnr. 6. Keller, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 9, Rdnr. 6. Günther, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 11, Rdnr. 2. Günther, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, Vor § 1 II, Rdnr. 14. Vgl. auch Kap. D Nr. 15 Abs. 2 MBO, dazu Teil IV § 11 III.2., S. 294 f. Die Freistellungsklauseln sind den ethischen Bedenken geschuldet, die mit den Verfahren der künstlichen Befruchtung verbunden sind, dazu Keller, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 10, Rdnr. 3 ff.; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 129, Rdnr. 14, jeweils m.w.N.
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IV. Das lesbische Paare betreffende Verbot der Herbeiführung gespaltener Mutterschaften Für lesbische Paare stellt die Befruchtung der Eizelle einer Partnerin mit Spendersamen und der Transfer des so gewonnenen Embryos auf die andere Partnerin eine Möglichkeit dar, mittels Spaltung der Mutterschaft ein beiderseitiges biologisches Band zu dem Wunschkind zu etablieren. 1. Einschlägige Regelungen Die Verhinderung gespaltener Mutterschaften stellt jedoch eines der zentralen Anliegen des ESchG dar.44 Es bezweckt, das Auseinanderfallen von genetischer und plazentarer Mutter durch drei unterschiedlich gefaßte Tatbestände zu vermeiden. Durch diese Vorgehensweise sollen alle denkbaren reproduktionsmedizinischen Methoden erfaßt werden. Die Verbote finden sich in § 1 ESchG, der nach seiner amtlichen Überschrift die „Mißbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken“45 ahnden will. Im folgenden werden die unterschiedlichen Tatbestände dargestellt, um im Anschluß daran die Argumente für und wider gespaltene Mutterschaften zu diskutieren. Schließlich werden die Argumente für das Verbot an den Gegebenheiten bei lesbischen Paaren gemessen. a) § 1 Abs. 1 Nr. 1 ESchG § 1 Abs. 1 Nr. 1 ESchG bestraft denjenigen mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, der „auf eine Frau eine fremde unbefruchtete Eizelle überträgt“. Schutzzweck der Norm ist es, das Entstehen von Ersatzmutterschaften zu verhindern, die Eindeutigkeit der Mutterschaft zu gewährleisten und dadurch das Kindeswohl zu schützen.46 Tatobjekt des Mißbrauchstatbestandes von § 1 Abs. 1 Nr. 1 ESchG ist eine fremde unbefruchtete Eizelle. Der objektive Tatbestand, die Übertragung einer fremden unbefruchteten Eizelle auf eine Frau, ist erfüllt, wenn die Eizelle von außerhalb des Körpers in den Fortpflanzungstrakt der Frau verbracht wird. Wie diese Übertragung erfolgt, ist für die Tatbestandsmäßigkeit unerheblich.47 Fremd ist die Eizelle, wenn sie nicht von der Frau stammt, auf die sie übertragen wird. Ferner muß es sich um eine unbefruchtete Eizelle handeln.48 § 1 Abs. 1 Nr. 1 44
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Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Embryonen, BT-Drucks. 11/5460 v. 25.10.1989, S. 6; Schroeder, in: Festschr. f. Miyazawa, S. 533 (534). Kritisch dazu Schroeder, in: Festschr. f. Miyazawa, S. 533: inhaltsarme Leerformel. Keller, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 1 Nr. 1, Rdnr. 1, 4. Vgl. auch Schroeder, in: Festschr. f. Miyazawa, S. 533 (537). Vgl. Keller, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 1 Nr. 1, Rdnr. 11. Die Eizelle braucht nicht befruchtungsfähig zu sein. Es kommt auch nicht darauf an, ob bei der Frau eine Befruchtung überhaupt möglich ist. Bemerkenswert ist, daß die gleichzeitige Verbringung von Samenzellen – wie sie zur Herbeiführung einer gespaltenen Mutterschaft mittels intratubarem Gametentransfer nötig wäre – nicht erforderlich ist, um den Tatbestand zu erfüllen. Im Gesetzgebungsverfahren wurde die im Regierungsentwurf (BT-Drucks. 11/5460 v. 25.10.1989, S. 4, 8) noch enthaltene Ausnahme,
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ESchG verbietet – wie im übrigen auch alle anderen Vorschriften des ESchG zur Verhinderung gespaltener Mutterschaften – nicht die Übertragung eines fremden Embryos auf eine Frau. Angesichts des Schutzzweckes, gespaltene Mutterschaften und die damit zusammenhängenden Folgen zu verhindern, mag dies überraschen. Der Gesetzgeber hat sich jedoch bewußt für eine Strafbarkeitslücke entschieden, um einem bereits existierenden Embryo, der nicht auf die Frau transferiert werden kann, von der er genetisch abstammt, zum Leben zu verhelfen. Die Embryospende ist daher zulässig, wenn dieser Verwendungszweck nicht bereits bei der Befruchtung geplant war.49 Die Eizelle muß auf eine Frau übertragen werden.50 Die Tat ist mit der Übertragung vollendet. Da die Norm als schlichtes Tätigkeitsdelikt ausgestaltet ist, muß kein Erfolg eintreten. Eine Versuchsstrafbarkeit existiert nicht (§ 1 Abs. 4 ESchG). Der subjektive Tatbestand erfordert Vorsatz, wobei Eventualvorsatz ausreicht. Als Täter kommen insbesondere Ärzte, Biologen,51 Angehörige der Heilhilfsberufe und sonstige Personen in Betracht. § 1 Abs. 3 Nr. 1 ESchG bestimmt, daß die Frau, von der die Eizelle stammt, sowie die Frau, auf die die Eizelle übertragen wird, nicht bestraft werden. Der persönliche Strafausschließungsgrund52 folgt der Überlegung, daß für eine strafrechtliche Erfassung der Teilnahmehandlungen dieser Frauen, die nicht selten aus altruistischen Gründen handelten, kein Bedürfnis bestehe.53 Haben sich in einer lesbischen Partnerschaft lebende Frauen entschlossen, ihren Kinderwunsch dadurch zu realisieren, daß eine Partnerin eine Eizelle spendet, die nach ihrer Verbringung in den Körper der anderen Partnerin intrakorporal mit Spendersamen befruchtet werden soll, macht sich die Person (z.B. ein Reproduktionsmediziner), die die Eizelle zumindest mit Eventualvorsatz auf die Frau überträgt, mit deren Einbringen in den Fortpflanzungstrakt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1
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daß eine Befruchtung der übertragenen Eizelle ausgeschlossen ist, gestrichen. Im Bemühen um eine klare Regelung wollte man auch künftige Entwicklungen einbeziehen, die zum Zeitpunkt des Erlasses nicht vorauszusehen gewesen seien, siehe Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 11/8057 v. 8.10.1990, S. 14. Vgl. auch Keller, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 1 Nr. 1, Rdnr. 15. Keller, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 1 Nr. 1, Rdnr. 9, 15; Coester-Waltjen, Reproduktionsmedizin 18 (2002), 183 (187). Da es nicht auf den Eintritt einer Schwangerschaft ankommt, ist dieses Merkmal selbst bei einer Übertragung auf nicht mehr oder noch nicht gebärfähige Frauen erfüllt, Keller, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 1 Nr. 1, Rdnr. 16. Häufig werden die im Zusammenhang mit der künstlichen Befruchtung anfallenden Laborarbeiten von Diplom-Biologen selbständig durchgeführt, vgl. Möller/Thaele, Reproduktionsmedizin 18 (2002), 352 ff. Der Strafgesetzgeber bejaht hier zwar das Unrecht der Tat und die Schuld des Täters, stellt ihn aber wegen persönlicher Umstände aus kriminalpolitischen Gründen von Strafe frei. Der persönliche Strafausschließungsgrund gilt deshalb nur für den Beteiligten, der ihn in eigener Person verwirklicht; Teilnahmehandlungen bleiben möglich, vgl. Günther, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, Vor § 1 II, Rdnr. 87. BT-Drucks. 11/5460 v. 25.10.1989, S. 9. S.a. Keller, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 1 Nr. 1, Rdnr. 11–19.
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ESchG strafbar. Das lesbische Paar wird nicht bestraft (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 ESchG). Zur möglichen Strafbarkeit des Samenspenders siehe sogleich. b) § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG bestraft die Person mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, die es unternimmt, eine Eizelle zu einem anderen Zweck künstlich zu befruchten, als eine Schwangerschaft der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt. Neben dem Zweck, das Entstehen gespaltener Mutterschaften zu vermeiden und auf diesem Wege das Kindeswohl in bezug auf die Eindeutigkeit der Mutterschaft zu schützen,54 verfolgt die Norm zudem das Ziel, künstliche Befruchtungen zu fremdnützigen Zwecken, insbesondere für die auch hochrangigen Forschungszielen dienende verbrauchende Embryonenforschung, auszuschließen. Insoweit werden als geschützte Rechtsgüter das menschliche Leben und die Menschenwürde angesehen.55 Eine Eizelle ist die Keimzelle einer Frau. Unter Befruchtung ist der biologische Vorgang zu verstehen, in dem sich die haploide Ei- und Samenzelle zur diploiden Zygote vereinigen. Künstlich ist die Befruchtung nach der Begründung des Regierungsentwurfes immer dann, wenn sie nicht durch Geschlechtsverkehr herbeigeführt wird und zu ihrer Erreichung technische Hilfsmittel eingesetzt werden.56 Als von § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG erfaßte Befruchtungstechniken gelten die artifizielle Insemination, der intratubare Gametentransfer, der intrauterine Gametentransfer, die – auch in Form der ICSI durchgeführte – In-vitro-Fertilisation sowie die Reaktivierung und Rekultivierung einer zunächst kryokonservierten imprägnierten Eizelle, d.h. einer Eizelle, in die bereits eine Samenzelle eindrang und die vor der Vereinigung der beiden Vorkerne tiefgefroren worden ist.57 Als Täter kommen die im Rahmen der Ausführungen zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 ESchG genannten Personen in Betracht.58 Was den subjektiven Tatbestand angeht, verlangt § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG im Hinblick auf die mit der Befruchtung bezweckte Herbeiführung der Schwangerschaft einer Frau, von der die Eizelle nicht stammt, Absicht des Täters im Sinne zielgerichteten Wollens. Hinsichtlich aller objektiven Merkmale des Tatbestandes ist Eventualvorsatz erforderlich. Die Ausgestaltung der Vorschrift als Unternehmensdelikt führt dazu, daß bereits der materielle Versuch einer künstlichen Befruchtung den Tatbestand verwirklicht (§ 11 Abs. 1 Nr. 6 StGB), auch wenn es noch nicht zu einer Vereinigung der Vorkerne kam oder der Befruchtungsversuch 54 55
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S.a. Schroeder, in: Festschr. f. Miyazawa, S. 533 (537). Günther, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 1 Nr. 2, Rdnr. 1 ff. Differenzierend Schroeder, in: Festschr. f. Miyazawa, S. 533 (537): Rechtsgut sei die Lebensgerichtetheit des werdenden menschlichen Lebens. Die Vorschrift entspricht dem Regierungsentwurf zum ESchG, vgl. BT-Drucks. 11/5460 v. 25.10.1989, S. 4, 8. Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Embryonen, BT-Drucks. 11/5460 v. 25.10.1989, S. 8; Günther, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 1 Nr. 2, Rdnr. 7–12. Vgl. Günther, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 1 Nr. 2, Rdnr. 13. Günther, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 1 Nr. 2, Rdnr 14.
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endgültig gescheitert ist. Die Tat ist vollendet, sobald der Befruchtungsversuch im Sinne der Ansatzformel des § 22 StGB beginnt, also der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.59 Eine Rechtfertigung der Tat aufgrund der Einwilligung der Gametenspender und der Frau, die den Embryo austragen will, wird in der Kommentarliteratur abgelehnt, weil das Kindeswohl als das im Falle der beabsichtigten Herbeiführung einer gespaltenen Mutterschaft geschützte Rechtsgut der Dispositionsbefugnis der Beteiligten entzogen sei.60 § 1 Abs. 3 Nr. 1 ESchG gewährt Straffreiheit für die Frau, von der die Eizelle oder der Embryo stammt, sowie für die Frau, auf die die Eizelle oder der Embryo übertragen werden soll. Die Rechtfertigung für diesen Strafausschließungsgrund fußt auf den gleichen Erwägungen wie den bereits im Rahmen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 ESchG dargestellten. Fraglich ist hingegen, ob sich der Samenspender wegen Beihilfe strafbar machen kann. Das ESchG läßt die Samenspende straffrei und privilegiert somit die gespaltene Vaterschaft, bei der genetischer und sozialer Vater auseinanderfallen. Angesichts dessen wird im Schrifttum dafür plädiert, die Samenspende zumindest in Fällen, in denen § 1 Abs. 3 ESchG für die Eispenderin einen persönlichen Strafausschließungsgrund anerkennt, als notwendige Beihilfe einzustufen und damit zu entkriminalisieren.61 Folgt man dieser Auffassung, kann der Samenspender nicht wegen Beihilfe bestraft werden. § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG wird durch § 1 Abs. 2 ESchG ergänzt, der demjenigen die gleiche Strafe androht, der künstlich bewirkt, daß eine menschliche Samenzelle in eine menschliche Eizelle eindringt (Nr. 1), oder eine menschliche Samenzelle in eine menschliche Eizelle künstlich verbringt (Nr. 2), ohne eine Schwangerschaft der Frau herbeiführen zu wollen, von der die Eizelle stammt. § 1 Abs. 2 ESchG dehnt den Strafrechtsschutz auf Vorstadien der Entstehung menschlichen Lebens aus. Der Schutz vor Mißbräuchen bezieht sich bei § 1 Abs. 2 ESchG unmittelbar auf die imprägnierte Eizelle.62 In den vorliegenden Fällen geht es jedoch immer um die Herbeiführung einer Schwangerschaft. Führt, wie hier unterstellt, die Handlung von vornherein ohne zeitliche Zäsur zur Befruchtung, so erscheint die Imprägnation der Eizelle nur als natürliches Durchgangsstadium auf dem Wege zur Befruchtung. Nach der Literatur soll entweder § 1 Abs. 2 ESchG bereits tatbestandlich durch § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG ausgeschlossen sein oder subsidiär hinter diese Norm zurücktreten.63 Will ein Reproduktionsmediziner bei einem lesbischen Paar die Befruchtung der Eizelle einer Partnerin mit dem Samen eines Spenders durchführen, um den Embryo daraufhin auf die andere Partnerin zu transferieren, so macht er sich bereits in dem Zeitpunkt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG strafbar, in dem er nach sei59
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Günther, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 1 Nr. 2, Rdnr. 15, 17 f. Günther, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 1 Nr. 2, Rdnr. 19. Bei der Verhinderung gespaltener Mutterschaften ist eines der geschützten Rechtsgüter das Kindeswohl, vgl. zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 ESchG oben, S. 242. So Günther, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 1 Nr. 2, Rdnr. 22 m.w.N.; § 1 Abs. 2, Rdnr. 22. Günther, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 2, Rdnr. 2. Vgl. Günther, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 2, Rdnr. 25.
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ner Vorstellung unmittelbar zur Befruchtung der Eizelle ansetzt. Da in den hier interessierenden Fällen die Handlung des Reproduktionsmediziners ohne zeitliche Zäsur tatsächlich auch zu einer Befruchtung führen wird, kommt es auf den ebenfalls verwirklichten § 1 Abs. 2 ESchG nicht an. Die Partnerinnen bleiben wiederum gem. § 1 Abs. 3 ESchG straffrei. Nach im Schrifttum vertretener Ansicht gilt dies auch für den Samenspender. c) § 1 Abs. 1 Nr. 6 ESchG Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird gem. § 1 Abs. 1 Nr. 6 ESchG bestraft, wer „einer Frau einen Embryo vor Abschluß seiner Einnistung in der Gebärmutter entnimmt, um diesen auf eine andere Frau zu übertragen oder ihn für einen nicht seiner Erhaltung dienenden Zweck zu verwenden“. Die Vorschrift weist eine Verbindung zu § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG auf. Bei § 1 Abs. 1 Nr. 6 ESchG soll bereits im Vorfeld sowohl die Entstehung gespaltener Mutterschaften verhindert, als auch die Entnahme des Embryos zur Verwendung für Forschungszwecke unterbunden werden. Ferner will die Norm der Herbeiführung von Ersatzmutterschaften vorbeugen.64 Geschützte Rechtsgüter sind zum einen das Kindeswohl in seiner Konkretisierung der Eindeutigkeit der Mutterschaft, zum anderen das menschliche Leben und die Menschenwürde.65 Die enge Verwandtschaft des § 1 Abs. 1 Nr. 6 ESchG mit § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG resultiert aus dem Schutz identischer Rechtsgüter. Beide Vorschriften erfassen den Transfer eines Embryos auf eine andere Frau, als diejenige, aus deren Eizelle der Embryo durch Befruchtung hervorgegangen ist. Der Unterschied zwischen den beiden Tatbeständen liegt allein darin, daß sich im Falle des § 1 Abs. 1 Nr. 6 ESchG der Embryo vor dem Zeitpunkt der Nidation schon einmal im Mutterleib befunden haben muß. Ob sich der Embryo nach Maßnahmen assistierter Reproduktion im Mutterleib befand, ist irrelevant. Tatobjekt des § 1 Abs. 1 Nr. 6 ESchG ist ein Embryo. § 8 Abs. 1 ESchG definiert den Embryo als die befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an. Tathandlung ist die Entnahme des Embryos vor Abschluß der Nidation aus dem Mutterleib. Unter den Begriff der Entnahme fällt jede Methode, die mit einer Verbringung des Embryos aus dem weiblichen Körper verbunden ist. Mit Abschluß der Nidation beginnt gem. § 218 Abs. 1 S. 2 StGB der strafrechtliche Schutz des Embryos durch die §§ 218 ff. StGB. Für die Feststellung des Nidationszeitpunktes gelten die zu § 218 Abs. 1 S. 2 StGB entwickelten Regeln.66 Unter dem Merkmal „auf eine andere Frau“ ist jede weibliche Person zu verstehen, von der der Embryo nicht genetisch abstammt. Ob diese Frau zu einer Schwangerschaft medizinisch imstande ist, spielt keine Rolle. Für die Vollendung des Tatbestandes kommt es nur auf die Entnahmehandlung an. 64 65
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So die amtliche Begründung, vgl. BT-Drucks. 11/5460 v. 25.10.1989, S. 9. Vgl. auch Keller, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 1 Nr. 6, Rdnr. 4 sowie Günther, in: a.a.O., § 1 Abs. 1 Nr. 2, Rdnr. 2; Schroeder, in: Festschr. f. Miyazawa, S. 533 (538). Dazu im einzelnen Keller, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 1 Nr. 6, Rdnr. 11 f.
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Für den subjektiven Tatbestand ist Vorsatz erforderlich. Dieser muß die objektiven Tatbestandsmerkmale umfassen. Für das Merkmal „vor Abschluß seiner Einnistung in die Gebärmutter“ genügt dolus eventualis.67 Mit der Umschreibung „um diesen auf eine andere Frau zu übertragen oder ihn für einen nicht seiner Erhaltung dienenden Zweck zu verwenden“ ist Absicht im Sinne des dolus directus ersten Grades gefordert.68 Als Täter kommen Ärzte, Biologen oder Angehörige der Heilhilfsberufe in Betracht. Der persönliche Strafausschließungsgrund erfaßt die Frau, von der der Embryo stammt und die Frau, auf die er übertragen werden soll (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 ESchG). Der Versuch ist für jeden anderen Beteiligten außer den beiden Frauen strafbar (§ 1 Abs. 4 ESchG). Wenn ein lesbisches Paar seinen Kinderwunsch dadurch realisieren möchte, daß ein Embryo noch vor der Nidation aus der Gebärmutter einer Partnerin entnommen und auf die andere Partnerin übertragen wird, so machte sich der Reproduktionsmediziner mit der Entnahme des Embryos aus dem Körper gem. § 1 Abs. 1 Nr. 6 ESchG strafbar. Den beiden Partnerinnen käme der persönliche Strafausschließungsgrund des § 1 Abs. 3 Nr. 1 ESchG zugute. Der sich unter Umständen wegen Beihilfe strafbar machende Samenspender würde nach in der Literatur vertretener Meinung ebenfalls nicht bestraft.69 d) Konsequenzen für lesbische Paare Lesbischen Paaren, die ihren Kinderwunsch dadurch zu realisieren wünschen, indem eine Partnerin eine Eizelle zur Verfügung stellt, die nach Befruchtung mit gespendetem Sperma auf die andere Partnerin zur Austragung und Geburt transferiert wird, ist diese Option durch die in § 1 ESchG enthaltenen Verbote der Herbeiführung gespaltener Mutterschaften verwehrt. Zwar bleiben die Partnerinnen aufgrund persönlicher Strafausschließungsgründe straffrei. Allerdings macht sich der Reproduktionsmediziner, ohne dessen Assistenz die Befruchtung bzw. der Embryotransfer in diesen Fällen realistischerweise nicht verwirklicht werden kann, strafbar. Dadurch ist lesbischen Frauen diese Fortpflanzungsmöglichkeit faktisch verwehrt. Unklar ist die Strafbarkeit des Mannes, der im Wissen um die Herbeiführung einer gespaltenen Mutterschaft sein Sperma spendet. Zwar wird in der Literatur dafür plädiert, sein Verhalten als notwendige Beihilfe einzustufen und ihn zu entkriminalisieren. Ob dieser Ansicht die Strafverfolgungsorgane und die Strafgerichte folgen, ist vor dem Hintergrund fehlender Rechtsprechung zu dieser Frage ungewiß. Für den Samenspender besteht daher keine Rechtssicherheit, ob er sich strafbar macht, was ihn von einer Spende abhalten könnte.
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Keller, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 1 Nr. 6, Rdnr. 13, dort auch zu weiteren Einzelheiten des subjektiven Tatbestandes. Keller, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 1 Nr. 6, Rdnr. 15. Günther, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 1 Nr. 2, Rdnr. 22 m.w.N.; § 1 Abs. 2, Rdnr. 22.
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2. Argumente für das Verbot der Herbeiführung gespaltener Mutterschaften Für das Verbot der Herbeiführung gespaltener Mutterschaften werden unterschiedliche Gründe ins Feld geführt. Im Zentrum der Argumentation steht das Kindeswohl. Zwar wird eingeräumt, daß dieses Rechtsgut in seiner generalklauselartigen Unbestimmtheit keinen tauglichen Anknüpfungspunkt abgebe. Es genüge aber, wenn bei einem strafrechtlich sanktionierten Verbot an spezielle Ausformungen des Kindeswohls angeknüpft werde. Dazu gehöre insbesondere auch die Verhinderung gespaltener Mutterschaften bzw. die Eindeutigkeit der Mutterschaft.70 Rolf Keller führt dazu aus: „Nach h.M. im Zivilrecht läßt sich der Begriff ,Kindeswohl‘ nicht abstrakt definitorisch, sondern nur in seinen einzelnen Aspekten erfassen. Dies wird damit erläutert, daß der Richter induktiv Gerechtigkeitskriterien aus dem Kind heraus gewinnen und rechtsschöpferisch die wertoffene Kindeswohlnorm ausfüllen müsse, daß das Wohl des Kindes dabei nicht nur aus der subjektiven Sicht des Kindes (Wohlbefinden), sondern auch objektiv-normativ (Zukunftsperspektive) zu beurteilen sei, daß es darum gehe, die Voraussetzungen für eine gedeihliche altersgemäße Entwicklung in jeder Beziehung sicherzustellen, um eine allseitige und harmonische Entwicklung der Gesamtpersönlichkeit des Kindes zu ermöglichen und daß sich als gegenwärtige, das Kindeswohl bedrohende Gefahr bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohles des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lasse.“71 Daneben werden auch aus der Perspektive einer anspruchsvollen, der Tradition verpflichteten christlichen Ethik verschiedene Gründe gegen eine Aufspaltung der Mutterschaft vorgebracht. Ein solches Verfahren taste die dem Menschen von Natur gegebene Prägung an und bedrohe unser überliefertes Bild vom Menschen.72 Die Spaltung zwischen genetischer und plazentarer Mutter sei willkürlich herbeigeführt und kenne in der Natur kein Vorbild.73 Der Umstand, daß zwei Frauen Anteil an der Entstehung eines Kindes hätten, bedeute einen tiefen Einbruch in das menschliche und kulturelle Selbstverständnis, zu dem die Eindeutigkeit der Mutterschaft gehöre, und gebe diese Eindeutigkeit preis. All dies könne die Entwicklung des Kindes zur selbstverantwortlichen Persönlichkeit gefährden und erhebliche Probleme bei seiner Identitätsfindung aufwerfen, weil es sein Leben gleichsam drei Elternteilen zu verdanken hätte.74 Darin liege ein Vorgang, der 70 71
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Keller, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 1 Nr. 1, Rdnr. 4. Keller, in: Festschr. f. Tröndle, S. 705 (710 f.); ders., in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 1 Nr. 1, Rdnr. 5, jeweils m.w.N. Laufs, JZ 1986, 769 (775); ders., Fortpflanzungsmedizin und Arztrecht, S. 83. Nicht ganz so deutlich, aber ebenfalls ablehnend, ders., Rechtliche Grenzen der Fortpflanzungsmedizin, S. 31 f. Vor dem Hintergrund der Preisgabe menschlichen Lebens bei der PID sieht jedoch Laufs, NJW 2000, 2716 (2717) in der Embryonenspende ein auch dem Kindeswohl verpflichtetes Verfahren. Keller, in: Festschr. f. Tröndle, S. 705 (720). Vgl. auch ders., in: Günther/Keller, Fortpflanzungsmedizin und Humangenetik, S. 193 (206). Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Embryonen, BT-Drucks. 11/5460 v. 25.10.1989, S. 7; Österr. VerfGH, MedR 2000, 389 (393 f.).
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gegen das Wohl des Kindes verstoße.75 Figur und Rolle der Mutter hätten in der Grundhaltung vieler Völker eine zentrale, nicht selten „mystisierte“ Bedeutung. Dies gelte auch ganz besonders für unseren Kulturkreis. Die Mutter sei bis in die jüngste Zeit die sichere, wohl sogar einzig sichere Bezugsperson, die für die Identitätsfindung des Kindes von eminentem Einfluß sei. Es lägen keinerlei Erkenntnisse darüber vor, wie ein junger Mensch – etwa in der Pubertätszeit – seelisch den Umstand zu verarbeiten vermöge, daß eine genetische und eine plazentare Mutter seine Existenz gleichsam mitbedingt hätten. So werde das Kind entscheidend sowohl durch die von der genetischen Mutter stammenden Erbanlagen als auch durch die enge, während der Schwangerschaft bestehende Bindung zwischen ihm und der austragenden Mutter geprägt.76 Ließe man die Herbeiführung gespaltener Mutterschaften zu, eröffnete man auch die Möglichkeit für anonyme und kommerzialisierte Eispenden.77 Die Identitätsfindung eines Kindes werde erst recht dann beeinträchtigt, wenn ihm die Kenntnis seiner genetischen Abkunft auf Dauer vorenthalten bliebe.78 Das Rechtsgut der „Eindeutigkeit der Mutterschaft“ sei mit Blick auf das Kindeswohl so hoch zu bewerten, daß man es unter Strafrechtsschutz stellen müsse.79 Ein weiterer Argumentationsstrang befaßt sich mit den potentiellen Komplikationen, die bei einer fragmentierten Mutterschaft ausgelöst werden könnten. Bei einem genetisch geschädigten Kind bestehe die Gefahr, daß es von der gebärenden Mutter abgelehnt werde. Ferner sei zu befürchten, daß die Eispenderin an dem weiteren Schicksal des genetisch von ihr abstammenden Kindes Anteil nehme und damit für die austragende Mutter und das Kind eine schwierige Konfliktsituation entstehe.80 Eine erhebliche, insbesondere auch die seelische Entwicklung des Kindes beeinträchtigende Belastung könne dann eintreten, wenn zwar die Empfänge75
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Abschlußbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Fortpflanzungsmedizin“, bad.-württ. LT-Drucks. 10/831 v. 29.11.1988, S. 51; Keller, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 1 Nr. 1, Rdnr. 7; vgl. auch ders., in: Festschr. f. Tröndle, S. 705 (720); ders., MedR 1988, 59 (63). Mit dem Kindeswohl argumentiert ebenfalls der Deutsche Richterbund, DRiZ 1986, 229. Vgl. auch Österr. VerfGH, MedR 2000, 389 (392 ff.) m. krit. Anmerkungen Bernat, MedR 2000, 394 ff.; Coester-Waltjen, FamRZ 2000, 598 f. und Lurger, DEuFamR 2 (2000), 134 ff. Siehe ferner Eichenhofer, ZaeFQ 96 (2002), 385 (390). Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Embryonen, BT-Drucks. 11/5460 v. 25.10.1989, S. 7; vgl. auch Günther, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 1 Nr. 2, Rdnr. 5. S. Kentenich, ZaeFQ 96 (2002), 379 (381), der aber grundsätzlich die Zulassung der Eizellspende fordert. Antrag des Landes Baden-Württemberg zu einer Entschließung des Bundesrates gegen Mißbräuche bei der extrakorporalen Befruchtung, BR-Drucks. 361/85 v. 1.8.1985, S. 5 f. Abschlußbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Fortpflanzungsmedizin“, bad.-württ. LT-Drucks. 10/831 v. 29.11.1988, S. 60 f.; Keller, in: Festschr. f. Tröndle, S. 705 (720); Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Embryonen, BT-Drucks. 11/5460 v. 25.10.1989, S. 7. Benda-Kommission, 2.2.2.1.2 (S. 31); Abschlußbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Fortpflanzungsmedizin“, bad.-württ. LT-Drucks. 10/831 v. 29.11.1988, S. 51.
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rin der Eispende ein Kind zu gebären vermag, der Spenderin selbst aber die Geburt eines Kindes versagt bleibt. Die Eispenderin werde sich nicht selten mit der Tatsache auseinandersetzen müssen, selbst kinderlos zu bleiben, während ein ihr „genetisch zugehörendes“ Kind einer anderen Frau gehöre. Es lasse sich jedenfalls nicht ausschließen, daß die Eispenderin in derartigen Fällen Anteil an dem Schicksal des von der anderen Frau geborenen Kindes zu nehmen sucht und damit erhebliche seelische Konflikte auslöst.81 Die gespaltene Mutterschaft lasse sich auch nicht mit dem Adoptionsrecht vergleichen, denn bei der Annahme an Kindes Statt gehe es um die weit weniger einschneidende Spaltung von genetischer und sozialer Mutter, nicht aber um die weiterreichende Spaltung von genetischer und austragender Mutter.82 Bereits der Zweifel sei Grund genug, die willkürliche Spaltung der Mutterschaft zu untersagen. Aufgrund dieser Gefahren sei eine genetischplazentar fragmentierte Mutterschaft nicht hinnehmbar und bei Strafe zu verbieten. 3. Kritik am Verbot der Herbeiführung gespaltener Mutterschaften Das Verbot der Herbeiführung gespaltener Mutterschaften ist wiederholt auf Kritik gestoßen. Bereits in der Diskussion um das ESchG wurde im rechtswissenschaftlichen Schrifttum für einen Verzicht des Strafrechts plädiert.83 In der Diskussion spielten unterschiedliche Kritikpunkte eine Rolle. a) Kindeswohlargumentation Die Kritik richtete sich zunächst dagegen, das Kindeswohl als Schutzgut auszugeben. Insbesondere Dagmar Coester-Waltjen vertrat schon Mitte der 1980er Jahre die Auffassung, daß die Kindeswohlargumentation bereits im Ansatz verfehlt ist. Durch die Verhinderung gespaltener Mutterschaften will man dem Wohl 81
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Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Embryonen, BT-Drucks. 11/5460 v. 25.10.1989, S. 7. Insgesamt ablehnend auch der Antrag des Freistaates Bayern zu einer Entschließung des Bundesrates zur Gen- und Fortpflanzungstechnologie, BR-Drucks. 382/85 v. 23.8.1985, S. 2 f.; Gesetzesentwurf Bayerns zur Regelung der künstlichen Befruchtung beim Menschen (Fortpflanzungsmedizingesetz), BR-Drucks. 535/88 v. 15.11.1988, S. 28; Entschließung des Bundesrates zur extrakorporalen Befruchtung, BR-Drucks. 210/86 v. 16.5.1986, S. 4 f.; Antrag von Abgeordneten und der Fraktion der SPD, BTDrucks. 11/1662 v. 18.1.1988, S. 2; Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Problemen der künstlichen Befruchtung beim Menschen und bei Eingriffen in menschliche Keimzellen der SPD-Fraktion, BT-Drucks. 11/5710 v. 16.11.1989, S. 4 f. Keller, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 1 Nr. 1, Rdnr. 8. Eser, Bitburger Gespräche, 1986/1, 105 (114); Coester-Waltjen, in: Trotnow/CoesterWaltjen, Möglichkeiten, Gefahren und rechtliche Schranken befruchtungstechnischer Eingriffe, S. 14, 33 ff.; Arbeitsgruppe des Deutschen Juristinnenbundes, JZ 1986, 777. Der Diskussionsentwurf eines ESchG enthielt kein strafrechtliches Verbot der gespaltenen Mutterschaft, was im rechtswissenschaftlichen Schrifttum nicht auf Widerspruch stieß, s. Günther, GA 1987, 433 ff.; Deutsch, ZRP 1986, 242 (243): der Entwurf erscheine maßvoll und zielgerecht. Die Abteilung Zivilrecht des 56. DJT verweigerte dem Beschluß, die Aufteilung in eine genetische und plazentare Mutterschaft sei mit erheblichen psychischen, sozialen und rechtlichen Problemen behaftet und deshalb grundsätzlich abzulehnen, ihre Zustimmung, NJW 1986, 3069 (3070), sub V.3.1.
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des Kindes dienen, indem man seine Zeugung verhindert. Lehnt man aber die Argumentation mit lebensunwertem Leben ab, so ist das Kindeswohlargument unschlüssig. Es kann nämlich niemals im Interesse eines Kindes liegen, nicht erzeugt zu werden.84 Insoweit gibt schon die Überschrift zu § 1 ESchG Anlaß zu weitreichenden Bedenken. Die mißbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken gehört systematisch und teleologisch gesehen gar nicht in den Regelungsbereich eines Gesetzes, das den Schutz von Embryonen anstrebt. Es mutet vielmehr geradezu grotesk an, einen Embryo dadurch schützen zu wollen, daß man von vornherein seine Entstehung und damit seine Chance zum Geborenwerden verhindert.85 b) Rechtsphilosophische Einwände Des weiteren stellt sich die Frage, ob dem Kindeswohl in seiner Ausprägung der Eindeutigkeit der Mutterschaft überhaupt strafrechtliche Rechtsgutqualität zugesprochen werden kann. Aus rechtsphilosophischer Perspektive begegnen deontologische Prinzipien86 wie die „Heiligkeit der Natur“ mit allen daraus folgenden Ausprägungen wie die „natürliche Einheit von Mutter und Kind“ oder die „Eindeutigkeit der Mutterschaft“ hinsichtlich ihrer Rechtsguttauglichkeit Zweifeln, weil sie sich weder unmittelbar noch mittelbar aus dem zu weltanschaulicher und 84
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Coester-Waltjen, Gutachten B für den 56. DJT, B 46, B 111; dies., Bitburger Gespräche 1986/1, S. 93 (96); dies., in: Trotnow/Coester-Waltjen, Möglichkeiten, Gefahren und rechtliche Schranken befruchtungstechnischer Eingriffe, S. 10; dies., in: Das Bundesministerium für Gesundheit, Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, S. 158; Bernat, MedR 1991, 308 (313). Zustimmend Hektor-Reinshagen, Die Relevanz ethischer Konzeptionen im Strafrecht am Beispiel des Embryonenschutzgesetzes, S. 183; Diskussionsbeitrag von Koch, in: Das Bundesministerium für Gesundheit, Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, S. 418 f.; Starck, Gutachten A für den 56. DJT, A 37 sieht in der Herbeiführung gespaltener Mutterschaften keine Verletzung der Menschenwürde. Aus dem jüngeren Schrifttum Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, S. 106 f., 146 f., 204. A.A. wohl Ebeling/Zimmermann, DEuFamR 1 (1999), 25 (31): Der Gesetzgeber sei zu einem Verbot verfassungsrechtlich berechtigt, wobei diese Befugnis nicht auf dem Kindeswohl basiere, sondern aus dem Prinzip der Verantwortung des Staates und seiner Verantwortlichkeit für Dritte herrühre, deren Existenz zur Entstehung gebracht wird. Ebeling und Zimmermann setzen sich damit aber mit sich selbst in Widerspruch, denn es kann keine Verantwortung des Staates geben, wegen der damit einhergehenden Fragmentierung der Mutterschaft die Entstehung menschlichen Lebens zu verhindern. Hektor-Reinshagen, Die Relevanz ethischer Konzeptionen im Strafrecht am Beispiel des Embryonenschutzgesetzes, S. 175. Im folgenden werden deontologische Konzepte in dem Sinne verstanden, daß es nicht darauf ankommt, welcher außermoralische Wert durch eine zu beurteilende Regel geschaffen wird. Daher gibt es auch andere Gesichtspunkte, welche eine Regel zu einer richtigen oder pflichtgemäßen machen. Dabei haben die Gesichtspunkte nichts mit dem positiven oder negativen Wert ihrer Konsequenzen etwas zu tun: gewisse Eigenschaften der Regel selbst nämlich, etwa daß sie der Gerechtigkeit genügt oder von Gott oder dem Staat geboten ist, vgl. Hektor-Reinshagen, Die Relevanz ethischer Konzeptionen im Strafrecht am Beispiel des Embryonenschutzgesetzes, S. 32.
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konfessioneller Neutralität verpflichteten Grundgesetz87 ableiten lassen. Für den Gesetzgeber des ESchG dürfte der Umstand maßgebend gewesen sein, daß die gespaltene Mutterschaft in der Natur nicht vorkomme und ihre Herbeiführung gegen das deontologische Prinzip der „Heiligkeit der Natur“ verstoße. Diesem Prinzip und seinen unterschiedlichen Ausprägungen kann jedoch keine Rechtsgutqualität zukommen, weil es sich dabei nicht um einen Gegenstand oder ein Interesse handelt, der dem Menschen zur freien Selbstentfaltung dient. Dies zeigt sich besonders bei der Anwendung medizinischer Methoden, weil die Medizin ohne Eingriffe in die Natur nicht denkbar ist. Aus einer konsequent deontologischen Position heraus müßte jeder ärztliche Eingriff in natürliche, gottgewollte Gegebenheiten einen Mißbrauch darstellen, der vom Recht abzuwehren ist. Eine solche Position ist aber schlechterdings unhaltbar. Aus diesem Grund begegnet der vom Gesetzgeber gewählte deontologische Ansatz aus rechtsphilosophischer Sicht Legitimitätszweifeln.88 Gegen das Natürlichkeitsargument wird aus philosophischer Sicht zudem eingewandt, daß in der heutigen Zeit der Mensch als Kulturwesen auf vieles nicht mehr verzichten will, was die Natur nicht kennt, weshalb diese Begründung nicht verfängt.89 Die Entfernung von den natürlichen Gegebenheiten der Fortpflanzung kann für sich keinen Grund für ein negatives rechtliches oder moralisches Urteil abgeben. Die „Natürlichkeit“ der Fortpflanzung ist kein moralischer oder rechtlicher Wert an sich. Es ist noch nie überzeugend gelungen, die von Menschhand unberührte Natur als Vorbild für moralische und rechtliche Wertungen in Dienst zu nehmen. Darüber hinaus erscheint es im Rahmen der künstlichen Fortpflanzung mehr als fraglich, ob man ein mehr oder weniger an „Natürlichkeit“ überhaupt definieren kann.90 c) Fehlende empirische Nachweise Die Kindeswohlargumentation stößt aber auch dann auf Bedenken, wenn man die Einwände im Blick auf die Rechtsguttauglichkeit nicht teilt. Die argumentative Begründung, weshalb das Auseinanderfallen von genetischer und plazentarer Mutter gegen das Kindeswohl verstößt, fällt nämlich außerordentlich dürftig aus. Der Gesetzgeber und die ihm folgenden Stimmen im rechtswissenschaftlichen Schrifttum stützen sich auf die bloße Vermutung von Gefahren und nicht auf erwiesene Fakten. Die Präzisierungsversuche halten sich im Bereich des Spekulativen und konzentrieren sich einseitig auf die eventuell tangierten Interessen des 87 88
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Vgl. nur BVerfGE 93, 1 ff. – Kruzifix. Hektor-Reinshagen, Die Relevanz ethischer Konzeptionen im Strafrecht am Beispiel des Embryonenschutzgesetzes, S. 168, 177, 179, 181 f. Vgl. auch Lurger, DEuFamR 2 (2000), 134 (143), die zeigt, daß die Argumentation mit der Natürlichkeit der Fortpflanzungsvorgänge von der katholischen Lehre geprägt ist. S. ferner auch Liegsalz, in: Roxin/Schroth, Medizinstrafrecht, S. 339 (346): Die Absicht des Gesetzgebers, durch die Verhinderung gespaltener Mutterschaften die Integrität von Ehe und Familie zu schützen, sei mehr als fragwürdig und angreifbar. So der Diskussionsbeitrag des Philosophen und Psychologen Kettner, in: Das Bundesministerium für Gesundheit, Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, S. 405 (415). Vgl. auch Gadamer, Über die Verborgenheit der Gesundheit, S. 59. Lurger, DEuFamR 2 (2000), 134 (140); Bernat, MedR 2000, 394 (396). Vgl. auch Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, S. 201.
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Embryos, ohne die Rechte der anderen am Konflikt beteiligten Personen mit in die Überlegungen einzubeziehen. Unter legitimatorischen Aspekten ist es sehr fraglich, ob sich der Gesetzgeber bei Strafgesetzen mit ihrer Einschränkung der persönlichen Freiheit in diesem Umfang auf bisher empirisch nicht nachgewiesene Gefahren und vage Andeutungen beziehen darf.91 Keller, einer der maßgeblichen Vertreter des Kindeswohlarguments, setzt sich mit sich selbst in Widerspruch, wenn er einerseits ausführt, daß die Gefährdung des Kindeswohls erhebliche Schädigungen mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lassen müsse, dann aber andererseits mit wenig präzisierten Vermutungen und bloßen Behauptungen eine Kindeswohlbeeinträchtigung bei einer Spaltung der Mutterschaft als gegeben sieht. Daraus mit der von ihm geforderten ziemlichen Sicherheit auf eine Gefährdung des Kindeswohls durch erhebliche Schädigungen zu schließen, ist nicht nachvollziehbar.92 Kontrovers beurteilt wurde Mitte der 1980er Jahre auch das unter dem Aspekt des Kindeswohls zu verortende Argument, die Spaltung der Mutterschaft erschwere möglicherweise die Identitätsfindung des Kindes. Hierzu lagen keinerlei gesicherte Erkenntnisse vor. Allenfalls ließen sich die Erfahrungen aus dem Adoptionsrecht heranziehen, die aber nicht die Spaltung zwischen genetischer und plazentarer Mutter betrafen, sondern die Spaltung zwischen biologischer (genetisch-plazentarer) und sozialer Mutter bzw. biologischen und sozialen Eltern. Zwar kann auch bei der Adoption das Auseinanderfallen von genetischer und sozialer Elternschaft, verbunden mit der Identitätsfindung und der Suche nach den eigenen genetischen Wurzeln, problematisch sein. Nur wiegen diese Probleme regelmäßig die Vorteile einer Adoption nicht auf. Hinzu kommt, daß Trennungstraumata, die ein Kind durch den Wechsel von einer Gruppe von Bezugspersonen zur anderen erfahren kann, bei der Eizell- oder Embryonenspende nicht auftreten können, weil die körperlichen und seelischen Beziehungen zwischen Kind und plazentarer Mutter gleichbleiben.93 Auch insofern müssen alle Aussagen über das künftige Wohl des Kindes vor seiner Zeugung spekulativ sein und in diesem Zusammenhang anmaßend erscheinen. „Zu den nicht vorhersehbaren Dingen gehören Glücksgefühl, Zufriedenheit, Erfüllung und die sonstigen Werte unserer überwiegend christlich-humanistisch geprägten Ordnung. Die Gesellschaft ist nicht berufen zu entscheiden, ob Kinder hieran teilhaben werden, um aus einer negati91
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Schroeder, in: Festschr. f. Miyazawa, S. 533 (534 f.), (545); Bernat, MedR 1991, 308 (313); Hektor-Reinshagen, Die Relevanz ethischer Konzeptionen im Strafrecht am Beispiel des Embryonenschutzgesetzes, S. 177, 181. Kritisch auch Liegsalz, in: Roxin/ Schroth, Medizinstrafrecht, S. 339 (345 f.) und Ben-Am, Gespaltene Mutterschaft, S. 182. In der jüngeren Debatte hält etwa Zumstein, in: Das Bundesministerium für Gesundheit, Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, S. 134 (138 f.) die Argumentation mit dem Kindeswohl für nicht überzeugend. Coester-Waltjen, in: Trotnow/Coester-Waltjen, Möglichkeiten, Gefahren und rechtliche Schranken befruchtungstechnischer Eingriffe, S. 10 f. Vgl. auch Schroeder, in: Festschr. f. Miyazawa, S. 533 (535); Liegsalz, in: Roxin/Schroth, Medizinstrafrecht, S. 339 (346); Lurger, DEuFamR 2 (2000), 134 (140): Es sei nicht einzusehen, warum die bei einer Eizellspende entstehenden Beziehungen des Kindes so ungewöhnlich und für das Kind belastend sein sollten. S.a. Eichenhofer, ZaeFQ 96 (2002), 385 (390).
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ven Antwort ein Recht zur Verhinderung der Zeugung dieser Kinder herzuleiten.“94 In der jüngeren Diskussion wird die Zulassung der Eizellspende gefordert und darauf hingewiesen, daß es zu weit gehe, sich gegen die gespaltene Mutterschaft auf eine Gefährdung des Kindeswohls zu berufen, da solche Befürchtungen eine empirische Bestätigung bisher schuldig geblieben sind.95 Nachuntersuchungen aus liberaleren Ländern haben gezeigt, daß sowohl die Entwicklung der Kinder als auch die Eltern-Kind-Beziehung nicht negativ verliefen.96 d) Kritik an der Gesetzestechnik Unter dem Gesichtspunkt der Gesetzestechnik stößt die Verquickung völlig konträrer Zielsetzungen in ein und demselben Tatbestand, wie dies bei § 1 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 6 ESchG geschieht, auf erhebliche Bedenken. Die Vorschriften stellen die Spaltung der Mutterschaft, die auf die Zeugung und Geburt menschlichen Lebens gerichtet ist, mit Handlungen gleich, bei denen Embryonen aufgeopfert werden und zugrunde gehen. Der Gesetzgeber enthält sich insoweit jeglicher Differenzierung nach dem Unrecht. Es stellt aber einen qualitativen Unterschied dar, ob extrakorporal erzeugtes Leben in dem Sinne völlig instrumentalisiert wird, daß man es für die Forschung oder sonstige Zwecke verwendet, oder ob man es bei grundsätzlicher Lebenserhaltung zu einer gespaltenen Mutterschaft kommen läßt. Das eine ist ein Lebensschutzproblem, das andere eine Statusfrage. Das Unbehagen wird noch dadurch verstärkt, daß § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG als Unternehmensdelikt ausgestaltet ist. Schon der Versuch wird wie die vollendete Rechtsgutsverletzung behandelt. Diese Regelungstechnik wird gemeinhin bei besonders wertvollen Rechtsgütern eingesetzt. Es ist bemerkenswert, daß der Gesetzgeber ausgerechnet die Rechtsgüter des ESchG, die vielfach zweifelhaft sind, einem solch intensiven Schutz unterwirft. Dies ist um so bedenklicher, als bei der künstlichen Befruchtung der Eintritt des Erfolges in viel geringerem Grade als sonst vom Täter abhängt. Auf dem Feld der Reproduktionsmedizin soll der Täter aber wenigstens für den vorverlagerten Schaden, den Anfangserfolg belangt werden. Da dieser schwer nachweisbar ist, möchte man den Täter gleich für jedes Verhalten ohne Schaden in Anspruch nehmen können. Deutlicher kann sich ein Gesetzgeber kaum vom Ziel des Rechtsgüterschutzes dispensieren.97 Die gesetzgeberische Argumentation verliert auch dadurch an Stringenz, daß die Embryonenspende und über sie die Herbeiführung einer gespaltenen Mutterschaft zulässig sein soll, wenn dies die einzige Möglichkeit darstellt, dem Embryo zum Leben zu verhelfen.98 94 95
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Coester-Waltjen, Bitburger Gespräche 1986/1, S. 93 (96). Eser/Koch, in: Gedächtnisschr. f. Keller, S. 15 (23 f.); Ben-Am, Gespaltene Mutterschaft, S. 182; Katzorke, in: Das Bundesministerium für Gesundheit, Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, S. 122 (128); Zumstein, in: a.a.O., S. 134 (138 f.); Kentenich, ZaeFQ 96 (2002), 379 (381), (384). S.a. Jung, ZStW 100 (1988), 3 (11). Katzorke, in: Das Bundesministerium für Gesundheit, Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, S. 122 (130); Kentenich, ZaeFQ 96 (2002), 379 (380 f.) m.w.N.; Dahl, FAZ Nr. 142 v. 22. Juni 2005, S. N 2. Schroeder, in: Festschr. f. Miyazawa, S. 533 (546 f.). BT-Drucks. 11/5460 v. 25.10.1989, S. 8; BT-Drucks. 11/8057 v. 8.10.1990, S. 15; Schroeder, in: Festschr. f. Miyazawa, S. 533 (535); Liegsalz, in: Roxin/Schroth, Medizinstrafrecht, S. 339 (346); Coester-Waltjen, FamRZ 1992, 369 (370). Konsequent an
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e) Ungleichbehandlung von Ei- und Samenspende Bedenken begegnet ferner die strafrechtliche Unterscheidung zwischen Eizell- und Samenspende. Da der Gesetzgeber die heterologe Insemination nicht verboten hat, ist die Herbeiführung gespaltener Vaterschaften zulässig. Rein genetisch hat die Eizelle aber die gleiche Bedeutung wie die Samenzelle.99 Ein Kind darf aufgrund der Regelungen des ESchG zwar nur eine Mutter, wohl aber grundsätzlich zwei Väter haben, nämlich einen genetischen und einen sozialen. Darin liegt ein Widerspruch, der immer wieder als Inkonsequenz des ESchG kritisiert wurde und im Hinblick auf den in der Verfassung niedergelegten Gleichheitssatz kaum gerechtfertigt werden kann. Von zahlreichen Autoren wird daher angeführt, daß sich die Eizellspende der Samenspende bei der heterologen Insemination rechtlich prinzipiell gleichachten lasse.100 Inkonsequenzen ergeben sich auch bei einer Betrachtung der angeblichen Folgen fragmentierter Vater- bzw. Mutterschaft. Bereits die Benda-Kommission hatte in ihrem Votum konzediert, daß die Eispende weitgehend die gleichen Probleme wie die Samenspende aufwerfe.101 Das Gremium wies darauf hin, daß man nicht wisse, wie sich die Verwendung von Fremdsperma unter unterschiedlichen Gegebenheiten auf die seelische Entwicklung der Kinder auswirke, insbesondere auch nicht, wie junge Menschen im Fall ihrer Aufklärung das Wissen um ihre Herkunft psychisch zu verarbeiten wüßten. Die Gefahr einer
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einer Verhinderung der gespaltenen Mutterschaft wollte der Deutsche Richterbund, DRiZ 1986, 229 festhalten; das Gremium sah es aus ethischer Sicht als am ehesten vertretbar an, einen Embryo, der nicht auf die Frau transferiert werden kann, von der die Eizelle stammt, seinem natürlichen Schicksal zu überlassen. Aus Sicht des Reproduktionsmediziners: Trotnow, in: Trotnow/Coester-Waltjen, Möglichkeiten, Gefahren und rechtliche Schranken befruchtungstechnischer Eingriffe, S. 6, 8. Vgl. auch Geilen, ZStW 103 (1991), 829 (834). Coester-Waltjen, Gutachten B für den 56. DJT, B 110 f.; dies., in: Trotnow/CoesterWaltjen, Möglichkeiten, Gefahren und rechtliche Schranken befruchtungstechnischer Eingriffe, S. 12 f. S.a. Geilen, ZStW 103 (1991), 829 (834); Laufs, Fortpflanzungsmedizin und Arztrecht, S. 83; ders., Arztrecht, Rdnr. 378, Fn. 24; ders., NJW 1998, 1750 (1753); ders., in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 129, Rdnr. 40. Vgl. auch Kamps, MedR 1994, 339 (342); Hektor-Reinshagen, Die Relevanz ethischer Konzeptionen im Strafrecht am Beispiel des Embryonenschutzgesetzes, S. 20; Kienle, ZRP 1995, 201 (201 f.); Ben-Am, Gespaltene Mutterschaft, S. 182; Liegsalz, in: Roxin/Schroth, Medizinstrafrecht, S. 339 (346); H.-L. Schreiber, in: Schreiber/Rosenau/Ishizuka/Kim, Recht und Ethik im Zeitalter der Gentechnik, S. 111 (113); Zumstein, in: Das Bundesministerium für Gesundheit, Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, S. 134 (139); Nieschlag/Wagenfeld/v. Schönfeldt/Schlatt, in: a.a.O., S. 109 (114); Ratzel, Reproduktionsmedizin 18 (2002), 199 (202); Kentenich, ZaeFQ 96 (2002), 379 (381); Coester, in: Festschr. f. Jayme, S. 1243 (1252). Ausführlicher jüngst Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, S. 178 f., 199 ff., 203: „Trotz nicht zu verkennender Unterschiede zwischen Eizell- und Samenspende ist ihre Verschiedenbehandlung sachlich nicht gerechtfertigt.“ (S. 203). S.a. Ratzel/Ulsenheimer, Reproduktionsmedizin 15 (1999), 428 (429); Ratzel, in: Ratzel/Lippert, Kommentar zur MBO, D 15, Rdnr. 11. Benda-Kommission, 2.2.2.1.2 (S. 31).
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Traumatisierung lasse sich bei der Samenspende nicht ausschließen.102 Im Gegensatz zur gespaltenen Mutterschaft nimmt der Gesetzgeber bei der gespaltenen Vaterschaft zudem in Kauf, daß der Samenspender Anteil an der Entwicklung des Kindes nehmen könnte, stuft aber die Gefahren für das psychische Wohl aller Beteiligten ohne plausiblen Grund als geringer ein.103 Diese nicht nachvollziehbare Unterscheidung nimmt er zum Anlaß, bei der gespaltenen Mutterschaft ein Verbot zu rechtfertigen, bei der gespaltenen Vaterschaft hingegen nicht. Für eine unterschiedliche Behandlung der Eizell- und der Samenspende läßt sich auch nicht ins Feld führen, daß die Samenspende wesentlich einfacher erlangt werden kann, wohingegen bei der Eizellspende eine Follikelpunktion erforderlich ist. Die minimalinvasive Entnahme von Eizellen ist ein Eingriff, bei dem die Eizellspenderin weder stark belastet, noch ausgebeutet oder ausgenützt wird.104 Dem Gesetzgeber muß daher vorgehalten werden, die bewährte und verfassungsrechtlich gebotene Zurückhaltung beim Einsatz des Strafrechts außer acht gelassen zu haben.105 f) Rechtsvergleichende Aspekte In einigen ausländischen Rechtsordnungen ist die Eizellspende – teilweise schon seit geraumer Zeit – zugelassen. Dazu zählen etwa das Vereinigte Königreich, die Niederlande, Belgien, Frankreich, Italien, Schweden und Israel.106 In Großbritannien geht man davon aus, daß die Eispende mit der Samenspende gleichzustellen sei. Lasse man die Samenspende zu, so sei kein Grund ersichtlich, die Eispende anders zu beurteilen. In Israel wird das Grundrecht des Einzelnen auf Privat- und Intimsphäre betont, wonach jedem Menschen das Recht auf Familiengründung und die freie Entscheidung über die Zeugung als Teil seines Intimbereichs zustehe.
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Benda-Kommission, 2.2.1.1.2 (S. 21 f.). Vgl. Hektor-Reinshagen, Die Relevanz ethischer Konzeptionen im Strafrecht am Beispiel des Embryonenschutzgesetzes, S. 64; Schroeder, in: Festschr. f. Miyazawa, S. 533 (535). So Lurger, DEuFamR 2 (2000), 134 (139) gegen Österr. VerfGH, MedR 2000, 389 (392). Schroeder, in: Festschr. f. Miyazawa, S. 533 (546 f.). Vgl. Ben-Am, Gespaltene Mutterschaft, S. 34 f., 59 f.; May, Rechtliche Grenzen der Fortpflanzungsmedizin, S. 71 ff.; Jänterä-Jareborg, FamRZ 2003, 350. Vgl. auch Eser/ Koch, in: Gedächtnisschr. f. Keller, S. 15 (24); Nieschlag/Wagenfeld/v. Schönfeldt/Schlatt, in: Das Bundesministerium für Gesundheit, Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, S. 109 (113): in Dänemark, Großbritannien, Frankreich und Spanien ist die Eizellspende erlaubt bzw. in den Niederlanden, Italien und Belgien nicht geregelt und wird daher praktiziert. Die Studie des Europarates nennt zusätzlich folgende Staaten: Zypern, Tschechien, Estland, Finnland, Ungarn, Island, Malta, Slowenien. Außerhalb Europas ist die Eizellspende unter anderem in Australien, Kanada und den USA zugelassen, vgl. Council of Europe, Comparative Study, S. 22. Allerdings soll diese Studie wegen Fehlern und Ungenauigkeiten nur in eingeschränktem Maß zuverlässige Auskunft geben, vgl. Koch, in: Das Bundesministerium für Gesundheit, Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, S. 176. Vgl. ferner auch Teil III § 8, S. 175 ff.
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Dem Argument der Eindeutigkeit der Mutterschaft wird in beiden Rechtsordnungen keine Bedeutung beigemessen.107 In jenen Ländern, die mit der Eispende bereits längere Zeit Erfahrungen gesammelt haben, sind bislang keine Anhaltspunkte oder gar unheilvolle Entwicklungen bekannt geworden, die darauf hindeuten, daß die gespaltene Mutterschaft für das Kind abträglich sein könnte.108 Von den ausländischen Gesetzgebern, die sie zulassen, sah sich bislang keiner dazu veranlaßt, die Eizellspende wieder zu verbieten. Im übrigen läßt sich im europäischen Rechtskreis eine Tendenz ausmachen, bislang implementierte Verbote aufzuheben und die Eispende zuzulassen.109 4. Eizellspende innerhalb lesbischer Partnerschaften In den amtlichen Dokumenten und den Stellungnahmen im rechtswissenschaftlichen Schrifttum spielen in der Diskussion um die gespaltene Mutterschaft die Gegebenheiten bei lesbischen Partnerschaften keine Rolle. Kurz nach dem Inkrafttreten wies, soweit ersichtlich, einzig Adolf Laufs in einer seiner Publikationen zu den rechtlichen Problemen der Fortpflanzungsmedizin auf einen Vorgang aus Belgien hin. Dort habe ein Arzt einem lesbischen Paar dadurch zu einem „gemeinsamen“ Kind verholfen, indem er die Eizellen der einen Frau mit dem Samen eines anonymen Spenders befruchtete und die so gewonnenen Embryonen in die Gebärmutter der anderen Frau einpflanzte. Sachverhalte dieser Art weckten nach Ansicht von Laufs Widerstände, schon weil sie gegen das geschmackliche Empfinden verstießen. Gewichtiger erschienen ihm aber Einwände religiöser und philosophischer Natur, die sich aber auf die generelle Ablehnung der In-vitroFertilisation beziehen und nicht ausschließlich die Situation bei lesbischen Paaren in den Blick nehmen.110 Das geschmackliche Empfinden gibt für sich genommen kein hinreichendes Kriterium für die Beurteilung gespaltener Mutterschaften innerhalb von lesbischen Partnerschaften ab. Vielmehr sind die bereits geäußerten Bedenken gegen eine Aufspaltung in eine plazentare und eine genetische Mutter heranzuziehen und an den Gegebenheiten bei lesbischen Paaren zu messen. Wenn ein lesbisches Paar seinen gemeinsamen Kinderwunsch dadurch realisiert, daß die Eizelle einer Partnerin künstlich mit Spendersamen befruchtet und der so gezeugte Embryo der anderen Partnerin zur Austragung und Geburt eingesetzt wird, dann ist davon auszugehen, daß beide Partnerinnen das Kind gemeinsam großziehen und sich die Elternrolle teilen werden. Die von vornherein intendierte enge soziale Bindung findet in diesen Konstellationen ein Korrelat in der größtmöglichen biologischen Verbindung mit dem Kind. Ein intensiveres biologisches Band kann bei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften nicht hergestellt werden. Vor diesem Hintergrund verliert der Begriff der „Spaltung“ der Mutterschaft seine Berechtigung, weil man aus biologischer Sicht auch von einer doppelten 107
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Ben-Am, Gespaltene Mutterschaft, S. 180 m.w.N.; vgl. auch Bernat, MedR 1991, 308 (314). Beispielsweise wird in Israel die (strikt anonyme) Eizellspende schon seit geraumer Zeit praktiziert, s. May, Rechtliche Grenzen der Fortpflanzungsmedizin, S. 71 ff. Etwa in Schweden, Jänterä-Jareborg, FamRZ 2003, 350. Laufs, Fortpflanzungsmedizin und Arztrecht, S. 63.
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Mutterschaft sprechen kann, die mit der nach der Geburt sich einstellenden sozialen Realität korrespondiert. Es steht daher in noch geringerem Maße als ohnehin zu befürchten, daß das Kind Schwierigkeiten bei der Identitätsfindung haben wird, weil die seine Prägung mitbedingenden Frauen auch die sozialen Mütter sein werden. Am Beispiel der Eizellspende innerhalb einer lesbischen Partnerschaft zeigt sich somit besonders deutlich der Wertungswiderspruch des ESchG, das die Samenspende zuläßt, die Eizellspende aber bei Strafe verbietet. Das Argument, daß die genetische Mutter versuchen könnte, Anteil an der Entwicklung des Kindes zu nehmen und damit eine seelisch belastende Konfliktsituation für alle Beteiligten heraufbeschwört, scheidet bei diesen Konstellationen aus. Die Anteilnahme der genetischen Mutter ist nämlich von Anfang an beabsichtigt und erwünscht. Interessenskonflikte, die aus der Aufspaltung der Mutterschaft herrühren, sind nicht zu befürchten, weil sich in der Regel die Situation einstellen wird, die der gemeinsamen Planung lesbischer Paare entspricht. Die Aufteilung der Mutterschaft dürfte sich im Gegensatz zu den sonst geäußerten Bedenken ganz überwiegend positiv auf sämtliche Beziehungen auswirken, weil sich keine der Frauen wegen mangelnder Bindung zurückgesetzt fühlen muß. Es erscheint auch reichlich unwahrscheinlich, daß die Partnerinnen das Kind bei einer Behinderung ablehnen, nur weil es seine Existenz einer Eizellspende innerhalb der Partnerschaft verdankt. Da beide Frauen Anteil an der Entstehung des Kindes haben, werden sie sich viel eher auch gemeinsam verantwortlich fühlen, unabhängig davon, ob das Kind gesund oder mit Gebrechen geboren wird. Daß der Samenspender nicht zu den sozialen Eltern zählt und seine genetische Beziehung zu dem Kind im sozialen Gefüge keine Berücksichtigung findet, wird auch bei der im heterologen System durchgeführten artifiziellen Reproduktion bei verschiedengeschlechtlichen Paaren hingenommen und vermag bei lesbischen Partnerschaften nicht zu einer abweichenden Beurteilung führen.111 Bei den hier in Rede stehenden Konstellationen stellt sich auch nicht in vergleichbarem Ausmaß das Problem der anonymen Eizellspende. Denn das Kind stammt genetisch von einer seiner beiden Mütter ab. Gleichwohl kann und sollte durch entsprechende Vorkehrungen dafür gesorgt werden, daß das Kind erfahren kann, von welcher seiner Mütter es genetisch abstammt.112 Ferner scheidet auch die Gefahr einer Kommerzialisierung der Eizellspende aus, da die Spende innerhalb der Partnerschaft stattfindet. Nicht zuletzt gilt es zu bedenken, daß nach empirischen Untersuchungen Wunschkinder besonders geliebt und behütet aufwachsen, was dem Kindeswohl am meisten dienen dürfte.113
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Zu der Frage, welche Bedeutung dem Umstand beizumessen ist, daß ein Kind bei gleichgeschlechtlichen Eltern keine Geschlechterpolarität erlebt, vgl. Teil I § 5 IV., S. 65 ff. Vgl. dazu Teil V § 12 II.5., S. 318 f. Vgl. Lurger, DEuFamR 2 (2000), 134 (137) sowie (140 f.): es leuchte unmittelbar ein, daß Wunschkinder von ihren Eltern in der Regel ein besonders hohes Maß an Zuneigung erfahren.
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5. Zwischenergebnis Das Verbot der Herbeiführung gespaltener Mutterschaften kann nicht überzeugen. Den als ultima ratio geltenden Einsatz des Strafrechts legitimiert der Gesetzgeber mit rein spekulativen Befürchtungen für zweifelhafte Rechtsgüter, ohne sich auf eine empirische Grundlage stützen zu können. Die Argumente halten einer kritischen Bestandsaufnahme nicht Stand und verlieren zudem an Überzeugungskraft vor dem Hintergrund der Situation bei der Fragmentierung der Mutterschaft innerhalb einer lesbischen Partnerschaft. Der Gesetzgeber hat über die Hinweise auf ganz entfernt mögliche Gefahren für das Kindeswohl nicht ausreichend bedacht, daß Strafgesetze selbst einen Eingriff in die menschliche Handlungsfreiheit beinhalten.114 Das Verbot der Eizellspende ist daher bereits unter den auf einfachgesetzlicher Ebene115 erörterten Aspekten nicht zu rechtfertigen.
V. Das schwule Paare betreffende Verbot der Herbeiführung von Ersatzmutterschaften Das Engagement einer Ersatzmutter ist für schwule Paare die einzige Möglichkeit, den Wunsch nach einem genetisch halbeigenen Kind zu verwirklichen. 1. Einschlägige Regelungen Der Gesetzgeber verfolgt hingegen auf mehreren gesetzlichen Ebenen das Ziel, das Entstehen von Ersatzmutterschaften zu verhindern. Zum einen hat er das Zusammenführen der Beteiligten durch das „Gesetz über die Vermittlung der Annahme als Kind und über das Verbot der Vermittlung von Ersatzmüttern (Adoptionsvermittlungsgesetz – AdVermiG)“116 untersagt, um bereits im Vorfeld Ersatzmutterschaften zu unterbinden.117 Dessen Vorschriften werden durch das Embryonenschutzgesetz ergänzt,118 welches die Herbeiführung von Ersatzmutterschaften mittels reproduktionsmedizinischer Maßnahmen verbietet. Im folgenden werden die einschlägigen Tatbestände des AdVermiG und des ESchG dargestellt. Daran anschließend werden die Argumente diskutiert, die für und gegen ein Verbot der Herbeiführung von Ersatzmutterschaften sprechen, um sie schließlich vor dem Hintergrund der Gegebenheiten bei schwulen Paaren, die ihren Kinderwunsch mit Hilfe der Reproduktionsmedizin auf diese Weise verwirklichen wollen, kritisch zu bewerten.
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Schroeder, in: Festschr. f. Miyazawa, S. 533 (546 f.). Zu den verfassungsrechtlichen Aspekten eingehend unten, S. 283 ff. BGBl. I v. 27.11.1989, S. 2014 (2017 ff.), in Kraft getreten am 1.12.1989. Dazu Liermann, MDR 1990, 857 ff.; Lüderitz, NJW 1990, 1633 ff.; Bach, FamRZ 1990, 574 ff.; Jung, JuS 1990, 678 f. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des AdVermiG, BT-Drucks. 11/4154 v. 9.3.1989, S. 9. Vgl. den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des AdVermiG, BT-Drucks. 11/4154 v. 9.3.1989, S. 6.
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a) § 14 und § 14b AdVermiG Gem. § 14 Abs. 1 Nr. 2 lit. c AdVermiG handelt ordnungswidrig, wer Ersatzmütter oder Bestelleltern119 sucht oder anbietet. Das Bußgeld kann bis zu 10.000 DM120 betragen (§ 14 Abs. 3 AdVermiG). Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer Ersatzmuttervermittlung betreibt (§ 14b Abs. 1 AdVermiG). Eine Person, die dafür einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen läßt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bestraft; bei gewerbs- oder geschäftsmäßigem Betreiben erhöht sich die Freiheitsstrafe auf bis zu drei Jahre (§ 14b Abs. 2 AdVermiG). Ziel dieser Regelungen ist es, im Rahmen eines Gesamtkonzeptes zur rechtlichen Bewertung der modernen fortpflanzungsmedizinischen Techniken dazu beizutragen, daß Ersatzmutterschaften unterbleiben und auf diese Weise sowohl die Entstehung menschlichen Lebens geschützt als auch Störungen der pränatalen Entwicklung sowie menschenunwürdige Konflikte bei den betroffenen Frauen und Kindern vermieden werden. Insoweit sind als geschützte Rechtsgüter das Kindeswohl sowie die Vermeidung von Konflikten zwischen der gebärenden Frau und den sozialen Eltern anzusehen.121 Das Adoptionsvermittlungsgesetz verbietet ferner die Vermittlung von Ersatzmüttern (§ 13c AdVermiG) und untersagt, Ersatzmütter oder Bestelleltern durch öffentliche Erklärungen, insbesondere durch Zeitungsanzeigen oder Zeitungsberichte, zu suchen oder anzubieten (§ 13d AdVermiG). Es versteht unter einer Ersatzmutter eine Frau, die aufgrund einer Vereinbarung bereit ist, sich einer künstlichen oder natürlichen Befruchtung zu unterziehen oder einen nicht von ihr stammenden Embryo auf sich übertragen zu lassen oder sonst auszutragen und das Kind nach der Geburt Dritten zur Annahme als Kind oder zur sonstigen Aufnahme auf Dauer zu überlassen (§ 13a AdVermiG). Wird die Schwangerschaft auf artifiziellem Wege herbeigeführt, sind davon die In-vivo-Insemination und die In-vitroFertilisation erfaßt, wobei jeweils Eizellen der designierten Ersatzmutter oder fremde Eizellen verwendet werden können. Die Eigenschaft, als Ersatzmutter zu fungieren, knüpft das Gesetz bereits an die Bereitschaft einer Frau zu einem solchen Verhalten.122 Die Formulierung, „sich aufgrund einer Vereinbarung künstlich befruchten zu lassen“, wird im rechtswissenschaftlichen Schrifttum unterschiedlich interpretiert. Nach wohl h.M. ist dieser Begriff nicht technisch zu verstehen, sondern meint alleine das tatsächliche, aktuelle Einverständnis, sich befruchten zu lassen, und die tatsächliche Absicht, das Kind fortzugeben. Denn sowohl die Zusage, sich befruchten zu lassen, als auch die Zusage, das geborene Kind wegzugeben, können nicht rechtlich verbindlich abgegeben werden.123 Die künstliche 119
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Der Terminus „Bestelleltern“ (so die Legaldefinition in § 13b S. 1 AdVermiG) mit seiner negativen Konnotation des Handeltreibens wird vorliegend nur verwendet, wenn das Gesetz davon spricht. Statt dessen wird hier der Begriff „Wunscheltern“ vorgezogen. Die Euro-Umsetzung ist bislang nicht erfolgt. Vgl. die amtliche Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des AdVermiG, BT-Drucks. 11/4154 v. 9.3.1989, S. 6 f. Vgl. Lüderitz, NJW 1990, 1633 (1635); MünchKomm/ders. 3(1992), Anh. § 1752, Rdnr. 15; MünchKomm/Maurer, Anh. § 1744, Rdnr. 23. Lüderitz, NJW 1990, 1633 (1635); MünchKomm/ders. 3(1992), Anh. § 1752, Rdnr. 16; MünchKomm/Maurer, Anh. § 1744, Rdnr. 24; vgl. auch Keller, in: Günther/Keller/ Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 1 Nr. 7, Rdnr. 13.
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Befruchtung einer Ersatzmutter ist verboten (§ 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG), eine entsprechende Zusage der künftigen Mutter daher gem. § 134 BGB, nach anderer Ansicht gem. § 138 BGB nichtig. Die Übernahme einer Schwangerschaft – mag sie künstlich oder natürlich herbeigeführt sein – ist eine höchstpersönliche, jederzeit widerrufbare Entscheidung.124 Die Zusage, das geborene Kind fortzugeben, ist ebenfalls unverbindlich. Dies ergibt sich, falls eine Adoption geplant ist, aus § 1747 Abs. 2 S. 1 BGB. Anderweitige Dispositionen über die elterliche Sorge sind nur in gesetzlich vorgeschriebener Weise möglich und damit an eine gerichtliche Mitwirkung gebunden.125 Nach einer vereinzelt gebliebenen Ansicht soll mit „Vereinbarung“ ein Vertrag im Sinne der §§ 145 ff. BGB gemeint sein, „so daß für die Annahme der ,Vereinbarung‘ alle äußeren Voraussetzungen erfüllt sein müssen, die das Zustandekommen eines Vertrages erfordert.“ Unabhängig von der Frage der vom Inhalt der Vereinbarung bedingten Wirksamkeit dieses Vertrages setze er bei den Vertragspartnern den Willen voraus, sich mit dem Ziel einer bestimmten Rechtsfolge rechtlich zu binden. An diesem bindenden Rechtsfolgewillen könne es fehlen, wenn die Übernahme der Mutterschaft für andere auf einer Absprache beruht, die ausschließlich auf enger Freundschaft oder naher Verwandtschaft gründet. „In Fällen solcher Art entfiele eine Ersatzmutterschaft, jedenfalls dem gesetzlichen Begriff nach.“126 Die Intention von Ersatzmutter und Wunscheltern muß dahin gehen, das Kind dauerhaft von seiner plazentaren Mutter zu trennen und es in die Obhut der Wunscheltern zu geben. Eine auch rechtlich dauerhafte Zuordnung des Kindes zu seinen Wunscheltern kann nur durch eine Adoption erfolgen. Ein Pflegekindverhältnis genügt diesen Anforderungen nicht, weil das Kind seinen Eltern bzw. der plazentaren Mutter statusrechtlich zugeordnet bleibt und diese Personen ohne Rücksicht auf die zunächst vereinbarte Dauerhaftigkeit des Pflegeverhältnisses die Rückführung des Kindes verlangen können.127 Unter Ersatzmuttervermittlung versteht das Gesetz das Zusammenführen von Personen, die das aus einer Ersatzmutterschaft entstandene Kind annehmen oder auf Dauer bei sich aufnehmen wollen (Bestelleltern), mit einer Frau, die zur Übernahme einer Ersatzmutterschaft bereit ist (§ 13b S. 1 AdVermiG). § 13b S. 2 AdVermiG stellt das Zusammenführen mit dem Nachweis der Gelegenheit einer Vereinbarung i.S.d. § 13a AdVermiG gleich. Auch in diesem Kontext ist der Terminus „Vereinbarung“ als Nachweis von Ersatzmüttern und Bestelleltern zu verstehen. Als Täter kommen in erster Linie Vermittler von Ersatzmutterschaftsarrangements in Betracht. Ärzte sind von der Strafbarkeit nicht erfaßt, es sei denn, sie 124
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Lüderitz, in: Schlechtriem, XII. Internationaler Kongreß für Rechtsvergleichung 1986, S. 39 (42). Vgl. Lüderitz, NJW 1990, 1633 (1635); MünchKomm/ders. 3(1992), Anh. § 1752, Rdnr. 16; Coester-Waltjen, Gutachten B für den 56. DJT, B 80 f.; dies., Bitburger Gespräche 1986/1, S. 93 (95); dies., JuS 1987, 193 (195); vgl. auch MünchKomm/Maurer, Anh. § 1744, Rdnr. 24: das Familiengericht hat stets die Ernsthaftigkeit der Einverständniserklärung und ihre Wirkung auf das Kindeswohl zu prüfen. So Liermann, MDR 1990, 857; kritisch dazu MünchKomm/Lüderitz 3(1992), Anh. § 1752, Rdnr. 16, Fn. 35. Vgl. Liermann, MDR 1990, 857 (859); MünchKomm/Maurer, Anh. § 1744, Rdnr. 25.
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üben über die Leistung ihrer ärztlichen Dienste hinaus noch eine Vermittlungstätigkeit aus.128 Für die Ersatzmutter und die Wunscheltern existiert ein persönlicher Strafausschließungsgrund, so daß sie nicht wegen unentgeltlicher oder entgeltlicher Ersatzmuttervermittlung bestraft werden (§ 14b Abs. 3 AdVermiG). Allerdings umfaßt dieser Strafausschließungsgrund nicht den Tatbestand über die Ordnungswidrigkeiten. Die Wunscheltern, die durch öffentliche Erklärung eine Ersatzmutter suchen und die Ersatzmütter, die ihre Dienste anbieten, machen sich als Täter der Ordnungswidrigkeit gem. § 14 Abs. 1 Nr. 2 lit. c AdVermiG schuldig.129 Wollen schwule Partner ihren Kinderwunsch durch das Engagement einer Ersatzmutter realisieren, so stoßen sie zunächst auf das Problem, eine Frau zu finden, die dazu bereit ist, die Schwangerschaft auf sich zu nehmen. Soweit ersichtlich existieren hierzulande keine Agenturen, da die Vermittlungstätigkeit strafbar ist (§ 14b Abs. 1 und 2 AdVermiG). Allerdings machten sich die Wunschväter nicht strafbar (§ 14b Abs. 3 AdVermiG). Suchen die Partner auf eigene Initiative mittels Annonce eine Ersatzmutter, so verhalten sie sich ordnungswidrig und können mit einem Bußgeld belegt werden. Der persönliche Strafausschließungsgrund kommt ihnen nicht zugute, da er sich nicht auf die Ordnungswidrigkeit erstreckt. Erfolgt die Übernahme ohne vorherige Vermittlung, etwa im engsten Familienoder Freundeskreis, so ist darin kein ordnungswidriges Verhalten zu sehen. Nach einer vereinzelt vertretenen Ansicht130 läge bereits gar keine Ersatzmutterschaft im Sinne des AdVermiG vor, weshalb eine Ordnungswidrigkeit ebenfalls ausschiede. b) § 1 Abs. 1 Nr. 6 ESchG Die bereits im Zusammenhang mit dem Verbot der Herbeiführung gespaltener Mutterschaften dargestellte Norm verfolgt als weiteres Ziel, bereits im Vorfeld die Entstehung von Ersatzmutterschaften zu verhindern. Da schwule Paare für die Realisierung ihres Kinderwunsches nicht zwingend auf die Herbeiführung einer gespaltenen Mutterschaft bei der Ersatzmutter (Tragemutter) angewiesen sind, bleibt diese Konstellation im folgenden unberücksichtigt.131 c) § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG Nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer es unternimmt, bei einer Frau, welche bereit ist, ihr Kind nach der Geburt Dritten auf Dauer zu überlassen (Ersatzmutter), eine künstliche Befruchtung durchzuführen oder auf sie einen menschlichen Embryo zu übertragen. Geschütztes Rechtsgut ist das Kindeswohl.132 Im Zentrum des § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG steht die Ersatzmutter. Sie ist nach der Legaldefinition eine Frau, die bereit ist, ihr Kind nach der Geburt Dritten auf Dauer zu überlassen. Bereit zur Weggabe eines Kindes ist eine Frau dann, wenn sie 128
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Vgl. Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 11/4154 v. 9.3.1989, S. 11; Bach, FamRZ 1990, 574 (576). Zum ganzen auch Lüderitz, NJW 1990, 1633 (1635 f.). Liermann, MDR 1990, 857. Vgl. auch oben, S. 246 f.; Keller, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 1 Nr. 6, Rdnr. 2. So Keller, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 1 Nr. 7, Rdnr. 16.
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sich mit der ernsthaften Absicht trägt, das durch Techniken der artifiziellen Reproduktion zu empfangende Kind zwar auszutragen, es aber nach der Geburt Dritten auf Dauer zu überlassen. Ob das Motiv der Bereitwilligkeit ein altruistisches oder ein finanzielles ist, spielt keine Rolle. Die Bereitschaft, das Kind herzugeben, muß zum Zeitpunkt der künstlichen Befruchtung oder des Embryotransfers bestehen. Beim Überlassen des Kindes nach der Geburt kommt es nicht auf einen bestimmten Zeitraum zwischen Geburt und Weggabe an. „Dritte“ können beliebige Personen sein. Erforderlich ist die dauernde Trennung von Gebärender und Kind.133 Was die artifizielle Herbeiführung der Schwangerschaft angeht, unterscheidet § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG zwischen der künstlichen Befruchtung und der Übertragung eines menschlichen Embryos. Der Befruchtungstatbestand erfaßt intrakorporale Techniken, bei denen eine eigene oder fremde Eizelle durch Insemination oder durch intratubaren Gametentransfer befruchtet wird. Die zweite Tatbestandsalternative kommt bei Übertragung eines Embryos zum Zuge. Der Embryo kann mittels In-vitro-Fertilisation gezeugt oder durch uterine Lavage einer anderen Frau entnommen worden sein.134 Der subjektive Tatbestand erfordert Vorsatz, für den dolus eventualis genügt. Bedingter Vorsatz ist daher auch dann gegeben, wenn der Täter – in Betracht kommen wiederum Ärzte, Biologen oder Angehörige der Heilhilfsberufe – die Ersatzmutterposition der Frau, die er befruchtet, nicht positiv kennt, aber mit ihr rechnet und sie billigend in Kauf nimmt.135 § 1 Abs. 3 Nr. 2 ESchG normiert einen persönlichen Strafausschließungsgrund für die Ersatzmutter sowie die Person, die das Kind auf Dauer bei sich aufnehmen will. Obzwar die Vorschrift nur von einer (Einzel-)Person spricht, die das Kind auf Dauer bei sich aufnehmen will, muß die Straflosigkeit auch einem Paar (im Sinne einer Personenmehrheit) zugute kommen, das als Wunscheltern für das Kind auf Dauer sorgen möchte.136 Da der Tatbestand als Unternehmensdelikt ausgestaltet ist, wird die versuchte wie die vollendete Tat bestraft (§ 11 Abs. 1 Nr. 6 StGB). Die vorliegende Arbeit geht von schwulen Paaren aus, die ihren gemeinsamen Kinderwunsch über die künstliche Befruchtung einer Ersatzmutter mit dem Samen eines der Partner realisieren will. Nimmt ein Arzt eine Insemination oder einen intratubaren Gametentransfer vor oder transferiert er einen mit dem Samen eines der Partner gezeugten Embryo auf die Frau, so macht er sich gem. § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG strafbar. Die Ersatzmutter bleibt wegen des persönlichen Strafausschließungsgrundes straffrei; ebenso die beiden Männer, da sie das gemeinsam gewünschte Kind auf Dauer bei sich aufnehmen wollen. Führen die Ersatzmutter und das gleichgeschlechtliche Paar aber unter eigener Regie eine heterologe Insemination durch und ist keine der Personen approbierter Humanmediziner, so erfüllt ihre Handlung den Tatbestand des § 11 Abs. 1 Nr. 1 ESchG, weil sie ohne Arzt zu sein eine künstliche Befruchtung im Sinne des § 9 Nr. 1 ESchG vornehmen. Allerdings bleibt die Ersatzmutter straffrei, weil sie 133
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Vgl. im einzelnen Keller, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 1 Nr. 7, Rdnr. 20 ff. Vgl. auch Keller, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 1 Nr. 7, Rdnr. 26–28. Keller, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 1 Nr. 7, Rdnr. 30. Keller, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 1 Nr. 7, Rdnr. 31.
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bereits notwendige Beteiligte ist und damit weder taugliche Täterin noch taugliche Teilnehmerin sein kann. Der in § 11 Abs. 2 ESchG normierte persönliche Strafausschließungsgrund, der die sich selbst inseminierende Frau und den Spender des Samens begünstigt, kommt nach Ansicht von Günther daher gar nicht zum Zuge.137 Der Partner, dessen Samen verwendet wird, kommt ebenfalls in den Genuß des § 11 Abs. 2 ESchG und bleibt straffrei. Inseminiert der Partner des schwulen Paares, von dem das Sperma nicht stammt die Ersatzmutter, macht er sich als Täter wegen Verstoßes gegen den Arztvorbehalt schuldig (§ 9 Nr. 1 ESchG) und kommt auch nicht in den Genuß des persönlichen Strafausschließungsgrundes (§ 11 Abs. 2 ESchG). Der persönliche Strafausschließungsgrund des § 1 Abs. 3 Nr. 2 ESchG greift nicht ein, weil kein Tatbestand des § 1 ESchG verwirklicht wurde. Allerdings könnte dessen analoge, zu Gunsten des Täters prinzipiell zulässige Anwendung in Betracht kommen. Soweit ersichtlich, hat der Gesetzgeber diese Konstellation nicht bedacht. Auch ist die Interessenlage von Wunscheltern bei der Herbeiführung einer Ersatzmutterschaft mit und ohne ärztliche Assistenz vergleichbar. Der zweite Partner, von dem das Sperma nicht stammt und der nicht die Befruchtungshandlung vornimmt, profitiert nicht vom persönlichen Strafausschließungsgrund des § 11 Abs. 2 ESchG, weil dieser nur für den Beteiligten gilt, der ihn in eigener Person verwirklicht. Allerdings könnte eine analoge Anwendung des § 1 Abs. 3 Nr. 2 ESchG erwogen werden. Folgt man dieser Auffassung nicht, kommt für den zweiten Partner daher je nach den Umständen des Einzelfalles eine Strafbarkeit wegen Anstiftung oder Beihilfe in Betracht. Wenn feststeht, wessen Sperma verwendet worden ist, aber nicht geklärt werden kann, welcher von den beiden Partnern das Sperma eingebracht hat, so kann der Partner, von dem das Sperma nicht stammt, nicht auf der Grundlage einer Wahlfeststellung verurteilt werden. Eine Wahlfeststellung zwischen Täterschaft und Teilnahme ist wegen ihres unterschiedlichen Unrechtsgehaltes nicht möglich. Allerdings weisen Täterschaft, Anstiftung und Beihilfe bei wertender Betrachtung ein normatives Stufenverhältnis auf. Daraus folgt, daß nach dem Grundsatz in dubio pro reo nur wegen der minder schweren Beteiligungsform zu verurteilen ist, wenn sich nicht klären läßt, ob ein Tatbeteiligter an der betreffenden Tat als Täter, Anstifter oder Gehilfe mitgewirkt hat, wohl aber erwiesen ist, daß zumindest die Voraussetzungen der minder schweren Beteiligungsform erfüllt sind.138 Der zweite Partner ist in diesen Fällen wegen Beihilfe zum Verstoß gegen den Arztvorbehalt zu bestrafen. Allerdings wird von Günther im Rahmen von Teilnahmehandlungen Angehöriger der Fall diskutiert, daß ein Ehemann zur heterologen Insemination, die von einem Nichtarzt vorgenommen wird, anstiftet oder Hilfe leistet. Eltern oder Geschwister könnten als Ratgeber fungieren. Solche familiären Teilnahmehandlungen in Fortpflanzungsangelegenheiten fielen jedoch in den verfassungsrechtlich durch Art. 6 Abs. 1 GG garantierten Schutz der familiären Privatsphäre. Dafür
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Günther, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 11, Rdnr. 15. Vgl. auch Coester-Waltjen, FamRZ 1992, 369 (370). BGHSt 23, 203 (204 f.); 31, 136 (137 f.); Wessels/Beulke, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Rdnr. 588.
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spreche auch, daß der Gesetzgeber an diesen Adressatenkreis ausweislich der Gesetzesmaterialien nicht gedacht habe.139 Es stellt sich die Frage, ob diese Überlegungen auch für die hier interessierenden Konstellationen bei schwulen Paaren fruchtbar gemacht werden können. Die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft unterliegt wie die verschiedengeschlechtliche nichteheliche Lebensgemeinschaft nicht dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG. Auch die eingetragene Lebenspartnerschaft ist nach absolut h.M. nicht in den Schutzbereich dieses Grundrechts einbezogen.140 Es gilt aber zu berücksichtigen, daß der eingetragene Lebenspartner Angehöriger i.S.d. § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. a StGB ist141 und damit ein familiärer Bezug gesetzlich anerkannt ist. Der Gesetzgeber hat ausweislich der Gesetzesmaterialien zum ESchG und zum LPartG diese Personengruppe bzw. diese Konstellation nicht bedacht. In verfassungsrechtlicher Hinsicht kann statt Art. 6 Abs. 1 GG auch das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete Allgemeine Persönlichkeitsrecht herangezogen werden, von dem nicht nur eingetragene Lebenspartner, sondern auch nichtformalisierte gleichgeschlechtliche Partnerschaften erfaßt werden.142 Durch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht wird auch die Privatsphäre geschützt. Angesichts ihres privaten Charakters fallen Handlungen, die die Fortpflanzung betreffen, in diesen Bereich. Daher erscheint der Einsatz des Strafrechts bei formalisierten wie nichtformalisierten gleichgeschlechtlichen Partnerschaften sowie auch bei verschiedengeschlechtlichen nichtehelichen Lebensgemeinschaften nicht gerechtfertigt. Ob sich dieser Auffassung allerdings die Strafverfolgungsbehörden bzw. die Strafgerichte anschließen, ist unklar, da – soweit ersichtlich – in der Praxis bislang solche Fälle nicht vorgekommen sind. d) Konsequenzen für schwule Paare Ein schwules Paar, das seinen Kinderwunsch durch das Engagement einer Ersatzmutter realisieren möchte, steht vor mehreren Problemen. Zunächst dürfte es erhebliche Schwierigkeiten bereiten, im Blick auf die Verbote des AdVermiG auf legalem Wege eine Ersatzmutter zu finden. Denkbar ist am ehesten ein Arrangement im engsten Familien- oder Freundeskreis. Hat sich etwa die Schwester eines Partners bereit erklärt, sich mit dem Samen des anderen Partners inseminieren zu lassen und wird die künstliche Befruchtung unter ärztlicher Assistenz vorgenommen, so macht sich der Reproduktionsmediziner nach dem ESchG strafbar. Er dürfte daher kaum bereit sein, eine entsprechende Behandlung vorzunehmen. Die Ersatzmutter und die Wunschväter bleiben gem. § 1 Abs. 3 Nr. 2 ESchG straffrei. Wollen die Partner und die Ersatzmutter eine künstliche Befruchtung in eigener Regie durchführen, so bleibt mangels gerichtsfester Klärung unklar, ob sich der 139
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Günther, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 11, Rdnr. 17; ders., a.a.O., Vor § 1 II, Rdnr. 22. Für die Einordnung in den Schutzbereich der Privatsphäre im Rahmen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, S. 23 f. Vgl. auch Möller, DÖV 2005, 64 (66 ff.), der die eingetragene Lebenspartnerschaft für verfassungswidrig und die von ihm geforderte gleichgeschlechtliche Ehe als von Art. 6 Abs. 1 GG geschützt ansieht. Vgl. auch § 11 Abs. 1 LPartG. Vgl. Risse, Der verfassungsrechtliche Schutz der Homosexualität, S. 59 ff., 63, 103, 317.
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Partner, dessen Sperma nicht verwendet wurde, möglicherweise wegen Anstiftung oder Beihilfe strafbar macht, oder ob für ihn in analoger Anwendung § 1 Abs. 3 Nr. 2 ESchG greift. Bejaht man prinzipiell die Strafbarkeit, könnten die Partner dieser dadurch zu entgehen versuchen, daß sie ein von ihnen stammendes Samengemisch verwenden, um zu verschleiern, welcher der Partner an der Befruchtung unbeteiligt war. Allerdings ließe sich die Abstammung letztlich durch eine medizinisch-naturwissenschaftliche Begutachtung nachweisen.143 Es gilt aber auch zu sehen, daß sich diese Vorgänge – ob mit oder ohne ärztliche Beteiligung – allesamt in der Privatsphäre abspielen, der Arzt der Schweigepflicht unterliegt und es daher relativ einfach ist, das Geschehen vor der Öffentlichkeit, insbesondere den Strafverfolgungsbehörden, geheim zu halten. 2. Argumente für das Verbot der Herbeiführung von Ersatzmutterschaften a) Die Ausgangslage Die in den 1980er Jahren in der Öffentlichkeit und im juristischen Schrifttum leidenschaftlich geführte Diskussion um die Zulässigkeit der Ersatzmutterschaft stand ebenso wie die gesetzgeberische Entscheidung, ihre Verwirklichung bei Strafe zu verbieten, im Gegensatz zur Frage der gespaltenen Mutterschaft in erheblichem Maße unter dem Eindruck tragischer wie spektakulärer Fälle aus dem In- und Ausland.144 Aus den USA wurden die Geschäfte kommerzieller Ersatzmutteragenturen bekannt, die sich dazu anschickten, auch in der Bundesrepublik ihre Dienstleistungen anzubieten. 1987 eröffnete in Frankfurt am Main die Filiale eines US-amerikanischen Mutterunternehmens, deren Tätigkeit jedoch alsbald polizeirechtlich untersagt wurde.145 Daneben waren inländische146 wie ausländische147 Gerichte mit den Rechtsfragen ins Werk gesetzter Ersatzmutterschaftsarrangements befaßt. Die seinerzeit veröffentlichten Judikate und Stellungnahmen im Schrifttum ergaben kein einheitliches Bild, und zwar weder hinsichtlich kommerzialisierter, noch im Hinblick auf altruistische Formen der Ersatzmutterschaft.
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Vgl. Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 52, Rdnr. 21 m. Fn. 56 und 62. Zu diesem Befund Lüderitz, NJW 1990, 1633 (1634); Keller, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 1 Nr. 7, Rdnr. 2 ff.; Kühl-Meyer, ZblJugR 1982, 763. VGH Kassel, NJW 1988, 1281 ff. KG, JZ 1985, 1053 ff. m. Anm. Giesen, JZ 1985, 1055 ff.; OLG Hamm, JZ 1986, 441 ff. m. Anm. Kollhosser, JZ 1986, 446 ff.; m. Anm. Medicus, Jura 1986, 302 ff.; m. Anm. Coester-Waltjen, JuS 1987, 193 ff.; vgl. auch Lüderitz, in: Schlechtriem, XII. Internationaler Kongreß für Rechtsvergleichung 1986, S. 39 (51 f.); AG Gütersloh, FamRZ 1986, 718 f.; LG Freiburg, NJW 1987, 1486 ff. In Großbritannien: High Court, JZ 1985, 1055 m. Anm. Giesen, JZ 1985, 1055 ff. („Baby Cotton“), in den USA: New Jersey Superior Court, referiert und besprochen von Keller, JR 1987, 441 (444 ff.); Supreme Court of New Jersey, referiert und besprochen von Coester-Waltjen, FamRZ 1988, 573 ff., die US-amerikanischen Entscheidungen betrafen den Fall „Baby M“, dazu auch Borneman/Stolpe, NJ 1988, 370 f.; Voß, FamRZ 2000, 1552 (1552 f.).
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b) Die Argumente im einzelnen Der amtlichen Begründung zum AdVermiG zufolge mißbillige die Rechtsordnung Ersatzmutterschaften, weil sie der Werteordnung des Grundgesetzes widersprächen und zu psychischen und sozialen Konflikten für alle Beteiligten führen könnten.148 Der Gesetzgeber des ESchG war der Ansicht, die gegen eine Ersatzmutterschaft sprechenden Gründe wögen so schwer, daß eine ärztliche Mitwirkung an der Herbeiführung nicht in Betracht kommen könne.149 Durch die Ersatzmutterschaft werde das der menschlichen Existenz vorgegebene Eltern-Kind-Verhältnis zur Disposition gestellt, wodurch tiefgreifende ethische, moralische, theologische, psychologische, entwicklungsphysiologische und vielfältige juristische Probleme aufgeworfen würden. Ziel des Verbots sei es, sowohl die Entstehung menschlichen Lebens zu schützen als auch Störungen der pränatalen Entwicklung sowie menschenunwürdige Konflikte bei den betroffenen Frauen und Kindern zu vermeiden.150 Für die Entwicklung des Kindes komme der Herausbildung einer engen persönlichen Beziehung zwischen der Schwangeren und dem Nasciturus erhebliche Bedeutung zu.151 Vereinbarungen über Ersatzmutterschaften mißachteten aber die pränatale Mutter-Kind-Beziehung und damit wesentliche Belange der auf diese Weise entstehenden Kinder. Sie ließen die Bedeutung der Entwicklung im Mutterleib für die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes und den bedeutenden Beitrag der biologischen und psychischen Beziehung zwischen der Schwangeren und dem Kind zu dieser Entwicklung außer acht. Diese besonders geartete Beziehung des ungeborenen Lebens mit der Mutter verbiete eine Übernahme von Schwangerschaften als eine Art Dienstleistung, da die für die Entwicklung des Kindes wesentliche enge persönliche Beziehung zwischen der Schwangeren und dem Kind bei dem vorhandenen Wissen um die spätere Überlassung kaum zustande kommen würde. Dies vermag schon die Entwicklung des Kindes im Mutterleib zu beeinträchtigen. Außerdem könne sich auch die Trennung des Kindes von der Mutter nach der Geburt nachteilig auswirken.152 Es widerspreche dem Kindes148
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Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des AdVermiG, BT-Drucks. 11/4154 v. 9.3.1989, S. 1. Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 11/5460 v. 25.10.1989, S. 15; Abschlußbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Fortpflanzungsmedizin“, bad.-württ. LT-Drucks. 10/831 v. 29.11.1988, S. 53. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des AdVermiG, BT-Drucks. 11/4154 v. 9.3.1989, S. 6. Benda-Kommission, 2.2.4.1.2 (S. 38). Benda-Kommission, 2.2.4.2.1.1 (S. 40): Mißachtung der Menschenwürde; ausführlich auch Dietrich, Mutterschaft für Dritte, S. 258 ff., 273 f., 297, 546. S.a. „Kabinettbericht zur künstlichen Befruchtung beim Menschen“, BT-Drucks. 11/1856 v. 23.2.1988, S. 9; Abschlußbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Fortpflanzungsmedizin“, bad.-württ. LT-Drucks. 10/831 v. 29.11.1988, S. 53; Gesetzesentwurf Bayerns zur Regelung der künstlichen Befruchtung beim Menschen (Fortpflanzungsmedizingesetz), BR-Drucks. 535/88 v. 15.11.1988, S. 37; Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines ESchG, BT-Drucks. 11/5460 v. 25.10.1989, S. 15; Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Problemen der künstlichen Befruchtung beim Menschen und bei Eingriffen in menschliche Keimzellen der SPD-Fraktion, BT-Drucks. 11/5710 v. 16.11.1989, S. 14; Keller, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 1 Nr. 7, Rdnr. 16.
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wohl, wenn die psychosozialen Beziehungen zwischen der austragenden Frau und dem Kind völlig unberücksichtigt blieben. Daher sei es nicht zu verantworten, ein Kind in dem Wissen um all diese Risiken zu zeugen.153 Nach der Geburt sei es wichtig, den Schutz der betroffenen Frauen und Kinder gegen gesundheitliche und psychische Gefährdungen sicherzustellen. Bei Kindern gehe es vor allem um eine ungestörte Identitätsfindung und eine gesicherte familiäre Zuordnung, bei den Frauen darum, menschenunwürdige Konflikte aus einer Übernahme von Schwangerschaften als Dienstleistung und nicht zuletzt mögliche Streitigkeiten um die Herausgabe des Kindes auszuschließen.154 Aus Anlaß einer Ersatzmutterschaft könnten zudem zahlreiche Konflikte entstehen. Es sei zu befürchten, daß eine Ersatzmutter – insbesondere bei vorwiegend finanzieller Motivation – dem Kind gleichgültig gegenüberstehe und ihre Lebensführung den Bedürfnissen des Nasciturus nicht anpasse, etwa weil sie sich im Hinblick auf den Genuß von Nikotin, Alkohol oder anderen für die Leibesfrucht potentiell schädlichen Substanzen nicht abstinent zeigt. Bei diesem Verhalten sei die Wahrscheinlichkeit eines distanzierten Verhältnisses der Schwangeren zu dem noch ungeborenen Leben besonders hoch. Komme es zu vorgeburtlichen Schädigungen, könnten die Ersatzmutter oder die Wunscheltern einen Abbruch der Schwangerschaft herbeiführen wollen.155 Es bestehe zudem die Gefahr, daß die Wunscheltern ein körperlich oder geistig behindertes Kind nach der Geburt nicht übernehmen wollten.156 Möglicherweise gebe es auch Fälle, bei denen Ersatzmütter im Rahmen einer altruistisch motivierten Übernahme der Schwangerschaft eine derart enge Bindung zu dem Kind aufbauen, daß sie sich von ihm nicht trennen möchten und eine Übergabe nach der Geburt verweigern.157 Werde zur leiblichen Mutter der Kontakt laufend aufrechterhalten, so seien Beziehungskonflikte fast unvermeidlich, insbesondere wenn die Mutter mit den Bewerbern verwandt ist oder ihnen einen „Freundschaftsdienst“ erweisen will.158 Schließlich sei der gezielte Einsatz von Fortpflanzungsfähigkeit und Mutterschaft zur Realisierung einer 153
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Abschlußbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Fortpflanzungsmedizin“, bad.-württ. LT-Drucks. 10/831 v. 29.11.1988, S. 53; Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des AdVermiG, BT-Drucks. 11/4154 v. 9.3.1989, S. 6; Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines ESchG, BT-Drucks. 11/5460 v. 25.10.1989, S. 15; Antrag des Landes Baden-Württemberg, Entschließung des Bundesrates gegen Mißbräuche bei der extrakorporalen Befruchtung, BR-Drucks. 361/85 v. 1.8.1985, S. 6. Vgl. auch Benda, NJW 1985, 1730 (1733); Hess, MedR 1986, 240 (243); Eberbach, MedR 1986, 253 (254): Verstoß gegen die Menschenwürde. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des AdVermiG, BT-Drucks. 11/4154 v. 9.3.1989, S. 6 f.; Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines ESchG, BT-Drucks. 11/5460 v. 25.10.1989, S. 15; Keller, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 1 Abs. 1 Nr. 7, Rdnr. 16. Starck, Gutachten A für den 56. DJT, A 41; vgl. auch Benda-Kommission, 2.2.4.1.2 (S. 38). Antrag des Landes Baden-Württemberg, Entschließung des Bundesrates gegen Mißbräuche bei der extrakorporalen Befruchtung, BR-Drucks. 361/85 v. 1.8.1985, S. 6; Benda-Kommission, 2.2.4.1.2 (S. 39); Starck, Gutachten A für den 56. DJT, A 41. Benda-Kommission, 2.2.4.1.2 (S. 39). MünchKomm/Lüderitz 3(1992), § 1741, Rdnr. 18a.
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bereits vor der Zeugung bestehenden Absicht, das Kind nach der Geburt wegzugeben, mit ethischen Grundüberzeugungen nicht zu vereinbaren, weshalb sowohl die altruistische als auch die finanziell motivierte Ersatzmutterschaft abzulehnen seien.159 Kommerzialisierte Formen der Ersatzmutterschaft begegneten besonderes schweren Bedenken.160 Ersatzmütter könnten als käuflich und Kinder als Güter der Umverteilung angesehen werden. Dies würdige Kinder in besonders krasser Weise zu Handelsobjekten herab.161 Einige Gerichte sahen in der kommerzialisierten Ersatzmutterschaft einen gegen die guten Sitten verstoßenden Vorgang, der das Kind zum Gegenstand eines Geschäfts mache und es zu einer Handelsware degradiere. Dies berge die Gefahr, daß das Kind auch nach erfolgter Übergabe weiterhin den Charakter einer Ware behielte. Es sei auch nicht von der Hand zu weisen, daß das Kind Gegenstand eines Preis-Leistungs-Vergleiches werde. Ein solcher Vertrag gefährde in hohem Maße das Kindeswohl.162 Aber auch gegen die altruistische Ersatzmutterschaft bestünden Einwände. Da sie in der Regel innerhalb der Verwandtschaft oder im engeren Freundeskreis vereinbart werde, könne die Gefahr schwerer psychischer Konflikte hier sogar noch größer sein. Um den vielfältigen Gefahren und Befürchtungen wirksam begegnen zu können, seien strafrechtlich bewehrte Verbote der Ersatzmutterschaft unverzichtbar.163
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Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des AdVermiG, BT-Drucks. 11/4154 v. 9.3.1989, S. 7, 10; Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines ESchG, BT-Drucks. 11/5460 v. 25.10.1989, S. 15. Insgesamt ablehnend auch die Benda-Kommission, 2.2.4.1.2 (S. 40); Deutscher Richterbund, DRiZ 1986, 229 (230); Dietrich, Mutterschaft für Dritte, S. 550. Nach Jung, JuS 1990, 678 und Bach, FamRZ 1990, 574 entsprach dies breitem politischem Konsens. Vgl. aus dem jüngeren Schrifttum Eser/Koch, in: Gedächtnisschr. f. Keller, S. 15 (24). Vgl. Kühl-Meyer, ZblJugR 1982, 763 ff.; Borneman/Stolpe, NJ 1988, 370 (370 f.); Laufs, Rechtliche Grenzen der Fortpflanzungsmedizin, S. 32; s.a. Eberbach, MedR 1986, 253 (256). Kühl-Meyer, ZblJugR 1982, 763 (767) sieht auch eine Herabwürdigung der Frau zum Handelsobjekt. OLG Hamm, JZ 1986, 441 (444) und LG Freiburg, NJW 1987, 1486 (1488). Vgl. auch Kühl-Meyer, ZblJugR 1982, 763 (766) sowie die Anmerkungen von Kollhosser, JZ 1986, 446 ff.; Medicus, Jura 1986, 302 ff. und Coester-Waltjen, JuS 1987, 193 ff. Siehe ferner auch Lauff/Arnold, ZRP 1984, 279 (282): Menschliches Leben werde zu Preisen eines Mittelklassewagens gehandelt; Laufs, Rechtliche Grenzen der Fortpflanzungsmedizin, S. 32. Keller, JR 1987, 441 (446); ders., MedR 1988, 59 (64), (65): Die aufsehenerregenden Fälle, die aus dem Ausland kämen, zwängen zu beherztem und schnellem Handeln. Vgl. auch Laufs, Rechtliche Grenzen der Fortpflanzungsmedizin, S. 32; ders., Fortpflanzungsmedizin und Arztrecht, S. 83: wohlbegründetes Verbot. Im Schrifttum ging die Ablehnung jeglicher Form der Ersatzmutterschaft sogar so weit, alle Beteiligten als zur Erziehung eines Kindes ungeeignet anzusehen, Giesen, JZ 1985, 1055 (1057). A.A. im konkreten Fall AG Gütersloh, FamRZ 1986, 718.
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3. Kritik am Verbot der Herbeiführung von Ersatzmutterschaften Die Kritiker eines strafrechtlichen Vorgehens gegen jede Form der Ersatzmutterschaft bemängelten die undifferenzierte Herangehensweise des Gesetzgebers und der Befürworter eines Verbotes. So ließ die behauptete verfassungsrechtliche Vorgabe eine Diskussion über Alternativen gar nicht erst aufkommen.164 Dies verhinderte die ernsthafte Berücksichtigung von Sachverhalten, bei denen ein zu respektierendes Interesse an der Übernahme einer Schwangerschaft für Dritte obwaltet und das Bedürfnis für ein strafrechtliches Einschreiten nicht vorliegt.165 a) Menschenwürdeargumentation In der rechtswissenschaftlichen Diskussion war bereits Starck in seinem Gutachten zum 1986 tagenden 56. Deutschen Juristentag zu dem Schluß gekommen, daß die Trage- und Ersatzmutterschaft nicht gegen die Menschenwürde verstoßen. Ein mangelndes Interesse am Kind, das auch sonst bei schwangeren Frauen hin und wieder vorkommt, bietet keine ausreichende Grundlage dafür, eine Würdeverletzung des Kindes anzunehmen. Die Menschenwürdeklausel ist auch im Bereich der Zeugung keine Garantie für optimale Verhältnisse. Schließlich darf nicht unberücksichtigt bleiben, daß das Kind seine Existenz der Bereitschaft einer Frau verdankt, als Ersatzmutter zu fungieren. Angesichts der verfassungsrechtlichen Vorgaben bestand keine Verpflichtung des Staates, entsprechende Verbote zu normieren.166 Das Argument, bei der Ersatzmutterschaft werde die Menschenwürde der Frau verletzt, geht fehl. Die Gefahr der Ausbeutung der Frau, ihre Benutzung als Gebärmaschine,167 erscheint anachronistisch und verfehlt. Die zur Ersatzmutterschaft bereite Frau muß nicht vor sich selbst geschützt werden. Einer Kommerzialisierung ihrer Gebärfähigkeit läßt sich durch die Beseitigung eventueller kommerzieller Elemente in den entsprechenden Vereinbarungen begegnen. Die Würde einer Frau als Mutter wäre allenfalls dann verletzt, wenn man sie dazu zwingt, ein von ihr geborenes Kind abzugeben. Ein solcher Zwang besteht aber nicht. Das deutsche Recht bindet eine Frau nicht einmal an eine vor der Geburt oder innerhalb der ersten acht Wochen nach der Geburt gegebene Zustimmung zur Adoption (§ 1747 164
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Lüderitz, NJW 1990, 1633 (1636). Vgl. auch Hektor-Reinshagen, Die Relevanz ethischer Konzeptionen im Strafrecht am Beispiel des Embryonenschutzgesetzes, S. 194. Baumann, in: Günther/Keller, Fortpflanzungsmedizin und Humangenetik, S. 177 (188 f.): Bei der Ersatzmutterschaft sei überwiegend von Horrorszenarien ausgegangen worden. Starck, Gutachten A für den 56. DJT, A 42 (Hervorhebungen im Original); CoesterWaltjen, Gutachten B für den 56. DJT, B 45 ff., B 82; dies., Bitburger Gespräche 1986/1, S. 93 (96); dies., in: Das Bundesministerium für Gesundheit, Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, S. 158 (160); vgl. auch dies., NJW 1982, 2528 (2532); Lüderitz, NJW 1990, 1633 (1636): „Der Gesetzgeber sitzt auf hohem Roß.“ Gegen eine Würdeverletzung auch Herdegen, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Stand: Februar 2005, Art. 1 Abs. 1, Rdnr. 97. Allerdings sah Starck den Gesetzgeber aber auch nicht daran gehindert, wegen der möglichen negativen Begleitumstände die Ersatzmutterschaft zu verbieten, Gutachten A für den 56. DJT, A 57. Borneman/Stolpe, NJ 1988, 370 (371): Einschränkung der Selbstbestimmung durch Reduktion auf das Gebären.
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Abs. 2 S. 1 BGB). Noch viel weniger kann eine vertragliche Abmachung bindende Wirkung entfalten.168 Der Vorschlag der Benda-Kommission, eine Menschenwürdeverletzung der Frau nur bei altruistischer Motivation und naher Verwandtschaftsbeziehung zwischen Ersatzmutter und Wunscheltern zu verneinen,169 überzeugt nicht, weil die Motivation nur schwer erkennbar ist und deshalb kein sicheres Abgrenzungskriterium bietet. Die Beschränkung auf Verwandte ist willkürlich und schließt ohne nachvollziehbaren Grund andere, möglicherweise noch näherstehende Personen aus. Ob die Ersatzmutter zu einem „auswechselbaren Exemplar der Gattung Mensch“ werde, hängt allein davon ab, wie man ihre Rechtsposition ausgestaltet.170 b) Kindeswohlargumentation Wie bei der Problematik der gespaltenen Mutterschaft stand auch im Kontext der Ersatzmutterschaft das Kindeswohlargument in der Kritik, weil es als Grundlage für ein Verbot nicht taugt.171 Es mutet daher paradox an, wenn in der amtlichen Begründung die Entstehung menschlichen Lebens durch die Verhinderung seiner Existenz geschützt werden soll.172 Insoweit wird auf die bereits zur gespaltenen Mutterschaft ausgeführte Kritik verwiesen.173 Die mit Blick auf die Ersatzmutterschaft angestellten Prognosen über die Bedrohung des Kindeswohls während der Schwangerschaft und nach der Übernahme durch die Wunscheltern erscheinen darüber hinaus äußerst spekulativ. Sie lassen sich mangels empirischer Forschungen, Gutachten oder Untersuchungen nicht auf eine wissenschaftliche Grundlage stützen und widersprechen teilweise den bei der Adoption gewonnenen Erfahrungen.174 Daß eine Frau freiwillig ein von ihr geborenes Kind an andere Personen als Eltern abgibt, ist ein aus der Adoption bekannter und von der Gesellschaft grundsätzlich akzeptierter Vorgang, der auch dort nicht generell als Kindeswohlverletzung gewertet wird. Ein einmaliger Wechsel der Bezugsperson im frühen Alter 168
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Coester-Waltjen, Gutachten B für den 56. DJT, B 80 f.; dies., Bitburger Gespräche 1986/1, S. 93 (95); dies., JuS 1987, 193 (195). Vgl. auch Lüderitz, NJW 1990, 1633 (1635); MünchKomm/ders. 3(1992), Anh. § 1752, Rdnr. 16; MünchKomm/Maurer, Anh. § 1744, Rdnr. 24. Benda-Kommission, 2.2.4.2.2.1 (S. 43). Coester-Waltjen, NJW 1982, 2528 (2532); dies., Gutachten B für den 56. DJT, B 81 f.; dies., Bitburger Gespräche 1986/1, S. 93 (96). Starck, Gutachten A für den 56. DJT, A 43; Coester-Waltjen, Gutachten B für den 56. DJT, B 45 ff., B 82; dies., Bitburger Gespräche 1986/1, S. 93 (96). Vgl. auch Medicus, Jura 1986, 302 (308). So Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des AdVermiG, BT-Drucks. 11/4154 v. 9.3.1989, S. 6. Vgl. dazu oben, S. 250 f. sowie jüngst Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, S. 102 f., 106 f., 222. So Coester-Waltjen, JuS 1987, 193 (195); Lüderitz, NJW 1990, 1633 (1636); HektorReinshagen, Die Relevanz ethischer Konzeptionen im Strafrecht am Beispiel des Embryonenschutzgesetzes, S. 67; Goeldel, Leihmutterschaft – eine rechtsvergleichende Studie, S. 144 m.w.N. Vgl. auch den durch das AG Gütersloh, FamRZ 1986, 718 (719) entschiedenen Fall: das Kind habe eine positive emotionale Bindung zu den Wunscheltern aufgebaut.
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muß dem Kind keinen Schaden tun, weshalb es nicht zu halten ist, den frühen Wechsel von der Ersatzmutter auf die Wunscheltern als eine Schädigung des Kindes anzusehen. Der Gesetzgeber verfährt auch bei dieser Behauptung ohne jede empirische Fundierung.175 In der Freigabe zur Adoption liegt keine Verfügung über das Kind, sondern ein Verzicht auf die Ausübung der Elternrechte, der keinen Sittenverstoß darstellt. Die Besonderheit, daß im Rahmen von Vereinbarungen über künstliche Befruchtungen ein Kind in dem Bewußtsein der späteren Abgabe an andere gezeugt werden soll, erfordert keine andere Wertung.176 Entscheidet sich die Ersatzmutter für die Freigabe des Kindes zur Adoption, kann man ihr das nicht unter Berufung auf das Kindeswohl verwehren, da keinem Kind damit gedient ist, wenn es jemandem – und sei es auch seiner leiblichen Mutter – aufgezwungen wird. Ein gleiches gilt, wenn ein behindertes Kind geboren wird. Auch hier steht es den Beteiligten frei, das Kind zu behalten oder zur Adoption freizugeben. Bei gewöhnlichen Geburten kommt es vor, daß die Mutter ein behindertes Kind ablehnt und zur Adoption freigibt, ohne daß die Gesellschaft daran Anstoß nähme. Davon abgesehen dürfte es im übrigen wenig wahrscheinlich sein, daß bei einem lange gehegten Kinderwunsch ein Kind wegen einer Behinderung von den Wunscheltern abgelehnt wird.177 Außerdem fehlt für die vermuteten psychischen Schäden wegen erschwerter Identitätsfindung bislang jeglicher wissenschaftlicher Nachweis.178 Schließlich kann die Frage des Entgelts für die Ersatzmutter nach Auffassung des Kammergerichts ebenfalls keine Auswirkungen auf das Wohl des später geborenen Kindes haben.179 Es läßt sich gewiß nicht bestreiten, daß es Fälle gibt, in denen sich eine Ersatzmutter während der Schwangerschaft unvernünftig verhält. Allerdings kommt dies auch bei Schwangeren vor, die ein Kind für sich austragen. Es kann auch sein, daß die Ersatzmutter auf die spätere Entwicklung des Kindes Einfluß zu nehmen versucht. In beiden Fällen muß dies aber nicht zwangsläufig mit negativen Auswirkungen auf das Wohl des Kindes einhergehen.180 Mit dem Kindeswohl wurde wie bei der Diskussion um die gespaltene Mutterschaft ein im Kontext der artifiziellen
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Fechner, JZ 1986, 653 (662); ders., in: Günther/Keller, Fortpflanzungsmedizin und Humangenetik, S. 37 (50 f.), (55). Coester-Waltjen, NJW 1982, 2528 (2532); dies., Gutachten B für den 56. DJT, B 81; dies., Bitburger Gespräche 1986/1, S. 93 (95); Hektor-Reinshagen, Die Relevanz ethischer Konzeptionen im Strafrecht am Beispiel des Embryonenschutzgesetzes, S. 174: Die Ersatzmutterschaft entspreche einer antizipierten Adoption. Vgl. auch Söderström-Anttila/Blomqvist et al., Acta Obstet. Gynecol. Scand. 81 (2002), 747 (751). Zusammenfassend Goeldel, Leihmutterschaft – eine rechtsvergleichende Studie, S. 144 m.w.N. Vgl. auch Dahl, FAZ Nr. 142 v. 22. Juni 2005, S. N 2: die mit Hilfe der Ersatzmutterschaft gezeugten Kinder erfreuten sich derselben physischen und psychischen Gesundheit wie die auf natürlichem Wege gezeugten Kinder. KG, JZ 1985, 1053 (1055). Vgl. dazu auch Hektor-Reinshagen, Die Relevanz ethischer Konzeptionen im Strafrecht am Beispiel des Embryonenschutzgesetzes, S. 66.
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Reproduktion wenig überzeugender Gesichtspunkt einseitig in den Vordergrund gerückt und wurden die Interessen der weiteren Beteiligten weitgehend ignoriert.181 c) Gleichstellung von kommerziell und altruistisch motivierter Ersatzmutterschaft Es soll nicht in Abrede gestellt werden, daß sich moralische Zweifel an der für andere übernommenen Mutterschaft nicht völlig ausräumen lassen. Auf berechtigte Ablehnung stößt die auf Gewinnerzielung durch die Ersatzmutter und eventuelle Agenturen gerichtete kommerzialisierte Ersatzmutterschaft. Bedenken begegnen auch die mit der Ersatzmutterschaft verbundenen psychischen Belastungen für die Beteiligten. Diese Zweifel reichen aber nicht aus, um auch nichtkommerziellen, altruistischen Formen der Ersatzmutterschaft das Verdikt der Sittenwidrigkeit anzuheften und deren strafrechtlich bewehrtes Verbot zu rechtfertigen.182 Bei der altruistisch motivierten Übernahme der Schwangerschaft für Dritte erscheint es auch angemessen, für die mit der Schwangerschaft verbundenen Kosten eine Aufwandsentschädigung zuzubilligen.183 Die Entschädigung für die Mühen und die mit der Schwangerschaft möglicherweise verbundenen finanziellen Einbußen der Ersatzmutter ist nicht sittenwidrig oder sonst zu mißbilligen.184 Darüberhinaus führte eine bereits während der Schwangerschaft geleistete angemessene Entschädigung für die während dieses Zeitraums entstandenen Kosten dazu, der Ersatzmutter die durch § 1747 Abs. 2 BGB gewährleistete Freiheit nicht nur rechtlich, sondern auch faktisch zu sichern. Dadurch versetzte man sie unabhängig von finanziellen Erwägungen und Zwängen in den Stand, darüber zu entscheiden, ob sie das von ihr ausgetragene Kind nach der Geburt behalten oder abgeben will. Eine derartige Ausgestaltung der Ersatzmutterschaft könnte von einer ausführlichen Aufklärung und Beratung der Beteiligten abhängig gemacht werden. Dadurch machte man dieses Phänomen zu einer Ausnahmeerscheinung, das in sozial erträglicher, weil unauffälliger Weise bei einem individuellen Bedürfnis helfen 181
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Fechner, in: Günther/Keller, Fortpflanzungsmedizin und Humangenetik, S. 37 (55); Baumann, in: a.a.O., S. 177 (188 f.); Hektor-Reinshagen, Die Relevanz ethischer Konzeptionen im Strafrecht am Beispiel des Embryonenschutzgesetzes, S. 67. So vor allem Coester-Waltjen, NJW 1982, 2528 (2534); dies., Gutachten B für den 56. DJT, B 82; dies., Bitburger Gespräche 1986/1, S. 93 (97); dies., FamRZ 1988, 573 (575); vgl. auch dies., in: Trotnow/Coester-Waltjen, Möglichkeiten, Gefahren und rechtliche Schranken befruchtungstechnischer Eingriffe, S. 16: Der Vormarsch des Strafrechts in die Intimbereiche sei recht forsch. Kritisch auch Lüderitz, NJW 1990, 1633 (1636): Der Gesetzgeber dringe in nicht erfolgreich regelbare Intimbereiche vor. S.a. Günther, GA 1987, 433 (449); ders., in: Günther/Keller, Fortpflanzungsmedizin und Humangenetik, S. 137 (151 f.); Baumann, in: a.a.O., S. 177 (190): bei rechtspolitischer Betrachtung bestehe kein Anlaß, die unterschiedlichen Formen der Ersatzmutterschaft zu pönalisieren; Jung, ZStW 100 (1988), 3 (30). Für die Straflosigkeit auch Deutsch, ZRP 1986, 242 (243). Jung, ZStW 100 (1988), 3 (29 f.); Coester-Waltjen, FamRZ 1988, 573 (575); Deutsch/Spickhoff, Medizinirecht, Rdnr. 770. Für eine differenzierende Beurteilung auch KG, JZ 1985, 1053 (1055). Fechner, JZ 1986, 653 (663); ders., in: Günther/Keller, Fortpflanzungsmedizin und Humangenetik, S. 37 (50 f.); Baumann, in: a.a.O., S. 177 (189).
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kann. Mit der Inkriminierung der Ersatzmutterschaft erreicht man dies aber gerade nicht.185 Es besteht auch kein Anlaß zu der Befürchtung, daß sich die Ersatzmutterschaft zu einem Massenphänomen entwickeln könnte.186 d) Rechtsphilosophische Einwände In der im jüngeren Schrifttum wieder aufgenommenen Diskussion wird geltend gemacht, der Ersatzmutterschaft hafte nichts Unerträgliches an,187 und zutreffend darauf hingewiesen, daß der Gesetzgeber mit dem ESchG weniger Embryonen-, sondern vielmehr Tabuschutz betreibt. Wenn man die Ersatzmutterschaft verbietet, obgleich dadurch einem Embryo gerade zum Leben verholfen werden könnte, so ist nicht der Lebensschutz das maßgebliche Verbotsmotiv, sondern die Rücksichtnahme auf traditionelle Vorstellungen von Mutterschaft.188 Die kategorische Ablehnung der Ersatzmutterschaft gründet in Wahrheit auf dem bereits im Kontext des Phänomens gespaltene Mutterschaft kritisierten deontologischen „Argumentes der Natürlichkeit“ in der spezifischen Ausprägung der „Heiligkeit der natürlichen Einheit von Mutter und Kind“.189 Ob es sich dabei aber um ein strafrechtstaugliches Rechtsgut handelt, ist zweifelhaft. In jüngster Zeit wird daher unter der Prämisse, daß Einschränkungen der Handlungsfreiheit immer der Rechtfertigung aus dem Schutz von Individual- oder Allgemeininteressen bedürfen, gefordert, das Verbot der Ersatzmutterschaft jenseits kommerzialisierter Formen zu überdenken, weil die pauschale Abwehr von ethisch Unerwünschtem dem Rechtsstaat nicht erlaubt ist.190 e) Rechtsvergleichende Aspekte Die aktuelle Diskussion stützt sich vor allem auf Vorbilder aus dem Ausland, die einen Anstoß für eine Neugestaltung der nationalen Legislation geben könnten. Obwohl die Ablehnung der Ersatzmutterschaft in den meisten modernen Demokratien westlicher Prägung noch relativ verbreitet ist,191 existieren durchaus Rechtsordnungen, die sie seit längerer Zeit zulassen oder seit jüngstem erlauben. (1) Anglo-amerikanischer Rechtskreis Im anglo-amerikanischen Rechtskreis gestatten einige US-amerikanische Bundesstaaten und das Vereinigte Königreich das Arrangement von Ersatzmutterschaften. In den USA ist in bestimmten Bundesstaaten die nichtkommerzielle Praxis der 185 186
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Lüderitz, NJW 1990, 1633 (1636). Eser, Bitburger Gespräche, Jahrgang 1986/1, 105 (115): Bereits aus diesem Grund sei es zweifelhaft, von einer Strafbedürftigkeit auszugehen. Vgl. auch Starck, Gutachten A für den 56. DJT, A 51: Falls der Gesetzgeber die Ersatzmutterschaft verbieten wolle, sei ein Verbot im ärztlichen Berufsrecht ausreichend; Bach, FamRZ 1990, 574 (575): Die Ersatzmutterschaft dürfte in den achtziger Jahren nur einige dutzendmal praktiziert worden sein. Coester, in: Festschr. f. Jayme, S. 1243 (1258). Eser/Koch, in: Gedächtnisschr. f. Keller, S. 15 (19). Hektor-Reinshagen, Die Relevanz ethischer Konzeptionen im Strafrecht am Beispiel des Embryonenschutzgesetzes, S. 67. Coester, in: Festschr. f. Jayme, S. 1243 (1257). Eser/Koch, in: Gedächtnisschr. f. Keller, S. 15 (24), (36).
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Ersatzmutterschaft gesetzlich nicht verboten. Allerdings wird den Beteiligten die gerichtliche Durchsetzung des von der Ersatzmutter abgegebenen Erfüllungsversprechens versagt.192 Die Dienste einer Ersatzmutter können in den Vereinigten Staaten auch schwule Paare in Anspruch nehmen.193 Der britische Gesetzgeber hat die künstliche Fortpflanzung insgesamt zurückhaltend geregelt. Als erstes europäisches Land verbot er Ersatzmutterschaftsagenturen. Von diesem Verbot hat er allerdings nicht auf Gewinn ausgerichtete Unternehmen explizit ausgenommen. Ebenfalls nicht verboten ist das Leisten reiner Aufwandsentschädigungen an Ersatzmütter. Der britische Gesetzgeber akzeptiert somit altruistische Ersatzmutterschaften im Familien- und Freundeskreis sowie die Vermittlung durch nicht-kommerzielle, karitative Institutionen.194 Normativ ist ausdrücklich klargestellt, daß Ersatzmutterschaftsverträge jeglicher Art rechtlich nicht durchsetzbar sind.195 Ob auch schwule Paare solche Arrangements eingehen dürfen, läßt sich den verfügbaren Quellen nicht entnehmen. (2) Israel In Israel ist die Ersatzmutterschaft in Form der Tragemutterschaft ebenfalls grundsätzlich zugelassen und verhältnismäßig detailliert gesetzlich geregelt. Der israelische Gesetzgeber hat sich von den Überzeugungen leiten lassen, daß die Durchführung von Ersatzmutterschaftsarrangements in die Privatsphäre der Beteiligten fällt, in erster Linie deren Selbstbestimmungsrecht unterliegt und der Staat sich deshalb bei Eingriffen in diesen Bereich zurückhalten sollte.196 Das israelische Gesetz über die Tragemutterschaft vom 17. März 1996 normiert verschiedene 192
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Dies gilt für Florida, Indiana, Kentucky, Louisiana, Nebraska, North Dakota und Washington State. In Michigan gilt ein Verbot selbst freiwilliger Honorarzahlungen an Ersatzmütter. In Arkansas wird die Ersatzmutterschaft generell anerkannt; in Nevada ist der Abschluß entgeltlicher Ersatzmutterverträge unter bestimmten Bedingungen legalisiert, vgl. zum ganzen Goeldel, Leihmutterschaft – eine rechtsvergleichende Studie, S. 88–91 m.w.N. Zur Rechtslage in den 1980er Jahren Dietrich, Mutterschaft für Dritte, S. 41–58 und Coester-Waltjen, FamRZ 1988, 573 (575); dies., in: Trotnow/CoesterWaltjen, Möglichkeiten, Gefahren und rechtliche Schranken befruchtungstechnischer Eingriffe, S. 16, jeweils m.w.N.; Borneman/Stolpe, NJ 1988, 370 f.; Note, 102 Harv. L.Rev. (1988/1989), 1508 (1655); vgl. auch Hirsch, MedR 1986, 237 (240). Zu jüngeren Entwicklungen Voß, FamRZ 2000, 1552 (1553 ff.). Zu einer in den USA initiierten Ersatzmutterschaft eines französischen Ehepaares Coester-Waltjen, IPRax 1992, 125 f. Robertson, 55 Case W.Res.L.Rev. (2004), 323 (350). Vgl. auch Teil III § 8 IV.2., S. 202 ff. Vgl. Bernat, MedR 1991, 308 (315) m.w.N.; Goeldel, Leihmutterschaft – eine rechtsvergleichende Studie, S. 100 ff. m.w.N., 122; Coester, in: Festschr. f. Jayme, S. 1243 (1255); ausführlich Ben-Am, Gespaltene Mutterschaft, S. 35 ff. S.a. Dietrich, Mutterschaft für Dritte, S. 159 ff. m.w.N.; Hirsch, MedR 1986, 237 (240); Stellpflug, ZRP 1992, 4 (5). Ben-Am, Gespaltene Mutterschaft, S. 181; Coester, in: Festschr. f. Jayme, S. 1243 (1255). Unpräzise Stellpflug, ZRP 1992, 4 (5) und Goeldel, Leihmutterschaft – eine rechtsvergleichende Studie, S. 103, 122, die die Undurchsetzbarkeit mit rechtlicher Nichtigkeit gleichsetzen. Vgl. Ben-Am, Gespaltene Mutterschaft, S. 61.
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Voraussetzungen für die Durchführung entsprechender Arrangements. Grundsätzlich ist die Übertragung eines fremden Embryos auf die Tragemutter zulässig, wenn beide Parteien vorher einen darauf gerichteten schriftlichen Vertrag geschlossen haben, der das positive Votum einer speziell zu diesem Zweck eingerichteten, interdisziplinär besetzten Kommission197 gefunden haben muß. Die Kommission genehmigt den zwischen den Beteiligten geschlossenen Vertrag im wesentlichen dann, wenn sie mehrheitlich von der Freiwilligkeit des Vertragsschlusses, vom Fehlen einer Gefahr für die Tragemutter, vom Fehlen einer Gefahr für das Wohl des zukünftigen Kindes und vom Fehlen diskriminierender Abmachungen mit Blick auf das zukünftige Kind oder die Beteiligten überzeugt ist.198 Bei den Wunscheltern, die volljährige Einwohner des Staates Israel sein müssen,199 kann es sich um verheiratete und unverheiratete verschiedengeschlechtliche Paare handeln. Dadurch sind gleichgeschlechtliche Paare von der Inanspruchnahme einer Tragemutter ausgeschlossen. Die zur Übernahme der Schwangerschaft bereite Frau muß volljährig und unverheiratet sein, es sei denn, die Wunscheltern können nachweisen, keine ledige Tragemutter gefunden zu haben.200 Sie darf nicht in gerader Linie oder in der Seitenlinie (bis zum 2. Grad) mit den Wunscheltern verwandt sein oder aufgrund Adoption ein entsprechendes Verhältnis zu den Wunscheltern aufweisen.201 Den Beteiligten bleibt freigestellt, ob die Tragemutter anonym bleiben soll, oder ob sie sie kennenlernen wollen.202 Grundsätzlich darf die Tragemutter für die Übernahme der Schwangerschaft in Form eines monatlichen Ersatzes für ihre Aufwendungen finanziell entschädigt werden. Die Auf-
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Zur Zusammensetzung dieser Kommission Schuz, in: Bainham, The International Survey of Family Law 1996, S. 237 (241); May, Rechtliche Grenzen der Fortpflanzungsmedizin, S. 97. Schuz, in: Bainham, The International Survey of Family Law 1996, S. 237 (242); BenAm, Gespaltene Mutterschaft, S. 64 f.; May, Rechtliche Grenzen der Fortpflanzungsmedizin, S. 97. Damit will man einen Tragemutter-Tourismus abwenden, Ben-Am, Gespaltene Mutterschaft, S. 64, Fn. 46; May, Rechtliche Grenzen der Fortpflanzungsmedizin, S. 86 m.w.N. Vgl. auch Schuz, in: Bainham, The International Survey of Family Law 1996, S. 237 (240). So Schuz, in: Bainham, The International Survey of Family Law 1996, S. 237 (242); Söderström-Anttila/Blomqvist et al., Acta Obstet. Gynecol. Scand. 81 (2002), 747 (752); May, Rechtliche Grenzen der Fortpflanzungsmedizin, S. 96. Die gegenteilige Voraussetzung (grundsätzlich verheiratete Ersatzmutter) behauptet Ben-Am, Gespaltene Mutterschaft, S. 64. Schuz, in: Bainham, The International Survey of Family Law 1996, S. 237 (240 f.); May, Rechtliche Grenzen der Fortpflanzungsmedizin, S. 96 m.w.N. Ferner muß die Ersatzmutter grundsätzlich der gleichen Religionsgemeinschaft angehören wie die Wunschmutter. May, Rechtliche Grenzen der Fortpflanzungsmedizin, S. 91. Die heterologe Samenspende und die Eizellspende werden in Israel strikt anonym durchgeführt, s. May, a.a.O., S. 67, 74, jeweils m.w.N.
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wandsentschädigung bedarf der Genehmigung durch die Kommission.203 Von den Aufwendungen der Tragemutter umfaßt sind unter anderem die Kosten der Befruchtung, der Schwangerschaft und der Geburt, aber auch ein angemessener Ausgleich für die investierte Zeit, die erlittenen Schmerzen und den vorübergehenden Einkommensausfall.204 Der entgeltliche Ersatzmutterschaftsvertrag ist in Israel bei Strafe verboten.205 Die strikte Beachtung des Selbstbestimmungsrechts der Tragemutter genießt in Israel absolute Priorität. Dies hat zur Konsequenz, daß alle Entscheidungen, die ihre Gesundheit und die Schwangerschaft betreffen, bei der Tragemutter liegen. Sie kann nicht gezwungen werden, die zugesagte Schwangerschaft auch tatsächlich zu übernehmen. Ist die Schwangerschaft eingetreten, liegt die Dezision über einen Abbruch – unter Beachtung der allgemein dafür geltenden gesetzlichen Vorgaben – ebenfalls ausschließlich bei der Tragemutter.206 Die Tragemutter kann bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Übergabe des Kindes vom Vertrag zurücktreten. In diesem Fall ist sie nicht zur Übergabe des Kindes an die Wunscheltern verpflichtet. Die Wunscheltern können ihrerseits nicht von der Vereinbarung zurücktreten. Lehnen sie es entgegen ihrer früheren Absicht ab, das Kind zu übernehmen, haben sie nach erfolgter statusrechtlicher Zuordnung lediglich die Möglichkeit, das Kind zur Adoption freizugeben.207 Die Übergabe des Kindes und die Abwicklung des Ersatzmutterschaftsverhältnisses erfolgt in Israel unter hoheitlicher Kontrolle. Staatliche Beamte (sog. Wohlfahrtsbeamte) sind über Zeit und Ort der geplanten und der tatsächlich stattgefundenen Geburt zu unterrichten, um das Kind an die Wunscheltern übergeben zu können. Bis zur formellen Elternschaftsanordnung durch das unterste Zivilgericht ist der Wohlfahrtsbeamte alleiniger rechtlicher Vertreter des Säuglings. Innerhalb von sieben Tagen nach der Geburt haben die Wunscheltern beim örtlich zuständigen Gericht die Elternschaftsanordnung zu beantragen. Tun sie dies nicht, ist der Beamte dazu verpflichtet, den Antrag zu stellen. Die Elternschaftsanordnung wird nach israelischem Recht in der Regel antragsgemäß erlassen. Etwas anderes gilt nur, wenn die Tragemutter von dem Vertrag zurückgetreten ist oder das Gericht ausnahmsweise zu der Überzeugung gelangt, daß dies das Kindeswohl gefährdet. Ist die Elternschaftsanordnung durch das Gericht ausgesprochen worden, steht für alle Beteiligten bindend fest, wer sämtliche Rechte und Pflichten gegenüber dem Kind wahrnimmt.208
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Schuz, in: Bainham, The International Survey of Family Law 1996, S. 237 (242 f.); Ben-Am, Gespaltene Mutterschaft, S. 65 m. Fn. 49; May, Rechtliche Grenzen der Fortpflanzungsmedizin, S. 96 f. Schuz, in: Bainham, The International Survey of Family Law 1996, S. 237 (242 f.); May, Rechtliche Grenzen der Fortpflanzungsmedizin, S. 89. Schuz, in: Bainham, The International Survey of Family Law 1996, S. 237 (243); BenAm, Gespaltene Mutterschaft, S. 69. Ben-Am, Gespaltene Mutterschaft, S. 65, 66. May, Rechtliche Grenzen der Fortpflanzungsmedizin, S. 91 ff., 98. Vgl. zum ganzen Schuz, in: Bainham, The International Survey of Family Law 1996, S. 237 (243 f.); Ben-Am, Gespaltene Mutterschaft, S. 65 f., 117 f.; May, Rechtliche Grenzen der Fortpflanzungsmedizin, S. 98 f.
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(3) Griechenland In jüngerer Zeit war in Griechenland die Ersatzmutterschaft Gegenstand öffentlicher Diskussion und legislativer Tätigkeit. Griechenland hat als zweites europäisches Land nach Großbritannien im Jahre 2002 die Tragemutterschaft gesetzlich geregelt und einem gerichtlichen Verfahren unterworfen.209 Der griechische Gesetzgeber regelt in erster Linie die familienrechtlichen Fragen der Tragemutterschaft. Arrangements, bei denen die Ersatzmutter eine eigene befruchtete Eizelle austrägt, sind von der Regelung nicht erfaßt, aber ebenfalls zulässig.210 Im einzelnen sind bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen. Werden nach vorheriger gerichtlicher Erlaubnis einer Frau befruchtete Eizellen einer anderen Frau implantiert und sind sich die Beteiligten darüber einig, daß die Austragende das Kind der Frau überlassen wird, von der die Eizelle stammt, dann wird nach griechischem Zivilrecht die Wunschmutter als (genetische) Mutter im Rechtssinne widerleglich vermutet.211 Dazu muß dem Gericht eine schriftliche Vereinbarung der Beteiligten vorgelegt werden, die, falls sie verheiratet sind, auch ihre Ehegatten einschließt. Bei Vorliegen aller Voraussetzungen hat der Richter die Erlaubnis zu erteilen, weil ihm insofern kein Ermessen eingeräumt ist. Bei den Wunscheltern kann es sich um Ehegatten oder um in nichtehelicher Lebensgemeinschaft lebende verschiedengeschlechtliche Paare handeln. Als zulässig wird auch die Tragemutterschaft bei alleinstehenden Wunschmüttern erachtet. Gleichgeschlechtliche Paare sind jedoch nicht zugelassen. Die Wunschmutter darf medizinisch nicht in der Lage sein, ein Kind zu gebären, muß sich aber im natürlichen Reproduktionsalter befinden, welches nach Ansicht des griechischen Gesetzgebers in der Regel bei bis zu 55 Jahren liege. Die Tragemutter muß von ihrer gesundheitlichen Konstitution her in der Lage sein, die Schwangerschaft zu übernehmen. Wunsch- und Tragemutter haben sich ärztlichen Untersuchungen zur Feststellung von Aids, Hepatitis B und C und Syphilis zu unterziehen. Die designierte Tragemutter soll zudem eingehend psychologisch untersucht werden. Ferner darf ihr keine Gegenleistung für die Übernahme des Dienstes versprochen worden sein. Davon ausgenommen sind die durch die Schwangerschaft verursachten Kosten, d.h. die Aufwendungen für die Herbeiführung der Schwangerschaft, die Austragung und die Geburt. Ferner zählen dazu der Ersatz jeglicher positiver Schäden, die durch die Abwesenheit von der Arbeit wegen der Herbeiführung der Schwangerschaft, das Austragen des Kindes und die Geburt verursacht worden sind. Die Höhe sämtlicher Kosten ist durch einen Beschluß der Nationalen Behörde zur medizinisch assistierten Reproduktion zu bestimmen.212 Schließlich müssen die 209
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Gesetz Nr. 3089/2002 über die „Medizinische Unterstützung bei der humanen Fortpflanzung“, ergänzt durch das Gesetz Nr. 3305/2005 über die „Anwendung der Methoden der medizinisch assistierten Reproduktion“, dazu Koutsouradis, FamRZ 2003, 1068 f.; ders., FamRZ 2004, 1426 f.; Kiriakaki, MedR 2005, 143 ff. Vgl. auch Coester, in: Festschr. f. Jayme, S. 1243 (1256 f.). Vgl. Kiriakaki, MedR 2005, 143 (149). Koutsouradis, FamRZ 2004, 1426; Kiriakaki, MedR 2005, 143 (152), jeweils m.w.N. Vgl. auch Coester, in: Festschr. f. Jayme, S. 1243 (1257): Das Gesetz durchbreche den auch in Griechenland sonst etablierten Grundsatz, daß Mutter eines Kindes stets die gebärende Frau ist (mater semper certa est). Kiriakaki, MedR 2005, 143 (150).
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Beteiligten in der Vereinbarung erklären, daß die einzupflanzenden befruchteten Eizellen nicht von der Tragemutter stammen.213 Zu der Frage, ob ein Rücktritt der Ersatzmutter von der Vereinbarung möglich sein soll und wie dieser ausgestaltet ist, gibt das verfügbare deutschsprachige Schrifttum griechischer Autoren keine Auskunft. Um einem Fortpflanzungstourismus vorzubeugen, finden die Bestimmungen nur Anwendung, wenn die Wunschmutter und die gebärende Frau unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit ihren ständigen Wohnsitz in Griechenland haben.214 Die Mißachtung der gesetzlichen Vorschriften hat lediglich als zivilrechtliche Sanktion die Zuordnung des Kindes zur plazentaren Mutter nach den allgemeinen Vorschriften zur Folge.215 4. Ersatzmutterschaft bei schwulen Partnerschaften In der deutschen Diskussion um die Ersatzmutterschaft haben die Belange schwuler Partnerschaften im Gesetzgebungsprozeß und im rechtswissenschaftlichen Schrifttum keine Rolle gespielt. Angesichts des gesellschaftlichen Klimas Mitte der 1980er Jahre überrascht dies nicht. Zum einen existierte zu dieser Zeit immer noch ein Straftatbestand, der auf homosexuelle Männer als Täter zielte, zum anderen warf das Aufkommen der Immunschwächekrankheit Aids die Liberalisierungstendenzen zugunsten Schwuler wieder zurück. Vor dem Hintergrund des zwischenzeitlich eingetretenen fundamentalen Bewertungswandels wird in jüngerer Zeit gefordert, den Zugang schwuler Paare zur Ersatzmutterschaft in medizinischer, politischer und juristischer Hinsicht konsequent zu debattieren.216 Im Gegensatz zur Aufspaltung zwischen genetischer und plazentarer Mutter bei lesbischen Paaren erfährt das Arrangement einer Ersatzmutterschaft bei schwulen Partnern prinzipiell keine gegenüber den Gegebenheiten bei verschiedengeschlechtlichen Paaren abweichende Beurteilung. Für schwule Paare stellt die Ersatzmutterschaft immer die einzige Möglichkeit dar, ein genetisch halbeigenes Kind in die Partnerschaft einzubringen und großzuziehen.217 5. Zwischenergebnis Das Verbot jeder Form der Ersatzmutterschaft und ihrer Vermittlung ist nicht überzeugend.218 Zwar ist dem Gesetzgeber zu konzedieren, daß er mit guten Gründen die Vereinbarung von Ersatzmutterschaftsarrangements verboten hat, die auf 213 214
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Koutsouradis, FamRZ 2004, 1426; Kiriakaki, MedR 2005, 143 (149 f.), jeweils m.w.N. Koutsouradis, FamRZ 2004, 1426 (1427); Kiriakaki, MedR 2005, 143 (149), jeweils m.w.N. Koutsouradis, FamRZ 2004, 1426 (1427). So der Diskussionsbeitrag des Reproduktionsmediziners Geisthövel, in: Das Bundesministerium für Gesundheit, Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, S. 405 (406). Gegen Ersatzmutterschaften bei schwulen Paaren spricht sich aus ärztlicher Sicht Kentenich, ZaeFQ 96 (2002), 379 (381), (384) aus, der allerdings die Unterbrechung der „gewachsenen Mutter-Kind-Beziehung“ einseitig in den Vordergrund stellt. Zur Unbegründetheit solcher Befürchtungen vgl. oben, Fn. 178. Zu undifferenziert im Zusammenhang mit schwulen Partnerschaften Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, Rdnr. 436: gegen das Verbot sämtlicher Formen der Ersatzmutterschaft wird man de lege ferenda wenig einwenden können.
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eine Gewinnerzielung ausgerichtet sind. Bei einer Kommerzialisierung ist nicht gewährleistet, daß die Ersatzmutter eine freie Entscheidung darüber trifft, ob sie das Kind den Wunscheltern zur Adoption überlassen möchte, da sie unter ökonomischen Druck geraten kann. Die Legislative ging jedoch vorschnell davon aus, daß auch altruistische Formen der Ersatzmutterschaft zu verbieten seien. Die altruistisch motivierte Ersatzmutterschaft ist nicht per se verwerflich, sondern geeignet, in individuellen Situationen den auf andere Weise nicht realisierbaren Kinderwunsch zu verwirklichen. Im allgemeinen erschöpfen sich die gegen die Ersatzmutterschaft vorgebrachten Argumente in bloßen Vermutungen und spekulativen Szenarien, die empirischer Erfahrung entbehren oder sogar widersprechen. In der Diskussion spielten daher auch Alternativen, wie eine staatliche Begleitung durch Information und Aufklärung jenseits paternalistischer Verbote bezeichnenderweise keine Rolle. Der Gesetzgeber hat mit dem Verbot altruistischer Formen der Ersatzmutterschaft die bewährte und verfassungsmäßig gebotene Zurückhaltung und die Beschränkung auf den Einsatz des Strafrechts als ultima ratio außer acht gelassen.219 Der Blick auf ausländische Rechtsordnungen zeigt verschiedene Ansätze, mit denen die nicht zu verkennenden Probleme von Ersatzmutterschaften einer sachgerechten Lösung zugeführt werden können. Dabei ist dem Selbstbestimmungsrecht und der Entscheidungsfreiheit der Ersatzmutter oberste Priorität einzuräumen. Ihr müssen im Rahmen der medizinischen Indikation und des gesetzlich Zulässigen sämtliche Entscheidungen im Hinblick auf die Schwangerschaft, einen eventuellen Abbruch und die Übergabe des Kindes obliegen.220 Die Wunscheltern müssen sich darüber im klaren sein, daß es für sie keinerlei Handhabe gibt, bestimmte Handlungen der Ersatzmutter rechtlich zu erzwingen. Insbesondere können sie von der Ersatzmutter keinen Schwangerschaftsabbruch und nicht die Weggabe des Kindes verlangen.221 Die Entscheidung, sich zur Erfüllung des Kinderwunsches auf riskante Ersatzmutterschaftsvereinbarungen einzulassen und sich damit auf unsicheres Terrain222 zu begeben, unterliegt jedoch dem Selbstbestimmungsrecht der Beteiligten.223 Ein Beratungsangebot staatlicher oder karitativer Einrichtungen könnte die Beteiligten über die Wagnisse des Unterfangens umfassend informieren und aufklären. Dadurch würden sie in den Stand versetzt, ihr Selbstbestimmungsrecht sinnvoll auszuüben. Ferner ist ein striktes Verbot der Gewinnerzielung zu fordern, das jedoch nicht die Entschädigung für den entstandenen Aufwand der Ersatzmutter erfaßt. Um einerseits diese Grenzziehung klar 219 220
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Vgl. auch Schroeder, in: Festschr. f. Miyazawa, S. 533 (546 f.). So auch Coester-Waltjen, Gutachten B für den 56. DJT, B 89. Vgl. zudem SöderströmAnttila/Blomqvist et al., Acta Obstet. Gynecol. Scand. 81 (2002), 747 (751). Hat eine statusrechtliche Zuordnung des von der Ersatzmutter geborenen Kindes zu dem genetischen Vater stattgefunden, aber weigert sich die Ersatzmutter, das Kind für den anderen Wunschelternteil zur Stiefkindadoption freizugeben, ist zu berücksichtigen, daß der rechtliche Vater gesetzlich zu Unterhalt verpflichtet ist und das Kind auch ein gesetzliches Erbrecht hat. Lauff/Arnold, ZRP 1984, 279 (282). Vgl. auch den Diskussionsbeitrag von Frommel, in: Das Bundesministerium für Gesundheit, Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, S. 421 (437): Gebäre die Ersatzmutter ein Kind, obliege es der freien Entscheidung der Beteiligten, was sie dann tun.
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einzuhalten und andererseits die Angemessenheit der Entschädigung zu gewährleisten, kann ein staatliches Gremium mit Kontroll- und Genehmigungsbefugnissen eingerichtet werden. Diese Maßnahmen trügen in angemessener Weise den Interessen der Beteiligten Rechnung. Aus ihrer klinischen Erfahrung in Finnland weisen Reproduktionsmediziner darauf hin, daß sich eine psychologische Begleitung aller beteiligter Personen vor, während und nach der Schwangerschaft als sinnvoll erwiesen hat.224
VI. Rechtliche Beurteilung weiterer Verfahren bei lesbischen Partnerschaften Nach der Darstellung der Verbote der Herbeiführung gespaltener Mutterschaften und Ersatzmutterschaften ist noch zu untersuchen, wie das ESchG die heterologe In-vitro-Fertilisation und die heterologe artifizielle Insemination bei lesbischen Paaren beurteilt, wenn dadurch eine Schwangerschaft bei der Frau herbeigeführt werden soll, von der die Eizelle stammt. Die In-vitro-Fertilisation kann regelmäßig nicht von einem lesbischen Paar selbst, sondern nur durch einen Reproduktionsmediziner durchgeführt werden. Bei der artifiziellen Insemination hingegen gilt es zu unterscheiden, ob die Insemination mit Spendersamen durch einen Arzt vorgenommen oder durch die Partnerinnen in eigener Verantwortung durchgeführt wird. 1. Künstliche Befruchtung unter ärztlicher Assistenz Die Durchführung einer In-vitro-Fertilisation und einer artifiziellen Insemination stellt keine mißbräuchliche Anwendung einer Fortpflanzungstechnik nach § 1 ESchG dar, da eine Schwangerschaft bei der Frau herbeigeführt wird, von der die Eizelle stammt und diese Frau nach der Geburt das Kind keinen Dritten überlassen möchte. Die Befruchtung im heterologen System stellt ebenfalls kein strafwürdiges Verhalten dar, da das ESchG die Samenspende nicht verbietet. Daher macht sich ein Arzt, der mit Spendersamen eine In-vitro-Fertilisation oder eine künstliche Insemination bei einer lesbischen Partnerin vornimmt, nicht nach dem ESchG strafbar. Wegen der Akzessorietät von Anstiftung und Beihilfe scheidet eine Strafbarkeit des lesbischen Paares wegen etwaiger Teilnahme von vornherein mangels Vorliegen einer rechtswidrigen Haupttat i.S.d. § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB aus. Allerdings sehen die Standesordnungen der einzelnen Ärztekammern weitere komplexe Reglementierungen vor, deren Darstellung das folgende Kapitel vorbehalten ist.225 2. Künstliche Befruchtung unter eigener Regie Ein lesbisches Paar könnte eine artifizielle intrauterine Insemination auch in Eigenregie durchführen, indem eine Partnerin sich mit gespendetem Samen selbst befruchtet oder indem sie das Sperma von ihrer Partnerin einbringen läßt. Geht 224
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Söderström-Anttila/Blomqvist et al., Acta Obstet. Gynecol. Scand. 81 (2002), 747 (749 f.). Siehe Teil IV § 11, S. 290 ff.
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man davon aus, daß beide Partnerinnen nicht approbierte Humanmedizinerinnen sind, dann stellt die intrauterine Insemination eine künstliche Befruchtung im Sinne des § 9 Nr. 1 ESchG dar, die nur von einem Arzt vorgenommen werden darf. Dadurch steht zunächst für die beiden Partnerinnen eine Strafbarkeit wegen Verstoßes gegen den Arztvorbehalt nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 ESchG im Raum. Allerdings wird wegen des persönlichen Strafausschließungsgrundes in § 11 Abs. 2 ESchG die Partnerin, die die künstliche Insemination bei sich selbst vornimmt, nicht bestraft. Im Schrifttum wird sie bereits als notwendige Beteiligte angesehen, weshalb es von vornherein an einer tauglichen Täterin fehle.226 Die sich selbst inseminierende Partnerin macht sich daher weder nach einer strikt am Gesetz orientierten Prüfung, noch nach der dogmatisch überzeugenderen Lösung im rechtswissenschaftlichen Schrifttum strafbar. Da trotz des persönlichen Strafausschließungsgrundes eine vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat vorliegt, bleiben Teilnahmehandlungen möglich, sodaß sich die andere Partnerin wegen Anstiftung oder Beihilfe strafbar machen kann. Diese Frau kann sich zudem gem. § 11 Abs. 1 Nr. 1 ESchG strafbar machen, wenn sie ihre Partnerin inseminiert, da sie von § 11 Abs. 2 ESchG nicht privilegiert wird.227 Im Schrifttum wird eine solche Strafbarkeit denn auch verschiedentlich bejaht.228 Allerdings berücksichtigt diese Auffassung nicht hinreichend die Begleitumstände dieser Vorgehensweise. Sowohl die Teilnahmehandlung an der Befruchtung als auch die täterschaftliche Vornahme der Befruchtung der Partnerin stellen Handlungen im höchstpersönlichen Bereich dar, die durch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Funktion, die Privatsphäre vor staatlichen Eingriffen abzuschirmen, besonders geschützt sind. Nach in der Kommentarliteratur vertretener, vorzugswürdiger Ansicht scheiden solche Handlungen als tatbestandsmäßige Taten aus.229 Deshalb macht sich die Frau, die ihre Partnerin mit Spendersamen intrauterin inseminiert, nicht strafbar. Der Mann, dessen Sperma bei der Insemination Verwendung findet, wird wegen § 11 Abs. 2 ESchG nicht bestraft.230 Allerdings ist die Rechtslage für lesbische Paare unsicher, weil – soweit ersichtlich – keine Rechtsprechung zu dieser Frage vorliegt und nicht eingeschätzt werden kann, welchen Standpunkt die Strafverfolgungsbehörden und die Gerichte einnehmen würden. Zu bedenken ist aber auch, daß die Partnerinnen den tatsächlichen Hergang des Geschehens ohne weiteres verschleiern können und sich dann möglicherweise nicht klären läßt, wer die Insemination 226 227
228
229 230
Günther, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 11, Rdnr. 12. Falls sich nicht klären läßt, welche der Partnerinnen die Insemination vorgenommen hat (Eigen- oder Fremdinsemination), gelten zunächst die gleichen Grundsätze wie bei schwulen Paaren, die die Insemination bei der Ersatzmutter vornehmen. Die Partnerin, bei der das Sperma nicht eingeführt wurde, könnte nach dem Grundsatz in dubio pro reo lediglich wegen Teilnahme verurteilt werden, vgl. oben, S. 264. Coester-Waltjen, FamRZ 1992, 369 (370); Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, Rdnr. 429; Dittberner, Lebenspartnerschaft und Kindschaftsrecht, S. 141. Vgl. auch Schmitt, Streit 1999, 51 (54). Günther, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, § 11, Rdnr. 14–17. Unpräzise daher Schmitt, Streit 1999, 51 (54), die behauptet, alle anderen Personen außer der Frau, bei der die Insemination durchgeführt wird, machten sich strafbar. Selbst wenn man sich der in der Kommentarliteratur vertretenen Meinung nicht anschließt, bleibt nach § 11 Abs. 2 ESchG auf jeden Fall der Samenspender straflos.
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vorgenommen hat. Im übrigen erscheint die Vorstellung, daß die Strafverfolgungsbehörden den intimen Bereich lesbischer Paare im Zuge ihrer Ermittlungen ausforschen, wenig erbaulich. 3. Zwischenergebnis Die unter ärztlicher Assistenz durchgeführte heterologe In-vitro-Fertilisation und die heterologe artifizielle Insemination bei einer Partnerin eines lesbischen Paares sind nach dem ESchG nicht verboten. Daher machen sich weder der Arzt noch die Partnerinnen und der Samenspender strafbar. Allerdings ergeben sich aus dem Standesrecht der Ärzte weitere Restriktionen, die im nächsten Abschnitt dargestellt und diskutiert werden.231 Nimmt das lesbische Paar die artifizielle Insemination ohne Beteiligung eines Arztes vor, so ist zwischen einer reinen Selbstinsemination und der Assistenz durch die Partnerin zu unterscheiden. Bei der Selbstinsemination bleibt die sich selbst inseminierende Frau straffrei. Was die Beihilfe zur Selbstinsemination und die Fremdinsemination angeht, ist im rechtswissenschaftlichen Schrifttum hingegen umstritten, ob sich die Frau strafbar macht, bei der die Schwangerschaft nicht herbeigeführt werden soll. Nach hier vertretener Ansicht bleibt sie straffrei, weil sie eine Handlung im verfassungsrechtlich durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten höchstpersönlichen Bereich vornimmt. Der Samenspender bleibt bereits nach dem Gesetz in allen Fällen straffrei.
VII. Verfassungsrechtliche Beurteilung der Verbote der Herbeiführung von gespaltenen Mutterschaften und von Ersatzmutterschaften Die durch das ESchG ausgesprochenen Verbote im Hinblick auf die Herbeiführung gespaltener Mutterschaften und von Ersatzmutterschaften müssen sich letztlich an den durch das Grundgesetz verbürgten Freiheitsrechten messen lassen. In ihrer verfassungsrechtlichen Untersuchung hat Anabel Hieb überzeugend die Unvereinbarkeit der bundesgesetzlichen Verbote mit den Grundrechten aufgezeigt.232 Ihre Überlegungen lassen sich für den vorliegenden Zusammenhang wie folgt zusammenfassen. 1. Schutzbereich Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen Beurteilung ist das von den Bedingungen der natürlichen Reproduktion ausgehende Recht auf Fortpflanzungsfreiheit, das als Teil des aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. 1 Abs. 1 GG abgeleiteten Allgemeinen Persönlichkeitsrechts anzusehen ist und jedermann zusteht. Das Recht auf Fortpflanzungsfreiheit ist ein klassisches Abwehrrecht des Bürgers gegen den Staat, mit dem er sich gegen Beeinträchtigungen zur Wehr setzen kann, die ihn daran hindern, sich in der von ihm gewünschten Art und Weise fortzupflanzen. Konkret bedeutet dies, daß dem Einzelnen das Recht gewährleistet wird, sich mit den Part231 232
Vgl. Teil IV § 11, S. 290 ff. Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, 2005.
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nern, die dazu willens sind, durch Vereinigung der Keimzellen fortzupflanzen.233 Das Recht auf Fortpflanzungsfreiheit vermittelt hingegen keinen Anspruch darauf, sich in einer bestimmten Weise fortzupflanzen. Daher besteht weder ein Recht auf Zugang zu fremden Keimzellen noch ein solches auf die Vermittlung von Ersatzmüttern.234 Zur genaueren Bestimmung seiner Eingriffsresistenz ist das Recht auf Fortpflanzungsfreiheit einer der vom Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht entwickelten Sphären zuzuordnen. Anhand dieser Sphären werden verschiedene Bereiche des persönlichen Lebens voneinander abgegrenzt, die in abgestufter Weise staatlicher Intervention zugänglich sind. Die Intimsphäre ist dabei als letzter unantastbarer Bereich menschlicher Freiheit der Einwirkung der gesamten öffentlichen Gewalt entzogen.235 Um diesen Kernbereich lagert sich die Privat- oder Geheimsphäre, in die nur unter strenger Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eingegriffen werden darf.236 In die Sozialsphäre kann der Staat schließlich unter weniger strengen Anforderungen eingreifen.237 Das Recht auf Fortpflanzungsfreiheit ist nicht der Intimsphäre,238 sondern der Privatsphäre zuzurechnen, da bei der natürlichen Fortpflanzung immer eine zweite geschlechtsverschiedene Person involviert ist. Trotz des sehr persönlichen Charakters der Entscheidung über eigenen Nachwuchs schafft dies einen Bezug zum Privaten und löst daher den Bereich der absoluten Intimität auf. Die Fortpflanzungsfreiheit kann deshalb zugunsten überwiegender Grundrechtspositionen Dritter und Rechtsgüter mit Verfassungsrang unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eingeschränkt werden.239 Diese an den Gegebenheiten bei der natürlichen Fortpflanzung entwickelten Überlegungen lassen sich auch auf die assistierte Reproduktion übertragen. Das Einbeziehen von Keimzellspendern oder einer Ersatzmutter ändert nichts an der Privatheit des Kinderwunsches und des Versuchs seiner Erfüllung. Auch die Assistenz eines Arztes führt zu keiner anderen Beurteilung, da dieser in die Privatsphäre bewußt eingebunden wird. Dadurch werden der Kinderwunsch und die Form seiner Realisierung nicht der Öffentlichkeit preisgegeben. Für diese Wertung spricht, daß der Arzt und weitere beteiligte Personen der Schweigepflicht unterliegen, daß bei einer Geburt die Anwesenheit weiterer Personen diesem Vorgang 233
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235 236 237 238
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Coester-Waltjen, in: Das Bundesministerium für Gesundheit, Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, S. 158 (159). Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, S. 35; Coester-Waltjen, in: Das Bundesministerium für Gesundheit, Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, S. 158 (159). BVerfGE 6, 32 (41); 38, 312 (320). BVerfGE 27, 344 (351); 34, 238 (246). BVerfGE 35, 202 (220 f.). Dazu tendiert wohl Coester-Waltjen, in: Das Bundesministerium für Gesundheit, Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, S. 158. Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, S. 23 f. Vgl. auch Coester-Waltjen, Bitburger Gespräche 1986/1, S. 93 (97): Das verfassungsmäßig garantierte Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit umfasse auch das Recht, in so persönlichen und intimen Angelegenheiten wie der Fortpflanzung frei von staatlichen Eingriffen und Regulierungen zu sein.
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ebenfalls nicht den Charakter des Privaten zu nehmen vermag und zwischen natürlicher und assistierter Reproduktion ohnehin ein fließender Übergang besteht. Der mit der assistierten Reproduktion verbundene technische Aufwand ist verfassungsrechtlich ohne Belang.240 Personen, die ihren Kinderwunsch über eine Ersatzmutter oder mit Hilfe einer Eizell- oder Embryospende realisieren wollen, können sich auf ihr Recht auf Fortpflanzungsfreiheit als Teil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts berufen. Das Verhalten der Ersatzmutter und der Keimzellspender fällt nach Ansicht von Hieb nicht in den Schutzbereich des Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG, sondern lediglich in den von Art. 2 Abs. 1 GG, weil diese Personen in ihrem Handeln nicht von dem Wunsch nach einem eigenen Kind geleitet werden. Gerade der Wunsch nach einem eigenen, wenn auch genetisch fremden Kind und dessen Realisierung seien aber wesentliche Elemente menschlicher Persönlichkeitsentfaltung und damit Grund des spezifischen Persönlichkeitsschutzes aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG.241 Diese Vorgaben sind auch auf Konstellationen übertragbar, in denen ein gleichgeschlechtliches Paar seinen Kinderwunsch mit Hilfe einer dritten Person, die als Keimzellspender oder Ersatzmutter fungiert, erfüllen will. Der Kinderwunsch lesbischer und schwuler Paare ist in gleicher Weise durch das ihnen zustehende Recht auf Fortpflanzungsfreiheit gedeckt.242 Es sind keine verfassungsrechtlichen Vorgaben ersichtlich, die eine Erstreckung dieser Ausformung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften verböte. Auch Art. 6 Abs. 1 GG kann dagegen nicht ins Feld geführt werden, da die Verfassungsnorm unter dem Aspekt der Familie unabhängig von einer Ehe das auf die Zeugung eines Kindes gerichtete Verhalten schützt und in dieser Funktion auch homosexuelle Menschen und gleichgeschlechtliche Partnerschaften umfaßt.243 Was den verfassungsrechtlichen Schutzbereich des Verhaltens einer Eizellspenderin angeht, so fällt auch die Spenderin, die innerhalb einer lesbischen Beziehung ihre Eizelle zur Befruchtung und Implantation bei ihrer Partnerin zur Verfügung stellt, in vollem Umfang unter den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, weil die Eizellspende der Erfüllung ihres eigenen Kinderwunsches dient und die Spenderin dadurch von einem wesentlichen Teil ihres Rechts auf Fortpflanzungsfreiheit Gebrauch macht.244
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Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, S. 29. Vgl. auch Coester-Waltjen, in: Das Bundesministerium für Gesundheit, Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, S. 158 (159). Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, S. 31. Siehe auch Note, 102 Harv.L.Rev. (1988/1989), 1508 (1650). Ablehnend Risse, Der verfassungsrechtliche Schutz der Homosexualität, S. 241, 340 f., der eine Einbeziehung in den Schutzbereich wohl von der Möglichkeit der Etablierung verwandtschaftlicher Beziehungen abhängig macht. Durch die Stiefkindadoption nach § 9 Abs. 7 LPartG ist dies bei eingetragenen Lebenspartnern mittlerweile möglich. Darin unterscheidet sich die vorliegend interessierende Konstellation von den bei Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, S. 31 diskutierten Fällen verschiedengeschlechtlicher Paare, wo die Eizellspenderin keinen eigenen Kinderwunsch hegt, sondern nur einen fremden unterstützt.
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2. Eingriff Die im ESchG enthaltenen Verbote der Herbeiführung gespaltener Mutterschaften und der Herbeiführung von Ersatzmutterschaften stellen einen Eingriff in das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf Fortpflanzungsfreiheit dar. 3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Allerdings ist dieser Eingriff verfassungsrechtlich nicht legitimiert. Als der Eizellbzw. Embryonenspende und der Ersatzmutterschaft potentiell entgegenstehende Grundrechtspositionen kommen Art. 6 Abs. 1 GG, sowie die Menschenwürde und das Recht auf körperliche Unversehrtheit in Betracht. Art. 6 Abs. 1 GG scheidet bereits von vornherein als entgegenstehende Position aus. Unter den Familienbegriff dieser Norm fallen auch Kinder, die aus der Verwendung fremder Keimzellen hervorgegangen sind. Keimzell- und Embryospenden sowie das Arrangement von Ersatzmutterschaften tragen nämlich gerade zur Begründung verfassungsrechtlich geschützter Familiengemeinschaften bei. Das Familienbild des Art. 6 Abs. 1 GG ist nicht auf die Gemeinschaft von verheirateten Eltern und ehelich gezeugten Kindern begrenzt.245 Nach der Rechtsprechung des BVerfG fallen unter den Familienbegriff nicht nur eheliche und leibliche Kinder, sondern auch Stief-, Adoptiv- und Pflegekinder.246 Im jüngeren Schrifttum wird mittlerweile auch die lebenspartnerschaftliche Familie, also die Gemeinschaft eingetragener Lebenspartner mit Kindern, unter den verfassungsrechtlichen Familienbegriff des Art. 6 Abs. 1 GG subsumiert.247 Da Art. 6 Abs. 1 GG keine entgegenstehende Grundrechtsposition entnommen werden kann, kommt diese Norm nicht als verfassungsrechtliche Beschränkung des Rechts auf Fortpflanzungsfreiheit in Betracht.248 Von dem unabhängig von einer Ehe bestehenden besonderen staatlichen Schutz der Familie werden daher auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften erfaßt, in denen Kinder aufwachsen, welche zu den Partnern in einem Stief-, Adoptiv- oder Pflegekindverhältnis stehen. 245
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Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, S. 171 f. BVerfGE 68, 176 (187); vgl. auch Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, S. 165 m.w.N. Sickert, Die lebenspartnerschaftliche Familie, S. 198 ff. et passim. Die Autorin begründet dies mit der grundsätzlichen Tendenz zur Offenheit der Rechtsprechung des BVerfG zum Familienbegriff. Eine Analyse dieser Rechtsprechung ergebe, daß es neben dem Vorhandensein von Kindern auf die Übernahme der tatsächlichen Erziehungsund Unterhaltsleistungen ankommt. Mit dem Eingehen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft werde ein rechtliches Band begründet, das einer erhöhten Auflösungswahrscheinlichkeit und rechtlich nicht behinderten Auflösungsmöglichkeit entgegensteht. Dies stelle die Dauerhaftigkeit des familiären Verbandes sicher und biete dem Kind einen geschlossenen, eigenständigen privaten Lebensbereich. Daneben erbringe die lebenspartnerschaftliche Familie lebensprägende, familientypische Sozialisationsleistungen. Lebenspartner übernehmen Erziehungs-, Sozialisierungs- und Lebensbegleitungsfunktionen und erbringen Unterhaltsleistungen, die eine Qualifizierung als Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG rechtfertigen. Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, S. 176.
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Die Menschenwürde und die körperliche Unversehrtheit scheiden nicht von vornherein als entgegenstehende Grundrechtspositionen aus. Die Menschenwürde ist auf Seiten der Ersatzmutter und bei der Eizellspenderin zu berücksichtigen, die körperliche Unversehrtheit bei den Frauen, bei denen ein invasiver ärztlicher Eingriff erfolgt. Schließlich sind bei dem entstehenden Kind die Menschenwürde und die körperliche Unversehrtheit zu beachten. Die Übernahme einer Schwangerschaft für andere verletzt nicht per se die Menschenwürde der Ersatzmutter. Das in der Menschenwürde wurzelnde Autonomieprinzip widerspricht der Annahme eines Grundrechtsschutzes gegen sich selbst. Die Ersatzmutter macht daher in zulässiger Weise von ihrem Selbstbestimmungsrecht Gebrauch, wenn sie sich zur Übernahme einer Schwangerschaft für Dritte bereit erklärt. Gleichermaßen verhält es sich mit der Eizellspenderin, die sich ebenfalls auf das in der Menschenwürde angelegte Prinzip autonomen und selbstbestimmten Handelns berufen kann. Die Ersatzmutter und die Eizellspenderin sind in ihrer Menschenwürde nur dann verletzt, wenn sie unter finanziellen Zwang gesetzt werden. Außerdem wird ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit verletzt, wenn sie vor den medizinischen Maßnahmen nicht gehörig aufgeklärt oder diese nicht lege artis ausgeführt werden.249 Der hinter dem Kindeswohl stehende vorwirkende Menschenwürdeschutz250 wird gefährdet, wenn das Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung251 nicht gewahrt wird bzw. wenn die Maßnahmen assistierter Reproduktion nicht lege artis ausgeführt werden.252 Diese Kollisionslagen gebieten aber kein absolutes Verbot der Herbeiführung von Ersatzmutterschaften oder gespaltenen Mutterschaften. Sie können vielmehr im Wege der praktischen Konkordanz in der Weise aufgelöst werden, daß im Falle von Ersatzmutterschaftsvereinbarungen und Eizellspenden kommerzielle Elemente ausgeschlossen werden. Davon nicht umfaßt sind reine Aufwandsentschädigungen. Vor allem bei der Ersatzmutterschaft sind sie geeignet, die damit verbundenen finanziellen Einbußen auszugleichen und auf diese Weise einer finanziellen und damit auch psychischen Zwangslage, die die Entscheidungsfreiheit der Ersatzmutter beeinträchtigen könnte, entgegenzuwirken.253 Bei den hier interessierenden Konstellationen der gespaltenen Mutterschaft innerhalb lesbischer Partnerschaften wird die Gefahr einer Kommerzialisierung der Eizellspende aber ohnehin kaum jemals aktuell werden. Daneben kann durch geeignete Maßnahmen die Qualität der ärztlichen Behandlung sichergestellt werden, so daß es nicht zu einer Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit bei den beteiligten Frauen und
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Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, S. 192. Vgl. dazu nur Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, S. 223: „Der hinter dem Kindeswohl stehende Menschenwürdeschutz sichert in seiner objektiven Dimension eine dem Wohl des künftigen Kindes entsprechende Entwicklung des entstehenden menschlichen Lebens.“ (Hervorhebung durch den Verf.). Das Menschenwürdeargument scheidet allerdings aus, wenn es um die Zeugung des Kindes geht, vgl. oben den Text zu Fn. 84. Vgl. dazu Teil V § 12 II., S. 314 ff. Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, S. 188. Vgl. auch Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, S. 194.
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dem Kind kommt. Die Menschenwürde des Kindes kann schließlich durch die Dokumentation der Identität der Keimzellenspender gewahrt werden. 4. Zwischenergebnis Daraus ergibt sich nach Hieb, daß die Ersatzmutterschaft und die Aufspaltung in eine genetische und plazentare Mutter als grundsätzlich zulässig zu beurteilen sind. Absolute Verbote der Eizell- und Embryonenspende sowie der Ersatz- und Tragemutterschaft können verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt werden. Die im ESchG formulierten absoluten Verbote greifen in verfassungsrechtlich nicht zu legitimierender Weise in das durch Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG garantierte Recht auf Fortpflanzungsfreiheit ein. Mangels überwiegender und verhältnismäßiger Interessen sind die Verbote daher zurückzunehmen.254 Diese Überlegungen gelten unabhängig von der Zusammensetzung des Paares, das sich Kinder wünscht. Daher läßt sich das von Hieb gefundene Ergebnis ohne Abstriche auch auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften übertragen. Aus den verfassungsrechtlichen Überlegungen zur Fortpflanzungsfreiheit folgt auch, daß der Zugang zu Maßnahmen assistierter Reproduktion weder verschiedengeschlechtlichen Paaren oder lediglich Eheleuten vorzubehalten ist, noch kann für gleichgeschlechtliche Paare gefordert werden, daß sie eine eingetragene Lebenspartnerschaft führen müssen. Das Bestehen einer rechtlich formalisierten Verbindung stellt nämlich keine aus der Verfassung ableitbare entgegenstehende Grundrechtsposition dar, die in der Lage wäre, die Fortpflanzungsfreiheit einzuschränken.
VIII. Zusammenfassende Bewertung Die Belange gleichgeschlechtlicher Paare haben in der Debatte um das ESchG keine Beachtung gefunden. Obwohl Dagmar Coester-Waltjen bereits in ihrem Gutachten zum 56. Deutschen Juristentag 1986 auf die Möglichkeit des Einsatzes fortpflanzungsmedizinischer Maßnahmen bei lesbischen Paaren hinwies,255 fanden in der weiteren Debatte um das ESchG die Belange lesbischer oder schwuler Paare keine substantielle Berücksichtigung. Wenn Autoren diese Personengruppe überhaupt erwähnten, so begnügten sie sich mit dem Hinweis auf geschmackliche Irritationen oder zogen sich mit in diesem Kontext verfehlten Normalitäts- und Natürlichkeitsargumenten auf eine undifferenzierte und pauschale Ablehnung zurück.256 254
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Hieb, Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts, S. 195, 204 f., siehe auch S. 202: „Die der Verwirklichung des Kinderwunsches mittels Eizellund Embryospende, Ersatz- und Tragemutterschaft entgegenstehenden Positionen des (entstehenden) Kindes und der an den Verfahren beteiligten Frauen rechtfertigen keine absoluten Verbote der die Mutterschaft spaltenden Fortpflanzungsverfahren.“ Hieb versteht unter gespaltener Mutterschaft auch die Ersatzmutterschaft, a.a.O., S. 6 ff. Coester-Waltjen, Gutachten B für den 56. DJT, B 11 f., B 74. Laufs, Fortpflanzungsmedizin und Arztrecht, S. 63; Püttner/Brühl, JZ 1987, 529 (535): „Der Wunsch nach einem eigenen Kind darf sich nicht vom normalen sozialen Zusam-
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Eine eingehendere Analyse ergibt jedoch, daß die Verbote der Herbeiführung gespaltener Mutterschaften und der Herbeiführung von Ersatzmutterschaften bereits auf einfachgesetzlicher Ebene erheblichen Legitimationszweifeln begegnen. Im Blick auf die Fragmentierung in eine genetische und plazentare Mutter innerhalb lesbischer Partnerschaften konnte gezeigt werden, daß die für ein Verbot angeführten Argumente in diesen Konstellationen ihre Überzeugungskraft einbüßen. Das Strafrecht wird mit den hier kritisierten Verboten des Embryonenschutzgesetzes seiner Funktion, Rechtsgüter vor besonders massiven Angriffen zu schützen und sich hierzu als ein geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel zu erweisen,257 nicht gerecht. Schon aus diesem Grund sind die absoluten Verbote der gespaltenen Mutterschaft und der Ersatzmutterschaft mehr als zweifelhaft. Die Überlegungen auf verfassungsrechtlicher Ebene haben darüber hinaus gezeigt, daß die Verbote in nicht zu rechtfertigender Weise in das als Teil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) geschützte Recht auf Fortpflanzungsfreiheit eingreifen und deshalb keinen Bestand haben können. Daher sollte der Gesetzgeber die Verbote der Herbeiführung von Ersatzmutterschaften und von gespaltenen Mutterschaften aufheben und sowohl verschiedengeschlechtlichen als auch gleichgeschlechtlichen Paaren den Zugang zu den darauf gerichteten reproduktionsmedizinischen Maßnahmen gestatten. Die weiteren Überlegungen haben gezeigt, daß von den hierzulande verbotenen Verfahren dann keine negativen Begleiterscheinungen ausgehen, wenn etwaige kommerzielle Elemente ausgeschlossen werden, die Beteiligten in rechtlicher und medizinischer Hinsicht umfassend aufgeklärt und die medizinischen Eingriffe nach erfolgter Einwilligung nach der lex artis vorgenommen werden. Eine gesetzliche Neuregelung hätte insoweit auch die Restriktionen des AdVermiG zu beseitigen und die nicht auf Gewinnerzielung gerichtete Ersatzmuttervermittlung zuzulassen.
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menhang gänzlich entfernen. Wo er nur als Ausdruck einer individuellen Willkür erscheint (z.B. lesbische oder homosexuelle Paare wünschen sich ,ihr‘ Kind), ist ein Grad an biologischer Manipulation erreicht, der mit unserer sozialen Wirklichkeit, die auf die natürlichen Gegebenheiten aufbaut, nicht mehr vertretbar ist. Das Kind müßte diese Diskrepanz austragen und seine Lebenschance wäre in der Gesellschaft schwer beeinträchtigt. Die Würde des Menschen ist verletzt, wenn er in dieser Weise Gegenstand der reinen Willkür wird.“ Günther, ZStW 102 (1990), 269 (278 f.); Jung, JuS 1991, 431 (433); Hektor-Reinshagen, Die Relevanz ethischer Konzeptionen im Strafrecht am Beispiel des Embryonenschutzgesetzes, S. 193.
§ 11 Das ärztliche Standesrecht I. Einleitung Die Methoden, über die die Reproduktionsmedizin gebietet, werden neben den bundesgesetzlichen Regelungen im ESchG und dem AdVermiG auch durch das Standesrecht der Ärzte restringiert. Die im vorliegenden Zusammenhang einschlägigen Regelungen finden sich in den Berufsordnungen der jeweiligen Landesärztekammern1 und den von ihnen erlassenen Richtlinien zur Durchführung der assistierten Reproduktion.2 Sie orientieren sich weitgehend an der vom Deutschen Ärztetag und vom Vorstand der Bundesärztekammer beschlossenen „(Muster-)Berufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte (MBO)“3 und an der vom Vorstand der Bundesärztekammer erarbeiteten „(Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion“.4 Ausgehend von einer kurzen Charakterisierung des ärztlichen Standesrechts und einer Darstellung seiner Funktion werden die einschlägigen Regelungen unter Berücksichtigung ihrer jüngeren Entwicklung vorgestellt und einer inhaltlichen Kritik unterzogen. Hierauf folgt unter den Aspekten des Demokratie- und des Rechtsstaatsprinzips deren verfassungsrechtliche Bewertung. Da sich im vorangegangenen Kapitel gezeigt hat, daß schwule Paare bereits durch das ESchG und das AdVermiG von reproduktionsmedizinischen Maßnahmen ausgeschlossen werden, betreffen die folgenden Ausführungen Verfahren bei lesbischen Partnerschaften, die von den genannten Gesetzen nicht mit einem Verbot belegt werden.
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Die einzelnen Berufsordnungen können in ihrer jeweils aktuellen Version zuverlässig über die Homepages der Ärztekammern eingesehen werden. Vgl. im übrigen auch Beilage zum ÄBl. Baden-Württemberg 2/2005, 1 ff.; Berl. ÄBl. 7/2005, 21 ff.; Beilage zum brand. ÄBl. 9/2003, 2 ff.; brem. ABl. v. 20.9.2004, S. 995 ff.; Beilage zum hamb. ÄBl. 8/2000, 2 ff.; hess. ÄBl. 10/1998, I ff.; ÄBl. Meckl.-Vorp. 07/2005, 83 ff.; ÄK Nordrhein: MBl. NRW 1999, S. 350 ff.; sächs. ÄBl. 1998, 351 ff.; thüring. ÄBl., Sonderheft 1/99, 1 ff. Die aktuellen Fassungen der Richtlinien können zumeist zuverlässig über die Homepages der einzelnen Ärztekammern in Erfahrung gebracht werden. Vgl. darüber hinaus auch die Auswahl folgender Fundstellen: Beilage zum ÄBl. Baden-Württemberg 2/2005, 19 ff.; Beilage zum hamb. ÄBl. 8/2000, 13 f.; hess. ÄBl. 2007, 325 ff.; sächs.-anh. ÄBl. 17/2006, 11 ff. (Muster-)Berufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte in der Fassung der Beschlüsse des 100. Deutschen Ärztetages 1997 in Eisenach, zuletzt geändert durch die Beschlüsse des 107. Deutschen Ärztetages 2004 in Bremen und durch den Beschluß des Vorstands der Bundesärztekammer vom 24.11.2006, zu letzterem DÄBl-A 2007, 1613. Die jeweils aktuelle Fassung der MBO kann unter http://www.bundesaerztekammer.de eingesehen werden. Wenn im folgenden aus Gründen der besseren Lesbarkeit nur von Ärzten gesprochen wird, sind damit immer auch Ärztinnen gemeint. Vorstand der BÄK, (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion v. 17.2.2006, DÄBl-A 2006, 1392 ff.
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II. Charakterisierung und Verbindlichkeit des ärztlichen Standesrechts Sieht man das ärztliche Berufsrecht als Inbegriff der Normen an, die in irgendeiner Form die Ausübung des Arztberufs regeln, so läßt sich das ärztliche Standesrecht als Teil dieses Inbegriffs von Normen insofern vom übrigen Berufsrecht abgrenzen, als es die von den Standesvertretungen der Ärzte selbst geschaffenen Regeln enthält, an deren Setzung die Standesmitglieder, die Standesorganisationen oder die mit Standesangehörigen besetzten Gremien direkt und maßgeblich beteiligt sind. Jochen Taupitz hat diese Differenzierung folgendermaßen umschrieben: „Standesrecht ist also das eigene Recht des Standes, gesetzt durch den Stand. Demgegenüber handelt es sich beim (übrigen) Berufsrecht um Regelungen, die von außen, und zwar von der staatlich verfaßten Rechtsgemeinschaft, an den Stand herangetragen werden, die dem Stand gesetzt werden.“5 Die Setzung des Standesrechts ist Aufgabe der 17 Landesärztekammern,6 die als Körperschaften des öffentlichen Rechts verfaßt sind. Als selbständige Verwaltungsträger sind sie Teil der mittelbaren Staatsverwaltung. Ihnen ist durch die Kammer- und Heilberufsgesetze der Länder die Befugnis verliehen, die Berufspflichten der Ärzte in einer Berufsordnung festzulegen.7 Rechtlich sind die Berufsordnungen als Satzungen autonomer Berufsverbände zu charakterisieren. Sie sind unmittelbar geltendes Recht und enthalten die materiellen Regeln für die gesamte berufliche Betätigung der Ärzte.8 Diese autonom gesetzten Berufsregeln sind, soweit sie Berufspflichten festlegen, für alle innerhalb eines Ärztekammerbezirks tätigen Ärzte verbindlich, zumal eine jeweils landesgesetzlich auferlegte Pflichtmitgliedschaft bei der regional zuständigen Ärztekammer besteht.9 Begeht
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Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 158 f. (Hervorhebungen im Original). Bis auf Nordrhein-Westfalen (Ärztekammer Nordrhein und Ärztekammer WestfalenLippe) gibt es in jedem Bundesland je eine Ärztekammer. Die Begriffe „Ärztekammer“ und „Landesärztekammer“ werden im folgenden synonym verwendet. § 31 bad.-württ. Heilberufe-Kammergesetz; Art. 19 bayr. Heilberufe-Kammergesetz; § 4a berl. Gesetz über die Kammern und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder und Jugendlichenpsychotherapeuten; § 33 Gesetz zur Neuregelung des Heilberufsrechts im Land Brandenburg; § 30 brem. Heilberufsgesetz; § 5 hamb. Ärztegesetz; § 25 hess. Heilberufsgesetz; § 33 Heilberufsgesetz Meckl.-Vorp.; § 33 nieders. Kammergesetz für die Heilberufe; § 32 nordrh.-westf. Heilberufsgesetz; § 23 rheinl.-pfälz. Heilberufsgesetz; § 17 saarl. Heilberufekammergesetz; § 17 sächs. Heilberufekammergesetz; § 20 sächs.anhalt. Gesetz über die Kammern für Heilberufe; § 31 schlesw.-holst. Heilberufsgesetz; § 23 thüring. Heilberufsgesetz. Die Vorschriften sind im Wortlaut abgedruckt bei Ratzel/Lippert, Kommentar zur MBO, Anhang II, S. 511 ff. Vgl. BVerfGE 33, 125 (155). S.a. Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 614 ff. Vgl. etwa § 2 Abs. 1 Nr. 1 und § 3 bad.-württ. Heilberufe-Kammergesetz; Lippert, in: Ratzel/Lippert, Kommentar zur MBO, § 2, Rdnr. 28; Ratzel, a.a.O., D 15, Rdnr. 1; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 13, Rdnr. 7; Quaas/Zuck,
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ein Arzt eine berufsunwürdige Handlung, verstößt er also schuldhaft gegen eine in der Berufsordnung festgelegte Pflicht, so können gegen ihn im Rahmen eines berufsgerichtlichen Verfahrens Sanktionen verhängt werden, die in den einzelnen Kammer- und Heilberufsgesetzen näher bestimmt sind. Die Sanktionen reichen von einer Warnung, einem Verweis, der Aberkennung von Wahl- und mitgliedschaftlichen Rechten bis hin zu einer Geldbuße von bis zu 50.000 €.10 Im Gegensatz zum Satzungsrecht der Landesärztekammern sind die auf der Ebene der Bundesärztekammer (BÄK) erarbeiteten Musterregelwerke per se nicht rechtsverbindlich.11 Die BÄK ist von ihrer Rechtspersönlichkeit her ein eingetragener Verein und fungiert als Arbeitsgemeinschaft der Landesärztekammern. Sie hat keine Rechtssetzungsgewalt.12 Gleichwohl haben die von ihr vorgelegte (Muster-) Berufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte (MBO) und die (Muster-) Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion erheblichen Einfluß auf die Rechtssetzung der Landesärztekammern. Die MBO wird vom Deutschen Ärztetag und vom Vorstand der BÄK verabschiedet, die (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion wird alleine vom Vorstand der BÄK beschlossen. Der Vorstand der BÄK besteht aus dem Präsidenten, zwei Vizepräsidenten, den Präsidenten der Landesärztekammern kraft Amtes und zwei weiteren Ärzten.13 Beim Deutschen Ärztetag handelt es sich um die jährlich stattfindende Hauptversammlung der Bundesärztekammer, in die die Ärztekammern ihre Delegierten entsenden.14 Auf diese Weise sucht die BÄK ihrer satzungsmäßig niedergelegten Aufgabe zu genügen, so weit als möglich die interregionale15 Einheitlichkeit des ärztlichen Standesrechts herzustellen.16 Die meisten Landesärztekammern transformieren die durch ihre Delegierten maßgeblich mitbestimmte Musterberufsordnung in wesentlichen Teilen oder sogar vollinhaltlich in autonomes Satzungsrecht. Dies gilt im großen und ganzen auch für die (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion. Daher kann auch auf diese Musterregelwerke zurückgegriffen werden.
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Medizinrecht, § 12, Rdnr. 100. Zur Mitgliedschaft in mehreren Ärztekammern vgl. Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 1257. Eine Geldbuße in dieser Höhe kann z.B. in Baden-Württemberg verhängt werden, § 58 S. 1 Nr. 3 bad.-württ. Heilberufe-Kammergesetz; Ratzel, in: Ratzel/Lippert, Kommentar zur MBO, Einleitung vor §§ 1 ff., Rdnr. 8. Taupitz, NJW 2003, 1145 (1147). Taupitz, NJW 2003, 1145; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 13, Rdnr. 17; Vesting, MedR 1998, 168 (169). Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 13, Rdnr. 15; Taupitz, NJW 2003, 1145 (1150): Repräsentanten der funktionalen ärztlichen Selbstverwaltung. Laufs, NJW 1997, 3071; ders., in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 13, Rdnr. 16. D.h. bezogen auf die einzelnen Ärztekammerbezirke. Vgl. Taupitz, NJW 1986, 2851 (2853); ders., Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 295, 299 ff., jeweils m.w.N.; s.a. Laufs, NJW 1997, 3071 (3072); ders., in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 13, Rdnr. 16.
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Im vorliegenden Kontext irrelevant sind die Richtlinien gem. § 121a SGB V.17 Sie sind im wesentlichen ein Instrument der Qualitätssicherung und der Steuerung einer angemessenen Versorgung und haben nicht die Frage zum Gegenstand, ob gleichgeschlechtliche Paare zu Maßnahmen assistierter Reproduktion zugelassen werden sollen. Darüber hinaus sind diese Richtlinien nicht Teil des Standesrechts, weil sie von der Landesexekutive festgelegt werden. Die Notwendigkeit und prinzipielle Zulässigkeit der Berufsregelung durch Satzungen, die von einer mit Autonomie begabten Körperschaft erlassen werden, hat das Bundesverfassungsgericht im Facharzt-Beschluß vom 9. Mai 1972 anerkannt.18 Es betonte, daß die Verleihung von Satzungsautonomie sinnvoll sei, „um gesellschaftliche Kräfte zu aktivieren, den entsprechenden gesellschaftlichen Gruppen die Regelung solcher Angelegenheiten, die sie selbst betreffen und die sie in überschaubaren Bereichen am sachkundigsten beurteilen können, eigenverantwortlich zu überlassen und dadurch den Abstand zwischen Normgeber und Normadressat zu verringern.“ Der Gesetzgeber werde zugleich davon entlastet, sachliche Verschiedenheiten berücksichtigen zu müssen, die für ihn oft schwer erkennbar sind und auf deren Veränderung er nicht rasch genug reagieren könnte.
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§ 121a SGB V regelt die Genehmigung zur Durchführung künstlicher Befruchtungen und hat folgenden Wortlaut: „(1) Die Krankenkassen dürfen Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (§ 27a Abs. 1) nur erbringen lassen durch 1. Vertragsärzte, 2. zugelassene medizinische Versorgungszentren, 3. ermächtigte Ärzte, 4. ermächtigte ärztlich geleitete Einrichtungen oder 5. zugelassene Krankenhäuser, denen die zuständige Behörde eine Genehmigung nach Absatz 2 zur Durchführung dieser Maßnahmen erteilt hat. Satz 1 gilt bei Inseminationen nur dann, wenn sie nach Stimulationsverfahren durchgeführt werden, bei denen dadurch ein erhöhtes Risiko von Schwangerschaften mit drei oder mehr Embryonen besteht. (2) Die Genehmigung darf den im Absatz 1 Satz 1 genannten Ärzten oder Einrichtungen nur erteilt werden, wenn sie 1. über die für die Durchführung der Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (§ 27a Abs. 1) notwendigen diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten verfügen und nach wissenschaftlich anerkannten Methoden arbeiten und 2. die Gewähr für eine bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Durchführung von Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (§ 27a Abs. 1) bieten. (3) Ein Anspruch auf Genehmigung besteht nicht. Bei notwendiger Auswahl zwischen mehreren geeigneten Ärzten oder Einrichtungen, die sich um die Genehmigung bewerben, entscheidet die zuständige Behörde unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen und der Vielfalt der Bewerber nach pflichtgemäßem Ermessen, welche Ärzte oder welche Einrichtungen den Erfordernissen einer bedarfsgerechten, leistungsfähigen und wirtschaftlichen Durchführung von Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (§ 27a Abs. 1) am besten gerecht werden.“ BVerfGE 33, 125 (155 f.).
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Der Autonomiegedanke füge sich von daher sinnvoll in das System der grundgesetzlichen Ordnung ein.19
III. Bestimmungen der Berufsordnungen Die Bestimmungen zur assistierten Reproduktion finden sich in § 13 MBO (Besondere medizinische Verfahren) und in Kap. D. IV. Nr. 15 MBO (Pflichten in besonderen medizinischen Situationen). In ihren Berufsordnungen haben die Ärztekammern der Länder im wesentlichen inhaltlich gleichlautende Regelungen erlassen. 1. § 13 Abs. 1 MBO § 13 Abs. 1 MBO ordnet an, daß bei speziellen medizinischen Maßnahmen oder Verfahren, die ethische Probleme aufwerfen und zu denen die Ärztekammer Empfehlungen zur Indikationsstellung und zur Ausführung festgelegt hat, der Arzt die Empfehlungen zu berücksichtigen hat. Eine der Norm beigefügte Fußnote hebt hervor, daß die assistierte Reproduktion ein besonderes Verfahren im Sinne des § 13 MBO darstellt und verweist auf die dazu verfaßten Richtlinien der Bundesärztekammer.20 Obwohl die Norm von Empfehlungen spricht, sind darunter hauptsächlich die zu den unterschiedlichen ärztlichen Tätigkeitsfeldern existierenden Richtlinien zu verstehen, weshalb einige Ärztekammern in ihren Berufsordnungen diesen Terminus verwenden.21 Sofern eine Ärztekammer Richtlinien zur Durchführung der assistierten Reproduktion in ihre Berufsordnung inkorporiert hat, verpflichtet die § 13 Abs. 1 MBO entsprechende Vorschrift den Arzt dazu, diese Richtlinien zu befolgen. 2. Kap. D. IV. Nr. 15 MBO In Kap. D. IV. Nr. 15 MBO werden die speziellen Verfahren der In-vitroFertilisation und des Embryotransfers behandelt. Die Vorschrift legt fest, daß die künstliche Befruchtung einer Eizelle außerhalb des Mutterleibes und die anschließende Einführung des Embryos in die Gebärmutter oder die Einbringung von Gameten oder Embryonen in den Eileiter der genetischen Mutter als Maßnahme zur Behandlung der Sterilität ärztliche Tätigkeiten darstellen und nur nach Maßgabe des § 13 MBO zulässig sind (Abs. 1 S. 1). Sie verbietet beim Einsatz dieser 19
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BVerfGE 33, 125 (156 f.). Dort auch das wörtliche Zitat. Für das rechtswissenschaftliche Schrifttum vgl. nur Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 617: für das demokratische Staatswesen existenzielle „Aktivbürgerschaft“. In den Berufsordnungen der Ärztekammern fehlt diese Fußnote, teilweise wird in § 13 BO aber ausdrücklich auf die jeweiligen Richtlinien zur Durchführung der assistierten Reproduktion verwiesen, vgl. § 13 Abs. 2 S. 1, 2. Spiegelstrich BO der bad.-württ. LÄK; § 13 Abs. 2 Alt. 1 BO der ÄK Hamburg; § 13 Abs. 2 Alt. 1 BO der ÄK Meckl.Vorp.; § 13 Abs. 1 BO der ÄK Westfalen-Lippe (Verweis auf Anlage). § 13 Abs. 1 und 2 BO der bad.-württ. LÄK; § 13 Abs. 1 und 2 BO der ÄK Hamburg; § 13 Abs. 1 BO der hess. LÄK; § 13 Abs. 1 und 2 BO der ÄK Meckl.-Vorp.; § 13 Abs. 1 BO der ÄK Nordrhein; § 13 Abs. 1 BO der ÄK Westfalen-Lippe.
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Verfahren die Eizellspende (Abs. 1 S. 2). Ferner kann ein Arzt nicht dazu verpflichtet werden, an einer In-vitro-Fertilisation oder einem Embryotransfer mitzuwirken (Abs. 2).22 Die in Kap. D. IV. Nr. 15 MBO enthaltenen einzelnen Regelungen haben eher deklaratorischen Charakter als daß ihnen konstitutive Wirkung zukommt:23 Das Verbot der Eizellspende und die Freiwilligkeit der Mitwirkung ergeben sich bereits aus dem normhierarchisch höherrangigen ESchG;24 da die Richtlinien zur Durchführung der assistierten Reproduktion auch die In-vitro-Fertilisation mit Embryotransfer (IVF mit ET) beinhalten, sind diese Maßnahmen bereits über § 13 Abs. 1 MBO erfaßt. Die Ärztekammer Berlin hat daher die entsprechende Vorschrift aus ihrer Berufsordnung gestrichen.
IV. Die Richtlinien zur Durchführung der assistierten Reproduktion Die Bundesärztekammer hat seit 1985 Richtlinien zur Durchführung der ärztlich assistierten Reproduktion erlassen und mehrfach fortgeschrieben. Die Richtlinien enthalten neben fachlichen Standards auch statusrechtliche25 und elterliche Voraussetzungen für die Zulassung zu einzelnen reproduktionsmedizinischen Techniken. Für die im vorliegenden Zusammenhang interessierende Frage nach dem Zugang von gleichgeschlechtlichen Paaren ist neben der derzeit aktuellen „(Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion“26 von 2006 auch auf die beiden Vorgängerinnen einzugehen, die 1985 erarbeiteten „Richtlinien zur Durchführung des intratubaren Gametentransfers, der In-vitro-Fertilisation mit 22
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Im wesentlichen enthalten die einzelnen Berufsordnungen eine Kap. D. IV. Nr. 15 MBO entsprechende Vorschrift. Kap. D. IV. Nr. 15 Abs. 1 S. 1 bad.-württ. BO nennt zusätzlich die Endokrinologie der Reproduktion und das Follikelmonitoring; Kap. D. IV. Nr. 15 Abs. 1 hess. BO schließt die intrauterine Insemination mit ein. Kap. D. IV. Nr. 15 Abs. 1 S. 1 sächs. BO verweist auf die Geschäftsordnung der Kommission „Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung“ der sächs. LÄK v. 6.7.2006 einschließlich der Anlage 2 („Richtlinie zur Durchführung der künstlichen Befruchtung“). Allerdings weicht in einigen Berufsordnungen die Zählung ab. Es entsprechen Kap. D. IV. Nr. 15 MBO: Kap. D. IV. Nr. 14 brand. BO; Kap. D. II. Nr. 4 Abs. 1 und 3 hamb. BO; Kap. D. II. Nr. 4 BO der ÄK Nordrhein; Kap. D. III. Nr. 2 saarl. BO; Kap. D. III. Nr. 9 thüring. BO. Vgl. auch Ratzel, in: Ratzel/Lippert, Kommentar zur MBO, D 15, Rdnr. 1. § 1 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 6 ESchG sowie § 10 ESchG. Vgl. Teil IV § 10 IV.1., S. 242 ff. sowie Teil IV § 10 III.5., S. 241. Der Status betrifft die familienrechtlichen Verhältnisse der individuell beteiligten Personen zueinander. Die darin zum Ausdruck kommende Zuordnung der Subjekte stellt einen Aspekt des Gesamtrechtsverhältnisses dar. Am Beispiel der Ehe umfaßt das so verstandene Rechtsverhältnis im weiten Sinne die Regelung der gesamten Rechtsfolgen einer gelebten Ehe, der Status hingegen beschränkt sich auf das Verheiratetsein als solches, Windel, StAZ 2006, 125 (129). Daher stellt auch die eingetragene Lebenspartnerschaft eine Statusbeziehung dar, Kaiser, StAZ 2006, 65 (73). Vorstand der BÄK, DÄBl-A 2006, 1392 ff. Im Gegensatz zu ihren Vorgängerinnen wird der Begriff „Richtlinie“ erstmals im Singular verwendet.
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Embryotransfer und anderer verwandter Methoden“ in der Fassung von 199627 und die „Richtlinien zur Durchführung der assistierten Reproduktion“ von 1998.28 Die Richtlinien sind seit dem Beschluß des 88. Deutschen Ärztetages 1985 jeweils Bestandteil der (Muster-)Berufsordnung. Nach entsprechender Implementierung in den Berufsordnungen der Landesärztekammern enthalten sie den Arzt verpflichtende Regeln (vgl. § 13 Abs. 1 MBO), die im Falle ihrer Nichtbefolgung berufsgerichtlich sanktioniert werden können. 1. Die Richtlinien von 1985 Die Richtlinien der Bundesärztekammer zur Durchführung des intratubaren Gametentransfers, der In-vitro-Fertilisation mit Embryotransfer und anderer verwandter Methoden von 1985 sahen die von ihr erfaßten Methoden als Therapien einzelner Formen menschlicher Sterilität an, die medizinisch und ethisch vertretbar sind, wenn bestimmte Zulassungsbedingungen eingehalten werden.29 Darunter wurden einerseits die bis zum Inkrafttreten des ESchG nicht geregelten Verbote der Eizellspende und der Herbeiführung von Ersatzmutterschaften verstanden. Andererseits zählte die BÄK dazu neben medizinischen auch elterliche und statusrechtliche Voraussetzungen. Die Methoden blieben grundsätzlich auf Ehepaare beschränkt, und es durfte prinzipiell nur Samen des Ehemannes verwendet werden (homologes System). Ausnahmen waren alleine nach vorheriger Anrufung der bei den Ärztekammern eingerichteten Kommissionen zulässig.30 Auch in verschiedenen weiteren Zusammenhängen ist in den Richtlinien jeweils ausschließlich von Ehepaaren als Destinatären reproduktionsmedizinischer Maßnahmen die Rede.31 Mit diesen Ausführungen zu den elterlichen und statusrechtlichen Voraussetzungen ließ es die Richtlinie bewenden. Dem angefügten Kommentar ist als Begründung für diese Restriktion bloß zu entnehmen, daß die Durchführung reproduktionsmedizinischer Maßnahmen dem Arzt eine besondere Verantwortung gegenüber dem zu zeugenden Kind auferlege. Neben dem Kinderwunsch der Patientin habe er in zumindest ebenso starker Gewichtung das künftige Wohlergehen des erhofften Kindes zu berücksichtigen. Die für das Kind entstehenden Nachteile könnten sozialer und rechtlicher Art sein.32
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Für die Belange der folenden Untersuchung können die Richtlinien von 1985 in der Fassung von 1996 zugrundegelegt werden, die in BÄK, DÄBl-A 1996, 415 ff. und bei Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts 2(1999), S. 1011 ff. wiedergegeben sind. BÄK, DÄBl-A 1998, 3166 ff. Die Richtlinien von 1998 finden sich auch bei Laufs/ Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, S. 1106 ff. BÄK, DÄBl-A 1996, 415, sub 2. Umstritten war, ob die Richtlinien von 1985 i.d.F. von 1996 auch die bloße Insemination erfassen, dafür Kamps, MedR 1994, 339 (343), dagegen Ratzel/Ulsenheimer, Reproduktionsmedizin 15 (1999), 428 (429 f.); Ratzel, in: Ratzel/Lippert, Kommentar zur MBO, D 15, Rdnr. 8 m. Fn. 15; ders., Reproduktionsmedizin 18 (2002), 199 (202), die auf den Unterschied zwischen „normaler Insemination und intratubarem Gametentransfer“ abstellen. BÄK, DÄBl-A 1996, 415, sub 3.2.3: Elterliche Voraussetzungen (sub 3.2: Medizinische und soziale Voraussetzungen). BÄK, DÄBl-A 1996, 415, sub 3.3 (Ehepartner), (416), sub 3.4 und 3.5.3. BÄK, DÄBl-A 1996, 415 (417), zu 3.2.3.
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Nähere Aufschlüsse ergeben sich aus dem der Richtlinie beigefügten Anhang. Darin heißt es, die grundsätzliche Bindung bestimmter Maßnahmen assistierter Reproduktion an eine bestehende Ehe finde ihre Rechtfertigung in dem verfassungsrechtlich verankerten besonderen Schutz von Ehe und Familie und den sozialen Nachteilen, denen trotz weitgehender rechtlicher Gleichstellung das nichteheliche Kind nach wie vor ausgesetzt sei. Das Selbstbestimmungsrecht und der Kinderwunsch einer alleinstehenden Frau oder zweier nicht in Ehe zusammenlebender Partner könne nichts daran ändern, daß nur die Ehe eine rechtlich gesicherte Lebensgemeinschaft begründe, bei der zumindest die Vermutung besteht, daß sie auf Dauer angelegt ist. Einem verschiedengeschlechtlichen Paar sei zuzumuten, eine eheliche Lebensgemeinschaft einzugehen und dadurch die Ernsthaftigkeit der beabsichtigten Familiengründung rechtlich gesichert zu dokumentieren. Ausnahmen von diesem Grundsatz könnten nur in begründeten Einzelfällen nach Überprüfung durch die hierfür eingerichtete Kommission anerkannt werden.33 Dieser grundsätzlich sehr restriktiven Beschränkung auf Ehepaare pflichtete das medizinrechtliche Schrifttum bei. Die Entscheidung der Eltern, eine Lebensgemeinschaft ohne die im Gesetz vorgeschriebene Form der Ehe zu bilden, bewirke, daß diese Gemeinschaft ohne die Mitwirkung des Staates wieder aufgelöst werden könne und ein nichtehelich geborenes Kind in diese rechtliche Folgenlosigkeit einbezogen sei. Für das Kind gebe es keine Härteklausel, mit der in seinem Interesse die Lebensgemeinschaft für eine gewisse Dauer aufrechterhalten werden könne, wie etwa die Zeit, die einer Scheidung vorauszugehen hat. Das nichteheliche Kind müsse grundsätzlich mit der jederzeit form- und folgenlos möglichen einseitigen Beendigung der Verbindung seiner Eltern leben. Daher sei es sachgerecht, eine bestehende Ehe vorauszusetzen, weil dadurch der Wille zur dauerhaften Lebensgemeinschaft dokumentiert werde.34 Die Beschränkung auf Ehepaare schloß auch gleichgeschlechtliche Paare von Maßnahmen assistierter Reproduktion aus. Da es während des Geltungszeitraumes der Richtlinien zwischen 1985 und 1998 keine Möglichkeit einer rechtlichen Formalisierung gab,35 galt – auch wenn dies in der Richtlinie nicht explizit ausgesprochen wurde – für den Ausschluß gleichgeschlechtlicher Partnerschaften die gleiche Argumentation wie gegenüber nichtehelichen verschiedengeschlechtlichen Paaren. 2. Die Richtlinien von 1998 Die Richtlinien zur Durchführung der assistierten Reproduktion von 1998 befassen sich mit dem intratubaren Gametentransfer, dem intratubaren Zygotentransfer, dem intratubaren Embryotransfer, der IVF mit ET, der ICSI und verwandten Methoden. Nicht zum Inhalt haben die Richtlinien aber expressis verbis die intrauterine Insemination und die hormonelle Stimulation als alleinige Maßnahmen der
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BÄK, DÄBl-A 1996, 415 (417 f.), Anhang: „I. Vermeidung sozialer und rechtlicher Nachteile für ein durch IVF gezeugtes Kind“. Hess, MedR 1986, 240 (244). Vgl. dazu Teil I § 6 III., S. 96 ff.
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Behandlung.36 Mit der Neufassung reagierte die Bundesärztekammer nach eigener Auskunft auf die ICSI, auf die Entwicklung eines prospektiven Registers zur Qualitätssicherung und die Verabschiedung des Kindschaftsrechtsreformgesetzes.37 Zugleich vollzog sie jedoch hinsichtlich der elterlichen und statusrechtlichen Voraussetzungen eine inhaltliche Neubestimmung, die sich nicht aus den für die Novellierung angeführten Gründen erklären läßt. Im Grundsatz wird zwar weiterhin am homologen System bei Ehepaaren festgehalten. Allerdings dürfen reproduktionsmedizinische Maßnahmen nunmehr auch bei nicht verheirateten Paaren in stabiler Partnerschaft unter weniger rigiden Kautelen, nämlich nach vorheriger Beratung durch die bei der Ärztekammer eingerichtete Kommission, durchgeführt werden.38 Soll fremdes Sperma verwendet werden, so ist jeweils das zustimmende Votum der bei der Ärztekammer eingerichteten Kommission erforderlich. Die Anwendung der genannten Methoden in gleichgeschlechtlichen Beziehungen wird explizit für unzulässig erklärt.39 Daneben wiederholt die Richtlinie die bereits im ESchG enthaltenen Verbote der Eizellspende und der Herbeiführung von Ersatzmutterschaften.40 Deklaratorischen Charakter hat ferner der Hinweis, daß die Nichtbeachtung der Voraussetzungen, zu denen auch die Beschränkung auf verschiedengeschlechtliche Paare zählt, berufsrechtlich Sanktionen nach sich ziehen kann,41 da sich dies bereits aus § 13 Abs. 1 MBO ergibt. Im Kommentar wird der Ausschluß gleichgeschlechtlicher Paare von Maßnahmen assistierter Reproduktion nicht begründet.42 Lediglich im Anhang zur Richtlinie heißt es, daß es sich im Hinblick auf das Kindeswohl verbiete, gleichgeschlechtlichen Paaren einen Kinderwunsch zu erfüllen.43 Da die eingetragene Lebenspartnerschaft ein aliud zur Ehe darstellt, sind auch gleichgeschlechtliche Paare ausgeschlossen, die ihre Beziehung rechtlich formalisiert haben.44 3. Die Richtlinie von 2006 Am 26. Februar 2006 beschloß der Vorstand der BÄK auf Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirats die (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten
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BÄK, DÄBl-A 1998, 3166 (3166 f.), sub „Was ist assistierte Reproduktion“. Dies war bei der vorangegangenen Richtlinie umstritten, vgl. Fn. 29. BÄK, DÄBl-A 1998, 3166, Vorwort. BÄK, DÄBl-A 1998, 3166 (3168), sub 3.2.3. Zuvor war noch eine Überprüfung durch die Kommission notwendig, BÄK, DÄBl-A 1996, 415 (418). BÄK, DÄBl-A 1998, 3166 (3168), sub 3.2.3: Elterliche Voraussetzungen. Vgl. dazu auch die Kleine Anfrage der Abgeordneten Christina Schenk und der Fraktion der PDS sowie die Antwort der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/1305 v. 29.6.1999. Neben gleichgeschlechtlichen Paaren sind auch alleinstehende Frauen ausgeschlossen. BÄK, DÄBl-A 1998, 3166 (3167 f.). BÄK, DÄBl-A 1998, 3166 (3169), sub 4.5, „Berufsrechtliche Folgen“. BÄK, DÄBl-A 1998, 3166 (3169), zu 3.2.3. BÄK, DÄBl-A 1998, 3166 (3170), Kreisziffer 3, a.E. Vgl. BVerfGE 105, 313 (350 f.) sowie Teil II § 7 II.6.b)(1), S. 129. Im Zusammenhang mit der (Muster-)Richtlinie von 2006 wie hier auch Rütz, Heterologe Insemination – Die rechtliche Stellung des Samenspenders, S. 93 f.
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Reproduktion.45 Sie ist das derzeit aktuellste Musterregelwerk. Die Novellierung erfolgte aus Gründen der Modifizierung und Ausweitung reproduktionsmedizinischer Verfahren, zu denen etwa die Polkörperdiagnostik und die morphologische Beurteilung früher pränidativer Embryonen im Kontext des Single-EmbryoTransfers und der Vermeidung von Mehrlingsschwangerschaften gezählt werden.46 Die Richtlinie regelt die intrazervikale, intrauterine und die intratubare Insemination sowie die GIFT, die IVF mit ET und die ICSI. Die alleinige Insemination ohne hormonelle Stimulation und die alleinige hormonelle Stimulation ohne Insemination sind wie bei der Vorgängerrichtlinie nicht vom Regelungsanspruch erfaßt.47 Zu den allgemeinen Zulassungsbedingungen zählen weiterhin bestimmte elterliche und statusrechtliche Voraussetzungen.48 Danach sollen Methoden der assistierten Reproduktion grundsätzlich nur bei Ehepaaren und im homologen System angewandt werden. Die Verfahren können auch bei einer nichtverheirateten Frau zum Einsatz kommen, wenn der behandelnde Arzt zu der Einschätzung gelangt, daß sie mit einem nicht verheirateten Mann in einer festgefügten Partnerschaft zusammenlebt und dieser Mann die Vaterschaft an dem so gezeugten Kind anerkennen wird. In dieser Konstellation sollen die Maßnahmen ebenfalls grundsätzlich im homologen System vorgenommen werden. Eine Befruchtung im heterologen System darf bei verheirateten und unverheirateten verschiedengeschlechtlichen Partnern unter bestimmten weiteren Voraussetzungen durchgeführt werden.49 Im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin schließt die (Muster-)Richtlinie von 2006 in ihrem Regelungsteil nicht mehr ausdrücklich gleichgeschlechtliche Paare aus.50 Aus der Nichtnennung könnte bei unbefangener Betrachtung zunächst auf die Zulassung gleichgeschlechtlicher Paare zu Maßnahmen assistierter Reproduktion geschlossen werden. Dafür spricht, daß die Richtlinie zwar von einer grundsätzlichen Anwendung bei Ehepaaren spricht, aber aus ihr nicht hervorgeht, daß nicht verheiratete verschiedengeschlechtliche Paare als abschließende Ausnahmekonstellationen gelten sollen. Daher ist für eine Auslegung Raum, bei der ausnahms45
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Vorstand der BÄK, (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion v. 17.2.2006, DÄBl-A 2006, 1392 ff. Es ist begrüßenswert, daß nunmehr die Bezeichnung „(Muster-)Richtlinie“ verwendet wird, weil mangels Rechtssetzungskompetenz der BÄK einer von ihr vorgelegten Richtlinie keine Rechtsverbindlichkeit zukommen kann. Zu dieser Forderung bereits Taupitz, NJW 2003, 1145 (1147). Zu diesen umstrittenen und momentan nicht praktizierten Verfahren vgl. hier nur Neidert, MedR 2007, 279 ff.; ders., ZRP 2006, 85 ff.; Mertin, ZRP 2006, 59 f. Darauf wird im Richtlinientext gleich mehrfach hingewiesen, vgl. Vorstand der BÄK, DÄBl-A 2006, 1392 (1393), sub 1., (1394), sub 2.1., (1395), sub 3. In diesem Kontext wird eigens hervorgehoben, daß die von der Richtlinie angesprochenen Techniken besondere medizinische Verfahren i.S.d. § 13 MBO darstellen, bei deren Anwendung der Arzt das ESchG und die (Muster-)Richtlinie zu beachten habe, Vorstand der BÄK, DÄBl-A 2006, 1392 (1395), sub 3. Dazu zählen medizinische Aspekte, eine psychosoziale Beratung, eine Unterrichtung über die Rechtsfolgen, die Dokumentation der Identität des Samenspenders etc. Nicht erforderlich ist eine Beratung oder ein vorgeschaltetes Votum einer Kommission, vgl. Vorstand der BÄK, DÄBl-A 2006, 1392 (1397 f.), sub 5.3. Vorstand der BÄK, DÄBl-A 2006, 1392 (1395), sub 3.1.1.
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weise auch gleichgeschlechtliche Paare zugelassen werden könnten. Diesem Verständnis tritt aber der Kommentarteil entgegen, der sich als Interpretationshilfe für die (Muster-)Richtlinie ausgibt, ohne an ihrem verbindlichen Charakter teilzuhaben.51 Dem Kommentar zufolge soll verhindert werden, daß das Kind ohne sozialen und rechtlichen Vater aufwächst. Dies sei bei nicht miteinander verheirateten Paaren nur dann verbürgt, wenn die künftige Mutter und der künftige genetische Vater beiderseits nicht mit einer dritten Person verheiratet seien, in einer festgefügten Partnerschaft miteinander zusammenlebten und der künftige genetische Vater seine Vaterschaft frühestmöglich anerkenne und damit auch zum Vater des Kindes im Rechtssinne werde. Eine heterologe Insemination werde – auch im Hinblick auf die mit dieser Methode verbundenen rechtlichen Konsequenzen und Unwägbarkeiten – an zusätzliche enge Voraussetzungen geknüpft. Bei nicht miteinander verheirateten Paaren werde einer heterologen Insemination mit besonderer Zurückhaltung zu begegnen sein, die sich aus dem Ziel erkläre, dem so gezeugten Kind eine stabile Beziehung zu beiden Elternteilen zu sichern. Aus diesem Grund sei eine heterologe Insemination zur Zeit bei Frauen ausgeschlossen, die in keiner Partnerschaft oder in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben.52 Mithin bleiben gleichgeschlechtliche, insbesondere lesbische Paare durch die (Muster-)Richtlinie von 2006 weiterhin von Maßnahmen assistierter Reproduktion ausgeschlossen. 4. Kritik Die (Muster-)Richtlinien der Bundesärztekammer sind in ihren Fortschreibungen inhaltlich inkonsistent und vernachlässigen die mittlerweile existierenden rechtlichen Gegebenheiten bei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. a) Stabilitätskriterium Selbst wenn man der Argumentation der BÄK folgt und das Kindeswohl als ein zulassungsrelevantes Kriterium ansieht,53 vermag die seit 1998 eingeleitete Öffnung zum quasi-homologen System bei verschiedengeschlechtlichen Partnerschaften nicht zu überzeugen. Denn es ist zweifelhaft, ob die Stabilität einer Partnerschaft mit Blick auf das von der Richtlinie verfolgte Ziel, das Kindeswohl zu wahren, ein ausreichendes Kriterium bildet. Die Schwierigkeiten beginnen bereits mit der prognostischen Einschätzung der Dauerhaftigkeit, mit der Ärzte und Kommissionen regelmäßig überfordert sein dürften.54 Jede nicht formalisierte 51
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So Vorstand der BÄK, DÄBl-A 2006, 1392 (1398), Kommentar. Vgl. auch Ratzel, in: Ratzel/Lippert, Kommentar zur MBO, D 15, Rdnr. 3; ders., Reproduktionsmedizin 18 (2002), 199 (201). Vorstand der BÄK, DÄBl-A 2006, 1392 (1400), zu 3.1.1. Es wurde bereits im Rahmen der Ausführungen zum ESchG gezeigt, daß es nicht dem Wohl eines Kindes dienen kann, nicht gezeugt zu werden, vgl. Teil IV § 10 IV.3.a), S. 250 f.; Teil IV § 10 V.3.b), S. 271 ff. Vgl. Günther, in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, B V, Rdnr. 11; Ratzel/ Ulsenheimer, Reproduktionsmedizin 15 (1999), 428 (429); Ratzel, in: Ratzel/Lippert, Kommentar zur MBO, D 15, Rdnr. 10: Die Kriterien für den Ausnahmefall seien unscharf und stellten den Arzt vor eine schwierige, wenn nicht gar unmögliche prognosti-
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Partnerschaft, die stabil erscheinen mag, kann innerhalb kürzester Zeit form- und folgenlos aufgelöst werden. Geht man davon aus, daß die Stabilität der Beziehung zwischen den Partnern auch für die Stabilität der Beziehungen der Eltern zum Kind bedeutsam ist,55 so überzeugt der Verzicht auf eine rechtliche Formalisierung und die Neuausrichtung auf das vage Kriterium der Stabilität nicht. Dem so verstandenen und von den Richtlinien von 1998 und 2006 in den Vordergrund gerückten Kindeswohl dürfte damit nicht gedient sein. Nach dem im Zuge der Neukonzeption eingeleiteten Verzicht auf den Aspekt der rechtlichen Absicherung ist es zudem irrelevant, daß gleichgeschlechtliche Paare mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft ihrer Beziehung ein der Ehe vergleichbares rechtliches Fundament geben können,56 das – wie von der Richtlinie von 1985 noch für richtig gehalten – es ermöglicht, auch im Interesse des Kindes die Lebensgemeinschaft für eine gewisse Zeit aufrechtzuerhalten. Angesichts des Umstandes, daß sich die rechtliche Absicherung gleichgeschlechtlicher Paare in einer der Ehe funktionsäquivalenten Form mit dem Wahlkampf und dem Regierungswechsel von 1998 abzeichnete und in der Koalitionsvereinbarung vom 20. Oktober 1998 schließlich konkret umrissenen wurde,57 hätte erwartet werden können, daß die BÄK in ihrer am 4. Dezember 1998 publizierten Richtlinie mit Blick auf den Ausschluß gleichgeschlechtlicher Paare zu einem solchen familienrechtlichen Institut Position bezieht, auch wenn dessen Ausgestaltung im einzelnen noch nicht feststand. In noch stärkerem Maße gilt dies für die Richtlinie von 2006, zumal sich die eingetragene Lebenspartnerschaft nach der zwischenzeitlichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Rechtsordnung fest etabliert hat und die Novellierung vom 1. Januar 2005 nicht nur zahlreiche Zweifelsfälle beseitigte, sondern auch die Möglichkeit der Stiefkindadoption durch den zweiten Lebenspartner einführte.58 Mit ihrer 1998 eingeleiteten inhaltlichen Neuausrichtung vermeidet die BÄK aber gerade eine Auseinandersetzung. Statt dessen begnügt sie sich mit der pauschalen Behauptung, es widerspreche dem Kindeswohl, in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft aufzuwachsen und bleibt dafür jede Begründung schuldig. Hält man dieses Kriterium überhaupt für relevant, so widerspricht dieser Standpunkt entwicklungspsychologischen Studien und Überblicksarbeiten, denen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, daß diese Behauptung zutrifft.59 b) Etablierung einer Eltern-Kind-Zuordnung Die Richtlinie von 2006 akzentuiert zwar stärker das rechtliche Band zwischen den Eltern und dem Wunschkind. Aber auch insoweit vermag der pauschale Ausschluß gleichgeschlechtlicher Paare nicht zu überzeugen. Es fehlt hier jeder Hin-
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sche Aufgabe. Kritisch auch Coester-Waltjen, Reproduktionsmedizin 18 (2002), 183 (190); Helms/Wanitzek, FamRZ 2007, 685 (689, Fn. 57). Dafür auch Ratzel, in: Ratzel/Lippert, Kommentar zur MBO, D 15, Rdnr. 10. Vgl. auch Holzhauer, JZ 2000, 1076 (1081), (1083); Note, 102 Harv.L.Rev. (1988/1989), 1508 (1657). Vgl. die Bewertung in Teil II § 7 IV., S. 172 ff. Vgl. Teil II § 7 II.1., S. 115. Vgl. zur Entscheidung des BVerfG und zur Novellierung Teil II § 7 II.6., S. 125 ff. und Teil II § 7 III., S. 131 ff. Dazu ausführlich Teil I § 5, S. 62 ff.
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weis auf die seit 1. Januar 2005 mögliche Stiefkindadoption bei eingetragenen Lebenspartnern, mit der die Herstellung einer rechtlichen Eltern-Kind-Beziehung auch zu der nicht gebärenden Lebenspartnerin ermöglicht wird. Die Stiefkindadoption wird zwar in der Regel erst einige Zeit nach der Geburt des Kindes ausgesprochen werden, während die Vaterschaft bei nichtverheirateten verschiedengeschlechtlichen Paaren bereits vor der Geburt anerkannt (§ 1594 Abs. 4 BGB) und mit der Geburt wirksam werden kann. Allerdings ist die Zulässigkeit der von der Richtlinie intendierten präkonzeptionellen Vaterschaftsanerkennung, d.h. die Anerkennung der Vaterschaft noch vor der Zeugung, im rechtswissenschaftlichen Schrifttum umstritten und bisher nicht richterlich geklärt. Die Gegner argumentieren, eine Vaterschaftsanerkennung vor der Durchführung der Insemination stehe unter der aufschiebenden Bedingung, daß es zur Empfängnis komme. Da die Anerkennung aber bedingungsfeindlich sei, könne die präkonzeptionelle Vaterschaftsanerkennung nicht wirksam sein (§ 1597 Abs. 3 BGB).60 Die Befürworter halten eine teleologische Reduktion der Vorschrift mit Blick auf den Sonderfall der Zustimmung zur heterologen Befruchtung für geboten. Sie sind im wesentlichen der Auffassung, daß zwischen einer Anerkennung vor der Zeugung einerseits und einer Anerkennung nach der Zeugung aber vor der Geburt andererseits keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestünden, die eine Verschiedenbehandlung rechtfertigten.61 Umstritten ist ferner, ob es unter der Prämisse der Unvereinbarkeit eines präkonzeptionellen Vaterschaftsanerkenntnisses mit § 1597 Abs. 3 BGB möglich ist, sich vor der Durchführung reproduktionsmedizinischer Maßnahmen rechtsgeschäftlich zur Anerkennung nach der Empfängnis zu verpflichten.62 Mithin ist völlig ungewiß, ob bei einem unverheirateten verschiedengeschlechtlichen Paar ein mit der Einwilligung in die heterologe Insemination erteiltes Anerkenntnis rechtliche Wirkungen entfaltet. Verneint man dies, so läuft das Ziel, dem Kind einen rechtlichen Vater zu sichern, ins Leere. Angesichts der Nichtberücksichtigung der rechtlichen Wirkungen der eingetragenen Lebenspart60
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Kirchmeier, FamRZ 1998, 1281 (1286); Coester-Waltjen, Reproduktionsmedizin 18 (2002), 183 (190); Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 53, Rdnr. 7; Lüderitz, Familienrecht, Rdnr. 637; Wanitzek, Rechtliche Elternschaft bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung, S. 55 f., 333; Eckersberger, MittBayNot 2002, 261 (262); Staudinger/Rauscher, Stand: Juli 2004, § 1592, Rdnr. 56 a.E.; Wehrstedt, RNotZ 2005, 109 (113). Vgl. dazu auch Helms/Wanitzek, FamRZ 2007, 685 (689). Spickhoff, AcP 197 (1997), 398 (424 ff.); ders., in: Festschr. f. Schwab, S. 923 (942) m.w.N.; MünchKomm/Wellenhofer-Klein, § 1594, Rdnr. 41: es sei sinnvoll, die Zustimmung zur Insemination und die Anerkennung der Vaterschaft uno actu zu erklären; Roth, DNotZ 2003, 805 (808); Erman/Holzhauer, Bürgerliches Gesetzbuch, § 1594, Rdnr. 8: müsse sich auf konkret bevorstehende Zeugung beziehen; Taupitz/Schlüter, AcP 205 (2005), 591 (595); Hager, in: Festschr. f. Schwab, S. 773 (780); Rütz, Heterologe Insemination – Die rechtliche Stellung des Samenspenders, S. 108; vgl. auch die DIJuF-Rechtsgutachten, JAmt 2005, 451 und JAmt 2007, 419. Für die Wirksamkeit einer solchen Verpflichtung: Taupitz/Schlüter, AcP 205 (2005), 591 (595); Wehrstedt, RNotZ 2005, 109 (113), dagegen: Eckersberger, MittBayNot 2002, 261 (262). Zweifelnd auch Kirchmeier, FamRZ 1998, 1281 (1286): keine Möglichkeit, den Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zur Abgabe einer Vaterschaftsanerkennung zu zwingen.
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nerschaft und des Abstellens auf die rechtlich nicht geklärte Zulässigkeit der präkonzeptionellen Vaterschaftsanerkennung verliert der Ausschluß gleichgeschlechtlicher Paare an Überzeugungskraft. Sollte die Richtlinie von 2006 so zu verstehen sein, daß lesbische Paare deshalb ausgeschlossen sind, weil die Befruchtung im heterologen System erfolgen muß und dem Kind dadurch der Samenspender als Bezugsperson vorenthalten werde, so verfängt dies ebenfalls nicht, weil auch bei verschiedengeschlechtlichen Paaren in Kauf genommen wird, daß der Samenspender im sozialen Gefüge der Beziehung zwischen den Wunscheltern und dem Kind keine Berücksichtigung findet. Daneben belegen entwicklungspsychologische Studien, daß Kinder keinen Schaden nehmen, wenn sie bei lesbischen Paaren ohne männliche elterliche Bezugsperson aufwachsen.63 c) Regelungstechnik Die (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion von 2006 ist auch in regelungstechnischer Hinsicht zu kritisieren. Im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin bekennt sie sich nicht mehr explizit zum Ausschluß gleichgeschlechtlicher Paare. Offensichtlich hat hier der BÄK vor dem Hintergrund sich wandelnder gesellschaftlicher Anschauungen der Mut gefehlt, einen eindeutig erkennbaren Standpunkt zu beziehen. Wird die (Muster-)Richtlinie in der dafür vorgesehenen Weise in Satzungsrecht der einzelnen Ärztekammern transformiert und dadurch Bestandteil der Berufsordnungen, so ergibt sich – vor allem im Hinblick auf den vorherigen expliziten Ausschluß – aus dem rechtlich allein verbindlichen Richtlinientext nicht ohne weiteres, was für gleichgeschlechtliche Paare gelten soll. Es handelt sich nicht nur um unnötig komplizierten Rechtssetzungsstil, wenn eine Norm im Falle einer eindeutig regelbaren Frage nur nach dem Studium der Materialien zweifelsfrei verständlich ist. Hinzu kommt noch, daß außer der sächsischen keine Ärztekammer, die die (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion von 2006 umgesetzt hat, den Kommentar als Auslegungshilfe ihren in die Berufsordnungen inkorporierten Richtlinien beigegeben hat.64 Zur Klärung muß der Adressat auf den rechtlich unverbindlichen Kommentar des Vorstandes der BÄK zur (Muster-)Richtlinie zurückgreifen, also auf die Ausführungen eines Organs, dem überhaupt keine Rechtssetzungsbefugnis und damit auch keine Normkonkretisierungsbefugnis zukommt.65 Der nur mit diesem Aufwand feststellbare Ausschluß gleichgeschlechtlicher Paare begegnet auch verfassungsrechtlichen Bedenken. Die in ärztliches Standesrecht transformierten Richtlinien legen nämlich die Berufspflichten der Ärzte fest, welche im Falle ihrer Nichtbefolgung durch ein Berufsgericht mit teilweise erheblichen Sanktionen 63 64
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Vgl. Teil I § 5 IV., S. 65 ff. In Hessen und Niedersachsen haben die Landesärztekammern auf ihren Homepages dem Kommentar der BÄK entsprechende Erläuterungen eingestellt. In Hessen findet sich im Anschluß an die Wiedergabe der „Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion“ ein Hinweis auf diese Erläuterungen, vgl. hess. ÄBl. 2007, 330. Bei Gesetzen kann zur Auslegung auf die Drucksachen des Bundestages oder der Landtage zurückgegriffen werden. Diese Publikationen stammen von den Organen, die mit der Gesetzgebung betraut sind. Was die Drucksachen des Bundesrates angeht, so ist dessen Beteiligung am Gesetzgebungsprozeß grundgesetzlich determiniert.
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belegt werden können.66 Da die auf eine berufsunwürdige Handlung gestützten Sanktionen in vergleichbarer Weise wie ein Strafgesetz in die Freiheitsrechte des Arztes eingreifen können, müssen die sie bedingenden Pflichten in Ansehung des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebotes (Art. 103 Abs. 2 GG) derart konkretisiert sein, daß die Ärzte ohne weiteres ihr Verhalten daran ausrichten können.67 Davon kann im Hinblick auf die elterlichen Voraussetzungen bei der (Muster-) Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion von 2006 nicht die Rede sein. d) Medizinische Aspekte Schließlich ergeben sich auch aus medizinischer Sicht Bedenken. Es vermag nämlich nicht einzuleuchten, weshalb ein Arzt ohne Verletzung seiner Berufspflichten bei einer Frau, die in einer lesbischen Partnerschaft lebt, eine nicht von den Verboten der Richtlinien von 1998 und 2006 erfaßte Insemination ohne hormonelle Stimulation vornehmen darf, es ihm aber unter sonst gleichen Voraussetzungen verwehrt ist, eine hormonell stimulierte Befruchtung durchzuführen. Die mit einer hormonellen Stimulation verbundenen körperlichen Belastungen für die Frau sowie das dadurch erhöhte Risiko von Mehrlingsschwangerschaften auf der einen Seite und die mit ihrer Hilfe gesteigerten Erfolgsaussichten für eine Schwangerschaft auf der anderen Seite stehen in keinerlei sachlichem Zusammenhang mit elterlichen oder statusrechtlichen Voraussetzungen. Für die Durchführung einer hormonellen Stimulation können ausschließlich medizinische Gesichtspunkte ins Gewicht fallen, nicht aber die sexuelle Orientierung oder der Personenstand der Frau, die sich einer künstlichen Befruchtung unterzieht. Die Restriktion verhindert damit lediglich eine dem Einzelfall gerecht werdende effektive Behandlung. Noch deutlicher tritt die medizinisch unsachgemäße Differenzierung hervor, wenn die intrauterine Insemination für sich genommen nicht zum Erfolg führen kann und deshalb die medizinische Indikation für eine IVF mit ET bzw. die ICSI gegeben ist. In diesen Fällen wird Frauen in einer lesbischen Partnerschaft ohne sachlichen Grund das adäquate reproduktionsmedizinische Verfahren zur Erfüllung des Kinderwunsches verwehrt. 5. Stand der Umsetzung Die Transformation der (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion von 2006 in autonomes Satzungsrecht ergab zum 1. Juni 2008 ein interregional68 uneinheitliches Bild. Die meisten Ärztekammern haben sie im Hinblick auf die im vorliegenden Kontext bedeutsame Beschränkung der Maßnahmen auf verheiratete und unverheiratete verschiedengeschlechtliche Paare in-
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Siehe dazu oben den Text zu Fn. 10. Daß sich auch das Standesrecht an Art. 103 Abs. 2 GG messen lassen muß, ist in der verfassungsgerichtlichen Rspr. anerkannt, siehe BVerfGE 26, 186 (203 f.); 60, 215 (233 f.). Zum Meinungsstand in der Kommentarliteratur vgl. die Nachweise bei Vesting, MedR 1998, 168 in Fn. 10. Vgl. oben Fn. 15.
§ 11 Das ärztliche Standesrecht
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haltsgleich in ihre Berufsordnungen inkorporiert.69 Im Saarland und in Thüringen gelten noch Richtlinien, die auf den Richtlinien der BÄK von 1998 basieren; dort wird aber entweder an einer Anpassung an die novellierte Richtlinie von 2006 gearbeitet oder ist eine solche in absehbarer Zeit zu erwarten. Da die Richtlinien der BÄK von 1998 gleichgeschlechtliche Paare aber ebenfalls ausschließen, ist die noch fehlende Umsetzung der neuesten Richtlinie im Hinblick auf die hier interessierenden Fragen unerheblich. In Bayern, Berlin und in Brandenburg sind derzeit keine berufsrechtlichen Bestimmungen in Kraft, die den bisher von der BÄK vorgelegten Musterrichtlinien entsprechen. In Bayern existieren mittlerweile70 nur noch die berufsrechtlich unbeachtlichen „Grundsätze für die Genehmigung nach § 121a SGB V zur Durchführung künstlicher Befruchtungen“, die vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz erlassen werden und keine statusrechtlichen und elterlichen Zugangsvoraussetzungen zum Gegenstand haben.71 Die auf dem Feld der Reproduktionsmedizin tätigen bayerischen Ärzte können daher in eigener Verantwortung entscheiden, ob sie lesbische Paare mit den für verschiedengeschlechtliche Paare zu Gebote stehenden Methoden behandeln möchten. Sie müssen dazu auch nicht die in Bayern eingerichtete IVF-Kommission anrufen. Die Rechtslage in Brandenburg ähnelt derjenigen in Bayern, weil auch hier lediglich Richtlinien des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie gelten, die Anforderungen nach § 121a SGB V statuieren. In Berlin werden Reproduktionsmediziner durch ein Rundschreiben der Ärztekammer72 über die „Rechtslage zur Durchführung reproduktionsmedizinischer Maßnahmen“ in Kenntnis gesetzt. Das Dokument informiert darüber, daß am 21. Mai 2005 der 3. Nachtrag zur Berufsordnung der Ärztekammer Berlin in Kraft getreten ist. Die bis dahin im Anhang enthaltenen Richtlinien zur Durchführung von Maßnahmen der assistierten Reproduktion sind nicht mehr Bestandteil der Berufsordnung.73 Dadurch entfällt das bisher in Berlin geltende Verfahren über die Einholung eines zustimmenden Votums des Arbeitsausschusses Reproduktionsmedizin vor der Durchführung einer IVF-/ICSI-Behandlung unter Verwendung von Fremdsamen. Reproduktionsmedizinern, die im Bezirk der Ärztekammer Berlin ihrer Tätigkeit nachgehen, erlaubt das Standesrecht daher ebenfalls, eigenverantwortlich darüber zu entscheiden, ob sie lesbische Paare behandeln wollen. 69
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So die Ärztekammern in Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen (ÄK Nordrhein und ÄK Westfalen-Lippe), Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt. Vgl. zur früheren Geltung der Richtlinien zur In-vitro-Fertilisation in Bayern die Nachweise bei Schröder, VersR 1990, 243 (244, Fn. 11), ferner Kamps, MedR 1994, 339 (342 f.), der von der Umsetzung durch alle Landesärztekammern spricht. Siehe auch Helms/Wanitzek, FamRZ 2007, 685 (690, Fn. 77). § 121a SGB V ist im Wortlaut oben in Fn. 17 wiedergegeben. Das Rundschreiben ist zur Zeit auf dem Stand von Januar 2006 und wurde dem Verf. von der ÄK Berlin zur Verfügung gestellt. Im Rundschreiben wird als Grund für die Herausnahme (unzutreffend) die zwischenzeitlich vorgenommene Regulierung dieses Bereichs durch verschiedene einschlägige bundes-, landes- und untergesetzliche Vorschriften angegeben, die ihrerseits nicht näher bezeichnet werden.
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Hiernach stellt sich die Rechtslage wie folgt dar. Entgegen einer gelegentlich im lebenspartnerschaftsrechtlichen und allgemeinen juristischen Schrifttum vertretenen Ansicht gestattet es das Standesrecht aller Ärztekammern einem Arzt, bei einer Frau, die in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt, die nicht hormonell stimulierte Insemination durchzuführen.74 In den Ärztekammerbezirken Bayern, Brandenburg und Berlin hat im Gegensatz zu den übrigen Bezirken die Behandlung eines lesbischen Paares auch dann keine berufsrechtlichen Konsequenzen, wenn der Arzt bei der Frau, die eine Schwangerschaft wünscht, eine hormonelle Stimulation mit anschließender Insemination durchführt. Bei dieser Personenkonstellation bleibt es dem Arzt darüber hinaus standesrechtlich unbelassen, eine Invitro-Fertilisation mit Embryotransfer vorzunehmen sowie die ICSI-Methode und alle übrigen nicht durch das ESchG verbotenen Techniken anzuwenden. Somit gilt für die Zulassung lesbischer Paare zu Maßnahmen ärztlich assistierter Reproduktion interregional in erheblicher Weise voneinander abweichendes Standesrecht. Diese Rechtszersplitterung läßt sich, soweit ersichtlich, sachlich nicht begründen und kann von daher nicht befriedigen. Angesichts dieser Divergenzen erfüllt die (Muster-)Richtlinie nur zu einem Teil das an sich wünschenswerte Ziel, eine möglichst bundeseinheitliche Regelung auf dem Gebiet der ärztlich assistierten Reproduktion herbeizuführen. Obgleich sich das in den meisten Ärztekammerbezirken geltende standesrechtliche Verbot, Frauen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften zu behandeln, nur an Ärzte richtet, wirkt es sich mittelbar und faktisch auch beschränkend auf lesbische Paare aus, die Maßnahmen nachsuchen, welche durch die Richtlinien restringiert werden. Als Folge der divergierenden Zulassungsbedingungen könnte außerdem ein Fortpflanzungstourismus in die betreffenden Ärztekammerbezirke gefördert werden, von dem aber – jedenfalls bislang – nichts bekannt geworden ist. 6. Verfassungsrechtliche Beurteilung Der Ausschluß gleichgeschlechtlicher Paare von reproduktionsmedizinischen Maßnahmen durch das ärztliche Standesrecht der meisten Ärztekammern muß auch den Prinzipien der demokratischen Legitimation und der Rechtsstaatlichkeit genügen. Diese Prinzipien markieren die verfassungsrechtlichen Grenzen berufsständischer Satzungsautonomie. Das Rechtsstaatsprinzip gebietet, die öffentliche Gewalt in allen ihren Äußerungen auch durch eine klare Kompetenzordnung und 74
Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, Rdnr. 429 und Dittberner, Lebenspartnerschaft und Kindschaftsrecht, S. 141 sowie Wanitzek, FamRZ 2003, 730 (733) gehen von einem pauschalen Ausschluß gleichgeschlechtlicher Paare von der ärztlich assistierten künstlichen Insemination aus. Diese Frage, die zu den Richtlinien von 1985 i.d.F. von 1996 noch umstritten war (vgl. oben Fn. 29), hat sich angesichts des eindeutigen Wortlauts, den die Richtlinien seit 1998 aufweisen, erledigt. Die Richtlinie von 2006 erfaßt ebenfalls nicht die Insemination ohne hormonelle Stimulation, vgl. den Text zu Fn. 47. Generalisierend auch Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, Rdnr. 191 und Wehrstedt, RNotZ 2005, 109 (116); ders., DNotZ 2005, 649 (652 m. Fn. 22). Differenzierend die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Christina Schenk und der Fraktion der PDS, BTDrucks. 14/1305 v. 29.6.1999, S. 6.
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Funktionentrennung rechtlich zu binden, so daß Machtmißbrauch verhütet und die Freiheit des Einzelnen gewahrt bleibt. Aus dem Demokratieprinzip folgt, daß jede Ordnung eines Lebensbereiches durch Sätze objektiven Rechts auf eine Willensentschließung der vom Volke bestellten Gesetzgebungsorgane muß zurückgeführt werden können.75 In einem Staatswesen, in dem das Volk die Staatsgewalt am unmittelbarsten durch das von ihm gewählte Parlament ausübt, ist vor allem dieses Parlament dazu berufen, im öffentlichen Willensbildungsprozeß unter Abwägung der verschiedenen, unter Umständen widerstreitenden Interessen über die von der Verfassung offengelassenen Fragen des Zusammenlebens zu entscheiden.76 Im Gegensatz zum Parlament sind in den Ärztekammern nicht alle gesellschaftlichen Gruppen, Schichten und Anschauungen vertreten, sondern als unmittelbar Betroffene lediglich die dem ärztlichen Stand angehörenden Staatsbürger.77 Gegenüber der Rechtssetzungsdelegation auf einen Satzungsgeber kommt dem vom Parlament beschlossenen Gesetz die unmittelbarere demokratische Legitimation zu, weil das parlamentarische Verfahren ein höheres Maß an Öffentlichkeit der Auseinandersetzung und Entscheidungssuche und damit auch größere Möglichkeiten eines Ausgleichs widerstreitender Interessen gewährleistet. Das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren ist gekennzeichnet durch die Mitwirkung mehrerer Beteiligter, insbesondere auch der Opposition und des Bundesrates, durch einen tiefgestaffelten Willensbildungsprozeß, der sich in mehrere Lesungen im Plenum, in Ausschußberatungen und sonstige Abschnitte unterteilen läßt, und vor allem durch Diskussion, durch Öffentlichkeit der Verhandlung im Bundestag (Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG) und im Bundesrat (Art. 52 Abs. 3 S. 3 GG), durch die allgemeine Zugänglichkeit der als Bundestagsdrucksachen publizierten Materialien (Gesetzentwürfe, Plenarprotokolle und Ausschußberichte) und durch die Veröffentlichung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt.78 Außerparlamentarische Institutionen weisen für gewöhnlich kein vergleichbar transparentes Verfahren der Rechtssetzung auf.79 Aus dem so skizzierten Rechtsstaats- und Demokratieprinzip folgt für berufsständische Kammern, daß die an sie delegierte Satzungsgewalt grundsätzlich nur zur Regelung der internen Angelegenheiten berechtigt.80 Im Gegensatz zu Gesetzen und Rechtsverordnungen wendet sich das autonome Recht prinzipiell nur an diejenigen Personen, die zu der mit Autonomie begabten Körperschaft gehören und ihr in besonderer Weise zugeordnet sind,81 wie bei den Ärztekammern die ihnen angehörenden Ärzte.82 Die Legitimation berufsständischer Kammern zur 75
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BVerfGE 33, 125 (158); dazu ausführlich auch Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 595 ff. m.w.N. BVerfGE 33, 125 (159). Taupitz, MedR 1998, 1 (3). Das Vorstehende nach v. Arnim, DVBl. 1987, 1241 (1243). Beispielhaft für die Offenheit und Ausgewogenheit des parlamentarischen Diskurses steht die Kleine Anfrage der Abgeordneten Christina Schenk und der Fraktion der PDS sowie die Antwort der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/1305 v. 29.6.1999, wo der Ausschluß gleichgeschlechtlicher Paare von Maßnahmen assistierter Reproduktion thematisiert wird. BVerfGE 40, 237 (249); Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 811. BVerfGE 33, 125 (157). Kleine-Cosack, Berufsständische Autonomie und Grundgesetz, S. 263. Vgl. zu deren Pflichtmitgliedschaft oben den Text zu Fn. 9.
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Vornahme von Hoheitsakten einschließlich des Erlasses autonomer Rechtssetzungsakte beruht grundsätzlich auf einem Akt des staatlichen Gesamtverbandes, und zwar dem parlamentarischen Gesetz sowie ergänzend auf der Mitwirkung der Kammermitglieder. Diese organisationsinterne Willensbildung deckt nur Maßnahmen gegenüber den Mitgliedern selbst. Sie legitimiert nicht Regelungen gegenüber Außenstehenden, welche nicht an den Kammerentscheidungen beteiligt sind.83 Denn Kammermitglieder haben die Möglichkeit, auf den Inhalt von Normen und Maßnahmen der Kammern Einfluß zu nehmen, zumal ein völliger Ausschluß von der kammerinternen Entscheidungsfindung unzulässig wäre. Diese bei den Mitgliedern gegebene prinzipielle Möglichkeit der Grundrechtsverwirklichung fehlt bei Externen. In deren Rechte wird gegebenenfalls einseitig durch die Maßnahmen der Kammern eingegriffen, ohne daß eine Rückkopplung oder Kompensation durch die Beteiligung der Adressaten an der Rechtssetzung stattfände.84 Werden die Rechte von Nichtberufsangehörigen berührt, hat der Gesetzgeber die Regelung entweder grundsätzlich selbst zu treffen oder sie zumindest detailliert vorzuzeichnen.85 Regelungen, die nicht der Körperschaft angehörende Dritte betreffen, sind damit regelmäßig der Satzungsautonomie entzogen. Erläßt die Kammer dennoch eine solche Regelung, so ist sie bereits wegen fehlender Satzungskompetenz formell verfassungswidrig, ohne daß es auf deren materielle Vereinbarkeit mit den Grundrechten der davon Betroffenen ankäme.86 Gemessen an diesen Voraussetzungen fehlt den Ärztekammern die Kompetenz zur Statuierung statusrechtlicher oder elterlicher Voraussetzungen für die Zulassung zu Maßnahmen der assistierten Reproduktion.87 Sämtliche Kammer- und Heilberufsgesetze der Länder entbehren einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage.88 Im wesentlichen ermächtigen sie den Satzungsgeber nur dazu, die Angele83
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Kleine-Cosack, Berufsständische Autonomie und Grundgesetz, S. 266 f.; Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 193, 595. Kleine-Cosack, Berufsständische Autonomie und Grundgesetz, S. 270, 268. Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 835; Schröder, VersR 1990, 243 (248); Ritgen, in: Menzel, Verfassungsrechtsprechung, S. 195 (198 f.). Schröder, VersR 1990, 243 (248). Benda, NJW 1985, 1730 (1734); Laufs, NJW 1986, 1515 (1516); ders., JZ 1986, 769 (770); ders., in: Festschr. f. Weißauer, S. 88 (91); ders., Rechtliche Grenzen der Fortpflanzungsmedizin, S. 19 f.; ders., in: Günther/Keller, Fortpflanzungsmedizin und Humangenetik, S. 89 (98); inkonsequent aber ders., in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 129, Rdnr. 38, Fn. 110: das LPartG gebiete keine Lockerung des ärztlichen Berufsrechts; Deutsch, NJW 1986, 1971 (1972); Günther, GA 1987, 433 (438); ders., ZStW 102 (1990), 269 (278); ders., in: Günther/Keller/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, B IV, Rdnr. 20; Schröder, VersR 1990, 243 (248 f.) m.w.N.; Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 840, 949; Ratzel, Reproduktionsmedizin 18 (2002), 199 (201), (203), (205); ders., in: Ratzel/Lippert, Kommentar zur MBO, D 15, Rdnr. 4, 10 f., 22; May, Rechtliche Grenzen der Fortpflanzungsmedizin, S. 116 f. Vgl. auch Starck, Grundgesetz und ärztliche Berufsordnungen, S. 26 ff.; ders., NJW 1972, 1489 (1491 f.); ders., Gutachten A für den 56. DJT, A 50; Hirsch, MedR 1986, 237 (238). Angedeutet bei H.-L. Schreiber, in: Schreiber/Rosenau/Ishizuka/Kim, Recht und Ethik im Zeitalter der Gentechnik, S. 111 (114). Vgl. oben Fn. 7. S.a. Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 844 f., 949.
§ 11 Das ärztliche Standesrecht
309
genheiten der Verbandsangehörigen zu regeln.89 Vor diesem Hintergrund mangelt es dem Ausschluß gleichgeschlechtlicher Paare durch die in Standesrecht umgesetzten Richtlinien zur Durchführung der assistierten Reproduktion an demokratischer und rechtsstaatlicher Legitimation. Die Richtlinien sind insoweit bereits formell verfassungswidrig. Auf die materiell-rechtliche Vereinbarkeit des Ausschlusses mit den Grundrechten der Reproduktionsmediziner und der diese Maßnahmen nachsuchenden gleichgeschlechtlichen Paare kommt es nicht an. Als verfassungswidriges Satzungsrecht sind die Bestimmungen zu den elterlichen bzw. statusrechtlichen Voraussetzungen nichtig.90 Obwohl nichtiges Satzungsrecht gegenüber Ärzten keine Verbindlichkeit beanspruchen kann, dürfte sich der Ausschluß gleichgeschlechtlicher Paare faktisch dahin auswirken, daß Reproduktionsmediziner das Verbot einhalten, sei es, weil ihnen die Nichtigkeit unbekannt ist oder weil sie sich trotz Kenntnis der Rechtslage von dem mit der Regelung verbundenen Imperativ beeindrucken lassen. Daneben dürfte auch eine Rolle spielen, daß sich Ärzte keinem von der Ärztekammer eingeleiteten91 berufsgerichtlichen Verfahren aussetzen wollen. Allerdings wäre im Rahmen eines solchen Verfahrens die Gültigkeit der Bestimmung zu überprüfen, weil im Hinblick auf Satzungsrecht den unabhängigen Berufsgerichten die Prüfungs- und Verwerfungskompetenz zukommt.92 Behandelte ein Fortpflanzungsmediziner ein lesbisches Paar und strengte die Ärztekammer ein berufsgerichtliches Verfahren an, so könnte und müßte der Spruchkörper bei seiner Entscheidung darüber, ob der Verstoß gegen die Berufsordnung eine berufsunwürdige Handlung darstellt, den entsprechenden Passus der Richtlinie wegen Unvereinbarkeit mit höherrangigem Verfassungsrecht verwerfen. Darüber hinaus dürfte die Regelung des Zugangs gleichgeschlechtlicher Paare zu reproduktionsmedizinischen Maßnamen auch nicht zu einer Sache der Ärztekammern gemacht werden. Aufgrund des Rechtsstaats- und des Demokratieprinzips ist der Gesetzgeber nämlich gehalten, die Zulassung gleichgeschlechtlicher Paare zu den Methoden der assistierten Reproduktion selbst zu regeln. Die Freiheit der Fortpflanzung als eine wesentliche Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist durch eine intensive Grundrechtsberührung gekennzeichnet. Die normative Regelung dieses Bereichs wirkt sich in erheblicher Weise auf die Grundrechtsrealisierung aus. Daher handelt es sich im Sinne der in der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Wesentlichkeitstheorie um eine der demokratisch legitimierten Legislative vorzubehaltende Entscheidung.93 Die gesetzgeberische Delegation dieser Frage an die standesrechtlichen Vertretungen 89 90 91
92
93
Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 677; 1253 ff.; 1321. So auch Ratzel, Reproduktionsmedizin 18 (2002), 199 (201). Es ist Aufgabe der Kammern, die Erfüllung der Berufspflichten der Kammermitglieder zu überwachen, vgl. nur § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 bad.-württ. Heilberufe-Kammergesetz. Da es sich bei einer Satzung nicht um ein formelles Parlamentsgesetz handelt, dürfen die Gerichte, die zur Prüfung jeder Rechtsnorm auf Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht verpflichtet sind, den verfassungswidrigen Teil der Norm selbst verwerfen, vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4, Rdnr. 53. BVerfGE 33, 125 (160); 47, 46 (78); vgl. auch Benda, NJW 1985, 1730 (1734); v. Arnim, DVBl. 1987, 1241; Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 807, 812 ff., 949.
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Teil IV Medizinische Grundlagen und rechtlicher Rahmen
über eine entsprechende Erweiterung der Satzungskompetenz wäre unzulässig. Diese Vorgabe wird auch aus komparatistischer Sicht bestätigt. Zahlreiche Staaten haben, sofern sie diesen Bereich rechtlich ordneten, die Entscheidung ihrer Legislative vorbehalten.94
V. Zusammenfassung und Bewertung Die inhaltliche Analyse der von der Bundesärztekammer als Muster erarbeiteten Richtlinien zur Durchführung der assistierten Reproduktion hat gezeigt, daß der pauschale Ausschluß gleichgeschlechtlicher Paare inkonsistent ist und zu verschiedenen Inkonsequenzen führt. Das Stabilitätskriterium bei nicht rechtlich formalisierten Partnerschaften ist wenig praxistauglich. Die rechtlich abgesicherte Stabilität bei der eingetragenen Lebenspartnerschaft findet ebenso wenig Berücksichtigung wie die Möglichkeit der Etablierung einer statusrechtlichen Beziehung zur zweiten Lebenspartnerin durch die Stiefkindadoption. Die Regelungstechnik der (Muster-)Richtlinie von 2006 ist im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG bedenklich. Aus medizinischer Sicht ist die Zulassung lesbischer Paare zu nicht hormonell stimulierten Inseminationen bei gleichzeitigem Ausschluß von allen anderen reproduktionsmedizinischen Verfahren nicht überzeugend. Aufgrund des föderalen Prinzips und der uneinheitlichen Transformation in Satzungsrecht ergeben sich zudem unbefriedigende interregionale Divergenzen. Im gesamten Bundesgebiet ist es Ärzten standesrechtlich erlaubt, bei einer in lesbischer Partnerschaft lebenden Frau eine nicht hormonell stimulierte Insemination durchzuführen. In Bayern, Berlin und Brandenburg dürfen darüber hinaus auch alle weiteren von der Richtlinie erfaßten Methoden angewendet werden. In den übrigen Ärztekammerbezirken ist dies dem Arzt unter Androhung berufsrechtlicher Sanktionen versagt. Die statusrechtlichen und elterlichen Restriktionen sind aus kompetenziellen Gründen formell verfassungswidrig. Vor diesem Hintergrund ist lediglich das Standesrecht in den Ärztekammerbezirken Bayern, Berlin und Brandenburg verfassungskonform. Das verfassungswidrige Satzungsrecht der übrigen Ärztekammerbezirke richtet sich zwar alleine an den Arzt, es wirkt sich aber mittelbar und faktisch auch auf solche lesbische Paare beschränkend aus, die die restringierten Maßnahmen nachsuchen. Obwohl die verfassungswidrigen Bestimmungen als sublegales Satzungsrecht nichtig sind, dürften faktisch die meisten Reproduktionsmediziner von der Behandlung lesbischer Paare abgehalten werden, weil sie sich nicht einem berufsgerichtlichen Verfahren aussetzen wollen. Allerdings ließe sich in einem solchen Verfahren die Nichtigkeit des Ausschlusses gleichgeschlechtlicher Paare von Maßnahmen assistierter Reproduktion verbindlich feststellen, da die Berufsgerichte Satzungsrecht prüfen und verwerfen dürfen. Daneben stellt sich das Problem, welchem Organ verfassungsrechtlich die Kompetenz für eine Regelung zukommt. Die Frage nach den elterlichen und den statusrechtlichen Voraussetzungen für die Zulassung zu Maßnahmen assistierter Reproduktion tangiert einen Komplex, der durch eine intensive Grundrechtsberührung und Grundrechtsbetroffenheit gekennzeichnet ist. In Anknüpfung an die We94
Vgl. Teil III § 8 V.2., S. 209.
§ 11 Das ärztliche Standesrecht
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sentlichkeitslehre ist nur der parlamentarisch legitimierte Gesetzgeber zur Dezision befugt. Die Legislative dürfte die Entscheidung daher nicht durch eine in den Heilberufe- und Kammergesetzen verortete Kompetenzerweiterung an die Ärztekammern delegieren. Wegen des hier greifenden Parlamentsvorbehalts hat der Gesetzgeber diese Entscheidung – sinnvollerweise in einem Fortpflanzungsmedizingesetz – selbst zu treffen.95 Wie der Blick auf ausländische Rechtsordnungen gezeigt hat, handelt es sich bei der Zulassung gleichgeschlechtlicher Paare zu Maßnahmen assistierter Reproduktion um eine regelungsbedürftige Frage. Die interregionalen Divergenzen und das zum Teil verfassungswidrige Standesrecht sollten bereits für sich genommen den Gesetzgeber des Bundes dazu veranlassen, von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz (Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 GG) Gebrauch zu machen und eine länderübergreifende Regelung zu schaffen.96 Da auch gleichgeschlechtliche Paare von ihrem verfassungsrechtlich geschützten Recht auf Fortpflanzungsfreiheit Gebrauch machen, die ihre Beziehung nicht rechtlich formalisiert haben, dürfte der Gesetzgeber den Zugang zu Maßnahmen assistierter Reproduktion nicht vom Eingehen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft abhängig machen.97
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Vgl. auch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Christina Schenk und der Fraktion der PDS, BT-Drucks. 14/1305 v. 29.6.1999, S. 4. Angesichts fehlender gesetzlicher Vorgaben und andauernder legislativer Untätigkeit kann den Ärztekammern schlechterdings kaum ein Vorwurf gemacht werden, wenn sie die Statuierung normativer Vorgaben selbst in die Hand nehmen. Ein Tätigwerden des Bundesgesetzgebers fordert auch Laufs, Auf dem Wege zu einem Fortpflanzungsmedizingesetz?, S. 43. In diesem Sinne auch Rütz, Heterologe Insemination – Die rechtliche Stellung des Samenspenders, S. 94 f.
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Teil V Folgefragen der Zulassung gleichgeschlechtlicher Paare
§ 12 Abstammung und Eltern-Kind-Zuordnung I. Einleitung Mit der Zulassung gleichgeschlechtlicher Paare zu Maßnahmen assistierter Reproduktion sind Fragen nach der Kenntnis der Abstammung des Kindes und der Eltern-Kind-Zuordnung verbunden, die ein Fortpflanzungsmedizingesetz zu regeln hätte.1 Da lesbische Paare auf die Samenspende eines Mannes und schwule Paare auf das Engagement einer Ersatzmutter angewiesen sind, erfolgt die künstliche Befruchtung immer im heterologen System.2 In der vorliegenden Untersuchung wird im wesentlichen davon ausgegangen, daß diese Personen meist Dritte sind, die dem Kind zur Zeugung und Geburt verhelfen, aber an seinem weiteren Schicksal keinen Anteil nehmen wollen. Durch die Beteiligung Dritter werden komplexe familienrechtliche Probleme aufgeworfen. Die Durchführung der Maßnahme im heterologen System wirft die Frage nach dem Recht des so gezeugten Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung auf. In Zusammenhang damit steht auch die Frage nach der Etablierung einer statusrechtlichen Zuordnung zwischen dem Kind und den gleichgeschlechtlichen Wunscheltern im Verhältnis zu der an der Zeugung beteiligten gegengeschlechtlichen Person. Die statusrechtliche Zuordnung des Kindes ist von erheblicher Bedeutung, weil von ihr nicht nur personensorge- und umgangsrechtliche Konsequenzen (§§ 1626, 1684 BGB), sondern auch vermögensrechtliche Folgen abhängen. Gem. § 1601 BGB sind Verwandte in gerader Linie einander zu Unterhalt verpflichtet.3 Als Abkömmling des Erblassers hat das Kind ein gesetzliches Erbrecht der ersten Ordnung (§ 1924 Abs. 1 BGB), sowie ein Pflichtteilsrecht in Höhe der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbrechts (§ 2303 Abs. 1 BGB). Den Eltern des Erblas1
2 3
Vgl. Laufs, Auf dem Wege zu einem Fortpflanzungsmedizingesetz?, S. 43: „Erwünscht wären familienrechtliche Maßgaben des Bundesgesetzgebers zu den Voraussetzungen und Folgen der künstlichen Befruchtung bei nicht verheirateten und gleichgeschlechtlichen Paaren und im heterologen System – auch dies eine heikle Aufgabe, die aber der Ärzteschaft nicht überlassen bleiben kann.“ Vgl. Teil IV § 9 IV.1., S. 220 f. Die §§ 1601 ff. BGB betreffen vom Wortlaut her nur die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten in gerader Linie (§ 1589 S. 1 BGB), gelten aber auch bei Adoption und bei bloßer Scheinvaterschaft, Palandt/Diederichsen, Einf v § 1601, Rdnr. 5.
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Teil V Folgefragen der Zulassung gleichgeschlechtlicher Paare
sers steht ein gesetzliches Erbrecht der zweiten Ordnung (§ 1925 Abs. 1 BGB) und ein Pflichtteilsrecht (§ 2303 Abs. 2 S. 1 BGB) zu.4 Zunächst wird untersucht, wie dem Recht des Kindes auf Kenntnis seiner genetischen Abstammung effektiv Rechnung getragen werden kann. Nach einer Darstellung der Möglichkeiten der statusrechtlichen Zuordnung und den dabei auftretenden Unwägbarkeiten für die Beteiligten nach geltendem Recht werden Vorschläge zu einer rechtlichen Lösung de lege ferenda unterbreitet. Da die existierenden Verbote im AdVermiG und im ESchG eine verbotswidrige Zeugung nicht in jedem Fall verhindern können5 und in der vorliegenden Arbeit für eine Aufhebung des Verbots der Herbeiführung altruistisch motivierter Ersatzmutterschaften plädiert wird,6 berücksichtigen die Ausführungen zur lex lata alle bereits diskutierten Formen der Verwirklichung des Kinderwunsches gleichgeschlechtlicher Paare.
II. Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung Ausgehend von der Interessenlage der Beteiligten bei der Durchführung reproduktionsmedizinischer Maßnahmen im heterologen System wird die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung dargestellt, um sodann die Situation bei gleichgeschlechtlichen Paaren zu beleuchten. Abschließend werden Vorschläge zu einer gesetzlichen Regelung dieses Komplexes unterbreitet. 1. Interessenlage Die Anwendung von Methoden der assistierten Reproduktion im heterologen System gestattet es den Beteiligten, das Verfahren bis zu einem gewissen Grad anonym auszugestalten. Prinzipiell kann bei lesbischen Paaren die Identität des Samenspenders und bei schwulen Paaren die der Ersatzmutter7 unbekannt sein. Die anonyme Ausgestaltung vermag sowohl den Interessen der Wunscheltern als auch denen der Ersatzmutter und des Samenspenders entgegenzukommen. Bei unbekannter Identität müssen der Samenspender oder die Ersatzmutter von vornherein nicht damit rechnen, rechtlich als Elternteil festgestellt zu werden. In Ermangelung einer statusrechtlichen Eltern-Kind-Zuordnung schützt sie die Anonymität vor unterhalts- und erbrechtlichen Ansprüchen des Kindes. Auf der anderen Seite kann ein anonymes Arrangement auch im Interesse der Wunscheltern liegen. Gelingt es schwulen Paaren gegenüber der Ersatzmutter und lesbischen Paaren gegenüber dem Samenspender ihre Identität zu verheimlichen, können sie verhindern, daß sich diese Personen ungewollt an der Erziehung des Kindes beteiligen oder in anderer Weise den Familienfrieden stören. Das Kind ist dann auch vor unterhalts- oder erbrechtlicher Inanspruchnahme durch den Samenspender oder die Ersatzmutter gesichert, wenngleich derartige Ansprüche vor seiner Volljährigkeit kaum praktisch relevant werden dürften. 4
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Grundlage des Pflichtteils wie des gesetzlichen Erbrechts des Kindes ist die rechtliche Verwandtschaft, Palandt/Edenhofer 65(2006), Überbl v § 2303, Rdnr. 1. Vgl. nur Vieweg, in: Festschr. f. Stree und Wessels, S. 981 (983). Vgl. Teil IV § 10 V.5., S. 279 ff. Die Anonymität der Ersatzmutter ist in Israel zulässig, vgl. Teil IV § 10 V.3.e)(2), S. 275 ff.
§ 12 Abstammung und Eltern-Kind-Zuordnung
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2. Rechtsprechung des BVerfG Der Wunsch nach Anonymität konfligiert allerdings mit dem Recht des Kindes auf Kenntnis seiner genetischen Abstammung. Das Bundesverfassungsgericht führte in seinem Urteil vom 31. Januar 1989 aus, daß das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung vom Allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) umfaßt und daher verfassungsrechtlich geschützt sei.8 Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde sicherten jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren könne. Verständnis und Entfaltung der Individualität seien aber mit der Kenntnis der für sie konstitutiven Faktoren eng verbunden. Zu diesen zähle neben anderen die Abstammung. Sie lege nicht nur die genetische Ausstattung des Einzelnen fest und präge so seine Persönlichkeit mit. Unabhängig davon nehme sie auch im Bewußtsein des Einzelnen eine Schlüsselstellung für die Individualitätsfindung und das Selbstverständnis ein. Insofern hänge der Persönlichkeitswert der Kenntnis auch nicht von dem Maß an Aufklärung ab, das die Biologie derzeit über die Erbanlagen des Menschen, die für seine Lebensgestaltung bedeutsam sein können, zu vermitteln vermag. Bei der Individualitätsfindung und dem Selbstverständnis handele es sich vielmehr um einen vielschichtigen Vorgang, in dem biologisch gesicherte Erkenntnisse keineswegs allein ausschlaggebend sind. Als Individualisierungsmerkmal gehöre die Abstammung zur Persönlichkeit. Die Kenntnis der Herkunft biete dem Einzelnen unabhängig vom Ausmaß wissenschaftlicher Ergebnisse wichtige Anknüpfungspunkte für das Verständnis und die Entfaltung der eigenen Individualität. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verleihe aber kein Recht auf Verschaffung von Kenntnissen der eigenen Abstammung, sondern könne nur vor der Vorenthaltung erlangbarer Informationen schützen.9 Diese vom Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit der natürlichen Befruchtung aufgestellten Grundsätze fanden im rechtswissenschaftlichen Schrifttum Zustimmung.10 Sie werden auch auf die artifizielle Reproduktion übertragen und in diesem Kontext als Votum gegen die anonyme Samenspende aufgefaßt.11 Obwohl im Schrifttum kaum diskutiert, muß das Urteil zugleich als Absage an die anonyme Durchführung von Eizellspenden12 und Ersatzmutterschaften verstanden werden. 3. Situation bei gleichgeschlechtlichen Paaren Bei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften bleibt es dem Kind nach Erlangen eines gewissen Reifegrades nicht verborgen, daß es eine genetische Verbindung zu einer gegengeschlechtlichen dritten Person haben muß. Im Gegensatz zu ver8 9 10 11
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BVerfGE 79, 256 (269). BVerfGE 79, 256 (268 f.). Giesen, JZ 1989, 364 (368 f.); s.a. Taupitz/Schlüter, AcP 205 (2005), 591 (639). Laufs, Arztrecht, Rdnr. 371; Mansees, NJW 1988, 2984 (2985); Giesen, JZ 1989, 364 (369); Naumann, ZRP 1999, 142; wohl auch Deutsch, NJW 1986, 1971 (1973). Vorsichtiger C. Enders, NJW 1989, 881 (884). Coester-Waltjen, Reproduktionsmedizin 18 (2002), 183 (194): „Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung auch auf die genetische mütterliche Herkunft.“
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Teil V Folgefragen der Zulassung gleichgeschlechtlicher Paare
schiedengeschlechtlichen Eltern können es gleichgeschlechtliche Eltern ihrem Kind nicht vorenthalten, daß es auch von einer Person abstammt, die nicht der elterlichen Gemeinschaft angehört. Darin ist durchaus ein Vorzug zu sehen, weil die Durchführung der künstlichen Befruchtung im heterologen System nicht verheimlicht werden kann. Empirische Untersuchungen, die bei lesbischen Müttern durchgeführt wurden, deuten darauf hin, daß diese offener mit der Frage der väterlichen Abstammung des Kindes umgehen als verschiedengeschlechtliche Paare, die eine Befruchtung im heterologen System durchgeführt haben.13 Dies eröffnet den Wunscheltern und dem Kind von vornherein die Chance zu einer offenen und konstruktiven Auseinandersetzung mit den Umständen der Zeugung und hilft bis zu einem gewissen Grad, schmerzhafte Prozesse zu vermeiden.14 Das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung gewinnt aber nicht nur im Verhältnis des Kindes zur Ersatzmutter und zum Samenspender Bedeutung, sondern auch im Hinblick auf seine gleichgeschlechtlichen Eltern. Da das Kind genetisch immer nur von einem Partner des gleichgeschlechtlichen Paares abstammen kann, stellt sich die Frage, welcher von ihnen der leibliche Elternteil ist. Dies gilt insbesondere, wenn bei der künstlichen Befruchtung der Ersatzmutter ein Gemisch aus dem Sperma der beiden schwulen Partner verwendet worden ist, das es dem Zufall überläßt, von welchem der Wunschväter das Kind abstammt, und bei einer Eizellspende innerhalb einer lesbischen Partnerschaft, die es den Wunschmüttern gestattet, zu dem Kind eine beidseitige biologische Verbindung herzustellen. Diese Umstände sind für das Kind nicht offensichtlich und können theoretisch von seinen gleichgeschlechtlichen Wunscheltern verheimlicht werden.15 4. Dokumentation der Identität der Gametenspender und der Ersatzmutter nach geltendem Recht Wie bereits im Zusammenhang mit den Ausführungen zum Embryonenschutzgesetz gezeigt wurde, geht die ganz h.M. von der Zulässigkeit befruchtungstechnischer Maßnahmen im heterologen System aus, obwohl dazu keinerlei gesetzliche16 Bestimmungen existieren.17 Eine standesrechtliche Regelung der Dokumentation existiert in jenen Ärztekammerbezirken, die die (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion der Bundesärztekammer in ihre Berufsordnun13
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Golombok/Tasker, 9 Hum. Reprod. (1994), 1972 (1974); Brewaeys/Ponjaert/van Hall/ Golombok, 12 Hum. Reprod. (1997), 1349 (1357); Mitchell, 63 Amer. J. Orthopsychiat. (1998), 400 (403). Zu den psychischen Konflikten, die durch das erfolglose Verheimlichen des heterologen Systems ausgelöst werden können, jüngst SZ-Magazin Nr. 51 v. 21. Dezember 2007, S. 19 ff. Es dürfte allerdings näherliegen, daß bei einer Eizellspende innerhalb einer lesbischen Partnerschaft die Wunschmütter dem Kind diesen Umstand in der Hoffnung mitteilen, die beidseitige biologische Verbundenheit führe auch zu einer intensiven emotionalen Verbundenheit. Je nach den in den verschiedenen Ärztekammerbezirken geltenden Richtlinien zur Durchführung der assistierten Reproduktion regelt das ärztliche Standesrecht bestimmte Teilaspekte des heterologen Systems, vgl. dazu Teil IV § 11 IV., S. 295 ff. Vgl. Teil IV § 10 III.1., S. 239.
§ 12 Abstammung und Eltern-Kind-Zuordnung
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gen aufgenommen haben.18 Daher besteht keine bundeseinheitliche Regelung, wie die Dokumentation der Identität des Samenspenders bzw. eines Gametenspenders zu erfolgen hat. In der Literatur besteht aber weitgehend Einigkeit darüber, daß die Identität des Samenspenders eine erlangbare Information darstellt und ihm deshalb aufgrund des verfassungsrechtlich fundierten Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung keine Anonymität zugesichert werden darf.19 Diese Erkenntnis gilt für Gametenspender ganz allgemein, also auch für eine Eizellspenderin. Aus dem Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung leitet das Schrifttum ferner eine Dokumentationspflicht des Arztes und einen gegen ihn gerichteten Anspruch des Kindes auf Akteneinsicht ab.20 Da Gametenspender regelmäßig mit einem Arzt in Kontakt treten (der nicht notwendigerweise mit dem Arzt identisch sein muß, der die künstliche Befruchtung durchführt), ist die Inpflichtnahme des Arztes angesichts fehlender gesetzlicher Vorgaben auch praktischen Bedürfnissen geschuldet. Zwar können die Wunscheltern auf Auskunftsansprüche verzichten. Im Namen des Kindes ist ein Verzicht aber unzulässig. Wird den Gametenspendern Anonymität zugesichert, so verletzt dies das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes, das als sonstiges absolutes Recht im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB anerkannt ist. Dem Kind kann daher ein Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch gegen die Person zustehen, die dem Samenspender Anonymität zugesichert hat. Bei der Verwendung von Samengemischen ist die Dokumentation nur insoweit möglich, als festgehalten werden kann, von welchen Personen das Sperma stammt. Da dies in den vorliegend interessierenden Fällen nur die homosexuellen Wunschväter sind, handelt es sich um einen überschaubaren Personenkreis. Die Feststellung, welcher der Wunschväter tatsächlich der leibliche Vater ist, könnte aber letztlich nur anhand einer medizinisch-naturwissenschaftlichen Abstammungsbegutachtung getroffen werden.21 18
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Vorstand der BÄK, (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion v. 17.2.2006, DÄBl-A 2006, 1392 (1398), sub 5.3.3.2. verpflichtet den Arzt, die Identität des Samenspenders und die Verwendung der Samenspende festzuhalten. Der Arzt muß außerdem dokumentieren, daß sich der Samenspender mit der Dokumentation von Herkunft und Verwendung der Samenspende und – für den Fall eines an den Arzt gerichteten Auskunftsverlangens des Kindes – mit einer Bekanntgabe seiner Personalien einverstanden erklärt hat, daß sich die künftigen Eltern mit der Verwendung von heterologem Samen und der Dokumentation von Herkunft und Verwendung der Samenspende einverstanden erklärt und den behandelnden Arzt – für den Fall eines an diesen gerichteten Auskunftsverlangens des Kindes oder eines der künftigen Elternteile – von seiner Schweigepflicht entbunden haben. Dies gilt auch für den Fall, daß der behandelnde Arzt mit einer Samenbank kooperiert. Die Dokumentation kann nicht auf die Samenbank delegiert werden. Coester-Waltjen, Gutachten B für den 56. DJT, B 68; Laufs, Arztrecht, Rdnr. 371; Naumann, ZRP 1999, 142; Roth, DNotZ 2003, 805 (821).Vgl. auch Deutsch, NJW 1986, 1971 (1973); Mansees, NJW 1988, 2984 (2985). Vgl. Roth, DNotZ 2003, 805 (821); Coester-Waltjen, Reproduktionsmedizin 18 (2002), 183 (194). Zu den derzeit gängigen Verfahren (unterschiedliche DNA-Analysetypen, serologische und serostatistische Gutachten) siehe Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Fami-
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Teil V Folgefragen der Zulassung gleichgeschlechtlicher Paare
Für die Dokumentation der Identität der Ersatzmutter besteht eine gesetzliche Regelung, denn der Name der gebärenden Frau ist in das Geburtenbuch einzutragen (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PStG).22 5. Dokumentation de lege ferenda Um dem Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung effektiv Rechnung zu tragen, sollte eine bundeseinheitliche gesetzliche Regelung für die Dokumentation der Identität der Gametenspender in Betracht gezogen werden. Diese könnte sinnvollerweise an die personenstandsrechtlich vorgeschriebene Regelung anknüpfen, nach der die Frau, die das Kind zur Welt bringt, in das Geburtenbuch einzutragen ist. Die Identität des Samenspenders sollte de lege ferenda ebenfalls im Geburtenbuch dokumentiert werden. Hier könnte das Adoptionsrecht als Vorbild dienen. Die genetische Vaterschaft kann in Anlehnung an § 61 Abs. 2 PStG durch einen der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Randvermerk im Personenstandsbuch festgehalten werden, welcher lediglich für das Kind ab einem bestimmten Alter, etwa wie bei der Adoption mit der Vollendung des 16. Lebensjahres,23 einsehbar sein soll. Die Eizellspende innerhalb einer lesbischen Partnerschaft sowie die Verwendung eines Spermiengemisches bei einem schwulen Wunschelternpaar sollte in gleicher Weise dokumentiert werden. Diese Lösung führte sämtliche für die Wahrnehmung des Rechts auf Kenntnis der genetischen Abstammung relevanten Daten in einem mit staatlicher Autorität ausgestatteten Register zusammen, sorgte für Transparenz24 und entlastete den Arzt.25 In praktischer Hinsicht kann die Dokumentation der Identität der Gametenspender sinnvollerweise nur durch die beteiligten Ärzte durchgeführt werden, also den Arzt, der die Samenspende entgegennimmt (Samenspendearzt) bzw. den Arzt, der die künstliche Befruchtung vornimmt (Befruchtungsarzt). Der betreffende Arzt wäre in Anlehnung an §§ 16 ff. PStG zu verpflichten, die Personalien an die registerführende Behörde zu melden. Die Eintragung der Identität der Gametenspender in das Geburtenbuch des Kindes kann aber nicht bereits mit der Befruchtung erfolgen, weil zu diesem Zeitpunkt das Standesamt des Geburtsortes noch nicht feststeht, an das die Mitteilung gehen müßte.26 Der zeitlichen Distanz zwischen Befruchtung und Geburt könnte dadurch begegnet werden, indem man
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lienrechts, § 52, Rdnr. 21 m. Fn. 56 und 62. Vgl. zur Verwendung von Samengemischen auch Coester-Waltjen, Gutachten B für den 56. DJT, B 60; dies., Reproduktionsmedizin 18 (2002), 183 (191). Die Mutter und die an einer Geburt beteiligten Personen sind verpflichtet, die Personenstandsdaten der Mutter gegenüber dem Standesamt anzugeben (§§ 16 ff. PStG). Vgl. auch Wanitzek, Rechtliche Elternschaft bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung, S. 417 ff.; Katzenmeier, FamRZ 2005, 1134 (1135). Vgl. Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 51, Rdnr. 10. Coester-Waltjen, Reproduktionsmedizin 18 (2002), 183 (198); vgl. auch dies., FamRZ 1992, 369 (373). Bei einer Vereitelung des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung durch die registerführende Stelle stünde der betroffenen Person ein Amtshaftungsanspruch (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) gegen einen solventen Schuldner zu. Vgl. Wanitzek, Rechtliche Elternschaft bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung, S. 419.
§ 12 Abstammung und Eltern-Kind-Zuordnung
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die Umstände der Befruchtung vorübergehend im Personenstandsbuch der Mutter einträgt. Mit der Geburt könnten die Daten – unter Löschung des Eintrags bei der Mutter – in das Personenstandsbuch des Kindes übertragen werden.27 Für eine rechtsfolgenlose Vaterschaftsfeststellungsklage, wie sie bei der heterologen Insemination diskutiert wird,28 gäbe es nach dem hier vorgeschlagenen Lösungskonzept nur dann ein Bedürfnis, wenn begründete Zweifel an der Richtigkeit der Eintragungen im Geburtenbuch bestünden. Nicht zuletzt wegen der Strafbarkeit der Personenstandsfälschung (§ 169 StGB) dürfte aber in den allermeisten Fällen gewährleistet sein, daß der Arzt die korrekten Daten meldet. Die Beschränkung im Hinblick auf Alter und Berechtigung zur Einsichtnahme dürfte auch mit den Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht aufgestellt hat, vereinbar sein. Denn das Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung ist ausschließlich ein Recht des Kindes, nicht jedoch ein Recht seiner sozialen Eltern oder des Samenspenders.29 Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geht ferner nicht hervor, daß das Einsichtsrecht des Kindes bereits ab Geburt zu bestehen hat. Die Altersgrenze von 16 Jahren ist mit Blick auf die vergleichbare Interessenlage im Adoptionsrecht sachgerecht und systemkonform. Von diesem Alter an kann typisierend von einer entsprechenden Reife des Jugendlichen ausgegangen werden, die ihn befähigt, Bedeutung und Tragweite der Entscheidung einzuschätzen, die Identität des Samenspenders zu erfahren.
III. Eltern-Kind-Zuordnung de lege lata Hat die Durchführung reproduktionsmedizinischer Maßnahmen bei gleichgeschlechtlichen Paaren zur Geburt eines Kindes geführt, besteht in aller Regel das Bedürfnis, eine rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung zu beiden Wunscheltern zu etablieren. Nach geltendem Recht können sich abhängig von den Umständen des Einzelfalles komplexe statusrechtliche Konstellationen ergeben. Die Optionen einer Zuordnung des Kindes zu beiden Wunschelternteilen hängen einerseits davon ab, ob es sich um schwule oder lesbische Partnerschaften handelt und andererseits ob diese in eingetragener Lebenspartnerschaft leben. Die Herstellung der Eltern-Kind-Zuordnung bemißt sich unabhängig von der Art der Empfängnis nach den §§ 1591 ff. BGB. 1. Lesbische Partnerschaften Zunächst sind die statusrechtlichen Gemeinsamkeiten bei formalisierten und nicht formalisierten lesbischen Partnerschaften darzustellen. Diese bestehen hauptsächlich in der Zuordnung eines Elternteils als Mutter des Kindes. Gem. § 1591 BGB 27
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Für eine Dokumentation durch den die assistierte Reproduktion durchführenden Arzt Wanitzek, Rechtliche Elternschaft bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung, S. 420. Dafür Rütz, Heterologe Insemination – Die rechtliche Stellung des Samenspenders, S. 141 ff.; dagegen Wanitzek, Rechtliche Elternschaft bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung, S. 381 ff., 399. In Schweden hat ebenfalls nur das Kind das Recht, die Identität des Samenspenders zu erfahren, vgl. Teil III § 8 II.4., S. 182 ff.
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ist Mutter eines Kindes die Frau, die es geboren hat. Die statusrechtliche Zuordnung knüpft weder an den Personenstand der Gebärenden an, noch kommt es nach der Norm darauf an, daß das Kind auch genetisch von dieser Person abstammt.30 Insofern bleibt der durch die Möglichkeiten der modernen Fortpflanzungsmedizin ins Wanken geratene römisch-rechtliche Grundsatz mater semper certa est31 weiterhin gültig. Die grundsätzliche Anknüpfung an die Geburt ermöglicht eine schnelle, unkomplizierte und in der Mehrzahl der Fälle zutreffende Zuweisung.32 Daher ergibt sich auch für die in der vorliegenden Arbeit diskutierte Möglichkeit einer Aufteilung zwischen genetischer und plazentarer Mutterschaft bei lesbischen Partnerschaften eine eindeutige statusrechtliche Zuordnung des Kindes zu der Partnerin, die das Kind zur Geburt austrägt. Sie ist Mutter des Kindes. Diese Position kann nicht angefochten werden.33 Damit ist aber nur ein statusrechtliches Band zu einer der Partnerinnen hergestellt. Die nichtgebärende Partnerin kann ihre Elternschaft nicht über eine Anerkennung i.S.d. §§ 1592 Nr. 2, 1594 BGB herbeiführen. Da auch mit dem Lebenspartnerschaftsrecht keine entsprechende Regelung eingeführt wurde, kann die Mutterschaft unabhängig von einer rechtlichen Formalisierung der Partnerschaft nicht anerkannt werden. Nach der lex lata kann nur ein Mann die rechtliche Elternschaft konstituierende Anerkennung abgeben.34 Da eine bestehende Vaterschaft die Etablierung eines statusrechtlichen Bandes zur nichtgebärenden Partnerin zu hindern vermag, ist zunächst zu untersuchen, auf welche Weise die Vaterschaft eines Mannes – sei es die des Samenspenders oder eines Dritten – hergestellt werden kann. Dies beurteilt sich ebenfalls unabhängig von der rechtlichen Form des Zusammenlebens des lesbischen Paares. Vater des Kindes ist35 zunächst der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist (§ 1592 Nr. 1 BGB).36 Dabei ist unbeachtlich, ob der Ehemann auch tatsächlich der genetische Vater des Kindes ist. Eingetragene Lebenspartnerinnen können nicht zugleich verheiratet sein (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 LPartG, § 1306 BGB).37 Für lesbische Paare, die nicht in eingetragener Lebenspartnerschaft leben, 30
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Dies gilt trotz des Verbotes der Herbeiführung gespaltener Mutterschaften. Weil dieses gleichwohl im In- und Ausland umgangen werden kann, stellt die Norm eine reine Konfliktregelung dar, von der nicht auf eine Billigung durch das Zivilrecht geschlossen werden könne, vgl. BT-Drucks. 13/4899 v. 13.6.1996, S. 82 f.; Palandt/Diederichsen, § 1591, Rdnr. 1. D. 2,4,5. Vgl. Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 51, Rdnr. 2. Palandt/Diederichsen, § 1591, Rdnr. 2; Coester-Waltjen, Reproduktionsmedizin 18 (2002), 183 (189). So ausdrücklich Rauscher, FPR 2002, 359 (362). Die Zuordnung nach allen Alternativen des § 1592 BGB begründet die Vaterschaft im Rechtssinn, d.h. es besteht nicht nur ein Rechtsschein der Vaterschaft, der Vater „gilt“ nicht als Vater des betreffenden Kindes, sondern er ist es. Die Zuordnung wirkt somit rechtsbegründend, vgl. Rauscher, FPR 2002, 352 (352 f.). Diese Regelung beruht ebenfalls auf einem althergebrachten Grundsatz des römischen Rechts: pater est, quem nuptiae demonstrant, D. 2,4,5. Beim Lebenspartnerschaftsrecht vor der Novellierung war lediglich umstritten, welche Folgen das Eingehen einer Ehe für eine bestehende eingetragene Lebenspartnerschaft
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wird in dieser Arbeit davon ausgegangen, daß die Gebärende weder mit dem Samenspender noch mit einem anderen Mann verheiratet ist.38 Daher scheidet bei formalisierten wie nicht formalisierten lesbischen Partnerschaften die Zuordnung eines Mannes gem. § 1592 Nr. 1 BGB aus. Bei lesbischen Partnerschaften könnte die Vaterschaft des Samenspenders aber gem. § 1592 Nr. 2 (i.V.m. §§ 1594 ff.) BGB anerkannt werden. Das System der Vaterschaftsanerkennung des BGB setzt aber nicht voraus, daß es sich beim Anerkennenden um den leiblichen Vater handeln muß. Auch die bewußt wahrheitswidrige Anerkennung der Vaterschaft ist wirksam, sie kann jedoch angefochten werden (§§ 1598, 1599 BGB). Theoretisch vermag daher jeder beliebige Mann die Vaterschaft anzuerkennen.39 Voraussetzung für eine wirksame Anerkennung der Vaterschaft ist allerdings die Zustimmung durch die Mutter (§ 1595 Abs. 1 BGB). Sie braucht sich den Anerkennenden nicht als Vater aufzwingen zu lassen. Das Gesetz gestattet ihr daher, sowohl die unwahre als auch die wahrheitsgemäße Anerkennung zu verhindern. Die Frau in einer lesbischen Partnerschaft, die das Kind auf die Welt gebracht hat, kann somit die Anerkennung der Vaterschaft durch den Samenspender blockieren. Gegen den Willen der Mutter kann der Samenspender die Vaterschaft letztlich nur über ein zeit- und kostenaufwendiges gerichtliches Verfahren feststellen lassen (§§ 1600d, 1592 Nr. 3 BGB).40 In der Praxis wird die Anerkennung der Vaterschaft des Samenspenders gegen den Willen der Mutter (und ihrer Partnerin) freilich kaum eine Rolle spielen, weil ihm an der Übernahme der mit der Etablierung des statusrechtlichen Bandes verbundenen vermögensrechtlichen Konsequenzen regelmäßig nicht gelegen ist. Dieses Bedürfnis des Samenspenders wird zumeist auch mit den Interessen der Wunschmütter übereinstimmen, wenn sie, was häufig der Fall sein dürfte, eine Beteiligung des Samenspenders an der familiären Gemeinschaft in erzieherischer oder finanzieller Hinsicht ablehnen. Mit der Zuordnung der Gebärenden als Mutter und dem Ausschluß des Samenspenders als Vater ist aber noch nichts über die Etablierung einer statusrechtlichen Verbindung zwischen dem Kind und der nicht gebärenden lesbischen Partnerin ausgesagt. Die Herstellung einer Zuordnung hängt davon ab, ob die Partnerinnen in eingetragener Lebenspartnerschaft leben.
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hat, unstreitig war jedoch, daß beide Institute sich gegenseitig ausschließen und daher nicht nebeneinander bestehen können, vgl. Teil II § 7 III.2.a)(5)(b), S. 142 f. m. Fn. 136. Lebt die Frau, die das Kind nach heterologer Samenspende gebiert, in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung, ist sie aber gleichzeitig (noch) verheiratet, so ist gem. § 1592 Nr. 1 BGB der Ehemann Vater des Kindes im Rechtssinne. Ein etwaiges Getrenntleben der Eheleute spielt keine Rolle; die Wirkung des § 1592 Nr. 1 BGB endet erst mit der Rechtskraft eines Scheidungs- oder Aufhebungsurteils. Die bewußt unrichtige Anerkennung wird vom Gesetz toleriert und weder von § 134 BGB vernichtet, noch als Personenstandsfälschung i.S.d. § 169 StGB bestraft, vgl. Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 52, Rdnr. 43; s.a. Palandt/ Diederichsen, § 1598, Rdnr. 2, 4. Allerdings ist bei der Vaterschaftsanerkennung die Identität von Erzeuger und rechtlichem Vater der Regelfall (Gernhuber/CoesterWaltjen, a.a.O., § 52, Rdnr. 43, 128). Siehe nur Palandt/Diederichsen, § 1600e, Rdnr. 4.
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a) Eingetragene Lebenspartnerinnen Als Ausgangspunkt der statusrechtlichen Zuordnung des Kindes dient § 1591 BGB, wonach Mutter des Kindes die Lebenspartnerin ist, die es zur Welt gebracht hat. Mit der Geburt sind für die andere Lebenspartnerin keinerlei statusrechtlichen Konsequenzen verbunden. Insbesondere fehlt im Lebenspartnerschaftsrecht eine an § 1592 Nr. 1 BGB angelehnte Vorschrift, welche dem Kind die Lebenspartnerin der Mutter als zweiten Elternteil zuordnete. Eingetragene Lebenspartnerinnen haben jedoch über eine Stiefkindadoption gem. § 9 Abs. 7 LPartG die Möglichkeit, die gemeinsame rechtliche Elternschaft für das Kind herbeizuführen.41 Unklar ist, ob für die Stiefkindadoption auch die Einwilligung des Samenspenders erforderlich ist, zu dessen Vaterschaftsanerkenntnis die Mutter die Zustimmung verweigert hat (§ 1747 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 1600d Abs. 2 S. 1 BGB), da sich dies nicht aus § 9 Abs. 7 S. 2 LPartG ergibt. Trotz der unvollständigen Verweisung in § 9 Abs. 7 S. 2 LPartG ist aber anerkannt, daß die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die Adoption entweder direkt oder analog anzuwenden sind.42 Nach § 1747 Abs. 1 i.V.m. § 1600d Abs. 2 S. 1 BGB ist für eine Adoption die Einwilligung des Mannes erforderlich, der der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt hat. Teilweise wird das Erfordernis der Einwilligung des Samenspenders in die Stiefkindadoption mit der Begründung verneint, die Samenspende stelle sich nicht als Beiwohnung nach § 1600d Abs. 2 S. 1 BGB dar.43 Dabei wird allerdings übersehen, daß es sich bei § 1600d Abs. 2 S. 1 BGB um eine Vermutungsregelung handelt, die nur bei der Beiwohnung eingreift. Bei der Samenspende muß die Insemination bewiesen werden.44 Gelingt dies dem Samenspender, ist seine Einwilligung zur Stiefkindadoption gleichwohl erforderlich. In der Praxis dürfte die Einwilligung jedoch kaum eine Rolle spielen, weil der Samenspender die Vaterschaft in der Regel nicht anerkennen will. Kennen die Lebenspartnerinnen die Identität des Samenspenders nicht, so entfällt jedenfalls das Erfordernis der Einwilligung, weil sein Aufenthalt dauernd unbekannt ist (§ 1747 Abs. 4 BGB). Sofern es einen rechtlichen Vater gibt und dieser in die Annahme einwilligt, ergeben sich ebenfalls keine besonderen Probleme. Die Annahme als Kind wird vom Vormundschaftsgericht ausgesprochen, wenn sie dem Wohl des Kindes dient und das Entstehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses zwischen dem Annehmenden und dem Kind zu erwarten ist (§§ 1752 Abs. 1, 1741 Abs. 1 S. 1 BGB). Im Schrifttum wird davon ausgegangen, daß die Stiefkindadoption nach erfolgter heterologer Insemination bei Lebenspartnerinnen im Zweifel immer dem Kindeswohl entsprechen werde. Für das Kind sei es grundsätzlich vorteilhaft, wenn ihm die Lebenspartnerin der Mutter als weitere Verpflichtete 41
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Das LPartG enthält insoweit keine Vorgaben, ob die zweite Lebenspartnerin ebenfalls als Mutter zu bezeichnen ist (gleiches gilt für Lebenspartner). Auch aus der amtlichen Begründung, BT-Drucks. 15/3445 v. 29.6.2004, S. 15 ergeben sich keine weiteren Aufschlüsse. Es bietet sich daher an, von Elternschaft zu sprechen, vgl. dazu auch die Terminologie im spanischen Recht, Teil III § 8 III.4., S. 197 ff. Vgl. BT-Drucks. 15/3445 v. 29.6.2004, S. 15; Hk-LPartR/Kemper, § 9 LPartG, Rdnr. 25; Wellenhofer, NJW 2005, 705 (707). Siegfried, FPR 2005, 120 (121 f.). Palandt/Diederichsen, § 1600d, Rdnr. 12.
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und als Bezugsperson verantwortlich ist, weil der Samenspender regelmäßig unbekannt sei und gerade keine Verantwortung für das Kind übernehmen wolle.45 Bis zum gerichtlichen Ausspruch der Stiefkindadoption stehen der nicht gebärenden Lebenspartnerin regelmäßig die aus dem kleinen Sorgerecht fließenden Befugnisse zu.46 Die über die Adoption gem. § 9 Abs. 7 LPartG hergestellte statusrechtliche Zuordnung des Kindes zu beiden Lebenspartnerinnen kann nicht angefochten werden. Eine Aufhebung der Adoption beschränkt sich auf grobe Abschlußmängel (§ 1760 BGB) und Fälle, in denen dies aus schwerwiegenden Gründen zum Wohl des Kindes erforderlich ist (§ 1763 BGB).47 Irrelevant sind in diesem Zusammenhang etwaige Verstöße gegen § 1 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 oder Nr. 6 ESchG.48 Insofern ist die Zuordnung des Kindes über eine Adoption bei Lebenspartnerinnen mit einer höheren Bestandskraft ausgestattet, als die bei verschiedengeschlechtlichen Paaren regelmäßig stattfindende Zuordnung über § 1592 Nr. 1 und Nr. 2 BGB, die angefochten werden kann (§§ 1600 ff. BGB). Der Samenspender ist hinreichend vor einer gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft (§ 1600e Abs. 1 S. 1 BGB) geschützt, denn diese ist erst nach der Beseitigung der durch die Adoption erfolgten Zuordnung möglich, die unter den genannten strengen Voraussetzungen steht. Im Schrifttum wird vorgeschlagen, der Samenspender solle das Kind anerkennen und seine Einwilligung in die Stiefkindadoption durch die nicht gebärende Lebenspartnerin erklären. Dadurch gewährleistete man die Kenntnis des Kindes von seiner genetischen Abstammung und verhindere eine spätere Vaterschaftsfeststellung des Samenspenders.49 Folgte man diesem Vorschlag, setzte sich der Samenspender jedoch dem Risiko aus, daß bei einem Scheitern der Adoption, etwa weil eine der Lebenspartnerinnen ihre Einwilligung versagt, seine Vaterschaft nicht mehr zu beseitigen ist. Eine spätere Vaterschaftsfeststellung wird in gleicher Weise verhindert, wenn der Samenspender die Vaterschaft nicht anerkennt. Das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner genetischen Abstammung kann überdies genauso gut durch die hier favorisierte personenstandsrechtliche Lösung gewahrt werden.50 b) Nicht formalisierte Partnerschaften Bei nicht in eingetragener Lebenspartnerschaft lebenden lesbischen Paaren ist die Gebärende Mutter im Rechtssinne (§ 1591 BGB). Eine statusrechtliche Zuordnung zur zweiten Partnerin scheidet aus, weil diese nur durch eine Stiefkindadoption nach dem Lebenspartnerschaftsrecht möglich wäre. Eine gleichwohl durchgeführte Annahme des Kindes hätte die Beendigung des statusrechtlichen Bandes zur bisherigen Mutter zur Folge (§§ 1741 Abs. 2 S. 1, 1755 Abs. 1 S. 1 BGB). Solan45
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Wehrstedt, RNotZ 2005, 109 (115); ders., DNotZ 2005, 649 (653). Vgl. auch Dethloff, ZRP 2004, 195 (197). Zu den Voraussetzungen und Modalitäten ausführlich Teil II § 7 III.2.c)(1)(c), S. 160 ff. Vgl. dazu im einzelnen Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 68, Rdnr. 153 ff. Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 68, Rdnr. 152. Zu den Verstößen Teil IV § 10 IV.1., S. 242 ff. Rütz, Heterologe Insemination – Die rechtliche Stellung des Samenspenders, S. 115 f. Vgl. oben, S. 318 f.
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ge die Partnerinnen keine Lebenspartnerschaft geschlossen und eine Stiefkindadoption herbeigeführt haben, kann der Samenspender – sofern er die Empfängerin des Spermas kennt – durch Klage gegen das Kind seine Vaterschaft gerichtlich feststellen lassen (§ 1600e Abs. 1 S. 1 BGB), wenngleich er daran wegen der damit verbundenen vermögensrechtlichen Konsequenzen regelmäßig kein Interesse haben wird. c) Unwägbarkeiten Aus den vorstehenden Ausführungen ist deutlich geworden, daß die statusrechtliche Zuordnung nach geltendem Recht – trotz der für eingetragene Lebenspartnerinnen bestehenden Möglichkeiten – für alle Beteiligten mit Unsicherheiten behaftet sein kann. Die Mutter des Kindes ist nicht davor geschützt, daß ihre Lebenspartnerin nach der Geburt nicht mehr zu einer Stiefkindadoption bereit ist. Verschließt sich die Lebenspartnerin der Annahme des Kindes oder kommt diese aus anderen Gründen nicht zustande, birgt dies Unwägbarkeiten für den Samenspender, weil auf Klage der Mutter oder des Kindes seine Vaterschaft gerichtlich festgestellt werden kann (§ 1600e Abs. 1 S. 1 BGB). Bei einem nicht verpartnerten lesbischen Paar ist die Möglichkeit der gerichtlichen Feststellung von vornherein gegeben, weil eine statusrechtliche Zuordnung zu beiden Partnerinnen ausscheidet. Da das Kind genetisch vom Samenspender abstammt, wäre eine Klage erfolgreich und der Samenspender würde als Vater festgestellt werden (§ 1592 Nr. 3 BGB). Die damit verbundenen unterhalts- und erbrechtlichen Konsequenzen liegen regelmäßig nicht in seinem Interesse. 2. Schwule Partnerschaften Schwule Partner sind zur Realisierung ihres Kinderwunsches auf eine Ersatzmutter angewiesen. Aus diesem Umstand und der durch das bürgerliche Recht vorgegebenen Stellung des Mannes bei der Etablierung statusrechtlicher Verbindungen ergebenen sich wesentliche Abweichungen im Vergleich zur Eltern-KindZuordnung bei lesbischen Paaren. Bei schwulen Paaren bestehen gleichfalls Gemeinsamkeiten und Unterschiede, je nachdem, ob die Wunschväter in eingetragener Lebenspartnerschaft leben oder ihre Beziehung keinem rechtlichen Rahmen unterworfen haben. Daher ist zunächst auf die Gemeinsamkeiten einzugehen. Bei der Realisierung des Kinderwunsches durch ein schwules Paar ist die Frau, die das Kind austrägt, auf die Welt bringt und nach der Geburt bereit ist, es den Wunschvätern auf Dauer zu überlassen, Mutter im Rechtssinne (§ 1591 BGB). Dies gilt selbst für den Fall,51 daß die für die Befruchtung verwendete Eizelle nicht von der Ersatzmutter stammt. Das Abstammungsrecht sieht keine Möglichkeit vor, die Mutterschaft einer Frau anzufechten. Daher steht die Mutterschaft der Ersatzmutter unverrückbar fest.52
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Dieser Fall wird in der vorliegenden Arbeit nicht berücksichtigt, weil für schwule Paare die Tragemutterschaft keine zwingende Voraussetzung darstellt, zu einem Kind zu kommen, vgl. Teil IV § 9 VII.1., S. 227 f. Palandt/Diederichsen, § 1591, Rdnr. 2; Coester-Waltjen, Reproduktionsmedizin 18 (2002), 183 (189).
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Sofern die Ersatzmutter zum Zeitpunkt der Geburt verheiratet ist, ist ihr Ehemann Vater des Kindes (§ 1592 Nr. 1 BGB).53 Haben der Ehemann und die Ersatzmutter in die künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines der Lebenspartner eingewilligt, so ist die Anfechtung der Vaterschaft des so gezeugten Kindes durch den Ehemann oder die Ersatzmutter ausgeschlossen (§ 1600 Abs. 4 BGB). Die Anfechtung ist auch dann ausgeschlossen, wenn die Ersatzmutter mit einem anderen (nicht mit den Lebenspartnern identischen) Mann in nichtehelicher Lebensgemeinschaft lebt, beide in die heterologe Insemination eingewilligt haben und der Mann, mit dem die Ersatzmutter zusammenlebt, die Vaterschaft nach § 1592 Nr. 2 (i.V.m. §§ 1594 ff.) BGB anerkannt hat.54 Mit der 2002 erfolgten Einführung55 des § 1600 Abs. 4 BGB ist die zuvor durch den Bundesgerichtshof grundsätzlich zugestandene Möglichkeit der Anfechtung der Vaterschaft trotz konsentierter heterologer Insemination gegenstandslos geworden.56 Schwule Paare sollten vor diesem Hintergrund von vornherein eine ledige Ersatzmutter engagieren. Solange keine anderweitige Vaterschaft besteht, kommt deren Etablierung bei einer ledigen Ersatzmutter über § 1592 Nr. 2 und Nr. 3 BGB in Betracht. In diesem Fall kann einer der beiden Partner des schwulen Paares, der nicht notwendigerweise auch der Spermiendonator sein muß,57 mit Zustimmung der Ersatzmutter die Vaterschaft anerkennen (§§ 1592 Nr. 2, 1594 ff. BGB). a) Eingetragene Lebenspartner Ist einer der Lebenspartner Vater des Kindes im Rechtssinne, so kann dem anderen Lebenspartner die statusrechtliche Position eines Elternteils nur unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 7 LPartG58 eingeräumt werden. Eine Anerkennung der Vaterschaft neben einer bereits bestehenden Vaterschaft ist weder nach § 1592 BGB noch nach dem Lebenspartnerschaftsrecht möglich. Liegen die Voraussetzungen für die Stiefkindadoption vor, wird dadurch die statusrechtliche Verbindung zur Ersatzmutter beendet. Zugleich wird ein statusrechtliches Band zugunsten des bislang nicht mit dem Kind verwandten Lebenspartners begründet. Dadurch wird das Kind von Rechts wegen gemeinsames Kind der Lebenspartner. Die Aufhebung der Stiefkindadoption ist nur bei Vorliegen schwerer Abschlußmängel denkbar oder wenn schwerwiegende Gründe zum Wohl des Kindes dies erfordern (vgl. §§ 1760, 1763 BGB). Ohne Bedeutung sind in diesem Zusammenhang Verstöße gegen § 14 und § 14b AdVermiG und § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG.59 53 54 55
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Zur Vaterschaft nach § 1592 BGB vgl. oben, S. 320 f. Palandt/Diederichsen, § 1600, Rdnr. 9. Durch das Kinderrechteverbesserungsgesetz vom 9.4.2002 (BGBl. I, S. 1239) als § 1600 Abs. 2 BGB, der durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft und das Umgangsrecht von Bezugspersonen des Kindes etc. vom 23.4.2004 (BGBl. I, S. 598) zum aktuellen § 1600 Abs. 4 BGB wurde. BGHZ 87, 169 (174 ff.); BGH, NJW 1995, 2921 (2922). Vgl. auch Kirchmeier, FamRZ 1998, 1281 (1283). Vgl. dazu oben Fn. 39 und den zugehörigen Text. Dazu Teil II § 7 III.2.c)(4)(c), S. 169 f. Zu solchen Verstößen siehe Teil IV § 10 V.1., S. 259 ff. Insoweit unterscheidet sich die Rechtslage nicht von jener bei Lebenspartnerinnen, s. oben Fn. 48. Vgl. im Zusammenhang mit der Ersatzmutterschaft auch Coester-Waltjen, Gutachten B für den 56. DJT,
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Eine Anfechtung der über § 1592 Nr. 2 BGB zustande gekommenen Vaterschaft durch die Mutter oder das Kind60 scheidet aus, wenn das Kind seinem genetischen Vater zugeordnet ist. Aus diesem Grund sollte bei einem schwulen Paar der genetische Vater die Vaterschaft anerkennen. Um die genetische Vaterschaft nicht in Zweifel zu ziehen, empfiehlt es sich auch, von der Verwendung eines von beiden Partnern stammenden Spermiengemisches abzusehen. Besteht die Vaterschaft eines nicht zu den Lebenspartnern zählenden Mannes und scheiden Anfechtung und Begründung der Vaterschaft zugunsten eines der Lebenspartner aus, ist die Auflösung der statusrechtlichen Beziehungen nur dadurch möglich, daß Ersatzmutter und rechtlicher Vater das Kind zur Adoption freigeben und es durch einen der Lebenspartner an Kindes statt angenommen wird. Da das Lebenspartnerschaftsrecht nicht die gemeinschaftliche Adoption kennt und § 9 Abs. 7 LPartG in Fällen der sog. Kettenadoption ausgeschlossen ist,61 kann in solchen Konstellationen keine statusrechtliche Verbindung des aus der Samenspende eines Lebenspartners hervorgegangenen Kindes zu beiden Lebenspartnern hergestellt werden. Lebt das Kind in der eingetragenen Lebenspartnerschaft, bleiben dem anderen Lebenspartner dann aber immerhin die Befugnisse des kleinen Sorgerechts.62 b) Nicht formalisierte Partnerschaften Gegenüber Partnern, die in eingetragener Lebenspartnerschaft leben, ändert sich die Situation bei schwulen Paaren ohne rechtlich formalisierten Status insoweit, als die Möglichkeit der Stiefkindadoption gem. § 9 Abs. 7 LPartG von vornherein entfällt. Das Fehlen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft hat also zur Folge, daß eine statusrechtliche Verbindung nur zwischen einem Partner und dem Kind über eine Vaterschaftsanerkennung oder Einzeladoption hergestellt werden kann, wobei es sich bei diesem Partner nicht notwendigerweise um den leiblichen Vater handeln muß. c) Unwägbarkeiten Bei Einschaltung einer Ersatzmutter ergeben sich eine Reihe von Unwägbarkeiten für eingetragene Lebenspartner und nicht verpartnerte schwule Paare, die die gerade dargestellte statusrechtliche Zuordnung des aus der Samenspende eines Partners hervorgegangenen Kindes verhindern können. Ein schwules Wunschelternpaar ist nicht davor geschützt, daß die Ersatzmutter vor der Geburt heiratet oder vor der Vaterschaftsanerkennung durch einen der Partner ein anderer Mann die Vaterschaft anerkennt.63 War die Ersatzmutter im Zeitpunkt der Anerkennung
60 61 62 63
B 87: „Dem Wohl des Kindes ist jedenfalls nicht damit gedient, daß den Wunscheltern, nur weil sie zur Entstehung dieses Kindes beigetragen haben, die Adoption versagt wird.“ § 1600 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 BGB. Vgl. dazu Teil II § 7 III.2.c)(4)(d), S. 170 f. Zu dessen Voraussetzungen Teil II § 7 III.2.c)(1)(c), S. 160 ff. Coester-Waltjen, Reproduktionsmedizin 18 (2002), 183 (195).
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durch einen der Wunschväter nicht verheiratet,64 heiratet sie aber danach einen Dritten und besteht die Ehe noch zum Zeitpunkt der Geburt, dann wird die auf der Anerkennung basierende Vaterschaft nicht wirksam, solange nicht die Zuordnung zum Ehemann beseitigt ist.65 Ist die Vaterschaftsanerkennung prinzipiell möglich, etwa weil die Ersatzmutter nicht verheiratet ist, so muß sie ihre Zustimmung erteilen (§ 1595 BGB). Verweigert sie diese, besteht nur noch die kosten- und zeitaufwendige Möglichkeit der gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft (§ 1600d BGB), die theoretisch noch dadurch verhindert werden kann, daß mit der Zustimmung der Ersatzmutter ein anderer Mann die Vaterschaft anerkennt. Besteht nach § 1592 Nr. 1 oder Nr. 2 BGB die Vaterschaft eines anderen Mannes, so kann diese praktisch kaum durch Anfechtung des biologischen Vaters beseitigt werden. Dazu ist nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB nur der Mann berechtigt, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben. Daraus ergibt sich zunächst, daß derjenige Partner des schwulen Paares, von dem das Kind nicht abstammt, das Gestaltungsrecht wegen der abschließenden Aufzählung der Anfechtungsberechtigten nicht ausüben kann.66 Aber auch für den leiblichen Vater ist die Anfechtung praktisch ausgeschlossen. Nach einer teilweise in der Literatur vertretenen Auffassung, die sich auf die parlamentarischen Materialien stützen läßt67 und der auch der Bundesgerichtshof in einem obiter dictum beigetreten ist,68 kann er bereits deshalb nicht anfechten, weil unter Beiwohnung i.S.d. § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB nur der natürliche Geschlechtsverkehr, nicht jedoch die Samenspende eines Dritten zu verstehen sein soll.69 Folgt man dieser Auffassung, scheidet der samenspendende Partner des schwulen Paares aus dem Kreis der Anfechtungsberechtigten aus. Eine andere Ansicht im Schrifttum erwägt, § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch auf den Samenspender anzuwenden.70 Dessen Anfechtung wäre aber nur dann erfolgreich, wenn zwischen dem Kind und dem bislang zugeordneten rechtlichen Vater keine sozialfamiliäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt des Todes bestanden hat (§ 1600 Abs. 2 BGB). Eine sozial-familiäre Beziehung existiert, wenn der bislang zugeordnete Vater für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder im Zeitpunkt seines Todes getragen hat. Dafür reicht es in der Regel aus, daß der rechtliche Vater mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft mit dem Kind zusammengelebt hat (§ 1600 Abs. 3 BGB). Häufig wird zwischen dem Vater und dem Kind eine sozial-familiäre Beziehung beste64
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Zum Streit, ob ein präkonzeptionelles Vaterschaftsanerkenntnis möglich ist, vgl. Teil IV § 11 IV.4.b), S. 301 f. Rauscher, FPR 2002, 359 (362) m.w.N. Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 52, Rdnr. 112. Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 15/2492 v. 12.2.2004, S. 9. BGH, FamRZ 2005, 612 (614). Höfelmann, FamRZ 2004, 745 (749); Taupitz/Schlüter, AcP 205 (2005), 591 (619) m.w.N.; Palandt/Diederichsen, § 1600, Rdnr. 3; Büttner, in: Festschr. f. Schwab, S. 735 (736); Staudinger/Rauscher, Stand: Juli 2004, § 1600, Rdnr. 94; Wehrstedt, RNotZ 2005, 109 (114); ders., DNotZ 2005, 649 (651). Spickhoff, in: Festschr. f. Schwab, S. 923 (943); Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 53, Rdnr. 15.
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hen, so daß die Anfechtung durch den samenspendenden Partner an diesem Umstand scheitern wird. Bei bestehender Mutterschaft der Ersatzmutter und nicht zu beseitigender Vaterschaft eines anderen Mannes als eines der Lebenspartner verbliebe als einzige Möglichkeit einer Zuordnung zu einem der Lebenspartner71 die Einzeladoption, welche regelmäßig bereits deshalb nicht zustande kommen wird, weil sie vom Konsens aller Beteiligten abhängig ist. Eine Annahme des Kindes durch beide Lebenspartner scheidet nach geltendem Recht wegen des Verbots der Kettenadoption bzw. der fehlenden Möglichkeit der gemeinschaftlichen Adoption aus. Besteht die Vaterschaft eines der Lebenspartner, kann die Zuordnung zum anderen Lebenspartner nur durch die Adoption gem. § 9 Abs. 7 LPartG herbeigeführt werden, die alleine mit Einwilligung der Ersatzmutter möglich ist (§ 1747 Abs. 1 BGB).72 Die gerichtliche Ersetzung der Einwilligung gem. § 1748 BGB73 setzt eine Kindeswohlgefährdung voraus, von der nur unter sehr strengen und daher selten vorliegenden Voraussetzungen ausgegangen werden kann.74 Dabei kann die Abmachung über ein Ersatzmutterschaftsarrangement nicht als Kindeswohlgefährdung angesehen werden, weil § 1748 BGB eine Pflichtverletzung oder Gleichgültigkeit nach Geburt voraussetzt.75 3. Stellung des Samenspenders und der Ersatzmutter Die vorangegangenen Ausführungen zeigen, daß de lege lata die von lesbischen und schwulen Wunscheltern angestrebte statusrechtliche Zuordnung des Kindes zu beiden Partnern aus diversen Gründen fehlschlagen kann. Scheitert die Herstellung eines statusrechtlichen Bandes zwischen beiden gleichgeschlechtlichen Elternteilen und dem Kind, kann dies auch für die Ersatzmutter und den Samenspender von Nachteil sein, weil sie sich finanziellen Verpflichtungen ausgesetzt sehen. Die Ersatzmutter bleibt auch gegen ihren Willen Mutter des Kindes, wenn der samenspendende Partner des schwulen Paares die Vaterschaft anerkannt hat, aber eine Adoption durch den anderen Partner, sei es als Stiefkindadoption (gem. § 9 Abs. 7 LPartG) oder als Einzeladoption (gem. § 1741 Abs. 2 S. 1 BGB), nicht zustande kommt und auch eine Annahme des Kindes durch Dritte nicht möglich ist, weil der Vater dazu nicht einwilligt.76 In den Fällen, in denen es bei lesbischen Paaren nicht zu einer Stiefkindadoption kommt, besteht die Möglichkeit, den Samenspender als Vater feststellen zu lassen. Zwar hat der Bundesgerichtshof bei 71
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§ 9 Abs. 7 LPartG erlaubt nicht die Kettenadoption, vgl. Teil II § 7 III.2.c)(4)(d), S. 170 f. Deren Aufenthalt wird angesichts der Eintragung ihres Namens im Geburtenbuch (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PStG) regelmäßig bekannt sein, so daß ihre Einwilligung stets erforderlich ist (§ 1747 Abs. 4 BGB). Vgl. oben Fn. 42 und den zugehörigen Text. Vgl. dazu im einzelnen Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 68, Rdnr. 69 ff. Coester-Waltjen, NJW 1982, 2528 (2531); dies., Gutachten B für den 56. DJT, B 87 f. § 1747 Abs. 1 S. 1 BGB. In die Stiefkindadoption muß der Lebenspartner, der bereits rechtlicher Vater des Kindes ist, ebenfalls einwilligen (§ 1749 Abs. 1 S. 1 BGB).
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verschiedengeschlechtlichen Paaren in der Zustimmung des Wunschvaters zur heterologen Befruchtung der Frau eine konkludente Übernahme des Kindesunterhalts in Form eines Vertrags zu Gunsten des Kindes i.S.d. § 328 Abs. 1 BGB erblickt.77 Wegen der vergleichbaren Interessenlage spricht auch einiges dafür, diese Rechtsprechung auf Fälle der hier vorliegenden Art zu übertragen. Weil aber die vertragliche Übernahme des Unterhalts die erbrechtlichen Beziehungen unberührt läßt und nicht zuletzt vor dem Hintergrund forensischer Beweisschwierigkeiten in der Praxis ein Bedürfnis für ausdrückliche, vor allem schriftlich fixierte Vereinbarungen besteht, ist zu untersuchen, inwieweit de lege lata der Samenspender und die Ersatzmutter von vermögensrechtlichen Ansprüchen des Kindes freigestellt werden können. Eine Freistellung des Samenspenders oder der Ersatzmutter hat sich an folgenden rechtlichen Vorgaben zu orientieren. Ein Unterhaltsverzicht der Wunscheltern im Namen des Kindes scheitert daran, daß gem. § 1614 Abs. 1 BGB für die Zukunft nicht auf den Unterhalt verzichtet werden kann, zumal eine solche Abmachung einen unzulässigen Vertrag zu Lasten des Kindes darstellte.78 Eine praxistaugliche Freistellung von unterhaltsrechtlichen Ansprüchen des Kindes ist lediglich in Form eines Schuldbeitritts der Wunscheltern möglich. Dieser kann auch als Vertrag zugunsten des Samenspenders bzw. der Ersatzmutter i.S.d. § 328 Abs. 1 BGB zwischen den Wunscheltern und dem Arzt, der die künstliche Befruchtung durchführt, abgeschlossen werden. Dadurch behält das Kind seinen Unterhaltsanspruch gegenüber dem Samenspender oder der Ersatzmutter; diese können sich jedoch bei einer Inanspruchnahme im Innenverhältnis bei den Wunscheltern schadlos halten.79 Allerdings trägt die freigestellte Person das Risiko, daß die Wunscheltern illiquide sind.80 Das Risiko der Insolvenz des Schuldners besteht im übrigen auch dann, wenn man mit der Rechtsprechung in der Einwilligung in die heterologe Befruchtung die konkludente vertragliche Übernahme des Kindesunterhalts sieht. Rechtsgeschäftliche Abmachungen, wonach das Kind aus der erbrechtlichen Stellung nach dem Samenspender bzw. der Wunschmutter in die erbrechtliche 77
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BGH, NJW 1995, 2028 ff.; vgl. auch Taupitz/Schlüter, AcP 205 (2005), 591 (598) m.w.N. Vgl. dazu auch Taupitz/Schlüter, AcP 205 (2005), 591 (599 f.). Taupitz/Schlüter, AcP 205 (2005), 591 (606 ff.): Die befreiende Schuldübernahme nach § 414 BGB bzw. § 415 BGB genügt nicht den Bedürfnissen der Praxis. Da die Eltern das Kind vertreten (§§ 1626 Abs. 1, 1629 Abs. 1 BGB) und selbst die Schuld übernehmen, liegt ein Insichgeschäft vor (§ 181 BGB). Weil das Kind eine Rechtsposition aufgäbe, handelte es sich nicht um ein lediglich vorteilhaftes oder rechtlich neutrales Geschäft, was die Selbstkontrahierung unzulässig machte. Rechtliche Folge wäre die schwebende Unwirksamkeit des Geschäfts, die nur durch Genehmigung seitens des geschäftsfähig gewordenen Kindes oder eines Pflegers beseitigt werden könnte. Da im Gegensatz zur befreienden Schuldübernahme das Kind bei einem Schuldbeitritt den Samenspender als Schuldner behält und mit den beitretenden Wunscheltern einen weiteren Schuldner erlangt, liegt die befreiende Schuldübernahme in der Regel nicht im Interesse des Kindes, weshalb ein Pfleger das Insichgeschäft regelmäßig nicht genehmigen wird, vgl. Taupitz/Schlüter, a.a.O., 591 (600 ff.) m. umfangreichen w.N. Taupitz/Schlüter, AcP 205 (2005), 591 (608), (620), (643).
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Stellung des nicht-leiblichen Wunschelternteils einrückt, sind nicht möglich. Ein Erbverzicht des Kindes durch seine Eltern als gesetzliche Vertreter gem. § 2346 BGB ist erst nach der Geburt möglich und bedarf der Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht (§ 2347 Abs. 1 S. 1 BGB). Diese wird praktisch nur in seltenen Ausnahmefällen erteilt werden, weil das Vormundschaftsgericht im Rahmen des ihm bemessenen Beurteilungsspielraumes das Wohl und die Interessen des Minderjährigen zu berücksichtigen hat.81 Die Ersatzmutter und der Samenspender können lediglich das Erbrecht des Kindes auf den Pflichtteil beschränken (§ 2303 Abs. 1 BGB).82 Daher sehen sich die Erben der Ersatzmutter und des Samenspenders mit erbrechtlichen Ansprüchen konfrontiert. Der Samenspender und die Ersatzmutter bzw. deren Erben sind daher trotz konkludent angenommener oder ausdrücklich geschlossener Freistellungsvereinbarungen nicht hinreichend vor dem Risiko einer finanziellen Inanspruchnahme durch das Kind geschützt.
IV. Eltern-Kind-Zuordnung de lege ferenda Die bisherigen Ausführungen machen deutlich, daß das Recht der Eltern-KindZuordnung des BGB und des LPartG mit zahlreichen Unsicherheiten behaftet ist und nicht in ausreichendem Maße den Bedürfnissen gleichgeschlechtlicher Paare und der involvierten Dritten Rechnung trägt. Bei der Zulassung gleichgeschlechtlicher Paare zu Maßnahmen assistierter Reproduktion müßten auch die statusrechtlichen Regelungen der sozialen Realität und den Interessen der Beteiligten in einer Weise angepaßt werden, die für Statusklarheit und Statussicherheit sorgt. Dazu sollen im folgenden Vorschläge unterbreitet werden, die wiederum zwischen lesbischen und schwulen Partnerschaften sowie danach differenzieren, ob die Paare in eingetragener Lebenspartnerschaft leben. Dabei wird für sämtliche Konstellationen in erster Linie davon ausgegangen, daß die gleichgeschlechtlichen Wunscheltern das Kind zu zweit großziehen möchten und eine Teilhabe der gegengeschlechtlichen Person an der Erziehung nicht gewünscht wird. Dies liegt regelmäßig auch im Interesse des Samenspenders bzw. der Ersatzmutter, die über ihren biologischen Beitrag zur Entstehung des Kindes hinaus keine weiteren Verpflichtungen, seien sie vermögens- oder personensorgerechtlicher Art, eingehen möchten. Daneben dürfte es auch im Interesse des Kindes liegen, wenn es mit seinen Wunscheltern zwei feste Bezugspersonen hat und dieses Gefüge nicht durch Konflikte mit dem Samenspender oder der Ersatzmutter gestört wird. 1. Lesbische Partnerschaften Lesbische Partnerinnen sind für die Realisierung ihres Kinderwunsches auf die Beteiligung eines Samenspenders angewiesen. Den Interessen der Beteiligten wäre am effektivsten durch eine Regelung gedient, die das Kind originär, d.h. mit der Geburt, dem lesbischen Wunschelternpaar zuordnete und die Möglichkeit der Etablierung eines statusrechtlichen Bandes zum Spender ausschlösse. 81 82
Vgl. Taupitz/Schlüter, AcP 205 (2005), 591 (612) m.w.N. Taupitz/Schlüter, AcP 205 (2005), 591 (643).
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a) Eingetragene Lebenspartnerinnen Bei der Gebärenden wird das statusrechtliche Band bereits über § 1591 BGB hergestellt, so daß insoweit keine gesetzliche Neuregelung veranlaßt ist. Hingegen müßte für die zweite eingetragene Lebenspartnerin eine sich an der Rechtsfolge des § 1592 BGB orientierende originäre Zuordnung geschaffen werden.83 Eine solche rechtsbegründende Anordnung der Elternschaft hätte für die nicht gebärende Lebenspartnerin zur Folge, daß mit der Geburt das Kind auch ihr zugeordnet wird. Allerdings muß zuerst geklärt werden, wie eine derartige Zuordnung mit der geltenden Dogmatik des Abstammungsrechts zu vereinbaren ist. Der Gesetzgeber duldet nämlich der biologischen Wahrheit nicht entsprechende Zuordnungen nur, wenn für sie eine gewisse generelle genetische Wahrscheinlichkeit spricht.84 Von daher steht das Konzept einer originären Zuordnung mit der Dogmatik des geltenden Abstammungsrechts nicht in Einklang, weil bei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften immer nur ein Partner eine genetische Verbindung zum Kind haben kann.85 Die originäre Zuordnung eines Kindes zu einem leiblichen und einem nicht leiblichen Elternteil gleichen Geschlechts ließe sich in die geltende Dogmatik nur dann integrieren, wenn neben das Abstammungsprinzip ein Elternschaftsprinzip tritt. Die Einführung eines Elternschaftsrechts bedeutete eine Abkehr von einer möglicherweise der biologischen Wahrheit86 entsprechenden hin zu einer in erster Linie durch ein voluntatives Element charakterisierten Zuordnung. Die voluntative Komponente besteht in dem Willen einer Person, für ein Kind tatsächlich elterliche Verantwortung zu übernehmen. Dadurch läßt sich auch die gleichgeschlechtliche Elternschaft statusrechtlich bewältigen, bei der eine potentielle genetische Verbundenheit zu beiden Elternteilen a priori ausscheidet und daher an die Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme angeknüpft werden muß. Für das deutsche Recht sind keine Gesichtspunkte erkennbar, die der Einführung eines elternschaftlichen Prinzips bei der originären Eltern-Kind-Zuordnung entgegenstünden. Mit der Einführung der Stiefkindadoption im Lebenspartnerschaftsrecht hat der Gesetzgeber den Paradigmenwechsel hin zu einem durch Verantwortungsübernahme getragenen Elternschaftsrecht gleichgeschlechtlicher Paare bereits zum Teil vollzogen. Daneben sind voluntative Elemente als konstitutives Moment der statusbegründenden Zuordnung dem deutschen Familienrecht seit jeher nicht fremd. Diese Elemente spielen bei der Adoption und der Vater-
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Vgl. auch Dethloff, in: Gedächtnisschr. f. Heinze, S. 133 (139): Auch ein lesbisches Paar, das gemeinsam seinen Kinderwunsch durch die künstliche Befruchtung einer Partnerin mit dem Samen eines Spenders realisiert hat, solle rechtlich Verantwortung für das Kind übernehmen. Ferner Siegfried, FPR 2005, 120 (121). Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 52, Rdnr. 3. In Dänemark, Finnland und den Niederlanden wurde die Vermutung, daß die nichtgebärende Partnerin von Rechts wegen als zweiter Elternteil anzusehen ist, in den jeweiligen Instituten explizit ausgeschlossen, vgl. Teil III § 8, S. 175 ff. Bei der genetisch und plazentar fragmentierten Mutterschaft innerhalb einer lesbischen Partnerschaft entspräche die Zuordnung zu beiden Frauen sogar noch weit eher der biologischen Wahrheit. Vgl. zur hier verwendeten Terminologie in diesem Zusammenhang Teil IV § 9 V.2., S. 226 f.
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schaftsanerkennung87 eine herausgehobene Rolle, wenngleich bei der Adoption ein staatlicher Akt in Form eines Dekrets, bei der Vaterschaftsanerkennung die staatliche Mitwirkung in Form der öffentlichen Beurkundung hinzutritt.88 Die Beteiligung des Staates läßt aber bei diesen Instituten das voluntative Element im Kern unangetastet. Angesichts bereits bestehender Möglichkeiten einer von der Übernahme tatsächlicher Verantwortung geleiteten statusrechtlichen Zuordnung sind keine dogmatischen Bedenken ersichtlich, die dagegen sprächen, neben das Abstammungsprinzip ein Elternschaftsprinzip treten zu lassen. Vor dem Hintergrund einer sich wandelnden sozialen Realität muß das Familienrecht zudem den Bedürfnissen gleichgeschlechtlicher Eltern durch angemessene Lösungen gerecht werden.89 Der hier in Betracht gezogene Perspektivwechsel wird in anderen Staaten entweder bereits diskutiert oder er hat sich sogar schon vollzogen. In den Niederlanden war bei der Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe erwogen worden, die abstammungsrechtlichen Folgen der Ehe auf gleichgeschlechtliche Paare auszudehnen.90 Obzwar sich der Gesetzgeber dazu nicht durchringen konnte, wird seit einiger Zeit im niederländischen Schrifttum eine Diskussion geführt, neben dem Abstammungsprinzip auch ein Elternschaftsprinzip für die statusrechtliche Zuordnung zu implementieren.91 In den USA ist im rechtswissenschaftlichen Schrifttum eine vergleichbare Debatte zu beobachten.92 Der Vollzug dieses Paradigmenwechsels läßt sich schließlich in Spanien konstatieren. Obwohl das spanische Recht der originären Eltern-Kind-Zuordnung ebenfalls vom Abstammungsprinzip geprägt ist,93 hinderte dies den Gesetzgeber nicht, ein Elternschaftsprinzip einzuführen, 87
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Faktisch ist auch nach geltendem Recht die Zuordnung des Kindes im Hinblick auf die Vaterschaft für die Parteien disponibel: Die Mutter kann eine bewußt unrichtige Anerkennung akzeptieren; die Parteien können einverständlich die Vaterschaftsfeststellung unterlassen, vgl. Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 52, Rdnr. 44. Vgl. § 1752 Abs. 1 und § 1597 Abs. 1 BGB. Zur öffentlichen Beurkundung auch unten, Fn. 102. In der deutschen rechtswissenschaftlichen Diskussion scheint sich dieser Paradigmenwechsel ebenfalls bereits anzukündigen, vgl. Wehrstedt, DNotZ 2005, 649 (654): „Im Zeitalter der modernen Fortpflanzungsmedizin kann die Zuordnung eines Kindes zu seinem Vater nicht mehr ausschließlich nach genetischen Kriterien erfolgen. Daneben müssen auch Gesichtspunkte wie z.B. die Übernahme von Verantwortung bzw. Verantwortlichkeit Berücksichtigung finden.“ Vgl. auch Dethloff, ZRP 2004, 195 (197); dies., in: Gedächtnisschr. f. Heinze, S. 133 (139). Vgl. dazu Teil III § 8 III.1., S. 190 ff. Vonk, 18 Int.J.Law & Fam. (2004), 103 (109); dies., Children and their parents, S. 273, jeweils mit Hinweis auf die Arbeit von Henstra, Van afstammingsrecht naar ouderschapsrecht. Een beschouwing over de positie van sociale en biologische ouders in het familierecht, 2002 (zit. n. Vonk). Rosato, 44 Family Court Review (2006), 74 (80 f.). Vgl. Art. 112 ff. des spanischen Código Civil sowie Díez-Picazo/Gullón, Sistema de derecho civil, Volumen IV, S. 249: „Inicialmente, la filiación es un hecho biológico y consiste en que una persona ha sido engendrada o procreada por otra. Esa inicial realidad biológica es recogida y regulada a posteriori por el ordenamiento jurídico, que
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das den Willen, gemeinsame Verantwortung für ein Kind zu übernehmen, zum Anknüpfungspunkt für statusrechtliche Folgen macht. Gleiches gilt für das schwedische Recht.94 Auf der Grundlage dieser Überlegungen können nun verschiedene Optionen der originären Zuordnung eines Kindes zu beiden Partnerinnen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft untersucht werden. Denkbar wäre, in Anlehnung an § 1592 Nr. 1 BGB vom Bestehen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft bei Geburt eines Kindes ipso iure die Elternschaft der nicht gebärenden Lebenspartnerin abhängig zu machen.95 Allerdings scheitert eine sich an § 1592 Nr. 1 BGB orientierende Herstellung des Eltern-KindVerhältnisses am Fehlen des für das Elternschaftsprinzip konstitutiven voluntativen Elementes.96 Diese Zuordnung wäre nämlich nicht mehr von dem bei gleichgeschlechtlichen Verbindungen zugrundezulegenden Elternschaftsprinzip getragen, weil ihr das voluntative Element fehlt. Dem Eingehen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft kann nämlich nicht der konkludent geäußerte Wille entnommen werden, den von der anderen Lebenspartnerin geborenen Kindern rechtlich als Elternteil zugeordnet werden zu wollen. Aus diesem Grund haben auch Schweden und Spanien die Etablierung eines zweiten statusrechtlichen Bandes von Erklärungen der Beteiligten abhängig gemacht.97 Gegenüber dieser Lösung ist daher ein Konzept vorzuziehen, das die tatsächliche Bereitschaft aufnimmt, elterliche Verantwortung zu übernehmen. Im Gegensatz zu einer ausschließlich an § 1592 Nr. 1 BGB orientierten Zuordnung sind deshalb zusätzliche Anforderungen zu stellen. Diese Anforderungen gehen über das bloße Bestehen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft hinaus und nehmen voluntative Elemente auf, wie sie von § 1592 Nr. 2 und § 1600 Abs. 4 BGB her
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distribuye derechos y obligaciones entre los progenitores y los seres procreados por ellos o, dicho de modo más sencillo, entre padres e hijos.“ (Hervorhebung im Original). (Die Abstammung ist eine biologische Tatsache, die darin besteht, daß eine Person von einer anderen gezeugt wurde. Dieser tatsächliche biologische Ausgangspunkt wird vom Recht aufgenommen und in der Weise geordnet, daß Rechte und Pflichten zwischen den Erzeugern und den von ihnen Erzeugten, oder mit einfacheren Worten, zwischen Eltern und Kindern, zugewiesen werden, Übersetzung des Verf.) Vgl. Tottie, in: Strömholm, An Introduction to Swedish Law, S. 201 (213); Gebhard, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, S. 34 f. Vgl. Siegfried, FPR 2005, 120 (121). In Schweden wird erwogen, eine solche Regelung einzuführen, vgl. Jänterä-Jareborg, FamRZ 2006, 1329 (1330) und Teil III § 8 II.4., S. 182 ff. Vgl. auch Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 52, Rdnr. 3: Es sei nicht möglich und mit dem grundsätzlich geltenden Abstammungssystem nicht zu vereinbaren, die gleichgeschlechtliche registrierte Lebenspartnerin der Mutter gem. § 1592 Nr. 1 BGB zu behandeln. Aus diesem Grund sieht Coester-Waltjen wohl eine der Vaterschaftsanerkennung nachgebildete statusbegründende Zuordnung bei eingetragenen Lebenspartnerinnen ebenfalls für nicht mit dem geltenden System vereinbar an. Es ist aber zu berücksichtigen, daß die Vaterschaftsanerkennung bereits ein voluntatives Element beinhaltet und insofern ein Charakteristikum des Elternschaftsprinzips aufweist. Vgl. zu Schweden Teil III § 8 II.4., S. 186 f.; zu Spanien Teil III § 8 III.4., S. 199.
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bekannt sind. Vorauszusetzen ist die Einwilligung der Frau in die heterologe Insemination ihrer Lebenspartnerin und die Bereitschaft, zu dem auf diesem Wege zu zeugenden Kind auch ein statusrechtliches Band mit allen Rechten und Pflichten etablieren zu wollen. Daneben müßte auch die Lebenspartnerin, die das Kind austragen und zur Welt bringen will, mit der Zuordnung einverstanden sein.98 Schließlich sollte der Samenspender erklären, auf eine rechtliche Zuordnung als Vater und die damit verbundenen Rechte und Pflichten zu verzichten. Um zu verhindern, daß der Samenspender später doch als rechtlicher Vater festgestellt wird, könnte ein Anfechtungsverbot für die Lebenspartnerinnen und das Kind normiert werden.99 Dieses Verbot läßt sich aus der Erwägung rechtfertigen, daß das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner genetischen Abstammung nicht zugleich ein Recht auf Etablierung eines statusrechtlichen Bandes zu einem leiblichen Elternteil beinhaltet. Die Möglichkeit, dessen Identität zu erfahren, setzt es nicht voraus, eine Eltern-Kind-Zuordnung herbeiführen zu können.100 Die Erklärungen der Lebenspartnerinnen und des Samenspenders sind bedingungs- und befristungsfeindlich auszugestalten (vgl. § 1594 Abs. 3 BGB), denn wie bei der Anerkennung verfolgen sie den Zweck, den Personenstand mit Wirkung für und gegen jedermann festzustellen.101 Daneben sollten die Erklärungen formbedürftig sein. Sinnvoll und interessengerecht erscheint hier eine notarielle Beurkundung der Erklärungen, weil dadurch neben der Beweis- und Warnfunktion auch die vom Notar vorzunehmende Belehrung über die rechtlichen Folgen (§ 17 Abs. 1 BeurkG) gewährleistet würde.102 Die notarielle Beurkundung der Erklärungen versähe diese zugleich mit einer erhöhten Bestandskraft, weil kaum Raum für deren Unwirksamkeit oder eine nachträgliche Beseitigung besteht. Schließlich sollte die Abgabe der Erklärungen schon vor der Zeugung des Kindes zulässig sein. Dadurch wird sichergestellt, daß sich nach der Empfängnis keiner der Beteiligten aus seiner Verantwortung stiehlt. Dieses Konzept bietet den Vorteil, daß bereits vor der Geburt des Kindes feststeht, wer von Rechts wegen die Eltern sind. Es beseitigt für alle Beteiligten die nach der lex lata bestehenden Unwägbarkeiten. Die präsumtive Mutter hätte bei ihrer Entscheidung für die künstliche Befruchtung die Sicherheit, daß sich ihre Lebenspartnerin nicht später der Verantwortung für das gemeinsam gewünschte 98
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Vgl. Dethloff, ZRP 2004, 195 (197). Insofern würden als Voraussetzungen für eine statusrechtliche Zuordnung ähnliche Elemente wie bei § 1592 Nr. 2 BGB zum Zuge kommen. Kritisch Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 52, Rdnr. 3. Siehe auch Dethloff, in: Gedächtnisschr. f. Heinze, S. 133 (139). Vgl. Wehrstedt, DNotZ 2005, 649 (652): kein Grundrecht des Kindes, die eigene genetische Abstammung auch in rechtlicher Hinsicht durchzusetzen. Vgl. nur Rauscher, FPR 2002, 359 (363). Der Notar hat so eingehend zu belehren, daß der Erklärende die Tragweite und Rechtsfolgen seiner Erklärung überblickt. Denkbar wäre aber auch eine öffentliche Beurkundung wie in § 1597 Abs. 1 BGB vorgesehen. Diese kann durch die zuständigen Beamten und Angestellten des Jugendamtes (vgl. § 59 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VIII), durch Standesbeamte (vgl. § 29a Abs. 1 PStG) oder durch den Notar (§ 1 BeurkG) erfolgen. Bei den erstgenannten Institutionen entfällt jedoch eine vergleichbare Belehrung, wie sie der Notar vorzunehmen hat.
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Kind durch die nachträgliche Weigerung entzieht, in die Adoption einzuwilligen. Die hier vertretene Lösung diente zudem auch den Interessen des Kindes an einer schnellen und klaren Zuordnung zu den Personen, die die elterliche Verantwortung übernehmen wollen. Die mit der Geburt erfolgende Zuordnung des Kindes zu beiden Lebenspartnerinnen trüge auch den Belangen des Samenspenders in ausreichendem Maße Rechnung, weil ihm gegenüber kein Eltern-Kind-Verhältnis hergestellt werden kann. Der Samenspender kann sich dadurch ausreichend absichern, daß er seine Erklärung und die Verwendung seines Spermas vom Vorliegen der Erklärungen des lesbischen Paares abhängig macht. Werden dem Kind mit der Geburt die beiden Lebenspartnerinnen als Eltern zugeordnet, bestehen auch keine Bedenken, den Samenspender aus seinen vermögens- und personensorgerechtlichen Verpflichtungen zu entlassen. Das Kind hat dann nämlich bereits zwei Elternteile, die dem Kind verpflichtet sind. Daß zu den Verpflichteten nicht der Samenspender zählt, kann dagegen nicht eingewendet werden. Es gibt kein schützenswertes Interesse des Kindes an einem bestimmten, eventuell besonders solventen Unterhaltsschuldner oder vermögenden Erblasser. Schützenswert ist lediglich sein Interesse, zwei Unterhaltsschuldner zu haben bzw. zwei Elternteilen als gesetzlicher Erbe zugeordnet zu sein. Das hier erwogene Lösungskonzept ist gegenüber einer an § 1592 Nr. 1 BGB orientierten Zuordnung von vornherein flexibler, da es auch den – hier nicht in den Vordergrund gestellten – Fällen Rechnung trägt, bei denen die lesbischen Partnerinnen und der Samenspender eine Beteiligung an der Erziehung des Kindes und die Möglichkeit der Etablierung der Vaterschaft wünschen.103 Das auf der Grundlage eines elternschaftlichen Prinzips entwickelte Konzept ist den Interessen des Kindes und aller anderen Beteiligten verpflichtet. Es läßt sich auch mit der in jüngerer Zeit vom Bundesverfassungsgericht hervorgehobenen Bedeutung der gelebten sozialen Familie und der darin zum Ausdruck kommenden sozial-familiären Beziehung vereinbaren,104 weil die Wunschmütter typischerweise Elternverantwortung für das Kind übernehmen und der Samenspender an einer sozialen Beteiligung in aller Regel nicht interessiert sein wird. Weder das BVerfG noch das geltende Recht gehen von einem generellen Vorrang der statusrechtlichen Zuordnung zum biologischen Erzeuger aus.105 Die originäre Zuordnung der nicht gebärenden Lebenspartnerin in der hier vorgeschlagenen Weise kann sich schließlich auch auf Vorbilder aus dem europäischen Ausland stützen. In Spanien gilt ein vergleichbares rechtliches Regime, wenn die Partnerinnen miteinander verheiratet sind.106 In Schweden setzt die Zuordnung des Kindes zu beiden Wunschmüttern mit der Geburt voraus, daß das 103
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Bei der schwedischen Regelung spielte die Überlegung eine Rolle, daß es auch lesbische Paare gebe, die mit der Samenspende eines schwulen Paares eine Insemination unter eigener Regie vornehmen und die Beteiligten die Vaterschaft des Samenspenders herstellen möchten, vgl. Teil III § 8 II.4., S. 187. In den Niederlanden hat ein vergleichbarer Fall bereits die Gerichte beschäftigt, vgl. Vonk, 18 Int.J.Law & Fam. (2004), 103 ff. Im Zentrum des Rechtsstreits stand die Frage, welche der drei erwachsenen Personen Eltern im rechtlichen Sinne werden sollten. BVerfGE 108, 82 (105 f.). S.a. Wehrstedt, DNotZ 2005, 649 (652). Vgl. dazu eingehender Teil III § 8 III.4., S. 199.
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Paar in einer rechtlich formalisierten Partnerschaft lebt und daß die künstliche Befruchtung in einem öffentlichen Krankenhaus durchgeführt wird.107 b) Nicht formalisierte Partnerschaften Es ist fraglich, ob das für eingetragene Lebenspartnerinnen vorgeschlagene Lösungskonzept auch auf nicht formalisierte lesbische Partnerschaften übertragen werden sollte. Lesbische Paare können nämlich de lege lata keine zweite ElternKind-Zuordnung herbeiführen, weil ihnen im Gegensatz zu eingetragenen Lebenspartnern nicht die Möglichkeit der Stiefkindadoption offen steht. Allerdings können diese Paare mit guten Gründen auch darauf verwiesen werden, eine eingetragene Lebenspartnerschaft einzugehen, um in den Genuß der hier vorgeschlagenen statusrechtlichen Vorteile zu kommen. Dies legitimierte sich nicht zuletzt auch daraus, daß die mit dem Institut einhergehende Stabilisierung in partnerschaftlicher und ökonomischer Hinsicht auch den Interessen des Kindes dient.108 Im übrigen haben jene Rechtsordnungen, die eine originäre statusrechtliche Zuordnung im Hinblick auf die nicht gebärende lesbische Partnerin kennen, die Rechtsfolge vom Bestehen einer rechtlichen Formalisierung der Beziehung abhängig gemacht.109 2. Schwule Partnerschaften De lege ferenda bieten sich für schwule Partner ebenfalls verschiedene Alternativen einer weniger risikobehafteten Zuordnung des Kindes zu seinen Wunschvätern an. Wegen der besonderen rechtlichen Stellung der gebärenden Frau stößt die Herstellung eines Eltern-Kind-Verhältnisses aber im Gegensatz zu lesbischen Paaren auf größere Schwierigkeiten. Probleme bereitet es, das Kind mit der Geburt beiden Männern originär zuzuordnen.110 Ein solches Vorgehen kollidiert mit § 1747 Abs. 2 S. 1 BGB. Danach kann die Einwilligung der Ersatzmutter in die Annahme des Kindes durch Dritte erst wirksam erteilt werden, nachdem das Kind acht Wochen alt ist. Die Vorschrift sucht der besonderen, häufig konfliktbehafteten Situation einer Frau gerecht zu werden, die daran denkt, ihr Kind nach der Geburt zur Adoption freizugeben.111 Daran ändert auch der Umstand nichts, daß sich eine Ersatzmutter von Beginn an bewußt für die Weggabe des Kindes entscheidet. Auch sie soll vor einer unüber-
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Dazu im einzelnen Teil III § 8 II.4., S. 186 f. Dazu Teil II § 7 III.2.a), S. 133 ff. sowie Teil II § 7 III.2.b), S. 145 ff. In Schweden müssen die Partnerinnen entweder eine registrierte Partnerschaft oder eine sog. Lebens- bzw. Haushaltsgemeinschaft führen, vgl. Teil III § 8 II.4., S. 186 f., in Spanien müssen die Partnerinnen verheiratet sein, vgl. Teil III § 8 III.4., S. 199. Vgl. auch die statusrechtliche Zuordnung in Israel und in Griechenland, die allerdings Fälle der Tragemutterschaft betrifft und gleichgeschlechtliche Paare von entsprechenden Arrangements ausschließt, Teil IV § 10 V.3.e)(2) und (3), S. 275 ff. Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, § 68, Rdnr. 64; Palandt/ Diederichsen, § 1747, Rdnr. 4; im Zusammenhang mit der anonymen Geburt auch Katzenmeier, FamRZ 2005, 1134 (1136).
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legten und möglicherweise bald bereuten Einwilligung geschützt werden.112 Daher können die Beteiligten eines Ersatzmutterschaftsarrangements über die achtwöchige Wartefrist des § 1747 Abs. 2 S. 1 BGB nicht disponieren. Eine originäre Zuordnung zu beiden Partnern, verbunden mit einer sofortigen Unterbrechung des statusrechtlichen Bandes zur Mutter vertrüge sich nicht mit diesem fundamentalen Prinzip der Neuordnung statusrechtlicher Beziehungen. Gegen die Einführung einer diesen Grundsatz überspielenden Regelung spricht ferner auch das oben gefundene Ergebnis, wonach die Zulassung der altruistischen Ersatzmutterschaft allenfalls dann akzeptabel erscheint, wenn die Entscheidungsfreiheit der Ersatzmutter in jeder Phase des Arrangements, insbesondere aber im Hinblick auf die Freigabe des Kindes zur Adoption, gewährleistet ist. In diesem Zusammenhang wurden auch nur deshalb monetäre Zuwendungen im Sinne einer Aufwandsentschädigung für angemessen erachtet, weil dadurch die Entscheidungsfreiheit der Mutter in finanzieller Hinsicht abgesichert werden kann.113 Dieses Anliegen würde durch eine § 1747 Abs. 2 S. 1 BGB ignorierende statusrechtliche Zuordnung konterkariert. Daher scheidet die originäre Zuweisung der rechtlichen Elternposition an ein schwules Paar mit der Geburt des Kindes aus.114 Eine zweite Möglichkeit bestünde in der Zuweisung der Elternposition an alle drei Beteiligten in der Weise, daß die schwulen Partner bereits mit der Geburt Eltern des Kindes im Rechtssinne werden, aber ein drittes rechtliches Band115 zur Ersatzmutter etabliert wird. Dieses Band besagte lediglich, daß die Ersatzmutter das Kind geboren hat; im übrigen wäre diese Position aber der ansonsten mit der statusrechtlichen Verbindung einhergehenden elterlichen Rechte und Pflichten entkleidet.116 Allerdings dürfte auch diese Lösung mit § 1747 Abs. 2 S. 1 BGB in Widerspruch stehen, da man der Ersatzmutter die statusrechtliche Zuordnung aus 112
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Vgl. Medicus, Jura 1986, 302 (306). Eine vergleichbare Norm scheint in Israel und in Griechenland einer sofortigen bzw. alsbaldigen statusrechtlichen Zuordnung zu den Wunscheltern nicht entgegenzustehen, vgl. oben Fn. 110. Vgl. dazu Teil IV § 10 V.3.c), S. 273 f. De lege lata gegen eine originäre Zuordnung bei der Ersatzmutterschaft CoesterWaltjen, NJW 1982, 2528 (2529); dies., Gutachten B für den 56. DJT, B 83, die dies aber wohl – ohne auf § 1747 Abs. 2 S. 1 BGB einzugehen – de lege ferenda für möglich hält. Unabhängig von einer genetischen Verbindung für einen besonderen Schutz der Gebärenden dies., in: Das Bundesministerium für Gesundheit, Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, S. 158 (161). Das deutsche Recht schließt eine solche Zuordnung nicht kategorisch aus, vgl. § 1770 Abs. 2 BGB. Die Etablierung von mehr als zwei statusrechtlichen Beziehungen im Hinblick auf die gleichgeschlechtliche Elternschaft wird auch im Schrifttum diskutiert, vgl. Jänterä-Jareborg, FamRZ 2006, 1329 (1330, Fn. 15): „It is likely that the issue of permitting the legal parenthood of more than two persons will arise in the future, not least with regard to children of same-sex parents.“ S.a. Vonk, 18 Int.J.Law & Fam. (2004), 103 ff. Diese Lösung widerspräche nicht von vornherein der Vorgabe des BVerfG, wonach ein Nebeneinander von zwei Vätern, denen zusammen mit der Mutter jeweils die gleiche grundrechtlich zugewiesene Elternverantwortung für das Kind zukomme, nicht mit Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG in Einklang stehe (BVerfGE 108, 82 [102]), weil diese Elternverantwortung nur den Wunschvätern, nicht aber der Ersatzmutter übertragen würde.
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Teil V Folgefragen der Zulassung gleichgeschlechtlicher Paare
§ 1591 BGB nähme und sie dafür kein Äquivalent erhielte. Die Ersatzmutter ginge nämlich sämtlicher elterlicher Rechte und Pflichten verlustig, die ipso iure mit der Rechtsposition aus § 1591 BGB verbunden sind. Dadurch drohte man ihre Entscheidungsfreiheit im Grunde doch wieder zu beeinträchtigen, obwohl sich deren Gewährleistung gerade als wesentliches Zulässigkeitskriterium altruistischer Ersatzmutterschaften darstellt. Eine originäre Zuordnung des Kindes zu beiden Wunschvätern bei bestehenbleibender rechtsfolgenloser Verbindung zur Ersatzmutter kommt daher nicht in Betracht. Angesichts des Primats der Entscheidungsfreiheit, das verfassungsrechtlich durch Art. 6 Abs. 3 und 4 GG untermauert ist, wird deutlich, daß § 1747 Abs. 2 BGB nicht umgangen werden kann.117 Eine systemkonforme Lösung hat daher an dieser Norm ihren Ausgangspunkt zu nehmen. Bei Ersatzmutterschaften muß der Weg über die Adoption beschritten werden, wobei es dabei bleibt, daß die Einwilligung der Ersatzmutter in die Annahme des Kindes erst acht Wochen nach der Geburt zulässig ist. Trotz der für die Einwilligung einzuhaltenden Frist wäre die Ersatzmutter aber nicht gehindert, das Kind bereits nach der Geburt den beiden Wunschväter zu übergeben. Den Bedürfnissen der Wunschväter kann auch auf andere Weise Rechnung getragen werden. § 1747 Abs. 2 BGB wird nicht beeinträchtigt, wenn mit der Geburt des Kindes die Vaterschaft des samenspendenden Partners hergestellt würde. Bei einer unverheirateten Ersatzmutter ließe sich dies durch ein präkonzeptionelles Vaterschaftsanerkenntnis bewerkstelligen. Da angesichts fehlender Rechtsprechung und anhaltender Uneinigkeit im rechtswissenschaftlichen Schrifttum118 die Wirksamkeit einer präkonzeptionellen Anerkennung bzw. die rechtsgeschäftliche Verpflichtung dazu de lege lata ungeklärt ist, sollte zur Klarstellung eine gesetzliche Regelung im Sinne einer Zulässigkeit des präkonzeptionellen Vaterschaftsanerkenntnisses für Fälle der heterologen Insemination getroffen werden.119 Damit wäre auch den Belangen unverheirateter verschiedengeschlechtlicher Paare gedient. Allerdings schützte die wirksame Anerkennung der Vaterschaft schwule Paare nicht davor, daß die Ersatzmutter vor der Geburt des Kindes eine Ehe eingeht, wodurch das Anerkenntnis hinfällig und der Ehemann als rechtlicher Vater zugeordnet würde. Daher wäre auch daran zu denken, die Zuordnung des Ehemannes in diesen Fällen auszuschließen. Dies dürfte auch den Bedürfnissen des Gatten der Ersatzmutter gerecht werden, weil dieser in der Regel kein Interesse daran hat, die Vaterschaft für ein nicht von ihm abstammendes Kind zu übernehmen.120
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Dazu auch Seibert, in: Lanz-Zumstein, Embryonenschutz und Befruchtungstechnik, S. 62 (68). Vgl. dazu Teil IV § 11 IV.4.b), S. 301 ff. Für die Zulassung der präkonzeptionellen Anerkennung in Fällen der künstlichen Befruchtung auch Helms/Wanitzek, FamRZ 2007, 685 (689). In dieser Konstellation könnte der Ehemann auch gem. § 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB anfechtungsberechtigt sein, etwa wenn er die Ersatzmutter erst nach der erfolgreichen Durchführung der reproduktionsmedizinischen Maßnahmen kennengelernt hat und daher eine Einwilligung in die heterologe Insemination von vornherein ausscheidet (§ 1600 Abs. 4 BGB).
§ 12 Abstammung und Eltern-Kind-Zuordnung
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a) Eingetragene Lebenspartner Die präkonzeptionelle Vaterschaftsanerkennung durch den samenspendenden Lebenspartner garantierte die Zuordnung des Kindes zu seinem genetischen Vater und sicherte die Möglichkeit der Stiefkindadoption durch den anderen Lebenspartner (§ 9 Abs. 7 LPartG). Diese bleibt allerdings von der Einwilligung der Ersatzmutter abhängig. b) Nicht formalisierte Partnerschaften Bei nicht formalisierten Partnerschaften schwuler Männer entfällt die Möglichkeit der Stiefkindadoption, so daß keine statusrechtliche Verbindung zu beiden Partnern hergestellt werden kann. Wie bei nicht in eingetragener Lebenspartnerschaft lebenden lesbischen Paaren ist der Gesetzgeber auch hier nicht gehalten, besondere rechtliche Regelungen einzuführen. Es sind keine Gesichtspunkte ersichtlich, die dagegen sprächen, diese Personen auf das Eingehen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft zu verweisen, um in den Genuß der damit verbundenen Vorteile zu kommen. 3. Stellung des Samenspenders und der Ersatzmutter Die hier vorgeschlagene originäre Zuordnung des Kindes zu beiden lesbischen Partnerinnen trägt in vollem Umfang den Interessen des Samenspenders Rechnung, weil keine verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen ihm und dem Kind hergestellt werden können. Dadurch ist er vor vermögensrechtlichen Ansprüchen des Kindes geschützt. Die Flexibilität dieser Lösung gestattet es gleichzeitig aber allen Beteiligten, auf entsprechende Erklärungen zu verzichten und so die Möglichkeit der Etablierung statusrechtlicher Bande zwischen Kind und Samenspender offen zu halten. Von der Stellung des Samenspenders unterscheidet sich diejenige der Ersatzmutter. Sie kann nicht zu einer Freigabe des Kindes zur Adoption gezwungen werden. Als Kehrseite dieser rechtlich vorteilhaften Position trägt die Ersatzmutter bei Lebenspartnern aber das Risiko, daß derjenige Partner, der die Vaterschaft nicht anerkannt hat, im Laufe des Arrangements nicht mehr dazu bereit ist, das Kind gem. § 9 Abs. 7 LPartG zu adoptieren. Bei nicht verpartnerten schwulen Paaren scheidet diese Möglichkeit von vornherein aus.
V. Ergebnis Die Durchführung von Maßnahmen assistierter Reproduktion im heterologen System wirft Fragen des Rechts auf Kenntnis der genetischen Abstammung und der statusrechtlichen Zuordnung des Kindes auf. Das grundrechtlich geschützte Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung ist bislang gesetzlich nicht abgesichert. Einen gewissen Rahmen bilden lediglich standesrechtliche Maßgaben, die aber nicht bundeseinheitlich gelten. Die Identität der Gametenspender und der Ersatzmutter stellen im Kontext der künstlichen Befruchtung erlangbare Informationen dar, die zur Wahrung der grundrechtlichen Position des Kindes gesichert werden müssen. In den hier interessierenden Konstellationen könnte den Belangen des Kindes am effektivsten durch eine per-
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Teil V Folgefragen der Zulassung gleichgeschlechtlicher Paare
sonenstandsrechtliche Lösung gedient werden. Im Geburtenbuch ist bereits nach geltendem Recht die Identität der Ersatzmutter festzuhalten. De lege ferenda sollte dort auch die Identität der Gametenspender (Ei- und Samenzellspende) dokumentiert werden. Die hier vertretene Lösung gewährt dem Kind ab einem bestimmten Alter ein nur ihm zustehendes Einsichtsrecht, das ihm Kenntnis über die Identität verschafft. Bei der statusrechtlichen Zuordnung eines Kindes zu beiden Partnern eines gleichgeschlechtlichen Paares ergeben sich nach geltendem Recht bedeutsame Unterschiede zwischen lesbischen und schwulen Paaren, die aus der herausgehobenen rechtlichen Stellung der Frau resultieren, die das Kind zur Welt bringt. Die im Zuge der Novellierung des Lebenspartnerschaftsrechts eingeführte Stiefkindadoption hat zu einer erheblichen Verbesserung der Situation eingetragener Lebenspartner geführt, da seither die Etablierung eines beiderseitigen statusrechtlichen Bandes möglich ist. Gleichwohl kann die lex lata Unsicherheiten und Unwägbarkeiten nicht ausschließen. Daher sind de lege ferenda gesetzliche Instrumente bereitzustellen, die eine originäre Eltern-Kind-Zuordnung bei lesbischen Paaren ermöglichen. In dogmatischer Hinsicht bedeutete dies, neben das geltende Abstammungsprinzip ein Elternschaftsprinzip treten zu lassen, das in stärkerem Maße die Übernahme tatsächlicher Elternverantwortung als voluntatives Element bei der Konstituierung der statusbegründenden Zuordnung berücksichtigt. Für schwule Paare scheidet angesichts der besonderen Stellung der Gebärenden eine originäre Zuordnung aus, so daß es bei der adoptionsrechtlichen Lösung bleibt. Damit hier aber die Vaterschaft eines Partners zuverlässig zustande kommt, sollte der Gesetzgeber prinzipiell, d.h. für alle Konstellationen der heterologen Insemination, die Zulässigkeit der präkonzeptionellen Anerkennung gesetzlich festschreiben, die nicht durch die nachfolgende Heirat mit einem anderen Mann beseitigt werden kann. Dem Gesetzgeber bliebe es unbenommen, die hier vorgeschlagenen statusrechtlichen Instrumente auf eingetragene Lebenspartner zu beschränken. Die nach der lex lata fehlende sichere statusrechtliche Zuordnung zu beiden Partnern ist kein überzeugendes Argument, um gleichgeschlechtlichen Paaren den Zugang zu Maßnahmen assistierter Reproduktion zu versagen.121 Es ist vielmehr die Aufgabe des Gesetzgebers, das Familienrecht in seiner dienenden Funktion so auszugestalten, daß es den Bedürfnissen der sozialen Realität angemessen Rechnung trägt.122
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Vgl. etwa die Argumentation im Hinblick auf die (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion v. 17.2.2006 durch den Vorstand der BÄK, DÄBl-A 2006, 1392 (1400), zu 3.1.1. In diesem Sinne auch Elovitz, 3 J.L. & Pol’y (1995), 431 (440).
§ 13 Rechtliche und ethische Beurteilung des ärztlichen Handelns I. Einleitung Die Anwendung reproduktionsmedizinischer Methoden bei gleichgeschlechtlichen Paaren wirft die Frage nach der arztrechtlichen und ethischen Beurteilung des ärztlichen Handelns auf. Auf das interdependente Verhältnis dieser Aspekte hat bereits vor über einem halben Jahrhundert Eberhard Schmidt hingewiesen: „Die Standesethik steht nicht isoliert neben dem Recht. Sie wirkt allenthalben und ständig in die rechtlichen Beziehungen des Arztes zum Patienten hinein. Was die Standesethik vom Arzte fordert, übernimmt das Recht weithin zugleich als rechtliche Pflicht. Weit mehr als sonst in den sozialen Beziehungen der Menschen fließt im ärztlichen Berufsbereich das Ethische mit dem Rechtlichen zusammen.“1 Im vorliegenden Zusammenhang kann nicht auf das Grundsatzthema Recht und Ethik eingegangen werden, das Rudolf v. Ihering als das „Kap Horn der Rechtsphilosophie“ bezeichnet hat. Es läßt sich aber festhalten, daß die Ethik als allgemeine Überzeugung vom Richtigen und Zulässigen weit über das Rechtliche hinausreicht.2 Angesichts der besonders intensiven wechselseitigen Durchdringung von Recht und Ethik im Arztrecht sollen zunächst an der Kategorie des Rechts die traditionellerweise im Zentrum ärztlichen Handelns stehenden Aspekte der Indikation, der Krankheit und der Heilbehandlung bei gleich- und verschiedengeschlechtlichen Paaren gemessen werden. Daraufhin wird die Kinderwunschbehandlung bei gleichgeschlechtlichen Paaren auf ihre ethischen Implikationen hin untersucht. Aus den so gewonnenen Erkenntnissen können dann jeweils die praktischen Konsequenzen für das ärztliche Tun in rechtlicher und ethischer Hinsicht gezogen werden.
II. Rechtliche Beurteilung Nach hergebrachter arztrechtlicher Auffassung muß ärztliches Handeln drei Anforderungen genügen, um vor dem Recht bestehen zu können: Es muß eine medizinische Indikation für die in Aussicht genommene Behandlung vorliegen, der Patient muß nach gehöriger Aufklärung in die ärztliche Maßnahme eingewilligt haben (informed consent) und die Behandlung hat lege artis, also dem medizinischen Standard gemäß, zu erfolgen.3 Während sich das Vorliegen der beiden letzt1
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Schmidt, in: Ponsold, Lehrbuch der gerichtlichen Medizin, S. 1 (2). Vgl. auch Taupitz, NJW 1986, 2851; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 70 f. Taupitz, NJW 1986, 2851. Nach Taupitz auch das Zitat v. Iherings. Vgl. vor allem Laufs, Arztrecht, Rdnr. 29; ders., Der ärztliche Heilauftrag aus juristischer Sicht, S. 24 f.; ders., in: Festschr. f. Weißauer, S. 88; ders., Fortpflanzungsmedizin und Arztrecht, S. 93; ders., in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 6, Rdnr. 1 ff.; siehe auch Katzenmeier, Arzthaftung, S. 272.
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Teil V Folgefragen der Zulassung gleichgeschlechtlicher Paare
genannten Voraussetzungen bei den hier interessierenden Fällen nach den Gegebenheiten des Einzelfalles beurteilt und a priori keine besonderen Probleme aufwirft, begegnet das Feststellen einer Indikation im Zusammenhang mit der artifiziellen Reproduktion bei gleichgeschlechtlichen Paaren Schwierigkeiten.4 Unter Indikation wird in der Medizin der Grund zur Anwendung eines bestimmten diagnostischen oder therapeutischen Verfahrens in einem Erkrankungsfall verstanden.5 In rechtlicher Hinsicht stellt die Indikation sicher, daß der Heilauftrag die vorgesehene Maßnahme umfaßt und gebietet. Der ärztliche Heilauftrag richtet sich neben naturwissenschaftlich-medizinischen Standards auch nach den sittlichen Ansprüchen des Berufs.6 1. Indikation bei gleichgeschlechtlichen Paaren Die Indikation setzt regelmäßig einen Krankheitsfall voraus, der eine Heilbehandlung erforderlich macht. Bei der Realisierung des Kinderwunsches gleichgeschlechtlicher Paare mittels fortpflanzungsmedizinischer Maßnahmen ist es jedoch zweifelhaft, worin der Krankheitsfall gesehen werden kann. In der vorliegenden Arbeit wird davon ausgegangen, daß sich gleichgeschlechtliche Partnerschaften aus homosexuellen Personen zusammensetzen. Wie bereits gezeigt, ist Homosexualität keine Krankheit. Seit den Entscheidungen der American Psychiatric Association und der Weltgesundheitsorganisation hat sich diese Beurteilung in den Humanwissenschaften durchgesetzt und gilt als etabliert.7 Die Homosexualität der Partner (verbunden mit ihrem Kinderwunsch) indiziert daher nicht die Vornahme von Maßnahmen assistierter Reproduktion. Da die homosexuelle Orientierung irreversibel ist, könnte diese durch den Einsatz reproduktionsmedizinischer Maßnahmen und das Engagement dritter Personen wie Ersatzmutter und Samenspender auch nicht beseitigt werden.8 Zudem ist ein solches Indikationskonzept auch deshalb abzulehnen, weil es Homosexualität repathologisierte. Denkbar wäre es aber, die Gleichgeschlechtlichkeit der Paarverbindung als medizinische Indikation anzusehen. Da die menschliche Reproduktion auf den naturwissenschaftlichen Gesetzen der sexuellen Fortpflanzung beruht und daher eine verschiedengeschlechtliche Paarverbindung voraussetzt, resultiert die fehlende Fortpflanzungsfähigkeit schwuler und lesbischer Paare aus deren Gleichgeschlechtlichkeit. Von homosexuellen Menschen wird die gleichgeschlechtliche 4
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Allgemein auch Laufs, RöFo 174 (2002), 1184 (1186 f.): „Standen der Inhalt des Heilauftrages und damit die Eigenart des ärztlichen Dienstes lange Zeit verhältnismäßig fest, so bereiten sie nun die schwierigsten prinzipiellen Probleme.“ Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, Stichwort: Indikation, S. 788. Laufs, Arztrecht, Rdnr. 29; ders., in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 6, Rdnr. 3. Vgl. dazu Teil I § 4 II., S. 44 f. So explizit im Zusammenhang mit fortpflanzungsmedizinischen Maßnahmen bei gleichgeschlechtlichen Paaren auch Englert, 9 Hum. Reprod. (1994), 1969; Rüsken, NJW 1998, 1745 (1746); Coester-Waltjen, Reproduktionsmedizin 18 (2002), 183 (197). Vgl. auch den Diskussionsbeitrag von Würfel, in: Das Bundesministerium für Gesundheit, Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, S. 424. Siehe Teil I § 4 III.4., S. 54 f. Vgl. auch Coester-Waltjen, Reproduktionsmedizin 18 (2002), 183 (197).
§ 13 Rechtliche und ethische Beurteilung des ärztlichen Handelns
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Partnerwahl als zwingende Festlegung erlebt, die eine gegengeschlechtliche Partnerwahl ausschließt.9 In der Tat erwägt der schwedische Gesundheitsphilosoph Lennart Nordenfelt im Rahmen seiner „welfare theory of health“, ob die fehlende Generativität gleichgeschlechtlicher Verbindungen eine Krankheit darstellen könnte.10 Auch wenn Homosexuelle im Vergleich zur Mehrheit der Bevölkerung ein abweichendes Sexualverhalten aufwiesen, könne dies seiner Ansicht nach noch kein Anlaß sein, Homosexualität als eine Krankheit zu bezeichnen.11 Ausgehend von der Annahme, daß Gesundheit und Glück durch die Strebensnatur des Menschen miteinander verbunden sind, können Homosexuelle ihre Zielsetzungen nämlich grundsätzlich genauso realisieren wie Heterosexuelle. Eine Ausnahme könne aber dann bestehen, wenn sie den Wunsch hätten, eine Familie zu gründen und Kinder in die Welt zu setzen. Abgesehen davon, ob dies wirklich zu den „vital goals“ zu zählen ist, seien Homosexuelle biologisch prinzipiell in der Lage, Kinder zu zeugen, denn Homosexualität enthalte schließlich keineswegs die Eigenschaft, infertil zu sein. Aber wenn es nun für einige Homosexuelle ein „vital goal“ ist, sich den Kinderwunsch und den Wunsch nach Familiengründung zu erfüllen und nicht eine für sie sexuell unbefriedigende verschiedengeschlechtliche Partnerschaft zu wollen, dann gebe es gute Gründe, davon auszugehen, daß es dieser Gruppe große Schwierigkeiten bereite, dieses „vital goal“ zu realisieren. Diese Menschen können dann in der Theorie Nordenfelts durchaus aus ihrem Selbstverständnis heraus als „ill“ qualifiziert werden.12 Gegen die Annahme der Gleichgeschlechtlichkeit als Indikation spricht jedoch die enge Verbundenheit zwischen homosexueller Orientierung und gleichgeschlechtlicher Partnerwahl. Dadurch pathologisierte man mittelbar die gleichgeschlechtliche Orientierung. Diesem Einwand sehen sich auch die Erwägungen Nordenfelts ausgesetzt, weil auch hier, trotz Abstellens auf die Gleichgeschlechtlichkeit, Homosexualität als Krankheit angesehen wird. Daher ist ein Indikationskonzept abzulehnen, das die Gleichgeschlechtlichkeit der Paarverbindung zum Ausgangspunkt nimmt. Als Ergebnis der bisherigen Überlegungen ist festzuhalten, daß die Gleichgeschlechtlichkeit der Partner die eigentliche Ursache fehlender Reproduktivität ist. Auf der Grundlage dieser Feststellung kann auch die als Indikation für Maßnahmen assistierter Reproduktion anerkannte idiopathische Sterilität ausgeschieden werden. Bei ihr läßt sich nämlich gerade keine bestimmte Ursache für die fehlende Fortpflanzungsfähigkeit finden.13 Ferner ist es bei gleichgeschlechtlichen Paaren auch unbeachtlich, ob einer der Partner an einer Störung der Fortpflanzungsfähigkeit leidet, die bei verschiedengeschlechtlichen Partnern den Einsatz reprodukti-
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Vgl. Teil I § 4 III.4., S. 54 f. Nordenfelt, On the Nature of Health, S. 131 ff., insbesondere S. 138 f. Dazu auch Lanzerath, Krankheit und ärztliches Handeln, S. 156 ff. Nordenfelt, On the Nature of Health, S. 139. Nordenfelt, On the Nature of Health, S. 138 f.; s.a. Lanzerath, Krankheit und ärztliches Handeln, S. 159 f. Vgl. Teil IV § 9 IV.2., S. 222.
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onsmedizinischer Maßnahmen rechtfertigte.14 Denkt man nämlich die Fertilitätsstörung weg, bestünde die Gleichgeschlechtlichkeit weiterhin fort. Allerdings könnte sich die aus der Gleichgeschlechtlichkeit resultierende Infertilität mit anderen, bei verschiedengeschlechtlichen Paaren prinzipiell anerkannten Indikationen in Zusammenhang bringen lassen. Hier ist vor allem an Indikationen zu denken, die Männer betreffen. Bei der impotentia coeundi kann der Beischlaf überhaupt nicht oder nicht in physiologisch sinnvoller Weise ausgeführt werden. Von den verschiedenen Formen könnten vorliegend eine Rolle spielen die erektile Impotenz (Unmöglichkeit der Erektion), die ejakulatorische Impotenz (Unmöglichkeit des Orgasmus) oder die relative Impotenz (Abneigung gegen bestimmte Partner oder äußere Umstände als Ursache).15 Bei erektiler Impotenz kommt statt des Einsatzes reproduktionsmedizinischer Maßnahmen als einfacheres bzw. milderes Mittel zunächst die Gabe von Medikamenten zur Behandlung einer erektilen Dysfunktion in Frage. Dabei gilt es aber zu bedenken, daß derartige Arzneimittel nur bei sexueller Stimulation wirken.16 Der natürliche Geschlechtsverkehr (mit der Ersatzmutter) erscheint unter diesen Voraussetzungen kaum vorstellbar. Von relativer Impotenz kann im vorliegenden Zusammenhang deshalb nicht gesprochen werden, weil sich die Abneigung generell auf Partnerinnen weiblichen Geschlechts bezieht. Wenig sinnvoll ist es schließlich, in der Gleichgeschlechtlichkeit eine psychogene Fertilitätsstörung zu sehen, da über eine Sexualberatung bzw. eine Sexualtherapie des Paares keine Besserung erzielt werden könnte.17 Der Zweck, reproduktionsmedizinische Maßnahmen einzusetzen, dürfte sowohl bei lesbischen wie auch bei schwulen Paaren weniger in der Überwindung physischer, als vielmehr in der Überwindung psychischer Barrieren zu sehen sein. Für gleichgeschlechtlich orientierte Personen und Paare stellt der verschiedengeschlechtliche Geschlechtsverkehr keine akzeptable Handlungsoption dar. Er wird als unzumutbar und unter Umständen als Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung empfunden. Zudem wird es in aller Regel nicht hinnehmbar sein, daß eine dritte Person in den Intimbereich der Partner eindringt.18 Hier zeigt sich auch eine Parallele zu verschiedengeschlechtlichen Paaren, wo der Einsatz heterologer Befruchtungsmethoden den Geschlechtsverkehr mit dem Samenspender substituiert.19 Ferner kann durch die Einschaltung eines Arztes wirkungsvoller die Über-
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Etwa bei Eileiterproblemen eine Eizellspende innerhalb der Partnerschaft, vgl. dazu auch den Diskussionsbeitrag von Würfel, in: Das Bundesministerium für Gesundheit, Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, S. 424. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, Stichwort: impotentia coeundi, S. 786. Vgl. zu Viagra die Fachinformation des Herstellers, im Internet abrufbar unter: http:// www.kompendium.ch/FrmMainMonographie.aspx?Id=ebbd2deb-b41c-4fc5-82dd-25113 14777d1&lang=de&MonType=fi [Datum des letzten Abrufs: 22. Februar 2008]. Im übrigen gilt die psychogene Fertilitätsstörung bei verschiedengeschlechtlichen Paaren als eine Kontraindikation für die Vornahme reproduktionsmedizinischer Maßnahmen, vgl. Vorstand der BÄK, (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion v. 17.2.2006, DÄBl-A 2006, 1392 (1395), sub 2.2. Vgl. dazu auch Englert, 9 Hum. Reprod. (1994), 1969 (1971). Zur Indikation für eine heterologe Insemination bei verschiedengeschlechtlichen Paaren vgl. Teil IV § 9 IV.2., S. 222.
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tragung von Krankheiten, insbesondere eine Infektion mit dem HI-Virus, ausgeschlossen werden.20 Die medizinische Assistenz dient aber nicht dazu, bei gleichgeschlechtlichen Paaren die Beteiligung einer gegengeschlechtlichen Person überflüssig zu machen.21 Deren Engagement ließe sich nur ausschließen, wenn man Methoden wie das reproduktive Klonen, den Gebrauch tierischer oder künstlicher Eizellen oder die Verwendung einer artifiziellen Plazenta zulassen wollte. Solche Verfahren werden soweit ersichtlich bislang nicht praktiziert und wurden in der vorliegenden Arbeit wegen ihrer ethischen, anthropologischen und juristischen Problematik nicht in die Betrachtung miteinbezogen.22 Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, daß der Einsatz fortpflanzungsmedizinischer Maßnahmen dazu dient, gleichgeschlechtlich orientierten Menschen den Geschlechtsverkehr mit einer dritten Person des anderen Geschlechts zu ersparen.23 Bislang läßt sich eine anerkannte Indikation nicht finden.24 Dieser Befund deckt sich mit dem Tenor einer Plenums- und Podiumsdiskussion zu dieser Frage im Rahmen des Wissenschaftlichen Symposiums des Bundesministeriums für Gesundheit in Zusammenarbeit mit dem Robert Koch-Institut vom 24. bis 26. Mai 2000 in Berlin.25 2. Indikation bei verschiedengeschlechtlichen Paaren Die Indikationsproblematik bei gleichgeschlechtlichen Paaren kann nicht isoliert diskutiert werden, sondern muß im Kontext der Situation bei verschiedengeschlechtlichen Paaren gesehen werden. Hier ist die Frage der Indikation bei der Durchführung fortpflanzungsmedizinischer Maßnahmen im heterologen wie im homologen System ebenfalls problematisch und umstritten. Im arztrechtlichen Schrifttum wird darauf hingewiesen, daß mit der artifiziellen Reproduktion eine Art Wunsch- oder Bestellmedizin im Vordringen sei, bei der die ärztliche Indikation zurücktrete.26 Zum Teil wird sogar vertreten, daß reproduktive Zielsetzungen wie die Insemination, die In-vitro-Fertilisation und der Embryotransfer jeglicher medizinischer Indikation und auch einer Heiltendenz entbehrten.27
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Englert, 9 Hum. Reprod. (1994), 1969 (1971). In diesem Sinne könnte der Diskussionsbeitrag von Würfel, in: Das Bundesministerium für Gesundheit, Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, S. 424 verstanden werden, wenn er meint, daß ein Arzt bei gleichgeschlechtlichen Paaren gesunde Menschen behandele, „die allerdings naturgemäß keine Kinder kriegen können.“ (Hervorhebung im Original). Vgl. dazu Teil IV § 9 VII.3., S. 229 ff. So zutreffend auch Englert, 9 Hum. Reprod. (1994), 1969 (1971); Rüsken, NJW 1998, 1745 (1746). Shenfield, 9 Hum. Reprod. (1994), 1976. Vgl. die Beiträge in: Das Bundesministerium für Gesundheit, Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, S. 421–438. Laufs, RöFo 174 (2002), 1184 (1187); ders., NJW 2000, 2716 (2717): Verblassen ärztlicher Indikationen zugunsten von Elternwünschen. Uhlenbruck/Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 51, Rdnr. 9; § 52, Rdnr. 2; vgl. auch § 39, Rdnr. 16; § 44, Rdnr. 1.
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In der Tat fehlt bei einem der Partner eines verschiedengeschlechtlichen Paares die medizinische Indikation, wenn die Sterilitätsursache ausschließlich beim anderen Partner zu finden ist. Teilweise wird dieser Mangel dadurch zu kompensieren gesucht, indem die ärztliche Tätigkeit als Paartherapie eingestuft wird.28 Gleichwohl kann diese Hilfskonstruktion nicht darüber hinwegtäuschen, daß in solchen Fällen bei einem der Partner kein pathologischer Befund vorliegt. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung die künstliche Befruchtung gesetzestechnisch nicht bei der Krankenbehandlung angesiedelt (§ 27 SGB V), sondern wegen der fließenden Grenzen in diesem Bereich mit § 27a SGB V eine eigenständige Regelung getroffen.29 Die Gerichte beurteilen die Anwendung reproduktionsmedizinischer Maßnahmen im heterologen System bislang ebenfalls skeptisch. Bei verschiedengeschlechtlichen Partnerschaften verneint die höchstrichterliche Rechtsprechung unterschiedlicher Gerichtszweige das Vorliegen einer Indikation bzw. einer Krankheit. Im Falle einer im Ausland geplanten Eizellspende30 erkannte das Bundessozialgericht für Recht, daß es sich bei der heterologen In-vitro-Fertilisation nicht um eine Krankenbehandlung i.S.d. § 27 Abs. 1 SGB V handele. Darüberhinaus zog es die Zugehörigkeit künstlicher Befruchtungen zur Krankenbehandlung generell in Zweifel.31 Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs fehle es bei der Samenspende durch einen Dritten „an einer gezielten, medizinisch indizierten Behandlung zum Zwecke der Heilung oder Linderung“ einer Krankheit.32 In der steuerrechtlichen Literatur wird vertreten, daß die künstliche Befruchtung im heterologen System nicht auf die Überwindung der Unfähigkeit der Frau oder des Mannes abziele, genetische Nachkommen zu haben, also die Beseitigung der unmittelbaren Folgen eines biologischen Defekts, sondern lediglich auf die Herbeiführung sozialer Mutter- oder Vaterschaft. Durch die Anwendung des heterologen Systems werde weder die Zeugungs- oder Empfängnisunfähigkeit geheilt, noch könnten die Folgen des biologischen Defekts gelindert werden.33 Stimmen aus dem medizinischen Schrifttum heben hervor, daß die Verwendung von Spender-
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Vorstand der BÄK, (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion v. 17.2.2006, DÄBl-A 2006, 1392 ff.; BÄK, Richtlinien zur Durchführung der assistierten Reproduktion v. 4.12.1998, DÄBl-A 1998, 3166 ff. Vgl. auch Schmeilzl/Krüger, NZS 2006, 630 (630 f.) m.w.N. So die amtliche Begründung, BT-Drucks. 11/6760 v. 21.3.1990, S. 14. Vgl. auch BSG, NJW 2002, 1517; BVerfG, NJW 2007, 1343 (1344); Bonvie/Naujoks, MedR 2006, 267 (268): es komme nicht darauf an, daß die Maßnahme eine notwendige Behandlung zur Erkennung, Heilung oder Verhütung einer Krankheit darstellt. Dazu, daß auch die Eizellspende zum heterologen System gerechnet werden muß, vgl. Teil IV § 9 IV.1., S. 220 f., zur geltenden Strafbarkeit im Inland Teil IV § 10 IV.1., S. 242 ff. Soweit es an einer Inlandstat fehlt, ist nach dem herrschenden Tatortprinzip das Gesetz nicht auf reine Auslandstaten anzuwenden (§§ 3 ff. StGB), vgl. Deutsch, NJW 1991, 721 (723). BSG, NJW 2002, 1517. BFH, NJW 1999, 2767 (2768). Vgl. Rüsken, NJW 1998, 1745 (1746), der in seinen Ausführungen aber lediglich auf Väter abstellt.
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samen nicht als medizinische Behandlung angesehen werden kann, sondern eine Alternative darstellt, wenn alle Behandlungsmaßnahmen fehlgeschlagen sind.34 3. Bewertung Der Vergleich zwischen beiden Geschlechterkonstellationen zeigt, daß auf dem Gebiet der Reproduktionstechnologien auch bei der Behandlung verschiedengeschlechtlicher Paare bereits ein Paradigmenwechsel hin zu einer indikationslosen Medizin stattgefunden hat. Die zunehmende Verbreitung ärztlicher Tätigkeiten, die auf zweifelhaften oder fehlenden Indikationen basieren, läßt sich auch auf anderen Gebieten der modernen Medizin beobachten. Bei der Transplantationsmedizin ist der invasive Eingriff beim Lebendspender ebensowenig indiziert wie bei einer schwangeren Frau die Wunschsektio.35 Am augenfälligsten zeigt sich das Fehlen einer Indikation für ärztliche Eingriffe bei der ausschließlich kosmetischen Zwecken dienenden plastischen Chirurgie.36 Das Verständnis des Indikationsbegriffes ist über den Bereich der Reproduktionsmedizin hinaus einer Wandlung unterworfen, bei der sich das Konzept der absoluten Indikation über das einer relativen hin zu Konzepten einer zweifelhaften oder fehlenden Indikation öffnet.37 Angesichts dieses Paradigmenwechsels in der Fortpflanzungsmedizin und auf anderen Feldern der modernen Medizin kommt dem Fehlen einer Indikation bei gleichgeschlechtlichen Paaren abstrakt betrachtet weniger Gewicht zu. Schon jetzt wird aus ärztlicher Sicht bei der Realisierung des Kinderwunsches lesbischer Paare dafür plädiert, Maßnahmen assistierter Reproduktion nicht mehr nur als eine medizinische Behandlung im engeren Sinne zu sehen, sondern auch als einen möglichen Weg zur Elternschaft bei fehlendem männlichem Partner.38 34
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Englert, 9 Hum. Reprod. (1994), 1969: Donor insemination „has never been a therapeutic treatment as there is never any medical indication in the strict sense of the word.“ Kritisch dazu Shenfield, 9 Hum. Reprod. (1994), 1976. Zur Lebendspende: Uhlenbruck/Ulsenheimer, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 131, Rdnr. 13; Damm/Schulte in den Bäumen, KritV 2005, 101 (127 f.): von einer medizinischen Indikation im eigentlichen Sinne könne aus Sicht des Organspenders von vornherein keine Rede sein. Im Unterschied zu anderen therapeutischen Interventionen gehe es beim Spender nicht um einen Eingriff, dessen Risiko durch einen Nutzen bei der gleichen Person aufgewogen wird. Zur Wunschsektio: Laufs, RöFo 174 (2002), 1184 (1187); Damm/Schulte in den Bäumen, KritV 2005, 101 (121 f.): „Die Frage, wie eine Geburt zu erfolgen hat, unterliegt wie auch andere Bereiche der Medizin einer sich wandelnden gesellschaftlichen Bewertung.“ S. zum ganzen auch die Diskussionsbeiträge von Kollek und Woopen, in: Das Bundesministerium für Gesundheit, Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, S. 427 bzw. 438. S. auch Damm/Schulte in den Bäumen, KritV 2005, 101 (121); Damm, VersR 2006, 730 (733 f.): Bei den Interventionsfeldern der Fortpflanzungsmedizin verlören der herkömmliche Krankheitsbegriff und auch das herkömmlich an medizinischer Objektivierung orientierte Konzept der Indikation zunehmend an Trennschärfe; ders., MedR 2007, 335 (336). Brewaeys/Dufour/Kentenich, J. Reproduktionsmed. Endokrinol. 2 (2005), 35 (40). Vgl. auch den Diskussionsbeitrag von Frommel, in: Das Bundesministerium für Gesundheit, Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, S. 425: das Problem der Zulassung von Heilbehandlungen wird zu einem solchen der Fortpflanzung.
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Teil V Folgefragen der Zulassung gleichgeschlechtlicher Paare
4. Konsequenzen in der Praxis Die Problematik der fehlenden Indikation bei gleichgeschlechtlichen Paaren wirkt sich in der Praxis auf unterschiedlichen rechtlichen Ebenen aus. Aus haftungsrechtlicher Sicht gilt, daß die Aufklärung, auf deren Grundlage der Patient seine Einwilligung erteilt, um so intensiver ausfallen muß, je weniger vital indiziert der Eingriff ist und je weniger er unmittelbar Heilzwecken dient.39 Auf der Ebene der Kostenerstattung entscheidet das Vorliegen einer Indikation darüber, ob solche Maßnahmen die Behandlung einer Krankheit im Sinne der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung darstellen.40 Dieser Umstand strahlt wiederum auf die Aufklärungspflicht des Arztes aus. Er hat gleichgeschlechtliche Paare über die anfallenden Kosten zu informieren und darauf hinzuweisen, daß ihre Krankenversicherung möglicherweise nicht dafür aufkommen wird.41 Verletzt er diese Obliegenheit, droht er den Honoraranspruch gegenüber dem Vertragspartner des Behandlungsvertrags zu verlieren.
III. Ethische Beurteilung Neben der arztrechtlichen Beurteilung der Anwendung reproduktionsmedizinischer Maßnahmen bei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften ist auch die ethische Dimension des ärztlichen Handelns zu beleuchten (vgl. § 2 Abs. 2 S. 1 MBO). Wie auf kaum einem anderen Tätigkeitsfeld ist bei der modernen Fortpflanzungsmedizin das Handeln des Arztes auch der eigenen Gewissensentscheidung und damit ethischen Prinzipien unterworfen. Dabei sollen hier nicht Bedenken erörtert werden, die gegen bestimmte reproduktionsmedizinische Maßnahmen erhoben werden,42 sondern es geht um die Rolle des Arztes bei der Behandlung gleichgeschlechtlicher Paare. Diese Diskussion steckt noch weitgehend in den Anfängen. Die folgenden Überlegungen versuchen, einzelne Aspekte zu skizzieren, die das Handeln des Arztes als ethisch vertretbar erscheinen lassen. Gegen die Anwendung reproduktionsmedizinischer Maßnahmen wird gelegentlich eingewandt, es handele sich bei gleichgeschlechtlichen Paaren um Lebensformen, die natürlicherweise nicht auf Fortpflanzung angelegt seien, weshalb ärztliches Handeln im Sinne einer additiven Life-Style-Technologie stattfinde.43 Das Natürlichkeitsargument kann aber weder in der Medizin allgemein, noch auf 39
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Katzenmeier, Arzthaftung, S. 328; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rdnr. C 8 f. m.w.N. zur Rspr.; vgl. auch Damm/Schulte in den Bäumen, KritV 2005, 101 (107); Brewaeys/Dufour/Kentenich, J. Reproduktionsmed. Endokrinol. 2 (2005), 35 (40). Vgl. dazu Teil V § 14 II. und III., S. 351 ff. S.a. Marlow, VersR 2002, 144 (145). Vgl. dazu Teil V § 14, S. 351 ff. Siehe auch Vorstand der BÄK, (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion v. 17.2.2006, DÄBl-A 2006, 1392 (1395 f.), sub 3.2. und 3.2.5. sowie Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rdnr. A 96 m.w.N. zur Rspr.; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 320 f.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdnr. 280. Ethische Bedenken, die gegen die In-vitro-Fertilisation allgemein ins Feld geführt werden (vgl. Teil IV § 9 IV.3., S. 222 f.), erfahren nicht deshalb eine andere Beurteilung, weil die Maßnahme gleichgeschlechtlichen Paaren zum Kind verhelfen soll. Diskussionsbeitrag von Woopen, in: Das Bundesministerium für Gesundheit, Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, S. 422, 437 f.
§ 13 Rechtliche und ethische Beurteilung des ärztlichen Handelns
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dem Gebiet der artifiziellen Reproduktion überzeugen.44 Verschiedengeschlechtliche Paare, die auf eine Samenspende angewiesen sind, können natürlicherweise auch kein Kind bekommen. Wenig Überzeugungskraft besitzt ferner das inhaltlich nicht näher konturierte „Life-Style“-Argument. Zunächst assoziiert man mit „LifeStyle“-Medizin die Befriedigung hedonistischer Bedürfnisse, wie sie etwa in objektiv nicht veranlaßten Schönheitsoperationen zum Ausdruck kommt. Damit kann aber die Bereitschaft, ein Kind in die Welt zu setzen und dafür Verantwortung zu übernehmen nicht verglichen werden, denn dabei stehen altruistische Motive völlig im Vordergrund. Die Entscheidung für ein Kind fordert von den Wunscheltern meist auch persönliche Opfer, weshalb es nicht überzeugt, gleichgeschlechtlichen Paaren hedonistische oder egoistische45 Motive zu unterstellen. Empirische Studien haben gezeigt, daß solche Erwägungen für den Kinderwunsch lesbischer Paare keine Rolle spielen.46 Versteht man unter „Life-Style“ die Gestaltung des eigenen Lebens, so gilt es zu berücksichtigen, daß auch bei verschiedengeschlechtlichen Paaren die Familienplanung und die Realisierung des Kinderwunsches als Teil der Lebensgestaltung anerkannt ist, ohne daß die Motivation dieser Paare hinterfragt oder in Frage gestellt würde. Zudem besteht kein nachvollziehbarer Grund, generell von einer geringeren Ernsthaftigkeit oder Wertigkeit des Kinderwunsches gleichgeschlechtlicher Paare auszugehen.47 Es verbietet sich daher, den Kinderwunsch gleichgeschlechtlicher Paare in Abgrenzung zu verschiedengeschlechtlichen Paaren pauschal auf reine Selbstverwirklichungsaspekte zu reduzieren. Im Diskurs um die künstliche Fortpflanzung begegnet, wohl in Abgrenzung zur Antikonzeption, immer wieder auch der Hinweis auf die ungewollte Kinderlosigkeit.48 Auch dieser Aspekt kann für den Kinderwunsch gleichgeschlechtlicher Paare ansatzweise fruchtbar gemacht werden. Denn die durch die Gleichgeschlechtlichkeit bedingte Kinderlosigkeit trotz Kinderwunsches ist ebenfalls eine ungewollte. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß die gleichgeschlechtliche Partnerorientierung schicksalhaft festgelegt ist und als zwingend empfunden wird.
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Dazu bereits Teil IV § 10 IV.3.b), S. 251 f. Vgl. auch Gadamer, Über die Verborgenheit der Gesundheit, S. 59: „Die moderne, technische Anwendung ermöglichende Wissenschaft versteht sich nicht als eine Ausfüllung der Naturlücken und die Einfügung in das natürliche Geschehen, sondern gerade als ein Wissen, in dem die Umarbeitung der Natur in eine menschliche Welt, ja die Wegarbeitung des Natürlichen vermöge einer rational beherrschten Konstruktion leitend ist. Als Wissenschaft macht sie Naturvorgänge berechenbar und beherrschbar, so daß sie am Ende sogar das Natürliche durch das Künstliche zu ersetzen weiß.“ (Hervorhebung im Original). So aber Rauscher, Familienrecht, Rdnr. 753a. Bos/van Balen/van den Boom, 18 Hum. Reprod. (2003), 2216 (2222): „Just like among fertile heterosexual parents, happiness and parenthood were the most frequently mentioned motive category […].“ The Ethics Committee of the American Society for Reproductive Medicine, 86 Fertility & Sterility (2006), 1333 (1334). Vgl. auch Mieth, in: Günther/Keller, Fortpflanzungsmedizin und Humangenetik, S. 23 (26). Etwa im Diskussionsbeitrag des Ethikers Mieth, in: Das Bundesministerium für Gesundheit, Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, S. 429.
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Teil V Folgefragen der Zulassung gleichgeschlechtlicher Paare
Die Entscheidung, dieser Orientierung in einer Partnerschaft Raum zu geben, ist keinesfalls automatisch mit einer Entscheidung gegen Kinder verbunden.49 Auf einen weiteren Aspekt weisen die Überlegungen des Philosophen HansGeorg Gadamer zu Krankheit und Leid hin: „Krankheit ist primär nicht jener feststellbare Befund, den die medizinische Wissenschaft als Krankheit deklariert, sondern ist eine Erfahrung des Leidenden, mit der er, wie mit jeder anderen Störung, fertig zu werden sucht.“50 Auch für gleichgeschlechtliche Paare kann der unerfüllte Kinderwunsch eine psychische Belastung darstellen und mit persönlichem Leid verbunden sein.51 Bei homosexuellen Menschen kommt Kindern für das eigene Leben ebenfalls ein sinnstiftendes Moment zu. Durch Kinder wird in gewisser Weise die Endlichkeit der eigenen Existenz überwunden, an Kinder kann Materielles wie Immaterielles weitergegeben werden, und durch das Zusammenleben mit Kindern kann eine lebenslange Verantwortungs- und Beistandsgemeinschaft geschaffen werden – ein Umstand, der auch und gerade im Alter an Bedeutung gewinnt. Die Gesamtschau dieser verschiedenen Aspekte, so heterogen sie auch sein mögen, läßt die ärztlich assistierte Reproduktion bei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften als ethisch akzeptabel erscheinen.52
IV. Zusammenfassung Die Anwendung von Techniken der artifiziellen Reproduktion zur Realisierung des Kinderwunsches gleichgeschlechtlicher Paare unterfällt keiner anerkannten medizinischen Indikation. Auf dem Feld der Fortpflanzungsmedizin ist das klassische Indikationskonzept aber auch bei verschiedengeschlechtlichen Paaren von Eindeutigkeitsverlusten geprägt. Vor dem Hintergrund dieses – auch auf anderen Feldern der modernen Medizin zu beobachtenden – Paradigmenwechsels überzeugt ein pauschaler Ausschluß gleichgeschlechtlicher Paare unter Hinweis auf die Indikationsproblematik nicht. Das Fehlen der Indikation wirkt sich rechtlich dahin aus, daß der Arzt besonders intensiv über die durchzuführenden Maßnahmen aufklären muß. Ferner spielt die Frage der Indikation auch bei der Kostenerstattung eine Rolle. Aus arztethischer Sicht kann die Kinderwunschbehandlung bei gleichgeschlechtlichen Paaren als legitim angesehen werden.
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Vgl. Teil I § 2 I., S. 11 ff. Gadamer, Über die Verborgenheit der Gesundheit, S. 77. Auf den Aspekt des Leids weist auch Mieth, in: Das Bundesministerium für Gesundheit, Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, S. 429 hin. So Dethloff, ZRP 2004, 195. Zum Kinderwunsch Homosexueller vgl. Teil I § 2 II.2.a), S. 16. Im Hinblick auf lesbische Paare wird auch von Reproduktionsmedizinern und Gesundheitswissenschaftlern deren Behandlung als ärztlich vertretbar angesehen, Golombok/ Tasker, 9 Hum. Reprod. (1994), 1972 (1975). Vgl. auch Englert, 9 Hum. Reprod. (1994), 1969 ff.
§ 14 Kostentragung I. Einleitung Maßnahmen assistierter Reproduktion lösen unter Umständen erhebliche Kosten aus, weshalb je nach ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit gleichgeschlechtliche Paare bereits faktisch vom Zugang ausgeschlossen sein können. Es stellt sich daher die Frage, ob die gesetzliche und die private Krankenversicherung die anfallenden Kosten trägt. Dieser Aspekt ist auch für den Arzt von Bedeutung, weil er im Rahmen seiner Aufklärungspflichten den Partner des Behandlungsvertrages über die Kostentragung zu informieren hat. Im folgenden wird die Kostenübernahme für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung in den verschiedenen Versicherungszweigen dargestellt, wobei auch auf die Spielräume einer künftigen Gestaltung eingegangen wird.
II. Gesetzliche Krankenversicherung Die gesetzliche Krankenversicherung ist vom Sachleistungsprinzip geprägt. Danach hat der Versicherte gegen den Versicherungsträger primär einen Anspruch auf Erbringung von Sach- und Dienstleistungen (§ 2 Abs. 2 S. 1 SGB V) und lediglich subsidiär einen Anspruch auf Kostenerstattung (§ 13 SGB V).1 Der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung umfaßt auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (§ 27a SGB V). Der Leistungsanspruch setzt voraus, daß die Personen, die diese Maßnahmen in Anspruch nehmen wollen, miteinander verheiratet sind und ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden (§ 27a Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 SGB V). Diese Beschränkung ist jüngst durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt worden. Es sah im Ausschluß nicht verheirateter Personen weder einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen sonstiges Verfassungsrecht.2 Aufgrund der Bestimmungen des SGB V sind gleichgeschlechtliche Paare nicht in den Kreis der Leistungsberechtigten einbezogen. Die eingetragene Lebenspartnerschaft ist ein familienrechtliches Institut eigener Art und kann nicht unter das Tatbestandsmerkmal „Ehe“ subsumiert werden.3 Dies gilt erst recht für nicht formalisierte gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Gesetzlich krankenversicherte gleichgeschlechtliche Paare müssen daher die Kosten für reproduktionsmedizinische Maßnahmen selbst tragen. Allerdings übernimmt auch bei verheirateten Paaren die Krankenkasse nur 50% der Kosten (§ 27a Abs. 3 S. 3 SGB V). Das BVerfG hat in seiner bereits erwähnten Entscheidung aber auch betont, daß es dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verwehrt wäre, die Leistungen nach § 27a SGB V auszuweiten. Dem Judikat läßt sich nicht entnehmen, daß eine 1
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Vgl. dazu nur Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 9, Rdnr. 2 ff.; Schmeilzl/Krüger, NZS 2006, 630. BVerfG, NJW 2007, 1343 (1344 f.). Vgl. Teil II § 7 II.6.b)(1), S. 129.
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Teil V Folgefragen der Zulassung gleichgeschlechtlicher Paare
Ausdehnung auf verschiedengeschlechtliche nichtverheiratete Paare zu beschränken wäre.4 Im Hinblick auf gleichgeschlechtliche Paare könnte sich der Gesetzgeber zudem an den Überlegungen des Gerichts orientieren, das in typisierender Betrachtung die Ehe wegen ihres besonderen rechtlichen Rahmens als eine Lebensbasis für ein Kind ansieht, weil dieser rechtliche Rahmen den Kindeswohlbelangen mehr Rechnung trägt als eine nichteheliche Partnerschaft. Insofern stellt das BVerfG maßgeblich auf die Unterhaltsverpflichtungen ab. Diese Erwägungen treffen auch auf die eingetragene Lebenspartnerschaft zu. Deren Unterhaltsverpflichtungen begünstigen in vergleichbarer Weise wie bei der Ehe die gemeinsamen Kinder und bestimmen maßgeblich ihre wirtschaftliche und soziale Situation.5 Vor dem Hintergrund der Kostenexplosion im Gesundheitswesen und der dadurch bedingten Tendenz, den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung nicht nur generell, sondern insbesondere auch auf dem Gebiet der künstlichen Befruchtung6 zunehmend einzuschränken, ist allerdings kaum zu erwarten, daß der Gesetzgeber den ihm zustehenden Ermessensspielraum dahin ausübt, auch gleichgeschlechtliche Paare sowie nichteheliche verschiedengeschlechtliche Partnerschaften in den Anwendungsbereich des § 27a SGB V einzubeziehen.
III. Private Krankenversicherung Die Grundlage des Anspruchs auf Erstattung der Kosten einer künstlichen Befruchtung in der privaten Krankheitskostenversicherung ist der private Krankenversicherungsvertrag i.V.m. §§ 1 Abs. 1 S. 1, 49, 178b Abs. 1 VVG, § 1 Abs. 1 S. 2 lit. a und Abs. 2 S. 1 MB/KK 2009.7 Nach § 1 Abs. 1 S. 2 lit. a MB/KK 2009 gewährt der private Krankenversicherer „im Versicherungsfall […] in der Krankheitskostenversicherung Ersatz von Aufwendungen für Heilbehandlung und sonst vereinbarte Leistungen“. „Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen“ (§ 1 Abs. 2 S. 1 MB/KK 2009). Ein Erstattungsanspruch setzt danach voraus, daß die geltend gemachten Kosten eine medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit betreffen. Krankheit im Sinne der Versicherungsbedingungen ist nach herrschendem Verständnis ein unabhängig von den subjektiven Vorstellungen des Versicherungsnehmers objektiv nach ärztlichem Urteil bestehender anomaler Körper- oder Geisteszustand.8 Der Bundesgerichtshof hat diese allgemeinen Grundsätze im Kontext reproduktionsmedizinischer Maßnahmen konkretisiert und die organisch bedingte 4 5
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BVerfG, NJW 2007, 1343 (1345). Vgl. die Argumentation des BVerfG, NJW 2007, 1343 (1344) sowie Teil II § 7 III.2.b)(4), S. 149 ff. Mit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (BGBl. I v. 14.11.2003, S. 2190) wurde die Beschränkung der Kostenübernahme auf 50% eingeführt (§ 27a Abs. 3 S. 3 SGB V), vgl. BT-Drucks. 15/1525 v. 8.9.2003, S. 77, 83. Im vorliegenden Zusammenhang werden die Musterbedingungen 2009 für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (MB/KK 2009) zugrundegelegt, da diese weitgehend den auch in der Praxis gebräuchlichen Klauseln entsprechen. Vgl. Marlow, VersR 2002, 144 (145).
§ 14 Kostentragung
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Sterilität von Ehegatten als bedingungsgemäße Krankheit anerkannt.9 Der BGH entschied bislang noch nicht über die Behandlung unverheirateter verschiedengeschlechtlicher Paare. Hierzu liegt lediglich Instanzrechtsprechung vor, die eine Kostenerstattung jeweils ablehnte.10 Über die Erstattungsfähigkeit von Kosten bei der Behandlung gleichgeschlechtlicher Paare haben die Gerichte, soweit ersichtlich, bislang ebenfalls nicht Stellung genommen. In der Literatur wird die Erstattungspflicht unter Hinweis auf den Sinn und Zweck des Krankenversicherungsvertrages verneint. Es sei unabhängig vom Vorliegen einer organischen Sterilität nicht Sinn der privaten Krankenversicherung, biologisch Unmögliches – nämlich die Herbeiführung einer Schwangerschaft zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern – zu finanzieren.11 Auch wenn man die Argumentation mit der biologischen Unmöglichkeit für wenig überzeugend hält, weil der Einsatz künstlicher Befruchtungstechniken bei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften die gegengeschlechtliche Person nicht überflüssig macht, sondern vielmehr nur den Geschlechtsverkehr mit ihr zu vermeiden hilft, erscheint es wenig wahrscheinlich, daß die Rechtsprechung die durch die Gleichgeschlechtlichkeit bedingte Infertilität als organisch bedingte Sterilität einstufen oder gleichgeschlechtliche Paare mit Ehegatten auf eine Stufe stellen wird. Es bleibt daher abzuwarten, ob und wie der BGH in den hier interessierenden Fällen entscheidet.12 Zwar wären die privaten Krankenversicherer nicht gehindert, nichtverheiratete verschiedengeschlechtliche und gleichgeschlechtliche Paare in den Kreis der Leistungsberechtigten aufzunehmen. Angesichts der Bemühung der Gerichte und des steigenden Kostendrucks, der auch diesen Versicherungssektor betrifft, erscheint dies aber wenig wahrscheinlich.
IV. Ergebnis In der gesetzlichen Krankenversicherung werden die Kosten einer reproduktionsmedizinischen Behandlung zur Realisierung des Kinderwunsches eines gleichgeschlechtlichen Paares nicht übernommen. In der privaten Krankenversicherung ist diese Frage maßgeblich nach der Rechtsprechung des BGH zu beurteilen, der sich allerdings bislang weder zu nichtverheirateten verschiedengeschlechtlichen Paaren noch zu gleichgeschlechtlichen Paaren äußern mußte. Legt man die Maßstäbe der Rechtsprechung zu Ehegatten zugrunde, ist davon auszugehen, daß keine Kosten erstattet werden, weil die Infertilität keine organisch bedingte Ursache hat, sondern auf der Gleichgeschlechtlichkeit der Partner beruht.13 Daher kommen auf gleichgeschlechtliche Paare unter Umständen erhebliche Kosten zu, die sie von der Inanspruchnahme fortpflanzungsmedizinischer Maßnahmen abhalten könnten. Der behandelnde Arzt hat im Rahmen seiner wirtschaftlichen Aufklärungspflicht auf die fehlende Kostenübernahme in der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung hinzuweisen. 9 10
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BGH, JZ 1987, 622 (623); MedR 2007, 107 (108 ff.). LG Köln, VersR 2001, 1373 f. Vgl. auch Kalis, VersR 1989, 1244 (1245) und das von ihm zitierte Urteil des LG Bielefeld vom 12.1.1989 – 6 O 354/88. Marlow, VersR 2002, 144 (146). So auch die Einschätzung von Damm, MedR 2007, 335 (340). So im Ergebnis auch Marlow, VersR 2002, 144 (146).
§ 15 Schlußbetrachtung In den vorangegangenen Ausführungen wurde aus unterschiedlichen rechtspolitischen Blickwinkeln die Frage nach der Zulässigkeit fortpflanzungsmedizinischer Maßnahmen bei gleichgeschlechtlichen Paaren untersucht. Dabei konnte gezeigt werden, daß sich die bestehenden Verbote nicht legitimieren lassen. Daneben müssen zahlreiche Bedenken, die gegen die gleichgeschlechtliche Elternschaft ins Feld geführt werden, als ausgeräumt gelten. Es liegt nun am Gesetzgeber des Bundes, von seiner Kompetenz auf dem Gebiet der medizinisch unterstützten Erzeugung menschlichen Lebens Gebrauch zu machen und die rechtlichen Voraussetzungen für die Anwendung reproduktionsmedizinischer Maßnahmen umfassend zu regeln. Dabei hat er sich auch der Frage zu stellen, was für gleichgeschlechtliche Paare gelten soll. Dabei sollte nicht aus den Augen verloren werden, daß sich Kinder dann am besten entwickeln, wenn sie gewünscht sind und von ihren Eltern Liebe und Geborgenheit erfahren. Es besteht kein Zweifel, daß auch gleichgeschlechtliche Elternhäuser dafür geeignete Voraussetzungen bieten können. Der Gesetzgeber hat daher gute Gründe, in die Liebesfähigkeit und die Bereitschaft zu Verantwortungsübernahme von gleichgeschlechtlichen Paaren mit Kinderwunsch sein Vertrauen zu setzen.
Teil VI Wesentliche Ergebnisse
Zu Teil I
Grundlagen der gleichgeschlechtlichen Elternschaft
I. Der Kinderwunsch homosexueller Personen und gleichgeschlechtlicher Paare stellt nur bei oberflächlicher Betrachtung eine antithetische Kombination dar. Einige Homosexuelle empfinden es durchaus als ein Defizit, daß ihre Geschlechterpräferenz das Aufwachsen und die Erziehung von Kindern in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft erschwert. Über das tatsächliche Ausmaß des Kinderwunsches dieses Personenkreises liegen bislang nur wenig aussagekräftige Daten vor. Allerdings wird davon ausgegangen, daß die Familienplanung und -realisierung mittels Maßnahmen assistierter Reproduktion in Zukunft an Bedeutung gewinnen wird, weil vor allem lesbische Frauen und Paare über eine Samenspende ein Kind bekommen möchten. Für schwule Paare könnte die Verwirklichung des Kinderwunsches über das Engagement einer Ersatzmutter neben anderen Optionen deshalb attraktiv sein, weil einerseits das so gezeugte Kind eine genetische Verbindung zu einem der Wunschväter aufweist und andererseits die Zahl der in Europa für eine Adoption zur Verfügung stehenden Kinder sehr klein ist. II. Die gleichgeschlechtliche Elternschaft ist unabhängig von der Art und Weise ihres Zustandekommens Gegenstand heftiger Debatten und Kontroversen. Sie stellt tiefsitzende kulturelle Überzeugungen und Gewißheiten über Geschlecht, Sexualität, Ehe und Elternschaft zur Disposition. Der Diskurs über gleichgeschlechtliche Elternschaft und der ihr zugrundeliegenden Phänomene Homosexualität und gleichgeschlechtliche Partnerschaft ist in weiten Teilen von unreflektierten Alltagstheorien und unzutreffenden Annahmen geprägt. Zahlreiche Vorurteile und Stereotypen lassen sich nur historisch erklären. Ein sachlicher Zugang zur Frage nach der Zulässigkeit reproduktionsmedizinischer Maßnahmen bei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften setzt daher voraus, sich eingehender mit den kultur- und rechtshistorischen sowie mit den sexualwissenschaftlichen und entwicklungspsychologischen Grundlagen von gleichgeschlechtlicher Elternschaft, aber auch gleichgeschlechtlicher Partnerschaft und Homosexualität auseinanderzusetzen. III. Vor allem unter dem Eindruck der christlichen Glaubenslehren ist Homosexualität in der abendländischen Kulturgeschichte überwiegend negativ bewertet worden. Lange Zeit wurden Homosexuelle als Minorität stigmatisiert und diskriminiert. Allerdings hat sich in den modernen Demokratien westlicher Prägung seit dem letzten Drittel des zwanzigsten Jahrhunderts ein fundamentaler Bewertungswandel vollzogen.
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Teil VI Wesentliche Ergebnisse
1. Im Kontext der Verbesserung der rechtlichen und sozialen Lage läßt sich jedoch vor allem ab 1970 eine Veränderung der Stoßrichtung antihomosexueller Ressentiments beobachten. Um Homosexualität weiterhin als etwas verachtenswertes propagieren zu können, kommt es zu einem Phänomen, das in der Soziologie als Derivation bezeichnet wird. Darunter versteht man vorgeschobene Begründungen, die vom eigentlichen Motiv ablenken. Im Rahmen dieser Derivation wird Homosexuellen, vor allem homosexuellen Männern, zu Unrecht vorgeworfen, sie seien Kinderschänder. In der Gesellschaft wird pädophiles Verhalten äußerst negativ bewertet. Dieses haltlose Vorurteil ist darüber hinaus deshalb besonders perfide, weil die Unterstellung, außer der Beteuerung, nicht pädophil zu sein, gar nicht falsifiziert werden kann. Es ist daher im Diskurs um die Verbesserung der rechtlichen und sozialen Lage homosexueller Personen, insbesondere wenn ein Zusammenhang zu Kindern besteht, darauf zu achten, Derivationen zu vermeiden und Vorurteile auszuscheiden. Der Paradigmenwechsel in der Beurteilung der Homosexualität führte jedoch insgesamt gesehen zu einem bislang singulären Maß an gesellschaftlicher Toleranz und Akzeptanz. Ob es aber jemals zu einer vollständigen Entdiskriminierung der Homosexualität kommen wird, scheint wenig wahrscheinlich. Freiheitlichen Gesellschaften stellt sich die Gleichbehandlung und Tolerierung von Minderheiten als eine stets von neuem zu bewältigende Aufgabe. 2. Aufgrund der lange anhaltenden Ächtung gleichgeschlechtlich Liebender konnten sich bis vor kurzem keine wirkungsträchtigen Vorbilder für die gleichgeschlechtliche Partnerschaft und erst recht nicht für die gleichgeschlechtliche Elternschaft bilden. Aus der griechischen Antike sind zwar staatlich institutionalisierte Beispiele einer Wahrnehmung von Erziehungsaufgaben durch homosexuelle Personen bekannt. Diese Beziehungen sind aber in mehrfacher Hinsicht nicht mit dem heutigen Konzept von Elternschaft im allgemeinen und gleichgeschlechtlicher Elternschaft im besonderen vergleichbar. Das Mittelalter war in erster Linie von den Glaubenslehren der christlichen Theologie geprägt, mit deren Moralvorstellungen die Elternschaft gleichgeschlechtlicher Paare absolut unvereinbar gewesen war. Auch in der Neuzeit konnten sich trotz der seit dem 17. Jahrhundert bekannten Technik der artifiziellen Insemination vor dem Hintergrund fortdauernder Diskriminierung keine Beispiele für diese Familienform etablieren. Besonders drastisch wurde das nicht auf Reproduktion ausgerichtete geschlechtliche Verhalten homosexueller Menschen von den Nationalsozialisten herausgestellt und für rassenideologisch motivierte Ziele instrumentalisiert. Erst in jüngster Zeit wird das Aufwachsen von Kindern in gleichgeschlechtlichen Beziehungen verstärkt wahrgenommen. Dabei handelt es sich zumeist noch um Kinder, die in einer vorangegangenen verschiedengeschlechtlichen Beziehung auf natürlichem Wege gezeugt wurden. Trotz der Expansion reproduktionsmedizinischer Maßnahmen nach dem Zweiten Weltkrieg ist die Inanspruchnahme dieser Techniken selbst in ausgesprochen liberalen Ländern wie den Vereinigten Staaten von Amerika erst seit relativ kurzer Zeit bekannt geworden. Daher kann die Tatsache, daß gleichgeschlechtliche Paare durch Maßnahmen assistierter Reproduktion Eltern werden wollen, erst seit kurzem breiteren Bevölkerungskreisen zu Bewußtsein gelangen.
Zu Teil I Grundlagen der gleichgeschlechtlichen Elternschaft
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IV. Aus der historischen Entwicklung und dem aktuellen Stand der Sexualwissenschaft ergeben sich für die Thematik der Untersuchung verschiedene Aufschlüsse. 1. Wegen der fehlenden generativen Funktion gleichgeschlechtlicher Handlungen galt diese Partnerorientierung in der Medizin seit Ende des 19. Jahrhunderts als Krankheit. Die Pathologisierung avancierte bald zur allgemeinen Meinung über Homosexualität und wurde noch bis in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts vehement vertreten. Erst ab 1970 setzte sich in den Humanwissenschaften die Erkenntnis durch, daß Homosexualität keine krankhafte Störung, sondern eine unproblematische Normvariante sexuellen Verhaltens darstellt. Die American Psychiatric Association strich 1973 Homosexualität aus ihrem Diagnosehandbuch (DSM II). 1993 folgte dem die Weltgesundheitsorganisation und entfernte in der von ihr verantworteten internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) Homosexualität aus der Liste der psychiatrischen Erkrankungen. Kinder, die von gleichgeschlechtlichen Eltern aufgezogen werden, finden daher im Grundsatz die gleichen Bedingungen in bezug auf die psychische Verfassung ihrer Erziehungspersonen vor wie Kinder verschiedengeschlechtlicher Eltern. 2. Die gleichgeschlechtliche Orientierung ist für den einzelnen weder disponibel noch kann mittels therapeutischer Intervention eine heterosexuelle Geschlechterpräferenz herbeigeführt werden. Damit scheidet für den hier interessierenden Personenkreis die natürliche Zeugung eines Kindes aus, weil es weder im Belieben homosexueller Frauen und Männer steht, sich heterosexuell zu verhalten noch eine therapeutisch bewirkte Konversion in Betracht kommt. 3. Die Ätiologie der Homosexualität ist trotz unterschiedlichster Erklärungsansätze nach wie vor völlig ungeklärt. Die immer wieder aufgestellte Behauptung, Kinder erlernten bei homosexuellen Eltern eine eigene gleichgeschlechtliche Partnerorientierung, hält einer belastbaren Überprüfung nicht stand. Empirischen Studien zufolge werden Kinder, die in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften oder bei homosexuellen Einzelpersonen aufwachsen, nicht häufiger selbst homosexuell als andere Kinder. Selbst wenn erwiesen wäre, daß die Homosexualität der Eltern eine gleichgeschlechtliche sexuelle Präferenz begünstigt, könnten daraus abgeleitete Bedenken gegen den Zugang lesbischer und schwuler Paare zu Maßnahmen assistierter Reproduktion nicht überzeugen, weil sie von der illegitimen Prämisse ausgehen, Homosexualität sei ein unerwünschtes und deshalb nach Möglichkeit zu vermeidendes Persönlichkeitsmerkmal. 4. Homosexuelle sind in gleichem Maße liebes- und bindungsfähig wie heterosexuelle Menschen und können ihren Kinder in gleicher Weise als Vorbilder für eine geglückte, auf gegenseitiger Zuneigung und Liebe aufgebauten Partnerschaft dienen. Homosexuelle Männer sind nicht in höherem Ausmaß pädophil oder ephebophil. Kindern, die bei gleichgeschlechtlichen Paaren aufwachsen, droht deshalb kein gesteigertes Risiko, in familiäre intergenerationelle Sexualkontakte involviert oder Opfer sexuellen Mißbrauchs durch ihre Eltern zu werden. V. Psychologische Studien zur Entwicklung von Kindern, die bei gleichgeschlechtlichen Paaren aufwachsen, haben keinerlei negative Auswirkungen erkennen lassen. 1. Die psychosexuelle Entwicklung verlief im Hinblick auf die Geschlechtsidentität, auf das geschlechtsspezifische Rollenverhalten und in bezug auf die
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Teil VI Wesentliche Ergebnisse
sexuelle Orientierung unauffällig. In ihrer Persönlichkeitsentwicklung unterscheiden sich die Kinder gleichgeschlechtlicher nicht von denen verschiedengeschlechtlicher Eltern. In den Beziehungen zur sozialen Umwelt konnten ebenfalls keine Besonderheiten festgestellt werden. In einigen Bereichen der sozialen Kompetenz schneiden Kinder lesbischer und schwuler Eltern sogar besser ab als andere Altersgenossen. Es hat sich auch gezeigt, daß die Entwicklung eines Kindes um so besser verläuft, je unverkrampfter gleichgeschlechtlich orientierte Erziehungspersonen mit ihrer Homosexualität umgehen. Dieses Verhältnis zur eigenen sexuellen Orientierung dürfte auch bei den im vorliegenden Zusammenhang interessierenden Paaren anzutreffen sein, da sie ihre gleichgeschlechtliche Partnerschaft offen leben. Einige Studien jüngeren Datums haben die Entwicklung von Kindern untersucht, die infolge einer Samenspende bei lesbischen Paaren aufwachsen. Sie sind dabei zu Ergebnissen gekommen, die die Resultate der bisher durchgeführten entwicklungspsychologischen Studien bestätigen. 2. Sofern Kinder gleichgeschlechtlicher Eltern einer Stigmatisierung durch Gleichaltrige ausgesetzt sind, haben die meisten von ihnen Bewältigungsstrategien entwickelt, die ihnen helfen, adäquat mit der Problematik umzugehen. Daneben leiden die Selbsteinschätzung und die Freundschaftsbeziehungen nicht stark unter solchen Erfahrungen. Die potentielle Stigmatisierung von Kindern, die bei gleichgeschlechtlichen Partnern aufwachsen, kann nicht gegen die Zulassung dieser Personenkonstellationen zu Maßnahmen assistierter Reproduktion ins Feld geführt werden. Abgesehen davon, daß man von einer spekulativen Prognose darüber, ob ein Kind tatsächlich in Zukunft stigmatisiert würde und ein Trauma davontrüge, die Zulassung abhängig machte, müßte auch anderen, potentiell einer Stigmatisierung ausgesetzten Minoritäten der Zugang verweigert werden. Bislang wurde aber völlig zu Recht nicht ernsthaft diskutiert, Paare mit anderer Hautfarbe, mit einem bestimmten ethnischen oder religiösen Hintergrund oder wegen der Behinderung eines oder beider Wunschelternteile unter Hinweis auf diese Eigenschaft von der assistierten Fortpflanzung zu exkludieren. Es bleibt vielmehr Aufgabe einer Gesellschaft, gegen solche Diskriminierungen anzugehen, statt diese als Argument für eine fortgesetzte Diskriminierung und eine Einschränkung des Rechts auf Fortpflanzungsfreiheit zu instrumentalisieren. VI. Aus der Betrachtung der rechtlichen Entwicklungen konnten unterschiedliche Erkenntnisse zur vorliegenden Thematik gewonnen werden. 1. Gleichgeschlechtliche Handlungen unter Männern waren bis 1969 strafbar. Erst 1994 wurde mit der Streichung des § 175 StGB jeglicher Homosexualitätsbezug aus dem StGB getilgt. Die mit wenig rationalen Argumenten gerechtfertigte Kriminalisierung fand auch die Billigung des Bundesverfassungsgerichts. In einem aus heutiger Sicht rechtlich zweifelhaften und in seinen sexualwissenschaftlichen Grundlagen veralteten Urteil bestätigte es 1957 die Strafbarkeit einverständlicher sexueller Handlungen unter erwachsenen Männern. Trotz zahlreicher Kritikpunkte wird dieses Urteil immer wieder in der juristischen Diskussion gegen die Verbesserung der rechtlichen Situation Homosexueller herangezogen. Nach heutiger Auffassung verstieß die Pönalisierung der Homosexualität gegen das freiheitliche Menschenbild des Grundgesetzes und die Europäische Menschenrechtskonvention. Für die Streichung des als Jugendschutzvorschrift ausgestalteten § 175 StGB im Jahre 1994 war ausschlaggebend, daß für eine Verführung zur
Zu Teil I Grundlagen der gleichgeschlechtlichen Elternschaft
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Homosexualität keine Anhaltspunkte vorlagen und deshalb für eine Sondervorschrift zum Schutze Jugendlicher vor erwachsenen homosexuellen Männern kein sachlicher Grund sprach. Gleichwohl unterstellte ein so prominenter Strafrechtler wie Herbert Tröndle schwulen Männern pädophiles Verhalten, um eine Beibehaltung der Strafvorschrift zu legitimieren. Die Behauptungen Tröndles sind wissenschaftlich nicht haltbar und entsprechen einer immer wieder zu beobachtenden Tendenz, Homosexuelle im Zuge der Verbesserung ihrer rechtlichen und sozialen Situation als Pädophile zu diskreditieren. 2. Die mit der Streichung jeglichen homosexualitätsrelevanten Bezuges aus dem StGB erfolgte Entkriminalisierung beeinflußte entscheidend das Bild der Öffentlichkeit von Homosexualität und bestärkte die Bemühungen, ein Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Partnerschaften gesetzlich zu verankern. Den in den 1990er Jahren unternommenen Versuchen war allerdings noch kein Erfolg beschieden. Vor diesem Hintergrund spielte eine so spezielle Frage wie die nach dem Zugang gleichgeschlechtlicher Paare zu Maßnahmen assistierter Reproduktion keine Rolle. Zugleich hatte sich aber auf politischer und auf juristischer Ebene die Erkenntnis durchgesetzt, daß sich aus der Homosexualität für sich betrachtet keine negativen Aussagen über die Erziehungskompetenz einer Personen herleiten lassen. 3. Auch auf europäischer Ebene läßt sich ein Trend zum Abbau der Diskriminierung Homosexueller erkennen. Das Europäische Parlament befürwortet eine Gleichstellung von Lesben und Schwulen mit Ehepaaren im familienrechtlichen Bereich. Darüber hinaus kann die Entschließung vom 8. Februar 1994 zur Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben in der EG dahin verstanden werden, gleichgeschlechtlichen Paaren in den Mitgliedstaaten den Zugang zu Maßnahmen assistierter Reproduktion zu gestatten.
Zu Teil II
Recht der eingetragenen Lebenspartnerschaft
I. Einer europäischen Tendenz folgend eröffnete der deutsche Gesetzgeber mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft gleichgeschlechtlichen Paaren die Möglichkeit, einen familienrechtlichen Status zu erlangen, an den zahlreiche Rechte und Pflichten geknüpft sind. Das Bundesverfassungsgericht hat verbindlich festgestellt, daß die eingetragene Lebenspartnerschaft nicht gegen das Grundgesetz verstößt. Dadurch herrscht Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Der von Johann Braun erhobene Vorwurf, mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft sollten Lebensformen vorbereitet werden, die einen Einstieg in die Normalisierung der Pädophilie erlaubten, ist haltlos. Seine Äußerungen sind wissenschaftlich zweifelhaft und bestätigen einmal mehr den Befund, daß im Zusammenhang mit der Privilegierung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare gegen Schwule der unberechtigte Vorwurf der Kinderschändung erhoben wird. Diese Argumentation kann nicht gegen den Zugang eingetragener Lebenspartner oder nicht rechtlich formalisierter gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften zu reproduktionsmedizinischen Techniken ins Feld geführt werden. II. Dem Lebenspartnerschaftsrecht lassen sich keine Aussagen zu Maßnahmen assistierter Reproduktion entnehmen. Dies ist insofern bemerkenswert, als sich der
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Teil VI Wesentliche Ergebnisse
Gesetzgeber explizit auf ausländische Rechtsordnungen berief, die entweder in ihren Partnerschaftsinstituten oder zumindest in ihren Fortpflanzungsmedizingesetzen diese Frage einer Regelung zugeführt haben. Gerade weil in Deutschland noch kein Fortpflanzungsmedizingesetz existiert, hätte sich eine Klarstellung im Lebenspartnerschaftsgesetz angeboten. Daneben hat der Gesetzgeber auch die von ihm in bezug genommene Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Februar 1994 nicht in dem hier vorgeschlagenen Verständnis berücksichtigt, wonach die Mitgliedstaaten gleichgeschlechtliche Paare zu reproduktionsmedizinischen Techniken zulassen sollten. Nach der zur eingetragenen Lebenspartnerschaft ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts läßt sich aus Art. 6 Abs. 1 GG kein Gebot herleiten, wonach andere Lebensformen gegenüber der Ehe zu benachteiligen wären. Übertragen auf die Frage nach dem Zugang gleichgeschlechtlicher Paare zu Maßnahmen assistierter Reproduktion folgt daraus, daß es verfassungsrechtlich nicht geboten ist, gleichgeschlechtliche Paare davon auszuschließen. Die Gewährleistungen des Art. 6 Abs. 1 GG blieben davon unberührt. Durch die Zulassung eingetragener Lebenspartner erlitten Eheleute keine Einbuße. Aufgrund der Exklusivität beider Rechtsinstitute im Verhältnis zueinander würde das Ausmaß des rechtlichen Schutzes und das Ausmaß der Förderung der Ehe nicht verringert. Selbst wenn man die Nutzung fortpflanzungsmedizinischer Techniken durch Ehegatten als Strukturelement der Ehe begreifen wollte und damit als von Art. 6 Abs. 1 GG geschützt ansähe, folgte daraus nicht, daß diese Maßnahmen für Eheleute zu reservieren wären. III. Obwohl das Lebenspartnerschaftsgesetz nicht zum Zugang fortpflanzungsmedizinischer Maßnahmen Position bezieht, lassen sich durch die Analyse der gesetzlichen Ausgestaltung des Instituts wichtige Aussagen für das Aufwachsen von Kindern bei eingetragenen Lebenspartnern entnehmen. Seit der Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts ist das rechtlich bereitgestellte Schutzniveau für Kinder in Lebenspartnerschaften deutlich gestiegen und in wesentlichen Teilen mit demjenigen der Ehe vergleichbar. Beide Institute unterscheiden sich hinsichtlich der legislativ intendierten Stabilität und der ökonomischen Absicherung nur noch marginal. Am bedeutendsten sind die kindschaftsrechtlichen Regelungen. Zwar fehlt eingetragenen Lebenspartnern nach wie vor die Möglichkeit, ein Kind gemeinschaftlich anzunehmen. Allerdings wurde zum 1. Januar 2005 die Möglichkeit der Stiefkindadoption eingeführt, die vor allem für lesbische Paare, welche mittels Samenspende ihren Kinderwunsch realisieren, relevant werden wird. Die nicht-gebärende Lebenspartnerin kann über die Stiefkindadoption ein statusrechtliches Band zu dem Kind etablieren, das dann gemeinsames Kind beider Lebenspartnerinnen wird. Mit der Implementierung kindschaftsrechtlicher Vorschriften im Lebenspartnerschaftsrecht hat der Gesetzgeber das Aufwachsen von Kindern bei gleichgeschlechtlichen Paaren als soziale Realität akzeptiert und ihr durch angemessene, im Hinblick auf ein gemeinschaftliches Adoptionsrecht allerdings noch ergänzungsbedürftige rechtliche Regelungen Rechnung getragen. Der Gesetzgeber bringt damit zum Ausdruck, daß er gleichgeschlechtlich orientierte Personen und Paare für geeignete Erziehungspersonen hält. IV. Hält man die Kriterien der gesetzlich intendierten Stabilität, der ökonomischen Absicherung und die Möglichkeit der Herstellung einer Eltern-Kind-
Zu Teil II Recht der eingetragenen Lebenspartnerschaft
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Zuordnung zu beiden Wunschelternteilen für Zugangsvoraussetzungen, so ließe sich der Ausschluß eingetragener Lebenspartner von Maßnahmen assistierter Reproduktion nicht legitimieren. Legt man allerdings einen verfassungsrechtlichen Maßstab an, so kann eine Formalisierung der Beziehung gleichgeschlechtlicher Wunscheltern nicht gefordert werden, weil es sich dabei nicht um eine aus der Verfassung ableitbare Grundrechtsposition handelt, mit der das Recht auf Fortpflanzungsfreiheit eingeschränkt werden könnte.
Zu Teil III Komparatistische Untersuchung I. In zahlreichen ausländischen Rechtsordnungen stehen die rechtlichen Institute für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften in engem Zusammenhang mit dem Zugang dieser Personenkonstellationen zu Maßnahmen assistierter Reproduktion. Unter den europäischen Rechtsordnungen haben sich drei unterschiedliche Regelungsmodelle herausgebildet. Dabei handelt es sich erstens um familienrechtliche Institute, die ausschließlich gleichgeschlechtlichen Paaren offen stehen, zweitens um Institute, die sowohl von gleich- als auch von verschiedengeschlechtlichen Paaren eingegangen werden können und schließlich drittens um die Öffnung der bürgerlichen Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. II. In bezug auf Regelungsumfang und Regelungsintensität ähneln sich alle Modelle insofern, als sie bei ihrer Einführung auf kindschaftsrechtliche Regelungen weitestgehend verzichtet haben. Ausschlaggebend für den Ausschluß war nicht, daß man gleichgeschlechtliche Paare als ungeeignet für die Wahrnehmung von Erziehungsaufgaben ansah oder eine Kindeswohlgefährdung befürchtete, sondern maßgeblich waren vielmehr pragmatische und opportunistische Erwägungen. Durch das Ausklammern der allzu konfliktträchtigen kindschaftsrechtlichen Materie aus einem ohnehin schon lebhaft umstrittenen Vorhaben gelang es den nationalen Gesetzgebern, das Scheitern des gesamten Projektes zu verhindern. Nachdem die meisten Länder einige Jahre praktische Erfahrungen mit dem neuartigen Institut gesammelt hatten und dessen gesellschaftliche Akzeptanz gesichert war, entwickelten sie ihre Partnerschaftsgesetze fort und inkorporierten ausgehend von Sorgerechten über die Stiefkindadoption bis hin zur gemeinschaftlichen Adoption in- und ausländischer Kinder stufenweise kindschaftsrechtliche Regelungen. III. Am Ende dieser Entwicklung steht in einigen europäischen Staaten bereits die Zulassung lesbischer Paare zu Maßnahmen assistierter Reproduktion. In Schweden und in Spanien hat der Gesetzgeber sogar auf diese Konstellationen zugeschnittene familienrechtliche Regelungen implementiert, die eine originäre statusrechtliche Zuordnung des aus der assistierten Reproduktion hervorgegangenen Kindes zu beiden Partnerinnen erlauben. Allerdings sind in den meisten europäischen Staaten gleichgeschlechtliche Paare vom Zugang zu Maßnahmen assistierter Reproduktion von Gesetzes wegen noch ausgeschlossen. Die überwiegende Zahl ausländischer Rechtsordnungen hält die Frage nach den elterlichen Voraussetzungen für eine regelungsbedürftige Materie und stuft sie als so relevant ein, daß sie die Entscheidung ihrer demokratisch legitimierten Legislative überantwortet hat. Als sedes materiae einer gesetzlichen Regelung wählt eine Mehrheit von Ländern die Vorschriften über die artifizielle Reproduktion. Island und die Schweiz haben
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Teil VI Wesentliche Ergebnisse
die Frage in ihren Partnerschaftsgesetzen geregelt. Soweit ersichtlich, werden schwule Paare bislang in keinem europäischen Land zu reproduktionsmedizinischen Techniken zugelassen. Im europäischen Raum spielt die Realisierung ihres Kinderwunsches durch fortpflanzungsmedizinische Maßnahmen im Gegensatz zu lesbischen Paaren faktisch und in der Diskussion noch eine weitgehend untergeordnete Rolle. Im Unterschied dazu haben in den USA neben lesbischen Frauen und Partnerinnen in gewissem Umfang auch schwule Einzelpersonen und schwule Paare Zugang zu Ersatzmutteragenturen und zu Maßnahmen assistierter Reproduktion.
Zu Teil IV Medizinische Grundlagen und rechtlicher Rahmen der artifiziellen Reproduktion I. Die Generationenfolge beim Menschen unterliegt dem Prinzip der sexuellen Fortpflanzung und ist von der Existenz zweier verschiedener Geschlechter abhängig. Daher sind gleichgeschlechtliche Paare zur Realisierung ihres Kinderwunsches auf die Mitwirkung einer dritten geschlechtsverschiedenen Person angewiesen. Lesbische Paare benötigen die Samenspende eines Mannes; schwule Paare können ihren Kinderwunsch nur durch das Engagement einer Ersatzmutter ins Werk setzen. Damit erfolgt die Anwendung reproduktionsmedizinischer Techniken bei gleichgeschlechtlichen Paaren stets im heterologen System, was zur Folge hat, daß der auf diese Weise gezeugte Nachwuchs immer nur zu einem Wunschelternteil eine genetische Verbindung aufweisen kann. Verfahren wie eine nichthumane Plazenta, das Klonen und die Kombination des genetischen Materials zweier gleichgeschlechtlicher Personen könnten zwar eine geschlechtsverschiedene Person entbehrlich machen, sie muten aber derzeit nicht nur avantgardistisch an und bieten, wenn überhaupt, wenig Aussicht auf Erfolg, sondern unterliegen auch gravierenden ethischen, anthropologischen und juristischen Bedenken. Aus diesen Gründen werden diese Techniken in die weiteren Überlegungen nicht mit einbezogen. II. Der rechtliche Rahmen der künstlichen Fortpflanzung ist in Deutschland auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelt. Rechtsquellen auf parlamentsgesetzlicher Ebene sind das Embryonenschutzgesetz (ESchG) und das Adoptionsvermittlungsgesetz (AdVermiG). Auf untergesetzlicher Ebene regelt das Satzungsrecht der einzelnen Ärztekammern bestimmte Aspekte der assistierten Reproduktion. 1. Mit dem ESchG sollen Mißbräuche der modernen Fortpflanzungsmedizin verhindert werden. Es statuiert keine elterlichen oder statusrechtlichen Vorgaben für den Zugang zu Maßnahmen assistierter Reproduktion, sondern verbietet bestimmte Techniken. Diese Verbote wirken sich in unterschiedlicher Weise auch auf gleichgeschlechtliche Paare aus. 2. Eines der Hauptanliegen des ESchG ist die Verhinderung der Entstehung von genetisch und plazentar gespaltenen Mutterschaften. Von diesem Verbot sind auch lesbische Paare betroffen, die mittels Übertragung einer Eizelle von einer auf die andere Partnerin ein Kind zeugen möchten. Die Verbote des ESchG sind zwar so ausgestaltet, daß das lesbische Paar aufgrund persönlicher Strafausschließungs-
Zu Teil IV Medizinische Grundlagen und rechtlicher Rahmen
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gründe nicht bestraft wird. Allerdings macht sich der Reproduktionsmediziner strafbar, ohne dessen Assistenz die Eizellspende realistischerweise nicht verwirklicht werden kann. Dadurch ist lesbischen Frauen diese Fortpflanzungsmöglichkeit faktisch verwehrt. Unklar ist die Strafbarkeit des Mannes, der im Wissen um die geplante Eizellspende sein Sperma spendet. Zwar wird in der Literatur dafür plädiert, sein Verhalten als notwendige Beihilfe einzustufen und ihn zu entkriminalisieren. Ob dieser Ansicht die Strafverfolgungsorgane und die Strafgerichte folgen, ist vor dem Hintergrund fehlender Rechtsprechung zu diesem Komplex ungewiß. Für den Spermator besteht daher keine Rechtssicherheit. Dies könnte ihn von einer Samenspende abhalten. a) Das Verbot der Herbeiführung einer derart fragmentierten Mutterschaft kann bereits auf einfachgesetzlicher Ebene nicht überzeugen. Als zentrales Schutzgut wird das Kindeswohl ausgegeben. Lehnt man jedoch die Argumentation mit lebensunwertem Leben ab, so ist diese Begründung schon im Ansatz verfehlt, weil es niemals im Interesse eines Kindes liegen kann, nicht erzeugt zu werden. Der Gesetzgeber bedient sich mit der Kindeswohlargumentation auch deontologischer Prinzipien wie der „Heiligkeit der Natur“. Aus rechtsphilosophischer Perspektive unterliegen diese Prinzipien Zweifeln bezüglich ihrer Rechtsguttauglichkeit, weil sie sich weder unmittelbar noch mittelbar aus dem zu weltanschaulicher und konfessioneller Neutralität verpflichteten Grundgesetz ableiten lassen. Die Kindeswohlargumentation kann auch aus empirischer Sicht nicht überzeugen. Der Gesetzgeber stützt sich auf bloße Vermutungen und nicht auf erwiesene Fakten. Die Präzisierungsversuche halten sich im Bereich des Spekulativen und konzentrieren sich einseitig auf die eventuell tangierten Interessen des Embryos, ohne die Rechte der anderen am Konflikt beteiligten Personen mit in die Überlegungen einzubeziehen. Unter legitimatorischen Aspekten ist es ausgesprochen fraglich, ob sich der Gesetzgeber bei Strafgesetzen mit ihrer Einschränkung der persönlichen Freiheit in diesem Umfang auf bisher empirisch nicht nachgewiesene Gefahren und vage Andeutungen stützen darf. Problematisch ist auch die Gesetzestechnik. In bestimmten Tatbeständen des ESchG werden Handlungen einander gleichstellt, die sich in ihrem Unrechtsgehalt qualitativ erheblich unterscheiden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 6 ESchG). Sie stellen die Spaltung der Mutterschaft, die auf die Zeugung und Geburt menschlichen Lebens gerichtet ist, mit Handlungen gleich, bei denen Embryonen aufgeopfert werden und zugrunde gehen. Der Gesetzgeber enthält sich insoweit jeglicher Differenzierung nach dem Unrecht. Kritikwürdig ist zudem die Ungleichbehandlung von Ei- und Samenspende, die sich rechtlich prinzipiell gleichachten lassen. Der Gesetzgeber nimmt gespaltene Vaterschaften in Kauf, verbietet aber ohne plausiblen Grund gespaltene Mutterschaften. In ausländischen Rechtsordnungen ist die Eizellspende teilweise erlaubt. Daneben tendieren einzelne europäische Länder dazu, die bislang noch vorhandenen Verbote aufzuheben. b) Nimmt man die besonderen Bedingungen bei lesbischen Paaren in den Blick, so ergeben sich zusätzliche Bedenken gegen das Verbot der Herbeiführung gespaltener Mutterschaften. Die von beiden Partnerinnen intendierte enge soziale Bindung findet bei der Eizellspende ihr Korrelat in einer größtmöglichen biologischen Verbindung zu dem Kind. Es vermag auch nicht einzuleuchten, weshalb es in diesen Konstellationen zu besonderen seelischen Belastungen der Beteiligten
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Teil VI Wesentliche Ergebnisse
kommen soll. Auch stellt sich bei der Eizellspende innerhalb einer Partnerschaft nicht die Problematik der Anonymität. Daß der Samenspender nicht zu den sozialen Eltern zählt und seine genetische Beziehung zu dem Kind im sozialen Gefüge keine Berücksichtigung findet, wird auch bei der im heterologen System durchgeführten artifiziellen Reproduktion bei verschiedengeschlechtlichen Paaren hingenommen und vermag bei lesbischen Partnerschaften nicht zu einer abweichenden Beurteilung führen. 3. Für schwule Paare stellt das Engagement einer Ersatzmutter die einzige Möglichkeit dar, ein genetisch halbeigenes Kind zu bekommen. Allerdings verfolgt der Gesetzgeber mit mehreren Gesetzen das Ziel, Ersatzmutterschaften zu verhindern. a) Das AdVermiG sucht bereits im Vorfeld entsprechende Vereinbarungen zu unterbinden, indem es das Zusammenführen der Beteiligten untersagt. Die Strafbarkeit erfaßt in erster Linie Vermittler von Ersatzmutterschaftsarrangements. Für die Ersatzmutter und die Wunschväter existiert ein persönlicher Strafausschließungsgrund. Dieser umfaßt allerdings nicht den Tatbestand, der die Ordnungswidrigkeit betrifft. Sucht ein schwules Paar auf eigene Initiative eine Ersatzmutter, so verhält es sich ordnungswidrig und kann mit einem Bußgeld belegt werden. Erfolgt die Übernahme der Ersatzmutterschaft ohne vorherige Vermittlung, etwa im engsten Familien- oder Freundeskreis, so ist darin kein ordnungswidriges Verhalten zu erblicken. b) Das ESchG ergänzt die Verbote des AdVermiG, indem es die Herbeiführung von Ersatzmutterschaften mittels Maßnahmen assistierter Reproduktion verbietet. Die Strafdrohungen des ESchG betreffen in erster Linie den Arzt, weil für die Wunschväter und die Ersatzmutter persönliche Strafausschließungsgründe greifen. Gleichwohl wirkt sich dieses Verbot faktisch auch auf die übrigen Beteiligten aus. Unklar ist die Rechtslage, wenn die Wunschväter und die Ersatzmutter in eigener Regie eine künstliche Befruchtung vornehmen. Die Ersatzmutter bleibt straffrei, weil sie bereits notwendige Beteiligte ist und damit weder taugliche Täterin noch taugliche Teilnehmerin sein kann. Der Partner, dessen Samen verwendet wird, kommt in den Genuß eines persönlichen Strafausschließungsgrundes. Bei dem Partner, dessen Sperma keine Verwendung findet, ist zu differenzieren. Nimmt er die Insemination vor, ist er wegen Verstoßes gegen den Arztvorbehalt zu bestrafen. Nimmt sein Partner die Insemination vor, kommt für ihn je nach den Umständen eine Strafbarkeit wegen Anstiftung oder Beihilfe in Betracht. Wenn feststeht, wessen Sperma verwendet worden ist, aber nicht geklärt werden kann, welcher von den beiden Partnern das Sperma eingebracht hat, so kann der Partner, von dem das Sperma nicht stammt, nach dem Grundsatz in dubio pro reo nur wegen der minder schweren Beteiligungsform verurteilt werden. Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung sollen jedoch familiäre Teilnahmehandlungen in Fortpflanzungsangelegenheiten angesichts ihres höchstpersönlichen Charakters in einen verfassungsrechtlich geschützten Teil der Privatsphäre fallen, was den Einsatz des Strafrechts ausschließe. Daneben ließe sich auch die analoge Anwendung anderer, die Herbeiführung einer Ersatzmutterschaft mittels ärztlicher Assistenz betreffende Strafausschließungsgründe diskutieren. Ob die Strafverfolgungsbehörden und die Gerichte diesen Auffassungen folgen, ist ungewiß, da sie – soweit ersichtlich – bislang nicht mit derartigen Fällen befaßt waren.
Zu Teil IV Medizinische Grundlagen und rechtlicher Rahmen
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c) Das Verbot der Herbeiführung von Ersatzmutterschaften sieht sich bereits auf inhaltlicher Ebene mehrfacher Kritik ausgesetzt. Die Ersatzmutterschaft verstößt weder gegen die Menschenwürde des Kindes, noch gegen die der Frau. Auch in diesem Kontext mutet es paradox an, das Wohl eines Kindes dadurch schützen zu wollen, daß man danach trachtet, seine Existenz zu verhindern. Daneben erscheinen die Prognosen über die Bedrohung des Kindeswohls während der Schwangerschaft und nach der Übernahme durch die Wunscheltern äußerst spekulativ. Sie lassen sich mangels empirischer Forschungen, Gutachten oder Untersuchungen nicht auf eine wissenschaftliche Grundlage stützen und widersprechen teilweise auch den bei der Adoption gewonnenen Erfahrungen. Zudem hat der Gesetzgeber zu Unrecht kommerzialisierte Formen der Ersatzmutterschaft mit der Übernahme einer Schwangerschaft aus altruistischer Motivation gleichgestellt. Ferner erscheint es nicht von vornherein mißbilligenswert, der Ersatzmutter eine Aufwandsentschädigung für die Mühen und die mit der Schwangerschaft möglicherweise verbundenen Kosten und finanziellen Einbußen zuzusprechen. Gerade die finanzielle Entschädigung sicherte der Ersatzmutter die Unabhängigkeit, frei darüber zu entscheiden, ob sie das Kind nach der Geburt auch tatsächlich an die Wunscheltern herausgeben möchte. Aus rechtsphilosophischer Sicht ist einzuwenden, daß der Gesetzgeber mit dem strafbewehrten Verbot keinen Embryonensondern vielmehr Tabuschutz betreibt. Die kategorische Ablehnung der Ersatzmutterschaft gründet (wie bei der gespaltenen Mutterschaft) eher auf deontologischen Prinzipien in der spezifischen Ausprägung der „Heiligkeit der natürlichen Einheit von Mutter und Kind“. Dabei handelt es sich aber kaum um ein strafrechtstaugliches Rechtsgut. Aus rechtsvergleichender Perspektive zeigt sich, daß in einigen Staaten die Ersatzmutterschaft gestattet wird und dort positive Erfahrungen gemacht wurden. d) Will man die Vereinbarung von Ersatzmutterschaften zulassen, so muß dem Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren zu jedem Zeitpunkt oberste Priorität eingeräumt werden. Schwule Paare müssen sich darüber im klaren sein, daß es für sie keinerlei Handhabe gibt, bestimmte Handlungen der Ersatzmutter rechtlich zu erzwingen. Insbesondere können sie von der Ersatzmutter keinen Schwangerschaftsabbruch und auch nicht die Herausgabe des Kindes nach der Geburt verlangen. Die Entscheidung, sich zur Erfüllung des Kinderwunsches auf die mit Ersatzmutterschaftsarrangements potentiell verbundenen Risiken einzulassen, unterliegt aber dem Selbstbestimmungsrecht der Beteiligten, das nicht durch paternalistische Verbote eingeschränkt, sondern durch staatliche Beratungsangebote flankiert werden sollte. 4. Die künstliche Befruchtung einer lesbischen Partnerin unter ärztlicher Assistenz stellt keine durch die Strafdrohungen des ESchG erfaßte Handlung dar. Unsicherheiten bestehen allerdings bei der strafrechtlichen Bewertung von Inseminationshandlungen, die lesbische Paare in eigener Regie durchführen. Die Frau, die sich selbst inseminiert, bleibt als notwendige Beteiligte straffrei. Auch der Samenspender wird nicht bestraft, da ihn ein persönlicher Strafausschließungsgrund privilegiert. Im Schrifttum wird die Strafbarkeit der zweiten Partnerin wegen Teilnahme verschiedentlich bejaht. Allerdings berücksichtigt diese Auffassung nicht hinreichend, daß hier die höchstpersönliche Sphäre der Partnerinnen betroffen und
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Teil VI Wesentliche Ergebnisse
ein Eingreifen des Strafrechts aus verfassungsrechtlichen Gründen unangemessen ist. Bislang fehlt aber auch hier jede gerichtsfeste Klärung. 5. Aus verfassungsrechtlicher Sicht stellen die im ESchG normierten Verbote der Herbeiführung gespaltener Mutterschaften und Ersatzmutterschaften einen nicht gerechtfertigten Eingriff in das als Teil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts anzusehenden Recht auf Fortpflanzungsfreiheit dar. Diese Beurteilung gilt unabhängig davon, ob verschieden- oder gleichgeschlechtliche Paare entsprechende reproduktionsmedizinische Maßnahmen nachsuchen. Daher ist der Zugang lesbischer und schwuler Paare zu diesen Methoden als verfassungsrechtlich zulässig anzusehen. Er kann darüber hinaus auch nicht vom Vorliegen einer rechtlich formalisierten Partnerschaft abhängig gemacht werden. III. Die Methoden der künstlichen Befruchtung werden über die Regelungen im ESchG und im AdVermiG hinaus auf untergesetzlicher Ebene durch das in Satzungsform erlassene ärztliche Standesrecht restringiert. Die Richtlinien zur Durchführung der assistierten Reproduktion untersagen es einem Arzt, fortpflanzungsmedizinische Maßnahmen bei gleichgeschlechtlichen Paaren vorzunehmen. Dadurch werden lesbische Partnerinnen, die eine nicht bereits durch das ESchG verbotene ärztlich assistierte Technik nachsuchen, faktisch vom Zugang zu Maßnahmen assistierter Reproduktion ausgeschlossen. 1. Die von der Bundesärztekammer erarbeiteten und im wesentlichen von den einzelnen Ärztekammern in ihre Berufsordnungen inkorporierten Richtlinien sind in ihren Fortschreibungen inhaltlich inkonsistent und berücksichtigen im Gegensatz zu unverheirateten verschiedengeschlechtlichen Paaren nicht die Gegebenheiten bei gleichgeschlechtlichen Partnern. So vermag bei der aktuellen Richtlinie das vage Zulassungskriterium der stabilen Partnerschaft bei nichtehelichen verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften ebensowenig zu überzeugen, wie der Ausschluß von eingetragenen Lebenspartnern, die in einer auch durch das Recht stabilisierten Beziehung leben. Daneben setzt die Richtlinie die von ihr intendierte Absicherung der Eltern-Kind-Zuordnung über ein präkonzeptionelles Vaterschaftsanerkenntnis als offensichtlich zulässig voraus, obwohl dies von der Rechtsprechung bislang nicht geklärt und im Schrifttum lebhaft umstritten ist. Demgegenüber wird die Möglichkeit der Stiefkindadoption als statusbegründendes Instrument bei eingetragenen Lebenspartnern nicht berücksichtigt. Auch in regelungstechnischer Hinsicht ist die aktuelle Richtlinie zu kritisieren, weil sich der Ausschluß gleichgeschlechtlicher Paare in seiner Eindeutigkeit lediglich aus dem rechtlich unverbindlichen Kommentar der Bundesärztekammer ergibt, welcher keine Rechtssetzungs- und damit auch keine Normkonkretisierungsbefugnis zukommt. Der nur mit einigem Aufwand feststellbare Ausschluß gleichgeschlechtlicher Paare genügt daher auch nicht den Anforderungen des sich aus Art. 103 Abs. 2 GG ergebenden Bestimmtheitsgebots. Schließlich stößt der partielle Ausschluß gleichgeschlechtlicher Paare auch aus medizinischer Sicht auf Kritik. Es vermag nicht einzuleuchten, weshalb die Insemination einer lesbischen Partnerin ohne vorangegangene hormonelle Stimulation einem Arzt gestattet sein soll, die gleiche Maßnahme aber nach hormoneller Stimulation verboten ist. Für die Durchführung einer Stimulationsbehandlung können ausschließlich medizinische Gesichtspunkte ins Gewicht fallen, nicht aber die sexuelle Orientierung oder der Personenstand der Frau, die sich einer künstlichen Befruchtung unterzieht.
Zu Teil IV Medizinische Grundlagen und rechtlicher Rahmen
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Schließlich ergeben sich unbefriedigende interregionale Divergenzen in der Rechtslage, weil einige Ärztekammern keine Richtlinien zur assistierten Reproduktion in ihre Berufsordnungen inkorporiert haben. In deren Bezirken ist dem Arzt die Behandlung einer lesbischen Partnerin mit allen Methoden, die nach dem ESchG zu Gebote stehen, berufsrechtlich gestattet. 2. Neben der inhaltlichen Kritik genügt die Exklusion gleichgeschlechtlicher Paare durch das ärztliche Standesrecht der meisten Ärztekammern auch nicht den verfassungsrechtlichen Prinzipien der demokratischen Legitimation und der Rechtsstaatlichkeit. Die Kammer- und Heilberufsgesetze der Länder delegieren die Satzungsgewalt lediglich in einem Umfang, der die berufsständischen Kammern zur Regelung der nur die Ärzte betreffenden internen Angelegenheiten berechtigt. Sie vermitteln aber keine Kompetenz zur Statuierung statusrechtlicher oder elterlicher Voraussetzungen für die Zulassung zu Maßnahmen der assistierten Reproduktion. Weil die Richtlinien auch die Belange Externer regeln, sind sie formell verfassungswidrig. Als verfassungswidriges Satzungsrecht sind die Bestimmungen zu den elterlichen bzw. statusrechtlichen Voraussetzungen nichtig. Gleichwohl ist zu erwarten, daß sich Ärzte an das Verbot halten werden, weil sie sich nicht einem berufsgerichtlichen Verfahren aussetzen wollen. Allerdings könnte die Nichtigkeit des Ausschlusses gleichgeschlechtlicher Paare in einem solchen Verfahren verbindlich festgestellt werden, weil den Gerichten die Kompetenz zur Prüfung und Verwerfung von Satzungsrecht zukommt. 3. Der Gesetzgeber dürfte die Regelung der elterlichen Voraussetzungen auch nicht im Wege einer Kompetenzerweiterung in den Kammer- und Heilberufsgesetzen der Länder an die Ärztekammern delegieren. Die Fortpflanzungsfreiheit ist ein wesentlicher, von intensiver Grundrechtsberührung gekennzeichneter Teil der Persönlichkeitsentfaltung, weshalb vor dem Hintergrund der in der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Wesentlichkeitstheorie und des Parlamentsvorbehalts die demokratisch legitimierte Legislative selbst über diese Frage zu entscheiden hat.
Zu Teil V
Folgefragen der Zulassung gleichgeschlechtlicher Paare
I. Die Vornahme artifizieller Reproduktionstechniken muß bei gleichgeschlechtlichen Paaren stets im heterologen System erfolgen. Dadurch ist die Möglichkeit gegeben, die Identität von Samenspender und Ersatzmutter zu verschleiern. Daneben kann sich aus der Perspektive des Kindes auch die Frage stellen, welcher Wunschelternteil eine genetische Verbindung zu ihm aufweist. Zwar kann eine anonyme Ausgestaltung des Verfahrens den Interessen der Beteiligten entsprechen. Dies konfligierte aber mit dem verfassungsrechtlich geschützten Recht des Kindes auf Kenntnis seiner genetischen Abstammung, weil die Identität aller Beteiligten eine erlangbare Information darstellt. Bislang existieren keine parlamentsgesetzlichen Vorgaben, wie diese Informationen zu dokumentieren sind. Die Ersatzmutter ist als die Frau, die das Kind zur Welt bringt, in das Geburtenbuch einzutragen. Die Identität des Samenspenders sollte de lege ferenda ebenfalls im
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Teil VI Wesentliche Ergebnisse
Geburtenbuch festgehalten werden. In Anlehnung an die Regelung im Adoptionsrecht kann dies in einem der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Randvermerk im Personenstandsbuch geschehen, welcher lediglich für das Kind ab einem bestimmten Alter einsehbar ist. Die Eizellspende innerhalb einer lesbischen Partnerschaft sowie die Verwendung eines Spermiengemisches bei einem schwulen Wunschelternpaar sollte in gleicher Weise festgehalten werden. Diese Lösung führte sämtliche für die Wahrnehmung des Rechts auf Kenntnis der genetischen Abstammung relevanten Daten in einem mit staatlicher Autorität ausgestatteten Register zusammen, sorgte für Transparenz und entlastete den Arzt. II. Bei der Eltern-Kind-Zuordnung können nach der lex lata für alle Beteiligten zahlreiche Unwägbarkeiten auftreten. Ihren Interessen wäre am effektivsten durch eine originäre statusrechtliche Zuordnung des Kindes zu seinen Wunscheltern gedient, welche die Etablierung eines statusrechtlichen Bandes zum Samenspender und zur Ersatzmutter ausschließt. Eine systemkonforme Lösung muß jedoch die unterschiedlichen Gegebenheiten bei lesbischen und schwulen Paaren berücksichtigen. 1. Bei lesbischen Partnerinnen läßt sich die originäre Zuordnung des Kindes nur dann in das geltende System statusrechtlicher Zuordnung integrieren, wenn man neben das Abstammungsprinzip ein Elternschaftsprinzip treten läßt. Dieses Prinzip orientiert sich an der Bereitschaft zur tatsächlichen Übernahme von Elternverantwortung und ist durch eine voluntative Komponente gekennzeichnet. Nach der in der vorliegenden Arbeit favorisierten Lösung erfolgte eine originäre Zuordnung zu beiden Partnerinnen unter der Voraussetzung, daß die nichtgebärende Partnerin in die heterologe Insemination einwilligt und die Bereitschaft bekundet, zu dem auf diesem Wege zu zeugenden Kind auch ein statusrechtliches Band mit allen Rechten und Pflichten etablieren zu wollen. Daneben muß auch die Partnerin, die das Kind austragen und zur Welt bringen will, mit einer derartigen Zuordnung einverstanden sein. Schließlich muß der Samenspender erklären, auf eine rechtliche Zuordnung als Vater und die damit verbundenen Rechte und Pflichten zu verzichten. Der Spender kann sich dadurch absichern, daß er die Verwendung seines Samens vom Vorliegen der Erklärungen des lesbischen Paares abhängig macht. Um die spätere Feststellung der Vaterschaft des Spermators zu verhindern, könnte ein Anfechtungsverbot für die Partnerinnen und das Kind normiert werden. Davon bliebe das Recht des Kindes auf Kenntnis der Identität des Samenspenders unberührt. Der Gesetzgeber wäre nicht daran gehindert, dieses Zuordnungsregime nur eingetragenen Lebenspartnerinnen zur Verfügung zu stellen. 2. Für schwule Paare läßt sich aufgrund der herausgehobenen Stellung der gebärenden Frau keine vergleichbare originäre Eltern-Kind-Zuordnung konzipieren. Der Grund hierfür ist in der Fundamentalnorm des § 1747 Abs. 2 S. 1 BGB zu sehen, der eine achtwöchige Frist zwischen Geburt und der Einwilligung in die Auflösung des statusrechtlichen Bandes zur Mutter statuiert. Über diese Norm können die Beteiligten nicht disponieren. Das Selbstbestimmungsrecht der gebärenden Frau, das trotz der frühzeitig intendierten Weggabe des Kindes auch der Ersatzmutter uneingeschränkt zusteht, kann nicht zugunsten der Bedürfnisse der Wunscheltern verkürzt werden. Eine angemessene Lösung stellte für schwule Paare die gesetzliche Einführung des präkonzeptionellen Vaterschaftsanerkenntnisses dar. Durch die Abgabe dieser Erklärung sicherte man zumindest die origi-
Zu Teil V Folgefragen der Zulassung gleichgeschlechtlicher Paare
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näre statusrechtliche Zuordnung des Kindes zu einem der Partner. Eine statusrechtliche Verbindung zum zweiten Partner könnten dann nach geltendem Recht nur eingetragene Lebenspartner über eine Stiefkindadoption herbeiführen. 3. Die hier vorgeschlagene originäre Zuordnung des Kindes zu beiden lesbischen Partnerinnen trägt den Interessen des Samenspenders Rechnung, weil keine verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen ihm und dem Kind hergestellt werden können. Dadurch ist er vor vermögensrechtlichen Ansprüchen des Kindes geschützt. Die Flexibilität dieser Lösung gestattete es gleichzeitig aber allen Beteiligten, auf entsprechende Erklärungen zu verzichten und so die Möglichkeit der Etablierung statusrechtlicher Bande zwischen Kind und Samenspender offen zu halten. Von der Stellung des Samenspenders unterscheidet sich diejenige der Ersatzmutter. Sie kann nicht zu einer Freigabe des Kindes zur Adoption gezwungen werden. Als Kehrseite dieser vorteilhaften Rechtsposition trägt die Ersatzmutter bei Lebenspartnern dann aber auch das Risiko, daß derjenige Partner, der die Vaterschaft nicht anerkannt hat, im Laufe des Arrangements nicht mehr dazu bereit ist, das Kind zu adoptieren. Bei nicht formalisierten Partnerschaften scheidet diese Möglichkeit bereits von vornherein aus. III. Im Hinblick auf die Legitimität des ärztlichen Handelns wirft die fortpflanzungsmedizinische Behandlung bei gleichgeschlechtlichen Paaren die Frage nach der medizinischen Indikation auf. Daneben stehen auch ethische Aspekte zur Debatte. 1. Bei gleichgeschlechtlichen Paaren fehlt es an einer medizinischen Indikation. Homosexualität ist keine Krankheit. Auch die gleichgeschlechtliche Paarverbindung kann nicht als Indikation angesehen werden, weil dadurch mittelbar das Phänomen Homosexualität repathologisiert würde. Die aus der Gleichgeschlechtlichkeit resultierende Infertilität läßt sich auch nicht überzeugend mit anderen, bei verschiedengeschlechtlichen Paaren prinzipiell anerkannten Indikationen in Zusammenhang bringen. Fortpflanzungsmedizinische Maßnahmen haben bei gleichgeschlechtlichen Paaren im Grunde genommen den Zweck, einem Partner den nicht seiner Geschlechterpräferenz entsprechenden natürlichen Geschlechtsverkehr zu ersparen. Von hier ergibt sich eine Parallele zu verschiedengeschlechtlichen Paaren, bei denen der Einsatz heterologer Befruchtungsmethoden den Geschlechtsverkehr mit dem Samenspender substituiert. Bei verschiedengeschlechtlichen Paaren wird auf dem Gebiet der Reproduktionstechnologien seit längerem von einem Paradigmenwechsel hin zu einer indikationslosen Medizin gesprochen. Das Vorliegen einer Indikation bei der Gametenspende ist umstritten und wird zum Teil sogar verneint. Angesichts dessen kann die fehlende medizinische Indikation im klassischen Sinne nicht als Argument dienen, gleichgeschlechtlichen Paaren den Zugang zu diesen Techniken zu verwehren. Auf praktischer Ebene bewirkt die fehlende Indikation eine Steigerung der ärztlichen Aufklärungspflichten. 2. Der Kinderwunsch lesbischer und schwuler Paare ist von der gleichen Ernsthaftigkeit und Wertigkeit wie bei verschiedengeschlechtlichen Paaren geprägt. Es überzeugt nicht, ihnen egoistische oder hedonistische Motive zu unterstellen. Daher kann aus arztethischer Sicht die Kinderwunschbehandlung bei gleichgeschlechtlichen Paaren als legitim angesehen werden. IV. Fortpflanzungsmedizinische Maßnahmen können unter Umständen ein kostspieliges Unterfangen sein. Die gesetzliche Krankenversicherung übernimmt
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Teil VI Wesentliche Ergebnisse
nicht die Kosten einer reproduktionsmedizinischen Behandlung zur Realisierung des Kinderwunsches gleichgeschlechtlicher Paare. In der privaten Krankenversicherung ist diese Frage maßgeblich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu beurteilen, der sich allerdings bislang weder zu nichtverheirateten verschiedengeschlechtlichen Paaren, noch zu gleichgeschlechtlichen Paaren äußern mußte. Legt man die Maßstäbe der BGH-Rechtsprechung zu Ehegatten zugrunde, ist davon auszugehen, daß keine Kosten erstattet werden, weil die Infertilität keine organisch bedingte Ursache hat, sondern auf der Gleichgeschlechtlichkeit der Partner beruht. Daher kommen auf gleichgeschlechtliche Paare unter Umständen erhebliche Kosten zu, die sie von der Inanspruchnahme fortpflanzungsmedizinischer Maßnahmen faktisch abhalten könnten. V. Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, daß sich die bestehenden Verbote auf dem Gebiet der Reproduktionsmedizin nicht legitimieren lassen und daß zahlreiche Bedenken, die gegen die gleichgeschlechtliche Elternschaft ins Feld geführt werden, als ausgeräumt gelten müssen. Es liegt am Gesetzgeber des Bundes, von seiner Kompetenz auf dem Gebiet der medizinisch unterstützten Erzeugung menschlichen Lebens Gebrauch zu machen und die rechtlichen Voraussetzungen für die Anwendung reproduktionsmedizinischer Maßnahmen umfassend zu regeln. Dabei kann er mit guten Gründen gleichgeschlechtlichen Paaren den Zugang zu Maßnahmen assistierter Reproduktion gestatten.
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